Deutschland als Problem Dänemarks: das materielle Kulturerbe der Grenzregion Sønderjylland-Schleswig seit 1864 9783847100812, 9783847000815, 3847100815

Hauptbeschreibung Mit dem Beginn der Nationalstaatsbewegungen wurde die Grenzregion Sønderjylland/Schleswig zum zentrale

165 88 4MB

German Pages 493 [491]

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Deutschland als Problem Dänemarks: das materielle Kulturerbe der Grenzregion Sønderjylland-Schleswig seit 1864
 9783847100812, 9783847000815, 3847100815

Citation preview

Formen der Erinnerung

Band 51

Herausgegeben von Jürgen Reulecke und Birgit Neumann

Florian Greßhake

Deutschland als Problem Dänemarks Das materielle Kulturerbe der Grenzregion Sønderjylland – Schleswig seit 1864

Mit 24 Abbildungen

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0081-2 ISBN 978-3-8470-0081-5 (E-Book) Dissertation an der Universität Kassel im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, Florian Greßhake, Titel der Dissertation: »Deutschland als Problem Dänemarks« – Das materielle Kulturerbe in der Grenzregion Sønderylland/Schleswig seit 1864, Datum der Disputation: 16. Juli 2012. Die Arbeit entstand im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes »Lost in Translation? Europabilder und ihre Übersetzungen« (FKZ: 01UB0926D). Ó 2013, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: Der Flensburger Löwe in Flensburg auf dem Alten Friedhof, Nina Jebsen. Druck und Bindung: CPI Buch Bücher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Für meine Familie und Freunde

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

I.

. .

15

. .

15

. . . .

17 29

. . . . . .

36 41 45

II.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.1. »Deutschland als Problem Dänemarks«? – Aspekte einer wechselvollen Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2. Der europäische Integrationsprozess und die Rolle des materiellen Kulturerbes – theoretische Zugänge . . . . . I.3. Grenze und Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.4. Sønderjylland/Schleswig – Eine Region zwischen Deutschland und Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . I.5. Fragestellung und Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . . I.6. Quellen und Herangehensweise . . . . . . . . . . . . . .

Grenzverschiebung I: Das materielle Kulturerbe zwischen regionaler Identität und nationaler Abgrenzung (1864 – 1920) . . . II.1. Eine Region im Wandel: Schleswig-Holstein nach dem Deutsch-Dänischen Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2. Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2.a. Ethnische Bauernhausforschung und Grenzfragen . II.2.b. Preußische Architekturpolitik in der Provinz Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2.c. Auswirkungen der Heimatschutzbewegung in Schleswig-Holstein und Dänemark . . . . . . . . . . II.3. Die Anfänge der dänischen und der schleswig-holsteinischen Denkmalpflege im Vergleich . . . . II.4. Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.4.a. Denkmalsturz: Der Idstedt-Löwe . . . . . . . . . . . II.4.b. Preußische Siegeszeichen in Nordschleswig . . . . .

49 49 58 58 64 67 84 97 98 107

8

Inhalt

II.4.c.

Regionale Monumente: die Doppeleichen und der Bismarckturm auf dem Knivsberg . . . . . . . . . . II.5. Die Idstedt-Waffenkammer : Musealisierung einer nationalen Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.6. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzverschiebung II: Das materielle Kulturerbe im kulturellen Grenzkampf (1920 – 1933) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.1. Volksabstimmung, kultureller Grenzkampf und nationale Agitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2. Die Heimatschutzarchitektur und das nationale Bauen nach der Volksabstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2.a. »Rottet den deutschen Stil aus« – dänische Heimatschutzarchitektur nach 1920 . . . . . . . . . III.2.b. Ein nationales »Schaufenster« nach Norden – schleswig-holsteinische Heimatschutzarchitektur . . III.2.c. Kontinuitäten und Wandel der heimatlichen Bauweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.3. Dänemark zum Vorbild – schleswig-holsteinische Denkmalpflege nach 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.4. Ein »unbequemes« Kulturerbe – deutsche Denkmäler in Nordschleswig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.4.a. Denkmalstürze und Umdeutungsprozesse . . . . . . III.4.b. Die Danisierung der nordschleswigschen Kulturtopographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.5. Museen im kulturellen Grenzkampf . . . . . . . . . . . . . . III.5.a. »Die dänische Gefahr und ihre Abwehr« – deutsche Museumstätigkeit im Grenzland . . . . . . . . . . . III.5.b. Die Nationalisierung der Idstedt-Gedächtnishalle . . III.6. Nationale Aneignung des mittelalterlichen Kulturerbes . . . III.7. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945) . . . . IV.1. Schleswig im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . IV.1.a. Machtergreifung, Gleichschaltung und politische Agitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.1.b. Besetzung, Kollaboration, Widerstand (1940 – 1945) . IV.2. Der großgermanische Gedanke und die Suche nach einem gemeinsamen deutsch-dänischen Kulturerbe . . . . . . . . . IV.2.a. Deutschland und der »Norden« . . . . . . . . . . . .

112 127 130

135 135 154 154 158 160 164 171 171 180 183 183 188 196 205 209 209 209 214 218 218

9

Inhalt

IV.3.

IV.4.

IV.5.

IV.6. V.

IV.2.b. Nationalsozialistische Instrumentalisierung der Historiographie: die Beispiele Haithabu und Danewerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Denkmalpflege und baukulturelles Erbe . . . . . . . . . . . IV.3.a. Die Kontroverse um Claus Eskildsens Kampfschrift Dansk Grænselære . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.3.b. Die schleswig-holsteinische Denkmalpflege im Dritten Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Denkmäler der nationalen Sammlung . . . . . . . . . . . . . IV.4.a. Dänische Denkmalpolitik im Kontext der Nordschleswigfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.4.b. Der Knivsberg 1933 – 1945: Regionale Grenzrevisionsbetrebungen vs. nationale »Nordenpolitik« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationalsozialistische Museumspolitik in Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.5.a. Das »Museum und der nationale Gedanke« – Heimatmuseen und die nationalsozialistische Ideologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.5.b. Neukonzeption der Idstedt-Gedächtnishalle . . . . . Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.1. Minderheiten- und Grenzfragen . . . . . . . . . . . . . . . V.2. Tranformationsprozesse der schleswigschen Denkmaltopographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.2.a. Die Zerstörung von Düppel- und Arnkiel-Denkmal V.2.b. Vom Täter zum Opfer? Die deutsche Minderheit und der Knivsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.2.c Ein nationales Symbol kehrt zurück – der Idstedt-Löwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.3. Nationale Konfrontation und europäische Annäherung: die Idstedt-Gedächtnishalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.3.a. Die Entstehung des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.3.b. Neukonzeption und Wiedereröffnung der Gedächtnishalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.3.c. Öffentliches Gedenken . . . . . . . . . . . . . . .

222 229 229 234 239 239

243 245

245 252 255

. .

259 259

. .

271 271

.

273

.

276

.

279

.

279

. .

283 287

10

Inhalt

V.4.

V.5.

V.6.

Zwischen Kontinuität und Neuanfang: das baukulturelle Erbe und die schleswig-holsteinische Denkmalpflege . . V.4.a. Kriegszerstörungen und Neubeginn . . . . . . . V.4.b. Das Bauerbe im Nachkriegsdiskurs . . . . . . . Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.5.a. Die Arbeit des Landesamtes für Vor- und Frühgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.5.b. »Der Statthalter vom Danewerk«: die dänische Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

293 293 296

. .

300

. .

300

. . . .

307 321

VI. Das materielle Kulturerbe zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung (1960 – 1990) . . . . . . . . . . . . . . . VI.1. »Modellfall Schleswig« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI.2. Schleswigs Denkmaltopographie nach dem Grenzkampf . . VI.2.a. »Ein Monument im Wandel der Zeit« – die Rückkehr-Debatte um den Idstedt-Löwen 1962 . . . VI.2.b. »Dem Gedenken unserer Gefallenen und Vermißten« – der Knivsberg und die deutsche Opfererinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI.3. Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI.3.a. Neukonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI.3.b. Rezeption der neuen Ausstellung . . . . . . . . . . . VI.3.c. Das Museum zwischen regionalem Heimatbewusstsein, nationalem Einheitsstreben und europäischer Integration . . . . . . . . . . . . . VI.4. Kontroversen um das mittelalterliche Kulturerbe . . . . . . . VI.4.a. Schutzbemühungen der 1960er Jahre . . . . . . . . . VI.4.b. Pläne für ein neues Haithabu-Museum . . . . . . . . VI.4.c. Konflikte um das mittelalterliche Erbe . . . . . . . . VI.5. Das Europäische Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz 1975 in Schleswig-Holstein und Dänemark . . . . . . . . . . VI.5.a. Denkmalschutzrechtliche Regelungen 1958 – 1980 . . VI.5.b. Das Europäische Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI.6. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

325 325 331 331

337 339 339 348

352 358 358 362 365 377 377 381 387

11

Inhalt

VII. Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen: Das Beispiel der Region Sønderjylland/Schleswig (1990 – …) . . . . . . . . . . . . . VII.1. »Vom Gegeneinander zum Miteinander«? – der deutsch-dänische Grenzraum im Kontext der europäischen Einigungsbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII.2. Der Idstedt-Löwe auf dem Weg zum transnationalen Kulturerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII.3. Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII.3.a. Neukonzeption der Idstedt-Gedächtnishalle . . . . . VII.3.b. »But the nation is not gone […].« – Frøslev-Lagermuseum und Historiecenter Dybbøl Banke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII.3.c. Museumslandschaft Sønderjylland/Schleswig heute . VII.4. Das materielle Kulturerbe der Region Sønderjylland/Schleswig heute – Hindernisse, Chancen, Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII.4.a. Diskussionen und Praktiken der Gegenwart . . . . . VII.4.b. Ein grenzüberschreitendes Kulturerbe? . . . . . . .

433 433 437

VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

441

IX.

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . .

449

X.

Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

479

391

391 401 413 413

420 430

Vorwort

Nachdem nun die letzten Arbeiten an der Druckfassung meiner Dissertation abgeschlossen sind, fällt der Blick zurück auf mehr als drei sehr intensive Jahre und es reift die Erkenntnis: Auch wenn die Arbeit an einer Dissertation in gewisser Art und Weise bedeutet, als Einzelkämpfer seinen Alltag zu bestreiten, so geht man diesen Weg doch nicht gänzlich alleine. So waren es eine ganze Reihe an Menschen, die mich durch die Wirrungen der deutsch-dänischen Geschichte begleitet haben – manche von Anfang bis Ende, andere temporär, wiederum andere punktuell – und denen ich mich zu großem Dank verpflichtet fühle. Auch wenn diese paar Zeilen bei Weitem nicht ausdrücken könnten, wie froh ich über die zahlreiche und unterschiedliche Unterstützung bin, möchte ich sie einfach dazu nutzen, danke zu sagen: Zunächst einmal möchte ich Prof. Dr. Winfried Speitkamp, meinem Doktorvater an der Universität Kassel danken, dass er mir im September 2009 durch die Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter überhaupt erst die Möglichkeit gab, ein Dissertationsprojekt zu beginnen. Mit großem Interesse verfolgte er die Fortschritte an meiner Arbeit, lieferte immer wieder wichtige Denkanstöße und stand jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung. Aus meiner Sicht waren die Arbeits- und Promotionsbedingungen bei ihm einfach nur optimal, auch durch seine menschliche Art und Weise hat er mich immer wieder unterstützt. Vielen Dank dafür! Ebenfalls dankbar bin ich Prof. Dr. Julia Angster, die sich mit großem Engagement und Enthusiasmus dazu bereit erklärt hat, Zweitgutachterin meiner Arbeit zu werden. Einen wichtigen Beitrag auf meiner Reise durch die Geschichte des deutsch-dänischen Grenzlandes lieferten meine Arbeitskollegen, die aufgrund ihrer ähnlichen Situation, der zahlreichen Gespräche, aber vor allem wegen ihrer tollen Art und Weise dafür sorgten, dass ich gerne zur Arbeit gegangen bin. Stellvertretend möchte ich an dieser Stelle Frauke Michler, Sonja Dinter, Stefanie Zehnle und Dr. Claudius Torp nennen – der Dank gilt selbstverständlich allen anderen auch! Wichtige Impulse für meine Arbeit kam auch von meinen »Mitstreitern« aus dem Forschungsverbund »Lost in Translation? Europabilder und ihre Übersetzungen«. Oft vergessen, aber auch sehr

14

Vorwort

wichtig sind die zahlreichen Mitarbeiter der Bibliotheken und Archive, die einem mit Rat und Tat zur Seite stehen, neue Aktenberge herbeitragen, alte wieder wegbringen, einen durch die vorkommenden Absurditäten der Rechercheprogramm hilfreich begleiten… Zu nennen sind hier vor allem die Mitarbeiter der Universitätsbibliothek Kassel, des Gemeinschaftsarchivs des Kreises Schleswig-Flensburg, des Landesarchivs Schleswig-Holstein, vom Landsarkivet Sønderylland, vom Kreisarchiv Nordfriesland und des Rigsarkivet in Kopenhagen. Mein Dank geht auch an den Projektträger Deutsches Zentrum für Luftund Raumfahrt e.V. (DLR) und hier namentlich Dr. Rolf Geserick für die interessierte und jederzeit freundliche Begleitung und Unterstützung unserer Arbeit; Prof. Dr. Hans Jürgen Reulecke und Prof. Dr. Birgit Neumann für die Aufnahme meiner Arbeit in die von ihnen herausgegebene Reihe »Formen der Erinnerung«, die aus dem ehemaligen Gießener SFB 434 »Erinnerungskulturen« hervorgegangen ist; den Verlag V& R unipress und Ruth Vachek für die Verlegung meiner Arbeit, Nina Jebsen für den Extra-Spaziergang, den sie eingelegt hat, um das Titelbild für dieses Buch zu schießen; die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel für ihre herzliche Art und die große Unterstützung… Ein ganz großer Dank geht an Jessica Wessels und Frederik Grundmeier, die nicht nur großartige Freunde sind, sondern sich auch freiwillig mehr als 500 Seiten Korrekturlesen angetan haben! Und dass Sie heute meine Arbeit gedruckt in den Händen halten, ist der großzügigen finanziellen Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung geschuldet. Vielen herzlichen Dank! Ein paar ganz besonderen Menschen möchte ich auf diese Weise noch einmal ausdrücklich danken, dafür dass es sie gibt und dass sie mit mir durch alle Höhen und Tiefen gegangen sind. Ich weiß, dass dies nur Worte sind, meine wahre Dankbarkeit ist noch viel größer : Liebe Kasseler »Gang«, ihr habt meinem Alltag in Kassel das Besondere gegeben. Lieber Phil, danke für alles. Du weißt, was ich meine. Meine über das ganze Land verstreuten Freunde: Vielen Dank für die zahlreichen Telefonate, das Verständnis, wenn ich mich mal nicht gemeldet habe, eure Freundschaft und die Möglichkeit, bei euch immer einen Schlafplatz zu haben. Ich bin froh darüber, dass es mit vielen von euch auch über große Distanzen so gut läuft. Lieber Kristoffer, dank dir weiß ich, dass das Glück an jedem noch so kleinen Ort darauf wartet, entdeckt zu werden. Und wenn ich auf dieser Seite an zahlreiche Leute meinen Dank ausspreche, dürfen drei bestimmte Leute nicht fehlen: meine Familie. Ich bin unendlich dankbar für die vielfältige Unterstützung und dass ihr in jeder Lebenslage hinter mir steht sowie mich und meinen Weg immer wieder bestätigt!

I. Einleitung

I.1.

»Deutschland als Problem Dänemarks«? – Aspekte einer wechselvollen Geschichte

Als der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg am 10. Juni 1981 anlässlich des Richtfestes eines Museumsneubaues unweit der Stadt Schleswig eine Rede hielt, ahnte er nicht, welches Echo seine Worte finden würden. Bei der Ausstellungshalle, die hier gebaut wurde, handelte es sich um das Wikingermuseum Haithabu, welches am Ort der mittelalterlichen Handelssiedlung gleichen Namens entstehen sollte. In den Jahrzehnten zuvor hatten zahlreiche archäologische Funde das Bild eines Handelsplatzes von internationaler Bedeutung gefestigt, der hier, zwischen Nord- und Ostsee auf der jütischen Halbinsel gelegen, von größter Bedeutung für den europäischen Warenverkehr zur Zeit der letzten Jahrtausendwende war. Der großen wissenschaftlichen Relevanz der mittelalterlichen Siedlung sollte nun Anfang der 1980er Jahre durch die Gründung eines eigenen Museums Rechnung getragen werden. Stoltenberg betonte in seiner Ansprache die Rolle Haithabus im frühzeitlichen, europäischen Handelssystem und charakterisierte die Siedlung als das Zeugnis einer sowohl schleswig-holsteinischen als auch europäischen Geschichte. In Dänemark löste gerade diese Formulierung einen Sturm der Entrüstung und eine äußerst kontrovers geführte Auseinandersetzung über den ideellen Besitzanspruch auf das mittelalterliche Kulturerbe in der dänisch-deutschen Grenzregion aus. Die Kritik an der Rede des Ministerpräsidenten entzündete sich primär daran, dass Stoltenberg das Attribut »dänisch« im Zusammenhang mit der Historie des Ortes unerwähnt ließ und stattdessen die Siedlung explizit in eine schleswigholsteinische Geschichte einordnete. Im Laufe der Kontroverse brachen alte, längst überwunden geglaubte Konflikte wieder auf, deren Ursprünge in der gemeinsamen Geschichte des Grenzlandes zu suchen sind. So schrieb etwa das dänische Boulevardblatt Ekstra Bladet, dass Haithabu eine der ältesten däni-

16

Einleitung

schen Städte sei: »Die Stadt lag in Südschleswig, das uns die Deutschen 1864 stahlen.«1 Diese Aussage stellte eine Extremposition dar, stand aber symptomatisch für die tiefen Gräben, die sich 1981 plötzlich wieder auftaten. Zugleich lassen sich die Auseinandersetzungen um die Worte des Ministerpräsidenten problemlos in eine Reite weiterer ähnlicher Debatten in den Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges einordnen. Die Auseinandersetzungen um das Kulturerbe Haithabu sind Ausdruck einer häufig als problematisch empfundenen Geschichte, in der »Deutschland als Problem Dänemarks« auftritt, wie eine 1968 erschienene Sammlung der Aufsätze des dänischen Historikers Troels Fink betitelt ist.2 Hierin beschrieb der Autor die aus dänischer Sicht vorhandene Kontinuität der Bedrohung durch den südlichen Nachbarn. Dieses Motiv hob Fink als das prägende Element der dänischen Außenpolitik seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hervor. Ein weiterer Hinweis auf die Sonderstellung des deutsch-dänischen Verhältnisses ist die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zu beobachtende Konzentration der Geschichtsschreibung auf die nationalen Gegensätze, deren zentraler Schauplatz die Region Sønderjylland/Schleswig als die umstrittene contact zone der beiden Staaten bildete.3 Auffällig sind auch die Spuren, die das Verhältnis in der dänischen Denkmalslandschaft hinterlassen hat: Eine zentrale Registrierung aller nationalen Denkmäler durch das Kulturhistorische Zentralregister in der Verwaltung für das dänische Kulturerbe (Det Kulturhistoriske Centralregister i Kulturarvstyrelsen), einer Abteilung des Kultusministeriums, ergab 1.830 Monumente mit einem direkten Bezug zu diesem Thema. Hochgerechnet auf die Fläche des Landes bedeutet dies eine Dichte von einem Denkmal auf 2,3 km2.4 1 Übersetzung des Artikels aus Ekstra Bladet. Landesarchiv für Schleswig-Holstein (LASH), Abt. 605: Staatskanzlei, Nr. 6621: Haithabu – Wikinger Schiff. 2 Fink, Troels. Deutschland als Problem Dänemarks. Die geschichtlichen Voraussetzungen der dänischen Außenpolitik. Flensburg 1968. 3 Jessen-Klingenberg, Manfred. Schleswig-Holsteins Geschichtsschreibung und das Nationalitätenproblem in Schleswig von 1864 bis 1940. In: Ders. Standpunkte zur neueren Geschichte Schleswig-Holsteins. Hrsg. von Reimer Hansen und Jörn-Peter Leppien. Malente 1998. S. 217 – 242, hier S. 217. 4 Adriansen, Inge. Erinnerungsorte der Deutsch-Dänischen Geschichte. In: Lundt, Bea (Hrsg.). Geschichtsbewußtsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe (Beiträge zur Geschichtskultur ; 27). Köln/Weimar/Wien 2004. S. 391 – 411, hier S. 408 f.; Dies. Erindringssteder i Danmark. Monumenter, mindesmærker og mødesteder. Kopenhagen 2010. Ziel des Projektes sollte die Erstellung eines »Atlas der Erinnerungspolitik« sein, der die »physische Verankerung der nationalen Identität in der Kulturlandschaft« untersucht. Hierzu erstellte das Zentralregister eine Auflistung aller »Denkmale, die von einem Ereignis im Zusammenhang mit der gemeinsamen Geschichte berichten – das über die engere örtliche Bedeutung hinausreicht und einen umfassenderen Teil der Bevölkerung betrifft.« (Adriansen, Erinnerungsorte, 2004. S. 394.) Dabei ergab sich das Bild einer Erinnerungslandschaft, die vor allem durch die problematischen Aspekte der Beziehung zu Deutschland geprägt ist: »Dänemark hat sich mit

Der europäische Integrationsprozess und die Rolle des materiellen Kulturerbes

17

Die physischen Spuren, die die deutsch-dänische Geschichte in der Erinnerungslandschaft des skandinavischen Staates hinterlassen hat, zeugen von der großen Sensibilität in Dänemark in Bezug auf den deutschen Nachbarn, die Emotionalität, mit der die Historie der letzten rund 160 Jahre behaftet ist, und die Stellung, die diese im dänischen Selbstverständnis einnimmt. Am deutlichsten wird die wechselvolle Geschichte der beiden Staaten in der Grenzregion Sønderjylland/Schleswig, die als Kontaktraum zwischen dem dänischen und dem deutschen Einflussgebiet unter wechselnder Herrschaft stand und lange Zeit umkämpft war. So liegt es nahe, wie der Historiker Steen Bo Frandsen, Schleswig in Anlehnung an den französischen Historiker Pierre Nora5 als einen »transnationalen Erinnerungsort« zu sehen, in dem »die Asymmetrie der deutsch-dänischen Nachbarschaft deutlich« wird.6

I.2.

Der europäische Integrationsprozess und die Rolle des materiellen Kulturerbes – theoretische Zugänge

Die Kontroverse um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu im Jahr 1981 ordnet sich in eine ganze Reihe von Diskussionen und Auseinandersetzungen über einzelne Denkmäler, Museen und die Konzeption regionalhistorischer Ausstellungen im deutsch-dänischen Grenzland bis in die Gegenwart hinein ein. Nicht zuletzt Stoltenbergs Kategorisierung der Handelssiedlung in einen schleswig-holsteinischen sowie einen europäischen Kontext offenbarte die Emotionalität, mit der die Geschichte des Grenzlandes und dessen materielles Kulturerbe behaftet sind. Angesichts der am Beispiel Haithabu deutlich werdenden Semantisierung eines als national deklarierten Kanons an kulturellen Zeugnissen der eigenen Historie muss die aktuelle europäische Kulturpolitik hinterfragt werden. In einem zusammenwachsenden Europa wird vor dem Hintergrund stetig zunehmender ökonomischer und rechtlicher Verflechtungen Schweden insgesamt 44 Jahre, verteilt auf sechs Kriege, im Kampf befunden […] Für diese Kriege wurden 29 Gedenkstätten errichtet. Mit England befand sich Dänemark 14 Jahre im Krieg […] Dieser Krieg war Anlass für die Errichtung von 13 Gedenkstätten. Mit deutschen Staaten hat sich Dänemark dreimal und insgesamt 9 Jahre im Krieg befunden […] Und für diese drei Kriege wurden 893 Denkmale in freier Luft und circa 200 Gedenktafeln in Rathäusern, Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden errichtet. Hinzu kommen die knapp 600 Gedenksteine für die Wiedervereinigung und ca. 130 Denkmale für den Ersten Weltkrieg […].« Ebd. S. 408 f. 5 Nora, Pierre. Lex lieux de m¦moire. 7 Bde. Paris 1984 – 1992. 6 Frandsen, Steen Bo. Schleswig: Ein Erinnerungsort für Deutsche und Dänen? In: Henningsen, Bernd/Kliemann-Geisinger, Hendriette/Troebst, Stefan (Hrsg.). Transnationale Erinnerungsorte: Nord- und südeuropäische Perspektiven (Die Ostseeregion: Nördliche Dimensionen – Europäische Perspektiven; 10). Berlin 2009. S. 31 – 49, hier S. 31.

18

Einleitung

der Mitgliedsstaaten die Suche nach gemeinsamen europäischen kulturellen und ethischen Werten zu einer der zentralen Fragestellungen. Bereits Anfang der 1990er Jahre entstand in den kontinentalen Machtzentralen die Vorstellung von der Notwendigkeit, den europäischen Integrationsprozess auf institutioneller Ebene durch eine »Seele für Europa« zu ergänzen und ein »Europe of the Europeans«7 zu kreieren. Die 1992 vom Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (EG), Jacques Delors, vorgebrachte Idee – »Wir müssen Europa eine Seele geben«8 –, die Kultur zum wesentlichen Faktor der europäischen Prosperität und Integrität zu erheben, führte zwei Jahre später zu der Gründung der zivilgesellschaftlichen Initiative A Soul for Europe. Durch ein Netzwerk europäischer Städte und Regionen, politischer Institutionen und Entscheidungsträger sowie kultureller und wirtschaftlicher Einrichtungen strebt diese seitdem über verschiedene Projekte die Förderung gemeinsamer europäischer Narrative durch einen interkulturellen Dialog an. Ein europäischer Integrationsprozess, der lediglich auf ökonomischer und institutioneller Ebene ablaufen würde, könne, so die Überzeugung zahlreicher Europapolitiker, keine dauerhafte Erfolgsgeschichte begründen. EU-Kommissionspräsident Jos¦ Manuel Barroso legte am 26. November 2004 in seiner Berliner Rede Europe and Culture die Notwendigkeit der Konstruktion und der Betonung eines europäischen Kulturwertekanons dar : »The EU has reached a stage of its history where its cultural dimension can no longer be ignored. […] Europe is not only about markets, it is also about values and culture. If the economy is a necessity for our lives, culture is really what makes our life worth living.«9 Tatsächlich entstanden vor allem seit dem Beginn der 1990er Jahren in zunehmendem Maße Projekte, Initiativen und Programme, die der Idee gemeinsamer kultureller und ethischer Werte Rechnung tragen und auf diesem Weg zur Verbreitung des Konzeptes einer europäischen »Seele« beisteuern sollen. Die österreichische Zeithistorikerin Heidemarie Uhl verwies darauf, dass seit dem 1993 ratifizierten Vertrag von Maastricht verstärkt eine Kulturdominante in den Diskursen zur europäischen Identität zu finden ist und sich die Integrationspolitik primär auf das Konzept des europäischen Kulturerbes als historischen Bezugspunkt stützt. Es habe ein 7 Flyer »a soul for europe«. http://www.asoulforeurope.eu/who/mission-statement [Zugriff am 28. November 2011]. 8 Delors traf diese Aussage in einem Gespräch mit Kirchenvertretern am 4. Februar 1992, von dem an unterschiedlicher Stelle Gesprächsnotizen veröffentlicht wurden. Siehe beispielsweise: Commission of the European Communities (Hrsg.). Summary of Addresses by President Delors to the Churches. 14. Mai 1992 (Nr. 704E/92). 9 Rede »Europe and Culture« von Jos¦ Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission auf der Berliner Konferenz für europäische Kulturpolitik vom 26. November 2004. http:// europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=SPEECH/04/495& format=HTML& aged=1& language=EN& guiLanguage=en [Zugriff am 28. November 2011].

Der europäische Integrationsprozess und die Rolle des materiellen Kulturerbes

19

»need for identity« […] allgemein in den Europa-Diskurs Eingang gefunden, politische Reden widmen sich der Frage, was Europa eigentlich sei, was die Europäische Union eigentlich zusammenhalte und ihre Eigenart ausmache […]. Auch in intellektuellen und wissenschaftlichen Reflexionen bzw. Analysen wird das potentielle Repertoire an Bildern, Mythen und Symbolen erörtert, die für eine zeitgemäße Repräsentation der Europäischen Union geeignet erscheinen.10

Seit 1985 rückt etwa über die Initiative Kulturhauptstadt Europas insbesondere die Vielfalt eines europäischen Erbes in den Fokus der Suche nach einer gemeinsamen Kultur.11 Weitere Programme wie die Europäische Route der Backsteingotik, das Förderprogramm Raphael der Europäischen Union (EU) sowie das 2006 ins Leben gerufene Europäische Kulturerbe-Siegel verweisen auf die Idee eines kulturell homogenen Kontinentes, der auf einen Kanon an Bauwerken und Monumenten als geteiltes Erbe zurückgreifen kann. Die zwischenstaatliche Siegel-Initiative zielt hierbei darauf, »das Zugehörigkeitsgefühl der europäischen Bürgerinnen und Bürger zur Europäischen Union anhand gemeinsamer Elemente der Geschichte und des Kulturerbes zu stärken, den Stellenwert der Vielfalt zu steigern und den interkulturellen Dialog zu fördern.« Es kennzeichnet daher Orte und Stätten, »die in der Geschichte und beim Aufbau der Europäischen Union eine wesentliche Rolle gespielt haben […] und insbesondere unter Bezugnahme auf die demokratischen Werte und die Menschenrechte […] das Fundament der europäischen Einigung bilden.«12 Über seine edukative Dimension, vor allem im Hinblick auf junge Menschen, hebt es Schauplätze mit einer großen europäischen Symbolik wie etwa das Haus des französischen Vordenkers des europäischen Integrationsprozesses Robert Schuman in ScyChazelles oder die Danziger Werft, den Gründungsort der polnische Gewerkschaft Solidarnos´c´, hervor und deklariert sie zu einem gemeinsamen transnationalen kulturellen Erbe. Neben der politischen Ebene offenbart sich auch in wissenschaftlichen Kreisen die Suche nach einer auf der Vergangenheit basierenden Kulturgemeinschaft. Analog zu dem vom Historiker Pierre Nora zwischen 1984 und 1992 herausgegebenen siebenbändigen Werk zu den französischen lieux de m¦moire13 erschienen in zahlreichen anderen Staaten jeweilige nationale Adaptionen.14 Die Konjunktur der wissenschaftlichen Kanonisierung 10 Uhl, Heidemarie. Zwischen Pathosformel und Baustelle: Kultur und europäische Identität. In: Cs‚ky, Moritz/Sommer, Monika (Hrsg.). Kulturerbe als soziokulturelle Praxis (Gedächtnis – Erinnerung – Identität; 6). Innsbruck/Wien/Bozen 2005. S. 129 – 145, hier S. 132. 11 Mittag, Jürgen (Hrsg.): Die Idee der Kulturhauptstadt Europas. Anfänge, Ausgestaltung und Auswirkungen Europäischer Kulturpolitik. Essen 2008. 12 http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc2519_de.htm [Zugriff am 28. November 2011]. 13 Nora, Lex lieux de m¦moire, 1984 – 1992. 14 Siehe beispielsweise: FranÅois, Êtienne/Schulze, Hagen (Hrsg.). Deutsche Erinnerungsorte. 3 Bde. München 2001; Adriansen, Inge. Nationale Symboler i Det Danske Rige 1830 –

20

Einleitung

von europäischen Erinnerungsorten und gemeinsamem Kulturerbe deutet auf das Bedürfnis supranationaler Selbstvergewisserung hin.15 Das Konzept des kulturellen Erbes kennzeichnet mit den Worten des Kulturanthropologen Stuart Hall einen Komplex von Organisationen, Institutionen und Praktiken, der mit dem Ziel der Erhaltung und Präsentation von Kultur und Kunst in Form von Sammlungen, Ausstellungen, Museen und Stätten von besonderem historischen Interesse als »symbolisches Kapital«16 die Grundlage für die Imagination einer Gemeinschaft im Sinne von Benedict Andersons »imagined community« bildet.17 Der konstruktivistische Charakter des selektiven Prozesses Kulturerbe – vom walisischen Theoretiker Raymond Williams in seinem Werk Culture and Society als »selective tradition«18 bezeichnet – entwickelte sich vor allem während der Nationsbildungsprojekte des 19. Jahrhunderts. Im Kontext des Nationalstaatsgedankens sollte ein als national deklariertes Erbe zunächst vor einer ikonoklastischen Zerstörung in den Napoleonischen Kriegen bewahrt werden,19 schließlich wurde es als politisierte Kultur zu ideologischen Zwecke mobilisiert.20 Zurecht verwies etwa die amerikanische Kulturwissenschaftlerin Barbara Kirshenblatt-Gimblett darauf, dass sich das Konzept und die ideelle Nutzbarmachung an den Bedürfnissen der Gegenwart orientieren: » [H]eritage produces something new in the present that has recourse to the past.«21 Die Feststellung »Kulturerbe ist nicht – es wird gemacht«,22

15

16 17

18 19

20 21

2000. 2 Bde. Kopenhagen 2003 – 2004; Kreis, Georg. Schweizer Erinnerungsorte. Aus dem Speicher des Swisness. Zürich 2010; Olschowsky, Burkhard u. a. (Hrsg.). Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Erfahrungen der Vergangenheit und Perspektiven (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa; 42). München 2011. Siehe beispielsweise: Lottes, Günther. Europäische Erinnerung und europäische Erinnerungsorte? In: Jahrbuch für europäische Geschichte; 3 (2002). S. 81 – 92; Leggewie, Claus. Der Kampf um die europäische Erinnerung. München 2011; Boer, Pim den u. a. (Hrsg.). Europäische Erinnerungsorte. 3 Bde. München 2011 – 2012. Bendix, Regina/Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus. Vorwort. In: Dies. (Hrsg.). Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/ Europäischen Ethnologie; 1). Berlin 2007. S. 7 – 17, hier S. 9. »They [Anm. d. Verf.: gemeint sind Sammlungen] have always been related to the exercise of ›power‹ in another sense – the symbolic power to order knowledge, to rank, classify and arrange, and thus to give meaning to objects and things through the imposition of interpretative schemas, scholarship and the authority of connoisseurship.« Hall, Stuart. Whose Heritage Un-settling. In: Little, John (Hrsg.). The Politics of Heritage. Routledge 2005. S. 23 – 35, hier S. 24. Williams, Raymond. Culture and society, 1780 – 1950. New York 1983. Swenson, Astrid. »Heritage«, »Patrimoine« und »Kulturerbe. Eine vergleichende historische Semantik. In: Bendix, Regina/Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus (Hrsg.). Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/ Europäischen Ethnologie; 1). Berlin 2007. S. 53 – 74, hier S. 64. Peckham, Robert Shannan. The Politics of Heritage and Public Culture. In: Ders. (Hrsg.). Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 1 – 13, hier S. 2. Kirshenblatt-Gimblett, Barbara. Theorizing Heritage. In: Ethnomusicology ; 39,3 (1995). S. 367 – 380, hier S. 369 f.

Der europäische Integrationsprozess und die Rolle des materiellen Kulturerbes

21

rekurriert in diesem Sinne auf einen Prozess selektiver, politischer Aneignung und nicht auf die Überlieferung einer tatsächlichen historischen »Information«. Anhand ästhetischer, ideologischer und kognitiver Schemata wird das eigene Kulturerbe auf diese Weise zu einem einzigartigen und exklusiven Besitz deklariert, der Einzug in die Konstruktion und Etablierung kollektiver Identitäten erhält.23 Als vermeintliche Verkörperung des Geistes einer Nation sieht auch Stuart Hall einen engen Zusammenhang zwischen der Herausbildung von kollektiven nationalen Gemeinschaftsgefühlen und der Politisierung von Kultur im 19. Jahrhundert: To be validated, they must take their place alongside what has been authorised as »valuable« on already established grounds in relation to the unfolding of a »national story« whose terms we already know. The Heritage thus becomes the material embodiment of the spirit of the nation […].24

Über diesen Prozess der Zuschreibung eines ideellen Besitzwerts für das (nationale) Kollektiv kristallisierte sich das »Konzept, in dem ästhetische, politische und kognitive Dimensionen ineinander [griffen] und Geschichte zur Sinnquelle, zum Motor von Identitätsprozessen«25 wurden, heraus. Mit der metakulturellen Verdichtung von Ausstellungen, Museen, Denkmale und weiteren historischen Artefakten zu einem nationalen Kulturerbe als Grundlage für die Imagination der eigenen Gesellschaft entstanden so jeweils spezifische Stätten der kollektiven Sammlung. Diese von Pierre Nora in seinem grundlegenden Werk als »Lieux de m¦moire«26 – »Erinnerungsorte« – bezeichneten Schauplätze kollektiver historischer Referenzpunkte stellen in diesem Sinne einen Kanon ausgewählter, nationaler Orte dar. In Anlehnung an Nora betonte der Kulturwissenschaftler Bernhard Tschofen den Zusammenhang zwischen selektiver Geschichtsaneignung und konkreten Orten: […] stehen Denkmale für bestimmte Orte, stehen Orte für bestimmte Kulturräume und lassen sich Landschaften als Materialisierungen vergangener Lebenswelten lesen und entziffern. Dieses Prinzip der Ortsgeistigkeit geht davon aus, dass sich historische Ereignisse und kulturelle Verhältnisse den Orten über das Sichtbare hinaus einschreiben […].27 22 Bendix/Hemme/Tauschek, Vorwort, 2007. S. 9. 23 Lowenthal, David. The Heritage Crusade and the Spoils of History. Cambridge 1998. S. 2 und S. 57. 24 Hall, Whose Heritage Un-settling, 2005. S. 35. 25 Tschofen, Bernhard. Antreten, ablehnen, verwalten? Was der Heritage-Boom den Kulturwissenschaften aufträgt. In: Bendix, Regina/Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus (Hrsg.). Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie; 1). Berlin 2007. S. 19 – 32, hier S. 20. 26 Nora, Lex lieux de m¦moire, 1984 – 1992. 27 Tschofen, Antreten, ablehnen, verwalten? 2007. S. 27. Mit der Terminus »Ortsgeistigkeit«

22

Einleitung

Die Historie des Kulturerbekonzeptes, welches vor allem eine Idee der westlichen Hemisphäre sei,28 reicht laut Stuart Hall in die frühe europäische Geschichte zurück: Adlige Landesfürsten hätten ihre Herrschaftlichkeit beispielsweise in Form von Sammlungen symbolisch dargestellt und auf diese Weise die Autorität, Wissen zu klassifizieren und durch einen selektiven Prozess Interpretationsschemata vorzugeben für sich beansprucht.29 Im Zuge der Nationalisierungsprojekte des 19. Jahrhundertes entwickelte sich aus dieser Praktik der Gedanke eines nationalen Erbes und dessen Schutzbedürftigkeit heraus, welcher sich etwa während der Heimatschutzbewegung weiter entfaltete. Auf der Grundlage der Aneignung historischer Artefakte als exklusiver Besitz eines Kollektives entstanden zahlreiche Instrumente zu seiner Bewahrung, wie etwa die staatliche Denkmalpflege,30 oder zu dessen Vermittlung in Form der populären Landeskunde. Aus der Prädikatisierung von historischen Schauplätzen und Zeugnissen als ein gemeinsames Kulturerbe sind diesen als Erbe deklarierten Artefakten und Orten bestimmte Narrative inhärent – der Literaturwissenschaftler Klaus Zeyringer spricht in diesem Sinne von der »Grammatik der Orte«31 –, die sie mit Codes und Symbolen versehen, welche für das nationalen Kollektiv von Relevanz sind: »Die Orte des Gedächtnisses […] werden narrativ denkbar, fassbar, brauchbar […].«32 Im Mittelpunkt des Kulturerbe-Konzeptes stehen hierbei

28

29 30 31 32

kennzeichnet Tschofen die symbolische Aufladung von Orten durch historische Ereignisse. Durch ihre Semantisierung erhalten sie eine herausgehobene Bedeutung für Kollektive und ihre Erinnerungskulturen. Lowenthal, Heritage Crusade, 1998; S. 5; Weigelt, Frank Andr¦. Von »Cultural Property« zu »Cultural Heritage«. Die UNESCO-Konzeptionen im Wandel der Zeit. In: Bendix, Regina/ Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus (Hrsg.). Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie; 1). Berlin 2007. S. 129 – 146, hier S. 136 f. Hall, Whose Heritage Un-settling, 2005. S. 35. Zur Geschichte der »Entdeckung« des historischen Monumentes siehe: Choay, FranÅoise. The Invention of the historic monument. Cambridge 2001. Zeyringer, Klaus. Ambivalenz der kulturellen Erbes. Die großen und kleinen Erzählungen. In: Ders./Cs‚ky, Moritz (Hrsg). Ambivalenz der kulturellen Erbes. Vielfachcodierungen des historischen Gedächtnisses. Innsbruck u. a. 2000. S. 9 – 25, hier S. 11. Ebd. Der französische Historiker Thomas Serrier hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, welchen Einfluss gesellschaftliche und politische Veränderungen auf diese »Grammatik der Orte« haben. Anhand des Beispiels der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten des heutigen Polens am Ende des Zweiten Weltkriegs und der anschließenden Aneignung des Raumes durch die ebenfalls umgesiedelten polnischstämmigen Bewohner sprach Serrier von einer »Multikulturalität in der Abfolge«. Die Figur des Palimpsests ermögliche es ihm zufolge, »auf dem historischen Pergament das Heute und das verloren gegangene Gestern gleichzeitig lesen zu können. Im Raume vermengen wir die Zeiten.« Serrier, Thomas. Geschichtskultur und Territorialität. Historisches und räumliches Bewusstsein im deutsch-polnischen Grenzraum im 19. und 20. Jahrhundert. In: FranÅois, Êtienne /Seifarth, Jörg/Struck, Bernhard (Hrsg.). Die Grenze als Raum, Erfahrung und

Der europäische Integrationsprozess und die Rolle des materiellen Kulturerbes

23

erinnerungspolitische Instrumente wie Denkmäler, Museen und baukulturelle Zeugnisse der Vergangenheit. Insbesondere die Monumente erhalten in diesem Kontext sinnstiftende Funktionen, die durch ihre Präsenz im öffentlichen Raum sinnbildlich für die gesellschaftlichen Vergangenheitskonstruktionen und gegenwärtigen Machtkonstellationen stehen. Der Historiker Winfried Speitkamp legte dar, dass sich mit der Errichtung von Denkmälern kollektiv-politische Intentionen, die auf eine Festigung gegenwärtiger Strukturen durch die Beeinflussung kollektiver Erinnerungen abzielen, verbinden. Als »intendierte Merkpunkte des öffentlichen Gedächtnisses« verfügen sie über Charakteristika, die »sie besonders geeignet erscheinen lassen, kulturelle Normen und Werte zu etablieren und zu tradieren: Sie sind auf Dauer errichtet, sie wenden sich an die Öffentlichkeit, und sie enthalten eine symbolisch verdichtete, Komplexität mindernde Botschaft.«33 Aus diesem Grund besitzen Denkmäler eine bedeutende Funktion in der Aushandlung politisch-gesellschaftlicher Leitvorstellungen. Im Zuge von machtpolitischen Veränderungen stellt der Sturz der Monumente der vorherigen Machthaber einen bedeutenden symbolischen Vorgang dar, der für die Negierung der zuvor gültigen politischen Ordnungen und tradierten Erinnerungsrahmen steht. Die Praxis des Bildersturmes ist daher als ein zentrales Instrument symbolischer Auseinandersetzung im Kontext machtpolitischer Verschiebungen zu sehen.34 Eine ähnliche Relevanz für die Aushandlung und die Herausbildung nationaler Identitäten besitzen Museen: Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten betonen den Zusammenhang zwischen der Entwicklung moderner Ausstellungsinstitutionen und einem kollektiven, staatlichen Selbstbewusstsein.35 Die schwedische Kulturwissenschaftlerin Magdalena Hillström etwa pointierte diesen kausalen Zusammenhang mit den Worten: »No nationalism, no modern museums.«36 Deshalb ermöglichen »Museen und ihre Konzeptionen [… als] Ausdruck der Geschichtskultur […] Rückschlüsse auf

33

34 35

36

Konstruktion. Deutschland, Frankreich und Polen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. S. 243 – 266, hier S. 247. Speitkamp, Winfried. Zu Rezeption und Verständnis nationaler Denkmäler. In: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Hrsg.). Europäische Nationaldenkmale im 21. Jahrhundert – Nationale Erinnerung und europäische Identität (thema M4; Sonderband). Leipzig 2005. S. 78 – 84, hier S. 78 f. Vgl. Speitkamp, Winfried (Hrsg.). Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik. Göttingen 1997. Siehe hierzu exemplarisch: Bennett, Tony. The Birth of the Museum. History, Theory, Politics, Culture. London 1995; Boswell, David/Evans, Jessica. Representing the Nation: A Reader. Histories, heritage and museums. London u. a. 2007; Aronsson, Peter. Representing community. National museums negotiating differences and community in the Nordic countries. In: Goodnow, Katherine/Akman, Haci (Hrsg.). Scandinavian museums and cultural diversity. London/New York 2008. Hillström, Magdalena. Contested Boundaries. Nation, People and Cultural History Museums in Sweden and Norway 1862 – 1909. In: Culture Unbound; 2 (2010). S. 583 – 607, hier S. 590.

24

Einleitung

mögliche Veränderungen im kollektiven historischen Bewusstsein.«37 Sowohl Denkmäler als auch Museen stellen in diesem Kontext signifikante Produzenten und Multiplikatoren gesellschaftlicher Leitvorstellungen dar. Der französische Soziologie und Philosoph Maurice Halbwachs zeigte bereits 1925 in seinem grundlegenden Werk Les Cadres sociaux de la m¦moire auf, welche zentrale Funktion Erinnerungsrahmen, wie sie etwa Monumente darstellen, in der Herausbildung von kollektiven Erinnerungen und der Kanonisierung von Wissen, Gesellschaftsordnungen und Selbstbildern einnehmen.38 Die von Halbwachs artikulierte und von den beiden Erinnerungstheoretikern Jan und Aleida Assmann in ihren Arbeiten aufgegriffene und weiter aufgeschlüsselte gesellschaftliche Funktion gemeinschaftlicher Erinnerungskonstruktionen kennzeichnet dabei den Prozess der Entstehung kollektiver, möglichst homogener Identitäten.39 Während hier das Kulturerbe in seinen unterschiedlichsten Formen den Rahmen für die Entstehung eines gemeinsamen Selbstverständnisses stellt, erhält es im Fall von miteinander im selben Raum in Konkurrenz stehenden Gruppierungen, die jeweils ihre eigenen Machtansprüche durchsetzen wollen, eine sekundäre Funktion. Es besitzt in politisch umstrittenen Grenzräumen die Intention der Verdrängung und des Ausschlusses abweichender respektive gegensätzlicher Erinnerungskollektive und ist als Ausdruck unterschiedlicher Spacing-Prozesse zu sehen. Im Kontext der Europäisierung des Kulturerbes verwies etwa der französische Historiker Thomas Serrier 2007 auf den Widerspruch, der sich in diesem Fall aus gleichzeitigen Inund Exklusionsprozessen ergibt: Die gegenwärtige Vorstellung eines wieder weit geöffneten Raumes und das gleichzeitig hervorgetretene Bewusstsein eines gemeinsamen geschichtlichen Erbes stehen in einem klaren Gegensatz zum folgenreichen Ausschluss des jeweils Anderen aus der Imagination der nationalen Gemeinschaft […].40

Im Gegensatz zu der umfangreichen Auseinandersetzung mit Erinnerungsorten und Memoriallandschaften von nationalen Kollektiven war das Kulturerbe von 37 Hartung, Olaf. Museumskonzeptionen und Geschichtskultur im 19. Jahrhundert. Formen museal repräsentierten Geschichtsbewusstseins in Deutschland. In: Ders. (Hrsg.). Museum und Geschichtskultur. Ästhetik – Politik – Wissenschaft (Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte; 52). Bielefeld 2006. S. 260 – 272, hier S. 260. 38 Halbwachs, Maurice. Les Cadres sociaux de la m¦moire. Paris 2004. Der vorliegenden Studie liegt die deutsche Ausgabe zugrunde: Ders. Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. Frankfurt am Main 2008. 39 Siehe beispielsweise: Assmann, Jan. Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. In: Ders./Hölscher, Tonio (Hrsg.). Kultur und Gedächtnis. Frankfurt am Main 1988. S. 9 – 19; Assmann, Aleida. Zeit und Tradition. Kulturelle Strategien der Dauer (Beiträge zur Geschichtskultur ; 15). Köln/Weimar/Wien 1999; Dies. Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. München 2006. 40 Serrier, Geschichtskultur, 2007. S. 247.

Der europäische Integrationsprozess und die Rolle des materiellen Kulturerbes

25

Räumen, in denen konkurrierende Machtansprüche und wechselnde Superioritätsverhältnisse von elementarer Bedeutung für die historische Entwicklung der Region waren, bisher nur vereinzelt Anlass für eine kulturwissenschaftlichhistorische Analyse. Der Fokus dieser Arbeiten lag dabei primär entweder auf der »Multikulturalität in der Abfolge«41 oder auf der deutsch-französischen Grenze.42 Vor allem vor dem Hintergrund von Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs ging es um die anschließende Aneignung des Raums sowie die hiermit verbundenen Übersetzungs- und Reinigungsprozesse des kulturellen Erbes.43 Angesicht der oftmals problematischen Geschichte von Grenzräumen wird die Europäisierung beziehungsweise die Vorstellung eines gemeinsamen Kulturerbes konfrontiert mit den starken nationalen Zuschreibungen, die sich mit bestimmten Denkmälern, Museen und anderen baulichen Zeugnissen verbinden und so zunächst gegen eine Adaption auf transnationaler Ebene sprechen. Im Hinblick auf ein europäisches Kulturerbe adaptierte der zypriotische Kulturanthropologe Stephanos Stephanides im Zuge des sogenannten Translational Turns44 der Geisteswissenschaften Walter Benjamins Übersetzungstheorie45 und wendete sie auf das Feld des Kulturerbes an. Stephanides pointierte, dass der Hereditätsgedanke weniger auf die Bewahrungs- als vielmehr auf die jeweils unter aktuellen Gesichtspunkten ablaufenden Anpassungsprozesse in Form von kulturellen Übersetzungsleistungen Bezug nehme: If heritage is most effectively approached as a semiotic system whose claims and meanings are set in motion by cultural and social processes, then it is not merely a way of preserving tradition, but of translating it. The role of memory and forgetting are important here.46 41 Ebd. 42 Maas, Annette. Kriegerdenkmäler und Erinnerungsfeiern im Elsass und in Lothringen. In: Isenberg, Wolfgang (Hrsg.). Historische Denkmäler. Vergangenheit im Dienste der Gegenwart? Bergisch Gladbach 1994. S. 55 – 68; Cornelißen, Christoph/Fisch, Stefan/Maas, Annette (Hrsg.). Grenzstadt Straßburg. Stadtplanung, kommunale Wohnungspolitik und Öffentlichkeit 1870 – 1940 (Saarbrücker Studien zur interkulturellen Kommunikation; 2). St. Ingbert 1997; Hudemann, Rainer u. a. (Hrsg.). Stätten grenzüberschreitender Erinnerung. Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Saarbrücken 2009. 43 Thum, Gregor. Die fremde Stadt. Breslau 1945. Berlin 2003; Mazur, Zbigniew (Hrsg.). Das deutsche Kulturerbe in den polnischen West- und Nordgebieten. Wiesbaden 2003; Kerski, Basil (Hrsg.). Preußen – Erbe und Erinnerung. Essays aus Polen und Deutschland. Potsdam 2005; Bömelburg, Hans-Jürgen (Hrsg.). Preußen – Erbe und Erinnerung. Essays aus Polen und Deutschland. Potsdam 2005. 44 Bachmann-Medick, Doris. Translational Turn. In: Dies. Cultural Turns. Neurorientierungen in den Kulturwissenschaften. 4. Aufl. Reinbek bei Hamburg 2010. S. 238 – 283. 45 Benjamin, Walter. Die Aufgabe des Übersetzers. In: Ders. Gesammelte Schriften; Bd. IV,1. 1.–6. Tsd. Frankfurt am Main 1981. S. 9 – 21. 46 Stephanides, Stephanos. The Translation of Heritage. Multiculturalism in the »New« Europe.

26

Einleitung

Das Konzept Kulturerbe sei aus diesem Grund im Sinne Benjamins als ein Äquivalent zum Geschichtenerzählen zu sehen: »In heritage, we may distinguish between the ›factual information‹ that historical artefacts communicate from the past and the kinds of stories that we make them tell in the present.«47 Dabei machte sich im Kontext der Globalisierung des Erbegedankens im 20. Jahrhunderts auch ein Wandel des Terminus’ bemerkbar.48 Hiermit verbinde sich vor dem Hintergrund der Konstruktion eines europäischen Kulturerbes jedoch, so die Historikerin Astrid Swenson, das »Dilemma der nicht-kompatiblen Begriffe«,49 die sich in den verschiedenen Ländern mit unterschiedlicher Bedeutung herausgebildet haben. Zwar ist Swenson zufolge die Entstehungshistorie der Idee von einem nationalen Erbe kein isoliert ablaufendes Phänomen gewesen, sondern müsse im Kontext interkultureller Kommunikationsprozesse gesehen werden. Zugleich lasse sich jedoch bereits allein anhand der unterschiedlichen Komposita für Kulturerbe in Frankreich, England und Deutschland seit dem 19. Jahrhundert auf semantische Differenzen schließen.50 Es bestehe »ein deutlicher Zusammenhang zwischen unterschiedlichem Vokabular und unterschiedlichen Forschungsfragen. Hybridwesen wie ›Heritage-ifizierung‹ […] deuten aber zugleich darauf hin, dass sich nationale Traditionen mischen.«51 Mit dem heute gängigen Kulturerbebegriff assoziieren sich im Kontext der Internationalisierung des Konzeptes insbesondere zwei semantische Ebenen: Zum einen steht er in einem engen Zusammenhang mit der touristischen Nutzbarmachung und Vermittlung historischer Orte, die zu nationalen Zwecken bewahrt werden. So legte Barbara Kirshenblatt-Gimblett in ihren Arbeiten dar, wie ein ganzer Industriezweig an der Verwaltung, Inszenierung und Vermarktung des nationalen Kulturerbes beteiligt ist.52 Zum anderen beschreibt die Idee

47 48

49 50 51 52

In: Peckham, Robert Shannan. Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 45 – 57, hier S. 48. Ebd. S. 48 f. Vgl. Swenson, »Heritage«, 2007; Strasser, Peter. Welt-Erbe? Thesen über das »Flaggschiffprogramm der UNESCO. In: Bendix, Regina/Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus (Hrsg.). Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie; 1). Berlin 2007. S. 101 – 128. Tschofen, Antreten, ablehnen, verwalten? 2007. S. 23. Swenson, »Heritage«, 2007. S. 56 ff. Siehe ebenfalls dort für die unterschiedlichen Entwicklungen des Kulturerbekonzeptes in Frankreich, England und Deutschland. Ebd. S. 61. »Tourism and heritage are collaborative industries, heritage converting locations into destinations and tourism making them economically viable as exhibits of themselves […]. The heritage industry ›exports‹ its products through tourism. Tourism is an export industry, one of the world’s largest. Unlike other export industries, however, tourism does not export goods for consumption elsewhere. Rather, it imports visitors to consume goods and services locally.« Kirshenblatt-Gimblett, Theorizing Heritage, 1995. S. 371 und S. 373. Siehe hierzu auch: Dies. Destination Culture. Tourism, Museums, and Heritage. Nachdr. Berkeley u. a. 1998.

Der europäische Integrationsprozess und die Rolle des materiellen Kulturerbes

27

einen Kanon an kulturellen Zeugnissen, die auf der Basis geteilter Werte sowie gemeinsamer Erinnerungen und Erfahrungen in die Konstituierung und Tradierung kollektiver Identitäten einfließen. Die politische Nutzbarmachung eines möglichen europäischen Kulturerbes zur Entwicklung eines hybriden national-europäischen Gemeinschaftsbewusstseins erhält nach dem Willen der Europapolitiker aus diesem Grund eine quasi-edukative Funktion, die zu einer Annäherung zwischen dem politischen Konstrukt Europäische Union und seiner Zivilgesellschaft führen soll. Die Europäische Kommission weist etwa dieser »informal public education«53 in der Konzeption ihres Europäischen Kulturerbe-Siegels eine zentrale Aufgabe zu.54 Im Kontext dieser Zuschreibung erscheine jedoch, kritisierte die Soziologin Gudrun Quenzel, die Definition, was unter dem Idiom »europäisches Kulturerbe« im Wesentlichen zu verstehen sei, weitgehend diffus.55 Die vom RaphaelProgramm angebotene inhaltliche Umgrenzung bleibt etwa in Fragen der Selektion und Kategorisierung äußerst vage.56 Zugleich verbinden sich auch diverse Probleme mit der Vorstellung eines vermeintlich kulturell homogenen Kollektives, wenn trotz aller Verweise auf eine kulturelle Vielfalt innerhalb Europas von einem allgemeingültigen Kanon kulturellen Besitzes, historischer Erfahrungen und geteilter Identitätskonstruktionen ausgegangen wird. Dem kulturpolitischen Konzept ist zwar einerseits eine integrative Komponente mit großem Inklusionspotential für die europäische Einigungsbewegung inhärent, die in Anlehnung an Eric Hobsbawms »invention of tradition«57 als Projektionsfläche bei der »Erfindung« der eigenen Kultur dienen kann. Zugleich grenzt es andererseits durch die Konstruktion einer vermeintlich kulturellen Homogenität Europas von dem als anders Deklarierten ab.58 Neben der Abgrenzungsproblematik ergeben sich im Kontext eines gemeinsamen Erbes vor allem 53 Hall, Whose Heritage Un-settling, 2005. S. 24. 54 http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc2519_de.htm [Zugriff am 28. November 2001]. 55 Quenzel, Gudrun. Konstruktionen von Europa. Die europäische Identität und die Kulturpolitik der Europäischen Union. Bielefeld 2005. S. 166. 56 »Cultural heritage shall mean movable and immovable heritage (museums and collections, libraries and archives including photographic, cinematographic and sound archives), archaelogical and underwater heritage, architectural heritage, assemblages and sites and cultural landscapes (assemblages of cultural and natural objects).« Zit. nach: Bugge, Peter. A European Cultural Heritage? Reflections on a Concept and a Programme. In: Peckham, Robert Shannan (Hrsg.). Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 61 – 73, hier S. 62. 57 Hobsbawm, Eric/Ranger, Terence J. The invention of tradition. Nachdr. Cambridge u. a. 2010. 58 Zum Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher In- und Exklusion siehe: Luhmann, Niklas. Inklusion und Exklusion. In: Berding, Helmut (Hrsg.). Nationales Bewußtsein und kollektive Identität (Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit; 2). Frankfurt am Main 1996. S. 15 – 45.

28

Einleitung

auf politischer Ebene potentielle Konfliktfelder. Anhand des von der Europäischen Kommission zwischen 1996 und 1999 durchgeführten Förderprogramms Raphael, welches zur Erhaltung, zum Schutz und zur Vermittlung eines grenzüberschreitenden Kulturerbes finanzielle Mittel bereitstellte, zeigte sich eine ungleiche geographische Verteilung der von der Initiative bedachten Orte: So entwickelten sich Süd- und Westeuropa zu vermeintlichen Zentren eines gemeinsamen Besitzes, während ost- und nordeuropäische Staaten zur scheinbar kulturellen Peripherie wurden.59 Darüber hinaus negiert diese Vorstellung die Existenz historischer Konfliktfelder, wie sie in Grenzräumen, die von konkurrierenden Machtansprüchen, heterogenen Geschichtsbildern und unterschiedlichen Sinnbildungstraditionen geprägt wurden, zu finden sind.60 Ein weiteres Problem des Konzeptes europäisches Kulturerbe ergibt sich aus der stillschweigenden Einordnung von Museen und Monumenten mit nationaler Relevanz in einen Kanon an transnationalem Besitz – stehen diese doch oftmals in einem engen Kontext mit den jeweiligen Nationalisierungsprojekten des 19. Jahrhunderts. Seit der Französischen Revolution, so Sharon Macdonald, seien vor allem Museen und deren Geschichtsdarstellungen und -deutungen signifikante Träger nationaler Narrative sowie Kristallisationspunkte von staatlicher Autorität und Legitimität gewesen: » [H]aving a history« entwickelte sich zu einem zentralen Anliegen nationalstaatlicher Eliten.61 In ihrer ursprünglichen Intention waren ihnen folglich zwei Primärfunktionen inhärent: Erstens wirkten sie als historische Verortungs- und Selbstvergewisserungsinstanzen innerhalb der nationalen Bewusstseinswerdung. Zweitens sorgten sie durch ihre spezifische Geschichtsdeutung für eine klare Segregation zwischen den Elementen, die in das Nationalisierungsprojekt in- beziehungsweise daraus exkludiert wurden. Dem Historiker Hans Ottomeyer zufolge lässt sich demnach anhand der Geschichte der Museen exemplarisch nachvollziehen, dass die Historie Europas entgegen einer »fassbare[n] Entwicklungsgeschichte und gemeinsame[n] Perspektive« davon geprägt ist, dass »die nationalen europäischen Kulturen trotz aller Vernetzung der Dynastien, der politischen Organisation […] bis in die Gegenwart hinein stets massiv um Abgrenzung untereinander bemüht waren.«62 59 Quenzel, Konstruktionen von Europa, 2005. S. 167. 60 Vgl. Cs‚ky, Moritz. u. a. Pluralitäten, Heterogenitäten, Differenzen. Zentraleuropas Paradigmen für die Moderne. In: Cs‚ky, Moritz/Kury, Astrid/Tragatschnig (Hrsg.). Kultur – Identität – Differenz. Wien und Zentraleuropa in der Moderne (Gedächtnis – Erinnerung – Identität; 4). Innsbruck/Wien/Bozen 2004. S. 13 – 43. 61 Macdonald, Sharon. Museums, national, postnational and transcultural identities. In: Museums and society ; 1 (2003). S. 1 – 16, hier S. 1 ff. 62 Ottomeyer, Hans. Zeugnisse der Geschichte und die Museen Europas. In: Tietmeyer, Elisabeth u. a. (Hrsg.). Die Sprache der Dinge – kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die materielle Kultur (Schriftenreihe Museum Europäischer Kulturen; 5). Münster u. a. 2010. S. 23 – 30, hier S. 23.

Grenze und Raum

29

Die Kulturwissenschaftler Regina Bendix, Dorothee Hemme und Markus Tauschek argumentierten in ihrem Vorwort zu dem 2007 erschienenen Sammelband Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen ähnlich, wenn sie gerade die Rolle des Kulturerbes in der Markierung symbolischer Unterschiede betonen: Die Entdeckung von Differenzen […] war ein wesentlicher Motor in der Konzeptualisierung des kulturellen Erbes in der Moderne. In der Abgrenzung vom vermeintlich Anderen, sowohl räumlich, zeitlich als auch sozial, stellte es eine eigene Projektionsfläche bei der »Erfindung« der eigenen Kultur dar.63

I.3.

Grenze und Raum

Dieser Aspekt der Unterscheidung und Demarkation nimmt in der vorliegenden Studie eine zentrale Rolle ein. Gerade in Grenzräumen, die häufig von kulturellen Überlagerungen geprägt sind, verbinden sich mit dem materiellen Kulturerbe als Erinnerungsrahmen weitreichende Vorstellungen für die Herausbildung und Verbildlichung kollektiver Identitäten. Die Konzepte »Grenze« und »Grenzräume« stellten vor allem in der deutschsprachigen Historiographie jedoch lange Zeit ein eher randständiges Thema in der Auseinandersetzung mit dem Untersuchungssujet »Nation« dar. Stattdessen konzentrierte sich die Geschichtsschreibung in der Regel auf die nationalen Zentren als die vermeintlich alleinigen Akteure historischer Prozesse,64 so dass erste Ansätze nach 1945, wie etwa Dietrich Gerhards Adaption der Turnerschen »Frontier«,65 nur eine geringe Rezeption fanden. Demgegenüber entstanden gerade im französisch- und englischsprachigen Raum in den 1980er Jahren wegweisende Studien, die auf die Grenze und ihre Bedeutung in den Nationalisierungsprojekten hinwiesen. Der französische Historiker Fernand Braudel griff die Arbeiten von Lucien Febvre aus den 1930er Jahren auf und hob die Bedeutung von Grenzen als politische Leitvorstellung und Phänomen der »longue dur¦e« hervor.66 Das in den Werken der beiden Autoren der so genannten Annales-Schule deutlich werdende »Leitbild von der alleinigen grenzsetzenden und grenzbestimmenden Rolle zentral63 Bendix/Hemme/Tauschek, Vorwort, 2007. S. 9. 64 Medick, Hans. Grenzziehungen und die Herstellung des politisch-sozialen Raumes. Zur Begriffsgeschichte und politischen Sozialgeschichte der Grenzen in der Frühen Neuzeit. In: Weisbrod, Bernd (Hrsg.). Grenzland. Beiträge zur Geschichte der deutsch-deutschen Grenze (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Niedersachsens nach 1945; 9). Hannover 1993. S. 195 – 207, hier S. 196. 65 Gerhard, Dietrich. Neusiedlung und institutionelles Erbe. Zum Problem von Turners »Frontier«. Eine vergleichende Geschichtsbetrachtung. In: Ein Leben aus freier Mitte. Beiträge zur Geschichtsforschung. Festschrift für Ulrich Noack. Göttingen 1961. S. 255 – 295. 66 Braudel, Fernand. Frankreich. Bd. 1: Raum und Geschichte. Stuttgart 1989.

30

Einleitung

staatlicher Agenturen im Prozeß der neuzeitlichen Staats- und Nationsbildung« wird seit einiger Zeit jedoch zunehmend in Frage gestellt.67 Vor allem Peter Sahlins bemerkte in seiner Arbeit über das spanisch-französische Grenzgebiet in den Pyrenäen,68 dass sich in jener Region gerade aus der Grenzsituation heraus ein Nationalbewusstsein der Bevölkerung entwickelt hat.69 Infolge des Zusammenbruches der sozialistischen Systeme in Osteuropa kam es zu einer regelrechten Konjunktur der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Grenze als Untersuchungsobjekt. Dies erfolgte insbesondere unter dem Aspekt von Grenzziehungspraktiken zwischen West- und Osteuropa einerseits sowie von Abgrenzungspraktiken zwischen den osteuropäischen Staaten andererseits.70 In den letzten Jahren rückte die Grenze als ein Ort der gegenseitigen kulturellen Beeinflussung sowie als Objekt diverser konkurrierender Grenzziehungs- und Raumkonstruktionsprozesse vermehrt in den Blickpunkt einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung.71 Beispielsweise betonten die Anthropologen Hastings Donnan und Thomas M. Wilson in ihren Studien Border Identities. Nation and State at International Frontiers72 und Borders. Frontiers of Identity, Nation and the State73 drei wesentliche Charakteristika von Grenzräumen und deren besondere gesellschaftliche Signifikanz: So seien sie erstens sowohl Schauplatz als auch Symbol der Macht. Zweitens besäßen sie als Teil 67 Medick, Grenzziehungen, 1993. S. 203 f. 68 Sahlins, Peter. Boundaries. The Making of France and Spain in the Pyrenees. Berkeley/Los Angeles/Oxford 1989. 69 »The French and Spanish identities of the communities in the borderland had their origins within a set of local conflicts; yet national identity among the Cerdans was more than the rhetorical expression – and gloss – of local differences. The claims of French and Spanish identities put forth by the village communities gave significance to the political and administrative division of the valley. The arbitrary division had become a historical reality : not the states but the communities had defined the international boundary line.« Sahlins, Peter. The Nation and the Village. State-Building and Communal Struggles in the Catalan Borderland during the Eighteenth and Nineteenth Centuries. In: Journal of Modern History ; 60 (1988). S. 234 – 263, hier S. 262 f. 70 Siehe beispielsweise: Segert, Dieter. Die Grenzen Osteuropass: 1918, 1945, 1989 – Drei Versuche im Westen anzukommen. Frankfurt/New York 2002; Zhurzhenko, Tatiana. Borderlands into Bordered Lands. Geopolitics of Identity in Post-Soviet Ukraine (Soviet and Post-Soviet Politics and Society ; 98). Stuttgart 2010. Siehe auch das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Verbundprojekt »Baltic Borderlands«. 71 Siehe beispielsweise: FranÅois, Etienne/Seifarth, Jörg/Struck, Bernhard (Hrsg.). Die Grenze als Raum, Erfahrung und Konstruktion. Deutschland, Frankreich und Polen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007; Duhamelle, Christophe/Kossert, Andreas/ Struck, Bernhard (Hg.). Grenzregionen. Ein europäischer Vergleich vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. 72 Wilson, Thomas M./Donnan Hastings (Hrsg.). Border Identities. Nation and State at International Frontiers. Cambridge 1998. 73 Donnan, Hastings/Wilson, Thomas M. (Hrsg.). Borders. Frontiers of Identity, Nation and the State. Cambridge 1999.

Grenze und Raum

31

einer Kulturlandschaft mit variierender Bedeutung – je nach grenzpolitischer Situation können sie etwa Anlass zu nationaler Mobilisierung sein – bedeutungsgebendes und bedeutungstragendes Potential. Drittens seien sie Träger materieller, regionaler und lokaler Identitäten.74 Laut dem Politologen Malcolm Anderson nehmen sie als »mythomoteur« dabei eine nationale Funktion ein, die weit über die eigene regionale, oft periphere Lage hinausreicht – »In certain circumstances the frontier acquired a mythic significance in building nations and political identities, becoming the mythomoteur of a whole society.«75 In der Natur der Grenzen neuzeitlicher Entitäten liegt, so der Historiker Hans Medick, neben dem Streben nach einer klar definierten Abgrenzung auch ihre Materialisierung in physischer Form.76 Diese »visuelle Imagination« erfolgt in der Regel durch staatliche Symbole wie Fahnen, Karten und Grenzsteine. Gerade letztere »sind eine grundlegende, dauerhafte Möglichkeit für den Staat, seine Anwesenheit zu manifestieren« und die »Realität« der Grenzziehung zu belegen.77 Bereits der deutsche Soziologe Georg Simmel hatte 1908 auf den konstruktivistischen Charakter von Grenzen hingewiesen: Wenn dieser Allgemeinbegriff des gegenseitigen Begrenzens von der räumlichen Grenze hergenommen ist, so ist doch, tiefergreifend, diese letztere nur die Kristallisierung oder Verräumlichung der allein wirklichen seelischen Begrenzungsprozesse. Nicht die Länder, nicht die Grundstücke, nicht die Stadtbezirke und der Landbezirk begrenzen einander, sondern die Einwohner oder Eigentümer üben die gegenseitige Wirkung aus […]. Die Grenze ist nicht eine räumliche Tatsache mit soziologischen Wirkungen, sondern eine soziologische Tatsache, die sich räumlich formt.78

Gerade durch die Betonung jener von Simmel attestierten Konstruktivität nationalstaatlicher Grenzen haben sich in den Border Studies der letzten rund zwanzig Jahre die Praktiken von Grenzziehungsstrategien zunehmend als zentrales Untersuchungsfeld herausgebildet. Die hiermit einhergehende Überzeu74 Wilson/Hastings, Border Identities, 1998; Hastings/Wilson, Borders, 1999. 75 Anderson, Malcolm. Frontiers. Territory and State Formation in the Modern World. Cambridge 1997. S. 4. 76 Medick, Hans. Zur politischen Sozialgeschichte der Grenzen in der Neuzeit Europas. In: Sozialwissenschaftliche Informationen; 20/3 (1991). S. 157 – 163, hier S. 161. 77 Rodell, Magnus. Das Gibraltar des Nordens. Die Herstellung des schwedisch-russischen Grenzgebietes um 1900. In: Duhamelle, Christophe/Kossert, Andreas/Struck, Bernhard (Hrsg.). Grenzregionen. Ein europäischer Vergleich vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. S. 123 – 152, hier S. 139. Auf die Funktion von Fahnen in der alltäglichen Konstruktion und Vermittlung der Nationalstaatsidee weist Michael Billig hin: Billig, Michael. Banal Nationalism. London 1995. Eric Hobsbawm legt dar, dass es sich hierbei um eine der im 19. Jahrhundert entwickelten »invented traditions« handelt. Vgl. Hobsbawm, Eric. Introduction, Inventing Traditions. In: Ders./Ranger, Terence. The Invention of Tradition. Cambridge 1983. S. 1 – 14. 78 Simmel, Georg. Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. 6. Aufl. Berlin 1983. S. 467.

32

Einleitung

gung von der Wandelbarkeit territorialer Bordering-Prozesse belegt einen wissenschaftlichen Paradigmenwechsel.79 Im Zuge der Verlagerung des wissenschaftlichen Blickwinkels auf die Funktionen von Grenzen und Grenzziehungen für gesellschaftliche Identitätsprozesse sowie der Abkehr von der Vorstellung zentristischer Nationalbildungsprozesse, in denen sich politische Zentren periphere Zonen und Randgebiete einverleiben, rückte der Raum als Analysekategorie in den Fokus geisteswissenschaftlicher Fragestellungen.80 Der Historiker Jürgen Osterhammel bezeichnete diese Entwicklung als »Wiederkehr des Raumes«.81 Die italienische Historikerin Vittoria Borsý stellte 2004 ebenfalls fest, dass in den Geisteswissenschaften die »Forschung zu kulturellen Räumen [….] Konjunktur« habe. Über die Topographie – die Wissenschaft der dynamischen Prozesse und kulturellen Praktiken in Bezug auf den Raum – rücke die Frage, wie sich »Menschen oder Gruppen […] selbst und andere topografisch definieren und einen Orientierungsrahmen zur Identifizierung eigener und fremder Eigenschaften geben«, in den Mittelpunkt der fachlichen Auseinandersetzung.82 Die bulgarische Historikerin Maria Todorova legte 1999 mit ihrer Studie über die Erfindung des Balkans83 ein zentrales Werk innerhalb des sogenannten Spatial turn in den Geisteswissenschaften vor. In ihrer Arbeit zeigte sie die Konstruiertheit des Raums sowie dessen Rolle innerhalb von Prozessen der Herausbildung von Identität und Alterität auf. In Anlehnung an Todorova zeichnete etwa ein von Madeleine Hurd herausgegebener Sammelband die historischen Versuche skandinavischer Abgrenzung durch die Konstruktion eines vermeintlich kulturell homogenen Raumes nach.84 Doch auch jenseits von Historiographie und Kulturanthropologie nähern sich beispielsweise die Politikwissenschaften, im Hinblick auf die Entstehung von kollektiven Identitäten, oder die Philosophie in Fragen der Wahrnehmung und des Umgangs dem Phänomen Raum. So nimmt in den Werken Michel Foucaults der Raum als Darstellungsmedium von Wissen und Macht eine zentrale Funk79 Vgl. Wendl, Tobias/Rösler, Michael. Introduction. Frontiers and borderlands. The rise and relevance of an anthropological research genre. In: Dies. (Hrsg.). Frontiers and borderlands. Anthropological perspectives. Frankfurt am Main u. a. 1999. S. 1 – 27, hier S. 1: »Borders are no longer perceived as the stable, trustworthy and monolithic institutions – as they were only a decade ago.« 80 Zur Genese des Raumbegriffs siehe: Ott, Michaela. Raum. In: Ästhetische Grundbegriffe. Bd. 5. S. 113 – 149. 81 Osterhammel, Jürgen. Die Wiederkehr des Raumes. Geopolitik, Geohistorie und historische Geographie. In: Neue Politische Literatur ; 1/1998. S. 374 – 397, hier S. 374. 82 Borsý, Vittoria. Grenzen, Schwellen und andere Orte. »… La geographie doit bien Þtre au coeur de ce dont je m’occupe«. In: Dies./Görling, Reinhold (Hrsg.). Kulturelle Topografien. Stuttgart 2004. S. 13 – 41, hier S. 13. 83 Todorova, Maria. Die Erfindung des Balkans. Europas bequemes Vorurteil. Darmstadt 1999. 84 Hurd, Madeleine (Hrsg.). Bordering the Baltic. Scandinavian Boundary-Drawing Processes 1900 – 2000 (Nordische Geschichte; 10). Berlin 2010.

Grenze und Raum

33

tion ein.85 In Anlehnung an Foucault plädierte der französische Kulturphilosoph Michel de Certeau 1988 in seiner Kunst des Handelns dafür, Grenzräume als das Resultat diverser kultureller Praktiken zu sehen, die von einer Vielzahl an Öffnungen und Übergängen geprägt sind und deswegen die nationalen Scheidelinien zu Schwellenorten werden lassen.86 Vittoria Borsý interpretierte in Anlehnung daran Raumstrukturen – in diesem Fall Grenzen – als »Handlungen, die die prinzipielle Unentscheidbarkeit und Offenheit des Raums erst schließen, indem sie eine Grenze zwischen Innen und Außen, zwischen Identität und Alterität, setzen.«87 Doch zugleich betonte sie die Durchlässigkeit jener Demarkationslinie, wenn sie davon spricht, »dass Grenzen eher Zwischenräume sind.«88 Aus dem Zusammenhang von Territorialität, Erinnerungskultur und der Herausbildung nationaler Identitäten im 19. Jahrhundert entwickelten sich jene Schwellenregionen somit zu Orten mit einer multikulturellen Vergangenheit und stellen »noch heute Experimentier- und Exerzierfelder für die wandelnden Formen oder ›Regimes von Territorialität‹« dar.89 Vor diesem Hintergrund erhielt über das Konzept des third-space90 die Vorstellung von hybriden Kulturen, die in kulturellen Austauschprozessen entstehen, Einzug in den wissenschaftlichen Diskurs. Während dieses biologistische Modell einen evolutionären, kreierenden Vorgang imaginiert, verkörpern die von Foucault in den Diskurs eingebrachten »Heterotopien« das Eindringen beziehungsweise Wirken fremder Kulturelemente in einen kulturell vermeintlich klar abgegrenzten Raum. So würden sie die Paradoxie von Grenze und Macht [darstellen:] Die Heterotopie basiert zwar auf der Opposition antagonistischer Ordnungen, sie durchbricht sie aber, indem sie das Ausschließen und das Einschließen paradoxal aufeinander bezieht. Das Ausgeschlossene ist Teil des Inneren. So gründen Heterotopien auf Trennungen und Demarkationen, die sie umkehren und zugleich entgrenzen.91

Mit den Worten von Wilson and Donnan handelt es sich bei Grenzräumen daher um »contradictionary zones of culture and power, where the twin processes of state centralisation and national homogenisation are disrupted […].«92 Die in Anlehnung an die Kulturgeographie durchgeführten wissenschaftlichen Ana85 Foucault, Michel. Die Heterotopien. Der utopische Körper. Zwei Radiovorträge. Frankfurt am Main 2005. 86 Certeau, Michel de. Kunst des Handelns (Internationaler Merve-Diskurs; 140). Berlin 1988. S. 232. 87 Borsý, Grenzen, 2004. S. 21. 88 Ebd. S. 22. 89 Serrier, Geschichtskultur, 2007. S. 243. 90 Bhabha, Homi. The Location of Culture. London 1994. 91 Zit. nach: Borsý, Grenzen, 2004. S. 30. 92 Wilson/Donnan, Border identities, 1998. S. 26.

34

Einleitung

lysen zum Konzept »mental maps« ergaben in diesem Sinne eine Transformierbarkeit von Erinnerung und Wissen, die einem Raum eingeschrieben und stark abhängig von den jeweiligen Kontexten sind: Der mit dem mapping verbundene Raumbegriff kann die Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeiten bedeuten. Erinnerung ereignet sich als dynamischer und konstruierender Prozess. Mentale Karten, Raum und Erinnerung sind Phänomene, die als kontextabhängig zu betrachten sind. Sie sind Ausdruck bestimmter Werte- und Normensysteme, welche sich semiotisch manifestieren, aber auch als Konstrukte in Abhängigkeit von der jeweiligen Betrachterposition erscheinen.93

Die lange Zeit geltende wissenschaftliche Konzentration auf die nationalen Zentren als die scheinbar alleinigen Akteure politischer und historischer Prozesse findet als eine Konsequenz der Europäisierung und Globalisierung so zunehmend die Ergänzung durch eine Perspektive, die die Wechselwirkungen zwischen dem nationale Zentrum und den peripheren Randgebieten betont. Der englische Soziologe Gerard Delanty stellte die These auf, »that there is now a changed relation of the periphery to the core with the periphery emerging from marginalization to becoming a site of cosmopolitan rebordering […]«.94 Aus diesem Grund konstatierte er : Obviously a periphery can be understood only in relation to the core. In the case of the European core and peripheries, I am arguing that the relation of the core the periphery is multi-dimensional, evolving and cannot therefore be easily reduced to an one dimensional notion of the domination of the periphery by the core.95

Mit dem Spatial-Turn ging somit auch eine Neudefinition des aus der Geographie stammenden Analysebegriffs »Peripherie«,96 der als Antonym zum »Zen93 Hartmann, Angelika. Konzepte und Transformationen der Trias »Mental Maps, Raum und Erinnerung«. Einführende Gedanken zum Kolloquium. In: Damir-Geilsdorf, Sabine. Mental Maps – Raum – Erinnerung. Kulturwissenschaftliche Zugänge zum Verhältnis von Raum und Erinnerung (Kulturwissenschaft; 1). Münster 2005. S. 3 – 21, hier S. 9. 94 Delanty, Gerard. Peripheries and Borders in a Post-Western Europe. In: INTER: A European Cultural Studies Conference in Sweden. Linköping University Electronic Press 2007. S. 11 – 22, hier S. 12. 95 Ebd. S. 15. 96 Hans-Jürgen Nitz kategorisiert den Peripherie-Begriff auf drei Ebenen: So stelle er zunächst eine Lagebeschreibung einer »randlichen« zu einer zentralen Region dar. Beide Räume müssen zum Beispiel durch ihre Zugehörigkeit zu einem Staat oder einem Wirtschaftsraum eng miteinander verbunden sein. Häufig geht aus diesem Verhältnis eine Abhängigkeit hervor, die vor allem durch eine vermeintliche Rückständigkeit der Peripherie gegenüber dem Zentrum bedingt ist. Zweitens stehe der Begriff für eine funktionale Raumbezeichnung, die beiden Räumen feste Aufgaben in ihrer Wechselwirkung zuschreibt. Drittens greift Nitz auf den Begründer der politischen Geographie, Friedrich Ratzel, zurück, und definiert eine Sonderform der Peripherie, die keine ökonomischen Funktionen einnimmt, sondern als politisch-militärische Randzone dem Schutz des Zentrums dient. Nitz, Hans-Jürgen. Der Beitrag der historischen Geographie zur Erforschung von Peripherien. In: Nolte, Hans-

Grenze und Raum

35

trum« verwendet wird, einher.97 Hierdurch rückten die vermeintlichen Randgebiete in den Fokus einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung, zugleich traten sie als gestaltendes Subjekt in der Entwicklung staatlicher und nationaler Gesellschaften hervor. Der Historiker Sidney Pollard etwa verfasste 1995 eine komparatistische Geschichte der »marginal areas« in Europa.98 Der von HansHeinrich Nolte herausgegebene Sammelband Europäische Innere Peripherien im 20. Jahrhundert vereint eine Reihe von Beiträgen, die den europäischen Randregionen zum Untersuchungsgegenstand machten.99 Der von Gerard Delanty festgestellte Paradigmenwechsel innerhalb der fachwissenschaftlichen Auseinandersetzung machte sich seitdem zunehmend durch eine Loslösung von der Vorstellung marginaler Regionen in einer reinen Objektrolle bemerkbar. Aus dem Zusammenspiel einer europäischen Einigungsbewegung einerseits und der wissenschaftlichen Hinwendung zu Analysekategorien wie Grenzen, Räumen und marginalen Regionen andererseits hat sich das Konzept der »inneren Peripherien« in der Frage nach einem transnationalen (europäischen) Kulturerbe als ein mögliches neues Forschungsfeld herausgebildet. Die bereits zuvor mit dem europäischen Hereditätsgedanken verbundenen Problematiken erhielten auf diese Weise eine entsprechende theoretische Grundlage. Gerade die von Hans-Heinrich Nolte vorgeschlagene Definition für das Konzept »innere Peripherie« wirft in Bezug auf ein gemeinsames europäisches Kulturerbe die Frage auf, ob diesen Räumen in der Aushandlung von kollektiven Identitäten eine größere Rolle zugesprochen werden muss. Der Terminus bezeichnet, so Nolte, »eine Region innerhalb eines Staates, in der die Bedingungen so organisiert sind, daß die Vorteile den Menschen einer anderen Region dieses Staates zugute kommen. Diese andere Region nennen wir Zentrum.«100 Als Ort interkultureller und binationaler Abgrenzungs- und Strukturierungsprozesse fungieren Grenzräume angesichts von Alteritätserfahrungen als Schauplatz nationaler Selbstvergewisserung. So sprach Gerard Delanty jenen Räumen eine Relevanz »in the context of inter-civilizational zones of overlapping identities, heritages, and experiences of modernity« zu.101

97

98 99 100 101

Heinrich (Hrsg). Europäische Innere Peripherien im 20. Jahrhundert (Historische Mitteilungen; Beiheft 23). Stuttgart 1997. S. 17 – 36, hier S. 19 ff. Zur Wissenschaftsgeschichte von Zentrum-Peripherie-Strukturen siehe: Ebd. S. 17 f.; Nolte, Hans-Heinrich. Europäische Innere Peripherien – Ähnlichkeiten, Unterschiede, Einwände zum Konzept. In: Ders. (Hrsg.). Europäische Innere Peripherien im 20. Jahrhundert (Historische Mitteilungen; Beiheft 23). Stuttgart 1997. S. 7 – 16, hier S. 8 f. Pollard, Sidney. Marginal Areas. Do they have a Common History? In: Etemad, Bouda u. a. (Hrsg.). Towards an International Economic and Social History. Genf 1995. S. 121 – 136. Nolte, Hans-Heinrich (Hrsg). Europäische Innere Peripherien im 20. Jahrhundert (Historische Mitteilungen; Beiheft 23). Stuttgart 1997. Nolte, Hans-Heinrich. Internal Peripheries – A Definition and A Note. In: Ders. (Hrsg.). Internal Peripheries in European History. Göttingen/Zürich 1991. S. 1 – 3. Delanty, Peripheries, 2007. S. 13.

36

I.4.

Einleitung

Sønderjylland/Schleswig102 – Eine Region zwischen Deutschland und Dänemark

Die Frage der Grenzziehung und der nationalen Superiorität über die Region Sønderjylland/Schleswig nahm seit dem Erwachen des Nationalitätsgedankens in den deutschen Staaten und im dänischen Gesamtstaat zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine zentrale Bedeutung in der Aushandlung territorialer und politischer Zugehörigkeit ein. Ein Blick auf die jüngere transnationale Geschichte der beiden Staaten verdeutlicht, dass es erst mit der einsetzenden Nationalisierung zu der Problematisierung der Grenzfrage kam.103 Bereits seit dem frühen Mittelalter verlief hier quer über die jütische Halbinsel, zwischen dem Fluss Eider und den Wallanlagen des Danewerks, die Grenze der Einflusssphären von dänischen und jütischen Herrschern einerseits sowie zunächst dem sächsischen und später den karolingischen Königen andererseits. Zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen gegen Ende des achten Jahrhunderts führten im Jahr 811 zu dem Abschluss eines Friedensvertrages zwischen den heidnischen Fürsten auf dem Gebiet des heutigen Dänemark und dem deutschen Kaiser Karl dem Großen, wodurch der Fluss Eider als die gemeinsame Grenze festgelegt wurde. Mit der zunehmenden Bevölkerungsdichte und -verbreitung in den folgenden Jahrhunderten verlor diese Trennlinie an Bedeutung, so dass die Gebiete nördlich und südlich des Flusses als eigenständiges Herzogtum Schleswig und als Grafschaft Holstein politisch zusammenwuchsen. Zunächst versuchte das dänische Königshaus unter Waldemar II. sein Einflussgebiet über Schleswig hinaus auf Holstein auszudehnen, was jedoch am Widerstand norddeutscher Fürsten in der Schlacht bei Bornhöved 1227 scheiterte. Stattdessen gelang es den Grafen von Schauenburg und Holstein, 1386 Schleswig als dänisches Lehen zu erhalten und ihren Einfluss weit nach Norden auszubauen. Spätestens mit der Wahl des dänischen Königs Christian I. durch die schleswigholsteinische Ritterschaft zum holsteinischen Landesherrn 1460 stellte sich die schleswig-holsteinisch-dänische Beziehung als ein kompliziertes Geflecht politischer Vernetzungen dar. Als Gegenzug für die Wahl Christians I. zum Herzog der beiden Regionen hatte die Ritterschaft dem dänischen König im Ripener 102 Im Laufe der Arbeit wird die Bezeichnung »Schleswig« als Synonym für »Sønderjylland/ Schleswig« verwendet und kennzeichnet daher den gesamten Raum nördlich und südlich der heutigen Grenze. In Abgrenzung hierzu meint die geografische Einheit »Nordschleswig« diejenigen Teile der Region, die nördlich der Grenze liegen. Gelegentlich ist in dänischen Zitaten die Rede von »Südjütland« – dies bezeichnet den südlich der Grenze gelegenen Landesteil. 103 Zur Geschichte der deutsch-dänischen Grenze siehe: Hansen, Reimer. Deutschlands Nordgrenze. In: Ders./Demandt, Alexander (Hrsg.). Deutschlands Grenzen in der Geschichte. 3., durchges. Aufl. München 1993. S. 94 – 139.

Sønderjylland/Schleswig – Eine Region zwischen Deutschland und Dänemark

37

Privileg die rechtliche Zusage abgerungen, »dass sie ewig ungeteilt zusammenbleiben«.104 Während das Herzogtum Schleswig historisch gesehen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts unter reichsdänischem Einfluss stand und einen integralen Bestandteil des dänischen Gesamtstaates bildete, wurde das Herzogtum Holstein zwar in Personalunion vom dänischen Königshaus geführt, gliederte sich staatsrechtlich gesehen jedoch fest in das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und seine Nachfolgestaaten ein. Aufgrund einer der Erbfolge geschuldeten politischen Zersplitterung kristallisierte sich im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts ein Gegensatz zwischen dem dänischem Königshaus und den gottorfischen Herzögen heraus, der um die Wende zum 18. Jahrhundert zu mehreren politischen und militärischen Konflikten führte. Aufgrund der Verwicklung des Hauses Gottorf auf Seiten Schwedens in den Großen Nordischen Krieg (1700 – 1721) gelang es dem dänischen Königshaus die Gottorfer Herzöge aus Schleswig zu vertreiben.105 In den folgenden Jahrzehnten verfolgte der dänische Gesamtstaat nun gemeinsam mit der russischen Zarin Katharina der Großen auf der europäische Ebene eine Politik der »Ruhe des Nordens«,106 die einerseits einen Konflikt zwischen den Großmächten im Ostseeraum verhindern und andererseits den machtpolitischen Status quo in der Region bewahren sollte.107 Unter der Führung des deutschstämmigen Andreas Peter Bernstorff erlebten sowohl der Gesamtstaat als auch die Herzogtümer eine wirtschaftliche Prosperität und Liberalisierung. Nach dem Tode Bernstorffs strebte der dänische Kronprinz Frederik nun jedoch eine politische Transformation an, die den »harmonisch gegliederten Gesamtstaat in einen zentralistischen Einheitsstaat«

104 Vgl. zur mittelalterlichen Geschichte der Region: Poulsen, Bjørn. Hertugdømmets dannelse 700 – 1544. In: Historisk Samfund for Sønderjylland (Hrsg.). Sønderjyllands Historie; Bd. 1: Indtil 1815. Apenrade 2008. S. 41 – 186. 105 Vgl. Rasmussen, Carsten Porskrog. Et hertugdømme – mange herrer 1544 – 1720. In: Historisk Samfund for Sønderjylland (Hrsg.). Sønderjyllands Historie; Bd. 1: Indtil 1815. Apenrade 2008. S. 187 – 332; Steinwascher, Gerd. Die Oldenburger. Die Geschichte einer europäischen Dynastie. Berlin 2011. 106 Zum Konzept der »Ruhe des Nordens« siehe: Opitz, Eckardt. Schleswig-Holstein im dänischen Gesamtstaat am Ende der Ära Bernstorff. In: Heinzelmann, Eva/Trobl, Stefanie/ Riis, Thomas (Hrsg.). Der dänische Gesamtstaat. Ein unterschätztes Weltreich? The Oldenbourg Monarchy. An Underestimated Empire? Kiel 2006. S. 203 – 217. 107 Katharinas verstorbener Ehemann Peter III. entstammte aus dem Hause Gottorf. Nach dessen Tod verfolgte Katharina in der Befürchtung, dass ihr Sohn Paul durch die gottorfischen Besitzungen in einen Konflikt mit Dänemark gezogen werde, eine Politik der Annäherung, in deren Zuge sie in den Jahren zwischen 1765 und 1773 zahlreiche Abkommen mit dem dänischen Königshaus schloss, um die »Ruhe des Nordens« zu bewahren. Vgl. Ebd. S. 205 ff.

38

Einleitung

umwandeln sollte.108 Die auf die Auflösung des Deutschen Reichs folgende zielbewusste Danisierungs- und Uniformierungspolitik sollte in diesem Sinne beide Herzogtümer eng an den dänischen Staat binden. Ein bedeutender Schritt war der Erlass einer königlichen Deklaration am 9. September 1806, in der die Absicht erklärt wurde, das Herzogtum Holstein mit der dänischen Monarchie »als ein in jeder Beziehung völlig ungetrennter Teil derselben und solchem von nun an Unserer alleinigen unumschränkten Bothmäßigkeit« zu vereinigen.109 Der Historiker Eckardt Opitz verwies darauf, dass das Patent mit »Bedacht unklar formuliert« wurde, um »allen Beteiligten [zu erlauben], das darin zu lesen, was ihre Auffassung bestätigte.« Im Rahmen der weltpolitischen Ereignisse der Napoleonischen Kriege rückte die Frage der Inkorporation Holsteins jedoch zunächst in den Hintergrund.110 Infolge der schweren Schäden für die schleswig-holsteinischen Herzogtümer durch die preußischen und russischen Besatzungstruppen nach der Niederlage Napoleons breitete sich, so der Historiker Otto Brandt in seinem grundlegenden Werk zur Geschichte SchleswigHolsteins, »eine Missstimmung gegen Dänemark und die Hoffnung auf Deutschland« in der Region aus.111 Aus diesem Grund stießen die abermaligen Versuche von Frederik VI., Schleswig fest in sein Reich zu inkorporieren, auf wachsenden Widerstand innerhalb der schleswig-holsteinischen Ritterschaft, die ihrerseits die Ausweitung ihrer eigenen Rechte anstrebte. Nicht zuletzt durch die innenpolitischen Machtkämpfe in den Herzogtümern entzündete sich zwischen dem dänischen und dem schleswig-holsteinisch-deutschen Nationalprojekt ein Konflikt um die Vorherrschaft über den Grenzraum. Eine wichtige Rolle in diesen Auseinandersetzungen spielte die aus dem vom dänischen König Christian I. 1460 gegenüber den schleswig-holsteinischen Ständen rechtlich fixierten Ripener Privileg abgeleitete Vorstellung einer Unteilbarkeit der beiden Herzogtümer. Mit der Entstehung der Nationalbewegungen der beiden Staaten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Beziehungen zwischen deutsch- und dänischgesinnten Schleswigern in der Region zunehmend von den konträren Raum- und Machtansprüchen geprägt. Aus dem Ripener Vertrag zog die liberalnationale deutsche Bewegung die Vorstellung eines historisch verbrieften Rechtes, welches unter dem Schlagwort »Up ewig ungedeelt!« – »Auf ewig ungeteilt!« – eine feste politische Eingliederung der beiden Herzogtümer als ein unionierter Staat in den Deutschen Bund ver108 Ebd. S. 212. 109 Zit. nach: Brandt, Otto. Geschichte Schleswig-Holsteins. Ein Grundriß. 6. Aufl. Kiel 1966. S. 196 f. 110 Opitz, Schleswig-Holstein, 2006. S. 214; Henningsen, Lars. N. Mønsterregion i det danske monarki 1721 – 1814. In: Historisk Samfund for Sønderjylland (Hrsg.). Sønderjyllands Historie; Bd. 1: Indtil 1815. Apenrade 2008. S. 333 – 468. 111 Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, 1966. S. 198.

Sønderjylland/Schleswig – Eine Region zwischen Deutschland und Dänemark

39

meintlich historisch legitimierten würde.112 Die Pläne dänischer Nationalliberaler, Schleswig unter dem Ruf »Dänemark bis zur Eider!« bis zum als natürliche Scheidelinie deklarierten Fluss Eider durch eine gemeinsame Reichsverfassung enger an den Gesamtstaat zu binden, stießen aus diesem Grund auf eine erbitterte Gegenwehr deutschnational Gesinnter. Diese stellten dem dänischen Streben mit der Idee eines »Deutschlands bis zur Königsau!« ein eigenes national-territoriales Projekt mit dem Ziel einer Eingliederung der Herzogtümer in das deutsche Staatensystem gegenüber.113 Im Kontext der Zuspitzung der Konfrontation lassen sich vier Ereignisse als maßgeblich für die weitere Landesgeschichte bis in die Gegenwart hervorheben: Erstens bedeutete der Schleswig-Holsteinische Krieg (1848 – 1851) die offene Eskalation zwischen dänischem Einigungsbestreben einerseits und schleswigholsteinischem Unionsbewusstsein andererseits. Da sich die mentalen Grenzen zum Teil quer durch die Gemeinden und Familien zogen, spricht die heutige Geschichtswissenschaft von einem schleswigschen Bürgerkrieg.114 Zweitens führte die Niederlage dänischer Truppenverbände gegen das preußisch-österreichische Heer im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 zu dem Verlust Schleswigs und letztlich 1866 zu der Eingliederung der beiden Herzogtümer in den preußischen Staat. Während das Ereignis auf deutscher Seite als der Beginn der nationalen Einigungsbewegung verklärt wurde, stellte es in Dänemark ein nationales Trauma dar. Diese Grenzziehung behielt ihre Gültigkeit bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Drittens: Eine durch den Versailler Friedensvertrag festgelegte Volksabstimmung in zwei Zonen führte 1920 zur Abtretung Nordschleswigs an Dänemark. Das mit dem Terminus »Genforeningen« (»Wiedervereinigung«) bezeichnete Ereignis erfuhr seinerseits in Dänemark eine mythologische Aufladung. Um sich sprachlich und kulturell vom restlichen, beim Deutschen Reich verbliebenen Schleswig abzugrenzen, bürgerte es sich in Dänemark ein, Nordschleswig nur noch als Sønderjylland zu bezeichnen.115 Die durch die abermalige Grenzverschiebung entstandenen nationalen Minderheiten beiderseits der Grenze wurden im Zuge des sogenannten kulturellen 112 Vgl. Beindorf, Claudia. »Auf ewig ungeteilt«. Ein Erinnerungsort zwischen Dänemark und Deutschland. In: NORDEUROPAforum. Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur ; 12,2 (2002). S. 65 – 77. 113 Hansen, Hans Schultz. Nationalitetskamp og modernisering 1815 – 1918. In: Historisk Samfund for Sønderjylland (Hrsg.). Sønderjyllands Historie; Bd. 2: Efter 1815. Apenrade 2009. S. 11 – 240. 114 Schartl, Matthias. Idstedt und Düppel. Erinnerungsorte deutsch-dänischer Geschichte. In: Fleischhauer, Carsten/Turkowski, Guntram (Hg.). Schleswig-Holsteinische Erinnerungsorte. Heide 2006. S. 22 – 33, hier S. 22. 115 Adriansen, Erinnerungsorte, 2004. Siehe zur Bezeichnung Sønderjylland und Schleswig auch: Buch, Jørn. Der Begriff »Sønderjylland« früher und heute. In: Grenzfriedenshefte; 3/ 2001. S. 147 – 158.

40

Einleitung

Grenzkampfes der 1930er als ein Problem gesehen. Erst die Bonn-Kopenhagener Erklärungen 1955, viertens, führten zu einer endgültigen Regelung der Minderheitenfrage, die heute als vorbildlich angesehen wird, und somit auch zu einer Entspannung in der Grenzfrage. Die wechselhafte Geschichte sowohl der europäischen Grenzräume im Allgemeinen als auch die der Region Schleswig im Besonderen ist bereits vielfach Untersuchungsgegenstand von volkskundlich-historiographischen Arbeiten geworden, die sich mit der Frage von nationalen Auseinandersetzungen beschäftigen.116 Dahingegen nahm der Aspekt des materiellen Kulturerbes vor allem im deutsch-dänischen Fall bislang eine untergeordnete Rolle ein und rückte erst in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus einer fachwissenschaftlichen Auseinandersetzung, die jedoch in der Regel in einer alleinigen Konzentration auf das »eigene« nationale Erbe erfolgte, während die Denkmäler und Museen des nationalen Kontrahenten bislang weitgehend unbeachtet blieben.117 Eine bewusst transnationale Perspektive lag lediglich Inge Adriansens kursorischem Überblick von 2004 zugrunde118 beziehungsweise machte sich in der Auseinandersetzung mit einzelnen Fällen bemerkbar.119 Den Schwerpunkt der Historiographie in Bezug auf die deutsch-dänische Grenze bildeten so nicht zuletzt vor allem die Fragen nach den Minderheiten,120 der Grenzziehungsproblematik121 und der Bildungs- beziehungsweise Sprachenpolitik.122 116 Siehe beispielsweise: Hansen, Reimer/Demandt, Alexander (Hrsg.). Deutschlands Grenzen in der Geschichte. 3., durchges. Aufl. München 1993; Eisch, Katharina. Zur Grenze. Eine Ethnographie des bayerisch-böhmischen Grenzraums (Bayerische Schriften zur Volkskunde; 5). München 1996; Müller, Michael G./Petri, Rolf (Hrsg.). Die Nationalisierung von Grenzen. Zur Konstruktion nationaler Identität in sprachlich gemischten Grenzregionen. Marburg 2002; Duhamelle/Kossert/Struck, Grenzregionen, 2007; FranÅois/Seifarth/Struck, Grenze als Raum, 2007; Scharte, Sebastian. Preußisch – deutsch – belgisch. Nationale Erfahrung und Identität. Leben an der deutsch-belgischen Grenze im 19. Jahrhundert (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland; 115). Münster u. a. 2010. 117 Beispielsweise: Adriansen, Nationale Symboler, 2004; Fleischhauer, Carsten/Turkowski, Guntram (Hrsg.). Schleswig-Holsteinische Erinnerungsorte. Heide 2006. 118 Adriansen, Erinnerungsorte, 2004. 119 Siehe beispielsweise: Dragsbo, Peter. Dansk og tysk i Sønderjyllands arkitekturhistorie 1864 – 1920. Har Danmark overhovedet en politik for den flernationale kulturarv? In: Sønderjysk M”nedsskrift; 3/2009. S. 109 – 114. Adriansen, Inge. Denkmal und Dynamit. DenkmälerSTREIT im deutsch-dänischen Grenzland. Neumünster 2011. 120 Die sehr umfangreiche Publikationsliste kann hier nur ansatzweise und exemplarisch zum Einstieg wiedergegeben werden: Noack, Johan Peter. Det danske mindretal i Sydslesvig 1920 – 1945. 2. Bde. Diss. Apenrade 1989; Hansen, Reimer u. a. (Hrsg.). Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzbereich (Gegenwartsfragen; 69). Kiel 1993; Lorek, Sabine. Rechtsabrechnung – Retsopgør. Politische Säuberung nach dem Zweiten Weltkrieg in Nordschleswig. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtskreise Apenrade/Aabenraa, Gravenstein/Gr”sten und Tondern/Tønder (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; 108.). Neumünster 1998; Kühl, Jørgen. En europæisk model? Nationale mindretal i det dansk-tyske grænseland 1945 – 2000. Apenrade 2002.

Fragestellung und Erkenntnisinteresse

I.5.

41

Fragestellung und Erkenntnisinteresse

Am Beispiel der dänisch-deutschen Grenzregion Sønderjylland/Schleswig überträgt die vorliegende Studie die zuvor skizzierten Überlegungen zu den Konzepten »materielles Kulturerbe«, »Raum« und »Grenze« auf die Historie einer nationalen Schwellenregion. Im Kontext der historischen Brüche soll geklärt werden, welche Relevanz das kulturelle Erbe in der nationalen Konfrontation seit 1864 besitzt. Einerseits richtet sich dabei der Blick auf die kurzfristigen Übersetzungsprozesse, andererseits sollen mögliche Parallelen und Kontinuitäten über einen langen Zeitraum aufgedeckt werden. Die im selben Raum miteinander konkurrierenden und sich überlagernden Nationalprojekte dänischer und deutscher Prägung lassen die Entstehung eines kulturellen Erbes vermuten, welches von zentraler Signifikanz für die Aushandlung der territorialen und der mentalen Grenzziehungen war. Vor dem Hintergrund der zuvor skizzierten Brüche und der mit ihnen einhergehenden politischen Machtverschiebungen fragt die vorliegende Studie, ob, und wenn ja wie sich dieser politische Wandel auch auf der Ebene des Kulturerbes bemerkbar machte. Über die Frage nach den Übersetzungsprozessen hinaus rücken so die Übersetzungsakteure, deren Intentionen und Hintergründe sowie ihr Einfluss auf breitere Bevölkerungsschichten in den Blickpunkt dieser Arbeit. So ist es von zentraler Bedeutung, wer die historischen Zeugnisse des Landes aus welchen Gründen politisch zu instrumentalisieren versuchte, auf welche Erinnerungsrahmen dabei zurückgegriffen wurde und welche Relevanz die jeweiligen Akteure und die von ihnen angestoßenen Übersetzungsprozesse in den Diskursen breiterer Bevölkerungsschichten erhielten. Zugleich erscheint es naheliegend, dass nicht nur die beiden miteinander konkurrierenden, nationalen Identitätskonzepte im Grenzraum eine Rolle in den Auseinandersetzungen spielten, sondern dass möglicherweise auch regionale Gegenentwürfe zu den deutschen und dänischen Vereinnahmungsbestrebungen Einfluss auf die Diskussionen und Praktiken um das kulturelle Erbe ausübten. So soll nicht nur nach den grenzüberschreitenden Kontroversen und Praktiken gefragt werden, auch der Aspekt innenpolitischer Konflikte und Abgrenzungsprozesse erscheint von großer Bedeutung. Aus diesem Grund analysiert die vorliegende Studie, in welchen Zusammenhängen 121 Siehe beispielsweise: Becker-Christensen, Henrik (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995; Danker, Uwe. Südschleswig 1945 – 1955. Vom letzten Kampf um Südschleswig zum dauernden Grenzfrieden. Hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Schleswig-Holstein. Kiel 1997. Andersen, Morten. Den følte grænse. Slesvigs deling og genopbygning 1918 – 1933. Apenrade 2008. 122 Siehe beispielsweise: Loebert, Sönke. Die dänische Vergangenheit Schleswigs und Holsteins in preußischen Geschichtsbüchern (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswigholsteinischen und skandinavischen Geschichte; 29). Frankfurt am Main 2008.

42

Einleitung

regionale, nationale und europäische Narrative Einzug in die Diskurse erhielten und welche konkreten Ziele sich damit verbanden. Hierbei ist von mehreren Paradigmenwechseln auszugehen, die sich in changierenden Identitätskonstruktionen ausdrücken, welche unter Umständen zeitgleich und sich gegenseitig überlagernd auftraten. Deswegen muss nicht nur ergründet werden, welche Funktionen das Kulturerbe in der Aushandlung nationaler Machtkonstellationen einnahm, sondern darüber hinaus welche Rolle ihm in den potentiellen regionalen Spacing-Prozessen in Abgrenzung zu den nationalen Projekten zugeschrieben wurde. Eine Folge der häufig als problematisch empfundenen Geschichte der Region Sønderjylland/Schleswig war, so die Ausgangsüberlegung, die Entstehung einer heterogenen Memorial- und Kulturlandschaft, die sich in Form zahlreicher Denkmalprojekte, Museumserrichtungen und Bauvorhaben auf den öffentlichen Raum auswirkte. Gerade aus der semantischen Codierung einzelner Denkmäler, Museen oder baulicher Zeugnisse der Vergangenheit ergeben sich so mehrere Fragen: 1. Welche Prozesse und Kontinuitäten lassen sich vor dem Hintergrund changierender politischer Umstände in den Diskussionen und Praktiken um das materielle Kulturerbe erkennen? 2. Welche Folgen entstanden aus den Grenzverschiebungen für das gegnerische Kulturerbe – einem womöglich »unbequemen« Erbe? Kam es zu Denkmalstürzen, der Umdeutung und Umgestaltung von Ausstellungen oder gingen mit dem politischen Wandel keine konkreten Folgen einher? Und welche Funktion übernahm das kulturelle Erbe im Gegenzug in der Artikulation von Grenzrevisionsforderungen? Es ist denkbar, dass in diesem Kontext die eigenen und die fremden Monumente, Museen und baukulturellen Zeugnisse ständigen Prozessen der Aneignung, Umwidmung und Beseitigung unterworfen waren. 3. Hieraus ergibt sich die Frage nach den Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Zielen, die sich mit diesen möglichen De- und Rekontextualisierungsvorgängen verbinden. Die vorliegende Studie geht davon aus, dass gerade aus den Mehrfachsemantisierungen einzelner historischer Zeugnisse, aber auch der gesamten Memorialtopographie des Grenzraumes und den mit ihnen in Relation stehenden Sinnstiftungsprozessen eine besondere Brisanz für das deutsch-dänische Verhältnis bis in die Gegenwart hinein entstand.123 Aus der Konkurrenz mehrerer territorialer Machtansprüche und sich gegenseitig überlagernder Erinnerungslandschaften leitet sich, so eine weitere grundsätzliche Überlegung, eine weitaus größere Bedeutung von Grenzregionen 123 Vgl. zum Aspekt der im selben Raum konkurrierenden Memoriallandschaften: Kusber, Jan. Konkurrierende Plätze in Sankt Petersburg. Zur Dauerhaftigkeit der Verortung politischer Macht im historischen Gedächtnis. In: Jaworski, Rudolf/Stachel, Peter (Hrsg.). Die Besetzung des öffentlichen Raumes. Politische Plätze, Denkmäler und Straßennamen im europäischen Vergleich. Berlin 2007. S. 131 – 143, hier. S. 140.

Fragestellung und Erkenntnisinteresse

43

für gesamtstaatliche Entitäten ab, als dies bislang in der Historiographie debattiert wurde. Es liegt die Vermutung nahe, dass gerade durch den nationalen Gegensatz in Schleswig die Region – der vermeintlichen Peripherie – eine signifikante Bedeutung in der Herausbildung und Tradierung der nationalstaatlichen Identitäten in Deutschland und insbesondere Dänemark erhielt. Das nationale dänische Selbstverständnis bildete sich demnach aus der Erfahrung des von Troels Fink betitelten Topos »Deutschland als Problem Dänemarks« vor dem Hintergrund der nationalen Auseinandersetzungen in Schleswig heraus und hat, so legt es das einleitende Beispiel dieser Studie, die Haithabu-Rede von Manfred Stoltenberg, nahe, bis in die Gegenwart hinein Bestand. Darüber hinaus soll ergründet werden, welche Funktion der öffentliche Raum in der Aushandlung kultureller Demarkation zwischen den beiden Staaten einnahm und in welcher Relation die Auseinandersetzungen um das Kulturerbe im Raum zu anderen Konfliktfeldern wie etwa der Minderheitenfrage standen. Ein zentraler Aspekt der Studie soll der komparatistische Vergleich der Relevanz des kulturellen Erbes für den dänischen Staat einerseits und Deutschland andererseits sein. Zeigen sich hier Parallelitäten oder divergierende Prozesse? So deutet etwa die Aussage des Historikers Bernd Henningsen in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom Dezember 2011 auf eine unterschiedliche Entwicklung hin: Die »fundamentale Bedeutung, die der Ort Düppel für die preußische, die deutsche, die dänische, ja die europäische Geschichte hatte, ist offenbar im deutschen Orkus des Vergessens verschwunden.«124 Das im Kontext der deutschdänischen Auseinandersetzung politisch eingebundene Kulturerbe lässt sich, so scheint es, auch nur vor dem Hintergrund der gemeinsamen, transnationalen historischen Entwicklung und der beidseitigen kulturellen Beeinflussung über die Grenze hinweg verstehen. Von einem besonderen Interesse für die vorliegende Studie ist die von Jan Assmann anhand der israelisch-ägyptischen Historie festgestellte Langlebigkeit von imaginierten Grenzziehungen, die unabhängig von realpolitisch verlaufenen Staatsgrenzen relevant für die kollektiven Identitätskonstruktionen seien.125 So ist auch im deutsch-dänischen Fall davon auszugehen, dass analog zu den sich verändernden territorialen Grenzziehungen der Jahre 1864 und 1920 nicht zwingend ein hiermit kongruenter Wandel der mentalen Kulturräume einherging. Aus diesem Grund geht die vorliegende 124 Henningsen, Bernd. »Die Schlacht war von eigentümlicher Schönheit«. Epochales Ereignis für Deutschland und Dänemark: Tom Buk-Swienty erzählt, wie Preußische Truppen 1864 die Düppeler Schanzen eroberten. In: Süddeutsche Zeitung, 02. Dezember 2011. 125 »Auf der Landkarte der Erinnerung ändern Grenzen zwar nicht ihren Verlauf, aber ihre Bedeutung. So werden auch die Kämpfe, die um solche Grenzen geführt werden […] um die Bedeutung und nicht den um den Verlauf geführt.« Assmann, Jan. Israel und Ägypten – Grenzen auf der Landkarte der Erinnerung. In: Bauer, Markus/Rahn, Thomas (Hrsg.). Die Grenze. Begriff und Inszenierung. Berlin 1997. S. 91 – 102, hier S. 93.

44

Einleitung

Arbeit von der Annahme aus, dass die Bestandteile des Kulturerbes der Region Sønderjylland/Schleswig, wie etwa einzelne Denkmäler, Museen und baukulturelle Zeugnisse, als wichtige Symbole nationalstaatlicher Imagination im Grenzraum zugleich die Funktion von kulturellen Grenzsteinen ausüben, über die ein nationaler Superioritätswunsch ausgedrückt werden soll.. Aus dieser Überlegung ergibt sich zusätzlich zu der Frage nach den Übersetzungsprozessen ein Erkenntnisinteresse an möglichen, am kulturellen Erbe ablesbaren Langzeitrezeptionen der historischen Ereignisse. Neben den Umdeutungsprozessen sind daher die Kontinuitäten in den Zuschreibungen von großer Relevanz für diese Arbeit. Die Betrachtung des schleswigschen Grenzraumes ermöglicht über den regionalen Rahmen hinaus Rückschlüsse zu einer gesamteuropäischen Perspektive und der Vorstellung eines gemeinsamen Kulturerbes. Gerade die Aushandlungsprozesse im Kontext von historischen Konflikten, wie sie im Untersuchungsraum zu finden sind, stellen elementare nationale Sinnbildungsabläufe dar. Aus diesem Befund würden sich einerseits weitreichende Folgen für die Idee eines gemeinsamen europäischen Kulturerbes ergeben und andererseits die Grenzregionen als die Problemfelder des heutigen Europas erscheinen. So fragt die Studie letztlich auch nach der Relevanz von europäischen Narrativen in den Diskussionen und Praktiken des Kulturerbes der deutsch-dänischen Grenzregion, die möglicherweise parallel zu den regionalen und nationalen Narrativen auftreten. Es scheint von besonderem Belang, in welchen Kontexten der europäische Gedanke imaginiert wird und wo er von den Übersetzungsprozessen ausgeschlossen bleibt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Wandel und Kontinuitäten des materiellen Kulturerbes in den nationalen und regionalen Identitäts- und Alteritätsprozessen nachzuzeichnen und ein bestehende Desiderat in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe von Grenzräumen mit einer empirischen Studie exemplarisch anhand der deutsch-dänischen Grenzregion Sønderjylland/Schleswig auszufüllen. Dabei richtet sich der Blick nicht nur auf regionale und nationale Bewertungen und Prozesse, gleichfalls ist ein möglicher europäischer Faktor von Belang. Vor dem Hintergrund der wechselhaften Geschichte des Grenzraumes sollen insbesondere auch kulturelle Übersetzungsleistungen in Bezug auf das Kulturerbe analysiert und die Rolle von peripheren Regionen für die nationalen Zentren untersucht werden.

Quellen und Herangehensweise

I.6.

45

Quellen und Herangehensweise

Die vorliegende Studie betrachtet das materielle Kulturerbe der Region im historischen Kontext der sich verändernden Machtverhältnisse. Die zuvor skizzierten Fragestellungen und Ziele sollen mit Hilfe einer induktiven und diachronen Vorgehensweise bearbeitet und erreicht werden. Hierzu untersucht die Studie aus einer transnationalen Perspektive heraus die Diskussionen und Praktiken um das kulturelle Erbe anhand der Untersuchungsfelder Denkmäler im engen Sinn126 (1), Museen und Ausstellungen (2), historische Zeugnisse der Vorzeit und des Mittelalters (3) sowie der Rolle von heimatlicher Bauweise und denkmalpflegerischen Praktiken. Der zeitliche Horizont des Untersuchungszeitraumes ergibt sich aus der historischen Entwicklung der Region Schleswig. Der Deutsch-Dänische Krieg im Jahr 1864 und die mit ihm verbundene Verschiebung der politisch-territorialen Grenze als »Fanal« für eine Problematisierung der Grenzfrage und weitreichende Zäsur für die nachbarschaftlichen Beziehungen stellt den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit dar. Für die adäquate Beantwortung der Frage nach den Übersetzungsprozessen und Kontinuitäten innerhalb der Diskussionen und Praktiken um das materielle Kulturerbe reicht der betrachtete Zeitrum bis in die jüngste Zeitgeschichte hinein, greift gegenwärtige Tendenzen und Entwicklung auf und kontextualisiert sie vor dem historischen Hintergrund. Hiervon ausgehend orientiert sich die Vorgehensweise an den »Brüchen« der schleswig-holsteinisch/deutsch-dänischen Beziehungsgeschichte – gemeint sind die für den Grenzraum relevanten historischen Ereignisse – als quasi »natürliche« Gliederung. Die sich hieraus ergebenden sechs Zeitschnitte bilden die Basis für eine diachrone Analyse, die die zeitspezifischen Einordnungen untereinander in Vergleich setzt und sie zugleich eng in die Ereignisse des jeweiligen Zeithorizontes kontextualisiert. Vor dem historischen Hintergrund der schleswigschen Geschichte wurden folgende zeitliche Abschnitte als notwendige Abgrenzungen identifiziert: 1. 1864 – 1920: Im Zuge der Grenzverschiebung kam es zu einer Veränderung der politischen Machtkonstellationen im deutsch-dänischen Grenzraum mit weitreichenden Folgen für das materielle Kulturerbe. 2. 1920 – 1933: Die Volksabstimmung und die anschließende Verschiebung der nationalstaatlichen Scheidelinie führten zu einem nationalen Grenzkampf, der auf politischer und kultureller Ebene geführt wurde. 3. 1933 – 1945: Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland erlebten 126 Der Terminus »Denkmäler« kennzeichnet in dieser Arbeit bewusst als Monument errichtete Bauwerke, deren primäre Intention die Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis ist. Dahingegen findet der Begriff »Denkmale« Verwendung im Zusammenhang mit Gebäuden, denen ursprünglich eine funktionale Bedeutung etwa als Wohnhaus inhärent war, die aber aufgrund bestimmter Zuschreibungen zu einem bewahrenswerten Denkmal wurden.

46

Einleitung

die Grenzrevisionsbestrebungen der deutschen Minderheit in Nordschleswig eine neue Konjunktur und stellten die durch die Volksabstimmung gefundene Grenzlösung in Frage. 4. 1945 – 1960: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges löste der Zusammenbruch des Dritten Reichs einen erneuten Grenzkampf in der Region aus, der, befeuert durch die Auferstehung der eiderdänischen Bewegung, eine Loslösung von Schleswig aus dem deutschen Territorium anstrebte. 5. 1960 – 1990: Die nationalkulturellen Auseinandersetzungen fanden erst mit den Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955, die den jeweiligen nationalen Minderheiten weitreichende Rechte in der Ausübung ihrer kulturellen Arbeit zusprachen, ein allmähliches Ende. Im Rahmen internationaler Zusammenarbeit in Organisationen, wie etwa der NATO, kam es zu einer weiteren Annäherung der beiden Staaten. 6. In einem abschließenden Kapitel erfolgt eine Kontextualisierung aktueller Entwicklungen um das materielle Kulturerbe vor dem Hintergrund der historischen Konjunkturen und Kontinuitäten seit 1990. Die Jahre 1864, 1920, 1933 und 1945 werden im Rahmen dieser Studie als Zäsuren der Historie Sønderjyllands/Schleswigs gesehen und bilden dementsprechend feste Eckdaten für die vorliegende Analyse. Da für die Nachkriegszeit – abgesehen von der Verabschiedung der Bonn-Kopenhagener Erklärungen 1955, die aus Sicht des Verfassers jedoch keine unmittelbaren und zeitnahen Folgen für das Kulturerbe besaßen – eine ähnlich scharfe Abtrennung der Zeithorizonte anhand einzelner Ereignisse nicht unternommen werden kann, stellen die hier gewählten Übergangsjahre 1960 und 1990 dem besseren Verständnis geschuldete Markierungen dar, die zugunsten eines homogeneren Darstellungsweise eher als Schwellen denn als »Wendepunkte« verstanden werden sollen. Die gewählte induktive Vorgehensweise erlaubt es, mögliche Varianzen und Kontinuitäten in den Diskussionen und Praktiken um das materielle Kulturerbe sowie die divergierenden Einordnungen der einzelnen Beispiele in regionale, nationale, transnationale und europäische Narrative vergleichend aufzuzeigen, somit Rückschlüsse für die situationsgebundene Funktion des materiellen Kulturerbes in den Auseinandersetzungen zu ziehen, sowie Aussagen über eine mögliche longue dur¦e bestimmter Positionen zu treffen. Die Orientierung an den Grenz- und Machtverschiebungen im untersuchten Raum ermöglicht eine enge Kontextualisierung des Forschungsfeldes innerhalb der grundlegenden historischen und politischen Ereignisse. Von besonderer Bedeutung ist die komparatistische Herangehensweise mit der Beachtung sowohl der schleswigholsteinischen als auch der dänischen Perspektiven. In ihrer Analyse stützt sich die vorliegende Arbeit auf einen breit gefächerten Quellenkorpus, um die Diskussionen und Praktiken, die Bewertungen und Übersetzungen sowie Sinnzuschreibungen und Sinnbrüche angemessen in den Gesamtkontext einordnen zu können. Folglich werden in der fachlichen Aus-

Quellen und Herangehensweise

47

einandersetzung mit dem schleswigschen Kulturerbe unterschiedlichste Quellengattungen herangezogen: Neben einer systematischen Auswertung der wichtigsten Periodika zur deutsch-dänischen Grenzgeschichte127 fließen Artikel und Kommentare regionaler und nationaler Tages-, Wochen- und Monatszeitungen in die Analyse mit ein. Darüber hinaus erstreckt sich die Bandbreite der Quellen auf zahlreiche publizierte sowie ungedruckte Reden und Vorträge, Memoranden, Gesetzestexte und Erlasse, wissenschaftliche Darstellungen sowie administrative und private Briefkorrespondenzen. Über die Betrachtung wissenschaftlicher Darstellungen und Diskurse, die Rezeption der historischen Ereignisse in Museumsausstellungen sowie die Umsetzung von Schutzbemühungen in der denkmalpflegerischen Praxis rücken dementsprechend die erinnerungspolitischen Akteure des Grenzlandes wie Heimatverbände, Museen, Vereine, politische Institutionen und Bildungseinrichtungen in den Fokus der Arbeit. Ein Großteil des unpublizierten Quellenmaterials stammt aus den Beständen der regionalen Landesarchive in Schleswig (Landesarchiv SchleswigHolstein) und Aabenraa128 (Landsarkivet for Sønderjylland) sowie aus dem Gemeinschaftsarchiv Schleswig-Flensburg und dem Reichsarchiv (Rigsarkivet) in Kopenhagen.

127 Zu nennen sind hier vor allem die Grenzfriedenshefte auf deutscher und auf dänischer Seite, die Sønderjyske M”nedsskrift sowie die Sønderjyske ærbøger. 128 Dänische Städte und Gemeinden in Nordschleswig werden in dieser Studie aus Praktikabilitätsgründen in der deutschen Schreibweise wiedergegeben. Bei der erstmaligen Nennung der jeweiligen Orte wird auf die unterschiedlichen Namen hingewiesen.

II. Grenzverschiebung I: Das materielle Kulturerbe zwischen regionaler Identität und nationaler Abgrenzung (1864 – 1920)

II.1. Eine Region im Wandel: Schleswig-Holstein nach dem Deutsch-Dänischen Krieg Das Jahr 1864 und die militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem Königreich Dänemark und dem Deutschen Bund stellen eine entscheidende Zäsur in der Geschichte des schleswigschen Grenzlandes, aber auch in der nationalen Historiographie der beiden Staaten dar. Mit dem Sieg der preußischen Truppen in der Schlacht von Düppel am 18. April 1864 sowie den immer weiter nach Norden vorrückenden österreichischen und preußischen Truppenverbänden verschoben sich die Machtverhältnisse auf der jütischen Halbinsel schlagartig zugunsten des Deutschen Bundes. Den Auseinandersetzungen war eine durch die neue nationalliberale Regierung unter Carl Christian Hall vorangetriebene Politik Dänemarks vorausgegangen, die unter Missachtung des Londoner Protokolls vom 8. Mai 1852 eine verfassungsrechtliche Anbindung des Herzogtums Schleswig an das Dänische Reich und somit eine Festigung der Außengrenze an der Eider anstrebte.1 Unter dem innenpolitischen Druck der eiderdänischen Bewegung und einer Fehleinschätzung der eigenen, aber auch der europäischen Macht- und Bündniskonstellationen2 unterzeichnete König Christian IX. am 18. November 1863 die Novemberverfassung, welche das Herzogtum Schleswig und das Königreich Dänemark unter einer gemeinsamen Verfassung vereinigte.3 1 Reumann, Klauspeter. Wege zum Krieg – Wege zum Frieden. 1864 – 1989 (Stichworte; 12). [Kiel] 1989. S. 3. 2 So herrschte in Dänemark im Zuge des Skandinavismus die Überzeugung, dass Norwegen und Schweden dem Dänischen Reich im Konflikt mit Deutschland solidarisch beistehen werden, in der Realität erwies sich diese Vorstellung gerade 1864 als Trugschluss. Vgl. Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, 1966. S. 208. 3 Frandsen, Steen Bo. Dänemark. Der kleine Nachbar im hohen Norden. Aspekte der deutschdänischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Darmstadt 1994. S. 80 ff. Die Novemberverfassung bedeutete jedoch nicht eine komplette Inkorporation des Herzogtums in das Dänische Reich, denn die schleswigsche Verfassung und Ständeversammlung als gesetzgebendes Organ blieben bestehen.

50

Grenzverschiebung I

Die daraufhin vom Deutschen Bund über Holstein und Lauenburg verhängte Bundesexekution führte zu einer Besetzung der Herzogtümer durch deutsche Truppen sowie zum Beginn des Deutsch-Dänischen Krieges Anfang 1864.4 Innerhalb kurzer Zeit wurden die dänischen Truppen zurückgedrängt und die Regierung schließlich zum Friedensschluss gezwungen. Mit dem Frieden von Wien vom 30. Oktober 1864 wirkten sich die veränderten Machtverhältnisse zwischen Deutschland und Dänemark durch die Abtretung der Rechte der dänischen Krone an Schleswig, Holstein und Lauenburg auch staatsrechtlich aus. Die Bedeutung dieser Ereignisse und ihre Rezeption erfolgten in den beiden Staaten hierbei grundlegend divergent: Die vernichtende Niederlage der Armee, insbesondere der kampflose Rückzug vor den heranrückenden preußischen Truppen vom Danewerk, der als Nationalheiligtum verklärten historischen Verteidigungswallanlagen, bedeuteten eine traumatische Erfahrung für Dänemark. Dem Historiker Ole Feldbæk zufolge waren in den anschließenden 25 Jahren eine tiefe Niederlagenstimmung und Untergangsangst in breiten Bevölkerungskreisen verbreitet.5 Nach der erzwungenen Abtretung Norwegens an Schweden 1814 ging der zweite große Gebietsverlust während des 19. Jahrhunderts für das Land mit dem Ende des Gesamtstaates und der Verabschiedung von jeglichen Großmachtsansprüchen einher.6 Die Ausgliederung der Herzogtümer Schleswig und Holstein bedeutete für Dänemark die Verminderung des Gesamtstaatsgebietes um rund 40 Prozent, hierunter umfangreiche Flächen an landwirtschaftlichem Nutzgebiet. Mit den politischen Folgen verknüpften sich somit dauerhafte, große wirtschaftliche und versorgungstechnische Einbußen. Als ein unmittelbares Ergebnis dieses kollektiven Traumas setzte eine nationale Identitätspolitik ein, die den äußeren, territorialen und politischen Verlust durch eine innere Stärkung ausgleichen sollte.7 Ähnlich wie in den deutschen Ländern seinerzeit wurde das Konzept der Kulturnation, das sich auf die Aufwertung einer als gemeinsam angesehenen Kultur und Kunst, aber auch auf Kriterien wie Sprache und Bildung stützte, zum Mittelpunkt aller innenpolitischen Bestrebungen. Im Kontext dieser Besinnung auf die als für alle dänischen Staatsbewohner allgemeingültig angesehenen kulturellen Grundlagen kristallisierten sich drei Aspekte als elementar heraus:

4 Zum Ausbruch und Verlauf des Deutsch-Dänischen Krieges siehe: Hansen, Nationalitetskamp og modernisering, 2009. S. 122 – 140; Stolz, Gerd. Das deutsch-dänische Schicksalsjahr 1864. Ereignisse und Entwicklungen. Husum/Apenrade 2010. 5 Feldbæk, Ole. Dansk identitet 1740 – 1992. In: Østerg”rd, Uffe (Hrsg.). Dansk Identitet? ærhus 1992. S. 57 – 77, hier S. 72. 6 Reumann, Wege zum Krieg, 1989. S. 5. 7 Berdichevsky, Norman. The Danish-German Border Dispute. Aspects of cultural and demographic politics 1815 – 2001. Bethesda u. a. 2002. S. 60 ff.

Eine Region im Wandel: Schleswig-Holstein nach dem Deutsch-Dänischen Krieg

51

Erstens rückten die historische Wikingerkultur und die verstärkte Betonung einer mit Norwegen und Schweden geteilten skandinavischen Kultur in das Zentrum der nationalen Identitätskonstruktion.8 Vor dem Hintergrund eines kulturellen und politischen Unterlegenheitsgefühls gegenüber dem deutschen Nachbarn gab es »Bedarf für eine nationale und nordische Aufrüstung«, so die Archäologin Else Roesdahl: Es habe sich um »eine Frage des kulturellen Überlebens«9 gehandelt. In diesem Sinne konzentrierten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Wissenschaft, die Kunst und die Politik in Dänemark auf die Erforschung, die Vermittlung und die politische Nutzbarmachung der frühzeitlichen und mittelalterlichen Geschichte Skandinaviens.10 Nach 1864 war dieser Gedanke zwar in allen skandinavischen Staaten präsent, die größte Relevanz besaß er jedoch aufgrund der aktuellen politischen Situation in Dänemark.11 Auf der Basis dieser Fokussierung auf eine gemeinsame skandinavische Vorgeschichte manifestierten sich starke antideutsche Ressentiments, welche als ein integraler Bestandteil der politischen und kulturellen Abgrenzungsbewegung zum südlichen Nachbarn nach 1864 ein zweites zentrales Motiv dänischer Innen- und Außenpolitik darstellten. Die Aufwertung der eigenen Historie und Kultur, damit einhergehend der dänischen gegenüber der deutschen Sprache, sowie die starke Orientierung Richtung Norden zielten auf eine Verdrängung deutscher Einflüsse, die im dänischen Gesamtstaat traditionell besonders groß waren, ab.12

8 Roesdahl, Else. Vikingerne i dansk kultur. In: Fortid og Nutid; 2/1994. S. 158 – 172; Strömholm, Stig. Zur kulturellen Identität des Nordens – Mythen und Realitäten. In: Henningsen, Bernd (Hrsg.). Das Projekt Norden. Essays zur Konstruktion einer europäischen Region (Wahlverwandtschaft – Der Norden und Deutschland. Essays zu einer europäischen Begegnungsgeschichte; 9). Berlin 2002. S. 103 – 117. 9 »[…] brug for national og nordisk oprustning, et spørgsm”l om kulturel overlevelse.« Roesdahl, Vikingerne, 1994. S. 163. Zitate in dänischer Sprache sind in dieser Arbeit, wenn nicht anders gekennzeichnet, vom Verfasser selbständig ins Deutsche übersetzt. Die Originalzitate finden sich zum Vergleich in der entsprechenden Fußnote. 10 Magdalena Hillström hebt in ihrem Artikel zur Entstehung der historischen Museen in Skandinavien die Bedeutung des panskandinavischen Gedankens hervor. So sei der Skandinavismus elementares Bestandteil ihrer Entstehungsgeschichte. Hillström, Contested Boundaries, 2010. S. 583. 11 Vgl. Strömholm, Zur kulturellen Identität des Nordens, 2002. S. 109: »In Dänemark wurde der Nordismus vor allem Losung und Feldgeschrei im Kampf des bedrohten Reiches gegen Deutschland. […] hier sind Goldhörner, Gorm und Tyra Dannebod ›angesagt‹.« 12 Für diese neue Ausrichtung der dänischen Politik und Kultur paradigmatisch waren Norman Berdichevsky zufolge die Lehren des Reformers N.F.S. Grundtvig, in denen anhand der »Volklichkeit« und der nationalen Eigenheiten eine klare Abgrenzung gegenüber allen Nichtdänen gezogen wurden. Vgl. Berdichevsky, Danish-German Border Dispute, 2002. S. 60 ff.

52

Grenzverschiebung I

Die dritte Konstante dänischer Politik und Gesellschaftskonzeption in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war zuvorderst der Verschiebung der deutsch-dänischen Kräfteverhältnisse geschuldet. Vor allem aus der Niederlage bei Düppel etablierte sich die Deutung eines schicksalsschweren Ereignisses. Trotz der militärischen Niederlage wurden die Ereignisse aufgrund der vermeintlichen Legitimität des eigenen Handelns sowie der tapferen Opferbereitschaft angesichts der feindlichen Übermacht in einen moralischen Sieg umgedeutet.13 Die Deutschen, allen voran Reichskanzler Otto von Bismarck, entwickelten sich in dieser Deutung zu den Erbfeinden Dänemarks, die Schleswig unrechtmäßig und mit Gewalt an sich gerissen haben. Dieses Narrativ, das klar zwischen Opfern und Tätern unterschied, bedingte eine Verdrängung der aggressiven Rolle der eiderdänischen Bewegung und des dänischen Nationalismus in der Entfaltung des Konflikts und erlaubte so die Konstruktion eines positiv konnotierten Selbstbildes, welches von grundlegender Bedeutung für die Identität der dänischen Nation nach 1864 war. Sowohl das Opfererlebnis und das hieraus abgeleitete Identitätsangebot für die Bewohner des Staates als auch das Vergessen bestimmter Aspekte der Historie nannte der französische Theoretiker Ernest Renan 1882 in seiner berühmten Rede »Was ist eine Nation?« an der Pariser Sorbonne als signifikant für die Herausbildung kollektiver, nationaler Identitäten: Eine Nation ist also eine große Solidargemeinschaft, getragen von dem Gefühl der Opfer, die man gebracht hat, und der Opfer, die man noch zu bringen gewillt ist. Sie setzt eine Vergangenheit voraus, aber trotzdem fasst sie sich in der Gegenwart in einem greifbaren Faktum zusammen: der Übereinkunft, dem deutlich ausgesprochenen Wunsch, das gemeinsame Leben fortzusetzen.14

Der Fall Dänemarks lässt sich somit als ein Modellbeispiel der im 19. Jahrhundert von Renan aufgestellten Nationstheorie sehen, in der das kollektive Ver-

13 Vgl. Adriansen, Inge. Nationale Symboler i Det Danske Rige 1830 – 2000. Bd. 2: Fra unders”tter til Nation. Kopenhagen 2003. S. 252 f. Zahlreiche Augenzeugenberichte und Publikationen nach 1864 zeugen von der Verbreitung und Akzeptanz dieser zeitgenössischen Ereignisdeutung. Vielfach wurde die Schlacht bei den Düppeler Schanzen mit dem Verteidigungskampf der Griechen gegen die Perser bei den Thermopylen verglichen. So bezeichnete etwa der Schriftsteller Christen Christensen in seinen Kriegserinnerungen den Ort des Gefechtes als »Düppels blutgetränkte Erde, Dänemarks ›Thermopylen‹.« [»Dybbøls blodvædede jord, Danmarks ›Thermopylae‹.«] Christensen, Christen. Krigsminder fra Danevirke og Dybbøl. Neue Aufl. Kolding 1963. S. 5. 14 Renan, Ernest. Was ist eine Nation? Vortrag in der Sorbonne am 11. März 1882. In: Jeismann, Michael/Ritter, Henning (Hrsg.). Grenzfälle. Über neuen und alten Nationalismus. Leipzig 1993. S. 290 – 311, hier S. 309. Zu der Funktion des Vergessens für die Entstehung von Nationen siehe S. 294.

Eine Region im Wandel: Schleswig-Holstein nach dem Deutsch-Dänischen Krieg

53

gessen mindestens die gleiche Bedeutung für das Selbstbild der Nation besitzt wie das kollektive Erinnern.15 Die zentralen historischen Voraussetzungen für die Ausrichtung der dänischen Politik in den folgenden Jahrzehnten waren somit sowohl eine starke Verlusterfahrung als auch ein ständiges Bedrohungsszenario eines als übermächtig empfundenen deutschen Nachbarn. In der konkreten politischen Umsetzung wirkte sich dies in Form einer strikten Neutralitätspolitik des dänischen Staates aus, um so weitere militärische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Da eine Rückgewinnung Schleswigs spätestens mit dem deutschen Sieg über Frankreich 1871 und der damit verbundenen deutschen Vormachtsstellung in Europa obsolet geworden war, galt es auch, eine weitere deutsche Einflussnahme auf den dänischen Staat zu verhindern.16 Der Historiker Troels Fink wies in den 1960er Jahren darauf hin, dass für »die dänische Außenpolitik […] das Verhältnis zu Deutschland [seitdem] das Problem« schlechthin darstellte.17 Während der Deutsch-Dänische Krieg für den dänischen Gesamtstaat mit dem Verlust des Status einer Großmacht eine negative Zäsur bedeutete und eine demoralisierte Gesellschaft hinterließ, wurden die Ereignisse in den deutschen Ländern mythologisiert. Als erster der drei so genannten Einigungskriege standen die Auseinandersetzungen mit dem nördlichen Nachbarn für den Beginn der durch Reichskanzler Otto von Bismarck eingeleiteten deutschen Sammlungsbewegung. Die Hoffnung zahlreicher Schleswig-Holsteiner auf einen gemeinsamen und selbständigen Staat unter augustenburgischer Führung innerhalb des Deutschen Bundes, für den sie im Schleswig-Holsteinischen Krieg gekämpft hatten,18 zerschlug sich dagegen jedoch rasch. Der anfänglichen pro-

15 Andere Gedächtnistheoretiker, wie der Althistoriker Egon Flaig, betonen in Anlehnung an Renan und Maurice Halbwachs – »Nicht nur Erinnern, sondern auch Vergessen ist daher ein soziales Phänomen« – die maßgebliche Rolle des kollektiven Vergessens in der Herausbildung positiver Identitäten: »Der Begriff des kulturellen Vergessens scheint somit komplexer zu sein als derjenige des kulturellen Gedächtnisses.« Flaig, Egon. Soziale Bedingungen des kulturellen Vergessens. In: Didi-Huberman, Georges (Hrsg.). Die Ordnung des Materials. Plastizität, Unbehagen, Nachleben (Vorträge aus dem Warburg-Haus; 3). Berlin 1999. S. 31 – 100, hier. S. 39 ff. 16 »Der deutsche Schatten legte sich über Dänemark, und die Angst, daß Bismarck seine Siegesbahn mit der Eroberung ganz Dänemarks fortsetzen würde, machte sich mancherorts geltend. Die Angst vor Deutschland ist ein fester Zug in der dänischen Außenpolitik seit 1864, und sie wurde beträchtlich verstärkt seit 1871.« Fink, Deutschland als Problem Dänemarks, 1968. S. 70. 17 Ebd. S. 7. 18 Die Augustenburger waren eine Nebenlinie der Herzöge von Schleswig-Holstein-Sonderburg. Aufgrund von Erbstreitigkeiten um die dänische Krone stellten sich die Augustenburger im Schleswig-Holsteinischen Krieg gegen das dänische Königshaus. Nach der Kriegsniederlage mussten sie ihren Stammsitz auf der Insel Alsen verlassen, erst nach 1864 konnten sie hierhin zurückkehren. Vgl. Venborg Pedersen, Mikkel. Die Herzöge von Au-

54

Grenzverschiebung I

visorischen Regierungsregelung mit österreichischen und preußischen Zivilkommissaren folgte nach den preußisch-österreichischen militärischen Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in Deutschland 1866 mit dem borussischen Sieg die Eingliederung der beiden Herzogtümer in das preußische Staatsgebiet.19 Die Grundlage hierfür bildete der Artikel V des zwischen den beiden deutschen Großmächten am 23. August 1866 geschlossenen Prager Friedensvertrags, in dem einerseits sämtliche Rechte Österreichs an Schleswig und Holstein an den preußischen Staat übereignet und andererseits das Recht der »Bevölkerungen der nördlichen Distrikte von Schleswig, wenn sie durch freie Abstimmung den Wunsch erkennen geben, mit Dänemark vereinigt zu werden, an Dänemark abgetreten werden sollen«,20 festgehalten wurden. Mit diesem Paragraphen des Prager Friedens verbanden sich nach seinem Bekanntwerden große Hoffnungen der dänischen Bevölkerung Schleswigs auf die Möglichkeit einer Rückkehr der Region zu Dänemark. Dass dieses Ansinnen keine Erfüllung erlangte, war zum einen durch Bismarcks Überzeugung bedingt, dass eine Grenzziehung nach dem nationalen Selbstbestimmungsrecht in dieser Region aufgrund der unklaren nationalen Verhältnisse nur schwer möglich sei.21 Zum anderen war dies der Tatsache geschuldet, dass die dänische Regierung bei einer möglichen Neuregelung der Grenzfrage eine deutsche Einmischung über die deutschgesinnte Minderheit in die inneren Angelegenheiten Dänemarks befürchtete und deswegen auf eine Einforderung der nationalen Selbstbestimmung der schleswigschen Bevölkerung verzichtete.22 Im Anschluss an den Deutsch-Dänischen Krieg setzte eine aktive Nationalitätspolitik der österreichischen und preußischen Zivilkommissare, die zur Verwaltung der Herzogtümer eingesetzt wurden, in der Provinz ein. Diese zielte auf eine Zurückdrängung dänischer Bildungs- und Kulturarbeit in Schleswig ab und stand konträr zu der seit 1850 in der Region von den dänischen Machthabern ausgeübten Politik des staatlich geförderten Dänentums.23 Zentrales Element dieser Anstrengung war die Auflösung zahlreicher dänischer Bildungs-

19 20 21

22 23

gustenburg. In: Porskrog Rasmussen, Carsten (Hrsg.). Die Fürsten des Landes. Herzöge und Grafen von Schleswig, Holstein und Lauenburg. Neumünster 2008. S. 310 – 341. Reumann, Wege zum Krieg, 1989. S. 5. Zit. nach: Hansen, Reimer u. a., Minderheiten, 1993. S. 192. Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, 1966. S. 260. Darüber hinaus war Bismarck bereits frühzeitig gewillt, die beiden Herzogtümer fest für Preußen zu gewinnen, so dass die mögliche Abtretung von Teilgebieten an Dänemark von vornherein wenig realistisch war. Vgl. Jürgensen, Kurt. Die Eingliederung der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg in das preußische Königreich. In: Baumgart, Peter (Hrsg.). Expansion und Integration. Zur Eingliederung neugewonnener Gebiete in den preußischen Staat (Neue Forschungen zur Brandenburg-Preussischen Geschichte; 5). Köln 1984. S. 327 – 356, hier S. 330. Reumann, Wege zum Krieg, 1989. S. 8. Vgl. zur dänischen Sprachpolitik in Schleswig zwischen 1850 und 1864: Hansen, Minderheiten, 1993. S. 81 ff.

Eine Region im Wandel: Schleswig-Holstein nach dem Deutsch-Dänischen Krieg

55

einrichtungen und Kirchengemeinden bis 1867.24 Vor allem in den Jahren nach der deutschen Reichsgründung verstärkte sich diese restriktive Politik der nun rein preußischen Regionalbehörden: Neben einer grundlegenden Modernisierung der Verwaltung25 und strukturellen Neuausrichtung der Wirtschaft zum Süden hin26 bedeutete dies eine gegen dänische und regional schleswig-holsteinische Entwürfe ausgerichtete nationale Geschichtspolitik. Diese sollte der in Schleswig-Holstein im Anschluss an die preußische Annexion weitverbreiteten Enttäuschung über die Eingliederung der Region – die preußische Hegemonie wurde von den deutschgesinnten Schleswig-Holsteinern ebenso wie die dänische als eine Fremdherrschaft angesehen – entgegenwirken.27 Von signifikanter Bedeutung für die angestrebte Borussifizierung des Geschichtsbewusstseins war die Verdrängung beziehungsweise Überlagerung regionaler respektive dänischer Alternativangebote. Dies konnte laut der Historiker Carsten Jahnke und Sönke Loebert erfolgreich durch eine staatliche Beeinflussung des Lehr- und Bildungsangebots an Schulen und Universitäten sowie die Etablierung preußisch-nationaler Meisternarrative erreicht werden.28 Eine weitere Verschärfung der Sprachregelungen, die sich nun über den Bereich der Bildung hinaus auch auf die Verwaltung und das Rechtswesen erstreckten, war hingegen weniger preußische Geschichtspolitik, sondern vielmehr ein zentraler Bestandteil einer generellen »Eindeutschungspolitik« in den folgenden Jahren.29 Für die Durchsetzung des preußischen Herrschaftsanspruchs gegen eine oppositionelle schleswig-holsteinische Bewegung und ein überwiegend negatives Preußenbild in der Region waren der Sieg über Frankreich und die Reichsgründung 1871 von grundlegender Wichtigkeit.30 Die deutsche Nationalbewegung und die euphorisierte Stimmung aufgrund des Triumphs über den französischen Erzfeind machten viele zuvor antipreußisch gesinnte Schleswiger zu Unterstützern des Staates. Daneben führten eine »kluge preußische Gesetzgebung, die Herstellung der engen Verbindung von Holstein und Schleswig, die 24 Ebd. S. 88. 25 Hansen, Nationalitetskamp og modernisering, 2009. S. 141 ff.; Hauser, Oswald. Staatliche Einheit und regionale Vielfalt in Preußen. Der Aufbau der Verwaltung in Schleswig-Holstein nach 1867. Neumünster 1967. 26 Lange, Ulrich (Hrsg.). Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 2. Aufl. Neumünster 2003. S. 385. 27 Zimmermann, Harm-Peer. »… schmeiß’ die Preußen aus dem Land!« Die demokratische und augustenburgische Opposition in Schleswig-Holstein 1863 – 1881. In: Demokratische Geschichte; 8 (1993). S. 9 – 34. 28 Jahnke, Carsten. Die Borussifizierung des schleswig-holsteinischen Geschichtsbewußtseins, 1866 – 1889. In: Zeitschrift für Schleswig-Holsteinische Geschichte; 130 (2005). S. 161 – 191; Loebert, Vergangenheit, 2008. 29 Vgl. Hansen, Minderheiten, 1993. S. 88 ff. 30 Reinhardt, Georg. Preußen im Spiegel der öffentlichen Meinung Schleswig-Holsteins 1866 – 1870 (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; 29). Neumünster 1954.

56

Grenzverschiebung I

Zugehörigkeit der Herzogtümer zum neu gegründeten Deutschen Reich, aber auch die Wahrung einer schleswig-holsteinischen Identität«31 zu einer größeren Akzeptanz der Eingliederung. Diese Entwicklung drückte sich etwa durch Stimm- und Mandatsverluste der augustenburgischen Partei bei den Reichstagswahlen 1871 und 1874 aus.32 Der Prozess der Integration Schleswig-Holsteins in den preußischen Staat entwickelte sich laut dem Historiker Kurt Jürgensen demzufolge »von einer gewaltsam erzwungenen äußeren Annexion zu einem inneren Anschluß an Preußen […].«33 Gleichzeitig ging mit der Borussifizierung der Region eine politische und gesellschaftliche Ausgrenzung der dänischgesinnten Schleswiger einher. Die staatlich gelenkte Neuorientierung und Fokussierung der beiden Herzogtümer auf wirtschaftlicher, politischer und kultureller Ebene Richtung Preußen beziehungsweise Deutschem Reich hatte die innere Abwendung einer großen Bevölkerungsgruppe, die sich mit dem dänischen Staat identifizierte, zur Folge. In zahlreichen Vereinen, Volksschulen, Bildungseinrichtungen und Presseorganen gründeten sie ihr eigenes Netzwerk außerhalb staatlich gelenkter Organisationen und versuchten so der »Eindeutschungspolitik« nach 1864 zu entgehen.34 Eine gewisse anfängliche Tolerierung dieser dänischen Strukturen durch die preußischen Behörden war der Überzeugung geschuldet, dass der Rückgang der dänischen Gesinnung in Schleswig eine natürliche Konsequenz der preußischen Geschichts- und Identitätspolitik sein werde.35 Mit dem Amtsbeginn von Regierungspräsident Karl Hermann Bitter 1873 setzte jedoch eine sich verschärfende antidänische Repressionspolitik gegen diese Strukturen in der Region ein. Neben der Auflösung zahlreicher Vereine, die von den Behörden als politisch deklariert wurden, waren Beschränkungen der Lehrtätigkeit dänischer Bildungseinrichtungen, Ausweisungen von dänischen Lehrern und Journalisten, politische Gefängnisstrafen sowie die schon zuvor erwähnte Verschärfung der Sprachenbestimmungen deutlichste Merkmale der Germanisierungspolitik.36 Seit Anfang der 1890er Jahren folgte zudem eine deutsche Bodenpolitik, die darauf abzielte, möglichst viel Grundbesitz in Nordschleswig in die Hände deutschgesinnter Landwirte zu bringen, um so einerseits Einfluss auf die nationale Gesinnung der Bevölkerung zu erhalten und andererseits die Basis für eine dauerhafte Verankerung einer deutschen Bevölkerung in dieser weiterhin Jürgensen, Eingliederung der Herzogtümer, 1984. S. 353. Hansen, Nationalitetskamp og modernisering, 2009. S. 147 f. Jürgensen, Eingliederung der Herzogtümer, 1984. S. 353. Fink, Troels. Geschichte des schleswigschen Grenzlandes. Kopenhagen 1958. S. 157 ff.; Hansen, Nationalitetskamp og modernisering, 2009. S. 152 ff. 35 Hansen, Minderheiten, 1993. S. 92. 36 Hansen, Nationalitetskamp og modernisering, 2009. S. 156 f. und 200 ff. Siehe auch: Hansen, Minderheiten, 1993. S. 90 ff.

31 32 33 34

Eine Region im Wandel: Schleswig-Holstein nach dem Deutsch-Dänischen Krieg

57

mehrheitlich dänischen Region zu erlangen. Startschuss für diesen »nationalen Bodenkampf« bildete die Gründung des Ansiedlungvereins für das westliche Nordschleswig 1891,37 der in den Folgejahren bis 1916 den Ankauf zahlreicher Gutshöfe, die als Domänen an Deutschgesinnte verpachtet wurden, im Auftrag des preußischen Staats lenkte.38 Eine nochmals weitere Verschärfung der deutschen Germanisierungspolitik in Schleswig-Holstein setzte mit der Ernennung von Ernst-Matthias von Köller zum Oberpräsidenten der Provinz 1897 ein. Seine Linie gegenüber der dänischen Kultur- und Bildungsarbeit erhielt die Bezeichnung »Köllerpolitik« und stand für eine rigorose Haltung in der Frage der Sprachregelung, die Schließung von Versammlungshäusern sowie die Ausweisung zahlreicher dänischgesinnter Schleswiger nach Dänemark bei gleichzeitiger heimlicher finanzieller Unterstützung deutscher Vereine, Organisationen und Einrichtungen im Grenzland.39 Die von von Köller angestrebte Germanisierung der Bevölkerung scheiterte jedoch zum einen am Widerstand der dänischen Bevölkerung sowie zum anderen an der zunehmenden Kritik seiner Politik auch aus deutschen, vor allem liberalen und sozialdemokratischen Kreisen, die schließlich zu seiner Absetzung im Jahre 1901 führte.40 Stattdessen hatte seine Politik sogar weitere Brüche innerhalb der Bevölkerung zur Folge, so dass sich dänisch- und deutschgesinnte Schleswig-Holsteiner zu Beginn der 20. Jahrhunderts unversöhnlich gegenüberstanden. Die nationale Gesinnungslinie, die rund 60 Jahre zuvor noch keine große Rolle im Zusammenleben der Menschen dieser Region gespielt hatte, stellte nun das entscheidende Hindernis für ein friedliches Miteinander dar.

37 Møller Terkildsen, Ingvert. De sønderjyske domæneg”rde (Sønderjyske billeder; 7). Apenrade 2001. S. 13 ff. 38 Dem Ansiedlungsverein stand ab 1898 der Foreningen af 5. Oktober 1898 gegenüber, der im Dänischen Reich Geld als günstiges Darlehen für dänischgesinnte Bewohner der Region zum Zweck des Erwerbs von Bauernhöfen und Grundbesitz in Nordschleswig sammelte. Hansen, Nationalitetskamp og modernisering, 2009. S. 216 f. 39 Ebd. S. 218 f. 40 Vgl. zur »Köllerpolitik«: Sievers, Kai Detlev. Die Köllerpolitik und ihr Echo in der deutschen Presse 1897 – 1901 (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; 47). Diss. Neumünster 1964.

58

Grenzverschiebung I

II.2. Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig II.2.a. Ethnische Bauernhausforschung und Grenzfragen Die großen politischen Verwerfungen, die sich durch den Schleswig-Holsteinischen (1848 – 1851) und vor allem den Deutsch-Dänischen Krieg (1864) ergaben, bedeuteten letztlich nicht nur eine Verschiebung territorialer Grenzen. Mit dem Verlust des schleswigschen Grenzlandes und darüber hinaus des Herzogtums Holstein als Teil des dänischen Gesamtstaates wurde das Ende des dänischen Imperiums eingeleitet. Nach 1864 bestand in Dänemark das Bedürfnis, eine neue nationale Identität zu entwickeln, die mit den veränderten Verhältnissen im Einklang stand. Hierbei kam es zu der Konstruktion eines staatlichen Kollektivs bestehend aus einer Einheit von territorialem Staat, politischer Nation und dem Volk.41 Die Grundlage dieses kollektiven Selbstbildes lag in der Hervorhebung einer vermeintlich kulturell homogenen Nation zwischen dem Skagerrak im Norden und dem Fluss Eider im Süden. Dem territorialen Verlust Norwegens42 und schließlich Schleswig-Holsteins begegnete man durch die Besinnung auf die Kerngebiete Dänemarks, die aufgrund einer ethnisch-theoretischen Basis als politisch, territorial und kulturell untrennbar erklärt wurden.43 Es galt vor allem, die »bedrohte« Region Schleswig, obwohl sie nun innerhalb des preußischen Hegemoniegebiets lag, als weiterhin zu Dänemark gehörend darzustellen und auf kultureller Basis den eigenen politischen Machtanspruch aufrechtzuerhalten. Bereits 1848 setzten erste Bestrebungen ein, die »verdeutschten«44 Gegenden und deren Bevölkerungen durch eine nationale Kulturpolitik, die neben der Erforschung und Instrumentalisierung der Sprache und Volkskunst – also den immateriellen Zeugnissen – auf das materielle Erbe in Form von archäologischen Funden und historischen Bauweisen setzte, zu danisieren.45 Eine prägnante Stellung nahm hierbei die Inventarisierung und wissenschaftliche Bearbeitung der in der Region vorhandenen Bauernhäuser ein. Anhand des Bauerbes, so die Überzeugung, könne eine vermeintlich feste deutsch-

41 Vgl. Adriansen, Erinnerungsorte, 2004. S. 391 f. 42 Durch die politische Unterstützung Frankreichs in den Napoleonischen Kriegen wurde Dänemark aufgrund der Bestimmungen im Frieden von Kiel vom 14. Januar 1814 zur Abtretung Norwegens an Schweden gezwungen. 43 Stoklund, Bjarne. G”rdtyper og boligformer. In: Ders. (Hrsg.). Tingenes kulturhistorie. Etnologiske studier i den materielle kultur. Kopenhagen 2003. S. 79 – 110, hier S. 80. 44 »fortyskede« 45 Stoklund, Bjarne. Bondebygninger og folkekarakter. Striden om »den etnografiske grænse« mellem dansk og tysk 1840 – 1940. In: Ders. (Hrsg.). Kulturens Nationalisering. Et etnologisk perspektiv p” det nationale. Kopenhagen 1999. S. 48 – 65, hier S. 49 f.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

59

dänische Scheidelinie zwischen Schlei und Danewerk geografisch klar definiert werden: »[…] nach Süden fand man den ›sächsischen‹ oder deutschen Hof, nach Norden herrschte der vierkantige dänische Bauernhof.«46 Diese vom dänischen Historiker Carl Ferdinand Allen initiierte Bewegung stieß auf deutscher, aber auch von Seiten der Friesen, die seither in den westschleswigschen Küstengebieten siedelten, auf Widerspruch, der sich hauptsächlich auf zwei Punkte konzentrierte: So kritisierte etwa der friesische Sprachwissenschaftler Knut Jungbohn Clement, dass die Festlegung einer klaren Grenzlinie anhand der Bauernhausformen die friesische Bauweise, die weder deutsch noch dänisch sei, sondern Ausdruck einer kulturellen Eigenständigkeit, außer acht lasse: Es sei sicher, dass die Bauweise der Häuser im größten Teil dieses Landes nicht dänisch ist, aber auch nicht deutsch. Von der Schlei bis zur Hadersleber Förde, Alsen mitgerechnet, ist der Baustil in allen Gebäuden und Häusern nahezu der gleiche. Erst nördlich von Hadersleben beginnt die Bauweise der Höfe und Häuser sich zu verändern und deutet […] einen dänischen Charakter an.47

Jungbohn sprach ein zeitgenössisches Desiderat der Hausforschung an, welches nicht mit der mehrheitlich vertretenen Ansicht von eindeutig zuzuordnenden nationalen Bauweisen im Grenzgebiet im Einklang stand. Der dänische Architekturhistoriker Peter Dragsbo attestierte 2008, dass zu Beginn der kulturhistorischen Hausforschung in der Mitte des 19. Jahrhunderts drei unterschiedliche Bauformen im Herzogtum Schleswig vorlagen, die eher von gegenseitiger kultureller Beeinflussung als von Abgrenzung sprechen würden und somit auch nicht eindeutig in deutsch und in dänisch zu kategorisieren seien.48 Dies lasse sich darauf zurückführen, dass »es in Kulturgrenzgebieten eine gewisse Wahlfreiheit – oder richtiger : eine größere Innovationsakzeptanz neuen Elementen 46 Stoklund, Bjarne. G”rdtyper og boligformer. In: Ders. (Hrsg.). Tingenes kulturhistorie. Etnologiske studier i den materielle kultur. Kopenhagen 2003. S. 79 – 110, hier S. 82. Vgl. hierzu die Streitschrift von Carl Ferdinand Allen, der 1848 als erster die Bauernhausformen als Beweis für den urdänischen Charakter der Region Schleswig anführte. Allen, Carl Ferdinand. Om Sprog- og Folke-Eiendommelighed i Hertugdømmet Slesvig eller Sønderjylland (Antislesvigholstenske Fragmenter ; 6). Kopenhagen 1848. 47 »[…] at husernes byggem”de i den største del af dette land ikke er dansk, men heller ikke tysk. Fra Slien til Haderslev fjord, Als medregnet, er byggem”den i alle boliger og huse næsten helt den samme. Først nord for Haderslev begynder g”rdees og husenes byggem”de at forandre sig og antage en dansk karakter.« Zit. nach: Stoklund, Bondebygninger og folkekarakter, 1999. S. 52. 48 Dragsbo unterscheidet hier zwischen dem dänischen Vierseithof nördlich der Linie Ripen und Genner Bucht, dem niederdeutschen Hallenhaus südlich der Schlei sowie im gesamten Übergangsgebiet einem dritten Haustyp in zahlreichen Varianten. Vgl. Dragsbo, Peter. Der schleswigsche Bauernhof und das nordeuropäische Wohnstallhaus. Alte Themen – neue Sichten? In: Ders. (Hrsg.). Haus und Hof in Schleswig und Nordeuropa. Heide 2008. S. 9 – 23, hier S. 9 und 19.

60

Grenzverschiebung I

gegenüber« gebe als in kulturellen Kerngebieten.49 Wie bereits Ende der 1980er Jahre von den Kulturwissenschaftlern Michel Espagne und Michael Werner am Beispiel der benachbarten Gesellschaften von Frankreich und Deutschland theoretisch aufgezeigt sowie von der Historikerin Claudia Ulbrich explizit belegt, lässt sich auch anhand der Bauernhausentwicklung in Schleswig aus heutiger Sicht ein Kulturtransfer von Norden und Süden in den Grenzraum hinein diagnostizieren. Der »Zusammenprall […der] Kultursysteme« im Grenzgebiet – hier im Bereich der Bauformen – ist daher nicht ein rein »kumulatives, sondern […] auch ein schöpferisches Verfahren«,50 aus dem ein gemeinsames transnationales Kulturerbe entstand.51 Diese Situation im Konfliktfeld der deutsch-dänischen territorialen Abgrenzungen stellte laut Ulbrich die zeitgenössischen Exklusionsbestrebungen beider Seiten infrage52 und verdeutlicht die von Vittoria Borsý festgestellte Durchlässigkeit von Grenzen, die zu einer gegenseitigen Beeinflussung der beiderseitigen Entitäten führt.53 Das »Problem« der dritten Hausform war bereits den in jener Zeit in der Bauernhausforschung des Grenzgebietes beteiligten Personen bekannt. Beiderseits der Grenze versuchten ab 1880 Historiker und Laien sich der Lösung dieser Frage anzunehmen und dabei einen für die eigene Nation möglichst vorteilhaften Befund zu erreichen, um sich einerseits auf kulturellem Gebiet abzugrenzen und andererseits Argumente für den deutschen beziehungsweise dänischen Charakter der Region zu finden.54 In diesen Untersuchungen stellten die Hausformen der Grenzregion, vor allem jener Bereiche, die nun auf deutschem Territorium lagen, für die dänische Wissenschaft ein zentrales Feld in der 49 Dragsbo, Peter. Bauernhöfe aus Alsen und Sundewitt. Hoftypen eines Kulturgrenzgebietes. In: Ders. (Hrsg.). Haus und Hof in Schleswig und Nordeuropa. Heide 2008. S. 96 – 107, hier S. 96. 50 Espagne, Michel/Werner, Michael. Deutsch-Fanzösischer Kulturtransfer als Forschungsgegenstand. Eine Problemskizze. In: Dies. (Hrsg.). Transferts. Les Relations Interculturelles dans l’Espace Franco-Allemand (XVIIIe et XIXe siÀcle). Paris 1988. S. 11 – 34, hier S. 21. 51 Vgl. Stoklund, Bjarne. Der schleswigsche Hof und die dänische Bauernhausforschung. In: Dragsbo, Peter (Hrsg.). Haus und Hof in Schleswig und Nordeuropa. Heide 2008. S. 24 – 43, hier S. 37 f.: »Es gibt einen besonderen Hoftyp, den wir den schleswigschen nennen können, in einer breiten Zone von Ost bis West Mittelschleswigs gelegen. Er unterscheidet sich von den niederdeutschen Hallenhäusern im Süden ebenso wie von den dänisch beeinflussten Höfen im Norden.« Zur Charakteristik dieser dritten Bauform siehe ebenfalls dort. Vgl. auch: Kulturarvstyrelsen (Hrsg.). Landbrugets Bygninger 1850 – 1940. Sønderjyllands Amt. Kopenhagen 2005. S. 14 – 21. 52 Ulbrich, Claudia. Transferprozesse in Grenzräumen. In: Lüsebrink, Hans-Jürgen/Reichardt, Rolf (Hrsg.). Kulturtransfer im Epochenumbruch. Frankreich-Deutschland 1770 bis 1815. Leipzig 1997. S. 131 – 137, hier S. 136. 53 Borsý, Grenzen, 2004. S. 22. 54 Auf dänischer Seite sind diese Bestrebungen in erster Linie mit den Namen des Zeichners Reinhold Mejborg und des Historikers Peter Lauridsen verbunden, auf deutscher mit denen der Historiker Rudolph Henning und August Meitzen.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

61

Suche nach einer vermeintlich charakteristischen dänischen Urform dar.55 So kam Reinhold Mejborg nach seiner Reise zur Bestandsaufnahme des Häuserbestandes in Schleswig zu der Schlussfolgerung, dass die »Verhältnisse an Dänemarks alter Südgrenze Zeugnis tragen vom Kampf, in dem erst die Slawen und Friesen und dann die dänische [Bauweise] sich vor den vordrängenden Deutschen beugte.«56 Er zeichnete das Bild einer urdänischen Region schlechthin, deren materielle Produkte Ausgangsbasis für die Bauwerke in ganz Dänemark gewesen seien. In seiner Abschlussstudie zu den nordischen Bauernhöfen des 16. bis 18. Jahrhunderts in Schleswig von 1892 wird der Versuch deutlich, eine klare Scheidelinie zwischen deutsch und dänisch anhand der Bauformen zu konstruieren.57 Hierbei ließ er vollkommen die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden, regionalen Ausprägung der Bauweise außer Acht, wie sie von der heutigen Geschichtswissenschaft für den deutsch-dänischen Grenzraum attestiert wird.58 Mejborgs Befund besaß im Umfeld seines historischen Kontextes hingegen eine große Kausalität: Als Folge des territorialen Verlustes von 1864, so der Historiker Steen Bo Frandsen, sei das nationale Zentrum Kopenhagen bestrebt gewesen, »jeden Zweifel über Dänemarks Homogenität« zu tabuisieren und ein »monopolitisches Bild von einem dänischen Staat ohne regionale Unterschiede« zu zeichnen.59 Die Darstellung Mejborgs lässt sich somit als der 55 Beispielsweise suchte der Historiker Bernhard Olsen für die Zusammenstellung des dänischen Freilichtmuseums nach passenden Gebäuden für die Ausstellung zunächst in den verlorenen Grenzgebieten Schonen und Schleswig in der Annahme, hier die ältesten Zeugnisse dänischer Baukunst zu finden. Vgl. Stoklund, Bondebygninger og folkekarakter, 1999. S. 52. 56 »Forholdene ved Danmarks gamle Sydgrænse, hvor Bygningsskikkene bærer Vidnesbyrd om dan Kamp, hvori først Slaverne og Friserne og siden de danske bukkede under for de fremtrængde Tyskere.« Mejborg, Reinhold. Gamle danske Hjem i det 16de, 17de og 18de Aarhundrede. Kopenhagen 1888. S. 125 f. 57 Mejborg, Reinhold. Nordiske Bøndergaarde i det XVIde, XVIIde og XVIIIde Aarhundrede i Slesvig. Kopenhagen 1892. S. 54. Der dänische Historiker Bjarne Stoklund legte hierzu dar, dass Mejborg es als seine nationale Pflicht ansah, das vorgefundene Material anhand eines zwischen deutsch und dänisch abgrenzenden Rasters zu untersuchen, seine Funde aber nicht so recht in dieses Schema passten. Trotz dessen habe er versucht, die dritte Hausform als dänische Ausprägung darzustellen. Vgl. Stoklund, Bondebygninger og folkekarakter, 1999. S. 54. 58 Kulturarvstyrelsen, Landbrugets Bygninger, 2005. S. 13. 59 »[…] enhver tvivl om Danmarks homogenitet«; »[…] monopolitiske billede af en dansk stat uden regionale forskelle […]«. Frandsen, Steen Bo. Jylland og Danmark – kolonisering, opdagelse eller ligeberettiget sameksistens? In: Østerg”rd, Uffe (Hrsg.). Dansk Identitet? ærhus 1992. S. 57 – 77, hier S. 104. Diese Entwicklung im Anschluss von 1864 war nicht neu, sondern entstand bereits während des Nationalisierungsprozesses in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der nationalliberale Vordenker Orla Lehmann sprach 1838 davon, dass es in Dänemark keine Provinzen gibt – »der gives i Danmark ingen Provindser« –, sondern nur ein Dänemark, welches von Dänen bewohnt wird: »Dänen gleichen Stammes, mit gleicher Geschichte, ein einziges untrennbares Volk mit gemeinsamem Charakter und Bräuchen,

62

Grenzverschiebung I

Versuch interpretieren, einer möglichen Theorie von einem gemeinsamen transnationalen Kulturerbe durch die Konstruktion eines nationalen Gegensatzes in der bäuerlichen Architektur entgegenzutreten und darüber hinaus das Bild von »Deutschland als Problem Dänemarks« zu festigen. Der südliche Nachbar strebe, so die weitverbreitete Überzeugung, seit längerer Zeit danach, in dänisches Territorium vorzudringen und die Zeugnisse der heimischen Kultur zu verdrängen. Mit dieser Sicht verband sich gleichzeitig der hier unartikulierte Anspruch, die urdänische Region Schleswig wieder zurückzugewinnen. Mejborgs Modell, welches anhand der drei unterschiedlichen Hofformen klare Volkstumsgrenzen ziehen wollte, stieß aufgrund seines konstruktivistischen Charakters und der nicht eindeutigen Interpretierbarkeit auch auf Kritik aus den eigenen Reihen. Der dänische Historiker Peter Lauridsen etwa bemerkte: Das besonders Auffallende bei dieser Einteilung ist natürlich, daß sie eine Scheidelinie nicht nur zwischen sächsischer und dänischer Bauweise ungefähr an der ethnographischen Grenze zieht, sondern daß sie eine ähnliche quer durch die dänische Hauslandschaft legt, wodurch diese in zwei verschiedenartige »Bygder« oder Hauslandschaften getrennt wird.60

Dementsprechend versuchte er die auf Feldmaterial basierende Studie von Mejborg durch eigene Forschungen, die auf Archivalien beruhten, weiterzuentwickeln und das Problem der eindeutigen Grenzziehung zu lösen. Lauridsen resümierte, dass die in Mittelschleswig vorzufindende Hausform die dänische Urform sei und sich hieraus die weiter nördlich gebildeten Bauweisen abgeleitet hätten. Sein evolutionistisches Modell ging von einem Langhaus mit Wohnung und Stall als Ausgangstyp aus, aus dem sich anschließend Höfe mit zwei und mehr Gebäuden entwickelten. Schließlich sei hieraus der in Dänemark typische Vierseithof entstanden.61 Der Historiker kombinierte in seiner Studie zum dänischen und deutschen Baustil in Sønderjylland62 eine klare ethnografische Abgrenzung zum südlichen Nachbarn – so lasse sich anhand der Bauernhäuser nicht von einem fremden Kultureinfluss sprechen – mit einem evolutionistigemeinsamer Sprache und Literatur, mit gemeinsamen Erinnerung und Hoffnungen […].« (»Danske af samme Æt, med samme Historie, et eneste udeleligt Folk med fælles Charakter og Sæder, fælles sprog og Litteratur, med fælles Minder og Forhaabninger […].«) Die Konzentration auf die dänischen Kerngebiete nach der Niederlage gegen Preußen und Österreich beinhaltete einen Rückgriff auf dieses Motiv mit dem Ziel, den äußeren (Gebiets-) Verlust durch innere Einheit zu kompensieren. Ebd. 60 Zit. nach: Stoklund, Der schleswigsche Hof, 2008. S. 30. 61 Ebd. S. 31. 62 Lauridsen, Peter. Om dansk og tysk Bygningsskik i Sønderjylland. In: Historisk Tidsskrift; 6/ VI (1895). S. 43 – 113.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

63

schen Erklärungsmodell, welches die Hausformen Schleswigs zu den urdänischen baulichen Ausprägungen schlechthin erklärte.63 Sowohl Mejborgs Aufrisszeichnungen als auch Lauridsens Archivmaterial hatten in der Folgezeit in Dänemark innerhalb der Hausforschung eine Referenzbedeutung inne. Auch die in diesem Bereich tätigen deutschen Wissenschaftler nutzten die von ihnen vorgelegten Quellen, um ihrerseits eigene Einordnungen der Bauformen vorzunehmen und zu einem grundlegend anderen Ergebnis als die beiden Dänen zu kommen. Im Sinne der Pioniere auf diesem Gebiet, der Historiker Rudolph Henning64 und August Meitzen,65 deren Forschungen bis zum Zweiten Weltkrieg Referenzen darstellten, lassen sich die Arbeiten der deutschen Hausforschung im deutsch-dänischen Grenzgebiet in eine stammeshistorische Linie einordnen. Die im schleswigschen Raum vorgefundenen Hofformen wurden dementsprechend, vor allem vom deutschen Historiker Karl Rhamm,66 als regionale Spezifika gedeutet, die in der Bautradition germanischer Stämme stehen würden.67 So versuchte die deutsche Wissenschaft das jütische Haus als eine explizit germanische Entwicklung darzustellen, welches sich klar dem deutschen Kulturkreis zuordnen lasse und keine dänischen Einflüsse vorweise. Auch tritt deutlich erkennbar der Versuch hervor, eine ethnografische Grenze festzulegen, die das Bauerbe der Region als ein exklusives der eigenen Seite darstellt. Im Gegensatz zu der dänischen Darstellung ging es jedoch nicht darum, eine eindeutige geographische Scheidelinie zu finden, die der vermeintlich klaren Abgrenzung zum Nachbarstaat diente, sondern die Grenze und die Möglichkeit ihrer weiteren Verschiebung nach Norden bewusst offen zu halten. Dem dänischen Streben nach ethnischer und kultureller Homogenität stand die deutsche Sammlungsbewegung gegenüber, deren endgültige Grenzen noch nicht festgelegt waren. Die unterschiedlichen Bewertungen des materiellen Kulturerbes »Bauernhaus« sind aufgrund dessen eindeutig auf die differenten politischen Prozesse der Nationenbildung in den beiden Nachbarstaaten zurückzuführen. Das sich nach 1864 weiter verstärkende Einheitsdenken in Dänemark, welches den äußeren territorialen Verlust durch einen inneren kulturellen Gewinn 63 Vgl. Stoklund, G”rdtyper og boligformer, 2003. S. 83. 64 Henning, Rudolph. Das deutsche Haus in seiner historischen Entwickelung. Straßburg 1882. 65 Meitzen, August. Das deutsche Haus in seinen volksthümlichen Formen. Behufs Ermittelungen über die geographische und geschichtliche Verbreitung. Berlin 1882. 66 Rhamm, Karl. Altgermanische Bauernhöfe im Übergang vom Saal zu Fletz und Stube. Braunschweig 1908. 67 Die regionalen Unterschiede lassen sich, so Rhamm, als eine Folge der Völkerwanderungszeit sehen. Jede Hausform könne so auf einen germanischen Stamm zurückgeführt werden: In dem Fall Schleswigs handele es sich bei den Hofformen um das kimbrische beziehungsweise das jütische Haus. Stoklund, G”rdtyper og boligformer, 2003. S. 84; Stoklund, Der schleswigsche Hof, 2008. S. 58.

64

Grenzverschiebung I

ausgleichen sollte, bediente sich der Region Schleswig in seiner Identitätskonstruktion als ein Schlüsselelement. Jedwede regionale Abweichung bedeutete innerhalb dieser Identitätspolitik eine Schwächung des Nationalstaates und wurde im Keim erstickt. In jener Zeit waren, wie Steen Bo Frandsen feststellte, in dem skandinavischen Staat von der nationalstaatlichen Meistererzählung abweichende, regionale Geschichtsdarstellungen unerwünscht, »da sie ein unverträgliches Problem in einer Ideologie repräsentierten […,] welche die Existenz von inneren Interessengegensätzen vollkommen verneinte.«68 Gleichzeitig wurde es jedoch nötig, dem Grenzraum und dem »Erinnerungsort Schleswig/ Sønderjylland«69 als einziger Region des Landes eine eigenständige Historiographie zuzugestehen, um so den eigenen Anspruch in der Auseinandersetzung mit Deutschland Nachdruck zu verleihen: »Schleswig wurde die einzige Landschaft in der dänischen Geschichte mit einer eigenen geschriebenen Regionalgeschichte […].«70

II.2.b. Preußische Architekturpolitik in der Provinz Schleswig-Holstein Während es sich bei der Frage nach einer klaren Grenzziehung zwischen dänischem und deutschem Bauerbe in Schleswig um eine national geprägte Fachdiskussion der Historiographie handelte, machte sich die Eingliederung der beiden Herzogtümer in den preußischen Staat über die reale Bau- und Architekturpolitik auch für größere Bevölkerungskreise bemerkbar. Hierbei ergab sich ein enger Zusammenhang zwischen der staatlichen Haltung gegenüber der dänischen Minderheiten sowie der preußischen Geschichts- und Identitätspolitik einerseits und der Bauform öffentlicher Gebäude andererseits. In den Zeiten relativer Toleranz gegenüber der dänischgesinnten Bevölkerung und ihren Netzwerken unmittelbar nach 1864 waren die neu ausgeführten Bauwerke von keinem besonders stark national aufgeladenem Stil geprägt, vielmehr orientierten sie sich an internationalen Strömungen, wie etwa der Neubau des Oberpräsidiums in historistischer Prägung 1879, oder wurden gar noch von dänischen Architekten, wie die neue Schleswiger Domschule 1864, ausgeführt.71 Erst mit der Verschärfung der Sprachen- und Kulturpolitik der preußischen Regierung setzte ab der Mitte der 1870er, und verstärkt noch ab den 1880er Jahren, eine Instrumentalisierung der Architektur zu politischen Zwecken ein. 68 »[…] for den repræsenterede et omt”leligt problem i en ideologi, der […] blankt benægtede eksistensen af indre interessemodsætninger.« Frandsen, Jylland og Danmark, 1992. S. 108. 69 Frandsen, Schleswig, 2009. S. 36. 70 Ebd. 71 Kaatmann, Christian. Byggestil og Byggeskik. Nationale strømninger i sønderjysk arkitektur 1850 – 1940. Apenrade 1988. S. 43.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

65

Allen voran die Militärkasernen in Flensburg (1874 – 76) und Hadersleben (Mitte der 1880er Jahr), aber auch der Neubau des Landesgerichtes in Flensburg (1879 – 82) im Stil deutscher Gotik verkündeten architektonisch die preußische Herrschaft und deren militärische Potenz im Grenzland.72 Die grundlegende Transformation, die Schleswig-Holstein nach der Eingliederung in Preußen erfuhr, machte sich auch durch den Bau zahlreicher Schulund Kasernenbauten bemerkbar. Als Zeichen der neuen Epoche symbolisierten die von zahlreichen Berliner Architekten gestalteten Bauwerke die preußische Herrschaft, in der Bevölkerung waren sie hingegen eher ein Sinnbild der erzwungenen Fremdherrschaft.73 Mit dem Einsetzen des nationalen Bodenkampfes in den 1890er Jahren breitete sich die Instrumentalisierung der Architektur zum Zwecke der Machtdemonstration von den öffentlichen Gebäuden auch auf die so genannten Domänen aus. Hierbei handelte es sich um große Gutshöfe in Nordschleswig, die mit Hilfe des Ansiedlungvereins für das westliche Nordschleswig erworben und an deutschgesinnte Schleswiger verpachtet wurden.74 Ziel dieser Ansiedlungspolitik war eine Germanisierung der umliegenden Ortschaften durch die deutschen Großgrundbesitzer, dementsprechend war es die »preußische Strategie […], dort anzusetzen, wo das Dänentum am stärksten war.«75 Die besondere politische Rolle, die den Domänen und ihren Bewirtschaftern von deutscher Seite aus zugesprochen wurde, sollte auf vielfältige Weise – wie etwa durch die Befreiung von steuerlichen Abgaben sowie durch die Gewährung von Vergünstigungen – unterstützt werden. In ihrer Funktion als »Musterhöfe«76 für andere deutschgesinnte Bewohner Nordschleswigs galt es, architektonisch den deutschen politischen Machtanspruch in der Region zu untermauern. Zahlreiche Neu- und Umbauten, die mit großen finanziellen Mitteln angegangen wurden, zielten darauf ab, moderne deutsche Landwirtschaftsarchitektur zu demonstrieren.77 In der Ausführung orientierten sich diese Höfe am »Baustil weiter südlich in Schleswig und Holstein […]« und schufen eine eigene Domänearchitektur : Diese »extrem breiten und oft recht 72 Ebd. S. 45. 73 Beseler, Hartwig. Bauten in Schleswig-Holstein 1830 – 1930. 2., überarb. Aufl. Heide in Holstein 1980. S. 14. 74 Laut dem dänischen Historiker Ingvert Møller Terkildsen waren es 1920 36 Domänenhöfe, die nach der Grenzverschiebung an den dänischen Staat abgetreten wurden. Møller Terkildsen, domæneg”rde, 2001. S. 7. Über die Domänen heraus errichtete beziehungsweise erwarb der Ansiedlungsverein rund 200 Pachthöfe in Nordschleswig, die sich architektonisch am norddeutschen Einhaus orientierten. Kulturarvstyrelsen (Hrsg.), Landbrugets Bygninger, 2005. S. 28. 75 »[…] preussiske strategi var […] at sætte ind, hvor danskheden var stærkest.« Møller Terkildsen, domæneg”rde, 2001. S. 13. 76 »mønsterg”rde«. Ebd. S. 17. 77 Kulturarvstyrelsen (Hrsg.), Landbrugets Bygninger, 2005. S. 28.

