Das Öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, dargestellt am Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände [1 ed.] 9783428424214, 9783428024216

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Das Öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, dargestellt am Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände [1 ed.]
 9783428424214, 9783428024216

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 152

Das Öffentliche als verfassungstheoretisches Problem Dargestellt am Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände

Von

Alfred Rinken

Duncker & Humblot · Berlin

ALFRED RINKEN

Das Öffentliche als verfassungstheoretischee Problem dargestellt am Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 152

Recht

·»

Das Öffentliche als verfassungstheoretisches Problem dargestellt am Rechtsetatue der Wohlfahrtsverbände

Von

Dr. jur. Alfred Rinken

D U N C K E R

&

H U M B L O T

·

B E R L I N

Gedruckt m i t Unterstützung der Wissenschaftlichen Gesellschaft i n Freiburg i. Br.

Alle Recht© vorbehalten © 1971 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1971 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany I S B N 3 428 02421 4

Meinen Eltern

Vorwort Die Abhandlung hat unter dem Titel „Das öffentliche als Grundelement des freiheitlich verf aß ten Gemeinwesens, dargestellt am Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände" der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. i m Sommersemester 1969 als Dissertation vorgelegen. Das Problem des öffentlichen war zur Zeit der Planung und Abfassung dieser Arbeit ein stiefmütterlich behandeltes Thema der Staatsrechtslehre und Verfassungstheorie; erst i n den letzten Jahren trat es i n den Mittelpunkt der wissenschaftlichen und politischen Diskussion. I n der für die Drucklegung vorgenommenen Überarbeitung insbesondere der Paragraphen 8, 9,12,13,16 und 18 wurden diese neueren Beiträge i n kritischer Würdigung berücksichtigt. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Konrad Hesse, schulde ich herzlichen Dank; die langjährige Mitarbeit i n dem von i h m gehaltenen Staatsrechtlichen Seminar, aus dem heraus sich auch der Plan dieser Arbeit entwickelt hat, war für mich eine prägende Bereicherung; seine stets ermunternde K r i t i k hat die Untersuchung wesentlich gefördert. Für wichtige kritische Hinweise danke ich auch Herrn Professor Dr. M a r t i n Bullinger, dem Zweitgutachter, und Herrn Professor Dr. Joseph H. Kaiser; ihre Anregungen waren m i r bei der Anfertigung des Druckmanuskriptes eine wertvolle Hilfe. I n besonderer Weise gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Alexander Hollerbach, an dessen Lehrstuhl ich als Wissenschaftlicher Assistent jene Verbindung von Unabhängigkeit und Kooperation erleben durfte, welche die Voraussetzung freien wissenschaftlichen Forschens ist; sein sachkundiger Rat hat den Gang dieser Arbeit begleitet. I n vielen Diskussionen und durch das Lesen der Korrekturen hat Herr Dr. Stephan Graf Vitzthum m i r freundschaftliche Unterstützung gewährt. Großzügige finanzielle Förderung verdanke ich der Wissenschaftlichen Gesellschaft i n Freiburg. Freiburg i. Br., i m August 1970 Alfred

Rinken

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

17

Einleitung: Anlaß und Fragestellung der Untersuchung

21

§ 1 Das Problem des öffentlichen

21

I. Das öffentliche als Problem der konkreten Verfassungsordnung . .

21

1. Das Problemfeld

22

2. Der Rechtsstatus

25

3. Die Verfassung als Ausgangspunkt

26

I I . Die Leitfrage: Der Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände

29

§ 2 Das Problem des öffentlichen i n der Diskussion u m den Rechtsstatus der freien Wohlfahrtsverbände

31

I. Der Verfassungsstreit über die Vorrangregelungen des B S H G

31

1. Die Rechtsstellung der freien Wohlfahrtsverbände nach dem BSHG

31

2. Die verfassungsrechtliche Beurteilung i m Verfassungsstreit . .

33

3. Die verfassungstheoretische des öffentlichen

36

Tiefendimension:

Das

Problem

I I . Übersicht über den Gang der Untersuchung

38

Erster T e i l „öffentliche" und „private" Wohlfahrtspflege 1. Abschnitt Der Sachbereich Wohlfahrtspflege (Überblick) § 3 V o m Armenwesen zur Sozialhilfe

39

I. Die Gesetzgebung 1. Preußisches Armenpflegegesetz sitzgesetz (1870)

39 (1842), Unterstützungswohn39

nsverzeichnis 2. Fürsorgepflichtverordnung u n d Reichsgrundsätze (1924)

42

3. Bundessozialhilfegesetz (1961)

44

I I . Die kommunale Wohlfahrtspflege, insbes. die Elberfelder A r m e n ordnung (1853) § 4 Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege

45 47

I. Das Gemeinsame Werk der E K D

48

1. Innere Mission (1848)

49

2. H i l f s w e r k (1945)

52

3. Das Gemeinsame Werk (1957)

53

I I . Der Deutsche Caritasverband (1897)

54

I I I . Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden i n Deutschland (1917/1951)

59

I V . Die Arbeiterwohlfahrt (1919/1946)

61

V. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (1920/1949)

62

V I . Das Deutsche Rote Kreuz (1921/1950)

63

2. Abschnitt Die geläufigen Verhältnisbestimmungen mit den Begriffspaaren „öffentlich-privat", „öffentlich-frei" § 5 Die Orientierung der überkommenen Verhältnisbestimmungen liberalen Trennungsschema

am 67

I. Das Armenwesen i m Prozeß des Auseinandertretens von Staat u n d Gesellschaft

67

I I . Die Verhältnisbestimmungen i n den frühen Verhandlungen des Deutschen Vereins

74

§ 6 Das Versagen des Trennungsschemas gegenüber der sozialstaatlichen Wirklichkeit

79

I. Aspekte einer Realanalyse

79

1. Die Wohlfahrtspflege i m Prozeß der Wiederannäherung v o n Staat u n d Gesellschaft

79

2. Die „Angleichung" von „freier" u n d „öffentlicher" Sozialarbeit

81

I I . Die Unsicherheit der neuen Statusbestimmungen

82

1. Die funktionalen Ansätze der Fachdiskussion

83

2. Die Postulierung eines öffentlichen Status f ü r die freien W o h l fahrtsverbände

84

nsverzeichnis

11

Zweiter T e i l Zum Rechtsbegriff des öffentlichen 1. Abschnitt Analyse, Kritik, Hinweise § 7 Der überkommene Dualismus v o n öffentlichem Recht und P r i v a t recht u n d der neue „Bereich des öffentlichen"

87

I. Das Ungenügen des überkommenen Begriffsinstrumentariums . .

87

1. Der formale Charakter der juristischen Begriffe des öffentlichen

87

a) Die Körperschaft des öffentlichen Rechts u n d der Beliehene

87

b) öffentliches Recht u n d Privatrecht

92

2. „Überschießende Tendenzen" auf eine materiale Betrachtung

94

a) Die gesellschaftliche Selbstverwaltung

94

b) Die Interessentheorie

95

I I . Der „Bereich des öffentlichen" 1. Die undeutlichen K o n t u r e n dieses Bereiches 2. Einzelargumente a) Partizipation am öffentlichen Kirchenstatus

98 98 99 99

b) öffentliche Bedeutung der Verbände

100

c) E r f ü l l u n g öffentlicher Aufgaben

101

I I I . Zusammenfassung

105

§ 8 Die „Verstaatlichung" des öffentlichen i m staats- u n d verwaltungsrechtlichen Formalismus 107 I. Die Prägung des Rechtsbegriffs des öffentlichen i n der Staatsu n d Verwaltungsrechtslehre des juristischen Formalismus 107 1. Der Rechtsbegriff des öffentlichen bei Paul Laband u n d Otto Mayer 107 2. Der i m formalistischen Begriff des öffentlichen gegebene Gesamtzusammenhang 109 a) Der Staatsbegriff, der Rechtsbegriff u n d die juristische M e thode 109 b) Der Dualismus von Staat u n d Gesellschaft

111

I I . Die K r i t i k am Formalismus durch die an der älteren „ P o l i t i k " orientierte Politische Wissenschaft 113 1. Die „Erinnerung" an die materiale Komponente des ö f f e n t lichen, die salus publica 114 a) Die Ablehnung einseitiger Machtorientierung

115

nsverzeichnis

12

b) Der Anschluß an die aristotelische Tradition der p r a k t i schen Philosophie 116 2. Die verengte Problemsicht dieser Lehre

118

a) Der „Rückgriff" auf die T r a d i t i o n

119

b) Die „Verfallstheorie"

120

3. „Gute Ordnung" u n d moderne Industriegesellschaft

122

I I I . Die Erweiterung der Problemdimension

123

1. Die politische Philosophie Hegels

123

a) Vernunftphilosophie (1) Traditionszusammenhang (2) Kritische Theorie

124 125 128

b) Freiheitsphilosophie

131

c) WirklichkeitsWissenschaft

133

d) Staatsphilosophie

137

2. Grenzen des Hegeischen Denkens

139

a) Theorie u n d Praxis

139

b) Verinnerlichung

142

c) Versöhnung

143

d) Idealistische D i a l e k t i k

147

I V . Die Differenzierung u n d Formalisierung der auf das Gemeinwesen bezogenen Wissenschaften 148 1. Die Problemreduzierung i m Übergang v o n C. F. v o n Gerber zu Paul Laband 149 2. Der Dualismus von Verfassungs- u n d Verwaltungsrecht

156

V. Die wissenschaftliche Behandlung des Armenwesens als Beispiel des Differenzierungs- u n d Formalisierungsprozesses 158 1. Die Polizeiwissenschaft (Robert v o n Mohl)

160

2. Hegels „Polizei" i n der „Bürgerlichen Gesellschaft"

163

3. Die Verwaltungslehre (Lorenz v o n Stein)

166

4. Die Verwaltungsrechtswissenschaft

172

a) Die staatswissenschaftliche Methode

172

b) Die juristische Methode

173

5. Die Volkswirtschaftspolitik

174

6. Die Fürsorgewissenschaft

175

§9 Zusammenfassung u n d Feststellung des Problems: Der Begriff des öffentlichen als Grundproblem der Staats-, Rechts- u n d Methodenlehre 177

nsverzeichnis § 10 Exkurs: Konsequenz u n d Öffnung des Formalismus I. Der konsequente Formalismus I I . Der „offene" Formalismus

13 183 183 188

1. Otto v o n Gierke

189

2. A l b e r t Haenel

192

a) Staat u n d Gesellschaft

192

b) Staat u n d Recht

194

c) Das System der Staatsauf gaben

198

d) Die öffentliche F u n k t i o n des Privaten

199

e) Der „offene" Formalismus

200

§ 11 Das öffentliche i n der neueren Rechts- u n d Staatslehre

202

I. Das öffentliche als Problem einer allgemeinen Rechtsehre — A r n o l d Röttgen 202 I I . Das öffentliche als Problem einer allgemeinen Staatslehre — Herbert Krüger 206 I I I . Das öffentliche als Problem einer konkreten Verfassungsrechtslehre — K o n r a d Hesse 211

2. Abschnitt Das öffentliche als Grundelement des freiheitlich verfaßten Gemeinwesens, der res publica § 12 Die Verfassung als Grundordnung des öffentlichen Gemeinwesens . . 214 I. Der Ausgangspunkt: die konkret-geschichtliche Verfassung 1. „Vorläufige"

Verfassungsinterpretation

2. A n t i n o m i e n des Verfassungsauftrags? I I . Die Verfassung als normative Gesamtverfassung

216 218 224 226

1. Die Verfassung als Gesamtverfassung des politischen Gemeinwesens 226 a) Staat — Gesellschaft — Gemeinwesen b) „Politisches" Gemeinwesen 2. Die Verfassung als normativer Gesamtplan I I I . Das politische Gemeinwesen als res publica 1. Die öffentliche S t r u k t u r des politischen Gemeinwesens

226 228 238 243 243

2. Die Schwierigkeiten einer demokratischen Grundlegung des öffentlichen 244

nsverzeichnis

14

§ 13 Die soziale Demokratie als eine spezifisch öffentliche Ordnung des Gemeinwesens 248 I. Die Öffentlichkeit: das V o l k

249

1. Normativer Anspruch

250

2. Plurale S t r u k t u r

254

3. Geschichtliche Dimension

255

4. Konkrete Verfaßtheit

256

I I . Das öffentliche: salus publica

257

1. Gemeinwohl u n d Pluralismus

257

2. Die konkrete „gute Ordnung"

259

3. Gemeinwohl als Reflexionsgebot

261

I I I . Der öffentliche Verfassungsprozeß

261

1. Politik, Pluralität u n d Publizität

261

2. Die öffentliche Verfassungsordnung

263

3. Demokratie u n d K o m p l e x i t ä t

264

4. Die dynamische Trias des öffentlichen

268

§14 Der soziale Rechtsstaat als eine spezifisch öffentliche Ordnung I. Das Recht i m öffentlichen Gemeinwesen

273 273

1. Recht u n d Staat

275

2. Staat u n d Recht

276

I I . Die öffentliche S t r u k t u r des Rechts

276

1. Substantielle Rationalität

276

2. Rechtsverwirklichung i m öffentlichen Prozeß

278

I I I . Das öffentliche Recht

279

1. Demokratie u n d Recht

279

2. Das öffentliche Recht als „Rahmenordnung"

281

3. Das öffentliche Recht als „Planungsrecht" u n d Recht"

„politisches 282

4. öffentliches Recht u n d Privatrecht

282

5. Das Problem der Souveränität

284

Inhaltsverzeichnis

15

§ 15 Das öffentliche als Garant u n d Gefährdung der Freiheit I. F u n k t i o n u n d D i a l e k t i k des öffentlichen

286 286

1. Die freiheitssichernde Aufgabe des öffentlichen I I . Das Gegenbild: Öffentlichkeit bei Carl Schmitt

286 290

Dritter Teil Die Stellung der Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen § 16 Die Statusfrage als Problem „guter Ordnung" des Sachbereichs I. K e i n einheitlicher Gesamtstatus

293 294

I I . Die V e r w i r k l i c h u n g öffentlicher Freiheit durch Organisation des Sachbereichs i m Rahmen der öffentlichen Gesamtordnung 298 1. Das Freiheits- und Demokratieproblem als „Sachproblem" . . 299 2. Elemente einer Organisation „öffentlicher Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes

Freiheit" i n den 300

a) Schutz der (privaten) Besonderheit der Verbände

301

b) Anerkennung ihrer öffentlichen Bedeutung

302

c) Angebot eines kooperativen Wahlstatus

305

d) Gesamtverantwortung der Gemeinden

306

I I I . Das Öffentlichkeitsdefizit bereichs

i n der Organisation des Sozialhilfe307

§17 Exkurs: Die Stellung der Wohlfahrtsverbände i m Gemeinwesen i m Spiegel ihres Selbstverständnisses 310 I. Die katholische Caritas

311

1. Die Verhältnisbestimmungen

311

2. Das Subsidiaritätsprinzip

315

3. Die Lehre des I I . V a t i k a n u m

317

I I . Die evangelische Diakonie

321

1. Die obrigkeitsstaatliche Tradition

322

2. Die Diskussion u m den Wohlfahrtsstaat

324

I I I . Die Arbeiterwohlfahrt

326

nsverzeichnis Schluß §18 Die Verfassungstheorie des öffentlichen u n d die öffentliche Wissenschaft des Rechts 328 Literaturverzeichnis

333

A . Allgemeiner Literaturnachweis

333

B. Sozialhilfe, Wohlfahrtsverbände

367

Personenregister

384

Sachregister

387

Abkürzungsverzeichnis ABl. AfK AG ALR AöR ArchKathKR ARSP ARWP AW BGB BGBl. Β GHZ BT BSHG BVerfGE BVerwGE c cc CIC DCV DJT DÖV DPWV DS DV

DVB1. EKD EKL

= = =

= =

= = = = =

= = =

= =

= = =

= = = = = = =

= =

=

ESozL

=

EStL

=

Fl. Bl.

=

FVO

=

G GBl.

=

2 Rinken

=

Amtsblatt A r c h i v f ü r Kommunalwissenschaften Ausführungsgesetz Allgemeines Landrecht f ü r die preußischen Staaten, 1794 A r c h i v des öffentlichen Rechts A r c h i v f ü r Katholisches Kirchenrecht A r c h i v f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie A r c h i v f ü r Rechts- u n d Wirtschaftsphilosophie Arbeiterwohlfahrt Bürgerliches Gesetzbuch v. 18. August 1896 (RGBl. S. 195) Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes i n Zivilsachen Bundestag Bundessozialhilfegesetz v. 30. J u n i 1961 (BGBl. I S . 815) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts canon canones Codex Iuris Canonici v. 19. M a i 1918 Deutscher Caritasverband Deutscher Juristentag Die öffentliche V e r w a l t u n g Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Drucksache Deutscher Verein f ü r öffentliche u n d private Fürsorge (1880—1919: Deutscher Verein f ü r Armenpflege u n d Wohltätigkeit) Deutsches Verwaltungsblatt Evangelische Kirche i n Deutschland Evangelisches Kirchenlexikon. Hrsg. ν. H. Brunotte u. O. Weber, 4 Bde, Göttingen 1956—1961 Evangelisches Soziallexikon. Hrsg. v. F. Karrenberg, 4. Aufl., Stuttgart 1963 Evangelisches Staatslexikon. Hrsg. ν. H. K u n s t u n d S. Grundmann i. V. m. W. Schneemelcher u n d R. Herzog, Stuttgart 1966 Fliegende Blätter aus dem Rauhen Hause zu H a m b u r g H o r n (seit 1844) Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht (Fürsorgepflichtverordnung) v. 13. Februar 1924 (RGBl. I S. 100) Gesetz Gesetzblatt

18 GG GS HdbDStR HdKw HDR

HdStw

HdStw

HW HZ IM Jb. JöR JR JuS JWG JZ KG KJbEKD KritJ LThK

LV MM NDV NJW NWB ÖZÖR OVG PhilJb Prot PVS QA RdJ RGBl. RGG

Abkürzungs Verzeichnis = Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland V. 23. M a i 1949 = Gesetzessammlung = Handbuch des Deutschen Staatsrechts. Hrsg. v. G. A n schütz u n d R. Thoma, 2 Bde, Tübingen 1930/32 = Handwörterbuch der Kommunalwissenschaften. Hrsg. v. J. B r i x u. a., 6 Bde, Jena 1918—1927 = Handwörterbuch der Rechtswissenschaft. Hrsg. v. F. Stier-Somlo u n d A . Elster, 8 Bde, B e r l i n 1926—1937 = Handwörterbuch der Staatswissenschaften. Hrsg. v. L . Elster, A . Weber u n d F. Wieser, 4. Aufl., 8 Bde, Jena 1923—1928, Erg.-Bd. 1929 = Handwörterbuch der Sozialwissenschaften. Hrsg. ν. Ε. v. Beckerath u. a., 12 Bde, Stuttgart, Tübingen u n d Göttingen 1956—1965 = H i l f s w e r k der Evangelischen Kirche i n Deutschland = Historische Zeitschrift = Innere Mission = Jahrbuch = Jahrbuch des öffentlichen Rechts = Juristische Rundschau = Juristische Schulung = Gesetz f ü r Jugendwohlfahrt i. d. F. v o m 11. August 1961 (BGBl. I S. 1205) = Juristenzeitung = Kirchengesetz = Kirchliches Jahrbuch f ü r die Evangelische Kirche i n Deutschland = Kritische Justiz = L e x i k o n f ü r Theologie u n d Kirche, 2., v ö l l i g neubearbT Aufl. Hrsg. v. J. Höfer u. a., 11 Bde, 3 Erg.Bde, Freib u r g i. Br. 1957—1968 = Landesverfassung = Mater et Magistra = Nachrichtendienst des Deutschen Vereins f ü r öffentliche u n d private Fürsorge (seit 1946) = Neue Juristische Wochenschrift = Neue Wissenschaftliche Bibliothek = österreichische Zeitschrift f ü r öffentliches Recht = Oberverwaltungsgericht = Philosophisches Jahrbuch = Protokoll = Politische Viertel Jahresschrift = Quadragesimo A n n o = Recht der Jugend = Reichsgesetzblatt = Die Religion i n Geschichte u n d Gegenwart. Handwörterbuch f ü r Theologie u n d Religionswissenschaft. Hrsg. v. K . Galling, 3., v ö l l i g neu bearb. Aufl., 6 Bde, Tübingen 1957—1962

Abkürzungsverzeichnis EGr

RGZ RJWG RStW RVO Schriften A W Schriften D P W V Schriften D V Staat StL

ThSt UWG VerwArch VerwRspr VG VGH VO VVDStRL VZG WBStVR

WP ZBJV ZEE ZfdA ZfP ZfSH ZgesStrW ZgesStW ZöffR ZRP ZSR ZSchwR

19

= Reichsgrundsätze über Voraussetzung, A r t u n d Maß der öffentlichen Fürsorge v o m 4. Dezember 1924 (RGBl. I S. 765) = Entscheidungen des Reichsgerichts i n Zivilsachen = Reichsjugendwohlfahrtsgesetz v. 9. J u l i 1922 (RGBl. I S. 633) = Recht, Staat, Wirtschaft = Reichsversicherungsordnung v. 19. J u l i 1911 (RGBl. S. 509) = Schriften der Arbeiterwohlfahrt = Schriften des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes e. V. = Schriften des Deutschen Vereins f ü r öffentliche u n d private Fürsorge (seit 1880) = Der Staat = Staatslexikon. Recht — Wirtschaft — Gesellschaft. Hrsg. v. d. Görres-Gesellschaft, 6., v ö l l i g neu bearb. Aufl., 8 Bde, Freiburg i. Br. 1957—1963 = Theological Studies = Unterstützungswohnsitzgesetz v o m 6. J u n i 1870 (BGBl. S. 360) = Verwaltungsarchiv = Verwaltungsrechtsprechung i n Deutschland = Verwaltungsgericht = Verwaltungsgerichtshof = Verordnung = Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer = Vierteljahrshef te f ü r Zeitgeschichte = Wörterbuch des deutschen Staats- u n d Verwaltungsrechts, begründet v. K a r l v. Stengel; 2. Aufl., hrsg. v o n M a x Fleischmann, 3 Bde, Tübingen 1911—1914 = Wahlperiode = Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins = Zeitschrift f ü r evangelische E t h i k = Zeitschrift f ü r das Armenwesen (1900—1921) = Zeitschrift f ü r P o l i t i k = Zeitschrift f ü r Sozialhilfe (seit 1962) = Zeitschrift f ü r die gesamte Strafrechtswissenschaft = Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft = Zeitschrift f ü r öffentliches Recht = Zeitschrift f ü r Rechtspolitik = Zeitschrift f ü r Sozialreform (seit 1955) = Zeitschrift f ü r Schweizerisches Recht

Einleitung: Anlaß und Fragestellung der Untersuchung § 1 Das Problem des öffentlichen I. Das Öffentliche als Problem der konkreten Verfassungsordnung Die Ausführungen Rudolf Smends „ Z u m Problem des öffentlichen und der Öffentlichkeit" 1 haben eine Grundfrage unserer politisch-rechtlichen Ordnung, die bis dahin von der neueren Staatsrechtslehre weniger grundsätzlich als technisch-positiv behandelt worden war, i n ihrer fundamentalen Bedeutung i n das wissenschaftliche Bewußtsein zurückgerufen. Seither ist der „Begriff des Öffentlichen" i n einer Fülle von Untersuchungen, Stellungnahmen und Obiter Dicta umschrieben und gedeutet, vielfach aber auch strapaziert worden. Eindeutigkeit ist bisher nicht erreicht, ein Konsens über die Bedeutung des Begriffs nicht erkennbar. I m Gegenteil! Fast jede Untersuchung lenkt die Aufmerksamkeit auf eine andere Dimension, fast jede Stellungnahme bietet einen anderen Aspekt. Schon Smend hat bekannt, i h m sei das „ u m so befremdlicher, als es hier u m Herzstücke der modernen politischen Begriffswelt" gehe. Dabei ist eine Klärung offenbar auch nicht ohne praktische Relevanz, da sie Erhellung über jenen geheimnisvollen Drang ins Publizistische bringen könnte, der nach den Kirchen, Parteien und Gewerkschaften immer weitere Kreise ergreift, und dessen normativer Bewertung eben jene grundsätzliche Unsicherheit entgegensteht. Der „rätselhafte Ehrentitel" 2 , zu dem der Begriff des Öffentlichen ganz allgemein zu werden scheint, ist über alldem eher noch rätselhafter geworden. Bei einem so kontroversen Diskussions- und Streitstand muß jeder neue Beitrag seinen Frageansatz und seine Fragerichtung sorgfältig offenlegen, damit seine Ergebnisse auf ihre relative Wahrheit nachprüfbar und seine Argumente i n ihrem Gewicht wägbar sind. Die Sicherung der Frage, die über die Fruchtbarkeit des Ergebnisses vorentscheidet, bereitet bei der Vielfalt der Fragemöglichkeiten nicht geringe Mühe. Diese Vielfalt w i r d schon von der Vielheit der Erscheinungen angezeigt, i n denen „das Öffentliche" auftritt. Die Substantive „Öffentlichkeit" und „Publizität", das substantivische „öffentliche", das A d j e k t i v „öffentlich" i n seinen unzähligen Kompositionen, von denen nur das „öffentliche 1 2

I n : Gedächtnisschrift f ü r Walter Jellinek, 1955, S. 11—20. Vgl. R. Smend, Z e v K R 1 (1951), S. 9.

22

Einleitung: Anlaß u n d Fragestellung der Untersuchung

Recht", das „öffentliche Interesse", das „öffentliche Wohl" und die „öffentliche Aufgabe" beispielhaft genannt seien: sind das alles Ausprägungen des einen „Begriffs des öffentlichen" oder handelt es sich bei diesem Begriff u m eine abkürzende und vielleicht mißverständliche Redeweise? Zerfällt etwa der Grundbegriff i n eine Reihe zusammenhangloser Einzelbegriffe? Oder gibt es ein gemeinsames Gravitationszentrum, das sie alle i n beziehungsvoller Dynamik zusammenhält? — Ist das öffentliche ein soziologisches, politikwissenschaftliches oder juristisches Problem oder alles das zugleich? Eröffnet eine fachspezifische Methode den Zugang zu seinem Verständnis oder entzieht es sich der herkömmlichen „Gewanneinteilung" der Wissenschaften, bedarf es „synoptischer" Betrachtung 3 ? 1. Das Problemfeld

Smend hat m i t wenigen sicheren Strichen den Problemumkreis gezeichnet und damit zugleich die Wegmarken des Forschungsganges abgesteckt. Anhand der Wort- und Bedeutungsgeschichte hat er auf die Vielschichtigkeit des Wortes „öffentlichkeit" hingewiesen: Öffentlichkeit ist danach erstens faktische Öffentlichkeit, formelle Publizität allen i n einem sachlichen Sinne öffentlichen Lebens; Öffentlichkeit ist sodann zweitens der Träger dieses öffentlichen Lebens, das Publikum, die „personifizierte Öffentlichkeit" und als solche i n der Demokratie die nichtorganisierte letzte Instanz; Öffentlichkeit bezeichnet schließlich i n einer normativen Überhöhung der beiden ersten Sinngehalte das eigentlichste aufgegebene Wesen moderner Staatlichkeit 4 . Indem Smend die Verschiedenartigkeit der Bedeutungsschichten und der zwischen ihnen spielenden Sinnbezüge darstellt, entzieht er den politisch-rechtlichen Begriff des Öffentlichen jeder einseitig — sei es am Faktischen, sei es am Normativen — orientierten Wissenschaft 5 . Indem er die deutsche Sonderentwicklung des Öffentlichkeitsbegriffs betont, die i m Gegensatz zur Geschichte der romanischen publicité und der angelsächsischen publicity von der Bezeichnung der Lage des Offenseins zur mühsam angeeigneten sachlich-normativen Bedeutung verläuft, stellt er das Problem des Öffentlichen i n Beziehung zur konkreten politischen Ordnung, aus deren 3 Z u r Notwendigkeit, sich aus dieser „Gewanneinteilung" zu lösen: A. Bergstraeßer, P o l i t i k i n Wissenschaft u n d Bildung, 2. Aufl. 1966, S. 18; D. Oberndörfer, P o l i t i k als praktische Wissenschaft, i n : D. Oberndörfer (Hg.), Wissenschaftliche Politik, 1966, S. 11. Vgl. auch J. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1962, S. 7 ff. 4 R. Smend, Z u m Problem des öffentlichen, S. 14,16 f. 5 Vgl. auch K . Hesse, V V D S t R L 17 (1959), S. 41: „Der Begriff des öffentlichen läßt sich als ein Rechtsbegriff weder rein normativ-formalistisch, noch dezisionistisch, noch unter Verzicht auf jedes normative Element rein v o m F a k tischen her bestimmen; er muß i n seiner Sinn- u n d Wertbezogenheit w i e i n seiner Bedingtheit durch den Wandel der geschichtlichen Gegebenheiten zugleich gesehen werden."

§ 1 Das Problem des öffentlichen

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Gesamtzusammenhang es i n seiner Bedeutung allein bestimmt werden kann. Indem er nach der Beziehung des Rechtsbegriffs des öffentlichen zu dem Begriff der tatsächlichen Publizität fragt 6 , löst er die beiden Pole des Problems aus ihrer gerade i n der deutschen Staatsrechtslehre gepflegten Isolierung und macht die geschichtlich-konkrete Ausprägung ihres Verhältnisses zum Forschungsobjekt. Das von Smend entworfene Programm kann nicht i n einem Tage erfüllt, die Lösung des i n die Vielheit seiner Bezüge gestellten Problems nicht i n einem Anlauf und gleichsam i m Handstreich erwartet werden, nur eine geduldige Einkreisung von den verschiedensten Ausgangspunkten aus darf auf Erfolg hoffen. Ein Beispiel für eine „integrative" Behandlung des Begriffs „Öffentlichkeit" und damit zugleich eine eindrucksvolle Einführung i n das Koordinatensystem des Problems verdanken w i r Jürgen Habermas 7. Er hat „bürgerliche öffentlichkeit" als epochaltypische und somit historische Kategorie dargestellt. Danach gehört i n Deutschland öffentlichkeit als eine zwischen Gesellschaft und Staat vermittelnde Sphäre, i n der sich das Publikum als Träger öffentlicher Meinung bildet und der das Prinzip der Publizität entspricht, spezifisch zur „bürgerlichen Gesellschaft", die sich i m 18. Jahrhundert als Bereich des Warenverkehrs und der gesellschaftlichen Arbeit nach eigenen Gesetzen etabliert 8 . Die feudalen Gewalten, einst Träger „repräsentativer Öffentlichkeit", hatten sich i n einem langen Prozeß der Polarisierung zersetzt und zwei deutlich abgrenzbare Bereiche freigesetzt: auf der einen Seite die Sphäre der „öffentlichen Gewalt", den modernen i n ständiger Verwaltung und stehendem Heer objektivierten National- und Territorialstaat; auf der anderen Seite als Pendant zur Obrigkeit die bürgerliche Gesellschaft als einen von der öffentlichen Gewalt deutlich abgehobenen Bereich, als die Sphäre des Privaten. I n ihr bildet sich eine zunächst literarische, dann politisch fungierende Öffentlichkeit: „Bürgerliche Öffentlichkeit" ist die Sphäre der zum „Publikum versammelten Privatleute" 9 . Der bürgerliche Rechtsstaat etabliert i m Parlament die politisch fungierende Öffentlichkeit als Staatsorgan, u m den Zusammenhang von Gesetz und öffentlicher Meinung institutionell zu sichern 10 . Habermas verfolgt den sozialen Strukturwandel und konstatiert einen politischen Funktionswandel der Öffentlichkeit i n der politischen Ordnung der modernen Industriegesellschaft 11 ; er stellt eine tendenzielle Verschränkung der öffentlichen Sphäre 6

R. Smend, Z u m Problem des öffentlichen, S. 11. J. Habermas, S t r u k t u r w a n d e l der Öffentlichkeit, 1962; A r t . : Öffentlichkeit, i n : Staat und Politik, Neuausgabe 1964 (Fischer Lexikon, 2), S. 220—226. 8 Strukturwandel, S. 12 f. ; Öffentlichkeit, S. 220 f. 9 Strukturwandel, S. 28 f., 34 ff., 38. 10 Ebd. S. 94. 11 Ebd. S. 157 ff., 199 ff. 7

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Einleitung : Anlaß u n d Fragestellung der Untersuchung

m i t dem privaten Bereich fest: i m Sozialstaat ist der Grundriß der bürgerlichen Öffentlichkeit verwischt. „Das Modell der bürgerlichen Öffentlichkeit rechnete m i t der strikten Trennung des öffentlichen vom privaten Bereich, wobei die Öffentlichkeit der zum Publikum versammelten Privatleute, die den Staat m i t Bedürfnissen der Gesellschaft vermitteln, selbst zum privaten Bereich zählte. I m Maße der Verschränkung des öffentlichen m i t dem privaten Bereich w i r d dieses Modell unanwendbar 12 ." Es mag hier dahinstehen, ob Habermas, wenn er z.B. von einer „Refeudalisierung" heutiger Öffentlichkeit spricht, der Versuchung i n vollem Umfang widerstanden hat, die Verhältnisse der Gegenwart an einem normativ applizierten historischen Modell zu messen und m i t diesem Maßstab negativ zu bewerten 13 . Das besondere Verdienst seiner Darstellung besteht i n der Plastizität der Modellzeichnung und i n ihrer Transparenz auf die konkrete historische Situation. Der Dualismus von Staat und Gesellschaft erscheint i m bürgerlichen Hechtsstaat als ein Dualismus von Öffentlichkeit und öffentlichem, als ein Dualismus des öffentlichen i m Sinn des öffentlichrechtlichen Institutionenstaates und der öffentlichkeitsbezogenen privaten Gesellschaft. Habermas hat Wirklichkeit und Wandel der bürgerlichen Öffentlichkeit beschrieben. Eine Gesamtbetrachtung des Problems des öffentlichen muß auch „die andere Seite" miteinbeziehen, die Sphäre der öffentlichen Institutionen, der öffentlichen Gewalt, des öffentlichen Rechts. Die dualistische Ausformung des bürgerlichen Rechtsstaats hat diesen institutionell öffentlichen Bereich als das Gegenüber „der Öffentlichkeit" realisiert, er hat immer mehr das öffentliche von der Öffentlichkeit und der sie tragenden Publizität getrennt. Wenn nun aber heute dieser Grundriß des dualistischen Modells verwischt ist, was bedeutet das für die Sphäre der staatlich-öffentlichen Institutionen, was bedeutet es insbesondere für die an diesem Modell geschliffenen staatsrechtlichen Begriffe und die an i h m geformte Dogmatik des öffentlichen Rechts? N i m m t man hinzu — was i m einzelnen darzulegen sein w i r d —, daß das öffentliche i n dieser Dogmatik einem Prozeß der Entpolitisierung und Formalisierung unterlag, dann ergibt sich die Öffentlichkeitsproblematik der rechtsstaatlich-sozialen Demokratie unter einem doppelten Aspekt: unter dem Aspekt der sozialen Demokratie ist zu fragen, was es heißt, 12

Ebd. S. 193. Gegenüber einer solchen Gefahr ist an die K r i t i k zu erinnern, die Erich Kaufmann an der Parlamentarismustheorie Carl Schmitts geübt hat, der er vorwarf, nach dem spiritualistischen geschichtsphilosophischen Schema der Verfallstheorie vorzugehen: „danach w i r d durch geschickte Retouchen das B i l d eines vergangenen klassischen ,goldenen Zeitalters' gezeichnet u n d dieses B i l d m i t dem wiederum nach geschickten Retouchen gezeichneten Bilde eines gegenwärtigen Zeitalters »vollendeter Sündhaftigkeit 4 konfrontiert" (GSch I S. 377). 13

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wenn die Verfassung das Gegenüber von Öffentlichkeit und öffentlichem i n einer Gesamtordnung als „Öffentlichkeitsordnung" 14 aufhebt; unter dem Aspekt des sozialen Rechtsstaats ist zu untersuchen, welche Konsequenzen die Tatsache aufgibt, daß die Reduzierung des Öffentlichen auf eine formale Kategorie nicht aufrechtzuerhalten ist. 2. Der Rechtsstatus

Die hiermit angedeuteten Fragen werden für den Juristen zum praktischen Problem, wenn er den Rechtsstatus sozialrelevanter Sachverhalte zu bestimmen hat. Dann steht er vor der seine Begrifflichkeit determinierenden Zweiteilung von Staat und Gesellschaft, öffentlich und privat, öffentlichem und privatem Recht und vor der Entscheidung, welchem „Bereich" er die Kirchen, die Parteien, die Gewerkschaften, die Presse zuschlagen soll und welche rechtlichen Folgen berechtigender und verpflichtender A r t an diese Einordnung geknüpft sind. Ernst Forsthoff hat bereits 1931 gerade bei der Frage des Rechtsstatus untersucht, „durch welches K r i t e r i u m das Öffentliche von dem Privaten geschieden" sei 15 . Er kam zu dem Ergebnis, das ausschließliche K r i t e r i u m sei „die konkrete Entscheidung des Staates darüber, was öffentlich und was privat ist" 1 6 . Diese dezisionistische Lösung beruht auf zwei Prämissen, die heute nicht ungeprüft übernommen werden können. Sie setzt erstens die strikte Trennung von Staat und Gesellschaft voraus und basiert zweitens auf einer scharfen Scheidung von Handeln und Organisation, von materialem und formalem Bereich, von Aufgabe und Institution. Die Trennung von Staat und Gesellschaft w i r d aber gerade bei der Bestimmung des Rechtsstatus immer häufiger i n Frage gestellt, gerade hier w i r d von juristischer Seite die primär soziologische Analyse von 14 R. Altmann, Das Problem der Öffentlichkeit u n d seine Bedeutung f ü r die moderne Demokratie, Diss. M a r b u r g 1954, S. 154. 15 E. Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft i m Bundesstaat, 1931, S. 1,16. 16 Die häufig zitierte Aussage Forsthoffs, die Aufnahme einer Korporation als öffentliche bedeute keine Eingliederung i n die staatliche Organisation, die Begriffe öffentlich u n d staatlich deckten sich nicht (öffentliche Körperschaft, S. 18), w a r schon damals eine systemwidrige Inkonsequenz. Sie erklärt sich aus der Schwierigkeit einer Einordnung der Kirchen u n d Gemeinden i n den Körperschaftsbegriff. Konsequenter w a r die K r i t i k v o n Tula Simons, Der A u f b a u der Kohlenwirtschaft, 1931, S. 32 A n m . 62: Jene von Forsthoff hervorgehobene „Einordnung i n den Bereich des institutionell öffentlichen" könne doch n u r als Einordnung i n die staatliche Ordnung verstanden werden, „ w e i l heute eben die öffentliche Ordnung die des Staates ist". Ob die Kirchen i n die öffentliche Ordnung i n diesem Sinne einbezogen werden könnten, sei allerdings fraglich. — I n seinem Lehrbuch des Verwaltungsrechts (9. Aufl. 1966, S. 451 f., 455 f.) stellt auch Forsthoff die Identität des öffentlichen m i t dem Staatlichen fest: Die öffentliche Körperschaft ist als mittelbare Staatsverwaltung zum Staat gewandert, die öffentlichen Religionsgemeinschaften sind aus dem engeren Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts auszuscheiden.

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Einleitung: Anlaß und Fragestellung der Untersuchung

Habermas bestätigt, die auf eine zunehmende Verschränkung hinweist; es sei nur auf die Diskussion u m den Status der Kirchen, der Parteien, der Gewerkschaften, der Verbände überhaupt, der Presse hingewiesen; hier w i r d immer wieder ein „öffentlicher Status" postuliert, der weder öffentlichrechtlich-staatlich noch privat ist. Zur Begründung dieses Status dient oft ein Schluß gerade von der Aufgabe auf die Organisation, die Forderung einer Entsprechung von materialem und formalem Bereich. Die Prämissen des Forsthoffschen Kriteriums bleiben somit problematisch. Neue Versuche bemühen sich u m umfassendere inhaltliche Definitionen des öffentlichen. So komponiert Scheffler den Begriff aus den „Elementen des öffentlichen", als welche er Integration, Ordnungsidee, Verantwortlichkeit und Anerkennung aufzählt 17 . Damit mag „Richtiges" getroffen sein. Die Ableitung dieser „Elemente", die ohne unmittelbaren Bezug auf die konkrete Verfassung erfolgt und zudem sehr unterschiedlichen staatstheoretischen Entwürfen verpflichtet ist, hat den Charakter des Willkürlichen und Zufälligen. 3. Die Verfassung als Ausgangspunkt

Demgegenüber ist die Einsicht Otto Brunners von der Geschichtlichkeit des öffentlichen zu nutzen: „ I n dem völlig formalen Begriffspaar öffentlich—privat ist privat ja überhaupt nur eine Verneinung. Die Bedeutung der Formel kann nur durch den historisch wechselnden Begriff des ,öffentlichen' bestimmt werden. Das heißt, zuerst muß die Verfassung eines politischen Gebildes beschrieben sein; erst i n dieser Verfassung erhalten die beiden Begriffe ihren Sinn 1 8 ." Einen Beitrag zur Ermittlung dieses Sinnes i n der konkreten politischrechtlichen Ordnung der geltenden Verfassung möchte unsere Untersuchung leisten. Sie sieht sich dabei vor der Schwierigkeit, daß die Verfassung selbst eine grundsätzliche Aussage zum Problem des öffentlichen 17 G. Scheffler hat den Begriff des öffentlichen i m Zusammenhang des Kirchenstatus entwickelt: Stellung der Kirche i m Staat, 1964, S. 152 ff.; zum öffentlichen Status der Gewerkschaften dann i n N J W 1965, S. 850. Dazu k r i tisch F. Ossenbühl, N J W 1965, S. 1561. — Vgl. demgegenüber die Hinweise auf die konkrete Verfassung bei H. Weber, Religionsgemeinschaften als K ö r perschaften des öffentlichen Rechts, 1966, S. 65, 68, u n d bei A. Hollerbach, V V D S t R L 26 (1968), S. 85 f. 18 O. Brunner, L a n d u n d Herrschaft, 5. Aufl. 1965, S. 123. — Z u r Geschichte des Begriffes vgl. die als Materialübersicht noch wertvolle Arbeit v o n H. Kirchner, Beiträge zur Geschichte der Entstehung der Begriffe „öffentlich" u n d „öffentliches Recht", Diss. Göttingen 1949. Neuerdings v o r allem M. Bullinger·, Über öffentliches Recht u n d Privatrecht, 1968, u n d W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 22 ff. — Z u den Verhältnissen des frühen u n d hohen Mittelalters eindrucksvoll W. Schlesinger, Die Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Neudruck 1964, S. 105 ff.

§ 1 Das Problem des öffentlichen

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unmittelbar und explizit nicht macht. Die Arbeit möchte deshalb den Versuch unternehmen, sich von einem konkreten Einzelproblem an die Grundproblematik des öffentlichen i n der geltenden Verfassungsordnung heranführen zu lassen. Ein solches Vorgehen darf nicht beanspruchen, den Blick auf alle möglichen Aspekte des Problemfeldes freilegen zu können. I n dem von der Sache und nicht w i l l k ü r l i c h eingegrenzten Fragebereich w i r d jedoch die Fragestellung aus der Beliebigkeit gelöst und eine gewisse Kontrolle der Ergebnisse an der leitenden Sachfrage gewährleistet. Das scheint vor allem dann notwendig zu sein, wenn nicht i n einem gesicherten Begriffssystem operiert werden kann, sondern Begriffe zur Debatte stehen, unter denen möglicherweise das sie tragende wirklichkeitsbezogene Systemgerüst zusammengebrochen ist. Die Behandlung des Problems auf dem Boden der geltenden Verfassung ist das Thema von zwei Abhandlungen aus jüngster Zeit: Wolfgang Martens hat „öffentlich als Rechtsbegriff" zum Gegenstand seiner Habilitationsschrift genommen, Ulrich K . Preuß hat eine Arbeit „ Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen" vorgelegt. Beide Abhandlungen werden uns i m Verlauf unserer Überlegungen beschäftigen 19 ; hier sei nur der Unterschied i n den Frageaspekten hervorgehoben. Martens fragt i n seiner rechtsdogmatischen Untersuchung nach dem Sinn von „öffentlich" als Rechtssatzbegriff; i n einer Fülle von Gesetzen spürt er den Gesetzesbegriff „öffentlich" auf und sucht, „unter Befolgung der Regeln der juristischen Hermeneutik den jeweiligen Sinngehalt zu erschließen" 20 . Dieses Vorgehen kontrastiert er scharf m i t einer von i h m für den Bereich des Verfassungsrechts neuerdings beobachteten andersartigen Betrachtungsweise, „als deren augenfälligstes Merkmal ihr Desinteresse an der Interpretation der Rechtssatzbegriffe von ,öffentlich 4 erscheint". Die Begriffsbestimmungen erfolgen dabei nach Martens durchweg ohne jede Anlehnung an das positive Recht i m Wege freier wissenschaftlicher Begriffsbildung. Soweit man damit rechtsphilosophische, staatstheoretische und soziologische Ein- oder Ansichten zum Ausdruck bringen wolle, ohne Anspruch auf ihre unmittelbare juristische Relevanz zu erheben, solle zu Angemessenheit und Fruchtbarkeit der jeweiligen Begriffsbildungen nicht Stellung genommen werden. Entschiedener Widerspruch sei jedoch anzumelden, „wenn zunehmend i n schroffem Gegensatz zur herkömmlichen Methode der Norminterpretation jene metajuristisch gebildeten Begriffe von ,öffentlich' unvermittelt zugleich i n den Rang von Rechtsinhaltsbegriffen erhoben werden". „Solche Operationen führen letztlich zur vollständigen Preisgabe jeder Rechtsdogmatik i n ihrem tradierten Verständnis zugunsten eines reinen Sub19 20

Z u Martens vgl. § 13 I I I 4, S. 270 f.; zu Preuß vgl. § 12 I I 1 b), S. 231 ff. W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 37.

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Einleitung: Anlaß u n d Fragestellung der Untersuchung

jektivismus als Interpretationsmethode 21 ." Auch Martens bestreitet der „metajuristischen Begriffsbildung" i h r Lebensrecht nicht: „Überzeugen die den so gebildeten Begriffen zugrunde liegenden staatstheoretischen oder soziologischen Erkenntnisse, ohne daß ihnen das geltende Recht entspricht, dann werden insbesondere rechtspolitische Bestrebungen i n ihnen eine unentbehrliche und legitime Hilfe finden 22." W i r teilen die Sorge von Martens über die gerade i n der Diskussion u m den öffentlichen Status zweifellos zu beobachtende Neigung, „freie wissenschaftliche Begriffsbildung" m i t juristischer Relevanz auszustatten. W i r vermögen aus dieser Analyse jedoch nicht so eindeutig die Konsequenz der Vordringlichkeit gesetzesbegrifflich-dogmatischer Untersuchungen zu ziehen, w e i l w i r Funktion und Bedeutung verfassungstheoretischer Reflexion anders beurteilen, als es bei Martens geschieht. Das Verhältnis von Verfassungstheorie (im Sinne der Theorie einer konkreten Verfassung, nicht i m Sinne einer „Allgemeinen Staatslehre") und verfassungsunterworfenen Gesetzesbegriffen läßt sich m i t dem Schema „juristisch-metajuristisch" nicht adäquat begreifen; vielmehr wäre die juristische Relevanz verfassungstheoretischer Begriffsbildung, die ja nicht „unvermittelt" sein muß, genauer zu untersuchen. Gerade der Rechtsbegriff des Öffentlichen fordert zu einer solchen Untersuchung i n besonderem Maße heraus, da dieser Begriff für die jeweilige „Staatsanschauung" i n spezifischer Weise sensibel ist und ihr als Einlaßpforte i n die einzelnen Gesetzesbegriffe dienen kann. Die von Martens aufgezeigte Neigung zur Abkehr von strenger dogmatisch-begrifflicher Jurisprudenz bei der Auslegung des Rechtsbegriffs „öffentlich" könnte auf dem Ungenügen einer nicht hinreichend verfassungsorientierten juristischen Begrifflichkeit beruhen, auf dem vielleicht nicht immer bewußten Gespür dafür, daß i n den „juristischen" Gesetzesbegriffen ein Stück vergangener Staatstradition aufbewahrt ist, daß diese gesetzliche Begrifflichkeit also zunächst von der Verfassung her begriffen werden muß. Dieser Standpunkt bestreitet die Notwendigkeit dogmatisch-juristischer Betrachtung nicht, verneint jedoch ihre isolierte Selbständigkeit und ordnet sie i n den weiteren Zusammenhang der Verfassungskonkretisierung ein; er betont die wechselseitige Ergänzungsbedürftigkeit von juristischer Dogmatik und Verfassungstheorie. I n dem Bestreben, die Frage nach dem Rechtsbegriff des öffentlichen nicht auf die isolierte Betrachtung der Gesetzesbegriffe „öffentlich" zu beschränken, sondern den Verfassungsgrund auszuloten, i n dem diese Begriffe wurzeln, trifft sich unsere Untersuchung m i t der von Preuß 23. 21

W. Martens, W. Martens, 23 U. K . Preuß a m Beispiel des 1969. 22

ebd. S. 38, 39. ebd. S. 40. y Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, untersucht verfassungsrechtlichen Status k u l t u r e l l e r Organisationen,

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Dessen Arbeit „unternimmt den Versuch, nach der Beschreibung der gesellschaftlichen Funktion bestimmter kultureller Organisationen einige Prinzipien für öffentlich verantwortliches Handeln zu entwickeln". Sie widmet sich vor allem den verfassungstheoretischen Voraussetzungen und Folgen eines Prozesses, „der dazu geführt hat, daß i n zunehmendem Maße von privatrechtlichen Organisationen Aufgaben wahrgenommen werden, die i m Rahmen des demokratischen und sozialen Rechtsstaats verfassungsrechtliche Relevanz erlangt haben" 24 . Die weitgehende Übereinstimmung i m Frageansatz verbietet eine abgrenzende Vorwegbehandlung i m Rahmen dieser einleitenden Überlegungen; die Begründung dieser Übereinstimmung und die Darlegung von Differenzen muß sich aus der inhaltlichen Auseinandersetzung ergeben 25 . I I . Die Leitfrage: Der Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände Unsere Fragestellung zielt nicht auf die Einzelanalyse einer Vielfalt von Rechtsbegriffen, sondern sucht diese Vielfalt auf einen verfassungstheoretischen „Begriff" h i n zu transzendieren. Die Struktur dieses Theorie-Begriffs kann nicht definitorisch vorweg gegeben werden, ihre Entwicklung ist Gegenstand dieser Untersuchung als Ganzer. Daß w i r uns bei diesem Unternehmen von einem konkreten Einzelproblem an das Grundproblem heranführen lassen wollen, versteht sich nicht von selbst, sondern ist Ausdruck einer — erst noch zu verifizierenden — Vormeinung, das „Grundproblem" des öffentlichen sei als solches überhaupt nur als „Sachproblem" erkennbar. Ob ein solcher konkreter Ansatz fruchtbar ist, w i r d entscheidend davon mitbestimmt, welchem Einzelproblem die Leitfunktion anvertraut wird. W i r wählen als Leitfrage die Frage nach dem Rechtsstatus der freien Wohlfahrtsverbände i m konkreten öffentlichen Gemeinwesen. Die Wahl gerade dieser recht speziell scheinenden Einzelfrage als Leitfrage wurde durch die Diskussion veranlaßt, die i n den letzten Jahren i m Verfassungsstreit u m das Bundessozialhilfegesetz und die Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes über die freien Wohlfahrtsverbände geführt worden ist und i n der i m Hintergrund eben die Frage nach dem heutigen Rechtsbegriff des öffentlichen als verfassungstheoretisches Problem sichtbar wurde (vgl. § 2). Eine genauere 24

U. K. Preuß, ebd. S. 27. Die Arbeiten v o n Preuß u n d Martens konnten n u r noch bei der Überarbeitung zur Drucklegung u n d somit n u r sehr begrenzt f ü r unsere eigenen Überlegungen fruchtbar gemacht werden. Sie hätten an weiteren Stellen eine aufnehmende oder kritisch distanzierende Verarbeitung verdient. Die Aufsätze von P.Häberle, Öffentlichkeit u n d Verfassung, i n : ZfP16 (1969), S. 273 ff., S t r u k t u r u n d F u n k t i o n der Öffentlichkeit i m demokratischen Staat, i n : P o l i t i sche Bildung, 1970, S. 3 ff., konnten n u r noch i n einigen Anmerkungen berücksichtigt werden. Die Ausführungen Häberles berühren sich i n vielen Punkten m i t den hier vorgetragenen Überlegungen. 25

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Einleitung: Anlaß u n d Fragestellung der Untersuchung

Bestimmung des Begriffs „Rechtsstatus" kann nicht vorweg gegeben werden, sie muß sich aus dem sachbestimmten Gang der Überlegungen erst ergeben. Nur soviel kann abgrenzend gesagt werden, daß unsere Frage nach dem Rechtsstatus ganz allgemein nach der Stellung dieser Verbände i n der politisch-rechtlichen Gesamtordnung fragt, oder besser i n einer weniger „statischen" Version: nach dem ihnen vom Recht zugewiesenen und freigehaltenen Wirkbereich. Damit ist unsere Fragestellung weder auf einen nur ausgrenzenden, schrankenziehenden Rechtsbegriff, noch auf einen statischen Statusbegriff festgelegt. Sie ist nicht auf eine trennende Isolierung der institutionellen von der materiellen Rechtssphäre eingeschworen, ebensowenig auf die Vorstellung eines Dualismus, innerhalb dessen es nur gleichsam nachträgliche „Verhältnisbestimmungen" geben kann. Sie hält sich vielmehr für eine Vorstellung offen, i n der öffentliche und freie Wohlfahrtspflege i n von der Aufgabe bestimmter Kooperation zusammenwirken, für die Vorstellung eines aufgabenermöglichenden sachbestimmten materiellen Rechtsstatus.

§ 2 Das Problem des Öffentlichen in der Diskussion um den Rechtestatus der freien Wohlfahrtsverbände I. Der Verfassungsstreit über die Vorrangregelungen des BSHG Die Wohlfahrtsgesetze des Jahres 19611 brachten die freien Wohlfahrtsverbände i n das helle Licht politischer und verfassungsrechtlicher Argumente. Die Frage nach der normativen Einordnung dieser Verbände i n das politische Gemeinwesen, gestellt als „Verhältnisbestimmung" von öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege, sah sich unversehens m i t dem Problem des Öffentlichen konfrontiert. Dieser Vorgang sei anhand der Auseinandersetzung u m die betreffenden Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) kurz dargestellt 2 . 1. Die Rechtstellung der freien Wohlfahrtsverbände nach dem BSHG

Das BSHG vom 30. Juni 1961 unternimmt eine umfassende Neuregelung des Fürsorgerechts. Eine solche Gesamtregelung kann nicht unbeachtet lassen, daß i n dem von ihr geordneten Sachbereich neben den „Trägern der Sozialhilfe", das sind die m i t der Durchführung des Gesetzes betrauten, meist kommunalen Behörden (vgl. §§ 9 und 96), eine Vielzahl von Institutionen fürsorgerische Tätigkeit von hoher Bedeutung entfaltet. Das Gesetz regelt das Verhältnis von Sozialhilfe und „freier Wohlfahrtspflege" 3 detailliert. Unter dem Oberbegriff „freie Wohlfahrtspflege" faßt es die „Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sowie die Verbände der freien Wohlfahrtspflege als Träger 1 B S H G v. 30. J u n i 1961, B G B l . I S. 815, ber. S. 1875. Das Gesetz t r a t am 1. 6.1962 i n K r a f t (§ 153 Abs. 1 BSGH) ; es wurde inzwischen mehrfach geändert u. ergänzt. Vgl. die Neubekanntmachung v. 18. 9.1969 (BGBl. I S. 1688). — Gesetz f ü r Jugendwohlfahrt (JWG) v o m 11. August 1961, BGBl. I S. 1206, ber. 1875, Neubekanntmachung des R J W G v. 9. 7.1922 (RGBl. I S. 633) auf G r u n d des A r t . X I V des G zur Änderung u n d Ergänzung des R J W G v. 11. 8.1961 (BGBl. I S. 1193). 2 Diese Arbeit beschränkt sich auf den Sachbereich Sozialhilfe; eine Berücksichtigung der Jugendwohlfahrt würde die ohnehin sich verästelnde Fragestellung zusätzlich m i t dem i n der Bundesrepublik Deutschland i m m e r „hochpolitischen" Problem der Erziehung belasten. Arbeiten zum J W G w e r den n u r dann herangezogen, w e n n sie der Jugend- u n d Wohlfahrtspflege gemeinsame Fragen behandeln. 3 Wenn hier dieser Sprachregelung des Gesetzes gefolgt w i r d (vgl. § 10), ist damit zu dem bedeutungsschweren Beiwort „frei" noch keine Stellung genommen.

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Einleitung: Anlaß u n d Fragestellung der Untersuchung

eigener sozialer Aufgaben" zusammen (§§10 und 93 Abs. 1). M i t der Bezeichnung „Verbände der freien Wohlfahrtspflege" folgt es einem festen Sprachgebrauch, der die folgenden sechs, der „Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege" angehörenden Verbände abkürzend so nennt: Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Caritasverband, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz, Innere Mission und Hilfswerk der Evangelischen Kirche i n Deutschland, Zentralwohlf ahrtsstelle der Juden i n Deutschland. Unter Hervorhebung der Eigenständigkeit und Selbständigkeit der freien Wohlfahrtspflege (§ 10 Abs. 1 u. 2) verpflichtet das Gesetz die Träger der Sozialhilfe zur Zusammenarbeit m i t dieser (§ 10 Abs. 2 u. 3) und regt die Bildung gemeinsamer Arbeitsgemeinschaften an (§ 95 Abs. 1). Darüber hinaus verpflichtet es die Träger der Sozialhilfe i n Sollbestimmungen, von eigenen Maßnahmen, soweit es sich nicht u m die Gewährung von Geldleistungen handelt, abzusehen, wenn die Hilfe i m Einzelfalle durch die freie Wohlfahrtspflege gewährleistet w i r d (§10 Abs. 4), und auf die Schaffung eigener Einrichtungen zu verzichten, soweit geeignete Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege vorhanden sind, ausgebaut oder geschaffen werden können (§ 93 Abs. 1 S. 2). Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege sollen i n ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialhilfe angemessen unterstützt werden (§10 Abs. 3 S. 2)4. Genaue Bestimmung w i r d über eine i n der heutigen Sozialhilfepraxis besonders wichtige Form der persönlichen Hilfe getroffen, die Beratung i n sozialen Angelegenheiten 5 : Sofern sie sich nicht auf Fragen der Sozialhilfe beschränkt, müssen die Träger der Sozialhilfe den Ratsuchenden zunächst auf die Möglichkeiten der Beratung durch Verbände der freien Wohlfahrtspflege hinweisen. Es ist dann Sache des Ratsuchenden zu entscheiden, wessen Rat er hören w i l l (§ 8 Abs. 2)e. 4 Das Gesetz nennt i n § 10 Abs. 1 als Träger eigener sozialer Aufgaben K i r chen, Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts u n d Verbände der freien Wohlfahrtspflege. Wenn es i n § 10 Abs. 3 Satz 1 u n d Abs. 4 dann kurz v o n „der freien Wohlfahrtspflege" spricht, dürften w o h l diese Träger des Abs. 1 gemeint sein (vgl. § 93 Abs. 1). Bei der Subventionsverpflichtung (§ 10 Abs. 3 Satz 2) u n d bei der Möglichkeit der direkten Beteiligung u n d Übertragung (Abs. 5) werden n u r die Verbände genannt; ebenso bei der Beratung (§8 Abs. 2). 5 Joos, Beratung als A u f t r a g moderner Sozialarbeit, i n : Jugendwohl 47 (1966), S. 309 ff. Allgemein zum Problem von „Rat u n d Beratung i m modernen Staat" vgl. W. Hennis , N D V 43 (1963), S. 8 ff. β Eine ähnliche Regelung des Verhältnisses v o n „freier u n d öffentlicher Jugendhilfe" enthalten die §§ 5 Abs. 3 u n d 8 Abs. 3 JWG. Z u beachten ist aber, daß das J W G an die Stelle der i m BSHG verwandten Sollbestimmungen schneidige Mußbestimmungen setzt. Röttgen, Z e v K R 11 (1965), S. 232 ff., 237, weist m i t Nachdruck auf die sachliche Verschiedenheit von Wohlfahrtspflege u n d Jugendpflege h i n u n d beklagt, daß diese Verschiedenheit i n der Diskussion nicht hinreichend beachtet w i r d . Das U r t e i l des B V e r f G legt dieser V e r schiedenheit k e i n Gewicht bei (BVerfGE 22, S. 180 ff.).

§ 2 Die Diskussion u n i den Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände

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2. Die verfassungsrechtliche Beurteilung i m Verfassungsstreit

Diese Verhältnisbestimmung — i n der parlamentarischen Diskussion schon umstritten 7 — war Gegenstand eines „eleganten Streits von ausholender Bewegung" 8 , der i n Normenkontrollanträgen und kommunalen Verfassungsbeschwerden dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung unterbreitet wurde 9 . Die Gegner der gesetzlichen Regelung inter-

7 Vgl. Schriftl. Bericht des Ausschusses f ü r K o m m u n a l p o l i t i k u n d öffentliche Fürsorge (Abgeordnete Frau Niggemeyer) B T - D S Nr. 2673 v. 25. 4.1961 A n i . Stenogr. Ber. 74. Teil: „Die M i n d e r h e i t . . . vertrat weiter die Auffassung, daß die Bestimmungen eine dem GG widersprechende Einengung des Rechts der Gemeinden enthalten, alle Angelegenheiten i n eigener Verantwortung zu regeln". E i n A n t r a g der FDP-Bundestagsfraktion auf Überweisung der Regierungsvorlage an den Rechtsausschuß zur Prüfung dieser Frage wurde abgelehnt (BT-Prot. 3. W P 157. Sitzung v. 3. 5.1961, S. 9022). Der gleiche A n trag w a r schon i m federführenden Ausschuß f ü r K o m m u n a l p o l i t i k u n d öffentliche Fürsorge m i t 11 gegen 10 Stimmen abgelehnt worden (vgl. V e r fassungsbeschwerde-BSHG S.46). Der B T n a h m das Gesetz m i t 193:150 Stimmen bei 3 Enthaltungen an. — Über den Gang des Gesetzgebungsverfahrens u n terrichtet übersichtlich Oestreicher, Bundessozialhilfegesetz, Kommentar, 1962, Einf. Rdnr. 5—47. Z u r K r i t i k der Gesetzgebungsarbeit: Matthes, Gesellschaftspolitische Konzeptionen i m Sozialhilferecht, 1964, bes. S. 13 ff., 17 ff., 126 ff. 8 Lerche, Verfassungsfragen u m Sozialhilfe u n d Jugendwohlfahrt, 1963, S. 6. 9 Normenkontrollanträge BSHG u n d J W G von Hessen, Hamburg, Bremen u n d Niedersachsen; Verfassungsbeschwerden B S H G u n d J W G v o n Dortmund, Darmstadt, F r a n k f u r t (Main) u n d Herne (Fundstellen s. L i t . Verz.). — Folgende Rechtsgutachten stützen die Argumente der Beschwerdeführer: Röttgen, V o r rang oder Subsidiarität der freien Jugendhilfe? (1961); Lerche, Verfassungsfragen u m Sozialhilfe u n d Jugend Wohlfahrt, 1963; Zacher, Freiheit u n d Gleichheit i n der Wohlfahrtspflege, 1964. — F ü r die Bundesregierung erstatteten Rechtsgutachten: Bachof, H a u p t - u n d Ergänzungsgutachten zum J W G (1962); Bender, H a u p t - u n d Ergänzungsgutachten zum J W G (1962), vgl. ders., DVB1. 1963, S. 87; Fröhler, Gutachten BSHG, Z f S H 2 (1963), S. 79 ff.; v. d. Heydte, Vorrang oder Subsidiarität der freien Jugendhilfe? (1961) ; Süsterhenn, Gutachten J W G (1962); Vie, Das Bundessozialhilfegesetz, ZSR 8 (1962), S. 637 ff.; vgl. auch das die Verfassungsmäßigkeit bejahende Privatgutachten zum B S H G u n d J W G von G. Küchenhoff (1962). — Stellungnahmen zu den Gesetzen u n d zum Verfassungsstreit: Caritas u n d kommunale Wohlfahrtspflege. Hrsg. v. DCV, 1963; Die Verantwortung der Kirche. Überlegungen v o n I M u n d HW zum B S H G u n d J W G (1962); Collmer, Äußerung der Hauptgeschäftsstelle I M u n d H W (1963); ders., Die Verhandlungen über das BSHG u n d das J W G v o r dem B V e r f G (1967); Resolution der A W zum Sozialhilferecht (1959); Stellungnahme der A W zum Entw. BSHG (1960) u n d zu den Verfassungsbeschwerden (1963); Stellungnahme des D P W V zur Verfassungsbeschwerde BSHG (1963); Stellungnahmen der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände zu den Verfassungsbeschwerden B S H G u n d J W G (1963). — Aus der großen Z a h l ergänzender Veröffentlichungen sei hier n u r hingewiesen auf: Franz Klein (Justitiar des DCV), Organisationsprinzip, i n : N D V (1960), S. 378 ff.; ders., Die Verfassungsbeschwerden, i n : Jugendwohl 43 (1962), S. 203 fï.; ders., Staat u n d Gemeinden (1964); Klein-Kessels, 12 Thesen (1964). V o n evang. Seite hrsg. Sammelbände: Collmer (Hg.), Beiträge zum Verfassungsstreit, 1963; Suhr (Hg.), Evangelische Stimmen, 1962. Röttgen, Soziale Arbeit, Z e v K R 1965, S. 225 fï.; Matthes, Gesellschaftspolitische Konzeptionen, 1964. Die genauen Nachw. der i n dieser u n d den folgenden A n m . abgekürzt zitierten L i t . befinden sich i m Literaturverzeichnis B.

3 Rinken

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Einleitung: Anlaß u n d Fragestellung der Untersuchung

pretierten diese i m Sinne eines „Vorrangs" der freien und einer „ F u n k tionssperre" der behördlichen Wohlfahrtspflege. Die gesetzliche Aufgabenverteilung diskriminiere die Sozialhilfe aus dem Gemeinsinn der Bürger; sie sei verfassungswidrig: der B u n d habe seine Gesetzgebung szuständigkeit f ü r die „öffentliche Fürsorge" (Art. 74 Nr. 7 GG), die i h n darauf beschränke, Vorschriften über die Sozialhilfe durch Staat u n d K o m m u n e n zu erlassen, m i t der Regelung eines Rangverhältnisses zwischen öffentlicher Sozialhilfe u n d freier Wohlfahrtspflege überschritten; er habe i n die Verwaltungshoheit der Länder (Art. 83 u n d 30 GG) eingegriffen, da er die Länder durch die Aussparung verwaltungsfreier Räume u n d die Übertragung bundesgesetzlich geregelter Aufgaben an gesellschaftliche Kräfte v o n dem ihnen zustehenden Gesetzesvollzug ausschließe 10 ; das Vorrangprinzip v e r dränge die Gemeinden aus einem historisch überkommenen Zweig der Selbstv e r w a l t u n g u n d verletze so das kommunale Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 (Art. 20 Abs. 1 u n d 28 Abs. 1 GG), das Abs. 2 G G ) 1 1 ; das Sozialstaatsprinzip Recht u n d Pflicht zur Sozialfürsorge dem Staat verleihe u n d auferlege, bleibe unbeachtet 1 2 ; schließlich sei auch das Grundrecht aus A r t . 4 GG verletzt, indem das Subsidiaritätsprinzip des thomistischen Naturrechts zum bindenden Rechtssatz erhoben u n d dem Hilfeempfänger weltanschaulich geprägte Hilfeleistung auch gegen seinen W i l l e n aufgedrängt werde 1 3 . 10 Normenkontrollantrag BSHG, S. 76; Verfassungsbeschwerde BSHG, S. 46; Lerche, Verfassungsfragen, S. 12 f., 37 ff., 140; Zacher, Rechtsgutachten, S. 136 ff., 139 („strukturprägendes Hineintreiben der ,freien 4 Wohlfahrtspflege i n den Aktionsbereich der öffentlichen Verwaltung"). — Die Vorrangregelung werde auch weder v o n einer allgemeinen Subsidiaritätsentscheidung noch v o n einer etwa aus A r t . 9 Abs. 1 GG zu folgernden speziellen Vorrangentscheidung der Verfassung legitimiert: Lerche, a. a. O., S. 25—37, wo die Gelegenheit zur Abweisung aller generellen, angeblich dem GG immanenten Subsidiaritätsvorstellungen u n d zu einer differenzierenden Exegese des A r t . 9 GG genutzt w i r d ; vgl. dazu Röttgen, Soziale Arbeit, S. 239. — Unabhängig v o n der Interpretation des Begriffs „öffentliche Fürsorge" i n A r t . 74 Ziff. 7 GG überschreite der B u n d seine Gesetzgebungskompetenz jedenfalls, da er m i t den angegriffenen Bestimmungen den Spielraum kommunaler Betätigung bestimme u n d somit K o m m u n a lverfassungsrecht setze; das werde auch nicht durch A r t . 84 Abs. 1 GG gedeckt, da die Aussparung eines verwaltungsfreien Raumes zugunsten der freien Wohlfahrtspflege weder etwas m i t dem V e r waltungsverfahren noch m i t der Behördeneinrichtung zu t u n habe. Normenkontrollantrag BSHG, S. 76; Verfassungsbeschwerde BSHG, S. 46; Röttgen, Vorrang, S. 48 („punktuelles Gemeindeverfassungsrecht"); Zacher, Rechtsgutachten, S. 137 ff.; Lerche, a. a. O., S. 60—70; Bender, Hauptgutachten, S. 64 ff. Die Frage, ob der Landesgesetzgeber ohne Verstoß gegen A r t . 28 Abs. 2 GG eine solche Vorrangregelung vornehmen könne, w i r d v o n der Verfassungsbeschwerde verneint, v o m Normenkontrollantrag offengelassen, v o n Röttgen, Vorrang, S. 29, bejaht. 11 Normenkontrollantrag BSHG, S. 78 f.; Verfassungsbeschwerde BSHG, S. 47; Lerche, a. a. O., S. 94—122, auch grundsätzlich zur kommunalen Selbstverwaltungsgarantie u n d zur Wesensgehaltsgarantie, m i t reichen Nachw., k r i tisch zur Rspr. d. B V e r w G (vgl. B V e r w G E 6,19 [25]). Ebenso Röttgen, Vorrang, S. 46; R. Scholz, Das Wesen u n d die Entwicklung der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen, 1967, S. 47, 165ff.; vorsichtig aus Bender, Hauptgutachten, S. 51. 12 Die den Gemeinden nach dem B S H G verbleibende Letztverantwortung bleibe mangels jeglicher Aufsichts- u n d Kontrollbefugnisse fiktiv. Zacher, a. a. O., S. 124 f.; Lerche, a. a. O., S. 143. 13 Verfassungsbeschwerde BSHG, S. 47; Lerche, a.a.O., S. 129 ff.; Zacher, a. a. O., S. 86 ff.

§ 2 Die Diskussion u m den Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände

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Das B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t h a t i n s e i n e m U r t e i l v o m 18. J u l i 1967 diese V o r w ü r f e z u r ü c k g e w i e s e n 1 4 . Es h a t i n seiner I n t e r p r e t a t i o n d e r u m s t r i t t e n e n B e s t i m m u n g e n i h r e k o o p e r a t i v e Z i e l s e t z u n g sehr k r ä f t i g b e t o n t ; sie v e r f o l g t e n n i c h t d e n Z w e c k , d e r f r e i e n W o h l f a h r t s p f l e g e schlechthin e i n e n V o r r a n g v o r d e r ö f f e n t l i c h e n S o z i a l h i l f e e i n z u r ä u m e n , s o n d e r n w o l l t e n die b e w ä h r t e u n d auch n a c h E r l a ß des Gesetzes w e i t e r praktizierte Zusammenarbeit zwischen i h n e n gewährleisten. Bei dieser Gesetzesauslegung seien die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken unbegründet: es handle sich lediglich u m eine Abgrenzung der öffentlichen Sozialhilfe von der freien Wohlfahrtspflege, die durch die Bundeskompetenz aus A r t . 74 Nr. 7 GG gedeckt werde 1 5 , die verwaltungsmäßige A u s führung der Bestimmungen u n d die letzte Verantwortung f ü r die Gewährung der Hilfe liege bei den Gemeinden u n d Gemeindeverbänden, also bei der L a n desverwaltung, so daß ein Eingriff i n die Verwaltungshoheit der Länder nicht feststellbar sei; da das Gesetz n u r eine vernünftige A u f gabenVerteilung u n d eine möglichst wirtschaftliche Verwendung der zur Verfügung stehenden öffentlichen u n d privaten M i t t e l sicherstellen solle, den Gemeinden aber die Gesamtverantwortung nicht genommen werde, sei auch der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung nicht angetastet 1 6 ; aus dem Sozialstaatsprinzip lasse sich die Verfassungswidrigkeit der Regelung nicht folgern, denn dieses gebe „dem Staat" k e i n Monopol auf soziale Betätigung; ein Grundrechtsverstoß gegen Art 4 GG entfalle schon wegen des i n § 3 B S H G gegebenen Wahlrechts des Hilfeempfängers 1 7 . D i e verfassungsrechtlichen A r g u m e n t e scheinen a n d e r Oberfläche z u b l e i b e n , sie h a b e n M ü h e , das P r o b l e m selbst i n d e n S c h n i t t p u n k t i h r e r

14 BVerfGE 22, S. 180—220, 2 B v F 3—8/62, 2 B v R 139, 140, 334, 335/62. Vgl. dazu G. Küchenhoff, N J W 1968, S. 433 ff. 15 Vgl. dazu Ule, Das BSHG, S. 650 f. 18 Fröhler, a. a. O., S. 100; Ule, a. a. O., S. 716 f. 17 Das BVerfG, a. a. O., S. 209, w ü r d i g t die Frage des „Wahlrechts" keiner ausführlicheren Bemerkung. I n der Diskussion w a r dieser P u n k t nicht unstreitig. Ule, a. a. O., S. 663 f., hielt i m m e r h i n eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes f ü r erforderlich, u m die Wirksamkeit des Wahlrechts zu garantieren u n d so auszuschließen, daß ein Hilfeempfänger gegen seinen W i l l e n an einen konfessionellen Verband verwiesen w i r d (vgl. auch Fröhler, a. a. O., S. 101; Wehlitz, Diakonie [1963], a. a. O., S. 148 f.). Zacher, a. a. O., S. 25, 93, hielt das f ü r eine bedenkliche Überdehnung der verfassungskonformen Auslegung, da so dem n u r als Soll-Vorschrift ausgestalteten § 3 Abs. 2 B S H G eine i h m nicht zugedachte F u n k t i o n zugeschoben werde. Lerche, a. a. O., S. 52, 129, gelangt aus einer systematischen Interpretation zu dem Ergebnis, daß die V o r rangbestimmungen der Vorschrift des § 3 Abs. 2 als lex specialis vorgeordnet seien, diese also erst zum Zuge komme, w e n n nach §§ 10 u n d 93 die behördliche Sozialhilfe überhaupt t ä t i g werden dürfe. Insofern liege ein bezeichnender Unterschied zum J W G m i t seinem § 5 Abs. 3 vor. — Das B V e r f G erwähnt solche Differenzen zwischen den beiden Gesetzen nicht. I n der Tat w i r d m a n fragen dürfen, ob die Unterschiede so betont werden müssen, ob nicht aus der Regelung des J W G i n einem so grundlegenden P u n k t vorsichtige Schlüsse auch auf das BSHG gezogen werden können. Es ist unwahrscheinlich, daß die Parallelregelungen beider Gesetze gerade i n diesem entscheidenden Punkte differieren sollten.

3*

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Einleitung: Anlaß u n d Fragestellung der Untersuchung

Lichtkegel zu bekommen, dieses entzieht sich der gewohnten Ausleuchtung. Die Bestimmungen der Verfassung zur Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz treffen auf eine atypische Fallgestaltung: gewohnt, i n ihnen die Aufteilung der staatlichen Aufgaben zwischen Bund und Ländern geregelt zu finden, vermag man ihnen nicht leicht Kriterien für die grundsätzliche Abgrenzung „staatlicher" von „freien" Agenden abzuringen. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, sonst vom „Staate" bedrängt, droht hier von der „Gesellschaft" ausgehöhlt zu werden 18 . Das Grundrecht aus A r t . 4 GG ist offenbar weniger durch einen leicht faßbaren „Eingriff" als durch die schwer greifbaren faktischen Auswirkungen der Regelung gefährdet, da das „Wahlrecht" des Hilfeempfängers sich mangels behördlicher Hilfskapazitäten als nicht effektiv erweisen könnte 1 9 . Das Sozialstaatsprinzip schließlich, von dem man am ehesten Direktiven erhofft hätte, erweist sich wieder einmal als die unbewältigte Potenz unseres Verfassungsrechts. Das Bundesverfassungsgericht konnte die Diskussion nicht i n allen Zwischentönen aufnehmen, als deren Meister sich vor allem Peter Lerche i n seinem Gutachten erwiesen hat. Darin zeigt sich der Abstand des auf Konturendeutlichkeit angewiesenen Verfassungsrechts zu der gerade die undeutlichen Randzonen i n ihre Betrachtung aufnehmenden Verfassungstheorie. 3. Die verfassungstheoretische Tiefendimension: Das Problem des öffentlichen

Die verfassungstheoretische „Tiefendimension" des Streits u m die Verhältnisbestimmungen des BSHG w i r d von mehreren Autoren angepeilt. Sie äußert sich i n der unterschiedlichen Interpretation der 18 Vgl. Bachof, Hauptgutachten, S. 44 f. (Selbstverwaltungsgarantie ist „staatsgerichtet") ; Bender, Hauptgutachten, S. 44 („als Ausfluß des Subsidiaritätsprinzips nicht gegen die Gesellschaft gerichtet"); Süsterhenn, Gutachten, S. 26 f. („Stoßrichtung" gegen die Allmacht des staatl. Verwaltungsapparates) ; Fröhler, Gutachten, S. 100 (allein gegen den Staat gerichtet, es bestehe keine Veranlassung, die Gemeinden gegen die I n i t i a t i v e ihrer eigenen Bürger i n Schutz zu nehmen). — Demgegenüber betont Lerche, Verfassungsfragen, S. 112, diese Argumentation trage der durch die modernen Gesellschaftsverhältnisse veränderten W i r k l i c h k e i t nicht Rechnung. Tatsächlich drohe dem I n s t i t u t der kommunalen Selbstverwaltung heute v o n Seiten der Verbände eine nicht geringere Gefahr als v o m Staate. 19 Die faktische A u s w i r k u n g des „Vorrangs" heben Zacher, Gutachten, S. 30, 62, 90, u n d Lerche, a. a. O., S. 131, hervor. Unverkürzte Wahlfreiheit des einzelnen setze einen Kapazitätsspielraum voraus; durch Funktionssperren u n d Unterstützungspflichten werde aber eine Tendenz der Kapazitätsknappheit der „öffentlichen" u n d des Kapazitätsvorsprungs der „freien" Wohlfahrtspflege begründet. A u f die Dauer werde sich also ein „Wahlrecht" des H i l f e suchenden i m m e r häufiger einfach mangels behördlicher Hilfsmöglichkeiten u n d Sozialeinrichtungen als nicht effektiv erweisen. I n der sensiblen Sphäre des A r t . 4 G G müßten gerade solche mittelbaren („faktischen") Interventionen beachtet werden.

§ 2 Die Diskussion u m den Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände

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Sozialstaatsklausel, die einerseits prononciert als eine Sozialstaatsklausel verstanden wird, von der nur behördliche Maßnahmen gemeint sein könnten 20 , während man andererseits gerade aus ihr eine nun endlich erfüllte Pflicht des Gesetzgebers zur Statuierung des „Vorrangs" der gesellschaftlichen Kräfte ableitet 21 . Sie kommt i n den gegensätzlichen Folgerungen zum Ausdruck, die aus dem „Pluralismus" der modernen Industriegesellschaft gezogen werden: hier eine durch ein extensiv interpretiertes Subsidiaritätsprinzip vermittelte Stärkung der Verbandsstellung, dort die Warnung vor einem den Staat schwächenden Neofeudalismus. I n alledem deutet sich an, daß es bei diesem Streit nicht einfach u m gewohnte Fragen der föderativen Ordnung, der kommunalen Garantie oder des Grundrechtsschutzes, sondern ganz grundsätzlich u m das Verhältnis von Staat und Gesellschaft geht 22 , u m die Würde, die A u f gaben und Grenzen des Staates 23 . Nach Forsthoff „sind m i t dieser Regelung Fragen von grundsätzlicher Tragweite aufgeworfen, welche das Wesen der modernen Staatlichkeit i m K e r n berühren" 2 4 . Herbert Krüger stellen die Bestimmungen eine „revolutionäre Änderung" des Staatstypus dar, einen Schritt auf dem Wege zum Weltanschauungs- und Ständestaat, da der Gesellschaft eine Rangstellung vor dem Staat eingeräumt werde; der Staat danke ab und werde zu einer Gruppe degradiert 2 5 . Arnold Köttgen hat alle diese Aspekte als Teilaspekte des einen „Problems des öffentlichen" begriffen, das er als „Zentralproblem unserer politischen Ordnung" bezeichnete 26 .

20

Normenkontrollantrag BSHG, S. 77 ; Lerche, a. a. O., S. 44. So F. Klein, Die Verfassungsbeschwerden, S. 217; vgl. auch Collmer, Beiträge zum Verfassungsstreit, S. 32. Ernster fragt UZe, Das BSHG, S. 639 ff., nach der Vereinbarkeit der Aufgabenbeschränkung des Staates m i t dem Sozialstaatsgebot. Diese sei n u r gegeben, w e n n der Staat i n der Lage sei, sich Gewißheit darüber zu verschaffen, ob die gesellschaftlichen K r ä f t e ihre sozialen Aufgaben „auf dem Gebiet der Sozialhilfe" sachgemäß erfüllen oder nicht (S. 657). Diese Möglichkeit sieht er als durch die Fassung der Sollvorschriften u n d die Angemessenheitsklausel gegebert an (S. 658). Durch die Möglichkeit der Sperrung der Subventionen sei ein „eingeschränktes Aufsichtsrecht", eine „gewisse Annäherung an das I n s t i t u t der Beleihung m i t öffentlichen A u f gaben" gegeben, so daß auch dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der V e r w a l t u n g genügt sei (S. 661). Gegen die „Beleihung" ausdrücklich das B V e r f G a. a. O., S. 203 ff. 22 Das hat Köttgen schon i n einem frühen Stadium der Diskussion hellsicht i g erkannt, vgl. DÖV1961, S. 2 f. 23 Hespe, Z u r E n t w i c k l u n g der Staatszwecklehre, 1964, S. 10, sieht i n der Parallelregelung des J W G eine Privatisierung von Staatszwecken zur „ E n t flechtung" von Staat u n d Gesellschaft. Die Frage nach A r t u n d Umfang staatlicher Aufgaben stehe unausgetragen i m Hintergrund. 24 Strukturwandlungen, 1964, S. 22. 25 Plädoyer v o r dem B V e r f G ; zit. nach Collmer, Verhandlungen (1967), a. a. O., S. 262. 28 D Ö V 1961, S. 3; vgl. ders., Soziale Arbeit, S. 240 ff. 21

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Einleitung : Anlaß u n d Fragestellung der Untersuchung

I I . Übersicht über den Gang der Untersuchung Damit ist der Ausgangspunkt unserer Untersuchung erreicht. Sie sieht sich durch den Verfassungsstreit veranlaßt, i n der Frage nach dem Status der Wohlfahrtsverbände die Frage nach dem öffentlichen zu stellen, denn die Statusfrage ist ja nichts anderes als eine andere Formulierung dessen, was i n der Diskussion als „Verhältnisbestimmung" und spezieller als „Streit u m den Vorrang" bezeichnet wird. Der Verfassungsstreit vermittelt uns ein erstes „Vorwissen" von der Komplexität dieser Frage, die als Frage nach dem öffentlichen sich i n eine große Zahl von Einzelaspekten verzweigt, die m i t den Kurzformeln Staat und Gesellschaft, Sozialstaat, Staat und Verbände angezeigt werden können. Wollte man sich diesem Problemkomplex gleichsam frontal nähern, könnte er sich als unbezwingbare Hydra erweisen. Der Weg über das sachliche Einzelproblem mag ein zeitraubender Umweg sein, w i r hoffen, daß er einen umso sichereren Zugang eröffnet. Zumindest ist bei diesem Vorgehen gewährleistet, daß das Problem des öffentlichen sich nicht zu einem freischwebenden „Problem an sich" verflüchtigt, sondern i n seiner Realitätsbezogenheit bewußt bleibt. Als „Grundproblem" ist es immer zugleich auch „Sachproblem". Die damit i n einem ersten Vorgriff erfaßte Fragestellung muß präzisiert und aufgeschlüsselt werden. I n einem ersten Teil werden deshalb — nach einem Uberblick über den Sachbereich Wohlfahrtspflege — die geläufigen Gegenüberstellungen von „öffentlicher" und „privater", „öffentlicher" und „freier" Wohlfahrtspflege kritisch geprüft. Diese Prüfung führt h i n zu einer grundsätzlicheren Reflexion über den Begriff des öffentlichen. Diese w i r d i n einem zweiten Teil versucht. Auch hier streift der Blick zunächst über ältere und neuere Lösungsvorschläge, u m Zusammenhänge aufzuspüren, Anregungen aufzunehmen und Fehlgriffe zu vermeiden. Dann erst kann i n aller Vorläufigkeit ein eigener Entwurf gewagt werden, i n dem das Öffentliche nicht als formaler „Begriff", sondern als Grundelement des freiheitlich verfaßten Gemeinwesens verstanden wird. I n einem dritten Teil werden einige Folgerungen für die Rechtsstellung der Wohlfahrtsverbände beschrieben, nicht mehr i n der Befangenheit des sich ausschließenden Gegenüber von „öffentlich" und „privat", sondern als ein Status im öffentlichen Gemeinwesen. M i t einer kritischen Würdigung des Selbstverständnisses der Verbände von ihrem Verhältnis zum Staat und einem Rückblick über den zurückgelegten methodischen Weg schließt die Untersuchung.

Erster

Teil

„öffentliche" und „private" Wohlfahrtspflege Erster Abschnitt

Der Sachbereich Wohlfahrtspflege (Überblick) § 3 Vom Armenwesen zur Sozialhilfe Vor allen weiteren Überlegungen zum Status der Wohlfahrtsverbände muß ein einführender Überblick über den Sachbereich „Wohlfahrtspflege" gegeben werden. Dabei w i r d der Begriff Wohlfahrtspflege i n einem weiten, die Bedeutungsgehalte Armenpflege, Fürsorge und Sozialhilfe umfassenden Sinne gebraucht. Die heutige Problematik einer rechten Zuordnung von staatlich-kommunaler und freier Wohlfahrtspflege ist nur verständlich, wenn die Akteure i n ihrer geschichtlich geprägten Gestalt vorgestellt werden. Für den Beginn eines kurzen historischen Rückblicks drängt sich ein markanter Zeitpunkt auf: die Mitte des 19. Jahrhunderts. Hier treten die drei, die Zukunft bestimmenden Elemente i n einer von der weiteren Vergangenheit deutlich unterscheidbaren Gestalt i n Erscheinung: die staatliche Armengesetzgebung, die kommunale Fürsorge, die Liebestätigkeit i n freien Assoziationen. 1842 erläßt Preußen ein Armenpflegegesetz, dessen Grundsätze die weitere Gesetzgebung unmittelbar beeinflußt haben. 1848 gründet Wichern die Innere Mission, die die neue Organisationsmöglichkeit der Assoziation für die freie Wohltätigkeit nutzbar macht; er dokumentiert damit zugleich einen neuen Anlauf zu kirchlich gebundenem, sozialem Wirken 1 . 1853 gibt sich die Stadt Elberfeld eine Armenordnung, die späteren Reformen wegweisend wurde. I. Die Gesetzgebung 1. Preußisches Armenpflegegesetz (1842) und Unterstützungswohnsitzgesetz (1870)

Das preußische Gesetz über die Verpflichtung zur Armenpflege vom 31.12.1842 2 enthielt zwei die weitere Entwicklung des Armenrechts be1 W. Conze, Das Spannungsfeld von Staat u n d Gesellschaft i m Vormärz, i n : ders. (Hg.), Staat u n d Gesellschaft i m deutschen Vormärz 1815—1848, 1962, S. 261. 2 Preuß GS 1843, S. 8, ergänzt durch G ν. 21. 5.1855, Preuß GS S. 311. Z u r Gesetzgebung v o n 1842 u n d 1870: Emminghaus (Hg.), Armenwesen u n d Armengesetzgebung, 1870; Arnoldt, Freizügigkeit u n d Unterstützungswohn-

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Der Sachbereich Wohlfahrtspflege

s t i m m e n d e G r u n d s ä t z e : das P r i n z i p der gesetzlichen öffentlichen Z w a n g s a r m e n p f l e g e u n d das W o h n s i t z - u n d A u f e n t h a l t s p r i n z i p . M i t der E n t s c h e i d u n g f ü r die öffentliche Z w a n g s a r m e n p f l e g e u n d der d a r i n l i e g e n d e n E n t s c h e i d u n g gegen eine Ü b e r l a s s u n g des A r m e n w e s e n s a n die f r e i w i l l i g e e h r e n a m t l i c h e T ä t i g k e i t d e r G e m e i n d e n u n d a n d e r e r gesellschaftlicher V e r e i n i g u n g e n k o n n t e es a n die ä l t e r e preußische Gesetzg e b u n g a n k n ü p f e n . Schon das Preußische A l l g e m e i n e L a n d r e c h t , sosehr es i n der A u f n a h m e ständischer V i e l f a l t d e r V e r g a n g e n h e i t v e r p f l i c h t e t w a r , h a t t e „ d i e S t ä n d e u n d Gesellschaften des Staates j e d e r r e c h t l i c h e n A u t o n o m i e b e r a u b t , i h r e Rechte u n d P f l i c h t e n w u r d e n — als staatlicher A u f t r a g — aus d e m G e s a m t z w e c k des Staates a b g e l e i t e t " 3 . M i t d e r V e r t e i l u n g d e r U n t e r s t ü t z u n g s p f l i c h t nach d e m W o h n s i t z - u n d A u f e n t h a l t s p r i n z i p 4 h i e l t das Gesetz v o n 1842 a m G r u n d s a t z d e r F r e i z ü g i g k e i t fest, o b w o h l die G e m e i n d e n dagegen h e f t i g o p p o n i e r t e n , w e i l i h n e n die A b schiebung zuziehender A r m e n l a s t e r s c h w e r t w u r d e , eine M ö g l i c h k e i t , w e l c h e die a m H e i m a t p r i n z i p o r i e n t i e r t e Gesetzgebung 5 offenhielt. E i n e n gewissen Schutz d e r G e m e i n d e n f ü h r t e die N o v e l l e v o m 21. 5.1855 ein. sitz, 1872; Silber schlag. Sociale Gesetzgebung, 1882; Münsterberg, Die deutsche Armengesetzgebung, 1887; Breithaupt, öffentliches Armenrecht, 1915; Diefenbach, Reichsarmengesetz, 1920; ders., H d S t w I. (1923), S.967; Wolfram, V o m Armenwesen zum heutigen Fürsorgewesen, 1930. 3 R. Koselleck, Staat u n d Gesellschaft i n Preußen 1815—1848, i n : Conze (Hg.), Staat u n d Gesellschaft ( v g l . A n m . 1), S. 58. Vgl. A L R § 1 I I 19: „ D e m Staate k o m m t es zu, f ü r die Ernährung u n d Verpflegung derjenigen Bürger zu sorgen, die sich ihren Unterhalt nicht selbst schaffen u n d denselben auch von anderen Personen, welche durch besondere Gesetze dazu verpflichtet sind, nicht erhalten können." Der Staat delegierte dieser Verpflichtung auf k o m munale Verbände höherer Ordnung, die sog. Landarmenverbände: § 9 G v. 1842. Von der „Staatsarmenpflege" blieb hier also n u r ein Gesetzgebungsrecht u n d eine Oberaufsicht des Staates, vgl. Lammers, Staats-Armenpflege, 1881, S. 7. 4 Danach hatte die Gemeinde die Armenpflege zu übernehmen, i n der der Verarmte als M i t g l i e d ausdrücklich aufgenommen war, oder nach Maßgabe des Gesetzes einen Wohnsitz erworben hatte, oder nach erlangter Großjährigkeit drei Jahre lang v o r dem Zeitpunkt, i n welchem seine Hilfsbedürftigkeit hervorgetreten war, seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hatte. Breithaupt, öffentliches Armenrecht, S. 93. — Z u r K r i t i k des Gesetzes vgl. R. Koselleck, Preußen zwischen Reform u n d Revolution, 1967, S. 631 ff.; siehe unten § 5 bei A n m . 22. 5 Nach der Heimatgesetzgebung ist die öffentliche Armenpflege nichts anderes als die erweiterte privatrechtliche Alimentationsverpflichtung der Familie, bezogen auf sämtliche Mitglieder einer Gemeinde. Jeder Staatsbürger ist i n einer Gemeinde heimatberechtigt; dort hat er das Recht der Niederlassung u n d Eheschließung u n d einen Anspruch auf Armenversorgung. Die einmal erworbene Heimat k a n n n u r durch Erwerb einer neuen Heimat verloren werden. Die Gemeinden suchten zu verhindern, daß Zuziehende bei ihnen Heimatrechte erwarben, u m sie bei Verarmung an den alten Heimatort abschieben zu können. Z u r Bayrischen Heimatgesetzgebung vgl. Münsterberg, Armengesetzgebung, S. 105 ff. Die zwischenstaatlichen Vereinbarungen, die Gothaer Konvention v. 15. 7. 1851 u n d die Eisenacher Konvention v. 11. 7. 1853, erleichterten den Erwerb der Heimat für Ausländer nicht, sondern erschwerten den ungehinderten Zuzug; Münsterberg, a. a. O., S. 132 ff.

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War somit i n Preußen der Gegensatz von beharrenden örtlichen Kräften und staatlicher Zentralgewalt zugunsten des Staates entschieden worden, so hatte die Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes den gleichen Gegensatz zu lösen — nun zwischen Einzelstaaten und Bund. Nach der Gewährung eines „gemeinsamen Indigenats" i n A r t . 3 der Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. A p r i l 1867 (BGBl. S. 2) und dem Erlaß der diese Vorschrift konkretisierenden, weitgehende Wirtschaftsfreiheit und Freizügigkeit verwirklichenden Gesetze6 kam es zu Auseinandersetzungen über die Verteilung der Armenlast, die die kleineren Staaten nach dem Heimatprinzip geregelt sehen wollten. Das Unterstützungswohnsitzgesetz vom 6.6.1870 (BGBl. S. 360) verschloß sich diesen restaurativen Tendenzen 7 . Es wies Armenpflege und Armenlast dem Ortsarmenverband zu, i n welchem der Arme seinen Unterstützungswohnsitz 8 hatte. Wo ein solcher nicht bestand oder wo er nicht ermittelt werden konnte, trat der Landarmenverband ein. Eine vollständige Einheitlichkeit auch nur des formellen Armenrechts ist i m 19. Jahrhundert nicht erreicht worden. Zwar wurde das UWG nach der Gründung des Deutschen Reiches auf die süddeutschen Staaten ausgedehnt; doch hielt Bayern bis 1916 an seiner Heimatgesetzgebung fest und Elsaß-Lothringen blieb bis 1910 bei dem französischen System der fakultativen öffentlichen Armenpflege 9 . V ö l l i g zersplittert blieb das materielle Armenrecht. Ausdrücklich überließ § 8 UWG die Festsetzung 6 G über die Freizügigkeit v. 1. 11. 1867 (BGBl. S. 55); G über die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung v. 4. 5. 1868 (BGBl. S. 149); Gewerbeordnung v. 21. 6.1869 (BGBl. S. 245), Gewerbefreiheit u n d Koalitionsfreiheit gewährend; G über die Erwerbung u n d den Verlust der Bundes- u n d Staatsangehörigkeit v. 1. 6.1870 (BGBl. S. 355). 7 E i n von der preußischen Regierung am 19. 2. 1869 vorgelegter, von F l o t t w e l l ausgearbeiteter E n t w u r f , welcher sich i m wesentlichen an die preußische Gesetzgebung anschloß, fand nicht die Mehrheit des Bundesrats. — Der B u n despräsidialentwurf v o m 14. 2. 1870 suchte ein Kompromiß, indem er sich des „Eingreifens i n die innere Armengesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten enthält, also die einzelnen Heimathsgesetze i m Wesentlichen unberührt läßt, . . . dagegen für jeden Norddeutschen die Möglichkeit eines i m ganzen Bundesgebiet wirksamen, nach gleichmäßigen Normen entstehenden u n d erlöschenden Unterstützungswohnsitzes außerhalb des Heimathsstaats schafft" (Motive, abgedr. bei Arnoldt, a. a. O., S. 147). — Die Kommission des Reichstages u n d dieser selbst stellten den alten preußischen E n t w u r f i m wesentlichen wieder her. Vgl. Breithaupt, öffentliches Armenrecht, S. 116 f. Ausführlich zum Gesetzgebungsverfahren auch Münsterberg, Armengesetzgebung, S. 138—151; Diefenbach H d S t w I. (1923), S. 969. 8 Dieser wurde erworben durch einen zweijährigen, seit der Novelle v o m 1. 4. 1909 durch einen einjährigen ununterbrochenen Aufenthalt (selbständiger Erwerb), durch Verehelichung u n d Abstammung (abgeleiteter Erwerb). 9 A l s viertes armenrechtliches System galt das Heimatrecht der linksrheinischen Pfalz, das den Erwerb der Heimat nicht w i e das bayrische Recht von einer ausdrücklichen Aufnahme abhängig machte, sondern k r a f t Gesetzes eintreten ließ. Vgl. Diefenbach, H d S t w I. (1923), S. 969.

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über A r t und Maß der öffentlichen Unterstützung, sowie über die Beschaffung der erforderlichen M i t t e l der Landesgesetzgebung 10 . 2. Fürsorgepflichtverordnung und Reichsgrundsätze (1924)

Die von der Bismarckschen Sozialgesetzgebung angestoßene Diskussion über eine „Soziale Ausgestaltung der Armenpflege" 11 , vor allem aber die aus den Erfahrungen des Krieges schöpfenden Reformbestrebungen 12 führten zur Fürsorgegesetzgebung des Jahres 1924. Der 1. Weltkrieg brachte ganz neuartige Massennotstände, denen man m i t den repressiven Maßnahmen der bisherigen Armenpflege nicht gerecht werden konnte. So entstand neben dem öffentlichen Armenwesen eine umfangreiche Kriegswohlfahrtspflege 1 3 , i n der die nachteiligen Folgen der Armenunterstützung (Rückerstattungspflicht, Wahlrechtsverlust) vermieden u n d den H i l f e suchenden Rechtsansprüche auf Unterstützung eingeräumt wurden. Das Maß der Leistungen orientierte sich an dem neuen Ziel der Erhaltung des H i l f s bedürftigen i n seiner sozialen Schicht. Das erforderte eine Anpassung der Unterstützungssätze an das soziale Niveau des Bedürftigen u n d eine i n d i viduelle Gestaltung der Hilfe. M a n sprach v o m „sozialen Existenzminimum" i m Gegensatz zum „natürlichen Existenzminimum" des notdürftigen U n t e r halts i n der Armenpflege. Doch ließ sich eine Scheidung zwischen Kriegsarmen u n d „alten" A r m e n auf die Dauer nicht durchführen; die fortschrittlichen Grundsätze w i r k t e n sich auch auf das allgemeine Unterstützungswesen aus, schon während des Krieges, vor allem aber nach dem Kriege, als i n der sog. 10

Vgl. Münsterberg, Armengesetzgebung, S. 172 f. 1905 stellte der „Deutsche Verein für Armenpflege u n d Wohltätigkeit" (DV) seine 21. Jahresversammlung unter das Thema „Soziale Ausgestaltung". Über die beiden verschiedenen Formen möglicher sozialer Ausgestaltung: Ersetzung der Armenpflege durch sozialpolitische Maßnahmen (Flesch i m A n schluß an die Webbs) oder Erweiterung der Armenpflege auch auf die v o r beugende Hilfeleistung, vgl. Krug v. Nidda, Entwicklungstendenzen u n d gegenseitige Beziehungen der öffentlichen u n d freien Wohlfahrtspflege, i n : Beiträge zur E n t w i c k l u n g der deutschen Fürsorge, 1955, S. 133 ff. (165 ff.). — Z u den v o m D V 1913 aufgestellten Richtlinien f ü r ein einheitliches materielles Armenrecht vgl. Maier, H d K w Erg. Bd. I (1927), S. 458; Diefenbach, H d S t w I. (1923), S. 990. 12 Dazu vor allem Krug v. Nidda a. a. O., m i t ausführlicher Wiedergabe der i m Deutschen Verein vor allem seit 1916 geführten Diskussion. I n den A u f fassungen über die Reform traten ähnliche Gegensätze hervor w i e u m die Jahrhundertwende (vgl. A n m . 11). Eine Richtung erstrebte einen allmählichen A b b a u der öffentlichen Armenpflege durch den Ausbau der sozialpolitischen Gesetzgebung, eine andere eine Hebung der Armenpflege durch die Einbeziehung i n ein einheitliches System individualisierender Wohlfahrtspflege. F ü r die letzte Richtung besonders wichtig: Diefenbach, E i n Reichsarmengesetz, 1920; Denkschrift des Reichsarbeitsministeriums über die Vorarbeiten zu einem Reichswohlfahrtsgesetz v. 14.2.1923, i n : Dünner, Reichsfürsorgerecht, 1925, S. 74 ff; Dringlichkeitsantrag des Deutschen Vereins an die Reichsregier u n g v. 26. 9.1923 (ND 1923, S. 417). 13 Z u r E n t w i c k l u n g der Fürsorge i m K r i e g u n d i n der Nachkriegszeit vgl. Krug v. Nidda, Entwicklungstendenzen, S. 205—210, 220—245; Wolfram, Armenwesen, S. 43—55; Maier, H d K w Erg. Bd. I (1927), S.458 ff.; Laum, H d S t w I. (1923), S.960; Diefenbach, H d S t w I. (1923), S. 985 ff.; Luppe, H d K w I V . (1924), S. 496 f. 11

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Kriegsfolgenhilfe f ü r jede Gruppe der Kriegsbeschädigten Spezialgesetze erlassen wurden, i n denen Unterstützungsgrundsätze, Unterstützungsmaßstäbe u n d Behördenorganisation unterschiedlich geregelt wurden. Die durch die zunehmende Geldentwertung alle Gruppen treffende Steigerung der Not ließ solche Differenzierungen nicht mehr als gerechtfertigt erscheinen, die steigende Knappheit an öffentlichen M i t t e l n machte eine Rationalisierung u n d Vereinheitlichung der öffentlichen Wohlfahrtspflege dringend erforderlich. A m 13. 2.1924 erließ die R e i c h s r e g i e r u n g die R e i c h s v e r o r d n u n g ü b e r die F ü r s o r g e p f l i c h t — F V O — ( R G B l . I S. 100), die d u r c h die Reichsgrundsätze über Voraussetzung, A r t u n d Maß der öffentlichen Fürsorge v o m 4.12.1924 — R G r — ( R G B l . I S . 765) e r g ä n z t w u r d e 1 4 . D a m i t w a r e i n e i n h e i t l i c h e s f o r m e l l e s u n d m a t e r i e l l e s F ü r s o r g e r e c h t geschaffen, das i m w e s e n t l i c h e n d e n R e f o r m w ü n s c h e n entsprach. I n d e n L a n d e s - u n d B e z i r k s f ü r s o r g e v e r b ä n d e n ( G e m e i n d e n oder G e m e i n d e v e r b ä n d e ) schuf es l e i s t u n g s f ä h i g e T r ä g e r , d i e n u n e i n h e i t l i c h f ü r d i e a l l g e m e i n e F ü r sorge u n d f ü r d i e k r i e g s b e d i n g t e n S o n d e r z w e i g e v e r a n t w o r t l i c h w a r e n . Es v e r p f l i c h t e t e z u r G e w ä h r u n g des n o t w e n d i g e n Lebensbedarfs, z u d e m es b e i M i n d e r j ä h r i g e n E r z i e h u n g u n d E r w e r b s b e f ä h i g u n g rechnete, u n d z u e i n e m rechtzeitigen, n a c h h a l t i g e n u n d v o r b e u g e n d e n V o r g e h e n ; es t r a f m a ß v o l l e , die soziale W i e d e r e i n g l i e d e r u n g des V e r a r m t e n e r m ö g lichende B e s t i m m u n g e n ü b e r die V e r w e r t u n g des e i g e n e n V e r m ö g e n s . Daß diese Gesetzgebung es dennoch n i c h t erreichte, d i e öffentliche F ü r sorge aus d e m O d i u m des d i f f a m i e r e n d e n A r m e n w e s e n s z u befreien, l i e g t a n d e n W i d r i g k e i t e n d e r Z e i t , w e l c h e die P a r a g r a p h e n w e i t h i n z u schönen I d e a l e n w e r d e n ließen, w ä h r e n d die P r a x i s sich i n e i n e r schema14 Die Verfassung des Deutschen Reiches v. 11. 8. 1919 (RGBl. S. 1383) gab dem Reich die konkurrierende Gesetzgebung über das Armenwesen u n d die Wandererfürsorge (Art. 7 Ziff. 5) ; die Mutterschafts-, Säuglings-, K i n d e r - u n d Jugendfürsorge (Art. 7 Ziff. 7) ; die Fürsorge f ü r die Kriegsteilnehmer u n d ihre Hinterbliebenen (Art. 7 Ziff. 11) u n d über die Wohlfahrtspflege, soweit ein Bedürfnis f ü r den Erlaß einheitlicher Vorschriften vorhanden w a r (Art. 9 Ziff. 1). Das zur Stabilisierung der deutschen Währung durch Ordnung der öffentlichen Finanzen ergangene ErmächtigungsG v. 8. 12. 1923 (RGBl. I S. 1179) ermöglichte den Erlaß der dazu erforderlichen Gesetze auf dem V e r ordnungsweg. Die aufgrund dieses ErmächtigungsG erlassene D r i t t e Steuernotverordnung v. 14. 2. 1924 (RGBl. I S. 74) überwies den Ländern beträchtliche Teile des Steueraufkommens u n d übertrug ihnen die Aufgaben der W o h l fahrtspflege zu selbständiger Regelung u n d Durchführung nach Maßgabe näherer reichsrechtlicher Vorschriften (§ 42). Damit wurde das Dotationssystem beseitigt, nach dem das Reich den Ländern u n d Gemeinden den größten T e i l der f ü r die kriegsbedingte Sonderfürsorge aufgewandten M i t t e l (in der Regel vier Fünftel) ersetzt hatte. Die i n der Steuernotverordnung angekündigten näheren Vorschriften brachte die FVO. A u f g r u n d § 6 F V O ergingen dann die RGr. Text der Reichsgesetze u n d der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen bei Dünner, Reichsfürsorgerecht, 1925. Z u r L i t . vgl. neben den einschlägigen Kommentaren: Maier, H d K w Erg. Bd. I (1927), S. 460 ff.; ders., Erg. Bd. I I (1927), S. 1435 ff.; Klumker, H d S t w I V . (1927), S. 534 ff.; Klein, S t L I I I . (1959), Sp. 627 ff. — Dieser Fürsorgegesetzgebung i m engeren Sinne vorausgegangen w a r das Reichsgesetz f ü r Jugendwohlfahrt v. 9.7.1922 (RGBl I S. 633).

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tischen Ergänzung unzureichender Renten erschöpfte. Erst nach dem Rückgang der Massenarbeitslosigkeit nach 1933 konnte sich die Fürsorge wieder stärker ihren eigentlichen Aufgaben zuwenden 15 . Die Gesetze des Jahres 1924 blieben bis nach dem 2. Weltkrieg ohne wesentliche Änderung i n K r a f t 1 8 ; sie wurden erst durch das Bundessozialhilfegesetz vom 30. 6.1961 abgelöst. 3. Bundessozialhilfegesetz (1961)

Das BSHG setzt einige kräftige reformerische Akzente 1 7 . Es trennt sich endgültig von jeder Almosenvorstellung und gestaltet die fürsorgerische Hilfe — unter dem neuen, programmatisch gemeinten Titel „Sozialhilfe" — als eine Sozialleistung, auf die grundsätzlich ein Rechtsanspruch i m Rahmen der gesetzlichen Einzelregelungen besteht (§4 BSHG) 18 . Das Gesetz setzt neben die Hilfe zum Lebensunterhalt, die durch Geldleistungen nach Regelsätzen gewährt w i r d (§§ 11 f., 21 f.), eine neue Gruppe von „Hilfen i n besonderen Lebenslagen", von denen beispielhaft hier nur genannt seien: die vorbeugende Gesundheitshilfe, die Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen, die Eingliederungshilfe für Behinderte, die Hilfe zur Pflege, die Hilfe zur Weiterführung des Haushalts, die Hilfe für Gefährdete und die Altenhilfe (§ 27 BSHG). Damit verwirklicht es i n einem besonderen Maße das Individualisierungsprinzip, das auch i n anderen Bestimmungen allgemeinen Ausdruck findet und eine gewisse individuelle Handhabung sogar der typisierten Hilfe zum Lebensunterhalt ermöglicht (§§ 3, 22, 18 ff. BSHG), ja, die Wünsche des Hilfeempfängers nicht unberücksichtigt läßt (§ 3 BSHG). Es gibt schließlich die von § 25 Abs. 1 FVO trotz vieler Ausnahmen festgehaltene Verpflichtung des Hilfeempfängers zu nachträglichem Kostenersatz als Grundsatz auf und beschränkt diese auf wenige Ausnahmen (§92 BSHG). Es stellt der Sozialhilfe die Aufgabe, „dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht" (§ 1 Abs. 2 BSHG). 15 Die Z a h l der v o n den Bezirksfürsorge verbänden i n offener Fürsorge betreuten Parteien sank v o n 5 M i l l , i m W i n t e r 1932/33 auf rd. 1,7 M i l l , i m Herbst 1937 (nach Syrup-Neuloh, Sozialpolitik, 1957, S. 531). 16 Ergänzend: G über die Fürsorge f ü r Körperbehinderte u. von einer K ö r perbehinderung bedrohte Personen v o m 27. 2. 1957 (BGBl. I S. 147); G über die Tuberkulosehilfe v. 23. 7. 1959 (BGBl. I S. 513); V O über die Hilfe zur Erwerbsbefähigung u n d Berufsausbildung i n der öffentlichen Fürsorge v o m 20. 12. 1956 (BGBl. I S . 1009). 17 Zusammenfassend: Müller-Tochtermann, JuS 1962, S. 449—455. 18 Einen Rechtsanspruch auf Fürsorge hatte schon das B V e r w G i n seinem U r t . v. 24. 6.1954, B V e r w G E 1, S. 159, bejaht; ebenso schon: B a y V G H V e r w Rspr 1 (1949), S. 351; O V G Münster VerwRspr 2 (1950), S. 497; O V G Hamburg VerwRspr 3 (1951), S. 606; O V G Lüneburg VerwRspr 4 (1951), S. 245. — V e r neint hatten einen Rechtsanspruch: Hess V G H VerwRspr 1 (1949), S. 481 u n d 2 (1950), S. 496; V G Stuttgart D Ö V 1950, S. 445.

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II. Die kommunale Wohlfahrtspflege, insbesondere die Elberfelder Armenordnung (1853) Eine wirklichkeitsnahe Darstellung der „öffentlichen Hilfe" müßte ausführlicher, als es hier möglich ist, über den Beitrag der Kommunen berichten. Dieser w i r d gegenüber der Nachzeichnung des staatlichen Gesetzgebungsgangs und der Schilderung christlicher Liebestätigkeit i n der Regel vernachlässigt; gerade i n jüngster Zeit ist jedoch wieder auf die Eigenständigkeit gemeindlich-weltlicher Hilfe hingewiesen worden 19 . Dabei waren es die Gemeinden und Gemeindeverbände, denen die Gesetze die überwiegende Armenlast aufbürdeten; es waren Gemeinden, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus oftmals freiwillige Leistungen aus reformfreudigem Bürgersinn erbrachten. A m bekanntesten geworden ist — unter dem Namen „Elberfelder System" — die Armenordnung der Stadt Elberfeld von 185320. Sie brachte erstmals nach einer Vielzahl vergeblicher Versuche schon i m Mittelalter und nach der schnell verwelkten Blüte der aufgeklärten Philantropie i m 18. Jahrhundert eine den Erfordernissen der Zeit angepaßte, methodische kommunale Sozialarbeit, die auf die weitere Entwicklung der Gesetzgebung und der fürsorgerischen Praxis von maßgebendem Einfluß geblieben ist 2 1 . Ihre große Wirksamkeit verdankt sie nicht zuletzt der erfolgreichen Verbindung bürgerschaftlich-ehrenamtlicher Tätigkeit mit der neuen Form des „Vereins" 2 2 . 19 M. R. Vogel, Die kommunale Apparatur, 1966, S. 48 f.; vgl. auch Lerche, EStL (1966), Sp. 2058. 20 Die Armenordnung trat a m 1. 1. 1853 i n K r a f t . Sie basiert auf der Gemeindeordnung v. 11. 3. 1850 (GS 213) u n d wurde nach Erlaß der Städteordnung f ü r die Rheinprovinz v. 15. 5. 1856 (GS 435) am 4. 1. 1861 u. entspr. § 3 Preuß A G zum U W G v. 8. 3. 1871 am 21. 11. 1876 revidiert; abgedruckt bei Böhmert, Armenwesen, Bd. 1, 1886, S. 71. — Z u m „Elberfelder System" vgl. Böhmert, a.a.O., S.49—96; Lammers, i n : Emminghaus (Hg.), Armenwesen, 1870, S. 89—107; Münsterberg, Das Elberfelder System, 1903 (mit Angabe der älteren Lit.); Roscher, System der Armenpflege, 1906, S. 52—59; Liese, I, S. 363—368. V o n großem Einfluß auf das Elberfelder Armenwesen w a r neben dem Hamburger Beispiel die vorbildliche Gemeindediakonie der reformierten Gemeinden am Niederrhein (dazu Laum, H d S t w I. (1923), S. 946 f.) u n d die Pfarrarmenpflege des schottischen Pfarrers Chalmers (dazu Liese I, S. 365 f. ; vgl. auch von Kostanecki, A r b e i t u n d A r m u t , 1909, S. 140). 21 V o r der Reform gab es i n Elberfeld 7, i n Teuerungsjähren 9 Prozent Arme, nachher nie mehr als 4 Prozent. Bei ihrer ersten Einführung nahm die Armenlast u m beinahe 50 Prozent ab; die A n z a h l der A r m e n sank von 4000 auf 1460. Das System wurde v o n einer großen Z a h l von Städten übernommen. Vgl. Roscher, System, S. 53; Böhmert, Armenwesen I, S. 98; I I , S. 40 ff.; Wolfram, V o m Armenwesen zum heutigen Fürsorgewesen, 1930, S. 41. 22 Der 1880 gegründete Elberfelder Frauen verein hatte den Zweck, „sich helfend u n d ergänzend i n den Dienst der öffentlichen Armenpflege zu stellen". Das Zusammenwirken v o n öffentlicher u n d freiwilliger Armenpflege wurde maßgeblich durch den ebenfalls 1880 gegründeten „Deutschen Verein für Armenpflege u n d Wohltätigkeit" gefördert. Vgl. v. Nidda, Entwicklungstendenzen, S. 156 f.

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Der Sachbereich Wohlfahrtspflege

Hier i m „Elberfelder System" ist das Individualisierungsprinzip ausgebildet worden, das heute beherrschender Grundsatz der staatlichen Gesetzgebung zur Sozialhilfe ist. Nicht Almosen sollten verteilt, sondern die Hilfe gewährt werden, die dem jeweiligen Empfänger i n seiner speziellen Notsituation eine möglichst schnelle Rückkehr zu wirtschaftlicher Selbständigkeit ermöglichte. Das erforderte aber Kenntnis des Einzelfalles u n d damit wirtschaftliche u n d soziale Ermittlungstätigkeit, die nicht v o n einer zentralen Behörde, sondern n u r dezentralisiert, v o n einer größeren Z a h l ehrenamtlicher, i m späteren „Straßburger System" hauptberuflicher Helfer vorgenommen werden konnte. A u c h das B S H G n u t z t die k o m m u n a l e n E r f a h r u n g e n a u f d e m Gebiete d e r W o h l f a h r t s p f l e g e . Es n e n n t als ö r t l i c h e T r ä g e r d e r S o z i a l h i l f e d i e k r e i s f r e i e n S t ä d t e u n d die L a n d k r e i s e . I n d e n gesetzlichen A u f g a b e n k a t a l o g s i n d A g e n d e n eingegangen, die v o n v i e l e n G e m e i n d e n b i s h e r schon f r e i w i l l i g e r b r a c h t w u r d e n .

§ 4 Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege V o n d e n V e r b ä n d e n d e r f r e i e n W o h l f a h r t s p f l e g e i s t n u n e i n erster E i n d r u c k z u v e r m i t t e l n . M i t dieser B e s c h r ä n k u n g a u f die V e r e i n s - b z w . Verbandsgeschichten v e r s a g e n w i r u n s eine D a r s t e l l u n g d e r v i e l g e s t a l t i g e n A r m e n p f l e g e u n d L i e b e s t ä t i g k e i t d e r a l t s t ä n d i s c h e n Gesellschaft. M i t Stolz h a b e n w ä h r e n d des Verfassungsstreits u m die „ V o r r a n g b e s t i m m u n g e n " besonders die b e i d e n k o n f e s s i o n e l l e n V e r b ä n d e a u f die alte T r a d i t i o n i h r e r diakonischen u n d caritativen W e r k e u n d Einricht u n g e n h i n g e w i e s e n 1 . U n d das m i t Recht, d e n n schon l ä n g s t s i n d j e n e S t i m m e n v e r s t u m m t , die d e r m i t t e l a l t e r l i c h e n c h r i s t l i c h e n L i e b e s t ä t i g k e i t „ p r i n z i p i e l l e K r i t i k l o s i g k e i t " 2 u n d „sachfremde W e r k g e r e c h t i g k e i t " z u m V o r w u r f m a c h t e n . Sie ü b e r t r u g e n ganz u n g e s c h i c h t l i c h m o d e r n e fürsorgerische K a t e g o r i e n a u f das m i t t e l a l t e r l i c h e A l m o s e n w e s e n u n d m a ß e n die christliche A l m o s e n l e h r e , e t w a eines T h o m a s v o n A q u i n , a n d e n G r u n d s ä t z e n h e u t i g e r F ü r s o r g e p r i n z i p i e n , ohne z u m e r k e n , daß es sich b e i j e n e r L e h r e g a r n i c h t u m eine i m h e u t i g e n S i n n e fürsorgerische, s o n d e r n u m eine theologisch-ethische T h e o r i e h a n d e l t 3 . A b e r ebenso w i e 1 F ü r die Geschichte der mittelalterlichen Liebestätigkeit sind die Darstellungen v o n Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenpflege, 2. Aufl. 1884, S. 188—431, u n d von Uhlhorn, Die christliche Liebestätigkeit, 2. Aufl. 1895, S. 239—512, noch nicht zu entbehren, obwohl sie i n mancher Einseitigkeit ihre Zeit u n d die Konfessionszugehörigkeit ihrer Verfasser spiegeln (Ratzinger: katholisch, U h l h o r n : evangelisch). Vgl. weiter Liese, Geschichte der Caritas, 1922, Bd. 1, S. 139—229; Laum, H d S t w I. (1923), S. 943 f.; Troeltsch, Die Soziallehren, 3. Aufl. 1923, S. 325if.; Maurer, Diakonie i m Mittelalter (1953) (mit Lit.); Scherpner, Theorie der Fürsorge, 1962, S. 23—42; Herrmann, Die Kirche u n d ihre Liebestätigkeit, 1963, S. 41—68; Neises, H D S W I V . (1965), S. 167 f. Speziell zur mittelalterlichen Anschauung von A r b e i t u n d A r m u t : v. Kostanecki, A r b e i t u n d A r m u t , 1909, S. 7—60. Z u r K r i t i k insbes. Uhlhorns vgl. Deuringer, in: Caritas 60 (1959), S. 371 ff., m i t dem Hinweis darauf, daß der materiale I n h a l t der christlichen Liebestätigkeit durch die neuere Forschung w e i t h i n als Gemeingut der K u l t u r - u n d Geisteswelt des östlichen Mittelmeeres erwiesen sei (von den Driesch, Die Wohltätigkeit i m alten Ägypten, 1959 ; Bolkestein, W o h l tätigkeit u n d Armenpflege i m vorchristlichen A l t e r t u m , 1939). M a n werde nicht mehr, w i e U h l h o r n es tue (a. a. O., S. 7), die v o r - u n d außer christliche Welt schlechthin als „ W e l t ohne Liebe" bezeichnen dürfen, u m dann auf diesem düsteren Hintergrund die christliche Liebestätigkeit u m so goldener leuchten zu lassen. 2 Gegen diesen V o r w u r f wendet sich energisch Ehrle, Beiträge, 1881, S. 1—26, m i t besonderer Richtung gegen Emminghaus (vgl. dessen Einleitung zu: „Das Armenwesen", 1870, S. 3 f.); vgl. auch Scherpner, Theorie, S. 28; Liese I, S. 225. 3 Z u r Almosenlehre bei Th. v. A q u i n : Scherpner, Theorie, S. 25—39; v. Kostanecki, A r b e i t u n d A r m u t , S. 7 ff. — Z u r differenzierten theologischen

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Der Sachbereich Wohlfahrtspflege

ein solches verkürztes Geschichtsbewußtsein kann ein unmittelbarer Rückgriff i n die Geschichte ungeschichtlich sein. Jene Liebestätigkeit ist i n die ganz anderen Strukturen des älteren Ständestaates eingebunden, i n eine korporativ verfaßte Gesamtordnung, die m i t dem Begriffsinstrumentarium „Staat", „Gemeinde" und „Verein" nicht faßbar ist. Eine Darstellung der freien Wohlfahrtspflege, die nur den die Gegenwart unmittelbar tragenden Zeitraum umfassen soll, muß auf dem Hintergrund der skizzierten Entwicklung der staatlichen und kommunalen „öffentlichen Hilfe" vom Armenwesen zur Sozialhilfe erfolgen. Diese Entwicklung hat die Entstehung und das Werden der freien Fürsorge mitbestimmt: die unzureichende Staatsarmenpflege des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts verlangte nach einer Ergänzung durch eine reichere Tätigkeit „freier Assoziationen"; die zunehmende A k t i v i tät des Staates gegen Ende des Jahrhunderts und die Massennöte des 1. Weltkriegs erzwangen eine festere Organisation und stärkere Konzentration zu größeren Verbänden. Andererseits blieb auch die freie Vereinswohlfahrtspflege nicht ohne Wirkung auf die öffentliche Fürsorge; es ist unbestritten, daß über lange Zeit hinweg sie es war, welche die Standards setzte und neue Gebiete und verfeinerte Methoden sozialer Hilfen erschloß. I n der Entwicklung des öffentlichen Armenwesens zur Sozialhilfe einerseits und der freien Assoziationen zu Spitzenverbänden andererseits vollzieht sich ein Angleichungsprozeß, der uns noch genauer beschäftigen wird. Einführend ist hier zunächst nur die äußere Geschichte der sechs „Spitzenverbände" zu berichten. W i r folgen der Reihenfolge der Gründungs jähre. I. Das Gemeinsame Werk der E K D I m Gemeinsamen Werk der Evangelischen Kirche i n Deutschland 4 haben zwei unterschiedlich ausgeprägte Typen institutionalisierter evangelischer Diakonie zusammengefunden: der „Centraiausschuß für die Innere Mission der Deutschen Evangelischen Kirche" und das „Hilfswerk der Evangelischen Kirche i n Deutschland". Begründung des Almosens bei den Kirchenvätern: Mikat, Lehre v o m Almosen (1963). 4 Z u r Geschichte: Schnabel, Die protestantischen Kirchen i n Deutschland, Freiburg 1965 (Herder-Bücherei 211/212), bes. S. 134 ff.; Shanahan, Der deutsche Protestantismus v o r der sozialen Frage 1815—1871, 1962; neuerdings: Karrenberg, i n : Geschichte der sozialen Ideen, 1969 (Deutsches Handbuch der Politik, 3), S. 561 ff., bes. 571 if. — Z u r Inneren Mission unentbehrlich: M. Gerhardt, E i n Jahrhundert Innere Mission, 2 Bde., 1948. Gute Übersichten bei: Schütz, RGG I I I . (1959), Sp. 756 ff.; Röntsch, S t L I V . (1959), Sp. 315—319; Bey reuther, Geschichte der Diakonie u n d Inneren Mission i n der Neuzeit, 1962; Freudenstein, Liebe haben f ü r andere. Eine Geschichte der Inneren Mission, 1962. Ältere L i t e r a t u r : Steinweg, Die Innere Mission der Evangelischen Kirche, 1928; Mahling, Die Innere Mission, 2 Bde, 1935, 1937. — V g l . auch unten A n m . 20 (Hilfswerk der EKD).

§ 4 Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege

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1. Innere Mission (1848) D e n gegen die M i t t e des 19. J a h r h u n d e r t s sich v e r s c h ä r f e n d e n g e i s t i g e n u n d sozialen P r o b l e m e n s t a n d die evangelische K i r c h e schlecht ger ü s t e t gegenüber. Sie w a r b e k e n n t n i s m ä ß i g gespalten u n d theologisch v o m R a t i o n a l i s m u s geschwächt; sie h a t t e sich p o l i t i s c h d e m K o n s e r v a t i v i s m u s v e r s c h r i e b e n u n d als S t a a t s k i r c h e a n die j e w e i l s h e r r s c h e n d e n M ä c h t e g e b u n d e n 5 . E i n e k i r c h l i c h e A r m e n p f l e g e gab es — außer i n d e n r h e i n i s c h - w e s t f ä l i s c h e n P r e s b y t e r i a l - G e m e i n d e n m i t i h r e m festen D i a k o n a t — so g u t w i e g a r n i c h t m e h r . A b e r a u ß e r h a l b der v e r f a ß t e n A m t s k i r c h e b l ü h t e eine reiche, die n e u g e w o n n e n e F r e i h e i t d e r A s s o z i a t i o n n u t z e n d e L i e b e s t ä t i g k e i t 8 . Sie aus i h r e r Z e r s p l i t t e r u n g z u r E i n h e i t u n d aus e i n e r gewissen A b s t ä n d i g k e i t a n die K i r c h e h e r a n z u f ü h r e n , b e t r a c h t e t e J o h a n n H i n r i c h Wichern (1808—1881) als eine f ü r K i r c h e u n d D i a k o n i e g l e i c h e r m a ß e n d r i n g e n d e A u f g a b e 7 . V o n seinen b e i d e n Z i e l e n 5 Z u r kirchlichen Gesamtlage: Schnabel, a. a. O.; Shanahan, a. a. O., S. 1 bis 67 ; Gerhardt I, S. 22 ff. ; vgl. auch Holborn, Der deutsche Idealismus i n sozialgeschichtlicher Beleuchtung, i n : Moderne deutsche Sozialgeschichte, 1966, S. 95 ff. 6 Neben den älteren Gründungen (Franckesche Stiftungen zu Halle seit 1694, Oberlins Sozialarbeit i m Steintal seit 1767 u. a.) sind hier v o r allem zu nennen: die „Kinderrettungsarbeit" v. J. D. Falk zu Weimar seit 1813, des Grafen ν . d. Recke-Volmarstein i n Oberdyk u n d Düsselthal seit 1819 u n d v o n Chr. H. Zeller i n Beuggen seit 1820; der K r a n k e n - u n d Armenpflege widmeten sich J. E. Goßner i n B e r l i n u. Amalie Sieveking i n Hamburg. J. H. Wichern w a r seit 1833 i n dem von i h m gegründeten „Rauhen Hause" i n H a m b u r g bahnbrechend auf dem Gebiete der Anstaltserziehung tätig. Z u r gleichen Zeit w i r k t e Th. Fliedner, dessen weibliche Diakonie (Kaiserswerther Diakonissenanstalt 1836) weltweite Bedeutung erhielt. 7 J. H. Wichern, Sämtliche Werke, hrsg. v. P. Meinhold, Bd. I, Die Kirche u n d i h r soziales Handeln (Grundsätzliches u n d Allgemeines), 1962 (zit. SW I ) ; vgl. auch: Gesammelte Schriften Johann H i n r i c h Wicherns, Bd. I I I , Prinzipielles zur Inneren Mission, 1902. Z u Wichern: Gerhardt, Johann H i n r i c h Wichern, 3 Bde, 1927—1931; ders. t E i n Jahrhundert Innere Mission. 1. Teil: Die Wichernzeit, 1948; Janssen, Wichern, i n : R G G V I . (1962), Sp. 1678—1680. Scherpner, Johann H i n r i c h Wichern u. die deutsche Revolution v o n 1848 (1950). I n Wicherns Werk treffen eine Reihe geistiger Zeitströmungen zusammen. Über den Einfluß von Erweckung u. Pietismus, aber auch der A u f k l ä r u n g (Pestalozzi) auf Wichern vgl. insbes. die hervorragende Deutung von Schnabel, S. 157 ff.; auch Gerhardt I, S. 37, 47, 107; Shanahan, a.a.O., S. 83 ff.; Schütz, a. a. O., Sp. 757. Allgemein Renkewitz, Der diakonische Gedanke (1953), S. 258—316. Wenn Wichern selbst sich gegen eine A b l e i t u n g der Inneren M i s sion aus dem Pietismus wendet, so n u r gegen die Auffassung von Pietismus als „einer gewissen Stimmung", als einer auf der negativen Seite des Christentums beharrenden Frömmigkeitshaltung, i m Gegensatz zu einem Christentum der Tat. Vgl. SW I, S. 194. Die missionarisch-aktive Seite des Pietismus (Francke, Zinzendorf) betont Beyreuther, I M 50 (1960), S. 234 ff.; durch die V e r bindung solcher missionarischer A k t i v i t ä t m i t dem Assoziationsenthusiasmus des frühen 19. Jahrhunderts k o m m t es zur B i l d u n g „lebendiger Notgemeinden i m Zeitalter des Staatskirchentums". — Über Wicherns eigenen theologischen Ansatz bestehen verschiedene Deutungen: bewußtes biblisch-lutherisches Christentum (Gerhardt I, S. 48), originelle Ausprägung der heilsgeschichtlich orientierten Theologie der Erweckungsbewegung (Janssen, a. a. O., Sp. 1679).

4 Rinken

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h a t er n u r das eine e r r e i c h t : die i d e e l l e u n d organisatorische Z u s a m m e n fassung der evangelischen D i a k o n i e ü b e r alle B e k e n n t n i s g r e n z e n h i n weg8. A u f sein D r ä n g e n h i n beschloß der K i r c h e n t a g i n W i t t e n b e r g 1848 die B i l d u n g des „Centraiausschusses f ü r die i n n e r e M i s s i o n der Deutschen Evangelischen K i r c h e " 9 . U n t e r Wicherns maßgeblichem Einfluß entstand e n die S t a t u t e n v o m 9 . 1 . 1 8 4 8 1 0 . Das v o n W i c h e r n i m A p r i l 1849 v o r gelegte P r o g r a m m — „ D i e i n n e r e M i s s i o n der deutschen evangelischen K i r c h e , E i n e D e n k s c h r i f t a n die deutsche N a t i o n " 1 1 — w u r d e d i e k l a s s i sche S c h r i f t d e r I n n e r e n Mission. N a c h S a t z u n g s ä n d e r u n g e n i n d e n J a h r e n 1878 u n d 1920 e r h i e l t der Centraiausschuß d u r c h die S a t z u n g v o m 29. 3.1928/23.4.1929 seine h e u t i g e F o r m 1 2 . D a n a c h i s t d e r C e n t r a l ausschuß die organische Z u s a m m e n f a s s u n g a l l e r i h m angeschlossenen V e r b ä n d e , A n s t a l t e n u n d E i n r i c h t u n g e n der I n n e r e n M i s s i o n (§ 1 A b s . 1). Z u seinen Aufgaben gehört es v o r allem: die Innere Mission als Aufgabe u n d A r b e i t der Kirche u n d der lebendigen Christengemeinde zur Geltung zu b r i n gen u n d sie v o r der Öffentlichkeit, insbesondere den Behörden gegenüber zu vertreten, auch F ü h l u n g m i t der öffentlichen u n d freien Wohlfahrtspflege u n d m i t sonstigen verwandten Bestrebungen zu suchen. Unter der F ü h r u n g des Centraiausschusses hat die Innere Mission eine reiche fürsorgerische Tätigkeit, insbesondere auf dem Gebiet der Anstaltspflege, entfaltet. Dabei hat der Z u sammenschluß der Träger gleichartiger Arbeitsgebiete zu Fachverbänden seit etwa 1880 die Zusammenarbeit verbessert u n d den organisatorischen Zusammenhalt gefestigt. Seit 1926 ist die Innere Mission als „Reichsspitzenverband der Wohlfahrtspflege" anerkannt. Während der NS-Zeit u n d während des 2. Weltkrieges erlitt sie durch Beschlagnahmungen u n d Kriegszerstörungen schwere Verluste; ganze Arbeitsgebiete w u r d e n i h r entzogen. Doch entging sie einer völligen „Gleichschaltung". Nach dem Kriege durfte sie einen raschen Wiederaufbau erleben. F ü r W i c h e r n w a r „ W o h l t ä t i g k e i t " n u r e i n T e i l a s p e k t eines G e s a m t p l a n e s 1 3 . E r e r k a n n t e als e i n e r d e r e r s t e n seiner Z e i t die soziale u n d politische B e d e u t u n g d e r „ S o z i a l e n F r a g e " u n d die soziale V e r a n t w o r t u n g v o n S t a a t u n d K i r c h e 1 4 . E r v e r b a n d d e n G e d a n k e n des a l l g e m e i n e n 8 Brunotte, Die E K D , 1964, S. 61, sieht i n der Tätigkeit der kirchlichen Werke u n d Verbände „ein starkes Band der Einheit". 9 Vgl. die berühmte Stegreif rede Wicherns i n Wittenberg am 22. 9. 1848: SW I, S. 155—171. 10 SW I, S. 360—366. Den Statuten gab v. Bethmann Hollweg die endgültige Gestalt. Er wurde der erste Präsident des Centraiausschusses, Vizepräsident w a r Fr. J. Stahl. 11 SW I, S. 175—359. 12 Satzung v o n 1878 i n Fl. Bl. 1878, S. 132 ff.; die Satzung von 1929 i n : Merzyn (Hg.), Die Ordnung von H W u n d I M , 1954, S. 8 ff. 13 Wichern, SW I, S. 146/147 ; vgl. S. 189, 234. 14 I n der vormärzlichen Zeit umfaßte Wicherns Konzeption die gesamte soziale Frage, über die er sich w i e wenige damals gründlich informierte. Die innere Mission w a r i h m nicht n u r eine einfache christliche oder kirchliche, son-

§ 4 Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege

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P r i e s t e r t u m s der G l ä u b i g e n m i t der O r g a n i s a t i o n s f o r m d e r „ f r e i e n Assoz i a t i o n " , u m so d e n „ W i e d e r a u f b a u des Reiches Gottes a n d e n v o n d e n Ä m t e r n des c h r i s t l i c h e n Staates u n d der c h r i s t l i c h e n K i r c h e u n e r r e i c h b a r e n i n n e r e n u n d äußeren L e b e n s g e b i e t e n i n n e r h a l b d e r C h r i s t e n h e i t " zu e r r e i c h e n 1 5 . I m E r g e b n i s b l i e b dieser w e i t e A n s a t z ohne F o l g e n . D a W i c h e r n seine K o n z e p t i o n e n m i t d e r eines „ c h r i s t l i c h e n Staates" u n d e i n e r „ V o l k s k i r c h e " v e r b a n d 1 6 , b l i e b e n auch i h m die „ u n e r r e i c h b a r e n Lebensbereiche" verschlossen. A u c h seine B e m ü h u n g e n u m eine A n e r k e n n u n g d e r sich aus d e m a l l g e m e i n e n P r i e s t e r t u m e r g e b e n d e n „ i n n e r sten Z u g e h ö r i g k e i t " z u r K i r c h e b l i e b e n e r f o l g l o s 1 7 . D e r K i r c h e b l i e b der d e m eine christlich-soziale Aufgabe. Vgl. SW I, S. 104, 91 (1847), S. 75 (1944). Nach der Gründung des Centraiausschusses verengte sich die Aufgabenstellung mehr u n d mehr v o m weiten Gebiet der „gestaltenden Liebe" auf das begrenztere Gebiet der fürsorgerischen „helfenden Liebe". Unter Wicherns Nachfolgern geriet die Innere Mission zeitweise sogar unter sozialkonservativen Einfluß. Impulse zu einer positiveren Stellung der sozialen Frage, die besonders von V. A. Huber (seit 1857, vgl. ζ. B : Z u r Reform des Armenwesens, 1867), später von Stoecker, Lohmann (vgl. die von diesem verfaßte D e n k schrift „Die Aufgabe der Kirche u n d ihrer inneren Mission" i n : F1B1. 41 [1884], S. 233 ff.), Bodelschwingh u n d Naumann ausgingen, w u r d e n nicht fruchtbar. Die innere Mission entwickelte sich zu einem „freien Wohlfahrtsverband". Die Rolle u n d Bedeutung jener Männer k a n n hier, w o n u r der Weg des W o h l fahrtsverbandes skizziert werden soll, nicht gewürdigt werden. Vgl. dazu ζ. B. Oppei, i n : ZEE 3 (1959), S. 340 if. — Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde diese sozialpolitische Seite des frühen Wichernschen Programms als „politische Diakonie" wieder aufgegriffen; Gerstenmaier, „Wichern zwei". Z u m Verhältnis von Innerer Mission u n d sozialer Frage: Brakelmann, Die soziale Frage des 19. Jahrhunderts, 1962, kritisch zu Wichern S. 138 ff., 141; Thier, Die Kirche u n d die soziale Frage. V o n Wichern bis Friedrich Naumann, 1950, bes. S. 51 ff.; Gerhardt , I, S. 49 fï., 198 ff., I I , S. 63 ff.; Schreiner, Wichern, Löhe u n d Stoecker, i n : K r i m m (Hg.), Das diakonische A m t , S. 317 ff.; Thier, ebd. S. 350 ff.; Heuss, Friedrich Naumann, 1937; Ernst Wolf, RGG I. (1957), Sp. 1740 ff.; Wendland, Der Begriff Christlich-sozial, 1962. — Z u m Verhältnis von Diakonie u n d Sozialp o l i t i k : Gerstenmaier, Kirche u n d Öffentlichkeit (1948), S. 9 ff.; „Wichern zwei" (1953), S. 499 ff.; Wendland, Die Kirche i n der modernen Gesellschaft, 2. Aufl. 1958; Diakonie zwischen Kirche u n d Welt (1958), S. 17 ff. Kritisch zum Begriff „gesellschaftliche Diakonie" Matthes, i n : ZEE 6 (1962), S. 60 ff.; auch Brakelmann, a. a. O., S. 141. 15 So schon 1844, Ges.Schr. I I I , S. 53. 18 Z u r volkskirchlichen Konzeption vgl. Gerhardt, Wicherns Lebenswerk, ein Weg zur Volkskirche, 1926; kritisch: Harbsmeier, I n verrosteten Angeln? Volkskirche — Landeskirchentum u n d Kirchen Verträge, 1965. 17 I n seiner Kirchentagsrede i n Wittenberg hatte Wichern gefordert, die evangelische Kirche i n ihrer Gesamtheit müsse die A r b e i t der inneren Mission anerkennen. Aber m i t dem Scheitern der Kirchenbundspläne fiel diese von Wichern erhoffte kirchliche Gesamtheit weg. Das erstarkende landesherrliche Kirchenregiment w a r f ü r ein Christentum der tätigen Liebe nicht i n der rechten Disposition. — Die Bemühungen des Centrai-Ausschusses u m eine offizielle Anerkennung als Träger kirchlicher A r b e i t durch den am 25. 5. 1922 gegründeten Deutschen Evangelischen Kirchenbund blieben erfolglos. Es k a m n u r zur B i l d u n g einer gemischten „Verständigungskommission" i m Jahre 1927. — Auch i n den Landeskirchen erhielt die Innere Mission keinen kirchenamtlichen A u f t r a g für die Zusammenfassung u n d Vertretung der evangelischen Liebestätigkeit. Eine engere Zusammenarbeit i n Arbeitsgemeinschaften zwischen verfaßter Kirche u n d Innerer Mission auf Landes-, Provinz-, Kreis- u n d 4*

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Der Sachbereich Wohlfahrtspflege

„freie Verein" suspekt; sie empfand i h n nicht zu Unrecht als eine Gegenbewegung gegen ihre eigene Starrheit 1 8 . Die innere Mission wurde zu einem hochorganisierten Wohlfahrtsverband neben der Kirche, die sich von der Pflicht eigener Liebestätigkeit entlastet fühlte. Erst auf Grund der theologischen Neubesinnung nach dem 1. Weltkrieg und der Erfahrung des Kirchenkampfes erneuerte die Kirche das Wissen darum, „daß Glaube und Werk auch i n der Gestalt der Kirche und ihrer Form des gemeindlichen Lebens unlösbar miteinander verbunden sind" 1 9 . I n A r t . 15 Abs. 1 ihrer Grundordnung hat sich die Kirche zu ihrem diakonischen Auftrag bekannt und die diakonisch-missionarischen Werke als „Wesens- und Lebensäußerungen der Kirche" bezeichnet. M i t der Gründung des Hilfswerks als einer Einrichtung der Kirche selbst hat sie ihrem neugefundenen diakonischen Bewußtsein Gestalt gegeben. 2. Hilfswerk (1945)

I m August 1945 beschloß die Kirchenversammlung von Treysa die Gründung des „Hilfswerks der Evangelischen Kirche i n Deutschland" 20 . Nach A r t . 15 Abs. 3 der Grundordnung der E K D vom 13. 7.1948 21 dient das Hilfswerk dem kirchlichen Aufbau sowie der Linderung und Behebung der Notstände der Zeit. Die Synode von Bethel erließ am 13.1. 1949 ein Kirchengesetz zur vorläufigen Ordnung des Hilfswerks 2 2 , das von der Hamburger Synode am 5.4.1951 durch das Kirchengesetz zur Ordnung des Hilfswerks abgelöst wurde 2 3 . Stadtebene veranlaßten die Wohlfahrtsgesetze der Jahre 1922 u n d 1924. Vgl. Gerhardt I, S. 150 ff., I I , S. 241 ff., 280 ff.; Dibelius, Der E i n t r i t t der Kirche (1958), S. 11 ff. — Die Deutsche Evangelische Kirche n a h m die Innere Mission unter ihre „fördernde Obhut" (Art. 4 I I I Verf. v. 11. 7. 1933). Der drohende Zugriff der NS-Machthaber ließ die Innere Mission ihren Vereinscharakter zurückstellen u n d ihre kirchliche Eigenschaft stärker betonen. 18 Z u r innerkirchlichen Diskussion u n d K r i t i k vgl. die Übersichten bei Wurster, Die Lehre v o n der Inneren Mission, 1895, S. 77 ff. ; Gerhardt I, S. 148 ff. — Z u m Thema Verein u n d Kirche vgl. Heyne, Kirche u n d Verein, i n : W e r k u.Weg, 1952, S. 54 ff.; Conze, Beyreuther, Kupisch, Heyne, v.Hase, i n : I M 50 (1960), S. 225ff.; Wasse, Werke u n d Einrichtungen, S. 4—13; Birnbaum, Die freien Organisationen der Deutschen Evangelischen Kirche, 1939. 19 Z u r Neubesinnung auf die Diakonie als kirchliche Aufgabe bes. die Sammelbände: Krimm (Hg.), Das diakonische A m t der Kirche, 1953; Noske (Hg.), Heutige Diakonie der evangelischen Kirche, 1956; Brennecke (Hg.), Diakonie der Kirche i n einer veränderten Welt, 1957; Bourbeck-Wendland (Hg.), Diakonie zwischen Kirche u n d Welt, 1958. Z u r theologischen Grundlegung jetzt vor allem Philippi, Christozentrische Diakonie, 1963, m i t umfangreicher B i b l i o graphie. 20 Berg, Das H i l f s w e r k der E K D (1956), S. 69 ff.; Krimm, RGG I I I . (1959), Sp. 323—326; Röntsch, S t L I V . (1959), Sp. 315—319. 21 A B l . E K D 1948 Nr. 80 Vgl. dazu Brunotte, Grundordnung, 1954, S. 179 bis 188. 22 A B l . E K D 1949 Nr. 40. 23 A B l . E K D 1951 Nr. 41.

§ 4 Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege

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Dem Hilfswerk w u r d e n durch dieses Gesetz (§ 3) folgende Aufgaben übertragen: 1. den gliedkirchlichen Hilfswerken Anregungen für ihre A r b e i t zu geben, den Austausch von Erfahrungen u n d die Zusammenarbeit zu fördern; 2. die gemeinsamen Anliegen der gliedkirchlichen Hilfswerke i m I n l a n d bei V e r handlungen m i t Organen des Staates, öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder anderen Verbänden zu vertreten, deren Zuständigkeit über den Bereich der einzelnen Länder hinausreicht; 3. die A r b e i t des Hilfswerks i m Ausland zu vertreten, insbesondere gegenüber dem Weltrat der Kirchen, die von ausländischen Hilfsorganisationen eingehenden Spenden bestimmungsgemäß zu verteilen u n d sich an der Planung u n d Durchführung ökumenischer H i l f s aktionen zu beteiligen. Das Hilfswerk widmete sich zunächst dem kirchlichen Wiederaufbau, l i n derte die Not der Flüchtlinge u n d der Auswanderungswilligen, gründete Alters- u n d Lehrlingsheime u n d förderte den Zusammenschluß Bauwilliger zu „Baugemeinden". Nach der Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse i n der Bundesrepublik traten sozialpolitische Aufgaben i n den Vordergrund, so ζ. B. die Rechtsberatung i n sozialen Fragen u n d die Mitberatung v o n Fragen staatlicher Sozialpolitik.

3. Das Gemeinsame Werk (1957) N a c h d e m A u f b a u des H i l f s w e r k e s n e b e n d e n E i n r i c h t u n g e n d e r I n n e r e n M i s s i o n v e r f ü g t e d i e K i r c h e ü b e r z w e i u n t e r s c h i e d l i c h ausgestaltete L i e b e s w e r k e 2 4 . D i e B e m ü h u n g e n u m eine V e r e i n h e i t l i c h u n g f ü h r t e n z u e i n e m K o m p r o m i ß i n d e r V e r e i n b a r u n g v o m 8.3.1957 ü b e r d e n Z u s a m menschluß v o n I n n e r e r M i s s i o n u n d H i l f s w e r k 2 5 . S o w o h l d e r C e n t r a l a u s schuß als auch das S o n d e r v e r m ö g e n H i l f s w e r k d e r E K D s i n d r e c h t l i c h n i c h t aufgelöst. P r a k t i s c h g e l t e n aber das H i l f s w e r k g e s e t z u n d die S a t z u n g des Centraiausschusses n u r noch s u b s i d i ä r 2 6 . 24 Den verdienstvollen Versuch einer rechtsbegrifflichen K l ä r u n g u n d Systematisierung des evangelischen kirchlichen Gruppenwesens u n t e r n i m m t Wasse, Die Werke u n d Einrichtungen der ev. Kirche, 1954; gekürzt i n : Z e v K R 4 (1955), S. 74 ff.; vgl. auch ders., R G G I I . (1958), Sp. 782 ff. Er unterscheidet einen kircheneigenen u n d einen eigenständigen Typus u n d subsumiert jenem das Hilfswerk, diesem die Innere Mission. A l s (anstaltlich verfaßte) kircheneigene Einrichtung (S. 16) ist das H i l f s w e r k der amtlichen Kirche als integrierender Bestandteil eingegliedert, kirchenrechtlich eine unselbständige kirchliche E i n heit m i t kirchenrechtlicher Autonomie (S. 25 ff.), i n der L e i t u n g v o n der Kirche bestimmt u n d dieser verantwortlich (S. 36 ff.); m i t amtskirchlichen „ Ä m t e r n " ausgestattet (S. 42); den einzelnen Bekenntnissen (landeskirchliche H i l f s werke) bzw. der i n der Grundordnung der E K D bezeichneten „Grundlage" (Hilfswerk der EKD) verpflichtet (S. 31) ; vermögensmäßig „Sondervermögen" der Kirche (S. 45). Die Innere Mission ist i n allen diesen Beziehungen kirchenrechtlich selbständiger, sie ist „ v o n der amtlichen Kirche deutlich unterschieden, jedoch nicht v o n i h r getrennt" (S. 78). — Vgl. dazu die Rezension von Röttgen, Z e v K R 4 (1955), S. 144 ff. — Bis dahin w a r das Thema juristisch zureichend nicht bearbeitet. Vgl. n u r Beiz, Die Rechtsstellung der katholischen u n d evangelischen Vereine f ü r Wohlfahrtspflege, Diss. j u r . Erlangen 1931. 25 A B l . E K D 1957 Nr. 70. 26 Vgl. K G v. 8. 3.1957, a. a. O., §§ 2, 4.

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Unter ausdrücklicher Berufung auf den i n A r t . 15 der Grundordnung der E K D umschriebenen diakonisch-missionarischen A u f t r a g hebt § 1 der Ordnung des Werkes „Innere Mission u n d H i l f s w e r k " hervor, Aufgabe des gemeinsamen Werkes sei die Sorge für die Entfaltung der diakonisch-missionarischen Kräfte i m Bereich der Evangelischen Kirche i n Deutschland, die Anregung, Beratung u n d Koordinierung der diakonischen A r b e i t der Kirchengemeinden, der Gliedkirchen, der Fachverbände der Inneren Mission u n d der diakonischen Anstalten, Einrichtungen u n d Verbände. Die Verbände, Werke, Anstalten u n d E i n richtungen bleiben i n ihrer eigenen Tätigkeit selbständig. Die Organe des Werkes sind: 1. die bis zu 93 Mitglieder starke Diakonische Konferenz, die als das oberste Organ den Haushaltsplan verabschiedet, über die erforderlichen Entlastungen beschließt (§§ 5, 8) und den Leiter der Hauptgeschäftsstelle w ä h l t (§ 13); 2. der aus 14—19 Mitgliedern bestehende Diakonische Rat, der i m Rahmen der Beschlüsse der Diakonischen Konferenz die Arbeit des Werkes lenkt (§§ 5, 11). Die F ü h r u n g der Geschäfte obliegt der Hauptgeschäftsstelle, die an Beschlüsse des Diakonischen Rates gebunden ist, u n d deren Leiter das Werk v e r t r i t t (§§ 5,14).

I I . Der Deutsche Caritasverband (1897) Die katholischen Caritaswerke 27 haben ihre von den Bischöfen anerkannte und legitimierte Zusammenfassung erst am Ende des 19. Jahrhunderts gefunden: am 9. 11. 1897 wurde der „Caritasverband für das katholische Deutschland" gegründet, der heute den Namen „Deutscher Caritasverband e. V." trägt. Die Geschichte der katholischen Liebestätigkeit i m vergangenen Jahrhundert kann deshalb nicht i m sammelnden Spiegel einer Verbandsgeschichte betrachtet werden. Auch für die katholische Caritas hat das Schicksals j ä h r 1848 seine Bedeutung. Bis dahin hatten zwei unterschiedliche Erscheinungen das caritative W i r k e n des Jahrhunderts bestimmt: erstens der lockere Zusammenschluß von Laien i n Caritasvereinen (besonders i n Aachen, Koblenz, Freiburg, München, M ü n ster u n d Breslau), i n denen Romantik u n d Katholizismus eine charakteristische Verbindung gefunden hatten 2 8 , u n d zweitens die Verbreitung neuer Ordensgemeinschaften, die sich neben der Anstaltsarbeit vor allem der Hauskrankenpflege widmeten. Seit 1848 ergreift die Assoziationsbegeisterung auch die deutschen K a t h o l i k e n 2 9 . Der 1. Katholikentag i n M a i n z 3 0 führte die ver27 Liese, Geschichte der Caritas, 2 Bde, 1922; Keller, Caritaswissenschaft, 1925, S. 155 ff., bes. 164 ff.; Deutscher Caritasverband e.V., i n : Sozialatlas I I , S. 64 ff.; Franz Klein, Christ u n d Kirche i n der sozialen Welt, 1956; dersDas Recht des sozial-caritativen Arbeitsbereiches, 1959; Reisch, S t L I I . (1958) Sp. 646—650; Caritas u n d kommunale Wohlfahrtspflege, 1963; Ohl, ESozL (1963), Sp. 237—240. 28 Vgl. Liese I, S. 327 ff. Den Einfluß der Romantik betonen Wiesen-Peerenboom, Die Entwicklung der Caritas während des 19. Jahrhunderts i m Rheinlande, 1925, S. 23. A l s ein Zeugnis dieser Verbindung vgl. Clemens Brentano, Die barmherzigen Schwestern, 2. Aufl. 1852. 29 1840 Beginn der Gründungszeit der Vinzens- u n d Elisabethvereine für Hausarmenpflege; 1849 Gesellenverein (Kolping). 30 Fürst zu Löwenstein, S t L I I . (1958), Sp. 659 ff.; Filthaut, Deutsche K a t h o likentage 1848—1958,1960.

