Das Grundrecht der Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassung [1 ed.] 9783428479948, 9783428079940

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Das Grundrecht der Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassung [1 ed.]
 9783428479948, 9783428079940

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JA VIER CREMADES

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassung

Schriften zum Internationalen Recht Band 65

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassung Von

Javier Cremades

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Cremades, Javier:

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassung I von Javier Cremades.- Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum Internationalen Recht ; Bd. 65) Zug!.: Regensburg, Univ., Diss., 1991/92 ISBN 3-428-07994-9 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-07994-9

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1991 I 92 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. An erster Stelle danke ich ganz herzlich meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Rainer Arnold, der diese Arbeit angeregt und intensiv betreut hat. Herrn Professor Dr. Udo Steiner danke ich sehr für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Mein herzlicher Dank gilt darüber hinaus insbesondere der Botschaft des Königreichs Spanien in der Bundesrepublik Deutschland für die finanzielle Unterstützung dieser Arbeit sowie dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme in die "Schriften zum Internationalen Recht".

Regensburg, im November 1993 Javier Cremades

Inhaltsverzeichnis Artikel 20 der spanischen Verfassung .......................................................................................... 21 Articulo 20 de Ia Constituci6n espaiiola ....................................................................................... 22 Einleitung .......................................... ....................................... ...................................... ................... 23 § 1 Die Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassungsgeschlchte ................... ......... ............. 25

I. Das Statut von Bayona .......... ........................................ ..... .......... .. .................... .............. ....... 26 II. Die Verfassung von 1812 ....................................................................................................... 27 III. Das Königliche Statut von 1834 ............................................................................................ 27 IV. Die Verfassung von 1837 ....................................................................................................... 28 V. Die Verfassung von 1845 ....................................................................................................... 29 VI. Die Verfassung von 1869 ....................................................................................................... 30 VII. Die Verfassung von 1876 ....................................................................................................... 31 VIII. Die Verfassung von 1931 ....................................................................................................... 32 IX. Die Ära Franeo ........................................................................................................................ 33 § 2 Der Art. 20 CE im verfassunggebenden Prozeß ..................................................................... 37

I.

Historischer Zusammenhang mit der Entstehung der Verfassung ...................................... 37 1.

Einleitung ......................................................................................................................... 37

2.

Entwicklung ..................................................................................................................... 38

3.

Bedeutung und Errungenschaften des politischen Wandels in Spanien ...................... 39 a)

Allgemeines zum Umwandlungsprozeß ................................................................. 39

b) Wie ergab sich die Umwandlung in Spanien? ........................................................ 39 c)

Reform oder Bruch? Der Konsens als Instrument ................................................. 40

10

Inhaltsverzeichnis aa) Die Hauptrollen: Juan Carlos I und Adolfo Suarez ........................................ 40 bb) Die öffentliche Meinung ................................................................................... 42 cc) Das Gesetz über die politische Reform ........................................................... 43 4.

Schlußbemerkungen ........................................................................................................ 43

II. Verfassungsmäßige Erklärung von Rechten oder Verweisung auf internationale Texte?

44

111. Die verschiedenen Entwicklungsstufen des Art. 20 CE innerhalb des verfassunggebenden Prozesses ................................................................................................................ 48 I.

Ausgestaltung von Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit ............................. 51

2.

Der moralische Aspekt der freien Meinungsäußerung ................................................. 52

3.

Technische Präzisierung einiger Rechte ....................................................................... 52

4.

Ausweitung der Grenzen der anerkannten Rechte ........................................................ 53

§ 3 Der Art. 20 CE Im Kontext der Verfassung: Der Titel I der spanischen Verfassung .... :. 54 I. Bedeutung .................................. ................................... ........................................................... 54

II. Redaktion und Inhalt ............................................................................................................... 56 § 4 Wesensmerkmale des Artikel 20 CE ....................................................................................... 60

I. Einleitung .......................... ....................................................................................................... 60

II. Inhalt ..... ............................... ............... ........... .......................................................................... 61 I.

Die geschützten Rechte ................................................................................................... 61

2.

Beinhaltet Art. 20 CE das Recht auf formale Anerkennung der in ihm enthaltenen Rechte durch die öffentliche Gewalt? ............................................................................ 63

III. Meinungsäußerungsfreiheit - Informationsfreiheit ................ ............................................... 65 I.

Die duale Konzeption des Art. 20 CE ............................................................................ 65

2.

Meinungsäußerungsfreiheit ............................................................................................ 68

3.

Informationsfreiheit ......................................................................................................... 70 a)

Begriff und Rechtsnatur .................................. ......... ................................................ 70

b)

Inhalt des Rechts im einzelnen ....................... .... .... ................................................. 72

c)

Die Rechtsträger ............... .................................... ...... .............................. ................ 74 aa) Der einzelne als Rechtsträger ........................................................................... 74 bb) Die Journalisten ................................................................................................. 75

d) Gegenstand des Rechts ............................................................................................ 77 4. 5.

Die vorrangige Stellung der Meinungsfreiheit .............................................................. 79 Unterschiede zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit und dem Recht auf Information .......... ........... ................................................................................................... 82

6.

Die Pressefreiheit ............................................................................................................. 83

Inhaltsverzeichnis

11

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit .................................................................. ... .................. 87

I. Einleitung ................................................................................................................................. 87 II. Verbot der Vorzensur ............................................................................................................. 89 III. Das Verbot der Beschlagnahme durch die Verwaltung ....................................................... 91 IV. Das Gegendarstellungsrecht ................................................................................................... 93 I.

Die Unterscheidung der Lehre zwischen dem Gegendarstellungsrecht und dem Recht auf Erwiderung ...................................................................................................... 93

2.

Die gegenwärtige gesetzliche Regelung des Gegendarstellungsrechts:Das Gesetz (Ley Organica) 2/1984 .................................................................................................... 95

3.

Das Gegendarstellungsrecht als Garantie der Meinungsfreiheit ................................ 100

V. Die Gewissensklausel ............................................................................................................ 103

VI.

I.

Begriff .............................................................................................................................. 103

2.

Der Streit über die Ausgestaltung der Gewissensklausel durch den Gesetzgeber ..... 106

3.

Begrenzung des Inhalts des Rechts ............................................................................... I 07

4.

Die Organisationsgewalt des Arbeitgebers im allgemeinen ......................................... 108

5.

Individuelle oder kollektive Ausübung der Gewissensklausel? ................................. 109

Das Berufsgeheimnis der Journalisten ................................................................................ II 0 1.

Begriff .............................................................................................................................. 110

2.

Rechtsnatur .......................................... ........................... ......................... ........ ................ 112

3.

Inhalt im einzelnen ......................................................................................................... 114

4.

Schranken ........................................................................................................................ 116

VII. Die Indemnität der Parlamentarier ........................................................................................ 117 § 6 Grenzen der Meinungsfreiheit' .................................................. ............................... ............ ... 121

I. Einleitung ................................................................................................................................ 121 I.

Die notwendigen Beschränkungen der Rechte ............................................................. 121

2.

Grenzen der Artike120 CE ............................................................................................. 123 a)

Einleitung ................................................................................................................. 123

b)

Die gesetzliche Ausgestaltung der Grundrechte ................................................... 123

c)

Die ausdrücklich normierten Beschränkungen ..................................................... 124

d)

Von Art. 10 Abs. 2 CE abgeleitete Grenzen .......................................................... 125

e)

Die strafrechtlichen Grenzen .................................................................................. 126

f)

Andere Grenzen ....................................................................................................... 127

II. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger .......................... ............ .......... .......... .......... 127 I.

Der Schutz des Jugendlichen und des Kindes .............................................................. 127

12

Inhaltsverzeichnis 2.

Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers .............................................................. 130 a)

Grundsätze ............................................................................................................... 130

b) Die Haltung des Verfassungsgerichtes .................................................................. 133 3.

Beschränkung der Meinungsfreiheit der Beamten ....................................................... 136 a)

Einführung .. ..... ... ... ... ... ....... .. ...... .. ....... ... ... ..... ... ............................. ... .. ..... ... ...... ... ... 13 6

b)

Der Pickering-Test .................................................................................................. 139

c) Strafrechtliche Grenzen .......................................................................................... 141 d) Beschränkung des Rechts auf freien Zugang zum öffentlichen Dienst aufgrund der Ausübung der Meinungsfreiheit ............................................................ 141 4.

Ist ein akademischer Abschluß nötig, um den Beruf eines Journalisten ausüben zu können? ............................................................................................................................ 142 a)

Relevanz der Fragestellung .................................................................................... 142

b)

Die zwei Grundkonzeptionen hinsichtlich des Abschlußerfordernisses ............. 143

c)

Die Pressewirklichkeit ............................................................................................ 144

d) Wer kann als Journalist angesehen werden? ......................................................... 145 aa) Akkreditierung als Journalist .......................................................................... 145 bb) Freiheit der Journalisten zum Zusammenschluß zu Berufsverbänden ......... 146 Ill. Grenzen aufgrunddes Gegenstandes ................................................................................... 146 1.

Das Recht auf Ehre, auf Privat- und Intimsphäre und am eigenen Bild ..................... 146 a)

Das Recht auf Ehre .................................................................................................. 148 aa) Begriff ............................................................................................................... 148 bb) Ehre versus Meinungsfreiheit ......................................................................... 149 !l) Der strafrechtliche Schutz ........................................................................ 152

ß)

Der zivilrechtliche Schutz ........................................................................ 155

b) Die persönliche und familiäre Privat- und Intimsphäre ........................................ 156 aa) Das Recht auf Privat- und Intimsphäre als selbständiges Recht ................... 156 bb) Öffentliches Leben- Privatleben .................................................................... 158 cc) Das Recht auf informationeHe Selbstbestimmung ......................................... 159 dd) Die Privat- und Intimsphäre als Grenze der Meinungsfreiheit ..................... 161 !l) Vorrang des Rechts auf Information gegenüber der Privat- und

Intimsphäre? ............................................................................................... 161 ß)

Konkrete Beschränkungen des Rechts auf Information ........................ 162

ee) Der juristische Schutz der Privat- und Intimsphäre und ähnlicher Rechte .. 164 c)

Das Recht am eigenen Bild ..................................................................................... 165

d)

Das Organgesetz 1/1982 vom 5.Mai 1982 ............................................................ 167

e)

Können juristische Personen Träger der sogenannten Persönlichkeitsrechte sein? .......................................................................................................................... 170

2.

Das Erfordernis der Wahrheit der Information ............................................................. 173

Inhaltsverzeichnis

13

a)

Die Wahrheit als Grundlage ................................................................................... 173

b)

Die begrenzte Wirkungsfähigkeit der Wahrheit .................................................... 175 aa) Das Wahrheitserfordernis als Schranke des Rechtes auf Information und nicht der Meinungsäußerungsfreiheit ............................................................. 175 bb) Der Unterschied zwischen der Verbreitung von Gedanken, Ideen und Meinungen einerseits und der von Tatsachen oder Informationen andererseits ....................................................................................................... 176 cc) Verfassungsmäßigkeit der Information ohne Wahrheitsgarantie ................. 177 a) Information ohne absolute Garantie des Wahrheitsgehalts ist nicht

falsche Information ................................................................................... 177 ß) Förderung der Wahrheit durch die Vervielfachuns der Quellen ........... 179 y)

c)

Die Auffassung des spanischen Verfassungsgerichtes .......................... 179

Die Wahrheit und die Vorrangstellung (posici6n preferente) .............................. 180

d) Die Wahrheit bei der Übermittlung von Werbung ................................................ 181 aa) Wird die Werbung von der Verfassung geschützt? ....................................... 182 bb) Wahre Werbung ............................................................................................... 186 e)

Nichtverfassungsrechtliche Garantien zum Schutz der Wahrheit bei der öffentlichen Kommunikation ................................................................................. 188 aa) Das Recht auf Gegendarstellung ...................................................................... 188 bb) Strafrechtliche Garantien ................................................................................. 189

3.

Moral und gute Sitten ..................................................................................................... 190 a)

Die Moral als Tatbestandsmerkmal der Freiheiten des Art. 20 CE ...................... 190

b)

Kann die Moral tatsächlich eine Grenze der Ausübung der Freiheiten des Art. 20 CE darstellen? .......................... .... .... ....... ..... .. .................. ................................... 191

c)

Moral und gute Sitten als Schranken der Meinungsfreiheit ................................. 192

4.

Die öffentliche Ordnung ................................................................................................ 192

5.

Das Berufsgeheimnis ...................................................................................................... 193

6.

7.

Das Amtsgeheimnis und die nationale Sicherheit ........................................................ 195 a)

Das Amtsgeheimnis ................................................................................................ 195

b)

Nationale Sicherheit ................................................................................................ 196

Informationsfreiheit und Ermittlungsgeheimnis ........................................................... 197 a)

8.

Der Verfassungsgrundsatz der Öffentlichkeit von Prozeßhandlungen ............... 197

b)

Das Ermittlungsgeheimnis ...................................................................................... 199

c)

Die sogenannte Parallelbewertung ......................................................................... 201

d)

Bewertung des Ermittlungsgeheimnisses und seiner Handhabung ..................... 202

Die Grenzen des Rechts, Medienunternehmen zu gründen ......................................... 203

14

Inhaltsverzeichnis

§ 7 Garantien des Art. 20 Abs. 3 CE rtir die öffentlich-rechtlichen Komunikations-

medien ........................................................................................................................................ 205 I. Vorgeschichte ......................................................................................................................... 205 II. Der Art. 20 Abs. 3 CE im verfassunggebenden Prozeß ...................................................... 206 III. Die Existenz der öffentlich-rechtlichen Kommunikationsmedien ..................................... 208 IV. Parlamentarische Kontrolle der Kommunikationsmedien .................................................. 210 V. Das Recht auf Sendezeit ........................................................................................................ 211 § 8 Das Recht auf literarisches, künstlerisches, wissenschaftliches und technisches

Schaffen ..................................................................................................................................... 216 I. Verfassungsrechtliche Einordnung ....................................................................................... 216 II. Dualität der Rechte ................................................................................................................. 217 I.

Das Recht auf geistiges Schaffen .................................................................................. 218

2.

Das Urheberrecht ............................................................................................................ 218 a)

Begriff ..........................................................................................................- .......... 218

b) Inhalt ........................................................................................................................ 219 aa) Verwertungsmonopol ...................................................................................... 219 bb) Kopierverbot .................................................................................................... 219 cc) Das Urheberrecht als Persönlichkeitsrecht ...................................................... 220 a) Wesensmerkmale ...................................................................................... 220

ß) Inhalt .......................................................................................................... 220 dd) Geschützte Werke ............................................................................................ 221 c)

Urheberschaft und Ausdruck der Persönlichkeit .................................................. 221 aa) Urheberschaft von gemeinschaftlichen Werken und Landkarten, Statistiken, Führer usw . ......................................................................................... 222 a) Gemeinschaftliche Werke ........................................................................ 222

ß) Landkarten, Statistiken, Führer usw. .. ............................................,........ 223 bb) Urheberschaft von abgeleiteten Werken ........................................................ 223 d)

Rechtliche Regelung des Urheberrechts ................................................................ 224 aa) Das Gesetz über das geistige Eigentum von 1987 ......................................... 224 bb) Der strafrechtliche Schutz ............................................................................... 224

§ 9 Die Bedeutung des Art. 20 Abs. 1. c)

CE für die Freiheit der Lehre ................................... 225

I. Begriffsbestimmung ............................................................................................................... 225 II. Schranken ............................................................................................................................... 229 III. Die Freiheit der Lehre an Privatschulen ............................................................................... 230

Inhaltsverzeichnis

15

§ 10 Das Recht auf freie Meinungsäußerung im Bereich des Völkerrechts -

rechtliche Bedeutung für die interne Garantie der freien Meinungsäußerung ................................................................................................................................ 233 I. Regelung ................................................................................................................................. 233 I.

In Spanien geltende internationale Erklärungen und Pakte, die die Meinungsäußerungsfreiheit regeln .................................................................................................. 234 a) b)

Allgemeines ............................................................................................................. 234 Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 ................................................................................................. 236 aa) Rechtsnatur der EMRK .................................................................................... 236 bb) Die Übernahme der EMRK in die nationale Rechtsordnung ........................ 237

2.

Die Übernahme der EMRK in Spanien ......................................................................... 238 a)

Die Stellung der EMRK im spanischen Recht ...................................................... 238

b)

Der Artikel!O Abs. 2 CE ........................................................................................ 238

c)

Der Artikel 96 Abs. I CE ........................................................................................ 240 aa) Grundbedeutung des Art. 96 Abs. I CE ......................................................... 240 bb) Der Rang der internationalen Verträge innerhalb der spanischen Rechtsordnung ............................................................................................................. 241

3.

Der Artikel I 0 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 ........................................................................................ 242 a)

Der Artikel!O Abs. I EMRK ................................................................................. 244

b) Der Artikel!O Abs. 2 EMRK ................................................................................. 245 II. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ............................. 248 1.

Die Lehre des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur Meinungsfreiheit .............................................................................................................................. 248

2.

Der Fall Handyside ......................................................................................................... 249

3.

Der Fall Sunday Times ................................................................................................... 250

4.

Der Fall Barthold ............................................................................................................ 252

5.

Der Fall Lingens ............................................................................................................. 253 a)

Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 8. 7. 1986 ..... 253 aa) Die rechtliche Bedeutung der Meinungsfreiheit ............................................ 254 bb) Der Informationsgegenstand ........................................................................... 254 cc) Die Bedeutung der Verbreitung von Tatsachen und Meinungen bei der Ausübung der Informationsfreiheit ................................................................ 256

b) Abschließende Bemerkungen ................................................................................. 256 6.

Die Bedeutung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Spanien ..................................................................................................................... 257

Inhaltsverzeichnis

16

§ 11 Ausblick und Zusammenfassung ............................................................................................ 258

I. Bewertung des Art. 20 CE ..................................................................................................... 258

1.

Positive Gesichtspunkte ................................................................................................. 258

2.

Negative Gesichtspunkte ................................................................................................ 259

3.

Die Notwendigkeit einer weiten Interpretation des Art. 20 CE ................................... 260

II. Art. 20 Abs. 1 CE als Neuerung des Verfassungsrechts ..................................................... 260 1.

Allgemeines .................................................................................................................... 260

2.

Die verfassungsrechtliche Regelung der Informationsfreiheit .................................... 261

III. Die vorrangige Stellung der Meinungsfreiheit ..................................................................... 261 Urteile des spanischen Verfassungsgerichts ................................................................................ 264 Literaturverzeichnis ......................................................................................................................... 265

Abkürzungsverzeichnis a.a.O.

am angegebenen Ort

Abs.

Absatz

ADPEP

Anuario de Derecho PUblico y Estudios Politicos

AJLH

The American Journal of Legal History

AMRK

Amerikanische Menschenrechtskonvention

AN

Audiencia Nacional

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

APECHR

Publications of the European Court of Human Rights, Series A

Art.

Artikel

Auf!.

Auflage

Bd.

Band

BGBI.

Bundesgesetzblatt

BICAM

Boletin del Ilustre Colegio de Abogados de Madrid (Revista Juridica General)

BOC

Boletin Oficial de las Cortes

BOE

Boletin Oficial del Estado

BPECHR

Publications of the European Court of Human Rights, Series B

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

bzgl.

bezüglich

bzw.

beziehungsweise

CaLR

California Law Review

cc

C6digo Civil

CCAA

Comunidades Aut6nomas

CD

Congreso de los Diputados

CE

Constituci6n espaiiola de 1978 (spanische Verfassung von 1978)

CIS

Centro de Investigaciones Socio16gicas

CJLSP

Columbia Journal of Law and Social Problems

CJM

C6digo de Justicia Militar

CLJ

The Cambridge Law Journal

CLR

Columbia Law Review

Co.

Company

CP

C6digo Penal

CYR

CUenta y Raz6n

DA

Documentadon Administrativa

2 Cremadu

18 d.h.

Abkürzungsverzeichnis das heißt

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

ERTV

Estatuto de Ja Radio y de Ia Televisi6n

ET

Estatuto de los Trabajadores

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

ff.

fortfolgende

FFJJ

Fundamentos Juridicos

FJ

Fundamento Juridico

GG

Grundgesetz

HLR

Harvard Law Review

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

JASIS

Journal of the American Society for Information Science

JöR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart

JZ

Juristenzeitung

LECr

Ley de Enjuiciamiento Criminal

LGP

Ley General de Publicidad

LO

Ley Orgänica

LODR

Ley Organica 2/1984, de 26 de marzo, reguladora del derecho de rectificaci6n

LOGPJ

Ley Organica del Poder Judicial

MLR

The .Modern Law Review

MP

Media Perspektiven

MRP

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

Nr.

Nummer

o. V.

ohne Verfasser

RAP

Revista de Administraci6n PUblica

RCD

Reglamento del Congreso de los Diputados

RCE

Radiocadena Espaiiola

RDH

Revue des Droits de I'Homme

RDP

Revista de Derecho Polftico (UNED)

REDA

Revista Espaiiola de Derecho Administrative

REDC

Revista Espaiiola de Derecho Constitucional

REDH

Revista Europea de Derechos Humanos

RFDUC

Revista de Ja Facultad de Derecho de Ia Universidad Complutense

RGD

Revista General de Derecho

RGDIP

Revue Generale de Droit International Public

RIDC

Revue internationale de droit compare

Abkürzungsverzeichnis RIFD

19

Rivista lnternazionale di Filosofia del Diritto

R.J.A.

Repertorio de Jurisprudencia Aranzadi

RJB

Revue de Ia societe des juristes bernois

RJC

Revista Jurfdica de Cataluiia

RNE

Radio Nacional de Espaiia

RS

Reglamento del Senado

RSJ

Revue suisse de jurisprudence

RIDP

Rivista trimestrale di diritto pubblico

RuF

Rundfunk und Fernsehen -Forum der Medienwissenschaft und Medienpraxis

RVAP

s.

SC

s.a.

Revista Vasca de Administraci6n PUblica Seite Supreme Court der Vereinigten Staaten Supreme Court Reporter

sog.

sogenannte (r) (s)

Sp.

Spalte

ss

Studi Senesi

SSTC

Sentencias del Tribunal Constitucional (Urteile des spanischen Verfassungs-

STC

Sentencia del Tribunal Constitucional (Urteil des spanischen Verfassungs-

StPO

Strafprozeßordnung

gerichts) gerichts) STS

Urteil des Tribunal Supremo

TC

Tribunal Constitucional (spanisches Verfassungsgericht)

TS

Tribunal Supremo

TVE

Television Espai\ola

u. a.

und andere

u. a.

unter anderem

U.I.M.P.

Universidad Internacional Menendez Pelayo

u.s.

U.S. Reports

UN

United Nations

UNESCO

United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

V.

versus

V.

vom

vgl.

vergleiche

vol.

volume

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

YLJ

The Yale Law Journal

z.B.

zum Beispiel

2*

Artikel 20 der spanischen Verfassung 1 1.

Folgende Rechte werden anerkannt und geschützt: a) b) c) d)

das Recht auffreie Außerung und Verbreitung von Gedanken und Meinungen in Wort, Schrift oder jedwedem Medium; das Recht auf literarische, künstlerische, wissenschaftliche und technische Produktion und Schöpfung; das Recht auf Freiheit der Lehre; das Recht auffreie und wahre Berichterstattung sowie deren Empfang über jedwedes Verbreitungsmedium. Das Gesetz regelt das Recht der Berufung auf Gewissensgründe und das Berufsgeheimnis bei der Ausübung dieser Freiheiten.

2.

Die Ausübung dieser Rechte darf durch keinerlei Vorzensur eingeschrttnkt werden.

3.

Das Gesetz regelt die Organisation und die parlamentarische Kontrolle der vom Staat oder irgendeiner öffentlichen Einrichtung abhttngigen sozialen Kommunikationsmedien und garantiert den bedeutenden sozialen und politischen Gruppen den Zugang zu den genannten Medien, unter Wahrung des Pluralismus der Gesellschaft und der verschiedenen Sprachen Spaniens.

4.

Diese Freiheiten haben ihre Grenze in der Achtung der in diesem Titel anerkannten Rechte, in den Vorschriften der sie regelnden Gesetze und insbesondere im Recht auf Ehre, auf Privat- und Intimsphttre, auf das eigene Bild und auf den Schutz der Jugend und der Kinder.

5.

Die Beschlagnahme von Veröffentlichungen, Tonaufnahmen und anderen lnformationstrttgern darf nur kraft richterlichen Beschlusses erfolgen. 1 Die in dieser Arbeit verwendete deutsche Fassung ausländischer Verfassungstexte folgt

weitgehend A. Kimme[ (Hrsg.), Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten, München, 1987.

Articulo 20 de Ia Constituci6n espaöola 1.

Se reconocen y protegen los derechos: a) b) c) d)

A expresar y difundir libremente los pensamientos, ideas y opiniones mediante Ia pa/abra, e/ escrito o cualquier otro medio de reproducci6n. A Ia producci6n y creaci6n literaria, art{stica, cientifica y tecnica. A Ia fiberlad de cdtedra. A comunicar o recibir libremente informaci6n veraz por cualquier medio de difusi6n. La /ey regulard el derecho a Ia c/dusula de conciencia y al secreto profesiona/ en el ejercicio de estas libertades.

2.

EI ejercicio de estos derechos no puede restringirse mediante ningun tipo de censura previa.

3.

La ley regulard la organizaci6n y el contro/ parlamentario de los

medios de comunicaci6n social dependientes del Estado o de cualquier ente publico y garantizard el acceso a dichos medios de los grupos sociales y poUticos significativos, respetando el pluralismo de Ia sociedad y de las diversas lenguas de Espana.

4.

Estas libertades tienen su Umite en el respeto a los derechos reconocidos en este Titulo, en los preceptos de las leyes que lo desarrollen y, especialmente, en el derecho a/ honor, a Ia intimidad, a Ia propia imagen y a Ia protecci6n de la juventud y de Ia infancia.

5.

Solo podrd acordarse e/ secuestro de publicaciones, grabaciones y otros medios de informaci6n en virtud de tesoluci6n judicia/.

Einleitung

Die vorliegende Arbeit untersucht das Grundrecht der Meinungsfreiheit in Spanien, wie es in Art. 20 der Verfassung von 1978 festgelegt ist. Ausgangspunkt sind die Vorläufer dieser Regelung und der in ihr enthaltenen subjektiven Rechte in der spanischen Verfassungsgeschichte. Darüber hinaus ist es für das Verständnis der spanischen Verfassung unerläßlich, den politischen Übergang von der Ära Franeo zur Demokratie in die Betrachtung mit einzubeziehen. Um den Willen des Verfassunggebers möglichst genau zu ergründen, wird dementsprechend die Entwicklung des Art. 20 im Verlaufe der Ausarbeitung und Verabschiedung der spanischen Verfassung eingehend dargestellt. Ferner setzt sich die Untersuchung mit der Frage auseinander, inwiefern die systematische Stellung des Art. 20 im Kontext des Titels I der spanischen Verfassung Rückschlüsse auf Schutzbereich und Grenzen der Meinungsfreiheit in Spanien zuläßt. Nach diesen historischen und systematischen Grundlegungen widmet sich der Hauptteil der Arbeit sodann ausführlich dem Inhalt; den Wesensmerkmalen, das Garantien und das Schranken des Art. 20 CE. Die Betrachtung bezieht auch andere grundrechtliche Freiheiten ein, die - wie das Recht auf Sendezeit, das Recht auf literarisches, künstlerisches, wissenschaftliches und technisches Schaffen sowie die Freiheit der Lehre - zwar nicht im klassischen Sinne unter die Meinungsäußerungsfreiheit und das Recht auf aktive und passive Information fallen, aber dennoch auch zum Schutzbereich des Art. 20 gehören. Schließlich wird berücksichtigt, wie über die Auslegungsklausel des Art. 10 Abs. 2 und die Rezeptionsnorm des Art. 96 die Europäische Menschenrechtskonvention und weitere völkerrechtliche Abkommen auf Garantiebereich und Grenzen der Meinungsfreiheit in der spanischen Rechtsordnung einwirken.

24

Einleitung

Im Verlauf der vorliegenden Arbeit treten die hauptsächlichen Wesensmerkmale des Grundrechtes auf Meinungsfreiheit und dessen außerordentliche Tragweite, aber auch die objektiv vorhandenen Mängel des Art. 20 deutlich hervor. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für eine abschließende Bewertung der gegenwärtigen Regelung.

§ 1 Die Meinungsfreiheit in der spanischen

Verfassungsgeschichte2

Die Meinungsfreiheit ist ein Recht, das ausdrücklich in den spanischen Verfassungen von 1837, 1845, 1869, 1876 und mit grundlegend gleichem Inhalt, wenn auch mit einem anderen Wortlaut, im Art. 34 der republikanischen Verfassung von 1931 anerkannt ist. Fernandez-Miranda y Campoamor weist darauf hin, daß die öffentliche Meinungsfreiheit, die eng mit der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit verbunden ist, in dem Maße an Bedeutung gewonnen hat, in dem die Entwicklung der verschiedenen sozialen Gruppen und des menschlichen Wesens im allgemeinen im Laufe der Geschichte vorangeschritten ist3 . Um den geschichtlichen Fortgang zu analysieren, ist es der Mühe wert, auch die früheren Verfassungen daraufbin zu betrachten, deren Tochter und Erbin die jetzige Verfassung ist. Dabei wird auch kurz auf die Ausgestaltung dieses Grundrechtes während der Franco-Zeit eingegangen, auch wenn in dieser Zeit keine einheitliche Verfassung im traditionellen Sinne existierte, sondern nur 7 einzelne Verfassungsgesetze (Leyes Fundamentales) bestanden. Beginnend mit dem sogenannten Estatuto de Bayona (des Statuts von Bayona) und abschließend mit der Herrschaft des Generals Franeo sollen im

2 Für die Erstellung des vorliegenden Abschnittes wurde hauptsächlich die von Jorge De Esteban herausgegebene Sammlung spanischer Verfassungstexte Constituciones espaiiolas y

extranjeras. l.Bd., Madrid, 2. Auf!., 1979, verwendet. 3 Alfonso Fernandez-Miranda y Campoamor, Libertad de Expresi6n y Derecho a Ia Informaci6n, in: Comentarios a las Leyes PoHticas, Bd. li, (Hrsg. 0. Alzaga), Madrid, 1984, S. 493.

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§ I Die Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassungsgeschichte

folgenden die rechtliebe Ausgestaltung der Menschenrechte und die Entwicklung des Rechtes auf Meinungsfreiheit im allgemeinen sowie der Gedanken- und Ideenfreiheit im besonderen betrachtet werden.

I. Das Statut von Bayona Das Statut von Bayönne, erlassen am 6. Juni 1808, wurde zwei Tage später von Joseph Bonaparte in Kraft gesetzt. Obwohl sich der Text zu gewissen Rechten und Freiheiten wie der persönlichen Freiheit (mit der Garantie des "Habeas Corpus"), der Unverletzlichkeit der Wohnung4 , der persönlichen SicherheitS, der Aufhebung der Privilegien des Exports und Imports betreffend die Kolonien6 , der Abschaffung der Folter7, der Wiederberstellung des Strafprozesses und auch zur Pressefreibeit8 bekennt, befindet sich in keinem der 146 Artikel des Statuts (eingeteilt in 13 Titel) eine ausdrückliche Formulierung der Meinungsfreiheit. Es ist erforderlich zu erwähnen, daß trotz der führenden geschichtlichen Rolle, die das Statut von Bayona am Anfang des spanischen Konstitutionalismus spielte, dieses selbst keine Verfassung im modernen Sinn darstellte, da es nicht von Repräsentanten der spanischen Nation ausgearbeitet worden ist9 . Vielmehr muß es als eine "bewilligte Charta" betrachtet werden, aufoktroyiert von einem ausländischen König, der nicht einmal seine Herrschaft konsolidieren konnte.

4 Titel XIII: Grundsatzregelungen; Artikel 126: Die Wohnung eines jeden Bewohners des

spanischen Staatsgebietes und der amerikanischen Kolonien ist unverletzlich. Sie darf nur am Tage und lediglich aus einem speziellen, auf Gesetz beruhenden Grund oder nach einer von der öffentlichen Verwaltung ergangenen Anweisung betreten werden. 5 Artikel 127 des Estatuto de Bayona. 6 Artikel90 des Estatuto de Bayona. 7 Artikell33 des Estatuto de Bayona. 8 Es war vorgesehen, daß eine Senatsversammlung, gegründet und organisiert aufgrund eines Gesetzes, dieses Freiheitsrecht festschreiben sollte. Diese Senatsversammlung wurde jedoch schließlich erst zwei Jahre nach lnkrafttreten der Verfassung erstmals einberufen. 9 Jordi Sole Tura I Eliseo Aja, Constituciones y periodos constituyentes en Espaiia (18081936), Madrid, 14. Aufl., 1988, S. 12.

III. Das Königliche Statut von 1834

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TI. Die Verfassung von 181210 Die in 10 Titeln zusammengefaßten 384 Artikel dieser Verfassung begründeten die spanische Verfassungsstaatlichkeit im engeren Sinn. Mit der Idee, daß die verschiedenen Staatsgewalten dem allgemeinen Willen der Nation entsprechen müssen, enthalten sie u.a. folgende Grundrechte: Freiheit und Sicherheit der Person, Unverletzlichkeit der Wohnung, Wahlrecht, Prinzip der Gleichheit, Abschaffung der Folter, Abschaffung der zwangsweisen Vermögensbeschlagnahme usw. Die Meinungsfreiheit - ungeachtet dessen, daß sie in den Artikeln nicht ausdrücklich festgeschrieben wurde - findet in der Einleitung als "Freiheit des Gedankenausdrucks" Erwähnung, was die Anerkennung der Meinungsfreiheit voraussetzt. Unter Berücksichtigung der vorhergehenden Regelung, die von den Cortes im Jahre 1810 verabschiedet worden war und die bereits die Pressefr-eiheit anerkannte, setzt die Meinungsfreiheit aufgrund der mit ihr verbundenen Offenheit des politischen Lebens, wie Torres del Moral zeigt, eine Regierungsweise voraus, die sich nicht der Vorzensur bedient, sondern die sich auf eine nachfolgende Prüfung der Straftatbestände beschränkt, die durch die Ausübung der Meinungsfreiheit verwirklicht sein könnten 11.

m. Das Königliche Statut von 1834 Ausgearbeitet wurde das Statut von der Regierung Martfnez de Ia Rosa ohne die Mitwirkung eines Ständeparlaments. Das Statut wurde in wenigen Monaten entworfen und durch Maria Cristina (der Witwe Ferdinands VII, der ihr in seinem Testament die Regierungsgewalt übertragen hatte) am 10. April

IO Die verfassunggebende Phase erstreckte sich über das gesamte Jahr 1811, die Verfassung wurde am 19.März 1812 verabschiedet. II Antonio Torres del Moral, Constitucionalismo Hist6rico Espaiiol, Madrid, 2. Auf!., 1988, S. 42.

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§ 1 Die Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassungsgeschichte

1834 sanktioniert und an den darauffolgenden Tagen, vom 15. bis 17., veröffentlicht1 2.

In diesen Text, der der absolutistischen Herrschaft in Spanien ein Ende setzt und der aus 50 in 5 Titeln geordneten Artikeln besteht (hinzu kommt eine Präambel, die durch ein königliches Edikt sanktioniert wurde), werden Rechte und Freiheiten nicht aufgenommen; stattdessen werden lediglich die Befugnisse, die Organisation und die Geschäftsordnung des Ständeparlaments festgelegt. Da das Recht auf Redefreiheit fehlt, wurde der Text von der Lehre, die ihm zuweilen sogar die Eigenschaft einer Verfassung absprach, als unvollständig qualifiziert 13 .

IV. Die Verfassung von 1837 Mit ihr konsolidiert sich endgültig ein verfassungsmäßiges Regierungssystem in Spanien. Obwohl die verfassunggebende Versammlung anfangs eine Reform der Verfassung von Cadiz aus dem Jahre 1812 forderte, war das Ergebnis eine neue Verfassung mit Einflüssen seitens der französischen Verfassung von 1830 und der belgiseben von 1831. Der Entwurf wurde von einer Kommission unter dem Vorsitz von Argüelles (ehemals Führer von Cadiz) ausgearbeitet. Dessen Sekretär und Hauptideengeber war Salustiano Olozaga14 . Die Verfassung wurde vom Parlament im Mai 1837 verabschiedet und am 17. Juli 1837 von der Königsvertreterio und Regentin im Namen der minderjährigen Königin (ihrer Tochter) angenommen.

12 Siehe Antonio Torres del Moral, Constitucionalismo Hist6rico Espaiiol, S. 57. 13 So bestätigen Sole Tura und Aja, daß es sich um eine vom Monarchen gewährte Charta von Rechten handelt, die auf der französischen Charta des Ludwigs XVIII. und auf der englischen Doktrin, die in Spanien von Jovellanos vertreten wurde, fußte. Sie bekräftigt, daß die Grundnormen einer Nation das Ergebnis ihrer Geschichte und nicht das Produkt einer verfassunggebenden Versammlung sein solle. Jordi Sole Tura I Eliseo Aja, S. 30. 14 Siehe Antonio Torres del Moral, Constitucionalismo Hist6rico Espaiiol, S. 66; Jordi Sole Tura I Eliseo Aja, S. 33.

V. Die Verfassung von 1845

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Von den 77 Artikeln des Textes (einschließlich zweier Zusatzbestimmungen), die in 13 Titel unterteilt sind, werden, wie Sanchez Agesta bemerkt, unter dem Einfluß des Positivismus und Utilitarismus 15 noch umfangreichere Rechte eingeräumt als im Text von 1812. In dieser Rechteerklärung findet sich im ersten Titel neben dem Petitionsrecht, dem Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern, der persönlichen Freiheit und Sicherheit auch ausdrücklich die Pressefreiheit16 unter zusätzlicher Einbeziehung der Garantie eines Schwurgerichts bei Pressedelikten.

V. Die Verfassung von 1845 Im wesentlichen beeinflußt von Donoso Cortes, der einer gemäßigten Richtung angehörte, wurde diese Verfassung am 23. Mai 1845 in Kraft gesetzt. Die Lehre hat sie stets als modern und wegen ihrer politischen Bedeutung als etwas Besonderes betrachtet, obwohl sie sich in ihrer Grundstruktur nicht verändert hat. Die Ausgestaltung der Rechte ist ähnlich der von 1837, auch wenn sie einen wesentlichen Unterschied enthält: Beinahe alle Artikel überließen die nähere Regelung späteren Gesetzen, die sie schließlich übermäßig einschränkten. Was das Recht auf freie Meinungsäußerung angeht, so wird es in Art. 21 7 neu geregelt. Die Pressefreiheit1 8 , die auch in der vorherigen Verfassung schon genannt worden war, wurde im nachhinein durch das Gesetz vom 6. Juli 1845 eingeschränkt, das ein Schwurgericht für Pressevergehen unter-

15 Luis Sanchez Agesta, Historia del Constitucionalismo Espaiiol, Institute de Estudios Politicos, 3. Aufl., Madrid, 1974, S. 265 ff. 16 Verfassung des Königreiches Spanien, vom 18.Juni 1837, Titel I (Die Rechte der spanischen Bürger) Artikel 2: Jeder Spanier hat das Recht, seine Meinung frei zu vertreten und zu veröffentlichen, ohne daß eine Vorzensur erfolgt. Die Feststellung, ob ein

Ve~stoß

gegen ein

Pressegesetz vorliegt, obliegt allein den Gerichten. 17 Verfassung von 1845, Artikel 2: Jeder Spanier kann seine Meinung nach Maßgabe der Gesetze frei vertreten, ohne daß eine Vorzensur erfolgt. 18 General Narvaez beabsichtigte, die Presse zu kontrollieren, indem er im April 1844 eine Verordnung erließ, wonach die Zeitungsverleger 30.000 Peseten hinterlegen mußten.

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§ I Die Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassungsgeschichte

sagt, welches bis dahin die größte real existierende Garantie der Meinungsfreiheit darstellte 19.

VI. Die Verfassung von 1869 Nach dem Entwurf der Fundamentalgesetze von Bravo Murillo20 und der nicht verkündeten Verfassung von 185621 ist der Text von 1869 als erste demokratische Verfassung in der Geschichte Spaniens22 wegen seiner Regelung des allgemeinen Wahlrechts23 und einer sehr ausführlichen Aufzählung von Rechten bedeutsam. Die Verfassung, in nur drei Monaten erarbeitet, wurde am 1. Juni 1869 angenommen und fünf Tage später durch die dazu berufene verfassunggebende Nationalversammlung im Namen der spanischen Nation verkündet. Es ist der Einfluß der amerikanischen (bei den Rechten und Freiheiten) und belgiseben Verfassung (bei den Regelungen bzgl. der Krone) festzustellen. Drei grundlegende Prinzipien erscheinen, wie Torres de Moral hervorhebt, in dieser Verfassung: die Demokratie, die Verankerung von Rechten und die parlamentarische Monarchie24. Die grundlegenden Rechte und Freiheiten, aufgeführt im 1. Titel, umfassen beinahe 1/3 aller Artikel. Sie sind sehr genau festgelegt, mit dem Ziel, ihre spätere legislative Beschränkung zu hemmen. Sie enthalten em1ge Neuerungen, wie die Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses, die Arbeitserlaubnis für Ausländer, die Vereinigungs- und Versammmlungsfreiheit usw.

!9 Jordi Sole Tura I Eliseo Aja, S. 41. 20 Vom 2. Dezember 1852, umfassend einen Verfassungsentwurf (6 Titel, unterteilt in 42 Artikel), den Gesetzesentwurf zur Senatsorganisation (13 Artikel), zur Wahl der Abgeordneten (6 Titel, unterteilt in 69 Artikel), zur Gestaltung der Kammern (9 Titel, unterteilt in 74 Artikel), zum Verhältnis der Kammern untereinander (13 Artikel), zur Sicherheit der Zensoren (II Artikel) sowie

zum Schutz des Eigenturns (2 Artikel).

21 Mit 15 Titeln, unterteilt in 92 Artikel, sowie einer Übergangsregelung. 22 Jordi Soletura I Eliseo Aja, S. 57. 23 Das allgemeine Wahlrecht für Männer wurde durch das Dekret vom 9. September 1868 festgesetzt, wobei die Wahlmündigkeit mit dem 25. Lebensjahr begann. 2 4 Antonio Torres del Moral, Constitucionalismo Hist6rico Espaiiol, S. 101.

VII. Die Verfassung von 1876

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Der Meinungsfreiheit, geregelt in Art. 1725 , wurde große Bedeutung beigemessen. Dabei ist der Hinweis notwendig, daß in Art. 31 26 die Möglichkeit der vorübergehenden Aussetzung der Garantie dieses Rechtes (wie auch von anderen Rechten) vorgesehen war.

VII. Die Verfassung von 1876 Diese Verfassung baute auf den Leitlinien der Verfassung von 1845 auf, wenngleich die Erklärung der Rechte von denjenigen in der Verfassung von 1869 geprägt war. Sie wurde am 30. Juni verkündet27 und am 2. Juli 1876 in der "Gaceta de Madrid" veröffentlicht. Was die Grundrechte angeht, so finden sich dort u.a. die Unterrichts-, Wahl- und die Vereinigungsfreiheit (später durch das Gesetz von 1887 umfassend geregelt) usw. Anzumerken ist, daß auch die wichtigsten Rechte unter besonderen Umständen durch Gesetz bzw. Regierungsbeschluß - nämlich wenn die gesetzgebenden Kammern gerade nicht tagten - außer Kraft gesetzt werden konnten. Die Pressefreiheit ist in Art. 13 der Verfassung festgelegt28 . In den späteren Ausgestaltungsgesetzen wurden der König, die Staatsgewalt und die Religion bis zum lokrafttreten des

25 Verfassung von 1869, Artikel 17: Keinem Spanier darf das Recht genommen werden, seine Ideen und Meinungen frei zu verbreiten, und dies sowohl in Wort als auch in Schrift, wobei er sich der Presse oder anderer Publikationsmöglichkeiten bedienen kann. 26 Verfassung von 1869, Artikel 31: Die in den Artikeln 2, 5 und 6 und in den Absätzen I, Il und III des Artikels 17 verankerten Garantien bleiben in der gesamten Monarchie in Kraft. Sie dürfen nur teilweise und zeitlich begrenzt eingeschränkt werden, und zwar aufgrund eines Gesetzes, wenn dies die Staatssicherheit wegen besonderer Umstände erfordert. 27 Der Entwurf wurde aufgrund eines von Canovas del Castillo entwickelten Verfahrens ausgearbeitet: Es wurde eine Versammlung von 650 ehemaligen Parlamentariern einberufen, die den Grundideen einer künftigen Verfassung zugestimmt hatten. Diese bestellte eine Kommission von 39 Personen (Honoratiorenkommission), die den von der Regierung übernommenen Verfassungsentwurf ausarbeitete. Später reduzierte diese Kommission ihre Mitgliederzahl auf 9 Personen. 28 Verfassung von 1876, Art. 13 : Jeder Spanier hat das Recht, in Wort und Schrift seine Vorstellungen und Gedanken zu verbreiten und dabei auf den Buchdruck oder ähnliche Verfahren zurückzugreifen, ohne einer vorherigen Zensur unterworfen zu sein (...)

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§ I Die Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassungsgeschichte

Gesetzes über die Pressepolizei29, das die Liberalen unter Sagasta einbrachten, von jeglicher Kritik ausgenommen. Unter anderem hat dieses Gesetz das Recht zur Gegendarstellung anerkannt. Diesbezüglich wurde die Zuständigkeit der Gerichte zum Schutz gegen mögliche Überschreitungen eingerichtet30. Ebenso wurde 1895 und 1906 versucht, das Heer vor Kritik durch die Presse zu schützen31 .

Vill. Die Verfassung von 1931 Nachdem die Republik Spanien nach den Wahlen vom 28. Juni 1931 proklamiert worden war, hielt die verfassunggebende Nationalversammlung am 14. Juli (dem Jahrestag des Sturmes auf die Bastille, dem Beginn der Französischen Revolution) ihre Investitursitzung ab. Am 5. Dezember 1931 verabschiedete der Präsident der Republik mit einem Abstimmungsergebnis von 368 Ja-Stimmen und keiner Gegenstimme die Verfassung mit 125 Artikeln und zwei Übergangsbestimmungen, die in neun Titel und eine Einleitung gegliedert war32. Unter den ausländischen Verfassungen, von denen besondere Einflüsse ausgingen 33 • müssen die mexikanische Verfassung von 1917 und die deutsche Weimarer Verfassung von 1919 hervorgehoben werden. Aus ihnen übernahm man, wie T. R. Femandez34 belegt. die sogenannten wirtschaftlichen und

29 Polizei- und Pressegesetz vom 26.Juli 1883, allgemein bekannt unter der Bezeichnung Ley Gullon, in der Gazeta vom 30.Juli 1883 3 Fernando Cendan Pazos, Historiadel Derecho espaiiol de prensa e imprenta (1502-1966),

°

Madrid, 1974, S. 151; Enrique Gomez-Reino Camota, Aproximaci6n hist6rica al Derecho de Ia lmprenta y de Ia Prensa en Espaiia (1840-1966), Madrid, 1977, S. 171.Siehe Antonio Torres del Moral, Constitucionalismo Hist6rico Espaiiol, S. 144. 31 Siehe Antonio Torres del Moral, Constitucionalismo Hist6rico Espaiiol, S. 144. 32 Das Verfahren der Ausarbeitung der Verfassung und ihr Charakter wurden von Adolfo POSADA (in: La nouvelle Constitution espagnole, Paris, 1932, S. 94 ff.) untersucht. 33 Siehe R. Sainz De Varanda, Colecci6n de Leyes Fundamentales, Zaragoza, 1957, S. 652; B. Mirkine-Guetzevitch, La nouvelle Constitution espagnole, in: Revue Politique et Parlamentaire, Januar 1932, S. 127-142. 34 Tomas Rarnon Femandez, Losderechos fundamentales y Ia acci6n de los poderes publicos, in: RDP, UNED, Nr.l5, Madrid, Herbst 1982, S. 22.

IX. Die Ära Franeo

33

sozialen Grundrechte sowie andere Rechte, wie das der politischen und gewerkschaftlichen Vereinigungsfreiheit (auch die der Beamten), das der freien Wahl des Wohnorts, das allgemeine Wahlrecht ab 23 Jahren usw. Hinzu kam ein System von Garantien, welches unter mexikanischem Einfluß durch die Einführung des recurso de amparo zum Verfassungsgericht gekrönt war. Zu diesen Rechten gehörte das in Art. 34 geregelte Recht auf freie Meinungsäußerung35, das allerdings - zusammen mit weiteren Rechten - im gesamten Staatsgebiet oder auch nur in einem Teil desselben in dringenden Notfällen durch eine Regierungsverordnung - für nicht mehr als 30 Tage völlig oder auch nur teilweise ausgesetzt werden konnte36 .

IX. Die Ära Franeo Im juristischen Sinne kann man das Regime General Francos nicht als eine konstitutionelle Ära bezeichnen; da aber diese Phase historisch der heutigen Epoche vorangeht, soll kurz dargestellt werden, wie die Pressefreiheit in dieser Zeit geregelt wurde37. 1938 wurde ein Pressegesetz38 erlassen, das auf die damalige Bürgerkriegssituation abgestimmt war. Das Recht des Bürgers auf wahrheitsgemäße Information wurde hierin nicht aufgenommen. Es wurden alle Presseorgane politisch durch den Staat kontrolliert39 . Entsprechend wurde in Artikel 1 des

35 Verfassung von 1931. Artikel 34: Jeder Mensch hat das Recht, seine Meinung frei zu verbreiten und sich hierbei jeglicher Publikationsmöglichkeit zu bedienen, ohne daß eine Vorzensur stattfindet. Die Veröffentlichung von Büchern und Zeitungen darf nur aufgrund der Anweisung des zuständigen Richters erfolgen. Das Verbot einer Zeitung darf nur durch Urteil erfolgen. 36 Artikel42 der Verfassung von 1931. 37 Einige Verfasser bejahen den Verfassungscharakter der franquistischen Grundgesetze (Leyes Fundamentales) und begründen dies mit deren Zielsetzung, Form und Inhalt. 38 Gesetz vom 22. Juli 1938. 39 Siehe Manuel Femandez Areal, EI desconocimiento del derecho a Ia infonnaci6n en via administrativa, in: Informaci6n y Derecho de Ia Informaci6n, Madrid, 1987, S. 267-298. 3 Cremades

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§ I Die Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassungsgeschichte

Pressegesetzes festgehalten, daß dem Staat die Organisation, Überwachung und Kontrolle der nationalen Presse obliege40. Das staatliche Organisationssystem basierte auf sieben Grundregelungen41 . In dem "Fuero de los Espaiioles" wurde in Artikel 12 geregelt, daß jeder Spanier seine Ideen frei ausdrücken dürfe, solange hierdurch nicht die Grundprinzipien des Staates angegriffen würden. Erst 1966 wurde ein neues Presserecht42 verabschiedet; es hatte im Vergleich zu seinerVorgängerregelung43 schon liberaleren Charakter44 . Dies entsprach der politischen Entwicklung des Regimes. Es wurde jedoch nicht der Standard eines freiheitlich-liberalen Staates erreicht. Diese Liberalisierung beruhte, wie Carrillo ausführt, hauptsächlich darauf, daß den Presseleuten juristische Eckpfeiler genannt wurden, die sie wissen ließen, wo ihre Grenzen im Verhältnis zum Staat verliefen45 . Diese Normen zeigen neben einigen autoritären Elementen (wie Vorzensur, der Möglichkeit, die Einschränkungen der Meinungsfreiheit weiter

40 Siehe Manuel Femandez Areal, La protecci6n de Ia verdad en Ia libre comunicaci6n de mensajes informatives, en Poder Judicial, Nr. especial XIII, 1990, S. 216. 4 1 Die Grundgesetze waren: Ley de Principios del Movimiento Nacional vom 17. Mai 1958; Fuero de los Espaiioles vom 17. Juli 1945; Fuero del Trabajo vom 9. März 1938; Ley Organica del Estado vom 10. Januar 1967 (welches die Gesetze Fuero de los Espaiioles, el Fuero del Trabajo. Ley Constitutiva de Cortes und Ley de Sucesi6n en Ia Jefatura del Estado modifizierte); Ley Constitutiva de las Cortes vom 17. Juli 1942; Ley de Sucesi6n en Ia Jefatura del Estado vom 26. Juli 1947 und Ley de Referendum vom 22. Oktober 1945. Siehe: Luis Sanchez Agesta (Hrsg.). Los documentos constitucionales y supranacionales con inclusi6n de las leyes fundamentales de Espaiia, Madrid, 1972, S. 199-256. 42 Ley de Prensa e Imprenta vom 18. März 1966, gemeinhin bekannt als Ley Fraga. Vgl. : Manuel Femandez Areal, Libertad de prensa en Espaiia (1938-1971), Madrid, 1971 ; J. M.

Gonzalez Paramo, Politica de Prensa. Dialectica de Ia empresa periodistica, Barcelona, 1972. 43 Antonio Torres del Moral, Constitucionalismo Hist6rico Espafiol, S. 222; Mare Carrillo, Los limites a Ia libertad de prensa en Ia Constituci6n espaiiola de 1978, Barcelona, 1987, S. 140. 44 Manuel Femandez Areal, La protecci6n de ..., S. 217. 45 Mare Carrillo, Los limites a ..., S. 140.

IX. Die Ära Franeo

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auszudehnen) 46 glücklicherweise auch einige fortschrittliche Regelungen wie die Einführung der klassischen Differenzierung zwischen dem Recht zur Berichtigung und dem Recht auf Gegendarstellung, die aus dem französischen Recht übernommen wurde. Der Text des Artikels 2 der "Ley Fraga" wurde später fast wortgleich in das Strafgesetzbuch aufgenommen47 , wobei mit Rücksicht auf die Meinungsfreiheit eine restriktive Ausgestaltung gewählt wurde. In diesem Gesetz wird das Recht eingeräumt, frei Zeitungsverlage zu gründen. Dieses Recht wurde jedoch folgendermaßen beschränkt: (a)

Die Zeitungsverlage dürfen sich nicht nebenher einer anderen Aufgabe, als der zu informieren, widmen.

(b)

Wenn der Verlag die Rechtsform einer Aktiengesellschaft wählt, dürfen nur Namensaktien herausgegeben werden, eine Übertragung auf einen Ausländer darf nicht erfolgen.

(c)

Wenn der Verlag verschiedene Publikationen herausgibt, erstreckt sich die Haftung für jede einzelne auf das gesamte Unternehmen (Art. 22).

(d)

Der Gesellschafter, der einen Anteil von über 20% innehat, ist kraft Gesetzes Mitglied des Vorstandes.