66

Grenzverschiebung I

kurzen [Bauten] mit zwei Etagen wirkten wie Fremdelemente in der lokalen Hofarchitektur […].«78 Verantwortlich für diese Linie war das jeweils zuständige Baukreisamt,79 welches neben den staatlichen Domänen auch indirekten Einfluss auf die Neu- und Umbauten von im Privatbesitz befindlichen Bauernhöfen nahm. Hierbei kann zwar, so Møller Terkildsen, von einer deutschen Bauweise gesprochen werde, jedoch nicht von einem einheitlichen Stil.80 Im Gegensatz zu den Domänehöfen in Nordschleswig und der antidänischen Köllerpolitik verlor die nationale Instrumentalisierung der Architektur der öffentlichen Bauten im übrigen Schleswig um die Jahrhundertwende wieder an Relevanz. Das 1901 neu eingeweihte, monumentale Kreishaus in Apenrade (Aabenraa) stand stellvertretend für weitere preußische Bauten und die Architekturmode aus jener Zeit: Der Entwurf vereinte eine Mischung aus rotem Ziegelstein als regionalem Kolorit einerseits und großen Zementflächen aus internationalen Einflüssen andererseits. Der zeitgenössische Stil kombinierte somit regionale Stilelemente mit historistischen und internationalen Anleihen, um so seine Modernität zu verdeutlichen. Die nachträglich hierfür verwendete Bezeichnung »deutscher Stil« täuscht jedoch darüber hinweg, dass die Bauweise in der Region zu jener Zeit nicht als typisch deutsch beziehungsweise preußisch, sondern nur als modern verstanden wurde.81 Verdeutlicht wird dies durch seine Adaption für die dänischen Versammlungshäuser in Nordschleswig. Aufgrund der zunehmenden staatlichen Repressalien gegen die dänischgesinnte Minderheit war es dieser nach und nach immer weniger möglich, Veranstaltungsräume für ihre Kulturarbeit zu finden. Dementsprechend sollten eigens errichtete Häuser Unabhängigkeit und Sicherheit schaffen sowie die Durchführung von Versammlungen gewährleisten. Auch hier galt der rot-weiße Stil weniger als nationales Zeichen, sondern vielmehr als Ausdruck der Orientierung am aktuellen architektonischen Mainstream.82 Eine architektonische Vereinnahmung der Bauweise der Versammlungshäuser und Kirchenbauten zum Zwecke der nationalen Auseinandersetzung erfolgte erst mit dem Durchbruch der Heimatschutzbewegung wenige Jahre später.

78 »[…] byggem”den længere sydp” o Slesvig og Holsten […] disse ekstremt brede og ofte ret korte […] i to etager virkede som fremmedelementer i den lokale g”rdarkitektur […].« Møller Terkildsen, domæneg”rde, 2001. S. 25. 79 Die öffentlichen Bauwerke in Schleswig wurden ab 1895 unter der Federführung des jeweils zuständigen Baukreisamtes in Husum, Schleswig, Flensburg und Hadersleben gestaltet. 80 Ebd. 81 Kaatmann, Byggestil og Byggeskik, 1988. S. 53. 82 Ebd. S. 46.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

67

II.2.c. Auswirkungen der Heimatschutzbewegung in Schleswig-Holstein und Dänemark Der Durchbruch der Heimatschutzbewegung83 in ganz Europa gegen Ende des 19. Jahrhunderts folgte auf eine Zeit der tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwälzungen im Zuge der Industrialisierung: Neben einem hohen Anstieg des Bevölkerungswachstums und somit auch der Bevölkerungsdichte fanden immer mehr Menschen Arbeit im sekundären Sektor. Die daraus folgenden Wanderungswellen, die Verstädterung und die explosionsartige Vergrößerung der Industriestädte lösten eine generell prekäre Wohnsituation aus. Die große Abhängigkeit breiter gesellschaftlicher Schichten von der wirtschaftlichen Prosperität zeigte nicht nur während der Gründerkrise in den 1870er Jahren ihre negativen Nebeneffekte. Gleichzeitig bedeuteten die Arbeitsmigrationswellen den Aufbruch der ehemals landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft und eine erhöhte Mobilität der Bevölkerung. Durch den quantitativen Zuzug waren die Städte vor große Herausforderungen gestellt. Neben der Schaffung von Wohnplatz war die nötige Infrastruktur für den Transport der Menschen zu ihren Arbeitsplätzen vonnöten. Dies hatte eine Veränderung des Stadtbilder zur Folge: Altbauten wurden abgerissen, Mietskasernen mit kleinformatigen Wohnungen errichtet, ein öffentlicher Nahverkehr eingerichtet. Der strukturellen Veränderung folgte die soziale Frage, die eine gehörige Portion an Konfliktpotential in sich barg.84 Mit der sich verschärfenden Situation wurde auch die Kritik an der gesellschaftlichen Transformation lauter und führte zu einer Welle an Reformbewegungen im sozialen, moralischen und ästhetischen Bereich. Kulturell bedeutete dies unter den Schlagworten von Heimat und Heimatschutz eine Rückorientierung auf das vermeintlich Ursprüngliche in Natur und Kultur sowie die Betonung regionalspezifischer Prägungen, beispielsweise der Architektur. Der Durchbruch der Heimatschutzbewegung in den europäischen Ländern führte ebenfalls im deutsch-dänischen Grenzgebiet zu einer starken Hervor83 Diese Bewegung ist vielfach Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung geworden. Siehe beispielsweise: Hartung, Werner. Konservative Zivilisationskritik und regionale Identität am Beispiel der niedersächsischen Heimatschutzbewegung 1895 – 1919 (Quellen und Untersuchungen zur allgemeinen Geschichte Niedersachsens in der Neuzeit; 10). Hannover 1991; Meixner, Wolfgang. Mythos Tirol. Zur Tiroler Ethnizitätsbildung und Heimatschutzbewegung im 19. Jahrhundert. In: Geschichte und Region; 1/1992. S. 88 – 106; Bauer, Christine H. Die Heimatschutzbewegung des frühen 20. Jahrhunderts und deren Einflüsse auf den Baualltag in Hessen. In: Denkmalpflege & Kunstgeschichte; 1/2001. S. 27 – 33; Fritz, Markus. Eduard Lyonel Werner. 1879 – 1952: Architekturthemen der Reform- und Heimatschutzbewegung im Raum Düsseldorf. Worms 2005. 84 Vgl. Speitkamp, Winfried. Die Verwaltung der Geschichte. Denkmalpflege und Staat in Deutschland 1871 – 1933 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; 114). Göttingen 1996. S. 25 – 36.

68

Grenzverschiebung I

hebung der heimatlich-regionalen Kultur. Im Kontext dieser Umbesinnung erfolgte, wie der Historiker Georg Kunz darlegte, in den historischen Vereinen die Prägung eines Heimatbegriffes, der, mit »antimodernistisch-völkischen Topoi« durchsetzt, die Grundlage für eine emotionale Bindung an einen regionalen Raum bildete.85 Im Vorlauf der Heimatschutzbewegung kam es bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland zu einem Wandel des Geschichtsbewusstseins in den Geschichtsvereinen, im Zuge dessen löste ein volkskundlich-kulturhistorisch-regional geprägter Bezugsrahmen den vormals territorial-, dynastie- und konfessionsgeschichtlich geleiteten ab.86 Hiermit einher ging, so Kunz, die »Neudefinition der Raumbezüge historischer Forschung. Die neuen Themenstellungen wurden oft nicht mehr auf territorialstaatlicher Basis, sondern im Rahmen von Geschichts- und Kulturlandschaftskonzepten erörtert.«87 Diese Umorientierung innerhalb der historischen Vereine lässt sich als erste Initiative zu einer Regionalisierung deuten, die mit dem Durchbruch der Heimatschutzbewegung in Schleswig-Holstein gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihre volle Wirkung entfaltete. Als Reaktion auf die Eingliederung der Herzogtümer in preußisches Territorium und den nicht erfüllten Wunsch eines eigenen Staatsgebildes innerhalb des deutschen Staatenbundes fand die Bewegung in Schleswig-Holstein eine äußerst starke Ausprägung. Ergänzend zu der Vorstellung einer gemeinsamen deutschen Kultur entwickelte sich gleichzeitig ein antipreußisches Element, welches das eigene regionale Bewusstsein betonte.88 Das Ziel dieser Abgrenzung war die Kompensation der nicht erlangten politischen Souveränität durch die Hervorhebung einer eigenen, klar definierten Kultur, die sich insbesondere auf dem Gebiet einer regionalspezifischen Architektur ausdrücken sollte: Es galt, die »historisch-landschaftliche Identität einer zumindest baulich lange Zeit ›sprachlosen‹ Provinz wiederzufinden« und in einem eman-

85 Kunz, Georg. Verortete Geschichte. Regionales Geschichtsbewusstsein in den deutschen Historischen Vereinen des 19. Jahrhunderts (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; 138). Diss. Göttingen 2000. S. 329. 86 Dies wird beispielsweise durch die deutschen Darstellungen zu den Bauernhausformen im Grenzland deutlich. 87 Kunz erläuterte diese Neudefinition der Raumbezüge anhand der Umbenennung der Vereinszeitschrift des Schleswig-Holsteinischen Geschichtsvereins. Lautete der Name zunächst Archiv für Staats- und Kirchengeschichte der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg und der angrenzenden Länder und Städte erfolgte 1844 eine Umbenennung in Nordalbingische Studien. Der neue Titel implizierte eine historische Zusammengehörigkeit der beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein und richtete sich so gegen die Bestrebungen der eiderdänischen Bewegung. Ebd. S. 331. 88 Andresen, Hans-Günther. Hjemstavnskultur og byggeskik i Slesvig-Holsten. In: Sønderjyske ærbøger; 2004. S. 213 – 246, hier S. 213. Vgl. zum Antiborussianismus im schleswig-holsteinischen Regionalismus: Jürgensen, Eingliederung, 1984. S. 327 – 356; Zimmermann, »… schmeiß’ die Preußen aus dem Land!«, 1993. S. 9 – 34.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

69

zipatorischen Akt Schleswig-Holstein zu einem »eigencharakterlichen Land« zu formen.89 Die Reform der schleswig-holsteinischen Baukultur wurde auf diesem Weg zu einem zentralen Anliegen der regionalen Heimatschutzbewegung im deutschdänischen Grenzgebiet. War zuvor auf deutscher Seite der Historismus zahlreicher Berliner Architekten, insbesondere in den Formen der Neugotik und der Neurenaissance, stilprägend, setzte ab der Jahrhundertwende die Suche nach einer vermeintlich heimatlichen und eigenständigen Baukultur ein. Im deutschen Raum ist diese Entwicklung stark mit der Person von Paul SchultzeNaumburgs verbunden, der in einer Folge von neun Publikationen unter dem Titel Kulturarbeiten90 die Vorzüge der alten, lokalen Bauweisen kontrastierend zu der zeitgenössischen »geschmacklosen« Architektur darstellte. Erste Institutionalisierungen der deutschen Heimatschutzbewegung bedeuteten die Gründung des Dürerbundes 1902 sowie die Etablierung des Bundes Heimatschutz 1904 durch Schultze-Naumburg und den Naturschützer Ernst Rudorff, der bereits zuvor den Begriff Heimatschutz geprägt hatte. Zentrales Element des Begriffs und der Bewegung war die Überzeugung von der Einheit regionaler Natur und Kultur : So wurde erstens der Erhalt von Naturlandschaften und Kulturdenkmälern angestrebt und zweitens die Anwendung von regionalspezifischen Architektureinflüssen bei der Neuerrichtung von Gebäuden propagiert. Während in Deutschland von dieser Einheit ausgegangen wurde, zeichneten Natur und Kultur in Dänemark hingegen einen Gegensatz. Ein deutlicher Beleg war die getrennte Gründung von Vereinen zur Bewahrung von Bauwerken einerseits und zum Naturschutz andererseits.91 Im schleswig-holsteinischen Raum setzte sich die neue Strömung unter anderem aufgrund der in der Mitte des Jahrhunderts eingeleiteten Regionalisierung des Geschichtsbildes rasch durch. Auf der Suche nach den Ursprüngen des baukulturellen Erbes wurde man schnell in der westschleswigschen Architektur der letzten Jahrhundertwende fündig.92 Jugendstil und andere historistische Spielarten in den Bauformen galten nun als nicht mehr zeitgemäß und bedurften einer grundlegenden Überarbeitung, dahingegen hielt ein mit heimatlichen Elementen geprägter Neubarock und Neoklassizismus auf beiden 89 Andresen, Hans-Günther. Bauen in Backstein. Schleswig-Holsteinische Heimatschutzarchitektur zwischen Tradition und Reform. Zur Ausstellung der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek 2. Juli-27. August 1989 (Schriften der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek; 8). Heide in Holstein 1989. S. 9. 90 Schultze-Naumburg, Paul. Kulturarbeiten. 9 Bde. München 1901 – 1917. 91 Vgl. Dragsbo, Peter. Die deutschen Volkshochschulen – Architekturdenkmäler im Grenzland. In: Schriften der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig; 80 (2005). S. 70 – 78, hier S. 71. 92 Dragsbo, Dansk og tysk i Sønderjyllands arkitekturhistorie, 2009. S. 110 f.

70

Grenzverschiebung I

Seiten der Grenze seinen Einzug.93 Der Wandel ging einher mit der Wachablösung der Berliner und Hannoveraner Architekten als die Referenzen der Baukunst in Deutschland, stattdessen fand in den Folgejahren die stärkste Prägung der Bauformen in Schleswig-Holstein durch Architekten süddeutscher Hochschulen wie Karlsruhe, Darmstadt, Stuttgart oder München statt.94 Weiteres Zeichen des Wandels war die Gründung der Baugewerbeschule in Eckernförde mit dem Ziel, den absolvierenden Architekten eine regionale Bauweise nahe zu bringen. Die Schule gab sich selbst »nicht den Ehrgeiz, Architekten bilden zu wollen; sie ist sich wohl bewusst, nicht in drei Semestern ihre Schüler zu originell künstlerischen Leistungen befähigen zu können […]«, sondern »in ihren Schülern das Gefühl für schöne und richtige Formen insoweit zu wecken, daß sie vorhandene Muster mit Verständnis benutzen und zu einem geschmackvollen Ganzen zusammenstellen können.«95 So waren es weniger handwerkliche Fähigkeiten als ästhetische Vorstellungen, die an den Schulen vermittelt werden sollten. Charakteristisch für diesen neuen Stil wurden der rote Ziegelstein und rote Ziegeldächer, so der Architekturhistoriker Hans-Günther Andresen: »Es war die Architektur der Zeit um 1800, die als die letzte Epoche betrachtet wurde, in der der Landesteil einen gemeinsamen, charakteristischen Stil hatte, der für die zahlreichen neuen Bauaufgaben als Vorbild dienen konnte.«96 Ihren endgültigen Durchbruch erlebte die Heimatschutzbewegung in der schleswig-holsteinischen Architektur maßgeblich vorangetrieben durch das im neuen Stil errichtete Kreishaus in Tondern (Tønder) 1907 und die ein Jahr darauf folgende Gründung des Vereins Baupflege Kreis Tondern im November 1908. Der im Vorfeld durchgeführte Architekturwettbewerb schrieb einen Preis für die »Anlehnung an [die] heimisch Bauweise« aus. Der später umgesetzte Siegerentwurf der Architekten August Dinklage, Ernst Paulus und Olaf Lilloe vereinte einen holländisch-friesischen Stil mit Reminiszenzen an das ehemalige Stadtschloss der Stadt. Darüber hinaus zeugten Einflüsse der »poetischen BacksteinBaukunst«97 Dänemarks vom transnationalen Charakter der Heimatschutzbewegung im deutsch-dänischen Grenzland. Die Formgebung des Kreishauses deutete der Architekturhistoriker Hans-Günther Andresen als »Paradigmen-

93 Vgl. Albrecht, Uwe/Andresen, Hans-Günther. Öffentlicher Großbau in Kiel zwischen historistischer Stilarchitektur und »Neuem Stil«. In: Die Heimat; 85/1978. S. 66 – 79. 94 Auch die auf deutscher Seite im Grenzland sehr aktiven Carl Mannhardt und Paul Ziegler absolvierten hier ihre Ausbildung. Vgl. Andresen, Hjemstavnskultur, 2004. S. 219 f. Ab 1910 vergrößerte sich wesentlich der Anteil der Architekten aus Schleswig und Holstein, die für den Entwurf der öffentlichen Bauten in der Grenzregion herangezogen wurden. Beseler, Bauten in Schleswig-Holstein, 1980. S. 27. 95 Zit. nach: Ebd. S. 19. 96 Andresen, Hjemstavnskultur, 2004. S. 221 f. 97 Andresen, Bauen in Backstein, 1989. S. 48 f.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

71

wechsel« und deutliches Zeichen der »Wendejahre zu Neuem«:98 Die Formensprache des Neubaus sei im Gegensatz zu der preußischen Architektur der Jahrzehnte zuvor »betont nicht als herrisch abweisender, landfremder Behördenbau« zu sehen, sondern als Ausdruck, »daß man an lokale Verwaltungsüberlieferungen zumindest in baulicher Gestalt anknüpf[t], Vertrauen einflöß[t], sich als dem Lande zugehörig zeig[t] […].«99 Der für die Ausschreibung des Wettbewerbes und die später folgende Vereinsgründung verantwortliche Landrat Friedrich Rogge fasste im Nachhinein die Bedeutung des Neubaus für die Entwicklung der Heimatschutzbewegung in Schleswig zusammen: Nun stand er da, der neue Bau, stark und wuchtig mit seinen Giebeln, die an die Formen des alten Schlosses Tondern erinnern […] Dieser Bau, der als erster seit langer Zeit im Kreise wieder die heimatlichen Formen zu Ehren brachte, soll Markstein werden für eine Erweckung alter heimischer Baukunst. […] Zunächst einmal galt es allen denen, die sehenden Auges und doch blind durch die Landschaft schreiten und fahren, die Augen zu öffnen, daß sie wieder schauen lernten, wie viel Schönes und Würdiges in den einfachen Formen unserer friesischen Bauernhäuser, jütischen Höfe und Tondernschen Häuser zu finden ist. Es kam darauf an, dieses Schauen in richtiger Weise zu vermitteln, wenn auf dem festen Grunde alter guter Bauformen die neue Entwicklung aufbauen sollte.100

Rogges Rezeption des Kreishauses lag auch dem Programm des am 17. November 1908 gegründeten Vereins Baupflege Kreis Tondern zugrunde. Zweck seiner Tätigkeit war die Anleitung von Bauherren und Architekten zum heimatlichen Bauen, »die heimatliche Bauweise zu pflegen und zu fördern [… und] Neubauten unter voller Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Gegenwart […] die guten alten Formen heimatlicher Bauweise wieder zur Anwendung kommen« zu lassen.101 Der Verein sah insbesondere in der historistischen Bauweise eine Gefahr für die regionale Identität und versuchte, die zuständigen Bauherren und -unternehmer durch zahlreiche Publikationen und Handblätter für ihr Anliegen zu sensibilisieren. So wurde etwa im Tondern’schen Kreiskalender 1909 geworben: In diesem, unseren schönen Schleswig-Holstein, dem mit seinen ganz eigenartigwechselvollen Landschaftsbildern gesegneten Lande, hat sich seit Alters her auch eine 98 Ebd. S. 64 f. 99 Ebd. S. 51 f. 100 Zit. nach: Kuschert, Rolf. »Baupflege Kreis Tondern«. Landschaftsgebundenes Bauen im Kreis Tondern am Anfang unseres Jahrhunderts. In: Die Heimat Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein und Hamburg; 84 (1977). S. 254 – 262, hier S. 254. 101 Rundschreiben des Vorstandes vom Verein Baupflege Kreis Tondern an die Bauunternehmer, 1908. Kreisarchiv Nordfriesland (KA Nfr), Abt. G6: Baupflege Kreis Tondern, Nr. 19: Baupflege, insbesondere Brandprobe, 1907 – 1913.

72

Grenzverschiebung I

eigenartige, der betreffenden landschaftlichen Umgebung voll entsprechende Bauweise herausgebildet. Land und Leute, Gebäude und Landschaft, alles ist aus einem Guß, aber, – während die Natur für Erhaltung der Landschaft […] sorgt, soll nun gewaltsam das dritte Moment in diesem vollkommenen Bilde, die zum Menschen und zur Landschaft stimmende Bauweise allmählich zu Grunde gehen […].102

Deswegen sei es nötig, sich von den »minderwertigsten Vorstadthäusern größerer Städte« ab- und der alten ländlichen Bauweise wieder zuzuwenden: »Will man sich an schönen Häusern erfreuen, an Häusern, die in die Ortschaft oder in die Landschaft passen, so geht man zu den Häusern älterer Bauart oder zu solchen neuen Häusern, die der älteren, hergebrachten, ortsüblichen Bauart nachstreben.«103 Zu einem zentralen Werkzeug des Vereins entwickelte sich neben den zahlreichen schriftlichen Handreichungen, den Bauhandwerkertagen104 und der eigenen Erprobung von Baumaterialien,105 die sich nach Ansicht der Baupflege besonders gut für das heimatlichen Bauen eignen würden, die Herausgabe der so genannten Vorlageblätter.106 Bereits vor der Gründung des Vereines begannen unter der Leitung des Architekten Carl Voß und des Fotografen Theodor Möller die Initiatoren überall in der Region, Altbestände an Gebäuden, die als Vorbilder für den schleswig-holsteinischen Heimatschutzstil dienen sollten, zu fotografieren und zu katalogisieren.107 Anhand dieser Abbildungen wurden im Anschluss technische Zeichnungen im Maßstab von 1:20 von 102 Baupflege Kreis Tondern. Abdruck aus dem Tondern’schen Kreiskalender, 1909. KA Nfr, Abt.: G6: Baupflege Kreis Tondern, Nr. 14: Baupflege Kreis Tondern, 1908 – 1928. S. 111 f. 103 Ebd. S. 112 f. 104 Die Bauhandwerkertage richteten sich gezielt an die regionalen Bauhandwerker, denen eine große Rolle in der Ausführung und Pflege der heimatlichen Bauweise zugesprochen wurde. Eine erste Tagung fand am 30. Januar 1909 statt, deren Programm neben einem Vortrag des Vereinsgründers und Architekten Carl Voß diverse inhaltliche Unterrichtseinheiten zu baupolizeilichen Richtlinien und ästhetischen Grundlagen für die Teilnehmer bereit hielt. Ergänzt wurde diese Veranstaltung durch eine Vortragsreise. Kuschert, »Baupflege Kreis Tondern«, 1977. S. 256 f. 105 Für den Verein Baupflege Kreis Tondern stellte die Entwicklung und Erprobung eines feuersicheren Stroh- und Reetdaches einen großen Erfolg in dem Streben nach einer heimatlichen Bauweise dar. Bedeuteten die höheren Versicherungssummen aufgrund der größeren Brandgefahr für die Neuverbreitung des Strohdaches ein Hindernis, konnte die erfolgreiche Brandprobe der imprägnierten Strohabdeckung am 4. November 1910 die Landesbrandkasse zu einer Angleichung der Assekuranzbeiträge überzeugen. Bericht über die am 4. November 1910 in Tondern ausgeführte Brandprobe zur Prüfung der Feuersicherheit des imprägnierten Stroh- und Reetdaches. KA Nfr, Abt. G6, Nr. 19. Siehe auch: KA Nfr, Abt: G6: Baupflege Kreis Tondern, Nr. 10: Feuersicheres Reetdach, 1908 – 1910. 106 Siehe die 1978 vom Kreisarchiv anlässlich der Ausstellung Heimatschutz und Baupflege in Nordfriesland neu herausgegebenen Vorlageblätter : Kreisarchiv Nordfriesland (Hrsg.). Baupflege Kreis Tondern (Schriften des Kreisarchivs Nordfriesland, Schloß vor Husum; 2). Husum 1978. 107 Baupflege Kreis Tondern. Altaufnahmen. KA Nfr, Abt. G6: Baupflege Kreis Tondern, Nr. 9: Voß: Das feuerfeste Stroh- und Rethdach, Plön, 1910.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

73

den Baudetails angefertigt, so dass »der Maurermeister, der Zimmermann oder der Tischler in die Lage versetzt wurden, sie unmittelbar praktisch zu verwenden.«108 Die ersten Vorlageblätter erschienen 1908, bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gab die Baupflege insgesamt 41 von ihnen heraus.109 Innerhalb kürzester Zeit schaffte es der Tondernsche Verein, auf diese Weise zu großem Einfluss auf das Baugewerbe zu gelangen und zu »Deutschlands erfolgreichster Heimatschutz-Bewegung« zu werden.110 Belege dieser erfolgreichen Arbeit sind seine rasch steigenden Mitgliederzahlen111 sowie das Aufgreifen seiner Bestrebungen durch andere Institutionen.112 Ernst Sauermann, Direktor des Kunstgewerbemuseums in Flensburg und späterer Provinzialkonservator, konstatierte 1909 in dem Vorwort des ersten Bandes seiner Kleinstadtbilder in SchleswigHolstein, einer Publikationsreihe zur heimatlichen Bauweise in den ländlichen Kleinstädten: Das Interesse für gute, volkstümliche Bauweise, die auch mit einfachen Mitteln geschmackvolle Lösungen zu zeitigen vermag, ist bis heute ganz allgemein im Erwachen. […] Die Erkenntnis, daß Grundriß und Aufriß wahr und harmonisch zueinander abgestimmt sein müßen, daß auch in der Architektur die Anpassung an die übliche Bauweise im Sinne einer fortschrittlichen Entwicklung geboten ist, hat sich wohl allgemein Bahn gebrochen.113

Innerhalb kürzester Zeit nach dem Bau des Kreishauses in Tondern und der Gründung der Baupflege entwickelte sich die traditionelle westschleswigsche Architektur zum »Modell und Vorbild nicht nur für sämtliche private Bauvorhaben […], sondern auch für die öffentliche Bautätigkeit im gesamten Nordschleswig.«114 Einer der zentralen Akteure hinter dieser Entwicklung war Friedrich Rogge: Neben seiner Funktion als Vorsitzender des Vereines nahm er auch auf administrativer und politischer Ebene durch sein Landratsamt Einfluss auf die Verbreitung der Heimatschutzarchitektur. Über Tondern hinaus wurde 108 Kreisarchiv Nordfriesland, Baupflege Kreis Tondern, 1978. S. [1]. 109 Kuschert, »Baupflege Kreis Tondern«, 1977. S. 255 f. 110 »[…] Tysklands mest succesrige ›Heimatschutz‹-bevægelse[…].« Dragsbo, Dansk og tysk i Sønderjyllands arkitekturhistorie, 2009. S. 110. 111 Drei Jahre nach der Vereinsgründung besaß die Baupflege bereits mehr als 240 eingetragene Mitglieder, hierunter rund 60 Handwerker. Kuschert, »Baupflege Kreis Tondern«, 1977. S. 255. 112 So fragte im März 1909, kurz nach der Gründung der Baupflege, die Geschäftsstelle des Bundes Heimatschutz bei dem Verein an, ob dieser nicht als »besonderer Kreisverein« zum Schleswig-Holsteinischen Landesverein für Heimatschutz in Beziehung treten könne. Brief der Geschäftsstelle des Bundes Heimatschutz an Landrat Rogge vom 9. März 1909. KA Nfr, Abt. G6: Baupflege Kreis Tondern, Nr. 7: Heimatschutz-Bund. 113 Sauermann, Ernst. Kleinstadtbilder aus Schleswig-Holstein; Heft 1: Apenrade. Herausgegeben vom Flensburger Kunstgewerbe-Museum. Flensburg 1909. S. I. 114 Dragsbo, Die deutschen Volkshochschulen, 2005. S. 72.

74

Grenzverschiebung I

im gesamten preußischen Staatsgebiet auf seine Initiative hin mit dem Verunstaltungsgesetz den Städten und Gemeinden die Möglichkeit gegeben, durch die so genannten Ortsstatute aktiv auf die jeweilige Bautätigkeit einzuwirken – ein Instrument, welches es in dieser weitreichenden Form zuvor nicht gegeben hatte.115 Noch einen Schritt weiter ging Rogge in seinem Landkreis mit dem Erlass einer neuen Bauordnung am 10. April 1910: Sämtliche Bauvorhaben mussten nun vor der Ausführung dem Landrat beziehungsweise der Baubehörde zur Genehmigung sowie technischen und ästhetischen Überprüfung auf ihre heimatliche Bauweise vorgelegt und unter Umständen, bei Einwänden Rogges oder seiner Mitarbeiter, angepasst werden.116 Der Paradigmenwechsel in der Architektur Schleswig-Holsteins in den Jahren zwischen 1907 und 1909 brachte somit innerhalb kürzester Zeit eine starke Transformation der Baulandschaft mit sich. Während um das Jahr 1900 ein Großteil der Bauschaffenden und Regierungsbauräte noch dem Historismus der »eher landfremden Stilmuster der Berliner oder hannoverschen Schule des Backsteinbaus […]« treu blieben,117 entstand in den folgenden Jahren eine neue Generation an schleswig-holsteinischen Architekturschülern, die der heimatlichen Bauweise ihre Prägung gaben.118 Über ihre regionale Tätigkeit hinaus verschaffte diese Ausbildung den Architekten die Möglichkeit, eine zentrale Rolle in der Verbreitung der Heimatschutzarchitektur im Deutschen Reich zu spielen. Die preußische Regierung versuchte angesichts des Erstarkens dieser Bewegung, sich frühzeitig landesweit an ihre Spitze zu stellen. Zwei Erlasse des preußischen Ministers für öffentliche Arbeiten, Paul von Breitenbach, vom 10. und 19. Januar 1908 forderten die Regierungspräsidenten und Staatsbaubeamten zur Förderung der heimatlichen Bauweise auf. In Schleswig-Holstein wandte sich Oberpräsident Detlev von Bülow diesbezüglich an das Thaulow-Museum in 115 Ebd. Das Ortsstatut der Gemeinde Rantum auf Sylt etwa regelte in bestimmten Arealen die Anzahl der zulässigen Stockwerke, die Bebauungsfläche auf Grundstücken, die Farbe der Ziegelsteine, das Verbot von bestimmten Zierelementen an der Fassade, die Gestaltung des Daches und die Wahl der Baumaterialien. Ortsstatut betreffend die Bebauung der Gemeinde Rantum auf Sylt von 1908. KA Nfr, Abt. G6: Baupflege Kreis Tondern, Nr. 5: Baupflege Kreis Tondern, allg. Schriftwechsel. 116 Rundschreiben des königlichen Landrats Rogge an die Bauunternehmer des Kreises Tondern vom 22. Juli 1910. KA Nfr, Abt. G6, Nr. 5. 117 Andresen, Bauen in Backstein, 1989. S. 40. 118 Vgl. Ebd. S. 66. »Auffällig viele junge schleswig-holsteinische Architekten empfangen also gerade in der Schule des süddeutschen Putz- und Werksteinbaus die Fähigkeit bzw. die Voraussetzungen, die bestimmenden Gestaltungsprinzipien des Monumentalbaus auf die heimischen Erfordernisse im städtischen oder ländlichen Bauen zu übertragen […]: Konzentration auf das Wesentliche, möglichst blockhaft geschlossene Baukörper, bei Gruppenbauten eine möglichst harmonische Baumassenverteilung, raumhaltige, ungeteilte Dachkörper, Beschränkung auf das Typische, großflächige Komposition der Materialfarben […].«

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

75

Kiel, woraufhin dessen Direktor Gustav Brandt im Oktober desselben Jahres zur Gründung des Schleswig-Holsteinischen Landesvereins für Heimatschutz aufrief: Die Heimatschutzbewegung hat sei Gründung des Bundes Heimatschutz in allen Teilen unseres Vaterlandes an Ausdehnung und Stärke so gewonnen, daß in den meisten Ländern und Provinzen bereits Landesvereine vorhanden sind. In Schleswig-Holstein fehlt es keineswegs an Bestrebungen in der Richtung des Bundes Heimatschutz, doch entbehren wir eine Zusammenfassung aller in unserer Provinz tätigen Kräfte zu gemeinsamen und dadurch umso wirksameren Arbeiten zu Erhaltung des alten, liebgewordenen Bildes unserer Heimat, zur Förderung und Entwicklung alter bodenständiger Kultur.119

Für die preußische Regierung bedeutete dieser Schritt jedoch nicht die erhoffte Beeinflussung der Heimatschutzbewegung zu ihren Gunsten. Der erste Vorsitzende des neu gegründeten Vereines, der ehemalige Regierungsrat Paul von Hedemann-Heespen, Vertreter einer antipreußischen, schleswig-holsteinischfreiheitlichen Überzeugung sah die beiden Herzogtümer in ihrer Identität durch die preußische »Besatzungsmacht« bedroht. Aus diesem Grund setzte der Landesverein seine Tätigkeitsschwerpunkte im Bereich der Baupflege und Architektur, galten sie dem Vorsitzenden doch als geeignetes Mittel zur Betonung der kulturell schleswig-holsteinischen Eigenart. Deswegen habe, so HansGünther Andresen, »von Anfang an das Architektonische, die Pflege der Baukultur im Zentrum [der Arbeit gestanden] – mehr jedenfalls als in manchem anderen Landesverband, wo der Naturschutz vergleichsweise größeres Gewicht hatte.«120 Der dänische Architekturhistoriker Peter Dragsbo wies in diesem Kontext zwar darauf hin, dass »die Architekturreform in Schleswig-Holstein in hohem Maße ein von oben gesteuertes Beamtenprojekt war«,121 zugleich bedeutete sie in der Praxis mitnichten eine Vereinnahmung der Heimatschutzbewegung durch den preußischen Staat. Bereits frühzeitig versuchte dieser, wie von Andresen dargestellt, durch eigene Erlasse die ersten Initiativen von Privatpersonen und Vereinen zu kanalisieren. Das Beispiel des Landesvereins für Heimatschutz und dessen Vorsitzenden von Hedemann-Heespen verdeutlicht jedoch das Misslingen dieses Ansinnens. Auch der in Personalunion als Landrat und Vorsitzender der Baupflege Kreis Tondern tätige Friedrich Rogge sowie Ernst Sauermann vom Thaulow-Museum in Kiel standen zwar in preußischen Staatsdiensten, ihr Einsatz für die Heimatschutzbewegung zielte aber in erster Linie auf die Hervorhebung der regionalen Kultur ab. Das zu Beginn mit der Heimatschutzbewegung verbundene antipreußische Element, welches auf die Betonung einer schleswig-holsteinischen Eigenart in Separation zum preußi119 Ebd. S. 72. 120 Ebd. S. 73. 121 Dragsbo, Die deutschen Volkshochschulen, S. 73.

76

Grenzverschiebung I

schen Staat setzte, blieb somit auch über die entscheidenden Jahre zwischen 1907 und 1910 hinaus bestehen. Zeitgleich mit dem Durchbruch im Deutschen Reich und in Schleswig-Holstein feierte die Heimatschutzbewegung ihren Siegeszug auch in Dänemark: Hierbei ergaben sich im Vergleich mit der schleswig-holsteinischen Bewegung zahlreiche Überschneidungen, Parallelen und gegenseitige Beeinflussungen, jedoch auch gewisse intentionale Abweichungen. Die dänische Heimatschutzbewegung knüpfte eng an die in den Jahrzehnten zuvor auf nationaler Ebene geführte ethnische Bauernhausforschung an, die den vermeintlich dänischen Charakter der schleswigschen Grenzregion belegen sollte.122 Das durch die Auseinandersetzungen um die ländliche Bauweise steigende Interesse der Bevölkerung und der Architekten am heimatlichen Stil führte 1892 zu der Gründung des Vereins des 3. Dezember 1892 (Foreningen af 3. December 1892), dessen Ziel die Verbreitung der heimatlichen Baukunst an den Kunstakademien war.123 In der Folgezeit standen Architekten wie Ulrich Plesner und Hermann Baggøe Storck für einen nationalromantischen Stil, der nun an den Kunstakademien gelehrt wurde. Eine der zentralen Personen in der Verbreitung der heimatlichen Bauweise war der Kopenhagener Architekt Martin Nyrop, der bei seinen Arbeiten nach dem Prinzip vorging, dass ein neues Bauwerk in die lokale Bautradition, die typisch für eine bestimmte Gegend war, passen müsste. Aus dieser Tradition werde dann die nationale, dänische Architektur entstehen. Nyrops Arbeiten bedeuteten in diesem Sinne eine komplette Abkehr von der bis zu diesem Zeitpunkt gängigen Bauweise und stellten einen Kontrast zu den Werken der führenden Architekten des Historismus in Dänemark, Johan Daniel Herholdt und Ferdinand Meldahl, dar. Während Herholdt zuletzt bereits jeweils regionaltypische Einflüsse in seine Entwürfe integrierte, ließ sich Meldahl vor allem durch klassische Vorbilder leiten, welche ihm zuletzt die abwertend be-

122 Die Betonung der Volkskultur als Nationalkultur, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in zahlreichen europäischen Ländern instrumentalisiert wurde, und als Teil hiervon die vermeintlich typische ländliche Bauweise als prägnantes Merkmal der vermeintlich alten, echten und traditionellen kulturellen Werte und der Historizität der Nation, bildete die Grundlage für die dänische Heimatschutzbewegung. Im Freilichtmuseum von Lyngby befanden sich zur Neueröffnung 1901 nur einige wenige Gebäude, eines hiervon stammte jedoch aus Schleswig und stand somit einerseits für den dänischen Anspruch auf die Region und andererseits für die signifikante Stellung der schleswigschen bäuerlichen Architektur in der Konstruktion des nationalen architektonischen Erbes. Skougaard, Mette. Ostenfeldg”rden og den dansk-tyske strid om den nationale arv. In: Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte (Hrsg.). Paul Ziegler – Magistratsbaurat in Flensburg 1905 – 1939 (Kleine Reihe der Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte; 29). Flensburg 1998. S. 158 – 172, hier S. 159. 123 Svendler Nielsen, Hans Peter. Bedre Byggeskik. In: Erhvervshistorisk ærbog; 1979. S. 89 – 126, hier S. 100.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

77

nutzte Etikettierung »Europäer« einbrachte.124 Insbesondere Meldahl war Vorreiter der historistischen Bauweise in Dänemark, die wie andernorts traditionelle Stile wie den italienischen Barock, den französischen Renaissancestil oder die nordeuropäische Gotik nachahmten. Das negative Bild Europas ergab sich dabei durch die Gleichstellung des Deutschen Reiches mit Europa im Anschluss an 1864, während sich Dänemark selbst als Teil eines eigenständigen, skandinavischen Kulturraumes inszenierte. Dies erfolgte etwa durch den bereits zuvor erwähnten Rückgriff auf die nordische Mythologie und die intensive Beschäftigung mit der skandinavischen Geschichte des Mittelalters und der Vorzeit. Nyrop ließ sich im Gegensatz zu Meldahl von einer äußerst stark regionalistisch geprägten ländlichen Bauweise im »nordischen Stil« beeinflussen, aus der er Rückschlüsse für eine zu bildende nationale Architektur schloss. Während sich die Heimatschutzarchitektur in Schleswig-Holstein primär als Ausdruck »eines echten, ›nordischen‹ Deutschtums«,125 einer nationalen Identität und gleichzeitig regionalspezifischen schleswig-holsteinischen Eigenart in Abgrenzung zum preußischen Staat herausbildete, stand der dänische heimatliche Stil für das Streben nach einer vermeintlich urtümlichen, nationalen Bauweise. Die erstarkende Bewegung konzentrierte sich in Dänemark, beeinflusst durch die national-ethnische Bauernhausforschung in den Jahren zuvor und in der Überzeugung, hier die traditionellen dänischen Haus- und Bauformen zu finden, auf die schleswigsche Grenzregion. Zwar gab es auch in anderen Gegenden des Landes regionale Besonderheiten in der traditionellen Bauform, jedoch wurde in jener Zeit der nationalen Sammlung eine Bauweise gesucht, die sich in der Auseinandersetzung mit dem südlichen Nachbarn mit einer antideutschen Komponente versehen ließ. Im nationalen Kampf zwischen den beiden Staaten um den schleswigschen Grenzraum bedeutete eine Politisierung und Vereinnahmung der regionalen Architektur somit ein schlagkräftiges Argument im Streben um die politische Vorherrschaft. Die Kultur der peripheren Grenzregion Sønderjylland besaß somit eine große Relevanz in der Definition nationaler dänischer Identität und Kultur. Das baukulturelle Erbe der Region erhielt diese große Bedeutung primär aus den deutsch-dänischen Gegensätzen. Im Kampf gegen die deutsche Repressionspolitik gegenüber der dänischgesinnten Minderheit in Nordschleswig wurde es ab der Jahrhundertwende zur 124 Vgl. Leckband, Povl. Kontrast oder Gleichklang? Konzepte und Schaffen dänischer Architekturkollegen Zieglers. In: Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte (Hrsg.). Paul Ziegler – Magistratsbaurat in Flensburg 1905 – 1939 (Kleine Reihe der Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte; 29). Flensburg 1998. S. 88 – 97, hier S. 88. 125 »[…] en ægte, ›nordisk‹ tyskhed.« Dragsbo, Peter. Mellem regionalisme og nationalisme. Ballum Slusekro og den slesvigske »hjemstavnsstil«. In: Stoklund, Bjarne (Hrsg.). Kulturens Nationalisering. Et etnologisk perspektiv p” det nationale. Kopenhagen 1999. S. 173 – 189, hier S. 186.

78

Grenzverschiebung I

nationalen Aufgabe, Versammlungshäuser und Kirchengebäude in einem nationaldänischen Stil zu errichten, um so der dänischen Bevölkerung in Schleswig die Ausübung ihrer kulturellen und politischen Arbeit zu ermöglichen.126 Vor allem hier machte sich Martin Nyrop, der bereits 1896 ein Buch über dänische Sakralbauten127 herausgegeben hatte, einen Namen: Er errichtete ab 1902 zahlreiche Kirchen im Stil der neuen Bauweise, um den Bauwerken der dänischen Bewegung einen nationalen Ausdruck zu geben.128 Stilprägendes Element wurden wie in der Heimatschutzbewegung Schleswig-Holsteins ebenfalls der rote Mauerstein, die roten Ziegeldächer und die weißen Gesimse, auf die Nyrop während eine Zeichenreise durch das deutsch-dänische Grenzland gestoßen war : Von der südjütischen Architektur ausgehend entwickelte er einen Stil, der fortan in ganz Dänemark als vorbildlich für die zukünftige nationale Bauweise angesehen wurde. Spätestens mit der Ausführung des auf einem Entwurf Nyrops basierenden Kopenhagener Rathauses 1905 feierte die nationalromantische Bauweise ihren Durchbruch.129 Die dabei präferierten Formen, Materialien und Gestaltungen waren nahezu identisch mit denen in Schleswig-Holstein: Auf beiden Seiten der Grenze galt es, möglichst einfache, unverwinkelte Bauten mit hohen, kräftigen Dächern zu errichten, die Farbgestaltung sollte sich harmonisch in die Landschaft einfügen, bevorzugte Baustoffe stellten vor allem Ziegelsteine dar, die als natürlich und authentisch angesehen wurden.130 Diese Tatsache zeugt vom Charakter von Grenzen als Schwellenregionen, die, wie die italienische Historikerin Vittoria Borsý darstellte, durch kulturelle Durchlässigkeit und kulturelle Hybridisierung gekennzeichnet sind.131 Die formellen Überschneidungen zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein erklären sich aus der Tatsache, dass sich in der Folgezeit eine ganze Generation an dänischen Architekten auf die Suche nach der charakteristischen nationalen Bauweise begab. Interessanterweise fanden sie diese ebenfalls in der Region zwischen Ripen und Tondern an der schleswigschen Westküste. Unter 126 Kaatmann, Byggestil og Byggeskik, 1988. S. 98 ff. 127 Nyrop, Martin. Danske Præstegaarde. En Række vejledende Tegninger knyttede til den af Ministeriet for Kirke- og Undervisningsvæsenet i Aaret 1892 nedsatte Kommissions Betænkning om en bedre Ordning af Landsbypræsteembedernes Bygningsvæsen. Kopenhagen 1896. 128 Vgl. Kaatmann, Byggestil og Byggeskik, 1988. S. 89. Auf Nyrops Entwürfe gehen im Grenzgebiet beispielsweise die Kirchenbauten Sundeved und Skærbæk, das kommunale Geldinstitut in Rødding oder das Versammlungshaus Sønderborghus zurück. 129 Vgl. »In der Arbeit der Architekten verspürte man nun deutliche Bestrebungen, die gleiche heimatliche und nach den Aufgaben natürliche Formgebung zu erreichen, die das alte dänische Haus auszeichnete.« (»I arkitekternes arbejder sporedes nu tydelige bestræbelser p” at opn” den samme hjemlige og efter opgaverne naturlige formdannelse, der udmærkede det gamle danske hus.«). Svendler Nielsen, Bedre Byggeskik, 1979. S. 100. 130 Siehe Abb. 1 und 2. 131 Borsý, Grenzen, 2004. S. 23.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

79

der Losung »Weg von Italien, auf nach Møgeltønder!«132 reisten in diesen Jahren zahlreiche Kopenhagener Studenten und Architekten in das damalige deutsche Staatsgebiet in der Ansicht, hier typische Beispiele eines dänischen Urhauses vorzufinden. Die Aufmaßzeichnungen, die dabei entstanden, attestierte die staatliche dänische Kulturarbteilung 2005, »wurden eine Offenbarung für eine neue Architektengeneration, die hier im umstrittenen Grenzland den neuen nationalen Baustil fanden.«133 So veranstaltete der Verein des 3. Dezember 1892 im Jahre 1907 erstmals eine Vermessungs- und Zeichenreise, auf der die Teilnehmer auch die neue Volkshochschule in Tingleff besuchten. Dieses ebenfalls von den Architekten Dinklage, Paulus und Lilloe entworfene Bauwerk stellte in Nordschleswig nach dem Kreishaus in Tondern das zweite im Heimatschutzstil errichtete öffentliche Gebäude dar. Während das Kreishaus noch überwiegend von holländisch-friesisch-westschleswigschen Elementen geprägt war, »wurde die Volkshochschule in Tingleff das erste verwirklichte Beispiel in ganz Schleswig-Holstein für die ›Lehre von Mögeltondern‹«, dessen augenfälligstes Merkmal »das Spiel zwischen den roten Mauern und den weißen kleinsprossigen Fenstern, den Friesengiebeln, Mauerankern und Fensterläden« wurde.134 Unweigerlich kam es im Kontext dieser Reisen zu dem Kontakt mit der Arbeit der Baupflege Kreis Tondern, in deren regionalem Tätigkeitsgebiet sich die dänischen Vermessungsarbeiten des Vereins des 3. Dezember 1892 bewegten.135 In den folgenden Jahren entstanden daraufhin zahlreiche, von dem Stil der Volkshochschule in Tingleff beeinflusste, dänische Bauaufträge in Schleswig, so dass die öffentlichen Gebäude der schleswig-holsteinischen Verwaltung und die der dänischen Kreise große stilistische Überschneidungen aufwiesen. Darüber hinaus gründete der Akademische Architektenverein (Akademisk Arkitektforening) 1908 die Zeichenhilfe (Tegnehjælpen), die Handwerkern und Baumeistern bei der Realisierung von Bauprojekten im heimatlichen Stil hilfreich sein und so zu dessen weiterer Verbreitung beitragen sollte.136 Die an den Nachwirkungen der westschleswigschen Vermessungs- und Zeichenreisen der dänischen Studenten und Architekten deutlich werdende Beeinflussung des dänischen durch den schleswig-holsteinischen Heimatschutzstil stellte jedoch keine einseitige Wirkungsrichtung dar. Die Beispiele der 132 Leckband, Kontrast oder Gleichklang?, 1988. S. 92 f. 133 »[…] blev en ”benbaring for en ny arkitektgeneration, der her havde fundet den nye nationale byggeskik i Danmark i det omstridte grænseland.« Kulturarvstyrelsen (Hrsg.), Landbrugets Bygninger, 2005. S. 33. 134 Dragsbo, Die deutschen Volkshochschulen, 2005. S. 73. 135 Die Reise des Vereins des 3. Dezember 1892 geschah aufgrund der Einladung des dänischgesinnten Gründungsmitglieds der Baupflege Kreis Tondern, Hans Christian Davidsen. Kulturarvstyrelsen (Hrsg.), Landbrugets Bygninger, 2005. S. 33. 136 Svendler Nielsen, Bedre Byggeskik, 1979. S. 101.

80

Grenzverschiebung I

Landesausstellung in ærhus 1909 und der vom Landesverein für Heimatschutz in Flensburg 1912 veranstalteten Bauausstellung belegen vielmehr eine gegenseitige Inspiration und, trotz der nationalen Auseinandersetzung, gegenseitigen Wertschätzung der Bestrebungen im Bereich der Architektur. Ziel der Messe des Jahres 1909 war es zuvorderst, das Vermögen Dänemarks im Handwerk, der Industrie und Architektur vorzuführen und so seine Fortschrittlichkeit im internationalen Vergleich zu belegen. Eine der zentralen Fragen betraf den Heimatschutzstil und die andauernde Reform der ländlichen Bauweise.137 Die Errichtung einer Musterstadt – einer so genannten »kleinen Bahnhofsstadt« (»Stationsbyen«) –, bestehend aus einem Kaufhaus und einer Gaststätte, einem Versammlungshaus, einer Schmiede und einem Bahnhof sowie weiteren Wohnund Wirtschaftsgebäuden, sollte im Stil heimatlich-dänischer Tradition Anschauungsmaterial für das nationale und internationale Publikum bieten.138 Der Bau der Musterstadt als »die meist greifbare Propaganda, die hier im Land für eine bessere Bauweise« je gemacht wurde,139 strebte die Konstruktion und Vermittlung einer nationalen Bauweise als nachahmenswertes Vorbild an. Die große positive Resonanz innerhalb des Landes, aber auch in den Kreisen der dänischgesinnten Bevölkerung Schleswigs belegt den Erfolg dieses Unterfangens. Die Zeitung Dannevirke, ein Presseorgan der dänischgesinnten Schleswiger, lobte in ihrer Ausgabe vom 21. September des Jahres: Wir, die so wenige Baumeister und Architekten aus dänischen Schulen haben, sind dazu geneigt, unsere Häuser in einem deutschen Stil mit gelben und grünen Fassadensteinen zu bauen, in einer Weise, die hier im Land einfach nicht beheimatet ist. […] Bei einem Besuch auf der Ausstellung in Aarhus bekommt man dagegen eine gute Gelegenheit dazu, sich in den dänischen Geschmack und die Weise hineinzuversetzen, die am besten für uns passt.140

Doch auch in Deutschland zeigte man sich von den ausgestellten Exponaten begeistert. Der deutsche Architekt Emil Högg rezensierte die Musterstadt als »ein Stück praktischer Kulturarbeit, die man sich nicht besser wünschen könne.«141 Der Kieler Stadtbauinspekteur Carl Meyer bezeichnete in seinem Bau-Katechismus einzelne Werke der Landesausstellung gar als vorbildlich für 137 Kaatmann, Byggestil og Byggeskik, 1988. S. 91. 138 Ebd. 139 »[…] den mest h”ndgribelige propaganda, der her i landet har været gjort for en bedre byggeskik […].« Svendler Nielsen, Bedre Byggeskik, 1979. S. 101. 140 »Vi, der har s” f” danskskolede bygmestre og arkitekter, er tilbøjelige til at bygge vor huse i tysk stil med gule og grønne facadesten, med en rejsning, der slet ikke hører hjemme her i landet. […] Under et besøg p” udstillingen i Aarhus f”r man derimod rig lejlighed til at sætte sig ind i dansk smag og den retning, der passer bedst for os.« Zit. nach: Kaatmann, Byggestil og Byggeskik, 1988. S. 91. 141 »[…] et stykke praktisk kulturarbejde, som man ikke kan ønske sig bedre«. Svendler Nielsen, Bedre Byggeskik, 1979. S. 102.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

81

die Baukunst in Schleswig-Holstein.142 Die zahlreichen Überschneidungen in der Architektur wurden auch drei Jahre später auf der unter Federführung des späteren schleswig-holsteinischen Provinzialkonservators Ernst Sauermann durchgeführten und unter der Schirmherrschaft von Herzogin Caroline Mathilde zu Schleswig-Glücksburg stehenden Bauausstellung spürbar. Die Schau regionaler Baukunst bestand aus rund 4.000 Fotografien, Zeichnungen, Plänen und Modellen. Zusammen mit der enormen Zuschauerresonanz war sie »die größte Architekturausstellung, die Schleswig-Holstein je gesehen hat!«143 Die Ausmaße und das öffentliche Interesse an der Messe zeugen nicht nur vom Selbstbewusstsein der norddeutschen Heimatschutzbewegung und der zu diesem Zeitpunkt verbreiteten Akzeptanz der traditionell-heimatlichen Bauweise. Darüber hinaus belegt die Ausstellung die zahlreichen Verbindungen zum dänischen Nachbarn, denn der veranstaltende Landesverein für Heimatschutz zeigte auf jener Ausstellung sowohl schleswig-holsteinische als auch dänische Beispiele als Referenzen und Vorbilder für den gewünschten, neuen Baustil.144 Umso bemerkenswerter war die fachliche Rezeption, die das Dargestellte durchweg positiv als Ausdruck einer gesunden Regionalkultur bewertete. Der Berliner Architekturpublizist Walter C. Behrendt lobte im selben Jahr : »Man wird unter den deutschen Landen heute nur schwer noch eine Provinz finden, die eine so geschlossene, den Charakter von Volk und Landschaft klar widerspiegelnde Kunstproduktion aufzuweisen hat, wie Schleswig-Holstein.«145 Die Ähnlichkeiten, gegenseitigen Beeinflussungen und baulichen Zitierungen ergaben sich nicht nur durch die Konzentration beider Seiten auf die traditionelle westschleswigsche Bauweise als die vermeintlich landestypische Urform, sondern ebenfalls durch eine zum Teil gemeinsame Ausbildung der Architekten: Sowohl die auf der deutschen als auch die auf der dänischen Seite tätigen jungen Architekten genossen ihre Ausbildung an den Zentren der neuen Bewegung in Karlsruhe, Darmstadt, Stuttgart und München,146 besuchten gemeinsam die neue Baugewerbeschule in Eckernförde und wurden auf diese Weise an dieselben stilistische Ideale herangeführt.147 Über zahlreiche Publikationen fand darüber hinaus ein Austausch auf fachlicher Ebene statt.148 Als Folge dieser zahlreichen Überschneidungen besaßen beide Seiten ein ausführliches Wissen sowohl über die Ausprägungen der Heimatschutzarchi142 Meyer, Carl. Das Bauen auf dem platten Lande und in den kleinen Städten SchleswigHolsteins. Baukatechismus mit Bildern. 3. Aufl. Lübeck 1915. S. 45. 143 Andresen, Bauen in Backstein, 1989. S. 86. 144 Andresen, Hjemstavnskultur, 2004. S. 224. 145 Zit. nach: Andresen, Bauen in Backstein, 1989. S. 98. 146 Kaatmann, Byggestil og Byggeskik, 1988. S. 97. 147 Leckband, Kontrast und Gleichklang, 1998. S. 93. 148 Vgl. Dragsbo, Dansk og tysk i Sønderjyllands arkitekturhistorie, 2009. S. 112.

82

Grenzverschiebung I

tektur des Anderen als auch über die Institutionen und Organisationen, die in diese Bewegung involviert waren. Die Arbeit der Baupflege Kreis Tondern und deren zentrale Rolle in der schleswig-holsteinischen Architekturentwicklung war aus diesem Grund in Dänemark bekannt. Nach einer zunehmenden Institutionalisierung der dänischen Heimatschutzbewegung149 erfolgte am 27. März 1915 die Gründung der Landesvereinigung für den Besseren Baustil (Landsforeningen for Bedre Byggeskik) nach dem Vorbild der Baupflege. Peter Dragsbo betont in seiner Analyse der dänischen Heimatschutzbewegung jedoch, dass diese Orientierung an dem deutschen Verein offiziell aufgrund seines »zu deutschen« Charakters in Kopenhagen nicht thematisiert wurde150 – ein deutlicher Beleg für die abgrenzende Intention, die sich mit dem Stil verband. Der Landsforeningen entstand aus dem Akademischen Architekturverein und strebte wie sein schleswig-holsteinisches Pendant »eine Wiedergeburt des dänischen Stils in Bauweise und Hausrat« an.151 In Zusammenarbeit mit einer großen Anzahl an Handwerkern, Leitern von technischen Schulen und Mitgliedern zahlreicher Architekturvereine wurden am 27. Juni 1915 die Ziele der Organisation wie folgt formuliert: Die neuen Häuser sollen einfach, heimatlich und schön sein wie es die alten waren: Sie sollen zu dem Ort passen, den sie haben sollen, zu dem Nutzen, den sie erfüllen sollen. Aber sie sollen vor allem praktisch und zeitgemäß sein. Zu diesem Ziel bedarf es, dass Handwerker, Architekten und Bauherren zusammenarbeiten, so daß die neuen Haustypen im Äußeren und im Inneren bedarfsgerecht und schön werden können, ohne daß sie teurer werden. Ist dieses Ziel erreicht, hat der Verein seine Aufgabe gelöst und kann sie beruhigt in die Hände übergeben, in die sie natürlich hingehört: Zu den Handwerkern, die bauen sollen, und zu denen, die in den Heimen wohnen sollen. Dies ist eine Sache, die alle angeht, nicht den allein, der bauen soll, sondern alle, die dänischen Boden und dänische Landschaft besitzen.152 149 So erschienen in den Jahren zwischen 1907 und 1915 zahlreiche Publikationen, die zu einer Verbreitung des Heimatschutzgedankens und -stils in der Architektur auch in größeren Bevölkerungsschichten beitragen sollten. Darüber hinaus erhielt die Heimatschutzbewegung als Unterrichtsfach Einzug in die technischen Schulen sowie als »dänische Klasse« in die Architekturschule der Kopenhagener Kunstakademie. Vgl. Svendler Nielsen, Bedre Byggeskik, 1979. S. 102. 150 Dragsbo, Dansk og tysk i Sønderjyllands arkitekturhistorie, 2009. S. 112. 151 »[…] genfødelse af den danske stil i byggesæt og bohave […].« Ebd. S. 104. 152 »De nye huse skal være enkle, hjemlige og smukke som de gamle var: De skal passe til den plads, de skal have, til den nytte, de skal gøre. Men de skal tillige være praktiske og tidssvarende. Til dette m”l kræves, at h”ndværkere, arkitekter og bygherrer arbejder sammen, s” det nye hustyper i det ydre og det indre kan blive p” en gang hensigtsmæssige og smukke uden at blive dyrere. Er dette m”l n”et, har foreningen løst sin opgave og kan trygt overgive den i de hænder, hvor den naturligt hører hjemme: Hos h”ndværkerne, der skal bygge, og hos dem, som skal bo i hjemmene. Det er en sag, der ang”r alle, ikke alene den, der skal bygge, men enhver, der holder af den danske jord og det danske landskab«. Zit. nach: Ebd.

Die Heimatschutzbewegung in der Region Sønderjylland/Schleswig

83

Hinter der Agenda des Landsforeningen standen somit handfeste nationalpolitische Ziele, die sich in Form der kollektiven Verantwortung für die nationale Bauweise bemerkbar machten. Zur Verwirklichung der Vereinsziele sollten folgende Angebote beitragen: Neben der Errichtung einer Ansprechmöglichkeit für Handwerker und Bauherren (I) sollten Kurse für Baumeister die architektonischen Vorstellungen propagieren (II). Ähnlich der Vorlageblätter der Baupflege wurde die Erstellung (III) und Verteilung (IV) von exemplarischen Zeichnungen für Häuser auf dem Land und der Stadt angestrebt. Durch Ausstellungen (V) und Vorträge (VI) erhoffte sich der Landsforeningen, diese Materialien zu verbreiten.153 Innerhalb kurzer Zeit gelang es dem Verein, sich eine einflussreiche Stellung innerhalb des Bauwesens zu erarbeiten, auch wenn, wie Hans Peter Svendler Nielsen darlegt, zunächst gewisse Widerstände in der Bevölkerung gegen das Eingreifen in die Bautätigkeit überwunden werden mussten.154 Letztlich entwickelte Bedre Byggeskik eine große Bedeutung für das ländliche Bauen in den folgenden Jahren und verbreitete in Dänemark das allgemeine Verständnis für die Bauform als kulturelles Erbes und Ausdruck gesellschaftlicher Leitwerte. Das Wirken der beiden zentralen Heimatschutzarchitekturinstitutionen nördlich und südlich der Grenze lief somit sowohl inhaltlich als auch organisatorisch auf ähnliche Weise ab. Trotz dieser Überschneidungen nahm das heimatliche Bauen eine signifikante Position in den nationalen Auseinandersetzungen der Vorkriegszeit ein.155 Die schleswig-holsteinische und dänische Ausprägung der Heimatschutzarchitektur der Vorkriegsjahre stellt sich als ein transnationales Kulturerbe dar. Beide Bewegungen fanden ihre Wurzeln in der traditionellen Bauweise Westschleswigs. Während der Stil in Schleswig-Holstein vor allem als Ausdruck einer Regionalidentität zu sehen ist, die sich in Abgrenzung zum preußischen Staat herausbildete, muss die dänische »Møgeltønder-« Architektur als der Versuch gewertet werden, die außerhalb der Staatsgrenzen liegende Region Schleswig durch die feste Einbindung in die nationale Identitätskonstruktion, trotz der gegenwärtigen politischen Situation, an Dänemark zu binden. Darüber hinaus galt es, das Bild einer homogenen Nation zu konstruieren, deren kulturelle Merkmale sich vom Skagerrak im Norden bis zum 153 Svendler Nielsen, Bedre Byggeskik, 1979. S. 106. 154 Ebd. S. 105 f. 155 Vgl. Leckband, Kontrast und Gleichklang, 1998. S. 93: »Das Haus und seine Architektur wurden ein wichtiges Deutungsmittel in der nationalen Auseinandersetzung. Als die dänisch gesonnenen Bürger der Stadt Apenrade für ihre Vereinstätigkeit ein eigenes Haus planten, entschieden sie sich für den an der Musterausstellung in Arhus 1909 beteiligten reichsdänischen Architekten [Johannes] Magdahl-Nielsen, dessen 1912 mit sowohl barocken wie klassizistischen Stilelementen errichtetes »Folkehjem« in Apenrade als ein typisch dänisches Versammlungshaus empfunden wurde.«

84

Grenzverschiebung I

Fluss Eider im außerhalb der Staatsgrenzen liegenden Schleswig als verbindendes Element erstreckten. Als es im Jahre 1920 zu der Grenzverschiebung infolge der Volksabstimmung kam, stellte sich die Situation der heimatlichen Bauweise beider Länder so dar, dass es entgegen aller Politisierung nahezu keine stilistischen Unterschiede gab. Die Beispiele der Baupflege und des Landsforeningen bezeugen vielmehr, dass die Heimatschutzarchitektur auf eine ähnliche Weise beiderseits der Grenze institutionell propagiert wurde und die persönlichen Kontakte der Bauschaffenden zahlreich waren. In den Zeiten nationaler Gegensätze fanden Fachkreise insbesondere auf den Bauausstellungen in Aarhus und Flensburg lobende Worte für die Arbeit der jeweilig anderen Seite. Die Heimatschutzbewegung stellt sich in diesem Sinne, trotz unterschiedlicher Zielsetzungen und politischer Instrumentalisierungen, als das Projekt einer grenzüberschreitenden »Interessengemeinschaft«156 dar, deren Wirken ein transnationales Kulturerbe hinterließ.

II.3. Die Anfänge der dänischen und der schleswig-holsteinischen Denkmalpflege im Vergleich Im Zuge der Nationsprojekte des 19. Jahrhunderts wurde der staatlichen Kulturpolitik eine zunehmend größere Rolle in der Herausbildung und Festigung nationaler Strukturen zugesprochen. Die Grundlage dieser Überzeugung war die Vorstellung von einer Übereinstimmung von Staats- und Kulturnation, deren Einheit durch eine gezielte kulturelle Tätigkeit vorangetrieben werden könne. Innerhalb dieser Kulturpolitik wurde die Denkmalpflege – von Winfried Speitkamp mit »Nationsbildung und Denkmalpflege stehen in enger Beziehung«157 akzentuiert – in steigendem Maße als ein wichtiges Instrument staatlicher Interventionsmöglichkeiten gesehen. Die Anfänge der staatlichen Bestrebungen zum Erhalt historischer Bausubstanz und Objekte gehen im deutschsprachigen Raum auf den Architekten Karl Friedrich Schinkel zurück, der 1815 als erster grundlegende Gedanken zur Erhaltung von Denkmälern und Altertümern in einem Memorandum formulierte und die Einrichtung einer staatlichen Schutzbehörde forderte.158 Entgegen der großen theoretischen Be156 Dragsbo, Mellem regionalisme og nationalisme, 1999. S. 185. 157 Speitkamp, Verwaltung der Geschichte, 1996. S. 153. 158 »Bisher waren diese Gegenstände als solche, die nicht unmittelbar dem Staate Nutzen schafften, keiner besonderen Behörde zur Verwaltung und Obhut zugeteilt, sondern es wurde von den Regierungen […] zufällig und meistentheils ohne weitere Rückfrage höheren Orts entschieden, und da es sich leider zu häufig fand, daß in diesen Behörden keine Stimme war, die durch das Gefühl für das Ehrwürdige dieser Gegenstände geleitet wurde […] so geschah es, daß unser Vaterland von seinem schönsten Schmuck so unendlich viel

Anfänge der Denkmalpflege

85

deutung von Schinkels Forderungen fanden diese zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung nahezu keine Wirkung und Umsetzung.159 Erst mit der Verlagerung der Zuständigkeit für den Denkmalschutz an das Kultusministerium 1835 sowie der Einsetzung eines hierfür verantwortlichen, hauptamtlich tätigen Staatskonservators 1843 kam es zu einer ersten Institutionalisierung der Denkmalpflege in Preußen. Bereits seit 1835 gab es in Bayern einen Generalinspekteur der plastischen Denkmäler des Mittelalters, es folgten die Großherzogtümer Baden (1853) und Württemberg (1858) mit ähnlichen Posten.160 Mit der staatlichen Ausstrukturierung der zuständigen Behörden ging ein aus der Romantik abgeleitetes, generell steigendes Interesse der Bevölkerung an Fragen der Bewahrung von historischen Bauwerken einher. Forciert wurde die Sensibilisierung für diese Thematik durch die Arbeit zahlreicher neu gegründeter Architektur-, Altertums-, Heimat- und Denkmalpflegevereine, die für eine Popularisierung des Schutzgedankens in breitere Bevölkerungsschichten verantwortlich zeichneten. Im Gegensatz zu der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Geschichte der deutschen Denkmalpflege stellt sich der Zugang zu der historischen Entwicklung der Bewahrungsanstrengungen schützenswerter Bauwerke und Objekte innerhalb des dänischen Staates im 19. Jahrhundert als ein Forschungsdesiderat dar, welches im Kontext der vorliegenden Arbeit nicht bearbeitet werden kann.161 Eine dezidierte Bearbeitung der Thematik findet sich lediglich in einigen zeitgenössischen Überblicksdarstellungen zur Denkmalpflege in den europäischen Staaten.162 Darüber hinaus bieten die diversen handschriftlichen Berichte des ersten schleswig-holsteinischen Provinzialkonservators Richard Haupt einen vertiefenden Einblick in die Entstehung und die Strukturen der staatlichen Denkmalpflege.163 Eine eigene, dänische For-

159 160 161 162

163

verlor, was wir bedauern müssen, und wenn jetzt nicht ganz allgemeine und durchgreifende Maßregeln angewendet werden, diesen Gang der Dinge zu hemmen, so werden wir in kurzer Zeit unheimlich nackt und kahl, wie eine neue Colonie in einem früher nicht bewohnten Land dastehen.« Schinkel, Karl Friedrich. Memorandum zur Denkmalpflege (1815). Zit. nach: Huse, Norbert (Hrsg.). Denkmalpflege. Deutsche Texte aus drei Jahrhunderten. München 1984. S. 70 – 73, hier S. 70. Huse, Norbert. Karl Friedrich Schinkel. In: Ders. (Hrsg.). Denkmalpflege. Deutsche Texte aus drei Jahrhunderten. München 1984. S. 62 – 70, hier S. 66. Zu den Anfängen der Denkmalpflege in Deutschland siehe: Kiesow, Gottfried. Denkmalpflege in Deutschland. Eine Einführung. 4. überarb. Aufl. 2000. S. 9 – 22. Zudem erweist sich die Quellensituation zu den Anfängen der Denkmalpflege in Dänemark als äußerst problematisch. Wussow, Alexander von. Die Erhaltung der Denkmäler in den Kulturstaaten der Gegenwart. 2. Bde. Berlin 1885; Helfert, Joseph Alexander von. Denkmalpflege. Öffentliche Obsorge für Gegenstände der Kunst und des Alterthums nach dem neuesten Stande der Gesetzgebung in den verschiedenen Culturstaaten. Wien u. a. 1897. Siehe hierzu die Berichte Haupts im Bestand des Landesarchivs für Schleswig-Holstein: LASH, Abt. 309: Regierung zu Schleswig, Nr. 24820: Altertümer und Denkmäler.

86

Grenzverschiebung I

schungstätigkeit zu dieser Materie ist nahezu nicht erkennbar ; die Thematik wurde bislang lediglich in einigen kürzeren Darstellungen angerissen.164 Aufgrund der Zugehörigkeit Schleswigs zu Dänemark unterlag das Herzogtum in Belangen der Pflege und Bewahrung historischer Bausubstanz bis 1864 den denkmalschutzrechtlichen Bestimmungen des dänischen Gesamtstaates. Der Schutz und die Pflege von Monumenten und Bauwerken orientierte sich primär an zeitgenössischen Ästhetik- und Nutzungsvorstellungen: So forderte die gesetzliche Grundlage von 1861 eine regelmäßige Überprüfung historischer kirchlicher Bauten unter der Maßgabe, dass »der Gottesdienst durch Mängel im Zustande der Kirche, oder in dem für die gottesdienstlichen Bedürfnisse Notwendigen nicht leide.«165 In der Pflege schützenswerter Gebäude wurde zwischen sakralen Bauten, die hauptsächlich von der kirchlichen Gesetzgebung betroffen waren, Bauwerken im königlichen Besitz, die von staatlichen Bauinspektoren betreut wurden und frühhistorischen Zeugnissen, die im Zuständigkeitsbereich des Nationalmuseums lagen, unterschieden. Sämtliche anderen Gebäude unterlagen keinerlei gesetzlichen Bestimmungen.166 Da sich die pflegerische Arbeit in Dänemark hauptsächlich an gegenwärtigen Bedürfnissen orientierte und die königlichen Bauinspektoren durch ihre Ausbildung als Architekten eher einer restaurativen, am Zeitstil orientierten Tätigkeit nachgingen, kann attestiert werden, dass die dänische Denkmalpflege nach modernen Maßstäben zu jener Zeit nicht sonderlich stark ausgeprägt war.167 Eine effektivere Arbeit scheiterte an der unzureichenden Umsetzung von bestehenden Verordnungen beziehungsweise einem mangelnden Verständnis für den kunsthistorischen Wert der Monumente.168 Ein weiterer Grund für die fehlende rechtliche Grundlage des Denkmalschutzes in den beiden Herzogtümern jener Zeit lag ebenfalls in der Überzeugung, dass es in den Herzogtümern nahezu keine bedeutenden Kunstund Baudenkmäler gäbe. Der Kunsthistoriker Thomas Scheck hat in seiner Studie zu den Anfängen der Denkmalpflege in der Region dargelegt, dass eine gegenteilige Ansicht fast ausschließlich in der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Gesellschaft für die Sammlung und Erhaltung vaterländischer Alterthümer vorzufinden war, während ein Großteil der einheimischen Historiker von der

164 Siehe beispielsweise: Skovgaard, Joakim A. Conservation Planning in Denmark. In: Town Planning Review; 49,4 (1978). S. 519 – 539; Lunn, Ulla. Preservation of Buildings in Denmark. Kopenhagen 1993. 165 Abschrift des Gesetzes vom 19. Februar 1861. LASH, Abt. 309, Nr.: 24820. 166 Lunn, Preservation, 1993. S. 5. 167 Scheck, Thomas. Die Anfänge der Denkmalschutzes und der staatlichen Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. Bonn 1989. S. 5. 168 Thomas Scheck weist in diesem Zusammenhang auf ein seit 1811 bestehendes Verzeichnis von Denkmälern hin, die unter staatlichem Schutz stehen würden. Diese Auflistung sei jedoch nicht sehr umfangreich gewesen. Scheck, Anfänge des Denkmalschutzes, 1989. S. 6.

Anfänge der Denkmalpflege

87

Abwesenheit eines eigenen, schützenswerten baulichen Kulturerbes ausging.169 Der Geschichtswissenschaftler Wilhelm Lübke etwa urteilte 1882 in seiner Geschichte der Renaissance in Deutschland: Die Kunstdenkmale Schleswig-Holsteins sind bis auf den heutigen Tag von der Kunstforschung, mit alleiniger Ausnahme des Brüggemann’schen Altars in Schleswig, mit fast völligem Stillschweigen übergangen worden. Die Schuld daran trägt in erster Linie das Land selbst. Bis auf die jüngste Zeit ist dort so gut wie nichts geschehen, um Licht über die alten heimischen Monumente zu verbreiten, und in Folge dieser Indolenz musste sich wohl die Meinung festsetzen, dass das Land keinerlei Schätze dieser Art berge. Denn keine unter allen deutschen Provinzen ist so gänzlich indifferent gegenüber ihren alten Monumenten wie Schleswig-Holstein.170

Gerade diese Überzeugung des Fehlens eines wertvollen Denkmälerbestandes ist im Streben nach einer regionalspezifischen Kultur die Basis für spätere Entwicklungen, die in der Heimatschutzbewegung münden. In Abgrenzung zur verhassten preußischen Herrschaft über Schleswig-Holstein bedurfte es nun eines regional eigenständigen Bau- und Kunststils. Der gefühlte Mangel an historischer Substanz sollte auf diese Weise kompensiert werden, denkmalpflegerische Initiativen gingen hingegen allein von den preußischen Behörden aus. Erste entscheidende Impulse auf diesem Gebiet entstanden aus der Eingliederung Schleswig-Holsteins in den preußischen Staat 1867.171 Mit dem Gesetz betreffend die Verfassung und Verwaltung der Städte und Flecken in der Provinz Schleswig-Holstein wurde bereits im April 1869 die Regierung als oberste Denkmalschutzbehörde eingesetzt. Zusätzlich hielt die Verordnung die Gemeinden gesetzlich dazu an, die Genehmigung der Provinzialregierung in Fällen einzuholen, wenn »die Veräußerung oder wesentliche Veränderung von Sachen [geplant war], welche […] einen besonderen wissenschaftlichen, historischen oder Kunstwerth haben.«172 Die Einsetzung des ersten Königlichen Conservators der vaterländischen Altertümer, des Kieler Geschichtsprofessors und späteren Direktors des Museums vaterländischer Altertümer, Heinrich Handelmann, im November 1866 hatte demgegenüber keine großen Auswirkungen auf die Pflege und Bewahrung der regionalen Kulturgüter. Scheck verwies in diesem Fall darauf, dass »Handelmann nicht als Denkmalpfleger im heutigen Sinne verstanden werden [kann], da sein Aufgabenbereich nicht klar 169 Ebd. S. 8. 170 Lübke, Wilhelm. Geschichte der Renaissance in Deutschland (Geschichte der neueren Baukunst; 2). 2., durchges. und verm. Aufl. Bd. 2. Stuttgart 1882. S. 296. 171 »Für die Denkmalpflege in Schleswig-Holstein war der Anschluss an Preußen im Jahr 1867 von entscheidender Bedeutung.« Scheck, Thomas. Denkmalpflege und Diktatur. Die Erhaltung von Bau- und Kunstdenkmälern in Schleswig-Holstein und im Deutschen Reich zur Zeit des Nationalsozialismus. Diss. Berlin 1995. S. 16. 172 Zit. nach: Ebd.

88

Grenzverschiebung I

umgrenzt war und er zudem einen sehr eingeschränkten Denkmalbegriff besaß.«173 Diese ersten institutionellen Einrichtungen der Denkmalpflege in SchleswigHolstein erwiesen sich einerseits durch ihre Durchführungsbestimmungen – das preußische Kultusministerium in Berlin musste in Denkmalschutzangelegenheiten vom Regierungspräsidenten unterrichtet werden – und andererseits aufgrund der oftmaligen Unkenntnis von Architekten und Bauherren über den kulturhistorischen Wert der von ihnen behandelten Objekte als ineffektiv.174 Die Institution des königlichen Konservators war jedoch im Vergleich zu der Denkmalpflege Schleswig-Holsteins unter der dänischen Krone ein klarer Fortschritt. Sowohl in Dänemark als auch in Schleswig-Holstein stellte sich die Situation der Denkmalpflege somit in den ersten Jahrzehnten nach der Grenzverschiebung aufgrund mangelnder fachlicher Qualifikation der Bauträger sowie einer ungünstigen institutionellen Organisation als nicht ausreichend dar. Zudem lag das Augenmerk der dänischen Verordnungen sowie des königlichen Konservators Handelmann primär auf dem kulturellen Erbe der Vor- und Frühgeschichte. Darüber hinaus beschränkte sich das Bewusstsein von dem Wert zu schützender Baudenkmäler bei den verantwortlichen Stellen hauptsächlich auf kirchliche Gebäude: Eine Inventarisierung der preußischen Behörden von 1885 betreffend den Bestand an kunsthistorisch wertvollen Gebäuden listete folgerichtig nur Sakralbauten auf.175 Die Aufnahme in das Verzeichnis bedeutete jedoch keine Garantie für den Erhalt jener Bauwerke in ihrer ursprünglichen Form. Entsprechend zu der in jener Zeit in ganz Europa gängigen Praxis erfolgten sowohl unter dänischer als auch nach 1864 unter preußischer Direktive an zahlreichen mittelalterlichen Kirchengebäuden Restaurierungsarbeiten unter historisierenden und restaurativen Gesichtspunkten. So gab die dänische Gesetzgebung vom 19. Februar 1861 den Umgang unter anderem wie folgt vor : Jede Kirche soll, soweit es unter Berücksichtigung der Umstände angängig ist, innen und außen in einer Weise behandelt werden, wie es ihrem ursprünglichen Stil gemäß ist, und wenn es nicht schon früher so gehalten worden ist, so soll bei allen passenden

173 Scheck, Anfänge des Denkmalschutzes, 1989. S. 10. 174 Ebd. S. 25 f. 175 Auf den Ministerialerlass vom 20. Juli 1885 meldeten die Kreisbehörden von Flensburg, Hadersleben, Apenrade, Husum, Dithmarschen, Kiel, Plön, Oldenburg und Altona ausschließlich kirchliche Bauten, lediglich der Kreis Schleswig listete zusätzlich einige vorhistorische Grabkammern auf. Siehe die dementsprechenden Verzeichnisse: LASH, Abt. 309: Regierung zu Schleswig, Nr. 18533: Bemerkenswerte Kirchen und sonstige Baudenkmäler.

Anfänge der Denkmalpflege

89

Gelegenheiten, […] darauf hingearbeitet werden, daß sie auf den ursprünglichen Stil zurückgeführt werden.176

Hierbei orientierten sich die dänischen und später auch preußischen Architekten an den Formen der Gotik und Romantik. Vor allem die Arbeiten in den 1860er und 1870er Jahren unter deutscher Ägide stellten, so Thomas Scheck, »im Grunde genommen eine Abkehr von den erklärten Zielen der preußischen Pflege- und Schutzbestimmungen« dar.177 Nichtsdestotrotz nahm die schleswig-holsteinische Denkmalpflege einige Jahre später eine Vorreiterrolle innerhalb Preußens ein. Im Auftrag der Behörden erstellte der Gymnasiallehrer Richard Haupt mit dem dreibändigen Verzeichnis über die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein178 in den Jahren 1887 bis 1889 eine erste Bestandsaufnahme der regionalen schützenswerten Denkmäler : Neben Brandenburg besaß Schleswig-Holstein nun als erste Provinz ein flächendeckendes Verzeichnis als Grundlage des Schutzes wertvoller Bauten.179 Erst im Anschluss zogen die anderen Regionen des preußischen Staates mit einer Erstellung ähnlicher Inventare nach. Mit der am 19. November 1891 durch Erlass von Kaiser Wilhelm II. erfolgten Dezentralisierung der staatlichen Denkmalpflege durch die Schaffung der Provinzialkonservatorenstellen in den Provinzen kam es kurz darauf zu einer weiteren Institutionalisierung: Die Aufgaben »zur Erforschung und Erhaltung der Denkmäler«, die zuvor im schleswig-holsteinischen Fall vom königlichen Beauftragten Handelmann übernommen worden waren, gingen nun an den Posten des ehrenamtlich tätigen Provinzialkonservators über. Dieser besaß keine Weisungsbefugnis, sondern sollte nur beratend tätig werden. Er unterstand auf staatlicher Ebene dem am Berliner Kultusministerium ansässigen Staatskonservator sowie auf provinzieller Ebene einer ebenfalls neu eingesetzten Kommission.180 Sein Zuständigkeitsbereich umfasste die Herzogtümer Schleswig, 176 Haupt, Richard. Die Denkmalpflege in Dänemark. 1901. LASH, Abt. 309, Nr.: 24820. 177 Scheck, Anfänge des Denkmalschutzes, 1989. S. 26. 178 Haupt, Richard. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein mit Ausnahme des Kreises Herzogtum Lauenburg. 3 Bde. Kiel 1887 – 1889. 179 Beseler, Hartwig. Denkmalpflege in Schleswig-Holstein 1893 – 1993. Protokoll eines Jahrhunderts. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.). Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. Neumünster 1993. S. 41 – 168, hier S. 45. 180 Ein Runderlass vom 6. Mai 1904 fasste die Aufgaben des Provinzialkonservators zusammen: »Der Provinzialkonservator ist amtlich dazu berufen, Behörden und Beamten, Korporationen und Privaten auf dem Gebiet der Denkmalpflege mit seinem Rate und seiner Hilfe zur Seite zu stehen. Es ist daher dahin zu wirken, daß er in Fällen, wo die Veräußerung, Veränderung oder Wiederherstellung eines Denkmals […] in Frage kommt, vorher gehört, bei Aufstellung der bezüglichen Veränderungs-, Wiederherstellungs- oder Bauprogramme beteiligt und zu den örtlichen Besichtigungen und Beratungen hinzugezogen wird.« Scheck, Anfänge des Denkmalschutzes, 1989. S. 34 ff.

90

Grenzverschiebung I

Holstein und Lauenburg; die Hansestadt Lübeck war hiervon ausgenommen und besaß eine eigens zuständige Behörde. Neben einer effektiveren Denkmalpflege in den einzelnen Provinzen sollte durch die Regionalisierung »der Vielfalt geschichtlicher und kultureller Traditionen in den von Preußen vereinnahmten, zumeist vordem selbständigen Ländern entsprochen« werden.181 Im Gegensatz zu der regionalpolitischen Instrumentalisierung der ländlichen Bauweise spielte der denkmalpflegerische Umgang mit den baukulturellen Zeugnissen des Landes keine Rolle in den kulturellen Abgrenzungsbestrebungen Schleswig-Holsteins. Dies ist vor allem der Überzeugung vom Fehlen eines Bestandes an kulturhistorisch wertvollem und schützenswertem Bauerbe geschuldet. Auch von preußischer Seite lassen sich mit der Etablierung institutioneller denkmalpflegerischer Strukturen in Schleswig-Holstein keine politischen Intentionen erkennen, auch wenn, darauf verweist der Historiker Winfried Speitkamp, die preußische Kulturpolitik innerhalb der Verreichlichung der deutschen Staaten im Spannungsfeld zwischen »regionaler Identität und Länderinteressen« einerseits und »nationalem Bewußtsein und Reichspolitik« andererseits eine wichtige Rolle spielte.182 Die Einsetzung Richard Haupts als Nachfolger des 1891 verstorbenen Heinrich Handelmann als de facto erstem schleswig-holsteinischen Provinzialkonservator erfolgte am 20. September 1893 nicht aus politischen Gründen, sondern aufgrund seiner Verdienste im Zusammenhang mit der Erstellung der Bände über die Bau- und Kunstdenkmäler in Schleswig-Holstein. Auch die selbstgesetzten Ziele der dem Denkmalpfleger vorstehenden Provinzialkommission deuten in diesem Kontext auf eine primär koordinierende Funktion hin. Die von dem Gremium ausgehende »einigende und zusammenfassende Kontrolle über sämtliche wissenschaftliche und künstlerische Institute in der Provinz« und zur Koordinierung der kulturellen Arbeit dieser Einrichtungen bedeutete, dass es sich nicht nur um eine reine Denkmalpflegeinstitution handelte.183 Vielmehr lässt sich konstatieren, dass von den bereitgestellten Mitteln in den ersten Jahren nur geringe Beträge für die Erhaltung von Bauwerken verwendet wurden, der Anteil für denkmalpflegerische Aufgaben stieg erst in den folgenden Jahren zunehmend an. Im Vergleich zu der Regelung vor der Initiation der Provinzialkommissionen und -konservatoren führte die Dezentralisierung der preußischen Denkmalpflege, trotz der unzureichenden finanziellen Ausstattung und der ehrenamtlichen Basis der Tätigkeit, zu einer Stärkung des Bauerbeschutzes.

181 Einleitung. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.). Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. Neumünster 1993. S. 9. 182 Speitkamp, Verwaltung der Geschichte, 1996. S. 153 – 163. 183 Scheck, Anfänge der Denkmalpflege, 1989. S. 36.

Anfänge der Denkmalpflege

91

Der zukunftsweisende Charakter der preußischen Denkmalpflege fand deswegen eine Nachahmung durch Bayern und weitere deutsche Staaten.184 Mit der im Laufe der beiden letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zunehmenden theoretischen Definition und Ausweitung des Denkmalbegriffs erwuchs im Deutschen Reich im Allgemeinen und in Schleswig-Holstein im Speziellen ein erstarkendes Bewusstsein für die Unzulänglichkeiten der gesetzlichen Regelungen. Zwar standen die öffentlichen Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz durch zahlreiche Runderlasse sowie das Gesetz betreffend die Verfassung und Verwaltung der Städte und Flecken in der Provinz Schleswig-Holstein seit 1869 unter einem wesentlich besseren Schutz als zu dänischen Zeiten, jedoch artikulierte sich in einem zunehmenden Maße ein Bedürfnis nach umfangreicheren Instrumenten. In der qualitativen Bewertung von Denkmälern vollzog sich in jenen Jahren nun eine Ausweitung des Begriffs über die historische und ästhetisch-künstlerische Dimension hinaus auf das öffentliche Interesse am Erhalt. Hintergrund dieser Entwicklung war eine bei den zuständigen Stellen gestiegene Sensibilität für das Thema sowie die aufkommende Heimatschutzbewegung, die das Denkmalsobjekt aus seiner isolierten Betrachtung löste und den Ensemblegedanken, die Wechselwirkung von Denkmal und Umgebung, mit in die Gegenstandsbetrachung einbezog.185 Die gestiegene Bedeutung der Pflege machte sich so in der Definition des Denkmalbegriffs bemerkbar. Winfried Speitkamp weist in diesem Kontext darauf hin, dass sich das Denkmal als kulturelles Zeugnis gewissermaßen durch die Denkmalpflege definiere: »Nicht mehr im absoluten Wert des Objekts, der gar nicht meßbar war, sondern im öffentlichen Zugriff […] konstituierte sich das Denkmal.«186 Das Bedürfnis nach einer Ausdifferenzierung entstand darüber hinaus vor dem Hintergrund einer quantitativen Zunahme der Objektgruppen, die durch die alten, zunehmend ungenügenden Definitionen des Denkmalbegriffs eingeschlossen wurden und in den Fokus der Kunsthistoriker, Juristen und Verwaltungsbeamten rückten. Waren es anfänglich sakrale Bauten wie Kirchen und Klöster, die hierdurch abgedeckt wurden – exemplarisch waren die Ergebnisse der Inventarisierung des Bestands an kunsthistorisch wertvollen Gebäuden in Schleswig-Holstein durch die preußischen Behörden 1885 – inkludierte der Begriff nach und nach auch Herren-, Bürger- und Bauernhäuser.187 Entsprechend der theoretischen Diskussion schritt die Institutionalisierung der Denkmalpflege voran: Wichtige Epochen bildeten seit 1899 die Herausgabe 184 185 186 187

Vgl. Kiesow, Denkmalpflege, 2000. S. 25 f. Scheck, Denkmalpflege und Diktatur, 1995. S. 21. Speitkamp, Verwaltung der Geschichte, 1996. S. 85 f. Beseler, Hartwig. Denkmalpflege als Herausforderung. In: Ders. Denkmalpflege als Herausforderung. Aufsätze und Vorträge zu Architektur und Denkmalpflege. Hrsg. von Dirk Jonkanski, Deert Lafrenz und Heiko K.L. Schulze. Kiel 2000. S. 27 – 48, hier S. 34 f.

92

Grenzverschiebung I

der Zeitschrift Die Denkmalpflege als zentrales Organ sowie der 1. Tag der Denkmalpflege am 24. und 25. September 1900 in Dresden als Forum der fachlichen Auseinandersetzung.188 Über die reine Begrifflichkeit hinaus unterlagen ebenfalls die Denkmalwerte, also die Voraussetzungen für die Qualifikation eines Objekts zum Denkmal, einem Wandel. Eine grundlegende Bedeutung in der Formulierung dieser Transformation nahm Alois Riegls Theorie Der moderne Denkmalkultus – sein Wesen und seine Entstehung189 aus dem Jahre 1903 ein. Hierin unterschied Riegl zwischen »gewollten« – also mit expliziter Erinnerungsintention errichteten – und »ungewollten« Denkmalen, die erst durch ihre Rezeption zu solchen werden würden: »Nicht den Werken selbst kraft ihrer ursprünglichen Bestimmung kommt Sinn und Bedeutung von Denkmalen zu, sondern die modernen Subjekte sind es, die ihnen dieselben unterlegen.«190 Auf dieser Basis von Riegls Kategorisierung lassen sich sechs primäre Denkmalwerte unterscheiden, die die Denkmaleigenschaft eines Objekts begründeten: 1. Der Zeugniswert liegt in der intendierten Erinnerung an konkrete Ereignisse, Personen und Dinge und dient der Vermittlung von Tradition und (herrschaftlicher) Legitimation. 2. In einem engen Kontext hierzu steht der historische Wert, der vor allem den »Quellencharakter« eines Objekts bezeichnet. 3. Künstlerisch-ästhetische sowie städtebauliche Aspekte machen den Kunstwert aus, auf den sich auch der Vorbildwert (4.) bezog. Als nachahmenswertes Kunst- beziehungsweise Bauwerk sollte es zur Anregung dienen. 5. Der von Riegl erfundene Alterswert ordnete sich zwischen historischen und künstlerisch-ästhetischen Aspekten ein. Er kennzeichnete beim Denkmal eine quasi-religiöse Komponente, die aus der Entwicklung und dem Verfall des Objekts entsteht. 6. Ebenso wie der Alters- sprach auch der Heimatwert eine emotionale Ebene beim Betrachter an, ging es doch um die Bedeutung innerhalb eines lokalen beziehungsweise regionalen Kontextes.191 Die Ausdifferenzierung von Denkmalbegriff und -wert sowie die zunehmende Institutionalisierung durch Fachliteratur und -zeitschriften, Tagungen sowie das erste deutsche Denkmalschutzgesetz in Hessen 1902 wirkten sich in großem Maße auch auf die schleswig-holsteinische Denkmalpflege aus. Zu Beginn seiner Tätigkeit als Provinzialkonservator legte Richard Haupt seine Schwerpunkte vor allem in eine kirchlich orientierte Arbeit. Erst ab der Jahr188 Siehe zur Geschichte der Institutionalisierung der Denkmalpflege um die Jahrhundertwende in Deutschland: Speitkamp, Verwaltung der Geschichte, 1996; Kiesow, Denkmalpflege, 2000. S. 15 – 21; Hubel, Achim. Denkmalpflege. Geschichte – Themen – Aufgaben. Eine Einführung. 2. durchges. und aktualisierte Aufl. Stuttgart 2011. S. 94 – 100. 189 Riegl, Alois. Der moderne Denkmalkultus – sein Wesen und seine Entstehung. Wien u. a. 1903. 190 Ebd. S. 12. 191 Speitkamp, Verwaltung der Geschichte, 1996. S. 86 ff.

Anfänge der Denkmalpflege

93

hundertwende machte sich eine Tendenz zu weltlichen Bauten bemerkbar, auch wenn sich die Pflege »profaner« Gebäude aus rechtlichen und finanziellen Gründen in der Ära Haupt nur sehr gering entwickelte.192 Dennoch lassen sich bei einer erneuten Inventarisierung der Denkmäler des Landes 1908 Unterschiede zu jener von 1885 erkennen: Zusätzlich zu den verzeichneten Kirchen listete etwa die Aufstellung des Regierungsbezirks Schleswig mehrere herrschaftliche Anwesen und Verwaltungsgebäude als »Baudenkmäler mit geschichtlichem Werte« auf.193 Nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern im gesamten preußischen Staat führte die Ausdifferenzierung des Denkmalwesens dazu, dass die Forderung nach einem Denkmalschutzgesetz zunehmend Raum im Fachdiskurs einnahm. Ein erster Schritt in diese Richtung stellte das Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden vom 15. Juli 1907 dar,194 auch wenn diese Verordnung weniger die Pflege historischer Baudenkmale betraf, sondern vielmehr der Baupolizei ein Instrument an die Hand gab, welches Bauvorhaben, die »die Eigenart des Ortsund Straßenbildes beinträchtig[en],« verhindern konnte.195 Die Verfügung orientierte sich weniger an dem historischen Wert der betroffenen Ensembles und Bauwerke, sondern vielmehr an deren ästhetischem Erscheinungsbild. Als nachteilig erwies sich die Regelung, dass jede Stadt und jede Gemeinde eigenverantwortlich das Gesetz durch eigene Ortsstatute zur Umsetzung bringen musste, hierzu rechtlich jedoch nicht verpflichtet war. Thomas Scheck legte in seiner Arbeit dar, dass es sowohl im gesamten Preußen als auch in SchleswigHolstein nur zu einer zögerlichen Verabschiedung der jeweiligen Statute kam: Im Jahr 1922 hatten lediglich 38 Städte und Gemeinden in der Provinz eine solche Regelung in Kraft gesetzt.196 In der jeweiligen Umsetzung ergaben sich zudem große inhaltliche Unterschiede: Einzelne auf dem Gesetz basierende Verordnungen weiteten etwa den Schutz auf größere landschaftliche Gebiete aus,197 währenddessen beschränkten sich andere Statute lediglich auf einzelne

192 Vgl. Scheck, Denkmalpflege und Diktatur, 1995. S. 21. 193 Verzeichnis der der Verwaltung des Innern unterstehenden Baudenkmäler nach geschichtlichem Werte im Regierungsbezirke Schleswig. 30. Oktober 1908. LASH, Abt. 309, Nr. 18533. 194 Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gebieten. In: Zentralblatt der Bauverwaltung; 72 (1907). Siehe auch: Deutscher Bund Heimatschutz (Hrsg.). Heimatschutz; 4,1 – 3 (1907). 195 Verzeichnis der der Verwaltung des Innern unterstehenden Baudenkmäler nach geschichtlichem Werte im Regierungsbezirke Schleswig. 30. Oktober 1908. LASH, Abt. 309, Nr. 18533. 196 Scheck, Anfänge der Denkmalpflege, 1989. S. 67 f. 197 Im Kreis Sonderburg wurden beispielsweise die gesamte Insel Alsen und große Areale an der Küste explizit in der Verordnung erwähnt. Verordnung betr. den Schutz von landschaftliche hervorragenden Teilen des Kreises Sonderburg gegen bauliche Verunstaltung.

94

Grenzverschiebung I

Straßenzüge. Ein großes Hindernis für die Entfaltung eines weitreichenden Denkmalschutzgesetzes stellte auch die finanzielle Situation des Provinzialkonservators dar. So klagte Richard Haupt, dass die »Verhandlungen über die Beschaffung von Geldmitteln […] sich an erste Stelle [drängen], […] oft ganz unverhältnismäßige Schwierigkeiten [machen] und […] den Gang [hemmen].«198 In der praktischen Umsetzung der Denkmalpflege wurde der Provinzialkonservator immer wieder mit der Situation konfrontiert, dass insbesondere kirchliche Stellen die gesetzlichen Bestimmungen ignorierten und Mahnungen nötig machten.199 Bereits im September 1901 hatte der preußische Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten den Entwurf eines Denkmalschutzgesetzes vorgelegt,200 konkrete gesetzliche Maßnahmen erfolgten hieraus wie auch aus späteren, überarbeiteten Fassungen jedoch nicht. Ein weiterer Entwurf des Ministeriums im September 1909, der sich jedoch nur auf den Schutz frühgeschichtlicher Altertümer und Denkmäler konzentrierte,201 konnte in der Folgezeit ebenfalls nicht umgesetzt werden. Die Exklusion geschichtlicher Denkmale aus der Vorlage erfolgte, weil diese, »soweit sie nicht von dem bereits jetzt geltenden Recht der Denkmalpflege betroffen werden, besonderer gesetzlicher Regelung« unterworfen werden sollten. Die Gründe hierfür lagen zum einen in der komplizierten rechtlichen Lage betreffend die im Kirchen- oder Privatbesitz befindlichen Denkmale. Zum anderen wollte das Ministerium »in dieser Beziehung zunächst die Wirkung des Gesetzes gegen die Verunstaltung von Ortschaften« abwarten.202 Entgegen der weiterhin unbefriedigenden Situation der gesetzlichen Denkmalpflege zeigte die zunehmende

198 199

200 201

202

Landsarkivet før Sønderjylland (LAS), Abt. AD03: Sønderborg Amtsr”d, Nr. 220: Bausachen, Den Schutz des Düppel-Denkmals. Scheck, Anfänge der Denkmalpflege, 1989. S. 97 f. Siehe beispielsweise: »In der letzten Zeit ist es wiederholt vorgekommen, daß Kirchenvorstände die im Interesse der Denkmalpflege getroffenen Anordnungen unbeachtet gelassen haben. […] In unserer Bekanntmachung vom 22. August 1894 ist bestimmt, daß die Kirchenvorstände in allen Fällen von Reparaturen und Änderungen […] ein Attest des Provinzial-Konservators Prof. Dr. Haupt in Eutin, daß der Ausführung ein Bedenken mit Rücksicht auf die Denkmalpflege nicht entgegenstehe, einzuziehen haben.« Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt für den Amtsbezirk des königlich evangelisch-lutherischen Konsistoriums in Kiel; 18 (1906). S. 152. Abschrift: Entwurf eines Gesetzes betreffend Denkmalschutz. LASH, Abt. 371: Provinzialverwaltung, Nr. 647: Denkmalsschutz und Denkmalspflege (Provinzial-Kunst-Kommission) 1901 – 1926. Entwurf eines Gesetzes betreffend den Schutz frühgeschichtlicher Denkmäler, sowie der Ausgrabungen und Funde von Altertümern. LASH, Abt. 371, Nr. 647. Siehe auch: Clemen, Paul. Entwicklung und Ziele der Denkmalpflege in Deutschland. In: Stenographischer Bericht der 1. gemeinsamen Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz in Salzburg 1911. Berlin 1911. S. 51 – 64, hier S. 55. Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Schutz der frühgeschichtlichen Denkmäler sowie der Ausgrabungen und Funde von Altertümern. LASH, Abt. 371, Nr. 647.

Anfänge der Denkmalpflege

95

Tätigkeit der Behörden und des Provinzialkonservators in den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende jedoch auch, dass der Staatsapparat für die Belange des Denkmalschutzes sensibilisiert worden war.203 Die ideelle Basis der Denkmalpflege bildete vor diesem Hintergrund weniger der nationalstaatliche Gedanke, sondern vielmehr die Überzeugung vom Gemeinwohl der denkmalpflegerischen Tätigkeit. Die Situation der Denkmalpflege in Schleswig-Holstein gegen Ende des Ersten Weltkriegs stellte sich somit so dar, dass sie sich nach dem Scheitern eines preußischen Denkmalschutzgesetzes in der Pflege bewahrenswerter Bauwerke weiterhin größtenteils auf die jeweiligen Ortsstatute der Gemeinden stützte. Der preußische Gesetzgeber hatte durch das Fehlen einer zentralen Ordnung auf diesem Feld seine Vorreiterrolle innerhalb des Deutschen Reiches abgeben müssen. Kleinere Staaten wie das Großherzogtum Hessen 1902, das Großherzogtum Oldenburg 1911 sowie das Königreich Württemberg 1914 hatten in den Jahren zuvor eine weitergehende gesetzliche Grundlage für den Schutz von Denkmalen erlassen. Im Vergleich zu Dänemark bedeuteten die in preußischer Zeit in SchleswigHolstein erreichten Fortschritte – in erster Linie die Einrichtung des Provinzialkonservatoramtes – jedoch einen Vorsprung in der Entwicklung einer umfassenden staatlichen Denkmalpflege. Denn erst im Jahr 1918 konnte im Dänischen Reich diesbezüglich mit dem Lov om Bygningsfredning af 12. marts 1918204 ein umfassendes Gesetz verabschiedet werden. Seine Grundlage bildete die Überzeugung, »that the protection of Denmark’s most valueable architectural treasures – buildings which reflect the nation’s history and culture – was both the right and duty of society.« Bis zu diesem Zeitpunkt fundierte die dänische Denkmalpflege auf denselben gesetzlichen Regelungen wie bereits zu Zeiten der Grenzverschiebung von 1864.205 In den Berichten von Provinzialkonservator Richard Haupt über die dänische Denkmalpflege war der Tenor nichtsdestotrotz sogar immer ein sehr positiver und voll der lobenden Worte für die »erfolgreiche Wirksamkeit« des Staates auf diesem Gebiet. So bewunderte Haupt die Organisation und die finanzielle Ausstattung als vorbildlich: »Die Erfolge […] sind so erfreulich, daß man hoffnungsfroh fragen möchte, ob nicht dieselbe Einrichtung auch anderswo dieselben Früchte tragen möchte.«206 Zugleich musste er jedoch 203 Dies machte sich etwa 1903 durch das Eingreifen der staatlichen Behörden zur Bewahrung des Flensburger Nordertores gegen den durch den Stadtrat geplanten Abriss bemerkbar. 204 Lov om Bygningsfredning af 12. marts 1918. In: Det Særlige Bygningsyn (Hrsg.). Fortegnelse over De i Henhold til Lov af 12. Marts 1918 Fredede Bygninger. Kopenhagen 1964. S. 163 – 167. 205 Lunn, Preservation, 1993. S. 5 f. 206 Manuskript »Die Friedung der Denkmäler in Dänemark« von Richard Haupt. S. 37. LASH, Abt. 309, Nr. 24820.

96

Grenzverschiebung I

auch konstatieren, dass ein Vergleich der dänischen mit der schleswig-holsteinischen Denkmalpflege aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen nicht aussagekräftig und die Struktur des einen Staates auf den anderen nicht übertragbar sei: Zwar hätten die »Dänen […] bis jetzt keine eigentliche Inventur der Kunstdenkmäler […]« erstellt, jedoch sei »der dortige Zustand, bei unserer Arbeitsteilung und Interessenteilung auf unsere Verhältnisse nicht übertragbar.«207 Darüber hinaus sei »Dänemark […] doppelt so groß und hat fast doppelt so viel[e] Einnahmen als Schleswig-Holstein.«208 Haupts zahlreiche Berichte über die denkmalpflegerische Tätigkeit in dem nördlichen Nachbarstaat zeugen davon, dass er seine ideellen Impulse nicht nur aus innerdeutschen Tagungen, Kongressen und Korrespondenzen mit anderen Provinzialkonservatoren bezog, sondern ebenfalls umfassende Kenntnisse über die dänische Gesetzgebung besaß. Inwieweit dies jedoch zu einem realen Informations- und Wissensaustausch zwischen den dänischen Behörden und Haupt führte beziehungsweise ob die Kenntnisnahme und Beachtung der jeweiligen Arbeit auf Wechselseitigkeit beruhte, ist aufgrund der Quellen- und Literaturlage nicht verifizierbar. Dagegen war der preußische Einfluss für die Entfaltung der schleswig-holsteinischen Denkmalpflege von zentraler Bedeutung. Dementsprechend resümierte der Provinzialkonservator gegen Ende seiner Amtszeit: Aus sich selbst wäre das Land, das zeigen alle früheren Vorgänge, nie dazu gekommen, die Denkmale seiner Geschichte und Kunst zu ehren und zu schützen. Es bedurfte der Anregung und Führung, ja eines gewissen nicht ablassenden Nachdrucks auf Seiten der Behörden des Staates, dem das Land als Provinz angegliedert ist, und dem es alles Gute und Große seit dem Tage verdankt hat, da er sie aus der fremden Herrschaft losgelöst hat. […] So verdanken auch wir das Unsere dem Zusammenhang mit dem großen preußischen Staate und dem Zusammenwirken mit und in diesem und mit seinen Kräften. Er hat die Denkmalpflege zuerst als eigene Angelegenheit geübt, dann ihr die breitere Grundlage gegeben und sie über das Land ausgebreitet, hat die starke Hand darüber gehalten.209

Auch wenn der Schutz bewahrenswerter Bau- und Kulturgüter in einem engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Heimatschutzbewegung stand, lagen den beiden Strömungen im schleswig-holsteinischen Fall unterschiedliche Intentionen zugrunde. Der Abgrenzungsaspekt der Förderung einer regionalen Baukultur kam in der Herausbildung einer institutionalisierten, staatlich gelenkten Denkmalpflege nicht zum Tragen. Dies begründete sich erstens durch 207 Abschrift des Manuskripts »Die Denkmalpflege in Dänemark« von Richard Haupt, 1901. S. 8 f. LASH, Abt. 309, Nr. 24820. 208 Ebd. S. 11. 209 Abschrift des 29. Jahresberichts des Provinzialkonservators 1921/22. S. 2 f. LASH, Abt. 309, Nr. 24820.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

97

die in den Herzogtümern weit verbreitete Überzeugung von einem Mangel an bewahrenswerten kulturhistorischen Zeugnissen, die eine politische Instrumentalisierung der Denkmalpflege aus Gründen nationaler Abgrenzung wenig brauchbar erscheinen ließ. Zweitens ergaben sich aus der lange Zeit vorherrschenden Konzentration der Kunsthistoriker, Juristen und Verwaltungsbeamten auf die Werke der »Hochkultur« auf der regionalen Ebene nur wenige Überschneidungen mit der antiborussischen Bewegung, die sich eher auf die Zeugnisse heimatlich-volkskultureller Lebensweise, wie das ländliche Bauen, stützte.

II.4. Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum Die gewaltsame Verschiebung der territorialen Grenze im Jahr 1864 wirkte sich nicht nur auf die Theorie und Praxis von Baukultur und Denkmalpflege nördlich und südlich der nationalen Scheidelinie aus. Neben dem baukulturellen Erbe rückte die schleswigsche Memoriallandschaft in Form zahlreicher Denkmäler in das Zentrum der deutsch-dänischen Auseinandersetzungen. Denn mit der veränderten Führung der territorialen Scheidelinie ging nicht zugleich eine Verlagerung der kulturgeographischen Grenzen in der Region einher. Vielmehr wurde der deutsch-dänische Grenzraum nun von pluralen, sich überlagernden und miteinander konkurrierenden Memoriallandschaften und Machtansprüchen, die teilweise direkt gegeneinander gerichtet waren, geprägt. Die als Ergebnis militärischer Auseinandersetzungen und politischer Entscheidungen gezogene faktische, staatliche und administrative Grenzlinie stimmte somit nicht unweigerlich mit der Wahrnehmung zeitgenössischer Beobachter überein.210 Für die Zeit nach 1864 lässt sich von dänischer, aber vor allem von schleswig-holsteinischer beziehungsweise deutscher Seite der Versuch erkennen, den Raum sowohl politisch als auch sprachlich und kulturell zu homogenisieren. Ziel der konkurrierenden Nationalisierungsprojekte war jeweils die Konstruktion einer national einheitlichen Identität – also ein inkludierendes Bestreben – sowie die Zurückdrängung und Exklusion des anderen Nationalisierungsprojektes. Im deutsch-dänischen Grenzraum nach 1864 spielten gerade die sprachpolitischen Regelungen eine große Rolle, die darauf abzielten, den dänischsprachigen Anteil der Bevölkerung zu minimieren. 210 Vgl. Struck, Bernhard. Vom offenen Raum zum nationalen Territorium. Wahrnehmung, Erfindung und Historizität von Grenzen in der deutschen Reiseliteratur über Polen und Frankreich um 1800. In: FranÅois, Etienne/Seifarth, Jörg/Struck, Bernhard (Hg.). Die Grenze als Raum, Erfahrung und Konstruktion. Deutschland, Frankreich und Polen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. S. 77 – 104, hier S. 78.

98

Grenzverschiebung I

Ein weiteres Instrument der nationalen Auseinandersetzung stellte die Geschichtspolitik dar, die einerseits vermeintlich historische Traditionen in der Region kondensieren und vermitteln, andererseits durch die Schaffung einer national geprägten Memoriallandschaft auf dem Wege der Besetzung des öffentlichen Raumes in Form materieller Zeugnisse und den Verweis auf historische Referenzen den eigenen Machtanspruch legitimieren sollte.211 Bei der Demarkation der weiterhin umstrittenen Außengrenze in Schleswig nahm die Setzung von Denkmälern als eine Form kultureller Abgrenzung eine zentrale Funktion ein. Über die Region hinaus besaß die Errichtung der Monumente des Weiteren eine nationale Komponente, die etwa von den Anthropologen Hastings Donnan und Thomas M. Wilson in ihren Studien Border Identities. Nation and State at International Frontiers212 und Borders. Frontiers of Identity, Nation and the State213 aufgezeigt worden sind. So besitzen die öffentlichen Grenzräume als öffentliche Schauplätze der Macht eine nationale Funktion, die weit über die eigene, regional-periphere Lage hinausreicht.

II.4.a. Denkmalsturz: Der Idstedt-Löwe Im Anschluss an die Eingliederung Schleswig-Holsteins in Preußen kam es zu einem signifikanten Wandel der Memoriallandschaft, die darauf abzielte, der territorialen Neuordnung eine kulturgeographisch-mentale folgen zu lassen. Dieser Bruch machte sich für die zeitgenössische Bevölkerung am deutlichsten anhand der Denkmäler – also der kulturellen Grenzsteine – bemerkbar. Als Reaktion auf die veränderten politischen Verhältnissen lassen sich in der Nachkriegszeit drei Phasen im Umgang mit der Erinnerungstopographie der Region unterscheiden: Direkt auf die Machtverschiebung folgend kam es zunächst zu dem Versuch, die Erinnerungstopographie der Region unter nationalen Gesichtspunkten umzugestalten. Bereits 1864 beschädigte eine Gruppe deutschgesinnter Flensburger auf dem Flensburger Marienfriedhof den von dänischer Seite erst wenige Jahre zuvor errichteten Idstedt-Löwen, was letztlich zu seiner Entfernung aus dem öffentlichen Raum führte. Die deutschgesinnte Bevölkerung sah in ihm das Siegesmonument einer vermeintlich dänischen Fremdherrschaft. Der Zerstörungsversuch durch die Flensburger Bevölkerung verstieß gegen den ausdrücklichen Wunsch der preußischen Heeresleitung und 211 Unter anderem der Althistoriker Herbert Flaig stellte fest, dass die nationale Historiographie des 19. Jahrhunderts Legitimationswissenschaft gewesen sei, die in ihrem Wirken Wissenschaft und Politik vereinte. Vgl. Flaig, Herbert. The Historian as Pedagogue of the Nation. In: History ; 59 (1974). S. 18 – 32, hier S. 19. 212 Wilson/Donnan, Border Identities, 1998. 213 Donnan/Wilson, Borders, 1999.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

99

des preußisches Königs; somit handelte es sich um keine offiziell legitimierte Politik. Ab 1865 setzten dann von offizieller Seite Initiativen ein, durch Denkmalserrichtungen in Nordschleswig, also einer Gegend die seit jeher unter dänischem Einfluss stand und von einer dänischen Bevölkerungsmehrheit geprägt war, die preußische Hegemonie auch auf symbolische Weise sichtbar zu machen. Exemplarisch hierfür steht die Errichtung der Denkmäler auf Düppel und Arnkiel, den entscheidenden Schauplätzen des Deutsch-Dänischen Krieges. In einer dritten Phase folgte hierauf gegen Ende des Jahrhunderts eine regional geprägte Bewegung, die darauf abzielte, der nationalen Besetzung des Raumes eine eigene schleswig-holsteinische – auch in Abgrenzung zu den preußischen Machtansprüchen – folgen zu lassen. Beispiele hierfür sind die Doppeleichen, genuine Zeichen schleswig-holsteinischen Regionalbewusstseins, und der Bismarckturm auf dem Knivsberg. Ein Blick auf die Umstände der Entstehung des so genannten Flensburger Löwen, oftmals auch als Idstedt-Löwe bezeichnet, offenbart die grundlegende Problematik dieses Denkmals in der nationalen Auseinandersetzung zwischen der deutsch- und der dänischgesinnten Bevölkerung Schleswigs. Erstmals hatte der dänische nationalliberale Vordenker Orla Lehmann 1858 in einem Brief an den Bildhauer Herman Wilhelm Bissen214 die Idee zum Ausdruck gebracht, »ein Monument der Idstedt-Schlacht auf dem schönsten Punkt des schönen Flensburger Friedhofs« zu errichten.215 Die Ortswahl begründete er damit, dass ein großer Teil der gefallenen und verwundeten dänischen Soldaten nach der Schlacht bei Idstedt am 25. Juli 1850 nach Flensburg gebracht und in einem großen Massengrab auf diesem Friedhof begraben worden war.216 Als Teil einer nationalen Kunstpolitik war es zuvor auf Betreiben nationaldänischer Kreise zu mehreren Landessammlungen gekommen, aus denen Mittel für die Errichtung von Denkmälern, die die nationale Gemeinschaft darstellen und eine gemeinsame Identität fördern, bereitgestellt werden sollten.217 Eine solche Landessammlung lag auch der Errichtung des Flensburger Löwen zugrunde. Die von Lehmann favorisierte Motivwahl der Raubkatze war aus dieser Sicht verständlich, war es doch sowohl das Wappentier des Herzogtums Schleswig als auch das 214 Bissens Arbeiten nahmen im Dänemark jener Zeit eine herausgehobene Stellung ein; er war einer der einflussreichsten dänischer Bildhauer des dänischen Nationalliberalismus. 215 Ostwald, Jürgen. Der Idstedt-Löwe und die Denkmalanlage auf dem Alten Friedhof in Flensburg. In: Poulsen, Bjørn/Schulte-Wülwer, Ulrich (Red.). Der Idstedt-Löwe. Ein nationales Monument und sein Schicksal. Schleswig 1993. S. 48 – 80, hier S. 49. 216 Der Alte Friedhof in Flensburg »wurde dadurch zu einer der zentralen Gedenkstätten für den Bürgerkrieg, der die dänische Monarchie in seinen Grundfesten erschüttert hatte.« Adriansen, Inge. Der Idstedt-Löwe. Ein nationales Monument mit wechselndem Symbolwert. In: Poulsen, Bjørn/Schulte-Wülwer, Ulrich (Red.). Der Idstedt-Löwe. Ein nationales Monument und sein Schicksal. Schleswig 1993. S. 81 – 117, hier S. 82. 217 Ebd.

100

Grenzverschiebung I

des Königreiches Dänemark. Die Errichtung eines Löwen-Monumentes in Flensburg war daher ein deutliches Zeichen für den Anspruch auf die Zugehörigkeit der Region zum dänischen Gesamtstaat: Als Sinnbild für Macht und Stärke stand die Ikonographie des Löwen in Verbindung mit dem Standort als Symbol des militärischen Sieges und reichte aufgrund seines Charakter als politisches Siegeszeichen weit über das unmittelbare Gedenken an die Gefallenen und die Schlacht von Idstedt hinaus.218 Bis zu der feierlichen Enthüllung des Denkmals am 25. Juli 1862, dem zwölften Jahrestag der Gefechte bei Idstedt, hatte sich die endgültige Form der Anlage herauskristallisiert: Die Konzeption des Komplexes bestand aus zwei Teilen: Die einen Löwen darstellende Bronzeplastik Bissens, welche sich auf einem steinernen Sockel bis in rund vier Metern Höhe erhob und durch vier Reliefs hochrangiger dänischer Militärs aus der Schlacht219 am Steinsockel verziert wurde, fand ihre Ergänzung durch die Anlegung eines künstlichen Grabhügels.220 Diese Anspielung auf die frühgeschichtlichen Begräbnisstätten der Wikinger stand im Kontext der Rückorientierung auf die mittelalterliche Geschichte in Dänemark und hatte eine zentrale Funktion in der dänischen Identitätsformulierung in den Jahren um 1850.221 Die Politisierung der frühzeitlichen Grabanlagen bot sich aus dänischer Sicht an, da diese auf der gesamten jütischen Halbinsel zu finden waren und als das Symbol einer vermeintlich homogenen jütisch-dänischen Kulturlandschaft gedeutet werden konnten. In der Anlage auf dem Flensburger Marienfriedhof materialisierte sich die Vorstellung einer historisch gewachsenen Memoriallandschaft, die durch die Besetzung des öffentlichen Raums den dänischen Machtanspruch auf die schleswigsche Region visualisierte. Dabei handelte es sich um eine für den zeitgenössischen Betrachter klar verständliche Aussage: Der bekannte Dichter und Schriftsteller Hans Christian Andersen, der der Denkmalsenthüllung im Juli 1862 beiwohnte, wies

218 Bissen hob das Stärke- und Machtattribut, welches sich mit der Symbolik der Löwen verband, in einem Brief an Orla Lehmann hervor: »Diese drückt außerdem eine unerschütterliche, majestätische Ruhe aus und das scheint mir, könnte hier [in Flensburg] wohl am Platze sein.« Zit. nach: Ostwald, Idstedt-Löwe, 1993. S. 54. Lehmann hatte bereits einige Jahre zuvor die Idee verbreitet, ein Löwenmonument auf dem Düppelberg zu errichten. Seiner Ansicht nach besäße der Löwe eine große symbolische Bedeutung für Dänemark. Ein mögliches Bildnis der Raubkatze könne als sinnbildlich für die »schlummernde Kraft eines Volkes betrachtet [werden], das, nachdem es lange gereizt worden war, sich mit Macht erhebt und seine übermütigen Feinde zurückschlägt, und Dänemarks Söhne werden hierdurch ermuntert, mit dem aschgrauen Löwen zu stehen und zu fallen.« Zit. nach: Adriansen, Idstedt-Löwe, 1993. S. 94. 219 Die Reliefs stellten die Generäle Krogh und Schleppergell sowie die Colonels Helgesen und Læssøe dar. 220 Siehe Abb. 3. 221 Vgl. Strömholm, Zur kulturellen Identität das Nordens, 2002. S. 109.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

101

etwa auf den seiner Ansicht nach deutlichen nationalpolitischen Bezug der Anlage hin.222 Die Bevölkerung der Stadt Flensburg orientierte sich zu jener Zeit auf nationaler Ebene mehrheitlich an der Hauptstadt Kopenhagen. Der Historiker Martin Klatt attestierte diesbezüglich den Stadtbewohnern, die letzten »Anhänger des [dänischen] Gesamtstaates« in Schleswig-Holstein gewesen zu sein.223 Dennoch begleiteten den Idstedt-Löwen seit Bekanntwerden der Errichtungspläne, insbesondere ab dem Zeitpunkt seiner Enthüllung, kontroverse Diskussionen und machten ihn zum »bekannteste[n] und umstrittenste[n] Monument des schleswigschen Grenzlandes.«224 Die Zustimmung und die Kritik zu dem Denkmal stimmten dennoch nicht zwingend mit der jeweiligen nationalen Einstellung des Betrachters überein, auch wenn individuelle Aussagen durchaus stark davon beeinflusst wurden. Vorbehalte gegenüber der Statue kamen nicht nur aus den Kreisen der deutschgesinnten Bevölkerung, sondern ebenfalls vom dänischgesinnten Schleswiger Bischof Ulrich Sechmann Boesen sowie dem dänischen König. Die ablehnende Haltung Frederiks VII., Geld zur Landessammlung beizutragen, zeugt vom Widerstand höchster Kreise in Dänemark gegen das Denkmalprojekt.225 Der Idstedt-Löwe war somit kein nationales Monument, sondern ein geschichtspolitisches Projekt nationalliberaler Kreise zur Visualisierung des Sieges über die schleswig-holsteinische Abgrenzungsbewegung sowie die Manifestierung des eigenen Herrschaftsanspruches über die Region im öffentlichen Raum. Als kultureller Grenzstein lag die Intention in dem Löwen in seiner sowohl inkludierenden als auch exkludierenden gesellschaftlichen Funktion zwischen persönlicher ideeller Identifizierung dänischgesinnter und dem Ausschluss schleswig-holsteinisch-deutschgesinnter Bewohner der Region. Die Kritik an dem Denkmal äußerte sich primär auf drei unterschiedlichen 222 Ostwald, Idstedt-Löwe, 1993. S. 65. 223 Klatt, Martin. Fließende Grenzen in einer Grenzstadt. Sprache, Kultur, gesellschaftlicher Status und nationale Identität im Flensburg des langen 19. Jahrhunderts. In: Duhamelle, Christophe/Kossert, Andreas/Struck, Bernhard (Hrsg.). Grenzregionen. Ein europäischer Vergleich vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. S. 315 – 331, hier S. 324. 224 Schlaber, Gerret Liebing. Kontroverse um ein Denkmal. Der Idstedt-Löwe zwischen Provokation und Provisorium (1992 – 2002). In: Grenzfriedenshefte; 4/2002. S. 259 – 290, hier S. 259. 225 Die dänische Historikerin Inge Adriansen weist ferner darauf hin, dass der kommandierende General der dänischen Truppen in Jütland und auf Fünen, Christian Julius des Meza, ebenfalls gegen das Monument Stellung bezog. So war dieser nicht der Einladung zur Denkmalseinweihung gefolgt und auf einer Gedenkveranstaltung in Flensburg 1859 äußerte er den Wunsch, dass das Fest keine Wiederholung finden möge, da sonst der Graben zwischen Dänemark und Holstein tiefer zu werden drohe. Adriansen, Idstedt-Löwe, 1993. S. 85 f.

102

Grenzverschiebung I

Ebenen. So sorgte erstens die Ästhetik des Monuments gepaart mit dem Grabhügel für Ablehnung auf der deutschen Seite. Hierbei muss die ästhetische Beurteilung primär unter einem nationalen Aspekt betrachtet werden. Während es die Befürworter wohlwollend als machtvolles Zeichen darstellten, benutzen deutschgesinnte Gegner des Projektes seine Ästhetik zu einer grundlegenden Verurteilung. So berichtete ein Flensburger Augenzeuge am Tag der Enthüllung: Eine Menge privater Grabhügel sind diesem Unternehmen rücksichtlos geopfert worden […]. Die Mißbilligung über das willkürliche Verfahren ist im Publikum eine fast allgemeine, obgleich, wenn einmal der beabsichtige Zweck erreicht werden soll, das Geschehene wohl unvermeidlich war. Auf dem dergestalt gewonnenen Raum erhebt sich jetzt ein aus einem unschönen Steinhaufen gebildetes ungestaltes Felsengebirge, welches einen Umfang von ca. 70 Schritt hat. Große unbehauene Granitsteine bilden eine Art Lehnsessel in einer Reihe neben und übereinander fortlaufend. An jeder Rückenlehne dieser Sitze ist eine Marmortafel zur Erinnerung an gefallene Krieger angebracht, deren Gebeine gar nicht unter diesen Steinen liegen. An verschiedenen Stellen kann man auf sehr schmalen Stiegen auf den Rücken des Felsengebirges gelangen, wo – der Danebrog226 weht. Diesem geschmacklosen, für die Fläche des Begräbnisplatzes viel zu großem Werk gegenüber soll das große Löwenmonument errichtet werden.227

Ein weiterer anwesender Betrachter ging in seiner Beurteilung noch weiter und sprach dem Löwen jeglichen künstlerischen Wert ab. Neben seiner Form – »Außer der kolossalen Größe ist an diesem sogenannten Kunstwerke nach unserem Dafürhalten gar nichts zu bewundern. Die halbliegende oder sitzende Stellung wirkt geradezu unschön, von grimmer oder auch nur ruhiger Majestät keine Spur!« – fehle ihm ein klarer Ausdruck: Es spricht eigentlich gar kein Charakter aus dem Bilde. […] Die aufrechstehenden Vorderbeine gleichen aufs täuschende einem Paar Baumstämme. Aus dem starken Mähnenkragen lugt das verhältnismäßig kleine Gesicht des Tieres geschlossenen Rachens etwas hochnäsig dumm hervor. Mit dem Hinterteil ruht dasselbe auf dem Fundament. Es scheint mit einem Wort, als ob der große Löwe soeben eines gesundes Schlafes genesen sei und verwundert fragen möchte: Wo bin ich?

Fernerhin monierte der Berichterstatter die seiner Meinung nach minderwertige kunsthandwerkliche Qualität, die eine Errichtung eigentlich von vornherein habe verhindern müssen: »Der Guß ist nicht […] gelungen […]. Wir […] können der ersten Metallgießerei Kopenhagens, aus welcher dieser Guß her-

226 Der Begriff Danebrog bezeichnet die dänische Nationalflagge mit dem weißen Kreuz auf rotem Hintergrund. 227 Zit. nach: Ostwald, Idstedt-Löwe, 1993. S. 68 f.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

103

vorgegangen, ebensowenig wie dem großen Löwenschöpfer unser Kompliment machen.«228 Über die Ästhetik hinaus entbrannte der Konflikt zweitens anhand der Frage nach der Intention des Flensburger Löwen: Während der dänische Theologe und Politiker Henrik Nicolai Clausen in seiner Rede zur Einweihung der Stätte am 25. Juli 1862 davon sprach, dass das Idol keine offensive Botschaft besitze, sondern nur für den dänischen Verteidigungswillen stehen,229 bewertete dies der dänische Gesamtstaatler und schleswigsche Bischof auf Alsen, Jürgen Hansen, (im Nachhinein) grundlegend anders: Wenn ich einen Prozeß gegen meinen Nachbarn gewinne, schlage ich kein Schild an meiner Mauer an, auf dem ein Löwe sich mit drohendem Antlitz ihm zuwendet. […] Man hätte sich selbst sagen müssen, daß Dänemark sich nicht immer sicher sein konnte, die Kraft des Löwen zu behalten und ich hätte gerne gewußt, was man in Dänemark sagen würde, wenn die Preußen an der Königsau einen gegen Jütland gewandten drohenden Löwen errichteten.230

Von besonderer Signifikanz in der Debatte war die Kombination unterschiedlicher Symbole in der Anlage. Neben dem Bezug zur Vorgeschichte der Nation durch das Hünengrab verbanden sich mit dem Löwen als einen Part des Reichswappens und der gehissten dänischen Flagge auf dem Friedhof einerseits eine Huldigung der Nation und des Königshauses sowie die Äußerung des Verteidigungswillens gegen schleswig-holsteinisch-deutsche Ansprüche auf die Region andererseits. Der national trennende Aspekt des Monumentes offenbarte sich ebenfalls am Ablauf der feierlichen Enthüllungszeremonie: Seine Einweihung wurde durch Kanonenschläge verkündet und durch das Singen national geprägter Lieder eng an das dänische Nationalisierungsprojekt geknüpft. Die Bewertung des Idstedt-Löwen trennte jedoch nicht nur die dänisch- von den deutschgesinnten Schleswigern, sondern auch die nationalliberalen Vertreter Dänemarks von den Abgesandten aus Kopenhagen. So stieß die Zeremonie auf teils heftige Kritik der Gäste aus dem restlichen Gesamtstaat, aber auch auf Zustimmung aus regionalen Kreisen.231 Die rigorose Durchsetzung des Denk228 Ebd. S. 74 f. In deutschen Kreisen erhielt der Löwe bereits kurze Zeit nach seiner Einweihung die Bezeichnung »Frosch«. In Form einer Karikatur fand diese Interpretation sogar Einzug in Wilhelm Buschs satirische Zeitschrift »Fliegende Blätter«. Vgl. Ebd. S. 77. 229 »Nun steh’ du edles Siegeszeichen! Am letzten unserer Heldengräber errichtet von einem dankbaren Volk. Du stehst nicht herausfordernd – Dänemarks alte Reiche sind nicht durch Raub zusammengesunken, und Dänemarks Politik hat nichts gemein mit diesem gefräßigen Raubtier – aber so wie Du dem Wappenschild von Dänemark und Schleswig entnommen bist, so wirst zu treuem, heldenmütigen Widerstand gegen jeden, der unseren Grenzfrieden brechen will, aufrufen.« Zit. nach: Adriansen, Idstedt-Löwe, 1993. S. 92. 230 Zit. nach: Ebd. S. 87. Auch Generalleutnant Christian Julius de Meza äußerte sich in jener Zeit gegen eine vermeintlich offensive Ausrichtung des Monumentes. 231 »Als Repräsentant der Schleswiger sprach Kreisarzt Duseberg aus Flensburg über den

104

Grenzverschiebung I

malprojektes durch Orla Lehmann und das eigens aus dem Anlass gegründete Denkmalkomitee zeugen von der Verabschiedung der Gesamtstaatsidee in den nationalliberalen Kreisen Dänemarks. Ein dritter Aspekt der Auseinandersetzungen bestand in der Frage der Intention, die in einem engen kausalen Zusammenhang mit der Kritik an dem Denkmal wegen seiner Funktion als Siegesmonument zu sehen ist. Bereits vor der Errichtung erwuchs die Debatte, ob der Flensburger Löwen als ein Grabdenkmal oder als ein Zeichen des Sieges gedeutet werden muss. Die Fronten dieser Auseinandersetzung verliefen quer durch die dänische Gesellschaft.232 In der bereits zuvor erwähnten Einweihungsrede des Henrik Nicolai Clausen verbanden sich die beiden Ideen miteinander, wenn Clausen es als Siegesmonument und als Zeichen des Strebens nach einem Dänemark bis zur Eider bezeichnete und gleichzeitig der gefallenen Soldaten aus dem Schleswig-Holsteinischen Krieg gedachte, die für ein höheres Ziel gestorben seien: »Dafür hätten und würden wir alles opfern. Der Löwe soll zu treuem, heldenmütigen Widerstand gegen jeden aufrufen, der unseren Grenzfrieden brechen wollte.«233 In seiner Vorstellung von dem Monument als Siegeszeichen drückte sich somit vor allem der Herrschaftsanspruch über den umstrittenen Grenzraum aus. Die Gestalt des Löwen, dessen Blick sich in Richtung Süden wandte, materialisierte seiner Ansicht nach den dänischen Anspruch auf die Region: So zeig Dich denn mächtige Gestalt, geschaffen von edler Künstlerhand. Wirf Deine Hülle ab! Rage empor über die Gräber der siegreichen Helden als Sinnbild für das Erbe der Nordländer von Generation zu Generation: der wachsame, unerschrocken aushaltende Mannesmut.234

Gerade diese Intention war der Hauptgrund für die ablehnende Haltung gegenüber dem Denkmal auf deutscher Seite.235

232 233

234 235

Unterschied zwischen Deutsch und Dänisch. Der Unterschied läge nicht so sehr in der Sprache, denn in der Gesinnung. Man können deutschsprechend und doch ein ehrlicher dänischer Mann sein, andererseits könne einer dänisch sprechen und doch ein garstiger Deutscher sein. Diese Äußerungen stießen auf heftige Kritik bei vielen Gästen aus dem Königreich, aber ein Flensburger gab an, er habe gefühlt, daß Dusebergs Worte aus der Seele gesprochen seien.« Adriansen, Idstedt-Löwe, 1993. S. 92 f. Vgl. Ostwald, Idstedt-Löwe, 1993. S. 57. Adriansen, Idstedt-Löwe, 1993. S. 94. Adriansen zufolge wurde die Funktion als Siegesmonument nicht zuletzt dadurch deutlich, dass das Denkmal Eigentum des Kriegsministeriums wurde und nicht, wie sonst bei nationalen Monumenten sonst üblich, das des Kirchen- oder Kultusministeriums. Ebd. S. 96. Zit. nach: Ebd. S. 90 f. In einem Zeitungsartikel hieß es zur Bewertung des Löwen: »Was im Besonderen dieses Löwendenkmal so verhaßt macht, sowohl bei den Schleswig-Holsteinern als bei allen deutschen Patrioten, ist nicht der Umstand, daß es als Gedenkstätte für gefallene dänische Krieger errichtet wurde – im Gegenteil! In allen zivilisierten Ländern ehrt und achtet man die Denkmäler, die für gefallene Feinde errichtet werden. Sie werden wie jeder andere

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

105

Diese Einstellung führte im Anschluss an den Deutsch-Dänischen Krieg im Januar 1864 zu dem raschen Versuch, das verhasste Monument per Denkmalsturz loszuwerden. Infolge des dänischen Machtverlustes über den schleswigschen Grenzraum wurden die dänischen Herrschaftssymbole im öffentlichen Raum nun in Frage gestellt. Das Augenmerk der deutschgesinnten Flensburger, die bei ihrem bilderstürmerischen Verhalten keine dänischen Sanktionen befürchten mussten, richtete sich unmittelbar nach Kriegsende auf den Flensburger Löwen. Das Denkmal in seiner Funktion als politisch-kulturelles Zeichen nahm die Stellung eines signifikanten Indikators für den politischen und gesellschaftlichen Wandel ein.236 Der Angriff auf das Monument galt in diesem Zusammenhang nicht nur seiner physischen Präsenz im öffentlichen Raum, sondern darüber hinaus zielte der Zerstörungsversuch auf den Bruch der auf die Tradition aufbauenden Legitimierung dänischer Herrschaftsansprüche ab. Anhand dieses Beispiels verdeutlicht sich der von Winfried Speitkamp festgestellte Konnex der Geschichte der politisch-kulturellen Zeichen als eine Konfliktgeschichte.237 So wie das Denkmal als Eigenbild der nationalliberalen dänischen Eiderbewegung für den Machtanspruch auf die Region den Raum besetzte,238 bedeutete der Sturz der Statue die symbolische Inszenierung des MachtwechGedenkstein und jedes Grabmal befriedet und in Ehren gehalten. Aber anders beim IdstedtLöwen, dieser unglücklichen Mißgeburt dänischen Geschmacks. Wenn die Dänen schon ein Denkmal für ihre gefallenen Krieger setzen wollten, warum dann nicht auf dem blutgetränkten Acker von Idstedt, wo so viele ihrer Tapferen für Dänemarks Sache geblutet haben und dort auf dem Friedhof, wo die dänischen Gräber zu finden waren? Um nichts in der Welt! Der Flensburger Löwe sollte ein bös’ gemeintes Siegeszeichen sein, ein Zeichen des Spottes, eine Verhöhnung der in ihren innersten Gefühlen verletzten Schleswig-Holsteiner, ja die Gräber ihrer nächsten Angehörigen zwangen den Dänen nicht mal die Ehrfurcht ab, die man sonst selbst beim rohesten Volk findet.« Zit. nach: Ebd. S. 96 f. 236 Winfried Speitkamp hat auf die Merkmale politisch-kultureller Zeichen hingewiesen. So besitzen sie eine übertragene Bedeutung über ihre äußere Form und Funktion hinaus (1). Sie vermitteln eine Idee beziehungsweise eine kollektive Identität (2) und verdichten das Dargestellte auf bildlicher Ebene (3). In ihrem Wesen liegt das Potential einer quasi-religiösen und mystifizierenden Überhöhung des Dargestellten (4) und der emotionale Appell an die Öffentlichkeit (5). Letztlich lassen sich an dem Umgang mit ihnen politische und gesellschaftliche Metamorphosen ablesen. Vgl. Speitkamp, Winfried. Denkmalsturz und Symbolkonflikt in der modernen Geschichte. Eine Einleitung. In: Ders. (Hrsg.). Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik. Göttingen 1997. S. 5 – 21, hier S. 6 f. 237 Ebd. S. 9. 238 Der Kunsthistoriker Jürgen Trimborn sieht in Denkmälern das zentrale Instrument zur Inszenierung des öffentlichen Raumes: »Im Prozess einer öffentlichen Inszenierung werden Denkmale mit einer ganz bestimmten Intention und Aussageabsicht in ,Szene gesetzt‘, es wird also ein ganz bewusster Inszenierungsaufwand betrieben, um […] Male des Denkens und Erinnerns, also öffentliche (Sinn-) Zeichen als repräsentative gesellschaftliche Kulminationspunkte zu schaffen.« Trimborn, Jürgen. Denkmale als Inszenierungen im öffentlichen Raum. Ein Blick auf die gegenwärtige Denkmalproblematik in der Bundesrepublik Deutschland aus denkmalpflegerischer und medienwissenschaftlicher Sicht (Kunstgeschichte; 1). Diss. Köln 1997. S. 33.

106

Grenzverschiebung I

sels. Seine Verweisfunktion auf eine politische Botschaft und die zuvor um ihn geführten Auseinandersetzungen machten den Idstedt-Löwen zum naheliegenden Ziel der Bilderstürmer, um das Ende der dänischen Herrschaft symbolisch nachzuvollziehen. Dabei stellte der Sturz des Löwen nicht die offizielle Politik Preußens dar, sondern es handelte sich um eine Aktion lokaler schleswig-holsteinischer Akteure. Das Einschreiten der Polizei verhinderte die gänzliche Zerstörung des Monumentes durch die Täter am Abend des 22. Februar 1864. Aufgrund der fortgeschrittenen Demontage beschlossen die preußischen Behörden seine vollkommene Entfernung, »damit er in Sicherheit gebracht werde.«239 War das Monument in der kurzen Zeit seiner Präsenz auf dem Alten Friedhof Objekt zahlreicher bildlicher Rezeptionen, fand sein Sturz eine ebenso große mediale Verarbeitung.240 Beispielsweise bezog sich ein von einem Hamburger Verlag herausgegebener Holzschnitt auf den Aspekt des Monumentes als Zeichen des dänischen Sieges und der damit verbundenen Unterdrückung des schleswig-holsteinischen Willens, ein Teil Deutschland zu werden.241 Die aus dem Jahre 1864 stammende Grafik, die unter dem Titel »Uebermuth thut selten gut!« erschien und die »Beseitigung des Idstedter Löwen durch schleswig-holsteinische Patrioten« darstellte, zeigt wie der Löwe mithilfe eines Strickes, einer Leiter und einem Wagenheber von seinem Sockel gelöst wird. Dass diese Aktion gegen die offizielle preußische Politik verstieß, bezeugen die scharfen Proteste des preußischen Reichskanzlers Otto von Bismarck und des Oberbefehlshabers der preußischen Truppen im Deutsch-Dänischen Krieg, General Friedrich von Wrangel. In einem Telegramm an den zuständigen Zivilkommissar für Schleswig, von Zedlitz, protestierte Bismarck, dass es ein durchaus unwürdiger Gedanke [ist] die Denkmale früherer feindlicher Siege, besonders wenn dieselben irgendwie einen künstlerischen Charakter tragen, zu vernichten oder auch nur zu entfernen, und ich erwarte daher mit Bestimmtheit, daß Euer Exzellenz ferner allen solchen Versuchen mit Nachdruck entgegentreten und dafür sorgen werden, daß auch solche Monumente, wie alle anderen, unverletzt erhalten bleiben.242

Der erste Zerstörungsversuch durch die Bevölkerung hatte das Denkmal jedoch bereits beschädigt, so dass General von Wrangel eine Demontage durch die Behörden anordnete.243

Adriansen, Idstedt-Löwe, 1993. S. 98. Ebenso schlugen sich die Ereignisse in zahlreichen populären Liedern nieder. Siehe Abb. 4. Zit. nach: Graef, Fritz. Der Löwe von Idstedt und die Kriegsgräber auf dem Alten Kirchhofe in Flensburg. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte; 65 (1997). S. 255 – 316, hier S. 307. 243 Ebd. S. 309: »Um jeden Zerstörungs-Versuch […] von Seiten des Volkes […] zu verhüten,

239 240 241 242

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

107

Die nationalliberale dänische Seite reagierte auf die Entfernung des Monumentes am 22. Februar, indem sie in der Deutung das Motiv des Siegeszeichens zugunsten des Gefallenengedenkens zurückstellte und die Demontage als unnötige Machtdemonstration Preußens bewertete.244 In Kombination mit der Überführung des Idstedt-Löwen 1866 nach Berlin und seiner Zurschaustellung im dortigen Zeughaus als eine Kriegstrophäe wurde seine angestrebte Rückerlangung nunmehr zu einem konstituierenden Element der dänischen Nachkriegsgeschichte. Die Verklärung des Denkmals führte in diesem Kontext zu seiner weiteren politischen Aufladung: Es stand hiernach stellvertretend für das Martyrium des dänischen Reiches nach der Niederlage sowie für das Leid der dänischgesinnten Bevölkerung in Schleswig angesichts der preußischen Sprachund Kulturpolitik. Das Löwenmonument behielt seinen Standort im Berliner Zeughaus jedoch nicht lange: Bereits 1878 wurde sein neuer Standort der Innenhof der preußischen Kadettenakademie in Berlin-Lichterfelde. Die an dem Sockel befindlichen Reliefs, welche vier dänische Offiziere aus dem Schleswig-Holsteinischen Krieg abbildeten, wurden bei der erneuten Umstellung entfernt und einem in der Düppel-Schlacht involvierten Artillerieregiment für das Offizierskasino geschenkt.245 Durch den neuerlichen Ortswechsel kam es innerhalb kurzer Zeit zu mehreren De- und Rekontextualisierungen des Denkmals. Die anfängliche Bedeutung als Siegesmonument verlor der Löwe durch seinen Sturz im direkten Anschluss an die dänische Kriegsniederlage. Im Umfeld des Zeughauses wurde er zu einer preußischen Kriegstrophäe, die Aufstellung in der Kadettenakademie stellte das Denkmal in den Kontext der deutschen Sammlungsbewegung und der Überwindung der deutschen Uneinigkeit. Der Löwe erhielt auf diese Weise den Charakter eines Symboles preußisch-deutscher Stärke.

II.4.b. Preußische Siegeszeichen in Nordschleswig Die erste Phase der Transformation der schleswigschen Erinnerungstopographie, dessen prägnantestes Ereignis die Demontage des Idstedt-Löwen war, lässt sich auf die direkte Anschlusszeit an den Krieg terminieren. Die Beseitigung des befehle ich, daß das genannte Denkmal sofort von Amts wegen von dem Flensburger Kirchhofe entfernt und an einem sicheren Ort zur Verwahrung genommen werde.« 244 »Es ist nicht zu verleugnen, daß Bissens Löwe, so wie er dort drohend nach Süden blickend stand, herausfordernd auf das große Deutschland wirken mußte, ein Zeugnis dafür, daß wir bei den glücklichen Kämpfen des Jahres 1848 – 50 wirklich daran glaubten, nicht nur den Aufruhr, sondern ganz Deutschland besiegt zu haben. Trotzdem war es Rohheit, daß die Deutschen die Übermacht ausnutzten und ein Denkmal auf den Gräbern von Gefallenen forttrugen [sic!].« Zit. nach: Adriansen, Idstedt-Löwe, 1993. S. 101 ff. 245 Vgl. Adriansen, Idstedt-Löwe, 1993. S. 103.

108

Grenzverschiebung I

wichtigsten dänischen Monumentes und Zeugnisses der deutsch-dänischen Auseinandersetzung bedeutete die national-symbolische Neutralisierung der schleswigschen Denkmallandschaft. Mit der Entfernung des Löwen ging zugleich die Negierung dänischer Machtansprüche einher. Unter anderem der Kunsthistoriker Jürgen Trimborn und die Geschichtswissenschaftlerin Biljana Menkovic haben in ihren Arbeiten auf den engen Zusammenhang von Denkmalstürzen und politischen Machtkonflikten hingewiesen.246 Der von dem Denkmal »befreite« Grenzraum stellte einen interpretationsoffenen Raum dar, welcher nicht durch die Anwesenheit politischer Monumente geographischterritorial in materialisierter Form beansprucht wurde. Dieser Diskrepanz zwischen den vorhandenen unterschiedlichen Machtansprüchen einerseits und dem Fehlen kultureller Grenzsteine andererseits versuchte der preußische Staat ab 1865 mit der Errichtung von zwei nationalen Denkmälern zu begegnen. Auf einer militärischen Siegesfeier zum Gedenken an den preußisch-österreichischen Sieg gegen die dänischen Truppen im Vorjahr wurden am 22. April 1865 die Grundsteine für die beiden Monumente Düppel- und Arnkiel-Denkmal gelegt. An den Orten der entscheidenden Gefechte sollten die Sandsteinmonumente als eindeutige Siegeszeichen die preußische Herrschaft über die Region verkünden.247 Dieses Motiv wurde einerseits durch die Inschriften, die von »Sieg« und »Eroberung« sprachen, andererseits durch die Platzwahl deutlich.248 Beiden Orten waren bereits seit dem Schleswig-Holsteinischen Krieg nationale dänische Sinnzuschreibungen inhärent, die durch die Verteidigungskämpfe gegen den deutschen Feind im Jahr 1864 noch verstärkt wurden. Das Ausharren der dänischen Truppen gegen die Belagerung der Schanzen im Frühjahr 1864 machte primär »Düppel zum Inbegriff dänischer Ausdauer und Treue.«249 Der 246 Trimborn, Denkmale, 1997; Menkovic, Biljana. Politische Gedenkkultur. Denkmäler – Die Visualisierung politischer Macht im öffentlichen Raum (Vergleichende Gesellschaftsgeschichte und politische Ideengeschichte der Neuzeit; 12). Wien 1999. 247 Adriansen, Inge. Dybbøl – et dansk og tysk nationalt symbol. In: Sønderjyske ærbøger; 1992. S. 249 – 290, hier S. 261 f. Beide Entwürfe kamen aus der Feder des bekannten Professors Johann Heinrich Strack, der auch für die Siegessäule in Berlin verantwortlich zeichnete. 248 Inge Adriansen weist darauf hin, dass vor allem der Düppeler Berg mit seinen Verteidigungsschanzen seit den Auseinandersetzungen zwischen 1848 und 1851 im dänischen nationalen Bewusstsein hohe symbolische Bedeutung besaß. So gelang den dänischen Truppen am 28. Mai 1848 ein erster entscheidender Sieg gegen die schleswig-holsteinischen Verbände. Fortan galt der Tag als dänischer Gedenk- und Feiertag, was sich auch in der Unterschreibung des Grundgesetzes auf den Tage genau ein Jahr später ausdrückte. Vor dem Krieg von 1864 erfolgte im Zuge von Befestigungsarbeiten die Errichtung zahlreicher Schanzen. Nach dem traumatischen Rückzug der dänischen Truppen von der historischen Verteidigungslinie Danewerk kam es erst in Düppel, später auf der Insel Alsen zu den beiden entscheidenden Niederlagen. Vgl. Adriansen, Inge. Die Düppeler Mühle. Monument & Museum. Sonderburg 1997. S. 4 ff. 249 Ebd. S. 10.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

109

Berg und die auf ihr befindliche Mühle wurden im Anschluss an den Krieg dänischer Pilgerort und nationale Erinnerungsstätte. Die Errichtung eines preußischen Denkmals konnte demgemäß als klares Zeichen des Versuches einer De- und anschließenden Rekontextualisierung des Raumes gesehen werden. Die unterschiedlichen, miteinander konkurrierenden dänischen und preußischen Erinnerungskonzepte, die nach 1864 mit dem Ort verbunden waren, sind ein deutlicher Beleg für die Austragung der nationalen Auseinandersetzung auf dem Feld der Memorialkultur. Spätestens mit der Einweihung der beiden im neugotischen Stil entworfenen Denkmäler am 30. September 1872 besaßen die Gefechtsschauplätze ein großes politisches Konfliktpotential. In den Jahrzehnten bis 1920 galt der Ort in dänischen Kreisen als ein Symbol des treuen Festhaltens der Nordschleswiger an Dänemark und als der Anspruch auf eine zukünftige Rückgewinnung des Territoriums. Zahlreiche Schriftsteller hielten das Düppel-Motiv durch immer wiederkehrende Thematisierung aktuell und etablierten es in einer nahezu mythologischen Rahmenerzählung, wie es exemplarisch die Reisebeschreibung des dänischen Dichters Holger Drachmann aus dem Jahre 1878 veranschaulicht: Kehren wir dem Monument des Feindes den Rücken, so erblicken wir das Monument der Dänen – die alte Düppeler Mühle. Hier steht sie – leibhaftig, standhaft und stark – in der festen Überzeugung, Recht zu haben, obwohl sie auf feindlichem Boden steht! Zerschossen und wieder errichtet, verbrannt und wieder aufgebaut erhebt sie sich wie ein Vogel Phönix aus der Asche und reckt nun ihre großen, dunklen Flügel zum Himmel – so als ob sie die Abendwolken anriefe, zu bezeugen, daß sie schon viel ertragen hatte und dazu bereit sei, noch mehr zu ertragen. Und warum? Eine Idee hält sie am Leben; und wenn man von einer Idee getragen wird, fällt man nicht.250

Vor dem Hintergrund der Niederlage und des Verlustes der Region entstand in der dänischen Gesellschaft ein nationales Meisternarrativ, dessen integraler Bestandteil die Orte Düppel und Alsen waren, und das mit einer in die Zukunft weisenden Botschaft verknüpft Einzug in die Konstruktion nationalen Selbstverständnisses einfloss. Der französische Theoretiker Ernest Renan ordnete 1882 in seiner berühmten Rede »Was ist eine Nation?« an der Pariser Sorbonne das Gefühl des Opfers und des Leidens für die Entwicklung einer nationalen Identität als grundlegend ein. Die im Hinblick auf 1864 und die daraus folgenden Auswirkungen auf das monumentale dänische Kulturerbe, und darüber hinaus die gesamte Memoriallandschaft, stellen geradezu einen Beleg für die Stichhaltigkeit der Renanschen Argumentation in Bezug auf die Entwicklung natio250 Zit. nach: Ebd. S. 10. Der Dichter Hans Peter Holst bezeichnete 1864 Düppel als die Thermopylen Dänemarks, Johannes Helms und Holger Drachmann hoben hingegen in ihren Werken vor allem den Opfergedanken des Volkes, die Tapferkeit der eigenen Soldaten und die Legitimität des dänischen Kampfes hervor.

110

Grenzverschiebung I

naler Identitäten im 19. Jahrhundert dar. Mit Düppel und Arnkiel verbanden sich ruhmreiche Erinnerungen an den siegreichen Schleswig-Holsteinischen Krieg, welche sich nach 1864 als kollektives Leiden für Dänemark herauskristallisierten. Die von Renan definierte Nation als Erfahrungs- und Willensgemeinschaft gründet in der Notwendigkeit eines »gemeinschaftliche[n] Erbe[s] von Ruhm und von Reue«, dessen wichtigstes Charakteristikum gemeinsames Leiden sei. Anhand des dänischen Umgangs mit der Niederlage gegen Deutschland verdeutlicht sich die Funktion der gemeinsamen Opfererfahrung für die dänische Nationsbildung im 19. Jahrhundert: »[…] das gemeinsame Leiden eint mehr als die Freude. Die nationalen Erinnerungen und die Trauer wiegen mehr als die Triumphe, denn sie erlegen Pflichten auf, sie gebieten gemeinschaftliche Anstrengungen.«251 Die durch Schriftsteller und Dichter wie Holger Drachmann, Hans Peter Holst und Johannes Helms sowie aufgrund der Etablierung des Kriegsschauplatzes als nationaler Pilgerort getragene Mythologisierung Düppels war somit ein elementarer Bestandteil des dänischen Nationalprojektes, welches die eigene Nation in Abgrenzung zur preußisch-deutschen Kultur imaginierte.252 Somit lässt sich die Entwicklung der dänischen Nation als zeittypisch für die von Renan entwickelte Theorie sehen.253 In Konkurrenz zur dänischen Mythologisierung der beiden Schlachtfelder entwickelte sich an diesen Orten nach 1864 eine nationale preußisch-deutsche Memoriallandschaft. Neben der Grundsteinlegung der beiden Siegesmonumente Düppelund Arnkiel-Denkmal, die zu einem Symbol für Kampfgeist und Tapferkeit in Deutschland wurden, erfolgte 1865 die Anlage eines Gräberhains für die gefallenen Soldaten beider Seiten sowie der Aufstellung von Gedenksteinen für die gestorbenen deutschen Offiziere.254 Im Zuge des deutschen Nationalisierungsprozesses erfuhr die Schlacht von Düppel eine mythologische Aufladung, galt sie doch als Ausgangspunkt für die nationale Sammlungsbewegung, welche nach den beiden weiteren preußischen Siegen von 1866 gegen Österreich und 1870/71 gegen Frankreich mit der Reichsgründung 1871 ihre Erfüllung fand. Aufgrund dessen entwickelte sich insbesondere das Schlachtfeld von Düppel – parallel zur 251 Renan, Was ist eine Nation?, 1993. S. 308 f. 252 Der dänische Fall ergibt zahlreiche Parallelen zu der nationalstaatlichen Entwicklung anderer deutscher Nachbarnationen wie Polen und Belgien. Vgl. Surynt, Izabela/Zybura, Marek (Hrsg.). Narrative des Nationalen. Deutsche und polnische Nationsdiskurse im 19. und 20. Jahrhundert (Studia Brandtiana; 2). Osnabrück 2010; Scharte, Preußisch – deutsch – belgisch, 2010. 253 Renan, Was ist eine Nation?, 1993. S. 309: »Eine Nation ist also eine große Solidargemeinschaft, getragen von dem Gefühl der Opfer, die man gebracht hat, und der Opfer, die man noch zu bringen gewillt ist. Sie setzt eine Vergangenheit voraus, aber trotzdem fasst sie sich in der Gegenwart in einem greifbaren Faktum zusammen: der Übereinkunft, dem deutlich ausgesprochenen Wunsch, das gemeinsame Leben fortzusetzen.« 254 Adriansen, Düppeler Mühle, 1997. S. 12.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

111

dänischen Seite – zu einem nationalen Wallfahrtsort der Kaiserzeit.255 Der Opfergedanke in Form der Massengräber und Gedenksteine spielte hier ebenso eine Rolle wie die Erinnerung des Sieges durch die beiden Monumente. Aus den sich überlappenden Erinnerungstopographien und gegeneinander imaginierten Nationsprojekten – mit den Worten des französischen Historikers Thomas Serrier eine »Multikulturalität in der Abfolge«256 –, die ihre physische Visualisierung im öffentlichen Raum auf den beiden Schlachtfeldern erhielten, ergab sich ein fortwährendes grenzüberschreitendes Konfliktfeld. Die Errichtung der Monumente auf Düppel und Alsen sorgte in dänischen Kreisen für große Proteste. Der Dichter Holger Drachmann etwa kritisierte die Inschriften »Sieg« und »siegreich« als anmaßend, da die preußischen Denkmäler auf »fremdem Territorium«,257 also ursprünglich dänischem Reichsgebiet, gebaut worden seien. Andere Schriftsteller sahen in ihnen »gotische Sandsteinfantasien«,258 welche illegitim in Dänemark errichtet worden seien.259 Offensichtlich wurden die miteinander konkurrierenden Deutungen ebenfalls am 18. April 1914 während der Gedenkfeiern anlässlich des 50. Jahrestages der Erstürmung der Schanzen durch die deutschen Truppen. Während die dänische Seite der Niederlage aufgrund der politischen Umstände nur in begrenztem Rahmen gedenken konnte, hielt die deutschgesinnte Bevölkerung einen großen Festumzug ab. Eine von der dänischen Bevölkerung angebrachte Gedenktafel an der im Privatbesitz befindlichen Düppeler Mühle wurde von den preußischen Behörden als Affront aufgefasst und die sofortige Entfernung verfügt.260 Die darauf folgende dänische mediale Reaktion konzentrierte sich auf zwei Motive: Zum einen war die Äußerung von Verbitterung über die deutsche Politik im Grenzland zentral, zum anderen die Betonung, einer preußischen Fremdherrschaft unterworfen zu sein. Beide Aspekte erschienen etwa vereint in der Ausgabe der Tageszeitung Dybbøl-Posten vom 19. April, die beklagte: »Unsere Gegner benehmen sich wie immer! Nicht einmal an einem so erinnerungsschweren Tag wie diesem können sie darauf verzichten, uns triumphierend 255 Ebd. 256 Serrier, Geschichtskultur, 2007. S. 247. 257 »fremmed Territorium«. Drachmann, Holger. Derovre fra Grænsen. Strejftog over det danske Termopylæ (Als – Dybbøl) i april maaned 1877. Kopenhagen 1919. S. 41 f. 258 »gotiske Sandstensfantasier«. 259 Vgl. zur dänischen Kritik an den Denkmälern: Bak, Lars H. Tyske sejrsmonumenter p” danske hænder. Düppel Denkmal og Arnkiel Denkmal og den danske stat 1918 – 1950. In: Sønderjyske ærbøger; 2003. S. 7 – 42, hier S. 12. 260 Die Inschrift in Form eines Gedichtes erinnerte daran, dass 50 Jahre zuvor dänische Männer in Düppel ihr Leben gaben, ihr treues Ausharren gegen den Feind die Schanzen lange Zeit gehalten hätten und die nationale Zukunft aus der Erinnerung an die Ereignisse wachse. Anlass für den Befehl zur Entfernung war der am selben Tag an dem Gebäude vorbeiziehende deutsche Festzug. Vgl. Adriansen, Düppeler Mühle, 1997. S. 14 f.

112

Grenzverschiebung I

zu beweisen, daß wir uns unter einer harten und schonungslosen Herrschaft befinden.«261 Auf deutscher Seite erfolgte die Gedenkfeier, jedoch in einem wesentlich größeren Rahmen, am selben Tag: Neben Kranzniederlegungen an den Gräbern und einem großen Festumzug, für den alle Schulkinder freibekommen hatten, gab es eine zentrale Gedenkveranstaltung, auf der unter anderem das Lied Schleswig-Holstein meerumschlungen, die Hymne der Herzogtümer aus der Erhebungszeit, gesungen wurde. Die Feierlichkeiten lassen sich jedoch nur im Rahmen des wesentlich größeren Jubiläumsfestes am 29. und 30. Juni 1914 auf der Insel Alsen sehen, dem Schauplatz des letzten entscheidenden Gefechtes. Der preußische Oberpräsident der Provinz Schleswig-Holstein, Detlev von Bülow, hob in seiner Ansprache die feste territoriale Einbindung der Region in das preußische Staatsgebiet und die Unrechtmäßigkeit der dänischen Ansprüche auf diese hervor.262 Seine Rede sowie die Worte des Bruder des Kaisers, Prinz Heinrich, dass das Land auf ewig Teil Deutschlands bleiben werde und vom »deutsche[n] Wesen« durchdrungen sei, standen auch unter dem Eindruck der Ermordung des österreichischen Kronprinzen in Sarajevo am Tag zuvor.263

II.4.c. Regionale Monumente: die Doppeleichen und der Bismarckturm auf dem Knivsberg Die Herzogtümer Schleswig und Holstein erlebten nach ihrer Eingliederung in den preußischen Staat zunächst die bereits zuvor erläuterte Bereinigung des öffentlichen Raumes in Form von Denkmalstürzen und der Entfernung dänischer Bauwerke. Auf die anschließende Welle an nationalen Denkmalssetzungen, vor allem die Monumente auf Düppel und Alsen, folgte ab dem Ende des 19. Jahrhunderts eine dritte Phase, die unter einer regionalen Prägung stand. Sie bedeutete den Versuch, die Erinnerungstopographie des Grenzlandes durch die Setzung regionaler Monumente symbolisch sowohl von Dänemark als auch von Preußen abzugrenzen. Die staatsrechtliche Umwandlung der beiden Herzogtümer in preußische Provinzen hatte in den Jahren nach 1866 für Bitterkeit in Schleswig-Holstein gesorgt. Dem Historiker Kurt Jürgensen zufolge führte dieser Zustand anfangs bei den Bewohnern dieser Region zu einem Gefühl der 261 Zit. nach: Ebd. Die Gedenktafel wurde 1919 nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg wieder an der Mühle angebracht. 262 »Von den Düppelstürmern wollen wir lernen, daß es Mutlosigkeit nicht ist, was zum Siege führt, sondern allein der alte preußische Glaube, daß Preußens Könige immer siegen und allewege den Sieg behalten. Das mögen sich die gesagt sein lassen, die die Hand noch immer ausgestreckt halten nach unserem Lande, die nicht gelernt haben.« Zit. nach: Ebd. S. 15. 263 Vgl. Ebd.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

113

»Ohnmacht und […] einer Haltung des mehr oder weniger stummen Protestes«, da sie sich in ihrer »schleswig-holsteinische[n] Sache, für die sie in der noch keine zwanzig Jahre zurückliegenden Erhebungszeit vergeblich gekämpft hatten, durch Preußen verraten« wähnten.264 Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen diese erinnerungspolitischen Initiativen, die die regionale Identität gegenüber der preußischen, analog zu anderen Projekten wie der Suche nach einer regionalspezifischen Baukultur, durch die Setzung von eigenen Denkmälern zu stärken versuchten: Herausragende Zeugnisse dieses Vorganges waren die so genannten Doppeleichen.265 Als Ausdruck eines regionalspezifisch schleswig-holsteinischen Selbstbewusstseins sind sie eine einzigartige Denkmalsform, wie sie nur in der deutsch-dänischen Grenzregion zu finden ist.266 Anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Erhebung von 1848 entwickelte sich das Anpflanzen von speziell zu diesem Zweck gezüchteten, zweistämmigen Eichen insbesondere im Landesteil Schleswig zu einer regelrechten Modeerscheinung.267 Die Initiative zu dem pflanzlichen Monument ging von dem Westerländer Gärtner Albrecht Beck aus, der in zahlreichen regionalen Tageszeitungen sowie durch geschickte Werbemaßnahmen auf seine Züchtung aufmerksam machte und eine Welle an Anpflanzungen auslöste.268 Beck griff auf zwei erste, 264 Jürgensen, Eingliederung, 1984. S. 341. 265 Siehe Abb. 5. 266 Jörg Matthies weist darauf hin, dass es sich bei der gärtnerischen Anzüchtung der Doppeleichen um einen »singuläre[n] Vorgang in der Historie der Erfindung und Kreation von Monumenten« handelt. Matthies, Jörg. Symbol der Unabhängigkeit. Zur Motiv- und Denkmalikonographie der Schleswig-Holsteinischen Doppeleiche. In: Gröning, Gert/ Schneider, Uwe (Hrsg). Gartenkultur und nationale Identität. Strategien nationaler und regionaler Identitätsstiftung in der deutschen Gartenkultur. Worms 2001. S. 52 – 75, hier S. 53. Die Eiche war darüber hinaus ein zu jener Zeit international bekanntes und verbreitetes Symbol der Freiheit und des Ruhmes: »Das langsame und dauerhafte Wachstum des harten Holzes dient zugleich als Metapher für ein stetiges Streben nach freiem Wuchs, Stärke und freier Entfaltung. […] Der Baum ist als Urbild der Säule auch ein Zeichen für die staatstragende Funktion.« Ebd. S. 54 f. So besaß die Eiche ihre Symbolkraft bereits in den antiken Kulturen in Italien und Griechenland sowie auch in England und Frankreich des 18. und 19. Jahrhunderts. Im Deutschen Reich verbreitete sich das Motiv als Zeichen der Kaisertreue verstärkt im Anschluss an den Deutsch-Französischen Krieg 1871, in Dänemark stand sie symbolisch für das Dänische Reich. Vgl. Ders. Eichen und Granitfindlinge. Denkmäler des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Kiel. In: Rönnau, Jens (Hrsg.). Stolperstein der Geschichte – die Ruine des U-Bootbunkers als Mahnmal und Herausforderung. Kiel 1997. S. 192 – 196, hier S. 192 f. 267 Die Doppeleichen gab es in zwei unterschiedlichen Formen: Entweder entsprangen sie Vförmig aus einem gemeinsamen Pflanzloch oder wuchsen aus zwei unterschiedlichen Pflanzlöchern oberhalb der Erde zusammen. Die sinnbildliche Aussage beider Versionen war klar verständlich. 268 In seiner Zeitungsannonce hieß es: »Zur Märzfeier pflanzt Doppel-Eichen, zusammenveredelte Eichen zum Zwecke der Bildung einer Doppeleiche, 3 – 4 Meter hoch, mehrmals verpflanzt. Patent angemeldet. Presi 20 Mk.« Zit. nach: Matthies, Symbol der Unabhängigkeit, 2001. S. 52.

114

Grenzverschiebung I

kleinere Konjunkturen dieser Praktik in den Jahren der Erhebungszeit und nach 1864 zurück.269 Als kostengünstiges und repräsentatives Denkmal ermöglichte es diese Denkmalsform auch kleineren Gemeinden oder Initiativen, der Ereignisse aus jenen Jahren zu gedenken und stellte somit eine demokratische Ausprägung öffentlichen Erinnerns dar. Innerhalb kurzer Zeit entwickelte sich das Denkmal zu einer äußerst populären Form kollektiv-politischer Materialisierung des Erinnerns, platziert an zentralen Plätzen oder vor öffentlichen Gebäuden. Häufig fand der Baum eine Ergänzung durch einen Stein mit der Inschrift »1848 – 1898«. Zugleich bedeutete die Pflanzung eine Inbesitznahme des öffentlichen Raumes und durch den natürlich gewachsenen Charakter des Monumentes eine scheinbar natürliche Legitimation für die gegenwärtige und zukünftige deutsche Herrschaft über Schleswig. Die Doppeleiche als Symbol für die Untrennbarkeit der beiden Herzogtümer war jedoch bereits vor ihrer Einführung als Monument als ein sinnfälliges schleswig-holsteinisches Symbol präsent: Es entstand 1844 auf dem regionalen Sängerfest in Schleswig, welches stark durch das entstehende schleswig-holsteinisches Nationssprojekt geprägt war.270 Im von Matthäus Friedrich Chemnitz verfassten Schleswig-Holstein-Lied, welches sich zu einem »Nationallied« der Herzogtümer entwickelte, stellte sich die Doppeleiche als ein Motiv des Kampfes gegen die eiderdänischen Bestrebungen dar : »Teures Land, du Doppeleiche/ Unter einer Krone Dach,/Stehe fest und nimmer weiche,/Wie der Feind auch dräuen mag/Schleswig-Holstein, stammverwandt,/Wanke nicht, mein Vaterland!«271 Darüber hinaus referierte das Symbol auf den Ripener Vertrag und die hieraus abgeleitete Formel »Up ewig ungedeelt!«, die die feste kulturelle und politische Verbindung der beiden Staaten vermeintlich rechtlich und historisch belegte. Als Zeichen der historischen Einheit und Untrennbarkeit der beiden Herzogtümer waren die in der Wurzel zusammenwachsenden Eichenstämme ein allgemeinverständliches Ikon, welches in den Folgejahren in zahlreichen

269 Adriansen, Inge. »Teures Land, du Doppeleiche« – om rodfaste symboler i grænselandet, især de slesvig-holstenske dobbeltege. In: Sønderjyske M”nedsskrift; 55 (1979). S. 493 – 508, hier S. 498 f. 270 Inge Adriansen sieht die Ursprünge der Doppeleiche sogar im 18. Jahrhunderts. Im Augustenburger Schlosspark habe ein zusammengewachsener Baum gestanden, der angeblich auf das außereheliche Verhältnis des deutschen Ministers am dänischen Hof, Johann Friedrich Struensee (1737 – 1772), mit der dänischen Königin Caroline Mathilde (1751 – 1775) zurückgeht. Anlässlich der Hochzeit von Kronprinz Frederik VI. wurde 1790 im Park von Schloss Louisenlund eine weitere Doppeleiche gepflanzt. Ebd. S. 496. 271 Matthies, Jörg. »Unter einer Krone Dache…« Die Doppeleiche als schleswig-holsteinisches Unabhängigkeitssymbol (Geschichte & Kultur Schleswig-Holsteins; 13). Neumünster 2003. S. 4. Hoffmann von Fallersleben verwendete das Doppeleichen-Symbol in seinem Beitrag für das Liederbuch der Augustenburger Liedertafel von 1848 ebenso. Adriansen, »Teures Land, du Doppeleiche«, 1979. S. 498.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

115

unterschiedlichen Medien eine starke Rezeption erfuhr.272 Die Vorstellung einer Gemeinschaft, bestehend aus zwei Stämmen – je ein Stamm für das Herzogtum Schleswig und das Herzogtum Holstein –, die aus einer gemeinsamen (historischen) Wurzel entspringen, bot für die Schleswig-Holsteiner eine Projektionsfläche für die Imagination ihrer Zusammengehörigkeit. Diese im Sinne von Benedict Anderson formulierten »imagined community«273 der beiden Regionen stützte sich einerseits auf die Abgrenzung zu Dänemark und andererseits auf die Konstruktion einer kulturell unabhängigen Nation, deren zentrales Symbol die Doppeleiche wurde. Nach der staatsrechtlichen Eingliederung der beiden Herzogtümer in preußisches Territorium 1866 verband sich mit dem Bild des zweistämmigen Baumes die Idee einer eigenständigen regionalspezifischen Kultur. In Abgrenzung zum preußischen Staat verbildlichte sich unter anderem über die Monumente eine gewisse kulturelle Autonomie. Diese Tatsache steht im Gegensatz zu der vom Historiker Thomas Nipperdey formulierten These, dass die Opposition keine Denkmäler baue.274 Zugleich stellte es jedoch, ähnlich wie das baukulturelle Erbe und die Heimatschutzbewegung, explizit keine separatistische Idee zum deutschen Nationskonzept dar. Die durch das Erwachen der Heimatbewegung ausgelöste Welle an Baumsetzungen zum 50. Jubiläum der Erhebung lieferte dementsprechend den Anlass für die kräftige Formulierung einer regionalen Erinnerungskultur und Identität. Die von den Landeshistorikern Otto Brandt und Wilhelm Klüver vertretene Position, dass durch die Errichtung der Gedenksteine und die Pflanzung der Doppeleichen, »die Erinnerung an die eigene Geschichte noch einmal wach [gerufen wurde], es aber nicht mehr der schleswig-holsteinische, sondern der preußisch-deutsche Staatsgedanke [war], der diesen Festlichkeiten das Gepräge 272 Beispielsweise gab Ludwig Frahm 1888 eine Anthologie schleswig-holsteinischer Lyrik unter dem Titel »Die Doppeleiche. Schleswig-Holsteins Land und Volk im Dichterwort« heraus. Ziel dieser Gedichtsammlung war es, so Frahm im Vorwort, »jene Lieder nicht verklingen zu lassen, durch sie auf die nachwachsenden Geschlechter einzuwirken und die Liebe zur Heimat zu pflegen.« Deutlich wird allein anhand der Betitelung der zentrale Stellenwert, den das Symbol »Doppeleiche« im heimatpolitischen Programm SchleswigHolsteins in jener Zeit einnahm. Frahm, Ludwig. Die Doppeleiche. Schleswig-Holsteins Land und Volk im Dichterwort. Lübeck 1888. Über Frahms Anthologie hinaus wurde es in den Werken zahlreicher Schriftsteller und Poeten ein beliebtes Motiv. Matthies, »Unter einer Krone Dach…«, 2003. S. 11. Es fand ebenso eine Rezeption auf zahlreichen Postkarten, die anlässlich kurzer Nachrichten in jener Zeit verschickt wurden. Ders., Symbol der Unabhängigkeit, 2001. S. 66. 273 Anderson, Benedict. Imagined Communities. Reflections on the Origins and Spread of Nationalism. Überarb. Ausg. London u. a. 2006. 274 Nipperdey, Thomas. Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert. In: Ders. Gesellschaft, Kultur, Theorie. Gesammelte Aufsätze zur neueren Geschichte. Göttingen 1976. S. 133 – 173, hier S. 133.

116

Grenzverschiebung I

gab,«275 lässt sich vor diesem Hintergrund jedoch nicht uneingeschränkt verifizieren. Zwar fand eine Einbindung des regionalen Gedenkens in ein nationales Meisternarrativ statt,276 welches die deutsche Einigungsbewegung als verbindendes Element hervorhob. Die aktive Geschichts- und Bildungspolitik der preußischen Regierung führte aber nicht nur zu einer Verdrängung der dänischgeprägten Geschichtsbilder in Schleswig, sondern ebenfalls zu der Implementierung dieser in eine nationale Rahmenerzählung.277 Aus einer anfänglich eher ablehnenden Haltung der schleswig-holsteinischen Bevölkerung gegenüber Preußen sei im Laufe der Zeit, so Brandt und Klüver, auch durch die Nationalisierung der Erinnerungstopographie eine breit fundierte Unterstützung geworden. Celia Applegates historische Einordnung des Deutschen Reiches als »a Nation of Provincials«, welche sich auf der Basis der zahlreichen regionalen Identitäten, die von einem nationalen Gemeinschaftsgefühl überspannt worden seien, manifestierte,278 scheint die Einordnung die Doppeleichen in einen nationalen Kontext preußischer Prägung ebenfalls nahezulegen. Gleichzeitig sprechen jedoch mehrere Aspekte gegen die von Brandt und Klüver behauptete Superiorität des preußisch-deutschen Staatsgedankens gegenüber einer regional schleswig-holsteinischen Erinnerung in der Pflanzung der Doppeleichen. Der Historiker Jörg Matthies warf die Frage auf, warum gerade zum 50jährigen Jubiläum der schleswig-holsteinischen Erhebung eine so starke »nationale Begeisterung und Ernsthaftigkeit der perfekten Inszenierung der Gedenkeichenpflanzung sowie der patriotischen Feiern« aufkam und die »antidänische Haltung zu einem Zeitpunkt ihren Höhepunkt zu finden scheint, als Dänemark für Schleswig-Holstein kein unmittelbarer Gegner ist.«279 Angesichts dieser zunächst unerklärlichen Entwicklung ist der Verweis auf das 1898 erinnerte Ereignis hilfreich: In der kollektiven Erinnerung der deutschgesinnten Schleswig-Holsteiner verband sich mit der Erhebung in den Jahren zwischen 1848 und 1851 das Gefühl, von den anderen deutschen Staaten, allen voran Preußen, im Kampf um die nationale Eigenständigkeit allein gelassen worden zu sein. Die Doppeleiche als genuin regionales Symbol, welches in einem engen 275 Brandt, Otto/Klüver, Wilhelm. Geschichte Schleswig-Holsteins. 7. überarb. u. erw. Aufl. Kiel 1976. S. 284. 276 Ludwig Frahm beispielsweise schloss das Vorwort zu seiner Gedichtsammlung »Die Doppeleiche« mit dem Verweis auf den preußischen Staat: »Grüne fort, du alte, auf ewig ungeteilte Doppeleiche, neu erstarkt unter dem Fittigrauschens des mächtigen Preußenaares, strotze in mächtiger Fülle, du markiger Stamm, dir, dem auferstand’nen, freien, sind die Blicke eines einiges Deutschlands und seines edlen Kaiserhauses liebend zugewandt!« Frahm, Die Doppeleiche, 1888. S. VI. 277 Vgl. Jahnke, Borussifizierung, 2005. S. 161 – 191. 278 Applegate, Celia. A Nation of Provincials. The german idea of Heimat. Berkeley u. a. 1990. S. 13. 279 Matthies, Symbol der Unabhängigkeit, 2001. S. 65.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

117

Kontext mit dem schleswig-holsteinischen Nationsprojekt stand, zeugt somit von dem Ziel der Bewahrung einer regionalen Identität – trotz der politischen Eingliederung in den preußischen Staat. Für die Einbindung in ein nationales Narrativ wesentlich ergiebiger als 1848 wäre das Jahr 1864 und die »Befreiung« der Herzogtümer von Dänemark durch deutsche Truppen gewesen. Der erste der drei deutschen Einigungskriege erhielt rasch eine mythologische Verklärung, die sich in der schleswig-holsteinischen Erinnerungstopographie an den entscheidenden Schlachtorten der deutsch-dänischen Auseinandersetzung im öffentlichen Raum manifestierte und eine nationale Memoriallandschaft initiierte. Darüber hinaus deuten das zeitgleiche Erwachen der Heimatschutzbewegung in den beiden Herzogtümern, die hiermit in Relation stehende Betonung einer regionalen Kultur sowie die darauf basierende Abgrenzung von Preußen auf eine zuvorderst regionale, antipreußische Bedeutung der Pflanzung der Doppeleichen um 1898 hin. Die von Matthies aufgeworfene Frage nach dem Grund für den Zeitpunkt der heftigen antidänischen Äußerungen lässt sich in diesem Kontext mit dem Erstarken des Regionalisierungsprozesses erklären. Die Baumsetzungen waren ebenso wie die Suche nach einer heimatlichen Bauweise Teil eines segregativ-kulturellen Prozesses, der eine schleswig-holsteinische Regionalidentität in Abgrenzung zu Preußen, aber gleichzeitig auch in Anbindung an das Deutsche Reich formulierte. Hierbei stellte der Schleswig-Holsteinische Krieg ein Schlüsselereignis der Landesgeschichte dar, die antidänischen Ressentiments zum 50jährigen Jubiläum der Ereignisse besaßen somit eine primär innenpolitische, integrative Funktion in den beiden Herzogtümern. Eine weitere kleinere Konjunkturwelle der Setzung der natürlichen Monumente erfolgte zehn Jahre später 1908. In diesem Rahmen spielte Jörg Matthies zufolge die Erinnerungsfunktion nunmehr eine untergeordnete Rolle, von größerer Signifikanz war die Heroisierung der noch lebenden Kriegsveteranen.280 Während die schleswig-holsteinischen Doppeleichen ein weitverbreitetes, weil kostengünstiges Denkmal regionaler Provenienz darstellten, bedeutete die Errichtung des Bismarckturmes auf dem Knivsberg ein großes nationalpolitisches Projekt der Schleswiger. Auf einem am 16. Juli 1893 vom Deutschen Verein für das nördliche Schleswig veranstalteten Volksfest auf der Insel Kalö schlug Pastor Jessen die Errichtung eines zentralen Denkmals – »Germania, SchleswigHolstein beschützend« – auf dem Knivsberg, der höchsten Erhebung Schleswigs vor.281 Der Bezug auf die »Germania«, eines der zentralen Symbole der kleindeutschen Reichsgründung, manifestiert im Niederwalddenkmal bei Rüdes280 Matthies, Eichen und Granitfindlinge, 1997. S. 194. 281 Ostwald, Jürgen. Das Bismarckdenkmal auf dem Knivsberg. In: Ders. (Hrsg.). Der Knivsberg. 100 Jahre deutsche Versammlungsstätte in Nordschleswig. Heide 1994. S. 103 – 134, hier S. 105.