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schiedenen Caritasvereine zusammen u n d löste geradezu eine Welle von V e r einsgründungen auf sozialem u n d caritativem Gebiet aus. Allerdings w a r diese Vielfalt nicht n u r Reichtum, i n ihrer Zersplitterung u n d Planlosigkeit w a r sie zugleich eine Schwäche. Die frühen Hinweise von F. J. Buss, dem Präsidenten des Mainzer Katholikentages, auf die Notwendigkeit einer K o n zentration wurden noch nicht auf genommen 3 1 . Erst als man sich der Notwendigkeit einer organisierten Reaktion auf die Probleme der „sozialen Frage" bew u ß t geworden w a r (Gründung des Verbandes „ A r b e i t e r w o h l " durch Franz Hitze 1882), w a r auch die Zeit reif f ü r eine Zusammenfassung der Caritaswerke: 1890 richtete M a x Brandts, Vorstandsmitglied des Verbandes A r b e i t e r wohl, eine entsprechende Denkschrift an den Erzbischof v o n K ö l n 3 2 . A m 9.11. 1897 endlich konnte Lorenz Werthmann den „Caritasverband f ü r das katholische Deutschland" gründen. D e r C a r i t a s v e r b a n d w a r b e i seiner G r ü n d u n g der Z u s a m m e n s c h l u ß ö r t l i c h e r C a r i t a s v e r e i n e sowie schon bestehender F a c h v e r b ä n d e ( z . B . V i n z e n z v e r e i n , St. Raphaelsverein). D i e E n t w i c k l u n g d e r f o l g e n d e n J a h r e ist b e s t i m m t d u r c h d e n systematischen A u s b a u d e r O r g a n i s a t i o n , zunächst des M i t t e l b a u s der D i ö z e s a n c a r i t a s v e r b ä n d e seit 1897 u n d v e r s t ä r k t seit der o f f i z i e l l e n A n e r k e n n u n g des V e r b a n d e s d u r c h d i e deutschen Bischöfe i m J a h r e 1916. Dieser A u s b a u d e r O r g a n i s a t i o n i s t z u g l e i c h die E n t w i c k l u n g v o m k o o r d i n i e r e n d e n Z u s a m m e n s c h l u ß „ f r e i e r Assoziationen" z u m hochdifferenzierten Spitzenverband. Nach einer U n t e r b r e c h u n g d u r c h d e n 2. W e l t k r i e g , d e n d e r Deutsche C a r i t a s v e r b a n d d u r c h eine schutzsuchende A n l e h n u n g a n die offizielle K i r c h e r e l a t i v g u t ü b e r s t a n d 3 3 , i s t diese E n t w i c k l u n g seit 1945 eher b e s c h l e u n i g t f o r t g e f ü h r t w o r d e n . Z i e l des p l a n m ä ß i g e n A u s b a u s i s t es, d e n G e b i e t s körperschaften v o n Bund, Land, Kreis u n d Stadt jeweils korrespondierende P a r t n e r gegenüberzustellen. D e r Deutsche C a r i t a s v e r b a n d 3 4 i s t r e g i o n a l u n d fachlich g e g l i e d e r t : der r e g i o n a l e n G l i e d e r u n g nach u m f a ß t er D i ö z e s a n c a r i t a s v e r b ä n d e u n d 31 Buss, Der Orden der barmherzigen Schwestern, 1844, S. 175. Der konservative Freiburger Professor hatte als erster vor einem deutschen, dem badischen Landtag 1837 die soziale Not geschildert u n d Staatshilfe gegen sie v e r langt. 32 „Denkschrift betr. die Stellung der katholischen Kirche zur sozialpolitischen Liebestätigkeit, Mängel der katholischen Wohltätigkeit; Notwendigkeit einer engeren Verbindung der katholischen Wohltätigkeitsveranstaltungen untereinander u n d m i t der vorgesetzten geistlichen Behörde, 1890", zit. nach der Abschrift i n der Bibliothek des D C V i n Freiburg i. Br. — Inspiriert w u r den seine Organisationspläne u. a. durch das V o r b i l d der Inneren Mission u n d des „Deutschen Vereins f ü r Armenpflege u n d Wohltätigkeit". — Werthmann, Reden u. Schriften, 1958, S. 28 ff. ; 40 ff., Wiesen-Peerenboom, a.a.O., S.48ff.; Liese I, S. 381 fï. 33 Der Caritasverband besaß i m Jahre 1933 i m damaligen deutschen Reichsgebiet 3971 Einrichtungen der geschlossenen Fürsorge m i t 256 268 Betten. Trotz Enteignungen, Beschlagnahmen, Zweckentfremdungen u n d Kriegszerstörungen w a r der Bestand i m Jahre 1947 i n der Bundesrepublik u n d i n der DDR bereits wieder auf 3587 Anstalten m i t 266 478 Betten angewachsen. Sozialatlas I I , S. 72. 34 Das Folgende nach der „Satzung des Deutschen Caritasverbandes v o m

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i n n e r h a l b dieser D e k a n a t s - , B e z i r k s - , K r e i s - b z w . O r t s c a r i t a s v e r b ä n d e . D i e i n d e n P f a r r g e m e i n d e n g e b i l d e t e n Caritasausschüsse b i l d e n k e i n e eigene O r g a n i s a t i o n s s t u f e i n V e r b a n d s f o r m , s o n d e r n s i n d d e n j e w e i l i g e n D e k a n a t s - , B e z i r k s - , K r e i s - b z w . O r t s c a r i t a s v e r b ä n d e n zugeordnet. Z u r Z e i t ist v o r allem der A u s b a u der institutionellen Caritas auf der Ortsu n d K r e i s e b e n e i m Gange. N e b e n dieser r e g i o n a l e n G l i e d e r u n g s i n d d e m Deutschen C a r i t a s v e r b a n d die z e n t r a l e n k a t h o l i s c h e n c a r i t a t i v e n Fachv e r b ä n d e u n d V e r e i n i g u n g e n angeschlossen. Sie o r d n e n sich a u f d e r j e w e i l i g e n Ebene d e r entsprechenden G l i e d e r u n g des D e u t s c h e n C a r i t a s v e r b a n d e s zu. A l l e diese V e r b ä n d e u n d V e r e i n i g u n g e n u n t e r s t e h e n n i c h t d e r B e f e h l s g e w a l t des Z e n t r a l v e r b a n d e s , s o n d e r n ü b e n i h r e satzungsgemäße T ä t i g k e i t s e l b s t ä n d i g aus (vgl. § 4 der Satzung). A u f der Grundlage dieser horizontalen u n d vertikalen Gliederung regelt § 7 der Satzung die Mitgliedschaft. Der Verband hat persönliche und korporative Mitglieder. E r kennt keine unmittelbare Mitgliedschaft, vielmehr sind alle Mitglieder der Caritasverbände und der angeschlossenen Fachverbände u n d Vereinigungen zugleich Mitglieder des Deutschen Caritasverbandes. Die persönliche Mitgliedschaft setzt die persönliche M i t t ä t i g k e i t voraus; alle Formen bloßer Zahlmitgliedschaft, die frühere Statuten kannten, sind beseitigt. Die korporative Mitgliedschaft steht n u r solchen Institutionen offen, die nach ihren satzungsgemäßen Zwecken Caritasaufgaben erfüllen; Interessenverbände heterogener Zielsetzung sind also ausgeschlossen. Die satzungsmäßigen Rechte u n d Pflichten der Mitglieder werden nicht mehr w i e bisher durch eine Mitgliederversammlung, sondern durch die Vertreterversammlung w a h r genommen (§8 Abs. 2 der Satzung). I n i h r sind die Diözesan-, Dekanats-, Bezirks-, Kreis- u n d Ortscaritasverbände u n d die zentralen caritativen Fachverbände, Genossenschaften u n d Vereinigungen vertreten (§ 18). Organe des Deutschen Caritasverbandes sind außer der Vertreterversammlung: der Präsident, der geschäftsführende Vorstand, der Zentral vorstand u n d der Zentralrat (§ 9). Der geschäftsführende Vorstand besteht aus dem Präsidenten u n d den leitenden Angestellten der Zentrale. I m Zentralvorstand u n d i m Zentralrat sind i n zunehmender Z a h l die Diözesancaritasverbände u n d die zentralen Fachverbände vertreten. Der geschäftsführende V o r stand, dem die F ü h r u n g der laufenden Geschäfte obliegt, gehört allen V e r bandsorganen an; die Mitglieder des Zentral Vorstandes sind zugleich M i t glieder des Zentralrates, dieser wiederum ist Bestandteil der Vertreterversammlung. Dem Zentralvorstand obliegt insbesondere die Festlegung von Richtlinien f ü r die Verbandsgeschäftsführung u n d die Sorge für ihre Beachtung, sowie die Beratung u n d Entscheidung über wirtschaftliche u n d finanzpolitische Fragen von besonderem Ausmaß. Das wichtigste Verbandsorgan ist der Zentralrat; er ist das einzige Wahlorgan, berät u n d entscheidet über Fragen von grundsätzlicher u n d allgemeiner Bedeutung u n d p r ü f t u n d genehmigt die Jahresrechnung. — Diese Organisation u n d Aufgabenverteilung gewährleistet einerseits eine effektive u n d zentrale Verbandsführung, sie w a h r t andererseits aber auch die wirksame Vertretung der den Verband tragenden Teilverbände. M e h r repräsentativen Charakter hat die n u r alle zwei 9. 11. 1897 i. d. F. v o m 21. 4. 1966", Sonderdr. aus „Caritas-Korrespondenz" 6/1966. Vgl. dazu die Kommentierung von Franz Klein, Die Verfassung der deutschen Caritas, 1966.

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Jahre tagende Vertreterversammlung; i h r obliegt die Beratung über G r u n d fragen der Caritas, die Entscheidung über Satzungsänderungen u n d die A u f lösung des Verbandes. Einen Einfluß auf die Verbandsführung vermag sie also nicht auszuüben. Die früher dem Zentralvorstand der Mitgliederversammlung gegenüber obliegende Berichtspflicht hat die neue Satzung gestrichen. Gemäß § 6 der Satzung w i d m e t sich der Deutsche Caritasverband allen A u f gaben sozialer u n d caritativer Hilfe. Er soll insbesondere: 1. die Werke der Caritas planmäßig fördern u n d das Zusammenwirken aller auf dem Gebiete der Caritas tätigen Personen u n d Einrichtungen herbeiführen; 2. zur Förderung u n d Entwicklung der sozialen u n d caritativen Facharbeit u n d ihrer Methoden beitragen; 3. die Ausbildung, Fortbildung u n d Schulung von Mitarbeitern der sozialen u n d caritativen Hilfe wahrnehmen u n d durch Schrifttum u n d Publikationen die A r b e i t wissenschaftlich und praktisch unterstützen; 4. soziale Berufe wecken u n d fördern u n d die ehrenamtliche Mitarbeit anregen u n d vertiefen; 5. Entwicklungen auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege anregen u n d beeinflussen; 6. die Öffentlichkeit informieren; 7. die Caritas i n Angelegenheiten überdiözesaner Bedeutung vertreten u n d die Zusammenarbeit i n u n d m i t Behörden u n d sonstigen öffentlichen Organen gewährleisten; 8. i n Organisationen m i t w i r k e n , soweit Aufgabengebiete sozialer u n d caritat i v e r Hilfe berührt werden; 9. A k t i o n e n u n d Werke von zentraler Bedeutung i m Zusammenwirken m i t den Diözesancaritas- u n d Fach verbänden, insbesondere bei außerordentlichen Notständen, durchführen; 10. bei internationalen Aufgaben m i t w i r k e n .

Die neue Satzung des Deutschen Caritasverbandes versteht sich als eine Verwirklichung des II. Vatikanischen Konzils 3 5 . Von dem dort erneuerten Kirchenverständnis her 3 6 , der aus i h m sich ergebenden Stellung von Bischöfen 37 und Laien 3 8 und ganz allgemein von der das Konzil beherrschenden Öffnung zur Welt 3 9 ist auch die organisierte katholische Liebestätigkeit zu beurteilen. 35

F. Klein, a. a. O., S. 10. Die dogmatische K o n s t i t u t i o n über die Kirche „ L u m e n gentium" v. 21. 11.1964. 37 Grundlegend K a p i t e l I I I der Konstitution über die Kirche (Art. 18 bis 29) ; seine konkrete A n w e n d u n g auf das Leben der Kirche i m Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe i n der Kirche „Christus Dominus" v. 28.10.1965. 38 Grundlegend K a p i t e l I V der Konstitution über die Kirche (Art. 30 bis 38) ; i m einzelnen dann das Dekret über das Laienapostolat v. 18.11.1965. 39 Die pastorale K o n s t i t u t i o n über die Kirche i n der W e l t von heute „Gaud i u m et spes" v. 7. 12. 1965. Zitiert nach RahnerIV or grimier, Kleines Konzilskompendium, 1966. F ü r die K o n s t i t u t i o n über die Kirche beachte die K o m mentierung i n L T h k , I I . Vatikan. Konzil, Ergänzungsband. 38

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Auszugehen ist dabei von den grundlegenden Aussagen der Kirchenkonstitution: der Sicht der Kirche als „ V o l k Gottes" u n d als „Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung u n d der Liebe" 4 0 , die v o n Christus hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfaßt ist u n d unablässig getragen w i r d . Dabei w i r d unter „ V o l k Gottes gerade nicht die Schar der Gläubigen i m Gegensatz zur Hierarchie verstanden, sondern die Kirche i n ihrer Gesamtheit, m i t allen ihren Gliedgruppen" 4 1 . Innerhalb des deutlich betonten „gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen" (sacerdotium commune fidelium) 4 2 haben A m t — als Priestertum des Dienstes (sacerdotium ministeriale seu hierarchicum) bezeichnet — u n d Laien ihre je eigenen Aufgaben. Dabei scheint der A u f r u f zur tätigen Liebe sich besonders an die Laien zu wenden, die v o m H e r r n selbst m i t dem Apostolat betraut sind, das sich i n hervorragender Weise i n Werken der Caritas v e r w i r k l i c h t 4 3 . So findet sich auch die als Magna Charta der Caritas der Kirche bezeichnete 44 unmittelbare Stellungnahme des Konzils zu den caritativen Werken i m „Dekret über das Laienapostolat" 4 5 . I n i h m w i r d auch auf die Notwendigkeit einer organisierten F o r m des Apostolates h i n gewiesen 46 , zugleich aber betont, daß das Apostolat des einzelnen Ursprung u n d Voraussetzung jedes Apostolates, auch des gemeinschaftlichen ist, das durch nichts ersetzt werden kann 4 7 . Diese starke Betonung der Laienverantwortung für den caritativen Bereich könnte es nahelegen, den A n t e i l des Sacerdotiums gering einzuschätzen. M a n w i r d aber die grundsätzlichen Ausführungen über die Stellung vor allem des Bischofs 48 m i t heranziehen müssen. I h m ist die Sorge u m die A r m e n u n d Schwachen als eigene Verpflichtung auferlegt, vor allem aber obliegt i h m die Förderung u n d Einordnung des Apostolates der Laien i n das Apostolat der Gesamtkirche 4 9 . 40

Konstitution über die Kirche, A r t . 19, A r t . 8. Grillmeier, Vorbem. v o r A r t . 10 der Konstitution über die Kirche, L T h K , Erg. Bd. 1,1966, S. 176. 42 Konstitution über die Kirche, A r t . 10 Abs. 2. 43 Dekret über das Laienapostolat, A r t . 3, 8. Vgl. auch Konstitution über die Kirche, bes. A r t . 43, zur eigenständigen Stellung des Laien. 44 Rahner/Vorgrimler, a. a. O., S. 385. 45 Dekret über das Laienapostolat, A r t . 8. 46 Dekret über das Laienapostolat, A r t . 15,18. 47 Dekret über das Laienapostolat, A r t . 16. Vgl. dazu die A n m e r k u n g bei Rahner/Vorgrimler, a. a. O., S. 386: „Dieser A r t i k e l müßte von den Verfechtern der Organisation, die einen Nichtorganisierten f ü r amtlich nicht existent h a l ten, beherzigt werden." 48 Konstitution über die Kirche, bes. A r t . 24, 27. 49 Bischofsdekret, A r t . 13, 17; Dekret über das Laienapostolat A r t . 23, 24. Zweifellos heben sich die Aussagen des Konzils wohltuend von der vorkonziliaren Situation ab, wie sie v o m kanonischen Recht bestimmt wurde. Vgl. dazu die nach Inkrafttreten des Codex Iuris Canonici (CIC, 1918) diskutierte Frage, ob die Caritasverbände kirchliche Vereine i m Sinne der cc 684 ff. CIC seien u n d somit der Jurisdiktion u n d Überwachung des Ortsordinarius unterlägen. Diese Frage ist m i t Recht verneint worden, da es an einer amtskirchlichen Einrichtung oder Approbation fehlt. Ebenso wurde verneint, daß die von den Bischöfen bestellten Organe (bes. Präsidenten der Diözesancaritasverbände) als solche ein kirchliches A m t ausüben, so daß grundsätzlich c 118 CIC einer Besetzung dieser Stellen m i t Laien nicht entgegensteht. Vgl. zu diesen Fragen ausführlich: F. Klein, Christ u n d Kirche i n der sozialen Welt, S. 99, 106, 222 f.; Das Recht des sozial-caritativen Arbeitsbereiches, S. 27 f. ; Retzbach, Das moderne katholische Vereinswesen, seine L i c h t - u n d Schattenseiten, 1925, S. 25; vgl. auch Beil, Das kirchliche Vereinsrecht nach dem Codex Juris Canonici, 41

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I I I . Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (1917/1951) Die „Zentralwohlfahrtsstelle der Juden i n Deutschland e.V. Frankfurt/M." 5 0 betrachtet sich als Nachfolgerin der früheren „Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden e. V.". Diese war am 9. 9.1917 i n Berlin gegründet worden und wurde von der jüdischen Gemeinschaft, die damals rund 570 000 Menschen umfaßte, getragen. Sie vertrat die Interessen der jüdischen Wohlfahrtspflege gegenüber Behörden, pflegte die Verbindung m i t anderen caritativen Organisationen und Einrichtungen und war u m eine einheitliche Ausrichtung der jüdischen Wohlfahrtspflege bemüht. Einzelfürsorge betrieb sie nicht; diese war Aufgabe der einzelnen jüdischen Gemeinden. Nach 1933 wurde die Zentralwohlfahrtsstelle i n die damals gegründete „Reichsvertretung der deutschen Juden" eingegliedert. M i t der zunehmenden Verfolgung und Unterdrückung der Juden wuchsen ihre Aufgaben, während die M i t t e l zur wirksamen Hilfe immer geringer wurden. Schließlich stellte sie, nachdem sie zur Abteilung „Fürsorge" i n der inzwischen gebildeten „Reichsvereinigung der Juden i n Deutschland" geworden war, 1943 ihre Tätigkeit ein. Bereits 1945 nahm ein kleiner Kreis die soziale Betreuung der jüdischen Gemeinschaft, die auf wenige Tausend zusammengeschmolzen war (ζ. Z. etwa 25 000, einschl. West-Berlin), wieder auf. Der „Zentralrat der Juden i n Deutschland", der sich am 19. 7.1950 als Dachorganisation der jüdischen Gemeinden i n Deutschland konstituiert hatte, gründete am 20.8.1951 die Zentralwohlfahrtsstelle neu. Die Organisation gliedert sich i n neun Landesverbände und fünf selbständige jüdische Gemeinden i n Berlin, Hamburg, Bremen, K ö l n und Frankfurt/Main. Angeschlossen ist der „Jüdische Frauenbund i n Deutschland". Enge Zusammenarbeit besteht m i t dem „American Joint Distribution Commitee", einer internationalen Wohlfahrtsorganisation. Der Vorstand der ZentralwohlfahrtsDiss. jur. München 1931. Es handelt sich bei den Verbänden also u m laikale Verbände, die c 684 CIC als private, kirchlich empfohlene Vereine (associationes commendatae) zwar abgrenzend erwähnt, f ü r die aber, w i e Wasse, Die Werke u n d Einrichtungen, S. 144 A n m . 13, richtig feststellt, i m System des CIC eigentlich überhaupt kein Platz ist: w e i l nämlich i n diesem System f ü r den Laien kein Platz ist. So sieht denn auch A r t . 1 des Dekretes über das Laienapostolat ausdrücklich vor, daß die Prinzipien u n d Weisungen des K o n zils zu diesem Thema bei einer Revision des kanonischen Rechts als N o r m gelten sollen. 50 Die Übersicht folgt i m wesentlichen einer kurzen Selbstdarstellung, die m i r von der Zentralwohlfahrtsstelle dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt worden ist, u n d die i n ihren Grundzügen auch dem Abschnitt „ Z e n t r a l wohlfahrtsstelle der Juden i n Deutschland e. V.", i m Sozialatlas I I , S. 148—151, zugrunde liegt. — Vgl. zusätzlich: Jüdische Wohlfahrtspflege u n d Sozialpolitik (1952) (mit Beiträgen von Leo Baeck, E. G. Löwenthal, B. Simonsohn) ; Lamm, S t L V I I I . (1963), Sp. 964—966; Ohl, ESozL (1963), Sp. 1371. Aus der älteren L i teratur: Wronsky, H d S t w I I I . (1926), S. 162 ff.; Schlüter, Die freie Wohlfahrtspflege i n Deutschland, 1933, S. 31—35.

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Der Sachbereich Wohlfahrtspflege

stelle besteht aus sieben Personen und w i r d von der Mitgliederversammlung gewählt. Nach § 2 der am 16.2.1959 beschlossenen Satzung obliegt der Zentralwohlfahrtssteile unter anderem die Interessenvertretung der zusammengeschlossenen Organisationen gegenüber Behörden und Institutionen; die Organisation, Anregung und Förderung der privaten und gemeindlichen jüdischen Wohlfahrtspflege; die erforderliche wissenschaftlich-fachliche Arbeit und die Förderung des sozialen Ausbildungswesens. Gegenüber der Tätigkeit der früheren Zentralwohlfahrtsstelle haben sich die Aufgaben des Verbandes erheblich ausgeweitet, vor allem übt er nun auch Einzelfürsorge i n den Gemeinden und i n übergemeindlichen Einrichtungen aus. Dabei w i r d seine Tätigkeit durch die Folgen des Schicksals der deutschen Juden i n der NS-Zeit geprägt. Der Verlust fast aller Heime und Anstalten 5 1 führt zu einer Betonung der nicht-institutionellen Sozialarbeit; man weist i n Kreisen der jüdischen Wohlfahrtspflege darauf hin, daß auf diese Weise gleichsam aus der Not eine Tugend gemacht werde, w e i l durch die Akzentverschiebung auf die offene Arbeit eine Reihe von Gefahren des Anstaltswesens, ζ. B. der sog. Hospitalismus, vermieden werde. Dabei geht man von der Überzeugung aus, daß i n den meisten Fällen wirkliche Hilfe zur Selbsthilfe nur i n der gewohnten Umgebung des Hilfesuchenden gewährt werden könne. Die Schwerpunkte der jüdischen Sozialarbeit liegen i n der Beratung und i n der Alten- und Jugendarbeit. Der Ausbau eines Beratungsdienstes erwies sich als notwendig, u m bei der komplizierten Rechtslage des Wiedergutmachungsrechtes den einzelnen die Geltendmachung ihrer A n sprüche überhaupt zu ermöglichen. Die Beratung i n Fragen der Eingliederung mittelloser Rückwanderer sowie die Berufs- und Auswandererberatung sind weitere Gebiete dieses Arbeitsbereiches. M i t 81 Beratungsstellen und etwa 165 hauptamtlichen Mitarbeitern (1966) ist die Sozialberatung verhältnismäßig sehr stark ausgebaut. Eine weitere besondere Aufgabenstellung ergibt sich für die jüdische Wohlfahrtspflege aus der Uberalterung der jüdischen Gemeinschaft (Durchschnittsalter 45 Jahre) 52 . I h r sucht man durch die Gründung von Altenklubs und durch einen 51 I m Jahre 1932 verfügte die jüdische Wohlfahrtspflege über folgende E i n richtungen (Vergleichszahlen f ü r 1966 i n K l a m m e r n ) : Geschlossene Fürsorge: 207 (21) Anstalten m i t 9313 (1530) Betten; Halboffene Fürsorge: 82 (26). (Die Angaben beruhen auf einer A u s k u n f t der Zentralwohlfahrtsstelle). 52 E i n Vergleich der Altersgliederung von heute m i t der i n den zwanziger Jahren macht die Überalterung der jüdischen Gemeinschaft deutlich (die A n gaben beruhen auf einer A u s k u n f t der Zentralwohlfahrtsstelle) : 1925 1953 1966 Altersgliederung (565 000) (22 000) (25 000) Bis 15 Jahre 17,9% 10% 12 °/o 15 bis 60 Jahre 69,4% 58% 61% über 60 Jahre 12,7 % 32 % 27 %

§ 4 Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege

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Ausbau der Alten- und Hauspflege zu genügen. Der Jugendarbeit dienen Einrichtungen der halboffenen Fürsorge (Kindergärten, Jugendzentren usw.). Eine nicht geringe Zahl verarmter Juden gehört zu den Sozialhilfeempfängern. Ihnen w i r d von der Zentralwohlfahrtsstelle eine A u f besserung ihrer Sozialhilfe i n Höhe von etwa einem D r i t t e l des öffentlichen Regelsatzes gewährt. Die M i t t e l hierfür werden vorwiegend aus den Fonds der jüdischen Gemeinden aufgebracht 53 . IV. Die Arbeiterwohlfahrt (1919/1946) Als Geburtstag der Arbeiterwohlfahrt 5 4 w i r d man den 13. 12. 1919 ansehen dürfen. A n diesem Tag beschloß auf Veranlassung der sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Marie Juchacz der Parteiausschuß der SPD, „eine Organisation zu schaffen, die die Interessen der Arbeiterschaft gegenüber den Bestrebungen der bürgerlichen Wohlfahrtsorganisationen vertreten sollte" 55 . Es wurde zunächst eine Zentralinstanz i n der Form eines Ausschusses gebildet, von der die Gründung örtlicher Wohlfahrtsausschüsse angeregt werden sollte: der „Hauptausschuß für Arbeiterwohlfahrt e. V." „Den Sozialdemokraten ging es u m die Einflußnahme auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege und der Gesetzgebung; an die Ausübung einer eigenen praktisch gestaltenden fürsorgerischen Arbeit war zunächst noch nicht gedacht" 56 . Diese Zielsetzung fand auch i n den Richtlinien von 1919, die m i t nur geringfügigen Änderungen bis 1933 galten, ihren Niederschlag. I n der Praxis wich man aber schon bald von diesen Grundsätzen ab: die Nachkriegsnot, die Betonung der freien Wohlfahrtspflege i n den Wohlfahrtsgesetzen der Jahre 1922 und 1924 und das sonst ungenutzte Engagement sozialistischer Frauen waren Faktoren, die zusammenwirkten, so daß die Tätigkeit des neuen Verbandes bald der Praxis der anderen Wohlfahrtsverbände glich. Bevorzugt wurde die offene Fürsorge; doch besaß die Arbeiterwohlfahrt vor ihrer Auflösung i m Jahre 1933 schon 258 Heime, darunter 1 Wohlfahrtsschule, 1 Erziehungsheim, 60 Heime der geschlossenen Fürsorge sowie 70 Kindergärten, Horte und Krippen. Während der Krisenjahre 1928 bis 1932 widmete sie sich vor allem der erwerbslosen Jugend, u m sie vor Radikalisierung und Resignation zu bewahren 57 . 53

Nach einer A u s k u n f t der Zentralwohlfahrtsstelle. Ohl, ESozL (1963), Sp. 49—51; Winkmann, S t L I. (1957), Sp. 445 f.; A r beiterwohlfahrt Hauptausschuß e . V . Bonn, i n : Sozialatlas I I , S. 13—25; Juchacz, Arbeiter-Wohlfahrt (1949). Z u r Geschichte bis 1933 vor allem Monat, Sozialdemokratie u n d Wohlfahrtspflege, 1961. I l l u s t r a t i v auch die Biographie: Roehl, Marie Juchacz u n d die Arbeiterwohlfahrt, 1961. 55 Monat, a.a.O., S. 56. Die Gründung wurde i n der Parteipresse nicht bekanntgegeben. A m 15. M a i 1920 findet sich i n der Zeitschrift der sozialistischen Frauen „Die Gleichheit" ein Bericht über eine Wohlfahrtskonferenz, an der auch Vertreter des „Hauptausschusses f ü r Arbeiterwohlfahrt" teilnahmen. 56 Monat, a. a. O., S. 56. δ7 Winkmann, S t L I. (1957), Sp. 446. 54

Der Sachbereich Wohlfahrtspflege

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Diese Entwicklung wurde durch die politischen Ereignisse des Jahres 1933 gewaltsam unterbrochen. Wie alle deutschen Arbeiterorganisationen wurde die Arbeiterwohlfahrt verboten, ihr Vermögen und ihre Einrichtungen und Heime wurden beschlagnahmt. Nach dem Zusammenbruch 1945 entstand sie zunächst aus freier Initiative auf der örtlichen Ebene, ohne jeden zentralen Auftrag. I m Frühjahr 1946 wurde der Hauptausschuß der Arbeiterwohlfahrt gebildet, u m für den Bereich der drei Westzonen die Arbeit zusammenzufassen und zu koordinieren 58 . Anders als vor 1933 ist die Arbeiterwohlfahrt heute keine Untergliederung der SPD mehr, sondern politisch unabhängig, teilt aber weiterhin die ordnungspolitischen Vorstellungen der SPD 59 . Sie legt jedoch Wert auf die Feststellung, nicht nur für Arbeiter tätig zu sein. „Ihre Arbeit w i r d getragen von dem Gedanken der Toleranz und dient den Rat- und Hilfesuchenden aller Bevölkerungskreise ohne Rücksicht auf deren politische, rassische und konfessionelle Zugehörigkeit" (Richtlinien). Die Arbeiterwohlfahrt gliedert sich i n Ortsvereine, Kreis-, Bezirks- und Landesverbände 60 . Die Bezirks- und Landesverbände sind i m „Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V." zusammengefaßt; dessen Organe sind die Bundeskonferenz, der Bundesausschuß und der Bundesvorstand. Von der aktiven Mitarbeiterschaft her bauen sich alle Gliederungen auf, ein Beispiel innerverbandlicher Demokratie. Dieser Wahllinie „von unten nach oben", vom Ortsverein über die Kreis- und Bezirksverbände zum Bundesverband, steht eine straffe Kontrolle durch die jeweils höheren Verbände gegenüber. Die Mitglieder und Beauftragten des Bundesvorstandes haben das Recht, an Zusammenkünften der Verbandsgliederungen beratend teilzunehmen. Die Beschlüsse der Bundeskonferenz sind für alle Organisationsgliederungen bindend. V. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (1920/1949) Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband e. V. 6 1 wurde geschaffen, u m für die Wohlfahrtsorganisationen und -einrichtungen, die keinem der übrigen Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege angehören oder ihrem Wesen nach zugehörig sind, den Spitzenverband zu bilden. Er „bezweckt, Organisationen und Einrichtungen der freien Wohlfahrts58

Arbeiterwohlfahrt Hauptausschuß, i n : Sozialatlas I I , S. 15. Vgl. Lemke, Unsere A r b e i t i m Blick auf die Notwendigkeiten unserer Zeit (1959), S. 13. 60 Z u m Folgenden vgl. die Richtlinien der A W u n d Mustersatzungen (1966); sie lösten die Richtlinien des Jahres 1959 ab. 61 Ohl, ESozL (1963), Sp. 1375; Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband. Hrsg. v. Vorstand des DPWV, F r a n k f u r t a. M. 1959; Brandenburg, Caritas u n d Wohlfahrtspflege, 1959, S. 96—101; Rolf es, S t L I I . (1958), Sp. 662—663; Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband e.V., i n : Sozialatlas I I , S. 105—115; Schlüter, Die freie Wohlfahrtspflege i n Deutschland, 1933, S. 44—49. 59

§ 4 Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege

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pflege unter Wahrung ihrer Eigenart zur Zusammenarbeit i m Dienste der Nächstenliebe zu verbinden und zugleich ihre gemeinsamen Interessen i n sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht zu fördern. Er dient ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen und mildtätigen Wohlfahrtszwecken i m Geiste des Christentums ohne konfessionelle und parteipolitische Bindungen" 6 2 . Unter dem Druck der Kommunalisierungstendenz nach 1919 kam es zum Zusammenschluß ganz unterschiedlicher, selbständiger Institutionen. A m 3. 2. 1920 bildete sich eine Reichsorganisation der nichtstaatlichen und nichtstädtischen Krankenanstalten, die sich später durch den Beitritt von Vereinen und Einrichtungen der Erziehungs- und W i r t schaftsfürsorge zu dem damals sogenannten V. Wohlfahrtsverband entwickelte 63 , der am 5.11.1932 i n Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DPWV) umbenannt wurde. Nach 1933 wurde er zunächst i n ein Kartellverhältnis zur NS-Volkswohlfahrt (NSV) gebracht, die auch ihrerseits auf humanitärem Boden zu stehen behauptete; durch Übernahme seiner Einrichtungen auf die NSV wurde er dann nach und nach aufgelöst. Die Organisation des DPWV setzte nach 1945 zunächst auf Länderebene ein; am 8.10.1949 wurde der Verband als Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege offiziell wiedergegründet. Mitglieder des Verbandes sind seine Landesverbände sowie solche Wohlfahrtsorganisationen, die i n mehreren Ländern tätig sind. Wohlfahrtsorganisationen, deren Tätigkeit sich auf ein Land beschränkt, sind nur Mitglied des jeweiligen Landesverbandes des DPWV. Einzelpersonen können nicht Mitglied sein. Die Mitgliedsorganisationen müssen einen caritativen, nichtwirtschaftlichen Zweck anstreben und dürfen „keinem anderen Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege angehören oder ihrem Wesen nach anzugehören haben" (§ 2 der Satzung). Die Arbeit des DPWV gilt ausschließlich der Förderung der i h m angeschlossenen Wohlfahrtseinrichtungen, er vertritt sie gegenüber Bund, Ländern und Gemeinden sowie i n den Fachverbänden der Fürsorge und führt Lehrgänge für seine Mitarbeiter durch. Organe des Verbandes sind: 1. der Vorstand, 2. der Beirat, 3. die Mitgliederversammlung. VI. Das Deutsche Rote Kreuz (1921/1950) Eigenart und Bedeutung des Deutschen Roten Kreuzes 64 lassen sich unter dem Titel „Wohlfahrtsverband" nur unzureichend beschreiben. 62

§ 1 der Satzung i. d. F. v. 30. 5.1961. Er nannte sich V. Wohlfahrtsverband, w e i l er unter den Spitzenverbänden i. d. R. an fünfter Stelle genannt wurde. 64 Waldersee, ESozL (1965), Sp. 1050—1052; Horst, S t L V I . (1961), Sp. 967—973; Blaum, H D S W I X . (1956), S. 43—44; Deutsches Rotes Kreuz, i n : Sozialatlas I I . S. 116—147; Max Huber, Rotes Kreuz, 1941. 63

Der Sachbereich Wohlfahrtspflege

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Fürsorgerische Tätigkeit ist nur ein Ausschnitt aus dem Aufgabenbereich des Roten Kreuzes, das als Nationale Hilfsgesellschaft auch unter völkerrechtlichen und internationalen Apsekten gewürdigt werden müßte. Hier können diese weiteren Dimensionen nur insoweit angedeutet werden, als es zum Verständnis der Besonderheiten gerade der Wohlfahrtsarbeit des Roten Kreuzes erforderlich ist. Die I n i t i a t i v e des Genfer Kaufmanns Henry Dunant führte am 22. 8.1864 zur I. Genfer Konvention zur „Verbesserung des Loses der verwundeten u n d kranken Soldaten i m Kriege". Die Konvention wurde i n den Jahren 1906, 1929 u n d 1949 erweitert u n d umfaßt jetzt die vier Genfer A b k o m m e n zur Verbesserung des Loses der Verwundeten u n d K r a n k e n der bewaffneten K r ä f t e i m Felde, zur Verbesserung des Loses der Verwundeten u n d K r a n k e n u n d der Schiffbrüchigen der bewaffneten K r ä f t e zur See, über die Behandl u n g der Kriegsgefangenen u n d über den Schutz der Zivilpersonen i n Kriegszeiten. Die diesen A b k o m m e n beigetretenen Staaten verpflichten sich, die Grundsätze der Menschlichkeit einzuhalten, i n Kriegszeiten alle Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, u n d alle, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder aus anderen Gründen außer Gefecht gesetzt sind, schonend zu behandeln, vor den Auswirkungen des Krieges zu schützen u n d zur Milderung ihrer Leiden zu pflegen. Z u r Durchführung der Konventionen w u r d e n i n den einzelnen Ländern unabhängige Gesellschaften gegründet, die nach Anerkennung durch das satzungsgemäß aus Genfer Bürgern bestehende „Internationale K o m i tèe v o m Roten Kreuz" als nationale Rotkreuzgesellschaften w i r k e n . Sie sind i n der „ L i g a der Rotkreuzgesellschaften" zusammengeschlossen.

I n Deutschland fanden sich 1921 die einzelstaatlichen Verbände zum Deutschen Roten Kreuz als einem eingetragenen Verein zusammen. Dieser wurde durch Gesetz vom 9.12.1937 der Wehrmacht als sanitäre Hilfsorganisation eingegliedert und verlor dadurch seine juristische Selbständigkeit. Ein Kontrollratsbeschluß löste i h n nach 1945 als nationalsozialistische Organisation auf. I n den einzelnen neuen Ländern entstanden aber bald Landesverbände, die sich 1949/50 zum „Deutschen Roten Kreuz" als eingetragenem Verein m i t Sitz i n Berlin und einem Generalsekretariat i n Bonn vereinigten. Der Gesamtverband gliedert sich i n Landes- und Kreisverbände und eine große Zahl von Ortsvereinen. Unabhängig von der territorialen Gliederung besteht der Verband Deutscher Mutterhäuser vom Roten Kreuz m i t 49 Schwesternschaften. Die Organe des Deutschen Roten Kreuzes sind: Das Präsidium m i t dem Präsidialrat, der aus den Präsidenten der Landesverbände gebildet wird, und die Hauptversammlung, i n der die einzelnen Landesverbände entsprechend ihrer Größe vertreten sind 85 . Die Eigenart des Roten Kreuzes als Wohlfahrtsverband läßt sich von seiner ursprünglichen und hauptsächlichen Aufgabe her erfassen: Schon 65

Vgl. Satzung des D R K e. V. v o m 4. 2.1950 i. d. F. v o m 25. 5.1963.

§ 4 Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege

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zur Zeit Dunants wandten sich die „Vaterländischen Frauenvereine vom Roten Kreuz" der Pflege der Kranken i n Friedenszeiten zu, u m den Aufgaben gewachsen zu sein, die ihnen die Genfer Konvention unter den viel schwierigeren Verhältnissen des Krieges anvertraut hatte. Dieser ursprüngliche Anstoß zur Fürsorgearbeit w i r k t sich bis heute i n einer Bevorzugung der Gesundheitsfürsorge, i n sorgfältiger Schulung von Pflege- und Sanitätspersonal, vor allem aber i n dem Grundsatz der „Ersten Hilfe" aus 66 . Das ständige Sichbereithalten für die eigentlichen Aufgaben i m Kriege und Katastrophenfall m i t ihren unvorhersehbaren Situationen macht das Rote Kreuz besonders geeignet für eine schnelle Hilfeleistung bei neuartigen und plötzlich auftretenden Notständen. So ist seine Hilfstätigkeit gerade i n der alle übliche Wohlfahrtsarbeit sprengenden Massennot der Nachkriegszeit bei der Betreuung von Flüchtlingen und heimkehrenden Kriegsgefangenen, nicht zuletzt durch seinen groß angelegten Suchdienst bekannt geworden.

66

Vgl. § 5 der Satzung.

5 Rinken

Zweiter

Abschnitt

Die geläufigen Verhältnisbestimmungen mit den Begriffspaaren „öffentlich — privat", „öffentlich — frei" Unsere Darstellung hat bisher den Entwicklungsgang der gesetzlichbehördlichen und der sogenannten freien Wohlfahrtspflege voneinander isoliert, u m die Besonderheiten jeweils hervorheben zu können. Aber schon bei dieser isolierten Betrachtung wurden Beeinflussungen sichtbar; diese erscheinen unvermeidlich, wo mehrere „Aufgabenträger" durch die Einheit der Sache zueinander i n ein Verhältnis gesetzt sind. Dieses Verhältnis ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. Es w i r d i n den überkommenen Verhältnisbestimmungen m i t den Begriffspaaren „öffentlich — privat", „öffentlich — frei" zu erfassen gesucht. Der Sinn dieser Gegensatzpaare ist von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis i n die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts i m wesentlichen konstant; m i t dem Ende des liberalen Rechtsstaats und der Entwicklung zum modernen Sozialstaat verliert er seine Selbstverständlichkeit. Eine Analyse des sich als komplex herausstellenden Begriffes „öffentlich" und seiner Gegenbegriffe i n den Verhältnisbestimmungen von „öffentlicher" und „privat/freier" Wohlfahrtspflege ist unser Leitfaden, an dem w i r dem Öffentlichen i n seine weiteren Zusammenhänge nachspüren. Da uns bei unserer Untersuchung kein historisches, sondern ein problematischsystematisches Interesse leitet, setzen w i r m i t einer genaueren Untersuchung erst i n dem relativ späten Zeitpunkt an, i n dem sich die Verhältnisbestimmung auf den Dualismus „öffentlich — privat" i n seinem die gegenwärtige Diskussion bestimmenden Sinne festgelegt hat. Diese Festlegung und Verfestigung gerade auf eine dualistisch-trennende Zuordnung von behördlicher und nicht-behördlicher Wohlfahrtspflege ist jedoch nur dann verständlich, wenn zuvor i n einem kurzen, nur einige bezeichnende Stationen hervorhebenden Rückblick die Geschichte des Armenwesens unter dem Aspekt des Auseinandertretens von Staat und Gesellschaft dargestellt wird.

§ 5 Die Orientierung der überkommenen Verhältnisbestimmungen am liberalen Trennungeschema I. Das Armenwesen im Prozeß des Auseinandertretens von Staat und Gesellschaft Die Konturen der überkommenen und auch heute geläufigen Verhältnisbestimmung m i t den Begriffen „öffentlich" — „privat" werden erst auf dem Hintergrund des älteren Gemeinwesens deutlich. Die Geschichte des Armenwesens ist i n einer besonderen und bezeichnenden Weise i n jenen Prozeß verflochten, i n dem sich aus der altständischen Gesellschaft der moderne Staat herausdestillierte, die moderne Gesellschaft gleichsam freisetzend 1 . Die Scheidung der Wohlfahrtspflege i n einen gesetzlich-öffentlichen und einen gesellschaftlich-privaten Pol ist ein Moment dieser Entzweiung. Idee und Institutionen der Nothilfe waren i m ständischen Gemeinwesen des Mittelalters von der korporativen Gesamtordnung geprägt. I m Stufenbau der Stände war auch dem A r m e n sein fester und — i n folge der hohen Statusgebundenheit dieser Ordnung — grundsätzlich unverlierbarer Platz angewiesen 2 , ein Platz zwar auf der untersten Stufe der irdischen Skala, der aber sub specie aeternitatis seinen eigenen Rang besaß. I n diesem or do hatte die mittelalterliche Almosenlehre ihren legitimen Platz, aus i h m erklärte sich das Fehlen permanenten sozialreformerischen Handelns. Diese Ordnung bestimmte auch die institutionellen Formen der Nächstenhilfe: die Hospitäler wurden zunächst von den Klöstern, später von geistlichen Bruder- und Genossenschaften, von geistlichen, bürgerlichen und ritterlichen Spitalorden getragen und überwiegend aus frommen Stiftungen unterhalten 3 . Auch die Lockerung der ständischen und religiösen Ordnungen am Ende des Mittelalters brachte keine grundstürzende Änderung der Gesamtverfassung. Zwar ermöglichte sie der neuen Ordnungsmacht der rechtsetzenden und verwaltenden Obrigkeit ein Vordringen auf bisher weithin der Kirche überlassene 1 Z u m Prozeß des „Auseinandertretens v o n Staat u n d Gesellschaft" vgl. Angermann, ZfP 10 (1963), S. 89—101; Ehmke, „Staat" u n d „Gesellschaft" (1962). 2 Scherpner, Theorie, S. 25; Neises, H D S W I V . (1965), S. 167; Schäfer, Die Rolle der Fürsorge, S. 21—24. Vgl. dazu auch § 4, bei A n m . 1 bis 3. 3 Uhlhorn, Armenpflege, S. 277 if., 338 ff., Liese I, S. 169 ff.; I I , S. 7—38; Laum, H d S t w I. (1923), S. 943; Maurer, Diakonie i m M i t t e l a l t e r (1953), S. 129 ff.

5*

Die Verhältnisbestimmungen: öffentlich-privat/frei

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Gebiete, so i n d e r A r m e n f ü r s o r g e u n d Gesundheitspflege; aber die „ P o l i z e i " des 16. u n d 17. J a h r h u n d e r t s h a t eher k o n s e r v i e r e n d als r e v o l u t i o n i e r e n d g e w i r k t , sie s t ü t z t e i n v i e l e m „ ä l t e r e Rechts- u n d L e b e n s f o r m e n , die sich selbst n i c h t m e h r e r h a l t e n " k o n n t e n 4 . „ D i e altständische Gesellschaft (der Ständestaat) b i e t e t gerade i n D e u t s c h l a n d b i s t i e f i n die N e u z e i t h i n e i n das B i l d eines e r s t a r r t e n u n d gleichsam r a t i o n a l i s i e r den Mittelalters 5." Gegen diese O r d n u n g r i c h t e t e sich die e m a n z i p a t i v e B e w e g u n g des 18. J a h r h u n d e r t s : d i e i n d e r A u f k l ä r u n g z u m p h i l o s o p h i s c h - p o l i t i s c h e n B e w u ß t s e i n g e k o m m e n e moderne Freiheitsidee. Sie w a r i n i h r e n sozialen W i r k u n g e n a m b i v a l e n t : Sie e n t h i e l t durchaus die M ö g l i c h k e i t e n p ä d a g o gisch b e g r ü n d e t e r sozialer A k t i v i t ä t , w i r k k r ä f t i g e r j e d o c h die L e g i t i m a t i o n s b a s i s f ü r soziale E n t h a l t s a m k e i t . — E i n a u f a u f k l ä r e r i s c h e m F o r t s c h r i t t s g l a u b e n b e r u h e n d e r E r z i e h u n g s o p t i m i s m u s f ü h r t e zunächst a m E n d e des 18. J a h r h u n d e r t s z u e i n e r k u r z e n B l ü t e e i n e r v o r a l l e m j u g e n d f ü r s o r g e r i s c h e n A r m e n p f l e g e , f ü r die das H a m b u r g i s c h e A r m e n w e s e n nach d e r R e f o r m v o n 1788 r e p r ä s e n t a t i v war®. D i e E r z i e h u n g d e r A u f k l ä r u n g w o l l t e d i e V e r n u n f t des e i n z e l n e n i n Ü b e r e i n s t i m m u n g b r i n g e n m i t der vernunftgemäßen O r d n u n g der menschlichen V e r h ä l t nisse i n S t a a t u n d W i r t s c h a f t , die z u g l e i c h die d e r N a t u r des Menschen 4

H. Maier, Polizeiwissenschaft, S. 309, vgl. S. 89 ff. Ebd. S. 81. Z u r Eingebundenheit noch des Preuß A L R i n diese altständische W i r k l i c h k e i t vgl. R. Koselleck, Staat u n d Gesellschaft i n Preußen 1815 bis 1848 (1962), a. a. O., S. 55—59; ders., Preußen zwischen Reform u n d Revolution, 1967, bes. S. 53 ff. u. passim; H. Conrad, I n d i v i d u u m u n d Gemeinschaft, 1956, S. 13 ff.; ders., Das A L R als Grundgesetz, 1965, bes. S. 22 ff. (zum Polizeibegriff u n d Fehlen einer allgemeinen Rechtsfähigkeit) ; W. Conze, Spannungsfeld, S. 121; H. Maier, Polizeiwissenschaft, S. 65 f. β Vgl. Koch, Wandlungen der Wohlfahrtspflege i m Zeitalter der Aufklärung, 1933, bes. S. 133 ff., 147 ff., 173 ff. Commichau, Z u r Geschichte der H a m b u r g i schen Jugendfürsorge i m 18. Jahrhundert, Diss. j u r . H a m b u r g 1961, bes. S. 96. A m Hamburgischen Armenwesen läßt sich auch der rasche Verfall seit etwa 1803 beobachten. Von der individualisierenden u n d dezentralisierten H a m b u r gischen Armenpflege führen L i n i e n zum späteren „Elberfelder" u n d „Straßburger System". Vgl. Urlaub, Die Förderung der Armenpflege durch die H a m b u r gische Patriotische Gesellschaft bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, 1932, bes. S. 94 f.; Scherpner, Die Kinderfürsorge i n der Hamburgischen Armenreform v o m Jahre 1788,1927; ders., Geschichte der Jugendfürsorge, 1966, S. 96 ff. — Der Neuansatz i m 19. Jahrhundert erfolgte aus religiösen Kreisen; die Bürgergemeinden u n d freien philantropischen Gesellschaften zogen sich unter dem Einfluß liberalistischer u n d malthusianistischer Ideen auf die Minimalstellung der Armenpolizei zurück. — I n Preußen stand der Staat den zunächst aus religiösen M o t i v e n entstandenen Rettungshäusern grundsätzlich positiv gegenüber; Bettlerkinder aber schickte er meist i n die Arbeitshäuser, die unter dem Einfluß von Malthus während der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts v o n pädagogischen Reformen unberührt blieben (E . Schüttpelz, Staat u n d Kinderfürsorge i n Preußen i n der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, B e r l i n 1936). Der Geist aufklärerischer Wohlfahrtspflege w i r d deutlich i n den Schriften vielgelesener Armenschriftsteller, ζ. B. Macfarlans, Untersuchungen über die A r m u t h , 1785 ; Chr. Garve, Betrachtungen, 1785; J. G. Büsch, Erfahrungen, 5 Bde, 1790/1802; J. J. Voght, Über Hamburgs Armenwesen, 1796. 5

§ 5 Die Orientierung am liberalen Trennungsschema

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angemessene, die natürliche Ordnung ist. Der sich so zunächst aktiv pädagogisch auswirkende säkularisierte Harmonieglaube war offen für die Aufnahme der Lehre des ökonomischen Liberalismus, der i n einer Gesellschaft vernunftgemäß eigeninteressierter homines oeconomici die Harmonie von der invisible hand der freien Marktkonkurrenz erwartete 7 . Den revolutionierenden Umbruch zur autonomen Wirtschaftsgesellschaft, der gegenüber sich der Staat grundsätzlich auf Rechts- und Friedenswahrung beschränken soll, brachte i n Deutschland die Befreiungsgesetzgebung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 8 . Sie erst löste den einzelnen aus den überkommenen Gemeinschaftsformen und personalen Bindungen und ersetzte die Fülle der Status durch ein Staatsbürgerrecht 9 . I n Bauernbefreiung, Beseitigung von Ehebeschränkungen, Gewährung von Gewerbefreiheit und Freizügigkeit vollzog sich jene „Revolution von oben", zu der Reinhart Koselleck für Preußen festgestellt hat: „Die Trennungslinie zwischen Staat und freier Wirtschaftsgesellschaft wurde von der preußischen Regierung entschiedener gezogen als von den Bürgern, die, vom Staat zu freier Tätigkeit aufgerufen, immer wieder an dessen sozialen Beruf appellierten 10 ." Die Wirtschaftspolitik der Reformer war — unter dem Einfluß von Adam Smith, den viele preußische Beamte i n Königsberg oder Göttingen eifrig studiert hatten 1 1 — i n ihrer Zielsetzung liberal: die Folgen der französischen Besetzung, die Verschuldung der Territorien, die Auswirkungen der Kontinentalsperre hatten die Grundlagen des ständisch gebundenen Wirtschaftssystems erschüttert; die Reformen sollten eine neue „freie" Staatsbürgerschaft hervorbringen, die ökonomisch leistungsfähig genug sein mußte, u m die erforderlichen Finanzmittel aufzubringen 12 . I n der praktischen Verwirklichung mußte diese Politik i n der Innovationsphase 7

F. Lütge, Deutsche Sozial- u n d Wirtschaftsgeschichte, 2. A u f l . 1960, S. 300. I n Preußen die sog. „Stein-Hardenbergschen Reformen" seit 1807; i n Bayern die Gesetzgebung der liberalen Ä r a v o n 1808 bis 1825. — Vgl. zum Folgenden insbes. die i n A n m . 5 zitierten Arbeiten von R. Koselleck. Vgl. auch: E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I, 1957, bes. S. 97 ff., 183 ff. (Die preußische A g r a r - u n d Gesellschaftsreform), S. 350 ff. (Die G r u n d rechte i m frühkonstitutionellen Staatsrecht); F. Lütge, Deutsche Sozial- u n d Wirtschaftsgeschichte, 2. Aufl. 1960, S. 354 ff.; ders., A r t . : Bauernbefreiung, i n : HDSW I. (1956), S.658 ff.; W. Treue, Wirtschafts- u n d Sozialgeschichte Deutschlands i m 19. Jh., i n : Gebhardt, Hdb. d. Deutschen Geschichte, Bd. 3, 8. Aufl. 1960, S. 314ff.; H. Böhme, Prolegomena zu einer Sozial- u n d Wirtschaftsgeschichte Deutschlands i m 19. u n d 20. Jh., 1968; H. Grebing, F. J. Stegmann, i n : Gottschalch, Karrenberg, Stegmann, Geschichte der sozialen Ideen i n Deutschland, 1969, S. 7 ff. 9 Z u r Zwiespältigkeit des gesellschaftlichen u n d politischen Status vgl. Conze, Spannungsfeld, S. 217 f.; Koselleck, Preußen, S. 61. 10 Koselleck, Staat u n d Gesellschaft, S. 75. 11 E. R. Huber, a. a. O., S. 204. 12 H. Böhme, Prolegomena, S. 26 f. 8

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aktiv sein, konnte sie sich ein laissez-faire nicht leisten, da auf allen Sektoren des Wirtschaftslebens die Fundamente der freien Wirtschaftsgesellschaft, da vor allem die selbständigen Wirtschaftsbürger erst geschaffen werden mußten 13 . Die Wirkungen der Reformen waren ambivalent. Die Auflösung der sozialen Bindungen schuf die Voraussetzungen für die Rationalisierung des gesamten Arbeitsprozesses, für die Entfaltung der kapitalistischindustriellen Produktionsweise. Zugleich entstand i n der diesem kapitalistischen System dienenden „industriellen Reservearmee" das „Proletariat der ersten Stunde"; m i t der „persönlichen Freiheit" ging die „soziale Frage" einher, die jene Freiheit i n Frage stellte. Die Kontinentalsperre und die Agrarkrise der Zwanziger Jahre brachten die freigesetzten Bauern u m den beabsichtigten Erfolg der Reformen; Gewinner der „Bauernbefreiung" waren die Großgrundbesitzer. Die Bevölkerungsexplosion und die Gewerbefreiheit verschärften die sozialen Auswirkungen der Freisetzung 14 . M i t den ständischen Bindungen entfielen zugleich auch die ständischen Pflichten zur Sozialfürsorge, es entstand „die Massenarmut, genauer die Staatsunmittelbarkeit der Armut, die sich aus dem Zerfall der Ständeordnung ergab" 15 . „Gegenläufig zu den Entwicklungshilfen, die Preußen vorausplanend leistete..., verhielt es sich i n den sozialen Fragen reaktiv. Der Staat enthob sich, seit der Reform, der Selbstverpflichtung, die er landrechtlich auf sich genommen hatte 1 6 ." Hatte Hardenberg noch, von der sozialen Verantwortung des Staates ausgehend, den Staat „gleichsam als Institution zur Verhinderung der Entfremdung" 1 7 betrachtet, so verlor sich diese landrechtliche Tradition m i t dem Fortgang der Reform. A u f dem Gebiete der Sozialpolitik nahmen die Beamten den Wirtschaftsliberalismus beim Wort, gingen sie davon aus, „daß sich die Notlagen eher über gezielte Hilfen i n der Technifizierung als unmittelbar, eher durch freie Entfaltung der Unternehmerschaft als durch direkte Eingriffe beheben ließen" 18 . Der Staat zog sich sogar aus dem Fabrikschutz zurück; die seit 1817 mühsam sich hinschleppende Diskussion u m die Fabrikschutzgesetzgebung, die schließlich das wenig wirksame „Preußische Regulativ 13 Beschränkte sich der Staat auf dem Gebiet der Gewerbepolitik auf gezielte Entwicklungshilfen, u m die Voraussetzungen der freien Wirtschaft zu schaffen, so blieb er auf dem Gebiet der Industrie aktiver selbstbeteiligt (Technische Erziehung, Verkehr, Energiequellen); vgl. R. Koselleck, Preußen, S. 587 f., 609 ff. Vgl. auch U. P. Ritter, Die Rolle des Staates i n den F r ü h stadien der Industrialisierung, 1961, S. 49 ff., 156 ff. 14 H.Böhme, Prolegomena, S. 26 f., 29 f.; GrebinglStegmann, a.a.O., S. 9; E. R. Huber, a. a. O., S. 188 f. 15 R. Koselleck, Preußen, S. 129. 16 R. Koselleck, ebd. S. 621. Vgl. dazu oben § 3, bei A n m . 3. 17 R. Koselleck, ebd. S. 625. 18 R. Koselleck, ebd. S. 623.

§ 5 Die Orientierung am liberalen Trennungsschema ü b e r die B e s c h ä f t i g u n g j u g e n d l i c h e r A r b e i t e r i n d e n F a b r i k e n "

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6.4.1839 h e r v o r b r a c h t e 1 9 , zeigt, w i e sehr die staatliche L i b e r a l i t ä t d e r R e f o r m z e i t z u r L e t h a r g i e v e r b l a ß t e (Koselleck). „ D i e l i b e r a l e K o n s e quenz, so f o r t s c h r i t t l i c h sie e i n g e h a l t e n w u r d e , r i c h t e t e sich n i c h t m e h r w i e i n H a r d e n b e r g s Z e i t e n gegen d i e r ü c k s t ä n d i g e n F a b r i k a n t e n , sond e r n gegen die h i l f l o s e n A r b e i t e r 2 0 . " I n diese Z u s a m m e n h ä n g e i s t auch die A r m e n g e s e t z g e b u n g des J a h r e s 1842 e i n z u o r d n e n 2 1 . R e i n h a r d K o s e l l e c k h a t sie f o l g e n d e r m a ß e n g e k e n n zeichnet22: „ A n der Armengesetzgebung w u r d e es bereits i n den dreißiger Jahren klar, daß die freie Wirtschaftsverfassung des Staates u n d die politische Ständeverfassung der Provinzen nicht mehr zusammenpaßten. Das Gesetzesbündel, das 1842/43 erlassen wurde u n d das die preußischen Einwohnerbestimmungen, Zuzugsbedingungen, Armenhilfe u n d Bestrafung der Bettler zum ersten Male gesamtstaatlich zu regeln suchte, w a r ein sichtbares Zeichen dafür, daß die Einheit des Staates nicht mehr n u r i n der Administration, sondern ebenso i n seiner Gesellschaft gründete, u n d zwar ganz speziell i n deren gemeinsamer Not, w e n n m a n so w i l l : i m Proletariat. Die soziale Frage w a r nicht mehr an Stadt oder Land, an die einzelnen Provinzen gebunden, sie w a r gesamtstaatlich, ja, sie tauchte erst auf, w e i l sie regional nicht mehr lösbar war, durch die Gemeinden, Kreise u n d Städte hindurchgriff. Die A r m e n u n d Zuzugsbestimmungen, die 1842 emaniert wurden, stellen n u n einen K o m promiß dar zwischen dem staatlichen W i l l e n nach Freizügigkeit u n d den regionalen Vorbehalten, die jeder zukunftsweisenden Richtung bar waren. So lieferte der Staat — ganz i m Gegensatz zur Reformzeit — ein Anpassungsgesetz, das von den sozialen Bewegungen herausgefordert wurde, ohne ihnen zuvorkommen zu k ö n n e n . . . " „ U n d so bequemte sich der Staat zu einem Kompromiß, der den Unterschied zwischen Gemeindemitglied, Wohnsitz u n d Anwesenheit erneuerte, wonach sich die Hilfspflichten staffelten. Sogar die Freizügigkeit wurde gehemmt. Jedem konnte der Zuzug verweigert werden, der nicht ein hinreichendes Vermögen oder K r ä f t e nachwies, seinen Lebensunterhalt zu v e r d i e n e n . . . Die Z a h l derer mehrte sich, die heimatlos umherzogen u n d als Bettler oder Vagabunden bestraft u n d dann auf dem bloßen Verwaltungswege bis zu drei Jahren i n einer Korrektionsanstalt einbehalten werden konnten. Der Gesetz19 Wie stark die „soziale" Gesetzgebung ökonomisch u n d militärisch (!) motiviert u n d orientiert war, beweist gerade die Argumentation bei V o r bereitung u n d A n w e n d u n g dieses Gesetzes. Vgl. dazu J. Kuczynski, Hardenbergs Umfrage über die Lage der K i n d e r i n den Fabriken, 1960; G. K . Anton, Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung, 1891 ; H. W. Erdbrügger, K i n der i m Fabriksystem, i n : Z u r Geschichte u n d Problematik der Demokratie. Festgabe f ü r H. Herzfeld, 1958, S. 431 ff., 439 f. 20 R. Koselleck, Preußen, S. 629. 21 Folgende Gesetze v o m 31. 12. 1842 bilden einen notwendigen Zusammenhang: G über die Erwerbung u n d den Verlust der Eigenschaft als Preußischer Untertan (GS 1843, S. 15); G über die Aufnahme neu anziehender Personen (GS 1843, S. 5); G über die Verpflichtung zur Armenpflege (GS 1843, S. 8); ergänzend: G v o m 6. 1. 1843 über die Bestrafung der Landstreicher, Bettler u n d Arbeitsscheuen (GS 1843, S. 19). 22 R. Koselleck, Preußen, S. 631—633.

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geber hielt i m ganzen Vormärz an der M a x i m e fest, daß a r m n u r sein könne, w e m die »physischen Kräfte' fehlten, sich zu ernähren. Sonst sei er als ein »Arbeitsscheuer anzusehen', u n d ,wenn i h m bloß der W i l l e fehlt', müsse er zur Arbeit gezwungen werden." D i e aus dieser w i r t s c h a f t s l i b e r a l e n K o n z e p t i o n sich f o l g e r i c h t i g ergebende A b l e h n u n g j e d e r d e n A u t o m a t i s m u s s t ö r e n d e n sozialpolitischen A k t i v i t ä t des Staates k o i n z i d i e r t e m i t d e r v o n Malthus vertretenen A r m u t s t h e o r i e . H a t t e dieser noch i n d e r 1. A u f l a g e seines Essay o n t h e P r i n c i p l e of P o p u l a t i o n v o n 1798 A r m u t als unausweichliches N a t u r geschick aufgefaßt, so e r k l ä r t e er sie i n a u f k l ä r e r i s c h e r Ü b e r s p i t z u n g v o n d e r 2. A u f l a g e 1803 a n als d u r c h E n t h a l t s a m k e i t ( m o r a l r e s t r a i n t ) v e r m e i d b a r 2 3 . D a m i t w u r d e aber A r m u t z u r gerechten S t r a f e f ü r p e r sönliche Schuld. I n dieser F o r m d i s k r i m i n i e r t e M a l t h u s m i t d e r A r m u t z u g l e i c h auch die A r m e n . Seine T h e o r i e l e g i t i m i e r t e d i e m a n g e l h a f t e staatliche S o z i a l a r b e i t u n d v o r a l l e m d e n S t r a f c h a r a k t e r d e r A r m e n unterstützung. Die Verquickung malthusianischer u n d liberal-rechtsstaatlicher Begründungen bietet besonders prägnant der A r t i k e l „ A r m u t " i m Rotteck-Welckerschen Staatslexikon von 1856: „ U n t e r den mannigfaltigen Entstehungsursachen der A r m u t h ist Unsittlichkeit die hervorragendste... Der Zweck des Staats, ursprünglich auf Sicherung der Existenz und des Besitzes durch A b w e h r der Gewalt von außen w i e durch gemeinsamen Schutz des einzelnen gegen die unrechtmäßige Gewalt anderer auch innerhalb des Staatsverbandes beschränkt, erweitert sich m i t der Entwicklung der l e t z t e r e n . . . die E r haltung des Lebens fällt i n das Gebiet des Rechtsschutzes, zu dem der Staat verpflichtet ist, u n d w e n n diese Unterstützung, die der Staat i n Aussicht stellt, wie es sein soll, beschränkt w i r d auf das, was zur A b w e h r des Verhungerns erfordert ist, so k a n n die Aussicht auf eine so freudenlose Erhaltung der Existenz, w i e der Staat sie sichert, nicht sehr verlockend sein 2 4 ". D i e politische D y n a m i k d e r „ s o z i a l e n F r a g e " w a r eine d e r Ursachen d e r R e v o l u t i o n v o n 1848; die F u r c h t des B ü r g e r t u m s v o r d e n p o l i t i s c h e n K o n s e q u e n z e n d e r „ s o z i a l e n F r a g e " b r a c h t e diese R e v o l u t i o n w e i t g e h e n d u m i h r e n p o l i t i s c h e n E r f o l g . N i c h t d e r „ V i e r t e S t a n d " , s o n d e r n die m o n a r c h i s c h e n u n d f e u d a l e n G e w a l t e n g i n g e n aus dieser R e v o l u t i o n ges t ä r k t h e r v o r 2 5 . Das B ü r g e r t u m w u r d e a u f w i r t s c h a f t l i c h e m G e b i e t e n t 23

Vgl. dazu Klumker, Die Beurteilung der A r m u t durch Malthus (1916). E. D. Friedländer, i n : Staatslexikon, 3. Aufl. 1856, Bd. I, S. 706 ff.; vgl. auch V. Böhmert, Armenpflege u n d Armengesetzgebung, 1869, S. 7 f . : „ . . . d a w o volle Freiheit des Gütererwerbes, der Güterverteilung u n d Güterbenutzung herrscht, k a n n der Staat dem großen Grundsatze der Selbstverantwortlichkeit der Individuen huldigen u n d der bürgerlichen Gesellschaft die Sorge f ü r das materielle W o h l ihrer Mitglieder allein überlassen... I n der Mehrzahl der Fälle ist die A r m u t h selbstverschuldet u n d erst dann, w e n n m a n die Schuld aus der Welt bringen könnte, würde man auch hoffen können, den Pauperismus vollständig zu überwinden." 25 H. Böhme, Prolegomena, S. 40 ff. ; R. Koselleck, Preußen, S. 14. 24

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schädigt; der von den Reformern zur Mündigkeit herangezogene private Unternehmer übernahm die aktive Führung i n der Wirtschaft und drängte den Einfluß der Administration zurück. Das Reformkonzept ging auf: Staat und Gesellschaft waren auseinandergetreten; die Freisetzung der Wirtschaftsgesellschaft führte von 1850 bis 1873 — unterbrochen nur von einer Krise i m Jahre 1873 — i m Zuge der sich beschleunigenden Industrialisierung zu einer stetigen Steigerung der Produktivität. Die Industrialisierung, mochte sie auch zunächst eine quantitative Abnahme der A r m u t bewirken, schuf das klassische Proletariat, das bei rechtlicher Freiheit durch seine Besitzlosigkeit und die dadurch gegebene Existenzunsicherheit faktisch i n völliger Abhängigkeit vom Unternehmer außerhalb der politischen Gesellschaft lebte 28 . Das kapitalistische Bürgertum hielt die Massenarmut für eine Ubergangserscheinung des industriellen Aufschwungs, der m i t Armenpflege zu begegnen sei. Als „Heilmittel" betrachtete man vor allem die Assoziation 27 . Die Praxis der Armengesetzgebung näherte sich den manchesterlichen und malthusianischen Idealen 28 . I h r ging es nicht so sehr u m die Person der Armen, sondern u m sicherheitspolizeiliche Belange. I m A n schluß an die preußische Regelung faßten die meisten Ausführungsgesetze zum UWG von 1871 den Begriff der „Hilfsbedürftigkeit" sehr eng. Nur wenige Länder erkannten über das materielle Existenzminimum des notdürftigen Unterhalts hinaus auch einen geistigen Notbedarf und die Notwendigkeit einer vorbeugenden Bekämpfung der Armutsursachen an 29 . Der Arme hatte nicht nur keinen Rechtsanspruch auf Hilfe 3 0 , 26

Vgl. Gr ebing! Stegmann, S. 15 ff. Vgl. H. Stein, Pauperismus u n d Assoziation, 1936, S. 21. Bis zur M i t t e des Jahrhunderts hatten i n der deutschen L i t e r a t u r die A n t i - M a l t h u s i a n e r überwogen, da noch w e i t h i n Bedarf an „disponibler Arbeitskraft" bestand. Vgl. J. Kuczynski, Bürgerliche u n d halbfeudale L i t e r a t u r aus den Jahren 1840 bis 1847 zur Lage der Arbeiter, 1960, S. 21 ff. * 9 § 1 Preuß AusfG v. 8. 3. 1871 verpflichtete zur Gewährung von Obdach, unentbehrlichem Lebensunterhalt, der erforderlichen Pflege i n Krankheitsfällen u n d i m Falle des Ablebens zu einem angemessenen Begräbnis; dagegen die sächs. AusfVO v. 6. 6. 1871: Kindererziehung, Vorbeugung, Verschaffung lohnender Arbeit. Vgl. Diefenbach, Reichsarmengesetz, S. 132, 199; ders., H d S t w I. (1923), S. 979; Wolfram, V o m Armenwesen zum heutigen Fürsorgewesen, S. 32 f. 30 F ü r das Preuß G ν. 1842 vgl. v o r allem Flottwell, Armenrecht u n d A r m e n polizei, 1866, S. 1 ff. I n seiner engagierten Polemik gegen die — auch i n der Rechtsprechung des Königl. Ober-Tribunals nicht vermiedene — falsche A n nahme eines Rechtsanspruches der A r m e n stellt er i m Anschluß an die Motive fest: „ C a r d i n a l - M a x i m e der A r m e n - V e r w a l t u n g " sei, daß nichts weiter als das wirkliche U m k o m m e n i m Elend verhütet werden solle, aus dem Interesse der öffentlichen Sittlichkeit n u r das unumgänglich Notwendige dem Hilfesuchenden gewährt werden dürfe; dieser habe die öffentliche Unterstützung niemals unter einem anderen Gesichtspunkt als dem der Wohltätigkeit oder bloßen Liebespflicht zu betrachten. F ü r die Reichsgesetzgebung w e h r t Münsterberg, Armengesetzgebung, S. 275, den „ V o r w u r f " ab, sie gewähre einen Rechtsanspruch. 27

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er e r l i t t auch eine e m p f i n d l i c h e M i n d e r u n g seines s t a a t s b ü r g e r l i c h e n Status, er w a r B ü r g e r g e r i n g e r e n Rechts, bloßes O b j e k t repressiver p o l i zeilicher M a ß n a h m e n 3 1 .

I I . D i e Verhältnisbestimmungen i n den frühen Verhandlungen des Deutschen Vereins A u f diesem H i n t e r g r u n d s t e h t der V e r s u c h v o r a l l e m der S o z i a l p r a k tiker, m i t den Begriffen „öffentlich" u n d „frei", „öffentlich" u n d „ p r i v a t " die u n t e r s c h i e d l i c h e n H i l f s f o r m e n z u k e n n z e i c h n e n u n d z u e i n a n d e r i n e i n V e r h ä l t n i s z u b r i n g e n . S e i t d e r e r s t e n J a h r e s v e r s a m m l u n g des „ D e u t s c h e n V e r e i n s f ü r A r m e n p f l e g e u n d W o h l t ä t i g k e i t " , d e r seit 1919 d e n N a m e n „ D e u t s c h e r V e r e i n f ü r öffentliche u n d p r i v a t e F ü r s o r g e " t r ä g t 3 2 , i s t das T h e m a dieses Kongresses, das V e r h ä l t n i s v o n „ f r e i e r W o h l t ä t i g k e i t " u n d „ ö f f e n t l i c h e r A r m e n p f l e g e " , i m m e r w i e d e r bedacht u n d i n i m m e r n e u e n A n l ä u f e n eine D e f i n i t i o n d e r als gegensätzlich empfundenen Handlungsprinzipien versucht worden 33. 31 Empfänger v o n Armenunterstützung verloren das passive u n d aktive Wahlrecht, vgl. § 3 Ziff. 3 Wahlgesetz v. 31. 5. 1869 (BGBl. S. 145); das Gesetz wurde 1871 als Reichsgesetz übernommen u n d blieb bis 1918 i n K r a f t . Sie waren unfähig zur Wahrnehmung des Schöffen- u n d Geschworenenamtes (§ 33 GVG), i n Bayern unterlagen sie einem Wirtshaus verbot. Besonders k l a r beantwortet O. Mayer die Frage, w a r u m die den Armenverband dem Staat gegenüber verpflichtenden Rechtssätze k e i n Recht des A r m e n begründen. „Der G r u n d ist vielmehr der, daß alle unsere Armenunterstützungsgesetze nach w i e v o r dabei beharren, diese Unterstützung als ein Almosen, als eine Wohltat anzusehen, die das Gemeinwesen dem einzelnen erweist; daher auch die erniedrigende W i r k u n g u n d der Verlust des Wahlrechts!" (Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I I , 2. Aufl. 1917, S. 696 f. N. 24, kürzer i n der 3. Aufl. 1924, S. 386 N. 16). 32 Z u r Geschichte u n d Wirksamkeit des Deutschen Vereins vgl. die Jubiläumsschrift: Beiträge zur E n t w i c k l u n g der deutschen Fürsorge. Fünfundsiebzig Jahre Deutscher Verein, 1955 (Schriften DV); darin insbes. H. Polligkeit-Eiserhardt, R. Pense, Ziele und Aufgaben des Deutschen Vereins i n alter u n d neiler Zeit, S. 439—489; H. Braun, Der Deutsche Verein i m Geschehen seiner Zeit. Eine synoptische Darstellung, S. 1—31. Vgl. auch C. L. Krug v. Nidda, W i l h e l m Polligkeit. Wegbereiter einer neuzeitlichen Fürsorge, 1961 (Schriften DV, 219), bes. 346 ff. 33 Bis zur Jahrhundertwende stand dieses Thema mehrmals auf dem Programm der Verbandstagungen; nach einer Zeit stärkerer Reflexion über das Verhältnis von Armenpflege u n d Sozialpolitik trat es dann ab etwa 1916 i m Zusammenhang m i t der Auseinandersetzung über die Gestaltung der freien Wohlfahrtspflege nach dem Kriege wieder i n den Vordergrund. Vgl. i m einzelnen: H. Roestel, L. F. Seyffardt, Organisation der freien Wohltätigkeit, A n lehnung derselben an die öffentliche Armenpflege, 1880 (Schriften DV). — Die Grenzen der Wohltätigkeit, 1889 (Schriften DV, 8), Berichte v o n L. Fuld, S. 269 bis 288, u n d A. Emminghaus, S. 289—292. — Die Verbindung der öffentlichen u n d der privaten Armenpflege, 1891 (Schriften DV, 14), Berichte von E. Münsterberg, S. 21—47, u n d Rothfels, S. 67—84; vgl. dazu auch den Stenograph. Bericht, 1891 (Schriften DV, 15), Referat von E. Münsterberg, S. 79—92. — Die Bestrebungen der Privatwohltätigkeit u n d ihre Zusammenfassung, 1894, (Schriften DV, 19), Berichte von Eberty, S. 87—102, u n d Künzer, S. 103—117;

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I n d e n f r ü h e n V e r h a n d l u n g e n des D e u t s c h e n V e r e i n s w i r d a u f e i n e n D i s p u t B e z u g g e n o m m e n , der d e n e l f t e n v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n K o n g r e ß 1869 i n M a i n z b e l e b t h a t t e . D o r t h a t t e V i c t o r B ö h m e r t m i t d e r F o r d e r u n g e i n e r r i g o r o s e n B e s c h r ä n k u n g d e r gesetzlichen A r m e n u n t e r s t ü t z u n g a u f sicherheits- u n d gesundheitspolizeiliche F ä l l e z u g u n s t e n e i n e r o r g a n i s i e r t e n f r e i w i l l i g e n A r m e n p f l e g e d e n entschiedenen W i d e r s p r u c h v o r a l l e m R u d o l f v o n Gneists gefunden, d e r die u n t r e n n b a r e Z u s a m m e n gehörigkeit v o n obligatorischer u n d f r e i w i l l i g e r Armenpflege betont h a t t e 3 4 . I s t d i e P r a x i s B ö h m e r t auch n i c h t gefolgt, so h a t dieser doch gerade i n der Ü b e r s p i t z u n g d e r G e g e n s ä t z l i c h k e i t e n besonders k l a r d e n G r u n d a k k o r d angeschlagen, d e n die m e i s t e n späteren V e r h ä l t n i s b e s t i m m u n g e n v a r i i e r e n . E r f ü h r t d e n U n t e r s c h i e d zwischen d e n b e i d e n F o r m e n d e r A r m e n p f l e g e a u f d e n Gegensatz v o n G e s e t z l i c h k e i t u n d F r e i h e i t z u r ü c k . A u s diesem Gegensatz f o l g e r t e r die e i n z e l n e n U n t e r s c h i e d l i c h k e i t e n : H a n d e l n aus „ ä u ß e r e m s t a a t l i c h e m Z w a n g " gegenüber solchem aus „ f r e i e m i n n e r e m D r a n g " ; d u r c h Z w a n g s s t e u e r e r f ü l l t e rechtliche L a s t gegenüber B a r m h e r z i g k e i t als s i t t l i c h e r P f l i c h t 3 5 . I n d e n s p ä t e r e n G r e n z b e s t i m m u n g e n w u r d e n w e i t e r e A s p e k t e dieses Grundgegensatzes 3 6 i n d e n V o r d e r g r u n d gestellt. I n e n g e m Z u s a m m e n stenographischer Bericht, 1894 (Schriften DV, 20), S. 95—128. — Die Beschaffung der Geldmittel f ü r die Bestrebungen der freien Liebestätigkeit, 1912 (Schriften DV, 98), Berichte von A. Levy , S. 3—157, u n d H. Götze, S. 161—170; Stenographischer Bericht, 1913 (Schriften D V , 99), S. 11—88. — Wie ist i n der Armenpflege u. Wohltätigkeit die Übergangszeit nach dem Kriege zu gestalten? Bericht v o n W. Polligkeit i n Z f d A 18 (1917), S. 23—36. — Die Beaufsichtigung der freien Liebestätigkeit nach dem Kriege, 1918 (Schriften DV, 107), Stenographischer Bericht, vgl. A. Levy , S. 114—131, u n d Diskussionsbeiträge von Werthmann, S. 160—163, als Vertreter der freien, u n d Luppe, S. 171—175, als Vertreter der öffentlichen Wohlfahrtspflege. — Die sittlichen Grundlagen u n d Ziele der Wohlfahrtspflege. Referat von A. Salomon, i n : Bericht über die Verhandlungen des 37. Deutschen Fürsorgetages 1921 i n Weimar, 1922 (Schriften DV, N F 2), S. 1—12. F ü r diesen Abschnitt unentbehrlich die zusammenfassende Darstellung von C. L. Krug v. Nidda, Entwicklungstendenzen (1955). F ü r die neuere Zeit vgl.: Treibert, Aufgaben i m Flüchtlingsdienst (1947). — Fürsorge u n d Sozialreform (1956); Bericht v o n Muthesius, Die Fürsorge u n d die Neuordnung der sozialen Hilfen, S. 19—30. — Die Neuordnung des F ü r sorgerechts als T e i l einer Sozialreform (1958) ; Bericht von Achinger, S. 38—48. — Fürsorge i n der gewandelten Welt von heute (1960); Berichte von Freyer, S. 17—29, Collmer, S. 29—43. — Fürsorge i m Spannungsfeld der Generationen (1962); Bericht von Muthesius, Der Deutsche Verein, das Bundessozialhilfegesetz u n d das Gesetz f ü r die Jugendwohlfahrt, S. 452—460. 34 V. Böhmert, Armenpflege u n d Armengesetzgebung, 1869 (danach zitiert), abgedruckt auch i m Bericht über die Verhandlungen des elften Kongresses deutscher Volkswirte, i n : Viertel Jahresschrift f ü r Volkswirtschaft u n d K u l t u r geschichte, 27 (1870), S. 150—168. Der Diskussionsbeitrag von Gneist i n der Vierteljahresschrift, a. a. O., S. 188—193. Der Vorbereitung auf diesen Kongreß diente das wichtige Buch von Emminghaus, Armenwesen u n d die A r m e n gesetzgebung i n europäischen Staaten, 1870. 35 V. Böhmert, a. a. O., S. 15 f. Vgl. dazu auch oben, A n m . 24. 36 Vgl. auch Münsterberg, 1891, S. 25: Z w a n g u n d Liebe als die charakte-

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hang m i t dem Zwangscharakter der gesetzlichen Armenpflege wurde auf den bürokratischen Vollzug und den interesselosen Amtsstil hingewiesen, dem eine aus der ursprünglichen K r a f t der Gesellschaft lebende Fürsorge, die von freiwilligen, ehrenamtlichen Helfern geleistet werde, i n der Regel überlegen sei 37 . Einen Vorteil der öffentlichen Armenpflege sah man allerdings i n ihrer Einheitlichkeit und finanziellen Leistungsfähigkeit, während die freie Fürsorge durch Planlosigkeit und unkoordinierte Gleichzeitigkeit oft mehr schade als nutze 38 . Die so positiv beurteilte finanzielle Leistungsfähigkeit werde aber durch ein System von Zwangssteuern getragen, die i n ihrem Werte hinter freien Liebesgaben weit zurückständen 39 . Inhaltlich wies man der „Zwangsarmenpflege" die Gewährung des Existenzminimums als Aufgabe zu; die freie Fürsorge sei für eine vorbeugende, die A r m u t verhütende und für eine die obligatorische Armenpflege ergänzende Hilfe prädestiniert und für das dabei erforderliche individualisierende Vorgehen geeignet 40 . Gesetzlichkeit und Freiheit, dieser Gegensatz ist der i n vielfältigen Modifikationen sich durchhaltende, m i t der Formel „öffentlich — frei" abkürzend angezeigte Grundzug i n den Abgrenzungsversuchen der Fachdiskussion: Zwang und freie Tat, bürokratisches und charismatisches Tun, Beamtenpflicht und Ehrenamt, Steuerzwang und Liebesgabe — i n diese Gegensätzlichkeiten entfaltet sich die Grundunterscheidung. Der Bezug solcher Antithesen zu dem auf der Trennung von Staat und Gesellschaft basierenden Modell des spätliberalen Rechtsstaats drängt sich auf. Der Dualismus von öffentlicher und privater Wohlfahrtspflege und die diesen wiederspiegelnden dualistischen Abgrenzungsformeln erscheinen als Reflexe jenes beherrschenden Dualismus eines auf den Rechtszweck beschränkten Staates und einer autonomen Wirtschaftsristischen Merkmale der öffentlichen u n d freiwilligen Armenpflege. Die Liebe aber vertrage nichts schlechter als Zwang u n d Reglementierung. Eberty, 1894, S. 87. 37 Seyffard, 1882 (nach Krug v. Nidda, Entwicklungstendenzen, S. 152); Eberty, 1894, S. 87; Künzer, ebd. S. 113. Die hier angegebenen Nachweise über die Argumente i n einem sehr frühen Diskussionsstadium müssen f ü r alle späteren Wiederholungen stehen. 38 Fuld, 1889, S. 269ff.; Emminghaus, ebd. S. 290ff.; Rothfels, 1891, S. 69: Anlehnung, notfalls Unterordnung der freien Armenpflege an die öffentliche Armenpflege; Münsterberg, ebd. S.23 ff.; Eberty, 1894, S.87, 93 if.; Levy, 1912 (DV, 98), S. 10 ff.: Aufsicht über die freie Liebestätigkeit; dagegen Werthmann als Vertreter der Caritas, S. 161 ff., u n d Luppe als Vertreter der öffentlichen Wohlfahrtspflege, S. 171 ff. — I n den Jahren 1916—1921 bewegte sich die Diskussion i m Rahmen der Spezialfrage der Zusammenfassung der Fürsorge i n Wohlfahrtsämtern. Sie führte zu zahlreichen Stellungnahmen, besonders der freien Verbände. Vgl. Krug v. Nidda, a. a. O., S. 252 ff., 311 ff. 39 Münsterberg, 1891, S.23; Eberty, 1894, S.87; Levy, 1912, S. 22, 78 ff. (Zu den Gefahren, die Subventionen f ü r die Selbständigkeit u n d Beweglichkeit sein können). 40 Münsterberg, 1891, S.23; Rothfels, ebd. S. 68; Eberty, 1894, S.87; Künzer ebd. S. 105 f., 108 ff.; Polligkeit, ZfdA 18 (1917), S. 34 ff.

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gesellschaft. Es liegt i n der inneren Logik dieses Modells, unter den Begriffen „öffentlich" und „privat/frei" nicht nur einzelne Aspekte zu begreifen, sondern m i t ihnen umfassende Gesamtstatus zu bezeichnen, i n denen sich institutionelle Verfaßtheit, Modus und Rechtsform des Handelns entsprechen. Darin erweist sich der bürgerliche Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts gerade i n seinem Dualismus als Gesamtverfassung. Waren mit den genannten Formeln zunächst auch nur Umschreibungen für unterschiedliche Handlungsprinzipien, verschiedene Zielbestimmungen und Durchführungsweisen der praktischen Hilfstätigkeit gemeint, so war i n ihnen der institutionelle Bezug doch immer als selbstverständlich mitgedacht. Die ihrem Modus nach „freie" Armenpflege war i n den privaten Vereinen, die modal „öffentliche" Fürsorge i n den Behörden der gesetzlichen Träger des Armenwesens institutionalisiert. Der modalen entsprach die institutionelle Verortung. Eine gewisse Zwischenstellung nahm die Armenpflege der Gemeinden und Kirchen ein. Die kommunalen Hilfen enthielten, soweit sie über das gesetzliche Mindestmaß hinausgingen, Elemente des „Freien", die amtskirchliche Wohltätigkeit solche des „öffentlichen" 4 1 . Darin wirkte sich die vom Trennungsschema nicht v o l l vereinnahmte Sonderposition dieser Korporationen aus. Jedoch stellten diese Abweichungen das Grundschema nicht i n Frage, sondern variierten es nur. Die „freie" Wohlfahrtspflege der Gemeinden lebte gerade als solche aus einer Symbiose m i t den freien Assoziationen 42 , die kirchliche Wohltätigkeit entfaltete sich zunehmend i m privaten Vereinswesen. Ist somit i n institutioneller und modaler Hinsicht die feinsäuberliche Scheidung m i t den Kategorien des Staat-Gesellschaft-Schemas zumindest der Tendenz nach feststellbar — eine Tendenz, die von der tatsächlichen Entwicklung bestätigt wurde, i n der die Gemeinden i n die Nähe des Staates und die Kirchen i n die Sphäre der Gesellschaft rückten —, so scheint diese Feststellung für die jeweilige Rechtsform des Handelns gerade nicht zuzutreffen. Soweit die Hilfen überhaupt innerhalb eines Rechtsverhältnisses und nicht als rechtsfreie Almosen gewährt wurden, geschah das auch i n der „öffentlichen" Wohlfahrtspflege — wenn nicht rein polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen m i t hoheitlichem Zwang durchzuführen waren — i n privatrechtlicher Form; es sei hier vor allem 41 So stellte Wichern bürgerliche u n d kirchliche Armenpflege als „öffentliche" der Privatarmenpflege vor allem der Vereine gegenüber. Die unterscheidenden K r i t e r i e n sind A m t u n d Freiwilligkeit. Vgl. Über kirchliche, b ü r gerliche u n d freiwillige Armenpflege (1855), i n : Ges. Sehr. I I I , S. 739—797, 785; Gutachten (1856), ebd. S. 821—899. — Z u r Stellung der Gemeinden vgl. R. Scholz, Das Wesen u n d die Entwicklung der gemeindlichen öffentlichen E i n richtungen, 1967, S. 37 f. 42 Vgl. oben § 3 bei A n m . 22.

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auf die Versorgung bedürftiger Bürger i n Krankenhäusern hingewiesen 43 . Aber gerade diese Einordnung zeigt, daß solche rechtsförmlichen Leistungen Fremdkörper i n einem zunehmend an Befehl und Zwang orientierten öffentlichen Gemeinwesen waren 4 4 .

43 W. Rüiner, Formen öffentlicher V e r w a l t u n g i m Bereich der Wirtschaft, 1967, S. 94 f.; M . Bullinger, öffentliches Recht u n d Privatrecht, 1968, S. 66. 44 Vgl. dazu jetzt W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 89 f.

§ 6 Das Versagen des Trennungsschemas gegenüber der sozialetaatlichen Wirklichkeit I. Aspekte einer Realanalyse Mag um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Wirklichkeit auf dem Wege zur Reinheit des dualistischen Modells von Staat und Gesellschaft gewesen sein — ganz hat sie sich diesem Modell nie angepaßt —, spätestens seit der Bismarckschen Sozialgesetzgebung ist das Modell selbst nicht mehr maßgebend: Staat und Gesellschaft bewegen sich wieder aufeinander zu. Die Beziehung von Industriegesellschaft und Sozialstaat ist als ein Differenzierungen nicht ausschließender Zusammenhang, nicht m i t trennenden Dualismen begreifbar. Die am Trennungsschema geschliffenen Begriffe verlieren ihren Wirklichkeitsbezug. Die sichere Grenze zwischen „öffentlich" und „frei", „öffentlich" und „privat" scheint verwischt. Eine Realanalyse des staatlich/gesellschaftlichen Teilbereichs „Wohlfahrtspflege" zeigt auch für den Gesamtprozeß charakteristische Aspekte. 1. Die Wohlfahrtspflege im Prozeß der Wiederannäherung von Staat und Gesellschaft

A m 11. 6.1870 hob der Norddeutsche Reichstag den Konzessionszwang für Aktiengesellschaften auf. Damit war der Höhepunkt der liberalen Wirtschaftsgesetzgebung erreicht 1 , das letzte Instrument staatlicher Lenkung aus der Hand gegeben. „Die unter Stein und Hardenberg eingeleitete Änderung des Verhältnisses von Staat und Individuum hatte ihren Abschluß gefunden 2 ." Das Gesetz schuf die Basis, auf der sich der Milliardenboom der Jahre 1871/73 entwickeln konnte. „,Gründungsfieber 4 und ,Gründungsmanie' erreichten eine bisher unbekannte Radikalität, zumal der i n Hochblüte befindliche Manchesterliberalismus und die zu jener Zeit viel diskutierte biologische Theorie vom ,Kampf ums Dasein' und vom ,Überleben des Stärkeren und Gesünderen 4 i m rücksichtslos individualistischen Expansionsstreben etwas Natürliches, aufs Ganze und auf die Dauer der Allgemeinheit Nützliches sahen 3 ." 1873 1

Vgl. zu den folgenden Ausführungen die oben § 5 A n m . 8 zitierten A r b e i ten von F. Lütge u n d W. Treue, bes. v o n H. Böhme. 2 Böhme, a. a. O., S. 63. 3 Treue, a. a. O., S. 398.

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begann die „Große Depression", die erst 1878/79 ihren Tiefpunkt erreichte und sich bis 1896 auswirkte. Sie brachte den Umschwung vom extremen Wirtschaftsliberalismus zum Protektionismus und initiierte som i t die Wiederannäherung von Staat und Gesellschaft, die Entwicklung zum „organisierten Kapitalismus" eines nationalen Wirtschaftsstaates. I n die damit nur angedeuteten Zusammenhänge gehört auch die Sozialgesetzgebung m i t ihren Auswirkungen auf die Wohlfahrtspflege. Die Opposition gegen die auch nach 1873 zunächst fortgeführte Politik des Freihandels veranlaßte Großbanken, Großindustrie und Großlandwirtschaft zu einem Interessenbündnis, auf das Bismarck, der sich durch politische Forderungen der Liberalen und durch die zunehmende Macht des Sozialismus bedrängt sah, seine Politik des „Neumerkantilismus" stützen konnte 4 . Die neue Schutzzollpolitik bedeutete die Abwendung von der liberal-weltwirtschaftlichen zu einer „preußisch"-nationalstaatlichen Wirtschaftspolitik, die Sozialistengesetze sollten die „staats- und gesellschaftsgefährdende" Bewegung vernichten, die Sozialversicherungsgesetze den Arbeiter m i t dem Staat versöhnen 5 . Nur die verhängnisvolle nationalstaatliche Ausrichtung erwies sich m i t den Tendenzen der Zeit als konform; die Sozialistengesetze muß ten 1890 aufgehoben werden; die Versöhnung der Arbeiter m i t dem Staat vermochten die Versicherungsgesetze — so sehr man sie als Pionierwerk würdigen muß — nicht zu leisten, da sie den Arbeiter „fürsorgerisch" zum Objekt sozialpolitischer Institutionen machten, statt seine politischen Forderungen nach einer positiven Arbeiterschutzgesetzgebung und Mitbestimmung zu erfüllen®. Dem öffentlichen Armenwesen brachte die Sozialgesetzgebung zwar nicht die erhoffte finanzielle Entlastung, führte aber besonders auf dem Gebiete der geschlossenen Fürsorge zu erheblichen Verbesserungen der sachlichen Leistungen 7 . Wichtiger war die indirekte Wirkung der Gesetzgebung, der neue Geist sozialer Verantwortung, wie er aus der Reichstagsrede Bismarcks zur Vorlage des Unfallversicherungsgesetzes und vor allem aus der berühmten Kaiserlichen Botschaft vom November 1881 sprach 8. M i t der Ausbreitung des Elberfelder Systems seit etwa 18869 4

Treue, a. a. O., S. 403. KrankenVersG v. 15. 6. 1883 (RGBl. 73); UnfallVersG v. 6. 7. 1884 (RGBl. 191). A l l e aufgenommen i n die RVO v. 9. 7.1911 (RGBl. 509). 1886 (RGBl. 132), f. d. Bauwirtschaft v. 11. 7. 1887 (RGBl. 287), f. d. Seeschiffahrt ν 13. 7. 1887 (RGBl. 329); Invaliditäts- u n d AltersVersG v. 22. 6. 1889 (RGBl. 191). A l l e aufgenommen i n die R V O v. 9. 7.1911 (RGBl. 509). 6 Böhme, a. a. O., S. 90; Treue, a. a. O., S. 407. 7 Freund, Armenpflege u. Arbeiterversicherung, 1895, S. 83; Brinkmann, Die Armenpflege i n ihren Beziehungen zu den Leistungen der Sozialgesetzgebung, 1897; Klumker, Fürsorgewesen, 1918, S. 66 ff.; Wolfram, Armenwesen, S. 35 ff. 8 Reichstagsrede Bismarcks v. 2. 4. 1881 (Verh. d. RT, 4. LP, I V . Sess. 1881, Bd. 1, S. 712; abgedr. bei Huber, Dokumente Bd. 2, S. 397 f., Nr. 259): „ . . . Ich b i n nicht der Meinung, daß das ,laisser faire, laisser aller 4 , ,das reine M a n 5

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praktizierte die öffentliche Fürsorge immer mehr Grundsätze, die nach dem dualistischen System als „freie" gekennzeichnet werden mußten. M i t dem RJWG von 1922 und den Fürsorgegesetzen von 1924 erhielten diese Grundsätze Gesetzeskraft. Trotz dieser Änderungen formte sich i m allgemeinen Bewußtsein kein neues B i l d der „öffentlichen" Hilfe. Nicht zu unterschätzen ist die verhängnisvolle Verkoppelung von Sozialreform und repressiver Sozialistenpolitik durch Bismarck 10 ; sie stufte die Sozialgesetzgebung doch wieder zurück auf die Ebene der frühen preußischen Fabrikgesetzgebung, deren Legitimität nicht einem sozialpolitischen Programm, sondern vorwiegend der Staatsräson entsprang 11 . Die Außenseite des stetig wachsenden Sozialstaats blieb dem überkommenen B i l d des „öffentlichen" verbunden: erst nach der Revolution von 1918 erhielt auch der Arme das politische Wahlrecht; erst 1926 wurden die für i h n bestehenden Beschränkungen i n der Bestellung von Schöffen oder Geschworenen beseitigt; noch die Verordnung über Tuberkulosehilfe vom 8.9.1942 gewährte Hilfe allein i m öffentlichen Interesse. Die fortschrittlichen Grundsätze der Gesetze von 1922/24 kamen i n der Not der Zeit nicht zur Auswirkung. 2. Die „Angleichung" von „freier" und „öffentlicher" Sozialarbeit

Die allzu lang verdeckte Änderung der gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit liegt heute i n hellem Licht, öffentliche und freie Wohlfahrtspflege stehen i n einem schon weit fortgeschrittenen Prozeß der A n gleichung i n Handlungsprinzipien und Organisationsform. — Für die öffentliche Hilfe kann auf die Darstellung i n § 3 verwiesen werden; rekapitulierend seien nur die Leitbegriffe genannt: Rechtsanspruch und chesterthum i n der Politik', ,Jeder sehe, w i e er's treibe, Jeder sehe, w o er b l e i b e ' . . . — daß das i m Staat, namentlich i n dem monarchischen, landesväterlich regierten Staat A n w e n d u n g finden könne." Die Kaiserliche Botschaft v o m 17.111881 (Verh. d. RT, V. L P , I. Sess. 1881/82, Bd. 1, S. 1 ff; Huber, a. a. O., S. 398, Nr. 260) spricht die Überzeugung aus, „daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich i m Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde". Sie spricht v o n der größeren Sicherheit u n d Ergiebigkeit des Beistandes f ü r die Hilfsbedürftigen, „auf den sie Anspruch (!) haben", u n d nennt es eine schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben des Gemeinwesens, welches auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht, f ü r ein höheres Maß staatlicher F ü r sorge die rechten M i t t e l u n d Wege zu finden. Die Gesetze eröffneten „eine neue Epoche staatlichen Lebens i n Deutschland u n d i n der Welt", Vossler, Bismarcks Sozialpolitik (1943), S. 12; vgl. auch Schäfer, Die Rolle der Fürsorge, 1966, S. 78 ff. 9 Braun, Der Deutsche Verein, 1955. 10 Vossler f a. a. O., S. 16 ff. 11 Badura, Verwaltungsrecht 1,1966, S. 13. 6 Rinken

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Menschenwürde, individualisierende, vorbeugende und nachgehende Hilfeleistung. Die freien Wohlfahrtsverbände sind ihrer Rechtsform nach unverändert eingetragene Vereine nach bürgerlichem Recht. Wollte man sich aber bei dieser Auskunft beruhigen, so würde man die Verwandlung außer acht lassen, die sich „hinter der Kulisse eines i m wesentlichen konstanten Vereinsrechts vollzogen hat" 1 2 : die Verschiebung des Organisationstypus von der freien Assoziation des 19. Jahrhunderts zum modernen Verband. Jene kann abkürzend m i t folgenden Merkworten charakterisiert werden: Mitgliederverein auf örtlicher oder doch überschaubarer Ebene, lockerer Zusammenschluß, ehrenamtliche Tätigkeit von Honoratioren, Vereinsleitung aus der Mitte der Assoziierten 13 . Dem steht die bürokratisch verwaltete und geführte Großorganisation m i t funktionalisierter Arbeitsteilung gegenüber: hauptamtliche und berufsmäßige „Funktionäre", Ablösung der Identität von Mitglied und M i t arbeiter durch das Arbeitsverhältnis von Geschäftsführer und Angestellten, Rückgang des persönlichen Engagements 14 . Von beiden Trägergruppen werden die gleichen Schwierigkeiten registriert 1 5 : Zentralisierung, Institutionalisierung und Bürokratisierung auf der organisatorischen Seite, die zunehmende Bedeutung des sozialen Fachmanns i n der praktischen Arbeit. Die Ausbildung der Sozialarbeiter erfolgt für öffentliche und freie Wohlfahrtspflege gemeinsam i n überwiegend „freien" Ausbildungsstätten. Es erscheint konsequent, wenn Hans Achinger eine weitgehende innere Angleichung i n Denken, Begriff sbildung, Sprache und Verwaltungsform feststellt 16 . I I . Die Unsicherheit der neuen Statusbestimmungen Gegenüber diesem Tatbestand hat die Formel von Gesetzlichkeit und Freiheit i n ihrem alten Verständnis ihre Evidenz verloren. Die trennscharfe Entgegensetzung von öffentlicher und privater Wohlfahrtspflege 12

Köttgen, Innerstaatliche Gliederung (1961), S. 86. Vgl. dazu: F. Müller, Korporation u. Assoziation, 1965, bes. S. 17 f.; Corize , Der Verein als Lebensform des 19. Jahrhunderts (1960), S. 226 ff. 14 M a n vergleiche den 1. Centraiausschuß m i t der heutigen Organisation des Gemeinsamen Werkes usw. — Z u den angedeuteten Wandlungen vgl.: Schelsky, Freiwillige H i l f e (1955), S. 3ff.; Conze, a.a.O., S. 233f.; Kupisch, Recht u n d Unrecht (1960), S. 251 ff.; v. Hase, Strukturfragen (1960), S. 265 f.; Baron, Das deutsche Vereinswesen, Diss. 1962, S. 67 f.; U. K. Preuß, Der staatsrechtliche Begriff des öffentlichen, 1969, S. 43 ff., 69. 15 Wasse, Werke u. Einrichtungen, 1954, S. 3; Achinger, Materialien (1958), S. 65 f.; Collmer, Fürsorge i n der gewandelten Welt (1960), S. 41; Wehlitz, Diakonie (1963), S. 140; Lerche, Verfassungsfragen, 1963, S. 36; Danckwerts, Organisierte freiwillige Hilfe, 1964, S. 127 ff.; M . R. Vogel, Kommunale Apparatur, 1966, S. 61. 16 Achinger, öffentlich — P r i v a t (1965). S. 18, 28. 13

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als Träger wesensverschiedener öffentlicher und freier Sozialarbeit ist obsolet geworden. Die eindeutige Polarität hat sich i n ein unübersichtliches Bezugsfeld aufgelöst: das „Öffentliche" hat Elemente des „Freien" adaptiert und umgekehrt. Dennoch behaupten sich die alten dualistischen Formeln als hartnäckige „Ideologie" und lästige Stereotype. I n welchem Maße sie auch heute noch die Diskussion beherrschen, hat gerade der Verfassungsstreit und die an i h n anknüpfende Auseinandersetzung zwischen behördlicher und verbandsmäßiger Fürsorge gezeigt: die Fähigkeit zu „persönlicher Hilfe" beansprucht ein Teil der Verbände allein für die freie Wohlfahrtspflege. Aber auch dort, wo neue Verhältnisbestimmungen gesucht werden, basieren sie nicht auf einer grundsätzlichen Analyse des politisch-sozialen Prozesses, dessen Symptom die „Angleichung" freier und öffentlicher Fürsorge ist, sondern knüpfen sie an Äußerlichkeiten des Wandels an, ohne diese Äußerlichkeiten selbst zu hinterfragen. 1. Die funktionalen Ansätze der Fachdiskussion

Nur zögernd tasten sich die neueren Abgrenzungsversuche des Fachgesprächs an die ungewohnte Faktizität heran: i n der öffentlichen Wohlfahrtspflege sei vorwiegend ein Allgemeininteresse wirksam, sie habe zunächst das Ganze i m Auge, während für die freie Fürsorge die Hilfe am Einzelmenschen i m Vordergrund stehe 17 ; das Gesetz verpflichte Staat und Gemeinden zu einer gleichmäßigen Ausführung, die freie Wohlfahrtspflege dagegen habe die freie Auswahl ihrer Schützlinge, die freie Wahl ihrer Methoden, sie könne beliebige Gesichtspunkte (z.B. Konfession, Beruf) betonen, das Maß ihrer Hilfe unterschiedlich bestimmen 18 ; ihr stehe jederzeit der Weg des Experimentes, die Erkundung neuer Nöte und Methoden offen, während die gesetzliche Wohlfahrtspflege sich i n gewohnten Bahnen bewege 19 . Zusammenfassend w i r d die Notwendigkeit der Kooperation betont und eine an der Aufgabe orientierte funktionale Abgrenzung gefordert 20 . Auch diese Verhältnisbestimmungen scheinen auf den ersten Blick nur die alten Dualismen zu variieren, sie scheinen sich von den als überholt abgelehnten Abgrenzungsvorschlägen nur durch ein geringeres Maß an 17 V o r allem Polligkeit, Bedeutung u n d Beziehungen (1928), S. 33; vgl. schon Künzer, Bestrebungen, 1894, S. 103. 18 Denkschrift des Reichsarbeitsministeriums (1923), S. 74; Polligkeit, a.a.O., S. 33; Krug v. Nidda, Entwicklungstendenzen (1955), S. 179 ff. 19 Polligkeit, a. a. O., S. 33; Salomon, Leitfaden, 1928, S. 19; Krug v. Nidda, a. a. O., S. 170, 200. 20 Polligkeit, a. a. O., S. 33. Vgl. schon S. u. B. Webb, Das Problem der A r m u t , 1912, S. 130 ff. Neuerdings: Auerbach, Miteinander (1960), S. 103; Achinger, öffentlich — Privat (1965), S. 27.

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Die Verhältnisbestimmungen: öffentlich-privat/frei

Eindeutigkeit und Entschiedenheit der Kriterien zu unterscheiden. Aber gerade diese mangelnde Entschiedenheit, der die glatte Aufteilung der Arbeitsgebiete nach der Daumenregel „schematische Gewährung des Existenzminimums — individuelle Nothilfe" versagt ist, deutet auf einen bezeichnenden Unterschied. Der Begriff des Gesetzes hat seine festen Konturen verloren. Ein Gesetz, dessen Programm gerade die individualisierend dargereichte persönliche Hilfe ist, mißachtet die Grenzmarken des alten Schemas. — Der damit gegebene Verweis auf eine umfassendere Fragestellung w i r d besonders nachdrücklich vom Postulat einer funktionalen Bestimmung gegeben. Die Frage nach der Funktion i m p l i ziert die Frage nach dem Funktionszusammenhang. Diese aber kann von einem Funktionsbereich her allein nicht beantwortet werden. Die Frage nach der Funktion „öffentlicher" und „freier" Wohlfahrtspflege i m Sachbereich ist immer auch die Frage nach ihrer Funktion i n der Gesamtordnung. Solange das dualistische Schema i n Geltung stand, war m i t i h m über Funktion, Modus und Status öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege entschieden. Die i n dem dargestellten Angleichungsprozeß sich anzeigende Wandlung vor allem der öffentlichen Sozialhilfe i m Sozialstaat weist auf die Notwendigkeit einer Neubestimmung der Funktionen behördlicher und frei-verbandsmäßiger Wohlfahrtspflege hin. Es w i r d dann zu fragen sein, ob ein etwa erfolgter Funktionswandel auch eine Statusänderung bewirkt. Für die damit gestellte Aufgabe reicht jedoch das bisher ausgebreitete, nur einige Beobachtungen aus dem Fürsorgebereich mitteilende Material nicht aus. Die Funktionsbestimmung kann nur aus einer Betrachtung des Einzelsachbereichs als Bereich der Gesamtordnung erfolgen, oder i n umgekehrter Blickrichtung: aus der Gesamtordnung als einer Ordnung immer auch der einzelnen Sachbereiche. 2. Die Postulierung eines öffentlichen Status für die freien Wohlfahrtsverbände

Unmittelbare Konsequenzen für den Status der Wohlfahrtsverbände zieht eine zweite Gruppe von Autoren aus der Metamorphose der W i r k lichkeit. Aus dem Kreise vor allem der konfessionellen Verbände w i r d darauf hingewiesen, die Ausdrucksweise „private" oder „freie" Wohlfahrtspflege kennzeichne den Tatbestand nicht mehr richtig 2 1 . Die Verbände erfüllten m i t ihren Leistungen eine öffentliche Funktion 2 2 , es sei 21 So v. Hase, EStL (1966), Sp. 332. Vgl. auch Klose, Rechtsstellung der K i r chen (1962), S. 110 f. 22 Collmer, Äußerung der Hauptgeschäftsstelle (1963), S. 16, 30, 39, m i t H i n weis auf die politischen Parteien. Z u diesem Vergleich m i t Recht kritisch: Kotigen, Soziale A r b e i t (1965), S. 246; weitere Nachweise zum „Öffentlichkeitsanspruch" unten § 17 A n m . 15.

§ 6 Das Versagen gegenüber der sozialstaatlichen W i r k l i c h k e i t

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richtiger, die behördliche und die freie Wohlfahrtspflege gemeinsam als „öffentliche" der nichtorganisierten „privaten Liebestätigkeit" gegenüberzustellen 23 . Der öffentliche Status der Wohlfahrtsverbände sei zwar nicht ein solcher des öffentlichen Rechts i m engeren Sinne, man müsse das öffentliche vom Öffentlichrechtlichen unterscheiden: für den öffentlichen Status komme es „auf die konkrete, vom Gemeinwohl her zu beurteilende Sozialfunktion an und nicht auf den Rechtsstatus des Trägers dieser Funktion" 2 4 . Die Postulierung eines solchen öffentlichen Status ist keineswegs als bloße Titulatur gedacht, sie ist die Grundlage sehr handfester Konsequenzen: sie soll die finanzielle Förderung aus öffentlichen Mitteln rechtfertigen; i m Zusammenwirken m i t dem Subsidiaritätsprinzip soll sie den „Vorrang" der freien Verbände sichern 25 . Schärfer als durch eine solche Umdeutung des traditionell „privaten" i n einen „öffentlichen" Status läßt sich die Antithese zur überkommenen Sicht nicht formulieren. Zu beachten ist dabei, daß dieser öffentliche Status von der „Aufgabe", von der Funktion i m Sachbereich her bestimmt wird. Diese Funktion soll nicht nur das praktische soziale Handeln leiten, sie soll auch die Rechtsstellung der Verbände i n der Gesamtordnung, ihren Rechtsstatus determinieren, dieser soll ein funktionsgerechter, ein aufgabenermöglichender Status sein. Da der bisherige private Status als ungenügend empfunden wird, w i r d ein öffentlicher Status i n Anspruch genommen. Diese Überlegungen sind i n ihrem Ansatz anregend, i n ihrem Schluß voreilig. Sie sind voreilig, weil sie gleichsam i m abgekürzten Verfahren, ohne Reflexion der Gesamtordnung ihre Folgerungen ziehen. Sie schließen aus der öffentlichen Funktion auf den öffentlichen Status ohne die „öffentliche Funktion" genauer zu bestimmen. Sie behaupten ohne näheren Beweis eine strenge Entsprechung von Funktion und Status. Sie bleiben schließlich dem abgelehnten Trennungsschema selbst verhaftet, da sie i n der Alternative öffentlich — privat den Bereich des Privaten i m überkommenen privativen Sinn unbezweifelt lassen und i h n nicht i n eine Revision des Gesamtschemas miteinbeziehen. I n ihrem Ansatz jedoch müssen sie aufgegriffen werden, m i t der Frage nach einem Rechtsstatus i n einem nicht nur formalen, sondern von der Aufgabe bestimmten Sinne, m i t der Frage nach einem funktionsorientierten, materialen Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände also.

23

Kröner, Ethische Grundlagen der freien Wohlfahrtspflege (1959). F. Klein, Verfassung d. dt. Caritas, 1966, S. 38; vgl. auch Collmer, sorge i n der gewandelten Welt (1960), S. 42. 25 Collmer, Die freie Wohlfahrtspflege (1960), S. 376. 24

Für-

Zweiter

Teil

Zum Rechtsbegriff des öffentlichen Erster

Abschnitt

Analyse, Kritik, Hinweise Die unterscheidende Kennzeichnung staatlich-kommunaler und nichtbehördlich-verbandsmäßiger Wohlfahrtspflege m i t den Begriffen „öffentlich" und „privat" wurzelt i m dualistischen System des bürgerlichen Rechtsstaates. I n diesem charakterisierten jene Begriffe nicht nur den unterschiedlichen Modus, sondern zugleich die i n i h m sich auswirkende unterschiedliche Funktion sozialer Hilfe und den ihr entsprechenden rechtlichen Status der Träger der Sozialarbeit. M i t dem Wegfall des als Gesamtverfassung fungierenden dualistischen Schemas bedürfen Funktion und Status einer neuen Bestimmung. Diese muß von der nun geltenden Verfassung der rechtsstaatlich-sozialen Demokratie her versucht werden. Das so zusammengefaßte Ergebnis unserer Überlegungen ist bisher nicht mehr als eine These; es bedarf weiterer Absicherung. Es beruht bisher nur auf der empirischen Feststellung eines Wandels i n der W i r k lichkeit der Sozialarbeit. Vom Wandel des Modus wurde auf einen Wandel der Funktion geschlossen; dieser soll eine Statusänderung vom Privaten zum öffentlichen bewirkt haben. Vor weiteren grundsätzlichen Überlegungen sei diese Behauptung eines öffentlichen Status auf ihren juristischen Gehalt geprüft. I n welchem Rechtssinne w i r d hier von einem öffentlichen Status gesprochen? Die Prüfung dieser Frage dient zugleich der Analyse der heute üblichen Rechtsbegriffe des öffentlichen und Privaten.

§ 7 Der überkommene Dualismus von öffentlichem Recht und Privatrecht und der neue „Bereich des öffentlichen" I . Das Ungenügen des überkommenen Begriffsinstrumentariums 1. Der formale Charakter der juristischen Begriffe des öffentlichen D i e P r ü f u n g des j u r i s t i s c h e n G e h a l t s des b e a n s p r u c h t e n ö f f e n t l i c h e n S t a t u s w i r d d e r J u r i s t zunächst m i t d e m i h m v e r t r a u t e n B e g r i f f s i n s t r u m e n t a r i u m angehen. Das E r g e b n i s dieser P r ü f u n g i s t n e g a t i v . a) D i e W o h l f a h r t s v e r b ä n d e s i n d k e i n e Körperschaften des öffentlichen Rechts i m h e u t i g e n staats- u n d v e r w a l t u n g s r e c h t l i c h e n S i n n 1 . D a z u m a n g e l t es i h n e n j e d e n f a l l s a n d e r d e r h e u t i g e n ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n K ö r perschaft w e s e n t l i c h e n E i n b e z i e h u n g i n die öffentliche O r d n u n g des Staates, a n der I n k o r p o r a t i o n i n das Gefüge s t a a t l i c h e r Ä m t e r u n d B e h ö r d e n , d e r e n t y p i s c h e r A u s d r u c k die Staatsaufsicht i s t 2 . D i e gegen1 Z u r neueren Lehre vgl.: A. Köttgen, Die rechtsfähige Verwaltungseinheit, 1939; W. Weber., Die Körperschaften, Anstalten u n d Stiftungen des öffentlichen Rechts, 2. Aufl. 1943; ders., Körperschaften des öffentlichen Rechts, i n : HDSW V I . (1959), S. 38—41; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1953, S. 104 ff., 182 ff.; H. J. Wolff , I I , S. 128 ff.; Enneccerus-Nipper dey , I, S. 727 ff.; Forsthoff, Lehrbuch, S. 436 ff. — Neuestens: W.Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 1969, S. 29 ff. 144 ff. — Die Frage nach der öffentlich-rechtlichen Körperschaftsqualität der Wohlfahrtsverbände k a n n zumindest dann sinnvoll gestellt werden, w e n n m a n der Auffassung folgt, daß sogar die eindeutige Deklaration zugunsten einer privatrechtlichen Organisationsform k e i n Hindernis für den öffentlich-rechtlichen Charakter ist, w e n n dieser sich aus dem Wesen ergibt. So T. Simons, Der A u f b a u der K o h l e n w i r t schaft, S. 33; E. R. Huber , I, S. 106 f.; W. Schapals, Wesen u n d Rechtsnatur der Studentenschaft, Diss. Göttingen 1962, S. 117 f. — Kritisch dagegen W. Weber, Körperschaften, S. 37, 66 ff. — I m einzelnen braucht zu diesem Streit hier nicht Stellung genommen zu werden; vgl. jetzt die differenzierende Beurteilung bei W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 116, m i t weiteren Nachw. 2 E. R. Huber , I , S. 378 ; W. Weber, Körperschaften, S. 23 f. ; Juristische Person (II), i n : H D S W V. (1956), S.452. J.Mielke, Die Abgrenzung der juristischen Person des öffentlichen Rechts, Hamburg, Diss. j u r . 1965, wendet sich gegen die Staatsaufsicht als eindeutiges Abgrenzungskriterium (S. 117 ff., 122, 132), w e i l auch Verbände des Privatrechts einer Staatsaufsicht unterlägen u n d jurist. Personen des öffentl. Rechts v o n i h r freigestellt seien, u n d verweist auf die Rundfunkanstalten als ein Beispiel aus dem Anstaltsrecht (S. 123—132). I n der Tat w i r d man das Beispiel der Rundfunkanstalten als eine bezeichnende A u f lösung der m i t der Gleichsetzung v o n jurist. Person des öffentl. Rechts u n d mittelbarer Staatsverwaltung gerade erst erreichten scharfen K o n t u r e n ansehen müssen, die von einer Seite mehr das Problem einer „öffentlichen

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

t e i l i g e A u f f a s s u n g w ü r d e sich n i c h t n u r de lege l a t a v e r b i e t e n , sie w ä r e auch r e c h t s p o l i t i s c h v e r f e h l t . Diese V e r b ä n d e w ü r d e n i h r Wesen, das durch Eigenbegründung u n d Eigenbestimmung charakterisierte

Spezi-

fische i h r e r „ f r e i e n " A r b e i t v e r l i e r e n , w o l l t e n sie eine solche E i n o r d n u n g i n die v e r f a ß t e S t a a t l i c h k e i t d u l d e n oder g a r anstreben 3 . D e m S t a a t ist d u r c h A r t . 9 G G eine solche „ D i s z i p l i n i e r u n g " dieses Bereichs v e r w e h r t 4 . D i e W o h l f a h r t s v e r b ä n d e n e h m e n auch n i c h t j e n e Z w i s c h e n s t e l l u n g z w i s c h e n ö f f e n t l i c h e m Recht u n d P r i v a t r e c h t ein, d i e m a n rechtstechnisch m i t d e m B e g r i f f des „ B e s e h e n e n " z u erfassen sucht 5 . Diese Rechtsfigur e r m ö g l i c h t auch n a t ü r l i c h e n oder j u r i s t i s c h e n P e r s o n e n des P r i v a t r e c h t s eine T e i l h a b e a n d e r ö f f e n t l i c h e n V e r w a l t u n g 6 u n d w i r d b e n u t z t , „ w o es d e m S t a a t d a r u m geht, die E r f a h r u n g e n , d i e I n i t i a t i v e u n d die besonderen E i n f l u ß m ö g l i c h k e i t e n , die p r i v a t e E i n z e l n e oder p r i v a t r e c h t l i c h e O r g a n i s a t i o n e n besitzen, f ü r die öffentliche V e r w a l t u n g n u t z b a r z u m a c h e n " 7 . D e m B e l i e h e n e n w e r d e n d u r c h ausdrückliche geV e r w a l t u n g " i n einem weiteren, v o m Staate distanzierenden Sinne aufwirft. Z u m Problem vgl. jetzt J.Salzwedel, V V D S t R L 22 (1965), S.206—263, bes.233 ff.; H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, 1966, S. 51, m i t weiterer L i t . A n m . 30. Als regelmäßiges M e r k m a l behält die Staatsaufsicht ihre Bedeutung. Vgl. W. Weber, Körperschaften, S. 23 f. Die Sonderstellung der Rundfunkanstalten ist gesetzlich geregelt; hier wurde eine spezielle „staatsfreie" Kontrolle geschaffen. Vgl. dazu BVerfGE 12, 205 (Fernsehurteil). 3 E i n Verstoß gegen diesen Grundsatz der „Formenadäquanz" wäre es, wollte man die politischen Parteien u n d die Gewerkschaften zu öffentlichrechtlichen Körperschaften machen. So aber de lege ferenda H. Peters, L e h r buch, 1949, S. 105 A n m . 4; f ü r die Gewerkschaften außerdem die bei E. R. Huber, I I , S. 376 A n m . 1 genannten Autoren. 4 Z u m Vorgang der Disziplinierung i m Sinne des NS-Staates durch V e r leihung der öffentlich-rechtlichen Körperschaftsqualität vgl. W. Weber, J u r i stische Person, H D S W V. (1956), S. 450 f.; ders., Körperschaft des öffentlichen Rechts, HDSW V I . (1959), S. 40. Der Versuch, diesen Körperschaften des öffentlichen Rechts eine gewisse Selbständigkeit zu bewahren u n d so dem totalen Staat zu wehren, bei A. Röttgen, Verwaltungseinheit, S. I I I , 22. 5 Soweit das Deutsche Rote Kreuz sich m i t einzelnen Agenden aus dem Kreis der „normalen" Wohlfahrtsverbände heraushebt, wäre eine genauere Untersuchung erforderlich. Vgl. dazu W. Weber, Körperschaften, S. 37, 66 ff., 82 f. — Z u m „Beliehenen" allgemein: O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., I I , S. 431 ff.; F. Fleiner, Institutionen, 8. Aufl. 1928, S. 341 ff.; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 526ff.; E. R. Huber, I , S. 533 ff.; H. J. Wolff , I, S. 739 ff.; Κ . Vogel, öffentliche Wirtschaftseinheiten i n privater Hand, 1959, S. 46 ff. Neuerdings W. Brohm, Strukturen, S. 202 ff.; U. Steiner, Der „beliehene Unternehmer", i n : JuS 1969, S. 69 ff. 6 H. J. Wolff, I I , S. 304 f. 7 E. R. Huber, I, S. 534. — W. Reuß hat die F i g u r des Beliehenen als m i t dem Grundgesetz nicht vereinbar verworfen (Die Organisation der Wirtschaft, i n : Die Grundrechte, I, 1, S. 91 ff., hier 128 ff.; dort weitere Lit.). Das ehrwürdige A l t e r dieser Rechtsfigur könne nicht davor schützen, sie als fossil zu bezeichnen. Das rechtsstaatlich-demokratische Verwaltungsrecht lasse keine Ubertragung von Hoheitsrechten auf Private zu. Selbst E. R. Huber, der j a die A n wendbarkeit der Beleihung f ü r das Wirtschaftsverwaltungsrecht nachdrücklich vertritt, stellt sie unter das „Prinzip der quantitativen Begrenzung der

§ 7 Der Dualismus von öffentlichem Recht und Privatrecht

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setzliche oder aufgrund eines Gesetzes ergehende Delegation staatliche Funktionen zur Ausübung i m eigenen Namen übertragen; dem aus dieser Übertragung entspringenden Recht auf die Wahrnehmung der delegierten öffentlich-rechtlichen Zuständigkeiten entspricht die Pflicht, die übertragenen Aufgaben zu erfüllen (Betriebspflicht) und die staatliche Aufsicht zu dulden, die i n der Regel als Fachaufsicht ausgestaltet ist 8 . Geht man einmal von den „Vorrangregelungen" der §§ 10 Abs. 4 und 93 Abs. 1 S. 2 BSHG aus9, so könnte man i n ihnen eine der Beleihung ähnliche Aufgabenüberlassung erkennen 10 . Die i n der Rechtsfigur des delegierten Befugnisse u n d Zuständigkeiten" (I, S. 543 f.). W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 133, hält sie f ü r „ i n sparsam bemessener Dosierung verfassungsrechtlich unbedenklich". — Da i n unserem Falle keine Beleihung vorliegt, braucht auf diese Streitfrage i m einzelnen nicht eingegangen zu w e r den. Ihre Grundproblematik gleicht aber der durch die Vorrangregelungen des BSHG aufgeworfenen. Das w i r d schon deutlich, w e n n man die Bedenken hört, die Reuß u n d Huber vortragen, dieser gegen eine quantitativ übersteigerte, jener gegen jede A n w e n d u n g der Beleihung: „ein Neo-Feudalismus beliehener Verbände", „Preisgabe der Staatshoheit an außerstaatliche Kollektiveinheiten, Gefahr der Entartung zu einem krypto-ständestaatlichen Pluralismus, Widerspruch zur Verfassungsstruktur der parlamentarischen Demokratie m i t der Folge, daß die Ausübung von Hoheitsbefugnissen der demokratischen K o n trolle entrückt w i r d " (vgl. so die Zusammenfassung bei Reuß, a. a. O., S. 130). — Den gegen das I n s t i t u t der Beleihung geltend gemachten Bedenken w i r d man die sachliche Relevanz auch f ü r die Frage des „Vorrangs" der Wohlfahrtsverbände nicht m i t dem Argument absprechen können, da es sich i n diesem Bereich nicht u m die Übertragung oder auch Überlassung „hoheitlicher" Maßnahmen handele, müsse man minder strenge Anforderungen zugrunde legen (so Vìe, ZSR 8 [1962], S. 654). So einfach läßt sich die Frage der Bindung nichthoheitlicher Verwaltung, die sich i n einer umfangreichen L i t e r a t u r niedergeschlagen hat, nicht übergehen. Z u r Möglichkeit der Beleihung m i t „Hoheitskompetenzen schlichtverwaltender A r t " vgl. W. Brohm, Strukturen, S. 206; U. Steiner, JuS 1969, S. 73. — Z u m gesamten Problem vgl. auch die kritischen Ausführungen zu einer voreiligen Koppelung von Freiheitsstatus u n d W a h r nehmung von Staatsfunktionen bei H. H. Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen? 1963; vgl. dazu H. Peters, Festschrift f ü r Nipperdey I I , S. 880. 8 H. J. Wolff, I I , S. 307 ; E. R. Huber, I, S. 537. 9 Die Fälle einer Beteiligung oder Übertragung nach § 10 Abs. 5 B S H G scheiden hier m i t Sicherheit aus, w e i l die volle Verantwortung u n d Haftung bei dieser Fallgestaltung bei den Sozialhilfeträgern bleibt (öffentlich-rechtliches Auftrags Verhältnis). Es fehlen damit alle Merkmale einer echten Delegation i n eigene Zuständigkeit. So auch Ole, ZSR 8 (1962), S. 648; Ules Hinweis auf Ipsen, Gesetzliche Indienstnahme Privater, S. 141 ff., geht jedoch fehl. Ipsen geht es u m die gesetzliche Inanspruchnahme Privater etwa als „ H i l f s organe der Steuerverwaltung" bei der Steuereinziehung i m Lohnabzugsverfahren. Die von i h m gemeinten Fälle sind durch den gesetzlichen Zwang gekennzeichnet, während § 10 Abs. 5 B S H G ausdrücklich das Einverständnis der Verbände voraussetzt. 10 I n diesem Sinne versteht Vie, a. a. O., S. 649, die Ausführungen von Fichtner, ZSR 7 (1961), S. 321 ff., 334, hier liege „eine Übertragung der öffentlichen Sozialhilfe quoad substantiam auf die privaten Träger" vor, die dieser f ü r verfassungswidrig hält. Vgl. aber Fichtners vorsichtigere Stellungnahme i n : Neues Beginnen, 1963, S. 106 ff. — Auch Vie lehnt die Charakterisierung der Wohlfahrtsverbände als Beliehene ab; i m Zusammenhang m i t der Frage, ob der Vorrang der Wohlfahrtsverbände nicht eine Umgehung des Gebotes der Gesetzmäßigkeit der V e r w a l t u n g sei, spricht er selbst aber von einer „gewis-

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

Beliehenen m i t solcher Rechtsstellung aber unabdingbar verbundene Pflichtenstellung trifft auf die „freien" Verbände gerade nicht zu; ihr freiheitlicher Grundstatus verbietet jede A r t von „Indienstnahme", er schließt nicht nur ihre Eingliederung i n die verfaßte Staatlichkeit aus, er läßt auch keine Angliederung an die staatliche Organisation zu 11 . Das Gesetz läßt auch keinen Zweifel daran aufkommen, daß m i t dem aufgabenüberlassenden „Vorrang" keine entsprechende Pflichtenstellung korrespondiert 12 . Der gegen dieses Ergebnis gerichtete Einwand, eine solche Beleihung ohne entsprechende ausdrückliche Pflichtenstellung, insbesondere ohne eine Staatskontrolle, sei nicht so außergewöhnlich, w i e v o r allem das Beispiel der Berufsverbände beweise, denen i n der Tarifautonomie Rechtssetzungsbefugnisse ohne jede Staatskontrolle eingeräumt seien, scheint nicht glücklich gewählt. Die Einstufung der Berufsverbände als Beliehene 1 3 unterliegt ihrerseits dem Zweifel, ob m i t i h r eine adäquate Erfassung gelungen oder n u r eine V e r legenheit begrifflich kaschiert ist 1 4 , ob i h r nicht eine rein formale A n w e n d u n g des K r i t e r i u m s „Delegation öffentlicher Gewalt" zugrundeliegt, die die rechtlich-politische I n d i v i d u a l i t ä t der Gewerkschaften u n d Arbeitgeberverbände sen Annäherung an das I n s t i t u t der Beleihung m i t öffentlichen Aufgaben" (a. a. O., S. 661), w e i l die subventionierende Verwaltungsstelle darauf zu achten habe, daß die privaten Verbände die Aufgaben i m Ergebnis so erfüllen, wie es die öffentlichen Stellen t u n müßten. Der Unterschied zur Beleihung liege i n der Freiheit des Verbandes, eine Verpflichtung auf die öffentlich-rechtlichen Maßstäbe abzulehnen, wobei er allerdings den Wegfall der Subventionen i n K a u f nehmen müsse. — Diese „Annäherung an das I n s t i t u t der Beleihung" unterliegt aber dem Zweifel, ob die V e r w a l t u n g m i t Hilfe des Subventionsmechanismus die i m BSHG so stark betonte Eigenständigkeit der Verbände tatsächlich kontrollierend einschränken kann. Die Problematik liegt j a gerade i n der Subventionspflicht ohne w i r k l i c h e Kontrollbefugnis; sie läßt sich m i t der Kategorie der Beleihung auch nicht annähernd bewältigen. Vgl. dazu Begründung zu § 10 des Regierungsentwurfs: „keinesfalls soll Abs. 4 zu einer Kontrolle der freien Wohlfahrtspflege führen". Es ist die Frage, ob diese dann über die finanzielle Unterstützung (Abs. 3) eingeführt werden darf. 11 H. J. Wolff, I I , S. 305. 12 Vgl. insbes. § 10 Abs. 2 BSHG. Die Betonung der freien Stellung der Verbände und die ausdrückliche Ablehnung einer „Beleihung" auch i n BVerfGE 22, 203 f. 13 So E. R. Huber, I I , S. 377, 379 ff. ; Hueck-Nipper dey, Lehrbuch des Arbeitsrechts. Bd. I I , 6. Aufl. 1957, S. 143; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I I , 2. Aufl. 1959, S. 71 (vgl. aber die unten i m T e x t wiedergegebene kritische Bemerkung); Drewes, Die Gewerkschaften i n der Verwaltungsordnung, 1958, S. 174—178. 14 Darauf, daß m i t der Bezeichnung als Beliehene zumindest der Gesamtstatus der Berufsverbände noch nicht korrekt erfaßt ist, deutet auch die Bemerkung von H. Ridder, Z u r verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften, 1960, S. 31, h i n : „ B e i ganz exakter juristischer Betrachtung sind aber nicht die Verbände als solche, sondern die sich n u r ad hoc i n den jeweiligen Vereinbarungen realisierenden normsetzenden Einheiten m i t der Normsetzungsgewalt »beliehen"'. M i t sorgfältiger Begründung lehnt jetzt W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 163 ff., die F i g u r der Beleihung f ü r die Sozialpartner ab. — Einen wichtigen Schritt zur rechtlichen Anerkennung des Sonderstatus der Berufsverbände macht § 16 des Vereinsgesetzes v o m 5. 8. 1964 (BGBl. I, S. 593), der ein gegen diese Verbände gerichtetes Verbot von gerichtlicher Bestätigung abhängig macht. Vgl. dazu G. Schnorr, öffentliches Vereinsrecht, 1965» S. 231 ff.

§ 7 Der Dualismus von öffentlichem Recht und Privatrecht

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i n einen Kreis ganz anders gearteter Gestalten zwingt, ohne sich i m einzelnen die Frage der Sachangemessenheit zu stellen 1 5 . Die Kategorisierung der Berufsverbände als Beliehene k a n n jedenfalls die Erkenntnis nicht verdrängen, daß „die ihrem Wesen gemäße Rechtsform erst noch geschaffen 16 " werden müßte. — A b e r wie m a n sich auch zum Status der Berufsverbände stellen mag, von ihnen läßt sich jedenfalls eine Parallele zu den Wohlfahrtsverbänden nicht ziehen. Selbst w e n n m a n i n der Einräumung der Tarifmacht eine „Beleihung" sieht, bei den Wohlfahrtsverbänden fehlt es gerade an dieser: die allein i n Betracht kommende „Vorrangregelung" öffnet freier I n i t i a t i v e einen weiten Raum, sie entbehrt aber der f ü r eine Kompetenzzuweisung erforderlichen Bestimmtheit, Greifbarkeit u n d realisierbaren Verantwortlichkeit. Es w ä r e v o r e i l i g , aus diesem n e g a t i v e n E r g e b n i s d e n Schluß z u ziehen, daß die F r a g e n a c h d e m sachangemessenen S t a t u s u n t e r d e r R u b r i k des ö f f e n t l i c h e n ganz falsch g e s t e l l t ist. Daß die v o m ö f f e n t l i c h e n Recht gebotenen Rechtsfiguren dieser Sachfrage n i c h t a n t w o r t e n , d e u t e t v i e l m e h r a u f die f o r m a l - t e c h n i s c h e Fassung dieser ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n B e griffe ( w i e i h r e r p r i v a t r e c h t l i c h e n Gegenstücke) h i n . D i e rechtstechnisch präzise Fassung des Begriffs d e r ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n K ö r p e r s c h a f t als „rechtsfähige V e r w a l t u n g s e i n h e i t " , die d u r c h V e r b i n d u n g z u m s t a a t l i c h e n V e r w a l t u n g s s y s t e m u n d g l e i c h z e i t i g d u r c h organisatorische V e r s e l b s t ä n d i g u n g i n n e r h a l b desselben gekennzeichnet i s t 1 7 , v o l l e n d s i h r e v o n der w o h l herrschenden Lehre vorgenommene Zurechnung zur „ m i t t e l b a r e n S t a a t s v e r w a l t u n g " 1 8 w a r erst m ö g l i c h , n a c h d e m die G e m e i n d e n aus d e m B e r e i c h d e r Gesellschaft i n d e n B e r e i c h des Staates g e w a n d e r t 1 9 w a r e n u n d sich die A u f f a s s u n g durchgesetzt h a t t e , daß die v e r w a l t u n g s rechtliche B e g r i f f s p r ä g u n g a u f die K i r c h e n n i c h t z u t r i f f t . D i e z u v o r gef ü h r t e a u ß e r o r d e n t l i c h l e b h a f t e D i s k u s s i o n ü b e r B e g r i f f u n d Wesens-

15 Als ein Beispiel solch sachunangemessener begrifflicher Erfassung sei der Versuch von Meng er, AöR 78 (1952/53), S. 149 ff., erwähnt, der sogar den Parteien das Gewand v o n Beliehenen anpassen w i l l . Hier ist die Nichtbeachtung der Sachunterschiede (Staatstätigkeit — Formung der Staatsrichtung) evident. Zustimmend Seifert, D Ö V 1956, S. 1. Kritisch aber Scheuner, DÖV 1958, S. 641; Hesse, V V D S t R L 17 (1959), S. 40. 18 Nikisch, Arbeitsrecht, I I , S. 17. U m eine spezifische Rechtsform bemüht sich für die Gewerkschaften Brisch, Die Rechtsstellung der deutschen Gewerkschaften, 1951. A l s ein Versuch sachangemessener Erfassung der Gewerkschaften ist auch die A r b e i t von S cheff 1er, Z u m öffentlichen Status der Gewerkschaften, i n : N J W 1965, S. 849—852, zu würdigen. Dazu kritisch Ossenbühl, Der öffentliche Status der Gewerkschaften, i n : N J W 1965, S. 1561—1564. Z u m Thema neuerdings Hirsch, Die öffentlichen Funktionen der Gewerkschaften, 1966. 17 Köttgen, Die rechtsfähige Verwaltungseinheit, 1939, S. 4, 6 f . u. passim.; Wieacker, A c P N F 27 (1942), S. 304 ff. (308), spricht von „selbständigen V e r waltungseinheiten" . 18 Statt aller Forsthoff, Lehrbuch, S. 444ff., 455 ff.; W. Weber, Körperschaften, S. 68 ff.; V V D S t R L 11 (1954), S. 170; H D S W V. (1956), S. 449; V I . (1959), S. 39; H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 50; Mielke, Diss., S. 135 ff., m i t Literaturangaben, S. 165, A n m . 2. 19 Köttgen, Die Gemeinde u n d der Bundesgesetzgeber, 1957, S. 15.

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

merkmal der öffentlich-rechtlichen Körperschaft 20 sollte aber nicht nur als ein zu größerer Klarheit überwundenes Stadium betrachtet, sondern i n ihrem Bemühen gewertet werden, sachliche Abgrenzungskriterien zu finden. Daß sich seit dem Ende des Staatskirchentums die Kirchen keinem allgemeinen Begriff des öffentlichen Verbandes mehr unterordnen ließen, hat die Tendenz zu einer formalen Begriffsbestimmung verstärkt. Dennoch dürfte diese Suche nach einem materiellen K r i t e r i u m zu abrupt abgebrochen worden sein. Es war bezeichnenderweise die positivistische Ablehnung des Zweckmomentes durch Laband und die Ersetzung aller teleologischen Überlegungen durch das formale K r i t e r i u m der „Teilhabe an der staatlichen Herrschaftsausübung", welche die heutige Gleichsetzung von öffentlich-rechtlicher Körperschaft und mittelbarer Staatsverwaltung vorbereitete 21 . Die damit gegebene Einschränkung des Rechtsbegriffs des öffentlichen auf eine i n einem ganz spezifischen Sinne verstandene Staatsbezogenheit verweist auf den weiteren Zusammenhang von öffentlichem und privatem Recht. b) Auch die angeblich grundlegende Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht ist zu einer abstrakt-technischen Dichotomie geworden 22 . Welche der heute i m Vordergrund stehenden Abgrenzungstheorien man auch heranziehen mag, die Subjektstheorie 28 , die Subjektionstheorie 24 oder die — beide an Genauigkeit, aber auch an ausschließ20 Eine Übersicht über die Argumente bei Forsthoff, öffentliche K ö r p e r schaft, S. 1—28; Lehrbuch, S. 451 f., A n m . 7 (m. Nachw.); vgl. auch H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 47—55, u n d Mielke, Diss., S. 80 ff., jeweils m i t ausführlichen Literaturangaben. Vgl. n u n U. K . Preuß, Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, 1969, S. 115—130. 21 P. Laband, Staatsrecht, 5. Aufl., Bd. 1,1911, S. 67 f. 22 Eine auch n u r annähernd vollständige Literaturübersicht erscheint wenig sinnvoll. Es sei insoweit generell verwiesen auf Enneccerus- Nipper dey, I , S. 224, A n m . 1. — Gute Überblicke bei Molitor, Über öffentliches Recht u n d Privatrecht, 1949, G. Boehmer, Grundlagen 1,1950, §§ 7—11, S. 164 ff.; den A r t i k e l n i n HDSW V I I I . (1964): Esser, Privatrecht, S. 541—552, W. Weber, Öffentliches Recht, S. 40—45. — Grundsätzlich u n d kritisch jetzt M. Bullinger, ö f f e n t liches Recht u n d Privatrecht, 1968; vgl. auch W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 82 ff. — Z u r K r i t i k der einzelnen Abgrenzungstheorien vgl. Klebe, Möglichkeiten u n d Folgen der W a h l eines Trägers öffentlicher V e r w a l t u n g zwischen den Gestaltungsformen des öffentlichen u n d privaten Rechts, Diss, j u r . Marburg 1960, S. 19ff.; Zuleeg, Die Rechtsform der Subvention, 1965, S. 26 ff. — E i n Katalog „möglicher" K r i t e r i e n i m m e r noch bei Holliger, Das K r i t e r i u m des Gegensatzes zwischen dem öffentlichen Recht u n d dem P r i v a t recht. Diss. Zürich 1904. — Z u r „Methode der Bestimmung v o n öffentlichem u n d privatem Recht" vgl. Ernst Wolf, Festschrift für Molitor, 1962, S. 1—15. 23 O. Mayer, vgl. dazu unten § 81,1. — Enneccerus-Nipper dey, I , S. 225, 228 f., m i t einer gewissen Modifikation durch die Subjektionstheorie; Rehfeldt, Einführung i n die Rechtswissenschaft, 1962, S. 171 ff. 24 Fleiner, Institutionen, 8. Aufl. 1928, S. 47, 50f.; E. R. Huber, I , S. 56 f.; Forsthoff, Lehrbuch, S. 102 ff., bes. S. 107 ff.; Schönke-Schrade, Einführung i n die Rechtswissenschaft, 1955, S. 19 ff. — Hier wäre auch w o h l die Definition von W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931, S. 47 ff., einzuordnen, die v o m Verwaltungsakt ausgeht, an diesem aber den „hoheitlichen M e h r w e r t " stark betont.

§ 7 Der Dualismus von öffentlichem Recht und Privatrecht

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l i c h e r O r i e n t i e r u n g a m p o s i t i v e n Gesetzesrecht ü b e r t r e f f e n d e — S o n d e r rechtstheorie v o n H . J . W o l f f 2 5 , i h r e K r i t e r i e n s i n d ganz e i n s e i t i g a n t e c h n i s c h - p r a k t i s c h e n F r a g e n , v o r a l l e m des Gerichtsweges, o r i e n t i e r t 2 6 . P r a k t i k a b i l i t ä t jedoch l ä ß t sich ohne größere G r u n d l a g e n b e s i n n u n g b i s w e i l e n schon d u r c h einfaches P r o b i e r e n g e w i n n e n : da gegen die e i n z e l n e n „ T h e o r i e n " E i n w ä n d e bestehen 2 7 , e r p r o b t m a n die u n t e r s c h i e d l i c h s t e n Kombinationen28. Eine „Grundfrage der Rechtsordnung" w i r d hier nicht m e h r thematisiert. Das W i s s e n u m die f u n d a m e n t a l e n Z u s a m m e n h ä n g e ist i n d e n h i s t o r i s c h e n V o r s p r u c h a b g e w a n d e r t . H i e r w e i ß m a n noch d a v o n z u b e r i c h t e n , daß die A u f g l i e d e r u n g d e r R e c h t s o r d n u n g i n öffentliches u n d p r i v a t e s Recht „geschichtlich d i e E n t s t e h u n g des m o d e r n e n Staates i m 25 H. J. Wolff , AöR 76 (1950), S. 205—217; Verwaltungsrecht I, S. 86—89, wo das öffentliche Recht als „Amtsrecht" der Träger hoheitlicher Gewalt u n d ihrer Organe bezeichnet w i r d (S. 87). Z u gewissen Modifikationen der früheren Lehre i n den neueren Aufl. des Lehrbuchs vgl. Zuleeg, S. 31 f., 40 f. — Z u r Sonderrechtstheorie vgl. jetzt W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 93 f., m i t weiteren Nachw. 26 Z w a r w i r d auch heute die Unterscheidung bisweilen noch als „fundamental wichtig" (Giese, Recht u. Rechtswissensch., 1963, S. 70), die jeweilige Rechtsordnung i n ihrer Eigenart charakterisierend (Radbruch, Rechtsphilosophie, 1963, S. 228) bezeichnet. Erst durch die Frage der Gerichtszuständigkeit aber w i r d „aus dem papiernen ein effektiver Gegensatz" (Böhmer, G r u n d lagen I, S. 178). — Z u r Bedeutung de lege lata vgl. zusammenfassend Esser, HDSW V I I I . (1964), S. 545; Brohm, Strukturen, S. 39 ff. — Gegen die Hypostasierung der Unterscheidung i n die A p r i o r i t ä t durch den Neukantianismus (vgl. Radbruch, a. a. O., S. 224 f.) schon E. Kaufmann, V e r w a l t u n g u n d Verwaltungsrecht (1914), GSch I, S. 107; K r i t i k der neukantischen Rechtsphilosophie (1921), GSch I I I , S. 235. 27 So läßt sich gegen die Subjektstheorie einwenden, sie werde gerade der neueren Entwicklung auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge nicht gerecht, w o nach auch „hoheitliche Rechtssubjekte" i n weitem Umfang i n privatrechtlichen Formen handelten; gegen die Subjektionstheorie, sie vermöge nicht zu erklären, daß es auch i m öffentlichen Recht Gleichordnung u n d i m Privatrecht Unterordung gebe; gegen die Sonderrechtstheorie schließlich, sie bleibe rein formal n u r ein Abziehbild des jeweiligen positiven Rechts u n d setze überdies i m konkreten F a l l das Wissen darum schon voraus, ob ein Tatbestand „ n u r einem solchen Subjekt zurechenbar" sei (zum letzten Aspekt: υ. Turegg-Kraus, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 4. Aufl. 1962, S. 37, Anm. 4; vgl. auch SchmidtRimpler, HDSW X I I . [1965], S. 696). Vgl. auch die Übersichten von W. Weber u n d Esser i n den A r t i k e l n i m H D S W V I I I . (1964), S. 40 ff. u n d 541 ff. 28 Einige Beispiele seien genannt. Die Subjektions- u n d Interessentheorie kombinieren: Boehmer, Grundlagen I, S. 164, v. Turegg-Kraus, a. a. O., S. 36 f., Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 4. Aufl. 1965, S. 119 ff.; die Subjekts- u n d Subjektionstheorie: Enneccerus-Nipper dey, a.a.O., S, 225, 228, Esser, HDSW V I I I . (1964), S. 543f.; Interessen- u n d Subjektstheorie: Giese, Recht u. Rechtswissenschaft, 1963, S. 71 f.; alle drei Theorien: Zuleeg, a. a. O., S. 45. W. Weber, H D S W V I I I . (1964), S. 42, f ü h r t aus, die herrschende Lehre habe die richtigen, w e n n auch einseitigen Ansichten aller dieser Theorien zur Synthese gebracht. „ D a m i t k o m m t die Praxis i m a l l gemeinen aus. Theoretisch bleibt manches unbefriedigend." — I n solcher K o m b i n a t i o n könnte ein „topisches" Element stecken, w e n n die Theorien als sachbezogene Argumentationsgesichtspunkte verwendet werden könnten.

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fürstlichen Absolutismus und weiter den Durchbruch des Liberalismus zur Voraussetzung" habe, daß sich i n ihr „der Dualismus von Staat und Gesellschaft (spiegele), wie er i n den kontinental-europäischen Verfassungsstaaten des 19. und 20. Jahrhunderts i n besonders charakteristischer Weise Gestalt gewonnen" habe 29 . Aber nur vereinzelt stellt man sich die Frage, welche Bedeutung es für diese Unterscheidung hat, daß die gegenwärtige sozialstaatliche Demokratie m i t jener dualistischen Ordnung von Obrigkeitsstaat und bürgerlicher Gesellschaft nicht mehr vergleichbar ist, obwohl unsere juristische Begrifflichkeit eine ungebrochene Kontinuität anzuzeigen scheint. Unbeeindruckt von den sozialen und verfassungsrechtlichen Wandlungen umspielen alle bisher genannten Theorien die alte obrigkeitsstaatliche Gleichung „öffentlichrechtlich = staatlich". Soweit sie das Kirchenrecht i n ihren Begriff des öffentlichen Rechts m i t aufnehmen 30 , handelt es sich u m tralatizisches Gedankengut aus eben jener Zeit, i n der die Kirchen dem Staate inkorporiert waren. Eine sachliche Begründung findet diese Begriffserweiterung nicht. 2. „Überschießende Tendenzen" auf eine materiale Betrachtung

Es sei auf einige Erscheinungen hingewiesen, die die Realitätsbezogenheit des überkommenen Begriffssystems i n Frage stellen. Es gibt auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts und i n der Sphäre der von i h m umfaßten öffentlich-rechtlichen Körperschaft „überschießende Tendenzen" zu einer inhaltlich orientierten Betrachtung. Die Sachproblematik durchbricht die ihr nicht gemäße formale Begrifflichkeit. a) Die Körperschaft des öffentlichen Rechts gehört nach h. L. nicht nur dem Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung an, sie w i r d zugleich als das juristische Erscheinungsbild von Selbstverwaltung bezeichnet 31 . Bedeutet Selbstverwaltung „ihrem Wesen nach Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten" 32 , so scheint sich die eigentliche 29 W. Weber, HDSW V I I I . (1964), S. 42. Weber selbst ist mangelndes Problembewußtsein nicht vorzuwerfen; vgl. die kritischen Bemerkungen ebd., S. 44 f., die allerdings unter seiner bekannten Furcht v o r dem „Einbruch politischer Stände i n die Demokratie" stehen (vgl. Spannungen u n d Kräfte, 2. Aufl., 1958, passim, bes. S. 40 ff.). I n der Feststellung Webers, „daß die Grenze des öffentlichen Rechts nach w i e vor m i t der des v o m Staate verfaßten Öffentlichkeitsbereichs identisch ist u n d keine gesellschaftliche Organisationserscheinung sich selbst v i a facti v o m Geltungsbereich des Privatrechts i n den des öffentlichen Rechts translozieren k a n n " (a. a. O., S. 44), w i r d m a n dem zweiten T e i l zustimmen können, das Verständnis „des v o m Staate verfaßten Öffentlichkeitsbereichs" läßt allerdings eine Vielzahl von Interpretationen zu. 30 H. J. Wolff , I, S. 87. — Vgl. dazu die abwägenden Bemerkungen bei A. Hollerbach, AöR 92 (1967), S. 110. 31 So Röttgen, HDSW I X . (1956), S. 224; vgl. auch Fleiner, Institutionen, S. 99 ff., Huber, I , S. 110, Wolff, I I , S. 137. 32 Röttgen, ebd. S. 224.