(e)

Jedes Medienunternehmen muß einen jährlichen Rechenschaftsbericht über ihre Finanzsituation herausgeben. Hierbei müssen die Namen der Vorstandsmitglieder und der Personen, die eine Beteiligung von mehr als 10% innehaben, genannt werden. 46 Artikel 2 des spanischen Pressegesetzes von 1966 lautet: Die Meinungsfreiheit und das

Recht, Informationen frei zu verbreiten, die in Artikel 1 anerkannt sind, können nur durch Gesetz beschränkt werden. Die Grenzen dieser Rechte sind: Die Bindung an die Wahrheit und die Moral, die Achtung des Gesetzes über die Prinzipien der nationalen Bewegung und der übrigen fundamentalen Gesetze, die Erfordernisse der nationalen Verteidigung, der inneren Sicherheit und des Friedens nach außen, der angemessene Respekt vor den Institutionen und Personen bei Kritik an der Politik und am Handeln der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte und die Wahrung der persönlichen und familiären Privat- und Intimsphäre und Ehre. 4? Siehe Manuel FemandezAreal, La protecci6n de ... , S. 215.

36

§ l Die Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassungsgeschichte

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Wenn im Jahresabschluß ein Verlust ausgewiesen wird, hat das Ministerium für Information und Tourismus den Anspruch, darüber informiert zu werden, welche Ursachen das Defizit hat. Es hat zudem das Recht, die Buchführung zu kontrollieren.

(g)

Vor Geschäftsaufnahme muß der Verlag sich in ein Register beim Ministerium für Information und Tourismus eintragen lassen.

(h)

Die Direktoren der verschiedenen Publikationsmedien werden von der Regierung eingesetzt. Sie sind aufgrund ihres Arbeitsvertrages gemeinsam mit dem Verleger für die Veröffentlichungen verantwortlich. Dieser Vertrag muß entsprechend dem vom Ministerium für Information und Tourismus entworfenen Mustervertrag gestaltet sein. Der Vertragstypus ist der eines zivilrechtliehen Dienstverhältnisses (Artikel 40).

Nach diesem kurzen Überblick kann festgestellt werden, daß sich auch nach 1966, einem Jahr, das man als bedeutsam für die Liberalisierung ansieht, das Recht auf freie Meinungsäußerung zwischen den Koordinaten fehlender politischer Freiheit bewegte. Seine Regelung war während des Frauco-Regimes nie auf dem Standard, welchen dieses Recht aufgrund seines Wesens erfordert.

§ 2 Der Art. 20 CE im verfassunggebenden Prozeß I. Historischer Zusammenhang mit der Entstehung der Verfassung 1. Einleitung

Wie Paniagua feststellt, ist die spanische Verfassung eine folgerichtige Antwort auf eine Summe von Faktoren. Einige dieser Faktoren resultieren bereits aus den Anfängen des historischen Konstitutionalismus in Spanien. Andere, eher unmittelbare Ursachen, die aber dennoch in Verbindung mit den ersteren stehen, findet man in dem Zeitraum unmittelbar vor dem politischen Umbruch48 . Hierbei ist von Bedeutung, daß der grundlegende Titel I der spanischen Verfassung durch äußere Faktoren und durch den Kontext mit der gesamten Verfassung geprägt wird. So sind insbesondere die politischen Umstände während der Ausarbeitung der Verfassung und der politische Wandel des spanischen Staates hierbei wichtig. Es liegt auf der Hand, daß zu diesem sozialen, politischen und historischen Prozeß der Veränderung, je nach der dogmatischen und ideologischen Position des Verfassers, unterschiedliche Ansichten vertreten werden, so daß dies zu verschiedenen Auslegungen der in der Verfassung normierten Rechte führt49 •

48 Juan Luis Paniagua, La Constituci6n Espaiiola, Barcelona, 1985, S. 7. 49 Siehe A. E. Perez Luiio, Derechos Humanos, Estado de Derecho y Constituci6n, Madrid,

1984, s. 70-71.

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§ 2 Der Art. 20 CE im verfassunggebenden Prozeß

2. Entwicklung

Zu Beginn der Siebziger Jahre war aufgrund des Gesundheitszustandes des damaligen Staatschefs Francisco Franeo bereits abzusehen, daß die verschiedenen politischen und sozialen Gruppen, die eine demokratische Regierung forderten, sich bald vor einer schwierigen Entscheidung befinden würden. De Esteban und Lopez Guerra drücken dies zutreffend aus: Sollte die Umwandlung zur Demokratie durch einen rechtlichen und politischen Bruch mit der Vergangenheit erfolgen oder aber durch eine Folge von fortschrittlichen Reformen ?50 . Mit der Unterstützung von König Juan Carlos I schloß Adolfo Suarez die letzte Etappe des franquistischen Staates ab und schuf die Öffnung für einen politischen Wandel51 . Es beginnt eine politische Reform, die von Morodo als eine auf Pakten beruhende Reform bezeichnet wird52, die - ohne formal die franquistischen Gesetzte zu verändern - dazu führt, daß freie Wahlen ausgerufen und eine demokratische Regierungsform entwickelt wird. Nach den Wahlen vom 15. Juni 1977 - ein Großteil der spanischen Lehre bezeichnet dieses Datum als das Ende der ersten Phase des Umwandlungsprozesses, die ohne Zweifel mit dem Tod des damaligen Staatschefs Francisco Franeo begonnen hatte53 - setzten die gegnerischen politischen Gruppen sich in maßvoller Form mit dem Projekt des Aufbaus eines sozialen und demokratischen Rechtsstaates auseinander, dessen höchste Werte Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und politischer Pluralismus sein sollten 54 . 50 Jorge De Esteban (Hrsg.) I u.a., EI proceso electoral, Barcelona, 1977, S. 349. 51 Vgl. Karl-Peter Sommermann, Der Schutz der Grundrechte in Spanien nach der Verfassung von 1978, Berlin, 1984, S. 68 ff. 52 Rau! Morodo, La transici6n politica, Madrid, 1985, S. 98 und 101. 5 3 Siehe Jose Enrique Rodriguez lbanez, Despues de una dictadura: cultura autoritaria y transici6n politica en Espaiia, Centro de Estudios Constitucionales, Madrid, 1987, S. 44. Dieser Autor entwirft ein Schema zu den einzelnen Phasen der politischen Umwandlung Spaniens, S.4748, wobei er die Vollendung der Verfassung in keiner der von ihm beschriebenen Phasen als entscheidenden Zeitpunkt berücksichtigt. 5 4 Artikel I Abs. 1 der spanischen Verfassung.

I. Historischer Zusammenhang mit der Entstehung der Verfassung

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Wenn man die Wünsche und Interessen aller Beteiligten, der Reformisten, der Befürworter einer radikalen politischen Umgestaltung und derjenigen, die für eine Bewahrung der vorherigen Verhältnisse waren, in Betracht zieht, können wir feststellen, daß der politische Wandel durch den Wunsch beeinflußt war, nicht zur gewaltträchtigen Vergangenheit zurückzukehren, sondern einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der den spanischen Staat in die Gemeinschaft der westlichen Demokratien marktwirtschaftlicher Prägung einreihen sollte.

3. Bedeutung und Errungenschaften des politischen Wandels in Spanien

a) Allgemeines zum Umwandlungsprozeß Santamaria folgend kann man den Wandel als jenen Prozeß bezeichnen, durch den eine vorher bestehende Regierungsform durch eine andere ersetzt wird55 . Diesem Phänomen muß eine sofortige Konsolidierung folgen, die von Santamafia als der eigentliche Wandlungsvorgang definiert wird, der nicht nur den Austausch von Regierungen, sondern die Entwicklung und Etablierung einer neuen Regierung zum Ziel hat56 . So gesehen sind Umwandlung und Konsolidierung eng miteinander verbunden.

b) Wie ergab sich die Umwandlung in Spanien? Wenn wir uns dem politischen Wandel (1975- 1978) in Spanien zuwenden, müssen wir uns zunächst fragen, wie es zu diesem Prozeß kam. Alles deutet darauf hin, daß nicht nur die damals aktuellen Gegebenheiten allein den Anstoß hierzu gaben. Es ist von grundlegender Bedeutung, den Druck, den die historischen Faktoren ausübten, zu berücksichtigen. Hierbei fällt die Haltung

55 Julian Santamaria Pastor, Transieion a la democracia en el sur de Europa y en America Latina, CIS. Madrid, 1982, S. 372. 56 Ebenda.

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§ 2 Der Art. 20 CE im verfassunggebenden Prozeß

eines Teils der spanischen Arbeiterbewegung während der Anfangsphase der Umwandlung ins Gewicht57 .

c) Reform oder Bruch? Der Konsens als Instrument Einige Ursachen ergaben sich schon aus der sozialen Situation, so z.B. das Verschwinden einiger alter Typen politischer Parteien, etwa der radikalen kleinbürgerlichen Parteien, oder von Bewegungen wie des Anarchismus58 . Wir können drei Faktoren nennen, die das politische Handeln während der Phase der Umwandlung prägten: den Konflikt zwischen radikalem und reformistischem Umgestaltungswillen, die politischen Pakte und den Konsens59 . Schon in der Nationalen Bewegung (Movimiento Nacional) existierte innerhalb der Grenzen, die das franquistische Regime steckte, ein gewisser Pluralismus.

aa) Die Hauptrollen: Juan Carlos I und Adolfo Suarez

In dem pseudo-verfassungsmäßigen System unter Franeo hatte lediglich die Monarchie die Möglichkeit, den Prozeß einer Selbstumwandlung einzuleiten60.

57 Zu entnehmen der Veröffentlichung des Colectivo de Estudios por Ia Autonomia Obrera, Luchas Aut6nomas en Ia Transieion Democratica, 1. Bd. (Ruptura contra reforma), Bilbao, 1977, S. 21-246. 58 Sie waren das Ergebnis konkreter historisch-sozialer Bedingungen: nachdem diese beseitigt waren, blieben sie ohne Existenzgrundlage. 59 Vgl. Pablo Lucas Murillo De La Cueva, EI proceso constituyente y Ia Constituci6n de 1978, in: Estudios Juridicos en Conmemoraci6n del X Aniversario de Ia Facultad de Derecho, C6rdoba, 1991, Bd. I, S. 469 ff. 60 Siehe Vicente Palacio Atard, Juan Carlos I y el advenimiento de Ia Democracia, Madrid,

1989, s. 29.

I. Historischer Zusammenhang mit der Entstehung der Verfassung

41

Besondere Bedeutung im Hinblick auf die Oppositionskräfte hatte die Entscheidung des Königs, Suarez zum Präsidenten der spanischen Regierung zu machen61 . Dieser hatte keine herausragende politische Biographie, er gehörte, wie auch der König, zur Nachkriegsgeneration. Die Tatsache, daß zu Beginn der Utp.wandlung Adolfo Suarez die Position eines Teils der vorherigen Regierung vertrat, war ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Operation: Es wurde ein mehrheitsfähiger Kamprarniß zwischen Reform und radikalem Umbruch gefunden. Durch vertrauenserweckende Arbeit wurde von Anfang an frontaler Ablehnung entgegengewirkt62. Das Reformangebot war von Adolfo Suarez selbst ausgearbeitet worden. Um sein politisches Ziel zu erreichen, mußte er mit Vorsicht und Einfühlungsvermögen vorgehen, mit der Rechten und mit der Linken zusammenarbeiten, sich mit den gegensätzlichen Positionen auseinandersetzen und schließlich integrierend auf zahlreiche soziale und politische Gruppen einwirken63. Die Spannung zwischen dem Reformangebot der Regierung einerseits und der öffentlichen Meinung andererseits zwangen die Opposition, radikale Forderungen aufzugeben und sich auf Verhandlungen einzulassen sowie sich für einen Weg zu entscheiden, der schon vorher von einigen als der einzig mögliche angesehen wurde: die Reform durch politische Pakte64 .

61 Vgl. zur Schiedsrichterfunktion des Königs in Spanien, Javier Cremades , La funci6n arbitra1 de Ia Monarquia, in: Annals of the Archive of F. V. i Taberner's Library: Studies in the History of Political Thought, Political and Moral Philosophy, Business and Medcial Ethics, Public Health and Juridical Literature, Bd. 1l/12, 1991, S. 741 ff. 62 Siehe Raul Morodo, S. 107-108. 63 Siehe Rau! Morodo, S. 115-116. 64 Ich bin für eine Reform im Rahmen der Legalität, schrieb 1972 Luis Garcia San Miguel, Estructura y cambio del regimen franquista, in: Garcia San Miguel, Teoria de Ia transici6n: un analisis del modelo espaiiol, 1973-1978, Madrid, 1981, S. 21 -53. Ferner: Es ist nur vorstellbar, daß die Demokratie sich aus dem System selbst entwickelt und nicht durch einen gewaltsamen Bruch

mit diesem. Zu dieser Zeit waren es nur wenige, die seitens der Opposition diesen Reformweg befürworteten. Garcia San Miguel mußte zehn Jahre später anerkennen, daß er mit seinem Votum für die Reform alleine stand. Die Opposition war für einen Bruch, zumindest bis zur Durchsetzung des Gesetzes zur politischen Reform. So äussert sich Celestino Dei Arena/, , de Luis Garcia San Miguel (recensi6n), SISTEMA Nr. 43-44, Madrid, 1981, S. 269.

§ 2 Der Art. 20 CE im verfassunggebenden Prozeß

42

Damals ergab sich mit Deutlichkeit ein Problem: Nachdem sich der Reformwille allgemein durchgesetzt hatte, stellte sich die Frage, ob die Veränderung evolutionär mit den bisher zur Verfügung stehenden Mitteln erreichbar sei65 . Es mußte schließlich eine neue Basis für die Beteiligung des Volkes am Reformprozeß geschaffen werden: das Gesetz über die politische Reform. Die vom König in Zusammenarbeit mit den Oppositionskräften, die sich schon in der Franco-Zeit heimlich organisiert hatten, neu eingesetzte Regierung machte dies möglich. Es war der einzige Weg, der zu einer demokratischen Regierung führen konnte, obgleich zwischen beiden Seiten eine Beziehung von ungleichem Gleichgewicht bestand. So gesehen ist der Konsens ein politisches und soziales Ergebnis, das sich zwingend aus einer politischen Gesellschaft wie der spanischen ergeben mußte. Sie war nicht lediglich eine auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Lösung, sondern ergab sich zwangsläufig aus den Umständen66.

bb) Die öffentliche Meinung Bezüglich der öffentlichen Meinung, die bei dem Prozeß der Umwandlung von größter Bedeutung war, erscheint es wichtig festzustellen, daß anfangs zwischen ihr und dem Standpunkt der Opposition starke Differenzen bestanden. Die Meinung der Mehrheit ging - anders als es teilweise die organisierten Oppositionskräfte verlangten - dahin, daß der politische Wandel sich schrittweise vollziehen sollte. Diese gegensätzliche Einstellung wurde anband des spärlichen Erfolges offensichtlich, den der Boykottaufruf anläßlich des Referendums über das Gesetz über die politische Reform hatte67 .

65 Vgl. Raul Morodo, S. 118. 66 Vgl. Pablo Lucas Murillo De La Cueva, S. 481-482 ff. 67 Vgl. A. Torres del Moral, Principios de Derecho Constitucional Espaiiol, Bd. I, 2. Auf!., Madrid, 1988, S. 9.

I. Historischer Zusammenhang mit der Entstehung der Verfassung

43

cc) Das Gesetz über die politische Reform68

Dieser aus nur fünf Artikeln bestehende Gesetzestext hatte keinen materiell-rechtlichen, sondern nur verfahrensrechtlichen Charakter69 . Das Ziel dieser Norm war, wie Morodo ausführt, die Ausrufung von freien Wahlen70 . Das Gesetz über die politische Reform wurde am 18. November 1976 durch die Cortes mit einem Abstimmungsergebnis von 425 Ja-Stimmen, 54 Gegenstimmen und 13 Enthaltungen71 verabschiedet.

4. Schlußbemerkungen

Der Kontext, in dem die heutige Version der spanischen Verfassung insgesamt geschaffen wurde, machte sich insbesondere bei der Abfassung der Präambel sowie der Einleitung der Titel I und II bemerkbar, worauf mit besonderer Deutlichkeit Sanchez Gonzalez hinweist72; nicht zu vergessen sind jedoch auch andere dogmatisch bedeutsame Artike173 , von denen die gleiche Feststellung getroffen werden kann. Die Tatsache, daß in der Übergangsphase bei Schaffung der spanischen Verfassung so verschiedene ideologische Kräfte am Werke waren, spiegelt sich auch in der geringen Homogenität des Grundrechtskatalogs wider. Sehr deutlich zeigt sich dies bei Art. 20 der spanischen Verfassung, der im folgenden analysiert wird.

68 Der Text dieses Gesetzes und der übrigen Gesetze zur politischen Umwandlung der Jahre 1975 bis 1978 findet sich in dem Werk von Mariano Baena del Alcazar, Normas polfticas y administrativas de Ia transici6n (1975/1978), Madrid, 1982. 69 Jorge De Esteban (Hrsg.) I u.a., EI proceso electoral, S. 356. 70 Raul Morodo, S. 122. 71 Siehe Vicente PaliJCio Atard, S. 117. Die Zahlen, die Raul Morodo (S. 127), aufführt, differieren bzgl. der Neinstimmen (59) und den Enthaltungen (34). 72 Santiaga Sanchez Gonzalez, Comentario Introductorio al Tftulo I, in: Comentarios a las Leyes Polfticas (Hrsg. 0. Alzaga), 2. Bd., Madrid, 1984, S. 20. 73 Z.B. Artikell68 der spanischen Verfassung bzgl. der Verfassungsreform (Titel X).

44

§ 2 Der Art. 20 CE im verfassunggebenden Prozeß

D. Verfassungsmäßige Erklärung von Rechten oder Verweisung auf internationale Texte? Perez Lufio74 führt aus, daß der Kampf um die Anerkennung der Würde der Person als eine Konstante in der Entwicklung der Rechtsphilosophie und der humanistischen Politik angesehen werden kann. Auch heute noch drückt die in der aktuellen Lehre herrschende Tendenz, die aus der Menschenwürde resultierenden Rechte in Form positiver Regelungen festhalten zu wollen, das Verlangen aus, der Würde des Menschen umfassenden Schutz zu gewähren. Und wie zu unserer Zeit die gegenwärtige spanische Verfassung gehört, so äußert sich auch bei ihr diese Tendenz zur Positivierung der Menschenrechte. Unabhängig von der schließlich gefundenen Lösung gab es bei der juristischen Auseinandersetzung während der Entstehungsphase der Verfassung starke Meinungsverschiedenheiten zwischen der Lehre und dem Verfassunggeber. Wie Torres del Moral zeigt, wurde sowohl in der Lehre als auch in der Öffentlichkeit über die Vor- und Nachteile einer Regelung diskutiert, die die einzelnen Rechte positiv normiert und in der Verfassung selbst aufführt, bzw. darüber, ob im Gegensatz dazu der bloßen Aufnahme einer Verweisung auf internationale Konventionen der Vorzug zu geben sei75 . Das Endresultat war die Einfügung einer Reihe von konkreten Rechten in den Verfassungstext (entsprechend den Vorstellungen der Parteien "Alianza Popular" und "Partido Socialista Obrero Espafiola"). Zudem wurde jedoch, wie es die später regierende "Uni6n de Centro Democratico" gefordert hatte, eine Verweisung auf internationale Texte76 aufgenommen. Um den Unterschied zwischen beiden Positionen zu verdeutlichen, soll der Hinweis darauf genügen, daß die Union de Centro Democrdtico (damals war die UCD mit einfacher Mehrheit in beiden gesetzgebenden Kammern

74 Antonio E. Perez Luno, Derechos Humanos, Estado de Derecho y Constituci6n, Madrid, 1984, s. 53. 75 Antonio Torres del Moral,, Principios de Derecho... , Bd. I, S. 210. 76 So geregelt in Artikel 10 Abs. 2 der spanischen Verfassung: Die Grundrechte und Freiheiten, die die Verfassung anerkennt, sind anhand der Menschenrechtskonvention und der internationalen Abkommen über diese Materie, die vom Königreich Spanien ratifiziert worden sind, auszulegen.

II. Rechteerklärung oder Verweisung?

45

vertreten und übte die Exekutivgewalt aus) danach strebte, statt einer Auflistung der Grundrechte in der Verfassung auf die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 sowie auf die Europäische Sozialcharta zu verweisen77 . Die verwirklichte Kompromißlösung erlaubt es, mit Sanchez Gonzalez78 festzustellen, daß das verfassungsrechtliche System dadurch, daß die fortschrittlichsten Strömungen des Konstitutionalismus übernommen wurden, den Menschen- und Freiheitsrechten eine besondere Bedeutung verschafft hat. Mit Suarez Pertierra79 kann man allgemein sagen, daß die in der Verfassung positiv verankerten Rechte wichtige Aufgaben erfüllt haben und auch heute noch die Rechtsentwicklung beeinflussen. Solche Positivierungen erscheinen in den großen liberalen Rechtserklärungen des 18.Jahrhunderts80, wie zum Beispiel in der "Virginia Bill of Rights" von 177681 oder in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 178982, die am 26. August von der französischen Nationalversammlung verabschiedet und die zur Einleitung der ersten Revolutionsverfas~ung von

77 Siehe Antonio Torres del Moral, , Principios de Derecho... , Bd. I, S. 210. 7 8 Santiago Sanchez Gonzalez, S. 32. 79 Gustavo Suarez Pertierra, Comentario Introductorio al Capftulo II, in: Comentarios a las Ieyes poHticas. 2.Bd. (Hrsg. 0 . Alzaga), Madrid, 1984, S. 266 ff. 80 Es gibt zudem vereinzelte historische Vorläufer, vgl. die Texte vor dem 18. Jahrhundert, gesammelt von Gregorio Peces-Barba und L. Hierro in: Textos basicos sobre derechos humanos, Madrid, 1973. 81 Hier wird z.B. festgehalten, daß alle Menschen kraft Natur verschiedene "inherent rights" (immanente Rechte) besitzen, die in einer Gesellschaft, "in a state of society", von keiner Instanz genommen werden können. Zudem wird hier die Pressefreiheit zum erstenmal in der Geschichte ausdrücklich anerkannt. So erklärt Artikel 12: Die Pressefreiheit ist eine der Grundfesten der Freiheit und wird nie wieder eingeschränkt, es sei denn von einer despotischen Regierung. Siehe Modesto Saavedra Lopez, La libertad de expresi6n en el Estado de Derecho, Barcelona, 1987, S. 22.

82 In ihrem Artikel 2 wird erklärt. daß jede politische Gruppe das Ziel verfolgen müsse, die

natürlichen Rechte der Menschen zu wahren. Zur Meinungsfreiheit stellt Artikel 11 fest: Der freie Gedanken- und Meinungsaustausch ist einer der wertvollsten Schätze des Menschen. Jeder Bürger kann soweit frei sprechen, schreiben und drucken, als er nicht wegen Mißbrauchs dieses Rechtes in durch Gesetz festgelegten. bestimmten Fällen verantwortlich ist.

46

§ 2 Der Art. 20 CE im verfassunggebenden Prozeß

1791 verwendet wurde. Es handelt sich dabei um Erklärungen, die die Menschenrechte vom Standpunkt der modernen Naturrechtslehre aus verstehen. Eine ihrer heutigen Erben ist die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen von 194883 , deren Geist letztendlich in die heutige spanische Verfassung Eingang gefunden hat84 . Kraft Artikel 10 Abs. 2 der spanischen Verfassung liegt die Menschenrechtserklärung 85 der Vereinten Nationen den positiv in der spanischen Verfassung verankerten Grundrechten als Auslegungskriterium zugrunde. Das Gleiche gilt für die von Spanien ratifizierten Verträge und Abkommen über diese Materie. Um die Reichweite dieser Vorschrift und ihre Bedeutung in der Geschichte der Menschenrechte zu verstehen, muß man zwei aufeinanderfolgende Phasen in der "historischen Positivierung" der Menschenrechte unterscheiden. Ausgehend vom römischen Recht stellt, wie Perez Luiio86 im einzelnen darlegt, der klassische Humanismus, der dann christianisiert87 wurde, einen überaus wichtigen Schritt für die positive Festlegung der Menschenrechte in Rechtsnormen dar.

83 In Artikel I wird deklariert, daß alle Menschen frei und gleich und in Recht und Würde geboren werden. Dennoch wird der juristische Wert dieser internationalen Deklaration verneint, unter anderem von Kelsen in Konsequenz zu seinem Rechtspositivismus. 84 In Artikel 10 Abs. I der spanischen Verfassung: Die Würde des Menschen, die ihm immanenten Rechte, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Achtung der Gesetze und der Rechte der anderen sind die Grundlagen der politischen Ordnung und des sozialen Friedens. 85 Die UN-Ausschuß für Menschenrechte erarbeitete den Inhalt der Deklaration in den Jahren 1947 und 1948. Am 10. Dezember 1948 hat die ON-Generalversammlung die Menschenrechtsdeklaration proklamiert, die 30 Artikel sehr verschiedenen Inhalts enthält: Die beiden ersten und die drei letzten Artikel sind generelle Regelungen, die auf alle übrigen Artikel angewendet werden. Die Artikel 3 bis 21 beschäftigen sich mit den persönlichen und politischen Rechten, wobei das Erbe des Naturrechtes anerkannt wird. In den Artikeln 22 bis 27 werden die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte als Errungenschaften des 19. Jahrhunderts festgeschrieben. 86 Antonio E. Perez Luna, Derechos Humanos, Estado de Derecho y Constituci6n, Madrid, 1984,S.Ill. 87 Perez Luna pflichtet der verbreiteten Lehrmeinung bei (S.lll), daß das juristische Konzept des Persönlichkeitsrechtes ein Beitrag des Christentums ist, welches die grundlegenden Postulate des naturrechtliehen Humanismus der Stoiker weiterentwickelt hat. So gesehen, trägt das Christentum in großem Maße zu der Theorie der natürlichen Rechte der Menschen bei.

II. Rechteerklärung oder Verweisung?

47

Die positivierten Werte sind nicht nur Ausdruck der natürlichen und unabdingbaren Rechte des Menschen, sondern auch der Verhaltensmuster, wie sie in der jeweiligen Ära gefordert werden88 . Damit bildet die Erklärung der (Grund-) Rechte in jeder Verfassung den sogenannten parte dogmatica, der nicht nur Teil der verfassungsmäßigen Ordnung ist, sondern auch einen maßgeblichen Bewertungsmaßstab für die Gesellschaft, die die Verfassung erlassen hat, darstellt89. Bei der derzeitigen Form der Verankerung der Menschenrechte in der Verfassung wird vom Staat erwartet, daß er auch die Funktion eines Förderers wahrnimmt, d.h., daß er vorab die Bedingungen und den Rahmen schafft, die den individuellen Genuß dieser Rechte ermöglichen. Es geht also nicht allein darum, den einzelnen gegenüber der öffentlichen Gewalt zu schützen, sondern auch um die Forderung an diese, als Garant der Rechtsordnung und des Gemeinwohls die konkrete Verantwortung für die Verwirklichung des Schutzes und die Förderung der Men,schenrechte zu übernehmen. Somit hat man es nicht mit einer bloßen Beschränkung gegenüber Einzelpersonen zu tun90.

88 Gustavo Suarez Pertierra, S. 268. 89 Vgl. auch Oscar A/zaga, in: La Constituci6n Espaiiola de 1978 (Comentario Sistematico), Madrid, 1978, S. 147. 90 Vgl. Antonio Perez Luno, Derechos Humanos, Estado de Derecho y Constituci6n, Madrid, 1984, s. 69.

48

§ 2 Der Art. 20 CE im verfassunggebenden Prozeß

m. Die verschiedenen Entwicklungsstufen des Art. 20 CE innerhalb des verfassunggebenden Prozesses Für die Untersuchung der Vorschrift, mit der wir uns befassen, ist es wichtig, ihre Entwicklung im verfassunggebenden Prozeß91 , d.h. in den verschieden Stadien ihrer Ausarbeitung, zu beobachten92, um die Reichweite

91 Die Gesamtheit aller Texte, Änderungen, Berichte, Gutachten, Debatten und Reden, die während der Entwicklung der spanischen Verfassung in der Abgeordnetenkammer und im Senat Beachtung gefunden hatten, wurden in einer besonderen Ausgabe beider Kammern des Parlaments publiziert: Femando Sainz Moreno und Mercedes Herrero De Padura: Constituci6n Espaiiola. Trabajos parlamentarios (vier Bände), 2. Aufl., Madrid, 1989. 92 Vorentwurf der Verfassung (veröffentlicht in den Parlamentsdrucksachen, BOC vom 5. Januar 1978), Art. 20: I. Anerkannt wird das Recht auf Äußerung und ungehinderte Verbreitung von Gedanken, Ideen und Meinungen in Wort, Schrift und Bild ohne vorherige Zensur. 2. Garantiert wird der Schutz des Rechtes auf literarisches, künstlerisches und wissenschaftliches Schaffen. 3. Anerkannt wird das Recht auf Mitteilung oder Empfang von sachlicher und wahrhaftiger Information durch jegliches Mittel der Verbreitung. 4. Die Staatsgewalt garantiert den Zugang zu den eigenen oder den vom Staat direkt oder indirekt abhängigen Kommunikationsmedien unter Berücksichtigung der Vielfalt der Gesellschaft und der verschiedenen Sprachen Spaniens. 5. Diese Freiheiten werden begrenzt durch die in diesem Titel anerkannten Rechte, die Vorschriften der sie ausgestaltenden Gesetze und insbesondere durch das Recht auf Ehre, auf Privat- und Intimsphäre und auf eigene Darstellung. 6 . Eine Beschlagnahme von Veröffentlichungen und Aufzeichnungen darf nicht vorgenommen werden außer aufgrund richterlichen Beschlusses oder im Fall von Mißbrauch. Stellungnahme der mit dem Verfassungsprojekt betrauten Parlamentskommission (veröffentlicht in den Parlamentsdrucksachen vom 17. April 1978) Art 19: I. Anerkannt und geschützt werden das Recht auf: a) Äußerung und ungehinderte Verbreitung von Gedanken, Ideen und Meinungen in Wort, Schrift oder in einer anderen Weise der Wiedergabe; b) literarische. künstlerische, wissenschaftliche und technische Schöpfungen; c) Freiheit der Lehre; d) ungehinderte Mitteilung oder ungehinderter Empfang von wahrer Information durch jegliches Mittel der Verbreitung. 2. Die Anerkennung dieser Rechte darf durch keinerlei Art vorheriger Zensur eingeschränkt werden. 3. Die Staatsgewalt garantiert den Zugang zu den eigenen oder den vom Staat direkt oder indirekt abhängigen Kommunikationsmedien unter Berücksichtigung der Vielfalt der Gesellschaft und der verschiedenen Sprachen Spaniens. 4. Diese Freiheiten werden begrenzt durch die in diesem Titel anerkannten Rechte, die Vorschriften der sie ausgestaltenden Gesetze und insbesondere durch das Recht auf Ehre, auf Privat- und Intimsphäre, auf eigene Darstellung und den Schutz von Jugendlichen und Kindern. 5. Eine Beschlagnahme von Veröffentlichungen und Aufzeichnungen darf nur aufgrundrichterlicher Weisung vorgenommen werden.

III. Die verschiedenen Entwicklungsstufen des Art. 20 CE

49

und Bedeutung der Freiheiten, die der Art. 20 CE schützt, in angemessener Weise verstehen zu können. In dem schriftlichen Entwurf des Verfassungstextes, der der Öffentlichkeit am 25. November 1977 zugänglich gemacht wurde, wurde das Recht auf Meinungsfreiheit nicht in Art. 20 festgehalten, sondern in Art. 23.

Das

Sachverständigengutachten

des

Verfassungsausschusses

(veröffentlicht

in

den

Parlamentsdrucksachen vom I. Juli 1978) nimmt bzgl. der Stellungnahme des Referats folgende Abänderungen vor. Bezüglich des Art. 19 wird unter der Nr. l .d) am Ende hinzugefügt: Das Gesetz regelt die sog. Gewissensklausel und das Berufsgeheimnis bei der Ausübung dieser Freiheiten. Nr. 3 wird folgendermaßen abgefaßt: Die Staatsgewalt garantiert den Zugang zu den eigenen oder den vom Staat direkt oder indirekt abhängigen

Kommu~ikationsmedien

unter Berücksichtigung der

Vielfalt der Gesellschaft und der verschiedenen Sprachen Spaniens. Nr. 4. lautet wie folgt: Diese Freiheiten werden begrenzt durch die in diesem Titel anerkannten Rechte, die Vorschriften der sie ausgestaltenden Gesetze und insbesondere durch das Recht auf Ehre, auf Privat- und Intimsphäre, auf eigene Darstellung und den Schutz von Jugendlichen und Kindern. Nr. 5. hat folgenden Wortlaut: Eine Beschlagnahme von Veröffentlichungen und Aufzeichnungen darf nur aufgrund richterlichen Beschlusses vorgenommen werden. Das Plenum der Abgeordnetenkammer (veröffentlicht in den Parlamentsdrucksachen vom 24. Juli 1978) bestätigt den Art. 19 und fügt nur eine Abänderung in Nr. 3 ein, die wie folgt abgefaßt wird: Das Gesetz regelt die Organisation und die parlamentarische Kontrolle der vom Staat oder einer anderen öffentlichen Körperschaft abhängigen allgerneinen Kommunikationsmedien und gewährleistet den Zugang der verschiedenen sozialen und politischen Gruppen zu solchen Medien, unter Beachtung der Vielfalt der Gesellschaft und der verschiedenen Sprachen Spaniens. Der Verfassungsausschuß des Senats (veröffentlicht in den Parlamentsdrucksachen vom 6. Oktober 1978) gibt ein Gutachten über den behandelten Text wie auch über Art. 20 ab und fügt folgende Modifikation ein: Der Absatz b) der Nr. I wird wie folgt abgefaßt: Recht auf literarische, künstlerische, wissenschaftliche und technische Produktion. Nr. 5. weist folgenden Wortlaut auf: Eine Beschlagnahme von Veröffentlichungen, Aufzeichnungen und anderen Mitteln der Verbreitung darf nur aufgrund richterlichen Beschlusses vorgenommen werden. Das Plenum des Senats (veröffentlicht in den Parlamentsdrucksachen vom 13. Oktober 1978) vertritt die vom Ausschuß gebilligte Fassung. Der aus Abgeordnetenkammer und Senat zusammengesetzte Ausschuß (veröffentlicht in den Parlamentsdrucksachen vom 28. Oktober 1978) bestimmt die endgültige Fassung. Abgedruckt bei Francisco Javier Galvez Montes, Artlculo 20, in: Comentarios a Ia Constituci6n (hrsg. v. F. Garrido Falla), Madrid, 1980, S. 258 und 259. 4 Cremades

50

§ 2 Der Art. 20 CE im verfassunggebenden Prozeß

Dieser Artikel wurde wie folgt formuliert:

Anerkannt wird das Recht auf Äußerung und Verbreitung seiner Meinung durchfreie Anwendung von Wort, Schrift und Bild ohne vorherige Zensur. Garantiert wird das Recht auf literarische, kanstlerische, wissenschaftliche und technische Produktion und Sch6pfung. Anerkannt wird das Recht auffreie Kommunikation oder auf Empfang von objektiver und der Wahrheit entsprechender Information aber jedes Verbreitungsmedium. Diese Freiheiten werden durch die Vorschriften der Gesetze und durch das Recht auf Ehre, auf Privat- und lntimsphtire und auf eigene Darstellung begrenzt. Eine Beschlagnahme von VertJ.ffentlichungen und anderen Drucksachen darf nicht vorgenommen werden, außer aufgrund richterlichen Auftrags oder im Falle von Mißbrauch. Die Freiheit der Lehre sowie die der künstlerischen Betätigung und der wissenschaftlichen Forschung (deren Eignung zur Aufnahme in diesen Artikel viel diskutiert wird, wie wir später sehen werden) wurden in den Vorentwurf der Verfassung, der im Staatsanzeiger (BOE) vom 05. Januar 1978 veröffentlicht wurde, eingefügt. Das Referat, das mit dem Verfassungsprojekt betraut war93 , legte in seinem Bericht einen Text vor, der abgesehen von den beiden Neuerungen, die später 93 Die katalonische Minderheit legte einen besonderen Vorschlag vor mit dem Ziel, einen achten Absatz mit folgendem Text einzuführen: Das Gesetz regelt das Recht der Journalisten und Berichterstatter mit einer Gewissensklause), eine formulierung, die später in anderen Worten von dem Ausschuß der Abgeordnetenkammer aufgenommen wurde. Die sozialistische Gruppe brachte vier besondere Vorschläge ein: einen Vorschlag mit technischem Charakter hinsichtlich der Nr. I und Nr. 4 des Artikels. In einem anderen Vorschlag wurde angestrebt, den Ausdruck libertad de

catedra (Freiheit der Lehre) durch libertad de expresion docente (Freiheit der Lehrt'iußerung) zu ersetzen. Aufgrund eines dritten Vorschlags wollte man die Gewissensklausel in folgender Form aufnehmen: Das Gesetz regelt das Recht der Journalisten durch eine Gewissensklausel, wenn der ideologische Linienwechsel des Presseunternehmens, in dem sie arbeiten, mit ihrem persönlichen

III. Die verschiedenen Entwicklungsstufen des Art. 20 CE

51

von dem Ausschuß vorgelegt wurden, genau mit dem endgültigen Text übereinstimmte, weil das Plenum der Abgeordnetenkammer die Stellungnahme der Kommission nicht veränderte; nur im Ausschuß des Senats billigte man es, daß die technische Produktion in Abs. 1. b) eingeführt wurde. Das Plenum des Senats änderte das Gutachten der Kommission nicht ab. Schließlich setzte der aus Mitgliedern der Abgeordnetenkammer und des Senats bestehende Ausschuß in Abs. 5 den Ausdruck medios de informaci6n (Informationsmittel) als Ersatz für soportes de informaci6n (Informationstrager) ein. Auf diese Weise wurde der Wortlaut des Art. 20 CE so gestaltet, wie wir ihn heute kennen. Man kann die dem Art. 20 der spanischen Verfassung im Rahmen der Verfassunggebung zugrundeliegenden Stufen folgendermaßen aufgliedem94 :

1. Ausgestaltung von Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit

Ungeachtet der Tatsache, daß im Vorentwurf zum einen von Rechten und zum anderen von Freiheiten die Rede war, entschied man sich im endgültigen Wortlaut des Art. 20 CE dafür, Mitteilung und Information als Rechte festzuhalten. Zu Beginn des Artikels wird bestätigt, daß ...Die Rechte anerkannt und geschützt werden .... Diese Formulierung zeigt, daß die Rechte folgendermaßen aufgefaßt werden: Sie bestehen, bevor sie in der Verfassung erfaßt werden; sie werden weder verliehen noch gewährt, sondern anerkannt und demzufolge von der Verfassungsordnung geschützt95 .

Gewissen in Konflikt gerät. Wie man später sehen wird, schützt die Gewissensklausel zusätzlich andere Umstände, weswegen man den jetzigen Verfassungstext gegenüber dem besonderen Vorschlag der Sozialisten vorzog. Im letzten der Vorschläge forderte man, daß der für die Beschlagnahme von Veröffentlichungen notwendige richterliche Beschluß zu begründen sei. 94 Siehe Carlos Soria, EI derecho a Ia informaci6n en Ia Constituci6n espaiiola, in: Persona y Derecho, 1984, Nr. II, S. 80-84. 95 Carlos Soria, EIderecho a ... , S. 81.

52

§ 2 Der Art. 20 CE im verlassonggebenden Prozeß

2. Der moralische Aspekt der freien Meinungsäußerung

Der Art. 20 CE erkennt nicht nur das Recht auf Äußerung an, sondern er schreibt zudem ganz allgemein für die Art der Ausübung vor: Gedanken, Ideen, Meinungen und andere intellektuelle Erzeugnisse dürfen frei hervorgebracht werden96 . Es handelt sich hierbei nicht nur um eine Schutzbestimmung, sondern auch um eine moralische Anforderung, nämlich sich frei zu äußern. Das Wahrheitserfordernis bei der Übermittlung von Informationen, also bei der Ausübung der Informationsfreiheit, ist dabei gleichfalls ein moralisches Element.

3. Technische Präzisierung einiger Rechte

Den Ideen und Meinungen werden die Gedanken beigefügt; der Ausdruck

vertreten (defender) wird zugunsten von verbreiten (difundir) aufgegeben.

Was die Medien betrifft, wird eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Bild vermieden; statt dessen wird es vorgezogen, von irgendeiner anderen Weise der Wiedergabe zu sprechen. Die Information, die im Vorentwurf als objektiv und wahrhaftig qualifiziert wurde, wird seit dem Bericht des Referats nur noch als wahrhaftig bezeichnet97 . Schließlich fügt die Stellungnahme des Ausschusses für verfassungsrechtliche Angelegenheiten und Freiheitsrechte das Recht auf Gewissensfreiheit und auf Wahrung des Berufsgeheimnisses in den Text ein.

96 F. 1. Galvez Montes, S. 262. 97 Wie man später noch sehen wird, schließt die Wahrhaftigkeit der Information ihre Objektivität ein. Siehe auch Carlos So riß, EI derecho a ..., S. 83.

III. Die verschiedenen Entwicklungsstufen des Art. 20 CE

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4. Ausweitung der Grenzen der anerkannten Rechte

Im Vorentwurf wird die Formulierung über die Grenzen, die dem geschützten Recht gesetzt wurden, im wesentlichen dadurch abgeändert, daß auf die in diesem Titel anerkannten Rechte (Generalklausel) und besonders auch auf das Recht auf Ehre, auf Privat- und Intimsphäre und am eigenen Bild (Spezialklausel) hingewiesen wird. Dabei werden die Einschränkungsmöglichkeiten seitens der Gesetze, die diese Rechte auszugestalten haben, im einzelnen angegeben. In dem Bericht des Referats werden die ausdrücklich erwähnten Schranken um den Schutz der Jugendlichen und der Kinder erweitert98 . Bevor man im einzelnen zu Artikel20 der spanischen Verfassung von 1978 gelangt, in welchem das Recht auf Meinungsfreiheit geregelt ist, ist nunmehr zu überlegen, wie die Menschenrechte in der spanischen Verfassung konkret geregelt und geschützt werden, d.h. wie also Titel I der spanischen Verfassung beschaffen ist.

98 Siehe Parlamentsdrucksachen (BOC) vom 17. Apri11978.

§ 3 Der Artikel 20 CE im Kontext der Verfassung:

Der Titel I der spanischen Verfassung I. Bedeutung

Der Titel I bildet entsprechend der herkömmlichen verfassungsrechtlichen Terminologie den parte dogmdtica der spanischen Verfassung. Er steht dem Teil über die Staatsorganisation gegenüber, in dem die Befugnisse innerhalb des Staates festgelegt und gegeneinander abgegrenzt werden 99 . Die gegenwärtige spanische Verfassung enthält, was die Wirtschafts- uns Sozialrechte betrifft, als Kind ihrer Zeit die jüngsten Errungenschaften 100, so etwa das Recht auf körperliche Ertüchtigung und Sport 1o1, Wohnung I 02, Umwelt und Lebensbedingungen 103 , Verbraucherschutz 104 u.a. All diese Rechte sind in Titel I enthalten; die Verfassung ist daher, wie Garrido Falla feststellt, nicht nur ein juristischer, sondern auch ein politischer Text und steht im historischen Zusammenhang mit seiner Zeit 105_ Titel I, dessen Umfang und Inhalt 106 mit den oben erwähnten rechtspolitischen Anforderungen korrespondiert, bildet sowohl in der Ein99 Siehe Fernando Garrido Falla, Tltulo I, De los Derechos y Deberes Fundamentales, in: Comentarios a Ia Constituci6n (hrsg. v. Garrido Falla), Madrid, 1980, S. 127. 100 Tomas Rarnon Femandez, S. 23. 101 Art. 43 Abs. 3 der spanischen Verfassung. 102 Art. 47 der spanischen Verfassung. I 03 Art. 45 der spanischen Verfassung. 104 Art. 51 der spanischen Verfassung. 105 Fernando Garrido Falla, S. 127. 106 Der Titel I wird in 5 Kapitel aufgeteilt: I) Spanier und Ausländer. 2) Rechte und Freiheiten. 3) Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik. 4) Garantien der Grundfreiheiten und Grundrechte. 5) Die Aufhebung der Rechte und Freiheiten. Hinzu kommt der einleitende Artikel!O CE, der die Grundlagen der politischen Ordnung und des sozialen Friedens bezeichnet.

I. Bedeutung

55

Ieitung als auch in der Präambel die Grundlage dafür, daß der Staat die Haushaltsmittel und den Verwaltungsapparat bereitstellt, wodurch die Entfaltung der Persönlichkeit und die Verwirklichung des Allgemeinwohls erst möglich werden. Er zielt darauf ab, der Gesellschaft die rechtlichen Grundlagen zur Selbstverwaltung und zum Schutze gegenüber der Staatsgewalt zu gewähren sowie Möglichkeiten zur Partizipation und Einflußnahme auf die erwähnten Staatsgewalten einzurichten. Titel I besitzt, im Gegensatz zum statischen und klar strukturierten organisatorischen Teil der Verfassung, dynamischen Charakter im wahrsten Sinne des Wortes 107 : Er soll Motor sein für die gesamten Aktivitäten der öffentlichen Gewalt und ein Wegweiser für die Politik. Die Rechte und Freiheiten des Bürgers und das System der Garantien und Pflichten des Staates sollen das Fundament der Legislative und Judikative bilden. Mit diesem Titel soll der gesicherte Bereich der Grundrechte erfaßt werden, wobei man sowohl mit den Mitteln der positiven Beschreibung 108 als auch mit der Formulierung von Schutzrechten 109 arbeitet. In der Absicht, den Umfang der Garantien dieser Rechte klar voneinander abzugrenzen, diskutiert die Lehre nicht nur die technische Verbesserung des Textes sowie die Vereinheitlichung der vielgestaltigen Ansätze bei der Positivierung der Rechte, sondern auch die Verbesserung der Systematik, worin sinngemäß zusammengehörende Rechte nicht auf verschiedene Abschnitte und Kapitel aufgeteilt sein sollen 110. So findet sich in der Tat öfters das gleiche Recht bzw. die gleiche Pflicht in verschiedenen Bestimmungen der Verfassung 111 .

10? Santiaga Sanchez Gonzalez, S. 41. 108 Von denen die Organgesetzgebung den höchsten normativen Rang besitzt. Das Organgesetz ist als der gewöhnliche Weg zur Schaffung der postkonstitutionellen Gesetzgebung für die Grundrechte zu sehen, so wie dies der Verfassungstext ausdrücklich erwähnt; vgl. Art. 81

CE. 109 Vgl. Antonio E. Perez Lufio, Derechos Humanos, Estado de Derecho y Constituci6n, Madrid, 1984, S. 69 110 L. Martin-Retortillo Baquer spricht dabei von einem konstitutionellen Kopfzerbrechen. Siehe Regimen constituc1onal de los derechos fundamentales, in: Derechos Fundamentales y Constituci6n (hrsg. v. Martin-Retortil/o, Lorenzo; Otto, lgnacio de}, Madrid, 1988, S. 25. II! Vgl. in diesem Zusammenhang Art. 31 (Kapitel 2, Abschnitt 2) und Art. 40 Abs. 1 (Kapitel 3).

56

§ 3 Der Artikel

20 CE im Kontext der Verfassung

ll. Redaktion und Inhalt Die Lehre kritisiert die Redaktion des Titels I aufgrund der fehlenden Systematik, der Benutzung verschieden auslegbarer Begriffe, der mangelnden Klassifizierung sowie der Anordnung der Rechte selbst. Torres del Moral 112 bestätigt, daß die Regelungen nicht immer eindeutig sind, sich wiederholen und manchmal zu minutiös und reglementierend wirken. Die Überschrift des Abschnittes 2.a) des 2. Kapitels "Von den Rechten und Pflichten der Bürger", entspricht z.B. nicht dem Inhalt des Abschnittes, da in ihm, wie Suarez Pertierra betont, neben reinen Menschenrechten auch Sozialrechte trotz der unterschiedlichen Struktur ihres Schutzes festgehalten werden 113 . Die Überschrift des 3. Kapitels entspricht ebenfalls nicht seinem Inhalt. Die in ihm anerkannten Prinzipien sind wie Rechte formuliert und werden von der Verfassungsgerichtsbarkeit als unmittelbar wirkende Schutzrechte anerkannt. Man kann auch vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit einen Verstoß gegen diese Prinzipien rügen, wenn man sich auf eine Verletzung von Gesetzen beruft, die sie konkretisieren. Trotz des verbindlichen Charakters der Verfassung für alle Bürger und die Staatsgewalt mangelt es an juristischen Mechanismen für einen wirksamen Schutz der Sozialrechte. Ebenso fehlen Regelungen zu den Fragen des Privateigentums, des Erbrechts (Art. 33 CE) und der Unternehmensfreiheiten (Art. 38 CE) im Abschnitt l.a) des 2. Kapitels11 4. Weiterhin weist die Aufzählung von Rechten, Pflichten, Freiheiten und Staatszielbestimmungen, die der Titel I enthält 115, keine logische Ordnung 112 Antonio Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I. S. 210. 113 Gustavo Suarez Pertierra, S. 274. 114 Vgl. L. Martin-Retortillo Baquer; er spricht von diesem Abschnitt als Kembereich der Grundrechte, S. 75. Siehe auch Francisco Balaguer Callejon, Aplicaci6n de Ia Constituci6n y garantlas de los derechos, in: ADPEP, Band 2, 1989-1990, S. 139. 11S Nach der Ansicht von Torres del Moral behandelt der Titel I trotz seines tatsächlichen Umfanges die Probleme nicht erschöpfend, zumal in jüngster Zeit auf diesem Gebiet eine zunehmende Sensibilität zu beobachten ist. A. Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I, S.

210. Es wäre besser gewesen, wenn der Verfassunggeber eine anderen Rechten gegenüber geöffnete, Vorschrift eingeführt hätte, ähnlich der spanischen Verfassung von 1869; Art. 29 der

II. Redaktion und Inhalt

57

auf. Sie bilden kein einheitliches System und sind lückenhaft, da manche Rechte über den ganzen Verfassungstext verteilt sind, sich im einleitenden Titel, den Titeln IV 116 und VII 117 , jedoch nicht im Titel I befinden. Dies sind: (a)

das Recht zum Gebrauch der kastilischen Sprache 118;

(b)

ein Mitspracherecht bei der Ausarbeitung von den Bürger betreffenden Verordnungen 119;

(c)

ein Zugangsrecht zu den Verwaltungsarchiven und -registem 120;

(d)

ein Regreßanspruch bei schwerer Körperverletzung, erlitten durch Maßnahmen der öffentlichen Hand 121 ;

(e)

das Recht auf Prozeßkostenhilfe 122;

(t)

ein Schadensersatzanspruch wegen eines Justizirrtums oder einer widerrechtlichen Tätigkeit der Justizverwaltungl23 ;

(g)

das Recht auf Popularklage Justizverwaltung 124 .

und

auf

Teilhabe

an

der

spanischen Verfassung vom 1.6.1869, Titel I (Die Spanier und ihre Rechte): Die Aufzählung der in diesem Titel benannten Rechte impliziert nicht das Verbot aller anderen, nicht ausdrücklich bezeichneten Rechte. Dementsprechend schlägt Lucas Verdu vor, einen Artikel mit folgenden Wortlaut einzuführen: Die Erweiterung der in der Verfassung enthaltenen Rechte und Pflichten schließt nicht die Anerkennung der anderen Rechte und Freiheiten aus, die sich logischerweise aus jenen ergeben, die den zivilen, wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Fortschritt fördern und die nicht mit den verfassungsrechtlichen Prinzipien des ersten Titels in Widerspruch stehen; P.

Lucas Verdu, Los Tftulos Preliminar y I de Ja Constituci6n y Ja interpretaci6n de los derechos y deberes fundamentales, in: RFDUC, Nr. 2, Madrid, 1980, S. 29. 116 Dei Gobierno y Ja Administraci6n. 117 Dei Poder Judicial. 118 Art. 3 der spanischen Verfassung. 119 Art. 105.a) der spanischen Verfassung. 120 Art. 105 .b) der spanischen Verfassung. 121 Art. 106 Abs. 2 der spanischen Verfassung. 122 Art. 119 der spanischen Verfassung. 123 Art. 121 der spanischen Verfassung.

58

§ 3 Der Artikel20 CE im Kontext der Verfassung

Diese Bestimmungen normieren keine subjektiven öffentlichen Rechte, sondern es wird der Gesetzgeber beauftragt, die erwähnten Angelegenheiten zu regeln. Diese Verfassungsaufträge sind deshalb notwendig, da der Verfassungstext selbst - anders als bei den unter Titel I aufgeführten Rechten keine Verfahren vorsieht, um sie als subjektive öffentliche Rechte wirksam werden zu lassen. Man könnte ihnen die Qualifikation als Verfassungsrechte absprechen, denn es hängt wie Sanchez Gonzalez aufzeigt, der juristische Wert von Rechten ab von der Form, in der sie garantiert sind, von ihrer Stellung im Gesetzestext und von den Organen, die mit ihrer W ahmehmung beauftragt sind 125 . Torres del Moral bezeichnet sie konsequent nur als gesetzliche Rechte mit Verfassungsgrundlage126. Zurecht wird auch kritisiert, daß im ersten Kapitel des Titels I Bestimmungen aufgeführt sind, die sich auf die Volljährigkeit127, auf die Staatsangehörigkeit128 und auf Ausländer 129 beziehen, ohne die dazu gehörenden Rechte zu enthalten. Sowohl die Volljährigkeit als auch die Staatsangehörigkeit sind nur Zustände oder Voraussetzungen der Rechtsstellung von Personen, bei deren Vorliegen man erst in den Genuß damit verbundener Rechte kommt 130. Außerdem wird bezüglich des zweiten Kapitels des Titels I bemängelt, daß dieses sich zwar mit Rechten und Freiheiten befaßt 131 , dabei aber solche, die man als zusammengehörend ansehen muß, nicht erwähnt und andere, welche an dieser Stelle nur schwer einzuordnen sind, aufnimmt. (a)

So wurde das Recht auf Arbeit 132, das eher eine sozialpolitische Zielbestimmung darstellt und vom System her in das 3. Kapitel gehört 133 , hier eingefügt.

124 Art. 125 der spanischen Verfassung. l25 Santiago Sanchez Gonzalez, S. 36. 126 Antonio Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I, S. 211. 127 Art. 12 der spanischen Verfassung. 128 Art. 11 der spanischen Verfassung. 129 Art. 13 der spanischen Verfassung. 130 Antonio Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I. S. 211. 131 Mit Bezugnahme auf die Überschrift weist Garrido Fal/a daraufhin, daß darin nicht zwischen Grund- und Freiheitsrechten unterschieden werde, da dies zu problematisch wäre. in: Comentarios a Ia Constituci6n (hrsg. v. F. Garrido Falla) , Madrid, 1980, S. 129. 132 Art. 35 Abs. 1 der spanischen Verfassung.