118

Grenzverschiebung I

heim, verdeutlichte von Anfang an die Idee einer Anlehnung an das ikonographische Programm des Deutschen Reiches. Die geplante Errichtung des monumentalen Nationaldenkmals in Nordschleswig ist als Teil einer wahren »Denkmälerinflation« im Deutschland des 19. Jahrhunderts zu sehen.282 Innerhalb dieser Konjunktur nahmen die »Monumentaldenkmäler durch ihren oft immensen materiellen Aufwand, ihre hervorgehobenen Standorte und ihre inhaltliche Bedeutung«, so der Historiker Lutz Tittel, »eine Sonderstellung ein.« Als »typische Erzeugnisse der Kunst des 19. Jahrhunderts« sind sie vor allem ein Phänomen dieses Säkulums: »Fast alle großen politischen Ereignisse […] hatten Planungen zu Monumentaldenkmälern zur Folge, das ganze Jahrhundert über wurden Projekte und ausgeführte Monumentaldenkmäler teilweise heftig diskutiert.«283 Das von Pastor Jessen auf dem Volksfest 1893 vorgeschlagene Denkmal – ein »deutsches Erinnerungsmal«284 – lässt sich daher als ein zeittypisches Zeugnis der Manifestierung der nationaldeutschen Idee im schleswigschen Raum erkennen. In dem auf das Volksfest folgenden Spendenaufruf des Deutschen Vereines für das nördliche Schleswig, der 1890 zur Bekämpfung des Dänentums in der Region gegründet wurde,285 war das nationalpolitische Element der zukünftigen Errichtung des Monumentes von zentraler Bedeutung: Auf dem Herzogtum Schleswig lastete das dänische Joch am schwersten, und im nördlichen Teile bangte man noch bis zum Jahre 1879 vor einer Abtretung an den alten Feind deutschen Landes und deutschen Wesens […] Auf den Knivsberg strömen allsommerlich die deutschen Männer und Frauen des nördlichen Schleswig zu Tausenden zusammen, um sich des schwer erkämpften Nordlandes als eines deutschen Landes zu freuen und der Größe und Herrlichkeit des Vaterlandes als ihres kostbaren Besitztums zu gedenken.286

Der besonderen Stellung Schleswigs sollte aus diesem Grund durch die Errichtung eines Nationaldenkmals Rechnung getragen werden. Darüber hinaus galt es, der nationaldeutschen Identität der Bewohner des Grenzlandes Ausdruck zu geben: Thomas Nipperdeys Kategorisierung des Konzeptes »Nationaldenkmal« verweist in diesem Sinne auf die diesen Monumenten zugrunde 282 Vgl. zum Phänomen der »Denkmälerinflation«: Mittig, Hans-Ernst. Über Denkmalkritik. In: Ders./Plagemann, Volker (Hrsg.). Denkmäler im 19. Jahrhundert. Deutung und Kritik (Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts; 20). München 1972. S. 283 ff. 283 Tittel, Lutz. Monumentaldenkmäler von 1871 bis 1918 in Deutschland. Ein Beitrag zum Thema Denkmal und Landschaft. In: Mai, Ekkehard/Waetzold. Stephan (Hrsg.). Kunstverwaltung, Bau- und Denkmal-Politik im Kaiserreich (Kunst, Kultur und Politik im Deutschen Kaiserreich; 1). Berlin 1981. S. 215 – 275, hier S. 215. Zur zeitgenössischen Bedeutung des Begriffs »monumental« siehe ebd. S. 215 ff. 284 Ostwald, Bismarckdenkmal, 1994. S. 105. 285 Ebd. 286 Ebd. S. 107 f.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

119

liegende Botschaft. Sie sind der Versuch, »der nationalen Identität in einem anschaulichen, bleibenden Symbol gewiss zu werden«, also eine integrierende Funktion auszuüben.287 Dabei sei von wesentlicher Bedeutung, dass »politische Denkmäler […] im wesentlichen von etablierten Kräften […] gebaut« werden, in diesem Fall den deutschgesinnten Schleswig-Holsteinern, um die deutsche Herrschaft über die Region durch die Besetzung des öffentlichen Raums zu legitimieren. Zugleich ist eine Denkmalssetzung jedoch auch immer der Ausdruck einer gewissen Unsicherheit, was sich in Schleswig zum einen durch die Grenzsituation zu Dänemark und zum anderen durch das nicht gelöste Problem der nationalen deutschen Identität ausdrückte.288 Die Initiative vom Deutschen Verein zur Denkmalssetzung auf dem Knivsberg ist in diesem Kontext Ausdruck des Strebens nach einer symbolischen Bindung der Region an das Deutsche Reich. Auch wenn sich die Mitglieder des Vereines primär aus dem Bildungsbürgertum rekrutierten, lag der in den Statuten genannte Gründungszweck in der »Förderung des Deutschthums«.289 Das aus dem Volksfest von 1893 entstehende alljährliche Knivsbergfest und die Denkmalsidee besaßen eine wichtige soziale Integrationsfunktion für die in Nordschleswig sich in der Minderheit befindlichen Deutschgesinnten. Das Ziel war die soziale Entgrenzung der Mitglieder der Volksgruppe – mit den Worten des Historikers Jürgen Kocka war dieser Prozess eine »Verbürgerlichung der deutschen Gesellschaft«290 – als Grundlage für die Stärkung einer deutsch-nationalen Identität im umkämpften Grenzgebiet. Als »Treffpunkt [… der] verstreut wohnenden deutschen Nordschleswiger« strebten die Organisatoren die Etablierung einer nationalen Versammlungsstätte auf dem höchstgelegenen Punkt »zu gegenseitiger Stärkung und Ermunterung« an.291 Neben der besonderen gesellschaftli287 Nipperdey weist auf die Definitionsproblematik des Konzeptes »Nationaldenkmal« hin. Es sei nicht eindeutig geklärt, was als Nationaldenkmal gilt: »[…] im späten 19. Jahrhundert kann jedes große patriotische Denkmal oder jedes von der Nation durch Sammlungen oder aus Steuermitteln finanzierte Denkmal oder auch nur das Niederwalddenkmal als Nationaldenkmal bezeichnet werden. Die Nation kann Stifter und Adressat des Denkmals sein, das Denkmal kann ihr gewidmet sein, sie kann im Denkmal dargestellt sein, die Person oder die Personen, das Ereignis oder die Idee, denen das Denkmal geweiht ist, können eine repräsentative Bedeutung für die Nation haben.« Nipperdey, Nationalidee und Nationaldenkmal, 1976. S. 134 f. 288 Vgl. Ebd. S. 135: »Nun stellt aber die nationale Identität in Suchen und Finden, in Verlust und Bedrohung und Vergewisserung ein ständiges Problem dar; darum ist das Nationaldenkmal, zumal in Deutschland, eher Idee, Anspruch und Problem als anerkannte Wirklichkeit.« 289 Peters, Olaf. Das Knivsbergfest. Eine nationale Festveranstaltung der deutschen Minderheit in Dänemark. Kiel 1990. S. 26. 290 Kocka, Jürgen. Das lange 19. Jahrhundert. Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft. 10., völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart 2001. S. 122. 291 Peters, Knivsbergfest, 1990. S. 26.

120

Grenzverschiebung I

chen Funktion von Festen im 19. Jahrhundert als »Medium zur Herstellung von Öffentlichkeit«292 und »Identifikationsprozeß der Mitwirkenden«293 war dem Knivsbergfest von Anfang an ein antidänisches Motiv inhärent.294 Hierbei entwickelte sich in den folgenden Jahren eine nationale Rivalität zwischen der deutschen Veranstaltung einerseits und dem jährlichen Treffen der dänischgesinnten Nordschleswiger auf dem Hügel Skamlingsbanke nördlich der Grenze andererseits. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wurde vor allem die nach außen wirkende Intention der beiden Feste als vermeintlich eindeutige nationale Äußerungen der Bevölkerung deutlich. So kam es zum einen immer wieder zum Streit über die Teilnehmerzahlen der beiden Feierlichkeiten, die von der jeweils anderen Seite angezweifelt wurden, und zum anderen zu mehr oder weniger deutlichen Botschaften an den Gegner. Die dänischorientierte Zeitung Flensborg Avis berichtete etwa über die Austragung des Knivsbergfestes: Und dann wollen unsere Feinde, die versuchen, alles dänische nachzuahmen, es nachzuäffen, es zu verhunzen, die wollen jetzt, nachdem sie mit ihren Reichtümern einen alten dänischen Hügel in Besitz genommen und […] ein Götzenbild von Süderjütlands Todfeind auf die Spitze gesetzt bekommen haben [Anm. d. Verf.: Gemeint ist hier die 1905 errichtete Bismarckstatue.], die kommen jetzt und wollen einen Vergleich mit Højskamling [Anm. d. Verf.: Højskamling bezeichnet die dänische Versammlungsstätte.] vornehmen. Während wir uns Højskamlings schönes ernsthaftes, würdiges Angesicht vorstellen, kommt da der Eindeutschungshügel mit seinem grinsenden Affengesicht, um das zu verhunzen, was dem Volk heilig und kostbar ist.295

Während die Versammlungsstätte der deutschen Minderheit in der Betrachtung von Flensborg Avis als eine Verschandelung der Landschaft, als ein unnatürliches und konstruiertes Plagiat des dänischen Vorbildes daher kam und entsprechend dieser Deutung der dänische Charakter der Region betont wurde, rezipierte die deutsche Seite das Fest und den Ort als Zeichen der deutschen Gesinnung der 292 Düding, Dieter. Einleitung. Politische Öffentlichkeit – politisches Fest – politische Kultur. In: Ders./Friedemann, Peter/Münch, Paul (Hrsg.). Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg. Reinbek bei Hamburg 1988. S. 10 – 24, hier S. 10. Siehe auch: Zeeden, Ernst Walter. Zusammenfassender Bericht der Sektion »Feste und Politik in Deutschland. In: Schumann, Peter (Red.). Bericht über die 35. Versammlung Deutscher Historiker in Berlin. Stuttgart 1984. S. 85 – 89. 293 Gerndt, Helge. Gedanken zum Festwesen der Gegenwart. In: Ders. Kultur als Forschungsfeld. Über volkskundliches Denken und Arbeiten. München 1981. S. 28 – 35, hier S. 33. 294 Dieses richtete sich Peters zufolge jedoch weniger gegen den dänischen Nachbarn an sich selbst, da man wünschte »mit den nordischen Verwandten in engster Freundschaft zu leben«, sondern gegen die Personen, die »die dänischen Ansprüche an (Nord-)Schleswig vertreten.« Peters, Knivsbergfest, 1990. S. 27. 295 Zit. nach: Peters, Olaf. »Weihnachten, Ostern und Knivsbergfest«. 100 Jahre »Deutsches Volksfest auf dem Knivsberg«. In: Ostwald, Jürgen (Hrsg.). Der Knivsberg. 100 Jahre deutsche Versammlungsstätte in Nordschleswig. Heide 1994. S. 59 – 102, hier S. 70 f.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

121

Bevölkerung und der eindeutigen Botschaft an den nördlichen Nachbarn: So »verkündeten [die Freudenfeuer und Opferaltäre], bis weit ins Land hinein, bis weit über die Königsau, daß deutsche Männer und Frauen in deutschem Lande ihr deutsches Volksfest feierten.«296 Bei der Suche nach einem passenden Motiv für ein monumentales Denkmal, welches zum einen in einem Kontext mit der nationalstaatlichen Ideologie stehen und zum anderen deutlich Position gegenüber dänischen Machtansprüchen auf die Region nehmen sollte, entschieden sich der Deutsche Verein und die eigens für die Veranstaltung der Knivsbergfeste gegründete Knivsberggesellschaft für eine Bismarck-Statue. Die Beweggründe für die Wahl waren in dem bereits zuvor zitierten Spendenaufruf erläutert: Wer aber ist dem Befreier Schleswigholsteins [!] von der Fremdherrschaft größeren Dank schuldig als die nordwärts der Eider wohnenden Volksgenossen? […] Das ist des Fürsten Bismarcks Werk, und darum gehört sein Denkmal vor allem hierher in Nordmark, an die Grenze des von ihm geschaffenen deutschen Reiches. […] Hier laßt uns unserm Bismarck dem Befreier ein Denkmal setzen, hier einen hochragenden Turm bauen als ewiges Wahrzeichen deutscher Kraft und deutscher Freiheit!297

Gemeint ist in diesem Kontext die von Bismarck eingeleitete deutsche Einigungsbewegung, in deren Zuge die Herzogtümer Schleswig und Holstein nach 1866 Teil des Deutschen Reichs wurden. Die Bismarckdenkmäler stellten im wilhelminischen Deutschland nach Bismarcks Entlassung aus dem Staatsdienst 1890 und noch gesteigert nach seinem Tod 1898 einen weitverbreiteten Denkmaltypus dar.298 In der von Thomas Nipperdey erstellten Typologie der Nationaldenkmäler ordnete dieser die Bismarck-Monumente als Denkmäler der nationalen Sammlung ein, die symbolisch für die Volksnation stehen. In ihrer Funktion als »schützende […] und gemeinschaftsstiftende […] Ursymbol[e] der Nation jenseits aller Rationalität und Individualität des Politikers Bismarck« offenbarte sich eine mythische Verklärung sowohl der Person des Reichskanz296 Zit. nach: Ebd. S. 66. 297 Ostwald, Bismarckdenkmal, 1994. S. 107 f. 298 Im gesamten Deutschen Reich kam es – vor allem seit 1895 und nochmals verstärkt nach Bismarcks Tod 1898 – zu der Errichtung von rund 500 unterschiedlichen Bismarck-Monumenten in Form von Gedenksteinen und -tafeln, Büsten, figuralen Denkmälern, Reiterdenkmälern, monumentalen Anlagen und den so genannten Bismarcktürmen, ein eigens vom Architekten Wilhelm Kreis für einen Aufruf der deutschen Studentenschaft entworfenes Monument. Hedinger, Hans-Walter. Bismarck-Denkmäler und Bismarck-Verehrung. In: Mai, Ekkehard/Waetzold. Stephan (Hrsg.). Kunstverwaltung, Bau- und Denkmal-Politik im Kaiserreich (Kunst, Kultur und Politik im Deutschen Kaiserreich; 1). Berlin 1981. S. 277 – 314, hier S. 279 ff. Ein Inventar sämtlicher Bismarck-Denkmäler legte Sieglinde Seele 2005 vor: Seele, Sieglinde. Lexikon der Bismarck-Denkmäler. Türme, Standbilder, Büsten, Gedenksteine und andere Ehrungen. Eine Bestandsaufnahme in Wort und Bild. Petersberg 2005.

122

Grenzverschiebung I

lers als auch des Deutschen Reichs.299 Diese symbolische Aufladung wirkte sich in einem regelrechten »Bismarck-Mythos« aus, der den ehemaligen Reichskanzler zum Reichsgründer und zur schöpfenden Vaterfigur Deutschlands stilisierte.300 War die Absetzung Bismarcks 1890 von vielen noch als Befreiung empfunden worden, popularisierte sich sein Bild in der Öffentlichkeit in den folgenden Jahren rapide. Der Historiker Robert Gerwarth nennt die verbreitete Ablehnung der Politik seine Nachfolgers, Leo von Caprivi, und generell des Wilhelminismus als entscheidende Faktoren.301 Die Welle an Errichtungen von Bismarck-Denkmälern, die sich sogar auf die deutschen Kolonien ausbreitete, begründete zahlreiche Kristallisationspunkte der nationalen Identität, die rasch zu Pilgerstätten nationalliberaler und konservativer Bevölkerungsschichten wurden. Neben einer regelrechten Flut an Sympathiebekundungen zum 80. Geburtstag des »Reichsschmiedes«302 1895 in Form von Briefen und Gedichten, trug die Kategorie der Bismarck-Monumente zur Mythisierung des ehemaligen Reichskanzlers bei. Zugleich füllte der Kult um den ehemaligen Reichskanzler als »allseits anerkannte […] integrationsstiftende […] Symbolik« das Defizit des wilhelminischen Deutschlands, welches aus dem Fehlen einer alle deutschen Partikularstaaten übergreifenden nationalen Mythologie und identitätsstiftender Riten und Feste bestand.303 Als Zeichen der Reichseinheit stellte diese monumentale Form – im Gegensatz zu den öffentlichen Darstellungen Kaiser Wilhelms – die symbolische Verkörperung des Deutschen Reiches dar.304 Sinnbildlich hierfür sind beispielsweise Ernst von Wildenbruchs an Bismarck gerichtete Verszeilen »Denn wo du bist, ist Deutschland«,305 die sakrosankte Verklärung seiner Person als das Bindeglied und die Grundlage einer kollektiven, nationalen Identität der Deutschen am Ende des 19. Jahrhunderts. 299 Nipperdey, Nationalidee und Nationaldenkmal, 1976. S. 163 ff. 300 Zum Bismarck-Mythos siehe: Gerwarth, Robert. Der Bismarck-Mythos. Die Deutschen und der eiserne Kanzler. München 2007; Stickler, Matthias. »…denn wo du bist, ist Deutschland«. Bismarckkult und Bismarckdenkmäler im Kaiserreich. In: Heidenreich, Bernd/ Kraus, Hans-Christof/Kroll, Frank-Lothar (Hrsg.). Bismarck und die Deutschen. Berlin 2005. S. 169 – 181; Machtan, Lothar. Bismarck. In: FranÅois, Etienne/Schulze, Hagen (Hrsg). Deutsche Erinnerungsorte. Bd. 2. München 2001. S. 86 – 104; McGuire, Michael Courtney Quinn. Bismarck in Walhalla. The cult of Bismarck and the politics of national identity in Imperial Germany, 1890 – 1915. Diss. Ann Arbor 1994. 301 Gerwarth, Bismarck-Mythos, 2007. S. 22 ff. 302 Ebd. S. 32. 303 Stickler, »… denn wo du bist, ist Deutschland«, 2005. S. 171 f. 304 Lang, Karen. The Heritage of the Bismarck National Monument in the Weave of Historicity. In: Peckham, Robert Shannan (Hrsg.). Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 124 – 138, hier S. 125. 305 Zit. nach: Hedinger, Hans-Walter. Der Bismarck-Kult. Ein Umriß. In: Stephenson, Gunther (Hrsg.). Der Religionswandel in unserer Zeit im Spiegel der Religionswissenschaft. Darmstadt 1976. S. 201 – 215, hier S. 207.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

123

Das schleswigsche Denkmalprojekt des Deutschen Vereines für das nördliche Schleswig stand somit im Kontext eines gesamtdeutschen Prozesses, der in den einzelnen Staaten beobachtet werden konnte. Überall entstanden auf Initiative unzähliger sogenannter Bismarck-Vereine die populären Bismarck-Denkmäler, die aufgrund ihrer Entstehung aus dem Volk als die »eigentlichen Nationaldenkmäler« angesehen wurden.306 In Nordschleswig knüpfte sich an das Motiv der Reichseinheit darüber hinaus die Erinnerung an den Kampf um die Einheit der beiden Herzogtümer.307 Neben der symbolischen Anbindung an das ikonographische Programm der deutschen Nationalbewegung und des Deutschen Reichs – in einem zweiten Spendenaufruf der Knivsberggesellschaft von 1895 hieß es: »Der Zweck des Bismarckturmes soll ein nationales Wahrzeichen der Wiedergewinnung der deutschen Nordmark sein«,308 – verband sich mit dem Vorhaben jedoch von Anfang an ebenfalls eine innenpolitische Botschaft, der zugleich eine abgrenzende Intention zum preußischen Staat inhärent war. Ähnlich wie die Doppeleichen, die einerseits als Zeichen deutscher Zugehörigkeit Schleswig-Holsteins gedeutet wurden und andererseits in ihrer primären Aussage in dem Kontext einer starken regionalen Identität standen, stellte das Denkmalprojekt auf dem Knivsberg ein klares nationalpolitisches Bekenntnis zum Deutschen Reich sowie zugleich ein Zeichen gegen die politische Degradierung durch die Einbindung der Region in den preußisches Staat dar. Dieser Aspekt ist in den bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten zum BismarckDenkmal auf dem Knivsberg nicht beachtet beziehungsweise anders ausgelegt worden. So setzte des Geschichtswissenschaftler Jürgen Ostwald das Monument in Verbindung mit der Einheit von Schleswig-Holstein und Preußen: Es rekurriere »auf die Einverleibung 1864 bzw. 1867, wie es Bismarck selbst in seiner Ansprache während der Huldigungsfahrt der Schleswig-Holsteiner von 1895 ausgedrückt hatte.«309 Ein integraler Bestandteil des Bismarck-Mythos’ und der Bismarck-Monumente war aber die Ablehnung der post-bismarckschen Politik Preußens, die unmittelbar von Reichskanzler Leo von Caprivi und dem »persönlichen Regiment« des Kaisers geprägt und als »Phase der nationalen Stagnation und politischen Fehlentscheidungen wahrgenommen«310 wurde, sowie

306 Nipperdey, Nationalidee und Nationaldenkmal, 1976. S. 166. 307 Deutlich wurde dies exemplarisch auf der Huldigungsfahrt einer Delegation des Vereines am 26. Mai 1895 zum Ruhesitz von Bismarck nach Friedrichsruh. In der Festansprache des Exkursionsteilnehmers Macke hieß es: »Die Nordschleswiger durchkämpfen den Kampf, den der Fürst so glorreich mit den äußeren Feinden beendigt, Im Innern noch immer weiter und, wie sie hoffen, kämpfen sie im Sinne des Fürsten.« Zit. nach: Ostwald, Bismarckdenkmal, 1994. S. 108. 308 Zit. nach: Ebd. S. 114. 309 Ebd. S. 130. 310 Gerwarth, Bismarck-Mythos, 2007. S. 22 ff.

124

Grenzverschiebung I

eine »Protesthaltung gegenüber der Person Wilhelms II«311 und allgemein des Wilhelminismus. Der Mythos trug somit eindeutig oppositionelle Züge, was sich etwa in der Ausrichtung des Alldeutschen Verbandes ausdrückte, der Bismarcks Regierungszeit als Hochphase Deutschlands stilisierte und eine Rückkehr zum alten Glanz propagierte.312 Der Historiker Matthias Stickler hat dargelegt, dass der Kult um den ehemaligen Reichskanzler vor allem darum eine so starke Verbreitung fand, weil er auch außerhalb des preußisch-protestantischen Deutschlands funktionierte.313 Während sich Wilhelm I. nicht als Reichsmonarch, sondern als preußischer Regent gesehen hatte, dem die anderen deutschen Herrscher argwöhnisch gegenüberstanden, eignete sich Bismarck nach seiner Absetzung als gesamtdeutsches, integratives Symbol. Sticklers Nachweis, dass beispielsweise gerade in Bayern, welches Preußen überaus skeptisch gegenüberstand, der Bismarck-Kult besonders präsent war,314 belegt eine Unterscheidung zwischen der preußischwilhelminischen Führung des Deutschen Reichs auf der einen und des Bismarckbildes nach 1890 auf der anderen Seite – nicht Preußen, sondern die deutsche Nation war hier der Referenzrahmen. Somit lässt sich der BismarckMythos durchaus als ein Gegenkonzept zu der zeitgenössischen politischen Situation sehen. Der oppositionelle Gestus wurde auch in Schleswig im Bezug auf das Monument deutlich: Während der Planungsphase offenbarten sich Konflikte zwischen den Schleswigern, die für das Denkmal eintraten, und den Holsteinern, die teilweise im Widerstand zu dem Projekt standen. Dies war der Tatsache geschuldet, dass die antidänischen Ressentiments, die in enger Verbindung zu einem Gefühl des Bedroht-Seins durch den nördlichen Nachbarn standen, zu jenem Zeitpunkt in dem nördlicheren der beiden Herzogtümer wesentlich stärker ausgeprägt waren und dass die Vorstellung einer spezifischen Regionalidentität umfassender ausgebildet als in Holstein war. Im öffentlichen Raum machte sich dies etwa durch eine ungleichmäßige Verteilung der Doppeleichen in der Region bemerkbar : Ein Großteil dieser natürlichen Monumente stand in Schleswig.315 Die Knivsbergfeste und das Denkmalprojekt waren zunächst einmal das Projekt der deutschgesinnten Nordschleswiger, die sich gegenüber den dänischgesinnten Bewohnern der Region in der Minderheit sahen. Die Veranstaltungen und das Bismarckmonument zielten dementsprechend auf eine innere Stärkung der Volksgruppe ab und appellierten an die Solidarität der Hol311 312 313 314 315

Hedinger, Bismarck-Kult, 1976. S. 206. Vgl. Gerwarth, Bismarck-Mythos, 2007. S. 23. Stickler, »… denn wo du bist, ist Deutschland«, 2005. S. 173. Ebd. S. 177. Matthies, Symbol der Unabhängigkeit, 2001. S. 73.

Preußische und schleswig-holsteinische Denkmalpolitik im Grenzraum

125

steiner für die schleswig-holsteinische Sache.316 Dabei sah sich das Projekt von Anfang mit Widerstand aus Holstein konfrontiert: Die immer wieder im Norden des Staates propagierte Konfrontation mit den dänischen Bewohnern besaß eine primär innenpolitische Funktion und spielte Ende der 1890er Jahre außerhalb Schleswigs eine eher marginale Rolle. Aus diesem Grund hatte die antidänische Haltung im Deutschen Reich nicht mehr die Aktualität wie in den Jahrzehnten zuvor.317 Die Grundsteinlegung für den Turm des Monumentes am 4. August 1895, ohne dass »ein Plan für das Projekt und offenbar überhaupt präzise Vorstellung[en]«318 vorhanden waren, stellte dementsprechend ein deutliches innenpolitisches Zeugnis der deutschen Nordschleswiger dar, die die internen Opponenten vor vollendete Tatsachen stellen wollten. Mit der Konkretisierung des Denkmalprojektes sowie der Übernahme der Planungen und der Spendensammlung durch die Knivsberggesellschaft trat die gesamtdeutsche Komponente mehr und mehr vor die antidänische Botschaft. In einem weiteren Aufruf an die Bevölkerung, sich finanziell zu beteiligen, hieß es: Dem Fürsten Bismarck wollen deutsche Männer an des Reiches Nordgrenze auf Nordschleswigs höchstem Punkt, auf dem Knivsberg ein ehrendes Denkmal errichten. Dasselbe soll weithin und für allezeit künden des Volkes stolzen Dank gegen den Befreier unseres Landes, den Baumeister des neuen Reiches. Es soll aber auch zeugen von deutscher Treue, deutschem Glauben und deutscher Kraft: eine deutsche Warte in der Nordmark. Der Grundstein ist gelegt. […] Weit hinaus über das inselgeschmückte Meer und das waldbekränzte Festland wird er vom Knivsberg herab seine Größe senden bis zur Königsau und dem geschichtlichen Boden der Düppelhöhen. Er wird ein bedeutsames Wahrzeichen sein deutscher Größe und Einigkeit und immerdar bekunden, dass dies schwer erkämpfte Land ein deutsches Land sein und bleiben wird.319

Mit der erfolgreichen Einwerbung der nötigen finanziellen Mittel konnte der Bau des Monumentes vorangetrieben werden, so dass seine offizielle Einweihung im Jahr 1901 erfolgte.320 Die Konzeption und Ausführung der Versammlungsstätte auf dem Knivsberg geschah in enger Anbindung an das erinnerungspolitische 316 Bereits auf dem Knivsbergfest 1894 kritisierte ein Redner, dass »eine ganze Reihe deutscher Zeitungen von Holstein bis zum Bodensee« nicht für ein deutsches Schleswig eintreten würde. Dies seien »meistens solche, die es schon öfters gezeigt haben, daß ihnen […] das Wohlbefinden fremder Nationalitäten […] mehr am Herzen liegt, als die Reihe ihrer eigenen Volksgenossen.« Zit. nach: Peters, »Weihnachten, Ostern und Knivsbergfest«, 1994. S. 71 f. 317 Dies veranschaulichen auch Aussagen wie die eines Redner auf dem dänischen Skamlingsbanktreffen 1894, der darlegte, »daß es weder das deutsche Volk, seine besten Repräsentanten noch seine angesehene unabhängige Presse sind, die uns mit losen Anschuldigungen und haßerfüllten Angriffen überziehen. Nein, es ist nur eine kleine Schar von Schreiberlingen hier oben in Nordschleswig«. Zit. nach: Ebd. 318 Ostwald, Bismarckdenkmal, 1994. S. 108. 319 Ebd. S. 112 f. 320 Siehe Abb. 6.

126

Grenzverschiebung I

Programm des Deutschen Reichs. Die Anlage auf dem Hügel umfasste ein Areal von rund 120 mal 80 Metern. Aufgrund der erhöhten Lage wurde zum einen eine gute Sichtbarkeit der Stätte aus allen Himmelsrichtungen als Zeichen der deutschen Hegemonie ermöglicht, zum anderen erlaubte diese Position einen guten Rundumblick. Wegen der Ausrichtung der Anlage schaute die Bismarckstatue mit Blick gen Osten auf die Kriegsschauplätze in Alsen und Düppel, auf denen sich in der mythologischen Verklärung der deutschen Einigungsbewegung die Schlachten zwischen deutschen und dänischen Truppenverbänden als Initiationsereignisse der deutschen Reichseinigung zugetragen hatten. Der Turm mit dem Denkmal selbst stand auf einer halb in den Boden eingelassenen Gedächtnishalle und wurde von einer Terrasse mit Rednertribüne sowie einem Versammlungsplatz eingerahmt.321 Die innenpolitische Intention des BismarckDenkmals auf dem Knivsberg stellte sich so erstens als ein Bekenntnis zum Deutschen Reich dar, zweitens jedoch durch sein ikonographisches Programm als Zeichen des Protestes und der Distanzierung zu Preußen. In diesem Kontext weist der Denkmalpfleger Burkhard von Hennigs darauf hin, dass der »überlebensgroße Reichsadler auf der Frontseite der Bismarcksäule […] statt des üblichen Herzschildes mit dem preußischen Adler einen Herzschild mit dem Wappen Bismarcks« trug.322 Mit der Fertigstellung der monumentalen Anlage artikulierten in erster Linie die deutschgesinnten Nordschleswiger ihre Zugehörigkeit zum Deutschen Reich. Die Symbolik der Versammlungsstätte knüpfte unmittelbar an das ikonographische und symbolische Programm des Bismarck-Mythos an. Neben der Anbindung an das übrige Deutschland verband sich mit der schleswigschen Memorialtopographie gleichzeitig die Abgrenzung vom preußischen Staat. Die Doppeleichen und das Bismarck-Denkmal müssen als Ausdruck einer spezifisch regional-reichsnationalen Identitätspolitik gesehen werden, die sowohl das schleswig-holsteinische Regionalbewusstsein der Bevölkerung in Abgrenzung zu Dänemark stärken als auch durch die Betonung der Rolle der Grenzregion in dem Prozess der Reichseinigung und im Werden des Deutschen Reichs eine Anbindung an Deutschland anstreben wollte.

321 Siehe zur genauen Beschreibung der Anlage: Ebd. S. 128 f. 322 Hennigs, Burkhard von. Historische Gedenkbäume und Gedenksteine in Stormarn. In: Ders. (Hrsg.). Denkmalpflege im Kreis Stormarn II (Stormarner Hefte; 14). Neumünster 1989. S. 248 – 272, hier S. 265.

Die Idstedt-Waffenkammer: Musealisierung einer nationalen Auseinandersetzung

127

II.5. Die Idstedt-Waffenkammer: Musealisierung einer nationalen Auseinandersetzung Während die Region Schleswig nach der Grenzverschiebung von 1864 eine umfassende Transformation der monumentalen Topographie erlebte, wirkten sich die Ereignisse auf die museale Landschaft beiderseits der Grenze deutlich weniger stark aus. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass es weder auf der schleswig-holsteinischen noch auf der dänischen Seite zu jenem Zeitpunkt ein Landesmuseum gab. Eine erste bedeutende Museumsgründung nach der Machtverschiebung erfolgte 1878 mit der Eröffnung des Thaulow-Museums, welches aus der volkskundlichen Sammlung des Kieler Professors Gustav Ferdinand Thaulow heraus entstand.323 Dreißig Jahre später eröffnete das landeskundliche Museum Schloss Sonderburg (Museet Slot Sønderborg) seine Türen; dieses ging aus dem regionalen Altertumsverein Verein zur Pflege der Heimatkunde hervor, dessen Mitglieder sowohl deutscher als auch dänischer Gesinnung waren. Eine wissenschaftliche Betrachtung der Geschichte des Museums, vor allem unter dem Aspekt des Aufeinandertreffens der beiden Nationen, erfolgte nicht zuletzt 2009 umfassend durch Inge Adriansen und Peter Dragsbo.324 In ihrer Studien zeigen die beiden Historiker auf, dass die Konzeptualisierung des Museums und seiner regionalhistorischen Ausstellung von Anfang an von dem Versuch geprägt ist, sowohl der dänischen als auch der deutschen Sichtweise durch eine national neutrale Geschichtsdarstellung gerecht zu werden. Im Gegensatz hierzu nimmt die Idstedt-Gedächtnishalle seit ihrer Gründung im Jahr 1889 eine offen deutsch-nationale Einstellung ein und entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem zentralen Akteur der grenzpolitischen Auseinandersetzungen. Die Anfänge der Ausstellungshalle gehen auf die Einweihung eines Denkmals 1869 auf dem einstigen Schlachtfeld bei Idstedt zurück. In Anwesenheit von 20.000 Gästen, hierunter 5.000 ehemaligen Soldaten der schleswig-holsteinischen Armee, wurde der Ereignisse der Erhebungszeit gedacht. Initiator dieser Veranstaltung war der Schleswiger Kampfgenossen-Verein. Im Rahmen der Denkmalseinweihung fiel der Beschluss, Gelder für die Gründung einer Ausstellungshalle auf dem ehemaligen Schlachtfeld zu sammeln und einen Ort des Gedenkens an die Gefallenen zu begründen. Das Projekt ist als ein Versuch zu sehen, den öffentlichen Raum durch die Initiierung eines Museums als ein 323 Hieraus ging zu einem späteren Zeitpunkt das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum hervor. 324 Adriansen, Inge/Dragsbo, Peter- Lokal-, regional- og rigshistorie gennem 100 ”r. Historisk samfund for Als og Sundeved & Museum Sønderjylland – Sønderborg Slot 1908 – 2008. Sønderborg 2009.

128

Grenzverschiebung I

Deutungsangebot für die schleswig-holsteinische Bevölkerung zu besetzen – einen Erinnerungsrahmen im Halbwachsschen Sinne zu konstruieren – und auf diese Weise den deutschen Herrschaftsanspruch auf die Region zu untermauern. Nicht zuletzt Hans Ottomeyer verwies auf die Legitimationsabsicht von Ausstellungen und Museen im 19. Jahrhundert.325 Über die Bildung sogenannter »Traditionsketten« werden historische Ereignisse zu »Sinneinheiten, die in unsere Gegenwart hineinragen […]«.326 Die Idee einer regionalen Ausstellungshalle in Idstedt reichte über die reine materielle Darstellung und Erinnerung der Ereignisse von 1848 – 1851 hinaus und zielte vielmehr auf die Etablierung eines bestimmten Geschichtsbildes ab. Im Sinne von Sharon Macdonalds Feststellung, dass der Aspekt, eine eigene Geschichte zu haben in der Herausbildung kollektiver (nationaler) Identitäten im 18. und 19. Jahrhundert von zentraler Signifikanz war,327 eigneten sich Museen wesentlich besser als beispielsweise Denkmäler für die Vermittlung komplexer historisch legitimierter Sinneinheiten. Ungeachtet der tatsächlichen Marginalität der Ereignisse der Schlacht von Idstedt für die Beendigung der schleswig-holsteinisch-dänischen Auseinandersetzungen – die Lösung fiel am Verhandlungstisch der europäischen Großmächte – verklärten die deutschgesinnten Bewohner der Region die »Niederlage in einen moralischen und schicksalhaften Sieg.«328 Die symbolische Aufladung der als entscheidend deklarierten Schlacht generierte sich zu einem sinngebenden Mythos eines schleswig-holsteinischen Regionalbewusstseins. Eine Spendensammlung des Schleswiger Kampfgenossen-Vereins im Anschluss an die Denkmalssetzung von 1869 auf dem historischen Schlachtfeld führte zu einer ausreichenden Liquidität, um zunächst 1875 ein Grundstück zu erwerben und in einem dort eigens errichteten Wärterhaus 1889 eine »Waffenkammer« zu eröffnen.329 Die Sammlung bestand größtenteils aus zusammengetragenen Militaria aus der Erhebungszeit, die relativ konzeptionslos in dem Raum untergebracht wurden.330 Der militärische Schwerpunkt der Ausstellung stand ganz im Zeichen der Verklärung der Schlacht von Idstedt als Schlüsselereignis der Herausbildung der regionalen Identität sowie als Sinnbild des Kampfes um die Lösung vom dänischen Gesamtstaat und die Anbindung an ein geeintes Deutschland. Eine bauliche Ergänzung fand das Wärterhaus 1903 durch die Errichtung der im neugotischen Stil gehaltenen Idstedt-Gedächtniskirche, deren beiden eng miteinander verwobenen Türme ähnlich wie die 325 326 327 328

Ottomeyer, Zeugnisse der Geschichte, 2010. Ebd. S. 25 und 30. Macdonald, Museums, 2003. S. 1 ff. Schartl, Matthias. Idstedt – Erinnerungsort gemeinsamer deutsch-dänischer Geschichte. Die neue Ausstellung in der Idstedt-Halle. Flensburg/Schleswig 2006. S. 4. 329 Ebd. S. 5. 330 Siehe Abb. 7 und 8.

Die Idstedt-Waffenkammer: Musealisierung einer nationalen Auseinandersetzung

129

Doppeleichen »die Unzertrennlichkeit der Herzogtümer« verkünden sollten.331 Die Übertragung des Denkmals und des Wärterhauses auf die Stadt Schleswig sowie die sich als unzureichend erweisende Betreuung der Ausstellung führten jedoch zu einem raschen Verfall der Anlage. Ein vom Vorstandsmitglied der historischen Landeshalle in Kiel vorgetragener Vorschlag, die Sammlung in Idstedt aufzulösen, in das Museum in Kiel zu integrieren und so zu einer Zentralisierung des Gedenkens an die Ereignisse zu führen, löste jedoch große Proteste in Schleswig aus. Die vom Historiker Carsten Jahnke attestierte »Borussifizierung des schleswig-holsteinischen Geschichtsbewusstseins«332 und die von Matthias Schartl hiermit in Relation gesetzte Waffenkammer333 scheint in diesem Kontext mit einem regionalen Behauptungswillen konfrontiert gewesen zu sein, der zwar nicht eine ähnlich starke Ausprägung fand wie im Zusammenhang mit den Doppeleichen, jedoch eindeutig gegen diese Zentralisierung agierte. Die Tageszeitung Schleswiger Nachrichten hob in ihrer Berichterstattung die Bedeutung der Sammlung für die schleswigsche Region hervor: Wer zum Schlachtfeld von Idstedt wallfahret, ob Deutscher oder Däne, wird unmittelbar gepackt und ergriffen von den Erinnerungsstücken und Zeugen der größten und schmerzlichsten Schlacht des Erhebungskampfes von 1848 – 50. Schlachtfeld und Waffenkammer von Idstedt gehören zusammen, up ewig ungedeelt.334

Die Betonung der festen und untrennbaren Verbindung von erinnertem Ereignis und Ereignisort stellte ein Kontrastiv zu der staatlich gelenkten preußischen Geschichtspolitik dar. Das Festhalten am schleswig-holsteinischen Erinnerungsort Idstedt wirkte einer möglichen Veränderung der erinnerten Vergangenheit im holsteinischen Kiel im Bezug auf die Erhebungszeit entgegen. Die von Carsten Jahnke tiefgehend analysierte preußische Geschichtspolitik in Schleswig-Holstein, die darauf abzielte »Regionalgeschichte […] auf den Status des Partikularismus« herabzusetzen und das Geschichtsbild »teleologisch auf die Einigung Deutschlands unter Preußen«335 auszurichten, besaß im Bereich der Bildungspolitik durchschlagenden Erfolg. Die schleswig-holsteinische Erinnerungstopographie, insbesondere jene Denkmäler und Museen, die im Zusammenhang mit der Erhebungszeit standen, entzog sich dahingegen weitestgehend dieser »Borussifizierung« und stellte einen Gegenpol zum zentralistischen, preußischen Geschichtsbewusstsein dar.

331 332 333 334 335

Schartl, Idstedt, 2006. S. 5 f. Jahnke, Borussifizierung, 2005. S. Schartl, Idstedt, 2006. S. 4. Zit. nach: Ebd. S. 6. Jahnke, Borussifizierung, 2005. S. 181.

130

Grenzverschiebung I

II.6. Zwischenfazit Die aus dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864 resultierende Grenzverschiebung bedeutete eine Zäsur in der Geschichte der Region Sønderjylland/Schleswig und zugleich ein Ereignis von herausragender Signifikanz für die nationalstaatlichen Entwicklungen von Dänemark und Deutschland. Als eine Folge der seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts zunehmenden nationalen Spannungen zwischen den dänischen und den deutschen Nationalliberalen, die unter den Leitmotiven »Dänemark bis zur Eider« und »Deutschland bis zur Königsau« ihren Anspruch auf die Region Schleswig artikulierten, führten die militärischen Auseinandersetzungen zu einer vorläufigen Lösung der Grenzfrage zugunsten der deutschgesinnten Schleswig-Holsteiner und des Deutschen Bundes. Im Gegensatz zu dem wenige Jahr zuvor nahezu ergebnislos beendeten Schleswig-Holsteinischen Krieg war der deutsche Sieg unter der preußisch-österreichischen Führung 1864 der Auslöser für eine tiefgreifende Transformation sowohl der regionalen Gesellschaft als auch der beiden Nationsprojekte nördlich und südlich der Grenze. Das zuvor zum dänischen Gesamtstaat gehörende Herzogtum Schleswig wurde nun zunächst unter die Verwaltung von preußischen und österreichischen Zivilkommissaren gestellt, zwei Jahre später infolge der zugunsten Preußens entschiedenen machtpolitischen Auseinandersetzungen im Deutschen Bund als Provinz in den preußischen Staat eingegliedert. Als erster der drei so genannten Einigungskriege erhielt der Deutsch-Dänische Krieg als Initiationsereignis in der deutschen Reichswerdung und Nationsbildung, die in der Reichsgründung 1871 ihren Höhepunkt fand, eine mythologische Verklärung. Demgegenüber stellten die Kriegsniederlage und der Verlust der beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein ein nahezu traumatisches Ereignis für den dänischen Gesamtstaat und das dänische Nationalprojekt dar. Neben den reinen wirtschaftlichen und politischen Folgen, die sich aus der Grenzverschiebung ergaben, bedeuteten sie zugleich das Ende des Gesamtstaates sowie jeglicher Großmachtsansprüche. Zur Kompensation des äußeren Verlustes stützte sich die dänische Nationalbewegung in der Folgezeit auf ein Opfernarrativ, in welchem, wie der Historiker Troels Fink 1968 akzentuierte, »Deutschland als Problem Dänemarks« auftrat. Angesichts des als übermächtig und als Bedrohung empfundenen südlichen Nachbarn rückten nun vor allem als national deklarierte kulturelle Werte in den Mittelpunkt der nationalstaatlichen Identitätskonstruktion. Zentrale Elemente dieses Kanons bildeten die besondere Betonung einer panskandinavischen Identität, die in erster Linie auf der historischen Wikingerkultur basierte, die Herausbildung starker antideutscher Ressentiments sowie die Deutung der militärischen Niederlage von 1864 als moralischen Sieg, aus dem sich zukünftige Ansprüche auf die Region Schleswig ableiten ließen. Aus diesem Grund nahm innerhalb dieser kollektiven Identität das

Zwischenfazit

131

verlorene Territorium eine Schlüsselstellung ein und wirkte als »Mythomoteur« für die Vertreter der nationalliberalen Bewegung. Die besondere Stellung, die die Region für den dänischen Staat inne hatte, verdeutlicht sich vor allem an der Semantisierung und der Inbesitznahme des materiellen Kulturerbes Schleswigs zu nationalen Zwecken: Dänische Hausforscher und Historiker wie etwa Carl Ferdinand Allen, Reinhold Mejborg und Peter Lauridsen entwickelten anhand der vorindustriellen Bauweise Schleswigs die Theorie von einer zwischen dem Skagerrak im Norden und dem Fluss Eider im Süden kulturell homogenen dänischen Nation, deren ursprüngliche Bauformen in der Grenzregion zu Deutschland zu finden sind. In der Darstellung der dänischen Hausforschung und Historiographie besaß das Bauerbe der Region Referenzcharakter für die dänische Nationalkultur, über seine Nationalisierung konnte der eigene Anspruch auf den im Deutsch-Dänischen Krieg verlorenen Grenzraum aufrecht erhalten und das eigenen Territorium kulturell nach Süden hin abgegrenzt werden. In diesem Sinne griff die Heimatschutzbewegung des frühen 20. Jahrhunderts die Arbeiten von Allen, Mejborg und Lauridsen auf und propagierte eine nationale Bauweise, deren Wurzeln in Schleswig verortet wurden. Anhand der intensiven Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe und der Geschichte der Region zeigte sich die besondere Stellung des Landesteils für die dänische Nationalidentität: Im zentralistischen Dänemark wurden sämtliche von der nationalen Meistererzählung abweichende Narrative bekämpft, lediglich der außerhalb der Staatsgrenzen liegenden Region wurde in den Jahren nach 1864 eine eigene Historiographie zugestanden, die jedoch unter dem Vorzeichen ihrer Nationalisierung zu grenzpolitischen Zwecken instrumentalisiert wurde. Auch der in Dänemark umstrittene Flensburger Löwe, der als ein Projekt der nationalliberalen Bewegung auf Ablehnung in höchsten dänischen Kreisen gesorgt hatte, wurde nach der Grenzverschiebung und seiner Demontage zu einem Denkmal mit nationaler Bedeutung und zum Synonym für die Aufrechterhaltung der dänischen Machtansprüche über die Grenzregion bis zum Fluss Eider. Als eine Folge der Grenzverschiebung überlagerten sich in den Jahren nach 1864 drei unterschiedliche Nationalprojekte in der Grenzregion, die einerseits das materielle Kulturerbe zu den eigenen Zwecken zu instrumentalisieren versuchten und andererseits zu einem andauernden Konflikt zwischen den dänisch- und den deutschgesinnten Bevölkerungsteilen Schleswigs beitrugen. So zeigten sich im Zeitraum bis zum Ende des Ersten Weltkrieges drei Phasen in den Diskussionen und Praktiken um das Kulturerbe: In der unmittelbaren Nachkriegszeit kam es 1864 zu der Beseitigung zahlreicher dänischer Denkmäler. Die symbolträchtigsten Vorgänge waren der Sturz der Säule auf Skamlingsbanke durch preußische Soldaten und die versuchte Demontage des IdstedtLöwen durch Flensburger Bürger. Die Denkmalstürze zielten darauf ab, die als Zeichen einer vermeintlich dänischen Fremdherrschaft gedeuteten Monumente

132

Grenzverschiebung I

aus dem öffentlichen Raum zu entfernen und symbolisch den dänischen Machtanspruch auf die Region zu negieren. Eine zweite Phase setzte mit der Grundsteinlegung der preußischen Siegesdenkmäler an den zentralen Kriegsschauplätzen des Deutsch-Dänischen Krieges, Düppel und Arnkiel, als Versuch der Borussifizierung der schleswigschen Memorialtopographie ein. Die beiden Monumente erhielten aus der Sicht der regionalen und der staatlichen Behörden die Bedeutung von kulturellen Grenzsteinen, die das eigene, neu in den preußischen Staat eingegliederte Territorium symbolisch nach Norden abgrenzen sollten. Analog hierzu kam es seit dem Beginn der 1880er Jahre im Kontext einer zunehmenden staatlichen Repressionspolitik gegenüber der kulturellen Tätigkeit der dänischgesinnten Bevölkerung zu einer politischen Instrumentalisierung des öffentlichen Bauens durch die staatlichen Stellen. Die Errichtung zahlreicher Militärkasernen und öffentlicher Verwaltungsgebäude im neugotischen Stil stand unter dem Vorzeichen der Visualisierung von politischer und militärischer Stärke. In einer dritten Phase folgte hierauf gegen Ende des Jahrhunderts eine schleswig-holsteinische Gegenbewegung, die den preußischen Denkmälern und Bauwerken eine eigene regionalspezifische Memorialkultur in Form zahlreicher Monumente entgegensetzte. Das Ziel dieser Gegenkultur war die Artikulation einer zumindest kulturellen Eigenständigkeit in Abgrenzung zum preußischen Staat. Bereits 1848 hatten die deutschgesinnten Schleswig-Holsteiner mit ihrer Erhebung vergeblich für einen eigenen Staat innerhalb des Deutschen Bundes gekämpft, das endgültige Scheitern dieses Zieles durch die staatliche Eingliederung als preußische Provinz wurde von breiten Bevölkerungsschichten der Region daher mit großer Enttäuschung aufgenommen. Zahlreiche Monumente wie die Doppeleichen, aber auch die Errichtung des Bismarckturmes auf dem Knivsberg besaßen aus diesem Grund eine antipreußische Intention. Im Gegensatz zu der etwa vom Historiker Carsten Jahnke anhand der Bildungspolitik attestierten Borussifizierung des schleswig-holsteinischen Geschichtsbewusstseins kann gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf der Ebene des materiellen Kulturerbes von einem Primat preußischer Narrative nicht die Rede sein. Vielmehr äußerte sich nicht nur in den zahlreichen regionalen Denkmälern, in der Idstedt-Waffenkammer und in der Heimatschutzbewegung einerseits ein klares Bekenntnis zum Deutschen Reich, sondern andererseits zugleich auch ein symbolischer Protest gegen die preußische Superiorität. Besonders deutlich wurde dies im Kontext des von der deutschgesinnten Bevölkerung Nordschleswigs errichteten Bismarckmonumentes auf dem Knivsberg, das entgegen der bislang in der Forschung vertretenen Darstellung explizit nicht als ein Zeichen der Zustimmung zur preußischen Eingliederung, sondern im Gegenteil als Ausdruck eines regionalen Autonomiebestrebens zu sehen ist. Im Zuge dieser Artikulation kultureller Eigenstaatlichkeit bediente sich die Knivsberggesell-

Zwischenfazit

133

schaft des Bismarckmythos’, dem um die Jahrhundertwende entgegen der tatsächlichen Bismarckschen Politik ein oppositioneller Gestus zum Wilhelminismus sowie zugleich der Ausdruck der eigenen Reichszugehörigkeit inhärent waren. Das gegenkulturelle Element der regional schleswig-holsteinischen Memorialpolitik verdeutlichte sich darüber hinaus an zwei weiteren Aspekten: Erstens bezogen sich die Gründung der Idstedt-Waffenkammer und die Pflanzung der Doppeleichen auf den Schleswig-Holsteinischen Krieg (1848 – 1851), in dem die deutschgesinnten Schleswig-Holsteiner, so die regionale Erzählung, ohne die Unterstützung Preußens für ihre deutsche Zugehörigkeit vergeblich in den Kampf gezogen seien. Zweitens verknüpften sich zeitgleich mit dem Erstarken der oppositionell-antiborussischen Bewegung in Schleswig-Holstein mit dem materiellen Kulturerbe starke antidänische Ressentiments, obwohl der dänische Staat zu diesem Zeitpunkt keine unmittelbare politische Gefahr mehr für die Grenzziehung darstellte. Dies führte zu der Ausprägung eines starken regionalen Bewusstseins und der Tradierung einer kollektiv-regionalen Identität, deren integraler Bestandteil die Loslösung von der als Fremdherrschaft empfundenen dänischen Zugehörigkeit Schleswig-Holsteins war. Die besondere Stellung, die die Region zwischen dem Dänischen und dem Deutschen Reich einnahm, war jedoch ebenfalls die Ursache für die Herausbildung eines gemeinsamen Kulturerbes, auch wenn sich zu jenem Zeitpunkt damit vor allem abgrenzende Intentionen verbanden. Das Beispiel der von der dänischen und der schleswig-holsteinischen Heimatschutzbewegung propagierten Bauweise steht für die Existenz einer grenzüberschreitenden Interessengemeinschaft, auch wenn diese aus politischen Gründen negiert wurde. Die inhaltlichen Überschneidungen der Arbeit der Baupflege Kreis Tondern und des Landsforeningen for Bedre Byggeskik sowie das gegenseitige Lob auf den Bauausstellungen in Aarhus und Flensburg belegen, dass die jeweiligen heimatlichen Bauweisen stilistisch nahezu identisch waren und es zahlreiche Verflechtungen zwischen den Bauschaffenden gab. Sowohl die dänische als auch die schleswig-holsteinische Heimatschutzbewegung stützten sich auf die vorindustrielle Bauweise der Grenzregion. Während die dänische Seite hieraus eine als urtümlich deklarierte nationale Architektur ableitete, nutzten die Heimatschutzvereine und die Baupflege in den Herzogtümern diese vor allem zur Konstruktion einer regionalspezifischen Kultur, die Zeugnis von der schleswigholsteinischen Eigenstaatlichkeit ablegen sollte. Ein zentraler Befund für die Diskussionen und Praktiken um das materielle Kulturerbe Schleswig-Holsteins ist, dass es gerade aufgrund der Grenzlage der Region eine signifikante Bedeutung vor allem für den dänischen Staat besaß. Angesichts der Sonderstellung, die etwa die schleswigsche Bauweise für die Nationalkultur des zentralistischen Dänemarks besaß, übte die vermeintlich periphere Grenzregion einen bestimmenden Einfluss auf die Entwicklung der

134

Grenzverschiebung I

nationalen dänischen Identität aus. Somit muss im Fall der dänischen Nationalstaatsentstehung von einer zentralen Rolle der Grenzregion ausgegangen werden, die die vermeintliche Peripherie zu einem wichtigen Akteur innerhalb des Staates machte. Auch für die deutsche Reichsentstehung besaß die Grenzverschiebung zunächst eine unmittelbare Relevanz, die sie angesichts anderer Ereignisse jedoch zunehmend verlor.

III. Grenzverschiebung II: Das materielle Kulturerbe im kulturellen Grenzkampf (1920 – 1933)

III.1. Volksabstimmung, kultureller Grenzkampf und nationale Agitation Mit der militärischen und politischen Implosion des Deutschen Reichs am Ende des Ersten Weltkrieges endete auch im deutsch-dänischen Grenzraum die deutsche Vormachtstellung. Die Zäsur des Jahres 1864 hatte die politischen Kräfteverhältnisse zunächst zu Gunsten des wilhelminischen Kaiserreichs verschoben und eine grundlegende Neuausrichtung der dänischen Außenpolitik initiiert. Diese war fortan auf eine strikte Neutralitätshaltung gegenüber dem südlichen Nachbarn bemüht, um so jegliche Anlässe für eine Einflussnahme Deutschlands in innere dänische Angelegenheiten zu vermeiden.1 Erst die deutsche Kriegsniederlage und der Zusammenbruch des militaristischen Preußens im November 1918 ermöglichten es dem dänischen Staat, sich von dem Bedrohungsszenario des als übermächtig empfundenen Nachbarn partiell zu lösen und die Voraussetzungen für eine seit der Niederlage von 1864 angestrebte Grenzrevision zu schaffen. Seit dem Bekanntwerden des fünften Artikels des 1866 zwischen Österreich und Preußen geschlossenen Prager Friedens, in dem der nordschleswigschen Bevölkerung die Möglichkeit eines Selbstbestimmungsrechtes über die nationale Zugehörigkeit der Region in Aussicht gestellt wurde,2 war die Hoffnung auf eine mögliche Volksabstimmung innerhalb der dänischgesinnten Bevölkerung Schleswigs präsent gewesen. Angesichts der politischen und militärischen Erfolge des von Otto von Bismarck gelenkten Staates erschien diese Option jedoch zunehmend unrealistischer, so dass erst der für Deutschland negative Verlauf des Ersten Weltkrieges es Dänemark ermöglichte, diese Bestrebung in seiner Außenpolitik aufzugreifen.3 In Anlehnung an 1 Vgl. Fink, Deutschland als Problem Dänemarks, 1968. 2 Zit. nach: Hansen u. a., Minderheiten, 1993. S. 197. 3 Auf Betreiben Bismarcks scheiterten die Gespräche mit der dänischen Regierung über Art und Umfang des Plebiszites, so dass sie schließlich im Vertrag von Gastein zwischen Preußen

136

Grenzverschiebung II

die vom US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson im sogenannten 14Punkte-Programm skizzierten Grundzüge einer zukünftigen weltweiten Friedensordnung setzte sich der von der dänischgesinnten Bevölkerung Schleswigs in den Reichstag gewählte Abgeordnete Hans Peter Hanssen gegenüber der deutschen Regierung für die Durchführung des freien nationalen Selbstbestimmungsrechts an der deutsch-dänischen Grenze ein. Am 14. November 1918 sicherte ihm der damalige Staatssekretär im Außenministerium, Wilhelm Solf, zu, »dass auch die nordschleswigsche Frage gemäß dem Friedensprogramm des Präsidenten Wilson auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der in Betracht kommenden Bevölkerung zu lösen« sei.4 Mit der Sicherheit dieser erstmaligen offiziellen Anerkennung der Nordschleswigfrage seitens der deutschen Regierung versehen, brachte Dänemark sein Anliegen in die Verhandlungen der Versailler Friedenskonferenz ein. Die politische Lösung des Schleswig-Konfliktes wurde so ein integraler Bestandteil der Verhandlungen über die gesamteuropäische Nachkriegsordnung.5 In ihren Forderungen stützte sich die dänische Regierung in erster Linie auf das Nationalstaatsprinzip und hoffte, durch die Konzentration der zukünftigen Abstimmung allein auf die nördlich des Flusses Eider gelegene Region, in der es im Gegensatz zu den südlicheren Gebieten größere dänischgesinnte Bevölkerungsanteile gab, eine dauerhafte Lösung für die Grenzfrage zu finden: Es sei das Ziel, so die dänische Regierung, »daß die Bevölkerung zu Dänemark kommen soll, die dänisch spricht, dänisch fühlt und dänisch sein will, daß das gesamte Nordschleswig, aber nichts darüber hinaus, zu Dänemark kommen soll.«6 Die Grundzüge der gemäßigten Position unter der Ägide des dänischen Außenministers Eric Scavenius, der sich mit seiner Haltung gegenüber der radikalen Danewerkbewegung (Dannevirkebevægelsen), die die Eingliederung ganz Schleswigs anstrebte und sich in dieser Forderung auf das »historische Recht« und Österreich 1878 außer Gültigkeit gesetzt wurden. Vgl. Hansen, Reimer. Die deutschdänische Grenze in historischer Perspektive. In: Ders. u. a. (Hrsg.). Minderheiten im deutschdänischen Grenzbereich (Gegenwartsfragen; 69). Kiel 1993. S. 13 – 40, hier S. 36. 4 Lubowitz, Frank. 10. Februar 1920 – Die Volksabstimmung in Nordschleswig und die Forderung nach einer »Neuen Entscheidung«. In: Schriften der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig; 70 (1995). S. 9 – 30, hier S. 10 f. 5 Die deutsche Regierung wünschte sich zu jener Zeit eine bilaterale Lösung zwischen den beiden Staaten, um so eine Einflussnahme der Entente-Mächte auf die Nordschleswigfrage zu vermeiden. Bei den Verhandlungen zwischen dem dänischen Außenminister Eric Scavenius und dem deutschen Botschafter in Kopenhagen, Ulrich Brockdorff-Rantzau, am 5. und 9. Oktober 1918 kam es jedoch aufgrund der dänischen außenpolitischen Haltung, die eine Verhandlung im Rahmen der Versailler Friedenskonferenz wünschte, zu keiner Lösung. Ein separater Vertrag zwischen den beiden Staaten vor Kriegsende war mit der auf Neutralität bedachten Linie Kopenhagens im Ersten Weltkrieg nicht vereinbar. Vgl. Andersen, Den følte grænse, 2008. S. 64. 6 Stolz, Gerd. Der Weg zu einer nationalen Entscheidung. In: Ders. Volksabstimmung Nordschleswig 1920. Plebiscit Slesvig. Apenrade/Sonderburg 1990. S. 15 – 60, hier S. 32.

Volksabstimmung, kultureller Grenzkampf und nationale Agitation

137

stützte, durchsetzen konnte,7 war bereits zuvor am 16./17. November 1918 vom Nordschleswigschen Wählerverein (Nordslesvigske Vælgerforening) in den so genannten Apenrader Entschließungen (Aabenraa-resolutionen) in ähnlicher Weise formuliert worden.8 Von besonderer Bedeutung für die spätere Einteilung der zwei Abstimmungszonen war die geographische Abgrenzung Nordschleswigs und der damit verbundene Wunsch, dass »Nordschleswig als eine Ganzheit aufgefasst wird, deren Bevölkerung durch ein Abstimmen mit Ja oder Nein bekannt gibt, ob sie mit Dänemark vereint werden will.«9 In der Überzeugung, dass nur eine »rein nationale Lösung« zu einer dauerhaften Regelung führen und den dänischen Staat vor potentiellen zukünftigen Grenzrevisionsforderungen eines wieder erstarkenden Deutschlands bewahren kann, strebte Scavenius »keine Einverleibung von (Teilen) Südschleswigs [… an], da dort die Sympathien Deutschland gehörten.«10 Aus diesem Grund bezog sich die vom Nordschleswigschen Wählerverein vorgeschlagene und von der Regierung übernommene Abgrenzung Nordschleswigs auf die 1890 vom dänischen Historiker Hans Victor Clausen gezogene Clausen-Linie als Ausgangspunkt für die Definition der äußeren Linien der ersten Abstimmungszone. Clausen hatte auf der Grundlage der nationalen Kräfteverhältnisse im Grenzland vor allem anhand sprachlicher Kriterien eine vermeintlich national-kulturelle Scheidelinie ermittelt, aus der er die Rückschlüsse für eine mögliche neue Grenzziehung zog: Die Grenze zwischen Mittelschleswig und Nordschleswig ist historisch dort, wo […] Dänisch Kirchensprache gewesen war, wo also dort nördlich der Grenzlinie eine Bevölkerung lebt, die von Herkunft von Sprache dänisch ist, die immer ihre geistigen Werte auf dänisch und von Dänemark empfangen hat, und die sich Tag für Tag als ein Glied des dänischen Volkes fühlen und danach streben, sich als ein solches zu behaupten.11

Bemerkenswert an Clausens Darstellung ist die vor dem Hintergrund der deutschen Vorherrschaft über ganz Schleswig getroffene Feststellung, dass Flensburg für Dänemark im nationalen Gesinnungskampf gegenwärtig verloren 7 Andersen, Den følte grænse, 2008. S. 65. 8 Zu den Hintergründen und den Details der Formulierung der Apenrader Entschließungen siehe: Becker-Christensen, Henrik. Den nye grænse. In: Ders. (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. S. 24 – 43, hier S. 27 ff. 9 »[…] Nordslesvig opfattes som en helhed, hvis befolkning ved at stemme Ja eller Nej tilkendegiver, om den vil genforenes med Danmark.« Ebd. S. 28. 10 Stolz, Der Weg zu einer nationalen Entscheidung, 1990. S. 32. 11 »Grænsen mellem Mellemslesvig og Nordslesvig er historisk der, hvor […] dansk har været kirkesprog, hvor der alts” nord for grænselinjen lever en befolkning, der af oprindelse og tungem”l er danske, der altid har modtaget sine ”ndelige værdier p” dansk og fra Danmark, og som den dag i dag føler sig som et led af det danske folk og søger at hævde sig som s”dant.« Fink, Troels. Den første streg p” kortet – Clausen-linjen. In: Becker-Christensen, Grænsen, 1995. S. 15 f.

138

Grenzverschiebung II

sei, unter Umständen jedoch wieder gewonnen werden könne.12 Deswegen definierte er für die Flensburger Region nur eine wage Grenzführung, während die Gebiete westlich hiervon bis zur Nordseeküste für ihn eindeutig zwischen deutschem und dänischem Einflussbereich zu unterscheiden waren. In den Verhandlungen des ab dem 18. Januar 1919 stattfindenden Pariser Friedenskongresses konnte sich die dänische Regierung mit ihrem Wunsch nach nur zwei Abstimmungszonen durchsetzen. Hatte die zuständige Kommission unter dem Vorsitz des Franzosen Andr¦ Tardieu noch eine dritte Zone südlich der Stadt Schleswig vorgesehen, fiel diese auf Protest der dänischen Gesandtschaft, die sich hier aufgrund der deutschen Bevölkerungsmehrheit keine Chancen ausrechnete, schlussendlich weg. Die Aufteilung des Plebiszitgebietes in eine nordschleswigsche Region nördlich der Stadt Flensburg, in der die Entscheidung in einer Blockabstimmung fallen, und einer mittelschleswigschen Zone bestehend aus den damaligen Landkreisen Tondern, Flensburg und Husum sowie der Stadt Flensburg, in der Distriktweise über die nationale Zugehörigkeit votiert werden sollte, sollte garantieren, dass möglichst alle Gebiete mit einer mehrheitlich dänischgesinnten Bevölkerung wieder Teil des dänischen Staates werden würden. Über die Frage der Einteilung der Wahlzonen sowie der Abstimmungsweise konnte sich die dänische Regierung nicht nur auf der Pariser Friedenskonferenz durchsetzen. Zugleich konnte sie ihre Positionen gegenüber einer innerdänischen, radikaleren Opposition bestehend aus Danewerkbewegung und der erstarkenden Flensburgbewegung (Flensborg-bevægelsen) verteidigen, die, wie etwa der Historiker Vilhelm la Cour, für eine südlichere Ansetzung der Grenzlinie und somit eine Inklusion Flensburgs in die erste Abstimmungszone plädierten.13 Aufgrund der peripheren Lage im europäischen Kontext nahm die schleswigsche Frage eine eher marginale strategische und wirtschaftliche Bedeutung während der Verhandlungen auf der Pariser Konferenz ein. Im Vergleich mit anderen umstrittenen europäischen Grenzräumen spielte sie hier eine eher untergeordnete Rolle. Infolge der unklaren politischen Situation setzte in Vorausahnung eines möglichen Plebiszites im deutsch-dänischen Grenzgebiet bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine von beiden Seiten geführte nationalpolitische Agitation ein. Diese hatte zum Ziel, die Bevölkerung, insbesondere die so genannten Blakkede, die national Unentschlossenen, durch den Einsatz großer finanzieller Mittel und mithilfe von politischer Agitation für die eigene Sache zu gewinnen. In der Anfangszeit spielte ebenfalls die Frage nach der Geldwertentwicklung sowie der wirtschaftlichen Prosperität der Region eine bedeutende 12 Ebd. S. 16. 13 Becker-Christensen, Den nye grænse, 1995. S. 37 f.; Andersen, Den følte grænsen, 2008. S. 85 f.

Volksabstimmung, kultureller Grenzkampf und nationale Agitation

139

Rolle. Der große Wertverlust der Reichsmark gegenüber der dänischen Krone stellte eine ökonomische Herausforderung für die Bevölkerung Nordschleswigs, in der die dänische Währung im Frühjahr 1919 als inoffizielles Zahlungsmittel eingeführt wurde, dar.14 Auf zahlreichen Plakaten wurden in der nationalen Auseinandersetzung diese Entwicklung und die möglichen Wechselverluste bei einer Eingliederung des nördlichen Landesteiles in den dänischen Staat thematisiert sowie die ökonomischen Ängste zu den eigenen Gunsten politisch instrumentalisiert. Hauptträger der Agitationsarbeit im Grenzland wurde auf deutscher Seite der am 25. Oktober 1918 gegründete Deutsche Ausschuss für das Herzogtum Schleswig, demgegenüber standen der Nordschleswigsche Wählerverein sowie der hiermit konkurrierende, radikalere, von Danewerk- und Flensburgbewegung initiierte Mittelschleswigsche Ausschuss (Mellemslesvigske Udvalg).15 Der Umfang ihrer politischen Arbeit wird allein an dem von der dänischen Historikerin Inge Adriansen ermittelten Aufwand der Agitationsarbeit in der Vorabstimmungszeit deutlich: So wurden allein mehr als 110.000 prodänische Plakate hergestellt. Dies war eine Quantität, die höher lag als die Zahl der später im Plebiszit in der ersten Zone erreichten dänischen Stimmen.16 Zusätzlich gaben die einzelnen Kommunen der Abstimmungsgebiete Notgeldscheine heraus, deren Motive den typisch dänischen respektive deutschen Charakter der Region belegen sollten.17 Die gewählte Ikonographie der eingesetzten Plakate und Notgeldscheine stellten einen Spiegel der zeitgenössischen Argumentationsstrukturen im Kampf um die nationale Vorherrschaft dar.18 Es 14 Vgl. zur wirtschaftlichen Situation der Bevölkerung: Andersen, Den følte grænsen, 2008. S. 66 ff. 15 Adriansen, Inge/Doege, Immo. Dansk eller Tysk? Agitation ved folkeafstemningerne i Slesvig i 1920. Neuausg. Sonderburg u. a. 2010. S. 10 f. Siehe auch die deutsche Ausgabe: Dies. Deutsch oder Dänisch? Agitationen bei den Volksabstimmungen in Schleswig 1920. Neuausg. Sonderburg u. a. 2000. Der Bearbeitung der vorliegenden Studie lag die dänische Ausgabe zugrunde. 16 Adriansen, Inge. Dansk og Tysk spejlet i hinanden. Portrætter af national identitet i 1920. In: Østerg”rd, Uffe (Hrsg.). Dansk Identitet? ærhus 1992. S. 131 – 159, hier S. 156 f. 17 Die Politik der französisch-britischen Militärverwaltung in der ersten und zweiten Zone, die das Plebiszit vorbereiten und eine konforme Durchführung garantieren sollte, führte dazu, dass auf zahlreichen Scheinen die eine Seite einen dänischen und die andere Seite einen deutschen Druck erhielten. Adriansen/Doege, Dansk eller Tysk?, 2010. S. 13. 18 Die von Adriansen und Doege vorgenomme Typologisierung der Bildsprache unterscheidet zwischen acht unterschiedlichen Argumentationslogiken: Weit verbreitet waren Appelle an die nationale Abstammung, die durch Verweise auf beliebte nationale Kulturgüter und -werke und Leitsprüche wie »Wir wollen Deutsch sein wie unsere Väter waren« unterstützt wurden (1). Als äußerst populär erwiesen sich Plakate mit dem Verweis auf das vermeintlich historische Recht, welches die eigene Position in der nationalen Auseinandersetzung unterstützte. Auf der dänischen Seite wurde so oftmals die nordische Mythologie bemüht (2). In enger Verbindung stand hierzu die Anführung der gemeinsamen Abstammung der Bevölkerungen aus Schleswig und Deutschland beziehungsweise Dänemark, die unter dem

140

Grenzverschiebung II

finden sich zahlreiche Verweise auf die deutsche beziehungsweise dänische Zugehörigkeit der Region. Die Verwendung von emotionalisierten sprachlichen Motiven wie »Vaterland« oder »Muttersprache« vermittelten das Bild eines natürlichen, untrennbaren Bandes zwischen der umkämpften Region und der jeweiligen Nation. Hieraus ergaben sich in beiden Staaten sowohl die Vorstellung eines historischen Rechtes, welches den jeweils eigenen territorialen Anspruch auf die Abstimmungsgebiete legitimiere, als auch die Überzeugung von der Superiorität der eigenen Nationalität. Adriansen und Doege belegen in diesem Kontext die großen Ähnlichkeiten der Motivwahl und Argumentationsstrukturen auf den deutschen und dänischen Plakaten und Notgeldscheinen.19 Eine Besonderheit der Agitation im deutsch-dänischen Grenzland im Vergleich zu anderen umstrittenen europäischen Regionen jener Zeit stellte die Tatsache dar, dass sich die Gesinnung der Bevölkerung nicht eindeutig an der Sprache festmachen ließ. So appellierten beide Seiten auf ihren Plakaten sowohl in deutscher als auch in dänischer Sprache an die Stimmberechtigten. Die nach dem Kriegsende im Vorfeld der Volksabstimmung einsetzenden politischen Agitationen belegen die nationalpolitische Signifikanz Schleswigs für das Deutsche Reich, aber vor allem auch für den dänischen Staat. Vordergründig beruhte der Grenzkonflikt bis zum Plebiszit, so der dänische Historiker Kim Salomon, auf primär ökonomischen Argumenten. Tatsächlich waren es aber auch die kulturellen und nationalen Gegensätze, die zu einer Verschärfung der Lage führten.20 Schlachtruf »Gemeinsamer Stamm – gemeinsames Land« an die stammesgeschichtliche Pflicht zur richtigen Wahl erinnerte (3). Ein schlagkräftiges Argument in der Agitation stellten auch ökonomische Gründe dar. Während die deutsche Seite vor allem die Angst vor wirtschaftlichen Verlusten aufgrund ungünstiger Wechselkurse zu ihren Gunsten zu kanalisieren versuchte, versprachen die dänischen Plakate einen ökonomischen Aufschwung – »Wenn wieder die Fahne ist weiss [sic!] und rot[,] dann ist geendet die bittre Not.« – sowie soziale Absicherung (4). Eine wichtige Rolle spielte die bildliche Kombination regionaler Landschaften, Bauwerke und Eigenarten wie der Düppeler Mühle oder der Doppeleichen mit der jeweiligen Nationalflagge, die so symbolisch die nationale Prägung Schleswigs darstellte (5). Auch religiöse Motive – wie beispielsweise der Spruch auf einem Wittdüner Plakat »Wittdün stimmt deutsch in Einigkeit und vertraut mit Gott auf bessere Zeit« – wurden für die eigene Sache angeführt (6) sowie darüber hinaus der Appell an die Gefühlswelt der Stimmberechtigten instrumentalisiert. Plakate mit abgebildeten Kindern, die ihre Eltern dazu aufforderten deutsch/dänisch zu wählen, besaßen eine besonders große Verbreitung, ebenso die Erinnerung an die Gefallenen des Krieges und die schwere Bürde, die mit der deutschen Niederlage einherging (7). In der zweiten Abstimmungszone kam es mehr noch als in der ersten zu einer Nationalisierung der Ikonographie. Üblich waren Abbildungen von »Mutter Deutschland« oder der dänischen Nationalikone Thyra Danebod, die ihre »geraubte Tochter« zurückforderte beziehungsweise prognostisch angesichts des erwarteten eigenen Abstimmungserfolges in die Arme schloss (8). Ebd. S. 14 – 63. 19 Ebd. S. 72. 20 Salomon, Kim. Konflikt i Grænseland. Sociale og nationale modsætninger i Sønderjylland 1920 – 1933. Kopenhagen 1980. S. 13 f.

Volksabstimmung, kultureller Grenzkampf und nationale Agitation

141

Die am 10. Februar 1920 in der ersten Zone durchgeführte Abstimmung brachte ein Stimmenverhältnis von rund 75 Prozent für Dänemark und 25 Prozent für Deutschland zustande. Bis auf wenige Kommunen hatte ein Großteil der Bevölkerung für ein zu Dänemark gehörendes Nordschleswig gestimmt. Durch das Ergebnis der Blockabstimmung fiel so die Entscheidung für die Eingliederung der gesamten Zone in den dänischen Staat. Im Gegensatz dazu votierten in der zweiten Zone am 14. März des Jahres rund 80 Prozent für einen Verbleib Mittelschleswigs bei Deutschland. Dabei stellte vor allem das Ergebnis in Flensburg von nur rund einem Viertel aller Stimmen für die dänische Seite, die in der Stadt von einer eigenen potentiellen Mehrheit ausgegangen war, eine große Enttäuschung dar.21 Im Anschluss an das Plebiszit unterbreitete die deutsche Gesandtschaft der internationalen Volksabstimmungskommission bei der Pariser Friedenskonferenz den Vorschlag, die endgültige Grenze abweichend vom erzielten Ergebnis nördlich der Städte Hoyer (Højer), Tondern (Tønder) und Tingleff (Tinglev) und somit mitten durch die erste Abstimmungszone verlaufen zu lassen. Die sogenannten Tiedje-Linie, formuliert vom deutschen Sachverständigen für Nordschleswig bei der Pariser Friedenskonferenz, Johannes Tiedje, sollte als Alternative zur Clausen-Linie unter Berücksichtigung von ökonomisch-geographischen Gesichtspunkten zwei ungefähr gleich große nationale Minderheiten mit jeweils rund 18.000 Mitgliedern auf beiden Seiten der Grenze formen.22 Aufgrund der innenpolitischen Spannungen in Dänemark, die bereits zuvor in Bezug auf die Grenzfrage immer wieder aufgekommen waren, erschien der dänischen Regierung die Verhandlung einer möglichen »Auslieferung« von eigenen Bevölkerungsteilen in den betroffenen Gemeinden an Deutschland als politisch nicht opportun.23 Im Gegenzug schlug Dänemark der Kommission die Internationalisierung der zweiten Zone vor, um so einerseits eine freiere Entfaltung der dänischen Kultur in Flensburg und Umgebung zu ermöglichen, andererseits aber auch den wirtschaftlichen Einfluss Deutschlands auf die Ostseeregion zu beschränken. Tatsächlich wirkte sich keine der beiden unterbreiteten Vorschläge auf die Entscheidung der Volksabstimmungskommission aus, die noch heute gültige Grenzführung zwischen der ersten und zweiten Zone verlaufen zu lassen. Mit der Unterzeichnung des Abschlusstraktates durch Dänemark und die Alliierten am 5. Juli 1920 übertrug sich die Souveränität Nordschleswigs rückwirkend zum 15. Juni des Jahres auf den dänischen Staat, bereits zuvor war es zu der administrativen Übernahme der Re21 Scharff, Alexander. Geschichte Schleswig-Holsteins. Ein Überblick. Neuausg., 5. aktualisierte und überarb. Aufl. Freiburg im Breisgau u. a. 1991. S. 91. Siehe hierzu auch die detaillierte Darstellung in: Rerup, Lorenz. Danmarks historie. Slesvig og Holsten efter 1830. Kopenhagen 1982. S. 319 – 346. 22 Becker-Christensen, Den nye grænse, 1995. S. 41. 23 Lubowitz, Volksabstimmung in Nordschleswig, 1995. S. 12.

142

Grenzverschiebung II

gion gekommen.24 Auf die vertragliche Eingliederung der Region folgte mit dem berühmten Ritt des dänischen Königs Christian X. auf einem Schimmel sitzend über die nun nicht mehr gültige Grenze am 10. Juli schließlich auch die symbolische »Wiedervereinigung«25 mit dem dänischen Staat. Die Folgen der Volksabstimmung und der Verschiebung der territorialen Grenzziehung waren für die schleswigsche Region und darüber hinaus für das nachbarschaftliche deutsch-dänische Verhältnis gravierend. Als Ereignis nahm die Teilung Schleswigs für das Grenzland die Bedeutung einer zweiten Zäsur nach 1864 ein, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart hinein zu spüren sind. Mit der partiellen Revidierung der nationalen Scheidelinie, die eine unmittelbare Konsequenz des Deutsch-Dänischen Krieges Mitte des 19. Jahrhunderts war, erfuhr das dänische Trauma eine Linderung. Die unter dem Schlagwort Genforeningen (Wiedervereinigung) gefeierte Vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark stellt ein Schlüsselereignis der dänischen Geschichte dar und wurde durch zahlreiche Wiedervereinigungsfeiern (Genforeningsfester), deren größtes an den Düppeler Schanzen am 11. Juli 1920 rund 100.000 Teilnehmer zählte, zelebriert.26 Darüber hinaus etablierte sich die Wiedervereinigung in kürzester Zeit als nationaler lieux de m¦moire im kollektiven Gedächtnis Dänemarks.27 Die neue Grenzziehung bedeutete jedoch nicht nur die Verschiebung territorialer Einflussgebiete, sondern führte auch zu einer grundlegenden Transformation der Region: Die Grenze teilte nun einen vorher plurikulturellen, mehrsprachigen Raum ohne eindeutige nationale Identität oder Identifikation […], nachdem Dänemark 1851 – 1864 und Deutschland 1864 – 1920 im Rahmen ihrer Nationalisierungsprojekte versucht hatten, diesen Raum national und auch kulturell zu homogenisieren.28

Aus der Teilung Schleswigs entwickelte sich in Schleswig-Holstein so eine spezifische Grenzlandidentität heraus.29 Diese war eine Folge der seit Jahrzehnten andauernden Konfrontation und der in diesem Kontext entstandenen nationalen Gegensätze, die sich im Abstimmungskampf durch entsprechende propagandistische Maßnahmen noch einmal verstärkt hatten. Konsequenterweise hin24 Ebd. 25 Steen Bo Frandsen verweist zu Recht darauf, dass das Präfix »wieder« in diesem Kontext historisch gesehen problematisch erscheint, die Verwendung des Begriffes »Wiedervereinigung« trotz alledem in Dänemark die übliche Bezeichnung für die Ereignisse des Jahres 1920 ist. Frandsen, Dänemark, 1994. S. 8 f. 26 Becker-Christensen, Den nye grænse, 1995. S. 43. 27 Vgl. Adriansen, Nationale Symboler i Det Danske Rige 1830 – 2000. Bd. 1: Fra fyrstestater til nationalstater. Kopenhagen 2003. S. 278. 28 Klatt, Fließende Grenzen, 2007. S. 328. 29 Jebsen, Nina. Deutsch vs. Dänisch – Zur Aushandlung einer Grenzraumidentität 1900 – 1930. In: Welz, Gisela (Hrsg.). Epistemische Orte. Gemeinde und Region als Forschungsformate (Kulturanthropologie-Notizen; 80). Frankfurt am Main 2011. S. 101 – 124.

Volksabstimmung, kultureller Grenzkampf und nationale Agitation

143

terließen die Auseinandersetzungen, der Krieg und das folgende Plebiszit in der Region tiefe ökonomische und mentale Spuren.30 Über die regionalen Auswirkungen im Grenzraum hinaus bedeutete die Regelung der schleswigschen Frage durch den Versailler Vertrag jedoch keine Beilegung des seit mindestens 1848 andauernden Konfliktes über die nationale Zugehörigkeit. Vielmehr veränderten die mit der Grenzverschiebung entstandenen ökonomischen Herausforderungen und die auf beiden Seiten der Grenze wahrnehmbare Unzufriedenheit über die finale Lösung den Charakter der Auseinandersetzungen. Der dänische Historiker Kim Salomon legte in seiner grundlegenden Studie zu den nationalen Gegensätzen im Grenzland zwischen 1920 und 1933 dar, dass die mit der Verschiebung verbundene Neuausrichtung der regionalen Ökonomie zu großen wirtschaftlichen Problemen führte und die Gegensätze nun trotz der vermeintlichen Regelung als ein national motivierter Konflikt unter denselben Vorzeichen wie zuvor weitergeführt wurden.31 Eine hohe Bürde für die Befriedung des Grenzlandes war die von deutscher Seite aus als Makel angesehene Verhandlungslösung unter Ausschluss der eigenen Teilnahme auf der Pariser Friedenskonferenz. So gerieten die neue Grenzlinie und die »Abtretung Nordschleswigs […] in das propagandistische Umfeld der in Deutschland allgemein verbreiteten Ablehnung des Versailler Vertrages.«32 Auch formell bedeutete die hier getroffene Regelung, trotz des deutschen Abtretens der Souveränitätsrechte über Nordschleswig im Friedensvertrag, keine formelle Anerkennung der Grenze.33 In Dänemark verbanden sich mit der Grenzverschiebung und der Eingliederung Nordschleswigs große Freude und Genugtuung, gleichzeitig war man sich aber auch der deutschen Nichtanerkennung der nationalen Scheidelinie bewusst. Radikalere, antideutsche Kreise wie die Flensburgbewegung zeigten sich sogar offen enttäuscht über das Abstimmungsergebnis und brachten die dänische Regierung unter Carl Theodor Zahle in Bedrängnis.34 Die Grenzverschiebung führte in ihrer Konsequenz zu der Entstehung einer kleineren dänischen Minderheit südlich der Grenze sowie einer quantitativ gesehen deutlich größeren deutschen Bevölkerungsgruppe, insbesondere in den Gemeinden Tondern, Apenrade und Sonderburg. Der hiermit verbundene tiefe Einschnitt in der deutsch-dänischen Geschichte barg aufgrund des zuvor an30 31 32 33

Andersen, Den følte grænse, 2008. S. 88. Salomon, Konflikt i Grænseland, 1980. S. 15 f. Lubowitz, Volksabstimmung in Nordschleswig, 1995. S. 11. Salomon, Konflikt i Grænseland, 1980. S. 28. Eine erste Anerkennung erfolgte erst durch einen Beschluss der SPD auf einer Konferenz in Flensburg im November 1923. In dem so genannten Stauning-Wels-Abkommen verabredeten führende dänische und deutsche Sozialdemokraten die Bestätigung der Grenze. Die Absprache löste in beiden Ländern heftige Angriffe aus bürgerlichen und konservativen Kreisen aus. Rerup, Danmarks historie, 1982. S. 372. 34 Ebd. S. 344.

144

Grenzverschiebung II

gewandten nationalen, und an dieser Stelle verweigerten, Selbstbestimmungsrechtes ein großes Konfliktpotential: Form und Umsetzung des Plebiszites sorgten so für die Entstehung eines Minderheitenproblems. Angesichts der von beiden Seiten als ungerecht beziehungsweise als nicht ausreichend empfundenen Lösung bot die Regelung des Versailler Vertrages von Anfang an Anlass für Revisionsforderungen auf die im Folgenden noch einzugehen sein wird. So formulierte etwa der evangelisch-lutherische Pastor Johannes Schmidt-Wodder, der Vorsitzende des 1920 entstandenen Schleswigschen Wählervereins, der als zentrale politische Vereinigung die politische Vertretung der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig bildete, die Hoffnung: »Wir hoffen auf den Tag, wo wir neu entscheiden werden über unser staatliches Geschick, frei von dem Zwang der en-bloc-Abstimmung, frei von dem Zwang des Friedensvertrages.«35 Auch auf dänischer Seite richtete sich der Blick der Regierung, zahlreicher Organisationen sowie der Bevölkerung auf die im deutschen Schleswig verbliebenen dänischgesinnten Bewohner der Region, die mit großer Verbitterung auf ihren »Ausschluss« aus dem dänischen Staat reagierten. Die an die dänische Volksgruppe in Schleswig adressierten Worte des dänischen Premierministers Niels Neergaard besaßen für die post-plebiszitären Jahre programmatische Bedeutung: »Sie sollen nicht vergessen werden. Es ist eine Ehrenpflicht für jede Regierung, sie zu stützen und nach bestem Vermögen Sprache und Volkstümlichkeit aufrechtzuerhalten, für die sie sich so tapfer geopfert haben.«36 Die Grenzverschiebung war somit von Anfang an mit dem Problem belastet, dass die Regelung sowohl von beiden Seiten angefochten wurde als auch mit dem Charakter des Vorläufigen behaftet war. Als Ereignis besitzt Genforeningen als grundlegender Umbruch für die nationalen Verhältnisse im deutsch-dänischen Grenzland eine elementare Bedeutung. Neben dem Krieg von 1864 stellt es in der jüngeren Historie das zweite Schlüsselereignis im nachbarschaftlichen Verhältnis der beiden Staaten dar und strahlt als der Kristallisationspunkt dänischer Geschichte bis in die heutige Gegenwart hinein. Die Minderheitenfrage und die hiermit verbundene Grenzziehungsproblematik führten in den folgenden Jahren zu einer Verschärfung der nationalen Gegensätze und der intensiven Ausprägung einer Grenzlandidentität. Die zuvor plurikulturelle Region ohne eindeutig nationale Grenze wurde nun zu einem Schauplatz eines mit großen ökonomischen Mitteln geführten kulturellen Grenzkampfes.37 Eine Folge der Formierung der Minderheiten war auf beiden

35 Lubowitz, Volksabstimmung in Nordschleswig, 1980. S. 13 f. 36 »De skal ikke blive glemt. Det er en ærespligt for enhver regering at støtte dem og af yderste evne opretholde sprog og folkelighed, som de har ofret s” tappert for.« Zit. nach: Rerup, Danmarks historie, 1982. S. 347. 37 Vgl. hierzu die 2008 erschienene, sehr detaillierte Studie zum wirtschaftlichen Wiederauf-

Volksabstimmung, kultureller Grenzkampf und nationale Agitation

145

Seiten die Bildung zahlreicher Organisationen, die dem befürchteten Verlust der eigenen nationalen Identität durch eine aktive Kulturarbeit entgegenwirken sollten.38 Das Verbands- und Vereinsnetzwerk der deutschen Volksgruppe orientierte sich dabei an den dänischen Organisationen in der preußischen Zeit. Vor allem die Einbindung und die Bildung der Jugend stellte in dem Streben nach der Grenzrevision sowie einer kulturellen Autonomie ein Kernelement dar.39 Unter dem Schlagwort der »Deutschtumsarbeit« erhielten die Minderheitenorganisationen ideelle und finanzielle Unterstützung aus Berlin. Insbesondere das Auswärtige Amt nahm durch die Gründung des Deutschen Ausschusses – offiziell eine Privatorganisation, die tatsächlich aber durch die Reichsregierung gesteuert wurde und in der sich zahlreiche im Grenzland tätige Organisationen zusammenschlossen – aktiv Einfluss auf die Ausrichtung der kulturellen Arbeit und wurde dadurch informell zum wichtigsten Akteur der Auseinandersetzungen auf deutscher Seite.40 Neben einer national gefärbten Schulpolitik entwickelten sich im Folgenden drei maßgebliche Instrumente, die im kulturellen Bodenkampf der 1920er Jahre sowohl von Dänemark als auch von Deutschland eingesetzt wurden und inhaltlich eng miteinander verknüpft waren: Erstens erfolgte in Schleswig auf beiden Seiten der Grenze eine national geführte Wirtschaftspolitik, die darauf bau, den kulturellen Grenzprogrammen und den Bodenkampfinstrumenten in Schleswig von Morten Andersen: Andersen, Den følte grænse, 2008. 38 Die kulturelle Grenzlandarbeit der deutschen Volksgruppe institutionalisierte sich in Organisationen wie unter anderem dem Deutschen Schulverein für Nordschleswig, dem Schleswigschen Wählerverein und dem Deutschen Jugendbund. Vgl. Johannsen, Peter Iver. Die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig. In: Hansen, Reimer u. a. (Hrsg.). Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzbereich (Gegenwartsfragen; 69). Kiel 1993. S. 41 – 72, hier S. 43. In Schleswig übernahmen für die dänische Minderheit vor allem Der schleswigsche Verein (Den slevigske Forening) und der Grenzverein (Grænseforeningen) die politisch-kulturelle Arbeit. Darüber hinaus entstanden zahlreiche weitere Organisationen, in denen die Mitglieder der Volksgruppe sportlichen, kulturellen und politischen Tätigkeiten nachgehen konnten. Vgl. Runge, Johann. Die dänische Minderheit in Südschleswig. In: Hansen u. a., Minderheiten, 1993. S. 101 ff. 39 Der Historiker Frank Lubowitz verweist auf die durchaus heterogenen Einstellungen der führenden Persönlichkeiten der deutschen Minderheit hinsichtlich der Methoden und Arbeitsweisen. Während der Vorsitzende des Schleswigschen Wählervereines und Abgeordnete des dänischen Parlamentes, des Folketing, Johannes Schmidt-Wodder »bei der Forderung, Nordschleswig […] in einer neuen Entscheidung wiederzugewinnen, gleichzeitig kein politisches Porzellan zu zerschlagen«, präferierte, standen die Vertreter der so genannten Königsau-Gruppe für eine kompromisslose Vorgehensweise: »Es ist ein schwerer Irrtum anzunehmen, dass man die nordschleswigsche Frage durch Kompromisse lösen kann. Die Dänen wollen keinen Kompromiss, sie wollen die Eider! Also haben wir den Mut, die Königsau zu wollen. Und diesen erklärten Willen unterstreichen wir mit dem schlichten Bekenntnis, dass selbst kleine Stücke heimatlicher Erde nicht zum Handelsobjekt politischer Schlauköpfe herabgewürdigt werden dürfen. Wir wollen die Königsau wieder zum deutschen Grenzfluss machen.« Lubowitz, Volksabstimmung in Nordschleswig, 1995. S. 15 ff. 40 Salomon, Konflikt i Grænseland, 1980. S. 42.

146

Grenzverschiebung II

abzielte, die Region durch eine umfassende Förderung der Infrastruktur ökonomisch an das eigene Land zu binden. Vor allem auf dänischer Seite stand der Bau neuer Bahntrassen und Straßen in dem Kontext einer Umstrukturierung der nordschleswigschen Ökonomie, die zuvor auf die regionalen Zentren Flensburg und Hamburg ausgerichtet war.41 Die neue Grenzziehung bedeutete eine Trennung von wirtschaftlichem Zentrum und ökonomischer Peripherie und bedingte so schwerwiegende Auswirkungen auf den schleswigschen Wirtschaftsraum. Darüber hinaus bestand in Dänemark ein großes Interesse daran, den Grenzraum durch eine infrastrukturelle Neuausrichtung nach Kopenhagen hin enger an den Staat zu binden. Eine weitere Herausforderung, insbesondere für die Bewohner Nordschleswigs, entstand durch den Wertverfall der deutschen Reichsmark und der damit verbundenen Wechselkursverluste im Zuge der Einführung der dänischen Krone als offizielle Währungseinheit. Staatliche Sonderprogramme sollten in diesem Kontext durch die teilweise Erstattung der Verluste die individuellen ökonomischen Folgen mindern.42 Der preußische Staat reagierte auf das Ergebnis der Volksabstimmung mit der Bildung eines 100 Millionen Reichsmark schweren Nordmarkfonds, der ähnlich der dänischen Sonderprogramme für die wirtschaftlichen Folgeschäden im Abstimmungsgebiet entschädigen sollte. Insbesondere die Stadt Flensburg als »deutsche Vorburg« an der Grenze erhielt große finanzielle Zuschüsse: So gingen allein rund 47,5 Millionen Reichsmark in den Ausbau der Hafenanlagen und in zahlreiche weitere Infrastrukturprojekte der Stadt und des Landkreises.43 Ziel des Nordmarkfonds war es, »das Deutschtum an der gefährdeten Stelle wirksam zu kräftigen«44 und aus einer gesunden ökonomischen Lage heraus gemeinsam mit weiteren politischen Instrumenten die Basis für eine Grenzrevision zu legen.45 Neben den staatlichen Wirtschaftsprogrammen entwickelte sich eine offensive Bodenpolitik zum zweiten Betätigungsfeld nationaler Agitation. Bereits in den 1890er Jahren hatten die nationalen Gegensätze in Nordschleswig zu der Errichtung der deutschen Domänehöfe geführt; mit der Grenzverschiebung 1920 gerieten diese nun in den Besitz des dänischen Staates. Die deutschen Musterhöfe und die dazugehörigen landwirtschaftlichen Flächen wurden aufgrund ihrer nationalpolitischen Intention zerschlagen und die Ländereien unter 41 42 43 44 45

Andersen, Den følte grænse, 2008. S. 231 ff. Ebd. S. 194 ff. Ebd. S. 146 ff. und S. 154 ff. Ebd. S. 157. Zu den Details des wirtschaftlichen Wiederaufbaus in Schleswig siehe: Hansen, Kirsten Catarina. Der Strukturwandel im deutsch-dänischen Grenzgebiet dargestellt an ausgewählten Beispielen aus dem ländlichen Raum. Stuttgart 1992; Hansen, Hans Schultz. Det sønderjyske landbrugs historie 1930 – 1993 (Skrifter, udgivet af Historisk Samfund for Sønderjylland; 72). Apenrade 1994. S. 242 – 267; Andresen, Den følte grænse, 2008. S. 143 – 193.

Volksabstimmung, kultureller Grenzkampf und nationale Agitation

147

dänischen Landwirten verteilt.46 Darüber hinaus vergaben Institutionen wie der explizit hierfür gegründete Verein Sønderjyllands Kreditforening günstige Kredite zum Boden- und Hoferwerb an dänischgesinnte Staatsbürger in Nordschleswig, um in den grenznahen Gebieten eine Verbreitung der »deutschen Elemente« zu verhindern.47 Eine Verschärfung dieses sogenannten Bodenkampfes setzte 1926 mit der Gründung der deutschen Kreditanstalt Vogelsang in Hadersleben (Haderslev) und als Reaktion hierauf ein Jahr später mit dessen dänischem Pendant, dem Landeswehr (Landeværnet), ein, die beide mit staatlichen Mittel ausgestattet jeweils deutsch- beziehungsweise dänischgesinnte Bewohner Nordschleswigs finanziell unterstützten und so den Grundstückserwerb in den Dienst der Nation stellten.48 Die wirtschaftliche Subventionierung der deutschen Bevölkerungsgruppe ging auf das Sofortprogramm des deutschen Außenministers Gustav Stresemann zurück, das jedoch primär die deutschen Bevölkerungsgruppen in den östlichen Grenzregionen des Reichs ökonomisch stärken und so die durch den Versailler Vertrag gezogenen Grenzen infrage stellen sollte.49 Aufgrund der finanziellen Kraftverhältnisse erwies sich der Bodenkampf in Schleswig für die deutsche Seite jedoch als wenig erfolgreich. Die prekäre ökonomische Situation des Deutschen Reichs zu Beginn der 1920er Jahre im Vergleich mit dem dänischen Einsatz und der Politik der Erschließung dünnbesiedelter Gegenden in der Grenzregion verhinderte ein umfangreicheres finanzielles Engagement. Im Gegensatz dazu bedingte die erfolgreiche dänische Bodenpolitik, dass sich die Landwirte der deutschen Minderheit angesichts der zahlreich zuziehenden dänischen Hof- und Grundbesitzer in Nordschleswig zunehmend in der Defensive sahen.50 Aus diesem Grund erwiesen sich die deutschen Grenzrevisionsbemühungen auf wirtschaftlicher und bodenpolitischer Ebene als Misserfolg. Vielmehr führten sie im dänischen Staat zu einer weiteren Intensivierung der Vorstellung von Deutschland als Problem Dänemarks und zu der Mobilisierung großer Geldressourcen, um der »Zurückeroberung der Tiedje-Linie«51 entgegenzuwirken. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der unzureichenden ökonomischen Potenz der Weimarer Republik lag der Schwerpunkt der nationalen Agitation in der Nachkriegszeit daher zumindest auf deutscher Seite in der Propagierung und Förderung einer offensiven Kulturarbeit. Bereits im März 1920 hatte der Direktor des Kieler Thaulow-Museums, Ernst Sauermann, von den zuständigen Behörden eine erheblich verbesserte finan46 47 48 49 50 51

Møller Terkildsen, De sønderjyske domæneg”rde, 2001. S. 26. Andersen, Den følte grænse, 2008. S. 214 ff. und S. 221 ff. Becker-Christensen, Fra »mod hinanden« til »med hinanden«, 2009. S. 312. Zu Details siehe: Ebd. S. 312 ff.; Andersen, Den følte grænse, 2008. S. 330 ff. und 342 ff. Salomon, Konflikt i Grænseland, 1980. S. 120. »[…] generobringen af Tiedjelinien.« Andersen, Den følte grænse, 2008. S. 343.

148

Grenzverschiebung II

zielle Ausstattung für kulturelle Organisationen und Einrichtungen im Grenzgebiet eingefordert. Nur so sei die Auseinandersetzung mit dem dänischen Nachbarn und eine Behauptung der deutschen Kultur überhaupt zu führen: Zäh und unbeirrt wird der Däne den Kampf weiterführen. Es ist nur eine Forderung der Billigkeit, daß für den großen Schaden, der fortgesetzt in den nächsten Jahren unserem Lande hierdurch erwächst, eine Schadloshaltung aus diesem Fonds geboten wird. Diese Schadloshaltung muss so groß sein, daß aus den Zinsen der zur Verfügung gestellten Summe, die Mittel zur Führung des kulturpolitischen Kampfes alljährlich bereitstehen. Je eher wir in der Lage sind dem Dänentum ein bewußtes Schleswig-Holsteinertum entgegenzustellen, desto eher wird dieser Kampf zu unseren Gunsten entschieden werden.52

Die von Sauermann geforderten Mittel für die Ausprägung und Unterstützung eines »bewußten Schleswig-Holsteinertum[s]« standen im Kontext des Bedrohungsszenarios eines möglichen Verlustes weiterer Gebiete an Dänemark. So befürchtete der Museumsdirektor eine Fortführung des Nationalitätenkampfes auch in der dritten Zone.53 Als Grund für die prekäre Situation sah Sauermann insbesondere das Versäumnis, in der Vergangenheit keine ausreichende Kulturpolitik betrieben zu haben, so dass Schleswig-Holstein seinem nördlichen Nachbarn kulturell unterlegen sei. Über die Einrichtung des so genannten Nordausschusses im Sommer 1920, einer Unterorganisation des Deutschen Ausschusses, sollten die von den nationalen Vereinen benötigten Mittel zentral zur Verfügung gestellt und so eine koordinierte nationale Grenzarbeit überhaupt erst möglich werden.54 Die in dem Nordmarkfond für kulturelle Zwecke zur Verfügung stehenden Gelder in Höhe von 14,5 Millionen Reichsmark reichten jedoch nicht aus, denn sie standen einem angemeldeten Bedarf von rund 50 Millionen Reichsmark gegenüber. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Deutschen Reichs nach dem Zusammenbruch konnte der von den Grenzvereinen und -organisationen angemeldete Bedarf somit nur partiell abgedeckt werden. Die größten Positionen innerhalb des Kulturprogramms nahmen die Volkshochschulen und -bibliotheken sowie die diversen kulturellen Einrichtungen wie das Flensburger

52 Brief von Ernst Sauermann an den Provinzial-Ausschuss vom 7. März 1920. LASH, Abt. 371: Provinzialverwaltung, Nr. 834: Kulturprogramm und Beschaffung von Mittel zu ihrer Durchführung. 53 Ebd. 54 Der Nordausschuss setzte sich aus den Landräten und Oberbürgermeistern der grenznahen Kreise, dem Rektor der Kieler Universität, einem Vertreter der Landwirtschaftskammer, Johannes Schmidt-Wodder für die nationale Minderheit in Nordschleswig, Ernst Sauermann vom Thaulow-Museum und Repräsentanten diverser preußischer Ministerien zusammen. Andersen, Den følte grænse, 2008. S. 160.

Volksabstimmung, kultureller Grenzkampf und nationale Agitation

149

Theater ein.55 Es war wiederum Sauermann, der im Mai des Jahres gegenüber der Staatsregierung auf die Brisanz der Situation und die Notwendigkeit der Bereitstellung umfangreicher finanzieller Mittel hinwies: Für die Notwendigkeit der Durchführung des Kulturprogramms sprechen neben der ethischen, schwerwiegende national-politische Gründe. Wir Schleswig-Holsteiner wünschen Frieden und Verständigung mit unserem nordischen Nachbarn von Volk zu Volk. Den Wirklichkeiten des Lebens gegenüber dürfen wir aber nicht die Augen verschließen.56

Das Bedrohungsszenario einer aggressiven dänischen Kulturpolitik stellte auch in den Folgejahren einen zentralen Topos der schleswig-holsteinischen und der deutschen Kulturarbeit im Grenzland dar. So forderte der preußische Ministerialrat im Innenministerium, Fritz Rathenau, im März 1922 in einer Besprechung über die politischen Verhältnisse in Schleswig-Holstein, dass anlässlich des deutschen Abwehrkampfes gegenüber dem dänischen Ziel »Dänemark bis zur Eider« eine nochmals erhöhte finanzielle Anstrengung nötig sei, um die Grenzlinie zu sichern: […] zunächst konnte man hoffen, daß die Dänen die Grenze respektieren würden. […] Bisher ging unser Bestreben dahin, die Bevölkerung jenseits und diesseits der Grenze gegenüber den dänischen Aspirationen widerstandsfähig zu machen […] und sehen heute nach 2 Jahren zwar eine erfreuliche Widerstandsfähigkeit des Deutschtums jenseits der Grenze […], aber ein unverkennbares Vordringen des Dänen diesseits.57

Neben der Förderung einzelner Institutionen weitete sich der kulturelle Grenzkampf auf schleswig-holsteinischer Seite innerhalb kürzester Zeit auch auf die wissenschaftliche Arbeit der in der Region beheimateten Forschungs- und Bildungseinrichtungen sowie auf die Inhalte zahlreicher regionalhistorischer Publikationen und Periodika aus. Der Herausgeber des Schleswig-Holsteinischen Jahrbuches, Ernst Sauermann, befürchtete angesichts des »75jährigen Jubiläum [s] der Erhebung Schleswig-Holsteins« für das Jahr 1923, dass »Nordschleswig mit einer starken propagandistischen Literatur aus Dänemark überzogen werden wird […].«58 Er forderte die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel

55 Ebd. S. 160 ff. Für eine detaillierte Auflistung der einzelnen Posten des Kulturprogramms siehe die tabellarische Darstellung ebd. S. 163. 56 Brief von Ernst Sauermann an die Staatsregierung vom 26. Mai 1920. LASH, Abt. 301: Oberpräsidium und Provinzialrat der Provinz Schleswig-Holstein, Nr. 1219: Entwurf zu einem Kulturprogramm für Schleswig-Holstein 1920 – 1922. 57 Niederschrift über die Besprechung vom 22. März 1922 im Preußischen Ministerium des Innern über die politischen Verhältnisse in Schleswig-Holstein. S. 2 f. LASH, Abt. 301: Oberpräsidium und Provinzialrat der Provinz Schleswig-Holstein, Nr. 5681: Die dänische Gefahr und ihre Abwehr, Schleswigfonds, Bd. 1, Beiheft. 58 Schreiben von Ernst Sauermann an Landeshauptmann Pahlke vom 24. Februar 1923. LASH,

150

Grenzverschiebung II

durch die Provinzialregierung für die Veröffentlichung der neuen Ausgabe des Jahrbuches, um dieser dänischen Offensive mit einer eigenen Antwort begegnen zu können. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Sauermann auf die grenzpolitische Relevanz der Jahrbücher verwiesen: Der Reihe käme eine »nationale Bedeutung« zu, so seien die »letzten zwei Jahrgänge […] fast vollständig dem abgetretenen Nordschleswig und dem bedrohten Mittelschleswig gewidmet […].«59 Der Kieler Historiker Karl Alnor legte angesichts des Versailler Vertrages und der hiermit für das Deutsche Reich verbundenen Grenzverluste im selben Jahr in seiner Denkschrift Die Aufgaben der deutschen Wissenschaft in der schleswigschen Frage dar, dass die Wissenschaft zukünftig der Politik »eine möglichst große Fülle von Stützen und Hilfsmitteln« zur Verfügung stellen müsse. Auf der Grundlage einer politischen Wissenschaft gelte es nun, eine breitangelegte wissenschaftliche Offensive einzuleiten und durchzuführen […]. Die Geschichte der schleswigschen Frage hat gezeigt, dass sie zu den politischen Fragen gehört, die immer im Zusammenhang mit einer parallel arbeitenden Wissenschaft vorwärts getrieben werden müssen.60

Alnor sah in einem »allgemeinen mangelhaften Verantwortungsbewusstsein der deutschen Wissenschaft gegenüber den nationalpolitischen Lebensinteressen des deutschen Volkes und Staates«61 den zentralen Grund für die gefährliche Situation in Schleswig. Aus diesen Fehlern der Vergangenheit und dem Vorbild der dänischen Wissenschaft müsse man nun für die eigene Kulturpolitik lernen: In Dänemark hat eine Arbeitsgemeinschaft von Politik und Wissenschaft schon seit Jahrzehnten bestanden und dem deutschen Grenzkampf außerordentlichen Abtrag getan. Diese enge Fühlung wird erst richtig eingeschätzt, wenn man sich vor Augen hält, daß das Jahr 1864 den dänischen Staat und das dänische Volk in eine Krisis hineingeworfen hat, die relativ mit der deutschen Not unserer Zeit zu vergleichen ist. Als einzige außenpolitische Aufgabe und Hoffnung war Dänemark die schleswigsche Frage verblieben. Um sie herum hat sich die gesamte nationale Arbeit des Volkes gesammelt. Auf kein Gebiet hat sie sich schon zwei Generationen lang so stark geworfen wie auf die wissenschaftliche Begründung der politischen und nationalen Ansprüche auf Schleswig. Ihr Ergebnis ist eine wissenschaftliche Literatur zur Grenzfrage, die auch dem Gegner hohe Bewunderung abnötigt. Sie ist von der politischen Propaganda umso

Abt. 371: Provinzialverwaltung; Nr. 823: Beihefte zur Herausgabe des Schleswig-Holsteinischen Kunstkalenders. 59 Schreiben von Ernst Sauermann an den Provinziallandtag vom 1. Februar 1921. LASH, Abt. 371, Nr. 823. 60 Denkschrift Die Aufgaben der deutschen Wissenschaft in der schleswigschen Frage von Karl Alnor. S. 1 f. LASH, Abt: 309: Regierung zu Schleswig, Nr. 23057: Schleswig-Fonds 1923 – 1925. 61 Ebd. S. 3.

Volksabstimmung, kultureller Grenzkampf und nationale Agitation

151

erfolgreicher in den nationalen Kampf eingesetzt worden, als ihr von deutscher Seite so gut wie nichts entgegengestellt ist.62

Alnor sah insbesondere auf der Ebene der Landeshistorie und der Besiedlungsgeschichte ein großes grenzpolitisches Potential für die Auseinandersetzung mit dem dänischen Nachbarn. Ähnlich wie Sauermann attestierte er, dass vor allem der Verzicht auf eine national motivierte Geschichts-, Bildungs- und Kulturpolitik in der Vergangenheit der Grund für die Bedrängnissituation sei, in der sich Deutschland angesichts der dänischen Kulturoffensive im Grenzraum nun befinde. Innerhalb der breit angelegten deutschen Kulturpolitik der Nachkriegszeit rückte die nationale Komponente merklich auf Kosten der schleswig-holsteinischen Regionalidentität der Vorkriegszeit in den Vordergrund. Sämtliche kulturelle Anstrengungen erfolgten aufgrund eines als national deklarierten Abwehrkampfes gegen eine vermeintliche dänische Bedrohung. Nicht zuletzt die am 22. März 1922 im Berliner Innenministerium unter Teilnahme zahlreicher Politiker des preußischen Staates und der schleswig-holsteinischen Provinz durchgeführte Besprechung der politischen Verhältnisse in der Grenzregion spiegelte den Paradigmenwechsel wider.63 Doch zugleich hielt sich eine gewisse Reserviertheit der Schleswig-Holsteiner gegenüber den preußischen Machthabern: So argumentierte Oberpräsident Heinrich Kürbis in seiner Denkschrift Die dänische Gefahr und ihre Abwehr, dass der Schlüssel für das »bedrängte Deutschtum der Nordmark« in einer »starken Heimatbewegung« liegen würde.64 Über die Pflege der Heimatgeschichte und die politische Nutzbarmachung des Kulturerbes – Kürbis führte insbesondere das frühhistorische Erbe sowie die Museumsarbeit als von zentraler Bedeutung an – könne ein Gegengewicht zur dänischen Agitation errichtet werden. Im Zuge dieser Bildungs- und Kulturpolitik forderte der Oberpräsident eine Konzentration auf die regionale Historie, die von der nationalen abweiche: Preußische und deutsche Geschichte sind seit Jahrzehnten der ausschließliche Gegenstand des Geschichtsunterrichts in Schule und Universität gewesen. […] Die Folge davon ist, dass der Schleswig-Holsteiner den historischen Beweisen aus der Vergan-

62 Denkschrift »Die Aufgaben der deutschen Wissenschaft in der schleswigschen Frage von Karl Alnor. S. 5. LASH, Abt. 309, Nr. 23057. 63 Niederschrift über die Besprechung vom 22. März 1922 im Preußischen Ministerium des Innern über die politischen Verhältnisse in Schleswig-Holstein. LASH, Abt. 301, Nr. 5681. 64 Denkschrift Die dänische Gefahr und ihre Abwehr von Heinrich Kürbis. S. 28. LASH, Abt. 301: Oberpräsidium und Provinzialrat der Provinz Schleswig-Holstein, Nr. 5679: Denkschrift des Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein: Die dänische Gefahr und ihre Abwehr, Schleswigfonds, Bd. 1.

152

Grenzverschiebung II

genheit seines Landes, wenn sie der Däne, der die Geschichte Schleswigs genau kennt, ihm entgegenhält, hilflos gegenüber steht.65

Der deutschen Kulturarbeit setzte der dänische Staat in den wiedervereinigten Gebieten vor allem ökonomische Anstrengungen entgegen, die zu einer wirtschaftlichen Prosperität in Nordschleswig beitragen sollten. Auf diesem Weg erhoffte sich die dänische Regierung eine wachsende Zustimmung auch in den Bevölkerungskreisen, die in der Volksabstimmung für Deutschland gestimmt hatten.66 Aus diesem Grund bestand das Wirtschaftsprogramm aus einer Anzahl an unterschiedlichen Instrumenten wie etwa der finanziellen Unterstützung für Arbeiter, Bauern und Handwerker, der Parzellierung und Verteilung von Grundstücken der ehemaligen deutschen Domänen an Landwirte sowie der Investition in die regionale Infrastruktur.67 Darüber hinaus war es der dänischen Seite nun erstmals seit 1864 möglich, in Nordschleswig eine eigene Kulturpolitik zu betreiben, ohne die Repressionen der deutschen Staatsmacht fürchten zu müssen. Besonders im Bereich der Schulen und der Volksbildung zeigte sich daher in den Jahren nach 1920 eine aktive staatliche Politik, die vor allem zur Stärkung der dänischen Strukturen in der Region beitragen sollte. So war es nun etwa wieder möglich, den Schulunterricht in der dänischen Landessprache durchzuführen.68 Dahingegen schränkte die restriktive deutsche Kulturpolitik in Schleswig die Arbeit der dortigen Minderheit stark ein. Mit der Vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark breitete sich in dem Landesteil ein Vereinsnetzwerk aus, welches das Ziel hatte, zu der Stabilisierung der Grenze beizutragen und die Ausübung eines dänisch-kulturellen Lebens zu ermöglichen. Die von deutscher Seite aus befürchtete offensive Ausrichtung dieser Entwicklung verfolgten die meisten Vereine nicht. Organisationen wie der Grenzverein (Grænseforeningen) wurden vielmehr gegründet, um auch die südlich der Grenze verbliebenen dänischgesinnten Bevölkerungsteile zu unterstützen. Aus dänischer Sicht stellte sich demgegenüber vor allem die deutsche Seite als Aggressor dar. Initiativen wie die Kreditanstalt Vogelsang und der hiermit im Kontext stehende Bodenkampf verschärften das Bild des problematischen Verhältnisses zum südlichen Nachbarn.69 Angesichts der deutschen 65 66 67 68

Ebd. S. 29. Andersen, Den følte grænse, 2008. S. 103 ff. Ebd. S. 194 – 249. Vgl. Becker-Christensen, Fra »mod hinanden« til »med hinanden«. In: Historisk Samfund for Sønderjylland (Hrsg.). Sønderjyllands Historie; Bd. 2: Efter 1815. Apenrade 2009. S. 214 – 472, hier S. 292 ff. 69 Hiervon kündet nicht zuletzt die intensive mediale Berichterstattung in Dänemark über die Kreditanstalt und den deutschen Bodenkampf. Siehe beispielsweise: Berlinske Tidende, 21. Januar 1927; Berlingske Tidende, 3. Februar 1927; Hejmdal, 11. April 1927 oder die Pressemitteilung des Vereines Landeværnet zum Bodenkampf. Darin hieß es: »Das südjütische Dänentum steht in einem harten Kampf für die Bewahrung des dänischen Bodens in

Volksabstimmung, kultureller Grenzkampf und nationale Agitation

153

kulturpolitischen Agitation im Grenzraum, die in dem skandinavischen Staat als »deutscher Vorstoß auf die dänische Erde«70 und »deutscher Kampf um den Boden«71 gebrandmarkt wurde, bestand das Ziel in Nordschleswig, die eigene Kultur durch den Einsatz großer finanzieller Mittel zu stärken. So kam es etwa in Frankreich an die dort wohnhaften dänischen Bürger zu dem Aufruf, einen eigenen pekuniären Beitrag zur Verteidigung Dänemarks in Nordschleswig zu leisten.72 Eine besondere Rolle in der staatlichen Kulturpolitik der Jahre nach der Grenzverschiebung nahm die Rückforderung historischer Artefakte aus den schleswig-holsteinischen Museen ein. Die Frage des Besitzes zahlreicher archäologischer Funde von Grabungsarbeiten aus den Jahren zwischen 1864 und 1920 besaß für beide Kontrahenten eine große nationale Relevanz. Über ihre Zurschaustellung ließen sich vermeintlich historisch legitimierte Rechte an der nationalen Superiorität im Grenzland ableiten. Bereits im Rahmen der Pariser Friedenskonferenz hatte die dänische Regierung ihren Anspruch auf zahlreiche Antiquitäten, Archivalien, Denkmäler und Sammlungen in einem Memorandum geltend gemacht und die Rückforderung durch die deutschen Institutionen gefordert.73 Der im Anschluss an die Grenzverschiebung folgende Austausch von mehreren Verbalnoten74 und die Durchführung von bilateralen Verhandlungen sollten die Besitzverhältnisse eindeutig klären. Letztlich konnte über einzelne Archivbestände und historische Artefakte Einigung erzielt werden,75 während andere Fälle, wie die des Flensburger Löwen,76 zunächst ungelöst blieben. Die Aushandlung kultureller Demarkation über die staatliche und institutionelle Kulturpolitik im Grenzland besaß in Dänemark demgemäß eine wesentliche Relevanz, demgegenüber ordneten sich die deutschen Anstrengungen in den Dienst der grenzrevisionistischen Bestrebungen ein.

70 71 72 73

74 75 76

dänischen Händen, und in diesem Kampf bedarf es der Unterstützung von allen Seiten in unserem Volk.« (»Den sønderjyske Danskhed er stedt i en haard Kamp for dansk Jords Bevarelse paa danske Hænder, og i denne Kamp har den Krav paa Støtte fra alle Sider i vort Folk.«). Pressemitteilung des Landeværnet zur Bodenkampffrage vom Februar 1927. RA, Abt. 10056: Grænseforeningen, Nr. 216: Politiske vurderinger vedr. Sydslesvig, 1945 – 1953. »Det tyske Fremstød mod den danske Jord«. In: Hejmdal, 12. Januar 1927. »Tyskernes Kamp om Jorden«. In: Hejmdal, 11. April 1927. Aufruf an die dänischen Pariser zur Teilnahme an der Benefizveranstaltung zugunsten Dänemarks am 24. Februar 1927. RA, Abt. 10056, Nr. 216. Memorandum relating to the restitution by Germany (Prussia) of works of art or articles of a scientifical, literary of historical character in consequence of the retrocession of Danish Slesvig, 15. Mai 1919. RA, 1635: Nationalmuseet, Rigsantikvaren, Nr. 44: Slesvigske forhandlinger 1919 – 1962, Journalsager, udvalg 1944 – 1990. Siehe beispielsweise: Verbalnote der dänischen Regierung vom 22. Oktober 1921 und Verbalnote der deutschen Delegation in Kopenhagen vom 26. November 1921. RA, 1635, Nr. 44. Verzeichnis deponierter nordschleswigscher Altertümer, deren Rücklieferung von deutscher Seite genehmigt ist, 15. Mai 1922. RA, Abt. 1635, Nr. 44. Vgl. Kap. III.4.b.

154

Grenzverschiebung II

III.2. Die Heimatschutzarchitektur und das nationale Bauen nach der Volksabstimmung III.2.a. »Rottet den deutschen Stil aus« – dänische Heimatschutzarchitektur nach 1920 Im Rahmen der kulturellen Auseinandersetzungen wirkte sich der deutsch-dänische Grenzkampf auch stark auf die Geschichts- und Erinnerungspolitik in Dänemark und Schleswig-Holstein aus. Die national geprägte Kulturpolitik, die auf dänischer Seite die feste Anbindung Nordschleswigs an Kopenhagen anstrebte, dagegen im Deutschen Reich unter den Vorzeichen der Grenzrevisionsforderung stand, betonte deutlich die nationalen Gegensätze in Schleswig. Die kulturellen Anstrengungen der beiden Staaten in den 1920er Jahren zielten aus diesem Grund auf die Verdrängung der jeweils konkurrierenden Erinnerungskonzepte in der Region ab. Der öffentliche Raum entwickelte sich im Zuge der nationalkulturellen Auseinandersetzungen zum zentralen Schauplatz nationaler Äußerung. Die starke Instrumentalisierung von Kunst und Kultur stand so im Einklang mit der Imagination des Raumes als national eindeutig festlegbare Einheit, die den Schwellencharakter von Grenzräumen völlig außer acht ließ. Hierbei ergab sich eine Kontrasterfahrung zwischen den mentalen Grenzziehungen einerseits, die von einer eindeutigen Unterscheidbarkeit von dänischer und deutscher Kultur ausgingen, sowie den gesellschaftlichen und kulturellen Realitäten, die von engen gegenseitigen Vernetzung zeugten, andererseits. Im Sinne von Karl Schlögels grundlegendem Werk zur Spatial History, Im Raume lesen wir die Zeit, bildete sich nach 1920 der schleswigsche Grenzraum zu einem »Schlachtfeld […] der Geschichte«77 heraus. Seine symbolische Besetzung durch zahlreiche neue Denkmäler sowie die Einbindung von Museen in die kulturpolitischen Auseinandersetzungen führten zu einer Überlagerung der dänischen und schleswig-holsteinisch-deutschen Memorialtopographien. Der tiefe Einschnitt, den die Ereignisse des Jahres 1920 für die Region darstellte, hatte auch eine fundamentale Rekontextualisierung der Heimatschutzarchitektur auf beiden Seiten der Grenze zur Folge. War diese in der Vorkriegszeit noch aus dem Zusammenspiel gegenseitiger kultureller Beeinflussung entstanden, bedeutete das Wissen von der kulturellen Hybridität des Bauerbes nun einen Gegensatz zu den beiderseitigen Abgrenzungsbestrebungen. Aus diesem Grund galt es nach 1920, die regionale Bauweise des Grenzlandes in einen nationalen Kontext zu stellen, diese zu nationalpolitischen Zwecken zu instrumentalisieren und auf diese Weise die eigene kulturelle Schaffenskraft zu be77 Schlögel, Karl. Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. München 2003. S. 2.

Die Heimatschutzarchitektur und das nationale Bauen nach der Volksabstimmung

155

weisen. So strebte Dänemark im Anschluss an die Volksabstimmung an, dem nordschleswigschen Gebiet nördlich der neuen Grenzlinie einen eindeutig dänischen Zug zu geben und die Region auf diesem Weg zu einer »geistigen Wiedervereinigung mit Dänemark« zu führen.78 Im Bereich des Bauerbes und der Architektur kam es einerseits zu der Besetzung des öffentlichen Raumes durch neue, repräsentative Verwaltungsgebäude im Stil der Heimatschutzarchitektur,79 andererseits zu der Beseitigung architektonischer Einflüsse aus der preußischen Zeit: Der in der Region vorherrschende Baustil der Jahre zwischen 1880 und 1910 galt nun als »typisch deutsch«,80 obwohl es sich hierbei, wie Christian Kaatmann darlegt, eindeutig um eine Orientierung an der internationalen Architekturmode jener Jahre handelte, die auch an den Versammlungshäusern der dänischen Minderheit praktiziert worden war.81 Im Zuge einer breit angelegten Danisierung Nordschleswigs wurden die großen stilistischen und institutionellen Überschneidungen und Parallelen der Heimatschutzarchitektur der Vorkriegszeit als ein Hindernis für die gewünschte kulturelle Abgrenzung zum südlichen Nachbarn wahrgenommen. Peter Dragsbos Feststellung, dass die Arbeit der Baupflege Kreis Tondern in Dänemark zunächst zwar registriert und später insbesondere durch den Landesverein für die bessere Bauweise aufgegriffen, diese Gemeinsamkeiten aufgrund der politischen Situation und ihres »zu deutschen« Einflusses in Kopenhagen jedoch verdrängt wurde,82 verweist auf das Dilemma der dänischen Kultur- und Architekturpolitik jener Jahre: Der fachlichen Verflechtung und gegenseitigen Anerkennung stand der von der Politik formulierte Wunsch gegenüber, sich durch den als dänische Eigenart deklarierten Heimatschutzstil baulich und kulturell zu separieren. Ungeachtet der Realitäten wurde deswegen im Anschluss an die Volksabstimmung von 1920 die heimatliche Bauweise als ein probates Mittel gesehen, sich vom deutschen Nachbarn städtebaulich und stilistisch zu unterscheiden, die politische Grenze auch kulturell sichtbar werden zu lassen und der Region einen vermeintlich dänischen Charakter zu geben. Das Ziel der Architekten, »den ganzen deutschen Geschmack auszurotten«,83 stieß innerhalb der däni78 »[…] ”ndelige genforening med Danmark […].« Kaatmann, Byggestil og Byggeskik, 1988. S. 103. 79 Dem Historiker Christian Kaatmann zufolge wurden in den 1920er Jahren in Nordschleswig allein dreizehn Versammlungshäuser im Stil der Heimatschutzarchitektur fertiggestellt. Zusätzlich kam es zu der Errichtung zahlreicher weiterer technischer Bauwerke, Versammlungsstätten und Schulen, die »im Dienste des Dänentums sowohl nördlich und südlich der Grenze gebaut wurden. Ebd. S. 103 f. 80 Kulturarvstyrelsen (Hrsg.), Landbrugets Bygninger, 2005. S. 28. 81 Kaatmann, Byggestil og Byggeskik, 1988. S. 53. 82 Dragsbo, Dansk og tysk i Sønderjyllands arkitekturhistorie, 2009. S. 112. 83 »[…] udrydde al tyske smag«. Zit. nach: Andresen, Hjemstavnskultur og byggeskik, 2004. S. 213.

156

Grenzverschiebung II

schen Bevölkerung auf einen starken Anklang und hatte in mehrerlei Hinsicht Konsequenzen: In Nordschleswig kam es in den Folgejahren vor allem durch die Architekten Andreas Dall und Jep Fink zu der Errichtung zahlreicher neuer Verwaltungsbauten. Diese Bauwerke sollten den Anspruch erfüllen, besonders dänisch zu sein.84 Exemplarisch für diese Phase war die Entwicklung der Stadt Apenrade: Bis 1920 noch Teil des Deutschen Reiches, wurde sie als Teil der ersten Abstimmungszone Dänemark zugeschlagen und zu einem Zentrum dänischer Kulturarbeit im Grenzgebiet ausgebaut. Durch die grundlegende Neugestaltung der Innenstadt entstand die repräsentative Straße Havnegade, in der in den Folgejahren zahlreiche dänische Institutionen wie das Apenrader Theater (1923 – 1925), das Gebäude des Telegraphenwesens (1925) und das Grand Hotel (1925 – 1926) ihren Standort fanden. Als Träger wichtiger gesellschaftlicher und kultureller Einrichtungen erhielten die von Jep Fink entworfenen Bauwerke eine national geprägte Architektur. So verwies das »große, weißgraue Theatergebäude […] schon durch sein Äußeres, geprägt vom Kopenhagener Klassizismus, auf den Zweck, Verbindungen von der schleswigschen Provinz zum dänischen kulturellen Zentrum zu knüpfen.«85 Die hier verwendete Kombination klassizistischer Elemente und regional-heimatlicher Anleihen sollte architektonisch einen untrennbaren Zusammenhang zwischen Zentrum und Grenzraum herstellen. Zugleich bedeutete diese Verknüpfung des schleswigschen Heimatschutzstiles mit dem in der Hauptstadt bevorzugtem Neoklassizismus eine deutliche Veränderung des Referenzrahmens: War die regionale schleswigsche Baukultur seit dem Verlust der Region an Preußen 1864 als die Urform dänischen Bauens entdeckt, verbreitet und in den Dienst einer nationalen Identitätspolitik gestellt worden,86 leitete die architektonische Referenz an die Hauptstadt den Beginn eines Prozesses ein, in dem die Regional- zugunsten der Nationalkultur zurückgedrängt wurde. Die Grenzverschiebung führte in der Architektur somit nicht nur zu einer dänischen Segregationsbewegung gegenüber Schleswig-Holstein und dem Deutschen Reich, sondern es folgte zugleich eine Zurückstufung der nationalen Peripherie gegenüber dem Zentrum Kopenhagen. Das Ziel der staatlichen Baupolitik im Grenzraum war die Danisierung der regionalen Kulturlandschaft. Über eine als national deklarierte Bauweise sollte so das Bild einer Region konstruiert werden, deren bauliche Zeugnisse von einer weit in die Vergangenheit hineinreichenden dänischen Herrschaft zeugen. Im Zuge dieser Kulturpolitik kam es unter anderem zwischen 1930 und 1932 zu der Errichtung der Kreuzkirche im nordschleswigschen Rin84 Vgl. Leckband, Kontrast oder Gleichklang?, 1998. S. 94. 85 »Den store hvidgr” teaterbygning pegede allerede gennem sit ydre, præget af københavnsk klassicisme, p” form”let, at knytte forbindelserne fra den sønderjyske provins til dansk kulturs centrum.« Kaatmann, Byggestil og Byggeskik, 1988. S. 105. 86 Frandsen, Schleswig, 2009. S. 36.

Die Heimatschutzarchitektur und das nationale Bauen nach der Volksabstimmung

157

kenis (Rinkenæs), deren im klassischen Stil gehaltene Architektur ein wesentlich älteres Baudatum vermuten lässt.87 Das im Kontext einer Danisierung des öffentlichen Raums stehende Bauprogramm setzte sich auch auf deutschem Territorium südlich der Grenze fort. Als integraler Bestandteil des kulturellen Bodenkampfes sollten die neugebauten Versammlungshäuser der dänischen Minderheit ihren Mitgliedern einerseits die Möglichkeit geben, ihre kulturelle und politische Grenzarbeit auszuüben und andererseits gleichzeitig baulich Zeugnis von dem dänischen Anspruch auf das gesamte Schleswig ablegen. Ein Hauptwerk dieser Phase war die von Andreas Dall entworfene und ab 1922 errichtete Duborg-Schule in Flensburg. In Anknüpfung an die alte dänische Schultradition in der Stadt lieferte Dall ein monumentales Gebäude im Heimatschutzstil.88 Sowohl der Standort als auch die Wahl der barocken Mauersteinbauweise verweisen auf den politischen Aspekt des Gebäudes: Es gab Christian Kaatmann zufolge viele klare Anknüpfungspunkte zur dänischen Tradition. Die Inspiration dürfte vom barockzeitlichen dänischen Schloss gekommen sein. Das Schulgebäude wurde sehr bewusst als ein Erbe des alten dänischen Schlosses Duborg hervorgehoben. Dies wurde bereits im Grundsteindokument hervorgehoben […] Die Verbindung zurück wurde von dem Eifer bekräftigt, mit dem man bei jeder gegebenen Gelegenheit Verbindungen zur früheren Geschichte des dänischen Schulwesens in Flensburg zog. Die Tradition, die man dahinter sehen konnte, begrenzte sich im Wesentlichen auf die Zeit zwischen 1850 und 1864.89

Die aus der Grenzverschiebung resultierenden Konsequenzen für die Architektur öffentlicher Gebäude zeigten darüber hinaus ebenfalls Auswirkungen auf das private ländliche Bauen. Zum einen wurden die deutschen Domänehöfe, die als Musterhöfe Vorbild für deutsche Ansiedler in Nordschleswig sein sollten90 und nun in dänischen Staatsbesitz gekommen waren, parzelliert, verteilt und architektonisch verändert. Zum anderen überwachten die Amtsarchitekten Jep Fink im Amt Apenrade-Sonderburg und Peter Gram im Amt Hadersleben das ländliche Bauen in Bezug auf die Einhaltung eines vom Bedre Byggeskik beeinflussten heimatlichen Stiles.91 87 Vgl. Schlaber, Kontroverse um ein Denkmal, 2002. S. 280 f. 88 Abb. 9. 89 »[…] ver der flere klare tilknytningspunkter til dansk tradition. Inspirationen m” være kommet fra baroktidens danske slotte. Skolebygningen blev meget bevidst fremhævet som en arvtager af det gamle danske slot Duborg. Det blev allerede fremhævet i grundstensdokumentet […]. Forbindelsen tilbage bekræftes af den iver, hvormed man ved enhver given lejlighed trak linjerne op til dansk skolevæsens tidlifere historie i Flensborg. Den tradition man kunne se tilbage p” begrænsede sig væsentligst til tiden mellem 1850 og 1864.« Kaatmann, Byggestil og Byggeskik, 1988. S. 109. 90 Møller Terkildsen, De sønderjyske domæneg”rde, 2001. S. 17. 91 Kulturarvstyrelsen, Landbrugets Bygninger, 2005. S. 36.

158

Grenzverschiebung II

III.2.b. Ein nationales »Schaufenster« nach Norden – schleswig-holsteinische Heimatschutzarchitektur Parallel zu der Entwicklung der dänischen Heimatschutzarchitektur setzte nach der Grenzverschiebung in Schleswig-Holstein eine nationale Instrumentalisierung der heimatlichen Bauweise ein. Entgegen den antiborussischen Tendenzen, die sich mit der Suche nach dem regionalen Bauerbe in der Vorkriegszeit verbunden hatten, erschien der Stil im Grenzgebiet nun primär als Beleg der Zugehörigkeit zum Reich und als Ausdruck der vermeintlichen Stammensverwandtschaft mit den anderen deutschen Staaten. Der ehemals vorherrschende Aspekt der kulturellen Abgrenzung zum preußischen Staat spielte angesichts der nationalen Konfrontation nunmehr keine signifikante Rolle. Ähnlich wie in Dänemark strebten die zuständigen regionalen Behörden, die öffentlichen Bauträger und die Bauschaffenden nun danach, in der Heimatschutzarchitektur ein wirkungsmächtiges Instrument zur kulturellen Unterstützung der deutschen Bestrebungen im Grenzland zu schaffen. Vor allem die Arbeiten des städtischen Magistratsbaurates Paul Ziegler in der »deutschen Vorburg« Flensburg wurden als Garanten der Wahrung eines deutschen baulichen Kulturerbes deklariert und politisiert. Die »gewaltsame Grenzziehung«, so Ziegler, mache es notwendig, die Stadt »in jeder Beziehung neu aufzubauen.« Als ein »Schaufenster«92 nach Norden beschrieb der Baurat die grenzpolitische Aufgabe der zeitgenössischen Architektur- und Baupolitik wie folgt: Zielgebend ist in jedem Falle unter Berücksichtigung der wirtschaftsgeographischen, politischen und historischen Gegebenheiten eine organische Weiterentwicklung des städtebaulichen und architektonischen Stadtbildes zu erstreben, mit bewußter Blickrichtung nach Norden. Diesem Hauptgesichtspunkt haben sich alle öffentlichen und privaten Baupläne unterzuordnen. Wenn auch das baukünstlerische Gestalten alle Anregungen aus dem Süden »aus Deutschland« erhält, so darf doch nicht verkannt werden, daß gewisse Einflüsse aus dem dänischen Bauschaffen mehr oder weniger die Baugestaltung mitbestimmen. Dieser gelinde Einschlag einer nordischen Baugesinnung schwingt als Unterton leise mit und gibt der architektonischen Formgebung gelegentlich eine differenzierte Note.93

Hinter diesen klaren nationalpolitischen Ansprüchen an die Stadtplanung und die lokale Architektur verbarg sich jedoch eben nicht die Betonung gemeinsamer skandinavischer Einflüsse, sondern vielmehr die Stärkung des deutschen 92 Höhns, Ulrich. »Mit bewußter Blickrichtung nach Norden«. In: Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte (Hg.). Paul Ziegler – Magistratsbaurat in Flensburg 1905 – 1939 (Kleine Reihe der Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte; 29). Flensburg 1998. S. 80 – 87, hier S. 82. 93 Ziegler, Paul. Die städtebauliche und architektonische Entwicklung der Stadt Flensburg. In: Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch; 1927. S. 180 – 187, hier S. 180.

Die Heimatschutzarchitektur und das nationale Bauen nach der Volksabstimmung

159

Charakters der Stadt durch eine vermeintlich deutsche Bauweise in expliziter Abgrenzung zum dänischen Nachbarn. Der »gelinde Einschlag« nordischer Baueinflüsse wurde von Ziegler als Bestandteil einer regionalen Eigenart gesehen, wobei letztlich jedoch gelte, »die zerrissenen Fäden zur Vorkriegszeit wieder anzuknüpfen und weiter zu entwickeln.«94 Gemeint war hiermit der Bezug auf die traditionellen, heimatlichen Bauformen Schleswig-Holsteins und Deutschlands in der Region, um auf diese Weise die Teile der Flensburger Bevölkerung, die in der Volksabstimmung für Dänemark gestimmt hatten, dauerhaft für Deutschland zurückzugewinnen. Während andere schleswig-holsteinische Bauschaffenden auch die Entwicklungen der skandinavischen Architektur zur Kenntnis nahmen, waren Zieglers Werke »trotz der Nähe zu Dänemark und der besonderen Situation in Flensburg« davon unbeeinflusst.95 In seinem Beitrag im Schleswig-Holsteinischen Jahrbuch von 1927 führte der Baurat zahlreiche unter seine Ägide entstandene beziehungsweise von ihm selbst entworfene Gebäude wie die Oberrealschule an der Bismarckstraße (1915 – 1920)96 und das städtische Verwaltungsgebäude am Nordertor (1923)97 als exemplarisch für den von ihm präferierten und von anderen Bauherren zu folgendem Stil an. Dahingegen war es gerade der Provinzialkonservator Richard Haupt, der der verbreiteten Vorstellung widersprach, dass »Backstein und die meerumschlungene Provinz [Schleswig-Holstein] eine Einheit«98 seien und die hieraus entstehende heimatliche Bauweise als explizites Zeugnis schleswig-holsteinischdeutscher Territorialität gesehen werden könne. Auf dem Höhepunkt der kulturellen deutsch-dänischen Auseinandersetzungen veröffentlichte Haupt 1924 im Auftrag der Provinzialverwaltung seine Geschichte und Art der Baukunst im Herzogtum Schleswig, in der er dem vermeintlich kausalen Zusammenhang zwischen dem Backstein und der Kultur Schleswig-Holsteins widersprach. So sah er den Ziegelbau als ein europäisches Phänomen, welches ebenso in Dänemark zu finden sei.99 Als Belege führte Haupt zahlreiche Kirchen- und Klosterbauten aus dänischer Zeit nördlich der Eider an. Entgegen der weitverbreiteten Vereinnahmung der regionalen Bauweise zu nationalen Zwecken betonte er in seiner Veröffentlichung mehrmals den dänischen Einfluss auf die Bauformen Schleswigs, die Transnationalität der Besiedlungsgeschichte des Grenz94 95 96 97 98

Ebd. Höhns, »Mit bewußter Blickrichtung nach Norden, 1998. S. 83 f. Siehe Abb. 10. Siehe Abb. 11. Für diese Position siehe beispielsweise: Riedrich, Otto. Neue Baukeramik Schleswig-Holsteins. In: Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch; 1927. S. 23 – 38, hier S. 35. 99 Haupt, Richard. Geschichte und Art der Baukunst im Herzogtum Schleswig (Die Bau- und Kunstdenkmäler in der Provinz Schleswig-Holstein mit Einschluß benachbarter Gebiete und Landschaften; 5). Heide in Holstein 1924. S. 50.

160

Grenzverschiebung II

landes sowie die Eigencharakterlichkeit Schleswigs zwischen Dänemark und Deutschland. Ein deutlicher Beleg für die dänische Vergangenheit der Region seien etwa die zahlreichen Verteidigungsbauten wie das Danewerk, die der Gegend ihren baulichen Charakter gegeben hatten.100

III.2.c. Kontinuitäten und Wandel der heimatlichen Bauweise Trotz der nationalen Inbesitznahme und der Instrumentalisierung der heimatlichen Bauweise, die den eigenen Machtanspruch im Sinne von Eric Hobsbawms und Terence Rangers Theorie zur »invention of tradition«101 historisch legitimieren sollte und aus diesem Grund in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg zu einem zentralen »Schlachtfeld« innerhalb der kulturellen deutsch-dänischen Auseinandersetzungen wurde, ergaben sich auch in der Folgezeit weiterhin Überschneidungen und Parallelen. Zwar attestierte der Architekturhistoriker Peter Dragsbo für die Heimatschutzarchitektur jener Zeit, dass es aufgrund der nationalen Gegensätze nur wenige künstlerische Verbindungen zwischen Deutschland und Dänemark gegeben und sich die Architektur generell unterschiedlich weiterentwickelt habe.102 Gleichzeitig stand dem Verstummen der gegenseitigen Austauschbeziehungen auf dem Feld der Architektur jedoch eine personelle Kontinuität der zentralen Instanzen und Beteiligten gegenüber.103 Das Festhalten an der heimatlichen Bauweise beiderseits der Grenze führte somit nicht zu einem generellen stilistischen Bruch, sondern lediglich zu unterschiedlichen Variationen, die in zahlreichen Belangen weiterhin von Gemeinsamkeiten geprägt waren. Auf diese Weise änderte sich über den Ersten Weltkrieg hinaus weniger der verwendete Stil als vielmehr die je nach nationalem Standpunkt geprägten Bewertungen und Einordnungen in divergierende Referenzrahmen. Beispielsweise nehme sich Zieglers Flensburg, so der Historiker Ulrich Höhns, »wie ein in friedlichen Zeiten organisch gewachsenes Stadtgefüge aus. Zwischen 1922 und 1926 […] entstandene, mehrgeschossige Wohnungen […] würden auf Anhieb auf die Zeit vor dem 1. Weltkrieg datiert werden.«104 Vor dem Hintergrund der stilistischen und personellen Kontinuitäten waren die unterschiedlichen nationalen Imaginierungen des regionalen Bauerbes lediglich die Folge gegeneinander gerichteter und sich überschneidender Raum100 Ebd. S. 4 ff. und S. 50 f. 101 Hobsbawm/Ranger, Invention of Tradition, 2010. 102 Dragsbo, Peter. Deutsch-dänische Architekturbeziehungen um 1900. In: Gläser, Manfred u. a. (Hrsg.). Nicht nur Sauerkraut und Smørrebrød. Deutschland und Dänemark im 19. und 20. Jahrhundert. Lübeck 2005. S. 125 – 129, hier S. 128. 103 Vgl. Kaatmann, Byggestil og Byggeskik, 1988. S. 105. 104 Höhns, »Mit bewußter Blickrichtung nach Norden, 1998. S. 86.

Die Heimatschutzarchitektur und das nationale Bauen nach der Volksabstimmung

161

konzepte und Machtansprüche. Die Intention dieser Kulturpropaganda lag in einem stark ausgeprägten Bedürfnis nach Abgrenzung und war vor allem in Schleswig-Holstein der Überzeugung geschuldet, in der Vergangenheit nicht ausreichend in die Kulturpolitik investiert zu haben. Bis auf kleinere, unterschiedliche Ausprägungen erwiesen sich die dänische und die schleswig-holsteinische Heimatschutzarchitektur in der Nachkriegszeit weiterhin als größtenteils identisch, stützten sie sich doch auch nach der Volksabstimmung auf das gemeinsame Erbe der westschleswigschen Baukultur der Jahrhundertwende um 1800. Diese Aussage wird dadurch belegt, dass die Arbeit der Baupflege Kreis Tondern in jenen Gebieten, die nun zu Dänemark gehörten, in den folgenden zwei Jahrzehnten vom Landsforeningen for Bedre Byggeskik weitergeführt wurde und die territoriale Grenzverschiebung somit auf dem Gebiet der heimatlichen Bauweise keine sichtbaren stilistischen Konsequenzen nach sich zog.105 Ganz im Gegenteil: Die gegenseitige Kenntnisnahme des Wirkens sowie die personelle Kontinuität der schleswig-holsteinischen und dänischen Architekten der Heimatschutzarchitektur führte dazu, dass sich auch nach 1920 nur marginale Unterschiede bemerkbar machten. Für die in jenen Jahren im ehemaligen Amt Tondern nördlich und südlich der Grenze entstehenden Bauwerke hatte dies zur Folge, dass man »recht genau nachschauen muss, um herauszufinden, was dort schleswig-holsteinische Heimatschutz-Bautätigkeit oder dänische Bautätigkeit im Zeichen des Bedre Byggeskik ist.«106 Auf fachlicher Ebene zeigte sich diese Kontinuität trotz der vielen politisch motivierte Stimmen auch an der vorsichtigen gegenseitigen Beachtung und Wertschätzung der jeweiligen Arbeit. So lobte Richard Haupt in seiner Geschichte und Art der Baukunst die dänischen Architekturhistoriker, die »in einer Reihe glänzender und trefflicher Werke« die regionale Baugeschichte in den letzten Jahren »ohne Vorurteile […] und Verdunkelungen« behandelt hätten.107 Die zusammen mit der in Hamburg erscheinenden Bau-Rundschau veröffentlichte Beilage Nordische Baukunst berichtete, wie auch zahlreiche andere Publikationen, in regelmäßigen Abständen von den neuesten Werken der skandinavischen Architektur. 1929 fand gar die Ausstellung Nordische Kunst im Kieler Thaulow-Museum statt, in der die zeitgenössische Bauweise des Nordens einen Schwerpunkt bildete.108 Die Transnationalität der Heimatschutzarchitektur in der Region belegte auch die 1927 von Provinzialkonservator Ernst Sauermann herausgegebene Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Jahrbuches, welche der »neue[n] Baukunst in Schleswig105 Andresen, Hjemstavnskultur og byggeskik, 2004. S. 239 f. 106 »[…] at man skal se ret nøje efter for at afgøre, hvad der er slesvig-holstensk Heimatschutzbyggeri eller dansk byggeri i Bedre Byggeskiks tegn.« Ebd. S. 241. 107 Haupt, Geschichte und Art der Baukunst, 1924. Einleitung. 108 Höhns, »Mit bewußter Blickrichtung nach Norden«, 1998. S. 83.

162

Grenzverschiebung II

Holstein« gewidmet war.109 In dem von ihm verfassten Geleitwort legte Sauermann die programmatische Ausrichtung der Ausgabe vor : Das Schleswig-Holsteinische Jahrbuch 1927 ist der Entwicklung der Architektur in Schleswig-Holstein seit dem Kriege gewidmet. Es ist die Zielsetzung, nicht nur hier im Lande, sondern auch ins Reich hinein eine Vorstellung zu vermitteln, welche Baukünstler heute in Schleswig-Holstein wirken und welcher Art die Bauaufgaben gewesen sind, die in den letzten Jahren zu bewältigen waren, ferner die inneren Kräfte zu zeigen, die treibend gewesen sind, und den lebendigen Anteil zu offenbaren, den SchleswigHolstein, im ganzen gesehen, an der sich entwickelnden neuen deutschen Kunst nimmt.110

Die beispielhafte Darstellung der regionalen Baukunst, die in seinen Augen die »Rahmenkunst für alle anderen Künste« sei, sollte die Rolle des Heimatschutzstiles in der Entwicklung der schleswig-holsteinischen Regional- und der deutschen Nationalkultur darlegen.111 Bemerkenswert an den im Jahrbuch abgebildeten exemplarischen Bauvorhaben der vergangenen Jahre war die Erwähnung einiger Werke dänischer Architekten, hier vor allem von Andreas Dall, die in Sauermanns Augen als vorbildlich für das heimatgebundene Bauen in Schleswig-Holstein herangezogen werden könnten. Neben zahlreichen deutschen Vorhaben, die in den letzten Jahren ausgeführt worden waren, fanden sich ebenfalls die von Dall entworfene Duborg-Schule in Flensburg,112 deren Errichtung sich mit einer starken nationalpolitischen Botschaft im Grenzkampf verband. In einem dem Jahrbuch vorangestellten Kalender, dessen Monatsblätter jeweils durch eine Illustration traditioneller schleswig-holsteinischer Bauweise verziert wurden, ist so auch die von dem dänischen Architekten Christian Friedrich Hansen gestaltete Landesheilanstalt zu Schleswig von 1817 abgebil109 Gleichzeitig auch als Schleswig-Holsteinischer Kunstkalender bezeichnet. 110 Sauermann, Ernst. Geleitwort. In: Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch; 1927. S. I – II, hier S. I. [Kursivierungen im Original]. 111 Für die innere Sammlung Deutschlands und Schleswig-Holstein sei die Entwicklung und Verbreitung der heimatlichen Bauweise von grundlegender Bedeutung gewesen, so Sauermann: »Ein provinzieller Charakter, der mehr oder weniger den schleswig-holsteinischen Neubauten anhaftet, ist unverkennbar ; er ist besonders dann ins Auge fallend, wenn man diese Bauten mit den großartigen Bauwerken vergleicht, die während der letzten Jahre in den deutschen Wirtschaftszentren entstanden sind. Dennoch können sich diese provinzialen Bauten auf Grund ihrer inneren Haltung ganz gut behaupten. Nicht im Maßstäblichen liegt das Entscheidende, sondern in der gesunden, inneren Kraft, ihr besonderer Charakter ist an den Backstein als Baumaterial gebunden. Man ist auf dem Wege, von innen heraus wieder eine neuzeitliche und gute Architektur zu entwickeln, indem man die Zweckform pflegt und auf alles verzichtet, was überflüssiges Beiwerk heißt. Man ist auch auf dem Wege, in sorgfältiger Pflege der Techniken wieder mit handwerksgerechten Mitteln künstlerische Wirkungen zu erreichen. Die straffe Zusammenfassung der Maße und die Durchgeistigung der Form sind Züge, die, wenn auch noch nicht an allen, so doch an vielen Neubauten in Schleswig-Holstein bemerkenswert sind.« Ebd. 112 Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch; 1927. S. 70 ff.

Die Heimatschutzarchitektur und das nationale Bauen nach der Volksabstimmung

163

det.113 Der Altonaer Oberbaurat Werner Jakstein erhob in seinem Beitrag für das Jahrbuch Dänemark gar als Vorbild für eine Baupraxis, die sich an einem regionalen Stil der Vergangenheit orientiere.114 Im Kontext dieser weiterhin vorhandenen Verflechtungen der dänischen und der schleswig-holsteinischen Heimatschutzarchitektur ergab sich somit ein diffuses Bild des Umgangs mit und der Bewertung der heimatlich geprägten Bauweise zwischen politisierter Instrumentalisierung im kulturellen Grenzkampf einerseits und einer der personellen und institutionellen Kontinuität geschuldeten vorsichtigen Wertschätzung der Arbeit des jeweils Anderen andererseits. Stilistisch gesehen bedeutete die Grenzverschiebung von 1920 keinen großen Bruch, selbst wenn nördlich der Grenze nach und nach mit dem Neoklassizismus und südlich mit dem Mauersteinexpressionismus unterschiedliche architektonische Einflüsse ihren Einzug in das heimatgebundene Bauen erhielten. Es wird vor allem deutlich, dass das baukulturelle Erbe nach 1920 Bestandteil der politischen Auseinandersetzungen wurde, obwohl durch die Reform der Baukultur in beiden Ländern Anfang des Jahrhunderts eine Interessengemeinschaft mit regem fachlichen Austausch entstanden war, die selbst durch die Instrumentalisierung der Architektur nicht gänzlich auseinanderbrach. Dieses grenzüberschreitende Erbe wurde trotz seiner weiteren Existenz in der Nachkriegszeit von beiden Seiten vielfach negiert, die Gemeinsamkeiten in der Heimatschutzarchitektur ausgeblendet und vergessen. Der Grund hierfür ist zum einen in der verschärften Gegenüberstellung der beiden Staaten zu sehen, in deren Abgrenzungs- und Superioritätsbestrebungen ein geteiltes Kulturerbe hinderlich war. Zum anderen verschoben sich beiderseits der Grenze die Narrativrahmen, in die die heimatliche Bauweise eingeordnet wurde. In Dänemark handelte sich bei der Suche nach einem traditionellen Ur-Baustil um ein nationales Projekt, welches aufgrund der politischen Situation der schleswigschen Region als einzige Gegend des Landes überhaupt eine gewisse eigene Regionalkultur zusprach. Dahingegen setzte nach 1920 in dem zentralistischen Staat eine Verdrängung dieser Teilkultur ein. Im Gegensatz hierzu stellte sich, wie bereits zuvor erläutert, in Schleswig-Holstein die Heimatschutzarchitektur als ein regionales, antipreußisches Element innerhalb der deutschen Nationswerdung dar. Erst im Anschluss an die Grenzverschiebung gewann der nationale Aspekt in der Bewertung der heimatlichen Bauweise Gewicht gegenüber der vorherigen, rein regionalen Einordnung.

113 Ebd. Kalendermonat November. 114 Jakstein, Werner. Die Baukunst Schleswig-Holsteins nach dem Kriege. In: Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch; 1927. S. 18 – 22, hier S. 19.

164

Grenzverschiebung II

III.3. Dänemark zum Vorbild – schleswig-holsteinische Denkmalpflege nach 1920 Obwohl die Vorstellung von einem baukulturellen Erbe und die Überzeugung dessen Schutzwürdigkeit in einem engen Kontext stehen, zeigt sich anhand der unterschiedlichen Funktionen, die die Heimatschutzarchitektur und die Denkmalpflege in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg im deutsch-dänischen Grenzraum besaßen, dass theoretische Reflexionen und praktische Umsetzungen durchaus nicht zwingend mit der gleichen Intention erfolgten. Im Gegensatz zu der heimatlichen Bauweise lassen sich in der Vorkriegszeit keine explizit grenzpolitischen Intentionen erkennen, die sich mit der praktischen Denkmalpflege verbanden. Vergleichsweise spät wurde in Schleswig-Holstein mit der Schaffung des Amtes des Provinzialkonservators eine effektivere Institution zur Bewahrung des baulichen Erbes eingerichtet. Noch 1920 beruhte die rechtliche Grundlage des staatlichen Denkmalschutzes in Preußen und Schleswig-Holstein hauptsächlich auf dem Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden vom 15. Juli 1907. Insbesondere für die im Privatbesitz befindlichen Bauwerke gab es jedoch keine rechtliche Basis zu deren Schutz.115 Die im Verfassungsartikel 150 der Weimarer Republik verankerte Gewährleistung einer reichseinheitlichen Regelung besaß dem Kunsthistoriker Thomas Scheck zufolge einen rein programmatischen Charakter und hatte letztlich keinen Einfluss auf die praktische Arbeit.116 Diese rechtlich unzureichende Situation führte dazu, dass der schleswig-holsteinische Provinzialkonservator Richard Haupt 1916 in einem Artikel in der Fachzeitschrift Kunstchronik öffentlich über die Rahmenbedingungen seiner Arbeit klagte: Es ist bezeichnend, daß die elenden Trümmer dessen, was man jahrelang in Preußen als Denkmalschutzgesetz zusammenzubauen sich bemüht hatte, sich, soweit sie nicht überhaupt in den Abraum geworfen sind, in das Gesetz über Verunstaltung der Ortschaften geflüchtet haben; auf dessen oft schwieriger Auslegung, Erstreckung und Anwendung ist dann zu fußen, wenn man einen Denkmalschutz gewissen privaten Eigentümern gegenüber begründen will.117

Hatte sich Haupt in den Jahren zuvor mit den Voraussetzungen des staatlichen Schutzes der Denkmale noch zufrieden gezeigt,118 artikulierte er an dieser Stelle nun das genaue Gegenteil. Der Anlass dieser grundsätzlichen Kritik war einerseits seine Überzeugung, dass die Pflege im Privatbesitz befindlicher Bauwerke 115 Scheck, Denkmalpflege und Diktatur, 1995. S. 16. 116 Ebd. S. 15. 117 Haupt, Richard. Schutz weltlicher Baudenkmäler in Preussen und Dänemark. In: Kunstchronik; 15 (1916/17). S. 141 – 145, hier S. 143. 118 Scheck, Anfänge des Denkmalschutzes, 1989. S. 69. Vgl. Kap. II.3.

Dänemark zum Vorbild – schleswig-holsteinische Denkmalpflege nach 1920

165

völlig unzureichend sei,119 andererseits aber auch gerade der Vergleich mit den sich ankündigenden gesetzlichen Neuerungen in Dänemark: Zu dieser Betrachtung unserer Verhältnisse werden wir veranlaßt dadurch, daß wir aus Dänemark anziehende Nachrichten erhalten über das dort vorbereitete neue Denkmalschutzgesetz. […] Die Nachrichten darüber sind wichtig und bedeutsam genug, […] denn es fehlt [in Schleswig-Holstein] an den weiterhin in Dänemark getroffenen näheren Bestimmungen, Ergänzungen und Ausführungseinrichtungen, und die diesseitige Gesetzgebung und Verwaltung hat sich um den Gesetzesstumpf, der stehen geblieben ist, noch nicht gekümmert.120

Bereits in den 1890er Jahren hatte Haupt durch seine Berichte wiederholt die Aufmerksamkeit auf die dänische Denkmalpflege gelenkt und diese lobend erwähnt, jedoch gleichzeitig ihre Unvergleichbarkeit mit der schleswig-holsteinischen hervorgehoben.121 Der Provinzialkonservator bezog sich in seiner Kritik an der preußischen Denkmalpflege auf das am 12. März 1918 vom dänischen Parlament beschlossene Denkmalschutzgesetz. Dieses sah die Erstellung eines Verzeichnisses historischer Baudenkmäler unterteilt in zwei Kategorien vor. Grundlage für die Aufnahme in jene Liste waren der historische oder künstlerische Wert des Bauwerkes oder Gebäudeteiles sowie ein Mindestalter von einhundert Jahren. Die Unterteilung geschah aufgrund einer Abstufung des historischen Wertes zwischen notwendigem und wünschenswertem Schutz des betreffenden Objektes, der sich danach richtete, ob eine potentielle Zerstörung beziehungsweise Veränderung eine wesentliche Verminderung des »vaterländischen Kulturerbes« bedeuten würde. Das Verzeichnis der Baudenkmäler, das zu Beginn 1258 Bauwerke auflistete,122 sollte von der eigens eingesetzten Kommission Det særlige Bygningssyn im Fünfjahresrhythmus überarbeitet werden.123 In Dänemark standen somit wesentlich umfangreichere Instrumente zum Schutz kulturhistorisch wertvoller Objekte zur Verfügung als in Haupts Einflussbereich. Die Kritik des Provinzialkonservators richtete sich demnach primär an die preußischen Behörden, an dieser Stelle tätig zu werden. Ein konkreter grenzpolitischer Hintergrund lässt sich dagegen weder in dem dänischen Denkmalschutzgesetz von 1918 noch an den Aussagen Haupts in der Kunst-

119 »Ganz im Argen liegt die Denkmalpflege an den in Privatbesitz befindlichen Denkmälern.« Haupt, Schutz weltlicher Baudenkmäler, 1916/1917. S. 142. 120 Ebd. S. 143. 121 Abschrift des Manuskripts »Die Denkmalpflege in Dänemark« von Richard Haupt, 1901. S. 8 f. LASH, Abt. 309, Nr. 24820. 122 Lunn, Preservation, 1993. S. 6. 123 Lov om Bygningsfredning af 12. marts 1918. In: Det Særlige Bygningsyn (Hrsg.). Fortegnelse over De i Henhold til Lov af 12. Marts 1918 Fredede Bygninger. Kopenhagen 1964. S. 163 – 167.

166

Grenzverschiebung II

chronik oder in seinem Vortrag auf dem 13. Tag für Denkmalpflege in Augsburg 1917 erkennen.124 Der Anlass für das neue Gesetz bildete vielmehr die Erkenntnis, dass der Schutz architektonischer Zeugnisse der Historie der Nation Aufgabe und Pflicht der Gesellschaft sei. Auch in Haupts Rechenschaftsberichten der Jahre 1909 bis 1921 finden sich keine Hinweise auf eine politische Instrumentalisierung der Denkmalpflege im Kontext der kulturellen Auseinandersetzungen mit Dänemark, des Abstimmungskampfes und des einsetzenden Grenzkampfes.125 Im Gegensatz zur Heimatschutzarchitektur waren der staatlichen Denkmalpflege in jenen Jahren somit nahezu keine grenzpolitischen Intentionen inhärent. Vielmehr argumentierte der Provinzialkonservator für die Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen in Preußen und Schleswig-Holstein mit dem Verlangen nach Heimatschutz und der Liebe zu den vaterländischen Altertümern.126 Aus der Sicht Haupts besaß der Schutz der Denkmäler als klare nationale Aufgabe eine primär innenpolitische Aufgabe – so solle die Pflege und Bewahrung historischer Objekte und Bauwerke dem Wohle der Nation dienen. Er legte in seinem Rechenschaftsbericht für die Jahre 1918 und 1919 dar : Die Geschäfte der eigentlichen Denkmalpflege sind im Jahre 1918 auf 1919 nicht umfangreich gewesen. Das ist erklärlich, da ja der Sinn für die Denkmäler unserer vaterländischen Geschichte und die Bestrebungen für ihre Erhaltung und Ehrung sich über die Sorge um das Vaterland selbst noch mehr zurückgedrängt haben, als schon in den letzten Jahren der Fall gewesen.127

124 Heimatschutz-Chronik. Ergänzende kleine Mitteilungen zu der Zeitschrift »Heimatschutz«; 1/1918. S. 6. 125 Siebzehnter bis Achtundzwanzigster Bericht des Provinzial-Konservators der Kunst und Altertumsdenkmale 1909 – 1921. LASH, Abt. 301: Oberpräsidium und Provinzialrat der Provinz Schleswig-Holstein, Nr. 1209: Berichte d. Provinzialkommission für Kunst, Wissenschaft und Denkmalpflege 1895 – 1923; Vier- bis Sechsundzwanzigster Jahresbericht des Provinzial-Konservators der Kunst und Altertumsdenkmale 1916 – 1919. LASH, Abt. 301: Oberpräsidium und Provinzialrat der Provinz Schleswig-Holstein, Nr. 5514: Provinzial Kommission für Wissenschaft, Kunst und Denkmalspflege 1916 – 1933. 126 Haupt, Schutz weltlicher Baudenkmäler, 1916/1917. S. 143. 127 Vier- bis Sechsundzwanzigster Jahresbericht des Provinzial-Konservators der Kunst und Altertumsdenkmale 1916 – 1919. S. 2. LASH, Abt. 301. Nr. 5514. Diese der Denkmalpflege zugesprochene staatstragende politische und gesellschaftliche Funktion wurde auch in Haupts 24. Jahresbericht von 1918 deutlich: »Wenn es den Anschein haben konnte, als sei die Denkmalpflege im Getriebe des Staatswesens ein Rad, das ohne alle Störung im Laufe des Ganzen auch ausgeschaltet werden könnte, so daß man sie, je nach Laune und Auffassung, als einen kostspieligen Auswuchs, oder als eine Blüte der völkischen Natur ansehen möchte, so ist bei den Denkmalpflegern in diesen Zeiten der vaterländischen Erhebung und Anspannung das Gefühl ihrer verhältnismäßigen Überflüssigkeit dadurch aufgehoben, daß ihre Kräfte für das Ganze in viel weiter gehender Weise als es früher der Fall gewesen ist, und für hohe vaterländische Zwecke beansprucht wurden.« Ebd. S. 1.

Dänemark zum Vorbild – schleswig-holsteinische Denkmalpflege nach 1920

167

Vereinzelt vorgebrachte Behauptungen, dass die Denkmalpflege in der Nachkriegszeit aus Gründen der grenzkulturellen Arbeit in Schleswig politisiert und instrumentalisiert wurde, werden durch Haupts Stellungnahmen sowie weitere Indizien widerlegt. So lassen sich auch in der Arbeit der Kommission für Kunst, Wissenschaft und Denkmalspflege in den Jahren um 1920 keine Vereinnahmungen zwecks der nationalkulturellen Auseinandersetzungen mit Dänemark erkennen.128 Zwar forderte im Mai 1920 Ernst Sauermann im Namen des Provinzialausschusses von der schleswig-holsteinischen Staatsregierung für das nationale Kulturprogramm unter anderem auch finanzielle Mittel für die Denkmalpflege, dies erfolgte jedoch vor allem unter dem Aspekt der Kompensation des Gebietsverlustes.129 Darüber hinaus deutet die Ausrichtung der Kommission für Bildung und Heimatpflege, die eigens durch den Provinziallandtag gegründet worden war, um das »Deutschtum jenseits der Grenze (auch im abgetrennten Gebiet) [durch die Einleitung einer großzügig betriebenen Kultur-Politik…] zu erhalten und zu stärken« darauf hin, dass der denkmalpflegerischen Praxis in diesem Kontext von Seiten der preußischen und der regionalen Behörden keine große Rolle zugesprochen wurde: Die Denkmalpflege blieb explizit von den Aufgaben der Kommission ausgeklammert.130 Mögliche Gründe für die geringe Einbindung der Bewahrung der historisch und künstlerisch wertvollen Bausubstanz in die kulturellen Auseinandersetzungen können durch die vorhandene Quellenbasis nicht verifiziert werden, folgende vier Aspekte scheinen jedoch nahe liegend: Erstens war die Region Schleswig bis zur Volksabstimmung 1920 aufgrund ihrer Stellung zwischen Dänemark und dem Deutschen Bund/Deutschen Reich national nicht eindeutig zuzuordnen. Erst durch das Plebiszit erfolgte eine, wenn auch angefochtene, Festlegung der staatlichen Grenze. Das Beispiel der Heimatschutzarchitektur belegt vor diesem Hintergrund, dass sich beide Seiten in ihren Nationalisierungsprojekten auf ein identisches Kulturerbe stützten und dieses tradierten, so dass sich mögliche Konflikte ob des (kunst-)historischen Wertes bestimmter Objekte nicht ergaben. Die sich gegenseitig überlagernden nationalen Kulturlandschaften sowie die in den beiden Staaten gemeinsame 128 Die tabellarischen Übersichten über die Beratungsgegenstände dieser Kommission aus den Jahren 1912, 1915, 1919 und 1920 weisen keine signifikanten Veränderungen an Bewilligungen finanzieller Zuweisungen für die Denkmalpflege auf. In Relevanz zu den anderen Ausgaben stellten sich die beantragten und bewilligten Mittel des Provinzialkonservators sogar als eher gering dar. Übersicht über die Beratungsgegenstände der Kommission für Kunst, Wissenschaft und Denkmalspflege der Rechnungsjahre 1912, 1915, 1919 und 1920. LASH, Abt. 301, Nr. 1209. 129 »Durch den Verlust der 1. Zone geht unserer Heimat eine Reihe der schönsten Schlösser und Herrenhäuser verloren.« Brief von Ernst Sauermann im Namen des Provinzialausschusses an die Staatsregierung vom 26. Mai 1920. LASH, Abt. 301, Nr. 1219. 130 Protokoll zur Sitzung der beiden Kulturkommissionen. LASH, Abt. 301, Nr. 5514.

168

Grenzverschiebung II

Betonung heimatlicher Kultur führten vielmehr zu einem Streit, in dessen Mittelpunkt stand, wessen nationales Erbe die einzelnen (baulichen) Zeugnisse der regionalen Geschichte waren und weniger, ob sie erhaltenswert sind.131 Ein Verzeichnis der nach dem dänischen Denkmalschutzgesetz vom 12. März 1918 als bewahrenswertes Kulturerbe aufgelisteten Gebäude Dänemarks wies keine auffällige quantitative Differenz der vom Gesetz geschützten Objekte in Nordschleswig und den anderen Regionen des Landes auf.132 Aufgrund der gesetzlichen Vorgabe, dass ein Bauwerk ein Mindestalter von 100 Jahren aufweisen musste, um als bewahrenswert in das Verzeichnis aufgenommen zu werden, betraf das Gesetz zu diesem Zeitpunkt somit nur Bauwerke aus dem frühen 19. Jahrhundert sowie aus der Zeit als Schleswig staatsrechtlich gesehen eine dänische Provinz war. Die Frage nach dem Schutz von in preußischer Zeit errichteter Bausubstanz stellte sich somit rein rechtlich erst einmal nicht. Zweitens trug die geringe finanzielle Ausstattung des Provinzialkonservators dazu, dass die Denkmalpflege in Schleswig-Holstein nur eine Nebenrolle in der Kulturpolitik spielte. Haupt übte seine Tätigkeit ehrenamtlich und auf sich alleingestellt aus. Der ihm zur Verfügung stehende Etat war sehr gering, für jedes größere Vorhaben mussten bei der Provinzialkommission Gelder beantragt werden.133 Aus der Situation der fehlenden Finanzmitteln ergab sich drittens die Konsequenz, dass eine »geordnete Denkmalpflege in Preußen nicht zur Entfaltung«134 kam sowie eine Nutzbarmachung der denkmalpflegerischen Praxis zum Zweck der nationalen Kulturpolitik den zuständigen Behörden aufgrund der unzureichenden Institutionalisierung als nicht Erfolg versprechend erschien. Andere Einrichtungen wie die regionalen Museen, aber auch weitere Kultur131 Diese Überschneidungen wurden besonders im Kontext der Grenzverschiebung deutlich: Im August 1919 äußerte das Schleswig-Holsteinische Provinzialkomitee für Naturdenkmalpflege die Befürchtung, dass bei einer möglichen Grenzverschiebung wertvolle Naturdenkmale ihre schützenswerten Status verlieren könnten. Es erwies sich jedoch, dass diese Sorge völlig unbegründet war, da der Dänische Naturschutzrat seinen Willen zur Fortführung des Schutzes ausdrückte. So forderte der Rat von der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen im Frühjahr 1921 eine »ausführliche Übersicht der in dem abzutretenden Gebiet Nordschleswigs vorhandenen Naturschutzgebiete und geschützten Naturschutzdenkmäler nebst Erläuterungen« an. Brief des Schleswig-Holsteinischen Provinzialkomitees für Naturdenkmalpflege an seinen stellvertretenden Vorsitzenden vom 6. August 1919. LASH, Abt. 301: Oberpräsidium und Provinzialrat der Provinz SchleswigHolstein, Nr. 4066: Naturdenkmalpflege; Brief der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen an den schleswig-holsteinischen Oberpräsidenten vom 24. Februar 1921. LASH, Abt. 301, Nr. 4066. 132 Det Særlige Bygningsyn (Hrsg.). Fortegnelse over De i Henhold til Lov af 12. Marts 1918 Fredede Bygninger. Kopenhagen 1924. 133 Scheck, Denkmalpflege und Diktatur, 1995. S. 17 f. 134 Ebd. S. 18.

Dänemark zum Vorbild – schleswig-holsteinische Denkmalpflege nach 1920

169

träger und -multiplikatoren wie Büchereien, Theater und Volkshochschulen konnten aufgrund ihrer größeren Verbreitung und Etablierung besser eingesetzt werden. Viertens ist in der Person Richard Haupts ein weiterer Grund zu sehen. So zeugen seine Texte von einer großen Aufgeschlossenheit gegenüber der dänischen Denkmalpflege. Der Provinzialkonservator vertrat zwar eine reichsnationale Position, eine antidänische Einstellung ist in seiner Arbeit jedoch nicht zu erkennen. Die Rolle der staatlich-preußischen Denkmalpflege in Schleswig-Holstein wandelte sich erst mit dem Beginn der Amtszeit des neuen Provinzialkonservators Ernst Sauermann 1924. Bereits 1920 hatte dieser in seiner Funktion als Leiter des Kieler Thaulow-Museums und Mitglied des Provinzialausschusses beim Landeshauptmann zusätzliche Mittel zum Zwecke einer grenzpolitischen und -kulturellen Agitation eingefordert. Mit einem breit angelegten Programm sollten zahlreiche kulturelle Institutionen durch die Provinz, Preußen und das Reich finanziell gefördert werden und so zu einem »schleswig-holsteinischen Stammesbewusstsein beitragen«.135 Der nationalpolitische Aspekt schlug sich ebenfalls in der inhaltlichen Ausrichtung des von Sauermann herausgegebenen Schleswig-Holsteinischen Kunstkalenders nieder. Während dieser sowohl in der Vorkriegszeit als auch 1928 eine primär regionale und zum Teil sogar grenzüberschreitende Perspektive einnahm, erbat Sauermann vom schleswig-holsteinischen Provinziallandtag im Februar 1921 eine höhere finanzielle Förderung der Publikation, um so der nationalen Aufgabe gerecht werden zu können: Die letzten beiden Jahrgänge [des Kunstkalenders] sind fast vollständig dem abgetretenen Nordschleswig und dem bedrohten Mittelschleswig gewidmet […]. Nachdem nun die Grenzfrage einen vorläufigen Abschluss gefunden hat, wird das Jahrbuch die besondere Aufgabe haben, zum Deutschtum in Nordschleswig eine feste Brücke zu bilden. Wenn auch die Politik als solche zurückgetreten und den Inhalt wieder der Pflege des Heimatgedankens und Schleswig-Holsteinischer Kultur gewidmet sein wird, so wird die nationale Bedeutung des Jahrbuchs nicht gemindert sein werden.136

Folglich stellte Sauermann ab dem Jahr 1924 auch seine Tätigkeit als Provinzialkonservator in den Dienst einer national geprägten Kulturarbeit im Grenzraum und vertrat grenzrevisionistische Ansichten, die nur von der Vorläufigkeit der aktuellen Grenzziehung in Schleswig ausgingen.137 Während in seinen For135 Brief von Ernst Sauermann an den Provinzialausschuss vom 7. März 1920. LASH, Abt. 371, Nr. 834. 136 Brief von Ernst Sauermann an den Provinziallandtag vom 1. Februar 1921. LASH, Abt: 371, Nr. 823. 137 »Ist doch nach dem vorläufigen Verlust Nordschleswigs Kulturarbeit in unserer engeren Heimat von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung des Deutschtums in Nordschleswig und die Wiedergewinnung des Landes geworden.« Ebd.

170

Grenzverschiebung II

derungen für die finanzielle Unterstützung des Jahrbuches die Rolle der Denkmalpflege im Vergleich mit anderen Formen der nationalen Kulturarbeit keine hervorgehobene Betonung erhielt, intensivierte Sauermann nach seiner Amtseinsetzung als Provinzialkonservator die Arbeit der Denkmalpflege zu grenzpolitischen Zwecken.138 Eine Neuinventarisation sämtlicher schleswig-holsteinischer Bau- und Kunstdenkmale nahm in diesem Kontext die Konstruktion territorialer Integrität und staatlicher Kontinuität Schleswig-Holsteins ein. Im Vergleich zu den letzten Amtsjahren Richard Haupts erhielt die Denkmalpflege mit dem Beginn der Sauermannschen Tätigkeit eine Aufwertung als nationalpolitisches Instrument in der Grenzregion. Die gestiegene Bedeutung der denkmalpflegerischen Praxis machte sich in der leicht verbesserten finanziellen und personellen Situation des Provinzialkonservatorenamtes bemerkbar. Sauermann konnte durch seine Anstellung im Thaulow-Museum in der Ausübung seiner Tätigkeit auf dessen Strukturen zurückgreifen und kontinuierlich Fachkräfte für Einzelprojekte anstellen.139 In der inhaltlichen Arbeit dominierte zwar weiterhin die fachliche Praxis – welche sich gerade in Instandsetzungsfragen zum Teil deutlich von den Positionen Haupts unterschied140 – vor dem Hintergrund der Situation in Schleswig verband sich hiermit aber ebenfalls ein politischer Aspekt. Der mit der Einsetzung Sauermanns verknüpfte Neubeginn sowie die grenzpolitische Instrumentalisierung der schleswig-holsteinischen Denkmalpflege erlebten als Folge der einsetzenden Weltwirtschaftskrise 1929 nach einer kurzen Konjunktur jedoch ein abruptes Ende. Zugleich scheiterte ihre vor allem vom neuen Provinzialkonservator vorangetriebene Politisierung und Instrumentalisierung zum Zwecke der Vermittlung nationaler und heimatgeschichtlicher Botschaften. Die staatstragende Funktion der Denkmalpflege in Deutschland, deren Bedeutung sich im Laufe des 19. Jahrhunderts herausgebildet hatte, besaß über das Ende des Kaiserreichs hinaus ihre Gültigkeit. In einem grundlegenden Wandel orientierten sich die staatlichen (preußischen) Denkmalpfleger nach 1919 im gesamten Reich nun an der Nation und ihrer Bevölkerung als existenzlegitimierende Referenzgröße.141 In der grenzkulturellen Auseinandersetzung mit Dänemark sollte nach der Amtseinführung Ernst Sauermanns als Provinzialkonservator der Schutz des baukulturellen Erbes nationalen Zwecken dienstbar gemacht werden. Wie bereits in der Vorkriegszeit spielte der Gedanke von po138 Brief von Ernst Sauermann an den Landeshauptmann vom 28. Mai 1925. Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein (LA DpflSH) Akte Sauermann, Abt. A II 2, Nr. 1: Etats-, Kassen- und Rechnungswesen. Allgemeines: Verfügungen und Berichte, einschließlich Spar- und Krisenverfügungen. 139 Beseler, Denkmalpflege in Schleswig-Holstein, 1993. S. 64. 140 Scheck, Denkmalpflege und Diktatur, 1995. S. 23 ff. 141 Ebd. S. 30.

Ein »unbequemes« Kulturerbe – deutsche Denkmäler in Nordschleswig

171

litischer Kontinuität und territorialer Integrität vor allem in den beginnenden Inventarisierungsarbeiten eine zentrale Rolle. Durch den Versuch der nationalen Vereinnahmung des regionalen Bauerbes sollte auf diesem Weg die kulturelle Grundlage für eine zukünftige Grenzrevision gelegt werden. Entgegen der der Denkmalpflege zugesprochenen Aufgabe erfolgte in Preußen – und somit auch in Schleswig-Holstein – jedoch keine tatsächliche rechtliche Umsetzung eines Gesetzes wie es in Dänemark 1918 der Fall gewesen war.