§ 7 Der Dualismus von öffentlichem Recht und Privatrecht

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Problematik der Selbstverwaltung jedoch aus dem Bereich der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, wo sie mehr und mehr zu einer Form staatlicher Gliederung und Organisation wird, herauszuverlagern. I n der Tat hat Köttgen nachdrücklich auf das Phänomen einer „gesellschaftlichen Selbstverwaltung" hingewiesen, einer Selbstverwaltung jenseits des Bereichs organisierter Staatlichkeit, die insbesondere dort verfassungspolitische Bedeutung gewinne, wo bestimmte gesellschaftliche Vereinigungen nach A r t und Potenz eine Sonderstellung gewonnen hätten, u m die sich das Grundgesetz bislang nur i m Sonderfall der politischen Partei bemühe. Als Beispiele führt er außer den Parteien die Religionsgemeinschaften und Gewerkschaften an, hält aber auch die Einbeziehung der Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der Jugendverbände i n diesen Kreis für bedenkenswert 33 . Bei solchen Überlegungen handelt es sich nicht i n erster Linie darum, gegen die erfolgte A n gleichung von Selbstverwaltung und „mittelbarer Staatsverwaltung" zu polemisieren 34 . Vielmehr kommt es uns hier darauf an, zu zeigen, daß die Frage sinnvoll ist, ob es nicht neben der Selbstverwaltung i m engeren Sinne der herkömmlichen Terminologie einen weiteren Bereich „außerstaatlicher Selbstverwaltung" geben kann. Vollzieht sich diese nicht i n den Formen des technischen öffentlichen Rechts, so bleibt die Frage nach ihrer Rechtsform offen: Ist sie als i n einem weiteren und dann näher noch zu ermittelnden Sinne als rechtlich öffentlich zu bezeichnen, oder ist sie „freie", der öffentlich-rechtlichen kontrapunktisch zugeordnete Selbstverwaltung? Lebt sie als solche nach Privatrecht? Oder bedarf auch dieses neuer Bestimmung? b) Bei der Bestimmung des Unterscheidungskriteriums von öffentlichem und privatem Recht ist die formal-technische Abgrenzung nie ganz unbestritten geblieben. Die alte, auf Ulpian zurückgeführte Interessentheorie 35 hat sie immer beunruhigt. Zwar hat man diese bereits totgesagt3®, aber ganz ohne sie war doch nicht auszukommen, sogar ein 33

Köttgen, ebd. S. 222 f. Das hartnäckige Insistieren E. R. Hubers auf einem Bereich eigenständiger Selbstverwaltung außerhalb der mittelbaren Staatsverwaltung (vgl. I , S. 111) sollte die Aufmerksamkeit dafür wach halten, daß m i t einer definitorischen Setzung der Sachgehalt eines Problems noch nicht ausgeschöpft ist. Gegen die Identifizierung von mittelbarer Staatsverwaltung u n d Selbstverw a l t u n g jetzt nachdrücklich W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 120 ff. — Neuderdings entschieden f ü r eine eigenständige „gesellschaftliche" Selbstv e r w a l t u n g neben der mittelbaren Staatsverwaltung Salzwedel, V V D S t R L 22 (1965), S. 222 ff., bes. 226—233, 344 ff. Kritisch dazu die Diskussionsbeiträge v o n Scheuner (S. 332), Bachof (S. 337 f.) u. W. Weber (S. 341). Vgl. jetzt besonders die Problembehandlung bei U. K . Preuß, Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, S. 197—214 (zur „sozialstaatlichen Selbstverwaltung"), m i t w e i teren Nachw 35 Eine kurze, aber deutliche Darstellung bei H. Triepel, Der K o n v i k t o r i e n beitrag (1914), S. 523ff., 534—545, m i t L i t . ; vgl. auch Molitor, Über öffentliches Recht u n d Privatrecht, S. 30, m i t L i t . 34

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ganz unspekulativer Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung griff für die Fälle der „Gleichordnung" zur Ergänzung der Subjektionstheorie auf sie zurück 37 . Neuerdings glaubt man, eine zunehmende Bedeutung feststellen zu können 38 . Herbert Krüger hat sie sogar als den allein richtigen Ansatz herausgestellt 39 . Die Praktikabilität der Interessentheorie, deren Mangel ihr als schwerster V o r w u r f anhängt, soll an dieser Stelle nicht näher untersucht werden. Doch sei der Hinweis schon hier gestattet, daß Praktikabilität i m Sinne eines technisch glatten Funktionierens zwar ein Vorteil einer guten Ordnung sein kann, aber zunächst nicht zu deren Essentialia gehört. Es ist eine Frage des Rechtsverständnisses, ob perfekt funktionierender Subsumtion oder gerecht wägender Wertung der Vorzug gegeben wird. Wenn die neuere Interessentheorie darauf abstellt, ob ein Rechtssatz oder ein Rechtsverhältnis überwiegend 40 dem Interesse des einzelnen oder der Öffentlichkeit dient, dann deutet sich i n dieser Formel der Grundsatz der Güterabwägung und damit ein Auslegungsprinzip an, daß einem formalistisch-positivistischen Denken allerdings fremd sein muß. Damit soll nicht gesagt sein, daß die Interessentheorie eine fertige A n t w o r t auf alle Fragen bereit hält. Daß sie es gerade nicht tut, sondern auf den weiteren Zusammenhang der guten Ordnung verweist, die jener Güterabwägung Hinweis und Leitlinie sein muß, scheint uns ihre Aktualität auszumachen. Man hat der Interessentheorie nachgesagt, sie sei „zu sehr von der jeweils herrschenden Staatsauffassung" abhängig 41 , und das als disqualifizierenden V o r w u r f gemeint. Aber gerade i n dieser ihrer porösen Struktur, i n ihrer Angewiesenheit auf eine ständige Osmose m i t der Verfassungsordnung, von der her sie m i t Sinn und Inhalt erfüllt werden muß, könnte ihre Chance liegen, die Frage nach dem öffentlichen auch i n einer gewandelten demokratisch sozialstaatlichen Ordnung überhaupt fruchtbar stellen zu können. E. R. Huber hat gegen die Interessentheorie eingewandt: „Wäre das ,öffentliche Interesse' das K r i t e r i u m des öffentlichen Rechts, so gehörte 36

Forsthoff, Lehrbuch, S. 107, A n m . 2. Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, S. 120. Zuleeg, a. a. O., S. 29, m i t Nachw. 39 H. Krüger, Staatslehre, 1964, S. 322. Vgl. auch Giese, Recht u n d Rechtswissenschaft, S. 71, der das Interesse f ü r das „wichtigste Kennzeichen" hält. 40 M i t dem Abstellen auf das „überwiegende" öffentliche bzw. private I n t e r esse w i r d deren Verschränkung i m Rechtssatz berücksichtigt u n d damit die Erkenntnis, daß das Recht niemals ausschließlich der einen oder anderen Seite diene, daß vielmehr „das Recht als solches Ausgleich u n d Vereinigung privater u n d öffentlicher Interessen" ist. So E. Kaufmann, Verwaltung, Verwaltungsrecht, GSch I, S. 107. Z u r „Verschränkung von öffentlichen u n d privaten Interessen" i m Grundrechtsbereich jetzt nachdrücklich Häberle, Die Wesensgehaltgarantie des A r t . 19 Abs. 2 Grundgesetz, 1962, S. 23 ff. 41 Esser, H D S W V I I I . (1964), S. 543. Daß sie eine „politische Wertung" erfordert, w i r d negativ vermerkt bei Enneccerus-Nipperdey, a. a. O., S. 228; daß sie „keine feste juristische Grundlage" biete, bei Fleiner, a. a. O., S. 51. 37

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notwendig die gesamte Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung dem öffentlichen Recht an; auch die Verfolgung von Verwaltungszwecken m i t rechtsgeschäftlichen M i t t e l n wäre dann ein Bestandteil des öffentlichen Rechts" 42 . Für Herbert Krüger hat diese Konsequenz offenbar nichts Erschreckendes; für i h n ist es unabdingbare Forderung, daß der Staat ausschließlich i n den Formen des öffentlichen Rechts zu handeln vermag 43 . Eine Vermittlung der beiden Standpunkte w i r d nur zu erreichen sein, wenn man den Schwerpunkt der Betrachtung von den abstrakten Formen auf die sachbestimmten Unterschiede legt. Das „öffentliche" des öffentlichen Rechts besteht heute ja nicht so sehr i n einer durch bestimmte Formen (Verwaltungsakt, besonderes Gewaltverhältnis) w i r kenden Machtfülle, als i n einer verfassungsorientierten Rechtsbindung 44 . Diese vermag sich auch i n den traditionell privatrechtlichen Rechtsformen auszuwirken, so daß sich die inhaltliche Reichweite des „öffentlichen Rechts" über die bisher formal bestimmte Abgrenzung erweitert 4 5 . Von einer solch funktionalen Betrachtung aus ist M a r t i n Bullinger zu dem Vorschlag vorgedrungen, die kategoriale Zweiteilung zugunsten eines differenzierten Gemeinrechts zu überwinden und die sachlichen Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung i n ihren verschiedenen Zweigen durch entsprechende Sonderregeln oder Sonder-Rechtsinstitute angemessen zu berücksichtigen 40 . A u f dem Boden eines solchen Gemeinrechts könnten entsprechende Sonderregeln auch für gesellschaftliche Kräfte m i t öffentlicher Funktion entwickelt werden 47 .

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E. R. Huber, I, S. 56 f. H. Krüger, A l l g . Staatslehre, S. 323. 44 Vgl. Schmidt-Rimpler, H D S W X I I . (1965), S. 696ff.; W. Rüfner, Formen öffentlicher V e r w a l t u n g i m Bereich der Wirtschaft, 1967, S. 359. 45 Hier sei n u r an die Diskussion u m die „Schranken nichthoheitlicher V e r w a l t u n g " erinnert. Vgl. dazu vor allem W. Mallmann u n d K . Zeidler, V V D S t R L 19 (1961), S. 165 ff., S. 208 ff.; A u c h Reuß, öffentliche Wirtschaftsverwaltung, S. 262 ff. Ohne jeden Schematismus u n d m i t vielen Differenzierungen jetzt W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, 1967; vgl. auch U. K . Preuß, Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, S. 194 ff. Z u r Bezeichnung des V e r waltungsprivatrechts als „öffentliches Recht" vgl. auch Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen? 1963, S. 24, A m . 42. 48 M. Bullinger, öffentliches Recht u n d Privatrecht, 1968, passim, bes. S. 81; ders., i n : Gedächtnisschrift H. Peters, 1967, S. 667—685. Es ist bemerkenswert, daß gerade Bullinger i n seinen früheren Schriften die Unterscheidung der Handlungsformen stark betont hatte, vgl. Vertrag u n d Verwaltungsakt, 1962; DÖV 1960, S. 746—748. Die funktionale Betrachtungsweise jetzt auch bei W. Brohm, Strukturen, S.41 ff. — Zweifel an der Sachnähe der Unterscheidung u n d Ansätze zu ihrer Ü b e r w i n d u n g auch schon bei Siebert, Festschrift f ü r Niedermeyer, 1953, S. 215—247; Stern, AöR 84 (1959), S. 313; Esser, H D S W V I I I . (1964), S. 541 ff.; van der Ven, Festschrift f ü r Nipperdey, 1965, I I , S. 681 f.; Sten Gagner, Uber Voraussetzungen einer Verwendung der Sprachformel „öffentliches Recht u n d Privatrecht" i m kanonistischen Bereich, S. 23 ff. 47 Vgl. Brohm, D Ö V 1968, S. 148. 43

7 Rinken

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II. Der „Bereich des öffentlichen" I. Die undeutlichen Konturen dieses Bereichs Nicht nur aus dem eigentlichen Gebiet des öffentlichen Rechts drängt es auf materiale Bestimmungen. Neben und ohne erkennbaren Bezug zur Problematik des öffentlichen Rechts ist ein weiterer Bereich des öffentlichen aufgebrochen. Die neuere Staatslehre hat die „juristische Entdeckung" gemacht, daß es einen Bereich gibt, der weder staatlich noch privat ist 4 8 , sondern „den staatlichen Bereich als seinen K e r n umschließt und daher eben weiter ist als jener" 4 9 : das Gebiet des öffentlichen als die dem politischen Gemeinwesen, wenn auch nicht dem engen Raum der Leitung und Administration, zugehörende Sphäre des öffentlichen, des politischen Lebens eines Volkes 50 , als einen dritten Bereich neben Staat und Individuum, als den Bereich organisierten gesellschaftlichen Lebens, i n dem die Entscheidungen an der Spitze des Staates i n den Auseinandersetzungen organisierter politisch-sozialer Verbände vorbereitet werden 51 . Eine unmittelbare Bedeutung des weiter gefaßten Begriffs des öffentlichen für den Begriff des öffentlichen Rechts scheint nach der überwiegenden Meinung des Schrifttums nicht zu bestehen. Hermann Weber spricht vom „soziologisch öffentlichen"; diese öffentlichkeit gehöre i m Gegensatz zur „normativen" primär i n den Bereich der realen Tatsachen, der gesellschaftlichen Wirklichkeit, sie sei zunächst ein Faktum, nicht aber eine eigentlich juristisch dogmatische Kategorie 52 . Paul Mikat 48 A. Arndt, Die Verbände i m Bereich des öffentlichen, i n : N J W 1960, S. 424; R. Altmann, Z u r Rechtsstellung der öffentlichen Verbände, i n : Z f P 2 N F (1955), S. 212; ders., Das Problem der Öffentlichkeit, 1954; J. H. Kaiser, Repräsentation organisierter Interessen, 1956, S. 29; Wittkämper, Grundgesetz u n d Interessenverbände, 1963, S. 8; Bullinger, öffentliches Recht, S. 73; vgl. die i n § 1 zitierten Autoren. Gut informierende Überblicke über den Diskussionsstand bei W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 15—22; U. K . Preuß, Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, S. 75—80. 49 Scheffler, N J W 1965, S. 850; vgl. auch die ausführlichen Darlegungen dess., Die Stellung der Kirche i m Staat, 1964, S. 152 ff., 187 ff. 50 Scheuner, D Ö V 1958, S. 642; ders., Staat, i n : H D S W X I I . (1965), S. 660. Der Bezug auf das Politische auch bei H. J. Wolff, I, S. 10. 51 Scheuner, Der Staat u. die intermediären Kräfte, i n : ZEE (1957), S. 34, 36. Z u m Bereich des öffentlichen sehr k l a r schon A. Köttgen, Die rechtsfähige Verwaltungseinheit, 1939, S. 15—24 (vgl. unten § 11); Hesse, Rechtsschutz durch staatliche Gerichte i m kirchlichen Bereich, 1956, S. 60 f.; Die rechtliche Stellung der Parteien, i n : V V D S t R L 17 (1959), S. 42 (vgl. unten § 11); Ridder, Z u r verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften i m Sozialstaat, 1960, S. 22 („staatsbezogene freie politische Gesellschaft"). Z u m öffentlichen bei H. Krüger, vgl. unten § 11. 52 H. Weber, Die Religionsgemeinschaften, S. 74. E r stellt zwar fest, die verfassungsmäßige Anerkennung der Zugehörigkeit eines Gebildes zu diesem Bereich könne i m m i t t e l b a r rechtsbedeutsam werden, bleibt i n der Darstellung der Rechtsfolgen aber sehr knapp: „etwaige Rechtsfolgen sind dann v o n V e r fassungs wegen auf den als öffentlich anerkannten Faktor anzuwenden."

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hebt den Bereich des Öffentlichen nachdrücklich vom öffentlichen Recht ab 53 . Wo unmittelbare Rechtsfolgerungen aus der Zugehörigkeit zu diesem Bereich des Öffentlichen gezogen werden, bleiben solche Versuche ohne Uberzeugungskraft 54 . 2. Einzelargumente Es ist dieser weitere Bereich des Öffentlichen, auf den die Inanspruchnahme eines öffentlichen Status durch die Wohlfahrtsverbände i n erster Linie zielt. Die i m einzelnen vorgetragenen Argumente tragen zur K l ä rung des neuen öffentlichen Bereichs jedoch nichts bei, sie setzen i h n voraus. Seine ungesicherte Existenz verunsichert so auch diese A r g u mente. a) Für die konfessionellen Verbände soll sich der öffentliche Status aus einer Teilhabe am öffentlichen Kirchenstatus ergeben. Diese Ableitung ist m i t der ganzen Problematik dieses Kirchenstatus belastet, auf den an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll. Hier geht es ja nicht so sehr u m jene kirchlichen Werke, die als ordentliche Gliedgemeinschaften den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus der K i r chen kraft positiven Verfassungsrechts teilen 5 5 , sondern u m die „freien Assoziationen" Innere Mission und Caritasverband, die gerade i n einer kennzeichnenden Distanz zur Amtskirche entstanden sind und bewußt weiterhin stehen 56 . Sie können nur an einem öffentlichen Status i n einem allgemeineren Sinne partizipieren. Ob es einen solchen normativ öffentlichen Gesamtstatus der Kirchen gibt, kann nur aus einer Betrachtung der rechtlich-politischen Gesamtordnung entschieden werden. K a u m irgendwo zeigt sich — wie noch dargestellt werden w i r d — die Frage nach dem Öffentlichen klarer als eine Grundfrage des politischen Gemeinwesens als i n der kontroversen Diskussion u m den öffentlichen Status der Kirchen. 53 P. Mikat, Kirchliche Streitsachen, S. 322. „ I n einem freiheitlichen, den K r ä f t e n der pluralistischen Gesellschaft zu eigener Entfaltung Raum gebenden Staate ist das öffentliche weder m i t dem Rechtlichen noch m i t dem Staatlichen identisch." Zustimmend A . Hollerbach, Verträge zwischen Staat u n d Kirche, 1965, S. 122, A n m . 2 m i t k r i t . Einschränkung. 54 So Scheffler, N J W 1965, S. 850, vgl. dazu die K r i t i k von Ossenbühl, N J W 1965, S. 1561 ff. „Der vielzitierte öffentliche Bereich ist k e i n Rechts-, sondern ein Arbeitsbegriff, der zur systematischen Erfassung neuartiger oder erst neuerdings bewußt gewordener Erscheinungen dient (S. 1562)." 55 Mörsdorf, L T h K V I . (1951), Sp. 299. — Nach einer Generalerhebung v. 31. 12. 1960 über die Rechtsformen der Rechtsträger der evangelischen Heime u n d Anstalten i n der B R D u n d i n West-Berlin sind 19,3 % der Einrichtungen (mit 18,3 °/o der Pflegebetten) Körperschaften des öffentlichen Rechts (Statist. Informationen aus der Diakonischen A r b e i t Nr. 30, S. 4). — Z u m Status der Kirchen vgl. unten § 161. 56 Vgl. dazu eine neuere Äußerung: Die freien Wohlfahrtsverbände, i n : Herder-Korrespondenz, 22 (1968), S. 34 f.

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b) D e r öffentliche S t a t u s w i r d s o d a n n aus d e r „öffentlichen Bedeutung" der Verbände h e r g e l e i t e t . Dieses A r g u m e n t v e r w e i s t ganz a l l g e m e i n a u f das sog. „ V e r b ä n d e p r o b l e m " 5 7 . Jedoch i s t die u m f a n g r e i c h e L i t e r a t u r z u dieser F r a g e u n e r g i e b i g . Sie i s t — offenbar eine späte F r u c h t des W i l l e n s d o g m a s — ü b e r w i e g e n d e i n s e i t i g a m P r o b l e m „ S t a a t — V e r b ä n d e " u n t e r d e m G e s i c h t s p u n k t des Einflußes d e r V e r b ä n d e a u f die staatliche W i l l e n s b i l d u n g i n P a r l a m e n t , R e g i e r u n g u n d B ü r o k r a t i e o r i e n t i e r t . Sie e r f a ß t die V e r b ä n d e u n t e r diesem B l i c k w i n k e l t r e f f e n d m i t d e n B e g r i f f e n pressure g r o u p s 5 8 oder I n t e r e s s e n v e r b ä n d e (spezieller: I n t e r e s s e n t e n v e r b ä n d e ) als w i r k l i c h k e i t s b e s c h r e i b e n d e n O r d n u n g s b e g r i f f e n 5 9 . S o w e i t staatsrechtliche U n t e r s u c h u n g e n ohne a n t i p l u r a l i s t i s c h e n A f f e k t v o n diesen E r s c h e i n u n g e n K e n n t n i s n e h m e n , a r b e i t e n sie m i t der Kategorie der Repräsentation60. D e n Wohlfahrtsverbänden vermögen diese Versuche n i c h t gerecht zu w e r d e n . Z w a r s i n d sie auch Interessenv e r b ä n d e , i n s o f e r n sie a l t r u i s t i s c h e I n t e r e s s e n i m p o l i t i s c h e n R a u m z u r G e l t u n g b r i n g e n u n d i m S i n n e dieser Z i e l e r e g e l m ä ß i g a u f Staatsorgane E i n f l u ß n e h m e n 6 1 , aber i h r e r e c h t l i c h r e l e v a n t e B e d e u t u n g e r h a l t e n sie

57 Hinweise auf eine Stellung der Verbände allgemein i n der „Öffentlichkeit" bei J. H. Kaiser (Die Repräsentation organisierter Interessen, 1956, S. 355 f., vgl. ders., S t L V I I . [1962], Sp. 591, 596) oder i m öffentlichen Recht „eigener A r t " bei Altmann (Zur Rechtsstellung der öffentlichen Verbände, S. 216 f.). Der genauere Charakter dieses öffentlichen Rechts bleibt bei A l t m a n n ungeklärt. — I n dem Versuch einer soziologischen Typologie k o m m t Pähler, Verein u n d Sozialstruktur (1956), S. 197 ff., zu einer öffentlich repräsentativen Stellung auch der Wohlfahrtsverbände. Dabei bleibt die hier maßgebliche A r t des öffentlichen doch recht allgemein: „ W e n n ein Handeln i n seinen A u s w i r k u n gen von allgemeiner Bedeutung ist; das heißt, w e n n es einen zumindest erheblichen T e i l der Gesellschaft i n entscheidender Weise hinsichtlich seiner sozialen Existenzweise betrifft (S. 209)." — E i n Versuch, das Verbandswesen unter juristischen Aspekten zu erfassen bei W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 159—168. E r nennt den Verbandsbegriff „diffus". 58 Breitling, H D S W V I I I . (1964), S. 528ff.; Bernsdorf, i n : Staat u n d Politik, 1964, S. 270 ff. 59 Breitling, PVS 1 (1960), S. 65ff.; H. Schneider, Die Interessenverbände, 1965; K.von Beyme, Interessengruppen i n der Demokratie, 1969. — A l s Versuch einer Typologie noch immer wichtig: Breitling, Die Verbände i n der B u n desrepublik, 1955. 60 Grundlegend: J. H. Kaiser, Die Repräsentation organisierter Interessen, 1956. Wichtig auch: Zellentin, Der Wirtschafts- u. Sozialausschuß der E W G u n d E U R A T O M , 1962; Scheuner, Politische Repräsentation, S. 577 ff. Die erste gründliche verfassungsrechtliche Behandlung bei Wittkämper, Grundgesetz u n d Interessenverbände, 1963, bes. S. 62 ff., 126 ff. — Die „parteistaatliche" Sicht der Verbände bei Leibholz, V V D S t R L 24 (1966), S. 5—33; dazu k r i tisch Ehmke, ebd. S. 94 f. — Negativ zum Pluralismus: W. Weber, Der Staat u. die Verbände (1957); dazu kritisch: v. d. Gablentz, A u t o r i t ä t u. L e g i t i m i t ä t (1958/59) ; Scheuner, a. a. O., S. 577. 61 So die Definition bei Bernsdorf, a. a. O., S. 270. — E i n Beispiel f ü r solche Einflußnahme sind die Sozialgesetze des Jahres 1961; vgl. dazu Matthes f Gesellschaftspolitische Konzeptionen, 1964, S. 85 ff. — Ausdrücklich als I n t e r essenverbände bezeichnet werden die Wohlfahtrsverbände bei J. H. Kaiser, a. a. O., S. 22 ff. Z u einseitig ist die Beurteilung der Wohlfahrtsverbände als

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durch ihre sachliche Aufgabenerfüllung 62 . Die Konsequenzen einer „ M i t w i r k u n g privater Verbände bei der Durchführung öffentlicher A u f gaben 63 " für die rechtliche Gesamtwürdigung dieser Verbände sind bisher aber noch nicht befriedigend gelöst worden. c) Zur Begründung eines öffentlichen Status beruft man sich schließlich — und hier liegt das Schwergewicht der Argumentation — auf die durch die Verbände geleistete Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Der Begriff der „öffentlichen Aufgabe" w i r d i n der Rechtsprechung und Lehre auf die verschiedensten Tatbestände bezogen, der Begriff w i r d dabei i n sehr unterschiedlichem Sinne, als qualifizierendes Merkmal staatlicher Agenden wie auch zur Disziplinierung gesellschaftlicher Bereiche, gebraucht, er dient als Anknüpfungspunkt für recht heterogene Rechtsfolgen. Das sei an einigen Beispielen vorgeführt. — Der Bundesgerichtshof unterscheidet unmittelbare und mittelbare Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe: Handelt ein Träger öffentlicher Verwaltung bei der unmittelbaren Erfüllung einer öffentlichen Verwaltungsaufgabe i n privatrechtlichen Rechtsformen, so ist er gleichwohl den Grundrechten unterworfen* 4 ; schließt er jedoch ein Privatrechtsgeschäft i m rein „fiskalischen" Bereich, so gilt diese Bindung nicht, mag das Geschäft auch mittelbar dem (öffentlichen) Verwaltungszweck dienen 65 . Eine öffentliche Aufgabe ist, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die Abhaltung von Wahlen; da den Parteien bei der Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe von Verfassungs wegen eine ent„halbstaatliche Verbände" (DRK) oder Parteinebenorganisationen (AW) bei Breitling, Die Verbände, S. 66,220. 62 A u f die Eigenart der altruistischen Verbände weist auch Wacke hin, W D S t R L 24 (1966), S. 106 ff., zur Fürsorge S. 109 (Diskussionsbeitrag). 63 So der T i t e l der A r b e i t von Giger, Bern 1951, die vornehmlich die W i r t schafts- u n d Berufsverbände nach Schweizerischem Recht behandelt. Keine Anregungen bietet mehr die ältere A r b e i t zum Recht der Schweiz v o n Braun, Die Durchführung öffentlicher Aufgaben i m allgemeinen, insbesondere durch Private, Diss. j u r . Basel 1944. — Die A r b e i t v o n Wössner, Die ordnungspolitische Bedeutung des Verbandswesens, 1961, zielt v o n einer organischen Sozialtheorie aus i n eine v ö l l i g andere Richtung als der hier unternommene k o n k r e t geschichtliche Versuch. Darüber hinaus dürfte die Neigung Wössners zu u n geschichtlich-systematischer Deduktion u n d D i s t i n k t i o n u n d die ontologische Zementierung des Staat-Gesellschaft-Dualismus angreifbar sein. Z u r verfassungsrechtlichen Beurteilung seiner ordnungspolitischen Konsequenz einer Institutionalisierung der gesellschaftlichen Repräsentation der Verbände i n einem gesellschaftlichen Gesamtvertretungsinstitut (vgl. S. 153) sei auf die Ablehnung eines Bundeswirtschaftsrates durch Wittkämper t a. a. O., S. 151, als verfassungswidrig verwiesen. 64 B G H Z 29, 76 (80), U r t . v. 10. 12. 1958 (privatrechtliche Gestaltung der i m Bereich öffentlicher Fürsorge vorzunehmenden Zuteilung von Siedlungsland an heimatlos gewordene Personen). 65 B G H DVB1. 1962, 298, Urt. v. 26. 10. 1961, m i t A n m . von Zeidler, der die Unterscheidung unmittelbarer u n d mittelbarer Erledigung öffentlicher A u f gaben ablehnt (S. 302). Gegen Zeidlers Einwände wiederum Reuß, öffentliche Wirtschaftsverwaltung, S. 269.

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scheidende Rolle zukommt, ist es zulässig, den Parteien finanzielle M i t t e l von Staats wegen zur Verfügung zu stellen 66 , allerdings nur i n ihrer Eigenschaft als „Wahlvorbereitungsorganisationen" 67 . Die i m „Apothekenurteil" entfaltete Garantie der Berufsfreiheit steht unter dem Vorbehalt der „öffentlichen Aufgabe"; geht es i n einem Beruf um die Wahrnehmung einer solchen, so „hängt von Eigenart und Gewicht der hier zu erfüllenden öffentlichen Aufgabe ab", wieweit Sonderregelungen i n A n lehnung an die Grundsätze des „öffentlichen Dienstes" (Art. 33 GG) zulässig sind, die somit das Grundrecht der Berufsfreiheit zurückdrängen 68 . U m die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben i n diesem Sinne geht es bei der Arbeitsvermittlung 6 9 , bei den Tätigkeiten der Apotheker 7 0 , Kassenärzte 71 , Hebammen 72 und Notare 73 . Bei den zuletzt genannten Beispielen w i r d also i n der Tat aus der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben auf einen dem öffentlichen A m t angenäherten öffentlichen Status geschlossen74. Die Begründetheit dieses Schlusses ist aber rational nur schwer nachprüfbar, weil Inhalt und Bedeutung der Prämisse, des Begriffs der öffentlichen Aufgabe i m Zwielicht zwischen „Staat" und einem weiteren Bereich des öffentlichen bleiben 75 . Der Versuch einer Begriffsklärung i m Fernsehurteil ist nicht geglückt 76 . Der Leitsatz, wenn sich der Staat m i t einer öffentlichen A u f 66 BVerfGE 8, 51, U r t . v. 24. 6. 1958 (Chancengleichheit bei Parteifinanzierung). 87 BVerfGE 20, 56 = N J W 1966, 1499 (1506), Urt. v. 19. 7. 1966 (Verfassungsw i d r i g k e i t der staatl. Parteifinanzierung). Z u r grundsätzlichen Differenz dieses Urteils zur früheren Rechtsprechung des B V e r f G zum Parteienrecht vgl. P. Haberle, Unmittelbare staatliche Parteifinanzierung, JuS 7 (1967), S. 64—74. 88 BVerfGE 7, 337 (398), U r t . v. 11. 6.1958 (Apothekenurteil). 89 BVerfGE 21, 245, Urt. v. 4. 4. 1967 (Stellenvermittlungsmonopol der AVAVG). 70 BVerfGE 7, 377 (Apothekenurteil) u n d BVerfGE 17, 232 (239 f.), U r t . v. 13. 2. 1964 (Apotheken-Mehrbetriebs-Urteil), m i t A n m . Hamel i n N J W 1964, S. 1067. 71 BVerfGE 11, 30, Urt. v. 23. 3. 1960 (Kassenärzte); BVerfGE 12, 144, Beschl. v. 8.2.1961 (Kassenzahnarzt). 72 BVerfGE 9, 338, Beschl. v. 16. 6.1959 (Altersgrenze); vgl. auch B V e r w G E 9, 334, Urt. v. 20.11.1959 (Zulassungsregelung). 73 BVerfGE 17, 371 (377 ff.), Beschl. v. 5. 5. 1964, m i t sehr kritischer Besprechung von Rupp, Das Grundrecht der Berufsfreiheit, i n : N J W 1965, S. 993 ff. 74 Z u m Zusammenhang v o n „öffentlicher Aufgabe" u n d „gebundenem Beruf" vgl. schon Köttgen, Deutsche Verwaltung, 2. Aufl. 1937, S. 166 ff. 75 Z u r K r i t i k der Rechtsprechung des B V e r f G zur „öffentlichen Aufgabe" vgl. ff. ff. K l e i n , Z u m Begriff der öffentlichen Aufgabe, i n : DÖV 1965, S. 755 bis 759. 78 BVerfGE 12,205, bes. 243 ff., Urt. v. 28.2.1961 (Fernsehurteil). Vgl. dazu die kritischen Bemerkungen bei Bettermann, DVB1. 1963, S. 41 ff.; speziell zur öffentlichen Aufgabe Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen? 1963, S. 21, A n m . 36; ff. Peters, öffentliche u n d staatliche Aufgaben, i n : Festschrift f ü r H. C. Nipperdey, Bd. I I , 1965, S. 877—895, bes. 877 f.; ff. ff. Klein, Z u m Begriff der öffentlichen Aufgabe, a. a. O., S. 757; Zeidler, Einige Bemerkungen zum Verwaltungsrecht, i n : Staat 1 (1962), S. 321—344, 341 f.

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gäbe (nach deutscher Rechtsentwicklung z.B. die Veranstaltung von Rundfunksendungen) i n irgendeiner also auch i n privatrechtlicher Form befasse, werde sie zu einer „staatlichen" Aufgabe, geht offenbar von einem weiteren Begriff der öffentlichen Aufgabe aus, die erst durch staatliche A k t i o n zur Staatsaufgabe wird. Die Gründe kontrastieren jedoch gerade die „öffentliche Aufgabe" m i t dem weiteren Bereich des öffentlichen 77 und zeigen so die auch schon früher zu beobachtende Tendenz einer Gleichsetzung von öffentlicher und staatlicher Aufgabe. Eine solche Identifizierung muß gerade i m Fernsehurteil verwundern, i n dem vom Gericht Grundsätze zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben aufgestellt werden, „die dem staatlichen Einfluß entzogen oder höchstens einer beschränkten staatlichen Rechtsaufsicht unterworfen ist" 7 8 . Der Bereich des Fernsehens steht zudem der Presse, der das Bundesverfassungsgericht eine eigenständige zweifellos nichtstaatliche „öffentliche Aufgabe" zuerkannt hat 7 9 , so nahe, daß hier differenzierende Aussagen hätten erwartet werden können. Gerade das Beispiel der Presse läßt aber Zweifel an der Eignung eines nicht näher bestimmten Begriffs der öffentlichen Aufgabe aufkommen, da er hier i n der Vergangenheit 80 , aber auch heute, allzu leicht die Funktion freiheitsmindernder „Disziplinierung" übernimmt 8 1 . 77 BVerfGE 12, 205 (245). Vgl. dazu W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 119, A n m . 242: Das Gericht spreche von „staatlicher Aufgabe" nur, u m A n schluß an die Terminologie des A r t . 30 GG zu gewinnen u n d zur A n w e n d b a r keit dieser Kompetenznorm zu gelangen. 78 Ebd., S. 261. 79 Insbes. BVerfGE 12, 113, Beschl. v. 25. 1. 1961 (Schmid-Spiegel-Urteil) ; vgl. auch BVerfGE 10, 118 v. 6. 10. 1959; 12, 205, 259 ff., Urt. v. 28. 2. 1961 (Fernsehurteil) ; 20, 161 v. 5. 8. 1966 (Spiegelfall). 80 Ins Presserecht hat der Begriff der öffentlichen Aufgabe durch § 1 des NS-Schriftleitergesetzes v. 4. 10. 1933 Eingang gefunden. E r diente zur Begründung eines öffentlich-rechtlichen Pflichtenverhältnisses, das den Redakteur i n ein beamtenrechtliches Abhängigkeitsverhältnis zum Staat brachte. Vgl. dazu Rehbinder, Die öffentliche Aufgabe u n d rechtliche Verantwortlichkeit der Presse, 1962, S. 39 ff.; ders., öffentliche Aufgabe der Presse: Was ist das? i n : N J W 1966, S. 1387—1389. 81 Heute hat die „öffentliche Aufgabe der Presse" hauptsächlich f ü r den Rechtfertigungsgrund der „Wahrnehmung berechtigter Interessen" i m Rahmen des § 193 StGB Bedeutung. Das Reichsgericht hatte i h n n u r bei besonderer Interessenberührung des Redakteurs oder Autors zum behandelten F a l l zugebilligt. Der B G H Z (vgl. bes. Urt. v. 22. 12. 1959, N J W 1960, 476) erweitert den Schutz auf die Presse „ i m Rahmen ihrer öffentlichen Aufgabe". Dieser „Rahmen" w i r k t sich i n der Praxis leicht aus als besondere Pflichtbindung der Presse etwa zur „Seriosität", wobei das letzte U r t e i l beim Richter liegt. So die Tendenz i n BGHSt 18, 182, Urt. v. 15. 1. 1963 (Callgirl-Urteil) m i t zustimmender A n m . v o n Franz Schneider, N J W 1963, S. 665. I n dieser Richtung auch Bemerkungen i m Schmid-Spiegel-Urt. des BVerfG; vgl. dazu die kritische A n m . bei A. Arndt, i n : Die Rolle der Massenmedien i n der Demokratie, 1966, S. 11 f. — Die unterschiedlichen Positionen zur Pressefreiheit jetzt besonders deutlich i n den Berichten von Scheuner u. Schnur, Pressefreiheit, i n : V V D S t R L 22 (1965), S. 1 ff., 101 ff., darin auch die verschiedenen Diskussionsbeiträge. Speziell u m den Begriff der öffentlichen Aufgabe der Presse brachte die N J W

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Hans Peters hat gegenüber simplifizierenden und deshalb gefährlichen, voreiligen Schlußfolgerungen aus dem Begriff der öffentlichen Aufgabe darauf hingewiesen, „daß öffentliche Aufgaben m i t und ohne M i t w i r k u n g staatlicher Stellen privat- oder öffentlich-rechtlich durchgeführt werden können, daß sie nicht m i t staatlichen Aufgaben identifiziert werden dürfen". Er hat die möglichen Wahrnehmungsweisen i n fünf Stadien knapp skizziert. Danach kann 1. die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ganz der privaten Sorge der Beteiligten überlassen bleiben, 2. die private Wahrnehmung staatlicher Überwachung unterliegen, 3. der Staat sich auf abstrakte Regelungen beschränken, 4. selbst durch seine Behörden nach staatlicher Normierung handeln (unmittelbare Staatsverwaltung), oder 5. die von i h m übernommenen Aufgaben durch einen von i h m abhängigen Rechtsträger erledigen lassen (mittelbare Staatsverwaltung). Nach diesem Schema wäre die Tätigkeit der Wohlfahrtsverbände dem ersten Stadium reiner Privatheit zuzurechnen 82 . Die Auffassung von Peters, dessen die herkömmliche Lehre zusammenfassende, trennscharfe Ubersicht ihre Klarheit durch die Vernachlässigung der fließenden Übergänge und Grauzonen erreicht, soll hier nur dazu dienen, der These von der statusprägenden K r a f t der öffentlichen A u f gabe eine prononcierte Gegenthese entgegenzustellen. Eine abschließende Stellungnahme zum Meinungsstreit ist an dieser Stelle nicht möglich, sie kann — und der Sicherung dieser Folgerung dienten diese Ausführungen — nur von der umfassenden Gesamtordnung aus erfolgen. Solange dieser Weg nicht gegangen wird, haben die aus dem Begriff der öffentlichen Aufgabe abgeleiteten Rechtsfolgen nicht selten einen irrationalen Einschlag, münzen sie allzu leicht soziologische Bedeutsamkeit i n rechtliche Öffentlichkeit um. Die öffentliche Aufgabe kann i n ihrer rechtlichen Bedeutung nur aus einer Verfassungsinterpretation erkannt werden, von der Funktion der Institutionen Fernsehen, Presse, Apotheker, Notar, Wohlfahrtsverband i n den von der Verfassung auf eine freiheitliche Gesamtordnung hingeordneten Sachbereichen öffentliche Meinung, Gesundheitswesen, Rechtspflege, Sozialhilfe 83 . 1963 eine lebhafte Auseinandersetzung: A. Arndt (S. 193), F. Schneider (S. 665 ff.), Gross (S. 893 f.), Rehbinder (S. 1387 ff.), Erdsiek (S. 1392). A u s f ü h r lich jetzt D. Czajka, Pressefreiheit u n d „öffentliche Aufgabe" der Presse, 1968, vgl. auch Scholler, Person u n d Öffentlichkeit, 1967, S. 337 ff. — Z u r grundsätzlichen Diskussion der verschiedenen Positionen schon i m 18. Jahrhundert F. Schneider, Pressefreiheit u n d politische Öffentlichkeit, 1966, S. 168. 82 H. Peters, öffentliche u n d staatliche Aufgaben, S. 877,881 f. 83 Die hier angestrebte Lösung liegt also „zwischen" einem Soziologismus (unmittelbare normative W i r k u n g von faktischer Bedeutung oder Macht) u n d einem Dezisionismus (ausschließliche Entscheidung des Staates). Vgl. dazu auch W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 161; er hält i n den Regelfällen eine Entscheidung kompetenter Stellen für erforderlich, stellt diese aber unter die D i r e k t i v e n der Verfassung. „ D a m i t ist diese Entscheidung nicht w i l l k ü r l i c h ; sie hat i m Rahmen u n d i m Geiste der Verfassung zu erfolgen, sie w i r d

§ 7 Der Dualismus v o n öffentlichem Recht und Privatrecht

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I I I . Zusammenfassung Neben der überkommenen abstrakt-technischen Dichotomie von öffentlichem und privatem Recht gibt es nach neuerer Lehre den weiteren Bereich des öffentlichen. Er dient als Sammelbecken des „Politischen" und „Sachlichen", für das die zweiteilende „Grundunterscheidung" keine Heimstatt bietet. Die Beziehung dieses neuen zum alten öffentlichen Bereich, insbesondere seine Rechtsqualität bleibt unklar, ja meist ungefragt. Daß er als bloße Addition zur alten Zweiteilung ein systemfremdes Element bleibt, scheint nicht zu stören. Er ist insofern ein bezeichnendes Beispiel für einen verbreiteten Usus heutiger deutscher Staatsrechtslehre, die positivistischen Grundlehren durch „moderne" Elemente zu bereichern. I n gleicher rational nicht nachprüfbarer Weise w i r d ohne Bedenken eine Kombination von Subjektionstheorie und Interessentheorie vorgenommen 84 , ohne die Tatsache überhaupt zu erwähnen, daß beide gänzlich verschiedenen, ja entgegengesetzten Auffassungen von Staat und Recht zugeordnet sind. Drängender als durch diese die Begriffe der W i l l k ü r ausliefernde Praxis kann kaum die Frage nach dem Sinn des Rechtsbegriffs des öffentlichen aufgeworfen werden. Diese Frage richtet sich zunächst an die überkommene Zweiteilungslehre und forscht nach den Gründen ihres Ungenügens gerade für die wichtigeren Erscheinungen des modernen Rechtslebens. Wolfgang Martens hat i n einem begriffsgeschichtlichen Abriß die Zeitgebundenheit der Kategorien „öffentliches Recht", „Hoheitsgewalt" und „öffentliche Gewalt" dargestellt und auf die Bedingtheit der Identität dieser Begriffe durch die entstehungszeitliche historisch-politische Situation aufmerksam gemacht 85 . Die Begriffe seinen deshalb einem zeitgemäßen Interpretationswandel prinzipiell nicht verschlossen; gehe es jedoch u m die juristische Relevanz eines solchen Wandels, dann müsse die Grenze rechtswissenschaftlicher Begriffsbildung beachtet werden. Soweit das geltende Recht auf der Dichotomie von öffentlichem und privatem Recht aufbaue, gelte es, diejenigen Fälle sichtbar zu machen, i n denen die Anknüpfung an die Rechtsform problematisch geworden sei, u m dadurch auf seine Reformbedürftigkeit hinzuweisen. Dagegen könne es nicht Beruf der Wissenschaft sein, durch Begriffswandlungen contra legem dem Gesetzgeber vorzugreifen. „Die Auflösung der Trias von »öffentlicher Gewalf, ,Hoheitsgewalt 4 und ,Öffentlichrechtlichkeit 4 wäre ein solcher Vorgriff 8 6 ." weiter bestimmt durch die realen Gegebenheiten, sowie rationalisiert kontrolliert durch das Verfahren zu politischer Willensbildung." 84 Vgl. oben A n m . 28. 85 W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 85—95. 88 W. Martens, ebd., S. 95 f., 100.

und

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

Es bedürfte einer genaueren Grenzbestimmung zwischen einer zulässigen, auch juristische Relevanz beanspruchenden Berücksichtigung eines solchen Interpretationswandels durch den Rechtsanwender und einer unzulässigen Auslegung contra legem; für das bei Martens behandelte Beispiel des Amtshaftungsrechts dürfte eine Neuformulierung des gesetzlichen Tatbestandes erforderlich sein. W i r müssen solche Einzelfragen hier offen lassen. Unsere Frage richtet sich auf die Dimensionen, i n denen die „Reformbedürftigkeit" bedacht werden muß. Was bedeutet es, daß sich — wie auch die Darstellung von Martens bestätigt — die obrigkeitsstaatliche Prägung des Hoheitlich-Öffentlichen unter einer demokratisch sozialstaatlichen Verfassung als stabil, gegenüber einer verfassungskonformen Interpretation als resistent erweist? Welche I n halte sind es, die auf dem Rücken solcher Begriffe aus einer ganz anders gearteten entstehungszeitlichen historisch-politischen Situation i n die neue Verfassungsordnung hineingetragen werden? Welche Fragen muß sich die Reform solcher „prähistorischer" Bereiche stellen? Welches ist der theoretische Grund, auf dem sie ihre Fragen konzipieren muß? Die den heutigen Rechtsbegriff des öffentlichen noch immer bestimmende „Verstaatlichung" des öffentlichen hat ihre rechtswissenschaftliche Durchbildung i m staats- und verwaltungsrechtlichen Formalismus erhalten (§ 8 I). Der hier vollzogenen Formalisierung und damit gegebenen Problemreduzierung ist i m einzelnen nachzugehen (§ 8 IV) ; die dadurch verursachte demokratische und sozialstaatliche Unterbilanz läßt sich am Beispiel der wissenschaftlichen Behandlung des Armenwesens exemplarisch demonstrieren (§ 8 V). Eine K r i t i k des Formalismus, die i n dessen Begriff des öffentlichen den Gesamtzusammenhang des formalistischen Staatsbegriffs, Rechtsbegriffs und der „juristischen Methode" kritisiert, gewinnt die Problemdimensionen, i n denen eine nicht reduzierte Problembehandlung zu erfolgen hat (§ 8 I I und III).

§ 8 Die „Verstaatlichung" des öffentlichen im staats- und verwaltungsrechtlichen Formalismus I. Die Prägung des Rechtsbegriffs des öffentlichen i n der Staats- und Verwaltungsrechtslehre des juristischen Formalismus 1. Der Rechtsbegriff des öffentlichen bei Paul Laband und Otto Mayer

Die heute herrschende abstrakt-technische Dichotomie von öffentlichem und privatem Recht verweist auf den staats- und verwaltungsrechtlichen Formalismus, der seine konsequente Ausformung i m Staatsrecht durch Paul Laband, i m Verwaltungsrecht durch Otto Mayer erhalten hat. Laband beschreibt das öffentliche i m Begriff des öffentlichen Rechts an einer zentralen Stelle seines Hauptwerkes „Das Staatsrecht des Deutschen Reiches" 1 . Bei der Entwicklung seiner Bundesstaatslehre definiert er den Staat als juristische Person. „Die juristische Persönlichkeit des Staates besteht darin, daß der Staat eigene Herrschaftsredate behufs Durchführung seiner Aufgaben und Pflichten und einen selbständigen Herrschaftswillen hat 2 ." Da Laband die Souveränität als wesentliches Begriffsmerkmal des Staates ablehnt 3 , muß er sich der Frage stellen, „welches Kriterium für den Staat übrig bleibe, wenn man die Souveränität für nicht wesentlich erklärt und durch welches durchgreifende Merkmal sich der ,nicht-souveräne Staat' von Provinzen, Kreisen, Gemeinden und dergleichen unterscheide" 4 . Er beantwortet diese staatstheoretische Grundfrage unter Berufung auf C. F. v. Gerber: A l l e i n der Staat hat „öffentlich-rechtliche Herrschaft kraft eigenen Rechts" 5. Die Bedeutung dieses Satzes für den Begriff des öffentlichen Rechts erhellt aus dem Verständnis von Herrschaft: „Herrschen ist das Recht, freien Personen (und Vereinigungen von solchen) Handlungen, Unterlassungen und 1 P. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5., neubearb. Aufl., 1911—1914. 2 Staatsrecht, I , S. 57, Hervorhebungen i m Original! 3 Das richtet sich gegen Seydel, der die Ansicht vertrat, der Begriff des Bundesstaates sei überhaupt undenkbar, da zum Begriffe des Staates wesentlich die Souveränität gehöre, die als „oberste Gewalt" aber nicht zugleich dem Gesamtstaat u n d den Einzelstaaten zukommen könne. 4 Staatsrecht, I, S. 65. 5 Ebd., S. 65.

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Zum

echtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

Leistungen zu befehlen und sie zur Befolgung derselben zu zwingen e." Herrschen ist ein spezifisches Vorrecht des Staates, das er m i t niemandem teilt: „der Staat allein herrscht über Menschen 7 ." I m Merkmal der Herrschaft über Menschen liegt der kennzeichnende Unterschied von öffentlichem und privatem Recht. „Das Privatrecht kennt eine Herrschaft nur über Sachen ...; freien Personen gegenüber kennt es nur Forderungen, welche kein Zwangsrecht gegen den Schuldner enthalten und die nicht die Rechtsmacht i n sich schließen, i h m etwas zu befehlen 8" Herrschaft also i m Sinne von Befehl und Zwang über freie Personen charakterisiert das öffentliche Recht als ein öffentliches. Herrschaft i n diesem Sinne ist somit das öffentliche i m Begriff des öffentlichen Rechts. Da eine solche Herrschaft als eine rechtliche aber nur dem Staate zukommt 9 , ist alles öffentliche Recht ursprünglich staatliches Recht. Wo andere Verbände Herrschaft ausüben, ist ihnen diese immer vom Staate übertragen 10 . Der Staat hat das Herrschaftsmonopol und damit (ex definitione) das Monopol des öffentlichen: alles öffentliche ist staatlich. Otto Mayer geht es u m die konsequente Ausformung des Verwaltungsrechts als öffentliches Recht. I m Anschluß an die französische Theorie des service public w i l l er grundsätzlich alle Verhältnisse, an denen der Staat beteiligt ist, dem öffentlichen Recht unterstellen 11 . Dieses ist i h m das der Verwaltung „natürliche" Recht 12 , das vom Privatrecht scharf geschieden ist. Der Begriff des öffentlichen Rechts w i r d streng obrigkeitlich definiert, i n i h m erscheint die dem Staate zukommende besondere rechtliche Wirkungskraft, „die i n seiner Natur als Gemeinwesen begründet ist, die öffentliche Gewalt", das ist der „ m i t rechtlich überwiegender Macht über die Menschen seines Machtbereiches" ausge6

Ebd., S. 68. Ebd., S. 69. Ebd., S. 68 (alle Hervorhebungen i m Original!). 9 „ I n obligatorischen Verhältnissen sind Gläubiger u n d Schuldner einander gleichgeordnet, der Gläubiger hat keine Macht über den Schuldner; das Wesen des Hoheitsrechts dagegen besteht i n der rechtlichen Macht der Obrigkeit über den Untertan, i n der rechtlich anerkannten Gewalt über ihn, k r a f t deren derselbe gezwungen w i r d , dem an i h n ergangenen Befehl zu gehorchen... I m heutigen Recht gibt es — von dem i n der familienrechtlichen Gewalt enthaltenen geringfügigen Rest abgesehen — keine Privatuntertänigkeit u n d keine Privatgewalt; der Staat allein herrscht über Menschen (S. 68 f)." 10 Ebd., S. 70. Bei der Begründung der These, daß die Gemeinde weder i m eigenen noch i m übertragenen Wirkungskreise eigene u n d selbständige H e r r schaftsrechte habe, n i m m t der sonst so kühle Logiker seine Zuflucht zu einer sentimentalen Arabeske: „Herrscher ist nicht der Bürgermeister, sondern der König. Das offenbart sich i n dem allgemeinen politischen Empfinden u n d ist eine Wahrheit, die m a n fühlt, auch w e n n m a n über die logische Formulierung derselben streiten mag (S. 71)." 11 Z u r französischen Lehre u n d ihrem Einfluß auf O. Mayer vgl. jetzt W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, 1967, S. 103 ff. 12 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Aufl. 1895, I, S. 18, 141 (zitiert nach Badura, Verwaltungsrecht I I , S. 54) ; vgl. auch 2. Aufl., I (1914), S. 120 f. 7

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§ 8 Die „Verstaatlichung" des öffentlichen

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stattete Wille 1 3 . Das die Institute des öffentlichen Rechts kennzeichnende K r i t e r i u m ist Subordination, i m Gegensatz zu der das Privatrecht charakterisierenden Koordination 1 4 . Wolfgang Rüfner hat darauf hingewiesen, daß man somit Otto Mayer sowohl für die Subordinationstheorie (Subjektionstheorie) wie für die Subjektstheorie i n Anspruch nehmen kann. O. Mayer brachte beide Anschauungen zur Ubereinstimmung. „Einerseits erklärte er alles Handeln des Staates grundsätzlich für öffentlich-rechtlich und wollte dem Zivilrecht nur ausnahmsweise Raum lassen. Andererseits verwarf er i n allen öffentlich-rechtlichen Verhältnissen strikte den Gedanken einer Koordination zwischen Staat und Bürger und ließ nur die Subordination gelten 15 ." Gerade diese Kombination gebe dem System Otto Mayers den wiederholt bemerkten absolutistischen Zug, da er den Bürger i m Verhältnis zur Verwaltung i n die Stellung des Objektes dränge, „auf welches eingewirkt w i r d " 1 6 . 2. Der im formalistischen Begriff des öffentlichen gegebene Gesamtzusammenhang Laband und Mayer wurde hier so ausführlich das Wort gegeben, nicht nur, u m auf die Quellen der Subjektions- und Subjektstheorie hinzuweisen, sondern u m die enge Bindung der von ihnen gegebenen Definitionen des öffentlichen an die Gesamtlehre des Formalismus deutlich zu machen. I n diesen Definitionen ist der Gesamtzusammenhang des formalistischen Staats- und Rechtsbegriffs und der damit korrespondierenden „juristischen Methode" unauslösbar mitgesetzt. Eine adäquate Problembehandlung des Öffentlichen muß sich deshalb diesem Gesamtzusammenhang selbst zuwenden; nur i n diesem Zusammenhang kann sie das öffentliche als Problem überhaupt erkennen und so der Gefahr einer Reduktion auf die bloße Rechtstechnik formaler „Abgrenzungstheorien" entgehen; nur i n diesem Zusammenhang vermag sie aber auch zu einer K r i t i k der formalistischen Problemlösung zu gelangen, die deren zutage liegendes Ungenügen nicht nur konstatiert, sondern aus ihren Ursachen erklärt. a) M i t der bei Laband dargestellten Gründung des Staatsrechts auf den Begriff des Herrschens ist zugleich die Entscheidung für die einseitige Konstruktion des Staates als juristische Person gefallen 17 . Der 13

ginal). 14

Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., I, S. 15 (Hervorhebungen i m O r i -

Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., I, S. 138. W. Rüfner, a. a. O., S. 113. O. Mayer, Theorie des französischen Verwaltungsrechts, 1886, S. 292. 17 „Die Willensmacht des Staates ist die Macht zu herrschen; sie heißt Staatsgewalt." Willensmacht k a n n aber dem Staat n u r als Persönlichkeit zukommen. Durch das Herrschen als Willensinhalt unterscheidet sich die j u r i s t i 15

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

Staatszweck w i r d zur „Grenze der Staatsgewalt" degradiert 18 . Laband strafft die Staatsperson zu einer „Grundeinheit, innerhalb derer es keine Vielheit gibt" 1 9 . Es ist diese Hypostasierung des Begriffes der juristischen Person von einem Kunstbegriff juristischer Technik zu einer Wesensbeschreibung des Staates, die die positivistische Staatstheorie für alle wichtigen Fragen der sozialen Demokratie ungeeignet macht: für die Demokratie, w e i l sie die Einheit voraussetzt, die der demokratische Prozeß erst anstrebt; für den Sozialstaat, w e i l sie auf der Eliminierung des Wohlfahrtszweckes beruht. Die von diesem konstituierte teleologische Einheit des öffentlichen Gemeinwesens w i r d durch die substantielle Einheit und Unteilbarkeit der Staatsperson abgelöst; vom Volk ist zu abstrahieren, w i l l man zu dieser gelangen 20 . Die Notwendigkeit einer materialen Staatstheorie gerade für die Demokratie w i r d hier negativ deutlich. Erschöpft sich die juristische Aussage über den Staat i n seiner Kennzeichnung als Rechtsperson, so ist damit zugleich eine Aussage über das Rechtsverständnis gemacht. Grundbegriff aller Rechtskonstruktion ist die „rechtliche Willensmacht", Aufgabe des Staates ist die Abgrenzung von Willenssphären 21 . Die seit Gierke nicht ruhende K r i t i k dieses Rechtsbegriffs braucht hier nicht wiederholt zu werden, nur auf wenige Punkte sei erinnernd hingewiesen: Die Lösung des Rechts von seinem soziologischen Substrat 22 , die Entpolitisierung des öffentlichen Rechts, die Kontrastierung von Recht und Freiheit. Die äußerlich bleibende Beziehung von Recht und Staat ließ diesen umso kraftvoller agieren, wo er das Recht fern glaubte (besonderes Gewaltverhältnis) 2 *. Eine zusammenordnende Funktion des Rechts wurde nicht gesehen, ein Verständnis für die materiellrechtliche Bedeutung von Organisation und Verfahren war nicht vorhanden. Es ist die „juristische" oder „konstruktive" Methode, die diesen Rechtsbegriff prägt. Die Historische Schule hatte das Recht aus der konkreten Verbindung m i t seiner geschichtlichen Umwelt gelöst und seine sehe Persönlichkeit des Staates von den juristischen Personen des P r i v a t rechts. Vgl. C. F. v. Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, 2. Aufl. 1869, S. 1 f., 4, 219 ff. 18 Gerber, Gründzüge, S. 30. 19 Laband, Staatsrecht, I, S. 96. Vgl. dazu U. Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, 1959, S. 133 ff. 20 Vgl. Laband, Staatsrecht, I, S. 80. 21 Laband, Staatsrecht, I I , S. 73, 181; vgl. schon Gerber, Über öffentliche Rechte, 1852, S. 36; Grundzüge, S. 215 ff. 22 Vgl. P. Häberle, Die Wesensgehaltgarantie des A r t . 19 Abs. 2 Grundgesetz, 1962, S. 91,150 f. 23 Vgl. dazu kritisch W. Brohm, Verwaltungsvorschriften u n d besonderes Gewaltverhältnis, i n : D Ö V 1964, S. 238 ff.

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begriffstechnische Bearbeitung i n den Vordergrund gestellt 24 . Sie verwaltete m i t diesem Rechtsverständnis rationalistisch-naturrechtliches Erbe, zugleich war sie einer auf K a n t basierenden kategorialen Metaphysik verpflichtet, wie Gagnér gerade an der Lehre Savignys zur dichotomischen Scheidung von öffentlichem und privatem Recht dargelegt hat 2 5 . Diese Metaphysik entrückte das Recht dem Wandel und Wechsel der Zeiten und verklärte die Rechtsbegriffe zu apriorischen Wesenheiten. A u f diesem Hintergrund haben die drei Grundzüge der „Begriff sjurisprudenz" ihren Platz: das Lückenlosigkeitsdogma, der Konstruktivismus und die Inversionsmethode 2®. Die Begriffe erschließen sich allein der Logik, „alle historischen, politischen und philosophischen Betrachtungen — so wertvoll sie an und für sich sein mögen — sind für die Dogmatik eines konkreten Rechtsstoffes ohne Bezug.. ." 2 7 . „Der Zweck, welchem ein Rechtsinstitut dient, liegt jenseits seines Begriffes 28 ." b) Dem hoheitlich verfaßten Staat steht die grundsätzlich staatsfrei vorgestellte Gesellschaft als die Sphäre des bürgerlichen Lebens, insbesondere des Warenverkehrs, gegenüber. I n dem strengen Dualismus des Gesellschaftlich-Privaten und Staatlich-Öffentlichen als einer der Privatsphäre gegenüber „ganz anderen" juristischen Wesenheit 29 , i m Dualismus von öffentlichem und privatem Recht, öffentlicher Körperschaft und privatem Verein bleibt das Private ohne öffentliche Funktion 3 0 . 24 E.-W. Böckenförde, Die Historische Rechtsschule u n d das Problem der Geschichtlichkeit des Rechts, i n : Collegium Philosophicum, 1965, S. 21 ff.; W. Wilhelm, Z u r juristischen Methodenlehre, 1958, S. 17 ff.; F. Wieacker, P r i v a t rechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967, S. 430 f. Vgl. dazu unten § 8 I V , 1. 25 Sten Gagnér, Uber Voraussetzungen einer Verwendung der Sprachformel „öffentliches Recht u n d Privatrecht" i m kanonistischen Bereich, i n : Deutsche Landesreferate zum V I I . Internationalen Kongreß f ü r Rechtsvergleichung, 1967, S. 29 ff. 26 Vgl. dazu E. Bucher, Was ist „Begriffsjurisprudenz"? i n : Z B J V 102 (1966), S. 274—303. Bes. k l a r bei Laband: F ü r i h n liegt die wissenschaftliche Aufgabe der Dogmatik eines bestimmten positiven Rechts „ i n der K o n s t r u k t i o n der Rechtsinstitute, i n der Zurückführung der einzelnen Rechtssätze auf allgemeinere Begriffe u n d andererseits i n der Herleitung der aus diesen Begriffen sich ergebenden Folgerungen" (Staatsrecht, I, S. I X ) . 27 Laband, Staatsrecht, I, S. I X . 28 Laband, Staatsrecht, I, S. 67, vgl. S. 19. 29 Vgl. W. Leisner, Grundrechte u n d Privatrecht, 1960, S. 32. 30 Vgl. dazu ff. Ehmke, „Staat" u n d „Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem, i n : Festgabe f ü r R. Smend, 1962, insbes. S. 23 ff.; 17. K . Preuß, Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, 1969, S. 83 ff. m i t weiteren Nachw. Z u r politischen F u n k t i o n dieses Dualismus vgl. die Ausführungen von E. Kehr, Z u r Genesis der preußischen Bürokratie u n d des Rechtsstaates (1932), i n : Wehler (Hg.), Moderne deutsche Sozialgeschichte, 1966, S. 45f.: Der Formalismus befriedigte das Bedürfnis der kapitalistischen Wirtschaft nach einer „Rechtsordnung, d i e . . . allen i n der freien Konkurrenz des Marktes stehenden wirtschaftlichen I n d i v i d u e n dieselben Chancen zum Profit auf i n t e l lektuell kalkulierbarer Basis gewährte. A l l e politischen' Ansprüche des deut-

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Martin Bullinger hat auf die beiden Möglichkeiten einer Wirkung des kantischen Rechtsbegriffs auf die Entwicklung des Privatrechts aufmerksam gemacht. A u f K a n t konnte sich berufen sowohl die „politische Sicht" des Privatrechts als des Rechts einer gesicherten bürgerlichen Lebensordnung innerhalb einer freien Staatsverfassung als auch die „apolitische Sicht" des Privatrechts als „eines abstrakten Rechts der Individualbeziehungen i n bewußter methodischer Isolierung vom staatlichen Gemeinwesen und seiner öffentlichen Ordnung" 3 1 . Die zweite Alternative entsprach den Interessen „der expansiven, unternehmungsfreudigen und kapitalstarken Pioniere der industriellen Revolution"; sie erhielt ihre rechtliche Gestalt i n den drei Grundprinzipien des Bürgerlichen Gesetzbuches: Privatautonomie, Vertrags-, Eigentums- und Vererbungsfreiheit 32 . — I m Verhältnis zur staatsisolierten Privatfreiheit konnte das öffentliche Recht des staatlichen Handelns nur als Recht der „Eingriffsverwaltung" konzipiert werden. Die leistende Verwaltung blieb i m System Otto Mayers, dem am konsequentesten durchgeführten liberal-rechtsstaatlichen Verwaltungsrechtssystem, ein bloßes „Akzessorium der Befehlsverwaltung, das als rechtsstaatlich unwichtig vernachlässigt werden" konnte 3 3 . Noch der Liberalismus des Vormärz hatte die positive politische Funktion des Vereinswesens gesehen34. I m Verlauf der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts trat eine Entpolitisierung und Privatisierung der Assoziationen ein: verstärkt durch die polizeistaatliche Vereinspolitik der restaurativen Regierungen gegenüber jeder „öffentlichen" Vereinstätigkeit wandten sich die Bürger vom Staat ab und intensiver dem Wirtschaftsund Berufsleben zu. Der Verein fand i n dem „staatsabgewandten Bereich sein eigentliches Betätigungsfeld" 35 . Die alte, aus Gemeinwohlbezogenheit „öffentliche" Korporation spaltete sich i n die reinliche Dualität von privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Körperschaft, die den Gegensatz von Staat und Gesellschaft variierten 3 6 . Es bezeichnet den Endpunkt dieses Dissoziierungsprozesses, wenn schließlich die Identität

sehen Bürgertums i m 19. Jahrhundert sind ökonomische Ansprüche gewesen, die n u r zum Schutze der wirtschaftlichen Interessen eine politische Sicherung verlangten, aber nicht etwa »Politik'". 31 M . Bullinger, öffentliches Recht, S. 37 ff., bes. 39. 32 F. Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953, S. 10, 6; F. v. Hippel, Z u m A u f b a u u n d Sinnwandel unseres Privatrechts, 1957, bes. S. 29,43. 33 W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 122. 34 F. Müller, Korporation u n d Assoziation, 1965, S. 282 ff.; J. Baron, Das deutsche Vereinswesen, 1962, S. 32 ff., 35 ff. (Frühliberalismus), S. 47 ff. (Paulskirche). 35 J. Baron, ebd., S. 66 ff. 36 Vgl. dazu jetzt ü . K . Preuß, Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, 1969, S. 122 ff.

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des Begriffs der öffentlich-rechtlichen Körperschaft m i t dem Begriff der mittelbaren Staatsverwaltung gelehrt werden kann. K a u m besser läßt sich die Entwicklung des Jahrhunderts charakterisieren als i n der Konfrontierung einer Bemerkung Rudolf Sohms i m Reichstag m i t Ausführungen Welckers aus der Zeit vor 1848: Für Sohm liegt i m Privatrecht, nicht i n der Staatsverfassung die magna Charta der öffentlichen Freiheit; Welcker erscheint eine nur privatrechtliche Freiheit unmöglich, nur eine freie Verfassung könne auch die wahre Privatfreiheit verbürgen 37 . Es wäre Aufgabe des öffentlichen, von der Volksvertretung beschlossenen Gesetzes, Staat und Gesellschaft zu vermitteln. Der positivistische Gesetzesbegriff leistet diese Aufgabe nicht. Auch er gerät i n den Sog der juristisch formalen Begriffsbildung. „Die Abgrenzung des Funktionsbereiches von Legislative und Exekutive, von Volk und monarchischer Regierung wurde so von einem verfassungsrechtlich-politischen zu einem rechtstheoretischen Problem: Inhalt und Umfang des Rechtssatzbegriffes bestimmen weithin den Begriff von Gesetz und gesetzgebender Gewalt 3 8 ." Restriktive Rechtssatzdefinitionen sorgen für die Priorität des „Staates", i h m gegenüber bleibt die „Vertretung" des Volkes schwach. Für Gerber ist das Primäre die staatsbürgerliche Subjektion, die staatsbürgerlichen Rechte sind nur Reflexrechte 39 . Labands Reichstag hat keinen juristischen Willen, die eigentliche Gesetzgebung liegt i m Gesetzesbefehl (Sanktion) des Bundesrats 40 . I I . Die K r i t i k am Formalismus durch die an der älteren „ P o l i t i k " orientierte Politische Wissenschaft Herrschaft ist für den staatsrechtlichen Formalismus der Zentralbegriff, der das System bis i n seine Einzelheiten prägt, das K r i t e r i u m des öffentlichen Rechts, die positivistische A n t w o r t auf die Frage nach dem Problem des öffentlichen. Diese A n t w o r t — i n manchen Einzelheiten modifiziert, i m Ganzen noch „herrschende Meinung" — erweist sich jedoch gegenüber den heutigen Fragestellungen als hilflos (vgl. § 7). Eine an der modernen Wirklichkeit orientierte Behandlung des öffentlichen als Rechtsbegriff steht damit vor der Aufgabe einer K r i t i k am staats87 Zitiert nach Th. Ramm, Die Freiheit der Willensbildung, 1960, S. 46 (Sohm) u n d W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 92, A n m . 257 (Welcker). 38 E.-W. Böckenförde, Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, 1958, S. 219. 39 Gerber, Grundzüge, S. 221,224, vgl. auch S. 45. 40 Laband, Staatsrecht, I I , S. 32. Z u r politischen F u n k t i o n dieses Gesetzesbegriffes vgl. F. Neumann, Der Funktionswandel des Gesetzes i m Recht der bürgerlichen Gesellschaft, i n : F. Neumann, Demokratischer u n d autoritäter Staat, 1967, S. 31 ff., bes. 47 ff.

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und verwaltungsrechtlichen Formalismus, einer K r i t i k nicht nur an dieser oder jener dogmatischen Konstruktion oder begrifflichen Definition, sondern einer fundamentalen K r i t i k , die i n der K r i t i k des Begriffs des öffentlichen den formalistischen Gesamtzusammenhang von Staatsbegriff, Rechtsbegriff und Methode zu kritisieren hat. Dabei darf von dieser K r i t i k nicht das Eingehen auf Einzelheiten erwartet, es kann höchstens die Gewinnung der i m Formalismus offenbar reduzierten Problemdimension erhofft werden. 1. Die „Erinnerung" an die materiale Komponente des öffentlichen, die salus publica Bei der Suche nach einem geeigneten Ausgangspunkt bietet eine Forschungsrichtung der nach 1945 an die deutschen Universitäten zurückgekehrten politischen Wissenschaft ihre Hilfe an, die zur Klärung ihres Selbstverständnisses und zur Bestimmung ihres Gegenstandsbereiches an die ältere philosophische Tradition der „Politik" anknüpft 4 1 und von dieser Tradition her die Formalisierung des öffentlichen, die Eliminierung seiner materialen Komponente angreift. Wilhelm Hennis hat das Programm dieser „Schule" gerade am Beispiel des öffentlichen Rechts knapp formuliert: „Das öffentliche Recht bleibt eine Summe von Vorschriften, Gesetzen, Anordnungen usw., die nur dadurch ausgezeichnet sind, daß mit den Mitteln des öffentlichen Rechts der Staat rücksichtsloser auf den Gewaltunterworfenen zugreifen kann, solange nicht eine Theorie der Politik, wozu der Staat da ist, für welche Aufgaben er sich des öffentlichen Rechts bedient, legitimierend und zwingend dahintersteht 42 ." Eine Beschäftigung m i t dieser Richtung der politischen Wissenschaft liegt für die Staats- und Verfassungsrechtslehre schon aus zunächst äußerlich scheinendem Grunde nahe: war sie doch über einen Zeitraum h i n der Politik verbunden, demgegenüber die Spanne der Trennung und Fremdheit als bloße Episode empfunden werden kann 4 3 . Eine solche Beschäftigung hat aber auch eine allgemeine innere Berechtigung: das die 41 W. Hennis , Z u m Problem der deutschen Staatsanschauung (1959); Bemerkungen zur wissenschaftsgeschichtlichen Situation der politischen Wissenschaften (1960); P o l i t i k u n d praktische Philosophie, 1963. H. Maier, Z u r Lage der politischen Wissenschaft i n Deutschland (1962); Die Lehre der P o l i t i k an den deutschen Universitäten (1962); Ältere deutsche Staatslehre u n d westliche politische Tradition, 1966; Die ältere deutsche Staats- u n d Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft), 1966. D. Oberndörfer, P o l i t i k als praktische Wissenschaft (1962). Vgl. auch die Sammelbände: D. Oberndörfer (Hg.), Wissenschaftliche Politik, 1962; H. Schneider (Hg.), Aufgabe u n d Selbstverständnis der p o l i t i schen Wissenschaft, 1967. Wichtige „Vorarbeiten" sind die Forschungen von O. Brunner, Das „ganze Haus" u n d die alteuropäische Ökonomik (1956), S. 33 f., 41; A r t . : Hausväterliteratur, i n : HDSW V. (1956), S. 92 f. 42 Hennis , Z u m Problem der deutschen Staatsanschauung, S. 75. 43 H. Maier, Die Lehre der Politik, S. 115.

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Trennung von Politik und Staatsrecht bedingende Wissenschaftsverständnis trieb die beiden Disziplinen i n so ähnliche formale Positionen, daß sie i n ihrer Isoliertheit noch aufeinander verweisen und nur gemeinsam fruchtbar diskutiert werden können: dem Willensdogma der Jurisprudenz entspricht das Machtdogma der politischen Soziologie; beide reduzieren den Staat zum Herrschaftsapparat. Eine Vergegenwärtigung der älteren Lehre hat schließlich für unsere spezielle Frage ihre spezifische Bedeutung. Sie bringt als Lehre von der res publica das öffentliche als eine materiale Kategorie i n den Blick: i n der Orientierung allen öffentlichen Handelns an der salus publica hat sie ihr einigendes Zentrum. Der Prozeß der Auseinanderfaltung der älteren Gesamtwissenschaft vom Gemeinwesen i n eine große Zahl sich immer wieder aufspaltender Einzelwissenschaften ist zugleich der Prozeß der Verflüchtigung des material öffentlichen aus dem Forschungsinteresse der Nachfolgedisziplinen, insbesondere der Staatslehre und des Staatsrechts. a) Die hier zu referierende Richtung der politischen Wissenschaft sieht ihren Gegner vor allem in der politischen Soziologie, deren Begriffen Max Weber aus dem Geiste der Wertfreiheit und technischen Rationalität die als klassisch geachtete Prägung gab 44 . Weber definiert Politik als „Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung, sei es zwischen Staaten, sei es innerhalb eines Staates zwischen Menschengruppen, die er umschließt" 45 . Macht ist i h m „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichwie worauf diese Chance beruht". Der Staat w i r d nicht vom Inhalt oder Zweck, sondern allein vom M i t t e l her begriffen, dem „Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit" 4 8 ; zum „Betrieb" formalisiert steht seine rationalisierte Effizienz jeder beliebigen Dezision offen. Unter Berufung auf Hermann Heller, der die Probleme der politischen Machtorganisation, der Machtverteilung und des Machterwerbs i n den Mittelpunkt politikwissenschaftlicher Erörterung rückte 47 , orientiert sich auch die heutige Politologie weitgehend an den Kategorien „ S t r u k t u r " und „Funktion". 44 Z u M. Webers Wissenschaftstheorie vgl. i n diesem Zusammenhang L. Strauss, Naturrecht u n d Geschichte, 1956, S. 38 ff.; U. Scheuner, Das Wesen des Staates u n d der Begriff des Politischen i n der neueren Staatslehre, i n : Festg. f. Smend, 1962, S. 238 f.; Hennis , P o l i t i k u n d praktische Philosophie, S. 17 ff., 56; A. Bergsträßer, M a x Weber, der Nationalstaat u n d die Politik, i n : P o l i t i k i n Wissenschaft u n d Bildung, S. 71—85. Vgl. schon Smend, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. Aufl. 1968, S. 184, 363 ff. 45 Max Weber, P o l i t i k als Beruf (1919), Ges. Pol. Schriften, S. 397. 48 M . Weber, ebd., S. 396 f. — Z u m Machtbegriff vgl. K . Sontheimer, Z u m Begriff der Macht als Grundkategorie der politischen Wissenschaft, i n : Oberndörfer (Hg.), Wissenschaftliche Politik, S. 198. 47 H . Heller, Staatslehre, 1934, S. 23; als Programm ausdrücklich aufgenommen i n der Einleitung des von Fraenkel u n d Bracher herausgegebenen Fischer Lexikons „Staat u n d P o l i t i k " , Neuausgabe 1964, S. 12. Hellers Position darf

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Gegen die Einseitigkeiten dieser Auffassung wendet sich die Gegenrichtung: Sie beanstandet die Ausschließlichkeit der Orientierung am Machtphänomen; diese sei theoretisch fragwürdig, da so ein spezifischer Gegenstand wissenschaftlichen Forschens nicht festgelegt werden könne, sie laufe zudem Gefahr, das Spezifische unserer Gegenwart zu verfehlen, da ihr historischer Rahmen — Nationalstaat und bürgerliche Klassengesellschaft — wenn nicht schon vollends Vergangenheit, so doch auch nicht das Besondere unserer Zeit sei 48 . Sie wendet sich gegen das „Ausweichen vor aller normativen Bestimmung des politisch zu Fordernden und Aufgegebenen" 49 , gegen ein „dogmatisch verfestigtes Wissenschaftsideal", das „die wichtigsten Fragen aus dem Bereich der Wissenschaft" ausschließe50. Diese K r i t i k formuliert somit Einwände neu, die von Otto von Gierke bis Peter von Oertzen gegenüber dem staatsrechtlichen Positivismus erhoben worden sind 51 . Für ihre Ablehnung eines erkenntnistheoretischen Purismus kann sie sich auf Rudolf Smend 52 und Hermann Heller berufen, der darauf bestand, „daß w i r Staatstheorie niemals u m der Theorie w i l l e n treiben", daß „ohne letztlich praktische Forschungsabsicht . . . es i n der Staatslehre weder fruchtbare Fragen noch wirkliche Antworten geben könne 53 . Zum „Beweise" kann sie die Erfahrung der totalitären Herrschaft anführen, die unausweichlich die Frage nach dem „Wozu" staatlichen Lebens stellt 5 4 . b) Das Besondere, hier kritisch zu Erwägende, ist die empfohlene Therapie: Die vor allem von Wilhelm Hennis immer wieder bekräftigte nicht vereinseitigt werden. Einerseits ergibt sich f ü r i h n der Begriff des Politischen n u r aus der Sinnfunktion, die das Politische innerhalb des gesamtgesellschaftlichen Lebens ausübt, u n d er v e r w i r f t die Gegenmeinung unter Nennung M. Webers als „weniger falsch als absolut nichtssagend. Denn Macht entwickeln alle menschlichen Institutionen, u n d ohne Feststellung einer Sinnf u n k t i o n der spezifisch staatlichen Macht ist diese weder von einer Räuberbande noch von einem K o h l e n - K a r t e l l oder einem Kegelclub zu unterscheiden." Andererseits bestimmt er die P o l i t i k doch wieder formal als die „Kunst, gesellschaftliche Tendenzen i n rechtliche Formen umzusetzen" (Staatslehre, 203, 205). Vgl. dazu auch J. H. Kaiser, A r t . : Staatslehre, i n : S t L V I I . (1962), Sp. 602; K . Sontheimer, Politische Wissenschaft u n d Staatsrechtslehre, 1963, S. 26 ff. 48 Hennis , P o l i t i k u n d praktische Philosophie, S. 14 f., 20; vgl. auch: Z u m Problem der deutschen Staatsanschauung, S. 75 f. 49 Hennis , P o l i t i k u n d praktische Philosophie, S. 19. 50 Hennis, ebd., S. 51. 51 Vgl. die zusammenfassende Übersicht bei W. Wilhelm, Z u r juristischen Methodenlehre i m 19. Jahrhundert, 1958, S. 13 f., A n m . 22. Zusätzlich Ρ. v. Oertzen, Die Bedeutung C. F. v. Gerbers f ü r die deutsche Staatsrechtslehre, i n : Festgabe für Smend, 1962, S. 183 ff. 52 Gegenüber den Staatstheorien M. Webers u n d Meineckes stellt Smend fest: „ . . . diese Denkweisen sind liberal i m Sinne letzter innerer Unbeteiligung am Staat", Staatsrechtl. Abhandlungen, S. 122. 53 H. Heller, Staatslehre, 1934, S. 26. Vgl. Hennis, P o l i t i k u n d praktische Philosophie, S. 35, 38. 54 Hennis, Bemerkungen zur wissenschaftsgeschichtlichen Situation, S. 131.

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Forderung, man müsse „zurückgehen auf jene Denkformen und Wissenschaften, von denen sich der moderne Staatsbegriff emanzipiert" habe 55 , auf die aristotelische Tradition der philosophia practica sive moralis, die „Praktische Philosophie" als die Einheit von „Ethik", „Ökonomik" und „Politik", die alle die πράξις betrafen, das rechte Handeln des Menschen einschließlich der sozialen Ordnungen und Bedingungen dieses Handelns. „Ist die Ethik eine Lehre vom sittlichen Verhalten des Einzelmenschen, so handelt die Ökonomik vom Haus, d. h. von allen Tätigkeiten und zwischenmenschlichen Beziehungen i n diesem, vom Verhältnis zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern, Hausvater und Gesinde, aber auch von allen nützlichen Verrichtungen i m Rahmen der häuslichen W i r t schaftsführung. ,Politik' schließlich ist die Lehre vom Eingeordnetsein des Einzelnen i n eine Polis, eine ,res publica' 56 ." Politik als praktische Philosophie sei — von Aristoteles bis i n die Aufklärungsphilosophie hinein — teleologisch; ihr kennzeichnender Grundzug sei die Bindung des öffentlichen Gemeinwesens an seinen Zweck, das Gemeinwohl, die salus publica. Dieses öffentliche Wohl bestehe nicht i n einer wie auch immer gefaßten Staatsräson, „sondern es ist das gemeine, das jeden Menschen angehende Wohl als Bedingung humaner Existenz" 5 7 ; die gute Ordnung des Gemeinwesens solle das εύ ζην, das rechtschaffene, tugendhafte Leben der Bürger ermöglichen. Als Lehre von dem auf das Gemeinwohl bezogenen Handeln, spezieller: als Lehre von der gerechten Herrschaft sei Politik als praktische Philosophie nicht am Ideal streng apodiktischer Wissenschaft orientiert, sondern dem k l u g abwägenden Urteil der φρόνησις unterstellt, dem topisch-dialektischen Denken. M i t ihren drei wesentlichen Besonderheiten — Praxis, Telos u n d Topik — sei die praktische Philosophie i n Gegensatz zum modernen exakten Wissenschaftsverständnis geraten, das sich ihres als Einheit gesehenen Gegenstandsbereichs bemächtigt u n d i h n i n seine Elemente zersetzt habe. Hennis hat die geistesgeschichtlichen u n d wissenschaftstheoretischen Gründe dieses Zerfalls eindrücklich dargestellt. E r sieht den entscheidenden Einschnitt i n dem Auseinanderbrechen der alten P o l i t i k i n eine Lehre v o m Machtkampf (Staatsräson) einerseits, das rationale Naturrecht andererseits. Die Namen eines Macchiavelli u n d Hobbes stünden jeweils für den Beginn dieser Entwicklungslinien. P o l i t i k werde zur Technik von Machterwerb u n d Machtbewahrung f ü r beliebig einzusetzende Zwecke. I h r Gegenstück sei das „natürliche öffentliche Recht", das schließlich als Lehre v o m „Rechtsstaat" nicht mehr eine Lehre v o m aufgegebenen staatlichen Handeln sei, sondern von Institutionen, die m i t mechanischer Sicherheit den gewollten Zweck verbürgten 5 8 . 55

Hennis, Z u m Problem der deutschen Staatsanschauung, S. 76. Hennis, Z u m Problem der deutschen Staatsanschauung, S. 76; P o l i t i k u n d praktische Philosophie, S. 29 ff.; H. Maier, Die Lehre der Politik, S. 64. 57 Hennis, Z u m Problem der deutschen Staatsanschauung, S. 77. 58 Hennis, P o l i t i k u n d praktische Philosophie, S. 116ff.; Z u m Problem der deutschen Staatsanschauung, S. 79 ff.; Bemerkungen zur wissenschaftsgeschichtlichen Situation, S. 124 ff. 58

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Hans Maier hat diesen von Hennis gegebenen großperspektivischen, i n den Einzelheiten nicht i m m e r differenzierenden Überblick anhand reichen Quellenmaterials präzisiert u n d f ü r die deutschen Verhältnisse ζ. T. korrigiert. Er hat vor allem die konservative Gestalt des deutschen politischen Denkens i n seinen lehr- u n d schulmäßigen Ausformungen bis zum späten 18. Jahrhundert herausgestellt. V o n Melanchthon auf der Basis eines philologisch angereicherten u n d verfeinerten Aristotelismus erneuert, tradiere es bis zur Schwelle der Revolution ohne große Veränderungen die alten Lehrgehalte der p r a k t i schen Philosophie m i t Einschluß der Ökonomik u n d des öffentlichen Rechts. Der Einfluß v o n Macchiavellis Machtlehre sei denkbar gering, die W i r k u n g der neuen Naturrechtslehre zwar größer, zunächst aber auch nicht revolutionierend gewesen. Erst m i t der Trennung des Naturrechts v o n der E t h i k seit Thomasius u n d Wolff habe Deutschland beide Bewegungen i n einer radikalisierenden Spätrezeption i n wenigen Jahren nachgeholt. Diese Rezept i o n habe i m Falle des Naturrechts zu einer eigentümlichen Umbiegung der politischen Freiheitslehre des Westens i n den Gedanken einer staatsfreien Sphäre des Individuums geführt; i m Falle der Staatsräson u m die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert zu einer eruptiven Aufnahme der lange abgelehnten Lehre Macchiavellis i m deutschen Denken bei Herder, Hegel u n d Fichte 5 9 . Seine differenzierende Betrachtungsweise ermöglicht es H. Maier, gerade die Spätformen der traditionellen Politik, die Sorge der K a m e r a i - u n d Polizeiwissenschaft u m „gemeine Wohlfahrt" u n d „gute Polizei" als den eigentümlichen Beitrag Deutschlands zum modernen Staatsgedanken zu würdigen, sie als eine zeitbedingte Modifikation des alten aristotelischen Politikbegriffes zu beschreiben, dessen K r a f t noch die verspäteten Versuche des 19. Jahrhunderts geprägt habe, die „Gesamten Staatswissenschaf ten" i n einer Enzyklopädie (R. v. Mohl), j a sogar i n einem „System" zu erfassen (L. v. Stein) 8 0 . Der Rigorismus der Kantischen K r i t i k , der die gesamte auf der aristotelischen Tradition beruhende, an der salus publica ausgerichtete (teleologische) Sozialethik als „eudämonistisch" verurteilte, habe nicht n u r die methodologischen Grundlagen der älteren P o l i t i k zerstört. „ E r hat zugleich die aus der P o l i t i k emanzipierten Einzelfächer auf den Pfad des Positivismus gedrängt. . . . A m frühesten zeigten sich seine Auswirkungen i n der Staatsrechtslehre, wo der W i l l e zu methodologischer Selbständigkeit, zu immanenter juristischer Begriffsbildung schließlich zur völligen Trennung v o n Rechts- u n d Soziallehre des Staates u n d damit zur Auflösung des geistigen Prinzips der älteren P o l i t i k führte 8 1 ."

2. Die verengte Problemsicht dieser Lehre Es ist das Verdienst der dargestellten Forschungen, die K r i t i k am staatsrechtlichen Formalismus und soziologischen Positivismus nicht 59 H. Maier, Ältere deutsche Staatslehre, passim, insbes. S. 7 ff., 17; Die Lehre der Politik, S. 76 ff., 89 ff. 60 H. Maier, Polizeiwissenschaft, passim, insbes. S. 40 f., 248 ff. Vgl. auch Hennis , Z u m Problem der deutschen Staatsanschauung, S. 78; K . Hespe, Z u r Entwicklung der Staatszwecklehre, 1964, S. 21. 81 H. Maier, Die Lehre der Politik, S. 105. Vgl. auch Hennis , Z u m Problem der deutschen Staatsanschauung, S. 87 ff.; Bemerkungen, S. 120ff.; P o l i t i k und praktische Philosophie, S. 122 ff. Z u m Differenzierungsprozeß i m m e r noch w i c h t i g E. R. Huber, Die deutsche Staatswissenschaft, i n : ZgesStW 95 (1935), S.lff.

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allein m i t dem Hinweis auf die Einseitigkeiten einer puren Herrschaftsund Machtorientierung geführt, sondern auf dem Hintergrund der traditionellen philosophia publica diese Einseitigkeiten als Folge des Verlustes der Sinnfrage begriffen zu haben. Die Eliminierung des material öffentlichen, des i n der salus publica gesehenen Zweckes aus dem Forschungsinteresse der „öffentlichen Wissenschaften" als Grund für die Verengung der Problemsicht, die verengte Sicht der sich differenzierenden Einzeldisziplinen als Ursache des Verlustes des i m gemeinsamen Zweck gegebenen Zusammenhangs, kurz: die zentrale Bedeutung des material öffentlichen für eine Theorie des als res publica begriffenen Staates — das ist der Hinweis, den unsere Untersuchung der Politik als „praktischer Philosophie" zu entnehmen, die Lehre, die sie i n ihre eigenen Erwägungen aufzunehmen hat. Ist somit die Richtung umschrieben, die die Suche nach einer umfassenderen, auch die heutigen Probleme beantwortenden Sicht des öffentlichen einschlagen w i r d — der Weg i n diese Richtung ist noch ungebahnt. Der vor allem von Hennis gewiesenen Route vermögen w i r nicht zu folgen, da bisher nicht zu erkennen ist, wie sie die heutigen Probleme erreichen könnte, da sie die „kantische Schwelle" nicht überschreitet und so die aus der Tradition gewonnene fruchtbare Fragestellung i n ihren spezifisch modernen Bezügen nicht i n den Blick bekommt. a) Die einen „Rückgriff" auf die Aristotelische Politik empfehlende Lehre ist i n der Gefahr, die historische Bedingtheit der von ihr untersuchten und der Gegenwart empfohlenen „ganzheitlichen" Problemlösungen zu verkennen. Wenn Hennis m i t guten Gründen gegen die „distanzlose Nähe zur politischen Wirklichkeit" polemisiert 62 , so muß er seine eigenen Ausführungen befragen lassen, ob sie nicht die Distanz u m den Preis der Nähe zu dieser Wirklichkeit gewinnen. Wenn er dem überkommenen Politikverständnis eine ungeschichtliche Orientierung an den zeitbedingten Größen Nationalstaat und Klassengesellschaft vorwirft 6 3 , so müßte er offen legen, welche gesellschaftliche Wirklichkeit seine eigene politische Theorie reflektiert. M i t dem Hinweis auf „Gemeinwohl" und „gutes Leben" ist doch zunächst nur die Frage formuliert. Geht man nicht von einer völligen Diskontinuität der Geschichte aus, so mag diese Fragestellung an einer gesellschaftlich-politischen Wirlichkeit entwickelt werden können, die hier i m Verhältnis zu unserer heutigen Wirklichkeit abkürzend als „vormodern" bezeichnet werden mag. Die Antwort jedoch, soll sie unsere konkreten Verhältnisse i n ihren konkreten Problemen betreffen, kann nicht einfach „den Menschen" i n den Blick nehmen, sondern muß auf den Menschen i n seiner konkreten, d.i. „modernen" 62 88

Hennis , P o l i t i k u n d praktische Philosophie, S. 19. Hennis , P o l i t i k u n d praktische Philosophie, S. 16,18.

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sozialen und wirtschaftlichen Situation h i n formuliert sein. Tut sie das nicht, so bleibt der Inhalt jener Formeln entweder ganz leer oder er erhält eine „immer gültige", transhistorische Fassung. Hennis vermeidet es, den Inhalt der „guten Ordnung" einfach aus dem Traditionsbestand der klassisch-christlichen Philosophie-Theologie aufzufüllen, wie es die Rekonstruktionsversuche der politischen Wissenschaft von Voegelin und Schmölz unternommen haben 64 . Er stellt sich somit nicht wie diese von vornherein außerhalb eines Gespräches m i t einer Wirklichkeit, die als „pluralistische" nur u m den Preis der Freiheit i n den Rahmen eines einheitlichen Weltbildes zurückgezwungen werden könnte. Welcher Rahmen aber ist es, der es i h m erlaubt, von „dem vorgegebenen Ziel" des Gemeinwesens, vom „unzerstörbaren, aufgegebenen Sinn des Gemeinwohlbegriffs" zu sprechen, oder zu formulieren: „wo die Bestimmung des Menschen verkannt w i r d oder offen bleibt, da müssen auch Sinn und Bestimmung des Staates offen bleiben" 6 5 . Müßte nicht schon der „hausväterliche" Zuschnitt der alten Ökonomik angesichts der industriegesellschaftlichen Wirklichkeit zeigen, daß die eigentliche Arbeit einer auf diese Wirklichkeit bezogenen politischen Theorie erst da beginnt, wo Hennis mit beschwörenden Forderungen zur „Rückkehr" endet? b) Eine solche auf die heutige Wirklichkeit bezogene politische Theorie müßte allerdings davon absehen, vom Idealbild der Polis her die gesamte neuzeitliche Wissenschaftsgeschichte seit Descartes über Bacon, Hobbes und K a n t einfach auf die Kategorie der Simplizität zu reduzieren 66 . Sie dürfte nicht den „Bruch m i t der Tradition" einschließlich aller i h m angelasteten negativen Folgen einfach i n den Kopf einiger „falsch denkender" Philosophen verlegen, ohne daß sie auch nur „ein

64 E. Voegelin, Die neue Wissenschaft der Politik, 2. Aufl. 1965; F. M. Schmölz, Zerstörung u n d Rekonstruktion der politischen Ethik, 1963. Zu Schmölz vgl. die strenge, aber berechtigte K r i t i k durch B. Willms, Staat 3 (1964), S. 488 ff. — F ü r Voegelin ist Voraussetzung einer w i r k l i c h „wissenschaftlichen" P o l i t i k „eine durchgearbeitete Ontologie, die alle Seinsbereiche, v o r allem den weit-jenseitigen, göttlichen, als real a n e r k e n n t . . . " (a. a. O., S. 14). Aus der mediterranen Vergangenheit seien der westlichen Welt zwei große Substanzmassen der Ordnung überliefert worden: „(1) die klassische P o l i t i k u n d (2) die jüdisch-christliche Ontologie von Mensch, Gesellschaft und Geschichte" (a. a. O., S. 16). 65 Hennis, Bemerkungen zur wissenschaftsgeschichtlichen Situation, S. 123; P o l i t i k u n d praktische Philosophie, S. 56, 66 (Hervorhebungen nicht i m Original). 66 Vgl. Hennis, P o l i t i k u n d praktische Philosophie, S. 40 f.: „ K a n t sah den Vorzug des kategorischen Imperativs nicht zuletzt i n seiner »Einfachheit 4 . Die Einfachheit w i r d zu einem A r g u m e n t der Richtigkeit, das Simple hat die V e r m u t u n g der Wahrheit auf seiner Seite. W i r verfolgen diese Tendenz, die letztlich zur Auflösung aller praktischen Philosophie u n d damit auch der p o l i t i schen Wissenschaft führen mußte, etwas genauer". Es folgt die Behandlung v o n Descartes, F. Bacon, Hobbes, Hume, K a n t (S. 41—53).

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einziges M a l die Frage stellt, welchen konkret historischen politischen Veränderungen diese veränderte Haltung zur alten ,ethischen' Politik und ihren eindeutigen teleologischen Orientierungen denn möglicherweise zugeordnet sei" 67 . Sie dürfte vor allem die neuzeitliche politische Philosophie eines Hobbes, Kant, Hegel und Marx nicht einfach als „Verfall", „Bruch" und „Zerstörung" beiseite schieben, sondern müßte ihren Frageansatz durch dieses neuzeitliche Denken hindurchtragen, u m so erst die ganze Breite der Problemdimension zu gewinnen 68 . „Rückgriff" und „Verfallstheorie" verengen somit bei fruchtbarem Frageansatz die Problemsicht. Einige Konsequenzen seien nur angedeutet: Ausklammerung des ökonomischen, Nicht-Thematisierung des Staat-Gesellschaft-Problems, Klage über die Trennung von Politik und Ethik ohne Bezug zur Differenz zwischen Polis und politischer Ordnung einer modernen Industriegesellschaft. Wo konkretere Aussagen gemacht werden, erweist sich der wissenschaftsgeschichtliche Rückgriff als politisch rückschrittlich: so wenn die Freiheit nur als Negativum, als „ A b lösung der Tugend" verbucht 69 und die Virulenz des demokratischen Gedankens durch die ausschließliche Rückführung der repräsentativen Demokratie auf das „Vertrauen" als deren „seelische Grundlage" entschärft wird 7 0 . Die Faszination von „jenem fundamentalen abendländischen Verständnis aller Herrschaft als einer der Gerechtigkeit und dem Gemeinwohl verpflichteten Aufgabe" sollte nicht übersehen, „daß ein Glück, das nicht i n der freien Zustimmung der Bürger ruht, diesen Namen nicht verdient; . . . daß das bonum commune nicht ein abstrakter Begriff ist, sondern sich i m institutionalisierten Streit und Ausgleich der 67

Willms, a. a. O., S. 490. N u r ein solches „Hindurchdenken" durch die ihrerseits „ w i r k l i c h k e i t s bezogenen" neuzeitlichen Denksysteme vermeidet auch eine wissenschaftliche Selbstisolierung. Es vermag zudem eine affektgeladene K r i t i k am Positivismus durch eine kühle Erkenntnis von dessen historischer F u n k t i o n u n d Begrenztheit zu ersetzen. 69 Hennis , P o l i t i k u n d praktische Philosophie, S. 66, vgl. auch S. 81 ff. Die gesamte Geschichte seit K a n t ist dann n u r noch „Nachgeschichte des Grundtheorems ,Tugend'"; Z u m Problem der deutschen Staatsanschauung, S. 85 ff. Willms hat dagegen eingewandt: „Die Entwicklung zum gesellschaftlichen u n d geistigen Pluralismus ist irreversibel; die Ersetzung des Materialen ,Tugend' oder ,Wahrheit' durch das — zunächst Formale — »Freiheit' als des politischen Umwillens rückgängig machen zu wollen, muß unter den gegenwärtigen Bedingungen ein Anschlag auf Letztere sein" (Staat 3 [1964], S. 491). 70 Hennis , Amtsgedanke u n d Demokratiebegriff, i n : Festgabe f. Smend, 1962, S. 56. H i e r w i r d nicht die Fruchtbarkeit des trust- Gedankens als solchem bestritten, sondern seine Überbetonung u n d Isolierung von den gesellschaftlichen Bedingungen seiner Realisierung. Wenn Hennis den „Federalist" als „das Hohe L i e d auf die Bedeutung der amtsmäßig verfaßten Institutionen" preist (ebd. S. 61), so hätte die Heranziehimg dieses verfassungsgeschichtlichen Dokumentes die Frage nach dem Zusammenhang von repräsentativer „Repub l i k " u n d bürgerlicher Ökonomie besonders nahegelegt. 68

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Einzelrechte bildet" 7 1 . Die Wiederentdeckung des material Öffentlichen darf nicht gegen die demokratische Öffentlichkeit ausgespielt werden. 3. „Gute Ordnung" und moderne Industriegesellschaft Die Erinnerung an die ältere Tradition hat die materiale Komponente des öffentlichen wieder i n den Blick gebracht. E i n einfacher Rückgriff auf diese Tradition vermag jedoch die ganze Breite der damit gegebenen Problemstellung nicht aufzudecken. Diese Breite kann nur durch die neuzeitliche politische Philosophie hindurch erreicht werden, soweit und insofern diese Philosophie die spezifisch modernen Probleme des menschlichen Zusammenlebens bedenkt. Die Konsequenzen des Verlustes der teleologischen Dimensionen i n Formalismus und Positivismus mögen erst auf dem Hintergrund der älteren Politik plastisch werden; diese Einsicht w i r d aber für die Gegenwart nur fruchtbar sein, wenn sie zugleich die epochalen Wirklichkeiten der politischen (Französischen) und der industriellen Revolution i n sich aufnimmt. Oder i n einer personalisierenden Formulierung: Die K r i t i k an Laband w i r d sich gegen Kant wenden müssen; die K r i t i k an Kant jedoch w i r d nicht einfach m i t Aristoteles geführt werden können, sondern nur m i t einem Aristoteles, der i n Hegel/Marx „aufgehoben" ist. I m folgenden Abschnitt (§ 8 III) soll der Versuch unternommen werden, das damit aufgestellte anspruchsvolle Programm zumindest i n seinen Grundlinien zu formulieren, i m vollen Bewußtsein, dem Anspruch dieses Programms nicht genügen zu können. A n Hegel soll gezeigt werden, welche Dimensionen die Frage nach dem öffentlichen annimmt, wenn sie als materiale Frage nach der „guten Ordnung", nach der salus publica, m i t der nachrevolutionären, industriegesellschaftlichen Wirklichkeit konfrontiert wird. Dabei w i r d die Darstellung selbst einsehbar machen müssen, warum die Erweiterung der Problemdimension gerade m i t Hegel erreicht werden soll. U m diesen Ansatz vor Mißverständnissen abzusichern, sind jedoch einige Erläuterungen notwendig. Es geht nicht u m einen eigenständigen Beitrag zur Hegelforschung. Es geht auch nicht darum, auf klar gestellte Fragen von Hegel präzise A n t worten zu erhalten, es geht vielmehr immer noch und nur u m die Präzisierung der Fragestellung, u m das Aufbrechen der Verengung und 71 H. Maier, Polizeiwissenschaft, S. 197. Was Maier dort zur Polizeiliteratur des absolutistischen Territorialstaates sagt, ließe sich auch gegen Hennis' Versuch einwenden, Demokratie ganz auf „ A m t " u n d „Vertrauen" zu gründen: „ D a jedoch der Bürger nach dieser Lehre infolge seiner sittlichen Schwäche u n d Uneinsichtigkeit zu diesem guten Leben aus eigener K r a f t unfähig ist u n d n u r durch Befolgung obrigkeitlicher Gebote dazu gelangen kann, bleibt die ethische Diskussion ganz auf die Obrigkeit beschränkt; es fehlt i h r der Hintergrund der bei Aristoteles so wichtigen Gesellschaftslehre."

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Vereinseitigung des öffentlichen bei rein formaler, u m die Vermeidung andersartiger Engführung bei einseitig materialer Betrachtung. „Hegel" steht hier somit als Kürzel für Sachfragen: für die Frage, wie der Kerngedanke der aristotelischen Politik m i t dem Gedanken der subjektiven Freiheit zusammengehen kann; für die Frage, was das Auseinanderbrechen der einen res publica sive societas civilis i n einen „politischen Staat" und eine „ökonomische Gesellschaft" für die Schaffung eines freien und öffentlichen Gemeinwesens bedeutet. Das Interesse, das sich hier Hegel zuwendet, ist also nicht geistesgeschichtlicher, sondern problematischer A r t ; es steht somit nicht i m Gefolge eines wie immer zu etikettierenden Hegelianismus. Dieser problematische Zugang zu Hegel verbietet eine enge Beschränkung auf das Hegeische Opus, er bedeutet vielmehr eine Hineinnahme der Interpretationen und Fortführungen, vor allem aber der Hegelkritik, soweit hier die Problemsicht verdeutlicht, vertieft, erweitert oder korrigiert wird. Wenn i n Hegels Analyse der „bürgerlichen Gesellschaft" die ökonomische Problemstellung behandelt wird, so wäre die Behandlung „Hegels als Eröffnung der Problemdimension" unvollständig, zöge sie nicht auch die K r i t i k von Marx m i t i n ihre Betrachtung ein. Es versteht sich von selbst, daß damit mehr ein Forschungsprogramm als ein hic et nunc einlösbares Vorhaben umschrieben ist; daß von dem, was geleistet werden müßte, nur die Skizze der Umrisse gegeben werden kann.

I I I . Die Erweiterung der Problemdimension 1. Die politische Philosophie Hegels

Hegel trägt die i n der Tradition aufbewahrte aristotelische Fragestellung über die Schwelle, die das „ancien régime" 7 2 vom modernen Staate trennt, er stellt sich der Frage, wie eine gute (vernünftige) politische Ordnung m i t dem Gedanken der subjektiven Freiheit vereinbar sein könne, wie dieser philosophisch i n Kant, politisch i n der Französischen Revolution zum vollen Bewußtsein gekommen ist. Er behandelt diese Frage nicht abstrakt, sondern i n ihrer sozialen und wirtschaftlichen Bedingtheit. Er gibt damit das Koordinatensystem für eine „moderne" Behandlung des öffentlichen. Dieses Koordinatensystem ist unter den Leitbegriffen „Vernunft" (a), „Freiheit" (b), „Bürgerliche Gesellschaft" (c) und „Staat" (d) kurz darzustellen. Daß dieses System nicht als fertige Lösung betrachtet wird, soll unter Ziffer 2 ausgeführt werden, wo unter den Stichworten „Theorie und Praxis", „Verinner72 Hier i m Sinne des Werkes von Alexis de Tocqueville , L ' A n c i e n Régime et la Révolution, 1856.

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l i c h u n g " , „ V e r s ö h n u n g " u n d „ I d e a l i s m u s " die B e g r e n z t h e i t d e r H e g e l schen P r o b l e m b e h a n d l u n g v e r d e u t l i c h t u n d so die

Problemdimension

als solche e r w e i t e r t w i r d . a) Vernunftphilosophie. Der Zugang zur politischen Philosophie Hegels m u ß a l l e r d i n g s z u a l l e r e r s t v o n d e n M i ß v e r s t ä n d n i s s e n b e f r e i t w e r d e n , die i n H e g e l nichts anderes sehen als d e n „ o f f i z i e l l e n Restaur a t i o n s - u n d preußischen S t a a t s p h i l o s o p h e n " ( R u d o l f H a y m ) 7 3 , oder i n g r ö ß e r e m Z u s a m m e n h a n g als d e n m o d e r n e n M a c c h i a v e l l i ( F r i e d r i c h Meinecke) 7 4 , als d e n „ e r s t e n u n d umfassendsten V e r k ü n d e r des m o d e r n e n M a c h t s t a a t s g e d a n k e n s " ( H e r m a n n H e l l e r ) 7 5 , als „ d a s , B i n d e g l i e d ' z w i schen P i a t o n u n d d e n m o d e r n e n F o r m e n des t o t a l i t ä r e n G e d a n k e n g u t s " ( K . R . P o p p e r ) 7 8 . S o w e i t solche C h a r a k t e r i s i e r u n g e n a u f A s p e k t e oder G r e n z e n des Hegeischen D e n k e n s h i n w e i s e n 7 7 , w e r d e n sie u n s später noch beschäftigen. S o w e i t m i t i h n e n die Hegeische politische P h i l o s o p h i e als Ganzes b e g r i f f e n sein soll, h a b e n andere das E r f o r d e r l i c h e b e r e i t s gesagt: schon M a r x u n d E n g e l s h a b e n l e i d e n s c h a f t l i c h gegen die „ U n verschämtheit" protestiert, „einen K e r l w i e Hegel m i t dem W o r t , P r e u ß 4 a b f e r t i g e n z u w o l l e n " 7 8 ; d i e e i n s e i t i g etatistische S i c h t h a b e n v o r a l l e m 73 R. Haym, Hegel u n d seine Zeit, 1857, S. 367. Die Enttäuschung v o n 1848 wendet sich gegen die Philosophie selbst: „Der allmächtig geglaubte Idealismus hatte sich ohnmächtig erwiesen. W i r standen u n d w i r stehen m i t t e n i n dem Gefühle einer großen Enttäuschung" (ebd. S. 6). Vgl. dazu F. Rosenzweig, Hegel u n d der Staat, 1. Bd., 1920, S. V I I I . 74 F. Meinecke, Die Idee der Staatsräson, 1. Aufl. 1924, Werke, Bd. 1, 1957; Hegel w i r d m i t Fichte, Ranke u n d Treitschke i m 3. Buch unter der Überschrift „Macchiavellismus, Idealismus u n d Historismus i m neueren Deutschland" (S. 403 ff.) behandelt. 75 H. Heller, Hegel u n d der nationale Machtstaatsgedanke i n Deutschland, 1921, S. V, 20 u n d passim. Die Machtstaatsthese Hellers u n d — anders akzentuiert — Meineckes (vgl. Meineckes V o r w u r f gegen Heller: „nicht ohne Übertreibungen u n d Verzeichnungen", a. a. O., S. 422) ist von der Preußenthese Hayms zu unterscheiden. Z u r differenzierteren Deutung Hellers vgl. W. Schluchter, Entscheidung für den sozialen Rechtsstaat, 1968, S. 106 A n m . 24. 76 Κ . R. Popper, Die offene Gesellschaft u n d ihre Feinde, Bd. 2: Falsche Propheten. Hegel, M a r x u n d die Folgen, 1958, S. 41. H i e r auch wieder die Kennzeichnung als „erster offizieller Philosoph des Preußentums", v o n dem es unwahrscheinlich sei, daß er „ohne Unterstützung v o n seiten des preußischen Staates je zu der einflußreichsten Gestalt der deutschen Philosophie hätte emporsteigen können" (ebd. S. 38). 77 V o r der Gefahr, n u n i n die entgegengesetzte Einseitigkeit zu verfallen u n d die obrigkeitsstaatlichen, konservativen u n d dezisionistischen Tendenzen der „Rechtsphilosophie" zugunsten der aristotelischen u n d „liberalen" K o m ponenten einfach wegzuinterpretieren, w a r n t m i t Recht K.-H. Ilting, HegelStudien 3 (1965), S. 389 ff. So sind die Sorgen Meineckes v o r einem Hegeischen „Monismus" angesichts des Mißbrauchs dieser Philosophie durch die J. Binder, O. Westphal u. a. nicht einfach abzutun (vgl. dazu das V o r w o r t von W. Hof er i n : Meinecke, Idee der Staatsräson, a. a. O., S. X X f.). A b e r es handelte sich u m einen Mißbrauch, allerdings aufgrund eines „möglichen Mißverständnisses". Vgl. dazu unten Ziff. 2. 78 Zitiert nach E. Weil, Hegel et l'État, 1950, S. 15 f., A n m . 9. W e i l selbst (ebd. S. 18 f.) hat darauf hingewiesen, daß man nicht das Preußen von 1818,

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E r i c W e i l 7 9 u n d J o a c h i m R i t t e r 8 0 k o r r i g i e r t ; gegen d i e Faschismusthese h a t sich H e r b e r t M a r c u s e g e w a n d t 8 1 . D e r n a c h d r ü c k l i c h e H i n w e i s a u f diese u m f a s s e n d e r e n I n t e r p r e t a t i o n s a n s ä t z e erscheint aber n o t w e n d i g , da die v e r k ü r z t e Sicht auch i n der h e u t i g e n S t a a t s l e h r e u n d P o l i t i k wissenschaft n i c h t ü b e r a l l ü b e r w u n d e n ist. Diese v e r k ü r z t e Sicht v e r s t e l l t d e n Z u g a n g z u z w e i g r u n d l e g e n d e n E i n s i c h t e n : z u r E r k e n n t i s des Z u s a m m e n h a n g s der p o l i t i s c h e n P h i l o s o p h i e Hegels m i t d e r t r a d i t i o n e l l e n a b e n d l ä n d i s c h e n P h i l o s o p h i e (1) u n d z u r W ü r d i g u n g des k r i t i s c h e n E l e m e n t e s der V e r n u n f t p h i l o s o p h i e (2). B e i d e E i n s i c h t e n lassen sich n u r g e w i n n e n , w e n n die r e i f e F o r m d e r p o l i t i s c h e n P h i l o s o p h i e Hegels, die „ P h i l o s o p h i e des Rechts" v o n 1821, i m G e s a m t z u s a m m e n h a n g des Systems i n t e r p r e t i e r t w i r d 8 2 . (1) D e r etatistische V o r w u r f k n ü p f t a n F o r m u l i e r u n g e n Hegels an, i n d e n e n dieser d e n S t a a t als „ d i e s i t t l i c h e W e l t " , „ a l s e i n i n sich V e r n ü n f t i g e s " (Vorrede, S. 24, 34), als „ d i e W i r k l i c h k e i t d e r s i t t l i c h e n I d e e " , als „das a n u n d f ü r sich V e r n ü n f t i g e " (§§ 257 f.) d e f i n i e r t ; v o r a l l e m aber a n j e n e „ a n s t ö ß i g e " K e r n f o r m e l d e r V o r r e d e : „ W a s v e r n ü n f t i g ist, das

an das Hegel bei der Abfassung seiner Rechtsphilosophie dachte, m i t dem reaktionären Preußen der dreißiger u n d vierziger Jahre gleichsetzen dürfe. Vgl. dazu auch J. Ritter, Hegel u n d die französische Revolution (1956), Exkurs I I , S. 237—240. 79 E. Weil, Hegel et l'État, 1950. 80 J. Ritter, Hegel u n d die französische Revolution, S. 183 ff., 247 ff. Kritisch zur Position Hellers auch H. Maier, Hegels Schrift über die Reichsverfassung, i n : PVS 4 (1963), S. 334 ff. (335). Vgl. auch A. Baruzzi, Hegel, i n : Klassiker des politischen Denkens, 2. Bd., 1968, S. 205, 208. 81 Es ist die zentrale These der Hegelinterpretation von H. Marcuse, V e r nunft u n d Revolution (1. Aufl. 1942), 1962, daß „die für die Entwicklung des faschistischen Deutschland verantwortliche gesellschaftliche u n d politische T h e o r i e . . . i n einer gänzlich negativen Weise auf Hegels Philosophie bezogen" gewesen sei. „Sie w a r antihegelisch i n a l l ihren Zielsetzungen u n d P r i n zipien" (S. 368). H. Rohrmoser, Hegels Lehre v o m Staat, i n : Staat 3 (1964), S. 393, 395, hält Poppers K r i t i k , Hegel habe die Gesellschaft u n d den i n d i v i duellen Spielraum der Freiheit i n die substantielle Allgemeinheit des Staates aufzuheben versucht, durch Hegel selbst m i t dessen Ablehnung der N a t u r rechtstheorie des Hobbes für widerlegt. 82 Es w i r d nach folgenden Ausgaben zitiert: Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht u n d Staatswissenschaft i m Grundrisse. M i t einem V o r w o r t von E. Gans, 4. Aufl., 1964 (Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe, hrsg. v. H. Glockner, Bd. 7); Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften i m Grundrisse u n d andere Schriften aus der Heidelberger Zeit. M i t einem V o r w o r t v. H. Glockner, 3. Aufl., 1956 (Jubiläumsausgabe, Bd. 6) (zitiert: Heidelbg. Enzykl.); System der Philosophie. D r i t t e r Teil. Die Philosophie des Geistes. M i t einem V o r w o r t v o n L. Boumann, 3. Aufl., 1958 (Jubiläumsausgabe, Bd. 10) (zitiert: Große Enzykl.); Phänomenologie des Geistes. Hrsg. v. E. Moldenhauer u. K . M. Michel, 1970 (Werke 3. Theorie-Werkausgabe) ; Politische Schriften. Nachwort v. J. Habermas, 1966 (Theorie 1). Paragraphen i m T e x t beziehen sich i n diesem Abschnitt auf die Rechtsphilosophie. Wo bei Zitaten Hervorhebungen Hegels weggelassen worden sind, wurde dies nicht eigens vermerkt. Die Schreibweise ist der heutigen Orthographie angepaßt.

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i s t w i r k l i c h ; u n d w a s w i r k l i c h ist, das i s t v e r n ü n f t i g " (Vorrede, S. 33) 8 3 . W i r verdanken der A r b e i t Eric Weils, dem K o m m e n t a r zur „Rechtsphilosophie" seines Schülers Eugène F l e i s c h m a n n u n d d e n S t u d i e n J o a c h i m R i t t e r s die Wiederentdeckung der antiken Tradition in Hegels politischer Philosophie 84, speziell die v e r t i e f t e E i n s i c h t i n die Ü b e r e i n s t i m m u n g der „Rechtsphilosophie" m i t Grundpositionen der Aristotelischen „ P o l i t i k " 8 5 , ohne d e r e n K e n n t n i s e i n p l a t t e s V e r s t ä n d n i s Hegels k a u m vermieden w e r d e n kann. Eine gedrängte Zusammenfassung der p o l i tischen P h i l o s o p h i e des A r i s t o t e l e s ist s o m i t z u m V e r s t ä n d n i s Hegels u n u m g ä n g l i c h . D i e D a r s t e l l u n g f o l g t d e r I n t e r p r e t a t i o n , die A r i s t o t e l e s d u r c h J. R i t t e r g e f u n d e n h a t 8 6 . Die philosophische Frage des Aristoteles fragt nach dem Sein des Ganzen als G r u n d des Seienden, nach der wahren Wirklichkeit des Wirklichen; sie sucht den Weg von dem uns „ v o r der H a n d Liegenden", dem „ f ü r uns Ersten" (πρότερον προς ήμας) zu dem „der N a t u r nach Ersten" (πρότερον τη φύσει) (vgl. S. 30). Was die Lebewesen als N a t u r besitzen, k o m m t i n ihrer Praxis zur V e r w i r k l i c h u n g ; sie ist als Lebensvollzug Wirklichkeit u n d V e r w i r k l i c h u n g ihrer N a t u r als Möglichkeit (S. 127). Was f ü r alles Lebendige gilt, das muß auch f ü r den Menschen gelten; auch i h n treibt seine N a t u r als Zweck, aber nicht i n unmittelbarer Führung, sondern verborgen i n den gewollten u n d gesetzten Zielen (S. 63). Die Frage nach dem von der N a t u r des Menschen vorgezeichneten, i n seinen selbstgesetzten Zielen angestrebten höchsten Gut beantwortet Aristoteles i n einer politischen Theorie (S. 75, vgl. 127 f.). A l s p r a k t i sche Philosophie begreift sie, w i e die menschliche N a t u r als Praxis w i r k l i c h w i r d (S. 148).

83 Haym, a. a. O., S. 365: „die absolute Formel des politischen Konservativismus, Quietismus u n d Optimismus". Abgewogener aber F. Rosenzweig, a. a. O., S. 79. 84 E. Fleischmann, L a philosophie politique de Hegel, 1964. Vgl. dazu die Besprechung v o n K.-H. Ilting, Hegel-Studien 3 (1965), S. 389 ff. Die HegelInterpretationen J. Ritters fügen sich zu einer Kommentierung der „Rechtsphilosophie" zusammen: Hegel u n d die französische Revolution (1956); Person u n d Eigentum. Z u Hegels „ G r u n d l i n i e n der Philosophie des Rechts" §§ 34 bis 81 (1961); Moralität u n d Sittlichkeit. Z u Hegels Auseinandersetzung m i t der kantischen E t h i k (1966). Diese Studien werden hier zitiert nach J. Ritter, Metaphysik u n d Politik. Studien zu Aristoteles u n d Hegel, 1969. Vgl. auch die Arbeiten von M . Riedel, die jetzt als „Studien zu Hegels Rechtsphilosophie", 1969, gesammelt erschienen sind. 85 Z u r Auseinandersetzung Hegels m i t der Tradition v o n der Verfassungsschrift (1801) bis zur Rechtsphilosophie vgl. K.-H. Ilting, Hegels Auseinandersetzung m i t der aristotelischen Politik, i n : PhilJb 71 (1963/64), S. 38 ff. I n der Phänomenologie (1803/4) habe sich Hegel endgültig v o m Spinozismus ab u n d Aristoteles zugewandt (ebd. S. 57). 88 Da die Wiedergabe i m T e x t sich eng an die Interpretationen J. Ritters anlehnt, werden Zitate nicht eigens kenntlich gemacht. Folgende Arbeiten werden herangezogen: Die Lehre v o m Ursprung u n d Sinn der Theorie bei Aristoteles (1953); Das bürgerliche Leben. Z u r aristotelischen Theorie des Glücks (1956); „ P o l i t i k u n d E t h i k " i n der praktischen Philosophie des A r i s t o teles (1967); „Naturrecht" bei Aristoteles (1963). Die Seitenangaben i m T e x t beziehen sich auf den Sammelband „Metaphysik u n d P o l i t i k " , 1969.

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Aristoteles geht i n der Begründung der politischen Theorie n u n aber — für ein am modernen Naturrecht geschultes Denken überraschend — nicht von der menschlichen N a t u r aus, u m zuerst zu bestimmen, was sie sei, u n d u m dann von diesem Begriff des Menschen her festzulegen, w i e die V e r w i r k lichung seiner N a t u r i n der menschlichen Praxis aussehen muß. Vielmehr verweist er auf die Gesellschaft u n d die politische Ordnung (S. 69). Er geht von der gegebenen politischen W i r k l i c h k e i t aus u n d fragt von dem, was ist — es i n sich auslegend —, nach dem zurück, was i h m zugrunde liegt, u m dieses Zugrundeliegende als der Wirklichkeit der Polis innewohnend aufzuweisen (S. 150). H i n t e r dieser Verbindung v o n N a t u r u n d Gesellschaft steht die E i n sicht, daß die Begründung der politischen Ordnungen darum den Rückgriff auf die N a t u r des Menschen fordert, w e i l m i t der Polis zuerst eine Gesellschaftsform i n die Geschichte eingetreten ist, deren Subjekt der Mensch als Mensch, deren Prinzip die Freiheit ist. W e i l die Polis das Menschsein des Menschen zum I n h a l t hat, k a n n Aristoteles sagen: „Es liegt aber n u n zu Tage, daß die Stadt zu dem gehört, was von der N a t u r ist, u n d daß der Mensch von N a t u r das i n der Stadt lebende Wesen ist" (άνθρωπος φύσει πολιτικον ζφον). Die Stadt hat die N a t u r des Menschen darum zu ihrer Substanz, w e i l i n i h r die Vernunft des Menschen zum Zuge kommt. Sie ist der Ort des Menschseins, w e i l sie selbst auf der V e r n u n f t beruht u n d vernünftige gesellschaftliche Ordnung ist. A l s A k t u a l i t ä t der Vernunft ist die Stadt selbst „ v o n N a t u r " (S. 71—76). Polis, das ist hier nicht einfach „Stadt", oder gar „Staat"; sie ist als Gemeinschaft von Bürgern u n d Freien die i n ihrer Herrschaftsordnung von anderen Formen der Herrschaft unterschiedene griechische Stadt (S. 114). V e r fassungslehre ist daher f ü r Aristoteles i m m e r Lehre von der Polis u n d von der realen Verfaßtheit der bürgerlichen Gemeinschaft (S. 153). A l s diese k o n krete vernünftige Gemeinschaft der Freien ist sie A k t u a l i t ä t der menschlichen N a t u r u n d i h r e r Vernunft u n d deshalb Ort des Menschen u n d seines menschlichen Glücks (S. 87, 92); i n diesem Sinne ist sie „das von N a t u r Erste". I m H o r i z o n t dieser philosophischen T r a d i t i o n d e n k t H e g e l d e n Z u s a m m e n h a n g v o n V e r n u n f t , S t a a t u n d Menschsein. W i e b e i A r i s t o t e l e s g r ü n d e t die politische T h e o r i e a u f M e t a p h y s i k 8 7 ; w i e d e r Grieche sucht er die w a h r e W i r k l i c h k e i t des W i r k l i c h e n z u e r g r ü n d e n , n i c h t i m „ A u f stellen eines Jenseitigen, das G o t t w e i ß w o sein sollte", s o n d e r n aus e i n e r H e r m e n e u t i k des W i r k l i c h e n . D i e P h i l o s o p h i e g e w ä h r t „ d i e E i n s i c h t , daß n i c h t s w i r k l i c h i s t als die I d e e " . D a r a u f k o m m t es an, „ i n d e m Scheine des Z e i t l i c h e n u n d V o r ü b e r g e h e n d e n die Substanz, die i m m a n e n t , u n d das E w i g e , das g e g e n w ä r t i g ist, z u e r k e n n e n " ( V o r r e d e S. 32 f.). So w i e f ü r A r i s t o t e l e s die Polis, so i s t f ü r H e g e l der S t a a t „ f r ü h e r " als 87 Da Hegel Seinsphilosophie als Vernunftphilosophie betreibt, n i m m t seine „ L o g i k " die Stelle der traditionellen Metaphysik ein. „Hegels Philosophie ist i n einem weiteren Sinne eine Neuinterpretation der Ontologie des A r i s t o teles, befreit von der Entstellung zu einem metaphysischen Dogma u n d m i t der durchdringenden Forderung des modernen Rationalismus verknüpft, daß die Welt i n ein M e d i u m des sich frei entwickelnden Subjekts umgestaltet, kurzum, daß die Welt zur W i r k l i c h k e i t der Vernunft werden solle." H. Marcuse, Vernunft und Revolution, S. 47 f.

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der einzelne. Er ist es aber nur als die vernünftige politische Ordnung, i n der die Freiheit der Bürger sich vollendet. Diese vernünftige Ordnung muß gesichert werden, gegen die „Seichtigkeit", „welche das, was Recht ist, auf die subjektiven Zwecke und Meinungen, auf das subjektive Gefühl und die partikuläre Uberzeugung stellen" will. Demgegenüber gilt es, „ i n dem, was substantiell ist, ebenso die subjektive Freiheit zu erhalten, so wie mit der subjektiven Freiheit nicht i n einem Besonderen und Zufälligen, sondern i n dem, was an und für sich ist, zu stehen" (Vorrede S. 34 f.). Kann man somit schon wegen der unbestreitbaren Kontinuität der Hegeischen Staatstheorie m i t der philosophischen Tradition die einseitige Macht- und Nationalstaatsthese abwehren, so ist diese Kontinuität als solche nicht unproblematisch. Wenn Hegel ganz i m Sinne des Aristoteles gegen die „ i n sich fortspinnende Schulphilosophie" polemisiert, weil i h r „die Idee für das gilt, was nur so eine Idee, eine Vorstellung i n einem Meinen ist", wenn er i h r also die Trennung i n Apriorität und Positivität vorwirft, die die Idee der Wirklichkeit gegenüber machtlos macht, wenn er seine politische Philosphie demgegenüber „ i n näheres Verhältnis m i t der Wirklichkeit" setzt (Vorrede S. 32 f.), dann w i r d der Inhalt dieser Philosophie zu beweisen haben, daß dieser wirklichkeitshermeneutische Ansatz die Philosophie nicht an der Wirklichkeit festmacht. Ergibt sich dieses Problem aus der Kontinuität m i t der Tradition, so entstehen andere aus der Verschiedenheit der Wirklichkeit, die beide Denker auslegen. Die Einheit der Polis kannte nicht den Dualismus von Staat und Gesellschaft, sie konnte „aktuale Menschennatur" sein wegen des ungeschiedenen Ineinanderstehens von Ethik und Politik; wie kann der Staat noch „die Wirklichkeit der sittlichen Idee" sein, nachdem die Subjektivität Wirklichkeit geworden ist? Die Aufnahme dieser Frage verbietet Hegel einen einfachen „Rückgriff" auf die Tradition, sie führt — und das ließe sich als ein Interpretationsaspekt durch die gesamte „Rechtsphilosophie" hindurch verfolgen — zu einer Umformung der traditionellen Strukturen und Begriffe, zu einer „gebrochenen Kontinuität" 8 8 . (2) Die eindeutig machtstaatliche Hegelinterpretation verdeckt nicht nur den Traditionszusammenhang dieser Philosophie, sie vermag auch 88 Vgl. dazu insbes. M. Riedel, Tradition u n d Revolution i n Hegels „ P h i l o sophie des Rechts" (1962). Riedel stellt dar, w i e schon i m T i t e l der „Rechtsphilosophie" die moderne Antithese von Naturrecht u n d Staatswissenschaft aufgenommen u n d i n der „Philosophie des Rechts" aufgehoben w i r d (a. a. O., S. 103—107). Z u m Verhältnis traditioneller u n d revolutionärer Elemente i m A u f b a u des Gesamtwerkes i n den drei Teilen Abstraktes Recht, Moralität u n d Sittlichkeit (Familie, Bürgerliche Gesellschaft, Staat), vgl. a. a. O., S. 151—156. Vgl. dazu auch die sehr präzise Kennzeichnung bei J. Ritter, a. a. O., S. 108 A n m . 6.

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die k r i t i s c h e V i r u l e n z d e r d i a l e k t i s c h e n B e g r i f f s b i l d u n g n i c h t a u f z u decken. N u r eine die „ R e c h t s p h i l o s o p h i e " v o m G e s a m t s y s t e m n i c h t isol i e r e n d e B e t r a c h t u n g s w e i s e k a n n diese kritische Tendenz des Hegeischen Idealismus w ü r d i g e n , n u r sie v e r m a g d a n n aber auch die F e s t l e g u n g d e r k r i t i s c h e n B e w e g u n g a d ä q u a t z u k r i t i s i e r e n . Es i s t i n erster L i n i e die „ E i n l e i t u n g " z u r „ R e c h t s p h i l o s o p h i e " , die d e n G e s a m t z u s a m m e n h a n g h e r s t e l l t ; ohne sie, die i n d e n §§ 1—32 v o m „ B e g r i f f d e r P h i l o s o p h i e des Rechts, des W i l l e n s , d e r F r e i h e i t u n d des Rechts" h a n d e l t , müssen die E i n z e l h e i t e n der Hegeischen P o l i t i k u n v e r s t ä n d l i c h b l e i b e n . A n dieser S t e l l e m u ß die I n t e r p r e t a t i o n w e n i g e r P a r a g r a p h e n die F u n k t i o n e x e m plarischer Hinweise erfüllen. A l s Ausgangspunkt einer solchen exemplarischen Interpretation eignet sich der § 4 der Rechtsphilosophie. Er lautet: „Der Boden des Rechts ist überhaupt das Geistige, u n d seine nähere Stelle u n d Ausgangspunkt der Wille, welcher frei ist, so daß die Freiheit seine Substanz u n d Bestimmung ausmacht, u n d das Rechtssystem das Reich der verwirklichten Freiheit, die Welt des Geistes aus i h m selbst hervorgebracht, als eine zweite Natur, ist" (Sperrungen i m Original). Hier ist i n prägnantester Kürze der Ort u n d die Gesamtbewegung des objektiven Geistes beschrieben. „Der Boden des Rechts ist überhaupt das Geistige, . . . " . Die Fundierung des Rechts i m „Geistigen" bedeutet f ü r Hegel die Darstellung der Rechtslehre als Freiheitslehre, da seine Lehre v o m Geist von der Freiheit handelt. Die „ P o l i t i k " Hegels ist so zutiefst philosophisch, seine Philosophie „politisch". Die Zusammenhänge seien durch Zitate aus der „Großen Enzyklopädie" erhellt 8 9 . „Die Substanz des Geistes ist die Freiheit, d . h . das Nichtabhängigsein v o n einem Anderen, das Sichaufsichselbstbeziehen. . . . Die Freiheit des Geistes ist aber nicht bloß eine außerhalb des Anderen, sondern eine i m Anderen errungene Unabhängigkeit v o m Anderen, — k o m m t nicht durch die Flucht vor dem Anderen, sondern durch dessen Überwindung zur W i r k l i c h keit . . . Das Andere, das Negative, der Widerspruch, die Entzweiung gehört also zur N a t u r des Geistes . . . Der Widerspruch w i r d aber v o m Geiste ertragen, w e i l dieser keine Bestimmung i n sich hat, die er nicht als eine von i h m gesetzte u n d folglich auch als eine solche wüßte, die er auch wieder aufheben kann. Diese Macht über allen i n i h m vorhandenen I n h a l t bildet die Grundlage der Freiheit des Geistes. I n seiner Unmittelbarkeit ist der Geist aber n u r an sich, dem Begriffe oder der Möglichkeit nach, noch nicht der W i r k l i c h k e i t nach frei; die wirkliche Freiheit ist also nicht etwas u n m i t t e l bar i m Geiste Seiendes, sondern etwas durch seine Tätigkeit Hervorzubringendes. So als den Hervorbringer seiner Freiheit haben w i r i n der Wissenschaft den Geist zu betrachten. Die ganze Entwicklung des Begriffs des Geistes stellt nur das Sichfreimachen des Geistes von allen, seinem Begriff nicht entsprechenden Formen seines Daseins dar; eine Befreiung, welche dadurch zustande kommt, daß diese Formen zu einer dem Begriff des Geistes vollkommen angemessenen Wirklichkeit umgebildet werden" (Große Enzykl. § 382, Zusatz) (Hervorhebung nicht i m Original). 89

Hegel selbst verweist i n der A n m e r k u n g zu §4 auf die Heidelberger Enzyklopädie von 1817. Unsere Darstellung zieht auch die „Große Enzyklopädie" (2. u. 3. Aufl. 1827/1830) heran, w e i l sie besonders prägnante Zusammenfassungen enthält. Die Grundstruktur des Systems ist i n i h r gegenüber 1821 nicht verändert. 9 Rinken

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„ . . . u n d seine nähere Stelle u n d Ausgangspunkt der Wille, welcher frei ist, so daß die Freiheit seine Substanz u n d Bestimmung ausmacht, . . M i t der Verortung des Rechts i m „Geistigen" ist das Problem von theoretischem u n d praktischem Geist, Denken u n d Wille, gestellt. Wie das ausführliche Zitat schon ergibt, ist Geist als dynamischer, als sich bestimmender, als das Andere setzender i m m e r schon praktisch, so daß Gans i m Zusatz zu § 4 RPh erläutern kann: „der W i l l e ist eine besondere Weise des Denkens: das Denken als sich übersetzend ins D a s e i n . . . Das Theoretische ist wesentlich i m P r a k t i schen e n t h a l t e n . . . der W i l l e h ä l t das Theoretische i n sich." Die „Gemeinsamkeit" von praktischem u n d theoretischem Geist ist die Freiheit. U m ihre Realisierung, u m ihre „ W i r k l i c h k e i t " geht es i n der Lehre v o m objektiven Geiste. „Der objektive Geist ist die Einheit des theoretischen u n d praktischen; freier Wille, der f ü r sich als freier W i l l e ist, . . . " (Heidelb. Enzykl., § 400). Die Befreiung des objektiven Geistes zu einer seinem Begriffe vollkommen angemessenen W i r k l i c h k e i t ist das Thema der gesamten „Philosophie des Rechts". I n § 385 der Großen Enzyklopädie w i r d die Entwicklung des Geistes v o m subjektiven zum absoluten Geist dargestellt: „Während der subjektive Geist wegen seiner Beziehung auf ein Anderes noch unfrei, oder — was dasselbe — n u r an sich frei ist, k o m m t i m objektiven Geist die Freiheit, das Wissen des Geistes von sich als freiem zum Dasein . . . Die volle V e r w i r k lichung . . . , die Vollendung der Realisation des Begriffes des objektiven Geistes w i r d aber erst i m Staate erreicht, i n welchem der Geist seine Freiheit zu einer von i h m gesetzten Welt, zur sittlichen Welt entwickelt. Doch auch diese Stufe muß der Geist überschreiten... Dies geschieht auf der dritten Stufe des Geistes, auf dem Standpunkt des absoluten Geistes, d. h. der Kunst, der Religion u n d der Philosophie." Die Bedeutung dieser „Überschreitung" w i r d später zu bedenken sein. „ . . . u n d das Rechtssystem das Reich der v e r w i r k l i c h t e n Freiheit, die Welt des Geistes aus i h m selbst hervorgebracht, als eine zweite N a t u r , . . . " „ W i r k lichkeit" hat die Freiheit erst i m Ganzen, i m Staate, i m Recht als „Rechtssystem". Auch das w i r d noch genauer zu erläutern sein. Hier k a m es darauf an, den aktiv-dynamischen Sinn der Hegeischen Begriffs- u n d Systembildung ans Licht zu heben. Die Orientierung an der W i r k l i c h k e i t des Staates bedeutet i n der Grundtendenz des Hegeischen Denkens gerade nicht die Auslieferung an den status quo, sondern die V e r w i r k l i c h u n g der Freiheit i n einer vernünftigen institutionellen Ordnung. Diese ist — i n A n k n ü p f u n g an A r i s t o teles u n d als Ansatz f ü r M a r x — nicht äußere Ordnung, sondern als freie, als menschliche „eine zweite Natur". Nicht w i e i m rationalistischen Naturrecht u m die „Umsetzung" v o n (woher genommenen?) abstrakten Natur-Prinzipien geht es, sondern u m die konkrete Humanisierung, u m das Hineinarbeiten menschlicher Züge i n diese Welt. Die damit gegebene zentrale Kategorie der A r b e i t als Produktion der Welt, die dadurch „die Spur meines Geistes" trägt (§ 4, Zusatz), u n d somit zugleich als Produktion des Menschen selbst als " w i r k lichem" Menschen, w i r d i n ihrer konkreten Entfaltung bei der Analyse der „bürgerlichen Gesellschaft" genauer bestimmt. „Der Mensch, der an sich vern ü n f t i g ist, muß sich durch die Produktion seiner selbst durcharbeiten durch das Hinausgehen, aus sich, aber ebenso durch das Hineinbilden i n sich, daß er es auch f ü r sich werde" (§ 10, Zusatz) 90 .

90 Vgl. dazu insbes. Fleischmann, 29 f., 44 f.

L a philosophie politique de Hegel, S. 17,

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Der § 4 der Rechtsphilosophie wurde als eine nicht m i t Einzelheiten belastete Einführung i n den Gesamtzusammenhang der politischen Philosophie Hegels interpretiert. Diese Interpretation hob die kritische Tendenz dieser Philosophie gerade als Vernunftphilosophie hervor. Hegel selbst betont diesen kritischen Aspekt m i t aller wünschenswerten Deutlichkeit; deutlich für den, der seine Begriffe zu verstehen sucht. „Die philosophische Rechtswissenschaft hat die Idee des Rechts, den Begriff des Rechts und dessen Verwirklichung zum Gegenstande" (§ 1), nicht also das „was man bloße Begriffe zu heißen pflegt". Es geht nicht um die Rechtfertigung der Faktizität des Rechts, denn — wie Hegel m i t einem Seitenblick auf Hugo klarstellt —: „eine Rechtsbestimmung kann sich aus den Umständen und vorhandenen Rechts-Institutionen als vollkommen gegründet und konsequent zeigen lassen und doch an und für sich unrechtlich und unvernünftig s e i n . . . " (§ 3) 91 . Es geht vielmehr u m die Verwirklichung der Idee des Rechts: um die Verwirklichung der Freiheit. b) Freiheitsphilosophie. Schon die vorstehenden Ausführungen unter der Überschrift „Vernunft" mußten die Freiheit thematisieren: ihre „Künstlichkeit", d. h. ihre Bedingtheit durch eine vernünftige politische Ordnung, und ihre protestierende K r a f t gegen Bindungen einer unvernünftigen Tyrannei. Aber was ist das für eine Freiheit, i n deren Namen die Bürger eine bessere Ordnung fordern? Es ist nicht die i n Sitte und Gewohnheit eines „sittlichen Gemeinwesens" eingebundene Freiheit der Polis, i n der der Mensch nichts anderes zu t u n hatte, „als was i h m i n seinen Verhältnissen vorgezeichnet, ausgesprochen und bekannt ist" (§ 150), sondern es ist „die freie unendliche Persönlichkeit", das „tiefere Prinzip", das gerade m i t der Auflösung der griechischen Sittlichkeit i n die Geschichte getreten ist (Vorrede S. 33)92. „Das Recht der Besonderheit des Subjekts, sich befriedigt zu finden, oder, was dasselbe ist, das Recht der subjektiven Freiheit macht den Wende- und Mittelpunkt i n dem Unterschiede des Altertums und der modernen Zeit" (§ 124, Hervorhebungen original). Es ist das Prinzip der Subjektivität, das seit Kant Grundlage des philosophischen Denkens, seit der Französischen Revolution Grundstein jeder „politischen" Ordnung sein muß 9 3 . Die von Hegel nie bezweifelte Bedeutung Kants ist es, daß i n seiner Unterscheidung von 91 Vgl. § 212: Die positive Rechtswissenschaft darf sich „ . . . wenigstens nicht absolut verwundern, w e n n sie es auch als eine Querfrage f ü r ihre Beschäftigung ansieht, w e n n n u n gefragt w i r d , ob denn nach allen diesen Beweisen eine Rechtsbestimmung vernünftig ist". 92 Vgl. J. Ritter, Moralität u n d Sittlichkeit, S. 293 ff., zum „Prinzip Sokrates" als Einbruch der Subjektivität i n die griechische Polis, S. 194 A n m . 6; dazu insbes. RPh § 185. 93 Z u den Zusammenhängen vor allem J. Habermas, „Naturrecht u n d Revolution" (1962) u n d darauf aufbauend „Hegels K r i t i k der Französischen Revolution" (1962), i n : Theorie u n d Praxis, S. 52 ff. bzw. S. 89 ff.

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

L e g a l i t ä t u n d M o r a l i t ä t „ d e r E i n z e l n e i n seiner S u b j e k t i v i t ä t u n d m o r a lischen A u t o n o m i e i m S t a a t u n d ü b e r h a u p t i n d e n o b j e k t i v e n V e r h ä l t nissen u n d E i n r i c h t u n g e n

der Gesellschaft

als i h r S u b j e k t

begriffen

w i r d " 0 4 . I n der Französischen R e v o l u t i o n w i r d dieses P r i n z i p z u m ersten Male „ u n i v e r s a l u n d i m V e r h ä l t n i s zu allen Menschen z u m P r i n z i p u n d z u m Z w e c k d e r Gesellschaft u n d des Staates e r h o b e n " 9 5 . W i e aber k a n n H e g e l das P r i n z i p d e r S u b j e k t i v i t ä t , d e n V o r r a n g des I n d i v i d u e l l e n , B e s o n d e r e n m i t d e m G r u n d g e d a n k e n seiner p o l i t i s c h e n P h i l o s o p h i e v e r e i n e n , daß d e r S t a a t gerade als die A l l g e m e i n h e i t die w a h r e W i r k l i c h k e i t des Menschseins sei? „ L ä ß t sich eine u n i v e r s e l l v e r n ü n f t i g e O r d n u n g a u f G r u n d der A u t o n o m i e des I n d i v i d u u m s e r r i c h t e n 9 6 ? " A u f d e r G r u n d l a g e der Hegeischen P h i l o s o p h i e k o n n t e es n u r eine L ö s u n g geben, u m d e n k a n t i s c h e n D u a l i s m u s v o n S u b j e k t u n d O b j e k t z u ü b e r w i n d e n : H e g e l d e f i n i e r t die Idee selbst als S u b j e k t . Diese, an systematischer Radikalität nicht zu übertreffende Hineinnahme der Freiheit als Subjektivität i n das Fundament seines Philosophierens teilt Hegel i n der Einleitung zur „Rechtsphilosophie" (§§ 5—7) i n der asketischen Form einer Analyse des Selbstbewußtseins mit. Wiederum werden der politische Charakter der Logik u n d der logische (d. i. metaphysische) Charakter der politischen Philosophie Hegels transparent. Die innere dialektische S t r u k t u r des Willens w i r d als der dialektische Prozeß der Freiheit selbst dargestellt. W i r können an die oben ausführlich wiedergegebene Stelle aus der „Großen Enzyklopädie" (§382) anknüpfen. Als Geist enthält der W i l l e erstens „das Element der reinen Unbestimmtheit oder der reinen Reflexion des Ich i n sich, . . . die schrankenlose Unendlichkeit der absoluten Abstraktion oder A l l gemeinheit, das reine Denken seiner selbst", das Vermögen, „sich von allem loszumachen, alle Zwecke aufzugeben, v o n allem abstrahieren zu können" (vgl. § 5 m i t Zusatz). Der W i l l e ist zweitens das „Bestimmen und Setzen einer Bestimmtheit als eines Inhalts u n d Gegenstands", „ I c h w i l l nicht bloß, sondern ich w i l l etwas" (§ 6 m i t Zusatz). Erst dadurch, daß es sich determiniert, p a r t i k u l a r w i r d , „ t r i t t Ich i n das Dasein überhaupt". Der freie W i l l e ist schließlich die Einheit dieser beiden Momente des Allgemeinen u n d Besonderen; er ist der A k t , durch den der Mensch sich selbst so bestimmt, daß er weiß, was er w i l l , u n d daß er es tut, w e i l er es w i l l 9 7 . Diese Einheit ist die Selbstbestimmung des Ich, die S u b j e k t i v i t ä t 9 8 , „die Freiheit des Willens, welche seinen Begriff oder Substantialität" ausmacht, der „konkrete Begriff der Freiheit" (§ 7 m i t Zusatz). Von diesem „wahren Begriff der Freiheit" aus ü b t Hegel K r i t i k an den Freiheitsbegriffen Kants u n d der Französischen Revolution. Gegen Kants kategorischen I m p e r a t i v wendet er ein, er enthalte die seit Rousseau verbreitete 94

J. Ritter, Moralität u n d Sittlichkeit, S. 282 f. J. Ritter, Hegel u n d die französische Revolution, S. 201. Vgl. insbes. auch H. Marcuse , Vernunft u n d Revolution, S. 17. 96 H. Marcuse , a. a. O., S. 27. 97 Vgl. zur Interpretation dieser Paragraphen Fleischmann, L a philosophie politique de Hegel, S. 24 ff. 98 I n der Rechtsphilosophie heißt es „Einzelnheit", i n Hegels Handexemplar befindet sich jedoch dazu die Randnotiz: „besser S u b j e k t i v i t ä t " (vgl. Ausgabe Meiner, S. 32). 95

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Ansicht, „nach welcher der Wille, nicht als an u n d für sich seiender, vernünftiger, der Geist nicht als wahrer Geist, sondern als besonderes I n d i v i duum, als W i l l e des Einzelnen i n seiner eigentümlichen W i l l k ü r , die substantielle Grundlage u n d das Erste sein soll. Nach diesem einmal angenommenen Prinzip k a n n das Vernünftige freilich n u r als beschränkend f ü r diese Freiheit, so wie auch nicht als immanent Vernünftiges, sondern n u r als ein äußeres, formelles Allgemeines herauskommen" (§ 29). Der Französischen Revolution hält er vor, sie sei nicht zum vollen Gedanken der Subjektivität vorgedrungen, sondern auf der Stufe der absoluten A b s t r a k t i o n geblieben, auf der Ebene der negativen oder Freiheit des Verstandes. „ W e i l jede I n s t i t u t i o n dem abstrakten Selbstbewußtsein der Gleichheit zuwider ist", habe die „Schrekkenszeit der französischen Revolution" i n einen „Fanatismus der Z e r t r ü m merung aller bestehenden gesellschaftlichen Ordnung" führen müssen (§ 5 m i t Zusatz).

Hegel dagegen begreift die Freiheit als Subjektivität als den „konkreten Begriff", d.i. als den Prozeß der Entäußerung des Geistes als Subjekt und seiner Rückkehr durch die Welt zu sich selbst. Diesem Prozeß, diesem „Stufengang der Entwicklung der Idee des an und für sich freien Willens" folgt die Philosophie des Rechts: von der Sphäre des unmittelbaren Willens, des abstrakten Rechts (Person, Eigentum, Vertrag), über die Sphäre der Moralität, der „Idee i n ihrer Entzweiung", zur „Einheit und Wahrheit dieser beiden abstrakten Momente": zur Sittlichkeit, wo schließlich i m Staat als der Wirklichkeit der konkreten Freiheit „die Freiheit als die Substanz, ebenso sehr als Wirklichkeit und Notwendigkeit existiert, wie als subjektiver Wille" (§ 33)". cY Wirklichkeitswissenschaf t. Die Frage, wie „Gemeinwesen" unter der Bedingung der Subjektivität möglich, wie eine politische Ordnung als Verwirklichung der subjektiven Freiheit ihrer Bürger zu verfassen sei, war vor Hegel, besonders von Hobbes 100 , schon viel radikaler gestellt worden. Die Berechtigung, die Behandlung dieses Problems gerade bei Hegel zu verfolgen, stützt sich vor allem auf die Passagen der „Rechtsphilosophie", die m i t der Uberschrift „Die bürgerliche Gesellschaft" überschrieben sind. Hier w i r d das Problem von Freiheit und politischer Organisation m i t der Wirklichkeit der frühkapitalistischen Industriegesellschaft konfrontiert, es w i r d i n dieser Wirklichkeit ausgetragen. Hegel begreift den Zusammenhang, i n dem das Prinzip der politischen Revolution mit der industriellen Revolution steht; er sieht die soziale und ökonomische Bedingtheit des modernen politischen Freiheitsbegriffs ebenso wie die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konse99

Hier ist nicht der Ort, dem Gang der Rechtsphilosophie i m einzelnen interpretierend zu folgen. Es k a n n außer auf den Kommentar von Fleischmann insbesondere wiederum auf die Arbeiten J. Ritters verwiesen werden: Person u n d Eigentum (1961); Moralität u n d Sittlichkeit (1966). Kritische Bemerkungen zu diesen Interpretationen weiter unten. 100 Vgl. B. Willms, Revolution u n d Protest, 1969, S. 23 ff.

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

quenzen der revolutionären S u b j e k t i v i t ä t 1 0 1 . Ungeachtet aller I n t e r p r e t a t i o n s · u n d W e r t u n g s d i f f e r e n z e n i m e i n z e l n e n w i r d m a n die z e n t r a l e B e d e u t u n g dieses A b s c h n i t t e s f ü r die Hegeische politische P h i l o s o p h i e k a u m hoch g e n u g v e r a n s c h l a g e n k ö n n e n 1 0 2 . I n seinen A n a l y s e n setzt H e g e l sich h i e r sehr k o n k r e t „ i n näheres V e r h ä l t n i s m i t der W i r k l i c h k e i t " ( V o r r e d e S. 32), b e m ü h t er sich, „ d e r e i g e n e n i m m a n e n t e n E n t w i c k l u n g der Sache selbst zuzusehen" (§ 2). Es ist f ü r das V e r s t ä n d n i s Hegels u n e r l ä ß l i c h , z u beachten, daß die W i d e r s p r ü c h e der k a p i t a l i s t i schen Gesellschaft, w i e e r sie i n der d a m a l s f o r t g e s c h r i t t e n s t e n F o r m a n d e n englischen V e r h ä l t n i s s e n s t u d i e r t h a t t e 1 0 3 , die G r u n d s t r u k t u r seines D e n k e n s w e s e n t l i c h b e e i n f l u ß t h a b e n : zugleich m i t d e r A n a l y s e d e r a n t a gonistischen S t r u k t u r

d e r m o d e r n e n a r b e i t s t e i l i g e n Gesellschaft

und

u n t e r d e r e n E i n f l u ß e r f o l g t e die E n t w i c k l u n g d e r Hegeischen D i a l e k 101

D a r i n stimmen sonst so unterschiedliche Hegelinterpreten w i e Lukâcs, Marcuse u n d Ritter überein. Uns k o m m t es hier i n erster L i n i e auf die durch Hegel gegebene Problemerweiterung u m die Dimension des Sozio-Ökonomischen an. A u f die umfangreiche literarische Kontroverse des „richtigen" V e r hältnisses von Wirtschaft u n d Herrschaft k a n n hier nicht näher eingegangen werden. Diese Kontroverse hat sich an der Interpretation jener Stellen i m „System der Sittlichkeit" u n d insbesondere der „Phänomenologie des Geistes" (a. a. O., S. 150 ff.) entzündet, i n denen Hegel am Leitfaden von „Herrschaft u n d Knechtschaft" das Wesen der menschlichen A r b e i t analysiert. Vgl. dazu grundl. G. Lukâcs , Der junge Hegel, 1967, S. 407 ff.; A. Kojève , Hegel, 1958, S. 18 ff., 42 ff. Z u r ersten Andeutung des Diskussionsstandes vgl. I . Fetscher i m V o r w o r t zu Kojève (a. a. O., S. 9) : „Während bei M a r x das Moment der Herrschaft, das bei Hegel die Voraussetzung f ü r die vermenschlichende W i r k u n g der A r b e i t bildet, verschwindet u n d die Basis der geschichtlichen E n t w i c k l u n g des Menschen u n d seiner Gesellschaft allein i n der Ökonomie erblickt w i r d , vernachlässigen die Faschisten umgekehrt die Bedeutung der Wirtschaft u n d reduzieren die menschlich-geschichtliche Realität auf den bloßen Kampf." Das hier gegebene Marxverständnis müßte an den eigenen Aussagen v o n Marx überprüft werden, insbesondere i n den „ökonomischphilosophischen Manuskripten" (in: Frühe Schriften I, Hrsg. v. H.-J. Lieber u. P. Furth, 1962, S. 506 ff., bes. 554 f., 637 ff.) u n d i m „ K a p i t a l " (Bd. I I I , M E W Bd. 25, S. 799 f.). Vgl. zum Ganzen auch H. H. Holz, H e r r u n d Knecht bei L e i b niz u n d Hegel, 1968. Daß M a r x i n seiner K r i t i k der Phänomenologie die Hegelsche Anthropologie u m die Dimension des Politischen („Herrschaft" als anthropologisches Phänomen) verkürzt habe, hat jetzt Friedrich Müller i n seiner Freiburger Antrittsvorlesung am 23.4.1970 nachdrücklich betont; M ü l l e r f ü h r t diese Verkürzung, die eine rein ökonomische Entfremdungstheorie zur Folge habe, auf eine sachlich nicht zu rechtfertigende Übertragung der an der „Rechtsphilosophie" geübten K r i t i k auf die „Phänomenologie" zurück. 102 Auch das betonen nicht n u r marxistische (Lukâcs ) u n d ihnen nahestehende (Marcuse), sondern auch „bürgerliche" Hegelinterpreten, so J. Ritter, Hegel u n d die französische Revolution, S. 219; M. Riedel, T r a d i t i o n u n d Revol u t i o n i n Hegels „Philosophie des Rechts", S. 127. 103 Vgl. dazu grundlegend G. Lukâcs, Der junge Hegel: Die ersten ökonomischen Studien (Frankfurt 1797—1800), S. 225 ff.; Die Ökonomie der Jenaer Periode (1801-1803), S. 398 ff., 451 ff., insbes. der „Phänomenologie" (1803—1807), S. 656 ff. Wichtig auch H. Marcuse , V e r n u n f t u n d Revolution: System der Sittlichkeit u n d Naturrechtsaufsatz, S. 61 ff.; Jenenser Philosophie des Geistes, S. 74 ff.; Phänomenologie, S. 108 ff.; Rechtsphilosophie, S. 183 ff. — I n s t r u k t i v neuerdings M. Riedel, Die Rezeption der Nationalökonomie (1969), S. 75 ff.

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t i k 1 0 4 . So erscheint es nicht verwunderlich, daß viele dialektische „Ableitungen" auch außerhalb dieses unmittelbaren Zusammenhangs aus dem Stoff der bürgerlichen Gesellschaft geformt sind, daß sie von ihr ihren konkreten Inhalt erhalten haben 105 . I n der Grundtriade, die zugleich die drei Teile der „Rechtsphilosophie" (Abstraktes Recht, Moralität, Sittlichkeit) bildet, hat der objektive Geist aus der Unmittelbarkeit herkommend durch die Entzweiung hindurch „ i m Sittlichen die i h m adäquate Existenz" gefunden (§ 152). A b e r die Sittlichkeit entfaltet sich ihrerseits i n die Untertriade von Unmittelbarkeit, Entzweiung u n d „ V e r söhnung" u n d stellt gerade dadurch ihren Unterschied zur einfachen „schönen Sittlichkeit" der griechischen Polis dar. Die unmittelbare Sittlichkeit der Familie, i n der die I n d i v i d u e n i n der Einheit der Liebe nicht als Personen f ü r sich, sondern als Mitglieder sind (§ 158), geht wiederum i n die Entzweiung über, i n die bürgerliche Gesellschaft, „eine Verbindung der Glieder als selbständiger Einzelner" (§ 157), „die Differenz, welche zwischen die Familie u n d den Staat t r i t t " (§ 182). Hegel zeichnet, auf gründlichen Studien der klassischen Politischen Ökonomie von S m i t h u n d Ricardo fußend, ein scharfes B i l d des Kapitalismus seiner Zeit m i t einem von keinem zeitgenössischen Philosophen erreichten Blick f ü r die A t o m i s t i k u n d Antagonistik dieses W i r t schaftssystems. Grundlage ist der v o n S m i t h übernommene Glaube an die Gesetzmäßigkeit, m i t der i n dem „ W i m m e l n von W i l l k ü r " Zusammenstimmen u n d Harmonie sich von selbst durchsetzen (vgl. §§ 182 ff., 189). „ I n der bürgerlichen Gesellschaft ist jeder sich Zweck, alles Andere ist i h m Nichts. A b e r ohne Beziehung auf Andere k a n n er den Umfang seiner Zwecke nicht erreichen: diese Anderen sind daher M i t t e l z u m Zweck des Besonderen. A b e r der besondere Zweck gibt sich durch die Beziehung auf Andere die F o r m der Allgemeinheit u n d befriedigt sich, indem er zugleich das W o h l des A n d e r n m i t befriedigt" (§ 182, Zusatz). Jedoch ist die — w i e die Harmonie des Planetensystems (§ 189, Zusatz, vgl. auch § 211, Zusatz) — notwendige u n d nicht i n Freiheit konstituierte Allgemeinheit n u r formeller Natur, „ e i n System a l l seitiger Abhängigkeit", das m a n „als den äußeren Staat, — Not- u n d Verstandes-Staat ansehen" k a n n (§ 183, Hervorhebungen i m Original), welcher sich „ i n den Zweck u n d die W i r k l i c h k e i t des substantiellen Allgemeinen, u n d des demselben gewidmeten öffentlichen Lebens, — i n die Staatsverfassung zurück u n d zusammen n i m m t " (§ 157). M i t eindrücklichen Worten schildert Hegel die bürgerliche Gesellschaft als „das System der i n ihre Extreme verlorenen Sittlichkeit" (§ 184), das i n den realen „Gegensätzen u n d ihrer V e r wicklung das Schauspiel ebenso der Ausschweifung, des Elends u n d des beiden gemeinschaftlichen physischen u n d sittlichen Verderbens" darbietet (§ 185). A b e r er findet gerade i n dieser extremen Zerrissenheit den G r u n d f ü r den wiederum dreigestuften Zusammenhang: den ökonomischen Zusammenhang eines arbeitsteilig funktionierenden Wirtschaftssystems („Das System der Be104 G. Lukâcs, Der junge Hegel, passim, bes. S. 397. Das Aufgreifen dieser These von Lukâcs bedeutet keine materialistische Umdeutung Hegels, denn für Hegel ist A r b e i t u n d zwar i n ihrer konkreten gesellschaftlichen Organisat i o n j a tätiges Bewußtwerden des Geistes. 105 H. Marcuse , Vernunft u n d Revolution, S. 166: „ A l l e grundlegenden Begriffe der modernen Philosophie werden i n der Philosophie des Rechts auf die gesellschaftliche Wirklichkeit, der sie entsprangen, neu angewandt, u n d alle nehmen wieder ihre konkrete F o r m an. I h r abstrakter u n d metaphysischer Charakter verschwindet; i h r tatsächlicher historischer I n h a l t stellt sich heraus".