I!. Redaktion und Inhalt

59

(b)

Hingegen ist das Recht, politische Parteien frei zu gründen, Teil der Vereinigungsfreiheit und erfaßt somit die Garantien dieses Kapitels 134 .

(c)

Der l. Abschnitt ist u.a. dem Verhältnis des Staates gegenüber den öffentlichen Massenmedien 135 gewidmet. Allerdings entspricht der Inhalt dieser Prinzipien nicht der Überschrift dieses Abschnitts.

Die spanische Verfassung selbst enthält somit eine funktionale Abstufung der Grundrechte je nach der Intensität ihres Schutzes; er kann stärker136 oder weniger intensiv ausgeprägt sein 137 oder in der Verfassung selbst überhaupt fehlen und dann durch Organgesetze ausgestaltet werden138. Man kann weiter zwischen unmittelbaren subjektiven Rechten (zum Beispiel dem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung 139 oder dem Recht auf freie Religionsausübung 140) und mittelbaren subjektiven Rechten unterscheiden (wie dem Recht auf Schutz der Gesundheit 141 oder dem Recht auf eine der Entfaltung der Persönlichkeit förderliche Umwelt 142). Während im Falle der unmittelbaren subjektiven Rechte die Verfassungsnorm darauf gerichtet ist, den Freiheiten der Person direkten Schutz zu gewähren, richtet sich der mittelbare Schutz der subjektiven Rechte auf den Erlaß der dazugehörigen Ausführungsgesetze oder die Schaffung entsprechender öffentlicher Einrichtungen, um diese Rechte zu verwirklichen 143 .

133 Nach A. Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I S. 212. 134 Siehe, Juan A. Santamaria Pastor, in: Comentarios a Ia Constituci6n (hrsg. Falla), Madrid, 1980, S. 77. 135 Art. 20 Abs. 3 der spanischen Verfassung.

v. F. Garrido

136 Abschnitt I Kapitel Il Titel I der spanischen Verfassung 137 Abschnitt 2 Kapitel Il Titel I der spanischen Verfassung 13 8 Kapitel 3 Titel I der spanischen Verfassung

139 Art. 18 Abs. 2 der spanischen Verfassung 140 Art. 16 Abs. 2 der spanischen Verfassung 14 1 Art. 4 3 der spanischen Verfassung

142 Art. 45 der spanischen Verfassung 143 Fernando Garrido Fa/la, in: Comentarios Madrid, 1980, S. 130.

a Ia Constituci6n (hrsg. v. F. Garrido Falla),

§ 4 Wesensmerkmale des Artikel 20 CE I. Einleitung Der Wortlaut des Art. 20 CE, der von einigen als verworren, weitschweifig und unpräzise bezeichnet wird, ist geeignet, den Eindruck von Komplexität zu vermitteln 144 . Dennoch handelt es sich um eine Norm, die bemerkenswert offen gestaltet ist und die die unterschiedlichsten Auslegungsmöglichkeiten zuläßt145 . Folgt man Femandez-Miranda y Campoamor, so könnte man behaupten, daß es sich hierbei, sowohl was die Verwendung von traditionellen juristischen Methoden zur Garantie des Rechts als solchen als auch was die Gestaltung seiner Schranken (Schutz der Privat- und Intimsphäre, Ehre und Recht am eigenen Bild, Kollision mit anderen Grundrechten) betrifft, um eine klassische Norm in liberaler Tradition handelt 146. Zu dieser Ausgangsbasis kommen noch neue Aspekte hinzu, nämlich die Gewissensklausel und das Berufsgeheimnis 147, womit die Anzahl der Garantien erhöht wurde.

144 Carlos Soria, EIderecho a ... , S. 84. 145 Vgl. Angel Rodriguez Diaz, La posici6n preferente del derecho a Ia libertad de informaci6n, Malaga, 1990, S. 13. Siehe auch J. Terron Montero, Libertad de expresi6n y constituci6n, in: DA, Nr. 187, 1980, S. 232. 146 Alfonso Femandez-Miranda y Campoamor, Libertad de expresi6n... , S. 499 ff. 14? Artikel 20 Abs. l. d) am Ende der spanischen Verfassung. Vgl. Enrique Ruiz Vadillo, EI derecho constitucional al secreto profesional y a Ia clausula de conciencia: un tema legislativo pendiente, in: Poder Judicial, Sonderheft XIII, 1990, S. !50.

61

II. Inhalt

Zur Meinungsfreiheit als dem Recht auf aktive Information tritt auch das Recht, Informationen frei und unverfälscht mittels jedwedem technisch möglichen Mediums zu erhalten: Das Recht auf passive Information1 48. Der einzelne hat dabei auch das Recht, Informationen nicht zu erhalten. Der Empfänger muß die Möglichkeit haben, sich direkt für oder gegen den Empfang der Botschaft oder Nachricht zu entscheiden 149. Die unterschwellige Übertragung von Botschaften ist somit rechtswidrig. Der Staat muß sich also darauf beschränken, die Freiheit des Bürgers, Informationen (innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen) zu erhalten oder sie nicht zu erhalten, zu respektieren. Er hat außerdem die Aufgabe, Hindernisse, gleich ob öffentlichen oder privaten Ursprungs, zu beseitigen, die die freie Ausübung dieses Rechts behindern würden 15o.

II. Inhalt 1. Die geschützten Rechte

Art. 20 CE fügt sich in das zweite , den Rechten und Freiheiten gewidmete Kapitel des Titels I der spanischen Verfassung ein, der mit Grundlegende Rechte und Pflichten überschrieben ist. Art. 20 CE erfaßt weitgefächerte Rechte und Freiheiten und bestimmt zugleich ihre Einschränkungsmöglichkeiten. Die Mehrheit dieser Rechte und Freiheiten bildet das, was man heute allgemein mit dem Begriff der Meinungsfreiheit bezeichnet. Galvez Montes spricht dabei von einem Block

148

y veracidad 1988, S. 187.

Siehe Mare Carrillo, Derecho a Ia informaci6n

Espaiiola de Derecho Constitucional, Nr. 23, Mai-August,

inforrnativa, in: Revista

149 Vgl. Carlos Soria, EIderecho a Ia informaci6n en Ia Constituci6n espaiiola, in: II diritto 1981, S. 199. 150 Vgl. Manuel Fernandez Areal, La protecci6n de Ia verdad en Ia libre comunicaci6n de mensajes informativos, in: Poder Judicial, Sonderheft XIII, 1990, S. 220; Nieto, A. I Mora, J. M., Concentraci6n informativa en Espaiia: Prensa diaria, Pamplona, 1989, S. 76. delle Radiodiffusioni e delle Telecomunicazioni, Rom,

62

§ 4 Wesensmerkmale des Artikel20 CE

von Gedankenfreiheiten und von einer Freiheit mit intellektuellem Gehalt15 1. Insbesondere scheint die Bezeichnung geglückt, die Torres del Moral als Zusammenfassung der in Art. 20 CE enthaltenen Freiheiten verwendet: Freiheit der öffentlichen Meinungsäußerung152. Man kann den Inhalt der öffentlichen Meinungsäußerung anband des Art.

20 CE wie folgt systematisieren 153: (1)

aktive und passive Informationsfreiheit;

(2)

Meinungsäußerungsfreiheit in den verschiedenen Ausprägungen: (a)

allgemein: die Freiheit, die Gedanken durch jedes beliebige Mittel auszudrücken und zu verbreiten,

(b) speziell: - die Freiheit auf literarisches, künstlerisches, wissenschaftliches und technisches Schaffen - die Freiheit der Lehre (die Freiheit zur Lehräußerung); (3)

(a)

als Garantie der Informationsfreiheit: das Recht auf Berufsgeheimnis;

151 Francisco Javier Galvez Montes, S. 259. 152 Antonio Torres del Moral, Principios de Derecho... , S. 260. Gomez Reino bezieht sich seinerseits auf die Gedankenfreiheit wie auf die Gesamtheit der Rechte, die das betreffen, was wir als den geistigen Bereich der Individuen bezeichnen könnten, beschränkt auf sein Denken und seine vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten...; Enrique Gomez-Reino, Las Iibertades publicas en Ia Constituci6n, in: Lecturas sobre Ia Constituci6n espaiiola (hrsg. v. T. R. Femandez). Bd. I, Madrid, 1978, S. 50. Soria bezieht sich auf das Recht eines jeden menschlichen Lebewesens, frei nach Wahrheit, nach dem Guten, nach Schönheit und nach Gott zu suchen, als hervorragende Kundgebung menschlicher Vernunft und Freiheit; Carlos Soria, EI derecho a ... , S. 86. Sanchez AGESTA bestätigt, daß die geschützten Rechte das gesamte geistige Leben des Menschen berühren, d.h. seinen Glauben, seine schöpferischen Gedanken, die Kundgabe und Vermittlung dieser Meinungen und Gedanken, die systematische Übertragung und den Empfang seiner Informationen und Erkenntnisse und ganz allgemein das gesamte Leben des Menschen in seiner Eigenschaft als rationales und freies Lebewesen; Luis Sanchez Agesta, Sistema Politico de Ia Constituci6n Espaiiola de 1978, Madrid, 1980, S. 123. 153 Vgl. Antonio Torres del Moral, Principios de Derecho..., Bd. I, S. 261.

li. Inhalt

63

(b) das Recht des Journalisten auf Berufung auf Gewissensgründe (sog. Gewissensklausel); (c)

(4)

(5)

als Recht des Bürgers im allgemeinen und auch der öffentlichen Verwaltung gegenüber den Medien: das Widerspruchsrecht (nicht in die spanische Verfassung aufgenommen);

als Garantien der Medien gegenüber der öffentlichen Gewalt: neben dem bereits erwähnten Berufsgeheimnis, das die Natur eines subjektiven Rechtes hat: (a)

das Verbot der Vorzensur;

(b)

die Notwendigkeit eines richterlichen Beschlusses für die Beschlagnahme jedweder Medienträger;

Das Recht, Medienanstalten zu gründen. Es handelt sich dabei um eine instrumentelle Freiheit der Ausübung der freien Meinungsäußerung (Art. 20 Abs. 1. a) CE) sowie der passiven wie aktiven Informationsfreiheit (Art. 20 Abs. 1. d) CE).

2. Beinhaltet Art. 20 CE das Recht auf formale Anerkennung der in ihm enthaltenen Rechte durch die öffentliche Gewalt?

Daß die soeben genannten Rechte den Inhalt des Art. 20 CE bilden, ist in der spanischen Lehre unstrittig. Fraglich ist aber, ob sich auch von Art. 20 CE ein Recht des Bürgers ableiten läßt, eine formale Anerkennung der Rechte, die er dank dieser Vorschrift genießt, durch die öffentliche Gewalt zu erhalten. Das spanische Verfassungsgericht stellte in seiner Entscheidung 77/1982 vom 20. Dezember einige grundlegende Betrachtungen in dieser Hinsicht an. Der Inhalt der Grundrechte, auch derjenigen des Art. 20 CE, wird durch die Verfassung oder durch die Ausgestaltungsgesetze bestimmt154 . 154 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 77/1982 vom 20. Dezember, FJ Nr. 2.

64

§ 4 Wesensmerkmale des Artikel 20 CE

Weder für die Ausübung der Meinungsfreiheit noch für die Verwirklichung des Rechts auf Mitteilung wird eine ausdrückliche und fonnale Anerkennung durch die Verwaltung benötigt, da beide direkt aus dem Art. 20 CE abgeleitet werden können 155. Es handelt sich um ein Freiheitsrecht und nicht um ein Leistungsrechtl56. Deshalb muß sein Träger, um es in Anspruch zu nehmen, keineswegs auf eine vorherige verwaltungsrechtliche Anerkennung warten. Er kann von vomherein fordern, daß sich die Verwaltung zurückhalten muß. Einer fonnalen und ausdrücklichen Anerkennung, daß eine solche Freiheit den jeweiligen Trägem zugute kommen soll, bedarf es nicht; sie kann auch nicht verlangt werden 157 . Solange das Recht gar nicht verletzt wurde, kann gemäß dem spanischen Verfassungsgericht nicht gefordert werden, daß es fönnlich anerkannt wird. Gleiches läßt sich von allen Rechten sagen, die in den Vorschriften Anerkennung finden, die den ersten Abschnitt des zweiten Kapitels im ersten Titel der spanischen Verfassung bilden. Also gehört eine solche Anerkennung nicht zum Inhalt der Grundrechte oder Grundfreiheitenl58. Zusammenfassend kann man entsprechend der Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichts (STC 77/1982) vom 20. Dezember festhalten, daß das Recht, von der Verwaltung und eventuell durch die Gerichte eine fonnale, ausdrückliche Anerkennung der Meinungs- und Mitteilungsfreiheit zu erlangen, nicht Inhalt des Art. 20 CE istl59.

155 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 7711982 vom 20. Dezember, FJ Nr. I. 156 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 1211982 vom 31. Dezember, FJ Nr. 2: Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 7411982 vom 7. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 8611982 vom 23. Dezember, FJ Nr. 3. 157 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 77/1982 vom 20. Dezember. FJ Nr. 2. ISS Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 77/1982 vom 20. Dezember, FJ Nr. I. 159 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 7711982 vom 20. Dezember, FFJJ Nr. I und2.

III. Meinungsäußerungsfreiheit - Informationsfreiheit

65

m. Meinungsäußerungsfreiheit - Informationsfreiheit 1. Die duale Konzeption des Art. 20 CE

Der Artikel umfaßt sowohl die Anerkennung der Meinungsfreiheit als solcher einschließlieb ihres formalen Schutzes als auch die allgemeine Anerkennung des Rechts auf aktive und passive Information 160. Die Dualität der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit besteht darin, daß sie in den Buchstaben a) und d) der Art. 20 Abs. 1 CE getrennt behandelt wird161. Folglich sind sie auch nicht gegeneinander austauschbar162. Diese duale Konzeption normiert auf Verfassungsebene die fortschreitende Eigenständigkeit, die die Informationsfreiheit gegenüber der Meinungsfreiheit, aus der sie entstammt, erlangt bat, zu der sie noch immer in engem Bezug steht und mit der sie gemeinsame Elemente besitzt163 . Abzulehnen ist daher die Einheitstheorie, die noch von einem Teil der Lehre vertreten wird 164 und die auch zum Ausdruck kommt in Art. 19 Abs. 2 des 160 Siehe Carmen Chinchilla Marin, Derecho de informaci6n, libertad de empresa informativa y opini6n publica libre, in: Poder Judicial, Nr. 3, S. 62; wie Mufloz Machado feststellt, ist das Recht, Informationen zu erhalten, in besonderer und unmittelbarer Weise mit dem Erfordernis verbunden, über die Vorgänge in den öffentlichen Angelegenheiten Bescheid zu wissen. Jeder Bürger benötigt dieses Recht, um als solcher handeln zu können. Santiago Mufloz Machado, Libertad de prensa y procesos por difamaci6n, Barcelona, 1988, S. 153.

161

Siehe Manuel laen Val/ejo, EI desarrollo de Ia libenad de expresi6n en Ia reciente

jurisprudencia del Tribunal Constitucional, in: Revista General de Derecho, Nr. 517-518, 1987, S. 5503. Vgl. auch Angel Rodriguez Diaz. La posici6n preferente ... , S. 7.

162 Siehe Teodoro Gonzalez

Ballesteros, La generica libenad de expresi6n

y Ia

especifica

libenad de informaci6n, in: CYR, 1989, S. 43. 163 Siehe Uneil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5; Uneil des spanischen Verfassungsgerichtes I 07/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2. 164 Einige Autoren haben beispielsweise Mir terminologisch.: Unterschiede zwischen den Rechten festgestellt. SoRemedio Sanchez Ferriz, die zugibt, daß der Begriff Recht auf Information sich neu herausgebildet hat und dies wegen der Unzulänglichkeit der bisherigen Terminologie notwendig war, in: R. Sanchez Ferriz. EIderecho a Ia informaci6n, Valencia, 1974, S. 70. Neueren Datums ist die Stellungnahme Saavedra Lopez hierzu, für den die Verwendung des Begriffs Informationsfreiheit notwendig geworden ist, um die Unzulänglichkeit der früher verwendeten Terminologie zu überwinden, Modesto Saavedra Lopez, S. 19. Andere Autoren sprechen in Bezug 5 Cremades

66

§ 4 Wesensmerkmale des Artikel20 CE

Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom

19.

Dezember 1966 und Art. 10 Abs. 2 EMRK, in denen dieses Recht als Unterfall der Meinungsfreiheit erfaßt wird 165 . Das spanische Verfassungsgericht hat auch in zahlreichen, wenn auch nicht in allen Fällen diese Dualität der Meinungs- und Informationsfreiheit bestätigt 166 . Auch wenn zwischen den beiden eine direkte und enge Beziehung besteht, so das spanische Verfassungsgericht, gibt es doch wichtige eigenständige Aspekte, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen167 _ Während das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit einen allgemeinen Schutz, in den Worten von Saavedra Lopez, das Recht gewährt, öffentlich und mittels jedweden Mediums und vor jeder Zuhörerschaft jeden Gedanken zu verbreiten 168, tritt die Informationsfreiheit, obwohl hieraus entstammend, erst mit Kenntnisnahme in Erscheinung 169 .

auf die Meinungsfreiheit davon, daß die Terminologie veraltet sei: Javier Terron Montero, S. 203. Vgl. Martin Stock, Medienfreiheit als Funktionsgrundrecht, München, 1985, S. 5. 165 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. l66 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1988 vom 21. Januar, FFJJ Nummer 4 und 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 51/1985 vom 10. April, FJ Nr. 10; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 13/1985 vom 31. Januar, FJ Nr. I ; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 105/1983 vom 23. November, FJ Nr. II ; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 77/1982 vom 20. Dezember, FJ Nr. I ; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 30/1982 vom I. Juni, FJ Nr. 4; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1981 vom 16. März, FJ Nr. 4. Siehe auch J. Vilas Nogueira, EI "derecho" a Ia informaci6n mendaz (algunas consideraciones sobre Ia jurisprudencia

constitucional acerca de Ia libertad de informaci6n), in: Revista de Derecho Polftico, Nr. 27-28, 1988, s. 285. !67 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10. Sogar das spanische Verfassungsgericht hat sich zuweilen dahin geäußert, daß die Informationsfreiheit lediglich ein konkreter Anwendungsfan der Meinungsfreiheit sei. Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 13/1985 vom 31. Januar, FJ Nr. I; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 105/1983 vom 23. November, FJ Nr. II; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1981 vom 16. März, FJ Nr. 4. 168 Modesto Saavedra Lopez, S. 18. 169 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 35/1983 vom II . Mai.

111. Meinungsäußerungsfreiheit - Informationsfreiheit

67

Die Ausübung der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit ist im wesentlichen von den typischen Kommunikationsmedien 170 (Presse, Radio, Fernsehen, einschließlich Kino 171 ) abhängig. Deshalb kommt die Übertragung von Informationen, insbesondere derjenigen von größerem öffentlichen Interesse, d.h. über das politische, wirtschaftliche oder kulturelle Leben, nicht mit der sofortigen Kenntnisnahme durch diejenigen, die sich am Entstehungsort der Nachricht befinden, zustande, sondern wird in erster Linie durch die Massenkommunikationsmedien vermittelt 172. Es kommt dann zu einer unmittelbaren Verletzung, wenn ein solches Verhalten (Äußerung von Gedanken, Kommunikation und Verbreitung von "intellektuellen Produkten") tatsächlich oder in einer Rechtsnorm verboten wird 173 . Im folgenden werden nun im einzelnen Natur, Gegenstand und Reichweite dieser beiden subjektiv-öffentlichen Freiheiten betrachtet.

170 Siehe Peter Von Becker, Straftäter und Tatverdächtige in den Massenmedien: Die Frage der Rechtmäßigkeit identifizierender Kriminalberichte: eine Untersuchung zur beispielhaften Konkretisierung von Medienverantwortung im demokratisch-sozialen Rechtsstaat, Baden-Baden,

1979, s. 34. 17 1 Auch wenn diese Mittel alle Massenmedien sind, müssen dennoch die wichtigsten

Unterschiede zwischen den einzelnen beachtet werden. Siehe BVerfGE 12, S. 205 ff., S. 226 ff.: BVerfGE 35, S. 202 ff., S. 222 C:Was die Urteile des BVerfG betrifft, geht es in der Mehrzahl, wie auch in Spanien, um Verfassungsbeschwerden, siehe Rainer Amold, Profili di giurisdizione costituzionale comparata - I sistemi tedesco, austriaco e francese, Trieste, 1990, S. 112): G.

Hernnann, Fernsehen und Hörfunk in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen, 1975, S. 21 ff.,

s. 49 ff. 172 Vgl. G. Maletzke, Psychologie der Massenkommunikation, Hamburg, 1971, S. 34 ff., S. 76 ff.; R. :WillE. Hennig, Massenmedien und Meinungsbildung. Angebot, Reichweite, Nutzung und Inhalt der Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland, München, 1970, S. II ff.; Vgl. Henning Röhl, Verifikation von Nachrichten, in: Media Perspektiven, 111991, S. 18-22. 17 3 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 10511983 vom 23. November, FJ Nr. 11.

68

§ 4 Wesensmerkmale des Artikel20 CE

2. Meinungsäußerungsfreiheit

Auch wenn eine moderne Verfassung wie die spanische von 1978 Termini und Konzepte miteinbezieht, die seit mehr als zwei Jahrhunderten verwendet werden, besteht deshalb dennoch keine Diskrepanz zwischen der juristischen Technik und der sozialen Realität, selbst wenn dies einige Autoren behaupten 174 . Das Gegenteil ist der Fall. Die Technik ist es nämlich, die es ermöglicht, daß alte Konzepte auf juristischer Ebene sich der gegenwärtigen sozialen Realität angleichen. Dies trifft auch auf die in Art. 20 CE enthaltene Meinungsfreiheit zu. Die öffentliche Kommunikationsfreiheit, die Meinungsfreiheit im weitesten Sinn ihrer allgemeinen Bedeutung 175, wird jenseits ihrer Dimension als individuelle Freiheit zur Voraussetzung des gesamten demokratischen Systems 176 . Gonzalez Ballesteros definiert sie als eine totale Freiheit, die bezogen auf die gesamte Kommunikation jeder Person Schutz gewährt, unabhängig davon, welchen Mediums sie sich bedient und welche Form oder Botschaft ihr angemessen erscheint177 . Es handelt sich also um eine wesentliche Freiheit, die den Ausgangspunkt der verschiedenen Freiheiten

174 So J. Terron Montero, S. 203-204. 175 Es ist unmöglich, genau festzulegen, wann ein öffentliches Interesse vorliegt. Es kann BOGART zugestimmt werden, daß ein Bezug zur Gemeinschaft dann gegeben ist, wenn die informative Botschaft für einige Personen von Bedeutung ist, ohne sensationell sein zu müssen: siehe Leo Bogart, S. 253. 176 Siehe Urteile des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1981 vom 16. März, FJ Nr. 3, 194/1986 vom 17. Juli, FJ Nr. 5, 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5, 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2, 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2. Siehe außerdem vergleichend: Helen Hershkoff I AdamS. Cohen, Begging to differ: the First Amendment and the right to beg, in: Harvard Law Review, Februar 1991, Nr. 4, vol. 104, S. 901; Urteil des amerikanischen Supreme Court Police Department v. Mosley, 408 U.S. 92, 95-96 (1976), Base Corp. v. Consumers Union of United States, lnc., 466 U.S. 485, 503-504 (1984). Gomig bestätigt, daß die Meinungsfreiheit sowohl für die Gesellschaft als auch für das Individuum von großer Bedeutung ist; Gilbert-Hanno Gomig, Äußerungsfreiheit und Informationsfreiheit als Menschenrechte, Berlin, 1988, S. 113. Siehe dazu auch BVerfGE 5, S. 85 ff., S. 205; BVerfGE 7, S. 198 ff., S. 208; BVerfGE 27, S. 71 ff., S. 81. Vgl. Theodor Maunz I Reinhold Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 26. Aufl., München, 1985, S. 194. 177 Teodoro Gonzalez Ballesteros, La generica libertad..., S. 41.

III. Meinungsäußerungsfreiheit - Informationsfreiheit

69

darstellt; deren Ausübung ist nicht möglich, wenn erstere nicht vorher gesichert ist 178 . Der Art. 20 Abs. 1. a) CE schützt die Möglichkeit, Gedanken, Ideen und Meinungen mittels Wort, Schrift oder jeden anderen Reproduktionsmittels frei auszudrücken und zu verbreiten 179. Es handelt sich um ein Grundrecht, das alle Bürger gleichermaßen vor Eingriffen jeglicher Art durch die öffentliche Gewalt schützt, sowohl vor solchen, die nicht auf ein Gesetz gestützt sind, als auch vor Gesetzen selbst, sofern diese andere Schranken festlegen als es die spanische Verfassung zuläßt 180. Torres del Moral stuft sie als eine im wesentlichen negative Freiheit zur Abwehr von äußeren Eingriffen ein 181 . Das spanische Verfassungsgericht hat festgestellt, daß Gegenstand dieser Freiheit Gedanken, Ideen und Meinungen 182 seien; diese Freiheit sei aber weit zu fassen, so daß auch Glaubensüberzeugungen und subjektive Werturteile 183 von ihr erfaßt würden, deren genauer Inhalt jedoch wegen ihres abstrakten Charakters 184 sich nicht sicher bestimmen läßt 185 . Die Meinungsäußerungsfreiheit erfaßt nicht in jedem Fall die Verbreitung von Gedanken oder Ideen 186. Denkbar sind Fälle, in denen es nur darauf ankommt, sie zu äußern, sie jedoch nicht zu verbreiten 187 . Diese Freiheit

l78 Siehe Carmen Chinchilla Marin , Derecho de inforrnaci6n, S. 62. 179 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 4. 180 Art. 20 Abs. 4 und 53 Abs. I CE. Siehe dazu Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1981 vom 16. März, FJ Nr. 4; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 12/1982 vom 31. März, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 30/1982 vom I. Juni, FJ Nr. 4; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 74/1982 vom 7. Dezember, FJ Nr. 2. 181 Antonio Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I, S. 262. 182 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 4. 183 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 184 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2.

185 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 5111989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2.

186 Zum Begriff der Meinungsfreiheit Vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 9. Aufl., Karlsruhe, 1976, S. 159 ff. 187 Siehe Francisco J. Bastida, La libertad de antena, Barcelona, 1990, S. 67.

70

§ 4 Wesensmerkmale des Artikel20 CE

schützt folglich in solchen Fällen die nach außen erfolgte Erklärung von Ideen 188 . Bei der Ausübung dieses Rechts muß man jedenfalls die allgemeine Regel beachten, die im Art. 7 des Zivilgesetzbuches (C6digo civil) festgelegt ist und die wegen ihres grundsätzlichen Charakters implizit auch verfassungsrechtliche Qualität besitzt: Die Rechte müssen nach Treu und Glauben ausgeübt werden 189.

3. Informationsfreiheit

a) Begriff und Rechtsnatur

Das spanische Verfassungsgericht hat die in Art. 20 Abs. 1. d) CE festgelegte verfassungsrechtliche Definition bestätigt, daß die Informationsfreiheit darin besteht, frei unverfälschte Informationen mittels jedweden Kommunikationsmediums zu liefern und zu empfangen 190. Ohne Information in irgendeiner Form 191 kann keine Meinung entstehen 192. So bestätigt auch das spanische Verfassungsgericht, daß die

188 Siehe zu diesem Punkt Karl Rothenbücher, Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, Heft IV, Berlin/Leipzig, 1928, S. 15 und 16. Siehe auch das Urteil des spanischen Verfassungsgerichts, Sala quinta, Aranzadi 605/1987, FJ Nr. 5. 189 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 120/1983 vom 15. Dezember, FJ Nr. 2. 190 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 4; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 105/1 983 vom 23. November, FJ Nr. 11. Zum Begriff Information vgl. Michael K. Buckland, Information as Thing, in: Journal of the American Society for Information Science, Bd. 42, Nr. 5, Juni 1991, S. 351; F. Machlup, Semantic quirks in studies of information, in: The study of Information: Interdisciplinary messages (Hrsg. F. Machlup I U.

Mansfield), New York, 1983, S. 642; A. J. Meadows und andere, Dictionary of computing and new information technology, London, 1984, S. 105. 191 Ruckland bestimmt drei verschiedene Typen: Information als Prozeß, Information als Kenntnisnahme und Information als Gegenstand: Michael K. Buckland, S. 351. 192 Siehe Heinz Georg Bamberger, Einführung in das Medienrecht, Darmstadt, 1986, S. 75.

III. Meinungsäußerungsfreiheit- Informationsfreiheit

71

Infonnationsfreiheit als Mittel zur öffentlichen Meinungsbildung von allgemeinem Interesse istl 93. Wie auch bei der Meinungsfreiheit handelt es sieb bierbei um ein Individualgrundrecht194 von außergewöhnlieber Bedeutung 195, das Grundlage und notwendige Bedingung des gesamten demokratischen Systems ist 196. Das spanische Verfassungsgericht stuft das Recht auf Infonnation als selbständiges Recht ein 197 . Es ist daher weder Teil oder Folge der Meinungsäußerungsfreiheit, noch ist es von dieser abgeleitet. Dem Art. 20 CE zufolge genießt es denselben rechtlichen Rang wie diese. Beide Rechte stehen weder im Verhältnis von Über- und Unterordnung zueinander noch sind sie identisch 198. Dennoch sehen verschiedene Autoren in der Infonnationsfreiheit, die in Art 20 Abs. I d) verfassungsmäßig festgelegt ist, einen Unterfall 199 der Meinungsäußerungsfreiheit selbst, ohne daß dies bedeuten würde, daß sie die Einheitstheorie bezüglich dieser beiden Rechte verträten200 . Es handle sich um eine spezifische Systematisierung und nicht um eine Folge des Inhalts des Art. 19 Abs. 2 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische

193 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10. 194 Siehe Hans Bismark, Neue Medientechnologien und grundsätzliche Kommunikationsverfassung, Berlin, 1982, S. 154. 195 Vgl. Patrick Birkinshaw, Freedom of Information, London, 1988, S. 10-13. 196 Vgl. BVerfGE 27, S. 71 ff., S. 81; Gilbert-Hanno Gomig, S. 116; Theodor Maunz I Reinhold 7ippelius, S. 194. !97 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 105/1983 vom 23. November, FJ Nr. II; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. Vgl. BVerfGE 27, S. 71 ff., S. 80 ff.; BVerfGE 27, S. 104 ff., S. 108 ff.; BVerfGE 28, S. 175 ff., S. 188; BVerfGE 33, S. 52 ff., S. 65. 198 Siehe Carmen Chinchilla Marin, Derecho de informaci6n, S. 62. 199 Siehe auch das Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1981 vom 16. März, FJ Nr. 4. 200 Siehe Carmen Chinchilla Marin , Derecho de informaci6n, S. 62; Angel Rodriguez Diaz, La posici6n preferente... , S. 66. Die Auffassung von Chinchilla Marin und Rodriguez Diaz, die zweifelsohne für ein breites Spektrum in der Lehre repräsentativ ist, stimmt voll mit der Linie der Rechtsprechung des spanischen Verfassungsgerichtes überein. Dennoch verstehen andere Autoren den Begriff Recht auf Information anders.

72

§ 4 Wesensmerkmale des Artike120 CE

Rechte von New York und des Art. 10 Abs. 1 der EMRK, die dieses Recht als eine Abwandlung der Meinungsäußerungsfreiheit erfassen201 .

b) Inhalt des Rechts im einzelnen Desantes202 ist der Ansicht, daß sich das Recht auf Information folgendermaßen gliedere: das Recht, wegen seiner Auffassungen nicht belangt zu werden; das Recht, Informationen zu sammeln; das Recht, Meinungen zu erforschen; das Recht, informiert zu werden; das Recht, Meinungen zu erfahren; das Recht, Informationen zu verbreiten und das Recht, Meinungen zu verbreiten. Demgegenüber steht die Auffassung Sorias, nach dem der einheitliche Gegenstand des Rechts auf Information jede Form der Kommunikation sei, obwohl die Freiheit, Ideen und Meinungen zu äußern, und die Freiheit der Berichterstattung in verschiedenen Absätzen des Art. 20 Abs. 1. a) bzw. 20 Abs. 1. d) CE festgehalten sei203 . Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung ist die Informationsfreiheit eines der Rechte, die sich in die Gesamtheit der durch die allgemeine Meinungsfreiheit rechtlich geschützten Güter eingliedern und die inzwischen ihre Eigenständigkeit erlangt haben. Das Informationsrecht beinhaltet - vorausgesetzt es bezieht sich auf unverfälschte Informationen204 - zwei Alternativen: aktiv Informationen zu verbreiten und passiv informiert zu werden205 . STOCK führt allgemein aus, daß die Informationsfreiheit aus dem Recht auf Zugang zu den

201 In diesen Abkommen wird die Theorie der Einheit von Meinungsäußerungsfreiheit und Recht auf Information zugrundegelegt siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2 (In diesem Urteil wird wie in dem Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5, die Eigenständigkeil der Meinungsfreiheit verfochten). 202 Siehe J. M. Desantes Guanter, La informaci6n como derecho, Madrid, 1974, S. 35-36. 203 Carlos Soria, La buena fe en Ia relaci6n laboral informativa, in: Comunicaci6n y Sociedad, Bd. I, Nr. I, 1988, S. 155. 204 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 4. 205 Siehe in diesem Zusammenhang auch die Entscheidungen des

spanischen

Verfassungsgerichts 105/1983 vom 23. November, FJ Nr. 11 , 13/1985 vom 31. Januar, FJ Nr. 2, 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2, 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10.

III. Meinungsäußenmgsfreiheit - Informationsfreiheit

73

Informationsmedien (aktive Informationsfreiheit), auf Auswahl unter ihnen und auf Konsum der entsprechenden Informationen (passive Informationsfreiheit) bestehe206. Auch wenn die beiden Alternativen in demselben Recht garantiert werden, so zeigen sich dennoch jeweils selbständige, spezifische Aspekte. Sie schützen jeweils verschiedene Rechte, Freiheiten und Möglichkeiten durch die verfassungsmäßige Ordnung207 . Beide unterliegen schließlich bezüglich ihrer Ausübung jeweils eigenen Beschränkungen208 . Die passive Seite schützt die Mtiglichkeit des einzelnen und der gesamten Gemeinschaft auf freien Zugang zu Tatsachen von Bedeutung, die sich ereignet haben209 . Das Recht darauf, unverfälscht Informationen zu erhalten, also das passive Informationsrecht, ist ein wesentliches Instrument, um Kenntnis über Dinge, die für das gesamte Zusammenleben von Bedeutung sind, zu erlangen 210 . Damit werden die Meinungsbildung der Öffentlichkeit als solche, diejenige jedes einzelnen und auch dessen Mitwirkung in öffentlichen Angelegenheiten gefördert. Somit wird dies als notwendige Bedingung für die Ausübung anderer Rechte211 und für den Bestand und das Fortbestehen des demokratischen Systems selbst hervorgehoben. Von einem anderen Standpunkt aus gesehen handelt es sich hierbei um die eigentliche Grundlage der öffentlichen Funktion der Presse212 . Die Kommuni-kationsmedien, auch die neuen, sind Mittel für die Ausübung nicht nur der aktiven Informationsfreiheit der Journalisten und der Unternehmer dieses Bereichs, sondern auch

206 Martin Stock, Medienfreiheit als Funktionsgrundrecht, S. 6. 207 So Carlos SORIA, EIderecho a..., S. 97. Andere Autoren entdecken dennoch wesentliche Unterschiede zwischen der aktiven und passiven Alternative des Rechtes auf Information. Zum Beispiel GAL VEZ spricht der Berechtigung, Informationen zu erhalten, die Stellung als verfassungsrechtliches subjektives Recht ab: siehe F. J. Galvez Montes, S. 268.

208 Siehe Carmen Chinchilla Marin, Derecho de informaci6n, S. 63. 209 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2. 210 Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2. 211 Urteil des spanis;hen Verfassungsgerichtes 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 159/1986 vom 12. Dezember, FJ Nr. 6. 212 Vgl. Martin Stock, Das Nordrhein-Westfalen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in: Media Perspektiven, 3/1991, S. 134.

74

§ 4 Wesensmerkmale des Artikel20 CE

der passiven Freiheit der Gemeinschaft, Informationen und Meinungen zu erfahren213.

c) Die Rechtstrager

aa) Der einzelne als Rechtsträger

Die Informationsfreiheit ist ein subjektiv-öffentliches Recht, ein Recht auf Freiheit gegenüber dem Staat214 , deren Rechtssubjekt in erster Linie jedes Mitglied der Gemeinschaft ist215 . Dies trifft nicht nur auf den passiven Aspekt, sondern auf das gesamte Recht zu, also auch auf die aktive Alternative: Das Recht, Informationen zu verbreiten, steht allen Personen zu, wie das spanische Verfassungsgericht216 bestätigt. Nach dem Urteil 168/1986 dieses Gerichts sind die Subjekte des Rechts auf Information (in seinen beiden Formen) nicht nur die Träger des Mediums, das Informationen verbreitet, oder die

Journalisten oder diejenigen, die - ohne dies zu sein - Informationen über

213 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes 16811986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2. Andererseits behauptet Hans Bismark, daß die neuen Kommunikationstechniken - sowohl die der audiovisuellen Medien als auch die der neuen Telekommunikationsmedien - allen Bürgern zur Verfügung gestellt, d.h. darauf gerichtet werden müßten, ihr Bedürfnis, Nachrichten und Meinungen zu erhalten, zu befriedigen: Hans Bismark, S. 172. Vgl. Maria Francesca Spatolisano, Organizzazione e struttura deg1i organi di informazione: rapporti tra questa prob1ematica e diritto della collettivita ad essere informata, in: L'informazione e i diritti della persona (Hrsg. Guido Alpa I Mario Bessone I Luca Baneschi I Giandomenico Caiaua ), Neapel, 1983, S. 223 ff. 214 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1981 vom 16. März; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 1211982 vom 31. März, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 7411982 vom 7. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 8611982 vom 23. Dezember, FJ Nr. 3. 215 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 10511983 vom 23. November, FJ Nr. 11; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 16811986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 611988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 216 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 611981 vom 16. März, FJ Nr. 4; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 611988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5.

III. Meinungsäußerungsfreiheit - Informationsfreiheit

75

die oben genannten Kommunikationsmedien weitergeben, sondern in erster

Linie die Gemeinschaft und alle ihre Mitglieder21 7 .

Der Kern der Informationsfreiheit ist also in dem Recht verankert, das die aktive Mitwirkung jedes Bürgers an der öffentlichen Meinungsbildung mittels jedweden Verbreitungsmediums anerkennt und schützt2 18.

bb) Die Journalisten

Der Art. 20 Abs. I. d) CE garantiert weder den Kommunikationsmedien im allgemeinen noch dem einzelnen Journalisten ein verfassungsmäßiges Recht auf besonderen Zugang2 19 zu Informationen, die die Öffentlichkeit normalerweise nicht erhalten würde220. Ungeachtet dessen, was oben zu den Subjekten des Rechts auf Information (alle Individuen, die die Gemeinschaft bilden) ausgeführt wurde, muß - so wie es das spanische Verfassungsgericht macht - anerkannt werden, daß die vorrangige Wertigkeit der Informationsfreiheit ihre größte Wirkung entfaltet, wenn sie von den Mitgliedern der Informationsberufe mittels des institutionalisierten Trägers, also der Presse im weitesten Sinne, ausgeübt wird221 . Es handelt sich hierbei um eine spezielle rechtliche Stellung222 . Torres del Moral spricht in zutreffender Weise von einem intensiveren rechtlichen Schutz223 . Wie das spanische Verfassungsgericht betont, bedeutet dies jedoch nicht, daß diese Freiheit nicht auch denjenigen zuerkannt werden muß, die keine Journalisten sind, da ja die Freiheitsrechte allen zustehen 224 . 217 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2. 218 Siehe J. Terron Montero, S. 218. 219 Dennoch behaupten einige Autoren, daß der Inhalt des Art. 20 Abs. I. d) CE (das Recht auf Information) sich nur auf die Berufe, die mit Kommunikation und Information zu tun haben, bezieht; So Teodoro Gonza/ez Ballesteros, La generica 1ibertad..., S. 43. 220 So auch im britischen Recht: vgl. Nigel Lowe I Sir Gordon Borrie, Law of Contempt, London,1983,S.184. 221 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10. 222 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2. 223 Antonio Torres del Moral, Principios de Derecho..., Bd. I, S. 261. 224 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10.

76

§4

Wesensmerkmale des Anikel 20 CE

Die aktive Informationsfreiheit wird von den Journalisten systematisch ausgeübt, da ihr eigentlicher Beruf in der geschützten Tätigkeit selbst besteht, nämlich Informationen zu verbreiten. Ihnen obliegt die Suche und Aufarbeitung der Informationen und ihre spätere Verbreitung225 . Auch wenn die Informationsfreiheit ein Grundrecht ist, das allen Bürgern gleichermaßen zusteht, so dient es in seiner aktiven Variante, d.h. im Recht, Information zu verbreiten, in der Praxis vor allem dem Schutz derer, die sich von Berufs wegen mit der Suche und Verbreitung von Information beschäftigen226 . Der Informant wird für die Freiheit der Gemeinschaft tätig. Einige Medienrechtier gehen sogar so weit zu behaupten, daß der Journalist als berufsmäßiger Übermittler von Informationen sich im Namen der Offentlichkeit betätigt227. Gonzalez Ballesteros bestätigt in diesem Zusammenhang, daß der Informant eine Pflicht erfüllt, die ihm von der Gesellschaft übertragen wurde. Dieser Autor vertritt sogar die Ansicht, daß der Bürger den Informanten stillschweigend damit beauftrage, ihn mit Informationen zu versorgen228 . Wie oben festgestellt wurde, ist das spanische Verfassungsgericht zu dem Schluß gekommen, daß die Meinungsfreiheit ein Freiheitsrecht gegenüber der öffentlichen Gewalt ist, ein Grundrecht, das alle Bürger gleichermaßen vor Eingriffen schützt, die keine rechtliche Grundlage haben, und auch vor einem Gesetz, das Schranken festlegt, die nach der Verfassung nicht zulässig sind229 . Die Mitglieder der journalistischen Berufe spielen diesbezüglich eine vorherrschende, aber keine ausschließliche Rolle230.

225 Siehe Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 105/1983 vom 23. November. FJ Nr. 11. 226 Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1981 vom 16. März. FJ Nr. 4; Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 30/1982 vom 1. Juni, FJ Nr. 4 . 227 Siehe Jose Maria Desantes Guanter, EI deber profesional de informar, Valencia, 1988, S. 24.

228 Teodoro Gonzalez Ballesteros. La generica libenad..., S. 45. 229 Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1981 vom 16. März; Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 12/1982 vom 31. März, FJ Nr. 3.Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 105/1983 vom 23. November, FJ Nr. 11 ; Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10. 230 Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1981 vom 16. März, FJ Nr. 4. Auch: Antonio Torres del Moral, Principios de Derecho..., Bd. I, S. 262.

111. Meinungsäußerungsfreiheit - Informationsfreiheit

77

Die Frage, ob den Journalisten wegen der sozialen Bedeutung ihrer Funktion Privilegien oder Sonderrechte (außerhalb des Berufsgeheimnisses und der Gewissensklausel) zustehen, wurde vom spanischen Verfassungsgericht negativ beantwortet231 . Auch wenn es die Gemeinschaft in erster Linie als Begünstigte dieses Rechts anerkennt, so hat es dennoch bestätigt, daß die Journalisten dessen Träger sind, da ihnen ja die Suche nach Information und ihre spätere Übermittlung obliegt232 . In seinem Urteil 30/1982 vom 1. Juni 1982 hat das spanische Verfassungsgericht schließlich den Journalisten das Recht auf Zugang zu Sitzungen eines öffentlichen Prozesses zuerkannt, und zwar wegen ihrer Funktion, welche sich aus ihrer verfassungsmäßig festgelegten Pflicht zu informieren ergibt233 . D.h. aber zum Beispiel nicht, daß der Art. 20 Abs. 1. d) CE ihnen ein allgemeines Recht gewährt, vom Staat die Gründung oder die Betreibung von Kommunikationsmedien zu verlangen, damit diese ihr legitimes Recht auf aktive Information ausüben234 .

d) Gegenstand des Rechts Das spanische Verfassungsgericht hat festgestellt, daß sich die Informationsfreiheit auf Tatsachen bezieht235, die dadurch, daß sie faßbar sind236, auf ihre Wahrhaftigkeit hin überprüft werden können und müssen237 . Wie das spanische Verfassungsgericht hervorhebt, handelt es sich um Tatsachen, die von öffentlichem Interesse sein können, d.h. um solche, die die Beteiligung der Bürger am Gemeinschaftsleben fördem 23 8.

23 1 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 105/1983 vom 23. November, FJ Nr. 11. 2 32 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 30/1982 vom 1. Juni, FJ Nr. 4. 233 Siehe Carmen Chinchilla Marin, Derecho de informaci6n, S. 64. 234 Siehe auch Lingens, Urteil des EGMR vom 8. Juli 1986, in 103 A PECHR. 235 Siehe auch Lingens, Urteil des EGMR vom 8. Juli 1986, in 103 A PECHR. 236 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2.

237 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2; Urteil des

spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2.; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 238 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts I 05/1983 vom 23. November, FJ Nr. 11; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5.

78

§

4 Wesensmerkmale des Artikel20 CE

Der Gegenstand des Rechts auf Information ist daher die Gesamtheit an Tatsachen, die als mitteilungswert eingestuft werden können239 . Unter Nachricht wird diejenige wahre Information 240 über Tatsachen, die von öffentlicher Bedeutung sein können241 , verstanden. Anders ausgedrückt kann man sagen, daß die Nachricht das Endergebnis des informativen Kommunikationsprozesses ist242 . Die Informationsfreiheit ist im Grunde an die Verbreitung der Nachricht gebunden. Wie oben gezeigt, kann sie im Gegensatz zur Meinungsäußerungsfreiheit ohne Verbreitungsakt nicht ausgeübt werden243. Verbreitung und Information benötigen für ihre tatsächliche Durchführung Kommunikationsmedien, da die Kommunikation mit der Öffentlichkeit, der Gemeinschaft, durch Wort oder Schrift nur schwer erreicht werden kann244 . Mit der Verankerung des Rechts auf Information als selbständiges Recht in der Verfassung ist ein Recht geschaffen, das das öffentliche Interesse an der Information schützt. Dieses Recht hat eine klare soziale Grundlage. Dadurch daß man die Meinungsfreiheit mit anderen sozialen Interessen in Verbindung gesetzt hat, was in der Lehre bereits geschehen ist245 , wurde ihre rein individuelle Dimension überwunden246.

239 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 105/1983 vom 23. November, FJ Nr. II; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 240 Zum Begriff Information im Kommunikationsprozess siehe H. Seiffert, Information über die Information, 3. Auf!., München, 1971, S. 31 ff. 241 Siehe J. Ga/vez Montes, S. 268. 242 Siehe Manuel Femandez Areal, La protecci6n de ... , S. 204. 243 Siehe Francisco J. Bastida, S. 67. Einige Autoren weisen darauf hin, daß dieser Verbreitungsakt, d.h. die Informationstätigkeit, im Grunde ein Akt der Rechtsgewährung ist, da ja dadurch die Ausübung eines fremden Rechtes (des passiven Informationsrechts) ermöglicht wird und der Öffentlichkeit das gewährt wird, was ihr zusteht. Siehe Teodoro Gonza/ez Bal/esteros, La gemlrica libertad ..., S. 44. 244 Vgl. Francisco J. Bastida, S. 68 und 69. 245 Vgl. Remedio Sanchez Ferriz, S. 70; A. Femandez-Miranda y Campoamor, Libertad de expresi6n..., S. 494, weist zudem auf folgende Werke hin. die für diese Auffassung in der Lehre bezeichnend sind: Benito, A., Perspectivas actuales del Derecho a Ia lnformaci6n, in: Nuestro Tiempo, Nr. 169-170, und Teorfa generat de Ia lnformaci6n, Madrid, 1973; Wesley, C., EI Derecho

III. Meinungsäußerungsfreiheit - Informationsfreiheit

79

4. Die vorrangige Stellung der Meinungsfreiheit

Sowohl die Meinungsäußerungsfreiheit als auch die Informationsfreiheit genießen aufgrund ihrer Bedeutung für die Öffentlichkeit247 - und nur insoweit248 - eine vorrangige Stellung, die dazu führt,

daß

sie sogar anderen

Grundrechten vorgehen können. Das wird praktisch von der gesamten spanischen Lehre sowie von dem spanischen Verfassungsgericht anerkannt249 . Einige Autoren lehnen dies jedoch ab, was sie mit dem Zweck der öffentlichen Meinungsbildung (durch Zeitung, Rundfunk usw.) begründen250 .

a Ia Informaci6n, Quito, I963; Desantes, J. M., La informaci6n como derecho, Madrid, 1974; Folliet, J., L'information moderne et le droit a l'inforrnation, Paris, 1969; Gonzalez Casanova, J.A.,

EI derecho a Ia libre expresi6n y a Ja informaci6n, in: CUadernos para\ el Dialoge, 1968, Nr. XI; Kayser, J., Mort d'une liberte, Paris, 1955; Riv~ro, J., De Ia libertad de prensa al derecho a Ia informaci6n, Barcelona, 1963; Voyenne, B., La presse dans Ia societe contemporaine, Paris, 1962; Jorge Xifra He ras, La informaci6n, analisis de una libertad frustrada, Barcelona, 1972. 246 Siehe A. Femandez-Miranda y Campoamor, Libertad de expresi6n... , S. 494 und 495 sowie A. Rodriguez Diaz, La posici6n preferente..., S. 12; De Vega Ruiz, J. A., Derechos y libertades en los medios de comunicaci6n social. Los Hmites de Ia libertad de expresi6n, in: Poder Judicial, Sonderheft XIII, 1990, S. 19; Teodoro Gonzalez Ballesteros, La generica libertad... , S. 46. 247 Das öffentliche oder kollektive Interesse im allgemeinen urnfaßt, wenn auch auf eine andere Weise, alle Grundrechte. Wie Quintero Olivares feststellt, kann nur die Gewährung aller Grundrechte an alle Bürger eine gerechte und demokratische Gesellschaft schaffen. Gonzalo QuinterD Olivares, La intervenci6n del Derecho penal en Ia protecci6n del honor: utilidad, condicionamientos y limitaciones, in: Poder Judicial, Sonderheft XIII, 1990, S. 70. 248 S. Mufloz Machado, Libertad de prensa... , S. 149. Dieser Autor bestätigt, daß das aktive und passive Informationsrecht seine öffentliche Bedeutung verliert, wenn es darum geht, über private Angelegenheiten zu informieren. 249 Vgl. für die Lehre Angel Rodriguez Diaz, La posici6n preferente... , S. 12. Vgl. für die Rechtsprechung Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1981 vom 16. März, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 12/1982 vom 31. März, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 74/1982 vom 7. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 104/1986 vom 17. Juli, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 159/1986 vom 12. Dezember, FJ Nr. 6; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2. 250 Vgl. Manue1 FemandezAreal, La protecci6n de ... , S. 222.

80

§ 4 Wesensmerkmale des Artikel 20 CE

Diese vorrangige ·Stellung erklärt sich aus dem Dienst, welcher die Ausübung dieser Rechte der Öffentlichkeit erweist251. Das spanische Verfassungsgeeicht hat erklärt, daß die vorrangige Stellung der in Art. 20 CE genannten Freiheiten aber nur dann angenommen werden kann, wenn sie in Verbindung mit Angelegenheiten ausgeübt werden, die von öffentlichem Interesse hinsichtlich der Inhalte und Personen sind, auf die sich die Information bezieht, und sie so zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen. Durch die Vorrangposition wird also der höchste Grad an rechtlicher Wirksamkeit erreicht252. Auch die Meinungsäußerungsfreiheit, die Gedanken, Ideen, Meinungen oder Werturteile zum Inhalt hat253 , erlangt unter diesen Voraussetzungen öffentliche Bedeutung, wenn sie also Inhalte von öffentlichem Interesse betrifft254. Die Informationsfreiheit genießt stets eine prinzipiell vorrangige Stellung, da ja ihr Inhalt, die Nachricht als solche, von Bedeutung für die Öffentlichkeit ist255 . Dennoch trifft dies dann nicht zu, wenn ihre Ausübung nicht in der üblichen Form der Meinungsbildung erfolgt256. Das spanische Verfassungsgericht begründet diese vorrangige Stellung der öffentlichen Freiheiten des Art. 20 CE mit ihrer Funktion, Garantie für eine freie öffentliche Meinung zu sein, die für die Verwirklichung des politischen Pluralismus - eines wesentlichen Wertes des demokratischen Staates - uner-

251 Vgl. Theodor Maunz I Reinhold ZIPPELIUS, S. 194. 252 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 5111989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2. Siehe, S. Muiioz Machado, Libertad de prensa... , S. 153. Zum Vergleich mit der deutschen Lehre und Rechtsprechung zur besonderen Stellung dieses Rechts siehe Theodor Maunz I Reinhold Zippelius,

S. 194; BVerfGE 7, S. 198 ff., S. 221 ff., S. 234-235. Vgl. auch Urteil des amerikanischen Supreme Court New York Times Co. v. Sullivan, 376 U.S. 254 (1964), in dem betont wird, daß die Botschaft von öffentlichem Interesse sein muß, um den vollen verfassungsrechtlichen Schutz zu erhalten. (S.

266 des Urteils). 253 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 10711988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2, Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 5111989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2. 254 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 5111989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2. 255 Siehe J. Galvez Montes, S. 268. 256 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 16511987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10.

III. Meinungsäußerungsfreiheit - Informationsfreiheit

81

läßlich ist257 . Der Bürger muß umfassend informiert werden, so daß er unterschiedliche, auch widersprüchliche Meinungen abwägen, frei seine Meinung bilden sowie verantwortlich an dem öffentlichen Leben teilnehmen kann258. In diesem Zusammenhang muß auch berücksichtigt werden, daß die Meinungs- und Informationsfreiheit - worauf das spanische Verfassungsgericht und der EuMRG hinweisen - nicht nur für die Informationen und Ideen gelten, die günstig aufgenommen oder die als unschädlich oder neutral eingeschätzt werden, sondern auch für diejenigen, die den Staat oder jedweden Teil der Bevölkerung verletzen, beleidigen, beunruhigen, stören oder belästigen. Dies verlangt der Pluralismus, die Toleranz und eine offene Denkweise, ohne die es eine demokratische Gesellschaft nicht geben kann259.