III.4. Ein »unbequemes« Kulturerbe – deutsche Denkmäler in Nordschleswig III.4.a. Denkmalstürze und Umdeutungsprozesse Eine die Gemüter in Anspruch nehmende Frage ist das fernere Schicksal der deutschen Denkmäler. An und für sich ist diese ja keine der wichtigsten Fragen; wenn man aber weiß, wie verhaßt manche dieser Denkmäler sind, welche beinahe wie eine geballte preußische Faust wider die dänische Bevölkerung wirkt, versteht man, daß man erwägt, was jetzt mit ihnen geschehen soll […].142

Die in diesem Ausschnitt eines am 21. Januar 1920 erschienenen Artikels der überregionalen Tageszeitung Nationaltidende geäußerte Meinung deutete bereits vor der Volksabstimmung und der Wiedervereinigung Nordschleswigs mit Dänemark ein zentrales Problem der dänischen Innen- und Außenpolitik der 1920er Jahre an. Mit der Frage nach dem Umgang mit den deutschen Denkmälern, die sich als Folge der Grenzverschiebung nun auf dänischem Staatsgebiet befanden und die als preußische Siegeszeichen in weiten Kreisen der Bevölkerung negativ besetzt waren, verband sich auch die grundlegende Überlegung, wie mit dem als unbequem empfundenen deutschen materiellen Kulturerbe in Nordschleswig umgegangen werden sollte. In ihrer Funktion als kulturelle Grenzsteine besaßen die Denkmäler im schleswigschen Raum seit der Mitte der 19. Jahrhunderts eine zunehmend prominente Rolle bei der Demarkation der jeweiligen nationalen Macht- und Einflussbereiche. Die Transformation der schleswigschen Kulturlandschaft hatte sich demnach deutlich erkennbar im Kontext der militärischen Auseinandersetzungen des vorherigen Jahrhunderts an den Zerstörungen und Demontagen der schleswig-holsteinischen Monu142 Übersetzung des Zeitungsartikels »Die deutschen Denkmäler in Südtjütland«, publiziert am 21. Januar 1920 in Nationaltidende, vom Oberpräsidium der Provinz Schleswig-Holstein. LASH, Abt. 301: Oberpräsidium und Provinzialrat der Provinz Schleswig-Holstein, Nr. 6175: Die Abtretung Nordschleswigs an Dänemark; Bd. 5. [übersetzte Zeitungsausschnitte aus: Modersmaalet, Hejmdal, Flensborg Avis, Nationaltidende, Politiken, Socialdemokraten, Danskeren, Dybbøl Posten vom 20. 10. 1919 bis 25. 04. 1920].

172

Grenzverschiebung II

mente nach 1851143 sowie der dänischen Denkmäler nach 1864 gezeigt.144 Der kulturelle Prozess des Denkmalsturzes bedeutete hier, aber auch in zahlreichen anderen Fällen während des 19. und 20. Jahrhunderts, die Visualisierung von Machtwechseln durch die Zerstörung herrschaftlicher Symbole im öffentlichen Raum sowie die Delegitimierung konkurrierender Gesellschafts- und Nationskonzepte. Der öffentliche Raum als gesellschaftliche Inszenierungsfläche besitzt, darauf wies der Kunsthistoriker Jürgen Trimborn in seiner Dissertation hin, eine grundlegende Relevanz in der Materialisierung und Darstellung kollektiver Wertvorstellungen und Geschichtsbilder.145 Denkmalstürze und -demontagen werden in diesem Zusammenhang zum deutlich sichtbaren Symbol gesellschaftlichen Wandels.146 Im Kontext der schleswigschen Grenzverschiebung entwickelte sich der Umgang mit den deutschen und preußischen Monumenten, die in Dänemark als Zeichen der Fremdherrschaft über die »geraubte Tochter« gedeutet wurden, zu einem zentralen Anliegen der staatlichen Kulturpolitik. Auf die territoriale Eingliederung Nordschleswigs sollte mit der »Danisierung der Landschaft«147 für jeden deutlich erkennbar über die Besetzung des öffentlichen Raumes mit dänischen Hoheitszeichen die symbolische Wiedervereinigung der Region mit Dänemark folgen. Neben einer Neuausrichtung der regionalen Ökonomie in Richtung Kopenhagen bedurfte die Loslösung Nordschleswigs vom Deutschen Reich eine De- und Rekontextualisierung der nordschleswigschen Denkmallandschaft. Diese Danisierung der Erinnerungstopographie erfolgte in erster Linie durch die Zerstörung und Demontage deutscher Symbole sowie die anschließende Errichtung eigener Denkmäler.148 Die dänischen Behörden gingen nach der Grenzverschiebung 1920 in der Denkmälerfrage vergleichbar den preußisch-deutschen Amtsträgern nach 1864 vor. Während die Grabdenkmäler 143 144 145 146

Vgl. Adriansen, Denkmal und Dynamit, 2011. S. 13 – 26. Siehe Kap. II.4.b. dieser Arbeit. Trimborn, Denkmale, 1997. Vgl. zum Phänomen »Denkmalsturz« beispielsweise: Speitkamp, Winfried (Hrsg.). Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik. Göttingen 1997; Gamboni, Dario. Zerstörte Kunst. Bildersturm und Vandalismus im 20. Jahrhundert. Köln 1998; Must, Heiner (Hrsg.). Bildersturm. Heidelberg 2006; Jaworski, Rudolf. Denkmalstreit und Denkmalsturz im östlichen Europa. Eine Problemskizze. In: Ders./Stachel, Peter (Hrsg.). Die Besetzung des öffentlichen Raumes. Politische Plätze, Denkmäler und Straßennamen im europäischen Vergleich. Berlin 2007. S. 175 – 190; Greßhake, Florian. Damnatio memoriae. Ein Theorieentwurf zum Denkmalsturz (Forum Europäische Geschichte; 8). München 2010. 147 Daugbjerg, Mads. A site to die for. Practices of nationalism at a Danish heritage site. Diss. Aarhus 2008. S. 43. 148 Denkmalstürze und die anschließende Errichtung neuer Monumente am selben Ort stehen in einem engen Verhältnis und lassen sich als ein Übergangsritual gesellschaftlicher Transformationsprozesse sehen. Vgl. Greßhake, Damnatio memoriae, 2010. S. 94 ff.

Ein »unbequemes« Kulturerbe – deutsche Denkmäler in Nordschleswig

173

deutscher Soldaten in Nordschleswig nicht angerührt werden sollten,149 galt es, die preußischen sowie die schleswig-holsteinischen Herrschaftssymbole zu entfernen: »Anders verhält es sich mit herausfordernden preußischen Denkmälern, welche als Beweis dessen errichtet sind, daß der preußische Adler das alte dänische Land nicht losgelassen hätte. […] Diese Denkmäler haben immer alte dänische Städte verunziert.«150 Neben der symbolischen Negierung der preußischen Herrschaft über das »dänische Land« verband sich mit der beabsichtigten Entfernung deutscher Denkmäler die weiterhin präsente Erinnerung an die Zerstörung dänischer Monumente, wie etwa des Flensburger Löwen, infolge des Deutsch-Dänischen Krieges. In den Monaten vor und nach der Volksabstimmung erfolgten so der Sturz und die Demontage zahlreicher Monumente. Eine im Jahr 1890 in Hadersleben errichtete Bronzestatue, die Kaiser Wilhelm I. darstellte, wurde am 20. Januar 1920 verhüllt und wenige Tage später demontiert.151 Ein ähnliches Schicksal erlitten zahlreiche weitere Denkmäler, Gedenksteine und -säulen sowie Ehrenmale, die einen Bezug zur Familie der Hohenzollern und zum preußischen Staat besaßen.152 Betroffen waren auch die Doppeleichen, die mit ihrer primär regionalen Botschaft die Vorstellung einer Unteilbarkeit der beiden Herzogtümer mit einem Regionalbewusstsein in Abgrenzung zum dänischen Staat verknüpften und nun ebenfalls gefällt wurden. Der Anstoß hierzu kam in erster Linie aus privaten und lokalen Initiativen, die in Eigenregie die Entfernung der entsprechenden Monumente vorantrieben.153 Mit diesen Maßnahmen standen sie jedoch nicht in einer Linie mit der dänischen Regierung, die die preußischen Denkmäler gerne abgebaut wissen wollte, aus außenpolitischen Erwägungen jedoch eine Verhandlungslösung mit Deutschland über ihre Zukunft anstreb-

149 Bereits vor der Abstimmung wurde diese Position etwa in dem eingangs zitierten Artikel der Nationaltidende deutlich: »Es liegt in der Sache der Natur, daß Denkmäler über gefallene Deutsche bei weitem nicht berührt werden, sondern daß man ihnen dieselbe Rücksicht wie den Denkmälern für gefallene Dänen erwiesenen erweisen wird.« Übersetzung des Zeitungsartikels »Die deutschen Denkmäler in Südtjütland«, publiziert am 21. Januar 1920 in Nationaltidende, vom Oberpräsidium der Provinz Schleswig-Holstein. LASH, Abt. 301, Nr. 6175. 150 Ebd. 151 Die dänische Tageszeitung Modersmaalet berichtete am 21. Januar 1920 davon, dass das Denkmal, welches am Vortage verhüllt worden sei nun illegalerweise von »kommunistischen Kreisen« wieder enthüllt wurde: »Die Frage betreffend das Kaiserdenkmal auf dem Markt, wird in den nächsten Tagen gelöst werden. Es ist eine Lösung zu erwarten, die keinen Anlaß zu einer weiteren Erörterung oder Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung geben dürfte.« Zusammenfassung der dänischen Pressestimmen zur Verhüllung des Kaiserdenkmals in Hadersleben in deutscher Sprache. LASH, Abt. 301, Nr. 6175. 152 Adriansen, Denkmal und Dynamit, 2011. S. 78 ff. 153 Ebd. S. 88.

174

Grenzverschiebung II

te.154 Die Gründe für die zurückhaltende Position der dänischen Regierung lagen zum einen im deutsch-dänischen Größenverhältnis, das ein rigoroses Vorgehen wie es etwa Frankreich mit den deutschen Monumenten in Elsass-Lothringen praktizierte, nicht durchführbar erscheinen ließ.155 Zum anderen erhoffte sich die Regierung, in bilateralen Gesprächen mit dem deutschen Außenministerium eine Vereinbarung über einen Tausch der preußischen Siegesdenkmäler von Düppel und Arnkiel gegen den Idstedt-Löwen erreichen zu können.156 Der dänische Außenminister Erik Scavenius äußerte gegenüber seinem deutschen Amtskollegen, dass in Dänemark Übereinstimmung bei allen zuständigen Stellen [besteht], dass die Denkmäler erhalten werden sollen. Er wolle nunmehr [den] Wunsch, die genannten Denkmäler dem Verein »Düppel-Arnkiel« zu übertragen, dem Könige vorlegen und vorschlagen, dass Dänemark dem Wunsche nachkommen solle unter der Bedingung, dass das Denkmal des »Löwen« in Flensburg dänisches Eigentum werde.157

Bereits vor der Durchführung der Volksabstimmung hatte der preußische Staat versucht, durch die Grundstücksübertragung auf einen deutschen Verein einen Verbleib der Siegeszeichen in Nordschleswig zu sichern. Eine Intervention der dänischen Regierung bei der internationalen Volksabstimmungskommission in Flensburg, die die Durchführung des Plebiszites beaufsichtigte, konnte dieses Vorhaben verhindern. Während Dänemark das Austauschgeschäft präferierte, stieß das Ansinnen bei den deutschen Behörden auf Ablehnung. Der Flensburger Oberbürgermeister Karl Holm wies in einem Schreiben an den schleswigholsteinischen Oberpräsidenten darauf hin, dass eine »Wiederaufstellung des Löwendenkmals, das von der deutschgesinnten Bevölkerung stets als beabsichtigte Demütigung und Herausforderung empfunden worden ist, […] selbstverständlich […] nicht in Frage kommen« kann.158 Das deutsche Außenministerium übermittelte dem Innenministerium sowie dem Oberregierungspräsidenten in Schleswig, dass ein »Eingehen auf diese Forderung nicht in Frage komme«, auch wenn ein Erfolg in der Sache Düppel- und Arnkiel-Denkmal nicht ohne einen Kompromiss zu erreichen sei: Die »hier angestellten Nachfor154 Adriansen, Inge. Die Wirkungen des Krieges 1864 in Dänemark – im Staat, in der Bevölkerung und in der Kulturlandschaft. In: Stolz, Gerd. Das deutsch-dänische Schicksaljahr 1864. Ereignisse und Entwicklungen. Husum/Apenrade 2010. S. 146 – 72, hier S. 161. 155 Ebd. S. 162. 156 Der Direktor des dänischen Nationalmuseums, Moritz Mackeprang, hatte diesen Vorschlag schon auf der Pariser Friedenskonferenz vorgebracht. Bak, Tyske sejrsmonumenter, 2003. S. 12 ff. 157 Abschrift einer Mitteilung des Auswärtigen Amts an den schleswig-holsteinischen Oberpräsidenten vom 25. August 1920. LASH, Abt: 309: Regierung zu Schleswig, Nr. 21329: Das Löwendenkmal in Flensburg. 158 Brief von Oberbürgermeister Karl Holm an die Regierung zu Schleswig vom 9. Oktober 1920. LASH, Abt. 309, Nr. 21329.

Ein »unbequemes« Kulturerbe – deutsche Denkmäler in Nordschleswig

175

schungen haben keinen geschichtlichen Vorgang zu Tage gefördert, in dem der annektierende oder okkupierende Staat ein Denkmal seiner früheren Niederlage geschont hätte.«159 Dieses Szenario lasse deswegen die Entfernung der deutschen Monumente in Nordschleswig befürchten, trotz allem sei der von Dänemark vorgeschlagene Kompromiss unter Umständen »ein zu großes Opfer.«160 Schließlich gab das preußische Innenministerium die Direktive aus, dass »eine Wiederaufstellung des Löwendenkmals in Flensburg vom Standpunkt der inneren Politik unerträglich sei.« Man könne nur darauf hoffen, durch eine Politik des Hinhaltens, »die Angelegenheit möglichst lange in suspenso zu halten« und darauf zu spekulieren, dass eine Demontage der Monumente durch zunehmenden Abstand zur Grenzverschiebung politisch schwerer zu erklären sein werde: Es »ist immerhin möglich, daß die Dänische Regierung sich scheuen wird, nach Jahr und Tag ohne besonderen Anlaß zu einem Abbruch der Denkmäler [zu schreiten]. Es kommt einstweilen lediglich darauf an, daß ein solcher Anlaß nicht gegeben wird.«161 Die Möglichkeit des Abrisses von Düppel- und Arnkiel-Denkmal wurde somit primär aus innenpolitischen Gründen in Kauf genommen. Zum einen lag die ablehnende deutsche Haltung gegenüber einem Tausch der Monumente an der aus nationalen Aspekten unvorstellbaren Rückkehr des Idstedt-Löwen an seinen alten Standort nach Flensburg. Zum anderen hätte die Demontage der beiden preußischen Siegeszeichen aus deutscher Sicht eine Aufgabe der eigenen Besitzansprüche an Nordschleswig bedeutet: Ein Verbleib der beiden preußischen Monumente stand so in einem engen Kontext mit den Grenzrevisionsforderungen jener Zeit und war darüber hinaus als ein Zeichen an die deutsche Bevölkerungsgruppe in Nordschleswig zu verstehen, dass das vermeintlich historisch Besitzrecht an der Region aufrecht erhalten wird und eine zukünftige Rückkehr ins Deutsche Reich möglich sei.162 Aus der ablehnenden Haltung Deutschlands gegenüber dem von der dänischen Seite präferierten Tausch ergab sich für die dänische Regierung die missliche Lage, dass das Düppel- und das Arnkiel-Denkmal als eindeutig deutsche Siegesmonumente einerseits vor allem für die regionale, dänischgesinnte 159 Abschrift des Briefes vom Außenministerium an den Innenminister sowie den Oberregierungspräsidenten vom 6. Januar 1921. LASH, Abt. 309, Nr. 21329. 160 Ebd. 161 Abschrift des Erlasses des Ministers des Innern an den Deutschen Gesandten in Kopenhagen vom 14. April 1921. LASH, Abt. 309, Nr. 21329. 162 »So wenig die Denkmäler unseren heutigen künstlerischen Begriffen entsprechen, der deutschen Bevölkerung des abgetretenen Teiles von Schleswig sind sie ans Herz gewachsen, sie gelten ihr als ein Sinnbild unserer nationalen Ehre und Würde und ihre Entfernung würde gerade in denjenigen Teilgebieten, deren Vereinigung mit Dänemark wir nicht ohne weiteres als endgültig betrachten, eine tiefe Niedergeschlagenheit auslösen.« Abschrift des Briefes vom Außenministerium an den Innenminister sowie den Oberregierungspräsidenten vom 6. Januar 1921. LASH, Abt. 309, Nr. 21329.

176

Grenzverschiebung II

Mehrheit eine Provokation darstellten, andererseits ließ eine mögliche einseitige Lösung der Frage ohne deutsche Beteiligung eine Zuspitzung der Lage im Grenzraum befürchten. Im Gegensatz zu den lokalen Initiativen, die für eine Reihe von Denkmaldemontagen und -stürzen verantwortlich waren, sahen sich die Staatsvertreter zu einer pragmatischeren Linie gezwungen. So fiel der Beschluss, die beiden deutschen Bauwerke zur Erinnerung an die als Unterdrückung empfundene preußische Herrschaft und die hieraus entstandenen Leiden der nordschleswigschen Bevölkerung stehen und mit der Zeit verfallen zu lassen.163 Aus dem unbequemen Erbe deutscher Fremdherrschaft sollte das negative Erinnern so durch ein aus der gemeinsamen Leidenszeit abgeleitetes positives Motiv ergänzt werden. Im Kontext dieser Verschiebung der Erinnerungsrahmen wurde der zunehmende Verfall der Monumente einerseits zu einem Sinnbild der erstarkenden Souveränität Dänemarks und andererseits als historisches Zeugnis zu einem Symbol der Überwindung der preußischen Superiorität in Schleswig. Dieser Prozess der Umdeutung versinnbildlicht die etwa von den Kulturwissenschaftlern Regina Bendix, Dorothee Hemme und Markus Tauschek akzentuierte Konstruktivität des Kulturerbes.164 Im Zusammenhang mit der Grenzverschiebung kam es in den folgenden Jahren zu wiederholten deutsch-dänischen Verhandlungen über den Austausch von kulturhistorisch wertvollen Gegenstände, in deren Rahmen auch immer wieder das Düppel- und das Arnkiel-Denkmal thematisisert wurden, es jedoch keine Lösung gefunden werden konnte. Stattdessen führte der zunehmende Verfall der Anlagen zu der Gefahr neuer nationaler Unruhen im Grenzland. Immer wieder forderten deutsche Soldatenverbände und die offiziellen deutschen Regierungsstellen eine Übertragung der Besitzrechte an den Monumenten an den Düppel-Arnkiel-Verein165 oder zumindest die Durchführung sachgerechter Restaurierungsarbeiten.166 Letztlich zwang dieser Druck den dänischen Staat zur Pflege der beiden Denkmäler, obwohl dies wiederum mit der Gefahr innenpolitischer Spannungen verbunden war. Zusammen mit dem vergeblichen Streben nach einer Rückerlangung des Idstedt-Löwen, der spätestens seit der Grenzverschiebung die Bedeutung eines nationalen Monumentes erhalten hatte und nicht mehr als das Projekt einer nationalliberalen Splittergruppe galt, gewann der Topos von »Deutschland als Problem Dänemarks« in diesem Kontext ein neues Kapitel. 163 Bak, Tyske sejrsmonumenter, 2003. 16. 164 Bendix/Hemme/Tauschek, Vorwort, 2007. S. 9. 165 Der Düppel-Arnkiel-Verein wurde am Kriegsende von lokalen deutschgesinnten Vertretern gegründet. Die preußische Regierung versuchte bereits vor dem Zusammenbruch des deutschen Staates, die Besitzrechte an den Denkmalsgrundstücken auf diesen Verein zu übertragen, um den Verlust der Monumente zu verhindern. 166 Bak, Tyske sejrsmonumenter, 2003. S. 22 f.

Ein »unbequemes« Kulturerbe – deutsche Denkmäler in Nordschleswig

177

Auch für die nun in Nordschleswig entstandene deutsche Minderheit stellte die Grenzverschiebung in Bezug auf ihre Monumente – hier in erster Linie das Bismarckdenkmal auf dem Knivsberg – eine problematische Situation dar. Noch zu präsent waren die Erinnerungen an den eigenen Umgang mit den dänischen Denkmälern nach 1864 sowie die von der deutschen Versammlungsstätte ausgehenden antidänischen Ressentiments, um nicht eine Zerstörung der Anlage zu befürchten. Das Bildprogramm des Bismarckmonumentes, bestehend aus einer den Reichskanzler darstellenden Statue, dem Reichsadler und dem Wappen Schleswig-Holsteins samt Inschrift »Up ewig ungedeelt« sowie dem bismarckschen Zitat »Wir Deutschen fürchten Gott, und sonst nichts auf der Welt« als Leitspruch, war bereits während der Errichtung des Turmes von der dänischen Bevölkerungsmehrheit in Nordschleswig als klare Provokation aufgefasst worden: Wenn wir uns das schöne, ernste und würdige Antlitz von Højskamling [Anm. d. Verf.: Es ist die 1864 zerstörte Gedenksäule auf Skamlingsbanke gemeint.], dann kommt der Deutsche Berg mit seiner grinsenden Affenfratze, um alles, was dem Volk lieb und teuer ist, zu entstellen. Auf alter, dänischer Erde finden Götzenverehrung und Feuerfeste statt. Die Deutschen sind ein armes Volk, und von ihren Siegesmonumenten ist eins hässlicher als das andere.167

Der von der Anlage ausgehende dauerhafte deutsche Machtanspruch auf die Region stellte einen nahezu unvereinbaren Kontrast zu der Danisierung der Grenzlandschaft und den veränderten politischen Verhältnissen dar. Bereits vor der Volksabstimmung hatte es im Mai 1919 eine zentrale Veranstaltung der deutschgesinnten Bevölkerung Nordschleswigs am Knivsbergturm gegeben, um »Abschied von der Nordmark« zu nehmen, eine deutliche Position »gegen dänische Gelüste« zu beziehen und die Minderheit angesichts der drohenden Grenzverschiebung auf eine gemeinsame politische Linie einzuschwören.168 Der antidänische Charakter der Veranstaltung hatte das preußische Innenministerium dazu bewogen, ihren Vertretern ein Teilnahmeverbot zu erteilen, um die dänische Seite nicht unnötig zu provozieren und so die eigene Ausgangslage für die zukünftige Abstimmung negativ zu beeinflussen. So hieß es in der Order : Das Fest auf dem Knivsberg ist […] eine Provokation der Dänen, die man aus Gründen politischer Klugheit hätte unterlassen sollen. Das Denkmal ist als Dänentrutz errichtet, in der Gegend wohnen außer Schullehrern und Gendarmen keine Deutschen und die Stätte war ein Tummelplatz chauvinistischer Bestrebungen.169

167 Zit. nach: Adriansen, Denkmal und Dynamit, 2011. S. 69. 168 Peters, Knivsbergfest, 1990. S. 29 ff. 169 Zit. nach: Ebd. S. 31.

178

Grenzverschiebung II

Deutlich tritt hier die Differenz zwischen der offensiv-aggressiven Haltung der deutschgesinnten Bevölkerung Nordschleswigs und der offiziellen Politik des Deutschen Reichs zutage. Während der Deutsche Ausschuß für das Herzogtum Schleswig als Veranstalter und zentrales Organ deutscher kultureller Grenzarbeit in Schleswig »in besonders nachdrücklicher Weise die in allen Orten gefaßten Entschließungen gegen eine eventuelle Abtretung deutscher Gebietsteile an Dänemark«170 mit der Kundgebung propagieren wollte, zwangen außenpolitische Erwägungen die deutschen Regierungsstellen zu einer gemäßigten Linie. Auch in der Folgezeit verbanden sich mit dem Knivsberg weiterhin auf Seiten der deutschen Minderheit eindeutig grenzrevisionistische Positionen – der Ort wurde zu dem zentralen Symbol deutscher Gesinnungsbekundung. So sei der Turm 1893 »von deutschen Nordschleswigern als ein Sammelplatz des Deutschtums« errichtet worden, wie die Knivsberggesellschaft 1925 in einem Brief an den Flensburger Oberbürgermeister Karl Holm feststellte, und nehme auch nach der Grenzverschiebung weiterhin diese Funktion ein: »Der Turm aber bleibt, was er war : ein Wahrzeichen des Deutschtums auch im abgetretenen Nordschleswig!«171 Als Symbol deutscher Herrschaft über den Raum wandelte sich das Bild in den postplebiszitären Jahren nun zu einem Widerstandszeichen gegen den dänischen Staat und einer materialisierten Anspruchsäußerung der deutschen Nordschleswiger auf eine Grenzrevision. Mit dem Knivsbergturm verbinde sich, so der stellvertretende Vorsitzende der Knivsberggesellschaft, die Hoffnung darauf, dass dieser eines Tages »auf deutsches Land zu seinen Füßen schaut.«172 Die große Symbolkraft, die für die deutsche Minderheit in Nordschleswig von diesem Ort ausging, ließ die Mitglieder der Knivsberggesellschaft Zerstörungsaktionen der dänischen Mehrheitsbevölkerung – wie sie an den zahlreichen Doppeleichen und anderen Denkmälern der Region zu beobachten waren – befürchten.173 So fiel bereits im Vorfeld der Volksabstimmung die Entscheidung, 170 Zit. nach: Ebd. S. 30. 171 Brief des stellvertretenden Vorsitzenden der Knivsberggesellschaft an den Flensburger Oberbürgermeister Karl Holm vom 13. Mai 1925. LASH, Abt. 309: Regierung zu Schleswig, Nr. 22589: Deutsche Kulturarbeit. 172 Ebd. Der Historiker Olaf Peters weist jedoch darauf hin, dass sich in den Folgejahren keine allgemeingültige Haltung der Veranstalter der alljährlichen Knivsbergfeste in der Grenzfrage erkennen lasse. So verfolgte Pastor Johannes Schmidt-Wodder als Vorsitzender des Gesamtverbandes der Minderheitenvereine einen eher versöhnlichen Kurs gegenüber Dänemark. Immer wieder artikulierte sich dennoch zugleich eine Konfrontation zum dänischen Staat, so dass der Wunsch einer Grenzverschiebung zunächst trotz allem die Dominante war. Peters, Knivsbergfest, 1990. S. 32 ff. 173 Der Knivsberg sei, so Adriansen, in den 1920er Jahren Inbegriff des spezifisch Deutschen in Dänemark gewesen. Adriansen, Inge. Der Knivsberg aus dänischer Sicht. In: Ostwald, Jürgen (Hrsg.). Der Knivsberg. 100 Jahre deutsche Versammlungsstätte in Nordschleswig. Heide 1994. S. 219 – 225, hier S. 219.

Ein »unbequemes« Kulturerbe – deutsche Denkmäler in Nordschleswig

179

das Bismarckmonument – nicht den Turm – zu demontieren und aus der ersten Abstimmungszone heraus zu bringen, um so den Verlust des zentralen Symbols der deutschen Gesinnung der Nordschleswiger an Dänemark zu verhindern. Im Zuge dieser Aktion wurde das Denkmal zunächst in Rendsburg eingelagert. Eine Wiedererrichtung südlich der Grenze nach dem Plebiszit verzögerte sich jedoch aufgrund innenpolitischer Uneinigkeiten, die vor allem aus einem Streit über die Platzwahl für eine Neuaufstellung resultierten.174 Erst im Jahr 1930 konnte die Statue auf dem Aschberg südlich der Grenze mit der Blickrichtung nach Norden eingeweiht werden. Das Zusammenspiel des Denkmals südlich und des Knivsbergturmes nördlich der Grenze verknüpfte auf diese Weise die Gebietsansprüche der Schleswiger mit der Vorstellung eines deutschen Martyriums, welches durch den leeren Denkmalsockel auf der Anlage seine Symbolisierung fand. Entgegen vorheriger Befürchtungen blieb die Versammlungsstätte von dänischen Racheaktionen jedoch verschont. Dies lag in erster Linie in der politischen Zurückhaltung der dänischen Regierung, die durch ein allzu offensives Vorgehen eine Verschärfung der Grenzfrage befürchtete. Das Ausbleiben privater Zerstörungsversuche erklärt sich zudem aus der zuvor erfolgten Demontage des Bismarckmonumentes, mit der der Platz, zumindest aus dänischer Sicht, an nationaler Relevanz verloren hatte.175 Dahingegen behielt die Anlage auf dem Knivsberg in den folgenden Jahren von Seiten der deutschen Minderheit auch mit einem zunehmenden zeitlichen Abstand zu der Grenzverschiebung ihre Bedeutung als Ort der nationalen Sammlung, Treffpunkt deutscher Gesinnungsbekundung und der Verkündung revisionistischer Forderungen. Die von dem Historiker Cornelius Steckner befundene schwere Rekonstruierbarkeit der Sinn-Ansprüche der Anlage176 und die von Olaf Peters dargestellten unterschiedlichen Intentionen der Redner auf den alljährlichen Kundgebungen177 müssen jedoch dahingehend ergänzt werden, dass trotz einzelner versöhnlicher Standpunkte innerhalb der deutschen Minderheit, wie sie etwa Johannes Schmidt-Wodder vertrat, durch die Jahre hinweg immer wieder auf den grenzrevisionistischen Aspekt Bezug genommen wurde. Hiervon zeugen nicht zuletzt die Bemühungen der Knivsberggesellschaft zur Einwerbung finanzieller Mittel zur Restaurierung des baufälligen Turmes 1925. In einem Brief an den Flensburger Oberbürgermeister Karl Holm wies die Gesellschaft besonders auf die Verbindung der Anlage mit dem deutschen Herrschaftsanspruch über Nordschleswig hin: Als »Wahrzeichen des Deutschtums 174 Vgl. Adriansen, Denkmal und Dynamit, 2011. S. 72. 175 Vgl. Adriansen, Knivsberg aus dänischer Sicht, 1994. S. 221 f. 176 Steckner, Cornelius. Grenzfall Bismarck. Der bewaffnete Friede, die olympische und die apollinische Stadionsplastik. In: Ostwald, Jürgen (Hrsg.). Der Knivsberg. 100 Jahre deutsche Versammlungsstätte in Nordschleswig. Heide 1994. S. 135 – 167, hier S. 139. 177 Peters, Knivsbergfest, 1990. S. 32 ff.

180

Grenzverschiebung II

auch im abgetretenen Nordschleswig« würde der »Zerfall des stattlichen Turmes […] von nicht auszudenkenden moralischen Folgen sein.«178

III.4.b. Die Danisierung der nordschleswigschen Kulturtopographie Die Transformation der schleswigschen Denkmaltopographie äußerte sich jedoch nicht nur über die Zerstörung und Demontage zahlreicher preußischer Monumente, sondern ebenfalls durch die Errichtung eigener dänischer Denkmäler. Der einsetzende Danisierungsprozess der Topographie Nordschleswigs zielte darauf ab, der politischen und ökonomischen Wiedervereinigung der Region mit Dänemark schließlich auch eine symbolische folgen zu lassen. Da die Demontage der beiden zentralen preußischen Siegeszeichen über den Grenzraum nicht praktikabel erschien, legten die dänische Regierung sowie zahlreiche Vereine und Verbände stattdessen den Grundstein für eine eigene, breit angelegte Besetzung des öffentlichen Raumes. Die sich in Schleswig überlagernden dänischen, preußischen und schleswig-holsteinischen Memoriallandschaften sowie die miteinander in Konkurrenz tretenden semantischen Mehrfachcodierungen zahlreicher Orte des Region sollten durch dieses Programm auch visuell fest an den dänischen Staat gebunden werden. Dabei sollte das deutsche Kulturerbe angesichts der Errichtung zahlreicher Gegenmonumente zu einem Zeichen der temporären preußischen Fremdherrschaft umgedeutet werden und hierdurch der vermeintlich urdänische Charakter Nordschleswigs seine Bestätigung finden. Dieser Prozess verlief zum einen auf einer lokalen, von privaten Initiativen getragenen Ebene und zum anderen im Rahmen eines nationalen Programms. Die Bedeutung der »Wiedervereinigung« im Jahr 1920 als eine »neue tragbare Grundlage für das dänische Reich«179 wirkte sich in diesem Zuge massiv auf die Memoriallandschaft der Region aus. Aus einer Art »Graswurzelbewegung«180 entstanden auf Betreiben lokaler Initiatoren und Privatpersonen überall im Land die so genannten Wiedervereinigungssteine (Genforeningsstenene) – große Granitsteine mit einer eingeschlagenen Inschrift. Die Erinnerung an den historischen Augenblick der Grenzverschiebung wurde so auf einer in Europa einzigartigen, von unten getragenen Bewegung in Denkmalsform innerhalb des kollektiven dänischen

178 Schreiben der Knivsberggesellschaft an den Flensburger Oberbürgermeister Karl Holm vom 13. Mai 1925. LASH, Abt. 309, Nr. 22589. 179 Haase, Ingolf. Genforeningsstenene i Sønderjylland. Tondern 2008. S. 5. 180 Adriansen, Inge. »Jeg vidner for kommende slægter« – om genforeningsmindesmærker i Sønderjylland. In: Haase, Ingolf. Genforeningsstenene i Sønderjylland. Tondern 2008. S. 7 – 15, hier S. 9.

Ein »unbequemes« Kulturerbe – deutsche Denkmäler in Nordschleswig

181

Gedächtnisses konserviert.181 Der »demokratische« Charakter der Entstehung dieser zahlreichen Monumente entsprach in gewisser Weise seinem Pendant auf der schleswig-holsteinischen Seite, den Doppeleichen. Zwischen 1919 und 1950 wurden im Zuge dieser Bewegung im gesamten dänischen Staatsgebiet rund 580 Wiedervereinigungssteine errichtet, davon 133 allein in Nordschleswig.182 Der Ablauf der Denkmalserrichtung verlief jeweils stark ritualisiert und trug auf diese Weise zu einer verbindenden Wirkung im ganzen Land bei.183 Das hieraus entstehende Gemeinschaftsgefühl mündete in der Abgrenzung zwischen Dänen einerseits und den von diesem Ritual ausgeschlossenen Deutschen andererseits. Die lokalen Initiativen, die die Wiedervereinigung zu einer gemeinsamen, nationalen Kraftanstellung stilisierten, fanden ihre Ergänzung in einer nationalen Semantisierung des zurück gewonnenen Grenzlandes. Der Kristallisationspunkt der Danisierung der Landschaft wurde der historische Kriegsschauplatz an den Düppeler Schanzen. An dem Ort der traumatischen dänischen Niederlage gegen die preußischen und österreichischen Truppenverbände im Jahr 1864 sollte in Form zahlreicher Denkmäler und Gedenksteine der Rückkehr der »geraubten Tochter« Schleswig symbolisch Rechnung getragen werden.184 Bereits 1920 hatte hier unter der Teilnahme von König Christian X. und rund 50.000 Besuchern die offizielle Wiedervereinigungsfeier die besondere Bedeutung der Anlagen für die Nation belegt.185 Aus dieser Veranstaltung heraus entstand an dem historischen Schauplatz in der Folgezeit die Ausrichtung von alljährlichen Gedenkfeiern. Die Idee der Gründung eines Nationalparks als »property of the Danish people«,186 so Ministerpräsident Thorvald Stauning, ging auf die Initiative des Komitees Düppeler Schanzen (Dybbøl-Skanse-Komiteen) zurück, welches in einem Aufruf am 10. Februar 1922 – dem Jahrestag des ersten Abstimmung im schleswigschen Plebiszit – alle Staatsbürger zu einem Beitrag für das nationale Projekt aufrief: Die Schanzen am Düppeler Berg sind für das dänische Volk ein Ausdruck für den lange ausgehaltenen Kampf, der für Sønderjyllands Wiedervereinigung mit Dänemark geführt wurde, geworden. Die Besitzverhältnisse führten die Gefahr mit sich, dass Teile dieser Schanzen eine Anwendung erfahren könnten, die nicht mit den Wünschen des dänischen Volkes übereinstimmte, diesen historischen Boden als ein gesammeltes Ganzes zu bewahren und ihm einen würdigen und dauerhaften Platz im Leben unseres 181 Adriansen, »Jeg vidner for kommende slægter«, 2008. S. 14. 182 Ebd. S. 7. 183 Inge Adriansen nennt beispielhaft die Errichtung des Gedenksteines in Lysabild: Rund zweihundert Männer und einhundert Kinder brachten hier den Findling vom Strand bis in den Ort – eine Strecke von rund sieben Kilometern. Ebd. S. 10. 184 Daugbjerg, A site to die for, 2008. S. 43. 185 Adriansen, Düppeler Mühle, 1997. S. 17. 186 Daugbjerg, A site to die for, 2008. S. 43.

182

Grenzverschiebung II

Volkes zu geben. Der Gedanke scheint da naheliegend, durch eine öffentliche Sammlung das Areal zu erwerben, auf dem die Schanzen liegen […]. Mit dem Anschluss glauben wir fest damit rechnen zu können, die Düppeler Schanzen für das dänische Volk sichern zu können, das damit die natürliche Pflicht erfüllt wird, der Wiedervereinigung ein Denkmal zu setzen, welches für alle Zeiten davon zeugen wird, dass wir, die die große Stunde der Freude erlebten, in dem von unseren Vätern ausgehaltenen Kampf mit einem Sieg und deren Hoffnung mit Erfüllung gekrönt wurden.187

Die so gesammelte Summe von rund 220.000 dänischen Kronen reichte aus, um nahezu sämtliche Schanzen, mit Ausnahme der zehnten, welche sich im Besitz des deutschen Düppel-Arnkiel-Vereines befand, zu erwerben188 und die Anlagen auf diesem Weg zum nationalen Ort der »historischen Erinnerung um den Kampf für Sønderjylland und die Wiedervereinigung« zu machen.189 Der Nationalpark war zunächst jedoch vor allem durch die noch vorhandenen deutschen Denk- und Grabmäler sowie die alten preußischen Befestigungsanlagen geprägt. Nach der Schenkung der Anlagen – »dem historischen Boden, wo die Dänen das letzte Mal in Waffen für Sønderjylland standen«,190 wie es in der Schenkungsurkunde des Komitees hieß – an den dänischen Staat am 18. April 1924 und der anschließenden offiziellen Einweihung durch Ministerpräsident Stauning setzte eine Nationalisierung des historischen Schauplatzes ein.191 Diese 187 »Skanserne paa Dybbøl Bjerg er for det danske Folk blevet et Udtryk for den lange udholdende Kamp, der er ført for Sønderjyllands Genforening med Danmark. Besiddelsesforholdene medførte Fare for, at Dele af disse Skanser kunde faa en Anvendelse, der var lidet stemmende med det dankse Folks Ønsker om at bevare den historiske Grund som et samlet Hele og give den en værdig ob varig Plads i vort Folks Liv. Den Tanke synes da nærliggende ved en offentlig Indsamling at erhverve det Areal, hvorpaa Skanserne ligger […]. Med den Tilslutning, vi mener trygt at kunne gøre regning paa, vil Dybbøl Skanser være sikret for det danske Folk, som derved har opfyldt den naturlige Pligt at sætte Genforeningen et Mindesmærke, der vil vidne for Tiderne om, at vi, som oplevede Glædens store Stund, i den saa vore Fædres udholdende Kamp kronet med Sejr og deres Haab med Opfyldelse.« Zit. nach: Dumreicher, Carl. Dybbøl Skanser. Kopenhagen 1924. S. 7 f. 188 Ebd. S. 8. Zu den Besitzverhältnissen der Schanzen siehe: Adriansen, Denkmal und Dynamit, 2011. S. 76. 189 »[…] historisk Minde om Kampen for Sønderjylland og om Genforeningen.« Beigabe der Schenkungsurkunde vom Dybbøl-Skanse-Komiteen an den dänischen Staat vom 18. April 1924, 15. Juni 1945. LAS, Abt. LB 1: Dybbøl-Skanse-Nævnet, Nr. 867: Gavebrev (1920 – 1945), Nævnets medlemmer, Forskellige korrespondance, Gl. Tegninger og fotografier fra Dybbøl, Forskellige Kort. 190 »[…] den historiske Grund, hvor Danskerne sidste Gang stod i Vaaben for Sønderjylland […].« Schenkungsurkunde vom Dybbøl-Skanse-Komiteen an den dänischen Staat vom 18. April 1924. LAS, Abt. LB 1, Nr. 867. 191 Eine Gedenkplatte mit folgender Inschrift sollte dieses Ereignis auch symbolisch festhalten: »Zur Erinnerung an die Wiedervereinigung wurden die Düppeler Schanzen durch eine Landessammlung erworben und im Jahre 1924, am 18. April, dem dänischen Staat als Nationalpark übertragen. Dieser Stein steht in der Königsschanze, wo König Christian der Zehnte im Jahre 1920, am 11. Juli, die treuesten Dänen empfing, die ins Vaterland zurückkehrten.« (»Genforeningen til Minde blev Dybbøl Skanser erhvervede ved en Lands-

Museen im kulturellen Grenzkampf

183

erfolgte in den nächsten Jahren in Form der Errichtung von mehr als einhundert kleineren Gedenksteinen und Monumenten,192 die die Düppeler Schanzen nach und nach in einen Ort national-dänischen Gedenkens transformierten und die die Besucher gemeinsam mit dem verbliebenen preußischen Düppel-Denkmal »an den gegen die deutschen Eroberer gerichteten dänischen Verteidigungswillen« erinnern sollten.193 Die Agenda der nationalen Memorialisierung des Grenzraumes verdeutlichte sich somit durch den Kontrast zwischen deutschen Grabdenkmälern und dem preußischen Siegesmonument einerseits und der zunehmenden dänischen Raumbesetzung durch eigene Denkmäler, deren Inschriften von der »schweren Leidenszeit in der Vergangenheit« und der »Erlösung in der Gegenwart« kündeten, andererseits. Der symbolischen Bedeutung der Düppeler Schanzen für das kollektive dänische Gedächtnis sollte die Veränderung der (Kultur-)Landschaft rund um die Anlagen Rechnung tragen und eine entsprechende semantische Besetzung durch die Monopolisierung des Gedenkens erfolgen.

III.5. Museen im kulturellen Grenzkampf III.5.a. »Die dänische Gefahr und ihre Abwehr« – deutsche Museumstätigkeit im Grenzland Die Danisierung der Kulturtopographie Nordschleswigs erfolgte primär über die Errichtung von Denkmälern. Angesichts des Gebietsverlustes waren die Voraussetzungen für die Schleswig-Holsteiner für eine ähnliche Vorgehensweise nicht gegeben. Bis auf wenige Ausnahmen kam es in der Nachkriegszeit so weniger zu einer Raumbesetzung durch eigene Monumente als im vermehrten Maße zu einer unter nationalen Gesichtspunkten geführten Museumspolitik. Das breit angelegte, nationale Kulturprogramm im Schleswig der Nachkriegszeit zielte durch eine Konzentration auf die Landeshistorie vor allem auf die Stärkung der deutschen Einflusskräfte in der Grenzregion ab. Erst die Vernachlässigung und die unzureichende Vermittlung von Heimatgeschichte und Heimatgefühl, so ein weit verbreiterter Tenor, seien dafür verantwortlich, dass sich Deutschland nun vom dänischen Nachbarn bedrängt sehe und weitere Geinsamling og i Aaret 1924, den 18. April, overdragne til den danske Stat som Nationalpark. Denne Sten staar i Kongeskansen, hvor Kong Christian den Tiende i Aaret 1920, den 11. Juli, modtog de trofaste Danske, der vendte tilbage til Fædrelandet.«) Zit. nach: Dumreicher, Dybbøl Skanser, 1924. S. 9. 192 Unter anderem wurde ein 1914 auf preußischem Befehl entfernter Gedenkstein, der anlässlich der Erinnerung an den Schleswig-Holsteinischen Krieg an der Düppeler Mühle angebracht worden war, erneut installiert. Adriansen, Wirkungen des Krieges 2010. S. 162. 193 Ebd. S. 164.

184

Grenzverschiebung II

bietsverluste durch dessen aktive Kulturpolitik zu befürchten seien.194 In seiner Denkschrift Die dänische Gefahr und ihre Abwehr legte der Oberpräsident von Schleswig-Holstein, Heinrich Kürbis, 1922 dar, dass ein deutscher Erfolg in der nationalen Auseinandersetzung nur über die »Pflege der Heimatgeschichte« geschehen könne: Preußische und deutsche Geschichte sind seit Jahrzehnten der ausschließliche Gegenstand des Geschichtsunterrichts in Schule und Universität gewesen. Und so ist es auch heute noch. Die Folge davon ist, daß der Schleswig-Holsteiner den historischen Beweisen aus der Vergangenheit seines Landes, wenn sie der Däne, der die Geschichte Schleswigs genau kennt, ihm entgegenhält, hilflos gegenüber steht.195

In einem breit angelegten Programm kultureller Volksbildung sollte das vernachlässigte Heimatgefühl nun wieder geweckt und im Streben um eine Grenzrevision instrumentalisiert werden: Die Arbeit, die wir für das bedrängte Deutschtum der Nordmark zu leisten haben, verbürgt einen vollen Erfolg erst dann, wenn sie getragen und beschwingt wird von einer starken Heimatbewegung. […] Darüber hinaus gilt es, mit allen Mitteln und auf jedem Gebiet, das die Möglichkeit hierzu eröffnet, das Heimatgefühl anzurufen, es zu einer Volksbewegung emporzuheben, die den Norden von der dänischen Volksverfälschung reinigt und den Brüdern im abgetrennten Gebiet die Kräfte zuführt, um auszuharren, »bis ein schön’rer Morgen tagt.«196

Ein zentraler Bestandteil dieser Offensive stellte in den Augen des Oberpräsidenten die Förderung der schleswig-holsteinischen Museumslandschaft dar. Im Vergleich mit der Arbeit der dänischen Institutionen im Grenzland genügten seiner Ansicht nach die eingesetzten finanziellen Mittel jedoch nicht für eine ausreichende Agitation. So sei der Etat des schleswig-holsteinischen Museums Vaterländischer Altertümer in Kiel seit der Vorkriegszeit nicht mehr erhöht worden, darüber hinaus würde die Inflation zu einer zusätzlichen Belastung führen: Ganz besonders schmerzlich ist dieser Ausfall in der nördlichen Zone der Provinz, wo die intensive Arbeit dänischer Museen zu einem Vergleich herausfordert. Es sei auf die grosszügige Ausgestaltung der Museen in den abgetrennten Gebieten hingewiesen […], an die Veröffentlichungen dänischer Gelehrter der letzten Jahre […]. Alle diese Arbeiten von dänischer Seite sind nicht nur geeignet, eine starke Werbekraft im Interesse des Dänentums auszuüben, sie werden auch bewusst zu politischer Propagandaarbeit ausgenutzt.197 194 Vgl. Kap. III.1.d. 195 Denkschrift »Die dänische Gefahr und ihre Abwehr« des Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein. S. 29. LASH, Abt. 301, Nr. 5679. 196 Ebd. S. 28. 197 Ebd. S. 30 f.

Museen im kulturellen Grenzkampf

185

Gerade das politische Potential der Museumsarbeit für die nationale Auseinandersetzung stellt laut Kürbis aufgrund der unbefriedigenden Situation für Schleswig-Holstein im Grenzland eine Gefahr dar. Die dänische Seite nutze das Feld der urgeschichtlichen Forschung und der musealen Darstellung sowohl zur Formulierung politischer Forderungen als auch zur Stärkung der dänischen Kräfte im Grenzgebiet. Einzige Schlussfolgerung hieraus müsse sein, urteilte der Oberpräsident, dass das Museum Vaterländischer Altertümer ausreichende finanzielle Mittel zur Entgegnung dieser dänischen Arbeit zur Verfügung gestellt bekommt.198 Bereits im März 1920, also noch vor der Volksabstimmung, hatte sich der Direktor des Kieler Museums, Friedrich Knorr, über die fehlenden Gelder beklagt. Das Museum sei derzeit finanziell nicht in der Lage, »wichtige Funde und Sammlungen dem Lande zu erhalten und dadurch der heimischen Forschung nutzbar zu machen.«199 Mit der Grenzverschiebung stellte sich darüber hinaus die Frage nach den Besitzverhältnissen an den in den regionalen Museen ausgestellten landeshistorischen Artefakten, dem materiellen Kulturerbe Schleswigs. In bilateralen Verhandlungen über den Austausch von historischen Gegenständen und Archivalien sowie über das Schicksal diverser Monumente im Grenzland200 forderte die dänische Seite etwa die Rückgabe des Nydambootes201 aus den Beständen des Museums Vaterländischer Altertümer.202 Der ursprüngliche Fundort des Bootes und zahlreicher weiterer frühhistorischer Opfergaben lag nach der Grenzverschiebung auf dänischem Staatsgebiet, die Ausstellungsstücke hingegen befanden sich seit 1877 in Kiel. Der Besitz des aus der Frühgeschichte des Landes stammenden Kulturerbes beinhaltete für beide Seiten eine nationale Bedeutung, der Anspruch hierauf diente auch der Legitimation des eigenen Herrschaftsstrebens über die Region. Die museale Einbindung der Artefakte in das Narrativ nationaler Geschichtsschreibung und -darstellung geschah unter dem Gesichtspunkt der Konstruk198 Ebd. S. 31. 199 Brief vom Museum Vaterländischer Altertümer an den Provinzialausschuss vom 6. März 1920. LASH, Abt. 371, Nr. 834. 200 An dieser Stelle sind insbesondere der Flensburger Löwe sowie Düppel- und ArnkielDenkmal gemeint, über deren Tausch sich Dänemark eine Rückgewinnung der Löwenstatue erhoffte. 201 Das sogenannte Nydamboot war ein bei archäologischen Ausgrabungen 1863 unweit der Stadt Sonderburg gefundenes Kriegsschiff aus dem Beginn des 4. Jahrhunderts. Der Archäologe Conrad Engelhardt brachte den gut erhaltenen Fund noch vor Kriegsbeginn nach Flensburg und stellte ihn dort in seiner Flensburger Sammlung aus. Das Schiff wurde in der Folgezeit ein fester Bestandteil in den nationalen Auseinandersetzungen im Grenzland. 202 Knorr sah in dem Rückforderungsszenario eine größtmögliche Einschränkung der Tätigkeit in dem Museum: »Durch die dänischen Forderungen nach Rückerstattung des aus der ersten Zone stammenden Kulturbesitzes, würde das Museum vaterländischer Altertümer, wie kein anderes Institut des Landes getroffen werden […].« Brief von Dr. Knorr an den Provinzialausschuss vom 27. Juni 1920. LASH, Abt. 371, Nr. 834. Vgl. Kap. III.1.

186

Grenzverschiebung II

tion einer historischen Entwicklung, in der die Funde als Belege – als nationaler Besitz – der eigenen Geschichte in der Region identitätsstiftend inkorporiert wurden. Die frühhistorischen Zeugnisse als geschichtliche »Tatsachen« nahmen so, wie die Kulturanthropologin Sharon Macdonald theoretisch darlegte, die Funktion materieller Ausdrücke der eigenen Nationswerdung an.203 Ein deutlicher Beleg für die beiderseitigen Versuche der Inbesitznahme der Frühgeschichte Schleswigs findet sich ebenfalls in den Ausführungen Knorrs an den Provinzialausschuss. Sein Verweis auf die »großzügige jahrzehntelange Arbeit des dänischen Nationalmuseums in Schleswig« als direkte Konkurrenz zur eigenen Tätigkeit – zu den Aufgabenfeldern des Museums Vaterländischer Altertümer gehörte die Pflege frühhistorischer Denkmäler – verband sich in diesem Fall mit konkreten finanziellen Forderungen an die Provinzialregierung, um »das Museum zu einem lebensfähigen Institut zu machen […].«204 Die neue nationale Scheidelinie zwischen den beiden Staaten wirkte sich nicht nur auf die bestehenden musealen Institutionen der Region aus, sondern initiierte insbesondere auf der dänischen Seite eine Welle an Museumsneugründungen. Diese primär auf der heimatgeschichtlichen Ebene tätigen Ausstellungseinrichtungen erfüllten in diesem Kontext zwei wesentliche Aufgaben: Erstens erfolgte durch ihre Tätigkeit eine nationale Semantisierung des Grenzraumes. Zweitens entstand hieraus eine Abgrenzung gegenüber dem deutschen Nachbarn. Die Heimatmuseen besaßen somit die Funktion von kulturellen Grenzsteinen. Die Einrichtung der neuen dänischen Museen stellte neben weiteren Instrumenten eine Reaktion auf die im Staat existierende Angst vor einer Grenzrevision des Deutschen Reichs in Schleswig dar.205 Im Zuge des kulturellen Bodenkampfs wurde auch in Schleswig-Holstein zunehmend die Forderung lauter, neben den etablierten Häusern neue Ausstellungsräumlichkeiten im Dienste der nationalen Sachen zu gründen: So verlangte etwa der Magistrat der Stadt Flensburg, die im Vorfeld der Volksabstimmung zum Schwerpunkt der nationalen Agitation geworden war, eine aktive, nationale Museumspolitik im Grenzland: »Seit der Abtretung Nordschleswigs werden von der dänischen Unterrichtsverwaltung in den Städten des abgetretenen Gebiets die größten 203 Macdonald, Sharon. Nationale, postnationale, transkulturelle Identitäten und das Museum. In: Beier, Rosmarie (Hrsg.). Geschichtskultur in der Zweiten Moderne. Frankfurt am Main 2000. S. 123 – 148, hier S. 128: »Gegenstände oder Materialien erscheinen uns, mit anderen Worten, ganz unmittelbar und sachlich – ›real‹. Kultur und Identität auf diese Weise zu präsentieren – wie es Museen so hervorragend und unter Aufbietung des gesamten Apparates von Provenienzkunde und Expertenwissen tun –, verleiht ihnen eine Selbstverständlichkeit, lässt sie schlichtweg wie Tatsachen erscheinen.« 204 Brief vom Museum Vaterländischer Altertümer an den Provinzialausschuss vom 6. März 1920. LASH, Abt. 371, Nr. 834. Siehe auch Knorrs Brief mit den Forderungen des Museums zum Kulturprogramm für Schleswig-Holstein vom 2. Juni 1920. LASH, Abt. 371, Nr. 834. 205 Andersen, Den følte grænse, 2008. S. 239 ff.

Museen im kulturellen Grenzkampf

187

Anstrengungen gemacht, dänische Kultur durch Einrichtung von Heimatmuseen zu fördern.«206 Als Gegengewicht zu den neu entstandenen heimatgeschichtlichen Ausstellungsinstitutionen in Sonderburg, Tondern, Apenrade und Hadersleben bedürfe es eines soliden finanziellen Engagements des Deutschen Reichs in Schleswig.207 Der Grundgedanke hinter dieser Forderung lag in der Überzeugung, durch einen massiven kulturellen Einsatz die nationale Gesinnung der Bewohner der Region – vor allem von den Schleswigern, die eigentlich deutsch seien, sich aber aufgrund des staatlichen Zusammenbruches in der Volksabstimmung für Dänemark entschieden hätten – zu beeinflussen und so die Basis für eine mögliche Grenzrevision zu legen. Auf den Zusammenhang von musealer Ausstellungstätigkeit und der Herausbildung nationaler Identitäten haben schon jeweils Benedict Anderson und Sharon Macdonald hingewiesen: Am Beispiel der Umwidmung des Louvre während der Französischen Revolution zeigte etwa Macdonald den gesellschaftlichen Wandel und die Entstehung des Nationalgedankens auf. Von hier aus wurde das Konzept des Nationalmuseums anschließend weltweit als »Modell« mit jeweils regionalen Besonderheiten adaptiert und nachgeahmt.208 Die Institution »Museum« befriedige das Streben nach einer »eigenen Geschichte«: So sei bereits »der bloße Besitz eines Museums […] eine performative Äußerung eigener Identität […].«209 Entsprechend der von Anderson und Macdonald festgestellten gesellschaftlichen Bedeutung der Institution »Museum« nahm die politische Instrumentalisierung der Museen des Grenzlandes eine signifikante Rolle in der nationalen und kulturellen Auseinandersetzung ein. Im Kontext der nicht eindeutig definierbaren Scheidelinie nationaler Gesinnung und der kulturräumlichen Hybridisierung dänischer und deutscher Kulturelemente war ihre Vereinnahmung der Versuch sie in den Dienst der jeweils eigenen nationalen Kampagne zu stellen. Die Hilferufe des schleswig-holsteinischen Oberregierungspräsidenten sowie des Flensburger Magistrates an die Reichsregierung zur Förderung der Heimatkultur und der Museen stand unter dem Vorzeichen einer Nationalisierung der regionalen Memoriallandschaft. In ihrer Intention besaßen die dänische und die deutsche Museumspolitik in Schleswig zwar grundsätzlich viele 206 Brief von Dr. Todsen an den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 29. Oktober 1925. LASH, Abt. 309, Nr. 22589. 207 Weiter hieß es: »Bei der bedrängten Finanzlage der Stadt werden wir bei den Verhandlungen jedoch immer wieder darauf hingewiesen, daß es nicht Sache der Stadt sein kann, Ausgaben, die für die Pflege der gefährdeten deutschen Kultur hier fortgesetzt erwachsen, allein zu übernehmen, daß wir allein dazu gar nicht imstande sind und in dem uns aufgezwungenen Kampfe für das deutsche Volkstum der Unterstützung des Staates nicht entbehren können.« Ebd. 208 Anderson, Imagined Communities, 2006; Macdonald, Identitäten und das Museum, 2000. S. 125. 209 Ebd. S. 127.

188

Grenzverschiebung II

Gemeinsamkeiten, wie etwa das Ziel der Identitätsstiftung und das Abgrenzungsbedürfnis gegenüber dem Anderen, zugleich verbanden sich mit ihr jedoch auch fundamental divergierende Absichten: Während die deutsche Seite die nationale Kultur- und Museumspolitik als Grundlage einer zukünftigen Grenzrevision ansah, übte sie in Dänemark eine zuvorderst stabilisierende Funktion aus, um einem erneuten Verlust Nordschleswigs vorzubeugen.

III.5.b. Die Nationalisierung der Idstedt-Gedächtnishalle Die zentrale Rolle, die den Museen in der nationalen Auseinandersetzung um das Grenzland zugesprochen wurde, spiegelte sich in den 1920er Jahren beispielhaft an der nationalen Vereinnahmung der Idstedt-Waffenkammer wider. Die ursprünglich regionale, antipreußische Botschaft, die mit der Gründung der Ausstellungshalle einher gegangen war, erfuhr im Kontext des nationalen Gegensatzes eine Ablösung durch eine primär deutschnationale Instrumentalisierung. Das regionale schleswig-holsteinische Element wurde zunehmend durch eine gesamtnationale Botschaft verdrängt und der Idstedt-Mythos in den Dienst einer gegen den Versailler Vertrag gerichteten Grenzrevisionspolitik gestellt. So hob ein 1922 erstelltes Gutachten zur Ermittlung der Baufälligkeit der zum Museum gehörenden Gedächtniskirche die nationale Bedeutung der Anlage hervor: Durch seine äußere Erscheinung und bei der freien Lage in einer weithin flachen Landschaft ist das Bauwerk von eindringlicher Wirkung. Als Denkmal einer Zeit und einer vaterländischen Gesinnung, die sich der Verpflichtungen gegen das Land und gegen die von den Vätern für seine Freiheit und für seine Erlösung aus der fremden Herrschaft gebrachten Opfer bewusst waren hat die Gedächtniskirche unzweifelhaft eine Bedeutung, die niemanden gleichgültig lassen darf.210

Entgegen der hier hervorgehobenen nationalen Relevanz der Waffenkammer als Zeichen »vaterländischer Gesinnung« und Symbol des schleswig-holsteinischen Martyriums im Zuge der deutschen Einigungsbewegung befanden sich die Gebäude, vor allem die angrenzende Kirche, in einem schlechten Zustand. Bereits kurz nach der Errichtung des kleinen Sakralbaus im Jahr 1903 stellte die zuständige Kirchengemeinde schwerwiegende bauliche Witterungsschäden fest, die einer umfangreichen Sanierung bedurften.211 Dieser Zustand verbesserte 210 Abschrift des Gutachtens über die Notwendigkeit der Erhaltung der Gedächtniskirche (Aufgestellt im Anschluß an die gemeinsame Besichtigung am 28. April 1922). LASH, Abt. 309: Regierung zu Schleswig, Nr. 24395: Die Gedächtniskirche in Idstedt. 211 Brief der Kirchengemeinde betreffend die Idstedt-Gedächtniskirche an den Provinzialausschuss der Provinz Schleswig-Holstein vom 12. Februar 1908. LASH, Abt. 309, Nr. 24395.

Museen im kulturellen Grenzkampf

189

sich bis zum Kriegsende nicht merklich, so dass sich der Schleswiger Landrat 1922 mit der Bitte, Gelder für eine Renovierung bereitzustellen, an den Regierungspräsidenten wandte. Die abgebrochene Turmspitze sei Anlass zur Häme der zahlreich durchreisenden Dänen: »Dieselben haben sich wiederholt über den Zustand der Kirche aufgehalten. Auch sind in der dänischen Presse abfällige Urteile erschienen.« Eine sofortige Instandsetzung sei deshalb aus »politischen Gründen […] dringend erforderlich.«212 Das beigefügte Baugutachten konstatierte, dass das Gebäude aufgrund fehlender Mittel in der Vergangenheit nicht sorgfältig gepflegt wurde.213 Der Kontrast zwischen der nationalen Bedeutungszuschreibung des Museums einerseits sowie der der unzureichenden finanziellen Hinwendung geschuldeten Baufälligkeit andererseits stellt die Relevanz der Idstedt-Waffenkammer für breitere Gesellschaftskreise in Schleswig-Holstein zunächst infrage; genaue Gründe für die Unterfinanzierung sind anhand der Quellenlage nicht feststellbar. In der Vorkriegszeit scheint das in einem regionalen Opfernarrativ stehende Museum, in dessen Kontext auch immer wieder auf die mangelnde Unterstützung Preußens im Schleswig-Holsteinischen Krieg hingewiesen wurde, aufgrund seiner politischen Ausrichtung nicht durch eine finanzielle Unterstützung des Staates bedacht worden zu sein. Diese These gewinnt angesichts der Skepsis, die die staatlichen Behörden der Waffenkammer in der Nachkriegszeit entgegenbrachten, an Plausibilität. So kam während der Verhandlungen zu einem kulturellen Grenzlandprogramm im März 1922 wiederholt von Seiten der preußischen Behörden die Frage auf, wieso der Staat umfangreiche Finanzmittel für eine Provinz zur Verfügung stellen solle, die sich in der Vergangenheit und auch teilweise noch in der Gegenwart durch antiborussische Tendenzen ausgezeichnet habe. Ministerialrat Fritz Rathenau vom preußischen Innenministerium merkte etwa in der Besprechung zu den politischen Verhältnissen in Schleswig-Holstein in Anwesenheit zahlreicher Vertreter der Provinz an, dass die Geldforderungen in Berlin teilweise mit Argwohn betrachtet werden: Aber es gibt doch zu denken, dass in einer Bevölkerung, in der ein ausgesprochener Selbstständigkeitssinn und entwickeltes Heimatgefühl lebt, in der starke Autonomiebestrebungen lebendig sind, immer und immer wieder der Ruf nach Staatshilfe erschallt, zu einer Zeit, in der der Staatssäckel fast leer ist und die Entente uns von Tag zu Tag mehr auf die Finger sieht. Wird dann nicht jedem Verlangen restlos und umgehend entsprochen, so wird auf die Berliner Verständnislosigkeit gescholten […], auch vor

212 Brief des Landrates an den Regierungspräsidenten betreffend die Gedächtniskirche in Idstedt vom 19. Januar 1922. LASH, Abt. 309, Nr. 24395. 213 Bericht über den baulichen Zustand von Kreisbaumeister Thomsen vom 18. Januar 1922. LASH, Abt. 309, Nr. 24395.

190

Grenzverschiebung II

dem Vorwurf des Versprechensbruchs nicht zurückgeschreckt, und womöglich mit unliebsamen politischen Folgen gedroht.214

Der Argwohn zwischen Preußen und seiner Provinz Schleswig-Holstein wurde ebenfalls durch den Vorwurf der Hamburger Nachrichten, dass die Regierung tatenlos der dänischen Arbeit in Schleswig zusehe und so den Verlust der Region riskiere, deutlich.215 Neben der finanziellen Situation Deutschlands war die Konzentration der nationalen Politik auf andere Grenzregionen mit größerer gesellschaftlicher und ökonomischer Relevanz für den Staat, die, wie beispielsweise Elsass-Lothringen, im Zuge des Versailler Vertrages abgetreten worden waren, einer der Gründe für diese Vorwürfe. Die Region Nordschleswig besaß unter nationalen Gesichtsgründen durch ihre geringe Bevölkerungsdichte und den unterdurchschnittlichen Grad der Industrialisierung216 im Vergleich mit diesen anderen Gegenden daher eine eher geringe Bedeutung. Die Tatsache, dass das preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung auf den Antrag des schleswig-holsteinischen Regierungspräsidenten im November 1922 »unter der besonderen Dringlichkeit des Falles und der von ihnen hervorgehobenen politischen Gründe«217 dennoch eine Staatsbeihilfe für die Instandsetzungsarbeiten in Höhe von 1,3 Millionen Reichsmark gewährte, belegt jedoch ein nicht unbedeutendes finanzielles Engagement des Staates. Zugleich wurde mit der Mittelbewilligung der Unmut über die fehlenden regionalen Anstrengungen zur Einwerbung von Geldern geäußert. So beklagte das Ministerium den Versuch, die »Lasten auf die Schultern des Staates abzuwälzen […].«218 Auch an anderer Stelle wurde in den Stellungnahmen der regionalen Behörden gegenüber dem preußischen Zentrum mit dem Verweis auf die besondere nationalpolitische Bedeutung des Grenzlandes immer wieder die Forderung nach finanziellen Mitteln geäußert. Eine zuvor in Schleswig-Holstein durchgeführte Sammlung hatte nur eine geringe Summe zur Instandsetzung des Museums in Idstedt ergeben.219 Trotzdem deuten die Umstände an, dass es sich 214 Niederschrift über die Besprechung vom 22. März 1922 im Preußischen Ministerium des Innern über die politischen Verhältnisse in Schleswig-Holstein. S. 5. LASH, Abt. 301, Nr. 5681. 215 »Berlin schläft, hört und sieht nichts, tut jedenfalls nichts dagegen, erhebt nicht einmal Einspruch dagegen, dass der dänische Staat die dänischen Umtriebe in Schleswig finanziell, moralisch und auch sonst auf jede Weise unterstützt.« Zit. nach ebd. 216 Andersen, Den følte grænse, 2008. S. 33 ff. 217 Mitteilung über die Mittelbewilligung des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung an Oberpräsident Dr. Thon vom 1. November 1922. LASH, Abt. 309, Nr. 24395. 218 Ebd. 219 Folglich kritisierte das Ministerium: »Es muß doch befremden, wenn bei dem hervorgehobenen politischen Interessen in dem Bericht des Landrats vom 7. September 1922 ausgeführt wird, dass die bisher in die Wege geleiteten Sammlungen eine große Enttäuschung

Museen im kulturellen Grenzkampf

191

bei der Waffenkammer nicht um ein Projekt regionaler Eliten, sondern um ein von breiten Bevölkerungsschichten getragenes Vorhaben handelte. So wurden die Feierlichkeiten zum 75jährigen Jubiläum der Idstedt-Schlacht am Standort des Museums 1925 von einer intensiven medialen Berichterstattung begleitet, in der der nationale Aspekt der Waffenkammer immer wieder äußerst stark betont und die Relevanz für große Kreise der schleswig-holsteinischen Bevölkerung durch zahlreiche autobiographische Berichte der Ereignisse hervorgehoben wurde.220 Die mit Hilfe staatlicher Mittel an der Idstedt-Waffenkammer und an dem angrenzenden Kirchengebäude durchgeführten Renovierungsarbeiten waren in ihrer Ausführung jedoch lediglich Makulatur, bereits wenige Jahre später stellte sich die bauliche Situation der Anlage erneut als unbefriedigend dar. Der Magistrat der Stadt Schleswig klagte bereits 1928 erneut: Schließlich kann der Eindruck, den die ganze Anlage auf die unzähligen Besucher aus der ganzen Provinz Schleswig-Holstein, dem übrigen Deutschland, aus Dänemark und dem Ausland macht, in keiner Hinsicht als würdig bezeichnet werden. Besonders die Dänen wundern sich darüber, daß das Äußere dieser Stätte so wenig der Bedeutung entspricht, die sie für die schleswig-holsteinische und deutsche Geschichte hat.221

Neben dem Zustand der Gebäude seien auch die Räumlichkeiten für die Ausstellung völlig ungenügend. Dementsprechend könne das Museum nicht angemessen geführt werden.222 Wiederum stützte sich die Begründung für eine Renovierung des Museums auf das Argument, dass die Halle von großer Bedeutung in der nationalen Auseinandersetzung mit dem dänischen Nachbarn sei. Erst durch ein deutliches Zeichen des schleswig-holsteinischen und deutschen Kulturwillens, so die verbreitete Botschaft, könne das Museum als Platzhalter deutschen Anspruches auf die Region seine Funktion erfüllen. Aus diesem Grund trat der Magistrat der Stadt Schleswig in seinem Schreiben an den Landeshauptmann in Kiel der Überlegung entgegen, die Ausstellung an einem angebracht, reiche Kreise nur 2500 M gezahlt haben und die Stadt Flensburg gar eine Sammlung überhaupt abgelehnt hat.« Ebd. 220 Es finden sich allein in der Zeitung Schleswiger Nachrichten in den Tagen um den 24. Juli neun Artikel und Beiträge, die sich mit der Geschichte der Schlacht sowie den Feierlichkeiten zum Jubiläum beschäftigen. Siehe Gemeinschaftarchiv Schleswig-Flensburg (GA SlFl), Abt. ZD: Zeitgenössische Dokumentation der Stadt Schleswig, Nr. 25.4: Idstedt, Gedächtnishalle und Kirche. 221 Brief des Magistrats der Stadt Schleswig an den Landeshauptmann in Kiel betreffend die Gewährung eines Zuschusses der Waffenkammer in Idstedt vom 14. Februar 1927. GA SlFl, Abt. 16: Amt für Kultur- und Wirtschaftsförderung 1820 – 1997, Nr. 58: Architekt Hans Philipp, Hamburg, und die Idstedt-Gedächtnishalle. 222 »Schon bei der Übernahme der Waffenkammer entsprach diese, in der weit über 1000 Uniformstücke, Waffen, Bilder, Drucksachen und Denkmünzen aus der Zeit der schleswigholsteinischen Erhebung aufgestellt sind, in baulicher Hinsicht nicht den Ansprüchen, die man an Räume stellen muß, in denen wertvolle Sammlungen untergebracht sind.« Ebd.

192

Grenzverschiebung II

deren Ort als in der Waffenkammer in Idstedt unterzubringen, deutlich entgegen, weil in allen Kreisen der Bevölkerung Schleswig-Holsteins der dringende Wunsch besteht, daß alles, was mit der schleswig-holsteinischen Erhebung in Zusammenhang steht, an der historischen Stätte in Idstedt, die im Laufe der Jahrzehnte zu einem Wallfahrtsort geworden ist, vereint bleibt. Man würde es einfach nicht verstehen können, wenn die zum ehrenden Andenken an die schleswig-holsteinischen Freiheitskämpfer aufgestellte Sammlung von dem Idstedtdenkmal und der Idstedt-Gedächtniskirche örtlich getrennt würde.

Nur ein Neubau könne »eine sichere und würdige Unterbringung der Sammlungen ermöglichen, [… und] auch gleichzeitig ein bedeutungs- und eindrucksvolles Wahrzeichen der Deutschtums in der Nordmark darstellen.«223 Entsprechend der nationalen Bedeutung des Ortes dürfe die Stadt in dieser Aufgabe nicht allein gelassen werden: Mit Rücksicht darauf, daß der Neubau der Idstedt-Waffenkammer und Gedächtnishalle bei Schleswig nicht eine Angelegenheit der Provinz, sondern insbesondere eine solche Preußens und Deutschlands ist, haben wir sowohl Zuschüsse der Provinz als auch des Staates und des Reiches erbeten.224

Innerhalb weniger Jahre machte sich somit eine deutliche Rekontextualisierung des Museums bemerkbar. Seine primäre Bedeutung erhielt die Halle in Idstedt nun innerhalb eines nationalen Narrativs, während die regionale Deutungsebene im Vergleich zu der Vorkriegszeit in den Hintergrund rückte, jedoch weiterhin relevant blieb. Auch in der Bewertung durch das preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung zeigte sich im Zeitraum weniger Jahre eine geänderte Sichtweise auf die Waffenkammer : Nach der eher unwilligen Zahlung der Renovierungskosten 1922 wurde der Ort 1928 zu einem nationalen Erbe erklärt, dessen Instandsetzung im staatlichen Interesse Preußens und Deutschlands liegt. Der gegenwärtige »Zustand der national bedeutsamen Stätte [sei] nicht würdig« und müsse angesichts der dänischen Besucher gar als »peinlich[…] empfunden« werden, beklagte das Ministerium.225 Provinzialkonservator Ernst Sauermann sprach in den Verhandlungen über die Renovierung der Waffenkammer gar davon, dass eine umfangreiche bauliche

223 Ebd. 224 Schreiben des Magistrats der Stadt Schleswig an die Kanzlei des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg vom 4. April 1927. GA SlFl, Abt. 16: Amt für Kultur- und Wirtschaftsförderung 1820 – 1997, Nr. 57: Neubau der Waffenkammer in Idstedt. 225 Brief des preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung an den Oberpräsidenten vom 25. April 1928. LASH, Abt. 309, Nr. 24395.

Museen im kulturellen Grenzkampf

193

Überarbeitung »nicht nur eine schleswig-holsteinische, sondern auch eine preußische Prestigefrage sei […].«226 Mit der Zusage der finanziellen Unterstützung durch die Reichsbehörden, den preußischen Staat und die Hansestadt Hamburg für die Errichtung eines neuen Ausstellungsgebäudes war die Basis für eine grundlegende Erneuerung der Idstedt-Waffenkammer gelegt.227 Bis zur Fertigstellung des neuen Museumsgebäudes sollte es jedoch noch drei Jahre dauern: Der Grund hierfür lag vor allem in der zunächst fehlenden finanziellen Beteiligung des Provinziallandtages, der eine mehrfache Überarbeitung der Ausstellung durch Architekt Hans Philipp einforderte.228 Darüber hinaus sorgten regionale Auseinandersetzungen für Unstimmigkeiten und Verzögerungen: So hatte die Stadt Schleswig aufgrund ungeklärter organisatorischer Fragen die alte Halle zunächst schließen und die Ausstellungsstücke an einem für die Öffentlichkeit unzugänglichen Ort einlagern lassen. Bereits 1914 hatten Pläne der historischen Landeshalle in Kiel, die Ausstellung zu verlagern für große Verärgerung in der Region gesorgt.229 Das Vorgehen des Magistrats der Stadt Schleswig im Juni 1929 löste erneut große Proteste aus: Es kämen, so die Schleswiger Nachrichten, »tagtäglich Besucher aus allen Teilen unserer Provinz und sogar von weiter her, die vor verschlossenen Türen umkehren müssen und allgemein ihre Verwunderung über die trostlosen Zustände zum Ausdruck bringen.« Deutlich trat in dieser Aussage der zwischen dem Schauplatz des erinnerten Ereignisses – der »nationalen Weihestätte«230 – und dem Ort seiner musealen Darstellung bestehende enge, als untrennbar empfundene Zusammenhang, der den Raum mit einer großen Relevanz für die regionale Bevölkerung versah, zutage. Dieser Semantik wurde auch durch die Architektur des Gebäudes Rechnung getragen: Der Neubau im Stil der Heimatschutzarchitektur stellte eine konkrete Verbindung zwischen dem historischen Schauplatz und einem deutschnationalen Streben zur Behauptung im Grenzraum her. Die offizielle Eröffnung des Museum, nunmehr als Idstedt-Gedächtnishalle, am 2. Juli 1930 erfolgte in Anwesenheit zahlreicher Vertreter der regionalen 226 Abschrift: Verhandlungen über die Gedächtniskirche in Idstedt, 6. Juli 1928. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 57. 227 Laut der Tageszeitung Schleswiger Nachrichten beteiligten sich Reich und Staat mit je 10.000 Reichsmark, die Stadt Hamburg mit 3.000 RM. In: Schleswiger Nachrichten, 13. Juni 1929. 228 Schartl, Idstedt, 2006. S. 8. 229 Bei Bekanntwerden des Vorhabens, das Museum nach Kiel zu verlagern, protestierte etwa die Schleswiger Nachrichten: »Wer zum Schlachtfeld von Idstedt wallfahret, ob Deutscher oder Däne, wird unmittelbar gepackt und ergriffen von den Erinnerungsstücken und Zeugen der größten und schmerzlichsten Schlacht des Erhebungskampfes von 1848 – 50. Schlachtfeld und Waffenkammer von Idstedt gehören zusammen, up ewig ungedeelt.« Zit. nach: Ebd. S. 6. 230 Schleswiger Nachrichten, 5. Juni 1929.

194

Grenzverschiebung II

Regierungsbehörden und unter großer öffentlicher Beteiligung. Die seit der Grenzverschiebung deutlich werdende Rekontextualisierung des Museums innerhalb eines nationalen Narrativs fand ihren Ausdruck und gleichsam ihren Höhepunkt im Festvortrag des Schleswiger Schulrates Johannsen. Dieser zog Parallelen zwischen den Ereignissen des Schleswig-Holsteinischen Krieges und der Situation Deutschlands in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und legte auf diese Weise symptomatisch die Grundlage für eine Inbesitznahme des IdstedtMythos zu nationalen Zwecken: Weil das Heute mit jenen Ereignissen so sehr zum Vergleichen zwingt. Damals sprach man im Deutschen Reiche vom »verlassenen Bruderstamm«. Die Preußen, die Truppen des deutschen Bundes hatten die schleswig-holsteinischen Brüder nördlich der Elbe verlassen müssen, gezwungen durch die Maßnahmen der großen europäischen Politik. Und letzten Endes bestimmte nicht die persönliche Tapferkeit der Schleswig-Holsteiner ihr Geschick, sondern die Feder der Diplomaten im Londoner Protokoll. Und heute? Wieder sind wir der verlassene Bruderstamm, zwar diesmal nicht von den deutschen Brüdern verlassen, sondern mit ihnen Schicksalhaft verbunden – und durch das große Unglück inniger denn je –; aber mit ihnen zusammen von aller Welt verlassen durch den Tag von Versailles.231

In Johannsens Geschichtsbild wurden die Konflikte zwischen dem preußischen Staat und der schleswig-holsteinischen Provinz, die sich aus einer Vorstellung vom »verlassenen Bruderstamm« ergaben, durch die Betonung einer deutschen Schicksalsgemeinschaft zu einem verbindenden Element der Nation umgedeutet. Die Topoi des »Verlassenseins« und des schleswig-holsteinischen/deutschen Opfermuts angesichts einer europäischen, gegen Deutschland gerichteten Politik gerieten zu sinnstiftenden Kategorien einer deterministischen Konstruktion der nationalen Historie der vergangenen achtzig Jahre. Vor dem Hintergrund dieser vermeintlichen Parallelität der Ereignisse sah Johannsen insbesondere aufgrund des nationalen Opfergedankens eine große Relevanz der Niederlage bei Idstedt für die aktuelle Situation Deutschlands. Parallel zum Jahr 1864 könne das, so Johannsen, gegenwärtige, schwere Schicksal durch die Revision des Versailler Vertrages überwunden werden: Es gebe, resümierte der Schulrat, ruhmvollere Ereignisse in der Geschichte des Landes, jedoch verbände sich mit den »Tage[n] der Größe in der Geschichte unseres Volkes« das »Herz der Schleswig-Holsteiner […].«232 Der hier zu nationalen Zwecken instrumentalisierte Idstedt-Mythos stand einerseits, wie auch vom Historiker Matthias Schartl konstatiert, für die ange-

231 Festvortrag von Schulrat Johannsen am 2. Juli 1930. GA SlFl, Abt. Z 3: Zeitgeschichtliche Dokumentation des Kreises Schleswig-Flensburg, Nr. 577: Idstedt-Stiftung. 232 Ebd.

Museen im kulturellen Grenzkampf

195

strebte Rückgewinnung von Nordschleswig,233 andererseits jedoch noch wesentlich mehr für die Revision des Versailler Vertrages. Johannsen betonte in seiner Ansprache sowohl die Gemeinsamkeiten mit dem dänischen Nachbarn234 als auch die Überzeugung, dass er »nicht an einen abermaligen blutigen Waffengang mit Dänemark, an ein künftiges Idstedt oder Düppel [glaube].«235 Die mit dem Museum verbundene Botschaft richtete sich nicht, wie noch wenige Jahre zuvor, gegen Dänemark, sondern stand innerhalb der Deutung des Schulrates für ein primär innenpolitisches, nationales Zeichen. In Anlehnung an das deutsche Opfernarrativ, wonach das Deutsche Reich von den anderen Staaten zum alleinigen Schuldigen des Weltkrieges gemacht und dieses Martyrium durch den Versailler Vertrag rechtlich besiegelt worden sei, verknüpfte sich die Intention der Idstedt-Halle nun mit dem Bestreben, Deutschland wieder zu alter Größe zu führen.236 Der Idstedt-Mythos und das Museum richteten sich demgemäß in ihrer nationalen Aneignung gegen »die Schmach, die man uns in Versailles angetan hat« sowie die vermeintlich auf Kosten Deutschlands gegründeten »Vereinigten Staaten von Europa«.237 Eine wichtige Bedingung für die nationale Inbesitznahme stellte der Prozess des aktiven Vergessens238 der antiborussischen Tendenzen in Schleswig-Holstein im Allgemeinen und im Kontext der Gedächtnishalle im Besonderen dar. Weder Schulrat Johannsen noch der Schleswiger Bürgermeister Behrens erwähnten in ihren Betrachtungen die gegen Preußen

233 Vgl. Schartl, Idstedt, 2006. S. 8. 234 »Jedoch heute ist es nicht die Empfindung des Gegensatzes zum nordischen Nachbarn, nicht feindselige Stimmung, die unsere Herzen bewegt, sondern zu einer erhebenden Feier sind wir zusammengekommen. Heute vereinigt uns Ehrfurcht und Pietät. Mit dem Volke der Dänen, deren Tote um uns her in großer Zahl ruhen, verbinden uns starke Bande der Abstammung, der Rasse, gemeinsamer Kultur und Geschichte, das Glaubensbekenntnis und der sittlichen Anschauungen. Dazu kommen noch für viele von unter uns Beziehungen und verwandtschaftliche Verflechtungen mannigfachster Art. […] Das sind Momente einer gemeinsamen Kultur, Momente der Zusammengehörigkeit, die durch den Charakter unserer Halbinsel als einer Völkerbrücke gegeben sind. Andererseits bedingt die geographische Lage unserer alten Herzogtümer auch das Ringen um ihren Besitz.« Festvortrag von Schulrat Johannsen am 2. Juli 1930. GA SlFl, Abt, Z 3, Nr. 577. 235 Ebd. 236 »Vorerst hat man Deutschland zum alleinigen Märtyrer dieser großen Menschheitssache gemacht. Man hat Deutschland bis heute allein die Opfer bringen lassen, die nötig waren, um eine Situation zu schaffen, geeignet zur Herstellung der Vereinigten Staaten von Europa. Ja, nicht nur das, man hat Deutschland brandmarken wollen, es als Alleinschuldigen des Weltkriegs hingestellt, um das Friedensdiktat von Versailles zu rechtfertigen. An diese, unsere Lage denken wir auch heute, wo wie die toten Väter von Idstedt ehren.« Ebd. Hervorhebungen im Original. 237 Ebd. 238 Vgl. Flaig, Soziale Bedingungen, 1999.

196

Grenzverschiebung II

gerichteten Intentionen des Museums.239 Im Anschluss an die Grenzverschiebung rückte so innerhalb weniger Jahre der regionale Aspekt zugunsten einer nationalen Deutungsebene in den Hintergrund. Die Instrumentalisierung des Idstedt-Mythos besaß infolgedessen eine primär deutschnationale, innenpolitische Funktion. Wie auch in der Vorkriegszeit legte die durch den Architekten Hans Philipp neu gestaltete Ausstellung ihren Schwerpunkt auf Militaria und die Verklärung der historischen Ereignisse.240 Dies erwies sich als eine Konstante, die in den folgenden Jahren weiter verstärkt werden sollte.

III.6. Nationale Aneignung des mittelalterlichen Kulturerbes Neben der Architektur und den regionalen Museen entwickelte sich in der Nachkriegszeit insbesondere das mittelalterliche Kulturerbe der Handelssiedlung Haithabu und der Wallanlage Danewerk zu einem Feld der kulturellen Agitation Deutschlands in Schleswig-Holstein. Die mittelalterliche Verteidigungswallanlage ist ein System aus unterschiedlichen Mauer- und Grabenanlagen, die im Raum der heutigen Stadt Schleswig in West-Ost-Richtung über die jütische Halbinsel errichtet wurden. Mit ihnen verbanden sich zahlreiche mythologische Verknüpfungen in Dänemark.241 Die ersten Befestigungsarbeiten reichen bis mindestens an den Beginn des 8. Jahrhunderts zurück,242 über die Jahrhunderte wurden die Anlagen dann von den dänischen Königen sukzessive zur Verteidigung des eigenen Territoriums Richtung Süden – also gegen slawische, sächsische und fränkische Überfälle – und zum Schutz des quer über die Halbinsel laufenden Handelsverkehres errichtet und immer weiter ausgebaut. Ihre primäre Funktion lag somit in einer physischen Verteidigungs- und Abgrenzungsintention Richtung Süden, zugleich verbanden sich mit dem Dane239 Festvortrag von Schulrat Johannsen am 2. Juli 1930. GA SlFl, Abt. Z 3, Nr. 577; Vortrag von Bürgermeister Dr. Behrens zur Schlüsselübergabe am 2. Juli 1930. GA SlFl, Abt. Z 3, Nr. 577. 240 Hans Philipp umriss in einem Beitrag für die Schleswiger Nachrichten die Grundzüge der neuen Ausstellungshalle und -gestaltung: »Die grundrißliche Anordnung ist einfach und übersichtlich und zeigt zwei Säle beiderseits einer hohen Mittelhalle. Während in den Sälen große Schauschränke und Schaupulte untergebracht sind zur Aufnahme der Waffenröcke, Helme und Käppis und aller übrigen kleinen Teile sowie des umfangreich ausgelegten schriftlichen Stoffes der mannigfachsten Art aus der Zeit von 1848 – 50 und auch von späteren Ereignissen der schleswig-holsteinischen Geschichte und der auf diese Zeit sich beziehenden Bilder, dient die Mittelhalle außer dem Hauptzugang bei besonderen Gelegenheiten der Aufnahme von Waffen und Fahnen, trägt also einen bewußt erstrebten repräsentativen Charakter. […]« In: Schleswiger Nachrichten, 1. Juli 1930. Siehe Abb. 12. 241 Kühl, Jørgen. Danevirke. Myte, Symbol, Identitet (Danevirkeg”rdens museumspædagogiske tekster ; 2). Dannevirke 1992. S. 28 ff. 242 Neueste archäologische Befunde lassen den Schluss zu, dass erste Befestigungsarbeiten sogar schon im dritten Jahrhundert nach Christus erfolgten.

Nationale Aneignung des mittelalterlichen Kulturerbes

197

werk die Vorstellungen eines mental-kulturellen Bollwerks. Als Kontaktzone zwischen dem Norden und Europa bildete sich an der Anlage eine Alteritätsvorstellung zwischen Dänemark und seinem südlichen Nachbarn heraus.243 Als geographische »Brennpunkt der Geschichte«244 waren das Danewerk und die angrenzende Handelssiedlung Haithabu Kristallisationspunkte interkultureller Austauschbeziehung in Form von Krieg, Handel und gegenseitigen kulturellen Beeinflussungen. Im Kontext der nationalen Erweckungszeit etablierte sich vor allem durch zahlreiche Sagen und mythologische Verklärungen, die die Wehranlage zu dem zentralen Symbol der nationalen Identität werden ließen, die besondere Bedeutung des Danewerks für den dänischen Staat. Der Volksaufklärer Nikolai Frederik Severin Grundtvig gründete etwa 1816 die Zeitschrift Dannevirke, in der sich die mythologische und ideologische Grundlage für die Entwicklung einer nationalen Identität entfaltete. Auf der Basis einer nationalen Geschichte sollte, so Grundtvig, »ein Geist des Danewerks« entstehen, welches auf das kulturelle Erbe der Vergangenheit aufbaut.245 Die nationale Semantisierung der frühhistorischen Anlagen im 19. Jahrhundert führte vor dem Hintergrund des nationalen Gegensatzes in der Region Schleswig sowie im Anschluss an den Schleswig-Holsteinischen Krieg zu einer Reaktivierung des Danewerks als physische Verteidigungsanlage gegen den deutschen Nachbarn. Als Sinnbild des dänischen Verteidigungswillens und der nationalen Identität sollte es die territoriale Integrität sichern und die schleswigsche Grenzregion gegen den Feind absichern. Im Vorfeld des Deutsch-Dänischen Krieges 1864 verstärkten sich die nationalen Sinnzuschreibungen, dementsprechend traumatisch gestaltete sich der kampflose Rückzug der dänischen Truppen von diesem als Bollwerk verklärten Verteidigungswall im nationalen Diskurs.246 243 Vgl. »Es war hier, dass der Norden Europa traf – und es war hier, wo die Verteidigung etabliert werden musste.« (»Det var her, at Norden mødte Europa – og det var her, forsvaret m”tte etableres.«) Kühl, Jørgen/Hardt, Nis. Danevirke. Nordens største fortidsminde. Herning 1999. S. 9. 244 »historiens brændpunkt«. Ebd. S. 15. 245 »Grundtvigs Ausgangspunkt war die Vorzeit, der Norden und die Kirche. Mit Wurzeln in den nordischen Sagen und Mythen wollte er ein bewusstes und stolzes Dänentum schaffen. In dieser Verbindung kam das das Danewerk […] dazu, als Symbol für alles Positive im Dänischen eine zentrale Rolle zu spielen. In 1816 begründete Grundtvig die Zeitschrift ›Dannevirke‹. Diese kommt in den nächsten vier Jahren dazu, ein Forum für eine aktive Erweckung des Dänischen zu sein. Für Grundtvig stand es fest, dass ein Geist des Danewerks entstehen müsse.« (»Grundtvigs udgangspunkt var Oldtiden, Norden og Kirken. Med rod i de nordiske sagn og myter ville han skabe en bevidst og stolt danskhed. I denne forbindelse kom Danevirke […] som symbol p” alt positivt i det danske til at spille en fremtrædende rolle. I 1816 grundlagde Grundtvig tiddskriftet ›Dannevirke‹. Det kom i de næste 4 ”r til at være forum for en aktiv vækkelse af det danske. For Grundtvig stod det klar, at det m”tte opst” et ”ndens Danevirke.«) Kühl, Danevirke, 1992. S. 28. 246 Kühl/Hardt, Danevirke, 1999. S. 133.

198

Grenzverschiebung II

Angesichts der späteren Niederlage der dänischen Truppen wurde dieses Ereignis zum Sinnbild des kollektiven Traumas und des Niedergangs der europäischen Großmacht Dänemark. Der Verlust des Herzogtums Schleswig bedeutete zugleich, dass das Nationalheiligtum Danewerk nun außerhalb des dänischen Territoriums lag. Als zentrales Symbol der dänischen Identität und des Nationalgefühls blieb es jedoch weiterhin in der Gesellschaft präsent: Stand es vor 1864 zunächst als Sinnbild für die Macht der dänischen Könige, sowie im 19. Jahrhundert für den Verteidigungswillen des dänischen Volks gegen die vermeintliche deutsche Bedrohung, erhielt es nach der Grenzverschiebung eine den aktuellen Bedürfnissen angepasste Bedeutung:247 In der Anlage kristallisierte sich nun das auf der dänischer Seite als problematisch empfundene Verhältnis zum südlichen Nachbarn. Das Danewerk wurde so seit 1864 zum Stellvertreter für die Einheit von territorialem Staat, politischer Nation und dem Volk und besaßen dementsprechend auch in den 1920er Jahren eine aktuelle politische Botschaft: Mit ihm verband sich der Anspruch auf eine Grenzrevision über Nordschleswig hinaus.248 So schrieb noch 1930 der Historiker Niels P. Larsen: »[T]rotz allem liegt der alte Wall dort in Südschleswig und erzählt, dass hier Dänemark seine Südgrenze über 11. Jahrhunderte hatte.«249 Für die Entwicklung eines dänischen Nationalbewusstseins und die Abgrenzung zum deutschen Nachbarstaat waren die Verteidigungsanlagen aus diesem Grund von elementarer Bedeutung. In einem engen Kontext mit dem Danewerk stand die mittelalterliche Handelssiedlung Haithabu, deren Anfänge bis in das 8. Jahrhundert zurückdatiert werden können. Ihre Bedeutung als europäischer Warenumschlagsplatz reichte weit über den regionalen Rahmen hinaus, bis ins 11. Jahrhundert hinein war sie eine der wichtigsten Handelsplätze im Ostseeraum. Erst durch zahlreiche Plünderungen und weitreichende Zerstörungen verlor sie ihre Stellung im internationalen Warenumschlagsnetzwerk und wurde zugunsten der neu gegründeten Stadt Schleswig aufgegeben. Im Gegensatz zu der abgrenzenden Intention des Danewerks steht die Geschichte der Handelssiedlung für ein internationales Kommunikations- und Warenaustauschnetzwerk. Für die Region Schleswig und ganz Skandinavien stellte sie die Verbindung zum europäischen Kontinent her. Somit unterschieden sich die beiden Zeugnisse der mittelalterlichen Geschichte in ihrer intentionalen Ausrichtung grundsätzlich. Die genaue geographische Lage von Haithabu geriet nach seiner Zerstörung in Vergessenheit, erst 1897 stellte der Direktor des dänischen Nationalmuseums in Kopenhagen, Sophus Müller, die Theorie auf, dass der kreisrunde, von einem Wall 247 Vgl. Kühl, Danevirke, 1992. S. 21. 248 Ebd. S. 62. 249 Larsen, Niels P. Danevirke i ny belysning. Sorø 1930. S. 5.

Nationale Aneignung des mittelalterlichen Kulturerbes

199

umgebene Platz an einem Nebenarm der Schlei das historische Haithabu sein müsse. Wissenschaftliche archäologische Ausgrabungen konnten diese Theorie wenige Jahre später bestätigen.250 Mit der Grenzverschiebung von 1864 und der preußischen Annexion der Herzogtümer Schleswig und Holstein erhielt zunächst die Wallanlage, und nach ihrer Entdeckung auch die Siedlung, auch von deutscher Seite eine symbolische Relevanz im nationalen Ringen um die Grenzregion. Unter dem Einfluss deutschnationaler Begeisterung deuteten zahlreiche zeitgenössische Stimmen die Überwindung des Danewerks als Machtdemonstration und Zeichen der Kraft des deutschen Volkes.251 Entsprechend der großen Symbolkraft setzten 1899 erste Versuche zur Bewahrung der Anlagen durch den Schleswiger Regierungspräsidenten ein; Erfolge gelangen jedoch erst durch die Intervenierungen Kaiser Wilhelms II. 1902 und 1907, die den regionalen Behörden ein Enteignungsrecht zusprachen, um einen substantiellen Verlust, beispielsweise in Form landwirtschaftlicher Nutzung, zu verhindern. Ein bedeutender Schritt in den staatlichen Anstrengungen zur Bewahrung des mittelalterlichen Erbes gelang mit einem Vertragsschluss zwischen dem Staat Preußen, der Provinz Schleswig-Holstein und dem Kreis Schleswig im Jahr 1912, der den Aufkauf großer Teile der Wallanlage ermöglichte.252 Zwei Jahre später, im Juli 1914, verlieh Kaiser Wilhelm II. dem Kreis Schleswig gar das Recht, »soweit erforderlich, das zur Sicherung des Danewerks und des anschließenden Kograbens […] erforderliche Grundeigentum im Wege der Enteignung zu erwerben.«253 Über dieses Instrument hinaus besaß der Kreis nun die rechtliche Möglichkeit, den Verkauf der betroffenen Grundstückflächen bei einer Weigerung der Eigentümer zu erzwingen. So konnte des Kreisauschuss bereits im Mai 1916 an den Regierungspräsidenten melden, dass der »Erwerb […] bis auf [wenige] Grundstücke, die zu dem Teil des Dannewerks, welcher Kograben genannt wird, gehören, durchgeführt« sei. Da mit den übrigen Besitzern eine Einigung nicht habe erzielt werden können, müsse »deshalb das Enteignungsverfahren Platz greifen.«254 250 Buch, Jørn/Sørensen, Preben/Vollertsen, Ernst. Hedeby, Slesvig, Danevirke. 2. Aufl. Apenrade 1989. S. 5. 251 Kühl/Hardt, Danevirke, 1999. S. 134 f. 252 Zur Geschichte der Naturdenkmalpflegebemühungen am Danewerk siehe: Springer, Ernst/ Schlechter, Günter. Kulturdenkmal Danewerk. Archäologisch-Landschaftspflegerische Fachplanung. Erläuterungsbericht. Busdorf 1981. S. II. 253 Beglaubigte Abschrift des Allerhöchsten Erlasses vom 4. Juli 1914. LASH, Abt. 309: Regierung zu Schleswig, Nr. 21067: Danewerk. 254 Schreiben des Kreisausschußes des Kreises Schleswig an den Regierungspräsidenten vom 6. Mai 1916. LASH, Abt. 309, Nr. 21067. Eine beigefügte Auflistung der zu enteignenden Flächen verzeichnete rund drei Hektar Grundbesitz, die von diesem Vorgang eingeschlossen werden sollten. In der Praxis zogen sich die Enteignungsverfahren bis mindestens

200

Grenzverschiebung II

In der Nachkriegszeit etablierte sich neben den Schutzbemühungen eine grenzpolitisch motivierte Forschungstätigkeit, die die mittelalterlichen Anlagen systematisch erfassen, auswerten und in den Dienst der nationalen Kulturpolitik stellen sollte. Der eigens zu diesem Zweck vom Verband Schleswig-Holsteinischer Geschichtslehrer 1925 gegründete Danewerkausschuß etwa ordnete den Verteidigungswall als ein explizit deutsches Kulturerbes ein, welches im gesamten deutschen Territorium unvergleichbar sei: »Als ein gewaltiges Denkmal der Vorzeit unserer Schleswig-Holsteinischen Heimat, wie es wohl kein zweites der Art in Deutschland gibt, ragen die Reste des Dannewerks in unsere Zeit hinein.«255 In einem Forderungskatalog formulierte der Ausschuss Anfang 1926 daher das Ziel, über umfangreiche archäologische Ausgrabungen das Danewerk wissenschaftlich zu erschließen. Die Kategorisierung der Anlagen als frühhistorisches Zeugnis der schleswig-holsteinischen Geschichte bedeutete eine Indienstnahme des Kulturerbes zu nationalpolitischen Zwecken, die Rolle der dänischen Könige als die tatsächlichen Bauherren in der Entstehungsgeschichte des Danewerks und Haithabus wurde in dem Forderungskatalog des Ausschusses komplett verschwiegen. Stattdessen konzeptionierte das Komitee ein wissenschaftliches Programm, welches in Abgrenzung zur dänischen Archäologie die Geschichte der Anlagen aus einer deutschen Perspektive darstellen sollte. Die beschämende Tatsache, daß die Dänen in Nordschleswig mit größter Emsigkeit und Erfolg dem Boden Zeugnisse vorgeschichtlicher Zeit entreißen, welche die deutsche Wissenschaft ungehoben ließ, sollte uns nunmehr ein Ansporn sein, wenigstens in dem uns verbliebenen Teile gründliche Arbeit zu leisten. Erst wenn eine systematische Durchforschung des Dannewerkgebietes stattgefunden hat, wird es möglich sein, an Stelle des wenn auch verdienstvollen, so doch in manchem fraglichen Werke des Dänen Sophus Müller ein deutsches Werk zu setzen, das der geschichtlich so bedeutenden Anlagen würdig ist und der deutschen Wissenschaft zur Ehre gereicht.256

Die Grundlage dieser Forderung war die auch an anderer Stelle zu Beginn der 1920er Jahre in Schleswig-Holstein vertretene Überzeugung, dass eine unzureichende eigene nationale Kulturpolitik im Grenzland dazu geführt habe, dass sich die deutsche Bevölkerung der Region nun einer vermeintlichen dänischen Kulturoffensive gegenübersehe, die auf eine Eroberung ganz Schleswigs abzie1925 hin, da sich die Kreisbehörden zunächst nicht mit einzelnen Grundstücksbesitzern über die zu zahlenden Summen einigen konnten und die als schützenswert betrachteten Gebiete auch noch weiter ausgedehnt wurden. Aktenvermerk des Regierungspräsidiums vom 2. Juni 1925. LASH, Abt. 309. Nr. 21067. 255 Forderungen des Danerwerkausschusses zur Förderung der Danerwerkforschung. LASH, Abt. 301: Oberpräsidium und Provinzialrat der Provinz Schleswig-Holstein, Nr. 5513: Erhaltung des Danewerks/Kreis Schleswig. 256 Ebd.

Nationale Aneignung des mittelalterlichen Kulturerbes

201

le.257 Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Landesgeschichte und dem materiellen Kulturerbe, in diesem Fall mit dem Verteidigungswall und der Handelssiedlung, besaß aus diesem Grund eine vor allem nationalpolitische Funktion. Wie bereits 1923 vom Kieler Historiker Karl Alnor in seiner Denkschrift Die Aufgaben der deutschen Wissenschaft in der schleswigschen Frage skizziert, galt es aus Sicht des Historikers nun auch im Kontext vom Danewerk und der Siedlung Haithabu »eine breitangelegte wissenschaftliche Offensive einzuleiten und durchzuführen […].« Die Geschichte der schleswigschen Frage habe gezeigt, so Alnor in seinem Memorandum, »dass sie zu den politischen Fragen gehört, die immer im Zusammenhang mit einer parallel arbeitenden Wissenschaft vorwärts getrieben werden« müsse.258 Analog hierzu sah es der Danewerkausschuß als notwendig an, den Arbeiten des Archäologen Sophus Müller, der die Siedlung Haithabu Ende des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt hatte, eine Reihe an eigenen Publikationen entgegenzusetzen und umstrittene Aussagen der dänischen Forschung zu widerlegen.259 Entsprechend der großen wissenschaftlichen Bedeutung, die dem mittelalterlichen Kulturerbe in der Region bescheinigt wurde, bezeichnete das in Kiel ansässige Schleswig-Holsteinische Museum Vaterländischer Altertümer die umfassende Kartierung und archäologische Erschließung der Anlagen als Aufgaben, »die für die Zukunft eine der wichtigsten Arbeiten des Museums bilden werde […].«260 In Übereinstimmung mit dem Danewerkausschuß und dem Museum Vaterländischer Altertümer setzte sich der Magistrat der Stadt Schleswig für eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Danewerk ein und begründete dieses Engagement mit der nationalen und grenzpolitischen Bedeutung der Anlage für den deutschen Staat. In einem Schreiben an das preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung argumentierte der Magistrat Ende Februar 1928, dass das »langgedehnte Werk mit seinen verschiedenen Nebenwällen […] für die deutsche Nordmark aus archäologischen, wie aus nationalen Gründen eine hervorragende Bedeutung« habe. Umso beklagenswerter sei es, dass von wissenschaftlicher Seite seit Jahren nichts geschehe, um seine Entstehung und Zweckbestimmung zu klären. Aus diesem Grund sei immer noch die 1903 von Sophus Müller und Carl Neergaard her257 Vgl. Kap. III.1.d. 258 Denkschrift »Die Aufgaben der deutschen Wissenschaft in der schleswigschen Frage von Karl Alnor. S. 1 f. LASH, Abt: 309, Nr. 23057. 259 Forderungen des Danerwerkausschusses zur Förderung der Danerwerkforschung. LASH, Abt. 301, Nr. 5513. 260 Bericht über Sicherung und Ausgrabung des Museums vaterländischer Altertümer an der Oldenburg und am Danewerk vom 20. Februar 1926. S. 4. GA SlFl, Abt. Z 3: Zeitgeschichtliche Dokumentation des Kreises Schleswig-Flensburg, Nr. 306: Euroregion, Grenzpendler.

202

Grenzverschiebung II

ausgegebene dänische Studie Danevirke, arkæologisk undersøgt, beskrevet og tydet261 von grundlegender Bedeutung, »die aber nach allgemeiner Ansicht nicht nur von deutscher, sondern auch von dänischer Seite einer Revision dringend bedarf […].«262 Der Magistrat warb in seinem Schreiben an das preußische Wissenschaftsministerium vor allem mit der Bedeutung des Danewerks als »Völkerscheide« – als »limes danicus« – um die staatliche Unterstützung.263 Im Gegensatz zum Museum Vaterländischer Altertümer und dem Danewerkausschuß betonte die Stadt Schleswig die Relevanz der Anlagen auch für die dänische Seite. Aus diesem Grund sei es zwingend notwendig, dass »alle Fundstücke […] in der Nordmark zu verbleiben haben und dem in erster Linie für die Aufstellung dieser Altertümer in Betracht kommenden Museum der Stadt Schleswig überwiesen werden.«264 Über eine Ausstellung sollten die Artefakte und wissenschaftlichen Ergebnisse nach Ansicht des Magistrates zu grenzpolitischen Zwecken gegen Dänemark verwendet werden: Gerade das Schleswiger Museum kann am besten zu einem wichtigen Grenzmarkmuseum ausgebildet werden. Seine Sammlungen widerlegen am besten die so oft von dänischer Seite vorgebrachten Behauptungen, daß das, was an Werken der Kunst, des Kunsthandwerks und des bürgerlichen Lebens in der Nordmark, also im alten Herzogtum Schleswig, vorhanden ist, dänischen Ursprungs sei.265

Die Forderungen der regionalen Behörden und Kulturträger nach einer umfassenden wissenschaftlichen Aufarbeitung führten jedoch erst im September 1930 zur Wiederaufnahme der archäologischen Untersuchungen, die während des Ersten Weltkrieges aus Kostengründen eingestellt worden waren, durch das Kieler Museum Vaterländischer Altertümer. Die wissenschaftlichen Untersuchungen erfolgten entgegen der nationalpolitischen Vereinnahmung in den Jahren zuvor jedoch nicht ausschließlich durch deutsche Wissenschaftler, mit dem Historiker Vilhelm la Cour vertrat ein namhafter dänischer Historiker und Grenzkämpfer die dänische Seite,266 ebenso partizipierten schwedische und 261 Müller, Sophus/Neergaard, Carl. Danevirke, arkæologisk undersøgt, beskrevet og tydet af Sophus Müller og Carl Neergaard. Kopenhagen 1903. 262 Schreiben des Magistrats der Stadt Schleswig an den preußischen Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 21. Februar 1928. LASH, Abt. 309: Regierung zu Schleswig, Nr. 35770: Ausgrabungen in Haithabu. 263 »Ohne das Danewerk, den limes danicus, in seiner strategischen und kulturellen Bedeutung dem limes romanus gleichstellen zu wollen, ist diesseitigen Erachtens seine Eigenschaft als vorübergehende Völkerscheide in unserem deutschen Norden nahezu jener im Süden gleichbedeutend, sodaß es auf eine ähnliche Beachtung von Seiten der Wissenschaft Anspruch machen kann […].« Ebd. 264 Ebd. 265 Ebd. 266 Der Schleswiger, 23. Oktober 1930.

Nationale Aneignung des mittelalterlichen Kulturerbes

203

norwegische Frühhistoriker.267 Die deutsch-skandinavische Kooperation in den Grabungsarbeiten war analog zu der abnehmenden Intensität des Grenzkampfes die Voraussetzung für eine erneute Umdeutung des mittelalterlichen Kulturerbes Anfang der 1930er Jahre in der Region. So ordnete der Frühhistoriker Peter Paulsen in einem Beitrag für die Flensburger Nachrichten die Siedlung Haithabu in den transnationalen Kontext der Wikingerkultur ein und verglich den Ort an der deutsch-dänischen Grenze mit der ehemaligen Handelsstätte Birka unweit der schwedischen Hauptstadt Stockholm: Die bisherigen reichen Funde aus dem Gebiet der Oldenburg sind im Museum vaterländischer Altertümer zu Kiel in übersichtlicher Weise ausgestellt. Jedem, der sie eingehender betrachtet, drängt sich die Überzeugung auf, daß es hier sich um eine ganz eigenartige Kultur handelt, die vielleicht von den verschiedensten Seiten her Anregungen und Eindrücke durch fremde Kulturen empfangen, aber alles Aufgenommene in stärkster Weise sich zu eigen gemacht und selbständig ausgebildet hat. Es hat ein besonderes und kräftiges Volkstum im Umkreis der Oldenburg […] geblüht. Selbstverständlich haben wir es nicht mit der Kultur einer einzigen städtischen Anlage zu tun. Was in der Oldenburg dem Spaten des Forschers wieder zutage tritt gehört in einen größeren Kulturkreis. Das verbindende Glied ist die Stadt Birka in Schweden […].268

Paulsens explizite Darstellung der Geschichte Haithabus als Ergebnis vielfältiger kultureller Einflüsse, die zu der Entstehung einer originären Regionalkultur geführt hätten, stand im Kontrast zu den stark nationalisierten Evaluationen des mittelalterlichen Erbes nur wenige Jahre zuvor. Im Einklang mit dem Frühhistoriker Paulsen sahen weitere deutsche Grabungsteilnehmer, wie der Kieler Hochschulprofessor und Historiker Otto Scheel, die Siedlung als das Zeugnis einer europäischen Geschichte,269 das vom Aufeinandertreffen deutscher und dänischer Kulturkreisen zeugt. Der Direktor des Kieler Museums für Vaterländische Altertümer, Gustav Schwantes, bewertete das Danewerk und die Siedlung gar als den »größten und interessantesten Denkmäler-Komplex des gesamten Nordens […].« Insbesondere Haithabu habe wahrscheinlich als Vermittler zwischen dem dänischen und deutschen Kulturkreis gewirkt.270 Eine wichtige Rolle in diesen Positionen spielte die Einordnung der eigenen Kultur in einen nordeuropäischen Kontext, somit in die vermeintliche Erbfolge der Wikingerkultur des Mittelalters, der die schleswig-holsteinische Geschichte zu einem genuinen Zeugnis nordischer Wesensart werden ließ. Diese Deutung wiederum legte die Basis für eine nationale Aneignung der regionalen Geschichte. 267 Ausgrabungsbericht von Gustav Schwantes. LASH, Abt. 309, Nr. 35770. 268 Flensburger Nachrichten, 29. Oktober 1930. 269 »Der Weg über Haithabu war die europäische Handelsstraße geworden, die in Verbindung stand mit Birka und Dorpat.« In: Schleswiger Nachrichten, 25. September 1930. 270 »Vielleicht war Haithabu insbesondere ein Vermittler zwischen den Gebieten des karolingischen und nordischen Zierstils.« In: Der Schleswiger, 5. Oktober 1930.

204

Grenzverschiebung II

Eine grundlegende Ursache für den Ende der 1920er Jahre auf deutscher Seite vollzogenen Bewertungswandel lag an dem zunehmenden Arrangement mit der politischen Situation im Grenzraum. Zwar wurde der politische Anspruch auf Nordschleswig nicht aufgegeben, jedoch hatte sich die im Zuge der Volksabstimmung gefundene Grenzziehung trotz der intensiven politischen und kulturellen Agitation als haltbar erwiesen. Aufgrund des zeitlichen Abstandes besaßen 1930 grenzkämpferische Positionen, anders als zu Beginn der 1920er Jahre, nicht mehr dieselbe Durchschlagskraft. Trotz allem blieben sie im Kontext des mittelalterlichen Kulturerbes weiterhin an der Tagesordnung. So bat etwa der Magistrat der Stadt Schleswig im November 1930 den preußischen Minister für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung erneut darum, sich für einen Verbleib der Fundstücke in der Stadt einzusetzen, um der dänischen Kulturarbeit ein starkes »Deutschtum« entgegensetzen zu können.271 Vor allem aus touristischwirtschaftlichen, aber auch aus nationalpolitisch-grenzkulturellen Gründen sollte »das deutsche Atlantis«272 daher eine museale Darstellung in der Stadt Schleswig erhalten. Im Zuge einer Neukonzeption der städtischen Museumslandschaft beschloss der Magistrat 1932 aus diesem Grund, mithilfe des Kieler Museums für Vaterländische Altertümer im Günderothschen Hof, einem ehemaligen städtischen Adelssitz der gottorfischen Herzöge, und unter Leitung von Gustav Schwantes und dem Frühhistoriker Herbert Jankuhn, ein eigenes Haithabu-Museum einzurichten.273 271 »Eurer Hochwohlgeboren ist bekannt, welch schweren Kampf die Stadt Schleswig um ihr Deutschtum zu führen hat. Erst heute ist in Schleswig eine dänische Privatschule eröffnet, nachdem hier früher bereits ein dänisches Vereinshaus, ein dänischer Kindergarten und sonstige dänische Einrichtungen mit dem ausdrücklichen Ziele geschaffen sind, hier im Herzen der Nordmark ein Bollwerk für das Dänentum zu schaffen, um so Flensburg auch vom Süden her angreifen zu können. Immer festeren Fuß faßt das Dänentum in der alten deutschen Stadt Schleswig. Das beste Mittel aber, dies zu verhindern, ist, die Stadt Schleswig in ihrer wirtschaftlichen Notlage zu kräftigen, damit sie allen Anstürmen des Dänentums gegenüber gefeit ist.« Schreiben des Magistrats der Stadt Schleswig vom 15. November 1930. LASH, Abt. 309, Nr. 35770. 272 Hannoversche Kurier, 9. September 1932. 273 Deutsche Museums-Nachrichten; 5/1932. Der Schleswiger Stadtrat und Museumsvorsteher Röper hob 1935 in einer Darstellung der Museumsgeschichte die Intentionen zur Gründung des Haithabu-Museums hervor: »Die Suchgräben allein auf dem Grabungsgelände konnten den zahlreichen Besuchern keinen nachhaltigen Eindruck über die Bedeutung Haithabus vermitteln. Das Altertumsmuseum wurde wieder lebhafter, besonders wegen seines sogenannten Dannewerkszimmers, aufgesucht und gab diese vorhandene Aufstellung den Anstoß zu einer ersten großen deutschen Wikingerzeit-Ausstellung während des Ostseejahres 1931 in der Waisenhausschule am Dom. Der Erfolg dieser Ausstellung ermutigte den Magistrat zur Gründung eines besonderen Haithabu-Museums […]. Das neue HaithabuMuseum wurde […] begründet mit der Aufgabe, den zahlreichen Besuchern des Grabungsgeländes von Haithabu einen Überblick zu dem Stand der Forschung und über die Bedeutung Haithabus zu vermitteln.« Bericht über die »Entstehung und den Ausbau des Schleswig-Haithabu Museums« von Stadtrat Röper. GA SlFl, Abt. 16: Amt für Kultur und

Zwischenfazit

205

III.7. Zwischenfazit Die im Frühjahr 1920 durchgeführte Volksabstimmung und die daraus resultierende Grenzverschiebung stellten nach 1864 eine zweite große Zäsur in der Geschichte Schleswigs dar. Mit den neuen politischen und territorialen Verhältnissen gingen weitreichende Folgen für die regionale Wirtschaft, aber auch für das alltägliche Leben der Bevölkerung Nordschleswigs einher. In ihrer Konsequenz führte die Verlagerung der nationalen Scheidelinie die Entstehung von zwei nationalen Minderheiten nördlich und südlich der Grenze herbei. Bereits im Vorfeld des Plebiszits war es unter dem Einsatz großer finanzieller Mittel zu national geprägten kulturellen Auseinandersetzungen gekommen, die sich nach 1920 zu dem sogenannten Grenzkampf weiter entfalteten. Ähnlich wie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm hierbei die politische Instrumentalisierung des materiellen Kulturerbes eine Schlüsselstellung ein. So forderten zahlreiche regionale Vertreter des öffentlich-kulturellen Lebens in Schleswig-Holstein, wie etwa Ernst Sauermann vom Thaulow-Museum oder der Kieler Historiker Karl Alnor, eine national motivierte deutsche Kulturarbeit, um sich in der Region gegen eine vermeintliche dänische Kulturoffensive, mit dem Ziel einer weiteren Grenzrevision, behaupten zu können. In der Nachkriegszeit unterlag aus diesem Grund sowohl in Dänemark als auch in Schleswig-Holstein das materielle Kulturerbe einer grundlegenden Instrumentalisierung innerhalb des Grenzkampfes. Folgende zwei Aspekte spielten in diesem Kontext eine besondere Rolle: Erstens setzte nach der Grenzverschiebung in Nordschleswig eine Danisierung der regionalen Memorialtopographie ein, um die Verlagerung der nationalen Scheidelinie auch symbolisch darzustellen. Dazu gehörten einerseits die Entfernung zahlreicher schleswigholsteinischer Denkmäler, wie etwa der Doppeleichen, und andererseits die Errichtung eigener Monumente. Diese Entwicklung machte sich besonders an den Düppeler Schanzen bemerkbar, die im nationalen Selbstverständnis Dänemarks eine Schlüsselstellung einnahmen. An diesem Ort verliefen nicht nur die zentralen Vereinigungsfeierlichkeiten, sondern er war darüber hinaus der wichtigste Schauplatz einer dänischen Kulturpolitik, die die Grenzregion über die Memorialtopographie fest in den Staat eingliedern wollte. Das Denkmalprogramm zielte aus diesem Grund darauf ab, durch einen aktiven Gestaltungsprozess das Erinnerungsmonopol über den öffentlichen Raum zu erlangen. Am Beispiel der beiden Siegeszeichen Düppel- und Arnkiel-Denkmal, die nach dänischer Vorstellung gegen den Idstedt-Löwen eingetauscht werden sollten, zeigte

Wirtschaftsförderung 1820 – 1997, Nr. 101: Fotos, Skizze und Zeitungsartikel zum Thema Grabungen in Haithabu.

206

Grenzverschiebung II

sich jedoch, dass diese Politik aus Furcht vor dem südlichen Nachbarn nicht konsequent umgesetzt werden konnte. Der zweite zentrale Aspekt im Bereich des materiellen Kulturerbes stellte in Schleswig-Holstein eine im Anschluss an die Volksabstimmung einsetzende Nationalisierung der regionalen Kultur dar. In diesem Sinne erfuhren zahlreiche Monumente, aber auch die regionalen Museen und die Heimatschutzarchitektur, die in der Vorkriegszeit zuvorderst als Ausdruck einer regional eigenständigen Kultur gesehen wurden, eine politische Instrumentalisierung zu nationalen Zwecken. Dieser Wandel machte sich etwa im Kontext des Knivsbergs bemerkbar, der nach 1920, außerhalb der deutschen Staatsgrenzen liegend, zum Sammelpunkt für das nationale Bekenntnis der deutschen Minderheit in Nordschleswig wurde und die Hoffnung auf eine zukünftige Rückkehr ins Deutsche Reich symbolisierte. Die in der Vorkriegszeit mit dem Knivsberg und auch der Idstedt-Waffenkammer verbundene antiborussische Botschaft wurde nun zugunsten eines nationalen Narrativs fallen gelassen. Besonders der mit der Gedächtnishalle verknüpfte Idstedt-Mythos stand nach 1920 im Dienst der deutschen Grenzrevisionsforderungen und der nationalen Agitation gegen den Versailler Vertrag. Die zentrale Rolle, die der Museumspolitik von den schleswigholsteinischen Behörden zugesprochen wurde, war letztlich auch eine Reaktion auf eine breit angelegte dänische Museumsarbeit, die sich in der Gründung zahlreicher Heimatmuseen im Grenzraum niederschlug. Darüber hinaus stützte sich diese Überzeugung auf die Vorstellung, durch einen massiven kulturellen Einsatz die nationale Gesinnung der Bewohner der Region beeinflussen zu können und so die Basis für eine mögliche Grenzrevision zu legen. Entsprechend den theoretischen Arbeiten der Kulturwissenschaftler Malcolm Anderson und Sharon Macdonald bildete sich in den Jahren nach 1920 die Museumspolitik zu einem zentralen Schauplatz der nationalkulturellen deutsch-dänischen Auseinandersetzungen heraus. Im Kontext der Idstedt-Gedächtnishalle wurde dies besonders während der offiziellen Eröffnungsfeierlichkeiten im Juli 1930 deutlich: Exemplarisch zog der Schleswiger Schulrat Johannsen in seiner Ansprache Parallelen zwischen der zeitgenössischen Situation und den Ereignissen des Jahres 1864, aus denen sich Hoffnung für eine Revision des Versailler Vertrages schöpfen lasse. Bereits wenige Jahre nach der Grenzverschiebung besaßen die Ausstellungshalle und der Idstedt-Mythos nun eine primär national-innenpolitische Funktion, das vormals regional-segregative Element trat deutlich in den Hintergrund. Die Nationalisierung der schleswig-holsteinischen Kulturtopographie machte sich über den musealen Bereich und die Versammlungsstätte der deutschen Minderheit auf dem Knivsberg hinaus auch in weiteren Kontexten bemerkbar : So sollten etwa die wissenschaftlichen Grabungsarbeiten in Haithabu und am Danewerk den vermeintlich historischen Beleg für den deutschen

Zwischenfazit

207

Charakter der Region erbringen. Selbst die Denkmalpflege sollte nun nach dem Willen des neuen Provinzialkonservators Ernst Sauermann in den Dienst einer nationalen Kulturpolitik gestellt werden. Während sein Vorgänger Richard Haupt seine Arbeit vor allem unter pragmatischen Gesichtspunkten und einer großen Aufgeschlossenheit gegenüber der dänischen Denkmalpflege verrichtet hatte, strebte Ernst Sauermann nach seiner Amtseinführung 1924 die nationale Indienstnahme der denkmalpflegerischen Arbeit an. Bereits in seiner Tätigkeit als Herausgeber des Schleswig-Holsteinischen Kunstkalenders und in seiner Funktion als Leiter des Kieler Thaulow-Museums hatte Sauermann versucht, den Schutz des baukulturellen Erbes politisch zu instrumentalisieren. Dies scheiterte letztlich an der zwar verbesserten, aber immer noch unzureichenden finanziellen Ausstattung des Amtes sowie den fehlenden gesetzlichen Grundlagen, die hinter den Regelungen in Dänemark zurückblieben. Durch das im März 1918 erlassene Lov om Bygningsfredning gab es dahingegen in dem skandinavischen Staat ein weitreichendes Gesetz, welches die Belange der Denkmalpflege regelte. Dies führte in der praktischen Umsetzung jedoch nicht zu ihrer politischen Instrumentalisierung in Dänemark. Ein wesentlicher Grund hierfür lag an dem im Gesetz verankerten Alterskriterium von einhundert Jahren als Voraussetzung für die denkmalschutzrechtliche Erfassung, so dass es nur diejenigen nordschleswigschen Bauwerke betraf, die in einer Zeit entstanden waren, als die nationalen Konflikte in der Region noch keine Rolle spielten. Im Gegensatz hierzu nahm in der Nachkriegszeit das heimatliche Bauen und das vorindustrielle Bauerbe der Region eine wesentliche Rolle in den nationalen Auseinandersetzungen ein. Über die Heimatschutzarchitektur deklarierten beide Seiten ihren Anspruch auf die Region, das heimatliche Bauen galt demgemäß als Indikator für die nationale Zugehörigkeit Schleswigs. Die weiterhin vorhandenen architektonischen Überschneidungen und gemeinsamen Wurzeln des schleswig-holsteinischen und des dänischen Heimatschutzstils waren für diese Instrumentalisierung hinderlich und wurden dementsprechend verdrängt. In der Praxis offenbarten sich jedoch zahlreiche personelle und stilistische Kontinuitäten, so dass entgegen allen vom Grenzkampf beeinflussten Behauptungen die Heimatschutzarchitektur nördlich und südlich der Grenze weiterhin große Parallelen aufwies. Die Zäsur der Volksabstimmung und der Grenzverschiebung 1920 führte im Vergleich mit der Vorkriegszeit zu zahlreichen Brüchen im Umgang mit dem materiellen Kulturerbe der Region Sønderjylland/Schleswig. So unterlag die Kulturtopographie nördlich der Grenze einer umfassenden Danisierung, währenddessen kam es in Schleswig-Holstein zu einer Nationalisierung des kulturellen Erbes. Zugleich ergaben sich vor allem auf personeller Ebene, aber etwa auch im Bereich der Heimatschutzarchitektur zahlreichen Kontinuitäten, die trotz der nationalen Instrumentalisierung bestehen blieben. Die Analyse der

208

Grenzverschiebung II

Diskussionen und Praktiken hat darüber hinaus den Befund erhärtet, dass die Grenzregion ihre zentrale politische Bedeutung für die Entwicklung und die Tradierung der nationalen Identität Dänemarks in der Nachkriegszeit behielt. So stellte das Abstimmungsergebnis des Plebiszites 1920 ein wichtiges Ereignis für den dänischen Staat dar. Zwar war das Votum der Flensburger Bürger für eine Zugehörigkeit zum Deutschen Reich eine Enttäuschung, zugleich verband sich mit der Rückgewinnung Nordschleswigs die Kompensation des 1864 erlittenen Traumas. In den kulturellen Auseinandersetzungen mit dem deutschen Nachbarn definierte sich die nationale Identität gerade durch das Kulturerbe der Grenzregion. Im Gegensatz hierzu büßte Schleswig-Holstein für das Deutsche Reich an nationaler Relevanz ein. Zwar verdrängten einerseits nationale Sinnzusammenhänge die regionalen Narrative, andererseits verloren etwa die Siegeszeichen auf Düppel und Arnkiel an nationaler Bedeutung. Angesichts der großen Gebietsverluste infolge des Versailler Vertrages besaß die Region für das Deutsche Reich im Vergleich mit anderen Grenzräumen eine eher untergeordnete Bedeutung, so dass die Nationalisierung in erster Linie auf die regionalen Eliten zurückzuführen ist, die im Kontext der grenzkulturellen Auseinandersetzungen ihrer deutschen Identität Ausdruck verleihen wollten.

IV. Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

IV.1. Schleswig im Nationalsozialismus IV.1.a. Machtergreifung, Gleichschaltung und politische Agitation Nach der Volksabstimmung 1920 beherrschte die Nordschleswigfrage die Politik im Grenzraum. Über die Minderheiten behielt das Thema auch nach 1930 auf beiden Seiten der Grenze eine aktuelle Relevanz, auch wenn die politische Agitation Schleswig-Holsteins und Dänemarks allmählich abnahm. Infolge der nationalsozialistischen Machtergreifung1 am 30. Januar 1933 durch die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler kam es zu einem dramatischen gesellschaftlichen Wandel,2 der sich auch deutlich auf die Frage der nationalen Grenzziehung in Schleswig auswirkte. Der zäsurhafte Charakter der Ereignisse wirkte sich besonders stark auf die Minderheitenarbeit auf beiden Seiten der deutsch-dänischen Grenze aus. Bereits bei den Reichstagswahlen im Juni und November 1932 hatte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) in Schleswig-Holstein eine absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten und durch politischen Druck auf Reichskanzler Franz von Papen einen Austausch des politischen Führungspersonals der preußischen Provinz erzwingen können. Nach den Reichstagswahlen am 5. März 1933, die die nationalsozialistische Machtübernahme legitimieren sollten, und die in Schleswig-Holstein zu einem reichsweit überdurchschnittlich hohem Ergebnis 1 In der Historiographie wird der Terminus »Machtergreifung« seit den 1980er Jahren zunehmend durch die Begriffe »Machtübergabe« und »Machtübernahme« ersetzt. So suggeriert der Terminus einen Vorgang, der ohne die Unterstützung des Volkes vonstatten ging und deswegen außerhalb rechtsstaatlicher Strukturen verlief. Im Folgenden wird der Begriff verwendet, da er im öffentlichen Diskurs weiterhin gängig ist. Vgl. Frei, Norbert. »Machtergreifung«. Anmerkungen zu einem historischen Begriff. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte; 31,1 (1983). S. 136 – 145. 2 Siehe hierzu auch: Hoffmann, Erich/Wulf, Peter (Hrsg.). »Wir bauen das Reich«. Aufstieg und erste Herrschaftsjahre des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein. Neumünster 1983; Quellen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, 1986. S. 69 – 86.

210

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

von 53,3 Prozent der abgegebenen Stimmen führten,3 erfolgte im Gleichklang mit der Entwicklung in ganz Deutschland die Gleichschaltung des politischen und öffentlichen Lebens in der Region.4 Die deutsche Volksgruppe und deren kulturelle Organisationen in Nordschleswig waren im Gegensatz zu der schleswig-holsteinischen Bevölkerung bis Anfang des Jahres 1933 nur in einem geringen Grad nazifiziert, die NS-Bewegung spielte nahezu keine Rolle.5 Die deutschgesinnten Bewohner der Region hatten sich mit dem dänischen Staat und der politischen Situation seit dem Ende der 1920er Jahre zunehmend arrangiert. Erst die nationalsozialistische Machtergreifung initiierte eine Renaissance der Grenzrevisionsbestrebungen und führte zu einer raschen Selbstgleichschaltung des kulturellen und politischen Lebens der Minderheit. Bereits am 24. Februar 1933 wurde die wiedererwachte kämpferische Tätigkeit in einer Ansprache des grenzpolitischen Sprechers der schleswig-holsteinischen NSDAP, Pastor Johan Peperkorn, im Deutschen Haus in Flensburg deutlich. Seine an den dänischen Nachbarstaat gerichteten Worte verkündeten die von schleswigholsteinischer Seite angestrebte Rückgewinnung Nordschleswigs, die seiner Ansicht nach durch das historische Recht legitimiert sei: Wir können und wir werden warten, bis der Blutsbruder aus dem Norden kommt und nach unserer Hand greift. […] Wir können warten, wir warten aber mit zusammengebissenen Zähnen. […] Deutschland hat ein Recht an dieses Land, weil wir als Volk darum Leid und Not im Krieg und unter dem Versailler Diktat getragen haben.6

Nur einen Monat später, am 85. Jahrestag der schleswig-holsteinischen Erhebung, legte der Flensburger Bürgermeister und neue Vorsitzende des SchleswigHolsteiner Bundes, Wilhelm Sievers, nach und stellte in einem programmatischen Vortrag die Ziele Deutschlands im Grenzraum dar : Wir wollen Nordschleswig wieder haben! Unsere Aufgabe innerhalb der deutschen Erhebung liegt klar vor uns: Das Unrecht, das man uns von 1919 bis 1920 unter den Bajonetten fremder Länder zufügte, ist wieder gutzumachen; die Grenze, die man im Norden mitten durch unsere Heimat zog, muß einer neuen Entscheidung weichen.7 3 Wulf, Peter. Zustimmung, Mitmachen, Verfolgung und Widerstand – Schleswig-Holstein in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Lange, Ulrich. Geschichte Schleswig-Holsteins von den Anfängen bis zur Gegenwart. Neumünster 1996. S. 553 – 589, hier S. 553; Becker-Christensen, Fra »mod hinanden« til »med hinanden«, 2009. S. 319 f. 4 Zur Gleichschaltung der schleswig-holsteinischen Provinzialverwaltung und -behörden siehe Wulf, Zustimmung, 1996. S. 553 ff. 5 Danker, Uwe. Einleitung. In: Bohn, Robert/Danker, Uwe/Kühl, Jørgen (Hrsg.). Zwischen Hoffnung, Anpassung und Bedrängung. Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzraum in der NS-Zeit (IZRG-Schriftenreihe; 4). Bielefeld 2001. S. 13 – 37, S. 24. 6 Zit. nach: Festersen, Jürgen. Der Kulturkampf in Nordschleswig in den 1930er Jahren. Kiel 1998. S. 23. 7 Zit. nach: Hopp, Peter/Mogensen, Carsten. Ostersturm, P”skeblæsten 1933 (Quellen zur Geschichte der deutsch-dänischen Grenzregion, 2). Flensburg 1983. S. 44.

Schleswig im Nationalsozialismus

211

Als politisches Fanal lösten die Reden von Peperkorn und Sievers einen regelrechten »Nazifizierungsrausch«8 der deutschen Minderheit jenseits der Grenze aus. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung und der raschen Etablierung der NS-Strukturen innerhalb der Bevölkerungsgruppe verband sich die Hoffnung auf eine Grenzrevision und die Wiedervereinigung der Provinz Nordschleswig mit dem Reich. Die Gleichschaltung der Strukturen der Minderheit erfolgte in enger Zusammenarbeit mit Wilhelm Sievers und dem neuen schleswig-holsteinischen Gauleiter und Oberpräsidenten Hinrich Lohse. Der Historiker Jürgen Festersen sieht in den Auseinandersetzungen in der Bevölkerungsgruppe um die politische Vormacht zwischen der NS-Bewegung einerseits und den Anhängern von Pastor Johannes Schmidt-Wodder und seinem Schleswigschen Wählerverein andererseits das bestimmende Element der Nazifizierung der Volksgruppe in den Jahren bis 1935.9 Der in Anlehnung an die frühen 1920er Jahre in den Monaten nach der Machtergreifung von lokalen Vertretern geführte Grenzkampf – der so genannte Ostersturm10 – erfuhr durch die Reichsregierung jedoch keine offizielle Unterstützung. Angesichts der starken nationalen Reaktionen, die die politischen Agitationen in Dänemark auslösten,11 sorgte sich die Reichsregierung in Berlin um das Verhältnis zum als germanischen Bruderstaat deklarierten Nachbarn. Ein möglicher nationalpolitisch motivierter Konflikt an der deutsch-dänischen Grenze war nicht im Interesse der nationalsozialistischen Reichsregierung. Dies lag vor allem in der in jenen Jahren weitverbreiteten Vorstellung begründet, die der schleswigschen Region die Rolle einer natürlichen Brücke zwischen Deutschland und Skandinavien zusprach.12 Einerseits strebte man eine Revision der Grenzziehung, die als Teil des »Diktatfriedens« von Versailles entstanden war, an. Andererseits sei »der Wille zur Freundschaft zwischen Norden und Süden [stärker] als die Erinnerung an ein Unrecht, das, wie wir hoffen, einmal in freundschaftlicher Besprechung behoben werden wird«,13 betonte der Kieler Germanist Hans-Friedrich Blunck in jenen Jahren. Die Berliner Regierungsstellen respektierten die Grenze sowie die Rechte der nationalen Minderheit und 8 Festersen, Kulturkampf, 1998. S. 25. 9 Ebd. S. 25 f. Vgl. auch: Becker-Christensen, Fra »mod hinanden« til »med hinanden«, 2009. S. 323 f. 10 Der Terminus »Ostersturm« (im dänischen »P”skeblæsten«) kennzeichnet die Grenzkampagne deutschgesinnter Schleswiger-Holsteiner infolge der nationalsozialistischen Machtübernahme. Zentrale Personen dieser politischen Offensive waren die bereits zuvor erwähnten Sievers und Lohse. Zum Ostersturm siehe: Hopp/Mogensen, Ostersturm, 1983. 11 Festersen, Kulturkampf, 1998. S. 28 f.; Becker-Christensen, Fra »mod hinanden« til »med hinanden«, 2009. S. 332 ff. 12 Lutzhöft, Hans-Jürgen. Der Nordische Gedanke in Deutschland 1920 – 1940 (Kieler Historische Studien; 14). Diss. Stuttgart 1971. S. 240. 13 Zit. nach: Ebd. S. 241.

212

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

intervenierten in der Nordschleswigfrage mit dem Ziel, den Ostersturm zu beenden.14 Das an dieser Stelle deutlich werdende Primat der Außen- gegenüber der Minderheitenpolitik sollte in den Folgejahren durch das Fehlen einer einheitlichen Linie in der Grenzfrage seine Bestätigung finden.15 Zugleich stellte die deutsch-dänische Grenze die nationalsozialistischen Machthaber vor das Dilemma, dass zwei unterschiedliche, elementare Interessen miteinander kollidierten: Auf der einen Seite galt es, eine Eskalation in der Grenzfrage angesichts der außenpolitischen und rassebiologischen Überlegungen zu verhindern. Auf der anderen Seite stand diesen Zielen der in der Bevölkerung populäre Wunsch nach einer Rückgewinnung der Region gegenüber. So erfolgte auch in anderen deutschen Grenzräumen eine Einbindung der Minderheiten in die grenzpolitischen Agitationen, um jene Regionen zurückzugewinnen. Eine Konsequenz dieser problematischen Situation war eine widersprüchliche Politik, die einerseits aus Beschwichtigungen der deutschen Regierungsstellen betreffend der Grenzfrage bestand, die andererseits gleichzeitig die lokalen Vertreter einer revisionistischen Position an einer »langen Leine« hielt und wiederholt, im Endeffekt ergebnislose Kampagnen zuließ.16 Dies war möglich, da es lediglich zu politischen Absichtsbekundungen, aber zu keiner offiziellen Bestätigung der Grenze von Seiten der Reichsregierung kam. Angesichts der raschen Gleichschaltung der deutschen Bevölkerungsgruppe in Nordschleswig sowie deren Kampagne gegen die im Versailler Vertrag getroffene Grenzregelung entstand in Dänemark eine nationale Gegenbewegung. Die Gründung zahlreicher kultureller Organisationen, Vereine und Netzwerke wie Die dänische Gemeinschaft (Det Danske Samfund) sowie gesetzliche Regelungen, wie etwa ein Uniformierungsverbot, standen im Kontext der nationalen Mobilisierung eines Gegengewichtes zu der politischen Arbeit der deutschen Minderheit.17 An großen Versammlungen, Volkstreffen und Resolutionen nahmen zehntausende Dänen teil, die der Überzeugung, »dass unsere Grenze unverrückbar fest liegt«, Ausdruck geben wollten.18 Die Wiederaufnahme des Grenzkampfes drehte sich vor allem um kulturelle, aber auch um ökonomische Fragen, sowie den Versuch, vermeintlich national unentschlossene Bevölkerungsgruppen – die so genannten »Blakkede« – für die eigene Sache zu gewinnen.

14 Wulf, Zustimmung, Mitmachen, Verfolgung und Widerstand, 1996. S. 566 f. 15 Runge, Johann. Die dänische Minderheit in Südschleswig. In: Hansen, Reimer u. a. (Hrsg.). Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzbereich (Gegenwartsfragen; 69). Kiel 1993. S. 73 – 158, hier S. 115 f. 16 Danker, Einleitung, 2001. S. 25. 17 Becker-Christensen, Fra »mod hinanden« til »med hinanden«, 2009. S. 329 ff. 18 Ebd. S. 329.

Schleswig im Nationalsozialismus

213

Neben den Auseinandersetzungen zwischen der dänischern Mehrheits- und der deutschen Minderheitsbevölkerung war Dänemark ebenfalls mit der Gleichschaltungsproblematik im Deutschen Reich konfrontiert. Die Zwangsmitgliedschaften für Vereine, Institutionen und Organisationen in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) beziehungsweise im Reichsnährstand stellten eine starke Einflussnahme auf die Ausübung der kulturellen und politischen Tätigkeit der dänischen Minderheit dar. Zahlreiche mit der Zeit zunehmende Repressalien, wie ein Verbot bestimmter Presseorgane oder die Verweigerung von Sozialleistungen, führten zu einer weiteren Einschränkung der Arbeit der dänischen Volksgruppe.19 Vor allem das Schulwesen ermöglichte es der dänischen Bevölkerungsgruppe, entgegen allen Behinderungsversuchen durch regionale NSDAP-Instanzen, ihre Eigenständigkeit zu bewahren und durch die Pflege von Sprache und Kultur den Kontakt zum dänischen Staat aufrechtzuerhalten.20 Sowohl die dänische Bevölkerungsgruppe als auch die Regierung in Kopenhagen versuchten in Schleswig, durch eine bewusst neutral geführte Politik und Zurückhaltung gegenüber dem Deutschen Reich weitere Verschärfungen zu verhindern. Dies hatte zur Folge, dass sich die dänische Regierung auch in für die Minderheit bedrohlichen Situationen – wie beispielsweise während des Ostersturms – weitestgehend mit Stellungnahmen zurückhielt und eine aus den historischen Erfahrungen des 19. Jahrhunderts abgeleitete Neutralität vertrat.21 Darüber hinaus war sich die dänische Regierung der Tatsache bewusst, dass das deutsche Bekenntnis zur Grenzfrage jederzeit revidiert und dem regionalen Streben nach einer Verschiebung stattgegeben werden könne. Vor diesem Hintergrund orientierte sich die Politik Dänemarks an der Notwendigkeit, Deutschland keinen Anlass zu einer Intervention in dänische Angelegenheiten zu liefern und die Souveränität des Landes oder die relative Freiheit der dänischen Minderheit in Schleswig zu gefährden.22 Dass die dänische Regierung in ihrer Einschätzung der Lage nicht völlig falsch lag, belegt die weitere politische Entwicklung innerhalb der deutschen Minderheit: Nach den anfänglichen internen Machtkämpfen zwischen dem Schleswigschen Wählerverein und den diversen miteinander konkurrierenden, nationalsozialistischen Organisationen gelang es der Nationalsozialistischen 19 Wulf, Zustimmung, Mitmachen, Verfolgung und Widerstand, 1996. S. 567 f. Siehe zur Lage der dänischen Minderheit in Schleswig auch: Mogensen, Carsten R. (Hrsg.). Dansk i hagekorsets skygge. Det tredie rige og det dansk mindretal i Sydslesvig 1933 – 1939. Flensburg 1981; Noack, mindretal, 1989. 20 Wulf, Zustimmung, Mitmachen, Verfolgung und Widerstand, 1996. S. 567. Die dänischen Privatschulen waren nicht der Gleichschaltung unterworfen und konnten auf diese Weise den Unterricht nach eigenen Lehrplänen gestalten. Runge, Die dänische Minderheit, 1993. S. 116. 21 Vgl. Kap. I.1. 22 Runge, Die dänische Minderheit, 1993. S. 116.

214

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

Deutschen Arbeiterpartei Nordschleswig (NSDAP-N) unter der Führung des promovierten Tierarztes Jens Møller in den Jahren zwischen 1935 und 1938, die Macht innerhalb der Volksgruppe an sich zu reißen.23 Møller vertrat die Ansicht, dass ohne eine »Bereinigung der Grenzfrage […] Nordschleswig nicht zur Ruhe« kommen werde und forderte in seinen Reden wiederholt die Reichsregierung und Adolf Hitler auf: »Führer, mach uns frei!«24 Vor allem die Eingliederungen des Sudetenlandes, des Memel-Gebietes und Danzigs in das Deutsche Reich löste innerhalb der deutschen Volksgruppe und bei regionalen schleswig-holsteinischen Vertretern der revisionistischen Position große Hoffnungen auf einen ähnlichen Vorgang im deutsch-dänischen Grenzgebiet aus. Dies führte dazu, dass Dänemark als einziges der drei skandinavischen Länder Ende Mai 1939 einen von Hitler angebotenen Nichtangriffspakt in der Annahme ratifizierte, dass eine Ablehnung die Grenzfrage erneut auf die Tagesordnung bringen würde und nur so der befürchtete Territorialverlust vermieden werden könne.25

IV.1.b. Besetzung, Kollaboration, Widerstand (1940 – 1945) War die nationalsozialistische Machtergreifung bereits der Anlass für einen grundlegenden Wandel des deutsch-dänischen Verhältnisses, bestätigten sich mit dem Einmarsch der Wehrmacht im Zuge der Unternehmen Weserübung am 9. April 1940 die dänischen Befürchtungen.26 Zeitgleich mit der Überschreitung der Grenze forderte die Reichsregierung Dänemark in einem Memorandum dazu auf, sämtlichen Widerstand einzustellen und sich unter das Protektorat des Deutschen Reichs zu begeben. Im Gegenzug wurde garantiert, dass »Deutschland nicht die Absicht hat, durch seine Maßnahmen die territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit des Königreichs Dänemark jetzt oder in Zukunft anzutasten.«27 Die Zusicherung der territorialen Integrität sowie die von dänischer Seite hieraus abgeleitete Hoffnung auf eine Anerkennung der Grenze führten zu der Annahme des Memorandums durch König Christian X. und seine 23 Becker-Christensen, Henrik. Det tyske mindretal og grænserevisionskravet i mellemkrigstiden. In: Ders. (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. S. 65 – 78, hier S. 75 f. 24 Zit. nach: Ebd. S. 76. 25 Becker-Christensen, , Fra »mod hinanden« til »med hinanden«, 2009. S. 334. 26 Das militärische Ziel der Unternehmen Weserübung war einerseits die Besetzung norwegischer Häfen, um eine Seeblockade durch England zu vermeiden, sowie andererseits die Eisenerz-Versorgung für die deutsche Rüstungsindustrie aus Norwegen zu sichern. Aus militärstrategischen Gründen erfolgten Teile der Invasion über das Territorium Dänemarks. 27 Zit. nach: Kristensen, Henrik Skov. Der 9. April 1940, die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig und die Grenzfrage. In: Demokratische Geschichte; 16 (2004). S. 155 – 169, hier S. 157.

Schleswig im Nationalsozialismus

215

Regierung.28 Der dänische Historiker Henrik Skov Kristensen deutet in diesem Kontext die historische Erfahrung und das nationale Trauma aus den Jahren der deutschen Herrschaft über Nordschleswig zwischen den Jahren 1864 und 1920 als elementar für die Entschlussfindung.29 Auf Seiten der deutschen Minderheit, die angesichts einer erwarteten Grenzrevision in den vorangegangenen Jahren deutlich an Selbstbewusstsein gewonnen hatte, schienen sich mit dem Einmarsch der Wehrmacht die Hoffnungen zu erfüllen. Da die nationalsozialistische Regierung in Berlin jedoch keinen nationalen Konflikt an der deutsch-dänischen Grenze wünschte, gab das Außenministerium noch am 9. April die Direktive aus, dass die Grenzfrage mit der deutschen Volksgruppe nicht erörtert werden dürfe. Darüber hinaus wurde der Minderheit übermittelt, dass erstens nationale Provokationen vermieden werden sollten, zweitens freundliche Begrüßungen, aber »keine Verbrüderungsfeiern« gegenüber der Wehrmacht erwünscht waren sowie drittens eine Unterstützung der Minderheit aus Deutschland weiterhin nur in diskreter Form erfolgen werde.30 Anders als in anderen deutschen Grenzregionen – wie beispielsweise dem Sudentenland – setzte die nationalsozialistische Regierung aus außenpolitischen Erwägungen alles daran, am Status quo der Grenzziehung und der Selbständigkeit des dänischen Staates keine Zweifel aufkommen zu lassen. Bereits einen Tag nach dem Einmarsch der Wehrmacht nahmen dänische Beamte die Grenzkontroll- und Zollarbeit wieder auf – ein wichtiges psychologisches Zeichen nationalstaatlicher Souveränität.31 Die Zusicherung der dänischen territorialen Integrität sowie der innenpolitischen Souveränität durch die Reichsregierung stieß trotz der Berliner Einflussnahme in den Reihen der deutschen Minderheit auf nur wenig Beachtung und wurde immer wieder hinterfragt. So kam es am 9. April 1940 angesichts des Einmarsches der Wehrmacht zu zahlreichen pro-deutschen Demonstrationen und Willensbekundungen bezüglich einer Revision der deutsch-dänischen Grenze.32 Diese Bestrebungen fanden nach den deutschen Siegen über die Niederlande, Belgien und Frankreich sowie der Eingliederung der Region EupenMalmedys, welche im Versailler Vertrag Belgien zugeschlagen worden war, im Juni des Jahres neue Hoffnung. Erst ein Treffen der Volksgruppenführung mit Vertretern des deutschen Außenministeriums Anfang Dezember 1940 in Berlin 28 Norwegen, Belgien und die Niederlande erhielten identische Memoranden, die sie jedoch ablehnten. Im Falle Belgiens führte dies unter anderem zur deutschen Annexion der Grenzregion Eupen-Malmedy. 29 Kristensen, 9. April 1940, 2004. S. 159. 30 Kristensen, 9. April 1940, 2004. S. 162. 31 Kristensen, Henrik Skov. Grænsen og besættelsen. In: Becker-Christensen, Henrik (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. S. 79 – 109, hier S. 86 f. 32 Vgl. ebd. S. 87 ff.

216

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

führte zu der weitestgehenden Einstellung der nationalen Grenzrevisionsagitation der Minderheit. Mit dem Verweis auf den »Großgermanischen Gedanken« und den »gesamtdeutschen Schicksalskampf« wurde den nordschleswigschen Abgesandten eine politische Annäherung an die dänischen Nationalsozialisten nahegelegt33 sowie die Frage der Grenzführung auf die Zeit nach dem Krieg verschoben: »Gerade die Volksgruppe ist heute im Grenzland die stärkste Trägerin der weltanschaulichen Idee unseres Führers und seines Kampfes für eine europäische Neugestaltung […].«34 Insbesondere den Führer des NSDAP-N, Jens Møller, brachte der Widerspruch aus aggressiver Grenzrevisionsrhetorik einerseits und der von der nationalsozialistischen Regierung aufoktroyierten, tatsächlichen Zurückhaltung andererseits in Bedrängnis und führte zu seiner politischen Schwächung innerhalb der Minderheit. Dahingegen bedeutete die deutsche Besatzung Dänemarks für die dänische Minderheit in Schleswig zunächst keine großen Veränderungen. Trotz aller Einschüchterungsmaßnahmen und Repressalien der Vorkriegszeit, aber auch während der deutschen Besatzung besaß sie in der Ausübung ihrer Tätigkeit nach dem 9. April 1940, verglichen mit anderen nationalen Minderheiten, noch eine relative kulturelle Bewegungsfreiheit.35 Angesichts der Haltung der deutschen Volksgruppe sowie der Zweifel über die Endgültigkeit der Position der Reichsregierung in der Grenzfrage versuchte Dänemark weiterhin, durch eine Politik der Neutralität und der Zusammenarbeit mit den deutschen »Schutzbehörden« jeglichen Anlass für eine mögliche Intervention und einer damit verbundenen Grenzrevision zu vermeiden. Eine dänische Regierungsumbildung am 8. Juli 1940 legte hierfür die Grundlage. So nahm etwa der dänische Außenminister Eric Scavenius an Verhandlungen über eine Währungs- und Zollunion mit Deutschland teil. Die Regierungslinie der Zusammenarbeitspolitik erfuhr in den ersten Jahren im gesamten Staat, vor allem aber unter nordschleswigschen Politikern und Vertretern von Det Danske Samfund – unabhängig von deren ideologischer Ausrichtung – Unterstützung. Diese so genannte demokratische Sammlungsbewegung unter dem erzwungenen deutschen Protektorat ging einher mit einer Manifestierung eines nationalen Zusammenhaltes in Form zahlreicher (informeller) Netzwerke und gemeinsam begangener Feste wie dem 70. Geburtstag von König Christian X. am 26. Sep-

33 »Alle Kräfte, die sich der deutsch-dänischen Zusammenarbeit im Sinne der vom Reich aus entfalteten Bestrebungen positiv stellen, sind in ihrer Arbeit zu unterstützen […].« Zit. nach: Kristensen, 9. April 1940, 2004. S. 168. 34 Zit. nach: Ebd. 35 Der Historiker Johann Runge konstatierte, dass die »dänische Minderheit als Organisation […] in den Jahren des Dritten Reichs nicht gefährdet [war].« Runge, Die dänische Minderheit, 1993. S. 117.

Schleswig im Nationalsozialismus

217

tember 1940.36 Letztlich war die Zusammenarbeitspolitik der Notwendigkeit geschuldet, sich mit der Besatzungsmacht arrangieren zu müssen. Der Historiker Matthias Bath hat dargelegt, dass diese Position in den Fällen, die die staatliche Eigenständigkeit betrafen, ihre Grenzen besaß. Vor allem in innenpolitischen Fragen, wie einer mögliche Regierungsbeteiligung des dänischen Ablegers der NSDAP, der Dänischen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (Danmarks Nationalsocialistiske Arbejderparti, DNSAP), der Bekämpfung ihrer politischer Agitation durch die Polizei oder der geheimen Zusammenarbeit des Militärnachrichtendienstes mit Großbritannien, opponierte die dänische Regierung gegen die Vorstellungen Deutschlands.37 Die breite Zustimmung der Bevölkerung zur staatlichen Zusammenarbeitspolitik hielt sich bis zum Frühjahr 1943. Im Kontext der deutschen Kriegsniederlagen von El Alamein und Stalingrad und dem damit verbundenen Wendepunkt der militärischen Auseinandersetzungen verbreitete sich in Dänemark die Hoffnung auf einen raschen Siegeszug der Alliierten, der auch den dänischen Staat aus seiner Situation befreien würde. In der Folge kam es zu zahlreichen antideutschen Demonstration, aus denen sich nach und nach eine Widerstandsbewegung entwickelte.38 Als Reaktion auf das Ende der Zusammenarbeitspolitik sowie der deutlichen Stellungnahmen der dänischen Bevölkerung gegen die deutsche Besatzungsmacht übernahm Deutschland am 29. August 1943 endgültig die Macht in Dänemark, entwaffnete die dänische Armee und stellte König Christian X. unter ihren »Schutz«. Als der Zweite Weltkrieg sein Ende nahm, war die deutsch-dänische Grenze die einzige des Versailler Vertrages, die auch in den Jahren des Nationalsozialismus ihre Gültigkeit behalten hatte und nicht revidiert wurde. Trotz der Besetzung durch die Wehrmacht konnte Dänemark seine primären Ziele, die Sicherung der staatlichen Souveränität und der territorialen Integrität, durch ihre anfängliche Kollaborationspolitik erreichen, auch wenn sich mit den Jahren zwischen 1940 und 1945 zahlreiche Leiden für die Bevölkerung verbanden.

36 Becker-Christensen, Fra »mod hinanden« til »med hinanden«, 2009. S. 342. 37 Bath, Matthias. Danebrog gegen Hakenkreuz. Der Widerstand in Dänemark 1940 – 1945. Neumünster 2011. S. 34 f. 38 Zum Widerstand in Dänemark siehe: Bath, Danebrog gegen Hakenkreuz, 2011.

218

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

IV.2. Der großgermanische Gedanke und die Suche nach einem gemeinsamen deutsch-dänischen Kulturerbe IV.2.a. Deutschland und der »Norden« Die Vorstellung einer nordischen beziehungsweise germanischen Gemeinschaft war ein grundlegender Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie. Im Anschluss an die nationalsozialistische Machtübernahme entwickelte sich der »nordische Gedanke«, in dem sich rassische Vorstellungen von Stärke, Schönheit und Reinheit widerspiegelten, zu einem zentralen Moment der deutschen Außen- und Kulturpolitik gegenüber Dänemark und den anderen skandinavischen Staaten.39 Im Zuge der Gleichschaltung des öffentlichen Lebens im Dritten Reich erfüllte die staatlich gelenkte Kulturpropaganda wesentliche Aufgaben in der Festigung des NS-Herrschaftssystems sowie in der Vermittlung des nationalsozialistischen Weltbildes. Die Ideologie des nordischen Gedankens proklamierte in diesem Kontext eine rassische, (nord-)germanische Superiorität gegenüber anderen Volksgruppen; Kultur- und Kunstpolitik konstruierten eine völkische und spirituelle gemeinsame Vorgeschichte Deutschlands mit den skandinavischen Staaten.40 Die von der finnischen Kunsthistorikerin Hanna Pirinen als »golden age for organized cultural policy and political art«41 bezeichneten 1930er Jahre griffen auf eine romantische Verklärung alles Nordischen seit dem 18. Jahrhundert in Deutschland zurück.42 Die Rezeption von skandinavischer Literatur, Kunst, Mythologie und Musik, ein intensiver kultureller Austausch und nicht zuletzt die Vorliebe von Kaiser Wilhelm II. für Norwegen ließen das Konzept des Nordens zum festen Bestandteil deutscher Sehnsüchte und Kulturmoden werden.43 Die »romantische Germanen-Ideolo-

39 Siehe hierzu: Lutzhöft, Der nordische Gedanke, 1971; See, Klaus von. Das »Nordische« in der Deutschen Wissenschaft des 20. Jahrhunderts. In: Jahrbuch für internationale Germanistik; 15 (1983). S. 8 – 38; Almgren, Birgitta. Germanistik und Nationalsozialismus: Affirmation, Konflikt und Protest. Traditionsfelder und zeitgebundene Wertung in Sprach- und Literaturwissenschaft am Beispiel der Germanisch-Romanischen Monatsschrift 1929 – 1943. Uppsala 1997. 40 Vgl. Doll, Nikola/Fuhrmeister, Christian/Sprenger, Michael H. (Hrsg.). Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft zwischen 1930 und 1950. Weimar 2005. 41 Pirinen, Hanna. »The Nordic concept« in relation to the arts. Politics and exhibition policy in the Third Reich. In: Nordisk Museologi; 1 (2007). S. 46 – 57, hier S. 56. 42 Almgren, Birgitta/Hecker-Stampehl, Jan/Piper, Ernst. Alfred Rosenberg und die Nordische Gesellschaft. Der »nordische Gedanke« in Theorie und Praxis. In: NORDEUROPAforum; 2/ 2008. S. 7 – 51, hier S. 8 f. 43 Henningsen, Bernd. Der Norden: Eine Erfindung. Das europäische Projekt einer regionalen Identität. In: Ders. (Hrsg.). Das Projekt Norden. Essays zur Konstruktion einer europäischen

Der großgermanische Gedanke

219

gie«, die zahlreiche literarische Rezeptionen und Adaptionen erfuhr, bildete zugleich die Grundlage für einen späteren rassischen »Norden-«Begriff, der die Schlüsselworte »germanisch« und »nordisch« synonym verwendete.44 Die Historiker Birgitta Almgren, Jan Hecker-Stampehl und Ernst Piper haben dargelegt, wie aus dieser Ideologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Konzept einer nordischen Rasse entstand und von den nationalsozialistischen Theoretikern aufgegriffen wurde. Der zentrale Akteur dieser Entwicklung war Hans Friedrich Karl Günther, der vom französisch-russischen Anthropologen Joseph Deniker die Idee der »race nordique« übernahm und in seinen Arbeiten ihre vermeintliche Superiorität gegenüber den anderen Rassen formulierte. Die von Günther begründete »nordische Schule«45 legte die ideologische Grundlage für den späteren traditionellen, mystisch überhöhten, rassistischen Nationalismus der Nationalsozialisten.46 Eine Konsequenz des gesellschaftlichen und politischen Umbruchs um 1933 bestand in der Gleichschaltung und Steuerung des kulturellen Sektors, der zu propagandistischen und ideologischen Zwecken dem nationalsozialistischen Staat dienstbar gemacht wurde. Das von den Rassetheoretikern um Günther vorbereitete Konzept der nordischen Rasse war bereits zuvor von Alfred Rosenberg, einem der zentralen nationalsozialistischen Ideologen, in seinem 1930 erschienenen Werk Der Mythus des 20. Jahrhunderts47 aufgegriffen worden und fand nach 1933 nun seine konkrete politische Umsetzung. Auf diese Weise wurde in der nationalsozialistischen Kulturpolitik in den folgenden Jahren der »Norden als Spiegel der deutschen Seele«48 konstruiert. In zahlreichen Ansprachen führender Politiker, in Museums- und Kunstausstellungen sowie über eine Reihe an Veranstaltungen verbreitete sich das Bild einer nordischen Gemeinschaft, die den übrigen Völkern überlegen sei. Ergänzend zu der Kulturpropaganda suchte das NS-Regime über eine nordische Kulturpolitik Anschluss an die skandinavischen Staaten, in denen es die scheinbar natürlichen Verbündeten sah. Diese Politik legte die Grundlage für die zurückhaltende Haltung der Reichsregierung in der Nordschleswigfrage. Vor allem über das Länderreferat »Norden« im Außenpolitischen Amt der NSDAP (APA) und die Nordische Gesellschaft (NG) in Lübeck investierte Deutschland große finanzielle Ressourcen zur Intensivierung der Beziehungen auf wirtschaftlicher, kultureller und ideologischer Basis.49 Die

44 45 46 47 48 49

Region (Wahlverwandtschaft: Der Norden und Deutschland. Essays zu einer europäischen Begegnungsgeschichte; 9). Berlin 2002. S. 17 – 36. Almgren/Hecker-Stampehl/Piper, Alfred Rosenberg, 2008. S. 9. Field, Geoffrey G. Nordic Racism. In: Journal of the History of Ideas; 38,3 (1977). S. 523 – 540, hier S. 523. Vgl. Almgren/Hecker-Stampehl/Piper, Alfred Rosenberg, 2008. S. 13. Rosenberg, Alfred. Der Mythus des 20. Jahrhunderts. München 1930. Lutzhöft, Der nordische Gedanke, 1971. S. 208. Das Referat »Norden« im APA stand unter der Leitung von Thilo von Trotha, der ein Schüler

220

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

NG war bereits im Jahr 1921 als staatlich und parteipolitisch unabhängige Organisation mit dem Ziel der Pflege wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen zwischen der Hansestadt Lübeck und den Ostseeanrainerstaaten gegründet worden. Im Anschluss an die nationalsozialistische Machtergreifung wurde sie rasch gleichgeschaltet und von Alfred Rosenberg in leitender Funktion zu »einer Zentralstelle für die Verkündung und Verwirklichung der Nordischen Gedankens ausgebaut […]«.50 In ihrer Ausrichtung verfolgte die NG das Ziel, die Kontakte zu den skandinavischen Ländern zu intensivieren.51 So schrieb die Gesellschaft in einer Publikation aus dem Jahr 1934: In der großen Zeit der Hanse ist noch einmal ein einigendes Band um die Völker an der Nord- und Ostsee geschlungen worden. Mit dem Verfall dieses gewaltigen freien Städtebundes aber schien die Trennung zwischen dem deutschen Volke und den nördlichen Völkern endgültig geworden zu sein.52

Innerhalb der nationalsozialistischen Kulturpolitik besaß die Organisation eine wesentliche Relevanz. Dies verdeutlicht allein die Zusammensetzung des »Großen Rats« der Gesellschaft – einem beratenden, primär repräsentativen Organ. In diesem elfköpfigen Gremium saßen mit Alfred Rosenberg und dem Lübecker Oberbürgermeister Otto-Heinrich Drechsler, Reichsbauernführer Walter Darr¦, Heinrich Himmler, Reichsinnenminister Wilhelm Frick, AußenGünthers und Rosenbergs Privatsekretär war. Durch diese beiden stark beeinflusst, vertrat er ein rassistisch durchdrungenes Norden-Konzept, welches enge Verknüpfungen zwischen dem zeitgenössischen Deutschland und dem mittelalterlichen Skandinavien zog. 50 Ebd. S. 55. Zur ideologischen Vereinnahmung und Instrumentalisierung der Nordischen Gesellschaft siehe ebd. S. 55 ff. 51 Reichsgeschäftsführer Ernst Timm skizzierte 1934 die Aufgabe der Gesellschaft wie folgt: »Sie [Anm. d. Verf.: die Nordische Gesellschaft] will als treue Dienerin am ganzen Neuaufbau des deutschen Volkes vor allem dazu beitragen, daß sich die Menschen in Deutschland in stetig wachsendem Maße ihrer nordischen Ursprünge bewußt werden. Sie will immer wieder darauf hinweisen, daß uns die eigentlich lebendige Kraft nicht aus der Übernahme fremder Kultureinflüsse zuwächst, sondern nur aus der Pflege der stamm- und artverwandten Beziehungen. Sie wünscht zu erreichen, daß das ganze deutsche Volke nicht mehr wie in all den letztverflossenen Jahrhunderten wie hypnotisiert nach Westen und Süden schaut, sondern sich seinen eigenen Ursprüngen im Norden und Osten zuwendet.« (Zit. nach: Almgren/ Hecker-Stampehl/Piper, Alfred Rosenberg, 2008. S. 22.) Während in Timms Worten noch vor allem ein romantisch geprägter nordischer Gedanke zum Vorschein kommt, verdeutlicht ein Brief von Thilo von Trotha, dem Leiter des Referats »Norden« im APA, an Reichsbauernführer Walther Darr¦, in der er die rassische Intention der NG betonte, die wahren Intentionen: »Die Nordische Gesellschaft hat natürlich nach außen hin in erster Linie wirtschaftliche und kulturelle Ziele. Die nunmehr getroffene Gleichschaltung ist aber in dem Sinne erfolgt, daß gewissermaßen ›unter der Decke‹ außenpolitische und rassische Ziele durch die NG angestrebt werden sollen. Die NG ist dafür ein umso besseres Instrument, als sie in Skandinavien und Finnland einen guten Namen hat und das Wort ›nordisch‹, das die Gesellschaft eingebürgert hat, das aber nur im Sinne von ›skandinavisch‹ zu verstehen war, für uns von einer erfreulichen Doppeldeutigkeit ist.« Zit. nach: Ebd. S. 25 f. 52 Zit. nach: Ebd. S. 15.

Der großgermanische Gedanke

221

minister Joachim von Ribbentrop, Reichsjugendführer Baldur von Schirach sowie Robert Ley von der Deutschen Arbeitsfront führende Vertreter des nationalsozialistischen Machtapparates.53 Die Nordische Gesellschaft wurde auf diese Weise zum inoffiziellen, nach Skandinavien ausgerichteten außen- und kulturpolitischen Arm der NSDAP. Neben einer regen Publikationstätigkeit sollte insbesondere ein breitgefächertes Veranstaltungsprogramm innerhalb Deutschlands das Bewusstsein für den nordischen Gedanken stärken sowie über die Förderung persönlicher Begegnungen zwischen Deutschen und Nordeuropäern die Kontakte im kulturellen und wirtschaftlichen Bereich intensiviert werden.54 In den Jahren zwischen 1934 und 1938 organisierte die Nordische Gesellschaft zu diesem Zweck über 200 unterschiedliche Veranstaltungen in den Ostseestaaten, unter anderem die 1934 erstmals stattfindenden Nordischen Tage in Lübeck.55 Hanna Pirinen hat die Auslandstätigkeit der NG exemplarisch anhand der Durchführung von Kunstausstellungen in Finnland dargestellt und dabei die propagandistische Intention hervorgehoben. Über die Auswahl der Objekte und begleitende Vorträge deutscher Kunsthistoriker wollte das nationalsozialistische Regime nationale Werte in der Kunst ins Ausland vermitteln.56 Die finnische Rezeption der deutschen Ausstellungstätigkeit im skandinavischen Ausland initiierte jedoch nicht die von den Nationalsozialisten erwünschte Begeisterung für den nordischen Gedanken. Zwar fanden sich einzelne Stimmen, die die deutsche Kunst positiv bewerteten, die Vorstellungen von einer nordischen Gemeinschaft jedoch eher als etwas abstrakt Illusionäres ansahen. Eine größere kulturpolitische Breitenwirkung folgte aus den deutschen Ausstellungen, so Pirinen, dahingegen nicht: Der nordische Gedanke wurde weder in Finnland noch in den anderen skandinavischen Staaten großflächig adaptiert.57 Mit der zunehmenden Radikalisierung der deutschen Außenpolitik entwickelte sich die eher distanzierte Position der skandinavischen Staaten stattdessen gar zu einer ablehnenden Haltung gegenüber dem nordischen Gemeinschaftsgedanken.58 Der deutsche Botschafter in Norwegen musste 1938 feststellen, dass »die von der Nordischen Gesellschaft Norwegen und wahrschein53 Müller-Wille, Michael. The political misuse of Scandinavian prehistory in the years 1933 – 1945. In: Roesdahl, Else/Sørensen, Preben Meulengracht (Hrsg.). The Waking of Angantyr. The Scandinavian past in European culture/Den nordiske fortid i europæisk kultur (Acta Jutlandica; 71,1). Aarhus 1996. S. 156 – 175, hier S. 158. 54 Almgren/Hecker-Stampehl/Piper, Alfred Rosenberg, 2008. S. 16 ff. 55 Pirinen, »The Nordic concept«, 2007. S. 48. 56 Vgl. ebd. S. 55: »In the exhibitions organized in German-Finnish cooperation in 1935 and 1936, National Socialist propaganda exploited the ›Nordic concept‹ as the ideological basis of the foreign policy programme.« 57 Ebd. 58 Lutzhöft, Der nordische Gedanke, 1971. S. 348 ff.

222

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

lich ebenso den anderen skandinavischen Staaten entgegengebrachte Liebe bisher unerwidert geblieben ist.«59 Angesichts der sich wandelnden außenpolitischen Bedingungen gestand ebenfalls die NG im selben Jahr ein, dass sie mit ihrer nordischen Kulturpolitik und der Propagierung des nordischen Gedankens in den skandinavischen »Bruderstaaten« gescheitert war. Mit dem Scheitern verband sich im Folgenden ein Relevanzverlust der Nordischen Gesellschaft für den nationalsozialistischen Staat, der zugleich dem Streben nach einer politischen und ideologischen Annäherung an die skandinavischen Staaten ein Ende setzte. Anfang 1940, wenige Wochen vor dem Einmarsch deutscher Truppen in Dänemark und Norwegen, stellte die Organisation resigniert fest: Keiner Großmacht kann zugemutet werden, immer weiter um die Freundschaft seiner Nachbarn zu werben, wenn das Echo ausbleibt oder das Echo in seiner Haltung sehr zahlreicher Presseorgane ertönt, die den vom deutschen Volk heißgeliebten Führer mit Schmutz bewarfen und jedes ernstliche Bemühen vermissen ließen, sich in den seelischen, geistigen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsgang Deutschlands in den letzten 25 Jahren auch nur etwas hineinzudenken.60

Die Besetzung der beiden Länder nahm der NG zugleich jegliche ideologische Basis im Werben um den Norden. Der Niedergang der Organisation hatte zwar bereits 1938 eingesetzt, die kriegerischen Auseinandersetzungen trieben sie jedoch in die politische Marginalität. Nichtsdestotrotz hielt sich der nordische Gedanke bis zum Kriegsende in der nationalsozialistischen Rhetorik.

IV.2.b. Nationalsozialistische Instrumentalisierung der Historiographie: die Beispiele Haithabu und Danewerk Ein zentraler Tätigkeitsschwerpunkt der auf dem nordischen Gedanken basierenden nationalsozialistischen Kulturpolitik bildete die wissenschaftliche Beschäftigung mit der deutschen Geschichte der Vorzeit und des Mittelalters. Neben einer breit angelegten Ausstellungs-, Vortrags- und Veranstaltungstätigkeit erhielten die gleichgeschalteten archäologischen und historiographischen Wissenschaften die Aufgabe, die Landes- und Nationalgeschichte entsprechend des völkischen Weltbildes aufzubereiten und darzustellen. Die Historiographie entwickelte sich so zu einer Schlüsselwissenschaft im nationalsozialistischen Deutschland.61 Im Sinne dieser politischen Linie war auch die von

59 Zit. nach: Almgren/Hecker-Stampehl/Piper, Alfred Rosenberg, 2008. S. 37. 60 Zit. nach: Ebd. S. 41. 61 Zum Einstieg siehe die folgenden Arbeiten: Schulze, Winfried/Aly, Götz (Hrsg.). Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 2000; Haar, Ingo. Historiker im

Der großgermanische Gedanke

223

der Berliner Regierung angestrebte Annäherung an den dänischen Nachbarstaat. Es galt, über eine wissenschaftlich fundierte Kulturoffensive sowohl in Deutschland als auch in Dänemark für den großgermanischen Gedanken zu werben und über die Konstruktion eines gemeinsamen kulturellen Erbes sowie gemeinsamer historischer Wurzeln der deutschen Außenpolitik den Weg zu bahnen. Aufgrund des Primats der Außen- über die Minderheitenpolitik griff die Reichsregierung, wie bereits erläutert, in die regionale Grenzpolitik SchleswigHolsteins ein. Auf dem Weg der Achtung der staatlichen Souveränität und territorialen Integrität galt es, den »natürlichen« Verbündeten Dänemark als willfährigen Unterstützer des nordischen Gedankens zu gewinnen und die Basis für ein »Großdeutsches Reich« unter deutscher Führung zu generieren. In der schleswig-holsteinischen Landeshistoriographie zeigte sich diese inkludierende Haltung des Reichs an einer inhaltlichen Neuausrichtung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Vor- und Früh- sowie der mittelalterlichen Geschichte der Region. Der Historiker Manfred Jessen-Klingenberg hat dargelegt, wie die schleswig-holsteinische Geschichtsschreibung nach 1933 die grenzkämpferischen Positionen und Themen der 1920er Jahre weitgehend fallen ließ und sich stattdessen auf Aspekte konzentrierte, die der Darstellung einer gemeinsamen germanischen Entwicklungsgeschichte dienlich waren.62 Entgegen der Tendenzen der Forschung aus der Nachkriegszeit, in denen wissenschaftliche Argumente die politischen Bestrebungen zur Aufrechterhaltung der deutschen Ansprüche auf Nordschleswig stützen sollten, kreierten die schleswig-holsteinischen Landeshistoriker nach der nationalsozialistischen Machtergreifung mehrheitlich das Bild eines rassisch einheitlichen Besiedlungsraumes. Prominentester Vertreter dieser Richtung war Otto Scheel, der aufgrund seiner Arbeiten über die (nord-)germanische Frühgeschichte und das Mittelalter Karriere in der gleichgeschalteten Hochschullandschaft machte.63 Lediglich in Fällen wie die des dänischen Historikers Claus Eskildsen, der mithilfe der nationalsozialistischen Blut- und Boden-Ideologie in seiner Dänischen Grenzlehre (Dansk Grænselære)64 den Nachweis des dänischen Charakters des Grenzlandes erbringen wollte, brachen die alten antidänischen Ressentiments hervor.65 Die vereinnahmende Haltung der schleswig-holsteinischen und deutschen Historiographie wurde in Dänemark von den wissenschaftlichen Akteuren angesichts der Grenzsituation und der in regelmäßigen Abständen von Seiten der

62 63 64 65

Nationalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der »Volkstumskampf« im Osten (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; 143). Diss. Göttingen 2000. Jessen-Klingenberg, Schleswig-Holsteins Geschichtsschreibung, 1998. S. 236. Ebd. Eskildsen, Claus. Dansk Grænselære. Kopenhagen 1936. Siehe hierzu Kapitel IV.3.a.

224

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

Minderheit artikulierten Revisionsforderung nicht aufgegriffen. Stattdessen zeigte sich in den landeshistorischen Darstellungen die Konservierung der 1864 unter dem Eindruck des Deutsch-Dänischen Kriegs entstandenen Idee, wonach die dänische Nationswerdung vor allem auf die Bedrohung durch den aggressiven deutschen Nachbarn zurückzuführen sei66 – der Topos »Deutschland als Problem Dänemarks« fand auch nach 1933 seine Bestätigung. Trotz einer auf Neutralität bedachten dänischen Innen- und Außenpolitik zeigte sich in diesen Jahren anhand zahlreicher Publikationen eine Konjunktur der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Region Schleswig. Vor allem die von Vilhelm la Cour und Knud Fabricius zwischen 1930 und 1943 herausgegebene fünfbändige Überblicksdarstellung Sønderjyllands Historie67 belegt die nationale Relevanz der Schleswigfrage im Kontext der Abgrenzung zum deutschen Nachbarn. Über die intensive Thematisierung der Geschichte der Grenzregion artikulierte sich der dänische Behauptungswille gegen eine als Bedrohung empfundene deutsche Annäherungs- und Grenzpolitik. Anhand der unterschiedlichen Intentionen, die sich mit der Historiographie verbanden, wird die von der Historikerin Claudia Ulbrich konstatierte Dynamik von Abwehr und Aneignung in Räumen aneinander angrenzender, nationalstaatlicher Entitäten deutlich.68 Exemplarisch und zugleich von zentraler Bedeutung für die Beschäftigung mit der schleswigschen Landesgeschichte – zwischen vom nordischen Gedanken geprägter Annäherung einerseits und nationalen Abgrenzungsbestrebungen andererseits – waren die Aushandlungsprozesse um das mittelalterliche Kulturerbe der deutsch-dänischen Grenzregion. Vor allem die mittelalterliche Handelssiedlung Haithabu unweit der Stadt Schleswig als auch die an sie anschließenden frühhistorischen Verteidigungswälle des Danewerks wurden im Dritten Reich zum Kristallisationspunkt deutsch-germanischer Mythologie, Ahnenverehrung und Instrumentalisierung vermeintlich nordischer Wurzeln. Im Kontext der Propagierung der nationalsozialistischen Ideologie etablierten sich die frühhistorischen Monumente und Funde zu Zeugnissen einer scheinbar ehemaligen, germanischen Hochkultur, die als Vorbild für eine zukünftige Entwicklung des deutschen Volkes unter nationalsozialistischer Führung stilisiert wurde. In diesem Sinne erhielten die wissenschaftlichen Fachdisziplinen Archäologie und Vor- und Frühgeschichte innerhalb des NS-Herrschaftsappa66 Østerg”rd, Uffe. Schleswig and Holstein in Danish and German Historiography. In: Frank, Tibor/Hadler, Frank (Hrsg.). Disputed Territories and Shared Pasts. Overlapping National Histories in Modern Europe (Writing the nation: national historiographies and the making of nation states in 19th and 20th century Europe; 6). Basingstoke u. a. 2011. S. 200 – 223, hier S. 203. 67 la Cour, Vilhelm/Fabricius, Knud. Sønderjyllands historie. Fremstillet for det danske folk. Bde. 1 – 5. Kopenhagen 1930 – 1943. 68 Ulbrich, Transferprozesse, 1997. S. 136.

Der großgermanische Gedanke

225

rats eine besondere Förderung und Beachtung.69 Allen voran Alfred Rosenberg und seine Dienststelle zur ideologischen Überwachung der Kulturpolitik – das so genannte Amt Rosenberg70 – sowie die unter Heinrich Himmlers Schutzstaffel (SS) stehende Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe traten als Hauptakteure hervor.71 Die Tätigkeit der beiden miteinander konkurrierenden Institutionen versinnbildlicht, auch in Hinsicht auf die deutsche Dänemark-Politik, die Instrumentalisierung des frühhistorischen Kulturerbes Haithabu und Danewerk zu politischen Zwecken. Bereits 1930 hatten erneut archäologische Ausgrabungen an diesen Schauplätzen der mittelalterlichen Landesgeschichte begonnen. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurden diese zunehmend ausgeweitet und zu politischen Zwecken instrumentalisiert. Im Kontext der engen Verknüpfung von nationalsozialistischer Herrschaftspolitik und frühgeschichtlicher Archäologie kristallisierten sich die Wallanlage und die Handelssiedlung als Fixpunkte deutscher Geschichtskonstruktion in Nordeuropa heraus. Bereits seit 1935 standen die Grabungsarbeiten unter der Schirmherrschaft von Heinrich Himmler und der Leitung des SS-Ahnenerbes.72 Die hiermit einhergehende Instrumentalisierung des Kulturerbes zu politpropagandistischen Zwecken zeigte sich von nun an deutlich in den Arbeiten der beteiligten Wissenschaftler :73 Der Grabungsleiter, der 1905 geborene und 1935 habilitierte Ur- und Frühhistoriker Herbert Jankuhn, betitelte seine erste Veröffentlichung zu den Forschungsergebnissen mit Haithabu. Eine germanische Stadt der Frühzeit. Hierin machte er es sich selbst zur Aufgabe, die »Auffassung der Urgeschichtsforschung vom nordischen Volkskörper zu veranschaulichen […].«74 Jankuhn stellte in seinem Vorwort zur ersten Auflage die Behauptung auf, dass in Haithabu »noch einmal die ungebrochene Kraft des Germanentums gestaltend hervortritt, der Norden 69 Siehe hierzu unter anderem: Leube, Achim/Hegewisch, Morten (Hrsg.). Prähistorie und Nationalsozialismus. Die mittel- und osteuropäische Ur- und Frühgeschichtsforschung in den Jahren 1933 – 1945 (Studien Wissenschafts- und Universitätsgeschichte; 2). Heidelberg 2002; Schallmayer, Egon (Hrsg.). Archäologie und Politik. Archäologische Ausgrabungen der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts im zeitgeschichtlichen Kontext (Fundberichte aus Hessen, Beihefte; 7). Bonn 2011. 70 Rosenberg wurde im Januar 1934 zum Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP (DBFU) ernannt. 71 Bollmus, Reinhard. Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem (Studien zur Zeitgeschichte; 1). 2. Aufl. München 2006; Kater, Michael Hans. Das »Ahnenerbe« der SS 1935 – 1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reichs (Studien zur Zeitgeschichte; 6). Diss. 4. Aufl. München 2006. 72 Siehe Abb. 13 und 14. 73 Kühl, Jørgen. Søren Telling og Danevirke. In: Sønderjyske ærbøger ; 1999. S. 153 – 178, hier S. 154 f. 74 Jankuhn, Haithabu. Eine germanische Stadt der Frühzeit. Neumünster 1937. S. 2.