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dürfnisse"), den rechtlichen Zusammenhang einer privatrechtlich organisierten („Die Rechtspflege") u n d ständisch-obrigkeitsstaatlich verfaßten Gesellschaft („Die Polizei u n d Korporation") (vgl. § 188). Die Ausführungen zum „System der Bedürfnisse" nehmen bei Hegel die konstitutive Stellung einer Sozialanthropologie ein, die i m neueren Naturrecht unter der R u b r i k des Gesellschaftsvertrages i m weitesten Sinne abgehandelt worden war. Der Bürger der bürgerlichen Gesellschaft (bourgeois) ist der Mensch i m Naturzustand, der auf seine Bedürfnisnatur reduzierte, der N a t u r notwendigkeit ausgelieferte, auf seine Besonderheit beschränkte einzelne 1 0 6 . Die Überführung dieses Naturzustandes i n K u l t u r u n d darin die eigentliche Menschwerdung des Menschen liegt aber n u n bei Hegel nicht i n einem p r i m ä r rechtlichen (Gesellschaftsvertrag), sondern i n einem p r i m ä r ökonomischen Prozeß. Die Vervielfältigung der Bedürfnisse u n d der M i t t e l zu ihrer Befriedigung begründet den ersten gesellschaftlichen Zusammenhang (§§ 190 ff.). Die n u r i n Arbeitsteilung zu leistende „Vermittlung, den partikularisierten Bedürfnissen angemessene ebenso partikularisierte M i t t e l zu bereiten u n d zu erwerben" (§§ 197 f.), führt zu einem qualitativen Umschlag von der Besonderheit i n die Allgemeinheit, die ökonomische Allgemeinheit des „allgemeinen Vermögens" (§§ 199, 170). A l l e höheren Allgemeinheiten dienen der Organisat i o n (Stände), dem Schutz (Rechtspflege) u n d der „Vergütung" (Polizei u n d Korporation) dieser Naturbasis, i n der ein „Rest des Naturzustandes" (§ 200), ein ökonomisches b e l l u m o m n i u m bestehen bleibt (vgl. § 289), da ein bewußter Zusammenhang des Wirtschaftens nicht hergestellt w i r d . Stände, Rechtspflege (Gesetz u n d Gericht), Polizei u n d Korporation sind also gesellschaftliche Veranstaltungen, durch die sich die bürgerliche Gesellschaft i n den Staat als die höchste F o r m organisierter, nämlich bewußter sozialer Allgemeinheit überführt. Hat die Rechtspflege den Schutz des Privateigentums als der Grundlage dieser Wirtschaftsordnung zum Gegenstande, so k o m m t der Polizei eine allerdings systemnotwendig beschränkte Ausgleichsfunktion zu, eine gewisse Vorsorge gegen die i m Wirtschaftsleben u n d i n der auf dieses bezogenen Rechtspflege ü b r i g bleibenden Zufälligkeiten (vgl. § 230), die Pflicht zu individualschützenden Maßnahmen i n den engen Grenzen streng zu beachtender Systemkonformität 1 0 7 . Das wichtigste Bindeglied zwischen Staat u n d Gesellschaft sind die Stände (Grundbesitzer, Gewerbe, Beamtentum) 1 0 8 . Sie gehören als die „besonderen Systeme der Bedürfnisse, ihrer M i t t e l u n d Arbeiten, der A r t e n u n d Weisen der Befriedigung u n d der theoretischen u n d praktischen B i l d u n g " (§ 201) einerseits zur gesellschaftlichen Naturbasis, gliedern diese „zu einem organischen Ganzen von Unterschieden" (§ 200) ; i n dieser ihrer Notwendigkeit sind sie neben der Familie die Bedingung der Freiheit, „die zweite Basis des Staates" (vgl. § 201). Sie gehören deshalb andererseits dem Staate selbst an, haben i n i h m einen festen Ort (1. K a m m e r für die Grundbesitzer, 2. K a m m e r für den Gewerbestand). F ü r die E r f ü l l u n g ihrer staatlichen Funktion, „daß das M o 106 107

Vgl. §§ 190,209. Es sind i n erster L i n i e wirtschaftsfordernde Maßnahmen: Wettbewerbsschutz ( „ u m die gefährlichen Zuckungen u n d die Dauer des Zwischenraumes, i n welchem sich die Kollisionen auf dem Wege bewußtloser Notwendigkeit ausgleichen sollen, abzukürzen u n d zu mildern", § 236), Schaffung von Außenhandelsmärkten (§ 246) u n d Kolonisation (§ 248). Besonders hingewiesen sei auf die gesellschaftliche Erziehungsverantwortung (§ 239). Z u den sehr begrenzten Möglichkeiten einer öffentlichen Armenfürsorge vgl. unten § 8 V. los v g l dazu neuestens R. K . Hocevar, Stände u n d Repräsentation beim jungen Hegel, 1968.

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ment der subjektiven formellen Freiheit, das öffentliche Bewußtsein als empirische Allgemeinheit der Ansichten u n d Gedanken der Vielen, darin zur E x i stenz komme" (§ 301). I n der Korporation, vornehmlich eine Eigentümlichkeit des Gewerbestandes (§ 250), geht die Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft i n den Staat über (§ 256). Z w a r handelt das I n d i v i d u u m i n der bürgerlichen Gesellschaft, indem es f ü r sich sorgt, zugleich i m m e r auch für andere. „ A b e r diese bewußtlose Notwendigkeit ist nicht genug: zu einer gewußten und denkenden Sittlichkeit w i r d sie erst i n der Korporation" (§ 255, Zusatz). „ I n dem Korporationsgeist, da er die Einwurzelung des Besonderen i n das Allgemeine unmittelbar enthält, ist insofern die Tiefe u n d die Stärke des Staates, die er i n der Gesinnung hat" (§ 289).

d) Staatsphilosophie. Die Linien der Interpretation der politischen Philosophie Hegels laufen i m „Staate" zusammen. Diese Philosophie wurde dargestellt als Vernunftphilosophie, die i m Horizont der abendländischen Tradition steht, als Freiheitsphilosophie, die das Freiheitsproblem der Moderne m i t jener Tradition zu verbinden sucht, als „ W i r k lichkeitswissenschaft", die ihre Fragen i n die Konkretheit der Zeit stellt. Als all dieses ist Hegels politische Philosophie Staatsphilosophie. „Der Staat ist die W i r k l i c h k e i t der konkreten Freiheit; die konkrete Freiheit aber besteht darin, daß die persönliche Einzelnheit u n d deren besondere I n t e r essen sowohl ihre vollständige Entwickelung u n d die Anerkennung ihres Rechts f ü r sich (im Systeme der Familie u n d der bürgerlichen Gesellschaft) haben, als sie durch sich selbst i n das Interesse des Allgemeinen Teils übergehen, teils m i t Wissen u n d W i l l e n dasselbe u n d zwar als ihren eigenen substantiellen Geist anerkennen u n d f ü r dasselbe als ihren Endzweck tätig sind, so daß weder das Allgemeine ohne das besondere Interesse, Wissen u n d Wollen gelte u n d vollbracht werde, noch daß die I n d i v i d u e n bloß für das letztere als Privatpersonen leben, u n d nicht zugleich i n u n d für das Allgemeine w o l l e n u n d eine dieses Zwecks bewußte Wirksamkeit haben. Das Prinzip der modernen Staaten hat diese ungeheure Stärke u n d Tiefe, das Prinzip der Subjekt i v i t ä t sich zum selbständigen Extreme der persönlichen Besonderheit v o l l enden zu lassen, u n d zugleich es i n die substantielle Einheit zurückzuführen u n d so i n i h m selbst diese zu erhalten." (§ 260)

War i n den Institutionen von Familie und bürgerlicher Gesellschaft die Vereinigung von Freiheit und Notwendigkeit „an sich" bereits geschehen, machen sie somit „die Grundsäulen der öffentlichen Freiheit" aus, „da i n ihnen die besondere Freiheit realisiert und vernünftig vorhanden ist" (§ 265), so gewinnt i m Staate die Notwendigkeit doch erst die „Gestalt der Freiheit" (§ 266). Diese Gestalt der Freiheit ist für Hegel ganz konkret die konstitutionelle Monarchie (vgl. § 273). Wie er sie m i t allen Einzelheiten ihrer preußischen Erscheinungsweise (ζ. B. Bürokratie, stehendes Heer, Majorat) deduziert und als die Wirklichkeit der sittlichen Idee darstellt, gehört zu den bekanntesten Inhalten der „Rechtsphilosophie" und soll hier nicht erneut rekapituliert werden; kritische Bemerkungen dazu werden an späterer Stelle noch zu machen sein. Wichtiger als die Darstellung dieser Einzelheiten erscheint ein Hinweis

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

auf die innere Dreigliederung des m i t „Der Staat" überschriebenen dritten Abschnitts der „Sittlichkeit". „Die Idee des Staats hat: a) unmittelbare W i r k l i c h k e i t u n d ist der i n d i v i duelle Staat als sich auf sich beziehender Organismus, Verfassung oder inneres Staatsrecht; b) geht sie i n das Verhältnis des einzelnen Staates zu anderen Staaten über, — äußeres Staatsrecht; c) ist sie die allgemeine Idee als Gattung u n d absolute Macht gegen die individuellen Staaten, der Geist, der sich i m Prozesse der Weltgeschichte seine W i r k l i c h k e i t gibt" (§ 259, Hervorhebungen i m Original). Das innere Staatsrecht wiederum gliedert sich i n die Darstellung der inneren Staatsorganisation (Innere Verfassung f ü r sich, §§ 272 ff.) u n d die Darstellung des Staates „als eine I n d i v i d u a l i t ä t ausschließendes Eins" (Die Souveränität gegen Außen, §§ 321 ff.). Steht bei der inneren Verfassung die Vorstellung eines i n sich reich gegliederten, i m politischen Prozeß sich zusammenfindenden organischen Ganzen i m Vordergrund, wobei allerdings die Einheit der inneren Souveränität stark hervorgehoben u n d i m Monarchen als dem „ M o ment der letzten Entscheidung" festgemacht w i r d (§§ 275 if.), — so n i m m t die Betonung der Einheit bei der Beschreibung der „Souveränität gegen außen" einen dominanten Charakter an, sie w i r d zu der impermeablen Selbständigkeit der Nationalstaaten (§ 322), zur „Substanz als die absolute Macht gegen alles Einzelne u n d Besondere" (§ 323). Der „ a n u n d f ü r sich seienden I n d i v i dualität" des souveränen Staates gegenüber ist „das Interesse u n d das Recht der Einzelnen als ein verschwindendes Moment gesetzt", woraus das „sittliche Moment des Krieges" (§ 324), u n d zwar auch des Eroberungskrieges (§ 326), u n d die staatstragende Bedeutung des Militärstandes (vgl. § 327) resultieren. Es ist diese souveräne Selbständigkeit des Staates, die das äußere Staatsrecht ohne wirkliche Verbindlichkeit, i n der bloßen „ F o r m des Sollens" (§330) beläßt: W e i l das Verhältnis der Staaten zueinander „ihre Souveränität zum Prinzip hat, so sind sie insofern i m Naturzustand gegeneinander,..." (§ 333), ein Streit zwischen ihnen „ k a n n deswegen, insofern die besonderen W i l l e n keine Übereinkunft finden, n u r durch K r i e g entschieden werden" (§334). I n i h m entscheidet die Weltgeschichte als „der alleinige absolute Richter" (§ 259, Zusatz), welchem Volke das absolute Recht zukommt, „Träger der gegenwärtigen E n t wicklungsstufe des Weltgeistes zu sein" (§ 347). V o m Standpunkte der Weltgeschichte aus überblickt Hegel nochmals den Gang des objektiven Geistes u n d er erkennt die Geschichte als „die Auslegung u n d die V e r w i r k l i c h u n g des allgemeinen Geistes" (§ 342). E r ist überzeugt, daß es „die Ausbildung des Staates zur konstitutionellen Monarchie" ist, „ i n welcher die substantielle Idee die unendliche F o r m gewonnen hat" (§ 273). „ . . . die Gegenwart hat ihre Barbarei u n d unrechtliche W i l l k ü r u n d die Wahrheit hat i h r Jenseits u n d ihre zufällige Gewalt abgestreift, so daß die wahrhafte Versöhnung o b j e k t i v geworden, welche den Staat zum Bilde u n d zur Wirklichkeit der Vernunft entfaltet, w o r i n das Selbstbewußtsein die W i r k lichkeit seines substantiellen Wissens u n d Wollens i n organischer E n t w i c k lung, wie i n der Religion das Gefühl u n d die Vorstellung dieser seiner W a h r heit als idealer Wesenheit, i n der Wissenschaft aber die freie begriffene E r kenntnis dieser Wahrheit als Einer u n d derselben i n ihren sich ergänzenden Manifestationen, dem Staate, der Natur u n d der ideellen Welt, findet" (§ 360, Hervorhebungen original; Schluß der „Rechtsphilosophie"). Der Staat ist also die Vollendung des objektiven Geistes: „Das Recht des Staates ist daher höher, als andere Stufen: es ist die Freiheit i n ihrer konkretesten Gestaltung, welche n u r noch unter die höchste absolute Wahrheit des Weltgeistes f ä l l t " (§33,

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Zusatz). Die hymnische Preisung des Staates als „göttlicher W i l l e " (§270) und „ e i n i n sich Vernünftiges" (Vorrede) ist der unmittelbare Anknüpfungsp u n k t der Machtstaatskritik. Diese K r i t i k steht aber i n der Gefahr, zu übersehen, daß der Staat nicht die Spitze des Gesamtsystems bildet, daß auch er relativiert ist, eben w e i l er „ u n t e r die höchste absolute Wahrheit des W e l t geistes fällt". A l s objektiver Geist ist auch der Staat endlicher Geist. „Der Geist ist die unendliche Idee, u n d die Endlichkeit hat hier die Bedeutung der Unangemessenheit des Begriffs u n d der Realität, . . . " (§ 386, Große Enzykl.). „Doch auch diese Stufe muß der Geist überschreiten. Der Mangel dieser Objekt i v i t ä t des Geistes besteht darin, daß sie n u r eine gesetzte ist. Die Welt muß v o m Geiste wieder frei entlassen, das v o m Geist Gesetzte zugleich als ein unmittelbar Seiendes gefaßt werden. Dies geschieht auf der d r i t t e n Stufe des Geistes, auf dem Standpunkt des absoluten Geistes, d. h. der Kunst, der Religion u n d der Philosophie" (§ 385, Zusatz, Große Enzykl.).

So muß der „Stellenwert" des Staates nicht nur aus der Perspektive des subjektiven und objektiven, sondern auch vom absoluten Geist her bestimmt werden. Vermag vor allem die Philosophie, die „über" dem Staate steht, die Freiheit vor einer Überwältigung durch die institutionelle Macht des Staates zu bewahren? Vermag die Theorie praktisch zu werden? 2. Die Grenzen des Hegeischen Denkens

„Hinweisfunktion" für eine die Gegenwart reflektierende politische Theorie vermag Hegel nur zu erfüllen, wenn die spezifischen Grenzen beachtet werden, i n denen seine Antworten stehen. a) Theorie und Praxis. W i r haben i m Anschluß an eine Interpretation gerade der „anstößigen" Stellen aus der Vorrede zur „Rechtsphilosophie" gegenüber einem einseitig etatistischen Hegelverständnis die kritische Virulenz der Vernunftphilosophie Hegels betont. Gibt nicht aber die Kenntnis des Ganzen dieser „StaatsWissenschaft" den Machtstaatstheoretikern doch recht? Wo hat sich die kritische Macht des philosophischen Gedankens i m Namen „der wahren Wirklichkeit" und einer freieren Freiheit gegenüber der beengenden Realität des damaligen Preußen konkret bewährt? Eine A n t w o r t auf diese Fragen w i r d sich nicht zwischen klaren Alternativen entscheiden können, sie hat sich m i t gegenläufigen Tendenzen i m Hegeischen Denken auseinanderzusetzen; i n ihnen stößt sie auf eine Offenheit des geschlossenen Systems, die k r i t i sches Weiterdenken verlangt. Es wäre eine vielleicht gutgemeinte, nichtsdestoweniger verfälschende, weil wiederum einseitige Sicht, wollte man durch Betonung der traditionellen Komponente i m Denken Hegels oder durch Hervorhebung seiner nie verleugneten Anerkennung der Französischen Revolution die unverkennbar obrigkeitsstaatlichen Tendenzen seiner Staatsphilosophie

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l e u g n e n 1 0 9 . M ö g e n die V e r h ä l t n i s s e Preußens u m 1820 r e l a t i v f o r t s c h r i t t l i c h gewesen sein, so daß die O r i e n t i e r u n g a n i h n e n n i c h t d i r e k t als r e a k t i o n ä r u n d r e s t a u r a t i v gescholten w e r d e n k a n n 1 1 0 , — es b l e i b t das Ä r g e r n i s d e r P o l e m i k gegen d e n a u f r e c h t e n Fries, die A b w e r t u n g v o n Pressef r e i h e i t u n d öffentlicher M e i n u n g , die D i f f a m i e r u n g des V o l k e s als des T e i l s des Staates, „ d e r n i c h t w e i ß , w a s er w i l l " (vgl. §§ 301, 315 ff., 319). H i e r k o n n t e n s o m i t die K r i t i k e r Hegels seit H a y m m i t g u t e n G r ü n d e n ansetzen. A b e r auch e i n m e h r k r i t i s c h e s V e r s t ä n d n i s d e r p o l i t i s c h e n P h i l o s o p h i e k o n n t e sich a u f H e g e l b e r u f e n . D i e Hegeische Rechte h a t beide M ö g l i c h k e i t e n des V e r h ä l t n i s s e s v o n T h e o r i e u n d P r a x i s w a h r g e n o m m e n : b i s 1848 schöpfte sie die K r a f t k r i t i s c h e r T h e o r i e aus H e g e l schem D e n k e n , so e t w a i n d e n „ P o l i t i s c h e n V o r l e s u n g e n " des Halleschen Professors F r i e d r i c h W i l h e l m H i n r i c h s 1 1 1 ; nach K o n f l i k t s z e i t u n d Reichsg r ü n d u n g v o l l z o g sie — r e p r ä s e n t a t i v b e i C o n s t a n t i n Rössler — i m N a m e n derselben P h i l o s o p h i e die A k k o m o d a t i o n a n die gegebenen V e r h ä l t n i s s e 1 1 2 . D i e l i b e r a l e H e g e l d e u t u n g m u ß t e das B i l d Hegels retuschieren, die k o n s e r v a t i v e die D y n a m i k des V e r n u n f t s t a a t e s f e s t s t e l l e n 1 1 3 ; beide k o n n t e n a n Hegel, aber n i c h t a n d e n ganzen H e g e l a n k n ü p f e n , w e i l das die A u f n a h m e w i d e r s p r ü c h l i c h e r M o m e n t e b e d e u t e t h ä t t e . Jürgen Habermas hat den Prozeß der Wandlung des Verhältnisses von Theorie u n d Praxis bei Hegel i n dessen politischen Schriften nachgezeichnet. I n der Frankfurter Zeit, i n der Schrift über die Württembergische Magistratsverfassung (1798) u n d i m Einleitungsfragment zur Verfassung Deutschlands (um 1799) mutet Hegel „der Philosophie n u n die Rolle der K r i t i k zu, fast schon i n dem Sinne, i n dem später die Junghegelianer, M a r x schärfer als alle anderen, K r i t i k als Vorbereitung der umwälzenden Praxis i n Anspruch nehmen". Aber schon i n der „Reinschrift" der Verfassungsschrift (1802) deutet sich die Position der Vorrede zur Rechtsphilosophie (1821) an; i m m e r h i n mutet Hegel auch hier „dem philosophischen Begriff noch den kritischen Vorgriff zu, n u r daß er jetzt i n seiner V e r w i r k l i c h u n g der despotischen Gewalt bedarf". „Erst am Ende der Jenaer Periode, nach Austerlitz, hat Hegel die Position erreicht, von deren Warte aus Philosophie endgültig die Rolle der K r i t i k an der Welt ablegen u n d sich auf Kontemplation beschränken k a n n . . . Hegel k a n n die Philosophie von ihrer kritischen Anstrengung, die faule Existenz des gesellschaftlichen u n d politischen Lebens m i t ihrem Begriff zu konfrontieren, entlasten, nachdem er aufatmend erkennt: daß der Geist einen Ruck 109

I n dieser Gefahr stehen die Interpreten, die Hegel liberal u n d bürgerlich-rechtsstaatlich verstehen, wie Ilting, Hegel-Studien 3 (1965), S. 386 ff., bes. 387, gegen Weil, Fleischmann u n d J. Ritter einwendet. 110 Das betont J. Ritter, Hegel u n d die französische Revolution, E x k u r s I I , S. 227—240, m i t Nachw. 111 Halle 1843. Z u m Beruf der Philosophie f ü h r t Hinrichs aus: das philosophische Bewußtsein bestehe „nicht bloß theoretisch i m Gedanken", es strebe, „die Wirklichkeit auch praktisch zu durchdringen"; „wahre Theorie" sei an sich „wahre Praxis" (ebd. S. V I I ) , zitiert nach H. Lübbe, Politische Philosophie i n Deutschland, 1963, S. 64 f. 112 Lübbe, ebd. S. 83 f. 113 Lübbe, ebd. S. 47, 83.

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getan hat, daß das Prinzip der Vernunft i n die Wirklichkeit eingetreten und objektiv geworden i s t 1 1 4 . " I m m e r h i n stellt Hegel i n Jena i n der Vorrede zur „Phänomenologie" (1807) seinem System noch die Aufgabe, den A n f a n g einer neuen, m i t der Französischen Revolution u n d Napoleon begonnenen Weltperiode philosophisch zusammenzufassen 115 . M i t dem Verlust des kritischen Impulses wächst das Bewußtsein geschichtsphilosophischer Resignation 1 1 6 ; die Vorrede zur „Rechtsphilosophie" schließt m i t den berühmten Worten: „ U m noch über das Belehren, wie die Welt sein soll, ein Wort zu sagen, so k o m m t dazu ohnehin die Philosophie i m m e r zu s p ä t . . . Wenn die Philosophie i h r Grau i n Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden, u n d m i t Grau i n Grau läßt sie sich nicht verjüngen, sondern n u r erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst m i t der hereinbrechenden Dämmerung ihren F l u g 1 1 7 . " D e r j u n g e M a r x w a r u n d v e r s t a n d sich selbst als H e g e l i a n e r , w e n n er seinen p u b l i z i s t i s c h e n K a m p f gegen das r e a k t i o n ä r e P r e u ß e n i n d e r Ü b e r z e u g u n g f ü h r t e , daß a l l e i n die Praxis der P h i l o s o p h i e selbst theoretisch sei. „ E s i s t d i e Kritik, die die einzelne E x i s t e n z a m Wesen, die besondere W i r k l i c h k e i t a n d e r Idee m i ß t " . G e o r g L u k â c s h a t die b e i d e n Unterschiede h e r a u s g e a r b e i t e t , die schon h i e r d e n H e g e l i a n e r M a r x v o n H e g e l t r e n n e n : 1. „ D a s b e i H e g e l v e r b o r g e n e ( u n d o f t verbogene) M o t i v , die andere, die r e v o l u t i o n ä r e Seite d e r I d e n t i f i z i e r u n g v o n W i r k l i c h k e i t u n d V e r n u n f t , der G e d a n k e n ä m l i c h , daß die v o r h a n d e n e gesellschaftliche R e a l i t ä t , so w i e sie ist, keine W i r k l i c h k e i t i m w e l t h i s t o r i s c h philosophischen S i n n e beanspruchen k a n n , t r i t t h i e r , b e i M a r x n u n i n v o l l e r P r ä g n a n z als v e r n i c h t e n d e K r i t i k d e r U n v e r n u n f t , des tierischen Wesens der deutschen feudalabsolutistischen R e a l i t ä t a u f . " 2. „ H i n t e r d e m t e r m i n u s ,Idee' v e r b i r g t sich b e i m j u n g e n M a r x der r e v o l u t i o n ä r - d e m o k r a t i s c h e S t a a t der Jacobiner v o n 1793 1 1 8 ." V o n h i e r aus m u ß t e M a r x z u m scharfen K r i t i k e r d e r Hegeischen A k k o m o 114 J. Habermas, Nachwort zu: G. W. F. Hegel, Politische Schriften, 1966; die Zitate auf S. 354, 359 f. Vgl. auch H. Popitz, Der entfremdete Mensch, 1967, S. 41 ff., 47 ff.; H. F. Fulda, Das Recht der Philosophie i n Hegels Philosophie des Rechts, 1968. Z u den Frühschriften insbes. H. Marcuse, Vernunft u n d Revolution, S. 22 f., 55 f., 82,160. 115 Vgl. die Hinweise bei G. Lukâcs, Der junge Hegel, S. 358 ff. 116 H. Marcuse, Vernunft u n d Revolution, S. 150, konstatiert auch f ü r die „ L o g i k " , sie trage den „Stempel der Resignation". 117 H. Marcuse, Vernunft u n d Revolution, S. 164: „ W a r einmal die gegebene Ordnung akzeptiert u n d hatte man sich bei i h r beruhigt, so wurde die Theorie zu etwas Uberflüssigem;... Hegel w a r gezwungen, auf Theorie zu verzichten, w e i l er daran festhielt, daß Theorie notwendig eine kritische war, . . . " Vgl. auch die Bemerkung v o n G. Lukâcs, Der junge Hegel, S. 568, die Hegeische „Eule der Minerva" sei jedenfalls „niemals ein Aasvogel der Reaktion i n der Restaurationsperiode gewesen". 118 G. Lukâcs, Der junge M a r x , 1965, S. 18 f.; dort auch das M a r x z i t a t aus der Dissertation (1841). Den Ursprung der Marxschen K r i t i k aus der Hegel schen Philosophie betont H. Popitz, Der entfremdete Mensch, S. 48 f. : „ N u r eine enge Interpretation, die Hegel ausschließlich von der späteren Staatsund Religionsphilosophie aus zu verstehen sucht, k a n n M a r x ein grundlegendes Mißverständnis Hegels vorwerfen".

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d a t i o n a n die k o n s t i t u t i o n e l l e M o n a r c h i e preußischer P r o v e n i e n z w e r d e n 1 1 9 . Was seine K r i t i k jedoch v o n d e r K r i t i k H a y m s u n d seiner N a c h f o l g e r w i e auch v o n d e n l i b e r a l e n Retuscheuren unterscheidet, ist, daß er diese A n p a s s u n g a n die z u r ü c k g e b l i e b e n e deutsche W i r k l i c h k e i t n i c h t „ ä u ß e r l i c h " m o n i e r t , s o n d e r n n a c h z u w e i s e n sucht, daß sie i n d e r „ U n z u l ä n g l i c h k e i t seines P r i n z i p s " selber w u r z e l t : i m I d e a l i s m u s 1 2 0 . b) Verinnerlichung. W i e w a r es m ö g l i c h , daß M a r x i m N a m e n der F r e i h e i t die Hegeische P h i l o s o p h i e k r i t i s i e r e n k o n n t e , die sich doch selbst als F r e i h e i t s p h i l o s o p h i e verstand? E r k o n n t e es i m N a m e n eines F r e i heitsbegriffs, d e m es u m die reale F r e i h e i t der h i c et n u n c e x i s t i e r e n d e n k o n k r e t e n M e n s c h e n g i n g ; v o n diesem F r e i h e i t s b e g r i f f aus m u ß t e i h m die F r e i h e i t s l e h r e Hegels als „ V e r i n n e r l i c h u n g " u n d d a m i t als E n t - W i r k l i c h u n g der F r e i h e i t erscheinen. Dieses P r o b l e m d e r V e r i n n e r l i c h u n g ist o f t beschrieben w o r d e n , so daß w i r u n s m i t w e n i g e n H i n w e i s e n b e g n ü g e n können. Es läßt sich an zwei Fakten des Hegeischen Denkens darstellen: A n der abnehmenden Bedeutung der Französischen Revolution f ü r die Hegeische Geschichtsphilosophie u n d an der systematischen Stellung der Staatsphilosophie i m Gesamtsystem. W i r haben oben m i t J. Ritter die große Bedeutung der Französischen Revolution f ü r die politische Philosophie Hegels betont, eine Bedeutung, die nie ganz verloren gegangen ist. Während aber i n der Jenaer Periode u n d noch i n der Heidelberger Enzyklopädie v o n 1817 diese Revolut i o n u n d ihre „Aufhebung" durch Napoleon der entscheidende Wendepunkt der Geschichte war, übernahm seit der Rechtsphilosophie u n d deutlicher i n der 2. u n d 3. Auflage der Enzyklopädie (1827/1830) die Reformation diese epochenscheidende F u n k t i o n 1 2 1 , jenes Ereignis also, i n dessen Folge es der Mensch gelernt hatte, „sein Verlangen nach einer Entwicklung seiner Anlagen auf sich selbst zu richten u n d ,in sich', nicht i n der Außenwelt, die V e r w i r k lichung seines Lebens zu suchen" 1 2 2 . Dem entsprach die Stellung des „objekt i v e n Geistes" i n der Endform des Gesamtsystems „ u n t e r " den höheren Formen der Freiheitsverwirklichung i n Kunst, Religion u n d Philosophie. Da der Philosophie praxisbestimmende K r a f t abgesprochen wurde (vgl. oben 2a), blieb gegenüber einer der Freiheit nicht adäquaten sozialen W i r k l i c h k e i t somit n u r die Möglichkeit des Rückzugs i n die volle Freiheit eines βίος θεωρη τικός. Es w a r die bereits beschriebene Radikalität, m i t der Hegel die Subjektivität systematisch sicherte, indem er das Absolute selbst als Subjekt konzipierte, die letztlich die menschliche Subjektivität i m System relativierte. V o n der Höhe des „absoluten Geistes" betrachtet schrumpft jedoch diese konkrete 119 K . M a r x , K r i t i k des Hegeischen Staatsrechts (1843), i n : Frühe Schriften I, Hrsg. von H.-J. Lieber u n d P. Furth, 1962, S. 258 ff. 120 Vgl. G. Lukâcs , Der junge M a r x , S. 27 f. Z u m Verhältnis von Theorie u n d Praxis bei M a r x u n d Hegel vgl. auch J. Barion, Hegel u n d die m a r x i s t i sche Staatslehre, 1963, bes. S. 2 f., 85 ff., 102 ff., 122 ff. 121 Vgl. dazu G. Lukâcs, Der junge Hegel, S. 561 ff. 122 H. Marcuse, Vernunft u n d Revolution, S. 24. „Schon seit der deutschen Reformation hatten sich die Massen an die Tatsache gewöhnt, daß f ü r sie Freiheit ein »innerer Wert' war, . . . E i n langer Prozeß der Erziehung zur Disziplin hatte i n Deutschland die Forderungen nach Freiheit u n d Vernunft verinnerlicht."

§ 8 Die „Verstaatlichung" des öffentlichen

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Menschenwelt zu einem Moment i m Lebensprozeß des „erscheinenden Geistes". Die wahre Subjektivität ist n u n das Ganze; auf der Ebene des objektiven Geistes ist die wahre I n d i v i d u a l i t ä t die der Nationalstaaten, gegenüber der „das Interesse u n d das Recht der Einzelnen als ein verschwindendes Moment gesetzt ist" (§324). Es ist nicht zu verkennen, daß diese Gedanken von einer autoritären, antiliberalen u n d antidemokratischen Machtstaatslehre, w e n n auch vereinseitigend, so doch unter Berufung auf Hegel fortgesponnen werden konnten 1 2 3 .

c) Versöhnung. W i r haben die realitätsgesättigten Passagen der „Rechtsphilosophie" referiert, i n denen Hegel die antagonistische Struktur der „bürgerlichen Gesellschaft" analysiert und i n scharfer Deutlichkeit das Problem der „Entfremdung" kennzeichnet. W i r haben i n diesem Zusammenhang gerühmt, daß er das traditionelle Thema der politischen Philosophie, die Sicherung der menschlichen Freiheit i n einer vernünftigen politischen Ordnung nicht nur i m politischen Horizont der Französischen, sondern auch auf dem ökonomischen Boden der industriellen Revolution austrägt, indem er das abstrakte Privatrecht der bürgerlichen Gesellschaft als die Aktualität der revolutionären Freiheit begreift. W i r haben andererseits gesehen, daß Hegel gleichwohl den Staat als die substantielle Sittlichkeit „über" dieser Gesellschaft zu begreifen vermag als die „Wirklichkeit der konkreten Freiheit" (§ 260, Hervorhebung nicht i m Original). A n dem damit aufgeworfenen Problem des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft scheiden sich die Hegelinterpretationen 1 2 4 . Für die konservativen Interpreten ist „ i n diesem Begriff einer durch die Revolution hindurch wiederhergestellten Sittlichkeit des Staates . . . m i t der Revolution selbst auch die von i h r geschaffene Ordnung des abstrakten Rechts und die bürgerliche Gesellschaft als die Sphäre des privaten Rechts verworfen" 1 2 5 ; während die liberalen Interpreten die indirekt emanzipatorische Funktion der abstrakten (gesellschaftlichen, privatrechtlich geordneten) Freiheit hervorheben: „Indem sich die Gesellschaft auf das sachliche, durch Eigentum vermittelte Verhältnis von Personen zueinander beschränkt, gibt sie dem Einzelnen als Persönlichkeit frei, zum Subjekt i n allem zu werden, was den Reichtum wie die Tiefe des nun von keiner Versachlichung berührten persönlichen, sittlich geistigen Seins ausmacht 128 ." Unterschlagen die konservativen 123 v g l dazu E. Topitsch, Die Sozialphilosophie Hegels als Heilslehre u n d Herrschaftsideologie, 1967, S.63ff.: zu C. Rössler (S. 63), Treitschke (S.63), M. W u n d t (S. 66 ff.), J. Binder (S. 73 ff.), K . Larenz (79 ff.). 124 Vgl. dazu v o r allem J. Habermas, Hegels K r i t i k der Französischen Revolution, a. a. O., S. 89 ff., bes. 101 ff. 125 J. Habermas, ebd., S. 101 m i t Nachw. 128 J. Ritter, Person u n d Eigentum, a. a. O., S. 277. „ D a m i t w i r d die Freiheit zum ersten Male uneingeschränkt zum Prinzip einer Gesellschaft. A l s sachliche Arbeitswelt befreit die moderne Gesellschaft den Menschen nicht n u r aus der Macht der Natur, sie erhebt zugleich m i t der Versachlichung der A r b e i t u n d aller Arbeitsverhältnisse... die Freiheit zum allgemeinen Prinzip; sie gibt der Person i n sich als Persönlichkeit i h r Selbstsein u n d dessen V e r -

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

Deutungen das hartnäckige Insistieren Hegels darauf, daß auch nach der „Aufhebung" der bürgerlichen Gesellschaft i n die Sittlichkeit des Staates „das Allgemeine verbunden sei m i t der vollen Freiheit der Besonderheit und dem Wohlergehen der Individuen" (§ 260, Zusatz), so wendet die linkshegelianische Hegelkritik gegen die liberale Interpretation ein, „die Gewalt der verdinglichten Gesellschaft" sei „so penetrant, daß i n deren Entzweiung der Subjektivität keine Zone der Unberührbarkeit formal ausgespart werden" könne 1 2 7 . W i l l man Hegel nicht einfach auf ein untergeschobenes, totalitäres oder demokratisches Staatsverständnis applizieren, muß die Vermittlung i n ihrer spezifischen Form betrachtet werden, die i h r Hegel gegeben hat: i m Zusammenhang von ständischer Gesellschaft und konstitutioneller Monarchie. Hegel wendet sich dagegen, daß „das bürgerliche und das politische Leben von einander getrennt" gehalten werden (§ 303). „Die Vermittlung jenes modernen, i m rationalen Naturrecht und der politischen Ökonomie ausgebildeten Begriffs der bürgerlichen Gesellschaft m i t dem klassischen Begriff der politischen Herrschaft gelingt freilich nur m i t Hilfe von Instanzen, die sich zwischen Staat und Gesellschaft schieben. Hegel findet sie, rückwärtsgewandt, i n einer korporativen Gliederung der Gesellschaft und i n einer organisch zusammengesetzten Ständeversammlung 128 ." Es ist nicht von ungefähr, daß Marx i n seiner ersten umfassenden philosophischen Auseinandersetzung mit der Hegelschen Rechtsphilosophie, der „ K r i t i k des Hegeischen Staatsrechts" von w i r k l i c h u n g frei" (ebd., S. 278). Vgl. auch ders., Hegel u n d die französische Revolution, a. a. O., S. 229: „ I n dieser Freigabe liegt der positive geschichtliche Sinn der abstrakten Freiheit u n d ihrer emanzipativen Konstituierung durch die Entzweiung." — I n einer Diskussionsbemerkung hat J. Pieper dieser Deut u n g die Frage gestellt, ob nicht das auf solche Weise Ausgeschlossene notwendig verfallen oder einfach verschwinden müsse, w e n n jene „Freigabe" nicht, über die bloße Ausschließung hinaus, eine positivere Bestimmung erfahre (in: J. Ritter, Hegel u n d die französische Revolution, 1957, Arbeitsgemeinsch. f. Forschung d. Landes NRW, Geisteswissenschaf ten, H. 63, S. 73); die A n t w o r t J. Ritters, ebd., S. 78 f.: „ F ü r Hegel ist die Freigabe des Selbstseins durch die Gesellschaft die Bedingung dafür, daß der Mensch auf ihrem Boden nicht der »Vergesellschaftung 4 verfällt, u m so schließlich i n seiner gesellschaftlichen F u n k t i o n sein eigenes persönliches Sein u n d den Zusammenhang m i t den geschichtlichen Lebensordnungen zu verlieren, i n denen er seinen G r u n d u n d seinen Sinn findet. A b e r dies bedeutet f ü r Hegel n u n auch, daß die Gesellschaft als solche nicht in der Lage ist, die Ordnungen zu erhalten, die sie freigibt, indem sie sie von sich ausschließt Die Aufgabe ihrer Erhaltung fällt daher f ü r Hegel einmal dem Staat zu, den er deshalb gegen die Gleichsetzung m i t der Gesellschaft abschirmt u n d durch den inhaltlichen Bezug auf die nicht m i t der Gesellschaft identischen sittlichen u n d religiösen Ordnungen definiert, deren rechtliche Sicherung seine entscheidende Aufgabe auf dem Boden der modernen Welt w i r d . " (Hervorhebungen i m Original) 127 Vgl. J. Habermas, a. a. O., S. 102. 128 J. Habermas, Nachwort, a. a. O., S. 367. Z u r idealistischen K o n s t r u k t i o n der Stände i n der Jenenser Geistphilosophie vgl. G. Lukâcs, Der junge Hegel, S. 458 ff. ; zur „Versöhnung" i n der Phänomenologie ebd., S. 614 ff.

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1843, gerade die philosophische D e d u k t i o n der Stände m i t beißender I r o n i e ü b e r s c h ü t t e t u n d sie als „ d e r gesetzte Widerspruch des Staates u n d d e r b ü r g e r l i c h e n Gesellschaft i m S t a a t e " c h a r a k t e r i s i e r t h a t , die „ z u g l e i c h . . . die Forderung d e r Auflösung dieses W i d e r s p r u c h e s " seien 1 2 9 . W e n n M a r x so die i n n e r e W i d e r s p r ü c h l i c h k e i t der v o n H e g e l k o n z i p i e r t e n „ V e r s ö h n u n g " aufdecken w i l l , so ist f ü r i h n dieses philosophische U n t e r n e h m e n k e i n Selbstzweck, s o n d e r n d i e n t der S e l b s t v e r s t ä n d i g u n g d a r ü b e r , daß die g r o ß e n A n s ä t z e des Hegeischen D e n k e n s gerade a n d i e ser S t e l l e i h r e n k r i t i s c h e n G e h a l t v e r l i e r e n , daß sie a u f eine e n t k r ä f t e t e W i r k l i c h k e i t z u r ü c k g e b o g e n w e r d e n u n d so die „ w a h r e W i r k l i c h k e i t " v e r f e h l e n . A l s diese w a h r e W i r k l i c h k e i t des Staates, d e r e n V e r w i r k l i c h u n g die P h i l o s o p h i e z u d i e n e n h a t , b e t r a c h t e t der j u n g e M a r x d i e Demokratie 130. D a r i n steht Hegel f ü r i h n nicht m e h r auf der Höhe der Z e i t , daß e r n i c h t d i e D e m o k r a t i e als die „ I d e e " des Staates e r k a n n t h a t . V o n h i e r aus w i r d die K r i t i k v o n M a r x plastisch, H e g e l d ü r f e „ n i c h t die Idee a m Bestehenden, er m u ß das Bestehende a n der Idee m e s s e n " 1 3 1 , es sei „ n o t w e n d i g , daß die B e w e g u n g d e r V e r f a s s u n g , daß d e r Fortschritt zum Prinzip der Verfassung gemacht w i r d , daß also der w i r k l i c h e T r ä g e r der Verfassung, das V o l k , z u m P r i n z i p der V e r f a s s u n g gemacht w i r d " 1 3 2 . „ I n der Monarchie ist das Ganze, das Volk, unter eine seiner Daseinsweisen, die politische Verfassung subsumiert; i n der Demokratie erscheint die Verfassung selbst n u r als eine Bestimmung, u n d zwar Selbstbestimmung des Volks. I n der Monarchie haben w i r das V o l k der Verfassung; i n der Demokratie die Verfassung des Volks. Die Demokratie ist das aufgelöste Rätsel aller Verfassungen. H i e r ist die Verfassung nicht n u r an sich, dem Wesen nach, sondern der Existenz, der Wirklichkeit nach i n ihren w i r k l i c h e n Grund, den wirklichen Menschen, das wirkliche Volk, stets zurückgeführt u n d als sein eigenes Werk gesetzt. Die Verfassung erscheint als das, was sie ist, freies Produkt des Menschen; m a n könnte sagen, daß dies i n gewisser Beziehung auch von der konstitutionellen Monarchie gelte, allein der spezifische U n t e r schied der Demokratie ist, daß hier die Verfassung überhaupt n u r ein Daseinsmoment des Volkes, daß nicht die politische Verfassung für sich den Staat bildet 1 3 3 ." V o n einer demokratischen Verfassungstheorie aus, der es darauf ankommt, „ v o m wirklichen Subjekt auszugehen u n d seine Objektivation zu betrachten" 1 3 4 , muß eine Hegeische Passage w i e die folgende Anstoß erregen: 129

K . Marx, K r i t i k des Hegeischen Staatsrechts, zu § 302; a. a. O., S. 343 ff. I n der „ K r i t i k des Hegeischen Staatsrechts" steht noch ganz die revolutionär-demokratische K r i t i k i m Vordergrund. I n i h r erfolgt erst der Übergang zum Materialismus. Vgl. G. Lukâcs , Der junge M a r x , S. 22, 29. 131 K . M a r x , K r i t i k des Hegeischen Staatsrechts, zu § 298, a. a. O., S. 326. Vgl. auch zu §301, a.a.O., S. 338 f.: „Hegel ist nicht zu tadeln, w e i l er das Wesen des modernen Staats schildert, w i e es ist, sondern w e i l er das, was ist, f ü r das Wesen des Staats ausgibt. Daß das Vernünftige w i r k l i c h ist, beweist sich eben i m Widerspruch der unvernünftigen Wirklichkeit, die an allen Ecken das Gegenteil von dem ist, was sie aussagt, u n d das Gegenteil v o n dem aussagt, was sie ist." (Hervorhebungen i m Original) 132 K . M a r x , ebd., zu § 298, a. a. O., S. 329 (Hervorhebungen i m Original). 133 K . M a r x , ebd., zu § 279, a. a. O., S. 292 f. (Hervorhebungen i m Original). 134 K . M a r x , ebd., S. 284. 130

10 Rinken

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„ I n der Wirklichkeit i s t . . . der Staat überhaupt vielmehr das Erste, innerhalb dessen sich erst die Familie zur bürgerlichen Gesellschaft ausbildet, u n d es ist die Idee des Staates selbst, welche sich in diese beiden Momente dirimirt" (§ 256) 135 . Dagegen M a r x : „Familie u n d bürgerliche Gesellschaft machen sich selbst zum Staat. Sie sind das Treibende. Nach Hegel sind sie dagegen getan von der w i r k l i c h e n Idee; . . . es ist der Lebenslauf der Idee, die sie von sich diszerniert hat; u n d zwar sind sie die Endlichkeit dieser Idee; sie verdanken i h r Dasein einem anderen Geist als dem ihrigen; . . . der politische Staat k a n n nicht sein ohne die natürliche Basis der Familie u n d die künstliche Basis der bürgerlichen Gesellschaft; sie sind f ü r i h n eine conditio sine qua non; die Bedingung w i r d aber als das Bedingte, das Bestimmende als das Bestimmte, das Produzierende w i r d als das Produkt seines Produkts gesetzt; die w i r k liche Idee erniedrigt sich n u r i n die »Endlichkeit' der Familie u n d der bürgerlichen Gesellschaft, u m durch ihre Aufhebung seine Unendlichkeit zu genießen u n d hervorzubringen; . . . Es w i r d also die empirische Wirklichkeit aufgenommen, w i e sie ist; sie w i r d auch als vernünftig ausgesprochen, aber sie ist nicht vernünftig wegen ihrer eigenen Vernunft, sondern w e i l die empirische Tatsache i n ihrer empirischen Existenz eine andere Bedeutung hat als sich selbst. Die Tatsache, v o n der ausgegangen w i r d , w i r d nicht als solche, sondern als mystisches Resultat gefaßt. Das Wirkliche w i r d zum Phänomen, aber die Idee hat keinen andren I n h a l t als dieses Phänomen. Auch hat die Idee keinen andren Zweck als den logischen: ,für sich unendlicher w i r k l i c h e r Geist zu sein'. I n diesem Paragraphen ist das ganze Mysterium der Rechtsphilosophie niedergelegt u n d der Hegeischen Philosophie überhaupt 1 3 8 ." M a n k a n n die M a r x s c h e K r i t i k oberflächlich schelten, d a sie die T i e f e n d i m e n s i o n der Hegeischen Staatsanschauung, i m Staate das „ E r s t e " , das πρότερον τή φύσει, z u sehen, w o h l k a u m durchschaut h a b e n d ü r f t e . D i e eigene Tiefe dieser K r i t i k l i e g t jedoch d a r i n , daß M a r x die Hegeische politische P h i l o s o p h i e als n a c h r e v o l u t i o n ä r e r k e n n t , als eine P h i l o s o p h i e d e r R e v o l u t i o n als d e r e n K r i t i k 1 3 7 , als d e n Versuch, die E r r u n g e n s c h a f t e n d e r R e v o l u t i o n m i t d e n S t r u k t u r e n des a l t e n Staates z u versöhnen, u n d daß e r sieht, w i e H e g e l b e i diesem V e r s ö h n u n g s v e r s u c h das „ n ä h e r e V e r h ä l t n i s z u r W i r k l i c h k e i t " v e r l i e r t , w i e d a b e i d i e H e r m e n e u t i k der W i r k l i c h k e i t z u r A n p a s s u n g a n die F a k t i z i t ä t g e w o r d e n i s t 1 3 8 . E i n e n i c h t 135

Hervorhebungen anders als i m Original. K. Marx, ebd., zu § 262, a. a. O., S. 263—265. 137 Das ist die Grundthese des Aufsatzes von J. Habermas, Hegels K r i t i k der Französischen Revolution, S. 89. 138 Hans Heinz Holz hat i n seiner vergleichenden Interpretation der auf Herrschaft u n d Knechtschaft bezüglichen Abschnitte bei Leibniz u n d Hegel (Herr u n d Knecht bei Leibniz u n d Hegel, 1968, S. 84 f.) die unterschiedliche Stellung zur W i r k l i c h k e i t so zusammengefaßt: „Der Umschlag von aufklärerischem Pathos der Erziehung des Menschengeschlechtes zur Freiheit i n die Anerkennung der gesellschaftlichen Positivität u n d ihrer Herrschaftsstrukt u r e n u n d der damit verbundene Umschlag v o n politischer A k t i v i t ä t zu verinnerlichter Geistigkeit w i r d durch die Epoche der Französischen Revolution bezeichnet. Vorrevolutionäres Denken ist, w i e bei Leibniz, utopisch-aktivistisch; nachrevolutionäres, w i e bei Hegel, deskriptiv-betrachtend. I m ersten Falle orientiert sich die Spekulation an der Möglichkeit, i m zweiten an der W i r k l i c h k e i t . . . Erneut w i r d dann das Denken vorrevolutionär, das heißt revolutionsvorbereitend beim jungen M a r x , . . . " — Betrachtet m a n die bei 136

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einseitige Hegelinterpretation w i r d beachten müssen, daß Hegel das utopische, die engen Verhältnisse seiner Gegenwart transzendierende Moment, i n der Betätigung des Allgemeinen „die Subjektivität . . . ganz und lebendig entwickelt" zu sehen (§ 260, Zusatz), nie aus seiner politischen Philosophie gestrichen hat. Sie w i r d aber auch feststellen müssen, daß dieses utopische Element i n seinem Staat keinen genügenden Lebensraum finden konnte und sich deshalb aus i h m zurückzog. Hegel fürchtete die umstürzende K r a f t der Demokratie und suchte die Versöhnung. I n der Versöhnung zog er zugleich die Grenzen seiner Philosophie; die Öffnung dieser Grenzen unternahm Marx i m Namen der Demokratie. d) Idealistische Dialektik. A u f einer reiferen Stufe des Hegelverständnisses, i n den „ökonomisch-philosophischen Manuskripten" (1844), vermochte Marx unbefangener die positiven Seiten der Hegeischen Philosophie zu würdigen 1 3 9 . Jetzt konnte er aber auch seine K r i t i k grundsätzlicher fassen und die in der Akkomodation sichtbaren Grenzen des Hegeischen Denkens i n dessen Prinzip selbst kritisieren: der idealistischen Dialektik 1 4 0 . Hegel und Marx geht es gleichermaßen u m die Befreiung des Menschen, u m die Aufhebung der Entfremdung; diese Aufhebung ist das Telos der gesamten Hegeischen Philosophie als Dialektik des Geistes. Aber gerade ihr w i r f t Marx vor, es handle sich nur um einen Schein, u m ein nur gedankliches Aufheben. Wie könne man von w i r k licher Freiheit sprechen, wenn Hegel den Menschen nur als „Prädikat" eines absoluten Subjektes, die menschliche Wirklichkeit nur als eine Bestimmtheit des Selbstbewußtseins begreife? I n Wahrheit bestätige Hegel die Entfremdung, indem er sie i n der Negation der Negation aufzuheben meine, was doch bedeute, daß die Vernunft bei sich sei „ i n der Unvernunft als Unvernunft". „Der Mensch, der i n Recht, P o l i t i k etc. ein entäußertes Leben zu führen erkannt hat, f ü h r t i n diesem entäußerten Leben als solchem sein wahres menschliches L e b e n . . . So ζ. B. ist i n Hegels Rechtsphilosophie das aufgehobene Privatrecht gleich Moral, die aufgehobene M o r a l gleich Familie, die aufgehobene Familie gleich bürgerliche Gesellschaft, die aufgehobene bürgerliche Gesellschaft gleich Staat, der aufgehobene Staat gleich Weltgeschichte. I n der Wirklichkeit bleiben Privatrecht, Moral, Familie, bürgerliche Gesellschaft, Hegel vorhandene, gegenläufige Tendenz aktiv-kritischer Begriffsbildung (vgl. oben la), sind hier die Positionen richtig gekennzeichnet. 139 K . Marx, ökonomisch-philosophische Manuskripte, i n : Frühe Schriften, Bd. I, a.a.O., S. 506—665; vgl. insbes. „ K r i t i k der Hegeischen D i a l e k t i k u n d Philosophie überhaupt", S. 637 ff. 140 Hier k a n n n u r eine Andeutung gegeben werden. F ü r das Grundsätzliche ist zu verweisen auf G. Lukâcs, Der junge Hegel, S. 656 ff. („Die ,Entäußerung' als philosophischer Zentralbegriff der »Phänomenologie des Geistes'"); Der junge M a r x , S. 59 ff. Vgl. auch J. Barion, Hegel u n d die marxistische Staatslehre, S.106 ff.

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Staat usw. bestehen, n u r sind sie zu Momenten geworden,.. . 1 4 1 . " M a r x sieht i m Hegeischen Dualismus von Staat u n d bürgerlicher Gesellschaft die festgewordene „Entzweiung", die „Spaltung des Menschen i n den öffentlichen u n d i n den Privatmenschen": „Der vollendete politische Staat ist seinem Wesen nach das Gattungsleben des Menschen i m Gegensatz zu seinem materiellen Leben. A l l e Voraussetzungen dieses egoistischen Lebens bleiben außerhalb der Staatssphäre i n der bürgerlichen Gesellschaft bestehen, aber als Eigenschaften der bürgerlichen Gesellschaft. Wo der politische Staat seine wahre Ausbildung erreicht hat, f ü h r t der Mensch nicht n u r i m Gedanken, i m Bewußtsein, sondern i n der Wirklichkeit, i m Leben, ein doppeltes, ein h i m m lisches u n d ein irdisches Leben, das Leben i m politischen Gemeinwesen, w o r i n er als Gemeinwesen gilt, und das Leben i n der bürgerlichen Gesellschaft, w o r i n er als Privatmensch tätig ist, die anderen Menschen als M i t t e l betrachtet, sich selbst zum M i t t e l herabwürdigt u n d zum Spielball fremder Mächte w i r d 1 4 2 . " Die Hegeische Philosophie ist als idealistische dieser Realität der Entzweiung gegenüber ohnmächtig. „Hegel macht den Menschen zum Menschen des Selbstbewußtseins, statt das Selbstbewußtsein zum Selbstbewußtsein des Menschen, des wirklichen, daher auch i n einer w i r k l i c h e n gegenständlichen Welt lebenden u n d von i h r bedingten Menschen zu machen. Er stellt die Welt auf den Kopf u n d k a n n daher auch im Kopfe alle Schranken auflösen, wodurch sie natürlich für die schlechte Sinnlichkeit, f ü r den wirklichen Menschen bestehen bleiben 1 4 3 ." Wiederum ist hier nicht zu untersuchen, ob M a r x m i t dieser K r i t i k das Wesen der Hegeischen Geistphilosophie v o l l erfaßt u n d ob er i n seiner eigenen, n u n nicht mehr hegelianischen, sondern „marxistischen" Philosophie das m i t dieser K r i t i k aufgestellte Programm erfüllt hat. Dieses Programm jedenfalls deutet auf eine Grenze des Hegelschen Denkens, w e n n es gegenüber der idealistischen D i a l e k t i k fordert, die Entfremdung des Menschen müsse nicht n u r i m Kopf, sondern i n W i r k l i c h keit aufgehoben werden; die Freiheit sei nicht n u r i m System, sondern i n der Realität zu sichern; die Subjektivität dürfe nicht n u r i m Prinzip der Sittlichkeit, sie müsse faktisch m i t der Allgemeinheit i n Übereinstimmung gebracht werden.

I V . Die Differenzierung und Formalisierung der auf das Gemeinwesen bezogenen Wissenschaften D e r große V e r s u c h Hegels, die T h e m e n der ä l t e r e n P o l i t i k m i t d e n Fragestellungen einer modernen politischen Ökonomie i n einer neuen Gesamtwissenschaft z u v e r b i n d e n , k o n n t e d e n f o r t s c h r e i t e n d e n D i f f e renzierungs- u n d Emanzipationsprozeß der Einzelwissenschaften n i c h t v e r h i n d e r n 1 4 4 . D i e gegenläufigen Tendenzen i m Hegeischen D e n k e n m u ß t e n fast zwangsläufig zu einer unterschiedlichen B e t o n u n g der b e i H e g e l d i a l e k t i s c h z u s a m m e n g e z w u n g e n e n E l e m e n t e f ü h r e n : die S t u f e n d e r S i t t l i c h k e i t , „ b ü r g e r l i c h e Gesellschaft" u n d „ S t a a t " , w u r d e n z u 141 K . Marx, ökonomisch-philosophische Manuskripte, a. a. O., S. 654 f. (Hervorhebungen i m Original.) 142 K . Marx, Z u r Judenfrage (1843), a. a. O., S. 461. 143 K . Marx, Die heilige Familie (1845), V I I I , 4; a. a. O., S. 903. 144 Vgl. §8 I I l b .

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eigenständigen Sphären 145 , die zugleich die Grundeinteilung für die A u f fächerung der Wissenschaftsbereiche lieferten. Die Fülle der bei Hegel behandelten Probleme zeigt die Notwendigkeit einer auch wissenschaftlichen Arbeitsteilung. I n den Gesellschaftswissenschaften errang neben der Soziologie m i t dem Fortschreiten des ökonomischen Liberalismus die Volkswirtschaftslehre hohe Bedeutung als die theoretische Disziplin der autonom vorgestellten bürgerlichen Erwerbs- und Tauschgesellschaft. Die engere Staatswissenschaft teilte sich i n die formalistisch betriebenen Disziplinen der Staats- und Verwaltungsrechtslehre (IV.). Das Zusammenwirken der als Arbeitsteilung notwendigen Differenzierung mit der Formalisierung der neuen Wissenschaften vom Staate und dem Positivismus der neuen Gesellschaftswissenschaften führte zum Verlust des Zusammenhangs; statt arbeitsteiligen Zusammenwirkens erfolgte spezialisierte Isolierung und als deren Folge das Ausscheiden gerade solcher Probleme aus dem wissenschaftlichen Interesse, die für das Gemeinwesen von fundamentaler Bedeutung, deshalb aber nur kooperativ und mit synthetischer Methode wissenschaftlich zu behandeln waren. Für diesen Problemverlust ist die wissenschaftliche Behandlung des Armenwesens ein besonders eindrückliches Beispiel (V.). 1. Die Problemreduzierung im Übergang von C. F. von Gerber zu Paul Laband

Hier kann weder eine „Wirkungsgeschichte" der Hegeischen Staatsphilosophie 148 noch eine genauere Darstellung der Entstehung des staatsrechtlichen Formalismus gegeben werden 1 4 7 . Beides für sich bedürfte einer die bisherige Forschung zusammenfassenden, geistes- und sozialgeschichtliche Betrachtungsweise integrierenden Behandlung, ein Desiderat, das erst recht für die Frage des „Zusammenhangs" von Hegel und Formalismus besteht. Soviel dürfte nach den grundlegenden Arbeiten von Peter von Oertzen und Henning Zwirner feststehen, daß die Formalismus-Forschung Hegel ebensowenig einfach ausklammern, wie eine unmittelbare Abhängigkeit des formalistischen Staatsbegriffs von Hegel konstruieren darf 1 4 8 . Für unsere Darstellung, der es auf die Demonstra145

Vgl. dazu auch H. Ehmke, „Staat" u n d „Gesellschaft", S. 23 ff. Vgl. dazu den Überblick bei U. Scheuner, Hegel u n d die deutsche Staatslehre des 19. u n d 20. Jahrhunderts, i n : Studium Berolinense, 1960, S. 129—-151. 147 Dazu grundlegend die leider ungedruckten Arbeiten v o n P. von Oertzen, Die soziale F u n k t i o n des staatsrechtlichen Positivismus, Diss. phil. Göttingen 1953, und von H. Zwirner, Politische Treupflicht des Beamten, Diss. j u r . Göttingen 1956. Vgl. auch P. von Oertzen, Die Bedeutung C. F. von Gerbers f ü r die deutsche Staatsrechtslehre, i n : Festgabe für R. Smend, 1962, S. 183 bis 208. 148 Eine K o n t i n u i t ä t an Hegel vorbei beschreibt R. Höhn, Der i n d i v i d u a l i stische Staatsbegriff u n d die juristische Staatsperson, 1935, S. 144, 203, w e n n er die Entwicklung so darstellt, als sei die veranstaltlichte Staatsgewalt des 146

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tion der Problemreduzierung i m Formalismus ankommt, genügt es, die entscheidende Phase dieses Prozesses aufzusuchen: diese liegt i m Ubergang von Carl Friedrich von Gerber zu Paul Laband 1 4 9 . I n seinen „Grundzügen eines Systems des deutschen Staatsrechts" von 1865150 w i l l Gerber die wissenschaftliche Behandlung des Staatsrechts aus der Zurückgebliebenheit der an den vergangenen politischen Zuständen des Patrimonialund Ständestaates orientierten älteren Staatswissenschaft befreien und der sozialen und politischen Wirklichkeit des modernen Staates seiner Gegenwart anpassen. Dieser moderne Staat erfordert eine „schärfere und konkretere Präzisierung der dogmatischen Grundbegriffe" und die „Aufstellung eines wissenschaftlichen Systems, i n welchem sich die einzelnen Gestaltungen als die Entwickelung eines einheitlichen Grundgedankens darstellen" 1 5 1 . Dieser Grundgedanke ist für Gerber die Identität von Staat und Volk: der Staat ist „das Volk selbst i n seiner politischen Gestaltung" 1 5 2 . Die wissenschaftliche Erfassung dieses Grundgedankens führt zu einem doppelten Staatsbegriff: „ W i r denken uns den Staat als einen Organismus, i n welchem die sittlichen Kräfte des Volkes zur Erreichung der höchsten gesellschaftlichen Zwecke zusammengefaßt sind, und bekleiden denselben, da er ein wollendes und handelndes Wesen ist, m i t der Idee der Persönlichkeit. Die Seele desselben ist die Staatsgewalt; sie ist der Mittelpunkt eines richtigen Systems des Staatsrechts, dessen vorzüglichste Aufgabe die Beantwortung der Frage ist: was kann der Staat wollen, und i n welcher Weise kann er seinen Willen kund geben? Hierbei verlegen w i r die rechtliche Natur der Staatsgewalt, als der Willensmacht des Staats, i n den Begriff des Beherrschens. Beherrschung ist die umfassendste A r t der Willensfähigkeit, welche das Recht überhaupt k e n n t . . . 1 5 3 ." 18. Jahrhunderts als eine A r t verselbständigter Apparat von Albrecht zur „juristischen Person" subjektiviert u n d i n dieser Gestalt zum Staatsbegriff des Formalismus geworden. „Daß diese Betrachtung grundlos ist, folgt schon daraus, daß die praktische w i e theoretische Entwicklung nicht an dem Idealismus vorbei, sondern durch i h n hindurch f ü h r t " (Zwirner, a. a. O., S. 35). — Auch die lineare E n t w i c k l u n g Hegel-Albrecht-Gerber-Laband ist revisionsbedürftig; vgl. dazu Zwirner, ebd., m i t K r i t i k an der Darstellung H. Hellers, Hegel u n d der nationale Machtstaatsgedanke, S. 164 ff. 149 Dazu insbes. W. Wilhelm, Z u r juristischen Methodenlehre i m 19. Jahrhundert. Die H e r k u n f t der Methode Paul Labands aus der Privatrechtswissenschaft, 1958; dazu die Besprechung v o n E.-W. Böckenförde, i n : A R S P 48 (1962), S. 249—254; vgl. auch K. Hespe, Z u r E n t w i c k l u n g der Staatszwecklehre i n der deutschen Staatsrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, 1964. Unentbehrlich: F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967, S. 348 ff., 430 ff. 150 C. F. von Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts; hier zitiert nach der 2., vermehrten Aufl. 1869. 151 Gerber, ebd., S. V I I f. 152 Gerber, ebd., S. 220. 153 So die besonders prägnante Zusammenfassung: Gerber, Über die Theilbarkeit deutscher Staatsgebiete (1865), i n : Gesammelte juristische A b h a n d l u n gen, 1878, S. 441—469 (447).

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W e n n G e r b e r h i e r d e n S t a a t „ f ü r die n a t ü r l i c h e B e t r a c h t u n g " als O r g a n i s m u s , „ f ü r die j u r i s t i s c h e B e t r a c h t u n g " als „ r e c h t l i c h e P e r s ö n l i c h k e i t " k e n n z e i c h n e t 1 5 4 , so l i e g t d a r i n d e r Versuch, z w e i „ L i n i e n " z u e i n e r u n t e r s c h i e d e n e n E i n h e i t zusammenzufassen: die Staatsauffassung d e r ä l t e r e n „sach- u n d z w e c k b e z o g e n e n " 1 5 5 k o n s t i t u t i o n e l l e n S t a a t s l e h r e u n d den i m Privatrecht ausgebildeten K o n s t r u k t i v i s m u s der „ j u r i s t i schen M e t h o d e " . D i e m a t e r i a l e A n s c h a u u n g des Staates als e i n e r s u b s t a n t i e l l e n s i t t l i c h v e r n ü n f t i g e n O r d n u n g , als „ W i r k l i c h k e i t d e r s i t t l i c h e n I d e e " (Hegel), als „ s i t t l i c h e s R e i c h " (Stahl), w a r b e i a l l e r U n t e r s c h i e d l i c h k e i t i n G r u n d s ä t z e n u n d K o n s e q u e n z e n die G e m e i n s a m k e i t des k o n s t i t u t i o n e l l e n Staatsrechts, eine K o n t i n u i t ä t , die G e r b e r n e b e n Albrecht v o r a l l e m der Liberale Schmitthenner v e r m i t t e l t hatte158. K ö n n t e m a n hier, bei Beachtung aller Brechungen u n d i n d i r e k t e n V e r m i t t l u n g e n , v o n „ H e g e l s c h e m E r b e " sprechen, so v e r w e i s t die z w e i t e L i n i e z u r ü c k a u f K a n t 1 5 7 . D i e s e r h a t t e das Recht f o r m a l b e s t i m m t als d i e Regel, nach d e r die möglichste F r e i h e i t des einzelnen m i t d e r F r e i h e i t 154 Gerber, Grundzüge, S. 1 f.; vgl. insbes. Beilage I : Der Staat als Organismus, S. 211—219; Beilage I I : Die Persönlichkeit des Staates, S. 219—229. 155 E.-W. Böckenförde, Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, 1958, S. 126 ff. 156 Zwirner, Politische Treupflicht, S. 45 f. Gerber bezieht sich i n seiner Schrift „Über öffentliche Rechte", 1852, S. 15 ff., ausdrücklich auf E. Albrecht, Rezension über Maurenbrechers Grundsätze des heutigen deutschen Staatsrechts, Göttingische gelehrte Anzeigen, 1837, S. 1489 ff. u. 1508 ff., u n d auf F. Schmitthenner, Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechtes, 1845, S. 267 ff. Beide Autoren sprechen an den v o n Gerber zitierten Stellen von einer „juristischen Persönlichkeit des Staates". Gerber lehnt das i n dieser früheren Schrift ab (vgl. dazu weiter unten i m Text). Bei Schmitthenner ist es offensichtlich, daß hier nicht die neuere willenstheoretische Auffassung der juristischen Person gemeint ist ( „ I h m ist der Staat als objektives, ethisches I n s t i t u t eine juristische Person, . . . Person ist i h m alles, was eine sittliche Bestimmung i n sich hat, Willensfähigkeit ist i h m k e i n Element der Persönlichkeit . . . M a n sieht, die juristische Persönlichkeit ist i h m nicht sowohl ein wirksamer Rechtsbegriff, als vielmehr eine bloße Formel, ein W o r t ohne juristischen Inhalt." Gerber, ebd.). Albrecht dagegen hat die herkömmliche Interpretation das Verdienst zugesprochen, zum ersten Male den modernen privatrechtlichen Begriff der juristischen Person auf den Staat übertragen zu haben. Jedoch dürfte damit die „ n u r gelegentliche Äußerung" (Gerber, ebd.) überschätzt sein. Albrecht bewegte sich ganz i m Rahmen des konstitutionellen Staatsrechts, w e n n es i h m darauf ankam, darzulegen, „daß jene Theorie (der juristischen Person des Staates, A.R.) bloß das juristische Gewand eines Gedankens ist, der als ethischer w o h l von Jedermann zugegeben w i r d , n ä m lich der Vorstellung v o n dem Berufe des Monarchen für eine höhere, über i h m (dem Einzelnen) stehende Idee zu leben, . . . " (Albrecht, a. a. O., S. 1513). Vgl. dazu Zwirner, a. a. O., S. 50 ff., m i t weiteren Nachw. 157 Dazu insbesondere ff. Kiefner, Der Einfluß Kants auf Theorie u n d Praxis des Zivilrechts i m 19. Jahrhundert, i n : Philosophie u n d Rechtswissenschaft, 1969, S. 3 ff.; dort, S. 18 ff. vor allem zur Entwicklung des juristischen Formalismus durch Savigny als Konsequenz seiner kantischen Prämisse. Wichtig auch: F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 352 f., 375 f.; ders., Pandektenwissenschaft u n d industrielle Revolution, i n : Juristen-Jb 9 (1968/69), S. 1 ff., bes. 6, 8 f.; H. Coing , K a n t u n d die Rechtswissenschaft, i n : K a n t u n d die Wissenschaften, 1955, S. 34 ff.

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jedes anderen zusammen bestehen kann 1 5 8 , eine Definition, die den Freiheitsraum für autonomes sittliches Handeln sichern sollte, die zugleich implizierte, daß alle moralischen sozialen oder wirtschaftlichen Wertungen und Interessen der Rechtsbetrachtung ferngehalten werden müssen, soll nicht die freigestellte Sphäre der sittlichen Autonomie beeinträchtigt werden. I n diesem Sinne sagt Savigny, der diesen Rechtsbegriff von Kant entlehnte und damit der Pandektenwissenschaft allgemein vermittelte, das Recht diene der Verwirklichung der Sittlichkeit, „aber nicht, indem es ihr Gebot vollzieht, sondern indem es die freie Entfaltung ihrer, jedem einzelnen Wille inwohnenden, K r a f t sichert" 159 , es sei keineswegs nötig, dem Recht ein zweites Ziel „unter dem Namen des öffentlichen Wohles, an die Seite zu setzen: außer dem sittlichen Prinzip ein davon unabhängiges staatswirtschaftliches aufzunehmen" 180 . Franz Wieacker hat jüngst wiederum hervorgehoben, wie sehr diese Autonomie, dieses „selbständige Daseyn des Rechts" (Savigny) dem System des frühliberalen Verfassungsstaates und des formalen Rechtsstaates entsprochen habe, der durch die Neutralität der rechtsprechenden Gewalt gegenüber öffentlichen, sozialen oder Gruppeninteressen den Entfaltungsraum der bürgerlichen Gesellschaft gegen die Exekutive habe sicherstellen wollen. A l l e i n diese politische und soziale Neutralisierung der wissenschaftlichen Rechtsprechung durch formale Bindung an Begriff, logische Ableitung und wissenschaftliche Konstruktion habe den strengen Dualismus zwischen öffentlichem und Privatrecht, staatlicher Eingriffsverwaltung und privater Wirtschaftsbetätigung, kürzer: zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft garantieren können 1 6 1 . Es muß die Frage Spannung erregen, was es denn nun bedeutet, wenn Gerber diesen formalen Rechtsbegriff m i t dem älteren materialen Staatsbegriff als Aspekte einer ganzheitlichen Staatsbetrachtung zusammenbringt. Der logische Formalismus war für das Pandektenrecht vor allem von Puchta systematisch entwickelt worden 1 8 2 ; er wurde seit Gerbers „Wis158 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, Erster Teil, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, 1797, i n : I. K a n t , Schriften zur E t h i k und Religionsphilosophie, 1963 (Werke. Hrsg. v. W. Weischedel, Bd. I V ) : Einleitung i n die Rechtslehre. § B. Was ist Recht? „Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die W i l l k ü r des einen m i t der W i l l k ü r des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden k a n n S. 337)." 159 F. C. v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, 1. Bd., 1840, S. 332. 160 F. C. v. Savigny, System, S. 53. Vgl. dazu Kant, a. a. O.: Der Begriff des Rechts betreffe n u r das (äußere) „wechselseitige Verhältnis der W i l l k ü r " ; i n diesem „ k o m m t auch garnicht die Materie der W i l l k ü r , d. i. der Zweck, den ein jeder m i t dem Objekt, was er w i l l , zur Absicht hat, i n B e t r a c h t u n g , . . . sondern n u r nach der Form i m Verhältnis der beiderseitigen W i l l k ü r , sofern sie bloß als frei betrachtet w i r d , . . . " . ιβι ρ Wieacker, Pandektenwissenschaft, a. a. O., S. 9. 162 w Wilhelm, Z u r juristischen Methodenlehre, S. 70 ff.; F. Wieacker, P r i vatrechtsgeschichte, S. 430 ff.

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senschaftlichem Prinzip des gemeinen deutschen Privatrechts" (1846) für die dogmatische Germanistik fruchtbar gemacht. Gerber versteht — i n deutlicher Übereinstimmung m i t Kant/Savigny — das moderne Privatrecht als ein „System freier Möglichkeiten der individuellen Beherrschung der Dinge, welche meistenteils keine besonderen geschichtlichen und sozialen Verhältnisse, sondern nur die unmittelbare K r a f t der Persönlichkeit zur Voraussetzung haben" 16S . Seine systematische Einheit beruht auf „eigenen spezifisch juristischen Prinzipien, und nicht auf Gesichtspunkten, welche, so bedeutend sie auch an sich sein mögen, doch nur der historischen oder sozial-politischen Anschauung der Verhältnisse angehören" 1 * 4 . Anknüpfungspunkt aller „spezifisch juristischen Prinzipien" ist der freie Wille der Persönlichkeit. „Indem hierdurch das deutsche Recht wieder an die unmittelbar wirksame und lebendige K r a f t des menschlichen Willens anknüpft, d.h. juristisch konstruiert wird, t r i t t es i n die Reihe der die Gegenwart beherrschenden Erscheinungen 165 ." I m Jahre 1865 hielt Gerber die Zeit für reif, diese wissenschaftliche Betrachtungsweise des Rechts auch für das öffentliche Recht fruchtbar zu machen. Noch 1852 hatte er einen solchen Versuch ausdrücklich abgelehnt, da „eine Zeit der Politik und nicht des Rechts", i n welcher „das Bestehende jederzeit durch eine Umwälzung bedroht wird, der Rechtswissenschaft ungünstig" sei 166 . Er hatte die Charakterisierung des Staates als juristische Person verworfen und die Kennzeichnung des Staates als Organismus für ausreichend erklärt; allerdings sei damit ein ethisch-politischer, kein juristischer Staatsbegriff gegeben; aber es bestehe auch kein Bedürfnis, die juristische Natur des Staates i m Ganzen zu bestimmen 1 * 7 . I n prononciertem Gegensatz zu dieser Auffassung 163 Gerber, Gesammelte juristische Abhandlungen, 2. Ausgabe, 1878, S. 215. Gerber, System des Deutschen Privatrechts, 1. Aufl. 1848; hier zitiert nach der 8. Aufl. 1863, S. 19. 185 Gerber, System, S. X I X . 168 Gerber, Über öffentliche Rechte, 1852, S. 13. Das Verdienst, die grundlegenden Wandlungen der Auffassungen Gerbers zwischen 1852 („Über öffentliche Rechte") u n d 1865 („Grundzüge") herausgearbeitet zu haben, k o m m t der Dissertation v. Oertzens zu (vgl. bes. S. 217 ff.); diese Wandlungen drängen sich bei sorgfältiger Lektüre auf: hier (1865) ist die juristische Person zentraler staatsrechtlicher Begriff, dort (1852) w i r d sie f ü r den Staat abgelehnt und dieser ganz i m Sinne der älteren Schule ausschließlich als „sittlicher Organismus" gefaßt; i n der frühen Schrift ein starkes Bewußtsein der Umbruchsituation, Betonung des Individuellen u n d Konkreten, später die Verfestigung zum System m i t größerer Abstraktheit. Diese Unterschiede werden w o h l von W. Wilhelm, Z u r juristischen Methodenlehre, S. 129 ff., nicht genügend beachtet. Gegenüber der Interpretation v. Oertzens betont stärker die innere K o n t i n u i tät i n der Wandlung K. Hespe, Z u r Entstehung der Staatszwecklehre, S. 42 ff. 187 Gerber, Über öffentliche Rechte, S. 20 f. Es besteht dieses Bedürfnis nicht f ü r das monarchische Staatsrecht! I n i h m „ . . . müssen alle aus dem Leben des Staatsorganismus hervorgehenden Kräfte, insoweit sie überhaupt die N a t u r der Rechte annehmen können, an die Person des Regenten angeknüpft w e r den. Durch diese A n k n ü p f u n g an die i m Könige dargestellte Volkspersönlich184

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heißt es zu Beginn der „Grundzüge": „ I n der Persönlichkeit des Staats liegt der Ausgangs- und Mittelpunkt des Staatsrechts 168 ." Der Staat ist juristische Person, da „das Volk i n i h m zum rechtlichen Gesamtbewußtsein und zur Willensfähigkeit erhoben w i r d " . Als juristische Person hat der Staat Willensmacht. „Die Willensmacht des Staats ist die Macht zu herrschen; sie heißt Staatsgewalt 160 " Damit sind die Kernbegriffe ausgesprochen, die den staatsrechtlichen Formalismus seither beherrschen sollten; w i r können auf die Ausführungen zu Laband und Otto Mayer am Anfang dieses Paragraphen verweisen. Zugleich w i r d aber auch deutlich, wie einseitig die Rezeption Gerbers durch Laband gewesen ist: er verabsolutierte die „juristische Betrachtungsweise", die sich bei Gerber zur natürlichen Staatsauffassung verhalten hatte, „wie zwei Betrachtungen desselben Gegenstandes von verschiedenen Standpunkten aus" 1 7 0 . Gerade aber i n der Zusammenschau der beiden Aspekte lag die fortschrittliche Tendenz i n Gerbers Staatsrechtslehre, wie Peter von Oertzen herausgearbeitet hat. Gerber hatte erkannt, daß der moderne Staat nur noch von der Wirklichkeit des konkreten, sein Schicksal selbst bestimmenden Volkes her begründet werden konnte, und daß die älteren Staatslehren, die das staatliche Einheitsprinzip i n einer materialen „sittlichen" Allgemeinheit außerhalb und über dem Volke suchten, diese Wirklichkeit des modernen „Volksstaats" verfehlen mußten. W i r haben gesehen, daß auch die Hegelkritik des jungen Marx i n diese Richtung zielte. Gegenüber der älteren Vorstellung „einer Gemeinschaft, . . . welche zwar nicht ganz i n unbewußtem, aber doch immer durch das eingeborene Entwickelungsgesetz gebundenem Zusammenwirken seiner Glieder fortschreitet", betont Gerber die Notwendigkeit „der Vorstellung eines Staatswesens m i t freier einheitlicher Selbstbestimmung" 171 . Anders als später bei Laband, der überall die Fäden kappt, welche die Begriffe an die Sache selbst binden, haben hier „Persönlichkeit" und „Wille" als rechtsbegründende Kategorien ihren emanzipatorischen Charakter noch nicht verloren 1 7 2 . Das drängt keit erhält die Staatsgewalt überhaupt erst einen rechtlichen C h a r a k t e r ; . . . " (S. 52). So ist der „juristischen Methode" Genüge getan. lee Gerber, Grundzüge, S. 4. I n A n m . 2 auf S. 2 f. macht Gerber auf den Unterschied zu der früher vorgetragenen Auffassung ausdrücklich aufmerksam. 169 Gerber, Grundzüge, S. 3. 170 Gerber, Grundzüge, S. 218. 171 Gerber, Grundzüge, S. 216. 172 Wilhelm, Z u r juristischen Methodenlehre, S. 129 ff., hat i n seiner Gerber-Interpretation v o n ideologiekritischen Prämissen aus den „reaktionären" Charakter des Gerberschen Staatsrechts betont: „Das Verfahren der juristischen K o n s t r u k t i o n des Staatsrechts s t a n d . . . i m Dienste der antiliberalen Reaktion nach 1848 . . . Gerbers Wissenschaftstheorie w a r . . . nicht n u r o b j e k t i v geeignet, sondern dazu bestimmt, die Macht- u n d Rechtsverhältnisse der ständischen Monarchie zu legitimieren (S. 155 f.)." — E. W. Böckenförde, Die historische Rechtsschule, S. 26, Anm. 54 (vgl. auch S. 23, A n m . 44), hat dem-

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sich auf, w e n n G e r b e r das Wesen des Staates b e s t i m m t : D e r S t a a t „ b e steht . . . f ü r sich, u n d z w a r n i c h t als eine bloß begriffliche Erscheinung, s o n d e r n als e i n a u f n a t ü r l i c h e r G r u n d l a g e , n ä m l i c h d e m V o l k e , b e r u h e n des Wesen; es w i r d i h m n i c h t k ü n s t l i c h e i n f r e m d a r t i g e r W i l l e a n f i n g i e r t , s o n d e r n er h a t seinen eigenen W i l l e n s i n h a l t i n d e m s i t t l i c h e n , a u f das staatliche L e b e n g e r i c h t e t e n Geist seines V o l k s . Diese W i l l e n s m a c h t i s t e t w a s a n u n d f ü r sich E x i s t i e r e n d e s , i s t eine R e a l i t ä t , u n d d a h e r d e r wissenschaftlichen B e s t i m m u n g zugänglich. Sie i s t auch n i c h t bloß eine geistige Substanz, . . . sondern die ganze Staatsverfassung m i t a l l e n i h r e n I n s t i t u t i o n e n ist d a r a u f berechnet, i h r eine allseitige L e b e n s ä u ß e r u n g z u s i c h e r n 1 7 3 . " M a n w i r d v o n O e r t z e n z u s t i m m e n müssen, w e n n er sagt: „ D i e K o n s e q u e n z e n des Gerberschen G r u n d g e d a n k e n s s i n d d e m o k r a tisch"; u n d m a n w i r d i n A n k n ü p f u n g an frühere Überlegungen hinzusetzen k ö n n e n : sie m u ß t e n sich a u f eine d e m o k r a t i s c h e T h e o r i e h i n bewegen, solange G e r b e r die B e g r ü n d u n g des Staates a n d e r „ w a h r e n W i r k l i c h k e i t " des „ V o l k s s t a a t s " o r i e n t i e r t e . „ . . . aber G e r b e r w a r k e i n D e m o k r a t , u n d die verfassungsrechtliche R e a l i t ä t Deutschlands z u seiner Z e i t w a r die k o n s t i t u t i o n e l l e Monarchie. Infolgedessen m u ß t e G e r b e r die p o l i t i s c h u n e r w ü n s c h t e n F o l g e r u n g e n aus seinen theoretischen Prämissen abzubiegen versuchen 174." gegenüber i m Anschluß an v. Oertzen, Die soziale Funktion, S. 204 ff., darauf hingewiesen, „daß die formale Begriff sjurisprudenz i m P r i v a t - u n d öffentlichen Recht eben durch ihren formalen, ,rein juristischen' Charakter keineswegs konservativ 4 war, . . . sondern auf die überkommenen, sozial gebundenen Lebensverhältnisse u n d die I n s t i t u t i o n der Monarchie auflösend u n d zersetzend w i r k t e . Sie w a r k r a f t ihrer — unbewußten — Orientierung a m vernunftrechtlichen Sozialmodell u n d der allgemeinen Freiheit u n d Gleichheit i n ihrer geschichtlich-politischen F u n k t i o n eine genaue Entsprechung zum Vordringen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, die auf formalen abstrakten Rechtsbeziehungen aufbaut, u n d zur U m f o r m u n g des Staates aus einer umfassenden, i n sich gegliederten politischen I n s t i t u t i o n zum herrschaftlichen Willenszentrum der Massendemokratie, . . . " . — Das U r t e i l über die historische F u n k t i o n des Formalismus w i r d i n keiner Richtung einseitig ausfallen können. I n diesem Sinne das abgewogene U r t e i l von Wieacker, Pandektenwissenschaft, S. 9, es bestehe „das Paradox, daß eine Rechtswissenschaft, deren A x i o m e genau der S t r u k t u r ihrer Gesellschaft entsprachen, es sich gleichzeitig durch ihren logischen Formalismus zum Prinzip machte, die Beziehung zur gesellschaftlichen W i r k l i c h k e i t m i t ihren Werten, Interessen u n d Konflikten bewußt auszublenden". Die Schwierigkeiten der Gerber-Interpretation gerade i n diesem Punkte deuten auf den „Übergangscharakter" Gerbers hin. Nach 1870 erstarrte der Formalismus zu „anspruchsloser Technizität". R. Smend, Deutsche Staatsrechtswissenschaft v o r 100 Jahren — u n d heute, i n : Festschrift f ü r A . A r n d t , 1969, S. 459, findet es bezeichnend, daß f ü r die Proklamation der endgültigen Herrschaft des positivistischen Formalismus durch P h i l i p p Zorn i m Eröffnungsband des „Jahrbuchs f ü r öffentliches Recht" i m Jahre 1907 gerade „der Vertreter eines besonders naiven Wilhelminismus gewählt wurde". 173 Gerber, Grundzüge, S. 20, A n m . 1. 174 v. Oertzen, Die Bedeutung C. F. von Gerbers, S. 198. Vgl. ζ. B.: die A u f fassung des Monarchenrechts als Verkörperung der abstrakten Staatsgewalt, m i t der er diese Abstraktion u m ihren Sinn brachte (Grundzüge, S. 74 f.) ; die

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Festzuhalten ist vor allem: Gerber hat i n der nur aspekthaften Unterscheidung der natürlichen und juristischen Betrachtungsweise des „organischen Volksstaats" seinen Gegenstand als Ganzheit zu erfassen versucht. War bei Savigny die „organische" Entsprechung von Recht und sozialer Wirklichkeit durch die i n beiden wirksame höhere Einheit des Volksgeistes vermittelt und damit dem konkreten politischen Prozeß entzogen 175 , so w i r d diese Vermittlung nun ganz konkret i n das reale Verfassungsleben verlagert und unter die Bedingung einer vom Volke getragenen Gesetzgebung gestellt 1 7 6 . Zugleich schuf jedoch die methodisch sehr bewußte Trennung von organischem und juristischem Staatsbegriff die Möglichkeit für Laband, die organische Seite als „politische Betrachtung" aus der Dogmatik des Staatsrechts ganz auszuschließen (vgl. § 8 I). Erst seit Georg Jellinek t r i t t auch der Staat als gesellschaftliches Phänomen wieder i n den Blick der Staatsrechtslehre, t r i t t neben die Rechtslehre vom Staat auch wieder eine Soziallehre vom Staat. Beide werden aber nicht zu einer neuen „Politik", zu einer neuen „Gesamten Staatswissenschaft" integriert, sondern die Soziallehre des Staates etablierte sich als selbständige politische Soziologie 177 . 2. Der Dualismus von Verfassungs- und Verwaltungsrecht

Die juristische Lehre vom Staat, als solche schon nur Wissenschaft eines Aspektes ihres Wissenschaftsobjekts, zerfiel i n weitere Teillehren. Verbannung des Staatsbürgers i n die Stellung des Objektes der Staatsgewalt (ebd., S. 43 ff., 220 fï.). Z u den Einzelheiten vgl. v. Oertzen, Die soziale Funktion, S. 203 ff. — W i r k s a m wurde jedenfalls n u r das formale Gerippe seines „ j u r i s t i schen Systems" : Herrschaft, Staatsgewalt, Juristische Person. 175 So E.-W. Böckenförde, Die Historische Rechtsschule, S. 15; Böckenförde sieht als die diese Vorstellung tragende philosophische Grundauffassung Schellings organisches Identitätsdenken an. Eine (auch indirekte) Beeinflussung Savignys durch Schelling schätzt sehr gering ein A. Hollerbach, Der Rechtsgedanke bei Schelling, 1957, S. 257 ff. Böckenförde h ä l t die W i r k u n g Schellings auf Savigny über den Schellingschüler F. J. Stahl f ü r „recht u n m i t telbar" (ebd., S. 21, A n m . 39). — Der Unterschied der Savignyschen Volksgeistlehre zu Hegel, der die Entsprechung von Recht und sozialer Wirklichkeit der menschlichen Tat überantwortete u n d deshalb die Positivität des gesetzten Rechts betonte, ist i m Anschluß an den § 211 der „Rechtsphilosophie" wiederholt hervorgehoben worden; vgl. Böckenförde, ebd., S. 20; Scheuner, Hegel u n d die deutsche Staatslehre, a. a. O., S. 139. M a n w i r d jedoch beachten müssen, daß Hegel die Deutung ermöglicht hat, von „höherem Standpunkte" aus erscheine diese menschliche Tat als Moment der Selbstbewegung des Geistes. Aus der älteren L i t e r a t u r vgl. noch S. Brie, Der Volksgeist bei Hegel u n d i n der historischen Rechtsschule, i n : A R W P 2 (1908—1909), S. 1 ff., 179 ff. 176 Vgl. dazu die Interpretation von v. Oertzen, Die soziale Funktion, S. 213. 177 Die Neubetonung der Staatszwecklehre durch G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 230 ff., blieb eine Episode. Sie w a r bei i h m nicht i m normativen T e i l seines Werkes, sondern i n der Soziallehre des Staates untergebracht, was auf ein tiefes Mißverständnis schließen läßt. Anders jedoch A. Haenel (vgl. dazu unten § 10). Z u Jellinek vgl. K . Hespe, Z u r Entwicklung der Staatszwecklehre, S. 17 f.

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Das Staatsrecht wurde auf die beiden Gebiete des Verfassungs- und Verwaltungsrechts aufgeteilt 178 . Vorbereitet durch die polizeiwissenschaftliche Konzentration auf die innere Verwaltung und gefördert durch die Errichtung der Administrativjustiz 1 7 9 fand das Verwaltungsrecht zunehmend intensivere Behandlung als eigene wissenschaftliche Disziplin, die — wie erstmals 1831 i n Mohls „Staatsrecht des Königreichs Württemberg" — auch i n der Darstellung abgesondert wurde 1 8 0 . I n ihr wurden von den Autoren, die der sog. „staatswissenschaftlichen Methode" folgten 181 , die Aufgabenbereiche der Verwaltung systematisiert. Eine radikalere Distanzierung der beiden Disziplinen bewirkten die Ausführungen Gerbers, der i n seinen „Grundzügen" entschieden eine Absonderung des „größten Teils des Stoffs, den man unter dem Namen ,Verwaltungsrecht' zu begreifen pflegt", vom Staatsrecht forderte, m i t dem es „ i n keinem engeren Zusammenhang steht als das Straf- oder Prozeßrecht" 182 . Die sorgfältige Pflege des Verwaltungsrechts als ein besonderes Lehrstück entsprach zweifellos einem Bedürfnis der Zeit. Die wissenschaftliche Aufbereitung eines gemeinen deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, die Gerber und Otto Mayer sich zum Ziele gesetzt hatten 1 8 3 , war nur i n Arbeitsteilung zu leisten. Bedenklich mußte sich aber die Trennung und Isolierung beider Wissenschaftsgebiete auswirken. War bei Mohl Sinn seiner an der Gewaltenteilungslehre orientierten Gliederung des Staatsrechts i n Verfassungs- und Verwaltungsrecht gerade die „Verrechtlichung" der Verwaltung durch ihre rechtsstàatliche Abhängigkeit 178 Z u m Folgenden vgl. insbes. P. Badura, Verwaltungsrecht i m liberalen u n d i m sozialen Rechtsstaat, 1966 (zitiert: Verwaltungsrecht I ) ; ders., Das V e r w a l tungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967 (zitiert: Verwaltungsrecht I I ) ; vgl. auch H.-J. Feist, Die Entstehung des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin, Diss. j u r . K ö l n 1967, der den Prozeß der Verselbständigung des Verwaltungsrechts u n d den Sieg der „juristischen Methode" jedoch zu unkritisch ausschließlich als Fortschrittsprozeß würdigt. 179 Vgl. dazu W. Rüfner, Verwaltungsrechtsschutz i n Preußen von 1749 bis 1842,1962, S. 149 ff.; Feist, a. a. O., S. 81 ff. 180 R. v. Mohl, Das Staatsrecht des Königreiches Württemberg, 1. Theil, Das Verfassungsrecht, 1829; 2. Theil, Das Verwaltungsrecht, 1831. 181 Hierher w i r d i n der Regel auch L. v. Stein gezählt. Aus dem Kreise der anderen Autoren ragt er aber als eigenständige Größe heraus (vgl. zu Stein unten § 8 V ) . Nachweise zur „Staatswissenschaftlichen Methode" bei Badura, Verwaltungsrecht I I , S. 13, 53; Feist, a. a. O., S. 141 ff., 165 ff. 182 Gerber, Grundzüge, Vorrede zur 1. Aufl. 1865, S. I X . Hier scheidet also das Verwaltungsrecht — anders als bei M o h l — aus dem Staatsrecht überhaupt aus: „Dem Systeme des Staatsrechts gehört n u r soviel an, als erforderlich ist, u m das (!) Willensbereich des Staats i m Allgemeinen zu charakterisieren . . . Die Systematisierung des Staatsrechts nach den Rubriken ,Verfassungs-' u n d Verwaltungsrecht 4 ist daher wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen" (ebd., S. 5, A n m . 3, Hervorhebung i m Original). 183 Gerber, Grundzüge, 1. Aufl. 1865, S. 10 f.; anders noch i n : Über öffentliche Rechte, 1852, S. 11 ff.

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von der Verfassung gewesen 184 , waren bei den Autoren der staatswissenschaftlichen Methode durch die zentrale Bedeutung der „Aufgabe" immerhin Verfassung und Verwaltung i n Beziehung gesetzt, — der Formalismus ermöglichte ihre Trennung bis zur Beziehungslosigkeit und die beziehungslose Fremdheit verstärkte ihrerseits den Prozeß der Formalisierung und Entpolitisierung, so daß Otto Mayer glauben konnte, die grundstürzenden Ereignisse des Jahres 1918 seien für das Verwaltungsrecht ohne Bedeutung 185 . V. Die wissenschaftliche Behandlung des Armenwesens als Beispiel des Differenzierungs- und Formalisierungsprozesses W i r haben i m Ersten Teil (§ 5 I) die Geschichte des Armenwesens als ein Moment i m Prozeß des Auseinandertretens von Staat und Gesellschaft dargestellt und die Verhältnisbestimmungen von „öffentlicher" und „freier" Wohlfahrtspflege als Formeln der Trennung und Entgegensetzung begriffen. W i r sind nun i n der Lage, diese Feststellungen genauer einzuordnen und ihre Bedeutung differenzierter zu verstehen. Die i n der Geschichte der Wohlfahrtspflege ablesbare reale Entwicklung zum Dualismus des Institutionen-Staates und einer prinzipiell staatsfreien Wirtschaftsgesellschaft spiegelt sich i n der wissenschaftlichen Behandlung des Armenwesens wider und w i r d gerade i n dieser Spiegelung i n ihren Zusammenhängen und Konsequenzen überschaubar. I n der wissenschaftsgeschichtlichen Differenzierung und Formalisierung w i r d die Lehre vom material Öffentlichen zerrieben, die Lehre vom Staatszweck verliert ihre zusammenhaltende K r a f t : i n der Entwicklung von der älteren Polizeiwissenschaft zur formalen Rechtsstaatsdoktrin einerseits 188 , i n der Entpolitisierung und Privatisierung der Lehre von den „gesellschaftlichen" Assoziationen andererseits ist der Prozeß der Polarisierung ablesbar, an dessen Ende „öffentliche" und „private" Institutionen und Einrichtungen einander beziehungslos gegenüberstehen und nur mühsam, gleichsam nachträglich wieder „ i n Verhältnis" zueinander gesetzt werden müssen. So lange das gemeinwohlorientierte Gemeinwesen Gegenstand der Staatslehre war und i n ihr die alte Vorstellung von der Bindung der Obrigkeit an einen ihr vorgeordneten Zweck, standen die öffentlichen 184 185

1924.

Vgl. Badura, Verwaltungsrecht I I , S. 22 f. O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, i m V o r w o r t zu Bd. I der 3. Aufl.,

186 Z u r Formalisierung des Rechtsstaatsgedankens insbes. Scheuner, Begriff u n d E n t w i c k l u n g des Rechtsstaats, i n : Dombois-Wilkens (Hg.), Macht und Recht, 1956, S. 76 ff.; ders., Die neuere E n t w i c k l u n g des Rechtsstaats i n Deutschland, i n : Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, 1960, S. 229 ff.; vgl. auch H. Maier, Polizeiwissenschaft, S. 244 ff.

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Aufgaben der öffentlichen Gewalten i m Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses, unter ihnen an hervorragender Stelle die Hilfe für die Armen. Aber die „gute Polizei" war allzu häufig auch eine lästige Polizei und wurde vom erstarkenden Bürgertum nicht als die willkommene Sorge des „Landesvaters", sondern als störende Intervention i n die eigene Sphäre betrachtet 187 . I n diesem Sinne bezeichnet K a n t von den möglichen Regierungen „eine väterliche (regimen paternale) als die am meisten despotische unter allen (Bürger als Kinder zu behandeln)" 188 ; Wilhelm von Humboldt radikalisiert i n seinem frühen „Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen" die kantischen Gedanken: „Der Staat enthalte sich aller Sorgfalt für den positiven Wohlstand der Bürger, und gehe keinen Schritt weiter, als zu ihrer Sicherstellung gegen sich selbst und gegen auswärtige Feinde notwendig ist; zu keinem andren Endzwecke beschränke er ihre Freiheit 1 8 9 ." Vergeblich pries Carl L u d w i g von Haller den alten Patrimonialstaat als „das einzig wirksame Abhilfsmittel der allgemeinen Verarmung und Verdienstlosigkeit" 1 9 0 . Aber auch der idealtypische Entwurf Humboldts stand (noch) nicht i n Kongruenz m i t den Tendenzen seiner Zeit 1 9 1 . Und selbst als diese Tendenzen sich dem Entwurf Humboldts näherten, wehrte Rudolf von Gneist, wie oben berichtet (vgl. § 5 II), die Konsequenzen einer streng formalen Rechtsstaatskonzeption ab, wenn er 1869 gegenüber Victor Böhmert die untrennbare Zusammengehörigkeit von obligatorischer und freiwilliger Armenpflege hervorhob. Es ist nicht von ungefähr, daß dieser Protest von Gneist formuliert wurde, gehört er doch an das Ende der 187 Der Polizeigedanke des modernen Staats, 1918, Vgl. dazu K . Wolzendorff, S. 53 f., 57, 63, 87—130 (zum Polizeigedanken der Restauration) ; E. Denninger, Polizei i n der freiheitlichen Demokratie, 1968, S. 28 ff. 188 I. Kant, Metaphysik der Sitten (1797), Rechtslehre, § 49. Beachte die positive Stellungnahme zur staatlichen Armenpflege, ebd., A l l g . A n m . C nach §49. lee w. v. Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen (1792), Nachw. v. D. Spitta, 1962, S. 44; vgl. auch S. 27: „Ich rede daher hier v o n dem ganzen Bemühen des Staats, den positiven Wohlstand der Nation zu erhöhen, von aller Sorgfalt f ü r die Bevölkerung des Landes, den Unterhalt der Einwohner, teils geradezu durch Armenanstalten, teils mittelbar durch Beförderung des Ackerbaus, der Industrie u n d des H a n dels, . . . kurz von jeder Einrichtung des Staats, welche das physische W o h l der Nation zu erhalten oder zu befördern die Absicht hat. . . . A l l e diese Einrichtungen nun, behaupte ich, haben nachteilige Folgen u n d sind einer wahren, von den höchsten, aber i m m e r menschlichen Gesichtspunkten ausgehenden P o l i t i k unangemessen." Humboldts „Ideen" erschienen als Ganzes erst nach dem Tode des Verfassers i m Jahre 1851 ; einzelne Abschnitte — darin auch die zuletzt zitierte Stelle — waren jedoch schon zu seinen Lebzeiten i n der „ B e r linischen Monatsschrift" u n d i n Schillers „Neuer Thalia" veröffentlicht w o r den (D. Spitta, a. a. O., S. 177, vgl. S. 20). 190 C. L. v. Haller, Die wahren Ursachen und die einzig wirksamen Abhülfsm i t t e l der allgemeinen Verarmung u n d Verdienstlosigkeit, 1850. lei Ygi. f . Müller, Korporation u n d Assoziation, S. 229, 335.

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Tradition, die „die höhere Bestimmung des Staats als eines selbstständigen Lebensorganismus noch festhält" 1 9 2 . Hegel hatte zwar — i n Ubereinstimmung m i t einer Grundlinie der Romantik — den Zweck des Staates i n den Staat hineingenommen und den Staat zum Selbstzweck erklärt (RPh, § 258) 193 ; zugleich aber stellte er Staat und Gesellschaft i n die „Sittlichkeit" und damit i n die immanente Teleologie einer vernünftigen politischen Gesamtordnung, i n der auch das Problem der A r m u t nicht unbedacht bleiben konnte (2.). Die bei Hegel umrißhaft gegebenen Zusammenhänge werden bei Lorenz von Stein scharf als spezifisches Problem der Industriegesellschaft, als „soziale Frage" erfaßt (3.), ein Thema, dem sich auch schon die materiale Rechtsstaatslehre Robert von Mohls ausführlich gewidmet hatte (1.). Dabei brachte die Suche nach einer sachgerechten Problemlösung ganz selbstverständlich auch die gesellschaftlichen Kräfte i n das Blickfeld, vor allem die der Fürsorge sich widmenden Vereine. Indem diese i n ihrer Bedeutung für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben gewürdigt wurden, erhielt ihre freie Rechtsstellung eine gleichsam öffentliche Potenz. Das k l i n g t bei Mohl an und ist bei L. v. Stein zentrales Lehrstück. Erst der Positivismus eliminierte den Zweck endgültig aus der Staatslehre und m i t i h m die soziale Hilfe aus dem primären Aktionsfeld des Staates. Als „Staatspflege" wurde sie von den Autoren der staatswissenschaftlichen Methode noch mitgeführt; i n Darstellungen, die unter der Tutel der juristischen Methode standen, war für sie kein Platz mehr (4.); sie suchte Unterschlupf bei der Volkswirtschaftspolitik (5.) und etablierte sich schließlich als selbständige, aber auch isolierte Fürsorgewissenschaft (6.). 1. Die Polizeiwissenschaft (Robert von Mohl)

Robert von Mohl hat der Tendenz seiner Zeit zur Formalisierung des Rechtsstaats durch eine Reduktion auf den Rechtszweck widersprochen. 192 R. v. Gneist, Der Rechtsstaat u n d die Verwaltungsgerichte i n Deutschland, 2. Aufl. 1879, S. 29. 193 Die E n t w i c k l u n g der These der organischen Staatslehre, daß der Staat sich selbst Zweck sei, bei F. W. J. Schelling, Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums, 1803; Adam Müller, Elemente der Staatskunst (1809), Hrsg. v. J. Baxa, 1922, I, S. 48 f. Z u r Interpretation G. Jellineks, A l l gemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1960, S. 232, diese organische Theorie sei „eben n u r ein anderer Ausdruck f ü r die Negation des objektiven Zweckes", vgl. die grundlegende K r i t i k bei K . Hespe, Z u r E n t w i c k l u n g der Staatszwecklehre, S. 17 ff. Die Selbstzweckthese suchte gegenüber der instrumentalen u n d „mechanistischen" Staatsauffassung des 18. Jahrhunderts die Würde des Staates fester zu begründen, indem sie den Staatszweck statt als bewußt gesetzte äußere N o r m als immanentes sittliches Prinzip auffaßte; vgl. i n diesem Sinne A. Müller, a.a.O., S. 49: „Ordnung, Freiheit, Sicherheit, Recht, die Glückseligkeit A l l e r sind erhabene Ideen für Den, der sie ideenweise auffaßt; der Staat . . . ist aber zu groß, zu lebendig, u m sich, den Wünschen der Theoretiker gemäß, Einem dieser Zwecke ausschließlich u n d allein h i n zugeben: der dient ihnen allen, er dient allen gedenkbaren Zwecken, w e i l er sich selbst dient."

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I n seiner materialen Rechtsstaatstheorie sucht er den „polizeilichen" Wohlfahrtsstaat der älteren mit dem formalen Rechtsstaat der jüngeren Lehre zu versöhnen. Gegenüber der Unvollständigkeit einer „namentlich von der Kantischen Naturrechtsschule" gegebenen Begriffsbestimmung des Staates „bloß als eine Anstalt zur Sicherung der Rechte" 194 geht Mohl vom Zweck des Staates aus und gelangt von dort zu einer umfassenderen Auffassung. Der Zweck des Staates, die Förderung der allgemeinen vernünftigen Lebenszwecke des Volkes, bestimmt auch i m Rechtsstaat den Umfang der Staatstätigkeit; zweierlei hat der Rechtsstaat seinen Angehörigen zu leisten: „Einmal hat er dafür zu sorgen, daß sie i n der Verfolgung vernünftiger und erlaubter Ausbildung und A n wendung ihrer Kräfte nicht durch ungerechten Willen Anderer gewaltsam gestört werden. Zweitens muß er durch Anwendung der i h m anvertrauten Gesamtgewalt die Unzureichenheit der einzelnen Kräfte zur Erreichung vernünftiger Lebenszwecke ergänzen und dadurch diese Zwecke fördern. Er hat Schutz und Unterstützung zu gewähren 195 ." Schutz durch die Rechtspflege und Unterstützung durch die Polizei dürfen sich jedoch nur i n den Bahnen des Rechts bewegen. „Heilighaltung alles Rechtes ist der erste Grundsatz i n einem Rechtsstaate; doppelt so, wenn es sich nicht von Einzelnen, sondern von der Gesamtheit handelt 1 9 6 ." Die Bewahrung der Wohlfahrtsidee i m Rechtsstaat und die Verrechtlichung der staatlichen Wohlfahrtssorge sind die beiden Seiten der Mohlschen Rechtsstaatslehre 197 . I n i h r hat auch eine ausführliche Darstellung der Armen-Polizei ihren Ort, die „einen immer mehr sich verbreiternden, allmählich mit der ganzen Literatur zur sozialen Frage gesättigten Traktat" darstellt 1 9 8 . Ausführlich w i r d von den Grundsätzen der Armenpolizei, den Ursachen der Armut, den Mitteln zu ihrer Beseitigung und den Einzelheiten einer individualisierenden, ehrschonenden Armenunterstützung gehandelt 199 . 194 R. v. Mohl, Die Polizei-Wissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaates, Bd. I , 3.Aufl., 1866, S. 5, A n m . 1. M o h l fügt hinzu: „ W e r möchte u n d könnte i n einem Staate leben, der n u r Justiz übte, allein gar keine polizeiliche Hilfe eintreten ließe?" 195 Polizei-Wissenschaft, I, S. 5. lee Polizei-Wissenschaft, I, S. 29, vgl. 19 ff.; das Recht bestimmt das polizeiliche Handeln nach Gegenstand u n d Mittel, vgl. S. 39. 197 Vgl. dazu die ausführlichen Interpretationen bei E. Angermann, Robert von Mohl, 1962, S. 37 f., 97 ff. u n d H. Maier, Polizeiwissenschaft, S. 263 ff., bes. 273. Der zwischen Angermann u n d Maier geführte Disput, ob diese Rechtsstaatskonzeption etwas mehr formal oder etwas mehr material sei, erscheint müßig, w e n n man die untrennbare Zusammengehörigkeit beider „Seiten" beachtet. 198 H. Maier, Polizeiwissenschaft, S. 72. Vgl. Mohl, Polizei-Wissenschaft, S. 352 ff. 199 Grundsätze: S. 313 ff., 352 ff.; Ursachen: S. 365 ff.; M i t t e l zur A b w e h r : S. 380 ff.; Unterstützungsgrundsätze: S. 426 ff., bes. zur Individualisierung, S. 428 f., 431,462.

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Die Privatwohltätigkeit soll ihrer Vorteile wegen nicht nur nicht gehindert, sondern ermuntert und gefördert werden, nur wo sie sich als unzweckmäßig erweist, hat der Staat regulierend und verbietend einzuschreiten. Die Beziehungen des Staates zur privaten Wohltätigkeit werden nicht schematisch festgelegt, sondern von den Umständen des Einzelfalles abhängig gemacht; je nachdem kann der Staat der privaten Fürsorge ganze Gebiete überlassen, sich auf eine Subventionierung beschränken oder auch eine Agende ausschließlich i n öffentliche Verwaltung nehmen. Die kirchliche Armenpflege w i r d zur Privatarmenpflege gezählt 2 0 0 . Hatte sich Mohl noch i n der ersten Auflage der Polizei-Wissenschaft (1832) auf eine die herkömmliche Literatur zum Armenwesen rezipierende Darstellung der Einzelarmut beschränkt, so w i r d ihr seit der zweiten Auflage (1844) ein Abschnitt über „Die Massen-Armut (Proletariat)" angefügt; beide Arten werden i n der dritten Auflage (1866) unter die gemeinsame Uberschrift „Hilfe bei der Not einzelner Personen oder Klassen (Armen-Polizei)" gestellt 201 . Eine Widergabe der von Mohl hier und vertieft i n einem Aufsatz über „Die Arbeiterfrage" (1869)202 gegebenen Analysen zur sozialen Frage und der von i h m gemachten Vorschläge zu ihrer Lösung müssen w i r uns versagen 203 . Hier ging es nur darum, die sozialpolitische A k t i v i tät des Staates als Konsequenz der Rechtsstaatskonzeption Mohls zu betonen. Aus ihr ergibt sich auch die strenge Subsidiarität staatlichen Handelns und daraus folgend die Anerkennung eines freien Vereinswesens zum Zwecke der Selbsthilfe. „Es kann also schon an sich und aus allgemeinen Rechtsgründen, sodann aber auch i m Interesse einer richtigen Lösung der Arbeiterfrage die möglichste Freiheit des Vereinswesens der Arbeiter und gemeinschaftlicher Handlungen derselben verlangt werden 2 0 4 ." Mohl hat weder m i t seiner sozialen Sicht des Rechtsstaats noch m i t der bei i h m angelegten, wenn auch nicht durchgeführten politisch-funktionellen Sicht der freien Vereine eine größere W i r k u n g ausüben können. 200

Vgl. S. 315, 356 ff. Polizei-Wissenschaft, 3. Aufl., 1866, S. 464—507. Zwischen der 1. u. 2. Aufl. liegt ein Aufsatz aus dem Jahre 1835 „Über die Nachteile, welche sowohl den A r b e i t e r n selbst als dem Wohlstande u n d der Sicherung der gesamten bürgerlichen Gesellschaft v o n dem fabrikmäßigen Betriebe der Industrie zugehen u n d über die Notwendigkeit gründlicher Vorbeugungsmittel", nach Angermann, a. a. O., S. 223, „eine der ersten w i r k l i c h bedeutsamen u n d w i r kungsvollen deutschen Äußerungen zur sozialen Frage — zumindest von liberaier Seite" 202 Die Arbeiterfrage, i n : Politik, 2. Bd., 1869, S. 509—604 (Staatsrecht, V ö l kerrecht u. Politik, 3). 203 v g l . d a z u ausführlich E. Angermann, a. a. O., S. 225 ff., 277 ff. Hervorzuheben ist der Vorschlag einer Gewinnbeteiligung der Arbeiter. 204 Arbeiterfrage, a. a. O., S. 571. Vgl. hierzu insbes. F. Müller, Korporation u n d Assoziation, S. 290 ff., 323 ff. 201

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Seine Nachwirkung „ w a r nicht zuletzt deshalb verhältnismäßig so gering, w e i l die Generation nach i h m bereits i m wesentlichen positivistisch dachte, während er selbst bei aller Hinwendung zur Wirklichkeit und aller notgedrungenen Anerkennung der Tatsachen eben alles andere als ein Positivist w a r . . " 2 0 5 . 2. Hegels „Polizei" in der „Bürgerlichen Gesellschaft"

Gemessen an der vorrevolutionären Verfassung — so hat Werner Conze zusammenfassend festgestellt — „läßt sich die Gesellschaft der Zeit zwischen 1789 und 1848 i n Deutschland durch drei Grundtendenzen bezeichnen: sie wurde dekorporiert, disproportioniert und der Entsittlichung ausgesetzt" 206 . Es sind diese Grundtendenzen seiner Zeit, die Hegel philosophisch bedenkt. Er beschreibt die Dekorporierung als den Vorgang, „der von der alten bürgerlichen Gesellschaft als einer personalkorporativ gegliederten Herrschafts- und Genossenschaftsordnung zur neuen Gesellschaft als eines entgliederten ,Systems der Bedürfnisse 4 führen sollte"; er erkennt die soziale Disproportionierung, d.h. „die Sprengung des Maßes, i n dem die bürgerliche Gesellschaft vor der Revolution gehalten worden war", als die Bedingung und notwendige Folge der Auflösung der korporativen Bindungen; er sieht dies alles „ i m Zusammenhang des Problems der Entsittlichung, d.h. des Verlusts oder der Zersetzung der Sittlichkeit i n der sich entgliedernden und verzerrenden Gesellschaft des Vormärz" 2 0 7 . Wiederum sind es nicht die Einzelheiten und Lösungen, sondern die Erkenntnis der Zusammenhänge auf der Grundlage des philosophischen Zusammenhangs der Erkenntnisse, die Hegel eine für die Problemstellung überragende Position sichern: daß er das Armenproblem nicht als ethische, sondern als „soziale Frage" erkannt hat, ohne es allerdings ausdrücklich so zu bezeichnen; daß er die „soziale Frage" nicht nur als Faktum konstatiert, sondern ihre gesellschaftlich-wirtschaftlichen Bedingungen analysiert hat, ohne die politische Dimension zu vernachlässigen. Wenn dennoch gerade hier die Grenzen des Hegeischen Denkens zutage treten i n der Zementierung überholter politischer Institutionen, so vermögen w i r dies als ein Symptom der Verstrickung zu durchschauen, die dieses Denken doch wieder an die zurückgebliebenen deutschen, politisch obrigkeitsstaatlichen, wirtschaftlich noch weitgehend vorindustriellen Verhältnisse bindet. Die Ausführungen Hegels zur Armenfrage erschließen sich dem Verständnis wiederum nur, wenn ihre systematische Stellung beachtet 205

E. Angermann, Robert von Mohl, S. 49. W. Conze, Das Spannungsfeld von Staat u n d Gesellschaft i m Vormärz, i n : Staat u n d Gesellschaft i m deutschen Vormärz, 1962, S. 207 ff., 248 ff. 207 W. Conze, ebd., S. 248,250,258. 206

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wird 2 0 8 . Alle Ausführungen zu diesem Thema finden sich i m Mittelabschnitt der „Sittlichkeit", der über „Die bürgerliche Gesellschaft" handelt. Ihre zentrale Bedeutung für diesen Abschnitt ergibt sich schon daraus, daß das Thema bereits i n den grundsätzlichen Paragraphen aufgenommen wird, die den Einzelschritten dieses Abschnitts vorangestellt sind. Nachdem die bürgerliche Gesellschaft als „System der Bedürfnisse" beschrieben ist, schildert § 185 die antagonistische Struktur dieses Systems, das i n den Gegensätzen von subjektiver W i l l k ü r und allseitiger Abhängigkeit „das Schauspiel ebenso der Ausschweifung, des Elends und des beiden gemeinschaftlichen physischen und sittlichen Verderbens" darbietet. Wenn i m „Zusatz" hinzugefügt w i r d : „ . . . die Verworrenheit dieses Zustandes kann nur zu seiner Harmonie durch den ihn gewältigenden Staat kommen", so ist man gespannt, wie der Staat die naturwüchsigen Prozesse der Gesellschaft zu „gewältigen" i n der Lage sein mag. Es ist die Aufgabe der Polizei, gegenüber den i n der W i r t schaftsgesellschaft m i t Notwendigkeit entstehenden Ungleichheiten (vgl. § 200) für einen gewissen Ausgleich zu sorgen 209 . Zwischen dem w i r t schaftsliberalen Laissez-faire, das die Polizei nur als reine Sicherheitspolizei duldet, und Fichtes weit gefaßtem Polizeibegriff („das andere Extrem die Versorgung, so wie die Bestimmung der Arbeit aller durch öffentliche Veranstaltung") sucht Hegel einen „dritten Weg" (vgl. § 236). Primär soll „die Möglichkeit der Teilnahme an dem allgemeinen Vermögen für die Individuen . . . durch die öffentliche Macht" m i t w i r t schaftskonformen Mitteln gesichert werden (§ 237). Solch indirekter Ausgleich reicht aber bei der Fülle der subjektiven und objektiven Armutsfaktoren nicht aus, die A r m u t zu beseitigen, die Hegel als einen Zustand beschreibt, der den Individuen die Bedürfnisse der bürgerlichen Gesellschaft läßt, sie dagegen aller Vorteile der Gesellschaft mehr oder weniger verlustig macht. „Die allgemeine Macht übernimmt die Stelle der Familie bei den Armen ebenso sehr i n Rücksicht ihres unmittelbaren Mangels, als der Gesinnung der Arbeitsscheu, Bösartigkeit, und der weiteren Laster, die aus solcher Lage und dem Gefühl ihres Unrechts entspringen (§ 241)." Dieser öffentlichen Verantwortung der Gesellschaft entspricht die Aufgabenverteilung zwischen öffentlicher Armenpolizei und privater Liebestätigkeit. Es „geht das Streben der Gesellschaft dahin, i n der Notdurft und ihrer Abhilfe das Allgemeine herauszufinden und zu veranstalten". „Der öffentliche Zustand i s t . . . für u m so vollkommener zu achten, je weniger dem Individuum für sich nach seiner besondern 208 v g l . z u m Folgenden die oben gegebene Darstellung der „Bürgerlichen Gesellschaft": § 81111c). 209 Z u m Polizeibegriff Hegels vgl. H. Maier, Polizeiwissenschaft, S. 282 ff. Zur Behandlung der „sozialen Frage" allgemein: P. Vogel, Hegels Gesellschaftsbegriff, 1925, S. 52 ff., 112 ff. Z u r entsprechenden Problematik i n der Jenaer Periode vgl. G. Lukâcs, Der junge Hegel, S. 410 ff.

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Meinung, i m Vergleich m i t dem, was auf allgemeine Weise veranstaltet ist, zu t u n übrig bleibt." „Der Mildtätigkeit bleibt noch genug für sich zu t u n übrig, und es ist eine falsche Ansicht, wenn sie der Besonderheit des Gemüts und der Zufälligkeit ihrer Gesinnung und Kenntnis diese Abhilfe der Not allein vorbehalten wissen w i l l , und sich durch die verpflichtenden allgemeinen Anordnungen und Gebote verletzt und gekränkt fühlt (§ 242)". Bewegt Hegel sich bisher i n den herkömmlichen Bahnen der „Verhältnisbestimmungen", so faßt er das Problem i n den §§ 243 bis 245 i n einem neuen Anlauf grundsätzlicher als das „vorzüglich die modernen Gesellschaften bewegende und quälende": Die Akkumulation des Kapitals auf der einen, die m i t der modenen Arbeitsteilung verbundene Entfremdung des Arbeiters auf der andern Seite schafft eine besondere, m i t den bisher bekannten Formen der A r m u t nicht vergleichbare „ A b hängigkeit und Not der an diese Arbeit gebundenen Klasse, womit die Unfähigkeit der Empfindung und des Genusses der weiteren Freiheiten und besonders der geistigen Vorteile der bürgerlichen Gesellschaft zusammenhängt (§ 243)". „Das Herabsinken einer großen Masse unter das Maß einer gewissen Subsistenzweise, . . . bringt die Erzeugung des Pöbels hervor, die hinwiederum zugleich die größere Leichtigkeit, unverhältnismäßige Reichtümer i n wenige Hände zu konzentrieren, m i t sich führt (§ 244) 210 ." Hegel diagnostiziert die systembedingte Ausweglosigkeit der Situation: eine direkte Alimentation dieser neuen Schicht von Armen wäre nicht durch die Arbeit vermittelt, „was gegen das Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft und des Gefühls ihrer Individuen von ihrer Selbständigkeit und Ehre wäre" ; ein Arbeitsbeschaffungsprogramm würde die Menge der Produktionen vermehren, „ i n deren Überfluß und dem Mangel der verhältnismäßigen selbst produktiven Konsumenten, gerade das Übel bestehet, das auf beide Weisen sich nur vergrößert". Und er zieht Bilanz: „Es kommt hierin zum Vorschein, daß bei dem Übermaße des Reichtums die bürgerliche Gesellschaft nicht reich genug ist, d. h. an dem ihr eigentümlichen Vermögen nicht genug besitzt, dem Übermaße der A r m u t und der Erzeugung des Pöbels zu steuern (§ 245)." Bleibt da nur der resignierende Hinweis auf das i n Schottland erprobte

210 Der Begriff des „Proletariats" ist Hegel noch unbekannt; vgl. dazu W. Conze, V o m „Pöbel" zum „Proletariat", i n : Moderne deutsche Sozialgeschichte, 1966, S. 111 ff. „Pöbel — das w a r das V o l k unterhalb der ständischen Geltung, »außerhalb der Ehren der Arbeit 4 (W. H. Riehl). Es w a r die zahlreiche Schicht unterhalb der Vollbauern und zünftigen Handwerksmeister, gleichsam die Unterständischen, die aber doch ständisch gebändigt waren: ,ordo plebejus' oder ,Pöbelstand' (ebd., S. 113)." Hegels Begriff des „Pöbels" steht zwischen dieser älteren ständisch orientierten Verwendung dieses Begriffs u n d dem Begriff „Proletariat" als Bezeichnung f ü r das prinzipiell Andersartige des industriellen Massenelends.

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Mittel, „die Armen ihrem Schicksal zu überlassen und sie auf den öffentlichen Bettel anzuweisen" 211 ? Die Folgen einer solchen Endgültigkeit der Aporie wären für die politische Philosophie Hegels katastrophal: eine solche Gesellschaft könnte ihre systematische Funktion einer Vorstufe des Staates nicht erfüllen, sie müßte sich der „Aufhebung" i n die „Wirklichkeit der sittlichen Idee" widersetzen, da das Sittliche ihr ganz fremd wäre; i n Hegels Philosophie muß die Gesellschaft sozial gerecht sein, damit der Staat sittlich sein kann. W i r wissen bereits, daß Hegel auf die ständische Struktur der Gesellschaft zurückgreift, u m diese unwillkommenen Konsequenzen zu vermeiden: Es ist „die Bestimmung der Korporation", daß das Sittliche als ein Immanentes i n die bürgerliche Gesellschaft zurückkehrt (§ 249). M i t der wirtschaftlichen Ungleichheit produziert die Gesellschaft zugleich die Stände als „die Wurzel, durch die die Selbstsucht sich an das Allgemeine, an den Staat knüpft, dessen Sorge es sein muß, daß dieser Zusammenhang ein gediegener und fester sei" (§201, Zusatz). A l l e i n die Korporation kann der Entstehung des Pöbels i n ihren Ursachen wehren. „ I n der Korporation verliert die Hilfe, welche die A r m u t empfängt, ihr Zufälliges, so w i r ihr m i t Unrecht Demütigendes, und der Reichtum i n seiner Pflicht gegen seine Genossenschaft, den Hochmut und den Neid, den er, und zwar jenen i n seinem Besitzer, diesen i n den Anderen erregen kann, — die Rechtschaffenheit erhält ihre wahrhafte Anerkennung und Ehre (§ 253)". 3. Die Verwaltungslehre (Lorenz von Stein)

Lorenz von Stein gibt i n seinem „Handbuch der Verwaltungslehre", der knappen Zusammenfassung seines Systems, eine i n die Einzelheiten gehende Darstellung des Armenwesens 212 . Seine Ausführungen sind weniger durch die Details als durch den Zusammenhang, i n den sie gestellt sind, bemerkenswert. Sie stehen i m dritten Teil des „Systems der inneren Verwaltung", der „Die Verwaltung und das gesellschaftliche 211 H. Maier, Polizeiwissenschaft, S. 284, sieht i n der i n §249 der Polizei gestellten Aufgabe, „als höhere Leitung Vorsorge f ü r die Interessen (§246), die über diese Gesellschaft hinausführen", zu tragen, ein sowohl evolutionär w i e revolutionär zu deutendes Programm; hier werde der Polizei ( = Sozialpolitik) die Aufgabe einer planenden Zukunftssorge gesetzt für den Fall, daß die Selbststeuerungsmechanismen der bürgerlichen Gesellschaft versagen sollten. — W i r möchten hier Zweifel anmelden, ob diese Stelle eine so extensive Auslegung trägt. Der Verweis auf § 246 deutet doch w o h l darauf hin, daß hier weniger an ein sozialpolitisches Programm gedacht ist, dessen möglicher systematischer Ort angebbar sein müßte, als an politische Unterstützung beim Aufschluß neuer M ä r k t e „über diese bestimmte Gesellschaft hinaus", einschließlich der Kolonisation (vgl. § 248). 212 L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre u n d des Verwaltungsrechts, 1870, S. 419—439; 2. Aufl., 1876, S. 796—818.

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Leben" überschrieben ist, dort i m Abschnitt über „Die Verwaltung und die gesellschaftliche Not"; ihnen folgt ein Abschnitt „Die Verwaltung und die gesellschaftliche Entwicklung", der der „Sozialen Frage" gewidmet ist. Dieser systematische Zusammenhang und die i h n bestimmenden Grundbegriffe „Verwaltung" und „Gesellschaft" sind nur aus dem Ganzen des Steinschen Denkens verständlich. Gerade darin erweist sich dieses als „der große und i m 19. Jahrhundert wohl letzte Versuch, i n der Nachfolge Hegels die Gesamtwirklichkeit des geschichtlichen Geschehens als Einheit zu begreifen. ,Ideelles' und Materielles 4 nicht zu isolieren und gegeneinanderzustellen, sondern die Ideen eingebettet i n das reale Geschehen und als dessen bewegende Kraft, dieses als durch die Impulse der Ideen i n den handelnden Menschen bestimmt und geformt zu begreifen und so i n das Zentrum geschichtlicher Bewegung vorzudringen" 2 1 3 . Wie Hegel begreift Stein die freie einzelne Persönlichkeit, die i n d i v i duelle Selbstbestimmung als „die wirkende K r a f t für das gesamte persönliche Leben i n Wirtschaft, Gesellschaft und Staat" 2 1 4 . Wie Hegel ist i h m die „déclaration des droits de l'homme et du citoyen" die erste öffentliche Anerkennung dieser Idee der freien und gleichen Persönlichkeit 2 1 5 . Aber anders als bei Hegel w i r d die Gesellschaft „nicht mehr als ein dem Staate eingefügtes Feld wirtschaftlicher Auseinandersetzung gesehen, sondern als der eigentliche Mittelpunkt des geschichtlichen Vorganges und des Ringens u m die Freiheit" 2 1 8 ; das führt zu einer stärkeren Betonung des ökonomischen und dadurch zu einer klareren Erfassung der Klassenstruktur der Gesellschaft. Es ist die gegenüber Hegels bürgerlicher Gesellschaft fortgeschrittene Industriegesellschaft, die sich i n dieser Differenz reflektiert 217 . Stein hat seine Grundbegriffe i n der monumentalen „Geschichte der sozialen Bewegung i n Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage" entwickelt, die 1850 erschienen ist. I n i h r hat er den Gegensatz zwischen der Idee eines Staates, der i m hegelschen Sinne als die Wirklichkeit der konkreten Freiheit, als die „Wirklichkeit

213 E.-W. Böckenförde, Lorenz von Stein als Theoretiker der Bewegung von Staat u n d Gesellschaft zum Sozialstaat, i n : Alteuropa u n d die moderne Gesellschaft, 1963, S. 248 ff., 250. 214 L. v. Stein, Gegenwart u n d Z u k u n f t der Rechts- u n d Staatswissenschaft Deutschlands, 1876, S. 213. 215 L. ν . Stein, Geschichte der sozialen Bewegung i n Frankreich v o n 1789 bis auf unsere Tage (1850), I, S. 213 (zitiert: Soz. Bewegung). 216 17. Scheuner, Hegel u n d die deutsche Staatslehre des 19. u n d 20. Jahrhunderts, a. a. O., S. 144. Vgl. P. Vogel, Hegels Gesellschaftsbegriff, 1925, S. 199. 217 P. Vogel, Hegels Gesellschaftsbegriff, S. 127; E.-W. Böckenförde, Lorenz von Stein, S. 263. — A u c h der Rechtshegelianismus ist m i t dem Fortschreiten der gesellschaftlichen W i r k l i c h k e i t über die sozialpolitische Position Hegels hinausgekommen; vgl. dazu H. Lübbe, Politische Philosophie, S. 73 ff.

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der sittlichen Idee" 2 1 8 begriffen wird, und der faktischen Wirklichkeit der auf Besitz und Interesse basierenden Klassengesellschaft scharf herausgearbeitet. Er hat die Aporie zwischen der Idee des Staates als einer allgemeinen Ordnung der Freiheit und Gleichheit und der W i r k lichkeit einer Klassenherrschaft und eines Klassenrechtes beschrieben und als Ausweg seiner Zeit das „Soziale Königtum" als eine neutrale Instanz über allen Interessen empfohlen. W i r müssen uns hier eine Würdigung und K r i t i k dieses Werkes versagen, eine Würdigung, die die Treffsicherheit vieler Einzelanalysen und -prognosen anzuerkennen, eine K r i t i k , die vor allem die Unableitbarkeit der neutralen Instanz aus den beschriebenen Antagonismen zu vermerken hätte 2 1 9 . Wichtig ist für uns der Hinweis, daß Stein schon i n diesem Werk eine Unterscheidung der herkömmlichen A r m u t von der neuen, industriegesellschaftlich bedingten sozialen Frage gibt 2 2 0 , eine Klärung, die dann i m Schrifttum allgemein aufgenommen wurde, wie uns das Beispiel Robert von Mohls zeigte. I n den späteren Schriften w i r d die These vom Klassencharakter des Staates zwar nicht zurückgenommen 221 , i n der auf Freiheit und Gleichheit gerichteten Tätigkeit gesellschaftlicher Vereine jedoch ein Instrumentarium der Vermittlung zwischen Gesellschaft und Staat gesehen 222 . Für Stein folgt die soziale Aufgabe des Staates schon aus seinem Begriff. Als die „zur selbständigen Persönlichkeit erhobene Gemeinschaft" 223 ist der Staat seiner Idee nach auf die möglichst vollkommene Ausbildung der Persönlichkeit aller einzelnen gerichtet und zugleich durch diese bedingt, es w i r d „das Maß der Entwickelung aller einzelnen 218 Soz. Bewegung, I, S. 46. Vgl. die grundlegende Entwicklung der Begriffe i n der Einleitung: „Der Begriff der Gesellschaft u n d die Gesetze i h r e r Bewegung", a. a. O., S. 9—149. 219 Soz. Bewegung, I I , 1. T e i l : „Die industrielle Gesellschaft, ihre Herrschaft u n d i h r Gegensatz", S. 13—118, insbes. S. 48 ff. (Das konstitutionelle Königtum). Vgl. dazu kritisch E. Angermann, Z w e i Typen des Ausgleichs gesellschaftlicher Interessen durch die Staatsgewalt, i n : Staat u n d Gesellschaft i m deutschen Vormärz, 1962, S. 182. Positiver dagegen die Interpretation von E.-W. Böckenförde, Lorenz von Stein, S. 268: „Das »soziale K ö n i g t u m ' ist nicht ein abstraktes Postulat, nicht Erfordernis des theoretischen Systems, nicht Flucht aus dem Antagonismus der Gesellschaft: es ist die einzige, aber auch echte Chance des geschichtlichen Königtums, w e n n es überleben w i l l . " 220 Soz. Bewegung, I, S. 133 ff., I I , S. 83 ff. 221 Vgl. Handbuch, 1. Aufl., S. 393 ff.; Gegenwart u n d Zukunft, S. 212 ff. (Die staatsbürgerliche Gesellschaft u n d ihre Rechtswissenschaft). 222 v g l insbes. Die Verwaltungslehre, 1/3: Das System des Vereinswesens u n d des Vereinsrechts, 1869. Außer den bereits angegebenen Werken seien noch genannt: E. R. Huber, Lorenz von Stein u n d die Grundlegung der Idee des Sozialstaats, i n : Nationalstaat u n d Verfassungsstaat, 1965, S. 127 ff.; C. Meissner, Die soziale Komponente i n der Verwaltungswissenschaft des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Heidelberg 1966, S. 50 ff. 223 Handbuch, 2. Aufl., S. 12. Z u r Problematik dieses Staatsbegriffs vgl. Böckenförde, Gesetz, S. 146 F.

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zum Maße der Entwickelung des Staates selber" 224 . U m seine Bestimmung zu erreichen, muß der Staat „die Entwickelung, das ist das Fortkommen, den Reichtum, die K r a f t und Intelligenz aller einzelnen durch seine eigene höchste Gewalt anstreben", das ist sein Prinzip 2 2 5 . Dieses Prinzip fordert eine freie Verfassung und eine Verwaltung, die die Erhebung aller einzelnen zur vollsten, auf Gleichheit gegründeten Freiheit erstrebt 22 *. Dem Prinzip des Staates widerspricht das Prinzip der Gesellschaft 227 ; nach i h m sucht jeder einzelne seine persönliche Entwicklung durch die Unterwerfung der anderen einzelnen, seine Freiheit durch ihre Unfreiheit, seine Vollendung durch ihre Abhängigkeit 2 2 8 ; die staatsbürgerliche Gleichheit w i r d zur Ungleichheit der Klassenunterschiede. Es ist die Aufgabe der sozialen Verwaltung, „durch die Herstellung der Bedingungen der gesellschaftlichen Freiheit der gesellschaftlich unfrei gewordenen Ordnung ihre freie Bewegung wieder zu geben" 229 . N u n ist aber die gesellschaftliche Ungleichheit nicht W i l l k ü r oder Zufall, sondern das Lebensprinzip der Menschheit selbst. „Denn Leben ist auch hier Wechselwirkung, und die absolute Gleichheit ist der Tod 2 3 0 ." Kann der Staat somit nicht volle Egalität herstellen, so hat er die aufsteigende Klassenbewegung zu sichern und auf diese Weise die Idee der Gleichheit für die einzelnen zu verwirklichen. „Alle Arbeiter-, Lohn-, Armen- und Unterstützungsfragen kulminieren i n diesem einfachen Satz. Wenn jedermann wohlhabend werden kann, w i r d niemand ein Recht haben zu klagen, daß er es nicht ist 2 3 1 ." Der an das Prinzip der Gleichheit gebundene Staat kann durch seine öffentliche Verwaltung immer nur die für alle gleichen Bedingungen zu realisieren suchen, zur Anknüpfung an faktische Ungleichheiten ist er prinzipiell unfähig. Hier muß die i n Vereinen gesammelte freie Tat der einzelnen die Aufgabe des Staates übernehmen: die freie Verwaltung durch das gesellschaftliche Vereinswesen 232 . Dieses hat eine unterschiedliche Funktion: auf dem Gebiete des Armenwesens hat es nur ergänzenden Charakter (Unterstützungsvereine), seine eigentliche Bedeutung liegt i n der Lösung der sozialen Frage (Hilfsvereine). „Es gibt einen wirklichen Zustand des Mangels; es gibt aber auch einen Zustand, i n welchem nur das Gefühl des gesellschaftlichen Gegensatzes der Hilflosigkeit der niederen Klasse gegenüber der höheren das Analogon der Not bildet. Die Klasse der Armen scheidet sich von der der Besitzlosen; die Erkenntnis greift Platz, daß beides, bis 224

Soz. Bewegung, I, S. 35; Handbuch, 2. Aufl., S. 117. Soz. Bewegung, I, S. 35. 228 Soz. Bewegung, I, S. 37. 227 Soz. Bewegung, I, S. 45. 228 Soz. Bewegung, I, S. 45; Handbuch, 2. Aufl., S. 742 ff. 229 Handbuch, 2. Aufl., S. 102, 745 ff. 230 Handbuch, 2. Aufl., S. 745. 231 Verwaltungslehre, 1/3, S. 169. 232 Verwaltungslehre, 1/3, S. 169 f.

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

dahin vermengt, zwei wesentlich verschiedene Gebiete der gesellschaftlichen Zustände enthalte und daß demgemäß auch die Aufgabe für jedes derselben eine wesentlich verschiedene sei 233 ." „Die A r m u t als wirtschaftlicher Begriff enthält denjenigen Zustand, i n welchem der Mangel an den notwendigen Existenzmitteln für das Dasein und Leben der Persönlichkeit gefahrbringend w i r d 2 3 4 " . Das Armenwesen hat den Armen die allgemein menschlichen Bedingungen der persönlichen Erhaltung zu verschaffen, das jedoch nur dann und nur so weit, als der einzelne sich dieselben nicht zu verschaffen vermag 2 3 5 . Da für den Staat alle Armen gleich sind, kennt er „kein Individuum, sondern nur die Kategorie der A r m u t " : das öffentliche Armenwesen darf „keinen Unterschied machen, keine individuellen Verhältnisse berücksichtigen" 236 . Die „liebende A u f nahme der Individualität des Unglücks i n die Hilfe" ist die höhere A u f gabe des Unterstützungsvereinswesens 237 . Die unterschiedliche Funktion bestimmt die Organisation der Armenverwaltung: Gesetzgebung und Regierung geben und verwirklichen die allgemeinen Regeln; die eigentlichen Träger des Armenwesens sind die Selbstverwaltungskörper, vor allem die Gemeinden i n ihrem örtlichen Bereich; die Unterstützungsvereine realisieren das dem öffentlichen Armenwesen versagte individualisierende Moment 2 3 8 . Neben die eigentliche wirtschaftliche A r m u t m i t Erwerbsunfähigkeit ist die Massenarmut (Pauperismus) getreten, die „soziale Frage" der neueren Zeit; sie ist „gesellschaftliche A r m u t m i t Erwerbsfähigkeit". „Jene ist dauernd, diese ist vorübergehend; jener kann nur durch Unterstützung geholfen werden, diese fordert keine Unterstützung, sondern Arbeit und Erwerb." Sie ist ständiges Produkt der gesellschaftlichen Klassenbildung, die der Staat nicht ändern kann, so daß hier das Schwergewicht i m Vereinswesen liegt 2 3 9 . I m Unterschied zu den UnterstützungsvereineA der Armenpflege, i n welchen die höheren Klassen für die gesellschaftlichen Interessen der niederen Klasse sorgen, sind es hier die Hilfsvereine (Arbeiterbildungsvereine, Krankenvereine, Sparkassen u. a.) und Selbsthilfevereine (Arbeitervereine, Konsumvereine, Gewerkschaften), i n denen die Klassen zusammenwirken bzw. die niedere Klasse sich durch eigene K r a f t ihre eigene aufsteigende Bewegung verschaffen will240. 233

Handbuch, 1. Aufl., S. 414. Handbuch, 1. Aufl., S. 420. Handbuch, 2. Aufl., S. 796, Verwaltungslehre, 1/3, S. 175 f. 23β Verwaltungslehre, 1/3, S. 176, Handbuch, 2. Aufl., S. 805. 237 Verwaltungslehre, 1/3, S. 177; Handbuch , 2. Aufl., S. 816: Stein h ä l t aus diesem Grunde die Frauen vereine für die w a h r e n Armenvereine, ohne w e i b liche Mitglieder müßten diese zuletzt doch n u r zu einer formalen Erledigung ihrer Aufgaben gelangen (a. a. O., S. 805,816). 238 Handbuch, 2. Aufl., S. 802—805. 239 Handbuch, 2. Aufl., S. 799. 240 Verwaltungslehre, 1/3, S. 171 f., 181—197. 234

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§ 8 Die „Verstaatlichung" des öffentlichen

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Die systematische „Ableitung" des Vereinswesens ist für Stein nicht unproblematisch; er muß es i m Widerspruch von Staat und Gesellschaft begründen. Der Widerspruch der Prinzipien von Staat und Gesellschaft treibt die soziale Wirksamkeit des Staates i n die Aporie: die absolute Verpflichtung auf Freiheit und Gleichheit einerseits, die Anerkennung der Ungleichheit als treibender K r a f t der Entwicklung andererseits. Die Lösung sucht Stein i n der Institutionalisierung gesellschaftlicher Verbindungen als „freie Verwaltung". Er verlagert damit den Widerspruch i n diese Institutionen, gibt ihnen eine Stellung gleichsam zwischen Staat und Gesellschaft. Die Verwaltung hat die Unterstützungsvereine „ i n sich aufgenommen", indem sie denselben ihre eigene A u f gabe überträgt. „Dadurch werden diese Vereine dann freie Organe einer vom Staat als Aufgabe anerkannten Verwaltungstätigkeit, verschmelzen daher das Element der Verwaltung m i t dem des Vereinswesens, und bilden so den Übergang vom ersten zum zweiten 2 4 1 ." Die Verantwortlichkeit dieser Vereine w i l l Stein durch das Prinzip der Öffentlichkeit (Veröffentlichung des jährlichen Rechenschaftsberichts, Öffentlichkeit der Generalversammlungen) und durch eine staatliche Aufsicht sichern 242 . Betrachtet man den m i t dem Begriff der „freien Verwaltung" umschriebenen Status der Vereine nicht unter dem Aspekt eines Gegensatzes, sondern der sachbezogenen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft 243 , dann verliert der angezeigte Widerspruch viel von seiner Härte, dann eröffnet sich der Zugang zu einer von der Aufgabe her eingestuften Institutionenskala innerhalb des Gemeinwesens von den Behörden des Staates über die Selbstverwaltung bis zum Vereinswesen. Daß Stein einer solchen Sicht nicht verschlossen war, zeigt die wissenschaftliche Einordnung des Vereinswesens nicht bei der Privatrechtslehre, sondern bei der Staatslehre 244 ; diese kann dann aber nur Staatslehre i m Sinne ihres älteren umfassenden Begriffs sein. M i t dem zweckorientierten Zusammenhang von Staat und Gesellschaft geht i n der Folgezeit auch die soziale Aufgabe des Staates und die von dort aus „öffentliche" Funktion des Vereinswesens verloren. Wo — wie bei Albert Haenel (vgl. § 10 I I 2) — die Sicht der Zusammenhänge erhalten bleibt, ist das eine regelbestätigende Ausnahme, die sich Mohl und Stein verpflichtet weiß.

241 Verwaltungslehre, 1/3, S. 172. 242 Verwaltungslehre, 1/3, S. 306 ff. 243 I n der „Soz. Bewegung" stand die Gegensätzlichkeit i m Vordergrund. M i t dem Zurücktreten der politischen Ökonomie als einziger Grundlage der Gesellschaftstheorie seit 1852 (vgl. dazu ff. Marcuse , Vernunft u n d Revolution, S. 332) verliert auch der Gegensatz v o n Staat u n d Gesellschaft an prinzipieller Schärfe. Auch hier behält schließlich die „Sittlichkeit" die Oberhand. 244 Verwaltungslehre, 1/3, S. 3.

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise 4. Die Verwaltungsrechtswissenschaft

Für das Werk Lorenz von Steins, „das das Bestimmende der geschichtlichen Bewegung i n die Gesellschaft verlegte und sich dem fortschreitenden Trennungsdenken i n der Wissenschaft versagte, konnte das voranschreitende Jahrhundert keine geschichtliche Wirkung bereithalten. Uber den revolutionären Aufbruch des Jahres 1848 legte sich schnell der Schleier des geschichtlichen Alltags. Die drängendste Aufgabe, vor die sich die Zeit, zumal i n Deutschland, gestellt sah, war die Erlangung der nationalen Einheit und die Aufrichtung des nationalen Staates" 245 . Die neuen Prioritäten drängten die Wissenschaft des öffentlichen Rechts durch nichts dazu, das Unternehmen Steins fortzuführen, von den Aufgaben und Funktionen der Verwaltung her eine Grundlegung des Verwaltungsrechts zu geben 248 . M i t dem materialen Staatsbegriff verlor diese Wissenschaft das Interesse an der Darstellung der positiven Staatstätigkeiten und ihres Rechts, i n den Vordergrund trat die Behandlung der Polizei i n ihrem als rechtsstaatliche Errungenschaft gefeierten engen, auf den Rechts- und Sicherheitszweck eingeschränkten Sinn als zentrales Institut stattlicher innerer Verwaltung. Hatte noch Mohl die gesamten Ausführungen über die „Hilfe bei der Not einzelner Personen oder Klassen" unter den Untertitel „Armen-Polizei" stellen können 2 4 7 , so war bei Stein i n Aufnahme des jüngeren eingeschränkten Polizeibegriffs zwischen Armenpolizei und Armenpflege unterschieden worden 2 4 8 . a) I n dieser Gliederung ist die Behandlung des Armenwesens Lehrstück der verwaltungsrechtlichen Teile der Darstellungen des Landesstaatsrechts, etwa bei Rönne und Seydel 249 , wie auch der Verwaltungsrechtslehrbücher, die der sog. „staatswissenschaftlichen Methode" folgen, wie die Werke von Georg Meyer, Loening und von Stengel 250 . War aber bei Stein die gefahrenabwehrende Tätigkeit der Polizei der gesamten Verwaltung immanent bei der Verfolgung ihres höchsten Ziels, der freien und selbsttätigen Entwicklung des einzelnen, war sie nur „eben die nega-

245

E.-W. Böckenförde, Lorenz von Stein, S. 251. Z u m Folgenden insbes. P. Badura, Verwaltungsrecht I I ; ferner: H. Maier, Polizeiwissenschaft, S. 290 f. ; W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 105 ff. — Vgl. auch das U r t e i l G. Schmollers, Lorenz von Stein (1866), i n : Z u r Literaturgeschichte der Staats- u n d Socialwissenschaften, 1888, S. 115: Stein stehe der praktischen, n u r Spezialuntersuchungen f ü r bestimmte Zwecke schätzenden Richtung der Zeit diametral gegenüber; „er ist wie ein Schriftsteller aus einer ganz anderen Zeit". 247 Mohl, Polizeiwissenschaft, I, S. 352. 248 Stein, Handbuch, 2. Aufl., S. 806 ff., 809 ff. 249 v. Rönne, Das Staats-Recht der Preuß. Monarchie, 2. Aufl., 1865, 2. Bd., S. 127 ff.; v. Seydel, Bayerisches Staatsrecht. 2. Bd. Bearb. v. Graßmann, 1913, S.281 ff. 250 Nachweise bei Badura, Verwaltungsrecht I I , S. 36, A n m . 105. 246

§

Die „Verstaatlichung" des

ffentlichen

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tive Seite dieser Verwaltungstätigkeit" 2 5 1 , so verlagert sich nun das eigentlich verwaltungsrechtliche Interesse auf die Polizei, deren rechtserhebliches Charakteristikum i n ihrer obrigkeitlichen Handlungs/orm gesehen wird, während der pflegenden oder fürsorgenden Tätigkeit des Staates (Staatspflege) i m Hinblick auf den primären Rechtszweck hoheitliche M i t t e l nicht zugebilligt werden 2 5 2 . Für Georg Meyer sind i m Gegensatz zu den „obrigkeitlichen", die „fürsorgenden" Tätigkeiten des Staates ihrem Wesen nach keine staatlichen Funktionen, keine Ausübung staatlicher Herrschaftsrechte, sondern bloße Geschäftsführung, die ebensogut von Privaten ausgeübt werden könne 253 . b) I n Otto Mayers die „junstische Methode" vollendendem Verwaltungsrechtssystem ist für die Staatspflege kein Platz mehr, mit ihr ist seitdem die Behandlung des Armen- und Fürsorgewesens als Gegenstand rechtswissenschaftlicher Bemühungen aus dem Zentrum der Verwaltungsrechtswissenschaft i n die Peripherie der Kommentarliteratur abgewandert 254 . Dabei wäre die Bearbeitung dieser Materie geeignet gewesen, die Einseitigkeit der Formalisierungen Mayers und die „sozialstaatliche" Lücke seines Systems aufzudecken. Von den von i h m zur Verfügung gestellten Rechtsformen war für die Armenpflege allein die Anstalt brauchbar, und diese auch nur für die Hilfeleistung i n Armenhäusern und sonstigen geschlossenen Institutionen 2 5 5 , und auch das nur begrenzt, da die Praxis dem öffentlich-rechtlichen Purismus Mayers nicht folgte. Für andere Leistungsformen bot Mayer nur eine ausweichende Anmerkung 2 5 8 , allenfalls den Verweis auf die fiskalische Sphäre. Das 251 Stein, Verwaltungslehre, I I , S. 64 f. Vgl. dazu und i m Ergebnis ebenso: Bornhak, Preußisches Staatsrecht, 3. Bd., 1914, S. 175,256. 252 Die Ausführungen zur „Staatspflege" nach Badura, a. a. O., S. 37. 253 „ I n der 4. Aufl. w i r d aus dem der Sache nach bereits i n der 1. Aufl. eingenommenen Standpunkt, offenbar unter dem Eindruck Otto Mayers, auch die äußere Konsequenz gezogen: Die V e r w a l t u n g handelt Privaten gegenüber entweder i n Ausübung obrigkeitlicher Befugnisse oder i m Rahmen eines vermögensrechtlichen Verkehrs, die Begriffe der ,fürsorgenden' Tätigkeit u n d der ,Staatspflege' sind getilgt." Badura, a. a. O., S. 37 f. 254 Wunderlich ist die Aufnahme der Behandlung des Unterstützungswohnsitzgesetzes i n einen Abschnitt „Die öffentliche Rechte- u n d Pflichtenverschiebung" zusammen m i t öffentlich-rechtlicher Entschädigung, Enteignung u n d Fürsorgeerziehung bei Hatschek, Institutionen, 1919, S. 300 ff. N u r noch bei so krampfhafter Unterstellung unter einen formalen Gliederungspunkt konnte der Behandlung des U W G überhaupt Raum verschafft werden. — Anders dagegen Köttgen, Deutsche Verwaltung, 2. Aufl. 1937, der i n einem 3. Hauptteil von den „Aufgaben der Verwaltung" handelt u n d dort Platz f ü r die „Versorgungsverwaltung" hat (S. 170 ff.). 255 Rüiner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 120. 256 O. Mayer, VerwR, 2. Aufl., I I , S. 494, A n m . 34: „Gegenüber dem hier aufgewiesenen Gesamtbild nehmen eine Sonderstellung ein solche öffentlichrechtliche Anstaltsleistungen, welche bestimmungsgemäß schlechthin auf eine zu gewährende Hilfe i n Geld u n d ähnliche Verabreichungen gehen (Armenkassen, Stipendienstiftungen, Sozialversicherung). Hier entsteht überhaupt k e i n Nutzungsverhältnis, welches den Empfänger i n inneren Zusammenhang m i t

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

Problem einer aufgabenermöglichenden Verwaltungsorganisation war i h m ebensowenig ein verwaltungsrechtliches Problem wie die Frage einer „freien Verwaltung". 5. Die Volkswirtschaftspolitik

Die Sorge u m die Wohlfahrt der Bürger und damit die staatliche Fürsorge für die i n Not Geratenen war zentraler Gegenstand der älteren Polizeiwissenschaft gewesen. M i t deren Ende begann auch für die wissenschaftliche Behandlung des Armenwesens das Problem der Heimatlosigkeit. Von den unmittelbaren Nachfogern der Polizeiwissenschaft — Verwaltungslehre, Verwaltungsrechtswissenschaft und Volkswirtschaftspolitik 257 — blieb die i h r freundlich gesinnte Verwaltungslehre ohne Nachwirkung 2 5 8 , die Verwaltungsrechtswissenschaft verschloß ihr die Türe. Es blieb die Volkswirtschaftspolitik, der praktische Teil der öffentlichen Wirtschaftslehre. Bei den „Grundsätzen der Volkswirtschaftspolitik" hatte schon K a r l Heinrich Rau i n seinem „Lehrbuch der politischen Ökonomie" das Armenwesen behandelt 259 . Aber das war kein sicheres Refugium. Rau war noch bemüht gewesen, „Politik", wenn auch i m Thema schon beschränkt, doch i m traditionell normativen Sinn zu verstehen 260 . Er war es aber auch gewesen, der die theoretische Disziplin der Volkswirtschaftslehre i n den national-ökonomischen Unterricht eingeführt hatte. Diesem theoretischen, dem Wissenschaftsideal der Zeit konformen Teilbereich gehörte die Zukunft, als m i t dem Fortschreiten des ökonomischen Liberalismus die Vorstellung einer öffentlichen W i r t schaftsverwaltung obsolet und nur noch als ein Relikt des überwundenen Polizeistaates empfunden wurde, das den autonomen Wirtschaftsmechanismus nur stören konnte 2 6 1 . Von der Volkswirtschaftspolitik überlebten nur die Bestandteile, denen — wie besonders der Sozialpolitik — praktische Relevanz nicht wohl abgesprochen werden konnte. I n der den Einrichtungen der Anstalt brächte. Es gibt keine Zulassung dazu u n d keinen Ausschluß oder A u s t r i t t , auch keine Anstaltsgewalt noch Gebührenpflicht, w i e w i r sie weiter aus diesem Zusammenhange werden fließen s e h e n . . . Äußerlich bietet die Sozialversicherung noch am ersten Ähnlichkeit. A b e r sie setzt statt eines Nutzungsverhältnisses ein Versicherungsverhältnis, statt der Nutzungsgebühr den Versicherungsbeitrag u n d gibt einen klagbaren Anspruch auf die Anstaltsleistung. Alles n i m m t hier andere Gestalt an u n d andere Bedeutung." 257 H. Maier, Polizeiwissenschaft, S. 287. 258 E. Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 23, 47. 259 Κ . H. Rau, Lehrbuch der politischen Ökonomie, I. Bd.: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, Heidelberg 1826, 8. Aufl. 1869; 2. Bd.: Grundsätze der Volkswirtschaftspflege, Heidelberg 1828, ab 2. Aufl. 1839: Grundsätze der Volkswirtschaftspolitik, 5. Aufl. 1862/63; nach H. Maier, Polizeiwissenschaft, S. 335, 287. 260 H. Maier, a. a. O., S. 289. 261 H. Maier, a. a. O., S. 238 f.

§

Die „Verstaatlichung" des

ffentlichen

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Vereinzelung mußte ihnen aber der Gesamtzusammenhang der „guten Ordnung" vollends verloren gehen: „Politik ist nicht mehr eine Lehre vom guten Regiment, sondern eine bloße Technik zur Erreichung bestimmter Ziele, deren Aufstellung aber jenseits ihrer Kompetenzen liegt 2 6 2 ." Wilhelm Roscher gibt i m 5. Bande seines „Systems der Volkswirtschaft" ein selbständiges „System der Armenpflege und Armenpolit i k " 2 6 3 . Er hält damit den Zusammenhang noch aufrecht, fördert zugleich aber auch den Differenzierungsprozeß. Sein Werk umfaßt noch i n altgewohnter Weise sowohl die Einzelarmut als auch die „soziale Frage": I n einem ersten „therapeutischen Teil" beschreibt er die Heil- und L i n derungsmittel der Armut, i n einem zweiten „diätetischen Teil" die „ A n stalten, die A r m u t zu verhüten", worunter er neben Sparkassen, Leihhäusern, Konsumvereinen insbesondere das Versicherungswesen zählt. Die weiteren „Zellteilungen" orientieren sich an der faktischen Trias „Fürsorge, Versicherung, Versorgung"; die Lehrbücher der Sozialpolitik konzentrieren sich zumeist auf die beiden neueren Zweige, die Fürsorge erscheint aus deren Sicht als bloßer Lückenbüßer eines potentiell perfekten Systems sozialer Sicherheit 264 .