257 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1981 vom 16. März, FJ Nr. 3; Urteil des

spanischen Verfassungsgerichts 12/1982 vom 31. März, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 74/1982 vom 7. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungs-

gerichts 104/1986 vom 17. Juli, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 159/1986 vom

12. Dezember, FJ Nr. 6; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts

5111989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 121/1989 vom 3. Juli, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 20/1990 vom 15. Februar, FJ Nr. 4; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 105/1990 vom 6. Juni, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 171/1990 vom 12. November, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 172/1990 vom 12. November, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 206/1990 vom 17. Dezember, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 143/1991 vom I. Juli, FJ Nr. 6; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 214/1991 vom 11. November, FJ Nr. 6. 258 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 159/1986 vom 12. Dezember, FJ Nr. 6. 259 Siehe Fall Handyside, Urteil des EGMR vom 7. Dezember 1976, in 24 A PECHR; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 62/1982 vom 15. Oktober, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 6. 6 Crcmades

82

§ 4 Wesensmerkmale des Artikel20 CE

5. Unterschiede zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit und dem Recht auf Information

Der erste Unterschied, der bereits oben festgestellt wurde, besteht in dem Inhalt der beiden Freiheiten: Während der eigentliche Gegenstand der Meinungsäußerungsfreiheit Gedanken, Ideen und Meinungen260 sind261 , sind es ansonsten die Tatsachen, die als bemerkenswert eingestuft werden können262. Dennoch weist das spanische Verfassungsgericht darauf hin, daß es manchmal im wirklichen Leben nicht einfach ist, die Äußerung von Gedanken, Ideen und Meinungen von der informativen Kommunikation zu trennen: So stütze sich erstere oft auch auf die Berichterstattung oder Beschreibung von Tatsachen. Umgekehrt erfolgt die Verbreitung von Tatsachen oder Nachrichten nie in einem wertfreien Zustand und umfaßt fast immer irgendein wertendes Element, oder anders ausgedrückt, eine Aufforderung zur Meinungsbildung263. Das spanische Verfassungsgericht hat auch darauf hingewiesen, daß Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit nicht nur verschiedene Inhalte, sondern auch verschiedene Schranken264 besitzen, und zwar echte Beschränkungen von außen als auch Begrenzungen von innen (immanente Schranken)265 . Diese Unterschiede sind der Grund für den unterschiedlichen Rang, den diese Rechte in verschiedenen Fällen einnehmen. So hat z.B. das spanische Verfassungsgericht entschieden, daß von dem, der die Meinungsäußerungsfreiheit ausübt, nicht verlangt werden kann, daß er den Beweis für die Richtigkeit der Information erbringt oder bei der Ermittlung sorgfältig vorgeht, was jedoch dem Art. 20 Abs. 1. d) CE zufolge die verfassungsrechtliche

260 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 4. 261 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2: Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 262 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 105/1983 vom 23. November, FJ Nr. II: Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 263 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 264 Siehe auch Carmen Chinchilla Marin, Derecho de informaci6n, S. 63. 265 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5.

III. Meinungsäußerungsfreiheit - Informationsfreiheit

83

Legitimität des Rechts, zu informieren, bedingt. Daher ist die innere Schranke der Wahrhaftigkeit auf die Meinungsfreiheit nicht anwendbar, wohl aber auf die Informationsfreiheit266 . Alles in allem läßt sich sagen, daß die Informationsfreiheit einigen Beschränkungen unterliegt, die für die Meinungsäußerungsfreiheit nicht in Betracht kommen: das Erfordernis der Wahrhaftigkeit, der Schutz der Staatsgeheimnisse usw. 267 . Zudem erhält das Rechtssubjekt, das die Informationsfreiheit ausübt, bestimmte spezielle Garantien (das Berufsgeheimnis, die Gewissensklausel), die dem Rechtssubjekt der aktiven Meinungsäußerungsfreiheit nicht zustehen.

6. Die Pressefreiheit

Die Pressefreiheit gründet sich auf die Meinungsäußerungsfreiheit und das Recht auf Information268 . Für sie gelten dieselben allgemeinen Schranken269 und Garantien270 wie für diese. Die Verbindung zwischen der Pressefreiheit und der Informationsfreiheit ist klar: Von dieser wird das Recht abgeleitet, Kommunikationsmedien als Mittel zur öffentlichen Verbreitung, Ausstrahlung und zum Empfang von informellen Inhalten zu gründen und zu verwenden. Zudem enthält die

266 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2. Siehe auch den Fall Lingens, Urteil des EGMR vom 8. Juli 1986, in 103 A PECHR. 267 Vgl. Carmen Chinchilla Marin, Derecho de informaci6n, S. 63. Zur Abgrenzung beider Freiheiten vgl. auch Luka Brajnovic, EI ambito cientifico de Ia informaci6n, Pamplona, 1979, S. 39-40. 268 Siehe Martin Stock, Medienfreiheit als Funktionsgrundrecht, S. 162. Zum Teil wurde die Informationsfreiheit mit der eigentlichen Pressefreiheit verwechselt: siehe Francisco J. BASTIDA,

s. 18.

269 Siehe allgemein liiaqui Agirreazkuenaga I Ives Rodriguez, Los Hmites de Ia libertad de

prensa en Espaiia, in: RVAP, Nr. 12, Mai-August 1985; Mare Carrillo, Los Hmites a Ia libertad de prensa en Ia Constituci6n de 1978, Barcelona, 1987; S. Munoz Machado, Libertad de prensa..., S. 11-87. 270 So bestätigt Munro, daß jede Verfassung bei der Regelung der Pressefreiheit jedwede Form des Mißbrauchs der Freiheit verbietet und zu ihren Gunsten den Schutz vertraulicher Quellen garantiert: Colin Munro, Press Freedom- How the Beast was Tamed, in: MLR, 1991, Bd. 54, Nr. I,

s. 109.

84

§ 4 Wesensmerkmale des Artike120 CE

Meinungsäußerungsfreiheit die Möglichkeit, seine eigenen Gedanken öffentlich zu verbreiten271_ Das Individuum, dem es durch die Meinungsäußerungsfreiheit und das Recht auf Information garantiert wird, seine Ideen, Meinungen und Gedanken mittels jedweden Mediums zu verbreiten, findet in der Pressefreiheit eine Garantie dieser Rechte und allgemein aller in Art. 20 CE anerkannten Rechte vor272. Die Benutzung und der Zugang zu den Kommunikationsmedien ist frei. Jeder kann sie gründen und das Eigentum daran erwerben. Er muß sich jedoch an die rechtliche Ausgestaltung des Mediums, das erworben oder gegründet werden soll, halten273. Sofern er die notwendigen Vorschriften beachtet, kann ihn nichts davon abhalten, bei der Kommunikation einen seriösen oder auch frivolen Stil anzunehmen274. Worauf die deutsche Lehre und selbst das BVerfG in Karlsruhe hinweisen, genießt auch die Sensationspresse die verfassungsrechtlichen Garantien, die der Informationsfreiheit allgemein und der Pressefreiheit insbesondere zustehen275 . Zweifellos unterliegt sie gleichermaßen denjenigen allgemeinen Beschränkungen, denen diese Freiheiten unterliegen276, nämlich

271 Vgl. Martin Stock, Medienfreiheit als Funktionsgrundrecht, S. 13. 2?2 Man sollte in diesem Zusammenhang bedenken, daß bzgl. des literarischen, künstlerischen, wissenschaftlichen und technischen Schaffens - Art. 20 Abs. I. b) - Presse, Rundfunk und Film auch wichtige Träger der Kunst und Kultur sind; Vgl. Heinz Georg BAMBERGER, S. 83. 273 Siehe Francisco J. Bastida, S. 63. 274 Vgl. Aoyd Abrams, A worthy tradition: the scholar and the First Amendment (Rezension des gleichnamigen Werkes von Harry Kalven), in: Harvard Law Review, März 1990, Nr. 5, Bd. 103, S. 1168. 275 Siehe BVerfGE 25, S. 296 ff., S. 397; BVerfGE 34, S. 269 ff., 283 ff. ; BVerfGE 35, S. 202 ff., S. 222; BVerfGE 66, S. 116 ff.; H. Krüger, Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien, Frankfurt a M., 1965, S. 25 ff.; Peter Von Becker, S. 37-39; Reinhart Ricker, Freiheit und Aufgabe der Presse, Freiburg, 1983, S. 30; Reinhart Ricker, Unternehmensschutz und Pressefreiheit, Heidelberg, 1989, S. 24; Gilbert-Hanno Gomig, S. 206. 276 So zum Beispiel sieht ein wichtiger Teil der Lehre in dem Gegendarstellungsrecht eine klare Grenze der Pressefreiheit. So Mare Carrillo, Los limites a Ia libertd de prensa en Ia

III. Meinungsäußerungsfreiheit - Informationsfreiheit

85

dem Erfordernis, der Wahrheit zu entsprechen. In diesem Zusammenhang hat das spanische Verfassungsgericht erklärt, daß die Rechtsordnung denjenigen, der falsche Informationen verbreitet, nicht schützt; noch weniger solche, die Gerüchte oder gar reine Erfindungen einfach als Tatsachen mitteilen. Wohl aber schützt sie in ihrer Gesamtheit diejenige Information, die redlich erlangt oder verbreitet wurde, selbst wenn ihre Genauigkeit insgesamt in Frage gestellt werden könnte277. Das Recht jeden Individuums, mit Informationen versorgt zu werden, ist die eigentliche Grundlage der öffentlichen Funktion der Presse (passive Variante des Rechts auf Information) 278 . Wie schon oben festgestellt wurde, kanalisieren die Kommunikationsmedien - selbst die neuen - nicht nur das aktive Recht auf Information der Journalisten und der Unternehmer dieser Branche, sondern auch das passive Recht der Gesellschaft, Informationen und Meinungen zu erhalten279. Das spanische Verfassungsgericht weist darauf hin, daß die Presse das institutionalisierte Instrument zur öffentlichen Meinungsbildung ist280 . Auch wenn diese Freiheit in ihrer passiven Variante ein Recht auf Zugang zu den vorhandenen Quellen schafft, so gewährt sie dennoch keinen Anspruch darauf, daß bestimmte Medien gegründet werden. Das passive Informationsrecht bezieht sich auf die Benutzung der Medien als solcher und zwar so, wie sie sind, und nicht darauf, daß die Einführung von bestimmten Sendungen oder Veröffentlichungen mit bestimmten Inhalten verlangt werden kann281 . In dem Urteil 86/1982 wird bestätigt, daß die Rechte des Art. 20 CE keine Leistungsrechte sind, sondern sich in den Freiheiten, die dieser den Bürgern gewährt, ausdrücken. Die Massenmedien erfüllen eine Vermittlerrolle zwischen der Nachricht und der Öffentlichkeit im allgemeinen, also denjenigen, denen es nicht möglich ist, direkt von ihr Kenntnis zu erlangen. Diese Rolle erlangt eine

1978, Barcelona, 1987, S. 43, S. 50; Mare Carrillo, Los lfmites a... , S. 135. 277 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 278 Vgl. Irene NEVERLA, Fernsehen als Medium einer Gesellschaft in Zeitnot, in: Media Perspektiven, 3/1991, S. 194-205. 279 Vgl. Hans Bismark, S. 172. Vgl. Maria Francesca Spatolisano, S. 223 ff. 280 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10. 28 1 Siehe Martin Stock, Medienfreiheit als Funktionsgrundrecht, S. 6.

Constituci6n Espaiiola de

86

§ 4 Wesensmerkmale des Artikel

20 CE

besondere Bedeutung, wenn sie in Verbindung mit Ereignissen tritt, die wegen ihrer Wichtigkeit alle betreffen und dadurch große Resonanz in der Gesellschaft erreichen können282. Bevor die Garantien und Schranken des oben behandelten Rechts betrachtet werden, muß noch auf einen Mangel des Art. 20 CE hingewiesen werden: Er erkennt nämlich das Recht, Gedanken, Ideen und Meinungen zu empfangen, nicht ausdrücklich an. Diese erhebliche Lücke muß geschlossen werden durch die systematische Auslegung der Vorschrift - so der spanische Oberste Gerichtshof und das spanische Verfassungsgericht - und durch die Anwendung der Generalklausel des Art. 10 Abs. 2 CE, der auf die internationalen Vorschriften verweist283.

282 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 30/1982 vom I. Juni. FJ Nr. 4. 283 Siehe das Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 62/1982 vom 15. Oktober, FJ Nr. 2.

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit I. Einleitung Die allgemeinen Garantien, die Art. 53 284 und 54285 CE für die Grundfreiheiten und - rechte festlegen, haben auch für alle im Art. 20 CE anerkannten Rechte Geltung. Dieser allgemeine Schutz ist am stärksten bezüglich dessen, was sich auf den ersten Abschnitt des zweiten Kapitels von Titel I, dem der Artikel 20 CE angehört, bezieht. Dies wurde bereits oben erörtert. Allerdings begründet dieser Artikel auch selbst Garantien für die in ihm enthaltenen Rechte. Damit die Meinungsfreiheit und mit ihr auch die Informationsfreiheit ausgeübt werden können, ist es erforderlich, daß die Informationskanale nicht

284 Art. 53 CE: 1. Die in Kapitel2 dieses Titels anerkannten Rechte und Freiheiten binden die öffentliche Gewalt. Die Rechte und Freiheiten sind gemäß den Bestimmungen von Artike/161 Abs. 1. b) geschützt. Nur durch ein Gesetz, das in jedem Fall ihren Wesensgehalt achten muß, kann ihre Ausübung geregelt werden. 2. Jeder Bürger kann durch ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, das auf den Grundslitzen der Priorität und der Schnelligkeit beruht, sowie

gegebenenfalls durch eine Verfassungsbeschwerde vor dem Verfassungsgericht den Schutz der in Artikel 14 und in Abschnitt 1 des Kapitels 2 anerkannten Freiheiten und Rechte erreichen. Die Verfassungsbeschwerde ist bei der in Artikel 30 anerkannten Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen anwendbar. 3. Die Anerkennung, die Achtung und der Schutz der in Kapitel 3 anerkannten Grundsätze sollen Grundlage der Gesetzgebung, der Rechtsprechung und des Handeins der öffentlichen Gewalt sein. Sie können nur vor den ordentlichen Gerichten in Übereinstimmung mit den dafür maßgeblichen Gesetzen geltend gemacht werden. 285 Art. 54 CE: Ein Organgesetz regelt die Einrichtung des Volksanwalts, der als Hoher Beauftragter des Parlaments von diesem zum Schutz der in diesem Titel enthaltenen Rechte ernannt wird. Zur Erfollung seiner Aufgaben kann er die Tätigkeit der Verwaltung überwachen und darüber dem Parlament Bericht erstatten.

88

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

verstopft286 , übennäßig beschränkt oder bedroht werden. Wie Bastida feststellt, setzen die Infonnation und Verbreitung ein Kommunikationsmedium voraus, ohne das keine der beiden Tätigkeiten denkbar ist287 . Nur mittels der Kommunikationsmedien kann auf befriedigende Art und Weise der Kommunikationsprozeß verwirklicht werden. In dem Recht zu infonnieren ist zudem das Recht der Öffentlichkeit, genau infonniert zu werden, mitenthalten288. Die spanische Rechtsordnung legt außer strafrechtlichen auch verschiedene andere Garantien . fest, die die an dem erwähnten Kommunikationsprozeß Beteiligten betreffen: die Kommunikationsmedien (Verbot der Vorzensur, Verbot der Beschlagnahme durch die Verwaltung), die Öffentlichkeit im allgemeinen (das Gegendarstellungsrecht) und diejenigen, die sich von Berufs wegen mit der Infonnation beschäftigen (die Gewissensklausel und das Berufsgeheimnis). Jede dieser Garantien wird noch im einzelnen zu erläutern sein. Die strafrechtlichen Garantien sollten jedoch hier noch erwähnt werden. Diese werden im Art. 165 bis des Strafgesetzbuches allgemein festgelegt28 9: Diejenigen, die die rechunäßige Ausübung der Meinungsfreiheit und die Verbreitung von Infonnationen ver- oder behindern, werden mit Haft- und Geldstrafe von 100.000 bis 1.000.000 Peseten bestraft. Im folgenden werden sowohl die verfassungsrechtlichen Garantien als auch das Gegendarstellungsrecht analysiert (das zwar keinen verfassungsrechtlichen Rang genießt, aber von außergewöhnlich großer Bedeutung ist), und zwar in dieser Reihenfolge: Verbot der Vorzensur, Verbot der Beschlagnahme durch die Verwaltung, das Gegendarstellungsrecht, die Gewissensklausel und als letztes das Berufsgeheimnis der Journalisten.

286 Siehe Manuel Fernandez Areal, La protecci6n de ... , S. 208. 287 Francisco J. Bastida, S. 67. 288 Siehe Jean-Francois Revel, EI conocimiento inutil, Barcelona, 1989, S. 209. 289 Das LO 4/1980 vom 21. Mai änderte das Strafgesetzbuch, was die Delikte bzgl. der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinsfreiheit betrifft.

II. Verbot der Vorzensur

89

II. Verbot der Vorzensur Der Kampf dafür, das geschriebene Wort frei von Zensur zu halten, hat tiefe historische Wurzeln. Die Unterbindung einer Freiheit bedeutet ihre Verneinung selbst290 . Der Kampf um die Durchsetzung der Meinungsfreiheit bedeutet vornehmlich das ständige Verlangen nach der Freiheit, die verschiedenen Kommunikationsmedien gründen und benützen zu können291 . Durch die Anerkennung des Verbots der Vorzensur, das sowohl die öffentlichen als auch die privaten Kommunikationsmedien betrifft292, übernimmt der Art. 20 Abs. 2 CE die Regelung des Art. 10 Abs. I EMRK293. Zunächst bezog die ursprüngliche Fassung des Art. 20 CE das Verbot der Vorzensur lediglich auf das Recht, Ideen und Meinungen auszudrücken und zu behaupten, doch mit dem Gutachten lnforme de Ja ponencia wurde dieses auf alle in der Vorschrift anerkannten Rechte ausgedehnt294. Das spanische Verfassungsgericht versteht unter Vorzensur jede beschränkende Maßnahme bei der Ausarbeitung oder Verbreitung eines geistig verfaßten Werkes, insbesondere die Tatsache, daß diese von einer vorherigen

290 Vgl. Heinz Georg Bamberger, S. 83. 291 Siehe Francisco J. Bastida, S. 68; Siehe auch Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 12/1982 vom 31. März, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 74/1982 vom 7. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 79/1982 vom 20. Dezember, FJ Nr. 3.

292 Die Freiheiten ändern ihr Wesen nicht dadurch, daß sie gegenüber einem öffentlichen oder

privaten Rechtssubjekt ausgeübt werden. Sie kommen zwischen Privatpersonen und gegenüber der öffentlichen Gewalt zur Entfaltung: siehe A. Embid Irujo, EI Tribunal Constitucional y Ia protecci6n de las libertades publicas en el ambito privado, in: Revista Espaiiola de Derecho Administrativo, Nr. 25, April-Juni

1980, S. 200-201. 293 Über das Verbot der Vorzensur in dem Art. 10 Abs. I EMRK siehe Sabine Astheimer, Rundfunkfreiheit, ein europäisches Grundrecht: Eine Untersuchung zu Art. 10 EMRK, BadenBaden, 1990, S. 52; Heinz Guradze, Die Europäische Menschenrechtskonvention, Berlin, 1968, Art. 10, Rz. S. 8 ff.; Peter Curdin Ragaz, Die Meinungsäußerungsfreiheit in der Europäischen Menschenrechtskonvention, Bern, 1979, S. 57 ff. 294 Siehe Carlos Soria, EI derecho a..., S. 82.

90

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

amtlichen Überprüfung seines Inhalts abhängig gemacht wird295 . Diese Prüfung zielt darauf ab, daß die Veröffentlichung oder Verbreitung des Werkes durch einen Zustimmungs- oder ein Genehmigungsvermerk erlaubt wird, wenn es mit der Meinung des Zensors übereinstimmt, oder diese untersagt wird, wenn dies nicht der Fall ist296. Die Formulierung des Art. 20 Abs. 2 CE verbietet die Vorzensur ausnahmslos. Man könnte meinen, daß sie unter der Bedingung zulässig ist, daß ein repressives Zensursystem durch ein präventives ersetzt wird, wenn die Erklärung des Ausnahme- oder Belagerungszustandes beschlossen wird297 Fälle, die im Art. 55 Abs. 1 CE vorgesehen sind. Dies trifft jedoch nicht zu. Sogar in diesen Situationen ist die Vorzensur verboten. Art. 21 Abs. 2 der LO 4/1981 vom 1. Juni, der auf die Regelung des Art. 55 Abs. 1 CE Bezug nimmt, ordnet dies an. Auch wenn nach Art. 2 des erwähnten Gesetzes die Verbreitung der Erklärungen und Verfügungen der zuständigen Behörde in den öffentlichen und privaten Kommunikationsmedien zur Pflicht gemacht werden kann und der Art. 21 des LO 4/1981 ein Verbot von Rundfunk- und Fernsehsendungen, Kino- und Theatervorstellungen sowie die Beschlagnahme von Veröffentlichungen errnöglicht298, so gibt es für das verfassungsrechtliche Verbot der Vorzensur als solches keine Ausnahme in der spanischen Rechtsordnung. Das Verbot der Zensur betrifft sowohl die Berechtigung, Tatsachen und Meinungen zu erforschen, als auch die Befugnis, Produkte intellektueller Natur zu verbreiten sowie die verschiedenen Kommunikations- und Informationsprozesse durchzuführen299 . Das Verbot der Vorzensur umfaßt auch das Verbot von Genehmigungsverfahren durch die Verwaltung hinsichtlich der Recherchierung oder der Ver-

295

52/1983 vom 17. Juni, FJ Nr. 5; Urteil des 13/1985 vom 31. Januar, FJ Nr. I. 296 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 13/!985 vom 31. Januar, FJ Nr. I. 297 So Luis Sanchez Agesta, Sistema Politico de Ia Constituci6n Espaiiola de 1978, Madrid, 1980, s. 126. 298 Vorausgesetzt, die Ermächtigung des Kongresses urnfaßt die Suspendierung des Art. 20 Abs. I. a) und d) und 20 Abs. 5 CE. 299 Siehe Carlos Soria, EIderecho a... , S. 90 und 93. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts

spanischen Verfassungsgerichts

III. Das Verbot der Beschlagnahme durch die Verwaltung

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breitung und des Empfanges von Nachrichten und Informationen, soweit sie nicht unbedingt erforderlich sind, um die Meinungsfreiheit selbst oder andere Grundrechte zu garantieren; ferner das Verbot, Informationsmedien anmelden oder die Verwaltung hinzuziehen zu müssen, bevor bestimmte Informationen verbreitet werden; ebenso das Verbot, Botschaften zu unterschlagen, um ihre Verbreitung und die Kenntnisnahme zu verhindern, sowie diesbezügliche Weisungen durch die Verwaltung usw. 300 . Alle im Art. 20 CE enthaltenen Rechte sind vor der Vorzensur geschützt, und zwar auch das passive Recht auf Information, also auf Empfang von Ideen, Tatsachen, Meinungen, also intellektuellen Produkten allgemein. Es wäre die Vorzensur auch dann nicht zulässig, wenn sie von demjenigen, der Informationen verbreitet, gebilligt wird30 1. Die Öffentlichkeit im allgemeinen und jeder Bürger im besonderen besitzt nämlich das Grundrecht, Informationen nicht nur unverfälscht, sondern auch frei von jeder Vorzensur zu erhalten.

111. Das Verbot der Beschlagnahme durch die Verwaltung Gemäß Art. 20 Abs. 5 CE ist die Beschlagnahme von Veröffentlichungen, Aufnahmen (Tonaufnahmen, photographische oder audiovisuelle Aufnahmen) und anderen Informationsmitteln nur dann gerechtfertigt, wenn sie aufgrund eines richterlichen Beschlusses erfolgt. Dieser muß begründet sein und sich auf eine Übertretung der Grenzen, die die Verfassung für die Ausübung dieses Rechts vorsieht, stützen. Der richterliche Beschluß müßte zum Ziel haben, Schäden an einem anderen geschützten Rechtsgut zu verhindern, ihnen vorzubeugen oder sie abzuschwächen. Was die in der Vorschrift verwendete Terminologie betrifft, bezog sich der Verfassungsentwurf ursprünglich lediglich auf Veröffentlichungen und Tonaufnahmen; danach sprach das Gutachten des Verfassungsausschusses des

300 Vgl. A. Femandez-Miranda y Campoamor, Libertad de expresi6n..., S. 535-536. 30 1 Siehe Carlos Soria, EI derecho a ... , S. 91.

92

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

Senats3°2 neben Veröffentlichungen und Tonaufnahmen auch von anderen Informationsträgem. Das Gutachten der (gemischten) Kommission des Kongresses und des Senats303 ersetzte schließlich das Wort Trager durch Medien. Damit entstand die endgültige, derzeitige Fassung: Für Veröffentlichungen, Tonaufnahmen und andere Kommunikationsträger gilt das Verbot der Beschlagnahme_durch die Verwaltung. Jenseits von bloßen terminologischen Fragen bezweckt die hier erörterte Vorschrift, einfreiheitliches Klima zu schaffen, das nötig ist, damit die Ausübung der Meinungsfreiheit im allgemeinen und besonders des Rechts auf Information nicht behindert wird304. Es handelt sich also um eine Garantie der Kommunikationsmedien, die letzten Endes das Recht der gesamten Gesellschaft auf aktive - die Kommunikationsmedien sind die herkömmlichen Formen ihrer Ausübung - und passive - die üblichen Formen der Kenntnisnahme von Informationen sind ebenfalls die Kommunikationsmedien Information selbst begünstigt. Da die Beschlagnahme einer Veröffentlichung durch die Verwaltung das Recht Informationen zu erhalten beeinträchtigen würde, verleiht die spanische Verfassung nicht der öffentlichen Verwaltung die Kompetenz darüber zu entscheiden, ob eine Beschlagnahme erfolgt oder nicht, sondern der Judikative. Die Beschlagnahme einer Veröffentlichung, Tonaufnahme oder einer anderen Äußerung eines Informationsmediums ist demnach eine zulässige Maßnahme, die das Gericht bei der Einleitung eines Gerichtsverfahrens im Rahmen von Delikten, die mittels eines gedruckten Werkes, einer Aufnahme usw. begangen wurden, ergreifen kann. Sie kann entweder darin bestehen, daß die Veröffentlichung beschlagnahmt wird oder daß die Verbreitung oder künftige Veröffentlichung seitens des Mediums, durch das der Tatbestand des Delikts verwirklicht wurde, verboten wird305 . Daher ist die Beschlagnahme in

302 BOC vom 6. Oktober 1978. 303 BOC vom 28. Oktober 1978. 304 So auch Manuel Fernandez Areal, La protecci6n de ... , S. 206. 305 Der Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes 62n8 vom 26. Dezember über den gerichtlichen Schutz der persönlichen Grundrechte eröffnet die Möglichkeit der Berufung gegen den Gerichtsbeschluß über die Beschlagnahme oder das Verbot der Verbreitung oder Ausstrahlung durch eine Medienanstalt, über die innerhalb einer Frist von 5 Tagen entschieden werden muß. Vgl. dazu Esperanza Gonzalez

IV. Das Gegendarstellungsrecht

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erster Linie präventiver und nicht repressiver Natur, da ihr Ziel die Unterbrechung eines Vorganges ist, der möglicherweise ein oder mehrere Grundrechte anderer gefährden könnte. Wenn das Gericht die Beschlagnahme einer Veröffentlichung beschließt, muß es der Meinung sein, daß diese Maßnahme einen wirksamen Schutz dieses Rechts darstellt. Die Beschlagnahme zielt letztendlich auf eine konkrete Veröffentlichung, ein bestimmtes Programm usw. und nicht auf das Kommunikationsmedium als solches. Weder das Verwaltungs- noch das Strafrecht sehen derzeit306 die Möglichkeit vor, ein Kommunikationsmedium zu verbieten, das in zulässiger Weise begründet wurde. Unberührt bleiben einfache Polizeimaßnahmen, wie z.B. das Verbot der Verbreitung von Flugblättern usw.

IV. Das Gegendarstellungsrecht 1. Die Unterscheidung der Lehre zwischen dem Gegendarstellungsrecht und dem Recht auf Erwiderung

Auch wenn es nicht ausdrücklich in der spanischen Verfassung erwähnt wird, ist das Gegendarstellungsrecht307 dennoch im Art. 20 Abs. I. d) CE enthalten. Die Lehre und das - inzwischen abgeschaffte - Pressegesetz von 1966308 nehmen eine Unterscheidung zwischen dem Gegendarstellungsrecht und dem

Salinas, Proceso administrativo para Ia protecci6n de los derechos fundamentales, Madrid, 1989,

insbesondere S. 61, 62. Siehe auch Karl-Peter Sommennann, Der richterliche Schutz der Grundrechte in Spanien, in: Richterliche Verfassungskontrolle in Lateinamerika, Spanien und Portugal (hrsg. v. Hans-Rudolf Horn I Albrecht Weber), Baden-Baden, 1989, S. 42. 306 Die republikanische Verfassung von 1931 legte positiv in ihrem Art. 34 fest, daß keine Zeitung, außer aufgrund eines rechtskräftigen Urteils, verboten werden konnte. 307 Vgl. Mare Carrillo, Derecho a Ia..., S. 191. 308 Ley de Prensa e Imprenta vom 18. März 1966, allgemein bekannt als Ley Fraga. In diesem Gesetz wird das Recht der Erwiderung den Privatpersonen (Art. 58) und das Recht der Richtigstellung den Behörden zuerkannt (Art. 62).

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§5

Die Garantien der Meinungsfreiheit

Recht auf Erwiderung vor309, die von der gegenwärtigen spanischen Gesetzgebung nicht übernommen wurde. Dieser Unterscheidung zufolge steht das Recht auf Erwiderung (derecho de replica), das eine Schranke und Garantie des Rechts auf Information darstellt, jeder natürlichen oder juristischen Person zu, die sich durch die Verbreitung von falschen Informationen in einer schriftlichen oder graphischen Darstellung in ihrem Ruf und ihrer Würde oder in ihren allgemeinen Interessen verletzt fühlt. Sie kann die Veröffentlichung einer Erklärung oder die Richtigstellung verlangen, die in demselben Kommunikationsmedium und in derselben Form veröffentlicht wird wie diese Information310. Demgegenüber definiert Gonzalez Ballesteros das Gegendarstellungsrecht als die Befugnis der Behörden, den Presseorganen aufzugeben, in ihrem Funktionsbereich veröffentlichte Informationen über Handlungen zu berichtigen311. Wie später noch zu zeigen ist, stimmt diese Definition mit der gegenwärtigen spanischen Rechtslage nicht überein. Diese unterschiedliche Definition ist die Folge der traditionellen Unterscheidung der französischen Gesetzgebung zwischen dem Recht auf Erwiderung und dem Recht auf Richtigstellung, die sich, wie Carrillo aufzeigt, danach richtet, ob die Person, die das Recht ausübt, in öffentlicher Funktion oder privat tätig wird312. Das Recht auf Erwiderung wurde durch das französische Pressegesetz vom 25. März 1822 eingeführt. Es wurde mit dem Pressegesetz von 26. Juni 1883 (Art. 14-16) in die spanische Rechtsordnung übernommen, wobei es dann als Gegendarstellungsrecht bezeichnet wurde. Die erste Regelung des Rechts auf Gegendarstellung tauchte in dem französischen Gesetz vom 9. Juni 1819 über die Veröffentlichung der Regierungskommuniques auf313.

309 Vgl. Francisco Gonzalez Navarra, Television publica y televisi6n privada, Madrid, 1982, s. 122-124. 310 Vgl. Teodoro Gonza/ez Ballesteros, EIderechode replica y rectificaci6n en prensa, radio y te1evisi6n, Madrid, 1981, S. 30; A. Femandez- Miranda y Campoamor, La libertad de ... , S. 538. 311 T. Gonza/ez Balleste ras, EIderecho de... , S. 53. 312Mare Carril/o, Libertad de expresi6n... , S. 136. 313 Vgl. Teodoro Gonza/ez Bal/esteros, EIderecho de ... , S. 52.

IV. Das Gegendarstellungsrecht

95

2. Die gegenwärtige gesetzliche Regelung des Gegendarstellungsrechts: Das Gesetz (Ley Organica) 2/1984

In Spanien wird das Recht auf Erwiderung und auf Gegendarstellung, das nicht in die Verfassung aufgenommen wurde, nach der Abschaffung des Pressegesetzes von 1966 durch das Gesetz 2/1984 vom 26. März314 geregelt. Es bestätigt, daß es sowohl von den Inhabern öffentlicher Gewalt als auch von natürlichen oder juristischen (Privat-) Personen ausgeübt werden kann315 . Das Gegendarstellungsrecht umfaßt die Befugnis einer jeden natürlichen oder juristischen Person, sie betreffende Informationen eines Kommunikationsmediums, die von ihr als unrichtig erachtet werden und deren Verbreitung einen Schaden für sie verursachen könnten, richtigstellen zu lassen316 . Carrillo spricht von der Pflicht eines jeden Kommunikationsmediums, die Erwiderung in den Fristen und zu den gesetzlich festgelegten ' Bedingungen aufzunehmen3 17. Dem Gegendarstellungsrecht wird durch die vollständige und kostenlose Veröffentlichung der Gegendarstellung, die sich ausschließlich auf die verbreitete Information bezieht, entsprochen, und zwar innerhalb der Fristen und in der Form, die das LO 2/1984 festlegt31 8. Mit dem LO 2/1984 vom 26. März wird mit der Tradition gebrochen, die von dem abgeschafften Art. 25 der Rundfunk- und Fernsehsatzung eingeleitet wurde. Diese Vorschrift hatte die Unterscheidung der Lehre zwischen den beiden Rechten festgeschrieben. Chinchilla Marin bewertet die Tatsache, daß das LO 2/1984 die Ausübung dieses Rechts einheitlich regelt, positiv, da damit alle Vorrechte der öffentlichen Verwaltung hinsichtlich der Inhaberschaft und Ausübung des Gegendarstellungsrechts abgeschafft wurden319 .

314 Vor diesem LO wurde das Gegendarstellungsrecht innerhalb der Grenzen seiner

Zuständigkeit von dem Radio- und Fernsehstatut, Ley 4/1980 vom 4. Januar, geregelt.

315 Art. 1 Abs. I LO 2/1984 vom 26. März zum Gegendarstellungsrecht 316 Art. I LO 2/1984 vom 26. März. 3l7 Mare Carrillo, Derecho a Ia..., S. 189. 3l8 Art. 2 und 3 LO 2/1984 vom 26. März.

96

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

Es sollte jedoch nicht übersehen werden, daß die Gegendarstellung eine Ergänzung zu anderen gangbaren Wegen320 darstellt321 . So können der Journalist und das Kommunikationsmedium in Straf-, Zivil- und Disziplinarprozessen zur Verantwortung gezogen werden. Im Zusammenhang mit dem letzteren sind die Berufsverbände der Journalisten zu erwähnen322. Das spanische Verfassungsgericht stellt fest, daß die eigentliche Schutzfunktion des Gegendarstellungsrechts von der Wiedergutmachung des Schadens unabhängig ist, der durch die Verbreitung einer Information entstanden ist, die sich als objektiv unzutreffend erwiesen hat. Außer seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit wird der Journalist auch zivilrechtlich haftbar; ihn trifft die Verpflichtung, Schadensersatz für entstandene Schäden zu leisten. Das spanische Verfassungsgericht hat darauf hingewiesen, daß der eigentliche Schutzzweck des hier behandelten Rechtes durch die Verzögerung der geforderten Gegendarstellung vereitelt werden könnte; daher muß der bei seiner Ausübung notwendige Geschäftsgang abgekürzt werden, und zwar dergestalt, daß eine schnelle Veröffentlichung der beanspruchten Gegendarstellung garantiert wird323 . Der Gesetzgeber war derselben Meinung. So spricht sich das LODR bzgl. der Ausübung des Gegendarstellungsrechts (wie oben gezeigt wurde, meint das Gesetz damit sowohl das Recht auf Erwiderung als auch das auf Gegendarstellung) für einen schnellen und wirksamen Schutz aus, wobei zwei Phasen unterschieden werden: In der ersten muß der von einer Information Betroffene, der diese für unrichtig hält, innerhalb einer Frist von sieben Tagen ab der Veröffentlichung oder Verbreitung der Information dem Leiter des Mediums, das sie verbreitet hat, eine Gegendarstellung schriftlich vorlegen, damit dieser ihre Veröffentlichung veranlaßt. Dieser muß in etwa der gleiche Stellenwert wie die betreffende Nachricht zukommen und innerhalb von drei Tagen nach Eingang erfolgen. Die zweite Phase beginnt dann, falls die Gegendarstellung nicht innerhalb dieser Frist

319 Carmen Chinchilla Marin, Sobre el derecho de rectificaci6n, in: Poder Judicial. 71-72.

Nr.

6, S.

320 Siehe Mare Carril/o, Libertad de expresi6n y derecho de rectificaci6n en Ia Constituci6n, 1986, S. 50. 321 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 4. 322 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 4. 3Z3 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 3511983 vom 11. Mai, FJ Nr. 4; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 16811986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 4. in: RDP, Nr. 23, Madrid,

IV. Das Gegendarstellungsrecht

97

oder unter Mißachtung der gesetzlichen Bedingungen erfolgt. Dann kann der Betroffene bei dem Gericht der ersten Instanz (seines Wohnsitzes oder des Sitzes des Kommunikationsmediums) eine Klage auf Gegendarstellung erheben, ohne daß er einen Anwalt oder Bevollmächtigten hinzuziehen muß. Ist die Klage zulässig (also auch nicht wegen offensichtlicher Unzulässigkeit abzuweisen)324 , so findet innerhalb von sieben Tagen eine mündliche Verhandlung statt325 , bei der der auf Gegendarstellung Klagende und der Leiter der Medienanstalt erscheinen müssen. Dadurch, daß das mündliche Verfahren abgekürzt wird (so werden z.B. lediglich die zur Sache gehörenden Beweise, die in der Verhandlung geführt werden können326, zugelassen), wird der Richter, wie das spanische Verfassungsgericht betont, der Pflicht enthoben, die Richtigkeit sowohl der verbreiteten oder veröffentlichten Tatsachen als auch des Inhalts der schriftlichen Gegendarstellung genau nachzuprüfen327. Der Richter wird sich nicht darauf beschränken, dem Anspruch des Klägers auf Gegendarstellung automatisch stattzugeben, sondern die beantragte Gegendarstellung daraufhin überprüfen, ob sie den rechtlichen Anforderungen genügt328 . Er fällt ein Urteil, in dem er lediglich entscheidet, ob die Gegendarstellung, ihre Veröffentlichung oder Verbreitung angeordnet wird, und zwar in der Form und Frist, die das LO 2/1984 vorsieht. Er kann jedoch keine Garantie für die Richtigkeit der Tatsachendarstellung geben. Folglich könnte auch eine Gegendarstellung angeordnet werden, von der sich später herausstellt, daß sie nicht der Wahrheit entspricht: Die gerichtliche Entscheidung kann also keine Rechtskraft hinsichtlich einer späteren gerichtlichen Untersuchung der Tatsachen entfalten329.

324 Art. 5 Abs. 2 LO 2/1984 vom 26. März. 325 Der mündliche Prozeß ist der einfachste und kürzeste in der spanischen Rechtsordnung. Er wird in den Art. 715 bis 740 de Ia Ley de Enjuiciamiento Civil geregelt. 326 Art. 6 b) LO 2/1984 vom 26. März. 327 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FFJJ Nr. 4 und 6. 328 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 6. 329 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 4. 7 Cremades

98

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

Der Richter am Gericht der ersten Instanz kann eine Klage auf Gegendarstellung aus verschiedenen Gründen abweisen: (a)

wenn es sich nicht um Tatsachen oder Meinungen handelt, die den Kläger konkret betreffen;

(b)

wenn die veröffentlichten oder verbreiteten Tatsachen beim Kläger keinen Schaden verursacht haben;

(c)

wenn die zu berichtigende Information dem Richter als offensichtlich richtig erscheint oder er die Gegendarstellung als offensichtlich unrichtig erachtet.

Die Gegendarstellung muß sich auf die Tatsachen der Information, die berichtigt werden soll, beschränken und darf nicht darüber hinausgehen, es sei denn, daß dies unbedingt erforderlich ist. Daher ist es ausgeschlossen, daß durch dieses Rechtsmittel eine rein subjektive Meinung berichtigt wird330. Die Veröffentlichung der Gegendarstellung muß kostenlos erfolgen. Das Recht muß innerhalb der Fristen und unter den Bedingungen, die das Gesetz vorschreibt331 , ausgeübt werden. Um den Prozeß noch mehr zu beschleunigen, wird sogar zum Teil das Verfahren der mündlichen Verhandlung geändert: Der Richter muß das Urteil noch am selben Tag oder spätestens am Tag nach der Verhandlung verkünden332. Außerdem erfolgt die Ladung zur Verhandlung per Telegramm333. Wie oben gezeigt wurde, umfaßt die spanische Regelung dieser Rechte lediglich die Richtigstellung von deskriptiven Informationen, nicht jedoch die Berichtigung von Meinungen334 . Gegenstand einer Gegendarstellung können 330 SieheDe Vega Ruiz, S. 22. 331 Vgl. Mare Carrillo. Derecho a

Ia informaci6n

y veracidad informativa, in: X jornadas

de

estudio sobre Ia introducci6n de los Derechos fundamentales, Secretarfa General Tecnica del

1988, S. 2196. 332 Art. 6 c) LO 2/1984 vom 26. März. 333 Vgl. C. Chinchilla Marin, Sobre el derecho.... S. 72; A. Torres del Moral, Principios de Derecho..., Bd. I, S. 275-276. 334 Vgl. A. Rodriguez Diaz. La posici6n preferente... , S. 106. Obwohl bei dem erwähnten LO

Ministeno de Justicia, Bd. III,

letztlich mit der Annahme durch alle parlamentarischen Fraktionen zu rechnen war, schlug die

IV. Das Gegendarstellungsrecht

99

zwar Werturteile sein, die Dritten zugeschrieben werden, nicht jedoch Meinungen des Verfassers der Infonnation selbst, der gegebenenfalls in einem zivil- oder strafrechtlichen Verfahren zur Verantwortung gezogen werden kann335 . Abschließend eine Zusammenfassung der Hauptmerkmale des Gegendarstellungsrechtes: (1)

Anspruchsberechtigter: jede natürliche oder juristische Person in öffentlicher Funktion oder als Privatperson, die sich durch die Verbreitung von Infonnationen in irgendeinem Massenkommunikationsmedium verletzt fühlt und diese für unrichtig hält.

(2)

Anspruchsgegner: der Chefredakteur oder der Verantwortliche des Kommunikationsmediums, in dem die Infonnation erschienen ist.

(3)

Gegenstand: die Richtigstellung oder Klarstellung der Infonnation, die sich auf den Anspruchsberechtigten bezieht.

(4)

Merkmale des Textes der Gegendarstellung: Er muß sich auf die Tatsachen, über die die richtigzustellende Infonnation berichtet, beschränken. Er darf, außer in Fällen, in denen es offensichtlich erforderlich ist, diesen Rahmen nicht überschreiten.

(5)

Vorlage des Textes der Gegendarstellung: Er muß innerhalb von sieben · Tagen nach der Veröffentlichung der Infonnation seitens des Chefredakteurs des Kommunikationsmediums, in dem die betreffende Infonnation erschienen ist, erfolgen.

(6)

Veröffentlichung des Gegendarstellungstextes: Wenn der Text die von der LODR geforderten Voraussetzungen erfüllt und innerhalb der entsprechenden Frist vorgelegt wurde, muß der Chefredakteur des

Grupo Popular während seiner Ausarbeitungsphase vor (und dies war der einzige Punkt, über den

Uneinigkeit herrschte), daß das Gegendarstellungsrecht nicht nur die Verbreitung von Tatsachen, sondern auch die von Meinungen und Wertfragen umfassen sollte. Siehe B.O.C., Nr. 71 vorn 19. Oktober 1983, S. 2453. 33 5 Vg1. A. Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I, S. 275. 7•

100

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

Mediums seine Veröffentlichung bzw. Verbreitung anordnen. Dies muß ohne Kommentar oder Erläuterung innerhalb einer Frist von 3 Tagen nach dem Erhalt des Textes erfolgen und einen der Information, die berichtigt werden soll, ähnlichen Stellenwert einnehmen. (7)

Klage auf Gegendarstellung: Für den Fall, daß die Gegendarstellung nicht in der von dem Gesetz vorgesehenen Form durchgeführt wird, kann der Geschädigte immer, wenn die in dem Art. 4 der LODR festgelegten Merkmale erfüllt sind, auf Gegendarstellung klagen. Die Voraussetzungen der Klage wurden oben aufgezeigt.

3. Das Gegendarstellungsrecht als Garantie der Meinungsfreiheit Die Wahrheitserfordernis des Art. 20 Abs. I. d) CE336 betrifft lediglich die Verbreitung von Tatsachen, die dem Beweis zugänglich sind, und nicht die Äußerung von Meinungen. Daher sind nicht Meinungen Gegenstand des Gegendarstellungsrechts, sondern Informationen über Fakten, die als unwahr angesehen werden337. Auch wenn ein bedeutender Teil der Lehre in dem Gegendarstellungsrecht eine Grenze der Pressefreiheit als solcher und insbesondere des Rechts auf Information sieht338 , so ist dennoch im Gegensatz dazu Gonzalez Ballesteros teilweise zu folgen, der davon ausgeht, daß dieses Recht nicht die Informationsfreiheit als solche berührt, sondern allenfalls die Freiheit des Journalisten, der die Information weitergegeben hat339 . Dieser Behauptung kann 336 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 105/1983 vom 23. November, FJ Nr. 11; 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 5111989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2. 337 Siehe Carmen Chinchilla Marin, Derecho de informaci6n... , S. 63. 338 So Mare Carrillo, Libertad de expresi6n.... S. 43, S. 50, oder ders., Los lfmites a ... , S. 135. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts

Andererseits geht Jacques BOURQUIN so weit, sogar die Grundlage dieser Rechte als fraglich einzustufen, in: La liberte de Ia presse, Lausanne,

1950, S. 342 ff.. Pedrazz.a spricht von einer

Pflicht, die unrichtigen Nachrichten zu berichtigen: Maurizio Pedrazz.a Gorlero, 11 giornalismo

nell'ordinamento..., I!, S. 907 und 909. 339 Teodoro Gonzalez Ballesteros, EIderecho de ... , S. 37 und 54.

IV. Das Gegendarstellungsrecht

101

aber nicht uneingeschränkt zugestimmt werden, sondern sie muß differenziert betrachtet werden. Das spanische Verfassungsgericht hat bestätigt, daß dann, wenn die Berichtigung einer Information innerhalb der von der LODR 2/1984 gezogenen Grenzen gerichtlich angeordnet wird, das Grundrecht auf Information nicht beeinträchtigt wird; auch dann nicht, wenn die Information, die Gegenstand der Richtigstellung war, sich als richtig erweist340. Allein die Tatsache, daß der Betroffene bestreitet, daß die verbreiteten Tatsachen zutreffen, kann das betreffende Kommunikationsmedium nicht daran hindern, frei die Information zu verbreiten. Auch führt sie nicht dazu, daß dieses in irgendeiner Weise verpflichtet ist, zu erklären, die erschienene Information sei unrichtig, oder ihren Inhalt zu ändern. Es handelt sich hier lediglich um eine Vervielfältigung der Informationsquellen für die Allgemeinheit. Die Verpflichtung, den Gegendarstellungstext zu veröffentlichen, kann nicht als rechtliche Bestätigung dafür gewertet werden, daß die Veröffentlichung unrichtig ist. Ungeachtet dieser Aufnahme kann die Medienanstalt ihre Version der Tatsachen, wie sie in der Veröffentlichung ursprünglich dargestellt wurde, bestätigen und diejenigen Beweise, die sie erhärten, erbringen341 . Dennoch stellt die durch ein entsprechendes Urteil begründete Verpflichtung, die Gegendarstellung zu veröffentlichen oder zu verbreiten, sicherlich eine Einschränkung der Herausgebertätigkeit dar, d.h. des Rechts, beliebig das auszuwählen, was veröffentlicht oder verbreitet wird und was nicht342 . Andererseits hat das spanische Verfassungsgericht klargestellt, daß die Ausübung des Gegendarstellungsrechtes keine Beschränkung des Rechts der Gesellschaft und der einzelnen Individuen bedeutet, frei unverfälschte Informationen zu erhalten, zumal damit nicht verbunden ist, daß das zuvor Ver-

340 Siehe Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 5; Tomas Gui Mori, Doctrina Constitucional1981-1988, Barcelona, 1989, S. 191. 341 Siehe Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 5. 342 Lisa F. Firenze, Publishers' Liability for Commercial Advenisements: Testing the Limits of the First Amendment, in: Columbia Journal of Law and Socia1 Problems, Nr. 2, Bd. 23, 1990, S. 143 und 145.

102

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

öffentlichte nicht mehr zugänglich ist. Vielmehr erfolgt die Veröffentlichung von zwei verschiedenen Versionen derselben Tatsache. Außer seiner ursprünglichen Funktion, die Rechte oder Interessen des Betroffenen zu schützen, stellt daher das Gegendarstellungsrecht auch eine zusätzliche Garantie für das Vorhandensein einer freien öffentlichen Meinung dar; der Zugang zu der zweiten Version, die sich von der ursprünglich veröffentlichten unterscheidet, fördert nämlich das allgemeine Interesse an der Wahrheit, das ja gerade jenes Grundrecht schützt. Dennoch wird die jeweilige Richtigkeit der beiden Versionen in dem von der LODR vorgesehenen Verfahren nicht geklärt. Die Veröffentlichung des Gegendarstellungstextes bedeutet nicht, daß der richtigstellenden Version ein Wahrheitszertifikat erteilt wird343 . Die Erforschung der Wahrheit und die Klärung der Fakten kann immer nur a posteriori beantragt werden und anband der Vorgänge, die sich diesbezüglich ereignet haben, erfolgen344 . Torres del Moral betont zu Recht, daß das Recht auf Gegendarstellung, so wie es von der LODR ausgestaltet gestaltet wird, bezweckt, dem vermeintlich Geschädigten ein schnell funktionierendes Mittel zu bieten, um sich wirksam und auf rechtmäßige Weise gegenüber der falsch informierten Öffentlichkeit345 zu verteidigen. Das Gegendarstellungsrecht ist also ein Instrument für die institutionelle Garantie des Rechts auf wahre Information346 und des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses347 . Es ist ebenso ein subjektives Recht348 auf individuelle3 49 oder kollektive Verteidigung der Rechte, die durch die Ver-

343 Siehe J. Vilas Nogueira, S. 289. 344 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 5. 345 A. Torres del Moral, Principios de Derecho ..., Bd. I, S. 275-276; Es ist wichtig, daß die Gegendarstellung in demselben Kommunikationsmedium veröffentlicht wird und nicht in anderen, die demselben Medienunternehmen gehören.

346

A. Femandez-Miranda y Campoamor, Libertad de expresi6n... , S.

Rodriguez Diaz, La posici6n preferente... , S. I 05-107.

538.

Siehe auch A.

347 Vgl. Wolfgang Neuschild, Der presserechtliche Gegendarstellungsanspruch, 1977, s. 124. 348 Siehe Mare Carrillo, Libertad de expresi6n..., S. 50-51. 349 Siehe Theodor Maunz I Reinhold Zippelius, S. 195.

Hamburg,

V. Die Gewissensklausel

103

zenung der Wahrheit verletzt wurden350. Seine Ausübung schließt nicht aus, daß ein strafrechtliches Verfahren durchgeführt wird. Im übrigen kann das Gegendarstellungsrecht sich auch nur auf die Korrektur von Ungenauigkeiten beziehen, die als solche keinen Straftatbestand begründen351 .

V. Die Gewissensklausel 1. Begriff

Die sog. Gewissensklausel sieht vor, daß ein Journalist aus Gewissensgründen die Auflösung seines Arbeitsvertrags mit denselben arbeitsrechtlichen Folgen wie bei einer ungerechtfertigten Entlassung durch den Arbeitgeber verlangen kann, wenn das Kommunikationsmedium, in dem er beschäftigt ist, seine weltanschauliche Orientierung verändert352 . Die Berufung hierauf ist bei allen Verträgen und sonstigen Rechtsbeziehungen aus dem Informationswesen und nicht nur im Rahmen der arbeitsrechtlichen Beziehung zwischen den Journalisten und den Trägem der Kommunikationsmedien möglich353 . Auf diese Weise wird das Grundrecht der Gewissensfreiheit derer, die sich von Berufs wegen mit der Information beschäftigen, gegenüber der weltanschaulichen Orientierung der Kommunikationsmedien, für die sie tätig sind354 , geschützt355 .

350 Mare Carrillo sieht in dem Recht auf Gegendarstellung in diesem Zusammenhang ein Persönlichkeitsrecht, das die Befugnisse des Privatmannes mit denen des Kommunikationsmediums gleichstellt: in: Los lfmites a ... , S. 146; Vgl. Gilbert-Hanno Gomig, S. 208-209. 35 1 In diesem Zusammenhang bezeichnet Carrillo die Gegendarstellung als zusätzliches Mittel, Mare Carri/lo, Los limites a ... , S. 145. 352 Vgl. Teodoro Gonzalez Ballesteros, La generica libertad ... , S. 46; M. Pedrazza Gorlero, Il giornalismo nell'ordinamento... , II, S. 915. 353 Siehe Carlos Soria, EIderecho a ... , S. 99. 354 Vgl. Enrique Ruiz Vadillo, S. 151. 355 Vgl. Carlos Soria, La crisis de identidad del periodista, Barcelona, 1989, S. 89-90.

104

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

Die Einbeziehung der Gewissensklausel in den Art. 20 Abs. 1. d) CE räumt ihr verfassungsrechtlichen Rang ein und stellt zu dem Recht auf Information, jedoch nicht zu den übrigen von Art. 20 CE anerkannten Rechten und Freiheiten eine Verbindung her356. Sie besitzt über ihre Relevanz für die Begründung eines individuellen Rechts hinaus als verfassungsrechtliche Garantie für die freie und effektive Ausübung des Informationsrechtes in seiner Gesamtheit Bedeutung357 . Dank der Gewissensklausel können die Journalisten ihre Arbeitsverhältnisse mit dem Unternehmen, für die sie ihre Informationsarbeit leisten, einseitig lösen, und zwar mit dem Recht, wie bei einer ungerechtfertigten Kündigung eine Entschädigung zu erhalten3 58. Im einzelnen ist dies dann der Fall, wenn in einer Medienanstalt eine beträchtliche Veränderung der weltanschaulichen Orientierung oder der ideologischen Einstellung stattfindet359 . Dies führt zu einer Situation, die gegen die Würde des Journalisten verstößt360. Das aus der Gewissensklausel fließende Recht ist wegen seines konstitutionellen Rangs in allen Verträgen, bei denen es um die Leistung von journalistischer Arbeit geht, implizit enthalten361 . Jedes Hindernis, das der Chefredakteur oder Eigentümer eines Kommunikationsunternehmens der kreativen journalistischen Tätigkeit in den Weg zu 356 Siehe Carlos Soria, EI derecho a... , S. 98. 357 Siehe A. Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I. S. 273; Teodoro Gonzalez Ballesteros, La generica libertad... , S. 46. 358 Die genauen Beträge werden in Art. 56 Abs. I ET festgelegt, der grundsätzlich eine Entschädigung bestimmt, die sich auf 45 Tageslöhne pro Dienstjahr beläuft. 359 Vgl. E. Ruiz Vadi/lo, S. !58. 360 Die Würde des Menschen und folglich auch die Würde des Journalisten ist eines der Prinzipien, die die spanische Rechtsordnung beeinflussen: Vgl. Jesus Gonzalez Perez, La dignidad de Ia persona, Madrid,

1986, S. 85. Der Art. 10 Abs. I CE spricht von dieser Würde als Grundlage

der politischen Ordnung und des sozialen Friedens. Perez Luflo vertritt sogar, daß sie der Bezugspunkt aller Rechte ist, die auf die Anerkennung und Bestätigung der moralischen Dimension des Menschen gerichtet sind: Siehe A. E. Perez Luiio, Derechos Humanos, Estado de Derecho y Constituci6n, Madrid, 1984, S. 49.