226

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

uns noch einmal in seiner unveränderten geistigen Grundhaltung entgegenleuchtet«.75 Dementsprechend bezeichnete er den Handelsplatz als explizites Zeugnis deutscher Vergangenheit. Die Siedlung habe dem Frühhistoriker zufolge einen festen Platz in der deutschen Geschichte, nicht nur als verkehrsgeographische Vorläuferin von Lübeck, sondern auch als Ziel des deutschen Kaufmannes, der hier seine Erfahrungen gesammelt hat, die für die Ausbildung der Hanse und damit für die Ablösung der nordgermanischen Herrschaft im Ostseegebiet durch eine deutsche notwendig war. […] Damit wird uns eins der großen Kapitel deutscher Geschichte erschlossen […].76

Die besondere Stellung der Siedlung in der nationalsozialistischen Vorgeschichtsforschung verdeutlichen ebenfalls der persönliche Ausgrabungsbesuch von Heinrich Himmler im März 1937 sowie dessen Order, Haithabu den Status einer offiziellen »deutschen Kulturstätte« zu verleihen.77 Gemäß Himmlers Einschätzung, dass ein »Volk […] so lange glücklich in Gegenwart und Zukunft [lebt], als es sich seiner Vergangenheit und der Größe seiner Ahnen bewußt ist«,78 entwickelten sich die wissenschaftlichen Arbeiten in Haithabu zum größten finanziellen Einzelposten im Etat des Ahnenerbes.79 Entsprechend der außenpolitischen Linie der deutschen Regierung wandelte sich die ursprünglich antidänische Intention der Ausgrabungen zu einem Gemeinschaftswerk deutscher und skandinavischer Archäologen und Historiker. Auf deutsche Einladung hin nahmen zahlreiche Vertreter aus Dänemark, Schweden und Finnland an den Forschungsarbeiten teil80 – ein Vorgang, der den nationalsozialistischen Vorstellungen von gemeinsamen germanischen Wurzeln in der Vergangenheit und einer darauf aufbauenden Wesensgleichheit in der Gegenwart entsprach. Nils Vollertsens historiographische Analyse der nationalsozialistischen Deutungsgeschichte des mittelalterlichen Erbes Haithabu belegte in diesem Zusammenhang einen Interpretationswandel durch die verantwortlichen Ak-

75 Ebd. S. 1. 76 Ebd. S. 61 f. 77 Hassmann, Henning/Jantzen, Detlef. Die deutsche Vorgeschichte – eine nationale Wissenschaft. Das Kieler Museum vorgeschichtlicher Altertümer im Dritten Reich. In: Offa; 51 (1994). S. 9 – 24, hier S. 15. 78 Jankuhn, Herbert. Die Ausgrabungen in Haithabu (1937 – 1939). Vorläufiger Grabungsbericht. Berlin 1943. Geleitwort von Heinrich Himmler. 79 Kühl, Heinrich Himmler, 1999. S. 155. 80 In der Einleitung seines 1943 erschienenen Grabungsberichts begründete Jankuhn diese Einladung rückwirkend mit »der eigenartigen Entwicklung [der] Geschichte« Haithabus, die »nicht nur für die deutsche Forschung von großer Bedeutung ist, sondern […] auch einen Bestandteil der dänischen und schwedischen Geschichte bildet.« Jankuhn, Ausgrabungen in Haithabu, 1943. S. 10.

Der großgermanische Gedanke

227

teure.81 Von zentraler Bedeutung für die Ausgrabungen sowie die wissenschaftliche und politische Auslegung der Funde war dabei Herbert Jankuhn. Er hatte bereits früh aufgrund seiner Publikationen zur Kulturgeschichte der Wikinger einerseits und durch seinen 1933 erfolgten Eintritt in die nationalsozialistische Sturmabteilung (SA) andererseits den Grundstein für seine Kariere im Dritten Reich gelegt. Infolge der Grabungsarbeiten unter der Schirmherrschaft Heinrich Himmlers wurde er schließlich von 1941 bis 1944 Leiter eines eigenen SS-Sonderkommandos – des so genannten Sonderkommando Jankuhn –, welches in Südrussland und der Ukraine archäologische Arbeiten durchführte, sowie ab 1944 als SS-Obersturmbannführer Mitglied im persönlichen Stab von Himmler.82 Anhand seiner Darstellungen lässt sich die ideologische Verstrickung der Archäologie, aber auch der Wandel der deutschen Außenpolitik gegenüber Dänemark in der deutsch-dänischen Grenzfrage ablesen. Laut der Arbeiten von Nils Vollertsen und Jørgen Kühl ergeben sich für die Zeit zwischen 1933 und 1945 zwei grundlegend unterschiedliche Interpretationsphasen: So betonte Jankuhn in seinen frühen Publikationen über die Handelssiedlung den deutschen Charakter des historischen Schauplatzes, denn am Beispiel des Ortes verdeutliche sich »das Werden unseres Volkstums […].«83 Haithabu bekam die Bedeutung eines kulturellen Übersetzers deutsch-germanischer Kultur und Ideen in den Norden hinein.84 In der zweiten Auflage von Jankuhns Haithabu-Bericht manifestierte sich ein Interpretationswandel, infolgedessen die skandinavischen Staaten, allen voran Dänemark, miteinbezogen und das gemeinsame Erbe der Hansezeit betont wurde.85 Ein deutlicher Beleg für den Versuch der vorsichtigen deutschen Annäherung an den dänischen Staat ist eine teilweise geänderte Betitelung der Kapitel des Buches. So orientierte sich in der 1938 erschienenen zweiten Auflage der Wegfall der Überschrift »Das Danewerk im Deutsch-Dänischen Krieg 1864«86 an der politischen Situation der Gegenwart. Im Sinne des nationalsozialistischen Weltbildes sowie der deutschen Außenpolitik verknüpfte Jankuhn seine Darstellung nunmehr weniger mit einem deutsch-dänischen Gegensatz wie in der ersten Auflage, sondern propagierte nun eine Alterität zwischen 81 Vollertsen, Nils. Herbert Jankuhn, Hedeby-forskningen og det tyske samfund 1934 – 1976. In: Fortid og Nutid; 36 (1989). S. 235 – 251. 82 Zur Verstrickung und Tätigkeit Jankuhns in den nationalsozialistischen Machtapparat, vor allem aufgrund seiner Arbeit für und innerhalb der SS, siehe: Steuer, Heiko. Herbert Jankuhn und seine Darstellungen zur Germanen- und Wikingerzeit. In: Ders. (Hrsg.). Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995. Berlin/New York 2001. S. 417 – 473, hier 422 f. 83 Jankuhn, Eine germanische Stadt, 1937. S. 2. 84 Vollertsen, Herbert Jankuhn, 1989. S. 238 ff.; Steuer, Herbert Jankuhn, 2001. S. 458. 85 Ebd. 86 Jankuhn, Haithabu. Eine germanische Stadt der Frühzeit. 2. Aufl. Neumünster 1938.

228

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

germanischem und slawischem Kulturkreis. Im Zuge der Völkerwanderungen sei es im regionalen Umfeld Haithabus zu Kontakten zwischen den beiden Kulturen gekommen, die die deutliche Überlegenheit der Germanen gezeigt hätten: »Es sind die Slawen, die seit der beginnenden Völkerwanderungszeit in den frei gewordenen, ostgermanischen Siedlungsraum eindringen […]. Sie haben eine ärmliche Kultur aus dem Osten mitgebracht, die im Gegensatz zu der sehr reichen Kultur des nord- und westgermanischen Kreises jener Zeit steht […].«87 Die Geschichte der Handelssiedlung führte er daher als einen Beleg für die Superiorität der deutschen und germanischen Rasse gegenüber den östlichen Anrainern an: Die dreihundert Jahre der Geschichte Haithabus sind also verknüpft mit der Pionierarbeit deutscher Kaufleute, die notwendig war, um das große Werk der deutschen Hanse entstehen zu lassen und die nordgermanische Herrschaft im Ostseebecken durch eine deutsche abzulösen.88

Der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Darstellung der Siedlungsgeschichte durch den Frühhistoriker orientierte sich zum einen deutlich an der zeitgenössischen deutschen Ideologie, zum anderen versinnbildlichte sie die Verbreitung des nordischen Gedankens in der deutschen Gesellschaft und Wissenschaft. Als Wegbereiter für die Konstruktion einer transnationalen nordgermanischen Rassegemeinschaft lag es Jankuhn und den anderen deutschen Grabungsteilnehmern daran, das Bild einer homogenen Kulturlandschaft zu begründen. Die engen Verflechtungen des archäologischen Leiters mit dem nationalsozialistischen Machtapparat, insbesondere dem SS-Ahnenerbe, müssen daher als Teil eines nationalsozialistischen Spacing-Prozesses gesehen werden, der das kulturelle Erbe der Region zu einem signifikanten Bestandteil der Konstruktion germanischer Gemeinschaft umdeutete. Dementsprechend war, so stellte es Nils Vollertsen dar, Haithabu »ein Forschungsproblem, das Deutschland und den skandinavischen Norden zu gemeinsamer Arbeit zusammenführt […].«89 Trotz allem ging es den deutschen Wissenschaftlern um Jankuhn darum, die Siedlung in eine nationale Geschichtsschreibung Deutschlands einzubinden.90

87 88 89 90

Ebd. S. 42. Ebd. S. 199. Ebd. S. 200. Vollertsen, Herbert Jankuhn, 1989. S. 243.

Denkmalpflege und baukulturelles Erbe

229

IV.3. Denkmalpflege und baukulturelles Erbe IV.3.a. Die Kontroverse um Claus Eskildsens Kampfschrift Dansk Grænselære Die politischen Spannungen im Grenzland und die wiederholt durch die deutsche Volksgruppe vorgetragenen Forderungen nach einer Revision des Plebiszits von 1920 führten in Dänemark zu einem gesteigerten Bedürfnis nach Abgrenzung und Absicherung gegenüber dem südlichen Nachbarn. Aus Furcht vor dem Verlust der eigenen staatlichen Souveränität verfolgte die dänische Seite seit der nationalsozialistischen Machtergreifung das Ziel, den eigenen nationalen Anspruch auf die schleswigsche Grenzregion wissenschaftlich und visuell zu untermauern. Insbesondere die Betonung des dänischen Charakters der historischen ländlichen Bauweise der Region nahm in der Folgezeit eine zentrale Rolle in der Abwehr der großgermanischen Ideologie ein. Sowohl auf deutscher als auch auf dänischer Seite griffen die Befürworter und Gegner jenes Weltbildes zu politischen Zwecken auf die Theorien der Hausforscher aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Bereits 1927 hatte Otto Lehmann den Begriff des sogenannten »kimbrischen Hauses« als Bezeichnung für die in Schleswig vorherrschende traditionelle Bauernhausform ideologisch aufbereitet und die vermeintlich regionale Volkskultur eng mit dem germanischen Stammesgedanken verknüpft.91 Ähnlich wie der Bauforscher Karl Rhamm 1908 ließ Lehmanns Darstellung die Grenzziehung zwischen Dänemark und Deutschland bewusst offen. Hierauf aufbauend propagierten in den 1930er Jahren zahlreiche Wissenschaftler ein deutsches Staatsgebiet bis hinauf zum Fluss Königsau, der seit dem Beginn der nationalen Auseinandersetzungen im 19. Jahrhundert von deutscher Seite als vermeintlich natürliche und historische Grenze angestrebt wurde. Im Sinne der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie konstruierten sie insbesondere über zahlreiche Studien zur Sprache, zu den Ortsnamen und der materiellen Kultur einen deutsch-germanischen Raum, der ganz Schleswig einschloss – das kimbrische Haus wurde in diesem Feldzug als historischer Beleg für die eigenen Ansprüche angeführt. Die Tendenzen der deutschen Stammesforschung wiesen aus dänischer Sicht auf die voraussichtlich nur vorläufig ablehnende Haltung der deutschen Regierung in der Grenzfrage hin. Aus diesem Grund wurden die Arbeiten der Hausforscher Peter Lauridsen und Reinhold Mejborg aus dem 19. Jahrhundert wieder aufgegriffen und für die grenzpolitischen Ziele adaptiert. Während die frühen dänischen Forschungen im Kontext einer offensiven Haltung des Landes in der Grenzfrage einzuordnen sind, die auf eine Rückgewinnung des verlorenen Landesteiles Schleswig abzielte, verknüpften sich in den 1930er Jahren die 91 Lehmann, Otto. Das Bauernhaus in Schleswig-Holstein. Altona 1927.

230

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

wissenschaftlichen Arbeiten zum Bauerbe mit zuvorderst defensiven Intentionen. Allen voran der Lehrer und Historiker Claus Eskildsen vertrat angesichts der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie in seiner Kampfschrift Dansk Grænselære die Position, dass anhand der traditionellen Bauweise die deutsch-dänische Volksgrenze in der Region abgelesen werden könne: Aber unangefochten von allen Umwälzungen und Modeströmungen zog der Bauer Generation nach Generation Fuhren durch seinen Acker und baute seinen Hof, wie die Väter es ihm gelehrt haben. Selbst wenn Sprache und Gesinnung wechselten, so setzte der Bauern trotz allem damit fort, seinen Hof auf die alte Weise des Volks anzulegen, und die heimatlichen Landhandwerker behielten die alten Konstruktionen. Darum ist der alte Hof des Bauern das Erste, auf das man achten sollte, wenn man die Grenze zwischen zwei Völkern finden möchte; die Bauernhöfe sind eines der sichersten Volksmerkmale.92

Aus Eskildsens Sicht eignete sich gerade das baukulturelle Erbe dafür, die Volksgrenze zwischen Deutschland und Dänemark aufzuzeigen. Die Sprache und Gesinnung einer Bevölkerung könnten zwar einem politisch bedingten Wandel unterliegen, die ältesten Zeugnisse der Volkskultur in Form der vorindustriellen Bauweise würden dennoch bestehen bleiben. Die Besonderheit an der Dänischen Grenzlehre von Eskildsen ist die Anwendung der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie gegen die deutschen Bestrebungen der Konstruktion einer gemeinsamen germanischen Kultur: Anhand der Kriterien Boden, Blut, ländliche Bauweise und materielle Kultur sowie Sprache und nationale Gesinnung hob er den dänischen Charakter der Volkskultur der Region Schleswig und ihrer Bewohner hervor. Bereits in seiner Einleitung betonte er den definitorischen Unterschied zwischen den Konzepten Staats- und Volksgrenze. Gerade der völkischen Scheidelinie sei aufgrund ihrer Historizität eine größere Relevanz für die Grenzfrage inhärent.93 Deswegen lasse sich insbesondere am baukulturellen Erbe der »auffälligste Unterschied zwischen dem dänischen und dem deutschen Volk erkennen.«94 Durch die Verwendung des Terminus »Hofrasse«95 (»Gaardrace«) zur Unterscheidung dänischer und niedersächsischer Formen des Bauerbes konstruierte Eskildsen, schärfer noch als die Hausforscher des 19. Jahrhunderts, eine 92 »Men uanfægtet af alle Omskiftelser og Modestrømninger trak Bonden Slægt efter Slægt Furen gennem sin Ager og byggede sin Gaard, som Fædrene havde lært ham det. Selv om Sprog og Sindelag skiftede, saa fortsatte Bonden alligevel med at anlægge sin Gaard paa sit Folks gamle Maade, og de hjemlige Landhandværkere beholdt den gamle Konstruktion. Derfor er Bondens gamle Gaard noget af det første, man skal agte paa, naar man vil finde Grænsen mellem to Folk; Bondegaarden er et af de sikreste Folkekendemæker«. Eskildsen, Dansk Grænselære, 1936. S. 51. 93 Ebd. S. 9. 94 Ebd. S. 50. 95 Ebd. S. 60.

Denkmalpflege und baukulturelles Erbe

231

vermeintlich natürliche nationale Scheidelinie zwischen den beiden Staaten. Seine klaren Abgrenzungsbestrebungen intendierten dennoch nicht die offensive Proklamation von Ansprüchen auf die Region Mittelschleswig, wie es noch in den 1920er Jahren ein weitverbreitetes Ziel innerhalb der dänischen Gesellschaft war. Vielmehr lag ihm an der vermeintlich wissenschaftlichen Legitimierung der aktuellen Grenzziehung, um so den Revisionsbestrebungen der deutschen Minderheit mit wissenschaftlich belegten Fakten entgegentreten zu können. So konstatierte Eskildsen klare geographische Unterschiede der vorindustriellen Bauweise in der Region Schleswig: »Nördlich bis zur Linie SchleiDanewerk haben wir den dänischen Hof. Südlich bis zur Eider haben wir den Sachsenhof. Das Niemandsland zwischen Danewerk und Eider ist deutlich geprägt von der größten Stilmischung.«96 Dieser Zwischenraum lag zum gegenwärtigen Zeitpunk seiner Äußerung größtenteils innerhalb des deutschen Staatsgebietes, so dass aus Sicht der dänischen Wissenschaft eine Verschiebung der Grenze nach Norden unter fachlichen Gesichtspunkten negiert werden könne. Eskildsens Fazit, dass die Häuser der Region deutlich zeigen, »dass Sønderjylland bis zum Danewerk […] altes dänisch-nordisches Volksgebiet«97 ist, verwies darüber hinaus auf seine Ablehnung des in Deutschland propagierten nordischen Gedankens. Auch weitere dänische Bauernhausforscher betonten in jenen Jahren den kulturgeographischen Schwellenraum zwischen Eider und Danewerk, der durch eine Durchmischung deutscher und dänischer Bauformen, südlich und nördlich davon jedoch durch eine klare nationale Zuordnung gekennzeichnet sei.98 Im Unterschied zu den wissenschaftlichen Entwicklungstheorien über das baukulturelle Erbe Schleswigs des 19. Jahrhunderts konstatierten die dänischen Hausforscher der 1930er Jahre im deutsch-dänischen Übergangsgebiet eine eigenständige Grenzraumkultur, die durch kulturelle Einflüsse von Norden und Süden geprägt sei. Trotz der stark ideologisierten Darstellung und Adaption des kulturellen Erbes der Region bei Eskildsen und weiteren dänischen Wissenschaftlern akzentuierten sie dennoch die Transnationalität der Volkskultur Mittelschleswigs.99 In der neueren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Grenze wird gerade auf die kulturelle Hybridität von Grenzräumen verwiesen, 96 »Nord fra og nett il Linien Sli-Danevirke har vi den danske Gaard. Syd fra og op til Ejderen har vi Saksergaarden. Ingenmandslandet mellem Danevirke og Ejder er tydeligt præget af den største Stilblanding.« Ebd. S. 66. 97 »[…], at Sønderjylland ned til Danevirke er gammelt dansk-nordisk Folkeomraade.« Ebd. S. 78. 98 Dragsbo, Peter. Folkegrænse og byggeskik. Myter og realiteter i Claus Eskildsens p”stande om dansk og tysk byggeskik i Sønderjylland. In: Sønderjyske Museer; N.R. 4 (2003). S. 11 – 19, hier S. 13. 99 Siehe Abb. 15.

232

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

die auf dem Weg der »Multikulturalität in Abfolge«100 oder durch Kommunikations-, Aushandlungs- und Aneignungsprozesse in Form kultureller Übersetzungsleistungen entsteht.101 Dieser Aspekt findet sich auch in der gegenwärtigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem baukulturellen Erbe der deutsch-dänischen Grenzregion wieder. So betont etwa der dänische Historiker Peter Dragsbo die Rolle von sozialen Hierarchisierungsprozessen in der Adaption und Verbreitung von Kulturelementen in Schleswig.102 In Anlehnung an die dänische Hausforschung des 19. Jahrhunderts erklärte Eskildsen jedoch die vorindustrielle Bauweise nördlich der Danewerk-Linie zur typisch dänischen Hofform, die als »dänischer Hof« (»danske Gaard«) das ganze Land beherrsche und Ausdruck einer homogenen dänischen Volkskultur sei.103 Aus diesem Grund sah er die deutsche Architektur in Nord- und Mittelschleswig der Jahre nach 1864 als deutliches Fremdelement an.104 In Anlehnung an die nach 1920 einsetzende Danisierung der Kulturlandschaft erschienen die baulichen Zeugnisse der Jahrhundertwende in Eskildsens Darstellung als reine Symbole deutscher Fremdherrschaft, die klar von der urtümlichen, dänischen Bauweise der Region unterschieden werden können. Der Erfolg der Dansk Grænselære wird einerseits durch die breite, positive Rezeption in Dänemark sowie andererseits aufgrund des Erscheinens des Buches in fünf Auflagen vor und während des Zweiten Weltkriegs belegt.105 Es zeugt in diesem Kontext von einem starken Bedürfnis nach der Absicherung staatlicher Souveränität und territorialer Integrität. Die dänischen Raumkonstruktionsprozesse jener Jahre, die auf die klare Differenzierung zweier homogener Kulturlandschaften nördlich und südlich Mittelschleswigs abzielten, beinhalteten für die deutsche Seite eine provozierende Botschaft. Als Reaktion auf die Dänische Grenzlehre von Eskildsen erschienen im Laufe eines Jahres in der vom Schleswig-Holsteiner Bund heraus100 Serrier, Geschichtskultur, 2007. S. 247. 101 Vgl. Bhabha, Location of Culture, 1994. 102 Dragsbo, Folkegrænse og byggeskik, 2003. S. 18: »Genauso wie man in Sønderjylland/ Schleswig über Jahrhunderte die Wahl zwischen deutscher und dänischer Sprache und Gesinnung getroffen hat, hat man ebenso Kulturelemente von Norden und Süden ausgewählt – in der Regel nach deren sozialem und kulturellem Prestige.« (»Ligesom man i Sønderjylland/Schlesvig gennem ”rhundrederne har truffet valg mellem tysk og dansk sporg og sindelag, har man ogs” udvalgt kulturelementer fra nord og syd – som regel efter deres sociale og kulturelle prestige.«). 103 Eskildsen, Dansk Grænselære, 1936. S. 66. 104 Ebd. S. 65: »Es ist nicht bloß ein Unterschied im allgemeinen Geschmack, der sich in diesen Bauwerken offenbart, aber sie stehen als ein sichtbares Zeichen dafür, dass das Deutsche fremd auf dänischem Volksgrund ist.« (»Det er ikke blot en Forskel i almindeligt Smag, der aabenbarer sig i disse Bygninger, men de staar som et synligt Tegn paa, at det tyske er fremmed paa den danske Folkegrund.«). 105 Stoklund, Bjarne. Bondebygninger og folkekarakter, 1999. S. 64.

Denkmalpflege und baukulturelles Erbe

233

gegebenen Publikationsfolge Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit zahlreiche Texte deutscher Volkskundler, Historiker und Sprachwissenschaftler, die die Thesen des dänischen Lehrers zu widerlegen versuchten. Das Ziel dieser deutschen Repliken war die Hervorhebung vermeintlich gemeinsamer historischgermanischer Wurzeln, die sich in Form bestimmter Überlieferungen des volkskulturellen Lebens nachweisen lassen würden. Der Schwerpunkt der deutschen Argumentation in der Widerlegung der Eskildschen Thesen lag im Bereich der Ortsnamen, anhand derer der dänische Historiker in seinem Werk den dänischen beziehungsweise deutschen Ursprung der einzelnen Siedlungen historisch belegen wollte.106 Darüber hinaus spielten die materielle Volkskultur in Form von landwirtschaftlichen Nutzgeräten107 sowie regionale Bräuche und Gepflogenheiten eine zentrale Rolle.108 Der Historiker Alexander Thomsen kam mithilfe der nationalsozialistischen Rassevorstellung zu dem Ergebnis, dass es »keine Rasse- und damit auch keine Blutsgrenze an der Schlei-DannewirkeLinie« gibt. Deswegen falle die »Behauptung weg, daß hier die Blutgrenze des Nordens liege.« Hieraus leitete Thomsen den deutschen Führungsanspruch über die nordische Welt, aber auch den regionalen Raum Schleswig ab: »Der nordische Gedanke und die Pflege nordischer Haltung und nordischen Geistes ist keine Angelegenheit des dänisches Volkes allein, mehr denn je ist Deutschland der Hüter und Bewahrer des nordischen Blutes.«109 Von zentraler Bedeutung für die Deklarierung des deutschen Anspruchs auf Schleswig war das vorindustrielle Bauerbe der Region: Ebenso wie in der deutschen Hausforschung des 19. Jahrhunderts ging es dem Autoren jedoch nicht darum, eine klare nationale Scheidelinie auf der Basis kultureller Zeugnisse festzulegen, sondern die deutsch-dänische Grenze bewusst offenzuhalten, um den deutschen Führungsanspruch über ein als großgermanisch bezeichnetes Einflussgebiet legitimieren zu können. Schleswig sei, so Thomsen, ein historischer Grenzraum, in dem kulturelle Zeugnisse Dänemarks und Deutschlands zu finden sind: Aus dem germanischen Mutterboden sind Völker emporgewachsen. In ihren ersten Erscheinungen waren sie da, als die Pforten des Mittelalters sich öffneten. Aber Schleswig, das spätgermanische Durchgangsland, sollte nach dem Willen der Geschichte volklich Grenzland werden. Was in Jütland erreicht wurde, blieb Dänemark in 106 Schleswig-Holsteiner Bund (Hrsg.). Schleswig urdänisches Land? (Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit; 1). Kiel 1937. 107 Schleswig-Holsteiner Bund (Hrsg.). Volkskundliche Tatsachen gegen dänische »Grenzlehren«. Zwei Beiträge zur Volkskunde im Grenzland Schleswig (Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit; 7). Flensburg 1939. 108 Schleswig-Holsteiner Bund (Hrsg.). Aber, Herr Eskildsen! (Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit; 4). Kiel 1937. 109 Thomsen, Alexander. Blut und Rasse im Volkstumsringen der Nordmark (Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit; 9). Flensburg 1939. S. 22.

234

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

Schleswig versagt. […] Den Herrschaftsbereich zu einem geschlossenen Volksbereich zu machen, hat Dänemarks politische und volkliche Kraft nicht ausgereicht.110

Der Schleswig-Holsteiner Bund deklarierte demgemäß Schleswig zu einem Kulturraum, der eng mit den südlich angrenzenden Regionen verbunden ist: In die Landschaft, die seit alters in Verbindung und Austausch mit »Nordelbingen« gestanden hatte – die archäologische Forschung hat ja nachgewiesen, daß zu beiden Seiten der Eider derselbe Kulturkreis herrschte –, schob sich eine über See gekommene Schicht hinein, die wie ein Keil wirken konnte, wenn politische Macht hinter ihr erstand und politische Kräfte wirksam wurden.111

Dänische Einflüsse in der Kultur des Landes und den Bauformen der Region deutete der Bund deshalb nicht als Beleg für eine volkskulturelle Zugehörigkeit, sondern nur als Ausdruck von politischer Einflussnahme und kultureller Assimilationsversuche.112 Deutlich zutage tritt in dieser Argumentation die Differenzierung zwischen Staats- und Volksboden, welche sich auch Claus Eskildsen in seiner Grenzlehre zu Eigen gemacht hatte. Die Aussage »[h]ier ist dänischer Staatsboden niemals zugleich dänischer Volksboden gewesen«,113 verweist in diesem Kontext auf zwei sich im selben Raum überlagernde Prozesse nationaler Identitätsbildung. Wie bereits im 19. Jahrhundert wurden die historischen Zeugnisse der Region je nach nationaler Gesinnung zu vermeintlich eindeutigen Belegen deutsch- respektive dänisch-völkischer und -nationaler Prägung. Die jeweils hiervon abgeleiteten Vormachtansprüche waren in den 1930er Jahren stark von der gegenwärtigen politischen Situation beeinflusst, so dass sich ein ausgeprägtes dänisches Abgrenzungsbedürfnis zur Sicherung der eigenen territorialstaatlichen Integrität und Souveränität auf der einen und der deutsche großgermanische Gedanke auf der anderen Seite gegenüberstanden.

IV.3.b. Die schleswig-holsteinische Denkmalpflege im Dritten Reich Im Zuge der seit Amtsbeginn von Provinzialkonservator Ernst Sauermann im Jahr 1924 verbesserten institutionellen Ausrichtung und Organisation der staatlichen Denkmalpflege in Schleswig-Holstein machte sich im Laufe der 1920er Jahre ebenfalls der Versuch ihrer Instrumentalisierung zu grenzpolitischen Zwecken bemerkbar. Diverse spezifische Rahmenbedingungen, die be110 Schleswig-Holsteiner Bund, Schleswig urdänisches Land? 1937. S. 79. 111 Ebd. S. 65. 112 »Nicht von der Siedlung waren augenfällige Veränderungen zu erwarten, wohl aber von der Herrschaftsbildung.« Ebd. 113 Schleswig-Holsteinische Universitäts-Gesellschaft (Hrsg.). Dänentum in Eiderstedt? (Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit; 2). Kiel 1936. S. 12.

Denkmalpflege und baukulturelles Erbe

235

reits in Kapitel III.3. der vorliegenden Studie angesprochen wurden, verhinderten jedoch eine größere Wirksamkeit. Thomas Scheck hat in seiner umfassenden Arbeit zur schleswig-holsteinischen Denkmalpflege in der Zeit des Nationalsozialismus die Auswirkungen der Machtergreifung auf die Institution des Provinzialkonservatorenamts untersucht und, zumindest in den Anfangsjahren, eine relative Freiheit in der praktischen Arbeit Sauermanns attestiert. Die strukturelle Ausrichtung der staatlichen Denkmalpflege in Preußen im Allgemeinen und in Schleswig-Holstein im Besonderen war zu Beginn des Jahres 1933 weiterhin durch eine fehlende Autonomie der regionalen Konservatoren geprägt, die der finanziellen und personellen Ausstattung der jeweiligen Ämter geschuldet war. Im Vergleich mit den 1920er Jahren ergaben sich sowohl mit der nationalsozialistischen Machtergreifung als auch im Kontext der Festigung der politischen Verhältnisse in den Folgejahren keine Änderungen der gesetzlichen Grundlagen für die Ausübung der pflegerischen Praxis. Trotz der strukturellen Anfälligkeit der schleswig-holsteinischen Denkmalpflege gegenüber politischen Einflussnahmen von außen kam es jedoch nicht zu einer institutionalisierten Instrumentalisierung. Den Grund hierfür sah Scheck in dem Fehlen von Richtlinien seitens des Kultusministeriums und der Provinzialverwaltung.114 Die Gleichschaltung des öffentlichen Lebens in Deutschland führte so zwar zu einer Zentralisierung der staatlichen Kulturpolitik, die sich in Schleswig-Holstein etwa durch die Abschaffung des Provinziallandtages, des Provinzialausschusses und der unterschiedlichen Provinzialkommissionen bemerkbar machte. Zugleich konnte Sauermann seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Konservator weiterhin relativ ungestört nachgehen. Dies lag vor allem an der zurückhaltenden Einstellung von Oberpräsident Hinrich Lohse und Landeshauptmann Otto Röer, in deren Verantwortungsbereich sich die Durchführung der Gleichschaltung in Schleswig-Holstein befand, gegenüber der Denkmalpflege.115 So gingen mit der Machtergreifung zunächst keine unmittelbaren inhaltlichen und administrativen Veränderungen in Sauermanns Arbeit einher.116 Zusätzlich spielte ebenfalls der Aspekt des geringen Institutionalisierungsgrades der staatlichen Denkmalpflege eine Rolle für die nur rudimentäre staatliche Einflussnahme auf den Provinzialkonservatoren. Bereits in den 1920er Jahren hatte sich dies in Bezug auf die Grenzverschiebung als Hinderungsgrund für eine Instrumentalisierung im kulturellen Grenzkampf erwiesen. Auch nach der nationalsozialistischen Machtergreifung nahm die Denkmalpflege sowohl innenals auch außenpolitisch in Schleswig-Holstein nur eine marginale Rolle ein. So konzentrierte sich der Kampfbund für deutsche Kultur unter Landesleiter 114 Scheck, Denkmalpflege und Diktatur, 1995. S. 51. 115 Ebd. S. 49. 116 Ebd. S. 73.

236

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

Friedrich Knolle »als alleinig verantwortlich[er] Leiter der Kulturpolitik und Volksbildung innerhalb der Provinz Schleswig-Holstein«117 auf den Bereich des Theaterwesens und die Pflege von Heimatkultur und Volkstum, die Denkmalpflege selbst blieb, wahrscheinlich auch aufgrund von Sauermanns deutschnationaler Gesinnung, von ihm nahezu unbeachtet. Die geringe politische Bedeutung, die der denkmalpflegerischen Praxis von den verantwortlichen Stellen im Dritten Reich zugesprochen wurde, führte dazu, dass die Denkmalpflege in der Propagierung des nationalsozialistischen Weltbildes keine große Relevanz besaß. Zwar gab es auf Reichsebene Versuche, diese zu ideologischen Zwecken zu instrumentalisieren, die von den Nationalsozialisten mit der Denkmalpflege verbundene Rassepflege schaffte unter den Konservatoren jedoch nicht den Durchbruch als zentrales Kriterium für ihre Tätigkeit.118 Dennoch spiegelte sich die Nordschleswigfrage zumindest in Ansätzen in der Arbeit Ernst Sauermanns, der sich schon in den 1920er Jahren in seiner Doppelfunktion als Provinzialkonservator und Direktor des Kieler ThaulowMuseums im Grenzkampf äußerst aktiv gezeigt hatte, wider : Den baukulturellen Zeugnissen der Landesgeschichte sprach er die Funktion von kulturellen Grenzsteinen zu, die vom nationalen Bodenkampf in der Region künden würden. Auf eine Anfrage des westfälischen Oberpräsidiums im September 1937 wies Sauermann etwa auf die besondere kulturpolitische Intention der Instandsetzung einzelner Bauwerke in der Grenzfrage hin: Wenn die Mittel der zunächst beteiligten Instanzen, des Landeskirchenamtes und des Provinzialverbandes, nicht ausreichten, haben Staat und Reich in den Fällen geholfen, wo kulturpolitische Interessen der Grenzmark berührt wurden. Dank der provinzialen Zuschüsse konnten auch die staatlichen und Reichsmittel erschlossen werden. Z.zt. werden wiederum zwei Baudenkmäler von Rang gründlich instandgesetzt, die Kirchen zu Munkbrarup und zu Zarpen.119

In der Aussage des Provinzialkonservators offenbarte sich eine Weiterführung der grenzkämpferischen Positionen aus dem Jahrzehnt zuvor. Die intendierte Abgrenzung zum dänischen Nachbarn und deren symbolische Darstellung durch den Erhalt und die Pflege deutscher materieller Kulturzeugnisse im Grenzland lag ebenfalls der Publikationstätigkeit der schleswig-holsteinischen Institution zugrunde. Einerseits veröffentlichte Sauermann zur Zeit des Dritten Reichs lediglich acht Aufsätze, das von ihm herausgegebene Schleswig-Holstei117 Zit. nach: Ebd. S. 50. 118 Ebd. S. 62 f. 119 Stellungnahme von Provinzialkonservator Sauermann zur Arbeit der provinzialen Denkmalpflege vom September 1937. LA DpflSH, Akte Sauermann, B II, 2: Verband der preußischen Provinzen; Umfragen und Stellungnahmen, die die Denkmalpflege und ihre Organisationen betreffen.

Denkmalpflege und baukulturelles Erbe

237

nische Jahrbuch wurde 1933 gar eingestellt,120 andererseits erschien ab 1939 eine Reihe an Inventarbänden unter dem Titel Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. Diese zweite Bestandsaufnahme der Denkmäler der Provinz Schleswig-Holstein nach der ersten von 1887 – 1890 verzeichnete kreisweise die Baudenkmale der Region und war Bestandteil einer »nach gleichen Gesichtspunkten im ganzen deutschsprachigen Raum durchgeführten KunstdenkmälerInventarisation […].«121 Besonders die Tatsache, dass sich jene Dokumentation vor allem auf den nördlichen Landesteil konzentrierte, lässt die Vermutung der Konstruktion eines deutschen Kulturraums in Abgrenzung zum dänischen Nachbarn als Intention hinter der Herangehensweise in Schleswig-Holstein möglich erscheinen. Eine besondere Rolle in der deutschen Grenzpolitik nahmen der Schleswiger Dom und dessen Erhaltung in den 1930er Jahren ein. Schon kurz vor der Jahrhundertwende hatte dieser aus Verfügungsmitteln des preußischen Königs einen 112 Meter hohen Hauptturm erhalten, der im neugotischen Backsteinstil eine große Symbolkraft als deutsches Wahrzeichen im Grenzland besaß. Gegen Ende der Weimarer Republik rückten notwendige Instandsetzungsarbeiten in den Mittelpunkt der denkmalpflegerischen Arbeit Ernst Sauermanns; diese konnten aufgrund der wirtschaftlichen Lage jedoch nicht finanziert werden. Erst im Jahr 1937 stand eine Sanierung der Bausubstanz endgültig auf der Agenda des Provinzialkonservators. Der St. Petri Dom in Schleswig nahm innerhalb der nationalsozialistischen Kunst- und Kulturpolitik in Schleswig-Holstein eine zentrale Funktion als deutsch-germanisches Zeichen einerseits und als vermeintlich historischer Beleg gemeinsamer germanisch-nordischer Historie andererseits ein. So warb Sauermann beim Kultus- und Finanzministerium im Hinblick auf die Reichsaußenpolitik gegenüber Dänemark mit dem Verweis auf den nordischen Gedanken, der sich im Dombau in materialisierter Form wiederfinden würde: Die einzige deutsche Domkirche, die eine Verbindung mit dem Norden im Mittelalter gehabt hat, ist im Spiegel des nordischen Gedankens so wieder herzustellen, wie die

120 Sauermann, Ernst (Hrsg.). Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. 4. Bde. Berlin 1939. Thomas Scheck vermutet hinter der Einschränkung der Publikationstätigkeit Sauermanns, dass dieser somit mögliche Eingriffe durch Regierungsstellen in seine Arbeit verhindern wollte. Daneben sei die Einstellung des Jahrbuchs wahrscheinlich auf die Gleichschaltungsbestrebungen der politischen Führung zurückzuführen. Scheck, Denkmalpflege und Diktatur, 1995. S. 51. 121 Beseler, Hartwig. »Was gibt es wo?« Kunst-Topographie in Schleswig-Holstein. In: Ders. Denkmalpflege als Herausforderung. Aufsätze und Vorträge zu Architektur und Denkmalpflege. Hrsg. von Dirk Jonkanski, Deert Lafrenz und Heiko K.L. Schulze. Kiel 2000. S. 49 – 53, hier S. 51. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Reihe mit dem Erscheinen sechs weiterer Bände bis 1966 fortgeführt.

238

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

geistige Haltung, die diesem Bauwerk ehemals eigentümlich gewesen ist, dies erfordert.122

Im Sinne der Bedeutung, die dem Bauwerk von Seiten der durch die nationalsozialistische Ideologie geprägten deutschen Kunstgeschichtsforschung zugesprochen wurde, verbanden sich mit dem Schleswiger Dom aktuelle politische Botschaften, die mit der deutschen Annäherungspolitik an Dänemark im Einklang standen. Als Zeichen »germanisch-nordischer Schaffenskraft« erhielt der Sakralbau, dessen Baugeschichte bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht, über die grenzpolitische Relevanz hinaus Einzug in ein national-germanischen Überlegenheitsnarrativ : So wurden einzelne Fresken, die bei Restaurierungsarbeiten 1894 entstanden waren, als authentische Belege des 13. Jahrhunderts für die Entdeckung Amerikas durch die Wikinger gedeutet und propagandistisch ausgenutzt.123 Zugleich erfüllte der Sakralbau, so in der Darstellung des Schleswiger Stadtmuseums in einem Finanzierungsantrag an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung aus dem Jahr 1938, eine »grenzpolitisch äußerst bedeutsame Funktion, da der Dom den Kampf zwischen deutschen und dänischen Baueinflüssen und den Sieg der deutschen plastisch zeige.«124 Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ergaben sich unmittelbare Folgen für die Arbeit des Provinzialkonservators in Schleswig-Holstein. So verlagerte sich der Schwerpunkt der Arbeit Sauermanns mit zunehmender Kriegsdauer auf den Kunstschutz vor der Zerstörung durch alliierte Bombenangriffe. Die Inventarisierungs- und Instandsetzungsarbeiten mussten hingegen aufgrund der drastischen Reduzierung der Haushaltsmittel und der primären Nutzung von Baumaterialien und Arbeitskräften für Kriegszwecke nahezu komplett eingestellt werden.125 Entsprechend der im Vergleich mit anderen kulturellen Bereichen zugesprochenen, eher geringen gesellschaftlichen und politischen Bedeutung der Denkmalpflege folgte aus dem Kriegsbeginn eine Reihe an neuen Aufgabenfeldern für Ernst Sauermann, die jedoch weniger mit den klassischen Herausforderungen des Provinzialkonservators zu tun hatten. Resümierend kann festgestellt werden, dass die Gleichschaltung des öffentlichen Lebens im Anschluss an die nationalsozialistische Machtergreifung nur wenige direkte Auswirkungen auf die staatliche Denkmalpflege hatte. Laut Thomas Scheck habe der Nationalsozialismus inhaltlich 122 Zit. nach: Beseler, Denkmalpflege in Schleswig-Holstein, 1993. S. 75. 123 Stange, Alfred. Der Schleswiger Dom und seine Wandmalereien. Berlin 1940. S. 88. Siehe hierzu auch: Rieth, Adolf. Vorzeit gefälscht. Tübingen 1967. S. 144 – 148. 124 Schreiben des Schleswiger Museums an die Kulturabteilung der Stadt Schleswig vom 21. Dezember 1938. GA SlFl, Abt. 16: Amt für Kultur- und Wirtschaftsförderung 1820 – 1997, Nr. 95: Allgemeine Museumsverwaltung. 125 Scheck, Denkmalpflege und Diktatur, 1995. S. 195.

Denkmäler der nationalen Sammlung

239

innerhalb der Denkmalpflege wenig bewirkt, denn zur Ausweitung des Denkmalbegriffs hat er nichts beigetragen, allenfalls bestimmte Gebiete wie die Burgenrestaurierung, die Erforschung und Erhaltung von Bauernhäusern sowie Altstadtsanierungen gezielt gefördert. […] Im Großen und Ganzen bedeutete die während des Dritten Reichs ausgeübte Instandsetzungspraxis eine Fortführung der Arbeit auf der Grundlage der bereits in den zwanziger Jahren entwickelten Prinzipien.126

Im schleswig-holsteinischen Fall ergaben sich demgemäß aus der Grenzsituation zu Dänemark heraus nur minimale inhaltliche Verschiebungen der Arbeit von Ernst Sauermann. Es hatte sich schon während des kulturellen Grenzkampfs in den 1920er Jahren erwiesen, dass die Denkmalpflege aufgrund der strukturellen, finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen ein eher geringes Potential in den Auseinandersetzungen um den öffentlichen Raum besaß. Einzelne Aussagen des Provinzialkonservators verweisen auf den Versuch, seine Arbeit in den Dienst grenzkultureller Zwecke zu stellen. Entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie und der Vorstellung vom nordischen Gedanken lag es den zentralen Verwaltungsstellen jedoch an einer Annäherung an den dänischen Nachbarn durch die Erinnerung an eine gemeinsame Kulturgeschichte. Die Tätigkeit des schleswig-holsteinischen Denkmalpflegers zur Zeit des Dritten Reichs war dementsprechend weitestgehend von materieller und ideeller Kontinuität mit lediglich leichten Änderungen geprägt. In der täglichen Arbeit Sauermanns und seiner Mitarbeiter zeigten sich zwar die Beeinflussungen des öffentlichen Lebens durch die Nationalsozialisten, im Vergleich mit anderen Bereich des materiellen Kulturerbes wurde die praktische Denkmalpflege jedoch nur marginal zu grenzpolitischen Zwecken instrumentalisiert.

IV.4. Denkmäler der nationalen Sammlung IV.4.a. Dänische Denkmalpolitik im Kontext der Nordschleswigfrage

Ähnlich wie im Bereich der praktischen Denkmalpflege machte sich im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild der regionalen Denkmaltopographie die nationalsozialistische Machtübergreifung sowie die deutsche Besatzung Dänemark nahezu nicht bemerkbar. Im Einklang mit der Vorstellung eines großgermanischen Reichs versuchten die deutschen Behörden nach dem Einmarsch der Wehrmacht im April 1940 zunächst die Einflussnahme auf den dänischen Staatsapparat und das politisch-kulturelle Leben auf das Nötigste zu beschränken. Unter diesen Umständen galt es, das als natürlichen Verbündeten angesehene Dänemark nicht durch eine Intervenierung in dessen Souveränität 126 Ebd. S. 200 f.

240

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

in Frage zu stellen. Diese Politik bezog sich ebenfalls auf die Monumente und Gedenksteine in Nordschleswig, die anlässlich der Wiedervereinigung des Landesteils mit Dänemark im Zuge der Danisierung der Kulturlandschaft errichtet worden waren. Auf dänischer Seite hingegen besaß in der Folgezeit die nordschleswigsche Denkmaltopographie angesichts der aktuellen grenzrevisionistischen Bestrebungen innerhalb der deutschen Minderheit eine zentrale Rolle in der nationalen Kulturpolitik. Insbesondere das Düppel-Areal, welches bereits nach 1920 zentraler Schauplatz der Danisierung der Kulturlandschaft gewesen war, behielt als Veranstaltungsort großer nationaler Kundgebungen in den 1930er Jahren seine große Symbolkraft. Die Errichtung einer Gedenksäule zur Erinnerung an die nordischen Kriegsfreiwilligen in den beiden Schleswigschen Kriegen des 19. Jahrhunderts geriet im Oktober 1936 aus diesem Grund zum offenen Widerspruch gegen die großgermanische Idee. Aufgrund der aktuellen politischen Situation, die das Damoklesschwert der immer wieder artikulierten Grenzrevisionsforderung zum existenzbedrohenden Politikum machte, symbolisierte Dänemark durch dieses Monument seine Zugehörigkeit zu Skandinavien.127 Dieser Gegenentwurf zum großgermanischen Gedanken kombinierte die Erinnerung an den nordischen Zusammenhalt gegenüber einer deutschen Bedrohung in der Vergangenheit mit der Hoffnung auf eine potentielle Unterstützung durch Schweden und Norwegen in einem gegenwärtigen neuen Konflikt. Bereits im 19. Jahrhundert hatte sich der panskandinavische Gedanke als »Mythomoteur«128 im Kontext der Entwicklung einer dänischen Nationalidentität und des Verlustes der Herzogtümer Schleswig und Holstein herauskristallisiert. Vor allem der ideelle Rückgriff auf die Wikingerkultur wurde zu einem zentralen Instrument der dänischen Nationskonstruktion.129 Die in den 1930er Jahren als Bedrohung empfundene außenpolitische Situation Dänemarks führte zu einem verstärkten Bedürfnis der nationalen Selbstvergewisserung, die in Form einer nordeuropäischen Abgrenzung gegenüber dem deutschen Nachbarstaat imaginiert wurde.130 Die Archäologin Else Roesdahl hat darauf hingewiesen, dass es in jenen Jahren in Dänemark zu einer starken Konjunktur der Beschäftigung mit dem Erbe der Wikingerzeit kam.131 Die 1936 vom dänischen Staatsminister Thorvald Stauning eingeweihte Gedenksäule auf Düppel muss vor diesem Hintergrund als ein nationaler Widerspruch, der sich gegen die deutschen Versuche der Konstruktion einer gemeinsamen germanischen Kultur richtete, gedeutet werden. 127 128 129 130 131

Adriansen, Wirkungen des Krieges, 2010. S. 164. Anderson, Frontiers, 1997. S. 4. Strömholm, Zur kulturellen Identität des Nordens, 2002. S. 109. Vgl. Roesdahl, Vikingerne, 1994. S. 159. Ebd. S. 169 f.

Denkmäler der nationalen Sammlung

241

Neben dem Düppel-Areal, auf dem besonders die Mühle sowie ab Oktober 1936 die Gedenksäule eine wesentliche Rolle in der nationalen Identitäts- und Abgrenzungspolitik spielten, wurde ein weiteres Monument des 19. Jahrhunderts zum Demonstrationsort dänischer Staatssouveränität: Højskamling auf Skamlingsbanke. Bereits 1934 veranstaltete der Verein Junge Grenzwacht (Det unge Grænseværn), der im Kontext des nationalen Grenzkampfs entstanden war, auf der nationalen Versammlungsstätte ein Sommerlager mit rund 35.000 jugendlichen Teilnehmern, um ein deutliches Zeichen gegen die Grenzrevisionsbestrebungen der deutschen Minderheit in Nordschleswig zu setzen.132 Entgegen der großen Bedeutung Düppels für die dänische Nation in den 1920er Jahren war Skamlingsbanke als nationaler Erinnerungsort zunächst ein wenig in Vergessenheit geraten. Erst die erneute konkrete Bedrohung der Grenze durch die politische Agitation der deutschen Volksgruppe rückte den Versammlungsort wieder in den Fokus der nordschleswigschen und dänischen Bevölkerung. Diese Entwicklung erklärt sich durch die vergleichbare Situation an der Grenze zur Entstehungszeit der Gedenksäule in der Mitte des 19. Jahrhunderts und der neu aufgeworfenen Grenzfrage in den 1930er Jahren. In den beiden historischen Szenarien wurden die deutsch-dänische Scheidelinie und somit auch die staatliche Souveränität und territoriale Integrität Dänemarks von deutscher Seite infrage gestellt. Die Reaktivierung von Skamlingsbanke zu nationalen Zwecken kündigte in diesem Zusammenhang von der Präsenz der Erinnerung an das nationale Trauma 1864 in der zeitgenössischen dänischen Gesellschaft. Die beiden zentralen Erinnerungsorte Skamlingsbanke und Düppel blieben auch nach dem Einmarsch der Wehrmacht weiterhin präsent: Anlässlich der am 26. September 1940 überall im Land begangenen Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag von König Christian X. war etwa Düppel ein integraler Bestandteil des nationalen Festprogramms. Während sich Deutschland zunächst weitestgehend aus der dänischen Innenpolitik heraushielt, bestand hinsichtlich der beiden preußischen Siegeszeichen auf Düppel und Arnkiel ein aktives Interesse der deutschen Regierung an deren Instandhaltung, weswegen sich für Dänemark gezwungenermaßen die Frage nach dem Umgang mit ihnen stellte. Das sich hieraus ergebende Dilemma, entweder dem deutschen Restaurierungswunsch nachzukommen oder die Bitte auszuschlagen und die beiden als Symbole deutscher Fremdherrschaft gedeuteten Monumente verfallen zu lassen, stand ganz im Zeichen außenpolitischer Überlegungen. Bereits anlässlich der Grenzverschiebung von 1920 hatte das dänische Außenministerium das Ziel verfolgt, die beiden Bauwerke durch ein 132 Adriansen, Inge. Skamlingsbanke und Knivsberg. Vom nationalen Vorposten zum historischen Erinnerungsort. In: Nordelbingen. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins; 78 (2009). S. 279 – 294, hier S. 285.

242

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

Tauschgeschäft gegen den in Berlin befindlichen Idstedt-Löwen aus der Grenzregion entfernen zu können. Das Scheitern dieser Politik lag in erster Linie an dem Willen der deutschen Behörden, die beiden Denkmäler als Zeichen des eigenen Anspruchs auf die Region vor Ort zu belassen; ein Alleingang in dieser Frage erschien der dänischen Regierung aus außenpolitischen Erwägungen nicht opportun. Aus dieser Situation heraus entstand für die dänische Regierung gar die Notwendigkeit, Düppel- und Arnkiel-Denkmal auf eigene Kosten restaurieren zu lassen.133 Angesichts der politischen Entwicklungen im Dritten Reich, welches nach und nach die im Versailler Vertrag festgelegten, umstrittenen Grenzziehungen revidierte, sowie der hierdurch bedingten dänischen Politik der Neutralität sah sich Dänemark 1938 abermals mit der Frage nach dem Schicksal der beiden Denkmäler konfrontiert: Diese zeigten bereits wenige Jahre nach ihrer Instandsetzung erneut zahlreiche, substantielle Witterungsschäden. Der Bitte der deutschen Gesandtschaft in Kopenhagen nach einer Sanierung der Monumente musste die dänische Regierung gezwungenermaßen ein weiteres Mal folgen und sich des unbequemen deutschen Erbes annehmen.134 Es bestand die Befürchtung, im Falle einer Verweigerung des Restaurierungswunsches, der deutschen Minderheit in Nordschleswig neuen Anlass für ihre grenzrevisionistischen Forderungen zu geben. Die Zweifel an der Endgültigkeit der Haltung der nationalsozialistischen Regierung in der deutsch-dänischen Grenzfrage ließ deswegen ein Entgegenkommen in der Angelegenheit der beiden Denkmäler aus der Sicht der dänischen Regierung zu einer politischen Notwendigkeit werden.135 Trotz des Drängens Deutschlands auf eine Instandsetzung der beiden Monumente 1938 machte sich in jenen Jahren ein Wandel in den Sinnzuschreibungen bemerkbar : Während Düppel im nationalen Kontext Dänemarks weiterhin eine prägnante identifikatorische Funktion inhärent war, hatte das Areal für den deutschen Staat an nationalpolitischer Bedeutung verloren. Die Ereignisse des Deutsch-Dänischen Krieges 1864 besaßen in der kollektiven Identität angesichts anderer Entwicklungen, wie etwa des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 und der damit konnektierten Reichsgründung sowie der Kriegsniederlage von 1919 und des Versailler Vertrags, nicht mehr die gleiche nationale Relevanz wie noch wenige Jahre zuvor. Dahingegen behielt der Ort als historischer Schauplatz der Anbindung Schleswig-Holsteins an das Deutsche Reich im regionalen Bewusstsein seine Bedeutung. Dies drückte sich beispielsweise durch eine anhaltend große Anzahl an deutschen Tagestouristen aus dem Grenzland aus, Düppel133 Siehe Kap. III.4.a. 134 Bak, Tyske sejrsmonumenter, 2003. S. 26. 135 Die umfangreichen und kostenintensiven Restaurierungsarbeiten erfolgten zum Jahreswechsel 1938/39. Siehe: Ebd. S. 28.

Denkmäler der nationalen Sammlung

243

und Arnkiel-Denkmal blieben beliebte Ausflugsziele deutsch-nationalgesinnter Schleswig-Holsteiner.136

IV.4.b. Der Knivsberg 1933 – 1945: Regionale Grenzrevisionsbetrebungen vs. nationale »Nordenpolitik« Das Beispiel der beiden preußischen Siegeszeichen verdeutlicht, dass die schleswigsche Denkmaltopographie nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in den deutschen Diskursen in erster Linie von regionaler Relevanz war. Für die Minderheit in Nordschleswig dagegen war wie bereits in den 1920er Jahren der Knivsberg mit dem Veranstaltungsareal zentrales Symbol des deutschen Charakters der Region sowie Ausdruck der empfundenen Vorläufigkeit der durch den Versailler Vertrag festgelegten Grenzziehung. Als Ort der nationalen Sammlung artikulierten sich hier wiederholt die grenzrevisionistischen Forderungen der Volksgruppe. Im Laufe der 1920er Jahre war jedoch, so der Volkskundler Olaf Peters, ein Regionalbewusstsein aus der Überzeugung erwachsen, dass Nordschleswig sowohl deutsche als auch dänische Wurzeln besitze.137 Dies ist zuvorderst auf die zunehmend negative Bewertung des parlamentarischen Systems der Weimarer Republik zurückzuführen, der schließlich auch die Verantwortung für die Situation an der deutsch-dänischen Grenze zugesprochen wurde.138 Ähnlich wie in der Vorkriegszeit bezog sich die Anlage auf die Vorstellung eines geeinten Deutschen Reichs, sie besaß jedoch zugleich eine intentionale Abgrenzung zu den staatlichen Strukturen, auf die die schlechte Lage der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig zurückgeführt wurde. Die hieraus entstehende Protesthaltung sowie ein gewisses Arrangement mit dem Leben innerhalb des dänischen Staats erhielten jedoch nur eine temporäre Relevanz in den Sinnzuschreibungen für den Knivsberg. Im Kontext der nationalsozialistischen Machtergreifung und der zügigen Nazifizierung der deutschen Minderheit erlebten die nationalen Motive und die Hoffnung auf eine Grenzrevision erneut einen deutlichen Aufschwung und verdrängten die regionale Komponente. Während Johannes Schmidt-Wodder, führender Vertreter der Volksgruppe, noch wenige Jahre zuvor von einer deutsch-dänischen Verhandlungslösung in der Grenzfrage gesprochen hatte,139 begrüßte er 1934 aus136 Weitling, Günter. Deutsche Düppel-Rezeption und Vermittlung im Wandel der Zeiten. In: Stolz, Gerd. Das deutsch-dänische Schicksalsjahr 1864. Ereignisse und Entwicklungen. Husum/Apenrade. 2010. S. 173 – 196, hier S. 182 f. 137 Peters, Knivsbergfest, 1990. S. 34. 138 Jessen-Klingenberg, Schleswig-Holsteins Geschichtsschreibung, 1998. S. 234. 139 Peters, Knivsbergfest, 1990. S. 34.

244

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

drücklich die Machtübernahme der NSDAP.140 Andere Repräsentanten konkretisierten die damit verbundenen Hoffnungen auf eine Revision der Abtretung Nordschleswigs; bereits 1932 artikulierte sich wiederholt der Glaube an eine Auferstehung Deutschlands.141 Der Knivsberg versinnbildlichte in den Jahren nach 1933 die Bestrebungen der Minderheit nach einer Rückkehr »Heim ins Reich«. Zugleich verdeutlichte sich jedoch exemplarisch die Diskrepanz der Positionen der Reichsregierung und der deutschen Bevölkerungsgruppe bezüglich der Nordschleswigfrage. Angesichts des großgermanischen Gedankens und des Primats der Außen- gegenüber der Minderheitenpolitik intervenierte die Berliner Machtzentrale in die Agitationen der deutschen Volksgruppe. Im Kontext der alljährlichen Knivsbergfeste lässt sich Peters zufolge trotz der Freude über die politischen Entwicklungen in Deutschland »Uneinigkeiten in Sachfragen innerhalb der Minderheit [erkennen], die sogar die nordschleswigschen NS-Organisationen spalten.« Dabei blieb jedoch unklar, ob die internen Machtkämpfe »personeller oder inhaltlicher Natur« gewesen seien.142 Redebeiträge auf der jährlichen Veranstaltung, wie im Jahr 1933, die offen antidänische Ansichten zum Ausdruck brachten,143 stellten einen offenen Widerspruch zur Haltung Berlins dar. Letztlich kennzeichnete die Zurückhaltung der deutschen Regierung in der Grenzfrage die gesunkene nationale Relevanz Schleswigs, das in der Sammlungsbewegung des 19. Jahrhunderts noch eine zentrale Rolle eingenommen hatte. Vor dem Hintergrund außenpolitischer und ideologischer Überlegungen war die Reichsregierung bereit, den Gebietsanspruch zugunsten einer Annäherung an den »nordgermanischen Verbündeten« zumindest für die Dauer des Krieges aufzugeben. Mit dem Siegeszug der NSDAP-N im internen Machtkampf innerhalb der Minderheit sowie der wiederholten Feststellung der nationalsozialistischen Regierung, dass die Grenze fest liegt, fand auf den alljährlichen Knivsbergfesten eine verstärkte Übernahme nationalsozialistischer Terminologie statt. Darüber hinaus setzte sich größtenteils die nationale Linie der Annäherungspolitik gegenüber den regionalen Grenzrevisionsforderungen durch. Die wesentliche Botschaft des Denkmals und des Ortes waren jedoch über die Machtergreifung und die Besetzung Dänemark durch die Wehrmacht hinaus eine die Volksgruppe mit dem deutschen Staat vereinigende Intention.

140 141 142 143

Schmidt-Wodder, Johannes. Deutschland gestern und heute. Wien/Leipzig 1934. Peters, Knivsbergfest, 1990. S. 34 f. Ebd. S. 35 f. »Wir jungen Nordschleswiger haben das Stück der Schandmauern von Versailles zu berennen, das uns am nächsten ist.« Ebd. S. 35.

Nationalsozialistische Museumspolitik in Schleswig-Holstein

245

IV.5. Nationalsozialistische Museumspolitik in Schleswig-Holstein IV.5.a. Das »Museum und der nationale Gedanke« – Heimatmuseen und die nationalsozialistische Ideologie Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung und der einsetzenden Gleichschaltung des öffentlichen Lebens erfolgte ebenfalls eine politische Neuausrichtung der deutschen Museumslandschaft. Ausstellungen und Sammlungen sollten nun im Dienste des Volkes stehen und zu der gesellschaftlichen Verankerung nationalsozialistischer Wertvorstellungen und Geschichts- und Weltbilder beitragen.144 Symptomatisch für diese Kulturpolitik und die größtenteils bereitwillige Mitarbeit der Museen ist eine vom ehemaligen Direktor des Altonaer Museums, Otto Lehmann, im September 1933 veröffentlichte Stellungnahme zur Funktion der Museen im zukünftigen Deutschland. Unter dem Titel Die Museen und der nationale Gedanke145 skizzierte er die seines Erachtens notwendigen Grundzüge einer dem deutschen Volk gegenüber verantwortungsvollen Ausstellungspolitik, in der die Heimatmuseen eine zentrale Rolle einnehmen würden. Richtlinie jeglicher Forschungs-, Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit sah er in der Frage, »wie mit der wissenschaftlichen Forschung dem deutschen Volkstum zu dienen ist.« Lehmann zufolge besäßen gerade die Museen die Pflicht, »sich in den geistigen Aufbau eines volkhaft deutschen Reiches einzugliedern, […] den deutschen Gedanken zu pflegen und Bildungsstätten für eine deutsche Kultur zu sein […].«146 Eine Schlüsselrolle ordnete er nicht den großen staatlichen, sondern den kleinen Heimatmuseen bei: »Sie sind es, die deutsche Gesinnung pflegen können; sie weisen darauf hin, was gut deutsch war und was gut deutsch wieder werden muß.« Sie seien zum unmittelbaren Dienst am deutschen Volkstum berufen. Der ehemalige Direktor rückte die Entwicklung der Museumslandschaft in einen engen Zusammenhang mit der Entstehung der nationalsozialistischen Bewegung, die beide gemeinsa144 Roth, Martin Roth. Heimatmuseum. Zur Geschichte einer deutschen Institution (Berliner Schriften zur Museumskunde; 7). Berlin 1990; Höpel, Thomas. Von der Kunst- zur Kulturpolitik. Städtische Kulturpolitik in Deutschland und Frankreich 1918 – 1939 (Beiträge zur Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung; 7). Stuttgart 2007. S. 333. 145 Lehmann, Otto. Die Museen und der nationale Gedanke. Sonderdruck aus: Minerva; 9,5/6 (1933). S. 69 – 75. 146 Ebd. S. 69. Bereits 1928 hatte Lehmann in einem Aufsatz einen Zusammenhang zwischen Lebensraum und Museumsarbeit hergestellt und die Bedeutung des Raumes für den Umfang und den Inhalt der Ausstellungstätigkeit hervorgehoben. Lehmann, Otto. Sinn und Aufgabe der Heimatmuseen. Unter Berücksichtigung der Verhältnisse in Schleswig-Holstein. Sonderdruck aus: Festschrift des Kunstgewerbemuseums [der Stadt Flensburg]. Flensburg 1928.

246

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

me Zeichen der Zeit und Produkte einer erstarkenden Heimatorientierung der Deutschen seien: Fast scheint es, als ob eine geheime Beziehung zwischen der Entwicklung der Heimatmuseen und der neuen Zeit besteht. […] Zweifellos aber bedeuten diese wohl 2000 deutschen Heimatmuseen eine Macht, einen deutschen Kulturwillen von so ungeheurem Ausmaß, daß sie bei richtiger Einstellung in die gesamte Aufgabe unvergleichlich Großes leisten können. […] Sie werden zu Bausteinen, auf und mit denen ein ernsthaftes deutsches Volkstum sich aufbaut, das der Väter Erbe nicht vergessend, zu neuen Taten schreitet.147

Eine Stärkung der Heimatmuseen und ihrer volkstümlichen Arbeit sowie im Gegenzug deren Heranziehung als Bewahrer deutscher Kultur würde zu einer Schlüsselrolle dieser Institutionen in Deutschland führen: Das Heimatmuseum wird dann eine bedeutende und wirksame Kulturpolitik treiben. Wie wir eine Sprache sprechen, eine Geschichte haben, so haben wir einen gemeinsamen Schatz deutscher Kultur, deutschen Lebenswillen, der unsere seelische Struktur bestimmt. […] Was könnte wohl breiter und tiefer in das Volk eindringen als das in freier Luft arbeitende Heimatmuseum, das keine andere Bindung hat als die deutsche Gesinnung.148

Neben der innenpolitischen Funktion sprach Lehmann den Museen ebenfalls eine systemstabilisierende Rolle in den Grenzregionen zu. Als Bewahrer der »Stammesart« würden die Heimatmuseen in diesen Gegenden das »deutsche Volkstum aufrütteln und dem deutschen Volke in das Bewußtsein einhämmern, daß unser deutsches Grenzgebiet gefährdet ist.«149 Lehmann bezog sich in seinen Ausführungen zuvorderst auf die ostdeutschen Grenzregionen, sie lassen sich jedoch auch auf andere Gegenden wie die schleswigsche übertragen. Diese zentrale Rolle der Museen machte sich auch in der deutsch-dänischen Grenzlandschaft bemerkbar : Die immer noch präsente Erinnerung an die Grenzverschiebung von 1920 und dem damit für Deutschland verbundenen Verlust Nordschleswigs nahm nach 1933 in der regionalen schleswig-holsteinischen Museumslandschaft eine signifikante Bedeutung ein. Die von Otto Lehmann vorgenommene Betonung der Institution Museum als »wichtiges Glied in der Erziehung zum deutschen Volksstaat«150 machte sich insbesondere im Kontext der Idstedt-Gedächtnishalle bemerkbar. Landesbibliothekar Volquart Pauls,151 ein glühender Anhänger des Nationalsozialismus und Vertreter 147 148 149 150 151

Lehmann, Museen und der nationale Gedanke, 1933. S. 70. Ebd. S. 72. Ebd. S. 73. Lehmann, Sinn und Aufgabe der Heimatmuseen, 1928. S. 75. Zur Person Volquart Pauls siehe: Klose, Olaf. Schleswig-Holsteinisches biographisches Lexikon; Bd. 1. Neumünster 1970; Kuschert, Rolf. Prof. D. Volquart Pauls. 23. Januar

Nationalsozialistische Museumspolitik in Schleswig-Holstein

247

einer starken antidänischen und grenzkämpferischen Position, widmete sich in einem 1938 erschienenen Artikel152 der Frage, welchen Stellenwert die schleswigholsteinische Erhebung in den Heimatmuseen des Landes einnehmen soll, vor allem in jenen Ausstellungsinstitution, die nicht unmittelbare Schauplätze der Ereignisse waren: Wie der 9. November 1923 mit seinen Blutzeugen vor der Feldherrenhalle in München zur Geburtsstunde des Dritten Reiches wurde, so ist die schleswig-holsteinische Erhebung des »verlassenen und verratenen Bruderstammes« ein weithin leuchtendes Fanal in der deutschen Einheitsbewegung gewesen und zu einem Grundpfeiler geworden, auf denen das deutsche Reich errichtet wurde. Gibt es […] eine schönere und zugleich dankbarerer Aufgabe für ein schleswig-holsteinisches Heimatmuseum, als dem lebenden Geschlecht und der heranwachsenden Jugend immer wieder eine lebendige Anschauung zu vermitteln von der sittlichen Kraft, die in dieser Bewegung lebte, von dem starken Glauben unserer Väter an ein kommendes deutsches Reich […].153

Pauls’ Vergleich der Erhebung mit dem Hitlerputsch vom 9. November 1923 als jeweiliges Fanal eines deutschen Aufbruchs ordnete die Vorkommnisse von 1848 – 1851 in ein primär nationales Narrativ ein.154 Die von ihm gezogene Parallele stilisierte zum einen die Erhebung zu einem nationalen Schlüsselereignis für den Weg Schleswig-Holsteins in das Deutsche Reich und ließ sie zum anderen zu einem Bestandteil des deterministischen nationalsozialistischen Geschichtsbildes werden. Sowohl der Hitlerputsch als auch der Freiheitskampf der Schleswig-Holsteiner seien zunächst gescheitert, letztlich hätten sie aber mit der »Machtergreifung« Hitlers und der NSDAP ihre Erfüllung in einem vereinigten, starken Deutschland gefunden. Deswegen sei es unbedingt notwendig, so Pauls, dass

1884 – 9. Mai 1954. Vortrag, gehalten in einer Feierstunde des Heimatbundes Landschaft Eiderstedt in Kating am 22. Januar 1984 (Landeskundliche Schriften des Nordfriesischen Vereins; 7). Husum 1984. 152 Pauls, Volquart. Die Darstellung der Schleswig-Holsteinischen Erhebung (1848 – 51) in den Schleswig-Holsteinischen Heimatmuseen. Ein Beispiel für die Gestaltung der historischen Abteilungen in unsern Heimatmuseen. Sonderdruck aus: Museumskunde; N.F. 10,1 (1938). 153 Ebd. S. 2. An anderer Stelle wird Pauls diesbezüglich noch deutlicher : »Wer die schleswigholsteinische Erhebung in ihrem innersten Wesen und ihrer volksgeschichtlichen Bedeutung erkennt, dem drängen sich die Parallelen zu unserer jüngsten Vergangenheit ganz ungezwungen auf. Und in Anknüpfung an diese Erlebnisse werden auch die heutige Generation und die Jugend ohne Mühe diese Brücke zu jenen längst verklungenen Tagen finden.« Ebd. S. 3. 154 Vgl. Behrenbeck, Sabine. Der Kult um die toten Helden. Nationalsozialistischen Mythen, Riten und Symbole 1923 bis 1945 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung; 2). Diss. Vierow bei Greifswald 1996; Reichel, Peter. Der schöne Schein des Dritten Reichs. Gewalt und Faszination des deutschen Faschismus. Hamburg 2006. S. 279 ff.

248

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

jedes schleswig-holsteinische Heimatmuseum die Erhebung in den Kreis seiner Darstellungen einbeziehen [muß]. […] Die Erhebung ist das geschichtliche Erlebnis unseres Landes, in dem die Geschichte unserer Heimat während des 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt und ihre geschichtliche zeugende Kraft erreichte.

Im Zentrum der musealen Behandlung dieser Thematik sollten daher weniger einzelne Ereignisse stehen, »sondern die Bewegung als Ganzes von der stürmischen Begeisterung der Märztage des Jahres 1848 bis zum leidvollen Ende, nicht allein die Siege der schleswig-holsteinischen Waffen, sondern vielmehr das heldische Opfer, das das ganze Land in allen seinen Schichten seinem deutschen Volkstum brachte.« Die Betonung des Motivs des Leidens nahm in dieser Darstellung eine signifikante Rolle ein. Das historische Vorbild der bereitwillig für die deutsche Sache gebrachten Opfer und die erlittenen Leiden sollten Ansporn und Mahnung an ein zeitgenössisches Publikum sein und sie auf die deutsche »Volksgemeinschaft« einschwören. Dagegen galt eine mögliche regionale Beschränkung der Thematisierung der schleswig-holsteinischen Erhebung auf Museen aus dem unmittelbaren Grenzraum als ein Zeichen der Schwäche und des nicht vorhandenen Zusammenhalts zwischen Schleswig und Holstein gegenüber Dänemark: Wollten wir ihre Darstellung im Wesentlichen auf die schleswigschen Heimatmuseen beschränken […], wir würden damit in dieser Frage nur allzu leicht eine neue Eidergrenze aufrichten und den gelegentlichen, von jenseits der Grenze kommenden spöttischen Bemerkungen von den Bindestrich Schleswig-Holsteinern Vorschub leisten.155

Das Ziel müsse laut Pauls deshalb ein deutliches Zeichen deutscher Gemeinsamkeit sein. Aus der Lehre dieser »historischen Entwicklungsreihe, die heute noch nicht abgeschlossen ist,« zog der Landesbibliothekar in seinem Artikel aktuelle grenzpolitische Rückschlüsse. Die Heimatmuseen der Region rief er dazu auf, Erziehungsarbeit zu leisten, um eine »neue eiderdänische Bewegung, deren Vorposten an der Eider und an der Schlei stehen, […] heute abzuwehren und in diesem Kampf die Volkstumskräfte des ganzen Landes, nicht nur des umkämpften Gebietes zu wecken und einzusetzen.« Wegen dieser »neue[n] eiderdänischen Bewegung« und »aufgrund des Versailler Diktats und dem hierdurch ausgelösten und seitdem von Jahr zu Jahr verschärfenden Volkstumskampf« seien die Ereignisse der Erhebung nicht mehr nur Höhepunkt eines historischen Ablaufs, dem wir wie jeder schöpferischen Größe der Vergangenheit Achtung und ehrfurchtsvolle Würdigung zollen, sondern sie sind uns in ihrer geistigen und seelischen Grundlage Symbol und Mythos für Gegenwart und Zukunft.156 155 Pauls, Darstellung der Schleswig-Holsteinischen Erhebung, 1938. S. 2. 156 Ebd. S. 3.

Nationalsozialistische Museumspolitik in Schleswig-Holstein

249

Die historischen Ereignisse der Jahre zwischen 1848 und 1851 wurden in dieser Deutung in den Dienst einer nationalen Politik gestellt. Eine regionale Komponente spielte in Volquart Pauls’ Darstellung nur eine untergeordnete Rolle, die schleswig-holsteinische Bewegung mit dem Ziel der Bildung eines eigenständigen Staates thematisierte er nicht. Auf diese Weise ergab sich das Bild einer ereignisgeschichtlichen Entwicklungsreihe, die in Verbindung mit einer Vielzahl an gebrachten Opfern in einem erstarkten nationalsozialistischen Deutschland endete. Entsprechend der von Lehmann und Pauls akzentuierten großen gesellschaftlichen und nationalen Bedeutung erlebten nach 1933 die regionalen Museen in Schleswig-Holstein eine regelrechte Konjunktur. Der Historiker JensPeter Biel hat anhand des Dithmarscher Landesmuseums dargelegt, dass im Anschluss an den Machtwechsel nach finanziell eher knappen Jahren der Ausstellungseinrichtung nun erheblich mehr Ressourcen zugewiesen wurden.157 Mit der verbesserten finanziellen Ausstattung ging eine vermehrte Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit des Museums einher : Die Besucherzahlen stiegen so von 1932 bis 1933 von rund 5.400 auf über 15.000 an. Darüber hinaus sollten der nationalpolitischen Bedeutung der Museumsarbeit zahlreiche öffentliche Vorträge der Rolle des Heimatmuseums als zentralem Kulturträger Rechnung tragen.158 Im Unterschied zur staatlichen Denkmalpflege wurde der Institution Museum eine wichtige Rolle in der Verbreitung des nationalsozialistischen Weltbildes zugesprochen. Die Gleichschaltung des öffentlichen und kulturellen Lebens machte sich dementsprechend ebenfalls in den Ausstellungsgestaltungen und -konzeptionen bemerkbar. Beispielsweise lagen der inhaltlichen Planung des privat gestifteten Kunstmuseums Nissen-Haus159 in Husum 1933 die neuen politischen Aufgaben im nationalsozialistischen Staatssystem zugrunde. Als »ein Ort innerer Sammlung, ein Ort der Erziehung und Kundgebung« sollte das Nissen-Haus, so das Konzeptionspapier aus dem Jahr 1933, den Anforderungen an ein Heimatmuseum gerecht werden: Nicht etwas Starres, Totes soll unser Heimatmuseum sein, sondern ein lebendiger Organismus. […] es soll das Wesen der Heimat darstellen. Es soll zeigen das Ergebnis vom Boden und der auf diesem Boden schaffenden Schicksalsgemeinschaft, es soll veranschaulichen, […] wie der Mensch in [der Landschaft] wuchs als Produkt des 157 Biel, Jens-Peter. Zur Rolle der Heimatmuseen in der nationalsozialistischen Kulturpolitik. Das Beispiel Dithmarscher Landesmuseum und sein Direktor Dr. Alfred Kamphausen 1931 bis 1945. In: Dithmarschen; 3/2002. S. 79 – 88, hier S. 79 f. 158 Ebd. S. 80 f. 159 Das Nissen-Haus ist ein regionales Kunstmuseum in der Stadt Husum, welches aus der Stiftung des Husumer Diamantenhändlers Ludwig Nissen, der in den USA lebte, hervorging.

250

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

Bodens und des Blutes, dem er entstammt. Es soll ihn also zeigen in Umwelt, in Rasse, in Volkstum, in Wirtschaft und Geschichte. Und aus der Geschichte des Volkes ragen hervor die richtunggebenden Persönlichkeiten, die Führer auf allen Gebieten der geistigen und materiellen Kultur, und ihre Leistungen sind zu veranschaulichen, um ihnen zu huldigen, um sie als anspornende Vorbilder vorzuweisen.160

Deutlich bezogen sich die Gestaltungsgrundsätze auf die von Otto Lehmann propagierten gesellschaftlichen Aufgaben der Heimatmuseen. Die Ausstellung orientierte sich einerseits an der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie und sollte andererseits eine Brückenfunktion zwischen Deutschland und dem »stammesverwandten« Dänemark einnehmen. Die Aufteilung der Ausstellung in die beiden Bereiche »Boden«161 sowie »Rasse und Volkstum« »zur Darstellung [… derjenigen] menschlichen Lebensäußerungen, die aus dem Blute herauswachsen«,162 entsprach der zeitgenössischen, politisch geprägten Mode landeshistorischer Ausstellungsgestaltung. Im Gegensatz zu der Rolle der regionalen Museen Schleswig-Holsteins in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und nach der Volksabstimmung 1920 legte die Ausstellungskonzeption des Nissen-Hauses den Fokus der Darstellung auf die Betonung des kulturellen Schwellencharakters Schleswigs zwischen den beiden Staaten.163 Die Intention des Kunstmuseums orientierte sich somit nicht an der von der Historikerin Vittoria Borsý hervorgehobenen Bedeutung der Raumstruktur »Grenze« zur Differenzierung von Identität und Alterität,164 sondern zielte gerade auf die Betonung der Hybridität der regionalen Kultur ab. Während im Kontext der Diskussion um Claus Eskildsens Dansk Grænselære die kulturellen Verbindungen Dänemarks nach Nordfriesland von deutscher Seite aus negiert wurden,165 standen die gegenseitigen deutsch-nordfriesisch-dänischen Beeinflussungen im Mittelpunkt der Ausstellung: »Deshalb will das Nissen-Museum, als nordfriesisches Zentralmuseum, alle Linien, die in den so nah verwandten

160 Konzeptionspapier Aufgabe und Plan der Einrichtung des Heimat-Museums im NissenHaus zu Husum. S. 1 f. LA DpflSH, Akte Sauermann, Abt. B II, 6: Museen und Museenverbände. 161 Ebd. S. 4: »Die Geest, das norddeutsch-skandinavische Flachland ist bekanntlich die Landschaft, auf der die altgermanische Kultur erwachsen ist als Produkt von Rasse und Boden […].« 162 Ebd. S. 9. 163 »Wie ganz Schleswig eine Brücke zum Norden darstellt, so steht in Sonderheit das nordfriesische Volkstum in so mancher Beziehung zwischen den Volkstümern West- und Nordgermaniens.« Konzeptionspapier Aufgabe und Plan der Einrichtung des HeimatMuseums im Nissen-Haus zu Husum. S. 3. LA DpflSH, Akte Sauermann, B II, 6. 164 Borsý, Grenzen, 2004. S. 21. 165 »Aber die tausendjährige Geschichte der Landschaft weiß nichts von dänischem Volkstum in Eiderstedt zu berichten.« Schleswig-Holsteinische Universitäts-Gesellschaft, Dänentum in Eiderstedt?, 1936. S. 36.

Nationalsozialistische Museumspolitik in Schleswig-Holstein

251

Norden führen, verfolgen und hervorheben.«166 Diese Darstellung präsentierten Schleswig im Allgemeinen und Nordfriesland im Besonderen als kulturelle Übergangsgebieten, in denen durch die unterschiedlichen nationalen Einflüsse ein kultureller Zwischenraum zwischen Deutschland und Dänemark – ein Third Space im Bhabhaschen Sinne167 – entstanden sei. Die Ausrichtung der heimatgeschichtlichen Ausstellung im Nissen-Haus war in der regionalen Museumslandschaft kein Einzelfall, sondern entsprach der gängigen zeitgenössischen Interpretationsweise der Landeshistorie in den schleswigschen Museen. Auf einer Tagung der schleswig-holsteinischen Landesmuseen am 14. Mai 1933 unter der Leitung des Direktors des Dithmarscher Landesmuseums und des späteren schleswig-holsteinischen Museumspflegers, Alfred Kamphausen, gab dieser die neue, durch die nationalsozialistische Kulturpolitik geprägte Ausrichtung vor. Eine zentrale Rolle spielte hierin der nordische Gedanke: Die Sehnsucht zum Norden ist der Hintergrund aller augenblicklichen rassentheoretischen Spekulationen. Der Wille zum Norden als Grundlage neuen Kulturanbruchs lebt in der Jugend, – die Brücke zu diesem Norden aber ist Schleswig-Holstein. […] Und suchen wir den Wahlspruch des neuen Deutschland: »Gemeinnutz geht vor Eigennutz« auf unserem Gebiet zu verwirklichen, dann wird der Museumsgedanke ein Leben bekommen, wie es ihm vorher noch nicht beschieden war.168

Bereits vor der Einsetzung des Kunsthistorikers Kamphausen zum schleswigholsteinischen Museumspfleger im Jahr 1935 war dieser von zentraler Bedeutung für die Gleichschaltung und staatlich gesteuerte Ausrichtung der Museen im Grenzland gewesen. Als Direktor des Landesmuseums für Dithmarschen erhielt er 1933 den Vorsitz in der Arbeitsgemeinschaft der schleswig-holsteinischen und lauenburgischen Heimatmuseen und vertrat diese auf nationaler Ebene im Ring der Verbände Deutscher Heimatmuseen, der zentralen Koordinierungsstelle für die fachliche Zusammenarbeit.169 Als glühender Nationalsozialist170 sorgte Kamphausen für eine enge Eingliederung der regionalen Museen in die nationalsozialistischen Kulturverbände sowie die Integration rassischer und völkischer Elemente in die einzelnen Ausstellungen. In seiner Funktion als eh166 Konzeptionspapier Aufgabe und Plan der Einrichtung des Heimat-Museums im NissenHaus zu Husum. S. 3. LA DpflSH, Akte Sauermann, B II, 6. 167 Bhabha, Location of Culture, 1994. 168 Tagungsbericht der Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Heimat-Museen in SchleswigHolstein und im Kreise Herzogtum Lauenburg am 28./29. Oktober 1933. GA SlFl, Abt. ZD: Zeitgenössische Dokumentation der Stadt Schleswig, Nr. 4.8: Ortstatute »gegen Verunstaltung«. 169 Biel, Rolle der Heimatmuseen, 2002. S. 82. 170 Klee, Ernst. Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main 2011. S. 298.

252

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

renamtlicher Museumspfleger171 stieß er 1936 auf der Tagung der schleswigholsteinischen Landesmuseen eine Aufgaben- und Themenverteilung unter den einzelnen Institutionen an, um so über die »pädagogische Wirkung des Museums«172 den Heimatgedanken und die nationalsozialistische Ideologie in der Bevölkerung zu verbreiten.

IV.5.b. Neukonzeption der Idstedt-Gedächtnishalle Die von Lehmann, Pauls und Kamphausen skizzierten Grundzüge einer zukünftigen Heimatmuseumsarbeit fanden ihre Umsetzung ebenfalls in der Idstedt-Gedächtnishalle. Entsprechend der nationalpolitischen Mission, die der Institution Museum von den Nationalsozialisten zugesprochen wurde, galt es bereits kurz nach der Machtergreifung, die Ausstellungshalle sowohl inhaltlich als auch ikonographisch dem nationalen Programm anzupassen.173 Obwohl das Ausstellungsgebäude erst wenige Jahre zuvor renoviert und mit einer überarbeiteten inhaltlichen Konzeption 1930 eröffnet worden war, galt die Darstellung der landeshistorischen Ereignisse aus der Zeit des Schleswig-Holsteinischen Krieges bereits Anfang 1933 als nicht mehr zeitgemäß. Alfred Kamphausen kritisierte das museumsdidaktische Konzept der Idstedt-Halle als die nationalsozialistische Kulturpolitik gefährdend. Stadtarchivar Ernst Petersen wurde deswegen mit der Überarbeitung der Ausstellung beauftragt. Matthias Schartl zufolge stellte sich das Museum anschließend jedoch »nur noch mehr vollgestopft«174 dar. Petersen selbst war der Ansicht, dass sich den Besuchern nach seiner Überarbeitung »jetzt ein übersichtliches zusammenhängendes Bild der schleswig-holsteinischen Erhebungszeit« präsentiere und »jedem der etwa 150 171 Laut Biel umfasste das Amt des Museumspflegers folgende Aufgabenbereiche: Erstens fungierte er als Gutachter und Berater der Reichs-, Staats- und Provinzialbehörden auf regionaler Ebene. Zweitens oblag ihm die Sachverwaltung der schleswig-holsteinischen Heimatmuseen. Drittens sollte der Museumspfleger über die Erziehung und Ausbildung der Museumsleiter für Konformität sorgen. Biel, Rolle der Heimatmuseen, 2002. S. 84. 172 Tagungsbericht der Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Heimat-Museen in SchleswigHolstein und im Kreise Herzogtum Lauenburg am 28./29. Oktober 1933. GA SlFl, Abt. ZD, Nr. 4.8. 173 Der Vorsteher der städtischen Museumsverwaltung berichtete nach einer Begehung der Ausstellungsräumlichkeiten am 27. März 1933 an den Magistrat der Stadt Schleswig, dass es notwendig sei, »an der Haupteingangspforte 2 Fahnenstangen anzubringen, um dort die schwarz-weiss-rote und die Hakenkreuz Fahne hissen zu können.« Dieser Vorgang ist eine offensichtliche Nationalisierung des Museums. Bericht der städtischen Museumsverwaltung an den Magistrat der Stadt Schleswig vom 27. März 1933. GA SlFl, Abt. 16: Amt für Kultur- und Wirtschaftsförderung 1820 – 1997, Nr. 111: Idstedt-Gedächtnishalle, Allgemeine Angelegenheiten (z. B. Wiedereröffnung 1949). 174 Schartl, Idstedt, 2006. S. 10.

Nationalsozialistische Museumspolitik in Schleswig-Holstein

253

vorhandenen Bilder und fast ebenso zahlreichen Drucksachen und Schriftstücken« der richtige Platz zugewiesen worden sei.175 Entsprechend der Anforderung, dass sich die Ausstellungsgestaltung primär am nationalsozialistischen Weltbild orientieren sollte, standen Militaria und die militärischen Auseinandersetzungen im Fokus der Petersenschen Überarbeitung. Ähnlich wie in der nationalsozialistischen Denkmalpolitik nahmen der Opfergedanke und die Heldenverehrung der für Deutschland Gefallenen eine zentrale Rolle ein.176 In seinem Abschlussbericht an den Bürgermeister der Stadt Schleswig fasste Stadtarchivar Petersen seine an diesen Leitsätzen erfolgte Arbeit mit den Worten zusammen, dass »die Neuordnung immer wieder den Beifall der Besucher« erhalten würde, »ein Beweis, wie notwendig sie war.«177 Auf die Neukonzeption der Ausstellung folgte eine starke Besucherresonanz, die in den folgenden Jahrzehnten quantitativ nie wieder erreicht werden sollte. Besichtigten 1935 rund 9.300 Menschen »aus allen Teilen des deutschen Vaterlandes, aus Dänemark, Schweden, Oesterreich und anderen Ländern« die Halle,178 waren es 1936 bereits 11.000179 und 1937 gar 12.000.180 Im Gegensatz zu der großen Resonanz sowie der positiven Bewertung der Umgestaltung durch die lokale Presse und Petersen selbst sah Landesbibliothekar Volquart Pauls in der Idstedt-Gedächtnishalle den nationalen Aspekt als nicht ausreichend betont an. Neben den durch die unzähligen Exponate überfüllten Räumlichkeiten bemängelte er, dass nicht genug auf die Parallelen zwischen der Schleswig-Holsteinischen Erhebung und »unsere […] jüngste […] Vergangenheit eingegangen werde.«181 Pauls bezog sich in erster Linie auf die vermeintliche Parallelität der Ereignisse von 1864 und vom 9. November 1923 sowie auf die Lehren, die das deutsche Volk daraus ziehen könne.182 Kritik seinerseits fand ebenso die Inte175 Bericht von Stadtarchivar Ernst Petersen betreffend die Neuordnung der Idstedt-Gedächtnishalle vom 25. Mai 1936. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 111. 176 Thamer, Hans-Ulrich. Von der Monumentalisierung zur Verdrängung der Geschichte. Nationalsozialistische Denkmalpolitik und die Entnazifizierung von Denkmälern nach 1945. In: Speitkamp, Winfried (Hrsg.). Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik. Göttingen 1997. S. 109 – 136. 177 Bericht von Stadtarchivar Ernst Petersen betreffend die Neuordnung der Idstedt-Gedächtnishalle vom 25. Mai 1936. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 111. Die Schleswiger Nachrichten berichteten wohlwollend, dass die Überarbeitung eine den »Zeitgeschehnissen entsprechende Umstellung der Erinnerung« mit sich gebracht hätte. Schleswiger Nachrichten, 1. April 1936. 178 Schleswiger Nachrichten, 4. Februar 1936. 179 Schleswiger Nachrichten, 6. Februar 1935. 180 Schleswiger Nachrichten, 15. Januar 1938. 181 Zit. nach: Schartl, Idstedt, 2006. S. 12. 182 Pauls verwendete diesen Vergleich an mehreren Stellen, so auch in seinem zuvor zitierten Artikel über die Darstellung der Schleswig-Holsteinischen Erhebung in den Heimatmuseen. Vgl. Pauls, Darstellung der Schleswig-Holsteinischen Erhebung, 1938. S. 2.

254

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

gration einzelner dänischer Bilder in die Ausstellung, die der Intention der Ausstellungshalle nicht gerecht werden würde. In seinen Grundlinien für die Arbeit der Heimatmuseen gab der Landesbibliothekar zu diesem Punkt an, dass die Verwendung von Bildern dänischen Ursprungs […] nur dann in Frage kommen [darf], wenn die Raumverhältnisse es zulassen, daß neben einer deutschen Darstellung als Gegenstück ein dänisches Bild gezeigt wird, wenn bei dänischen Siegen wie Fredericia, Idstedt oder Friedrichstadt ein brauchbares deutsches Bild fehlt, und das dänische Bild nicht unsere Empfindungen verletzt.183

Der nationale Aspekt spielte über die Ausstellung hinaus eine Rolle in der Wahrnehmung der gesamten Anlage in Idstedt. Immer wieder stilisierte die deutsche Seite den Komplex als Symbol deutscher Herrschaft über den Raum. Gerade die Baufälligkeit der angrenzenden Kirche entwickelte sich aus diesem Grund zu einem nationalpolitischen Problem: Es wurde […] zum Ausdruck gebracht, daß das Abreißen dieser Gedächtnisstätte in der schleswig-holsteinischen Bevölkerung nicht verstanden werden würde, und auch jenseits der Grenzen als Schwäche ausgelegt werden würde, wenn nicht gleichzeitig die Errichtung eines Ersatzbaues begonnen werde.184

In einem weiteren Schreiben des Landrats an den Regierungspräsidenten zwei Monate zuvor hatte dieser insbesondere auf den grenzpolitischen Aspekt der Anlage hingewiesen, aufgrund dessen jegliches Zeichen von Schwäche vermieden werden müsse. So seien nun endgültig Maßnahmen zur Instandsetzung zu ergreifen, da »es sich hier um ein Bauwerk handelt, welches in den Sommermonaten von den durchreisenden Dänen zusammen mit der Idstedt-Gedächtnishalle […] sehr viel besichtigt wird.«185 Der nationale Referenzrahmen löste in diesem Sinne in den Jahren nach 1933 den regionalen nahezu vollständig ab. Über die Verbindung der nationalen zeitgenössischen Ereignisse mit der schleswig-holsteinischen Erhebung gelang es den Nationalsozialisten, die regionalen Narrative im Kontext der Gedächtnishalle zu verdrängen. Als Symbol deutscher Herrschaft über den Grenzraum galt es, Stärke gegenüber dem dänischen Nachbarn zu zeigen und so dessen Ansprüche auf die Region zurückzuweisen.

183 Ebd. S. 6. 184 Vermerk über die Besprechung betreffend die Kirche in Idstedt vom 15. Juni 1938. LASH, Abt. 309: Regierung zu Schleswig, Nr. 35333: Instandsetzung der Kirche in Idstedt. 185 Schreiben vom Landrat an den Regierungspräsidenten betreffend die Idstedt-Gedächtniskirche vom 7. April 1938. LASH, Abt. 309, Nr. 35333.

Zwischenfazit

255

IV.6. Zwischenfazit Im Kontext der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland unterlag der deutsch-dänische Grenzraum einem grundlegenden politischen Wandel. Während sich der kulturelle Grenzkampf gegen Ende der 1920er Jahre allmählich abgeschwächt hatte, lösten die gesellschaftlichen Entwicklungen 1933 eine rasche politische Gleichschaltung der schleswig-holsteinischen Gesellschaft aus. So konnte die NSDAP bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 in SchleswigHolstein die absolute Mehrheit und somit ein landesweit überdurchschnittlich starkes Ergebnis erzielen. Angesichts der politischen Ereignisse kam es im Zuge des sogenannten Ostersturms zu einem regelrechten »Nazifizierungsrausch« der deutschen Minderheitsbevölkerung jenseits der Staatsgrenze, so dass die Grenzfrage erneut thematisiert wurde. Da die nationalsozialistische Regierung den dänischen Staat als einen natürlichen Verbündeten innerhalb einer neuen, von Deutschland geprägten Weltordnung sah, unterstützte sie die grenzrevisionistischen Bestrebungen der regionalen Bevölkerung nicht, sondern versuchte stattdessen eine Annäherung zu Dänemark zu initiieren. Diese Politik stand vor allem unter dem im nationalsozialistischen Weltbild verankerten nordischen Gedanken, der von einer »völkischen« und kulturellen Wesensgleichheit Deutschlands mit den skandinavischen Staaten ausging. Im Sinne des großgermanischen Machtstrebens unterlag die deutsche Kulturpolitik der Maxime, diese vermeintliche Gemeinsamkeit hervorzuheben und im Inland und im skandinavischen Ausland zu propagieren. Vor dem Hintergrund des deutschen Annäherungsstrebens an die nordischen Staaten nahm für das Dritte Reich das materielle Kulturerbe des schleswigschen Grenzraumes eine zentrale Stellung in seiner Dänemarkpolitik ein. Für den Zeitraum der Jahre zwischen 1933 und 1945 erwiesen sich vor allem vier Entwicklungen als essentiell: Erstens verschoben sich in jenen Jahren die Bezugsrahmen, in die das Kulturerbe der Grenzregion eingeordnet wurde. So verdrängten die nationalen Aspekte die regionalen nun nahezu vollständig. Zweitens wirkte sich der in Deutschland propagierte nordische Gedanke insofern aus, als im Zusammenhang mit den kulturhistorischen Zeugnissen des Landes vor allem auf die deutsch-dänischen Gemeinsamkeiten in der Region hingewiesen wurde und trennende Narrative zurückgestellt wurden. Drittens verloren aus deutscher Sicht vor allem die Monumente, die für ein trennendes Erbe und somit im Kontrast zum nordischen Gedanken standen, an nationaler Bedeutung. Viertens reagierte Dänemark auf die deutsche Kulturpolitik in der Grenzregion mit einer eigenen Offensive, die angesichts der weiterhin offenen Grenzfrage die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Staaten betonte. Das prägnanteste Beispiel für den Einfluss des nordischen Gedankens auf die deutsche Kulturpolitik war die Rekontextualisierung des mittelalterlichen Kul-

256

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

turerbes Danewerk und Haithabu. Während die Siedlung und der Verteidigungswall in den 1920er Jahren unter deutschen Wissenschaftlern und Politikern in erster Linie als die Artefakte einer deutschen Historie gedeutet wurden, durch die sich die eigene Herrschaft über Schleswig legitimieren lasse, bekam die Vorstellung einer geteilten nordgermanischen Geschichte in den von der SS protegierten Forschungsarbeiten zunehmend Raum. So schlug sich etwa der nordische Gedanke in den Darstellungen der Grabungsergebnisse durch deren Leiter Herbert Jankuhn nieder, denn im Gegensatz zu der grenzpolitischen Instrumentalisierung des mittelalterlichen Erbes in den 1920er Jahren betonte der Frühhistoriker die gemeinsame germanisch-nordische Vergangenheit, von der diese historischen Schauplätze künden würden. Jankuhns Deutung stand dabei im Kontext einer grundlegenden Neuausrichtung der schleswig-holsteinischen Historiographie, die nicht mehr den vermeintlich historischen Gegensatz zum nördlichen Nachbarn thematisierte, sondern die gemeinsame Entwicklungsgeschichte hervorhob und hieraus einen deutschen Führungsanspruch über den skandinavischen Raum ableitete. Diese Tendenzen wirkten sich über die Bewertung des mittelalterlichen Kulturerbes auch auf andere Bereiche wie die Arbeit des schleswig-holsteinischen Provinzialkonservators Ernst Sauermann aus. War dieser in den 1920er und noch bis in die 1930er Jahren hinein einer der zentralen Vertreter des Grenzkampfes auf schleswig-holsteinischer Seite gewesen, machte sich auch in der staatlichen Denkmalpflege allmählich ein Umdenken bemerkbar. Ähnlich wie in der Dekade zuvor versuchte Sauermann nach 1933 zunächst noch, seine Tätigkeit in den Dienst einer nationalen Grenzkampagne zu stellen. Sein Wirken blieb angesichts der finanziellen Ausstattung seines Amtes, der rechtlich unzureichenden Grundlage der Denkmalpflege und der äußeren politischen Umstände wie bereits in den 1920er Jahren nahezu wirkungslos. Letztlich zeigten sich etwa im Kontext des Schleswiger Doms ab 1937 Parallelen zum Deutungswandel des mittelalterlichen Erbes, so dass der Sakralbau nun nicht mehr als das Zeichen einer deutschen Superiorität im Grenzraum galt, sondern zum Synonym für die »germanisch-nordische Schaffenskraft« wurde. Im Gegensatz zu den Bereichen, in denen die regionalen und nationalen Vertreter Anknüpfungspunkte zum dänischen Nachbarn sahen, verloren insbesondere die deutschen und schleswig-holsteinischen Denkmäler der Region an Bedeutung für den Staat. Dies ist vor allem auf ihre ursprüngliche Funktion als kulturelle Grenzsteine zurückzuführen, die sie in ihrer Intention zur Markierung eines nationalen Gegensatzes als konträr zur nationalsozialistischen Nordenpolitik erscheinen ließ. War etwa die Versammlungsstätte auf dem Knivsberg 1920 aus ihrem regionalen Kontext gelöst und in den Dienst der nationalen Revisionpolitik gestellt worden, verlor der Ort ebenso wie die Region Schleswig selbst nach 1933 seine nationale Relevanz. So symbolisierte sich in

Zwischenfazit

257

den alljährlichen Knivsbergfesten auch das Dilemma der deutschen Minderheit, die hier ihrem Wunsch nach einer Rückkehr ins Deutsche Reich ihren Ausdruck gab, aber dabei von Seiten der Regierung keine Unterstützung erfuhr. In Dänemark stießen der nordische Gedanke und die deutschen Annäherungsversuche vor allem aufgrund der weiterhin offenen Grenzfrage auf Widerstand. Insbesondere das nicht eindeutige Bekenntnis der Reichsregierung zu der 1920 gefundenen Grenzziehung sowie die allgemeine deutsche Außenpolitik, die zu seiner Revision zahlreicher im Versailler Vertrag getroffener Entscheidungen führte, ließen im dänischen Staat das Schlimmste befürchten. Aus diesem Grund setzten die Regierung und zahlreiche seit den 1920er Jahren im Grenzraum tätigen Vereine der deutschen Politik eine eigenes Konzept des »Nordens« entgegen, das, etwa mit der Errichtung einer Gedenksäule an den Düppeler Schanzen, die Gemeinsamkeiten mit den anderen skandinavischen Nachbarn betonte und zugleich Deutschland als hierzu nicht zugehörig ausschloss. Am Beispiel der Kontroverse um Claus Eskildsens Dansk Grænslære zeigt sich, dass die Politisierung des Kulturerbes ein integraler Bestandteil der dänischen Abgrenzungsbestrebungen nach 1933 war. Der Historiker Eskildsen führte unter anderem die vorindustrielle Bauweise Schleswigs, anhand der er eine vermeintlich klare nationalkulturelle Scheidelinie am Fluss Eider festlegte, als Beleg für den dänischen Charakter des Grenzraumes an. Diese Deutung knüpfte an die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Dänemark verbreitete Ansicht an, dass sich in dieser Region die ursprünglichen Reste der nationalen Bauweise des Staates finden ließen und aus diesem Grund eindeutig vom dänischen Charakter Schleswigs ausgegangen werden könne. Demgegenüber erklärten deutsche Historiker, wie etwa Alexander Thomsen, dass sich anhand des Bauerbes keine nationale Grenzziehung definieren lasse, sondern dass vielmehr von einer gemeinsamen nordischen Kultur ausgegangen werden müsse. Hieraus leiteten sie den vermeintlich natürlichen Anspruch auf eine Führungsrolle Deutschlands über den »großgermanischen« Raum ab. Dieser Rückgriff auf die Theorien der deutschen Hausforscher des 19. Jahrhunderts bedeutete zugleich eine Abkehr von den in den 1920er Jahren vertretenen Positionen, die gerade von der eindeutigen und geographischen Unterscheidbarkeit zwischen deutsch und dänisch in der heimatlichen Bauweise ausgingen. Auch im Kontext der Idstedt-Gedächtnishalle vollzog sich ein Bewertungswandel: Im Rahmen der nationalen Museumspolitik erhielten gerade die Heimatmuseen eine Schlüsselstellung in der Vermittlung des nationalsozialistischen Weltbildes. Die Neukonzeption der Idstedt-Ausstellung und die von der Halle ausgehende Botschaft sollten aus diesem Grund zuvorderst nationale Relevanz besitzen. Unter anderem Landesbibliothekar Volquart Pauls stellte 1938 das Museum in den Dienst der zeitgenössischen politischen Bedürfnisse: So zog er vor dem Hintergrund des deterministischen nationalsozialistischen

258

Der »nordische Gedanke« und die Grenzfrage (1933 – 1945)

Weltbildes aus seinem Vergleich der schleswig-holsteinischen Erhebungszeit mit dem anfänglichen Scheitern der nationalsozialistischen Bewegung 1923 Rückschlüsse für das deutsche Volk, deren zentraler Aspekt der nationale Opfergedanke war. Die ursprünglich antipreußische Botschaft der Gedächtnishalle trat wie bereits in den 1920er Jahren hinter die nationale Relevanz zurück und spielte nun keine Rolle mehr.

V. Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

V.1. Minderheiten- und Grenzfragen Die Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation am 5. Mai 1945 durch die Truppenverbände der Wehrmacht in Dänemark besaß im Grenzraum den Charakter einer Zäsur.1 Für den dänischen Staat endete mit diesem Ereignis die von breiten Bevölkerungskreisen als traumatisch empfundene deutsche Okkupationszeit, die fortan im nationalen Selbstverständnis eine zentrale Rolle spielen sollte.2 Die bereitwillige Kooperation der deutschen Nordschleswiger mit dem nationalsozialistischen Regime wurde von der dänischen Mehrheitsbevölkerung als illoyales Verhalten gegenüber dem dänischen Staat gewertet und der zwischenzeitliche Verlust der nationalstaatlichen Souveränität als ein Scheitern der Neutralitätspolitik gegenüber Deutschland angesehen. Während in den Wirren des Kriegsendes nationalistische dänische Kreise in Anlehnung an die Forderungen der 1920er Jahre die Möglichkeit sahen, die Gunst der Stunde zu nutzen und über eine Grenzverschiebung ein »Dänemark bis zur Eider« zu verwirklichen,3 erklärte Staatsminister Vilhelm Buhl bereits am 9. Mai 1945, dass die deutsch-dänische Grenze endgültig festliegen würde.4 Im Gegensatz hierzu sei die Frage der Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze jedoch neu zu bewerten und darauf aufbauend politische Rückschlüsse zu ziehen.5

1 Jürgensen, Kurt. Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Schleswig-Holstein. In: Zeitschrift für Schleswig-Holsteinische Geschichte; 120 (1995). S. 147 – 172, hier S. 156 f. 2 Hansen, Hans Heinrich. Die Zeit und das dänische Trauma. In: Grenzfriedenshefte; 1/2003. S. 63 – 66, hier S. 63. 3 Bessler-Worbs, Tanja. Deutsche Kulturpolitik in Nordschleswig gegenüber der deutschen Minderheit von 1920 bis 1955. Diss. Kiel 1997. S. 413. 4 »Die Regierung, die auf dem Boden des nationalen Selbstbestimmungsrechtes steht, ist der Auffassung, daß die Grenze Dänemarks festliegt.« Zit. nach: Quellen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; III. 2., überarb. Aufl. Kiel 1986. S. 248. 5 »Die beim Abschluß des Krieges total veränderten Verhältnisse bewirken, daß sowohl die Frage der Stellung der dänischen Minderheit südlich der Grenze als auch die Frage der

260

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde aus diesem Grund die Minderheitenfrage neben der Konsolidierung demokratischer Strukturen und dem Wiederaufbau der Gesellschaft zum dringendsten Problem im dänischen Staat. Bereits vor dem Kriegsende kam es aus dem Umfeld des dänischen Widerstandes zur Formulierung eines aus acht Punkten bestehenden Programms, wie mit der deutschen Minderheit nach der Beendigung der Okkupation umzugehen sei. So forderten die Widerstandsvertreter erstens eine Aufhebung aller »besonderen Rechte, die den deutschen Nordschleswigern in ihrer Eigenschaft als nationale Minderheit zugestanden worden sind […].« Zweitens sollten alle deutschen Staatsbürger in Dänemark sowie alle Mitglieder der deutschen Volksgruppe, die sich durch die Kollaboration mit den Nationalsozialisten Vorteile verschafft oder strafbar gemacht hätten, bestraft und, drittens, ausgewiesen werden. Viertens sei eine Entlassung sowie die Kürzung der Pensionsansprüche von gegenüber dem Königreich illoyalen deutschgesinnten Beamten und Bediensteten durchzusetzen und fünftens die »deutsche nazistische Partei und alle damit verbundenen Vereine und Organisationen« aufzulösen. Gegen die Strukturen der Minderheit richtete sich sechstens die Forderung nach der Abgabe der deutschen Versammlungshäuser, Schulen und siebtens der Vermögenswerte an den dänischen Staat. Achtens strebte der Widerstand an, zukünftig einen Grund- und Eigentumserwerb in den schleswigschen Landesteilen durch ausländische Staatsbürger und Institutionen zu verhindern.6 In den ersten Tagen nach Kriegsende kam es im Sinne dieses Programms im Schloss Sonderburg (Slot Sønderborg) und im Lager Faarhuslejren, dem ehemaligen Konzentrationslager Frøslevlejren, zu der Inhaftierung von rund 3.500 Mitgliedern der deutschen Minderheit, aber auch von weiteren dänischen Staatsbürgern.7 Diese unter dem Schlagwort »retsopgøret« (»Rechtsabrechnung«) erfolgte Internierung führte Anfang Juni 1945 zu dem Erlass mehrerer Gesetze, die die bewaffnete, organisatorische und wirtschaftliche Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht rückwirkend mit mindestens vier Jahren Gefängnis und dem Verlust bürgerlicher Rechte sanktionierten.8 Letztlich wurden rund 3.000 zumeist männliche Personen im Zuge der Rechtsabrechnung verurteilt. Dies entsprach laut dem Historiker Frank Lubowitz rund einem Stellung der deutschen Minderheit in Dänemark einer Erwägung unterworfen werden müssen.« Zit. nach: Ebd. 6 Festersen, Jürgen. Dänemark und die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig 1940 bis 1955. In: Kittel, Manfred u. a. (Hrsg.). Deutschsprachige Minderheiten 1945. Ein europäischer Vergleich. München 2007. S. 571 – 612, hier S. 573 f. 7 Lubowitz, Frank. Det tyske mindretal i Danmark 1945 – 1955. In: Kühl, Jørgen. En europæisk model? Nationale mindretal i det dansk-tyske grænseland 1945 – 2000. Apenrade 2002. S. 115 – 133, hier S. 117 f. 8 Siehe zu den Einzelheiten der Rechtsabrechnung die sehr detailreiche Studie von Sabine Lorek. Lorek, Rechtsabrechnung, 1998.

Minderheiten- und Grenzfragen

261

Viertel der männlichen Mitglieder der deutschen Minderheit. Die meisten Verurteilungen sprachen die Gerichte für die Kriegsteilnahme, auch in Form von Wach- und Denunziationsdiensten, sowie die wirtschaftliche Kollaboration mit den deutschen Besatzern aus.9 Der dänische Historiker Henrik Becker-Christensen verwies darauf, dass sich die erlassenen Rechtsabrechnungsgesetze trotz der rückwirkenden Kraft im rechtsstaatlichen Rahmen bewegten und deswegen nicht als willkürliche und kollektive Bestrafung der deutschen Nordschleswiger zu sehen sind. Einerseits sei durch die Besatzung und die damit verbundene Zwangssituation vor dem Kriegsende eine frühere Einführung dieser Rechtsgrundlagen nicht möglich gewesen, andererseits seien sie Ausdruck des zeitgenössischen Rechtsgefühls der dänischen Mehrheitsbevölkerung gewesen.10 Über die individuellen Rechtsurteile im Rahmen der Abrechnung hinaus erfolgte das Verbot zahlreicher deutscher kultureller und politischer Organisationen sowie per Ministerialverfügung die Schließung eines großen Teiles der Schulen der Minderheit.11 Neben der rechtsstaatlichen Bewältigung der Besatzungszeit ergriffen im Jahr 1945 auch immer wieder radikale, aus der Widerstandsbewegung hervorgegangene Kreise die Initiative: So wurden im Sommer und Herbst 1945 verschiedene Sprengstoffattentate gegen Einrichtungen der Minderheit verübt.12 Im Vergleich mit der Rechtssprechung anderer europäischer Staaten besaßen die Maßnahmen gegen die deutschen Nordschleswiger zufolge des Historikers Jürgen Festersen einen relativ moderaten Charakter. So seien die Rechtsabrechnung und die Zerstörung einzelner deutscher Symbole und Gebäude nicht mit den gegen die Sudetendeutschen gerichteten Benesˇ-Dekreten in der Tschechoslowakei vergleichbar : Die Konfiskation beschränkte sich aber anders als in der Tschechoslowakei größtenteils auf Privatschulgebäude der deutschen Volksgruppe. […] Das Strafmaß [für verurteilte Kollaborateure] war von relativ kurzer Dauer, und spätestens im Jahre 1950 befand sich keiner mehr in Haft. Sämtliche Maßnahmen von dänischer Seite wurden zudem in einem rechtsstaatlichen Rahmen durchgeführt und alle deutschen Volksgruppenangehörigen nach den gleichen Gesetzen angeklagt, wie sie auch für dänische Staatsbürger galten.13

9 Lubowitz, Det tyske mindretal, 2002. S. 119. Dahingegen geht Henrik Becker-Christensen in der aktuellsten Überblicksdarstellung zur Geschichte Sønderjyllands von einem zwanzigprozentigen Anteil der Verurteilten an der Gesamtzahl der Minderheit aus. Becker-Christensen, Fra »mod hinanden« til »med hinanden«, 2009. S. 359. 10 Ebd. S. 360. 11 Johannsen, Die deutsche Volksgruppe, 1993. S. 48. 12 Vgl. Bessler-Worbs, Deutsche Kulturpolitik, 1997. S. 415. 13 Festersen, Dänemark, 2007. S. 581.

262

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

In den Kreisen der deutschen Volksgruppe führten die Maßnahmen dennoch nicht zu der Entwicklung eines Unrechtsbewusstseins. Vielmehr sah man sich aufgrund der Rechtsabrechnung und der Repressalien selbst als Leidtragende der Ereignisse. Die Opferhaltung – auch als so genannte Faarhus-Mentalität in Bezug auf das Internierungslager für die deutsche Minderheit Faarhuslejren bezeichnet – entstand aus der Überzeugung, dass die Bevölkerungsgruppe zur Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten gezwungen und anschließend unschuldig von der dänischen Widerstandsbewegung bekämpft worden sei, während die eigene Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht nahezu gänzlich verdrängt wurde.14 Die Ausblendung der eigenen Involvierung in die Ereignisse der Besatzungszeit bildete die Grundlage für einen trotz aller Repressalien raschen Neuanfang der kulturellen und politischen Tätigkeit der deutschen Minderheit. Bereits im Sommer des Jahres 1945 konnte der Schulunterricht in begrenztem Umfang wieder aufgenommen und im November mit der Gründung des Bundes deutscher Nordschleswiger (BdN), der neuen politischen und kulturellen Hauptvertretung, erste institutionelle Strukturen etabliert werden. Für die Neukonstituierung bildete die Gründungserklärung des BdN die notwendige ideelle Basis für eine in die Zukunft gerichtete Arbeit: Der Bund bekannte sich offiziell zum dänischen König und Staat, bestätigte die aktuelle Grenzziehung und gab sich ein neues demokratisches Leitbild. Gleichzeitig wurde in der Gründungserklärung die »auf dem Boden des Christentums gewachsene […] Kultur […]« der Minderheit betont und zugleich Verständnis für die Ausübung der eigenen kulturellen und politischen Arbeit vom dänischen Staat eingefordert.15 14 Für die These einer zwangsweisen Zusammenarbeit lassen sich laut Tanja Bessler-Worbs keine Belege finden. Bessler-Worbs, Deutsche Kulturpolitik, 1997. S. 416 f. Uwe Danker belegte eindrücklich, dass diese Haltung auch in den 1970er Jahren noch verbreitet war. Hierfür führte er unter anderem einen Gastbeitrag von Siegfried Matlok, dem Chefredakteur der deutschen Minderheitenzeitung Der Nordschleswiger, in der dänischen Tageszeitung Jydske Tidende [!] an. Hierin schrieb Matlok über die Rolle der Minderheit in der Okkupationszeit: »Viele junge Heimdeutsche meldeten sich als Freiwillige zum Kampf gegen den gemeinsamen Feind, den Kommunismus. … Ein Einsatz, den viele von ihnen nicht als eine Handlung gegen Dänemark, sondern als einen Dienst für Dänemark verstanden und mit dem Tod bezahlten. […] Aber nichtsdestoweniger wurden etwa 3500 Heimdeutsche [von der Rechtsabrechnung] betroffen, wovon viele ohne Begründung verhaftet wurden, viele auf der Grundlage eines Gesetzes verurteilt wurden, das ihre Kriegsteilnahme mit rückwirkender Kraft zu einer kriminellen Handlung machte […].« Zit. nach: Danker, Einführung, 2001. S. 14. 15 Johannsen, Die deutsche Volksgruppe, 1993. S. 49. Zum Neuanfang der deutschen Minderheitenarbeit in Dänemark vergleiche auch: Bessler-Worbs, Deutsche Kulturpolitik, 1997. S. 418 ff.; Lorek, Rechtsabrechnung, 1998. S. 505 ff.; Lubowitz, Det tyske mindretal, 2002. S. 119 ff.

Minderheiten- und Grenzfragen

263

In der unmittelbaren Nachkriegszeit bestand die offizielle Politik der dänischen Regierung Vilhelm Buhls in der Grenzfrage in der Bestätigung der gegenwärtigen Grenzziehung. Zugleich machte sich jedoch rasch eine Verselbständigung dieser Frage in Dänemark bemerkbar. Dies erfolgte einerseits durch innenpolitische Auseinandersetzungen um die Zukunft der Region, andererseits erlebte die dänische Minderheit in Schleswig einen großen Mitgliederzuwachs. Die zunehmend stärker werdende Forderung nach einer Grenzrevision führte zu einem Schlingerkurs der dänischen Regierung.16 Das Erstarken der dänischen Minderheit ist dem Historiker Manfred Jessen-Klingenberg zufolge auf drei wesentliche Aspekte zurückzuführen: Erstens folgte auf den totalen Zusammenbruch Deutschlands eine wirtschaftliche und versorgungstechnische Notsituation, die für viele Menschen mit großen Leiden verbunden war. Zweitens ging mit der Überbelegung Schleswig-Holsteins mit Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die die Einwohnerzahl des Landes nahezu verdoppelten eine weitere Verschärfung der prekären Lage einher.17 Drittens desillusionierte der Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes viele Menschen, jahrelang propagierte vermeintlich deutsche Werte und Vorbilder verloren von einen auf den anderen Tag ihre Gültigkeit. In dem Zustand allgemeiner politischer Orientierungslosigkeit und wirtschaftlicher Notsituation war für viele der Bewohner Schleswigs eine Identifikation mit Dänemark unter Berufung auf das nationale Selbstbestimmungsrecht eine attraktive Möglichkeit, der Notsituation zu entrinnen.18 Rund sechs Wochen nach der Beendigung des Krieges machten sich bereits die ersten Auswirkungen dieser Entwicklung bemerkbar. In einer Loyalitätserklärung an die dänische Regierung baten dänischgesinnte Südschleswiger darum, die Region Schleswig wieder in Dänemark einzugliedern: Wir erklären hiermit, daß wir loyale Bürger des dänischen Staates werden wollen, und daß wir alles einzusetzen gewillt sind, unsere Nachkommen in diesem Sinne zu erziehen. Die Bildung einer deutschen Minderheit lehnen wir für unsere Person ab. Eine Wiederholung der Geschehnisse von 1848 – 1920 wird an der Haltung der Bevölkerung Südschleswigs scheitern, die zu der Erkenntnis gelangt ist, daß sie trotz vorwiegend 16 Vgl. zu der Grenzfrage in Dänemark: Noack, Johan Peter. Da grænsen »l” fast« – grænsestriden efter 2. verdenskrig. In: Becker-Christensen, Henrik (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. S. 110 – 128; Ders. Als die Grenze »fest lag« – der Grenzstreit nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Grenzfriedenshefte; 1/1996. S. 23 – 40; Danker, Südschleswig, 1997. Zur Entwicklung der dänischen Minderheit im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg siehe Noack, Als die Grenze »fest lag«, 1996. S. 29. 17 Jessen-Klingenberg, Manfred. »In allem widerstrebt uns dieses Volk«. Rassistische und fremdenfeindliche Urteile über die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge in Schleswig-Holstein 1945 – 1946. In: Pohl, Karl Heinrich (Hrsg.). Regionalgeschichte heute. Das Flüchtlingsproblem in Schleswig-Holstein nach 1945. Bielefeld 1997. S. 81 – 95, hier S.82. 18 Noack, Als die Grenze »fest lag«, 1996. S. 30.

264

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

deutscher Sprache und Erziehung blutsmässig [sic!] und geschichtlich zum dänischen Volk gehört. […] Daher bitten wir die dänische Regierung um die Rückgliederung des seit uralten Zeiten zu Dänemark gehörigen Südschleswiger Landes in den dänischen Staat.19

Bei der Bitte um eine Angliederung der Region an den dänischen Staat handelte es sich nicht um die Stellungnahme einer kleinen Splittergruppe, sondern vielmehr um eine von vielen Bewohnern geteilte Position: Bis zu ihrem Verbot durch die britischen Militärbehörden, die eine Eskalation der Grenzfrage befürchteten, unterschrieben innerhalb weniger Tage rund 10.000 Flensburger die Erklärung – der Text war, so der Flensburger Historiker Uwe Danker, »das Fanal für den letzten Kampf um Schleswig.«20 In den darauf folgenden Monaten und Jahren entwickelte sich eine mit äußerster Heftigkeit geführte Auseinandersetzung, die, zusammengefasst unter dem Schlagwort »kultureller Grenzkampf«, das Zusammenleben an der deutsch-dänischen Grenze fortan prägen sollte. Die dänische Regierung konnte auf die Erklärung der Schleswiger jedoch aus zweierlei Gründen nicht eingehen: Zum einen standen die britischen Besatzungsbehörden einer Infragestellung der aktuellen Grenzziehung ablehnend gegenüber,21 zum anderen wurde in Dänemark befürchtet, durch eine territoriale Veränderung zu einer quantitativen Vergrößerung der deutschen Minderheit in Nordschleswig beizutragen und auf diesem Weg dem südlichen Nachbarn Argumente zu geben, zukünftig zum vermeintlichen Schutz der deutschen Volksgruppe in die dänische Innenpolitik einzugreifen. Stattdessen berief sich die Regierung wie bereits 1919/20 auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker und strebte, falls es die Bevölkerung wünschen würde, die Durchführung einer erneuten Volksabstimmung im Grenzgebiet an. Infolgedessen erhob sich aus dem Umfeld der stark angewachsenen dänischen Minderheit die Forderung nach einem solchen Referendum, die Südschleswigfrage wurde fortan zum bestimmenden Faktor der eigenen Arbeit.22 Die dänische Regierung ver19 Loyalitätserklärung südschleswigscher Bürger an die dänische Regierung vom 21. Juni 1945. RA, Abt. 10056: Grænseforeningen; Nr. 160: Politiske Vurderinger vedr. Sydslesvig, 1945 – 1953. 20 Danker, Uwe. »Neudänen« 1945: »Wir wollen loyale Untertanen der dänischen Krone sein«. In: Ders. Südschleswig 1945 – 1955. Vom letzten Kampf um Südschleswig zum dauernden Grenzfrieden. Hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Schleswig-Holstein. Kiel 1997. S. 6 – 10, hier S. 6. 21 Hiervon zeugt auch die restriktive Beschränkung der dänischen Minderheitsarbeit in Schleswig durch die britischen Behörden in Form des Verbotes politischer Tätigkeit. Vgl. Noack, Als die Grenze »fest lag«, 1996. S. 25. 22 Dies äußerte sich beispielsweise in Form zahlreicher Memoranden und Petitionen an die britischen Behörden und deutschen Behörden durch Vertreter des Südschleswigschen Vereins, dem Dachverband der dänischen Minderheit in Nordschleswig. Umfangreiches Material hierzu findet sich in den Beständen des Reichsarchivs in Kopenhagen: RA, Abt. 10056:

Minderheiten- und Grenzfragen

265

suchte gegenüber der britischen Besatzungsmacht in diesem Sinne Einfluss zu nehmen, ein häufiges Argument stellte die Behauptung dar, Schleswig würde von Holstein aus fremd regiert und durch die Flüchtlinge seiner kulturellen Identität beraubt.23 Der Historiker Manfred Jessen-Klingenberg stellte in seiner Arbeit zu den Flüchtlingen in Schleswig-Holstein fest, dass sich in dieser Argumentation starker rassistischer Standpunkte gegen die Vertriebenen bedient wurde.24 Anfang Oktober 1945 erreichte eine Petition südschleswigscher Bürger die britische Militärregierung mit der Bitte, Schleswig verwaltungsmäßig von Holstein zu trennen. Ein Kernelement dieser Stellungnahme war eine gegen die Heimatvertriebenen gerichtete Haltung. So wurde beantragt, dass alle »Verwaltungsposten in Südschleswig (Landräte, Bürgermeister usw.) grundsätzlich und tunlichst bald mit gebürtigen Schleswigern besetzt werden.«25 Darüber hinaus solle das Land so bald wie möglich […] von Flüchtlingen befreit [werden]. Seit Monaten ergiesst [sic!] sich dieser landfremde Strom über unsere Heimat, und droht unser angestammtes nordisches Volkstum in Südschleswig zu verdrängen oder zumindest biologisch zu überfremden.26

Die rassebiologisch geprägte Argumentation der Petition stellte die Flüchtlinge als eine Gefahr für den zukünftigen Frieden im Grenzland dar.27 Gleichzeitig differenzierte diese Darstellung einerseits zwischen den »Preußen«, die für die problematische Geschichte des Grenzlandes verantwortlich seien, und andererseits den Schleswigern als kulturell von den preußischen Machthabern unterdrücktes Volk. Die Petition betonte: Seit 1864 waren es vorwiegend die zugespitzten preussischen Einflüsse – die sogenannte »Köller-Politik« und in den letzten 12 Jahren die schlimmste Entartung des preussischen Militarismus, nämlich des Hitlerismus, die bisweilen unerträgliche nationale Spannungen in unsere besonnene und friedfertige Bevölkerung hineintrugen.28

Die Deklaration der Heimatvertriebenen als »die Anderen« und eine damit verbundene Distanzierung von der allgemeinen deutschen Geschichte unter

23 24 25 26 27

28

Grænseforeningen, Nr. 219: Politiske vurderinger vedr. Sydslesvig 1945 – 1953; RA, Abt. 10056: Grænseforeningen, Nr. 193: Politiske vurderinger vedr. Sydslesvig 1945 – 1953. Ebd. S. 33 ff. Jessen-Klingenberg, »In allem widerstrebt uns dieses Volk«, 1997. S. 81 ff. Petition an die Britische Militärregierung vom 04. Oktober 1945. RA, Abt. 10056, Nr. 193. Ebd. »Wird Südschleswig nicht von der Masseneinwanderung preussischer Flüchtlinge befreit, so bedeutet dies, dass unsere ruhige, nordische Bevölkerung überfremdet und noch dazu von Elementen beherrscht wird, die aus europäischen Unruheherden […] herstammen. Sie würden dem friedlichen Zusammenleben deutsch-, dänisch- und friesisch-sprachiger südschleswigscher Landleute ein Ende bereiten, ja darüber hinaus […] eine ernste Gefahr für das uns benachbarte und verwandte Dänemark bedeuten.« Ebd. Ebd.

266

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

dem Vorwand, Schleswig sei durch die Preußen und später die Nationalsozialisten unterdrückt und von einer eigenständigen Entwicklung abgehalten worden, unterstützte so das vermeintliche »Erwachen eines verschütteten Dänentums [… in] der einheimischen Bevölkerung […].«29 In diesem Sinne sei eine gegen die Heimatvertriebenen gerichtete Politik notwendig, fürchtete man doch bei einer möglichen Volksabstimmung durch die »Überfremdung« schlechtere Aussichten für eine Angliederung Schleswigs an Dänemark.30 Doch auch auf der schleswig-holsteinischen Seite zeigten sich große Vorbehalte bis hin zu offener Ablehnung und Rassismus in der Bevölkerung gegen die aus den ehemaligen ostdeutschen Gebieten nach Norddeutschland umgesiedelten Bevölkerungsteile.31 Vor diesem Hintergrund erfuhren der kulturelle Grenzkampf und die nationalen Auseinandersetzungen einen ersten Höhepunkt im Rahmen der Gemeindevertreterwahl am 15. September 1946. In zahlreichen Aufrufen versuchten Vertreter aller politischen Richtungen, die Wahlberechtigten davon zu überzeugen, »deutsch« beziehungsweise »dänisch« zu wählen. Der Bürgermeister von Schleswig, Hermann Clausen, etwa rief unter dem Motto »Schleswiger! Wählt Schleswig!« dazu auf, unabhängige Kandidaten, und somit vermeintlich echte schleswigsche Volksvertreter zu wählen: Die Ereignisse der letzten 15 Jahre haben uns mehr denn je davon überzeugt, daß uns mit dem Preußengeist, dem Urheber des Nationalsozialismus, nichts, aber auch garnichts [sic!], verbindet. […] Die Phrase vom »Schleswig-Holstein stammverwandt« wird schon durch die tausendjährige Verbundenheit unserer schleswigschen Heimat mit dem Norden, die erst vor 82 Jahren durch einen preußischen Gewaltakt unterbrochen wurde, widerlegt. Aber darüber hinaus haben wir erkannt, daß die unwahre Behauptung der Stammverwandtschaft mit dem Süden, unserer Heimat zum fürchterlichen Verhängnis geworden ist.32

Deswegen befürwortete Clausen, in »Liebe zu unserer Schleswigschen Heimat, […] dem Geist vom Süden und seinen Vertretern den Rücken zu kehren.«33 Ein immer wieder vorgebrachtes Hauptargument für die Wahl der unabhängigen, »schleswigschen« Kandidaten waren die vermeintlichen Verbindungen der Vertreter der anderen Parteien zu dem ehemaligen nationalsozialistischen Re29 Klatt, Martin. »… und sich nicht mit den Flüchtlingen zu vermischen.« Ein wenig bekannter Aspekt des dänischen Grenzkampfes nach 1945. In: Grenzfriedenshefte; 1/2002. S. 43 – 52, hier S. 44. In dieser Argumentation wurde die große Zustimmung zum Nationalsozialismus in Schleswig bei den Wahlen im Vorfeld der nationalsozialistischen Machtergreifung vollkommen ausgeblendet. 30 Ebd., S. 43. 31 Jessen-Klingenberg, »In allem widerstrebt uns dieses Volk«, 1997. S. 83 f. 32 Aufruf zur Gemeindevertreter-Wahl von Bürgermeister Hermann Clausen. RA, Abt. 10056, Nr. 160. 33 Ebd.

Minderheiten- und Grenzfragen

267

gime beziehungsweise alten preußischen Traditionen, die im Falle ihrer Wahl zu einer weiter andauernden Fremdherrschaft des preußischen Deutschlands über Schleswig-Holstein führen würden. Hierbei wurden die nun in Schleswig-Holstein ansässigen Flüchtlinge als Feindbild und kulturelle Fremdelemente instrumentalisiert. So verteilte der Grænseforeningen, der bereits in den 1920er Jahren zur Unterstützung der dänischen Minderheit in Schleswig gegründet worden war, eine Materialsammlung unter dem Titel Den tyske opmarch – Der deutsche Aufmarsch –, in der einerseits die grenzpolitische Arbeit der deutschen Seite vorgestellt wurde und in der andererseits die zahlreichen Verbindungen der zentralen Akteure in die preußisch-nationalsozialistischen Jahre aufgezeigt wurden.34 Ähnlich schwere Geschütze fuhr im Wahlkampf und in der anschließenden Zeit ebenfalls die Gegenseite auf, die beispielsweise über zahlreiche Flugblätter an die Wähler appellierte, an ihre deutsche Herkunft und ihre Mitbürger zu denken: »Die Ausübung des Wahlrechts ist Pflicht jedes deutsch denkenden Wählers. Wer NICHT zur Wahl geht, UNTERSTÜTZT DEN GEGNER, welcher mit allen Mitteln versucht, deutsche Sitten und deutsche Kultur zu untergraben.«35 Ein in der nationalen Auseinandersetzung häufig instrumentalisiertes Motiv der deutschen Seite war hierbei das Bild des »Speckdänen«. Dieser Begriff stand für diejenigen Bewohner der Region, die sich nach dem Krieg vermeintlich als Gegenleistung zu Lebensmittellieferungen aus Dänemark zur dänischen Minderheit bekannten.36 Insbesondere der 1948 gegründete Südschleswigsche 34 Materialsammlung Den tyske opmarch. RA, Abt. 10056: Grænseforeningen, Abt. 194: Politiske vurderinger vedr. Sydslesvig 1945 – 1953. Detailliert listete die Broschüre die zahlreichen, in der Grenzfrage tätigen Vereine, Behörden und Organisationen auf. Die Darstellung der personellen und agitatorischen Kontinuität des deutschen Grenzkampfes seit 1918 nahm auch in weiteren Publikationen des Grenzvereins, aber auch anderer Herausgeber eine zentrale Rolle ein. So wies etwa das 1953 erschienene Informationsheft Tysk jordpolitik sydfor grænsen auf die Instrumente der deutschen Bodenpolitik in den 1920er und den 1950er Jahren hin: »Es ist ein Fehler zu glauben, dass die Grundlage des Bodens als Vorteil für das deutsche Element im Südschleswigschen Grenzland etwas Neues ist. […] Es ist in Wirklichkeit ein Abklatsch des alten schleswig-holsteinischen Germanisierungsplans. Seit 1920 hat die dänische Minderheit südlich der Grenze hart dafür kämpfen müssen, um neuen Boden zugeteilt zu bekommen.« (»Det er en fejl at tro, at baandlæggelsen af jord til fordel for det tyske element i det sydslevigske grænseomraade er et noget nyt. […] Det er i virkeligheden opkog af en gammel slesvig-holstensk fortyskningsplan. Helt siden 1920 har det danske mindretal sydfor grænsen maattet kæmpfe haardt for at faa ny jord tildelt.«). RA, Abt. 10056, Nr. 194. 35 Aufruf zur Nachwahl in der Gemeinde Tinnum am 29. Februar 1948. RA, Abt. 10056, Nr. 160. Hervorhebung im Original. 36 Der »Speckdäne« wurde auf zahlreichen Wahlplakaten und Flugblättern zur Kommunalwahl 1946 als Warnung für ein Überlaufen zu der dänischen Minderheit genutzt: »Unabhängig nennt man sich, das schlägt der Wahrheit in’s Gesicht! Speck hat ja wohl ein Jeder nötig, doch sei man trotzdem nicht erbötig zu werden schnell Separatist – wie es vereinzelt üblich ist! –

268

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Wählerverband (SSW), der aus dem Dachverband der dänischen Minderheitenorganisationen, dem Südschleswigschen Verein (Sydslesvigsk Forening), als politische Vertretung der dänischen Volksgruppe in Schleswig hervorgegangen war, wurde von zahlreichen Seiten scharf angegangen. Die Kieler Nachrichten bezeichneten beispielsweise den SSW als »Amputationspartei«,37 die überregionale Wochenzeitung Die Zeit sprach am 12. August 1948 gar von der »Speckpartei«.38 Der Vorwurf des Speckdänen zielte dabei auf die Lebensmittellieferungen des dänischen Staates an die Mitglieder der dänischen Minderheit ab, die in wirtschaftlich schweren Zeiten somit wesentlich besser vorsorgt waren als die restliche Bevölkerung Schleswig-Holsteins. Die deutsche Seite befürchtete, dass auf diese Weise zahlreiche Bewohner der Region und ihre Stimmen bei den Wahlen durch die Lebensmittel »gekauft« werden könnten. In den politischen Auseinandersetzungen positionierten sich auch die kirchlichen Vertreter : So plädierten auf der 39. Synode der Propstei Südangeln die Mitglieder für ein deutsches Bekenntnis der Gläubigen: »Es ist Gottes Auftrag, in dem Volk, das er uns gab, unsere Pflicht treulich zu erfüllen und auch in Leidenstagen ebenso treulich zu unserem Volke zu stehen.«39 In den Folgejahren entwickelte sich ein auf beiden Seiten der Grenze erbittert geführter Kampf um die politische und kulturelle Hoheit über den Grenzraum. Neben den zahlreichen grenzpolitischen Vereinen waren auch die regionalen Medien und vor allem die Landespolitiker stark in die Südschleswigfrage involviert. Die Auseinandersetzungen drehten sich dabei in erster Linie um die Gewinnung potentieller Unterstützer für beziehungsweise gegen die Initiativen für eine erneute Volksabstimmung und im kulturellen Bereich um die Frage der historischen Legitimität. So betonte beispielsweise Landesminister Richard Schenck auf der Kreiskonferenz der SPD am Speckdänen werden sie genannt verschachern woll’n sie deutsches Land! Nur, um nicht zu haben all die Sorgen, die uns hier plagen heut’ und morgen.« (Flugblatt zur Kommunalwahl 1946. RA, Abt. 10056, Nr. 193.) Teilweise zeigten sich in den Wahlplakaten großen Parallelen zu den antijüdischen Plakaten aus der Zeit des Nationalsozialismus: »Deutsche werdet wach!! Ihr dürft nicht länger zusehen, wie gemeine Vaterlandsverräter und Gesinnungslumpen ihr schmutziges Handwerk weitertreiben!!!! Das sind die Speckdänen, die, früher Nazis, sich heute mit ihrem Besitz der Verantwortung entziehen wollen. Wir sollen allein die Zeche für den verlorenen Krieg zahlen […] Duldet diese Lumpen nicht!!!! Verachtet dieses Speckschweine!!! Setzt Euch zur Wehr!!! Deutsche werdet wach!! Deutsche kauft bei Deutschen!!! Boykottiert die Geschäfte der Speckdänen!!! Ihr füllt sonst die Geldsäcke der Vaterlandsverräter!!! [Anm. d. Verf.: Es folgt eine namentliche Auflistung an vermeintlichen »Speckdänen«.] Deutsche, helft alle mit, die Pestbeule auszuschneiden. Wir werden nicht eher ruhen, bis der letzte Speckdäne aufgehängt ist. Die Kandidaten der Dänenliste sind auch die ersten der Todeskandidaten!!!« Wahlplakat in Süderbrarup vom 24. August 1946. RA, Abt. 10056, Nr. 193. 37 Kieler Nachrichten, 21. August 1948. 38 Die Zeit, 12. August 1948. 39 Abschrift aus dem Flensburger Tageblatt vom 2. Juli 1947. RA, Abt. 10056, Nr. 194.

Minderheiten- und Grenzfragen

269

4. Dezember 1947 die besondere Rolle der Kulturpolitik für die Sicherung der Grenze: Schleswig wurde ja nicht erst vor 27 Jahren geteilt, was vor 27 Jahren geschah, war nur der Vollzug einer Teilung, die in nationaler Hinsicht schon 100 Jahre vorher vor sich gegangen war, kulturell schon zur Zeit der Reformation. […] Der Kampf wird [von der dänischen Seite] von der staatspolitischen Ebene auf das kulturelle Gebiet verlagert. Es wird eingeleitet eine Bewegung auf lange Sicht, denn kulturelle Fragen entscheidet man nicht in Tagen und Wochen, sondern braucht dazu viele Jahre. Unsere Aufgabe ist es nun, Grenzerziehungsarbeit zu leisten. Wir müssen uns darüber klar sein, dass wenn das offizielle Dänemark sich umstellt auf Kulturarbeit zugunsten der dänischen Minderheit in Südschleswig, dieses mit einem Einsatz des dänischen Volkes und auch mit einem Einsatz von materiellen Mitteln geschehen wird, wogegen wir nur verschwindend wenig einzusetzen haben. Wir haben nicht nur keine materiellen Mittel, wir haben auch wenig einsatzwillige Menschen, die diese Aufgabe übernehmen könnten oder auch nur dazu bereit sind.40

Im Gegensatz zum Grenzkampf der 1920er Jahre war es nun die deutsche Seite, die daran interessiert war, die aktuelle Grenzziehung abzusichern. Dahingegen vertraten vor allem die Organisationen der dänischen Minderheit und der neueiderdänischen Bewegung eine offensive Politik, die die nationale Scheidelinie in Frage stellte. Eine allmähliche Entspannung der Minderheiten- und der Grenzfrage setzte erst ab Oktober 1948 ein. Die Ermahnung des englischen Politikers Lord William Henderson an die dänische Regierung und die dänische Minderheit, in direkte Verhandlungen mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung zu treten, um eine Lösung zu finden, lässt sich in diesem Zusammenhang als eine erste Initiative sehen.41 Die Gespräche zwischen der Landesregierung und den Vertretern des Schleswigschen Vereins führten in der Folgezeit zur Unterzeichnung der Kieler Erklärung – Erklärung der Landesregierung Schleswig-Holstein über die Stellung der dänischen Minderheit am 26. September 1949. Mit diesem Dokument wurden der dänischen und der friesischen Minderheit sämtliche demokratischen Bürgerrechte sowie das »[freie] Bekenntnis zum dänischen Volkstum und zur dänischen Kultur«, welches nicht bestritten oder nachgeprüft werden dürfe, zugesprochen.42 Bereits einen Monat später, am 27. Oktober, folgte auf dänischer Seite das sogenannte Kopenhagener Protokoll, in dem Ministerpräsident Hans Hedtoft der deutschen Minderheit ebenfalls sämtliche Verfas40 Referat von Landesminister Richard Schenck auf der SPD-Kreiskonferenz am 4. Dezember 1947. RA, Abt. 10056, Nr. 193. 41 Jäckel, Eberhard (Hrsg.). Die Schleswig-Frage seit 1945. Dokumente zur Rechtsstellung der Minderheiten beiderseits der deutsch-dänischen Grenze. Frankfurt am Main u. a. 1959. S. 44 f. 42 Zit. nach: Johannsen, Die deutsche Volksgruppe, 1993. S. 229.

270

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

sungsrechte öffentlich einräumte, ein freies nationales Bekenntnis, vergleichbar mit dem in der Kieler Erklärung, jedoch nicht explizit erwähnte. Trotz des großen Fortschritts in der Minderheitenfrage war insbesondere die schleswigholsteinische Regierung weiterhin an gegenseitigen, bilateralen Schutzverträgen für die beiden Volksgruppen interessiert, da das Kopenhagener Protokoll im Gegensatz zur Kieler Erklärung keinen gesetzlichen Charakter besaß und somit eher von symbolischer Bedeutung war.43 Die dänische Regierung war in jenen Jahren jedoch nicht an einem bilateralen Vertrag interessiert: Vor dem Erfahrungshorizont der 1920er Jahre fürchtete sie die Einflussnahme eines wieder erstarkten und politisch unzuverlässigen Deutschlands unter Berufung auf ein mögliches Abkommen in innere dänische Angelegenheiten.44 In den folgenden Jahren zeigte sich zumindest auf der zwischenstaatlichen Ebene eine allmähliche Normalisierung der deutsch-dänischen Beziehungen. Besonders die Verhandlungen über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum transatlantischen Verteidigungsbündnis NATO45 sowie die Durchführung gemeinsamer kultureller Veranstaltungen sind Beispiele für diese Entwicklung.46 Vor diesem Hintergrund setzten ab November 1954 parallele Verhandlungen zwischen der schleswig-holsteinischen Landesregierung und der dänischen Regierung mit den jeweiligen nationalen Minderheiten mit dem Ziel ein, diesen die uneingeschränkte Ausübung ihrer kulturellen und politischen Arbeit zu ermöglichen und so die Basis für eine Normalisierung der politischen Verhältnisse im Grenzland zu legen. Die beiden separaten, im Wortlaut ähnlichen und inhaltlich identischen Erklärungen wurden schließlich am 29. März 1955 vom deutschen Bundestag und dem dänischen Reichstag verabschiedet: Neben einer Bestätigung der Gültigkeit sämtlicher verfassungsrechtlicher Bestimmungen für die beiden Minderheiten wurde festgestellt, dass das »Bekenntnis zum dänischen [Anm. des Verf.: bzw. deutschen] Volkstum und zur dänischen [deutschen] Kultur […] frei [ist und von] Amts wegen nicht bestritten oder nachgeprüft« werden dürfe. Darüber hinaus regelten die Erklä43 Dahingegen wurde das freie, nationale Bekenntnis in der Landessatzung für SchleswigHolstein vom 13. Dezember 1949 gesetzlich festgehalten. GVOBl. Schl.-H. 1962, S. 123. Vgl. zu Kopenhagener Protokoll und Kieler Erklärung auch: Lubowitz, Det tyske mindretal, 2002. S. 126 ff. 44 Der Wille zu einem guten nachbarschaftlichen Verhältnis wurde hingegen durch die Abschaffung, der in Schleswig-Holstein stark kritisierten Lebensmittelpakete für die dänische Minderheit und eine Kürzung der Kulturausgaben in Südschleswig deutlich. Bessler-Worbs, Deutsche Kulturpolitik, 1997. S. 481 f. 45 Der Beitritt zur NATO erfolgte am 9. Mai 1955 und bedeutete auch für das deutsch-dänische Verhältnis eine engere institutionelle Zusammenarbeit. 46 Exemplarisch sind hier die Flensburger Tage vom 17. bis 19. September 1954 zu nennen, auf der es zu zahlreichen Vorträgen zur deutsch-dänischen Geschichte von dänischen und deutschen Historikern sowie einem zweisprachigen Kulturprogramm kam.

Tranformationsprozesse der schleswigschen Denkmaltopographie

271

rungen die Sprachfreiheit, die politische und kulturelle Teilhabe der Minderheitenorganisationen, finanzielle Unterstützungen, die Anerkennung des Rechts auf Kontakt zum sprachlichen Mutterland sowie die Errichtung und freie Führung von Bildungseinrichtungen.47 Auch wenn nicht alle Fragen und Probleme, die sich aus dem Zusammenleben von Mehrheits- und Minderheitsbevölkerungen ergaben, durch die sogenannten Bonn-Kopenhagener-Erklärungen gelöst werden konnten – wie etwa die Rechtmäßigkeitsfrage der dänischen Rechtsabrechnung in der Nachkriegszeit –, stellten sie die entscheidende Grundlage für eine Entspannung im Grenzland und die freie Arbeit der Organisationen der Minoritäten dar. Zwar waren sie kein einklagbares Recht, jedoch finden sie als völkerrechtlich verbindliche Absichtserklärungen bis heute Einbindung in die Gesetzgebungen auf beiden Seiten der Grenze.48 Der seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges intensivierte kulturelle Grenzkampf fand 1955 so seine vermeintliche Lösung, auch wenn die Auseinandersetzungen nicht von einen auf den anderen Tag beendet waren. Zumindest bedeuteten sie im Wesentlichen eine Verbesserung des angespannten deutsch-dänischen Verhältnisses. Oftmals werden die Regelungen im deutsch-dänischen Grenzland seitdem als ein Modell für andere europäische Regionen deklariert.49

V.2. Tranformationsprozesse der schleswigschen Denkmaltopographie V.2.a. Die Zerstörung von Düppel- und Arnkiel-Denkmal Im Unterschied zum Ende des Ersten Weltkrieges folgten auf die machtpolitischen Verlagerungen im deutsch-dänischen Grenzland 1945 keine territorialstaatlichen Verschiebungen. Vielmehr wurde der Status quo, wie bereits dargelegt, beibehalten, auch wenn sich im Zuge des kulturellen Grenzkampfes der Nachkriegszeit Initiativen bemerkbar machten, die diesen Zustand ändern wollten. Im Bereich des materiellen Kulturerbes erfolgte dies am Augenfälligsten durch den dänischen Umgang mit den deutschen Monumenten in Nordschleswig. Als eine unmittelbare Folge der Rückerlangung der staatlichen Souveränität Dänemarks wurden zahlreiche deutsche Denkmäler in der Region zerstört. Sowohl die Sprengung des Turmes auf dem Knivsberg am 16. August 1945 als auch die Zerstörung der preußischen Siegesmonumente Düppel- und ArnkielDenkmal am 13. Mai und 13. Juni 1945 führten zu einer nachhaltigen Trans47 Abgedruckt in: Johannsen, Die deutsche Volksgruppe, 1993. S. 232 ff. 48 Ebd. S. 53. 49 Siehe: Kühl, En europæisk model?, 2002.

272

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

formation der regionalen Erinnerungslandschaft. Das Ziel dieser Denkmalstürze war nicht nur die Vernichtung deutscher Herrschaftssymbole, sondern sie besaßen nahezu »exorzistische Züge […] im Sinne einer Selbstreinigung […und] innere[n] Befreiung von Vergangenheit oder Herrschaft«, wie sie Winfried Speitkamp zufolge charakteristisch für Bilderstürme sind.50 Das Areal der Düppeler Schanzen, welches bereits im Anschluss an die Volksabstimmung 1920 zentraler Schauplatz dänischer Erinnerungspolitik und Kristallisationspunkt nationaler Identitätsäußerung gewesen war, bot nun auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Bühne für die Austragung der nationalen Konflikte auf symbolischer Ebene. Vor allem das preußische Siegesmonument Düppel-Denkmal, aber auch das zweite zentrale Siegeszeichen des Deutsch-Dänischen Krieges in der Region, Arnkiel-Denkmal, hatten aufgrund von außenpolitischen Zwängen die Grenzverschiebung und die kulturellen Auseinandersetzungen der 1920er und 1930er Jahre unbeschadet überstanden. Angesichts des totalen Zusammenbruchs Deutschlands rückten diese beiden Zeichen des deutschen Machtanspruches auf die Region erneut in den Fokus der dänischen Erinnerungspolitik. In Anlehnung an die Danisierung der nordschleswigschen Erinnerungstopographie der 1920er Jahre wurden die Denkmäler, ohne Vergeltungsaktionen Deutschlands befürchten zu müssen, bereits im Mai und Juni 1945 von unbekannten Tätern mit Sprengstoff zerstört.51 Dem dänischen Historiker Lars H. Bak zufolge richteten sich die Zerstörungen nicht nur gegen die Monumente selbst, sondern waren aus »einer generell antideutschen Aggression als Folge der unterdrückten Frustrationen aus der Besatzungszeit« motiviert.52 Das Ziel dieser Aktionen entstand aus der grenzpolitischen Bedeutung der beiden Denkmäler : In ihrer Funktion als kulturelle Grenzsteine prägten und gliederten sie den Raum und waren darüber hinaus Symbole der preußisch-deutschen Machtausübung. Ihre Zerstörung intendierte aus diesem Grund die etwa vom Kunsthistoriker Jürgen Trimborn akzentuierte inszenatorische Funktion von Monumenten im öffentlichen Raum zu politischen Zwecken.53 Die Zerstörungsaktionen stießen auf dänischer Seite jedoch nicht auf ungeteilte Zustimmung. So sprachen die Zeitungen Dybbøl-Posten und Hejmdal davon, dass es sich bei den Vorgängen um »Nazimethoden« handele,

50 Speitkamp, Denkmalsturz , 1997. S. 13. 51 Der genaue Hintergrund der Täter ist nicht bekannt. Am plausibelsten scheint die Deutung von Bak, dass es sich dabei um dänische Widerstandskämpfer gehandelt habe, die ohne die Legitimation der dänischen Behörden vorgegangen sind. Vgl. Bak, Tyske sejrsmonumenter, 2003. S. 29. 52 »[…] en generel antitysk aggression som følge af indestængte frustrationer fra besættelsestiden.« Ebd. 53 Trimborn, Denkmale, 1997.

Tranformationsprozesse der schleswigschen Denkmaltopographie

273

von welchen »wir Dänen doch nun endlich frei sein sollten«54 und Dannevirke klagte in ihrer Berichterstattung, das »dänische Volk soll sich nicht wie das deutsche benehmen […].«55 Im Anschluss an die gewaltsame Entfernung der beiden Denkmäler folgte in der dänischen Gesellschaft eine rege Diskussion um die Neukanonisierung des öffentlichen Raumes rund um die Schanzen.56 Vorschläge wie etwa ein Monument für die gefallenen dänischen Freiheitskämpfer, einen Gedenkstein für die dänische Freiheit oder eine Bronzestatue für den nationalen Kampf der dänischen Schleswiger gegen die deutsche Fremdherrschaft stießen jedoch jeweils auf keine breite Unterstützung beziehungsweise wurden abgelehnt, weil »Dybbøl Banke allein ein heiliges Gedenken an die tapferen Schanzenverteidiger sein solle.«57 Diese Position führte dazu, dass die Schanzen im Anschluss an das Kriegsende nicht eine mit den 1920er Jahren vergleichbare Errichtungswelle an neuen Monumenten erlebten, sondern allein aufgrund der von den Regierungsstellen als ausreichend empfundenen, bereits vorhandenen symbolischen und mythologischen Aufladung des Raumes ein wichtiger Schauplatz der nationalen Identitätskonstruktion blieben. Dahingegen griffen lokale Initiativen im gesamten Land die in den 1920er Jahren praktizierte Setzung von den sogenannten Wiedervereinigungssteinen auf. Teils wurden bereits errichtete Steinmonumente durch zusätzliche Inschriften ergänzt, teils kam es zu der Errichtung von komplett neuen Denkmälern. Die Referenz auf die Wiedervereinigung im Jahr 1920 stellte somit die beiden Ereignisse in ihrer Bedeutung für das Land gleich.

V.2.b. Vom Täter zum Opfer? Die deutsche Minderheit und der Knivsberg Ebenso wie die Monumente auf Düppel und Arnkiel fiel der Turm auf dem Knivsberg, die zentrale Versammlungsstätte der deutschen Minderheit in Nordschleswig, am 16. August 1945 einem Sprengstoffanschlag unbekannter 54 »[…] dem skulle vi Danske dog nu endelig være fri for […]«. Dybbøl-Posten, 14. Mai 1945; Hejmdal, 14. Mai 1945. 55 »Det danske Folk skal ikke bære sig ad som det det tyske […]«. Dannevirke, 18. Mai 1945. 56 Die Überlegung einer Neubesetzung des nun unbelegten Platzes durch die Errichtung eigener Monumente lässt sich, wie vom Verfasser dieser Studie an anderer Stelle als These aufgestellt, als Teil eines konstitutiven Übergangsrituals sehen. Erst durch die Belegung des öffentlichen Raumes mit eigenen materiellen Darstellungen der Gesellschaftskonzeptionen nach dem Sturz der Denkmäler der vorherigen Machthaber in Form von Monumenten, kann die Transformation des Überganges abgeschlossen werden. Hierfür finden sich in der Geschichte des Denkmalsturzes zahlreiche Beispiele. Vgl. Greßhake, Damnatio memoriae, 2010. S. 94 ff. 57 Bak, Tyske sejrsmonumenter , 2003. S. 29 f.

274

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Täter zum Opfer.58 Auf symbolische Weise wurde so mit der ehemaligen deutschen Vorherrschaft abgerechnet: Ebenso »wie Bismarcks Lebensarbeit ihr endgültiges historisches Ende fand«, sei, so der Historiker Jürgen Ostwald, »der Bismarckturm in Trümmer gesunken.«59 Unzweifelhaft verband sich mit der Versammlungsstätte und dem Monument seit der Grenzverschiebung von 1920 der »Zweck […] ein nationales Wahrzeichen der Wiedergewinnung der deutschen Nordmark zu sein.«60 Zusätzlich erhielt 1945 die Zerstörung des Ortes in der Deutung der dänischen Bevölkerung den Aspekt einer Strafaktion gegen die deutsche Minderheit und ihre bereitwillige Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Regime vor und während der Besatzungszeit in Dänemark.61 Neben der Internierung und der anschließenden rechtlichen Bestrafung zahlreicher Mitglieder der Volksgruppe war der Abrechnung mit der Minderheit somit auch der bewusste Versuch ihrer Enträumlichung durch die Entkanonisierung der zentralen Versammlungsstätte inhärent. Als Veranstaltungsort und Schauplatz der nationalen Äußerung nahmen der Knivsberg und das auf ihm errichtete Bismarck-Monument eine zentrale Funktion in der kulturellen und politischen Arbeit der Deutschen in Nordschleswig ein. Die Zerstörung des Turmes stellte vor diesem Hintergrund eine Bestrafungsaktion dar, die das wichtigste Symbol der deutschen Nordschleswiger betraf. Die aus dem Kriegsende und der Sprengung des Turmes entstandene Desillusionierung der Minderheit führte aus diesem Grund auch zu einer gewissen Unsicherheit über die zukünftige Ausrichtung der Knivsbergfeste. Die Veranstaltung der alljährlichen Kundgebung wurde von den dänischen Behörden zwar erstmalig wieder im Jahr 1947 erlaubt, bedurfte zugleich jedoch einer organisatorischen und inhaltlichen Neuausrichtung. Ein Hindernis für die Austragung stellte die große Anzahl der inhaftierten Mitglieder sowie die im Vergleich zum restlichen Deutschland prozentual gesehen überdurchschnittlich hohen Gefallenenzahlen innerhalb der deutschen Minderheit dar.62 Als Zeichen der Transformation des Festes, weg von einem Ereignis mit offensivem, antidänischem Charakter hin zu einem friedlichen Gedenken an die Toten der beiden Weltkriege, übernahm nun offiziell der Deutsche Jugendverband für Nordschleswig die Federführung in der Planung und der Durchführung der Feierlichkeiten.63 58 59 60 61

Bak, Tyske sejrsmonumenter, 2003. S. 29. Ostwald, Bismarckdenkmal, 1994. S. 103. Ebd. S. 114. Vgl. beispielsweise: Johannsen, Die deutsche Volksgruppe, 1993. S. 47; Lorek, Rechtsabrechnung, 1998; Kristensen, 9. April 1940, 2004. S. 159. 62 Vgl. Doege, Immo. Ehrenhain und Gedenkstätte auf dem Knivsberg. In: Ostwald, Jürgen (Hrsg.). Der Knivsberg. 100 Jahre deutsche Versammlungsstätte in Nordschleswig. Heide 1994. S. 207 – 217, hier S. 210 f. 63 Der Volkskundler Olaf Peters wies hingegen nach, dass ein Großteil der Festredner und der führenden beteiligten Personen wie bereits in den 1920er und 1930er Jahren aus dem aka-

Tranformationsprozesse der schleswigschen Denkmaltopographie

275

Die ersten Austragungen in der Nachkriegszeit waren vor allem durch drei Motive geprägt, die ebenfalls im Rahmen der gesamten Minderheitenarbeit in den nächsten Jahren konstituierend sein sollten: Erstens ging es um die eigene Standortbestimmung und das Zeichen, »daß sie [Anm. d. Verf.: die deutschen Nordschleswiger] trotz allem noch da waren« als eine Form der Selbstbehauptung in für sie politisch schwierigen Zeiten. So sprach einer der Festredner auf dem Knivsbergfest 1949 davon: »Wir stehen mit unserem Muttervolk an einer Wegkreuzung, wo man in viele Richtungen gehen kann, und doch ist kein Wegweiser zu sehen.«64 Zweitens verband sich mit den Veranstaltungen die Forderung nach einer klaren gesetzlichen Regelung der Minderheitenfrage auf beiden Seiten der Grenze, um so »das Deutschtum südlich der Grenze wieder aufzufangen und das Volkstum dort für die Selbstbehauptung zu beleben und zu aktivieren […].«65 Auslöser für die Forderung war die überaus erfolgreiche Kulturarbeit der dänischen Minderheit in Schleswig, die ein rapides Ansteigen der Mitgliederzahlen zur Folge hatte und in deutschen Kreisen einen Verlust von Teilen Schleswigs befürchten ließ. Drittens sollten die Feierlichkeiten ihre identitätsstiftende Rolle behalten und durch ihre Ritualisierung als gemeinschaftliches Symbol des Zusammenhaltes in der gegenwärtigen Situation fungieren. Entsprechend der Gründungs- und Loyalitätserklärung des Bundes deutscher Nordschleswiger vom November 1945 besaß die Dekontextualisierung des Denkmals und des Festes aus dem nationalen Sinnzusammenhang, in welchem sie seit der Grenzverschiebung von 1920 gestanden hatten, sowie ihre Rekontextualisierung in einem regionalen Rahmen eine zentrale Bedeutung für die zukünftige politische Ausrichtung der Minderheit.66 Der deutschnationale Aspekt verschwand jedoch nicht komplett aus den Botschaften der Redner sowie der Konzeption der Feste, sondern trat lediglich hinter der Region – die »Heimat« – als Bezugspunkt zurück. In diesem Sinne erfolgte laut Olaf Peters die Durchführung der Kundgebungen bis in die 1960er Jahre hinein als Ausdruck eines kulturellen Selbstbehauptungswillens, der die deutsche Sprache in den Mittelpunkt stellte.67 Mit der durch die deutsche Kriegsniederlage bedingten Transformation der politischen Landschaft im deutsch-dänischen Grenzraum ergab sich nicht nur infolge der Zerstörung des Turmes der Zwang zu einer

64 65 66 67

demischen und landwirtschaftlichen Milieu entstammte. Von einem kompletten Neubeginn der Knivsbergfeste nach dem Zweiten Weltkrieg kann aufgrund der personellen Kontinuität daher keine Rede sein. Vgl. Peters, Knivsbergfest, 1990. S. 36. Zit. nach: Ebd. S. 37. Zit. nach: Ebd. So gelte, »als Nordschleswiger unser eigenes Gesicht zu behalten.« Der Heimatgedanke fand in jenen Jahren seine Ergänzung durch die »Vision eines vereinigten Europa, in dessen Schutz die Eigenart der Völker sich frei entfalten kann«. Zit. nach: Ebd. Ebd. S. 38.

276

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

inhaltlichen Neuausrichtung der jährlichen Feste, sondern auch zu einer Neubestimmung des Erinnerungsortes Knivsberg selbst. Die zuvor offensive Botschaft deutschnationaler Prägung war durch die Ereignisse nicht länger tragfähig und bedurfte einer Korrektur. An ihre Stelle trat in den unmittelbaren Jahren der Nachkriegszeit der Versuch einer kulturellen Standortbestimmung, die sich einerseits auf eine innere Sammlung der deutschen Minderheit stützte und andererseits eine Rückkehr zu einem regionalen Bezugsrahmen anstrebte. Vergleichbar mit den Düppeler Schanzen auf dänischer und dem Ort Idstedt auf schleswig-holsteinischer Seite, die jeweils gerade aufgrund ihrer Verbindung mit einer schmerzhaften Niederlage im 19. Jahrhundert eine nahezu mythische Aufladung erfahren hatten, entstand mit dem Knivsberg wiederum ein historischer Schauplatz, der mit einem Gebiets- und Herrschaftsverlust assoziiert wurde und so seine Stellung als der zentrale Gedächtnisorte der deutschgesinnten Schleswiger auch nach 1945 behielt. Die der Versammlungsstätte inhärente Bedeutung der Vorkriegszeit erfuhr mit dem Jahr 1945 eine tiefgreifende Transformation, die die alten Botschaften zwar nicht auslöschte, sie jedoch durch neue Einschreibungen teilweise überdeckte. In dieser Deutung verknüpfte sich mit dem Knivsberg ein Narrativ der Minderheit, in dem diese selbst zum Opfer der Geschichte deklariert wurde. Zum einen sahen sich die deutschen Nordschleswiger durch das nationalsozialistische Regime betrogen, da »viel echte Begeisterung und Hingabe und viel tapfere Einsatzbereitschaft der deutschen Nordschleswiger ausgenutzt und auch mißbraucht wurde.«68 Zum anderen trug die als ungerecht empfundene Behandlung der deutschgesinnten Bevölkerung durch die dänischen Strafverfolgungsinstitutionen in der Nachkriegszeit zu dieser Einstellung bei.69 Aus der Ablehnung der Täter- und der Annahme einer Opferperspektive sowie der Zerstörung des Turmes heraus entstand der umkonfigurierte Erinnerungsort Knivsberg als ein Memorial schmerzhafter Ereignisse.

V.2.c Ein nationales Symbol kehrt zurück – der Idstedt-Löwe Während die Zerstörung der deutschen Denkmäler auf Düppel und Arnkiel sowie des Knivsbergturmes zuvorderst staatlich nicht legitimierte Aktionen einzelner Initiativen waren, die auf die Beseitigung des deutschen Kulturerbes im Grenzraum abzielten, besaßen die Vorgänge um den sogenannten Flensburger Löwen in der dänischen Gesellschaft der Nachkriegszeit eine große symbolische Bedeutung. Auf Betreiben des dänischen Journalisten Henrik V. 68 Zit. nach: Ebd. 69 Ebd. S. 37.

Tranformationsprozesse der schleswigschen Denkmaltopographie

277

Ringsted,70 der im zerstörten Berlin bei den alliierten Siegermächten als Reporter akkreditiert war, gelang es mithilfe des amerikanischen Militärs, das Denkmal nach rund 78 Jahren zurückzugewinnen.71 Als »ohne Zweifel das bekannteste und umstrittenste Monument der Geschichte des schleswigschen Grenzlandes«72 kam der Rückkehr des Löwen aus der deutschen »Gefangenschaft«73 eine Bedeutung zu, die über die materielle Verlegung hinausging und auf dänischer Seite als das Zeichen für das Ende der zunächst preußisch-deutschen, später der nationalsozialistischen Unterdrückung schlechthin gedeutet wurde. Erste Bestrebungen in diese Richtung gab es bereits in den ersten Jahren nach der Denkmaldemontage und -überführung nach Berlin. Auch im Anschluss an die Grenzverschiebung 1920 hatte die dänische Regierung vergeblich versucht, das Löwen-Monument im Tausch mit den preußischen Siegeszeichen auf Düppel und Arnkiel wiederzuerlangen. So rückte dieses Anliegen nach dem Kriegsende erneut auf die Tagesordnung der Behörden, aber auch des dänischen Boulevards. Bereits Ende Mai 1945 forderte etwa die Tageszeitung Morgenbladet als erstes Medium den Löwen zurück, weitere Presseorgane folgten.74 Während der Idstedt-Löwe zu der Zeit seiner Errichtung in erster Linie ein Projekt nationalliberaler Dänen gewesen war, das selbst im Königshaus auf Widerstand stieß, wurde das Monument in breiten dänischen Bevölkerungsschichten infolge seiner Demontage zu einem Zeichen nationaler Identität. Die Wiedergewinnung des Idstedt-Löwen wurde somit bereits während des 19. Jahrhunderts, vor allem jedoch dann nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein zentraler Topos nationalbewusster Kreise in Dänemark. Vor dem Hintergrund des deutschen Zusammenbruches 1945 stand die Rückforderung des Löwen im Kontext mit dem

70 Der dänische Journalist Henrik V. Ringsted wirkte ab 1939 als Auslandskorrespondent der linksliberalen Zeitung Politiken in Berlin. In der unmittelbaren Nachkriegszeit war Ringsted der einzige akkreditierte Journalist aus Skandinavien in Berlin, so dass er in dieser Zeit für alle größeren skandinavischen Zeitungen Artikel verfasste. So berichtete er unter anderem von der Potsdamer Konferenz und den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen 1945/46. Durch seine guten Verbindungen zur amerikanischen und britischen Besatzungsmacht ergab sich ab Juli 1945 die Möglichkeit, die Rückführung des Löwen zu planen. 71 Vgl. zum Ablauf der Rückführung: Leppien, Jörn-Peter. »Operation Lion«. Henrik V. Ringsted und der Idstedt-Löwe 1945 – ein Quellenbericht. Sonderdruck aus: Grenzfriedenshefte; 2 (1995). Leppien rekonstruierte die Abläufe anhand der teilweise publizierten autobiographischen Texte Ringsteds. Siehe hierzu auch: Ringsted, Henrik V. Fran vor udsendte korrespondent. Kopenhagen 1965; Ders. Erindringer ; 2. Bd. Kopenhagen 1979. Wenn nicht anders gekennzeichnet, stützt sich die Wiedergabe der Ereignisse im Folgenden auf die Darstellung von Leppien. 72 Schlaber, Kontroverse, 2002. S. 259. 73 Leppien, »Operation Lion«, 1995. S. 14. 74 Vgl. ebd.

278

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Bestreben nach einer Grenzrevision, die Schleswig bis zum Fluss Eider wieder an den dänischen Staat binden sollte.75 Die Rückführung des Idstedt-Löwen selbst erfolgte Anfang Oktober 1945 durch die Initiative des Journalisten Ringsted mithilfe einer amerikanischen Armeeeinheit, welche das Denkmal in Berlin demontierte, in einer »Nacht-undNebel-Aktion« per LKW quer durch das zerstörte Deutschland nach Kopenhagen transportierte und so zu einer weiteren Mythologisierung des Monumentes beitrug.76 Die offizielle Übergabe an den dänischen König Christian X. geschah unter großer öffentlicher Teilnahme am 20. Oktober im Kopenhagener Zeughausmuseum. Sowohl die dänischen Festredner als auch die amerikanischen Armeevertreter, die den Löwen als »ein amerikanisches Freundschaftsgeschenk an das dänische Volk« überreichten, drückten während der Zeremonie übereinstimmend die Überzeugung aus, dass die »Befreiung« des Löwen in symbolhafter Verbindung mit der Befreiung Dänemarks und der Welt vom Nationalsozialismus stehe. Christian X. artikulierte in diesem Kontext die in breiten Kreisen vertretene Hoffnung, dass das Denkmal, wenn es die Umstände zulassen sollten, wieder an seinen alten Platz nach Flensburg kommen möge.77 Zunächst fand das Monument seinen Platz jedoch im Zeughausmuseum. Zwar befand sich der Standort des Idstedt-Löwen nur wenige Jahre in Flensburg selbst, sondern die meiste Zeit im Berliner Exil. Gerade hieraus folgte jedoch seine immanent wichtige Bedeutung für Dänemark als Zeichen für die jüngere Geschichte Schleswigs und das dänische Erbe in der Region. Mit seiner Rückkehr aus Berlin verband sich aus diesem Grund die Hoffnung auf ein Ende der Unterdrückung durch den als übermächtig empfundenen deutschen Nachbarn, in nationaldänischen Kreisen stand das Monument darüber hinaus sinnbildlich für die Forderung nach einer Grenzverschiebung. Das Denkmal fand 1945 seinen neuen Standort zwar nicht in Schleswig, aufgrund seiner engen Verknüpfung mit dem Grenzraum und der sich hieraus ergebenen nationalen Bedeutung spielte diese Tatsache jedoch für die Interpretation der Vorgänge zu jener Zeit eine untergeordnete Rolle.

75 Vgl. ebd. S. 14 f. 76 Siehe Abb. 16. 77 Vgl. ebd. S. 37.

Nationale Konfrontation und europäische Annäherung

279

V.3. Nationale Konfrontation und europäische Annäherung: die Idstedt-Gedächtnishalle V.3.a. Die Entstehung des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes Die Entwicklung der Idstedt-Gedächtnishalle in der Nachkriegszeit ist eng verbunden mit dem Entstehen und dem ersten Wirken des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes (SHHB).78 Seit der Gründung des Vereines am 25. Januar 1947 gehörte es zu seinen zentralen Zielen, auf heimatkultureller Basis in Schleswig-Holstein eine »deutsche […] Gegenwehr an der Nordgrenze«79 zu bilden und der »Danisierung Schleswigs Einhalt zu gebieten«:80 »Wir wollen in Verantwortung gegen Vergangenheit und Zukunft unseres Volkes zusammenstehen und in dieser schwierigen Zeit die Ohren steif halten und an der alten Kultur und Geschichte unseres Landes mit dem Wort ›up ewig ungedeelt‹ […] festhalten.«81 Die Gründung des Heimatbundes stand in einem direkten Zusammenhang mit den anfänglichen Erfolgen des Sydslesvigsk Forening bei den Kommunalwahlen 1946 und dem starken Anwachsen der dänischen Minderheitenorganisationen im Grenzgebiet.82 Vor dem Hintergrund dieses vermeintlichen Bedrohungsszenarios wurde der Heimatbund mit dem Anliegen gegründet, als politisch neutrale und überparteiliche Dachorganisation für alle in Schleswig-Holstein auf kulturellem und heimatkundlichem Gebiet tätigen Vereine, Organisationen und Privatpersonen zu fungieren und auf diese Weise die kulturpolitische deutsche Arbeit im Grenzkampf zu bündeln. Inhaltlich orien78 Eine kritische wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte des SHHB, vor allem der Rolle des Bundes in den Jahren des kulturellen Grenzkampfes, war lange Zeit ein Forschungsdesiderat. Erst mit dem Erscheinen der Dissertation »Schleswig-Holsteins Identitäten« von Knud Andresen Ende 2010 konnte diese Lücke geschlossen werden: Andresen, Knud. Schleswig-Holsteins Identitäten. Die Geschichtspolitik des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes 1947 – 2005 (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; 115). Neumünster 2010. In eigener Herausgeberschaft des Heimatbundes erschienen zuvor: Schleswig-Holsteinischer Heimatbund (Hrsg.). 20 Jahre Schleswig-Holsteinischer Heimatbund. Neumünster 1968; Ders. (Hrsg.). 50 Jahre Schleswig-Holsteinischer Heimatbund. Kiel 1997. Im Auftrag des SHHB wurde ebenfalls 1997 ein biographisches Werk über seinen Begründer Pastor Rudolf Muuß publiziert: Steensen, Thomas. Rudolf Muuß. Heimatpolitiker in Nordfriesland und Schleswig-Holstein. Husum 1997. 79 Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 20 Jahre Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 1968. S. 19. 80 Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 50 Jahre Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 1997. S. 5. 81 Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 20 Jahre Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 1968. S. 20. 82 Dieses Motiv wurde deutlich durch den Gründungsaufruf an die Bevölkerung. Hierin hieß es: »Unsere Heimat Schleswig-Holstein ist in Gefahr.« Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 50 Jahre Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 1997. S. 6.

280

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

tierte sich der Heimatbund nah am Schleswig-Holsteiner Bund (SHB), einem der zentralen Akteure des Grenzkampfes des 1920er Jahre. Da dieser jedoch eng mit den Grenzrevisionsforderungen in der Zeit vor 1945 verknüpft und durch die nationalsozialistische Instrumentalisierung politisch belastet war, bestand keine Aussicht auf eine Gründungsgenehmigung durch die britischen Militärbehörden als dessen offizielle Nachfolgeorganisation.83 Trotz allem ergaben sich gerade in der Anfangszeit zwischen den beiden Organisationen eine große personelle und inhaltliche Kontinuität: So war etwa der Museumspfleger Alfred Kamphausen, der eine zentrale Rolle in der Gleichschaltung der schleswigholsteinischen Museumslandschaft nach 1933 eingenommen hatte, als Mitglied des Beirates innerhalb des Bundes in zentraler Funktion tätig.84 Mit seiner Kulturpolitik richtete sich der Verband nicht nur gegen die neueiderdänische Bewegung der Nachkriegszeit, sondern auch gegen eine vermeintliche »Überfremdung« der Region durch die Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten.85 Der Historiker Knud Andresen bezeichnete den SHHB in seiner Dissertation über die Geschichte des Heimatbundes als den »bestimmenden Erinnerungsakteur des Grenzkampfes«, der durch seine »enge und strukturelle Verflechtung und Verzahnung [mit der] Politik« ein gewichtiger Akteur der schleswig-holsteinischen Nachkriegszeit war, der aktiv Einfluss auf die Entscheidungen der Landespolitik nahm und teilweise gegen die Landesregierung gerichtete Positionen vertrat.86 In den Nachkriegsjahren bis 1960 seien in der Geschichtspolitik des Heimatbundes Andresen zufolge zwei zentrale Phasen auszumachen, die in enger Verbindung zum deutschen Verhältnis mit dem dänischen Nachbarn stehen würden: So seien die unmittelbaren Jahre nach 1945 durch einen 83 Ebd. S. 5. 84 Bessler-Worbs, Deutsche Kulturpolitik, 1997. S. 472 f. 85 Knud Andresen und Manfred Jessen-Klingenberg wiesen darauf hin, dass einzelne Vertreter des Heimatbundes die jahrzehntelange preußische Herrschaft als Grundlage für die Verbreitung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein sahen. In dieser Deutung wurden die Jahre vor 1945 als preußische Fremdherrschaft deklariert, die »preußischen« Vertriebenen würden somit keine Aufgabe des Bundeslandes, sondern des deutschen Staates sein, der auch finanziell für sie aufkommen müsse. Vgl. Jessen-Klingenberg, »In allem widerstrebt uns dieses Volk«, 1997. S. 94 f.; Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 62 f. 86 Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 117. Der bei der 1947 erfolgten Gründung formulierte Anspruch der politischen Neutralität wurde so bereits innerhalb der ersten Jahre des Wirkens des Heimatbundes zur Makulatur. Insbesondere als es im Anschluss an die Kieler Erklärungen von 1949 zu einer ersten Entspannung in der Grenz- und Minderheitenpolitik kam, setzten sich die konservativen Kräfte in der Sammlungsbewegung durch und funktionalisierten das »Feindbild einer dänischen ›Kulturoffensive‹«, die auf die Gewinnung der schleswig-holsteinischen Bevölkerung für Dänemark abzielen würde. Vor allem das Wirken des Vorsitzenden Richard Schenck lässt sich unter diesem Motiv sehen: Er nutzte die »Geschichtspolitik als Legitimationsressource« für eigene politische Ambitionen. Vgl. Ebd. S. 118 f.

Nationale Konfrontation und europäische Annäherung

281

»zweifachen Kampf um die Heimat«87 geprägt gewesen, der sich einerseits gegen die Kulturarbeit der neudänischen Bewegung richtete und andererseits gegen »die Überfremdung«88 durch die große Anzahl der Vertriebenen ankämpfte. Die zweite Phase, deren Beginn von Andersen auf 1952 datiert wird, habe unter dem Zeichen von Restaurations- und Integrationsbemühungen gestanden, die die »Stiftung einer verbindenden schleswig-holsteinischen Identität mit Bezügen zu einem deutschen Nationalbewusstsein und dem im Land verbreiteten Teilidentitäten« anstrebte.89 Gerade für die Jahre 1947 bis 1952 galt, dass der Heimatbund der zentrale Akteur der geschichts- und kulturpolitischen Ausrichtung des Landes Schleswig-Holstein war.90 In dieser Zeit wurde der große Einfluss des SHHB besonders dadurch deutlich, dass er eine mit der Landesregierung konkurrierende Kulturpolitik betrieb. So vertrat der sozialdemokratische Ministerpräsident Bruno Diekmann die Position, »ein sinnstiftendes Geschichtsbild von Schleswig-Holstein als Brücke nach Skandinavien zu vermitteln«. In dieser Vorstellung nahmen die Minderheiten die Funktion eines Brückenbauers zwischen Deutschland und Skandinavien ein.91 Dem stand das Narrativ des konservativ geprägten Heimatbundes gegenüber, welcher in den Jahren bis 1952 vehement grenzkämpferische Positionen, die den deutsch-dänischen Gegensatz betonten, ins Zentrum seiner Bestrebungen stellte.92 Es war das grenzpolitische Anliegen des Bundes, so der SHHB 1968 in der eigenen Festschrift anlässlich seines zwanzigjährigen Bestehens, »die Rückbildung der dänischen Minderheit auf ihren echten Kern« zu erreichen.93 Die von seinem Vorsitzenden Richard Schenck vorangetriebene Instrumentalisierung der Geschichtspolitik endete erst mit seiner Absetzung und einer neuen inhaltlichen Ausrichtung unter seinem Nachfolger Hanno Schmidt ab Ende November 1952. Schmidt hob den Gegensatz zwischen der Kulturpolitik des Heimatbundes und der Landesregierung durch die Formulierung des Landespolitischen Programms auf. Zentrale Aspekte dieser Neuorientierung bestanden in der Ausweitung seiner Tätigkeit auf Holstein sowie der Einbindung 87 88 89 90

Ebd. S. 116. Ebd. S. 67. Ebd. S. 175. Vgl. beispielsweise die Stellungnahme Martin Steinhäusers in der Verbandszeitschrift Schleswig-Holstein: »Die Geschichte ist in einem Grenzland kein bloßer Gegenstand der besinnlichen Erinnerung. Sie ist wie die Menschen, um die zwei Völker miteinander ringen, ein ständig umstrittener Besitz.« Steinhäuser, Martin. Im Bunde mit der Geschichte. Trotz allem »up ewig ungedeelt«. In: Schleswig-Holstein; 10 (1949). S. 1 – 10, hier S. 4 f. 91 Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 84. 92 Ebd. S. 73 f. 93 Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 20 Jahre Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 1968. S. 63.