6. Die Fürsorgewissenschaft

Christian Jasper Klumker, der Herausgeber der 3. Auflage von Roschers Armenpolitik, gilt als Begründer einer eigenständigen „Fürsorgewissenschaft" 265 . Zwar gelang i h m noch keine begriffsscharfe A b grenzung der neuen Wissenschaft von den anderen sozialpolitischen Disziplinen 2 6 6 , aber der Sache nach konzentrierte er sich auf das Fürsorgewesen. Dieses als legitimen Wissenschaftsbereich theoretisch zu fundieren, bemühen sich Arbeiten von Achinger und Scherpner 267 . Als Universitätswissenschaften haben sich neben der Fürsorgewissenschaft die Caritas- und Diakoniewissenschaft als konfessionelle Einzeldisziplinen etabliert 2 6 8 .

262

H. Maier, a. a. O., S. 289. W. Roscher y System der Armenpflege u n d A r m e n p o l i t i k , 1. Aufl. 1894. 3. Aufl., ergänzt v. Chr. J. K l u m k e r 1906 (System der Volkswirtschaft, Bd. 5). 264 Eine gemeinsame Behandlung bei W. Weddigen, Grundzüge der Sozialp o l i t i k u n d Wohlfahrtspflege, 1957. 265 Chr. J. Klumker, Fürsorgewesen, 1918; A r t . : Fürsorgewesen, i n : H d S t w I V . (1927), S. 534—540. 266 Schäfer, Die Rolle der Fürsorge i m System sozialer Sicherung, 1966, S. 12. 2β7 v g l . besonders H. Achinger, Z u r Theorie der Fürsorge, i n : Fürsorge als persönliche Hilfe, 1929, S. 3 ff.; ff. Scherpner, Theorie der Fürsorge, 1962. 268 Seminar f ü r Fürsorgewesen u n d Sozialpädagogik an der Universität F r a n k f u r t (Main). Caritaswissenschaftliches I n s t i t u t an der Universität Freiburg i. Br. Diakoniewissenschaftliches Institut an der Universität Heidelberg. 263

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

Die Gegenwartslage der Fürsorgewissenschaft ist durch die Folgen gekennzeichnet, die sich aus der Isolierung dieser praktischen Disziplin inmitten einer sich weithin theoretisch verstehenden Sozialwissenschaft ergeben. Diese Isolierung führt zu einer Fixierung auf den eigenen engen Bereich, ohne dauernde Reflexion des Standorts i n der größeren Ordnung und ohne ständige Uberprüfung der Methoden an der am Gesamtzusammenhang orientierten Aufgabe 269 . Da Kriterien zur Beurteilung der eigenen Situation fehlen, w i r d diese i n ihrer Faktizität theoretisiert. Von hier aus eröffnet sich ein Zugang zum Verständnis der i n § 6 geschilderten, sonst schwer erklärbaren Tatsache, daß trotz des Wandels vom Armenwesen zur Sozialhilfe eine Loslösung von den Stereotypen des 19. Jahrhunderts nur schwer gelingt, ja daß diese i n der Diskussion um die Sozialhilfegesetze noch das Feld beherrschen konnten 2 7 0 . Die faktischen Unterschiede zwischen freier und öffentlicher Wohlfahrtspflege werden zu „Wesensunterschieden" hypostasiert, die sich als solche einer nüchternen Uberprüfung widersetzen. Die Konsequenzen dieser wissenschaftlichen Situation sind gravierend. Die Wissenschaft, die sich i n besonderer Weise der Sorge u m die Wohlfahrt der i n Not geratenen Bürger widmet, ist i n einen Winkel abgedrängt. Von ihr kann eine grundsätzliche Aussage über Stellung und Aufgabe sozialer Hilfe i m demokratischen Gemeinwesen nicht erwartet werden. Das u m so weniger, als sie aus einseitig personalistisch-individualistischer Sicht der Fürsorge als „persönlicher Hilfe" ein sehr distanziertes Verhältnis zum Staat und zu jeder „Politik" hat 2 7 1 , eine Tendenz, die von den m i t der Fürsorge Wissenschaft kommunizierenden konfessionellen Spezialdisziplinen bislang eher verstärkt als relativiert worden ist 2 7 2 .

269 Da es an einem übergeordneten Gesichtspunkt fehlt, gelingt schon die Abgrenzung der Fürsorge von Versicherung u n d Versorgung n u r mühsam. Vgl. dazu schon Achinger, Sozialpolitik u n d Fürsorge, 1939. Neuerdings Schäfer, Die Rolle der Fürsorge i m System sozialer Sicherung, 1966. 270 Z u r K r i t i k vgl. vor allem Matthes, Soziale Stereotype i n der Theorie der Fürsorge (1962); ders., Gesellschaftspolitische Konzeptionen i m Sozialhilferecht, 1964, S. 77 ff. 271 Vgl. z. B. Scherpner, Theorie, S. 130 ff. 272 Vgl. dazu § 17 dieser Untersuchung.

§ 9 Zusammenfassung und Feststellung des Problems: Der Begriff des öffentlichen als Grundproblem der Staate-, Rechte- und Methodenlehre

Die Frage nach den Gründen für das konstatierte Ungenügen der juristischen, explizit auf das öffentliche bezogenen Begriffe (vgl. §§6 und 7) war Anlaß zu einer ausführlicheren Darstellung des staats- und verwaltungsrechtlichen Formalismus, i n dessen genuinem System Laband-Mayerscher Prägung der Grund dieses Ungenügens erkannt wurde. Analyse und K r i t i k des i m formalistischen Rechtsbegriff des öffentlichen implizierten Gesamtzusammenhangs von Staatsbegriff, Rechtsbegriff und juristischer Methode (§ 8) ermöglichen nun die endgültige Formulierung der die weitere Untersuchung leitenden Fragestellung. Beim Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände geht es u m das Problem des öffentlichen — und zwar derart, daß die Statusfrage als Frage nach dem öffentlichen gestellt werden muß, daß die Frage nach dem öffentlichen an dieser Statusfrage aufgerollt werden kann, und dies immer so, daß das „Grundproblem" (Problem des öffentlichen) zugleich das „Sachproblem" (Ordnung der Wohlfahrtspflege) mitbestimmt und umgekehrt. Diese Arbeitshypothese wurde i n drei Anläufen verifiziert: Die Diskussion des Verfassungsstreits vermittelte ein erstes „Vorwissen" der Zusammenhänge (§ 2); dieses wurde zunächst an den Verhältnisbestimmungen der Fachdiskussion (§ 5) und schließlich an der rechtstechnischen Ver ortung expliziert und präzisiert (§ 7). Dabei zeigte es sich, daß alle drei Wege zu einer ganz spezifischen Formulierung des Problems des öffentlichen führen: zu seiner Durchformung i m Sinne des formalrechtsstaatlichen Dualismus von Staat und Gesellschaft, öffentlichem und privatem Bereich, öffentlichem und privatem Recht; die Statusbestimmung erwies sich als Verortung i n diesem dualistischen Schema. Dessen Kennzeichnung m i t der Kurzformel „Staat-Gesellschaft" droht jedoch zu einer nichtssagenden Allerweltsformel zu werden; nur eine genauere Darstellung des formalistischen „Systems" konnte i n dessen Implikationen den prägnanten Sinn der Dualismus-Formel aufdecken und sie als eine ganz eigengeartete und geschichtlich bedingte Lösung des Problems i n seiner dreifachen staatstheoretischen, rechtstheoretischen und methodischen Dimension enthüllen (§81). 12 Rinken

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

Eine Realanalyse des Sachbereichs hatte die ersten Zweifel an der Zeitgemäßheit und Tragfähigkeit dieser Lösung geweckt (§ 6); Zweifel, die von einer Prüfung der formal-juristischen Begrifflichkeit gefördert wurden: Die „Verstaatlichung" des öffentlichen, d. h. seine Monopolisierung bei dem i m formalistischen Sinne verstandenen Staat, hat seine Selbstverständlichkeit i m Kooperationsbereich moderner Wohlfahrtspflege verloren. Die Grenze, die einen zumindest tendenziell auf Eingriff sverwaltung beschränkten Institutionenstaat vom frei/privaten Bereich trennte, ist vom leistenden Sozialstaat längst überschritten. „Staat" und „Gesellschaft" sehen sich i n der Sache selbst, bei der Erfüllung sachlicher (öffentlicher) Aufgaben unmittelbar miteinander konfrontiert. Was heißt da „öffentlich", was „privat"? Ist das i m staatsrechtlichen Formalismus ausgebaute Trennungsschema als eine historische Lösung des Problems des öffentlichen heute nicht mehr leistungsfähig, dann ist dieses Problem i n seiner dreifachen Dimension neu zu überdenken. So zwingend diese These als Folgerung ist, so schwierig ist es schon, sie i n einem Programm und Fragenkatalog zu konkretisieren, — von der Ausführung eines solchen Programms ganz zu schweigen. Der i m formalistischen Begriff des öffentlichen erkennbar gewordene Gesamtzusammenhang von Staatsbegriff, Rechtsbegriff und Methode basiert auf einer Entmaterialisierung dieser Begriffe, die w i r als Problemreduzierung erkannt haben; diese, i n der Begriffsformalisierung erkennbare Problemreduzierung erleichtert die Erkenntnis des Gesamtzusammenhanges insofern, als dieser nur als formal-begrifflicher Zusammenhang erfaßt werden muß. Soll die Problemreduzierung aufgehoben und damit die formale Geschlossenheit der Begriffe geöffnet werden, so wäre dieser Zusammenhang als ein wirklicher, inhaltlicher zu erfragen. I n der Auseinandersetzung m i t Hegel (§ 8 III) haben w i r die Dimensionen zu gewinnen versucht, i n denen das Problem des öffentlichen gedacht werden muß, wenn es aus seiner formalistischen Engführung befreit werden soll. I n den i m einzelnen entfalteten Fragerichtungen „Vernunftphilosophie", „Freiheitsphilosophie" und „Wirklichkeitswissenschaft" sehen w i r den Anspruch ausgedrückt, das Problem i m Horizont eines unverkürzten anthropologischen Ansatzes (politisches Gemeinwesen als Verwirklichung freien menschlichen Lebens) auf dem Boden der modernen Wirklichkeit auszutragen. Daß die Einlösung dieses Anspruches von Hegel wiederum i n einem spezifischen, historisch bedingten Sinne „staatsphilosophisch" eingeschränkt worden ist, verweist auf die idealistische Grenze Hegels und gibt Veranlassung, jene Fragerichtungen m i t charakteristischen Gefährdungen zu konfrontieren (Theorie/Praxis, Verinnerlichung, Versöhnung). Indem das Bewußtsein

§ 9 Das öffentliche als Problem der Staats-, Rechts- u n d Methodenlehre 179 dieser G e f ä h r d u n g e n v o n n u n a n i n die F r a g e n m i t eingeht, i s t die a n Hegel

gewonnene

Problemformulierung

grundsätzlich

über

Hegel

hinaus. I n e i n e r k u r z e n Skizze, die sich n u r als R e k a p i t u l a t i o n des i m H e g e l a b s c h n i t t d i f f e r e n z i e r t e r D a r g e s t e l l t e n v e r s t e h t , sei das G e m e i n t e n o c h m a l s i n die Begriffssprache des Ö f f e n t l i c h e n übersetzt. H e g e l k e n n z e i c h n e t das P r o g r a m m seiner p o l i t i s c h e n P h i l o s o p h i e m i t g r ö ß t m ö g l i c h e r P r ä g n a n z als „öffentliche Freiheit". E r beansprucht m i t dieser F o r m e l die gelungene V e r e i n i g u n g v o n A l l g e m e i n h e i t u n d B e s o n d e r h e i t , d e n n öffentliche F r e i h e i t ist „ d i e v e r n ü n f t i g e V e r f a s s u n g " (Rechtsphilosophie, § 286), d. h. die V e r w i r k l i c h u n g der s u b j e k t i v e n F r e i h e i t i n e i n e r m e n schenwürdigen politischen O r d n u n g auf dem Boden der v o n der p o l i t i schen u n d i n d u s t r i e l l e n R e v o l u t i o n g e p r ä g t e n sozialen W i r k l i c h k e i t . E i n e genauere A n a l y s e d e r p r o g r a m m a t i s c h e n F o r m e l e r g i b t jedoch, daß die i n die „ B ü r g e r l i c h e Gesellschaft" entlassene S u b j e k t i v i t ä t v e r n ü n f t i g e politische O r d n u n g n i c h t zu k o n s t i t u i e r e n v e r m a g , daß diese v i e l m e h r n u r v o m Ö f f e n t l i c h e n e r w a r t e t w e r d e n k a n n ; die B e s c h r e i b u n g des Öffentlichen gerät H e g e l jedoch z u r B e s c h r e i b u n g der o b r i g k e i t s s t a a t lichen Faktizität. Die Garantie für die öffentliche Freiheit ist ihre Sicherung durch Institutionen (§ 286). Hegel nennt zunächst die Institutionen der Familie u n d der bürgerlichen Gesellschaft, i n i h r v o r allem die Stände, welche die „Grundsäulen der öffentlichen Freiheit" bilden (§265). Doch w i r d das öffentliche dieser I n s t i tutionen i n ihrer Beziehung auf u n d i n ihrer V e r m i t t l u n g i n den Staat gesehen. „Die eigentümliche Begriffsbestimmung der Stände ist deshalb darin zu suchen, daß i n ihnen das subjektive Moment der allgemeinen Freiheit, die eigene Einsicht u n d der eigene W i l l e der Sphäre, die i n dieser Darstellung bürgerliche Gesellschaft genannt worden ist, i n Beziehung auf den Staat zur Existenz k o m m t " (§301, Hervorhebungen i m Original). Es ist der Staat, u n d zwar der sehr konkrete Staat, der sich als das Bestimmende u n d schließlich Überwältigende i m Begriff der öffentlichen Freiheit zeigt: „Was h i e r m i t die Garantie überhaupt betrifft, welche besonders i n den Ständen liegen soll, so teilt auch jede andere der Staats-Institutionen dies m i t ihnen, eine Garantie des öffentlichen Wohls u n d der vernünftigen Freiheit zu sein, u n d es gibt darunter Institutionen, w i e die Souveränität des Monarchen, die Erblichkeit der Thronfolge, Gerichtsverfassung usw., i n welchen diese Garantie noch i n v i e l stärkerem Maße liegt (§ 301)." V o r allem die Erbmonarchie! I h r e besondere Bedeutung f ü r die inhaltliche F ü l l u n g des öffentlichen ergibt sich schon aus einer Betrachtung der Gewaltenunterscheidung; n i m m t m a n diese „ i n i h r e m wahren Sinne", so k a n n sie „als die Garantie der öffentlichen Freiheit" betrachtet werden (§ 272). I n ihrem „ w a h r e n Sinne" genommen verweist aber die Gewaltenunterscheidung auf die Einheit des Staates, seine innere Souveränität (§ 278), die i m Monarchen w i r k l i c h ist, dem „Moment der letzten Entscheidung, als der Selbstbestimmung, i n welche alles Übrige zurückgeht" (§ 275, vgl. § 278). „So sind öffentliche Freiheit überhaupt, u n d Erblichkeit des Thrones gegenseitige Garantien, u n d stehen i m absoluten Zusammenhang, w e i l die öffentliche Freiheit die vernünftige Verfassung ist, u n d die Erblichkeit der fürstlichen Gewalt das, w i e gezeigt, i n i h r e m Begriffe liegende Moment (§ 286)." 12*

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

Neben dem Sittlich-Öffentlichen des Staates vermögen die Öffentlichkeit des Volkes u n d die auf sie bezogene Publizität n u r eine zweitrangige Rolle zu spielen. V o l k außerhalb ständischer Gliederung ist n u r eine „unorganische Menge", eine „wüste Vorstellung", der T e i l der Mitglieder des Staates, „der nicht weiß, was er w i l l " (vgl. §§ 303, 279, 301). N u r i n der öffentlichen Meinung ist „jedem der Weg offen, auch sein subjektives Meinen über das Allgemeine zu äußern u n d geltend zu machen" (§308). „Die öffentliche Meinung ist die unorganische Weise, w i e sich das, was ein V o l k w i l l u n d meint, zu erkennen gibt. Was sich w i r k l i c h i m Staate geltend macht, muß sich freilich auf organische Weise betätigen, u n d dies ist i n der Verfassung der F a l l (§ 316, Zusatz)." Jürgen Habermas hat eindringlich dargestellt, i n welch scharfem Kontrast diese Passagen der „Rechtsphilosophie" zu der von K a n t formulierten K o n zeption des Liberalismus stehen, der die politisch fungierende Öffentlichkeit diskutierender Privatleute zum Organisationsprinzip des Rechtsstaates gemacht hatte. Hegels „Einsicht i n den zugleich anarchischen u n d antagonistischen Charakter dieses Systems der Bedürfnisse zerstört entschieden die liberalen Fiktionen, auf denen das Selbstverständnis der öffentlichen Meinung als der baren Vernunft beruhte" 1 . So muß schließlich auch Publizität das Pathos verlieren, das i h r bei K a n t eignete. Z w a r preist Hegel die Öffentlichkeit der Gesetze u n d der Rechtspflege (§§ 132, 304); aber das ist eine i m engeren Sinne Teditsstaatliche Öffentlichkeit, von der zwar eine Rationalisierung der Herrschaft, ein Gelten „durch Einsicht u n d Gründe" (§ 316), aber keine Teilhabe der Bürger erwartet, der vielmehr die F u n k t i o n des „Bildungsmittels f ü r die Staats-Interessen" (§ 315, Zusatz) zudiktiert u n d eine gewisse Integrationswirkung zugemutet w i r d 2 . M i t d e m A n s p r u c h „ ö f f e n t l i c h e r F r e i h e i t " u n d m i t der A u s l i e f e r u n g dieses A n s p r u c h e s a n eine z u r S i t t l i c h k e i t h y p o s t a s i e r t e staatliche O r d n u n g des Ö f f e n t l i c h e n i s t z u g l e i c h die Ü b e r l e g e n h e i t Hegels ü b e r das fiktive Ö f f e n t l i c h k e i t s k o n z e p t des L i b e r a l i s m u s u n d seine eigene B e g r e n z t h e i t aufgezeigt: seine Ü b e r l e g e n h e i t , w e i l d e r m a t e r i a l e P o l i t i k b e g r i f f d e r T r a d i t i o n m i t d e r sozialen W i r k l i c h k e i t k o n f r o n t i e r t w i r d u n d w e i l die i n dieser K o n f r o n t a t i o n e r f o r d e r l i c h e A n a l y s e d e r b ü r g e r l i c h e n Gesellschaft die G r u n d l a g e n d e r l i b e r a l e n Ö f f e n t l i c h k e i t z e r s t ö r t ; seine B e g r e n z t h e i t , w e i l sein eigenes S y s t e m die soziale W i r k l i c h k e i t doch w i e d e r z u g u n s t e n e i n e r w i e d e r u m fiktiven ö f f e n t l i c h e n S i t t l i c h k e i t e n t k r ä f t e t . D i e g e n a u e r e n K o n t u r e n dieser G r e n z e n h a b e n w i r b e r e i t s f r ü h e r zu zeichnen v e r s u c h t (§ 8 I I I 2). Das d o r t k r i t i s c h V e r m e r k t e s o l l h i e r n i c h t w i e d e r h o l t w e r d e n , m u ß aber p r ä s e n t sein, w e n n a u f die a n „ H e g e l " e r f o l g t e E r w e i t e r u n g der P r o b l e m d i m e n s i o n B e z u g g e n o m m e n wird. 1

J. Habermas, S t r u k t u r w a n d e l der Öffentlichkeit, S. 132. „Das Prinzip der modernen Welt fordert, daß, was jeder anerkennen soll, sich i h m als ein Berechtigtes zeige. Außerdem aber w i l l jeder noch mitgesprochen u n d geraten haben. H a t er seine Schuldigkeit, das heißt sein W o r t dazu getan, so läßt er sich nach dieser Befriedigung seiner Subjektivität gar Vieles gefallen (§ 317, Zusatz)." „ I n der öffentlichen Meinung ist alles Falsche u n d Wahre, aber das Wahre i n i h r zu finden ist die Sache des großen Mannes. Wer, was seine Zeit w i l l u n d ausspricht, i h r sagt u n d vollbringt, ist der große M a n n der Zeit (§ 318, Zusatz)." 2

§ 9 Das öffentliche als Problem der Staats-, Rechts- u n d Methodenlehre

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Die Erweiterung der Problemdimension: das ist eine erste Einsicht i n die Struktur des öffentlichen: das material öffentliche, die Öffentlichkeit, die Publizität. Der Positivismus entpolitisierte und formalisierte das Öffentliche: es w i r d wieder als eine materiale Kategorie zu bedenken sein. Hegel trennte das öffentliche i m Sinne des sittlich verstandenen Staatlich-Institutionellen von der öffentlichkeit des Volkes: die Problematik des öffentlichen w i r d gerade i n der spannungsvollen Beziehung von Öffentlichkeit und material öffentlichem zu untersuchen sein. Das von seinem sozialen Substrat sich lösende oder gelöste öffentliche — der zum Dualismus von Staat und Gesellschaft tendierende Korporationsstaat Hegels und der dualistische Obrigkeitsstaat des Formalismus — erweist sich gegenüber der sozialen Problematik als hilflos: auch die „Sachfrage" w i r d als Problem des öffentlichen zu behandeln sein. I m Prozeß der Differenzierung und Spezialisierung der Wissenschaften ist jedoch für diese umfassende Fragestellung keine Wissenschaft gerüstet: das Problem des öffentlichen w i r d auch als ein methodisches und wissenschaftstheoretisches Problem begegnen. Damit ist die Aufgabenstellung umschrieben. Sie muß jedoch aus der als Problemreflexion betriebenen politischen Ideengeschichte i n die Gegenwart übersetzt werden, wozu diese Ideengeschichte nicht mehr als „Hinweisfunktion" beanspruchen darf. M i t anderen Worten: die eigentliche positive Arbeit, die Behandlung des Problems des öffentlichen vom Boden der konkreten Verfassung aus w i r d i m nächsten Abschnitt (§§ 12 ff.) erst noch zu leisten sein. Nach dem Stande unserer Überlegungen w i r d diese die Gegenwart bedenkende Behandlung nicht an technisch-praktischen Einzelheiten ansetzen können, sondern das Problem des öffentlichen auf der schrittweise und mühsam erreichten Frageebene als Grundproblem einer materialen sozial-rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungsordnung formulieren müssen. Daß für den Versuch einer solchen Formulierung sich ein voraussetzungsloser „Neuansatz" ebenso verbietet wie ein unkritischer „Rückgriff", da beide die Geschichtlichkeit des öffentlichen Gemeinwesens und seiner Wissenschaft verkennen würden, ergibt sich aus unseren bisherigen Untersuchungen, die wiederholt auf die historische Bedingtheit der politischen Theorien hingewiesen haben. Es bliebe, wollten w i r unseren Gedankengang i n der bisherigen A r t fortsetzen, nur der langwierige Weg, die Frage durch die neueren Staatslehren hindurch zu führen, u m sie i m kritischen Zwiegespräch m i t diesen ein Stück vorwärts zu bringen. Eine solche Aufarbeitung der Staatslehre der letzten hundert Jahre liegt jedoch nicht i m primären Interesse dieser Arbeit. Vielmehr muß es gewagt werden, auf dem Hintergrund des jetzt erreichten Problembewußtseins, die eigenen Überlegungen trotz noch unzureichender Vorbereitung und Absicherung zur Diskussion zu stellen, ein Unternehmen, das i m Hinblick vor allem

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Z u m Rechtsbegriff des ö f f e n t l i c h e n — Analyse, K r i t i k , Hinweise

auf den Stand der Demokratietheorie wahrlich als ein Wagnis angesprochen werden muß. Ganz unvermittelt jedoch sei der Sprung nicht gewagt. Vielmehr sei die nun präzisierte Fragestellung m i t einigen prägnanten Problemlösungsvorschlägen konfrontiert, u m aus ihnen Anregung und Bereicherung zu erfahren. I n einem längeren Exkurs (§ 10) w i r d an die Darstellung des Formalismus angeknüpft; an Kelsen w i r d dessen Konsequenz aufgewiesen, Gierke und vor allem Haenel sollen die Stellung gleichsam eines Gegenentwurfs zu Laband einnehmen, i n dem die entscheidenden Akzente anders gesetzt sind, so daß eine Fortführung fruchtbar sein kann. Ohne daß dies immer i m einzelnen entwickelt werden könnte, knüpft die spätere Gedankenführung hier an, setzt sie die hier geleistete K r i t i k am genuinen Formalismus voraus, nimmt sie die Wegweisungen i n sich auf. — I m letzten Paragraphen dieses Abschnitts (§ 11) sei die Lehre dreier zeitgenössischer Autoren vorgetragen. Ihre Auswahl erfolgte unter dem K r i t e r i u m unterschiedlicher Ansätze: Röttgen hat eine A r t allgemeiner Rechtstheorie des öffentlichen Rechts als Amtsrecht vorgelegt; Krüger behandelt das öffentliche als eine zentrale Kategorie der Allgemeinen Staatslehre; Hesse geht von der geltenden Verfassung aus. — Der nun folgende Exkurs benutzt als Wegleiter K r i t i k und Neubesinnung zur Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht als einem Teilbereich des Staat-Gesellschaft-Themas, jener Dichotomie also, i n deren subordinationsrechtlicher Gestalt sich das Trennungsschema bis heute erhalten hat.

Exkurs § 10 Konsequenz und Öffnung des Formalismus I . D e r konsequente Formalismus H a n s Kelsen 1 h a t v o n seiner rechtstheoretischen E r s t l i n g s s c h r i f t b i s z u seinem die Reine Rechtslehre i n i h r e r r e i f e n F o r m zusammenfassenden S p ä t w e r k 2 i m m e r w i e d e r gegen die U n t e r s c h e i d u n g v o n ö f f e n t l i c h e m u n d p r i v a t e m Recht g e k ä m p f t 3 , v o r a l l e m gegen jene v o n i h m als „ M e h r w e r t t h e o r i e " bezeichnete E i n t e i l u n g d e r Rechtsverhältnisse, nach d e r das p r i v a t e Recht e i n V e r h ä l t n i s z w i s c h e n gleichgeordneten, r e c h t l i c h g l e i c h w e r t i g e n S u b j e k t e n , das öffentliche Recht e i n V e r h ä l t n i s z w i s c h e n 1 Z u Leben u n d W e r k vgl. jetzt R. A. Metall, Hans Kelsen, 1969, m i t einem Gesamtverzeichnis der Veröffentlichungen (S. 122—155) u n d einer Bibliographie der Sekundärliteratur (S. 162—216). 2 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 1911; Reine Rechtslehre. M i t einem Anhang: Das Problem der Gerechtigkeit. 2. vollst, neu bearb. u. erw. Aufl., 1960. 3 Vgl. insbes. die Monographie: Z u r Lehre v o m öffentlichen Rechtsgeschäft, i n : A ö R 31 (1913), S. 53—98, 190—249. Vgl. auch Hauptprobleme, S. 268 ff., 630—650, bes. 655 f., 703; Allgemeine Staatslehre, 1925, jetzt als photomech. Nachdruck, 1966: i m 3. Kap. „Staat u n d Recht", § 17 „öffentliches u. privates Recht", S. 80—94; Reine Rechtslehre: unter „ V I . Recht u n d Staat" S. 284 ff. — Die Darstellung stützt sich vornehmlich auf die Fassung der Reinen Rechtslehre, die diese nach Aufnahme u n d Einbau der von A d o l f M e r k l entwickelten, aber auch A l f r e d Verdross u n d Leonidas Pitamic verpflichteten Stufentheorie des Rechtes gefunden hat (nach 1916). Nuancen i n der früheren Lehre können n u r als Hinweise angemerkt werden. Vgl. zur inneren E n t w i c k l u n g seiner Lehre die sehr aufschlußreiche „Vorrede zur zweiten Auflage" der „ H a u p t probleme" (1923) m i t Literaturangaben. — I n w i e w e i t die neueste Gesamtdarstellung i n der Reinen Rechtslehre (1960) Modifizierungen bringt, k a n n hier nicht untersucht werden. Kelsen selbst bezeichnet i m V o r w o r t (S. V I I ) seine Lehre als „ i m wesentlichen unverändert". Marcie spricht v o n einem Durchbruch zur Sinnfrage, der sich i n der 2. Aufl. der Reinen Rechtslehre ausgereift präsentiere (Um eine Grundlegung des Rechts, i n : Die ontologische Begründung des Rechts. Hrsg. v. A . Kaufmann, 1965, S. 541). Diese Interpretation w i r d v o m vorliegenden Material nicht gedeckt. Sie folgert aus formaler Gleichstimmigkeit eine materiale Gleichsinnigkeit. M a n w i r d insofern auf die v o n Kelsen angekündigte „Allgemeine Theorie der Normen" gespannt sein dürfen, deren 1. Kap. unter dem T i t e l „ Z u m Begriff der N o r m " i n der Festschrift f ü r Nipperdey, Bd. 1, 1965, S. 57—70, vorabgedruckt ist. M i t der Kontrastierung von Rechts-Positivismus u n d (letztlich metaphysisch-theologischer) N a t u r rechtslehre geht dieses K a p i t e l allerdings nicht über das schon bes. aus dem Aufsatz „Das Problem der Gerechtigkeit" (Anhang zur Reinen Rechtslehre, 1960, S. 355—444) Bekannte hinaus.

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

e i n e m ü b e r - u n d e i n e m u n t e r g e o r d n e t e n S u b j e k t darstelle, zwischen z w e i S u b j e k t e n also, v o n d e n e n das eine gegenüber d e m a n d e r e n e i n e n r e c h t l i c h e n M e h r w e r t habe 4 . E r h a t i n a l l e r Schärfe d e n „ideologischen C h a r a k t e r " dieses D u a l i s m u s aufgedeckt 5 . A u f d e m B o d e n d e r k o n s t i t u t i o n e l l e n T h e o r i e e n t s t a n d e n , sei i h r — b e w u ß t e r oder u n b e w u ß t e r — Zweck, den Monarchen m i t den i h m unterstellten Verwaltungsbehörden aus d e r S t e l l u n g eines gesetzesgebundenen V o l l z u g s o r g a n s i n die S t e l l u n g eines v o n d e r d e m o k r a t i s c h e n Gesetzgebung u n a b h ä n g i g e n , a u t o k r a t i s c h e n Rechtserzeugers z u b r i n g e n . Diese T e n d e n z sei — b e i d e m h a b i t u e l l e n Gegensatz z w i s c h e n R e g i e r u n g u n d P a r l a m e n t — n i c h t n u r i n k o n s t i t u t i o n e l l e n M o n a r c h i e n , s o n d e r n auch i n d e m o k r a t i s c h e n R e p u b l i k e n z u konstatieren®. D i e S t ä r k e des Kelsenschen D e n k e n s l i e g t i n d e r U n b e s t e c h l i c h k e i t d e r e n t m y s t i f i z i e r e n d e n I d e o l o g i e k r i t i k 7 , seine Schwäche i n d e r H i l f l o s i g k e i t gegenüber d e r r i c h t i g a n a l y s i e r t e n W i r k l i c h k e i t . N e b e n d e m d u r c h spätere U n t e r s u c h u n g e n b e s t ä t i g t e n H i n w e i s a u f die v e r b o r g e n e k o n s e r v a t i v e T e n d e n z des P o s i t i v i s m u s 8 w i r d m a n v o r 4 So Reine Rechtslehre, S. 284; vgl. Hauptprobleme, S. 49 ff., 63, bes. 190—249; AöR 31 (1913), S. 192 ff.; Staatslehre, S. 82 ff. 5 Reine Rechtslehre, S. 285; Staatslehre, S. 86 („politische Tendenz"). 6 Reine Rechtslehre, S. 286; Staatslehre, S. 89. — A l s „intrasystematische" Unterscheidung, als Unterschied „bestenfalls von zwei technisch verschieden gestalteten Rechtsgebieten" schließt Kelsen die Differenzierung v o n öffentlichem u n d privatem Recht nicht aus (vgl. Reine Rechtslehre, S. 285 f.). Dazu M . Bullinger, öffentliches Recht u n d Privatrecht, S. 11, A n m . 19: „Kelsen k o m m t damit i n die Nähe der Lehrmeinung, die den Unterschied v o n öffentlichem Recht u n d Privatrecht nicht als Wesensgegensatz versteht, sondern allein dem positiven Recht zuschreibt." 7 Seine K r i t i k wendet sich v o r allem gegen die die Mehrwerttheorie i n die verwaltungsrechtliche Systematik umsetzende Lehre O. Mayers; bes. A ö R 31 (1913), S. 192. Kelsens K r i t i k an O. Mayers Lehre v o m Verwaltungsakt ist einer jener Punkte, an denen sich eine Differenz der frühen m i t der ausgereiften Reinen Rechtslehre feststellen läßt. Hatte er früher die Mayersche Deutung des Verwaltungsakts als Rechtsnorm bekämpft (AöR 31 [1913], S. 197 ff., 205 f.), w e i l er am N o r m p r i v i l e g des Gesetzes festhielt (ebd., S. 75), so ist m i t der Übernahme der Stufenlehre dieser K r i t i k die Stoßkraft genommen, da diese j a gerade von der Rechtsnormqualität der Verwaltungsakte ausgeht. Die K r i t i k konzentriert sich n u n auf die Behauptung O. Mayers, der Verwaltungsakt w i r k e „aus eigener K r a f t " , er hole seine Rechtswirkungen nicht aus einem übergeordneten Gesetz, sondern aus sich selbst u n d bewahre so seinen öffentlich-rechtlichen Charakter (Staatslehre, S. 88). Vgl. dazu auch Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 11. 8 Wilhelm, Z u r juristischen Methodenlehre, S. 155 f. Vgl. v. Oertzen, SmendFestgabe 1962, S. 186 m i t L i t . ; Böckenförde, Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, S. 218. Demgegenüber sind aber auch positive Seiten aufgezeigt worden: Die Berechenbarkeit u n d Sicherheit des Rechts; die gerade m i t ihrer apolitischen Neutralität gegebene justizpolitische F u n k t i o n i n einer Gesellschaft, deren Funktionsprinzip der geregelte Kampf, der Wettbewerb, sei (Wieacker, P r i v a t rechtsgeschichte, 2. Aufl., S. 440 f.) ; vor allem aber habe die Auffassung des Staates als Willensverband die Möglichkeit rationaler juristischer Systematik eröffnet u n d damit die Bedürfnisse der an einem berechenbaren Funktionieren interessierten Bürokraten (und Staatsbürger) befriedigt (υ. Oertzen, S. 207).

§ 10 Exkurs: Konsequenz und Öffnung des Formalismus

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allem die K r i t i k an der der Mehrwerttheorie zugrundeliegenden naivverräumlichenden Vorstellung aufgreifen müsse, nach der die Rechtsordnung die (als vom Recht zunächst unabhängig gedachten) Subjekte gleichsam vorfindet, erst nachträglich normierend ergreift und so zu Rechtssubjekten macht; eine nach dem Rechtsstatus fragende Untersuchung w i r d dazu neigen, der These zuzustimmen, daß die Rechtssubjekte nicht der Rechtsordnung als von i h r verschiedene Wesenheiten gegenüber, sondern als Teile eines Ganzen i n der Rechtsordnung stehen®. Die Schärfe der Kelsenschen K r i t i k und den Impetus seiner Polemik gegen den Dualismus von öffentlichem und privatem Recht, vor allem aber den Grund für die Schwäche des eigenen Konzeptes w i r d man jedoch nur dann verstehen, wenn man diesen Dualismus als m i t den Kernsätzen der Reinen Rechtslehre unvereinbar erkennt. Diese Lehre versteht sich als eine „reine" i n einem doppelten Sinne 10 . Sie ist erstens streng normative Gesetzeswissenschaft i m Gegensatz zur kausalen Gesetzeswissenschaft; diese Unterscheidung basiert auf der neukantianischen Trennung von Sein und Sollen. Wissenschaftsobjekt ist die Norm, der Rechtssatz als Sollensurteil, i n i h m w i r d an eine bestimmte Bedingung eine bestimmte Folge geknüpft; Bedingung und Folge verbindet aber nicht wie i m Urteil des Naturgesetzes der Kausalnexus, sondern das spezifische Verknüpfungsprinzip der Zurechnung. Die Reine Rechtslehre ist zweitens eine Theorie des positiven Rechts i m Gegensatz zum Naturrecht als der Lehre vom idealen und zur Politik als der Praxis des „richtigen" Rechts. Sie ist eine solche Theorie des Rechtspositivismus 11 aus ihrem Selbstverständnis als Rechtswissenschaft: diese ist als Wissenschaft von den Sollensurteilen am besonderen Inhalt der Rechtssätze uninteressiert, sie ist allgemeine Normlogik. Gegen beide Grundprinzipien verstößt die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht. Gegen das letzgenannte Prinzip der reinen Positivität, weil diese Einteilung sich i m Grunde auf den Rechtsstoff, nicht die Rechtsform, auf die zu regelnden Lebensverhältnisse, nicht die regelnden Rechtsnormen beziehe 12 . Denn die Unterscheidung von Herr9

Staatslehre, S. 83. Z u m folgenden vgl. v o r allem die Vorrede zur 2. Auflage der Hauptprobleme (1923) u n d den Aufsatz „Was ist die Reine Rechtslehre?" i n : Demokratie u n d Rechtsstaat, Festgabe f ü r Z. Giacometti, 1953, S. 143—162. — Z u m wissenschaftsgeschichtlichen Standort der Staatslehre: Vorrede i n der 2. Auflage der Allgemeinen Staatslehre (1923). 11 Sehr präzise stoßen die positivistische Lehre Kelsens u n d die antipositivistische Lehre E. Kaufmanns auf der Staatsrechtslehrertagung 1926 zusammen. Vgl. die Diskussionsbemerkungen Kelsens i m Anschluß an K a u f manns Referat „Die Gleichheit v o r dem Gesetz", i n : V V D S t R L 3 (1927), 10

g. 153 55 2 '

Hauptprobleme, S. 704; AöR 31 (1913), S. 59, 63.

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Z u m Rechtsbegriff des öffentlichen — Analyse, K r i t i k , Hinweise

schaftsverhältnissen und Nicht-Herrschaftsverhältnissen differenziere nach dem Inhalt dieser Beziehungen, der aber über die Besonderheit als Rechts-verhältnis garnichts aussage, w e i l das Herrschaftsmoment keine Qualität sei, die einem Verhältnis anhafte, sofern oder weil es Rechtsverhältnis sei, sondern auch ganz unabhängig von der Rechtsordnung existiere. Was also unter dem Aspekt der traditionellen gemeinwohlorientierten Wissenschaft vom politischen Gemeinwesen als ein Formalisierungsprozeß geschildert werden konnte, ist für Kelsen i m Ergebnis immer noch zu material bestimmt; so formal die Begriffe Herrschaft und Freiheit etwa von Laband auch gefaßt sein mögen, Kelsen setzt i n radikal-konsequenter Durchführung des formalistischen Ansatzes zur letzten Leerung der Begriffe an. I h m ist der die ganze wissenschaftliche Systematik beherrschende Gegensatz von öffentlichem und privatem Recht „die Maske, hinter der gewisse politische, d. h. aber naturrechtliche Elemente i n die Darstellung des positiven Rechts einschleichen" 13 . Schwerwiegender noch ist die Unvereinbarkeit der Dichotomie m i t dem Grundsatz der reinen Normativität, da i n i h r „auf das deutlichste der gewaltige Dualismus" hervortritt, „der die moderne Rechtswissenschaft und damit unser ganzes soziales Denken beherrscht: der Dualismus von Staat und Recht" 14 . Diesen Dualismus zu überwinden, ist aber das Hauptanliegen der Lehre Kelsens, die von ihren Anfängen an Staatsrechtslehre und das soll hier heißen: „Reine Staatslehre" als „Reine Rechtslehre" sein w i l l 1 5 . Motiv ist die Verrechtlichung des Staates zum „Rechtsstaat", die Überwindung der Vorstellung von der nachträglichen (und äußerlichen) Bindung des vorrechtlich gedachten Machtstaates an die „von außen" herangetragene Rechtsordnung. Erreicht w i r d die Uberwindung dieser dualistischen Sicht, deren ideologische Funktion Kelsen nicht aufhört anzuprangern 16 , von der erkenntnistheoretischen Grundeinstellung aus, „der zufolge die Erkenntnisrichtung den Erkenntnisgegenstand bestimmt, der Erkenntnisgegenstand aus einem U r sprung logisch erzeugt w i r d " : wendet sich danach juristische Erkenntnis 13

Hauptprobleme, Vorrede, S. V I I I ; A ö R 31 (1913), S. 89 ff. Reine Rechtslehre, S. 288. Hauptprobleme, Vorrede, S. X X . 16 „Die traditionelle Staats- u n d Rechtslehre k a n n auf diese Theorie, k a n n auf den i n i h r sich manifestierenden Dualismus von Staat u n d Recht nicht verzichten. Denn er leistet eine ideologische F u n k t i o n v o n außerordentlicher, gar nicht zu überschätzender Bedeutung. Der Staat muß als eine v o m Recht verschiedene Person vorgestellt werden, damit das Recht den — dieses Recht erzeugenden u n d sich i h m unterwerfenden — Staat rechtfertigen könne. U n d das Recht k a n n den Staat n u r rechtfertigen, wenn es als eine v o m Staat wesensverschiedene, dessen ursprüngliche N a t u r : der Macht, entgegengesetzte u n d darum i n irgendeinem Sinne richtige oder gerechte Ordnung vorausgesetzt w i r d . So w i r d der Staat aus einem bloßen F a k t u m der Gewalt zum Rechtsstaat, der sich dadurch rechtfertigt, daß er das Recht fertigt (Reine Rechtslehre, S. 288)." 14

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§ 10 Exkurs : Konsequenz u n d Öffnung des Formalismus

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dem Staate zu, so kann sie i h n nur als Recht erkennen, „ w e i l juristisch erkennen oder rechtlich begreifen nichts anderes bedeutet, als etwas als Recht begreifen" 17 . Von diesem Ansatz her gewinnt Kelsens Feldzug gegen die „Zwei-Seiten-Theorie" des Staates, die den Staat nicht nur als Norm, sondern auch als politisch-soziale Wirklichkeit auffaßt, seine immanent unwiderlegbare Folgerichtigkeit 18 und ergibt sich für i h n die Möglichkeit, die großartige Konstruktion des Staates als „Normpyramide" zu entwerfen, i n der alles Recht auf den Staat als Rechtsordnung zurückgeführt wird, i n der also für ein privates Recht als Gegensatz zu einem öffentlichen Recht kein Platz ist: alle Rechtssätze sind publizistischer Natur 1 9 . Folgt man jedoch Kelsens neukantianischem Ansatz, seiner Auffassung einer Trennung von Sein und Sollen und einer den Gegenstand konstituierenden Erkenntnis nicht, weil man die politische Funktion dieses Normativismus erkannt hat, der sich m i t der Verbannung der Wirklichkeit aus der Norm der jeweiligen Situation ausliefert, dann ist m i t der auf normlogischer Ebene vollzogenen Nivellierung von öffentlichem und privatem Recht zu deren sachlicher Differenz oder Indifferenz nichts ausgesagt. Die Konsequenz dieses konsequent-radikalen Formalismus, der i n der Identität von Staat und Recht das Problem des öffentlichen untergehen läßt, erweisen i h n als für eine problemorientierte Fragestellung unfruchtbar. Die „Reinheit" dieser Lehre, die A b lehnung der „Naturrechtsfrage" nach dem Sinn der Norm, die Verweisung der Gerechtigkeitsfrage auf das Gebiet der Ideologie, bringt die Verfassungsrechtslehre und die verfassungsorientierte Wissenschaft des öffentlichen Rechts u m ihren Gegenstand. „Von seinem streng positivistischen, jedes Naturrecht ausschließenden Standpunkt aus muß . . . jeder Staat Rechtsstaat i n diesem formalen Sinne sein, soferne eben jeder Staat irgendeine Ordnung, eine Zwangsordnung menschlichen Verhaltens und diese Zwangsordnung, wie immer sie erzeugt wird, ob autokratisch oder demokratisch, und welchen Inhalt immer sie haben mag, eine Rechtsordnung sein muß, die sich stufenweise von der hypothetisch 17 Der Einfluß des Neukantianismus b e w i r k t somit die beiden, das gesamte Denken prägenden erkenntnistheoretischen Einstellungen: i m Anschluß an die K a n t - I n t e r p r e t a t i o n Windelbands u n d Simmeis die scharfe Trennung v o n Sein u n d Sollen, i m Anschluß an die K a n t - I n t e r p r e t a t i o n Cohens die konstit u t i v e Macht der Erkenntnis. Vgl. Hauptprobleme, Vorrede, S. V I u. X V I I . 18 Der K a m p f gegen die Zwei-Seiten-Theorie richtet sich besonders gegen Georg Jellineks A u f t e i l u n g der Allgemeinen Staatslehre i n eine Allgemeine Soziallehre des Staates u n d eine Allgemeine Staatsrechtslehre. Vgl. insbes.: Der soziologische u n d der juristische Staatsbegriff, Neudr. d. 2. Aufl. von 1928; Hauptprobleme, Vorrede, S. X V I I ; Reine Rechtslehre, S. 288. Der gleiche V o r w u r f w i r d aber auch ζ. B. gegen die Integrationslehre Smends erhoben; vgl. Kelsen, Der Staat als Integration, 1930, S. 22. 19 So schon Hauptprobleme, S. 656.

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vorausgesetzten Grundnorm aus durch generelle Normen zu individuellen Rechtsakten konkretisiert. Das ist der Begriff des Rechtsstaates, der m i t dem des Staates ebenso wie dem des Rechtes ident (!) ist 2 0 ." Eine solche Charakterisierung des Rechtsstaates führt die Konsequenz der normlogischen Methode sehr drastisch vor Augen, die Konsequenz nämlich, daß die Absolutsetzung dieser Methode zur reinen Logik und zum Verlust des wirklichkeitsbestimmten und wirklichkeitsgestaltenden Charakters der Norm führt. M i t einer solchen Betrachtungsweise hat man zwar den wissenschaftstheoretischen Boden Kelsens verlassen und auf eine immanente K r i t i k verzichtet; das aber erscheint gerechtfertigt, wenn man sich nur von dem positiv „politischen" Charakter einer materialen Lehre von Staat, Recht und Verfassung i n ebenso deutlicher Weise Rechenschaft gibt, wie Kelsen i h n als ideologisch verwirft. Über den Ort des öffentlichen und des öffentlichen Rechts i n einer solchen materialen Verfassungslehre kann von einer „Reinen Rechtslehre" aus nichts gesagt werden 21 . I I . Der „offene" Formalismus Der bisher betrachtete rechtswissenschaftliche Formalismus kann gerade unter dem Aspekt des öffentlichen als „geschlossener" Formalismus bezeichnet werden: diese i m Begriff der Staatsgewalt konzentrierte Theorie ist gegenüber der Tradition eines material öffentlichen ebenso 20

Staatslehre, S. 91. Die hier vorgetragene K r i t i k bestreitet nicht die Bedeutung des Kelsenschen Werkes als allgemeine L o g i k des positiven Rechts; sie rechnet n u r — von einem anderen Wissenschaftsideal herkommend — auch den w i r k l i c h keitsbezogenen Sinn der N o r m zum Gegenstand der Jurisprudenz; die damit gegebene Verunsicherung n i m m t sie i n Kauf, da sie auf das menschliche H a n deln i n seiner unsicheren u n d gefährdeten Geschichtlichkeit bezogen u n d nicht a m ahistorischen Ideal der Naturwissenschaft orientiert ist. Das bedeutet jedoch nicht, daß die rechtstheoretischen Erkenntnisse Kelsens f ü r eine materiale Demokratie- u n d Rechtsstaatslehre ungenutzt bleiben müßten. So ist schon i n der energischen Ablehnung der „Mehrwerttheorie" der rechtsstaatliche Eros nicht zu übersehen, u n d die Lehre v o m Stufenbau der Rechtsordnung w i r d v o n einer materialen Verfassungstheorie als die i h r gemäße Normlogik noch zu überprüfen sein. Wie heilsam eine Schulung u n d Prüfung an der disziplinierenden Lehre Kelsens ist, hat H.-H. Rupp i n seinen „ G r u n d fragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre" (1965) vorgeführt. — Sobald aber die Reine Rechtslehre mehr sein w i l l als die L o g i k einer materialen Theorie — u n d sie w i l l mehr sein, da nach ihrem Verständnis Rechtswissenschaft jenseits dieser L o g i k nicht möglich ist — steht sie jedem I n h a l t offen. Es ist die T r a g i k Kelsens, der mehr als die meisten „materialen Denker" der Weimarer Zeit von der Notwendigkeit der parlamentarischen Demokratie überzeuget w a r (vgl. V o m Wesen u n d Wert der Demokratie, 2. umgearb. Aufl., 1929; seine Polemik gegen Smend i n „Der Staat als Integration" 1930, bes. S. 58, 76, 81, 91), daß er den Gebrauch seiner Lehre, jeder Staat sei Rechtsstaat, nicht einmal als M i ß brauch bezeichnen konnte. Vgl. Sontheimer, Antidemokratisches Denken i n der Weimarer Republik, 2. Aufl. 1964, S. 83 f., 108. 21

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abgedichtet wie gegenüber demokratischer Öffentlichkeit. Die Wissenschaft des öffentlichen Rechts i m späten bürgerlichen Rechtsstaat kannte aber auch einen „offenen" Formalismus, der zwar die „herrschende Lehre" kaum beeinflussen konnte, da seine Problemoffenheit sich dem Dogma realitätsferner Begriffsreinheit nicht zu unterwerfen vermochte, der aber gerade deshalb heutigem verfassungs- und verwaltungsrechtlichem Denken vielfache Anknüpfung erlaubt. Das sei an den Lehren Otto von Gierkes und Albert Haenels erläutert. 1. Otto von Gierke

Die Lehre Otto von Gierkes (1841—1921) gehört m i t den Stich Worten „Genossenschaftstheorie" und „Sozialrecht" zum Repertoire vor allem der Privatrechtsgeschichte. Sie sei deshalb nur m i t wenigen Stichworten rekapituliert, während den gerade für die hier behandelten Grundfragen wegweisenden, wenig bekannten Ansätzen Haenels größere Ausführlichkeit gewidmet werden soll. Das erscheint umso gerechtfertigter als i m Vergleich zu Haenel bei Gierke „zukunftsreiche Einsichten i n die soziale Aufgabe der Rechtsordnung, ja i n den Bau der Gesellschaft selbst, durch romantisches und geschichtsphilosophisches Erbe und nationaldemokratisches Pathos seltsam überlagert" sind 22 . Trotz seiner scharfsinnigen und oft vehement geführten K r i t i k am rechtswissenschaftlichen Positivismus, die i n der großen Rezension zu Labands Staatsrecht ein Exempel wissenschaftlicher Polemik statuiert hat 2 3 , ist Gierke nicht der Überwinder des Formalismus, er übernahm vielmehr „ m i t erstaunlicher Unbewußtheit" 2 4 System und Begriffsbildung des Gegners, „kurierte" m i t seiner K r i t i k somit „ w o h l mehr am Symptom als an den Ursachen" 25 . Seine Bedeutung liegt auch nicht i n einer revolutionierenden Neufassung der Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht, so daß bei ihm dieser Gegensatz „ i n der Dreieinigkeit Privatrecht, Sozialrecht und öffentliches Recht aufgehoben ist"2®, er ergänzt vielmehr die am positiven Recht orientierte Dichotomie von 22 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 2. Aufl., S. 454. 23 Gierke , Labands Staatsrecht u n d die deutsche Rechtswissenschaft (1883), photomechan. Nachdruck 1962. Vgl. auch schon i n : Die Grundbegriffe des Staatsrechts u n d die neuesten Staatsrechtstheorien (1874), Unveränd. Abdruck 1915, bes. 5 ff., 15 ff., 85 ff. 24 Wieacker, a. a. O., S. 454. 25 Bullinger, öffentliches Recht, S. 63. Z u m Rechtsbegriff vgl. „ G r u n d begriffe": Recht als „ O r d n u n g der durch das Zusammenleben von Personen entstehenden Willensbeziehungen" (S. 89), Wesen des Rechts als Bejahung u n d Begrenzung der äußeren Willensherrschaft innerhalb der menschlichen Gemeinschaft (S. 102), Grenzabsteckung für die freie Verfolgung individueller wie gemeinschaftlicher Zwecke (S. 107). 26 So aber Wieacker, a. a. O. S. 455, vgl. auch S. 546.

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öffentlichem Recht und Privatrecht um die an Strukturkriterien differenzierte Zweiteilung von Individual- und Sozialrecht. Das Verhältnis zwischen öffentlichem u n d privatem Recht, über das Gierke seine Habilitations-Probevorlesung gehalten hat 2 7 , kehrt i n fast allen Schriften leitmotivisch wieder. I n den „Grundbegriffen des Staatsrechts" (1874) w i r d die Unterscheidung entwickelt: das Recht, der Normierung von Willenssphären dienend, ist i n seiner Beziehung auf Individualwillen, als Regelung des äußeren Lebens „fertiger" I n d i v i d u e n Privatrecht, i n seiner Beziehung auf einen gemeinheitlichen Willen, als Regelung des inneren Lebens einer Gesamtpersönlichkeit öffentliches Recht. A l l e Verbände, nicht n u r der Staat, leben somit nach öffentlichem Recht 28 . Beide Bereiche werden unter den Begriffspaaren Koordination u n d Subordination, subjektive Freiheit u n d Notwendigkeit, Beweglichkeit des freien Verkehrslebens u n d objektives Recht, Befugnis und Pflicht scharf gegensätzlich voneinander abgehoben 29 . Da diese Unterscheidung sich m i t dem positiven Recht nicht deckt, w i r d sie i n der Schrift „Die Genossenschaftstheorie u n d die deutsche Rechtsprechung" (1887) den neuen Begriffen „Individualrecht — Sozialrecht" unterstellt; daneben dient die Dichotomie von öffentlichem u n d privatem Recht jetzt der Differenzierung je nach „Ausstattung m i t staatlichem Beruf" oder öffentlicher „Bedeutung f ü r das Staatsleben" 3 0 . Die Lehre w i r d i m ersten Band des „Deutschen Privatrechts" (1895) sehr k l a r zusammengefaßt. Das Individualrecht ist „das Recht, insoweit es die menschlichen Willensträger als Einzelwesen zueinander i n Beziehungen s e t z t . . . (es) beruht auf dem Verhältnis der Nebenordnung u n d geht von der Unverbundenheit der Subjekte aus. Sozialrecht ist das Recht, insoweit es die Beziehungen der menschlichen Willensträger als Gesellschaftswesen o r d n e t . . . Es beruht auf dem Verhältnis der Einordnung (Über- u n d Unterordnung) u n d geht v o n der Verbundenheit der Subjekte aus . . . P r i v a t recht ist heute alles Individualrecht u n d außerdem dasjenige Sozialrecht, das nicht durch einen staatsrechtlichen Satz dem öffentlichen Recht einverleibt i s t . . . öffentliches Recht ist alles Staatsrecht, d. h. alles Recht, das den Staat als Ganzes u n d die einzelnen Menschen sowie die übrigen Verbände als Staatsglieder betrifft, u n d außerdem dasjenige Sozialrecht, welches wegen der Beschaffenheit der von i h m geordneten Gemeinschaft als öffentlich anerkannt ist. . . . So ergibt sich eine reiche positive Grenzziehung zwischen P r i vatrecht und öffentlichem Recht, die das Sozialrecht i n der M i t t e durchschneidet 3 1 ."

Bleibt Gierke somit i m Banne des Formalismus, so doch nicht ohne überraschende systemfremde Einschübe, die das Recht i n seiner sozialen Funktion betrachten 32 und ihm den leidenschaftlichen Appell für „Die 27

Erik Wolf, Große Rechtsdenker, 4. Auflage 1963, S. 682. Grundbegriffe, S. 108—116; ebenso i n : Labands Staatsrecht, S. 31 f. Grundbegriffe, S. 110 f. 30 Die Genossenschaftstheorie u n d die deutsche Rechtsprechung, 1887, S. 8 bis 10, bes. 155—168; weniger k l a r auch i n : Die soziale Aufgabe des P r i v a t rechts 1889, S. 5—15, 42—44. 31 Deutsches Privatrecht, Bd. I, 1895, S. 26/27, vgl. auch S. 619—624; ebenso i n : Das Wesen der menschlichen Verbände, 1902, S. 28, 33; Recht u n d Sittlichkeit (1916/17), Darmstadt 1963, S. 16. 32 Vgl. z.B. Labands Staatsrecht, S. 15; dazu Wilhelm, Z u r juristischen Methodenlehre, S. 12. 28 29

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soziale Aufgabe des Privatrechts" erlauben 33 , so daß i n einem modifizierten Sinne i h m die „Entdeckung eines Sozialrechts als Aufgabe" zugeschrieben werden kann 3 4 . Blieb seine zweifache Einteilung der Rechtsordnung auch den dualistischen Kategorien verbunden, so lag ihr doch die Erkenntnis der „Gemeinsamkeit der inneren Ordnung aller Verbände und ihrer Bedeutung als kleine Gemeinwesen i m großen staatlichen Gemeinwesen" 35 zugrunde. W i r d man darin zukunftsweisende Ansätze zu einer Pluralismustheorie sehen können 36 , so stellt sich einer unmittelbaren Übernahme außer der oft fast „realontologischen" Begrifflichkeit seiner organizistischen Staatsauffassung 37 und ihrer Bindung an das konstitutionelle Verfassungsbild seiner Zeit 3 8 die Differenz entgegen, die seine Organismen als „soziale Ganze leiblich-geistiger N a t u r " 3 9 von den modernen, technisch geprägten Organisationen trennen 40 . Bleibt Gierkes Bedeutung für die Gegenwart somit i m unentschiedenen Zwar-Aber, m i t seinen Überlegungen zum Verhältnis von Staat und Recht hat er sich den relativistischen Konsequenzen des Formalismus m i t Eindeutigkeit entgegengestellt. Dieses Verhältnis sieht er durch den Begriff des Rechtsstaats umschrieben: „Rechtsstaat ist ein Staat, der sich selbst nicht über, sondern in das Recht stellt; ein Staat, der i n seiner gesamten positiven Lebenstätigkeit gleich dem Einzelnen frei, aber gleich dem Einzelnen nur gesetzlich frei und also durch die Schranke des 33 Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 1889, bes. S. 11—13. Z u m bewußten Verzicht auf „Wissenschaftlichkeit" vgl. S. 3 f.: „Reiner Wissenschaft ist n u r die Frage zugänglich, was ist, nicht die Frage was sein soll... Sie k a n n indes nicht umhin, darüber hinauszuschreiten. Der Strom der Geschichte eilt v o r wärts u n d bringt Wandlungen des Rechts, welche der Z u k u n f t ihre Bahn weisen. Je weiter das Geistesleben vorgeschritten ist, desto entschiedener greift hierbei bewußte T a t ein. I h r geht die Überlegung voran, was Recht sein solL U n d an dieser Überlegung muß sich die Rechtswissenschaft b e t e i l i g e n . . . (sie) würde sich selbst aufgeben, w e n n sie i n den großen Entscheidungsstunden des Rechtslebens schwiege. Sie k a n n u n d w i r d nicht darauf v e r zichten, Ziele zu setzen u n d den Gesetzgeber zu beraten." 34 Wieacker, Sozialmodell, S. 14; Privatrechtgeschichte, S. 261. A b e r dieses Sozialrecht i m Sinne eines „sozialen Rechts" (vgl. dazu E r i k Wolf, a.a.O., S. 699—705) ist nicht identisch m i t Gierkes dem Individualrecht gegenüberstehenden „Sozialrecht". 35 Bullinger, a. a. O., S. 71. 36 Vgl. E. Fraenkel, Der Pluralismus als Strukturelement der freiheitlichrechtsstaatlichen Demokratie, 1964, S. Β 10 f. 37 A. Kaufmann, Analogie u n d „ N a t u r der Sache", 1965, S. 19. Auch w e n n man gegen Gierkes „juristische Bildersprache" (Wieacker) den V o r w u r f des Begriffsrealismus nicht erheben wollte, bliebe gegen seine organische Theorie ein ähnlicher E i n w a n d w i e gegen die Personifizierung des Staates. „Sie setzt die Zuordnung der Kräfte zur Einheit schon voraus, u m deren Gewinnung es i m Staate geht. Daher werden gerade die zentralen Vorgänge staatlicher Selbstbestimmung nicht erfaßt oder i n ihrer komplexen S t r u k t u r unter ein genossenschaftliches Schema gepreßt." (Scheuner, Das Wesen des Staates u n d der Begriff des Politischen, S. 235.) 38 Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 454 f. 39 Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 25. 40 J. H. Kaiser, Repräsentation organisierter Interessen, S. 9 f.

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Rechts gebunden ist; ein Staat, i n dem alles öffentliche Recht ganz wie das Privatrecht durch und durch als Recht i m vollen Sinne anerkannt w i r d .. . 4 1 ." Das hier aufscheinende Rechts- und Freiheitsverständnis ist ein durch Erich Kaufmann 4 2 vermitteltes Vermächtnis auch an unsere Zeit. 2. Albert Haenel

a) Zu den K r i t i k e r n des „geschlossenen" staatsrechtlichen Formalismus, die dessen Vereinseitigungen i n wesentlichen Punkten vermieden haben, gehört Albert Haenel (1833—1918). I n seinem Werke steht die Lehre des rechtlichen Verhältnisses von Staat und Gesellschaft und damit die Lehre der rechtlichen Abgrenzung und Bezogenheit des öffentlichen vom privaten Bereich an hervorragender Stelle. Den ersten Band seines Hauptwerkes über „Deutsches Staatsrecht" (1892)43 eröffnet Haenel m i t einem I. Buch „Die Grundlagen des deutschen Staates", einer „allgemeinen Staatsrechtslehre", die jedoch nicht zu Unverbindlichkeiten abstrahiert ist, sondern auf das konkrete Gemeinwesen bezogen bleibt, ohne dessen Einzelheiten zu verabsolutieren. I n dem Abschnitt über „Die staatsrechtlichen Grundverhältnisse" folgt gleich nach den Ausführungen zum Wesen des Staates 44 das Kapitel „Der Staat und die bürgerliche Gesellschaft" (§§ 20 bis 29). Die rechtliche Beziehung zwischen beiden ist „das entscheidende, charakteristische Kennzeichen für die historische Entwickelungsstuf e und für die Individualität" eines Staates 45 . Das Grundverhältnis des Staates zu der bürgerlichen Gesellschaft findet seine oberste rechtliche Bestimmung durch das Verhalten des Staates gegenüber dem Vereinswesen und dem Privatrecht 4®. — Dieser Aufbau 41 Grundbegriffe, S. 36, vgl. auch S. 29—36, 103, 107; Recht u n d Sittlichkeit, S. 13 f. 42 E. Kaufmann, GSch I, S. X I I I , I I I , S. 66. 43 Das W e r k w a r f ü r Bindings Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft mehrbändig geplant. Es erschien aber n u r der Erste Band, der neben der Grundlegung n u r die Lehre von der „Reichsgewalt", d. h. die Kompetenzenlehre, enthält. — Die staatsrechtliche L i t e r a t u r hat Haenel zu Unrecht sehr stiefmütterlich behandelt. Vgl. aber die demnächst erscheinende Monographie: St. Graf Vitzthum, Linksliberale P o l i t i k u n d materiale Staatsrechtslehre. A l b e r t Haenel 1833—1918, Freiburg i. Br. 1971. 44 Der Abschnitt über „Die staatsrechtlichen Grundverhältnisse" handelt i n einem I. K a p i t e l v o m „Wesen des Einheitsstaates", der als Maßstab u n d A u s gangspunkt jedes Staates, also auch des Bundesstaates betrachtet w i r d ; nach der Untersuchung des Verhältnisses dieses Staates zur bürgerlichen Gesellschaft (II. Kapitel) w i r d zur Betrachtung der bundesstaatlichen Sonderprobleme übergeleitet ( I I I . Kapitel). 45 Staatsrecht, S. 132. 46 Staatsrecht, S. 134. Entsprechend ist der A u f b a u des I I . Kapitels. Der Staat u n d die bürgerliche Gesellschaft: I. Der Staat u n d das Vereinswesen; I I . Der Staat u n d das Privatrecht, A . öffentliches Recht u n d Privatrecht, B. Die V e r w a l t u n g des Privatrechts.

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erscheint zunächst als eine besonders klare Ausführung des üblichen liberalen Schemas. Dieser Eindruck w i r d bei einer ersten Lektüre der betreffenden Passagen i m ganzen bestätigt, höchstens i m Sinne eines geläuterten, gleichsam „neoliberalen" Verständnisses modifiziert. Die bürgerliche Gesellschaft w i r d erfaßt als die Summe der gesellschaftlich aufeinander w i r k e n d e n menschlichen Kräfte, die sich i n den v o m Staate unterschiedenen Organisationsformen der „freien Anpassung", der Familie u n d der herrschaftlich verfaßten korporativen Verbände bewegen u n d betätigen. I n diesen Formen, v o r allem i n den Formen des bürgerlichen V e r kehrsrechts „vollzieht sich der tägliche K a m p f u m das physische, wirtschaftliche u n d geistige Dasein der zwar überall aufeinander angewiesenen u n d doch v o r allem i h r Selbst behauptenden I n d i v i d u e n " 4 7 . „ I n ihnen bilden sich die formlosen oder irgendwie organisierten Schichtungen u n d Stände, Klassen u n d Gruppen der Bevölkerung, die zum M i t t e l p u n k t bald Abstammung, Heimat u n d historische Tradition, bald Beruf u n d gesellschaftlichen Einfluß, bald die Abstufung u n d A r t des Vermögens u n d der wirtschaftlichen Stellung, bald sonstige geistige u n d materielle Verhältnisse haben. Sie alle heben i n einseitiger Betonung ein einzelnes oder eine Mehrheit von Interessen aus der Fülle der menschlichen Anlagen hervor, die zwar die Genossen i n die engere Verbindung u n d F ü h l u n g einer Interessengemeinschaft setzen, aber die gleichzeitig die Kreuzung und den Gegensatz m i t anderen Interessengemeinschaften erzeugen 48 ." „Der Staat soll u n d vermag nicht mehr als über u n d i n der bürgerlichen Gesellschaft eine Friedensordnung zu schaffen u n d i n gerechter Abwägung einen Ausgleich der Interessen durch Hemmung und, wenn es not tut, durch Unterdrückung überwuchernder u n d übermächtiger, sowie durch Förderung u n d Unterstützung der hilfsbedürftigen u n d aufstrebenden K r ä f t e zu bewirken." Seine Macht und seine Aufgabe reichen nicht so weit, u m die gesellschaftlichen Gliederungen i n eine konzentrierende u n d nivellierende Organisation aufzulösen, beide gehen n u r darauf aus, die sich anziehenden u n d abstoßenden K r ä f t e i n eine höhere Ordnung planmäßig einzufügen 4 9 . Die Gesellschaft als Reich der Interessen, der Staat als Friedensordnung — das hebt sich nicht kontraststark v o m Vortrag der herrschenden Lehre ab. E i n solcher Kontrast ist auch i n den näheren Bestimmungen des Grundverhältnisses zunächst nicht spürbar: i n den Ausführungen zum Vereinswesen liegt das Schwergewicht bei den „freien Vereinen", deren Einteilung als „ v o l l kommen gleichbedeutend m i t einer Einteilung der gesellschaftlichen K u l t u r zwecke" angesehen w i r d 5 0 ; die Unterscheidung des öffentlichen Rechts v o m 47

Staatsrecht, S. 131. Staatsrecht, S. 131/132. 49 Staatsrecht, S. 132. 50 Staatsrecht, S. 146. Außer den freien Vereinen gehören zum „Vereinswesen" u. damit zur Gesellschaft noch die korporative Selbstverwaltung (§ 22) u. die kirchlichen Verbände (§ 24). Die Zuordnung ist historisch bedingt u n d w i r d auch w o h l von Haenel als ungenügend empfunden, da die Selbstverw a l t u n g sich gerade durch die „Angliederung an die Aufgaben u n d Organisationen des Staates" (S. 145) charakterisiert u n d nach öffentlichem Rechte lebt, das insoweit einer Erweiterung seines Begriffes bedarf (S. 164). Die Sonderstellung der Kirchen w i r d auch dadurch zum Ausdruck gebracht, daß das Kirchenrecht nicht i n das dichotomische System gepreßt, sondern als eigene Rechtskategorie anerkannt w i r d (S. 168). 48

13 Rinken

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Privatrecht folgt der Subjekttheorie: „Das öffentliche Recht hat zum Stoffe die spezifische Stellung u n d Organisation, die spezifischen Aufgaben u n d Tätigkeiten des Staates, als des obersten korporativen Verbandes eines Volkes, einschließlich der i h m eingegliederten Selbstverwaltungskörper". Das Privatrecht hat zum Stoffe die Privatfreiheit, d. i. „den Abschnitt des gesellschaftlichen Lebens, i n dem sich die K u l t u r e n t w i c k e l u n g des Volkes vollzieht durch die Zwecksetzungen, durch den Selbstbetrieb, durch die ausschließlich unter ihnen selbst gestifteten Bindungs- u n d Verantwortlichkeitsverhältnisse der Privaten" 5 1 .

Das liberale Pathos dieser Ausführungen weist auf die Grenzen der Lehre hin, die am positiven Staatsrecht orientiert, notwendig eine Theorie des „bürgerlichen Rechtsstaats" ist; es sollte aber nicht dazu verleiten, m i t diesem Signum die bezeichnenden Nuancen zuzusiegeln, die auf tiefgreifende Differenzen zum formalistischen Modell hinweisen. I h m gegenüber ist die Haenelsche Lehre gerade nicht nur eine bloße Randkorrektur, sondern die lebendige Vergegenwärtigung eines liberalen Staatsverständnisses, das wie bei Robert von Mohl die freiheitssichernde Unterscheidung von Staat und Gesellschaft nicht zu einem Gegensatz übersteigert 52 und deshalb die aus dieser Übersteigerung resultierenden dualistischen Verfestigungen vermeidet. Solche wegweisenden Differenzen ergeben sich schon aus den angeführten Stellen: die Beschreibung der bürgerlichen Gesellschaft als einer pluralistisch strukturierten Gesellschaft organisierter Interessen; die A n erkennung einer positiven Ordnungs- und Planungsfunktion des Staates, die auch eine aktive Förderung gesellschaftlicher Kräfte einschließt; die Definition des Rechtes nicht allein von der Rechtsform, sondern von den sachlichen Aufgaben her. Die Gesellschaft ist nicht Gegenspieler des Staates, sondern „wesentliches Element seiner eigenen Bildung" und „Stoff für seine Arbeit" 5 3 . Das führt zu einer positiv-aktiven Stellung des Staates zu Vereinswesen und Privatrecht, zu einer sachgemäßen Förderung des Vereinswesens einschließlich möglicher Subventionen 54 ; zu einer Aufeinanderbezogenheit von öffentlichem und privatem Recht 55 . Reichweite und Konsequenzen dieser Andeutungen ergeben sich aus einer kurzen Darstellung des zugrundeliegenden Staats- und Rechtsverständnisses. b) Der Staat ist nur eine unter anderen Organisationsformen der menschlichen Gesellschaft; er ist seinem inneren Wesen nach korporati51

Staatsrecht, S. 168 f. Vgl. den Hinweis auf v. M o h l f ü r die L i t e r a t u r über den Begriff der bürgerlichen Gesellschaft (Staatsrecht, S. 131 Note 1). Dieser Hinweis hat aber w o h l auch sachliche Bedeutung. 53 Staatsrecht, S. 132. 54 Staatsrecht, S. 134 f., 149. 55 Staatsrecht, S. 157 ff. 52

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ver Verband, seiner öffentlichen Stellung nach juristische Person; gegenüber anderen korporativen Verbänden kennzeichnet i h n das Wesensmerkmal der Souveränität 56 . Der Ausgangspunkt, die Charakterisierung des Staates als eine unter anderen gesellschaftlichen Organisationsformen, ist von weitreichender Konsequenz: Der Staat steht grundsätzlich der Gesellschaft u n d i n seiner näher betrachteten I n d i v i d u a l i t ä t der „bürgerlichen Gesellschaft" nicht als fremde Einheit gegenüber, er wurzelt i m gleichen Grund. Haenels Gesellschaftsbegriff ist — w o h l unter dem Einfluß Diltheys 5 7 — p r i m ä r kulturwissenschaftlich orientiert: Die K u l t u r eines Volkes ist bedingt durch die Gesellschaft, sie ist das Ergebnis gesellschaftlichen Zusammenwirkens. I n einem ausgezeichneten Sinn ist die gesellschaftliche Organisation „Staat" Bedingung und zugleich Ergebnis des k u l t u r e l l e n Lebens eines Volkes, ist sie „ K u l t u r s t a a t " 5 8 . I n der Typologie der gesellschaftlichen Organisationsformen 5 9 gehört der Staat zu den korporativen Verbänden, d. h. den organisierten Herrschaftsoder Autoritätsverhältnissen, deren spezifische innere Gestaltung i n der Gliederung der gesellschaftlich Zusammenwirkenden nach Organen u n d M i t g l i e dern besteht, deren Bildungsprinzip, d.h. ausschlaggebendes M o t i v f ü r das Wollen aller Beteiligten, ein Gemeinzweck ist 6 0 . Der m i t dem Tatbestand und dem Begriff des Gemeinzwecks gesetzte Gemeinwille ist keine abstrakte oder fingierte Einheit, er ist als ein v o n den I n d i v i d u e n ausgehender Willensbildungsprozeß aufgegeben. Die Notwendigkeit einer relativen Unabhängigkeit v o n der W i l l k ü r des einzelnen b e w i r k t die Konstituierung u n m i t t e l barer verfassungslegitimierter Organe, die i m Rahmen ihrer amtsrechtlichen Kompetenz durch i h r individuelles Wollen den Gemeinwillen bilden u n d tragen 6 1 . Die juristische Persönlichkeit fügt dem inneren Wesen des korpo56 Staatsrecht, S. 76, 81, 102, 109, 113 f. Die Zitate sind an die heutige Schreibweise angepaßt. Haenel schreibt z. B. Suveränetät. — A u f Parallelen zum älteren „sach- u n d zweckbezogenen Denken" k a n n nicht jeweils hingewiesen werden; sie werden bei einem Vergleich m i t den i n §8 dargestellten Positionen deutlich. 57 Vgl. Staatsrecht, S. 75 Note 1. 58 Den Begriff „ K u l t u r s t a a t " gebraucht Haenel selbst nicht. Er erscheint zur Kennzeichnung seiner Lehre aber besonders geeignet, w i e sich i m einzelnen aus den folgenden Ausführungen ergibt. Dabei ist allerdings der Begriff i n einem weiten Sinne zu verstehen, der nicht n u r am „ k u l t u r e l l e n Bereich" orientiert ist (Kunst, Bildung), sondern auch die sozialstaatliche Komponente m i t umfaßt. 59 Haenel unterscheidet: I. Organisationsformen der freien Anpassung, 1. m i t n u r negativer Abgrenzungsfunktion (absolutes Personen- u n d V e r mögensrecht), 2. m i t rechtlichen BindungsVerhältnissen (bürgerliches V e r kehrsrecht); I I . Herrschafts- oder Autoritätsverhältnisse, 1. der persönl. E r gänzung (Familie, G r u n d - u. Schutzherrschaft), 2. des korporativen Verbandes, a) privatwirtschaftlich, b) öffentlich: Gemeinde, Kirche, Staat (vgl. Staatsrecht, S. 76—81). 60 Staatsrecht, S. 82. 61 Staatsrecht, S. 84, 86 ff. I n der Demokratie ist das V o l k i m Rahmen seiner Kompetenz Staatsorgan. D a m i t ist zumindest der Ort f ü r ein demokratisches Staatsrecht offengehalten, ohne daß Anlaß bestanden hätte, es i n einem positiven Staatsrecht der Bismarckverfassung zu explizieren. Die liberal» demokratische Offenheit dürfte gewahrt sein: i n der Herleitung aller Organkompetenzen unmittelbar aus der Verfassung, damit also der Verfassungssuprematie auch gegenüber dem Volke (S. 88), der Abweisung der Lehre, die notwendige Einheit der L e i t u n g könne n u r durch die rechtliche Konzen-

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rativen Verbandes nichts hinzu, sie ist lediglich die Anerkennung der W i r k samkeit nach außen durch die Rechtsordnung, die positivrechtliche Fiktion, der korporative Verband sei eine Person, ein einheitliches Rechtssubjekt. „Die F i k t i o n stellt das technische H i l f s m i t t e l dar, u m m i t einem Schlagworte die Anwendbarkeit eines bestimmten Komplexes von Rechtsregeln, welche an den Rechtsverhältnissen der einzelnen, individuellen Personen entwickelt sind, auch auf solche Rechtsverhältnisse zu vermitteln, i n denen ein korporativer Verband durch sein Organ als Beteiligter steht 6 2 ." I m Unterschied zu allen anderen gesellschaftlichen Verbänden ist der Staat souveräner Verband, er ist der „höchste" als umfassendste Gebietskörperschaft, wegen seines universellen Gemeinzwecks u n d als die alle Herrschaften i n seine Gesamtordnung einfügende Herrschaft 6 3 . Das „Zuhöchstsein" des Staates ist jedoch i n allen drei Richtungen immanent begrenzt. Unter dem Aspekt des Gemeinzwecks bedeutet die Souveränität nicht schrankenlose Omnikompetenz, sondern umschreibt normativ die Aufgabe des Staates. Diese ist zweifach: oberste Bürgschaft für das Recht u n d selbsttätiges Element i n der K u l t u r e n t w i c k l u n g eines Volkes zu sein 6 4 . Die Universalität des Staatszweckes besteht darin, daß er das Recht 6 5 u n d alle gesellschaftlich zu v e r wirklichenden Zwecke „einem Gesamtplane der K u l t u r e n t w i c k l u n g des Volkes einfügt, welchen der Staat i n oberster Leitung durch seine rechtlichen Ordnungen u n d i n ergänzender Hilfstätigkeit zu verwirklichen h a t . . ," 6 6 . Die „höchste Herrschaft" des Staates ist keine unbeschränkte Omnipotenz, „die Herrschaft des Staates ist n u r u m seines Gemeinzweckes w i l l e n sittlich u n d rechtlich begründet" 6 7 .

M i t diesem Staatsbegriff setzt Haenel sich deutlich von Einseitigkeiten und Ubertreibungen anderer Lehren seiner Zeit ab. Sein korporativer Staatsbegriff, bei dessen Entwicklung i h m nach eigener Aussage Gierke „Stütze und Stab" war 6 8 , ist eine klare Absage an den Labandschen trierung aller Staatsgewalt i n einem Hauptorgan b e w i r k t werden (S. 93), durch ein Verständnis der Staatsverfassung schließlich als zwar seiner F o r m nach ein Verhältnis der Über- u n d Unterordnung, der Herrschaft u n d des Beherrschtseins, seinem inneren Gehalt nach aber als ein Beteiligungsverhältnis aller Mitglieder an dem Gemeinzweck (S. 97 f.). 62 Staatsrecht, S. 103 ff., das Zitat auf S. 107, vgl. dort auch speziell zur juristischen Persönlichkeit des Staates: „ F ü r den Staat jedoch ist die jurist. Persönlichkeit nicht n u r eine durch die Energie u n d Vielseitigkeit seiner W i r k samkeit begründete Notwendigkeit, sie ist zugleich k r a f t der Macht des Staates, sich seine Rechtsordnung selbst zu gestalten, f ü r seine inneren u n d k r a f t des geltenden Völkerrechtes f ü r seine äußeren Beziehungen überall u n d ausnahmslos positiven Rechtes." 63 Staatsrecht, S. 108 f., 113 f. 64 Staatsrecht, S. 110. 65 „ . . . sei es durch eigene Rechtserzeugung, sei es durch Feststellung der Bedingungen, unter denen er das außerstaatlich erzeugte Recht anerkennt u n d schützt" (Staatsrecht, S. 111). 66 Staatsrecht, S. 113 f. 67 „Dieser fordert, aber er duldet auch nicht mehr, als daß keine Willensmacht u n d keine Herrschaft innerhalb des Gebietes bestehe, die nicht v o n dem Staate insofern u n d insoweit ergriffen w i r d . . . , als erforderlich ist, u m sie seiner rechtlichen, durch den territorialen Bereich seiner Organisation u n d durch seinen Gemeinzweck näher bestimmten Gesamtordnung einzufügen" (Staatsrecht, S. 113). 68 Staatsrecht, S. 81 Note 1.

§ 10 Exkurs : Konsequenz u n d Öffnung des Formalismus

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Staat als Rechtsperson, dessen Ableitung er als „dichtesten Nebel der Metaphysik" ironisiert und richtig als Hypostasierung eines abstrakten Begriffes kritisiert. „Der S t a a t . . . lebt und webt ausschließlich i n seinen Organen . . . Abgesehen von diesen Organen hat der Staat keinerlei Realität, sondern ist nur eine einseitige Abstraktion.. * 9 ." M i t dieser Absage an jedes statische Einheitsdenken rückt Haenel seine Konzeption zugleich aus der gefährlichen Nähe einer begriffsrealistischen Organismustheorie, wie sie aus manchen Bildanalogien Gierkes gefolgert wird 7 0 . Die Deklaration der juristischen Persönlichkeit des Staates als technisch bedingte Fiktion wahrt die Vorteile der Person-Konstruktion ohne aber dem blassen Extrem der Savignyschen Fiktionstheorie zu verfallen, da das innere korporative Wesen des Staates unberührt bleibt. M i t seiner Souveränitätslehre schließlich wendet sich Haenel m i t Entschiedenheit gegen die These Georg Jellineks von der naturhaften Schrankenlosigkeit des Staates, aus der nur durch Selbstbeschränkung ein rechtlich beschränktes Verhältnis gegenüber anderen Persönlichkeiten entstehe, wodurch der Staat selbst Rechtspersönlichkeit gewinne. Die dem zugrundeliegende Einheitskonzeption des Staates als eines „Menschen i m Großen" bezeichnet Haenel als einen „grundstürzenden I r r t u m " , der die gesellschaftliche und damit immer schon vom Recht bedingte Natur des Staates verkenne 71 . Demgegenüber entwickelt Haenel sein Verständnis vom Verhältnis von Recht und Staat i n einer normativen Souveränitätstheorie. „Die Souveränität ist eine Aussage über Eigenschaften einer gesellschaftlichen Organisationsform. D a m i t ist jede Deutung zurückgewiesen, als ob der Staat u m seiner Souveränität w i l l e n n u r i n einem zufälligen Verhältnis zum Recht stünde, als ob er dasselbe nach seinem Belieben anerkennen u n d setzen u n d sich nach seinem Belieben von demselben lossagen könnte 7 2 ." „Das Recht ist das der menschlichen Gesellschaft i n allen ihren Organisationsformen notwendige Ordnungsprinzip 7 3 ." Das k a n n es allerdings nicht sein, w e n n sein 69 Das Gesetz i m formellen u n d materiellen Sinne, 1888, S. 230 f. Dort prononciert gegen Labands Staatsbegriff: Der Staat ist seiner inneren S t r u k t u r i n der Erfahrungswelt nach ein „Rechtsverhältnis einer Personenmehrheit" (ebd. S. 233). Die Schrift von 1888 entwickelt ihre Thesen i n stetiger Auseinandersetzung m i t den zeitgenössischen Lehren; das spätere „Staatsrecht" enthält sich jeder Polemik. 70 Distanzierend zu Gierke insbes. : Staatsrecht, S. 99 ff., m i t Note 4. 71 Gesetz, S. 215 f. 72 Staatsrecht, S. 115 (Hervorhebungen i m Original). Ausdrücklich gegen Jellinek i m Gesetz, S. 218: „Die Behauptung, daß das Recht dem Staat seinen w i l l k ü r l i c h e n Ursprung verdanke, ist nichts als ein Rest des individualistischen Rationalismus, der i n der Gesellschaft u n d darum i m Rechte nicht sow o h l eine Bestätigung u n d Erfüllung, sondern eine Beschränkung u n d V e r minderung der ursprünglichen Freiheit des Menschen erblickte — n u r daß diese abstrakte Auffassung, angewandt auf eine Erscheinung, die nur Gesellschaft ist, doppelt fehlerhaft ist." 73 Staatsrecht, S. 115.

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Wesen ausschließlich i n der Abgrenzung v o n Willenssphären (Laband) oder i n sozialer Schrankenziehung (G. Jellinek) gesehen wird. Neben einer abgrenzenden negativen F u n k t i o n hat das Recht eine zusammenordnende, gesellschaftliches Zusammenwirken erst ermöglichende, eine positive F u n k t i o n ; erst dadurch bietet es die Möglichkeit berechenbaren u n d gesicherten Zusammenwirkens als einer Grundbedingung menschlicher K u l t u r 7 4 . Dem Staat als gesellschaftlicher Organisation ist das Recht eine „notwendige Erscheinungsweise" 7 5 . c) D i e L ö s u n g des Rechtsbegriffs aus d e r i n d i v i d u a l i s t i s c h - r a t i o n a l i stischen N e g a t i v i t ä t e r m ö g l i c h t es, d e n S t a a t i n a l l e n seinen T ä t i g k e i t e n als v o m Rechte d u r c h w a l t e t , g e l e n k t u n d g e o r d n e t z u d e n k e n . M i t d e m W e g f a l l d e r B e s c h r ä n k u n g des Rechts a u f eine n u r n e g a t i v e A b - u n d A u s g r e n z u n g s f u n k t i o n e n t f ä l l t auch die N o t w e n d i g k e i t d e r B e s c h r ä n k u n g a u f d i e „ n e g a t i v e " E i n g r i f f s v e r w a l t u n g , es eröffnet sich die M ö g l i c h k e i t eines umfassenden rechtlichen Systems der Staatsaufgaben 70. Dieses S y s t e m g l i e d e r t sich gemäß d e r d r e i f a c h e n G l i e d e r u n g des s t a a t l i c h e n Gesamtzwecks i n die d r e i Sachgebiete d e r Staatspflege, d e r K u l t u r - oder W o h l f a h r t s p f l e g e u n d d e r Rechtspflege 7 7 . „ E s g i b t k e i n e A u f g a b e des Staates, heiße sie, w i e sie w o l l e , f ü r w e l c h e n i c h t das Recht u n d f o l g e weise die Rechtssetzung u n d die W a h r u n g des Rechtes n o t w e n d i g e s M i t t e l w ä r e n 7 8 . " H a e n e l h a t das S y s t e m der Staatsauf gaben, e r h a t seine L e h r e v o m p o s i t i v e n B e r u f d e r Gesetzgebung u n d der V e r w a l t u n g n i c h t ausg e f ü h r t . Es sei h i e r n u r a n g e m e r k t , daß e r m i t s e i n e m Staats- u n d

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Staatsrecht, S. 115; zum „ K u l t u r w e r t " des Rechts vgl. bes. Gesetz, S. 208. Staatsrecht, S. 116, vgl. auch S. 117: Die Souveränität „ b e w i r k t es nur, daß er (der Staat) an oberster leitender Stelle den Beruf hat, das Recht w i e f ü r die von i h m verschiedenen gesellschaftlichen Organisationsformen, so f ü r sich selbst seinem Gemeinzwecke gemäß zu gestalten u n d zu sichern". 76 Staatsrecht, S. 127 ff. Vgl. die klarsichtige K r i t i k an Laband, Gesetz, S. 183: „ . . . i n seinem Gedankengang t r i t t m i r überall als leitender Faden der Versuch entgegen, die Unterschiede der Gesetzgebung, Rechtsprechung, »Verwaltung', durch die Formen der Tätigkeit des Staates, durch seine Verfahrensweisen u n d nicht durch seine Aufgaben zu charakterisieren". — Dieser formalistischen Entleerung gegenüber hält Haenel an einem „System der materiellen Hoheitsrechte", das heißt aber an der Rechtsbedeutung der A u f gaben u n d Zwecke des Staates fest. 77 Jellinek, der die gleiche Einteilung der Staatsaufgaben v o r n i m m t , beschränkt aber die V e r w i r k l i c h u n g des Rechtszwecks auf Rechtsetzung u n d Rechtsprechung. D a m i t verkennt er die doppelte Stellung, welche das Recht i n der Tätigkeit des Staates einnimmt (Gesetz, S. 249). „ A l l e i n bei dieser Scheidung muß ein allgemein verbreitetes Mißverständnis von der Schwelle jeder weiteren Betrachtung zurückgewiesen werden. Die Scheidung zwischen der Rechtspflege auf der einen u n d der Staats- u n d Wohlfahrtspflege auf der anderen Seite ist schlechterdings nicht identisch m i t der Erzeugung u. H a n d habung des Rechtes auf der einen u n d derjenigen Tätigkeit des Staates auf der anderen Seite, welche sich innerhalb des Rechts u n d abgesehen v o n ihrer rechtlichen Qualifikation i n den mannigfachsten geistigen, wirtschaftlichen u n d technischen Verrichtungen u n d Veranstaltungen bewegt" (Staatsrecht, S. 128). 78 Staatsrecht, S. 128; vgl. Gesetz, S. 210. 75

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Rechtsbegriff die V o r a u s s e t z u n g e n e i n e r sozialstaatlichen T h e o r i e b e r e i t gestellt h a t . Diese E r k e n n t n i s setzt sich f ü r Rechtsbegriff

das v o n s e i n e m w e i t e n

e r m ö g l i c h t e V e r s t ä n d n i s des Gesetzes als

„Richtschnur,

Regel, M a ß s t a b " 7 9 , das auch die Rechtsfigur des Planes als Gesetz z u b e g r e i f e n e r l a u b t 8 0 , erst j e t z t a l l m ä h l i c h durch. d) M i t seinem Staats- u n d Rechtsbegriff h a t H a e n e l die ausgrenzende E n t g e g e n s e t z u n g v o n S t a a t u n d Gesellschaft z u g u n s t e n e i n e r a u f g a b e n o r i e n t i e r t e n Z u s a m m e n o r d n u n g g r u n d s ä t z l i c h ü b e r w u n d e n . D a s zeigt sich v o r a l l e m a n seinen A u s f ü h r u n g e n ü b e r d i e p o s i t i v f ö r d e r n d e S t e l l u n g des Staates z u m V e r e i n s w e s e n u n d ü b e r das V e r h ä l t n i s v o n öffentl i c h e m u n d p r i v a t e m Recht, b e i d e m m a n geradezu v o n e i n e r öffentlichen Funktion des Privaten sprechen k ö n n t e . Das Privatrecht ist nicht n u r das Recht des Schutzes u n d der Koordination individueller Willenssphären, es ist als Recht der Privatfreiheit nicht n u r das Recht der Individualfreiheit, sondern entsprechend der Doppelfunktion des Rechts zugleich auch das Recht des gesellschaftlichen Zusammenwirkens der einzelnen u n d der Vereine 8 1 . A l s solches bedarf es „der Ergänzung durch das öffentliche Recht, welches die Rechte u n d Pflichten des Staates entwickelt, insofern u n d insoweit auch er an den nämlichen Lebensverhältnissen seiner Aufgabe gemäß beteiligt ist" 8 2 . Privatrecht u n d öffentliches Recht stehen i n einem „WechselVerhältnis" 8 3 . Gegenüber der dualistischen Auseinandersetzung des Privaten als des Reiches der Freiheit v o m Staat als der Sphäre des Zwangs betont Haenel die Aufeinanderbezogenheit des öffentlichen u n d privaten Rechts. Er t u t das i n der Erkenntnis, daß i m Rechte nicht eine Beschränkung u n d Verminderung, sondern eine Bestätigung u n d E r f ü l l u n g der ursprünglichen Freiheit des Menschen zu erblicken ist 8 4 , daß somit das öffentliche u n d private Recht i m Rechtsbegriff koinzidieren. „Das öffentliche u n d das Privatrecht müssen aufeinander angelegt sein 8 5 ." Es ist die m i t der Souveränität gegebene gesamtplanende Stellung des Staates zum Recht, die einen Auseinanderfall des Rechtes i n heterogene Bereiche verhindert: „Die Souveränität ist es, die dem Staat den Beruf auswirkt, dieses Verhältnis gegenseitiger Bedingung u n d Ergänzung zu regeln u n d zu verwirklichen 8 8 ." 79

Gesetz, S. 212. Vgl. BVerfGE 20, 56 (staatl. Parteifinanzierung), Bespr. v o n Häberle, JuS 1967, S. 65. 81 Staatsrecht, S. 169,154. 82 Staatsrecht, S. 156. Vgl. ebd. die überlegene Stellungnahme zum Streit u m „juristische" u n d „staatswissenschaftliche" Methode: „ A l s Objekte wissenschaftlicher Betrachtung sind das Privatrecht u n d das öffentliche Recht eine Abstraktion. Sie bilden die Systematik der Rechtsverhältnisse unter dem Gesichtspunkt der daran beteiligten Rechtssubjekte. Der andere wissenschaftliche Standpunkt ist nicht weniger gerechtfertigt, welcher jene A b s t r a k t i o n aufhebt u n d an ihrer Stelle z u m Ausgangspunkt eine Systematik der Lebensverhältnisse selbst setzt, u m an ihnen die rechtliche Ordnung i n i h r e r V o l l ständigkeit, die Auseinandersetzung der Rechte u n d Pflichten sowohl der Privatbeteiligten als des Staates darzustellen." 83 Staatsrecht, S. 157. 84 Gesetz, Seite 218. 85 Staatsrecht, S. 170. 86 Staatsrecht, S. 170. 80

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Der Staat erfüllt seine abgrenzende u n d fördernde Aufgabe i n Privatrechtsgesetzgebung, Zivilprozeß u n d freiwilliger Gerichtsbarkeit 8 7 . I n besonders eindrucksvoller Weise stellt Haenel das Wechselverhältnis von Staat u n d Gesellschaft auf dem Gebiet des Vereinswesens dar. Danach ist i m modernen Staat die Grundauffassung zum Ausdruck gekommen, daß das V e r einswesen ein notwendiges Element f ü r die K u l t u r e n t w i c k l u n g jedes Volkes bilde, daß es dem Staate m i t einer eigentümlichen u n d durch nichts zu ersetzenden Leistungskraft zur Seite trete, daß nicht n u r die Anerkennung der Freiheit, sondern sachgemäße Förderung des Vereinswesens Aufgabe des Staates sei, j a derselbe i n jenem an entscheidenden Punkten die unentbehrliche Voraussetzung seiner eigenen Zweckerfüllung habe 8 8 . Z u r Erläuterung dieses auf Koordination u n d Kooperation angelegten Grundverhältnisses eignet sich i n besonderem Maße das Gebiet des Armenwesens. Hier sind es neben den Gemeinden, denen die Tatsache des nachbarlichen, räumlichen Zusammenwirkens der Bürger die Aufgabe einer individualisierenden Hilfeleistung stellt 8 9 , vor allem die freien Vereine, die eine bedeutsame Tätigkeit entfalten. Das freie Vereinswesen ist zunächst u n d seinem inneren Wesen nach ein T a t bestand des Privatrechts u n d es gilt i h m gegenüber alles, was soeben über das Verhältnis des Staates zum Privatrecht gesagt wurde. Es ist aber zugleich u n d notwendig ein Tatbestand des öffentlichen Rechts, da „das freie Vereinswesen auf allen Kulturgebieten seine E i n w i r k u n g ausübt, auf denen der Staat selbst sich seine Aufgaben setzt" 9 0 . Das öffentliche Vereinsrecht stellt nicht n u r Regeln f ü r die Vereinsbildung u n d eine gewisse strafrechtliche Überwachung auf. Gerade das Gebiet der vorbeugenden, „freiwilligen" Armenpflege stellt dem Staat die rechtliche Aufgabe einer positiven Förderung „ u n t e r dem Zwange der Tatsache, daß der Staat, w i e auch die Gemeinde, auf gewissen sozialen Gebieten entweder überhaupt einen Einfluß ohne das M i t t e l des freien Vereinswesens nicht gewinnen k a n n oder daß doch seine eigene T ä t i g keit auf die Ergänzung u n d Unterstützung durch dasselbe angewiesen ist" 9 1 . Daraus k a n n sich die Notwendigkeit „staatlicher Gewährungen" ergeben, die — sehr modern! — außer i n Subventionen 9 2 i n der „Einräumung einer gewissen Einflußnahme auf seine gesetzgeberischen u n d vollzieherischen Entschließungen" bestehen können 9 3 . Bei einem freien Grundstatus treten die freien Vereine somit durch ihre Aufgaben zum Staate „auch rechtlich i n das V e r h ä l t nis gegenseitiger Ergänzung u n d Unterstützung" 9 4 .

e) Haenel hat den Boden des staatsrechtlichen Formalismus nicht verlassen. Auch i h m ist das Recht „ i m Verhältnis zu den realen Willenskräften, die es regelt, nur ein formales Prinzip" 9 5 , auch er sieht die Aufgabe der Wissenschaft i n erster Linie i n einer Erfassung des Zusammen87

„ V e r w a l t u n g des Privatrechtes", vgl. Staatsrecht, S. 169 ff. Staatsrecht, S. 134 f., vgl. 76 f. 89 Staatsrecht, S. 142. 90 Staatsrecht, S. 147 f. 91 Staatsrecht, S. 149. 92 Staatsrecht, S. 150: „Verteilung ökonomischer Unterstützungen (Zuschüsse, Prämien)". 93 Staatsrecht, S. 150. Auch die Lenkungsfunktion der Subventionen w i r d gesehen, w e n n auch noch nicht i n i h r e r freiheitsbedrohenden Problematik gewürdigt. 94 Staatsrecht, S. 150. 95 Staatsrecht, S. 111. 88

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hangs der von den Realitäten abgezogenen Begriffe i n einem System 96 . Sein Formalismus unterscheidet sich aber i n dem entscheidenden Punkte von dem Labandscher Prägung, da bei Haenel die Form sich vom Inhalt nicht ablöst, sondern immer auf diesen bezogen bleibt. Er distanziert sich von einer Methode, die sich „ m i t scholastischen Formeln und m i t metaphysischen Begriffsbildungen und m i t nur technischen Konstruktionsmitteln begnügt", und fordert eine analytische Methode, die „nach der Erklärung der realen Tatbestände sucht" 97 . „Die Ordnungen des Rechtes haben sich anzupassen den Lebenszwecken und den damit bewirkten Lebensverhältnissen der Gesellschaft 98 ." Damit ist die formalistische Entleerung des Rechts zugunsten seiner sozialen Funktion aufgebrochen und die Möglichkeit gegeben, i n einem durchgängig an der „Aufgabe" orientierten Denken das dualistische Trennungsschema i n einem ausgewogenen System der gegenseitigen Bezogenheit zu überwinden. Haenel hat an das ältere sachbezogene Denken v. Steins und v. Mohls angeknüpft, er hat das materiale Staatsverständnis gleichsam über die Labandsche Schwelle gerettet; er hat die ordnende Funktion der juristischen Methode bewahrt, aber deren abstrakte Leere vermieden. So ist seine Lehre nicht zufällig von solchen Staatsrechtslehrern positiv aufgenommen worden, die sich u m ein materiales Verständnis von Staat und Recht bemühen 99 .

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Gesetz, S. 192. Gesetz, S. 232 f., bes. gegen G. Jellinek. Staatsrecht, S . l l l . Es k a n n hier nicht näher untersucht werden, ob u n d w i e sich zwischen 1888 (Gesetz) u n d 1892 (Staatsrecht) der Einfluß der geisteswissenschaftlichen Lehre Diltheys, der wie Haenel i n K i e l gelehrt hat, zugunsten einer stärker lebensbezogenen Rechtsbegrifflichkeit ausgewirkt hat. I m Staatsrecht w i r d Diltheys Einleitung i n die Geisteswissenschaften, 1. Bd. 1883, zitiert (a. a. O., S. 75). Stärker begriff s juristisch klingende Passagen (vgl. Gesetz, S. 192) fehlen i m Staatsrecht. 99 Vgl. insbes. die Haenel-Schüler Triepel u n d E. Kaufmann. I n der A u f gabenorientierung gehört hierher w o h l auch K . Hesse. 97

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§ 11 Das öffentliche in der neueren Rechts- und Staatslehre Haenel wurde so ausführlich referiert, w e i l seine Lehre von Staat und Gesellschaft die Ansätze zu einem Gegenbild zum „staats-öffentlichen" System Labands enthält. I n gleicher Ausführlichkeit kann nicht durch die Geschichte der Staatsrechtslehre gegangen werden. N u r drei Stimmen sollen noch zu Wort kommen: Röttgen, Krüger und Hesse haben das Problem des öffentlichen von verschiedenen Ausgangspunkten aus betrachtet. Die kritische Sichtung ihrer Lösungen schließt diesen Abschnitt ab, der „Analyse, K r i t i k und Hinweise" auf die Grundzüge eines positiven Entwurfs hindenkt. I. Das Öffentliche als Problem einer allgemeinen Rechtslehre Arnold Köttgen Arnold Köttgen hat schon 1928 unter Hinweis auf die Leugnung eines besonderen öffentlich-rechtlichen Normensystems durch die Wiener Schule festgestellt, das öffentliche Recht befinde sich i n einem äußerst kritischen Stadium seiner Entwicklung 1 . Er ist i n der Folgezeit dieser Entwicklung m i t feinem Gespür für Neuartiges, oft sich erst Andeutendes auf den verschiedensten Gebieten nachgegangen: auf dem Gebiete des Gemeinderechts und der Selbstverwaltung, i m Beamten-, Staatskirchen- und Sozialrecht. Unter der Oberfläche der unterschiedlichsten Rechtsprobleme entdeckte er immer wieder die gleiche Grundproblematik: Die Entwicklung zur Massengesellschaft und die m i t i h r einhergehende Technisierung und Funktionalisierung des sozialen Lebens, der Ubergang zur parlamentarischen Demokratie und die aus alldem sich ergebende Ausweitung des öffentlichen Bereichs stellen die auf der A n t i these von M i l i t ä r - und Beamtenstaat einerseits und bürgerlicher Gesellschaft andererseits beruhende Systematik der juristischen Grundbegriffe i n Frage 2 , vor allem die auf dieser Antithese bauende klare Unterscheidung des staatlichen Bereichs von der Welt des Privaten 3 , „des allein durch Staat und Kirche repräsentierten öffentlichen" von der „privaten" Gesellschaft 4 . 1 Köttgen, Die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen H a n d u n d das öffentliche Recht, 1928, S. 3. 2 Vgl. insbes. Köttgen, Selbstverwaltung, i n : H D S W I X . (1956), S. 220 f. 3 Vgl. schon Köttgen, Die rechtsfähige Verwaltungseinheit, 1939, S. 15. 4 Köttgen, Das anvertraute öffentliche A m t , i n : Festgabe f ü r R. Smend, 1962, S. 146.

§ 11 Das öffentliche i n der neueren Rechts- u n d Staatslehre

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Köttgen hatte schon allzubald Gelegenheit, die totalitäre A n t w o r t auf diese Frage zu erleben 5 . Er wurde m i t der Frage konfrontiert, ob die der Idee des Rechtsstaates zugrundeliegende Eigenständigkeit des Rechts gegenüber der Macht der Schicksalsgenosse des Dualismus von öffentlichem und privatem Recht ist, w e i l dieser Dualismus i n der befehlstechnischen Geschlossenheit einer das Individuum vorbehaltlos mediatisierenden Staatsapparatur seinen Sinn verliert®. Die aus immer neuen Ansätzen sich zusammenfügende Lehre Röttgens vom öffentlichen Recht ist kein geschlossenes Ganzes, sie verliert nie den Charakter des an der jeweiligen Sachfrage erprobten Versuchs und des noch offenen Entwurfs, i n ihr ist die Entwicklung nuancenreich erkennbar. Dennoch sind einige sich durchhaltende Grundzüge darzustellen. Zu diesen Grundzügen gehört die Überzeugung, daß diese Grundeinteilung des Rechts nicht dem Gesetzgeber allein überantwortet sein kann, sondern von dem i h r immanenten Sinn her erschlossen werden muß 7 , daß sie von den „Sachen" determiniert ist, w e i l (gegen Kelsen) das „Sollen i n hohem Maße durch das Sein bedingt" ist 8 . Anläßlich einer Besprechung von Erich Molitors Schrift „Über öffentliches Recht und Privatrecht" 9 hat Köttgen 1950 seine These vom amtsrechtlichen Charakter des öffentlichen Rechts entwickelt. Der Sinn dieses Dualismus ergebe sich nur aus der Polarität der menschlichen Existenz überhaupt, der Polarität individueller Autonomie als dem Maß aller Dinge und der Pflichtbindung des Individuums an die Verbindlichkeiten sachlicher Gegebenheiten. Dieser Polarität entspreche das rein individualistische Privatrecht individueller Berechtigungen auf der einen und das öffentliche Recht als Amtsrecht auf der anderen Seite, d. h. als I n begriff aller Rechtspflichten, die ihren Ursprung i n der Verbindlichkeit sachlicher Gegebenheiten hätten 10 . „Die ratio des öffentlichen Rechts gründet sich auf die amtsrechtliche Struktur des Staates." Das sei ein5 Gegen die (u. a. v o n Maunz vertretene) Ansicht, die bisherige grundsätzliche Scheidung zwischen privaten u n d öffentlichen Körperschaften sei „durch die jüngste verfassungsrechtliche Entwicklung überholt", wandte er sich 1939 m i t dem Argument, diese These sprenge die bisher exakten Grenzen des staatlichen Raumes u n d werde damit zum Schrittmacher des totalen Staates. Vgl. Rechtsfähige Verwaltungseinheit, S. 17,22, A n m . 18. 6 So i n A c P 151 (1950/51), S. 169. Vgl. auch: Innerstaatliche Gliederung u n d moderne Gesellschaftsordnung, i n : Göttinger Festschrift f ü r das O L G Celle, 1961, S. 85: „Ohne die Unterscheidung zwischen öffentlichem u. privatem Recht gibt es zumindest hier u n d heute keine F r e i h e i t . . . " 7 „Was die der modernen Staatsverwaltung eigentümlichen Geschäftsgrundsätze ausnahmslos kennzeichnet, ist die starke Durchdringung jeder einzelnen Maßnahme durch den dem Staat immanenten Staatszweck." Die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, 1928, S. 13. 8 Die erwerbswirtschaftliche Betätigung, S. 7, 9. 9 Köttgen, Besprechung zu: Molitor, Über öffentliches Recht u n d P r i v a t recht, 1949, i n : A c P 151 (1950/51), S. 167—176. 10 Ebd., S. 169 f.

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deutig i n Rechtsetzung und Rechtsprechung, schwieriger erkennbar i n der Verwaltung. I h r Charakteristikum liege darin, daß der Staat neben dem Recht auch eine Reihe anderer „Sachen" an sich gezogen habe, u m auch hier unter Ausschaltung des privaten Individualismus die Sache u m ihrer selbst w i l l e n vertreten zu können 11 . — Diese Verankerung des Dualismus i n einer existentiellen menschlichen Polarität w i r d i n den späteren Schriften, die zunächst das Amtsrecht vom exemplarischen Beispiel des Beamtenrechts 12 her erläutern und dann als Statusrecht 13 auf die politischen Ämter ausdehnen, durch ein stärkeres Ausgehen von der Verfassung abgelöst. Sie bleibt als Denkansatz aber lebendig 14 ; nur von ihr her erklärt sich die Möglichkeit einer Mehrzahl paralleler öffentlichrechtlicher (amtsrechtlicher) Ordnungen, d. h. konkret: die Anerkennung des „amtsrechtlichen" Kirchenrechts als öffentliches Recht 15 ; von der Verfassung werden für diese Parallelität keine zusätzlichen Argumente vorgebracht. Köttgen ist auch den i n der gegenwärtigen Diskussion sich häufenden Hinweisen nachgegangen, daß das öffentliche m i t dem Staatlichen nicht identisch sei1®. Es sei, insbesondere durch A r t . 21 GG heute „anerkannt, daß nicht ohne weiteres alle außerhalb des klassischen öffentlich-rechtlichen Bereichs verbleibenden Organisationen deshalb bereits summarisch dem Sammelbegriff des Privatvereins zugeschlagen werden" könnten. Bereits gelegentlich der Anerkennung der öffentlichen Qualität der vom Staate getrennten Kirchen sei sichtbar geworden, „daß es neben privater Geschäftsbesorgung und i m Raum des Staates sich bewegender öffentlicher Verwaltung noch eine dritte Möglichkeit" gebe 17 . Es sei hier hervorgehoben, daß Köttgen i n der aus den Sozialgesetzen des Jahres 1961 sich ergebenden „Vorrangfrage" eine neue Variante dieses Zentralproblems des öffentlichen sieht 18 . Er hat gegenüber der unverkennbaren 11

Ebd. S. 173. Köttgen, Z u m E n t w u r f eines Bundesbeamtengesetzes, i n : DVB1. 1951, S. 651—654, 653; ders., Grundgesetz u n d Beamtenrecht, i n : RStW 4 (1953), S. 227—246, 233 ff.; ders., Das Beamtenurteil des Bundesverfassungsgerichts, i n : AöR 79 (1953/54), S. 350—363,352. 18 Köttgen, Abgeordnete u. Minister als Statusinhaber, i n : Forschungen u n d Berichte aus dem öffentlichen Recht. Gedächtnisschrift f ü r W. Jellinek, 1953, S. 195—220, bes. 215 ff.; vgl. schon: Grundgesetz u n d Beamtenrecht, S. 236; Das Beamtenurteil, S. 352. 14 „Es wäre zu fragen, ob nicht ähnlich auch das S t a t u s r e c h t . . . zu den essentiellen Kategorien menschlicher Existenz gehört." Vergleichspunkt ist die Repräsentation! Abgeordnete u. Minister, S. 217. — K r i t i s c h zum Statusrecht wegen der Gefahr vorschneller Freiheitsminderung vgl. A. Rinken, V e r fassungsrechtliche Aspekte zum Status des Studenten, i n : JuS 1968, S. 257 ff. 15 Köttgen, Kirche i m Spiegel deutscher Staatsverfassung der Nachkriegszeit, i n : DVB1.1952, S. 488. 16 Innerstaatliche Gliederung, S. 93. 17 Selbstverwaltung, i n : HDSW I X . (1965), S. 223. 18 Köttgen, Das umstrittene Mandat zur Jugendpflege, i n : D Ö V 1961, S. 3; vgl. auch: Selbstverwaltung, S. 223. 12

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echts- u n d Staatslehre

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Tendenz zur Aufwertung der Verbände daran erinnert, „daß die Entscheidung, was öffentlich und was privat ist, dem Staat vorbehalten und also nicht eine Frage des jeweiligen Selbstverständnisses ist" 1 9 . Nach geltendem Verfassungsrecht seien neben den Parteien i m Besitz eines öffentlichen Rangs nur Kirchen und Sozialpartner 20 . Die rechtssystematische Erfassung dieses bei Parteien und Sozialpartnern zumindest neuartigen öffentlichen Rangs bereitet Köttgen allerdings Schwierigkeiten. Er hat das öffentliche Recht als „rangverleihendes Statusrecht", als „eminentes aliud gegenüber jenem technischen Recht, dessen sich insbesondere der moderne Verwaltungsstaat i m Interesse seiner vielfältigen Zwecke bedient" 2 1 , so stark staats-amtlich orientiert, daß es i h m schwer wird, die Parteien i n diese Kategorien einzuordnen. Die Frage nach ihrem normativ öffentlichen Status w i r d i h m deshalb ausschließlich zur Frage nach der Möglichkeit eines „Parteiamtes". Die Konsequenzen seines qualifikatorisch verstandenen Amtsbegriffs müssen folgerichtig aber zu einer Verneinung eines solchen führen 2 2 : ist „Parteiamt" nicht eine contradictio i n adiecto, wenn der Parteifunktionär „als Frucht wertfreier Technik" geradezu der Gegenspieler des staatlichen Amtsinhabers ist 28 ? Dennoch haben die Parteien nach Auskunft der Verfassung heute eine publizistische Qualität. Das muß dann für Köttgen „eine verfassungsrechtliche Absage an einen rein funktionalen Parteibegriff" bedeuten: Damit gilt das „nur ihrem Gewissen unterworfen" auch i m Bereich der politischen Parteien 24 . Es w i r d die Frage nicht abzuweisen sein, ob damit die Wirklichkeit der Parteien nicht unnötig i n eine spannungsreiche Position zur Verfassungsnorm gebracht wird, ob die Verfassung eine solche „Verbesserung" des Parteifunktionärs zur repräsentativen Amtsfigur verlangt. Köttgen versucht 19 Innerstaatliche Gliederung, S. 94; Kirche i m Spiegel, S. 486; Das anvertraute öffentliche A m t , S. 147; dort (S. 144 A n m . 104) w i r d die Berufung der Kirche gegenüber dem Staat auf i h r Selbstverständnis als Singulum bezeichnet, ohne daß diese einzigartige Stellung näher begründet würde. I n diesem Zusammenhang erscheint der E n t w u r f zum J W G als ein wesentlicher „ B e i trag zu der A b k e h r v o n einem Staat, der sich als den alleinigen A n w a l t der Öffentlichkeit betrachtete" (Das umstrittene Mandat, S. 4). 20 Innerstaatliche Gliederung, S. 94. „ . . . aber auch Verbände der freien Wohlfahrtspflege u n d Jugendverbände würden zumindest einer entsprechenden Überprüfung bedürfen", Selbstverwaltung, S. 223. 21 Abgeordnete u n d Minister, S. 205. 22 So auch i n : Abgeordnete u n d Minister, S. 216 ff.: „Sie (die moderne Partei) beruht auf eindimensionalen Identitätsvorstellungen, deshalb fehlt i h r schon aus Strukturgründen die Legitimität zu personenrechtlicher Qualifikation" (S. 216). „ M a n w i r d daher A r t . 21 GG n u r i n dem Sinne interpretieren können, daß die Partei auch als nunmehrige verfassungsrechtliche I n s t i t u t i o n von sich aus keinerlei Status zu verleihen vermag" (S. 217). „Einen verfassungsrechtlichen Status gewinnt der Politiker daher n u r i n Verbindung m i t einem M a n dat oder m i t seiner Bestellung als Minister" (S. 218). 23 Das anvertraute öffentliche A m t , S. 126. 24 Ebd. S. 148.

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nicht, „Staat" von der neuartigen Wirklichkeit her neu zu denken, die die Verfassung i n A r t . 21 GG positiv aufnimmt, sondern er erfaßt das öffentliche der Parteien von der traditionellen, i m Beamtentum zentrierten Staatsauff assung aus. Röttgens Ansatz ist zugleich zu weit und zu eng. Er ist zu weit, insofern der Versuch gemacht wird, „der Diskussion einen allgemeinen theoretischen Begriff des öffentlichen Rechts zugrundezulegen" und deshalb „von den konkreten historisch-politischen Bezügen" zu abstrahieren 25 ; die Eigenart von weltlichem und kirchlichem Recht geht i m „Amtsrecht" auf. Er ist zu eng, insofern die richtige Erkenntnis des öffentlichen (Amts-) Rechts als „sachzentriertem" Recht 26 , als „Sachenrecht" 27 zu einer Entpolitisierung des öffentlichen Rechts führt 2 8 , zu seiner Beschränkung auf unpolitische Verwaltungsagenden. Mögen dem ius publicum Elemente des Amtsrechts eigen sein, nicht alles Amtsrecht ist publici iuris reipublicae, das ius publicum erschöpft sich nicht i m Amtsrecht. II. Das Öffentliche als Problem einer allgemeinen Staatslehre Herbert Krüger Die Allgemeine Staatslehre Herbert Krügers „ w i l l wahrhaft eine Lehre vom Staate sein" (V) 29 ; sie ist das vor allem auch i n ihrer Lehre vom öffentlichen, einem ihrer zentralen Gegenstände und zugleich einem gewichtigen Beitrag der Gegenwart zu diesem Thema. Diese Lehre Krügers vom öffentlichen ist nur aus dem Gesamtsystem verständlich und einer K r i t i k zugänglich. Da eine Darstellung des Gesamtsystems eine Kurzausgabe des umfangreichen Werkes erfordern würde, muß hier die vergröbernde und verkürzende Aneinanderreihung der Kernbegriffe genügen 30 . Krüger deutet den Staat „als Frucht der Einsicht einer Gruppe von Menschen, daß nur die Staatlichkeit ihres Gemeinlebens ihnen Existenz, Überleben und vor allem Freiheit i n den heute mehr denn je bedrohlichen äußeren und inneren Lagen i n Aussicht stellt" (V). Der Staat ist „die existentielle Verbundenheit u m der existentiellen Selbstbehaup25

Hollerbach, V V D S t R L 26 (1968), S. 86. Daß dieser „allgemeine theoretische Begriff" i n seiner beamtenrechtlich-amtsrechtlichen Prägung einen spezifischen historisch-politischen (Staats-)Bezug hat, ergibt sich aus dem i m T e x t Ausgeführten. Es fehlt der Bezug auf die gegenwärtige Wirklichkeit. 26 Z u m E n t w u r f eines Bundesbeamtengesetzes, S. 653; vgl. auch: A c P 151 (1950/51), S. 171. 27 Grundgesetz u n d Beamtenrecht, S. 243. 28 Vgl. ebd. S. 242. 29 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964. Seitenzahlen i m Text dieser Ziff. I I beziehen sich auf dieses Werk. 30 Eine prägnante Zusammenfassung v o n Krüger selbst: A r t . : Verfassung, i n : HDSW X I . (1961), S. 72 ff.

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tung willen" (178). U m ihretwillen bedarf er der machtvollsten Ausstattung: er ist i n der Aufgabenstellung souverän (VII, 760), die Staatsgewalt ist i n der M i t t e l w a h l unbeschränkt (196). Der Bürger verhilft als Untertan „durch absoluten Gehorsam dem Staate zu jener unbedingten Wirksamkeit . . . , ohne die er seinen Sinn, die die Gruppe bedrohenden Lagen zu meistern, nicht erfüllen könnte" (941). Was schützt aber nun Existenz und Freiheit des Bürgers vor diesem allmächtigen Staat? Gegen i h n gibt es keine wirksamen Abwehrrechte, kein Widerstandsrecht (536 ff., 945). Die Garantie liegt allein i m Sein des Staates selbst. Dieses gründet nicht auf der egoistisch-triebhaften Natur des Menschen, sondern auf dem „vergüteten" Sein der Bürger, die sich über ihre kreatürliche Natur erhoben haben (155). Drei Wesenszüge kennzeichnen das Sein des Staates, sie deuten zugleich drei Stufen der Seinsverbesserung, der Staatshervorbringung an: Das Sein des Staates ist erstens allgemeines, von jeder Natur-Besonderheit geläutertes Sein (Prinzip der Nicht-Identifikation, 156 ff.); es ist zweitens institutionelles, d. h. aus Zusammenhang und Wechsel von Generationen und Personen herausgehobenes, vergegenständlichtes und verselbständigtes Sein (168 ff., 177); das Sein des Staates ist drittens und wesentlich repräsentiertes Sein (232 ff.). — Die Idee der Repräsentation ist „ein wesentliches, wenn nicht sogar das entscheidende Bildungsgesetz des modernen Staats" (236). Die Repräsentation verleiht dem Sein des Staates Festigkeit, dem Handeln des Staates Richtigkeit (232 f.). Der Staat ist die Repräsentation der Staatlichkeit der Gruppe i n Ä m t e r n und Gesetzen (323), diese sind Repräsentation „reinsten Wassers", „Gipfel der Repräsentation" (253, 263). Als System von Ä m t e r n und Gesetzen t r i t t der Staat der Gesellschaft gegenüber, dem Reich des unvergütet Natürlichen, der Sphäre der Besonderheiten (350, 527); er t r i t t ihr gegenüber jedoch nicht als fertige, i n sich ruhende Substanz; als geistig-sittliches Sein ist das Sein des Staates nicht etwas Vorgegebenes, sondern etwas Hervorzubringendes. „Die tägliche Verantwortung dafür, daß ein Volk sich über sein natürliches Sein zum Staat steigert und als solcher i n gefestigter Einheit und i n gesicherter Richtigkeit existiert", obliegt den Gebilden, die unter dem Begriff „Gesellschaft" zusammengefaßt werden: die Führende Schicht, die politischen Parteien, die Verbände und großen Unternehmen, die Öffentliche Meinung (V). Der Begriff des öffentlichen dient zur Kennzeichnung der beiden dialektisch aufeinanderbezogenen Seinsbereiche: Das i n A m t und Gesetz zur Vollendung gelangte staatliche Sein ist öffentliches Sein; die für die Staatshervorbringung verantwortliche Gesellschaft w i r d als „Bereich des öffentlichen" bezeichnet (347). Diese erstaunliche Gleichnamigkeit von natürlicher und entkreatürlichter Sphäre kann nur auf einer Verschiedensinnigkeit des Begriffs „öffentlich" beruhen. Der Begriff w i r d vom

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Staat i n seinem eigentlichen, von der Gesellschaft i n einem uneigentlichen, abgeleiteten Sinne ausgesagt: Das Sein des Staates ist durch und durch öffentlich, wenn überhaupt „Staat" ist; die Gesellschaft soll sich wenigstens i n ihren Repräsentanten auch öffentlich gerieren, da sich sonst der Staat von seinem „Unterbau" löst und verdorrt. I m öffentlichen also liegt der Zusammenhang von Staat und Gesellschaft. Vermag das öffentliche i m Sinne der Krügerschen Lehre diese Binde-Funktion zu erfüllen? Das öffentliche w i r d vom Staat i n einem ideal-ontologischen Sinne ausgesagt: der Staat ist öffentlich als allgemeines, institutionelles und repräsentiertes Sein, kurz: als System von Ämtern und Gesetzen. Die Sicherung des repräsentativen Charakters von A m t und Gesetz geschieht durch die Verbannung alles Nicht-Öffentlichen aus der Sphäre des Staates: die persona publica soll dem Amt, das öffentliche Recht dem Gesetz den repräsentativen Charakter sichern (308 ff., 319 ff.). „ I n den Ä m t e r n ist alles auf eine innere Wandlung des Menschen zum Amtsträger gestellt, insbesondere ist sein individuelles Meinen und Motivieren gänzlich ausgeschaltet (317)." Das öffentliche Recht ist „durch die Idee der Repräsentation determiniert" (323), es ist derjenige Komplex von Normen, „der dazu geschaffen und bestimmt ist, i n Verbindung m i t dem A m t das Sein der staatlichen als öffentlicher Personen zu begründen und ihrem Handeln sowohl Antrieb wie Richtung zu geben" (311). Stünde dem Staat als dem i m Wesen öffentlichen Bereich die Gesellschaft als Sphäre reiner Privatheit und somit defizienter Natürlichkeit und w i l l kürlicher Besonderheit gegenüber, so ließe es sich nicht vermeiden, daß „dieser Staat sich von der Gruppe löse und von einem Zustand oder einer Verfaßtheit dieser Gruppe zu einer selbständigen, autonomen Substanz sich verdingliche". Soll jedoch die Idee der Repräsentation „als ein ständiger Prozeß der Selbstdarstellung begriffen werden, an dem jedes Glied von Volk und Gesellschaft . . . beteiligt ist", dann muß auch schon die Gesellschaft als „Bereich des öffentlichen" verstanden werden, als Sphäre nicht reiner und ausschließlicher Allgemeinheit wie der Staat, aber auch nicht willkürlich-privater, sondern „legitimer Besonderheit" (350, 527). „Ist die Herausbildung des repräsentierenden Staates ein sich verdichtender und steigernder Prozeß, dann muß es zwischen seinem Ausgangspunkt, dem natürlichen Menschen, und seinem Endpunkt, dem i n Ämtern und Gesetzen repräsentierenden Staat, Gebilde geben, die nicht mehr Natur, aber noch nicht Staat s i n d . . . (346)." Das öffentliche w i r d also von der Gesellschaft i n einem vom Staate abgeleiteten Sinne ausgesagt, die Gesellschaft ist öffentlich gerade nicht i n ihrem eigenen Sein, sondern nur i n der Verleugnung ihrer selbst, i n der Intention auf den Staat, i n einem Schimmer von Repräsentation, i n einem Abglanz von Staatlichkeit. Das öffentliche ist ihr gerade keine Seinskategorie, son-

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dern Appell, Postulat an die bestimmenden Menschen und Gruppen, es ist primär ethischer Natur. Deshalb steht am Anfang der gesellschaftsöffentlichen Gebilde auch die Führende Schicht, da hier die Beschwörung zur Selbstüberwindung einen ausmachbaren Adressaten hat; deshalb steht am Ende der „öffentlichen Gebilde" erst „die Öffentlichkeit", die öffentliche Meinung, da ihre Ungreifbarkeit sich der „Vergütung" widersetzt. Eine kritische Betrachtung der Lehre Krügers vom Öffentlichen w i r d eine Fülle wichtiger Einzelaussagen nicht übergehen dürfen: es sei hier nur verwiesen auf die grundlegenden Ausführungen zum Ergänzungsverhältnis von nicht-identifizierendem öffentlichen Recht und autonombesonderem Privatrecht (320), auf die Bestimmung der Unterscheidung „nicht nach den Mitteln, sondern nach dem Sinn des i n Frage stehenden Handelns" (322), auf die Charakterisierung des Staatlich-Öffentlichen nicht als Gegenpart einer privat-ausgegrenzten, sondern als Partner einer öffentlichen Freiheit. Solche wegweisenden Hinweise geben jedoch keinen Dispens von einer grundsätzlichen K r i t i k 3 1 . Krügers Staatslehre ist dualistisch i m Ansatz, deduktiv i n der Denkbewegung. Beides kennzeichnet auch seine Lehre vom Öffentlichen. Ausgangs- und Endpunkt ist das ideal-öffentliche Sein des Staates. I h m steht das natürliche Sein der Gesellschaft schroff gegenüber. Vermittelt w i r d dieser Dualismus allein durch den ethischen Appell an die führenden Menschen i n W i r t schaft, Parteien und Verbänden, sich öffentlich-staatsorientiert zu verhalten. Diese Theorie „zeigt nicht einen soziologisch begründeten Weg zur Fundierung heutiger Staaten, sondern appelliert an den einzelnen, den sie von der Unumgänglichkeit der Selbstzucht und des Gehorsams überzeugen möchte" 32 . Sie ist nicht eine realistische Theorie der Demokratie, die vom „Volk" als einem Pluralismus von Meinungen und Interessen ausgeht, sondern eine idealistische Lehre vom Staat, für die Demokratie das (gleichsam nachträgliche) Problem der „Sicherung der Immanenz des Staates i m V o l k " darstellt (341). Der Staat ist öffentlich nicht als öffentliches, vom Volk als der Öffentlichkeit konstituiertes, legitimiertes und kontrolliertes Gemeinwesen, sondern als von der Öffentlichkeit abgehobene repräsentierende Institution. Ein Hauptproblem der 31 Gemessen an der Gewichtigkeit des Werkes ist das Echo der „Fachwelt" bisher m e r k w ü r d i g gering gewesen. Abgesehen v o n den positiven Voten Forsthoffs (DÖV 1964, S. 645) u n d Koellreutters (DVB1. 1964, S. 776) waren die Besprechungen überwiegend recht kritisch. Hervorzuheben sind: MorsteinMarx, Staat, Politik, Öffentlichkeit, i n : ZfP N F 12 (1965), S. 2—16; Schefold, Eine neue Staatslehre, i n : ZSchwR N F 84 I (1965), S. 263—289; vgl. auch ders., i n : ZSchwR N F 86 I (1967), S. 92—94; Badura, Die Tugend des Bürgers u. der Gehorsam des Untertanen, i n : J Z 1966, S. 123—129; Stein, N J W 1965, S. 2384 ff.; ν . d. Gablentz, i n : PVS 7 (1966), S. 138 ff.; Ermacora, i n : ÖZÖR N F 18 (1968), S. 85 ff. 32 Badura, a. a. O., S. 124.

14 R i n k e n

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Staatslehre ist „die Abschirmung des Staates gegen die gestaltlose ,Natürlichkeit' der Gesellschaft und der einzelnen" 33 , das Volk ist nur als repräsentatives Wahlvolk beachtlich: die öffentliche Meinung ist i n ihrer „Natürlichkeit" „die große Lücke i m System eines repräsentativen Staates" (642). „Der Bürger spricht sein Wort zu den Entscheidungen der Staatsgewalt i n der Wahl und durch das Parlament —, der Rest ist schweigender Gehorsam" (S93)34. Als deduzierte sind die Lösungen Krügers von „reiner" Konsequenz, damit zugleich nicht selten von problemferner Abstraktheit. So ist die Verschiedenheit des öffentlichen und privaten Rechts m i t dem dualistischen Ansatz gegeben: Ist das Privatrecht als das bindungslose Recht „natürlicher" Egoismen definiert, dann kann folgerichtig der Staat nur nach öffentlichem Recht als dem seinem repräsentativen Sein entsprechenden Recht leben. Für Überlegungen, die diese Unterscheidung aus einem Wesensgegensatz auf gewisse Sachunterschiede relativieren, bleibt kein Raum. Erst bei der Behandlung der gesellschaftlichen Gebilde von öffentlicher Bedeutung w i r d ein „Sozialrecht" zusätzlich eingefügt (503). Was der „Staatlichkeit" des Staates widerspricht, w i r d verworfen (Streik, Aussperrung, Interessenlobby, Demonstrationen); was der „Staatlichkeit" des Staates nutzt, w i r d postuliert, so die für die Dialektik des öffentlichen unentbehrliche „Führende Schicht", deren Existenznotwendigkeit einleuchtender nachgewiesen w i r d als ihre Daseinswirklichkeit 35 . Macht, Würde und Transzendenz des öffentlichen Seins des Staates werden begründet aus der Notwendigkeit der Existenzsicherung. Sie sollen erträglich sein wegen der größeren „Richtigkeit" des staatlichen Seins. Wie aber das „Richtige" entsteht, wie es sich bildet und v e r w i r k licht i n den täglichen Aktivitäten, welche Strukturen der Willensbildung und Entscheidung seine Hervorbringung sichern, welche Abwehrmechanismen einer Entartung steuern, alldem entzieht Krüger seine Aufmerksamkeit. Die Begründung des „Richtigen" nähert sich so einem Zirkelschluß: der Staat ist das Richtige einfach als die existenzielle Existenz, jede Existenzerhaltung erscheint schließlich „richtiger" als Existenzvernichtung. Gegenüber der Übermächtigkeit des Existenzproblems verblassen die Probleme des einzelnen und des Alltags, w i r k t 83

Badura, ebd. Vgl. auch Krügers sehr kritischen Ausführungen zur demokratischen Wachsamkeit (Minderheitenschutz, Grundrechte als Abwehrrechte, Parlament, öffentliche Meinung, Presse) i n : Festschrift f ü r Jahrreiss, 1964, S. 233 ff. 35 Dazu besonders kritisch Morstein-Marx, a. a. O., S. 11. — Vergleiche zur Rechtsphilosophie Hegels i n ihren prononciert „staatsphilosophischen" Dimensionen drängen sich auf. Auch K r ü g e r identifiziert die anthropologische N o t wendigkeit des Staates stillschweigend m i t der „schlechten W i r k l i c h k e i t " k o n kreter Staatsgebilde; vgl. dazu H. Ryffel, i n : W o h l der Allgemeinheit u n d öffentliche Interessen 1968, S. 20 A n m . 7. 34

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der Liberalismus schäbig, darf es keine normative Unverbrüchlichkeit geben, retten nur Staatsgewalt, Außerordentlichkeit, Blankovollmacht, Gehorsam. Staat oder Verfassung — so könnte man i n einer Kurzformel die Entscheidung kennzeichnen, vor der jede politisch-rechtliche Theorie steht. Soll sie sich i n radikalem Fragen der letzten Begründung und Bewährung des politischen Gemeinwesens zuwenden, der Durchsetzung seiner „Existenz" i m „Ausnahmezustand"? Sie ist dann i n Gefahr, die Alltäglichkeit und Durchschnittlichkeit von Freiheit und Recht der Bürger gering zu achten. Oder soll sie sich all den kleinen Problemen der Normalität widmen, u m unter einer normativen Verfassung einen freien politischen Prozeß i n Gang zu halten, i n der Hoffnung, so den „Ernstfall" vermeiden zu können? Herbert Krüger hat sich wie vordem C. Schmitt für die erste Fragestellung entschieden. Der Ernst dieser Frage ist unbestreitbar; die A n t w o r t führt zur Stärke des Staates. Diese mag die staatliche Existenz optimal sichern; dient sie auch dem „guten Leben" der Bürger?

I I I . Das öffentliche als Problem einer konkreten Verfassungslehre Konrad Hesse Als „Sachenrecht" i n einem von Köttgen angeregten, von dessen Konzeption jedoch zu unterscheidenden Sinne läßt sich die Lehre Konrad Hesses zum normativ Öffentlichen kennzeichnen: i h m ist das öffentliche Recht das „Recht öffentlicher Sachbereiche" 36 . A m „Sachbereich Parteiwesen" 37 ist das von i h m näher entwickelt worden. — Ausgangspunkt ist für Hesse die Erkenntnis, daß der Begriff des Öffentlichen als ein Rechtsbegriff „weder rein normativ-formalistisch, noch dezisionistisch, noch unter Verzicht auf jedes normative Element rein vom Faktischen her" bestimmt werden kann, sondern „ i n seiner Sinn- und Wertbezogenheit wie i n seiner Bedingtheit durch den Wandel der geschichtlichen Gegebenheiten zugleich gesehen werden" muß 38 . Von diesem Ansatz aus kann der normative Öffentlichkeitsbegriff Smends aufgenommen werden. Er w i r d bei Hesse aber aus seiner allgemeinen vielsagenden Vielschichtigkeit auf die Ebene des Verfassungsrechts transponiert, von der Verfassung her aufgeschlüsselt und konkretisiert. Dabei gewinnt er nicht nur an Praktikabilität, die Besinnung auf die Legitimitätsprinzipien der Verfassung bereichert i h n u m das bei Smend nicht entwickelte Ele36 Hesse, Die verfassungsrechtliche Stellung der politischen Parteien i m modernen Staat, i n : V V D S t R L 17 (1959), S. 44. 37 Ebd. S. 45. 38 Ebd. S. 41.

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ment der Verantwortlichkeit 3 9 . M i t der Betonung der Verantwortlichkeit als eines Wesenselementes der freiheitlich-rechtsstaatlichen Verfassung löst Hesse den Begriff des öffentlichen aus dem Sog auf einen unbestimmten Allerweltsbegriff des Allgemeinen, der unterschiedslos Verbände, öffentliche Meinung und öffentliches Recht umfaßt. Die Zugehörigkeit zum Bereich des öffentlichen setzt für Hesse voraus, „daß der Träger der Öffentlichkeit an den Legitimitätsprinzipien der Gesamtordnung teilhat, daß sein Wirken sich nicht nur an die Allgemeinheit wendet, sondern daß er der Allgemeinheit auch Einsicht i n die Vorgänge gewährt, welche dieses Wirken hervorbringen, daß er vor allem i n Wahrnehmung einer aufgegebenen Verantwortung und i n realisierbarer Verantwortlichkeit tätig w i r d " 4 0 . Die Zuordnung der politischen Parteien zu dem so gekennzeichneten Bereich des öffentlichen ergibt sich aus der Berücksichtigung der funktionellen Bedeutung der Parteien i m Verfassungsleben. Diese verlangt als Voraussetzung ihrer sachgemäßen M i t w i r k u n g bei der politischen Willensbildung einen öffentlichen Status 41 . — Die Betonung der Verfassungsfunktion als des qualifikatorischen Merkmals und die qualifizierende K r a f t der Verfassung über den Bereich organisierter Staatlichkeit hinaus „ i n jenem Übergangsbereich von ,Nicht-Staatlichem' und Staatlichem', der das Feld politischer Einheitsbildung ist" 4 2 , verweist auf den Verfassungsbegriff Hesses. Verfassung w i r d als rechtliche Grundordnung des Gemeinwesens begriffen 43 , die nicht auf eine Ordnung des staatlichen Lebens beschränkt ist, als ein „Element der Einheit der Gesamtrechtsordnung des Gemeinwesens, innerhalb deren sie eine Isolierung von Verfassungsrecht und anderen Rechtsgebieten, i m beson39 Vgl. ebd. S. 42. Das Moment der Verantwortlichkeit als Bestandteil insbes. der rechtsstaatlichen Komponente der Verfassung, als ein insofern auch stabilisierendes u n d als realisierbare Verantwortlichkeit auf Organisation angewiesenes Moment k o m m t bei Smend nicht von ungefähr zu kurz. Nach Smends eigener Darstellung hat die Integrationslehre die Eigenart des Rechts nicht hinreichend herausgestellt — „die Eigenart des Verfassungsrechts auch insofern (nicht, A . R.) als das Moment der Organisation u n d der Willensbildung zu sehr zurücktritt" (Smend, Integrationslehre, i n : HDSW V. [1956], S. 301). Demgegenüber w i l l Hesse „stärker das Moment bewußten, planmäßigen, organisierten Zusammenwirkens zur Geltung bringen" (Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, 1967, S. 4). 40 V V D S t R L 17 (1959), S. 43. 41 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, 1967, S. 67, 69, 71 f.; ders., V V D S t R L 17 (1959), S. 39, 44 ff.; vorsichtiger jedoch i m A r t . „Parteien, politische", i n : EStL (1966), Sp. 1491: „Einigkeit besteht i m wesentlichen n u r darüber, daß es sich u m eine singuläre Stellung handelt, die weitgehend durch Verfassungsrecht bestimmt ist, ihren Ort jedoch eher i m gesellschaftlichen als i m Bereich organisierter Staatlichkeit findet." 42 Grundzüge, S. 71. 43 Vgl. jetzt vor allem Grundzüge, Erster Teil, bes. § 1, Begriff u n d Eigenart der Verfassung, S. 3—20; grundlegend Hesse, Die normative K r a f t der V e r fassung, 1959.

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deren vom Privatrecht, ebenso ausschließt wie ein unverbundenes Nebeneinander jener Rechtsgebiete selbst" 44 . Von hier aus ist eine Überwindung jenes Trennungsdenkens möglich, das auch die „Bereiche" des öffentlichen und des privaten Rechts gegeneinander abschottet, eine Sicht der Gesamtsrechtsordnung, i n der öffentliche und private Sphären als i n die Gesamtordnung eingefügte und gerade i n ihrer besonderen Eigenart für die Gesamtordnung wesentliche Sachbereiche gedacht werden 45 , i n der das öffentliche Recht das Recht der öffentlichen Sachbereiche ist. Der Beitrag Hesses ist i n der Weite seines Ansatzes und i n der gleichzeitigen Konkretheit seines Denkens der entscheidende Hinweis darauf, wie von einem materialen Verfassungsverständnis her der Rechtsbegriff des Öffentlichen i n einem materialen Sinne näher zu bestimmen sein wird. Eine solche nähere Bestimmung ist notwendig, da sich die Ausführungen Hesses selbst als nur „skizzenhafte und vorläufige Überlegungen" verstehen 46 . Sie ziehen nur für die politischen Parteien die Linie von der öffentlichen Funktion zum öffentlichen Status, gehen aber auf die Frage nicht näher ein, ob auch außer den durch A r t . 21 GG ausgezeichneten politischen Parteien öffentliche Sachbereiche jenseits der verfaßten Staatlichkeit nach öffentlichem Recht geordnet sind 47 . Sie führen den angedeuteten „Stufenbau" des öffentlichen Rechts nicht näher aus und lassen es deshalb offen, welche Konsequenzen der materiale Begriff des normativ öffentlichen für das öffentliche Recht des verfaßten Staates hat. Sie deuten den Gesichtspunkt der Publizität unter dem Aspekt der „Einsehbarkeit" 4 8 nur an, ohne das formal-„publizistische" Element auch des material öffentlichen auszuschöpfen. Sie entfalten das öffentliche als „Bezeichnung des aufgegebenen Wesens" 49 der freiheitlich-rechtsstaatlichen Ordnung nicht genauer unter den Aspekten der diese Ordnung konstituierenden und legitimierenden Prinzipien. Sie lassen somit i n diesen Punkten entfaltender und ergänzender Bemühung Raum.

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Grundzüge, S. 10. V V D S t R L 17 (1959), S. 43 bes. A n m . 92. Ebd. S. 44. 47 F ü r die Existenz nicht n u r der Parteien i n diesem Bereich spricht folgender Satz i n V V D S t R L 17 (1959), S. 43: „ M a n könnte für einzelne Verbände u n d Institutionen jenes Bereichs an einen je nach dem Grad der E r f ü l l u n g dieser Voraussetzung abgestuften öffentlichen Status denken." — Dafür, daß die Parteien i n diesem Bereich einsam sind, ließe sich anführen, daß sich i h r W i r k e n von dem W i r k e n anderer Faktoren der „Vorformung des politischen Willens", etwa der Verbände oder der Presse, wesentlich abhebt u n d i h r Status ein „singulärer öffentlicher Status" ist (Grundzüge, S. 71). 48 V V D S t R L 17 (1959), S. 43; zur Publizität als Element der Demokratie: Grundzüge S. 60 f., 149 ff. 49 V V D S t R L 17 (1959), S. 42. 45 48

Zweiter

Abschnitt

Das öffentliche als Grundelement des freiheitlich verfaßten Gemeinwesens, der res publica § 12 Die Verfassung als Grundordnung des öffentlichen Gemeinwesens Das P r o b l e m des ö f f e n t l i c h e n u n d i n seinem R a h m e n die F r a g e nach e i n e m ö f f e n t l i c h e n oder n i c h t ö f f e n t l i c h e n S t a t u s e n t z i e h e n sich s o w o h l d e r D e d u k t i o n aus e i n e m v e r f ü g b a r e n „ B e g r i f f " als auch d e r E i n w e i s u n g i n e i n e n ü b e r s i c h t l i c h e n „ B e r e i c h " des ö f f e n t l i c h e n . Dieser B e f u n d v e r anlaßte uns, d e n m i t d e m B e g r i f f des ö f f e n t l i c h e n gegebenen w e i t e r e n Z u s a m m e n h ä n g e n n a c h z u s p ü r e n (§ 8). E i n e e x e m p l a r i s c h e „ i d e e n g e schichtliche" B e h a n d l u n g dieser Z u s a m m e n h ä n g e i n p r o b l e m a t i s c h e r A b s i c h t 1 e r m ö g l i c h t e eine präzisere F r a g e s t e l l u n g : d e r B e g r i f f des ö f f e n t l i c h e n m u ß als G r u n d p r o b l e m der Staats-, Rechts- u n d M e t h o d e n l e h r e b e h a n d e l t w e r d e n (§ 9). D i e B e r a t u n g zeitgenössischer A u t o r e n b e s t ä t i g t e unsere schon i n d e r E i n l e i t u n g dargelegte Auffassung, daß d e r S i n n dieses Begriffes n u r i n e i n e r h i s t o r i s c h - k o n k r e t e n V e r f a s s u n g beschrieben w e r d e n k a n n (§ 11). W e n n w i r n u n darangehen, das eingangs gegebene V e r 1 Der Sinn politischer Ideengeschichte f ü r eine gegenwartsbezogene Problembehandlung w i r d i n der Politikwissenschaft i n jüngster Zeit gerade aufgrund der Erfahrungen m i t einem streng empirischen, wertneutralen Wissenschaftsverständnis intensiv diskutiert. K. von Beyme (Politische Ideengeschichte, 1969) sieht die Vorteile der Ideengeschichte darin, 1. als „Lagerhaus" politischer Probleme, 2. als methodische Schulung, 3. als H i l f s m i t t e l der Prognose dienen zu können; dabei könne gerade die dritte Funktion, der „Froschperspektive" des bloß gegenwartsbezogenen behavioristischen Forschens v o r beugen, — eine Notwendigkeit, da „Empirismus u n d B e h a v i o r i s m u s . . . einen hohen Grad von Zufriedenheit m i t einer etablierten Ordnung" voraussetzten (a. a. O., S. 50, 52, 55). — F ü r eine konkrete, an der positiven Verfassung orientierte Verfassungstheorie k a n n die ideengeschichtliche Vor-Reflexion vor der „Froschperspektive" eines an der etablierten Ordnung festgemachten Verfassungspositivismus bewahren. M i t ähnlicher Stoßrichtung wie von Beyme bezeichnet W. Euchner (Demokratietheoretische Aspekte der p o l i t i schen Ideengeschichte, i n : G. Kress, D. Senghaas [Hg.], Politikwissenschaft 1969, S. 64 f.) die Beschäftigung m i t der politischen Ideengeschichte als „Propädeutik einer Gegenwartsanalyse". Diese Formel trifft i n etwa die m i t unserem Formalismus- u n d Hegelabschnitt verfolgte Absicht. Gegen ein essentialistisches Verständnis einer „ A r t absoluter Ideengeschichte, die eine Offenbarungsgeschichte v o n Wahrheiten und Verfehlungen darstellt" (W.-D. Narr, Theoriebegriffe u n d Systemtheorie, 1969, S. 27), haben w i r uns i n § 8 I I abgesichert. Vgl. zu dieser Frage auch G. Lehmbruch, Einführung i n die P o l i t i k Wissenschaft, 2. Aufl, 1968, S. 105 ff.

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sprechen einzulösen, einen Beitrag zur Ermittlung dieses Sinnes i n der konkreten politisch-rechtlichen Ordnung der geltenden Verfassung zu leisten, dann geschieht das auf der Ebene des bisher erreichten Problembewußtseins und unter Verwendung der aus der dargestellten Analyse und K r i t i k geschöpften „Hinweise", so daß die folgenden, unvermeidlich skizzenhaften Überlegungen ζ. T. erst auf diesem Hintergrund oder i n Konfrontation mit dem bisher Gesagten plastisch werden. I n den einleitenden Bemerkungen wiesen w i r auf die Schwierigkeit einer an der geltenden Verfassung orientierten Behandlung hin: das Grundgesetz enthält keine grundsätzliche Aussage zum Problem des öffentlichen, zumindest nicht unmittelbar und explizit. Die Erkenntnis der Problemdimension als „Grundproblem" gibt die Lösung dieses Dilemmas: der Begriff des öffentlichen kann nicht von der Applikation eines oder mehrerer verfassungsgesetzlicher Einzelbestimmungen erwartet, er kann nur aus der Totalität der politisch-rechtlichen Gesamtverfassung begriffen werden, der Begriff des öffentlichen ist ein verfassungstheoretisches Problem. Die damit gegebene „Lösung" bringt keine Erleichterung, sie führt i n weit fundamentalere Schwierigkeiten, fordert sie doch die Explikation einer materialen, konkreten Verfassungstheorie. Es ist die aus den bisherigen Überlegungen gewonnene Hypothese dieser Arbeit, daß eine solche Verfassungstheorie nicht isoliert vom Problem des öffentlichen entwickelt und dann auf dieses angewendet werden kann. Das öffentliche ist vielmehr als Grundelement des freiheitlich verfaßten Gemeinwesens zu begreifen, derart daß dieses i n seiner Eigenart nur als öffentliches zu erfassen ist, daß der „Begriff des öffentlichen" das Verständnis des Gemeinwesens selbst als eines öffentlichen aussagt und sich somit einer handlichen „Definition" entzieht; m i t anderen Worten: Der Begriff des Öffentlichen ist in einer konkreten Verfassungstheorie als Theorie des öffentlichen zu entfalten 2. Die „Richtigkeit" dieses Ansatzes ist aus seiner Fruchtbarkeit zu beweisen; nur dann handelt es sich u m mehr als u m eine willkürliche Wortspielerei, wenn diese Sicht Grundfragen der konkret-geschichtlichen politisch-rechtlichen Ordnung besser zu beantworten vermag als andere Betrachtungsweisen 3 . Die Formulierung der Verfassungstheorie als Theorie des öffentlichen dürfte gerade für das Verfassungsrecht von besonderer Bedeutung sein, verpflichtet sie doch den m i t speziellen Rechts2 Z u dem hier i m Anschluß an Hegel vorausgesetzten Theoriebegriff als „ V e r w i r k l i c h u n g des Begriffs i n seiner ideellen Entfaltung" vgl. M. H. Mols, Allgemeine Staatslehre oder politische Theorie, 1969, S. 96 ff., das Zitat auf S. 98. 3 Dabei w i r d nicht der Anspruch erhoben, der entfaltete Begriff des öffentlichen decke den Gesamtbereich einer konkreten Verfassungstheorie. So d ü r f ten die Überlegungen unter dem Aspekt des öffentlichen etwa f ü r eine Theorie des Bundesstaats keinen besonderen Ertrag abwerfen.

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satzbegriffen des öffentlichen praktizierenden Juristen zur Prüfung des tragenden Grundes auf seine (Verfassungs-) Festigkeit, wie sie es umgekehrt der Theorie erlaubt, an den konkreten Rechtsproblemen ihre Tragfähigkeit zu kontrollieren 4 . Bei der Breite der damit erreichten Problemstellung können die folgenden Überlegungen nur als ein erster Versuch verstanden werden, der zudem mehr Wert auf die Abwehr von Vereinseitigungen i m Ansatz legt, als auf eine schon Einzelheiten berücksichtigende Darstellung. Der Vermeidung eines zu eng gefaßten Frageansatzes und damit zugleich der Offenlegung der eigenen Prämissen dienen die Ausführungen dieses Paragraphen (§12). Bei seiner Lektüre ist zu berücksichtigen, daß die i n i h m behandelten Themen des Verfassungs-, Politik- und Demokratiebegriffs jedes für sich und zugleich i n ihrer Verwiesenheit aufeinander das Ganze der Verfassungstheorie bereits voraussetzen und enthalten, das nach unserem Programm als Theorie des öffentlichen erst entwickelt werden soll (§§ 13—15), so daß dem Leser zugemutet werden muß, die folgenden vorbereitenden Bemerkungen auf die Darstellung des öffentlichen h i n und diese auf dem präsenten Hintergrund jener zu verstehen. I. Der Ausgangspunkt: Die konkret-geschichtliche Verfassung Der Versuch der Entwicklung einiger Grundlinien einer konkretmaterialen Verfassungstheorie kann nicht ohne den eindringlichen H i n weis auf die zugespitzte hermeneutische Problematik dieses Unternehmens begonnen werden 5 . Zunächst ist bewußt zu halten, daß es sich hier (wie bei einer „normalen" Verfassungskonkretisierung) nicht u m den technischen Vorgang der äußerlichen Anwendung einer verfügbaren Norm auf eine gegebene Wirklichkeit handelt, sondern u m jenen schöpferischen A k t des Verstehens, der den Erkennenden unlösbar i n den Erkenntnis» und Anwendungsvorgang verstrickt; daß der Blick auf den Gegenstand, auf Norm und Problem, immer nur aus der Perspektive einer von einer konkreten K u l t u r - und Lebensgeschichte geprägten Situation, m i t einem bestimmten „Vor-Verständnis", getan werden kann®; 4 Z u m Verhältnis von Verfassungstheorie u n d Verfassungsrecht muß an dieser Stelle ein Hinweis auf die wenigen Bemerkungen bei H. Ehmke, P r i n zipien der Verfassungsinterpretation, V V D S t R L 20 (1963), S. 131, genügen; dort auch die Unterscheidung, die Verfassungstheorie sei ihrem Geltungsgrund nach nicht normativ, w o h l aber ihrer Intention nach. 5 Eine solche konkrete Verfassungstheorie muß sich bereits „vorab" an der noch unbegriffenen Verfassung orientieren, deren Theorie, d . h . entfalteter Begriff, sie sein soll. β Vgl. dazu grundlegend: H.-G. Gadamer , Wahrheit u n d Methode, 1960, S. 250 ff. (Der hermeneutische Z i r k e l u n d das Problem der Vorurteile); 290 ff. (Das hermeneutische Problem der Anwendung) ; 307 ff. (Die exemplarische Bedeutung der juristischen Hermeneutik).

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„daß der von Subjekten veranstaltete Forschungsprozeß dem objektiven Zusammenhang, der erkannt werden soll, durch die A k t e des Erkennens hindurch selber zugehört" 7 . Über diese allgemeine hermeneutische Einsicht hinaus muß eine Verfassungstheorie ihres politischen Gegenstandes und normativen Anspruchs wegen mit einem besonderen Aufwand an Redlichkeit die i n ihrem Vorverständnis wirksamen erkenntnisleitenden lebenspraktischen Interessen 8 einer rationalen Kontrolle zugänglich machen 9 . Es ist — wie schon i n der Einleitung betont wurde — nicht zuletzt diese Pflicht, die uns den „Umweg" über Einzelproblem, Analyse und K r i t i k wählen ließ. Der spezifische Zirkel, i n dem sich der Entwurf einer Verfassungstheorie bewegt, ergibt sich aber erst aus Folgendem: Die Jurisprudenz hat das Vorverständnis bisher weniger i n dieser allgemeinen Dimension einer nicht auflösbaren Bindung von Forscher und Objekt i n einen Traditions- und Verweisungszusammenhang 10 behandelt, als i m Sinne rechtlicher, zum Teil speziell rechtswissenschaftlicher und rechtstheoretischer Vormeinungen 11 . Die auch hier sich stellende Aufgabe der Begründung des Vorverständnisses w i r d dabei der Verfassungstheorie zugewiesen; m i t einer oft zitierten Formulierung Ehmkes: eine verfassungsrechtliche Hermeneutik, die die praktische Arbeit w i r k l i c h leiten wolle, müsse zur materialen Verfassungstheorie werden 12 . Damit ist der Kreis geschlossen: den Z u t r i t t zu einer konkreten Verfassungstheorie eröffnet erst die Rationalisierung des Verfassungsvorverständnisses, die ihrerseits auf die Verfassungstheorie zurückverweist. W i r suchen einen intersubjektiven Mitvollzug dieser nicht aufzubrechenden Kreisbewegung 7 J. Habermas, Analytische Wissenschaftstheorie u n d Dialektik, i n : L o g i k der Sozialwissenschaften, Hrsg. v. E. Topitsch, 1965, S. 291, vgl. auch S. 293, 297, 304. 8 J. Habermas, a. a. O., S. 309. 9 Vgl. K . Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, 1967, S. 26; F. Müller, N o r m s t r u k t u r u n d Normativität, 1966, S. 50. 10 Vgl. insbes. A. Wellmer, Kritische u n d analytische Theorie, i n : M a r x i s musstudien 6 (1969), S. 207: „So sehr sich auch i m Prozeß der kritischen A n eignung v o n Traditionen oder der Entschlüsselung zunächst fremder Sinnzusammenhänge sein (d.i.: des Forschers, A . R.) Vorverständnis ändern mag, er k a n n weder aus dem Überlieferungszusammenhang — auf den auch das reflektierteste »Anerkennen 4 letztlich sich doch richten muß — ganz herausspringen noch aus dem Verweisungszusammenhang dieser Überlieferung m i t seiner eigenen Zukunft. Seine Deutungen bleiben daher aber Entwürfe, die sich nicht n u r an dem je schon vorliegenden Material, sondern i n der zukünftigen geschichtlichen Praxis des Menschen selbst bewähren müssen, die den Faden der Überlieferung weiterspinnt." 11 Vgl. insbes. H. Ehm}ce, Verfassungsinterpretation, S. 56, 64 (mit weiteren Nachw.); die Ausführungen K . Hesses, Grundzüge, S. 26, beziehen sich auf den generellen u n d den speziell rechtswissenschaftlichen Problemaspekt, ohne beide zu unterscheiden; die i m T e x t vorgenommene Differenzierung sehr k l a r bei F. Müller, Normstruktur, S. 49 ff., bes. 51. 12 H . Ehmke, a.a.O., S. 64, vgl. auch S. 71; K . Hesse, a.a.O., S. 26f.; F. Müller, a. a. O., S. 52 ff.