361 Vgl. J. Galvez Montes, S. 269.

V. Die Gewissensklausel

105

stellen sucht, und insbesondere jeder Versuch, dem Journalisten eine bestimmte Sicht der Dinge aufzuzwingen, stellt eine eindeutige Verletzung der Gewissensfreiheit und Würde des Journalisten dar. Der Arbeitgeber entlohnt zwar die Tätigkeiten dessen, der die Information verarbeitet, kauft diese aber nicht362. Die Medienunternehmen sind aber Träger des Rechts zu veröffentlichen, aufgrund dessen sie darüber, was veröffentlicht und verbreitet wird oder auch nicht363 , und über die Grundeinstellung des Betriebs selbst beliebig entscheiden. Die deutsche Lehre stuft solche Informationsunternehmen als Tendenzbetriebe 364 ein. Wie oben zu sehen war, stellen sich die Garantien, die ein Journalist, der Informationen verarbeitet, bei der Ausübung seines Berufs besitzt, als Garantien des Rechts der Öffentlichkeit auf Information dar. Auch erkennt ein Teil der Lehre an, daß die Befugnisse, die den Informationsunternehmen zustehen, ebenso das Recht der Bürger auf Information sichern365 . Die Rechte des Journalisten und des Medienunternehmens, die - wie angedeutet - gemeinsame Punkte aufweisen, artikulieren sich im Falle einer Kollision in der GewissensklauseL Die spanische Verfassung wacht über die persönliche Meinungsäußerungsfreiheit des Journalisten als Ergänzung seiner aktiven Informationsfreiheit und als Grundlage des subjektiv-öffentlichen Rechtes jedes einzelnen, unverfälschte Informationen zu erhalten. Seine Aufgabe zu informieren erfordert Freiheit und Unabhängigkeit366.

362 Siehe B. Voyenne. Les journalistes fran~ais, Paris, 1985, S. 190. 363 Lisa F. FIRENZE, S. 143 und 145. 364 Ein Teil der italienischen Lehre ordnet sie ebenfalls als Tendenzbetriebe

ein (wovon

größere Schranken für die Freiheit der Beschäftigten abgeleitet werden): Siehe M. Pedrazz.a

915-916, F. Santoni. Le organizzazioni di 1983, S. 7I ff., M. G. Mattarolo, Il rapporto di lavoro su bordinato nelle organizzazioni di tendenza. Profili generali, Padua, 1983, S. 32 ff., Alessandro PACE, Stampa-giornalismo-radiotelevisione, Padua, 1983, S. 47. 365 Siehe M. Löffler, Presserecht, I, München, 1969, S. 444. 366 Siehe Carlos Soria, La buena fe ... , S. 153. Gorlero, II giornalismo nell'ordinamento ... , II, S.

tendenza e i rapporti di lavoro, Mailand,

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

106

2. Der Streit über die Ausgestaltung der Gewissensklausel durch den Gesetzgeber Die Verankerung der Gewissensklausel in einer Verfassung ist selten367 . In Spanien fehlt es aber an der gesetzlichen Ausgestaltung, die Art. 20 Abs. 1. d) CE fordert368 . Dies ist zweifelsohne einer der Gründe dafür, daß ein Teil der spanischen Lehre die Gewissensklausel als eine große Unbekannte bezeichnet, die ein nicht näher konkretisiertes Recht betrifft369 . Ebenso erfaßt das Arbeitsrecht die Gewissensklausel nur unvollständig 370. Einige Autoren, wie z.B. Cebrian, sprechen sich aber gegen eine gesetzliche Regelung aus, weil sie darin sogar eine Bedrohung hierfür sehen371 . Dieser Auffassung zufolge genießen die nicht näher bestimmten Rechte sogar eine größere Garantie372 . Erfolgt keinerlei nachkonstitutionelle Ausgestaltung der Gewissensklausel durch den Gesetzgeber, so kann sie nur im Wege der Verfassungsinterpretation näher bestimmt werden373.

367 Vgl. Gloria Pilar Rajas Rivero, La prensa, empresa "ideol6gica" de informaci6n, in: Poder 1990, S. 164. 368 Manuel Menendez A/zamora, EI derecho a Ia clausula de conciencia en el informador:

Judicial, Sonderheft XIII,

aproximaci6n a Ia configuraci6n de Ia instituci6n en nuestro ordenamiento jurfdico, in: Poder Judicial, Sonderheft XIII, 1990, S. 171. 369 Siehe Tomas Quadra-Salcedo Femandez del Castil/o, La clausula de conciencia: Un

Godot constitucional, in: Revista Espaiiola de Derecho Constitucional, Nr. 22, Madrid, Januar-April

1988, S. 54; Luis Sanchez Agesta, Sistema polftico de Ia Constituci6n espaiiola de 1978, Madrid, 1980, s. 128. 370 Siehe Manuel Menendez Alzamora, La clausula de conciencia como libertad basica del profesional informativo, in: Revista General de Derecho, Nr. 553-554, Oktober-November 1990, Bd. I, S. 7339. 371 Juan Luis Cebrian, EI secreto profesional de los periodistas. Debate con Juan Luis Cebrian, Centro de Estudios Constitucionales, Madrid, 1988, S. 20, 21 und 23. Colin Munro verteidigt eine allgemeine Selbstregelung der Presse, S. 109. Dies ist seit 1953 in Großbritannien der Fall, dem Jahr, in dem der Press Council gegründet wurde. Von Becker spricht von einer

allgemeinenfreiwilligen Selbstkontrolle: Peter von Becker, S. 267. 3?2 Siehe Royd Abrams, S. 1162. 373 Vgl. die Überlegungen in T. Quadra-Salcedo Femandez del Castillo, S. 58-60.

V. Die Gewissensklausel

107

3. Begrenzung des Inhalts des Rechts

Dieses Recht besitzt, bis ein Organgesetz hierzu erlassen wird, nur seinen Mindestinhalt, d.h. es ist das Recht, eine eigene Kündigung auszusprechen und eine Entschädigung zu erhalten, die so bemessen wird, als habe der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unrechttnäßig gelöst374. Die Regelungslücke muß mittels Art. 50 Abs. I ET geschlossen werden, der festlegt, daß wesentliche Veränderungen der Arbeitsbedingungen, die die Berufsausübung beeinträchtigen oder die den Arbeitnehmer in seiner Würde verletzen, wichtige Gründe dafür sind, daß dieser die Auflösung des Arbeitsvertrages verlangen kann3 75. Daher muß auch ein wesentlicher Wechsel der weltanschaulichen Richtung, also der Tendenz in der Medienanstalt, der objektiv nachweisbar ist376 , als eine wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen eingestuft werden, obwohl er nicht ausdrücklich in dem Art. 50 Abs. 1. a) ET erwähnt wird377 . Hierfür gibt es zwei Gründe. Der erste besteht darin, daß dieser Wechsel die Arbeitsweise und die Leistungsfähigkeit des Journalisten beeinträchtigen kann. Man sollte dabei bedenken, daß der Journalist bei seiner Informationsarbeit ja nicht nur seine intellektuellen, sondern auch moralischen Fähigkeiten mobilisiert378 . Der zweite besteht darin, daß die Aufzählung der Kündigungsgründe des Art. 50 ET nicht abschließend ist379 . Die Arbeitsverhältnisse sind unter solchen Bedingungen jedenfalls wesentlich verändert3 80 . Dies muß auch auf das Arbeitsverhältnis selbst Rückwirkungen haben.

374 Vgl. A. Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I, S. 273. 375 So M. Menendez A/zamora , EIderecho a ..., S. 176. 376 Siehe M. Pedrazza Gorlero, !1 giornalismo nell'ordinamento... , II, S. 925. 377 Art. 50 Abs. I. a) ET zufolge sind wesentliche Veränderungen der Arbeit unter anderem diejenigen, die die folgenden Gebiete betreffen: a) Arbeitstage, b) Arbeitszeit. c) Regelung der Schichtarbeit, d) Entlohnungssystem, e) Arbeits- und Leistungssystem.

378 Siehe Carlos Soria, La buena fe ... , S. !53. 379 Dies aufgrund der Formulierung: irgendein

anderer schwerwiegender Verstoß; Siehe

lgnacio Albiol Montesinos, Extinci6n por Ia voluntad del trabajador, in: Comentarios a las leyes

1983, S. 211. 380 Siehe Manuel Menendez A/zamora, La clausula de ..., S. 7344.

Iaborales (hrsg. v. Efren Borraja Dacruz). Madrid,

108

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

Dennoch ist es schwierig, diese wesentlichen Änderungen so einzustufen, daß die Gewissensklausel des Journalisten greift, wenn der Arbeitgeber die Veränderungen im Rahmen seiner Organisationsgewalt, die von Art. 39, 23 und 41 ET anerkannt sind, vornimmt3 81 .

4. Die Organisationsgewalt des Arbeitgebers im allgemeinen

Die Freiheit des Journalisten wird regelmäßig innerhalb eines Medienunternehmens relevant. Dies erfordert die Koexistenz von Organisations- und Leitungsbedürfnissen des Kommunikationsmediums, deren Inhaber der Verleger ist, und der wesensgleichen Freiheit der Journalisten3 82 . Die Freiheit des Informationsmediums muß mit der Freiheit innerhalb der Medienanstalt in Einklang gebracht werden383 . Einige Autoren, wie z.B. Pace, meinen, eine vorrangige Stellung der Freiheit der Medienanstalt im Falle eines Konflikts mit der Freiheit innerhalb der Medienanstalt feststellen zu können 384 . Es besteht z.B. die Berechtigung des Verlegers, technische oder organisatorische Maßnahmen vorzunehmen, um einen Betrieb zu modernisieren oder zu verändern. Diese Befugnis trifft jedoch nicht den eigentlichen Fall, den die Gewissensklausel mit dem Wechsel der ideologischen Tendenz in einem Informationsbetrieb meint385. Was geschieht also, wenn ein Journalist angesichts eines offenkundigen Wechsels der ideologischen Linie der Medienanstalt, mit der er in einem Dauerarbeitsverhältnis steht, von seiner bisherigen Stelle auf eine hiervon völlig verschiedene versetzt wird (z.B. von der politischen Redaktion in die Sportabteilung)? Dieser mögliche Konflikt kann nicht mit Hilfe einer

381 Siehe Tomas Sala Franeo I u.a., Derecho del Trabajo, Valencia, 1989, S. 678. 382 Maurizio Pedra:a.a Gorlero, II giornalismo nell'ordinamento costituzionale (I), in: Rivista trimestrale di diritto pubblico, Heft Nr. 3, 1987, S. 690-691. 383 Siehe M. Pedra:a.a Gorlero, Il giornalismo nell'ordinamento..., Il, S. 920. 384 Alessandro Pace, Stampa-giornalismo-radiotelevisione, Padua, 1983, S. 47-48. 385 Siehe Manuel MenendezA/zamora, La chiusula de ..., S. 7345.

V. Die Gewissensklausel

109

Abstufung der verschiedenen fraglichen Grundrechte gelöst werden386. Akzeptiert der Journalist die vorgenommenen Veränderungen nicht oder befolgt er die neue informative oder ideologische Orientierung, die sich der Betrieb zueigen gemacht hat, nicht, so könnte der Verleger, gäbe es die Gewissensklausel nicht, ihm vertragswidriges Verhalten vorwerfen und ihn folglich entlassen (Art. 5. a) und Art. 54 Abs. 2. d) ET)387 . In solchen und in anderen Fällen (z.B. bei Absetzung eines Chefredakteurs anläßtich eines Wechsels der ideologischen Linie der Medienanstalt) müssen jedoch die besonderen Umstände des Falles berücksichtigt werden. Es handelt sich hier um einen Konflikt zwischen der Meinungsfreiheit des Arbeitgebers, seiner Unternehmensfreiheil und dem Bündel an Rechten, die diese mit umfaßt388 , auf der einen Seite sowie der Gewissensfreiheit des Journalisten auf der anderen Seite. Aufgrund dieser ist er - entsprechend der Gewissensklausel - berechtigt, die Auflösung des Arbeitsvertrages und eine entsprechende Entschädigung zu verlangen. 389 Die Gewissensklausel stellt also eine Garantie für den einzelnen Journalisten und zudem eine Begrenzung der Organisationsgewalt des Arbeitgebers dar390.

5. Individuelle oder kollektive Ausübung der Gewissensklausel?

T. Montero weist darauf hin, daß die Verankerung der Gewissensklausel in der Verfassung es begünstigt hat, daß in Spanien, ähnlich wie in Frankreich und Portugal, Redakteursvereine zur kollektiven Ausübung diese Rechts gegründet wurden391 . Diese kollektive Dimension der Gewissensklausel ergibt sich nicht direkt aus der Verfassung392.

386 Siehe Tomas De La Quadra Sa/cedo, EI Estatuto de RTVE como opci6n constitucional, in: 1981,

Radiotelevision espaiiola y Ia Constituci6n (hrsg. v. Jesus Garcia Jimenez), U.I.M.P., Madrid,

s. 133.

387 Siehe E. Ruiz Vadil/o, S. 151. 388 Vgl. Art. 38 CE. 389 M. Menendez A/zamora, EI derecho a... , S. 178. Diese Ansprüche müssen erst direkt bei

dem Betrieb geltend gemacht werden, bevor dies bei dem zuständigen Arbeitsgericht möglich ist.

390 Siehe M. Pedrazza Gorlero, Il giomalismo nell'ordinamento... , Il, S. 923.

110

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

Dabei muß auf jeden Fall beachtet werden, daß das betreffende Recht des Journalisten trotz seiner verfassungsrechtlichen Grundlage erst zusammen mit dem konkreten arbeitsrechtlichen Vertrag entsteht, den jeder Journalist mit einem Medienunternehmen abschließt. Durch ihn verpflichtet er sich, seine Arbeitsleistung in Übereinstimmung mit der ideologischen Linie des fraglichen Kommunikationsmediums zu erbringen393 . Es handelt sich daher um ein individuelles, nicht kollektives Recht, auch wenn es grundsätzlich von verschiedenen Journalisten gleichzeitig ausgeübt werden kann. Am oben bezeichneten Mindestgehalt der Gewissensklausel ist jedoch festzuhalten, da er die nötige verfassungsrechtliche Konsequenz aus den Rechten des Journalisten darstellt.

VI. Das Berufsgeheimnis der Journalisten 1. Begriff

Das Berufsgeheimnis der Journalisten besteht in der generellen Möglichkeit - insbesondere gegenüber Richtern, Gerichten und Behörden, jedoch nicht nur ihnen gegenüber -. daß jemand, der berufsmäßig mit Informationen umgeht, sich weigern kann, seine Informationsquellen preiszugeben394 .

391 Javier Terron Montero. S. 223. 392 Ruiz Vadillo spricht sich dagegen aus, daß die Anwendung dieses Rechtes auf die

Redakteursvereine ausgeweitet wird, die zwar auch zum Schutz der journalistischen Arbeit, dies aber von einem anderen Standpunkt aus und mit einer eigenen Funktionsweise, bestehen. Siehe E. Ruiz Vadillo, S. 151. 393 Siehe M. Pedrau.a Gorlero, II giornalismo nell'ordinamento ... , II, S: 923. 394 Teodoro Gonza/ez Ballesteros, La generica libertad ..., S. 45. Das Berufsgeheimnis der Journalisten wird auch in anderen Rechtsordnungen, z.B. der englischen anerkannt. Dort ist es als Recht des Berichterstatters konzipiert, die Offenlegung einer Informationsquelle zu verweigern, wenn er deren Informationen in seinen Veröffentlichungen verwendet. Dies gilt nicht für den Fall, daß nach Auffassung des Gerichts eine Preisgabe dieser Informationsquelle im Interesse der

VI. Das Berufsgeheimnis der Journalisten

lll

Dieses Berufsgeheimnis will die tatsächliche Möglichkeit der berufsmäßigen Infonnationsverwerter und Berichterstatter schützen, sich Infonnationsquellen zu erschließen und aufrechtzuerhalten39S. Es gewährleistet ihnen das Recht396 , gegenüber allen Stillschweigen über ihre Infonnationsquellen zu bewahren, d.h. gegenüber der öffentlichen Gewalt, gegenüber den Verlegern oder Leitern der Kommunikationsmedien, für die sie arbeiten, oder allgemein auch gegenüber Dritten397. Diese Haltung ist somit strafrechtlich nicht verfolgbar und kann auch nicht verwaltungsbehördlich oder arbeitsrechtlich sanktioniert werden. Jede Verfassung muß für eine echte Pressefreiheit den Schutz der Vertraulichkeit der Infonnationsquellen garantieren398. Aber neben dem Zugang des Berichterstatters zu seinen Infonnationsquellen (dem aktiven Infonnationsrecht) schützt das Berufsgeheimnis auch das Recht der Allgemeinheit auf Info(ßlation399 (passives Infonnationsrecht) und damit auch die angemessene Bildung einer freien öffentlichen Meinung 400.

Gerechtigkeit oder der nationalen Sicherheit liegt oder vonnöten ist, um Aufruhr oder Straftaten zu vermeiden. Vgl. T. R. S. Al/an, Disdosure of Journalists' sources, civil disobedience and the rule of

1991, Bd. 50, Teil I, S. 131. 395 Diese Möglichkeit erleichtert auch die Aufgabe des Berichterstatters, seine Informationen

Iaw, in: The Cambridge Law Journal, März

zu überprüfen. Letztlich wirkt sich dies auch auf das Recht der Allgemeinheit aus, der Wirklichkeit entsprechende Information zu erhalten (und auf die Pflicht des Berichterstatters, sich an die

Wahrheit zu halten). Siehe Henning Röhl, S. 18-22.

396 E. Ruiz Vadillo, S. 150. 397 Marin Correa bringt den

meines Erachtens diskussionswürdigen Vorschlag, daß das

Berufsgeheimnis nicht ein umfassendes Recht auf Stillschweigen, sondern nur einen gewissen Grad von Immunität für den Informanten gewährleisten soll. Vgl. J. M. Marin Correa, Justicia y medios de comunicaci6n. EI juez garantfa y sujeto de Ia Iibertad de informaci6n, in: Actualidad

Administrativa, Nr. 32, 1987, S.

1855. 398 Colin Munro, S. 109. 399 Teodoro Gonzalez Ballesteros, La generica libertad..., S. 45. 400 Vgl. A. Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I, S. 274; Iiiigo Lazcano Brotons,

Los diversos intentos de regulaci6n del secreto profesional de los periodistas, in: Poder Judicial, Sonderheft Nr. XIII,

1990, S. 183. Vgl. auch

vom 22. Dezember, FJ Nr. 3.

Urteil des spanischen Verfassungsgerichts

168/1986

112

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

Art. 20 Abs. 1. d) CE401 enthält einen Verfassungsauftrag für die Regelung der Ausübung dieser Freiheiten, die in dieser Vorschrift aufgeführt sind402_ Dieser Verfassungsauftrag ist, was die Ausgestaltung des Berufsgeheimnisses betrifft, noch nicht erfüllt worden.

2. Rechtsnatur

Ebenso wie die Berufung auf Gewissensgründe geht der Schutz des Berufsgeheimnisses über seine unmittelbare Rechtsnatur als individuelle Garantie für den Journalisten hinaus403 und stellt auch eine Garantie des subjektiv öffentlichen Rechts des einzelnen auf Information dar404_ Bisher war die Rede vom Berufsgeheimnis als Recht. Darüber hinaus zeigt sich aber auch eine weitere Dimension, nämlich das Berufsgeheimnis als Pflicht. In der Tat betrachtet ein Teil der Lehre es vor allem unter diesem Aspekt; erst sekundär wird anerkannt, daß hieraus ein Recht erwächst405 . Im Grunde machen diese Lehrmeinungen aus dieser Rechtsfigur eine Pflicht, die zugleich auch Rechte impliziert406 . Für gewöhnlich leitet sich aber aus dem Berufsgeheimnis keine rechtliche Schweigepflicht ab. Seine juristische Relevanz besteht vielmehr in dem Recht auf Stillschweigen407 . Da es im ersten Abschnitt des 2. Kapitels des Titels I der spanischen Verfassung 401 Wie bereits im Falle der Gewissensklausel dargelegt, gewährt die Aufnahme des Schutzes 20 Abs. 1. d) CE diesem nicht nur Verfassungsrang, sondern

des Berufsgeheimnisses in Art.

verbindet ihn aufgrunddieser Stellung technisch auch mit dem Recht auf Information. Vgl. Carlos

SORIA, EI derecho a ..., S. 98.

402 Vgl. E.

Gomez-Reino, EI secreto profesional de los periodistas, in: RAP, Nr.

Januar-Dezember 1983, S. 614. 403 V gl. T. R. S. Al/an, S. 150.

404 Vgl. T. R. S.

Al/an, S.

132; Alessandro

100-102,

Pace, Sulla rilevanza processuale del segreto

professionale dei giornalisti in Italia e negli Stati Uniti d'America, in: Giurisprudenza

1978, Heft 2, S. 1258-1259; Alfonso Fernandez-Miranda y Campoamor, EI secreto 1990, S. 39, S. 104. 405 Vgl. Jose Rigo Vallbona, EI secreto profesional y los periodistas, Barcelona, 1988, S. 14. 406 Vgl. Alfonso Fernandez-Miranda y Campoamor, EI secreto profesional..., S. 24. Ebenso Carlos SORIA, EIderecho a ... , S. 99. 407 So A. Fernandez-Miranda y Campoamor, Libertad de expresi6n... , S. 543. Costituzionale,

profesional de los informadores, Madrid,

VI. Das Berufsgeheimnis der Journalisten

113

nonniert ist, handelt es sich um ein echtes Grundrecht408 . Trotzdem ist unter bestimmten Umständen mit dem Recht der Berichterstatter auf Wahrung des Berufsgeheimnisses auch eine Pflicht verbunden, und zwar über eine ethische Verhaltenspflicht hinaus auch eine berufliche Standespflicht, nämlich die Infonnationsquellen, von denen sie auf irgendeine Weise abhängig sind, zu schützen. Die Aufdeckung der lnfonnationsquelle kann einen Bruch des Vertraulichkeitsversprechens und damit einen persönlichen Ehrverlust bedeuten409 . Auch das Eigeninteresse des Berichterstatters an einer fortgesetzten Infonnationsmöglichkeit legt es ihm nahe, durch Stillschweigen die Vertrauensbasis mit seinen Infonnanten aufrechtzuerhalten410. Einige Autoren setzen sich dafür ein, daß das Recht auf Berufsgeheimnis zurücktritt, wenn dieses in Widerspruch zum öffentlichen Interesse selbst steht (obwohl für gewöhnlich das öffentliche Interesse gerade dahin geht, die Vertraulichkeit der journalistischen Infonnationsquellen aufrechtzuerhalten411 ). Es ist wichtig, zwei Ausprägungen des Schutzes des Berufsgeheimnisses zu unterscheiden: zum einen die individuelle Garantie für den Berichterstatter und das subjektiv-öffentliche Recht auf Infonnation - beides verfassungsrechtlich fundiert -, zum anderen das nur einfachrechtlich nonnierte Berufsgeheimnis für andere Berufsgruppen, nämlich z.B. für Rechtsanwälte, Prozeßbevollmächtigte und Ärzte412, dessen Verletzung strafrechtliche, verwaltungsrechtliche und arbeitsrechtliche Sanktionen nach sich zieht. Der Unterschied zwischen beiden Ausprägungen beruht darauf, daß sich in ersterer das Recht der Öffentlichkeit auf Infonnation wiederfindet, während letztere vor allem das Individualrecht auf Ehre, die Privatsphäre und den Intimbereich sowie das Recht am eigenen Bild der Klienten bzw. Patienten schützt. Einige Autoren interpretieren dennoch beideRechte auf dieselbe Weise413 . 408 Vgl. Alfonso Femandez-Miranda y Campoamor, EI secreto profesional. .., S. 87. 409 Vgl. T. R. S.Allan, S. 139. 410 Vgl. in diesem Zusammenhang T. R. S. Al/an, S. 131. 411 Vgl. T. R. S. Al/an, S. 154. 4 12 Vgl. J. Rigo Val/bona, S. 51 ff.; M. Pedraua Gorlero, II giornalismo nell'ordinamento... , II, S. 927. 41 3 Vgl. die Arbeit von J. M. Michavila Nunez, EI artlculo 24 de Ia Constituci6n y el derecho al secreto profesional: una visi6n unitaria de Ia instituci6n, in: Revista Espaiiola de Derecho

Administrativo, Nr. 56, Oktober-Dezember 1987, S. 537-553. 8 Cremades

114

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

3. Inhalt im einzelnen

Das Berufsgeheimnis des Journalisten gibt ihm die Möglichkeit, die Preisgabe seiner Informationsquellen414 oder anderer Daten, die dazu führen können, die Informationsquellen zu identifizieren, zu verweigern. Er kann ferner die Übergabe des für die Ausarbeitung der Information verwendeten Materials verweigern, wenn sich ihm die Identität der Informationsquellen entnehmen lassen könnte415 . Diese Möglichkeit steht dem berufsmäßigen Informationsverwerter zu (1)

gegenüber jeder Behörde - In diesem Fall unterliegt das Recht des Journalisten keinerlei Einschränkungen 416- ;

(2)

gegenüber den Kammern des Parlamentes (Congreso de los Diputados, Senado), wenn er vor eine von ihnen vorgeladen wird417 , und ebenso bei Befragungen durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß oder den Ombudsman (defensor de pueblo);

(3)

gegenüber der rechtsprechenden Gewalt bei Untersuchungen oder im Prozeß (ausgenommen bei bestimmten Strafsachen)418 .

Darüber hinaus weist dieses Recht des Journalisten eine passive Dimension auf. Es hindert die Behörde oder das Gericht daran, das Material bezüglich der erarbeiteten und verbreiteten Information zu registrieren oder zu beschlagnahmen, sofern diese Handlungen die Ermittlung der Informationsquelle bezwecken, die durch das Berufsgeheimnis geschützt wird419. Daher muß die zukünftige gesetzliche Regelung einen Mechanismus enthalten, vermöge dessen ein Richter, der eine Durchsuchung bei einem Journalisten zu Hause oder an seinem Arbeitsplatz oder die Überwachung von dessen Briefund Telefonverkehr anordnet, diesen selbst oder die Berufsorganisation des

414 Vgl. T. R. S.Allan, S. 149-150. 415 Vgl. E. Gomez-Reino, EI secreto profesional.. .. S. 629. 4 16 Vgl. Alfonso Femandez-Miranda y Campoamor. EI secreto profesional..., S. 135. 417 Vgl. Art. 76 Abs. 2 CE. 418 Vgl. Alfonso Fernandez-Miranda y Campoamor. EI secreto profesional.... S. 136. 419 Vgl. Alfonso Fernandez-Miranda y Campoamor, EI secreto profesional..., S. 137.

VI. Das Berufsgeheimnis der Journalisten

115

Journalisten informieren muß. Dieser muß persönlich bei den Maßnahmen anwesend sein können oder sich dabei vertreten lassen können, damit die Einhaltung des Berufsgeheimnisses überwacht werden kann. In den Fällen, in denen der Journalist sich auf das Berufsgeheimnis berufen kann, bleibt dieser nach Art. 8 Abs. 11 des spanischen Strafgesetzbuches frei von strafrechtlicher Verantwortlichkeit, weil er in Erfüllung einer Pflicht und in der legitimen Wahrnehmung eines Grundrechtes handelt. Schließlich befreit das Berufsgeheimnis den Journalisten von der Anzeigepflicht, auf die sich Art. 262 der spanischen Strafprozeßordnung (Ley de Enjuiciamiento Crimina1) bezieht. Das Berufsgeheimnis kann auch im internen Bereich eines Medienunternehmens relevant werden420 . Ruiz Vadillo weist darauf hin, daß der Leiter eines Informationsmediums nur zwei Möglichkeiten hat, wenn sein Berichterstatter sich weigert, ihm die Informationsquellen mitzuteilen, die seine Ausarbeitung ermöglicht haben: Entweder vertraut er auf die Ernsthaftigkeit und Professionalität des Berichterstatters und veröffentlicht dessen Arbeit (wobei er sich dem Risiko aussetzt, sich strafrechtliche oder zivilrechtliche Verantwortlichkeit aufzubürden421 ) oder aber er verbietet eine solche Veröffentlichung oder Sendung und entzieht damit der Öffentlichkeit eine Information, die möglicherweise der Wahrheit entspricht und von Interesse ist422 .

420 Vgl. Alfonso Femandez-Miranda y Campoamor, EI secreto profesional..., S. 148. 421

Vgl. die Artikel

12 -

15 des C6digo Penal. Verleger oder Leiter eines

Kommunikationsmediums können als Autoren betrachtet und daher strafrechtlich und nötigenfalls auch zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn die Verbreitung der Information einen Straftatbestand erfüllt. Daneben haftet weiterhin der Journalist, der die Information ausgearbeitet hat. 422 Vgl. E. Ruiz Vadillo, S. 155.

s•

116

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

4.Schranken Das Berufsgeheimnis gilt nicht absolut423 und unterliegt wie alle Grundrechte bestimmten Schranken424. Bei Kollisionen mit anderen Grundrechten und verfassungsmäßigen Werten muß diejenige Lösung angestrebt werden, die der Grundrechtsausübung am förderlichsten ist425. Wenn es sich um Straftaten gegen die äußere Sicherheit des Staates426 , Landesverrat oder Aufruhr (rebeli6n o sedici6n) handelt, d.h. um Straftaten, die sich gegen den Fortbestand des Staates richten427, oder um solche, die das Leben428 , die körperliche Unversehrtheit und die Sicherheit von Personen429 bedrohen, und wenn sie ein Strafmaß über einer einfachen Gefangnisstrafe haben (prisi6n menor430), müssen die Informationsquellen preisgegeben werden. Der Berichterstatter oder Journalist, der sich dann weigert, macht sich des Vergehens des Ungehorsams (desobediencia) schuldig (Art. 237 des spanischen Strafgesetzbuches). Es geht letztlich darum, daß sein Recht hinter höheren Interessen zurücktriu431 . Außerdem ist der Berichterstatter in diesen Fällen verpflichtet, seine geschriebenen oder technisch aufgezeichneten Quellen und damit die materiellen Grundlagen seiner Behauptungen herauszugeben (auch wenn sie zur Entdeckung der Informationsquelle führen können), sofern sie das Corpus

423 Vgl. T. R. S. Al/an, S. 139. 424 Vgl. Mare Carrillo. La clausula de eoneieneia y el seereto profesional del periodista, in: Aetualidad Administrativa, Nr. 6, Februar 1989, S. 310. 425 Vgl. E. Ruiz Vadi/lo, S. 157-158. 426 Vgl. Mare Carrillo, La clausula de ..., S. 312; I. Lazcano Brotons, S. 187; J. Souviron Morenilla, Notas para una Ley sobre Ia lnformaci6n, Presideneia del Gobiemo, Madrid, 1980, S. 31. 427 Vgl. E. Ruiz Vadillo, S. !58. 428 Vgl. E. Gomez-Reino, EI seereto profesional..., S. 629; I. Lazcano Brotons, S. 188. 429 Vgl. E. Ruiz Vadi/lo, S. !58. 430 E. Ruiz Vadi/lo, S. !58. 431 Vgl. T. R. S. Al/an, S. 150-151.

VII. Die Indemnität der Parlamentarier

117

delicti darstellen oder dazu gedient haben, eine Straftat vorzubereiten, zu begehen oder zu decken432. Vor Erlaß einer allgemeinen gesetzlichen Regelung der Schranken des Berufsgeheimnisses ist es in der Lehre noch strittig, was als angemessene Schranken angesehen werden kann. Allan meint, daß der Journalist nicht Richter in eigener Sache sein und uneingeschränkt entscheiden könne, was er aufdecken muß und was nicht433 . Daher obliegt es, worauf Rodriguez Diaz hinweist, stets der richterlichen Autorität, in Anwendung der spanischen Verfassung, der Gesetze, des Gewohnheitsrechtes und allgemeiner Rechtsgrundsätze darüber zu befinden, in welchem Ausmaß der Journalist als Träger des Rechtes verpflichtet ist, die erforderlichen Daten offenzulegen. Der Richter muß dabei Vorsorge treffen, daß diese Informationen nur zu diesem Zweck verwendet werden und ansonsten einer prozessualen Schweigepflicht unterliegen434. Damit soll das Problem nicht ohne weiteres der Bewertung eines Richters im Einzelfall überlassen bleiben; denn dies würde die Anerkennung seiner Rechtsmacht voraussetzen, die Schranken eines Grundrechts selbst festzulegen. Nach dem Willen der Verfassung können die Schranken eines Grundrechtes aber nur durch ein Organgesetz (Ley Organica) bestimmt werden. Dieses aber steht noch aus. Bis zu seinem Erlaß müssen die Vorgaben der Verfassung unmittelbar Anwendung finden.

VII. Die Indemnität der Parlamentarier Die inviolabilidad (Indemnität) der Parlamentarier ist Individualrecht und auch institutionelle Garantie der Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der gesetzgebenden Gewalt435 im demokratischen Staat. Es handelt sich folglich nicht um eine unmittelbare Garantie der Meinungsäußerungs- und Informa-

432 Vgl. Alfonso Femandez-Miranda y Campoamor, EI secreto profesional..., S . 137. 433 Vgl. T. R. S. Al/an, S. 136. 434 A. Rodriguez Diaz, La posici6n preferente..., S. 104. 435 Vgl. Antonio Torres del Moral, Estado de Derecho y Democracia de Partidos,

1991, s. 418.

Madrid,

118

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

tionsfreiheit, sondern um ein besonderes Schutzrecht, das den Parlamentariern bei Ausübung ihrer Funktionen zukommt. Unter der parlamentarischen Indemnität versteht man im spanischen Recht die Freiheit von der Verantwortlichkeit für die in den parlamentarischen Kammern geäußerten Meinungen und für die Vomahme von Abstimmungen, die zeitlich unbeschränkt gelten muß436 . Sie stellt einen echten Rechtfertigungsgrund in der Strafrechtsordnung dar437. Sie ist von der parlamentarischen Immunität abzugrenzen. Letztere bedeutet die Unzulässigkeit, Parlamentarier während ihrer Amtszeit ohne vorherige Ermächtigung durch die jeweilige parlamentarische Kammer zu beschuldigen oder anzuklagen438. Ebensowenig können sie festgenommen werden, es sei denn, sie werden auf frischer Tat ertappt439. Art. 71 Abs. 1 der spanischen Verfassung bestimmt, daß die Abgeordneten und Senatoren Unverletzlichkeit hinsichtlich der in Ausübung ihres Mandats geäußerten Meinungen genießen440 . Dasselbe wird in Art. 10 der Geschäftsordnung des Kongresses441 wie auch in Art. 21 der Geschäftsordnung des Senates442 festgelegt.

436 Vgl. Emilio Recoder De Casso, Artfculo 71, in: Comentarios a Ia Constitucion espaiiola de 1978 (hrsg. v. F. Garrido Falla), 2. Auflage, Madrid 1986, S. I091. 437 Vgl. Emilio Recoder De Casso, S. 1091. 438 Vgl. Tomäs Gui Mori, S. 179. 439 Artikel 71 Abs. 2 CE. Die ausdrückliche Ermächtigung des Congreso de los Diputados oder des Senado, einen Zivilprozeß gegen einen Abgeordneten oder Senator zu führen, kann im Verfahren des suplicatorio erlangt werden. 440 Diese Verfassungsvorschrift besitzt Vorläufer in den historischen spanischen Verfassungen, so in Art. 128 der Verfassung von 1812, Art. 41 der Verfassung von 18 37. Art. 40 von 1845, Art. 57 der Verfassung von 1869, Art. 46 der Verfassung von 1876 und Art. 55 der Verfassung von 1931. Was das vergleichende Verfassungsrecht anbetrifft, so findet sich die Indemnität unter anderem in Art. 46 Abs. I des deutschen Grundgesetzes. in Art. 68 der italienischen Verfassung und Art.26 der französischen Verfassung. 441 Artikel 10 RCD: Los Diputados gozaran de inviolavilidad, aun despues de haber cesado en su mandato, por las opiniones manifestadas en el ejercicio de sus funciones .

442 Artikel 21 RS: Los Senadores gozaran, aun despues de haber cesado en su mandato, de inviolabilidad por Ia opiniones manifestadas en actos parlamentarios y por los votos emitidos en el ejercicio de su cargo.

VII. Die Indemnität der Parlamentarier

119

Diese Freiheit bezweckt die Wahrung eines geschützten Bereiches für Kritik und Entscheidung, ohne den die Ausübung der parlamentarischen Funktionen empfindlich beeinträchtigt und der Prozess einer freien Meinungsbildung zum Scheitern gebracht werden könnte443 . Es geht darum, die Unabhängigkeit der parlamentarischen Entscheidungen zu gewährleisten444. Die parlamentarische Unverletzlichkeit muß dennoch restriktiv ausgelegt werden, um nicht zu einem Privileg zu werden, das die Grundrechte Dritter verletzen kann. Somit lassen sich diese Vorrechte als funktionsbezogene Ausnahmen vom Rechtsstatus der Allgemeinheit begreifen445 . Die Legitimität der Garantie ist folglich nur in dem Maße anzuerkennen, wie sie ihrem Ziel dient446 . Wie sich dem Wortlaut des Artikel 71 Abs. l CE klar entnehmen läßt, sind nur Abgeordnete und Senatoren (Diputados y Senadores) Subjekte dieses Rechtes. Ausgeschlossen bleiben hingegen alle weiteren Personen, die auf irgendeine Weise am Verfassungsleben und Funktionieren der parlamentarischen Kammern beteiligt sind, ohne daß sie diesen Status aufweisen: Minister ohne Abgeordnetenmandat, Unterzeichner von Petitionen an die Kammer, die selbst nicht Parlamentarier sind, usw.4 47 . Es ist notwendig, diese Garantie in materieller und funktioneller Hinsicht korrekt abzugrenzen. Was erstere anbetrifft, so schützt die Indemnität lediglich Werturteile und Willensbekundungen (abgesehen von der Stimmabgabe, die hier nicht betrachtet werden soll), also, nach dem Wortlaut des Art. 71 Abs. 1 CE, MeinungstJußerungen. In funktioneller Hinsicht ist zu klären, ob die Indemnität des Parlamentariers sein gesamtes Verhalten mit politischer Relevanz abdeckt

443 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1985 vom 10. April, FJ Nr. 6. 444 Vgl. Emilio Recoder De Casso, S. 1090. 445 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1985 vom 10. April, FJ Nr. 6. 446 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 61/1982 vom 13. Oktober, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1985 vom 10. April, FJ Nr. 6. 447 Vgl. Emilio Recoder De Casso, S. 1091; Antonio Torres del Moral, Estado de Derecho... , s. 419-420.

120

§ 5 Die Garantien der Meinungsfreiheit

oder nur solche Handlungen, die er in seiner Eigenschaft als Mitglied des Kollegialorgans vorgenommen hat. Dadurch würden folglich alle Handlungen außerhalb der parlamentarischen Funktionen ausgegrenzt, auch wenn sie politischer Natur sind. Das spanische Verfassungsgericht vertritt diese zweite Ansicht448 . Die Verbindung zwischen Indemnität und Ausübung der Funktionen als Parlamentarier ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art. 71 Abs. 1 der spanischen Verfassung, Art. 10 der Geschäftsordnung des Kongresses und Art. 21 der Geschäftsordnung des Senats. Der Parlamentarier übt nämlich seine Funktionen nur insoweit aus, als er am offiziellen parlamentarischen Leben teilnimmt. Art. 21 konkretisiert die Natur dieser parlamentarischen Handlungen, indem er von Meinungsäußerungen und Stimmabgaben in Ausübung des Amtes spricht. Hiervon kann nur im Rahmen ordnungsgemäß einberufener Zusammenkünfte die Rede sein449 . Somit betrifft Art. 71 Abs. 1 CE nicht unterschiedslos alle Handlungen eines Parlamentariers, sondern nur solche, die er in seiner Eigenschaft als Parlamentarier vollbringt450. Die Geschäftsordnungen der Kammern beschränken nicht die Aktivitäten ihrer Mitglieder in der Öffentlichkeit, sondern stellen nur klar, welche Aktivitäten in der Eigenschaft als Parlamentarier ausgeübt und folglich von der Garantie der Indemnität abgedeckt werden451 . Auch außerhalb des Schutzbereichs der Indemnität können die Parlamentarier Kritik an der Politik der Regierung formulieren und öffentliche Äußerungen über ihre Meinung und ihre persönliche Sicht der Wirklichkeit abgeben. Diese Kundgabeakte werden jedoch, wie im Falle eines jeden anderen Bürgers, nur im Rahmen der allgemeinen Freiheit geschützt, wie sie in Art. 20 CE anerkannt wird452 .

44 8 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1985 vom 10. April, FJ Nr. 6. 449 Artikel 67 Abs. 3 CE: Zusammenkünfte von Parlamentariern, die ohne ordnungsgemäße

Einberufung stattfinden, binden die Kammern nicht und können weder deren Funktionen erfüllen noch deren Privilegien genießen. 450 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1985 vom 10. April. FJ Nr. 6. 451 Vgl. Yolanda Gomez Sanchez, Sobre las garantlas parlamentarias, in: Revista de Derecho Politico, Nr. 23, 1986, S. 81-82. 452 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1985 vom 10. April, FJ Nr. 6.

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit I. Einleitung 1. Die notwendigen Beschränkungen der Rechte

Keines der in Art. 20 der spanischen Verfassung enthaltenen Rechte hat absoluten Charakter. Auch den Einschränkungen selbst, denen die Ausübung dieser Rechte und Freiheiten unterworfen werden muß, kommt ein solcher Charakter nicht zu453 . Das Verfassungsgericht hat erklärt, daß die Grundrechte ein wesentlicher Bestandteil einer objektiven Wertordnung der nationalen Gemeinschaft sind454 . Dennoch weist die Regelung eines Rechts oder einer Freiheit auch die Grenzen (einschließlich der strafrechtlichen455 ) auf, um ihre Abstimmung mit anderen Freiheiten zu ermöglichen, die die Gesamtheit der Rechte jedes einzelnen bilden456 . Wie Rodriguez Diaz ausführt, handelt es sich darum, das notwendige Gleichgewicht von Rechtsgütern, die oft in Kollision geraten, juristisch zu präzisieren457 . Es ist deshalb

453 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 159/1986 vom 12. Dezember, FJ Nr. 6. 4 54 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 25/1981 vom 14. Juli; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 159/1986 vom 12. Dezember, FJ Nr. 6. 455 Siehe allgemein die Beiträge von Iiiaqui Agirreazkuenaga I Ives Rodriguez; P. Barroso

Asenjo, Limites constitucionales al derecho a Ia informaci6n, Barcelona, 1984. 456 Dennoch erkennen einige Autoren die Notwendigkeit der Begrenzungen, die jedem Recht, also auch der Meinungsfreiheit notwendig eigen sind, nicht. Vgl. Jose Manuel De Pablos, Limites a Ia libertad de comunicaci6n de Ia expresi6n, in: Poder Judicial, Sonderheft XIII, 1990, S. 223. 4 57 Siehe A. Rodriguez Diaz, La posici6n preferente..., S. 48; P. Salvador Codereh und andere, 1,Que es difamar?: libelo contra Ia ley dellibelo, Madrid, 1987, S. 24. In Bezug auf das Prinzip des Gleichgewichtes der Rechte vgl. Mare Carrillo, Los Hmites a ... , S. 63-66.

122

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

unerläßliche Aufgabe, die entsprechenden Grenzen korrekt zu bestimmen458 . Jedenfalls hat das Verfassungsgericht aufgezeigt, daß jede juristische Lösung, die die Ausübung eines Grundrechts einschränkt, begründet sein muß und daß die beschränkenden Maßnahmen notwendig sein müssen, um das verfolgte Ziel zu erreichen459. Die Freiheitsnormen, also die Grundrechte, wie auch deren Beschränkungen gehören, wie das spanische Verfassungsgericht darlegt, einer einzigen Rechtsordnung an, die von den gleichen Prinzipien durchdrungen ist. Daraus folgt ein scheinbarer Gegensatz zwischen dem Einzelinteresse und dem öffentlichen Interesse, das eine Beschränkung der Grundrechte nahelegt Beides, sowohl die Grundrechte wie auch ihre Einschränkungen, werden in Art. 10 Abs 1 CE gleichermaßen als Fundament der politischen Ordnung und des sozialen Friedens bezeichnet. Letzten Endes entsteht ein System der Normenkonkurrenz, so daß sowohl die Freiheitsrechte wie auch die Einschränkungen gleichermaßen in gegenseitige Wechselwirkung treten460. Als Resultat dieser Wechselwirkung begrenzt der Schutzbereich jedes einzelnen Grundrechts die Reichweite der betreffenden Beschränkungsnormen461, so daß die Grenzen der Grundrechte mit restriktiven Kriterien ausgelegt werden müssen, und zwar im für die Effizienz und das Wesen dieser Rechte günstigsten Sinne462 .

458 Siehe Roland Dumas, Le droit de l'information, Paris, 1981, S. 116 ff.: vgl. Francesco Scardulla, Diritto di informazione e tutela della personalila con riguardo all'esclusione del socio, in: L'informazione e i diritti della persona (hrsg v. Guido Alpa I Mario Bessone I Luca Baneschi I

1983, S. 199 ff. 459 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 1311985 vom 31. Januar, FJ Nr. I : Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6211982, 15. vom Oktober, FJ Nr. 5. 460 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 15911986 vom 12. Dezember, FJ Nr. 6. 461 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 5111989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2.: Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 15911986, 16. vom Dezember, FJ Nr. 6. 462 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 15911986 vom 16. Dezember, FJ Nr. 6. Giandomenico Caiau.a), Neapel,

I. Einleitung

123

2. Grenzen des Artikel20 CE

a) Einleitung Auch die Meinungsfreiheit ist kein unbeschränktes Recht463 . Die in Art. 20 CE geschützten Rechte finden wie alle übrigen Grundrechte ihre Grenzen in der Bewahrung der anderen Grundrechte des Titels I (Art. 20 Abs. 4 CE464 ), weiterhin insbesondere in der Respektierung des Rechts auf Privat- und Intimsphäre, auf Ehre, am eigenen Bild465 und auf Schutz der Kinder und Jugendlichen466, sowie in den Gesetzen, die sie ausgestalten46 7. Einerseits müssen die vom Gesetz vorgesehenen Maßnahmen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, um das vorgesehene Ziel zu erreichen468 (Verhältnismäßigkeitsprinzip469 ), andererseits dürfen sie einzig und allein zu dem Zweck eingesetzt werden, für den sie vorgesehen worden sind470 .

b) Die gesetzliche Ausgestaltung der Grundrechte In Art. 20 CE findet sich die Aufzählung der Grenzen der von ihm geschützten Freiheiten. Doch wird diese scheinbare Vollständigkeit der Vorschrift, was die Grenzen anbetrifft, durch den Verweis auf die Gesetze, die die 463 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 120/1983 vom 15. Dezember, FJ Nr. 2. 464 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 88/1985 vom 19. Juli, FJ Nr. 2. 46 5 Art. 18 der spanischen Verfassung. Wie De Vega Ruiz zeigt, sind diese Rechte und die Meinungsfreiheit reziprok voneinander abhängig und dadurch begrenzt. Jose Augusto De Vega Ruiz , S. Nr. 2.

15. Vgl. auch Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 120/1983 vom 15. Dezember, FJ

466 Vgl. Manuel Jaen Val/ejo, S. 5503. 467 Siehe Miguel Angel Garcia Herrera, Estado democratico y libertad de expresi6n (Il), in: RFDUC, Nr. 65, 1982, S. 162; A. Rodriguez Diaz, La posici6n preferente... , S. 45. 468 Art. 10 Abs. 2 EMRK. 469 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 62/1982 vom 15. Oktober, FJ Nr. 5. 470 Art. 18 EMRK.

124

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

verschiedenen geschützten Rechte und Freiheiten regeln, relativiert. Diese Gesetze können, gestützt auf die Fonnulierung in Art. 53 Abs. 1 CE und die Generalklausel in Art. 20 Abs. 4 CE, neue begrenzende Bestimmungen enthalten. Der Wesensgehalt der durch die Verfassung garantierten Rechte muß jedoch unangetastet bleiben471. In jedem Fall muß die gesetzliche Regelung eines der in Art. 20 CE festgelegten Rechte organgesetzlich erfolgen472, wie Art. 81 CE vorsieht. Gemäß dieser Vorschrift sind diejenigen Gesetze Organgesetze, die die Grundrechte und öffentliche Freiheiten ausgestalten, die die Autonomiestatute und das allgemeine Wahlsystem sowie die übrigen in der spanischen Verfassung vorgesehenen Bereiche regeln. Für ihre Verabschiedung, Änderung oder Aufhebung ist die absolute Mehrheit im Kongress erforderlich.

c) Die ausdrücklich normierten Beschrankungen

Nach Ansicht von Galvez hat die ausdrückliche Nennung von bestimmten Rechten Dritter als Grenzen der Freiheiten des Art. 20 CE im Text dieser Vorschrift nur den Zweck, die Aufmerksamkeit auf einige Rechte zu lenken, die durch die Ausübung dieser Freiheiten leicht verletzt werden können473 . Die ausdrücklich in Art. 20 CE genannten Begrenzungen haben jedoch keine größere Wirksamkeit als andere hier relevante Rechtsgüter Dritter. FernandezMiranda y Campoamor schreibt ihr Vorhandensein im Verfassungstext der Belehrungsfunktion des Verfassunggebers zu474 . Jedenfalls bewirkt diese

471 So bestimmt Art. 53 Abs. I CE: Die im 2. Kapitel dieses Titels anerkannten Rechte und Freiheiten binden die öffentliche Gewalt. Die Rechte und Freiheiten sind gemäß den Bestimmungen von Artikel161 Abs. 1. b) geschützt. Nur durch ein Gesetz, das in jedem Fall ihren Wesensgehalt achten muß, kann ihre Ausübung geregelt werden ... Vgl. zum deutschen Recht Heinz Georg Bamberger, S. 92-93; G. Herrmann, S.

178 ff.; Theodor Maunz I Reinhold Zippelius, S. 194; Peter 198 ff., S. 208 ff. 472 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 11/1982 vom 29. März, FJ Nr. 6; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 86/1982, 23. vom Dezember, FJ Nr. 3. 473 F. Javier Galvez Montes, S. 399. 474 Femandez-Miranda y Campoamor, Libertad de expresi6n ..., S. 501.

von Becker, S. 61-62; BVerfGE 7, S.

I. Einleitung

125

Aufzählung nicht, daß das Gebot der Rücksichtnahme auf andere Grundrechte an Gültigkeit verliert475.

d) Von Art. 10 Abs. 2 CE abgeleitete Grenzen

Auch die Vorschrift des Art. 10 Abs. 2 CE476 ist für die Frage nach den Grenzen, denen die Ausübung der von Art. 20 CE gewährleisteten Freiheiten unterliegt, von Bedeutung477 . In Art. 10 Abs. 2 CE findet sich eine Auslegungsregel für die Grundrechte und damit auch für Art. 20 CE478 . Gemäß dieser Vorschrift werden die Grundrechte und -freiheiten, also auch die in Art. 20 CE anerkannten, ebenso wie ihre Grenzen479 konform mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN und den von Spanien ratifizierten internationalen Verträgen und Abkommen, insbesondere der EMRK, ausgelegt. Somit sind Inhalte und Schranken des Art. 20 CE im Lichte des Art. 10 EMRK zu interpretieren. Dies hat auch das spanische Verfassungsgericht bestätigt. Damit kann die Ausübung der durch Art. 20 CE geschützten Freiheiten gesetzlichen Formvorschriften, Beschränkungen und Sanktionen unterworfen werden, die sich als in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen zum Schutze von Rechtsgütern erweisen, wie die nationale Sicherheit, die territoriale Integrität, die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die Verbrechensverhütung, Gesundheit, Moral, der gute Ruf, die Rechte anderer, die Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder

47 5 Carlos Soria, EIderecho a ... , S. 113. 476 Seine Aufnahme in die spanische Verfassung erfolgte nach einigen Auseinander-

23. August 1978, S. 1738-1761. 477 Siehe diesbezüglich das Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 62/1982, 15. Oktober,

setzungen. Siehe Diario de Sesiones de Ia Comisi6n Constitucional del Senado vom

FJ Nr. 2.

478

Vgl. E. Garcia De Enterria, EI valor en el Derecho espaiiol de Ia Jurisprudencia del

Tribunal Europeo de Derechos Humanos, in: Boletin del Ilustre Colegio de Abogados de Madrid (Revista Juridica General), Nr. I,

1987, S. 10;

Araceli Mangas Martin, Cuestiones de Derecho

1978, in: RFDUC, Nr. 61, S. !50. 479 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2.

Internacional PUblico en Ia Constituci6n Espaiiola de

126

§ 6 Grenzen

der Meinungsfreiheit

die Gewährleistung der Autorität und der Unparteilichkeit der rechtsprechenden GewaJt480. Gleichwohl ergeben sich aus der EMRK selbst zwei notwendige Garantien, um zu verhindern, daß mittels der Zulassung weiterer in der spanischen Verfassung nicht ausdrücklich genannter Grenzen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Freiheiten des Art. 20 CE erfolgt481 . Es ist, wie schon erwähnt, einerseits - so Art. 10 Abs. 2 EMRK - erforderlich, daß die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind, um das vorgesehene Ziel zu erreichen (Verhältnismäßigkeitsprinzip482), und andererseits- so Art. 18 EMRK - daß die beschränkende Maßnahme zu dem Zweck erfolgt, für den sie vorgesehen ist (Art. 18 EMRK).

e) Die strafrechtlichen Grenzen Das Strafrecht begrenzt die Ausübung der Meinungsfreiheit, und zwar übereinstimmend mit der Bestimmung des Art. 53 CE483 . Es muß danach der Wesensgehalt der Meinungs- und Informationsfreiheit gewahrt bleiben. Auch der Oberste Gerichtshof Spaniens hat wiederholt festgestellt, daß die Ausübung der Meinungsfreiheit nicht zu einer Übertretung der Strafgesetznormen führen darr' 84 . Das Verfassungsgericht seinerseits bestätigte in seinem Urteil 159/1986 vom 12. Februar 1986, daß das Recht auf Information der Strafgesetzgebung untergeordnet ist485 . Der verfassungsrechtliche Inhalt des Rechts auf Information verbiete es aber - so die gleiche Entscheidung - , das Strafgesetz als dessen absolute Grenze zu betrachten486 . Es komme des480 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 62/1982, 15. vom Oktober, FFJJ Nr. 2 und 3. Siehe auch Art. 10 Abs.2 EMRK. 481 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 62/1982 vom 15. Oktober, FJ Nr. 3 B. 482 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6211982 vom 15. Oktober, FJ Nr. 5. 483 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1985 vom I 0. April. FJ Nr. I 0. 484 STS 21. Aprill980 (Zweiter Senat); STS vom 29. September 1980; STS vom 13. Februar 1981 (Zweiter Senat). 485 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 159/1986 vom 12. Dezember, FJ Nr. 7. 486 Ebenda.

II. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger

127

halb, wie oben schon ausgeführt, den rechtsprechenden Organen zu, die Begrenzung gern. Art. 20 CE in einer für die Wirksamkeit dieser Rechte günstigsten Weise auszulegen487.

f) Andere Grenzen

Des weiteren bestehen einige andere Grenzen der Rechte des Art. 20 CE. Diese unterscheiden sich jedoch beim Recht auf Information von denjenigen der Meinungsäußerungsfreiheit488 . Ersteres unterliegt gerade wegen der Natur seines Gegenstandes einigen spezifischen Grenzen, nämlich der des Erfordernisses der Wahrhaftigkeit, des Schutzes des Amtsgeheimnisses und des Ermittlungsgeheimnisses usw. Sie werden im folgenden eingehend analysiert.

ß. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger 1. Der Schutz des Jugendlichen und des Kindes

Die Jugendlichen und Kinder sind gleichfalls gegenüber der Ausübung von Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit, insbesondere unter dem Aspekt der guten Sitten und der Sexualität zu schützen489 . Dies ergibt sich aus ihrem Mangel an Urteilsvermögen und Reife, die Inhalte, mit denen die Kommunikationsmedien sie versorgen, kritisch zu betrachten und zu beurteilen490.

487 Ebenda. 488 Vgl. Carmen Chinchilla Marin, Derecho de informaci6n... , S. 63. Ebenso Carlos Soria, in: EI derecho a ..., S. 97. Maurizio Pedrazza sieht beispielsweise das Recht auf Verteidigung als Grenze der Informationsfreiheit, aber nicht als Grenze der Meinungsäußerungsfreiheit. Vgl. M.

Pedrazza Gorlero, II giornalismo nell'ordinamento... , Il, S. 935. 489 Siehe Miguel A. Garcia Herrera, S. 172-173; Jose Maria Desantes Guanter, Fundamentaci6njuridica del ordenamiento especial de Ia informaci6njuvenil e infantil, in: Teoria y practica de las publicaciones infantiles y juveniles, Madrid, 1978, S. 79. 490 J. Terron Montero, S. 222.

128

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

Den Staat trifft ein entsprechender Verfassungsauftrag 491 . Art. 39 Abs. 4 CE lautet: Die Kinder genießen den in den internationalen Abkommen, die die

Wahrung ihrer Rechte zum Ziel haben, vorgesehenen Schutz492 .

Es handelt sich beim Kind um ein Wesen, das sich noch in der Entwicklung befindet493 , noch keine gefestigte sittliche Persönlichkeit ist, noch keine voll ausgebildeten Fähigkeiten besitzt und erst zum verantwortungsbewußten Gebrauch der Freiheit erzogen werden muß. Auch die Gewährleistung der Institution Familie (Art. 39 Abs. 1 CE) und Schule (Art. 27 CE) implizieren die Sorge des Staates um das Wohl des Kindes, für das die volle Entfaltung der Persönlichkeit erreicht werden soll (Art. 27 Abs. 2 CE). Es ist deshalb naheliegend, daß die Ausübung der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit eingeschränkt wird, soweit sie Jugendliche oder Kinder betrifft494 . Der in Art. 20 Abs. 4 CE ausdrücklich genannte Schutz der Jugendlichen und der Kinder als begrenzendes Rechtsgut muß aber im Zusammenhang gesehen werden mit den genannten Verfassungsnormen, zudem insbesondere auch in Verbindung mit Art. 48 CE, dessen Träger auch die Jugend ist495 .

491 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 62/1982 vom 15. Oktober, FJ Nr. 3 D. Diese Entscheidung verbindet den Schutz der Jugendlichen und der Kinder mit dem der öffentlichen Moral. 492 Siehe in diesem Zusammenhang auch Art. 48 CE (Die öffentliche Gewalt fördert die

Voraussetzungenfür einefreie und wirksame Beteiligung der Jugend an der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung). Beide Artikel sind in das 3. Kapitel des Titels I der spanischen Verfassung eingegliedert (Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik). Siehe vergleichend BVerfGE 30, S. 336 ff., S. 347. 493 Siehe diesbezüglich Joel F. Hand/er I Margaret K. Rosenheim, Privacy in Welfare: Public Assistance and Juvenile Justice, in: Law and Contemporary Problems, Bd. 31, Nr. 2, 1966, S. 408; Peter Von Becker, S. 63; Heinz Georg Bamberger, S. 147. In der deutschen Rechtsordnung erkennt das Grundgesetz in Art. 5 Abs. 2 den Schutz der Jugend als Grenze der öffentlichen Kommunikationsfreiheit ausdrücklich an. Die Gesetze, die diesen Verfassungsauftrag bis jetzt ausgestaltet haben, sind das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften vom 9 .Juni 1953, mit der Änderung vom 2. März 1974, und das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit vom 27. Juli 1957. Siehe Heinz Georg Bamberger, S. 147-151. 494 Vgl. A. Rodriguez Diaz, La posici6n preferente... , S. 96. 495 Siehe Yolanda Gomez, Familia y matrimonio ... , S. 384.

Il. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger

129

Eine Vorzensur ist nach Art. 20 Abs. 2 CE ausgeschlossen. Die Verwaltung, die eine Infonnation nicht beschlagnahmen oder einer vorigen Zulassung unterwerfen kann, ist - unter gleichzeitiger Beschränkung der Meinungsfreiheit - gleichwohl ennächtigt, die Verbreitung einer Infonnation oder den Zugang zu einem Programm zu beschränken, wenn dies zum Schutz von Kindem und Jugendlichen erfolgt. Ein solcher Akt unterliegt- wie jeder Verwaltungsakt-derAnfechtung vor den Gerichten. Somit stellt dieser Fall keine Vorzensur dar, sondern - auf der Grundlage des Infonnationsinhalts - eine administrative Festlegung der Voraussetzungen für die Ausübung der aktiven und passiven Meinungsfreiheit. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Schutz der Sexualsphäre der Kinder und Jugendlichen wegen der möglichen schweren - psychischen496 Schädigungen, die hier für ihre Entwicklung entstehen können497 . Bezüglich der Pornographie hat das Verfassungsgericht ausgeführt, daß diese nicht in jedem Fall im Sinne der geltenden spanischen Rechtsordnung 498 einen Angriff auf die öffentliche Moral darstelle, soweit sie nicht ein ethisches Minimum verletze. Um eine solche Verletzung feststellen zu können, müssen die Begleitumstände bewertet werden. Unter ihnen hebt das Verfassungsgericht bei schriftlichen Publikationen neben der Fonn der Veröffentlichung und der Verbreitung auch hervor: ob der Adressat Kind oder Jugendlicher ist, ob auf Abbildungen Minderjährige zu sehen sind oder der Text Minderjährige einbezieht. Solche Fälle werden als Überschreitung der Grenze zum ethischen Minimum betrachtet, da der Angriff auf die Schutzsphäre der Jugendlichen bzw.

496 Vgl. bezüglich der psychologischen Auswirkungen der Pornographie: John B. McConahay, Pornography: the symbolic politics of fantasy, in: Law and Contemporary Problems,

Bd. 51, Nr. 1, 1988, S. 54-56; Katherine T. Bartlett, Porno-Symbolism: A Response to Professor McConahay, in: Law and Contemporary Problems, Bd. 51, Nr. 1, 1988, S. 71-77. 497 Vgl. Asuncion Olmos Pildain, La libertad de expresion. Especial consideracion a Ia

protecci6n juridica frente a las extralimitaciones en su ejercicio, in: Boletin del Ilustre Colegio de Abogados de Madrid (Revista Juridica General), Nr. 1, 1987, S. 29. 498 Siehe diesbezüglich Art. 20 Abs. 4 CE und das Gesetz 1/1982 vom 24. Februar 1982. 9 Cremades

130

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

Kinder (und damit der öffentlichen Moral) in solchen Fällen besonders gravierend ist499 .

2. Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers500

a) Grundsatze Es ist von der Prämisse auszugehen, daß das Recht, die eigene Meinung über jedes Medium zu äußern, auch Arbeitnehmern zusteht501 . Der Abschluß eines Arbeitsvertrags bringt keinesfalls den Entzug der verfassungsrechtlichen Rechte des Arbeitnehmers mit sich502, sondern ihre Gestaltung kraft der übernommenen Vertragspflichten503. Die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern, in deren Rahmen sich Schweigepflicht504 und Ausübung der Meinungsfreiheit gegenübertreten, muß man allgemein unter dem Aspekt von Treu und Glauben betrachten, den die 499 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6211982 vom 15. Oktober, FJ Nr. 5. 500 Vgl. Goiii Sein, J. L., Las ofensas al honor y Ia repercusi6n disciplinaria de las proferidas fuera de Ia empresa, in: Relaciones Laborales, Bd. 1, 1987, S. 463-475; Martin Herrero, P., Jurisprudencia del Estatuto de los Trabajadores, Madrid, 1990; Muiloz. Campos. J., Las ofensas en el ambito de Ia empresa como causa de despido segun Ia Jurisprudencia, in: Relaciones Laborales, Nr.

2, 1987; Rivero Lamas, J. und Garcia Blasco, J., Los derechos de informaci6n en Ia empresa, 493-534; Rajas Rivero.

in: V Jornadas Andaluzas de Derecho del Trabajo y Seguridad Social, S.

Gloria, EI conflicto entre el honor y Ia libertad de expresi6n: referencias al ambito (aboral. in: Poder Judicial, Sonderheft XIII,

1990, S. 51-62; Hidalgo Rua. Gloria I Dei Val Arnal, J. Jesus, La libertad 1990, S. 37-49.

de expresi6n en las relaciones laborales, in: Poder Judicial. Sonderheft XIII.

50 1 Vgl. Ram6n Bayod Y Serrat, Informe sobre Ia doctrina del comite de libertad sindical de Ia

oit acerca de Ia libertad de expresi6n sindical y su aplicaci6n al ämbito de Ia empresa, in: Jornadas sobre Cuestiones Actuales de Enjuiciamiento Laboral, Instituto de Estudios Laborales y de Ia

1985, S. 601. 502 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 88/1985 vom 19. Juli, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 503 Siehe A. Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I, S. 272; Siehe auch Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar. 504 Vgl. Graham Zellick, Official information, national security and the law in Britain, in: Studi Senesi, Siena, 1986, Heft 2, S. 306. Seguridad Social. Madrid,

II. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger

131

Art. 7 Abs. 1505 und Art. 1258506 des spanischen Zivilgesetzbuches umreißen. Dieses Prinzip findet sich auch in der Arbeitsgesetzgebung, nämlich in den Art. 5. a) und Art. 20 Abs. 2 des spanischen Arbeitnehmerstatuts wieder. Aus dem Gebot von Treu und Glauben bei Verträgen erwächst die Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers507 . So bestimmt das Arbeitsvertragsgesetz von 1944 in Art. 72 die Verpflichtung des Arbeitnehmers, Geheimnisse, die mit der Geschäftstätigkeit seines Arbeitgebers in Verbindung stehen, zu bewahren, und zwar sowohl während des Besteheus als auch nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. In letzterem Falle darf er diese nur zum eigenen Nutzen verwenden, wenn dies für seine gewöhnliche Berufstätigkeit erforderlich und gerechtfertigt ist508 . Natürlich verpflichten Treu und Glaube nicht zu einem Schweigen, wenn es sich um rechtlich unzulässige Geschehnisse im Unternehmen handelt509 . Treu und Glauben können nicht illegale oder diskriminierende Zustände schützen510. 505 Rechte müssen den Anfordemissen von Treu und Glauben entsprechend ausgeübt werden. 506 Verträge kommen durch bloße Einigung zustande und verpflichten von da ab nicht nur zur Erfüllung des ausdrücklich Vereinbarten, sandem auch zu allen Folgen, die sich ihrer Natur nach im Einklang mit Treu und Glauben, dem Herkommen und dem Gesetz befinden. Siehe im Zusammenhang mit dieser Vorschrift die Art. 1254 und 1262 des spanischen Zivilgesetzbuches und 54, 55 und 57 des Handelsgesetzbuches. 507 Strafrechtlich typifiziert wird die Aufdeckung von Geheimnissen, die durch ein Arbeitsverhältnis in Erfahrung gebracht wurden, so in Art. 498 (Der Verwalter, Angestellte oder

Bedienstete, der in dieser Eigenschaft die Geheimnisse seines Arbeitgebers kennt und sie verbreitet, wird mit strenger Haft und Geldstrafe von 100.000 bis 500.000 Peseten bestraft) und in Art. 499 (Der Geschäftsfiihrer, Angestellte oder Arbeiter einer Fabrik oder eines anderen Industriebetriebes, der zum Schaden des Arbeitgebers Geheimnisse des Betriebes verrät, wird mit strenger Haft und Geldstrafe von 100.000 bis 1.000.000 Peseten bestraft). 508 Hidalgo Rua und Dei Val Amal sind der Meinung, daß das genannte Gesetz trotz seiner Aufhebung weiterhin zu berücksichtigen ist, um eine Gesetzeslücke zu vermeiden. Dieser Lehre folgend gestaltet dieser Gesetzestext das Arbeitnehmerstatut. Siehe Gloria Hidalgo Rua und J. Jesus Dei Val Amal, S. 38. Vgl. auch Francisco Balaguer Callejon, Fuentes del Derecho.• Bd. I, Madrid, 1991, S. 141 ff.. 509 Vgl. A. Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I, S. 272. 510 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 88/1985 vom 19. Juli; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 120/1983 vom 15. Dezember.

132

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

Die Grenze der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers erlangt besondere Bedeutung, wenn dieser Mitglied des Betriebsrats ist5 11 . In diesem Fall erstreckt sich die allgemeine VerschwiegenheilSpflicht auf die Information, die ihm das Unternehmen gibt, um die Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen. Das Recht der Arbeitnehmervertreter, Schriften zu veröffentlichen und zu verteilen, in denen sie ihre Meinung über Probleme ihres Zuständigkeitsbereichs vorbringen, wird hingegen garantiert5 12. Die Übertretung der Verschwiegenheitspflicht kann ein Grund für eine Entlassung sein. Diese wäre wegen der Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben gerechtfertigt5 13. Bei der Begrenzungswirkung der Schweigepflicht des Arbeitnehmers für die Ausübung der öffentlichen Freiheiten des Art. 20 CE ist notwendig zwischen der Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit und der des aktiven und passiven Rechts auf Information zu unterscheiden. Das Verfassungsgericht bestätigt, daß diese beiden Freiheiten nicht nur einen unterschiedlichen Inhalt, sondern auch verschiedene Grenzen und Wirkungen besitzen514 . In Beurteilung der bisherigen Aussagen kann festgestellt werden, daß die Ausübung der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit auch auf dem Gebiet der Arbeitsverhältnisse eine Vorrangstellung genießt, weil die Äußerung von Kritik und die Verbreitung von Informationen bezüglich des eigenen Unternehmens für die Arbeitnehmer und damit für die Gesellschaft im allgemeinen von wesentlichem Interesse ist515.

5 11 Der Art. 65 des Arbeitnehmerstatuts bestimmt die Einhaltung des Berufgeheimnisses durch den Betriebsrat und seine Mitglieder für Materien, die Art. 64 Abs. 1 - 4 des Statuts erfaßt, und insbesondere für Bereiche, die der Unternehmensleitung vorbehalten sind. Diese Verpflichtung währt auch über das Erlöschen des Arbeitsverhältnisses hinaus. 512 Art. 68 des Arbeitnehmerstatutes. 513 Art. 54 Abs. 2. d) des Arbeitnehmerstatutes. 514 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 611988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5.Vgl. unter b) insb.S.I40-141. 5l5 Vg1. Gloria Rajas Rivero, EI conflicto entre..., S. 58.

133

11. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger

b) Die Haltung des Verfassungsgerichtes Der Abschluß eines Arbeitsvertrages bedeutet für den Arbeitnehmer keinesfalls den Entzug der ihm durch die spanische Verfassung gewährten Rechte516 . Dennoch ist die Ausübung der Meinungsfreiheit durch den Komplex von Rechten und Pflichten, die aus der vertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber resultieren, bedingt. So kommt es, daß Betätigungen im Rahmen dieser Freiheit, die in anderem Zusammenhang legitim sein können, dies nicht immer auch im Bereich einer solchen Vertragsbeziehung sein müssen517. Die Bedingungen, die diese Beziehung auferlegt, müssen sorgfältig differenziert werden. Man kann nicht die Existenz einer allgemeinen Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber mit umfassender Unterwerfung des Arbeitnehmers unter die Interessen des Unternehmers annehmen. Sie würde mit dem Verfassungsrecht nicht in Einklang stehen518. Notwewndig istjedoch ein gegenseitiges Verhalten, das den Erfordernissen von Treu und Glauben angepaßt ist; dies ergibt sich aus der Ausgestaltung aller Rechte519 und insbesondere aus der vertraglichen Beziehung, die die jeweils angemessene Erfüllung der Verpflichtungen bestimmt und deren Nichtbeachtung die Ausübung der Rechte widerrechtlich oder mißbrauchtich macht... 520 . Die Unternehmen bilden keine Enklaven innerhalb der Gesellschaft. Auch die Untemehmensfreiheit, die im Art. 38 CE garantiert ist, legitimiert eine ungerechtfertigte Einschränkung der Grundrechte bei Personen, die in den Unternehmen arbeiten, nicht521 . Erscheinungen des industriellen Feudalis516

Urteil des spanischen Verfassungsgerichts

88/1985

vom

spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 6.

19.

Juli, FJ Nr.

517 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 120/1983 vom 15. Dezember. FJ

des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 6.

2;

Urteil des

Nr.

2; Urteil

51 8 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 120/1983 vom 15. Dezember, FJ Nr. 2. 519 Vgl. Art. 7 des spanischen Zivilgesetzbuches. 52° Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 120/1983 vom 15. Dezember, FJ Nr. 2. 521 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 88/1985 vom 19. Juli, FJ Nr. 2; Urteil spanischen Verfassungsgerichts 126/1990 vom 5. Juli, FJ Nr. 3.

des

134

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

mus, so stellt das Verfassungsgericht im Urteil 88/1985 vom 19. Juli fest,

laufen dem sozialen und demokratischen Rechtsstaat und den übergeordneten Werten der Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit, die dem Staat Gestalt geben, zuwider522 . Es wäre somit nicht rechtmäßig, sich auf die Meinungsfreiheit zu berufen, um den gesetzlichen und vertraglichen Rahmen der privaten Rechtsbeziehungen zu zerstören. In gleicher Weise können die Prinzipien, nach denen sich diese Beziehungen richten und die für die Vertragspartner eine vertragstreue Abwicklung der Verpflichtungen gewährleisten, nicht so verstanden werden, daß die Ausübung der Meinungsfreiheit über die im Arbeitsvertrag festgelegten Erfordernisse hinaus behindert wird. Die Informationsfreiheit existiert definitionsgemäß nicht für die Verbreitung von Daten, die die ordnungsgemäße und normale Wirtschaftstätigkeit des Unternehmens betreffen, denn diese können der öffentlichen Kenntnisnahme, unabhängig von ihrer Bedeutung für Dritte, rechtmäßigerweise entzogen werden. Der Arbeitnehmer muß dies respektieren523. Wenn ein Arbeitnehmer öffentlich Meinungen und Ideen äußert und dabei allgemeine oder einzelne Aspekte des Funktionierens und Handeins des Unternehmens, in dem er arbeitet, zum Inhalt seiner Ausführungen macht, muß sich die Ausübung dieser Freiheit im Rahmen derjenigen Verhaltensregeln bewegen, die im Art. 7 des spanischen Zivilgesetzbuches allgemein festgelegt sind. Die Rechte sind also, wie bereits betont, nach Treu und Glauben auszuüben5 24 . Die Pflicht zur Einhaltung der dem Arbeitsvertrag entspringenden Verpflichtungen nach Treu und Glauben verbietet dem Arbeitnehmer jede Handlung, die dem Unternehmer vorsätzlich einen ideellen oder materiellen Schaden zufügen soll (animus nocendi) 525 . Betrug. Untreue oder Vertrauen

522 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 8811985 vom 19. Juli, FJ Nr. 2. 523 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 6. 524 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 120/1983 vom 15. Dezember. FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 88/1985 vom 19. Juli, FJ Nr. 2. 525 So Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 120/1983 vom 15. Dezember, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 7.

II. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger

135

mißbrauchendes Verhalten können nicht unter dem Deckmantel eines Grundrechts gerechtfertigt sein. Man verläßt also, wenn man den Grundsatz von Treu und Glauben nicht beachtet, den durch die spanische Verfassung in Art. 20 Abs. 1. d) geschützten Bereich526 . Wenn sich die Äußerung oder Verbreitung von Meinungen nicht an diesen Grundsatz hält (eine Regel, die es im Rechtsverkehr ganz allgemein zu beachten gilt), wird die Ausübung der Meinungsfreiheit mißbräuchlich und widerrechtlich; es können vertragsrechtliehe Sanktionen zum Zuge kommen. Andererseits müssen bei rechtmäßiger Ausübung der Meinungsfreiheit die juristischen Schutzmechanismen eingreifen527 . Wenn also eine Kündigung aufgrund einer solchen Ausübung der Meinungsfreiheit ausgesprochen wird, muß diese, wie alle anderen ein Grundrecht verletzenden Kündigungen528 , für nichtig erklärt werden. Trotz allem kann die den Arbeitnehmer treffende Pflicht, sich gemäß Treu und Glauben zu verhalten, nicht in der Weise interpretiert werden, daß dadurch auch Situationen und Umstände gedeckt werden, die von der durch die Rechtsordnung geschützten Normalität abweichen. Die Veröffentlichung und Verbreitung von Informationen als Reaktion des Arbeitnehmers auf solche Situationen wird deshalb nicht als rechtswidrig einzustufen sein529 . Das Verfassungsgericht stellt somit zu Recht fest, daß aus dem Grundsatz von Treu und Glauben keine Schweigepflicht z.B. bezüglich beUiigerischer Machenschaften des Unternehmens gefolgert werden kann. Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß die Arbeitsgesetzgebung in Konkretisierung des verfassungsmäßigen Rechts eine spezifische Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit schützt, und zwar in Verbindung mit der Ausübung der Repräsentationsfunktion, die einigen Arbeitnehmern zukommen kann. So gibt es die Möglichkeit der Arbeitnehmervertreter, ihrer Meinung über ihre Repräsentationsangelegen-heiten frei Ausdruck zu verleihen, indem sie Veröffentlichungen von sozialem oder arbeitsbedingtem Interesse verbreiten können, ohne daß dies zu Nachteilen für sie führen

526 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 7. 527 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 88/1985 vom 19. Juli, FJ Nr. 2. 528 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 88/1985 vom 19. Juli, FJ Nr. 4. 529 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 9.

136

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

darP 30. Des weiteren muß die Möglichkeit bestehen, die Öffentlichkeit über einen Streik in Kenntnis zu setzen531 . Diese letztere Möglichkeit umfaßt nicht nur die Information der Öffentlichkeit über den Streik an sich, sondern auch über seine Begleitumstände {z.B. über die Hindernisse, die sich in seinem Verlauf ergeben), z.B. um die Solidarität Dritter zu gewinnen532 .

3. Beschränkung der Meinungsfreiheit der Beamten

a) EinfUhrung

Die Problematik, die hier berührt wird, betrifft die Ausübung der Verfassungsrechte seitens der Beamten. Das spanische Verfassungsgericht hat festgestellt, daß in einer ersten Phase des Konstitutionalismus in Europa, die mit der Einrichtung eines ständig wachsenden, wenn auch nicht zweckmäßig organisierten Verwaltungsapparates einherging, von den Beamten gewöhnlich eine gegenüber den übergeordneten politischen Instanzen .unkritische, fast absolute Treue verlangt wurde. Dies brachte einen Verzicht auf die Ausübung bestimmter Rechte und Freiheiten mit sich. Heute bietet die spanische Rechtsordnung ein anderes Bild. Die juristische Stellung des Beamten ist hinsichtlich der Grundrechte, insbesondere aber hinsichtlich der Meinungsfreiheit der des normalen Bürgers angenähert. Die in diesem Zusammenhang relevanten verfassungsrechtlichen Normen und Gewährleistungen finden sich in den Artikeln 103 Abs. 1533 und Abs. 35 34 , 23 Abs. 2535, 20 Abs. I und 28 Abs. 1536 CE. Der Beamte sieht 530 Vgl. Art. 68 d) des Arbeitnehmerstatutes. 531 Art. 6 Abs. 6 der Rechtsverordnung 17/1977 vom 4. März. 532 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 120/1983 vom 15. Dezember, FJ Nr. 4. 533 Art. 103 Abs. I CE: Die öffentliche Verwaltung dient in objektiver Weise dem Interesse der Allgemeinheil und arbeitet gemäß den Grundsätzen der Effektivität, Verwaltungshierarchie, Dezentralisierung, Dekonzentration und Koordination. Sie ist an Gesetz und Recht gebunden. 534 Art. 103 Abs. 3 CE: Das Gesetz regelt das Statut der Beamten, den Zugang zu öffentlichen Ämtern nach den Grundsätzen der Eignung und Befähigung, die Besonderheiten bei der Ausübung ihrer Gewerkschaftsrechte, die Inkompatibilität und die Gewährleistung der Unparteilichkeit bei der Ausübung ihrer Ämter.

II. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger

137

sich bezüglich der Ausübung der Meinungsfreiheit jedoch speziellen Grenzen gegenüber, die sich aus seiner Stellung als solcher ergeben537. In den letzten Jahren ist die juristische Behandlung dieses Problems zunehmend wichtiger geworden538, und dies auch wegen des enormen Zuwachses an Beamten in den Verwaltungen der Mehrzahl der westlichen Länder539 . Die Bestimmung von Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit für Beamte ist eine Aufgabe, die gewöhnlich dem internen einfachen Recht zukommt. Grundsätzlich muß man festhalten, daß den Beamten nach spanischem Recht nicht mehr verfassungsrechtliche Beschränkungen auferlegt sind, als die, die in Art. 20 Abs. 4 CE ganz allgemein enthalten sind, d.h. daß ihnen das Recht auf Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit grundsätzlich im normalen Umfang zusteht540 . Trotzdem unterliegt dieses wegen der besonderen Natur ihrer Tätigkeit541 und arbeitsrechtlichen Beziehung speziellen Regeln 542 . 535 Art. 23 Abs. 2 CE: Ebenso haben sie (die Bürger, Anm. des Verf.) das Recht auf Zugang zu öffentlichen Funktionen und Ämtern unter den Bedingungen der Gleichheit und gemäß den gesetzlichen Bestimmungen. 536 Art. 28 Abs. 1 CE: Alle haben das Recht, sich frei gewerkschaftlich zu organisieren. Durch das Gesetz kann die Ausübung dieses Rechts für die Streitkrdfte, die militdrischen Institutionen oder die anderen, militdrischer Disziplin unterstehenden Körperschaften mit Einschrdnkungen oder Ausnahmen versehen werden. (...) 537 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 81/1983 vom 10. Oktober, FJ Nr. 2. 538 Rothenbücher hat dies Frage schon 1928 angeschnitten: siehe Karl Rothenbücher, S. 28-

32.

53 9 Zur Diskussion dieses Problems siehe Thomas I. Emerson, The system of Freedom of 1970, S. 205 ff.; John G. Kester, Soldiers Who Insult the President: An Uneasy Look at Article 88 of the Uniform Code of Military Justice, in: Harvard Law Review, Bd. 81, 1968, s. 1697. 540 Zur OS-amerikanischen Doktrin vgl. Thomas I. Emerson, The system of..., S. 567-582. 541 Bezüglich der Verschiedenheit der rechtlichen Arbeitsbeziehung der Beamten und der

Expression, New York,

Arbeiter im Privatsektor in der nordamerikanischen Rechtsordnung siehe: Vgl. Cynthia K. Y. Lee, Freedom of Speech in the Public Workplace: A Comment on the Public Cancern Requirement, in: California Law Review, Oktober

1988, Nr. 5, Bd. 76, S. 1112; Jay M. Feinman, The Development 1976, S. 118.

ofthe Employment at Will Rule, in: The American Journal ofLegal History, Bd. 20,

542 Siehe die Arbeit von William A. Creech, The Privacy of Government Employees, in: Law and Contemporary Problems, Bd. 31, Nr. 2, 1966, S. 413-432.

138

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

Die Grenzen dieses Rechts gelten jedoch auch für Beamte nicht immer in gleicher Weise. Sie hängen sowohl von der Art des geleisteten Dienstes und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Körperschaft (nicht alle haben ein gleich stark ausgeprägtes System der Über- und Unterordnung und internen Disziplin) als auch davon ab, ob der Beamte in seiner dienstlichen Funktion oder als Bürger handelt543 . Die Geheimhaltungspflicht z.B. kann nicht in gleicher Weise von einem beamteten Lehrer wie von Angehörigen der Streitkräfte544 oder des staatlichen Sicherheitsapparates545 verlangt werden. So hat das Verfassungsgericht beispielsweise bestätigt, daß Angehörige des höheren Polizeidienstes (Cuerpo Superior de Policia) und ihre Gewerkschaftsvertreter bei der Kritik an Vorgesetzten die notwendige Mäßigung an den Tag legen müssen, um den gebührenden Respekt zu bewahren546 und das Funktionieren der Polizei als Institution nicht zu gefährden547 . In jedem Fall hat der Beamte eine allgemeine Treuepflicht gegenüber dem Dienstherm548. Man kann drei spezielle Gründe aufführen, weshalb die Meinungsfreiheit des Beamten eingeschränkt ist: (a)

die Pflicht zur Unparteilichkeit bei der Ausübung seiner Funktion, woraus sich ergibt 549 , daß der Beamte sich der öffentlichen Kundgabe seiner politischen Einstellung enthalten muß; anderenfalls wäre seine Neutralität in Frage gestellt;

(b)

die Effizienz des öffentlichen Dienstes als grundlegendes Element des Rechtsstaates;

543 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 81/1983 vom 10. Oktober, FJ Nr. 2. 544 BezOglieh der Auswirkung der Meinungsfreiheit in den Streitkräften siehe Detlev F. VAGTS, Free Speech in the Armed Forces, in: Columbia Law Review, Bd. 57, 1957, S. 187-218; John G. Kester, S. 1697-1769. 545 Vgl. A. Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I. S. 273 sowie Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 141/1985 vom 22. Oktober. 546 Art. 184 der Geschäftsordnung der Staatspolizei vom 17. Juli 1975. 547 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 81/1983 vom 10. Oktober, FJ Nr. 2. 548 Siehe Thomas I. Emerson, The system of Freedom of Expression, New York, 1970, S. 205 ff.

549 Art. 103 der spanischen Verfassung.

II. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger

(c)

139

die allgemeine Diskretionspflicht von Beamten hinsichtlich der Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes.

Muiioz Machado550 begrenzt diesen letzten, zweifellos besonders problematischen Bereich ähnlich wie die Rechtsprechung des französischen Conseil d'Etat. Das grundlegende Beurteilungskriterium ist die Achtung der allgemein auch dem Beamten gewährten Meinungsfreiheit, die nur begrenzt werden kann, wenn sie den normalen Ablauf des öffentlichen Dienstes stört. Um eine adäquate Abgrenzung zu finden, ist es nötig, die Stellung des Beamten in der Hierarchie miteinzubeziehen, desweiteren ob die Ausübung des Rechts die Autorität des Dienstherrn schädigt, ein objektives Hindernis für die Durchführung des Dienstes darstellt oder ob sie beleidigende oder ehrverletzende Äußerungen gegenüber den Vorgesetzten beinhaltet.

b) Der Pickering-Test Die Freiheit, Ereignisse von öffentlichem Interesse zu diskutieren, die allen Bürgern in Ausübung der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit zusteht, kollidiert im Fall des Beamten mit dem Interesse der Regierung an einem angemessenen Funktionieren der Verwaltung. Die Rechtsprechung des Supreme Court (USA) hat eine konkrete Formel entwickelt, um bestimmen zu können, welches Recht im Einzelfall überwiegt. Es handelt sich um den seit der Entscheidung Pickering v. Board of Education 551 entwickelten Pickering-Test. Dieser Test wurde insbesondere in denjenigen Fällen angewandt, in denen gegen einen Beamten wegen seiner Kritik an einer Handlung der öffentlichen Institution oder Dienststelle, in der er arbeitete, eine disziplinarische Maßnahme verhängt worden war55 2 .

550 Santiago Mufioz Machado, Notas sobre Ia libertad de opini6n y Ia actividad poHtica de los funcionarios publicos, in: Revista Espaiiola de Derecho Administrative, Nr. II, Oktober-Dezember 1976, S. 633 und 634. 551 Pickering v. Board of Education, 391 U.S. 563 (1968). In diesem Urteil rückte der Supreme Cout von seiner anfänglichen Haltung ab, bei solchen Verfassungsklagen immer die Interessen der Verwaltung vorzuziehen. Siehe Cynthia K. Y. Lee, S. 1112, 1115. 552 Vgl. Cynthia K. Y. Lee, S. 1110.

140

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

Der Test besteht aus zwei Teilen. Im ersten wird geprüft, ob es sich um die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit bezüglich eines Themas von öffentlichem Interesse handelt. Wenn dies nicht der Fall ist, dann ist die konkrete Handlung verfassungsrechtlich vom First Amendement nicht geschützt und das Gericht wird die disziplinarische Maßnahme nicht revidieren. Wenn andererseits diese Voraussetzung vorliegt, wird in einer zweiten Phase eine Abwägung vorgenommen, die in einem Vergleich des Rechts des Beamten auf Meinungsfreiheit mit dem Recht der Verwaltung auf die Leitung ihrer Dienststelle besteht. Das grundlegende Kriterium ist das des öffentlichen Interesses. Der Supreme Court hat in den zwanzig Jahren der Anwendung des Pickering-Tests allerdings kaum konkret bestimmt, welche Art von Äußerungen der Beamten verfassungsrechtlich geschützt sind oder welche Kriterien herangezogen werden können, um festzulegen, ob ein bestimmtes Thema oder ein konkreter Vorfall von öffentlichem Interesse ist. Jüngere Urteile des Gerichtshofes553 haben aus der Gesamtheit der Umstände drei ausschlaggebende Bewertungsfaktoren in Betracht gezogen: (1) ob die Äußerungen am Arbeitsplatz gemacht wurden, (2) ob sich die Äußerungen auf die Arbeit selbst bezogen, und (3) ob die Äußerungen von öffentlichem Interesse waren. Wenn mittels des Pickering-Testsfestgestellt wird, daß die verbreiteten Äußerungen von öffentlichem Interesse sind, kann das Gericht die Untersuchung der übrigen Faktoren unterlassen554. Auch wenn dieser Test nicht ohne weiteres auf das spanische Recht übertragen werden kann, so stellt er trotzdem ein die Diskussion bereicherndes Modell dar.

553

Vgl. die Urteile des Supreme Court der USA: Connick v. Myers,

461

Rankin v. McPherson 107 S. Ct. 2891 (1987). 554 Vgl. das Urteil des Supreme Court der USA: Connick v. Myers, 461 U.S.

U.S.

138 (1983);

138, 147 (1983).

II. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger

141

c) Strafrechtliche Grenzen Für die Verletzung der Geheimhaltungspflicht durch Beamte bestimmt das spanische Strafgesetzbuch: Art. 367: Ein Beamter oder ein Träger eines öffentlichen Amtes, der Geheimnisse oder Informationen, von denen er aufgrund seines Amtes oder seiner Dienststellung Kenntnis hat und die nicht bekanntgemacht werden sollen, preisgibt, wird mit Amtsenthebung und Geldstrafe von 100.000 - 200.000 Peseten bestraft. Wenn aus der Offenbarung, auf die sich der vorhergehende Absatz bezieht, für das öffentliche Wohl oder einen Dritten ein schwerer Schaden entsteht, sind die Strafen einfaches Gefängnis (prisi6n menor) und die Erklärung der Unfähigkeit, bestimmte Ämter zu bekleiden (inhabilitaci6n especial). Wenn es sich um Geheimnisse einer Einzelperson handelt, sind die Strafen verschärfte Haft (arresto mayor), Amtsenthebung und Geldstrafe von 100.000 - 500.000 Peseten555 .

d) Beschrankung des Rechts auffreien Zugang zum IJ!fentlichen Dienst aufgrundder Ausübung der Meinungsfreiheit Prinzipiell darf die Verwaltung den Zugang eines Staatsangehörigen zum öffentlichen Dienst nicht davon abhängig machen, ob dieser ihrer Beurteilung nach rechtmäßig von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch macht. Gleichwohl kann der Zugang verweigert werden, wenn die Äußerungen des Kandidaten eine Verletzung von Verfassungswerten darstellen556 . Denn Art. 103 CE bestimmt, daß die Unparteilichkeit bei der Ausübung des Amtes des Beamten gesetzlich gewährleistet sein soll. Dies aber wäre in einem solchen Fall nicht

555 Vgl. auch Art. 368 CP mit der Qualifizierung einer Vorteilsnahme durch den Beamten. 556 Zur Rechtslage und Verwaltungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland vgl. Francisco Sosa Wagner, Libertades publicas y funcionarios, in: Revista Espaiiola de Derecho Administrativo,

Nr. 17, April-Juni 1978, S. 174.

142

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

gegeben. Das letztlich verfolgte Ziel ist also die Neutralität des öffentlichen Dienstes5 57 .

4. Ist ein akademischer Abschluß nötig, um den Beruf eines Journalisten ausüben zu können?

a) Relevanz der Fragestellung

Es ist davon auszugehen, daß der berufsmäßige Journalismus eine Schlüsselstellung bei der Gestaltung einer freien Kommunikation 558 und letztlich auch bei der Bildung einer pluralistischen öffentlichen Meinung einnimmt. In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, welche subjektiven (persönlichen) Voraussetzungen für die Ausübung des Journalismus verlangt werden können 559 . Ricker sieht im freien Zugang zu diesem Beruf in Verbindung mit der Freiheit zur Gründung von Informationsmedien eine Garantie des freien Funktionierens der Presse selbst560. Obwohl das Recht auf Information, sowohl in seiner aktiven wie passiven Ausprägung, kein alleiniges Recht der Journalisten ist, sondern ein Recht der gesamten Gemeinschaft561 , entfaltet die Vorrangstellung der Informationsfreiheit ihre größte Wirkung, wenn sie von der Presse - im weitesten Sinne ausgeübt wird562 . 557 Vgl. F. J., Galvez Montes, S. 262. 558 J. Terron Montero, S. 223. 559 Maurizio Pedrazza Gor/ero, 11 giornalismo nell'ordinamento costituzionale (!), in: RTDP. Heft Nr. 3, 1987, S. 659. 560 Reinhart Ricker, Unternehmensschutz und Pressefreiheit, S. 23. 561 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 611981 vom 16. März FJ Nr. 4: Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 1211982 vom 31. März, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 7411982 vom 7. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 8611982 vom 23. Dezember, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 16811986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 61!988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5; Carmen Chinchilla Marin, Derecho de informaci6n ... , S. 64. Siehe auch Theodor Maunz I Reinhold Zippelius, S. 191; Nigel Lowe I Sir Gordon Borrie, S. 184. 562 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. I 0.

II. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger

143

Für das aktive Recht auf Information ist es wichtig zu bestimmen, wer die subjektiven Voraussetzungen für den Journalistenberuf erfüllt, weil sie zahlenmäßig die hauptsächlichen Träger dieses Berufes sind. Öen Journalisten kommt dabei die Aufgabe zu, Informationen zu suchen, aufzuarbeiten und sie dann zu übermitteln563. Der Journalist arbeitet für eine der Gesellschaft zustehende Freiheit. Teilweise wird vertreten, der berufsmäßige Journalist handle sogar im Namen der Offentlichkeit564 , von der er eine stillschweigende Ermächtigung dazu erhalten habe565 . So ist man dazu übergegangen, für die Journalisten bestimmte Vorzugsrechte (zusätzlich zum Berufsgeheimnis und zur Gewissensklausel) anzuerkennen (wie z.B. hinsichtlich des Zugangs zu den Sitzungen eines öffentlichen Gerichtsverfahrens), die ihnen kraft ihrer Funktion und um der verfassungsrechtlich garantierten Pflicht zur Information willen zugestanden werden566 .

b) Die zwei Grundkonzeptionen hinsichtlich des Abschlußerfordernisses Was die Einführung eines akademischen Abschlusses für den Zugang zum Journalistenberuf betrifft, kann man zwei größere Strömungen auf internationaler Ebene feststellen. Die erste, die auf der liberalen Tradition des angelsächsischen Journalismus beruht, spricht sich für die Unzulässigkeil einer solchen Berufsvoraussetzung aus. Die zweite, die einer Reglementierung zuneigt, verteidigt die Notwendigkeit eines bestimmten akademischen Titels für die Ausübung des Journalistenberufes und sogar eine Zulassungspflicht Diese Meinung hat nach einer Erhebung der UNESCO in den Ländern der Dritten Welt Verbreitung gefunden567.

24.

563 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 105/1983 vom 23. November, FJ Nr. 11. 564 Vgl. Jose Maria Desantes Guanter, EIdeber profesional de informar, Valencia, 1988, S. 565 Teodoro Gonzalez Ballesteros, La generica libertad ... , S. 45. 566 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 30/1982 vom 1. Juni, FJ Nr. 4. 567 Vgl. Alfonso Femandez-Miranda y Campoamor, EI secreto profesional..., S. 115.

144

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

Wenn auch andere Staaten bei der Regelung der Informationsberufe dahin gelangt sind, einen formellen Bildungsabschluß, d.h. eine konkrete Ausbildung zu verlangen, damit jemand in den Informationsprozeß als Informierender eingreifen kann568, findet dieses Erfordernis jedoch keine verfassungsrechtliche Grundlage in der spanischen Rechtsordnung 569 . In Spanien gehört der Journalist - anders als z.B. der Arzt oder Anwalt - nicht zu einer Berufgruppe, für die ein Hochschulabschluß erforderlich ist570 .

c) Die Pressewirklichkeit Die professionelle Berichterstattung kennt, was die entgeltliche Informationstätigkeit anbelangt, verschiedene Ausprägungen des Berufs ohne das Erfordernis eines entsprechenden akademischen Abschlusses: den free lance (freier Journalist), ständige Mitarbeiter usw. Oft haben zudem auch die Redakteure und berufsmäßigen Journalisten in einem Dauerarbeitsverhältnis bei einem Medienunternehmen keinen solchen Abschluß. Andererseits kann man nicht sagen, daß die Objektivität bei der Übermittlung von Ideen und Meinungen durch einen bestimmten theoretischen Lernprozeß zu erreichen ist- ein Argument, das für das Erfordernis eines spezifischen Hochschulabschlusses zur Ausübung des Journalismus vorgebracht werden könnte. Dies hieße schlicht, die menschliche Komponente der Information zu verkennen und ihre zwangsläufige relative Subjektivität, die sich 568 Vgl. Manuel Femandez Areal, Introducci6n a1 derecho de Ia informaci6n, Barcelona, 1977, S. 100. 569 In Spanien hat man mit einer diesbezüglichen Regelung Erfahrungen gemacht, nämlich mit dem Gesetz des katalonischen Parlaments 22/1985 vom 8. November 1985, durch das die Berufskammer für Journalisten von Katalonien ins Leben gerufen wurde. In ihm wird bestimmt, daß für die Aufnahme in den Verband der Titel Licenciado en Ciencias de Ia Informaci6n, Fachrichtung Journalistik, oder ein anderer Hochschulabschluß sowie der Nachweis von zwei Jahren praktischer journalistischer Tätigkeit erforderlich sind. Auf die durch den Ombusdman (Defensor del Pueblo) gegen dieses Gesetz eingelegte Verfassungsbeschwerde hin verabschiedete das katalonische Parlament das Gesetz 1/1988 vom 26. Februar 1988, das das vorherige abänderte und den Eintritt in die Berufsvereinigung für freiwillig erklärte. 5?0 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 83/1984 vom 24. Juli: Tomäs Gui Mori, S. 194.

II. Grenzen mit Bezug auf den Grundrechtsträger

145

ohne Unterschied sowohl bei der Ausarbeitung wie auch bei der Übennittlung und dem Empfang der Mitteilung zeigt, außer Acht zu lassen.

d) Wer kann als Journalist angesehen werden?

Journalist ist nicht nur deljenige, der mit Erfolg das entsprechende Studium der Journalistik (Ciencias de la lnformaci6n) absolviert hat (und dann Diplom-Infonnationswissenschaftler -Licenciado en Ciencias de la lnformaci6n- ist), sondern - und zwar insoweit entsprechend der aktuellen soziologischen Wirklichkeit in Spanien - auch deljenige, der für einen längeren Zeitraum und gegen Entgelt den Journalistenberuf, also die Tätigkeit ausübt, zu infonnieren oder zu kommentieren bzw. Nachrichten, Ideen oder Meinungen zu übennitteln.

aa) Akkreditierung als Journalist

Die in der Praxis übliche Fonn der Anerkennung des individuellen Journalistenstatus ist die diesbezügliche Bescheinigung durch eine Berufsvereinigung der Journalisten oder durch das eigene Medienuntemehmen. Doch hat das Verfassungsgericht bekräftigt, daß die Ausübung der Informationsfreiheit nicht von einer Anerkennung abhängt5 71 .

5?l Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 30/1982 vom I. Juni, FJ Nr. 4. 10 Cremadcs

146

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

bb) Freiheit der Journalisten zum Zusammenschluß zu Berufsverbänden

Die Journalisten sind keiner Beschränkung bei der Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Koalitionsfreiheit unterworfen 572 . Diese umfaßt die Möglichkeit, daß bestimmte Gruppen von Journalisten, etwa mit bestimmten persönlichen Eigenschaften oder gemeinsamen Prinzipien, Berufsverbände zu bilden. Zuletzt sei darauf hingewiesen, daß es kein eindeutiges juristisches Kriterium gibt, um festzustellen, wessen Tätigkeit unter die Informationsberufe fällt573 . Diese entziehen sich wegen der ihnen eigenen Natur einer klaren, zweifelsfreien Charakterisierung574.

111. Grenzen aufgrund des Gegenstandes 1. Das Recht auf Ehre, auf Privat· und Intimsphäre und am eigenen Bild

Das Recht auf Ehre, das Recht auf die Privat- und Intimsphäre und das Recht am eigenen Bild sind in Art. 18 Abs. 1 CE enthalten und wurden von der juristischen Lehre in den Kanon der Persönlichkeitsrechte eingefügt575 . Diese Rechte werden in Art. 20 Abs. 4 CE als Grenzen der durch Art. 20 Abs. 1 CE gewährten Freiheiten ausdrücklich aufgeführt, also der Meinungsäußerungsfreiheit - Art. 20 Abs. 1. a) CE -. der Freiheit des literarischen, künstlerischen, wissenschaftlichen und technischen Schaffens - Art. 20 Abs. 1.

572 Das Recht der Vereinigungsfreiheit ist in Art. 22 CE aufgenommen. Siehe diesbezüglich 1978 (hrsg. v. F. Garrido Falla), 2. Auf!., Madrid, 1986, S. 425-441. 573 Vgl. Alfonso Femandez-Miranda y Campoamor, EI secreto profesional.. .. S. 119. 574 Vgl. Carlos Soria, EIderecho a ..., S. 99. 575 Siehe die Motive des LO 111982 vom 5. Mai 1982 zum zivilrechtliehen Schutz des Rechts

Juan A. Santamaria Pastor, Artfculo 22. in: Comentanos a Ia Constituciön espaiiola de

auf Ehre, auf persönliche und familiäre Privatsphäre und am eigenen Bild.

147

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

b) CE-, der Lehrfreiheit- Art. 20 Abs. 1. c) CE- und der Informationsfreiheit -Art. 20 Abs. 1. d) CE576 . Die in Art. 18 Abs. 1 CE genannten Rechte haben neben einem positiven Inhalt auch einen negativen, da sie als ausdrückliche Einschränkungen wirken. Ihr Grundrechtscharakter verleiht ihnen ausreichenden Rang, um die in Art. 20 CE aufgenommenen Rechte zu begrenzen577 . Der Verfassunggeber wollte sie wegen der Häufigkeit und Intensität, mit der sie in Konkurrenz zu den genannten Rechten treten, ausdrücklich erwähnen578 . Sie werden vom Organgesetz 1/1982 vom 5. Mai 1982 (novelliert durch das Organgesetz 3/1985 vom 29. Mai 1985) über den zivilrechtliehen Schutz des Rechts auf Ehre, auf Privat- und Intimsphäre und am eigenen Bild ausgestaltet. Diese Rechte haben gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit eine andere Begrenzungswirkung als gegenüber der Informationsfreiheit. Es gibt diesbezüglich eine reiche Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes und des Obersten Gerichtshofes Spaniens. Der Mißbrauch des Rechts auf Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit kann sich als Verletzung der Persönlichkeitsrechte darstellen579 . Eine Information, auch eine wahrheitsgemäße, kann andere Rechtsgüter und auch Grundrechte selbst, die ebenfalls von der Rechtsordnung geschützt werden, beeinträchtigen580. Gelegentlich tritt die Freiheit auf öffentliche Kommunikation hinter diesen Rechten zurück, aber im allgemeinen kann man den Vorrang dieser Freiheit jenen Rechtsgütern gegenüber feststellen. Am stärksten tritt dies dann zutage, wenn diese Freiheit von den Journalisten ausgeübt wird, weil ihnen die Ver5 7 6 Vgl. Paolo FOIS, L'informazione e i diritti della persona nell'ordenamento internazionale, in: L'informazione e i diritti della persona ( hrsg. v. Guido Alpa I Mario Bessone I Luca Baneschi I Giandomenico Caiazza), Neapel, Imagen, Madrid,

1990, S. 26.

1983, S. 309-313; F. Herrero-Tejedor,

Honor, Intimidad y Propia

5 77 Vgl. Clemente Auger Liiian, La protecci6n civil del derecho al honor, a Ia intimidad

1990, S. 99. 578 Vgl. A. Torres del Moral, Principios de Derecho..., Bd. I, S. 266. 579 Vgl. M. Pedrazza Gorlero, 11 giornalismo nell'ordinamento... , II, S. 947. 580 Vgl. J. A. De Vega Ruiz, S. 21 ; Eduardo Novoa Monreal, Derecho a libertad de informaci6n: un conflicto de derechos, Mexico, 1979, S. 531.

familiar y Ia propia imagen, in: Poder Judicial, Sonderheft XIII,

10*

Ia vida privada

y

148

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

mutung zugute kommt, daß der Hauptzweck ihrer Tätigkeit die Übermittlung von Informationen und Meinungen an die Gesellschaft ist. Dieser sog. animus informandi581 wird besonders geschützt. Am wenigsten ausgeprägt kommt dies hingegen zum Tragen, wenn die Meinungsfreiheit durch regelwidrige oder heimliche Mittel ausgeübt wird. Das Organgesetz l/1982 sieht spezielle zivilrechtliche Schutzmechanismen für die in Art. 18 CE anerkannten Rechte vor582. Art. 1902 des spanischen Zivilgesetzbuchs, die Rechtsschutzgarantie im dritten Abschnitt des Gesetzes 62/1978 vom 26. Dezember 1978 und die Rechtsschutzgarantie der personenbezogenen Grundrechte (Art. 11 - 15 des Gesetzes)583 sind Ergänzungen hierzu; die strafrechtliche Sanktion, die den am weitesten reichenden Schutz bietet, bleibt dabei unberührt.

a) Das Recht auf Ehre aa) Begriff

Weder die spanische Verfassung noch das Organgesetz l/1982 definieren den Begriff der Ehre 584 . Gleichwohl lassen sich zwei Elemente, ein subjektives und ein objektives585 , feststellen. So führt Quintero Olivares aus, daß sich die Ehre sowohl aus der Selbsteinschätzung jedes einzelnen (subjektives Element) wie auch aus dessen Recht darauf zusammensetzt, daß die anderen ihm die gleiche Wertschätzung wie jeder anderen Person zukommen lassen (objektives Element)586.

581 Vgl. Gonzalo Quintero Olivares, S. 73 und 79. 582 S. Mufioz Machado, Libertad de prensa... , 1988, S. 52. 583 Vgl. ClementeAuger Liflan, S. 98. 584 Siehe F. Herrero-Tejedor, S. 73. 585 Sentencia del Tribunal Supremo vom 6. Dezember 1979 (R. J. A. 4559). 586 Vgl. G. Quintero Olivares, S. 68; vgl. hierzu auch Thomas I. Emerson, Freedom of Expression, New York, 1970, S. 518.

The system of

111. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

149

Subjektiv wird die Ehre folglich als Gefühl von Würde oder als Selbstbewußtsein, Selbstachtung, also als Achtung vor den eigenen Verdiensten, Werten und Fähigkeiten, verstanden. In objektiver Hinsicht ist die Wertschätzung der Mitbürger zuu nennen, die sich auf die moralischen Qualitäten587 und den sozialen Wert des Betroffenen bezieht, d.h. auf seinen guten Namen und Ruf in der Meinung seiner Umgebung588.

bb) Ehre versus Meinungsfreiheit

Es ist notwendig, jede Person vor einem öffentlichen Eingriff in ihre Persönlichkeit zu bewahren, der auch durch den Angriff auf ihre Werke erfolgen kann589 . Gleichermaßen muß dieser Schutz mit den von der Meinungsfreiheit umfaßten Rechten in Einklang gebracht werden59o.

587 Diese Qualitäten können sich auch in wirtschaftlichen Faktoren und Tatsachen widerspiegeln. Siehe Paolo Auteri, La tutela della reputazione economica, in: L'informazione e i diritti della persona (hrsg. v. Guido Alpa I Mario Ressone I Luca Honeschi I Giandomenico Cai.azza), Neapel,

1983, S. 93 ff. Siehe Lorenzo Castellana, II diritto del cittadino al segreto

bancario ed il corrispondente obbligo del banchiere. Fante e limiti del diritto, in: L'informazione e i diritti della persona (hrsg. v. Guido Alpa l Mario Ressone I Luca Boneschi I Giandomenico Cai.azza), Neapel, 1983, S.