282

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

und der Zusammenarbeit mit den Vertriebenenverbänden mit dem Ziel, eine gemeinsame schleswig-holsteinische Identität für alle deutschen Bewohner der Region zu begründen.94 Dass es sich bei der inhaltlichen Neuorientierung der Sammlungsbewegung um keinen kompletten Wandel der Geschichts- und Kulturpolitik handelte, wurde allein durch den Charakter der nun alljährlich vom SHHB veranstalteten Gedenkfeiern an der Idstedt-Gedächtnishalle deutlich.95 Die Feierlichkeiten, die die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann auf theoretischer Ebene als »Denkmäler in der Zeit«,96 die durch eine temporäre Besetzung des öffentlichen Raumes gekennzeichnet seien, charakterisierte, nahmen in der Nachkriegszeit eine maßgebliche Funktion in der grenzpolitischen Kulturarbeit des Bundes ein. Gemäß der inhaltlichen Neuausrichtung erfuhren sie lediglich eine motivische Ergänzung, so dass die »Medien der Geschichtspolitik […] demnach ebenso die alten wie die grundlegenden Narrative [blieben].«97 Im Laufe der 1950er Jahre ging mit der allmählich einsetzenden Entspannung im Grenzraum eine weitere Nuancenverschiebung in der Kulturpolitik von einem rein regionalen hin zu einem regional-nationalen Bezugsrahmen einher.98 94 Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 174 f. Grundsatz dieses Programmes war die Etablierung des »schleswig-holsteinische[n] Gedanke[ns] jenseits aller parteipolitischen Auffassungen zur verpflichtenden Idee aller Menschen unseres Landes […]«. Hierfür bedürfe es einer Konzentration auf die Landesgeschichte und Landeskunde sowie die Pflege der heimatlichen Kultur. Für die zukünftige Zusammenarbeit mit den Vertriebenenverbänden von besonderer Bedeutung war die Forderung, das Unterrichtsfach »deutsche Ostkunde […] für alle Schüler und an allen Schulen des Landes [einzuführen, um] das Wissen um die gegenwärtig abgetrennten Gebiete namentlich in der jungen Generation lebendig zu erhalten.« An die Holsteiner richtete sich der Appell, »gemeinsam die auf volkliche Eroberungen ausgehende dänische Kulturpropaganda abzuwehren«. Ausdrücklich betonte der SHHB in seinem Programm in diesem Kontext jedoch, dass er die Auffassung der Kieler Erklärung unterstütze und aufgeschlossen gegenüber einer einvernehmlichen Minderheitenregelung sei. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 20 Jahre, Schleswig-Holsteinischer Heimatbund, 1968. S. 68 f. 95 Siehe hierzu Kap. V.3.b. 96 Assmann, Aleida. Jahrestage – Denkmäler in der Zeit. In: Münch, Paul (Hrsg.). Jubiläum, Jubiläum… Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung. Essen 2005. S. 305 – 314. 97 Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 175 f. 98 Andresen erklärte diese Entwicklung vor dem Hintergrund von mehreren Gründen: So gingen durch die im Laufe der Zeit stabilisierte politische Situation im Grenzraum das Gefühl der Bedrohung durch mögliche Grenzrevisionforderungen der dänischen Seite mehr und mehr zurück. Hinzu kam, dass dem »Schulddiskurs der unmittelbaren Nachkriegszeit« nicht mehr zwingend eine regionale Erinnerungskultur entgegengesetzt werden musste. Die bundesrepublikanische Perspektive rückte nun vor allem durch den beginnenden Ost-WestKonflikt in den Vordergrund, der ein neues gemeinschaftsstiftendes Element darstellte. Da des Weiteren zunehmend die Geschichtswissenschaften selbst immer mehr an einer Annäherung an Dänemark Interesse zeigten, fiel dem SHHB die wissenschaftliche Basis zur Fortführung des Grenzkampfes weg. Vgl. Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 176.

Nationale Konfrontation und europäische Annäherung

283

Die Geschichtspolitik des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes stand somit in einem engen Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung in der Region. Zu der anfänglich primär regionalen Ausrichtung, die als ein grenzpolitisches Gegengewicht zur dänischen »Kulturoffensive« gedacht worden war, kam mit der Ablösung Schencks durch den neuen Vorsitzenden Hanno Schmidt zunehmend auch ein bundesrepublikanisches Motiv hinzu.

V.3.b. Neukonzeption und Wiedereröffnung der Gedächtnishalle Parallel zur Entstehung und Entwicklung des SHHB folgte in den Nachkriegsjahren eine Neuausrichtung der Idstedt-Gedächtnishalle. Das gegen Ende des Zweiten Weltkrieges geschlossene Museum blieb auch nach dem Krieg zunächst unzugänglich für Besucher. Dies lag einerseits an der finanziellen Lage des Eigners, der Stadt Schleswig, und andererseits an der im August von den alliierten Besatzungsmächten erlassenen Instruktion über die Liquidation deutscher militärischer und nazistischer Denkmäler und Ehrenmäler, die besagte, dass »Museen vornehmlich kriegsgeschichtlichen Inhaltes und Waffensammlungen nicht wieder aufgebaut werden«99 dürfen. Die Direktive betraf neben den bereits bestehenden Ausstellungen und Museen die Planung, de[n] Entwurf, die Errichtung, Aufstellung, Anbringung oder anderweitige Zurschaustellung irgendeines Denkmals, Ehrenmals, Anschlags, einer Statue, eines Gebäudes, einer Straße oder Chaussee, einer Namenstafel, eines Emblems, einer Tafel oder eines Abzeichens, welche darauf abzielen, die deutsche militärische Tradition zu bewahren und am Leben zu halten, den Militarismus wieder aufleben zu lassen oder die so gestaltet sind, daß sie Kriegsereignisse verherrlichen […].

Fernerhin mussten geschlossene Museen und öffentliche Sammlungen »neu geordnet werden, um dem Publikum gezeigt«100 werden zu dürfen. So teilte der Museumspfleger der Provinz Schleswig-Holstein, Alfred Kamphausen,101 der Stadt Schleswig am 21. Juni 1946 in einem Schreiben mit, dass auf Erlass des Kontrolloffizieres der britischen Militärregierung in Hamburg, die »Idstedt99 Instruktion Nr. 39 zur Zonenpolitik vom 22. August 1946. GA SlFl, Abt. 16: Amt für Kulturund Wirtschaftsförderung 1820 – 1997, Nr. 70: Idstedt-Gedächtnishalle, Allgemeines, Einstufung des Museums durch die britische Besatzungsmacht, Umgestaltung (1957). 100 Ebd. 101 Kamphausen war seit 1936 schleswig-holsteinischer Museumspfleger und in dieser Position einer der treibenden Kräfte in der Gleichschaltung der regionalen Museen und Ausstellungen an die nationalsozialistischen Vorgaben. Trotz seiner zentralen kulturpolitischen Funktion während des Dritten Reichs konnte Kamphausen auch nach 1945 seiner Tätigkeit nachgehen. Vgl. Kap. IV.5.a. Siehe auch: Klee, Personenlexikon zum Dritten Reich, 2011. S. 298.

284

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Gedächtnishalle […] nicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen«102 sei. Der revanchistische Tenor, welcher der Halle seit ihrer Gründung inhärent war, blieb somit das größte Hindernis für ihre Wiedereröffnung und bedurfte folgerichtig der Korrektur. Wie bereits rund zehn Jahre zuvor erhielt abermals Archivar Ernst Petersen von der Stadt Schleswig den Auftrag, die Ausstellung neu zu gestalten und den aktuellen politischen Umständen anzupassen. Mit den Worten Petersens galt es nun, den Ort in »eine Weihe- und Gedächtnisstätte«103 zu verwandeln, der sowohl für Deutsche als auch für Dänen Relevanz bei der Ehrung der Toten besäße.104 Der Schwerpunkt der neuen Ausstellung lag nach ihrer Überarbeitung auf der visuellen Darstellung der militärischen Auseinandersetzungen des Schleswig-Holsteinischen Krieges in Form zahlreicher historischer Waffen, Fahnen und anderer Militaria. Der angebrachte Schriftzug »Umstrittenes Land« sollte laut dem 1949 erschienenen Idstedt-Museumsführer darauf verweisen, »wie oft Schleswig-Holstein als uralte Völkerbrücke zwischen Süd und Nord im Verlaufe von 1000 Jahren umkämpft worden ist.«105 Nach den erfolgten Umbauarbeiten in der Gedächtnishalle wandte sich im April 1949 der Kulturausschuss der Stadt Schleswig mit der Bitte um die Genehmigung der Wiedereröffnung an Oberst Smith, den zuständigen Offizier der britischen Militärregierung. So repräsentiere die Ausstellung »keine Siegesverherrlichung«, da »die Schlacht bei Idstedt […] für die Schleswig-Holsteiner ja verloren [ging].« Stattdessen sei der Ort vielmehr eine »Gedächtnisstätte und ein geschichtliches Erinnerungsmal«.106 Insbesondere betonte der Kulturausschuss den touristischen Aspekt, da die Halle nicht nur von Schleswig-Holsteinern, sondern auch gezielt von zahlreichen Dänen aufgesucht werden würde: »Diese sind jetzt schon wiederholt erschienen und sehr enttäuscht worden, wenn sie unverrichteter Sache wieder abziehen mussten.«107 War das Museum in den Jahrzehnten zuvor vor allem ein Ort der Geschichtsdarstellung aus einer rein schleswig-holsteinischen Sicht, die sich nur sekundär an dänische Besucher richtete – und dann auch nur, um den deutschen Machtanspruch auf den Grenzraum darzustellen und die eigene Geschichtsdeutung zu vermitteln – so wurde nun nahezu konträr argumentiert. Die Idstedt-Gedächtnishalle stelle, so die Argumentation der Stadt Schleswig, einen Ort gemeinsamer Erinnerung dar, 102 Brief von Alfred Kamphausen an den Bürgermeister der Stadt Schleswig vom 21. Juni 1946. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 70. 103 Brief vom Kulturamt der Stadt Schleswig an das Vaterländische Museum Celle vom 24. Juni 1949. GA SlFl, Abt. 9: Hauptamt/Magistratsverwaltung 1865-ca. 1945, Nr. 2: Statistiken und Zählungen. 104 Vgl. Schartl, Idstedt, 2006. S. 14. 105 Zit. nach: Ebd. 106 Brief vom Kulturausschuss der Stadt Schleswig an Kreisresidenzoffizier Oberst Smith vom 6. April 1949. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 111. 107 Ebd.

Nationale Konfrontation und europäische Annäherung

285

der auch für die dänische Seite eine hohe Bedeutung besitze und somit als von Deutschen und Dänen geteilter Erinnerungsort angesehen werden müsse. Die britische Militärregierung in Hamburg honorierte die Umgestaltung der Halle und ihre thematische Neuausrichtung mit der Genehmigung zur Wiedereröffnung am 13. Juni 1949.108 In der schleswig-holsteinischen Presse wurde anlässlich der Freigabe des Museums durch die Besatzungsmacht entsprechend der Linie der Stadt Schleswig darauf hingewiesen, dass »die Idstedt-Gedächtnishalle eine in jeder Beziehung tendenzlose Weihe- und Gedächtnisstätte für diejenigen [sei], die sich einst auf den heimatlichen Fluren als Gegner gegenüberstanden.«109 Neben den regionalen Artefakten der Kriegszeit fänden sich, so die Schleswig-Holsteinische Heimat-Zeitung, nun auch bildliche Darstellungen und Gegenstände der dänischen Armee, so dass die »Weihestätte dazu beitragen möge, das gegenseitige Verstehen über die Grenze hinweg zu vertiefen.«110 Zugleich zeigte sich jedoch auch, dass der proklamierte Anspruch einer versöhnlichen Geschichtsdarstellung in der realen Konzeption nicht durchgängig eingehalten wurde: Eine an der Wand angebrachte Tafel listete »sämtliche […] Kampforte […] von der Haithabuzeit bis zum Jahre 1864«111 zwischen Dänen und Deutschen auf und konstruierte somit eine vermeintliche Kontinuität der kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Betonung des scheinbar traditionellen nationalen Gegensatzes stützte sich auf ein seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vorherrschendes Spezifikum der Historiographie auf beiden Seiten der Grenze, in welcher das Verhältnis der beiden Staaten immer nur über die Konflikte in der Region Sønderjylland/Schleswig definiert wurde.112 Ungeachtet dessen formulierte der Schleswiger Stadtrat Hermann Clausen anlässlich der Neueröffnung der Gedächtnishalle seine Freude über die »heimatgeschichtliche Schau wertvoller Erinnerungsgegenstände aus der Zeit von 1849 – 1851«, die »auf geschichtlich bedeutsamem Boden Deutschen und Dänen Stunden weihevoller Einkehr« biete. Die Hoffnungen auf einen Konsens im Gedenken an die Gefallenen und auf eine tendenzlose Ausrichtung der Ausstellung, die während der Feierlichkeiten mehrfach geäußert wurden, fanden allerdings in der Berichterstattung des Flensburger Tageblattes ihre Grenzen. So resümierte die Zeitung, dass ein »Rundgang […] ein Bild jener Zeit entstehen [ließ], in der unsere Väter, allein auf sich gestellt, für ihr klares Recht kämpften und starben.«113 Zum einen

108 Brief vom Kulturamt der Stadt Schleswig an das Vaterländische Museum in Celle vom 24. Juni 1949. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 70. 109 Schleswig-Holsteinische Heimat-Zeitung, 18. Juni 1949. 110 Ebd. 111 Ebd. 112 Vgl. Jessen-Klingenberg, Schleswig-Holsteins Geschichtsschreibung, 1998. S. 217. 113 Flensburger Tageblatt, 22. Juni 1949. Der Zeitungsartikel erschien bereits am 22. Juni, also

286

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

referierte diese Darstellung auf das während der Zeit des Nationalsozialismus unterdrückte antipreußische Narrativ aus dem 19. Jahrhundert und zum anderen gab sie der Vorstellung von der Rechtmäßigkeit des schleswig-holsteinischen Kampfes Ausdruck. Diese Position stieß auf dänischer Seite auf Widerstand, berührte dieser Punkt doch die unterschiedlichen Auffassungen in Dänemark und Deutschland, ob es sich bei den Ereignissen um eine legitime Erhebung der Schleswig-Holsteiner zur Verteidigung der eigenen Rechte gehandelt habe114 oder ob die Geschehnisse als ein Aufstand, und damit einhergehend als ein Bruch der Legitimität, zu sehen seien.115 Bemerkenswert an der Berichterstattung des Flensburger Tageblattes ist auch, dass der Vorwurf auch den Zweiten Weltkrieg überdauerte, dass das restliche Deutschland seine nördlichen Länder im Kampf gegen Dänemark alleingelassen habe und die für die »gerechte« Sache gefallenen Schleswig-Holsteiner nahezu den Ruf von Märtyrern besaßen.116 Die Idstedt-Gedächtnishalle nahm folglich eine zentrale Funktion in der Konstruktion eines regionalen Geschichtsbewusstseins ein; sie muss in der Nachkriegszeit als ein regional besetztes Kulturerbe gesehen werden, welches explizit nicht national konnotiert war, sondern sich vielmehr vom deutschen Staat und den in seinem Namen begangenen Kriegsverbrechen distanzieren wollte. Somit bedeutete das Kriegsende eine erneute Rekontextualisierung des Museums: Der nationale Aspekt verlor ebenso wie im Kontext des Knivsberges seine Relevanz, innerhalb der nunmehr wieder regionalen Sinnzusammenhänge bildete er die wenige Tage nach der Wiedereröffnung, und nicht wie von Matthias Schartl angegeben erst am 26. September des Jahres. Vgl. Schartl, Idstedt, 2006. S. 14. 114 »Nach menschlichen und göttlichen Gesetzen seien unsere Väter zum Widerstand gegen das Unrecht von dänischer Seite verpflichtet gewesen. Die schleswig-holsteinische Erhebung habe niemals etwas mit Aufruhr zu tun gehabt, wie manche Dänen behaupten, sondern es sei die Verteidigung heiligen Rechtes gewesen, für das die Schleswig-Holsteiner aller wagten.« In: Schleswiger Nachrichten, 25. Juli 1955. 115 Vgl. Riis, Thomas. Gibt es ein schleswig-holsteinisches Selbstverständnis? In: Lundt, Bea (Hrsg.). Nordlichter. Geschichtsbewußtsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe (Beiträge zur Geschichtskultur ; 27). Köln/Weimar/Wien 2004. S. 373 – 389, hier S. 380. In Dänemark war (und ist) es üblich, die Vorgänge jener Zeit als »Oprør« – feindlichen Aufstand – zu bezeichnen. 116 Dieser Tenor fand sich etwa in der Publikation Idstedt in Wort und Bild, die anlässlich der Einhundert-Jahr-Feierlichkeiten im Juli 1950 herausgegeben wurde. Als Gründe für die Niederlage wurden hier zum einen »das Versagen der militärischen Führung« des Oberkommandierenden der schleswig-holsteinischen Truppen im Dreijährigen Krieg, Generalleutnant von Willisen, und zum anderen der Verrat Preußens und Österreichs an Schleswig-Holstein angegeben: »Das Schicksal der schleswig-holsteinischen Demokraten von 1848, die sich im Bunde wußten mit den großen, neuen Ideen ihrer Zeit und um ihr Selbstbestimmungsrecht kämpften, wurde besiegelt, als sie Anfang 1851 nach dem Willen der europäischen Großmächte, mit Hilfe Preußens und Österreichs, zur Unterwerfung gezwungen wurden. Durch Dänemark und die dänischen reaktionären Mächte wurde […] die letzte Bastion des demokratischen Deutschland – das war Schleswig-Holstein im Jahre 1850 – niedergebrochen.« In: Idstedt in Wort und Bild vom 25. Juli 1850. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 111.

Nationale Konfrontation und europäische Annäherung

287

Basis für eine Distanzierung von der deutschen Täterrolle und die gleichzeitige Aneignung eines positiv konnotierten regionalen Bewusstseins.

V.3.c. Öffentliches Gedenken Im Gegensatz zu dem postulierten Anspruch, eine politisch neutrale Ausstellung zu gestalten, die von sowohl Deutschen als auch Dänen zum Gedenken an die Ereignisse des Dreijährigen Krieges und die in dieser Zeit gefallenen Soldaten akzeptiert werden konnte, lassen sich die jährlichen Gedenkfeiern des SHHB an der Gedächtnishalle in den folgenden Jahren eindeutig nicht als Versöhnungsgeste sehen. Vielmehr verbanden sich mit den Feierlichkeiten scharfe grenzpolitische Attacken, die zwar aufgrund der politischen Lage Deutschlands auf Revisionsforderungen gegenüber dem dänischen Staat verzichteten, sich nun jedoch explizit gegen die Kulturarbeit der dänischen Minderheit in SchleswigHolstein richteten.117 Das Programm der Feier zum einhundertsten Jahrestag der Schlacht bei Idstedt 1950 sah in seinem Ablauf eine dreiteilige Gliederung der Veranstaltung vor, deren Bestandteile eine klare antidänische Stellungnahme im Grenzstreit offenbarten, die durch eine große Anzahl prominenter Besucher ihre vermeintliche Legitimation erhielten.118 Der Tag begann mit einem gemeinsamen Gottesdienst in der Gedächtniskirche, dem sich eine »Deutsche Kundgebung« anschloss. In dieser sangen 25 Männerchöre des Sängerbundes SchleswigHolstein Lieder wie Ernst Moritz Arndts »Was ist des deutschen Vaterland?«. Der in zahlreichen Reden vorgebrachte Vergleich der aktuellen politischen Situation mit der Zeit des deutschnationalen Erwachens im 19. Jahrhunderts gab der Veranstaltung einen bedeutsamen Rahmen. Ihren feierlichen Abschluss fand die Veranstaltung in einer Totenehrung an den Kriegsgräbern, die zugleich durch das gemeinsam vorgetragene Lied »Schleswig-Holstein meerumschlungen« seinen Höhepunkt erlebte.119 Gerade der letzte Programmpunkt stellte einen direkten Affront gegen Dänemark dar, war dieses Musikstück doch zur Erhebungszeit entstanden und postulierte einen gemeinsamen schleswig-holsteinischen Staatenverbund außerhalb des dänischen Gesamtstaates. 117 Schartl, Idstedt, 2006. S. 14. 118 Das Flensburger Tageblatt berichtete davon, dass die Gedenkfeier »bis auf den letzten Stehplatz« gefüllt gewesen sei und listete zahlreiche Ehrengäste auf, die am Ablauf der Feierlichkeiten teilnahmen: »Bischof Wester, Prof. Dr. Wegener vom Landesverwaltungsgericht, die Landräte der Kreise Schleswig und Flensburg, Vertreter der Landesregierung, Gäste aus Nordschleswig, Hamburg und Niedersachsen, Vertreter des schleswig-holsteinischen Bauerntums« sowie Abgesandte sämtlicher Heimatbünde des Landes. Vgl. Flensburger Tageblatt, 26. Juli 1950. 119 Programm des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes zur 100 Jahrfeier der Schlacht bei Idstedt am 23. Juli 1950. GA SlFl, Abt. ZD, Nr. 25.4.

288

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Wenige Tage vor der Gedenkfeier hatte der SHHB in einer Stellungnahme die Gründe für die Abhaltung der Gedenkfeier dargelegt und hierin vor allem das Totengedenken als Hauptmotiv hervorgehoben: Seit »100 Jahren haben wir gelobt, daß wir die tapferen Schleswig-Holsteiner, die im Kampf für ihr Volk gefallen sind, nicht vergessen werden.« Gleichzeitig verband sich mit dieser Veranstaltung auch die Hoffnung, die Konflikte mit dem nördlichen Nachbarn zu überwinden – »Vergessen wollen wir unsere Toten nicht, wohl aber wollen wir vergessen den Völkerzwist, um den sie damals fielen« – und in eine friedliche, europäische Zukunft schauen zu können: Die Schlacht von Idstedt ist Historie geworden, tapferer aber vergeblicher Kampf eines kleinen Volkes gegen eine Übermacht, einer der zu vielen Bruderkriege in Europa, die ihren rechten Sinn erst dann erhalten, wenn aus der blutigen Saat ein geeinter Erdteil hergeht [sic!]. Unsere politischen Sorgen bewegen sich heute in anderen ungleich weiter gespannten Räumen. Hoffen wir, daß der letzte große Krieg auch der letzte europäische Bruderkrieg war. Hoffen wir auch, daß es uns erspart bleibt, einen Krieg um Europa erleben zu müssen!

Aus diesem Grund gelte es, sowohl der schleswig-holsteinischen als auch der dänischen Gefallenen aus jener Zeit zu gedenken und so die Grundlage für die Überwindung der Streitigkeiten zu legen: »Die Kränze, die wir am Sonntag in Idstedt niederlegen, gelten den dänischen Gräbern so gut wie den deutschen.«120 Die mahnenden und versöhnlichen Worte, die angesichts der sich entwickelnden Spannungen zwischen Ost und West den Wunsch auf ein europäisches Zusammenwachsen ausdrückten, standen im direkten Kontrast zu den antidänischen Botschaften, die auf der eigentlichen Feier propagiert wurden. So stilisierte der stellvertretende Vorsitzende des SHHB, Pastor Rudolf Muuß, in seiner Festansprache den aktuellen kulturellen Grenzkampf zu einer »zweite[n] Idstedt-Schlacht«, die »auf der geistigen Ebene von den deutschen SchleswigHolsteinern gewonnen werden« müsse, damit die deutsche Region nicht an Dänemark verloren gehe: »Wir werden es niemals dem unentschlossenen General Willisen nachtun oder uns gar hinter die Eider zurückziehen.« Weiterhin sei auch die dänische Behauptung falsch, dass Schleswig gewaltsam deutsches Gebiet geworden sei – gerade Idstedt stehe für die Richtigstellung dieser Aussage.121 Noch einen Schritt weiter ging der ehemalige Landesminister und Vorsitzende des Heimatbundes Richard Schenck, der in seinem Aufruf zur Grenzkulturspende, die zur Stärkung des »Deutschtums« im norddeutschen Raum beitragen und den Verbleib Schleswigs bei Deutschland sicherstellen sollte, um Unterstützung warb. Richard Schenck sah in den Feierlichkeiten und der Idstedt120 Stellungnahme »1850 – Idstedt – 1950« des SHHB vom 21. Juli 1950. GA SlFl, Abt. ZD, Nr. 25.4. 121 Flensburger Tageblatt, 26. Juli 1950.

Nationale Konfrontation und europäische Annäherung

289

Gedächtnishalle eine im öffentlichen Raum materialisierte »Mahnung für das Geschlecht von heute, der Bedrohung aus dem Norden« entgegenzutreten. Der deutsche Charakter der schleswigschen Heimat sei durch einen »breiten Gürtel pseudo-dänischen Volkstums« bedroht, den »die Dänen in Ausnutzung der allgemeinen deutschen und der besonderen schleswig-holsteinischen Not mit allen […] Mitteln […] einen unzulässigen Angriff auf das bis dahin unangefochten deutsche Volkstum unserer Heimat vorgetrieben« hätten.122 Verbunden mit den scharfen Angriffen auf die dänische Kulturarbeit war der eindringliche Appell an die deutsche Regierung, das Bundesland Schleswig-Holstein von seinen derzeitigen Belastungen zu befreien und so im Kampf gegen die »dänische Bedrohung« zu stärken. Als große Bürde galt in jener Zeit die Zahl der aus den ehemaligen Ostgebieten vertriebenen Flüchtlinge, die in Schleswig-Holstein und hier primär im Grenzgebiet untergebracht worden waren. Nicht nur die dänische Seite befürchtete hierdurch negative Auswirkungen für die eigenen Ansprüche auf die Region, auch in Schleswig-Holstein befürwortete man eine erneute Umsiedlung der Vertriebenen, um der »Entfremdung« der regionalen Bevölkerung entgegenzuwirken. Immer wieder wurde beklagt, dass das Bundesland die größte Last aller deutschen Staatsgebiete zu tragen habe, mit der Flüchtlingszahl überfordert sei und die schleswig-holsteinische Kultur aus diesem Grund auch von deutscher Seite aus bedroht werde.123 Schenck zog im Rahmen seines Vortrages Parallelen zwischen der aktuellen Situation und der Schlacht von Idstedt 100 Jahre zuvor, um so eine scheinbare Kontinuität der Schuld der deutschen Politik, die den nördlichsten seiner Staaten immer wieder verraten habe, am derzeitigen Zustand zu betonen: Wie vor 100 Jahren Preußen die deutsche Sache in Schleswig-Holstein verlassen und dadurch die Niederlage von Idstedt verschuldet hat, so hat seit 1945 bis zu dieser Stunde engstirnige Selbstsucht der deutschen Länder in dem nördlichsten, kleinsten und schwächsten Lande einen unerträglichen Bevölkerungsüberdruck, einen Herd der Zersetzung sträflich geduldet. Das Versagen der gesamtdeutschen Solidarität gegenüber Schleswig-Holstein ist die eine Ursache der dänischen Erfolge.124

Als einen anderen Grund für die schwierige Situation machte er ein mangelndes Heimatbekenntnis der deutschen Parteien aus, die es der dänischen Seite überlassen würden, den kulturellen Bereich durch ihre Initiativen zu besetzen. Es gelte, so Schenck zum Abschluss resümierend, »eine gesamtdeutsche Lösung der Flüchtlingsfrage« und so die Basis für eine Abwehr der dänischen Angriffe zu finden. In breiten schleswig-holsteinischen Kreisen bestand Konsens über die von ihm in seiner Rede artikulierte Position, dass die Schuld an der Niederlage 122 Ebd. 123 Vgl. Kap. V.1. 124 Flensburger Tageblatt, 26. Juli 1950.

290

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

1850 bei Preußen und dem Unvermögen der Heeresleitung zu suchen sei, während die Soldaten nahezu heroenhaft in einer ausweglosen Situation gekämpft hätten.125 In der Nachkriegszeit verband sich mit den Darstellungen des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes zur Idstedt-Gedächtnishalle ein Narrativ, welches das Museum als das zentrale Zeichen eines vermeintlich deutschen Charakters des Grenzraumes betonte, immer wieder Parallelen zu dem Freiheitskampf der Schleswig-Holsteiner im 19. Jahrhundert zog und hieraus antidänische Parolen ableitete. Seit der Gedenkfeier des Jahres 1953 zeigte sich analog zu der von Knud Andresen datierten Neuausrichtung des SHHB126 eine erweiterte Deutung des Museums: Einerseits hielt etwa Festredner Martin Steinhäuser in seiner historischen Überblicksdarstellung an der in jener Zeit gewohnten Gleichsetzung der aktuellen Ereignisse mit dem Schleswig-Holsteinischen Krieg fest: »Wie das Ringen bei Idstedt ritterlich geführt wurde, müsse auch der 1945 vom Norden her entfesselte Kampf mit geistigen Waffen ritterlich geführt werden.« Ergänzend hierzu verlautbarte der Flensburger Ratsherr Jes Hansen, dass es in »der deutschen Abwehr nördlicher Bestrebungen […] keine Neutralität geben« könne.127 Dem Szenario einer Bedrohung der deutschen Kultur des Grenzlandes durch den dänischen Nachbarn wurde nun andererseits ein Europagedanke, der sich mit der Hoffnung auf ein friedliches Miteinander verband, in den Reden und Stellungnahmen auf den jährlichen Feiern beigefügt. Die Voraussetzung hierfür war die zunehmende Abkehr von den eigenen grenzrevisionistischen Forderungen. Dies bedeutete einen großen Unterschied zu der Situation nach der Volksabstimmung 1920 als beide Seiten eine offensiv ausgerichtete Kulturpolitik mit dem Ziel betrieben, ein eigenes kulturelles Übergewicht in Schleswig zu erreichen und so die Grundlage für eine territoriale Neugestaltung der Region nach den eigenen nationalen Vorstellungen zu legen. Der Schleswiger Bürgermeister Bruno Lorenzen drückte etwa 1953 die Hoffnung aus, dass im jährlichen Gedenken eine »lebendige Idstedt-Tradition erwachsen« möge, die Basis für ein verständnisvolles Miteinander über die Grenze hinweg sei: »Es müsse und werde eine Gemeinschaft kommen, in der Eigenart der Nationalitäten gewahrt bleibe. Idstedt sei ein erster Markstein in der Entwicklung zum großen europäischen Gemeinschaftsgedanken.«128 Martin Steinhäuser, der noch 1950 durch seine starke antidänische Haltung aufgefallen war, verknüpfte diese Position nun mit dem gleichzeitigen Ausdruck einer europäischen Schicksalsgemeinschaft, da die »letzte große Katastrophe […] gelehrt [habe], daß zukünftig nur ein friedliches 125 126 127 128

Siehe zum Beispiel: Kieler Nachrichten, 25. Juli 1950. Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 175. Schleswiger Nachrichten, 27. Juli 1953. Ebd.

Nationale Konfrontation und europäische Annäherung

291

Nebeneinander und Miteinander von Deutsch und Dänisch in eine gute Zukunft führen könne.«129 Der Einzug dieses Europagedankens in die alljährlichen Feierlichkeiten geschah bereits im Jahr 1953. Der Europabegriff erfuhr gleichzeitig jedoch auch eine gewisse Politisierung und Instrumentalisierung, da er in den Reden oftmals dann angeführt wurde, wenn es darum ging, sich als die moralisch überlegene Seite darzustellen, die den Frieden im Grenzraum wolle, aber von dänischer Seite zu Abwehrmaßnahmen gezwungen werde. Der Flensburger Stadtpräsident und Vorsitzende des SHHB, Hanno Schmidt, adressierte 1954 in diesem Sinne seine Rede an die dänische Minderheit, wenn er davon sprach, dass es an der Zeit sei einzusehen, dass in Zeiten der »Vereinigung der europäischen Geister […] ein über die kulturelle Unterstützung des südschleswigschen Dänentums hinausgehender Grenzkampf angesichts der Entwertung aller Grenzen unzeitgemäß ist […].«130 Eine weitere allmähliche Verschiebung der mit der Idstedt-Gedächtnishalle verbundenen Botschaften ergab sich bereits 1956, als zunehmend der beginnende Ost-West-Konflikt zum bestimmenden Thema der Feierlichkeiten wurde und eine gesamtdeutsche Perspektive in die Ansprachen Einzug hielt. Die Ereignisse von Idstedt wurden in diesem Sinne als Referenzen für die zeitgenössische Situation im geteilten Deutschland angeführt und gedeutet. Die Schleswiger Nachrichten etwa titelten Ende Juli 1956 in Anspielung auf das in der Region in Grenzfragen gängige Motto »Das ganze Deutschland soll es sein« und fügten hinzu, dass das »schleswig-holsteinische Losungswort ›Up ewig ungedeelt‹ über dem Ringen um Einheit und Zukunft unseres ganzen deutschen Volkes« stehen würde.131 Im Einklang hierzu führte Martin Steinhäuser in seiner Gedenkrede an, dass die »Schleswig-Holsteiner […] schon vor 100 Jahren das durchlebt [hätten], was heute das Schicksal der Deutschen im gespaltenen Vaterland sei.«132 Als Lehre der Geschichte gelte es nun, erneut den gleichen Durchhaltewillen zu beweisen und so letztlich zum angestrebten Ziel, einem wiedervereinigten Deutschland, zu kommen. Im Laufe der folgenden Jahre trat das Grenzkampfmotiv in den jährlichen Feierlichkeiten somit zunehmend hinter den Versöhnungsgedanken und einer gesamtdeutschen Perspektive zurück. Der Sinn der Idstedt-Halle und des Gedenkens sei es, so Kreisrechtsrat Hase im Juli 1961, die »Frage nach dem Sinn einer Gedenkfeier wie der von Idstedt darin zu suchen, dass sie einstige Gegner zur Besinnung aufrufe.« Die

129 130 131 132

Ebd. Schleswiger Nachrichten, 26. Juli 1954. Schleswiger Nachrichten, 30. Juli 1956. Ebd.

292

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

beiden Weltkriege und die vielen Toten seien aus diesem Grund Ursache für den grundlegenden Wandel: Hinsichtlich der Zahl, nicht des persönlichen Opfers, verblasst Idstedt angesichts jener Ereignisse. Tatsache ist aber, daß alle Deutschen heute wieder in einem Freiheitskampf stehen. Der nördliche Nachbar ist nicht mehr der Gegner ; er steht an der Seite derer, die ihre Freiheit und ihr Volkstum bedroht fühlen. Über die Besinnung hinaus gilt es darum, zueinander zu finden, und zueinander zu stehen mit dem Ziel, das freie Europa zu erhalten.133

Weiterhin wurden in den Ansprachen jedoch auch gegen die dänische Kulturpolitik und die dänische Minderheit gerichtete Aussagen artikuliert: Einzelne Aspekte wie das Singen des Schleswig-Holstein-Liedes und die wiederholte Erinnerung an den »gerechtfertigen Kampf« gegen die vermeintlich dänische Unterdrückung blieben ein integraler Bestandteil des Gedenkens in Idstedt. Allein die Tatsache, dass an den Gedenkfeiern trotz der Propagierung, dass der »Idstedttag […] der Versöhnung dienen«134 solle und »Deutschland und Dänemark heute in enger Gemeinschaft«135 stünden, keine dänischen Delegationen in jenen Jahren teilnahmen, verdeutlicht die nur einseitig vorhandene Akzeptanz des Ortes als Platz gemeinsamer und versöhnlicher Erinnerung an eine konfliktreiche Geschichte.136 Die 1963 geäußerte Hoffnung, dass die dänische Minderheitsbevölkerung in die Gedenkfeierlichkeiten mit einbezogen und so der politischen Annäherung Rechnung getragen werden könnte,137 erfüllte sich dahingegen nicht. Tatsächlich nahmen erstmals im Jahr 1991 Vertreter aus Dänemark am Idstedt-Gedenktag teil. Der Grund hierfür lag in der auf beiden Seiten der Grenze weiterhin existenten Auffassung, in der Erhebungszeit im Recht gewesen zu sein, so dass sich zwei unversöhnliche Narrative gegenüberstanden. Die vom SHHB immer wieder unter Hinweis auf die vermeintlich von der neueiderdänischen Bewegung ausgehenden Gefahren zur Heimat abgelegten Bekenntnisse stellten ein weiteres Hindernis dar.138

133 134 135 136

Schleswiger Nachrichten, 25. Juli 1961. Der Idstedttag soll der Versöhnung dienen. In: Flensburger Tageblatt, 25. Juli 1960. Flensburger Tageblatt, 25. Juli 1960. Der einsetzende Versöhnungsgedanke fand etwa seinen Ausdruck im Programmheft der Gedenkfeier zum 110. Jahrestag der Schlacht bei Idstedt vom 24. Juli 1960. Einleitend wurde darauf hingewiesen, dass beide Seiten »für ihre Überzeugung den letzten Einsatz gewagt« hätten und es nun die »Pflicht [sei], der Opfer der Vorfahren zu gedenken.« Dieses »Gedenken soll kein Wachrufen ›patriotischer‹ Gefühle und keine Verherrlichung zeitbedingter Ideen sein, sondern soll unseren Willen, Gegensätze und Grenzen zu überwinden, stärken.« GA SlFl, Abt. ZD, Nr. 25.4. 137 Schleswiger Nachrichten, 21. August 1963. 138 Vgl. Schartl, Idstedt, 2006. S. 16.

Zwischen Kontinuität und Neuanfang

293

V.4. Zwischen Kontinuität und Neuanfang: das baukulturelle Erbe und die schleswig-holsteinische Denkmalpflege V.4.a. Kriegszerstörungen und Neubeginn Im Vergleich mit anderen Regionen Deutschlands fielen die Kriegszerstörungen in Schleswig-Holstein relativ gering aus. Dies lag vor allem daran, dass die Region von den Kampfhandlungen weitestgehend verschont geblieben war. Lediglich die größeren Städte wie Lübeck und Kiel waren in dieser Zeit Ziele für alliierte Fliegerangriffe mit weit reichenden Zerstörungen geworden.139 Die Lübecker Altstadt etwa verlor hierdurch im März 1942 zwanzig Prozent ihrer Bausubstanz,140 in Kiel betrafen die Schäden vor allem die Innenstadt und die Arbeitersiedlungen, obwohl sich die Angriffe primär gegen die Werften im Hafengebiet richteten.141 Ein weiteres Problem der direkten Nachkriegszeit bestand in der Quantität der Flüchtlingsmassen, welche aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nun in Schleswig-Holstein zunächst temporär, letztlich aber dauerhaft untergebracht wurden. Auf diese Weise waren selbst nahezu unversehrt gebliebene Städte vor ernsthafte Probleme gestellt. Das Beispiel des nordfriesischen Kreises Husum, wo im Jahr 1946 im Schnitt 89 Flüchtlinge 100 Einheimischen gegenüberstanden,142 exemplifiziert die Herausforderungen, mit denen die schleswig-holsteinischen Städte und Kreise konfrontiert waren. Die Unterbringung der Vertriebenen erfolgte per Zwangszuweisung in Privatwohnungen, Gemeinschaftsquartieren, öffentlichen Gebäuden, extra für diesen Zweck errichteten provisorischen Baracken und historischen Gütern und Herrenhäusern auf dem Lande. Gerade die letztgenannten Möglichkeiten lösten beim 1947 neueingerichteten Landesamt für Denkmalpflege große Bedenken aus, befürchtete es doch den Verlust der historischen Bausubstanz.143 Peter 139 Vgl. Riis, Thomas. Zusammenfassung. In: Oddey, Markus/Ders. (Hrsg.). Zukunft aus Trümmern. Wiederaufbau und Städtebau in Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg. Kiel 2000. S. 313 – 323, hier S. 313. Vgl. hierzu auch die weiteren Artikel des von Markus Oddey und Thomas Riis herausgegebenen Sammelbandes. 140 Ebd. 141 Oddey, Markus. Die Kieler Hafenindustrie im Zweiten Weltkrieg. In: Ders./Riis, Thomas (Hrsg.). Zukunft aus Trümmern. Wiederaufbau und Städtebau in Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg. Kiel 2000. S. 7 – 83, hier S. 68. Für Einzelheiten die Zerstörungen der Stadt betreffend siehe auch: Miltkau, Arne. Wiederaufbau der Kieler Innenstadt. In: Oddey, Markus/Riis, Thomas (Hrsg.). Zukunft aus Trümmern. Wiederaufbau und Städtebau in Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg. Kiel 2000. S. 84 – 123, hier S. 101 f. 142 Jastrow, Alfred. Vertriebene und Flüchtlinge in Nordfriesland. Husum 1978. S. 26. 143 Hirschfeld, Peter. Bericht des Landesamtes für Denkmalpflege Schleswig-Holstein über die Jahre 1948 und 1949. In: Die Heimat. Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein und Hamburg; 57,3 (1950). S. 49 – 57, hier S. 51 f.: »Bei allem Überwiegen sozialer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte muss immer wieder darauf

294

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Hirschfeld, der seit dem 1. Oktober 1947 als Landesdenkmalpfleger tätige Nachfolger von Provinzialkonservator Ernst Sauermann, war so mit einer äußerst problematischen Lage der Denkmalpflege in Schleswig-Holstein in jenen Jahren konfrontiert. Galt es auf der einen Seite, einen weiteren Verlust an geschützten Gebäuden zu verhindern, standen diesem Ansinnen auf der anderen Seite die Unterbringungsfrage, aber auch die geringen Kapazitäten des Landesamtes gegenüber, die eine breitenwirksame Arbeit erschwerten. Symptomatisch ist Hirschfelds Versuch, seine Behörde »aus der kriegsbedingten Isolierung in Malente zu lösen und es wieder an den Sitz der Landesregierung und der Forschungsinstitute nach Kiel zurückzuverlegen […].«144 Ein weiteres großes Hindernis für eine effektive Arbeit stellten wie bereits in der Vorkriegszeit die nur geringen finanziellen Mittel dar, die dem Amt zur Verfügung standen. So klagte Peter Hirschfeld 1950: »Alle Sorgen der Denkmalpflege aber kreisen um den Zentralpunkt: Beschaffung der Geldmittel. Die früher zusätzlichen Geldquellen sind entweder völlig versiegt […] oder stark eingeschränkt.«145 Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Denkmalpflege dieselben wie in den 1920er und 1930er Jahren waren.146 Eine der wichtigsten Aufgaben der Nachkriegszeit bestand für das Landesamt in der Inventarisierung der im Land befindlichen Kunstdenkmäler, um zumindest den schützenswerten Bestand zu erfassen.147 Im Zusammenwirken mit dem Sozialministerium erfolgte eine Erneuerung zahlreicher Ortsstatute. Ein entscheidender Fortschritt in der Bewahrung der schützenswerten Bausubstanz in Schleswig-Holstein stellte die Verabschiedung des Gesetzes zum Schutze der Kunstdenkmale (Denkmalschutzgesetz)148 durch den Landtag am 7. Juli 1958 dar. Auf Betreiben der Schleswig-Holsteinischen Heimatpartei erfolgte die Einführung des Gesetzes unter Rückgriff auf die letzten preußischen Entwürfe der Vorkriegszeit. In der Bundesrepublik nahm Schleswig-Holstein mit diesem

144 145 146

147 148

hingewiesen werden, daß hier kulturelle Werte zerstört werden können, die im Gegensatz zu materiellen Verlusten unersetzbar sind und unserm Volk für ewig verloren bleiben.« Ebd. S. 50. Die endgültige Rückkehr des Landesamtes nach Kiel erfolgte jedoch erst im Jahr 1965 unter Hirschfelds Nachfolger Hartwig Beseler. Ebd. S. 53. Ernst Borgwardt vom Landesamt klagte auf einer Tagung in Husum Anfang Oktober 1948: »Was nun die gesetzlichen Handhaben betrifft, die dem Denkmalpfleger gegeben sind, so ist darauf hinzuweisen, daß es für uns ein eigentliches umfassendes Denkmalschutzgesetz leider noch nicht gibt. Zwar waren schon sehr früh einzelne Länder […] mit einem solchen Gesetz hervorgetreten, doch sind sowohl Preußen wie das Reich in Gesetzesentwürfen stecken geblieben.« Vortrag von Ernst Borwardt auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Museen in Schleswig-Holstein in Husum am 2. und 3. Oktober 1948. LA DpflSH, Akte Sauermann, B II, 6. Vgl. zur Arbeit des Landesamtes in der unmittelbaren Nachkriegszeit: Landesamt für Denkmalpflege, Denkmalpflege, 1993. S. 83 ff. Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmale (Denkmalschutzgesetz). In: GVOBL. Schl-H. vom 7. Juli 1958. S. 217 – 222.

Zwischen Kontinuität und Neuanfang

295

Schritt eine Vorreiterrolle ein, war es doch das erste Bundesland mit einem modernen Denkmalschutzgesetz.149 Neben einer gering verbesserten finanziellen, personellen und logistischen Situation des Landesamtes bedeutete die Einführung des Denkmalrates, ein das Kultusministerium als Oberste Denkmalschutzbehörde beratendes Gremium von Fachleuten, den »Schlußstein im staatlichen gesetzlichen Gewölbebau des Denkmalschutzes.«150 Das neue Gesetz beinhaltete neben einer organisatorischen Neuordnung der Denkmalpflege in eine dreistufige Behördenhierarchie bestehend aus Kultusministerium, dem Landesamt für Denkmalpflege und den Landräten beziehungsweise Oberbürgermeistern als untere Denkmalschutzbehörden151 als entscheidendes Novum die Erweiterung des Begriffes des Bau- und Kunstdenkmals zum Kulturdenkmal.152 In der Praxis bedeutete dies etwa die Inklusion industrieller Denkmale sowie die Herabsetzung des Alters der Denkmale auf »frühestens 30 Jahre nach ihrer Vollendung, [damit sie] durch dieses Gesetz erfaßt werden« können.153 Zusätzlich erfolgte durch § 5 DSchG eine Konkretisierung des Denkmalbegriffs durch eine Kategorisierung in Kulturdenkmale in zwei Gruppen: Erstens diejenigen Monumente, deren Schutz und Bewahrung öffentliches Interesse und zu fördern seien sowie zweitens in die Werke, die darüber hinaus durch die Eintragung in das Denkmalbuch auch rechtlich unter Schutz gestellt werden. Die Ausweitung des gesetzlichen Schutzes auf alle Denkmale ungeachtet der Eigentumsverhältnisse hatte zur Folge, dass nun auch im Privatbesitz befindliche Bauwerke von dem Gesetz betroffen waren. Wie bereits für die Vorkriegszeit gilt, dass die dänische Denkmalpflege der unmittelbaren Jahre nach 1945 bis in die Gegenwart hinein nahezu keine Beachtung in der wissenschaftlichen Literatur findet.154 Dies liegt vor allem daran, dass die dänischen Städte von Kriegszerstörungen nahezu komplett verschont geblieben waren, da es auf dänischem Territorium zu keinen Kampfhandlungen 149 Die anderen Länder zogen erst in den Jahren 1971 bis 1980 nach. Vgl. Landesamt für Denkmalpflege, Denkmalpflege, 1993. S. 104 f. 150 Zit. nach: Ebd. S. 106. 151 Vgl. Richtlinien und Durchführungsvorschriften zum Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmale (Denkmalschutzgesetz). Erlaß des Kultusministers vom 02. Dezember 1960. In: Nachrichtenblatt des Kultusministers des Landes Schleswig-Holstein vom 05. Januar 1961. S. 5 – 11, hier S. 5. 152 Zufolge der Richtlinien und Durchführungsvorschriften zum Gesetz können dies »Bauwerke, Bodendenkmale, Bodenaltertümer, Werke der Kunst, der Volkskunst, der Volkskunde, des Kunsthandwerkes, des Handwerkes, der Technik, Gegenstände des religiösen Kultus oder des weltlichen Brauchtums, dazu Archiv- und Bibliotheksgut von überragender kultureller Bedeutung« sein. Ausgeschlossen hiervon hingegen waren Straßen-, Platz und Ortsbilder. Vgl. Ebd. 153 Ebd. 154 Die einzige Ausnahmen bilden zwei kurze Überblicksartikel: Skovgaard, Conservation Plannin, 1978; Lunn, Preservation of Buildings, 1993.

296

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

gekommen war und die dänische Regierung durch ihrer Kollaborationspolitik mögliche deutsche Repressionsmittel wie eine Bombardierung Kopenhagens verhinderte. Vielfach nahm sich die deutsche Seite die Arbeit der dänischen Denkmalpflege, die in jenen Jahren weiterhin durch den ursprünglichen Preservation of Buildings Act von 1918 gesetzlich geregelt wurde, zum Vorbild. Aussagen, wie die des Kunsthistorikers Karl vom Rath, dass in »Skandinavien […] die staatliche Denkmalpflege vorbildlich aufgebaut und mit großen Mitteln ausgestattet«155 sei, zielten vor allem darauf ab, die deutschen Behörden für den Schutz der eigenen, alten Bausubstanz zu sensibilisieren.

V.4.b. Das Bauerbe im Nachkriegsdiskurs Angesichts der im Vergleich mit anderen deutschen Regionen relativ wenigen zerstörten Gebäude in Schleswig-Holstein fanden sich nach dem Krieg große Bestände an unbeeinträchtigt gebliebener, historischer Bausubstanz.156 Zwar wurde in jener Zeit vielfach beklagt, dass durch den Krieg zahlreiche Kunst- und Bauwerke beschädigt seien und »die Rettung der jetzt noch vorhandenen Substanz oberste Aufgabe jeder verantwortungsbewußten Regierung sein muß«,157 jedoch waren diese Hilferufe in erster Linie eine Aufforderung an die eigene Landesregierung, die finanziellen Mittel für den notorisch unterfinanzierten Bereich der Denkmalpflege aufzustocken, um so einen weiteren Verlust des Bauerbes durch seine Verfall zu verhindern. In den deutsch-dänischen Auseinandersetzungen im Grenzgebiet spielten die historischen Bauten, im Vergleich etwa mit den Denkmälern auf den Düppeler Schanzen, in den Folgejahren dagegen allenfalls eine untergeordnete Rolle. War es noch 1936 Claus Eskildsen, der mit seiner Dansk Grænselære158 den dänischen Charakter des Grenzlandes auch anhand der ländlichen Bauweise belegen wollte und so für eine heftige grenzpolitische Kontroverse gesorgt hatte, konzentrierten sich die Konflikte in den Nachkriegsjahren auf andere kulturelle Felder. In Schleswig-Holstein wurde das Bauerbe hingegen vereinzelt, wenn auch nur mit sehr geringer Anteilnahme einer breiteren Öffentlichkeit, als ein Argument für den vermeintlich deutschen Charakter der Region bemüht.159 Dies erfolgte 155 Rath, Karl vom. Die Aufgaben der Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. In: Die Heimat. Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein und Hamburg; 57,3 (1950). S. 57. 156 Landesamt für Denkmalpflege, Denkmalpflege, 1993. S. 82. 157 Rath, Aufgaben der Denkmalpflege, 1950. S. 57. 158 Eskildsen, Dansk Grænselære, 1936. 159 Im Gegenzug sah etwa der staatliche Konservator der dänischen Nationalmuseums in Kopenhagen, Andersen, einen deutlichen Zusammenhang zwischen den Kirchen der Re-

Zwischen Kontinuität und Neuanfang

297

angesichts der politischen Schwäche Deutschlands in einer primär defensiven Ausrichtung, die sich gegen mögliche dänische Ansprüche richten und somit einem befürchteten erneuten Gebietsverlust nach 1920 vorbeugen sollte. Es galt vor allem, die ländliche Bebauung südlich der aktuellen Grenzlinie als ein genuin deutsches Kulturerbe darzustellen. Ein offensiver Anspruch an die nordschleswigschen Gebiete verband sich hiermit im Gegensatz zur Vorkriegszeit nicht mehr. So bilanzierte der neue schleswig-holsteinische Landesdenkmalpfleger Peter Hirschfeld 1950, dass »gerade die Grenzlage Schleswig-Holsteins […] zu einer Pflege der Kunstdenkmäler als Ausdruck der Heimatkultur [verpflichtet]«,160 um sich so vom nördlichen Nachbarn abzugrenzen. In diesem Sinne wurde etwa im Juni 1952 das regionale ländliche Bauen auf einer vom Förderverein des Landesmuseums Schloß Gottorf organisierten Tagung unter dem Titel »Das Bauernhaus in Schleswig-Holstein« thematisiert. In seiner Einladung an den Schleswig-Holsteinischen Heimatbund umschrieb Ernst Schlee vom Landesmuseum, der zugleich auch der Geschäftsführer des Vereines war, die fünf Hauptziele der Tagung: So solle erstens der Fokus der volkskundlichen Wissenschaft auf die »zentrale Stellung [des Bauernhauses] im volkstümlichen Leben des Landes« gerichtet werden und somit »als Schlüssel […] einer allgemeineren volks- und landeskundlichen Arbeit dienen.« Es sei zweitens, »besonders in Hinblick auf die Lage im Grenzland dringend notwendig«, die Heimatforscher und Volkskundler des Landes miteinander zu vernetzen.161 Neben einem wissenschaftlichen Austausch in der aktuellen Heimatgeschichtsschreibung müsse auch die Historie der schleswig-holsteinischen Hausforschung, die eine der »eigenartigsten Hauslandschaften Westeuropas« sei und in der sich »mit einmaliger Klarheit das Verhältnis der Volkstümer zueinander wider[spiegelt]«, einbezogen werden. Schlees Verweis auf die Arbeiten des dänischen Hausforschers Reinhold Mejborg aus dem 19. Jahrhundert162 sowie der beiden schleswig-holsteinischen Historiker Otto Lehmann163 und Gustav

160 161

162 163

gion und der Eidergrenze: So berichtetet er auf einer Tagung November 1956 davon, dass die »Architektur und das verwendete Baumaterial bestätigen, daß man von den Kirchen aus eine Grenze an der Eider entlang ziehen könne, die natürlich genannt werden muss.« Korrespondenzblatt der Arbeitsgemeinschaft Deutsches Schleswig e.V. vom 6. Dezember 1956. LA DpflSH, Akte Sauermann, Abt. F I a 3, Bd. 2: Pressedienst, Zeitungsartikel und Notizen zur Denkmalpflege. Hirschfeld, Bericht, 1950. S. 53. Einladung des Vereins zur Förderung des Landesmuseums e.V. an den Schleswig-Holsteinischen Heimatbund vom 12. März 1952, S. 2. LASH, Abt. 422.17: Vereine und Verbände. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund e.V., Nr. 46: Hausforscher-Tagung, Schleswig Schloß Gottorf. Mejborg, Nordiske Boendergaarde, 1892. Lehmann, Otto. Das Holsteinhaus. Eine landeskundliche Studie. Mühlau 1922; Ders., Bauernhaus in Schleswig-Holstein, 1927; Ders. Die bisherigen Ergebnisse der Hausforschung für das Volkstum im deutschen Schleswig. In: Nordelbingen; 14 (1938). S. 70 – 107.

298

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Wolf,164 die jeweils eine klare Trennung deutscher und dänischer Baukunst, die auch geografisch sichtbar werden würde, proklamierten, und die gleichzeitige Betonung der Verpflichtung diese Linie weiterzuführen, gaben das für die Tagung angestrebte Ergebnis bereits im Vorfeld vor. Das Ziel sei, so Schlee, die »Zusammenarbeit im Dienst der gemeinsamen Aufgabe«.165 Der Verweis auf diese Werke ordnete die Inhalte der Tagung in eine seit dem Ende des 19. Jahrhunderts einsetzende kontinuierliche Darstellungstradition der ländliche Baukultur als eine, die sich streng nach dänischer und deutscher Ausformung trennen lasse, ein.166 Als eines der Hauptanliegen Schlees für die Tagung muss drittens die Absicht gesehen werden, den »dänischen Charakter des Grenzlandes« zu widerlegen und stattdessen anhand der »Kulturgeschichte des Bauernhauses […] die klare Überlegenheit deutscher Kultur« zu beweisen. So werde seit Eskildsen […] von dänischer Seite immer wieder mit besonderem Nachdruck auf die alten Hausformen hingewiesen mit der Absicht, sie als Kronzeugen für den dänischen Charakter des Grenzlandes erscheinen zu lassen. Von deutscher Seite ist dagegen bisher kein wirksames Wort erwidert worden, obgleich die Forschung heute in der Lage ist, die Unhaltbarkeit der dänischen Thesen zu erweisen.167

Die Inhalte der Tagung besaßen eine starke politische Aufladung, die neben der Botschaft nach außen, eine wissenschaftliche Gegendarstellung zu vermeintlich gegenwärtigen dänischen Positionen in der Hausforschung, viertens eine integrierende Funktion nach innen, die Schaffung einer einheitlichen Linie in der volkskundlichen Wissenschaft und die Beseitigung von »Irrtümern […], die bedauerlicherweise seit den Tagen der Romantik immer noch auch im deutschen Schrifttum fortwirken […]«,168 herbeiführen sollten. Weiterhin plante das Landesmuseum durch eine gemeinsame Positionierung der schleswig-holstei164 Wolf, Gustav. Die schöne deutsche Stadt. Norddeutschland. München 1913; Ders. Das norddeutsche Dorf. Bilder ländlicher Bau- und Siedlungsweise im Gebiet nördlich von Mosel u. Lahn, Thüringer Wald u. Sudeten. München 1923; Ders. Haus und Hof deutscher Bauern. Eine Darstellung in Einzelbänden. Bd. 1: Schleswig-Holstein. Berlin 1940. 165 Einladung des Vereins zur Förderung des Landesmuseums e.V. an den Schleswig-Holsteinischen Heimatbund vom 12. März 1952, S. 2. LASH, Abt. 422.17, Nr. 46. 166 Der Hinweis von Schlee auf Mejborg an dieser Stelle ist beachtenswert. Der dänische Lehrer und Historiker hatte mit seiner Darstellung der Geschichte der nordischen Bauernhäuser zwar eine klare Trennung zwischen deutschen und dänischen Bauten beabsichtigt, stellte die geografische Grenze, bis zu der sich dänische Häuser finden würden, jedoch wesentlich weiter südlich fest als die tatsächliche staatliche Grenzziehung 1952 war. Vgl. Kap. II.2.a. 167 Einladung des Vereins zur Förderung des Landesmuseums e.V. an den Schleswig-Holsteinischen Heimatbund vom 12. März 1952, S. 2 f.. LASH, Abt. 422.17, Nr. 46. Für Schlees Behauptung, dass bis 1952 von dänischer Seite immer wieder die Hausformen im kulturellen Grenzkampf als Argument benutzt werden würden, um einen dänischen Anspruch auf die Region zu unterstützen, lassen sich jedoch für die Zeit nach 1945 keine Anhaltspunkte finden. 168 Ebd. S. 3.

Zwischen Kontinuität und Neuanfang

299

nischen Volkskundler auf der Tagung, ein Aktivposten in der Grenzlandarbeit mit wachsender Bedeutung zu werden. Hierauf verwies ebenfalls der Wunsch Schlees, fünftens, die bisher größtenteils »im Stillen arbeitenden Heimatforscher« miteinander zu verbinden und ihre Kräfte zu bündeln.169 In einem vorläufigen Programmentwurf äußerte er die Hoffnung, über eine Vernetzung hinaus Personen zu finden, »die bereit und in der Lage sind, sich aktiv auf dem Gebiete der Hauskunde zu betätigen«,170 also politische Kulturarbeit im Grenzraum zu leisten. Die Organisatoren der Bauernhaus-Konferenz mussten jedoch recht schnell feststellen, dass die geplante Zusammenführung der an der Hausforschung interessierten Kräfte zum Teil problematisch war. In einem weiteren Schreiben an alle Eingeladenen – eine Namensliste des Landesmuseums führt 112 Personen auf, die auf Basis eines Rundbriefes als potentielle Teilnehmer erfasst wurden171 – musste Ernst Schlee mitteilen, dass »dieser Plan vorerst [leider] wieder hinausgeschoben werden [mußte], da sich mancherlei Hindernisse technischer Art einstellten.«172 Worum es sich hierbei im Einzelnen handelte, ist aufgrund der Quellenlage nicht eindeutig verifizierbar, jedoch lässt der überlieferte weitere Schriftverkehr zwei eng miteinander in Relation stehende Rückschlüsse zu: Erstens scheint es sich um ein finanzielles Problem gehandelt zu haben. So bat Schlee in seiner Einladung an den SHHB gleichzeitig um eine »Zuwendung in Höhe von DM 700,–«, um die Tagung »überhaupt erst zu ermöglichen«.173 Zweitens konnten sich bereits im Vorfeld die verschiedenen Vereine und Organisationen, die an der Planung der Konferenz beteiligt waren, in einzelnen Punkten nicht auf eine einheitliche Linie festlegen. Einig war man sich mit Schlee in der Sache, dass das »Hauptgewicht auf den wissenschaftlichen Nachweis der Unhaltbarkeit dänischer Thesen über die in Schleswig überlieferten Haustypen als Kronzeugen für den dänischen Charakter des Grenzlandes« zu legen sei.174 Dagegen stellten die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten im Bereich des gegenwärtigen heimatlichen Bauens einen Punkt dar, in dem keine Einigung erzielt werden konnte. Mit seinem finanziellen Engagement verband etwa der 169 Ebd. 170 Vorläufiger Plan einer Heimatforschung Tagung mit dem Thema »Das Bauernhaus in Schleswig-Holstein« im Landesmuseum Schleswig, Schloss Gottorf. LASH, Abt. 422.17, Nr. 46. 171 Ebd. 172 Rundbrief von Ernst Schlee vom Ende März/Anfang April 1952. LASH, Abt. 422.17, Nr. 46. 173 Einladung des Vereins zur Förderung des Landesmuseums e.V. an den Schleswig-Holsteinischen Heimatbund vom 12. März 1952, S. 1. LASH, Abt. 422.17, Nr. 46. Nach der Verschiebung der Tagung erhöhte sich der Betrag, den der SHHB zur Finanzierung beizutragen gewillt war, auf bis zu 1000,– DM. Vgl. Brief von Landrat Walter Alnor vom 18. April 1952. LASH, Abt. 422.17, Nr. 46. 174 Ebd.

300

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Heimatbund die Forderung, Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung der Tagung nehmen zu können. Da Schlee befürchtete, »daß man sich auseinanderreden wird,«175 vereinbaren die Beteiligten, strittige Themen der aktuellen Baugestaltung »mit Rücksicht auf die Wünsche des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes«176 komplett aus dem Programm zu nehmen. Der Ablauf des Heimatforscher-Treffens, welches letztlich auf den 4. und 5. Juni 1952 verschoben wurde, legte den Schwerpunkt auf die historischen Darstellungen der Häuserlandschaft in Schleswig-Holstein. So referierte etwa der Frühhistoriker Hermann Eitzen über die »Hausgeschichtlichen Entwicklungen in Nordwestdeutschland in historischer Zeit« und der Bad Oldesloer Architekt Siegfried Moll über die »Bauernhausformen in Ostholstein«. Zugleich verdeutlichte sich bereits im Vorfeld der Veranstaltung, dass es in der Nachkriegszeit keine einheitliche Linie in der Bewertung des baukulturellen Erbes der Region gab. Zwar versuchte das Landesmuseum durch seine Initiative zu einer gemeinsamen inhaltliche Neubewertung des Bauerbes zu gelangen, letztlich folgten aus der Tagung jedoch keine entscheidenden Impulse für die Diskussionen und Praktiken um die regionale Bauweise.

V.5. Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk V.5.a. Die Arbeit des Landesamtes für Vor- und Frühgeschichte Von wesentlich größerem Belang für die grenzkulturellen Auseinandersetzungen als die praktische Denkmalpflege waren in der Nachkriegszeit die Kontroversen um das mittelalterliche Erbe der Grenzregion. Bereits in den 1930er Jahren machte die nationalsozialistisch geprägte frühhistorische Wissenschaft die Siedlung Haithabu und das Danewerk zum Zentrum ihrer vom nordischen Gedanken geprägten Arbeit. Obwohl das materielle Kulturerbe in den nationalen Gegensätzen der unmittelbaren Nachkriegszeit eine signifikante Rolle spielte, spiegelt sich diese Bedeutung bis heute nahezu nicht in der Historiographie wider. So konzentrierte sich die Geschichtswissenschaft vor allem auf die Minderheitenproblematik und die nationalen Bildungspolitiken auf beiden Seiten der Grenze.177 Eine wissenschaftliche Betrachtung der Frage der Schutz175 Ebd. 176 Vorläufiger Plan einer Heimatforschung Tagung mit dem Thema »Das Bauernhaus in Schleswig-Holstein« im Landesmuseum Schleswig, Schloss Gottorf. LASH, Abt. 422.17, Nr. 46. 177 Siehe Kap. V.1.

Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk

301

maßnahmen für das mittelalterliche Kulturerbe der Region in den Jahren nach Kriegsende erfolgte bislang lediglich in einigen kürzeren Arbeiten, etwa über das Wirken von Søren Telling178 sowie in einem von Ernst Springer und Günter Schlechter 1981 erstellten landschaftspflegerischen Fachbericht über die Geschichte der denkmalpflegerischen Bestrebungen.179 Die knappe Darstellung von Springer und Schlechter bietet lediglich einen kurzen und oberflächlichen Überblick über die gesetzlichen Bestimmungen und deren Folgen in den Jahren nach 1945, problematisierte diese jedoch nicht vor dem Hintergrund der deutsch-dänischen Auseinandersetzungen. Die zeitgenössische Forschung zum mittelalterlichen Kulturerbe der Region in den Jahren bis 1960 war wie in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens in Deutschland durch eine große personelle Kontinuität über den Krieg hinweg gekennzeichnet, die sich vor allem eng mit dem Namen Herbert Jankuhns verknüpfte. Die wenigen wissenschaftlichen Publikationen jener Zeit stützten sich in der Regel primär auf die archäologischen Funde der Ausgrabungen in Haithabu aus den 1930er Jahren, so dass es eher zu Umdeutungen älterer Befunde als zu wirklich neuen Ergebnissen kam.180 So erschien Jankuhns einflussreiches Werk Haithabu. Eine germanische Stadt der Frühzeit181 von 1937 bereits 1956 in einer Neuauflage unter dem nun geänderten Titel Haithabu. Ein Handelsplatz der Wikingerzeit.182 Neben der neuen Namensgebung kam es auch zu einer inhaltlichen Neuausrichtung und Schwerpunktsetzung innerhalb der Kapitel. Lag die Intention der ersten beiden Auflagen in der Darstellung Haithabus als Ort zunächst mitteleuropäischer, später germanischer Einflussnahme auf den Norden, so betonte die dritte Ausgabe von 1956 vor allem die Funktion der Siedlung als einen wichtigen Handelsplatz in einem internationalen Netzwerk im Nord- und Ostseeraum.183 Der Deutungswandel versinnbildlichte allein eine lapidare Aussage Jankuhns in der Einleitung: »Inzwischen hat sich der 178 Mortensen, Tage (Hrsg). Søren Telling. Om og af den danske jarl p” Danevirke. Flensburg 1969; Kühl, Heinrich Himmler, 1999. S. 153 – 178; Kühl, Jørgen. Zwischen Nationalsozialismus und Nationalismus. Søren Telling und das Danewerk. In: Demokratische Geschichte. Jahrbuch für Schleswig-Holstein; 19 (2008). S. 23 – 40. 179 Springer/Schlechter, Kulturdenkmal Danewerk, 1981. 180 Für einen Überblick über die archäologische Forschungsgeschichte von Haithabu zwischen 1860 und 1988 siehe die Bibliographie in: Stark, Joachim. Haithabu – Schleswig – Danewerk. Aspekte einer Forschungsgeschichte mittelalterlicher Anlagen in Schleswig-Holstein. Oxford 1988. 181 Jankuhn, Haithabu, 1937. 182 Jankuhn, Herbert. Haithabu. Ein Handelsplatz der Wikingerzeit. 3. völlig neubearb. Aufl. Neumünster 1956. 183 Vgl. Vollertsen, Herbert Jankuhnn, 1989. S. 241; Steuer, Herbert Jankuhn, 2001. S. 458. Diese Auslegung wird auch in anderen Darstellungen der Geschichte Haithabus durch Jankuhn deutlich. Vgl. Jankuhn, Herbert. Die Ausgrabungen in Haithabu und ihre Bedeutung für die Handelsgeschichte des frühen Mittelalters. Köln/Opladen 1958. S. 5.

302

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Umfang der Kenntnisse wesentlich erweitert, so daß es nicht möglich war, eine einfache Neubearbeitung jener älteren Zusammenfassung vorzulegen, zumal auch alle Druckstöcke der älteren Auflagen im Krieg vernichtet worden waren.«184 Die Grundlage für die Neuausgabe bildeten jedoch weniger neue Erkenntnis, als vielmehr eine an die politische Situation angepasste Darstellung der Forschungsergebnisse. Der Fokus der bislang zur Frage der Schutzmaßnahmen des mittelalterlichen Kulturerbes in der Nachkriegszeit publizierten historiographischen Arbeiten lag größtenteils auf der Rolle des dänischen Archäologen Søren Telling. Daraus formte sich das Bild eines vermeintlichen Einzelkämpfers im Grenzgebiet.185 Die Hervorhebung Tellings als Synonym für die Bewahrungsbestrebungen in der Nachkriegszeit, vor allem durch die dänische Geschichtswissenschaft, führte einerseits zu der mythischen Verklärung seiner Person,186 andererseits jedoch auch zu einer verengten Sicht auf die Vorgänge: Denn neben ihm waren zumindest das Landesamt für Vor- und Frühgeschichte Schleswig-Holsteins, zuvorderst deren Vertreter Hans Hingst und Kurt Kersten, sowie Johannes Brøndstedt vom Nationalmuseum in Kopenhagen ebenfalls stark in die Schutzmaßnahmen involviert. Die bisherige Konzentration der dänischen Historiographie auf Telling erscheint als ein Nachwirken der nationalen Mythologisierung des Danewerks und der nationalen Auseinandersetzungen der Nachkriegszeit und bedarf aus diesem Grund einer grundlegenden Revision und Neubewertung. So wirkte sich der kulturelle Grenzkampf auf die zeitgenössischen Diskurse hinsichtlich der Formulierung von nationalen Besitzansprüchen auf das Kulturerbe bis in die 1990er Jahre aus. Dieser Aspekt, der vor allem anhand der großen Anzahl an dänischen Zeitungsberichten und -kommentaren, die Haithabu und Danewerk und deren vermeintliche Bedrohung durch die deutschen Behörden zum Inhalt hatten, zum Ausdruck kommt, wurde von der Historiographie bislang nicht zu der Analyse der deutsch-dänischen Beziehungen jener Zeit herangezogen, stellt jedoch eine aufschlussreiche Facette der Ereignisse dar. Diese wissenschaftliche Nichtthematisierung ist umso erstaunlicher vor dem Hintergrund, dass beide Anlagen vor allem für Dänemark eine 184 Jankuhn, Haithabu, 1956. S. 7. 185 So fasste etwa der dänische Historiker Jørgen Kühl Tellings Wirken wie folgt zusammen: »Søren Telling spielte somit eine wichtige Rolle bei der Rettung des Danewerks – sowohl während als auch unmittelbar nach dem Ende des Krieges. Sein resoluter persönlicher Einsatz verhinderte wahrscheinlich, dass die ursprünglichen Pläne verwirklicht wurden.« Kühl, Zwischen Nationalsozialismus und Nationalismus, 2008. S. 31. 186 »In Dänemark herrschte nach 1945 bis in die 1990er Jahre die Auffassung vor, dass Telling der eigentliche Retter das Danewerks sei. Er wurde als ›Jarlen p” Danevirke‹ (der Staathalter des Danewerks) und als ›Wächter des Walles‹ bezeichnet. Er wurde um seine Verdienste bewundert und immer wieder gehuldigt und erhielt in national gesinnten Kreisen in Dänemark beinahe einen Heldenstatus.« Ebd.

Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk

303

herausgehobene nationale Bedeutung besaßen187 und diese Auffassung in den zeitgenössischen Stellungnahmen gegenüber Schleswig-Holstein auch stark vertreten wurde. Die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges führten zu großen Zerstörungen an den Wallanlagen des Danewerks. Während die Bausubstanz der schleswig-holsteinischen Städte bis auf wenige Ausnahmen relativ unbeschadet den Krieg überstand, stellte sich die Situation an den alten Verteidigungsbauten dagegen völlig konträr dar. Trotz weitreichender Bemühungen seitens zahlreicher Privatpersonen, staatlicher Amtsträger und Organe gegen eine militärische Nutzung des Gebietes in Form der Anlage von Flugplätzen hatten die intensive landwirtschaftliche Nutzung der Vorkriegszeit und die Errichtung von Panzergräben durch die Wehrmacht das Areal umfangreich verwüstet. Eine im Jahr 1981 vom Kreis Schleswig-Flensburg in Auftrag gegebene archäologisch-landschaftspflegerische Fachplanung kam zu dem Ergebnis, dass 1948 nur noch 22 % aller Wälle in ihrer annähernd ursprünglichen Höhe erhalten waren.188 Das Landesamt für Vor- und Frühgeschichte befürchtete in jenen Jahren den vollständigen Verlust des Danewerkes und wandte sich mit der Denkschrift über die Notwendigkeit und Möglichkeit der Erhaltung der Denkmäler auf der Schleswiger Landenge189 im Januar 1949 an die schleswig-holsteinische Landesregierung mit dem Ziel, notwendige gesetzliche Vorgaben zum Schutz von archäologischen Zeugnissen zu erreichen. So beklagte der Autor Hans Hingst, dass der Wall als »bestimmender Teil der Landschaft« in einem katastrophalen Zustand sei: Alle Bemühungen um Sicherung des Denkmals müssen heute als gescheitert angesehen werden. Eine Begehung der gesamten Strecke des Danewerks in diesem Sommer hat ergeben, daß kaum eine Parzelle vorhanden ist, an der nicht Schäden nachzuweisen sind, die in einigen Jahren das Danewerk in seiner Gesamtheit in einen Zustand völliger Verwahrlosung und Zerstörung versetzt haben werden.190

Als Grund bezeichnete er die zu dem Zeitpunkt nicht vorhandene »Klarheit über die Rechtsgrundlagen für den Schutz des Denkmals« und damit verbunden, dass »sämtliche Bemühungen des Kreises […] durch Verordnungen und Anweisungen von den Bauern einfach ins Lächerliche gezogen werden.«191 Die 187 Vgl. Andersen, Henning Hellmuth/Madsen, Hans Jørgen/Voss, Olfert. Danevirke (Jysk Arkæologisk Selskabs Skrifter; 13). Kopenhagen 1976. 188 Springer/Schlechter, Kulturdenkmal Danewerk, 1981. S. 39. 189 Hingst, Hans. Denkschrift über die Notwendigkeit und Möglichkeit der Erhaltung der Denkmäler auf der Schleswig Landenge, 1949. RA, Abt. 10056: Grænseforeningen, Journalsager udvalg 1944 – 1990, Nr. 68: Dannevirke 1955-Dannevirke 1967. 190 Ebd. S. 6. 191 Neben der Landwirtschaft sah Hingst ebenfalls eine Schuld bei der Gemeinde – »Verschandeln der Wallhänge durch Kinderspielplätze; Anlegen eines Altersheimes auf eingeebnetem Danewerkswall; wiederholter Versuch, Danewerksparzellen zu Gartenland anle-

304

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung berichtete Ende Januar 1950, dass mit »einer seltenen Hartnäckigkeit […] selbst in der näheren Umgebung des Danewerks an der Behauptung festgehalten [wird], die Mauern und Wälle stammten aus der Kriegszeit von 1864 […].« Deswegen sei wohl, so spekulierte die Zeitung, bei vielen Bewohnern der Region die Überzeugung vorherrschend, dass der Wall »wie alle andern Befestigungen auch, einzuebnen und auszulöschen« sei.192 Doch nicht nur Privatpersonen hätten das Monument »als allerbilligste Bezugsquelle für Ziegelsteine« verwendet oder aus den Mauern »Gartenerde gemacht«, sondern auch die Stadt Schleswig habe sich in der Vergangenheit dadurch hervorgetan, »sich der Bedeutung der althistorischen Wälle nicht immer bewußt gewesen« zu sein: »Sonst wäre es wohl nicht möglich gewesen, daß erst vor wenigen Jahren 400 Meter des Nordwalles als Schrebergärten ausgelegt werden konnten.«193 Das Flensburger Tageblatt fasste diesen Zustand anderthalb Jahre später besorgt zusammen: »An den Anlagen des Dannewerks haben elf Jahrhunderte gebaut. […] Soweit in den letzten 150 Jahren von Bauten am Dannewerk gesprochen werden kann, war es vorwiegend ein Abbau.«194 Hans Hingst vom Landesamt für Vor- und Frühgeschichte beklagte im Hinblick auf die Wallanlagen jedoch nicht nur den substanziellen Verlust des Monumentes, sondern befürchtete eine hiermit verbundene negative Berichterstattung aus Dänemark. Er wies darauf hin, dass ein »erheblicher Teil der Danewerksfreunde […] im Augenblick aus dem Norden«195 komme und im »letzten Sommer bereits [dänische Besucher] unmittelbare Zeugen von Vorkommnissen geworden [seien], durch die das Ansehen der Kreisverwaltung und somit auch der Landesregierung in erschreckendem Maße herabgesetzt werden kann.«196 Die hohen dänischen Besucherzahlen ließen sich laut Hingst vor allem durch eine beim nördlichen Nachbarn stattfindende »lange Erziehungsarbeit« sowie eine »bedingte Verbundenheit« erklären, welche ein »ungestörtes Traditionsgefühl« entstehen

192

193 194 195 196

gen zu lassen.« – und dem Militär vor und während des Zweiten Weltkrieges. Doch vor allem die Landwirtschaft betrachte »das Denkmalgelände, gleichgültig ob es Kreiseigentum, Gemeinde- oder Bauernbesitz ist, nach wie vor als Ödlandsstreifen oder Ackerlandsstreifen, über dessen Verwendung sie nach eigenem Ermessen verfügen möchte.« Ebd. S. 7. Der Zeitungsartikel führte zahlreiche Beispiele auf, an denen dieser fatale Umgang mit dem Danewerk deutlich werde. So lägen dem Amt für Vor- und Frühgeschichte Dokumente vor, »nach denen die Waldermarsmauer [Anm. d. Verf.: ein Teilstück der Wallanlagen aus dem 11. Jahrhundert] bei Rotenkrug im Jahre 1911 noch 4 m hoch war und hart an den alten Ochsenweg heranreichte. Heute findet man 100 m von dieser alten Heerstraße entfernt nicht einen Ziegelstein mehr.« In: Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung, 26. Januar 1950. Ebd. Flensburger Tageblatt, 22. Juni 1951. Hingst, Denkschrift, 1949. S. 2. Ebd. S. 7.

Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk

305

ließe.197 Seine Aussage belegt die Bedeutung der kulturellen Erziehung und der (Volks-)Bildung, wie bereits in den 1920er Jahren, bei der Herausbildung eines regional-schleswig-holsteinischen Bewusstseins in kultureller Abgrenzung zum dänischen Nachbarn. Die von Hingst formulierte Furcht vor einem Ansehensverlust stützte sich auf die seinerzeitige Berichterstattung in den dänischen Medien: So beklagte die traditionsreiche Zeitung Dannevirke in ihrer Ausgabe vom 20. September 1948, dass der Wall »zum wiederholten Male Beschädigungen von Seiten der Bewohner ausgesetzt« gewesen sei.198 Aus diesem Grund betrachtete sie einen Gerichtsprozess gegen vier Landwirte, die »das alte Bollwerk des Nordens gegen den Süden«199 durch das illegale Anlegen eines Weges und damit verbunden der Durchbrechung des Walles schwer beschädigt hatten, kritisch. Das Amtsgericht Schleswig sah es als erwiesen an, dass zwei der Angeklagten, »dem bedeutendsten kulturhistorischen Denkmal Norddeutschlands, Beschädigungen durch Abgraben und Abfahren von Erde« zugefügt und sich deswegen der Sachbeschädigung schuldig gemacht hatten.200 Der Freispruch der beiden anderen Anwohner stieß dagegen beim Berichterstatter des Dannevirke auf Unverständnis, da die Beweislast seiner Ansicht nach eindeutig gewesen sei. Folglich fiel das Resümee aus: Die Verurteilten »sind jedoch nicht die einzigen, die dabei sind, das Denkmal zu zerstören. […] wiederholt haben in der letzten Zeit Übergriffe« stattgefunden.201 Einen weiteren wichtigen Aspekt im Umgang mit den mittelalterlichen Verteidigungsbauten sah das Landesamt für Vor- und Frühgeschichte im Potenzial, welches Denkmäler im Allgemeinen und das Danewerk im Speziellen in der politischen und kulturellen Grenzarbeit des Landes Schleswig-Holstein einnehmen könnten und müssten. So betonte die Denkschrift, dass das Danewerk und Haithabu […] der Mittelpunkt eines trotz verschiedenartiger Motivierung gleichgearteten, starken Interesses eines großen Teiles der Bevölkerung aus 197 Ebd. S. 2. 198 »[…] gentagne Gange været odsat for Overlast fra Beboernes Side.« In: Dannevirke, 20. September 1948. 199 »Nordens gamle Bolværk imod Syd«. In: Ebd. 200 In dem Gerichtsurteil wurden die beiden Landwirte aufgrund der vorsätzlichen und rechtswidrigen Beschädigung eines »öffentliche[n] kulturhistorische[n] Denkmal[s] nach § 304 StGB wegen »Gemeinschädlicher Sachbeschädigung« zur Zahlung von je 100 Deutschen Mark verurteilt. Siehe: Ausfertigung Gerichtsurteil wegen Beschädigung eines öffentlichen Denkmals vom 5. Juli 1948. RA, Abt. 0034: Miljøministeriet, 4. Kontor, Nr. 1: Det midlertidige Udvalg af 05. 11. 1979 om Samarbejde mellem Fredningsmyndigheder og Museerne om Arbejdsopgaverne i medfør af Lovgivningen om Bygningsfredning, Fortidsminder med videre. 201 »Disse er dog ikke de eneste, der er med til at ødelægge Mindesmærket. […] har der Gang paa Gang i den sidste Tid fundet Overgreb Sted […].« In: Dannevirke, 20. September 1948.

306

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Schleswig-Holstein und den nordischen Ländern geworden [sind]. Bei geschickter Behandlung des Gesamtproblems könnten diese Denkmäler vorwiegend durch die Arbeit der Wissenschaftler zu einem Symbol der Einigung verschiedenartiger Interessen auf ein gemeinsames ideelles Ziel hin werden: Gemeinsame Freude am schönsten kulturhistorischen Landschaftsdenkmal des gesamten Nordens und gemeinsame Lösung der wissenschaftlichen Fragen, die sich aus der Erschließung des in den Wällen und im Gelände von Danewerk und Haithabu urgeschichtlichen Quellenmaterial ergeben.202

Die mittelalterlichen Bauwerke besaßen demnach für Schleswig-Holstein nicht nur einen historisch-archäologischen Wert, sondern auch einen repräsentativen. Die bereits während der Zeit des Nationalsozialismus vor allem von deutscher Seite betonte Bedeutung der Anlagen als ein vermeintliches Zeugnis germanischer Schaffenskraft und eines geteilten nordischen Erbes setzte sich in abgewandelter und entschärfter Form nach dem Ende des Krieges fort. An zahlreichen Stellen verweist die Denkschrift auf die nordeuropäische Geschichte, deren herausragende Zeugnisse das Danewerk und Haithabu seien.203 Gerade der Zustand des mittelalterlichen Erbes nahm in der Darstellung des Landesamtes eine zentrale Funktion in der Präsentation des Landes nach außen ein. Als eine Folge der kritischen Situation des mittelalterlichen Erbes forderte die Behörde die Landesregierung auf, einen Maßnahmenkatalog zum Schutz der Anlagen zu prüfen und zu genehmigen, stellte jedoch zugleich kritisch fest, dass nur das Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 »im Augenblick die einzigen ohne Vorbehalt verwendbaren Handhaben für einen Denkmalschutz am Danewerk« biete.204 Gleichwohl ließ sich das Gesetz nur auf Parzellen anwenden, die im Eigentum des Kreises und der Stadt Schleswig waren. Privatbesitz wurde davon nicht berührt, so dass sich große Teile des Walles außerhalb der möglichen gesetzlichen Schutzrichtlinien befanden und dies obwohl bereits seit dem Beginn des Jahrhunderts über den Aufkauf und die Enteignungsverfahren zahlreiche Abschnitte erworben werden konnten. Die am 5. Juli 1950 durch die Verordnung über das Naturschutzgebiet Haithabu-Dannewerk im Landkreise Schleswig205 erfolgte Eintragung in das Landesnaturschutzbuch führte somit lediglich zu Pflegehinweisen, jedoch nicht zu weitreichenden Schutzmaßnah202 Hingst, Denkschrift, 1949. S. 2. 203 So schrieb Hingst etwa, »daß im Gelände des Danewerks und Haithabus ein urgeschichtliches Quellenmaterial verborgen liegt, das für die Erforschung der nordeuropäischen Geschichte von einzigartigem und unersetzlichem Wert ist. Die Baugeschichte, die Geschichte des Handwerks, die Kultur-, Wirtschafts- und politische Geschichte des gesamten Nordens wird durch die Kenntnis der Quellen aus dem Danewerk und Haithabu einzigartige Aufschlüsse für die gesamte wissenschaftliche Arbeit gewinnen.« Ebd. S. 1. 204 Ebd. S. 8. 205 Verordnung über das Naturschutzgebiet Haithabu-Dannewerk im Landkreise Schleswig vom 5. Juli 1950. In: GVOBl Schleswig-Holstein, S. 214.

Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk

307

men, die weitere Zerstörungen durch landwirtschaftliche Bewirtschaftung verhindert konnten. Eine Ausweitung des Landschaftsschutzgebietes an einigen Stellen des Walles in einer zusätzlichen Verordnung vom Dezember 1951206 um einen insgesamt 150 Meter breiten Streifen nördlich und südlich der Anlagen ließ Hans Hingst dagegen rund anderthalb Jahre später resümieren, dass »der Danewerkschutz neu aufgebaut werden« konnte.207 Der von der Landesregierung für den Landesteil Schleswig beauftragte Ministerialdirektor Jens Nydahl hatte zuvor bei einem Treffen aller beteiligten Ministerien und Einrichtungen Schleswig-Holsteins sogar von einem »endgültigen Schutz des Dannewerkes« gesprochen, der »alle Seiten zufrieden stellen« dürfte.208 Der zusätzlich vom Landrat des Kreises Schleswig 1953 neu eingerichtete Danewerkausschuß sollte die in den 1920er Jahren eingeleitete Arbeit wieder aufnehmen und die gegenwärtigen Schutzbemühungen fortführen.209 Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutze der Kulturdenkmale210 am 7. Juli 1958 stand nun theoretisch ein weiteres Instrument zur Verfügung. Die ersten partiellen Eintragungen der Wallanlage in das Denkmalbuch gemäß § 5 und 6 des Denkmalschutzgesetzes erfolgten jedoch erst nach und nach ab 1965.211 Die Frage nach den Gründen einer solch zeitlich verzögerten Unterschutzstellung kann nur spekulativ beantwortet werden. Sicherlich spielten die Überzeugung des Landesamtes für Vor- und Frühgeschichte sowie der Landesregierung von Schleswig-Holstein, dass die Verordnung über das Naturschutzgebiet Haithabu-Dannewerk und die Arbeit des Danewerkausschußes eine ausreichende Grundlage zum Schutz des kulturellen Erbes bildeten eine gewichtige Rolle.

V.5.b. »Der Statthalter vom Danewerk«: die dänische Rezeption Bereits vor der Denkschrift des Landesamtes für Vor- und Frühgeschichte setzten in der unmittelbaren Nachkriegszeit einzelne private Initiativen zum Schutz der Wallanlagen ein beziehungsweise führten ihre Arbeit aus den Kriegsjahren fort. Die Historiographie schreibt in diesem Zusammenhang der Person Søren Tellings eine herausgehobene Bedeutung zu.212 Eine umfangreiche 206 Amtsblatt für Schleswig-Holstein vom 21. Dezember 1951. 207 Hingst, Hans. Geschützte vor- und frühgeschichtliche Denkmäler auf der Schleswiger Landenge. In: Die Heimat. Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein und Hamburg; 62,7 (1955). S. 180 – 184, hier S. 184. 208 Flensburger Tageblatt, 22. Juni 1951. 209 Vgl. Kap. III.6. 210 Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmale (Denkmalschutzgesetz – DSchG) vom 7. Juli 1958. In: GVOBl Schleswig-Holstein, S. 217. 211 Springer/Schlechter, Kulturdenkmal Danewerk, 1981. S. 41. 212 Mortensen, Søren Telling, 1969; Kühl, Heinrich Himmler, 1999; Kühl, Jørgen. Zwischen

308

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Briefkorrespondenz zwischen ihm, dem Direktor des Museums vorgeschichtlicher Altertümer, Karl Kersten,213 sowie Johannes Brøndstedt vom Nationalmuseum in Kopenhagen zeugt dagegen von einem großen Engagement weiterer Personen zur Bewahrung des mittelalterlichen Kulturerbes im Schleswiger Raum. Der Kontakt zwischen Kersten und Telling entstand bereits durch die gemeinsame berufliche Tätigkeit in Kiel und Schleswig seit 1940 sowie zwischen 1941 und 1943 unter der Leitung von Herbert Jankuhn im SS-Kommando Jankuhn.214 Die personelle Kontinuität in den zuständigen Behörden ermöglichte es in den Nachkriegsjahren, auf bereits bestehende, grenzüberschreitende Kommunikationsstrukturen zwischen dänischen und deutschen Museen und staatlichen Einrichtungen zurückzugreifen. Trotz des gemeinsamen Ziels – der Bewahrung des Kulturerbes – muss von divergierenden, national geprägten Intentionen der beteiligten Personen ausgegangen werden. Telling hatte bereits in den letzten Kriegsjahren seine Tätigkeit beim Landesamt in den Dienst der Erhaltung der mittelalterlichen Wallanlagen gestellt. Nach dem Kriegsende setzte er seine dortige Arbeit nach einer kurzen Unterbrechung von rund vier Monaten ab September 1945 fort. Diese erfolgte zunächst auf freiwilliger und unbezahlter Basis, so dass er Jørgen Kühl zufolge auf die Spendenbereitschaft privater Personen aus Dänemark und die Bereitstellung einer hölzernen Wohnbaracke an der Wallanlage durch das Landesamt angewiesen war.215 Neben der finanziellen und persönlichen Situation erwies sich die Nationalsozialismus und Nationalismus, 2008. Der dänische Archäologe Telling war bereits zu Kriegszeiten durch seine Verbindungen zur Dänischen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei in den Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums gestellt worden, wo er unter anderem unter Herbert Jankuhn tätig war und sich für den Erhalt des Danewerks eingesetzt hatte. 213 Karl Kersten (geb. am 08. 01. 1909, † am 24. Juli 1992). Seit 1937 an der Provinzialstelle für vor- und frühgeschichtliche Landesaufnahme und Bodendenkmalpflege der Provinz Schleswig-Holstein und im Museum vorgeschichtlicher Altertümer tätig. Übernahm 1944 dessen Direktion als Nachfolger von Herbert Jankuhn. Promotion in der Nachkriegszeit mit der Arbeit »Die Funde der älteren Bronzezeit in Pommern« (1958). 214 Vgl. Pringle, Heather Anne. The master plan. Himmler’s scholars and the Holocaust. New York 2006. Die gegen Telling in der Nachkriegszeit vorgebrachten Vorwürfe der Kollaboration mit den Nationalsozialisten konnten durch eine Reihe von »Ehrenerklärungen« einflussreicher dänischer und deutscher Personen, allen voran Karl Kersten, entkräftigt werden. Dieser gab beispielsweise an, Telling habe sich ihm gegenüber mit folgenden Worten geäußert: »Die deutsche Wehrmacht habe sich der schwersten Kulturbarbarei schuldig gemacht, obwohl sie ebenso wie die NSDAP sich als deren Schützer ausgäbe; er Telling fühle sich als Däne aber im besonderen Maße als Schützer insbesondere des Dannewerks.« Deswegen müsse, so Kersten, wenn Telling eine der NSDAP freundliche Gesinnung unterstellt werde, auch ein Blick auf seine Verdienste geworfen werden. So stehe dem Vorwurf »als sachliche Leistung während des Krieges die Rettung kultureller und historischer Werke gegenüber, die für die Geschichte Dänemarks und Schleswig-Holsteins von der größten Bedeutung sind. Die Rettung des Danewerks […] wird mit dem Namen Tellings untrennbar verbunden bleiben!« Zit. nach: Kühl, Heinrich Himmler, 1999. S. 162. 215 Ebd. S. 164.

Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk

309

Arbeit selbst als äußerst mühselig. Die durch die Anlage der Panzergräben entstandenen Schäden stellten eine ernsthafte Bedrohung für die Struktur der Wälle dar. Die bereits geschilderte Nichtbeachtung der durch die Behörden erlassenen Schutzmaßnahmen seitens zahlreicher Anwohner, aber auch teilweise der Gemeinden selbst, trugen zur weiteren Gefährdung bei. Gerade in den Jahren 1945 und 1946 reichten die schriftlichen Hinweise auf die Zerstörungen an einzelne Bürgermeister in manchen Fällen nicht aus, so dass vor allem Kersten und Telling wesentlich konkretere Schritte einleiten mussten. Erst ein an die kommunalen Entscheidungsträger gerichtetes Ultimatum vom 16. November 1945, zwingend notwendige Reparationsarbeiten zur Beseitigung der Schäden durch die Panzergräben einzuleiten, hatte hektische Planungsarbeiten und den Beginn der Instandsetzung bereits wenige Tage später zur Folge.216 Kühl betonte in diesem Zusammenhang vor allem die Rolle Tellings in diesem Vorgang. Jedoch erscheint es fraglich, ob seine Person als nahezu alleiniger Initiator genannt werden sollte. Zwar war er vom Landesamt für Vor- und Frühgeschichte bereits seit den letzten Kriegstagen mit einer Art Sonderausweis dazu legitimiert, das »unersetzliche norddeutsche Kulturerbe vor Zerstörung«217 zu retten, doch wäre seine inoffizielle Funktion als Landesbeauftragter für den Schutz des Danewerks ohne die Unterstützung des Landesamtes und des Museums vaterländischer Altertümer in Kiel ohne Durchschlagskraft gewesen. Seine Tätigkeit und seine unbestrittenen Verdienste zum Schutz der Anlagen honorierte ihm die dänische Bevölkerung zu jener Zeit mit dem nahezu mythisch angehauchten, volkstümlichen Titel »Statthalter vom Danewerk«.218 Die zwischen Kersten, Brøndstedt und Telling stattfindende Kommunikation lässt jedoch die Vermutung plausibel erscheinen, dass es sich bei den Schutzbemühungen am Wall in den Folgejahren vor allem um die Leistungen eines grenzüberschreitenden, informellen Netzwerkes handelte, welches die Kräfte für ein gemeinsames Ziel bündelte und nicht, wie oftmals dargestellt, um das Werk einer einzelnen Person. Telling wurde dabei vor allem auf der dänischen Seite aufgrund seines großen Engagements und seinen zahlreichen Initiativen zum Schutz des Walles als die herausragende Persönlichkeit wahrgenommen und die Aufmerksamkeit auf ihn fokussiert. Hierzu trugen mehrere Faktoren bei: Neben seiner Präsenz vor Ort prägten sein gemeinsamer Auftritt mit Karl Kersten bei den Gerichtsprozessen gegen die Landwirte im Juli 1948 als wissenschaftlicher Gutachter,219 seine rege Publikationstätigkeit220 sowie seine Schutzbemühungen während der letzten beiden Kriegsjahre das Bild eines Beschützers des Danewerks in Dänemark. 216 217 218 219 220

Vgl. Ebd. S. 170. »[…] uerstattelig nordtysk kulturarv fra ødelæggelse […]«. Siehe: Ebd. S. 171. »Jarlen p” Danevirke«. Vgl. Ebd. S. 173 und Mortensen, Søren Telling, 1969. S. 201 ff. Vgl. Dannevirke, 20. September 1948. Siehe beispielsweise: Sorø Amtstidende, 16. März 1955.

310

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Darüber hinaus spielten auch handfeste nationale Gründe eine gewichtige Rolle in der Hervorhebung und Mythologisierung Tellings. Seine Popularität entstand aus dem deutsch-dänischen Gegensatz der Jahre nach 1945, der dafür sorgte, dass seine ehemalige Mitgliedschaft in der NSDAP in Dänemark nahezu verdrängt wurde.221 Mit seiner Arbeit verknüpfte sich in national gesinnten dänischen Kreisen der Anspruch auf die Region Schleswig. In den Anstrengungen zum Schutz des Danewerks machten sich aus diesem Grund unterschiedliche Intentionen der beteiligten Personen bemerkbar : Während Kersten es noch Anfang Mai 1945 explizit als »norddeutsches Kulturerbe« bezeichnete, betonte er wenige Jahre später nun den europäischen Bezugsrahmen. Søren Tellings Position hingegen stellte sich ein wenig ambivalenter dar : Als dänischer Nationalist versäumte er es etwa nicht, in einem Brief an den Busdorfer Bürgermeister Nonsen darauf hinzuweisen, dass das frühgeschichtliche Denkmal vom »ganz[en] Norden und nicht nur von den Deutschen hochverehrt« wird und »nicht nur dem deutsche Staate« gehöre.222 Noch weiter ging der von ihm verfasste und 1948 in erster Auflage erschienene Reiseführer Med Søren Telling paa Jyske Hærvej i Dannevirke og Hedeby og gennem Gottorp Musæets sale.223 In dem knapp 50 Seiten starken Werk, welches bis 1969 in elf Auflagen224 erschien, stellte er in vier Kapiteln die Region Schleswig zwischen dem Fluss Eider und dem Ort Idstedt vor. Der erste Abschnitt – »Von der Eider bis Skelbæk auf Jyllands altem Heerweg«225 – ist im Stil einer Reisebeschreibung verfasst und führt den Leser in die landschaftlichen und kulturellen Besonderheiten der Region ein. Augenfällig hieran ist vor allem die im Titel bereits deutlich werdende Einordnung des Heerweges in die Historie des dänischen Staates und die hiermit verbundene Hervorhebung der geschichtlichen Bedeutung und der Urheberschaft Dänemarks an dem vorgeschichtlichen Erbe. Der zweite Teil des Reiseführers widmet sich der Baugeschichte, dem Wert des Danewerks für das dänische Volk und den Schutzbemühungen in der jüngeren Vergangenheit. So betonte der Autor die Rolle der nordischen Könige an der 221 Kühl, Zwischen Nationalsozialismus und Nationalismus, 2008. S. 38. 222 Brief von Søren Telling an den Bürgermeister von Busdorf vom 13. April 1948. RA, Abt. 0034, Nr. 1. 223 Telling, Søren. Med Søren Telling paa Jyske Hærvej i Dannevirke og Hedeby og gennem Gottorp Musæets sale. 2. Aufl. [Kopenhagen 1948/49]. Die genaue Datierung des Erscheinens der ersten sowie der zweiten Auflage des Reiseführers ist aufgrund fehlender bibliographischer Angaben in der Publikation nicht möglich. Der Zeitungsartikel Fra Eider til Danevirke ad Jyllands gamle Hærvej in Jyllands-Posten vom 1. August 1948 weist auf eine Erstveröffentlichung 1948 hin. Wahrscheinlich erschien die zweite Auflage im selben, spätestens ein Jahr später. 224 So wurden allein die ersten neun Auflagen bis 1956 in Umlauf gebracht. 225 »Fra Ejder til Skelbæk ad Jyllands gamle Hærvej«. Telling, Med Søren Telling paa Jyske Hærvej, [1948/49]. S. 1.

Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk

311

Entstehungsgeschichte der Anlage, erwähnte aber gleichzeitig, für die Leserschaft unter Umständen überraschend, die Person Heinrich Himmlers als hauptverantwortlich dafür, dass der Wall noch vorhanden sei.226 Im dritten Kapitel über das Museum Schloss Gottorf in Schleswig vermittelte Telling primär die Aspekte der Ausstellung, die in der Vergangenheitskonstruktion der Region als einer dänischen Gegend relevant waren, wie etwa das Nydamboot oder die Bereiche zur Ur- und Frühgeschichte. Abschließend behandelte der Autor die Besiedlungsgeschichte Schleswigs, in erster Linie des Danewerk-Areals, durch die Wikinger – »Die Wikinger als Brückenbauer am Südwall Dänemarks«227 – und betont in diesem Zusammenhang die wirtschaftlichen und kulturellen Austauschprozesse und gegenseitigen Einflüsse, die seit jeher an diesem Bauwerk stattfanden. Deutlich erkennbar richtete sich der Reiseführer an ein primär dänisches Publikum, zahlreiche Verweise auf die Vergangenheit und das materielle Kulturerbe sollten den dänischen Charakter der Region belegen, auch die Wortwahl und die Formulierungen des Textes waren eindeutig national ausgerichtet: So versuchte der Autor seiner Leserschaft einen Urlaub in »Dänemarks südlichem Ausland«228 nahe zu bringen: »Eine einfache Wanderung auf Jyllands ehrwürdigstem Verkehrsweg von der Eider hoch bis zum Danewerk […] würde ein Andenken sein, ebenbürtig mit anderen, teureren und beschwerlicheren Reisen in exotische Länder.«229 In dem Reiseführer abgedruckte Werbeanzeigen spielten mit zahlreichen Andeutungen auf die dänische Geschichte: Die Reklame eines in der Region ansässigen Hotels etwa warb mit berühmten Persönlichkeiten der dänischen und skandinavischen Geschichte, die angeblich dort im Laufe der letzten 200 Jahre Übernachtungsgäste gewesen seien.230 Eine Vereinigung von Ziegelsteinbrennereien verkündete stolz, die »Danewerks-Mauer war Dänemarks erstes Bauwerk aus Ziegelstein! … seitdem wurden es weitere. … und es werden immer noch mehr.«231 Hierin verbarg sich der Hinweis auf die seit der Heimatschutzbewegung populäre Ziegelsteinbauweise, die als typisch dänisch deklariert wurde. Telling hob an zahlreichen Stellen seines Reiseführers die vermeintlich dänische Historie der Wallanlagen hervor, vermied es aber, diese Botschaft mit 226 227 228 229

Ebd. S. 11. Ebd. S. 37. »Danmarks sydlige udland«. Ebd. S. 1. »En simpel vandring ad Jyllands ærværdigste færdselsvej fra Ejderen og op til Danevirke […] vil være et minde, jævnbyrdigt med andre, dyrere og besværligere rejser i eksotiske lande.« Ebd. 230 Ebd. S. 6. 231 »Danevirke-muren var Danmarks første bygværk af Teglsten … siden kom der flere. … og der kommer flere endnu.« Ebd. S. 18.

312

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

einem offensiv formulierten Besitzanspruch auf die Region zu verbinden. Vielmehr scheint es ihm ein Anliegen gewesen zu sein, die Spuren einer als dänisch proklamierten Vergangenheit des Areals hervorzuheben, was durchaus in der Erwartungshaltung der Leser lag, aber gleichzeitig auch die gegenseitige kulturelle Beeinflussung in diesem Grenzraum zu betonen. So betitelte er das Danewerk als das »größte und bedeutungsvollste vorzeitliche Denkmal des Nordens«232 und ließ auf diese Weise bewusst offen, unter welchen nationalen Vorzeichen dieser Raum zu sehen sei. Einzelne Aussagen innerhalb des Textes, wie etwa die Bezeichnung des Danewerks als Eingang zum dänischen Reich233 und als dänische »Teufelspforte«,234 legen den Schluss nahe, dass der Nationalist Telling über diese Formulierungen die Region Schleswig als ursprünglich dänisches Reichs- und Herrschaftsgebiet darstellen wollte. In dieser Position spiegelte sich der seit Grundtvig gängige Topos wider, in dem das Danewerk die Stellung eines nationalen Symbols einnahm, welches auch als mental-kulturelles Bollwerk nach Süden eng mit dem Wohlergehen Dänemarks verbunden wurde.235 Der Rückgriff Tellings auf diese alte Vorstellung verdeutlichte sich durch ein von ihm angeführtes Zitat des dänischen Archäologen Sophus Müller : »Es gibt kein vorzeitliches Denkmal im Norden mit ähnlicher Bedeutung wie das Danewerk, keines das derart verknüpft war mit dem Wohl des Volkes und mit dessen bitterstem Leid in den ältesten und in den jüngsten Zeiten.«236 Seit Grundtvig nahm das Danewerk, so auch die Historiker Jørgen Kühl und Nis Hardt, die Stellung eines nationalen Symbols verbunden mit der Vorstellung eines mental-kulturellen Bollwerkes nach Süden ein, an dem sich symbolisch das Wohlergehen Dänemarks widerspiegelte. Die enge Zusammenarbeit für den Schutz der Anlagen zwischen Telling, Kersten und Brøndstedt beruhte vor allem auf der Einsicht, dass die vom Landesamt für Vor- und Frühgeschichte in seiner Denkschrift von Januar 1949 eingeforderten und im Juli 1950 durch die Verordnung über das Naturschutzgebiet Haithabu-Dannewerk erlassenen Schutzmaßnahmen nicht ausreichten beziehungsweise von den Behörden teilweise nicht beachtet wurden. So klagte etwa Gustav Schwantes im Januar 1958, dass der »bestehende (?) Landschaftsschutz den Gegnern so viele Lücken zum Durchkriechen läßt […].«237 Nicht nur das Landesamt musste entgegen den anfänglichen Aussagen von Hans Hingst zu 232 233 234 235 236

»Nordens største og betydeligste oldtidsminde«. Ebd. S. 9. Ebd. S. 5. »Djævleport«. Ebd. S. 10. Vgl. Kühl/Hardt, Danevirke, 1999. S. 93. »Der gives intet Fortidsminde i Norden af en lignende Betydning som Danevirke, intet der saaledes har været sammenknyttet med Folkets Vel og med dets bitterste Ve i de ældste Tider og i de seneste.« Telling, Med Søren Telling paa Jyske Hærvej, 1948/49. S. 9. 237 Brief von Schwantes an Brøndstedt vom 10. Januar 1958. RA, Abt. 10056, Nr. 68.

Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk

313

den erreichten Schutzbestimmungen einsehen, dass es in den Gesetzen und Verordnungen zahlreiche Unklarheiten und Mängel gab. Die Landeskanzlei von Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel räumte gegenüber Johannes Brøndstedt ein, dass bestimmte Areale der Anlage durch die gesetzlichen Vorgaben nicht vor Zerstörungen abgesichert seien: Bei einer Überprüfung der Sachlage habe sich »herausgestellt, daß das fragliche Gelände seinerzeit nicht in die entsprechenden Landschaftsschutzbestimmungen einbezogen worden ist.«238 Die gemeinsamen Bemühungen vom Landesamt und vom Nationalmuseum standen so immer wieder neuen Problemen gegenüber : In einem Brief vom 28. Dezember 1954 bat Telling Direktor Brøndstedt, seinen Einfluss geltend zu machen, um die »grobe Sabotage«239 durch die neuerliche Nutzung eines Wirtschaftsweges, der aus Schutzgründen 1944 stillgelegt wurde, zu verhindern: Es sind der Landrat des Amtes Schleswig und sein »Kreispräsident«, Bauernvertreter Dr. Angler, wieder dabei, das Danewerk zu verraten und es zum Nutzen der Bauern zu verschachern, nachdem man knapp genug die Unterschutzstellung verwirklicht bekommen hat. […] die ganze lausige Wegaktion wurde zum Vorteil der Bequemlichkeit von höchstens 18 – 20 Bauern gestartet.240

So seien sich alle beim Landesamt einig, dass niemand von deutscher Seite aus noch rettend in die Sache eingreifen könne und deswegen die Hilfe Brøndstedts zwingend notwendig sei: Sie werden ja nämlich in der Sache »gehört« haben […] [Ministerpräsident] v. Hassel soll von seinem üblen Vorhaben abgebracht werden, dessen Konsequenzen er sich nicht bewusst ist. Er ist eingewickelt in Agrar-Interessen der feinen Herren in Schleswig, die den Wall hier bloß als Wahlköder gegenüber den Bauern benutzen. Er hat zu wissen, dass sein heiß begehrter »Brückenbau« über die Grenze abhängig ist von einem anständigen Benehmen gegenüber dänischen Kulturdenkmälern auf seinem Staatsgebiet.241

Als geeignetes Mittel zur Verhinderung der Pläne der regionalen Behörden sah Telling eine scharfe Kampagne dänischer Medien, die Brøndstedt durch seinen 238 Brief von der Landeskanzlei des Ministerpräsidenten an Brøndstedt vom 23. Dezember 1957. RA, Abt. 10056, Nr. 68. 239 »grove Sabotage« 240 »Det er Slesvig Amts Landraad og hans ›Kreispräsiden‹t, Dr. Angler Bondevälgere ved at forraade Danevirke og sjakre det ud til Bonde-Nytte igen, efter at man knapt nog har faaet ivärksat Fredningen. […] hele denne skidne Vejaktion er startet til Fordel for höjst 18 – 20 Bönders Bekvemmelighed.« Brief von Telling an Brøndstedt vom 28. Dezember 1954. RA, Abt. 0034, Nr. 1. 241 »De vil jo nemlig blive ›hört‹ […] Huno v. Hassel skal skrämmes fra sit stygge Forehavende, hvis Konsekvenser ikke er ham klar. Han er viklet ind i Agrar-Interesser af de fine Herrer i Slesvig, der blot benytter Volden som Valgfläsk overfor Bönderner her. Han skal have at vide, at hans hedt begärede ›Brobyggeri‹ over Gränsen er afhängig af anständig adfärd overfor danske Kulturminder paa hans Staatsomraade.« Ebd. [Hervorhebung im Original].

314

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Einfluss und seine persönlichen Kontakte initiieren sollte: »Sie können in der Berl[ingske] Tid[ende] Raum bekommen für einen funkenden dänischen Protest gegen eine Sache, die die ganze Wissenschaft des Nordens in Ihrem Fach angeht.«242 Bereits kurze Zeit später scheint die Aktion von Erfolg gekrönt zu sein, denn in einem weiteren Brief Mitte Februar bedankte Telling sich für die Hilfe und verwies darauf, dass große Kreise der Regierung in Kiel der Sache nun freundlich und positiv gesinnt sowie bereit seien, sie zu unterstützen.243 Jedoch habe die große Aufmerksamkeit nun zu einem negativen Nebeneffekt geführt, da sich Vilhelm la Cour, einer der zentralen Personen des dänischen Grenzkampfes, in der Angelegenheit zu Besuch beim Landesamt angemeldet habe und sich in die Sache einschalten wolle: […] etwas Schlimmeres könnte wohl nicht in dieser Sache geschehen. […] Sein Name ist so eng mit Grenzkampf und Politik verknüpft, dass keine noch so eifrige Versicherung jemanden dazu bewegen könnte etwas anderes als den »Feind Nr. 1« in der Person des Doktors zu sehen.244

Selbst Telling, der eine eindeutig nationalistische Position vertrat, sah die Problematik, die sich mit dieser in Deutschland umstrittenen Person ergeben könnte und befürchtete einen großen Rückschlag für die Schutzbemühungen des Danewerks sollte sich einer der Hauptakteure des Grenzkampfes auf dänischer Seite in die Angelegenheit einmischen – ein deutlicher Beleg für die Sensibilität der Kulturerbethematik im Grenzraum.245 Dagegen jubilierte Telling kurze Zeit später in einem weiteren Schreiben, dass den unzähligen Beschädigungen der Wallanlage nun ein Ende gesetzt werde. Unter anderem sei es ihm gelungen, Ministerialdirektor Jens Nydahl aktiv für den Schutz des mittelalterlichen Bauwerkes zu gewinnen: »So wie immer geht es darum zu veranlassen, dass der richtige Deutsche hingeht und den anderen richtigen Deutschen an den Kopf schlägt.«246 242 »De kann da faa Plads i Berl Tid for en gnistrende dansk Protest mod Ting der angaar hele Nordens Videnskab i Deres Fag!« Ebd. 243 Brief von Telling an Brøndstedt vom 14. Februar 1955. RA, Abt. 0034, Nr. 1. 244 »[…] noget värre kunde vel ikke ske i denne Sag. […] Hans Navn er saa snävert knyttet til Gränsekamp og Politik, at ingen nok saa ivrig Forsikring kan beväge nogen til at se andet end ›Fjende Nr. 1‹ i Doctorens Person.« Brief von Telling an Brøndstedt vom 14. Februar 1955. RA, Abt. 0034, Nr. 1. 245 Der Besuch la Cours beim Landesamt für Vor- und Frühgeschichte konnte abgewendet werden, im weiteren Verlauf des Briefwechsels finden sich keine weiteren Hinweise mehr darauf. 246 »Som altid gälder det om at foranledige, at de rigtige Tyskere gaar hen og slaar de andre rigtige Tyskere i Hovedet.« Brief von Telling an Brøndstedt vom 25. Mai 1955. RA, Abt. 0034, Nr. 1. Die Erfolgsmeldung kam jedoch zu früh, da Ministerpräsident von Hassel zunächst doch die Genehmigung der Wegbenutzung erteilte. Letztlich zog sich der Fall der möglichen Wiederbenutzung bis in den September 1955 hinein. Erst dann konnte eine gemeinsame

Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk

315

In den Jahren 1954 und 1955 fand ein äußerst reger Briefwechsel vor allem zwischen Johannes Brøndstedt und Søren Telling statt. In der Regel liefen die Anstrengungen für den Schutz der Anlage vor einzelnen Bedrohungen nach einem ähnlichen Muster ab: Hans Hingst, Karl Kersten und Gustav Schwantes versuchten zunächst, auf deutscher Seite Einfluss auf die Behörden zu nehmen.247 Dieses Bestreben fand jedoch oft genug seine Grenzen in den realpolitischen Begebenheiten, die eine offene Stellungnahme des Landesamtes für Vorund Frühgeschichte gegen die Vertreter der Landesregierung nicht ratsam erscheinen ließ.248 In den Fällen, in denen die Vertreter des Landesamtes in ihren Bemühungen scheiterten, war es oftmals Telling, der den Kontakt zum Direktor des Kopenhagener Nationalmuseums suchte, damit dieser durch seinen Einfluss sowie die Unterstützung der dänischen Behörden und Medien Druck von außen auf die Landesregierung ausüben konnte: »Was zunächst notwendig wäre, ist eine Einschaltung Dänemarks in die Abwehr […]« der Baubestrebungen.249 Dass dieses Vorgehen in den einzelnen Vorgängen von Erfolg gekrönt war, bezeugen zahlreiche Dankesbriefe von Kersten und Schwantes an den Museumsdirektor.250

247

248

249 250

Begehung der Wallanlagen unter Teilnahme von Ministerpräsident von Hassel, den Ministern für Landwirtschaft und Kultur, dem Leiter der Abteilung für Landeskultur beim Landratsamt, dem Bauernvertreter Jürgen Thee und einer großen Delegation des Landesamtes bestehend aus Schwantes, Kersten und Hingst endgültig die Nutzung verhindern: »[…] war man in allen Hauptfragen einig und es wurden viele Versprechungen um Besserung und Entfernung der verunstaltenden Baracken […] vom Ministerpräsidenten gegeben, der sichtlich stark berührt war […] Ernsthaften Widerstand übten nur noch die Agrarvertreter. Man führte einen regelrechten Streit für die versammelte Öffentlichkeit […] auf, bei dem besonders Bauernführer Thee assistiert vom ›Kulturmeister‹ des Landrates ›für das Volk auftrat‹«. Es »glückte jedoch letztendlich Dr. Hingst, den Widerstand […] zu brechen […].« (»[…] var man i alle Hovedspörgsmaal enige og mange Löfter om Bedring og Bortflytning af skämmende Barakker […] gaves af Ministerpräsidenten, der synligt var ilde berört […] Alvorlig Modstand ydede nu kun Agrarpartiet. Man opförte et formeligt Skänderi for den forsamlede Offentlighed […], hvor isär Bondeförer Thee ›optraadte for Folket‹ assisteret af Landraadens ›Kulturmester‹.«). Brief von Telling an Brøndstedt vom 6. September 1955. RA, Abt. 0034, Nr. 1. »Ich werde natürlich nach wie vor das Äußerste tun, um jeden Eingriff in die natürliche Gestalt dieses in der ganzen Welt einzigartig dastehenden ehrwürdigen Denkmals zu verhindern […].« Brief von Gustav Schwantes an Brøndstedt vom 15. Dezember 1954. RA, Abt. 0034, Nr. 1. Vgl. beispielsweise: »Deshalb sind wir uns hier einig […], dass die Schweinerei hinter den Kulissen nicht von Kersten oder Schwantes bekämpft werden kann – sie haben sich hinter die beruhigenden Erklärungen zu retten […].« (»Derom er vi her enige […] Svineriet bag Kulisserne kann ikke bekämpes af Kersten eller Schwantes – de har at rette sig efter de beroligende Erkläringer […]«). Brief von Telling an Brøndstedt vom 28. Dezember 1954. RA, Abt. 0034, Nr. 1 Brief von Gustav Schwantes an Brøndstedt vom 01. November 1957. RA, Abt. 10056, Nr. 68. Beispielweise von Schwantes am 22. November 1957 (RA, Abt. 10056, Nr. 68) und von Kersten am 9. Januar 1958 (RA, Abt. 10056, Nr. 68).

316

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Die durch die Bonn-Kopenhagener Erklärungen eingeleitete Entspannung in der Grenzpolitik beider Seiten zeigte sich nach 1955 ebenfalls im Umfeld des mittelalterlichen Kulturerbes. Als Zeichen dieser Entwicklung berief im November des Jahres der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Johannes Brøndstedt als erstes und einziges dänisches Mitglied in den Danewerkausschuß.251 Dieser Schritt wurde in der dänischen Presse mit großer Begeisterung aufgenommen – schließlich erwartete man nun durch den größeren dänischen Einfluss in den zuständigen Organen eine deutlich verbesserte Ausgangslage für den Schutz des Danewerks.252 Tatsächlich muss jedoch konstatiert werden, dass dies in erster Linie eine reine symbolische Handlung war und die Zusammenarbeit nicht reibungslos funktionierte: So schrieb etwa Brøndstedt im Januar 1958 verärgert an den Ministerpräsidenten, dass er »als Mitglied des DanewerkAusschusses (das [sic!] mich nicht unterrichtet hat) auf’s lebhafteste« gegen neue Baupläne am alten Verteidigungswall protestieren müsse: »Soviel ich weiß wird das Schleifen des betreffenden Wall-Stückes ohne weiteres in naher Zukunft beginnen […]«.253 Doch nicht nur das Nationalmuseum in Kopenhagen in Person von Johannes Brøndstedt nahm lebhaften Anteil am Zustand des Danewerks. Ebenso herrschte in der dänischen Öffentlichkeit, angefeuert durch eine intensive Berichterstattung in diversen Zeitungen und Zeitschriften, eine große Sensibilität für die Vorgänge am mittelalterlichen Kulturerbe in Schleswig. Im Blickfeld der dänischen Rezeption standen sowohl die als unzureichend bewerteten Schutzbemühungen der deutschen Behörden als auch die zahlreichen Zerstörungsprozesse des Walles und der Handelssiedlung Haithabu durch Baumaßnahmen und landwirtschaftliche Nutzung. Ein zentraler Aspekt des in den Medien gezeichneten Bildes der Landesregierung in Kiel war die vermeintliche Gleichgültigkeit der staatlichen Stellen gegenüber dem historischen Wert der Anlagen. Die realen Bemühungen zum Schutz des mittelalterlichen Erbes des Landesamtes für Vorund Frühgeschichte blieben demgegenüber nahezu ohne Rezeption. Diese Umstände lassen sich in erster Linie durch drei Motive erklären: 1. Die gesetzlichen Richtlinien, die durch die Denkschrift des Landesamtes angestoßen wurden, beurteilten die dänischen Medien wesentlich pessimistischer als dies beispielsweise Ministerialdirektor Jens Nydahl oder Hans Hingst vom Landesamt anfangs auf deutscher Seite taten. 2. Das Verhalten der Landesregierung und ihre scheinbare Duldung der Zerstörungen durch Bauarbeiten und landwirtschaftliche Nutzung ließen den Eindruck entstehen, dass es sich bei den recht251 Henningsen, Lars. N./Klatt, Martin/Kühl, Jørgen. SSW. Dansksindet politik i Sydslesvig 1945 – 1998. Flensburg 1998. S. 230. 252 Siehe beispielsweise: Kristeligt Dagblad, 26. November 1955. 253 Brief von Brøndstedt an von Hassel vom 28. Januar 1958. RA, Abt. 10056, Nr. 68.

Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk

317

lichen Schutzmaßnahmen um reine Lippenbekenntnisse handelte, die zugunsten ökonomischer Interessen missachtet werden konnten. 3. In dem Medienecho spiegelte sich der Nachklang des kulturellen Grenzkampfes, der nicht unmittelbar 1955 beendet wurde, wider. Zwar konzentrierte sich die dänische Kulturpolitik jener Zeit primär auf die Bereiche des Schulwesens und der Erwachsenenbildung sowie die finanzielle und ideelle Unterstützung der Minderheitenarbeit, die nationale Bedeutung des Danewerks legte es jedoch nahe, auch das mittelalterliche Kulturerbe für die eigenen Bestrebungen nutzbar zu machen. Gerade in den Jahren zwischen 1955 und 1961 entstand so eine regelrechte Publikationsflut in den Zeitungen der dänischen Minderheit in Schleswig sowie in der regionalen und der nationalen Tagespresse Dänemarks. Das in den Zeitungsartikeln benutzte Vokabular besaß einen teilweise martialischen Klang, der den kulturellen Grenzkampf in seiner gesamten Brisanz auf das Feld des materiellen Kulturerbes übertrug. Während das deutschgesinnte Flensburger Tageblatt im Juni 1951 noch von einem »[e]ndgültige[n] Schutz für das Dannewerk«254 sprach, titelte etwa die Berlingske Tidende fast exakt drei Jahre später »Krigen om Danevirke!«255 – der »Krieg um das Danewerk!« – und die Zeitung Jyllands-Posten beschwor : der »kalte Danewerk-Krieg [ist] in Gefahr, warm zu werden«.256 In diesem Sinne benutzten die Autoren wiederholt Termini wie »Angriff«257, »Übergriff«258, »Gefahr«259 und »Attentat«260, um ihr Publikum emotional zu erreichen. In der mehrheitlichen dänischen Berichterstattung verteilten sich die zugewiesenen Rollen eindeutig: Auf der einen Seite die »Deutschen«, in deren Staatsgebiet das dänische Kulturerbe liege – das »alte Danewerk – der von dänischen Königen empfundene Reichswall, seit 1864 auf deutschem Staatsgebiet« – und die nur wenig für den Schutz der Anlagen tun würden. So werde die Anlagen »weiterhin von den anwohnenden Bauern angegriffen […], ohne dass die Behörden eingreifen.«261 Das »größte Denkmal der Vorzeit des Nordens auf deutschem Staatsgebiet«262 sei hilflos seiner Zerstörung ausgeliefert, obwohl es eigentlich gesetzliche Schutzmaßnahmen gebe: »Der 254 255 256 257 258 259 260 261

262

Flensburger Tageblatt, 22. Juni 1951. Berlingske Tidende, 12. Juni 1954. Jyllands-Posten, 28. September 1955. Danmarksposten; 11 – 12 vom November/Dezember 1955; Jyllands-Posten, 17. September 1961. Jyllands-Posten, 26. Februar 1960. Sorø Amtstidende, 16. März 1955; Berlingske Tidende, 25. November 1957. Flensborg Avis, 22. Mai 1954. »Gamle DANEVIRKE – Danske Kongers fornemme rigsvold, siden 1864 p” tysk statsomr”de […] angribes fremdeles af de omboende bønder, uden at myndighederne griber ind.« De fortsatte angreb p” Danevirkevolden. In: Danmarksposten; 11 – 12 vom November/Dezember 1955. »Nordens største Oldtidsminde paa tysk Statsomraade«.

318

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

Wall wurde offiziell im Juli 1950 unter Denkmalschutz gestellt – woraufhin die Instanzen, die die Gesetzesbestimmungen in Kraft setzen sollten, nichts unternahmen. Ganze drei Jahre saßen sie und taten nichts.«263 Auf der anderen Seite standen dem die »Dänen« gegenüber, die hilflos mit ansehen müssten wie ihr Kulturerbe zerfalle und mutwillig zerstört werde. Jyllands-Posten stellte in einem Kommentar fest: »Aber […] die Initiative von dänischer Seite muss sich in dieser Sache darauf beschränken, von moralischem Charakter zu sein. Es ist für dänische Kreise nicht möglich, sich in die deutsche Verwaltung der Denkmalschutzbestimmungen einzumischen.«264 Der Landesregierung in Kiel wurde nicht zugetraut, notwendige und hinreichende Maßnahmen zu ergreifen beziehungsweise sich gegen die regionalen Behörden in Schleswig, die scheinbar eine eigene Politik verfolgen würden, durchzusetzen: Wie schon zuvor in Jyllands-Posten berichtet, ist es mit Außerachtlassung der Bestimmungen höherer deutscher Behörden betreffend die Bewahrung des Danewerks niederen deutschen Instanzen geglückt, ein Projekt um den Bau eines Weges auf dem Vorwall des Danewerks […] fortzuführen.265

Wie bereits das Landesamt für Vor- und Frühgeschichte in seiner Denkschrift sechs Jahre zuvor beklagt hatte, übten auch 1955 noch lokale Sonderinteressen, die zum Teil konträr zu der Linie der Landesregierung standen, großem Einfluss auf den Umgang mit den Anlagen aus, sei es nun, dass die gesetzlichen Vorgaben missachtet oder offensichtliche Vergehen von den Behörden toleriert wurden. Daher feierte die dänische Presse die Einberufung Johannes Brøndstedts in den Danewerkausschuß im November 1955 euphorisch: Der dänische Vertreter würde nun endlich dafür sorgen, dass die vorliegenden Schutzbestimmungen eingehalten und ausgeweitet werden, so der allgemeine Tenor. Die Zeitung Land og Folk titelte am 26. November : Das »Danewerk-Gebiet wird nun endlich saniert werden«266, Hejmdal hob am selben Tag in ihrer Berichterstattung hervor, dass nun endlich »das berühmteste Bauwerk des Nordens« für die Zukunft 263 »Volden blev officielt deklareret under Fredningen i Juli 1950 – hvorefter de Instanser, der skulde sætte Lovbestemmelserne i Kraft, ingenting foretog. I fulde tre Aar sad de og gjorde ingenting.« Nordens største Oldtidsminde paa tysk Statsomraade. In: Flensborg Avis, 10. Januar 1955. Dieser Vorwurf fand sich durchgehend in den Berichten über das Danewerk im Jahr 1955. Vgl. beispielsweise auch: Berlingske Tidende, 23. September 1955. 264 »Men […] maa Initiativet fra dansk Side i denne Sag indskrænke sig til at være af moralsk Karakter. Det er ikke muligt for danske Kredser at blande sig i tysk Administration af Fredningsbestemmelserne.« 265 »Som tidligere omtalt i Jyllands-Posten er det ved Tilsidesættelsen af højere tyske Myndigheders Bestemmelser vedrørende Bevarelsen af Dannevirke lykkedes lavere tyske Instanser at føre et Projekt frem om Bygning af en Vej paa Dannevirkes Forvold […].« In: Jyllands-Posten, 3. November 1955. 266 »Dannevirke-omr”det vil nu endelig blive saneret.« In: Land og Folk, 6. November 1955.

Schutzbemühungen um das mittelalterliche Kulturerbe Haithabu und Danewerk

319

gerettet werde267 und das Kristeligt Dagblad sprach davon, dass Brøndstedt die dänischen Interessen geltend machen werde.268 Eine besondere Aufmerksamkeit in der Berichterstattung erfuhr das Eingeständnis des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten von Hassel gegenüber Johannes Brøndstedt, dass dem mittelalterlichen Kulturerbe in den letzten Jahren von deutscher Seite nicht die Aufmerksamkeit zuteil geworden sei, welche es verdient habe – so gebe es viele Dinge, die »besser gemacht hätten werden können«.269 Die dänischen Medien, allen voran die Jyllands Posten, verfolgten jedoch auch in den folgenden Jahren die Schutzbemühungen äußerst kritisch. Dies war sicherlich den als unzureichend bewerteten Erfolgen des Danewerkausschußes geschuldet, die Brøndstedt im Frühjahr 1958 dazu veranlassten, in einem Brief an den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten organisatorische Verbesserungen vorzuschlagen. So gelte es, den »ziemlich passiven Danewerkausschuss« auf »Landesebene zu heben«, schließlich sei das »Danewerk […] doch wohl groß und bedeutend genug um ein gemeinsames Glied zwischen Dänemark und dem Lande Schleswig-Holstein […] zu bilden.«270 Der weiterhin teilweise sehr aggressive Tonfall der Berichterstattung führte gleichzeitig jedoch auch zu Besorgnis im dänischen Außenministerium, welches sich wesentlich zurückhaltender gegenüber Deutschland gab, als es die Zeitungskorrespondenten in ihren Artikeln taten. Die Ausgabe der Jyllands-Posten vom 14. Januar 1958 führte sogar zu einer Sondersitzung der dänischen Vertretungen in Deutschland, zu der das Außenministerium eingeladen hatte.271 Große Aufregung löste vor allem die Aussage aus, dass Deutschland die Grenzregion von Dänemark gestohlen habe. So schrieb Jyllands-Posten: Eine Sache ist, dass Deutschland in seiner Zeit schlichtweg Südschleswig raubten. Das Mindeste, was man verlangen kann, ist doch, dass man den Landesteil ordentlich und mit der schuldigen Rücksichtnahme gegenüber allen wertvollen Zeugen der Vorzeit behandelt […].272

Welche Schlüsse das dänische Außenministerium aus diesem Treffen zog und ob es hierauf von den dänischen Behörden zu dem Versuch einer Einflussnahme auf die Berichterstattung kam, ist anhand der Quellenlage nicht mehr nachvoll267 268 269 270

Hejmdal, 26. November 1955. Kristeligt Dagblad, 26. November 1955. Flensborg Avis, 25. November 1955. Brief von Johannes Brøndstedt an Ministerpräsident von Hassel vom 11. Februar 1958. RA, Abt. 10056, Nr. 68. 271 Einladung vom dänischen Außenministerium an das dänische Konsulat in Flensburg vom 22. Januar 1958. RA, Abt. 0034, Nr. 1. 272 »Een Ting er, at Tyskland i sin Tid slet og ret røvede Sydslesvig. Det mindste, man kan forlange, er dog, at de behandler Landsdelen ordentligt og med skyldig Hensynstagen till alle værdifulde Vidnesbyrd om Fortiden […]«. In: Jyllands-Posten, 14. Januar 1958.

320

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

ziehbar. Die Reaktion der deutschen Seite auf die Vorwürfe erfolgte jedoch prompt: So wies die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung die Anschuldigungen der Jyllands-Posten scharf zurück. Man habe im Hinblick auf das Danewerk identische Ziele: »Schließlich dürfen die wenigen wertvollen Erinnerungsstätten aus unserer Vorzeit nicht einem augenblicklichen Vorteil geopfert werden. Soweit deckt sich unsere Auffassung durchaus mit der dänischer Kreise […].« Gleichzeitig betonte der Autor der Landeszeitung die eigenen Bestrebungen zum Schutz der Wallanlage: »Auch unsere Zeitung hat Stellung bezogen und dabei sogar einen dänischen Kronzeugen zu Worte kommen lassen, Sören Telling, von dem wir glauben, daß er aus wirklichem Idealismus sich für die Erhaltung dieser Vorzeitstätten einsetzt.« Schleswig-Holstein bemühe sich für die Bewahrung des Kulturerbes, dahingegen stehe die Jyllands-Posten als pars pro Toto für eine dänische Aggression gegenüber Deutschland: »Will man mit uns gemeinsam die Befriedigung des historischen Dannewerks erreichen – und vielleicht noch mehr – so sollte man nicht die Kampflure blasen, wenn es auf anderem Wege besser geht.«273 Erst im Kontext der sich zunehmend normalisierenden politischen Zustände im Grenzraum setzte auch eine allmähliche Beruhigung in der Presselandschaft in Bezug auf das mittelalterliche Kulturerbe ein. Zwar titelte noch Anfang Mai 1962 etwa die Flensborg Avis »Danewerk-Areal wird benutzt als – Mülldeponie«,274 aber ein recht wohlwollender Artikel in der Jyllands-Posten Ende Februar 1960, die zuvor immer wieder durch ihre scharfen Angriffe aufgefallen war, kann als symptomatisch für die nun etwas positivere Bewertung der Vorgänge rund um die Wallanlagen betrachtet werden. Einerseits betonte der Bericht weiterhin den dänischen Charakter des Bauwerkes, andererseits bemühe sich, so der Tenor, die deutsche Seite nun, dieses Erbe angemessen zu beschützen und zu verwalten: Andererseits führte dies jedoch dazu, dass die verantwortlichen deutschen Stellen in jedem Fall dabei sind, sich bewusst zu machen, welche Verpflichtungen dazu gehört, der Herr in einer alten dänischen Gegend geworden zu sein. Und die selben Behörden haben nun einen gemeinsamen Willen bekannt gegeben, gegenüber Übergriffen einzuschreiten […].275

Die Jyllands-Posten sah als Auslöser für den schleswig-holsteinischen Gesinnungswechsel die unermüdliche Arbeit Johannes Brøndstedts im Danewerkausschuß sowie das Engagement der Angestellten vom Landesamt für Vor- und 273 Schleswig-Holsteinische Landeszeitung, 21. Januar 1958. 274 Dannevirke-areal benyttes som – losseplads! In: Flensborg Avis, 4. Mai 1962. 275 »Omsider lader det dog till, at i hvert fald de ansvarlige tyske myndigheder er ved at gøre sig klart, hvilke forpligtelser der hører med til at være blevet herre i et gammelt dansk landomraade. Og de samme myndigheder har nu tilkendegivet en enig vilje til at skride ind over for de overgreb […].«

Zwischenfazit

321

Frühgeschichte. Dieses Bemühen, so die Position der dänischen Zeitung, lege nicht nur den Grundstein für die Sicherung des Danewerks, sondern auch für ein friedliches Miteinander : »Es wird in Dänemark gewürdigt werden, wenn in der Zukunft nicht nur mit dem Denkmalschutz gerechnet werden kann, sondern ebenso mit Frieden rund um die alte dänische [!] Wallanlage.«276

V.6. Zwischenfazit Der Zweite Weltkrieg hinterließ ein verwüstetes Europa, in zahlreichen Ländern eine traumatisierte Bevölkerung und ein Deutschland, welches sich aufgrund der totalen Niederlage und der in seinem Namen begangenen Verbrechen neu strukturieren musste. Neben den politischen und wirtschaftlichen Folgen, die sich in ganz Deutschland nach Mai 1945 bemerkbar machten, führte das Kriegsende auch grundlegende Folgen für die Region Schleswig und die Grenzfrage mit sich. So entstand aus der dänischen Widerstandsbewegung eine neueiderdänische Bewegung, die in Anlehnung an die nationalliberale Bewegung des 19. Jahrhunderts und angesichts der Situation Deutschlands eine Revision der Grenze bis zum Fluss Eider anstrebte. Obwohl die dänische Regierung unter Ministerpräsident Vilhelm Buhl diesem Ziel rasch widersprach, lebte in der Nachkriegszeit der intensiv geführte Grenzkampf der 1920er Jahre wieder auf. Im Gegensatz zu der Zeit nach der Volksabstimmung war es nun die deutsche Seite, die sich im kulturellen Bereich von der neueiderdänischen Bewegung unter Druck gesetzt sah. Die schwierige wirtschaftliche und politische Situation Schleswig-Holsteins führte zu der Forderung, die beiden Landesteile zu trennen und die Bevölkerung Schleswigs erneut über ihre nationale Zugehörigkeit abstimmen zu lassen. Die deutschen und dänischen Agitationen beschränkten sich jedoch nicht nur auf die Wahlkämpfe, sondern weiteten sich auch auf die Bildungs- und Kulturpolitik aus, so dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Minderheiten- und der Kulturfrage bestand. Erst mit der politischen Lösung der Minderheitenfrage durch die Bonn-Kopenhagener Erklärungen 1955 kam es auch zu der allmählichen Entspannung der grenzkulturellen Auseinandersetzungen, deren integraler Bestandteil die Instrumentalisierung des materiellen Kulturerbes der deutsch-dänischen Schwellenregion war. Bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit zerstörten so etwa vermutlich aus dem Widerstandsmilieu stammende Dänen die preußischen Siegesmonu276 »Det vil blive paaskønnet i Danmark, hvis der i fremtiden kan regnes med ikke alene fredning, men ogsaa fred omkring det gamle danske voldanlæg.« Fredning og Fred omkring Danevirke. In: Jyllands-Posten, 26. Februar 1960.

322

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

mente auf Düppel und Alsen sowie den Turm auf dem Knivsberg. In der ersten Danisierungsphase der regionalen Memorialtopographie in den 1920er Jahren waren diese aus Furcht vor dem südlichen Nachbarn stehengeblieben und wegen der deutschen Einflussnahme gezwungenermaßen wiederholt restauriert worden. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs sahen die Widerstandskämpfer die Zeit gekommen und stellten mit ihren Taten sowohl den deutschen Staat als auch die dänische Regierung vor vollendete Tatsachen. Dieser Vorgang symbolisierte den inszenatorischen Charakter von Denkmälern im öffentlichen Raum, die Zerstörung der Monumente konnte als Delegitimierung des deutschen Anspruchs auf die Region gelesen werden. Zwei weitere Beispiele verdeutlichen im Kontext dieser erneuten Danisierungsphase die nationale Relevanz des Grenzraumes für die kollektive Identität und das Nationalbewusstsein Dänemarks: Die Rückkehr des Flensburger Löwen aus seinem Berliner »Exil« nach Dänemark wurde als nationales Ereignis inszeniert. Auch wenn das Denkmal zunächst nicht an seinem ursprünglichen Standort in Flensburg, sondern in Kopenhagen wiedererrichtet wurde, bedeutete der Vorgang das symbolische Ende der als Unterdrückung empfundenen deutschen Einflussnahme in der Region. Zugleich versinnbildlichte das Monument gerade in nationaldänischen Kreisen den eigenen Anspruch auf den schleswigschen Grenzraum. Neben dem Idstedt-Löwen kristallisierte sich das mittelalterliche Kulturerbe der Region als zweites Aktionsfeld der neueiderdänischen Bewegung im kulturellen Grenzkampf heraus. So nahm Søren Telling als dänischer »Statthalter am Danewerk« eine wichtige Funktion in der Aufrechterhaltung des nationalen Anspruchs auf den Verteidigungswall ein. Die große mediale Präsenz seiner Person sowie die äußerst kritische und emotionale Begleitung der Vorgänge deuten in diesem Zusammenhang auf eine elementare nationale Relevanz des schleswigschen Kulturerbes für den dänischen Staat hin. Die teilweise sehr martialische und vom Grenzkampf geprägte Berichterstattung über Telling und die als unzureichend empfundenen deutschen Schutzbemühungen fanden erst nach der Verabschiedung der Bonn-Kopenhagener Erklärungen 1955 eine allmähliche Beruhigung. Das Beispiel veranschaulicht den Konnex von Politik und Geschichtskultur im deutsch-dänischen Verhältnis der Nachkriegszeit. Die grundlegende dänische Kritik an der vermeintlich gleichgültigen Stellung der deutschen Behörden gegenüber dem Danewerk täuschte jedoch darüber hinweg, dass sich insbesondere die Vertreter des Landesamtes für Vor- und Frühgeschichte für den Erhalt der Wallanlagen einsetzten und die Schutzbemühungen durch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit vorangetrieben wurden. Einzelne Widerstände ergaben sich dabei aber aus politischen Gründen innerhalb der regionalen Behörden Schleswig-Holsteins. Die offensive Kulturpolitik der neueiderdänischen Bewegung war vor allem durch den totalen Zusammenbruch Deutschlands bedingt, der anders als in den

Zwischenfazit

323

1920er Jahren breite Bevölkerungsschichten der Region empfänglich für die Forderung einer Grenzrevision machte. Die politischen Umstände machten es in Schleswig-Holstein notwendig, das kulturelle Erbe von den stark nationalistisch geprägten Botschaften der beiden Jahrzehnte zuvor zu lösen, um wie im Fall der Idstedt-Gedächtnishalle einer endgültigen Schließung des Museums durch die britischen Besatzungsbehörden zu entgehen beziehungsweise wie im Kontext des Knivsberges eine Legitimation für die Fortführung der Minderheitenarbeit zu erhalten. Dieser Prozess stand unter dem Vorzeichen einer Regionalisierung des Kulturerbes und der Betonung eines Opfernarratives, welches die eigene Verantwortung für die Ereignisse zur Zeit des Dritten Reichs negierte und ein positives Selbstbild konstruierte. Dabei behielten zahlreiche zentrale Persönlichkeiten des regionalen kulturellen Lebens aus den Jahren zuvor ihre einflussreichen Positionen. Exemplarisch für die personelle Kontinuität waren etwa der Museumspfleger Alfred Kamphausen, der Frühhistoriker Herbert Jankuhn sowie die Vertreter des Landesamtes für Vor- und Frühgeschichte. Entsprechend den politischen Zwängen stellte sich die deutsche Volksgruppe in den Nachkriegsjahren auf den alljährlichen Knivsbergfesten als Opfer der vermeintlichen nationalsozialistischen Verführung und der anschließenden dänischen Rechtsabrechnung dar. Besonders deutlich wurde der grundlegende politische Wandel im Kontext des baukulturellen Erbes. Während sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auf deutscher Seite vor allem offensive Aspekte mit der Kulturpolitik verbunden hatten, stellte sich die Situation in der Nachkriegszeit völlig konträr dar. Initiativen wie die Hausforschertagung im Landesmuseum Schloß Gottorf im Juni 1952 beabsichtigen, die ländliche Bebauung südlich der aktuellen Grenzlinie als ein genuin deutsches Kulturerbe darzustellen und so argumentativ gegen die neueiderdänische Bewegung vorzugehen. Im Gegensatz zur Hausforschung der Vorkriegszeit wurden angesichts der politischen Situation die deutschen Gebietsansprüche fallen gelassen und stattdessen wurde die Legitimität der aktuellen Grenzziehung betont. Gegenüber den stilistischen Überschneidungen der vorindustriellen Bauweisen und der Heimatschutzbewegungen bestand daher kein Bewusstsein. Die Abkehr von den nationalen Sinnzusammenhängen im Kontext mit dem Kulturerbe wurde auch durch die Politik der alliierten Besatzungsmächte zwingend notwendig: So gaben die britischen Behörden ihre Zustimmung zu einer Neueröffnung der Idstedt-Gedächtnishalle erst nach einer inhaltlichen Neuausrichtung des Museums. Es zeigte sich jedoch, dass der angestrebte Wandel teilweise nur ein Lippenbekenntnis darstellte, denn die Überarbeitung der Ausstellung erfolgte wie bereits in den 1930er Jahren durch den Schleswiger Stadtarchivar Ernst Petersen, der die Halle inhaltlich zunächst dem nationalsozialistischen Weltbild angepasst hatte und nun die Grundlage dafür legen

324

Das materielle Kulturerbe im Grenzkampf der Nachkriegszeit (1945 – 1960)

sollte, dass der historische Schauplatz zu einem Ort der gemeinsamen deutschdänischen Erinnerung wird. In der Praxis zeigte sich jedoch vor allem auf den jährlichen Gedenkfeiern eine Fortsetzung der antidänischen Botschaften, die sich mit dem Museum verbanden. Besonders der Schleswig-Holsteinische Heimatbund trat als zentraler regionaler Erinnerungsakteur in diesem Kontext hervor und verhinderte so die Etablierung eines gemeinsamen Gedenkens. Der ab 1953 deutlich werdende Europagedanke in den Reden auf den Gedenkfeiern muss daher im Kontext der Grenzkampfes gesehen werden, denn über ihn versuchte der SHHB eine moralische Überlegenheit der deutschen über die dänische Seite abzuleiten. Erst mit den Bonn-Kopenhagener-Erklärungen 1955 und dem sich anbahnenden Ost-West-Konflikt bekamen nationale Narrative eine erneute Relevanz. So deuteten zahlreiche Redner auf den Gedenkfeiern die Ereignisse von Idstedt als historische Schablone für die deutsche Teilung, aus der sich eine Hoffnung für die Zukunft ableiten ließ. Für die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg besaßen im Kontext des materiellen Kulturerbes somit insbesondere zwei Entwicklungen eine zentrale Relevanz: Erstens ging mit dem deutschen Zusammenbruch und dem anschließenden Grenzkampf eine grundlegende Machtverlagerung und Rollenneuverteilung im Grenzraum einher. Während Dänemark seit 1864 das Kulturerbe der Region zuvorderst in den Dienst der territorialen Abgrenzung und Absicherung der nationalen Scheidelinie gestellt hatte, nutzte die neueiderdänische Bewegung das kulturelle Erbe nach 1945 für die offensive Formulierung von Gebietsansprüche. Zugleich sah sich die deutsche Seite nun politisch und kulturell bedroht und instrumentalisierte etwa das regionale Bauerbe in den Auseinandersetzungen mit Dänemark. Zweitens setzte in Schleswig-Holstein eine Regionalisierung der Bezugsrahmen und ein Rückgriff auf die Sinnzuschreibungen des 19. Jahrhunderts ein. Seit der Volksabstimmung 1920 war das regionale Kulturerbe zunehmend in nationale Narrative eingeordnet worden, angesichts der politischen Umstände bedurfte es nun einer Abkehr von diesen Botschaften. Stattdessen ermöglichte die regionale Perspektive, etwa im Kontext des Knivsberges oder der Idstedt-Gedächtnishalle, sich von den Verbrechen des Dritten Reichs zu distanzieren und über ein eigenes Opfernarrativ ein positives regionales Selbstbild zu konstruieren.

VI. Das materielle Kulturerbe zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung (1960 – 1990)

VI.1. »Modellfall Schleswig« Der Ratifizierung der Bonn-Kopenhagener Erklärungen im dänischen Reichsund im westdeutschen Bundestag 1955 schloss sich in den folgenden Jahren eine Beruhigung der politischen Auseinandersetzungen im Grenzland an. Mit der rechtlichen Absicherung der beiden nationalen Minderheiten ging eine allmähliche Beruhigung der grenzkulturellen Auseinandersetzungen, die das Leben in Schleswig seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges geprägt hatten, einher. Eine Reihe an bilateralen Abkommen zwischen Deutschland und Dänemark führte darauf aufbauend zu einer weitestgehenden Normalisierung des Verhältnisses.1 In der Folgezeit wurde auch deutlich, dass für die weitere Entwicklung der Beziehungen der beiden Staaten die Minderheitenpolitik von grundlegender Relevanz war. Die in den Bonn-Kopenhagener Erklärungen deklarierten Rechte auf die Ausübung politischer Teilhabe und die Repräsentation in den jeweiligen Gesetzgebungsverfahren bildeten die Grundlage für die Arbeit des Südschleswigschen Wählerverbandes in Schleswig und der politischen Vertretung der deutschen Minderheit, der Slesvigsk Parti, in Dänemark. Darüber hinaus ermöglichte die 1964 erfolgte Gründung eines gemeinsamen Kontaktausschusses der dänischen Regierung und des Bundes Deutscher Nordschleswiger einen ständigen politischen Austausch.2 1 Wichtige Etappen bildeten ein Entschädigungsabkommen für die im Dritten Reich verfolgten Dänen (1959), die Gründung eines Goethe-Institutes zur Vertiefung der kulturellen Austauschbeziehungen in Kopenhagen (1961), das Übereinkommen um die weitere Grenzführung auf dem Kontinentalsockel (1965) sowie zahlreiche Handels- und Kulturabkommen in den 1970er Jahren. 1970 war mit Gustav Heinemann erstmals ein deutscher Bundespräsident auf Staatsbesuch in Dänemark, 1974 kam Königin Margrethe II. im Gegenzug nach Deutschland. Vgl. Becker-Christensen, Fra »mod hinanden« til »med hinanden«, 2009. S. 445. 2 Ein am 6. September 1983 mit staatlichen Zuschüssen Dänemarks eingerichtetes Sekretariat der deutschen Minderheit am dänischen Reichstag in Kopenhagen institutionalisierte den Dialog zwischen Minderheits- und Mehrheitsbevölkerung. Vgl. zur Entwicklung der politischen Teilhabe der Minderheiten nach 1955: Kühl, Jørgen. En europæisk model? Den sles-

326

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Jedoch zeigte sich in den folgenden Jahren auch, dass von einer vollständigen Harmonisierung der bilateralen Beziehungen keine Rede sein konnte. Zwar setzte sich mit dem dänischen Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1973 die zwischenstaatliche Annäherung Dänemarks und Deutschlands fort. Das dänische Beitrittsersuchen erfolgte jedoch nicht, so der Historiker Bernd Henningsen in seinem Werk zur Geschichte des skandinavischen Staates, aus politischer Überzeugung von der europäischen Idee, sondern basierte in erster Linie auf wirtschaftlichen Überlegungen. Allein aus ökonomischen Gründen musste Dänemark seinem Haupthandelspartner Großbritannien in die Wirtschaftsgemeinschaft folgen, auch wenn die »politischen Vorbehalte, zunächst gegenüber Deutschland, dann gegenüber der Integrationspolitik der Gemeinschaft« nach dem Beitritt bestehen blieben.3 Das »dänische Dilemma«, aus wirtschaftlicher Notwendigkeit mit seinem südlichen Nachbarn innerhalb einer europäischen Kooperation zusammenzuarbeiten, offenbarte sich bereits im Vorfeld des Beitrittsgesuches, als der dänische Außenminister Per Hækkerup die aktuelle Situation seines Staates mit drei Problemen umriss: »Deutschland, Deutschland und noch einmal Deutschland.«4 Ähnlich wie die dänische Zustimmung zum deutschen NATO-Beitritt 1955 steht die gemeinsame Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft so eben nicht für einen grundlegenden Wandel in den deutsch-dänischen Beziehungen. Dennoch bildete die zunehmende internationale Verflechtung beider Staaten die Grundlage für den Abbau nationaler Ressentiments, der sich insbesondere im Grenzland bemerkbar machen sollte. Bereits bei der Volksabstimmung über einen möglichen dänischen EWGBeitritt hatte sich in der Region Sønderjylland im Vergleich mit dem restlichen Dänemark eine höhere Zustimmungsrate für diesen Schritt gezeigt.5 Das verdeutlicht, dass in der Bevölkerung des Grenzlandes eine grundsätzliche Bereitschaft zu einer Annäherung an den deutschen Nachbarn vorhanden war. Ein zentraler Akteur dieser Entwicklung war der 1920 im Kontext des Grenzkampfes gegründete Grænseforeningen, der zunächst im Grenzkampf die dänische Minderheit unterstützte und nach der Beruhigung der Auseinandersetzungen in den 1950er Jahren zunehmend für eine grenzüberschreitende Verständigung eintrat.6 Gerade aus der europäischen Gemeinschaftsbewegung, so umschrieb es Vorstandsmitglied Heinrich Schultz 1972 in einer Pressemitteilung, erwachse

3 4 5 6

vigske erfaring og de nationale mindretal. In: Ders. (Hrsg.). En europæisk model? Nationale mindretal i det dansk-tyske grænseland 1945 – 2000. Apenrade 2002. S. 351 – 453, hier S. 365 ff. Henningsen, Bernd. Dänemark. München 2009. S. 159. Ebd. S. 160. Becker-Christensen, Fra »mod hinanden« til »med hinanden«, 2009. S. 446. Zur Geschiche des Grænseforeningen siehe: Qvortrup, Helge. …til støtte for danskheden. Grænseforeningen 1920 – 1990 (Grænseforeningens ”rbog; 25). Apenrade 1991.

»Modellfall Schleswig«

327

ein großes Potential für die Region durch die Förderung eines transnationalen, schleswigschen Zusammengehörigkeitsgefühls.7 Bereits im August 1972 hatte der Grænseforeningen darauf verwiesen, dass mit der sich verändernden politischen Situation auch das in den dänischen Geschichtsbüchern verbreitete landesgeschichtliche Bild der Entwicklung des Grenzlandes angepasst und insbesondere der modellhafte Charakter der Minderheitenlösung betont werden müsse: Die meisten Bücher bleiben um 1955 stehen, und etliche reichen nicht länger als bis 1920. Die Schüler können deshalb leicht den Eindruck bekommen, dass das dänischdeutsche Verhältnis im Grenzland entweder weiterhin als eine offene Streitfrage bestehen bleibt oder dass es als eine Folge der Minderheitserklärungen von 1955 so ruhig ist, weil [die Frage] komplett geklärt ist […]. Nicht nur von deutscher Seite wird es häufig betont, dass das dänisch-deutsche Verhältnis im Grenzland sich in die Richtung eines Beispiels für die europäische Zusammenarbeit entwickelt hat […].8

Im Kontext des dänischen Beitrittes zur EWG etablierte sich sowohl in Schleswig-Holstein als auch in Dänemark zunehmend das Narrativ einer Vorbildfunktion der Grenzregion für die europäische Entwicklung. In dieser Erzählung wurde der deutsch-dänische Gegensatz, wie es auch in der Stellungnahme des Grenzvereines zum Geschichtsbild in den Lehrbüchern formuliert wurde, nach und nach durch die Betonung einer gegenseitigen Annäherung in einem transnationalen Europa abgelöst. Diese Vorstellung artikulierte sich etwa im Umfeld des Grænseforeningen durch Darstellungen, in denen das Grenzland als ein »Mini-Europa«9 erschien und vom »gegenseitigen Respekt«10 gesprochen wurde. Auch der 1950 im Grenzkampf der Nachkriegszeit mit dem Ziel der Verständigung zwischen den Nationen gegründete schleswig-holsteinische Grenzfriedensbund strebte unter dem Schlagwort »Europäischer Modellfall« in den 1960er und 1970er Jahren die Intensivierung des deutsch-dänischen Zusammenarbeit an.11 Selbst in der Geschichtspolitik des Schleswig-Holsteinischen 7 Schultz brachte etwa die Gründung einer gemeinsamen Universität in Flensburg oder die Verbreitung zweisprachiger Medien als mögliche Instrumente ins Gespräch. In: Rundschreiben des Grænseforeningen an die Zeitungsredaktionen vom Februar 1973. RA, Abt. 10056: Grænseforeningen, Nr. 433: 1971 – 1980. 8 »Langt de fleste bøger standser omkring 1955, og adskillige n”r ikke længere end til 1920. Eleverne kan derved f” det indtryk, at det dansk-tyske forhold i grænselandet enten stadig best”r som et ”bent stridsspørgsm”l, eller at det som følge af mindretalserklæringerne i 1955 lige s” stille er ved at afvikles helt […]. Ikke mindst fra tysk side understreges det jævnligt, at det dansk-tyske forhold i grænselandet har udviklet sig i retning af et eksempel for det europæiske samarbejde […].« Rundschreiben des Grænseforeningen an die Schulbuchredaktionen vom August 1972. RA, Abt. 10056, Nr. 433. 9 Flensborg Avis, 8. Januar 1972. 10 »gensidig respekt«. In: Jydske Tidende, 8. Januar 1972. 11 Eysholdt, Tilmann. Im Spannungsfeld von Nation und Europa. Der Grenzfriedensbund 1950 – 1990. Flensburg 1990. S. 127.

328

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Heimatbundes vollzog sich, vorangetrieben durch progressive Kräfte, die eine gesellschaftliche Marginalisierung des Verbandes verhindern wollten, ein allmählicher Wandel, der eine europäische Perspektive in das von ihm propagierte Landesbewusstsein einfließen ließ.12 Die Entwicklung der deutsch-dänischen Beziehungsgeschichte stellte sich in den 1970er Jahren jedoch nicht als reine »Erfolgsgeschichte« dar, die von Harmonisierung und Normalisierung geprägt war. So machten sich in SchleswigHolstein politische Differenzen zwischen den Befürwortern einer gegenseitigen Verständigungsarbeit im Rahmen der europäischen Integration und den Vertretern eines eher konservativen Lagers bemerkbar, die unter den Schlagworten »Heimat« und »Nation« die Abgrenzungsbestrebungen der 1950er Jahre bist weit in die 1980er tradierten. Der schleswig-holsteinische Oberregierungsrat und Landesbeauftragte für staatsbürgerliche Erziehung, Ernst Hessenauer, kritisierte angesichts des Ost-West-Konfliktes bereits 1960 mehrfach den Schleswig-Holsteinischen Heimatbund als rückwärtsgewandt und bezeichnete ihn als Vertreter längst überholter grenzkämpferischer Positionen. In einem Radiobeitrag für den Norddeutschen Rundfunk griff der Landesbeauftragte den SHHB für seine Sommerfreizeit, in der Kinder der deutschen Minderheit in der schulfreien Zeit nach Schleswig-Holstein gebracht wurden, um »in einer rein deutschen Umgebung an deutsche Sprache und deutsches Leben herangeführt zu werden«, als »gegenwartsfremd« an: Was soll zu diesem Zeitpunkt, zu dem man in Europa und zu der unser Land um ein engeres Verhältnis zwischen den beiden großen Wirtschaftsblöcken ringt, eine Ferienkinder-Aktion zur Rettung des deutschen Lebens? Ist denn das deutsche Leben in Dänemark bedroht […]?13

Viel wichtiger sei es, so Hessenauer, die eigene »Treue zu unserer europäischen Gesinnung« in einem »geschlossenen Abwehrkampf [der freien Welt] gegen die ernste Bedrohung durch den Kommunismus und nicht durch Dänemark« unter Beweis zu stellen. Die gegenseitigen kulturellen Einflüssen in der Grenzregion seien aus diesem Grund auch nicht mehr als Bedrohung, sondern als eine Bereicherung zu sehen.14 Das Festhalten des Heimatbundes an seinen alten Werten sah der Landesbeauftragte als ein Relikt des »romantisch-verklärten und provinziellen Heimatgefühls mancher älterer Grenzkämpfer in unserem Land«,

12 Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 238. 13 Radiobeitrag »Betrachtungen eines Staatsbürgers« von Oberregierungsrat Dr. Ernst Hessenauer vom 8. Juni 1960. LASH, Abt. 811: Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur, Nr. 6106: Schleswig-Holsteinischer Heimatbund (lfd. Beihilfe ab 1960 – 1975). 14 Ebd.

»Modellfall Schleswig«

329

welches jedoch glücklicherweise allmählich durch die Einsicht zu »gesamtdeutschem Denken und europäischer Gesinnung« verdrängt werde.15 Die Kritik Hessenauers am SHHB stand exemplarisch für den Beginn einer Entwicklung, an deren Ende der Heimatbund seine Position als zentraler regionaler Erinnerungsakteur verlor. Die vom Historiker Frank Bösch für die 1960er Jahre attestierte Krise des konservativen Lagers16 artikulierte sich in der zunehmenden Infragestellung der Positionen des SHHB in Bezug auf die Konzepte »Heimat« und »Nation« sowie auf seine skeptische Einstellung zu einer grenzüberschreitenden Annäherung. Durch die nach wie vor feste Verankerung des Heimatbundes in konservativen Bevölkerungsschichten äußerte sich hier ein Konflikt, der sich quer durch die schleswig-holsteinische Gesellschaft zog und ein deutliches Zeugnis von der inneren Zerrissenheit ablegte, die sich in der Frage um die Positionierung der Landespolitik gegenüber dem dänischen Nachbarn ergab. Noch in den 1980er Jahren hielt der Schleswig-Holsteinische Heimatbund entgegen der zunehmenden zwischenstaatlichen Annäherung weiterhin an den alten Konstituenten seiner Geschichts- und Kulturpolitik fest, die in den grenzkämpferischen Positionen der 1950er Jahre wurzelten. Ungeachtet der gesellschaftlichen Realitäten erhoffte sich der Verband, gerade durch die Propagierung eines national aufgeladenen Heimatbegriffes, seiner einsetzenden eigenen politischen Marginalisierung entgegenwirken und so den drohenden Verlust seiner Position als zentraler schleswig-holsteinischer Erinnerungsakteur an die Staatskanzlei der Landesregierung verhindern zu können.17 So rekurrierte der Vorsitzende des SHHB, Werner Schmidt, in seinem Vortrag auf der Jahreshauptversammlung des Bundes 1983 auf die vermeintlich historisch gewachsene Identität des Bundeslandes: Schleswig-Holstein ist im Gegensatz zu manchen anderen Bundesländern eine geschichtlich gewordene Einheit. Die Geschichte vor allem hat Menschen zwischen Elbe und deutsch-dänischer Grenze zu bewußten Schleswig-Holsteinern gemacht. […] Die Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze stören nicht, sondern bereichern den kulturellen Standard.18

15 Diskussionsbeitrag »Heimatbewußtsein und Nationalgefühl in unserer Zeit« von Dr. Ernst Hessenauer. LASH, Abt. 811, Nr. 6106. 16 Bösch, Frank. Das konservative Milieu. Vereinskultur und lokale Sammlungspolitik in ostund westdeutschen Regionen 1900 – 1960 (Veröffentlichungen des Zeitgeschichtlichen Arbeitskreises Niedersachsen; 19). Göttingen 2002. S. 214 f. 17 Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 239 f. 18 Protokoll der Jahreshauptversammlung des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes am 24. September 1983. LASH, Abt. 422.17: Vereine und Verbände. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund e.V., Nr. 298: Denkmalpflege, Schleswig-Holstein-Tag.

330

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Sein Attest, dass Schleswig-Holstein eine historische gewordene Einheit sei, verschwieg trotz der Betonung der Minderheit als Bereicherung die dänischen Einflüsse auf die Geschichte und Kultur des Landes und konstruierte so das Bild einer homogenen Kulturlandschaft, die eindeutig nach Norden und Süden abgrenzbar sei. Zugleich verdeutlichte Schmidt im weiteren Verlauf seiner Ansprache, dass das nationale Konzept auch weiterhin die Grundlage für die heimatpolitische Arbeit bilde und der SHHB dem europäischen Integrationsprozess generell skeptisch gegenüberstehe. Er lehnte den »neo-europäischen Einheitsbrei« ab und forderte stattdessen »Menschen […], die sich ihrer nationalen Identität bewußt sind.« Schmidt plädierte aus diesem Grund für eine Stärkung des Nationalbewusstseins durch eine aktive »Kulturpflege«.19 Bereits an anderer Stelle hatte der Vorsitzende wiederholt eine eher euroskeptische Position vertreten, in der er die kulturelle und nationale Abgrenzung zu den anderen Staaten betonte und vor einer Aufgabe der eigenen Identität als mögliche Folge der Marginalisierung der Grenzen warnte. Gerade der Rückgriff auf die Geschichte, so Schmidt in einem Vortrag auf dem Schleswig-Holstein-Tag 1978, sei ein adäquates Mittel, der kulturellen und nationalen dänischen Einflussnahme »unsere eigene Abwehr und unsere Bemühungen entgegenzustellen, unsere Art zu sein, zu denken und zu fühlen deutlich zu machen […].«20 Konsequenterweise sei es ratsam, die Distanz zwischen den Völkern trotz aller Notwendigkeiten einer europäischen Annäherung, zu bewahren.21 Die Entwicklung der deutsch-dänischen Beziehungen in der Grenzregion Sønderjylland/Schleswig ergibt vor dem Hintergrund der hier angerissenen Auseinandersetzungen ein vielschichtiges Bild. Es lässt sich feststellen, dass das Interesse an einer Verbesserung der Situation grenzüberschreitend vorhanden war und insbesondere die nationalen Minderheiten eine zentrale Position in diesem Prozess einnahmen. Aus diesem Grund entstand das Narrativ von der europäischen Modellregion Schleswig. Zugleich versinnbildlichen die dänischen Vorbehalte gegenüber der europäischen Einigungsbewegung sowie die hier beispielhaft von Werner Schmidt vertretenen Positionen des SHHB die Komplexität des bilateralen Verhältnisses in jenen Jahren.

19 Ebd. 20 Kieler Nachrichten, 11. September 1978. 21 »Der Realist wird jedoch wissen, daß Europa einen langen Atem braucht; oft ist sogar – auch in der Begegnung von Völkern – nüchterne Distanz ratsamer.« Kieler Nachrichten, 29. Mai 1979.

Schleswigs Denkmaltopographie nach dem Grenzkampf

331

VI.2. Schleswigs Denkmaltopographie nach dem Grenzkampf VI.2.a. »Ein Monument im Wandel der Zeit« – die Rückkehr-Debatte um den Idstedt-Löwen 1962 Ein anschauliches Beispiel für die Brüchigkeit des Grenzfriedens in jenen Jahren bildete der Fall des Flensburger Löwen. Seit seiner Rückführung nach Dänemark im Jahr 1945 stand dieser in Kopenhagen. Im Kontext der politischen Lösung der Minderheitenfrage durch die Bonn-Kopenhagener-Erklärungen von 1955 und der zunehmenden bilateralen und internationalen Verflechtung der beiden Staaten zeigte sich die dänische Bevölkerung offener für die Hinterfragung der eigenen Verhaltensweise und Verantwortung für die Entstehung des nationalen Gegensatzes in der Mitte des 19. Jahrhunderts. So erwuchs Ende 1961 im Zusammenhang einer medialen Auseinandersetzung über die Zukunft des IdstedtLöwen in der dänischen Presselandschaft eine Debatte über die Zerstörung der deutschen Monumente auf Düppel und Arnkiel 1945. Vielfach äußerte sich Scham über den »unnötigem Vandalismus« in der Nachkriegszeit.22 Zugleich äußerte sich der Wunsch, dass der Flensburger Löwe als Zeichen der Annäherung und der Versöhnung an seinen alten Standort in der Grenzstadt zurückkehren möge. Eine deutsche Geste, so der Tenor, wäre »ein sichtbares Pfand für die rechte seelische Einstellung zur Verteidigungsgemeinschaft [NATO], mit welcher ein neues Blatt in der Geschichte unserer beiden Völker geschrieben wird.«23 Das Publikationsorgan des schleswig-holsteinischen Grenzfriedensbundes, die Grenzfriedenshefte, griff die dänische Debatte auf und trug sie in den schleswig-holsteinischen Raum. Der Autor und Vorsitzende des Grenzfriedensbundes, Hans Peter Johannsen, sah in der Diskussion um das Denkmal die »Bewältigung eines Teilstückes der deutsch-dänischen Vergangenheit.«24 Im Sinne der programmatischen Ausrichtung des grenzpolitischen Publikationsorgans – von Johannsen und dem Verein als »Schrittmacher der Entspannung« konzipiert25 – plädierte er für eine beidseitige Annäherung über die Wiedererrichtung des Monumentes in Flensburg:

22 Zit. nach: Schmidt, Hanno. Ein Monument im Wandel der Zeit. Zur Frage der Wiedererrichtung des Idstedt-Löwen in Flensburg. In: Schleswig-Holstein. Monatshefte für Heimat und Volkstum; 14,2 (1962). S. 29 – 31, hier S. 31. 23 Zit. nach: Ebd. 24 Johannsen, Hans Peter. Debatte um ein Denkmal. In: Grenzfriedenshefte; 1/1962. S. 59 – 65, hier S. 59. 25 Der Grenzfriedensbund definierte in den 1960er Jahren seine und die der von ihm herausgegebenen Grenzfriedenshefte Aufgabe als die Bewahrung des Friedens im Grenzraum zwischen Königsau und Eider. Schriftleiter Ernst Beier etwa sah in der »Überwindung der nationalen Konfrontation durch Verständigung und Zusammenarbeit auf der Grundlage

332

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Im Kern handelt es sich bei der zu treffenden Entscheidung über den endgültigen Standort des Denkmals um eine Geste und um mehr, nämlich eine politische Entscheidung, die eine gute und fruchtbare Bedeutung für die Entwicklung des deutschdänischen Verhältnisses haben kann. Es sollte möglich sein, eine die dänische und die deutsche befriedigende Lösung zu finden, die gleichzeitig verhindert, daß diese Geste von beiden Partnern mißverstanden oder gar politisch im 20. Jahrhundert mißbraucht werden könnte.26

Angestoßen durch die dänische Mediendebatte äußerte sich der ehemalige Vorsitzende des SHHB und vormalige Flensburger Stadtpräsident Hanno Schmidt 1962 in einem Beitrag der Zeitschrift Schleswig-Holstein positiv gegenüber dem vorgebrachten Wunsch, das Denkmal an seinen alten Standort zurückzuführen. Schmidt verwies in seinem Kommentar auf das gewandelte Verständnis der Nation und »die Tatsache der fortschreitenden europäischen Einigung«, als deren eindrücklichste Belege er die sich »anbahnende deutschfranzösische Freundschaft« und Englands Aufgabe seiner »splendid isolation« sah.27 Im Zuge dieser Entwicklung stelle die »europäische Situation« einen politischen Zustand dar, in dem die »Nationen und Staaten nicht mehr gegeneinander« stehen, sondern »auf dem Weg zur großen Union« seien. Die Grundlage für diese europäische Förderation ohne gegenseitigen »Nationalhaß« bildete aus der Sicht Schmidts die Respektierung der Nachbarstaaten mit ihren Gefühlen, Erinnerungen und individuellen nationalen Entwicklungsgeschichten. Aus diesem Grund gelte es, die aus der Zeit des 19. Jahrhunderts stammenden Gegensätze an der deutsch-dänischen Grenze zu bewältigen.28 Schmidt attestierte dem Idstedt-Löwen ein großes grenzpolitisches Potential, das zu einem einvernehmlichen Übereinkommen zwischen den beiden Staaten beitragen könne, wenn Deutschland Dänemarks Initiative zum 100. Jahrestag der Entfernung des Denkmals aufgreife und dieses nach Flensburg zurückkehren lasse: Auch der Idstedt-Löwe ist ein bemerkenswertes Zeugnis der Geschichte, das eine für uns ebenso tragische wie für Dänemark glückliche Geschichtstatsache vor dem Vergessen bewahrt. Es wird das geschichtliche Bewußtsein anregen, und an den Schicksalen und Wanderungen dieses Monuments selber wird man den Gang der Geschichte und den Wandel der Zeiten erkennen. Seine Wiederaufrichtung in Flensburg wird für den, der die Gegenwart versteht und ihre Forderungen einsichtig bejaht, das Zeugnis eines gegenwärtig respektierten Status quo (Vokabel: Europäischer Modellfall)« das zentrale Anliegen des Vereines. Eysholdt, Spannungsfeld, 1990. S. 126 f. 26 Johannsen, Debatte, 1962. S. 59. 27 Schmidt, Monument im Wandel der Zeit, 1962. S. 29. 28 »Von der Bewältigung der Vergangenheit ist viel die Rede. Gemeint ist die jüngste Vergangenheit, und in der Tat ist sie eine unabweisbare Aufgabe. Aber gibt es nicht auch eine weiter zurück liegende Vergangenheit, mit der wir fertig werden müssen, und haben nicht alle Völker die Vergangenheit zu bewältigen! Für Dänemark scheint es schwerer zu sein, die Vergangenheit zu bewältigen, in deren Mitte die Auseinandersetzungen mit deutschen Mächten steht, als jene, die einstmals zwischen ihm und Schweden stand.« Ebd. S. 29 f.

Schleswigs Denkmaltopographie nach dem Grenzkampf

333

eines neuen Geschichtsabschnitts, ja eines die Völkerbeziehungen beherrschenden neuen Geistes sein.29

Aus diesem Grund begrüßte Schmidt die intensive Auseinandersetzung mit dem Denkmal und den teils widersprüchlichen Narrativen, die sich mit ihm verbinden. Er deutete den Prozess als ein Zeugnis für den geschichtskulturellen Wandel im Grenzraum und die Versöhnung im europäischen Kontext. Vor diesem Hintergrund plädierte der ehemalige Stadtpräsident dafür, das Denkmal, trotz seines Charakters als Siegesmonument, zu akzeptieren und die mit ihm verbundenen nationaldänischen Emotionen zu tolerieren: Von dänischer Seite möchte man das Monument als Grabmal hinstellen. Nun – geben wir der Wahrheit die Ehre: Wir wissen, daß man es mit gleichem Recht als Siegesmal auffassen kann. Aber selbst wenn es das ist! […] Die Zeit fordert von uns, dafür Verständnis zu haben! An der historischen Tatsache dieses Sieges kommen wir bei allem Schmerz um so viel vergebliche Tapferkeit schleswig-holsteinischer Soldaten nicht vorbei. Wenden wir also bei diesem Denkmal den Blick ins Zukünftige, sehen wir in der Geschichte den schmerzlichen Weg über Irrungen und Wirrungen zu endlicher Gemeinsamkeit.30

Gleichzeitig appellierte Schmidt in seinem Beitrag, historische Ereignisse im Grenzland nicht miteinander aufzurechnen. Die Zerstörung deutscher Siegeszeichen im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg durch dänische Widerstandskämpfer solle nicht der Grund für eine Verweigerung der grenzüberschreitenden Versöhnung sein: Wollten wir an das Schicksal der deutschen Denkmäler von Düppel und Arnkiel erinnern – nun, dann könnte Dänemark auf die von deutschen Truppen zerstörte Säule auf Skamlingsbanke verweisen. Eine unwürdige Abrechnung kann nicht unsere Absicht sein.31

Das Plädoyer des vormaligen Flensburger Stadtpräsidenten belegt am Beispiel des Löwen-Monumentes die von den Kulturwissenschaftlern Regina Bendix, Dorothee Hemme und Markus Tauschek hervorgehobene Wandelbarkeit und Konstruktivität des Kulturerbes.32 Die Akzeptanz eines abweichenden, durch das Denkmal im öffentlichen Raum materialisierten Narratives in Konkurrenz zu den eigenen Raumbesetzungen zeugt von einer Verschiebung der Erinnerungsrahmen. Während der Flensburger Löwe seit seiner Errichtung auf Widerstand von Seiten der deutschgesinnten Bevölkerung gestoßen war, zeugte das Aufgreifen der dänischen Initiative durch den Grenzfriedensbund und Hanno 29 30 31 32

Ebd. S. 31. Ebd. Ebd. Bendix/Hemme/Tauschek, Vorwort, 2007. S. 9.

334

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Schmidt 1962 vom Aufbrechen tradierter Selbst- und Fremdbilder im Grenzraum. Die weiteren schleswig-holsteinischen Reaktionen auf den Vorschlag zur Rückführung des Monumentes zeigten jedoch, dass die negativen Erinnerungen an den Grenzkampf noch zu präsent für eine sachliche Diskussion um das Nationaldenkmal Idstedt-Löwe waren und belegen gleichzeitig Jan Assmanns These, dass kollektive Erinnerungsrahmen von einer langen Haltbarkeit geprägt sind.33 Darüber hinaus verdeutlichte die sich anschließende Debatte, dass die zwischenstaatliche Annäherung und Entspannung im Grenzland weiterhin auf einer äußerst brüchigen Grundlage basierte. Die Redaktion der Zeitschrift Schleswig-Holstein resümierte bereits in der auf Schmidts Plädoyer folgenden Ausgabe, dass inzwischen selbst in Dänemark »auch warnende oder ablehnende Stimmen, die mit nicht gerade deutschfreundlichen Begründungen für ein Verbleiben des Denkmals in Kopenhagen eintreten[,]« laut geworden waren.34 In Flensburg richtete sich aus konservativen Kreisen gegen das CDU-Mitglied Hanno Schmidt der Vorwurf der nationalen Unzuverlässigkeit.35 Der städtische Ortsverein des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes argumentierte in einer Stellungnahme gegen die Rückkehr des Denkmals. Er begründete seine Position mit dem Charakter des Löwen als politisches Siegeszeichen, das in bestimmten dänischen Kreisen noch immer Aktualität besitze: »Unzweifelhaft war das Monument auch nach dänischen Darstellungen […] als Verherrlichung des dänischen Sieges bei Idstedt gedacht […].«36 Vor diesem Hintergrund zeige sich in der grenzpolitischen, eiderdänischen Symbolik des Monumentes ein »enttäuschender Widerspruch […] zu dem Geist der europäischen Zusammenarbeit […].«37 Als Folge des Widerspruches in erster Linie aus den konservativen Kreisen der schleswig-holsteinischen Gesellschaft, aber auch von dänischen Staatsbürgern, scheiterte die Initiative, den Idstedt-Löwen zum 100. Jahrestag seiner Demontage durch die preußischen Behörden in einen grenzüberschreitenden Entspannungs- und Annäherungsdiskurs einzubinden. Die Debatte zentrierte sich auf schleswiger-holsteinischer Seite wie bereits in der Mitte des 19. Jahr33 Assmann, Israel und Ägypten, 1997. S. 23. 34 N.N. Wiedererrichtung des Idstedt-Löwen? In: Schleswig-Holstein. Monatshefte für Heimat und Volkstum; 14,3 (1962). S. 82. 35 Vgl. Adriansen, Denkmal und Dynamit, 2011. S. 120. 36 Weiter hieß es: »Die Frage ist und bleibt, ob weiterhin die Möglichkeit besteht, in dem gegebenenfalls in Flensburg wiederaufgestellten Denkmal einen gegen Grundauffassungen der deutschen Schleswig-Holsteiner gerichteten Zeugen zu sehen – einen Zeugen, der zur Belebung weiterhin vorhandener Hoffnungen auf ein bis zur Eider reichendes Dänemark oder auf ein ›Südschleswig – nicht außerhalb, sondern innerhalb der Grenzen Dänemarks‹ benutzt werden kann.« N.N. Wiedererrichtung des Idstedt-Löwen?, 1962. S. 82. 37 Ebd.

Schleswigs Denkmaltopographie nach dem Grenzkampf

335

hunderts vor allem auf die miteinander in Relation stehenden Fragen zu der ursprünglichen politischen Semantik des Denkmals und darüber hinaus zu seiner Einbindung in die neueiderdänischen Bewegung der Nachkriegszeit. An den Argumenten der Gegner einer Rückkehr-Lösung lässt sich eine Tradierung der negativen Sinnzuschreibung aus dem 19. Jahrhundert in die 1960er Jahre erkennen. Dies zeugt davon, dass gerade die trennenden Aspekte, die mit dem Kulturerbe verbunden sind, als fragmentarische Erinnerung überliefert werden, ihre Bedeutung behalten und als signifikante identitätsstiftende Faktoren ihre Wirkmächtigkeit in der Imagination von kollektiven Entitäten auch unter sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Umständen ausüben.38 Im Jahr 1983 wurde die Standortfrage des Denkmals erneut thematisiert: Im Rahmen der Vorbereitungen des 700jährigen Jubiläums der Stadt Flensburg plädierten zahlreiche Bürger dafür, die dänische Königin, in deren Besitz sich der Idstedt-Löwe offiziell befand, um eine Rückgabe zu bitten. Wie bereits rund zwanzig Jahre zuvor zeigte sich in der Folge abermals, dass es für einvernehmliche Lösung immer noch zu früh war : So bezog der Flensburger Stadtpräsident Artur Thomsen eine klare Position gegen die Wiedererrichtung der Statue auf dem Alten Friedhof.39 In einem Artikel für die Grenzfriedenshefte betonte er, dass die Gefallenengräber für sich selbst genommen als ein »Mahnmal gegen den Krieg« wirken, die Anwesenheit des Denkmals jedoch, welches nur für sehr kurze Zeit und gegen den Willen einer Mehrheit der Bevölkerung Teil der Flensburger Stadttopographie gewesen sei, nichts zum Verständigungswillen und Grenzfrieden beitragen würde: »Wir sollten daher den Idstedt-Löwen ruhigen Gewissens vergessen.«40 Dem widersprach der dänische Historiker Frederik Rudbeck, der beklagte, dass den vielen positiven Kommentaren zu der vermeintlich deutsch-dänischen Annäherung keine konkreten Taten folgen würden: Wir sprechen schön und anerkennend über das nette deutsch-dänische Verständnis. Wir freuen uns darüber, wie gut es beiden Minderheiten geht, daß der frühere Grenzlandsverdruß von guter Nachbarschaft abgelöst ist. Aber sobald man von der Heimkehr des Idstedt-Löwen spricht, dann streiten sich die Geister.41

Im Kontext der erneuten Auseinandersetzungen über den Denkmalstandort versinnbildlichte sich das weiterhin brüchige Verhältnis der beiden Staaten. So 38 Vgl. Cosgrove, Denis. Heritage and History. A Venetian Geography Lesson. In: Peckham, Robert Shannan. Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 113 – 123, hier S. 115. 39 Der Alte Friedhof war vormals der Marienfriedhof. 40 Thomsen, Artur. Der Idstedt-Löwe. In: Grenzfriedenshefte; 3/1983. S. 140 – 141, hier S. 140 f. 41 Rudbeck, Frederik. Der Flensburger Löwe. In: Grenzfriedenshefte; 3/1983. S. 141 – 142, hier S. 141 f.