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dadurch zu erleichtern, daß w i r m i t einer „vor-läufigen", dem expliziten Wissen u m das, was Verfassung ist, vor-laufenden Verfassungsinterpretation beginnen, i n der das Vorverständnis von Verfassung und Verfassungsrecht von der konkreten Verfassung her entworfen bzw. kontrolliert werden soll. Daß auch dabei vorverstehende Elemente sich einmischen und schon diese erste orientierende „Ubersicht" mitbestimmen, bleibt unvermeidlich; aber auch hier w i r d von den kritischen Partien unserer Untersuchung eine erhellende Wirkung erwartet. Die aus der Formalismuskritik geschöpften „Hinweise" machen es verständlich, daß schon dieser erste Blick auf die Verfassung weder eine bloße „Realanalyse" noch eine „reine" Normbetrachtung für zureichend hält, sondern nur eine Verfassungsinterpretation, die beides i n einem spannungsvollen Zugleich ist 1 3 , daß deshalb m i t einer Vergegenwärtigung der gesamtgesellschaftlichen Wirklichkeit begonnen wird, einer zumindest andeutenden Beschreibung der historischen, sozialen, ökonomischen und technologischen Realitäten als „Geltungsbedingungen" der Verfassung, die als normative Realität auf jene reagierend und dirigierend bezogen ist. 1. „Vorläufige" Verfassungsinterpretation

Die Sätze des Verfassungsgesetzes erhalten i n den sozialen Strukturen, i n denen sie Geltungswirklichkeit erlangen sollen, überhaupt erst einen Sinn. Die damit dem Verfassungsrechtler obliegende Hineinnahme einer gesamtgesellschaftlichen Gesamtbetrachtung i n die Verfassungsinterpretation mutet i h m nicht nur ungewohnt „Metajuristisches" zu, sie verweist i h n zudem unausweichlich auf den Weg ungern praktizierten Dilettierens: ältere Analysen sind vom sich beschleunigenden Wandel überholt 1 4 ; die innerhalb der notwendigen Arbeitsteilung „zuständigen" Wissenschaften lassen den nach Belehrung suchenden Juristen weitgehend i m Stich. Die geforderte sozial-ökonomische Theorie w i r d weder von der Ökonomie noch von der Soziologie geleistet und u m deren Kooperation oder gar Integration steht es nach Auskunft von Fachvertretern schlecht 15 ; zu einer systematischen Analyse „der Verbindungen 13

Vgl. H. Heller, Staatslehre, 1934, S. 255. Die Erkenntnis, daß die „gesellschaftliche W i r k l i c h k e i t " i n schnellem Wandel begriffen ist, ist selbst nicht n u r Anlaß, sondern auch schon Ergebnis der Analyse u n d muß demnach von den A u t o r e n verkannt werden, die eine solche„als Juristen" ablehnen; das erklärt die unbefragte Übernahme überholter Gesellschaftsmodelle als Fundament zahlreicher rechtswissenschaftlicher Abhandlungen u n d Gerichtsentscheidungen. 15 K . Borchardt, Z u r Theorie der sozial-ökonomischen E n t w i c k l u n g der gegenwärtigen Gesellschaft, i n : Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft? 1969, S. 29 f.; k e i n „Totalmodell" liefere die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (S. 40), sie vermittele meist n u r ein unreflektiertes B i l d der Gesellschaft, da sie die Hauptprobleme als exogene Daten behandle (S. 42 f.). 14

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zwischen der ökonomischen Basis einer Gesellschaft und ihren politischen Institutionen und Prozessen", die von der Politikwissenschaft erwartet werden müßte, bestehen vollends „noch kaum Ansätze" 16 . Doch ein Ausweichen vor der gestellten Aufgabe gibt es nicht: „Es mag sein, daß i m gegenwärtigen Zeitpunkt nur Andeutungen — Fragestellungen und Bruchstücke von Antworten — zutage gefördert werden können, und sicher hat der I r r t u m i n erheblichem Umfang seinen Platz i n der Bewältigung dieser Aufgabe. Aber all das muß hingenommen werden — unverantwortlich wäre nur das Schweigen 17 ." Eine gewisse Ermutigung zu einer wenigstens stichwortartigen Skizze kann immerh i n die Beobachtung geben, daß i n der Feststellung einer Reihe von Zuständlichkeiten und Trends sich Forscher einig sind, die durch Fachgrenzen und kaum überwindbare Anschauungsgräben voneinander getrennt sind 18 . Ubereinstimmung besteht i n der Erkenntnis der fundamentalen Bedeutung der Technik, genauer: des technischen Fortschritts „als einem der wichtigsten Faktoren i n der Entwicklungsdynamik der modernen Gesellschaft" 19 . Er führt zu einer grundlegenden Änderung der Formen menschlicher Arbeit, die i m Zusammenhang m i t den kennzeichnenden Merkworten „Mechanisierung" und „Automatisierung" nicht nur metaphorisch als revolutionär bezeichnet wird 2 0 . Nach Lutz stehen fast alle Veränderungen der zeitgenössischen Gesellschaft, fast alle ihre Unterschiede zu den traditionellen, vorindustriellen Gesellschaften i n enger Beziehung m i t dem technischen Fortschritt, lassen sich auf i h n zurück16 J. Hirsch, Z u r politischen Ökonomie des politischen Systems, i n : P o l i t i k wissenschaft. Hrsg. v. G. Kress u. D. Senghaas, 1969, S. 190. 17 R. Herzog, Der Mensch des technischen Zeitalters als Problem der Staatslehre, i n : EStL S. X X I I . 18 Vgl. zum Folgenden insbes.: Th. W. Adorno, Einleitungsreferat zum 16. Deutschen Soziologentag, i n : Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft? S. 12 ff.; ders., A r t . : Gesellschaft, i n : EStL, Sp. 636 if.; K . Borchardt, a.a.O., S. 29 ff. ; A. R. L. Gurland, Z u r Theorie der sozial-ökonomischen Entwicklung der gegenwärtigen Gesellschaft, i n : Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft? S. 48 ff.; E. Forsthoff, Die Bundesrepublik Deutschland. Umrisse einer Realanalyse, i n : Rechtsstaat i m Wandel, S. 197 ff.; ders., Strukturwandlungen der modernen Demokratie, 1964, S. 7 ff.; ders., Z u r heutigen Situation einer Verfassungslehre, i n : Epirrhosis. Festgabe f ü r C. Schmitt, Bd. I, 1968, S. 185 ff.; A. Gehlen, Soziologische Voraussetzungen i m gegenwärtigen Staat, i n : Forsthoff (Hg.), Rechtsstaatlichkeit u n d Sozialstaatlichkeit, 1968, S. 320 if. — Bei der Bewertung der Fakten zerfällt die hier festgestellte Einigkeit gründlich; vgl. dazu i m T e x t weiter unten. 19 B. Lutz, A r t . : Technik, i n : EStL, Sp. 2277 ff., 2278; vgl. auch Borchardt, a. a. O., S. 34; Gurland, a. a. O., S. 51. 20 Entgegen häufig geäußerten Befürchtungen hat sich „ i n den entwickelten Ländern b i s l a n g . . . k e i n Trend zu einem dramatischen Arbeitsangebotsüberhang entwickelt" (Borchardt, a. a. O., S. 33) u n d ist auf lange Zeit hinaus nicht zu erwarten (Lutz, a. a. O., Sp. 2281).

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führen oder als seine Voraussetzungen oder Begleiterscheinungen beschreiben 21 . Die überragende Bedeutung der Technik für die moderne Gesellschaft hat zu einer sozialwissenschaftlichen Kontroverse darüber geführt, ob die gegenwärtige Phase als Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft inhaltlich adäquat charakterisiert werden müsse 22 , „ob noch das kapitalistische System nach seinem wie immer auch modifizierten Modell herrsche, oder ob die industrielle Entwicklung den Begriff des Kapitalismus selbst, den Unterschied zwischen kapitalistischen und nichtkapitalistischen Staaten, gar die K r i t i k am Kapitalismus hinfällig gemacht habe" 23 . Theodor W. Adorno hat vorgeschlagen, diese Frage nicht m i t einem Entweder-Oder zu beantworten, vielmehr drücke das Verhältnis der beiden Formeln „den Widerspruch aus, der die gegenwärtige Phase kennzeichnet" 24 . Industriegesellschaft sei die gegenwärtige Gesellschaft nach dem Stande ihrer Produktivkräfte, Kapitalismus i n ihren Produktionsverhältnissen. Wenden w i r unsere Aufmerksamkeit zunächst den Produktivkräften zu, da über deren Charakterisierung unter dem Stichwort Industriegesellschaft ein hohes Maß von Einigung erzielt sein dürfte. „Industrielle Arbeit ist überall und über alle Grenzen der politischen Systeme hinaus zum Muster der Gesellschaft geworden. Zur Totalität entwickelt sie sich dadurch, daß Verfahrensweisen, die den industriellen sich anähneln, ökonomisch zwangsläufig sich auch auf Bereiche der materiellen Produktion, auf Verwaltung, auf die Distributionssphäre und die, welche sich K u l t u r nennt, ausdehnen 25 ." M i t dieser Kennzeichnung liegt Adorno zumindest nicht fern von der Deskription Gehlens, die Industriewirtschaft m i t steigender Produktion sei i m echten Sinne Fundament der Gesamtgesellschaft, von ihrem Funktionieren werde jeder andere Lebenssektor direkt oder indirekt mitbetroffen 2e . Die Verständigungsmöglichkeit dürfte sich auch noch auf eine Reihe globaler Trends beziehen. So w i r d ein anhaltendes, wenn auch nicht störungsfreies Wirtschaftswachstum beobachtet und für eine überschaubare Zukunft erwartet; i m Zusammenhang damit steht eine weiterhin feststellbare Zunahme der Kapitalakkumulation 2 7 . Von alledem untrennbar ist — worauf schon Max Weber aufmerksam gemacht hat — die Tendenz zur Bürokratisierung und Rationalisierung i m Sinne techni-

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Lutz, a. a. O., Sp. 2278; vgl. Forsthoff, Z u r heutigen Situation, S. 194. Vgl. dazu Referate u n d Diskussionen auf dem 16. Deutschen Soziologentag, i n : Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft? 1969. 23 Adorno, Einleitungsreferat, S. 12. 24 Adorno, ebd., S. 12. 25 Adorno, ebd., S. 18. 26 Gehlen, a. a. O., S. 321. 27 Borchardt, a. a. O., S. 31 f. 22

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scher Zweckrationalität 2 8 , eine Tendenz, die nicht an den Grenzen des einzelnen Betriebs oder Unternehmens haltmacht, sondern als Großplanung m i t einer tendenziellen Verdrängung des Marktes ein weiteres Signum der heutigen sozio-ökonomischen Struktur darstellt 29 . „Solche Planung großen Stils, und auf sie kommt es an, weil sie strukturbestimmend ist, bleibt nicht auf das wirtschaftliche K a l k ü l früherer Zeiten beschränkt. Sie greift, indem sie Fragen des Außenhandels, der Außenpolitik, der Heranbildung von Nachwuchs, der Gesetzgebung auf den jeweils einschlägigen Gebieten m i t einbeziehen muß, i n den staatlichen Bereich über. Entsprechendes gilt i m umgekehrten Sinne für den modernen Staat. Er ist schon als Verteilerstaat der Wirtschaft auf das engste verbunden. Er kann sich gegenüber einer auf Planung beruhenden Wirtschaft immer weniger durch punktuelle Entscheidungen zur Geltung bringen und steht deshalb unter dem Zwang, eigene planerische Konzeptionen zu entwickeln, die nun auch ihrerseits nicht auf den Rahmen herkömmlicher staatlicher Funktionen beschränkt bleiben können, sondern i n die gesellschaftlichen Verhältnisse hinein ausgreifen müssen." Diese Kurzcharakteristik Forsthoffs 30 , die ein prägnantes Gegenbild zum Dualismus von Staat und Gesellschaft gibt, w i r d als Beschreibung unbeschadet aller Differenzen i n der Beurteilung von Borchardt, Galbraith und Gurland, von Adorno und Gehlen, von Herzog, Hesse und Krüger bestätigt (um m i t Autorennamen unterschiedliche Positionen zu kennzeichnen 31 ). Martin Drath unterstreicht den Grundaspekt, wenn er betont, die Industriegesellschaft könne als „staatsfrei" nicht einmal gedacht werden; alles soziale Verhalten von jedermann gehe aus von Lagen, die durch staatliche Wirksamkeit schon mehr oder weniger mitbestimmt seien, und beruhe auf Erwartungen, die ohne staatliche Einwirkungen nicht erfüllt würden. Staat und Gesellschaft machten zusammenwirkend erst die funktionierende Gesamtheit des Lebens i n der Industriegesellschaft, die „Gesamtgesellschaft" aus 32 . A n Einzelaspekten seien besonders hervorgehoben: Der „Staat" schafft und sichert die Voraussetzungen des technischen Fortschritts durch Bereitstellung und Ausbildung von „Wissen" (staatliches Bildungssystem, 28 Vgl. dazu W.-D. Narr, Theoriebegriffe u n d Systemtheorie, 1969, S. 168; Gehlen, a. a. O., S. 320. 29 Das meint die Formel „Geplanter Kapitalismus"; vgl. dazu J. Hirsch, a. a. O., S. 196 ff.; U. K. Preuß, Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, 1969, S. 33 f.; jeweils m i t weiteren Nachw. 30 Forsthoff, a. a. O., S. 194. 31 Borchardt, a. a. O., S. 35 f.; J. K . Galbraith, Die moderne Industriegesellschaft, 1968, bes. S. 332if.; Gurland, a.a.O., S. 55; Adorno, a . a . O . ; Gehlen, a.a.O., S. 328 f.; Herzog, a.a.O., S. X X X V I ff.; Hesse, Grundzüge, S. 6 ff.; H. Krüger, Von der Notwendigkeit einer freien u n d auf lange Sicht angelegten Zusammenarbeit zwischen Staat u n d Wirtschaft, 1966, S. 12, 16; vgl. auch Hirsch, a. a. O., S. 203 ff. 32 M. Draht, A r t . : Staat, i n : EStL, Sp. 2114 ff., 2123.

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Das

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Forschung); er übernimmt Ausfallfunktionen auf dem sog. tertiären Sektor der Dienstleistungen, der sich einer umfassenden Mechanisierung und Automatisierung weitgehend entzieht (Verkehr, humanitäre H i l fen, Verwaltung); er sorgt für eine gewisse, wenn auch nach überwiegender Ansicht nicht einschneidende „Umverteilung" des gesellschaftlichen Reichtums 33 ; er betreibt „Krisenmanagement" 3 4 und eine infolge der zunehmenden internationalen Interdependenzen unverzichtbare „Außenstabilisierung" (Außen- und Militärpolitik, Entwicklungsländerpolitik). Sucht man nach einer theoretischen Deutung dieser ungemein komplexen Wirklichkeit, so erweisen sich einfache Erklärungsschemata als ungenügend. Gegenüber der bündigen These vom „Monopolkapitalismus" 3 5 ist nach Auskunft von Borchardt Vorsicht geboten, da eine zunehmende Monopolisierung i n exaktem ökonomischem Sinne m i t den vorhandenen statistischen Methoden und Materialien unserer Zeit als Massenphänomen nicht nachweisbar sei 38 , was möglicherweise aber auch an der Unzulänglichkeit der statistischen Methoden liegen könnte 3 7 . Der überkommene ökonomische Klassenbegriff hat unter den Bedingungen des staatlich regulierten Kapitalismus seine Plausibilität verloren 3 8 ; die alte Klassengesellschaft könnte aber durch eine neue ersetzt sein, deren Analyse etwa bei den neuen „ideologischen Ständen" der Experten, Wissenschaftler, opinion leaders anzusetzen hätte 39 . „Herrschaft" hat sich gewandelt: Die souveräne Unabhängigkeit und „wirkliche Macht" des Staates, die es i h m „ermöglichen würde, die Gesellschaft i n ihre Schranken zu verweisen, ist i n den gegenwärtigen Zuständen nicht anzutreffen" 4 0 ; Privateigentum wurde durch die managerial revolution seiner Herrschaftsfunktion weitgehend entkleidet 4 1 . Gegenüber der Polarisierung und Hierarchisierung vergangener Gesellschaftsstrukturen w i r d 33 Borchardt, a. a. O., S. 39. Vgl. dazu J. Huff Schmid, Die P o l i t i k des K a p i tals, 3. Aufl. 1970, S. 11 ff. 34 C. Offe, Politische Herrschaft u n d Klassenstrukturen, i n : Politikwissenschaft, S. 183. 35 Vgl. P. A. Baran, P. M. Sweezy, Monopolkapital, 1967; die Studie bezieht sich ausdrücklich auf die amerikanische Wirtschafts- u n d Gesellschaftsordnung. F ü r Deutschland vgl. J. Huff Schmid , bes. S. 121 ff. 36 Borchardt, a. a. O., S. 35. Beachte i n diesem Zusammenhang auch die Warnung Adornos, a. a. O., S. 14, vor dem irrationalen „Schwadronieren über Begriffe wie ,der Imperialismus' oder ,das Monopol·, ohne Rücksicht darauf, was diesen Worten als Sachverhalten entspricht" ; auch die dialektische Theorie sei „nicht gefeit vor falscher Trennung von nachdrücklichem Denken und empirischer Forschung". 37 Gurland, a. a. O., S. 54. 38 Vgl. dazu insbes. Offe, a. a. O., S. 163 f., 175 ff. 39 Vgl. Gurland, a.a.O., S. 56 („ideologische Stände"); Draht, a.a.O., Sp. 2128 („opinion leaders") ; Herzog, a. a. O., S. X L I V (Wissenschaftler als „herrschende Klasse"). 40 Forsthoff, a. a. O., S. 208. 41 Vgl. dazu Hirsch, a. a. O., S. 198 ff. m i t weiteren Nachw.

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eine Pluralisierung der Macht und eine i n der Angleichung der Konsumgewohnheiten und Bildungsschancen zumindest tendenziell erkennbare Fundamentaldemokratisierung sichtbar 42 . M i t Galbraith teilt Forsthoff die Prognose, es spreche alles dafür, daß sich Staat und Gesellschaft i n einer beide überformenden „Technostrukt u r " noch enger ineinander verklammern 4 3 ; und Gehlen dürfte an ähnliches gedacht haben, wenn er die Angemessenheit des Begriffes Herrschaft bezweifelt und sie durch die Kategorie der „funktionalen Autor i t ä t " ersetzen möchte, „d. h. die aus dem Sachzwang heraus unabdingbare, durch i h n legitimierte Befugnis zu Anweisungen m i t eng begrenzter Kompetenz innerhalb komplizierter Betriebe" 4 4 . Gegen solche Hermeneutik der Wirklichkeit wendet sich der Protest Adornos, der gerade gegenüber den gesellschaftlichen Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen (Produktionsverhältnissen) die volle, ja verschärfte Wucht des Kapitalismus-Vorwurfs aufrechterhält: Noch immer seien die Menschen A n hängsel an die Maschinerie, bis i n ihre intimsten Regungen hinein genötigt, dem Gesellschaftsmechanismus als Rollenträger sich einzuordnen und ohne Reservat nach i h m sich zu modeln; wie ehedem werde u m des Profits willen produziert; die Bedürfnisse seien vollends, über alles Bisherige hinaus, total gesteuert 45 . I n solcher Differenz der Deutung zeigt sich eine Ambivalenz der Sache: Technik, die Verfügung über Natur und Gesellschaft ermöglicht, enthält an sich die dem Menschen ausgelieferten Möglichkeiten einer bislang unerreichbaren Befreiung von Not 4 6 , wie aber auch einer biotechnischen, psychologischen, sozialtechnischen und demoskopischen Manipulierbarkeit des Menschen 47 . Alle Grundbegriffe der modernen Gesellschaft — Bedürfnis, Planung, Rationalität, Wissenschaft, Technik — führen unausweichlich zur Frage nach dem Sinn, verlangen nach einer „Orientie42 K. Mannheim, Mensch u n d Gesellschaft i m Zeitalter des Umbaus, 1958, S. 52 ff. Vgl. dazu die kritischen Anmerkungen bei G. Schäfer, Demokratie und T o t a l i t a r i s m e , i n : Politikwissenschaft, a. a. O., S. 119 f. 43 Forsthoff, a. a. O., S. 208, vgl. auch S. 194; Galbraith, a. a. O., S. 76 ff. — Vgl. neuestens Forsthoff, V o n der sozialen zur technischen Realisation, i n : Staat 9 (1970), S. 145 ff., wo gegen die I n h u m a n i t ä t der Technik ein starker Staat m i t starkem Entscheidungspotential, adäquater Effizienz u n d geistigem Profil gefordert w i r d (vgl. S. 159). 44 Gehlen, a. a. O., S. 330. 45 Adorno, a. a. O., S. 18; EStL, Sp. 639 ff. 46 Daß der Stand der Produktivkräfte i n der kapitalistischen Gesellschaft erstmals „die Möglichkeit von Leben ohne N o t " (Adorno, Einleitungsvortrag, S. 19) realisiert, ist ein Grundmotiv der kritischen Theorie von Horkheimer bis Habermas. Die dem Menschen durch die empirischen Wissenschaften an die H a n d gegebene Macht über N a t u r u n d Gesellschaft ist zugleich die objektive Voraussetzung ihrer gesellschaftlichen Emanzipation (vgl. A. Wellmer, Kritische u n d analytische Theorie, S. 190). 47 Herzog, a. a. O., bes. X X I I I f.

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rung i m Handeln" 4 8 . Diese w i r d die historische Erfahrung des Gemeinwesens m i t einem totalitären System i n sich aufnehmen müssen: die aus dieser Erfahrung geschöpfte Erkenntnis der „Künstlichkeit" der Freiheit, der Notwendigkeit stetiger Anstrengung zu ihrer Bewahrung und Stärkung, der Ohnmacht des Rechts ohne eine es tragende sozioökonomische Struktur und eine durch diese ermöglichte öffentliche Ethik. Sie w i r d zu beachten haben, daß die sich beschleunigende soziale Dynamik die Zukunft zu einer unmittelbaren Aufgabe der Gegenwart macht und so die Bewahrung der Freiheit zu ihrer Planung werden läßt. Orientierung i m Handeln soll die Verfassung dem Gemeinwesen geben; das Grundgesetz sucht seine Aufgabe zu erfüllen als eine freiheitlich-demokratische, rechtsstaatlich-soziale Verfassung. Das demokratische Prinzip ist das die verfassungmäßige Ordnung primär bestimmende, das schlechthin fundamentale Prinzip: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus (Art. 20 Abs. 2 GG). Zugleich w i r d m i t gleicher Unabdingbarkeit die Würde des Menschen für unantastbar erklärt und die staatliche Gewalt zu ihrer Achtung und zu ihrem Schutz verpflichtet (Art. 1 Abs. 1 GG). Das Volk, von dem alle Staatsgewalt ausgeht, bekennt sich u m der Menschenwürde w i l l e n zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (Art. 1 Abs. 2 GG). M i t der Deklaration i m Kern unverfügbarer Rechtsgrundsätze distanziert sich die Verfassung von jeder Volks- oder Staatsomnipotenz (Art. 19 Abs. 2, 79 Abs. 3 GG). Sie bekennt sich damit zugleich zu einem materialen Rechtsstaatsverständnis, ohne zu versäumen, die Weltlichkeit und weltanschauliche Offenheit der von ihr entworfenen Lebensordnung des Volkes zu betonen (Art. 4 GG). Den sozialen Pluralismus nimmt sie positiv auf (Art. 5, 9, 21 GG). Ist i n alledem die Verfassung auf Freiheit h i n angelegt, die sie vor allem durch die Normierung von Grundrechten zu gestalten und zu sichern sucht, so antwortet sie der neuartigen ökonomischen und sozialen Ambiance m i t der Formel vom „Sozialstaat", ohne diese Formel i m einzelnen zu entfalten und ohne sich auf eine bestimmte Ordnung der Wirtschaft festzulegen (vgl. Schutz des Privateigentums i n A r t . 14 einerseits, Möglichkeit einer Sozialisierung i n A r t . 15 andererseits). 2. Antinomien des Verfassungsauftrags?

Es ist i n der Staatsrechtslehre unbestritten, daß die Verfassung sich mit dem von ihr gegebenen Lebensplan des Volkes auf die technische 48 J. Habermas, V o m sozialen Wandel akademischer Bildung, i n : U n i v e r sitätstage 1963, S. 170f.; vgl. ders., Theorie u n d Praxis, S. 231 ff. — Zur Rationalität der M i t t e l ohne Rationalität der Ziele als moderner F o r m der Irrationalität: Adorno, EStL, Sp. 640f.; vgl. Draht, a.a.O., Sp. 2126, 2136; Narr, Theoriebegriffe, S. 22 f.

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und industrielle Entwicklung bezieht, die zu einer Steigerung der Staatsaufgaben und zu einer intensiveren Abhängigkeit des einzelnen von der lenkenden und planenden Tätigkeit des Staates, seiner „Daseinsvorsorge" (Forsthoff), geführt haben. Es bleibt jedoch die Frage, ob die Verfassung sich m i t ihrem Normprogramm nicht übernommen hat, ob sie nicht Unvereinbares zusammenfügt, so daß die einzelnen Elemente sich einem ganzheitlichen Verständnis widersetzen. So hat Carl Schmitt m i t dem Anspruch, eine „bis auf den heutigen Tag überzeugende Systemat i k entwickelt" zu haben 49 , die prinzipielle Gegensätzlichkeit von Rechtsstaat und Demokratie behauptet 50 ; Ernst Forsthoff hält den Sozialstaat für unvereinbar m i t der Formtypik einer rechtsstaatlichen Verfassung und drängt i h n deshalb auf die unterverfassungsrechtliche Ebene der Verwaltungsfaktizität ab 5 1 ; Georges Burdeau schließlich konstatiert eine Antinomie von Verfassung und Demokratie 52 . Es ist die These dieser Untersuchung, daß solche Antinomien sich bei einem Verständnis der Verfassung als der normativen, spezifisch öffentlichen Grundordnung des politischen Gemeinwesens zu einer zwar nicht logisch-systematischen, aber praktisch-dynamischen Einheit fügen. Dabei werden die Schwierigkeiten nicht verkannt, die sich für die Verfassungsinterpretation daraus ergeben, daß die Textformulierungen des Grundgesetzes weithin an einer Wirklichkeit geschliffen sind, die nicht mehr unsere Wirklichkeit ist, so daß die Interpretation auf die ständige Reflexion von Grundintention, Sinn- und Funktionszusammenhang der einzelnen Verfassungsnormen angewiesen ist, wo ehedem eine „klare und einfache Subsumtion" zu genügen schien. Die Alternative zu der damit verbundenen „Verunsicherung" des Verfassungsrechts 53 ist jedoch das „Ende des Verfassungsstaates". Bevor aber der Beweis als erbracht akzeptiert wird, „wie sehr manche überlieferten Formeln und Begriffe ganz von früheren Situationen abhängig und heute nicht einmal mehr alte Schläuche für neuen Wein, sondern nur noch veraltete und falsche Etiketten sind" 5 4 , sollte man prüfen, ob nicht die Urteile, die die Antiquiertheit der Verfassung oder einzelner ihrer Institutionen beklagen, ihrerseits auf Verfassungstheorien gründen, die die Gegenwart nicht mehr begreifen. 49

C. Scftmitt, Verfassungslehre, V o r w o r t von 1954, S. V I I . C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 2. Aufl., 1926; Verfassungslehre, bes. S. 201,233, 309, 315. 51 E. Forsthoff, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, V V D S t R L 12 (1954), S. 8 ff., jetzt i n : Rechtsstaat i m Wandel, S. 27 ff.; ders., Z u r heutigen Situation einer Verfassungslehre, i n : Epirrhosis, Festgabe f ü r C. Schmitt, Bd. 1,1968, S. 185 ff. 52 G. Burdeau, Z u r Auflösung des Verfassungsbegriffs, i n : Staat 1 (1962), S. 389 ff. 53 Forsthoff, Z u r heutigen Situation, S. 188. 54 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. X I . 50

15 R i n k e n

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I I . Die Verfassung als normative Gesamtverfassung Z u einem die Gegenwart begreifenden Verfassungsverständnis eröffnet sich allerdings kein Zugang, wenn Verfassung und Verfassungsgesetz auseinandergerissen werden, jene als „Verfassung i m positiven Sinne", als „Gesamt-Entscheidung über A r t und Form der politischen Einheit" 5 5 diesem als einem Gesetz i m Sinne einer abstrakt-generellen Norm 5 6 entgegengesetzt wird. Eine solche Trennung ist die Mutter einer sich fortzeugenden Reihe von Dualismen und Antinomien; sie selbst entstammt positivistischem Trennungsdenken. Dessen Grundaxiom, die Trennung von Norm und Faktum, holt sie i n den Verfassungsbegriff hinein: Als Entscheidung beruht die Verfassung nicht auf einer Norm, deren Richtigkeit der Grund ihrer Geltung wäre; sie beruht vielmehr auf dem entscheidenden Willen; i h r Geltungsgrund ist nicht normativ, sondern existenziell. Das Verfassungsgesetz dagegen gilt erst auf Grund der Verfassung, es ist seinem Inhalt nach die ausführende Normierung des verfassunggebenden Willens 5 7 , als solche ist es technisch-formales Recht, dem logisch-syllogistische Gesetzesauslegung entspricht 58 . M i t dieser Verankerung des dualistischen Ansatzes i m Verfassungsbegriff selbst w i r d zugleich die Entgegensetzung von Staat und Gesellschaft als ein die weiteren Ableitungen leitendes Prinzip zementiert, da der entscheidende verfassunggebende Wille nicht eine i n politischer Praxis immer neu zu organisierende sachliche Ordnung hervorzubringen vermag, sondern i n einem existentiellen A k t nur die eine politische Einheit, den Staat. 1. Die Verfassung als Gesamtverfassung des politischen Gemeinwesens

a) Joseph H. Kaiser hat i m Hinblick auf die Formel „politisches Gemeinwesen" kritisch gefragt, was es dogmatisch und praktisch bedeute, wenn ein — nach seiner Meinung — so wenig prägnanter Begriff als ein Rechtsbegriff eingeführt werde 59 . Er hat demgegenüber auf die freiheitsverbürgende Bedeutung einer klaren Unterscheidung und begrifflichen Trennung von Staat und Gesellschaft und auf die totalitäre Tendenz jeder Einheitskonzeption hingewiesen 60 . I n der Tat wird, wer m i t diesem Begriff umgeht, angeben müssen, warum und i » welchem Sinne er es tut. Soll die Rede vom politischen GemeinweseÄ nur zum 55

C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 21. Forsthoff, Rechtsstaat i m Wandel, S. 37. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 22, 76. 58 Forsthoff, Rechtsstaat i m Wandel, S. 27 f., 148, 177, 213 ff. Z u r K r i t i k : A. Hollerbach, AöR 85 (1960), S. 241 ff. 59 J. H. Kaiser, V V D S t R L 21 (1964), S. 255 f. (Diskussionsbeitrag). 60 J. H. Kaiser, Repräsentation, 1956, S. 308, 320; Prolegomena (1956), S. 52 f.; S t L V I I . (1962), Sp. 594, 596. I n diesem Sinne schon E. Kaufmann, GSch I , S. 521, 594. 56

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Ausdruck bringen, daß i n einem bestimmten Bereich „nicht nur der Staat, sondern auch Gemeinden und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts fungieren" 6 1 , dann ist das nicht mehr als eine modische Floskel. Die Formel vom „politischen Gemeinwesen" richtet sich zunächst polemisch gegen den „Staat" als vorausgesetzte Einheit und vorgegebenes Machtzentrum. I n diesem Sinne hat schon Otto von Gierke dem „Obrigkeitsstaat" das B i l d des „Gemeinwesens" entgegenstellt 62 , i n diesem Sinne w i l l Richard Bäumlin die überkommene formalistische und machttheoretische „Staatsgewalttheorie" durch eine Theorie des Gemeinwesens ersetzen 63 . I m Anschluß an die Hinweise Otto Brunners, der für die Verfassungs- und Sozialgeschichte die Gefahr des Hantierens m i t den Begriffen „Staat" und „Gesellschaft" als gleichsam allgemeingültigen Kategorien nachdrücklich dargetan hat 6 4 , hat Horst Ehmke gezeigt, i n welchem Maße dieses Schema die sachangemessene Lösung heutiger verfassungsrechtlicher und verfassungstheoretischer Probleme versperrt 65 . Eine Theorie des Gemeinwesens basiert auf der vor allem von Rudolf Smend und Hermann Heller vermittelten Erkenntnis, daß der „Staat" nicht ein Zustand gegebener Einheit ist, zu der die Gesellschaft als ein scharf abgegrenzter Freiheitsbereich kontrastiert, sondern daß seine Einheit dem menschlichen Handeln aufgegeben, daß sie ein praktisches Problem ist 6 6 , als Einheit nur i m Sinne eines „Wirkungszusammen81 K . Stern, V V D S t R L 21 (1964), S. 262 i n seiner A n t w o r t auf Kaisers Frage, vgl. auch S. 194,224. 62 O. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, 1,1868, S. 642. 63 R. Bäumlin, Z B J V 1 0 1 (1965), S. 83 ff., 87 ff. 64 O. Brunner, L a n d u n d Herrschaft, 5. Aufl. 1959; ders., Das Problem einer europäischen Sozialgeschichte (1956), S. 7 ff. 65 H. Ehmke, Wirtschaft u n d Verfassung, 1961, S. 5 f.; „Staat" u n d „Gesellschaft" (1962), S. 24 u. passim. Ehmkes Vorschlag, die Grundbegriffe des englischen u n d amerikanischen Verfassungsdenkens „ c i v i l society" u n d „government" vorsichtig zu transponieren, da das Denken i n diesen Kategorien, das ungebrochen i n der gemeineuropäischen politischen T r a d i t i o n stehe, den aufgezeigten Widersprüchen entgehe, hat J. H. Kaiser die Befürchtung entgegengehalten, eine solche Übertragung könne die Verwechslung heterogener Elemente m i t sich bringen (StL V I I [1962], Sp. 594 f.). Bei Übereinstimmung i n der Sache i m Hinblick auf die P r a k t i k a b i l i t ä t ebenfalls zurückhaltend: Hesse, Grundzüge, S. 8. 66 R. Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, 2. Aufl. 1968, S. 134 ff.; A r t . : Integrationslehre, i n : H D S W V. (1956), S. 299; vgl. auch ZEE 6 (1962), S. 70. — Vgl. auch die Kennzeichnung der Integrationslehre als eine Theorie des i m m e r neuen Sichvertragens, deren Grundkategorie nicht Herrschaft, sondern der einigende Zusammenschluß ist, bei Ehmke, Verfassungsänderung, 1953, S. 61, auch S. 55; ähnlich U. Scheuner, Das Wesen des Staates, S. 440. Gegenüber der Auffassung der Integrationslehre, der Staat integriere sich lediglich vermöge objektiver Wertgesetzlichkeit i n einem i n sich gravitierenden Integrationssystem (Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 195), ist m i t Heller „stärker das Moment bewußten, planmäßigen, organisierten Zusammenwirkens zur Geltung zu bringen" (so Hesse, Grundzüge, S. 4; vgl. auch Scheuner, H D S W X I I . [1965], S. 655 f.). H. Kuhn, Der Staat, 1967, S. 18: „ . . . der Staat

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hanges" bezeichnet werden kann 6 7 . Indem der Begriff des politischen Gemeinwesens sich auf den politischen Gesamtprozeß bezieht, bringt er zugleich „adäquat das Bezugsfeld von Verfassung zum Ausdruck..., die Staatsverfassung und Gesellschaftsverfassung i n einem ist, wenngleich i n unterschiedlicher Dichtigkeit" 6 8 . b) Ist die polemische Richtung und die negative Abgrenzung der Formel vom „politischen Gemeinwesen" damit dargetan, so bleibt ihre Konsequenz noch i m Unklaren. Führt sie nicht zu einer Strukturlosigkeit dieses Gemeinwesens m i t den von Kaiser befürchteten freiheitsbedrohenden Folgen? Die A n t w o r t auf diese Frage muß m i t dem Begriff des Politischen gegeben werden, der differentia specifica, die den „wenig prägnanten" Genusbegriff „Gemeinwesen" präzisiert und strukturiert. Ist die Verfassung nicht mehr nur Staatsverfassung, sondern Verfassung des politischen Gemeinwesens, so kann der Verfassungsbegriff nicht ohne den Begriff des Politischen aufgestellt werden 69 , keiner von beiden Begriffen kann vorausgesetzt, keiner aus dem anderen deduziert, sie können nur zugleich und aneinander entwickelt werden. Dieser Beziehung ist hier vor allem aber auch deshalb nachzugehen, w e i l von ihr her zugleich ein Licht auf die nicht minder innige Verbindung fällt, die zwischen dem Begriff des Politischen und dem Begriff des öffentlichen besteht. Es sei daran erinnert, daß i m System des genuinen Formalismus dieses Beziehungsgefüge i n den Identitäten öffentlich = staatlich, politisch = staatlich, Verfassung = Staatsverfassung zum Ausdruck gekommen ist. Dieser Hinweis macht zugleich deutlich, wie sehr dieses Gefüge erschüttert werden muß, wenn i n i h m der „Staat" aus der Mitte des Systems entfernt und an einen bescheideneren Platz verwiesen wird. Es sei aber auch präsent gehalten, daß das Politische ebenso wie das öffentliche i n der Phase ihrer Verstaatlichung defizient und reduziert erschienen. Ist also ein Begriff des Politischen gefragt, der aus seiner Staatsverhaftung gelöst ist, so liegt es nahe, jene vieldiskutierte Fassung dieses ist eine Weise menschlich-gemeinschaftlichen Tuns, oder, anders ausgedrückt, eine F o r m menschlicher Praxis." 67 H. Heller, Staatslehre, S. 228 ff., 230. 68 A . Hollerbach, Ideologie u n d Verfassung, i n : Ideologie u n d Recht. Hrsg. v. W. Maihofer, 1969, S. 37 ff. (50). Z u m Problem der Gesamtverfassung vgl. insbes. W. Kaegi, Die Verfassung als rechtliche Grundordnung des Staates, 1945, bes. S. 42. Ehmke, Wirtschaft u n d Verfassung, S. 672; Verfassungsänderung, S. 60; Scheuner, RStW 3 (1951), S. 132; D Ö V 1958, S. 641 ff.; S t L V I I I . (1963), bes. Sp. 117 ff.; V V D S t R L 22 (1965), S. 61; Hesse, Grundzüge, S. 10. 69 Vgl. dazu schon Smend, Die politische Gewalt i m Verfassungsstaat (1923), i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 82. Z u m Zusammenhang der Begriffe Staat, Integration, Verfassung bei Smend u n d zum Smendschen Begriff der Integration als Begriff des Politischen vgl. die Studie von M. H. Mols, A l l gemeine Staatslehre oder politische Theorie, 1969, bes. S. 180 ff., 224 ff., die leider für unsere Überlegungen nicht mehr nutzbar gemacht werden konnte.

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Begriffs heranzuziehen, die C a r l Schmitt i n m e h r e r e n S c h r i f t e n ausdrücklich u n d i m m e r wieder i n seinem W e r k e entwickelt hat70. Nach S c h m i t t h a t das Politische sein eigenes, n i c h t v o n d e m eines a n d e r e n Bereichs a b l e i t b a r e s K r i t e r i u m : die U n t e r s c h e i d u n g v o n F r e u n d u n d Feind. „Die Unterscheidung v o n Freund u n d Feind hat den Sinn, den äußersten I n t e n s i t ä t s g r a d e i n e r V e r b i n d u n g oder T r e n n u n g , e i n e r Assoz i a t i o n oder Dissoziation z u bezeichnen . . . 7 1 . " D a m i t ist das Politische i n s e i n e m A n s a t z v o m Staate gelöst, d e n n S u b j e k t des P o l i t i s c h e n i s t eine „ k ä m p f e n d e G e s a m t h e i t v o n M e n s c h e n " 7 2 . „ W e i l das P o l i t i s c h e k e i n e eigene Substanz h a t , k a n n d e r P u n k t des P o l i t i s c h e n v o n j e d e m G e b i e t aus g e w o n n e n w e r d e n . . , 7 3 . " I s t d a m i t e i n e m p o l i t i s c h e n P l u r a l i s m u s das W o r t geredet? W i r d h i e r eine p l u r a l i s t i s c h e F o l g e r u n g aus d e r A n a l y s e gezogen, d e r S t a a t sei z u r „ S e l b s t o r g a n i s a t i o n d e r Gesellschaft" g e w o r den 7 4 ? E i n e solche I n t e r p r e t a t i o n w ü r d e d e n Z u s a m m e n h a n g des S c h m i t t schen D e n k e n s außer acht lassen, d e r m i t d e r B e g r i f f s r e i h e A u s n a h m e , E n t s c h e i d u n g , E i n h e i t , S t a a t angedeutet w e r d e n k a n n . Es i s t die N e g a t i o n des P l u r a l i s m u s , die m i t j e n e r F o r m e l v o n d e r „ S e l b s t o r g a n i s a t i o n d e r Gesellschaft" u m s c h r i e b e n i s t : die I n d e n t i t ä t v o n S t a a t u n d G e s e l l schaft i m t o t a l e n S t a a t 7 5 . Es i s t gerade die k r i t i s c h a b l e h n e n d e A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m P l u r a l i s m u s , d i e die A u s f ü h r u n g e n z u m B e g r i f f des

70 C. Schmitt, Der Begriff des Politischen (1928), i n : Positionen u n d Begriffe, S. 67—74; Der Begriff des Politischen, 1932, m i t einem V o r w o r t u n d drei Corrollarien neu hrsg. 1963. 71 Begriff des Politischen (1932), S. 14. 72 Begriff des Politischen (1932), S. 16. 73 „Die politsche Einheit ist höchste Einheit, nicht w e i l sie allmächtig diktiert oder alle anderen Einheiten nivelliert, sondern w e i l sie entscheidet u n d innerhalb ihrer selbst alle anderen gegensätzlichen Gruppierungen daran hindern kann, sich bis zur extremen Feindschaft (d. h. bis zum Bürgerkrieg) zu dissoziieren... Jede soziale Gruppe, gleichgültig, welcher A r t u n d w e l chen Sachgehaltes, w i r d i n dem Maße politisch, i n dem sie an der Entscheidung beteiligt ist oder gar die Entscheidung bei sich konzentriert. W e i l das P o l i t i sche keine eigene Substanz hat, k a n n der P u n k t des Politischen von jedem Gebiet aus gewonnen werden, u n d jede soziale Gruppe, Kirche, Gewerkschaft, Konzern, Nation, w i r d politisch u n d damit staatlich, w e n n sie sich i n diesem P u n k t der höchsten Intensität nähert" (Staatsethik u n d pluralistischer Staat, 1930, i n : Positionen u n d Begriffe, S. 133 ff., 141). 74 C. Schmitt, Der H ü t e r der Verfassung, 1931, S. 78 f. Z u dieser These kritisch G. Leibholz, V V D S t R L 7 (1932), S. 159 ff., jetzt i n : Strukturprobleme, a. a. O., S. 26 — Z u r Verwendung dieser Formel durch E. Forsthoff (Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 18; Rechtsstaat i m Wandel, S. 201; Z u r heutigen Situation einer Verfassungslehre, S. 194) kritisch H. Ehmke, W i r t schaft u n d Verfassung, S. 45 ff.; „Staat" u n d „Gesellschaft", S. 43 f. 75 C. Schmitt, Der H ü t e r der Verfassung, S. 79. „Die zum Staat gewordene Gesellschaft w i r d ein Wirtschaftsstaat, Kulturstaat, Fürsorgestaat, W o h l fahrtsstaat, Versorgungsstaat; der zur Selbstorganisation der Gesellschaft gewordene, demnach v o n i h r i n der Sache nicht mehr zu trennende Staat ergreift alles Gesellschaftliche, d. h. alles, was das Zusammenleben der M e n schen angeht." Beachte i n diesem Zusammenhang: M. Buber, Geltung u n d Grenze des politischen Prinzips, i n : Universitas 16 (1961), S. 689 ff.

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Das öffentliche als Grundelement der res publica

P o l i t i s c h e n l e i t e t 7 8 . U n d so i s t es d e n n auch d e r S t a a t , der die F r e u n d F e i n d - U n t e r s c h e i d u n g f ä l l t . D e r S t a a t i s t „ d i e maßgebende politische E i n h e i t " 7 7 . P l u r a l i s m u s e x i s t i e r t n u r als P l u r a l i s m u s d e r S t a a t e n 7 8 . — V e r m a g s o m i t C a r l S c h m i t t s B e g r i f f des P o l i t i s c h e n d i e A u f g a b e n i c h t z u lösen, d e m w e i t e r e n p o l i t i s c h e n G e m e i n w e s e n C h a r a k t e r u n d S t r u k t u r z u geben, w e i l er n i c h t n u r d e m Staate z u g e o r d n e t b l e i b t , s o n d e r n diesen sogar i n d i e T o t a l i t ä t t r e i b t , — seine O r i e n t i e r u n g a n d e r A u s n a h m e u n d seine n i h i l i s t i s c h e L e e r e m a c h e n i h m z u m V e r s t ä n d n i s e i n e r V e r f a s s u n g p e r se ungeeignet, welche O r d n u n g n i c h t v o n selbstmächtiger Dezision, s o n d e r n i n B i n d u n g a n d i e v o n i h r gegebenen S i n n p r i n z i p i e n aus e i n e m d e m o k r a t i s c h e n Prozeß e r w a r t e t 7 9 . Es sei h i e r n u r a n g e m e r k t , w a s i m e i n z e l n e n a n späterer S t e l l e v o r z u f ü h r e n ist, daß d e r Schmittsche B e g r i f f des P o l i t i s c h e n z u g l e i c h auch d i e S t r u k t u r seines B e g r i f f s des ö f f e n t l i c h e n p r ä g t , so u n g e w i ß u n d v i e l d e u t i g dieser auch sein m a g 8 0 . M i t d e m P o l i t i s c h e n u n d d e m O r t seines Ereignisses, d e m S t a a t als p o l i t i s c h e r E i n h e i t , t e i l t d e r B e g r i f f des ö f f e n t l i c h e n d e n C h a r a k t e r des Polemischen, des E i n h e i t l i c h - F e s t g e f ü g t e n u n d d a m i t n i c h t w e i t e r A u f l ö s b a r e n 8 1 . „ F e i n d i s t n u r d e r öffentliche F e i n d , w e i l alles, w a s a u f eine solche

76 Vgl. bes. Begriff des Politischen (1928), S. 67 f.; Staatsethik u n d p l u r a listischer Staat (1930), passim. 77 Begriff des Politischen (1932), S. 33; (1928), S. 70. A u f die umstrittene Interpretation dieses Umschlags zum Staat k a n n hier nicht weiter eingegangen werden. Vgl. dazu ff. ff eiler, Staatslehre, S. 206 f.; P. Schneider, A u s nahmezustand u n d Norm, 1957, S. 243, 250 ff.; M. Schmitz, Die Freund-FeindTheorie Carls Schmitts, 1965, S. 98, 127 f. — Als E r k l ä r u n g w i r d v o r allem auf Schmitts konkreten „ K a m p f m i t Weimar-Genf-Versailles", gegen Liberalismus, Hechtsstaat u n d Völkerbund hingewiesen u n d auf die v o n dort gegebene Option f ü r den totalen Staat, der seine „Positionen u n d Begriffe" bestimmt habe. So v o r allem ff. Kuhn, i n : K a n t - S t u d i e n 38 (1933), S. 190—196, jetzt i n : Der Staat, 1965, S. 447—460. 78 „Aus dem Begriff des Politischen ergeben sich allerdings, w i e unten gezeigt werden soll, pluralistische Konsequenzen, aber nicht i n dem Sinne daß innerhalb der politischen Einheit an die Stelle der maßgebenden Freundu n d Feindgruppierung ein Pluralismus treten könnte, ohne m i t der Einheit auch das Politische selbst zu zerstören." „ A u s dem Begriffsmerkmal des P o l i t i schen folgt der Pluralismus der Staaten." Begriff des Politischen (1928), S. 69, 72. 79 M a r t i n Buber hat festgestellt, die Freund-Feind-Formel entstamme „der Erschütterlichkeitssphäre der politischen Gebilde, nicht ihrer Zusammenhaltssphäre", u n d H e l m u t K u h n hat gegenüber der einseitigen Orientierung am Feindbegriff daran erinnert, der antiken Staatsphilosophie habe die philia als das den Staat Zusammenhaltende gegolten. M . Buber, Die Schriften über das dialogische Prinzip, 1954, S. 239; ff. Kuhn, a. a. O., S. 449. 80 Die Vieldeutigkeit teilt der Begriff des öffentlichen m i t dem des P o l i t i schen: „Der Begriff des Politischen ist u n k l a r u n d widerspruchsvoll. E r u m schließt heterogene Elemente" (P. Schneider, a. a. O., S. 254). 81 Vgl. dazu P.Schneider, a.a.O., S.243: „Es handelt sich u m eine grundlegende, nicht weiter ableitbare Unterscheidung v o n absoluter Bedeutung. Zwischen I n d i v i d u u m u n d Gesamtheit, Privatsphäre u n d öffentlicher Sphäre gibt es für Schmitt keine Brücke. Aus privaten Meinungen können keine öffentlichen Meinungen entstehen!"

§ 12 Die Verfassung als Grundordnung

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Gesamtheit von Menschen, insbesondere auf ein ganzes Volk Bezug hat, dadurch öffentlich wird 8 2 ." Die Bindung des öffentlichen an den dezisionistischen Staat hat Ernst Forsthoff folgerichtig ausgesprochen: Das ausschließliche K r i t e r i u m des öffentlichen ist i h m „die konkrete Entscheidung des Staates darüber, was öffentlich und was privat ist". Und er hat unter Hinweis auf den Begriff des Politischen bei Carl Schmitt verdeutlichend hinzugefügt, daß diese Termini ausschließlich i n der politischen Sphäre gelten 88 . Eine Gegenposition zum etatistisch-dezisionistischen Politikbegriff Carl Schmitts bietet Ulrich K. Preuß an 84 . Preuß untersucht am Beispiel des verfassungsrechtlichen Status kultureller Organisationen die Frage, „ob es einen staatsrechtlich qualifizierbaren Bereich öffentlicher Verantwortung gibt, der nicht m i t dem institutionalisierten Ämtergefüge des Staatsapparates identisch ist", genauer und vom Untersuchungsobjekt her auf das Gebiet des Organisationsrechts eingeschränkt: ob es i n unserer Rechtsordnung Organisationsformen gibt, die einen institutionell öffentlichen Status haben, ohne doch mittelbar oder unmittelbar i n den organisatorischen Zusammenhang des Staatsapparates integriert zu sein 85 . Er begreift die seit dem ersten Weltkrieg einsetzende „Ersetzung eines liberalen Marktautomatismus durch ein System politischer Regelungen, Planungen und Leistungen" als die entscheidende Veränderung der gesellschaftlichen Verfassung. „Da dieses Planungs-, Lenkungsund Leistungssystem eine ständige Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums vornimmt, bedeutet seine Ausdehnung eine gleichzeitige Beschränkung privater Verfügung und Verteilung des Sozialprodukts über den Markt — gleichsam dessen ,Ungerechtigkeit' politisch kompensierend. Die ,sozialstaatliche Transformation des liberalen Rechtsstaates' (Habermas) ist der Prozeß der Ausdehnung des Umverteilungssystems zu Lasten jener privaten Verfügungs- und Verteilungssphäre 8®." Die gesellschaftlichen Änderungen „haben zu einer fortschreitenden Politisierung ehedem i n privater Verfügung stehender Bereiche und zu ständigen gesellschaftlichen Konflikten u m die jeweilige Um- und Neuverteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums geführt". „ A u f diesen Vorgang der Politisierung bisher i n privater Autonomie geregelter 82

C. Schmitt, Begriff des Politischen (1932), S. 29. Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft, 1931, S. 17. Vgl. auch die A u s führungen über den Sinn der staatlichen Entscheidung, ebd. S. 21: „ M i t der Anerkennung als öffentlich w i r d die Körperschaft eingefügt i n den Bereich, der gemeint ist, w e n n v o n öffentlicher Ordnung die Rede ist. öffentliche Ordnung ist ein spezifisch staatsrechtlicher Begriff, dessen E n t w i c k l u n g m i t der des Diktaturrechtes auf das engste verbunden ist." 84 Ulrich K. Preuß, Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, u n t e r sucht am Beispiel des verfassungsrechtlichen Status k u l t u r e l l e r Organisationen, 1969. 85 Ebd. S. 42,74. 86 Ebd. S. 133,134. 83

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Das öffentliche als Grundelement der res publica

sozialer, ökonomischer und kultureller Sachverhalte bezieht sich die sogenannte Sozialstaatsklausel der A r t i k e l 20 und 28 des Grundgesetzes 87 ." Es ist diese für den heutigen Sozialstaat konstituierend gewordene Auseinandersetzung u m den Verteilungsschlüssel 88 , die nach Preuß auch die Begriffe des Politischen und öffentlichen prägt. „Gehört u. a. der Konflikt u m die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums zum Strukturmerkmal der politischen Ordnung", so hat sich damit „der Begriff des Politischen aus seiner überwiegend angenommenen Identität m i t dem des Staates emanzipiert"; die sozialen Konflikte sind i n das System der politischen Institutionen hineingenommen: „Die Institutionen der sozialen Konflikte, Parteien, Verbände, Vereine, single purpose movements u. ä. konstituieren m i t dem zunehmend eigener politischer Substanz entbehrenden Staatsapparat gemeinsam die politische Ordnung der Gesellschaft 89 ." „öffentlich i m Sinne der Legitimation durch die Verfassungsordnung des Grundgesetzes und einer auf diese Legitimation bezogenen spezifischen Verantwortlichkeit sind daher jene Gruppen und Organisationen, die an der Auseinandersetzung u m die Verteilung des Sozialprodukts teilnehmen und auf diese Weise ihrerseits die Teilnahme ihrer Mitglieder und Anhänger, oder ganz allgemein der »Staatsbürger', an diesen politisierten Prozessen vermitteln 9 0 ." Es ist hier nicht der Ort zu einer umfassenden Würdigung der von Preuß vorgelegten Untersuchung zum staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen. Eine rezensierende Auseinandersetzung hätte positiv das Bemühen zu vermerken, i m Weiterdenken Hellerscher Gedanken die historische, soziale, ökonomische und politische Wirklichkeit wieder i n vollem Umfang i n die staatstheoretische Reflexion einzubeziehen, u m so dem kritisch-wissenschaftlichen Auftrag der Verfassungslehre zu genügen; eine solche Auseinandersetzung hätte aber auch u.a. kritisch zu 87

Ebd., S. 168,138. Ebd., S. 163. Vgl. die ausführlichere Definition des Sozialstaatsbegriffs: „Der Sozialstaat läßt sich somit als der Inbegriff einer politischen Verfassung kennzeichnen, i n der die Umverteilung des grundsätzlich p r i v a t angeeigneten ökonomischen Reichtums über die konkurrierende Teilnahme organisierter Interessen v e r m i t t e l t ist" (S. 148 f.). Dabei geht Preuß v o n einem weiten Begriff des gesellschaftlichen Reichtums aus, der auch die immateriellen Reichtümer w i e Bildung, Gesundheit, Freiheit umfaßt; vgl. S. 168 A n m . 17, 139, 149. 89 Ebd., S. 149, 169. A l s „politisch" bezeichnet Preuß i m Anschluß an H e r mann Heller (Staatslehre, S. 204) einen Gegenstand, „der sich unmittelbar u n d positiv auf das Zusammenwirken einer Gebietsbevölkerung zu einer nach innen u n d außen handlungs- u n d lebensfähigen Organisation bezieht"; ebd., S. 79 f. 90 Ebd., S. 172, vgl. auch S. 214. A u f S. 79 gibt Preuß eine allgemeinere Begriffsdefinition des öffentlichen; danach sind i h m öffentlich jene Bereiche u n d Agenden, „die die politische Existenz einer Gebietsbevölkerung begründen, als solche verfassungsrechtlich legitimiert u n d durch eine der Realisier u n g dieser Legitimationsprinzipien dienende, v o r dem souveränen V o l k eingelöste Verantwortlichkeit n o r m a t i v gebunden sind". 88

§ 12 Die Verfassung als Grundordnung

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fragen, ob die für das Organisationsrecht gezogenen Konsequenzen als unmittelbar geltendes Recht aus einer Verfassungsrechtsinterpretation der geltenden Verfassung begründbar oder nicht doch als verfassungstheoretisch fundierte Verfassungsdirektiven auf eine gesetzgeberische Konkretisierung angewiesen sind. Unser Interesse gilt an dieser Stelle dem Begriff des Politischen. I n welch hohem Maße er für eine verfassungstheoretische Untersuchung weichenstellenden Charakter hat, macht gerade die hier referierte Abhandlung deutlich. Die entschlossene Orientierung des Politischen am Kampf u m die Verteilung des Sozialprodukts bestimmt den Verfassungsbegriff; vom verkürzt erscheinenden Verfassungsbegriff muß kritisch zum Begriff des Politischen zurückgefragt werden. Preuß stellt fest, der Prozeß der Auseinandersetzung um den Verteilungsschlüssel bringe keine irgendwie geartete volkliche oder geistige, geschweige denn ökonomische oder soziale Homogenität der Gebietsbevölkerung hervor; das Ergebnis sei vielmehr „das durch die ständige politische Auseinandersetzung stets widerrufliche Monopol derjenigen Kräfte, die sich aus den verschiedensten Gründen durchgesetzt haben, über den Apparat, der politische Entscheidungen verbindlich macht". „Das Ergebnis dieser Auseinandersetzungen sind K o m promisse, nicht politische Einheit." Die politische Organisation der Gesellschaft ist vielmehr „ein nach den Regeln der Verfassung zustandegekommener und i n deren Grenzen eingehaltener politischer Kompromiß rivalisierender gesellschaftlicher Gruppen, ebenso wie die Verfassung selbst als ein solcher Kompromiß zu verstehen ist" 9 1 . — Hier schlägt die gut begründete Abwehr aller Vorstellungen, die den Staat zu einer substantiellen politischen Einheit hypostasieren, i n die Gegenposition um, die Sinn und Rechtfertigung der Verfassung auf „Waffenstillstandsbedingungen" verkürzt, „auf die sich die kämpfenden Interessengruppen . . . bis zum nächsten Waffengang geeinigt haben" (J. Esser). Dieses Verfassungsverständnis bleibt dem abgelehnten Einheitsbegriff als dessen pure Negation verbunden; es versäumt es, die statischen Einheitskon91 Ebd., S. 163, 169, 134; vgl. auch 144 ff. Preuß beruft sich f ü r dieses V e r fassungsverständnis auf J. Esser, Einführung i n die Grundbegriffe des Rechts u n d Staates, 1949, S. 3 („Waffenstillstandsbedingungen"); J. Seifert, Der K a m p f u m Verfassungspositionen, i n : neue k r i t i k , Nr. 35, 1966, S. 4 ff. („Waffenstillstandsordnung"); W. Abendroth, Z u m Begriff des demokratischen u n d sozialen Rechtsstaates, i n : Rechtsstaatlichkeit u n d Sozialstaatlichkeit, hrsg. v. E. Forsthoff, 1968, S. 114 ff., insbes. S. 131, 139, 143 f. Zumindest Abendroth dürfte an den i n Bezug genommenen Stellen mehr an den aktuellen K o m promiß des Verfassungsgebers (vgl. A r t . 14 u n d 15 GG) als an eine grundsätzliche u n d generelle Aussage zum Verfassungsbegriff gedacht haben. — Vgl. i n diesem Zusammenhang noch: J. Seifert, Gegenmacht i n der V e r fassungsordnung, Festschrift f ü r O. Brenner, 1967, S. 75 ff.; R. Hoffmann, Rechtsfortschritt durch gewerkschaftliche Gegenmacht, 1968, S. 78 ff.; R. Genien, G. Stuby, „ O r d n u n g als Repression", i n : K r i t J 2 (1969), S. 125 ff. (131). — Vgl. dagegen Hesse, Grundzüge, S. 103 f.; Normative K r a f t , S. 8.

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Das öffentliche als Grundelement der res publica

zepte durch ein dynamisches Gegenkonzept positiv zu kritisieren, das i n der Lage ist, etwa unter den „dynamischen Einheitskategorien" des Prozesses oder Planes die den bloßen Machtkampf transzendierende Sinnfunktion der Verfassung zu bewahren. Die ausschließliche Reduzierung der Verfassung auf den „Kompromiß rivalisierender gesellschaftlicher Gruppen" ist nicht einmal i n der Lage, die verfassungsrechtlichen Legitimationsprinzipien als materiale Sinnprinzipien zu begreifen; der politische Pointiiiismus beziehungsloser, sich ablösender Kompromisse läßt den normativen Gehalt der Verfassung auf den eines stets kündbaren Organisationsstatuts schrumpfen, — eine Konsequenz, welche die H i l f losigkeit des Autors vor der Unverbrüchlichkeitsklausel des Artikels 79 Abs. 3 GG 9 2 wie auch die die Problemdimension nicht i m mindesten aufnehmende Ausblendung der Gemeinwohlproblematik erklären dürfte 9 3 . Dabei hätte gerade die Anknüpfung an Hermann Heller, dessen Position zu Beginn der Arbeit trefflich und unverkürzt referiert w i r d 9 4 , einen breiteren Ansatz nahegelegt; statt dessen macht Preuß für seinen eigenen Verfassungsbegriff nur die eine, wirklichkeitswissenschaftliche Seite der Hellerschen Staatstheorie fruchtbar und verfehlt so dessen dialektischen Ansatz 95 , dem es darum ging, „auf der einen Seite die ,utopische4 Bedingtheit der staatlichen Wirklichkeit, ihre Mitbewirkung durch die höchsten ideellen und sittlichen Kräfte des Menschen und ihre Abhängigkeit von der Legitimierung durch überzeitliche Ideen darzustellen, andererseits der gesellschaftlich-materiellen Grundlage der Politik i n einer breit angelegten Soziologie des Staates gerecht zu werden" 9 6 . 92 Ebd., S. 189; vgl. dagegen i n den einleitenden, an Hermann Heller orientierten Passagen (S. 36 f.) eine v i e l stärker material gefärbte Einstellung. 93 Z u m Gemeinwohl vgl. Preuß, ebd., S. 71 f.; auch hier läßt sich der V e r fasser seine Position von der bekämpften Ansicht diktieren: W e i l der Begriff des Gemeinwohls sich f ü r die juristische Begriffsbildung als zu unscharf erweise, äußerst kontrovers sei u n d v o n Integrationsideologien mißbraucht werden könne (vgl. S. 111), scheidet er aus der verfassungstheoretischen Reflexion ganz aus. — I n w i e w e i t das bei Preuß i m Anschluß an Habermas entwickelte „pragmatistische Modell einer Zusammenarbeit v o n P o l i t i k e r n u n d Wissenschaftlern" (vgl. S. 209 ff.) als „Gemeinwohlersatz" fungiert, muß hier unerörtert bleiben. Festzuhalten ist jedenfalls, daß gerade bei der Zentralfrage „sozialstaatlicher Selbstverwaltung" Wertfragen m i t dem K o m p r o m i ß Apparat-Verfassungsbegriff zusammenprallen; ob die aus der neutralen Ecke herbeizitierten Wissenschaftler die ihnen zugedachte Aufgabe erfüllen k ö n nen, bedürfte noch eingehender Prüfung. 94 Preuß, ebd., S. 31 ff. 95 Ebd. S. 132; vgl. H. Heller, Staatslehre, z.B. S. 33. Z u r verbreiteten einseitigen Vereinnahmung der Hellerschen Staatslehre f ü r eine normlose „Wirklichkeitswissenschaft" vgl. kritisch J. H. Kaiser, A r t . Staatslehre, i n : S t L V I I . (1962), Sp. 602; modifizierend auch H. Schneider, i m V o r w o r t (S. X X I V ) zu dem v o n i h m hrsg. Sammelband „Aufgabe u n d Selbstverständnis der Politischen Wissenschaft", 1967. Vgl. dazu auch oben § 8 I I A n m . 47. 96 G. Niemeyer, Einleitung zu H. Heller, Staatslehre, S. I X .

§ 12 Die Verfassung als Grundordnung

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Die für die wissenschaftliche Fragestellung konstitutive und normativ-regulative Bedeutung des Begriffs des Politischen ist der sozialwissenschaftlichen Theoriediskussion an den Konsequenzen der sich streng empirisch-wertneutral verstehenden Wissenschaftsrichtungen erneut bewußt geworden 97 . „Der jeweils gebrauchte Begriff des Politischen, der der Politikwissenschaft vorausgeht, ihr zugrundeliegt und ihren Rahmen abgibt, bestimmt nicht nur den Horizont der Antworten, er definiert vielmehr die zu untersuchende politische Wirklichkeit und zeichnet bestimmte Segmente der Wirklichkeit als politisch relevant bzw. indifferent aus 98 ." Die angeblich wert- und praxisfreie Ausschließlichkeit der Beschreibung und Erklärung realer, aus sich selbst einsichtiger Vorgänge, bedeutet der Sache nach den Ausschluß der Geschichtsdimension, der Alternativen und realen Möglichkeiten der Verhältnisse aus dem Forschungsinteresse; sie ist i n ihren Konsequenzen i n der Gefahr naiver Bejahung einer „platten" alternativ- und zukunftslosen Wirklichkeit und so dem V o r w u r f ausgesetzt, sie laufe „auf eine wissenschaftlich verschleierte Herrschaftsspekulation hinaus, die die Herrschaft, ihre Genese und ihre Wirkung selbst nicht mehr problematisiert" 9 9 . Demgegenüber ist die Erkenntnis formuliert worden, die politikwissenschaftliche Fragestellung müsse auch gegenüber der Gesellschaft bestandskritisch sein; die hierzu erforderlichen analytisch brauchbaren Urteilskriterien, seien i n einem materialen Begriff der Demokratie ebenso wie i n der Bestimmung eines Begriffs des Politischen zu erarbeiten 100 . Für eine Verfassungstheorie bedeutet die Umsetzung dieser Erkenntnisse, daß sie sich ihren Gegenstandsbereich nicht ungeprüft von einem i h r zudiktierten Politikbegriff vorschreiben lassen kann, daß vielmehr sie selbst bei der Bestimmung des Politischen konstitutiv m i t w i r k e n muß. Sie w i r d deshalb die ihr angebotenen Begriffe des Politischen k r i tisch überprüfen und i n ihrem begrenzten Wert als Hinweise auf wesentliche Aspekte des Politischen würdigen: Die Beschreibung des politischen Bereichs aus einer Gegenüberstellung zur Verwaltung mag auf eine unterschiedliche Dichte des politischen Feldes hinweisen, ist aber i n der Gefahr, den heute offenliegenden politischen Charakter der Verwaltung zu unterschlagen. Die Machtdefinition des Politischen haben w i r bereits früher als zu weit verworfen 1 0 1 ; dennoch bleibt sie beachtenswert als Korrektiv solcher Auffassungen, die das Gemeinwesen unter 97 Z u m Folgenden vgl. insbes. W.-D. Narr, Theoriebegriffe u n d Systemtheorie, 1969; ders., L o g i k der Politikwissenschaft — eine propädeutische Skizze, i n : Politikwissenschaft, Hrsg. v. G. Kress u n d D. Senghaas, 1969, S. 9 ff. 98 Narr, Logik der Politikwissenschaft, S. 14. 99 Narr, Theoriebegriffe, S. 182. 100 Narr, Logik der Politikwissenschaft, S. 20. 101 Vgl. bes. das oben, § 8 I I A n m . 47, wiedergegebene Z i t a t v o n H. Heller, Staatslehre, S. 203.

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Das öffentlich als Grundelement der res publica

V e r n a c h l ä s s i g u n g der M a c h t p r o b l e m a t i k z u einseitig „ a l s e i n k o n t i n u i e r liches Z u s a m m e n t r e t e n , Z u s a m m e n w i r k e n u n t e r d e r n o r m a t i v e n Idee des G e m e i n w o h l s " b e t r a c h t e n 1 0 2 . D i e D e f i n i t i o n des P o l i t i s c h e n als „ H e r r schaft"

(M. W e b e r )

oder

als „ a u t o r i t a t i v e

Verteilung

von

Werten"

(D. Easton) i s t i m Gegensatz z u der a l l z u w e i t e n M a c h t t h e o r i e z u ausschließlich a u f die Z e n t r a l a n s t a l t e n e i n e r Gesellschaft a u s g e r i c h t e t 1 0 3 , a u f d e n a l t e n I n s t i t u t i o n e n s t a a t also, dessen E n t m o n o p o l i s i e r u n g j a gerade z u r N e u b e s i n n u n g ü b e r das W e s e n u n d d e n B e g r i f f des P o l i t i s c h e n A n laß gab. Fruchtbarer als die Aufnahme bündiger Politikdefinitionen ist f ü r die V e r fassungstheorie, die ihren Gegenstand „politisches Gemeinwesen" zu begreifen sucht, eine Feldskizze des Bereichs des Politischen, die ohne Anspruch auf Vollständigkeit u n d Endgültigkeit das Problemfeld zu erfassen sucht. I m engen Anschluß an Wolf-Dieter Narr 104 sei eine solche Feldbeschreibung i n v e r k ü r zender Raffung mitgeteilt: P o l i t i k ist gekennzeichnet 1. durch die Umsetzung latenter Probleme i n aktuelle politische Streitfragen (Problemkonstitution); 2. durch die aufgrund verschiedener Interessen u n d Ziele vorhandenen alternativen Möglichkeiten der Problemlösung; 3. durch Entscheidung, die den nach Ziff. 2 bestehenden Spielraum verbraucht; 4. durch Konflikte, die auf den drei Ebenen der Problemkonstitution, der A u s w a h l zwischen den A l t e r n a t i v e n bzw. ihrer kompromißhaften Verbindung u n d der Entscheidungsdurchführung entstehen können. Da sich 5. die Konfliktlösung i n der Regel weder automatisch als Quersumme aller Interessen noch i n der meist fiktiven Freiheit der volonté générale von selbst ergeben w i r d , bedarf es autoritativ entscheidender I n s t i tutionen („Herrschaft") m i t Bindung an formale Kompetenzbereiche. 6. Freiheitssicherung w i r d i n einem demokratischen Gemeinwesen durch ausschließlich demokratische Konstituierung u n d Legitimierung von Herrschaft, durch Kontrolle von Herrschaft u n d durch Mitbeteiligung an der Entscheidung gewährleistet. — Grundlegend f ü r P o l i t i k ist die Offenheit des sozialen Handlungsraumes, die apriorisch nichteinschränkbare Totalität der Problempotenzen, die Freiheit erst eröffnende Pluralität der Lösungsmöglichkeiten: P o l i t i k k a n n sich auf alles richten, sie ist tendenziell total. Welches s i n d d i e K o n s e q u e n z e n , die sich aus a l l diesen Ü b e r l e g u n g e n z u m B e g r i f f des P o l i t i s c h e n f ü r u n s e r e n G e d a n k e n g a n g ergeben? W i r e r w a r t e t e n v o n diesem B e g r i f f eine S t r u k t u r i e r u n g des „so w e n i g p r ä g n a n t e n " B e g r i f f s politisches G e m e i n w e s e n , h a b e n aber b i s h e r a l l e d a z u a n g e b o t e n e n K r i t e r i e n als u n g e n ü g e n d v e r w o r f e n u n d s i n d schließlich b e i e i n e r B e s c h r e i b u n g des P o l i t i s c h e n gelandet, die i n i h r e r W e i t e die erforderliche S t r u k t u r i e r u n g nicht zu leisten vermag. Ist m i t der Lösung des P o l i t i s c h e n v o m f e s t u m r i s s e n e n I n s t i t u t i o n e n s t a a t das Politische ü b e r a l l e U f e r getreten? D r o h t n a c h diesem D a m m b r u c h d i e T o t a l i t ä t des P o l i t i s c h e n sich i n s T o t a l i t ä r e z u w e n d e n ? D i e F r a g e d e u t e t a u f eine L ü c k e i n u n s e r e m Ü b e r b l i c k ü b e r B e g r i f f e des P o l i t i s c h e n : w i r h a b e n 102 103 104

R. Bäumlin, Z B J V 101 (1965), S. 88. Vgl. dazu Narr, L o g i k der Politikwissenschaft, S. 16. Narr, ebd., S. 21—34.

§ 12 Die Verfassung als Grundordnung

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jene normativen Politikbegriffe bisher außer acht gelassen, die die Frage nach den anthropologisch-historischen Voraussetzungen des Politischen und daraus resultierend die Frage nach Sinn und Ziel politischen Handelns i n sich aufnehmen 105 ; die diesen Sinn nicht i n der Sicherung des puren Uberlebens allein erkennen, sondern i n dem gemeinsamen Streben nach einem „menschenwürdigen" Leben 1 0 8 ; denen Politik nicht einfach Kampf, sondern Kampf u m eine gerechte Ordnung ist; denen zur Definition des Politischen das K r i t e r i u m der Macht nicht genügt, sondern die zugleich nach dem Sinn und Zweck dieser Macht fragen und ihre Bindung an das Gemeinwohl bejahen. Dieser Begriff des Politischen ist ein wesentlich „öffentlicher" Begriff. Von i h m her ist das politische Gemeinwesen als ein öffentliches, als res publica, zu beschreiben. Von i h m her gewinnt das Gemeinwesen als „politisches Gemeinwesen" Kontur und Struktur. Ist politische Einheit nicht gegeben, so verlangt das Gemeinwohl doch nach einer „Einigung zu einem Gesamtzustande" 107 , bedarf es der Organisation, des geordneten Verfahrens, des Rechts 108 . „Die rechtliche Ordnung, i n der für das Ganze das Zusammenspiel der leitenden Institutionen, die grundrechtliche Sicherung der Bürger sowie grundlegender Einrichtungen, endlich die Festlegung von Leitprinzipien des politischen Handelns erfolgt, ist die Verfassung" 109 . Die Formel „politisches Gemeinwesen" ist von der geschichtlich-konkreten Verfassung her und auf diese h i n entworfen; sie zeigt keine Abwendung vom „Staat" an i m Sinne eines ungeschichtlichen Historismus oder Soziologismus 110 , sie sucht vielmehr die Mitte „zwischen dem juristischen Formalismus des Staatsbegriffs (einer falschen Allgemeinheit) und der historischen Zerstörung des Staatsbegriffes (einer falschen Konkretheit)" 1 1 1 . I n dieser Formel liegt somit keine einfache „Rückwendung" zu Vergangenem; einer geschichtslosen Repristination materialer Tugendlehren haben w i r m i t „Hegel" (vgl. § 8 III) die Notwendigkeit einer Hermeneutik der sozialen Wirklichkeit entgegengestellt. Ihre Aufgabe, dem Gemeinwesen als politischem Struktur zu geben, erfüllt die Verfassung nicht als „bloß normatives Sinngebilde, ohne Rücksicht auf die positiv bewertete gesell105 Vgl. dazu M . H. Mols, Allgemeine Staatslehre, S. 76 ff.; Narr, Theoriebegriffe, S. 41 ff., 66 ff. 106 Vgl. Hennis , Bemerkungen zur wissenschaftsgeschichtlichen Situation (1960), S. 131; v. d. Gablentz, i n : Schneider (Hg.), Aufgabe u n d Selbstverständnis der politischen Wissenschaft, S. 54, A n m . 50; Sternberger, ebd., S. 17. 107 So Hesse, V V D S t R L 17 (1959), S. 44, i n Aufnahme einer Formel F. J. Stahls (Philosophie des Rechts, I I 1, S. 302). los y g i Hesse, Grundzüge, S. 8 u n d öfter. 109 Scheuner, HDSW X I I . (1965), S. 663. 110 Vgl. dazu die K r i t i k bei U. Scheuner, Das Wesen des Staates (1962), S. 235 ff.; H. Maier, Z u r Lage der politischen Wissenschaft (1962), S. 206 ff., bes. A n m . 48; schon Heller, Bemerkungen zur staats- u n d rechtstheoretischen Problematik der Gegenwart, i n : AöR 55 (1929), S. 336 f. 111 H. Kuhn, Der Staat, 1967, S. 43.

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Das öffentliche als Grundelement der res publica

schaftliche N o r m a l i t ä t " 1 1 2 , s o n d e r n als eine i n e i n e m

umfassenderen

S i n n e n o r m a t i v e Verfassung. 2. Die Verfassung als normativer Gesamtplan Das d a m i t gegebene V e r s t ä n d n i s v o n V e r f a s s u n g s n o r m a t i v i t ä t k a n n h i e r n i c h t e i n g e h e n d d a r g e l e g t w e r d e n ; es m u ß eine B e z u g n a h m e a u f die A r b e i t e n v o r a l l e m v o n S c h i n d l e r , H e l l e r , Hesse u n d F . M ü l l e r gen ü g e n . N u r e i n i g e L i n i e n seien z u r V e r g e g e n w ä r t i g u n g h e r v o r g e h o b e n . A l s e i n e n geschichtlich b e d e u t u n g s v o l l e n F e h l e r bezeichnet es D i e t r i c h Schindler, „ d a s soziale Ganze a u f z u t e i l e n i n Recht (oder Staat) u n d Gesellschaft u n d z w i s c h e n diesen b e i d e n F a k t o r e n , die als eine A r t geschlossener E i n h e i t e n v o r g e s t e l l t w e r d e n , B e z i e h u n g e n f r e u n d l i c h e r u n d f e i n d l i c h e r A r t f e s t z u s t e l l e n " 1 1 3 . Es sei u n r i c h t i g , „ d a s Recht g l e i c h s a m als a k t i v e Potenz u n d das A u ß e r r e c h t l i c h e als passives O b j e k t , als eine v o m Recht s c h l e c h t h i n z u f o r m e n d e Masse aufzufassen, oder aber u m g e k e h r t das Recht als Ü b e r b a u d e r a u ß e r r e c h t l i c h e n K r ä f t e , als i h r e bloße R e s u l t a n t e , z u d e n k e n " 1 1 4 . D e m g e g e n ü b e r e n t w i c k e l t S c h i n d l e r seine L e h r e v o m k o m p e n s a t o r i s c h e n C h a r a k t e r v o n Recht u n d A m b i a n c e 1 1 5 , v e r s t e h t er die S t e l l u n g des Rechts i m sozialen G a n z e n als e i n e n d i a l e k t i s c h e n Z u s a m m e n h a n g 1 1 6 , i n d e m das Recht o r d n e n d e M a c h t ist, i n d e m aber auch das A u ß e r r e c h t l i c h e o r d n e n d e oder O r d n u n g - a u f l ö s e n d e 112

Heller, Staatslehre, S. 257; vgl. auch S. 56 f.: „Das U r t e i l über das politisch Mögliche ergibt sich eben aus der Bewertung des politisch W i r k lichen, d. h. den verschiedenen gegenwärtigen Entwicklungstendenzen... Die Theorie darf ihre leitenden Ideen ebensowenig wie die Praxis aus dem reinen Geist d e d u z i e r e n . . . Denn i n jedem F a l l ist auch die Zukunftsschau des theoretischen Dialektikers eine wertende, wirklichkeits-, also gegenwartstranszendente Orientierung, i m Sinne Mannheims also eine ,Utopie', auf die er nicht verzichten kann. Denn n u r dadurch, daß i h m die Gegenwart v o n bestimmten, i n i h r wirksamen Tendenzen her fragwürdig erscheint, ergibt sich i h m erst eine Fragestellung. N u r dadurch, daß er bestimmte Entwicklungstendenzen als g ü l t i g setzt, findet er eine Leitidee, die i h m Orientierung, Ausw a h l u n d Interpretation ermöglicht." Vgl. i n diesem Zusammenhang insbesondere auch J. Habermas, Analytische Wissenschaftstheorie u n d D i a l e k t i k (1963), S. 296: „Insofern verfährt eine dialektische Theorie der Gesellschaft hermeneutisch. F ü r sie ist das Sinnverständnis, dem die analytisch-empirischen Theorien bloß einen heuristischen Wert beimessen, konstitutiv. Sie gewinnt j a ihre Kategorien zunächst aus dem Situationsbewußtsein der handelnden I n d i v i d u e n selber; i m objektiven Geist einer sozialen Lebenswelt a r t i k u l i e r t sich der Sinn, an den die soziologische Deutung anknüpft, u n d zwar identifizierend u n d kritisch zugleich." 113 D. Schindler, Verfassungsrecht u n d soziale Struktur, 3. Aufl. 1950 (1. Aufl. 1931), S. 61 ; vgl. dort den Hinweis auf Hegel, auf den der Gegensatz von StaatGesellschaft zurückgehe, der aber selbst die „bürgerliche Gesellschaft" nicht als Gegenspieler, sondern als Moment des Staates aufgefaßt habe. 114 Ebd., S. 70. Das Z i t a t soll keine Auseinandersetzung m i t dem Problem des „Überbaus" ersetzen; i n der Ablehnung des Rechts als „bloße" Resultante w i r d i h m jedoch zugestimmt. 115 Ebd., S. 92 ff. 116 Ebd., S. 118.

§ 12 Die Verfassung als Grundordnung

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Faktoren enthält 1 1 7 . Daran kann Hermann Heller anknüpfen bei seinem Bemühen, den „komplexen Zusammenhang" zu begreifen, „ i n dem das Recht als objektive Norm m i t der gesamten gesellschaftlichen Wirklichkeit steht" 1 1 8 . I n Abwehr von Normlogismus und Soziologismus bestimmt er das Verhältnis von Norm und Faktum als ein solches „korrelativer Zuordnung", als ein Verhältnis also, i n dem die „Spannung" von Sein und Sollen niemals einseitig entspannt ist, weder nach der normativen, noch nach der Seite der gesellschaftlichen Faktizität hin 1 1 9 , i n der Norm und Faktum, Ideal- und Realfaktoren immer schon umgriffen sind „ i n einer allerdings keineswegs harmonisch prästabilierten, vielmehr spannungsreichen Gesamt-Wirklichkeit" 1 2 0 . Diese Ansätze hat Konrad Hesse für die Verfassungstheorie fruchtbar gemacht, indem er die jeweilige natürliche, technische, ökonomische, soziale Bedingtheit der Verfassung näher entfaltet, zugleich aber auch ihre, wenn auch nur relative, eigenständige Bedeutung, ihre „normative K r a f t " hervorhebt 1 2 1 . Friedrich Müller schließlich hat auf dem Boden solchen Normverständnisses eine topische Hermeneutik zu entfalten versucht, die Einzelfolgerungen aus der Erkenntnis ziehen w i l l , „alle Rechtsgeltung sei Hingeltung, Sein und Sollen seien korrelativ aufeinanderbezogen" 122 . I n i h r „ w i r d die Norm nicht abstrakt einer pauschal verdinglichten Wirklichkeit gegenübergestellt, sondern w i r d die Struktur rechtlicher Normativität unter den Aspekten von Normbereich und Normprogramm differenziert" 123 . „Die Norm ist nicht als Grenze, sondern als Element des Wirklichkeitsbezuges zu erfassen." „Die Normativität der Norm meint die realen und als realmöglich formulierten Sachstrukturen des Normbereichs immer schon mit, ist als sachbestimmte Normativität von ihnen schon immer mitgeprägt und mitbegründet". „Das Verhältnis des Ordnenden zu dem, was geordnet wird, erscheint . . . als inter-struktureller Zusammenhang von Normativität überhaupt 1 2 4 ." 117 118

S. 255. 119

Ebd., S. 70. H. Heller, Staatslehre, 1934, S. 261; die A n k n ü p f u n g an Schindler,

Ebd., S. 185. A. Hollerbach, Ideologie u n d Verfassimg, S. 44. 121 K . Hesse, Die normative K r a f t der Verfassung, 1959, bes. S. 6 ff.; ders., Grundzüge, S. 10 ff. 122 F. Müller, N o r m s t r u k t u r u n d Normativität, 1966, S. 170. — M i t der hier vorgestellten Autorenreihe soll keine lineare Dependenz konstruiert werden. Doch w i r d m a n v o n Schindler bis M ü l l e r ein i m m e r bewußter formuliertes Zusammentreten v o n „ N o r m " u n d „ F a k t u m " beobachten können. I n w i e w e i t der spezifisch hermeneutisch interessierte Beitrag Müllers dabei neuen „positivistischen" Gefährdungen ausgesetzt ist, w i e E. Denninger, AöR 94 (1969), S. 333 ff. (336, 338), befürchtet, bedürfte einer eingehenden Untersuchung, die den Gesamtkomplex v o n „ K o n k r e t e r Verfassungstheorie", „Verfassungshermeneutik" u n d „Verfassungspositivismus" aufzuhellen hätte. 123 F. Müller, a. a. O., S. 152. 124 Ebd., S. 168 ff. — Aus der L i t e r a t u r vgl. noch G. Leibholz, Verfassungsrecht u n d Verfassungswirklichkeit, i n : Strukturprobleme der modernen De120

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Das öffentliche als Grundelement der res publica

M i t einem solchen Verständnis von Verfassungsnormativität kann die Verfassung als normative Gesamtverfassung, als rechtliche Grundordnung des Gemeinwesens begriffen werden, die „nicht auf eine Ordnung des staatlichen Lebens beschränkt" ist, sondern m i t ihren Regelungen auch Grundlagen der Ordnung nichtstaatlichen Lebens umfaßt 1 2 5 . Verfassung kann nun m i t Hollerbach i n einer ersten Umschreibung verstanden werden, als „der grundlegende, auf bestimmte Sinnprinzipien ausgerichtete Strukturplan für die Rechtsgestalt eines Gemeinwesens, i n der dieses als politisches existiert und seinen geschichtlichen Auftrag zu erfüllen sucht" 126 . Unser Verständnis dieser Formel sei i n einigen für die späteren Ausführungen besonders wichtigen Punkten zumindest andeutend erläutert. Die Verfassung ist nicht nur Organisationsstatut, sei es des „Staates", sei es der um den gesellschaftlichen Reichtum kämpfenden Gruppen oder Klassen. Gerade i n der Aufstellung z.T. unverbrüchlicher Sinnprinzipien (vgl. A r t . 79 Abs. 3 GG) weist die Verfassung über den Tageskampf hinaus, erweist sie sich als geschichtlicher Lebensplan, als ein auf eine „gute Ordnung" h i n angelegter Gesamtplan des politischen Gemeinwesens. Damit w i r d kein neuer Dualismus von „Sinnprinzip" und „Wirklichkeit" aufgestellt, denn diese „Wirklichkeit" ist ja „menschliche Wirksamkeit" 1 2 7 , die als solche nicht sinnfremd ist, so sehr sie ihren Sinn verfehlen kann. „Das geschichtliche Recht ist nicht außerhalb der Menschen wirkende Macht. Zwar steht es i n jenem transzendenten Bezüge (auf die ,Idee des Richtigen', A. R.), ist aber i n der Geschichte allein als menschliche Entscheidung real und insofern positives Recht, als solches immer wieder der Annahme, aber auch weiterbildender Infragestellung bedürftig 1 2 8 ." Der von der Verfassung dem Gemeinwesen gegebene Sinn ist der Sinn dieses Gemeinwesens, dessen immanente Teleologie, als solche ist er kein von außen auferlegter Zweck, aber auch keine von selbst sich vollziehende Gesetzmäßigkeit, sondern die der menschlichen Wirksamkeit zur Verwirklichung aufgegebene „wahre Wirklichkeit" 1 2 9 .

mokratie, 3. Aufl., 1967, S. 277 ff.; E. W. Böckenförde, Die Historische Rechtsschule u n d das Problem der Geschichtlichkeit des Redits, i n : Collegium Philosophicum, S. 9 ff.; u n d die bei Hesse, Normative K r a f t , S. 9 A n m . 7 zitierten Autoren. I n der neueren Diskussion werden die verschiedenen Positionen deutlich bei M . Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 1967, u n d der Rezension dieser A r b e i t durch E. Forsthoff, Staat 8 (1969), S. 523 ff. 125 Hesse, Grundzüge, S. 10. 126 Hollerbach, Ideologie u n d Verfassung, S. 46; vgl. auch Scheuner, HDSW X I I . (1965), S. 663. 127 Heller, Staatslehre, S. 53 u. ö. ; vgl. 255 ff. 128 R. Bäumlin, Staat, Recht u n d Geschichte, 1961, S. 17 f. 129 Z u m Verständnis v o n Staat und Recht als Aufgabe, vgl. insbes. Bäumlin, ebd., S. 15 ff.

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Die geschichtliche Materialität der Verfassung 130 w i r d nicht nur vom Formalismus, Dezisionismus und Normativismus verfehlt, sie kann auch nicht von einem Denken her erschlossen werden, daß eine voluntaristisch-positivistische Grundkonzeption durch die A n - oder Einfügung überpositiver Werte anzureichern sucht 131 . Solche Wertzusätze sind vom Ausgangspunkt dieses Denkens unbegründbar, ihre Ad-hoc-Aktivierung bleibt unkontrollierbar. Das hier erläuterte Verfassungsverständnis muß aber auch Bedenken gegen den i n sich geschlossenen Versuch einer inhaltlichen Verfassungsinterpretation haben, die aus einer Auslegung des A r t . 1 Abs. 1 des Grundgesetzes als des „obersten Konstitutionsprinzips" i n den Grundrechten „ein ganzes Wertsystem" sieht, das sich weitgehend zugleich als ein rechtslogisches Anspruchssystem erweise 132 . Das dabei zugrundegelegte Wertverständnis orientiert sich m i t seinem „Menschenbild" an dem Persönlichkeitsbegriff der christlich-philosophischen Anthropologie, der christlichen Gesellschaftslehre und Moraltheologie 133 . Ein solcher Entwurf geht aber nicht nur von einem unkritischen Naturrechtsverständnis aus 134 , er beachtet vor allem nicht die weltanschauliche Pluralität, die von der Verfassung i n A r t . 4 positiv aufgenommen wird. Empfängt die Verfassung ihre Inhaltlichkeit somit nicht aus einer i h r außen bleibenden Wertwelt, so schöpft sie sie doch auch nicht aus einer Freiheit, die nichts als sich selbst kennt. „ K u l t u r ist also durchaus nicht freie, lediglich durch die Kraft des menschlichen Geistes bedingte W i r k lichkeitsschöpfung, sondern eine von den psychischen und physischen Gesetzen des Menschen und seines Materials abhängige Wirklichkeitsformung 1 3 5 ." Als normativer Gesamtplan für das kulturelle Leben einer 130

Vgl. dazu 17. Scheuner, HStW 3 (1951), S. 133. So schaltet H. Nawiasky, Norm, Idee, soziale Tatsache, ZöffR 13 (1933), S. 321, „Idee u n d soziales F a k t u m " v o r ; Th. Maunz, vgl. ζ. B. Deutsches Staatsrecht, 17. Aufl. 1969, S. 35 ff., 45 ff., fügt dem dezisionistischen System v o r staatliche Menschenrechte ein. 132 Vgl. G. Dürig, i n : Maunz-Dürig, Grundgesetz, Kommentierung zu A r t . 1 u n d 2, bes. N. 5 zu A r t . 1 Abs. 1, m i t weiteren Nachw. Vgl. dazu die K r i t i k bei ff. Ehmke, V V D S t R L 20 (1963), S. 82 ff., u n d 17. Scheuner, V V D S t R L 22 (1965), S. 33, 39,42 ff. 133 G. Dürig, Die Menschenauffassung des Grundgesetzes, JR 1952, S. 260. Die Anwendbarkeit dieses Persönlichkeitsbegriffs w i r d unter Hinweis u. a. auf Carl Schmitt, Politische Theologie, 1934, S. 49, damit begründet, daß alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre säkularisierte theologische Begriffe seien. Bis zum Nachweis des Gegenteils müsse vermutet werden, daß bewußt oder unbewußt der christliche Persönlichkeitsbegriff i n das Grundgesetz rezipiert worden sei. Vgl. auch ders., i n : Maunz-Dürig, N. 15 zu A r t . 1 Abs. 1 (Fußn. 2): „Niemals ist es jedoch unjuristisch, w e n n m a n zur Interpretation des von der Verfassung rezipierten, i h r vorausliegenden Rechts spezifisch christliche Lehren verwendet. Die christliche Naturrechtsauffassung umspannt stets auch die gültige profane Lehre, selbst w e n n es letztere ad hoc nicht wahrhaben w i l l . " — Z u einer weniger globalen A n - E i g n u n g der T r a d i t i o n vgl. oben i m Text. 134 Kritisch dazu U. Scheuner f V V D S t R L 22 (1965), S. 46 f. 135 Heller, Staatslehre, S. 35. 131

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Rinken

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konkreten Vielzahl von Menschen ist die Verfassung unauslösbar i n die Geschichte dieser Menschen verstrickt; als geschichtliche transzendiert sie die als nur punktuelle Situation mißverstandene Gegenwart. „Jede Gegenwart führt nicht bloß zu einem Künftigen hin, sondern kommt auch von einem Gewesenen her. Zukunft und Vergangenheit sind i n jeder Gegenwart Inbegriffen, Vergangenheit wenigstens als Tatbestand und i n Rechnung zu stellende Ausgangslage 136 ." So sind die m i t den Begriffen Demokratie und Rechtsstaat komplex umschriebenen Sinnprinzipien nur aus der i m Grundgesetz vergegenwärtigten Tradition des „Verfassungsstaates" verstehbar 137 ; einer Tradition, die die leidvolle Geschichte dieses Gemeinwesens nicht übersprungen hat, sondern „ m i t dem Unglück und den Übeln einer soeben durchlittenen Vergangenheit untrennbar verschlungen" ist, so daß der konkrete Sinn des emphatischen Bekenntnisses zur Unantastbarkeit der „Würde des Menschen" (Art. 1 Abs. 1 GG) und zur Unverletzlichkeit und Unveräußerlichkeit der Menschenrechte (Art. 1 Abs. 2 GG) sowie einer Reihe anderer grundrechtlicher und institutioneller Normierungen i n seiner spezifischen Tendenz nur von einem Verständnis des Grundgesetzes als „Gegenverfassung" zur unfreien Ordnung des nationalsozialistischen Staates her adäquat erschlossen werden kann 1 3 8 ; die Sozialstaatsklausel schließlich w i r d sich solange dem juristischen Zugriff entziehen, solange man nicht bereit ist, „die Verfassung der Gegenwart als ,response 4 auf den ,challenge4 der Verfassung der Vergangenheit zu begreifen" 139 . Pure Tradition und bloße Gegenposition allerdings geben der Gegenwart noch keinen Sinn, vielmehr bedarf es der Verlängerung der Sinnlinien auf und ihrer Konfrontation m i t der aus der Vergangenheit nie v o l l erschließbaren Gegenwart, u m so den Sinn, die „wahre Wirklichkeit" dieser Gegenwart zu erschließen. „ U n d darum ist nun auch von einem notwendigen ,utopischen' Moment des Rechts zu sprechen", Utopie verstanden als „ i n die Zeit projizierter Begriff für den Anspruchscharakter von Staat und Recht, dabei als vorwegnehmender Daseinsentwurf gegenwärtigem Handeln sinngebend", Utopie als prinzipiell unfertiger, dem Menschen aufgegebener „geschichtsbedingter Entwurf aus jeweiliger Kontingenz" 1 4 0 . 138 Bäumlin, Staat, Recht u n d Geschichte, S. 20. 137 v g l . dazu A. Hollerbach, Ideologie u n d Verfassung, S. 47, m i t weiteren Nachw. 138 H. Copie , Grundgesetz u n d politisches Strafrecht neuer A r t , 1967; das Zitat auf S. 1. 139 H. Ridder, Z u r verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften i m Sozialstaat, 1960, S. 5. 140 R. Bäumlin, Staat, Recht u n d Geschichte, S. 21. Vgl. auch bei K . von Beyme, Politische Ideengeschichte, S. 19, die Erkenntnis eines Sozialwissenschaftlers, daß „ohne ideologischen Vorgriff auf eine Gesellschaft der Z u k u n f t ein rascher Innovationsprozeß nicht i n Gang gebracht werden k a n n " ; verbunden m i t der Mahnung: „Eine Anerkennung dieser Tatsache bedeutet frei-

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Geschichtlich-materiale Verfassung ist m i t statischen Einheitsformeln nicht begreifbar 141 . Ihre dynamische Normativität verweist auf die Kategorie des „Prozesses", ihr direktiver und damit gegenwartskritischer Gehalt drängt zu ihrer Kennzeichnung als „Plan": Die Verfassung ist normativer Gesamtplan des politischen Gemeinwesens. I I I . Das politische Gemeinwesen als res publica 1. Die öffentliche Struktur des politischen Gemeinwesens

Das Programm einer „materialen Demokratie", das die Verfassung i n der Betonung des demokratischen Prinzips einerseits und i n der A u f stellung unabänderlicher Sinnprinzipien andererseits enthält, das spannungsgeladene Zugleich des A r t . 20 Abs. 2 Satz 1 m i t den A r t . 79 Abs. 3 und 19 Abs. 2 GG kann als Problem des öffentlichen formuliert werden. Die Spannung w i r d von den beiden Bedeutungsgehalten des Öffentlichen wiedergegeben, die die Beziehung auf das Volk, die Öffentlichkeit, und auf ein Materiales, die salus publica, das öffentliche Wohl, enthalten. Die politische Begriffsgeschichte des Öffentlichen ist durch die Tendenz der Vereinseitigung gekennzeichnet: durch die Inanspruchnahme des öffentlichen von einer formal verstandenen Volkssouveränität einerseits, durch seine Aufladung m i t einer dem Volk entgegentretenden heteronomen Ordnung andererseits. Diese einseitig geprägten Begriffe des öffentlichen und der Öffentlichkeit vermögen die Verfassungsordnung nicht i n dem von ihr intendierten Sinn als öffentliche Ordnung zu erfassen. Verweist das „Öffentliche" dieser Ordnung zugleich auf die Öffentlichkeit des Volkes und auf das öffentliche als materiale, dem Volk nicht zur Verfügung stehende Prinzipien, versteht es diese Ordnung also zugleich als vom Volk konstituierte und legitimierte und als „gute", als das Volk verpflichtende Ordnung, so muß sein Sinn „zwischen" diesen beiden Polen zu suchen sein. Man ist versucht, die öffentlichkeit als die Basis, den Ausgangspunkt zu bezeichnen („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus"), das öffentliche als das Telos. M i t einer solchen Vorstellung ist zutreffend die „Aufhebung" der Antinomie i n den öffentlichen Prozeß des Verfassungslebens umschrieben. Dieser Prozeß würde aber verfehlt, lieh nicht, daß die Utopie, die sich am weitesten v o m empirischen Befund der Seinsanalyse u n d den Trendanalysen f ü r die Z u k u n f t entfernt, das geeignetste Vehikel politischer Innovation ist." 141 Weder m i t der logischen Einheit einer „juristischen Person", noch m i t einer formalen System- oder materialen Wertsystemeinheit; nicht m i t der Entscheidungseinheit des Dezisionismus. A b e r auch ein Verständnis als „ S i n n einheit reellen geistigen Lebens, geistiger A k t e " , R. Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 136, t r i f f t nicht das hier Gemeinte.

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wenn er als ein linearer Vorgang zwischen den beiden statisch gedachten Polen vorgestellt würde, der auf der einen Seite beginnt und auf der anderen zu seinem Ende kommt. Vielmehr gehen die beiden „Pole" selbst i n diesen Prozeß ein, so daß „das öffentliche" nicht hier und dort und zusätzlich noch als Prozeß erscheint, sondern nur als dynamischer, als dialektischer „Begriff". Daß dieser „Begriff" hier nur i n wenigen Grundlinien und nur desk r i p t i v gegeben werden kann, muß i n erster Linie damit entschuldigt werden, daß die traditionelle deutsche Staatslehre keine gesicherte, auch die geltende Verfassung umgreifende Demokratielehre entwickelt hat, die unter dem Aspekt des öffentlichen nun nur noch zu entfalten wäre. Die deutsche Staatslehre war traditionell weder material noch demokratisch; als sie demokratisch wurde, wurde sie es i n einer Weise, die gerade das Problem des Öffentlichen bis heute belastet. 2. Die Schwierigkeiten einer demokratischen Grundlegung des öffentlichen

Die am monarchisch-bürokratischen Obrigkeitsstaat entwickelte j u r i stische Begrifflichkeit des Formalismus widerstand gerade an diesem zentralen Punkt einer sachangemessenen Umformung. Sie hatte ihre machtmäßigende Funktion durch Abstraktion erfüllt, indem sie persönliche Fürstengewalt durch Staatsgewalt, Fürstensouveränität durch Staatssouveränität ersetzt hatte. Der grundstürzende Charakter der Entstehung des demokratischen Staates wurde jedoch verkannt, als man glaubte, auch diesen Umbruch dadurch auffangen zu können, daß man das Volk als „Träger" der Staatsgewalt dem i m wesentlichen unveränderten Gedankengebäude einfügte und die Staatssouveränität i n Volkssouveräntität umbenannte 142 . Ein Neudenken des Staates und seines Verhältnisses zum Recht vom Volk als der Öffentlichkeit erfolgte nicht. — Die Hilflosigkeit der nur formalen Demokratielehre 1 4 3 führte die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft eindrücklich vor Augen. Solche Kon142 Vgl. v o r allem: G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl. 1933, 2 zu A r t . 2 Abs. 2, S. 38; zu A r t . 5, S. 71, S. 179. I n den Quisquilien der Unterscheidung v o n Subjekt u n d Träger der Staatsgewalt fand die begriffsjuristische Methode ein reiches Betätigungsfeld; vgl. Anschütz, ebd., S. 10 A n m . 13 m i t weiteren Nachw. — Vgl. noch heute: Th. Maunz, i n : Maunz-Dürig, 49 ff. zu A r t . 20; v. Mangoldt-Klein, S. 595. Dazu kritisch schon R. Thoma, Der Begriff der modernen Demokratie i n seinem Verhältnis zum Staatsbegriff, i n : Hauptprobleme der Soziologie. Erinnerungsgabe f. M. Weber, Bd. 2, 1923, S. 37—64, hier S. 48. Vgl. jetzt vor allem die K r i t i k bei R.Bäumlin, A r t . : Demokratie, i n : EStL (1966), Sp. 278 ff. 143 H. Kelsen, V o m Wesen u n d Wert der Demokratie, 2. Aufl., 1929. R. Thoma, Der Begriff der modernen Demokratie, a. a. O. ; ders., Über Wesen u n d Erscheinungsformen der modernen Demokratie, 1948. — I n einer Rezension zu Thomas Schrift von 1923 findet sich eine frühe E n t w i c k l u n g des Demokratiebegriffs von Carl Schmitt, Arch. f. Sozialwissenschaft u n d Sozialp o l i t i k 51 (1923), S. 817—823.

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Sequenzen sucht die erschütterte Lehre durch naturrechtliche Anleihen zu vermeiden, ohne diese aus dem Ganzen der Theorie verständlich und damit rational nachvollziehbar machen zu können 1 4 4 . Zwar hat die formalistische Lehre schon i n der Weimarer Republik ihre K r i t i k e r gefunden. Die „neue Lehre" vermochte selbst jedoch keine positive Grundlegung der Demokratie zu leisten: optierte sie nicht gerade für den totalen Staat (Carl Schmitt), so war sie doch zumindest antiliberal deutbar (Smend) 145 ; i m Antipluralismus war sich das zerstrittene Lager einig (Schmitt, Smend, Triepel) 14®. Die wegweisenden Ansätze Hellers, zu deren Weiterführung diesem keine Zeit gegeben war, wurden nicht hinreichend aufgenommen 147 . Die Demokratielehre Carl Schmitts übertraf i n ihrer Lehre vom Volk die überkommene A u f fassung i n der Betonung des Einheitsaspektes und dem daraus folgenden Mangel an Verständnis für die pluralistische Verfaßtheit des Gemeinwesens. Gegen das sie prägende statische Identitätsdenken wandte sich die Integrationslehre Rudolf Smends, die gerade die Aufgegebenheit staatlicher Einheitsbildung i n den Mittelpunkt stellte, diese aber weniger i n dem „Moment bewußten, planmäßigen, organisierten Zusammenwirkens" der realen politischen Kräfte sah, als vielmehr i n einem geisteswissenschaftlich erfaßbaren autonomen Prozeß, als eine „Sinneinheit reellen geistigen Lebens" 1 4 8 ; nach Smend integriert der Staat „sich lediglich vermöge objektiver Wertgesetzlichkeit i n einem i n sich gravitierenden Integrationssystem" 149 . Erich Kaufmanns Denken kreiste — i n A u f nahme Gierkescher und Haenelscher Ansätze — vornehmlich u m das von Schmitt vergewaltigte, von Smend vernachlässigte Verhältnis von 144 Vgl. außer den oben i n A n m . 131 genannten Autoren: A. Hamann, Das Grundgesetz, 2. Aufl., 1961, S. 3 f., 20 ff., 34, vgl. aber auch S. 84; H. Peters, A r t . : Demokratie, i n : S t L I I . (1958), Sp. 563 f.; ders., Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, 1963, S. 47 f.; v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., 1957, Bd. I, V, 2 zu A r t . 20. Z u Peters kritisch: Evers, A ö R 90 (1965), S. 88 ff. 145 Vgl. die polemische Schrift von H. Kelsen, Der Staat als Integration, 1930. Es w a r die T r a g i k der Weimarer Demokratie, daß die i h r treuen Verteidiger (bes. Kelsen u n d Thoma) i h r m i t ihrer formalen Lehre nicht helfen konnten. Auch die politische Soziologie Max Webers steht i n ihrer „Vexiertheit v o n Herrschaft" dem demokratischen Prozeß fremd gegenüber; vgl. D. Sternberger f M a x Webers Lehre von der Legitimität, i n : Macht u n d Ohnmacht des Politischen, 1967, S. 111 ff., 116,123. 146 Dazu besonders K . Sontheimer, Antidemokratisches Denken i n der W e i marer Republik, 2. Aufl., 1964, S. 94 ff. Z u C. Schmitt bereits die Rezension von Schiffer, i n : A R W P 23 (1929/30), S. 245 ff. Z u H. Triepel, Die Staatsverfassung u n d die politischen Parteien, 1928, bereits H. Kelsen, V o m Wesen u n d Wert der Demokratie, 1929, S. 106ff.; jetzt: A . Hollerbach, i n : A ö R 91 (1966), S. 434 ff. 147 Heller, Politische Demokratie u n d soziale Homogenität, i n : Probleme der Demokratie, 1928, S. 35—47; ders., Rechtsstaat oder Diktatur? 1930. 148 R. Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht (1928), i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 136. 149 Smend, ebd., S. 195.

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Staat und Recht. Eine realitätsnahe Demokratietheorie entwickelte sein sublim organisches Naturrechtsdenken, das Staat und Volk als präexistierende geistige Gebilde begriff, zumindest nicht ausdrücklich. Seine Ausführungen „ Z u r Problematik des Volkswillens" beschrieben den Volksgeist als eine „objektiv reale Größe", „die sich i n und an den Individuen auswirkt, aber eine ebenso primäre Individualität ist wie das individuelle Seelenleben", als „die letzte, auf nichts Einfacheres zurückführbare Quelle und Substanz", die sich i n verschiedenen Ausdrucksformen entfaltet 1 5 0 . Solche Sätze waren zumindest auf den ersten Blick eher geeignet, die Argumente der antidemokratischen Antipluralisten zu stützen; so sehr gerade bei Kaufmann die Fruchtbarkeit eines differenzierteren Denkens aufgezeigt wurde, wenn die Formungsbedürftigkeit des Volkswillens betont und damit das dem menschlichen Handeln als sittliche Tat Aufgegebene des Staates gegenüber psychologisierenden Tendenzen der Integrationslehre hervorgehoben 151 , oder wenn die Repräsentationsfähigkeit und -bedürftigkeit des Volkswillens gegenüber einem eingleisigen Identitätsdenken bei Schmitt festgehalten und von daher eine sachliche Beurteilung von Parlament und Parteien ermöglicht wurde 1 5 2 . Erst nach 1945 haben die deutsche Staatslehre, Staatsrechtslehre und Politische Wissenschaft Ansätze einer adäquaten, von den traditionellen Problemen weniger belasteten Sicht des demokratischen Gemeinwesens erarbeitet, die einen Zugang zum Verständnis der Verfassungsordnung als dynamisch öffentlicher Ordnung ermöglichen 1 5 3 . Aber auch diese Neuansätze werden verunsichert durch die noch so gut wie ungeklärte 150 E. Kaufmann, Z u r Problematik des Volkswillens (1931), i n : GSch I I I , S. 272, 274 f. 151 GSch I I I , S. X X X I I I , 275. 152 Ebd. S. 275 f., 278, 289. 153 A n wegweisenden Schriften seien hier n u r genannt: 17. Scheuner, Grundfragen des modernen Staates, i n : RStW 3 (1951), S. 126 ff.; Das parlamentarische Regierungssystem i n der Bundesrepublik, i n : D Ö V 1957, S. 633 ff.; P o l i t i sche Repräsentation u n d Interessenvertretung, i n : D Ö V 1965, S. 577 ff.; Pressefreiheit, i n : V V D S t R L 22 (1965), S. 1 ff.; A r t . : Verfassung, i n : S t L V I I I . (1963), Sp. 123 ff.; A r t . : Staat, i n : H D S W X I I . (1965), S. 653 ff. — G. Leibholz, S t r u k t u r probleme der modernen Demokratie, 3. erw. Aufl. 1967. R. Bäumlin, Die rechtsstaatliche Demokratie, 1954; Strukturprobleme der schweizerischen Demokratie der Gegenwart, i n : Z B J V 97 (1961), S. 81 ff.; A r t . : Demokratie, i n : EStL (1966), Sp. 278 ff. — H. Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, 1953; Wirtschaft u n d Verfassung, 1961, S. 24—87, 669 ff.; „Staat" u n d „Gesellschaft" (1962). K. Hesse, Die verfassungsrechtliche Stellung der politischen Parteien, i n : V V D S t R L 17 (1959), S. 11 ff.; Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, 1967, bes. S. 52 ff. — Vgl. auch E.-W. Böckenförde, Das Ethos der modernen Demokratie u n d die Kirche, i n : Hochland 50 (1957/58), S. 4 ff., 410 ff. — A l s „Übergangsschriften" sind zu nennen: E. Kaufmann, Grundtatsachen u n d Grundbegriffe der Demokratie, 1950; A. Schule, Demokratie als politische F o r m u n d als Lebensform, i n : Rechtsprobleme i n Staat u n d Kirche. Festschrift f ü r Smend, 1952, S. 321 ff.

§ 12 Die Verfassung als Grundordnung

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Frage, welche Bedeutung die Sozialstaatsklausel gerade für die Demokratie hat 1 5 4 . Indem diese Untersuchung die Verfassung nicht nur als Staatsverfassung, sondern als Gesamtverfassung betrachtet, legt sie sich nicht auf eine Minimalinterpretation fest, die i n dieser Klausel nur die Verpflichtung des Staates zu sozialer A k t i v i t ä t sieht, sondern beibt sie offen für eine weitere Auslegung i m Sinne einer „Homogenisierungsbestimmung" zwischen Staat und Gesellschaft 155 .

154 Z u m Problem vgl. bereits H. Heller, Rechtsstaat oder Diktatur? 1930, S. 7 ., 11. Vgl. jetzt besonders H. Ridder, Z u r verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften i m Sozialstaat, 1960. Nachdrücklich, i n der Diskussion zu wenig beachtet: W. Abendroth, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, in: V V D S t R L 12 (1954), S. 85 ff. (Diskussionsbeitrag); Z u m Begriff des demokratischen u n d sozialen Rechtsstaates i m Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (1954), i n : E. Forsthoff (Hg.), Rechtsstaatlichkeit u n d Sozialstaatlichkeit, 1968, S. 114 ff. 155 H. Ridder, Z u r verfassungsrechtlichen Stellung, S. 18.

§ 13 Die soziale Demokratie als eine spezifisch öffentliche Ordnung des Gemeinwesens Ist man sich der i m vorstehenden Paragraphen dargelegten Schwierigkeiten bewußt, dann kann auf der Grundlage der offengelegten Voraussetzungen die Struktur des politischen Gemeinwesens als eine spezifisch öffentliche beschrieben werden. I n ihr ist der Institutionen-„Staat" nicht mehr strukturprägende Mitte, sondern ein funktionaler Bestandteil der öffentlichen Ordnung. Diese ist als öffentliche eine dynamische Ordnung. Das von der Verfassung her zu entwickeln, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen; hier seien nur die Grundlinien der dynamischen Struktur des öffentlichen angedeutet. Öffentlich weist zunächst h i n auf „die Öffentlichkeit", das Volk als Subjekt des Gemeinwesens, öffentlich hat zweitens den Bedeutungsgehalt von „das öffentliche", das ist: das Gemeinsame, das Grundlegende; das, was als zu verwirklichender Sinn des Zusammenlebens alle angeht, öffentlich bezeichnet schließlich den Zustand formeller Publizität. Öffentlichkeit, das öffentliche, Publizität — das sind die drei Aspekte des öffentlichen. Diese Aspekte sind nicht statisch isolierbar, sie konstituieren sich gegenseitig; sie haben ihre konkrete Existenz i n dem öffentlichen, von der freiheitlichen Verfassung grundgelegten Prozeß, i n den sie eingehen und den sie so zu einem freiheitlichen machen. Die Mehrdimensionalität des Begriffes w i r d von der Mehrschichtigkeit des Wortes „öffentlich" angezeigt 1 . Es hat den Gehalt von publicus ebenso i n sich aufgenommen wie den Sinn von koinos/communis. M i t jenem ist es auf den populus bezogen, m i t diesem auf das gemeine Beste, das Gemeinwohl, die salus publica. Publizität ist die offenbarste, nicht aber die äußerlichste Komponente; sie ist das Medium, i n dem das Gemeinwohl des Volkes die Chance seiner Wirklichkeit hat.

1 Vgl. dazu jeweils m i t weiteren Nachweisen: H. Kirchner, Beiträge zur Geschichte der Begriffe „öffentlich" u n d „öffentliches Recht", Diss. 1949; R. Smend, Z u m Problem des öffentlichen u n d der Öffentlichkeit (1955), S. 11 ff. R. Marcie , Öffentlichkeit als staatsrechtlicher Begriff, i n : Richter u n d Journalisten, 1965, S. 153 ff.; ders., Die Öffentlichkeit als Prinzip der Demokratie, i n : Festschrift f ü r A . A r n d t , 1969, S. 267 ff. Vgl. jetzt umfassend m i t reichhaltigen Quellennachweisen: W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 22—41.

§ 13 Die soziale Demokratie als eine spezifisch öffentliche Ordnung

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I. Die Öffentlichkeit: das Volk Die Behauptung, das öffentliche sei der öffentliche Verfassungsprozeß selbst, kann nur von den beiden „Polen" her verständlich gemacht werden. Die Öffentlichkeit und das material öffentliche sind deshalb zunächst isoliert zu betrachten; das ist nicht zuletzt auch deshalb angezeigt, weil sie i n der deutschen Staatstheorie traditionellen Verkürzungen und an diesen orientierten Diskriminierungen unterliegen. I h r Verständnis trifft aber bereits die Vorentscheidung über das Verständnis des Prozesses, i n den sie eingehen. Das ist für den Begriff des „Volkes" unmittelbar einsichtig: was jeweils Demokratie heißt, ist i n i h m schon angelegt. Wenn hier Volk als die Öffentlichkeit bezeichnet wird, dann bedarf diese Setzung einer Erklärung. Es genügt nicht, die Zeugnisse bedeutender Staatslehrer zu zitieren, die das öffentliche durch seine Beziehung auf das Volk charakterisieren 2 , das Volk als einen Begriff des öffentlichen Rechts3, als die „nichtorganisierte letzte Instanz der Demokratie" 4 verstehen. Wichtiger ist der Hinweis auf die ethymologische Beziehung, die zwischen publicus und populus waltet und noch i n der Charakterisierung des Publikums als der „personifizierten Öffentlichkeit" 5 durchschimmert; aber auch er ist zu allgemein. Der hier gemeinte Sinn der Bezeichnung des Volkes als der Öffentlichkeit liegt i m Folgenden: Diese Bezeichnung leistet negativ eine gewisse Neutralisierung des von einer allzu großen Bedeutungsfülle belasteten Volksbegriffs®. Sie sucht positiv die Erkenntnis zu formulieren, daß das Volk nicht als vorgegebene Substanz „da" ist, sondern als menschliche Wirklichkeit nur i n der Zeit seine konkrete Existenz hat. Daß diese Existenz i n einem nicht nur metaphorischen Sinne öffentlich ist, w i r d erst aus dem Ganzen der Darstellung erhellen. „Das Volk ist die Öffentlichkeit" ist die Kurzformel für ein Verständnis des Volkes als menschlicher Wirklichkeit i n seinem normativen Anspruch (1), i n seiner pluralen Struktur (2), i n seiner geschichtlichen Dimension (3) und i n seiner konkreten Verfaßtheit (4).

2

C. Schmitt, Begriff d. Politischen, 1932, S. 29. C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 1926, S. 22. 4 D. Schindler, Über die B i l d u n g des Staatswillens i n der Demokratie, 1921, S. 63 ff.; ebenso: A. Arndt, Begriff u n d Wesen der öffentlichen Meinung, S. 18; J. H. Kaiser, Repräsentation, S. 356 f.; R. Smend, Problem des öffentlichen, S. 17. Vgl. auch R. Marcie , Öffentlichkeit als staatsrechtlicher Begriff S. 199, S. 214, A n m . 7. 5 So A. Elster, öffentlich u n d Öffentlichkeit, i n : H D R I V . (1927), S. 258. Vgl. auch H. Doehring, Der Begriff der Öffentlichkeit, 1931. 6 Gute Übersicht bei F. Spiegel-Schmidt, A r t . : Volk, i n : EStL (1966), Sp. 2441 bis 2446. 3

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Das öffentliche als Grundelement der res publica 1. Normativer Anspruch

Das Grundgesetz bezeichnet die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik i n A r t . 20 Abs. 1 als demokratischen und sozialen Bundesstaat und i n A r t . 28 Abs. 1 als republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat. Die fundamentale Bedeutung, die i n dieser gesetzestechnisch nicht gelungenen „Staatsformenbeschreibung" 7 der Demokratie zukommt, ergibt sich erst aus der Verbindung dieser Charakteristik mit der prägnant formulierten normativen Feststellung des A r t . 20 Abs. 2 Satz 1: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." Die Interpretatoren des Grundgesetzes pflegen sich von dieser Stelle nach einer kurzen Bemerkung zum „Träger" der Staatsgewalt oder zur „grundsätzlichen" Anerkennung der Volkssouveränität sehr schnell dem Satz 2 dieser Bestimmung zuzuwenden, u m ausführlich die repräsentative und gewaltenteilige Struktur der Verfassungsordnung zu entwickeln 8 . Ein solches Vorgehen ist jedoch i n Gefahr, den normativen Anspruch des Demokratiepostulats zu verharmlosen und die kritische Dynamik des Verfassungsprozesses festzustellen, bevor sie sich überhaupt entfalten konnte. Demgegenüber ist vor jedem Eingehen auf die institutionelle Ausgestaltung der Sinn des demokratischen Prinzips als solchem zu ermitteln: Das Grundgesetz erklärt das „ V o l k " zum Fundament seiner Ordnung; es basiert auf der Selbstbestimmung des Volkes i m Sinne des „klassischen" Demokratiebegriffs. Dieses unverkürzte Demokratieverständnis m i t allem Nachdruck an den Anfang einer demokratischen Verfassungstheorie zu stellen, besteht i n einem Lande besonderer Anlaß, i n dem eine einflußreiche, das deutsche Einheits- und Substanzdenken geschickt nutzende Verfassungslehre Demokratie m i t den Kategorien Homogenität, Identität, substanzielle Gleichheit definierte und zum zentralen Begriff der Demokratie das Volk i m Sinne wesentlicher Gleichartigkeit erklärte 9 . Einem m i t diesem historisch verkürzten Demokratieverständnis identifizierten Rousseau ließ sich trefflich die „Praxis der Jacobinischen D i k tatur" anhängen 10 ; stand man einer solchen Diktatur nicht aufgeschlossen

7 Nicht glücklich ist die substantivische Begünstigung v o n „Bundesstaat" u n d „Rechtsstaat", aus der eine philologisch erzogene Interpretationspraxis eine mindere Bedeutung des n u r adjektivisch berücksichtigten „ D e m o k r a t i schen" u n d „Sozialen" folgern könnte; eine Möglichkeit, deren Absurdität durch die Sozialstaatsdiskussion realisiert worden ist. Demgegenüber könnte auf die gefülltere Formel der „freiheitlich demokratischen Grundordnung" i n A r t . 18 verwiesen werden. 8 F. Morstein M a r x , Gemeinwohl u n d politische Strategie, i n : W o h l der Allgemeinneit u n d öffentliches Interesse, 1968, S. 36, charakterisiert die Situat i o n so: man könne fast sagen, „daß f ü r bedeutsame Bereiche das theoretische Konzept der Volksherrschaft ohne die praktische Effektivität des »Volks4 auszukommen scheint". 9 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 223 ff., bes. 234. 10 C. Schmitt, ebd., S. 230.

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gegenüber, dann mußte mit dem diskreditierten Rousseau auch das von i h m vertretene Demokratiepostulat diskreditiert sein. Gegen dieses statische Identitätsdenken wendet sich m i t Recht K. Hesse m i t der Warnung, solche Identitätsbehauptungen erwiesen sich als ein entscheidendes Stück der Durchsetzung totaler Herrschaft und des Versuchs ihrer Legitimierung; statt dessen entwickelt er ein dynamisches Programm „optimaler Annäherungen an den Gedanken der Volksherrschaft" 11 . I m Zuge der demokratietheoretischen Neubesinnung nach dem 2. Weltkrieg erfolgte eine fruchtbare Rezeption angelsächsischen politischen Denkens, die wesentlich zur Überwindung der „deutschen" Dualismen von Staat und Gesellschaft, Recht und Politik, Rechtsstaat und Demokratie und damit zur Erarbeitung der Voraussetzungen eines adäquaten Demokratieverständnisses beigetragen hat 1 2 . Aber diese Rezeption steht ihrerseits i n der Gefahr, sich Fragen und Auswahlkriterien doch wieder von der bekämpften Lehre vorschreiben zu lassen und dieser somit ungew o l l t Fernwirkungen einzuräumen. M i t gutem Grund hat man sich gegenüber den formalistischen und dezisionistischen Einseitigkeiten auf die Notwendigkeit institutioneller Freiheitssicherung, auf die Realisierung einer guten politischen Ordnung i m freien politischen Prozeß, auf den Gedanken der verantwortlichen Regierung zurückbesonnen. Die praxisnahe Klugheit des „Federalist" war den deutschen Staatstheoretikern eine heilsame Lektüre 1 3 . Der Trust-Gedanke holte die Repräsentationstheorie aus dem Himmel der Wesensbegriffe zurück und erlaubte eine demokratische Begründung des Amtsbegriffes, eines Kernstückes „staats"-orientierter Theorie. Zugleich droht aber über dem „Amtsgedanken" der „Demokratiebegriff" zu kurz zu kommen 14 . Der Sinn des Demokratiegebotes wäre nicht ausgeschöpft, wollte man i h n i n berechtigter Abwehr der Konsequenzen eines einseitigen Identitätsdenkens nun auf ein wiederum einseitig institutionell-organisatorisches Repräsentationsmodell festlegen. Der Versuch, die „demokratische Unterbilanz" der deutschen Sonderentwicklung durch eine positive Aufnahme 11

K . Hesse, Grundzüge, S. 54 f. H i e r sei ohne Anspruch auf Vollständigkeit hingewiesen auf die entsprechenden Arbeiten v o n G. Leibholz, U. Scheuner, E. Fraenkel, R. B ä u m l i n u n d H. Ehmke. 13 A. Hamilton, J. Madison, J. Jay , Der Föderalist, Hrsg. v. F. Ermacora, 1958. Vgl. dazu G. Dietze, The Federalist, 1960. Z u r Unterscheidung von Repub l i k u n d Demokratie auch E. Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, 1960, S. 39 ff. 14 U m an den T i t e l eines Aufsatzes von W. Hennis anzuknüpfen, der dieser Gefahr nicht entgangen sein dürfte: „Amtsgedanke u n d Demokratiebegriff", i n : Staatsverfassung u. Kirchenordnung. Festgabe f ü r R. Smend, 1962, S. 51 ff. Wenn Hennis i m Anschluß an eine Stelle aus Federalist Nr. 76 schreibt: „ V e r trauen ist die seelische Grundlage der repräsentativen Demokratie, u n d alle politischen Auseinandersetzungen i n i h r sind weniger K a m p f u m W i l l e n u n d Macht als u m Vertrauen" (S. 56), dann dürfte damit der Federalist zu u n k r i tisch rezipiert u n d das Machtproblem zu stark reduziert sein. 12

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angelsächsischen politischen Denkens zu überwinden, muß sich der zeitbedingten Grenzen und der Komplexität auch dieses Denkens bewußt sein: der zeitbedingten Grenzen, da i n der allzu bereitwilligen Konzession unabänderlicher sozialer Ungleichheit gerade die „Republik" des Federalist aus ihrer bürgerlichen Klassenorientierung keinen Hehl macht 15 ; der Komplexität, da i n diesem Denken immer auch die „radikaldemokratische" Richtung der Unabhängigkeitserklärung, Jeffersons und Lincolns lebendig war. Gegenüber naheliegenden Mißverständnissen bedarf es der Hervorhebung, daß „radikaldemokratisch" nicht vorschnell m i t „direktdemokratisch" identifiziert werden darf; radikaldemokratisch bezeichnet den Zielwert, direktdemokratisch eine der möglichen organisatorischen Ausgestaltungen von Demokratie 16 . Der Zielwert, dessen optimaler Verwirklichung die jeweils geschichtlich konkrete organisatorisch-institutionelle Form des Gemeinwesens zu dienen hat, ist die „Emanzipation zum Menschen" 17 . A r t . 20 GG entfaltet sein über das Institutionelle und Organisatorische hinausgehendes Normprogramm erst i n Verbindung m i t A r t . 1 GG, der die „Würde des Menschen" zu „einer Fundamentalnorm unserer Verfassung und Grundnorm unserer Rechtsordnung überhaupt" erklärt 1 8 . Und aus dem Gebot der Achtung und des Schutzes der Menschenwürde folgt für die Verfassung das allgemeine Gebot der Gleichheit, Gleichbehandlung und Gleichberechtigung (Art. 3 GG); ein Gebot, das die Verfassung aus der Erfahrung einer vernichtenden Diskriminierung des Menschen zugunsten der „Gleichartigkeit des Volkes" spricht, das deshalb „geschichtlich für uns . . . das fundamentalste Freiheitsrecht" ist 1 9 , dessen normatives Pathos die Grenzen einer obrigkeitsstaatlich-zurückgestutzten abstrakten „Gleichheit vor dem Gesetz" sprengt. Menschenwürde, Alle, Gleichheit, Freiheit — das ist der normative Anspruch den „ V o l k " i n der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes erhebt. Kant hat diesen Anspruch i n die Sprache der deutschen Philosophie übersetzt 20 . Wenn er zugleich Freiheit an der „Gleichheit von Bildung und Besitz", also an faktischer Ungleichheit festmachte 21 , so bog er die 15

Vgl. die berühmten Aussührungen Madisons i n Federalist Nr. 10. Die bekannten Eingangssätze der Unabhängigkeitserklärung verbinden den unverkürzten Anspruch v o n Demokratie m i t einem nicht-identitären organisatorischen Programm; Text i n : Proklamationen der Freiheit. Hrsg. v. J. Musulin, 1959, S. 63. 17 E. Bloch, Naturrecht u n d menschliche Würde, 1961, S. 237. 18 Vgl. insbes. W. Maihofer, Rechtsstaat u n d menschliche Würde, 1968, das Zitat auf S. 9. 19 A. Arndt, Gedanken zum Gleichheitssatz, i n : Die moderne Demokratie u n d i h r Recht. Festschrift f ü r G. Leibholz, I I . Bd., 1966, S. 182. 20 Kant, Metaphysik der Sitten, Das Staatsrecht, §§ 43 ff. Vgl. dazu insbes. J. Habermas, S t r u k t u r w a n d e l der Öffentlichkeit, S. 117 ff. 21 Vgl. ebd., § 46: „ N u r die Fähigkeit der Stimmgebung macht die Qualifikat i o n zum Staatsbürger aus; jene aber setzt die Selbständigkeit dessen i m V o l k 16

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Freiheits- und Gleichheitsforderung nicht nur i n eine politisch ungefährliche Form 2 2 , er brachte damit zugleich die reale Bedingtheit von Freiheit und Gleichheit zum Ausdruck. Die Erkenntnis, daß Freiheit und Gleichheit einander bedingen und i n ihrer Bedingtheit nicht naturwüchsig gegeben, sondern der politischen Verwirklichung i n der Wirklichkeit der modernen Gesellschaft aufgegeben sind, formuliert das Grundgesetz m i t der Formel „Sozialstaat". Als Sozialstaat ist die Demokratie des Grundgesetzes Gegenbegriff gegen die „bürgerliche" Republik, die die Verteilung realer politischer Freiheit an den unantastbaren status quo faktischer sozialer Ungleichheit band. Die Zuerkennung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts (vgl. A r t . 38 Abs. 1 GG) beseitigt diese Ungleichheit noch nicht; sie bildet vielmehr einen „Vorgriff" auf einen Zustand der erst erarbeitet werden muß. „ I n jedem Falle darf die soziale Demokratie i n ihrer Rechtfertigung der Herrschaft nicht ausgehen vom Menschen als formalgleichem Rechtssubjekt, sondern muß den Menschen als psycho-physische Totalität, i n seiner Bedingtheit durch seine gesellschaftlichen, insbesondere ökonomischen und individuellen Möglichkeiten zum Ausgangspunkte nehmen. Während für die liberale Demokratie das Wirtschaftssubjekt außer Betracht und Organisation bleibt, legt die Wirklichkeitswendung der sozialen Demokratie gerade auf die gerechte Organisation der sozial-ökonomischen Beziehungen den größten Nachdruck" 2 3 . Daß solche Demokratie i n Vollkommenheit unerreichbar sein mag, ja, daß nach dem Stand unserer Erkenntnis das allzu beschleunigte Forttreiben des Prozesses auf diesen Zustand h i n den erreichten Stand zu verschleudern i n Gefahr ist, daß Demokratie somit vielleicht eine asymptotische Größe bleiben wird, das alles entkräftigt nicht den normativen Anspruch von „ V o l k " . „Soziale Demokratie" ist nie an ihrem Ziel, sie drängt immer über den status quo hinaus. Nur wenn sie sich immer wieder an ihrem eigenen Anspruch kritisch mißt, bleibt sie m i t sich selbst identisch. „Je höher der Grad an tendenzieller Autonomie, je niedriger der tendenzieller Heteronomie ist, je stärker soziales Handeln, nach Maßgabe der objektiven ökonomischen Möglichkeiten . . . von den Zielen aufgeklärter kollektiver Selbstbestimmung und individueller

voraus, der nicht bloß T e i l des gemeinen Wesens, sondern auch Glied desselben, d. i. aus eigener W i l l k ü r i n Gemeinschaft m i t anderen handelnder T e i l desselben sein w i l l . . . überhaupt jedermann, der nicht nach eigenem Betrieb, sondern nach der Verfügung anderer (außer der des Staats) genötigt ist, seine Existenz (Nahrung u n d Schutz) zu erhalten, entbehrt der bürgerlichen Persönlichkeit, u n d seine Existenz ist gleichsam n u r Inhärenz. — . . . dergl. sind bloß Handlanger des gemeinen Wesens, w e i l sie v o n anderen I n d i v i d u e n befehligt oder beschützt werden müssen, m i t h i n keine bürgerliche Selbständigkeit besitzen." 22 So H. Heller, Die politischen Ideenkreise der Gegenwart, 1926, S. 50; zum gesamten Zusammenhang vgl. S. 48 ff., 114 ff. 23 H. Heller, a. a. O., S. 114.

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Autonomie aller geleitet ist" 2 4 , desto höher ist das Maß ihrer V e r w i r k lichung. 2. Plurale Struktur

Volk ist gesellschaftliche Wirklichkeit; als solche ist es pluralistisch strukturierte Öffentlichkeit 25 . Die Auffassung des Volkes als Einheit eines „unmittelbaren Gesamtwillens, der auf eine Entscheidung über A r t und Form der Existenz der politischen Einheit gerichtet ist" (C. Schmitt) 26 , verfehlt die Normalität des Volkes, das nur i n den Ausnahmezeiten nationaler Erschütterung als handlungsfähige Einheit erscheint. Das Verständnis des Volkes als „real wirkende, ideelle Einheit" (Leibholz) 27 vergegenständlicht einen „Wesensbegriff", der nicht induktiv gewonnen, sondern als Voraussetzung einer speziellen Repräsentationslehre geisteswissenschaftlich „geschaut" ist. Volk gehört vor allem zur „moralischen Welt", „der Welt des Wollens und Handelns", wie Erich Kaufmann bewußt gemacht hat 2 8 . Ist Volk menschliche Wirklichkeit und Wirksamkeit, so ist es zunächst i n seiner Struktur zu betrachten. „Die Gesellschaft ist strukturiert, anders ist sie nicht, dies ist durch ihre elementaren Lebensprozesse erklärbar 2 9 ." Die politische Soziologie stellt eine pluralistische Struktur der Gesellschaft fest. Dabei meint Pluralismus zunächst nicht mehr als die empirisch erfahrene „innere Vielfalt" der Gesellschaft, ihre „faktische Vielgruppigkeit" 8 0 . 24 G. Schäfer, Demokratie u n d Totalitarismus, i n : G. Kress, D. Senghaas (Hg.), Politikwissenschaft, 1969, S. 109. 25 Der Terminus „pluralistisch" k a n n beibehalten werden, w e n n m i t i h m die weite i m Text dargestellte Auffassung verbunden w i r d . U m vorschnelle Identifizierung m i t „Pluralismustheorien" zu vermeiden, haben w i r i n der Überschrift das W o r t „ p l u r a l " gewählt, das auch die unter I I I 1 erläuterte, weite Bedeutung erfaßt. Z u m Thema vgl. neuestens H. F. Zacher, Pluralität der Gesellschaft als rechtspolitische Aufgabe, i n : Staat 9 (1970), S. 161 ff. 26 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 82, vgl. auch 79 u. ö. A u f Schmitts E n t gegensetzung der politischen Gestaltungsprinzipien Identität u n d Repräsentation (ebd., S. 204 ff.) basiert auch die Repräsentationslehre v o n Leibholz: vgl. Wesen der Repräsentation, S. 26,29, modifizierend S. 43. 27 G. Leibholz, Wesen der Repräsentation, S. 46 f. Vgl. dagegen R. Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, a. a. O., S. 155: „ I m parlamentarischen Staat ist das V o l k nicht schon an sich politisch v o r h a n d e n . . . , sondern es hat sein Dasein als politisches V o l k , als souveräner Willensverband i n erster L i n i e v e r möge der jeweiligen politischen Synthese, i n der es i m m e r v o n neuem überhaupt als staatliche Wirklichkeit existent w i r d . " 28 E. Kaufmann, GSch I I I , V o r w o r t (1960), S. X X X I I . Z u seinem substantiellen Verständnis des Volkes als präexistierendem geistigem Gebilde vgl. oben § 12 I I I . 29 M. Hättich, Demokratie als Herrschaftsordnung, 1967, S. 86; Z u m S t r u k turproblem als Problem v o n N o r m u n d W i r k l i c h k e i t vgl. R. Bäumlin S t r u k turprobleme der schweizerischen Demokratie der Gegenwart, i n : Z B J V 9 7 (1961), S. 81 ff. (85). Vgl. schon D. Schindler, Verfassungsrecht u n d soziale S t r u k tur, 3. Aufl. 1950, S. 56 ff. 30 J. Matthes, Gesellschaftspolitische Konzeptionen i m Sozialhilferecht, 1964, S. 52,48.

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Die Betrachtung des Volkes als gesellschaftlicher Wirklichkeit i n seiner Struktur ist für die Demokratielehre aber mehr als bloße Kenntnisnahme der Faktizität. M i t diesem Ansatz ist Demokratie aus der voluntaristischen Einseitigkeit abstrakt-normativer Organisation der staatlichen Willensbildung befreit 31 . I n den gesellschaftlichen Strukturen sind der demokratischen Verfassung Macht- und Kooperationsverhältnisse sowie auch schon Integrationskomponenten „vorgegeben" 32 , die vornormativen Charakter haben. Sie müssen von der Verfassung beachtet werden, w i l l diese Geltungswirklichkeit erlangen. Indem die Verfassung das Volk als „Gruppengesellschaft" 33 i n ihre Ordnung aufnimmt, w i r d diese i n einem normativen Sinne pluralistisch, i m Sinne der Ablehnung ebenso aller idealistischen Einheitssysteme wie jedes liberalistischen Atomismus 34 , ohne daß damit ein Bekenntnis zu einer pluralistischen „Theorie", etwa Laskischer oder ständestaatlicher Prägung abgelegt würde 3 5 . „Das Volk ist nur, indem und soweit es ständig neu wird, vermittelt durch einen von Gruppen und Parteien getragenen Prozeß, i n dem das, was man als das Staatsvolk bezeichnet, erst aktualisiert, aktiviert, zur Existenz gebracht wird 3 6 ." 3. Geschichtliche Dimension

Gerhard Leibholz hat vom Volk als etwas von Natur aus Gegebenem die Nation als etwas geschichtlich Gewordenes unterschieden, als eine „politische Ganzheit, die zugleich das Erbe vergangener Generationen wie i m Keime das Leben zukünftiger Geschlechter umfaßt" 3 7 . Die darin zum Ausdruck kommende Einheitsvorstellung wurde schon als unrealistisch zurückgewiesen. Auch die Auffassung des Volkes als Natur ist von einem „Wesensverständnis" der Repräsentation gesteuert, das eine 31

R. Bäumlin, Strukturprobleme, S. 82 ff. M. Hättich, Demokratie, a. a. O., S. 85 ff. U. Scheuner, Politische Repräsentation u n d Interessenvertretung, i n : D Ö V 1965, S. 578. 34 Z u m polemischen Sinn jeder Pluralismustheorie i n dieser zweifachen Richtung: v. Krockow, Art: Pluralismus, i n : R G G V. (1961), Sp. 421; R. Herzog, A r t . : Pluralismus, i n : EStL (1966), Sp. 1541; G.Briefs, A r t . : Pluralismus, i n : S t L V I . (1961), Sp.295 f. Vgl. auch E. Fraenkel, Der Pluralismus als S t r u k t u r element der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie, 1964, S. Β 10. 35 Z u Laski kritisch: J. H. Kaiser, Repräsentation, S. 316 f.; Fraenkel, a. a. O., S. Β 11 ff.; K. Sontheimer, A r t . : Pluralismus, i n : Fischer L e x i k o n „Staat u n d P o l i t i k " , S. 254 ff. — Z u r ständisch-korporativen Idee: Kaiser, a. a. O., S. 54 ff., 320 ff. — Z u m Problem vgl. noch U. Scheuner, ZEE 1957, S. 34 ff.; C.Cordes, ZEE 1962, S. 77 ff. 36 Bäumlin, Strukturprobleme, a. a. O., S. 88; eindrücklich auch ders., EStL (1966), Sp. 279. 37 G. Leibholz, A r t . : Nation, i n : EStL (1966), Sp. 1331 f.; vgl. schon ders., Das Wesen der Repräsentation (1929), 3. Aufl. 1966, S. 46ff.; Volk, Nation, Souveränität (1957), i n : Strukturprobleme der modernen Demokratie, 3. Aufl. 1967, S.247 ff. 32

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wirklichkeitsnahe Sicht der Demokratie belastet 38 . M i t der Erkenntnis der Geschichtlichkeit des Volkes als Nation jedoch ist etwas Wesentliches getroffen. Ebenso wie sich die Seinsweise des Volkes nicht „ i n den psychischen A k t e n der das Volk bildenden Individuen" erschöpft 39 , sondern als Gesellschaft eigene Wirklichkeit besitzt, ebenso geht das Volk nicht i n der Aktualität des Heute auf, sondern lebt es i n der Kontinuität seiner Geschichte. I n ihr w i r k t „objektiver Geist", nicht als heimliches Walten eines „Volksgeistes", sondern „ i n jenen von menschlichen Subjekten geschaffenen Sinngehalten, an denen eine Vielzahl von Individuen bewußt oder unbewußt teilhat" 4 0 . Seine geschichtliche Kontinuität hat das Volk nur aus der Öffentlichkeit menschlichen Handelns. „Die Welt haben w i r nicht nur gemeinsam m i t denen, die m i t uns leben, sondern auch m i t denen, die nach uns kommen werden. Aber nur i n dem Maße, i n dem sie i n der Öffentlichkeit erscheint, kann eine solche Welt das Kommen und Gehen der Generationen i n ihr überdauern 41 ." Eine Reduzierung des Volkes auf eine demoskopisch meßbare Größe verkürzt die Gesamtwirklichkeit des Volkes. Sie macht die von der Verfassung aufgestellten Sinnprinzipien zu bloß äußeren, der gesellschaftlichen Wirklichkeit fremden Normen. Volk ist als menschliche Wirklichkeit gesamtgesellschaftliche Wirklichkeit, i n der aus der Vergangenheit überkommene Sinnprinzipien die Gegenwart mitbestimmen. A n sie kann und muß die Verfassung anknüpfen, wenn i h r die Gegenwart gestaltender, i n die Zukunft ausgreifender Lebensplan i n seinen Grundentscheidungen von einem Konsens, vom „Gemeinwillen" des Volkes getragen sein soll. 4. Konkrete Verf aßtheit

Das Volk existiert nicht einmal als Gesellschaft und zugleich ein zweites M a l als „politische Einheit". Ist das Volk nicht Natur, sondern menschliche und damit geschichtliche Wirklichkeit, so hat es nur eine, jeweils konkrete Existenz. Das Volk ist nur als verf aß te Öffentlichkeit 42 . 38 Spiegel-Schmidt, a. a. O., Sp. 2442, wendet gegen die Unterscheidung v o n V o l k als Natur u n d Nation zudem ein, auch die Völker seien i n i h r e m Werden u n d Vergehen Produkte der Geschichte. E r differenziert: bei dem Begriff Nation liege das Schwergewicht auf dem Sprachlich-Kulturellen, beim V o l k s begriff auf dem Staatlich-Politischen. 39 E. Kaufmann, Z u r Problematik des Volkswillens (1931), i n : GSch I I I , S. 273. 40 G. Weippert, A r t . : öffentliche Meinung, i n : H D S W V I I I . (1964), S. 33. 41 H. Arendt, V i t a activa, 1960, S. 54. 42 Vgl. W. Kaegi, Rechtsstaat und Demokratie, i n : Demokratie u n d Rechtsstaat. Festgabe f. Giacometti, 1953, S.136. Jetzt auch P.Häberle, AöR 92 (1967), S. 278. C. J. Friedrich, A r t . : Demokratie, i n : HDSW I I . (1959), S. 560: „Es muß also die Verfassung als f ü r den Begriff der Demokratie entscheidend angesehen werden. Die Demokratie moderner Prägung ist »konstitutionelle 4 Demokratie."

§ 13 Die soziale Demokratie als eine spezifisch öffentliche Ordnung

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Nur als politisches Gemeinwesen findet es zu der Einheit eines Wirkungsund Verantwortungszusammenhangs, i n dem die gesellschaftlichen Strukturen überformt und das „geschichtliche Erbe" gelebt und weiterentwickelt wird. Vom politischen Gemeinwesen gelöst mag Volk eine ethnische oder territoriale Bedeutung haben, eine politische Bedeutung hat es dann nicht. „ I n der Verfassung als Organisation entsteht das demokratische Staatsvolk, es schafft sich seinen Staat, i n dem es selber das oberste Staatsorgan darstellt, von dem alle übrigen als bloße Mandatare der Bürgerschaft ihre Kompetenz, ihre Willensmacht ableiten 43 ." M i t Nachdruck ist gegenüber einem Denken, für das Freiheit nichts konstituiert und das deshalb eine dezisionsfähige Einheit fingieren oder „herstellen" muß, zu betonen: „Die Grundfreiheiten definieren den Staat; sie geben i h m seine Struktur; sie erst lassen Ordnung, die an sich völlig wertlos ist, durch ihre Güte als freiheitliche Ordnung zur Rechtsordnung werden 44 ."

I I . Das öffentliche: salus publica Es steht i m überkommenen und auch heute noch vorherrschenden Verständnis nicht die Beziehung auf das Volk i m Vordergrund, wenn von „öffentlicher Ordnung", „öffentlichem Wohl" und „öffentlichem Interesse" die Rede ist. Vielmehr richtet sich hier das öffentliche nicht selten gegen die Öffentlichkeit und fordert deren Einschränkung und Disziplinierung i m Namen eines höheren Wesens, Wertes oder Prinzips: salus publica suprema lex esto. 1. Gemeinwohl und Pluralismus

Smend hat die Bedeutung Friedrich Julius Stahls für das Problem des öffentlichen hervorgehoben 45 . I n der Tat ist das öffentliche ein Schlüsselbegriff der Stahlschen Staats- und Rechtslehre. I n ihr ist der Staat „durch und durch eine öffentliche Sache" 46 , ein Gemeinwesen, res publica 4 7 ; gegenüber der privatrechtlich-unstaatlichen Theorie Hallers betont er den öffentlichen Charakter der Staatsgewalt 48 , und die Freiheit bestimmt er positiv als „die Beteiligung an der Versorgung des öffentlichen Zustandes" 49 . Ihre Füllung erhalten alle diese Bestimmungen von 43

R. Bäumlin, Strukturprobleme, S. 83. A. Arndt, Gedanken zum Gleichheitssatz, a. a. O., S. 183. Vgl. die oben § 12 I I zur „ S t r u k t u r " des politischen Gemeinwesens gemachten Ausführungen. 45 Smend, Problem des öffentlichen, a. a. O., S. 17 f., 20. 46 Stahl Philosophie des Rechts, 1878, II/2, S. 142. 47 II/2, S. 140. 48 I, S. 566; II/2, S. 142. 49 I, S. 567. 44

17 R i n k e n

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einem materialen Begriff des Öffentlichen: „Das öffentliche ist nicht bloß das, was dem Nutzen aller, sondern was einer höhern Ordnung über allem Nutzen dient 5 0 ." Noch deutlicher an anderer Stelle: „Denn öffentlich ist i n Wahrheit nicht das, was für das Volk und nach seinem Willen besteht, sondern das was zum Zwecke einer höhern Ordnung und kraft eigner innerer Notwendigkeit über dem Volke nicht minder als über dem Fürsten besteht 51 ." Nur als i n solchem Sinne öffentliches vermag das Recht zu leisten, was seine Aufgabe ist: „die Menschen... zu einem Gesamtdasein zu verbinden und dieses als solches zu vollenden" 5 2 . Damit hat Stahl m i t dem Begriff des öffentlichen ein Problem aufgezeigt, das sich i n einer pluralistischen Demokratie als besonders dringlich erweist: Die „Einigung zu einem Gesamtzustand" (Stahl) 53 bedarf einer inhaltlichen Gemeinsamkeit 54 . Stahl hat für dieses Problem zugleich eine Lösung vorgeschlagen, die für eine freiheitliche Demokratie unannehmbar ist, indem er die Gemeinsamkeit des Gemeinwesens aus diesem heraus i n eine transzendente Sphäre verlegte, von der alle Begriffe ihre letzte Bestimmung erhalten. Für i h n konnte die Einheit des Staates nicht tiefer begründet werden als durch sein Verständnis als sittliches Reich und letztlich göttliche Institution 5 5 ; dem Volk jedoch bleibt dann konsequent nur ein Platz als „gehorchende Masse". Es ist die Frage der Vereinbarkeit von Pluralismus und Gemeinwohl unter der Bedingung der Freiheit, die heute jeder demokratischen Verfassungsordnung gestellt ist. Ist die Lösung nur i n einem Relativismus zu suchen, der die Ansicht der jeweiligen Mehrheit zur höchsten Norm erhebt? Ist die Identifikation einer (hypothetischen) volonté générale m i t dem Gemeinwohl i n einer freiheitlichen Ordnung praktikabel? Ergibt sich das Gemeinwohl von selbst als Resultante der frei wirkenden Interessen? Der Relativismus verfehlt die Fragestellung, da er die Inhaltlichkeit des Öffentlichen durch einen Entscheidungsmechanismus ersetzt 56 . Rousseaus institutionelle Lösung vermag i n einem großen und differenzierten Gemeinwesen die Freiheit nicht zu bewahren, da nach entsprechender Identifikation „ . . . diktatorische und zäsaristische Metho50

I I / l , S. 302. I, S. 566. I I / l , S. 301. 53 I I / l , S. 302. 54 Dazu besonders eindrucksvoll E. Fraenkel, Deutschland u n d die westlichen Demokratien, a. a. O., S. 28, 42 f., 46, 49, 64 f., 142 f., 147. Vgl. auch E.-W. Böckenförde, Das Ethos der modernen Demokratie, i n : Hochland 50 (1957/58), S. 4 ff. (8,10). 55 Stahl, a. a. Ο., II/2, S. 138, 144, 176. Z u r christlichen Religion als der alle Ordnung grundlegenden Wahrheit vgl. u. a. I I / l : V o r w o r t zur 3. Aufl. (bes. S. X X I I I ) ; Vorrede zur 2. Aufl. 1845 (S. X X X I I I ) ; §§ 5 ff. 58 Kritisch zur These Kelsens, Relativismus sei die Grundlage der Demokratie, schon G. Holstein, V V D S t R L 3 (1927), S. 55. Vgl. weiter 17. Scheuner, RStW 3 (1951), S. 129,133. 51 52

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den . . . unmittelbare Äußerungen demokratischer Substanz und K r a f t sein können" 5 7 . Das Laissez-faire setzt die gefragte Homogenität voraus, oder es führt zur Desintegration 58 . 2. Die konkrete „gute Ordnung"

Das Gemeinwohl ist keine abstrakt-ontologische, es ist eine geschichtliche Kategorie. Als geschichtliches ist es auf menschliches Handeln, auf politische Verwirklichung angewiesen; das aber nicht so, daß es als eine vorgegebene Größe, als inhaltlich fest bestimmte Handlungsanweisung nur noch des praktischen Nachvollzugs bedürfte. Es ist die Hypostasierung des Gemeinwohls zu einer von den Gesellschaftsmitgliedern unabhängig existierenden inhaltlichen Normordnung, die Gemeinwohl und Demokratie als unvereinbare Gegensätze erscheinen läßt. „Es sind die vordemokratischen und nichtdemokratischen, an vorgegebener Ordnung und an einem geschlossenen hierarchischen Stufenbau der Gesellschaft orientierten Konzeptionen des Gesamtinteresses, die von den Gesellschaftsmitgliedern abgelöst werden und als sozusagen eigenständige Wesenheiten erscheinen 59 ." Das öffentliche der geschichtlichen salus publica weist jedoch zurück auf die öffentlichkeit, das Volk, u m dessen geschichtliche Sinnverwirklichung es geht, eine „Verwirklichung", die nicht Nachvollzug, sondern Produktion, Konkretisierung und Realisierung von Sinn i n einem ist 6 0 . Es ist die „gute" Ordnung des demokratischen Gemeinwesens selbst, die diesem als politischem Gemeinwesen aufgegeben ist. Diese Ordnung ist eine geschichtlich-konkrete, die für das Volk jeweils beste Ordnung und so auch i n diesem Sinne „Öffentlichkeitsordnung" 6 1 . Doch scheint auch die Rede von der „guten Ordnung" nicht frei von Bedenken. I n der Tat muß gegen nicht fernliegende Mißverständnisse betont werden, was hier m i t der Verwendung dieses Topos nicht gemeint ist. Nicht gemeint ist die Herauf Steigerung zur immanenten Heteronomie 57 C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 1926, S. 23 f. 58 Vgl. dazu die K r i t i k bei J. Messner, Gemeinwohl, 1962. Z u m folgenden ist v o r allem hinzuweisen auf „ W o h l der Allgemeinheit u n d öffentliche I n t e r essen", 1968, m i t den Referaten insbes. von H. Ryffel, S. 13 ff., F. Morstein Marx, S. 32 ff., R. Schnur, S. 57 ff., H. H. Rupp, S. 116 ff., jeweils m i t weiteren Nachweisen. 59 H. Ryffel, a. a. O., S. 19; vgl. dort A n m . 6 auch die K r i t i k an der Gemeinwohlkonzeption A . Messners. Gegen die abstrakt-ontologische Auffassung des Gemeinwohls auch E.-W. Böckenförde, Das Ethos der modernen Demokratie, a. a. O., S. 411. 60 Vgl. dazu A. Wellmer, Kritische u n d analytische Theorie, S. 231. 61 Z u m Verständnis der Verfassung als öffentlicher normativer Gemeinwohlordnung vgl. jetzt auch P.Häberle, Öffentlichkeit u n d Verfassung, i n : ZfP 16 (1969), S. 273 ff.