107 ff. Das Thema des Schutzes des wirtschaftlichen Ansehens kann, so

fühn AUTERI aus, mit demjenigen der Persönlichkeitsrechte verknüpft sein: P. Auteri, S. 95.

588 Vgl. Asunci6n Olmos Pildain, S. 28-29; lose M. Serrano Alberca, Aniculo 18, in: 1978 (hrsg. v. F. Garrido Falla), 2. Auf!., Madrid, 1986, S. 355; M. Pedrazza Gorlero, II giornalismo nell'ordinamento... , II, S. 949; S. Fois, Principi costituzionali e libera manifestazione del pensiero, Mailand, 1957, S. 116; V. Zeno-Zencovich, Onore e reputazione nel sistema del diritto civile, Neapel, 1980, S. 60 ff. Vgl. auch das Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 18511989 vom 13. November FJ Nr. 4. Vgl. auch dazu Mare Carrillo, Los limites a ..., S. 50; Eduardo Estrada Alonso, EI derecho al honor de las personas juridicas, in: Poder Judicial, Sonderheft XIII, 1990, S. 101. 589 Siehe Emanuele Santoro, Onore e reputazione nell'an. 20 della !egge sul diritto d'autore, Comentarios a Ia Constituci6n espaiiola de

in: L'informazione e i diritti della persona (hrsg. v. Guido Alpa I Mario Bessone I Luca Boneschi I

1983, S. 73 ff. 590 Vgl. Clemente Auger I..iflan, S. 91. Siehe Vittorio Denti, Diritti della persona e tecniche di

Giandomenico Caiazza), Neapel,

tutela giudiziale, in: L'informazione e i diritti della persona (hrsg. v. Guido Alpa I Mario Ressone I Luca Honeschi I Giandomenico Cai.azza), Neapel,

1983, S. 261 ff.

150

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

Das zentrale Problem liegt in dem Kriterium, das herangezogen werden muß, um zu entscheiden, welches der Rechte Vorrang genießt, wenn Ehre und Meinungsfreiheit in Konflikt geraten. Während de Vega Ruiz meint, der Schutz der Ehre müsse durch den Einsatz von Abwägungskriterien gewährleistet werden591 , spricht sich Muiioz Machado gegen die Anwendung dieser Methode des balancing, der Güterabwägung, durch die Rechtsprechung aus592 . Letzterer behauptet, daß die Vorrangstellung des Rechts auf Information dieses Vorgehen unnötig mache, weil die Informationsfreiheit einen übergeordneten Verfassungsrang habe593. Dies ist auch die Haltung, die das spanische Verfassungsgericht im allgemeinen einnimmt594 . Es führt aus, daß die in Art. 20 CE geschützten Freiheiten besonderen Rang gegenüber dem Recht auf Ehre entfalten, wenn sie in Verbindung mit Themen oder Ereignissen von allgemeinem Interesse - sowohl hinsichtlich des Gegenstands wie der Personen, auf die sie sich beziehen ausgeübt werden und folglich zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen595 . In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, worauf Allan hinweist, daß ein balancing, d.h. die Abwägung von verschiedenen Gütern, nur dann vorgenommen werden kann, wenn es sich um vergleichbare Rechtsgüter

591 Vgl. J. A. De Vega Ruiz. S. 20. 592 Der dem balancing in der nordamerikanischen Lehre entsprechende Terminus in der deutschen Lehre ist die Güterabwägung, die sich gleichermaßen auf die Bewertung (Gewichtung) der in Konflikt geratenen Rechtsgüter bezieht: vgl. Theodor Maunz I Reinhold Zippelius, S. 194.

593 Mufioz Machado, Libertad de prensa... , S. 150. 594 Urteile des spanischen Verfassungsgerichts 6/1981 vom 16. März, FJ Nr. 3, 194/1986 vom 17. Juli, FJ Nr. 5, 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2, 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2; 69/1989 vom 20. April, FJ Nr. 2; 121/1989 vom 3. Juli, FJ Nr. 2; 105/1990 vom 6. Juni, FJ Nr. 4; 65/1991 vom 22. März, FFJJ Nr. 4 und 5; 143/1991 vom 1. Juli, FJ Nr. 2. Dennoch hat das spanische Verfassungsgericht gelegentlich die Notwendigkeit einer Abwägung beider Rechte anerkannt. So führt es in der Entscheidung

168/1986 vom 22. Dezember an, daß der

Konflikt zwischen beiden Rechten nicht dadurch gelöst werden könne, daß dem Recht auf Ehre Vorrang eingeräumt werde, sondern daß die Abwägung zwischen dem einen und dem anderen unvermeidlich sei, ohne zu übersehen, daß die Informationsfreiheit eine Garantie für die Existenz einer freien öffentlichen Meinung darstellt (FJ Nr. 3). 595 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom spanischen Verfassungsgerichts

107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2.

22. Februar, FJ Nr. 2.; Urteil des

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

!51

handelt596 , d.h. wenn sie den gleichen Rang in der Rechtsordnung einnehmen. Die Vorrangstellung des Rechts auf Information verleiht diesem hingegen von vomherein einen stärkeren verfassungsrechtlichen Schutz. Dennoch hat das Verfassungsgericht es akzeptiert, daß ein Gericht, das eine Verletzung des Rechts auf Ehre durch die Ausübung der Meinungsfreiheit festgestellt hat, prüfen darf, ob die Vorrangstellung der Meinungsfreiheit bei dem konkreten Verhalten gerechtfertigt ist, bei dessen Beurteilung dann alle Begleitumstände zugrundegelegt werden597 . Das Verfassungsgericht hat ausgeführt, daß das Recht auf Ehre als Grenze der Freiheiten des Art. 20 CE relativiert wird, sobald seine Träger Personen des öffentlichen Lebens sind, öffentliche Ämter bekleiden oder in Angelegenheiten von öffentlicher Bedeutung involviert sind598 . Diese müssen es hinnehmen, daß ihre Persönlichkeitsrechte599, darunter ihr Recht auf Ehre, bei der Äußerung von Meinungen und der Verbreitung von Informationen von allgemeinem Interesse eingeschränkt werden. Dies erfordert das Gebot des politischen Pluralismus, ohne das es keine demokratische Gesellschaft gibt600. Gleichermaßen erkennt das Verfassungsgericht an, daß eine solche Vorrangstellung des Rechts auf Information nicht gerechtfertigt ist, wenn die verbreitete Information Privatpersonen betrifft, die nicht aus eigenem Willen an die Öffentlichkeit getreten sind601 . Mit Bezug auf die Kommunikationsmedien und die Presse stellt das spanische Verfassungsgericht fest, daß diese Wirkung auch dann zurücktritt - und zwar gleichermaßen bei Personen des öffentlichen Lebens wie bei Privatpersonen -, wenn die Ausübung der Freiheit sich nicht in den ordnungsgemäßen Bahnen der Bildung der öffentlichen Meinung bewegt602 . Das Verfassungsgericht ist der Meinung, daß bei Informationen, die in das Recht auf Ehre von Privatpersonen eingreifen, eine strenge Unterscheidung

596 T. R. S. Allan, S. !55.

59 7 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2. 598 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2. 599 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10. 600 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2. 601 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10. 602 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10.

152

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

zwischen Informationen über Tatsachen und Werturteilen über persönliches Verhalten vorgenommen werden muß, auch wenn diese manchmal sehr schwierig sein dürfte. Auf dieser Grundlage sind diejenigen Äußerungen nicht geschützt, die die Ehre anderer angreifen und für die öffentliche Meinungsbildung unnötig sind. Die spanische Rechtsordnung bietet zwei Wege zur Lösung von Konflikten zwischen beiden Rechtsgütern (Ehre und Meinungsfreiheit) an.

a) Der strafrechtliche Schutz

Im Strafrecht603 sind Beleidigungen604, Verleumdungen, auch gegenüber obersten Staatsbehörden605, speziell Beamtenbeleidigungen606 sowie falsche Anschuldigungen607 typisiert; diese Delikte bilden eine klare Grenze der Meinungsfreiheit608 . Das spanische Verfassungsgericht hat hervorgehoben, daß die verfassungsrechtliche Anerkennung der (aktiven und passiven) Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit die Dogmatik der Straftaten gegen die Ehre grundlegend verändert hat609. Es hat gezeigt, daß Äußerungen, die gänzlich unsubstantiiert oder nicht von öffentlichen Interesse sind oder für die Personen, an die sie gerichtet sind,

603 Siehe die im li. Buch, Titel X des spanischen Strafgesetzbuches enthaltenen Vorschriften. 604 Insbesondere Art. 146 Nr. I, 156, 157 Nr. 2 und Nr. 3, 158, 161 Nr. I, 242, 457 bis 467 und 586 Nr. I CP; Art. 18 Abs. I CE, Art. 17 des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (BOE 30. April 1977); C6digo de Justicia Militar, Art. 315 und 317. LO 1/1982 vom 5.Mai zum zivilrechtliehen Schutz des Rechtes auf Ehre. auf Privat- und Intimsphäre und am eigenen Bild; Straf- und Disziplinargesetz der spanischen Handelsmarine vom 22. Dezember 1955, Art. 33. Auch die Beleidigung des Königs ist sanktioniert (Art. 146 und 147 CP). 605 Art. 161 und 162 CP. 606 Art. 240 ff. CP. 607 Art. 325 CP. 608 Zur Möglichkeit des Wahrheitsbeweises siehe Art. 461 CP sowie Mare Carrillo, Los limites a... , S. 53; S. Munoz Machado, Libertad de prensa... , S. 162 und das Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1985 vom 10. April1985, Nr. 2 der Sachverhalte und FJ Nr. 7 und Nr. 10. 609 Vgl. Urteile des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2, 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

153

formal beleidigend wirken, weder in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen noch einen Rechtfertigungsgrund darstellen610 . Der Straftatbestand der Beleidigung als Folge der rechtswidrigen Ausübung der Meinungsfreiheit spielt eine große Rolle. Deshalb sollen die grundlegenden Tatbestandsmerkmale der Beleidigung, soweit sie in diesem Rahmen relevant sind, kurz dargestellt werden. (1)

Die Äußerungen oder Handlungen müssen offensiv sein. Sie müssen also den Betroffenen entehren, in Verruf bringen oder Geringschätzung auszudrücken. Man kann allerdings nicht immer klar abgrenzen, wie weit die Angriffswirkung gewisser Äußerungen reicht, da diese von den unterschiedlichsten Umständen abhängt611_

(2)

Der Täter muß absichtlich handeln, also mit animus iniuriandi. Es handelt sich um ein subjektives Unrechtselement, das einige speziellen Vorsatz (dolo especifico) nennen, kraft dessen man eine fahrlässige Begehung ausschließt612_ Wie das Verfassungsgericht unterstreicht, macht die verfassungsrechtliche Vorrangstellung der Meinungsfreiheit den animus iniuriandi zu einem notwendigen, alleine aber nicht ausreichenden Kriterium, das traditionell von der Strafgerichtsbarkeit bei Beleidigungsprozessen herangezogen wird613 . Bei Abwägung beider Grundrechte, der Meinungsfreiheit und des Rechts auf Ehre, muß vielmehr berücksichtigt werden, daß die Rechte aus Art. 20 CE auch die Garantie der freien öffentlichen Meinung bedeuten, die ein unentbehrliches Element des politischen Pluralismus in einem

610 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2; vgl. auch Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2. 611 Francisco Munoz Conde, Derecho Penal Espaiiol. Parte especial, 3. Auf!., Sevilla, 1976, S. 90. 612 Jose Maria Rodriguez Devesa, Derecho Penal Espaiiol. Parte especial, 9. Auf!., Madrid, 1983, S. 303; vgl. auch Fererico Carlos Sainz De Robles, Libertad de expresi6n versus honor, in: Tapia, Nr. 46, Mai-Juni 1989, S. 4. 613 Vgl. Urteile des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2, 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2.

154

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

demokratischen Staat ist. Daraus erklärt sich auch die Vorrangstellung gegenüber anderen Grundrechten614 .

(3)

Es geht weiter darum, eine abwägende Bewertung der Begleitumstände615 in jedem einzelnen Fall vorzunehmen, um zu bestimmen, ob

daß Art. 20 CE

das zu beurteilende Verhalten entweder dadurch gerechtfertigt ist, es sich im Rahmen einer oder mehrerer Freiheiten des

bewegt, oder eventuell (mit Sicherheit jedoch im Falle der Informationsfreiheit) Vorrangstellung genießt616 . Findet eine solche Abwägung nicht statt, muß man Art. 20 CE selbst als verletzt ansehen, worauf das Verfassungsgericht ausdrücklich hinweist617 . Diese Bewertung oder Abwägung muß von zwei wesentlichen Kriterien

614 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1981 vom 16. März, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 12/1982 vom 31. März, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 74/1982 vom 7. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 104/1986 vom 17. Juli, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 159/1986 vom 12. Dezember, FJ Nr. 6; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 611988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 10711988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 12111989 vom 3. Juli, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 2011990 vom 15. Februar, FJ Nr. 4; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 105/1990 vom 6. Juni, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 171/1990 vom 12. November, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 172/1990 vom 12. November, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 206/1990 vom 17. Dezember, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 14311991 vom I. Juli, FJ Nr. 6; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 214/1991 vom ll. November, FJ Nr. 6. Siehe auch Helen Hershkoff I Adam S. Cohen, S. 90 l; Urteile des Supreme Court der USA Police Department v. Mosley, 408 U.S. 92, 95-96 (1976), Base Corp. v. Consumers Union of United States, /nc., 466 U.S. 485, 503-504 (1984). Gomig führt aus, daß die Meinungsfreiheit sowohl für die Gemeinschaft wie auch den einzelnen von großer Bedeutung ist: Gilbert-Hanno Gomig, S. 113. Siehe auch die Beschreibung, die das deutsche Bundesverfassungsgericht zur Bedeutung der Meinungsfreiheit liefert: BVerfGE 5, S. 85 ff., S. 205; BVerfGE 7, S. 198 ff., S. 208; BVerfGE 27, S. 71 ff., S. 81 ; Siehe dazu Theodor Maunz I Reinhold Zippelius, S. 194. 615 Sondervotum des Richters Miguel Rodriguez-Piflero Y Bravo-Ferrer im Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 16511987 vom 27. Oktober. 6l6 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 10711988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 5111989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2. 617 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 5111989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2.

111. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

155

geleitet sein. Das erste bezieht sich auf die Art der ausgeübten Freiheit (Meinungsäußerungs- oder Infonnationsfreiheit), das zweite darauf, ob die durch die Ausübung Betroffenen Personen des öffentlichen Lebens oder Privatpersonen sind618 . Es ist wichtig zu zeigen, von welcher großen Bedeutung für die Lösung dieser Konflikte Art. 8 Abs. 11 des spanischen Strafgesetzbuches ist619 . Über diese Vorschrift lassen sich all jene Fälle lösen, in denen eine bestimmte Handlung oder Unterlassung offensichtlich alle Merkmale eines Straftatbestands erfüllt, aber höherrangig vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt wird620 . In diesen Fällen wirkt die Meinungsfreiheit als ein die Tatbestandsmäßigkeit eines Angriffs auf die Ehre - die eine Ausprägung der Menschenwürde darstellt - ausschließendes Element62 1.

ß) Der zivilrechtliche Schutz

Der zivilrechtliche Schutz des Rechts auf Ehre ist gemeinsam mit dem Recht auf Privat- und Intimsphäre und dem Recht am eigenen Bild im Organgesetz 1/1982622 geregelt. Wenngleich dieses Gesetz noch detailliert behandelt wird, ist es trotzdem angebracht, hier darauf hinzuweisen, daß es die Ehrverletzungen in umfassender und differenzierter Weise definiert623 . Gern. Art. 9 des Organgesetzes 1/1982 können sowohl der ordentliche Rechtsweg wie auch das in Art. 53 Abs. 2 CE vorgesehene Verfahren beschritten werden.

61 8 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2. 61 9 Art. 8 Abs. 11 CP: Von der strafrechtlichen Verantwortung ist ausgenommen, wer in gesetzmäßiger Ausübung eines Rechtes, eines Amtes oder eines Berufes handelt. 620 Siehe G. Quintero Olivares, S. 75. 621 Vgl. G. Quintero Olivares, S. 68. 622 Modifiziert durch LO 3/1985 vom 29. Mai. 623 Vgl. Clemente Auger Liiian, S. 96.

156

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

Zuletzt ist darauf hinzuweisen, daß sich die bei Verletzungen des Rechts auf Ehre anwendbaren allgemeinen Vorschriften in den Art. 7 Abs. 2 624 und 1902625 des spanisches Zivilgesetzbuches finden.

b) Die perstinliehe undfamilitJre Privat- und lntimsphare626

aa) Das Recht auf Privat- und Intimsphäre als selbständiges Recht

Ziel dieses Abschnitts ist es, insbesondere die Begrenzungswirkung des Grundrechts auf Privat- und Intimsphäre gegenüber der Meinungsfreiheit zu untersuchen. Zunächst ist es wichtig festzustellen, daß es sich hier um ein selbständiges Grundrecht handelt627 , das einen Grundpfeiler der auf der Menschenwürde

624 Art. 7 Abs. 2 CC: Das Gesetz schützt nicht den Mißbrauch oder die sozialfeindliche (antisocial) Ausübung des Rechtes. Jede Handlung oder Unterlassung, die nach der Intention ihres Urhebers, nach ihrem Ziel oder nach den UmsUJnden, unter denen sie erfolgt, offenkundig die

normalen Grenzen der Ausübung eines Rechts überschreitet und einem Dritten einen Schaden zufiigt, löst eine entsprechende Entschddigungspjlicht aus und fUhrt zu gerichtlichen Maßnahmen und solchen der Verwaltung, um weiteren Mißbrauch zu verhindern. Siehe auch Art. 1902 CC. 625 Art. 1902 CC: Wer durch eine Handlung oder Unterlassung einen anderen schädigt, ist bei Verschulden oder Fahrldssigkeit zum Ersatz des verursachten Schadens verpflichtet. Siehe dazu Art. 1962 Abs. 2 CC. 626 Zum Recht auf Privat- und Intimsphäre siehe: M. De La Valgoma, Comentario a Ia ley organica de protecci6n civil al honor, a Ia intimidad y a Ia propia imagen, in: Anuario de Derechos Humanes, 1983; Lucien Martin, Le secret de Ia vie privee, in: Revue Trimestrielle de Droit Civil, Paris, 1959, S. 227-256; F. Herrero-Tejedor; Eduardo Novoa Monreal; Mare Carrillo, Los Hmites a ..., a.a.O.; Fermln Mora/es Prats, La tutela penal de Ia intimidad: privacy e informatica, Barcelona, 1984; Miguel Urubayen, Vida privada e informaci6n. Un conflicto permanente, Pamplona, 1977; Luis M• Farinas Matoni, EIderecho a Ia intimidad, Madrid, 1983; Raymond Wacks, The protection of privacy, London, 1980; Aurora Garcia Vitoria, EIderecho a Ia intimidad en el Derecho Penal y en Ia Constituci6n de 1978, Pamplona, 1983; Aurelia Maria Romero Coloma, Derecho a Ia intimidad, a Ia informaci6n y proceso penal, Madrid, 1987; Jose M. Serrano Alberca, Articulo 18,

s. 352-354.

lll. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

157

aufbauenden staatlichen Ordnung bildet628 . Dies bedeutet aber nicht ein völlig unbeschränktes Recht. Vor allem aufgrund der Erfordernisse des öffentlichen Interesses -das Organgesetz 1/1982 vom 5. Mai 1982 spricht von erheblichen historischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Interessen629 - können Gesetze Einschränkungen der Privat- und Intimsphäre ausdrücklich gestatten. Für die verfassungsrechtliche Entwicklung dieses Rechtes war die Arbeit von Samuel D. Warren und Louis D. Brandeis maßgeblich630 . Diese Autoren beobachteten schon zu Beginn des letzten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts, daß die große Belastung im Leben in unserer technisierten Gesellschaft eine Flucht vor der Welt notwendig macht: Die Privat- und Intimsphäre ist für jedes Individuum unerläßlich631 . Das gegenwärtige Verfassungsverständnis trägt dem durch grundrechtliehen Schutz der Person, der deren Würde und Individualität wahrt, Rechnung632_

627 Carl E. Schneider hebt seinen Grundrechtscharakter hervor, State-Interest Analysis in Fourteenth Amendment "Privacy" Law: An Essay on the Constitutionalization of Sociallssues, in:

Law and Contemporary Problems, Bd. 51, Nr. I,

1988, S. 8I. 628 Vgl. Pierre Juvigny, Modern scientific and technical developments and their consequences

on the protection of the right to respect for a person's private and family life, his home and comrnunications, in: Privacy and Human Rights (hrsg. v. A. H. Robertson), Manchester,

129.

1973, S.

629 Art. 8 Abs. I des LO 111982 vom S.Mai 1982 über den zivilrechtliehen Schutz des Rechtes

auf Ehre, auf persönliche und familiäre Privat- und Intimsphäre und am eigenen Bild. 630 Samuel D. Warren I Louis D. Brandeis, The Right to privacy, in: Harvard Law Review, Nr. 5, Bd. IV,

1890, S. 193-220. William L. Prosserberichtet über die Entstehungsgeschichte 48, Nr. 3, August 1960, S. 383-385.

dieses Aufsatzes: Privacy, in: California Law Review, Bd.

Siehe zu diesem Artikel auch: L. Murillo, EI derecho a Ia autodeterminaci6n informativa, Madrid,

1990, S. 57; Thomas S. McCoy, Surveillance, Privacy and Power: Information trumps Knowledge, 16, 111991, S. 37; Jane C. Ginsburg, Creation and cornmercial value: copyright protection of works of information, in: Columbia Law Review, November 1990, Nr. 7, Bd. 90, S. 1883; Thomas I. Emerson, The system of Freedom of Expression, New York, 1970, S. 544; William M. Beaney, The Right to Privacy and American Law, in: Law and Contemporary Problems, Bd. 31. Nr. 2, 1966, S. 253; Peter Von Becker, S. 90. Aoyd Abrams bezeichnet ihn als den wichtigsten existierenden Artikel zu diesem Thema: Aoyd Abrams, S. 1162. Kalven widmet dem Essay von Warren und Brandeis einen Beitrag: Harry Kalven, S. 326-341. 63 1 Samuel D. Warren I Louis D. Brandeis, S. 196. 632 Thomas I. Emerson, The system of Freedom of Expression, New York, 1970, S. 544-545. in: Communications, Bd.

158

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

bb) Öffentliches Leben- Privatleben

Jeder einzelne widmet einen Teil seiner Person, seiner Zeit und seines Daseins dem persönlichen Leben und dem Familienleben, den anderen Teil dem gesellschaftlichen Leben. Ebenso hat jedes Individuum das Recht, darüber zu entscheiden, ob und wie seine Gedanken, Gefühle und Regungen den anderen mitgeteilt werden dürfen633 . Selbst der Mensch des öffentlichen Lebens, der den größten Teil seiner Zeit öffentlichen Aktivitäten widmet, reserviert sich immer einen eigenen persönlichen Bereich und hat, wie jeder andere auch, ein Recht darauf, daß niemand in diese Privat- und Intimsphäre eindringt634 . Auch die Bürger, die gewöhnlich nicht als Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens qualifiziert werden, führen Tätigkeiten mit öffentlichem Bezug aus. Diese Tätigkeiten eines Bürgers, um wen auch immer es sich handelt, können im Bereich der Kenntnisnahme aller liegen und Gegenstand der öffentlichen Aufmerksamkeit sein635 . Dennoch erfordern sie Diskretion und den Schutz seiner Privat- und Intimsphäre636 . Diese wird sowohl von privater Seite wie auch von den Staatsgewalten zu häufig angegriffen und verletzt637 . Das Recht auf Privat- und Intimsphäre und die Meinungsfreiheit müssen auf Grundlage einer - zum Teil allerdings schwierig zu treffenden - Unterscheidung zwischen den öffentlichen Aktivitäten, die in den Bereich der Informationsfreiheit fallen, und dem Privatleben in Einklang gebracht werden, 633 Samuel D. Warren I Louis D. Brandeis, S. 198. 634 Warren und Brandeis benutzen den Ausdruck the right to be Iet alone, das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. Samuel D. Warren I Louis D. Brandeis, S. 193. Vgl. H.-H. Maass, Information und Geheimnis im Zivilrecht. Eine rechtshistorische und rechtsvergleichende Kritik der privaten und der gewerblichen Geheimsphäre, Stuttgart, 1970, S. 12 ff.; H. Schal/er, Person und Öffentlichkeit. Zum Spannungsverhältnis von Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz, München, 1967, S. 71 (in Verbindung mit parallelen juristische Figuren in den Rechtsordnungen von Italien und Frankreich). 635 Vgl. Clemente Auger linan, S. 92. 636 Vgl. Clemente Auger linan, S. 88. 63 7 Vgl. Jacques Velu, The European Convention on Human Rights and the right to respect for private life, the home and communications, in: Privacy and Human Rights (hrsg. v. A. H.

Robertson), Manchester, 1973, S. 12.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

!59

eine Unterscheidung, bei der die Freiheit und der Wille jedes Individuums maßgeblich sein müssen638 . Die spanische Gesetzgebung hat die Wichtigkeit des eigenen Willens in diesem Zusammenhang anerkannt, so daß der zivilrechtliche Schutz der persönlichen Privat- und Intimsphäre diese Willeoskundgabe zugrundegelegt und den Bereich, den jede Person für sich selbst oder ihre Familie reserviert, berücksichtigt639 . Wie bereits angemerkt, müssen nach der Meinung des Verfassungsgerichts die Personen des öffentlichen Lebens, die öffentliche Ämter innehaben oder in Ereignisse von öffentlicher Bedeutung involviert sind, es hinnehmen, daß ihre Persönlichkeitsrechte (unter ihnen auch das Recht auf Privat- und Intimsphäre) durch die Äußerung von Meinungen oder Verbreitung von Informationen von aUgemeinem Interesse beschränkt werden, weil dies der politische Pluralismus und der Geist der Offenheit, ohne die es keine demokratische Gesellschaft gibt, erfordem6 40.

cc) Das Recht auf informationeHe Selbstbestimmung

Es ist für eine Gesellschaft nötig, von allen Bürgern über verschiedene Fakten Daten (mittels verschiedener technischer Hilfsmittel, unter denen die elektronische Datenverarbeitung die größte Rolle spielt) zu besitzen. Die heutige elektronische Informationstechnik erlaubt es, riesige Datenbanken mit persönlichen Informationen anzulegen641 . Diese Informationen verleihen Macht und können zu einem schweren Angriff auf das Recht auf Privat- und Intimsphäre der Personen und vor allem auf ihr Recht auf informationeile Selbstbestimmung führen. Übertreibend stellt Karst sogar fest, daß jemand, der nicht in irgendeiner Art von Zählungen oder statistischen Tabellen erfaßt

638 Siehe David A. J. Richards, Liberalism, Public Morality, and Constitutional Law: Prolegomenon to a Theory of the Constitutional Right to Privacy, in: Law and Contemporary Problems, Bd. 51, Nr. I. 1988. S. 138. 639 Vgl. Art. 2 Abs. I des LO 1/1982 vom 5. Mai über den zivilrechtliehen Schutz des Rechtes auf Ehre, auf persönliche und familiäre Privat- und Intimsphäre und am eigenen Bild. 6 40 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2. 641 Siehe Thomas S. McCoy, S. 34.

160

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

ist, schlicht nicht existiert642. Die Privat- und Intimsphäre ist eine Schranke dieser sozialen Notwendigkeit643 . Auch die Kommunikationstechnik findet im Recht auf Privat- und Intimsphäre eine Grenze. Zur Bewahrung der persönlichen Freiheit ist ein effizientes Recht auf informationeile Selbstbestimmung gegenüber der Meinungs- und Informationsfreiheit sehr bedeutsam. Jenes Recht erfordert in seiner Eigenschaft als Grundrecht644 eine angemessene gesetzliebe Ausgestaltung645. So ist es verfassungsrechtlieb geboten, ein Modell für die Gewinnung und Speicherung von Daten über die Bürger zu erstellen, das deren Rechte und Belange beachtet646 . Deswegen ist es ein dringendes Ziel auch des spanischen Gesetzgebers, den zivil- und strafrechtlichen Schutz der Privat- und Intimsphäre gegenüber mit technischen Mitteln begangenen Angriffen, speziell gegenüber dem Mißbrauch der elektronische Datenverarbeitung, abzusichem647 .

642 Kenneth L. Karst, "The Files": Legal Controls over the Accuracy and Accessibility of Stored Personal Data, in: Law and Contemporary Problems, Bd. 31 , Nr. 2, 1966, S. 342. 643 Vgl. Thomas I. Emerson, The system of... , S. 549. 644 Vgl. Art. 18 Abs. 4 CE. Vgl. Gerhard Gross, Das Recht auf informationeile Selbstbestimmung mit Blick auf die Volkszählung 1987, das neue Bundesstatistikgesetz und die Amtshilfe, in: Archiv des öffentlichen Rechts, 1988, Bd. 113, S. 163; Claudia SeibelSchwiedemoch, Die verfassungsrechtliche Problematik des "Medienprivilegs" des § 1 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz, München, 1988, S. 1; auch BVerfGE 65, S. 1 ff. 645 L. Murillo, S. 158.

646 Siehe Carol C. Kuhlthau, Inside the Search Process: Information Seeking from the User's

Perspective, in: Journal ofthe American Society for Information Science, Bd. 42, Nr. 5, Juni 1991, s. 361-371. 647 Vgl. die Arbeit von Antonio Enrique Perez Lufio, Losderechos humanos en Ia sociedad tecno16gica, in: Libertad informatica y leyes de protecci6n de datos personales (hrsg. v. Losano I Perez Lufio I Guerrero Mateus), Madrid, 1989, S. 190-192. Siehe Patrick Birkinshaw, S. 6-10; Micheie Marchesiello, Sistemi automatici di informazione e diritto al controllo sui dati personali, in: L'informazione e i diritti della persona (hrsg. v. Guido Alpa I Mario Bessone I Luca Boneschi I Giandomenico Caiazza), Neapel, 1983, S. 119 ff.; Stefano Rodota, Elaboratori elettronici e controllo sociale, Bolonia, 1973, S. 41 ff.; Y. Bumard, Banques de donnes electroniques et droit de I'information, Lausanne, 1974.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

161

dd) Die Privat- und Intimsphäre als Grenze der Meinungsfreiheit

cx) Vorrang des Rechts auf Information gegenüber der Privat- und Intimsphäre?

Das Recht auf Privat- und Intimsphäre ist ein Recht, das die Freiheiten des Art. 20 CE beschränkt648 . Eine wahre und nicht beleidigende Information darf keine willkürliche Einmischung in das Privatleben anderer Bürger darstellen und muß das Recht auf Privat- und Intimsphäre respektieren649 . Die Verletzung dieses Rechts einer Person wird also nicht durch die Wahrhaftigkeit der Information gerechtfertigt65o. Nur die überragende Bedeutung des Kommunikationsgegenstands für die Öffentlichkeit würde in gewissen Fällen diese Einmischung rechtfertigen; dadurch würde das Recht der Öffentlichkeit auf den Empfang von Nachrichten, Meinungen und Gedanken und das Recht des Informierenden auf deren Übermittlung geschützt651. Hier wird die Vorrangstellung des Rechts auf Information relevant. Diese führt zur Rechtmäßigkeit der Verbreitung von Informationen, auch wenn sie die Privat- und Intimsphäre eines Individuums betreffen, dann, wenn sie von überragendem historischen, wissenschaftlichen, kulturellen, politischen oder sozialen Interesse, also letzten Endes von ganz besonderem öffentlichen Interesse sind652.

648 Vgl. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 10511983 vom 23. November, FJ Nr. 11.

6 4 9 Siehe Raffaele Tommasini, L'interesse alla riservatezza ed i valori della persona di fronte alla liberta di manifestare il pensiero, in: L'informazione e i diritti della persona (hrsg. v. Guido Alpa I Mario Bessone I Luca Boneschi I Giandomenico Caiazza), Neapel, 1983, S. 38.

650 Siehe William L. Prosser, S. 419.

651 Vgl. Lucien Martin, S. 256.

652 Art. 8 Abs. I des LO 111982 vom 5. Mai, modifiziert durch LO 311985 vom 29. Mai. Vgl. A. Torres del Moral, Principios de Derecho..., Bd. I, S. 268; Samuel D. Warren I Louis D. Brandeis,

s. 214. 11 Cnmades

162

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

ß) Konkrete Beschränkungen des Rechts auf Information

Bei den folgenden Handlungen in Ausführung der sowohl aktiven wie auch passiven Informationsfreiheit kommt es, worauf Torres del Moral653 hinweist, zu einem klaren Eingriff in das geschützte Recht: Wenn technische Abhörmethoden654, Photographien655 (man denke an den Erfolg der sogenannten paparazzi, der Bilderjäger, die die Barrieren des Privatlebens von zahlreichen Berühmtheiten durchbrechen) oder Filme benutzt werden656, um sich in die Privat- und Intimsphäre einer Person einzuschleichen; wenn deren Korrespondenz oder von dieser zurückgehaltene Schriftstücke verbreitet werden; wenn private Personen- oder Familiendaten offenbart werden, durch deren Kenntnisgabe z.B. die Amtsverschwiegenheit verletzt wird, usw. Das Organgesetz 1/1982 vom 5. Mai 1982 nimmt dieses Verhalten in Art. 7 auf. Dieses ist nicht widerrechtlich, wenn eine Zustimmung des Rechtsträgers vorliegt657 oder es aus Gründen der nationalen Sicherheit, zur Vermeidung einer Straftat658 oder nach Erwirkung einer entsprechenden gerichtlichen Genehmigung659 erfolgt. Die Zustimmung müßte ausdrücklich erteilt werden und könnte angesichts der besonderen Natur des Rechts jederzeit widerrufen werden, unbeschadet der entsprechenden Entschädigung für die durch den Widerruf verursachten Schäden660.

653 Antonio Torres del Moral, Principios de Derecho... , Bd. I. S. 268. 654 Siehe auch Graham Zellick. S. 309; Gerhard Grass, S. 167; Co1in Munro, S. 108. Aus vergleichender Sicht S. Patenaude, La protection des conversations en droit prive. Etude comparative des droits americain, anglais, canadien, fran.yais et quebecois, Paris, 1976. 655 Siehe auch Colin Munro, S. 108-109. 656 Siehe auch Lucien Martin, S. 248-250; Samuel D. Warren I Louis D. Brandeis, S. 211; Graham Zellick, S. 309; Raffaele Tommasini, S. 45. 657 G. Quintero Olivares, S. 72. 658 Siehe Graham Zellick, S. 308. 659 Vgl. Colin Munro, S. 108. 660 Siehe die Begründung und den Art. 2 Abs. 3 des LO 1/1982 vom 5. Mai, modifiziert durch LO 3/1985 vom 29. Mai.

III. Grenzen aufgrunddes Gegenstandes

163

Die Nichtbeachtung des Willens des Rechtssubjekts beim Eingriff eines Dritten in dessen Privat- und Intimsphäre führt zu dem, was Rodriguez Devesa als Delikt der Geringschätzung des Willens bezeichnet661 . Man muß berücksichtigen, daß gewisse Situationen es dem einzelnen unmöglich machen, seine Privat- und Intimsphäre so abzugrenzen, wie er es unter normalen Umständen hätte tun können. Erwähnt seien hier das Leben der Menschen im Krankenhaus, in Strafanstalten oder Kasernen usw.662 ; sie genießen alle das Recht auf Privat- und Intimsphäre, sind aber notwendigerweise hierin beschränkt663. Im übrigen birgt der Wohlfahrtsstaat (welfare state) als solcher ganz allgemein ein potentielles Risiko für das Recht auf Privat- und Intimsphäre in sich664. Jedenfalls kann man feststellen, daß das Recht auf Privat- und Intimsphäre dasjenige Recht ist, das der Informationsfreiheit und ihrer Vorrangstellung am stärksten entgegenwirkt665 . Deshalb tritt diese angesichts eines willkürlichen Eingriffs in das Privatleben zurück666 . Die Wahrhaftigkeit der verbreiteten intimen und familiären Daten und Tatsachen oder die mangelnde Böswilligkeit des Informanten rechtfertigen den Eingriff nicht667.

661 Jose Maria Rodriguez Devesa, S. 219. 662 Vgl. Sidney M. Jourard, Same Psychological Aspects of Privacy, in: Law and Contemporary Problems, Bd. 31, Nr. 2, 1966, S. 313; Co!in Munro, S. I 08. 663 Siehe William A. Creech, S. 413. 664 Siehe Joel F. Handler I Margaret K. Rosenheim, S. 377-412; auf den Seiten 379-394 schneidet er das Problem der notwendigen Koexistenz von Recht auf Privat- und Intimsphäre und öffentlicher Fürsorge an. 665 Obwohl er die Verschiedenheit zwischen dem Recht auf Ehre und auf Privat- und Intimsphäre anerkennt, zeigt Muiioz Machado nicht •venige Verbindungen auf, die in der Praxis zwischen beiden Rechten auftreten. S. Muiioz Machado, Libertad de prensa... , S. 134 ff. Vgl. Lynn B. OBERLANDER. A First Amendment right to access to affidavits in support of search warrants,

1990, Nr. 8, Bd. 90, S. 2242, 2245 und 2254. 666 A. Rodriguez Diaz, La posici6n preferente... , S. 70; A. Fernandez-Miranda y Campoamor, Libertad de expresi6n... , S. 532. 667 Samuel D. Warren /Louis D. Brandeis, S. 218. in: Columbia Law Review, Dezember

II*

164

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

ee) Der juristische Schutz der Privat- und Intimsphäre und ähnlicher Rechte

Das Recht auf Privat- und Intimsphäre gegenüber der Gesellschaft und dem Staat ist ein Recht des einzelnen, das erga omnef>68 geltend gemacht werden kann und das das private und familiäre Leben schützt, eine Sphäre also, in die sich niemand ohne Einwilligung des Betroffenen einmischen darf669 . Sie umfaßt Handlungen, Tätigkeiten und Verhaltensweisen des ehelichen Zusammenlebens, der Fortpflanzung, der Empfangnisverhütung, der Familienbeziehungen, der Kindererziehung ·usw.670. Die spanische Strafgesetzgebung kennt folgende Straftatbestände, die in verschiedener Form und Abstufung den Schutz der persönlichen und familiären Privat- und Intimsphäre gewährleisten sollen671: Verstoß gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung672, Geheimnisbruch und rechtswidrige Durchsuchung674, Verschwiegenheitspflichtverletzung673 , 675 Verletzung des Briefgeheimnisses , Verletzung des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses676 und Geheimnisbruch durch Beamte677 (mit gesonderter Typisierung, wenn es sich um Geheimnisse einer Privatperson handelt)678 . Auch die Tatbestände der Beleidigung und der Verleumdung können die Privat- und Intimsphäre vor Verletzungen schützen. Wenn eine Information

668 Siehe Luis Maria Fariflas Matoni, S. 352. 669 Vgl. Jean Rivero, Les libertes publiques, Bd. II, Paris, 1977, S. 66. 670 Siehe Urteil des Supreme Court der USA: Roe v. Wade, 410 U.S. 113, 152 (1973), das in seiner diesbezüglichen Aussage als allgemeingültig betrachtet werden kann.

671 Vergleiche mit dem italienischen Recht: Givanni Giacobbe, Note in tema di "strumenti di

sanzione" per Ia tutela dei diritti della persona, in: L'informazione e i diritti della persona (hrsg. v. Guido Alpa I Mario Bessone I Luca Baneschi I Giandomenico Caiazza), Neapel, 1983, S. 283 ff. 672 Art. 191 Nr. 1; Art. 490 ff. des spanischen Strafgesetzbuches. Vgl. auch Colin Munro, S.

108. 673 Art. 497, 498 und 499 des spanischen Strafgesetzbuches. 674 Art. 191 Nr. 2 und 3 des spanischen Strafgesetzbuches. 675 Art. 192 des spanischen Strafgesetzbuches. 676 Art. 498 und 499 des spanischen Strafgesetzbuches. 677 Art. 367 des spanischen Strafgesetzbuches. 678 Art. 368 des spanischen Strafgesetzbuches.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

165

über eine Person mit deren Privat- und Intimsphäre in Berührung kommt, dabei aber keine entehrenden Tatsachen enthüllt, kann diese andererseits nicht unter den Tatbestand der Beleidigung subsumiert werden679.

c) Das Recht am eigenen Bild

Das Recht am eigenen Bild ist letztlich nur konkreter Ausdruck des Rechts auf Privat- und Intimsphäre680. Die Veröffentlichung eines Bildes des Rechtsinhabers ohne Zustimmung reicht daher zu einer Rechtsverletzung aus und bedeutet einen Eingriff in diesen Bereich681 . Es handelt sich um ein Persönlichkeitsrecht, das gegenüber jedermann geltend gemacht werden kann682 und das seinem Träger eine Kontrollbefugnis über den Umlauf von Bildern der eigenen Person verleiht683. Es bestehen zwei zivilrechtlich bedeutsame Tatbestände, die das Organgesetz 111982 vom 5. Mai 1982684 in diesem Zusammenhang schafft, nämlich die Erschleichung, Reproduktion oder Veröffentlichung des Bildes einer Person durch Film, Photographie oder irgendein anderes Verfahren, an Orten und zu Zeitpunkten seines Privatlebens oder außerhalb dessen und die Verwendung des Namens, der Stimme oder des Bildes einer Person für Werbezwecke oder ähnlichem685.

679 Vgl. G. Quintero Olivares, S. 78. 680 Siehe Aurelia Marfa Romero Coloma, Derecho a Ia intimidad, a Ia informaci6n y proceso penal, Madrid, 1987, S. 92. Bezüglich des Rechtsam eigenen Bild in Italien siehe L. A, I1 diritto sulla propria imagine, Rom, 1942; Giovanna Visintini, I1 diritto all'immagine, in: L'informazione e i diritti della persona (hrsg. v. Guido Alpa I Mario Bessone I Luca Honeschi I Giandomenico Caiazza), Neapel, 1983, S. 55 ff. 681 Fernando Herrero-Tejedor, S. 308.

682 Vgl. Mare

62; Royo Jara, La protecci6n del derecho a Ia 1987, S. 81. 683 Fermfn Morales Prats, S. 308. 684 Art. 7 Abs. 5 des LO 111982 vom 5. Mai, modifiziert durch LO 311985 vom 29. Mai. 685 Art. 7 Abs. 6 des LO 111982 vom 5. Mai, modifiziert durch LO 311985 vom 29. Mai. Vgl. Carrillo, Los limites a ... , S.

propia imagen, Madrid,

auch Art. 8 Abs. 2 dieses Gesetzes.

166

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

Das Recht am eigenen Bild verhindert nicht (a)

die Aufnahme und Verbreitung von Bildern von Personen, die ein Amt oder eine Führungsaufgabe in der Öffentlichkeit ausüben, sofern dies bei öffentlichen Handlungen oder in der Öffentlichkeit geschieht686 ; das impliziert, daß auch Berühmtheiten ein Recht am eigenen Bild haben 687, jedoch mit anderen Grenzen als der normale Bürger;

(b)

die Durchführung von Handlungen, die grundsätzlich erlaubt sind und von der zuständigen Behörde in Übereinstimmung mit dem Gesetz genehmigt sind688 ;

(c)

die Veröffentlichung von Karikaturen in der üblichen Weise689 ;

(d)

die Bildinformation über ein öffentliches Ereignis oder einen öffentlichen Vorgang, wenn das Bild einer bestimmten Person nebenbei erscheint690.

Es ist anzumerken, daß die Fälle (a) und (d) nicht auf Organe und Personen anwendbar sind, die (wie etwa ein V-Mann) notwendig anonyme Tätigkeiten ausüben691 . Wenn schließlich eine Person sich dazu entscheidet, ihr eigenes Bild zu Publizitätszwecken zu verwenden, wird dieses zu einem Vertragsgegenstand. Hier erweitert sich der Schutz um denjenigen eines Vermögensrechtes692 .

686 Art. 8 Abs. 2. a) des LO 1/1982 vom 5. Mai, modifiziert durch LO 3/1985 vom 29. Mai. Vgl. A. Torres del Moral, Principios de Derecho..., Bd. I, S. 268; Clemente Auger Linan, S. 93. 687 Vgl. Giovanna Visintini, S. 61-62. 688 Art. 8 Abs. I des LO 1/1982 vom 5. Mai, modifiziert durch LO 3/1985 vom 29. Mai. 689 Art. 8 Abs. 2. b) des LO 1/1982 vom 5. Mai, modifiziert durch LO 3/1985 vom 29. Mai. 690 Art. 8 Abs. 2. c) des LO 1/1982 vom 5. Mai, modifiziert durch LO 3/1985 vom 29. Mai. 691 Art. 8 am Ende des LO 1/1982 vom 5. Mai, modifiziert durch LO 3/1985 vom 29. Mai. 692 Siehe J. M. Serrano Alberca, Articu1o 18, S. 354.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

167

d) Das Organgesetz 1/1982 vom 5. Mai 1982693

Das Organgesetz 1/1982 vom 5. Mai 1982694 zum zivilrechtliehen Schutz des Rechtes auf Ehre, auf persönliche und familiäre Privat- und Intimsphäre und des Rechtes am eigenen Bild, das durch das Organgesetz 3/1985695 vom 29. Mai 1985 modifiziert wurde, hat den zivilrechtliehen Schutz der genannten Rechtsgüter begründet (vgl. Art. 1). Diese erklärt es zu unabdingbaren, unveräußerlichen und unverjährbaren Rechten gegenüber jeder Art von rechtswidrigen Eingriffen. Die zivilrechtliehen Garantien treten neben die strafrechtlichen696 . Im zweiten Artikel ist vorgesehen, daß der zivilrechtliche Schutz sowohl durch die Gesetze als auch durch die Verkehrssitte und die Sorgfalt, die man in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, begrenzt ist. Die Festlegung des Schutzbereichs dieser Rechte orientiert sich so an der jeweils herrschenden Verkehrsauffassung und dem Verhalten der beteiligten Personen selbst. Nicht rechtswidrig sind jene Eingriffe in die geschützten Bereiche, zu denen ausdrücklich Zustimmung erteilt wurde. Diese Zustimmung kann unbeschadet einer Entschädigung widerrufen werden. Die Einwilligung stellt auch keinen

693 In Spanien wurden verschiedene Studien über das LO 1/1982 veröffentlicht: C. Soria, Derecho a Ia informaci6n y derecho a Ia honra, Barcelona, 1981; J. Royo Jara; Luis M. Fariiias

Matoni; Vidal Martinez, EI derecho a Ia intimidad en Ia Ley Orgänica de 5 de mayo de 1982, Madrid, 1984; P. Salvador Codereh und andere; F. Herrero-Tejedor; Marfa De La Valgoma; Luis

Alvarez Prieto, Comentario a Ia Ley Organica 3/1985 de 29 de mayo. Libertad de expresi6n e imunidad parlamentaria, in: Boletin del Ilustre Colegio de Abogados de Madrid (Revista Jurldica General), Nr. 5, 1985, S. 9-11. Sammelwerke: Cesar Sempere Rodriguez, Anfculo 18, in: Comentarios a las Leyes Pollticas (hrsg. v. 0. Alzaga), Bd. II, Madrid, 1984, S. 425-468; Jose M.

Serrano Alberca, Anfculo 18, S. 351-381; zu Haftungsfragen vgl. den Kommentar von Santos Britz zum An. 1902 CC in: Comentarios al C6digo Civil, (hrsg. v. M. Albadalejo), Bd. XXIV, Madrid, 1984, und die Monographie desselben Autors La responsabilidad civil, Madrid, 1986, S. 131 ff. Mare Carrillo, Los lfmites a Ia libertad de prensa en Ia Constituci6n de 1978, Barcelona, 1987, befaßt sich mit allen ausdrücklichen und impliziten verfassungsrechtlichen Grenzen; auf den Seiten 42-63 geht es um die Ehre, die Privat- und Intimsphäre und das eigene Bild; Munoz Machado, Libenad de prensa... , 1988. 694 BOE Nr. 115 vom 14. Mai 1982. 695 BOE Nr. 129 vom 30. Mai 1985. 696 Vgl. S. Munoz Machado, Libertad de prensa... , 1988, S. 52-53.

168

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

gänzlichen Verzicht auf diese Rechte dar, da sie unveräußerlich sind; sie beinhaltet lediglich den Verzicht auf die Ausübung einiger der umfaßten Befugnisse. Auch die Meinungsäußerung von Abgeordneten und Senatoren697 in Ausübung ihrer Funktionen ist nicht rechtswidrig698 . In diesem Rahmen können sie ebenso wie die übrigen Bürger das Verhalten der Regierung kritisieren, so wie sie es für förderlich erachten. Die Bürger selbst genießen jedoch nicht den Schutz des Art. 71 Abs. I CE, sondern nur den allgemeinen des Art. 20 CE699. In Art. 4, 5 und 6 des Organgesetzes wird die Situation beim Tod des in seinen Rechten Verletzten geregelt. Wenn auch die Persönlichkeitsrechte mit dem Tod erlöschen, so muß doch das Andenken an den Verstorbenen von Rechts wegen geschützt werden700. Der Schutz der verletzten Rechte kommt dem Erben zu, der dann die Klagebefugnis besitzt; ist ein Erbe nicht vorhanden, treten an seine Stelle die noch lebenden Verwandten, sonst die Staatsanwaltschaft. In Art. 7 werden die als rechtswidrig angesehenen Fälle der unbefugten Einmischung in den geschützten Bereich genannt (während in Art. 8 diejenigen aufgezählt werden, die nicht rechtswidrig sind). Sie werden folgendermaßen unterteilt: (1)

die Aufstellung von Abhöranlagen, Filmkameras, optischen Vorrichtungen oder anderen Mitteln, die dazu geeignet sind, die Privatund Intimsphäre einer Person aufzunehmen oder zu reproduzieren;

697 Das Gesetz erfordert auch einen Antrag sowie die ausdrückliche Erlaubnis des Kongresses oder des Senates, damit zivilrechtlich gegen einen Abgeordneten oder einen Senator vorgegangen werden kann. 698 Gern. An. 71 CE. In diesem Artikel, so fühn das Uneil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1985 vom 10. April 1985, FJ Nr. 6, aus, wird diefreedom ofspeech der Parlamentarier garantiert, die in den demokratischen Verfassungen allgemein anerkannt wird. 699 Siehe Uneil des spanischen Verfassungsgerichtes 5111985 vom 10. Apri11985, FJ Nr. 6. 700 Auger liflan zeigt diesbezüglich, daß das Privatleben einer Person nicht Ober ihren Tod hinausgeht. Es kommt irgendwann der Moment, stellt er fest, ab dem sein Leben der Geschichte angehört. Siehe Clemente Auger liiian, S. 92.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

169

(2)

die Benutzung der oben genannten Mittel, um das Privatleben einer Person, private Bekundungen oder Briefe in Erfahrung zu bringen, die nicht für denjenigen, der diese Mittel benutzt, bestimmt waren, ebenso wie eine diesbezügliche Aufzeichnung, Registrierung oder Vervielfältigung;

(3)

die Verbreitung von Tatsachen aus dem Privatleben einer Person oder Familie, die ihr Ansehen und ihren guten Ruf beeinträchtigen, ebenso wie die Verbreitung oder Veröffentlichung des Inhalts von Briefen, Aufzeichnungen und anderen Schriftstücken persönlichen Charakters;

(4)

die Veröffentlichung privater Daten einer Person oder Familie, die jemand in Ausübung seines Berufs in Erfahrung gebracht hat;

(5)

die Erschleichung, Vervielfältigung und Veröffentlichung des Bildes einer Person an Orten und in Momenten ihres Privatlebens oder außerhalb davon mit Hilfe von Photographie, Film oder jeglicher anderer Methode, es sei denn es handelt sich um einen der in Art. 8 Abs. 2 vorgesehenen Fälle;

(6)

der Gebrauch des Namens, der Stimme oder des Bildes einer Person zu Werbe- oder Geschäftszwecken oder ähnlichem;

(7)

die Verbreitung von Äußerungen oder Tatsachen bezüglich einer Person, wenn sie diese diffamieren oder in der Einschätzung der anderen in Verruf bringen.

Schließlich finden sich in Art. 9 die prozessualen Möglichkeiten (vor den ordentlichen Gerichten sowie das Verfahren gern. Art. 53 Abs. 2 CE) zur Abwehr von rechtswidrigen Eingriffen sowie zur Durchsetzung von Ansprüchen des Geschädigten. Der Schadensersatz umfaßt sowohl die materiellen wie auch die immateriellen Schäden. Dabei werden die Umstände des Einzelfalles, die Schwere der verursachten Verletzung (diese bemißt sich nach dem Ausmaß der Verbreitung mittels des schädigenden Mediums) und der Vorteil, den der Verursacher aus der Verletzungshandlung zog, berücksichtigt (Art. 9 Abs. 3).