336

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

offenbarte sich auch fast vierzig Jahre nach den Denkmalstürzen und der Danisierung der Monumentaltopographie in Nordschleswig in der Nachkriegszeit das Bedürfnis nach einer klaren symbolischen Abgrenzung. Einen weiteren Beleg dafür, dass die politische deutsch-dänische Annäherung keinesfalls eine zunehmende Aufgeschlossenheit für das kulturelle Erbe der Gegenseite bedeutete, exemplifiziert beispielsweise auch das Areal der Düppeler Schanzen. Die durch die Stürze der preußischen Denkmäler auf Düppel und Arnkiel fortgeführte nationale Monopolisierung der Denkmalslandschaft fand 1964 im Rahmen der Gedenkfeier zum 100. Jubiläum des Deutsch-Dänischen Krieges ihre Fortsetzung. Als eine rein nationale Veranstaltung richtete sich die Feier in ihrer Intention ausdrücklich gegen eine deutsch-dänische Versöhnung im Bereich des Kulturerbes, so wurden etwa die deutschen Vorschläge für eine gemeinsame Gedenkfeier von der dänischer Seite abgelehnt.42 In einer spontan gehaltenen Rede zur Landesgeschichte der Grenzregion hob der dänische König Frederik IX. den heldenhaften und gerechten Verteidigungskampf Dänemarks an den Schanzen hervor, der nur durch die schiere Übermacht der Gegner gebrochen worden sei. Zentrales Element seiner Deutung bildete die gemeinsame Leidenserfahrung angesichts des deutschen Angriffes auf die staatliche Souveränität Dänemarks: Düppel! Kein Name hat einen solchen Klang. Heute haben wir in tiefer Ehrfurcht derer gedacht, die hier auf Düppel gefallen sind. […] Zuletzt sanken sie vor der Übermacht zu Boden, aber sie fielen mit Ehre für unser altes Land. Als der Krieg zu Ende war, begann hier unten ein neuer waffenloser Kampf mit dem Ziel, das Dänentum im Landesteil zu bewahren. Und wir können heute nicht an dieser Stelle stehen, ohne derjenigen Männer und Frauen zu gedenken, die 56 Jahre lang zäh gegen eine Fremdherrschaft und eine fremde Sprache gekämpft haben, um ihre eigene zu bewahren.43

Aus dieser Leidenszeit ergebe sich, so Frederik IX., eine Verantwortung für die Zukunft, gerade auch da nicht alle Dänen aus dieser Fremdherrschaft befreit worden seien.44 Zentrales Argument in der Ehrung der Gefallenen stellte hier, wie auch andernorts immer wieder das historische Recht dar, welches den eigenen Anspruch auf die Region Schleswig vermeintlich legitimieren würde. Die dänische Historikerin Inge Adriansen führte als Grund für die Emotionalität und die Spontaneität der Rede des Monarchen eine allgemeine Tendenz zur Geschichtslosigkeit in der dänischen Gesellschaft an, der Frederik IX. auf diese 42 Am 19. April 1964 kam es hingegen zu einem gemeinsamen dänisch-deutschen Gedenkgottesdienst, der im Vorfeld eine kontrovers geführte Debatte auslöste, sich aber einer großen Resonanz und im Nachhinein positiven Bewertungen erfreuen konnte. Weitling, Düppel-Rezeption, 2010. S. 183 f. 43 Zit. nach: Adriansen, Wirkungen des Krieges, 2010. S. 167. 44 Ebd: »Aber wir gedenken auch mit Wehmut der Landsleute, die südlich der Grenze bleiben mussten. Sie kämpfen weiter, um ihre Kultur und Familientradition zu bewahren […].«

Schleswigs Denkmaltopographie nach dem Grenzkampf

337

Weise begegnen wollte. Die Gedenkplätze und -veranstaltungen waren wie auf schleswig-holsteinischer Seite – etwa im Fall der Idstedt-Gedächtnishalle45 – mit sinkenden Besucher- und Teilnahmerzahlen konfrontiert, die sich aus einem generellen gesellschaftlichen Wandel ergaben.46 Eine Emotionalisierung des Kulturerbes und der Geschichte sollte der zentralen gesellschaftlichen Funktion dieser Erinnerungsorte eine neue Bedeutung zukommen lassen.

VI.2.b. »Dem Gedenken unserer Gefallenen und Vermißten« – der Knivsberg und die deutsche Opfererinnerung Im Zuge der neuen Sinngebung für die Minderheitenarbeiten der deutschen Volksgruppe im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg in Nordschleswig erfolgte seit der Mitte der 1950er Jahre auch eine Rekontextualisierung der Versammlungsstätte auf dem Knivsberg, die fortan von der Kanonisierung eines regionalen Opfernarratives der Bevölkerungsgruppe geprägt wurde. Bereits direkt nach Kriegsende hatte sich im Kontext der alljährlichen Knivsbergfeste die Vorstellung artikuliert, dass die Minderheit sowohl das Opfer der Nationalsozialisten als auch das der dänischen Rechtsabrechnung geworden sei. Mit der Zerstörung des Turmes verbanden die Mitglieder der deutschen Volksgruppe eine ideelle Distanzierung zum nationalsozialistischen Regime und deuteten den Vorgang zugleich als Beleg für die ungerechtfertigte Bestrafung durch die dänischen Behörden nach 1945.47 Das Opfernarrativ bildete die Grundlage für die Verdrängung der Erinnerung an die eigene Involvierung in die Ereignisse der Jahre zwischen 1933 und 1945 und schuf auf dieser Basis die Voraussetzung für ein positives Selbstbild. Der walisische Kulturwissenschaftler Raymond Williams betonte in seiner Arbeit Culture and Society 1780 – 1950 die wie im Falle des Knivsbergs deutlich werdende Selektivität und Wandelbarkeit der mit dem Kulturerbe in Relation stehenden Erinnerung.48 Von grundlegender Bedeutung ist dabei auch die vom Althistoriker Egon Flaig dargestellte kulturelle Bedeutung des Vergessens bestimmter Teile ihrer Geschichte für Kollektive, die so ihre eigene positiv konnotierte Identität bewahren können.49 Bereits in den 1950er Jahren setzte nach der dänischen Rechtsabrechnung die Konsolidierung der deutschen Minderheit und ihrer Strukturen ein. Im Rahmen dieses Prozesses nahm das Gedenken an die im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallenen deutschen Nordschleswiger eine zentrale Rolle ein. Die Kanonisie45 46 47 48 49

Vgl. Kap. VI.3.a. Vgl. Bösch, Das konservative Milieu, 2002. S. 214 f. Vgl. Kap. V.2.b. Williams, Culture and Society, 1983. Flaig, Soziale Bedingungen, 1999. S. 39 ff.

338

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

rung dieser Opfererinnerung machte sich im Umfeld des Knivsbergs durch den Rückgriff auf die Idee aus der Zeit des Dritten Reiches bemerkbar, den Kriegstoten an der Versammlungsstätte einen Ehrenhain zu errichten. Über eine Neugestaltung der Anlage sollte dieser Aspekt einen signifikanten Platz im öffentlichen Leben der Minderheit erhalten. Gemeinsam mit den Vertretern nordschleswigscher Kameradschaftsverbände wurden in einem Denkmalausschuss die Grundzüge des Gedenkens erörtert und entsprechende Rahmenbedingungen festgelegt: Erstens sollte die Gedenkstätte an einem ruhigen, leicht abseits gelegenen Ort auf dem Knivsberg als »Platz der Besinnung« eingerichtet werden. Zweitens strebten insbesondere die Kameradschaftsverbände eine Gleichstellung der Gefallenen beider Weltkriege an.50 Diese inhaltliche Neuausrichtung der Gedenk- und Versammlungsstätte der deutschen Minderheit war der Grund für eine ablehnende Haltung der dänischen Mehrheitsbevölkerung gegenüber dem Knivsberg bis in die 1990er Jahre. Zwar verzichtete die deutsche Volksgruppe fortan auf die Verwendung nationalpolitischer Symbole und Inschriften, zugleich führte die Gleichstellung der Gefallenen des Ersten Weltkrieges, unter denen zahlreiche dänischgesinnte Schleswiger gewesen waren, die der Einberufung in die Reichswehr nicht entgehen konnten, mit denen des Zweiten Weltkrieges, von denen viele freiwillig in den Krieg gezogen waren, zu Irritationen in Dänemark.51 Dies war der Grund dafür, dass der Ort in Dänemark auch weiterhin als Symbol der deutschen Machtansprüche auf den Grenzraum und der deutschen Besatzungszeit gedeutet wurde.

50 Doege, Ehrenhain, 1994. S. 211. 51 Die Teilnahme der Nordschleswiger am Zweiten Weltkrieg erfolgte auf freiwilliger Basis, da sie als dänische Staatsbürger galten und deswegen nicht von der Einberufung in die Wehrmacht betroffen waren. Ein Großteil der rund 2000 Kriegsfreiwilligen diente in der WaffenSS, rund ein Drittel überlebte den Weltkrieg nicht. Vgl. Adriansen, Knivsberg, 1994. S. 224: »Dennoch steht man hier als Däne mit gemischten Gefühlen, wenn man sieht, daß die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs völlig gleich gestellt werden. Denn es besteht ein Unterschied darin, der »schweren Bürde der Pflicht zu folgen (wie der Großteil der Nordschleswiger es 1914 – 18 tat) oder sich als Freiwillige meldeten (wie es die deutschen Nordschleswiger 1939 – 45 taten).«

Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle

339

VI.3. Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle VI.3.a. Neukonzeption Doch nicht nur die Versammlungsstätte der deutschen Minderheit zeugt von der weiterhin trennenden Wirkung des kulturellen Erbes. Die in den späten 1950er Jahren einsetzende Entwicklung, die Idstedt-Gedächtnishalle im Rahmen der Jahresfeierlichkeiten nicht nur als Zeugnis einer regionalen Historie zu sehen, sondern nach und nach in den Ost-West-Auseinandersetzungen politisch zu instrumentalisieren, setzte sich nach 1960 verstärkt fort. Im Gegensatz zu der weiterhin prägnanten Funktion, die das Gedenken an die Gefallen des SchleswigHolsteinischen Krieges in den alljährlichen Feierlichkeiten an der Gedächtnishalle einnahm, stellte sich die Situation für das Museum selbst als prekär dar. Dies war in erster Linie zwei Gründen geschuldet: Zum einen waren die Besucherzahlen der Halle seit Jahren rückläufig: Während 1936 noch 11.000 Personen52 gezählt wurden und die Besucherzahlen nach dem Umbau in der Nachkriegszeit gar auf 14.000 bis 15.000 stiegen,53 ging die Zahl bis in das Jahr 1975 auf unter 6.000 zurück.54 Zum anderen führte die unzureichende finanzielle Ausstattung zu einem starken Verfall des Gebäudes und der Ausstellung. So beklagte 1975 Theo Christiansen, der Leiter des Städtischen Museums in Schleswig: »Die personelle Betreuung ist schlecht, der bauliche Zustand und die Sicherung der Bestände ist unverantwortlich. Der Kreis Schleswig-Flensburg ist nicht mehr in der Lage, die Trägerschaft für die Gedächtnishalle auszuüben.«55 Lediglich durch die Idstedt-Feiern richtete sich einmal im Jahr der Fokus auf die 52 Schleswiger Nachrichten, 6. Februar 1936. 53 Protokoll über die gemeinsame Sitzung des Vorstandes SHHB und dem Idstedt-Ausschuss, dem Vorsitzenden des Deutschen Soldatenbundes und dem Vertreter des Landrats am 18. November 1975. GA SlFl, Abt. 16: Amt für Kultur und Wirtschaftsförderung 1820 – 1997, Nr. 72: Schenkungen für die Idstedt-Gedächtnishalle [Planung einer Neueröffnung des Museums und Gründung einer Stiftung]. 54 Ebd. 55 Ebd. In einem Memorandum vom Dezember desselben Jahres konkretisierte Christiansen seine Beschreibung der Zustände und beklagte den vernachlässigten Zustand der Ausstellung: »Seit dem Fortzug des Museumswärters Andreas Kübel ist die Beaufsichtigung und Pflege der Halle nicht mehr einwandfrei. Die seinerzeit notdürftig erfolgte Präparierung der Ausstellungsstücke hat inzwischen keine Wirkung mehr. Eine gründliche fachmännische Konservierung ist unbedingt erforderlich. Die immer stärker werdende Sammelleidenschaft vergrößert die Diebstahlgefahr von Jahr zu Jahr. Vor einigen Jahren wurden bereits Waffen aus der Halle entwendet. Das einsam liegende, ungesicherte Gebäude verführt direkt zum Einbruch. – Die museumsmäßige Darstellung entspricht nicht mehr den heutigen Erfordernissen. Eine grundsätzliche Neuordnung ist unbedingt erforderlich.« Memorandum von Museumsleiter Theo Christiansen vom Dezember 1975. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 72.

340

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Idstedt-Halle. Laut dem Historiker Matthias Schartl geriet »die Ausstellung allen ›Sonntagsreden‹ zum Trotz in Vergessenheit«.56 In einer gemeinsamen Sitzung des Vorstandes des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes mit dem IdstedtAusschuss, Vertretern des Deutschen Soldatenbundes und Landrat Gernot Korthals am 18. November 1975 versuchte man daher, eine gemeinsame Lösung zur Rettung der Ausstellungshalle zu finden. Theo Christiansen bezifferte die für die Instandsetzung benötigte Summe auf 100.000 Mark plus die darüber hinaus zusätzlichen Ausgaben für die personelle Betreuung und die laufende Unterhaltung des Gebäudes.57 Eine zwischenzeitlich diskutierte Verlagerung der Ausstellungsgegenstände nach Schleswig beziehungsweise Kiel und die damit verbundene Aufgabe der Halle als Museum wurde wie schon in den 1920er Jahren rasch zurückgewiesen.58 Zu wichtig sei die »Bedeutung der Gedächtnisstätte«, vor allem im Hinblick auf »den Anteil der dänischen Besucher«, so Amtsvorsteher Thomsen in der Ausschusssitzung.59 Entgegen der dem Ort vom SHHB zugesprochenen symbolischen und historischen Bedeutung für die Region, aber auch für den Versöhnungsprozess mit dem dänischen Nachbarn, konstatierte Christiansen jedoch, dass die »Bedeutung dieser Gedenkstätte […] von vielen heute leider nicht mehr erkannt« werde.60 Die Diskrepanz zwischen geschichtspolitischer Funktionszuschreibung durch den erinnerungspolitischen Akteur Heimatbund und der durch die Besucherzahlen deutlich werdenden schwindenden Akzeptanz in der Bevölkerung Schleswig-Holsteins begründete sich durch zwei Aspekte: Erstens hatte eine jahrelange Unterfinan56 Schartl, Idstedt, 2006. S. 17. 57 Protokoll über die gemeinsame Sitzung des Vorstandes SHHB und dem Idstedt-Ausschuss, dem Vorsitzenden des Deutschen Soldatenbundes und dem Vertreter des Landrats am 18. November 1975. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 72. 58 Die Stadt Schleswig hatte sich zuvor bereiterklärt, in einem erweiterten Stadtmuseum dem Schleswig-Holsteinischen Krieg einen eigenen Raum zu widmen, falls die Idstedt-Gedächtnishalle aufgrund der finanziellen Probleme aufgelöst werden würde. Memorandum vom SHHB vom 5. Mai 1977. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt Erinnerungen 3 dänisch«. 59 Christiansen verwies an späterer Stelle auf die »europäische Komponente« der Idstedt-Gedächtnishalle. Im Protokoll der Ausschusssitzung wurden die beiden Aspekte »Europa« und »dänische Besucher« dahingegen nicht weiter ausgeführt. (Ebd.). Sie sind jedoch im Sinne der seit den 1970er Jahren vom SHHB propagierten Annäherung von Schleswig-Holstein und Dänemark und Teil eines zeitgenössischen schleswig-holsteinischen Narrativs, der das deutsch-dänische Verhältnis als europäischen Modellfall verklärte und seine Vorbildfunktion betonte, zu sehen. Vg. Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 301 f. 60 Hiermit war in erster Linie die schleswig-holsteinische Bevölkerung gemeint, denn ein Großteil der Besucher kam laut der Darstellung von Christiansen nach wie vor aus Dänemark: Eine Auflösung des Museums aus finanziellen Gründen würde »bei manchen Dänen Verwunderung hervorrufen […]«. (Memorandum von Museumsleiter Theo Christiansen vom Dezember 1975. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 72). Vgl. Memorandum vom SHHB vom 5. Mai 1977. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt Erinnerungen 3 dänisch«.

Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle

341

zierung durch die Träger, zunächst durch die Stadt Schleswig, später durch den Kreis Schleswig, zu dem Verfall des Gebäudes und der Ausstellung und somit auch zu einer Minderung der Attraktivität für potentielle Besucher geführt.61 Zweitens stand der schwindende Besucherzuspruch stellvertretend für eine Krise des SHHB, der sich durch seine heimatpolitische Tätigkeit und seine Positionen in den sechziger Jahren immer weiter von breiten Bevölkerungskreisen entfernt hatte. Sein konservatives Programm und seine Botschaften im Zusammenhang mit der Ausstellungshalle erreichten somit immer weniger Menschen.62 Im Zuge der tiefgreifenden »mentale[n] und intellektuelle[n] Transformation«63 der westdeutschen Gesellschaft wurden die konservativen Werte und Leitbilder der alten Eliten im Allgemeinen sowie die grenzkämpferische Einstellung des Heimatbundes im Speziellen in Frage gestellt.64 Der Beitritt Dänemarks zur EWG, die jeweiligen individuellen Erfahrungen im Kontakt mit den Bürgern des Nachbarstaates und die politischen Umstände im Kontext der nationalen – hier insbesondere das Verhältnis zur DDR –, europäischen und globalen Geschichte nahmen den Nachwirkungen des kulturellen Grenzkampfes ihre Relevanz im alltäglichen Leben. Es liegt der Schluss nahe, dass sich Anfang der 1970er Jahre für breite Bevölkerungskreise in Schleswig-Holstein nur eine marginale aktuelle gesellschaftspolitische Bedeutung mit der Idstedt-Gedächtnishalle verband beziehungsweise dass die durch die Ausstellung vermittelten Botschaften als zu extrem angesehen wurde.65 Auf dänischer Seite blieb das 61 »Die Trägerschaft liegt bisher beim Kreis, der aber sieht sich nicht mehr in der Lage, die Kosten allein aufzubringen.« (Protokoll über die gemeinsame Sitzung des Vorstandes SHHB und dem Idstedt-Ausschuss, dem Vorsitzenden des Deutschen Soldatenbundes und dem Vertreter des Landrats am 18. November 1975. GA SlFl, Abt. Z 3, Nr. 577). Bereits in den 1920er Jahren war die Ausstellungshalle durch ihre chronisch unterfinanzierte Lage gefährdet gewesen. Vgl. Kap. III.5.b. 62 Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 231 f. 63 Bösch, Das konservative Milieu, 2002. S. 212. 64 Vgl. Weisbrod, Bernd. Cultures of Change. Generations in the politics and memory of modern Germany. In: Lovell, Stephen (Hrsg.). Generations in twentieth-century Europe. Basingstoke 2007. S. 19 – 35, hier S. 24. 65 Zwar war es im Zuge der Neueröffnung des Museums zu einer Neukonzeption der Ausstellung gekommen, die von Seiten der Träger als national neutral deklariert wurde, ein von Christiansen angeführtes Erlebnis aus dem Jahr 1954 spricht hingegen von einer weiterhin eindeutig deutsch-national geprägten Darstellung: »Als ich 1954 […] den Eutiner Dichterkreis durch die Halle führte, wurde ich von dem Grafen Ottfried von Finkenstein direkt beschimpft, weil ich die Halle neu hergerichtet hatte; während der Dichter Hans Friedrich Blunck, der sich im ›3. Reich‹ sehr engagiert hatte, mir überschwänglich dankte.« Memorandum von Museumsleiter Theo Christiansen vom Dezember 1975. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 72. Auch der damalige Träger der Gedächtnishalle, der Kreis Schleswig-Flensburg, stellte sich die Frage, ob eine größere Investition in das Museum zu vertreten sei oder dieses nicht komplett geschlossen werden solle: »Für die Selbstverwaltungsgremien des Kreises stellte sich die Frage, ob es in Anbetracht der bekannten Finanz- und Strukturschwäche des Kreises vertretbar ist, in dieser Größenordnung Mittel für eine Einrichtung aufzuwenden, die jedenfalls

342

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Museum aufgrund der besonderen Signifikanz der Region für das nationale Selbstverständnis und der Erinnerung an das regionalhistorisch wichtige Ereignis im Kampf um den Grenzraum weiterhin präsent. Hierauf deuten die in diesen Jahren konstant bleibenden dänischen Besucherzahlen hin.66 Nach der vorübergehenden Schließung der Ausstellungsräume 1976 als Folge der Verwahrlosung und der ungeklärten Zukunft des Museums sollte es nach dem Willen des Heimatbundes, des Idstedt-Ausschusses sowie zahlreicher Vertreter aus Politik und Kultur durch die Gründung einer eigenen Idstedt-Stiftung, in der die umliegenden Gemeinden und Ämter, aber auch der Kreis SchleswigFlensburg vertreten sein würden, zu einer dauerhaften Lösung kommen. Neben der erhofften finanziellen Verbesserung ging hiermit auch eine dem Zeitgeist geschuldete Neukonzeption der Ausstellung einher. Theo Christiansen hatte bereits 1975 angeregt, »die europäische Komponente der Revolution von 1848« zu berücksichtigen und dafür zu sorgen, durch eine zeitgemäße Darstellung der Ereignisse »vor allem bei jungen Besuchern […] keine falschen Emotionen« zu wecken.67 Dies sollte etwa durch die Integration von dänischen Ausstellungsstücken erreicht werden. Als Basis für die Umgestaltung und den Weiterbetrieb des Museums skizzierte der Heimatbund auf der Grundlage der Idstedt-Ausschusssitzung im November 1975 in einem Memorandum die Rahmenbedingungen für eine Neukonzeption der Halle und der Ausstellung: So sei die Pflege der Idstedt-Tradition »nicht nur legitim, sondern ein wichtiger Ansatz für die Entwicklung des Selbstbewußtseins der Schleswig-Holsteiner.« Vor dem Hintergrund gemeinsamer historischer Erfahrungen mit den Dänen entstehe aus ihr heraus ein grenzüberschreitendes Verständnis, welches das »militärische Ereignis vor der politischen Geschichte der Periode von 1848/50« zurücktreten lasse. Zudem stelle die Pflege der Gefallenendenkmäler durch die Soldaten der Bundeswehr den Kontakt zu der schleswig-holsteinischen »demokratische[n] Volksarmee« und somit zu einem historischen Vorbild her. Aus Verantwortung gegenüber den Überlebenden, die die Idstedt-Gedächtnishalle errichtet und »zur dauernden Unterhaltung« an die öffentliche Hand übergeben hätten, könne sich die heutige Generation »ohne zwingenden Grund […] einer solchen Verpflichtung nicht entziehen. Darüber hinaus wäre die Aufgabe der Gedächtnishalle sowie der direkt benachbarten Idstedt-Kirche ein beiderseits der Grenze sichtbares Zeichen der Abkopplung von einem der wichtigsten Kapitel der schleswig-holsteinischen Geschichte. Neben der historischen Bedeutung und in der bisherigen Form nicht mehr als zeitgemäß angesehen werden konnte. Außerdem war der Eindruck entstanden, daß die Idstedt-Gedächtnishalle ihre Bedeutung verloren hatte.« Rede von Landrat Gernot Korthals zur Gründung der Idstedt-Stiftung am 30. März 1978. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 1«. 66 Memorandum von Museumsleiter Theo Christiansen vom Dezember 1975. GA SlFl, Nr. Abt. 16, Nr. 72. 67 Ebd.

Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle

343

Verantwortung sprach aus Sicht des SHHB auch der touristische Aspekt für die Fortführung der Ausstellung. Mit entsprechenden Werbemaßnahmen ließe sich die Zahl der Besucher leicht vergrößern.68 Hierzu betrachtete der Heimatbund eine »Neuordnung der Trägerschaft notwendig«. Als Schauplatz eines herausragend wichtigen Ereignisses der Landesgeschichte sollte nach seinem Willen die Verantwortung zur Finanzierung und Pflege über den Kreis hinaus vom gesamten Bundesland, den Behörden, aber auch von Privatpersonen getragen werden. Als Grundlage für die vorangegangenen Überlegungen bezeichnete der SHHB »einen einmaligen finanziellen Einsatz und die dauernde Sicherung der laufenden Mittel für Unterhaltung und Betrieb […].«69 Innerhalb dieses Rahmens sollte die Darstellung der Ereignisse des Schleswig-Holsteinischen Krieges vor allem von einer neuen Botschaft der Gedächtnishalle geprägt werden, in der sich eine gesamtdeutsche Komponente70 mit einer regionalen verband.71 Hieraus leitete sich dann, so die Vorstellung, für die gegenwärtige Situation – die Teilung Deutschlands in Ost und West – eine besondere Aktualität ab.72 Darüber hinaus verknüpfte sich mit der Neukonzeption die Hoffnung auf eine Etablierung Idstedts als Symbol für die Annäherung der beiden Nachbarstaaten: »Das Ereignis von Idstedt hat die trennende Bedeutung verloren. Die dänischen Nachbarn erinnern sich des letzten großen siegreichen Ereignisses ihrer Geschichte ebenso wie die Schleswig-Holsteiner […].«73 68 An anderer Stelle ging der Vorsitzende des Heimatbundes, Werner Schmidt, von einer potentiellen Besucherzahl von 20.000 pro Jahr aus. Vgl. Schleswiger Nachrichten, 20. Dezember 1977. 69 Memorandum vom SHHB vom 5. Mai 1977. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt Erinnerungen 3 dänisch«. 70 »Sie enthält auch eine gesamtdeutsche Komponente, weil zahlreicher Freiwillige aus Deutschland in ihr [Anm. d. Verf.: der Armee] dienten. […] Sie kämpfte unter blau-weißroten und schwarz-rot-goldenen Emblemen.« Ebd. 71 »Das Ereignis bestätigte deutlich das Ende der schleswig-holsteinischen Erhebung von 1848, darüber hinaus aber auch das Ende der gesamtdeutschen Bewegung für Einheit und Freiheit. Andererseits demonstrierten die Schleswig-Holsteiner an diesem Tage ihren Willen zur Einheit der Herzogtümer […]. Für die Bildung und Erhaltung dieses Einheitsbewußtseins hat Idstedt eine besondere Symbolkraft bewahrt […].« Ebd. 72 Es findet sich kein expliziter Hinweis auf das geteilte Deutschland in dem Memorandum des SHHB. Jedoch stellte der Bezug zur aktuellen deutschen Situation ein gängiges Motiv im Umfeld der Idstedt-Gedächtnishalle Mitte der 1970er Jahre dar. So zog beispielsweise der Vorsitzende des Heimatbundes, Werner Schmidt, auf dem 125. Jahrestag der Schlacht von Idstedt am 27. Juli 1975 eindeutige Parallelen zwischen der historischen Erfahrung aus Idstedt und den gegenwärtigen politischen Umständen: »In der politischen Welt ist – das lehrt uns Idstedt – die Fähigkeit vonnöten, geduldig warten zu können – warten im ungebrochenen Bewußtsein des historischen Rechts. Diese Lehre gilt für unser ganzes Volk, das noch auf die Stunde seiner endgültigen und befriedeten Einheit warten muß.« In: Schleswiger Nachrichten, 28. Juli 1975. 73 Memorandum vom SHHB vom 5. Mai 1977. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt Erinnerungen 3 dänisch«.

344

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Die von Theo Christiansen 1975 angesprochene »europäische Komponente« erlangte jedoch gegenüber der geschichtspolitischen Bedeutung für die regional-nationale Identität Schleswig-Holsteins, wie eine weitere Aussage Schmidts im Rahmen des 125. Jahrestages der Schlacht von Idstedt 1975 verdeutlichte, keine primäre Bedeutung: Der Verzicht auf Geschichte nimmt den Blick für die Zukunft [… Nur] unter einer nüchternen Wertung der Kräftekonstellation in Europa zur Mitte des vorigen Jahrhunderts [könne] erkannt werden, daß die Schleswig-Holsteiner hier bei Idstedt einen vergeblichen Opfergang antraten.74

Die private Idstedt-Stiftung wurde schließlich am 30. März 197875 unter großer öffentlicher Anteilnahme gegründet.76 Neben dem Startkapital von 267.000 DM gingen auch die Gebäude und Grundstücksflächen sowie die Ausstellungsgegenstände in den Besitz der neuen Trägerschaft über. Als Zweck der Stiftung definierte die Satzung den Erhalt der Idstedt-Halle, »die ständige Öffnung dieser Gedenkstätte für Besucher, […] die Verbreitung der Kenntnis von den Vorgängen der schleswig-holsteinischen Geschichte der Jahre 1848 bis 1851 und 1864 und die Werbung für den Besuch der Gedenkstätten […].«77 Aus Rücksichtnahme auf die dänische Seite wurde beschlossen, in der Satzung nicht den Begriff »schleswig-holsteinische Erhebung« zu verwenden, wie es zu diesem Zeitpunkt durchaus üblich war, sondern stattdessen von der »schleswig-holsteinischen Geschichte« zu reden.78 Ganz im Sinne der Neuausrichtung der Heimatbundes sollte es so zu einer der aktuellen politischen Situation geschuldeten Anpassung der mit der IdstedtGedächtnishalle verbundenen Botschaften kommen und hierdurch eine Attraktivitätssteigerung vor allem für die Besucher aus dem gesamten Bundesland erfolgen: Während der Versöhnungsgedanke auf den jährlichen Gedenkfeiern schon ein Bestandteil der Festreden geworden war, prägte der Zeitgeist des kulturellen Grenzkampfes der Nachkriegsjahre auch weiterhin die Ausstellung. 74 Schleswiger Nachrichten, 28. Juli 1975. 75 Matthias Schartl nannte als Gründungsdatum den 20. März 1978 (Schartl, Idstedt, 2006. S. 18.), diese Angabe wird durch die Satzung der Stiftung und die Datierung der Rede von Landrat Gernot Korthals zur Stiftungsgründung jedoch widerlegt. 76 Die Teilnehmerliste der Gründungsveranstaltung verzeichnete 94 Teilnehmer aus Politik und Verwaltung, vom Heimatbund und zahlreiche Privatpersonen. Teilnehmerliste Gründung der Idstedt-Stiftung vom 30. März 1978. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 1«. 77 Satzung der Idstedt-Stiftung vom 30. März 1978. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 1«. 78 Der Vorschlag wurde mit nur einer Gegenstimme im Entscheidungsgremium angenommen. Vermerk über die Sitzung des Idstedt-Ausschusses am 5. Mai 1977 in Bollingstedt unter dem Vorsitz von Amtsvorsteher Thomsen. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »IdstedtHalle, Bd. 1«.

Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle

345

Die vom SHHB behauptete Annäherung von Deutschen und Dänen im Gedenken an die gemeinsame Geschichte und in der Überwindung der nationalen Gegensätze sollte aus diesem Grund nun auch eine bestimmende Rolle in der neu konzipierten Ausstellung erhalten.79 Dies war Landrat Korthals zufolge die Basis für die Bereitschaft des Kreises Schleswig-Flensburg, Bedenken über den Sinn einer Weiterführung der Museumsanlage zu beseitigen und einen eigenen Beitrag zur Stiftung zu leisten.80 Parallel zu den Vorbereitungen für die Stiftungsgründung erfolgten die Planungen für die Neugestaltung der Ausstellung. Die signifikante Bedeutung der Idstedt-Gedächtnishalle für die Pflege der »heimatlichen Tradition« und die »Entwicklung des Selbstbewußtseins der Schleswig-Holsteiner« sollte nach dem Willen des Heimatbundes auch noch nach der Neukonzeption eine wichtige Rolle spielen, wobei »künftig aber eine entsprechende Einordnung in einen größeren Rahmen« stattfinden solle: Der Sammlungskomplex ist gleichermaßen landeskundlich und kulturgeschichtlich ausgerichtet mit Blickwendung einerseits auf das Bewusstsein einer deutschen Zusammengehörigkeit und der Einheit Deutschlands, andererseits auf die gemeinsame Geschichte mit Dänemark.81

Der neue Anspruch, auch die Sicht der dänischen Seite in die Umgestaltung der Ausstellung einzubeziehen und so den Aspekt der gemeinsamen Geschichte stärker als zuvor zu betonen, stieß in den Kreisen der dänischen Minderheit auf Zustimmung.82 Zwar stellten Dänen laut übereinstimmenden Aussagen die 79 Vgl. Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 302. 80 »[…] zumal erkennbar war, daß auf der Grundlage der erarbeiteten neuen Konzeption die Idstedt-Gedächtnishalle in einer Form wiedererstehen wird, die es Deutschen und Dänen in gleicher Weise gestattet, sich über den Verlauf der Schlacht bei Idstedt und diesen bedeutsamen Abschnitt unserer Geschichte neu zu informieren.« Rede von Landrat Gernot Korthals zur Gründung der Idstedt-Stiftung am 30. März 1978. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 1«. 81 Neukonzeption der Idstedt-Halle vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund. LASH, Abt. 422.17: Vereine und Verbände. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund e.V., Nr. 771: Neukonzeption Idstedt-Halle. Werner Schmidt äußerte gegenüber der Zeitung der deutschen Minderheit, Der Nordschleswiger, hierzu ergänzend, dass unter anderem die zweisprachige Beschriftungen und der Informationsüberblick so gestaltet sein sollen, »daß auch Dänen […] sich ohne Schmerz und ohne Bitternis [die Ausstellung] anschauen können […].« In: Der Nordschleswiger, 26. Juli 1978. 82 »Es stehen sicher ehrenhafte Absichten hinter den Plänen des Heimatbundes, und von dänischer Seite ist im Prinzip wohl nichts hinzuzufügen. Es muß jedoch gefordert werden, dass bei einer Wiedererschaffung der Idstedt-Sammlungen die Tendenzen entfernt werden, die Nachwehen der Zeit des Nationalismus bedeuten. Bisher war die Ausstellung nämlich ›schief‹. Und die Zweisprachigkeit würde dem Museum eine ganz neue Chance bieten. Die dänische Seite muß daran beteiligt werden.« Übersetzung eines Zeitungsartikels unter dem Titel »Isted-mindehal ønskes bevaret« in Flensborg Avis vom 3. Februar 1977 als Aktenvermerk der Staatskanzlei. LASH, Abt. 422.17: Vereine und Verbände. Schleswig-Holstei-

346

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Mehrzahl der Besucher in den Jahren vor der Schließung,83 jedoch fühlten sie sich durch die Darstellung nicht repräsentiert beziehungsweise durch falsche Interpretationen irritiert.84 Das vom Heimatbund deklarierte Ziel, eine national neutrale Darstellung zu konzipieren, blieb in der finalen Umsetzung jedoch weitestgehend unerfüllt.85 Die Innengestaltung des Museums legte den Schwerpunkt der Ausstellung auf die Vermittlung der Ereignisdarstellung aus schleswig-holsteinischer Sicht sowie auf die Einbindung der regionalen Ereignisse in ein deutsch-nationales Narrativ. Die Ausstellung erhielt eine den räumlichen Gegebenheiten angemessene dreigliedrige Aufteilung: Der erste Raum (A) thematisierte unter dem Titel »Landesgeschichte – Der Kampf um Einheit und Selbständigkeit« die politischen Aspekte des schleswig-holsteinischen Strebens nach Freiheit und der daraus folgenden Erhebung im Jahr 1848. Eine prominente Rolle spielten die museale Darstellung der schleswig-holsteinischen Armee und das Eingreifen der Truppen des Deutschen Bundes in den Konflikt.86 Die zuvor angekündigte Integration der dänischen Perspektive war für die Besucher aus dem skandinavischen Land unter dem Aspekt des imaginierten gemeinsamen Kampfes deutscher Truppen für die Freiheit der beiden Herzogtümer nur schwer vorstellbar. Der darauf folgende zweite Ausstellungsbereich (B) legte unter dem Schlagwort »Ehrenhalle« den Schwerpunkt auf das Gedenken der an der Erhebung und im Kampf beteiligten Personen. Im dritten Ausstellungsbereich, der unter dem Titel »Das Militär und die Schlacht von Idstedt« (C) firmierte, lag der Schwerpunkt auf der Darstellung der militärischen Ereignisse: Dem Besucher wurde anhand der Exponate sowohl ein allgemeines Bild der Kämpfe als auch

83 84

85

86

nischer Heimatbund e.V., Nr. 768: Aktionskomitee, technischer Ausschuß. Der originale Zeitungsartikel liegt dem Verfasser vor. Vgl. exemplarisch: Neukonzeption der Idstedt-Halle vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund. LASH, Abt. 422.17, Nr. 771; Der Nordschleswiger, 26. Juli 1978. So schrieb die Zeitung der dänischen Minderheit in Schleswig, Flensborg Avis: »Die Schlacht von Idstedt endete trotz allem mit einem dänischen Sieg.« Aktenvermerk der Staatskanzlei zur Berichterstattung in Flensborg Avis vom 16. Mai 1977. LASH, Abt. 422.17, Nr. 771; Auch rund sechs Jahre später noch verwies die Zeitung auf den dänischen Sieg bei Idstedt: »Trotz allem waren es ja die Dänen, welche die Sieger von Idstedt waren.« In: Flensborg Avis, 22. Januar 1983. So betonte beispielsweise das Konzeptpapier des SHHB, dass die Fahnenmasten vor der Halle neu zu streichen und ständig zu beflaggen seien, »und zwar mit einer schwarz-rotgoldenen und einer blau-weiß-roten.« Neukonzeption der Idstedt-Halle vom SchleswigHolsteinischen Heimatbund. LASH, Abt. 422.17, Nr. 771. Die Konzeption listete für Raum A folgende Programmpunkte auf: 1. »Schleswig-Holstein im Vormärz und Ausbruch der Erhebung«; 2. Historische Karten der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg im Jahr 1848; 3. Der Deutsche Bund greift ein; 4. Freikorps, Bürgerbewaffnung, Schleswig-Holsteinische Marine, Gefecht bei Eckernförde, Deutsche Bundestruppen in Schleswig-Holstein; 5. Ehrenzeichen, Auszeichnungen; 17. Das Ende der Schleswig-Holsteinischen Armee; 18. Zahlungsmittel – Münzen und Noten; 19. Das Ende der Erhebung. Vgl. die Raumordnung, Abb. 17.

Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle

347

gerade das persönliche Schicksal zahlreicher schleswig-holsteinischer Soldaten durch die Zurschaustellung von Ausrüstungsgegenständen, vermittelt.87 Ein Blick auf die Anordnung der einzelnen Ausstellungsbereiche sowie ihrer jeweiligen thematischen Ausrichtung verdeutlicht, dass die vom Heimatbund behauptete und den politischen Entscheidungsträgern geforderte grenzüberschreitende Ausrichtung der Darstellung zugunsten einer gesamtdeutschen Aussage zurückgedrängt wurde.88 Wiederum beabsichtigte der SHHB, durch die Verknüpfung der historischen Niederlage in der Schlacht von Idstedt mit den gegenwärtigen »Leiden« der deutschen Bevölkerung infolge der Teilung in Ost und West ein Gemeinschaftsgefühl zu erwecken. Die Vorstellung des kollektiven Leidens, die von Ernest Renan im 19. Jahrhundert als grundlegend für die Herausbildung von Nationen bezeichnet wurde, fand sich in den Überlegungen zur Neukonzeption der Gedächtnishalle als zentrales Moment wieder.89 Werner Schmidts Aussage, dass die »Schleswig-Holsteiner […] heute allen Anlaß [haben], sich der damaligen Ereignisse zu erinnern, obwohl man die Schlacht ja verloren habe,« bekam vor diesem Hintergrund eine programmatische Bedeutung.90 Diese Tendenz sorgte während der Erneuerungsphase des Museums für Unstimmigkeiten: Theo Christiansen vom Stadtmuseum Schleswig, der in den Jahren zuvor für die Idstedt-Halle und ihre Verwaltung zuständig gewesen war, erklärte gegenüber Werner Schmidt, dass er sich aufgrund divergierender Auffassungen nicht mehr an einer Konzeption beteiligen werde: In meinen Bemerkungen zur Neugestaltung hatte ich empfohlen, einen jungen, begabten Historiker damit zu beauftragen, das Geschehen wissenschaftlich aufzuarbeiten und dabei die furchtbaren Seiten auch dieses Krieges und seine Auswirkungen bis in die Gegenwart zu berücksichtigen. Es genügt meines Erachtens nicht, den ›gesamtdeutschen‹ Aspekt herauszuarbeiten.91

87 Die Unterteilung in die Programmpunkte »Die Oberkommandierenden der SchleswigHolsteinischen Armee«, »Blankwaffen«, »Helme und Ausrüstungsgegenstände«, »Die Schleswig-Holsteinische Armee von 1848/51«, »Das militärische Ereignis vom 25. Juli 1850«, »Schußwaffen und Zubehör« sowie »General von Krogh« verdeutlichte die starke Hervorhebung des militärischen Aspektes der Geschichte. Lediglich der letzte Punkt – »General von Krogh – verweist explizit auf einen dänischen Akteur der Ereignisse. Ebd. 88 Die eindeutig politische Parteinahme wurde durch die Einführung eines neuen Symbols für die Halle und die Stiftung deutlich: Ein doppelköpfiger Adler, der den Uniformabzeichen der schleswig-holsteinischen Armee nachempfunden war, stand fortan symbolisch für das Museum und seinen Träger. 89 Renan, Nation, 1993. 90 Schleswiger Nachrichten, 20. Dezember 1977. 91 Brief von Theo Christiansen an Werner Schmidt vom 08. Februar 1978. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 72. Christiansen hatte diese Forderung in seinem Memorandum vom Dezember 1975 aufgestellt. Memorandum von Museumsleiter Theo Christiansen vom Dezember 1975. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 72. Neben der Ausrichtung der neuen Ausstellung sah er zusätzlich grundlegende arbeitstechnische Schwierigkeiten, die ihn von einer Mitarbeit Abstand

348

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Schmidt versuchte den Museumsangestellten zwar noch von seiner Teilnahme zu überzeugen, indem er die Wichtigkeit der Halle für die schleswig-holsteinische Erinnerungslandschaft und den grenzüberschreitenden Aspekte betonte, wobei er letztendlich jedoch keinen Erfolg erzielte.92

VI.3.b. Rezeption der neuen Ausstellung Die Neueröffnung der Idstedt-Gedächtnishalle am 10. September 1978 wurde vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund und im Umfeld der Idstedt-Stiftung bereits vorab als großes Ereignis gefeiert: So würde die Ausstellung »nicht abgrenzen und trennen, sondern an die Verbundenheit mit der deutschen wie der dänischen Geschichte erinnern, an die Brückenfunktion unseres Landes.«93 Auch die schleswig-holsteinische Presse lobte den grenzüberschreitenden94 und versöhnenden Aspekt des »neue[n] Museum[s]«.95 Symbolisch stehe es »für die deutsch-dänische Verständigung«, auch wenn, so betonte die Lübecker Nachrichten, noch nicht alle Probleme an der Grenze beseitigt seien.96 Doch es gab nicht nur positive Berichte: Entgegen der regionalen Berichterstattung, die vor allem den vom Heimatbund propagierten versöhnlichen Aspekt unkritisch in ihr Vokabular übernahm, sprachen die Landeshistoriker Manfred Jessen-Klingenberg, Jörn-Peter Leppien und Hans Friedrich Rothert in einem gemeinsamen Artikel in den Grenzfriedensheften von einer ahistorischen Darstellung der Er-

92

93 94 95 96

nehmen ließen. So sei der gesetzte Zeitrahmen bis Anfang September viel zu eng – »Ein grundsätzlich neues Museum aber kann meiner Meinung nach bis dahin nicht geschaffen werden« – und das vorhandene Ausstellungsmaterial ungenügend. Brief von Theo Christiansen an Werner Schmidt vom 08. Februar 1978. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 72. Bereits in seinem Memorandum hatte sich Christiansen skeptisch gegenüber der Ausstellungskonzeption und den vom Heimatbund entworfenen Veränderungen gezeigt. In seinem Begleitschreiben an Werner Schmidt hob er folglich hervor, »daß in [ihm] doch erhebliche Bedenken entstanden sind.« Begleitschreiben zum Memorandum von Theo Christiansen an Werner Schmidt vom 9. Januar 1976. LASH, Abt. 422.17, Nr. 771. So warb Schmidt in seinem Brief an Christiansen: »Der Sammlungskomplex ist gleichermaßen landeskundlich und kulturgeschichtlich ausgerichtet mit Blick einerseits auf das Bewußtsein einer deutschen Zusammengehörigkeit und der Einheit Deutschlands, andererseits auf die gemeinsame Geschichte mit Dänemark. In unserer Neukonzeption werden wir daher die Fehler, die bisher bei der Darstellungsmöglichkeit und in der Museumsdidaktik in der Idstedt-Gedächtnishalle zu verzeichnen waren, vermeiden […].« Brief von Werner Schmidt an Theo Christiansen vom 20. März 1978. LASH, Abt. 422.17, Nr. 771. Zit. nach: Chronik der Gedenkstätte zu Idstedt, [1990]. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Stiftung, Information«. Der Nordschleswiger, 26. Juli 1978. Lübecker Nachrichten, 25. Juli 1978. Der Zeitungsartikel erwähnte an dieser Stelle den Idstedt-Löwen, der immer noch als »tabu« gelte und »ein Spiegelbild der einst verworrenen Beziehungen zwischen den Nachbarn« skizziere. Ebd.

Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle

349

eignisse und einer weiterhin vorherrschenden musealen Darstellung, die den Schwerpunkt auf einen militärischen Aspekt und einen veralteten Idstedt-Mythos legt.97 Die Historiker kritisierten vor allem die Einordnung der Gedächtnishalle in ein deterministisches Geschichtsbild, aus dem der Heimatbund Rückschlüsse für eine vermeintlich positive zukünftige Entwicklung Deutschlands vor dem Hintergrund des Kalten Krieges zog. So war den drei Historikern zufolge die Synthetisierung von Idstedt-Gedenken und einer möglichen Wiedervereinigung Deutschlands Geschichtsklitterung. Die Rezeption auf dänischer Seite stimmte mit den bereits im Vorfeld der Neukonzeption von Theo Christiansen formulierten Befürchtungen überein. Ähnlich wie dieser bemängelten die dänische Minderheit und ihr Presseorgan, der Flensborg Avis, die fehlende Bereitschaft des Heimatbundes zur Berücksichtigung dänischer Vorschläge bei der Neukonzeption.98 Deswegen sei es auch nicht verwunderlich, wenn das Museum »weiterhin nur über das dramatische Kapitel der Geschichte Sønderjyllands berichte[t], so wie man [es] mit deutschen Augen erlebte.« Die dänische Minderheit wünschte sich, dass angesichts der zahlreichen Besucher aus Dänemark auch an dänische Personen erinnert werde, die eine wichtige Rolle Anteil in der Landesgeschichte gespielt haben. Dieser »Vorschlag wurde von dem Schleswig-Holsteinischen Heimatbund […] jedoch nicht akzeptiert.«99 Ein weiterer Kritikpunkt der dänischen Minderheit stellte die geschichtspolitische Ausrichtung des Museums dar : In der Gesamtdarstellung nahm die deutsche Sammlungsbewegung eine zentrale Rolle ein. Im dänischen Verständnis waren die Ereignisse dagegen vor allem ein regionalhistorisches Ereignis für Schleswig. Die Einordnung der Ereignisse in einen nationalen deutschen Narrativ ließ die Vertreter des Südschleswigschen Wählerverbandes befürchten, dass eine Einbeziehung der dänischen Perspektive auf die Ereignisse trotz aller Beteuerungen gar nicht erwünscht sei. Ernst Meyer, Kreistagsabgeordneter des SSW, sah daher seine Aufgabe als Mitglied der Idstedt-Stiftung darin, ein Mindestmaß an dänischen Erzählsträngen in die neue 97 Jessen-Klingenberg, Manfred/Leppien, Jörn-Peter/Rothert, Hans-Friedrich. Das Problem Idstedt. Sonderdruck aus: Grenzfriedenshefte; 3/1979. S. 7. 98 »Idstedt-Gedenkhalle bleibt ein Kapitel deutscher Geschichte – Der dänische Vorschlag, die Neugestaltung zu einer abgewogeneren Darstellung des deutsch-dänischen Hintergrundes zu nutzen, wurde abgelehnt.« Aktenvermerk der Staatskanzlei zur Berichterstattung in Flensborg Avis vom 24. April 1978. LASH, Abt. 422.17, Nr. 771. 99 Im Mai 1977 unterbreitete Flensborg Avis beispielsweise den Vorschlag, auch Artefakte in die Ausstellung einzubeziehen, die eher eine dänische Perspektive in sich tragen: »Der Geist eines neuen Idstedt-Museums kann auch daran gemessen werden, ob man bereit ist, diese Art in die Ausstellung mit einzubeziehen: Die alte Fotografie [Anm. d.Verf.: die auf Vorschlag der Zeitung einen Platz in der Ausstellung erhalten sollte] zeigt den Wagen, den Einwohner von Idstedt General Krogh nach der Idstedt-Schlacht schenkten – als Dank für eine wohlgelungene militärische Arbeit während des dreijährigen Krieges.« Ebd.

350

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Ausstellung einfließen zu lassen.100 In einem Kommentar in der überregionalen Tageszeitung Jydske Tidende äußerte der Landessekretär des Grænseforeningen, Friedrich Rudbeck, ähnliche Kritik: Die dänischen Kreistags- und Kommunalratsmitglieder des SSW hätten ihren Anteil zur finanziellen Sanierung der Ausstellungshalle beigetragen, jedoch sei es nun zu befürchten, dass ihre Zustimmungen zur kommunalen Unterstützung des Vorhabens nur ein Alibi für die deutsche Seite sei. Die Wiedereröffnung des Museum im September im Rahmen eines großen »Schleswig-Holstein-Tages« lasse dies befürchten: Aber wird man auch den Schleswig-Holstein-Tag zu einem Tag gestalten, an dem sich die ganze Bevölkerung des Landes, also auch der dänische und der friesische Teil beteiligen kann. Unmittelbar scheint dies nicht der Fall zu werden, da man […] zur Hauptsache führende deutsche Grenzlandorganisationen mit dem Schleswig-Holsteinischen Heimatbund an der Spitze den Tag tragen und prägen lassen will. Auf diese Weise kann das schön ausgedachte Arrangement sehr leicht Schlagseite erhalten. […] Es werden zweifellos schöne Reden über das gute gegenseitige Verhältnis und insbesondere über die gute Zusammenarbeit mit Dänemark gehalten werden. Aber nach denen, die im Lande das Dänische repräsentieren, hat man bisher nicht gefragt…101

Die zahlreichen Reaktionen der dänischen Vertreter belegen die Enttäuschung über die von ihnen als verpasste Gelegenheit bewertete Neuausrichtung der Gedächtnishalle. Zeichnete sich im Mai 1977 noch die leise Hoffnung auf eine ausgewogene Ausstellung ab,102 zeigte sich genau ein Jahr später das Bild einer weitgehend ablehnenden Haltung, welche nach der feierlichen Eröffnung in offene Antipathie umschlug. Die Tageszeitung Flensborg Avis berichtete etwa Ende Januar 1983 unter dem Titel Der Alptraum »Idstedthalle« bekam einen neuen unglücklichen Schuß vor den Bug103 von den aus ihrer Sicht gescheiterten Versuchen, in der Ausstellung sowohl eine deutsche als auch eine dänische 100 »Für uns bedeutet das, daß wir mit Bedauern zur Kenntnis nehmen müssen, daß das neue Idstedt-Museum eine ganz andere Form erhält, als wir es uns von Seiten der SSW-Fraktion vorgestellt haben. Meine Rolle in der Stiftung wird die eines kritischen Beobachters sein, der darauf aufpaßt, daß die dänischen Interessen im weitest möglichen Ausmaß beachtet werden.« Ebd. 101 Aktenvermerk der Staatskanzlei über den Kommentar in der Jydske Tidende vom 8. Mai 1978. LASH, Abt. 422.17, Nr. 771. 102 »So besteht hoffentlich eine Chance dafür, daß die Gedenkhalle ein echtes modernes Museum wird, in dem die Besucher nicht mit einer nationalen Nippessammlung konfrontiert werden, sondern mit der echten Darstellung des historischen Hintergrundes, so daß man die Ausstellung auch dänischen Besuchern präsentieren kann. Die Schlacht von Idstedt endete trotz allem mit einem dänischen Sieg.« Aktenvermerk der Staatskanzlei zur Berichterstattung in Flensborg Avis vom 16. Mai 1977. LASH, Abt. 422.17, Nr. 771. 103 »Mareridtet ›Istedhallen‹ fik nyt uheldigt skud p” stammen«. Flensborg Avis, 22. Januar 1983. Originaltext und die Übersetzung des Artikels im Auftrag des Heimatbundes liegen dem Verfasser vor. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 1«. Im Folgenden erfolgt die Wiedergabe des Beitrages in der vorliegenden Übersetzung.

Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle

351

Perspektive zu vereinen. Anlass für die erneute grundlegende Kritik war die Publikation eines dänischsprachigen Museumsführers: Die Herausgeber hätten »sicher gute Absichten gehabt, als der Beschluß gefaßt wurde, den von Gerd Stolz verfassten Museumsführer durch die Idstedt-Halle« zu veröffentlich. Leider müsse jedoch festgestellt werden, »daß dieser Versuch mißlungen ist.« Dies liege nicht nur an der Übersetzung, die die »Dänen eher zu einer lustigen Lesestunde ermuntert, als zu einem ernsten Studium der Geschichte.«104 Auch zeige sich inhaltlich eine eindeutige Tendenz im Museumsführer, dessen »Text von vornherein die National-Schleswig-Holsteinische Linie wie ein roter Faden durchzieht.« Dies sah die Zeitung jedoch als nicht verwunderlich an, da es schon bei der Neueinrichtung der Halle vor einigen Jahren nicht geglückt wäre, diese »Schlagseite« zu korrigieren. Der Flensborg Avis sprach in diesem Kontext gar von Geschichtsklitterung: Trotz allem waren es ja die Dänen, welche die Sieger von Idstedt waren. In dem neuen Wegweiser fehlt so jeglicher Hinweis über die dänische Auffassung zur Schleswigschen Frage. Die Dänen […] hatten und haben das Recht zu der Annahme, daß der dänische Anspruch auf das Herzogtum Schleswig geschichtlich begründet war. Die Broschüre spricht weiterhin immer von der »Befreiung« des Landes und will damit den dänischen Besuchern einreden, daß der Kampf der […] dänischen Soldaten […] mit ihrem Leben als Einsatz […] eine ungerechte Sache war, weil sie für eine Sache starben, welche nicht die ihrige war. Das ist – mild ausgedrückt – geschmacklos.

Dementsprechend negativ fiel das Gesamtfazit über die Ausstellung aus: »Es ist eine Schande, daß es im dänisch-deutschen Grenzland nicht möglich war, etwas besseres herauszubringen als den neuen Idstedt-Führer.«105 Unverkennbar handelte es sich bei dieser Position um eine äußerst polemische und sehr emotionalisierte, gleichzeitig belegte sie jedoch, dass der Anspruch nach einer beiden Seiten gerecht werdenden Darstellung der Ereignisse gescheitert war. Ungeachtet der Kritik aus Dänemark bewertete die Idstedt-Stiftung den dänischen Museumsführer jedoch äußerst positiv : So sei dieser trotz einiger kleiner redaktioneller Fehler wohlwollend in Dänemark angenommen worden.106 104 Der dänischen Übersetzerin wurde vorgeworfen, dass sie durch ihren Heimatsitz in Deutschland nicht nur ihr Sprachvermögen verloren, sondern wohl auch gewisse politische Einstellungen des südlichen Nachbarn übernommen hätte: »Die Kritik tut weh, weil sie sich gegen die Dänen Winnie Schramm […] richtet. Sie muß schon so lange in Deutschland gelebt haben, daß sie die Feinheiten ihrer Muttersprache vergessen hat, vielleicht auch etwas mehr.« In: Flensborg Avis, 22. Januar 1983. 105 Flensborg Avis, 22. Januar 1983. 106 Der Jahresbericht der Stiftung verwies diesbezüglich auf einen Brief von Finn Askaard, dem Direktor des Kopenhagener Zeughauses, in dem dieser lobte, dass es »eine vorzügliche Idee [sei], einen dänisch-sprachigen Führer des Museums zu haben… Ein dänischer Museumsführer ist ein guter Ausdruck für den Geist, in welchem wir zu Zeit zusammen gearbeitet haben.« Die Aussage Askaards lässt jedoch keine Rückschlüsse auf die inhaltliche

352

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Schnell wurde deutlich, dass nicht nur die dänische Kritik und die Vorbehalte von Seiten der schleswig-holsteinischen Historiker einen Schatten über die Wiedereröffnung der Gedächtnishalle warfen. Auch die Zuschauerresonanz entsprach nicht den zuvor geäußerten Erwartungen: Während Werner Schmidt Ende 1977 noch davon gesprochen, dass man jährlich »ohne weiteres mit 20.000 Besuchern und mehr rechnen« könne,107 waren es in der Realität 1979 nur 6.749. Die Werte bewegten sich somit lediglich auf dem Niveau von vor der Schließung im Jahr 1976.108 Zwei Jahre später sank die Zahl noch einmal auf 4.172; erst eine umfassende Werbemaßnahme führte wieder zu einem langsamen Anstieg auf über 6.000 Gäste.109

VI.3.c. Das Museum zwischen regionalem Heimatbewusstsein, nationalem Einheitsstreben und europäischer Integration Bereits die Neueröffnung der Idstedt-Gedächtnishalle im Rahmen des ersten Schleswig-Holstein-Tages offenbarte, dass die dänische Kritik bezüglich der einseitigen Ausrichtung des Museums durchaus begründet war.110 Auch die Einbindung der Halle in die Feierlichkeiten stellte den Ort in den Dienst der Propagierung einer Regionalidentität.111 So kennzeichnete Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg als Ziele des Schleswig-Holstein-Tages die »Festigung des Heimatbewußtseins, [die] Förderung des schleswig-holsteinischen Landesbe-

107 108 109

110

111

Bewertung zu, da lediglich das Projekt an für sich lobend erwähnt wurde. Jahresbericht des Stiftungsvorstandes vom 28. März 1983. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 2«. Schleswiger Nachrichten, 20. Dezember 1977. Zählung Besucherzahlen der Idstedt-Halle durch die Idstedt-Stiftung. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 2«. Jahresbericht des Stiftungsvorstandes vom 28. März 1983. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 2«. Der Anteil der dänischen Besucher wurde hierbei auf »schätzungsweise 15 – 20 %« taxiert. Die genauen Gründe für die Stagnation der Besucherzahlen auf diesem niedrigen Niveau sind nicht eindeutig feststellbar. Sicherlich spielte die breite Kritik an der Ausstellung eine gewisse Rolle. Der 1978 von der Landesregierung eingeführte Schleswig-Holstein-Tag ging auf eine Initiative des SHHB zurück. Über seine Wiederholung im zweijährigen Rhythmus sollte das Ereignis eine feste Veranstaltung im Terminkalender der schleswig-holsteinischen Bevölkerung werden. Zunächst wurde das Fest an mehreren Orten parallel begangen, seit 1992 gibt es nur noch eine zentrale Veranstaltung. Das ursprüngliche Ziel des Tages war die Stärkung einer regionalen Identität. Das Programm bestand aus einem Festumzug diverser Tanz-, Tracht- und Musikgruppen, der Landung von Fallschirmspringern der Bundeswehr, zahlreichen Ansprachen von politischen Vertretern, einem Fußballturnier, Tanz- und Gesangsdarbietungen diverser regionaler Vereine und der Museumseröffnung. Siehe hierzu: Programm für die Festveranstaltungen des Schleswig-Holstein-Tages 1978 vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 1«.

Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle

353

wußtsein und [die] Stärkung der inneren Beziehungen der Menschen zu ihrer Heimat und zu ihrem Land […].«112 Das Programm und die Inhalte der Ansprachen ergaben ein Bild, welches als paradigmatisch für die Einbindung des Museums in das geschichtspolitische Programm des SHHB gesehen werden kann. Die Gedächtnishalle wurde innerhalb dreier sich ergänzender und überlagernder Narrativstränge imaginiert: Erstens ging es um die Hervorhebung einer regionalen schleswig-holsteinischen Identität, die auf eine vermeintlich lange historische Tradition zurückblickt und deren herausragendes und konstituierendes Ereignis die Erhebung von 1848 bis 1851 mit der Schlacht von Idstedt war. Werner Schmidts Ansprache auf dem Schleswig-Holstein-Tag stand programmatisch für diesen regionalen Aspekt. Der besondere Tag solle, so Schmidt, in Zukunft in jedem Jahr die Bewohner des Bundeslandes zu »ernstem und frohem Bekenntnis zu unserer Heimat versammeln […].« Idstedt bot sich seiner Ansicht nach für die erste Ausrichtung dieser Feierlichkeit an, weil hier »in besonderer Weise an die wechselvolle Geschichte unseres Landes erinnert« werde. Der Heimatbegriff nahm in der Rede eine zentrale Rolle in der Imagination einer gemeinsamen regionalen Identität der Schleswig-Holsteiner ein. Dieser politisch gefärbte Heimatbegriff schloss die Bewohner Schleswig-Holsteins, die deutsche Minderheit in Nordschleswig, die Jugend, »die sich heute wieder mit Freude und mit Stolz zu Heimat und Vaterland bekennt«, die außerhalb des Bundeslandes lebenden Schleswig-Holsteiner und die ehemaligen deutschen Ostvertriebenen, die in Schleswig-Holstein eine neue Heimat gefunden hatten, ein.113 Ähnlich wie in anderen Bundesländern sollte das Erlebnis des gemeinsamen Festes dem verlorenen Nationalbewusstsein ein regionalisiertes Identitätskonzept unter dem Schlagwort des Heimatbegriffes entgegensetzen, welches explizit auch die heimatvertriebenen Bevölkerungsgruppen mit einbezog.114 Der Volkskundler Wolfgang Brückner verwies 112 Programmheft Schleswig-Holstein-Tag am 9./10. September 1978 in Idstedt. LASH, Abt. 422.17, Nr. 298. 113 Grußwort von Werner Schmidt auf dem Schleswig-Holstein-Tag am 10. September 1978. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 1«. Anlässlich des Feierlichkeiten kam es zu der erstmaligen Verleihung der Schleswig-Holstein Medaille für »außergewöhnliche Leistungen um die Heimat« mit der zahlreiche Bürger für ihre Verdienste geehrt wurden. Zu diesen ehrenvollen Leistungen gehörten Ministerpräsident Stoltenberg zufolge »die Stärkung des Heimat- und Landesbewußtseins, die Festigung des Zusammengehörigkeitsgefühls von Alt- und Neubürgern, von Einheimischen, Vertriebenen und Flüchtlingen, die Darstellung der Landesgeschichte und die Förderung der Landesentwicklung, ferner die Aktivierung des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie die Pflege der Volkskunst und des Sports.« In: Kieler Nachrichten, 11. September 1978. 114 Vgl. die Analyse Wolfgang Brückners zum Hessentag 1965: »Mit anderen Worten, weil es deutsches Vaterland nicht mehr oder noch nicht wieder gibt, darum heißt die Parole Heimat. […] Die Überhöhung von Heimat erträumen Volk und Volksvertreter in aktualisierten Historisierungen bei sogenannten Volksfesten, Heimatabenden und Festumzügen.«

354

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

in diesem Zusammenhang auf die grundlegende Bedeutung folkloristischer Elemente, wie sie auch auf dem Schleswig-Holstein-Tag zu finden waren.115 Die Grundlage für diese Fokussierung auf die »Heimat« stellte eine Neuausrichtung der durch den Heimatbund betriebenen Geschichts- und Identitätspolitik dar, für die das Schleswig-Holsteiner-Treffen 1978 zur »Geburtsstunde des Landesbewusstseins«116 und darüber hinaus zur »Renaissance der Heimatbewegung« wurde.117 Der inkludierenden Funktion des Festes, neben Schmidt traten ein Vertreter des Landesverbands der Vertriebenen Deutschen, ein Repräsentant des Bundes Deutscher Nordschleswiger sowie Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg als Redner auf,118 stand gleichzeitig eine Exklusion der dänischen Minderheit und der dänischen Vertreter sowohl aus dem Programm als auch aus der regionalen Identitätskonstruktion gegenüber.119 Die Idstedt-Gedächtnishalle und der Schleswig-Holstein-Tag erhielten mit ihrem (Neu-)Beginn also zugleich auch eine eindeutige regional-schleswig-holsteinische Konnotation. Der zweite Narrativstrang im Kontext der Veranstaltung und der Neueröffnung der Ausstellung war ein nationaler, der die Geschehnisse und die Neukonzeption des Museums als »ein Symbol für das Einheitsbewußtsein« auch in

115 116

117

118 119

Brückner, Wolfgang. Heimat und Demokratie. Gedanken zum politischen Folklorismus in Westdeutschland. In: Zeitschrift für Volkskunde; 61 (1965). S. 205 – 213, hier S. 210. Ebd. Vgl. Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 304. Analog zum nationalen Narrativ des Wirtschaftswunders als bundesrepublikanischer Gründungsmythos wurde auf dem Schleswig-Holstein-Tag gemeinsam von der Landesregierung, dem SchleswigHolsteinischen Heimatbund, Vertretern der deutschen Minderheit in Nordschleswig sowie den Vertriebenenverbänden eine regionale Meistererzählung konstruiert, die vor dem Hintergrund der desaströsen politischen und wirtschaftlichen Ausgangslage des Bundeslandes im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg die gemeinsame Erfolgsgeschichte aller Gruppen hervorhob und sie zur Grundlage der Landesidentität machte. Vgl. Münkler, Herfried. Die Deutschen und ihre Mythen. Berlin 2009. S. 457 ff. Vgl. Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 243. Vgl. auch: Hartung, Werner. Das Vaterland als Hort von Heimat. Grundmuster konservativer Identitätsstiftung und Kulturpolitik in Deutschland. In: Klueting, Edeltraud (Hrsg.). Antimodernismus und Reform. Zur Geschichte der deutschen Heimatbewegung. Darmstadt 1991. S. 112 – 156, hier S. 144. Programm für die Festveranstaltungen des Schleswig-Holstein-Tages 1978 vom SchleswigHolsteinischen Heimatbund. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 1«. Die Zeitung Jydske Tidende hatte bereits im Vorfeld bemängelt, dass die Veranstalter der Feierlichkeiten scheinbar keinen Wert auf die Teilnahme dänischer Repräsentanten wert legen würden. (Jydske Tidende, 4. Mai 1978). So nannte Werner Schmidt die dänische, aber auch die friesische Minderheit als einzige Bevölkerungsgruppen des Bundeslandes nicht in seiner Ansprache (Grußwort von Werner Schmidt auf dem Schleswig-Holstein-Tag am 10. September 1978. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 1«). Das Programm listete in seiner Teilnehmerliste ebenfalls keine dänischen Vertreter auf. Programm für die Festveranstaltungen des Schleswig-Holstein-Tages 1978 vom SchleswigHolsteinischen Heimatbund. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 1«.

Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle

355

der aktuellen Zeit betonte.120 Ähnlich wie in den Überlegungen zur Überarbeitung der musealen Darstellung spielte die Vorstellung des »Ausharrens [der Schleswig-Holsteiner] in fast aussichtsloser Lage im Bewußtsein historischen und menschlichen Rechts« eine zentrale Rolle im Rahmen der Veranstaltung.121 So wie die Ereignisse der Erhebungszeit und die Schlacht bei Idstedt als Teil des deutschen Strebens nach nationaler Einheit gesehen werden müssten,122 besaß der Ort vor dem Hintergrund der Teilung Deutschlands in Ost und West Werner Schmidt zufolge auch 1978 noch eine zeitgemäße Botschaft: »Es ging während der ganzen Erhebung um die so schwierige Verbindung von politischer Freiheit und nationaler Einheit. Dies ist ein Grundmotiv neuerer deutscher Geschichte geblieben.«123 Schmidt hob die Parallelität der Ereignisse hervor : Damals waren die Bewohner der Region, aber auch ganz Deutschlands von der Rechmäßigkeit ihres Strebens nach Einheit überzeugt – heute seien sie es erneut. Die Feststellung des SHHB-vorsitzenden, das »Rechtsbewußtsein war also mit dem Einheitsbewußtsein identisch«, fungierte in diesem Kontext als eine historische Schablone für die politische Situation der 1970er Jahre. Diese Tendenz hatte sich hatte bereits seit Anfang der 1960er Jahre in den alljährlichen Gedenkfeiern an der Gedächtnishalle angesichts des Kalten Krieges angedeutet.124 Ein Indiz für diese Einordnung in den zeitgenössischen deutschen Einigungsdiskurs war die Aufnahme der Idstedt-Gedächtnishalle in das »Kulturelle Zonenrandprogramm 1978« der Bundesrepublik Deutschland.125 Dieses nationale Förderprogramm hatte das Ziel, soziale und kulturelle »Einrichtungen und Maßnahmen im Zonenrandgebiet« – gemeint sind hier die an die DDR und die CSSR angrenzenden westdeutschen Bundesländer – finanziell zu fördern, um so die durch die Randlage bedingten wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen und den kultu120 Programmheft Schleswig-Holstein-Tag am 9./10. September 1978 in Idstedt. LASH, Abt. 422.17, Nr. 298. 121 Schmidt, Werner. Im Blickpunkt: Idstedt 1978. In: Schleswig-Holstein; 9/1978. S. 1. 122 »›Idstedt‹ ist aber auch zu sehen vor dem großen historischen Prozeß der Deutschen, ihre Einheit und Freiheit zu finden […].« Stolz, Gerd. Verloren ehe begonnen. Idstedt – 25. Juli 1850. In: Schleswig-Holstein; 9/1978. S. 2 – 7, hier S. 2. Der Historiker Stolz war der Gestalter der inhaltlichen Neuausrichtung der Ausstellung. 123 Schmidt, Werner. Gedanken auf dem Schlachtfeld bei Idstedt. In: In: Schleswig-Holstein; 9/ 1978. S. 14 – 16, hier S. 15. Siehe hierzu ergänzend seine Aussage im Vorwort der Zeitschrift Schleswig-Holstein: »Die politischen Hintergründe, die mit jenem Abschnitt der Landesgeschichte verbunden sind, weisen aber auch über unsere engere Heimat hinaus. Sie bieten ein Lehrstück gesamtdeutscher Geschichte; wer lernen will, kann daraus für die uns gestellten größeren deutschen Fragen belehrt werden.« Schmidt, Idstedt, 1978. S. 1. 124 Vgl. Kap. V.3.c. Siehe auch den Artikel »Im ungebrochenen Bewußtsein historischen Rechts auf befriedete Einheit warten«. In: Schleswiger Nachrichten, 28. Juli 1975. 125 Bewilligungsbescheid des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen vom 9. August 1978. LASH, Abt. 422,17: Vereine und Verbände. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund e.V., Nr. 774: Finanzielle Förderung, Bundesmittel.

356

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

rellen und sozialen Sektor zu stärken. Die Bereitstellung von 50.000 DM für die Neugestaltung und die Instandsetzung der Idstedt-Halle126 war folglich eine klare nationalpolitische Maßnahme. Ein ähnliche Intention lag der Wahl eines doppelköpfigen Adlers, welcher von den schleswig-holsteinischen Soldaten in der Erhebungszeit als Abzeichen an den Uniformen getragen wurde, als das neue Symbol für die Ausstellungshalle und die Stiftung zugrunde. Ministerpräsident Stoltenberg verglich in diesem Kontext die gegenwärtige Situation mit den Ereignissen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts: »Der als Idstedt-Symbol gewählte Doppeladler soll das Streben nach deutscher Einheit – damals wie heute – symbolisieren. Somit ist Idstedt auch heute für uns im geteilten Deutschland von aktueller Bedeutung.«127 Der dritte Narrativstrang im Kontext der Neueröffnung des Museums besaß dagegen eine völlig andere Bedeutung: Mit der zunehmenden Entspannung im Grenzland infolge der Bonn-Kopenhagener-Erklärungen von 1955 rückte im alljährlich Gedenken an die Schlacht von Idstedt der memorative Aspekt an die Gefallenen beider Seiten in den Vordergrund.128 Hiermit gingen die Einordnung der historischen Ereignisse und die daran anschließende vermeintliche Versöhnung zwischen Deutschen und Dänen in den Kontext einer europäischen Einigungsbewegung im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg einher. Die während der Renovierungsarbeiten im Umfeld der Idstedt-Stiftung und des Heimatbundes als Ziel genannte Integration einer dänischen Perspektive in die neue Ausstellung wurde auch während der Eröffnungsfeierlichkeiten wiederholt angesprochen. Neben dem lobenden Verweis auf die Zusammenarbeit mit den dänischen Behörden129 hoben Redner und Repräsentanten wiederholt das gute deutsch-dänische Verhältnis im Grenzraum hervor. Werner Schmidt zufolge hatten die Erfahrungen der Schleswig-Holsteiner aus jener Zeit […] zugleich dazu beigetragen, daß sich heute die Gegner von einst, Deutsche und Dänen, beide damals von ihrem historischen Recht überzeugt, ohne Bitternis und in beiderseitigem Verstehen begegnen können.

So sah der Vorsitzende das »Schleswiger Grenzland, eine der bedeutenden europäischen Geschichtslandschaften, […] heute [als] ein Symbol sowohl deut126 Verwendungsnachweis des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes e.V. vom 18. Juni 1979. LASH, Abt. 422.17, Nr. 774. 127 Schleswiger Nachrichten, 11. September 1978. 128 Vgl. exemplarisch für die Jahre ab 1953 die Berichterstattung: Schleswiger Nachrichten, 27. Juli 1953; Schleswiger Nachrichten, 26. Juli 1954; Schleswiger Nachrichten, 25. Juli 1961; Schleswiger Nachrichten, 21. August 1963; Schleswiger Nachrichten, 27. Juli 1970; Schleswiger Nachrichten, 28. Juli 1972. 129 Brief von Werner Schmidt an Theo Christiansen vom 20. März 1978. GA SlFl, Abt. 16, Nr. 72; Kieler Nachrichten, 11. September 1978.

Gesellschaftlicher Wandel und Neukonzeption: die Idstedt-Gedächtnishalle

357

scher Einheit als auch fruchtbaren Miteinanders in unserem Erdteil […].«130 Eine bedeutende Position nahmen in dieser Versöhnungserzählung die Gräber und die Grabpflege der dänischen, schleswig-holsteinischen, preußischen und österreichischen Soldaten ein, die in Idstedt, aber auch an anderen Orten der Region begraben worden waren.131 Ministerpräsident Stoltenberg hob in seiner Ansprache den positiven Wandel der Beziehung hervor : Der Ort sei heute kein »Gedenkplatz nationalistischer Frontstellung« mehr. An »die Stelle einstiger Konfrontation sei an der Nahtstelle zweier europäischer Völker echte und ehrliche Partnerschaft getreten.«132 Die ereignisreiche Geschichte der deutsch-dänischen Grenzregion erhielt in der Darstellung des Ministerpräsidenten den Charakter einer Modellregion für die deutsche, aber auch für die europäische Einigungsbewegung. Einstige historische Verknüpfungen durch Handel und Wissensaustausch sowie einzelne Zeugnisse der »militärpolitischen Bedeutung des Grenzraums«, wie das Danewerk, belegten laut Werner Schmidt eine wechselvolle Beziehungsgeschichte, deren positive Aspekte durch die Auseinandersetzungen im 19. Jahrhundert verdeckt wurden, aber nun aktueller denn je seien.133 Die Einordnung des Museums in einen gesamteuropäischen Kontext – »Es zeigt sich vom Beginn des Krieges an, daß auch (oder sogar) schleswigholsteinische Fragen zugleich europäische Fragen sind«134 – ermöglichte die Erzählung einer Erfolgsgeschichte, an deren Ende die Versöhnung über die Grenze hinweg stand. Die Auseinandersetzungen erhielten so den Anschein einer zwangsläufigen Erscheinung und nahmen dem deutsch-dänischen Konflikt rückblickend die nationale Brisanz. Anhand dieses deterministischen Geschichtsbildes ließ sich die Idstedt-Gedächtnishalle als ein Modellbeispiel für die europäische Einigungsbewegung darstellen: »Einst hat man diesen blutgetränkten Raum die Landenge von Schleswig genannt. Heute ist man berechtigt ihn nach dem Vorbild ähnlicher Plätze in Europa die ›Schleswiger Pforte‹ zu nennen, ein Tor, das zwischen Nord und Süd weit offen steht.«135

130 Programmheft Schleswig-Holstein-Tag am 9./10. September 1978 in Idstedt. LASH, Abt. 422.17, Nr. 298. 131 Ebd. 132 Kieler Nachrichten, 11. September 1978. 133 »Die Vorbestimmung zu Kontakten hat hier schon früh einen Kreuzweg in Nordeuropa entstehen lassen. Über Haithabu liefen nach der Völkerwanderung die Seeverbindungen über die Ostsee nach Schweden und in den baltischen Osten, nach Überwindung der schmalen Landbrücke Treene- und Eiderabwärts über die Nordsee nach Flandern und England. Gleichzeitig führte über Land die uralte Handelsstraße vom Süden nach dem Norden hier hindurch, die man hierzulande den Ochsenweg in Dänemark den Heerweg nennt.« Schmidt, Gedanken, 1978. S. 14. 134 Ebd. S. 15. 135 Ebd. S. 15 f.

358

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiesen die Vertreter des SchleswigHolsteinischen Heimatbundes und die von ihm gesteuerte Idstedt-Stiftung in den folgenden Jahren auf die besondere Rolle der Gedächtnishalle im Grenzland hin. Die Neukonzeption drückte aus ihrer Sicht das nun versöhnte Verhältnis zwischen Deutschen und Dänen aus, Idstedt sollte ein Ort sein, den beide Seiten ohne Bitterkeit als ein Erinnerungsort für die Ereignisse von 1848 bis 1851 besuchen könnten und der beispielhaft für das Überwinden nationalistischer Grenzkämpfe stehe. Entgegen dieser offiziellen Positionen des SHHB und seines Vorsitzenden Werner Schmidt spielten alte grenzkämpferische Positionen in der realen Umsetzung der Kultur- und Geschichtspolitik, vor allem im Hinblick auf die Idstedt-Gedächtnishalle, weiterhin eine zentrale Rolle. Die breite Kritik durch schleswig-holsteinische Landeshistoriker und die dänische Minderheit an dem mangelnden Kooperationswillen des Heimatbundes einerseits und an der neuen Ausstellung andererseits, die eine dänische Perspektive wie zuvor ausschloss, verdeutlichten dies. Gerade der SHHB unter Werner Schmidt hielt trotz aller öffentlich bekundeter Freundschaftserklärungen an einer eher Dänemarkskeptischen Geschichtspolitik im Umfeld des Kulturerbes Idstedt fest. Im Vorfeld des Landtagswahl 1979 verschickte Schmidt an seine »Freunde und Weggenossen im Lande« als »politisch nicht gebundene […] Person« so einen Brief, in dem er offen dafür eintrat, dem Südschleswigschen Wählerverband keine Stimme zu geben. Es entspräche zwar dem »guten Klima im Grenzland und dem Interesse beider Minderheiten […], daß sie in den willensbildenden Organen angemessen vertreten« seien, jedoch habe die »aktuelle […] Situation in unserem Lande allerdings eine besondere Bedeutung, […] die man nicht mit wohlgemeinten Berufungen auf Europa spielen kann.«136

VI.4. Kontroversen um das mittelalterliche Kulturerbe VI.4.a. Schutzbemühungen der 1960er Jahre Nach den grenzüberschreitenden Auseinandersetzungen um Haithabu und das Danewerk in den 1950er Jahren verlor das mittelalterliche Kulturerbe der Region in den Folgejahren zunächst seine große Präsenz in den öffentlichen Diskursen. Die vermeintliche Normalisierung des deutsch-dänischen Verhältnisses im Grenzland und die ersten eingeleiteten Schutzmaßnahmen, insbesondere durch das Denkmalschutzgesetz von 1958, führten zu einer Beruhigung der Lage. Vor allem die politische Situation war maßgeblich entscheidend für die zurückhal136 Brief von Werner Schmidt vom April 1979. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 2«.

Kontroversen um das mittelalterliche Kulturerbe

359

tenden Stimmen in Bezug auf das mittelalterliche Erbe, denn nach wie vor stellten sich gerade die Wallanlagen des Danewerks als gefährdet dar.137 Grund hierfür war die nur partielle und langsam stattfindende Eintragung einzelner Abschnitte der Anlagen in das Denkmalbuch. Mit der Unterschutzstellung verband sich eigentlich eine Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung. In der Praxis erwies sich diese Bestimmung jedoch als nicht ausreichend, da die Denkmalschutzbehörde zur Vermeidung hoher Entschädigungszahlungen die bis dahin üblichen Bewirtschaftungsformen, wenn auch mit Auflagen, weiterhin zulassen musste.138 Die Korrespondenzen zum mittelalterlichen Kulturerbe in jenen Jahren zeigten jedoch auch, dass sowohl die verantwortlichen Stellen auf deutscher Seite als auch dänische Vertreter wie Reichsantiquar Peter Vilhelm Glob einhellig die Ansicht vertraten, dass weiterreichende Maßnahmen eingeleitet werden mussten.139 Das Denkmalschutzgesetz bot mit der Möglichkeit zur Unterschutzstellung von Arealen zu Grabungszwecken140 zwar ein zeitlich und räumlich limitiertes Instrument zur Bewahrung von besonders gefährdeten Stellen, welches auch teilweise zum Einsatz kam,141 stellte aber keine endgültige

137 Karl Kersten vom Landesamt für Vor- und Frühgeschichte wandte sich Anfang Januar 1968 mit dem Hinweis an das Kultusministerium des Landes Schleswig-Holstein, dass die Siedlungsanlage von Haithabu akut durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung bedroht sei. Bereits im September 1967 hatte sich Herbert Jankuhn im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft an Ministerpräsident Helmut Lemke (CDU) mit demselben Anliegen gerichtet. Hans Hingst 1949 hatte bereits 1949 in seiner am Landesamt verfassten Denkschrift über den Zustand und die Erhaltungsmaßnahmen des Danewerks den sorglosen Umgang kritisiert. Nun waren es erneut die Landwirtschaft und die Missachtung bestehender Schutzmaßnahmen, die zu der Gefährdung führten. Kersten wies in seinem Brief darauf hin, dass der »ungewöhnlich hohe Anfall von zahlreichen Oberflächenfunden innerhalb der Siedlungsfläche der Wikingerstadt Haithabu erkennen läßt, daß die Bauern bei der Bewirtschaftung zunehmend tiefer pflügen […].« Deswegen sei es nun zwingend notwendig, »die in Haithabu gelegenen Flächen vollständig der Ackernutzung zu entziehen und sie in Zukunft ausschließlich als Weide zu nutzen.« Brief vom Landesamt für Vor- und Frühgeschichte an den Kultusminister vom 11. Januar 1968. LASH, Abt. 605: Staatskanzlei, Nr. 6619: Haithabu, Hebung und Konservierung des Wikingerschiffs im Haddebyer Noor. 138 Springer/Schlechter, Kulturdenkmal Danewerk, 1981. S. 41. 139 Glob wies Mitte März 1968 in einem Brief an Ministerpräsident Lemke darauf hin, dass dem »Zustand der fortschreitenden Zerstörung der alten Stadt […] unter allen Umständen sofort abgeholfen werden [… muss].« Eine Unterschutzstellung der »gesamte[n] Innenfläche des Halbkreiswalles von Haithabu« wäre auch im dänischen Interesse, da »die dänische Öffentlichkeit, wie Ihnen bekannt ist, in höchstem Maße an der Erhaltung des Danewerks und der Stadt Haithabu interessiert ist […].« Brief von Reichsantiquar Glob an Ministerpräsident Dr. Helmut Lemke vom 18. März 1968. LASH, Abt. 605, Nr. 6619. 140 § 19, DSchG Schleswig-Holstein vom 7. Juli 1958. 141 So kam es zu einer zeitlich befristeten Unterschutzstellung eines Teils der Wallanlage aufgrund einer Verordnung vom 7. Dezember 1966. Diese erfolgte zunächst bis Oktober 1977 und wurde mithilfe einer Landesverordnung schließlich entfristet, Vgl. Springer/ Schlechter, Kulturdenkmal Danewerk, 1981. S. 42.

360

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

und dauerhafte Lösung für die gesamten Anlagen von Haithabu und Danewerk dar. Die vom Landesamt für Vor- und Frühgeschichte vorgebrachte Idee der Gründung einer deutsch-dänischen Stiftung Danewerk-Haithabu zur Befriedung des Areals sollte dieses Problem beseitigen und stieß in den zuständigen Gremien auf große Zustimmung. Diese Stiftung solle, so Karl Kersten, sämtliche betroffenen und bedrohten Landparzellen aufkaufen, der landwirtschaftlichen Nutzung entziehen und auf diesem Weg die vollständige Unterschutzstellung erreichen.142 Ein deutsch-dänisches Kuratorium solle, ähnlich wie beim Danewerksausschuß, die Mittel und die Schutzmaßnahmen verwalten und überwachen. Vor allem Kerstens Insistieren auf die bi-nationale Ausrichtung der Stiftung ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, zeugte sie doch von der Überzeugung, ein gemeinsames deutsch-dänisches Erbe zu beschützen. Freilich stieß diese Dänemark-freundliche Haltung des Landesamtes nicht auf ungeteilte Unterstützung. So zeigten sich die schleswig-holsteinische Staatskanzlei und der auch schon in den 1950er Jahren in der Grenzlandpolitik sehr aktive Präsident des Kreises Schleswig, Jürgen Thee, einig darin, dass bei »der Gründung einer solchen Gesellschaft oder Stiftung […] Sorge getragen werden [muss], daß die in ihr vertretenen dänischen Mitglieder kein Übergewicht erhalten.«143 Der von Hans Hingst an die Staatskanzlei vermittelte Vorschlag von Reichsantiquar Glob, »aus dänischen Kreisen in die Stiftung […] einen namhaften Betrag einbringen« zu können, stieß zwar auf Wohlwollen, erregte gleichzeitig aber auch Argwohn, so dass »aber auf jeden Fall dafür Sorge getragen werden [solle], daß der dänische Anteil […] am Stiftungskapital […] weniger als die Hälfte beträgt.«144 Auf schleswig-holsteinischer Seite kristallisierten sich so nach und nach zwei Fraktionen heraus, die die Zusammenarbeit mit Dänemark zum Schutz des 142 Große Unterstützung erfuhr der Vorschlag beispielsweise durch Kreispräsident Jürgen Thee (CDU, MdL), der diese Maßnahme als alternativlos ansah: »Es ist eine häufig bewiesene Tatsache, daß unerwünschte Veränderungen in hervorragenden Landschaften oder Landschaftsteilen letztendlich nur dann verhindert werden können, wenn sich die fraglichen Parzellen im Besitz der öffentlichen Hand befinden.« Brief von Kreispräsident Thee an den Chef der Staatskanzlei vom 11. März 1968. LASH, Abt. 605, Nr. 6619. Vgl. zur Unterstützung des Vorschlages des Landesamtes durch die dänische Seite auch den Aktenvermerk der Staatskanzlei vom 28. März 1969. LASH, Abt. 605, Nr. 6619. 143 Brief vom Chef der Staatskanzlei an das Kultusministerium vom 9. Februar 1968. LASH, Abt. 605, Nr. 6619. Trotz dieser kritischen Haltung war die Einbindung von dänischen Vertretern Konsens. Thee äußerte sich bei öffentlichen Auftritten und gegenüber der Presse diesbezüglich, »daß man auch dänische Kreise für diese Stiftung zu interessieren wünsche.« In: Flensburger Tageblatt, 15. Februar 1968. In der Folgezeit achtete vor allem die Staatskanzlei über jedwede Einflussnahme des dänischen Reichsantiquars Glob und anderer dänischer Stellen. Vgl. Aktenvermerk der Staatskanzlei vom 28. März 1969. LASH, Abt. 605, Nr. 6619. 144 Ebd.

Kontroversen um das mittelalterliche Kulturerbe

361

regionalen mittelalterlichen Kulturerbes zwar nicht grundlegend, jedoch partiell unterschiedlich bewerteten. Während das Landesamt wie bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit vornehmlich den Schutz der Anlagen beabsichtigte, begrüßten die Kreise um Jürgen Thee und die Staatskanzlei von Ministerpräsident Lemke die Einbindung Dänemarks, waren aber darauf bedacht, den dänischen Einfluss so gering wie möglich zu halten. Daraus ergab sich für die schleswig-holsteinische Landesregierung das Dilemma, einerseits den dänischen Einfluss durch eine Limitierung des Stiftungskapitals einzuschränken und andererseits das Problem, dass das Kultusministerium selbst nicht über ausreichend eigene Geldmittel verfügte.145 Dies führte dazu, dass die Pläne auch 1976 noch nicht ihre Umsetzung gefunden hatten.146 Auf Drängen des SSW kam es Anfang Februar des Jahres zu einer offenen Sitzung des Danewerksausschußes, an der auch zahlreiche weitere Vertreter aus Politik und Kultur teilnahmen.147 Ziel dieses Treffens sei es, so der Fraktionsvorsitzende der dänischen Minderheitspartei im Schleswiger Kreistag, Gerhard Wehlitz, die Stiftungs-Idee voranzutreiben. Gleich zu Beginn verdeutlichte er, dass das Kulturerbe nicht ein spezielles Anliegen des SSW sei, sondern dass ein »Monument vom Format des Danewerks ein Gemeinschaftsanliegen sein solle […].«148 Hiermit wollte Wehlitz vorausschauend mögliche Vorwürfe, dass Dänemark respektive die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein die Anlagen für sich vereinnahmen wollten, entkräften. Um die ersten Erfolge in der Unterschutzstellung der mittelalterlichen Werke auszubauen, beschlossen die Teilnehmer der Zusammenkunft zwei Maßnahmen, die zum einen das Danewerk und Haithabu wieder mehr in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit bringen und zum anderen die verantwortlichen Stellen in der Landesregierung für deren Schutz sensibilisieren sollten. So wurde erstens die Idee einer Stiftungsgründung an den Ministerpräsidenten herangetragen und zweitens sollten die Informations- und Besuchsmöglichkeit für Bewohner und Touristen aus Deutschland und Skandinavien verbessert werden. Karl Struve vom Landesamt verwies in diesem 145 Eine Anfrage bei der für den Landschaftsschutz zuständigen Naturschutzbehörde ergab, dass die für den Aufkauf beziehungsweise alternativ als Dauerpacht des Areals anfallenden Kosten von rund 125.000,– DM beziehungsweise jährlich 4000,– DM auch hier nicht generiert werden konnten. Ebd. 146 Hiervon zeugt beispielsweise der Vorstoß des SSW im Januar 1975, der die Idee der Danewerk-Stiftung erneut vortrug. Vgl. Flensborg Avis, 31. Januar 1975. 147 In der Berichterstattung vom Flensborg Avis wurden neben Kersten und Hingst vom Landesamt für Vor- und Frühgeschichte deren Nachfolger Karl Struve und Joachim Reichstein sowie Kurt Schietzel genannt, hinzu kamen der neue Kreispräsident Andreas Franzen und sein Vorgänger Jürgen Thee, Landrat Gernot Korthals samt weiterer Vertreter der kommunalen Verwaltung sowie Abgeordnete aus CDU, SPD und SSW. Vgl. Flensborg Avis, 2. Februar 1976. 148 »[…] monument af Dannevirkes format burde være et fællesanliggende for alle […].« Ebd.

362

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Kontext auf die aus seinem Haus stammende Idee der Errichtung eines Haithabu-Museums vor Ort.149 Die gemeinsame Veranstaltung zeigte, dass es eine transnationale Interessensgemeinschaft zum Schutz des mittelalterlichen Kulturerbes der Region gab. Jedoch fand die Vorstellung vom gemeinsamen vorhistorischem Erbe »als Symbol für die Kontaktzone zwischen Mittel- und Nordeuropa« und als »Brücke zwischen Deutschland und Skandinavien«150 in den Debatten rasch ihre Grenzen. Nicht zuletzt lag dies an den Nachwirkungen der Auseinandersetzungen in den 1950er Jahren um das Danewerk und Haithabu sowie an den jeweiligen nationalen Besitzansprüchen an Erbe und Raum. Die Erinnerung an die Kontroversen der Nachkriegsjahre war insbesondere in Schleswig-Holstein auch gegen Ende der 1960er Jahre noch äußerst präsent. Hinzu kam, dass weiterhin eine Mehrheit der Besucher des Danewerks aus Dänemark anreiste, »da nach Ansicht dänischer Erzieher jedes Schulkind das Danewerk – die einstige Südgrenze des Landes – gesehen haben sollte. Auch alle übrigen Altersgruppen der dänischen Bevölkerung messen dem Geschichtsbewusstsein einen hohen Stellenwert zu.«151

VI.4.b. Pläne für ein neues Haithabu-Museum Parallel zu den weiteren Schutzbemühungen entstand in den 1970er Jahren die Idee zur Gründung eines Haithabu-Museums, dessen Ausstellung sich explizit auf die ehemalige Handelssiedlung und die Ergebnisse der zahlreichen archäologischen Ausgrabungen seit der Jahrhundertwende konzentrieren sollte. Das von Karl Struve auf dem SSW-Treffen im Februar 1976 vorgestellte Projekt befand sich zu jenem Zeitpunkt in einer ersten Planungsphase. Bereits ein Jahr später beendete eine eigens für diesen Zweck gegründete internationale Expertenkommission152 ihre Bewertung der wissenschaftlichen Bedeutung Hai149 Vgl. Ebd. 150 Springer/Schlechter, Kulturdenkmal Danewerk, 1981. S. 2. 151 Springer und Schlechter gingen von einem dänischen Anteil von 80 % an der Gesamtbesucherzahl aus. Vgl. Ebd. S. 16. 152 Zu den Mitglieder der Kommission gehörten der emeritierte Herbert Jankuhn, der eng mit der Grabungs- und Forschungsgeschichte der Siedlung verbunden war, Georg Kossack vom Institut für Vor- und Frühgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Frühhistoriker Wolfgang Hübener von der Universität Hamburg, als dänischer Vertreter der spätere Reichsantiquar Olaf Olsen von der Universität Aarhus, der dänische Ingenieur Ole Crumlin Pedersen, Kurator der Schiffs- und Meeres-Archäologie im dänischen Nationalmuseum Roskilde, für die technische Umsetzung und Restaurierungsarbeiten, Direktor Per Lundström vom schwedischen Seefahrtsmuseum in Stockholm sowie der Technische Direktor der Stiftung Deutsches Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven.

Kontroversen um das mittelalterliche Kulturerbe

363

thabus für das mittelalterliche Handelssystem Europa einerseits und ihrer regionalen Funktion andererseits mit einer einhellig positiven Evaluation.153 Der Initiator für das Projekt einer möglichen Museumsneugründung waren intensive archäologische Ausgrabungen in den Jahren zuvor, welche zu umfangreichen, gut konservierten Funden geführten hatten, die ihrerseits einen weiteren deutlichen Beleg für die wichtige Rolle der Siedlung im Handelsnetzwerk des Mittelalters darstellten.154 Die Begutachtung der Grabungsergebnisse erfolgte anhand der komparatistischen Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im internationalen Vergleich, wodurch eine qualitative Einordnung der Funde ermöglicht wurde. Letztlich ergab sich hierbei das Bild einer Siedlung mit herausragender internationaler Bedeutung als anschauliches Zeugnis für die nordische Geschichte. Der Frühhistoriker Olaf Olsen vom Institut für mittelalterliche Geschichte der Universität Aarhus konstatierte, dass »in der nordischen Geschichte […] ein ganz besonderer Glanz über Haithabu« liegen würde, was er durch die herausgehobene Eminenz der Siedlung als »wichtigster Handelsplatz im Ostseegebiet« und als »früheste[r] Ausgangspunkt für die christliche Mission im Norden« erklärte.155 Zu einer ähnlichen Einschätzung kam auch sein deutscher Kollege Wolfgang Hübener vom Institut für Vor- und Frühgeschichte in Hamburg: Haithabu liegt im Schnittpunkt des politischen Kräftespiels der Karolinger- und Ottonenzeit, der sich konsolidierenden skandinavischen Reiche und der Auseinandersetzung mit den Slawen und den Angelsachsen. Der westliche und der nördliche Kulturkreis dieser Zeit haben Haithabu seine Bedeutung gegeben, die bei keiner anderen gleichzeitigen, durch schriftliche Quellen überlieferten Siedlung dieser Art erreicht wird.

Nirgends gebe es, so der Frühhistoriker, eine so »große, weitgehend von jeder Bebauung verschonte, den archäologischen Untersuchungen überall zugängliche Siedlungsfläche dieser Zeit […].«156 Primär der Fund eines Wikingerschiffes ließ die Kommission resümieren, dass dessen Bergung und anschließende Exponierung im Rahmen einer Ausstellung absolut wünschenswert sei. Herbert Jankuhn wies darüber hinaus darauf hin, dass die

153 Begutachtung der wissenschaftlichen Bedeutung des Projektes »Bergung, Konservierung und Ausstellung des Wikingerschiffes im Haddebyer Noor« vom 8. März 1977. LASH, Abt. 605, Nr. 6619. 154 So stellte vor allem der Fund mehrerer gut erhaltener Boote eine wissenschaftliche Sensation dar. Große Bedeutung besaßen auch die zahlreichen Alltagsdinge, auf die die Archäologen im Haddebyer Noor stießen und die große Rückschlüsse auf das Leben in das Handelssiedlung Haithabu zuließen. 155 Ebd. 156 Ebd.

364

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

nach den Voruntersuchungen zu erwartenden Ergebnisse […] eine gerade in den letzten Jahrzehnten besonders deutlich gewordene Lücke unserer Kenntnis von Handel und Schiffsverkehr im Mittelalter nicht nur in der schleswig-holsteinischen Geschichte, sondern für die Geschichte der nordeuropäischen Seegebiete und ihrer Küstenländer überhaupt schließen helfen.157

Es ergab sich jedoch eine nicht einheitliche Linie der beteiligten Wissenschaftler in der historischen Einordnung der Funde: Während Olsen und Hübener die Artefakte als Zeugnisse einer nordisch-skandinavischen Geschichte europäischer Dimension bewerteten, sah Jankuhn in ihnen vor allem materielle Überlieferungen der schleswig-holsteinischen Geschichte mit einer europäischer Bedeutungsebene. Die durchweg positive Bewertung der wissenschaftlichen Prägnanz der Grabungsergebnisse und die von der Arbeitsgruppe unterstützte Idee, die Funde der Öffentlichkeit durch die Gründung einer Sammlung zugänglich zu machen, führten zu dem Beschluss, hierfür eigens einen Museumsneubau am Haddebyer Noor, dem Ort des historischen Haithabu, zu errichten.158 Die von 1979 bis 1980 durchgeführten Grabungs- und Bergungsarbeiten ergaben schließlich eine Materialfülle und -qualität, die noch weit über die zuvor prognostizierten Ergebnisse hinausging.159 Die Architektur der Museumsneubaues sollte sich »in einer gedanklichen Anlehnung an der Formensprache alter Wikingersiedlungen« orientieren und unter »formale[r] Einbindung der Gebäude in die Landschaft am Haddebyer Noor« erfolgen. Hierzu entwarfen die Architekten ein Gebäude, dessen »geometrische Formen der Gebäudewaben mit ihren haubenartigen Dächern […] in einer bewußten Spannung zu dem natürlichen Landschaftsraum« stehen.160 Von besonderer Bedeutung war es für die Planer der Schausammlung dabei, nicht nur die historischen Gebäudeformen zu zitieren, sondern die »Ausstellung inmitten der historischen Landschaft mit

157 Ebd. 158 Zunächst bestand in Schleswig Uneinigkeit über den Rahmen der Ausstellung. Dabei standen sich die Befürworter einer Neubaulösung an der historischen Stätte und die Anhänger einer Integration der Funde in die Museumsanlage im Schloss Gottorf gegenüber. 159 Die Landesregierung gab in einer Pressemitteilung am 9. Juni 1981 bekannt: »Der Reichtum archäologisch bedeutsamer Funde hat sich wie erwartet auch bei den beiden Anschlussgrabungen eingestellt, so daß das Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte nunmehr über die umfangreichste Sammlung frühmittelalterlicher Gebrauchsgegenstände und Handelsgüter einer Siedlung in Nordeuropa verfügt, vor allem auch aus dem Bereich Schiffahrt.« Pressemitteilung »Die Schausammlung von Haithabu« der Landesregierung Schleswig-Holstein vom 9. Juni 1981. LASH, Abt: 605: Staatskanzlei, Nr. 6583: Haithabu, Grundsteinlegung der Schausammlung am 10.6.81, Richtfest des Wikinger-Museums am 13. 8. 1982, Eröffnung des Wikinger-Museums am 1. 11. 1985. 160 Ebd. Siehe hierzu Abb. 18 und 19.

Kontroversen um das mittelalterliche Kulturerbe

365

einmaligen Bodendenkmalen [und] unmittelbar an die Gründungsstätte der ältesten Stadt unseres Landes […]« zu platzieren.161

VI.4.c. Konflikte um das mittelalterliche Erbe Im Gegensatz zu der einmütigen Beurteilung des kulturhistorischen Wertes der Handelssiedlung durch die Expertenkommission offenbarte sich die Realisierung des Bauprojektes und der Wikingerausstellung in der Folgezeit als ein neues Konfliktfeld im grenzüberschreitenden Diskurs über das mittelalterliche Kulturerbe. Entgegen dem von der schleswig-holsteinischen Landesregierung forcierten Narrativ des vorbildhaften Charakters der Grenzregion zeigte sich speziell im Jahr 1981, dass das materielle Erbe der Region vom deutsch-dänischen Annäherungsprozess ausgeschlossen blieb. So wurden im Rahmen der Musealisierung Haithabus grenzkämpferische Positionen aus den 1950er revitalisiert und im Diskurs nationaler Ansprüche auf den Grenzraum instrumentalisiert. Der Auslöser für diesen Konflikt war die Ansprache des schleswigholsteinischen Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg anlässlich der Grundsteinlegung der neuen Ausstellungshalle am 10. Juni 1981, von der einzelne Passagen in Dänemark als regelrechter Affront verstanden wurden. Vor allem die Einordnung der Handelssiedlung als Zeugnis einer explizit schleswigholsteinischen Geschichte und die damit verbundene vermeintlich alleinige Inanspruchnahme des Kulturerbes sorgten für Irritationen. Dies ist auf die etwa vom Historiker Stig Strömholm konstatierte Funktion der mittelalterlichen Geschichte für den dänischen Staat und die Herausbildung seiner nationalen Identität im 19. Jahrhundert zurückzuführen. Denn im Kontext des Verlustes von Schleswig nach der Kriegsniederlage von 1864 nahm die nordische Frühgeschichte eine wichtige Rolle in der Etablierung einer panskandinavischen Idee ein, die in Dänemark vor allem als Abgrenzung zum deutschen Kulturkreis imaginiert wurde. Die Demarkation zum südlichen Nachbarn erhielt hierdurch eine scheinbar historische Legitimation, die zugleich eine offensive Komponente besaß. Das materielle Kulturerbe des Mittelalters diente seitdem in der Grenzregion in verschiedenen Szenarien als schlagkräftiges Argument für den dänischen Besitzanspruch auf den Raum bis zur Eider.162 Stoltenbergs Rede und die Einbindung Haithabus in die schleswig-holsteinische Landesgeschichte gerieten somit ungewollt in Konflikt mit einem zentralen Aspekt der dänischen Erinnerungspolitik.163 So betonte der Minister161 Ebd. 162 Vgl. Strömholm, Zur kulturellen Identität des Nordens, 2002. S. 103 – 117. 163 Hierauf deuten zumindest das überraschte Erstaunen im internen Schriftverkehr zwischen

366

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

präsident 1981 in seiner Ansprache, dass die geographische Lage zwischen Nord- und Ostsee seit jeher bestimmend für die Geschichte und den Charakter Schleswig-Holsteins gewesen sei – hierauf weise auch schon die Landeshymne »Schleswig-Holstein meerumschlungen« hin.164 Die Bewohner dieser Region, so Stoltenberg, seien »von altersher [sic!] hier verwurzelt oder nach dem Verlust ihrer Heimat hier von neuem sesshaft geworden, [und bilden] mit ihrer vielseitigen Kulturgeschichte und stammesgeschichtlichen Erfahrung die Gemeinschaft Schleswig-Holstein[s].«165 Eine der ältesten Wurzeln dieser »schleswigholsteinischen Erfahrung« war dem Ministerpräsident zufolge Haithabu: […] so führt uns eine unserer ältesten Überlieferungen zurück nach Haithabu, der ersten Stadt im sonst dünn besiedelten Süden der cimbrischen Halbinsel. Sitte und Brauch, Kult und Glaube, Handel und Gewerbe, Produktion und Verkehr, Gewohnheit und Wandel finden hier ihre eigene Ursprünglichkeit, fernab der südländischen oder mitteleuropäischen Zivilisation, und entwickeln sich zu einem ökonomischen und kulturellen Angelpunkt von missionarischer Ausstrahlungskraft.166

Das mittelalterliche Kulturerbe der Region stellte sich in dieser Rede primär als ein regionales dar, welches durch seine Funktion als Handelsort, aber auch als Ausgangspunkt missionarischer Tätigkeit in den Norden hinein ein maßgeblicher Akteur in den Austauschprozessen zwischen Mitteleuropa und Skandinavien gewesen sei.167 Dabei sprach er der Siedlung die Rolle eines Vermittlers von

164

165 166 167

dem Ministerpräsidenten und dem Chef der Staatskanzlei angesichts der heftigen dänischen Reaktionen hin. Vgl. Brief der Staatskanzlei an Joachim Reichstein vom Landesamt für Vor- und Frühgeschichte vom 20. Juli 1981. LASH, Abt. 605, Nr. 6621. Während die Landeshymne in Schleswig-Holstein ein positiv besetzter Erinnerungsort der Landesgeschichte war, stand sie aus dänischer Sicht in untrennbarer Verbindung zum »illegitimen Aufstand« der Schleswig-Holsteiner gegen den dänischen Gesamtstaat, der zum letztlichen Verlust der Region führte. Die Verknüpfung dieses Liedes mit dem als urdänisch beanspruchtem Kulturerbe beinhaltete daher eine große politische Brisanz. Von dem problematischen Verhältnis zum Schleswig-Holstein-Lied zeugt beispielsweise, dass sich an einem wissenschaftlichen Kolloquium des SHHB über das Lied im Landesarchiv 1994 bis auf eine Historikerin keine dänischen Vertreter beteiligen wollten. Vgl. SchleswigHolsteinischer Heimatbund/Landesarchiv Schleswig-Holstein (Hg.). 150 Jahre SchleswigHolstein-Lied. Schleswig-Holsteins Lied und Farbe im Wandel der Zeiten. Vorträge und Diskussionen eines wissenschaftlichen Symposiums im Landesarchiv Schleswig-Holstein im Prinzenpalais Schleswig (Veröffentlichungen des schleswig-holsteinischen Landesarchivs; 40). Schleswig 1995. Ansprache von Ministerpräsident Dr. Gerhard Stoltenberg zur Grundsteinlegung der Schausammlung Haithabu am 10. Juni 1981. LASH, Abt. 605, Nr. 6583. Ebd. »Galten die Grenzbefestigungen des Danewerks seit 730 der Abschirmung gegen von Süden her andrängende Feinde wie Karl den Großen oder Heinrich den Löwen, so hob die Handelsniederlassung Haithabu die Grenzziehung wieder auf und übernahm die Mittlerfunktion zwischen Mitteleuropa und Skandinavien, zwischen Ostsee- und Nordseeanrainern. Über Haithabu gewinnt der skandinavische Raum Anschluss an das Abendland; mit den Handelsgütern fließt dem Norden die aus antikem Erbe erwachsene vom Christentum

Kontroversen um das mittelalterliche Kulturerbe

367

Kultur und Zivilisation aus dem Süden – dem mitteleuropäischen, sprich deutschen Kulturkreis – in den Norden hinein zu.168 Die Deutung des Kulturerbes als Ort des transkulturellen Austausches zwischen Europa und Skandinavien schlug sich entgegen dieser Darstellung nicht explizit auf die Feierlichkeiten zur Grundsteinlegung des Museumsbaues nieder. Zwar vertrat der Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Georg Poetzsch-Heffter, die Auffassung, dass die »Rede [Stoltenbergs] übernational aufgebaut«169 sei, manche Formulierung sowohl in der Ansprache als auch in der Pressemitteilung der Landesregierung vom 9. Juni 1981 zeugte dagegen tatsächlich von einem recht unsensiblen und unreflektierten Umgang mit dem im Grenzraum emotional besetzten Thema.170 Darüber hinaus standen auf der Einladungs- und Gästeliste für die Grundsteinlegung, die 146 Personen aus Politik, Kultur und Medien umfasste, lediglich drei dänische Vertreter. Während der Frühhistoriker Ole Crumlin-Pedersen, der bereits in der Arbeitsgruppe zur Bewertung des wissenschaftlichen Wertes der Funde vertreten und bei der Veranstaltung in seiner Eigenschaft als Restaurationsleiter anwesend war, sagten der dänische Reichsantiquar Olaf Olsen und der dänische Generalkonsul in Flensburg, Arne Fog Pedersen, ihre Teilnahme ab.171 Im Gegensatz dazu waren sowohl die schleswig-holsteinische Landes- und die Bundesregierung mit zahlreichen namhaften Vertretern anwesend. Stoltenbergs Deutung des mittelalterlichen Kulturerbes als Kontaktzone von zwei unterschiedlichen Kulturkreisen, die sich an diesem Ort durch kulturelle Austauschprozesse gegenseitig beeinflussten hätten, und seine Einordnung Haithabus in eine regional schleswig-holsteinische Landesgeschichte konkurrierten mit der von Strömholm konstatierten Rolle des Mittelalters innerhalb des nationalen dänischen Selbstverständnisses.172 Die Reaktionen von dänischer

168 169 170

171 172

überformte Kultur zu. […] Haithabu ist nicht nur geographisch die Brücke zwischen den Meeren – Haithabu ist vor allem der internationale Messeplatz für Handelsgüter und Informationen am Schnittpunkt zu den nordischen Reichen. Rückblickend vollzog sich hier für den skandinavischen Raum die Wende in eine neue Zeit: der Eintritt ins Mittelalter.« Ebd. Ebd. Schreiben von Staatssekretär Georg Poetzsch-Heffter an das Kultusministerium. LASH, Abt. 605, Nr. 6621. Die Beschreibung Haithabus als »Gründungsstätte der ältesten Stadt unseres Landes« in der Pressemitteilung ist zwar nicht gleichbedeutend mit einer möglichen alleinigen Beanspruchung der Anlagen für die schleswig-holsteinische Geschichte und damit einer Exklusion der dänischen Historie aus dem Kontext der Handelssiedlung. Zugleich lässt sie jedoch Raum für Spekulationen in diese Richtung. Pressemitteilung »Die Schausammlung von Haithabu« der Landesregierung Schleswig-Holstein vom 9. Juni 1981. LASH, Abt. 605, Nr. 6583. Vgl. Einladungs- und Gästeliste zur Grundsteinlegung des Haithabu-Museums. LASH, Abt. 605, Nr. 6621. Die Liste verzeichnete keinen politischen Vertreter für den Generalkonsul. Die Gründe für die Absagen von Pedersen und Olsen sind unklar. Vgl. Strömholm, Zur kulturellen Identität des Nordens, 2002. S. 103 – 117.

368

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Seite belegten die Konstanz dieser Rezeption bis weit in das 20. Jahrhundert hinein und bezeugten so die von Jan Assmann dargelegte Langlebigkeit mentaler Grenzziehungen.173 Bereits wenige Tage nach der Grundsteinlegung, am 16. Juni 1981, äußerte Björn Svensson, der langjährige Leiter des Apenrader Studios von Danmarks Radio, scharfe Kritik an Stoltenbergs Worten. Es sei zwar lobenswert, dass Schleswig-Holstein so viel Geld in die vorzeitlichen Denkmäler, die eine zentrale Stellung in der frühesten dänischen Geschichte hätten, investieren würde, aber »offensichtlich fasst [der schleswig-holsteinische Ministerpräsident] die Geschichte auf eine bisschen andere Weise auf als wir.«174 Stoltenbergs Behauptung, Haithabu sei das älteste Zeugnis einer schleswig-holsteinischen Geschichte, konterte Svensson: »Aber was sagt die Geschichte zu dieser Sache? Sie kommt zu etwas ganz anderem als einem Zeugnis Schleswig-Holsteins.«175 Das Bundesland sei, wie es heute existiere, nur eine »reichsdeutsche Filiale«, die nicht auf einer schleswig-holsteinischen Tradition basiere, sondern auf dem Wunsch der Alliierten, Deutschland zu dezentralisieren. Deswegen sei es unumgänglich zu sagen, dass »Haithabu darum von einer dänischen Vorzeit zeugt […]. Dänemark hat in der historischen Entwicklung Terrain verloren, aber wenn wir über eine Vorzeit in Haithabu sprechen sollen, müssen wir uns an die dänische Rede halten.«176 In diesem Kontext stellte Svensson in einem Beitrag der Oktoberausgabe der dänischen Monatszeitung Kontakt dar, dass die dänische Vorzeit der Region Schleswig seit jeher ein Dorn im Auge der SchleswigHolsteiner gewesen war, zumal man auch nicht von einer schleswig-holsteinischen Identität sprechen könne, da es sich bei dieser lediglich um ein politisches Konstrukt handelt: Es war Claus Eskildsen, der einst unterstrich, dass man volklich gesehen genauso wenig von einem Schleswig-Holsteiner sprechen kann, wie man auf irgendeine Weise hätte von einem Österreich-Ungarn reden können. Nun sucht man in Schleswig-Holstein dadurch, dass man sich in der Geschichte vertieft, ein schleswig-holsteinisches Bewusstsein zu fördern. Aber sollte die Arbeit auf der Verdrängung von der schleswig173 Assmann, Israel und Ägypten, 1997. S. 93. 174 »Men den slesvig-holstenske ministerpræsident opfatter tilsyneladende historien p” en lidt anden m”de end vi.« In: Jydske Tidende, 16. Juni 1981. 175 »Men hvad siger historien da om disse egne? Den kommer med et alt andet end slesvigholstensk vidnesbyrd.« Ebd. Während Stoltenberg in seiner Ansprache davon sprach, dass die schleswig-holsteinische Tradition eine ihrer »ältesten Überlieferung zurück nach Haithabu führt«, gab Redakteur Svensson die Passage als »Schleswig-Holsteins älteste Stadt« wieder. Dieser qualitative Unterschied der Aussagen ist einer der Gründe für die folgende kontroverse Auseinandersetzung. Zu Svenssons Vorwurf vermerkte die Staatskanzlei in einer Aktennotiz, dass niemand behauptet hätte, Haithabu wäre die älteste Stadt Schleswig-Holsteins. Vgl. Aktenvermerk der Staatskanzlei zur Grundsteinlegung vom Haithabu-Museum. LASH, Abt. 605, Nr. 6621. 176 Ebd.

Kontroversen um das mittelalterliche Kulturerbe

369

schen oder dänischen Vorzeit des Landesteiles bauen, bedeutet dies, dass man wählt, auf einer Lebenslüge zu leben.177

Der Verweis auf den Historiker Claus Eskildsen zeigte auf, dass alte nationale Ressentiments 1981 in Teilen der dänischen Gesellschaft noch immer virulent waren. Gerade Eskildsens umstrittene, von der nationalsozialistischen Blutund-Boden-Ideologie geprägte Dansk Grænselære178 war eines der zentralen Werke in den deutsch-dänischen Auseinandersetzungen der 1930er und 1940er Jahre gewesen.179 Svenssons Rezeption von Eskildsens Werk belegte zwar nicht eine mögliche immer noch vorhandene Akzeptanz der Theorie in Dänemark, sondern stellte eher eine Einzelmeinung dar. Jedoch offenbarte sich, dass das Motiv in konservativen dänischen Kreisen unterschwellig noch immer präsent war und bei Bedarf als kulturpolitisches Instrument benutzt wurde. Der Redakteur trat in den folgenden Wochen in weiteren regionalen und landesweiten dänischen Medien für seine Position ein. So argumentierte er in der Tageszeitung Jydske Tidende gegen Stoltenbergs Deutung, Haithabu habe in der Vergangenheit eine zentrale Funktion in den Austauschprozessen des mitteleuropäischen und des skandinavischen Kulturkreises gespielt.180 Vielmehr vertrat Svensson die Ansicht, dass die Siedlung und die Wallanlagen des Danewerk ein Verteidigungsposten und eine Grenzmark der dänischen König gewesen waren. Deswegen lasse sich dieses mittelalterliche Kulturerbe nur als die eindeutige Demarkation zwischen einem dänischen Schleswig und einem deutschen Holstein sehen. Auf die dänische Vergangenheit des Ortes weise vor allem hin, dass Haithabu die Stadt der dänischen Könige gewesen sei.181 Mit seiner Einschätzung befand sich Svensson auf einer Linie mit zahlreichen anderen dänischen Kommentatoren. Ergänzend zu den Äußerungen des Redakteurs zeigte sich die Minderheitenzeitung Flensborg Avis in ihrem Leitartikel vom 20. Juni erstaunt, dass es dem Ministerpräsidenten gelungen war, »seine Rede zu halten, ohne das Wort ›Dänemark‹ oder das Wort ›dänisch‹ zu nennen.« 177 »Det var Claus Eskildsen, der engang understregede, at man folkelig set lige lidt kan tale om en slesvig-holstener, som man nogen sinde har kunnet tale om en østrig-ungarer. Nu søger man i Slesvig-Holsten ved at fordybe sig i historien at fremme en slesvig-holstensk bevidsthet. Det er an ærlig sag, hvis det gøres ærligt. Men skal arbejdet bygge p” fortrængninf af det slesvigske og af landsdelens danske fortid, betyder det, at man vælger at leve p” en livsløgn.« Svensson, Björn. Hvad siger Dr. Stoltenberg? Kontakt; 10 (1981). 178 Eskildsen, Dansk Grænselære, 1936. 179 Vgl. Kap. IV.3.a. 180 Weitere Artikel und Zeitungsbeiträge von Svensson zu diesem Thema beispielsweise in: Der Nordschleswiger, 22. Juli 1981; Jydske Tidende, 23. September 1981; Kontakt; 10 (1981). 181 Aktenvermerk der Staatskanzlei zur Grundsteinlegung vom Haithabu-Museum. LASH, Abt. 605, Nr. 6621. Svenssons Stellungnahme wurde ein weiteres Mal am 23. Juni 1981unter dem Titel »Das dänische Hadeby« im Flensborg Avis veröffentlicht. Flensborg Avis, 23. Juni 1981.

370

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Nichtsdestotrotz wünschte die Zeitung dem Museum, dass es zukünftig viele Besucher sowohl aus Schleswig-Holstein als auch aus Dänemark generieren werde und sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wie sie in vielen Bereichen reibungslos funktioniere, auch auf dem Feld der Museumsarbeit durchsetze.182 Neben der intensiven deutsch-dänischen Auseinandersetzung in den regionalen Medien schaltete sich in der Folgezeit auch die nationale Presse ein, so etwa auch die größte dänische Boulevardzeitung Ekstra Bladet. In Deutschland informierten die Stuttgarter Zeitung, aber auch die sozialdemokratische Mitgliederzeitschrift vorwärts ihre Leserschaft über die Vorgänge an der Grenze und sorgten so für eine große mediale Aufmerksamkeit. Dabei wurde von dänischer Seite immer wieder der Vorwurf erhoben, dass Ministerpräsident Stoltenberg mit seiner Rede Geschichtsklitterung betrieben und die »Bezüge zwischen Wikingern […] und den dänischen Königen des Mittelalters«183 bewusst verschwiegen habe. Einen besonders starken Nachhall löste ein Artikel in der Boulevard-Zeitung Ekstra Bladet aus. Dabei sorgte weniger die Aussage, dass »Haithabu […] eine der ältesten – möglicherweise sogar die älteste der dänischen Städte« sei für Aufregung, sondern vielmehr die Behauptung, dass Deutschland die Region Südschleswig von Dänemark gestohlen habe: »Südschleswig, das uns die Deutschen 1864 stahlen«. Konfliktpotential boten auch die persönlichen Angriffe auf Gerhard Stoltenberg: »Die Zeremonie [der Grundsteinlegung] wurde ausgeführt von dem sogenannten Ministerpräsidenten des sogenannten Schleswig-Holsteins, Gerhard Stoltenberg, der sich Doktor nennt, was jeder Deutsche sich nennen kann.«184 In der Berichterstattung der Ekstra Bladet verband sich mit den deutlich werdenden antideutschen Ressentiments eine Kritik an der vermeintlich falschen Politik der dänischen Regierung, die durch den Beitritt Dänemarks zur EWG 1973 einer neuerlichen deutschen Bevormundung Dänemarks den Weg bereiten würde: Im Jahre 1340 köpfte Niels Ebbesen den Grafen Gerhard. Seitdem haben debile und trunksüchtige dänische Könige holsteinische Grafen nach Dänemark eingeladen. Ihren Nachkommen gehören die besten Teile des dänischen Bodens. Und 1972 [sic!] haben unsere EG-Politiker ganz Dänemark nach Holstein eingemeindet. Diese Politiker sind weder debil noch trunksüchtig. Was sind die dann? Rate selbst!185

Die harschen Angriffe auf die eigene Regierung, aber vor allem die Kritik an der Rede des Ministerpräsidenten riefen auf deutscher Seite wiederum stark emo182 Flensborg Avis, 20. Juni 1981. 183 Pressespiegel des Pressedienstes Nordschleswig über die dänischen Reaktionen auf die Rede von Ministerpräsident Stoltenberg vom 7. Juli 1981. LASH, Abt. 605, Nr. 6621. 184 Zit. nach ebd. 185 Zit. nach ebd.

Kontroversen um das mittelalterliche Kulturerbe

371

tionalisierte Reaktionen hervor : Der Schriftsteller und damalige Chefredakteur der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung, Erich Maletzke, kommentierte die Kontroverse, dass ihn die Auseinandersetzung »an schlimmste Zeiten des Grenzkampfes« erinnere. Zum Glück seien Meinungen wie die der Ekstra Bladet, die »schon unter Brunnenvergiftung laufen« würden, Minderheitenpositionen, »wie sie sich in dieser Form nur kommunistische Propagandablätter leisten.« Dagegen sei »die praktische Zusammenarbeit zwischen deutschen und dänischen Wissenschaftlern in Haithabu besser, als die schlimme Kommentierung vermuten läßt.«186 Die sozialdemokratische Mitgliederzeitung vorwärts berichtete unter dem Titel »Fürst Stoltenberg und die Wikinger« davon, dass zwar nicht der Kriegsausbruch bevorstünde, aber dass »nach Stoltenbergs ›Entgleisung‹ in Haithabu […] die dänischen Zeitungen scharf [schossen] und […] auch Erinnerungen an kriegerische Grenzauseinandersetzungen nicht unerwähnt [ließen].«187 Noch ausführlicher widmete sich die Stuttgarter Zeitung der Kontroverse. Sie titelte am 15. August »Streit um das Erbe der Wikinger – Kulturkrieg um das deutsch-dänische Grenzland«.188 Im Artikel wurden bewusste Parallelen zum Kulturkampf der 1950er Jahre gezogen.189 Als Hintergrund für den Streit vermutete der Autor Werner Boldt Spannungen, die sich im Grenzland über längere Zeit angesammelt haben und nun Auslöser für diese politische Eskalation wurden. Er befürchtete in diesem Kontext ein Ende der aus seiner Sicht guten deutsch-dänischen Zusammenarbeit: In den vergangenen zwei Jahren war dies die letzte, aber keineswegs einzige Auseinandersetzung über die deutsch-dänische Grenze hinweg. Themen und Stil der deutschdänischen Kabbeleien im Grenzland geben zu Befürchtungen Anlaß, daß der Frieden in dieser Region, die als »europäisches Modell« für das Zusammenleben von Mehrheiten und Minderheiten bezeichnet wird, in Gefahr geraten ist.190

So deutete Boldt die aktuellen Streitigkeiten um das Kulturerbe nur als Folge zahlreicher Konflikte, die das grenzüberschreitende Zusammenleben erschweren und jeden weiteren Vorfall unweigerlich als Angriff auf die eigene Souveränität erscheinen lassen würden. Der Journalist führte im Folgenden vier Gründe als Anlass für die aktuelle Situation auf: Erstens würde die Frage der Subventionierung der Schulen der dänischen Minderheit durch die schleswigholsteinische Landesregierung eine Rolle spielen.191 Zweitens habe die Vertei-

186 187 188 189 190 191

Schleswig-Holsteinische Landeszeitung, 16. Juli 1981. vorwärts, 20. August 1981. Stuttgarter Zeitung, 15. August 1981. Ebd. Ebd. Es ging vor allem um die Frage, ob die Schulen der Minderheit mit den gleichen prozentualen Zuschüssen durch die Landesregierung bedacht werden sollten wie die übrigen

372

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

lung der kostenlosen Monatsschrift Slesvig-Land an alle Haushalte in Südschleswig in den vergangenen zwei Jahren zu Irritationen geführt, da das Projekt von einer dänischen Privatperson finanziert werde und dänisches Nationalbewusstsein verbreite. Drittens sei die Organisation des Schleswig-Holstein-Tages, welcher als eine Reaktion des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes auf die besagte Monatsschrift zu sehen sei, und die persönliche Involvierung des Ministerpräsidenten Anlass zu Verstimmungen in Dänemark gewesen.192 Viertens würden infolge dessen selbst Nichtigkeiten zu Provokationen der anderen Seite umgedeutet. Als Beispiel führte Boldt die Arbeit des Norddeutschen Rundfunks an, der durch seine Neuausrichtung und der damit verbundenen stärker regionalisierten Programmstruktur in Dänemark in konservativen Kreisen als Teil einer »deutschen Kulturoffensive« verstanden worden sei.193 Der Artikel der Stuttgarter Zeitung stieß wiederum auf Widerspruch in Schleswig-Holstein. In einem Leserbrief beschwerte sich Hans-Joachim von Leesen, Geschäftsführer des SHHB, über den »Artikel, der in vielen Darstellungen schief ist.«194 Von Leesen betonte, dass weder ein Krieg noch ein Kulturkrieg zwischen Deutschland und Dänemark tobe und die Kommentare vielmehr Ausdruck einer demokratischen Diskussionskultur seien.195 Die Auseinandersetzungen deutete er deswegen auch weniger als eine grundsätzliche deutsch-dänische Streitfrage, sondern als alleiniger Ausdruck der Partikularinteressen einzelner dänischer Akteure.196 Generell herrschte seiner Ansicht

192

193 194 195

196

Bildungsstätten des Landes. Erst 1983 wurde die finanzielle Gleichstellung unter Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) beschlossen. Ministerpräsident Stoltenberg unterstützte den Schleswig-Holstein-Tag zum einen mit nicht unwesentlichen privaten Mitteln und zum anderen durch die stetig ansteigende Förderung des SHHB mit Landesmitteln. Der Anteil der öffentlichen Mittel am Gesamthaushalt des SHHB stieg zwischen 1977 und 1982 auf rund 75 % an. Im Gegenzug sicherten sich Stoltenberg und die CDU hierdurch die konservative Mehrheit innerhalb des Verbandes und so eine politische Unterstützung im kulturellen Bereich. Vgl. Vermerk der Staatskanzlei vom 4. Juni 1982. LASH, Abt. 605: Staatskanzlei, Nr. 5667: Schleswig-Holsteinischer Heimatbund. Stuttgarter Zeitung, 15. August 1981. Brief von Hans-Joachim von Leesen an die Redaktion der Stuttgarter Zeitung vom 21. August 1981. LASH, Abt. 605, Nr. 6621. »Hier findet ganz zweifellos kein Krieg statt, auch kein Kulturkrieg. In den letzten Jahren hat es im nördlichen Grenzgebiet der Bundesrepublik Deutschland einige schärfere Töne gegeben und auch wohl Auseinandersetzungen, doch sind wir der Ansicht, daß deutlich ausgetragene Meinungsverschiedenheiten zu einer Demokratie gehören wie das Salz zur Suppe.« Ebd. »Diese reaktionären Dänen, die keinesfalls von offiziellen Kreisen gestützt werden, dafür aber über außerordentlich viel Geld verfügen, halten nichts von dem allgemeinen Trend in Europa, Grenzen zu überwinden; sie wollen ihre Grenze nach Süden verlegen. Dafür verbreiten sie beispielsweise seit Anfang 1980 in einer Auflage von monatlich 200.000 Exemplaren eine umfangreiche 4-farbige dänische Propagandazeitschrift, die kostenlos allen Haushalten im nördlichen Schleswig-Holstein per Postwurfsendung zugeht und in der heftig dänische Propaganda gemacht wird.« Ebd.

Kontroversen um das mittelalterliche Kulturerbe

373

nach im Grenzraum seit 1920 Einigkeit über die in der Volksabstimmung gefundene Grenzziehung, jedoch gebe es »seit kurzem deutlich ausgesprochene dänische Bestrebungen, den nördlichen Teil der Bundesrepublik zu danisieren.« Von Leesen vertrat hier eine Position, die für diese Zeit symptomatisch für die heimat- und grenzkulturelle Arbeit des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes war und sich als integraler Bestandteil der von ihm vertretenen schleswig-holsteinischen Meistererzählung deuten lässt. Neben der Deklarierung der Nachkriegshistorie als einer Erfolgsgeschichte, die geprägt wird von gemeinsamen Anstrengungen der Einheimischen und der Vertriebenen sowie der Anbindung an das Narrativ einer lang tradierten schleswig-holsteinischen Geschichte, die bis ins Mittelalter hineinreicht, nahm in der deutsch-dänische Aussöhnung eine zentrale Funktion ein.197 Die Lösung der Minderheitenfrage und die einvernehmliche Zusammenarbeit mit der dänischen Regierung erfuhr eine positiv besetzte Konnotation als europäischer »Modellfall«: Es sei gelungen, den nationalen Grenzkampf zu überwinden, die deutsche Identität in der Region zu stärken und die schleswig-holsteinische mit der dänischen Erinnerungskultur einvernehmlich zu verbinden.198 In der Logik von von Leesens Argumentation konnten die neuen Auseinandersetzungen um das Haithabu-Museum nur das Produkt einiger weniger »Gestriger« und nicht die Position der politisch Verantwortlichen und der breiten Bevölkerung sein. Aus diesem Grund stellte der Geschäftsführer des Heimatbundes in seinem Leserbrief an die Stuttgarter Zeitung die Darstellung des Schleswig-Holstein-Tages als »schlicht falsch« dar. Es gehe dem SHHB bei der Veranstaltung nicht darum, Teil einer deutschen Reaktion auf vermeintliche dänische Angriffe zu sein, sondern »Heimatbewußtsein [zu] fördern, die inneren Beziehungen der Menschen zu ihrer Heimat und zu ihrem Land zu stärken und das schleswig-holsteinische Landesbewußtsein zu fördern.«199 Diese Ausrichtung sei auch als ein Angebot an dänische Kreise zu werten, so von Leesen, stoße aber jedes Jahr erneut auf Ablehnung,200 da einige führende Persönlichkeiten der dänischen Minderheit immer noch nicht verkraftet haben, daß sich 1848 die Schleswig-Holsteiner in einem Volksaufstand dagegen erhoben hatten, daß Schleswig-Holstein ganz und gar in Dänemark eingegliedert

197 Vgl. Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 301 f. 198 Ebd. S. 302. 199 Brief von Hans-Joachim von Leesen an die Redaktion der Stuttgarter Zeitung vom 21. August 1981. LAS, Abt. 605, Nr. 6621. 200 »Der Schleswig-Holstein-Tag richtet sich gegen überhaupt niemanden. Die dänische Minderheit in unserem Land wird Jahr für Jahr eingeladen, sich an ihm zu beteiligen, und lehnt Jahr für Jahr ab.« Ebd.

374

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

werden sollte und daß sich 1920 bei der Volksabstimmung 80 % der Abstimmenden für den Verbleib des jetzigen Schleswig-Holsteins bei Deutschland entschieden.201

In seiner Stellungnahme zeigte sich die Fortsetzung der Kulturpolitik des SHHB aus der unmittelbaren Nachkriegszeit: Während das Verhältnis zum dänischen Staat als eher entspannt und versöhnt dargestellt wurde, positionierte sich von Leesen deutlich gegen die dänische Minderheit. Seine Aussage konterkarierte die Behauptung, dass über die Grenze hinweg eine grundsätzliche Versöhnungsbereitschaft vorhanden sei. Gegen diese Position sprachen vor allem der kulturelle Grenzkampf der Jahre zwischen 1945 und 1955 sowie die sich immer wieder um das Kulturerbe entzündenden Konflikte. Als am 13. August 1982 das Richtfest des zukünftigen Haithabu-Museums abgehalten wurde, musste die zuvor stattfindende Debatte Einfluss auf die neuerliche Rede von Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg gehabt haben. Doch auch hier nannte er in seiner Rede nicht die Worte »dänisch« und »Dänemark«.202 Vielmehr stellte er die Siedlung Haithabu erneut in die Tradition einer regionalen Heimatgeschichte und eines europäischen Narratives. Er betonte: Der Begriff »›Wikinger‹ [ist] nicht der Name eines Volkes oder der Name eines Stammes. Er bezeichnet vielmehr einzelne Gruppen im skandinavischen Raum im Zusammenhang mit kaufmännischen oder kriegerischen Unternehmungen.«203 Deutlich wird hier die Einordnung der Region in eine skandinavischeuropäische Historie, in der die Handelssiedlung ein grenzüberschreitendes Zeugnis sei; sie stelle ein transnationales Kulturerbe dar : »Wo die Grenzbefestigung des Dannewerks seit 730 n. Chr. der Abschirmung andrängender Feinde diente, da bekam die Handelsniederlassung Haithabu im Gegensatz dazu eine Mittlerfunktion zwischen Mitteleuropa und Skandinavien.«204 Der zweite Schwerpunkt von Stoltenbergs Rede lag auf der Vermittlung eines schleswigholsteinischen Heimatbewusstseins und der Betonung der Geschichte der Re201 Ebd. 202 Vgl. Festansprache von Ministerpräsident Dr. Gerhard Stoltenberg auf dem Richtfest am 13. August 1982. LASH, Abt. 605, Nr. 6583. An geladenen Gästen anlässlich des Richtfestes waren wie bei der Grundsteinlegung nahezu wieder nur Vertreter von der deutschen und der schleswig-holsteinischen Seite anwesend. In seiner Begrüßungsrede richtete Finanzminister Rudolf Titzck seine Worte nur an die »Damen und Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestages und des Schleswig-Holsteinischen Landtages, die Repräsentanten des Kreises Schleswig-Flensburg, der Gemeinde Busdorf und der Christian-AlbrechtsUniversität.« Es ist anhand der Quellen nicht nachvollziehbar, ob dänische Vertreter nicht eingeladen wurden oder diese aus Protest gegen die erste Rede Stoltenbergs nun der Veranstaltung fernblieben. Begrüßungsansprache »Geschichtsbewusstsein stärken« von Finanzminister Rudolf Titzck anlässlich des Richtfestes am 13. August 1982. LASH, Abt. 605, Nr. 6583. 203 Festansprache von Ministerpräsident Dr. Gerhard Stoltenberg auf dem Richtfest am 13. August 1982. LASH, Abt. 605, Nr. 6583. 204 Ebd.

Kontroversen um das mittelalterliche Kulturerbe

375

gion: »Das Museum wird dazu beitragen, dieses historische Bewußtsein unserer Bevölkerung zu vertiefen, unsere Heimat und ihre Kultur neu zu begreifen […].«205 Gerade vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Erfahrung sah der Ministerpräsident es als wichtig an, nicht geschichtslos zu werden und aktiv das Kulturbewusstsein der Bevölkerung zu stärken.206 Somit sollte das materielle Kulturerbe des Mittelalters in Stoltenbergs Augen nicht nur Teil eines transnationalen Geschichtsbewusstseins sein, sondern zugleich ein prägnanter Baustein für die notwendige Bildung und Stärkung eines deutschen Heimatgefühls der Bewohner der Region werden.207 Ein grundlegender Bewertungswandel der Handelssiedlung erfolgte erst durch den neuen CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel (1982 – 1987), der nicht nur im Bereich der Minderheitenpolitik stärker auf die dänische Volksgruppe in Schleswig-Holstein zuging, sondern auch die historischen Grundlagen des Bundeslandes anders als sein Vorgänger Stoltenberg einordnete. Für ihn waren die steigenden Besucherzahlen in den regionalen Museen ein Indiz für ein allgemeines Umdenken in der Gesellschaft, in der »Geschichtsbewußtsein und nationale Identität« wieder etwas gelten würden. In Barschels Rede anlässlich der Eröffnung des Haithabu-Museums am 1. November 1985 zeigte sich dieser 205 Ebd. 206 Ebd. 207 Stoltenberg sprach davon, dass sich die Erfahrung durchgesetzt habe, »daß es ohne kulturelle, geistige und politische Tradition genauso wenig Halt und Orientierung geben kann wie ohne sittliche Bindung. Wir konnten beobachten, daß neben Geschichtsbewußtsein auch Kulturbewußtsein und Kunstbedürfnis gegenwärtig ihre stärksten Ausprägungen nach 1945 gefunden haben. Auch in Anerkennung dieser Entwicklung hat die Landesregierung im Rahmen ihres kulturpolitischen Auftrages in den letzten Jahren eine Reihe bedeutsamer Vorhaben initiiert, deren Förderung in den letzten Jahren fortgesetzt wird. Dazu gehören in besonderer Weise der Neubau dieses Wikinger-Museums Haithabu […].« Als weitere Projekte innerhalb dieser schleswig-holsteinischen Kulturpolitik nannte er den »Ausbau des Museums Schloß Gottorf, die Wiederherstellung des Oldenburger Walls […] und eine Reihe gewichtiger denkmalpflegerischer Maßnahmen. Ich nenne das Prinzenpalais in Schleswig, die Musikhochschule in Lübeck, das Kloster Cismar, die Restaurierung des Zollpackhauses in Flensburg, das Schloß Reinbek und das Burgkloster in Lübeck.« (Ebd.). Finanzminister Rudolf Titzck (CDU) vernachlässigte in seiner Ansprache das regionale Motiv und ordnete die Siedlung vor allem als Zeugnis einer internationalen Geschichte ein, deren Bedeutung weit über den regionalen Rahmen hinausgehe: »Haithabu in seiner Blütezeit gewann als Handelsplatz an der Schlei eine kosmopolitische Bedeutung wie kaum ein zweiter Platz in Nordeuropa. Es stand im Kreuzungspunkt wirtschaftlicher und politischer Interessen. Es war ein militärisch gesicherter Ort, der Schutz gewährte und der auch für die Christianisierung des Nordens eine zentrale Bedeutung hatte. […] Wir sehen es als Verpflichtung an, den Menschen unseres Landes und der interessierten internationalen Öffentlichkeit die Ergebnisse der aufwendigen Schiffsbergungen und Hafenuntersuchungen vorzustellen auf der Grundlage eines modernen Museumskonzeptes.« Begrüßungsansprache »Geschichtsbewusstsein stärken« von Finanzminister Rudolf Titzck anlässlich des Richtfestes am 13. August 1982. LASH, Abt. 605, Nr. 6583.

376

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Wandel in seiner Betonung, dass für ihn die Handelssiedlung kein exklusives schleswig-holsteinisches Zeugnis der Historie mit internationaler Bedeutung sei. Stattdessen müsse man Schleswig-Holstein als ein Bindeglied zwischen Skandinavien und Mitteleuropa sehen und gerade die Vergangenheit Haithabus als ein Stück dänischer Geschichte betrachten: Haithabu ist »Hedeby« auf dänisch, ist in alter Zeit Stadt des dänischen Königs gewesen. Die Geschichte Haithabus und seiner Menschen ist ebenfalls ein Stück dänischer Geschichte. Sie ist beispielhaft für das gegenseitige Durchdringen der Kulturen in diesem Raum. So hat sich die Mittlerstellung dieser Region auch dann kontinuierlich weiterentwickelt, als Schleswig das alte Haithabu längst abgelöst hatte. SchleswigHolstein sieht sich heute im europäischen Rahmen besonders als Partner für Skandinavien.

»Ein Rundgang durch dieses Museum versteht sich […daher] immer auch als Gang in die Kulturgeschichte Nordeuropas«,208 so Barschel weiter. Aus diesem Grund lasse sich das historische Haithabu in der Vergangenheit nicht nur als ein »Kontakt- und Austauschzentrum« zwischen »Westgermanen, Nordgermanen und Slawen, zwischen Sachsen, Friesen und Jüten […], zwischen den Verkehrsräumen der Nord-Ostsee«209 sehen. Stattdessen sei der heutige Umgang mit den historischen Zeugnissen als Zeichen eines »überaus fruchtbare[n] und wechselseitige[n] Zusammengehen[s]« von Dänemark und Deutschland« zu verstehen. Als Belege für diese Sicht nannte Barschel die »enge wissenschaftliche Zusammenarbeit mit skandinavischen Forschungseinrichtungen« und die Unterstützung durch das Nationalmuseum in Kopenhagen: An Haithabu mache sich die »harmonische Zusammenarbeit im Grenzraum des alten Herzogtums Schleswig« bemerkbar und unterstreiche »die Wechselwirkungen, die diesen Raum durch die verschiedenen politischen Epochen und Jahrhunderte in die neue grenzüberschreitende und europäische Partnerschaft von 1955 und 1973 führten.«210 208 Ansprache von Ministerpräsident Uwe Barschel anlässlich der Eröffnung des Wikinger Museums Haithabu am 1. November 1985. LASH, Abt: 605: Staatskanzlei, Nr. 6584: Haithabu, Grundsteinlegung der Schausammlung am 10.6.81, Richtfest des Wikinger-Museums am 13. 8. 1982, Eröffnung des Wikinger-Museums am 1. 11. 1985. 209 Pressemitteilung der Landesregierung Schleswig-Holsteins »Ministerpräsident Uwe Barschel eröffnet Wikinger-Museum Haithabu« vom 1. November 1985. LASH. Abt. 605, Nr. 6584. 210 Ansprache von Ministerpräsident Uwe Barschel anlässlich der Eröffnung des Wikinger Museums Haithabu am 1. November 1985. LASH, Abt: 605, Nr. 6584. Barschel betonte in seiner Rede auch das besondere Verhältnis zwischen Dänemark und dem nördlichsten deutschen Bundesland und dessen Bedeutung für das Zusammenwachsen Europas: »Mit Recht hat der dänische Außenminister einmal darauf hingewiesen, dass die Funktion Dänemarks und Schleswig-Holsteins in der Europäischen Gemeinschaft nicht unterschätzt werden dürfe. Beide würde innerhalb Europas wegen der Vermittlungsrolle zwischen Nord

Das Europäische Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz 1975

377

Innerhalb weniger Jahre machte sich so ein Wandel der Bewertung des mittelalterlichen kulturellen Erbes im Grenzgebiet vor allem auf schleswig-holsteinischer Seite bemerkbar : Zunehmend rückte die zwischen Nord- und Zentralleuropa vermittelnde Bedeutung der Handelssiedlung in der Vergangenheit und in der Gegenwart auf Kosten der heimatpolitischen Instrumentalisierung des ehemaligen Ministerpräsidenten Stoltenberg und des SHHB in den Vordergrund.

VI.5. Das Europäische Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz 1975 in Schleswig-Holstein und Dänemark VI.5.a. Denkmalschutzrechtliche Regelungen 1958 – 1980 Mit dem am 7. Juli 1958 verabschiedeten Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmale (Denkmalschutzgesetz)211 schuf der schleswig-holsteinische Landtag erstmals eine umfassende rechtliche Grundlage für die Belange der Denkmalpflege in dem Bundesland. Alle Initiativen bezüglich der Einführung eines solchen Gesetzes waren seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gescheitert, so dass sich die Arbeit der Provinzialkonservatoren Haupt und Sauermann sowie des späteren Landeskonservators Hirschfeld größtenteils auf das Verunstaltungsgesetz212 und die jeweiligen Ortsstatute stützten. Zugleich schuf Schleswig-Holstein 1958 als erstes Bundesland in der BRD ein modernes Denkmalschutzgesetz. Vordergründig erfolgte die Gesetzgebung aus Sorge um den Zustand und die Bausubstanz des regionalen Denkmalbestandes. Das Landesamt für Denkmalpflege wies 1993 in einer Publikation jedoch darauf hin, dass auch die Vermeidung »grenzübergreifender Translozierung von Baudenkmalen nach Dänemark« von wesentlicher Bedeutung gewesen sei.213 Die Feststellung des stellvertretenden Landeskonservators Helmut Behrens belegt, dass die Ratifizierung des Gesetzes unter dem Eindruck des Grenzkampfes geschah, obwohl bereits durch die BonnKopenhagener Erklärungen von 1955, zumindest in offizieller Darstellung, ein deutsch-dänischer Versöhnungsprozess eingesetzt hatte. Das schleswig-holsteinische Denkmalschutzgesetz von 1958 erweiterte den Denkmalbegriff auf den Terminus der Kulturdenkmale, welche »Sachen verund Süd eine besondere Position einnehmen. Somit besteht ein Gleichklang der Interessen in gegenseitiger Achtung und Respektierung.« 211 Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmale (Denkmalschutzgesetz) vom 7. Juli 1958. In: Gesetz- und Verordnungsblatt Schleswig-Holstein (GVOBL. Schl.-H.); 308/1958. S. 217 – 222. 212 Gemeint ist das Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden vom 15. Juli 1907. Vgl. Kap. II.3. 213 Behrens, Helmut. Das Denkmalschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.). Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. Neumünster 1993. S. 10 – 11, hier S. 10.

378

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

gangener Zeiten [seien], deren Erhaltung wegen ihres geschichtlichen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Wertes im öffentlichen Interesse liegt.«214 Zugleich unterschied die Gesetzgebung zwischen solchen Kulturdenkmalen, deren Schutz aus den hier genannten Kategorien öffentliches Anliegen ist und jenen, bei denen zumindest eine der genannten Voraussetzungen »von besonderer Bedeutung« ist.215 Die dreistufige Behördenstruktur mit dem Landesamt für Denkmalpflege als obere Schutzbehörde sowie das zweistufige Denkmalschutzverfahren schufen die Grundlage für ein Gesetz, welches, so die schleswigholsteinische Wissenschaftsministerin Marianne Tidick 1993, aufgrund seiner »flexiblen Anwendungsmöglichkeit« eine Vorbildfunktion für die anderen Bundesländer hatte.216 Diese folgten mit eigenen Gesetzgebungen in den Jahren zwischen 1971 und 1980, die ostdeutschen Bundesländer erst nach der Wiedervereinigung in den 1990er Jahren. Im Laufe der folgenden Jahre erwies sich die Kategorisierung der Kulturdenkmale in zwei unterschiedliche Klassen aufgrund zahlreicher Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen im Baurecht als nicht mehr zeitgemäß, so dass der schleswig-holsteinische Landtag im Rahmen eines Gesetzesnovelle 1972217 diese Differenzierung aufhob und an die einheitliche Regelung der anderen Bundesländer anpasste.218 Eine wichtige Grundlage für die feste Verankerung des Denkmalschutzes in der schleswig-holsteinischen Gesellschaft bildete die Inklusion des Schutzgedankens in das deutsche Städtebauförderungsgesetz von 1971.219 Die bereits in den frühen 1960er Jahren einsetzende Altbausanierung hatte zunächst noch eine 214 GVOBL Schl.-H.; 308/1958. S. 217. 215 Ebd. 216 Tidick, Marianne. Hundert Jahre staatliche Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. In: Miethke, Jürgen (Hrsg.). DenkMal Schleswig-Holstein. Ansprachen anläßlich des 100jährigen Bestehens der Landesdenkmalpflege. Kiel 1993. S. 11 – 16, hier S. 15. Siehe ebenso: Behrens, Denkmalschutzgesetz, 1993. 217 Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmale (Denkmalschutzgesetz) in der Fassung vom 18. September 1972. In: GVOBL. Schl.-H. S. 165. 218 Der Landtag stellte 1976 fest, dass in Schleswig-Holstein wegen des geteilten Denkmalbegriffs im Vergleich mit anderen Ländern »der umfassende Denkmalschutz relativ wenige[n] Kulturdenkmalen gewährt wird«. Deswegen scheine es geboten, »dieses Verhältnis dem gewandelten öffentlichen Bewußtsein anzupassen und damit den voll geschützten Denkmälerbestand verhältnismäßig den übrigen Bundesländer anzugleichen.« Richtlinie des schleswig-holsteinischen Landtags. LASH, Abt. 422.17: Vereine und Verbände. SchleswigHolsteinischer Heimatbund e.V., Nr. 411: Arbeitskreis Bauen, Planen, Pflegen im ländlichen Raum. 219 Landeskonservator Hartwig Beseler wies darauf hin, dass die Rücksichtnahme »auf die Erhaltung von Bauten, Straßen, Plätzen oder Ortsteilen von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung« innerhalb des Städtebauförderungsgesetzes auf eine schleswig-holsteinische Initiative zurückgegangen war. Beseler, Hartwig. Stadtgestalt und Denkmalschutz aus der Sicht des Denkmalschutzes. In: Titzck, Rudolf (Hrsg.). Stadtgestalt und Denkmalschutz in Schleswig-Holstein (Schriftenreihe der Landesregierung SchleswigHolstein; 18). Kiel 1978. S. 41 – 45, hier S. 41.

Das Europäische Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz 1975

379

Umstrukturierung und Neubebauung ganzer Flächen zum Ziel. Aufgrund des einsetzenden Umdenkens erhielt der Schutzgedanke nun ebenfalls Einzug in die Gesetzgebung, so dass das Bauerbe bei der Finanzierung der Modernisierungsund Instandsetzungsmaßnahmen berücksichtigt wurde.220 Neben dem Landesamt für Denkmalpflege spielte in Schleswig-Holstein der Schleswig-Holsteinische Heimatbund eine zentrale Rolle in der Erfassung erhaltenswerter Gebäude, Ensembles und Dorfkerne für die Sanierungsgutachten. In einer Vereinbarung zwischen dem Landesamt und dem Heimatbund wurde den Mitgliedsvereinigungen des SHHB die Möglichkeit eingeräumt, eine frühzeitige Mitsprache in der denkmalpflegerischen Zielplanung auszuüben.221 Über die Involvierung der Unterorganisationen des Heimatbundes wurde der denkmalpflegerische Gedanke in breitere Schichten der schleswig-holsteinischen Bevölkerung getragen. Denn trotz allem würde insbesondere seitens der Städte, stellte Detlef Thomsen, der Geschäftsführer des SHHB, auf einer Vorstandssitzung des Heimatbundes Anfang 1973 fest, »den denkmalpflegerischen Bestrebungen […] oftmals wenig Interesse entgegengebracht« werden. Die Ergebnisse einer Tagung in Sankelmark zum Thema Denkmalschutz im Januar 1973 und einer Veranstaltung der Heimatgemeinschaft Eckernförde hätten verdeutlich, dass »noch viel Aufklärungsarbeit notwendig sei.«222 Die Intentionen des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes in seiner denkmalpflegerischen Arbeit waren neben der Bewahrung des heimatlichen Kulturerbes auch grenzpolitischnationale Absichten.223 So berichtete der SHHB-Vorsitzende Werner Schmidt in der Vorstandssitzung von einer Besprechung über die kulturelle Arbeit und Heimatpflege in Südtirol und der Notwendigkeit für den Heimatbund, das »Südtirol-Deutschtum« zumindest ideell zu unterstützen.224 Ebenso wie in Schleswig-Holstein fanden sich in dieser Region unterschiedliche nationalkulturelle Einflüsse, die von zahlreichen Überlagerungen und Mehrfachsemantisierungen geprägt waren, so dass sich aus der Sicht des SHHB zahlreiche Parallelen mit Schleswig ergaben. Dahingegen waren die im Laufe der folgenden Jahre vom Landesamt erstellten Gutachten über die denkmalpflegerischen Zielplanungen der größeren 220 Gottfried Kiesow bezeichnete dies als die »wichtigste Grundlage zum Denkmalschutz in Sanierungsgebieten […], denn die besten Rechtsmittel gegen den Abbruch von historischer Bausubstanz hätten versagen müssen, wenn die Finanzierungshilfen von Bund und Ländern einseitig auf Neubauten beschränkt worden wären.« Kiesow, Denkmalpflege, 2000. S. 97. 221 Rundschreiben des SHHB an seine Mitgliedsvereinigungen vom 20. August 1973. LASH, Abt. 422.17: Vereine und Verbände. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund e.V., Nr. 34: Denkmalpflege. 222 Protokoll der Vorstandssitzung vom SHHB am 7. Februar 1973. LASH, Abt. 422.17, Nr. 34. 223 Vgl. Kap. VI.4.b. 224 Protokoll der Vorstandssitzung vom SHHB am 7. Februar 1973. LASH, Abt. 422.17, Nr. 34.

380

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Städte in Schleswig national neutral, so dass bauliche Zeugnisse aus der Zeit vor 1864, als Schleswig ein Bestandteil des dänischen Gesamtstaates gewesen war, ebenso vom Denkmalschutzgesetz bedacht wurden wie das unter preußischer Ägide entstandene Bauerbe. Das Gutachten des Landesamtes über die Stadt Flensburg, die bis in die 1920er Jahre durch eine dänischgesinnte Bevölkerungsmehrheit geprägt war, hob die Bedeutung der »Erhaltung der charakteristischen Hofstruktur« hervor, bei der Umsetzung der Sanierungsarbeiten sollten die »historischen Dominanten im Stadtbild« Berücksichtigung finden.225 In der Auflistung der unter Schutz zu stellenden Kulturdenkmale waren neben diversen Bauwerken des Mittelalters auch solche im 19. Jahrhundert unter dänischer Herrschaft errichtete Gebäude zu finden. Die Zielplanung verzeichnete auch zahlreiche Bauten im Heimatschutzstil aus der Zeit der letzten Jahrhundertwende sowie in den 1920er Jahren unter preußischer Führung fertig gestellte Denkmale.226 Diese national »wertfreie« Behandlung des baukulturellen Erbes zeigte sich ebenfalls in den Gutachten zu weiteren Städten in Schleswig, die bis 1864 Bestandteil des dänischen Gesamtstaats gewesen waren.227 Ähnlich wie in Deutschland machte sich in den 1970er Jahren in Dänemark das gesteigerte Bedürfnis nach einem besseren Schutz der historischen Bausubstanz bemerkbar. Bereits 1943 hatte der Historiker und Direktor des Kopenhagener Nationalmuseums, Poul Nørlund, das Denkmalschutzgesetz aus dem Jahr 1918 als ein »schwaches Gesetz« bezeichnet, das angesichts des gesellschaftlichen Wandels nicht mehr ausreichend sei.228 Es erfolgte jedoch erst 1966 mit dem Lov om Bygningsfredning229 eine Novellierung der denkmalschutzrechtlichen Regelungen, die in den Jahren 1969 und 197 weitere Ergänzungen erfuhren. Die Überarbeitung des Gesetzes führte vor allem zu einem verbesserten Schutz der in der Kategorie »B« aufgelisteten Gebäude, die im Gegensatz zur Kategorie »A« bislang als wertvoll, aber nicht zwingend schützenswert eingestuft worden waren.230 Erst im Jahr 1979 kam es zu einer grundlegenden Abänderung des Gesetzes, die für alle in der Denkmalliste verzeichneten Bauwerke, egal ob im öffentlichen oder im Privatbesitz, eine gleiche 225 Denkmalpflegerische Zielplanung – Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege vom 14. August 1974. LASH, Abt. 422.17, Nr. 34. 226 Ebd. 227 Siehe: Denkmalpflegerische Zielplanung für die Stadt Husum vom 21. März 1973; Denkmalpflegerische Zielplanung für die Stadt Rendsburg vom Juni 1973; Denkmalpflegerische Zielplanung für die Glückstadt vom 11. März 1974; Denkmalpflegerische Zielplanung für die Stadt Kappeln vom April 1974. LASH, Abt. 422.17, Nr. 34. 228 Nørlund, Poul. Forord. In: Det Særlige Bygningssyn (Hrsg.). Bygningsfredning gennem 25 Aar. Kopenhagen 1943. S. 7 – 11, hier S. 7 ff. 229 Lov om Bygningsfredning af 8. Juni 1966. In: Miljøministeriets 4. kontor (Hrsg.). Bygningsfredningsloven og dens revision – status og perspektiver. Kopenhagen 1975. 230 Vgl. Kap. III.3.

Das Europäische Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz 1975

381

Behandlung vorsah. Zugleich gingen mit der Überarbeitung eine Ausweitung des Denkmalbegriffs und die automatische Unterschutzstellung von Bauten und Gebäudeteilen, die vor 1536, dem Jahr der Reformation, errichtet wurden, einher.231 Diese Entwicklung war Ausdruck für die zunehmende Sensibilisierung der dänischen Bevölkerung für die Belange der Denkmalpflege. Ähnlich wie in Deutschland kam es seit der Mitte der 1960er Jahre zu einem steigenden Interesse an dem baukulturellen Erbe und seinem Schutz: So erschienen zahlreiche Publikationen, die sich mit der historischen Entwicklung des Denkmalschutzes in Dänemark beschäftigten,232 wurden Sanierungspläne für die Gemeinden erstellt233 und entstanden Vereine, die sich konkret für die Umsetzung in den einzelnen Städten einsetzten.234 Bereits seit 1966 publizierte der parallel zur Gesetzesnovellierung eingerichtete staatliche Denkmalschutzfonds (Statens Bygningsfredningsfond), dessen Mittel zur Rettung historischer Bausubstanz beitragen sollten, seine Jahresberichte.235 Die schleswig-holsteinische und die dänische Denkmalpflege waren beide durch ein allgemein steigendes Interesse der Bevölkerungen in Europa an dem Schutz seines baulichen Kulturerbes seit den 1960er Jahren beeinflusst, so dass die Ausweitung der Schutzbestimmungen in den beiden Ländern ungefähr parallel abliefen. Trotz der guten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Ausbau staatlicher Denkmalpflegestrukturen stellt eine detaillierte Untersuchung der denkmalpflegerischen Vorgänge in der Region Sønderjylland/ Schleswig unter dem Aspekt des nationalen Gegensatzes bis heute ein wissenschaftliches Desiderat dar.

VI.5.b. Das Europäische Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz 1975 Die Verabschiedung des schleswig-holsteinischen Denkmalschutzgesetzes im Jahr 1958 war ein erster Schritt in der Sensibilisierung der bundesrepublikani231 Lov om Bygningsfredning af 23. maj 1979. LA DpflSH, Akte Sauermann, B III C: Skandinavien; Vgl. Lunn, Preservation, 1993. S. 6 f. 232 Siehe beispielsweise: Miljøministeriets 4. kontor (Hrsg.). Bygningsfredningsloven og dens revision – status og perspektiver. Kopenhagen 1975; Skovgaard, Conservation Planning, 1978. 233 Siehe beispielsweise: Enqvist, Hans Henrik. Bevaringsplan Ribe. Ripen 1969; Holm, Eric Elner (Hrsg.). Bevaringsplan Viborg. Viborg 1972. 234 So wurde etwa 1962 in Tondern der Fonden til bevarelse af gamle huse i Tønder gegründet, der alte Gebäude aufkaufte und sie nach denkmalschutzrechtlichen Regelungen renovierte. Über diese Arbeiten legte der Verein jährliche Rechenschaftsberichte vor. Siehe: Fonden til bevarelse af gamle huse i Tønder (Hrsg.). Gamle Huse i Tønder; 1 – 9. 1963 – 1972. 235 Statens Bygningsfredningsfond. ærsberetning; 1 (1966/67 og 1967/68) -. RA, Abt. 0034, Nr. 1.

382

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

schen Bevölkerung gegenüber den Belangen der Denkmalpflege. Dennoch zeigte sich durch die Tatsache, dass die anderen Bundesländer erst ab den 1970er Jahren mit eigenen modernen Gesetzen nachzogen, dass der Schutzgedanke trotz allem weiterhin eine eher untergeordnete Rolle spielte.236 Das neue Verständnis propagierte eine Korrektur der zeitgenössischen modernen Architektur und Stadtplanung, wandte sich kritisch gegen die Zeugnisse der Moderne und forderte die Rückorientierung der Stadtplaner und Architekten auf eine historisch geprägte Bauweise. Unter dem Leitspruch »Eine Zukunft für unsere Vergangenheit« griff das vom Europarat initiierte Europäische Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz 1975 diese Gedanken auf und popularisierte sie innerhalb breiter Bevölkerungsschichten. Die Fokussierung auf das bauliche Erbe und die Denkmalpflege waren aus diesem Grund in erster Linie eine Reaktion auf den sorglosen Umgang mit der städtischen historischen Bausubstanz in den Jahren zuvor. In einem Merkblatt wies das Organisationskomitee unter Leitung des britischen Politikers Duncan Sandys auf die Ziele des Europäischen Jahres für Denkmalpflege hin. Sandys zufolge fiele die reichhaltige und vielfältige Architektur Europas und der außerordentliche Charakter seiner historischen Städte […] in zunehmendem Maße der Sorglosigkeit jener zum Opfer, die den unüberlegten Abriß und ungeschickte Umbaumaßnahmen veranlassen oder gutheißen.

Aus diesem Grund sei es Zeit aufzuwachen, »und uns dieser Entwicklung entgegen[zu]setzen, bevor es endgültig zu spät ist.«237 Sandys und das Organisationskomitee definierten das europäische Kulturerbe als ein vorrangig westeuropäisches,238 welches als »gemeinsames Gut alle europäischen Völker« in die Pflicht nehme, »es für die kommenden Generationen zu bewahren.« Das Hauptziel der dreijährigen Kampagne war es, das Interesse der europäischen Völker für ihr gemeinsames Bauerbe zu wecken, ihnen das Gefühl zu vermitteln, daß sie auf dieses Erbe stolz sein können, die Gefahren, die ihm drohen, aufzudecken und die notwendigen Aktionen zu seinem Schutz in die Wege zu leiten.239

236 Vgl. Meier, Hans-Rudolf. 30 Jahre seit dem Europäischen Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz. Perspektiven für die »Zukunft unserer Vergangenheit«. In: NIKE-Bulletin; 3/ 2005. S. 4 – 9, hier S. 7. 237 Merkblatt zur Kampagne für das Europäische Jahr des Denkmalschutzes 1975. S. I. LASH, Abt. 422.17: Vereine und Verbände. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund e.V., Nr. 582 I: Denkmalschutzgesetz. 238 »Dieses wertvolle Erbe ist Zeuge von Jahrhunderten westlicher Kultur und Schönheit.« Ebd. 239 Ebd.

Das Europäische Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz 1975

383

Die jeweiligen nationalen Komitees sollten daher unter der Koordination der europäischen Organisatoren ein breites Programm an öffentlicher Aufklärungsarbeit in Form von Presse-, Rundfunk- und Fernsehbeiträgen, der Herausgabe von Sonderbriefmarken sowie der Veranstaltung von Ausstellungen und Seminaren durchführen und auf diesem Weg den Willen in der Bevölkerung verankern, das »unersetzliche Bauerbe« zu retten.240 In der Bundesrepublik Deutschland konzeptionierte und koordinierte das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz zahlreiche Fassadenwettbewerbe, Tagungen und Symposien, die Erstellung von Dokumentationen sowie die Durchführung von Wanderausstellungen. Hinzu kamen private Initiativen, wie etwa eine Anzeigenaktion des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger, Wandertage von Vereinen sowie städtisch organisierte Planspiele.241 Die Kampagne des Europarates stellte vor diesem Hintergrund eine transnationale Initiative dar, die grenzüberschreitend das Verständnis eines gemeinsamen Erbes und geteilten kulturellen Besitzes zu verbreiten suchte. Aus diesem Grund griff das Organisationskomitee des Denkmalschutzjahres die politischen Reaktionen auf den sorglosen Umgang mit der historischen Bausubstanz auf und kondensierte sie in seinem Programm.242 Eine Folge dieser öffentlichwirksamen Thematisierung in Deutschland war die Ausweitung der gesetzlichen Grundlagen zum Denkmalschutzgesetz in den einzelnen Bundesländern. Zugleich erwuchs in breiten Bevölkerungskreisen eine größere Sensibilität für die gesellschaftliche Funktion denkmalpflegerischer Arbeit innerhalb der Stadtplanung und -entwicklung.243 Über zahlreiche Veranstaltungen, Ausstellungen und Publikationen bereitete das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz den Weg für eine größere Sichtbarkeit denkmalpflegerischer Themen.244 Jedoch erwies sich, dass die gesetzlichen Grundlagen, auch in 240 Ebd. S. I ff. 241 Zum Veranstaltungsprogramm in Deutschland siehe: Vorhaben und Veranstaltungen zum Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 in der Bundesrepublik Deutschland vom 10. März 1975. LASH, Abt. 422.17, Nr. 582 I. 242 Der Architekt Rüdiger Hoge fasste die Kritik der Modernitätsgegner in der Denkmalschutzbewegung der 1970er Jahre zusammen: So seien insbesondere die »vorschnellen Abrisse alter Gebäude, ja ganzer Stadtteile, Verständnislosigkeit gegenüber dem alten Bestand durch Hinzufügung schlechter oder unmaßstäblicher moderner Bauten« zentrale Gedanken hinter den Initiativen und Kampagnen gewesen. Hoge, Rüdiger. Stadtgestalt und Denkmalschutz aus der Sicht des Städtebaus. In: Titzck, Stadtgestalt und Denkmalschutz, 1978. S. 36. 243 Beispielsweise wurde auf einer Tagung in Kassel der Konnex zwischen Denkmalpflege und Sozialpolitik formulierte. Vgl. Burckhardt, Lucius (Hrsg.). Denkmalpflege ist Sozialpolitik. Studentische Tagung an der Gesamthochschule Kassel, vom 3. bis 8. November 1975. Schlußbericht. Kassel 1977. 244 Eine vom Nationalkomitee geplante und durchgeführte Wanderausstellung kontrastierte etwa die städtebauliche Entwicklung des Frankfurter Westends – »eine Stadt verdrängt ihr

384

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

Schleswig-Holstein, weiterhin nicht ausreichend waren und an vielen Stellen uneindeutig blieben. Der SHHB attestierte 1977 in einem Entwurf zu den Baurechtlichen Möglichkeiten zur Erhaltung von Bauten, Straßen und Plätzen von geschichtlicher, künstlerischer und städtebaulicher Bedeutung, dass der Gesetzgeber dem Bauerbe »ein gesteigertes Interesse entgegenbringt«, zugleich würden jedoch zahlreiche »Altbauten und einfachen Kulturdenkmale« schutzlos bleiben.245 In Schleswig-Holstein trat im Rahmen des Europäischen Jahres 1975 vor allem das Landesamt für Denkmalpflege für die Belange der Denkmalschutz in Erscheinung. Landeskonservator Hartwig Beseler versuchte über zahlreiche Vorträge, die Akzeptanz für die denkmalpflegerische Einflussnahme in die Stadtentwicklungen zu erwecken. Auf einem Vortrag vor Bürgern der Stadt Pinneberg hob er hervor, dass »Denkmalschutz […] keine Sache der Funktionäre, sondern Aufgabe aller Bürger« sei und verwies damit auf die gesellschaftliche Bedeutung der Bewahrung historischer Stadtstrukturen und malte zugleich ein düsteres Szenario, wenn kein Umdenken einsetzen würde: Wenn keine Bewußtseinsveränderung im Umgang mit den alten Gebäuden geschieht, dann wird sich die düstere Prognose Klaus Groths, des Pinneberger Heimatforschers, erfüllen. 1948 gab es nach seinen Angaben in Pinneberg noch 13 erhaltenswerte alte Häuser ; davon sind bis jetzt 8 abgerissen, und auch den wenigen anderen droht dasselbe Schicksal.246

Neben dem Landesamt für Denkmalpflege agierte in Schleswig-Holstein der Heimatbund als zweiter zentraler Akteur innerhalb der denkmalschutzrechtlichen Arbeit. Bereits durch die Zusammenarbeit mit dem Landesamt im Rahmen der Erfassung der Sanierungsgutachten war der SHHB direkt in die Unterschutzstellung und Bewahrung des regionalen Bauerbes involviert. Im Heimatpolitischen Programm des Heimatbundes stellte die Bewahrung und Sanierung der historischen Stadt- und Dorfkerne eine wichtige Aufgabe dar.247 So beschrieb der Verband 1981 als eine seiner zentralen Aufgaben, das kulturelle Vergangenheit« – mit der der Bamberger Altstadt: »Eine Stadt bewahrt ihre Vergangenheit.« Meier, 30 Jahre, 2005. S. 6. 245 Entwurf des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes zu Baurechtlichen Möglichkeiten zur Erhaltung von Bauten, Straßen und Plätzen von geschichtlicher, künstlerischer und städtebaulicher Bedeutung vom 3. Mai 1977. LASH, Abt: 422.17, Nr. 298. 246 Pinneberger Tageblatt, 24. November 1975. 247 In einem Rundschreiben an seine Mitgliedsorganisationen hob der SHHB die Wichtigkeit dieser Tätigkeit hervor: »Die Durchführung des Städtebauförderungsgesetzes, vor allem die Sanierung und eventuelle Neugestaltung der Ortskerne in den Städten und Dörfern ist eine für die weitere Entwicklung und Gestaltung unserer Heimat besonders wichtige Aufgabe, an der mitzuraten und mitzuwirken sich alle Bürger unserer Städte und Dörfer und von ihnen in erster Linie alle Mitglieder des SHHB aufgerufen und verpflichtet fühlen müssen.« Rundschreiben des SHHB an seine Mitgliedsvereinigungen vom 20. August 1973. LASH, Abt. 422.17, Nr. 34.

Das Europäische Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz 1975

385

Erbe der Städte und Dörfer zu bewahren und einer Zerstörung durch Sanierung entgegenzuwirken: Bei der Gestaltung der Städte haben sich in der Vergangenheit, vor allem nach dem Kriege, zahlreiche Planungen […] als zum Teil verhängnisvolle Irrtümer erwiesen. Ihnen sind […] Wohnwert und kulturelles Erbe zum Opfer gefallen. Die bisherigen Grundsätze für die Gestaltung der Städte bedürfen daher dringend der Überprüfung. […] [Es] bleibt ständige Aufgabe unserer Gesellschaft, unsere Städte sorgsam, verantwortungsbewußt und dem Menschen gerecht zu erneuern und zu gestalten. Hieran mitzuwirken, gehört zu den wesentlichen Zielsetzungen des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes.248

Entgegen des transnational-europäischen Gedankens hinter dem Europäischen Jahr für Denkmalschutz machte sich in den Kreisen des SHHB jedoch ein anderes Verständnis von der Funktion des kulturellen Bauerbes bemerkbar. Im Einklang mit der allgemeinen politischen Ausrichtung des Verbandes stellte sich seine »Geschichtspolitik in den Dienst der unter Druck geratenen konservativen Vorstellungen.«249 Mit dem zunehmenden Bedeutungsverlust des SHHB als zentraler schleswig-holsteinischer Erinnerungsakteur wandelte sich diese Position zu einem reaktionären Profil, welches in breiten Bevölkerungsschichten keine Akzeptanz mehr besaß. Vergleichbar mit den Sinnzuschreibungen und Positionen, die in Relation zur Idstedt-Gedächtnishalle und deren grenzpolitischer Bedeutung standen, äußerte sich in der denkmalpflegerischen Arbeit des Heimatbundes die Tradierung des Bildes eines »kulturellen Wettstreits« im Grenzland, welches in den 1950er Jahren im Kontext des Grenzkampfes entstanden war. Die zwischenstaatliche Annäherung zwischen Deutschland und Dänemark vollzog der SHHB inhaltlich nicht, so dass aus diesem Grund auch noch in den 1960er und 1970er Jahren das 1953 erstellte Heimatpolitische Programm die Grundlage für die Geschichts-, Kultur- und Denkmalpflegepolitik des SHHB bildete.250 So bekannte sich der Heimatbund zwar zu einem »kulturellen Pluralismus«, zugleich betonte er die Konzepte »Heimat« und »Nation« als die Basis der eigenen Arbeit. Die politische Ausrichtung des SHHB und seiner denkmalpflegerischen Tätigkeit war so zuvorderst antimodernistisch und rückwärtsgewandt, wenn es die Bedrohungen durch die »Massengesellschaft« in seinem Programm betonte.251 Diese Einstellung zeigte sich insbesondere in der 248 Beschlussentwurf des Ausschusses für Landesgestaltung vom 8. April 1981. LASH, Abt. 422.17, Nr. 298 249 Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 239. 250 Vgl. zum Heimatpolitischen Programm: Kap. V.3.a. 251 Das Bekenntnis zum kulturellen Pluralismus in Europa bedeutete nicht die Anerkennung der gegenseitigen nationalen Kultureinflüsse im Grenzland. Im Gegenteil stellte das Heimapolitische Programm eine klare nationale Positionierung dar : »Schleswig-Holstein als die nördlichste historisch gewachsene Region der Deutschen soll als Heimat allen

386

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

denkmalpflegerischen Arbeit. So sah der Verband die Heimat vielfachen Bedrohungen ausgesetzt, was einen umfassenden Schutz notwendig mache: Die Eigenarten und die Vielfalt der Heimat – ob es sich dabei um die geistigen Grundlagen handelt oder um die natürliche Umwelt – drohen durch die Massengesellschaft eingeebnet zu werden. Daher genügt es nicht, die kulturellen Eigenarten (und dazu gehören auch die Eigenarten der Landschaft, der Städte und Dörfer) zu pflegen; sie bedürfen heute des entschiedenen Schutzes.252

Bereits während der Vorbereitungen auf das Europäische Denkmalschutzjahr wurde es deutlich, dass nicht nur der schleswig-holsteinische Landesverband des Heimatbundes, sondern der gesamte Dachverband des Deutschen Heimatbundes seine Arbeit unter der Prämisse von »Heimat« und »Nation« führte und weniger den transnational-europäischen Gedanken der Kampagne vertrat. So initiierte etwa Europa Nostra, ein europäischer Verband nicht-staatlicher Denkmalschutzorganisationen, 1972 ein Filmprojekt, das »sich mit der Erhaltung des kulturellen Erbes in Europa befassen soll.« Als »nützliches Werkzeug für all diejenigen […], welche sich mit der Vorbereitung des Kulturschutzjahres 1975« befassen, sollte der Film auf europäischer Ebene vergleichend einzelne Beispiele denkmalpflegerischer Maßnahmen dokumentieren.253 Der für Deutschland von Europa Nostra mit der Durchführung beauftragte Deutsche Heimatbund betonte in einem Rundschreiben an seine Landesverbände, dass eine Mitarbeit insbesondere aus nationalen Gründen wünschenswert sei: »Es liegt ganz sicher im nationalen Interesse unseres Landes, in diesem Film gebührend berücksichtigt zu werden und in der Konkurrenz mit anderen Ländern bestehen zu können.«254 Zugleich blieben auch als Minderheitenposition im Umfeld des SHHB grenzkämpferische Ressentiments gegenüber dem nördlichen Nachbarn bestehen. Noch 1981 war im Umkreis des SHHB etwa vereinzelt zu hören, dass auf denkmalpflegerischer Ebene eine Zusammenarbeit mit Vereinen, die sich in Nordschleswig explizit auch mit dänischer Baukultur beschäftigen, ausgeschlossen werden müsse: »Sie würde zu einer Schwächung des immer noch vorhandenen schles[wig]-holst[einischen]/deutschen Elementes in Menschen, die Schleswig-Holsteiner sein wollen, das Mindestmaß an Sicherheit und Geborgenheit bieten, das notwendig ist, damit die Menschen ihre Anlagen entwickeln könnten.« Heimatpolitisches Programm des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes vom Mai 1953. LASH, Abt. 422.17: Vereine und Verbände. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund e.V., Nr. 330: Allgemeine Schriftwechsel (Denkmalpflege). 252 Ebd. 253 Filmprojekt von Europa Nostra für das Europäische Kulturschutzjahr 1975. LASH, Abt.422.17: Vereine und Verbände. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund e.V., Nr. 835: Europäisches Kulturschutzjahr 1975. 254 Schreiben des Vorsitzenden des Deutschen Heimatbundes, Anton Köchling, an die Landesverbände, vom 24. Juli 1972. LASH, Abt. 422.17: Vereine und Verbände. SchleswigHolsteinischer Heimatbund e.V., Nr. 835: Europäisches Kulturschutzjahr 1975.

Zwischenfazit

387

Nordfriesland führen. Man sollte beim SHHB in Kiel nicht sagen, daß der Grenzkampf vorbei sei – er wird auf allen möglichen Gebieten heimlich geführt!«255

VI.6. Zwischenfazit Nach der Ratifizierung der Bonn-Kopenhagener Erklärungen 1955 setzte im schleswigschen Grenzraum und im deutsch-dänischen Verhältnis eine allmähliche politische Normalisierung ein. In zunehmendem Maße etablierte sich in den beiden Staaten ein Narrativ, welches die gefundene Lösung der Minderheiten- und der Grenzfrage zu einem europäischen Modellfall deklarierte und zum Vorbild für andere historisch umstrittene Regionen erhob. So ermöglichten die Erklärungen von 1955 ein geregeltes Miteinander der Mehrheits- und der Minderheitsbevölkerungen und eine weitere Annäherung etwa in Form des dänischen Beitritts zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1973. Diese Entwicklung ging einher mit einem zunehmenden Akzeptanzverlust der ehemaligen konservativen Eliten, wie etwa dem Schleswig-Holsteinischen Heimatbund, in der Bevölkerung. Zugleich zeigte es sich, dass die Minderheitenfrage von grundlegender Relevanz für die Entwicklung des deutsch-dänischen Verhältnisses war, nahmen die Minoritäten doch eine Schlüsselstellung in der gegenseitigen Annäherung ein. Dennoch offenbarte sich in den Jahren nach 1960 gerade im Zusammenhang mit dem kulturellen Erbe der Region auch der Fortbestand gegenseitiger nationaler Ressentiments. So sprach sich etwa der Vorsitzende des SHHB, Werner Schmidt, noch 1983 gegen den »neo-europäischen Einheitsbrei« aus und plädierte stattdessen für eine klare kulturelle Abgrenzung der beiden Staaten voneinander. Die behauptete europäische Vorbildfunktion des deutsch-dänischen Grenzraumes kann daher im Bereich des kulturellen Erbes Sønderjylland/Schleswigs nicht uneingeschränkt verifiziert werden. Für die Jahre zwischen 1960 und 1990 ergibt sich vielmehr ein diffuses Bild von sich gegenseitig überlagernden Annäherungs- und Abgrenzungsprozessen, die zeitlich nur schwer gegliedert werden können. Vordergründig kam es im Anschluss an die Bonn-Kopenhagener Erklärungen, etwa im Kontext des Idstedt-Löwen und der Idstedt-Gedächtnishalle, entsprechend der politischen Normalisierung zu grenzüberschreitenden Dialogen über und inhaltlichen Rekontextualisierungen von einzelnen Denkmälern und Museen, die einen einvernehmlichen kulturellen Austausch ermöglichen sollten. Letztlich zeigte sich in der Praxis jedoch, dass die nationalen Ressentiments 255 Schreiben von Friedrich Johannsen an den SHHB vom 24. April 1981. LASH, Abt. 422.17, Nr. 411.