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einer Staatsräson, die zur Aufrechterhaltung der als stets bedroht erklärten Sicherheit und Ordnung permanente Notstandsvollmachten für sich reklamiert 8 2 ; gemeint ist vielmehr die Vergegenwärtigung der Erkenntnis, daß „Staat", daß politisches Gemeinwesen Grundbedingung menschlichen Lebens ist, daß es aber nur als menschliches „gute Ordnung" ist 63 . Nicht gemeint ist die Füllung einer inhaltsleeren Begriffshülse m i t Gemeinschafts- und Befriedungsideologien, sondern der Hinweis darauf, daß die konkrete Ordnung nicht einfach positiv hinzunehmen, sondern stets an ihrem Sinn zu überprüfen ist. Allerdings läßt auch dieser Ansatz sich ideologiekritisch bestreiten 64 , doch w i r d diese K r i t i k sich der Frage stellen müssen, was sie „auf der Suche nach menschenwürdiger Lebensführung und Daseinsgestaltung i m Raum des Politischen" an „Orientierung i m Sinn-Verstehen, i m Normieren und i m Handeln" zu vermitteln habe 65 , kurz: ob sie „ P o l i t i k " und „Verfassung" zu begreifen i n der Lage sei. Die Verfassung ist der Plan der konkreten guten Ordnung, ihr normatives Programm; sie ist es als demokratische und soziale Verfassung. I n den Leitlinien der Menschenwürde, der Gleichheit und Freiheit aller konkretisiert sie die salus publica und bindet ihre Verwirklichung an die wirklichen Interessen der Bürger. Damit überwindet die Verfassung die Unvereinbarkeit einer heteronomen Gemeinwohlvorstellung m i t einer autonomen demokratischen Ordnung und ermöglicht eine Lösung der Spannung von Öffentlichkeit und öffentlichem i m öffentlichen Verfassungsprozeß 66. Beseitigt ist die Spannung nicht, da weitgehend umstritten sein wird, was „gute Ordnung", was Menschenwürde i n concreto bedeuten. 3. Gemeinwohl als Reflexionsgebot

Ist es somit Aufgabe der Verfassung, „Orientierung i m Handeln" zu geben für den öffentlichen Prozeß, i n dem das Volk i n der Auseinandersetzung u m das material öffentliche seine politische Existenz hat, dann hat „Gemeinwohl" außerhalb dieses Prozesses keine abstrakt-materiale Wirklichkeit. Dennoch geht das Gemeinwohl i n diesem Prozeß nicht 62 Z u r K r i t i k eines solchen Verständnisses vgl. die oben, § 11 I I , zur Staatslehre H. Krügers gemachten Ausführungen. 63 Z u dem hier vorausgesetzten Verständnis des Politischen vgl. oben §§ 8 u n d 12. 64 I n einer Auseinandersetzung m i t R. Wiethölter wertet P. Schwerdtner, ZRP 2 (1969), S. 139 f., unter Berufung auf Topitsch die „gute Ordnung" als Leerformel ab. 65 A. Hollerbach, Ideologie u n d Recht, S. 61. 66 Die Verwiesenheit der Gemeinwohlkonkretisierung auf „Verfahren" betonen ebenfalls: Ryffel, a. a. O., S. 27, 30; Schnur, S. 62, 70; Rupp, 119 f.

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unter; als Postulat der „guten Ordnung" steht es i h m i n kritischer Distanz gegenüber. Es mißt die gesellschaftlich-wirtschaftliche Faktizität an ihrer sinnorientierten Möglichkeit, es klopft die angebliche Gleichheit auf Ungleichheit, die offizielle Freiheit auf geheime Unterdrückung ab, es erinnert gegenüber den „Sachzwängen" des Tages an die Notwendigkeiten der Zukunft; es wiegt technischen und industriellen Fortschritt m i t den Maßsteinen menschlicher Bedürfnisse, des „Glücks". Demokratische Verfassungstheorie ist als öffentliche notwendig kritische Theorie.

I I I . Der öffentliche Verfassungsprozeß 1. Politik, Pluralität und Publizität

Die Frage, wie eine materiale Demokratietheorie möglich sei, ob das Grundgesetz sich i n seinem normativen Programm nicht übernommen habe, wenn es die politische Ordnung unverkürzt auf dem populus fundiert und zugleich an der salus publica orientiert, hat uns zu einer die beiden konstituierenden Elemente zunächst isolierenden Untersuchung veranlaßt. Doch schon bei dieser Untersuchung stießen w i r nicht auf jene unvereinbare Gegensätzlichkeit von Subjektivität und Objektivität, von Autonomie und Heteronomie, von Existentialität und Normativität, die uns nach der Prognose einiger Theoretiker hätte begegnen müssen. Vielmehr erkannten w i r auf der Seite des Volkes einen Normativitäts-, auf der Seite des Gemeinwohls einen Demokratiebezug. Unsere Formulierung des Problems als Problem des öffentlichen hebt diese Beziehung ans Licht und bringt sie auf den Begriff. Doch bewirkt sie wahrlich keine Harmonisierung oder spannungslose Identifizierung. Sie treibt die Problematik i m Gegenteil i n die Krise, indem sie alle Lösungen ausschließt, die jene Spannung zu einer Seite h i n auflösen: die i n diesem Sinne „bequeme" Lösung eines Gemeinwohlautomatismus ebenso wie die eines direktdemokratischen Dezisionismus. Das Problem jedoch, wie auf subjektiver Freiheit eine „Polis" zu gründen möglich sei, bleibt bestehen. Die Hegeische Identitätslösung ist uns verschlossen, da das Gemeinwohl als Reflexionsgebot den Schein jeder idealistischen „Aufhebung" zerstört und die unversöhnten Antagonismen und Gefährdungen des Volkes als gesellschaftlicher Wirklichkeit enthüllt. Da der „Staat" als höhere Ordnung und sittliches Reich sein Unvermögen bewiesen hat, bleibt nur noch „Politik" als menschliches Handeln m i t aller seiner Gefährdung. Grundbedingung menschlichen Handelns ist Pluralität. Pluralität ist nicht nur die conditio sine qua non, sie ist die conditio per quam aller

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Politik 6 7 . So w i r d der Untergang aller Einheitskonzeptionen zur Hoffnung des Neuansatzes: die plurale Struktur des Volkes und der Pluralismus der Gemeinwohlvorstellungen. Da Handeln auf ein Mithandeln anderer angewiesen ist, bedarf es eines Raumes. Dieser Raum ist der Bereich des öffentlichen. „»öffentlich' bezeichnet zwei eng miteinander verbundene, aber keineswegs identische Phänomene: Es bedeutet erstens, daß alles, was vor der Allgemeinheit erscheint, f ü r jedermann sichtbar u n d hörbar ist, wodurch i h m die größtmögliche Öffentlichkeit zukommt. Daß etwas erscheint u n d von anderen genau wie von uns selbst als solches wahrgenommen werden kann, bedeutet innerhalb der Menschenwelt, daß i h m W i r k l i c h k e i t z u k o m m t . . . Der Begriff des öffentlichen bedeutet zweitens die Welt selbst, insofern sie das uns Gemeinsame ist u n d als solches sich von dem unterscheidet, was uns privat zu eigen i s t . . . e 8 ." Jedoch ist die gemeinsame Welt des öffentlichen k e i n vorhandener Raum, i n dem m a n eintritt, sondern das Handeln selbst ist es, das diesen öffentlichen Raum überhaupt erst hervorbringt, damit als T a t der Freiheit sich selbst seine Möglichkeit verschaffend. Diese T a t der Freiheit aber k a n n scheitern, vor allem w e n n sie ihre Bedingung, die Pluralität, verleugnet. „Eine gemeinsame Welt verschwindet, w e n n sie n u r noch unter einem Aspekt gesehen w i r d ; sie existiert überhaupt n u r i n der Vielfalt ihrer Perspektiven." Z u r Sicherung ihrer Existenz bedarf das öffentliche der Macht. „Macht ist, was den öffentlichen Bereich, den potentiellen Erscheinungsraum zwischen Handelnden u n d Sprechenden, überhaupt ins Dasein r u f t u n d am Dasein erhält." Macht jedoch ist nicht etwas Unveränderliches, Meßbares, Verläßliches wie K r a f t oder Stärke, sondern das n u r i m Miteinander Mögliche, das selbst von Pluralität bedingte Machtpotential. Die auf Gewalt beruhende Tyrannis vermag sich nicht i m Erscheinungsraum des öffentlichen zu halten, sie ist i h r e m Wesen nach unpolitisch 6 9 . D a m i t ist i n aller Vorläufigkeit u n d Grobkörnigkeit der Einzelzeichnung die Dimension eröffnet, i n der i n je geschichtlicher K o n k r e t i o n die konkrete V e r fassung die rechtlich-politische Ordnung des Gemeinwesens als Öffentlichkeitsordnung gestaltet. Hervorgehoben sei das damit begründete Verständnis des öffentlichen als Raumes der Freiheit, i n dem die plurale Struktur, die Vielheit der Aspekte u n d Perspektiven sich durchhält; das Verständnis des öffentlichen als der durch Pluralität bedingten „gemeinsamen W e l t " menschlich-politischen Handelns; das Verständnis v o n Macht als einer v o n P l u r a l i tät u n d damit v o n Freiheit bedingten Potenz, die als solche den öffentlichen Bereich konstituiert u n d erhält; die i n alledem ausgeprägte Sicht des öffentlichen als des politischen Bereichs, dessen Bedingung Pluralität, dessen Wesen Freiheit u n d dessen M i t t e l Macht ist. 67 H. Arendt, V i t a activa oder v o m tätigen Leben, 1960, S. 15, vgl. 27 ff. — Die oben i m Text wiedergegebenen Überlegungen zum öffentlichen sind eine freie Aneignung von Gedanken Hannah Arendts; sie w o l l e n i m K o n t e x t unserer Darstellung verstanden werden u n d beabsichtigen nicht, den Zusammenhang der „ V i t a activa", deren Begriff des Handelns, der Arbeit, des Privaten zu rezipieren. — Z u m Begriff des Politischen bei A r e n d t vgl. M. Schmitz, Die Freund-Feind-Theorie Carl Schmitts, 1965, S. 15 ff. Der Versuch einer wissenssoziologischen Analyse bei Κ . H. Wolff , Versuch einer Wissenssoziologie, 1968, S. 184—236. Wenig aufschlußreich: D. Stolte, Der Mensch als handelndes Wesen. Hannah A r e n d t u n d die „ V i t a activa", i n : P o l i t i k als Gedanke u n d Tat, 1967, S. 17—27. 68 H. Arendt, ebd., S. 49, 52. 69 Ebd., S. 191,194,196 f.

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2. Die öffentliche Verfassungsordnung

Die Verfassung eröffnet den pluralen Kräften des Volkes einen öffentlichen Raum der freien Meinungs- und Willensbildung. I n den Grundrechten der Meinungs- und Pressefreiheit, der Versammlungs-, Vereinigungs- und Parteifreiheit schafft sie die normativen Bedingungen dafür, „ i n Erscheinung zu treten" und dadurch Wirksamkeit und W i r k lichkeit zu erlangen und i n der Auseinandersetzung vielfältiger Aspekte sich i m Konsens auf ein Gemeinsames zu einigen. Diesen Prozeß überläßt die Verfassung jedoch nicht sich selbst, da sie den Glauben, er vermöchte „von selbst" die Existenz, geschweige denn das „gute Leben" des Gemeinwesens zu gewährleisten, als tödliche Täuschung erkannt hat. Sie sichert und stabilisiert i h n auf zweifache Weise: sie stellt erstens Sinnprinzipien auf, die den Grundbestand dessen umschreiben, w o r i n das Volk sich aufgrund seiner geschichtlichen Erfahrungen einig ist und weiter einig sein soll; sie institutionalisiert zweitens die öffentliche Gewalt als vom Volke anvertraute und dem Volke verantwortliche Herrschaft 70 . I n alldem drängt sich die dritte Bedeutungskomponente des Öffentlichkeitsbegriffs i n den Vordergrund: das öffentliche als formelle Publizität. Die von der Verfassung grundgelegte Ordnung ist eine formell öffentliche Ordnung; ihre Publizität ist das Medium, i n welchem die fundamentale öffentlichkeit und das material öffentliche zugleich i n Freiheit Leben gewinnen. Die Funktion von Publizität für die politische Konstituierung, Legitimierung und Kontrolle der öffentlichen Gewalten ist von der deutschen, traditionell der rechtlich-gerichtsmäßigen Kontrolle den Vorzug gebenden Staatsrechtslehre erst i n jüngster Zeit wieder stärker betont worden 7 1 . Die Bedeutung von Publizität geht über eine bloß „äußere" Form weit hinaus, aus ihrer grundlegenden Funktion gewinnt sie einen eigenen Wert, einen quasi-materialen Charakter, besser: die trennscharfe Unterscheidung von formal und material ist ihr unangemessen, da die formelle Publizität des Verfassungsprozesses jene anderen Bedeutungsgehalte ununterscheidbar als deren innere Bedingung trägt. Seine volle Bedeutung gewinnt der Begriff des öffentlichen i n der freiheitlichen Demokratie nur i m spannungsvollen Zugleich seiner drei Bedeutungskomponenten. 70

Vgl. K . Hesse, Grundzüge, S. 55; R. Bäumlin, Z B J V 101 (1965), S. 93 f. Vgl. R. Bäumlin, Die Kontrolle des Parlaments über Regierung u n d V e r waltung, i n : ZSchwR N F 85 I I (1966), S. 165ff.; EUwein/Görlitz, Parlament u n d Verwaltung, T e i l 1: Gesetzgebung u n d politische Kontrolle, 1967; U. Scheuner, Verantwortung u n d Kontrolle i n der demokratischen Verfassungsordung, i n : Festschrift f. G. Müller, 1970, S. 379 ff., bes. 394 ff.; Öffentlichkeit als „zentrale institutionelle Kategorie des demokratischen Systems" auch bei A. Görlitz, Demokratie i m Wandel, 1969, bes. S. 26 ff. 71

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Es wurde schon auf die Gefährdungen hingewiesen, die das Politische als menschliches Handeln bedrohen; hier ist die Ungesichertheit und Organisierungsbedürftigkeit des öffentlichen als des Raumes des Politischen nochmals nachdrücklich zu betonen. Die Entmachtung, Verformung und Manipulation der politischen öffentlichkeit ist i n kritischen Betrachtungen zur öffentlichen Meinung, zu Parlamentarismus und Pluralismus von vielen Autoren, besonders eindrucksvoll von Jürgen Habermas, dargestellt worden 7 2 . Es erscheint aber voreilig, diese K r i t i k zu benutzen, u m das ganze „Prinzip Öffentlichkeit" auf den Schutt der Geschichte zu kehren. Solche K r i t i k bestätigt den Zerfall der traditionellen liberal-bürgerlichen und informiert über den schlechten Zustand der aus diesem Zerfall entstandenen gegenwärtigen Öffentlichkeit. Unsere Anstrengungen zur Herstellung und Organisation einer den augenblicklichen gesamtgesellschaftlichen Bedingungen adäquaten demokratischen, unsere theoriegeleiteten praktischen Versuche zur „sozialstaatlichen Transformation" 7 3 der Öffentlichkeit sind aber noch allzu dürftig, u m das kaum begonnene „Experiment Demokratie" schon wieder abzubrechen. Statt dessen ist die durch die bisherigen Erfahrungen bestätigte Erkenntnis fruchtbar zu machen, daß Öffentlichkeit wie Freiheit durch menschliches Handeln „hergestellt", durch Organisation und Planung konstituiert und gesichert werden muß. Solche Erkenntnis hat i n der Jurisprudenz noch schweren Stand gegenüber einem an naturwüchsiger Freiheit orientierten Grundrechtsverständnis; i n der Diskussion u m die freiheitssichernde Organisation von Rundfunk und Presse sind die Argumente nochmals kontraststark gegeneinander gestellt worden 74 . Aus der nicht intensiv genug zu führenden K r i t i k folgt die Notwendigkeit einer angemesseneren Formulierung des normativen Programms „Öffentlichkeit".

3. Demokratie und Komplexität

Sinn und Funktionsfähigkeit des Programms als solchem bestreiten zwei Einwände, auf die wegen ihres unmittelbaren Gegenwartsbezuges zumindest m i t einigen Hinweisen eingegangen werden muß: Die Oligarchiethese erklärt Demokratie nur noch i n einer Minimalform für realisierbar; die Technokratiethese hält Demokratie vollends für antiquiert. 72

J. Habermas, S t r u k t u r w a n d e l der Öffentlichkeit, S. 157 ff. Vgl. J.Habermas, ebd., S. 252; ders., Naturrecht u n d Revolution, i n : T h e o rie u n d Praxis, S. 82 ff. 74 Vgl. einerseits: U. Scheuner, Pressefreiheit, i n : V V D S t R L 22 (1965), S. 1 ff.; andererseits: E. Forsthoff, Z u r heutigen Situation einer Verfassungslehre, i n : Epirrhosis, Bd. 1,1968, S. 190 ff. 73

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Die zunehmend sich differenzierende Struktur der modernen Gesellschaft zur „Organisationsgesellschaft" führt zu einem Wandel demokratischer Öffentlichkeit. „ V o l k " ist nicht als homogenes Gesamtpublikum wirksam, sondern i n seiner pluralen Struktur und vielseitigen Organisation. Soll das demokratische Postulat i n dieser geänderten „ambiance" ungekürzt verwirklicht werden, so muß „das Öffentlichkeitsgebot . . . von den Staatsorganen auf alle staatsbezogen agierenden Organisationen ausgedehnt" werden. „ I m Maße seiner Verwirklichung würde anstelle eines nicht mehr intakten Publikums individuell verkehrender Privatleute ein Publikum der organisierten Privatleute treten. Nur sie könnten unter heutigen Verhältnissen über die Kanäle der innerparteilichen und verbandsinternen Öffentlichkeit, und auf Grund der für den Verkehr der Organisationen m i t dem Staat und untereinander i n K r a f t gesetzten Publizität, wirksam an einem Prozeß öffentlicher Kommunikation teilnehmen" 75 . A n der fundamentalen Bedeutung des damit knapp umschriebenen Konzepts innerorganisatorischer Demokratie 7®, dessen Reichweite, genauere Begründung und Durchformung kasuistisch zu erfolgen hätte, für eine moderne Demokratietheorie dürfte kein Zweifel bestehen. Diesem Konzept bestreitet die Oligarchiethese die Realitätschance. I m A n schluß an das vor fast fünfzig Jahren von R. Michels formulierte „eherne Gesetz der Oligarchie" behauptet eine vor allem von Lipset beeinflußte Forschungsrichtung, i n komplexen Organisationen bestehe auf Grund verschiedener Bedingungen die Tendenz, demokratische Willensbildung durch oligarchische Führung zu ersetzen. F. Naschold hat sich m i t dieser These gerade i n jüngster Zeit ausführlich auseinandergesetzt und sie m i t analytischen und theoretischen Argumenten kritisiert 7 7 . W i r können i n diesem Streit der Sozialwissenschaftler mangels Fachkompetenz nicht als Schiedsrichter auftreten. Aber w i r sollten aus dieser Kontroverse für unsere normative Theorie des öffentlichen doch eine Reihe von Lehren ziehen. Unter den Kritikpunkten, die Naschold gegen Lipset anmerkt, ist für uns insbesondere der Vorwurf interessant, die betreffenden Studien basierten bezüglich ihrer normativen Annahmen, auf einem stark reduzierten Demokratiebegriff. Aus der konstanten Divergenz von demokratischer Zielnorm und Realität werde der Schluß gezogen, daß die 75

J. Habermas, S t r u k t u r w a n d e l der Öffentlichkeit, S. 252. Z u r Problemstellung vgl. W. Abendroth, Innerparteiliche u n d innerverbandliche Demokratie als Voraussetzung der politischen Demokratie, i n : PVS 5 (1964), S. 307 ff. 77 F. Naschold, Demokratie u n d Komplexität, i n : PVS 9 (1968), S.494 ff.; ders., Organisation u n d Demokratie, 1969; jeweils m i t weiteren Nachw. Vgl. dazu auch die Kontroverse: N.Luhmann, K o m p l e x i t ä t u n d Demokratie, i n : PVS 10 (1969), S. 314 ff.; F. Naschold,Demokratie wegen K o m p l e x i t ä t e n : PVS 10 (1969), S. 326 f. — Die Notwendigkeit, i n einer komplexen Demokratietheorie auch die K o m p l e x i t ä t der Zielvorstellungen zu berücksichtigen, betont F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, 1970, bes. S. 18. 76

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normativen Annahmen zu hoch angesetzt seien und auf „more realistic" Postulate wie die Möglichkeit der Einflußnahme der Organisationsmitglieder auf die periodische Führungsauslese und eine gewisse Richtungskontrolle zurückzuschrauben seien. Naschold weist darauf hin, daß die normative Annahme, der reduzierte Demokratiebegriff, nicht theoretisch, sondern vorwiegend pragmatisch begründet werde. Der Schluß, daß konstante Divergenz von Ziel- und Istwert eine Herabsetzung des Zielwertes erfordere, sei jedoch i n keiner Weise zwingend; vielmehr sei zunächst eine Uberprüfung des analytischen Modells und des theoretischen Konzepts angebracht 78 . Nach Naschold erlaubt ein Uberblick über den heutigen Forschungsstand die Aussage, „daß mehr und bessere Argumente für die normativen Annahmen des klassischen Demokratiebegriffes—also für eine möglichst breite Partizipation als Mittel wie Zweck — vorgebracht werden können als für jede Variante des reduzierten Demokratiebegriffs" 79 . — Bei einem solchen, zumindest doch offenen sozialwissenschaftlichen Forschungsstand besteht für die Verfassungstheorie als Theorie des Öffentlichen jedenfalls kein Anlaß zur Einschränkung ihres Normprogramms. Es ist hier nicht der Ort, um zu untersuchen, inwieweit der „Realismus " der amerikanischen sozialwissenschaftlichen Theorie von einer bereits reduzierten politischen Theorie gesteuert ist, die er dann nachträglich empirisch „beweist" 8 0 . Die Verfassungslehre sollte sich aber selbstbewußter als „Auftraggeber" der empirischen Wissenschaften betrachten, auf der Konstanz des Zielwertes bestehen und so zu einer Verfeinerung des analytischen und theoretischen Instrumentariums drängen. Doch nicht nur diese bestätigende, sondern auch eine kritische Einsicht Nascholds ist für unsere Untersuchung wichtig. Naschold weist auf die schwierigen Probleme hin, denen moderne komplexe Organisationen ausgesetzt seien: Größe der Zahl ihrer Mitglieder, Leistungserbringung gegenüber einer unüberschaubaren und oft feindlich eingestellten Umwelt, Knappheit der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit, Schaffung von Konsens innerhalb einer sozial wie ideologisch differenzierten Mitgliederschaft 81 . Eine sinnvolle Demokratisierungstheorie oligarchischer Organisationen könne nicht auf den Abbau der bestehenden organisationsimmanenten Rationalität und Komplexität zielen, sondern müsse deren Erweiterung und Ausdehnung anstreben. Theoretisch bedeute dies, i n der Analyse fundamentaldemokratische Zielnormen einer participatory democracy m i t Organisationskonzepten von hoher theoretischer 78

Naschold, Demokratie u n d Komplexität, S. 503 f. Ebd., S. 502. 80 Z u den „analytischen Kosten" neuerer empirischer Demokratieanalysen vgl. W.-D. Narr, L o g i k der Politikwissenschaft, S. 19 ff.; Naschold, Demokratie u n d Komplexität, 495 ff., 518. 81 Naschold, ebd., S. 502. 79

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K o m p l e x i t ä t z u v e r b i n d e n . „ D i e strategische Konsequenz eines solchen theoretischen Ansatzes z i e l t a u f die S t e i g e r u n g o r g a n i s a t i o n s i n t e r n e r Demokratie bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung, w e n n nicht gar Steiger u n g d e r L e i s t u n g 8 2 . " D i e s e n A n f o r d e r u n g e n w ü r d e n aber n i c h t n u r d i e theoretischen K o n z e p t e d e r d i r e k t e n D e m o k r a t i e u n d des Rätesystems n i c h t gerecht, s o n d e r n auch eine v e r b r e i t e t e A u f f a s s u n g des K o n z e p t s der o r g a n i s a t i o n s i n t e r n e n Ö f f e n t l i c h k e i t u n t e r l i e g e d e r K r i t i k m a n g e l n der K o m p l e x i t ä t . H i e r „besteht die Vorstellung, daß eine demokratische u n d effiziente K o m munikationsform darin besteht, daß sich innerhalb eines all-channel network ein spontaner, allseitiger u n d ungehemmter Meinungsaustausch entwickelt, der die wichtigsten Funktionen v o n Kommunikation, w i e Beseitigung v o n Fehleinstellungen u n d Fehleinschätzungen, Lösung von Problemen, Erreichen von Kongruenz, erzielen kann. Die Ergebnisse der neueren theoretischen w i e empirischen Kommunikationsforschung widersprechen eindeutig dieser V o r stellung. So vollziehen sich die Denkprozesse auf individualpsychologischer Ebene n u r i n ganz bestimmten Fällen nach dem Muster freier Assoziation, vielmehr i m wesentlichen durch eine sich ständig weiterentwickelnde u n d komplexer werdende kognitive Subsystembildung. Ebenso bedürfen K o m m u nikationsprozesse von Organisationen der Strukturierung i m Sinne der Subsystembildung, d. h. Kommunikationsprozesse sind als strukturiert u n d asymmetrisch aufzufassen. Hierarchie, nicht i m Sinne des Befehlsmodells, sondern i m Sinne der schrittweisen u n d strukturierten Problemvereinfachung, ist ein notwendiger Bestandteil fast aller Kommunikationsformen. Öffentlichkeit nach A r t einer unstrukturierten, symmetrischen u n d simultanen Diskussion führt dann aber nicht zur Aufklärung, sondern zur Konfusion. Die hier v o r getragene K r i t i k richtet sich nicht gegen das normative Konzept der Öffentlichkeit als solches, sondern gegen die vorherrschende F o r m der wissenschaftlichen w i e politischen Operationalisierung, die ähnlich wie bei der Umsetzung der Rätekonzeption m i t den zu einfachen traditionellen Denkschemata arbeitet u n d den Organisationen weder theoretisch noch praktisch die erforderliche Komplexität vermitteln kann83." B e s t r i t t d e r „ R e a l i s m u s " d e r Oligarchiethese n u r die Chance e i n e r f o r t s c h r e i t e n d e n D e m o k r a t i s i e r u n g , so i s t f ü r das Technokratiekonzept 84 die m i t d e n B e g r i f f e n S e l b s t b e s t i m m u n g , A b b a u v o n H e r r s c h a f t , D e m o k r a t i e , Ö f f e n t l i c h k e i t angezeigte F r a g e s t e l l u n g v o n d e n R e a l i t ä t e n d e r m o d e r n e n I n d u s t r i e g e s e l l s c h a f t w e i t g e h e n d u m i h r e n S i n n gebracht: T e c h n i k h a t die W e l t v e r ä n d e r t , h a t sich selbst v o m M i t t e l z u m Z w e c k erhoben, n i c h t menschliche Bedürfnisse, s o n d e r n technische Effizienz als 82

Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 10. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 30; Demokratie u n d Komplexität, S.503. 84 A l s Vertreter dieses Konzeptes seien genannt: A. Gehlen, Die gesellschaftliche Situation i n unserer Zeit, i n : Anthropologische Forschung, 1961, S. 127 ff.; H. Schelsky, Der Mensch i n der wissenschaftlichen Zivilisation, i n : A u f der Suche nach der Wirklichkeit, 1965, S. 439 ff. — K r i t i k u n d weitere Nachw. bei F. Naschold, Demokratie u n d Komplexität, S. 497 f. u n d A . Görlitz, Demokratie i m Wandel, 1969, S. 104 ff. 83

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solche bestimmt das Handeln (Produzieren) der Menschen; Herrschaft, Politik, Kontrolle, das alles sind unangemessene Kategorien, da nicht Menschen, sondern „Sachzwänge" 85 herrschen. Eine Auseinandersetzung m i t diesen Thesen bedürfte einer umfassenden Theorie der industriellen Gesellschaft. Eine demokratische Verfassungstheorie muß die Wirklichkeitsaussagen dieser Thesen als eine ernste Herausforderung an die Glaubwürdigkeit und Effektivität ihres Programms annehmen. Soweit die „Realanalysen" jedoch m i t normativem Anspruch auftreten, muß sie ihnen als kritische Theorie entgegentreten. Einen Ansatz dazu vermag sie allerdings nur dann zu finden, wenn sie sich als Theorie des umfassenden „politischen Gemeinwesens" begreift. Wie ehedem das dualistische Theorem von Staat und Gesellschaft den Staat aus dem Gegenüber zur Marktgesellschaft definierte, so w i r d nun die aus dem ökonomischen Bereich analysierte „Technostruktur" (Galbraith) zur gesamtgesellschaftlichen Gesamtstruktur hypostasiert. Verfassungstheorie, die dagegen i m Namen menschlicher Selbstbestimmung protestiert, kann sich nicht auf die Institutionen des „Staates" beschränken; das Gemeinwohl als Reflexionsgebot gebietet ihr, auch „Wirtschaft und Gesellschaft" i n ihre Überlegungen mit einzubeziehen 86 . 4. Die dynamische Trias des öffentlichen

Diese Abhandlung kann nicht mehr sein als ein Prolegomenon zu dem Versuch, den Begriff des Öffentlichen i n einer demokratischen Theorie des Öffentlichen zu entfalten. Doch vermag schon das Bruchstückhafte und Vorläufige eines solchen Versuchs zu demonstrieren, welcher A n strengungen es bedarf, das von „Herrschaft" und „Staat" dirigierte vordemokratische System des öffentlichen auf „soziale Demokratie" h i n umzudenken. Schon i n der Einleitung haben w i r betont, daß dieses Programm nur durch eine geduldige Einkreisung von den verschiedensten Ausgangspunkten her erfolgreich erfüllt werden kann. Der unvermeidliche Abstraktionsgrad verfassungstheoretischer Direktiven bedarf der sorgfältigsten Transposition i n „anwendbares" Verfassungsrecht und von i h m bestimmte Rechtspolitik und Rechtsauslegung. Diese Konkretisierungsbedürftigkeit des öffentlichen ist für den Aspekt des Gemeinwohls und der öffentlichen Interessen gerade i n den letzten Jahren i n einer Reihe von Arbeiten hervorgehoben worden 87 . Diese Arbeiten zei85 Dazu kritisch W.-D. Narr, Systemzwang als neue Kategorie i n Wissenschaft u n d Politik, i n : Koch, Senghaas (Hg.), Texte zur Technokratiediskussion, 1970, S. 218 ff. 86 Vgl. i n diesem Zusammenhang E. Fraenkel, The D u a l State, 1948. 87 H. Huber, Das Gemeinwohl als Voraussetzung der Enteignung, i n : ZSchwR N F 84 I (1965), S. 39 ff.; E. Streissler, Z u r Anwendbarkeit von Gemein-

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gen aber zugleich auch, daß Konkretisierung nur als theoriegeleitete Konkretisierung möglich ist. Welche Dimensionen diese Konkretisierung i n sich aufzunehmen hat, wenn sie sich als Konkretisierung der demokratischen Verfassung des politischen Gemeinwesens versteht, zu dieser Frage möchten w i r einen Beitrag leisten, indem w i r die dynamische Struktur des Öffentlichen durchleuchten. Besonders deutlich w i r d die Ablösung des vordemokratisch statischen Begriffs des Öffentlichen durch die dynamische Trias des Öffentlichen i m Begriff der öffentlichen Gewalt, öffentlich ist diese als vom Volke anvertraute und dem Volke verantwortliche Gewalt, öffentlich ist sie, da ihre Konstituierung, Legitimierung und Kontrolle des öffentlichen Verfahrens bedarf (öffentliche Meinung, Presse, Verbände, Parteien, Parlament), öffentlich ist sie schließlich, da ihre (durch „Verfahren" an „ V o l k " orientierte) Gemeinwohlverantwortlichkeit ihr eine zusätzliche Legitimation und eine relativ selbständige, wenn auch durch Verantwortung rückgebundene Stellung verleiht. — „Schaltstelle" innerhalb der triadischen Struktur des öffentlichen ist die i n einem weiten Sinne und komplex verstandene Verfahrenspublizität. Da i n der Demokratie das Gemeinwohl weder dem Gesetzgeber noch der Exekutive als feste Größe zur Verfügung steht, bedarf es immer neuer Bestimmung. Auch die von der Verfassung hervorgehobenen „Unantastbarkeiten" sind dem öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß nicht entzogen. Sie setzen einen Konsens voraus und sind auf die immer neue Aktivierung des Konsenses angewiesen. Sie bedürfen zudem der Ausfüllung und Präzisierung, da i n ihnen keine umfassende Weltanschauung verbindlich gemacht ist (vgl. A r t . 4 GG; Verbot der Nicht-Identifikation). Was Menschenwürde bedeutet, was die Freiheit verlangt, das bedarf der öffentlichen Auseinandersetzung. Die Bedeutung des öffentlichen Verfahrens w i r d vor allem dann deutlich, wenn i n Zeiten des Umbruchs die Übereinstimmung über den unbezweifelten materialen Wertkodex zerbricht. Das Gemeinwesen kann hoffen, sich i n einem neuen tragfähigen Konsens zusammenzufinden, wenn es die Geltung des freien öffentlichen Verfahrens weiter akzeptiert 88 . — A m fernsten scheint die formelle Wohlvorstellungen i n richterlichen Entscheidungen, i n : Z u r Einheit der Rechts- u n d Staatswissenschaften, 1967, S. I f f . ; C. H. Ule, Allgemeines W o h l und öffentliche Interessen i n der Rechtsprechung der Verfassungs- u n d V e r waltungsgerichte, i n : W o h l der Allgemeinheit u n d öffentliche Interessen, 1968, S. 125 ff.; P. Häberle, „GemeinwohlJudikatur" u n d Bundesverfassungsgericht, i n : AöR 95 (1970), S. 86 ff., 260 ff. 88 Entgegen Fraenkel hält C. J. Friedrich, HDSW I I . (1959), S. 563, i n h a l t liche „agreements on fundamentals" i n der heutigen demokratischen Lebensw i r k l i c h k e i t nicht f ü r gegeben. „ N u r i m Bereich des demokratischen Verhaltens selber, i n der Anerkennung der Berechtigung des Gegners zu seiner M e i nung u n d allem, was damit zusammenhängt, u n d i n der Bereitschaft zur M i t arbeit an der Gemeinschaft ist jene Ubereinstimmung vorhanden."

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Publizität der exekutivischen Konkretisierung des „öffentlichen Interesses" zu stehen. Geschieht diese nicht i n der Abgeschiedenheit der Amtsstuben? Aber je mehr diese Konkretisierung auf sich selbst gestellt, je weniger sie bloßer Vollzug des öffentlich diskutierten Gesetzes ist, u m so mehr ist es erforderlich, das öffentliche Verfahren auch i n die Verwaltung hineinzunehmen, die Erörterung des öffentlichen Interesses mit den Beteiligten der Verwaltungsentscheidung voranzustellen, ein Erfordernis, das etwa i m Planungsrecht zunehmend verwirklicht wird. Unter den neueren Versuchen „öffentlich als Rechtsbegriff" zu konkretisieren, nimmt die Arbeit von Wolfgang Martens wegen der Fülle des i n ihr verarbeiteten Materials und wegen der Sorgfalt und Nüchternheit der Begründungen einen besonderen Platz ein 89 . Aus einer an anderer Stelle zu leistenden kritischen Würdigung sei i n diesem Zusammenhang nur eine bezeichnende Differenz zwischen den Ausführungen von Martens und unseren Überlegungen herausgenommen. Anders als „eine, vor allem i n Staatstheorie und Staatsrechtslehre verbreitete Richtung", die Publizitätsgebote deduktiv „aus ineinander verschlungenen allgemeinen Erwägungen politischer, ethischer, staatstheoretischer und i m eigentlichen Sinn verfassungsrechtlicher Provenienz" 90 gewinnt, kommt für die Untersuchung von Martens „öffentlich allein i n seiner Eigenschaft als Rechtsbegriff bzw. juristischer Begriff i n Betracht" 9 1 , der einer „den anerkannten Regeln juristischer Hermeneutik verpflichteten Auslegung" unterzogen wird 9 2 . Für das Problem von „Publizität als Rechtsgebot" ergibt dieses Vorgehen, „daß die weitaus meisten ausdrücklichen Publizitätsgebote des positiven Rechts verfassungsunabhängig und weder demokratischer noch rechtsstaatlicher Ableitung fähig sind" 9 3 . Das sich i n diesem Ergebnis abzeichnende, aus unserer Sicht zu enge, die oben dargelegten Zusammenhänge verkennende Verständnis von Publizität ist von Martens' methodischem Ansatz präformiert. Martens sieht „die vordringlichste Aufgabe einer begrifflichen Untersuchung . . . darin, die verschiedenen Begriffe möglichst präzise zu entwickeln und gegeneinander abzugrenzen" 94 . Zu diesem Zweck unternimmt er zunächst eine Analyse der historisch bestimmten Bedeutungssphären des Rechtswortes „öffentlich" 95 , seiner Primärbedeutung „offen" und der Bedeutungserweiterungen durch Verdrängung von „gemein" und durch Übersetzung von „publicus". A m Beispiel des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794 stellt er die Symbiose der sachlichen Ge89 90 91 92 93 94 95

W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969. Ebd., S. 50. Ebd., S. 37. Ebd., S. 96. Ebd., S. 54. Ebd., S. 36. Ebd., S. 24 ff.

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halte von „öffentlich", „gemein" und „publicus" i n einem und demselben Wort dar, auf der „auch die unzähligen neuen Wortzusammensetzungen m i t dem Bestandteil ,öffentlich' i n den Gesetzen des 19. und 20. Jahrhunderts sowie die unablässigen Bemühungen der Wissenschaft sowohl u m Begriffsdifferenzierungen wie u m Neuinterpretationen" beruhten 9 6 , wobei die i m A L R hergestellte Kongruenz von „öffentlich" und „staatlich" die weitaus wichtigste Bedeutungserweiterung des Wortes überhaupt sei. Dieser sprachgeschichtliche Ansatz bestimmt nicht nur äußerlich das Gliederungsschema der Arbeit, sondern unmittelbar die sachliche Analyse: die i m zweiten („öffentlich als Ausdruck der Beziehung auf den Staat und andere öffentliche Rechtssubjekte") und dritten Teil („öffentlich als Bestandteil von Wertbegriffen") erörterten Bedeutungssphären werden „scharf von seiner auf das alte deutsche Wort ,offen 4 zurückführbaren Grundbedeutung unterschieden" 97 , denn: „Der i n dieser sprachlichen Tradition wurzelnde Begriff hat m i t den später hinzugetretenen Sinngehalten nichts gemein; sie sind daher bei seiner Erfassung bewußt und konsequent außer Betracht zu lassen" 98 . Es ist nicht zu übersehen, daß hier eine am vordemokratischen Allgemeinen Landrecht exemplifizierte „sprachliche Tradition" das Trojanische Pferd ist, i n dem das alte, an „Staat" und „Hoheitsgewalt" orientierte Schema des öffentlichen auf demokratisches Neuland gerettet w i r d ; welche Vermittlerrolle dabei „die herkömmliche Methode der Norminterpretation" 9 9 spielt, bedürfte einer genaueren Analyse. Martens kann sein Programm, „nur von den positivrechtlich vorhandenen einzelnen Publizitätsbestimmungen" auszugehen 100 , nicht erfüllen; auch seine Auslegung w i r d von einem, allerdings nicht hinreichend offengelegten, Demokratieverständnis entscheidend mitbestimmt. Da es sich bei diesem Demokratieverständnis um ein einseitig auf die Institutionen Wahl und Parlament reduziertes Demokratieverständnis handelt, kann Martens die dialektisch-dynamische Struktur des öffentlichen nicht angemessen erfassen, bleibt bei ihm die „staatsbezogene Öffentlichkeit" der nicht nur dem Umfang nach gewichtigste Abschnitt, bleibt Publizität von den Kernzonen des Öffentlichen isoliert und ihnen äußerlich. Das Problem des Öffentlichen muß auch, es kann aber nicht nur als positivrechtliche Rechtsbegriffsanalyse behandelt werden. Das Öffentliche bringt immer — offen oder geheim — den Gesamtzusammenhang von Staat, Recht und Methode m i t ins Spiel. Das macht die Schwierigkeit und für eine weitgehend noch vordemokratisch geformte Dogmatik die 96 97 98 99 100

Ebd., S. 33 ff., das Zitat auf S. 36. Ebd., S. 81. Ebd., S. 42. Ebd., S. 39. Ebd., S. 54.

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herausfordernde Virulenz des demokratisch verfaßten öffentlichen aus. Seine Aufgabe ist es, die abstrakte Ausschließlichkeit des direktdemokratischen und repräsentativen Modells, zugunsten einer Wirklichkeit zu überwinden, i n der der „klassische" normative Anspruch von „ V o l k " in die öffentlichen Verfahren und Institutionen der parlamentarischrepräsentativen, rechtsstaatlichen Demokratie „aufgehoben" ist.

§ 14 Der soziale Rechtestaat als eine spezifisch öffentliche Ordnung des Gemeinwesens Gegenüber dem Versuch Rüdiger Altmanns, die Bedeutung des Problems der Öffentlichkeit für die moderne Demokratie zu analysieren 1 , ist der V o r w u r f erhoben worden, hier werde i n der öffentlichkeit ein „armseliger Staatsersatz" angeboten 2 . Ging diese K r i t i k auch fehl, soweit sie aus der Enttäuschung über den Verlust an „Staatssubstanz" argumentierte, m i t dem Hinweis auf eine Vernachlässigung des Rechts legte sie den Finger auf eine schwache Stelle i n Altmanns Entwurf. Es drängt sich die Frage auf, ob diese Schwäche nicht eine allgemeinere Feststellung erlaubt. Ist nicht zu fragen, ob sich nicht zwar die Demokratie als eine spezifisch öffentliche Ordnung oder „Öffentlichkeitsordnung" interpretieren läßt, der Rechtsstaat jedoch sich einer solchen Interpretation entzieht? Eine solche Fragestellung ergibt sich folgerichtig aus der These vom Gegensatz zwischen Rechtsstaat und Demokratie. Wie diese These trifft sie nicht den aufgegebenen Sinn der geltenden Verfassungsordnung. I n der Charakterisierung als öffentlich kommt vielmehr gerade zum Ausdruck, daß die demokratischen und rechtsstaatlichen Verfassungselemente aufeinander verweisen und aufeinander angewiesen sind. I. Das Recht im öffentlichen Gemeinwesen Die angeblich unüberbrückbare Antinomie von Demokratie und Rechtsstaat entstammt einem Denken, das die aufgegebene Wirkungseinheit des geschichtlich-konkreten Gemeinwesens i n abstrakte A n t i thesen und Polaritäten auflöst, i n dem Recht und Politik, Recht und Macht, Recht und Staat einander i n innerer Fremdheit und Beziehungslosigkeit gegenübertreten. Es ist jene, bereits ausführlich dargestellte „Staatsgewaltlehre", die die Funktion des Rechts allein i n der Ab- und Ausgrenzung vorgegebener Freiheitssphären gegen Staat, Macht und Politik sieht und für die sich Rechtsstaatlichkeit i m förmlichen Schutz der Individualrechte vor ungesetzlichen „Eingriffen" des die Macht verkörpernden Staates erschöpft. Es ist insbesondere die konsequente Fort1 R. Altmann, Das Problem der Öffentlichkeit u n d seine Bedeutung f ü r die moderne Demokratie, Diss. 1954. 2 H. J. Arndt, Öffentlichkeit als Staatsersatz, i n : ARSP X L I I (1956), S. 239 ff., 245.

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führung dieses formalistischen Denkens i n den dualistischen Systemen Carl Schmitts und Forsthoffs, i n denen das Verständnis des Rechtsstaats als „System rechtstechnischer Kunstgriffe zur Gewährleistung gesetzlicher Freiheit" 3 das Ungenügen des Rechtsstaates impliziert: dort für das kraftvollere Geschäft der Politik, das allein der Demokratie überlassen bleibt, hier für die drängendsten Aufgaben des modernen Staates, die der dem Rechtsstaat entschlüpften sozialstaatlichen Verwaltung überantwortet werden. Solchen Antinomien und Dualismen gegenüber ist an die konkrete Identität des Gemeinwesens zu erinnern, das nicht i n der Abstraktheit widersprüchlicher Prinzipien existiert, sondern i n der aufgegebenen politischen Realisierung des i n der Rechtsverfassung entworfenen Lebensplans; eines Gemeinwesens, das „sich selbst nicht über, sondern in das Recht stellt" (O. Gierke) 4 , i n dem das Recht neben einer abgrenzenden negativen Funktion eine zusammenordnende, politisches Zusammenwirken erst ermöglichende positive Funktion hat (vgl. Haenel) 5 . Dem formalen ist ein materiales Rechtsstaatsverständnis entgegenzustellen, wie es für die Gegenwart insbesondere von Kaegi, Bäumlin, Scheuner und Hesse fruchtbar gemacht worden ist®. Ein solches Rechtsstaatsverständnis, das die rechtliche Bindung und Mäßigung von „Herrschaft" und den Schutz der persönlichen Freiheit nicht allein von förmlichen Vorkehrungen, sondern vor allem auch von einem „freien politischen Lebensprozeß" (Hesse) erwartet, ist i n den Überlegungen zum Verfassungsbegriff und zum Begriff des Politischen (vgl. § 12) und i n der Auffassung der Demokratie als einem i n Freiheit auf die „gute Ordnung" ausgerichteten öffentlichen Prozeß (vgl. § 13) bereits angelegt. Von hier aus kann die trennende Entgegensetzung einer Sphäre staatsisolier3 E. Forsthoff, U m b i l d u n g des Verfassungsgesetzes, i n : Rechtsstaat i m Wandel, S. 174. K r i t i s c h zu C. Schmitt: W. Kaegi, Rechtsstaat u n d Demokratie (1953), S. 107 ff. 4 Vgl. oben §10 I I I , S. 191 f. 5 Vgl. oben § 10 I I 2 b, S. 197 ff. Grundlegend jetzt R. Bäumlin, Staat, Recht u n d Geschichte, 1961, passim, ζ. B. S. 24. ® R. Bäumlin, Die rechtsstaatliche Demokratie, 1954; Der schweizerische Rechtsstaatsgedanke, i n : Z B J V 101 (1965), S. 81—102; A r t . : Rechtsstaat, i n : EStL (1966), Sp. 1733 ff., U. Scheuner, Begriff u n d Entwicklung des Rechtsstaats, i n : Dombois-Wilkens, Macht u n d Recht, 1956, S. 76 ff.; Die neuere Entwicklung des Rechtsstaats i n Deutschland, i n : 100 Jahre Deutsches Rechtsleben, I I , 1960, S. 229 ff.; vgl. auch Grundfragen des modernen Staates, i n : RStW 3 (1951), S. 151 ff. K . Hesse, Der Rechtsstaat i m Verfassungssystem des Grundgesetzes, i n : Staatsverfassung u n d Kirchenordnung. Festg. f. Smend, 1962, S. 71 ff.; Grundzüge, S. 74 ff., 103 ff. — Aus der schweizerischen Rechtsstaatsdiskussion sei vor allem genannt: W. Kaegi, Z u r E n t w i c k l u n g des schweizerischen Rechtsstaates seit 1848, i n : 100 Jahre Schweizerisches Recht, 1952, S. 173 ff.; Rechtsstaat u n d Demokratie, i n : Demokratie u n d Rechtsstaat, Festgabe f ü r Giacometti, 1953, S. 107 ff. — H. Huber, Niedergang des Rechts u n d Krise des Rechtsstaates, i n : Demokratie u n d Rechtsstaat, S. 59 ff.

§ 14 Der soziale Rechtsstaat als eine spezifisch öffentliche Ordnung

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ter Privatfreiheit gegen einen Bereich an Befehl und Eingriff orientierter Staatsmacht überwunden und die leistende Tätigkeit des Staates aus ihrer Vernachlässigung als bloßes „Akzessorium der Befehlsverwaltung" befreit werden 7 . Der Sozialstaat bewirkt nicht eine Denaturierung eines als „Hoheitsrecht" gegebenen öffentlichen Rechts; vielmehr ist das öffentliche Recht an seinen Aufgaben zu entwickeln: als sozial-rechtsstaatliches öffentliches Recht. 1. Recht und Staat

Das Recht steht i m Rechtsstaat der öffentlichen demokratischen Ordnung nicht nur nicht entgegen, es ist Bedingung ihrer Möglichkeit 8 . M i t allen seinen institutionellen Vorkehrungen (Gewaltenteilung, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, effektiver Rechtsschutz) schützt der Rechtsstaat Freiheit und Gleichheit (vgl. insbes. A r t . 2 u. 3 GG) und i n ihnen die Grundlagen der Demokratie 9 ; i n den Grundrechten der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 5, 8 u. 9 GG) sichert er die Öffentlichkeit, i m Grundrecht der Religions- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 GG) die Offenheit des politischen Lebens. I m sachlichen Gehalt der Grundrechte und verfassungsgestaltenden Grundprinzipien 1 0 (vgl. insbes. A r t . 1 u. 20 GG) hebt er die Gemeinsamkeiten hervor, i n deren Rahmen ein pluralistischer Prozeß erst möglich wird, und macht sie für alles Handeln der öffentlichen Gewalt rechtsverbindlich. Durch Organisation und feste Verfahrensregelungen schafft er eine gewisse Stabilisierung, die die Entscheidung offener Fragen erst erlaubt, und bewahrt so den Verfassungsprozeß davor, i n übergroßer Dynamik zu zerfließen. Er hält M i t t e l bereit zur Beschränkung und Rationalisierung der Macht 11 , deren Realität und Bedrohlichkeit er bei aller Respektierung von „Konsens" und „Einigung" nicht gering veranschlagt. Er t u t dies vor allem durch Schaffung klarer Verantwortlichkeiten, deren Realisierung er durch ein ausgedehntes System gerichtlichen Rechtsschutzes, nicht zuletzt aber auch durch die Ermöglichung „politischer Verantwortlichkeit" sichert, letztere, indem er den rechtlichen Rahmen für die Kontroll7

Vgl. oben § 8 1 2 b, bes. S. 112. Z u m Folgenden bes. die i n A n m . 6 angegebenen Schriften von Hesse u n d Scheuner. 9 Vgl. K . Hesse, Gleichheit u n d Freiheit als Grundprinzipien heutiger staatlicher Ordnung, 1962. E.-W. Böckenförde, Das Ethos der modernen Demokratie, a. a. O., S. 7 ff. — Dazu, daß der auf dem Prinzip der formalen Rationalität basierende Staat n u r existieren kann, w e n n er ein Rechtsstaat ist, nachdrücklich E. Fraenkel, Der Pluralismus als Strukturelement der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie, a. a. O., S. Β 29. 10 Vgl. dazu auch H. J. Wolff, Rechtsgrundsätze u n d verfassungsgestaltende Grundentscheidungen als Rechtsquellen, i n : Forschung u n d Berichte aus dem öffentlichen Recht. Gedächtnisschrift f. W. Jellinek, 1955, S. 33 ff. 11 H. Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 88 u. ö. 8

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funktion von Parlament, Parteien und öffentlicher Meinung, ζ. B. i m Schutz einer effektiven Pressefreiheit oder i n der Offenlegung der Parteifinanzen, herstellt. I n alledem trägt der Rechtsstaat bei zur Rationalisierung des politischen Gemeinwesens. Die Rationalität der demokratischen Publizität — Zugänglichkeit, Überschaubarkeit, Möglichkeit der Einsichtnahme und Teilnahme 1 2 — vertieft die rechtsstaatliche Rationalität als eine Sonderform formeller Öffentlichkeit, i n dem sie nicht nur Überschaubarkeit, sondern Einsehbarkeit, nicht nur Einsichtnahme, sondern die Möglichkeit wirklicher Einsicht gewährt. 2. Staat und Recht

Bringt somit die auf einer Trennung basierende, erst nachträglich zuordnende Und-Formel „Recht und Staat" Wirklichkeit und Wirksamkeit des Rechts i m öffentlichen Gemeinwesen nicht adäquat zum Ausdruck, so gilt Entsprechendes für die Formel „Staat und Recht". Der Staat steht dem Recht nicht nur als bedrohliche Gewalt gegenüber (sowenig auch solche Bedrohung verkannt werden darf), als vom Recht konstituierter, legitimierter und kontrollierter Staat, als Rechtsstaat, dient er zugleich auch immer dem Recht. Das Recht ist nicht nur Recht i m öffentlichen Gemeinwesen, es ist auch Recht des öffentlichen Gemeinwesens, nicht jedoch zur Verfügung dieses Gemeinwesens. I n seiner Rechtsverfassung sind die obersten Rechtsgrundsätze formuliert, nach denen das Volk leben w i l l und soll; i n seiner Gesetzgebung gibt es diesem Leben genauer „Richtschnur, Regel, Maßstab" (Haenel) 13 ; i n Rechtsprechung und Verwaltung konkretisiert es das Recht, dessen Durchsetzung es zu sichern berufen ist. Das Recht ist Recht des öffentlichen Gemeinwesens jedoch noch i n einem tieferen, die innere Struktur des Rechtes selbst mitbestimmenden Sinne: als Recht des demokratischen Gemeinwesens ist es i n einem prägnanten Sinne „öffentliches Recht". I I . Die öffentliche Struktur des Rechts 1. Substantielle Rationalität

Seiner Aufgabe, die Öffentlichkeit der res publica herzustellen und zu sichern, vermag das Recht nur zu genügen als ein seiner inneren Struktur nach öffentliches Recht. Rationalität ist nicht nur ein äußerer Effekt, sondern Wesensmerkmal des modernen Rechts. Rationalität bezeichnet hier zunächst den Gegensatz zu der von Max Weber beschriebenen for12 13

K. Hesse, Grundzüge, S. 55. Vgl. oben § 10 I I 2 c, S. 199.

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mellen Irrationalität, jener Rechtsschöpfung und Rechtsfindung also, bei der „andere als verstandesmäßig zu kontrollierende M i t t e l angewendet werden, ζ. B. die Einholung von Orakeln oder deren Surrogaten" 14 . Sie ist jedoch nicht i m Sinne der von Weber i n den Vordergrund gestellten formellen Rationalität zu verstehen, nicht also als Lückenlosigkeit eines Systems abstrakt formaler Rechtssätze, sondern i m Sinne der von K a r l Mannheim so bezeichneten substantiellen Rationalität 15 . Diese unterscheidet Mannheim von der Rationalität optimal organisierten Funktionierens und bestimmt sie als „die Fähigkeit, i n einer gegebenen Situation auf Grund eigener Einsicht i n die Zusammenhänge vernünftig zu handeln"; von der funktionellen Rationalisierung des modernen industriegesellschaftlichen Lebens sieht er sie bedroht, da es immer „weniger Stellen (gibt), von denen aus die großen Gesellschaftszusammenhänge durchsichtig werden, und immer weniger Menschen, denen diese Vorzugsstellen zugänglich sind". Es ist Aufgabe nicht nur der normativen Verfassung, sondern unter ihrem „Vorrang" des das Gemeinwesen bestimmenden Rechts überhaupt, „Orientierung i m Handeln" zu geben. Diese Aufgabe vermag es nur als substantiell rationales und i n diesem Sinne selbst öffentlich strukturiertes Recht zu erfüllen. Die zunehmende „Masse" des gesetzten und gesprochenen Rechts zugleich m i t der zunehmenden Abhängigkeit des einzelnen i m Sozialstaat und die von daher drohende „Überanstrengung des Rechts" 18 stellt heute die Notwendigkeit dieser Öffentlichkeit i n helles Licht. Mag bei der inhaltlichen „Richtigkeit" des Rechts die Vorstellung noch verständlich sein, diese sei vorgegeben und brauche nur „gefunden" zu werden, die rationale „Form" des Rechts erscheint überdeutlich als Menschenwerk, abhängig vom Stil der Gesetzgebung und Rechtsprechung, von der Quantität der Gesetze, Novellierungen und Verordnungen, von der „Öffentlichkeitsarbeit" der Parlamente und Gerichte usw. Eine schroffe Alternative gerechtes oder ungerechtes Recht trifft nicht die geschichtliche, aller Unzulänglichkeit menschlichen Handelns überantwortete Wirklichkeit des Rechts. Gerade vom Erfordernis substantieller Rationalität her zeigt sich eine ganze Skala vom „guten", einsehbaren, überzeugenden und daher annehmbaren Recht über minder qualifiziertes bis zum „schlechten", die Zusammenhänge verdeckenden, die Gründe verdunkelnden Recht 17 . Dieses w i r d wegen des „for14

M . Weber, Rechtssoziologie. Hrsg. v. Winckelmann, 1960, S. 101 ff., 102. K . Mannheim, Mensch u n d Gesellschaft i m Zeitalter des Umbaus, 1958, S. 61 ff.; das folgende Z i t a t S. 68. 16 H. Huber, Niedergang des Rechts, a. a. O., S. 79. 17 Gute Beispiele zur Rationalität rechtsstaatlichen Rechts bei MaunzDürig, Grundgesetz, A n m . 79 ff. zu A r t . 20 (u. a. Klarheit, Widerspruchslosigkeit der Gesetze), A n m . 47 zu A r t . 2 I (Verbot rückwirkender Belastungsgesetze als Ausdruck des Prinzips der Meßbarkeit u n d Vorausberechenbarkeit aller staatlichen Machtäußerungen i m Rechtsstaat). 15

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malen" Mangels als w i l l k ü r l i c h und damit ungerecht empfunden, mag „höherer" Einsicht seine Richtigkeit auch zugänglich sein. Auch hier also ist die Grenze zwischen Formalem und Materialem verwischt, ist formelle Öffentlichlichkeit von materialer Qualität. 2. Rechtsverwirklichung im öffentlichen Prozeß

I n einem zweiten, m i t dem bisher Gesagten zum Teil sich überschneidenden Sinne ist das Recht formell öffentliches Recht: i n seiner Angewiesenheit auf einen öffentlichen Prozeß der Rechtsverwirklichung. Das setzt die vor allem von Bäumlin bewußt gemachte Einsicht i n den „ V o l l zugscharakter" des Rechts voraus, die sich aus der Geschichtlichkeit des Rechts ergebende Erkenntnis, daß es sich „bei rechtlichem Handeln nie u m bloßen Nachvollzug eines schon ,Daseienden' handeln" kann, daß vielmehr das positive Recht „identisch (ist) m i t dem Prozeß seiner Verwirklichung und also nicht außerhalb dieses Geschehens" besteht 18 . Die Publizität des Rechts i n seinem Verwirklichungsprozeß ist von Kant für die Gesetzgebung, von Feuerbach und Mittermaier für die Gerichtsbarkeit gefordert worden 19 , sie gilt nicht minder für die Rechtsakte der Verwaltung 2 0 . Als Begründung für diese Forderung werden w i r heute „nach einem Jahrhundert ernüchternder massenpsychologischer Erfahrungen und Theorien" 2 1 nicht den optimistischen Glauben an eine gleichsam automatisch sich herstellende Gerechtigkeit i m Medium der Öffentlichkeit aufbringen. Nüchterner werden w i r die der Publizität immer anhaftende Kontrollfunktion betonen, darüber hinaus aber vor allem die nur i n Öffentlichkeit mögliche Beteiligung der Rechtsgenossen an der Verwirklichung des geschichtlichen Rechts. Öffentlichkeit des Rechtsverfahrens ist dann nicht nur das „Prinzip der offenen Tür", sondern bestimmt den Gang von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung von der frühzeitigen Anhörung der Beteiligten, der Zugänglichkeit aller Materialien und A k t e n über die offene Diskussion und das „Rechtsgespräch" bis h i n zur ausführlichen, verständlichen, die wahren Gründe und das „Vorverständnis" offenlegenden

18

R. Bäumlin, Staat, Recht u n d Geschichte, S. 37. A. Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit u n d Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, 1821, bes. S. 86 ff.: A b l e i t u n g der Notwendigkeit öffentlicher Rechtspflege aus der Idee der Gerechtigkeit als das Offene, U n verborgene, S. 87; Sicherung der Parteirechte, S. 159, 167; aus eigenem Recht des Volkes, S. 167. Vgl. ders., Uber die Gerichtsverfassung, 1825. — Dazu A. Hollerbach, Der Rechtsgedanke bei Schelling, 1957, S. 146. — Z u m Problem jetzt A. Arndt, Das öffentliche, 1. Gerichtsöffentlichkeit, i n : N J W 1960, S. 423 ff.; Reynold, (Hg.), Justiz u n d Öffentlichkeit, 1966; E. Rotberg, Öffentlichkeit der Rechtspflege, i n : S t u d i u m generale 23 (1970), S. 752—768. 20 Vgl. z. B. Hämmerlein, V e r w a l t u n g u n d Öffentlichkeit, 1962. 21 R. Smend, Z u m Problem des öffentlichen, a. a. O., S. 15. 19

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Begründung. Die Sinn- und Rechtlosigkeit des Kafkaschen Prozesses liegt nicht zuletzt i n seiner „substantiellen Heimlichkeit".

I I I . Das öffentliche Redit I n dem weiten und grundsätzlichen Sinn, i n dem bisher die Öffentlichkeit des Rechts betrachtet wurde, ist alles Recht „öffentliches Recht". Nur i m Rahmen dieses strukturellen Zusammenhangs können Charakteristika eines engeren Begriffs des öffentlichen Rechts bestimmt werden, das die dualistische Theorie aus dem schroffen Gegensatz zum freiheitssichernden Privatrecht definierte. Diese Definition ist nicht nur aus „zufälliger" Diskrepanz zu einigen Fakten fraglich (vgl. § 7), sondern sie ist unter der Direktive einer die rechtlich-politische Gesamtordnung gestaltenden Verfassung obsolet geworden. Die liberale Schablone von Gesetzlichkeit und Freiheit 2 2 hat i n einem Gemeinwesen ihren Sinn verloren, i n dem Freiheit gerade von „guten" Gesetzen, von gestaltender öffentlicher Wirksamkeit erwartet wird. Öffentliches Recht i m Sinne eines rechtsförmlichen Ausdruckes für den „Mehrwert" (Kelsen) des Staates ist nicht die Lebensform eines freien politischen Gemeinwesens, i n dem es den „Staat" als totalen Status nicht mehr gibt. Der Sinn der Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht kann nur aus ihrer je verschiedenen Funktion i n der einen freien Gesamtordnung ermittelt werden. Die funktionale Betrachtung erlaubt nur eine behutsame, Nuancen und Differenzierungen beachtende Beibehaltung des überkommenen Sprachgebrauchs.

1. Demokratie und Recht

Das i m engeren Sinne öffentliche Recht des politischen Gemeinwesens ist i m demokratischen Sozialstaat i n einem inhaltlichen Sinne öffentliches Recht, nicht nur auf das Volk als die Öffentlichkeit bezogenes, sondern auch von daher inhaltlich bestimmtes Recht. Die damit angerührte Problematik kann hier nicht einmal i n ihren Grundzügen dargestellt werden 23 . Für den hier gegebenen Zusammenhang mögen einige Hinweise das Gemeinte wenigstens andeuten. Durchzuhalten ist dabei die Einsicht, daß die Wirklichkeit des Rechts auf das Handeln des Men22

Vgl. oben § 5 I I , S. 76. Wichtig dazu E.-W. Böckenförde, Die historische Rechtsschule u n d das Problem der Geschichtlichkeit des Rechts, i n : Collegium Philosophicum, 1965, S. 9 ff. Vgl. R. Bäumlin, Staat, Recht u n d Geschichte, 1961, passim; W. Kaegi, Z u r Entwicklung des schweizerischen Rechtsstaates, a. a. O., S. 179, 215; U. Scheuner t Die neuere E n t w i c k l u n g des Rechtsstaats i n Deutschland, a. a. O., S. 234 ff., 250. 23

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sehen angewiesen, daß dieses seine Wirklichkeitsbedingung ist; daß zugleich aber das Recht dem menschlichen Verhalten als Beurteilungsmaßstab entgegentritt, dieses an der „Gerechtigkeit", der „Rechtsidee", der „Idee des Richtigen" messend 24 , öffentliches Recht würde diese Spannung aufheben, wollte es die totale Rückführung des Rechts auf ein i n souveräner Dezision rechtschaffendes Volk ausdrücken, wollte es i n diesem verkürzten Sinne als „demokratisches Recht" verstanden sein, — eine nicht nur von der Verfassung i n A r t . 79 Abs. 3 Grundgesetz zurückgewiesene, sondern i n ihrem Voluntarismus auch realitätsferne Lösung, öffentliches Recht wäre aber auch verfehlt, wenn es als Synonym für „Volksrecht" i m Sinne des vom Volksgeist emanierten Rechts gelten sollte; eine Lösung, die nun wieder den Entscheidungscharakter des Rechts und seine i m modernen Staat offenkundige Positivität vernachlässigen würde. Weder von „reiner" Autonomie, noch von „reiner" Heteronomie kann ausgegangen werden, sondern nur von der solche Begriffsgrenzen nicht achtenden Geschichtlichkeit des Rechts. Als menschliche Wirksamkeit ist das Recht Teil der gesamtgesellschaftlichen Wirklichkeit, Wirklichkeit des „Volkes", wie es oben (§13 I) als die Öffentlichkeit i n seiner pluralen Struktur und seiner geschichtlichen Dimension, nicht zuletzt i n seinem normativen Anspruch dargestellt worden ist. Recht ist nie nur aktuelle Setzung, sondern steht immer i n einer „Partnerschaft m i t den vergangenen Generationen" 25 ; diese geschichtliche Dimension eignet i n einem hervorragenden Sinne dem öffentlichen Recht 26 , öffentliches Recht ist i m demokratischen Gemeinwesen nicht kühne Tat des einzelnen, sondern bedarf des „Zusammenwirkens i n der Gleichzeitigkeit" 27 . Erhält es aus den Rechtserfahrungen der Vorfahren und aus den unbezweifelten Leitbildern der Lebenden 28 Festigkeit, so aus der von der Rechtsgeschichte berichteten Pluralität der Rechtsüberzeugungen 20 und aus dem Wertpluralismus der Gegenwart seine Offenheit 30 .

24 G. Leibholz, Der Zweck i m Recht (1927), i n : Strukturprobleme, S. 282. „Rechtsidee" soll nicht auf eine A p r i o r i t ä t hinweisen, vgl. E.-W. Böckenförde, a. a. O., S. 29. 25 R. Bäumlin, Der schweizerische Rechtsstaatsgedanke, a.a.O., S. 92; vgl. auch W.Dantine, Die Geschichtlichkeit des Rechts als ethisches Problem, i n : ZEE 6 (1962), S. 321 ff. 26 Z u r gegenüber dem Privatrecht stärkeren Geschichtsoffenheit des öffentlichen Rechts vgl. jetzt auch W. Leisner, I m p e r i u m i n fieri, i n : Staat 8 (1969), S.273 ff. 27 R. Bäumlin, ebd., S. 93. 28 K . Hesse, Grundzüge, S. 9. 29 K . Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz i m Staatsrecht, i n : A ö R 77 (1951/52), S. 167 f., 219 ff. 30 H. Ryffel, Der Wertpluralismus unserer Zeit als philosophisches Problem, i n : A R S P 42 (1956), S. 305 ff., 507 ff.

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2. Das öffentliche Recht als „Rahmenordnung"

Es ist richtig, daß i n der parlamentarischen Demokratie das positive Recht von der Parlamentsmehrheit gesetzt wird. Es ist aber keine Beschreibung der normalen und normativ aufgegebenen demokratischrechtsstaatlichen Gesetzgebung, sondern eine Analyse von Perversionserscheinungen, daraus ein Willkürrecht der Gruppen abzuleiten, die die Schaltstellen besetzt haben. Gesetzgebung ist i m pluralistischen Rechtsstaat immer ein „gegliederter Vorgang durch Zusammenwirken verschiedener Faktoren" 3 1 , der auf einen größtmöglichen Konsens gerichtet ist: auf eine Einigung i n der Mehrheitspartei; auf einen Kompromiß mit der Minderheitspartei, die ja schon bald selbst Mehrheitspartei sein kann; auf eine Ubereinstimmung m i t einer möglichst großen Zahl von Wählern. Gesetzgebung und nicht weniger die rechtsverwirklichenden Akte von Rechtsprechung und Verwaltung sind i m Verfassungsstaat schließlich und nicht zuletzt an den i n der Verfassung „geronnenen" Konsens gebunden. Die Angewiesenheit des öffentlichen Rechts auf den aktuellen und aus der Geschichte überkommenen Konsens prägt seine materiale Gestalt. Einigkeit ist i n der Regel nur über ein „Minimalprogramm" zu erreichen und für eine gewisse Dauer zu erhalten. Totalentwürfe verbietet die Verfassung durch A r t . 4 GG, das Nicht-Abstimmbare ist der Abstimmung entzogen; „Extravaganzen" kollidieren mit A r t . 3 GG. So ist öffentliches Recht eine inhaltlich allgemeine, dem „Mittelmaß" verpflichtete, an die i n der Verfassung positivierten Rechtsgrundsätze gebundene „Rahmenordnung" 3 2 . Diese erste Beschreibung des öffentlichen Rechts ist weiterer inhaltlicher Füllung und Präzisierung bedürftig. Diese kommt i h m aus der jeweils seiner Regelung unterstellten „Sache" und deren aufgegebener Wirksamkeit i n der Gesamtordnung zu. Nicht jede „Sache" eignet sich für die strenge Regelung des öffentlichen Rechts und nicht jede i n der gleichen Weise. Das „Gebiet" des öffentlichen Rechts ist differenziert zu sehen als eine Vielheit „öffentlicher Sachbereiche" (Hesse)33, i n denen jeweils eine sachadäquate Formtypik die materialen Eigenheiten zu erfassen sucht. Diese Formtypik hat die formellen Erfordernisse der Rationalität und größtmöglichen Publizität zu erfüllen, ohne i n allen Bereichen an die für die Eingriffsverwaltung entwickelte typische Handlungsform des Verwaltungsaktes gebunden zu sein. Vielmehr sind jeweils die Grundanforderungen des öffentlichen Rechts der unterschied31

R. Bäumlin, ebd., S. 93. Z u m damit angesprochenen „Prinzip der Nichtidentifikation" vgl. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 176 ff. Vgl. auch C. J. Friedrich, A r t . : Demokratie, a. a. O., S. 562. 33 Vgl. oben §11 I I I , S. 211 ff. 32

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lieh strukturierten Sache i n einem Amtsrecht, Leistungsrecht, Planungsrecht anzupassen, nicht zuletzt der Sache „Selbstverwaltung", deren ungenügende Erfassung m i t einem nur staatsbezogenen Subjektionsrecht bereits dargestellt wurde 3 4 . 3. Das öffentliche Redit als „Planungsrecht" und „politisches Recht"

Das öffentliche Recht ist als demokratisches Recht gemeinwohlorientiertes, d.h. nach dem früher explizierten Gemeinwohlverständnis i n erster Linie: unter „Reflexionsgebot" stehendes Recht. Durch das öffentliche Recht soll der Verfassungsprozeß vorwärts getrieben werden, i n i h m drängt das normative Verfassungsprogramm über den status quo hinaus. Wo öffentliches Recht auftritt i n „Wirtschaft" und „Gesellschaft", da soll es sich nicht als bloßer „Eingriff" verstehen, sondern als permanente Aktualisierung der Sinnfrage: Wie lassen sich die nicht mehr i m Staat monopolisierten politischen Prozesse i n den öffentlichen Zusammenhang des demokratischen Sozialstaats integrieren? I n solchem Insistieren auf Sinn und Zweck transzendiert das öffentliche Recht das Tagesgeschehen und richtet es sich auf die Zukunft h i n aus. So ist öffentliches Recht i n einem nicht nur technischen, sondern i n einem gefüllteren Sinne „Planungsrecht". ,,,Plan' und ,Freiheit 4 stehen nur dann zueinander i m Gegensatz, wenn sie als wesenlose Abstraktionen begriffen werden. I n der gesellschaftlichen Wirklichkeit muß die menschliche Freiheit immer organisiert werden 35 ." Als „Planungsrecht" ist das öffentliche Recht „politisches Recht", Recht der verfassungsbestimmten politischen Gesellschaft 36 , welches das vom Formalismus hinausgewiesene „Politische" wieder i n sich aufnimmt, da es ihm — entgegen Laband — für die Dogmatik eines konkreten Rechtsstoffes nicht „ohne Bezug" erscheint, und weil i h m „der Zweck, welchem ein Rechtsinstitut dient", nicht „jenseits seines Begriffes" liegt 3 7 . 4. öffentliches Recht und Privatrecht

Gerade die politische Sicht des öffentlichen Rechts befreit dieses aus seinem inneren Gegensatz zum Privatrecht 3 8 , da sie die positive Ergänzungsfunktion des Privatrechts zu erkennen vermag 39 . Das erfordert 34

Vgl. oben § 7, S. 91 f., 94 ff. H. Heller Staatslehre S. 273. Vgl. dazu R. Wiethölter, Rechtswissenschaft, 1968, S. 37, 41,165 ff., bes. 179; dazu die K r i t i k von P. Schwerdtner, i n : ZRP 2 (1969), S. 136 ff. u n d die E r w i d e rung von Wiethölter, ebd., S. 155 ff. 37 P. Laband, vgl. dazu oben § 8 I, S. 111. 38 Vgl. dazu bes. Haenel gegen Laband u n d Jellinek, oben S. 197 f., 199. 39 Es ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang unserer Ausführungen, daß hier kein undifferenziertes „Totalrecht" postuliert w i r d . Z u r nivellierenden 35

36

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allerdings die Absage an ein willenstheoretisches Rechts- und Freiheitsverständnis und ein Ernstnehmen des „positiven", zuordnenden Rechtsbegriffs auch i m Privatrecht. Ein solches nicht privatives Verständnis des Privatrechts (wie des Privaten überhaupt 40 ) vermag dieses von vornherein als Bestandteil des politischen Gemeinwesens zu sehen, i n dessen auf eine freie Gesamtordnung ausgerichtetem Leben i h m eine eigene und „eigenständige" Aufgabe zukommt. „Die Gesellschaft ist zum politischen Gemeinwesen verf aßt; sie hat kein natürliches Gleichgewicht i n sich selbst, sondern muß i n Spannungen und Konflikten politisch immer neu integrieren. Damit ist auch das von Generationen von Zivilrechtsjuristen gepflegte Ideal einer unpolitischen wertfreien Eigenständigkeit des Privatrechts zerbrochen; dieses hat Teil an der Aufgabe alles Rechts, i n jenen Spannungen und Konflikten Einrichtungen zu befestigen und Verfahrensweisen zu entwickeln, die den Ausgleich ermöglichen, und muß sich dabei an den für das politische Gemeinwesen verbindlichen Werten orientieren 41 ." Franz Wieacker hat dargestellt, wie die Privatrechtsentwicklung dem Wandel vom Wirtschaftsindividualismus zu einem Pluralismus gefolgt ist, „ i n dem der wirtschaftliche Interessenkampf nicht mehr durch einzelne Wirtschaftssubjekte, sondern durch kollektive Interessenvertretungen geführt und so sein Ausgleich gesucht w i r d " 4 2 . Bewegt sich diese Entwicklung somit von der alten Vorstellung rein individualistischer Privatautonomie, gleichsam auf das öffentliche Recht zu, so kommt dieses seinerseits dem privaten Bereich entgegen i n der vielfältigen Regelung rechtlicher Leistungsbeziehungen i m modernen Sozialstaat.

Tendenz der totalitären Systeme vgl. E. Jacobi, Z u r Scheidung v o n privatem u n d öffentlichem Recht i n der Deutschen Demokratischen Republik, i n : Rechtsprobleme i n Staat u n d Kirche. Festschrift f ü r R. Smend, 1952, S. 145 ff.; J. M. Ritter, A r t . : öffentliches Recht u n d Gemeinrecht, i n : HDR, V I I I , Der Umbruch 1933/1936,1937, S. 468 ff. 40 Vgl. dazu P. Häberle, Besprechung zu: P. Dagtoglou, Der Private i n der V e r w a l t u n g als Fachmann u n d Interessen Vertreter, 1964, i n : AöR 90 (1965/66), S. 381 ff., bes. 384 fï. 41 L. Raiser , Grundgesetz u n d Privatrechtsordnung, 1967, S. Β 30. 42 F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 546. — Unter den Kategorien öffentliches Recht als „Rahmenordnung" u n d „positive Ergänzungsf u n k t i o n " des Privatrechts wäre an dieser Stelle dem Problem des Rechtspluralismus (Sonderrechte, Spezialrechte, Eigenrechtsbereiche, Bereiche „legit i m e r Besonderheit") genauer nachzugehen als es hier möglich ist. Da i n unseren Überlegungen der „Staat" die beherrschende Position verloren hat, ist die Voraussetzung f ü r eine Ü b e r w i n d u n g des Monismus gegeben, der „sich i m rechtlichen Denken eingenistet (hat) als ein Widerschein der absoluten M o n archie u n d des Jakobinischen Staates" ; zugleich ist der Ansatzpunkt vorhanden für eine positive Aufnahme der Erkenntnis, „daß das staatliche Recht sich die Konkurrenz v o n Rechtsordnungen gefallen lassen muß, die unabhängig v o n i h m sind". Vgl. als ersten Überblick J. Carbonnier, Die großen Hypothesen der theoretischen Rechtssoziologie (1965), i n : Hirsch, Rehbinder (Hg.), Studien u n d Materialien zur Rechtssoziologie, 1967, S. 135 ff.; die Zitate auf S. 143 f.

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Nach dem Urteil von M a r t i n Bullinger ist die Entwicklung bereits soweit fortgeschritten, daß die Unterscheidung von öffentlichem und p r i vatem Recht überhaupt zugunsten eines differenzierten Gemeinrechts überwunden werden sollte 43 . Bullinger bestreitet damit nicht die hier gemachte materiale Distinktion, i m Gegenteil, seine Arbeit dient einer „ A r t von Entideologisierung, die den Weg von der Rechtsform auf den Rechtsinhalt, vom begrifflichen System auf die Funktionalität des Rechts und von der Zweiteilung auf ein übergreifendes, vielfältig gestuftes Gemeinrecht freigibt". Ausdrücklich wendet er sich dagegen, „daß die politische Verfassung, die staatliche Verwaltungsorganisation, die private Wirtschaft, die gesellschaftlichen Verbindungen und die persönliche Lebenssphäre als ungeschiedene Einheit betrachtet werden dürften" 4 4 , vielmehr müsse jede rechtliche Beurteilung der Eigenart solcher Ordnungszusammenhänge angepaßt werden. Es geht i h m darum, die überkommene begrifflich-konstruktive Dichotomie „auf sachnähere Begriffe und Regeln, d. h. i n enger Anlehnung an die besonderen Rechtsgebilde" umzubilden. A u f dieser Ebene zeigten sich gemeinsame Rechtsfragen, die besser als Einheit gesehen und gelöst werden könnten als i n begrifflicher Trennung 4 5 . Empfiehlt sich eine solche einheitliche Betrachtung, so kommt darin — unbeschadet inhaltlicher Differenzierungen, i n denen sich das spezifisch „Öffentliche" oder „Private" des konkreten Rechtsverhältnisses auswirkt — jedenfalls eine weitgehende Kommunikationsfähigkeit zwischen einem i m materialen Sinne öffentlichen und privaten Recht zum Ausdruck. 5. Das Problem der Souveränität

Sprechen somit die Tendenzen und Strukturen der verschiedenen Rechtsbereiche dafür, daß diese nicht i n Rechtskreise auseinanderfallen, die sich „wie fensterlose Monaden ohne Verständigungsmöglichkeiten" gegenüberstehen 46 , so ist die auf Freiheit gegründete plurale Ordnung gegen einen solchen Zerfall doch keineswegs gesichert. Es ist die Aufgabe der nach Maßgabe der Verfassung konstituierten, dem Volke verantwortlichen Organe des „Staates", die vielfältige Wirklichkeit und Wirksamkeit der pluralen Kräfte zu einem Wirkungs- und Verantwortungszusammenhang zusammenzuführen. I n dieser Aufgabe und ihrer immer „relativen Verwirklichung" 4 7 findet der Staat seine Souveränität, diese verstanden nicht i m Sinne eines Grenz- und Ausnahmebegriffs 48 , 43 44 45 46 47 48

M . Bullinger, öffentliches Recht u n d Privatrecht, 1968, passim. Ebd., S. 115 f., 82. Ebd., S. 79. A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat u n d Kirche, 1965, S. 94. R. Bäumlin, Staat, Recht u n d Geschichte, S. 19. P. Häberle, AöR 92 (1967), S. 270.

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sondern als Normativbegriff, wie er bereits von Haenel gefaßt 49 und gegenüber dezisionistischem Ausnahmedenken vor allem von Smend und Bäumlin für die Gegenwart fruchtbar gemacht worden ist 5 0 . Es ist die Privatrechts-, Wirtschaftsrechts-, Arbeitsrechtsgesetzgebung usw. durch die der Staat seine zusammenordnende Tätigkeit ausübt. Es ist vor allem die Monopolisierung der Gerichtsbarkeit (Art. 92 GG) bei unmittelbar oder mittelbar staatlichen Gerichten 51 , durch die der Staat seiner „nach Maßgabe der Verfassung wahrzunehmenden irdischen Gemeinwohlverantwortung" 5 2 nachkommt. Die Infragestellung der staatlichen Justizhoheit durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtsschutz bei dienst- und vermögensrechtlichen Streitigkeiten kirchlicher Amtsträger stellt deshalb eine ernste Souveränitätsbedrohung, d.h. eine Gefährdung der „guten Ordnung" durch Schutzlosstellung der Bürger i n existenzwichtigen Fragen dar 53 . I m modernen Sozialstaat verwirklicht der Staat Souveränität nicht zuletzt durch die Fülle anregender, werbender, koordinierender und planender Tätigkeiten, durch die er i n positiver Annahme der Freiheit seiner Bürger die ihm auf getragenen Aufgaben verwirklicht.

49

Z u Haenel vgl. oben § 10 I I , S. 197 f. R. Smend, Das Problem der Institutionen u n d der Staat, i n : ZEE 6 (1962), S. 65ff.; R. Bäumlin, Staat, Recht u n d Geschichte, S. 19f.; K . Hesse, Staatskirchenrechtliche Voreiligkeiten? i n : Z e v K R 6 (1957/58), S. 181 f.; A. Höllerbach, V V D S t R L 26 (1968), S. 59; P. Häberle, a. a. O., passim. 51 Vgl. dazu P. Häberle, Kirchliche Gewalt als öffentliche u n d „ m i t t e l b a r staatliche Gewalt", i n : Z e v K R 11 (1965), S. 395 ff. 52 A. Hollerbach, V V D S t R L 26 (1968), S. 73. 53 Vgl. K. Hesse, Rechtsschutz durch staatliche Gerichte i m kirchlichen Bereich, 1956; jetzt zusammenfassend A. Hollerbach, V V D S t R L 26 (1968), S. 71 f. 60

§ 15 Das öffentliche als Garant und Gefährdung der Freiheit I . F u n k t i o n u n d D i a l e k t i k des Ö f f e n t l i c h e n 1. Die freiheitssichernde Aufgabe des öffentlichen D i e h i e r v e r s u c h t e E n t s c h l ü s s e l u n g des Ö f f e n t l i c h k e i t s p r o b l e m s i s t gegen d e n E i n w a n d abzusichern, m i t i h r w e r d e n u r f r ü h k o n s t i t u t i o n e l l e r Ö f f e n t l i c h k e i t s o p t i m i s m u s i n eine neue D i k t i o n g e k l e i d e t . Z u m B e w e i s dieses E i n w a n d s k ö n n t e a u f folgende S t e l l e aus W e l c k e r s A r t i k e l „Öffentlichkeit" i m Staats-Lexikon verwiesen werden: „Die Öffentlichkeit ist nach dem Bisherigen eins u n d dasselbe m i t der Freiheit, Gerechtigkeit u n d Gesundheit des Staats. Sie erst macht den Staat zu einem Gemeinwesen des ganzen Volks, welches die Gerechtigkeit, die gleich heilige rechtliche Würde u n d Freiheit u n d das Gesammtwohl, das gleich heilige W o h l aller Glieder zum Grundgesetze u n d Endzwecke hat u n d welches f ü r den Gesammtzweck ihre Einsichten u n d Erfahrungen wie ihren patriotischen Gemeingeist u n d ihre Wirksamkeit möglichst vereinigt u n d gerade dadurch die möglichste Bürgschaft u n d Controle f ü r eine gerechte u n d heilsame Regierung gibt. Sie erst erhebt nach Cicero's Ausdrücken den Staat zu einer societas, welche ,juris consensu et utilitatis communione' vereint ist m i t einer Regierung für das Gesammtwohl nach dem Gesammtwillen (für die ,salus omnium' nach dem ,consensus omnium') 1 ." E i n e i n n e r e V e r w a n d t s c h a f t der h i e r u n t e r n o m m e n e n Ü b e r l e g u n g e n m i t diesen B e k u n d u n g e n des F r ü h l i b e r a l i s m u s ist u n b e s t r e i t b a r 2 . N u r e i n a n t i l i b e r a l e r A f f e k t jedoch w i r d das v o r w u r f s v o l l v e r m e r k e n k ö n n e n ; h a n d e l t es sich b e i d e r z i t i e r t e n S t e l l e doch u m e i n B e i s p i e l jenes, e i n e m M o h l , R o t t e c k u n d W e l c k e r noch g e g e n w ä r t i g e n Wissens v o n d e r A n g e w i e s e n h e i t des Rechtes u n d d e r F r e i h e i t a u f e i n freies u n d öffentliches politisches L e b e n , e i n Wissen, das d e r s p ä t e r e n f o r m a l e n Rechtsstaatslehre v e r l o r e n gegangen ist 3 . D i e angezeigte V e r w a n d t s c h a f t i s t 1 Welcker, A r t . : Öffentlichkeit, i n : Das Staats-Lexikon. Hrsg. v. Rotteck u. Welcker, 10. Bd., 3. Aufl. 1864, S. 747 f. 2 Vgl. insbes. die Ausdeutung des Wortsinnes von „öffentlich", ebd., S. 744: „Das eine deutsche Wort »öffentlich' bezeichnet, wie das lateinische publicum, drei verschiedene Begriffe. Fürs erste bezeichnet es das Politische oder das, was den Staat, das Gemeinwesen angeht. Cicero, ,De republ.', I, 25, sagt: publicum, ursprünglich populicum u n d v o n populus abstammend, bezeichne das, was dem populus, der societas populi, der res populica oder publica, also was dem Staat angehört. Fürs zweite bezeichnet es das, was alle einzelne B ü r ger, alle Theilnehmer der societas oder Genossenschaft, angeht, was ihnen allen gemeinschaftlich ist als Gut u n d Recht, oder als Last u n d Pflicht. Fürs dritte endlich bezeichnet es das Nichtgeheime. Schon die Verbindung des zweiten u n d dritten Begriffs m i t dem ersten i n einem u n d demselben Worte deutet auf zwei große Wahrheiten hin." 3 Vgl. Kaegi, Rechtsstaat u n d Demokratie, a. a. O., S. 107.

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nichts anderes als ein Hinweis auf die verfassungsstaatliche Tradition, i n der das Grundgesetz steht und zu der sich die Verfassungsrechtslehre bekennen muß, wenn sie die geltende Verfassungsordnung nicht verfehlen w i l l . Allerdings ist die Tradition jeweils zeitgeprägt. Der vormärzliche Liberalismus brachte i n sie den Glauben an die selbsttätige Wirkung der Öffentlichkeit ein, die selbstgewisse Zuversicht, man brauche nur den Schleier zu lüften, allen Obskurantismus zu beseitigen, und schon werde die Gerechtigkeit und Wahrheit offenbar. Dieser aufklärerische Optimismus hatte eine zutiefst ungeschichtliche Vorstellung vom Recht; i h m war es eine Gegebenheit, die — zur Zeit noch i m Dunklen verborgen — nur der erhellenden Aufklärung bedürfe, um ans klare Licht der öffentlichkeit zu treten. Doch trifft gerade i n diesem Punkt der eben erwähnte Einwand ins Leere, w e i l der hier unternommene Versuch gerade die Geschichtlichkeit von Staat und Recht betont, weil er sie immer als menschliche Wirklichkeit, i n ihrer Aufgegebenheit und Gefährdung betrachtet. Dennoch bliebe eine Einseitigkeit, würden nicht stärker, als es bisher geschehen ist, die Grenzen des „Prinzips Öffentlichkeit" hervorgehoben. Zur Darstellung dieser Grenzen bedarf es keiner Korrektur, wohl aber einer Verdeutlichung des bisher Gesagten. Wurde darin das öffentliche als das Problem einer vom Volke her entworfenen, dem Gemeinwohl verpflichteten, dem Recht unterstellten Ordnung des politischen Gemeinwesens entwickelt, so war diese Ordnung damit immer als eine gerade i n ihrer öffentlichen Verfaßtheit freiheitliche Ordnung gedacht. Die aufgegebene Freiheit bestimmt die Funktion des Öffentlichen; von dieser Funktion aus sind dessen Grenzen zu konkretisieren. Bei einer funktionellen Betrachtung kommt das öffentliche i n seiner „dialektischen" Struktur i n den Blick: Das öffentliche lebt auch aus dem Nicht-Öffentlichen, Publizität bedarf des Geheimnisses, das Allgemein-Gemeinsame des Privat-Besonderen, das öffentliche Recht des Privatrechts. Totale Öffentlichkeit läßt die Freiheit ebenso i n geheimer Versenkung verschwinden, wie sie aus totaler NichtÖffentlichkeit verbannt ist 4 . Nur i m dialektischen Prozeß vermag sie zu existieren: als öffentliche Freiheit 5 . 4 Dazu schon treffende Einsichten bei Welcher, a. a. O., S. 751 ; vgl. jetzt J. Freund, l'essence du politique, 1965, S. 314 ff. 5 Z u diesem Begriff v o r allem Häberle, JZ 1966, S. 388; JuS 1967, S. 73. Vgl. auch Hollerbach, V V D S t R L 26 (1968), S. 61. Der Begriff „öffentliche Freiheit" wendet sich (vor allem i m Rahmen eines nicht einseitigen Grundrechtsverständnisses) gegen den Schein-Ausweg der „Verinnerlichung", da durch diese „der ins Riesenhafte gewachsenen Öffentlichkeit genau die K r ä f t e entzogen (werden), die sie braucht, u m menschlich gemeistert zu werden" (H . Plessner, Das Problem der Öffentlichkeit u n d die Idee der Entfremdung, 1960, S. 20); er begreift das Private u n d Geheime als Bedingung öffentlicher Freiheit (vgl. P. Häberle, Öffentlichkeit u n d Verfassung, i n : ZfP N F 16 [1969], S. 273 ff., 284); er plädiert für ein ausgewogenes Verhältnis von Privatheit u n d öffentlich-

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M i t der positiven Aufnahme gerade des Nicht-Öffentlichen i n ihre öffentliche Ordnung verweist die Verfassung auf den alten Gedanken einer gemischten Verfassung, dem die „Reinheit" und Apriorität von Prinzipien wirklichkeitsfremd und freiheitsbedrohend erscheint. Die „Dialektik" des Öffentlichen ist keine Dialektik, i n der ein abstraktes Prinzip sich verwirklicht, sie ist eine von der „Sache" bestimmte, eine praktisch-pragmatische Dialektik. I h r Prinzip ist die konkrete Freiheit. 2. Die öffentliche Funktion des Privaten und Geheimen

Die Gründe für eine Einschränkung der Öffentlichkeit sind mannigfaltig. Sie können nur von der jeweiligen „Sache" her bestimmt werden. Die folgenden Beispiele sollen nicht die erforderlichen Einzeluntersuchungen ersetzen, sie sollen nur diese sachbestimmte Mannigfaltigkeit bewußt machen. Das Öffentlichkeitspostulat des liberalen Bürgertums richtete sich vor allem gegen die arcana imperii, die geheimen Praktiken des Obrigkeitsstaates und die Intrigen der internationalen Diplomatie 6 . Man sollte vermuten, daß Einrichtungen wie Staatsgeheimnisse und Geheimdiplomatie aus einer sich öffentlich verstehenden Verfassungsordnung verbannt wären. Aber selbst ein so klassischer Theoretiker der Öffentlichkeit wie Bentham hat auf Ausnahmen vom Gesetz der Publizität gerade auf dem Gebiete der Verteidigung und der Auswärtigen Angelegenheiten hingewiesen, da es notwendig sei, Informationen vor aktuellen oder potentiellen Feinden verborgen zu halten 7 . W i r d m i t dieser Begründung nur eine äußere, die Normalität der Publizität nicht i n Zweifel ziehende Einschränkung gerechtfertigt, so bestreitet K a r l Mannheim am gleichen Beispiel die undifferenzierte Gültigkeit des Prinzips selbst. Er beobachtet an der öffentlichen Praxis der Außenpolitik nach dem 1. Weltkrieg die „unglückselige Tatsache ..., daß . . . man jetzt dort, wo früher interne Diskussionen i n diplomatischen Kreisen genügten, m i t den Gefühlsaufwallungen der Massen rechnen" müsse. Man sei „vom Regen der frühen Geheimdiplomatie i n die Traufe einer immer mehr von den Stimmungen und Launen der Öffentlichkeit abhängigen Außenpolit i k " geraten 8 . I n der Zwischenzeit hat sich die Diplomatie weitgehend wieder gegen die Öffentlichkeit abgesichert. Schon ist wieder volle Wachsamkeit am Platze, daß Heimlichkeit nicht unter Berufung auf äußere keit (dazu H. F. Zacher, Freiheitliche Demokratie, 1969, S. 75 ff.). Vgl. i n diesem Zusammenhang auch H. Scholler, Person u n d Öffentlichkeit, 1967, bes. S. 70 ff. 6 Habermas, S t r u k t u r w a n d e l der Öffentlichkeit, S. 64. Vgl. auch Marcic, Öffentlichkeit als staatsrechtlicher Begriff, a. a. O., S. 177 f. 7 Goldschmidt, Publicity, Privacy and Secrecy, i n : The Western Political Quaterly, 7 (1954), S. 413. 8 Mannheim, Mensch u n d Gesellschaft, S. 133.

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Sicherheit die innere Freiheit des Gemeinwesens überwuchert 9 . Aber auch die aus solcher Wachsamkeit berechtigte Forderung größtmöglicher Publizität kann deren innere Grenze nicht verleugnen, bei deren Überschreiten die positive Wirkung der Öffentlichkeit sich ins Gegenteil verkehrt 1 0 . Maure L. Goldschmidt hat für die Vereinigten Staaten auf die Gefährdung der Verantwortungsfreudigkeit und Unabhängigkeit des civil service durch ein Ubermaß an öffentlichen Hearings der Kongreßausschüsse gewarnt 1 1 , eine Warnung, die bei uns i m Hinblick auf die Initiativ- und Verantwortungsfreudigkeit der Verwaltung nicht selten gegenüber allzu perfektem Gerichtsschutz erhoben wird. Das Gewicht der Argumente mag hier i m einzelnen ungewogen bleiben, immer w i r d der Nicht-Öffentlichkeit jedenfalls bei grundsätzlicher Anerkennung der Publizität eine eigene Funktion für ein gutes und sachgerechtes Ergebnis zugeschrieben; immer kommt es zudem offenbar auf genaue Differenzierungen an, überschneiden sich die Aspekte. Das ließe sich an der grundsätzlichen Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung bei gleichzeitiger NichtÖffentlichkeit der Beratung und strengem Schutz des Beratungsgeheimnisses besonders deutlich zeigen. Hier w i r d aus einer gegenseitigen Ergänzung von Öffentlichkeit und Nicht-Öffentlichkeit die Unabhängigkeit des Gerichts, die unbeeinflußte und sachliche Rechtlichkeit des Rechtsspruchs erwartet. Bezogen sich die bisher angeführten Beispiele auf die Öffentlichkeit des „Staates", dessen Publizität und materielle Allgemeinheit i m demokratischen Gemeinwesen Grundsatz ist, so ist nun und vor allem auf die spannungsvolle Beziehung des öffentlichen zur Sphäre des Privaten hinzuweisen. Es gehört zur geschichtlichen Erfahrung unseres Volkes, daß totale Öffentlichkeit i n jeder ihrer möglichen Formen die Freiheit auslöscht: Das „Scheinwerferlicht einer restlos erfaßten und lizenzierten Öffentlichkeit" 12 duldet keinen Eigenbereich der Person; totale Rationalität vermag einen gut funktionierenden Apparat, aber keine „gute Ordnung des Gemeinwesens" zu gewährleisten; totale Allgemeinheit des „Weltanschauungsstaates" 13 beseitigt m i t den pluralen Besonderheiten zugleich die Bedingung der Freiheit. Diese geschichtliche Erfahrung hat das Bewußtsein für die Gefahren des öffentlichen gestärkt. Sie hat zugleich gelehrt, daß das Nicht-Öffentliche nicht ein ausgegrenzter, ver9 A. Arndt, Demokratische Rechtsauslegung am Beispiel des Begriffes „Staatsgeheimnis", i n : N J W 1963, S. 25; zum Problem m i t weiteren Nachweisen: Scholler, Person u n d Öffentlichkeit, 1967, S. 113 ff. 10 Z u r „öffentlichen F u n k t i o n " des geheimen Stimmrechts vgl. E. Jacobi, i n : Forschungen und Berichte aus dem öffentlichen Recht. Gedächtnisschrift f ü r W. Jellinek, 1955, S. 141 ff. 11 Goldschmidt, S. 407 f. 12 C. Schmitt, E x captivitate salus, 1950, S. 15. 13 C. Schmitt, Was bedeutet der Streit u m den „Rechtsstaat", i n : ZgesStW 95 (1935), S. 189 ff.

19 R i n k e n

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fassungstranszendenter Bereich vorstaatlicher Freiheit ist, sondern auch als konstituierendes Element der freiheitlichen Gesamtordnung diese mitträgt, daß es immer auch eine öffentliche Funktion hat. Die Bestimmung der Funktionen des Öffentlichen und Nicht-Öffentlichen kann nur aus der verfassungsorientierten Gesamtordnung erfolgen als dem umgreifenden Funktionszusammenhang. Daß eine solche funktionale Betrachtung eine materiale und damit sachoffene Grundlegung des öffentlichen voraussetzt, sei am „Gegenbild" der Lehre Carl Schmitts nochmals dargetan. Sein Öffentlichkeitsbegriff, oder richtiger: seine Öffentlichkeitsbegriffe (denn es stehen ein demokratischer und ein repräsentativer Öffentlichkeitsbegriff unverbunden gegeneinander) geben dem Geheimen und Privaten keinen Raum. Aus der Erkenntnis, daß von diesem „Gegenbild" aus, von seinen Begriffen der Verfassung, des Politischen, des Volkes und des Rechtes sich die geltende Verfassungsordnung nicht als sinnvolle politische Ordnung erfassen läßt, sondern i n eine Reihe antinomischer Prinzipien auseinanderfällt, gewinnt die hier unternommene, an der menschlichen Praxis orientierte Betrachtungsweise zusätzliche Uberzeugungskraft. I I . Gegenbild: Öffentlichkeit bei Carl Schmitt Schmitt entwickelt „von einfachen und elementaren Erscheinungen aus" 14 , das Wesen von Volk und Öffentlichkeit: vom Idealbild der stadtstaatlichen überschaubaren unmittelbaren Demokratie aus. „Erst das wirklich versammelte Volk ist V o l k . . . " „Als anwesendes, wirklich versammeltes Volk ist es i n der reinen Demokratie m i t dem möglichen Höchstmaß von Identität vorhanden..." Durch seine reale, m i t sich selbst identische Präsenz bewirkt das Volk Öffentlichkeit. „Volk und Öffentlichkeit bestehen zusammen, kein Volk ohne Öffentlichkeit und keine Öffentlichkeit ohne Volk." N u r so, als öffentlich versammeltes Volk, vermag es zu tun, „was spezifisch zur Tätigkeit dieses Volkes gehört; es kann akklamieren" 1 5 , und sich so jederzeit als souveräner Träger der verfassunggebenden Gewalt gegen die verfassungsgesetzliche Normierung durchsetzen 16 . Die Transposition dieses Modells i n die W i r k lichkeit der modernen Massendemokratie erfolgt auf rational nicht voll aufklärbare Weise über die öffentliche Meinung als Substitut des w i r k lich versammelten Volkes. „Die öffentliche Meinung ist die moderne A r t der Akklamation." „Darin daß sie als Akklamation gedeutet werden kann, liegt ihr Wesen und ihre politische Bedeutung." Die öffentliche 14 15

S. 22. 16

C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 244. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 243; ders., Die geistesgeschichtliche Lage, C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 242.

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Meinung ist „das Volk neben der verfassungsgesetzlichen Regelung" 17 . Die Deutung der öffentlichen Meinung als Akklamation setzt die Qualitäten des real versammelten, akklamierenden Volkes voraus. „Die einstimmige Meinung von 100 Millionen Privatleuten ist weder Wille des Volkes, noch öffentliche Meinung" 1 8 , öffentliche Meinung beruht auf den „substantiellen Voraussetzungen der Demokratie": „erstens Homogenität und zweitens — nötigenfalls — die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen" 19 . „Solange die demokratische Gleichartigkeit der Substanz noch vorhanden ist und das Volk politisches Bewußtsein hat, d. h. Freund und Feind unterscheiden kann, ist die Gefahr nicht groß" 20 , daß der Pluralismus der Parteien und Verbände die eine Meinung und den einen Willen des Volkes verwirren. Gegenüber dieser „nicht nur i m technischen, sondern auch i m vitalen Sinne unmittelbaren Demokratie erscheint das aus liberalen Gedankengängen entstandene Parlament als eine künstliche Maschinerie" 21 . Diesem Urteil über den Parlamentarismus liegt seine idealtypische Festlegung auf das liberal-bürgerliche Honoratiorenparlament zugrunde als dem „Platz, an welchem eine öffentliche Diskussion der politischen Meinungen" stattfand, i n dem Mehrheit und Minderheit durch „Erörterung von Argument und Gegenargument", durch „deliberierendes Denken" 2 2 die Wahrheit und Gerechtigkeit offenlegten. I n der öffentlichkeit und nur i n der Öffentlichkeit der Verhandlung repräsentierte das Parlament die ganze Nation, vollzog sich „etwas Existenzielles", wurde „ein unsichtbares Sein durch ein öffentlich anwesendes Sein sichtbar" gemacht und vergegenwärtigt. „Es gibt keine Repräsentation, die sich i m geheimen und unter vier Augen abspielt, keine Repräsentation, die Privatsache wäre 2 3 ." M i t der Bildung fester Parteiorganisationen, m i t Fraktionszwang und geheimen Ausschußberatungen sind die ideellen Voraussetzungen dieses Parlamentarismus entfallen. Diese wenigen Bemerkungen schon dürften den grundlegenden Gegensatz zu dem hier entwickelten Denken von Staat und Recht als aufgegebener menschlicher Wirklichkeit deutlich machen. Für Schmitt ist Volk nicht geschichtliche, plurale und verfaßte Öffentlichkeit, sondern unverfaßte Einheit, homogene Öffentlichkeit vor, über und neben der Ver17

Ebd., S. 246 f., 242. Die geistesgeschichtliche Lage, S. 23f.: „ . . . w ä h r e n d diktatorische u n d zäsaristische Methoden nicht n u r v o n der acclamatio des Volkes getragen, sondern auch unmittelbare Äußerungen demokratischer Substanz u. K r a f t sein können". 19 Ebd., S. 14. 20 Verfassungslehre, S. 247. 21 Die geistesgeschichtliche Lage, S. 22 ff. 22 Verfassungslehre, S. 315; Die geistesgeschichtliche Lage, S. 35. 23 Verfassungslehre, S. 316, 209, 208. Z u m „Mutterboden" des Repräsentationsbegriffs vgl. Römischer Katholizismus, 1925, S. 29 ff., 40. 18

19'

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fassung. P a r l a m e n t a r i s m u s i s t n i c h t eine geschichtliche, w a n d e l b a r e u n d anpassungsbedürftige F o r m politischer Aufgabenerfüllung, sondern ein ungeschichtliches P r i n z i p . Ö f f e n t l i c h k e i t i s t i n j e w e i l s verschiedenem S i n n e eine e x i s t e n z i e l l e K a t e g o r i e , die n i c h t P r i v a t e s u n d Geheimes i n u n d n e b e n sich d u l d e t , die e i n f u n k t i o n a l e s A b w ä g e n u n d D i f f e r e n z i e r e n ausschließt 2 4 . D i e g e l t e n d e V e r f a s s u n g s o r d n u n g v e r m a g diese K o n z e p t i o n n i c h t z u erfassen, sie m ü ß t e sie u m z u g e s t a l t e n suchen, w i e sie schon die W e i m a r e r V e r f a s s u n g z u r „ e c h t e n " D e m o k r a t i e u m z u g e s t a l t e n suchte, z u e i n e r „ ö f f e n t l i c h e n O r d n u n g " n i c h t f r e i h e i t l i c h e r , s o n d e r n diktatorisch disziplinierter, „zur Einheit gebrachter" Provenienz. — D e m g e g e n ü b e r v e r s u c h t die h i e r s k i z z i e r t e G r u n d l e g u n g eines Begriffs des Öffentlichen, die p u b l i z i s t i s c h e n u n d geheimen, die ö f f e n t l i c h e n u n d privaten Elemente einander zuzuordnen u n d ihre gewandelte W i r k l i c h k e i t u n d F u n k t i o n z u beachten 2 5 .

24

Kritisch zu Schmitts Parlamentarismustheorie u n d ihrer Bindung an einen Idealtypus „öffentlicher Diskussion" u. a.: E. Kaufmann, Z u r Problemat i k des Volkswillens, i n : GSch I I I , S. 272 ff.; Grundtatsachen u n d Grundbegriffe der Demokratie, a. a. O., S. 23 f.; Heller, Politische Demokratie u n d soziale Homogenität (1928), S.38ff.; Altmann, Das Problem der Öffentlichkeit, a.a.O., S. 75; K. Kluxen i n dem von i h m herausgegebenen Band „Parlamentarismus", 1967, bes. S. 22 ff. — Z u einer Sicht der parlamentarischen Demokratie, die die F u n k t i o n des Parlaments i n einer gewandelten W i r k l i c h k e i t u n d i n der A m biance von öffentlicher Meinung, Verbänden, Parteien u n d staatlicher Bürokratie neu zu bestimmen sucht, u n d gerade deshalb f ü r Reformfragen aufgeschlossen ist, vgl. insbes. R. Bäumlin, Die Kontrolle des Parlaments über Regierung u n d Verwaltung, i n : ZSchwR N F 85 I I (1966), S. 165 ff.; vgl. auch: Z B J V 97 (1961), S.97; Z B J V 101 (1965), S. 93 f.; EStL (1966), Sp. 279 f. Von politikwissenschaftlicher Seite: Ellwein/Görlitz, Parlament u n d Verwaltung, T e i l 1 : Gesetzgebung u n d politische Kontrolle, 1967. Jetzt auch H. Steiger, Z u r F u n k t i o n der Öffentlichkeit parlamentarischer Verhandlungen heute, i n : Stud i u m generale 23 (1970), S. 710—733. 25 Eine solche differenzierende Problembehandlung muß verfehlen, w e r v o m Prinzip der „Volkssouveränität" ausgeht, w e i l es einen solchen „Souverän" i m freiheitlich rechtsstaatlichen Verfassungsstaat nicht gibt (vgl. C.J.Friedrich, A r t . : Demokratie, i n : H D S W I I . [1959], S. 560). — Daß v o m Prinzip der Volkssouveränität das Wesen zumindest der demokratischen Ordnung des G r u n d gesetzes nicht erfaßt werden kann, zeigt auch der neuere Versuch von H. Kurz, Volkssouveränität u n d Volksrepräsentation, 1965, trotz seines Bemühens, metaphysische Hypostasierungen zu vermeiden, indem er die Volkssouveränität, die j a ein willensbegabtes u n d entscheidungsfähiges Subjekt voraussetzt (vgl. S. 163, 180 ff.), nicht auf eine transindividuelle Einheit, sondern auf den „ p o l i tisch autonomen" einzelnen (S. 204, 207, 232) gründet. W i r d Souveränität v o r weg als die „oberste Willensbestimmung" definiert (S. 161, 164), dann ist damit zugleich eben eine vorgegebene Einheit postuliert u n d ein Maßstab gesetzt, an dem die Verfassung gemessen w i r d . Fordert der vorausgesetzte Maßstab Plebiszit (S. 165) u n d imperatives Mandat (S. 164, 191, 195, 303 ff., 329), dann ist nach dieser Sicht die Verfassung an i h m zu korrigieren; nicht aber werden die Maßstäbe selbst aus der Verfassung entnommen.

Dritter

Teil

Die Stellung der Wohlfahrtsverbände im öffentlichen Gemeinwesen § 16 Die Statusfrage als Problem „guter Ordnung" des Sachbereichs Unser Vorhaben, einen Beitrag zur Sinnermittlung des öffentlichen i n der konkreten politisch-rechtlichen Ordnung der geltenden Verfassung zu leisten, ist abgeschlossen. Die von uns gewählte Leitfrage nach dem Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände hat uns i n sehr grundsätzliche verfassungstheoretische Überlegungen geführt und so ihre Fruchtbarkeit bewiesen. Die nun erforderliche Präzisierung und Konkretisierung der theoretischen, auf einem relativ hohen Abstraktionsgrad formulierten Erkenntnisse, ihre Umsetzung i n unmittelbar dem praktischen Rechtsdenken dienende, „juristische" Ergebnisse kann von dieser einen Untersuchung nicht i n vollem Umfang erwartet werden. Ganz kann diese sich dem Versuch einer solchen Konkretisierung nicht versagen, w i r d man an ihrem Ende doch m i t Recht die Rückkehr zur Ausgangsfrage erwarten und zumindest einigen Aufschluß über die Relevanz des weitgeschwungenen Gedankengangs für ihre konkrete Beantwortung. Bevor w i r diesen Erwartungen wenigstens m i t einigen Grundlinien Genüge zu t u n versuchen, müssen w i r auf die Steigerung an Vorläufigkeit, auf den besonderen Grad des Experimentellen hinweisen, der diesem letzten Teil eignet. Diese Offenheit und Vorläufigkeit hat Gründe, die i n der behandelten Sache selbst wurzeln: Die Transposition ins Juristische bedürfte eines prägnant formulierten Begriffes, der die Stelle des alten Rechtsbegriffs des Öffentlichen einzunehmen und zugleich dessen Schwächen zu vermeiden imstande wäre; die Komplexität des von uns behandelten Gegenstandes entzieht sich aber der Erfassung i n einer solchen einfachen und praktikablen Formel, wenn man die Problematik nicht vereinseitigen und damit verfälschen w i l l . Statt einer voreiligen „Anwendung" formelhaft formulierter und damit schon wieder reduzierter „Ergebnisse" auf den als fix vorausgesetzten „ F a l l " wollen w i r uns auf den Aufweis einiger allgemeinerer Konsequenzen beschränken, die sich aus unseren grundsätzlichen Überlegungen für die spezielle

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

Frage ergeben. Eine solche offenere Reflexion vermeidet auch die Gefahr, die Formulierung der Ausgangsfrage als neutral und allgemeingültig zu betrachten, sie vermag eher aufzuspüren, daß die Frage nach dem „Status" schon als solche dem überwundenen statischen Begriff des öffentlichen verbunden ist, daß bei einer Sicht des öffentlichen als des öffentlichen Verfassungsprozesses auch die Statusfrage anders gestellt werden muß: als Frage nach der guten sachlichen Ordnung des Sachbereichs Wohlfahrtspflege, nach der Stellung der Verbände i n diesem Sachbereich als einem Teilbereich des öffentlichen Gesamtzusammenhangs. Da somit i n diesen abschließenden Überlegungen die „Grundfrage" (Frage nach dem öffentlichen) i n die „Sachfrage" (gute Ordnung des Sozialhilfebereichs i m öffentlichen Gemeinwesen) eingeht, beschränkt sich die Relevanz der folgenden skizzenhaften Darlegung auf den hier betrachteten Bereich. I. Kein einheitlicher Gesamtstatus Da die vom Grundgesetz grundgelegte politisch-rechtliche Ordnung des Gemeinwesens m i t dualistischen Kategorien nicht adäquat erfaßt werden kann, scheiden alle Versuche aus, die unter Statusbestimmung die Verortung i n einem von zwei wie immer abgegrenzten Großbereichen verstehen. Das schroffe Gegeneinander öffentlicher und privater Bereiche, öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Domänen ist durch gestufte Bereiche ersetzt, die zwischen den Polen des Staatlich-Hoheitlichen und des Privat-Intimen sich erstrecken, m i t einer ausgedehnten Mittelzone öffentlich-privater Koordination und Kooperation. Die formale Dichotomie von öffentlichem und privatem Recht w i r d zur gleitenden Differenzierung rechtsinhaltlicher A r t . M i t dieser zusammenfassenden Kennzeichnung ist nicht nur das vereinfachende dualistische Verständnis des Staat-Gesellschaft-Modells als ungenügend zurückgewiesen, zugleich wendet sich diese differenzierende Sicht auch gegen jede monistische Betrachtungsweise, welche — etwa unter dem Leitsatz, der Staat sei zu einer Funktion der Gesellschaft geworden — die plurale und damit unvermeidlich konfliktreiche, gerade dadurch potentiell freie Wirklichkeit zu einer politik- und normtranszendenten Funktionseinheit entspannt. Indem — i n zugegeben unzureichender, zudem wiederum „dualistisch" mißverständlicher Bildhaftigkeit — von den „Polen" des Staatlich-Hoheitlichen und Privat-Intimen gesprochen wird, w i r d die i n „physischer Gewaltsamkeit" sich äußernde Herrschaftlichkeit des i n Behörden und Ä m t e r n verfaßten, durch Befehl, Polizei und Heer w i r kenden „Staates" nicht zugunsten einer schlechten Harmonie-Utopie hinwegdisputiert und deshalb auch die bleibende Angewiesenheit einer unter diesen historischen Bedingungen realen Freiheitsverwirklichung auf unantastbar „ausgegrenzte" Freiräume des „Privaten" anerkannt.

§16 Das Statusproblem

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Zugleich versucht diese Sprechweise jedoch auch die i n ihr liegende A b straktion bewußt zu halten und zu verdeutlichen, daß diese „Pole" nicht statisch gegeneinanderstehen, sondern i n dem politischen, von der Verfassung normativ „beanspruchten" Prozeß existieren, daß somit allein weder die Aus- und Abgrenzung noch das Ineinanderstehen von Redit und Freiheit das Ganze treffen. Für die geforderte dialektisch-differenzierende Betrachtungsweise kommt auch die Ablösung des ZweierSchemas von Staat und Gesellschaft durch die Trichotomie von öffentlich-rechtlich, öffentlich und privat, wie Bullinger m i t Recht bemerkt hat, höchstens als eine Grobeinteilung i n Betracht, „die der Vielfalt und Verschränktheit der rechtlichen Erscheinungen nicht v o l l entspricht und die deshalb erst i n weiterer Verfeinerung zu angemessenen rechtlichen Erkenntnissen führen kann" 1 . Als eine Grobeinteilung mag diese Dreigliederung immerhin eine zweckmäßige Sprachregelung sein, wenn dabei bewußt bleibt, daß auch der öffentlich-rechtliche Bereich bei einem sachlich-funktionalen Verständnis des öffentlichen Rechts mannigfache Stufungen aufweist, daß auch das Private keinen Zustand abgeschiedener Verfassungstranszendenz anzeigt und daß vor allem das öffentliche gerade jene Aufeinanderbezogenheit und dialektische Zuordnung staatsbezogen-öffentlicher und privat-freier Elemente zum Ausdruck bringt, die weder als „nur privat", noch i m strengen Sinne öffentlicher A l l gemeinheit, publizistischer Verfassung und juristisch verifizierbarer Verantwortlichkeit als „öffentlich-rechtlich" gekennzeichnet werden können. Aber selbst wenn man das trichotomische Schema als leistungsfähig akzeptieren sollte, ermöglicht es keine Gliederung der Gesamtrechtsordnung, i n der die verschiedenen rechtlich relevanten Gebilde gleichsam als kompakte Größen einem „Gesamtstatus" subsumiert werden könnten. Daß die vorschnelle Deklarierung eines Gesamtstatus die komplexe und darum Differenzierung erfordernde Wirklichkeit verfehlen muß, hat die Diskussion der letzten Jahre um den Rechtsstatus der K i r chen besonders deutlich illustriert; besonders deutlich deshalb, weil eine globale Verortung gerade für diese Institutionen lange Zeit fast unbestritten akzeptiert worden war. Ausgangspunkt der staatskirchenrechtlichen Diskussion u m den Hechtsstatus der Kirchen w a r die Erkenntnis, daß das Grundgesetz m i t der Bezeichnung der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i. V. m. A r t . 137 Abs. 5 WeimV) nicht den technischen, eine Staatsaufsicht implizierenden Begriff der öffentlich-rechtlichen Körperschaft meint 2 . Was aber diese 1

M. Bullinger, öffentliches Recht u n d Privatrecht, 1968, S. 80. Jetzt vor allem BVerfGE 18, 386 f., vgl. auch 19,5. Aus der L i t e r a t u r statt aller: H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, 1966, S. 56—59, insbes. S. 58, A n m . 16. — Z u m Folgenden sehr hilfreich der Sammelband: H. Quaritsch und H. Weber (Hg.), Staat u n d K i r 2

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

Kennzeichnung bedeutet, blieb umstritten. Die Behandlung dieser Frage unter dem ausschließlichen Statusaspekt hat sich als unergiebig erwiesen, da sie die von der Sache her notwendigen Differenzierungen zudeckt u n d dazu neigt, aus der vorgängigen Statusbestimmung rechtliche Konsequenzen zu ziehen, ohne diese i m einzelnen einer Analyse des normativen Gesamtzusammenhanges von „Kirche i m öffentlichen Gemeinwesen" zu entnehmen. Die Deklarierung eines Gesamtstatus w i r d der differenzierten Stellung der Kirchen nicht gerecht. Das gilt f ü r jene Auffassung, die v o n der ursprünglichen u n d eigenständigen Herrschaftsgewalt der Kirchen, ihrer dem Staate gleichgeordneten Souveränität ausgeht 3 , der v o m Staate nicht Wesentliches hinzugefügt, i n der vielmehr n u r festgestellt w i r d , daß die Kirchen i m weltlichen Recht „behandelt werden w i e " Körperschaften des öffentlichen Rechts 4 . Das gilt aber auch f ü r die Gegenposition, die aus Sorge u m die Einheit der Staatsgewalt 5 u n d unter Betonung der souveränen Stellung des Verfassunggebers n u n gleichsam einen nichtöffentlichen Gesamtstatus behauptet®. Geht die erste Meinung von einer Minimalisierung der normativen Souveränität des Staates aus, dem auf seinem Staatsgebiet i n höchster Instanz Gemeinwohlverantwortlichkeit übertragen ist, so ist die zweite einseitig an einem Souveränitätsbegriff des „letzten Wortes", der Entscheidung über den Ausnahmezustand orientiert 7 .

chen i n der Bundesrepublik. Staatskirchenrechtliche Aufsätze 1950—1967, 1967. 3 H. Peters, Die Gegenwartslage des Staatskirchenrechts, i n : V V D S t R L 11 (1954), S. 177—214. — H i e r sind weiterhin einzuordnen: P. Mikat, A r t . : Kirche u n d Staat I I I , i n : S t L I V . (1959), Sp. 1005—1016, bes. Sp. 1010; Kirchen u n d Religionsgemeinschaften, i n : Die Grundrechte, I V , 1 (1960), S. 111 ff., bes. 161 ff.; anders jedoch i n späteren Äußerungen (vgl. unten A n m . 12) ; Κ . E. Schlief, Die Entwicklung des Verhältnisses von Staat u n d Kirche u n d seine Ausgestaltung i m Bonner Grundgesetz, Diss. Münster 1961, S. 179; H. Marré u n d Κ . E. Schlief, Der öffentlich-rechtliche Gesamtstatus der Kirchen, i n : N J W 1965, S. 1514 ff., bes. 1516; zur K r i t i k vgl. H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 60 ff.; R. Zippelius, Z e v K R 9 (1962/63), S. 46 ff. 4 P. Mikat, i n : Grundrechte I V , 1, S. 164, i n A n k n ü p f u n g an die ältere Lehre insbes. von G. J. Ebers, Staat u n d Kirche i m neuen Deutschland, München 1930, S. 207 f. Kritisch zu dieser „historisch-positivistischen Sicht" K . Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte i m kirchlichen Bereich, 1956, S. 66 m i t Nachw.; vgl. auch R. Smend, Z e v K R 2 (1952/53), S. 375. 5 R. Zippelius, Kirche u n d Staat u n d die Einheit der Staatsgewalt, i n : Z e v K R 9 (1962/63), S. 42—68. 6 H. Quaritsch, Kirchen u n d Staat, i n : Staat 1 (1962), S. 175 ff., 289 ff., insbes. S. 191, 292, 296, 298, 317; vgl. auch schon E.-W. Fuß, Kirchen u n d Staat unter dem Grundgesetz, i n : D Ö V 1961, S. 734; A. Voigt, Kirchenrecht, 1961, S. 224 ff.; ähnliche Grundpositionen bei G. Scheffler, Die Stellung der Kirche i m Staat, 1964, S. 39 ff., 159; W. Conrad, Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche, 1964, S. 23 f., ausgewogener jedoch S. 63, 67 ff. I n polemischer Zuspitzung E. Fischer, Trennung von Staat u n d Kirche, 1964; dazu die Besprechung von A. Hollerbach, Hochland 58 (1965), S. 63 ff. 7 H. Quaritsch, a. a. O., S. 292, 298, vgl. auch 189, 197. — Z u r K r i t i k dieser Sicht: A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat u n d Kirche, 1965, S. 119, A n m . 1; K . Hesse, Z e v K R 11 (1964/65), S. 348 f., A n m . 36; H. Marré, DVB1. 81 (1966), S. 11 f. — Vgl. dazu wiederum H. Quaritsch, Neues u n d Altes über das V e r h ä l t nis v o n Kirchen u n d Staat, i n : Staat 5 (1966), S. 451—474, bes. i n Auseinandersetzung m i t Hollerbach.

§16 Das Statusproblem

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8

A b e r auch die an Rudolf Smend anknüpfende staatskirchenrechtliche Richtung vermochte sich n u r schwer dem T r e n d zur Begründung eines globalen, normativ aufgeladenen Gesamtstatus zu entziehen 9 . Erst allmählich setzte sich eine Sichtweise durch, welche die sachlichen Probleme i n den Vordergrund stellte und so die sekundäre Rolle der statusrechtlichen Nomenklatur erkannte. Diese sachbezogene Sicht wurde von K . Hesse i n seinem programmatischen Aufsatz „Freie Kirche i m demokratischen Gemeinwesen" folgendermaßen charakterisiert: „ W e n n das Problem Staat u n d Kirche sich zugleich i n der menschlichen Person stellt u n d damit als ein solches des ,idem civis et christianus' zu begreifen ist, w e n n die Offenheit' des demokratischen Gemeinwesens organisierten Gruppeneinflüssen Raum bietet u n d damit die Frage der Rolle der verfaßten Kirche i m politischen Prozeß i n den Vordergrund treten läßt, so erweist sich die Ordnung des Verhältnisses von Staat u n d Kirche als eine Frage der verfassungsmäßigen Gesamtordnung u n d können die staatskirchenrechtlichen Normierungen nicht isoliert, ohne den Zusammenhang m i t dieser Gesamtordnung gesehen werden. Die notwendigen Elemente einer solchen Z u ordnung ergeben sich aus dem Wesen u n d den Aufgaben des demokratischen Staates als eines weltlichen, dem A u f t r a g der Kirche als eines geistlichen Gemeinwesens 10 ." Den von diesem sachlichen Ausgangspunkt aus notwendigerweise differenzierten Kirchenstatus hat A . Hollerbach beschrieben: Danach w i r d von der Normentrias der A r t . 4 GG, A r t . 137 Abs. 2 u n d 3 W e i m V der konstitutionelle Grundstatus bestimmt, der ein freies Kirchenwesen i m w e l t anschaulich, religiös u n d konfessionell neutralen Staat garantiert u n d als ein Status „öffentlicher Kirchenfreiheit" gekennzeichnet werden kann; an i h n k n ü p f t die öffentlich-rechtliche Korporationsqualität an, als „ e i n verliehener Status, u n d zwar ein spezifizierter, innerhalb von ultra-vires-Grenzen l i m i tierter Status, k e i n universaler publizistischer Gesamtstatus", der also v o m unabdingbaren Grundstatus her als sinnvolle „Dreingabe" erscheint 11 . H. Weber hat diese „Dreingabe" als verfassungs wirksames, jedoch widerrufliches A n gebot öffentlich-rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten u n d als Gesamttitel heterogener Privilegierungen genauer dargestellt 1 2 .

8 R. Smend, Staat u n d Kirche nach dem Bonner Grundgesetz, Z e v K R 1 (1951), S. 4—14, jetzt auch i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 411 ff.; Z u r Gewährung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religionsgesellschaften gemäß A r t . 137 WRV, i n : Z e v K R 2 (1952/53), S. 374 ff., 376. 9 Vgl. besonders K. Hesse, Rechtsschutz durch staatliche Gerichte i m kirchlichen Bereich, 1956, S. 60; Z e v K R 6 (1957/58), S. 181; Die Entwicklung des Staatskirchenrechts seit 1945, i n : JöR N F 10 (1961), S. 3—121, bes. 25, 34 f. u n d 78 f. m i t A n m . 13. 10 K . Hesse, Freie Kirche i m demokratischen Gemeinwesen, i n : Z e v K R 11 (1964/65), S. 337—362, bes. 353 f., 358 f., dort die ausdrückliche Aufgabe der früheren Auffassung; vgl. auch ders., Kirche u n d Staat, i n : EStL (1966), Sp. 9 0 ^ 9 2 6 , 922 f. — Dieser heutigen Auffassung Hesses dürfte nahestehen: U. Scheuner, Institutionelle Garantien, RStW 4 (1953), S. 104ff.; Auseinandersetzungen u n d Tendenzen i m deutschen Staatskirchenrecht, i n : D Ö V 1966, S. 145 ff. 11 A. Hollerbach, Die Kirchen unter dem Grundgesetz, V V D S t R L 26 (1968), S. 60 f., 86; Das Staatskirchenrecht i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, i n : AöR 92 (1967), S. 99—127,109 f.; vgl. auch schon Verträge z w i schen Staat u n d Kirche, S. 122 ff.; J Z 1966, S. 271. Vgl. weiter P. Häberle, i n : Z e v K R 11 (1964/65), S. 395 ff. u n d DVB1.1966, S. 216 ff. 12 Vgl. bes. H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 73 ff., 77. Z u nennen ist hier die neuere Lehre von P. Mikat, Kirchliche Streitsachen vor den V e r w a l tungsgerichten, i n : Staatsbürger u n d Staatsgewalt I I , 1963, S. 322; Das V e r hältnis von Staat u n d Kirche i n der Bundesrepublik, 1964, S. 18. — E i n dan-

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

Entscheidend für unsere Zurückhaltung gegenüber auch feiner gestuften statusrechtlichen Gewanneinteilungen ist ihre Unergiebigkeit gerade für die Erfassung des neuartig Ungewohnten der gegenwärtigen W i r k lichkeit. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, es könnte eine sublimere A r t von Begriffsjurisprudenz glauben, durch eine diffizilere Kategorisierung die Probleme schon gelöst zu haben, die jedoch i n der gegenwärtigen Phase weniger durch Betitelung des Bestehenden, als durch seine Veränderung i n Richtung auf den von der Verfassung entworfenen Gesamtplan gelöst werden müssen. M i t anderen Worten: I m Kontext der hier entwickelten dynamischen Sichtweise des öffentlichen ist eine unter dem Anspruch der Verfassung stehende, normative „Statusbestimmung" kein logisch-begriffliches Geschäft, sondern eine inhaltliche Aufgabe, die durch Analyse und K r i t i k zu einer der Verfassung entsprechenden Organisation des material bestimmten Sachbereichs und der material-funktional erfaßten Stellung der Verbände i n diesem Bereich beitragen w i l l . II. Die Verwirklichung öffentlicher Freiheit durch Organisation des Sachbereichs im Rahmen der öffentlichen Gesamtordnung Ausgangspunkt jeder verfassungsrechtlichen „Statusbestimmung" der Wohlfahrtsverbände ist die Vereinsfreiheit des A r t . 9 Abs. 1 GG i. V. m. dem allgemeine Handlungsfreiheit gewährleistenden A r t . 2 Abs. 1 GG; soweit die Sozialarbeit der konfessionellen Verbände karitative Tätigkeit spezifisch religiösen Charakters ist, genießt sie den besonderen Schutz der Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG) 13 . Diese grundrechtkenswerter Überblick über den neuesten Stand der Diskussion bei H. MayerScheu, Grundgesetz u n d Parität von Kirchen u n d Religionsgemeinschaften, 1970, S. 186—211. 13 Z u r Frage der Anwendbarkeit von A r t . 4 Abs. 1 u n d 2 G G auf konfessionelle Verbände vgl. BVerfGE 24, 236 ff., 1 B v R 241-/66, v. 16. 10. 1968 ( „ A k t i o n Rumpelkammer"). Das Gericht stellt i n diesem Beschluß grundsätzlich klar, daß das Grundrecht aus A r t . 4 Abs. 1 u n d 2 GG nicht n u r Kirchen, Religionsu n d Weltanschauungsgemeinschaften zusteht, sondern auch Vereinigungen, die sich nicht die allseitige, sondern n u r die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. Maßstab f ü r das Vorliegen dieser Voraussetzung könne das Ausmaß der institutionellen Verbindung m i t einer Religionsgemeinschaft oder die A r t der m i t der Vereinigung verfolgten Ziele sein (S. 247). Ob die einzelne Tätigkeit eines durch A r t . 4 Abs. 2 GG geschützten Verbandes diesen Schutz genießt, bedarf jeweils besonderer Prüfung. F ü r karitative Sammlungen bemüht sich das Gericht u m eine Abgrenzung: Unentgeltliche Hergabe; religiöse Gesinnung des Spenders; E r kennbarkeit des verfolgten Zwecks u n d der Verwendung des Sammlungsgutes. „Christliche Liebestätigkeit ist nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen also etwas anderes als ein sozialer Vorgang, der sich i n der Fürsorge f ü r Arme, Elende u n d Bedürftige aus M i t v e r a n t w o r t u n g f ü r den Nächsten i m Interesse eines friedlichen Zusammenlebens i m Staat e r s c h ö p f t . . . (S. 249)." I n w i e w e i t Sammlungen gemeinnütziger Organisationen, die nicht den Schutz

§ 16 Das Statusproblem

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liehen Freiheiten schützen die Verbände zunächst i n ihrer „Privatheit", i n ihrem für jede öffentliche Gewalt unverfügbar „abgeschirmten", von legitimer Besonderheit geprägten Wirken; zugleich eröffnen sie ihnen „die Chance zu öffentlichem Wirken und zur Erlangung von Bedeutsamkeit für die öffentliche Gesamtordnung" 14 . A l l e i n i m dialektischen Zugleich dieser beiden, nur als Momente unterscheidbaren Seiten des grundrechtlichen Grundstatus w i r d die abstrakt proklamierte Freiheit zur konkreten Freiheit, verwirklicht sie sich als „öffentliche Freiheit"; ohne die Chance, „ i n Erscheinung zu treten" 1 5 , hat die Freiheit keine Wirklichkeit; die völlige Absorption i n totaler, keinen Rückzug offenlassender öffentlicher Wirksamkeit eliminiert sie als Freiheit. Die Frage, wie solche öffentliche Freiheit möglich sei, muß sich auf die „Sache" selbst einlassen, muß das Freiheitsproblem als „Sachproblem" stellen. 1. Das Freiheits- und Demokratieproblem als „Sachproblem"

I n welch komplexe Zusammenhänge die so gestellte Frage führt, haben die Argumente i m Verfassungsstreit u m das Bundessozialhilfegesetz plastisch gezeigt 16 . Das „Problemdreieck", wie sich die Freiheit der B ü r ger, der Verbände und der Gemeinden unter den Bedingungen der Mittelknappheit miteinander vereinbaren lassen könne, kann nur i m Sinne einer „praktischen Konkordanz" 1 7 beantwortet werden; diese stellt sich nicht von selbst her, sondern bedarf bewußter, organisierender Zusammenordnung. Für den Bürger entscheidet diese Organisation i n einem besonders existentiellen Maße über den konkreten Sinn seiner Freiheit; i h m begegnet „Herrschaft" i n der Normalität des Verfassungsstaates ja nicht so sehr i m unmittelbaren Eingriff und Zugriff staatlicher Behörden, als i n der Abhängigkeit von staatlich-gesellschaftlicher Politik, die „Not" zu mindern oder zu schaffen i n der Lage ist; was als solche „Not" definiert und wie ihre Beseitigung organisiert ist, das bestimmt zu einem großen Teil den Raum effektiver Freiheit und Selbstbestimmung. Ein Aspekt dieses Problems ist i m Verfassungsstreit unter dem Stichwort des „Wahlrechts" (vgl. § 3 BSHG) 1 8 diskutiert worden; eine Disdes A r t . 4 Abs. 2 GG genießen, durch A r t . 2 Abs. 1 GG gedeckt sind, läßt das Gericht ausdrücklich offen (S. 252). — Überträgt m a n diese Grundsätze auf die Gesamttätigkeit der konfessionellen Wohlfahrtsverbände, so dürfte sich die Schutzgrenze des A r t . 4 GG quer durch deren Tätigkeitsfeld hindurchziehen; jedenfalls dürfte der durch „Spezialisierung", „Bürokratisierung" u n d „ V e r fachlichung" angezeigte Formenwandel von Caritas nicht ohne Bedeutung f ü r die grundrechtliche Qualifizierung sein. Z u B V e r f G 24,236 vgl. P. Häberle, DÖV 1969, S. 385 ff.; H.-P. Schneider, N J W 1969, S. 1342 f. 14 A. Hollerbach, V V D S t R L 26 (1968), S. 61 (zum Kirchenstatus). 15 Vgl. oben §13 I U I , bei A n m . 68. 18 Vgl. oben § 2 12 u n d 3. 17 K . Hesse, Grundzüge, S. 28, dort zur Verfassungsinterpretation i m engeren Sinne. 18 Vgl. § 2, A n m . 17 u n d 19.

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Die W h l f a h r t s v e r b ä n d e i m öffentlichen Gemeinwesen

kussion, die als Lehrstück dazu bezeichnet werden kann, wie sehr konkrete Freiheit der „zufälligen" Konstellation von Realfaktoren ausgeliefert ist. Die Organisierungsbedürftigkeit der Verbandsfreiheit ließe sich am Subventionsproblem erläutern. Bloße Anerkennung bedeutet unter den konkreten Bedingungen der Sozialarbeit Freiheitsminderung durch Abschieben i n einen Privatraum öffentlicher Unbeachtlichkeit; finanziell erzwungene totale Indienstnahme wäre Freiheitsverlust. Ein durch Subventionen stabilisierter öffentlicher Privilegienstatus der Verbände würde wiederum die demokratisch legitimierte Freiheit der Bürgergemeinde auf den Pflichtenstatus einer Auszahlungsstelle reduzieren und so die Freiheit auch all der einzelnen Bürger beeinträchtigen, die sich von keinem der Privilegienträger repräsentiert fühlen. Der Hinweis auf die demokratische Legitimation der kommunalen Sozialarbeit vermag das Problemknäuel nicht einfach zugunsten der Gemeinden zu entwirren. Denn auch die Wohlfahrtsarbeit der Verbände hat einen i n einem weiteren Sinne demokratischen Aspekt. Nicht nur aktivieren die Verbände Bürger zu tätiger Mitarbeit, sondern sie können auch zu einer der Pluralität und Komplexität besser entsprechenden Formulierung und Befriedigung der Bedürfnisse beitragen 19 . Nichts spricht jedenfalls heute dafür, daß Gemeinden und „Staat" eine A l l kompetenz auf eine Allwissenheit stützen könnten, die sie der Information und Kooperation enthöbe. Andererseits kann solche Allwissenheit und Allkompetenz auch nicht für die Verbände begründet, kann eine umfassende Kenntnis der Notlagen und ihre Beseitigung nicht „pluralistisch" hergestellt werden; das meint hier: das durch die sechs Spitzenverbände repräsentierte Spektrum deckt wegen der „ideologischen Privatheit" der Verbände nicht die gesamte Bandbreite des öffentlichen Gemeinwesens. 2. Elemente einer Organisation „öffentlicher Freiheit" in den Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes

Das schon aufgrund dieser wenigen Hinweise zu postulierende dynamisch-komplexe Organisationsmodell kann hier nicht entworfen werden. W i r müssen uns darauf beschränken, die Ansätze zu einer sachgerechten Organisation öffentlicher Freiheit zu zeigen, die das Bundessozialhilfegesetz enthält, wenn man seine Regelungen m i t dem Bundesverfassungsgericht kooperativ interpretiert 2 0 . Abschließend soll dann auf einige Punkte hingewiesen werden, die ein Öffentlichkeitsdefizit dieser Regelun19 Das hier Gemeinte ließe sich als input-output-Problem darstellen. Demokratische Gemeinw o h l Verwirklichung bedeutet i m Sozialstaat j a nicht zuletzt, daß die w i r k l i c h e n Bedürfnisse (in der Sozialhilfe: Notlagen) der Bürger erkannt, aufgenommen (input) u n d i n „guter" Weise befriedigt werden (output). 20 Vgl. BVerfGE 22,180 f.

§ 16 Das Statusproblem

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gen beweisen. Die positiven Elemente sehen w i r i n der gesetzlichen Achtung vor der grundrechtlich geschützten (privaten) Besonderheit der Verbände (a); i n der Anerkennung ihrer öffentlichen Bedeutung, die sich gerade aus der öffentlichen Funktion des Privaten ergibt (b); i n dem Angebot eines kooperativen Wahlstatus (c) bei Aufrechterhaltung der kommunalen Gesamtverantwortung (d). a) I n unserem Überblick über den Sachbereich (§ 4) sind uns die Verbände als historisch geprägte Gestalten

privat-legitimer

Besonderheit

begegnet. Auch wenn eine innere Angleichung von öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege i m modernen Sozialstaat konstatiert werden kann 2 1 , bleibt eine deutliche individuelle Geprägtheit der Verbände. Ihre soziale Tätigkeit w i r d von ihrem jeweils verschiedenen Selbstverständnis zumindest mitbestimmt, ihre Struktur ist bis i n organisatorische Einzelheiten eine historische Ausformung dieses Selbstverständnisses. Besonders deutlich t r i t t diese Institutionen prägende Macht der Idee bei den konfessionellen Verbänden i n Erscheinung. Ihre soziale Arbeit gehört als „Wesensäußerung" der Kirche auch zu deren Bereich; ihre Geschichte ist nur als Teil der Kirchengeschichte verständlich. Es wäre eine verkürzte Sicht, wollte man evangelische Diakonie und katholische Caritas ausschließlich als eine (gleichsam zufällig) von Christen betriebene Wohlfahrtspflege auffassen. I m folgenden Paragraphen w i r d die Besonderheit des jeweiligen Selbstverständnisses genauer untersucht werden. Hier seien die organisatorischen V o r kehrungen kurz dargestellt, die i n den beiden konfessionellen Verbänden die „Orthodoxie" dieses Selbstverständnisses u n d seine Umsetzung i n die p r a k tische Verbandstätigkeit sichern. Der Einfluß der E K D auf die A r b e i t des Gemeinsamen Werkes ist über die Vertretung i n den Organen hinaus auf vielfache Weise gewahrt; die f ü r die praktische A r b e i t wichtigste Person, der Leiter der Hauptgeschäftsstelle, w i r d der Diakonischen Konferenz v o m Diakonischen Rat i n Fühlungnahme m i t dem Rat der E K D vorgeschlagen; er w i r d v o m Vorsitzenden des Rates der E K D kirchlich eingeführt (§ 5 Ordnung des Werkes) ; an den Sitzungen der Diakonischen Konferenz u n d des Diakonischen Rates k a n n der Leiter der Kirchenkanzlei m i t beratender Stimme teilnehmen, an den Sitzungen der Diakonischen Konferenz zusätzlich auch der Leiter des kirchlichen Außenamtes (§§ 7, 10) ; die E K D ihrerseits trägt das Gemeinsame Werk auch finanziell m i t (§15). Der Deutsche Caritasverband steht nach §2 seiner Satzung unter der Aufsicht der deutschen Bischöfe; sie w i r d durch einen „Protektor" ausgeübt. Der Protektor wacht über Geist u n d W i r k e n des DCV u n d bildet die Verbindung z w i schen dem Verband u n d den zuständigen Stellen des Episkopats. Er hat das Recht, an den Sitzungen der Verbandsorgane teilzunehmen. M a n w i r d dieses bischöfliche Aufsichtsrecht nicht als ein Eingriffsrecht i n konkrete Entscheidungen der Verbandsorgane auffassen können 2 2 ; i n wichtigeren Fragen dürfte 21 22

Vgl. oben § 6 I 2, S. 81 f. So m i t Recht F. Klein, Die Verfassung der deutschen Caritas, 1966, S. 51.

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

aber eine Verbandsentscheidung gegen ein V o t u m der Bischöfe ausgeschlossen sein, auch ohne daß dies i n der vereinsrechtlichen Satzung zum Ausdruck kommt. Bezeichnend ist i n diesem Zusammenhang auch die Stellung des Präsidenten des D C V ; ihre unterschiedliche Regelung i n den verschiedenen Satzungen spiegelt zugleich die Änderungen der Ansicht über die Stellung des Verbandes i n der Kirche wieder. Sah das Statut von 1913 die W a h l des V o r stands durch einen Verbandsausschuß vor, i n den jeder deutsche Bischof einen Vertreter entsenden konnte, so bedurfte die W a h l des Zentralausschusses nach den Statuten von 1917 u n d 1921 der Genehmigung der deutschen Bischöfe; seit 1935 bestellte der Episkopat den Präsidenten unmittelbar, seit 1954 allerdings auf Vorschlag des Zentralausschusses. „Vorstellungen des deutschen Episkopats folgend w i r d nunmehr die Besetzung des Präsidentenpostens i n die Verantw o r t u n g der Verbandsorgane gestellt. Die deutschen Bischöfe begnügen sich m i t der Vorlage einer Kandidatenliste u n d ihrer Billigung. Aus der von den Bischöfen gebilligten Kandidatenliste w ä h l t der Zentralrat den Präsidenten 2 3 ." Die Entwicklung führte also zunächst zu einer sehr starken Stellung der Bischöfe, die erst durch die neue Satzung zugunsten der Laien geschwächt wird. — Einen nicht unerheblichen Einfluß können die Bischöfe über die V o r sitzenden u n d Direktoren der Diözesancaritasverbände ausüben, die i m Zentralvorstand u n d Zentralrat stark vertreten sind. Diese Vorsitzenden u n d Direktoren werden von den jeweiligen Diözesanbischöfen ohne M i t w i r k u n g von Organen der Diözesancaritasverbände bestellt 2 4 . b) D i e W o h l f a h r t s v e r b ä n d e s i n d gerade i n i h r e r besonderen, die t ä g liche A r b e i t m i t b e s t i m m e n d e n Geschichtlichkeit Gestalten von öffentlicher Bedeutung. Das e r g i b t sich aus i h r e r P o s i t i o n i m B e z u g s f e l d d e r „Sozialen Sicherheit". A u s d e m M e n s c h e n w ü r d e g e b o t des A r t . 1 A b s . 1 G G u n d aus d e r Sozialstaatsklausel ergeben sich die G r u n d a n f o r d e r u n g e n f ü r „ D a ß " u n d „ W i e " s t a a t l i c h e r S o z i a l h i l f e . D e r S t a a t k a n n sich d e r A u f g a b e e i n e r r e c h t l i c h v e r f a ß t e n F ü r s o r g e n i c h t entziehen, er h ö r t e sonst auf, e i n Sozialstaat zu sein 2 5 . I n e i n e m S y s t e m sozialer S i c h e r h e i t 2 6 , das d u r c h d e n T r e n d zu e i n e r „ i m w e s e n t l i c h e n schematischen u n d a u f Rechtsanspruch g e g r ü n d e t e n E i n k o m m e n s u m v e r t e i l u n g als eines p o p u l ä r e n u n d p o l i t i s c h v o r r a n g i g e n M i t t e l s z u r L ö s u n g sozialer P r o b l e m e " c h a r a k t e r i s i e r t w e r d e n k a n n 2 7 , f ü r die deutschen V e r h ä l t n i s s e g e n a u e r : i m S y s t e m v o n Sozialversicherung, V e r s o r g u n g u n d S o z i a l h i l f e 2 8 k o m m t der l e t z t e r e n 23

F. Klein, ebd., S. 70 f. Ebd., S. 95. E. R. Huber, Rechtsstaat u n d Sozialstaat i n der modernen Industriegesellschaft, 1962, S. 20. 26 Vgl. zu diesem werbenden Schlagwort G. Weisser, H D S W I X . (1956), S. 397 ; D. Schäfer, Die Rolle der Fürsorge i m System sozialer Sicherung, 1966, S. 104 ff.; H. Ryffel, Soziale Sicherheit i n der modernen Gesellschaft, i n : Staat 9 (1970), S. 1—19. 27 A. Achinger, S t L V I I . (1962), Sp. 266. 28 Dieses „System" ist allerdings i n seiner Unübersichtlichkeit geradezu ein Musterstück „substantieller Irrationalität". Z u der Vielzahl der ergebnislosen Reformpläne vgl. Gräfin v. Bethusy-Huc, Das Sozialleistungssystem der BRD, 24 25

§16 Das Statusproblem

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keineswegs nur die Rolle des „Lückenbüßers" zu 29 , sie ist vielmehr bestimmten Notarten zugeordnet, deren Beseitigung oder Linderung von schematischem Gesetzesvollzug nicht zu erwarten ist, die vielmehr spezifischer individualisierender Hilfen bedürfen. Welche Notlagen es sind, die dieser „persönlichen Hilfe" bedürfen, müßte eine umfassende Soziologie der Hilfsbedürftigkeit dartun, die es jedoch nicht gibt 3 0 . I n notwendig vagen Stichworten w i r d unter der Uberschrift „Industriegesellschaft" ζ. B. auf die Probleme hingewiesen, die ein Ausscheren aus der Produktivität heute bedeutet: Verlust an gesellschaftlicher Funktion, Isolierung und Einsamkeit (ein Schicksal vor allem alter Menschen); dann auf die neuartigen Anpassungsprobleme, die das von der Technik geprägte, versachlichte und funktionalisierte Wirtschafts- und Gesellschaftsleben stellt und auf deren Nichtbewältigung häufig m i t Lebensangst und Verhaltensunsicherheit reagiert wird 3 1 . Schließlich w i r d auf den Funktionsverlust aufmerksam gemacht, der die engeren Sozialverbände, besonders die Familie getroffen hat, die i n einer stabileren Sozialverfassung eine Fülle vor allem pflegerischer Aufgaben erfüllte. Es besteht kein Zweifel, daß die Wohlfahrtsverbände bei dem damit den Sozialstaat treffenden Ausgaben eine nicht zu unterschätzende Bedeutung haben, eine Bedeutung, „die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß damit die Wirklichkeit des konkreten Gemeinwesens i n seiner gesamtgesellschaftlichen Gestalt wesentlich verkürzt würde" 3 2 , eine i n diesem Sinne öffentliche Bedeutung. Das wäre genauer an Hand statisti-

1965; St. Mürike, Gedanken zur Sozialenquete, i n : Soziale A r b e i t 14 (1965), S. 294 ff.; polemisch: A. Müller, V o n der Sozialreform z u m Sozialpaket, i n : Gewerkschaftl. Monatshefte, 1964, S. 14 ff. 29 I n diesem Sinne jedoch die Sozialenquete (1966). Dazu kritisch O. Fichtner, i n : Neues Beginnen 1967, S. 5 ff.; Rohwer-Kahlmann, i n : ZSR 13 (1967), S. I f f . 30 Vgl. an älteren Arbeiten: G. Simmel, Soziologie, 4. Aufl. 1958, 7. Kap. Der Arme, S. 345 ff.; Erik Wolf, Die soziologischen Grundlagen der W o h l fahrtspflege u n d des Fürsorgeproblems, i n : Jahrb. f. Nationalökonomie u. Statistik, 3. Folge 69 (1926), S. 513 ff.; H. Achinger, Sozialpolitik u n d F ü r sorge, 1939, S. 54 ff.; Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik, 1958. Vgl. zum Ganzen auch J. Matthes, Gesellschaftspolitische Konzeptionen i m Sozialhilferecht, 1964, S. 78, 109 ff.; Eisner-Proske, Der fünfte Stand, i n : Frankfurter Hefte 8 (1953), S. 101 ff.; St. Münke, Die A r m u t i n der heutigen Gesellschaft. Ergebnisse einer Untersuchung i n Westberlin, 1956 (für die westdeutschen Verhältnisse w o h l nicht repräsentativ); D. Peyser, Hilfe als soziologisches Phänomen, 1934; Versuch einer Soziologie der Hilfe, i n : N D V 40 (1960) S. 73 ff. 31 Vgl. zum Ganzen: H. Frey er, Theorie des gegenwärtigen Zeitalters, 1955; D. Riesman, Die einsame Masse, 1958. U n m i t t e l b a r zur Fürsorge: H. Freyer, Die Fürsorge i n der gewandelten Welt von heute, i n : Gesamtbericht über den 61. Deutschen Fürsorgetag 1959 i n Berlin, 1960. Bäuerle, Die gesellschaftliche Situation der Sozialarbeit i n der Bundesrepublik, i n : Die Arbeiterwohlfahrt. Jahrbuch 1965/66,1966, S. 53 ff.; Sozialarbeit u n d Gesellschaft, 1967, bes. S. 111 ff. 32 So A. Hollerbach, V V D S t R L 26 (1968), S. 86, i n einer Umschreibung des Begriffes „öffentlich".

304

Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

scher Angaben darzulegen. Da eine neuere vergleichende Statistik fehlt 3 3 , seien hier nur einige Zahlen zum Beweise eines Tatbestandes genannt, der ohnehin unbestritten sein dürfte. Einen guten Gesamteindruck von dem Umfang der caritativen, diakonischen u n d sonstigen freien Sozialarbeit vermittelt die Größe der Mitarbeiterschaft. I m Jahre 1959 waren bei der Berufsgenossenschaft f ü r Gesundheitsdienst u n d Wohlfahrtspflege pflichtversichert 246 482 Personen, davon 108 020 Personen i n Einrichtungen der Evangelischen Diakonie. V o n den restlichen 138 462 M i t arbeitern der anderen freien Verbände gehören etwa 80 000 34 zu Einrichtungen des DCV (Ordensleute sind dabei nicht mitgezählt; i n der geschlossenen Fürsorge waren es beim DCV 1960 etwa 43 000) 35 . Vergleichbare Zahlen aus dem öffentlichen Bereich liegen f ü r den Stichtag 21. 9. 1960 v o r 3 6 . Z u diesem Zeitp u n k t beschäftigten Bund, Länder und Gemeinden i n Behörden u n d Einrichtungen der Fürsorge, Jugendhilfe u n d i m gesamten Gesundheitswesen zusammen 229 101 Personen. Die freien Träger setzten insgesamt also etwas mehr Mitarbeiter ein als die öffentlichen Träger. Außer den Ordensleuten sind die ehrenamtlichen Helfer nicht aufgeführt. F ü r den Bereich der „freien" Einrichtungen seien n u r drei Beispiele genannt37: I n Baden-Württemberg gab es am Stichtag 31. 12. 1960 506 Altenheime, A l t e n pflegeheime u n d Wohnheime für alte Menschen m i t 26 981 Plätzen. Davon entfielen auf : Heime i n °/o Innere Mission u n d H W Caritasverband Freie Wohlfahrtspflege insgesamt

Betten i n °/o

26,5 27,5

29,9 22,1

59,0

57,6

Öffentliche H a n d 33,0 35,0 Rest: Stiftungen u n d private Träger V o n 3451 Krankenhäusern u n d Heilstätten i n der BRD sind (31.12.1960) 1384 öffentlich 1245 freie gemeinnützige 858 private. 33 Das umfangreiche statistische Werk, das v o m Bundesministerium des I n n e r n herausgegeben wurde, ist veraltet: Beiträge u n d Studien zu einem Sozialatlas: Heft 1: Die öffentliche Fürsorge; Heft 2: Die Freie Wohlfahrtspflege, 1956. Es enthält n u r Angaben bis einschl. 1954. Übersichtliche Zusammenstellungen bei G. Heim, Darstellung der Tätigkeit des Diakonischen W e r kes der Evangelischen Kirche, i n : Collmer (Hg.), Beiträge zum Verfassungsstreit, 1963, S. 45 ff. 34 Nach C.Becker, Anstalten u n d Einrichtungen des DCV, i n : Caritas 61 (1960), S. 229 (Stand: 1.1.1960). 35 Nach Ohl, A r t . : Caritas, i n : ESozL (1963), Sp. 237 ff. 36 Quelle: Wirtschaft u n d Statistik, Heft 4,1962, S. 244. 37 Nach Heun, a. a. O.