170

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

Solange der in Art. 53 Abs. 2 CE vorgesehene Rechtsschutz nicht ausreichend ausgestaltet ist, zieht man zu diesem Zweck eines der in den Abschnitten II und III des Gesetzes 62/1978 vom 26. Dezember 1978701 über den grundrechtliehen Schutz der Persönlichkeitsrechte festgelegten Verfahren (Übergangsbestimmung 2 des Organgesetzes 1/1982) heran. Kraft der Übergangsbestimmung 2 Abs. 2 des Organgesetzes 2/1979 vom 3. Oktober 1979 über das Verfassungsgericht gehören das Recht auf Ehre, auf die persönliche und familiäre Privat- und Intimsphäre und am eigenen Bild zum Bereich dieses Gesetzes (62/1978). Ist der Rechtsweg erschöpft, so kann unter den Voraussetzungen, die das 1. Kapitel des Titels III des Organgesetzes 2/1979 vom 3. Oktober 1979702 über das Verfassungsgericht vorsieht, Verfassungsbeschwerde vor dem Verfassungsgericht eingelegt werden. Gemäß der ersten Übergangsbestimmung des Organgesetzes findet dieses selbst Anwendung, wenn es sich um den zivilrechtliehen Schutz der Ehre und der persönlichen und familiären Privat- und Intimsphäre vor rechtswidrigen Eingriffen handelt, die auf den Gebrauch der elektronische Datenverarbeitung zurückzuführen sind. Dies gilt, solange das Gesetz, das Art. 18 Abs. 4 CE vorgesehen hat, noch nicht verabschiedet worden ist703.

e) K6nnen juristische Personen Trtiger der sogenannten Pers6nlichkeitsrechte sein? Diese Frage erscheint wichtig, da von ihr wichtige Folgen für die Ausübung und Einschränkung der öffentlichen Kommunikationsfreiheit abhängen. Das Recht der juristischen Personen, von Gerichten in der Ausübung ihrer legitimen Interessen und Rechte geschützt zu werden, ist verfassungsrechtlich

701 BOE Nr. 3 vom 3. Januar 1979. 702 BOE Nr. 239 vom 5. Oktober 1979. 703 Art. 18 Abs. 4 CE: Das Gesetz beschrankt den Einsatz der Datenverarbeitung, um die

Ehre sowie die persönliche und familidre Privat- und Intimsphäre der Bürger und die volle Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten. Diese Vorschrift muß im Zusammenhang mit den Art. 10, 20, 24, 25, 26, 103 und 105. b) CE gesehen werden.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

171

in Art. 24. Abs. 1 CE anerkannt1°4. Die Rechtsfähigkeit der juristischen Personen705 geht über die vermögensrechtliche Seite hinaus und umfaßt auch Rechte höchstpersönlichen Charakters, wie das auf den Namen und auch das Recht auf Ehre. Es steht nichts entgegen, daß prinzipiell alle, also auch die juristischen Personen, Träger von Persönlichkeitsrechten sein können. Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes 62/1978 vom 26. Dezember 1978 über den Schutz der Persönlichkeitsrechte706 gestattet es auch juristischen Personen (neben den natürlichen Personen und der Staatsanwaltschaft -Ministeno Fiscal-), als Kläger aufzutreten. Voraussetzung ist, daß sie Träger eines subjektiven Rechtes sind, das sie dazu ermächtigt. Der spanische Oberste Gerichtshof hat bestätigt, daß auch die Ehre einer juristischen Person Gegenstand einer Beschwerde sein kann707 . Juristische Personen können somit durchaus Träger subjektiver Rechte sein. Damit ist aber noch nicht entschieden, ob sie sich auch auf den grundrechtliehen Schutz der Persönlichkeitsrechte berufen können. Es ist offensichtlich, daß die juristischen genauso wie die natürlichen Personen Angriffen und Beeinträchtigungen ausgesetzt sein können, die ihren Ruf schädigen708. Das Verfassungsgericht führt dazu aus, daß das Recht auf Ehre, das in Art.

18 Abs. I CE als Grundrecht gewährleistet wird, personenbezogene Bedeutung habe und daß diese Ehre nicht mit der Würde und der moralischen Autorität gleichgesetzt werden dürfe, die Institutionen wie denjenigen des Staates zukomme709 . Nach der Auffassung des Verfassungsgerichtes kann man also nicht von der Ehre juristischer Personen sprechen. Vom verfassungsrechtlichen Standpunkt aus ist es besser, Begriffe wie Würde, Ansehen 704 Siehe auch die indirekte Anerkennung in Art. 38 des spanischen Zivilgesetzbuches: Die juristischen Personen können gemäß den Gesetzen und ihrem Gründungsstatut Vermögenjeder Art erwerben und besitzen, Verbindlichkeiten eingehen und Zivil- oder Strafklagen erheben. 705 Siehe diesbezüglich Art. 29 (Buch I) des StJanischen Zivilgesetzbuches unter der Rubrik Entstehen und Erlöschen der Rechtsfähigkeit.

706 BOE Nr. 3 vom 3. Januar 1979. 707 Urteil des spanischen Obersten Gerichtshofes vom 5. Aprill973 (R. J. A. 1601). 708 Siehe Eduardo EstradaAlonso, S. 101. 709 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 5111989 vom 22. Februar 1989, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 10711988 vom 8. Juni 1988, FJ Nr. 2.

172

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

und moralische Autorität zu verwenden, die auch mit strafrechtlichem Schutz ausgestattete Werte darstellen, sich aber nicht genau mit dem Rechtsgut Ehre decken, das die spanische Verfassung als Grundrecht schützt. So folgert das spanische Verfassungsgericht, daß jenen Werten ein schwächerer Schutz im Vergleich zu demjenigen zukommt, der mit dem Recht auf Ehre von Personen verbunden ist, die in der Öffentlichkeit stehen oder die öffentliche Bedeutung besitzen710 . Dem ist zu folgen. Juristische Personen sind Träger einer bestimmten

sozialen Würde und können eine Verletzung ihres Ansehens und ihrer

Autorität geltendmachen. Diese Güter genießen entsprechenden rechtlichen Schutz. Aber dieser Schutz gegenüber der Ausübung der Meinungsfreiheit ist zweifelsohne schwächer als derjenige, der dem Recht auf Ehre der natUrliehen Personen verliehen ist711 . Der Schaden, der aus dem Angriff auf die Würde einer juristischen Person durch die Verbreitung von Informationen entstehen kann, kann nur vermögensrechtlicher Natur sein712 . Nur natürliche Personen können moralisch oder gefühlsmäßig beeinträchtigt werden. Trotz der Notwendigkeit der Wiedergutmachung einer Verletzung ist die Rechtslage zu der Frage nicht klar, ob juristische Personen zu Klagen berechtigt sind. Gelegentlich wird diese Frage dahin beantwortet, daß man sie auf Art. 1902 des spanischen Zivilgesetzbuchs stützten müßte, um eine entsprechende Entschädigung einfordern zu können713.

710 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni 1988, FJ Nr. 2. 711 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 53/1983 vom 20. Juni 1983. Dies ergibt sich auch aus dem Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2. 712 Siehe A. M. Romero Coloma, Losbienes y derechos de Ia personalidad, Madrid, 1985, S. 40.

713 Siehe Eduardo EstradaAlonso, S. 105.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

173

2. Das Erfordernis der Wahrheit der Information

a) Die Wahrheit als Grundlage

Die spanische Verfassung schützt diejenige Kommunikation, die wahrheitsgetreue Infonnationen übennittelt714 . Der Art. 20 Abs. 1. d) CE gewährt jedem Bürger das Recht auf den Erhalt wahrer Infonnationen, was gleichbedeutend mit richtig, authentisch und nachweisbar ist. Das spanische Verfassungsgericht gebraucht ähnliche Tennini und spricht von einem Recht der Allgemeinheit auf Erhalt wahrheitsgetreuer Infonnationen71 5. Die nonnative Bindung der spanischen Verfassung bedeutet, daß dieses Wahrheitserfordernis von den verschiedenen sozialen Akteuren im Infonnationsprozeß berücksichtigt werden muß, also von der Presse, den audiovisuellen Medien, der öffentlichen Gewalt und den öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten716. Die Wahrheit als metaphysische Kategorie kann nicht eine Grenze des Rechts auf Infonnation darstellen, sondern ist seine Grundlage717 . Von daher ist es die Pflicht des Infonnierenden, die Wahrheit der Mitteilung (Nachricht) zu respektieren und zu prüfen718. Deshalb haben der Staat und der einzelne ein Recht darauf, bei der Übermittlung von nachweisbaren Sachverhalten die Wahrheit zu erfahren, während eine bewußt verzerrte Wiedergabe der Wirklichkeit und die arglistige Unter714 Vgl.

105/1983 vom 23. November, FJ Nr. 11 ; 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 5111989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2. 715 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2. 716 Vgl. Mare Carrillo, Derecho a Ia..., S. 188. 717 Vgl. De Vega Ruiz. S. 21; G. P. Rajas Rivero EI conflicto entre..., S. 61-62; Carlos Soria, EI derecho a ..., S. 114. Vgl. auch Maurizio Pedrazza Gorlero, 11 giomalismo nell'ordinamento costituzionale (II), in: Rivista trimestrale di diritto pubblico, Heft Nr. 4, 1987, S. 907. 71 8 Vgl. Maurizio Pedrazza Gorlero, li giomalismo ... , S. 908. Urteil des spanischen Verfassungsgerichts

Urteil des spanischen Verfassungsgerichts

174

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

drückung von Daten usw.7 19 sanktioniert werden. Somit ist bei der Informationsübermittlung nicht nur das "Was" (also der die Öffentlichkeit interessierende Gegenstand), sondern auch das "Wie" (also zumindest das Streben danach, daß die Information der Wirklichkeit entspricht) entscheidend72°. Stellt sich die Information als Lüge oder Täuschung dar, so greift der Grundrechtsschutz nicht ein. Die Unterscheidung zwischen wahr und unwahr ist in Grenzbereichen sehr wichtig: Die Interpretation, die diese vornimmt, ist allerdings notwendigerweise bis zu einem gewissen Grade subjektiv. In dieser Hinsicht sind die Begriffe Wahrheit und Objektivität keine Synonyme721 . Dennoch muß man eine von der Vernunft geprägte subjektive Wahrheit fordern. In diesem Sinne kann festgehalten werden, daß die eigentliche Aufgabe der Presse in einer exakten und kompletten Berichterstattung liegt722 . Die Wahrheit stellt also einen wesentlichen Faktor des Rechtes auf Information dar und ist mit ihm untrennbar verbunden123.

719 Siehe dazu Kar! Rothenbücher, S. 17; J. Peter Byme, Academic Freedom: A "Special 1989, Nr. 2, volumen 99, S. 260; Urteil des amerikanischen Supreme Court: Young v. American Mini-Theatres. 427 U.S. 50 (1976), Gertz v. Robert Welch, lnc. 418 U.S. 323 (1974). 720 Siehe Carlos Soria, Derecho de Ia informaci6n: amilisis de su concepto, San Jose (Costa Rica), 1987, S. 134. 721 Siehe Manuel Femandez Areal, La protecci6n de Ia verdad en Ia libre comunicaci6n de mensajes informatives, in: Poder Judicial, Sonderheft XIII, 1990, S. 204. 722 Siehe Jean-Francois Revel, S. 261. 723 Siehe Mare Carrillo, Derecho a Ia... , S. 188. Concern ofthe FirstAmendment", in: The Yale Law Journal, November

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

175

b) Die begrenzte Wirkungsftihigkeit der Wahrheit

aa) Das Wahrheitserfordemis als Schranke des Rechtes auf Information und nicht der Meinungsäußerungsfreiheit

Die Verfassung beschränkt die Informationsfreiheit auf die wahrheitsgetreue Information724 . Obwohl einige Autoren diese Auffassung verneinen725 , wird sie vorn spanische Verfassungsgericht so vertreten726 . Dieses Gericht hat entschieden, daß die Informationsfreiheit nur solche Sachverhalte umfaßt, deren Wahrheitsgehalt bestimmt werden kann727 . Andererseits wird auch anerkannt, daß für die Meinungsäußerungsfreiheit, die Gedanken, Ideen, Meinungen und Werturteile urnfaßt, aufgrund deren abstrakten Charakters der Wahrheitsbeweis oder eine sorgfältige Untersuchung der Äußerung nicht erforderlich ist. Somit ist das passive Recht auf Informationsfreiheit nicht nur verletzt, wenn die Verbreitung oder der Erhalt wahrer Informationen verhindert wird, sondern auch dann, wenn durch die Übermittlung von Nachrichten diese verzerrt werden, so daß sie nicht mehr der Wahrheit entsprechen728 .

724 Siehe Carmen Chinchilla Marin, Derecho de informaci6n... , S. 63. 725 Vgl. z.B. Vilas Nogueira. Dieser Autor bekräftigt, daß die Wahrheit nicht generell Voraussetzung für die Verbreitung von Informationen ist, sondern ein rechtfertigendes Element für rechtswidrige lnformationshandlungen, die andere geschützte Rechtsgüter gefährden, sein kann. J.

Vilas Nogueira, S. 286. 726 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 105/1983 vom 23. November, FJ Nr. 11; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2. 127 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 728 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 2.

176

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

bb) Der Unterschied zwischen der Verbreitung von Gedanken, Ideen und Meinungen einerseits und der von Tatsachen oder Informationen andererseits

Um die unterschiedlichen Anforderungen an den Wahrheitsgehalt im Rahmen der Freiheiten des Art. 20 CE näher bestimmen zu können, ist es erforderlich, auf der einen Seite zwischen der Verbreitung von Gedanken, Ideen und Meinungen (also dem Gegenstand der Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit im Normalfall) und der informativen Verbreitung von Tatsachen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Innerhalb der ersten Gruppe ist, wie oben aufgezeigt wurde, die Richtigkeit von Gedanken, Ideen, Meinungen oder Werturteilen aufgrund ihres abstrakten Charakters nicht nachweisbar. Aus diesem Grund bekräftigt das spanische Verfassungsgericht, daß demjenigen, der von der Meinungsäußerungsfreiheit Gebrauch macht, der Wahrheitsbeweis oder die sorgfältige Untersuchung nicht auferlegt werden kann. Hingegen ist nur die wahre Information gern. Art. 20 Abs. 1. d) CE verfassungsrechtlich geschützt. Das Wahrheitserfordernis bezieht sich somit nicht auf die Meinungsäußerungsfreiheit, wohl aber auf die Informationsfreiheit729 . Auch die Verbreitung von Tatsachen beinhaltet, was unvermeidbar ist, wertende Elemente73°, die oft nur schwer von der erstgenannten Kategorie (Ideen, Meinungen usw.) zu trennen sind731 : Die individuelle Stellungnahme zu den Quellen und die Art und Weise der Berichterstattung beinhalten immer eine gewisse Wertung 732 . Dies hat auch das spanische Verfassungsgericht anerkannt, indem es ausführt, daß es in manchen Fällen schwierig ist, das Artikulieren von Gedanken und Meinungen von der reinen informativen Verbreitung von Tatsachen zu trennen, da jenes bei der Darstellung oder

729 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2. Siehe den Fall Lingens, Urteil des EGMR vom 8. Juli de 1986, in 103 A PECHR. 730 Siehe Manuel FemandezAreal, La protecci6n de ... , S. 210-211 . 731 Siehe Mare Carrillo, Derecho a Ia... , S. 190. 732 Siehe Ekkehart Stein, Derecho Politico (Übersetzung von F. Sainz Moreno), Madrid, 1973,

s. 128.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

177

Beschreibung von Tatsachen Hilfe leistet und umgekehrt: Die Verbreitung von Tatsachen beinhaltet damit fast immer irgendeine Meinungsäußerung7 33.

cc) Verfassungsmäßigkeit der Information ohne Wahrheitsgarantie

a) Information ohne absolute Garantie des Wahrheitsgehalts ist nicht falsche Information

Da die absolute Wahrheit praktisch unerreichbar ist, stellt sich die Frage, inwieweit das Wahrheitserfordernis Voraussetzung für die Verbreitung einer Information sein muß. Die Ausübung des Rechts auf Information besteht in der freien Verbreitung und dem Erhalt wahrer Information734 . Falls die übermittelte Botschaft nicht wahr ist, handelt es sich grundsätzlich nicht um eine Ausübung der Informationsfreiheit7 35. Das Problem des Fehlens einer absoluten Wahrheitsgarantie muß soweit wie möglich gelöst werden. Dazu ist es erforderlich, zu verschiedenen Kriterien zu greifen. Obgleich von der Vermutung ausgegangen wird, daß jeder im Informationswesen Tätige einen tatsächlichen "animus informandi" besitzt, ist es nötig, ihm die Pflicht aufzuerlegen, soweit er dies vermag, den Wahrheitsgehalt einer Information zu bestimmen, wobei im Fall eines Konflikts mit anderen Rechten der Nachweis ausreicht, daß die Erforschung sorgfältig vorgenommen wurde736 . Dies beinhaltet eine Prüfung der Information oder Nachricht (als das letzte Glied in der Kette des Informationsprozesses) vor ihrer Veröffentlichung bzw. Verbreitung 737 und zudem, soweit möglich, die Erbringung des Beweises, daß die Information oder Nachricht wahr ist738 .

733 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 7 3 4 Art. 20 Abs. I. d) CE. 735 Siehe Javier Dei Rey Morato, Crftica de Ia raz6n periodfstica, Madrid, 1988, S. 19. 736 Vgl. G. Quintero Olivares, S. 79; Manuel Ferrumdez Areal, La protecci6n de ..., S. 204.

73 7 Vgl. Henning Röhl, S. 18-22. 738 Siehe R. Dumas, S. 184. 12 Crcmadcs

178

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

Man kann also von einem unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ausreichenden Wahrheitsgehalt sprechen739 , wenn die subjektive Wahrheit eines sorgfaltigen Berichterstatters740, der in der Regel ein bestimmtes Maß an Wirklichkeitstreue besitzt74 1, vorliegt742. Diese Sorgfaltspflicht gilt nicht ausschließlich nur für den Journalisten, Berichterstatter oder denjenigen, dem eine besondere Informationspflicht obliegt743 , sondern für jeden, der aktiv in den Kommunikationsprozeß eingreift. Folglich wird jeder, der Nachrichten an die Öffentlichkeit gibt, von der Verfassung geschützt, es sei denn, es handle sich um eine vorsätzliche oder fahrlässige Übermittlung falscher Nachrichten744 . Die Verbreitung bloßer Gerüchte, also reiner Erfindungen oder böswilliger Unterstellungen als Tatsachen genießt keinen rechtlichen Schutz, denn eine Informationsverbreitung, die sich über die Wahrheit hinwegsetzt, verletzt, so auch das spanische Verfassungsgericht, das Recht aller auf Information745 . Die Unmöglichkeit eines absoluten Wahrheitserfordernisses erlangt besondere Bedeutung, wenn die Informationsfreiheit im Hinblick auf Personen oder Sachverhalte des öffentlichen Lebens ausgeübt wird, da hierdurch auf besondere Weise die öffentliche Meinung mitgeformt wird.

739 Zum Rechtsvergleich siehe Theodor Maunz I Reinhold 7ippelius, S. 194-195. 740 Vgl. G. Quintero 0/ivares, S. 79. 741 Siehe M. Pedrazza Gorlero, I! giornalismo nell'ordinamento... , II, S. 909. 742 Vgl. Jose Luis Martinez Albertos, Efectos de Ia tecnologia electr6nica sobre Ia comunicaci6n periodistica, in: Revista de Ciencias de Ia lnformaci6n, Nr. 5, Madrid, 1988, S. 81. 743 Siehe Manuel Femandez Areal, La responsabilidad penal del informador, in: Poder Judicial, Sonderheft XIII, 1990, S. 261 . 744 Siehe S. Muiioz Machado, Libertad de prensa... , S. 154-155. Machado vertritt ebenso die Auffassung, daß im Falle eines Prozesses wegen Beleidigung die Pflicht, die Wahrheit der Behauptungen zu beweisen (absoluter Wahrheitsbeweis), beide Parteien gleichermaßen trifft. Siehe auch, I. Berdugo Gomez De La Torre, Honor y libertad de expresi6n, Madrid, 1987, S. 84-85; A.

Torres del Moral, Principios de Derecho..., Bd. I, S. 273. 745 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

179

ß) Förderung der Wahrheit durch die Vervielfachung der Quellen

Wegen der grundsätzlichen Unmöglichkeit, absolute objektive Wahrheit zu erreichen, genügt es, eine ausreichende Wahrheit zu erzielen. Hierbei hilft eine Vervielfachung der Quellen. Man kann sagen, daß ein System mit einem Informationsmonopol gegen das subjektive öffentliche Recht auf den Erhalt ausreichender wahrer Information verstößt, die gewöhnlich nur durch eine Vielzahl von Quellen erreichbar ist. Viilas Nogueira spricht von einem kollektiven Interesse an einer informativen Konkurrenz746 . Ebenso weist Carrillo darautbin, daß das Recht auf wahre Information sich auf Pluralismus und informative Konkurrenz gründet7 47 . Die Gegensätzlichkeit der Informationen, Nachrichten und Meinungen ist das effektivste Mittel, das der Informationsempranger besitzt, um die verschiedenen subjektiven Wahrheiten zu überwinden und auf irgendeine Weise sich der objektiven Wahrheit zu nähern.

y) Die Auffassung des spanischen Verfassungsgerichtes

Die Begründung des spanischen Verfassungsgerichts im Hinblick auf dieses Problem ist zutreffend. Die spanische Verfassung schützt jede Übermittlung wahrer Information. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Information, deren Übereinstimmung mit der Wirklichkeit nicht außer Zweifel steht, vom Schutzbereich dieses Rechts nicht mehr erfaßt wäre. Solche Informationen, die sich als irrig herausstellen oder in einem Prozeß nicht bewiesen werden können, werden nicht von vomherein dem Schutz der Verfassung entzogen. Es wird vielmehr dem Informierenden ein spezielles Sorgfaltserfordernis auferlegt, wonach er das als Tatsachen Übermittelte vorher anband objektiver Kriterien zu überprüfen hat. Insoweit entfällt die verfassungsrechtliche Garantie für denjenigen, der das Recht aller auf Infor-

746 Vilas Nogueira, S. 290. 747 Siehe Mare Carrillo, Derecho a Ia... , S. 188.

180

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

mation mißbraucht, indem er sich über das Wahrheitserfordernis bewußt oder ohne Anwendung der nötigen Sorgfalt hinwegsetzt. Demgegenüber wird gutgläubig verbreitete Information geschützt, selbst wenn ihre Richtigkeit sich letztlich doch nicht erweist. Irrige Behauptungen, so das spanische Verfassungsgericht, sind in einer freien Debatte unvermeid-

bar, da andernfalls, wenn man die Wahrheit als Bedingung für die Anerkennung durch das Recht auferlegt, die einzige Garantie rechtlicher Sicherheit das Stillschweigen ware748. c) Die Wahrheit und die Vorrangstellung (posici6n preferente)

Wie oben aufgezeigt, fungiert die Wahrheit als Schranke des Rechts auf Information. Die Vorrangstellung, die das spanische Verfassungsgericht auf die Funktion des Rechtes auf Information als Garantie einer öffentlichen Meinung stützt, die unabdingbar für den politischen Pluralismus749 und damit den

748 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 749 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1981 vom 16. März, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 12/1982 vom 31. März, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 74/1982 vom 7. Dezember, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 104/1986 vom 17. Juli, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 159/1986 vom 12. Dezember, FJ Nr. 6; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 165/1987 vom 27. Oktober, FJ Nr. 10; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 121/1989 vom 3. Juli, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 20/1990 vom 15. Februar, FJ Nr. 4; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 105/1990 vom 6. Juni, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 171/1990 vom 12. November, FJ Nr. 5; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 172/1990 vom 12. November, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 206/1990 vom 17. Dezember, FJ Nr. 3; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 143/1991 vom I. Juli, FJ Nr. 6; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 214/1991 vom II. November, FJ Nr. 6.

181

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

demokratischen Staat ist, läßt das Recht auf Information gegenüber anderen Grundrechten überwiegen750. Es muß möglich sein, daß Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden können751 . Falls dies negativ ausfällt, handelt es sich nicht um eine rechtmäßige Ausübung des Rechts auf Information. Die unwahre Information ist, wie erwähnt, keine echte Information752, sondern vielmehr Desinformation, Pseudoinformation, tendenzielle oder irrige Information usw. 753 . Das Recht, solche Informationen zu verbreiten, genießt nicht nur keine Vorrangstellung, sondern erhält gar keinen Schutz seitens der Verfassung754. Die Wahrheit ist folglich ein mit der Information untrennbar verbundenes Attribut; mit ihr genießt das Recht auf Information Vorrangstellung gegenüber anderen von der Verfassung geschützten Gütern und damit auch gegenüber anderen Grundrechten.

d) Die Wahrheit bei der Obermittlung von Werbung Man kann zwischen drei Erscheinungen innerhalb der Massenkommunikation unterscheiden, die, wenngleich sie nicht immer in adäquater Weise voneinander trennbar sind, dennoch begrifflich unterscheidbar sind: Information, Werbung und ideologische Propaganda755_ 750 Angel Rodriguez Diaz, La posici6n preferente... , S. 48. Diese bevorzugte Position des Rechtes auf Information wird vom spanischen Verfassungsgericht und nahezu der gesamten Lehre in Spanien anerkannt. Einige Autoren lehnen sie allerdings ab: Vgl. Manuel Fernande;:. Areal, La

protecci6n de ..., S. 222. 751 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 107/1988 vom 8. Juni, FJ Nr. 2.; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6/1988 vom 21. Januar, FJ Nr. 5. 752 Manuel Fernandez Areal, La protecci6n de ..., S. 202.

753 Siehe

Luka Brajnovic, S.

37.

Über die Desinformation vgl. Maria Fraguas De Pablo,

Teorfa de Ia desinformaci6n, Madrid, 1985. 754 Siehe Carlos Soria, EIderecho a..., S. 95. 755 So Manuel Fernandez Areal, La protecci6n de ..., S. kommunikativen Interaktion vgl. G. Maletzke, S. 89 ff.

203.

Über die Faktoren der

182

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

aa) Wird die Werbung von der Verfassung geschützt?

Wie Barrendt ausführt, genießt die Veröffentlichung zu Werbezwecken denselben generellen Schutz wie die Meinungsfreiheit756 . Dies ist in den letzten Jahren mit geringen Abweichungen allgemein in fast allen Rechtssystemen anerkannt worden757 . In den USA erhält die Veröffentlichung zu Werbezwecken allerdings einen eingeschränkten Schutz durch die Verfassung, der geringer ist als die übrigen von der Meinungsfreiheit geschützten Rechte758 . In Europa haben sich sowohl die Europäische Menschenrechtskommission wie auch der EuGH für Menschenrechte für den allgemeinen Schutz der Werbung durch die Meinungsfreiheit ausgesprochen759 . Es darf nicht übersehen werden, daß die Rechtsprechung des EuGH für Menschenrechte direkte Anwendung in Spanien findet. Obwohl der Art. I 0 756 Eric Barrendt, Freedom of speech, Oxford, 1989, S. 54. Siehe auch Heinz Georg

Bamberger, S. 74. 757 Vgl. Laurence BoissanDe Chazoumes, Publicite commercia1e et 1iberte d'expression dans le cadre du Conseil de l'Europe, in: RGDIP, Nr. 4, 1988, S. 936-7; J. Peter Byme, S. 260; Lisa F. Firenze, S. 146. 758 So Rechtsprechung und Lehre in den USA. Vgl. David A. Strauss, Persuasion, autonomy, and freedom of expression, in: CLR, März 1991, Nr. 2, Bd. 91, S. 345-346; Helen Hershkoff I AdamS. Cohen, S. 900, Fußnote 21; Lisa F. Firenze. S. 138 sowie das Urteil des amerikanischen Supreme Court Centrat Hudson Gas & Elec. Corp. v. Public Serv. Comm'n, 447 U.S. 557, 562-63 (1980). Obwohl das Schutzniveau geringer ist, besteht ein echter verfassungsrechtlicher Schutz der Werbung: Urteile Virginia State Board of Phannacy v. Virginia Citizens Consumer Council, 425 U.S. 748 (1976), Linmark Associates, lnc. v. Township of Willingboro, 431 U.S. 85 (1977). In diesen beiden Fällen erklärte der Supreme Court Beschränkungen bestimmter Werbeformen für ungültig und lehnte das von der Regierung vorgebrachte Argument, wonach die fragliche Werbung zu einem für die Gesellschaft schädlichen Verhalten führe, als nicht akzeptabel ab. In einem anderen Urteil bekräftigte der Supreme Court diese Argumentation mit der Aussage, daß die Regierung Werbung nicht vornehmen dürfe, weil ihrer Aussage ein zu großes Gewicht zukomme:

Posatlas de Puerto Rico Associates v. Tourism Co. of Puerto Rico, 478 U.S. 328 (1986). In diesem Zusammenhang ist das wichtigste Ergebnis der Rechtsprechung des Supreme Court die Definition der commercial speech: Siehe Central Hudson Gas & Elec. Corp. v. Public Serv. Comm 'n, 447 U.S. 557,561 (1980). 759 Fall Barthold, Urteil des EGMR vom 25. März 1985, in 90 A PECHR. Vgl. Rosario

Sapienza, Pubbliciti commerciale e IiberlA d'espressione nella Convenzione Europea dei Diritti dell'Uomo: il Fall Barthold, in: Rivista trimestrale di diritto pubblico, Heft Nr. 3, 1987, S. 733.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

183

EMRK die Werbung nicht ausdrücklich erwähnt, hat der EuGH für Menschenrechte dennoch anerkannt, daß sich die Garantien dieser Vorschrift auch auf die Werbung erstrecken760. Auch wenn die EMRK nur einen Minimalstandard der Grundrechte darstellt, hat der EuGH für Menschenrechte das Niveau eines effektiven Schutzes in Europa und damit auch in Spanien angehoben761 . Ein guter Beleg dafür ist gerade die indirekte Anerkennung des informativen Charakters der Werbung. Demzufolge wird die Werbung für eine Äußerung von menschlichen Gedanken gehalten, die trotz ihrer instrumentellen Natur schutzwürdig ist762 . Dies ist jedoch nicht die einzige mögliche Überlegung in dieser Hinsicht. Ebenso könnte man argumentieren, daß das primäre Ziel der Werbung mehr im Überzeugen als im Informieren liegt und daß sie aus diesem Grund nicht den gleichen Schutz wie die rein informierende Tätigkeit verdient763 . Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen, da sie auf ein Element der Absichtlichkeit (den Willen zu überzeugen) abstellt, um zu dem erwähnten Schluß zu gelangen. Dieses Kriterium kann nicht dazu verwendet werden, den Grad des Schutzes zu bestimmen. Wie Strauss aufzeigt, kann die Tatsache, daß eine Rede, eine Botschaft oder die Übermittlung eines intellektuellen Produktes überzeugend wirken kann (wie dies bei der Werbung der Fall ist), nicht negativ ins Gewicht fallen764 . Die Übermittlung einer Information von allgemeinem Interesse wie bei der Vorstellung eines Produktes 765 verdient den verfassungsrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit, der unabhängig von deren Beweggründen sowohl für Vermittlung als auch den Empfang der Information gewährt werden muß766 . Wäre es etwa sinnvoll, einen graduellen Schutz zu schaffen, der von der Funktion des Information abhängt? Welches Maß an Schutz hätte dann das Abhalten einer Pressekonferenz mit einem bekannten Künstler, um 7 6° Siehe den Fall Barthold, Urteil des EGMR 25. März 1985, in 90 A PECHR. 761 Siehe E . Garcia De Enterria, EI valor en ..., S. 11. 762 Vgl. R. Sapienza, Pubbliciti commerciale e ..., S. 732; G. Ghidini, Introduzione allo studio della pubblicita commerciale, Mailand, 1968, S. 223 ff.; J. Peter Byme, S. 260. 763 Siehe Rosario Sapienza, Pubbliciti commerciale e ... , S. 737. 764 Vgl. David A. Strauss, S. 334. 765 Siehe das Urteil des amerikanischen Supreme Court: Virginia State Board of Pharmacy v.

Virginia Citjzens Consumer Council, 425 U.S. 748, 764-65 (1976). 766 Vgl. die Urteile des amerikanischen Supreme Court: Schneider v. State, 308 U.S. 147, 160-61 (1939), Heffron v. International Society for Krishna Consciousness, Inc., 452 U.S. 640, 650 (1981).

184

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

dessen neueste Kreation bekanntzumachen? Und in welchem Maße würde eine Pressekonferenz einer politischen Partei Schutz genießen, die den informierenden Medien ihr Wahlprogramm vorstellen will? Ist nicht auch der Bürger (wenn man sich in die Lage des Informationsempfängers versetzt), der sich vor dem Kauf eines Autos anband der Werbung über Preise und Produkteigenschaften informiert, schutzwürdig? Die Antwort liegt auf der Hand. Bei der Informationsverbreitung zu Werbezwecken, die schließlich auch eine Kommunikationsform darstellt, handelt es sich um einen Informationsverkehr mit Bezug zur Öffentlichkeit767 , d.h. für eine Vielzahl von Personen, wobei die Informationen allerdings zu einem klaren und legitimen Zweck vermittelt werden: im ersten Fall um den Verkauf des Kunstwerkes zu steigern (sowie allgemein den Bekanntheitsgrad des Künstlers zu verbessern), im zweiten Fall um die Wähler zu überzeugen und als Resultat davon ein besseres Stimmenergebnis zu erzielen oder, wie im letzten Beispiel, um sich für den Kauf des Autos entscheiden zu können, das am vorteilhaftesten erscheint. Alle diese Handlungen erstreben die legitime Verwirklichung eines persönlichen Nutzens768. Allerdings darf man nicht das Ziel der Werbung mit seinem essentiellen kommunikativen Charakter verwechseln, der zum gleichen rechtlichen Schutz der Werbung führen muß, wie er für die Informationsfreiheit gilt. Das Maß des Schutzes, das bei der Ausübung dieser Freiheit gewährt wird, muß sich generell nach dem Inhalt der übermittelten Information richten und nicht nach der Intention des Informanten769 . 767

Vgl. Helen Hershkoff I Adam S. Cohen, S.

907.

Der Supreme Court der Vereinigten

Staaten hat belcräftigt, daß der freie Fluß von Informationen zu Werbezwecken dem einzelnen Verbraucher beim Treffen der richtigen Entscheidung hilft und insoweit dem Interesse der Allgemeinheit generell dienlich ist: Siehe das Urteil Virginia State Board of Pharmacy v. Virginia

Citjzens Consumer Council, 425 U.S. 748, 762-765 (1976). Siehe das Urteil: Federal Election Comm'n v. Massachusetts Citizensfor life, Inc., 479 U.S. 238,258 (1986). 768 Der Supreme Court der Vereinigten Staaten vertritt den Standpunkt, daß die Ausübung der Informationsfreiheit bei der Werbetätigkeit, obwohl sie ein geringeres Maß an Schutz genießt, nicht

gänzlich ungeschützt sein dürfe, weil derjenige, der sich hierauf beruft, mittels der Ausübung dieser Freiheit einen wirtschaftlichen Vorteil erzielen wolle: Urteil Virginia State Board of Pharmacy v.

Virginia Citizens Consumer Council, 425 U.S. 748,761 (1976). 769 Vgl. diesbezüglich die Entscheidung des amerikanischen Supreme Court New York Times Co. v. Sullivan, 376 U.S. 254 (1964), in der die Notwendigkeit hervorgehoben wird, daß die

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

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Somit ist es der informative Charakter, der eine Zeitung zum Objekt des in Art. 20 CE vorgesehenen verfassungsrechtlichen Schutzes macht, unabhängig davon, ob es den Herausgebern in erster Linie auf die Erzielung von Gewinn oder auf soziale770, politische, religiöse oder kulturelle Einflußnahme ankommt771. Es besteht aus diesen allgemeinen Erwägungen heraus kein Anlaß, diesen verfassungsrechtlichen Schutz der Werbung, zumindest abstrakt betrachtet, wie in den USA772 geringer zu veranschlagen. Die amerikanische Rechtsprechung stützt ihre Position dabei auf zwei Argumente: Erstens handle es sich nicht um eine Darlegung von Gedanken, sondern um eine faktische Information, die leicht von ihrem Emittenten verifiziert werden kann773, und zweitens werde die Werbung von Gewinnstreben getragen. Diese Argumente gehen jedoch von der Konzeption einer Werbung aus, die nicht der Realität entspricht. Zumindest kann man sagen, daß dieser Standpunkt nur einen bestimmten Werbungstypus beschreibt. Die Werbung beinhaltet mehr als die bloße Schaffung eines Anreizes, den Absatz zu verbessern774. Man stelle sich z.B. eine werbende Ankündigung einer politischen Partei während eines Wahlkampfes vor. Wie bereits betont, stellt die Verbreitung von Informationen eine Ausübung des aktiven Rechts auf Information dar und ist von daher Objekt eines bevorzugten Schutzes durch die Verfassung, nämlich durch Art. 20 Abs. 1. d) CE. Nach dem Moment der Emission kommt der Augenblick des Empfanges. Jetzt greift das passive Recht auf Information ein; biermit vervollständigt sich Information von öffentlichem Interesse sein müsse, um den höchstmöglichen Schutz der Verfassung zu erhalten. (S. 266 des Urteils).

770 Vgl. aber auch Klaus Merten, Artefakte der Medienwirkungsforschung: Kritik klassischer 1991, Heft 1, S. 36-55. 77 1 Vgl. M. Pedrazza Gorlero, Il giomalismo nell'ordinamento..., Il, S. 939 und 942. 772 Vgl. Lisa F. Firenze, S. 138 und 148. 773 Vgl. Urteil der Supreme Court Virginia State Board of Pharmacy v. Virginia Citizens Consumer Council, 425 U.S. 748, 771 (1976). 774 Vgl. Lisa F. Firenze, S. 143; Urteil des SC Pittsburgh Press Co. v. Pittsburgh Comm'n on Human Relations, 413 U.S. 376, 385 (1973).

Annahmen, in: Publizistik,

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§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

der informative Charakter der Werbung. An dieser Stelle wird auch die negative Informationsfreiheit akut, also die Freiheit, nicht zum Empfang von Informationen oder Meinungen gezwungen zu werden. Daraus läßt sich ableiten, daß unterschwellige Werbung unrechtmäßig ist, da sie gegen ein unmittelbar durch Art. 20 CE geschütztes Recht, nämlich gegen das der - negativen - passiven Informationsfreiheit verstößt. Die freie Willensentscheidung zum Empfang der Information fehlt hier. Der Empfang unterschwelliger Werbung würde nämlich selbst dann, wenn ihr Inhalt der Wahrheit entspräche, gegen den Willen des Empfängers verwirklicht werden775 . Die Feststellung, daß die Werbung einen bevorzugten Schutz durch die Verfassung genießt, wenn ihr Inhalt von öffentlichem Interesse ist776, schließt also ein, daß bei der Ausübung der Werbetätigkeit die gleichen Schranken gelten777, die der Informationsfreiheit gesetzt sind, also auch das Wahrheitserfordemis.

bb) Wahre Werbung

Auch bei der Veröffentlichung von Werbung 778 ist eine Haltung zu fordern, die die Wahrheit verwirklichen will. Wenn die Werbung nicht wahr ist, täuscht sie und desorientiert. Dies berechtigt auch zu Sanktionen (zivil-, straf- oder verwaltungsrechtlicher Art), die sich je nach den Umständen des Falles richten. Diesbezüglich ist proble775 Siehe Carlos Soria, EI derecho a ..., S. 96. 776 So das Urteil des amerikanischen Supreme Court New York Times Co. v. Sullivan, 376

u.s. 254,266-67 (1964).

777 Siehe Rosario Sapienza, Pubblicita commerciale e ..., S. 738. 778 Das Gesetz über die Werbung (Ley 34/1988 vom II. November) definiert die Werbung

als jede Form der Verbreitung von Informationen und Meinungen durch eine natürliche oder juristische Person (des privaten oder öffentlichen Rechts), bei der die Ausübung einer gewerblichen, industriellen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit dem Zweck dient, direkt oder indirekt einen Vertragsabschluß über bewegliche Güter oder Immobilien, Dienstleistungen, Rechte und Pflichten herbeizuführen (LGP, Art. 1).

III. Grenzen aufgrunddes Gegenstandes

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matisch, wer für die wahre Werbung die Verantwortung trägt: entweder der Herausgeber oder aber der Initiator. In bestimmten Fällen obliegt die Verantwortung beiden779 . Schließlich muß über die Informationsvermittlung binaus eine weitere bedeutende Folge der Werbung hervorgehoben werden: Ohne sie wären das Entstehen einer Medienvielfalt und die Privatisierung der Massenmedien nicht möglich gewesen780. Ein geringes Interesse an Werbung oder gar deren Ablehnung würde den Informationsmedien eine wichtige Finanzquelle entziehen und damit die Existenz der Medien berühren781 . Die notwendige Vervielfachung der Informationsquellen wird im übrigen durch die Einnahmen aus Werbung finanziell ermöglicht. Damit wird ein plurales Informationsangebot garantiert, also das Recht auf aktive und passive Information gefördert.

779 Die Verantwortung ergibt sich aus der Entscheidung darüber, was veröffentlicht und verbreitet werden darf und was nicht. Dies beinhaltet, daß die Veröffentlichung oder Verbreitung einer Anzeige oder eines Spots eine Handlung ist, die im Ermessen des Herausgebers liegt, der ebenfalls verantwortlich ist, wenn er die der Informationsfreiheit eigenen Garantien mißachtet. Trotzdem ist es aber der Inserent, der den Inhalt der Anzeige oder des Spots bestimmt. Vgl. die Überlegungen bei Lisa F. Firenze, S. 143, 145, 167 und 169. 780 So Laurence Boissan De Chazoumes, S. 960. Vgl. Covadonga Femandez, RTVE: Ia quiebra de un modelo, in: ABC vom 29. Juni 1991, S. 36; Dietmar Pretzsch, Der Werbefernsehboom hält an - Die Entwicklung in den klassischen Medien 1990, in: Media Perspektiven, 311991, S. 147-160; Horst Stipp, Die Entwicklung der Massenmedien in den USA1980 bis 1990, in: Media Perspektiven, l/1991, S. 28-29. In diesem Zusammenhang hoffen die neuen Medien in Osteuropa, daß die Werbung ihre Finanzierung und damit ihr Überleben ermöglichen wird: vgl. Rudolf

Pr~ratill

Stanislav Perkner, Nach der Euphorie der Freiheit die

ganz normalen "schwierigen Zeiten", in: Media Perspektiven, 211991, S. 84; Peter Grass, Rumäniens Massenmedien: Neue Vielzahl und ungewisse Zukunft, in: Media Perspektiven, 211991, S. 92; Andnis Szekfo I Emöke Valko, Die ungarische Film-, Fernseh-, und Videoindustrie im Überblick, in: Media Perspektiven, 211991, S. 111. 781 Siehe Lisa F. Firenze, S. 159; Vgl. Christine Frauscher I Benno Signitzer, Unternehmenswerbung- Eine neue Form von Werbung setzt sich durch, in: MP, 511991, S. 291.

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§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

e) Nichtverfassungsrechtliche Garantien zum Schutz der Wahrheit bei der 6ftentliehen Kommunikation aa) Das Recht auf Gegendarstellung

Das Recht auf Gegendarstellung, das bereits in einem eigenen Kapitel behandelt wurde (siehe § 5 IV), stellt eine Garantie für die Wahrheit der Information dar. Herausgeber und Chefredakteure der Massenmedien entscheiden über Objekt und Inhalt ihrer Publikationen bzw. Programme 782; den natürlichen oder juristischen Personen, die sich durch die Berichterstattung geschädigt fühlen, steht ein Berichtigungsanspruch zu783. Das Gericht, dem die Entscheidung gemäß des LO 2/1984 obliegt, ist wegen des abgekürzten mündlichen Verfahrens von der Pflicht einer selbständigen Wahrheitsermittlung sowohl hinsichtlich der veröffentlichten Tatsachen als auch des Inhalts der Gegendarstellung befreit784 . Der Garantiecharakter besteht in der Verdoppelung der Darstellung, was zweifellos die persönliche Ermittlung der Wahrheit erleichtert, da infolge des Verfahrens des LODR LO 2/1984 vom 26. März 1984 keine der beiden Darstellungen für wahr erklärt wird. Die Untersuchung der Wahrheit und die Klärung von Sachverhalten kann immer a posteriori durch die von der Rechtsordnung vorgesehenen Verfahren vorgenommen werden785 . Außerdem kann der Richter den Anspruch auf Gegendarstellung verwerfen, u.a. wenn die betreffende Berichterstattung dem Richter richtig erscheint oder er die Gegendarstellung als unrichtig betrachtet. Es wird deutlich, daß im Recht auf Gegendarstellung eine individuelle Garantie zum Schutz legitimer Rechte und persönlicher Interessen gegen die

782 Lisa F. Firenze, S. 143 und 145. 783 Vgl. Art. 1 LO 2/1984 vom 26. März 1984. 784 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FFJJ Nr. 4 und 6. 785 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vom 22. Dezember, FJ Nr. 5.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

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Verfälschung der Wahrheit liegt. Zurecht bat das spanische Verfassungsgericht aber auch festgestellt, daß dieses Recht über die ursprüngliche individuelle Schutzwirkung hinaus auch die öffentlichen Meinungsbildung begünstigt, da der Zugang zu verschiedenen Tatsachendarstellungen das Interesse der Allgemeinheit an der Ermittlung der Wahrheit fördert786 . Das spanische Verfassungsgericht hat ausgeführt, daß die Pflicht zur Veröffentlichung einer schriftlichen Gegendarstellung nicht als eine rechtliebe Sanktion für die Ungenauigkeit einer Berichterstattung angesehen werden kann. Das Informationsorgan kann trotz der Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung das ursprünglich Berichtete bestätigen und zudem neue Beweise beibringen, die seinen Standpunkt bekräftigen787 . Die Schutzwirkung des Rechts auf Gegendarstellung betrifft fast ausschließlich das Recht auf Ehre. Es gewährt die Möglichkeit, bei Behauptungen, die dieses Recht verletzen, den Anschuldigungen die Wahrheit gegenüberzustellen788 . Wie oben aufgezeigt wurde, bezieht sich das Wahrheitserfordernis nur auf die Übermittlung von beweisbaren Tatsachen, jedoch nicht auf die Meinungsäußerung. Von daher können Gegenstand des Rechts auf Gegendarstellung nicht Meinungen, sondern nur Informationen sein789.

bb) Strafrechtliche Garantien

Die strafrechtliche Regelung in diesem Zusammenbang findet sieb in verschiedenen Tatbeständen: Zu nennen ist erstens die Verleumdung790 ; bei diesem Straftatbestand stellt die Unwahrheit einer Anschuldigung ein wesent-

786 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vorn 22. Dezember, FJ Nr. 5. 787 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 168/1986 vorn 22. Dezember, FJ Nr. 5. 788 Siehe M. Pedrau.a Gorlero,ll giornalisrno nell'ordinarnento... , II, S. 939 und 951. 789 Siehe Carrnen Chinchilla Marin, Derecho de inforrnaci6n... , S. 63.

790 Vgl. Art. 161 Abs. 1, 162, 240, 241 , 325, 453 bis 456, 462 bis 467 CP; CJM Art. 315; Siehe auch das LO 111982 vorn 5. Mai 1982 de protecci6n civil del derecho a1 honor, Ia intirnidad y Ia propia irnagen.

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§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

liebes Element dar791 . Auch bei der Beleidigung kann dies relevant sein792. Wer einer Beleidigung angeklagt ist, wird jedoch nur dann zum Wahrheitsbeweis zugelassen, wenn die Beleidigungen gegen Beamte gerichtet sind und sich auf Handlungen beziehen, die zu deren Amtstätigkeit gehören, oder wenn das Recht besteht, ein Verbrechen nach Art. 458 Abs. 1 des spanischen Strafgesetzbuches zu verfolgen. In diesen Fällen wird der wegen Beleidigung Angeklagte freigesprochen, wenn er die Wahrheit seiner Behauptungen beweisen kann793 . Hinzu kommt die Verbreitung von falschen, verzerrenden und tendenziösen Nachrichten durch einen Staatsangehörigen, die das Ansehen oder die Autorität des Staates schädigen oder die Würde oder die Interessen der spanischen Nation gefährden79 4 .

3. Moral und gute Sitten

a) Die Moral als Tatbestandsmerkmal der Freiheiten des Art. 20 CE

Wie oben aufgezeigt, ist die Wahrheit ein grundlegendes Element der Information; es ist moralischer Natur795. Dennoch bedeutet dies nicht, daß die Rechtsordnung eine völlige Kongruenz mit der Moralordnung voraussetzt. Nicht jeder unmoralische Akt ist gleichzeitig rechtswidrig796.

791 Vgl. G. Quintero Olivares, S. 77. 792 Art. 457 bis 461 und 462 bis 467 des spanischen Strafgesetzbuches; Art. 315 und 3 17 des C6digo de Justicia Militar; Art. 33 des Straf- und Disziplinargesetzes der spanischen Handelsmarine vom 22. Dezember 1955. Siehe auch das genannte LO 111982 vom 5. Mai. 793 Art. 461 des spanischen Strafgesetzbuches. 794 Art. 132 des spanischen Strafgesetzbuches. 795 Vgl. Antonio Torres del Moral, Etica y poder, Madrid, 1974, S. 299. 796 Siehe Carlos Soria, EIderecho a ..., S. 116; Carlos Soria, Etica y Derecho en una sociedad pluralista, in: Cuestiones etico-juridicas de Ia lnformaci6n (hrsg. v. Emmanuel Derieux), Pamplona, 1983, s. 14-17.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

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b) Kann die Moral tatstiehlich eine Grenze der Ausübung der Freiheiten des Art. 20 CE darstellen? Zur Beantwortung dieser Frage muß man von Art. 20 Abs. 4 CE ausgehen 797 . Die Moral wird im Art. 20 Abs. 4 CE nicht erwähnt. Somit ist es erforderlich zu untersuchen, ob die Moral von der Generalklausel des Art. 20 Abs. 4 CE umfaßt wird. Gemäß dieser Klausel und in Zusammenhang mit Art. 53 Abs. 1 CE kann das Gesetz Schranken für die Freiheiten des Art. 20 CE festsetzen, die jedoch immer den Wesensgehalt der durch Art. 20 CE garantierten Rechte berücksichtigen müssen. In Anbetracht der Interpretationsklausel des Art. 10 Abs. 2 CE stellt das spanische Verfassungsgericht fest798, daß - in Übereinstimmung mit Art. 29 Abs. 2 der Erklärung der Menschenrechte der UN, Art. 19 Abs. 3. b) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und Art. 10 Abs. 2 EMRK - der Gesetzgeber und die Gerichte bei der Rechtsanwendung die Moral als eine Grenze der Freiheiten und Rechte des Art. 20 CE einsetzen können799 . Dies erfolgte zum Beispiel im LO 7/1980 vom 5. Juli über die Religionsfreiheit, wonach gemäß seines Art. 3 Abs. 1 die Ausübung der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit ihre Grenze im Schutz des Rechtes der anderen bei der Ausübung ihrer Freiheiten und Grundrechte sowie im Schutz der Sicherheit, der Gesundheit und der öffentlichen Moral findet800 .

797 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 62/1982 vorn 15. Oktober, FJ Nr. 3. 798 Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 62/1982 vorn 15. Oktober, FFJJ Nr. 2 und 3 A; Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 51/1989 vorn 22. Februar, FJ Nr. 2. 799 Vgl. Juan Jose Solozabal Echevarria, Aspectos constitucionales de Ia libertad de expresi6n y el derecho a Ia inforrnaci6n, in: REDC, Nr. 23, 1988, S. 152. Vgl. Gilbert-Hanno Gomig, S. 203-204; Fall Handyside, Urteil des EGMR vorn 7. Dezember 1976, in 24 A PECHR. 800 Art. 3 Abs. I LO 7/1980 vorn 5. Juli 1980.

192

§ 6 Grenzen der Meinungsfreiheit

c) Moral und gute Sitten als Schranken der Meinungsfreiheit Das spanische Verfassungsgericht führt aus, daß die öffentliche Moral als ein allgemeines ethisches Element des sozialen Lebens je nach Epoche und Land unterschiedlich konkretisiert wird. Das bedeutet, daß sie aus Sicht der Gesellschaft einen veränderbaren Charakter besitzt. Aus diesem Grund muß die öffentliche Moral als Grenze der Freiheiten des Art. 20 CE im Sinne eines ethischen Minimums verstanden werden, das für das Zusammenleben in der Gesellschaft erforderlich ist. Dies soll verhindern, daß wegen einer bestimmten ethischen Anschauung eine ungerechtfertigte Begrenzung der Freiheiten erfolgt801 . Die Garantie dagegen läßt sich u.a. mit Rückgriff auf die EMRK bestimmen: Insbesondere müssen die vom Gesetz vorgesehenen Restriktionen in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich sein, um den Schutz der Moral zu gewährleisten802 ; hier kommt das Verhältnismäßigkeitsprinzip803 zum Tragen.

4. Die öffentliche Ordnung

Die öffentliche Ordnung stellt ebenfalls eine Grenze bei der Ausübung der Freiheiten des Art. 20 CE dar804 . Die verfassungsrechtliche Grundlage hierfür findet sich in denselben Vorschriften wie für die öffentliche Moral. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ist Voraussetzung für die Existenz einer jeden Gesellschaft805 . Mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung gewährleistet die Rechtsordnung die Funktionsfahigkeit ihrer grundlegenden Einrichtungen.

801 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 6211982 vom 15. Oktober, FJ Nr. 3 B. 802 Art. lO Abs. 2 EMRK. 803 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 62/1982 vom 15. Oktober, FJ Nr. 5. 804 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 5111989 vom 22. Februar, FJ Nr. 2; Art. 10 Abs. 2 CE und Art. 10 Abs. 2 EMRK. 805 Vgl. Thomas I. Emerson, The system o[Freedom ofExpression, New York, 1970, S. 311.

III. Grenzen aufgrund des Gegenstandes

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Hinter diesen Begriffen stehen Rechtsgüter wie das Leben, die Gesundheit, die Freiheit, die Ehre oder das Eigentum806 . Das spanische Verfassungsgericht hat ausgeführt, daß der Schutz der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit und der öffentlichen Moral konstitutive Elemente der öffentlichen Ordnung darstellen, die in einer demokratischen Gesellschaft zu schützen sind807 . In dieser Hinsicht schränkt die spanische Rechtsordnung die Ausübung der Meinungsfreiheit ein, wenn dabei z.B. eine öffentliche Aufforderung zum Terrorismus808 oder ein Angriff auf die Autorität der Staatsorgane unternommen wird809 . Grundstt,tzlich handelt es sich dabei um öffentliche Erklärungen, die den sozialen Frieden und das öffentliche Zusammenleben in grundlegender Weise destabilisieren können. Insoweit rechtfertigt die Verteidigung der öffentlichen Ordnung eine Beschränkung der durch die Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit geschützten Rechte und Befugnisse sowie ihrer Garantien810.

5. Das Berufsgeheimnis

Das Berufsgeheimnis besteht in der Pflicht, die in bestimmten Aspekten auch ein Recht darstellt811 1. über geheime und vertrauliche Informationen, von denen ihr Träger aufgrund der Ausübung eines bestimmten Berufes oder Amtes Kenntnis hat (z.B. als Arzt, Anwalt oder Notar usw.), zu schweigen812 . 806 Vgl. Gilbert-Hanno Gomig, S. 205. 807 Siehe Urteil des spanischen Verfassungsgerichts 62/1982 vom 15. Oktober, FJ Nr. 3 A. 808 Art. 268 des spanischen Strafgesetzbuches und Art. I0 des LO 8/1984 vom 26. Dezember contra Ia actuaci6n de bandas armadas y elementos terroristas. 809 Vgl. z.B. Art. 237 CP. Allgemeine Überlegungen bei Thomas I. Emerson, The system of Freedom of Expression, New York, 1970, S. 401-412. 810 Siehe hinsichtlich des Berufsgeheimnisses der Journalisten T. R. S. Al/an, S. 131. 81 1 Art. 24 Abs. 2 am Ende CE: Das Gesetz regelt die Fälle, in denen aus Gründen(... ) des Berufsgeheimnisses keine Verpflichtung zur Aussage über mutmaßliche Straftaten besteht; Ia ley regulard los casos en que por razon de ( ... ) secreto profesional, no se estard obligado a declarar sobre hechos presuntamente delictivos. Siehe zu dieser Problematik im britischen Recht: T. R. S.

ALLAN,S.131-132. 812 Siehe E. Ruiz Vadillo, S. 148. Vgl. auch H. Prantl, Information zwischen Ausschlußrecht und Gemeinfreiheit, Bielefeld, 1982, S. 109 ff. 13 Cr