§ 16 Das Statusproblem

305

Insgesamt gibt es i n der B R D u n d i n Westberlin 30 Ausbildungsstätten für Fürsorger u n d Fürsorgerinnen, die folgende Träger haben: Schulen evangel. Träger Schulen kathol. Träger

13 11

Schulen anderer freier Träger Schulen kommunaler u. staatl. Träger

6 10

Die Bedeutung der freien Verbände liegt jedoch nicht nur i m Quantitativen, sie liegt vor allem i n einer wesentlichen Ergänzung der behördlichen Sozialarbeit. Für die „öffentliche", an das material allgemeine Gesetz gebundene Sozialhilfe gibt es Grenzen, die sie nicht überschreiten kann. Zwar ist die alte Formel von Freiheit und Zwang obsolet 38 , zwar ist der eigene Wert einer gerade i n der Distanz den Hilfsbedürftigen als Person achtenden Hilfeleistung zu betonen 39 , und vor einer Ideologisierung „persönlicher Hilfe" zu warnen 4 0 , dennoch sind „Grenzen rechtlicher Regelung" 41 auch für den modernen Sozialstaat gegeben und zu beachten; sie sind dem öffentlichen Recht auch i n dem hier zugrundegelegten Sinne immanent. Hier sind es die Verbände, die aus größerer Ungebundenheit und gerade i n Verwirklichung ihrer geistigen und weltanschaulichen Besonderheiten die öffentliche Tätigkeit ergänzen und so eine i m qualitativen Sinn öffentliche Funktion erfüllen können. c) Der freiheitliche Staat erkennt die öffentliche Bedeutung der freien Sozialarbeit für seine gute Ordnung ausdrücklich an, wenn er i n Landesverfassungen die Wohlfahrtseinrichtungen der Kirchen gewährleistet 42 , für gemeinnützig erklärt 4 3 oder sogar ihre Förderung vorschreibt 44 , oder 38 E. Fechner, Freiheit u n d Zwang i m sozialen Rechtsstaat, 1953; Th. Würtenberger, Recht u n d Erziehung i n der öffentlichen Jugendhilfe, i n : ZgesStrW 71 (1959), S. 22. 39 H. Plessner , Grenzen der Gemeinschaft, 1924; K. Mannheim, Mensch u n d Gesellschaft, S. 375. 40 Kritisch: J. Matthes, Soziale Stereotype i n der Theorie der Fürsorge, i n : Soziale Welt 13 (1962), S. 148. — Z u m Thema „persönliche H i l f e " : Collmer, i n : Neue Wege der Fürsorge, 1960, S. 80 ff.; Die persönliche Hilfe, 1965 (Sehr. DPWV, 33); Wehlitz, Verwaltungshandeln u n d soziale Hilfen; i n : Die Einheit der sozialen Aufgabe, 1965, S. 1 ff.; Zeit, Der S t r u k t u r w a n d e l der sozialen Arbeit, i n : 4 Jahre BSHG u n d JWG, 1966, S. 485 ff. Vgl. auch Köttgen, Z e v K R 11 (1964/65), S. 266. 41 Carlo Schmid, Grenzen rechtlicher Regelung innerhalb der modernen Gesellschaft, i n : Universitas 1959, S. 1233 ff.; vgl. auch P. Honigsheim, Das Problem der Daseinssicherung u n d die Bürokratisierung i n der heutigen Gesellschaft, i n : Universitas 1961, S. 841 ff.; F. Werner, Wandelt sich die F u n k t i o n des Rechts i m sozialen Rechtsstaat? i n : Die moderne Demokratie u n d i h r Recht. Festschrift für G. Leibholz, 2. Bd., 1966, S. 153 ff. 42 VerfBadWürtt A r t . 6 ; VerfRhPf A r t . 26 ; VerfSaarl A r t . 35. 43 Verf Bremen A r t . 63 ; Verf RhPf A r t . 46. 44 V e r f N R W A r t . 6.

20 R i n k e n

306

Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

wenn er sie i n feierlichem Vertrage unter den gesetzlichen Schutz stellt 4 5 . Diese Anerkennung trifft mittelbar auch die nichtkonfessionellen Verbände, da eine einseitige Privilegierung der i m weltlichen Bereich agierenden kirchlichen Verbände eine gegen A r t . 3 und 4 GG verstoßende Diskriminierung bedeuten würde 4 6 . Darüber hinaus macht der Staat den Verbänden i n den oben (§ 2 I) i m einzelnen genannten Bestimmungen des BSHG und den entsprechenden Regelungen des JWG ein „Angebot" zu weitergehender öffentlicher Wirksamkeit, bei gleichzeitiger Bereitschaft, sich selbst auf die notwendigen Agenden zu beschränken. Die Verbände haben die Freiheit, dieses Angebot auszuschlagen, den „Vorrang" nicht zu nutzen, Subventionen nicht anzunehmen. Gehen sie auf das Angebot des Staates ein, so begeben sie sich i n ein Verhältnis der Kooperation, das ihren Freiheitsstatus nicht beseitigt, aber modifiziert. Man könnte von einem den Grundstatus modifizierenden „kooperativen Wahlstatus" sprechen 47. I n i h m treten sie m i t dem Staat i n ein Gespräch, i n Absprache, i n feste, auch sie bindende Verträge 48 . I n i h m kann ihre Tätigkeit durch staatliche Vergünstigungen nicht zuletzt finanzieller A r t unterstützt werden. I n i h m unterstehen sie aber auch i n einer gesteigerten Weise der koordinierenden gesamtplanenden Tätigkeit des Staates, durch die dieser seine Gemeinwohlverantwortung wahrnimmt und seine Souveränität betätigt. I n diesem Status der Kooperation können die Verbände eine Effektuierung ihrer Freiheit finden, er ist aber auch eine Gefahr für ihre innere und äußere Unabhängigkeit. d) Das Bundesverfassungsgericht hat i n seiner Auslegung des Bundessozialhilfegesetzes die Leitgedanken der Kooperation und der kommunal-behördlichen

Gesamt-

und

Letztverantwortung

besonders

betont.

Danach geht das Gesetz davon aus, daß „die Sozialhilfe zwar eine A u f gabe des Staates ist, daß aber der Staat diese Hilfe weder organisatorisch noch finanziell i n ausreichendem Maße allein leisten kann". Es bedürfe dazu vielmehr der gemeinsamen Bemühungen von Staat und freien Wohlfahrtsorganisationen. Diese hergebrachte und durch Jahrzehnte bewährte Zusammenarbeit von Staat und freien Verbänden solle durch die Vorschriften gefördert und gefestigt werden. Dabei bleibe jedoch die 45 A r t . 1 Niedersächs. Konkordat v o m 26. 2.1965 — Nds. GVB1. S. 192 (Vgl. schon A r t . 31 des Reichskonkordats von 1933); vgl. ferner: A r t . 14 Abs. 1 Niedersächs. Ev. Kirchenvertrag v o m 18. 4.1955 — Nds. GVB1. S. 159; A r t . 16 Schlesw.-Holst. Ev. Kirchenvertrag v o m 23. 4. 1957 — Schlesw.-Holst. GVB1. S. 73; A r t . 19 Hess. Ev. Kirchenvertrag v o m 18. 2.1960 — Hess. GVB1. S. 54. 46 K. Hesse, Kirche u n d Staat, EStL (1966), Sp. 923. Vgl. A. Röttgen, Soziale Arbeit, i n : Z e v K R 11 (1964/65), S. 238. 47 I n s t r u k t i v : F. Flamm, Koordination u n d Kooperation als Arbeitsprinzip beim Vollzug der öffentlichen Hilfe, 1967. 48 Vgl. dazu: Die Zusammenarbeit von öffentlicher u n d freier Wohlfahrtspflege i n der Sozialhilfe. Modelle für Vereinbarungen, hrsg. v. d. Mitgliedsverbänden der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, 1965.

§ 16 Das Statusproblem

307

letzte Verantwortung für die Gewährung der Hilfe bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden. Die Träger der freien Wohlfahrtsverbände handelten i m Rahmen der Vorschriften als private Organisationen, die freie Wohlfahrtspflege leisteten; es werde also nicht eine staatliche A u f gabe i m Wege der Gesetzgebung „privatisiert" 4 9 . Das Gericht hat damit die Erkenntnis bestätigt, daß i m demokratischen Sozialstaat die Hoheit des Staates mehr i n gesamtplanender und koordinierender Kooperation liegt, als i n der zwangsweisen Durchsetzung von Befehlen. Es ist die durch keinen Automatismus gesicherte Aufgabe der i m öffentlichen Prozeß zu verwirklichenden Politik, daß aus dem gesetzlichen „Angebot" eine Bereicherung der öffentlichen Ordnung resultiert und daß diese dem bewußten Zugriff nicht entgleitet. I I I . Das Öffentlichkeitsdefizit in der Organisation des Sozialhilfebereichs Der von den gesetzlichen Bestimmungen ermöglichte Fortschritt w i r d durch eine Reihe von Mängeln i n Frage gestellt, die sich i n der dreifachen Dimension des Öffentlichen als Öffentlichkeitsdefizit beschreiben lassen: als Demokratie-, Gemeinwohl- und Verfahrensdefizit. Stichworte müssen zur Erläuterung eines Sachverhalts genügen, der i n der Bundesrepublik wissenschaftlich kaum i n Ansätzen analysiert ist. Gemeinwohldefizit, das meint hier konkret den Mangel an Gesamtreflexion über Aufgabe und Stellung der Sozialhilfe i m politisch-rechtlichen Gesamtzusammenhang des Gemeinwesens oder, u m m i t zwei Buchtiteln zu sprechen: die Vernachlässigung der Themen „Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik" und „Sozialarbeit und Gesellschaft" 50 . Hier w i r k t sich die i n § 8 V dargestellte Wissenschaftssituation aus, die „ F ü r sorgewissenschaft" i n einen stillen Winkel abstellt und die auf umfassende interdisziplinäre Kooperation angewiesene Analyse gesellschaftsbedingter Not weitgehend dem ehrenwerten, aber unzureichenden „Praxiswissen" der Sozialpraktiker überläßt 51 . W i r haben oben auf die gesellschaftlich-politische Bedingtheit dieser Wissenschaftssituation hingewiesen und den wissenschaftlichen Formalisierungs- und Differenzierungsprozeß zur Entwicklung einer obrigkeitsstaatlich geprägten Rechtsstaatstheorie i n Beziehung gesetzt. W i r können die gleiche Fragestellung auch der Gegenwart nicht ersparen: Inwieweit ist diese Wissenschaftssituation Symptom einer Unterbilanz an materialer Demokratie? I n 49

BVerfGE 22,180 (200, 203 f.). H. Achinger f Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik, 1958; W. Bäuerle, Sozialarbeit u n d Gesellschaft, 1967. 51 Vgl. dazu J. Matthes, Gesellschaftspolitische Konzeptionen i m Sozialhilferecht, 1964, S. 67 ff. 50

20*

308

Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

welch starkem Maße die anscheinend „nur wissenschaftliche" Misere das konkrete Handeln des demokratischen Gesetzgebers bestimmt, ist von J. Matthes gerade an der Sozialhilfegesetzgebung des Jahres 1961 ausführlich dargestellt worden 5 2 . Uber diesen Einzelfall hinaus drängt sich hier die grundsätzliche Frage auf, inwieweit die Praxis des „öffentlichen Verfahrens" i n seiner heutigen Form dem normativen „Reflexionsgebot" (Gemeinwohlgebot) genügen kann. Die Bestimmungen des Sozialhilfegesetzes jedenfalls sind schon vom Gesetzgebungsverfahren her m i t der Unsicherheit belastet, ob sie i n der Definition der „Hilfsbedürftigkeit" und i n den sachlichen und organisatorischen Vorkehrungen zu ihrer Verhütung und Beseitigung objektiv auf der Höhe der Zeit stehen. Aber auch die Ausführung des Gesetzes kann nicht unbefragt bleiben. Vor allem müßten genauere Untersuchungen klären, ob und i n welcher Weise die vom Bundesverfassungsgericht m i t Recht so stark betonte Kooperation praktiziert w i r d ; ob die organisatorischen Maßnahmen, die das Gesetz anbietet 53 , genügen, eine flexible, gesamtplanende und zukunftsoffene Sozialarbeit sicherzustellen, ob der Zwang zur Zusammenarbeit die „Gesamtreflexion" auf örtlicher Ebene fördert oder ob er Innovationen erschwert. Hier sei abschließend auf zwei Komplexe hingewiesen, die eine sachgerechte Sozialarbeit und eine fruchtbare Zusammenarbeit belasten könnten: die Organisation der kommunalen Sozialhilfe und das Selbstverständnis der freien Wohlfahrtsverbände 54 . Obwohl es sich dabei u m anscheinend ganz unterschiedliche, ja inkommensurable Tatbestände handelt, w i r k t sich i n beiden ein Gleiches aus: ein gewisses Zurückbleiben hinter dem normativen Programm, das die demokratisch-sozialstaatliche Verfassung entworfen hat. Das Strukturmodell der kommunalen A p p a r a t u r öffentlicher H i l f e zeigt einen i n seinen Zusammenhängen nicht ohne weiteres durchschaubaren Gefügekomplex, der aus drei Komponenten, den Ämtern, den Außendiensten u n d den Spezialeinrichtungen gebildet w i r d . Z u den Ä m t e r n gehören das Gesundheitsamt, das Jugendamt u n d das Sozialamt (Fürsorgeamt, Wohlfahrtsamt). W ä h rend das Gesundheitsamt u n d zunehmend auch das Jugendamt von beruflichfachlich speziell vorgebildeten K r ä f t e n geleitet werden (Amtsarzt, Psychologe, Pädagoge), werden die Sozialämter meistens von allgemeinen V e r w a l tungskräften geführt, die erst nachträglich eine mehr oder weniger intensive Fachausbildung erworben haben. — Aufgabe des „Außendienstes" ist die A r b e i t i m sozialen Feld selbst, w i e etwa Ermittlung, Klientenbesuche, E n t wicklung begründeter Hilfevorschläge u. ä. Die Außendienste bestehen aus Sozialarbeitern u n d Sozialarbeiterinnen, also spezial-fachlich vorgebildeten

52

J. Matthes, ebd., S. 1 ff. Insbes. die Arbeitsgemeinschaften nach §95 Abs. 1 BSHG. Vgl. dazu B. Happe, Die Zusammenarbeit der Wohlfahrtspflege auf örtlicher Ebene, i n : Der Städtetag 1967, S. 125 ff. 54 Dem Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände v o n ihrer Stellung i m öffentlichen Gemeinwesen ist der Exkurs des § 17 gewidmet. 53

§16 Das Statusproblem

309

Kräften. Die K o m m u n i k a t i o n zwischen Außendiensten u n d Ä m t e r n geschieht überwiegend i n Form schriftlicher Berichte, seltener durch mündliche Einzelbesprechungen oder Gesamtkonferenzen. — Einen regelmäßig höheren Grad von Selbständigkeit haben die Spezialeinrichtungen, wie Krankenhäuser, Jugendheime, Kindertagesstätten, Altersheime, Beratungsstellen usw., deren Mitarbeiter meist fachlich qualifiziert sein müssen. Diese Selbständigkeit ist vor allem dort gegeben, w o auch die Ä m t e r u n d Außendienste fachlich qualifiziert besetzt sind, während die Kombination von geringer Qualifikation der Mitarbeiter i n den Spezialeinrichtungen u n d dominierendem Verwaltungsdenken i n den Ä m t e r n u n d Außendiensten zu einem Höchstmaß der A b h ä n g i keit von diesen führt. M. R. Vogel hat i m einzelnen dargestellt, w i e die generelle Funktionsteilung der kommunalen H i l f e - A p p a r a t u r nach Innen- u n d Außendienst eine Fülle von Störungsfaktoren gegenüber dem einheitlichen Hilfevollzug impliziert u n d seine Wirksamkeit hemmt 5 5 . Er hat aber zugleich auf den sich darin ausdrückenden, der öffentlichen Hilfe immanenten Prinzipiengegensatz aufmerksam gemacht, da hier zugleich die einander widerstreitenden Forderungen der subjektiven Einmaligkeit der Hilfsbedürftigkeit u n d der objektiven Rechtmäßigkeit der Hilfevoraussetzungen auf einen Nenner gebracht werden müssen. Der Innendienst repräsentiere den öffentlichen Anspruch auf objektive Rechtmäßigkeit, der Außendienst die subjektiven Besonderheiten einer jeweiligen Hilfsbedürftigkeit. Durch die Dominanz des allgemeinen Verwaltungsbeamten i m Innendienst v o r allem i n den Sozialämtern erhalte der ganze Vorgang des Vollzugs eine einseitige Ausprägung. Der Kommunalbeamte sei geschichtlich gesehen, eine unangemessene I m i t a t i o n staatlicher Verwaltungss t r u k t u r gegenüber der Notwendigkeit einer Überwindung des Honoratiorentypus 5 6 . Durch i h n seien die kommunalen Verwaltungsagenden, die sich u r sprünglich der Systematik der öffentlich-rechtsstaatlichen V e r w a l t u n g durchaus entzogen hätten, i n diese Systematik, die einseitig am Rechtsschutz, gerade nicht an Leistungsgewährungen orientiert gewesen sei, einbezogen worden. Seit sich das Schwergewicht der praktischen Vollzüge öffentlicher Hilfe i m m e r mehr auf das i m engeren Sinne soziale Feld der „persönlichen H i l f e " verlagert habe, sei eine grundsätzliche Revision dieser Einseitigkeit unabweisbar. Vor welchen Problemen das rechtsstaatliche Sozialrecht steht, w e n n den Reformforderungen nach einer Neuorganisation des kommunalen H i l f e v o l l zuges entsprochen w i r d , die einen einheitlichen Hilfevollzug durch den fachlich geschulten Spezialisten u n d — nach weiterem A b b a u schematisierender Leistungen 5 7 — die Freiheit zu i n d i v i d u e l l angemessener Hilfe i n hinreichend weiten Ermessensräumen 58 fordern, k a n n u n d braucht hier nicht mehr i m einzelnen entfaltet zu werden. Die Überlegungen zum Begriff des öffentlichen kehren an dieser Stelle zurück zu den Anforderungen der Verfassung an ein i h r adäquates öffentliches Recht.

55

Ebd. S. 77 ff. Ebd. S. 74. Vgl. die Bestimmungen des B S H G über die Regelsätze u n d die starre Ausgestaltung der Blindenhilfe u n d des Pflegegeldes; dazu G. Krüger, E i n schränkungen des Individualprinzips i m BSHG, Würzburg Diss. j u r . 1965. 58 Z u einer angemessenen Ermessenslehre vgl. allgemein: H. Ehmke, „ E r messen" u n d „unbestimmter Rechtsbegriff", 1960; speziell zum BSHG: Rothe, Ermessen u n d unbestimmter Rechtsbegriff i m J W G u n d BSHG, i n : Jugendwohl, 1967, S. 257 ff., 342 ff.; G. Krüger, Einschränkungen, S. 7, 33 f. 56

57

Exkurs § 17 Die Stellung der Wohlfahrtsverbände im Gemeinwesen im Spiegel ihres Selbstverständnisses Nicht nur i n der Begründung und Gestaltung ihrer sozialen Arbeit genießen die Wohlfahrtsverbände die Freiheit legitimer Besonderheit, diese prägt vor allem ihr Selbstverständnis von ihrer Stellung i m Gemeinwesen. Aber auch hier ist das „Private" für das öffentliche Gemeinwesen nicht belanglos, gehört es zu den Möglichkeitsbedingungen der Kooperation, hat es eine öffentliche Dimension. Der Schwerpunkt der i n einem Exkurs unternommenen kritischen Betrachtung dieses Selbstverständnisses liegt wiederum bei den beiden großen konfessionellen Verbänden. Für den jüdischen Wohlfahrtsverband steht das Thema „Staat" nicht i m Vordergrund der Überlegungen. Dieser Verband, der nach der Zeit der Verfolgung fast ausschließlich den Glaubensgenossen dient, entspricht noch am ehesten dem B i l d der privaten Assoziation, i n der i n überschaubaren Verhältnissen unmittelbar Nächstenhilfe geleistet wird. Kategorien wie „Vorrang" und „öffentlicher Status" liegen i h m fern; das Fehlen fast aller Anstaltsfürsorge und die Betonung der ambulanten Hilfen läßt die bei den Großverbänden bestehenden Reibungs- und Konkurrenzverhältnisse kaum zum Problem werden. I m Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband sind zu viele weltanschaulich heterogene Institutionen zusammengefaßt, als daß eine profilierte Gesamtmeinung möglich wäre 1 . Das Deutsche Rote Kreuz 1 A u f der Bundestagung 1965 ist die abwartende u n d abwägende H a l t u n g des Verbandes gut zum Ausdruck gekommen: Erst nach K l ä r u n g u n d unter Umständen auch zeitgerechten Neuformulierungen der geistigen Grundlagen werde er sich belangvoll darüber äußern können, w i e er seine gesellschaftliche Situation verstehe u n d ob u n d w i e w e i t er vorrangige Ansprüche gegenüber der öffentlichen Wohlfahrtsarbeit erheben müsse. Die Chancen, die die freie Wohlfahrtsarbeit habe, w e i l sie nicht so unmittelbar an Gesetze u n d Grundsätze der V e r w a l t u n g gebunden sei, berechtige jedenfalls nicht zu Superioritätsansprüchen gegenüber der öffentlichen Arbeit. „ I n der T a t bedeutet freie Sozialarbeit auch Freiheit der Mittel, aber auch Freiheit für Initiativen, f ü r schöpferisches Handeln. Geld ist ein neuralgischer P u n k t geworden, u n d w i r sollten unsere Freiheit nicht so verstehen, als ob w i r i n Geldsachen verantwortungsfrei seien, daß öffentliches Geld gleichsam ohne Quittung u n d zu treuen Händen an den Glauben der Freien Wohlfahrtspflege abzuliefern sei." Krämer, Die persönliche Hilfe i m DPWV, i n : Die persönliche Hilfe, 1965, S. 31 ff., 37.

§ 17 Exkurs : Das Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände

311

steht seit 1945 i n einem entspannten Verhältnis zum Staat und seiner Sozialhilfe. A u f Grund der seine Arbeit bestimmenden Prinzipien der weltanschaulichen Neutralität und der „Ersten Hilfe" versteht es seine Tätigkeit eher als subsidiär, denn als „vorrangig". Es bleibt darzustellen neben Caritasverband und Innerer Mission die Arbeiterwohlfahrt, deren Stellungnahme zum Verhältnis von öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege als eine Gegenposition zu den konfessionellen Verbänden bezeichnet werden kann, ohne daß damit scharfe Gegensätze behauptet werden sollen. Das Selbstverständnis der konfessionellen Verbände müßte ausdrücklicher, als es hier geschehen kann, auf dem Hintergrund der kirchlichen Lehren über das Verhältnis von Kirche und Welt, Kirche und weltlichem Gemeinwesen vorgeführt werden. Diese Verbände sind i n der Formulierung ihres Selbstverständnisses ja nicht „frei" i n dem Sinne ungebundener Selbstmächtigkeit, sondern ihrer kirchlichen Lehre verpflichtet, wobei K r a f t und Grenze dieser Verpflichtung ein schwergewichtiges Freiheitsproblem einer hier nicht zu eröffnenden Dimension darstellt. I. Die katholische Caritas 1. Die Verhältnisbestimmungen

Eine Durchsicht des Caritasschrifttums seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts 2 auf Aussagen zum Verhältnis von behördlicher Fürsorge und kirchlicher Liebestätigkeit erlaubt eine grobe Periodisierung: von einer ersten apologetischen Periode hebt sich eine zweite Periode selbstbewußter Bestandswahrung und Positionserweiterung ab. Die Grenze zwischen beiden Zeiträumen läßt sich auf die Jahre nach 1945 datieren. Seit dem Wiederaufblühen der katholischen Liebestätigkeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte sich diese immer wieder gegen grundsätzliche Existenzbestreitung und faktische Existenzbedrohung zu wehren. Gegenüber einem aufklärerischen Profanismus verteidigte der Freiburger Professor F. J. Buss schon 1844 die Vorzüge christlich motivierter Assoziationen 3 . Die Notwendigkeit fürsorgerischer Tätigkeit und die Be2 Eine A u s w a h l repräsentativer Äußerungen findet sich für die frühe Zeit i n mehreren Beiträgen zur Caritasgeschichte; vgl. H. Pesch SJ, Die katholische Caritas u n d ihre Gegner (1909), S. 516 ff.; L. Werthmann, Vorboten u n d V o r kämpfer der Caritasorganisation, i n : Heden u n d Schriften, 1958, S.23 ff.; Liese, Geschichte I, 1922, S. 368 ff. — Z u den größeren Zusammenhängen vgl. jetzt F. J. Stegmann, Geschichte der sozialen Ideen i m deutschen Katholizismus, i n : Gottschalch, Karrenberg, Stegmann, Geschichte der sozialen Ideen, 1969, S. 325—550. 3 J. Eremites (d. i. F. J. Buss), Der Orden der barmherzigen Schwestern, 1844, S. 21,174,189 ff.

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

rechtigung caritativer Fürsorge galt es gegenüber Sozialismus und Liberalismus gleichermaßen zu begründen. Diese stimmten von gegensätzlichen Standpunkten her i n der Ablehnung der Wohlfahrtspflege überein, jener, weil er sie als eine leidenverlängernde Verzögerung der proletarischen Revolution ansah, dieser, w e i l sie i h m den Mechanismus seines ordre naturel stören mußte. Nach einer Zeit notgedrungen enger Zusammenarbeit von öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege während des 1. Weltkrieges brachte die Bundesratsverordnung vom 15.1.1917, die eine erweiterte Beaufsichtigung auch der freien Wohlfahrtspflege einführte 4 , und die sich daran anschließende Diskussion über die Gestaltung der Wohlfahrtspflege nach dem Kriege neue Beunruhigung 5 . Einen Höhepunkt erreichten die unter dem Stichwort „Kommunalisierungsbestrebungen" zusammengefaßten Tendenzen i n den Jahren unmittelbar nach Kriegsende. Seit etwa 1920 setzte sich die Anerkennung der Eigenständigkeit der freien Wohlfahrtspflege durch, die die Fürsorgegesetze des Jahres 1924 zu wahren suchten. I n der Reaktion auf diese unterschiedlichen Gefährdungen betonte die katholische Caritas den hohen Eigenwert der helfenden christlichen Liebe. Nur ganz vereinzelt nahm sie extreme Positionen ein, so i n dem Vorschlag Georg Ratzingers, die staatliche Zwangsarmenpflege durch eine Restauration einer am Urchristentum orientierten Gemeindearmenpflege zu ersetzen 6. Überwiegend suchte man eine „organische Verbindung", Zusammenarbeit und gegenseitige Ergänzung 7 . Zwar 4 Bekanntmachung über Wohlfahrtspflege während des Krieges v. 15.2. 1917 (RGBl. S. 143). Sie wurde erlassen, u m Mißstände i n der freien W o h l fahrtspflege zu beseitigen, die durch eine Anzahl unseriöser Kriegsgründungen entstanden waren, richtete sich also nicht eigentlich gegen die alten Wohlfahrtsverbände, die i n § 10 von einer Anzahl lästiger Bestimmungen freigestellt wurden. Die Verordnung erging aufgrund einer Entschließung des Reichstages v o m 4.11.1916 über eine reichsgesetzliche Regelung der Kriegswohlfahrtspflege (74. Sitzung I I I . Sess 1914/16, DS Nr. 494, Sitzungsbericht, S. 2146 f.); sie löste die Bekanntmachung über die Regelung der Kriegswohlfahrtspflege v. 22. 7.1915 (BGBl. 449) ab. Vgl. dazu „Soll die Staatsaufsicht über die freie Wohlfahrtspflege i n die Friedenszeit hinübergenommen w e r den?" Denkschrift des Caritasverbandes f ü r das katholische Deutschland, 1917. Z u r Bundesratsverordnung allgemein: Luppe, H d K w I V . (1924), S. 498. 5 Werthmann, Grundsätzliches über staatliche Wohlfahrtspflege u n d freie Caritas, i n : Reden u n d Schriften, 1958, S. 148. Vgl. auch Krug v. Nidda, E n t wicklungstendenzen (1955), S. 222 ff., 252 ff. 6 G. Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenpflege, 2., umgearb. A u f lage, 1884, S. 565, 596; er verband m i t diesen restaurativen Tendenzen durchaus aufgeschlossene Ansichten über die Notwendigkeit einer staatlichen Arbeitsgesetzgebung m i t einem gewissen berufsständischen Einschlag (S. 542 f., 571). Schon 1895 ist Ratzinger selbst der Meinung, der alte Streit, ob offizielle oder freiwillige Armenpflege vorzuziehen sei, sei ein überwundener Standpunkt; es handele sich vielmehr darum, i n welches Verhältnis beide zu bringen seien u n d w i e sie sich am besten ergänzen könnten (Historisch Politische Blätter 115 [1895], S. 45 ff.). 7 Ehrle, Beiträge, 1881, S. I V , 131 („organische Verbindung"); Werthmann, Zusammenarbeit m i t der behördlichen Wohlfahrtspflege, i n : Reden u n d Schrif-

§ 17 Exkurs: Das Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände

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wurden i n den Begründungen „naturrechtliche" Reihenfolgen der Berufung zur Hilfeleistung aufgestellt, aus denen sich die nur „subsidiäre" Zuständigkeit des Staates ergab 8 . Aber diese Zuständigkeitsreihen waren noch nicht endgültig festgelegt: bei Ehrle rangierten Gemeinde und — nur für Ausnahmefälle — auch der Staat hinter den Privaten und der Kirche 9 ; Werthmann zählte als ersten natürlichen Wohlfahrtsverband die Familie, hinter der, noch vor der Kirche und der freiwilligen Vereinswohlfahrtspflege, die bürgerliche Gemeinde folgte 10 . Und es fehlte auch nicht an Stimmen, die sich ausdrücklich gegen die subsidiäre Stellung, gegen den „Notbehelf"-Charakter der öffentlichen Armenpflege wandten, ja, die Caritas aufforderten, sich ihrerseits i n den Dienst der öffentlichen Armenpflege zu stellen, u m gerade diese m i t christlichem Geiste zu erfüllen 1 1 . I m ganzen überwog der Wunsch nach Anerkennung und Zusammenarbeit. Diesen Wunsch sah man i n der Weimarer Fürsorgegesetzgebung weitgehend erfüllt und äußerte sich darüber befriedigt 1 2 . Die Bedeutung der nationalsozialistischen Bedrückung und der Nachkriegsjahre für das Selbstverständnis und Selbstbewußtsein der Kirchen ist schon oft hervorgehoben worden. Sie läßt sich i n einem besonderen Maße für das Verständnis konstatieren, m i t dem sich die kirchliche Liebestätigkeit zur öffentlichen Wohlfahrtspflege i n Beziehung setzte. I n dem Chaos staatlicher Auflösung gehörten die kirchlichen Wohlfahrtsverbände zu den wenigen noch funktionierenden Organisationen; i n einer diskriminierten Nation war ihnen internationale Achtung erhalten ten, S. 116; Schuster (Fürstbischof v. Graz): Armenpflege u n d christliche W o h l tätigkeit, Caritas 1 (1896), S. 85 ff., 86; Würmeling, Wesen u n d Aufgaben der freiwilligen u n d der Zwangsarmenpflege, m i t besonderer Rücksicht auf größere Städte, Caritas 2 (1897), S. 65—69, 90—95 (mit allerdings starker Betonung der Privatarmenpflege); vgl. auch schon Buss, a. a. O., S. 175 („ . . . Harmonie, gegründet auf eine administrative Einheit, allein nicht auf die Einheit einer mechanischen Centralisation"), 188 f. 8 Ehrle, a. a. O., S. 126 (naturrechtliches Prinzip); Würmeling, a. a. O., S. 67, 90 (subsidiärer Charakter, „Notbehelf"-Charakter der Zwangsarmenpflege); Schaub, Die katholische Caritas u n d ihre Gegner, 1909, S. 16 (Staat hat n u r „subsidiär" einzutreten); Dillinger, Kirchliche u n d staatliche Armenpflege, 1912, S. 3 ff. (aus der „ N a t u r der Sache", w e i l der tiefste G r u n d der V e r armung i n den meisten Fällen auf sittlichem Gebiet liege; andere A r m u t s ursachen seien sehr selten. M i t dieser Begründung i m Jahre 1912!), vgl. auch S. 39 ff. 9 Ehrle, a. a. O., S. 126. 10 Werthmann, Grundsätzliches, a. a. O., S. 149 ff. 11 Gegen den Notbehelfscharakter der staatlichen Armenpflege wendet sich G. v. Hertling, Das Recht der Existenz u n d die staatliche Armenpflege, i n : Kleine Schriften, 1897, S. 328 ff. 12 H. Bolzau (Hg.), Fürsorgerecht u n d Caritas. Abhandlungen zur Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht, 1927; darin: F. Riß, S. 125—138, bes. 132, 136 ff.; B. Würmeling, S. 139—197, bes. 142 ff. Vgl. auch J. Beeking (Hg.), Das Reichsgesetz f ü r Jugendwohlfahrt u n d die Caritas, 2. Auflage 1925; darin: K . Neundörfer, S. 47—77, bes. 76.

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

geblieben. W o das w e l t l i c h e G e m e i n w e s e n zusammenbrach, n a h m e n sie o f t s t e l l v e r t r e t e n d staatliche F u n k t i o n e n w a h r 1 3 . — M a n w i r d n i c h t f e h l gehen, w e n n m a n das B e w u ß t s e i n d e r u n b e s t r i t t e n e n L e i s t u n g als d e n H i n t e r g r u n d ansieht, a u f d e m nach U b e r w i n d u n g d e r e r s t e n N o t j a h r e eine N e u f o r m u l i e r u n g des eigenen Verständnisses v o m V e r h ä l t n i s k i r c h l i c h e r u n d b e h ö r d l i c h e r W o h l f a h r t s p f l e g e v e r s u c h t w o r d e n ist. D i e ü b e r k o m m e n e A r g u m e n t a t i o n e i n e r gewissermaßen p r a g m a t i s c h e n S u b s i d i a r i t ä t staatlicher u n d k o m m u n a l e r W o h l f a h r t s p f l e g e h a t sich z u r P r o k l a m i e r u n g e i n e r g r u n d s ä t z l i c h e n , aus d e r k a t h o l i s c h e n S o z i a l l e h r e systematisch abgeleiteten Subsidiarität

v e r f e s t i g t 1 4 . Das K e n n z e i c h e n

neuesten D i s k u s s i o n i s t es, daß diese p r i n z i p i e l l e

der

Subsidiaritätsvor-

s t e l l u n g sich m i t e i n e m Ö f f e n t l i c h k e i t s a n s p r u c h v e r b i n d e t 1 5 u n d i n d i e ser V e r b i n d u n g die A r g u m e n t a t i o n s b a s i s f ü r die F o r d e r u n g nach e i n e m „ V o r r a n g " v o r d e r b e h ö r d l i c h e n S o z i a l h i l f e e r g i b t . I n dieser F o r m i s t das 13

Das hebt hervor A. Eckert, Caritas 55 (1954), S. 163. Vgl. die ganz allgemeinen Ausführungen i n Rerum novarum, Nr. 24, m i t den Darlegungen i m Lehrschreiben der Deutschen Bischöfe v o m 12. Dezember 1953 „Aufgaben u n d Grenzen der Staatsgewalt". RN: „Heute w o l l e n allerdings nicht wenige die Kirche ob dieser ausgezeichneten Liebestätigkeit anklagen, genau so, w i e es einst die Heiden taten; man w i l l an Stelle der Kirche die gesetzlich geregelte Wohlfahrtspflege des Staates setzen. A b e r m i t allen M i t t e l n werden die Menschen nicht jene christliche Liebe ersetzen können, die sich eben ganz u n d gar den Nöten des Nächsten weiht." Entschiedener jedoch das Lehrschreiben: „ F ü r die öffentliche Fürsorge u n d Wohlfahrtspflege gilt ebenfalls der Grundsatz der Subsidiarität. Was die freie Fürsorge u n d Wohlfahrtspflege leisten k a n n u n d oft billiger leistet, soll die öffentliche nicht an sich reißen." Die Folgerung eines „Vorrangs" w i r d hier allerdings nicht gezogen: „Die Caritas behält ihre Berechtigung neben (!) der amtlichen öffentlichen Wohlfahrt. Die von A m t s wegen geleistete Hilfe bedarf notwendig einer Ergänzung (!) durch die menschlicher u n d persönlicher wirkende freie Liebestätigkeit." Vgl. Beckel, Christliche Staatslehre, Dokumente, 1961, S. 77. — Die Verweisung auf das Subsidiaritätsprinzip fehlt heute i n keiner katholischen Stellungnahme zum Problem des Verhältnisses von kirchlicher u n d behördlicher Fürsorge; vgl. Rosier , Der naturgerechte A u f b a u der freien u n d staatlichen Hilfeleistung, 1954, S. 9, 83; Franz Klein, Die Situation der katholischen Caritas i n der demokratischen Gesellschafts- u n d Rechtsordnung der B R D (Sonderdr. aus Zeitschr. „Jugendwohl"), 1955; Christ u n d Kirche i n der sozialen Welt, 1956, S. 136, 140; A r t . : Fürsorge u n d Wohlfahrtspflege, i n : StL I I I . (1959), Sp. 627; Das Recht des sozial-caritativen Arbeitsbereichs, 1959, S. 59; Brandenburg, Caritas u n d Wohlfahrtspflege, 1959, S. 191; Borgmann, A r t . : Fürsorge u n d Wohlfahrtspflege, i n : L T h K I V . (1960), Sp. 465. 15 Eckert, Caritas 55 (1954), S. 162; v. Mann, i n : Fürsorge u n d Sozialreform, 1956, S. 511 (Diskussionsbeitrag); Reisch, A r t . : Deutscher Caritasverband, i n : S t L I I . (1958), Sp. 647; Brandenburg, a.a.O., S. 195; Kröner, Die ethischen Grundlagen der freien Wohlfahrtspflege, 1959, bes. S. 38; besonders ausgeprägt: Franz Klein, Öffentlichkeitsauftrag u n d Öffentlichkeitscharakter der kirchlichen Liebestätigkeit, i n : Caritas 60 (1959), S. 178—185 (dort auch die charakteristische Verbindung von Subsidiaritätsprinzip u n d Öffentlichkeitscharakter, S. 180); vgl. ders., Christ u. Kirche, a.a.O., S. 100, 133; Recht des sozial-caritativen Arbeitsbereiches, S. 22, 43, 48 ff.; S t L I I I . (1959), Sp. 626. Vgl. auch die offizielle Stellungnahme des D C V „Caritas u n d kommunale Wohlfahrtspflege", 1963, S. 32, 62: „öffentlicher" Charakter der kirchlichen Wohlfahrtspflege. 14

§ 17 Exkurs: Das Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände Selbstverständnis der katholischen organisierten Wohlfahrtsarbeit

315 in

der Gesetzgebung des Jahres 1961 u n m i t t e l b a r w i r k s a m g e w o r d e n 1 6 .

2. Das Subsidiaritätsprinzip D i e A k t i v i e r u n g des i n der k a t h o l i s c h e n S o z i a l l e h r e a n h e r v o r r a g e n der S t e l l e stehenden S u b s i d i a r i t ä t s p r i n z i p s f ü r die A b g r e n z u n g v o n b e h ö r d l i c h e r u n d f r e i e r W o h l f a h r t s p f l e g e ü b e r r a s c h t n i c h t , es w u r d e v o n der Soziallehre, i n d e r es f u n g i e r t , j a gerade i n polemischer A u s e i n a n dersetzung m i t den weltanschaulich-politischen Mächten entwickelt, d e n e n gegenüber auch die C a r i t a s S t e l l u n g z u beziehen h a t t e : L i b e r a l i s m u s u n d Sozialismus. A u f d e m Gebiete d e r W i r t s c h a f t e n t w i c k e l t 1 7 , f a n d es schon i n der p ä p s t l i c h e n E n z y k l i k a „ Q u a d r a g e s i m o A n n o " eine so a l l g e m e i n e F o r m u l i e r u n g 1 8 , daß es fast v e r w u n d e r l i c h ist, daß seine 16 Eine Schlüsselstellung i n der Transponierung der beiden Argumentationslinien „Subsidiarität" u n d „Öffentlichkeitscharakter" i n die verfassungsrechtliche Diskussion n i m m t Franz Klein als Justitiar des DCV ein. Vgl. i n : Caritas 57 (1956), S. 263—268; Die Träger der Fürsorge, i n : Grundfragen, S. 23 bis 29 („öffentliche Stellung der Freien Wohlfahrtspflege", S. 28; „behördliche Fürsorge unter das demokratische Gesellschaftsprinzip der Subsidiarität gestellt", S. 29); Die Verfassungsbeschwerden, i n : Jugendwohl, 43 (1962), S. 203 bis 220; Staat u n d Gemeinde — Kirche u n d Caritas i n den Sozialgesetzen 1961, i n : Jahrb. d. Caritaswissenschaft 1964, S. 36—65. Klein-Kessels, 12 Thesen zum Verfassungsstreit über das J W G u n d BSHG, i n : Jugendwohl, 45 (1964), S. 43—51. Repräsentativ f ü r diese Sicht dann die Gutachten v o n G. Küchenhoff u n d Süsterhenn zum Verfassungsstreit. Vgl. auch die bei G. Küchenhoff geschriebene A r b e i t von Desch, Subsidiaritätsprinzip u. Sozialhilferecht, Diss. j u r . Würzburg 1965, bes. S. 9 ff., 185 ff., 220 („Subsidiaritätsprinzip als Zuständigkeitsnorm direkt wirkender, als materiales Prinzip m i t telbarer Verfassungsgrundsatz"). 17 Vgl. v o r allem die Schriften von Heinrich Pesch SJ. I n dem Versuch einer „ V e r m i t t l u n g " v o n Sozialismus u n d Liberalismus durch den M i t t e l w e g eines christlichen „Solidarismus" soll sowohl die Würde des Staates als auch die Eigenständigkeit der kleineren Gemeinschaften gewahrt werden. Vgl. Liberalismus, Sozialismus u n d christliche Gesellschaftsordnung, 1893—1900, S. 51, 88 f., 97, 115; Die soziale Befähigung der Kirche, 2. verm. Aufl., 1899, S. 457 ff. (zugleich ein Beispiel f ü r die Polemik zwischen den Konfessionen); Lehrbuch der Nationalökonomie, Bd. 1,1905, S. 367, 379 ff., 387. 18 Vgl. die „klassische" Formulierung i n Q A Nr. 79: „ . . . so muß doch a l l zeit unverrückbar jener hochbedeutende sozialphilosophische Grundsatz (gravissimum i l l u d principium) festgehalten werden, an dem nicht zu r ü t t e l n noch zu deuteln ist: w i e dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener I n i t i a tive u n d m i t seinen eigenen K r ä f t e n leisten kann, i h m nicht entzogen u n d der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren u n d untergeordneten Gemeinwesen leisten u n d zum guten Ende führen können, f ü r die weitere u n d übergeordnete Gemeinschaft i n Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig u n d v e r w i r r t die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist j a ihrem Wesen u n d Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen." Übersetzung nach Jostock, Die sozialen Rundschreiben, 4. Aufl. 1963, S. 133 f. Vgl. die Wiederholung u n d Bekräftigung i n M M Nr. 53. Die Meinungsverschiedenheiten u m die Übersetzung von „gravissimum i l l u d

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

e x p l i z i t e A n w e n d u n g a u f unsere V e r h ä l t n i s b e s t i m m u n g sich erst r e l a t i v spät a l l g e m e i n durchgesetzt h a t : seine A n w e n d u n g i m S i n n e e i n e r D e d u k t i o n aus e i n e m a l l g e m e i n e n P r i n z i p i m Gegensatz z u m N a c h w e i s e i n e r s t ä r k e r sachgebundenen S u b s i d i a r i t ä t 1 9 . Es i s t diese d o g m a t i s c h s t a r r e A n w e n d u n g des S u b s i d i a r i t ä t s p r i n z i p s , die m i t Recht k r i t i s i e r t w o r d e n i s t 2 0 . So sehr gerade f ü r e i n f ö d e r a t i v e s u n d p l u r a l i s t i s c h verfaßtes G e m e i n w e s e n eine große Z a h l v o n S u b s i d i a r i t ä t s v e r h ä l t n i s s e n g e f o r d e r t , j a geradezu t y p i s c h i s t 2 1 , so w e n i g lassen sich a l l e Z u o r d n u n g s - u n d A b g r e n z u n g s p r o b l e m e v o n e i n e m festen S u b sidiaritätsschema h e r lösen, so sehr k o m m t alles a u f d e n k o n k r e t e n F a l l , die k o n k r e t e Sache an. „Welches die j e w e i l s r i c h t i g e , d e n tatsächlichen V e r h ä l t n i s s e n u n d B e d ü r f n i s s e n gerecht w e r d e n d e S t r u k t u r eines Sachbereiches ist, m u ß i n j e d e m F a l l d u r c h s o r g f ä l t i g e Sachanalyse e r m i t t e l t w e r d e n ; die d e r sachgerechten S t r u k t u r gemäße Z u s t ä n d i g k e i t s o r d n u n g p r i n c i p i u m " i n „Quadragesimo A n n o " hat fast schulbildend gewirkt. Der A u f fassung, die als Übersetzung Wendungen w i e „hochbedeutsamer Grundsatz", „überaus gewichtiges Prinzip" vorschlägt (z. B. Jostock, a. a. O. ; David, Streit u m das Subsidiaritätsprinzip, i n : Orientierung 21 [1957], S. 13—16; A. F. Utz OP, Der Mythos des Subsidiaritätsprinzips, i n : Neue Ordnung 10 [1956], S. 11; Calvez-Perrin, Kirche u n d Wirtschaftsgesellschaft, Bd. 2, 1965, S. 236), steht die Auslegung gegenüber, die das Subsidiaritätsprinzip f ü r „den obersten sozialphilosophischen Grundsatz" hält (z. B. Häring, Das Gesetz Christi, 1957, S. 1231; Die sozialen Rundschreiben, hrsg. v. Gundlach, 3. Aufl. 1960; Link, Subsidiaritätsprinzip, 1955, S. 3, 18 f., 54 u. ö.; Mausbach-Ermecke, Katholische Moraltheologie, Bd. 3, 10. Aufl. 1961, S. 49; Rauscher, Subsidiaritätsprinzip u n d Berufsständische Ordnung i n „Quadragesimo A n n o " , 1958, S. 54; Wildmann, Personalismus, Solidarismus u n d Gesellschaft, 1961, S. 127). Eine abgewogene Darstellung des Subsidiaritätsprinzips u n d seiner Problematik i n : S t L V I I . (1962), Sp. 826—833. Beachte auch die gibt Ο. v. Nell-Breuning, Betonung der eigenständigen Staatsfunktion i n der Darstellung der päpstlichen Subsidiaritätslehre bei Calvez-Perrin, a. a. O., S. 232—244. Z u m Ganzen auch David, Ist das Subsidiaritätsprinzip „der oberste Grundsatz der Sozialphilosophie"?, i n : Neue Ordnung (1961), S. 451 f. Besonders verwiesen sei auf J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip u n d Verfassungsrecht, 1968. 19 Subsidiaritätsvorstellungen lassen sich natürlich auch vor der Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips feststellen. Sie partizipieren aber nicht an der Geschlossenheit des sozialphilosophischen Systems, i n dem jenes wurzelt. Vgl. f ü r die ältere Zeit z. B. die Forderung von J. W. Reche, Evergesia oder Staat u n d Kirche i n Bezug auf die Armenpflege, 1821, S. 212: „Subsidiarische Armenpflege des Staates." 20 Vgl. v o r allem Rendtorff, Kritische Erwägungen zum Subsidiaritätsprinzip, i n : Staat 1 (1962), S. 405 ff., bes. 409 f., 412, 417 if. Barion, Die sozialethische Gleichschaltung, i n : Staat 3 (1964), S. 1 ff. Sehr kritisch: Herzog, Subsidiaritätsprinzip u n d Staatsverfassung, i n : Staat 2 (1963), S. 399—423; vgl. auch Strigi, Staatskirchenrechtliche Aspekte der Bundesgesetze zur Neuordnung der Wohlfahrtspflege, i n : A r c h K a t h K R 132 (1963), S. 405 ff., bes. S. 413 ff. 21 Vgl. z. B. W. Hamann, Die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips i m geltenden Verwaltungsrecht, Diss. j u r . Tübingen 1961; Matts, Z u r Verfassungsmäßigkeit der Kindergeldgesetze, Diss. Freiburg 1962; Glaser, Das Subsidiaritätsprinzip u n d die Frage seiner Verbindlichkeit nach Verfassungs- u n d N a turrecht, Diss. jur. B e r l i n 1965; Isensee, Subsidiaritätsprinzip u n d Verfassungsrecht, 1968.

§ 17 Exkurs: Das Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände

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w i r d von selbst auch dem Subsidiaritätsprinzip Genüge tun 2 2 ." Gegenüber dieser Einsicht, die der Mühe der Sachanalyse, der Sorgfalt der Abwägung und der gefahrvollen Ungesichertheit der Entscheidung nicht enthebt, scheint die sichere Handhabung des Subsidiaritätsprinzips i n der „Vorrangdiskussion" von einem „optimistischen" Verständnis der katholischen Soziallehre 23 geleitet zu werden, das noch nicht die Erfahrung gemacht hat, daß diese Soziallehre ein „Gefüge von offenen Sätzen" ist, die einer „sachgerechten Konkretisierung" je und je bedürfen 24 . Fragt man nach dem Boden eines solchen Denkens, so findet man auch hier die „Zwei-Reich-Lehre" (Ehmke) des Trennungsdenkens, offenbart sich diese Argumentationsweise als ein K i n d des 19. Jahrhunderts: zum apparathaft verstandenen Staat bleibt sie i n der Haltung des „Gegenüber"; i n seiner Eigenart als demokratisches Gemeinwesen kommt der Staat noch nicht i n den Blick 2 5 . So meldet sich die Sorge, es könne sich u m ein neues Beispiel jener „reine(n) Anspruchshaltung" handeln, „die ein Überrest der Minoritäts- und Defensivsituation des 19. Jahrhunderts ist" 2 6 . 3. Die Lehre des I I . Vatikanum

Nikolaus Monzel hat festgestellt, „daß es eine die Substanz angreifende Verarmung der katholischen Soziallehre ist, wenn man ihren Inhalt auf den der naturrechtlichen Ethik einschränkt", und „wie sehr die inhaltliche Einschränkung der katholischen Soziallehre dem rationalistischen Naturalismus der Aufklärung noch nahesteht" 27 , und er hat dieser verkürzten Sicht seine These vom „inhaltlichen Uberschuß" der 22 Ο. v. Nell-Breuning, A r t . : Subsidiaritätsprinzip, i n : S t L V I I . (1962), Sp. 832. 23 Gegen das vorherrschende Verständnis der katholischen Soziallehre als einer impermeablen Einheit muß auf die lebhafte Grundlagendiskussion innerhalb dieser Lehre verwiesen werden. Vgl. die Einteilung i n „Optimisten" (Fuchs, Utz, Häring) u n d „Pessimisten" (K. Rahner, Lubac, v. Balthasar, Söhngen) bei Monzel, Solidarität u n d Selbstverantwortung, 1959, S. 25 f. — Insofern Rendtorff, i n : Staat 1 (1962), S. 405—430, 412, gegen die A n w e n d u n g des Subsidiaritätsprinzips argumentiert, die aus i h m als einem „obersten Prinzip" eine ganze Soziallehre deduziert, wendet er sich gegen eine „ o p t i mistische", sicher nicht gegen jede mögliche Auslegung dieses Grundsatzes. 24 Wallraff, Die katholische Soziallehre — ein Gefüge von offenen Sätzen, i n : Normen der Gesellschaft, 1965, S. 27—48. 25 Insofern läßt sich w o h l eine Tendenz feststellen, „das government — auch das demokratische — von der Grundrechtsseite her zu minimalisieren" (H. Maier, Staat u . K i r c h e [1965], S. 122). A l s Beispiel solcher minimalisierender Tendenz, die dem Staate allein noch die Zwangmaßnahmen läßt, vgl. Süsterhenn, Die kirchl. Liebestätigkeit i m sozialen Rechtsstaat der Gegenwart, i n : Caritas 58 (1957), S. 317 ff. 26 H. Maier, a. a. O., S. 122. Vgl. jedoch als Beispiel zunehmender Aufgeschlossenheit: E. Nawroth OP, Ganzheitliches Gesellschaftsordnungsdenken, i n : Die neue Ordnung, 20 (1966), S. 401 ff., 21 (1967), 16 ff., 254 ff. 27 Monzel, Kathol. Soziallehre, Bd. 1,1965, S. 125.

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

ü b e r n a t ü r l i c h - c h r i s t l i c h e n O f f e n b a r u n g a n sozial b e d e u t s a m e n W e r t b e s t i m m u n g e n entgegengesetzt 2 8 . Das d a m i t a u f g e w o r f e n e e r k e n n t n i s t h e o retische P r o b l e m des V e r h ä l t n i s s e s v o n V e r n u n f t u n d O f f e n b a r u n g b r a u c h t jedoch h i e r n i c h t ausgeschöpft z u w e r d e n 2 9 , d e n n w e n n d a v o n ausgegangen w e r d e n m u ß , daß es sich b e i der C a r i t a s n i c h t (nur) u m eine „ n a t ü r l i c h e " , s o n d e r n i n i h r e m E x i s t e n z g r u n d u m eine ü b e r n a t ü r liche Größe h a n d e l t 3 0 , w e n n das G e b o t der C a r i t a s z u d e n „ g a n z n e u e n B e z i e h u n g e n " g e h ö r t , die n u r aus d e r g l ä u b i g e n A n n a h m e der C h r i s t u s o f f e n b a r u n g v e r s t ä n d l i c h s i n d 3 1 , so k a n n Caritas, auch i n o r g a n i s i e r t e r G e s t a l t — vorausgesetzt, daß sie i h r e n u r s p r ü n g l i c h e n S i n n w a h r t — n i c h t r e i n n a t u r r e c h t l i c h z u r ö f f e n t l i c h e n S o z i a l h i l f e i n B e z i e h u n g gesetzt w e r d e n , s o n d e r n n u r u n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g des spezifischen „ i n h a l t l i c h e n Uberschusses", d e n sie als „ W e s e n s ä u ß e r u n g " d e r K i r c h e besitzt. I n der T a t w e r d e n i n der L e h r e des Z w e i t e n V a t i k a n i s c h e n K o n z i l s die A k z e n t e i n entscheidenden P u n k t e n n e u gesetzt 3 2 . D i e p a s t o r a l e K o n s t i t u t i o n ü b e r die K i r c h e i n der W e l t v o n h e u t e v e r s u c h t n i c h t , „ W e l t " u n d 28

Monzel, Solidarität u. Selbstverantwortung, 1959, S. 18. Die übliche A u s k u n f t der Lehrdarstellungen über die zwei gleichberechtigten Quellen der christlichen Soziallehre, über das m i t der Vernunft erkennbare, allen Menschen i n seinem K e r n ins Herz geschriebene Gesetz (Röm.1,20 bis 23; 2,14—15), das „ i m Lichte der Offenbarung" n u r eine tiefere u n d festere Begründung erhalte (vgl. Klüber, Grundfragen der christlichen Soziallehre, I. Teil, 2. Aufl. 1955, S. 28; Welty OP, Sozialkatechismus, I. Bd., 2. Aufl., S. 16 ff., 164 ff.; neuerdings Calvez-Perrin, Bd. I, S. 69—94, bes. 86, m i t ausführl. H i n weisen auf päpstl. Verlautbarungen), läßt sowohl die natürliche Erkennbarkeit des Naturgesetzes als auch den Beitrag der Offenbarung i m unklaren. Z u r Problematik vgl. die Auseinandersetzung von Monzel, Solidarität u. Selbstverantwortung, 1959, S. 18, m i t Messner, Z u r Problematik des Naturrechts i n der modernen Welt, i n : Hochland, 42 (1949/50), S. 535. Kritisch K . Rahner, Bemerkungen über das Naturgesetz u. seine Erkennbarkeit, i n : Orientierung 19 (1955), S. 241 ff. — Die Lehre des I I . Vatikan. Konzils akzentuiert die Bedeutung der Offenbarung; vgl. E r k l ä r u n g über die Religionsfreiheit, A r t . 2 (die Aufzählung der Offenbarung v o r der Vernunft ist f ü r die Begründung nicht ohne sachliches Gewicht, vgl. auch A r t . 9). 30 Z . B . Keller, Caritaswissenschaft, 1925, S. 51 ff.; Wollasch, Die Stellung der Caritas i m öffentlichen u n d kirchlichen Raum, in: Caritas 50 (1949), S. 151. Deuringer, Das Christentum als Quellgrund der Caritas, i n : Caritas 60 (1959), S. 249 ff. („Dabei liegt die differentia specifica zwischen Fürsorge u n d Caritas nicht i n der materialen Leistung als solcher, ebensowenig i n der stärkeren oder geringeren Beteiligung der Gemütskräfte, sondern i n der Beziehung zu Christus"); Völkl, „Caritas" i n der Bibel, „Caritas" i n der Meßliturgie, i n : Jahrb. der Caritaswissenschaft 1964, S. 12—27, 28—35; ders., Caritas als Grundfunktion der Kirche, i n : Handbuch der Pastoraltheologie, S. 410. 31 Monzel, Solidarität u n d Selbstverantwortung, S. 30. 32 Grundlegend: Die pastorale Konstitution über die Kirche i n der Welt v o n heute, „ G a u d i u m est spes", v o m 7.12.1965 (zitiert: Kirche u n d Welt), bes. I. Hauptteil, 4. Kapitel: Die Aufgabe der Kirche i n der Welt v o n heute, A r t . 40—45, u n d I I . Hauptteil, 4. K a p i t e l : Das Leben der politischen Gemeinschaft, A r t . 73—76. A u f dieser Konstitution basiert: Die E r k l ä r u n g über die Religionsfreiheit, „Dignitatis humanae", v o m 7.12.1965 (zitiert: Religionsfreiheit). Die wichtigsten Aussagen des Konzils zur Caritas: Dekret über das Laienapostolat, A r t . 8; Kirche u n d Welt, A r t . 42; Religionsfreiheit, A r t . 4. 29

§ 17 Exkurs: Das Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände

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„Kirche" vorweg zu definieren und dann i n ein nachträgliches Verhältnis zueinander zu setzen. Die „Welt", von der sie spricht, ist — der Mensch 33 , der i n entschiedener Lösung von jedem einseitigen Individualismus als ein „aus seiner innersten Natur gesellschaftliches Wesen" 34 gesehen wird. „Die Kirche w i r d i n ihrer Mysterienwirklichkeit, i n ihrer sakramentalen S t r u k t u r dargestellt. Als solche ist sie eine sichtbar-unsichtbare Ganzheit 3 5 ." Durch die Bezeichnung der Kirche als Mysterium soll eine vollere Schau der „komplexen" Wirklichkeit der Kirche ermöglicht, die nachtridentinische Überbetonung der Sichtbarkeit der Kirche bewußt ausgeglichen werden 3 6 . Die gegenseitige Beziehung von Kirche u n d Welt, „dieses Ineinander des irdischen u n d himmlischen Gemeinwesens" bleibt ein „Geheimnis der menschlichen Geschichte" 37 . Der Sendungsbereich der Kirche w i r d ausdrücklich auf die „religiöse Ordnung" beschränkt, eine Sendung der Kirche i m politischen, w i r t schaftlichen oder sozialen Bereich ausdrücklich verneint 3 8 . Damit ist eine epochale Absage an die mittelalterliche Theorie der zwei Gewalten, der H e r r schaft der Kirche auch über das Zeitliche, vollzogen 3 9 u n d der Boden bereitet für eine neue u n d unbelastete Stellung der Kirche innerhalb der politischen Ordnung. Die Betonung der Personwürde des Menschen 40 u n d die aus i h r abgeleitete positive Würdigung der Grundrechte, besonders der Religionsfreiheit, gleichberechtigt f ü r alle religiösen Gemeinschaften 41 befreit von einer H y p o thek, die bislang auf dem Verhältnis der Kirche zum pluralistischen demokratischen Gemeinwesen lastete 4 2 . Die Anerkennung der Autonomie der irdischen 33 So RahnerJV or grimier, Kleines Konzilskompendium, 1966, S. 425, zu Kirche u n d Welt. 34 So: Kirche u n d Welt, A r t . 12 Abs. 4; vgl. auch A r t . 24 f. 35 Kommentar von A. Grillmeier SJ zu A r t . 8 der K o n s t i t u t i o n über die Kirche, i n : Das Zweite Vatikanische Konzil, T e i l I, 1966 ( L T h K Ergänzungsband), S. 170. 36 Grillmeier t a. a. O., S. 156, zu K a p i t e l I der Konstitution über die Kirche; diese ist somit eine K o r r e k t u r einer einseitigen, i n der Kirche lange v o r herrschenden Lehre, deren Exponent K a r d i n a l B e l l a r m i n gewesen ist. 37 Kirche u n d Welt, A r t . 40. 38 Kirche u n d Welt, A r t . 42; Rahner/Vorgrimler, a. a. O., S. 432. 39 Vgl. Rahner/Vorgrimler, a. a. O., S. 433. 40 Kirche u n d Welt, A r t . 12—22, 27; Religionsfreiheit, A r t . 1. 41 Religionsfreiheit passim, bes. A r t i k e l 2—4, 7 (Freiheit u n d öffentliche Ordnung); Kirche u n d Welt, A r t . 17, 73. 42 Bis zur Erklärung über die Religionsfreiheit stand das kathol. Verhältnis zur Demokratie i m m e r unter der Belastung einer Toleranzlehre, die dem Verdacht n u r opportunistischer Toleranz ausgesetzt war. Vgl. Monzel, Das Problem der Toleranz, i n : Solidarität u n d Selbstverantwortung, 1959, S. 233 ff., bes. 231—243. — A u f dem K o n z i l hatte noch das I X . K a p i t e l des Entwurfs „Über die Kirche" 1962 diese alte Toleranzlehre vertreten; vgl. Rahner/Vorgrimler, a. a. O., S. 655. — Z u r Diskussion auf dem 2. V a t i k a n u m : E. W. Böckenförde, Religionsfreiheit als Aufgabe der Christen, i n : Stimmen der Zeit, 176, 90 (1964/65), S. 199—212. — Das Thema „Kirche u. Demokratie" ist i m deutschen Katholizismus erst i n der Nachkriegszeit intensiv diskutiert w o r den. A l s Beispiele aus der L i t e r a t u r seien genannt: E. W. Böckenförde, Das Ethos der modernen Demokratie u n d die Kirche, i n : Hochland 50 (1957/58), S. 4—19, 410—415. Kafka (Hg.), Die K a t h o l i k e n v o r der Politik, 1958, insbes. die Beiträge: G.J.Ebers, Christentum U.Demokratie, S. 21—34; Wallraff, Demokratie als theolog. Problem, S. 35—47; Schmidthüs, Die Christen i m modernen Staat, S. 49—65. Hans Maier (Hg.), Deutscher Katholizismus nach 1945, 1964, insbes. die Beiträge: K.Forster, Kirche u n d Öffentlichkeit, S.36—57;

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

Wirklichkeiten u n d (mit besonderem Nachdruck) der politischen Gemeinschaft verbunden m i t der Einsicht, daß Staat u n d Kirche auf den gleichen Menschen bezogen sind, lassen die Kirche „ein rechtes Zusammenwirken" erstreben 4 3 , das jedoch eine freundschaftliche Trennung nicht ausschließt 44 ; die Kirche jedenfalls w i l l Freiheit, keine Privilegien 4 5 . F r e i h e i t i s t es auch, w a s das K o n z i l i n erster L i n i e f ü r die k i r c h l i c h e C a r i t a s v e r l a n g t 4 6 . Diese fließt aus d e r d e r K i r c h e e i g e n e n S e n d u n g u n d deshalb „ n i m m t sie die W e r k e der L i e b e als i h r e eigene Pflicht u n d i h r u n v e r ä u ß e r l i c h e s Recht i n A n s p r u c h " , jedoch eben n i c h t als isolierendes P r i v i l e g , sondern i n einer geradezu u n g e w o h n t e n A u f n a h m e des S u b s i d i a r i t ä t s g e d a n k e n s als eine „ H i l f e , welche die K i r c h e d e r menschlichen Gemeinschaft b r i n g e n m ö c h t e " . D i e L a i e n w e r d e n deshalb n i c h t n u r z u r M i t a r b e i t a n d e n k i r c h l i c h e n c a r i t a t i v e n W e r k e n , s o n d e r n auch z u r H o c h schätzung u n d k r ä f t i g e n F ö r d e r u n g d e r U n t e r n e h m u n g e n der sozialen H i l f e , p r i v a t e r oder öffentlicher, a u f g e f o r d e r t u n d z u r Z u s a m m e n a r b e i t m i t a l l e n Menschen g u t e n W i l l e n s 4 7 .

Schmölz OP, Neue Welt — Neue Kirche? S. 15—35. Hans Maier, Revolution u n d Kirche. Studien zur Frühgeschichte der christl. Demokratie, 2. Aufl. 1965; Politischer Katholizismus, sozialer Katholizismus u n d christl. Demokratie, i n : Civitas 1 (1962), S. 9—27; Staat u. Kirche i n Deutschland — Von der Fremdheit zur „Neuen Nähe", i n : Das Verhältnis von Staat u n d Kirche, 1965, S. 103—126; vgl. auch Kreiterling, Katholische Kirche u n d Demokratie, 1960. Z u r historischen Erhellung: Lutz, Demokratie i m Zwielicht, 1963. 43 Kirche u n d Welt, A r t . 76,36; Laienapostolat, A r t . 7. Z u dieser Sicht grundlegend schon i n „vorkonziliarer" Zeit: K . Rahner, A r t . Katholische Kirche, i n : S t L I V . (1959), Sp. 862 f.: Die Kirche n u r eine W i r k l i c h k e i t neben anderen Gesellschaften... i n einer pluralen Welt. Diese Freigabe der Welt zu i h r e m echten E i g e n s e i n . . . bedeutet f ü r die K i r c h e . . . eine wachsende Selbstfindung ihres eigenen Wesens, das nicht v o n dieser Welt ist. 44 So Rahner/V or grimier, a. a. O., S. 442 f. — Vorkämpfer des Gedankens einer freundschaftlichen Trennung, der auf dem K o n z i l v o r allem v o n den anglo-amerikanischen Bischöfen vertreten worden ist, ist der amerikan. Jesuit J. C. Murray. V o n seinen jetzt fruchtbar gewordenen Arbeiten seien genannt: The Problem of State Religion, i n : ThSt 12 (1951), S. 155 ff., bes. 162—169; Das Verhältnis von Kirche u n d Staat i n den USA, i n : Das Verhältnis von Kirche u n d Staat, 1965. I n d e m M u r r a y die historische Bedingtheit der auf Leo X I I I . zurückgehenden kirchlichen Lehre, ihre Stoßrichtung gegen den monistisch konzipierten u n d so i m Ansatz totalitären Staat des 19. Jahrhunderts bewußt macht, legt er den Weg frei zu einer neuen Verhältnisbestimmung der Kirche einem Staat gegenüber, der solche A m b i t i o n e n nicht mehr hat. Vgl. zu diesem Gedankengang: The Church and Totalitarian Democracy, i n : ThSt 13 (1952), S. 525—563; Leo X I I I on Church and State: the General Structure of the Controversy, i n : ThSt 14 (1953), S. 1—30; Leo X I I I . : Separation of Church and State, i n : ThSt 14 (1953), S. 145—214. 45 Kirche u n d Welt, A r t . 76 Abs. 5: „Doch setzt sie (seil, die Kirche) ihre Hoffnung nicht auf Privilegien, die i h r von der staatlichen A u t o r i t ä t angeboten werden. Sie w i r d sogar auf die Ausübung von legitim erworbenen Rechten verzichten, w e n n feststeht, daß durch deren Inanspruchnahme die Lauterkeit ihres Zeugnisses i n Frage gestellt ist, oder w e n n veränderte Lebensverhältnisse eine andere Regelung erfordern." 46 Religionsfreiheit, A r t . 4 a. E. 47 Kirche u n d Welt, A r t . 42; Laienapostolat, A r t . 8, bes. Abs. 3 und 6.

§ 17 Exkurs: Das Selbstverständnis der Wohlfahrts verbände

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M i t dieser L e h r e h a t das K o n z i l die Epoche e i n e r „ t r i u m p h a l i s t i s c h e n " S t e l l u n g d e r K i r c h e z u m S t a a t f ü r beendet e r k l ä r t 4 8 , u n d d e n W e g geebnet f ü r e i n V e r s t ä n d n i s k a t h o l i s c h e r C a r i t a s als e i n e m f r e i e n , i n E i g e n s t ä n d i g k e i t z u r K o o p e r a t i o n b e r e i t e n D i e n s t a m Menschen im öffentlichen G e m e i n w e s e n . M a g auch die T a g e s w i r k l i c h k e i t v o n diesem E n t w u r f noch e n t f e r n t sein, es g i b t Zeichen, die d a r a u f h i n d e u t e n , daß eine N e u b e s i n n u n g schon b e g o n n e n h a t 4 9 .

I I . D i e evangelische D i a k o n i e Das T h e m a K i r c h e u n d S t a a t u n d als T e i l t h e m a das V e r h ä l t n i s v o n öffentlicher F ü r s o r g e u n d k i r c h l i c h e r D i a k o n i e s t e h t i m deutschen P r o t e s t a n t i s m u s bis h e u t e u n t e r d e m E i n d r u c k d e r f a k t i s c h e n Schwäche des C a l v i n i s m u s u n d des sozialethischen Nachholbedarfs des L u t h e r t u m s . A n d e r s als i m angelsächsischen P r o t e s t a n t i s m u s k o n n t e i n D e u t c h l a n d der C a l v i n i s m u s seinen H u m a n i s m u s a k t i v e r W i r k l i c h k e i t s g e s t a l t u n g n i c h t e n t f a l t e n 5 0 , e i n e n „ R e a l h u m a n i s m u s " ( P a u l T i l l i c h ) , dessen W e l t zuge w a n d t h e i t „eines der entscheidenden E l e m e n t e n i c h t n u r c h r i s t l i c h e n Weltverständnisses, s o n d e r n auch der d e m o k r a t i s c h e n Idee s c h l e c h t h i n " 48 Vgl. K. Rahner, Grenzen der Kirche, Wider klerikale Triumphalisten u n d laikale Defaitisten, i n : Wort u n d Wahrheit 19 (1964), S. 260, w o Rahner vor einer „Überschätzung der Möglichkeiten der Kirche für eine unmittelbare Gestaltung der Welt" warnt, die i n einer Unterschätzung ihrer eigentlichen Aufgabe begründet sei. Vgl. auch ders., S t L I V . (1959), Sp. 858 f. 49 Vgl. Stehlin, Z u m Selbstverständnis der Caritas i n unserer Zeit, i n : J a h r buch der Caritaswissenschaft, 1964, S. 7—11. Der Präsident des DCV fordert unter ausdrücklicher Berufung auf das durch Papst Johannes X X I I I . eingeleitete „aggiornamento" eine Überprüfung des Selbstverständnisses der Caritas (S. 7) und stellt die Tugend der Barmherzigkeit i n den M i t t e l p u n k t . Der i n den Gesetzen gewährte Rechtsanspruch sei Anlaß, sich gegenüber allen paternalistischen Tendenzen auf die lautere Brüderlichkeit zu besinnen (S. 11). M i t neuen Nuancen auch: Borgmann, Dienst ohne Sensation. Die katholische Sozialhilfe, i n : Greinacher-Risse (Hg.), Bilanz des deutschen Katholizismus, 1966, S. 151—166. 50 Z w a r sind i m frühen 19. Jahrh. u n d w o h l auch noch auf Wichern reformierte Einflüsse vorhanden, aber schon Wichern setzte sich i n entscheidenden Punkten von Chalmers ab: er betrachtete nicht wie dieser u n d m i t i h m die reformierte Kirche seiner Zeit Armenpflege u n d Liebestätigkeit als alleiniges Vorrecht der Kirche, sondern betonte die Pflicht des Staates zur sozialen Gesetzgebung; die soziale A r b e i t der Kirche beschränkte er nicht auf das Gemeindediakonat, sondern schaltete besonders die freie Vereinstätigkeit ein. Vgl. Wichern, Ges. Sehr. I I I , 1902, S. 751; K . Holl, Th. Chalmers u n d die Anfänge der kirchlich-sozialen Bewegung, i n : Gesammelte Aufsätze, Bd. I I I , 1928, S. 404 ff.; Shanahan, Der deutsche Protestantismus vor der sozialen Frage 1815—1871, 1962, S. 61, 79, 107; Gerhardt, E i n Jahrhundert Innere Mission, Bd. 1, S. 51. Vgl. neuerdings Berthold, Sozialethische Probleme des W o h l fahrtsstaates, 1968, S: 62 ff. — Z u den größeren Zusammenhängen vgl. jetzt Karrenberg, Geschichte der sozialen Ideen i m deutschen Protestantismus, i n : Gottschalch, Karrenberg, Stegmann, Geschichte der sozialen Ideen, 1969, S. 561—694.

21 R i n k e n

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

i s t 5 1 . Das deutsche L u t h e r t u m aber h a t i m 19. J a h r h u n d e r t k e i n e eigenständige S o z i a l l e h r e ausgebildet, es b e g n ü g t e sich m i t e i n e r p r a k t i s c h e n A n l e h n u n g a n d e n m o n a r c h i s c h e n O b r i g k e i t s s t a a t . D i e i h m nach 1919 gestellte A u f g a b e , „ K i r c h e z u w e r d e n i m S i n n e i n e r u n a b h ä n g i g e n I n s t i t u t i o n u n d i n U b e r w i n d u n g des t r a d i t i o n e l l e n l u t h e r i s c h - p a t r i a r c h a l i schen, m o n a r c h i s c h e n O b r i g k e i t s b e g r i f f s e i n neues, auch d e r d e m o k r a tischen O r d n u n g angemessenes O b r i g k e i t s v e r s t ä n d n i s zu e n t w i c k e l n " , b l i e b i n der W e i m a r e r Z e i t u n g e l ö s t 5 2 . E r s t nach 1945 t r i t t v o n u n t e r schiedlichen A n s ä t z e n h e r die sozialethische F r a g e s t e l l u n g i n d e n V o r d e r g r u n d 5 3 . D i e i m ganzen noch unsichere u n d z w i e s p ä l t i g e H a l t u n g z u m w e l t l i c h e n d e m o k r a t i s c h e n G e m e i n w e s e n b e s t i m m t auch das S e l b s t v e r ständnis der institutionalisierten Diakonie.

1. Die obrigkeitsstaatliche Tradition P a r a d i g m a t i s c h f ü r d i e h e u t e zu ü b e r w i n d e n d e u n d d u r c h w e g auch ü b e r w u n d e n e P o s i t i o n des L u t h e r t u m s i m 19. J a h r h u n d e r t i s t W i c h e r n s h a r m o n i s i e r e n d e Sicht. I h m s i n d k i r c h l i c h e , b ü r g e r l i c h e u n d f r e i w i l l i g e A r m e n p f l e g e E n t f a l t u n g e n der e i n e n U r f o r m , d e r D i a k o n i e 5 4 . „ D a s P r i n z i p a l l e r u n d j e d e r A r m e n p f l e g e i s t n u r eins, die christliche L i e b e 5 5 . " D i e N ä h e v o n k i r c h l i c h e r u n d b ü r g e r l i c h e r L i e b e s t ä t i g k e i t e r l a u b t es, sie 51 Langner, Die Demokratie i m U r t e i l neuerer evangelischer E t h i k des Politischen, i n : Die neue Ordnung 20 (1966), S. 332 ff., 335. 52 Langner y ebd., S. 338. 53 Z u m Problem evangelischer Soziallehren vgl. v o r allem: Ernst Wolf, Politia Christi. Das Problem der Sozialethik i m L u t h e r t u m , in: Peregrinatio, 1954, S. 214—242; Karrenberg, Stand u n d Aufgaben christl. Sozialethik, i n : Gestalt u n d K r i t i k des Westens, 1959, S. 199 ff.; ders., Einführung i n die L i t e r a t u r der evang. Soziallehre, i n : Hamburger Jb. f. Wirtschafts- u. Gesellschaftspolitik, Bd. 2, 1957, S. 117 ff.; Dombois, Der gegenwärtige Stand der evang. Staatslehre, i n : Spannungsfelder der evang. Soziallehre. Hrsg. v. K a r renberg u. Schweitzer, 1960, S. 129—139; vgl. auch Höfner, Evangelische Soziallehren, i n : S t L I I I . (1959), Sp. 193—209. A l s Einführung i n die historischen Zusammenhänge i m m e r noch grundlegend: Troeltsch, Die Soziallehren der christl. Kirchen u n d Gruppen, 3. Aufl., 1923, L u t h e r t u m , S. 512 ff., Calvinismus, S. 605ff., Pietismus, S. 827ff.; zur unzureichenden Bewältigung der theolog. Problematik bei Troeltsch, vgl. Rendtorff, Geschichte u n d Gesellschaft, i n : Spannungsfelder der evangel. Soziallehre, a.a.O., S. 156f. Z u r Diskussion u m eine „universale Sozialtheologie" : Wendland, Die Kirche i n der modernen Gesellschaft. Entscheidungsfragen für das kirchliche Handeln i m Zeitalter der Massenwelt, 2. Aufl., 1958, bes. S. 63ff.; Person u n d Gesellschaft i n evangelischer Sicht, 1965; Die Kirche i n der revolutionären Gesellschaft. Sozialethische Aufsätze u n d Reden, 1967; Matthes, Die Emigration der Kirche aus der Gesellschaft, 1964, S. 93—106, bes. 102 ff. 54 Wichern, Über kirchliche, bürgerliche u. freiwillige Armenpflege (1855) i n : Prinzipielles zur Inneren Mission, 1902 (Ges.Schr. I I I ) , S. 739—797; G u t achten, die Diakonie u. den Diakonat betreffend (1856), ebd., S. 821—899; vgl. auch: Abermalige Bemerkungen zur Armenpflege (1858), ebd., S. 982—984. 55 Ges.Schr. I I I , S. 749, 824 f., 751.

§ 17 Exkurs: Das Selbstverständnis der Wohlfahrts verbände

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unter die Einheit eines Begriffs zu bringen: beide bilden als „amtliche" die „öffentliche" Armenpflege 56 . Die dem zugrundeliegende Konzeption des „christlichen Staates" dachte das Verhältnis von geistlichem und weltlichem Gemeinwesen zu unproblematisch in eins. Zu Unrecht berief sie sich auf die „Obrigkeitslehre" Luthers, da es deren Voraussetzung, die „christliche Obrigkeit", schon nicht mehr gab, da die Bedingung der gemeinsamen Öffentlichkeit, die „alte Nähe" von Staat und Kirche schon damals nicht mehr bestand 57 . Die von Troeltsch aufgezeigten Konsequenzen, mangels eines christlichen Staates sei es die konservative christliche Partei gewesen, auf die das Luthertum seine Erwartung einer dem natürlichen und göttlichen Recht entsprechenden Sozialgestaltung abgestellt habe 58 , w i r d von der Taktik des Centraiausschusses überdeutlich bestätigt. Die Wichern folgenden leitenden Männer waren ängstlich bemüht, sich nicht i n Gegensatz zur offiziellen politischen Linie zu bringen 5 9 . Eine solche pragmatisch-opportunistische Haltung gab aber vor allem keinen Anlaß, den Ort diakonischen Handelns im Gemeinwesen grundsätzlich zu bedenken. Man beließ es dabei, die Notwendigkeit staatlicher und kommunaler Sozialarbeit anzuerkennen und Freiheit für kirchliche und private Liebestätigkeit zu verlangen. Ein organisches Zusammenwirken sollte jeder dieser Formen ihre Lebensmöglichkeit sichern 60 . Die problemlose Harmonie dieses Konzepts zerbrach endgültig nach 1933. 56

Ebd., S. 785. Vgl. ebd., S. 983, 751. So sehr Wichern sich i n Übereinstimmung m i t L u t h e r glaubte, m i t seiner von Stahl beeinflußten Verquickung von Staatsideal u n d Christentum hatte er die „Obrigkeitslehre" Luthers verlassen. Vgl. Gerhardt, Geschichte I, S. 57; Wicherns Stellung zu Staat, staatl. Wohlfahrtspflege u n d Gesellschaft, i n : Freie Wohlfahrtspflege 2 (1927/28), S. 6—13, 49—55. Schon die Voraussetzung dieser Lehre, die „christliche Obrigkeit", gab es nicht mehr; der moderne Staat empfindet sich nicht mehr w i e i m alten L u t h e r t u m als weltliche Seite des Organismus der christlichen Gesellschaft. „ V o n da ab beginnt n u n die soziale Hilflosigkeit des Luthertums, soweit es nicht calvinistische u n d moderne Ideen aufgenommen hat. I n seinem eigentlichen alten Sinne findet es Rückhalt n u r mehr an der konservativen Partei, u n d es verbindet daher seine dogmatische Restauration m i t der politisch-sozialen der Konservativen. Es ist nicht mehr der christliche Staat, auf den es seine E r w a r t u n g einer dem n a t ü r lichen u. göttlichen Recht entsprechenden Sozialgestaltung abstellt, sondern die christl. Partei." Troeltsch, a. a. O., S. 586. Der so entstandene Obrigkeitsbegriff w i r k t auch noch heute nach u. erschwert den Zugang zu der Eigenart demokratischer Staatlichkeit. Hesse, Freie Kirche, Z e v K R 11 (1965), S. 343 m i t Hinweis auf Künneth, P o l i t i k zwischen Dämon u. Gott, 1954, S. 156ff.; vgl. auch Shanahan, a. a. O., S. 44—59. Die Bedrohung durch den totalen Staat zwingt zu einer Überprüfung des Begriffs, vgl. Dibelius, Obrigkeit, 1963. 58 Vgl. die vorige A n m . 59 Gerhardt, Geschichte I I , S. 63 ff., 83 ff. Das führte schließlich zur A u f nahme der „Bekämpfung der Socialdemokratie" unter die „Leistungen der inneren Mission f ü r den Staat"; so bei Martius, Die innere Mission, ihre Bedeutung u n d i h r Wesen, i h r Verhältnis zu Kirche u n d Staat, 1882, S. 90 ff. eo Vgl. ζ. B. Uhlhorn, Die kirchliche Armenpflege i n ihrer Bedeutung für die Gegenwart, 1892, S. 11—14; Wurster, Die Lehre v o n der Inneren Mission, 1895, S. 214 ff., 228. 57

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen 2. Die Diskussion um den Wohlfahrtsstaat

Die kirchlichen Äußerungen z u m Verhältnis v o n Kirche u n d Staat s i n d gerade a u f d e m Gebiete v o n W o h l f a h r t u n d D i a k o n i e auch nach 1945 durchaus heterogen u n d z w i e s p ä l t i g . Das zeigt die unterschiedliche A u f n a h m e , w e l c h e die n e u e n W o h l f a h r t s g e s e t z e g e f u n d e n haben. E i n e R e i h e v o n S t e l l u n g n a h m e n , besonders d i e o f f i z i e l l e n Ä u ß e r u n g e n der I n n e r e n M i s s i o n , w e r t e t die V o r r a n g r e g e l u n g e n p o s i t i v , w o b e i d e r G r u n d s a t z der S u b s i d i a r i t ä t , z w a r n i c h t als a l l g e m e i n e s k o n s t i t u i e r e n des Gesellschaftsprinzip, w o h l aber i n e i n z e l n e n A n w e n d u n g s f o r m e n auch h i e r e i n g e f ü h r t w i r d 8 1 . Gerade a n dieser S t e l l e aber h a t die gesetzliche R e g e l u n g u n d die sie stützende A r g u m e n t a t i o n entschiedenen W i d e r s p r u c h h e r v o r g e r u f e n 6 2 . N e b e n dem, i n k o n t r o v e r s t h e o l o g i s c h e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n geschliffenen A r g u m e n t , m i t d e m S u b s i d i a r i t ä t s p r i n z i p w ü r d e n ontologische S t a t i k , scholastische A n t h r o p o l o g i e u n d hierarchische S t ä n d e o r d n u n g i n e i n e r f ü r jede r e f o r m a t o r i s c h e S o z i a l l e h r e u n a n n e h m b a r e n Weise m i t ü b e r n o m m e n 6 3 , findet sich v o r a l l e m d e r V o r w u r f , i n d e r B e j a h u n g der d u r c h die Gesetze d e r evangelischen D i a k o n i e e i n g e r ä u m t e n P r i o r i t ä t k o m m e eine u n g e r e c h t f e r t i g t e A b w e r t u n g des Staates z u m A u s d r u c k 6 4 . 61 Collmer, Äußerung der Hauptgeschäftsstelle, i n : Collmer (Hg.), Beiträge zum Verfassungsstreit, 1963, S. 7—44, bes. 32 ff.; v. Heyl, Probleme der A n w e n dung christl. Grundsätze i n Gesellschaft, Staat u. Gemeinde, ebd., S. 161 ff., aber zurückhaltend bei der A n w e n d u n g d. Subsidiaritätsprinzips auf das Verhältnis von Staat u. Wohlfahrtsverbänden, S. 169; v. Hase, Z u r theologisch ethischen Beurteilung der neuen Sozialgesetze, i n : Suhr (Hg.), Evang. Stimmen zum BSHG u. JWG, 1962, S. 98; Der unveränderte Auftrag, ebd., S. 118 (allerdings gegen die Übertragung einer mittelalterl. Ständelehre); Philippi, Das Subsidiaritätsprinzip als Problem evang. Diakonie, i n : I M 54 (1964), S. 149—161. Z u r Stellungnahme Collmers jetzt Köttgen, Soziale A r b e i t i n Kirche, Staat u. Gesellschaft, in: Z e v K R 11 (1965), S. 242 ff. 62 Besonders eindrucksvoll Rendtorff, Kritische Erwägungen zum Subsidiaritätsprinzip, i n : Staat 1 (1962), S. 405—430; vgl. weiter Cordes, K a n n evangel. E t h i k sich das Subsidiaritätsprinzip, wie es i n der Enzyklika „Quadragesimo anno" gelehrt w i r d , zu eigen machen? i n : ZEE 3 (1959), S. 145—157; Janssen, Theologische Aspekte des Subsidiaritätsprinzips i m deutschen Jugendwohlfahrtsrecht, i n : ZEE 3 (1959), S. 158—166; Subsidiarität als sozialpolitisches Grundprinzip? i n : Junge Kirche, Protestantische Monatshefte 22 (1961), S. 468—471 ; Heinke, Die Neuordnung der sozialen Selbstverwaltung als gesellschaftspolitisches u n d sozialethisches Problem, i n : ZEE 6 (1962), S. 18—31; M. Wolf, Die Diakonie der Kirche u n d das BSHG, i n : Kirche i n der Zeit 16 (1962), S. 346—349. Gegen die Übertragung des Subsidiaritätsprinzips i n die evangel. Sozialethik bei sonst positiver Beurteilung der Fürsorgegesetzgebung: Weller, Partnerschaft der öffentlichen u n d freien Sozialhilfe, i n : I M 52 (1962), S. 164 ff.; Krimm, Die Kirche i m Sozialstaat, i n : Suhr (Hg.), Evangel. Stimmen zum BSHG u. JWG, 1962, S. 128 ff. 63 Vor allem Cordes, a. a. O., passim; auch Rendtorff, a. a. O., S. 409 ff., 419 ff.; Weller, a. a. O., S. 164; Krimm, a. a. O., S. 129. Gegen diese Argumentationsweise u n d m i t der Empfehlung, die Kernsätze des Prinzips von der autoritativen kathol. Interpretation zu lösen und f ü r sich sprechen zu lassen: Philippi, a. a. O. S. 153 157. 64 M. Wolf, a. a. O., S. 347; Rendtorff, a. a. O., S. 408, 412, 417; Janssen, Theo-

§ 17 Exkurs: Das Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände

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Damit w i r d auf die nach dem 2. Weltkrieg geführte innerkirchliche Diskussion über den „Wohlfahrtsstaat" Bezug genommen, die i n der Tat mehr die Grenzen als den positiven Beruf des Staates bedacht hat. A u f grund leidvoller Erfahrung identifizierte die leidenschaftliche Staatsanklage von Otto Dibelius i m Jahre 1949 den totalen Staat m i t der Wirklichkeit des Staates überhaupt. Sobald die Wohlfahrtsarbeit i n die Hand dieses Staates gerate, drohe sich ihr Wesen und ihr Sinn zu verfälschen. Der Staat könne, weil er Macht sei, nur m i t Gesetzen und Zwangsbestimmungen arbeiten. Weil unter seiner Herrschaft sich nun einmal alles bürokratisiere, entseele, verteure und ins Politische verfälsche, solle er grundsätzlich auf jedes Wohlfahrtsmonopol verzichten und nur dasjenige i n die Hand nehmen, was andere nicht ebensogut oder gar besser machen könnten 6 5 . Die Staatskritik des norwegischen Bischofs Eivind Berggrav, der dem säkularisierten Staat gotteslästerliche Hybris und den Wunsch anlastete, omnipotent, eine A r t All-Vater zu sein, wurde auch i n Deutschland als Erkenntnis der „tieferen Wirklichkeit" des Staates begrüßt 66 . Thielicke stellt i n seiner Theologischen Ethik (ausdrücklich auch für den Bereich der Wohlfahrtspflege) das Prinzip des Staatsminimums auf, das sich aus dem theologischen Charakter des Staates als einer Notverordnung ergebe* 7. Aus dieser K r i t i k w i r d man die Warnung vor neuen Formen des Totalitarismus, der aus der noch immer wachsenden Fülle staatlicher A u f gaben resultieren könnte, aufmerksam aufnehmen müssen. Gegen die aus dieser K r i t i k gezogenen Folgerungen ist jedoch einzuwenden, daß i n ihnen die Erfahrung m i t einem totalitären Unrechtssystem verallgemeinert wird, ohne den i n der geltenden Verfassungsordnung unternommenen Versuch ernst zu nehmen, das demokratische Gemeinwesen auf Recht und Freiheit zu gründen. Daß die Einwände gegen dieses Gemeinwesen zudem auf falschen Voraussetzungen beruhen, sei nur angemerkt. So spricht gerade die Wohlfahrtsgesetzgebung der letzten logische Aspekte, a.a.O., S. 162ff.; der Sache nach auch: Heinke, a.a.O., S. 21 if. 65 Ο. Dibelius, Grenzen des Staates, 1949, bes. S. 15,17,113,115 f. 86 Eivind Berggrav, Staat und Kirche heute i n lutherischer Sicht, 1953 (Vortrag v o r der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes i n Hannover am 29. 7. 1952). — Zustimmend zu Berggravs Thesen: K. F. Weber, Innere M i s sion u n d Wohlfahrtsstaat, i n : Dombois-Wilkens (Hg.), Macht u n d Recht, 1956, S. 174—196 (183). Vgl. auch die K r i t i k des Wohlfahrtsstaates bei Herntrich, Der Wohlfahrtsstaat — Krise der Diakonie? i n : Bourbeck-Wendland (Hg.), Diakonie zwischen Kirche u n d Welt, 1958, S. 85—95 (91). — Kritisch zu Berggrav jedoch O. Ohl, Das F ü r u n d Wider staatlichen Wohlfahrtsdenken, i n : Bourbeck-Wendland, S. 96 ff. 87 Thielicke, Probleme des Wohlfahrtsstaates, i n : ZEE 2 (1958), S. 193—211 (207), jetzt auch erweitert i n : Theologische Ethik, I I . 2, 1958, S. 357—398 (381 f.). Für ein „ M i n i m u m an Staat" als „christliche Diagnose" auch Herntrich, a. a. O., S. 91.

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Die Wohlfahrtsverbände i m öffentlichen Gemeinwesen

Jahre gegen Omnipotenzgelüste des Staates; und i n der Abwertung der öffentlichen Sozialhilfe als bürokratisch apparathaft, werden längst obsolet gewordene Schablonen mitgeschleppt 68 . Es ist deshalb für das protestantische Denken festzustellen, was schon für die katholische Soziallehre angemerkt werden mußte: auch i h m ist es bisher kaum gelungen, ein sachgemäßes Verständnis des Verhältnisses von Kirche und Demokratie zu entwickeln 89 . Auch hier behauptet sich jenes Schema des „Gegenübers" von Kirche und Staat, Kirche und Gesellschaft, kirchlicher und behördlicher Fürsorge, das w i r in der allgemeineren Formulierung der Trennung und des Gegensatzes von Staat und Gesellschaft als das große Hindernis für eine adäquate Theorie eines freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens erkannt haben. I n der innerkirchlichen K r i t i k , die diese von den Denkstrukturen des 19. Jahrhunderts erkennbar geprägte Position gerade i n der Diskussion u m die Sozialgesetze des Jahres 1961 gefunden hat, w i r d man jedoch zugleich auch die Gegenströmung erkennen, als deren Repräsentanten vor allem Wendland und Tillich 7 0 genannt werden sollen. Albrecht Langner sieht i n den, vor allem durch Tillich vermittelten „Ubereinstimmungen m i t der amerikanischen Protestantismustradition das Ergebnis eines umfassenderen Prozesses auf Weltebene, eines gemeinchristlichen Konsensus, der sich auf den Weltkirchenkonferenzen immer profilierter abzeichnet und unter weitreichendem Einschluß des Katholizismus — vor allem nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils — zu berechtigten Hoffnungen Anlaß gibt" 7 1 . Die aufmerksame Beobachtung dieses Prozesses ist auch für das weltliche Gemeinwesen von hohem Belang; ein solcher inner- und zwischenkirchlicher Konsens gehört nicht i n die Sphäre ausgegrenzt unbeachtlicher Privatheit, er hat eine öffentliche Funktion, da er zugleich die Konsensbildung des Gemeinwesens ermöglicht und sichert. I I I . Die Arbeiterwohlfahrt Gleichsam von der Gegenseite nähert sich die Arbeiterwohlfahrt einem solchen Konsens. Ihre grundsätzlich ablehnende Haltung gegen jede den Rahmen der Not- und Selbsthilfe überschreitende Wohlfahrtspflege zugunsten der Sozialpolitik hat sie nach dem 2. Weltkrieg abgebaut, da sie 68

Vgl. dazu die Ausführungen i n den §§ 5 u n d 6. Hesse, Freie Kirche, Z e v K R 11 (1965), S. 344; Vgl. schon Troeltsch, a. a. Ο., S. 671. Trillhaas (Ethik, 2. Aufl. 1965, S. 395) trifft die Feststellung: „Die theologische A r b e i t an der politischen E t h i k i n Deutschland ist bislang an der Frage der Demokratie vorbeigegangen" (zitiert nach: Langner, a. a. O., S. 340). Langner ist der Auffassung, das gelte f ü r die Gegenwart nicht annähernd i n diesem komplexen Sinn (ebd.). 70 Tillich, Liebe, Macht, Gerechtigkeit, 1955. Z u Wendland vgl. A n m . 53. 71 a. a. O., S. 342. 69

§ 17 Exkurs: Das Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände

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erkannte, daß Sozialpolitik und Sozialhilfe sich nicht ausschließen, sondern ergänzen 72 . I n der Ablehnung jeglicher Subsidiaritätsvorstellung zugunsten der freien Verbände ist sie sich jedoch treu geblieben. Sie sieht den Wert der freien Sozialarbeit gerade i n einer Ergänzung der öffentlichen Sozialhilfe, nicht i n deren Verdrängung; sie fordert vielmehr auch für das Gebiet der Wohlfahrtspflege die „vorrangige Verantwortung von Staat und Kommunen" 7 3 . Sie hat deshalb die M i t w i r k u n g an den Aufgaben der öffentlichen Wohlfahrtspflege unter ihre Ziele aufgenommen; „aus der Uberzeugung heraus, daß soziale Hilfen i n unserer Zeit Akte mitbürgerlicher Verantwortung sind, erstrebt sie die M i t w i r k u n g breiter Bevölkerungsschichten i n der praktischen Durchführung der öffentlichen Wohlfahrtspflege" 74 . Diese Forderungen hat sie auch i n der „Stunde der Versuchung" gegenüber dem für jeden Wohlfahrtsverband lockenden Angebot des Bundessozialhilfegesetzes durchgehalten und besonders betont. I n ihren Stellungnahmen hat sie eindringlich auf die Gesamtverantwortung der Gemeinden hingewiesen, aber auch die Selbständigkeit der freien Verbände i n der Wahl und Durchführung ihrer Aufgaben hervorgehoben. Beides sieht sie durch die Vorrangbestimmungen gefährdet und lehnt sie deshalb ab 75 . Stärker als einen gesetzlich protegierten Ausbau des Institutionellen möchte sie die i n völliger Unabhängigkeit geschehende Erziehungsarbeit der Verbände i n den Vordergrund gestellt sehen: Erziehung des Bürgers zur Verantwortlichkeit i m Gemeinwesen und zur Bereitschaft zu gegenseitiger Hilfeleistung 7 8 .

72 Vgl. Richtlinien der A r b e i t e r w o h l f a h r t 1966: „Die Arbeiterwohlfahrt erstrebt die gesetzliche Regelung der sozialen H i l f e n i m Rahmen einer zeitgemäßen u n d gerechten Sozialordnung. Sie fordert f ü r diesen Bereich die vorrangige Verantwortung von Staat u n d Kommunen." 73 I n den Richtlinien v. 1947 hieß es noch ausschließlicher „Die Arbeiterw o h l f a h r t t r i t t m i t Nachdruck f ü r die Vorrangstellung der öffentlichen F ü r sorge ein". 74 Richtlinien 1959; entspr. auch 1966. 75 Resolution zur Reform des Sozialhilferechts. Angenommen auf der Reichskonferenz der A W am 18. September 1959 i n Wiesbaden, i n : Vierzig Jahre A W , Bonn, 1959, S. 34; Stellungnahme der A W zu den Bestimmungen über die Freie Wohlfahrtspflege i m E n t w u r f eines Bundessozialhilfegesetzes, i n : N D V (1960), S. 376—178; vgl. auch Lemke, Die freie Wohlfahrtspflege i n den Wandlungen unserer Zeit, i n : Reichskonferenz der A W 1957 i n Hamburg, 1957, S. 5—17; Unsere A r b e i t i m Blick auf die Notwendigkeiten unserer Zeit, i n : Vierzig Jahre A W , 1959, S. 12—22. 76 Lemke, Die freie Wohlfahrtspflege, a. a. O., S. 7 f., 16.

Schluß § 18 Die Verfassungstheorie des öffentlichen und die öffentliche Wissenschaft des Rechts Die Vielfalt der Erscheinungsweisen des öffentlichen und die kontroverse Unübersichtlichkeit ihrer wissenschaftlichen Erfassung führte am Beginn dieser Untersuchung zu einer zweifachen Fragestellung: Gibt es ein Gravitationszentrum, das all die verschiedenen Begriffe des öffentlichen i n beziehungsvoller Dynamik zusammenhält? Ist das Öffentliche ein soziologisches, politikwissenschaftliches oder juristisches Problem oder alles das zugleich? Die A n t w o r t auf die erste Frage haben w i r zu geben versucht, indem w i r den Begriff des Öffentlichen i n einer konkreten Verfassungstheorie als Theorie des Öffentlichen entfalteten; i n ihr wurde die Verfassung als das normative Zentrum des Öffentlichen, die Verfassungsordnung als dynamische Öffentlichkeitsordnung, als öffentlicher Prozeß beschrieben. Die zweite Frage, die auf die dem öffentlichen adäquate Methode zielt, wurde bisher nicht explizit behandelt; sie ist Gegenstand dieser abschließenden Überlegungen. Sie ist es jedoch nicht i n der Form eines abstrakt konzipierten „Methodenkapitels", sondern i n der Reflexion des zurückgelegten Weges, i m kritischen Überprüfen des Gedankenganges. Der dazu erforderliche kurze Rückblick versteht sich somit ausdrücklich nicht als unvermeidlich verkürzende Zusammenfassung und Aufzählung der „Ergebnisse", vielmehr als Hervorhebung der die unterschiedlichen Frageansätze „von innen her" lenkenden Frageleitlinie. A n der Leitfrage nach dem Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände haben w i r uns i n die komplexe Problematik des öffentlichen hineingearbeitet. Die Analyse der Hilflosigkeit und des Versagens der dualistischen Verortung von öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege und der damit korrespondierenden juristischen Dichotomie von öffentlichem und privatem Recht angesichts der heutigen sozialstaatlichen Wirklichkeit bringt die Notwendigkeit i n den Blick, die fundamentale Unterscheidung des Öffentlichen vom Privat/Freien auf den sie umgreifenden Gesamtzusammenhang hin zu übersteigen. Der Ausführung dieser Erkenntnis stellt sich die überkommene formalistische Begrifflichkeit i n den Weg. Ihre Kritik verhilft zu der Einsicht, daß Randkorrekturen oder äußere Systemergänzungen nicht genügen, daß i m Begriff des Öffent-

§ 18 Die öffentliche Wissenschaft des Rechts

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liehen der Gesamtzusammenhang von Staatsbegriff, Rechtsbegriff und Methode zur Debatte steht. Damit ist der entscheidende Hinweis auf die erforderliche Erweiterung der Problemstellung gewonnen. — Der rechtswissenschaftliche Formalismus hat i m Begriff des öffentlichen den Zusammenhang von Staat, Recht und Methode als formal-begrifflichen Zusammenhang konstruiert; der Sache nach bedeutet seine Konstruktion die „Verstaatlichung" des Öffentlichen und damit seine Festlegung auf die historische Faktizität des Obrigkeitsstaates. Als Positivismus kettet dieses Denken das öffentliche an die Positivität des Status quo; als Formalismus weist es die sich wandelnde Wirklichkeit vor die Tür der wissenschaftlichen Begriffsbildung. Soll die i n der „Verstaatlichung" liegende Problemreduzierung aufgehoben und die formale Geschlossenheit der Begriffe geöffnet werden, so muß das Problem des Öffentlichen als ein materiales Problem neu gedacht werden, wobei die vereinseitigende Engführung eines Rückgriffs auf Inhalte einer vormodernen Epoche zu vermeiden ist. Die politische Philosophie Hegels ermöglicht einen Einblick i n die Dimensionen, welche die Frage nach dem Öffentlichen als materiale Frage nach der „guten Ordnung" gewinnt, wenn sie mit der modernen, nachrevolutionären, industriegesellschaftlichen Wirklichkeit konfrontiert wird. Als „Vernunftphilosophie", „Freiheitsphilosophie" und „ W i r k lichkeitswissenschaft der Bürgerlichen Gesellschaft" denkt sie den i m öffentlichen implizierten Gesamtzusammenhang i m Horizont eines unverkürzten anthropologischen Ansatzes (politisches Gemeinwesen als Verwirklichung freien menschlichen Lebens) und zugleich auf dem Boden der modernen Welt. Sie lehrt aber auch m i t besonderer Prägnanz, daß pures Denken immer i n der Gefährdung des Wirklichkeitsverlustes steht: daß der Vernunft-Begriff, die kritische Theorie machtlos ist, wenn sie den Konnex zu fortschrittlicher Praxis verliert; daß die Freiheit nicht nur philosophisch gedacht, sondern verwirklicht werden muß; daß eine „gute Ordnung" „öffentlicher Freiheit" nicht m i t der schlechten Faktizität zu versöhnen, sondern je und je gegen diese zu erkämpfen ist. A u f dem damit umschriebenen Vorverständnis basiert der Versuch, das Öffentliche unter den Bedingungen der Gegenwart neu zu denken. Ausgangs- und Bezugspunkt dieses Versuchs ist nicht der „Staat", sondern die als Gesamtverfassung des politischen Gemeinwesens fungierende normative Verfassung. Von ihr her w i r d der Begriff des öffentlichen als das ν erfassungstheorethische Grundproblem des als soziale und rechtsstaatliche Demokratie freiheitlich verfaßten Gemeinwesens begriffen, derart daß dieses i n seiner Eigenart nur als öffentliches verstanden werden kann. Die Beschreibung der konkreten Verfassungsordnung als spezifisch öffentliche Ordnung demonstriert, welcher Anstrengung es bedarf, um die an einer vergangenen Wirklichkeit geschliffenen j u r i -

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Schluß

stischen Begriffe auf die neue, von der Verfassung ausgehende Beanspruchung h i n umzudenken. Noch besteht die Gefahr, daß gerade i m Gehäuse der Rechtsbegriffe des öffentlichen vordemokratische Inhalte die Rechtsordnung besetzen, „von unten" her die Verfassung überwältigen und ihren normativen Plan entkräften. Welche Dimensionen i n den Rechtsbegriffen des Öffentlichen i n einer vom Grundgesetz her entworfenen Verfassungsordnung gedacht werden müssen, kann mit der dynamischen Trias des Öffentlichen auf den Begriff gebracht werden (vgl.§ 13). Diese erste umrißhafte Zeichnung eines adäquaten Theoriebegriffs legt Wert weniger auf Einzelheiten und „anwendbare" Ergebnisse als darauf, den Raum für die Erfassung der Komplexität und Pluralität der gesamtgesellschaftlichen Wirklichkeit offen zu halten. W i r haben uns von einem konkreten „Sachproblem" dem „Grundproblem" des öffentlichen genähert, weil so die Fragestellung aus der Beliebigkeit gelöst und eine gewisse Kontrolle der Ergebnisse gewährleistet ist, vor allem aber, weil w i r von der Vormeinung ausgingen, das „Grundproblem" sei als solches überhaupt nur als „Sachproblem" erkennbar. W i r sind nun i n der Lage, den i n jener Vormeinung geahnten Zusammenhang präziser zu erfassen und aus i h m die prüfende Frage nach der Fruchtbarkeit unseres Vorgehens differenziert zu beantworten. Die angepeilte Beziehung von Grund- und Sachproblem ist i m Rahmen des Theorie-Praxis-Verhältnisses zu klären: Soziale Demokratie ist nicht als Prinzip wirklich, sondern nur i n den Einzelheiten der sachlichen Problembewältigung; der Verfassungsprozeß darf als öffentlicher nicht nur gedacht, er muß so praktiziert werden. Die Bescheidenheit der aus den theoretischen Überlegungen zum Grundproblem des öffentlichen für das Sachproblem Sozialhilfe gezogenen Konsequenzen (vgl. § 16) spiegelt die Begrenztheit, i n der Verfassungstheorie als Theorie befangen ist: Als normative Theorie gibt sie den Maßstab ab für K r i t i k an der abgenutzten Faktizität; sie gibt offene Direktiven für den Prozeß der Verfassungskonkretisierung, der auf politische Praxis angewiesen bleibt 1 , in welcher Recht eine begrenzte, wenn auch wichtige Teilaufgabe übernimmt. Das Denken vom „Sachproblem" her hat somit seine Fruchtbarkeit bewiesen, nicht nur indem es dem vordringenden Fragen Kontur und Plastizität verlieh, sondern vor allem i m Aufweis der Grenzen des hier beschrittenen Weges. Dieser konkrete Ansatz vermindert die Gefahr, daß die normative Theorie zur idealistischen Illusion verkommt, und hält so die Erkenntnis wach, daß die Wirklichkeit der Theorie auf die V e r w i r k lichung in menschlichem Handeln angewiesen ist. Indem die Verfassungs1

Die Offenheit der Verfassungsdirektiven beruht insbesondere auf der Offenheit der Verfassung i n der Frage der ökonomischen G r u n d s t r u k t u r (vgl. einerseits A r t . 14 GG, andererseits A r t . 15 GG). Diese Unentschiedenheit der Verfassung vergrößert die Bedeutung der i m öffentlichen Verfassungsprozeß zu treffenden politischen Entscheidungen.

§ 18 Die öffentliche Wissenschaft des Rechts

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theorie die Öffentlichkeit des Volkes und das öffentliche der salus publica auf die politische Praxis des öffentlichen Verfassungsprozesses verweist, indem sie das öffentliche Recht als politisches Recht und Planungsrecht begreift, nimmt sie diese Erkenntnis i n sich auf und macht sie zu ihrem Zentrum. Zugleich w i r d so die Ausgangsthese bestätigt, daß die wissenschaftliche Behandlung des i n die Vielheit seiner Bezüge gestellten Problems des öffentlichen der geduldigen Einkreisung von den verschiedensten fachwissenschaftlichen Ausgangspunkten aus bedarf. W i r haben nicht nur das Ungenügen einer formalistisch isolierten „juristischen Methode" kennengelernt, sondern wiederholt die Stellen bezeichnet, an denen die normat i v gestellte Frage an andere sozialwissenschaftliche Disziplinen weitergegeben werden mußte. Der an der wissenschaftlichen Behandlung des Armenwesens beispielhaft vorgeführte zentrifugale Differenzierungsprozeß der Einzelwissesnchaften macht die notwendige wissenschaftliche Kooperation zu einem nur mühsam zu erfüllenden Postulat. Die zu fordernde „synoptische" Politische Wissenschaft 2 des öffentlichen w i r d nicht aus einer Beseitigung der als Arbeitsteilung unverzichtbaren Differenzierung, sondern nur aus einer kooperativen Hinordnung der spezialisierten Denkweisen auf das eine gemeinsame Grundproblem entstehen; die Einzelwissenschaften des Sozialen, Normativen und Politischen bedürfen einer Neuorientierung am öffentlichen, eines Neudenkens ihrer selbst als „öffentliche Wissenschaften". Von hier aus wäre die Rechtswissenschaft als in einem spezifischen Sinne öffentliche Wissenschaft genauer zu beschreiben. A n dieser Stelle müssen wenige Bemerkungen eine ausführliche Darstellung dieses Gegenbildes zum Wissenschaftsverständnis der „juristischen Methode" ersetzen 3, öffentlich ist die Rechtswissenschaft als normative, verfassungsorientierte Wissenschaft; als solche steht sie unter dem Anspruch der Öffentlichkeit des Volkes und des material öffentlichen, ist sie Demokratiewissenschaft 4 und Gemeinwohlwissenschaft, öffentlich ist sie als kritische Wissenschaft, die die Zurückgebliebenheit ihrer eigenen Begrifflichkeit und Systematik und einer mangelhaften Rechtspraxis mit dem Maßstab der öffentlichen Verfassung kritisiert. 2

Z u m Postulat einer umfassenden „neuen politischen Wissenschaft'" vgl. R. Wiethölter, Anforderungen an den Juristen heute, i n : R. Wassermann (Hg.), Erziehung zum Establishment, 1969, S. 11. 3 Z u m folgenden vgl. A. Rinken, I n welcher Weise empfiehlt es sich, die Ausbildung der Juristen zu reformieren? i n : Verhandlungen des 48. D J T Mainz 1970, Bd. I I (Sitzungsberichte) T e i l P, München 1970, S. Ρ 7—Ρ 33, bes. Ρ 20 ff., m i t weiteren Nachw. 4 R. Wiethölter, D i d a k t i k u n d Rechtswissenschaft, i n : Neue Juristenausbildung, 1970, S. 25 ff. (30), fordert „die auf unsere konkrete Gesellschaft u n d ihre Zielorientierungen bezogene arbeitsteilige Einheit normativ-empirischer Demokratie-Wissenschaften".

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Schluß

öffentlich ist sie als politische Wissenschaft, die einen Beitrag zum rechtspolitischen Umbau der Wirklichkeit nach dem Grundriß des Verfassungsplanes leistet 5 , als (in diesem gefüllten Sinne) „Planungswissenschaft". Öffentlich ist die Rechtswissenschaft schließlich auf ihrem Stammgebiet als rationale Wissenschaft des positiven Rechts: in der heutigen Gesetzesund Präjudizienflut hat das „klassisch" Juristische, die begriffliche und systematische Formung des Rechtsstoffes eine gesteigerte rechtsstaatliche Aktualität; Begriff und System allein vermögen jedoch unter den heutigen Bedingungen eine „materiale Rationalität" der Rechtsgewinnung nicht mehr zu gewährleisten; diese kann vielmehr nur neu gewonnen werden, indem die Rechtswissenschaft die jede Rechtskonkretisierung mitbestimmenden erkenntnisleitenden Interessen aufdeckt, die historischen, politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Voraussetzungen und Folgen rechtlicher Regelungen berücksichtigt und so die wirklichen Gründe der juristischen Argumentation und Entscheidung offenlegt 6 . I n ihren drei Dimensionen der Rechtskritik, der Rechtsgewinnung und der Rechtspolitik bedarf Rechtswissenschaft als öffentliche Wissenschaft sozialwissenschaftlicher Neufundierung und Neuorientierung: sie bedarf sozial wissenschaftlicher Aufklärung durch Rechtssoziologie und Ideologiekritik, sozialwissenschaftlicher empirischer Information über die Regelungssachverhalte durch Ökonomie, Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie. Es war die „juristische Methode" des rechtswissenschaftlichen Formalismus die i n angeblich unpolitischer „Reinheit" und von dort begründeter „Eigenständigkeit" das Problem des Öffentlichen auf die Kategorie der „Herrschaft" reduzierte. Eine neue öffentliche Wissenschaft des Rechts, die um der gemeinsamen politischen Sache willen die Kooperation m i t anderen „öffentlichen Wissenschaften" sucht, kann der Entfaltung und Erhaltung eines freien politischen Gemeinwesens dienen, der Verwirklichung einer sozialen Demokratie durch politische Praxis i n einem öffentlichen Verfassungsprozeß.

5 Die Betonung des rechtspolitischen Problemaspekts bes. deutlich jetzt auch bei P. Häberle, S t r u k t u r u n d F u n k t i o n der Öffentlichkeit i m demokratischen Staat, i n : Politische Bildung, H. 3,1970, S. 3 ff., 13 ff. 6 Dazu F. Wieacker, Z u r praktischen Leistung der Rechtsdogmatik, i n : Hermeneutik u n d Dialektik I I , 1970, S. 311 ff.; vgl. insbes. S. 332, w o (mit k r i tischem Blick auf die Topik als Theorie der Rechtsfindung) öffentliche K o n trolle u n d Transparenz der Rechtsanwendung als Grundforderungen einer praktischen Gerechtigkeit hervorgehoben werden.

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Personenregister Die Zahlen bedeuten die Seiten; fett gesetzte Zahlen verweisen auf Hauptfundstellen; k u r s i v gesetzte Zahlen verweisen auf Anmerkungen. Heine Literaturnachweise w u r d e n nicht berücksichtigt. Abendroth, W. 233, 247 Achinger, H. 175,302,307 Adorno, Th. W. 220 f., 223 Albrecht, E. 150,151 A l t m a n n , R. 25,100, 273 Anschütz, G. 244 Arendt, H. 256, 261 f. Aristoteles 117 if., 123, 126 ff., 130 A r n d t , A . 252,257 A r n d t , H. J. 273 Badura, Ρ. 157, 173, 209 Bäuerle, W. 307 Bäumlin, R. 227, 236, 242, 246,251, 255, 257, 274, 278 ff., 285 Berggrav, E. 325 v. Beyme, K . 214, 242 Bloch, E. 252 v. Bodelschwingh, F. 51 Böckenförde, E.-W. 113, 154, 156, 167, 168,184, 246, 259 Böhmert, V. 72, 75,159 Borchardt, K . 218 f., 221 f. Brandts, M. 55 Breitling, R. 100 f. Brohm, W. 104 Brunner, O. 26, 227 Buber, M. 230 Bullinger, M. 97, 112, 184, 189, 191, 284, 295 Burdeau, G. 225 Buss, F. J. 55, 311 Carbonnier, J. 283 Conze, W. 163,165 Copiò, H. 242 Denninger, E. 239 Deuringer, Κ . 47,318 Dibelius, Ο. 325 Dilthey, W. 195, 201

Draht, M. 221 Dürig, G. 241 Dunant, H. 64 Easton, D. 236 Ehmke, H. 216,221,246,251 Engels, F. 124 Esser, J. 96,233 Euchner, W. 214 Feist, H.-J. 157 Fetscher, J. 134 Feuerbach, A . 278 Fichtner, O. 89 Fleiner, F. 96 Fleischmann, E. 126 v. Flottwell, Th. 41, 73 Forsthoff, E. 25 f., 37, 221 ff., 225 f., 231, 274 Fraenkel, E. 251,269,275 Friedrich, C. J. 256,269 Fröhler, L. 36 Gadamer, H.-G. 216 Gagnér, St. 111 Galbraith, J. K . 221, 223, 268 Gehlen, A . 220 f., 267 v. Gerber, C. F. 107,113,149-157 Gerstenmaier, E. 51 v. Gierke, Ο. 110, 116, 182, 189-192, 196 f., 227, 274 Gneist, R. 75,159 f. Goldschmidt, M. L. 289 Gurland, A . R. L . 221 Habermas, J. 23 f., 140 f., 146, 180, 217, 223 f., 234, 238, 264 Häberle, Ρ. 29, 96,259, 287,332 Haenel, A. 156, 171, 182, 192-201, 202, 274, 276,282 v. Haller, C. L . 159 Hatschek, J. 173

Personenregister Haym, R. 124,140,142 Hegel, G. W. F. 118, 121, 122-149, 151, 160, 163-166, 167, 178-180, 181, 210, 215,261,329 Heller, H. 115 f., 124, 227, 232, 234, 237 ff., 241, 245, 247, 253, 282 Hennis, W. 114-122, 237, 251 Herzog, R. 219,221 Hespe, K . 37,153,160 Hesse, K . 23, 182, 201, 211-213, 217, 221, 227, 237 ff., 246, 251, 274 ff., 297, 299 Hinrichs, F. W. 140 Hirsch, J. 219 Hobbes, Th. 117,121,133 Höhn, R. 149 Hollerbach, A . 156, 206, 228, 239 f., 242, 260, 284 f., 297, 303 Holz, H. H. 146 Huber, E. R. 95, 96 f. Huber, V . A . 51 v. Humboldt, W. 159 I l t i n g , Κ . H. 124,126,140 Jellinek, G. 156,160, 187, 197 f. Juchacz, M. 61 Kaegi, W. 274 Kaiser, J. H. 100, 116, 191, 225, 227, 234 Kant, I. l l l f . , 118, 121 ff., 131 ff., 151 ff., 159,180,187,252 Kaufmann, E. 24, 96, 185, 192, 201, 245 f., 254 Kehr, E. 111 Kelsen, H. 182,183-188,244 f., 258, 279 Klein, F. 37,85, 302,315 K l u m k e r , Chr. J. 175 Köttgen, A . 32, 37, 88, 173, 182, 202-

206, 211

Koselleck, R. 40, 71 f. Krüger, H. 37, 96 f., 182, 206-211, 221 K u h n , H. 227,237 Kurz, H. 292 Laband, P. 92, 107 ff., 122, 150, 154 ff., 177,182,186,196 ff., 282 Langner, A . 321 f., 326 Leibholz, G., 100,246,251, 254 Lerche, P. 33 f., 35 f. Lipset, S. M. 265 Loening, E. 172 Lohmann, 51 25 R i n k e n

385

Lukâcs, G. 134, 141 Lutz, Β . 219 M a c h i a v e l l i , Ν . 117 f. Maier, Η . 118 ff., 166, 175, 317 Maihofer, W. 252

Malthus, Th. R. 68,72 Mannheim, Κ . 223, 277, 288 Marcie, R. 183 Marcuse, H. 125,127,134,141 /. Martens, W. 27 f., 90, 95, 100, 103, 105 f., 270 f. M a r x , K . 121,123 f., 130,134,141 ff. Matthes, J. 308 Maunz, Th. 203,241,244 Mayer, O. 74, 107 ff., 154, 157 f., 173 f., 177,184 Meinecke, F. 124 Menger, C. F. 91 Messner, J. 259 Meyer, G. 172 f. Michels, R. 265 Mielke, J. 87 M i k a t , P. 98 f., 296 Mittermaier, K . 278 V. Mohl, R. 118, 157, 160-163, 171 f., 194, 201,286 Molitor, E. 203 Mols, M. H. 215,228 Monzel, N. 317 f. Morstein M a r x , F. 250 Müller, A . 160 Müller, F. 134,217,238 f. Murray, J. C. 320 Narr, W.-D. 214,235 f. Naschold, F. 265-267 Naumann, F. 51 Nawiasky, H. 241 v. Nell-Breuning, O. 316 f. Neumann, F. 113 Niemeyer, F. 234 Nikisch, A . 91 v. Oertzen, P. 116, 149, 153, 154 f., 184 Ossenbühl, F. 91, 99 Pähler, Κ . H. 100 Pesch, H. 315 Peters, H. 88,104,245,296 Plessner, H. 287 Popitz, H. 141

386

Personenregister

Popper, K . R. 124 f. Preuß, U. K . 26 ff., 95,231-234 Puchta, G. F. 152 Rahner, K . 317,320 f. Raiser, L . 283 Ratzinger, G. 47,312 Rau, Κ . H. 174 Reuß, W. 88,101 Ridder, H. 90,98, 242,247 Riedel, M. 128,134 Ritter, J. 125 fl., 134,142,143 v. Rönne, L. 172 Rössler, C. 140,143 Rohrmoser, H. 125 Roscher, W. 175 v. Rotteck, K . 286 Rousseau, J. J. 132 f., 250 f. Rüfner, W. 109 Rupp, H. H. 188 Ryffel, H. 259 Salzwedel, J. 95 v. Savigny, F. C. 111, 151, 152 f., 156, 197 Schäfer, G. 253 f. Scharpf, F. 265 Scheffler, G. 26, 91,98 f. Schelling, F. W. J. 156,160 Schelsky, H. 267 Scherpner, H. 175 Scheuner, U. 95, 98, 191, 237, 251, 255, 274 f., 297 Schindler, D. 238 f., 249 Schmitt, C. 211, 225 f., 229-231, 244, 245, 249 f., 254, 258 f., 274, 290-292 Schmitthenner, F. 151 Schmölz, F. M. 120 Schmoller, G. 172 Schneider, P. 230 v. Seydel, M. 172 Simons, T. 25,87 Smend, R. 21 f., 116, 155, 211, 227, 228, 244, 245,254, 257, 285, 297

Smith, A . 69,135 Sohm, R. 113 Spiegel-Schmidt, F. 256 Stahl, F. J. 50,151,237,257 f. Stehlin, A . 321 V. Stein, L . 118, 157, 160, 172 f., 201 v. Stengel, K . 172 Stern, K . 227 Stoecker, A . 51 Süsterhenn, A . 36

166-171,

Thoma, R. 244 Thielicke, H. 325 Tillich, P. 321,326 Triepel, H. 201,245 Troeltsch, E. 323 Uhlhorn, G. 47 Ule, C. H. 35, 37, 89 Voegelin, E. 120 Vogel, M . R . 308 f. Wasse, G. 53 Weber, H. 26, 98,297 Weber, M. 115 f., 220,236,276 f. Weber, W. 94,100 Weil, E. 125 f., Weippert, G. 256 Welcker, K . 113,286 Wellmer, A . 217,223 Wendland, H.-D. 326 Werthmann, L. 55,313 Wichern, J. H. 49 ff., 77,321,322 f. Wieacker, F. 152,155,184, 189,191,283 Wiethölter, R. 331 Wilhelm, W. 153 f., 184 Willms, B. 120 f. Wittkämper, G. W. 100 f. Wössner, J. 101 Wolff, H . J . 93 Zacher, H. F. 35 f. Zeidler, K . 101 Zwirner, H. 149

Sachregister

Almosenlehre 47,67 Amt - u n d Demokratie 251 - öffentl. (A. Köttgen) 205 f. Arbeiterwohlfahrt 32, 61 f., 101, 326 f. Arbeitsgemeinschaften i m B S H G 32, 308 Armenpflegegesetz v. 1842 39 ff., 71 ff. Armenwesen s. Wohlfahrtspflege Armut - i n der bürgerl. Gesellschaft 164, 168 ff. - i n der Industriegesellschaft 302 f. Assoziation s. Verein A u f k l ä r u n g 49, 68 f., 117, 286 f. Aufgabe, öffentl. 101-104 - u n d Berufsfreiheit 102 - von Fernsehen u n d Presse 102 f. - u n d staatliche Aufgabe 103 f. - statusprägende Kraft? 84 ff., 104 - der Wohlfahrtsverbände 85, 302 ff. Beliehener 88 ff. Begriff sjurisprudenz 111 s. auch Formalismus, Methode, Wissenschaften Berufe, öffentl. 102 Berufsverbände 90 f. Bürokratisierung - i m Sozialhilfebereich 82r 299 - als Tendenz der Industriegesellschaft 220 f. Bundessozialhilfegesetz 44, 46, 308, 315 - Stellung der Wohlfahrtsverbände 31 ff., 300 ff. - Verfassungsstreit 31 ff. Caritas, kathol. 54 f., 57 f., 311 ff. s. auch Deutscher Caritasverband, Liebestätigkeit Caritas Wissenschaft 175 f.

25*

Demokratie 248-272 - direkte D. 252, 267,272 - fundamentales Verfassungsprinzip 224, 240, 250 ff. - innerorganisatorische D. 265 ff. - u n d Kirche, evangel. 326 - u n d Kirche, kathol. 319 ff. - u n d K o m p l e x i t ä t 264 ff. - u n d Menschenwürde 252 - u n d Recht 279 f. - u n d Rechtsstaat 273 f. - repräsentative D. 250 ff., 272 - soziale D. als spezifisch öffentl. Ordnung 25, 247 ff. s. auch Demokratietheorie, Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit, V o l k Demokratiedefizit - der deutschen Staatsrechtslehre 244 ff. - i m Selbstverständnis der kirchl. Wohlfahrtsverbände 317, 326 - i m Sozialhilfebereich 307 ff. Demokratietheorie - angelsächsische 251 f., 265 - deutsche 182, 244 ff. - „klassische" 250, 252 ff., 272 - K r i t i k des Identitätsdenkens 251, 258, 261, 267, 272 - materiale D. als Postulat 110 - u n d Oligarchiethese 265 ff. - u n d das Problem der K o m p l e x i t ä t 264 ff. - u n d Technokratiethese 264, 267 f. s. auch Demokratie, Verfassungstheorie Deutscher Caritasverband 32, 54-58, 99, 301 f. s auch Caritas, Liebestätigkeit, Wohlfahrtsverbände Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband 32, 62 f., 310 s. auch Wohlfahrtsverbände

388

Sachregister

Deutsches Rotes Kreuz 32, 63-65, 88, 101, 310 f. s. auch Wohlfahrtsverbände Deutscher Verein f ü r öffentl. u n d p r i vate Fürsorge 74-78 Diakonie, evangel. 49 ff., 321 ff. s. auch Gemeinsames Werk, Liebestätigkeit Diakoniewissenschaft 175 f. Dialektik - bei Hegel 134 ff. - beim jungen M a r x 147 ff. Einheit des Staates - Ablehnung v o n Einheitsformeln 243 f. - i m Formalismus 110 - K r i t i k bei Haenel 197 - als praktisches Problem 227 - n u r als „Wirkungszusammenhang" 227 f., 257 s. auch Person, juristische, Staat, Staatsgewalt, Pluralismus, Pluralität Elberfelder Armenordnung 45 f., 68, 80 f. Federalist 121, 251 f. Formalismus, staats- u n d v e r w a l tungsrechtl. 107 ff., 149 ff. - F u n k t i o n i n der Wettbewerbsgesellschaft 184 - als juristische Methode 110 f., 151 ff. - konservative Tendenz 184 - Konsequenz (Kelsen) 183 ff. - Öffnung (Gierke, Haenel) 188 ff. s. auch Methode, Wissenschaften Formalismusforschung 149 Formalismuskritik 113 ff., 178, 189, 192,245 Fortschritt, technischer - Bedeutung f ü r die moderne Gesellschaft 219 f. - u n d Freiheit v o n Not 223 - als Gefährdung 223 - als Gemeinwohlproblem 261 - Sicherung durch den „Staat" 221 f. s. auch Gesellschaft Freiheit - als „Ablösung der Tugend" 121 - ihre Bedingtheit 133,180, 253 - als Bedingung der Demokratie 275 - als Gemeinwohlproblem 261

- u n d Gleichheit 252 f. - öffentliche dialektische S t r u k t u r 287 ff. bei Hegel 137,179 ff. bei K r ü g e r 209 der Wohlfahrtsverbände 298 f. - Planung i m Sozialstaat 131, 224, 282, 298 ff. - Schutz i m Rechtsstaat 275 - subjektive bei Hegel 131 ff. bei L. v. Stein 167 ff. - V e r w i r k l i c h u n g i n öffentl. politischer Praxis 286 ff. s. auch Gleichheit, Recht Fürsorge s. Wohlfahrtspflege Fürsorgepflichtverordnung 43 f. Fürsorgewissenschaft 160, 175 f., 307 Funktion, öffentl. - u n d Gesamtordnung 85 f., 104 - des kirchl. Selbstverständnisses 326 - u n d öffentl. Status 84 ff. - des Privaten u n d Geheimen 288 ff. - der Wohlfahrtsverbände 84 f., 302 ff. Geheime, das - öffentl. F u n k t i o n 288 ff. s. auch das öffentliche, Staatsgeheimnis Geheimdiplomatie 288 Gemeinden s. Wohlfahrtspflege, kommunale Gemeinrecht 97, 284 s. auch Recht, öffentl.-Privatrecht Gemeinsames W e r k der E K D 32, 48 ff., 99, 301 s. auch Diakonie, Liebestätigkeit, Wohlfahrtsverbände Gemeinwesen, politisches 226-244 - als Gegenbegriff gegen das dualistische Trennungsdenken 227 f. - als Grundbedingung des menschl. Lebens 127, 132, 178,260 - öffentl. S t r u k t u r 243 ff., 248 ff., 273 ff. - u n d Verfassung 214 ff. s. auch das Politische, Staat, Staat-Gesellschaft, Verfassung

Sachregister Gemeinwohl 243, 257-261 - Demokratiebezug 259 f., 261 - als geschichtl. Kategorie 259 f. - als konkrete „gute Ordnung" 119,122 f., 259 ff., 329 - Konkretisierungsbedürftigkeit 268 f. - u n d Pluralismus 257 ff. - u n d politischer Prozeß 261 - als „Reflexionsgebot" 261, 268 - Verweisung aus der Staatsrechtslehre 118 f., 158 ff. - Z e n t r u m der praktischen Philosophie 117, 158 s. auch das öffentliche Gemeinwohldefizit - i m Sozialhilfebereich 307 ff. Gemeinwohlverantwortung - des „Staates" 284 f. s. auch Souveränität Geschichtlichkeit - u n d Öffentlichkeit 256 - des Rechts 278 f., 287 - der Verfassung 181, 240 ff. - des Volkes 256 Gesellschaft - bürgerliche bei Haenel 192 ff. bei Hegel 130,133 ff., 163 ff. - industrielle 220 ff. u n d A r m u t 303 als „Gesamtgesellschaft" (Draht) 221 u n d „gute Ordnung" 122 f. u n d Herrschaft 267 f. oder Spätkapitalismus? 220 ff. u n d Technik 219 f. als „Technostruktur" (Galbraith) 223 - kapitalistische 220 ff. antagonistische S t r u k t u r (Hegel) 133 ff., 143, 180 Geplanter Kapitalismus 221 Monopolkapitalismus 222 u n d „soziale Frage" 70, 162 f., 165 f., 167 ff., 175 - als „Klassengesellschaft" 119, 222 f. bei L. v. Stein 167 ff. s. auch Staat-Gesellschaft Gesetzesbegriff 113,199 Gesetzgebung als öffentl. Verfahren 278 ff. Gewalt, öffentl. 263, 269 - des „Staates" 284 f.

Gleichheit - als fundamentales Freiheitsrecht 252 - als Gemeinwohlproblem 261 - nicht Gleichartigkeit 250 f. - i n der Klassengesellschaft (L. v. Stein) 169, 171 s. auch Demokratie, Freiheit, Pluralität Grundgesetz - als demokratische Verfassung 224, 242 f., 250 ff. - als „Gegenverfassung" 242, 253 - als material rechtsstaatl. Verfassung 224, 242, 275 ff. - u n d das Problem des öffentlichen 26 f., 181, 216 ff., 263 ff. - als sozialstaatl. Verfassung 36, 224, 242 - zum Staat-Kirche-Problem 295 ff. - u n d die T r a d i t i o n des Verfassungsstaates 242, 286 f. - u n d der Verfassungsstreit u m das B S H G 33 ff. s. auch Verfassung, Verfassungstheorie Hamburgisches Armenwesen 68 Heimatgesetzgebung 40 f. Hermeneutik - u n d materiale Verfassungstheorie 217 - topische 239 - der W i r k l i c h k e i t bei Hegel 127 f., 146 s. auch Verfassungstheorie Herrschaft - u n d Knechtschaft bei Hegel 134 - als K r i t e r i u m des öffentl. i m Formalismus 107 ff., 113 - Wandlung i n der Industriegesellschaft 222 f., 268 Hilfe, persönliche 83, 176, 303, 305 H i l f s w e r k der E K D s. Gemeinsames Werk Historische Rechtsschule 110 ff., 131, 151 ff., 156 Ideengeschichte, politische 181,214 Innere Mission s. Gemeinsames W e r k Integrationslehre 244 ff. Interesse, öffentl. 95 ff., 257, 270 s. auch Gemeinwohl

390

Sachregister

Interessenverbände s. Verbände Jugendwohlfahrtsgesetz 31 f., 35, 81 Kirchen - u n d Demokratie 319 f., 326 - als Körperschaften des öffentl. Rechts 25 f., 91 f., 295 ff. - Rechtsstatus 99, 295 ff. - u n d Welt 318 ff., 324 f. - u n d Wohlfahrtsverbände 301 f. Kirchenrecht 94,193, 204 Körperschaft des öffentl. Rechts 87 f. 91 f. - als Kirchenstatus 295 ff. - u n d mittelbare Staatsverwaltung 25 f., 91 f., 112 f. - u n d Selbstverwaltung 94 f. s. auch Recht, öffentl.-Privatrecht Konsens 256, 258, 263, 269, 275, 281 Kontrolle, öffentl. 263, 275 f., 278 Korporation bei Hegel 136, 144, 166 Liberalismus 69,79 f., 135,174 - u n d Öffentlichkeit 286 ff. Liebestätigkeit i m M i t t e l a l t e r 47 f. s. auch Caritas, Diakonie, Wohlfahrtspflege Malthusianismus u n d Armenwesen 68, 72 f. Meinung, öffentl. 180,210 Menschenwürde - als Fundamentalnorm der Verfassung 252 - u n d Sozialhilfe 44, 302 Methode, juristische 110 f. - Ausbildung i m Privatrecht 151 ff. - Übertragung auf das öffentl. Recht 153 f. - i m Verwaltungsrecht 173 f. s. auch Begriffsjurisprudenz, Formalismus Methode, staatswissenschaftl. 157 f., 172 f., 199 Nationalstaat 119,172 Naturrecht 117 f., 127, 130, 185, 241, 244 ff. Neukantianismus 185 ff. Norm s. Recht, Rechtsbegriff, Verfassungsnormativität

Obrigkeit - bei L u t h e r 323 - bei Wichern 323 öffentlich - als etatistische Kategorie 25,107 ff., 178 - i m juristischen Begriffsinstrument a r i u m 87 ff., 107 ff. - Mehrschichtigkeit des Wortes 22, 248, 286 - als Rechtssatzbegriff 27 f., 215 f., 270 ff. s. auch A m t , Aufgabe, Berufe, Freiheit, Funktion, Gewalt, Interesse, Kontrolle, Meinung, Ordnung, Recht, Rechtsstatus, Struktur, Verfahren öffentliche, das 214-292 - dynamische S t r u k t u r 181, 243 f., 248 ff., 263,268 ff. - freiheitssichernde F u n k t i o n 262, 286 ff. - Grundelement der res publica 181, 214 ff., 243, 248 ff. - Grundproblem der Staats-, Rechtsu. Methodenlehre 22, 107 ff., 177 ff., 214 f., 271 f., 329 - als materiale Kategorie 257 ff. - der neue „Bereich" 98 ff., 204, 207 f. - i n der neueren Rechts- u n d Staatslehre 202 ff. - als Raum des Politischen 228, 237, 262 - als Sachproblem des Sozialhilfebereichs 29, 38,177,294, 330 - Sinnermittlung aus der konkreten Verfassung 21 ff., 26 f., 214, 216 ff. - als verfassungstheoretisches Problem 29, 38,181,215,268 - „Verstaatlichung" i m Formalismus 25,107 ff., 178 s. auch Demokratie, Gemeinwohl, Öffentlichkeit, Publizität, Rechtsstaat, Sozialstaat, Verfassung, V e r fassungstheorie Öffentlichkeit 249-257 - als Bedingung von Geschichtlichkeit 256, 262 - bürgerlich liberale 23 f., 180,264, 291 - demokratische 181, 243, 248 ff., 264 ff., 290 f. - innerorganisatorische 265 - Organisationsbedürftigkeit 264

Sachregister - totale als Gefährdung der Freiheit 289 s. auch Demokratie, Publizität, V o l k Öffentlichkeitsanspruch - der Wohlfahrtsverbände 84 f., 314 Öffentlichkeitsdefizit - i m Sozialhilfebereich 307-309 Öffentlichkeitsoptimismus der A u f k l ä r u n g 286 f. Ökonomie, politische 135,218 Ordnung, öffentl. - als „gute Ordnung" 122, 237, 240, 243, 259,293 ff. Organisation - als Freiheitsproblem 298 - als rechtsstaatl. Instrument 275 s. auch Planung Pandektenwissenschaft 152 s. auch Historische Rechtsschule, Formalismus, Methode Parlamentarismus 292 s. auch Repräsentation Parteien - Rechtsstatus 91,204, 211 f. - Wahlen als öffentl. Aufgabe? 101 f. Person, juristische 87 f., 110,197 Plan s. Verfassung Planung - M e r k m a l der Industriegesellschaft 221,231 - als Voraussetzung der Freiheit 223, 264 s. auch Organisation Pluralismus 37,100,120,229 f. - u n d Gemeinwohl 257 ff., 262 s. auch Pluralismustheorien, P l u r a lität Pluralismustheorien 191,254 f. Pluralität - als Bedingung der Freiheit 289 - als Bedingung des Politischen 262 - als S t r u k t u r m e r k m a l der Gesellschaft 194, 254 f., 262 - der Werte 224,241, 262, 280 Polis 127,131 Politik und Ethik - Einheit i n der älteren „Praktischen Philosophie" 117,128 - Trennung i n der Neuzeit 121,128 Politikwissenschaft - u n d Gesellschaftstheorie 218 f.

- als synoptische Wissenschaft 22 f., 331 - i n der Tradition der älteren „ P o l i t i k " 114 ff., 118 ff. s. auch Wissenschaften Politische, das 228-238 - u n d der Begriff des Öffentlichen 228, 230 - Feldskizze 236 - i m Formalismus 228 - Machtdefinitionen 115 ff., 235 f. - normativer Begriff 237 - bei U . K . Preuß 233 f. - bei C. Schmitt 229 f. s. auch Gemeinwesen, das Öffentliche Polizei - i n der älteren „ P o l i t i k " 118 - bei Hegel 136,163 ff. - bei M o h l 160 ff. - i n der neueren Rechtsstaatslehre 172 Positivismus, rechtswissenschaftl. s. Formalismus Praktische Philosophie 117 f., 126 f. Presse - öffentl. Aufgabe 103 Preuß. A L R u n d Armenwesen 40,70 Preuß. Befreiungsgesetzgebung 69 ff. Private, das - öffentl. F u n k t i o n 288 ff. Privatrecht " - apolitische Sicht i m Formalismus 112 - bei Hegel 133,136,143 f. - öffentl. F u n k t i o n (Haenel) 192, 194, 199 ff. - positive Ergänzungsfunktion i m Sozialstaat 282 f. s. auch Recht, öffentl. -Privatrecht Prozeß s. Verfahren, Verfassung Publizität 248, 261-272 - als Bedingung materialer Rationalität 276 f. - u n d Demokratie 213, 261 ff. - Grenzen 287 ff. - K o n t r o l l f u n k t i o n 263,278 - u n d Pluralität 254,261 ff. - des rechtsstaatl. Verfahrens 275 f. - des Verfassungsprozesses 263 ff. s. auch das Öffentliche, Öffentlichkeit

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Sachregister

Rätesystem 267 Rationalität - als demokratisches u n d rechtsstaatl. Prinzip 275 ff. - u n d K o m p l e x i t ä t 266 - materiale R. als Aufgabe einer öffentl. Rechtswissenschaft 332 - als technische Zweckrationalität 220 f., 224,267 f., 277 Recht - öffentl. S t r u k t u r 276-279 - positive F u n k t i o n i m sozialen Rechtsstaat 274,283 - u n d Staat 275 f., 279 f. bei Gierke 191 f. bei Haenel 197 f. bei Kelsen 187 f. - substantielle Rationalität 276 ff. - utopisches Element 242 - V e r w i r k l i c h u n g i m öffentl. Prozeß 278,295 - u n d W i r k l i c h k e i t 238 ff. s. auch Rechtsbegriff, Rechtsstaat Recht, öffentl. 279-285 - als Amtsrecht (Köttgen) 203 ff. - als demokratisches R. 279 f. - i m Formalismus 107 ff. - als gemeinwohlorientiertes R. 282 - als „Planungsrecht" 282 - als „politisches Recht" 282 - als „Rahmenordnung" 281 f. - als Recht der Eingriffsverwaltung 112, 274 f., 282 - als Repräsentationsrecht (Krüger) 208 - als „Sachenrecht" (Hesse) 211, 282 f. - als staatliches Herrschaftsrecht (Laband, O. Mayer) 94,107 ff., 113 f. - als verfassungsorientiertes Recht 97, 279 ff. s. auch Privatrecht Recht, öffentl. - Privatrecht 92-94, 282 -284 - Abgrenzungstheorien 92 ff., 95 ff., 107 ff., 189 f. - abstrakt technische Dichotomie 92 ff., 107 ff. - Ideologiekritik durch Kelsen 183 ff., 279 - Kongruenz der Dichotomie m i t dem liberalen Trennungsschema 152,177 - sachlich differenzierende Zuordnung 95 ff., 212 ff., 279, 283 f., 294

- Wechselverhältnis (Haenel) 193 f., 199 f. s. auch Gemeinrecht, Sozialrecht Rechtsbegriff - i m Formalismus 110,198 - bei Gierke 190 f. - bei Haenel 198, 201,274 - bei Hegel 129 ff. - bei K a n t 151 f. - bei Kelsen 185 ff. - bei Savigny 152 s. auch Recht, Verfassungsnormativität Rechtsprechung als öffentl. Verfahren 278 f. Rechtsstaat 273-285 - u n d ältere „ P o l i t i k " 117 - bürgerlicher, als dualistische Gesamtverfassung 77 - u n d Demokratie 273 ff. - Formalisierungsprozeß 158 ff. - bei Gierke 191 f., 274 - bei Kelsen 187 f. - materialer i m Grundgesetz 224, 242, 250,274 ff. - bei M o h l 160 f. - sozialer, als spezifisch öffentl. Ordn u n g 273 ff. s. auch Demokratie, Sozialstaat, Verfassung Rechtsstatus, öffentl. - Ablehnung eines globalen Gesamtstatus 295 ff. - wegen der E r f ü l l u n g öffentl. A u f gaben? 101 ff. - als Problem „guter Ordnung" 293 ff. - als Problem des öffentlichen 25 f., 38 - als Verortung i m dualistischen System 77 s. auch Berufsverbände, Kirchen, Parteien, Verbände, Wohlfahrtsverbände Rechtswissenschaft - als kritische Wissenschaft 331 - als öffentl. Wissenschaft 331 f. - als Planungswissenschaft 332 s. auch Formalismus, Methode, Staatslehre, Staatsrechtslehre, Verfassungstheorie, Wissenschaften Reichsgrundsätze 43 f. Reine Rechtslehre 183 ff. Relativismus u n d Demokratie 258 Repräsentation 100, 207, 249 ff., 254 ff.

Sachregister res publica - als freies öffentl. Gemeinwesen 214 ff., 243 if., 273 ff. s. auch Gemeinwesen, das öffentliche, Staat Revolution - französische 122 f., 131 ff., 142, 146, 167, 250 f. - industrielle 122,133 if., 143 Rundfunkanstalten 87 f. Sachzwang 223,268 - als Gemeinwohlproblem 261 s. auch Demokratie, Rationalität salus publica s. Gemeinwohl Selbstverwaltung - gesellschaftliche 94 f., 171 - u n d Körperschaft des öffentl. Rechts 94 f. - kommunale 34 ff. Sinnfrage - Aktualisierung durch das öffentl. Recht 282 - u n d dialektische Theorie der Gesellschaft 238 - als Gemeinwohlproblem 259 f. - als kritische Frage 260 f. - i n der modernen Gesellschaft 223 - u n d Utopie 242 - u n d Verfassung 240 s. auch Verfassungsprinzipien Souveränität - bei Haenel 195,197 ff. - bei K r ü g e r 207 - als Normativbegriff 284 f., 296 s. auch Staat, Volkssouveränität Soziale Frage - u n d Befreiungsgesetzgebung Preußens 70 - u n d Bismarcksche Sozialpolitik 42, 79 ff. - u n d die bürgerl. Revolution von 1848 72 - bei Hegel 163,165 f. - u n d die Kirchen 50 f., 55 - bei M o h l 162 - bei L . v. Stein 167 ff. - bei Roscher 175 - bei Wiehern 50 f. Soziale Sicherheit 302 ff. Sozialhilfe s. Bundessozialhilfegesetz, W o h l fahrtspflege, Wohlfahrtsverbände

Soziallehre - evangel. 321 ff. - kathol. 315 ff. Sozialrecht 189 ff., 210 s. auch Recht, öffentl. - Privatrecht Sozialstaat - A n t w o r t auf die soziale u n d ökonomische Lage 224,253 - Aspekte einer „Realanalyse" i m Sozialhilfebereich 79 ff. - bei Forsthoff 225 - Gegenbegriff gegen die bürgerl. „ R e p u b l i k " 178, 247, 253 - bei U. K . Preuß 231 f. - bei L. v. Stein 168 ff. s. auch Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaatsklausel, Staat-Gesellschaft, Verfassung Sozialstaatsklausel i m GG 34 f., 36 f., 242, 250, 253 - u n d Sozialhilfe 34 f., 302 - Unsicherheit der Staatsrechtslehre 36, 246 f. s. auch Grundgesetz, Sozialstaat, Verfassung Sozialwissenschaften - u n d Rechtswissenschaft 332 Soziologie 115 ff., 149, 218 Staat - als „Betrieb" 115 - christlicher St. 323 - als juristische Person 107 ff., 150, 154 ff., 195 f. - als korporativer Verband 194 ff. - als „Normpyramide" 187 - als Organismus 150 - als praktisches Problem 227 - als Selbstzweck 160 - als sittliches Reich 258 - als System von Ä m t e r n u n d Gesetzen 207 - als W i r k l i c h k e i t der konkreten Freiheit 137 ff., 167 f. s. auch Demokratie, Einheit des Staates, Gemeinwesen, das ö f f e n t liche, Person, juristische, Rechtsstaat, Sozialstaat, Souveränität, Staatsgewalt, Staatszweck, Verfassung Staat-Gesellschaft - dualistisches Trennungsdenken 111 ff., 158 ff.

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Sachregister

- freiheitssichernde F u n k t i o n 226, 286 ff. - Prozeß des Auseinandertretens 67 ff. - Prozeß der Wiederannäherung 79 ff. - i m Spiegel der Verhältnisbestimmungen 36 f., 76 ff. - überformende „Technostruktur"? 221ff., 268 s. auch Gemeinwesen, Gesellschaft, das öffentliche, Staat Staatsgeheimnis 288 Staatsgewalt - V o l k als „Träger" 244 - zentraler Begriff i m Formalismus 107 ff., 154,227,244, 273 f. s. auch Person, juristische, Staat Staatslehre - Allgemeine (Krüger) 206 ff. - demokratische Unterbilanz 244 ff., 251 f. - konstitutionelle 151 s. auch Wissenschaften Staatsrechtslehre 107 f., 150 ff. s. auch Formalismus, Rechtswissenschaft, Wissenschaften Staatszweck - als Grenze der Staatsgewalt (Laband) 110 - bei Haenel 196 - bei Hegel 160 - als immanentes Prinzip 160 - bei G. Jellinek 156 - bei M o h l 161 - Verlust i m Formalismus 158,160 - als Zentralbegriff der älteren Polit i k 117 s. auch Gemeinwohl, Staat Stände bei Hegel 136 f., 144 f., 179 f. Status s. Rechtsstatus Subsidiaritätsprinzip 34, 37, 85, 314 ff., 324 s. auch Soziallehre Subventionen 85, 200, 300 Technik s. Fortschritt Technokratie 267 f. Theorie, kritische - i m Denken Hegels 128 ff., 139 ff. - als Theorie des öffentl. 261,268 s. auch das öffentliche, Verfassungstheorie

Theorie u n d Praxis - bei Hegel 130,139 ff., 178 ff. - beim jungen M a r x 141 f. - Verfassungstheorie u n d politische Praxis 329 f., 332 s. auch Praktische Philosophie, Wirklichkeit Topik 117, 332 Tradition - aristotelische 117 f. - i m Denken Hegels 125 ff. - Gefahr eines „Rückgriffs" 119 ff., 241 - verfassungsstaatliche 242, 286 f. Tugend - als Zentrum der älteren P o l i t i k 117 Unterstützungs wohnsitzgesetz 41 f., 73 Utopie 147,242 f. V a t i k a n u m I I 57 f., 317 ff. Verbände 37,100 f. s. auch Verein, Wohlfahrtsverbände Verein 82,112,168 ff., 192 ff., 200 - u n d Kirche 49 ff., 55 - u n d kommunale Wohlfahrtspflege 45 - u n d soziale Frage 73 s. auch Verbände, Wohlfahrtsverbände Verfahren, öffentl. - u n d Demokratie 269 - u n d Rechtsstaat 275 f. - als Rechtsverwirklichung 278 s. auch Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verfassung, V e r w a l t u n g Verfassung - als Entscheidung (Dezisionismus) 226 - als Gesamtverfassung 226-238, 240, 247 - u n d Geschichtlichkeit 256,260 - als normativer Gesamtplan 224, 238-243,260,268 - als öffentl. Prozeß 243, 248, 261-272, 328 - als Organisationsstatut? 234, 240 - als politischer Kompromiß? 233 f. - u n d politische Praxis 330 f. - als spezifisch öffentl. Ordnung 214 ff., 225, 240, 263 ff. - als Zentrum des öffentlichen 328 s. auch Demokratie, Grundgesetz,

Sachregister Rechtsstaat, Staat-Gesellschaft, Verfassungstheorie Verfassungsprinzipien 224, 234, 237, 240 ff., 256, 263 s. auch Sinnfrage Verfassungsstaat 242 Verfassungsinterpretation 216 ff., 225, 241 ff. Verfassungnormativität 238 ff., 243 s. auch Recht, Rechtsbegriff Verfassungspositivismus 214, 239 Verfassungstheorie - u n d der Begriff des Politischen 228, 233, 235,262 - hermeneutische Problematik 216 ff. - als kritische Theorie 261,268 - materiale 216 ff. - u n d politische Ideengeschichte 214 - als Theorie des öffentlichen 215, 268, 328 - u n d Verfassungsrecht 28,36,216, 233,268 - u n d Verfassungsstreit u m das B S H G 36 s. auch das öffentliche, Verfassung V e r w a l t u n g als öffentl. Verfahren 278 f. Verwaltungslehre 166 ff., 174 Verwaltungsrechtslehre 108 f., 156 ff., 172 ff. s. auch Formalismus, Methode, Wissenschaften Volk - als „die Öffentlichkeit" 249-257 normativer Anspruch 250 ff., 272 plurale S t r u k t u r 254 f., 262, 265 geschichtl. Dimension 255 f. konkrete Verfaßtheit 256 f. - als „Träger" der Staatsgewalt 244, 250 s. auch Demokratie, Demokratietheorie, Öffentlichkeit, Volksbegriff Volksbegriff - Bedeutung für die Demokratietheorie 250 - i m Dezisionismus 250, 254,265 - i m Formalismus 113 - bei Gerber 150,154 - bei Haenel 195 - bei Hegel 140,180 - bei E. K a u f m a n n 246 - bei Krüger 210 - bei Laband 110

- beim jungen M a r x 145 ff. - bei C. Schmitt 245,290 ff. - bei Stahl 258 s. auch V o l k Volksgeist 156, 246, 256, 280 Volkssouveränität 292 Volkswirtschaftslehre 149,174 Volkswirtschaftspolitik 174 f. Vorverständnis 216 ff., 278 f., 329 Wahlrecht des Hilfeempfängers 35 f., 299 f. Wirklichkeit - als menschl. Wirksamkeit 227,240 ff., 254, 263,280 s. auch Theorie u n d Praxis Wissenschaften - u n d ältere prakt. Philosophie 117 f. - Differenzierungsprozeß 148 ff., 172 f f , 181 - öffentl. 117 ff., 158 f , 331 f. s. auch Formalismus, Fürsorgewissenschaft, Methode, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Staatslehre, Staatsrechtslehre, V o l k s w i r t schaftslehre, Volkswirtschaftspolitik Wohl, öffentl. s. Gemeinwohl Wohlfahrtspflege - Geschichte 39 ff., 67 f f , 80 f. - kommunale 34 f f , 45 f , 77, 300, 306 f , 308 f. - als „Lückenbüßerin" 175, 302 f. - wissenschaftliche Behandlung 158176 s. auch Bundessozialhilfegesetz, L i e bestätigkeit, Wohlfahrtsverbände Wohlfahrtspflege, Verhältnis v o n öffentl. u n d freier - i m B S H G 31 f f , 35, 300 ff. - i m Deutschen Verein 74-78 - funktionale Abgrenzungsversuche 83 f. - bei Haenel 200 - bei Hegel 164 f. - kooperatives Verhältnis 35, 300, 306 308 - bei M o h l 162 - i m Selbstverständnis der Verbände 310-327 - als Spiegel des Dualismus von Staat u n d Gesellschaft 76,158,177

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Sachregister

- bei L. v. Stein 170 - nach dem Subsidiaritätsprinzip 314 ff. - „Vorrang" der Verbände? 34 ff., 314 - bei Wichern 322 f. s. auch Rechtsstatus, Wohlfahrtsverbände Wohlfahrtsstaat - i n der evangel. Soziallehre 324 f. Wohlfahrtsverbände - Geschichte 47 ff., 311 ff. - als gesellschaftl. Selbstverwaltung 95 - als Interessenverbände 100 - legitime Besonderheit 301 f. - öffentl. Bedeutung 302 ff. - öffentl. Status? wegen E r f ü l l u n g öffentl. Aufgaben? 101 ff.

wegen öffentl. Bedeutung? 100 f. durch Teilhabe a m Kirchenstatus? 99 - Rechtsstatus 293-309 keine „Beliehenen" 88 ff. k e i n Gesamtstatus 294 ff. kooperativer Wahlstatus 305 f. Status öffentl. Freiheit 299 - Rechtsstellung i m B S H G 31 ff. - Selbstverständnis 301 f., 310-327 s. auch A W , DCV, DPWV, D R K , Gemeinsames Werk, Wohlfahrtspflege, Zentralwohlfahrtsstelle

Zentralausschuß f ü r die Innere M i s sion s. Gemeinsames Werk Zentralwohlfahrtsstelle der Juden 32, 59-61, 310