388

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

weiterhin eine grundlegende Rolle in den Auseinandersetzungen um das Kulturerbe einnahmen. So griff beispielsweise der vormalige Flensburger Stadtpräsident Hanno Schmidt 1962 den dänischen Wunsch nach einer Rückkehr des Flensburger Löwen an seinen alten Standort auf und schlug mit Blick auf die europäische Annäherung eine Rückführung des Monumentes in die Grenzstadt vor. Die Reaktionen auf Schmidts Vorstoß belegten, dass die ablehnende Haltung der Schleswig-Holsteiner gegenüber dem Denkmal weiterhin im regionalen Bewusstsein fest verankert war und eine wichtige Rolle in der Konstruktion einer schleswig-holsteinischen Regionalidentität besaß. Der Idstedt-Löwe wurde in diesem Sinne auch in den 1960er Jahren noch als ein wirkungsmächtiges Symbol der nationalliberalen Bewegung des 19. Jahrhunderts und der neueiderdänischen Bestrebungen der Nachkriegszeit gedeutet. Die Debatte versinnbildlicht die Langlebigkeit der trennenden Aspekte des kulturellen Erbes und dessen Relevanz für die Ausprägung und Tradierung kollektiver Identitäten. Zahlreiche weitere Beispiele der Kulturtopographie der Region Sønderjylland/Schleswig aus den Jahren zwischen 1960 und 1990 deuten darauf hin, dass der vermeintlichen Normalisierung der Beziehungen zwischen den Mehrheits- und Minderheitsbevölkerungen auf dem Gebiet des materiellen Kulturerbes kein grundlegender Wandel folgte. Dem Narrativ der europäischen Modellregion stand aus diesem Grund in der Realität ein weiterhin problematisches deutschdänisches Verhältnis gegenüber, welches vor allem durch die Minderheitenfrage und die Auseinandersetzungen um das kulturelle Erbe der Region geprägt war. So verbarg sich hinter der vermeintlichen Versöhnung eine abgeschwächte, aber in weiten Teilen kontinuierliche Fortsetzung der Instrumentalisierung von Museen, Denkmälern und dem mittelalterlichen Erbe zu grenzpolitischen Zwecken. Die Debatten wurden sowohl in Dänemark als auch in SchleswigHolstein von primär konservativen Kreisen, wie etwa dem Schleswig-Holsteinischen Heimatbund, die angesichts eines gesellschaftlichen Wandels um ihre zentrale Stellung als wichtige regionale und nationale Erinnerungsakteure fürchteten, angetrieben. Neben den nationalen Vorbehalten sind daher auch die jeweiligen innenpolitischen Machtkämpfe als Ursache für die Kontinuität in den Bewertungen des Kulturerbes zu sehen. So plädierte etwa 1964 der dänische König Frederik IX. zum 100. Jubiläum des Deutsch-Dänischen Krieges angesichts des gesellschaftlichen Wandels und des abnehmenden Interesses für die Geschichte des Landes emotional für eine Erinnerung an die historischen Ereignisse von Düppel, die für den heldenhaften dänischen Kampf gegen die deutsche Fremdherrschaft stehen würden. Die besondere Relevanz des Ortes Düppel und die Erinnerung an den nationalen Gegensatz zu Deutschland als wichtige Eckpunkte der dänischen Nationalidentität wurden somit auch in die Zeit nach dem Grenzkampf tradiert. Analog hierzu sah sich auf schleswig-holsteinischer Seite insbesondere die inhaltliche Ausrichtung

Zwischenfazit

389

der Idstedt-Gedächtnishalle einer schwindenden gesellschaftlichen Akzeptanz gegenüber, die durch die zunehmende Marginalisierung des Heimatbundes als der zentrale regionale Erinnerungsakteur bedingt war. Der SHHB hatte nach dem offiziellen Ende des Grenzkampfes 1955 das Museum angesichts der OstWest-Auseinandersetzungen erneut mehr und mehr in einen nationalen Kontext eingeordnet. Als in den 1970er Jahren die Besucherzahlen immer weiter zurückgingen, fiel der Entschluss, die inhaltliche Ausrichtung der Ausstellung der zeitgenössischen Situation anzupassen. So regte etwa Theo Christiansen, der Leiter des Schleswiger Stadtmuseums, eine stärkere Betonung der europäischen Aspekte an, aus denen im Kontext von Idstedt eine gemeinsame, grenzüberschreitende Erinnerung entstehen könne. In der realen Umsetzung zeigte sich jedoch, dass der SHHB an seinem nationalen Paradigma festhielt und das Museum weiterhin in den Kontext der deutsch-deutschen Teilung stellte. Die dänische Perspektive blieb, entgegen der ursprünglichen Planung, in der Neukonzeption weiterhin ausgeklammert. Der Heimatbund versuchte zwar, die Idstedt-Gedächtnishalle im Rahmen der jährlichen Gedenkfeiern auch in den Zusammenhang einer deutsch-dänischen Annäherung und der europäischen Integrationspolitik zu stellen, die grundlegende Kritik von Seiten des Südschleswigschen Wählerverbandes und zahlreicher dänischer Minderheitenvertreter legt jedoch den Schluss nahe, dass die Propagierung eines regionales Heimatbewusstseins und die Abgrenzung zum dänischen Nachbarn Priorität in den Augen der Verantwortlichen besaßen. Parallelen hierzu lassen sich auch in der denkmalpflegerischen Arbeit des Heimatbundes finden. So nutzte der SHHB das Europäische Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz 1975 entgegen seiner eigentlichen Bedeutung zu einer Betonung des »kulturellen Wettstreits« in der Grenzregion und stellte seine Arbeit in den Kontext von Heimat und Nation. Die gegenseitigen Abgrenzungsbestrebungen über das materielle Kulturerbe erfuhren ihren Höhepunkt Ende der 1970er Jahre mit der Kontroverse um das Haithabu-Museum. So hatten sich bereits in den 1950er Jahren Vorbehalte der schleswig-holsteinischen Behörden gegenüber der Zusammenarbeit mit Dänemark zum Schutz des Danewerks gezeigt. Die Einladung des Direktors des dänischen Nationalmuseums, Johannes Brøndstedt, zur Teilnahme am Danewerksausschuß besaß etwa zuvorderst eine Alibifunktion. Noch in den 1970er Jahren opponierten die schleswig-holsteinische Staatskanzlei und der Schleswiger Kreispräsident Jürgen Thee gegen eine zu große Einbeziehung Dänemarks. Parallel zu den weiteren Schutzbemühungen entstand in den 1970er Jahren die Idee, am Ort der Handelssiedlung ein eigenes Haithabu-Museum zu errichten, um dem kulturhistorischen Wert der archäologischen Funde durch eine eigene Ausstellung gerecht zu werden. Im Zuge der einsetzenden Bauarbeiten zeigte sich anhand der Rede des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg anlässlich der Grundsteinlegung des Museums-

390

Zwischen nationaler Abgrenzung und europäischer Annäherung

neubaues im Juni 1981, dass die nationalen Ressentiments aus der Zeit des kulturellen Grenzkampfes bis in die späten 1970er Jahre überdauerten. Stoltenbergs Einordnung der historischen Siedlung in den Kontext einer schleswigholsteinisch-europäischen Geschichte löste in nationalkonservativen Kreisen in Dänemark eine Protestwelle aus, die sich in der folgenden Zeit durch eine regelrechte Publikationsflut bemerkbar machte. Die Kontroverse drehte sich nicht nur um die Frage, wer Besitzrechte auf das mittelalterliche Erbe geltend machen könne, sondern darüber hinaus auch um die vermeintlich historischen Rechte auf die Region Schleswig. Die teilweise sehr stark nationalistisch geprägten Stellungnahmen beider Seiten bezeugten das Überdauern der grenzkämpferischen Positionen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. Dabei zeigte sich, dass die Haithabu-Kontroverse kein isolierter Konflikt war, sondern im Kontext der allgemeinen politischen Situation und insbesondere der Minderheitenfrage gesehen werden musste. Erst unter Stoltenbergs Nachfolger Uwe Barschel entspannten sich die Konflikte.

VII. Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen: Das Beispiel der Region Sønderjylland/Schleswig (1990 – …)

VII.1. »Vom Gegeneinander zum Miteinander«?1 – der deutsch-dänische Grenzraum im Kontext der europäischen Einigungsbewegung Mit dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems in den Staaten Osteuropas und der hiermit relationierten politischen Neuordnung des europäischen Kontinentes gerieten (mentale) Grenzziehungsfragen zwischen Ost und West, aber auch zwischen den einzelnen Staaten in den Fokus politischer und fachwissenschaftlicher Debatten. Im Zuge dessen wurden weniger reale, auf Landkarten nachvollziehbare Staatsgrenzen thematisiert, sondern vielmehr zunehmend mentale Abgrenzungen, Inklusionen und transnationale Raumentwürfe diskutiert. Insbesondere der europäische Integrationsprozess bedingte einerseits eine politische Marginalisierung innereuropäischer Grenzen, wie es beispielsweise durch das Schengener Abkommen geschah, andererseits erlangte die Frage der äußeren Abgrenzung der Europäischen Gemeinschaft sowohl auf politischer als auch fachwissenschaftlicher Ebene eine neue Bedeutung.2 Im Kontext der zunehmenden institutionellen, politischen und gesellschaftlichen Vernetzung der europäischen Staaten sah der italienische Politikwissenschaftler Mario Caciagli schon 1990 den traditionellen Nationalstaat als wichtigste politische Einheit zukünftig in Frage gestellt. Angesichts der politischen Entwicklungen in Europa erlebe stattdessen die Region als Bezugsgröße eine Wiederauferstehung. Vor allem transnationale Regionalismen besaßen seiner Ansicht nach ein großes Potential zur Lösung historisch bedingter 1 In den letzten Jahren wird die Formulierung »vom Miteinander zum Gegeneinander« häufig in Verbindung mit der Entwicklung der deutsch-dänischen Beziehungen und im Zusammenhang der Mehrheits- mit den Minderheitsbevölkerungen im Grenzland benutzt. Die Aussage kennzeichnet einen Wandel des Verhältnisses vom nationalen Gegensatz zum friedlichen und vor allem vermeintlich vorbildlichen Miteinander über die Grenze hinweg. Siehe beispielsweise: Becker-Christensen, Fra »mod hinanden« til »med hinanden«, 2009. 2 Vgl. Kap. I.3.

392

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Konflikte und Spannungen sowie zur Intensivierung staatsübergreifender Kooperationen.3 Im Zuge des europäischen Integrationsprozesses nimmt aus diesem Grund zunehmend die Förderung regionaler Strukturen eine zentrale Rolle ein. Seit 1985 existiert mit der Gründung der Versammlung der Regionen Europas eine politische Organisation regionaler Interessenvertretung auf europäischer Ebene, die 1992 durch den Vertrag von Maastricht in Form des Ausschusses der Regionen (AdR) als beratende Instanz institutionalisiert wurde. Unter dem Motto des »Europa der Regionen« soll auf diese Weise eine dreistufige, föderative Struktur bestehend aus Europa, den einzelnen Nationen und ihren jeweiligen Regionen etabliert werden. Als »Sprachrohr der Regionen« partizipiert seitdem der AdR in einer zentralen Position in der Vertiefung der Bürgernähe zur Europäischen Gemeinschaft/Europäischen Union und in der Förderung des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Subsidiaritätsprinzips.4 Angesichts der zunehmenden Bedeutung regionaler Strukturen für das vereinigte Europa sehen die politischen Instanzen insbesondere in den Grenzregionen ein signifikantes Potential für die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Raumes. Über das System der so genannten »Euroregionen« sollen strukturell und wirtschaftlich schwache Grenzräume einerseits durch die Zusammenarbeit gestärkt werden und andererseits zu einer transnationalen Verflechtung der Staaten untereinander beitragen.5 Vor dem Hintergrund eines politisch angestrebten Abbaus staatlicher Grenzen attestierte der englische Soziologe Gerard Delanty 2007, dass nationale Scheidelinien nicht länger trennende Raumstrukturierungen seien, die auf eine Tradierung historischer Abgrenzungen abzielen würden. Stattdessen seien sie wesentlich diffuser geworden und oftmals ein Ausdruck sich überlagernder Gesellschaften und Regionen.6 Angesichts der politischen Bedeutungsverlagerung von Grenzlinien und -räumen innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes konstatierten die Kulturwissenschaftler Tobias Wendl und Michael Rösler auch einen Paradigmenwechsel in 3 Caciagli, Mario. Das Europa der Regionen: Regressive Utopie oder politische Perspektive? In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft; 19 (1990). S. 421 – 432, hier S. 421 und S. 431. 4 http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Lexikon/EUGlossar/E/2005 – 11 – 21-europader-regionen.html [Zugriff am 17. Januar 2012]. 5 Die erste Europaregion wurde bereits 1958 an der deutsch-niederländischen Grenze gegründet. Eine rechtliche Grundlage für eine Ausweitung des Programms erfolgte 1980 mit dem Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften, der sogenannten Madrider Konvention. http://conventions.coe.int/treaty/ger/Treaties/Html/106.htm [Zugriff am 17. Januar 2012]. 6 »Borders are no longer dividing lines akin to the traditional notion of a frontier in the sense of a line demarcating one state from another ; they have become considerably weakened and are more diffuse, often sites of overlapping communities and regions.« Delanty, Peripheries, 2007. S. 19.

»Vom Gegeneinander zum Miteinander«?

393

der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Konzept »Grenze«.7 Zugleich zielt die europäische Politik seit dem Beginn der 1990er Jahre auf das Durchbrechen imaginierter und territorialer Scheidelinien zugunsten integrativer Strukturen ab. Die von den niederländischen Sozialhistorikern Michiel Baud und Willem van Schendel aufgestellte Definition nationaler Grenzen als politisch konstruierte »mental images«8 steht seitdem das Bestreben nach einem gesellschaftlich, kulturell, ökonomisch und politisch vereinigten Europa gegenüber. Mit der politischen Stärkung der regionalen und grenznahen Räume gegenüber den nationalen Zentren geht somit eine Verlagerung der ZentrumPeripherie-Beziehungen in den einzelnen Staaten einher. Gerard Delanty stellte in seinem Essay Peripheries and Borders in a Post-Western Europe die These von einem Wandel der Rolle peripherer Regionen im Prozess der Europäisierung der Nationalstaaten auf.9 Die von der EG/EU durch Regionalisierung und grenzüberschreitende Zusammenarbeit grenznaher Regionen vorangetriebene europäische Integrationspolitik löst die staatlichen Peripherien, so eine weitverbreitete These, zunehmend aus ihrer Objektrolle und teilt ihnen aufgrund ihres Charakters als politische und kulturelle Zwischenräume10 eine zentrale Funktion in der Aushandlung einer europäischen Gemeinschaft zu. Auf der kulturellen Ebene forcieren die zuständigen Institutionen und Kommission der EG/EU seit einigen Jahren die Anstrengungen zur Konstruktion eines gemeinsamen Kanons an kulturellen Werten als Grundlage einer europäischen Identität. Ähnlich wie in den Grenzräumen besteht dabei die Herausforderung in den zahlreichen historischen Brüchen und den vielschichtigen, heterogenen Kulturlandschaften, von denen Europa geprägt ist. Aus diesem Grund konstruieren die Programme der Europäischen Union einen kulturellen Überbau eines vermeintlich kollektiven, transnationalen Kulturerbes, in dem die historischen Konflikte zum Teil bewusst ausklammert werden. Die bereits in der Einleitung dieser Studie erwähnten Initiativen wie die Kulturhauptstadt Europas, die Europäische Route der Backsteingotik, das Förderprogramm Raphael oder das Europäische Kulturerbe-Siegel zeichnen somit einerseits das Bild 7 Wendl/Rösler, Frontiers and borderlands, 1999. S. 1: »Borders are no longer perceived as the stable, trustworthy and monolithic institutions – as they were only a decade ago.« 8 »National Borders are political constructs, imagined projections of territorial power. Although they appear on maps in deceptively precise form, they reflect, at least initially, merely the mental images of politicians, lawyers, and intellectuals.« Baud, Michiel/Schendel, Willem van. Toward a Comparative History of Borderlands. In: Journal of World History ; 8,2 (1997). S. 211 – 242, hier S. 211. 9 Delanty, Peripheries, 2007. S. 12: »My thesis is that there is now a changed relation in the periphery to the core with the periphery emerging from marginalization to becoming a site of cosmopolitan rebordering.« 10 Vgl. Certeau, Kunst des Handelns, 1988. S. 232; Wilson/Donnan, Border identities, 1998. S. 26; Borsý, Grenzen, 2004. S. 22; Serrier, Geschichtskultur, 2007. S. 243.

394

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

transnationaler kultureller Homogenität und übergehen andererseits zahlreiche historisch bedingte Brüche. Analog zur europäischen Politik zeigen sich seit dem Beginn der 1990er Jahre im schleswigschen Grenzraum zahlreiche politische Veränderungen, die von einem sich wandelnden Verhältnis zwischen Dänemark und Deutschland künden. Während es in den 1980er Jahren etwa im Bereich der Minderheitenfragen noch zu einzelnen kontrovers geführten Auseinandersetzungen kam, wurde den beiden Bevölkerungsgruppen mit der einsetzenden europäischen Einigungsbewegung eine zentrale Rolle in der deutsch-dänischen Annäherung zugesprochen. Insbesondere die rechtlichen Regelungen, deren Grundlage die BonnKopenhagener Erklärungen von 1955 bilden, gelten aus der Sicht der beiden Staaten »als vorbildhaft für den Umgang mit nationalen und sprachlichen Minderheiten in Europa.«11 Zwar bildet etwa »das Bekenntnis zum Deutschtum und zu seiner Geschichte, zur deutschen Sprache und Kultur und zur nordschleswigschen Heimat« für die deutsche Volksgruppe weiterhin die Basis des Selbstverständnisses. Zugleich erfolge die eigene Arbeit, so Gerhard Schmidt vom Bund deutscher Nordschleswiger im Juni 1991 auf einer Tagung zu den Minderheiten in Europa, »nicht im Gegensatz zum Dänentum.« Vielmehr sieht der BdN in den deutschen Nordschleswigern »loyale Staatsbürger in Dänemark, die […] als gleichberechtigte Partner das kulturelle, soziale und politische Leben […] mitgestalten wollen.« Aus diesem Grund, so Schmidt, sei die Arbeit sowohl der dänischen als auch der deutschen Minderheit ein Vorbild für andere Grenzregionen Europas: »An der deutsch-dänischen Grenze wird echte europäische Zusammenarbeit vorgelebt. Die deutsche Volksgruppe versteht sich als Baustein für Europa, für ein Europa der Vielfalt, in dem nationale und kulturelle Identitäten respektiert werden müssen.«12 Die vom Bund deutscher Nordschleswiger akzentuierte positive Entwicklung der Stellung der beiden Minderheiten ist keine alleinige Position der deutschen Volksgruppe, vielmehr wird sie durch die dänischen Südschleswiger geteilt. Eine wichtige Grundlage für die positive Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Mehrheits- und den Minderheitsbevölkerungen auf beiden Seiten der Grenze liegt in der zunehmenden politischen und kulturellen Vernetzung untereinan11 Bund deutscher Nordschleswiger (Hrsg.). Nordschleswig und die deutsche Volksgruppe in Dänemark. Apenrade 2006. S. 5. Den Vorbildcharakter reklamieren nicht nur die beiden Minderheiten gemeinsam für sich. In zahlreichen Zeitungsartikeln, den Stellungnahmen diverser Politiker sowie in den historischen Darstellungen zur Landesgeschichte äußert sich eine breite Übereinkunft, dass die deutsch-dänische Regelung Modellcharakter für das restliche Europa habe. 12 Schmidt, Gerhard. Bericht zur Lage der deutschen Minderheit in Nordschleswig. In: PaulinaMürl, Lianne (Hrsg.). Minderheiten in Europa. Landtagsforum am 7. Juni 1991. Lübeck 1991. S. 101 – 104, hier S. 102.

»Vom Gegeneinander zum Miteinander«?

395

der. Darüber hinaus nannte 1995 die damalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis auf der 40-Jahr-Feier der Bonn-Kopenhagener Erklärungen den guten Willen zum besseren Verständnis als essentiell.13 Eine wichtige Ergänzung zu den Regierungserklärungen von 1955 bilden auf europäischer Ebene zudem die Charta zum Schutz von Regionalen- und Minderheitensprachen14 von 1998 sowie die 2001 in Kraft getretene Rahmenkonvention des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten,15 die die rechtsverbindlichen Rahmenbedingungen für den Minderheitenschutz auf multilateraler Ebene verankerten. Im Hinblick auf die europäische Gesetzgebung zum rechtlichen Schutz der Minderheiten in Bezug auf die freie Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und politischer Tätigkeit werden von deutsch-dänischer Seite häufig die eigenen Regelungen als vorbildlich reklamiert. Laut dem Historiker Lorenz Rerup ist das schleswigsche Grenzland angesichts der 1955 gefundenen Lösung zu einem »Mini-Europa« geworden.16 Aspekte wie eine gemeinsame deutsch-dänische Präsentation des Grenzlandes im Rahmen der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover oder die alljährliche Einladung von Minderheitsvertretern zum Schleswig-Holstein Tag deuten auf ein einvernehmliches Übereinkommen hin.17 Der Bund Deutscher Nordschleswiger sieht in dem gegenseitigen Verständnis die Grundlage für das friedliche Miteinander in der Region: Das deutsch-dänische Grenzland ist heute geprägt von einem Klima der Toleranz und Akzeptanz auf allen Ebenen des politischen und gesellschaftlichen Lebens sowie von einem gutnachbarschaftlichen Miteinander von Mehrheitsbevölkerungen und Minderheiten. Dies findet seinen Ausdruck in der selbstverständlichen aktiven und mitgestaltetenden Teilnahme der deutschen Nordschleswiger am gesellschaftlichen, kulturellen, sozialen und politischen Leben Dänemarks unter Wahrung der eigenen deutsch-nordschleswigschen Identität.18

Zugleich äußern sich jedoch ebenfalls einzelne Stimmen kritisch gegenüber einer vermeintlich zu positiven Betrachtung der Minderheitenregelungen. Der 13 Schnack, Renate. Slesvig-Holsten og mindretallene i 1980’erne og 1990’erne. In: Kühl, Jørgen (Hrsg.). En europæisk model? Nationale mindretal i det dansk-tyske grænseland 1945 – 2000. Apenrade 2002. S. 299 – 316, hier S. 299. 14 http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=148& CM=1& DF=23/04/ 2010& CL=GER [Zugriff am 24. 01. 2012]. 15 http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=157& CM=1& CL=GER [Zugriff am 24. 01. 2012]. 16 Rerup, Lorenz. Grænsen i en EU-tid. In: Becker-Christensen, Henrik (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. S. 182 – 192, hier S. 191. 17 Die Politologin Renate Schnack attestierte der erfolgreichen und positiven Entwicklung der Minderheitenfrage in den 1980er und 1990er Jahren ein »faszinierende Gemeinschaftswerk zu sein«. Schnack, Slesvig-Holsten, 2002. S. 315. 18 Bund Deutscher Nordschleswiger, Nordschleswig, 2006. S. 8.

396

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

dänische Rechtswissenschaftler Sten Harck etwa merkte 2002 an, dass die Friesen als Gruppe von einer Regelung bislang gänzlich ausgenommen seien. Darüber hinaus besäßen die Bonn-Kopenhagener Erklärungen keinen völkerrechtlich bindenden Charakter. So sei im Umfeld der schleswig-holsteinischen Landtagswahl 2000 die Befreiung des SSW von der Fünfprozentklausel aus politischen Gründen in Frage gestellt worden. Die rechtliche Grundlage sei deswegen »so lose und unsicher, dass sie […] Unsicherheiten über die Rechte der Minderheiten schafft.«19 Der dänische Historiker Jørgen Kühl hat sich 2002 in seinem grundlegenden Werk über die Geschichte der nationalen Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem »schleswigschen Modell«, wie regelmäßig proklamiert, eine Funktion als europäischem Vorbild für andere Minderheitenregelungen inhärent ist. Er kam dabei zu dem Befund, dass die deutsch-dänischen Lösung zwar ein positives Beispiel sei, aus dem jedoch aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen und Rahmenbedingungen nicht zwingend Rückschlüsse für andere Fälle gezogen werden können.20 Die von deutschen und dänischen Vertretern für sich beanspruchte, europäische Vorbildfunktion muss angesichts dessen als der Versuch der Etablierung eines regionalen Narratives gesehen werden, auf dessen Basis sich die Entwicklung der deutsch-dänischen Historie als Erfolgsgeschichte erzählen lässt. Trotz der auf breiter Basis verkündeten positiven Regelung der Minderheitenfrage und der Betonung des friedlichen Klimas im Grenzland zeichnet sich nicht nur durch Sten Harcks Hinweis auf die Landtagswahl 2000 ab, dass weiterhin national bedingte Probleme in der Region eine Rolle spielen. Einerseits verdeutlicht sich anhand des Beispiels der Region Sønderjylland/Schleswig in verstärktem Maße der vom französischen Historiker Thomas Serrier dargestellte Charakter von Grenzräumen als gesellschaftliche und kulturelle Schwellenregionen.21 Andererseits belegen zahlreiche Beispiele der Landesgeschichte seit dem Jahr 1990 die fortwährende Existenz mentaler Grenzziehungen bis in die Gegenwart hinein. Ein eindrückliches Beispiel hierfür bildet die Kontroverse um die Gründung der sogenannten Region Sønderjylland/Schleswig im Jahr 1997.22 Auf der Basis 19 Harck, Sten. Frau Bonn til Strasbourg: Danskernes, tyskernes og frisernes mindretalsrettighederne 1945 – 2000. In: Kühl, Jørgen (Hrsg.). En europæisk model? Nationale mindretal i det dansk-tyske grænseland 1945 – 2000. Apenrade 2002. S. 331 – 349, hier S. 344 f. 20 Kühl, En europæisk model?, 2002. S. 433 f. 21 Serrier, Geschichtskultur, 2007. S. 243. 22 Der Verlauf der Kontroverse ist über die zahlreichen Zeitungskommentare und -artikel in den regionalen Publikationsorganen Flensborg Avis, Schleswiger Nachrichten, Der Nordschleswiger und Flensburger Tageblatt nachzuvollziehen. Die entsprechenden Beiträge sind im Gemeinschaftsarchiv Schleswig-Flensburg in der Abteilung Z3, Nr. 306 archiviert.

»Vom Gegeneinander zum Miteinander«?

397

des Europäischen Rahmenübereinkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften sollte die Euroregion zu einer Verbesserung der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Vernetzung im deutsch-dänischen Grenzraum beitragen.23 Entgegen der Intention entstand im Vorfeld der Gründung am 16. September 1997, in erster Linie in Dänemark, ein starker, national geprägter Widerstand in der Bevölkerung des Grenzlandes. Während die politischen Vertreter und eine Bevölkerungsmehrheit auf beiden Seiten der Grenze die politische Gleichberechtigung und die Gleichstellung der Regionen nördlich und südlich der Grenze in einem möglichen Verbund hervorhoben,24 äußerten dänische Gegner der Euroregion die Befürchtung, dass Deutschland in dem Verbund Dänemark dominieren beziehungsweise »fernsteuern« werde. Gerade der Aspekt des politischen Abbaus der Grenze stieß auf große Ablehnung, wurde doch befürchtet, dass der als übermächtig empfundene Nachbar Deutschland auf diesem Weg Einfluss auf die inneren Angelegenheiten Dänemarks nehme könne. Die Forderung, die »Grenze muß bleiben«,25 steht in einem engen Zusammenhang mit der Angst vor einem Verlust der staatlichen Souveränität und territorialen Integrität. Diese Befürchtung, die in der nationalen Identität Dänemarks seit dem Verlust Schleswigs im Jahr 1864 eine Konstante der dänischen Politik bildete, führte in diesem Sinne zu Abwehrreaktionen. Insbesondere das quantitative Verhältnis der deutschen und der dänischen Anzahl der Bewohner der Region ließ bei den Gegnern eine Verdrängung der eigenen Kultur befürchten. Die Äußerung der dänischen Pastorin Britt Haarløv, dass die »dänische Kultur […] nicht im Freilichtmuseum enden«26 solle, besaß aus diesem Grund programmatische Bedeutung für die dänischen Gegner. Es wurde wiederholt in den Argumenten angeführt, dass der Widerstand nicht als Agitation gegen Deutschland und als etwas Trennendes verstanden werden solle, sondern als Bestreben, den beschützenden Charakter der Grenze zu behalten.27 Britt Haarløv, die Vorsitzende des eigens gegründeten Sønderjylland-Komitees, dem zentralen Akteur im Kampf gegen die Euroregion, verwies gar darauf, dass man keinen »Deutschenhass« schüren wolle,28 sprach jedoch zugleich von einem »Kampf bis zuletzt« und warnte unter der Verwendung von nationalsozialistisch geprägtem Vokabular davor, dass die Stadt Flensburg nur auf »Lebensraum im 23 In Dänemark sollte das Amt Sønderjylland, in Schleswig-Holstein der Kreis SchleswigFlensburg und die Stadt Flensburg Teil der Korporation werden. 24 Stellungnahmen für die Einrichtung einer Euroregion unter anderem in: Flensborg Avis, 11. Februar 1997; Flensborg Avis, 13. Mai 1997. 25 Flensburger Tageblatt, 12. Mai 1997. 26 Berliner Zeitung, 21. Mai 1997. 27 Schleswiger Nachrichten, 12. Mai 1997. 28 Der Nordschleswiger, 5. Mai 1997.

398

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Norden« aus sei.29 Eine Folge der scharfen Rhetorik waren gar anonyme Drohbriefe und die Sachbeschädigung des privaten Besitzes einzelner Befürworter der Euroregion.30 Die Emotionalität der Debatte wird deutlich durch einen Aufruf der Tageszeitung Der Nordschleswiger, dem zentralen Presseorgan der deutschen Minderheit in Dänemark, zur Sachlichkeit zurückzukehren: Nun, nicht jeder Satz gegen die Euroregion Schleswig oder gegen Schengen ist gleich automatisch anti-deutsch oder anti-europäisch einzustufen, aber es wäre gut für die Hysterie der ganzen Debatte über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wenn künftig sachlich diskutiert statt emotional eskaliert wird und wenn beide Seiten nun eine Lösung erzielen, die […] zumindest in der nordschleswigschen Bevölkerung mehr Akzeptanz findet als das, was bisher auf dem Tisch der formalisierten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit liegt.31

Darüber hinaus legt der Bericht den Schluss nahe, dass die Vorbehalte gegen eine grenzüberschreitende Kooperation hauptsächlich in den Reihen der Bewohner von Nordschleswig zu finden waren, während sich die Bevölkerung des restlichen Dänemarks mehrheitlich dieser Position nicht anschloss. Zugleich drückte sich mit dem Appell Besorgnis um das friedliche Miteinander im Grenzraum aus: Die in dem Artikel des Nordschleswigers zitierten Auszüge aus der nationalen Presselandschaft verweisen auf ein Unverständnis gegenüber der Auseinandersetzung in der Region – so war die Rede von einem »Mißbrauch der Grenze« sowie einem professionellen dänischen »Nein-Nationalismus«.32 Die harschen Töne, die die Kontroverse beherrschten, täuschten jedoch darüber hinweg, dass eine Bevölkerungsmehrheit nicht die starke ablehnende Haltung teilte, auch wenn sich der Protest durch sämtliche politischen Schichten zog.33 So versuchte der nordschleswigsche Amtsbürgermeister Kresten Philipsen die Auseinandersetzung mit der Redewendung »Die Grenze liegt fest!«, die im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg von der dänischen Regierung formelhaft zur Beruhigung der grenzkulturellen Auseinandersetzungen wiederholt wurde, zu beenden.34

29 30 31 32 33

Flensburger Tageblatt, 7. Mai 1997. Siehe beispielsweise: Berliner Zeitung, 21. Mai 1997. Der Nordschleswiger, 13. Mai 1997. Ebd. In mehreren Berichten über eine Demonstration am 11. Mai 1997 gegen die Einführung der Euroregion wurde betont, dass die Teilnehmerzahl hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. Siehe beispielsweise.: Flensborg Avis, Flensburger Tageblatt, Kieler Nachrichten und Schleswiger Nachrichten vom 12. Mai 1997. 34 Rüdiger, Jan. Vom Nutzen des Vergessens. Schleswig-Holsteins Landesmittelalter. In: Lundt, Bea (Hrsg.). Nordlichter. Geschichtsbewußtsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe (Beiträge zur Geschichtskultur ; 27). Köln/Weimar/Wien 2004. S. 87 – 135, hier S. 115.

»Vom Gegeneinander zum Miteinander«?

399

Noch im Jahr 2000 zeigte sich, dass die Vorbehalte gegen die grenzüberschreitende Korporation weiterhin existent waren. Der Vorschlag von Landrat Olaf Bastian, ein gemeinsames Logo für die Region einzuführen, wurde von der dänischen Seite mit der Begründung abgelehnt, dass die »Schilder […] als leeres Postulat in der Luft hängen«, da »die Region von der Mehrzahl der Menschen noch nicht als solche wahrgenommen«35 wird. Angesichts der Ablehnung bezeichnete die Zeitung Schleswiger Nachrichten in einem Kommentar den Vorgang als »Armutszeugnis« und fragte, was die »deutsch-dänische Kooperation dann überhaupt bewegen« könne.36 In einer gemeinsamen Stellungnahme attestierten Landrat Bastian und der ehemalige Sonderburger Bürgermeister Kresten Philipsen, dass »wir […] meilenweit von der gemeinsamen Region entfernt [sind].«37 Auf eine parlamentarische Anfrage des schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Börnsen sprach die deutsche Bundesregierung der Grenzregion gar ab, eine europäische Modellregion zu sein. So unterscheide sich die grenzüberschreitende wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht von anderen Grenzräumen, deswegen könne auch von keiner Harmonisierung des Grenzlandes gesprochen werden.38 Erst Anfang des Jahres 2005, rund acht Jahre nach der Gründung, zeigte sich ein Wandel in der Bewertung der Arbeit der Euroregion. Laut Schleswiger Nachrichten machte sich ein »Reformeifer in der deutsch-dänischen Region« bemerkbar, der sich vor allem auf der wirtschaftlichen Ebene auswirkt.39 An der Kontroverse um die Gründung einer Euroregion verdeutlichen sich zwei Aspekte, die für das deutsch-dänische Verhältnis in den 1990er Jahren von elementarer Bedeutung waren: Erstens offenbarte sich in den ablehnenden Kommentaren gegen eine grenzüberschreitende Korporation die weite Verbreitung einer euroskeptischen Haltung quer durch sämtliche Schichten der dänischen, insbesondere der nordschleswigschen Gesellschaft. Dies äußerte sich im vorliegenden Fall durch einen starken Widerstand gegen die Betitelung »Euroregion«;40 das Votum gegen die Einführung der Gemeinschaftswährung Euro in der Volksabstimmung im September 2000 ist ein weiteres Beispiel. Diese Haltung ist zurückzuführen auf eine generelle, historisch bedingte Alteritätskonstruktion, in der einem skandinavischen Dänemark ein Europa gegenübersteht, welches vor allem mit Deutschland gleichgesetzt wird. Der Historiker Bernard Eric Jensen etwa hat nachgewiesen, dass Europa in der dänischen 35 36 37 38 39 40

Schleswiger Nachrichten, 25. Mai 2000. Ebd. Schleswiger Nachrichten, 26. August 2000. Flensborg Avis, 13. August 2000. Schleswiger Nachrichten, 9. März 2005. Diese Agitation gegen den Begriff »Euroregion« führte dazu, dass die Korporation schließlich unter dem Titel »Region« gegründet wurde.

400

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Historiographie bis in die Gegenwart den Part des Anderen einnahm und Dänemark explizit nicht als europäischer Staat imaginiert wurde.41 Bereits in den Diskussionen zur dänischen Nationalarchitektur in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Ferdinand Meldahl zugeschriebene Etikettierung »Europäer« eine abwertende Bedeutung besessen.42 In der Folgezeit behielt Europa aufgrund seiner Gleichstellung mit Deutschland seine negative Konnotation. Zweitens stand die Kontroverse um die Euroregion für das weiterhin vorhandene Bedürfnis nach Abgrenzung zum südlichen Nachbarn in Dänemark. So attestierte Henrik Becker-Christensen, dass der Terminus »Euroregion« »die vielen dänischen Gegner der EU aktiviert« und das »Wort ›Schleswig‹ […] alte nationale Gefühle wiederbelebt« habe. In diesem Sinne sei während der Auseinandersetzungen deutlich geworden, dass die »Grenze […] nicht einfach ein Strich auf der Karte [ist], sie ist Sprachbarriere und eine Grenze zwischen zwei Kulturen und Umgangsformen.«43 Der Hauptvorsitzende des BdN, Hans Heinrich Hansen, merkte 2001 in einem Beitrag für die Grenzfriedenshefte gar an, dass eine »anti-deutsche Grundstimmung« eine Konstante der dänische Politik sei, was durch die als traumatisch erfahrene Geschichte der deutsch-dänischen Beziehungen bedingt werde.44 Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Minderheitenfrage und der Kontroverse um die Euroregion ist das deutsch-dänische Verhältnis seit den 1990er Jahren ein äußerst vielschichtiges. Erst mit dem Beginn des neuen Jahrtausends zeigt sich, so scheint es zumindest, eine Entspannung der vormals stark national geprägten, transnationalen Aushandlungs- und Kommunikationsprozesse. Ein Zeichen für den Beziehungswandel ist die Kandidatur der dänischen Stadt Sonderburg gemeinsam mit der Region Sønderjylland/Schleswig für den Titel Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2017.45 Ziel der Bewerbung, die unter dem Schlagwort »Kultur über Grenzen – Vielfalt leben« firmiert, ist es, Europa zu zeigen, wie ein Grenzland, das die gleiche Kriegs- und Kulturgeschichte hat, ein Gegeneinander zu einem Miteinander entwickeln kann. Außerdem kann gezeigt werden wie eine Grenzregion mit einem besonderen Kulturerbe die globale, multikulturelle Gegebenheit bestmöglich in gegenwärtigen und zukünftigen kulturellen, grenzüberschreitenden Projekten nutzt.46

41 Jensen, Bernard Eric. Writing European History – the Danish Way. In: Pok, Attila u. a. (Hrsg.). European History. Challenge for a Common Europe. Hamburg 2002. S. 54 – 73. 42 Leckband, Kontrast oder Gleichklang?, 1998. S. 88. 43 Berliner Zeitung, 21. Mai 1997. 44 Hansen, Die Zeit und das dänische Trauma, 2003. S. 63. 45 Das Programm Kulturhauptstadt Europas ist eine Initiative die EG, die seit 1985 einer Stadt, seit 2001 jeweils zwei europäischen Kommunen beschränkt auf ein Jahr, den Titel Kulturhauptstadt verleiht. Das Ziel ist die Hervorhebung der Vielfalt des kulturellen Erbes Europas. 46 http://www.sonderborg2017.dk/de.html [Zugriff am 25. Januar 2012].

Der Idstedt-Löwe auf dem Weg zum transnationalen Kulturerbe

401

Zentrales Element der Bewerbung ist die Betonung der gemeinsamen Kulturgeschichte und des damit verbundenen geteilten Kulturerbes der Region. Die Historie des Grenzraumes habe gezeigt, so die Organisatoren, dass aus einem nationalen Gegensatz ein offenes Miteinander aller Bevölkerungsgruppen werden könne.47 In diesem Sinne werben Stadt und Region mit dem »Wert kultureller Vielfalt in einer Grenzregion« sowie den »Minderheiten und [der] sprachlichen Vielfalt als gemeinsamen europäischen Kulturaspekt«. Bewusst wird in der Kandidatur die wechselvolle Historie der Grenzregion betont, vor deren Hintergrund eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit die »physische [n] und mentale[n] Grenzen« herausfordere.48

VII.2. Der Idstedt-Löwe auf dem Weg zum transnationalen Kulturerbe Der »Löwe von Idstedt« ist ein deutsch-dänischer Erinnerungsort besonderer Güte. Die Geschichte des Denkmals macht deutlich, welche Gemeinsamkeiten spätestens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts verloren gegangen sind, wo die Ursachen liegen für die schwierigen deutsch-dänischen Beziehungen […] bei ihm kann man nachlesen, welche Bedeutung im nationalen mentalen Haushalt die zu deutsch-dänischen Erinnerungsorten geronnenen Schlachtfelder und Ereignisse haben – das Danewerk bei Schleswig oder die Düppeler Schanzen etwa.49

Mit diesen Worten kennzeichnete der Historiker Bernd Henningsen in seinem 2009 erschienenen Werk zur dänischen Identität den Idstedt-Löwen als Symbol für die wechselhafte Historie der deutsch-dänischen Beziehungen. Er stehe stellvertretend für den nationalen Bruch in der schleswigschen Grenzregion im 19. Jahrhundert. Zugleich repräsentiere die Rezeptionsgeschichte des Denkmals die »Erinnerungswiderstände unter Dänen und Deutschen«, zuletzt sei das Monument »zentrales Symbol der dänisch-deutschen Wahlverwandtschaft geworden, die von Anziehung und Abstoßung […] geprägt ist.«50 Im Kontext der zunehmenden politischen und administrativen deutsch-dänischen Zusammenarbeit im Grenzraum sieht Henningsen das Denkmal als einen transnationalen Erinnerungsort. Der Wandel eines vormals exklusiven, rein nationalen Kulturerbes hin zu einem transnationalen, geteilten Besitz bedingte jedoch eine 47 »Years of experience have taught this area that openess and co-operation across the border can transform opposing each other to siding with each other.« N.N. Sønderborg in Sønderjylland-Schleswig. Candidate for European Capital of Culture. Sonderburg [2010]. S. 3. 48 http://www.sonderborg2017.dk/de.html [Zugriff am 25. Januar 2012]. 49 Henningsen, Dänemark, 2009. S. 153. 50 Ebd. S. 154.

402

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Veränderung der Sinn- und Bedeutungszuschreibungen, die sich mit dem Denkmal verbinden. Die Kunsthistorikerin Gabriele Dolff-Bonekämper betonte in einem Artikel zur Thematik von Erinnerungstopographien und Gedächtniskollektiven die Schwierigkeiten, die sich mit einem solchen Rekontextualisierungprozess verknüpfen.51 Seit seiner Errichtung verknüpften sich mit dem Löwen auf dänischer und auf deutscher Seite unterschiedliche Narrative, die sich in ihrer Deutung zwischen den Polen eines Mahnmals und dem eines Siegeszeichens bewegten und sich noch in den Kontroversen der 1980er Jahre als grundlegend divergierende und unvereinbare Positionen äußerten. Die von Henningsen vertretene Ansicht, es handele sich bei dem Denkmal um ein grenzüberschreitendes, gemeinsames Erbe bedingt folglich einen gegenseitigen Öffnungs- und Aneignungsprozess. Gabriele Dolff-Bonekämper verwies in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit von kulturellen Übersetzungsleistungen, die die Grundlage für die eigene Aneignung eines fremden Kulturerbes lege: Das vorgefundene Argument und das drin aufgehobene Wissen und Wollen müssen zunächst gelernt, also aktiv angeeignet werden. Erst danach wird daraus wiederum Erinnerung, nun im Gedächtnis eines anderen, verwandelt und umlagert von den emotionalen und situativen Begleitumständen, die gemeinsam mit dem gelernten Wissen abgespeichert werden und mit ihm verbunden bleiben.52

Die Rezeption des Monuments muss dementsprechend einem tiefgehenden Wandel beiderseits der Grenze unterworfen gewesen sein, im Zuge dessen das Denkmal aus der Exklusivität seiner nationaler Bedeutung gelöst und in ein transnationales, für Deutsche und Dänen akzeptables Narrativ eingeordnet wurde. Der amerikanische Geograph David Lowenthal definierte das Konzept Kulturerbe als vergleichbar mit Familienstammbäumen: »Heritage stress an unique and exclusive possession.«53 Aus dem Vermächtnis der Vorfahren erwächst so ein jeweils individuelles und exklusives Erbe. Am Beispiel der Geschichte des Idstedt-Löwen zeigt sich die vom Kulturtheoretiker John Little attestierte Zeit- und Kontextgebundenheit54 sowie die von Raymond Williams formulierte Selektivität des Kulturerbes,55 wenn, wie Henningsen es darstellt, das Denkmal zu einem transnationalen Gemeingut geworden ist. Als 1962 der Vorschlag aufkam, der Idstedt-Löwe solle an seinen ursprünglichen Standort nach Flensburg zurückkehren, entwickelte sich eine äußerst 51 Dolff-Bonekämper, Gabriele. Erinnerungstopographien und Gedächtniskollektive. In: Cs‚ky, Moritz/Großegger, Elisabeth (Hrsg.). Jenseits von Grenzen. Transnationales, translokales Gedächtnis. Wien 2007. S. 63 – 73, hier S. 65. 52 Ebd. 53 Lowenthal, The Heritage Crusade, 1998. S. 57. 54 Little, Politics of Heritage, 2005. S. 26. 55 Williams, Culture and Society, 1983.

Der Idstedt-Löwe auf dem Weg zum transnationalen Kulturerbe

403

emotional geführte Kontroverse, die die Beobachter teilweise an eine Rückkehr des kulturellen Grenzkampfs der 1920er und der 1950er Jahr erinnerte.56 Das Denkmal als »das bekannteste und umstrittenste Monument der Geschichte des schleswigschen Grenzlandes«57 löste alte nationale Ressentiments aus, von zentraler Relevanz war hierbei die Frage nach der ursprünglichen Intention des Flensburger Löwen. In den Folgejahren wurde die Standortfrage alljährlich wiederkehrend im Kontext des Idstedt-Gedenktages thematisiert und diskutiert. Jedoch konkretisierten sich erst mit dem Erscheinen einer kompletten Ausgabe der Grenzfriedenshefte58 zum Thema Flensburger Löwe Anfang 1992 die Gedanken zu einer möglichen Rückkehr. Vertreter mehrerer deutscher Organisationen und Institutionen sowie namhafte Landeshistoriker aus Dänemark und Schleswig-Holstein plädierten in ihren Beiträgen dafür, die Diskussion um eine Rückkehr des Denkmals nach Flensburg wieder aufzugreifen. Der Redakteur der Grenzfriedenshefte, Jörn-Peter Leppien, verwies in der Einleitung seines Plädoyers auf die große Symbolik des Denkmals: Es sitze »symbolhaft zwischen den Linien seiner (meist dänischen) Freunde und seiner (meist deutschen) Gegner.« Vor diesem Hintergrund könne das »Monument […] insofern als ein Gradmesser für den jeweiligen Stand der deutsch-dänischen Beziehungen gelten.«59 Ähnlich wie Leppien argumentierte der Vorsitzende des Grenzfriedensbundes, Artur Thomsen, in seinem Artikel mit dem Zusammenwachsen Europas als Motivation für eine Rückkehr des Denkmals und revidierte seine 1983 vertretene Position, dass eine erneute Debatte um das Monument unnötig sei.60 Seinen Meinungswechsel begründete er mit der zunehmenden deutsch-dänischen Verflechtung auf zahlreichen Gebieten sowie der hiermit im Einklang stehenden Vorbildfunktion der schleswigschen Grenzregion für das neue Europa.61 Auf dieser Grundlage müsste die ablehnende Haltung gegenüber dem Monument überdacht und die Überbleibsel des nationalen Gegensatzes überwunden werden. So fragte Thomsen: »Ist es nicht im Grunde nur ein Rest nationalistischen Denkens, dessen Wurzeln im 19. Jahrhundert liegen, wenn wir uns als Deutsche 56 57 58 59

Vgl. Kap. VI.2.a. Schlaber, Kontroverse um ein Denkmal, 2002. S. 259. Grenzfriedenshefte; 1/1992. Leppien, Jörn-Peter. Debatte um ein Denkmal. Die Grenzfriedenshefte und der Idstedt-Löwe. In: Grenzfriedenshefte; 1/1992. S. 3 – 6, hier S. 3. 60 »Beenden wir das Thema Idstedt-Löwe! Es sollte nicht länger Gegenstand von Kontroversen oder gar Streit im Grenzland sein. Ich weiß, vor Jahren habe ich noch selber gegen die Rückkehr des Löwen nach Flensburg votiert. […] Ich habe […] meine Meinung geändert und plädiere heute dafür, den Idstedt-Löwen auf dem Alten Friedhof in Flensburg, auf seinem ursprünglichen Platz, wieder aufzustellen.« Thomsen, Artur. Die Zeit ist reif! Der Löwe soll zurückkehren. In: Grenzfriedenshefte; 1/1992. S. 25 – 28, hier S. 25. 61 »Selbstverständlich sehen die Völker und Regierungen dieser Länder darauf, wie denn die Deutschen selbst mit Minderheiten in ihrem Land umgehen.« Ebd. S. 27.

404

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

immer noch gegen den insgeheim als antideutsch empfundenen dänischen Löwen wehren?«62 Darüber hinaus ergab sich für ihn aus der deutschen Wiedervereinigung eine große historische Chance, das Bild Deutschlands in der Welt und vor allem in Dänemark zu verbessern: Wir sollten alle unsere Kräfte in diesen Prozess der Einigung investieren und gleichzeitig anderen Völkern deutlich machen, dass da ein anderes Deutschland neu entstanden ist, ein Land nämlich, vor dem sich niemand in der Welt fürchten muss. Dazu gehören aber auch Großzügigkeit, Toleranz, Verständigungsbereitschaft auch gegenüber den Interessen unserer Nachbarn. Und was geht dem deutschen Element Flensburgs verloren, wenn wir ein Denkmal zurücknehmen, das zwar dänische Nationalisten einst errichtet, aber deutsche Nationalisten wenig später beschädigt und wieder entfernt haben.63

Der dänische Historiker Arne Gammelgaard plädierte in seinem Beitrag in Übereinstimmung mit Thomsen und Leppien dafür, den zahlreichen lobenden Worten zu den deutsch-dänischen Beziehungen nun auch Taten folgen zu lassen und der transnationalen Geschichte der Region Rechnung zu tragen: »Als Grenzstadt hat Flensburg eine besondere Verantwortung insoweit, als die schönen Redeweisen über ideale Grenzverhältnisse auch in der Löwen-Frage einen konkreten Inhalt bekommen sollten.«64 Gammelgaard führte in Anlehnung an Troels Fink in seiner Argumentation die besonders problematische Stellung, die Deutschland im kollektiven Bewusstsein seines Nachbarn einnimmt, an: Die Löwenfrage ist aber nicht nur eine Frage, die die Grenzbevölkerung angeht. Es geht auch um eine allgemeine deutsche Verantwortlichkeit – um eine großzügige Geste des vereinten deutschen Nachbarlandes gegenüber dem kleineren Land Dänemark. Eine Geste, deren psychologische und vielleicht auch materielle Folgewirkungen kaum zu überschätzen sind und ein neuer Beweis dafür, daß es Tatsache ist, von der deutschdänischen Grenze als einer Mustergrenze zu sprechen.65

In den hier zitieren Stellungnahmen artikulierte sich grenzübergreifend die Bereitschaft, sich auch mit den problematischen Kapiteln der gemeinsamen Historie auseinanderzusetzen. Dies erfolgte in der Regel mit dem Verweis auf die zunehmende Verflechtung der beiden Staaten im Grenzland im Zuge des europäischen Einigungsprozesses. Zugleich belegen die Aussagen jedoch auch, dass das materielle Kulturerbe in weiten Teilen bis Anfang der 1990er Jahre von der deutsch-dänischen Annäherung ausgeschlossen war. Dies lag zuvorderst an 62 Ebd. S. 25 f. 63 Ebd. S. 26. 64 Gammelgaard, Arne. Der Idstedt-Löwe nach Flensburg! In: Grenzfriedenshefte; 1/1992. S. 29 – 33, hier S. 30. 65 Ebd. S. 33.

Der Idstedt-Löwe auf dem Weg zum transnationalen Kulturerbe

405

der engen Verknüpfung dieses Erbes mit der dänischen Identität: Als eine Rahmenerzählung der nationalen »imagined community« war diese Erinnerung an den traumatischen Verlust Schleswigs im 19. Jahrhundert verknüpft und bis in die 1990er Jahre tradiert worden. Demgegenüber stand das Denkmal im schleswig-holsteinischen Kollektivbewusstsein für die eiderdänische Bewegung, die die Landesgrenze in Frage stellte, zugleich war es eng mit der militärischen Niederlage 1850 verknüpft. Diese beiden gegeneinander gerichteten Narrative waren die Ursache für einen Erinnerungskonflikt, der als symptomatisch für die deutsch-dänische Geschichte gesehen werden kann. Die Initiative zum Flensburger Löwen Anfang des 1990er Jahre war jedoch kein losgelöstes Einzelphänomen im Grenzraum, sondern ging einher mit zahlreichen weiteren Schritten, wie etwa der Einladung des dänischen Historikers Troels Fink als Redner auf den Idstedt-Gedenktag 1991.66 Im selben Jahr plädierte Siegfried Matlok, der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Nordschleswig und Chefredakteur des Nordschleswigers, in einer Rede am damaligen Standort des Flensburger Löwen in Kopenhagen für viele Dänen überraschend für eine Rückführung des Monumentes nach Flensburg. So sei der Löwe aufgrund der starken mythologischen und emotionalen Aufladung »mehr als eine kunsthistorische Statue«. Diese Tatsache stehe jedoch einer sachlichen Auseinandersetzung und darüber hinaus einer deutsch-dänischen Annäherung im Bereich des Kulturerbes entgegen: Die Wahrheit des Mythos liegt nicht in seinem Inhalt, sondern in seiner Wirkung und der Überzeugung, die er hervorruft, den Handlungen, die er auslöst. Der Mythos ist in sich selbst ein Stück Realität, er ist ein Stück unserer Geschichte, das nicht entfernt werden kann, aber die Wiederaufstellung des Idstedt-Löwen in Flensburg könnte zu einer emotionalen Entmythologisierung beitragen, weil Mythen ja durch Verdrängungen entstehen.67

Wofür Matlok sich aussprach, war eine zeitgemäße Übersetzung des Symbolgehaltes in Orientierung an den politischen Entwicklungen im deutsch-dänischen Grenzraum und in Europa. Auf der Basis einer Entmythologisierung des Monumentes sah der Chefredakteur die Voraussetzung für eine einvernehmliche Deutung des Denkmals gegeben, welches dann anschließend losgelöst von den Ressentiments des 19. Jahrhunderts symbolisch für die Transnationalität der Region stehen könne. Der zypriotische Kulturanthropologe Stephanos Stephanides sah gerade in dieser beispielhaft von Matlok angemahnten diskursiven Übersetzung des Kulturerbes die Grundlage für ein »polyvocal and multicultural Europe«,68 wie es auch von der Europäischen Union angestrebt wird. In An66 Siehe hierzu Kap. VII.3.a. 67 Flensburger Tageblatt, 28. Juli 1992. 68 Stephanides, Translation of Heritage, 2003. S. 57.

406

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

lehnung an Walter Benjamins Übersetzungstheorie definierte er kulturelle Translationen als grundlegend für die Konstituierung von Gesellschaften. In diesem Sinne ist das Kulturerbe ein semiotisches System, welches von kulturellen und sozialen Prozessen beeinflusst und primär von gegenwärtigen Bedürfnissen geprägt wird.69 Stephanides stützte sich in seiner Argumentation auf den Literaturwissenschaftler Wolfgang Iser, der den Gegenwartsbezug und Zusammenhang von Kulturerbe und Übersetzungsleistung aufzeigte: »[It] is not just an available entity waiting to be chanelled into the present, but it is variously according to present exigencies. In other words, current necessities are projected onto the past in order to make it translatable in the present.«70 Der von Siegfried Matlok sowie den Verfassern der Beiträge in den Grenzfriedensheften angestoßene Verhandlungsprozess über eine Rückkehr des Idstedt-Löwen nach Flensburg legte die Grundlage für eine dementsprechende zeitgemäße Übersetzung zugunsten einer grenzüberschreitenden Annäherung auf dem Gebiet des kulturellen Erbes. Stephanides betonte in seinen theoretischen Überlegungen das politische und gesellschaftliche Potential des Kulturerbes als ein interkulturelles Austauschfeld in einem zusammenwachsenden Europa.71 Ausgelöst durch die Plädoyers entwickelte sich insbesondere in SchleswigHolstein eine äußerst emotional geführte Kontroverse um die Standortfrage des Denkmals. Das »Gespenst im Schrank«,72 so der Nordschleswiger, bewegte breite Bevölkerungsschichten im Grenzland. Die Fronten der über die regionalen Medien geführten Auseinandersetzung verliefen dabei weniger nach nationaler Zugehörigkeit, sondern vielmehr nach politischer Gesinnung. Im Zentrum der Kontroverse standen erneut die Streitpunkte, mit welcher Intention das Monument einst errichtet wurde – ob als ein dänisches Siegeszeichen oder als ein Grabmal zur Erinnerung an die Gefallen – und welche Folgen mit einer Rückkehr des Löwen nach Flensburg verbunden seien. So waren einzelne Stimmen davon überzeugt, dass das Denkmal das Relikt einer anderen Zeit ist: »Seine Zeit ist nicht mehr unsere; er kann uns nichts mehr sagen […].«73 Unterdessen befürchteten andere eine empfindliche »Störung des bisher guten Einvernehmens« im deutsch-dänischen Grenzland«, da der Charakter des Monumentes eindeutig antideutsch sei:

69 »[…] it is not merely a way of preserving tradition, but of translating it.« Ebd. S. 48. 70 Iser, Wolfgang. Coda to the Discussion. In: Budick, Sanford/Ders. (Hrsg.). The Translatability of Cultures. Figurations of the Space Between. Stanford 1996. S. 294 – 304, hier S. 296 f. 71 Stephanides, Translation of Heritage, 2003. S. 57: »Heritage is being redefined as a ›contact zone‹, a place where different pasts and experiences are negotiated, a site of mutual translation.« 72 Der Nordschleswiger, 27. Juli 1990. 73 Schleswiger Nachrichten, 28. Juli 1992.

Der Idstedt-Löwe auf dem Weg zum transnationalen Kulturerbe

407

Denn er ist kein Denkmal für die Gefallenen, sondern – das wird auch von seriöser dänischer Seite nicht bestritten – ein Siegesdenkmal. Zudem ist er unter Umständen errichtet worden, die die deutschen Gefühle verletzen mußten […]. Kein Wunder also, daß schon damals dieses dänische nationale Denkmal von deutschgesinnten Flensburgern abgelehnt wurde.74

Zwar gehöre das dänische Kulturerbe im Allgemeinen zur Landesgeschichte von Schleswig-Holstein,75 doch stelle der Löwe trotz der europäischen Einigungsbewegung einen »Anachronismus, eine Provokation aller geschichtsbewußten und heimattreuen Schleswig-Holsteiner« dar. Deswegen müsse, so ein Leserkommentar im Flensburger Tageblatt, das Treiben »dieses neo-eiderdänischen Spektakels […] mit allen rechtlichen Mitteln […] verhindert [werden], damit der Friede im Grenzland […] gewahrt bleibt.«76 Dagegen argumentierten die Befürworter einer Rückholaktion mit den Zeichen, welche mit solch einem Vorgang verbunden seien.77 Eine Verweigerung des »Abrufs«, so gab der Flensburger Verein Europa-Union in einer Pressemitteilung bekannt, sei ein »Politikum. Sie hat Folgen, die den deutsch-dänischen Beziehungen bestimmt nicht nutzen.« Eine Rückkehr des Denkmals sei aus diesem Grund »von internationaler Bedeutung.«78 Angesichts der Kontroverse, die alte, längst überwunden geglaubte nationale Ressentiments reaktivierte und im Zuge derer selbst der Sieg der dänischen Fußballnationalmannschaft im Finale der Europameisterschaft gegen Deutschland im selben Jahr für gegenseitige Vorwürfe der nationalen Befangenheit benutzt wurde, fasste Artur Thomsen, der Vorsitzende des Grenzfriedensbundes, das Dilemma der Auseinandersetzung zusammen: Gegner wie Befürworter der Rückkehr des Löwen [argumentieren] mit dem Frieden an der Grenze […]. Die Gegner meinen offenbar, die Deutschen könnten antidänisch reagieren, wenn der Löwe kommt; die Befürworter sagen dagegen, die Dänen könnten antideutsch reagieren, wenn der Löwe nicht kommt.79

Ihren vorläufigen Höhepunkt erlebte die Kontroverse am 15. September 1992 auf einer eigens zum Idstedt-Löwen veranstalteten Podiumsdiskussion in Flensburg. Siegfried Matlok plädierte in einem Vortrag erneut für die Rückkehr des 74 Flensburger Tageblatt, 1. August 1992. 75 »Das reiche dänische Kulturerbe, das, was dänisch in unserer gemeinsamen Geschichte ist, ist auch unser Erbe, ohne das wir ärmer wären. […] Diese deutsch-dänische Symbiose macht ja den Reiz unseres ›Grenzlandes‹ aus, das – hoffentlich – bald kein Grenzland mehr sein wird, denn Europa rückt ja noch näher.« In: Flensburger Tageblatt, 13. August 1992. 76 Ebd. 77 »Der Löwe ist ein Zeichen friedlicher Koexistenz.« In: Der Nordschleswiger, 28. Juli 1992. 78 Der Nordschleswiger, 14. August 1992. 79 Thomsen, Artur. Die Debatte um den Idstedt-Löwen. In: Grenzfriedenshefte; 3/1992. S. 183 – 187, hier S. 186.

408

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Denkmals. Im Anschluss hieran kam es zu einer emotionalen und polemischen Diskussion, in deren Zuge vor allem »von konservativer deutscher Seite […] Stimmen [aufkamen], deren Heftigkeit teilweise an vergangene Zeiten des Grenzkampfes erinnerte.«80 Der Geschäftsführer der Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes, Hans-Joachim von Leesen, warf in einem Rundumschlag der dänischen Seite einen »naiven dänischen Nationalismus« sowie »Deutschenhetze« vor. Das Beispiel des Geschichtszentrums Düppel Schanze81 zeige die Wiederauferstehung der eiderdänischen Bewegung. Die Forderung nach der Errichtung eines »dänischen Siegesdenkmals« in Flensburg sei deswegen und aufgrund der einseitigen Zerstörung deutscher Denkmäler im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg inakzeptabel. An anderer Stelle forcierte von Leesen nochmals seine Äußerungen und unterstellte der dänischen Minderheit die Rückkehr zu alten grenzrevisionistischen Standpunkten: Es sei »unverkennbar, dass die dänische Minderheit und ihre Anhänger den Druck auf die deutsche Öffentlichkeit erhöhen, dieses Relikt aus den Zeiten des Imperialismus wieder in Flensburg zu beleben.«82 Der Historiker Knud Andresen ordnete den Angriff des Geschäftsführers des SHHB als eine Reaktion auf den Bedeutungsverlust der Organisation als zentraler Erinnerungsakteur Schleswig-Holsteins ein. Seit seiner Gründung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der SHHB an zentraler Stelle in der Herausbildung und Propagierung eines schleswig-holsteinischen Landesbewusstseins, aber auch im Kulturkampf mit dem dänischen Nachbarn partizipiert. Die Beginn der 1980er Jahre einsetzende Verschiebung der Macht- und Deutungshoheit im Bereich der kollektiven Erinnerung und Landesidentität führte zu einer tiefgreifenden Orientierungskrise seiner Vertreter. Der Heimatbund wurde so nach und nach als aktiver Gestalter von Geschichts- und Erinnerungspolitik von der Landesregierung verdrängt. Vor diesem Hintergrund waren die Äußerungen von von Leesen ein Versuch der Rückgewinnung alter Einflussmöglichkeiten.83 Die über die Tagespresse sowie während der Diskussionsveranstaltung geführte Kontroverse sorgte so dafür, dass die Initiative zur gemeinsamen Verständigung über das Kulturerbe zunächst scheiterte. Landtagspräsidentin Ute Erdsiek-Rave wertete den Idstedt-Löwen daher als »ein Beweis dafür, wie schnell alte Ressentiments wieder hochkommen können […].«Angesichts des wieder erwachenden Nationalismus sei es an der Zeit, die Geschichte des Denkmals aufzuarbeiten. Zu diesem Zweck stieß Erdsiek-Rave die Idee einer gemeinsamen deutsch-dänischen Arbeitsgruppe zum Komplex Gedenkstätten und Denkmäler 80 81 82 83

Schlaber, Kontroverse um ein Denkmal, 2002. S. 268. Siehe Kap. VII.3.b. Schlaber, Kontroverse um ein Denkmal, 2002. S. 268 ff. Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 353.

Der Idstedt-Löwe auf dem Weg zum transnationalen Kulturerbe

409

an, um gegensätzliche Standpunkte »öffentlich und sachlich zu diskutieren […].«84 Obwohl es bei der Auseinandersetzung auch versöhnliche Stimmen gab, die wahrscheinlich die Position einer großen Mehrheit darstellten, befürchtete der Apenrader Bürgermeister Kresten Philipsen negative Auswirkungen auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.85 Mit Blick auf die positive Rolle der beiden Minderheiten als »unverzichtbare soziale Integrationsfaktoren« sah Karl Rudolf Fischer, der Leiter des Präsidialbüros beim Schleswig-Holsteinischen Landtag, diese Gefahr nicht, forderte jedoch zugleich: »Der Löwe darf jedenfalls nicht länger zur Hauptfigur eines alljährlichen Sommertheaters werden und die Schlagzeilen füllen, wenn Nachrichtenebbe herrscht.« Ansonsten sei die »Frage des Idstedt-Löwen wohl überhaupt nicht mehr zu lösen.«86 Als unmittelbare Folge der Kontroverse um das Monument unterbreitete der Südschleswigsche Museumsverein, eine Organisation der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, den Vorschlag einer gemeinsamen, deutsch-dänischen Museumsausstellung über das Denkmal. Ziel solle es sein, das »Material auf[zu] bereiten, so daß die Diskussion sachlich geführt werden kann«,87 so dessen Vorstandsmitglied Søren Andreasen. In einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mehrerer Museen und des Vereines wurde die Ausstellung schließlich im Frühjahr 1994 zunächst im Museum Slot Sønderborg und anschließend im Städtischen Museum Flensburg realisiert. Ihre Schwerpunkte bildeten die Darstellung der Entstehungszeit sowie die Umstände der Denkmalserrichtung und -demontage. In den folgenden Jahren beschäftigte die Standortfrage des Denkmals konjunkturell wiederholt die dänische und die schleswig-holsteinische Gesellschaft, wenn auch nicht mehr so konkret wie die 1992 von Siegfried Matlok und weiteren Diskussionsteilnehmern angestoßene Initiative. Bereits seit der Aufstellung des Flensburger Löwen vor dem Zeughausmuseum in Kopenhagen 1945 galt der Standort lediglich als Provisorium. Die Kontroverse des Jahres 1992 hatte hingegen dafür gesorgt, dass eine zeitnahe Rückkehr des Denkmals in die Grenzregion unrealistisch erschien. Insbesondere die Vehemenz, mit der zahlreiche Diskussionsteilnehmer gegen eine grenzüberschreitende, gemeinsame Lösung opponierten, offenbarte das Überleben der nationalen Ressentiments 84 Der Nordschleswiger, 14. November 1992. 85 Philipsen bedauerte das Auftreten der deutschen Bürger während der Vortragsveranstaltung in Flensburg. Es herrsche anscheinend »im großen Deutschland […] bei einigen Angst […] vor dem kleinen, kriegerischen Dänemark. […] Ich halte es für relativ wichtig, daß wir nicht zu solchen Umgangsformen zurückkehren. Es waren ja immerhin Vertreter des feinen Flensburger Bürgertums, die klatschten. […] Es soll diesen Leuten aber auf keinen Fall gelingen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu ruinieren. Auf keinen Fall.« In: Der Nordschleswiger, 23. September 1992. 86 Der Nordschleswiger, 10. Juli 1993. 87 Schleswiger Nachrichten, 24. Juli 1993.

410

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

beziehungsweise der ablehnende Haltung gegenüber dem Symbol, welches mit einer dänischen »Fremdherrschaft« über die Region verknüpft wurde. Eine besondere Rolle spielte in diesem Gedankengang der von Bernhard Tschofen akzentuierte enge Zusammenhang zwischen Denkmälern und den sie umgebenden Räumen: So stehen Monumente für bestimmte Orte und hiermit imaginierten Kulturräumen. Denkmäler sind dementsprechend ideologisch geprägte und materialisierte Deutungsangebote der Historie.88 Noch in den 1990er Jahren sahen viele Schleswig-Holsteiner im Idstedt-Löwen ein Siegeszeichen, welches für den dänischen Machtanspruch einer neueiderdänischen Bewegung über den Grenzraum stehen würde. In zahlreichen Kommentaren artikulierte sich daher die Überzeugung, dass das Denkmal im Falle seiner erneuten Aufstellung in Flensburg den Grenzfrieden bedrohen und alte Gegensätze neu aufleben würden. Vor dem Hintergrund dieser ablehnenden Haltung stellte sich für Dänemark die Frage nach einem alternativen Standort für das Monument. Neben zahlreichen Plätzen in Kopenhagen wurden wiederholt Orte direkt im Grenzgebiet wie die Düppeler Schanzen, der Grenzübergang in Krus”, das Schloss Sonderburg oder der Hügel Skamlingsbanke ins Gespräch gebracht, jedoch vom Zeughausmuseum und der dänischen Regierung verworfen. Stattdessen verfolgten sie die Linie, dass für das Monument nur der Alte Friedhof in Flensburg als Standort infrage komme, und dies unter der Voraussetzung, dass der dortige Stadtrat einstimmig dafür plädiert.89 Die Erfüllung dieses Wunsches rückte jedoch erst im Juni 2009 in den Bereich des Möglichen: Der neue Flensburger Oberbürgermeister Klaus Tscheuschner trat mit großer Unterstützung der Ratsversammlung und in Abstimmung mit den dänischen Behörden an die Regierung in Kopenhagen heran und bat um die Rückkehr des Löwen in die Grenzstadt. In der Folge entwickelte sich auf beiden Seiten der Grenze ein reger Wechsel an Leserbriefen in der regionalen und überregionalen Tagespresse, der jedoch, anders als 1992, wesentlich sachlicher verlief. Insbesondere auf dänischer Seite und aus dem Umkreis der dänischen Minderheit äußerte sich vielfach große Freude. So schrieb der Flensborg Avis, die Zeitung der dänischen Minderheit in Schleswig, dass die Entscheidung ein Symbol für die »dänisch-deutsche Gemeinschaft« sei.90 Doch auch deutsche Vertreter wie der Flensburger Stadtpräsident Christian Dewanger betonten das grenzpolitische Potential, das sich mit der Entscheidung verbinden würde. Dewanger hob die zukunftsweisende Botschaft der Übereinkunft hervor: »Der Löwe wird uns mahnen, ehrlich mit der deutsch-dänischen Vergangenheit in 88 Tschofen, Antreten, Ablehnen, Verwalten?, 2007. S. 27. 89 Adriansen, Denkmal und Dynamit, 2011. S. 119 f. 90 Flensborg Avis, 30. Mai 2009.

Der Idstedt-Löwe auf dem Weg zum transnationalen Kulturerbe

411

Flensburg umzugehen. Er wird uns aber auch mahnen, an eine gemeinsame Zukunft zu denken.«91 Gleichzeitig zweifelten einzelne Stimmen den Sinn der Verlegung an. Beispielsweise wurde Mitte Juni in einem Leserbrief im Flensburger Tageblatt weiterhin auf die historischen Umstände der Errichtung des Denkmals 1862 hingewiesen, welche eine versöhnende Funktion in der Gegenwart verhindern würden: »Diese überdimensionierte Kreatur des 19. Jahrhunderts mit seinem grimmigen Habitus kann nie und nimmer zu einem Mahnmal für Frieden und Versöhnung werden.«92 Andere kritische Stellungnahmen befürchteten gar, dass ein möglicher, zukünftiger Vandalismus an dem Monument für neue Unruhe im Grenzland sorgen könnte, weswegen der Idstedt-Löwe an seinem Platz in Kopenhagen bleiben solle.93 Trotz einzelner Stellungnahmen gegen eine Rückführung des Denkmals nach Flensburg äußerte sich eine Mehrheit der Diskussionsteilnehmer positiv zu jenen Plänen. Deutlich hatte sich innerhalb von rund 17 Jahren die Stimmung im schleswigschen Grenzland gewandelt. Durch einen zweiten Ratsbeschluss im März 2010 fand die Entscheidung des Vorjahres eine weitere Bestätigung. Zugleich kam es zu dem Beschluss, den geänderten Bedeutungen und Sinnzuschreibungen durch eine Hinweistafel, die am zukünftigen Standort angebracht werden sollte, gerecht zu werden. Die Aufschrift jener Plakette verwies in diesem Kontext auf die beidseitige Annäherung: »Istedt den 25. Juli 1850. Errichtet 1862 – wieder errichtet 2010. Als Zeichen von Freundschaft und Vertrauen zwischen Dänen und Deutschen.«94 Die offizielle Einweihung des Denkmals an seinem alten Standort auf dem Alten Friedhof in Flensburg fand am 1. September 2011 statt, einen Tag vor den European Heritage Days, die in Deutschland unter dem Titel Tag des offenen Denkmals firmieren und die Bevölkerung für die Belange des kulturellen Erbes sensibilisieren sollen.95 In einem feierlichen Festakt unter Teilnahme zahlreicher Lokalpolitiker, des dänischen Botschafters, Prinz Joachim von Dänemark als Delegiertem des Königshauses sowie des dänischen als auch des schleswigholsteinischen Kultusministers wurde der feierliche Festakt begangen und als Zeichen für die positive Entwicklung der deutsch-dänischen Beziehungen gewürdigt. Stadtpräsident Christian Dewanger betonte in seinem Grußwort den Wandel des Idstedter Löwen von einem »Siegerdenkmal hin zu einem Freundschaftssymbol«. In seiner Rede warnte er davor, das Monument krampfhaft mit einem neuen Sinn zu versehen:

91 92 93 94 95

Flensborg Avis, 8. Juni 2009. Flensburger Tageblatt, 13. Juni 2009. Flensborg Avis, 11. Januar 2010. Flensburger Tageblatt, 19. Februar 2010. Siehe Abb. 20.

412

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Ich bin überzeugt, dass es erstens nicht geht und zweitens auch nicht sinnvoll ist, einem Denkmal einen neuen Sinn aufzuschreiben. Der Idstedt-Löwe ist kein Denkmal der Freundschaft. Der Löwe ist ein Monument einer Epoche nationalstaatlichen Strebens, in Stein gehauener territorialer Macht- und Herrschaftsanspruch – eben ein Siegerdenkmal der dänischen Krone.

Deswegen gehe, so Stadtpräsident Dewanger weiter, »die Friedens- und Freundschaftsbotschaft nicht vom Löwen aus, sondern vom Akt seiner Rückkehr und Wiederaufstellung.« Nicht das Monument, sondern die gemeinsame Entscheidung einer Rückführung des Denkmals nach Flensburg sei das Symbol, welches zugleich belege, dass »Flensburg nicht nur ein bisschen, sondern ein bisschen mehr dänisch« ist.96 Der neue Oberbürgermeister Simon Faber ordnete in seinem Grußwort die Geschichte des Löwen in einen europäischen Kontext ein. Sowohl die Errichtung als auch seine Demontage seien Beispiele für einen Trend in Europa, in dem sich nach und nach das nationalstaatliche Prinzip durchgesetzt habe. Die Rückkehr des Monumentes versinnbildliche in diesem Kontext die Vorbildfunktion der deutsch-dänischen Grenzregion im europäischen Vergleich: Der Idstedt-Löwe ist aber heute wie früher vor allem ein Symbol. Die […] Umstände verwandeln das Kriegesdenkmal in eine starke Geste der Versöhnung, des Miteinanders, das sich nach Kriegen, Grenzkampf und Misstrauen entwickelt hat. Der Blick in andere Regionen Europas zeigt: Selbstverständlich ist das nicht!97

Auch in den anderen Reden artikulierte sich die Überzeugung von dem Modellcharakter Schleswigs. Der dänische Kultusminister Per Stig Møller etwa bezeichnete das Verhältnis der beiden Staaten als vorbildlich. In diesem Sinne sei das Denkmal, welches in einer Zeit nationaler Abgrenzungsbestrebungen entstanden sei, ein Zeugnis für das »Verständnis von Vergangenheit und Zukunft.« Aus dem mahnenden Beispiel des Idstedt-Löwen entstehe das »Versprechen einer guten Zukunft […] zwischen Deutschen und Dänen.«98

96 Grußwort von Stadtpräsident Dewanger zur Einweihung des Idstedt-Löwen am 10. September 2011. http://www.flensburg.de/politik-verwaltung/stadtverwaltung/pressebox/index.php [Zugriff am 10. Januar 2012]. 97 Grußwort von Oberbürgermeister Simon Faber zur Einweihung des Idstedt-Löwen am 10. September 2011. http://www.flensburg.de/politik-verwaltung/stadtverwaltung/pressebox/index.php [Zugriff am 10. Januar 2012]. 98 Grußwort von Kulturminister Per Stig Møller zur Einweihung des Idstedt-Löwen am 10. September 2011. http://www.flensburg.de/politik-verwaltung/stadtverwaltung/pressebox/index.php [Zugriff am 10. Januar 2012].

Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark?

413

VII.3. Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark? VII.3.a. Neukonzeption der Idstedt-Gedächtnishalle Im Umfeld der Idstedt-Gedächtnishalle zeigte sich eine nahezu parallele Entwicklung zu der Rekontextualisierung des Flensburger Löwen. Bereits im Vorfeld der inhaltlichen Überarbeitung der Ausstellung 1978 hatte der Leiter des städtischen Museums in Flensburg, Theo Christiansen, die Idee vorgebracht, durch eine Einbeziehung der dänischen Perspektive einen Ort des gemeinsamen Gedenkens zu schaffen. Letztlich verhinderte jedoch der Widerstand des SHHB eine Überarbeitung der zunehmend kritisierten Ausstellung unter diesem Gesichtspunkt. Die Etablierung eines gemeinsamen jährlichen deutsch-dänischen Gedenktages für die Gefallenen der Schlacht von Idstedt gegen Ende der 1980er Jahre hielt die Idee einer erneuten Ausstellungsneukonzeption auf der Tagesordnung. Auf dem Idstedt-Tag 1999 regte Landesarchivar Reimer Witt in seiner Ansprache an, den militärischen Aspekt der Halle zugunsten einer bislang vernachlässigten Betonung der Bedeutung des Jahres 1848 für die Entwicklung von Liberalismus und Demokratie in Europa und Schleswig zurückzustellen. Diese Werte seien »in Zeiten nationaler Auseinandersetzung immer wieder überlagert« worden und hätten es auch heute noch schwer, »im Zusammenhang mit Idstedt angemessen gewürdigt zu werden.«99 In einem im März 2000 eingereichten Förderungsantrag der Idstedt-Stiftung an die landeseigene Wirtschaftsförderungs- und Regionalentwicklungsgesellschaft zur finanziellen Unterstützung einer Renovierung der Gebäude100 und der inhaltlichen Neukonzeption wurde Witts Vorschlag anhand von drei Leitpunkten konkretisiert: Erstens sollte die zukünftige Austellung die Ereignisse von Idstedt »als Teilvorgang der deutschen und europäischen Revolutionsbewegung von 1848« in einen überregionalen Erzählrahmen eingeordnet werden. Zweitens war eine Darstellung des »tatsächliche[n] Geschehen[s] um Idstedt, eingebunden in die europäische Revolutionsbewegung von 1848/49 […] eine wesentliche Forderung« für die Zukunft. Drittens sollte eine deutsch-dänische Historikerkommission ein Konzept erarbeiten, welches die Sichtweisen beider Länder auf die Ereignisse einbezieht.101 Das Konzept der neuen Ausstellung sah in diesem Sinne 99 Witt, Reimer. Idstedt – ein Mythos im Wandel. In: Grenzfriedenshefte; 2/2000. S. 115 – 126, hier S. 125. 100 Teile der Halle befanden sich zu diesem Zeitpunkt rund 25 Jahre nach ihrer letzten Renovierung in einem Sanierungsbedürftigen Zustand. Siehe beispielsweise: Flensborg Avis, 25. November 2003. 101 Förderungsantrag an die Wirtschafts- und Regionalentwicklungsgesellschaft vom 23. März 2000. GA SlFl, Abt. Z 3, Nr. 577.: »Die Besucher werden erkennen, dass geschichtliche

414

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

einige elementare inhaltliche Korrekturen der 1978 eingerichteten Darstellung vor. Von großer Signifikanz war hier in erster Linie die geplante Zusammenarbeit von Historikern aus beiden Staaten, die die divergierenden Deutungen der Ereignisse in Schleswig-Holstein und Dänemark aufgreifen und diese unterschiedlichen Sichtweisen durch die Musealisierung der Rezeptionsgeschichte selbst zu einem Zeugnis der Geschichte des Grenzlandes machen sollten.102 Die inhaltliche Neukonzeption strebte vor allem eine Revidierung des deterministischen Geschichtsbildes, welches 1978 seinen Einzug in die Ausstellung erhalten hatte, an. Es galt, die von den Museumsgestaltern um Gerd Stolz in die Darstellung integrierten und von der Idstedt-Stiftung sowie dem Heimatbund geprägten Interpretationen der Historie zu widerlegen: Gemeint war hier insbesondere die Einordnung des Schleswig-Holsteinischen Krieges als der Ausgangspunkt einer vermeintlich gradlinigen deutschen Einigungsbewegung, die vom SHHB als historisches Vorbild für das deutsche Einheitsbewusstsein vor dem Hintergrund der Teilung in Ost und West angeführt wurde. In dem neuen Konzept hieß es: »Die Ereignisse von Idstedt verliefen nicht zielgerichtet und gradlinig zum deutschen Nationalstaat, so wie er 1871 gegründet worden ist und so wie uns dies auf deutscher Seite lange Zeit suggeriert wurde.«103 Stattdessen müsse der Fokus auf das europäische Element der Geschehnisse gerichtet und bisher weniger beachtete Aspekte der Ereignisse, wie »die demokratischen, sozialen und wirtschaftlichen Komponenten der demokratischen Revolutionsbewegung«, betont werden.104 Das Augenmerk der Überarbeitung der IdstedtGedächtnishalle lag somit von Anfang an auf einer ausgeglichenen Darstellung Ereignisse extrem unterschiedliche nationale Deutungen erfahren. Die Rezeption der jeweiligen geschichtlichen Deutung ist spannend.« Die finanziellen Mittel für die Renovierung und Neukonzeption wurden durch die Kulturstiftung des Kreises Schleswig-Flensburg aus Mitteln des Landes Schleswig-Holstein und der EU akquiriert. Vgl. Schartl, Idstedt, 2006. S. 24. 102 So betont das dem Förderungsantrag beigefügte Konzeptionspapier, dass das »Idstedtproblem von Anfang an unterschiedlich und jeweils aus der nationalen Sicht interpretiert [wurde]. Die Dänen sahen die Schleswigholsteiner [!] als Aufrührer. Die Auseinandersetzung war für sie ein Bürgerkrieg gegen die dänische Krone, der mit allen Mitteln unterbunden werden mußte. Übersehen dabei wurden […] eigene Provokationen, die die Schleswigholsteiner in ihrem Verhalten beeinflußt hatten.« Ebd. 103 Weiterhin wurde darauf hingewiesen: »Die Schlacht bei Idstedt war keine bedeutsame Station auf dem Weg zum deutschen Nationalstaat […] Inhaltlich ist daher eine Korrektur am seit 1978 bestehenden Ausstellungskonzept notwendig.« Auch sei die Behauptung falsch, dass der Schleswig-Holsteinische Krieg ein Volkskrieg gewesen sei, in dem die Schleswig-Holsteiner für die Freiheit ihres Landes gekämpft hätten: »Bei Idstedt kämpften nicht nur deutschgesinnte sondern auch dänischgesinnte Schleswig-Holsteiner. Es waren, wie neuere Forschungen verdeutlichen, nicht nur Kriegsfreiwillige. Ein erheblicher Teil der Kämpfer war eingezogen worden, andere desertierten sogar […]. Besonders durch das Herzogtum ging ein Riss, das, wie oben erwähnt, im Norden dänisch und im Süden eher deutsch geprägt war.« Ebd. 104 Ebd.

Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark?

415

der historischen Ereignisse. Die schleswig-holsteinischen Historiker Manfred Jessen-Klingenberg und Jörn-Peter Leppien hatten bereits zuvor eine nach aktuellen Museumsstandards konzipierte, zweisprachige Ausstellung in Idstedt gefordert. Darüber hinaus sahen sie eine Einbindung der Halle in ein zu gründendes Museumsnetzwerk im Grenzland als erstrebenswert an, um so eine Behandlung der deutsch-dänischen Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln und unter differenzierten Schwerpunkten zu ermöglichen.105 In der tatsächlichen Umsetzung der Pläne zur Idstedt-Gedächtnishalle waren letztlich insbesondere fünf Punkte von wesentlicher Bedeutung: Der schleswigholsteinisch-dänische Konflikt wurde erstens innerhalb der bürgerlichen Aufbruchsbewegung in ganz Europa kontextualisiert und die historische Verbindung der Herzogtümer mit dem dänischen Gesamtstaat thematisiert. Eine wichtige Rolle in der neuen Ausstellung nahm zweitens die Darstellung der nationalliberalen Bewegungen ein, die beide für persönliche und politischen Freiheiten, für soziale Gerechtigkeit und einen liberalen Verfassungsstaat [kämpften, als] Anhänger des territorial gebundenen Nationalstaatsgedankens […] jedoch nicht davor zurück[schreckten], in Jahrhunderten gewachsene historische und kulturelle Verbindungen zu zerstören.

Grundlegend war drittens die Überzeugung, dass die Ereignisse von 1848 nur im Zusammenhang einer gesamteuropäischen Entwicklung gesehen werden können, in der »Schleswig zu einem europäischen Krisenherd« wurde. Der überregionale Aspekt erfuhr aus diesem Grund eine stärkere Betonung. Darüber hinaus sollten viertens in der Neukonzeption die bislang vorherrschenden mythologischen Elemente exkludiert werden, die aus der Rezeptionsgeschichte hervorgegangen waren. Die fünfte Richtlinie stellte die Abkehr von einer zu stark militaristisch geprägten Ausstellung dar.106 Die neue Ausrichtung der Halle wirkte sich in den folgenden Jahren auch auf die jährlichen Gedenkfeiern aus, so dass erste, bereits einsetzende positive Tendenzen, wie etwa in Form eines gemeinsamen Gedenkens, intensiviert wurden. So war bereits 1991 eine wichtige Etappe in der deutsch-dänischen Annäherung im Grenzland erreicht worden, als erstmals beide Seiten zusammen eine gemeinsame Veranstaltung zur Erinnerung an die Gefallenen der Auseinandersetzung abhielten und ein »markantes Zeichen deutsch-dänischer Ver-

105 Jessen-Klingenberg, Manfred/Leppien, Jörn-Peter. Noch einmal: Das Problem Idstedt. Zum Wandel des nationalen Geschichtsbewusstseins in Schleswig-Holstein seit dem Ausgang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. In: Lohmeier, Dieter/Paczkowski, Renate (Hrsg.). Landesgeschichte und Landesbibliothek. Studien zur Kultur Schleswig-Holsteins. Heide 2001. S. 191 – 212. 106 Schartl, Idstedt, 2006. S. 25 f.

416

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

ständigung«107 setzten. Eine besondere Beachtung erhielt die offizielle Gedenkrede des dänischen Historikers Troels Fink, der 1979, als Redner für die jährliche Veranstaltung vorgeschlagen, noch auf große Vorbehalte innerhalb der Idstedt-Stiftung und des Heimatbundes gestoßen war.108 In seinem Vortrag Dänemark und Schleswig-Holstein109 repetierte er die Darstellung der Geschichte Idstedts aus einer dänischen Perspektive und hob die Bedeutung des Krieges für den dänischen Gesamtstaat hervor. Seine Bezeichnung der Ereignisse als Bürgerkrieg110 bedeutete in diesem Kontext die Basis für die spätere inhaltliche Neukonzeption der Ausstellung, die sich auf genau diesen Aspekt bezog. Die Öffnung der Veranstaltung und auch später der Ausstellungskonzeption für dänische Einflüsse lässt sich zum Teil auf eine innere Krise des zuvor einflussreichen Erinnerungsakteurs SHHB zurückführen. Dieser durchlebte 1988 infolge der Wahl Björn Engholms zum Ministerpräsidenten der ersten SPDgeführten Landesregierung seit knapp vierzig Jahren einen endgültigen Verlust seiner zentralen Stellung innerhalb Schleswig-Holsteins. Dies war bedingt durch die unterschiedlichen Auffassungen in Bezug auf die Geschichtspolitik seitens des Heimatbundes und der Landesregierung. Bemerkbar machte sich dies einerseits in Form einer Verminderung der finanziellen Förderung durch das Kultusministerium, andererseits in der Aussetzung des Schleswig-HolsteinTages 1988.111 Die hierauf folgende Umstrukturierung des Verbandes führte zu dessen inhaltlicher Neuorientierung, die die Vermittlung von landeshistorischen Themen auf Kosten eigener geschichtspolitischer Tätigkeiten begünstigte.112 In der Folge kam es innerhalb des Heimatbundes zu einer Aktualisierung der »konstitutiven Narrative des Landesbewusstseins« und der Abkehr von der »geschlossenen Meistererzählung mit ihren narrativen emotional kodierten Abund Ausgrenzungsdiskursen«.113 Die inhaltliche Abkehr von der aktiven Geschichtspolitik wurde erstmalig während der Idstedt-Gedenkfeier des Jahres 1991 deutlich, die mit der Rede von Troels Fink nun auch der dänischen Seite inhaltliche Anknüpfungspunkte bot. Nach den ersten einsetzenden Veränderungen in der jährlichen Gedenkveranstaltung und dem Anstoß durch Landesarchivar Reimer Witt zu einer neugestalteten, einem modernen Geschichtsverständnis angepassten Ausstellung in 107 Flensborg Avis, 27. Juli 1991. 108 Fink wurde 1991 hingegen von Kreispräsident Johannes Petersen »als eine herausragende Persönlichkeit des deutsch-dänischen Grenzlandes« gewürdigt. In: Flensburger Tageblatt, 27. Juli 1991. 109 Einladung der Idstedt-Stiftung zur Idstedt-Gedenkfeier vom 2. Juli 1991. GA SlFl, unsortierter Aktenbestand, Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 2«. 110 Flensborg Avis, 27. Juli 1991; Flensburger Tageblatt, 27. Juli 1991. 111 Andresen, Schleswig-Holsteins Identitäten, 2010. S. 353. 112 Ebd. S. 346. 113 Ebd. S. 354.

Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark?

417

der Gedächtnishalle folgte im Jahr 2000 eine weitere qualitative Veränderung des Museums hin zu einem Ort des grenzüberschreitendes Austausches: So wurde die Gedenkfeier nun das erste Mal gemeinsam von Deutschen und Dänen organisiert, zuvor waren dänische Vertreter seit 1991 immer nur in der Rolle von teilnehmenden Gästen beteiligt gewesen.114 Die Bedeutung dieser Entwicklung zeigte sich nicht nur in den Ansprachen der beteiligten Personen, die immer wieder hervorhoben, dass vor »wenigen Jahren […] eine so enge Zusammenarbeit auf einem so sensiblen Feld noch nicht vorstellbar gewesen« sei,115 sondern auch in der umfangreichen Begleitung der Ereignisse durch die regionale Presse, die über das übliche Maß hinausging.116 Das über vier Tage reichende Programm umfasste mehrere sportliche Wettbewerbe sowie zahlreiche musikalische Darbietungen und fand seinen Höhepunkt in einer gemeinsamen Gedenkfeier an der Gedächtnishalle. In seiner Rede betonte der dänische Generalkonsul in Flensburg, Henrik Becker-Christensen, vor allem die Einbindung der historischen Ereignisse in einen größeren europäischen Rahmen, welcher der Grund für die kriegerischen Auseinandersetzungen gewesen sei.117 Wichtig sei es darüber hinaus, die Vorgänge im deutsch-dänischen Grenzland als das Phänomen einer gesamteuropäischen Entwicklung zu sehen, die sich infolge der Entstehung der nationalliberalen Bewegungen auf dem ganzen Kontinent ausgebreitet hätte. Während die Auseinandersetzungen um Schleswig vor diesem Hintergrund, so Becker-Christensen, keine Besonderheit im Vergleich mit anderen Ländern darstellen würden, besäßen die daraus gezogenen Konsequenzen beispielhaften Charakter : Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen – und die Entwicklungen, die sie nach sich zogen, sind kein Exportgut, sondern ein moralisches Beispiel, das der Umwelt zeigt, dass dort, wo der gute Wille von allen Seiten gegenwärtig ist, gibt es die Möglichkeit einer feindlichen Vergangenheit zum Trotz, ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zu schaffen […].118

114 Flensborg Avis, 10. Mai 2000. 115 Schleswiger Nachrichten, 10. April 2000. 116 Zeitungsartikel und -kommentare in: Schleswiger Nachrichten, 10. April, 22. Juli, 26. Juli; Flensborg Avis, 10. Mai, 18. Juli, 24. Juli, 25. Juli, 26. Juli; Flensburger Tageblatt, 19. Juli, 26. Juli, 27. Juli; Berlingske Tidende, 26. Juli. 117 »20 – oder bloß 10 Jahre – früher hatte keiner geglaubt, dass es dazu kommen sollte, dass dänische und deutsche Mitbürger auf einander schießen würden. Jahrhunderte hindurch hatten sie friedlich Seite an Seite innerhalb des selben Staatsgebildes gelebt […] Ungeachtet der Sprache und des kulturellen Hintergrundes hatten sie sich als Bürger im selben Staat empfunden.« Rede »Von Front zur Brücke« von Henrik Becker-Christensen zur Gedenkveranstaltung anlässlich des 150. Jahrestages der Schlacht bei Idstedt. GA SlFl, Abt. Z 3, Nr. 577. 118 Ebd.

418

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Schleswig-Holsteins Justizministerin Anne Lütkes sprach in Bezug auf die gemeinsame Veranstaltung gar von einem »Vorbild-Charakter für ganz Europa.«119 Laut Becker-Christensen stellte sich das deutsch-dänische Grenzland infolgedessen nicht mehr als ein trennendes Element und als ein Hindernis für ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis der beiden Staaten dar, sondern es sei als Grundlage für das gegenseitiges Verständnis und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu sehen: Wir haben uns im dänisch-deutschen Grenzland in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg von der Konfrontation zur Kooperation bewegt – von der Front zur Brücke, sowohl über die Grenze hinweg als auch zwischen Minderheit und Mehrheit. Unser Grenzland hat hierdurch eine neue Bedeutung erhalten. Das Grenzland trägt heute mit dazu bei, Dänemark und Deutschland aneinander zu knüpfen. Wir haben hier nicht nur physisch gesehen eine gemeinsame Berührungsfläche – eine gemeinsame Brücke, sondern auch durch eine gemeinsame Vergangenheit und eine gemeinsame Verantwortung für die heutige Minderheitenpolitik, einen gemeinsamen Referenzrahmen.120

Die regionale Presse legte den Schwerpunkt ihrer Berichterstattung über die Gedenkfeierlichkeiten auf den Aspekt des erstmalig gemeinsamen Gedenkens sowie das darauf aufbauende gegenseitigen Verständnis. Der dänische Minderheitenvertreter Søren Andresen betonte in seiner Idstedt-Chronik im Flensborg Avis, dass es wichtig sei, die historischen Beweggründe der jeweilig anderen Seite für die Ereignisse von 1848 offen nachzuvollziehen.121 Die Zeitung Schleswiger Nachrichten griff die Worte von Kreispräsident Johannes Petersen auf und erinnerte an das geteilte schwere Opfer der tausenden Toten in der IdstedtSchlacht: »Ihrer zu gedenken, zeugt von dem Bewusstsein, dass die Schlacht eine schicksalhafte Bedeutung hatte.«122 Die im Jahr 2000 erfolgte Rekontextualisierung des Gefallenengedenkens in einem nunmehr transnationalen Rahmen stellte das grundlegend neue Element der Veranstaltung, aber auch der Ausstellung in Idstedt selbst dar und bildete die Basis für die Konstruktion einer regional geprägten, grenzüberschreitenden Erinnerungsgemeinschaft. Trotz der überaus positiven Resonanz verschwanden alte, historisch begründete Vorbehalte gegenüber einer gemeinsamen Begehung der Gedenkfeiern 119 Flensburger Tageblatt, 26. Juli 2000. 120 Ebd. 121 »Wir reden ständig von dem Aufruhr von 1848 als etwas, das verkehrt war. Wir sollten lernen, dass der schleswig-holsteinische Freiheitskampf legitim und gut begründet war. Unsere deutschen Landsleute sollten gleichzeitig lernen, dass der eiderdänische Standpunkt genauso legitim und ebenso gut begründet war wie ihrer.« [»Vi taler stadig om oprøret fra 1848 som noget, der var vorkert. Vi skal lære, at den slesvig-holstenske frihedskamp var legitim og velbegrundet. Vore tyske landsmænd skal samtidig lære, at det ejderdanske standpunkt var lige s” legitimt og lige s” velbegrundet som deres.«] In: Flensborg Avis, 25. Juli 2000. 122 Schleswiger Nachrichten, 26. Juli 2000.

Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark?

419

auch im Jahr 2000 nicht komplett. Ein Kommentar des Europaskeptikers und ehemaligen Journalisten Robert Huhle im Flensborg Avis zeugte von dem Fortbestand nationaler Ressentiments in gewissen Kreisen. Huhle kritisierte die Teilnahme dänischer Vertreter an der Veranstaltung in Idstedt und befürchtete ein Zurückfallen der Deutschen in alte Muster : Ich sehe vor mir, dass am nächsten 18. April ein preußisches Militärorchester den Düppeler Sturmmarsch auf dem Düppeler Berg bläst und Personen mit Mangel an notwendiger Haltung mit Geschichtszement rumrennen und vom neuen Europa, Völkerverständigung, alle Menschen werden Brüder [Anm. d. Verf.: im Original auch deutscher Wortlaut] und so weiter labern werden.123

Huhle verwies in seinem Kommentar darauf, dass Schleswig trotz allem immer noch eine historisch dänische Region sei. Aus diesem Grund sollten auf der Gedenkveranstaltung die »dänischen Musiker wohl ›Schlummer süß in Schleswigs Erde [Slumrer sødt i Slesvigs jord]‹ spielen«124 – ein Lied, welches zum Gedenken an die gefallenen dänischen Soldaten 1850 uraufgeführt wurde und deren Tod als heldenhafte Tat für einen gerechten Kampf Dänemarks idealisierte. Schließlich gehe diese »Erde […] wie bekannt bis zur Eider.«125 Auch wenn die Position Huhles letztlich als der Standpunkt einer Minderheit gegenüber der gemeinsamen Gedenkveranstaltung zu sehen ist, die einer größtenteils positiven Resonanz der Veranstaltung gegenüberstand, zeugte sie trotz allem von einem Fortbestand grenzkämpferischer Motive bis in die Gegenwart hinein. Entsprechend der Neuausrichtung der jährlichen Gedenkfeier und der Neukonzeption der Idstedt-Gedächtnishalle rückte in der Ausstellung die militärische Darstellung der Schlacht zugunsten einer Einbettung der Ereignisse in die Vorgeschichte der so genannten Schleswig-Holsteinischen Erhebungszeit in den Hintergrund. Letztlich erhielt der gesamteuropäische Aspekt entgegen der anfänglichen Konzeption in der tatsächlichen Umsetzung etwas weniger Raum. Die Ausstellung ist jedoch nun durch eine deutsch-dänische Bi-Perspektivität geprägt und kommt »ohne Pathos«126 daher. Das am 17. Mai 2005 wiedereröffnete Museum und die dreigliedrige Aufteilung der Ausstellung127 wurden vor diesem 123 »Jeg ser for mig, at næste 18. april blæser et prøsisk militærorkester Düppeler Sturmmarsch p” Dybbøl Bjerg, og personer med fornøden mangel om holdning render rundt om historiecementen og rabler om nyt Europa, Völkerverständigung, alle Menschen werden Brüder og s” videre.« Gemeint ist an dieser Stelle der Düppeler Schanzen-Sturmmarsch, der vom preußischen Militärmusiker Gottfried Piefke im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 komponiert und während der Erstürmung der Schanzenanlagen in Düppel durch die preußischen Truppen gespielt wurde. Huhles Verweis auf den 18. April meint hier die jährliche Gedenkveranstaltung dieser Ereignisse. 124 »[…] danske musikanter skal vel spille ›Slumrer sødt i Slesvigs jord‹.« 125 »[…] jord g”r som bekendt til Ejderen.« In: Flensborg Avis, 24. Juli 2000. 126 Schleswiger Nachrichten, 7. Mai 2005. 127 Der erste Ausstellungsraum vermittelt dem Besucher den historischen Kontext, so the-

420

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Hintergrund durchweg positiv rezensiert. Es wurde insbesondere immer wieder auf die Brückenfunktion von Idstedt in der Gegenwart hingewiesen, die allein schon durch die enge Zusammenarbeit in der Konzeptionsphase mit dem Danewerkmuseum, dem Historiecenter Dybbøl Banke und dem Museum Sønderborg Slot deutlich wurde.128 Sei die Gedächtnishalle bisher Zeichen »einer langen Feindseligkeit zwischen Deutschen und Dänen« gewesen, versinnbildliche die neue Ausstellung nun »ein Stück weit [als] Symbol [die] heute friedliche Nachbarschaft.«129 Eine 2006 eröffnete Sonderausstellung in den Räumlichkeiten der Halle nahm über die generelle Vermittlung der Ereignisse von 1848 – 1851 die Idstedt-Gedächtnishalle als Erinnerungsort der deutsch-dänischen Grenze selbst in den Blickpunkt. Hierbei ging es vor allem um die Darstellung der »wechselvolle[n] Geschichte des Erinnerungsortes Idstedt im deutsch-dänischen Beziehungsgeflecht […].«130 Die von Seiten des Flensborg Avis erfolgte Einordnung der Halle als Erinnerungsort zeugt dabei von einem grundlegenden Wandel der Deutung Idstedts. Das Museum nimmt grenzüberschreitend den Platz als Ort eines gemeinsamen Gedenkens an ein geteiltes Leid ein und bildet somit einen potentiellen Kristallisationspunkt kollektiver Identität. So belegt das Urteil des Presseorgans der dänischen Minderheit, dass das Kulturerbe Idstedt und die mit ihm verbundenen Erinnerungen einem kulturellen Übersetzungsprozess unterworfen waren, der die gemeinsamen Aspekte der Geschichte in einem geteilten Narrativ kondensierte.

VII.3.b. »But the nation is not gone […].« – Frøslev-Lagermuseum und Historiecenter Dybbøl Banke Während sich im Kontext der inhaltlichen Neuausrichtung der Idstedt-Gedächtnishalle eine deutliche Inklusion dänischer Narrative sowohl in den Gedenkfeiern als auch in der Ausstellung bemerkbar machten, entwickelten sich beziehungsweise entstanden auf dänischer Seite zwei Museumsprojekte, die matisiert er die bürgerliche Bewegung in Europa, die gemeinsamen Traditionen der Nationalliberalen auf beiden Seiten der Grenze und die durch die zwei Nationenprojekte entstehenden nationalen Gegensätze in der Grenzregion. Im zweiten Raum – der so genannten Ehrenhalle – werden die beteiligten Soldaten in den Mittelpunkt gestellt: »Die Bilder zeigen keine Helden, sondern in naiver Schlichtheit dargestellte junge Menschen mit ernsten und Fragen stellenden Gesichtern, frei von jeglichem Pathos.« Den Abschluss bildet die eigentliche Darstellung der Schlacht von Idstedt im dritten Ausstellungsbereich. Schartl, Idstedt, 2006. S. 27 f. Siehe Abb. 21 und 22. 128 Siehe beispielsweise: Flensborg Avis, 20. Mai 2005. 129 Schleswiger Nachrichten, 18. Mai 2005. 130 Flensborg Avis, 12. Dezember 2006.

Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark?

421

angesichts des als harmonisch, konstruktiv und friedlich beschriebenen, deutsch-dänischen Verhältnisses im Grenzraum für Irritationen sorgten. Anhand des Museum Frøslevlejren und des Geschichtszentrums Düppeler Schanzen (Historiecenter Dybbøl Banke) lässt sich vielmehr aufzeigen, dass bis in die jüngste Vergangenheit hinein einzelne Erinnerungsorte Schleswigs in selektiven Erinnerungs- und Aneignungsprozessen museal adaptiert und von der eigenen Deutung abweichende Geschichtsbilder und Narrative bewusst ausgeklammert werden. So zeigen diese beiden Orte, dass nationale Ressentiments und der Topos »Deutschland als Problem Dänemarks« bis in die Gegenwart weiterhin auf dänischer Seite Aktualität besitzen und sich an den historischen Schauplätzen der vermeintlich problematisch deutsch-dänischen Geschichte partiell offen artikulieren. Auf diese Weise verbindet sich das materielle Kulturerbe der Region trotz des europäischen Einigungsprozesses und der zwischenstaatlichen Annäherung mit einem weiterhin bestehenden Verdrängungswunsch konkurrierender Raumentwürfe und -besetzungen in der Grenzlandschaft. Das Beispiel des ehemaligen Konzentrationslagers Frøslevlejren nahe der dänischen Stadt Bov exemplifiziert stellvertretend die wechselhafte Geschichte des Grenzlandes sowie dessen unterschiedliche Rezeption und Belegung mit divergierenden Narrativen. Die Historie des Lagers ist zum einen eng mit der deutschen Besatzungszeit in Dänemark während des Zweiten Weltkriegs sowie zum anderen mit der anschließenden Rechtsabrechnung mit der deutschen Minderheit in der Nachkriegszeit verbunden. Aufgrund der dänischen Kollaborationspolitik mit der deutschen Besatzungsmacht konnte der Staat während der Besatzung zumindest formal seine Souveränität bewahren, als es angesichts des wachsenden Widerstandes der dänischen Bevölkerung gegenüber der Wehrmacht zu einer steigenden Anzahl an Inhaftierungen und Deportationen von dänischen Staatsbürgern nach Deutschland kam, unterbreitete der Direktor des dänischen Außenministeriums, Nils Svenningsen, der nationalsozialistischen Regierung den Vorschlag, ein Internierungslager auf dänischem Boden und unter eigenverantwortlicher Leitung Dänemarks zu errichten. Mit der Bedingung, dass das Polizeigefängnis nahe der Grenze zu liegen habe, erteilte die deutsche Regierung schließlich die Genehmigung.131 Im Vergleich mit anderen Internierungsstellen bedeutete die Regelung für die Häftlinge erträglichere Haftbedingungen, auch wenn Deportationen dänischer Staatsbürger entgegen der Absprachen mit Deutschland nicht verhindert werden konnten. Im Anschluss an den deutschen Zusammenbruch 1945 wurde das Lager im Zuge der 131 Zur Geschichte des Lagers Frøslev siehe: Kristensen, Henrik Skov. Eine Station auf dem Weg in die Hölle. Harrislee-Bahnhof und die Deportation dänischer Gefangener aus Frøslev in deutsche Konzentrationslager. Flensburg/Apenrade 2002; Ders. Fra fangelejr til museum og national mindepark – træk af Frøslevlejrens kulturhistorie 1944 – 2001. In: Sønderjyske Museer ; 2001. S. 81 – 100.

422

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Rechtsabrechnung mit der deutschen Minderheit, die in großem Maße mit der deutschen Besatzungsmacht kollaboriert hatte, nun unter dem Namen F”rhusLager zur zentralen Inhaftierungsstelle für die deutschen Nordschleswiger umfunktioniert. Diese Historie des Gefängnisses bedingte, dass sich seitdem zwei unterschiedliche Narrative mit dem Ort verbinden. So verwiesen im November 2009 die Historiker Thomas Tschirner und Melf Wiese auf einem Symposium zu den Gedenkstätten und Erinnerungskulturen in Schleswig-Holstein an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel auf das große erinnerungspolitische Potential von Frøslev/F”rhus für das Zusammenwachsen des Grenzlandes in heutiger Zeit hin: Während des Frøslev-Lager für die dänische Seite als ein Ort des Widerstands und der Opferrolle steht, nimmt die deutsche Seite dieses Lager als ein Ort der unrechtmäßigen und generalisierten Verurteilung wahr. […] Das Frøslev-Lager ist mithin ein Ort, der genau wegen diesen unterschiedlichen Funktionen Problematiken, aber auch Chancen aufweist.132

So verknüpfen sich mit dem historischen Schauplatz zwei unterschiedliche Opferperspektiven, die einerseits auf der deutschen Besatzungszeit und andererseits auf dem Gefühl unrechtmäßiger Generalbestrafung basieren. Aus diesem Grund plädierten Tschirner und Wiese in ihrem Symposiums-Beitrag für eine den beiden Seiten gerechte museale Aufarbeitung und Darstellung der Lagerhistorie.133 Hierdurch könne am Kulturerbe Frøslev/F”rhus »ein Erinnerungsort entstehen, der, ohne Wertung und exklusive die Erinnerung störende Ressentiments, ein Paradebeispiel für einen binationalen Erinnerungsort« ist.134 Eine hierfür notwendige gleichberechtigte museale Behandlung der beiden historischen Zeitabschnitte im heutigen Museum Frøslevlejren ist jedoch bis in die Gegenwart nicht realisiert worden. Vielmehr belegt die Ausstellungshistorie eine einseitige Konzentration auf die deutsche Besatzungszeit als Masternarrativ. Die Eröffnung des Museums erfolgte in den Baracken des ehemaligen Lagers im Jahr 1969 mithilfe der finanziellen Unterstützung des dänischen Staates und unter Anleitung des Museums des dänischen Widerstands 1940 – 1945 (Museet for Danmarks Frihedskamp 1940 – 1945) in Kopenhagen.135 In den ersten Jahren besuchten jeweils rund 40.000 bis 50.000 Gäste das Museum, 1986 waren es gar 132 Tschirner, Thomas/Wiese, Melf. Wer darf erinnern? – Das Frøslevlejren Museum als binationaler Erinnerungsort? In: Köhr, Katja/Petersen, Hauke/Pohl, Karl Heinrich (Hrsg.). Gedenkstätten und Erinnerungskulturen in Schleswig-Holstein. Geschichte, Gegenwart und Zukunft (Geschichtswissenschaft; 14). Berlin 2011. S. 95 – 114, hier S. 103. 133 Ebd: »Der erinnerungskulturelle Gegensatz, der diesem Lager bis heute eigen ist, verlangt in besonderem Maße eine differenzierte Betrachtungsweise.« 134 Ebd. S. 114 135 Siehe Abb. 23.

Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark?

423

68.000.136 Aufgrund der Tatsachen, dass die administrative Leitung und Verwaltung über die Ausstellung ehemaligen Gefangenen oblag sowie dass im dänischen Geschichtsbild der Besatzungszeit der vermeintliche dänische Widerstand für viele Jahrzehnte als zentrales Identifikationsmerkmal in der Nachkriegsgesellschaft dominierte, zentrierte sich die Darstellung im Frøslev-Museum zunächst auf eine reine Introspektive.137 Erst mit der Einsetzung des neuen wissenschaftlichen Leiters, dem Historiker Henrik Skov Kristensen, kam es 1992 zu einer Neukonzeption und inhaltlichen Ausweitung: Neben dem Alltagsleben im Lager selbst thematisierte die Ausstellung nun ebenfalls den politischen Entstehungskontext sowie die dänische Selbstverwaltung und das Schicksal der aus Frøslev deportierten Gefangenen.138 Die Neuausrichtung des Museums ging einher mit einer allgemein differenzierteren Auseinandersetzung der dänischen Gesellschaft mit den Ereignissen der Besatzungszeit, im Zuge derer der Mythos vom breiten dänischen Widerstand ins Wanken geriet. Trotz allem symbolisiert bis in die Gegenwart hinein das ehemalige Internierungslager innerhalb der dänischen Gesellschaft die Erinnerung an die deutsche Besatzung zwischen 1940 und 1945.139 Dahingegen ist die Zeit der Rechtsabrechnung mit der deutschen Minderheit und die in diesem Kontext stehende Nutzung des F”rhus-Lagers zur Internierung von Mitgliedern der Volksgruppe bis heute in der musealen Darstellung weitgehend unterrepräsentiert. So legte Museumsleiter Henrik Skov Kristensen 2001 in einem Beitrag für die Zeitschrift Sønderjyske Museer dar, dass der Schwerpunkt der Ausrichtung des Lagermuseums auch zukünftig auf den beiden Jahren 1944 und 1945 liegen werde.140 In Kristensens historischem Überblick über die Geschichte des Gefängnisses blieb die Nachkriegsepisode gar gänzlich unerwähnt. Noch im Jahr 2009 stellte der Historiker fest: »The camp area as such will remain an unambiguous memorial to German occupation und Danish Resistance.«141 Trotz der Pluralität der Erinnerungen, die mit dem Ort in 136 Kristensen, Fra fangelejr til museum, 2001. S. 88. 137 Kristensen, Henrik Skov. The Museum of Danish Resistance and the Frøslev Camp Museum as Places of Danish Remembrance. In: Bohn, Robert/Cornelißen, Christoph/Lammers, Karl Christian (Hrsg.). Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskulturen im Schatten des Zweiten Weltkrieges. Deutschland und Skandinavien seit 1945. Essen 2008. S. 169 – 181, hier S. 177. 138 Tschirner/Wiese, Wer darf erinnern?, 2011. S. 104. 139 Kristensen, Museum of Danish Resistance, 2008. S. 178. 140 Kristensen, Frau fangelejr til museum, 2001. S. 100. 141 Zit. nach: Tschirner/Wiese, Wer darf erinnern?, 2011. S. 109. Daraufhin schlussfolgerten Tschirner und Wiese in ihrem Vortrag an derr Universität Kiel: »Bis jetzt wurde die Faarhuszeit im Museum nicht gezeigt. Direktor Kristensen kündigte allerdings eine auf 2010 verschobene Ausstellung zur Farhuszeit [sic!] mit besonderem Augenmerk auf die Nazifizierung der Minderheit an. Eine solche Ausstellung wird vermutlich jedoch die Forderungen nach einer Repräsentation als Opfer der Rechtsabrechnung nicht erfüllen. […] es ist

424

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Relation stehen, dominiert so weiterhin das dänische Masternarrativ. Diese Exklusion abweichender Erinnerungskonzepte im Kontext des historischen Schauplatzes rekurriert im Sinne der von Barbara Kirshenblatt-Gimblett akzentuierten Selektivität des Konzeptes Kulturerbe142 auf ein weiterhin vorhandenes Bedürfnis kollektiver Abgrenzung und Ausklammerung bestimmter Teile der Geschichte. Der Topos »Deutschland als Problem Dänemarks« generierte sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem zentralen Element kollektiver dänischer Identität. Dieser »Erinnerungsrahmen«,143quasi Sinnquelle nationalen Selbstbewusstseins, wird durch konkurrierende Konzepte in Frage gestellt. Der englische Kulturerbetheoretiker und Historiker Stuart Burch verwies in Anlehnung an Halbwachs dementsprechend auf die kognitive Funktion von Rahmensetzungen.144 Ein Aufbrechen dieser Strukturen geht somit immer mit einer Krise von Identitätskonstruktionen einher. Bereits mit der Neukonzeption der Ausstellung in Frøslev und dem Prozess neuer inhaltlicher Rahmensetzungen verbanden sich 1992 starke emotionale Diskussionen.145 Die selektiven Prozesse von Erinnern und Vergessen, die laut dem Althistoriker Egon Flaig in Anlehnung an Maurice Halbwachs in unmittelbarem Zusammenhang stehen,146 werden durch abweichende Erinnerungskonzepte, wie sie mit dem Lager verbunden sind, in ihrer kognitiven Logik gefährdet. Bis in die Gegenwart hinein dominieren aus diesem Grund im Kontext des Museums Frøslev die Bestrebungen, durch kollektives Verdrängen und Vergessen, die mit dem Ort kanonisierten Heterotopien auszublenden. Das Beispiel Frøslevlagermuseum in Bov stellte jedoch kein isoliertes Phänomen in der Entwicklung der musealen Landschaft Sønderjyllands/Schleswigs dar : Analog zu den dänischen Kontroversen um die Intensivierung grenzüberschreitender Zusammenarbeit machten sich die nationalen Vorbehalte gegenüber einer Annäherung an den deutschen Nachbarn sowie das Festhalten an den historisch geprägten Erinnerungsrahmen deutlich in einer weiteren Museumskonzeption bemerkbar. An den Düppeler Schanzen – dem historischen Schauplatz der militärischen Auseinandersetzungen des Deutsch-Dänischen Krieges – entstand Anfang der 1990er Jahre ein neues Museumsprojekt: das Geschichtszentrum Düppeler Schanzen (Historiecenter Dybbøl Banke). Mit dem Ort selbst verbanden sich seit 1864 auf deutscher und auf dänischer Seite jeweils

142 143 144 145 146

wohl zu erwarten, dass eine Eingliederung in den dänischen Masternarrativ erfolgen wird.« Ebd. S. 108 f. Kirshenblatt-Gimblett, Theorizing Heritage, 1995. S. 369 f. Vgl. Halbwachs, Gedächtnis, 1985. Burch, Stuart. Norden, Reframed. In: Culture Unbound; 2 (2010). S. 565 – 581, hier S. 567: »Framing devices are thus cognitive strategies. They complete symbolically for legitimacy in relation to the archive of other framing devices – both of the past and the present.« Tschirner/Wiese, Wer darf erinnern?, 2011. S. 105. Flaig, Soziale Bedingungen des Vergessens, 1999.

Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark?

425

starke Narrative, die innerhalb der Herausbildung der kollektiven nationalen Identitäten eine große Relevanz besaßen. Insbesondere in Dänemark verknüpften sich mit den Düppeler Schanzen, wie bereits in den vorherigen Kapiteln der vorliegenden Studie dargestellt, grundlegende Erinnerungen. Nicht zuletzt symbolisieren die unterschiedlichen Sinnzuschreibungen das Trennende zwischen den beiden Nachbarstaaten. Inge Adriansen stellte in ihrem 1992 erschienenen Artikel zur Symbolgeschichte von Düppel fest, dass bis in die Gegenwart hinein die dänische Mehrheits- und die deutsche Minderheitsbevölkerung auf getrennten Veranstaltungen der Ereignisse von 1864 gedenkt.147 Im Anschluss an die Unterschutzstellung der Schanzenanlagen Ende der 1980er Jahre entstand aus einer lokalen Initiative die Idee, der nationalen Bedeutung des historischen Schauplatzes durch ein Besucherzentrum und eine Ausstellung gerecht zu werden. Ein 1989 hierzu ausgeschriebener Architekturwettbewerb führte zu der Einreichung von 192 Projektvorschlägen, von denen ein Großteil das Schwergewicht auf die Glorifizierung der dänischen Soldaten legte. Inge Adriansen zeigte in ihrer Analyse des Wettbewerbes auf, dass der Ort auch gegen Ende des 20. Jahrhunderts noch stark mit nationalen Gefühlen aufgeladen war : Zusammengefasst zeigte der Architekturwettbewerb, dass es ein großes Interesse gab, bei der Ausgestaltung eines Hauses mit nationalem Inhalt dabei zu sein – und dass viele, hauptsächlich jüngere Konkurrenzteilnehmer augenfällig nicht fremd gegenüber einem stark gefühlsbetonten Sprachgebrauch waren. Das Nationale scheint aktiv in den Sprachgebrauch und die Vorstellungswelten bei den sehr unterschiedlich gearteten Gruppen von Architekten, von denen nur ganz wenige wohnhaft in Sønderjylland waren, eingegangen zu sein.148

Die nationalhistorische Bedeutung der Düppeler Schanzen wurde mit der Auswahl des Siegerentwurfs nochmals bestätigt. Zugleich war die Entscheidung eine Fortsetzung der seit 1920 verfolgten Danisierungspolitik des Areals, die auf eine Verdrängung deutscher Symboliken und Raumbesetzungen abzielte. So beschrieben die Architekten Ernst Lohse und Michael Freddie ihren Siegerentwurf wie folgt: Dasselbe Gebäude ist gestaltet wie eine scharfe Ecke von einer Verteidigungsbastion. Wie eine nationale Erinnerung regt es aus der Erde heraus, eine Erinnerung an des Krieges Grauen – ein Ragnarök, in welchem Dänemark zu Ende ging – aber gleichzeitig 147 Adriansen, Dybbøl, 1992. S. 277. 148 »Sammenfattende viste arkitektkonkurrencen, at der var stor interesse for at være med til at udforme et hus med et nationalt indhold – og at de mange, hovedsagligt yngre konkurrencedeltagere, tilsyneladende ikke var fremmede over for et stærkt følelsesb”ret sprogbrug. Det nationale synes at indg” aktivt i sprogbrug og forestillingsverden hos den meget forskelligartede gruppe af arkitekter, hvoraf kun ganske f”r var bosiddende i Sønderjylland.« Ebd. S. 280.

426

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

ein Zeugnis von Mut, Stärke und dem Willen zu überleben. Das Gebäude soll wie eine zerschossene Schanze erlebt werden, wo die nationalen Symbole – Dannebrog – Kriegstrophäen – trotz der Eroberung doch vermochten standzuhalten. Wir haben sehr expressive Formen benutzt, um die Gewalt auszudrücken, die die Begebenheiten bei Düppel prägte. Das Besuchszentrum soll ein Monument in der Landschaft sein – ein romantisches Monument für das Dänentum – platziert direkt in Düppel, wo bewiesen wurde, dass Dänemark es wert war, als Nation zu überleben.149

Das Konzept des Besucherzentrums referierte an einen symbolisch stark aufgeladenen Kanon nationaler Werte und Sinnbilder und kombinierte diesen mit einer metaphorischen Architektur, die sich an den Ereignissen der deutschdänischen Geschichte orientierte. Der Verweis der Architekten auf die nordische Mythologie und das nationale Wahrzeichen Danebrog – die dänische Nationalflagge – semantisierte den Museumsneubau mit der Erinnerung an die Abwehr gegen die »deutsche Bedrohung«. Als »romantisches Monument für das Dänentum«150 wurden auf diese Weise noch 1989 die für die Nation erbrachten Opfer als gerechter Kampf legitimiert und als Grundlage des modernen dänischen Selbstverständnisses festgelegt. Das hier zutage tretende Nationsverständnis knüpfte eng an jenes vom französischen Theoretiker Ernest Renan im 19. Jahrhundert entworfene an.151 Die emotionale Besetzung des Geschichtszentrums, wie sie bereits in der Konzeption deutlich wurde, setzte sich in der tatsächlichen Ausstellungsrealisierung fort. In seiner »erlebnisorientierten Geschichtsvermittlung«152 appellierte das Zentrum durch den gezielten Einsatz von Medien und Living History-Elementen über alle Sinne an die Gefühlswelt der Besucher. Bewusst erfolgte die Abgrenzung zu anderen musealen Institutionen des Grenzlandes und einer »traditionellen« historischen Didaktik.153 Aus diesem Grund bezeichnete es sich selbst als »wissenspädagogisches Zentrum«,154 dass 149 »Selve bygningen er udformet som et skarpt hjørne p” en forsvarsbastion. Som et nationalt mindevælder den op af jorden, et minde om krigens gru – et ragnarok da Danmark blev løbet over ende – men samtidigt et vidnesbyrd om mod, styrke og vilje at overleve. Bygningen skal opleves som en gennemskudt skanse, hvor de nationale symboler – Dannebrog – krigstrofæer – trods erobringen dog har form”et at holde stand. Vi har brugt meget ekspressive former til at udtrykke den voldsomhed, der prægede begivenhederne ved Dybbøl. Besøgscentret skal være et monument i landskabet – et romantisk monument for danskheden – placeret netop i Dybbøl, som blev beviset p”, at Danmark var værdig til at overleve som nation.« Zit. nach: Ebd. S. 280 f. 150 Ebd. 151 Renan, Was ist eine Nation?, 1993. 152 Rasmussen, Ren¦. Dänischer Sturm auf Düppel. In: Grenzfriedenshefte; 2/2000. S. 151 – 177, hier S. 152. 153 Ebd. 154 Der dänische Kulturwissenschaftler Mads Daugbjerg kategorisierte das Geschichtszentrum vor dieser Positionsbestimmung als ein »counter-museum«. In einer Stellungsnahme von 1998 wies die Museumsverwaltung auf diesen Aspekt gesondert hin: »Often, people term the battlefield centre a museum. But the centre has a different image of itself! […] We

Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark?

427

das Ziel verfolgt, über die Kulturlandschaft Düppel und die historischen Begebenheiten an diesem Schauplatz aufzuklären und die Erinnerungen daran bewusst wach zu halten. Bereits mit der feierlichen Eröffnung des Besucherzentrums am 18. April 1992, dem Jahrestag des preußischen Angriffes auf die dänischen Schanzen im Deutsch-Dänischen Krieg, verbanden sich große Erwartungen mit der neuen Ausstellungsinstitution. Zum einen besetzte es durch seine exponierte Lage deutlich sichtbar den öffentlichen Raum. In Kombination mit der großen Anzahl an dänischen Flaggen monopolisierte sich hier visuell das nationale Narrativangebot – die letzten verbliebenen preußischen und schleswig-holsteinischen Gedenksteine standen angesichts der Architektur und Lage des Geschichtszentrums, der monumentalen Besetzung der Schanzen mit dänischen Denkmälern seit dem Ende des Ersten Weltkriegs sowie des nationalen Wahrzeichens Düppeler Mühle einer weithin danisierten Landschaft gegenüber.155 Zum anderen erhofften sich die lokalen Unterstützer des Projekts rund 100.000 jährliche Besucher. Aufgrund konzeptioneller Schwächen und einer gewissen Konkurrenzsituation mit anderen Museen der Grenzregion – wie dem Sonderburger Schloss – konnten diese Zahlen jedoch nicht erreicht werden.156 Im Zuge einer Neukonzeption sollten 1999 die interaktiven Elemente der Ausstellung gestärkt, hierdurch die Erfahrbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Ereignisse für gegenwärtige Besucher erhöht und auf diesem Weg die Attraktivität des Geschichtszentrums gesteigert werden. Nach der Vorlage diverser Entwürfe, die partiell für große Kritik von Seiten der eingeladenen Mitarbeiter des Museums Slot Sønderborg geführt hatten, kam es im August schließlich zu einem Vorschlag, der nach dem Willen der Zentrumsverwaltung umgesetzt werden sollte: Neben dem Bau einer dänischen Schanze in Originalgröße – »man plante eine ›Dramatisierung‹ einer Szene aus dem April 1864, in der die Schanze unter Beschuss lag, als eine Art riesengroßes Freilichttheater«157 – beinhaltete dieser Vorschlag die Einrichtung eines interaktiven, medialisierten »DüppelSaals« zur Vermittlung der Abläufe und Bedingungen der Kämpfe. In einem weiteren neuen Abschnitt sollten insbesondere Kinder »die Technik der damaligen Zeit selbst ausprobieren dürfen: Dampfmaschinen, Telegrafenstationen […] und […] das Schießen mit einem dänischen Vorderlader […].«158 Über die Thematisierung des Schicksals der dänischen Nordschleswiger nach 1864 und einer Darstellung aktueller kriegerischer Konflikte in jeweils eigenen Sektionen

155 156 157 158

consider ourselves a knowledge-educational activity centre, i. e. a centre in which we, by means of activities, provide insight into the past in an educational manner.« Zit. nach: Daugbjerg, A site to die for, 2008. S. 147. Siehe Abb. 24. Rasmussen, Dänischer Sturm, 2000. S. 152 f. Ebd. S. 155. Ebd. S. 156.

428

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

wurde der Themenbereich ausgeweitet, der nordschleswigsche Schwerpunkt zugleich intensiviert. Die geplante Umsetzung der Konzeption stieß mit ihrer Bekanntgabe wiederum auf große Kritik, die sich auf mehreren Ebenen bewegte: Der Anspruch des Zentrums, eine Anlaufstelle für Forschungs- und Bildungseinrichtungen zu werden, stieß angesichts der Nichtbeteiligung von Fachleuten zur schleswigschen Geschichte in der Ausstellungsgestaltung auf Unverständnis. Darüber hinaus gab es grundlegende Einwände gegen die Pläne und die Darstellung der Materie. Vertreter des Museums Slot Sønderborg warfen dem Planungsstab des Museums »Geschichtsverfälschung« vor und sprachen von einem »Abenteuerund […] Disneyland.«159 Es sei gar zu befürchten, dass die einseitige Darstellung Misstrauen und alte Feindbilder in Deutschland neu erweckt. Der Chefredakteur der deutschen Minderheitenzeitung Der Nordschleswiger, Siegfried Matlok, formulierte starke Bedenken gegen die wertende und ungleichgewichtige Ausrichtung der Ausstellung. Diese sei eine »einseitige Verherrlichung der dänischen Helden gegen die preußisch-österreichische Übermacht«.160 Angesichts der Emotionalisierung und interaktiven Einbeziehung der Besucher befürchteten die Schleswiger Nachrichten: »Man stellt die Deutschen einseitig als zynische Aggressoren gegen ein unschuldiges und friedliebendes Volk dar.«161 Thorkild Kjærgaard, Historiker und Direktor des Sonderburger Schloss-Museums, fand insbesondere die interaktiven Elemente für Kinder und Jugendliche bedenklich, die sich »beim Abdrücken auf dem Schießstand einen preußischen Soldaten auf der anderen Seite vorstellen […].«162 In der Folge entwickelte sich zwischen den Befürwortern und den Gegnern der Ausstellungspläne eine erbittert geführte Kontroverse, in deren Zuge den Kritikern Befangenheit und Missgunst vorgeworfen wurde. Auf einer gemeinsamen Podiumsdiskussion am 14. Februar 2000 in Sonderburg unter der Anwesenheit von mehreren hundert Zuschauern und zahlreichen nationalen und regionalen Pressevertreter kam es zum offenen Bruch zwischen den beiden Parteien. Erst ein Gutachten des dänischen Generalkonsuls in Flensburg, dem Historiker Henrik Becker-Christensen, in dem dieser zahlreiche Bestandteile der Konzeption als fragwürdig zurückwies, legte die Grundlage für ein Ende des »Sturm[s] über Düppel«.163 Der Vermittlungsprozess und der starke Protest der Bevölkerung führten aus diesen Gründen zu einer teilweisen Revision der Pläne und dem Entschluss zur Fusionierung des Geschichtszentrums mit dem Museum Slot Sønderborg, um auf

159 160 161 162 163

Schleswiger Nachrichten, 12. Februar 2000. Der Nordschleswiger, 29. Januar 2000. Schleswiger Nachrichten, 12. Februar 2000. Ebd. Rasmussen, Dänischer Sturm, 2000. S.174.

Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark?

429

diese Weise die inhaltliche Qualität der Ausstellung zu gewährleisten.164 Der Vorstand des Zentrums verzichtete auf die Umsetzung einzelner planerischer Bestandteile, lediglich die Errichtung der dänischen Schanze wurde zunächst durchgeführt. Erst in einer weiteren Überarbeitung der Ausstellung im Jahr 2004 sollten bewusst ethnisch und national wertende Perspektiven aus der musealen Darstellung entfernt und die problematischen Kapitel der Ausstellung endgültig beseitigt werden.165 Trotz allem, so attestierte der dänische Ethnologe Mads Daugbjerg 2008 in seiner Feldstudie zum Geschichtszentrum, lasse sich auch heute noch anhand diverser Praktiken und Bestandteile des Museums eine rein dänisch-nationale Sichtweise feststellen.166 Daugbjerg schlussfolgerte in Anlehnung an den englischen Sozialpsychologen Michael Billig, es mache sich ein »banal nationalism«167 in der Ausstellung bemerkbar, der dem Rezipienten eine dänisch-nationale Sichtweise unterschwellig vermittelt: »A number of the centre’s initial installations, many of which are still in use, convey a distinctly heroic-romantic vision of the Dybbøl defeat and the Danish spirit held to saturate the site, while not leaving much room for the Prussian perspective.«168 Andere Elemente des Zentrums hingegen würden vordergründig zunächst unpolitisch und nicht national konnotiert erscheinen, so etwa die Darstellung der historischen Ereignissen in den »storytelling-sessions«: Careful not to portray the conflict as an »us vs. them« opposition, and warfare as a heroic business, the storytellers avoid stressing the divide between Danes and Prussians. The war stories narrated at the centre are no longer dominated by stories of outstanding (Danish) individuals and couragoues deeds […].169

Schlussendlich zeige sich laut Daugbjerg dennoch eine einseitige nationale Botschaft als weiterhin elementarer Bestandteil der Ausstellung.170 Es offenbare sich hier sowie anhand der alljährlichen Veranstaltung zum Gedenken an die 164 Schleswiger Nachrichten, 9. Dezember 2000. 165 Daugbjerg, A site to die for, 2008. S. 218 f.: »So though rarely embraced, the nationalist perspective is thoroughly there, built into the very material foundation and the historical decisions und processes which constitute the battlefield centre.« 166 Ebd. S. 189. 167 Billig entwarf sein Konzept das »banalen Nationalismus« in seinem 1995 erschienenen Werk Banal Nationalism. Hierin verwies er auf die Unterschwelligkeit, mit der die Nation in alltäglichen Diskursen durch ständige Repetition verankert ist. Billig, Banal Nationalism, 1995. S. 93. 168 Daugbjerg, Mads. Cosmopolitan nationalism and the banalities of being Danish. In: Speitkamp, Winfried (Hrsg.). Europäisches Kulturerbe. Bilder, Traditionen, Konfigurationen. Stuttgart 2012 [Tagungsbeitrag. Noch nicht erschienen.]. 169 Daugbjerg, Mads. Going global, staying national: museums, heritage and tensions of scale. Paper for London Debates. London 2009. S. 3. 170 »But the nation is not gone […].« Ebd. S. 4 [Hervorhebung im Original].

430

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Gefallenen des Krieges, dass es in Teilen der dänischen Gesellschaft abgelehnt werde, den historischen Schauplatz Düppel mit dem deutschen Nachbarn zu teilen. Die Pläne eines dänischen Militärkommandanten im Jahre 2001, deutsche Bundeswehrvertreter zu einem gemeinsamen Gedenken einzuladen, stießen so auf große Kritik. Die überregionale Tageszeitung Jyllands-Posten lehnte diesen Vorschlag rundweg ab: Düppel »[is] a symbol of the confessional Danishness […] not for explanation, but for remembrance.«171 Ein Vertreter der rechten Dänischen Volkspartei (Danske Folkeparti) opponierte beim Verteidigungsminister gegen die Pläne und stellte fest, »that the Dybbøl Day [must] remain i Danish commemoration […].«172

VII.3.c. Museumslandschaft Sønderjylland/Schleswig heute Das Frøslevlager Museum und das Historiecenter Dybbøl Banke bilden zwei herausragende Beispiele für die Museumslandschaft in der deutsch-dänischen Grenzregion und deren Entwicklung in den letzten rund zwanzig Jahren. Beide stehen für ein Kulturerbe, welches primär innerhalb eines dänisch-nationalen Narrativs eingeordnet und museal tradiert wird. Die potentiellen Anknüpfungspunkte, die sich an den Orten Frøslev/F”rhus und Düppel aufgrund der grenzüberschreitenden Geschichte für einen transnationalen Dialog ergeben könnten, werden durch diese starke nationale Perspektive verdrängt. In ihrer Stellung als nationale Symbole nehmen beide Orte eine zentrale Funktion innerhalb der dänischen Nationalidentitätskonstruktion ein und sind bis in die Gegenwart hinein eng mit dem Bild »Deutschlands als Problem Dänemarks« verknüpft. Die Erinnerung an das kollektive Leiden und die angesichts einer deutschen »Bedrohung« gemeinsam erbrachten Opfer für das Überleben des dänischen Staates stellen aus diesem Grund einen zentralen »Mythomoteur« und Sinnstifter nationalen Selbstbewusstseins dar.173 Während sich auf institutioneller Ebene die Zusammenarbeit im kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Bereich über die Grenze hinweg zunehmend vertieft, belegen die beiden Beispiele ein Überleben alter Ressentiments und Abgrenzungsbestrebungen. Über die Betonung historischer Differenzen konzeptualisiert sich im Kulturerbe der Grenzregion somit das nationale Selbstverständnis.174 Kollektive 171 Zit. nach: Daugbjerg, A site to die for, 2008. S. 2. 172 Zit. nach: Ebd. S. 3. 173 »The symbolic power of defeat, with the paradoxical blend of morning and triumph […] is profoundly salient in the case of the Dybbøl Battlefield Centre […].« Daugbjerg, Cosmopolitan nationalism, 2012. S. 5. 174 Bendix/Hemme/Tauschek zeigten in der Einleitung ihres Sammelbandes Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen den Zusammenhang von nationaler

Museen als »cultural brokers« zwischen Deutschland und Dänemark?

431

Verlusterfahrungen, eine gemeinsame Leidensbiographie und ein nationales Ohnmachtsgefühl angesichts eines als übermächtig empfundenen deutschen Nachbarn kristallisieren sich an den historischen Schauplätzen der deutschdänischen Geschichte und bilden das Grundgerüst eines nationalen Narratives. Die Ausstellungen in Frøslev und Düppel erfüllen dieses Differenzierungsbedürfnis durch die selektive Auswahl, Erinnerung und Darstellung von Episoden der gemeinsamen Geschichte, in denen tradierte Bilder der problematischen Geschichte, die ins 19. Jahrhundert zurückreichen, bis in die jüngste Vergangenheit hinein überliefert und im kollektiven Gedächtnis wach gehalten werden. Die in der Einleitung der vorliegenden Studie zitierte Feststellung von Hans Ottomeyer, dass sich anhand der Geschichte der Museen die Historie Europas nachvollziehen lasse, verdeutlicht sich hier exemplarisch: Entgegen einer gemeinsamen Entwicklungsgeschichte und Perspektive, so Ottomeyer, ist die Geschichte davon geprägt, dass »sich die nationalen europäischen Kulturen trotz aller Vernetzung der Dynastien, der politischen Organisation […] bis in die Gegenwart hinein stets massiv um Abgrenzung untereinander bemüht haben und noch bemühen […].«175 An den beiden in diesem Kapitel vorgestellten Beispielen manifestiert sich dieser Gegensatz partiell auch noch heute, eine Inklusion abweichender, deutscher sowie schleswig-holsteinischer Narrative in die Diskussionen und Praktiken um das Kulturerbe erfolgt nur zögerlich seit wenigen Jahren. In einem Vergleich mit der Idstedt-Gedächtnishalle kann aus diesem Grund ein qualitativer Unterschied der heutigen gesellschaftlichen Relevanz zum Frøslev-Museums und dem Historiecenters festgestellt werden: Die Ausstellungshalle in Idstedt hat im Laufe der Jahre, wenn auch erst so richtig seit der letzten Jahrhundertwende, ihre vormals starke deutsch-nationale Konnotation verloren und repräsentiert als ein regionales Erbe die grenzüberschreitende Annäherung. Dahingegen sind die beiden anderen Institutionen fester Bestandteil eines nationalen Meisternarratives in Dänemark. Als solches sind sie aufgrund ihrer identifikatorischen Relevanz nur schwer mit einer transnationalen Erzählung vereinbar. Dies liegt insbesondere an der zentralistischen Ausrichtung des dänischen Staates, der seit der Grenzverschiebung von 1920 sämtliche regionalen Bestrebungen und Sinnzuschreibungen in Sønderjylland zugunsten nationaler Bedeutungen zurückgedrängt hat. Vor diesem Hintergrund kam gegen Ende des 20. Jahrhunderts von Seiten privater Initiatoren die Idee auf, ein grenzüberschreitendes Museumsnetzwerk zur regionalen Industriekultur zu gründen. Da es auf beiden Seiten der Grenze kein Industriemuseum im eigentlichen Sinne gab, sollten mithilfe einer tourisDifferenz, materiellem Kulturerbe sowie Identitäts- und Alteritätsprozessen auf. Bendix/ Hemme/Tauschek, Vorwort, 2007. S. 9. 175 Ottomeyer, Zeugnisse der Geschichte, 2010. S. 23.

432

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

tischen Route unterschiedliche, kleinere Museen institutionell verbunden und das gemeinsame Kulturerbe der Region betont werden.176 Sowohl die dänischen als auch die deutschen Verwaltungsbehörden signalisierten rasch Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung des Projektes, dem ein großes Potential zur Förderung eines regionalen Selbstverständnisses zugesprochen wurde.177 Der Direktor des Museums in Sonderburg, Thorkild Kjærgaard, plädierte angesichts der zunehmend grenzüberschreitenden Vernetzung auf administrativer und politischer Ebene auch für die Stärkung der gemeinsamen kulturellen Wurzeln: However, amore enduring manifestation of the region’s contested heritage would be achieved by the implementation of a recent initiativ aimed at establishing an Industrial Museum of Schleswig. The museum would serve a dual purpose: it would both celebrate Schleswig’s heritage and commemorate the industrial history. To this extent, it would function as an explicit community-building project, with overt and acknowledged political ends.178

Aufgrund der systematischen Unterdrückung einer regionalen Identität durch den dänischen, aber auch den deutschen Staat, so Kjærgaard, wurde die Herausbildung eines schleswigschen Selbstbewusstseins verhindert. Im Sinne der gegenwärtigen Kulturpolitik der Europäischen Union sei es hingegen, regionale Eigenarten zu stärken und zu unterstützen. Er brachte dafür die Gründung eines transnationalen, schleswigschen Industriemuseums ins Gespräch: It would provide a heritage site, which could, in due course, serve as a much-needed focal point for the reinvention of a Schleswigian identity and contribute to the empowerment of a population that has been culturally and economically marginalized. Democracy as a political system requires such an open politicization of culture and the nurturing of a communal identity for its effecitve operation, a fact readily acknowledged by the EU. An Industrial Museum of Schleswig would support and promote regionalism and regional ideas in Europe, one of the central pillars of the European idea as it is embodied in EU policy.179

In Anlehnung an Kjærgaards Vorschlag wurde im Dezember 2002 unter der Anleitung des Museums Sønderborg Slot und der Kulturstiftung des Kreises Schleswig-Flensburg eine aus 25 Stationen bestehende Route herausgearbeitet, die zahlreiche öffentliche Museen und private Initiativen zur engen Zusam176 Schleswiger Nachrichten, 3. März 1999. 177 Beispielsweise betonte der stellvertretende Kreispräsident des Kreises Schleswig-Flensburg, Ingo Degner : »[…] die Lücke der Industriekultur in den Museen muß geschlossen werden. Die Bürger brauchen dies zur eigenen Identitätsfindung […].« Ebd. 178 Kjærgaard, Thorkild. Contested Heritage and Identity Politics: The Industrial Museum of Schleswig. In: Peckham, Robert Shannan. Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 102 – 110, hier S. 109. 179 Ebd. S. 110.

Das materielle Kulturerbe der Region Sønderjylland/Schleswig heute

433

menarbeit verbinden und ein gemeinsames regionales, grenzüberschreitendes Kulturerbe betonen sollte.180

VII.4. Das materielle Kulturerbe der Region Sønderjylland/Schleswig heute – Hindernisse, Chancen, Entwicklungen VII.4.a. Diskussionen und Praktiken der Gegenwart Die Beispiele der Idstedt-Gedächtnishalle und des Flensburger Löwen belegen vor allem einen Wandel der Diskussionen und Praktiken um das materielle Kulturerbe seit der letzten Jahrtausendwende. Hiermit einher ging die Bereitschaft, sich mit den Mehrfachsemantisierungen, die der wechselvollen Historie des Grenzlandes geschuldet sind, auseinanderzusetzen sowie neue Narrative, die von der positiven Entwicklung des grenzüberschreitenden Verhältnisses künden, zuzulassen. Die Annäherung im Bereich des kulturellen Erbes ist eine Folge des europäischen Integrationsprozesses. Zugleich zeugen jedoch etwa das Historiecenter Dybbøl Banke sowie das Frøslev-Lagermuseum weiterhin von dem Bedürfnis, an einem selektiven Geschichtsbild festzuhalten und auf diesem Wege kollektive Identitätskonstruktion nicht in Frage zu stellen. Diese bis in die Gegenwart existierende, intentionale Abgrenzung zeigt sich insbesondere im Kontext von Erinnerungsorten, die eng mit dem Topos »Deutschland als Problem Dänemarks« verbunden sind. Während beispielsweise Idstedt in der kollektiven dänischen Identität nie eine besonders relevante Rolle spielte, stehen die Düppeler Schanzen sowie das Konzentrationslager Frøslev für traumatische Erfahrungen und Leidenserlebnisse angesichts eines als übermächtig empfundenen, südlichen Nachbarn. Der nationale Gegensatz und die mit konkreten Orten verbundenen Erinnerungen an den Verlust Schleswigs im 19. Jahrhundert stellen partiell bis in die Gegenwart eine zentrale Rahmenerzählung dänischen Selbstverständnisses dar. Allein die Quantität der dänischen Denkmäler, die in Bezug auf das deutsch-dänische Verhältnis errichtet wurden, weist auf die Sonderstellung dieses Erinnerungsrahmens in Dänemark hin. Eine zentrale Registrierung aller nationalen Monumente durch eine Unterabteilung des Kultusministeriums ergab 2004 das Bild einer als problematisch erfahrenen Geschichte: Während die kriegerischen Auseinandersetzungen mit Schweden und England in der nationalen Erinnerungstopographie nur geringe Spuren hinterließen, war der deutsche Nachbar Anlass für die Errichtung von 180 Flensborg Avis, 6. Dezember 2002.

434

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

rund 1.830 Denkmälern und Gedenksteinen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts.181 Als deutlich wahrnehmbare Zeichen prägen sie den öffentlichen Raum und die nationale Monumentallandschaft. Im Sinne des ErinnerungsrahmenKonzeptes182 des französischen Kulturtheoretikers Maurice Halbwachs bilden die zahlreichen Denkmäler eine materialisierte Form des kollektiven Gedächtnisses und tradieren den Topos der traumatischen Geschichte als ein grundlegendes Narrativ dänischer Identität. Über die starke Präsenz der Opfererinnerung bleibt so bis in die jüngste Vergangenheit die Vorstellung vom problematischen deutschen Nachbarn vor allem im Grenzraum in enger Verknüpfung mit dem materiellen Kulturerbe von Bedeutung. In Anlehnung an Halbwachs’ Theorien zum kollektiven Gedächtnis pointierte Jan Assmann die Langlebigkeit mentaler Grenzziehungen und der mit ihnen verknüpften Raumstrukturen.183 Aus diesem Grund lässt sich am kulturellen Erbe der nationalen dänischen Denkmäler, die oftmals mit der Intention der nationalen Abgrenzung errichtet wurden, eine seit der Mitte des 19. Jahrhunderts andauernde Kontinuität in der Definition von Identität und Alterität konstatieren, die teilweise auch heute noch von Relevanz ist.184 Im Kontext des nationalen Abgrenzungsbedürfnisses auf dänischer Seite existiert weiterhin ein äußerst selektiver Umgang mit dem materiellen Kulturerbe, so dass sich entgegen der positiven Entwicklung der Minderheitenfrage im Bereich der Erinnerungskulturen oftmals noch Grenzen zeigen. Dies deutet zum einen auf die unterschiedlichen Geschichtskulturen nördlich und südlich der Grenze hin, zum anderen zeigt sich, dass das Kulturerbe der Grenzregion insbesondere auf dänischer Seite weiterhin unter primär nationalen Gesichtspunkten wahrgenommen wird. Aspekte, die auf eine gemeinsame, über Jahrhunderte friedliche deutsch-dänische Historie verweisen, 181 Vgl.: »Dänemark hat sich mit Schweden insgesamt 44 Jahre, verteilt auf sechs Kriege, im Kampf befunden […]. Für diese Kriege wurden 29 Gedenkstätten errichtet. Mit England befand sich Dänemark 14 Jahre im Krieg […], dabei wurde Kopenhagen bombardiert und die dänische Flotte wurde erobert. Dieser Krieg war Anlass für die Errichtung von 13 Gedenkstätten. Mit deutschen Staaten hat sich Dänemark dreimal und insgesamt 9 Jahre im Krieg befunden […]. Das bedeutet, dass es zum dänisch-deutschen Verhältnis ca. 1830 Gedenkstätten gibt, die sich auf die 43.000 km2 verteilen, die das heutige Dänemark ausmachen oder ein Denkmal auf jeweils 2,3 km2.« Adriansen, Erinnerungsorte, 2004. S. 391 – 411, hier S. 408 f. 182 Halbwachs, Gedächtnis, 1985. 183 Assmann, Israel und Ägypten, 1997. S. 93. 184 So resümierte auch die dänische Historikerin Inge Adriansen in ihrem Zwischenbericht zur Registrierung der nationalen Gedenkstätte, dass weiterhin die Unterscheidung zwischen »wir« – den Dänen – und »sie« – den Deutschen – von großer Bedeutung für die dänische Identitätsbildung ist: »Betrachtet man die fast zweitausend dänischen Denkmale, die Aspekte des dänisch-deutschen Verhältnisses beschreiben, kann es nicht verwundern, dass ein Grad von antideutschen Gefühlen […] ein wirksamer Teil der dänischen Identität war – und es weiterhin ist. Adriansen, Erinnerungsorte, 2004. S. 409.

Das materielle Kulturerbe der Region Sønderjylland/Schleswig heute

435

werden vergessen beziehungsweise verdrängt und nicht in das kollektive Gedächtnis aufgenommen. So finden sich entgegen der zahlreichen Monumente, die die problematischen Aspekte der geteilten Geschichte betonen, nur wenige Denkmäler und Orte, die bewusst auf die Gemeinsamkeiten und das lange Zeit positive Zusammenleben in der Region hinweisen. Kulturelle Zeugnisse, die nicht in das Geschichtsbild passen und stattdessen von der gegenseitigen kulturellen Beeinflussung berichten, werden bis in die Gegenwart hinein partiell aus dem kollektiven Bewusstsein verdrängt. Der Umgang mit dem baukulturellen Erbe aus der Heimatschutzbewegung etwa zeigt, dass nach der Grenzverschiebung des Jahres 1920 gegenseitige Beeinflussungen bewusst negiert und die Bauform zum Zwecke nationaler Agitation politisch gegeneinander eingesetzt wurde. So attestierte Peter Dragsbo 2009, dass die »südjütische Architektur und der Baustil ein multinationales und multikulturelles Kulturerbe sind, in dem sich das Aufeinandertreffen von Kulturströmungen und nationaler Politik über mehrere Jahrhunderte abspielt.«185 Aufgrund der nationalkulturellen Auseinandersetzungen wurden nach der Volksabstimmung 1920 die Parallelen und die Gemeinsamkeiten von beiden Seiten negiert und das bauliche Erbe und die darauf fußende Heimatschutzarchitektur zu grenzkulturellen Zwecken instrumentalisiert. Die Folgen dieser Entwicklung zeigen sich selbst heute noch etwa in der praktischen Denkmalpflege Dänemarks, die die baulichen Zeugnisse der Wende zum 20. Jahrhundert mehr oder weniger ignoriert, wie auch Peter Dragsbo beklagte: Aber hat dieses grenzüberschreitende Kulturerbe den Platz in den gesammelten Bildern von Dänemarks Kulturerbe erhalten, den es verdient? Betrachtet man die Liste der denkmalgeschützten Bauwerke, scheint es ein Problem zu geben. Von den großen, öffentlichen Bauten der Periode 1864 – 1920 sind zum Beispiel nur zwei denkmalgeschützt […].186

Erst mit dem 2010 erschienen Werk Skjulte skatte i grænselandet, das hauptsächlich der dänischen Architektur in Schleswig-Holstein gewidmet ist, rückten die gegenseitigen Einflüsse in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit.187 Während in Schleswig-Holstein eine Reihe von dänischen Bauwerken und Kulturmonumenten wie die Eiderkanal-Speichergebäude in Tönning, Rendsburg und Holtenau sowie die Villen von Christian Frederik Hansen in Altona unter Denkmalschutz stehen, befindet sich in Nordschleswig seit 2003 erst einziges Gebäude unter der Obhut der staatlichen Denkmalpflege.188 Die Ver185 Dragsbo, Dansk og tysk, 2009. S. 109. 186 Ebd. 187 Lægring, Kasper/Noldus, Badeloch Vera/Aahauge, Jakob (Red.). Skjulte skatte i grænseæandet. Dansk bygningsarv i Slesvig og Holsten. Frederiksberg u. a. 2010. 188 Vgl. »In Nordschleswig haben wir nur ein öffentliches, unter Denkmalschutz stehendes

436

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

drängung deutscher Einflüsse im Bereich des kulturellen Erbes aus dem kollektiven Gedächtnis zeugt von einem weiterhin bestehenden Bedürfnis der Aufrechterhaltung der mentalen und kulturellen Grenzen. Die versuchte Exklusion vermeintlich fremder Kultureinflüsse auf die Region Sønderjylland ist aufgrund des Bedürfnisses nach nationaler Abgrenzung ebenfalls in großem Maße historisch bedingt. So ist die nationalstaatliche Ideologie in Dänemark durch eine stark ausgeprägte, zentralistische Staatsauffassung gekennzeichnet, innerhalb derer die Betonung regionaler Abweichung bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts bekämpft wurde.189 Nach dem Verlust der Region an den preußischen Staat 1864 diente Schleswig, so der Historiker Steen Bo Frandsen, »als Erinnerungsort«, um »die nationalen Ressourcen zu konzentrieren und ihnen ein genaues Ziel zu geben: den Aufbau und die Befestigung eines dänischen Nationalstaates.«190 Während das Herzogtum in den Jahren bis zur »Wiedervereinigung« mit Dänemark als einzige Region des ehemaligen Gesamtstaates neben einer eigenen Regionalhistoriographie auch eine eigene Erinnerungskultur erhalten hatte, kam es im Anschluss an die Grenzverschiebung 1920 zu einer gezielten Nationalisierungs- und Danisierungspolitik, die die regionalen Tendenzen verdrängte. Diese rigide nationale Identitätspolitik ist vor allem durch die asymmetrische deutsch-dänische Beziehung im schleswigschen Grenzraum bedingt: Die gefühlte Bedrohung durch den südlichen Nachbarn initiierte eine nationale Bewegung, die es sich zum Ziel machte, einen kulturell homogenen Nationalstaat zu konstruieren, dessen Territorium zwischen Skagerrak und Eider kulturell eindeutig vom deutschen Nachbarn zu unterscheiden war. Eine 2006 erfolgte Verwaltungsreform, so Frandsen, sei hierauf zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund zeugt der denkmalpflegerische Umgang mit den baulichen Zeugnissen in der Region Nordschleswig über das nationale Abgrenzungsbedürfnis hinaus von der versuchten Negierung regionalspezifischer Eigenarten, wie sie beispielsweise durch die Heimatschutzarchitektur deutlich wurde. Angesichts der am Beispiel der Heimatschutzarchitektur zu beobachtenden Negierung regionalspezifischer Kulturausprägungen in Dänemark muss konstatiert werden, dass bis ins 21. Jahrhundert das materielle Kulturerbe der Region seine primär nationale Relevanz behalten hat. Die zentralistische StaatsBauwerk aus preußischer Zeit – nämlich die frühere Landwirtschaftsschule in Tondern […]. Erst im vergangenen Jahr wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Ansonsten sieht es milde gesprochen schlecht aus. In Dänemark stehen einige alte Bahnhöfe unter Denkmalschutz, in Nordschleswig aber kein einziger aus deutscher Zeit, und viele wurden abgerissen. […] Eine Anzahl auch selbst neuerer Schulgebäude steht in Dänemark unter Denkmalschutz – in Nordschleswig aber kein einziges aus deutscher Zeit.« Dragsbo, Das deutsche Kulturerbe, 2004. S. 201. 189 Frandsen, Jylland og Danmark, 1992. S. 103 – 129. 190 Frandsen, Schleswig, 2009. S. 36.

Das materielle Kulturerbe der Region Sønderjylland/Schleswig heute

437

ausrichtung, die Tradierung eines Geschichtsbildes, welches eine vermeintlich kulturelle Homogenität betont, sowie ein weiterhin existentes Abgrenzungsbedürfnis gegenüber dem südlichen Nachbarn sind die Ursachen für das Primat nationaler Sinnzuschreibungen und Narrative im Grenzland. Es zeigt sich gerade am kulturellen Erbe des 19. Jahrhunderts, welches eng mit der Nationswerdung korreliert ist, dass mögliche regionale Deutungsebenen weiterhin zugunsten der nationalen Dominante verdrängt werden. Das eindrücklichste Beispiel hierfür ist die Memoriallandschaft an den Düppeler Schanzen, die seit 1920 zunehmend danisiert und dem deutschen Zugriff entzogen worden ist. So hat etwa Mads Daugbjerg verdeutlicht, dass die Perspektive des Historiecenter Dybbøl Banke trotz der 2004 erfolgten Überarbeitung auch gegenwärtig noch von einer stark nationaldänischen Sichtweise geprägt ist, die die deutsche Seite auf den Part des reinen Widersachers marginalisiert.191 Aufgrund der signifikanten Relevanz der Erinnerung des Traumas »Düppel« für das dänische Kollektivgedächtnis stellt es bis in die Gegenwart einen zentralen nationalen Erinnerungsrahmen dar. Über die Düppeler Schanzen hinaus gilt dies ebenso für die mit der deutschen Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg verbundene nationale Ohnmachtserfahrung, deren museale Darstellung im ehemaligen Gefangenenlager in Frøslev abweichende Narrative, wie etwa die Zeit der Rechtsabrechnung nach 1945, bewusst verdrängt.

VII.4.b. Ein grenzüberschreitendes Kulturerbe? Doch es zeigen sich ebenfalls Beispiele wie der Flensburger Löwe und die IdstedtGedächtnishalle, die von einem deutlichen Wandel der deutsch-dänischen Beziehungen im Grenzland im Allgemeinen und in Bezug auf das Kulturerbe im Besonderen sprechen. Der Wandel im Bereich des kulturellen Erbes ist auf die gegenseitige Annäherung im Zuge des europäischen Integrationsprozesses zurückzuführen. Diese Entwicklung besitzt jedoch erst seit der letzten Jahrtausendwende eine größere Relevanz. Bis Ende der 1990er Jahre waren so die Gedenkfeiern an der Idstedt-Halle von einer eindimensionalen Perspektive geprägt, ebenso wurden im Zuge der Diskussion um das Löwen-Denkmal weiterhin nationale Ressentiments artikuliert, die nur vor dem Hintergrund der Geschichte verständlich sind. Symptomatisch hierfür ist die Feststellung des Historikers Manfred Jessen-Klingenberg, dass sich die Historiographie Dänemarks und Schleswig-Holsteins seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auf die nationalen Gegensätze im Grenzland konzentriert habe und auf diese Weise der 191 Daugbjerg, A site to die for, 2008.

438

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

Vorstellung von einer problematischen Geschichte Vorschub leiste.192 Auch die Berliner Publizistin Claudia Beindorf hob in diesem Sinne hervor, dass die Geschichte des deutsch-dänischen Grenzraums immer unter Ausschluss von Gemeinsamkeiten betrachtet worden sei: Auffällig ist, dass bis in dieses Jahrhundert hinein die Geschichte des Grenzlandes als ein Entweder/Oder gedacht wird, in der weder die Möglichkeit eines befruchtenden Nebeneinanders der auch auf Lokalebene gleichgestellten »Kulturen« verfolgt wird, geschweige denn die einer spezifischen schleswig-holsteinischen oder südjütischen oder Grenzlands-Identität.193

Erst in den letzten Jahren zeigt sich ein Bewusstseinswandel, der die historischen Gemeinsamkeiten und die Wechselseitigkeit der Ereignisse seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit rücken lässt. Es sind insbesondere die Idstedt-Gedächtnishalle und der Idstedt-Löwe, an der sich seit einigen Jahren diese Entwicklung anschaulich abspielt. Die Grundlage hierfür bildet eine bewusste Thematisierung der unterschiedlichen Narrative, die sich mit dem Kulturerbe verbinden. Darüber hinaus rückt ein weiteres Projekt in den Mittelpunkt einer regionalhistorischen Identitätskonstruktion. Als »kulturhistorische Wirbelsäule Nordeuropas«194 nimmt der so genannte Ochsenweg, im Dänischen Hærvej genannt, eine zentrale Stellung in der Frage ein, ob es überhaupt eine spezifische Regionalidentität gibt.195 Dieser frühzeitliche Handels- und Heeresweg besaß insbesondere im Mittelalter eine wichtige Funktion als Kommunikations-, Waren-, Pilger- und Aufmarschroute. Über das verzweigte Netz der von Norden nach Süden über die jütische Halbinsel verlaufenden Wege verband sich Skandinavien mit dem restlichen Europa und sorgte für einen reichhaltigen kulturellen und wirtschaftlichen Austausch in beide Richtungen.196 Seinen Namen erhielt das Wegenetz durch den Massenexport von Ochsen aus dem Gebiet des 192 Jessen-Klingenberg, Schleswig-Holsteins Geschichtsschreibung, 1998. S. 217. 193 Beindorf, Erinnerungsort, 2002. S. 74. 194 Hill, Thomas. Der Ochsenweg. Zur Konstruktion regionaler historischer Identität. In: Lundt, Bea (Hrsg.). Nordlichter. Geschichtsbewusstsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe (Beiträge zur Geschichtskultur ; 27). Köln/Weimar/Wien 2004. S. 47 – 65, hier S. 54. 195 Riis, Gibt es ein schleswig-holsteinisches Selbstverständnis?, 2004. S. 373 – 389. 196 Thomas Hill verweist auf die besondere Bedeutung des Route als Transitstrecke: »[…] die Geschichte des Heerweges enthält immer auch vielfältige wirtschafts- und kulturgeschichtliche Dimensionen und steht in enger Wechselwirkung mit der allgemeinen schleswig-holsteinischen Landesgeschichte. Und nicht zuletzt wird deutlich, dass der Heerbzw. Ochsenweg eine ganz zentrale Transitstrecke innerhalb Nordeuropas bildete und zum Austausch von Menschen, Waren und Ideen, aber leider auch von Kriegen und Krankheiten bzw. Epidemien beitrug. […] Die wenig entwickelte und schwach urbanisierte schleswigholsteinische Geest lag nicht wirklich abseits, sondern dank der Fernstraße, die durch sie führte, war sie direkt mit Skandinavien und Zentraleuropa verbunden.« In: Hill, Ochsenweg, 2004. S. 54 f.

Das materielle Kulturerbe der Region Sønderjylland/Schleswig heute

439

heutigen Dänemarks nach Europa hinein.197 Während das Streckennetz mit dem Beginn der Industrialisierung seine Funktion verlor und vor allem in Deutschland in Vergessenheit geriet, erhielt der Weg zu Beginn der 1990er Jahre zunächst in Dänemark wieder Aufmerksamkeit. Als Zeugnis einer dänischen Historie Schleswigs wurden Teile der Route südlich der Grenze touristisch erschlossen. So warb ein Kulturreiseführer 1993 damit, dass eine Besichtigung des Weges an die dänische Geschichte der Region erinnere: »Eine Tour in die Heimat kann dazu beitragen, das Bewusstsein und Verständnis für Südschleswigs alten Platz als ein Teil von Sønderjylland.«198 Als »Dänemarks Europaweg Nr. 1« stellte das Wegenetz eine wichtige Verbindung zum europäischen Kontinent dar.«199 Erst seit Mitte der 1990er Jahre entwickelt sich in Schleswig-Holstein ebenfalls ein Bewusstsein für den kulturhistorischen Wert des Ochsenwegs. Unter touristischen Aspekten koordiniert seit 1996 ein eigens gegründeter Verein – die Arbeitsgemeinschaft Ochsenweg e.V. – Forschungs- und Förderungsarbeiten im Kontext mit dem mittelalterlichen Kulturerbe. So sieht der Historiker Thomas Hill in der Beschäftigung mit den historischen Zeugnissen des Landes, die nicht in einem unmittelbaren Kontext zu den Nationalisierungsprojekten des 19. Jahrhunderts stehen, ein großes, aus dem Tourismus erwachsendes Potential für die Grenzregion und den europäischen Gedanken: Die Vergegenwärtigung der Geschichte des Ochsenweges in unterschiedlichen Formen und Medien eröffnet […] die Perspektive, die Geest auch heute und in der Zukunft wieder als eine mit Europa verknüpfte Region, als eine Region in Europa zu begreifen. Der Ochsenweg entwickelt sich zumindest in der schleswigschen Geest für viele Menschen zu einem »Erinnerungsort« der Region im übertragenen Sinn, das heißt zu einem zentralen Element, einem Kristallisationspunkt historischer Identität.200

Der Ochsenweg steht so im Gegensatz zu zahlreichen anderen Beispielen vor allem für ein Kulturerbe, das von der gegenseitigen Verflechtung und den Kommunikations- und Austauschprozessen von Süden und Norden in die Region hinein künden und dadurch die historisch problematische Grenzfrage umgeht. Da der Handelsweg, ähnlich wie die Siedlung Haithabu und das Danewerk, ein Kulturerbe darstellt, welches in der Zeit vor der Nationalisierung 197 Zur Kulturgeschichte des Ochsenwegs siehe: Lidegaard, Mads. Hærvejen fra Limfjorden til Dannevirke. Kopenhagen 1992; Hill, Ochsenweg, 2004; Lubowitz, Frank. Der Heer- und Ochsenweg durch Nordschleswig. In: Gerd, Stolz/Weidling, Guenther (Hrsg.). Nordschleswig. Landschaft – Menschen – Kultur. Husum 2005. S. 28 – 33. 198 »Ture ud i hjemstavnen kann bidrage til at styrke bevidsthed og forst”elsen for Sydslesvigs gamle plads som en del af Sønderjylland.« Wingender, Franz. Hærvejen (Ad sydslesvigske veje; 5). Flensburg 1993. S. 3. 199 Becker-Christensen, Henrik/Sørensen, Preben. Hærvejen gennem Sønderjylland. Kilder – Mindesmærker – Turforslag (Sønderjylland. Lokalhistoriske Emner ; 46,4) Apenrade 1983. S. 5. 200 Hill, Ochsenweg, 2004. S. 62.

440

Europa und das Kulturerbe der Grenzregionen

des 19. Jahrhunderts entstand, verbinden sich hiermit keine Leidenserfahrungen. Auf dieser Basis bildet es eine Möglichkeit zur Erinnerung an die gemeinsame Kulturgeschichte der Region.

VIII. Fazit

Wenn wir mit dem Bus nach Südschleswig fahren, dann besuchen wir in erster Linie dänische Denkmäler in und um Flensburg oder das Dannewerk. Aber warum sieht man nicht auf die schleswig-holsteinische Seite der Geschichte? Wie wäre es mit einer Fahrt zum Scheersberg, zum »Knivsberg-Bismarck« auf dem Aschberg bei Hütten, zur Idstedt-Halle oder in die Flensburger Jugendstil-Viertel? Ebenso könnten Deutsche aus Schleswig-Holstein zum Beispiel »Skamlingsbanken«, der Randershofer Heimvolkshochschule oder einer früheren dänischen Kleinbauernkolonie einen Besuch abstatten.1

Diese im Jahr 2004 vom dänischen Architekturhistoriker Peter Dragsbo in einem Artikel der Grenzfriedenshefte aufgeworfenen Fragen versinnbildlichen das deutsch-dänische Verhältnis in der Gegenwart vor dem Hintergrund einer häufig als problematisch empfundenen gemeinsamen Geschichte in der Region Sønderjylland/Schleswig. Einen zentralen Aspekt dieser Beziehung stellen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die national geprägten Auseinandersetzungen um das materielle Kulturerbe der Grenzregion dar. Die Analyse der Diskussionen und Praktiken um die Denkmäler, die Museen und das baukulturelle Erbe der Region belegt die Signifikanz materieller kulturhistorischer Zeugnisse für die Aushandlung der territorialstaatlichen Grenzziehung in Schleswig. Daher sind diese Kontroversen nicht isolierte Phänomene der deutsch-dänischen Geschichte, sondern sie treten als integrale Bestandteile der übergeordneten Minderheiten- und Grenzfragen auf, die das Verhältnis der beiden Staaten seit 1864 prägen. Die vorliegende Studie zum materiellen Kulturerbe der Region Sønderjylland/Schleswig liefert aus diesem Grund nicht nur eine Analyse zeithistorischer Debatten und Entwicklungsprozesse, darüber hinaus ermöglicht sie Rückschlüsse auf nationalstaatliche Identitätskonstruktionen, kulturelle Abgrenzungsprozesse und die Beziehungsgeschichte zwischen Deutschland und Dänemark. 1 Dragsbo, Peter. Das deutsche Kulturerbe in Nordschleswig – vergessen und vernachlässigt? In: Grenzfriedenshefte; 3/2004. S. 199 – 203, hier S. 203.

442

Fazit

Während die Nationalitätsfrage bis ins 19. Jahrhundert in den Herzogtümern Schleswig und Holstein nahezu keine Rolle spielte, der dänische Gesamtstaat vielmehr durch seine nationale Offenheit geprägt war und zahlreiche Kontakte mit den deutschen Staaten von der gegenseitigen Verflechtung zeugen, ging mit der Entstehung der nationalliberalen Bewegungen eine Problematisierung der Schleswigfrage einher. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte sie mit dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864, der den Konflikt aus dem regionalen Kontext löste und über die militärische Verwicklung Preußens und Österreichs zu einer Nationalisierung beitrug. Für die weitere Entwicklung sowohl des deutsch-dänischen Verhältnisses als auch der Semantisierung und der Instrumentalisierung des materiellen Kulturerbes der Grenzregion erwiesen sich vor allem die historischen Brüche der Jahre 1864, 1920, 1933, und 1945 als von zentraler Relevanz. Diese Zäsuren leiteten jeweils große politische Umbrüche ein, deren Folgen sich in den Auseinandersetzungen um das Kulturerbe Schleswigs widerspiegelten. Vor dem Hintergrund dieser Einschnitte ergeben sich sechs signifikante Befunde: 1. Das kulturelle Erbe erhielt im Verhältnis der beiden Staaten eine Schlüsselstellung in der Verhandlung territorialer Grenzziehung, weil es eine wesentliche Funktion in der Herausbildung und der Tradierung von kollektiven Erinnerungsrahmen und Identitäten einnahm. Die Instrumentalisierungen, grenzüberschreitenden Debatten und Kontroversen um einzelne Denkmäler, Museen, Ausstellungen, das baukulturelle Erbe sowie die mittelalterlichen materiellen Zeugnisse der Landesgeschichte sind nicht als isolierte Phänomene zu sehen, sondern erhielten ihre Wirkmächtigkeit erst im Kontext des seit der Mitte des 19. Jahrhunderts tradierten nationalen Gegensatzes. Im Sinne der theoretischen Konzeption Stuart Halls besaß das materielle Kulturerbe als »symbolisches Kapital« der Nation die Funktion kultureller Abgrenzung zum konkurrierenden Nationsprojekt. Von wesentlicher Bedeutung war hierbei die Konkurrenz der deutschen und dänischen Ansprüche auf die nationale Vorherrschaft in Schleswig, die sich neben den politischen Auseinandersetzungen auch durch semantische Überlagerungen in der Memoriallandschaft niederschlug. 2. Das materielle Kulturerbe wurde angesichts sich wandelnder politischer Umstände wiederholt in neue Sinnstrukturen übersetzt und den aktuellen Bedürfnissen angepasst. Von grundlegender Relevanz für diese Übersetzungsprozesse waren die großen politischen Umbrüche der deutsch-dänischen Geschichte, die eine Aktualisierung der Erinnerungsrahmen notwendig machten. Dabei changierten die Zuschreibungen zwischen regionalen, nationalen und letztlich auch europäischen Kontexten, die zum Teil zeitgleich auftraten und ein integraler Bestandteil der zwischenstaatlichen und der innenpolitischen Konflikte um die Deutungshoheit über das Kulturerbe waren. Auf der dänischen Seite bestand seit der Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund der zentralistischen

Fazit

443

Struktur des Landes vor allem ein Primat des nationales Kontextes, regionale Zuschreibungen wurden im Anschluss an die Grenzverschiebung 1920 zunehmend verdrängt. Das schleswig-holsteinische Kulturerbe unterlag dagegen im Laufe der Jahrzehnte zahlreichen prägnanten De- und Rekontextualisierungen, die auch von den innerdeutschen Auseinandersetzungen und divergierenden Interessen der regionalen Institutionen und der staatlichen Stellen zeugen. 3. In der Geschichte der Grenzregion waren es dabei vor allem die nationalkonservativen Kreise, die als zentrale Übersetzungsakteure des kulturellen Erbes auftraten. So entstanden zahlreiche Denkmäler und Museen Schleswigs im Kontext des nationalen Gegensatzes der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nach der Grenzverschiebung infolge der Volksabstimmung 1920 waren es wiederum vor allem grenzrevisionistische Ziele konservativer Kreise, die das Kulturerbe in den Dienst einer nationalen Politik stellten. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen auf schleswig-holsteinischer Seite der Schleswig-Holsteinische Heimatbund und auf dänischer Seite die neueiderdänische Bewegung über das kulturelle Erbe Einfluss auf die Beziehung der beiden Staaten und die weitere Tradierung des nationalen Gegensatzes bis in die 1990er Jahre. Beispielsweise folgte auf den zunehmenden politischen Bedeutungsverlust des Heimatbundes auch seine Ablösung als zentraler erinnerungspolitischer Akteur Schleswig-Holsteins durch die Landesregierung. Die neuen »Übersetzungseliten« lösten etwa die Idstedt-Gedächtnishalle oder den Flensburger Löwen aus dem Kontext der grenzkulturellen Auseinandersetzungen und bereiteten so den Weg für die Etablierung von transnationalen Narrativen, die von den gegenseitigen politischen und kulturellen Beeinflussungen zeugen. 4. Das materielle Kulturerbe wirkte als Träger kollektiver Erinnerungs- und Identitätsrahmen in zentraler Funktion bei der Tradierung eines vermeintlich historischen nationalen Gegensatzes mit und trug zur kulturellen Demarkation im Grenzraum bei. Über einzelne Denkmäler und Museumsausstellungen blieben so die gegenseitigen nationalkulturellen Abgrenzungsbestrebungen sowie die Aufrechterhaltung eigener nationaler Ansprüche auf die Region auch viele Jahre nach der offiziellen Beendigung der grenzkulturellen Auseinandersetzungen durch die Bonn-Kopenhagener Erklärungen 1955 aktuell. Entgegen einem Narrativ, das die vermeintliche Lösung der Minderheitenfrage als europäischen Modellfall deklarierte, zeigen sich bis in die Gegenwart teils trennenden Erzählungen im Zusammenhang mit dem materiellen Kulturerbe. Die Auseinandersetzungen um das Haithabu-Museum zu Beginn der 1980er Jahre belegen exemplarisch, dass die Regierungserklärungen auf dem kulturpolitischen Feld zwar zu einer Beruhigung der Konflikte beigetragen haben, der Grenzkampf jedoch auch nach 1955 noch unterschwellig weitergeführt wurde. Die Tradierung der nationalen Demarkation über das Kulturerbe zeugt daher von dessen Charakter als Kanon kultureller Grenzsteine. Aus diesem Grund kam

444

Fazit

es sowohl im Anschluss an die Grenzverschiebungen der Jahre 1864 und 1920 als auch infolge des deutschen Zusammenbruchs 1945 zu der Zerstörung und Entfernung der gegnerischen Denkmäler, um die konkurrierenden Machtzeichen und Erinnerungsrahmen aus dem öffentlichen Raum zu entfernen, das Territorium seinerseits durch eigene Monumente symbolisch zu vereinnahmen und die neue Grenzziehung auch mental zu festigen. Von grundlegender Bedeutung ist hier der Zusammenhang zwischen symbolischer Repräsentation und politischer Machtausübung. 5. Aufgrund der sich überlagernden territorialen deutschen und dänischen Ansprüche und Erinnerungstopographien in der Region Sønderjylland/ Schleswig besaß der Grenzraum eine zentrale Bedeutung für die Herausbildung und Tradierung der nationalen Identitäten Dänemarks und Deutschlands im 19. Jahrhundert. Vor allem im dänischen Fall nahm die vermeintlich periphere Region eine Schlüsselrolle für das Nationalbewusstsein ein; der nationale Gegensatz als zentrales Element der dänischen Identität wirkt sich so bis in den Gegenwart aus. Der etwa vom britischen Soziologen Gerard Delanty attestierte Wandel des Forschungsparadigmas, in der Peripherie nicht nur ein reines Objekt nationalstaatlicher Entwicklung zu sehen, sondern die gegenseitige Wechselwirkung des Zentrums mit seinen Randregionen zu betrachten, verdeutlicht sich durch die besondere Relevanz der Region Schleswig für den skandinavischen Staat. Beispiele wie das Bauen im Stil der Heimatschutzarchitektur an der Wende zum 20. Jahrhundert belegen, dass der zentralistische dänische Staat seine nationalkulturellen Impulse vor allem aus der nationalen Peripherie und eben nicht von seinem Zentrum erhielt. Zahlreiche Denkmäler der Region etablierten sich durch den nationalen Gegensatz als Nationalmonumente und Kristallisationspunkte der kollektiven Identität. Die Grenzregion wurde so zu dem zentralen Erinnerungsort der dänischen Geschichte. 6. Ein wichtiger Bestandteil der Narrative, die sich mit dem Kulturerbe Schleswigs verbanden, waren die jeweils erlebten, gemeinsamen nationalen Leidens- und Opfererfahrungen, die sowohl in Dänemark als auch in SchleswigHolstein über die einzelnen Denkmäler und Museumsausstellungen tradiert und erinnert wurde. So besitzen auch heute noch gerade diejenigen Orte eine große emotionale Semantisierung, die in der Erinnerung mit den von der Gegenseite zugefügten Leiden verbunden sind. Beispiele wie die Konzeption des Museums Frøslevlejren oder die monopolisierte Besetzung und Inbesitznahme der Düppeler Schanzen belegen, dass auch gegenwärtig noch trennende Aspekte im Kontext mit dem Kulturerbe eine wesentliche Rolle spielen. Dagegen verlor die Region für die deutsche Seite angesichts anderer Konfliktfelder zunehmend an nationaler Relevanz, so dass die Opfererinnerung nach dem Zweiten Weltkrieg zwar in den Kreisen der deutschen Minderheit in Nordschleswig ihre Bedeutung behielt, im nationalen Diskurs aber nahezu verdrängt wurde.

Fazit

445

Die Beobachtungen zu den Auseinandersetzungen um das materielle Kulturerbe der Region Sønderjylland/Schleswig belegen die Wirkmächtigkeit grenzkultureller Konflikte und peripherer Räume für staatliche Entitäten sowie die Wandelbarkeit von Narrativen, die sich mit einzelnen Denkmälern und Museen verknüpfen. Zugleich besitzen die Befunde nicht nur Aussagecharakter für den regionalen deutsch-dänischen Fall, sondern es ergeben sich aus ihnen allgemeingültige Konsequenzen für die europäischen Grenzregionen. So wird die Vorstellung eines gemeinsamen Kulturbesitzes, wie sie durch zahlreiche Programme der Europäischen Union seit dem Beginn der 1990er Jahre zunehmend vorangetrieben wurde, durch die vorliegende Studie mit ihren grundlegenden Problematiken konfrontiert. Das Beispiel der Grenzregion Sønderjylland/ Schleswig belegt einerseits, dass erst in den letzten Jahren mit der Intensivierung des europäischen Integrationsprozesses eine weitreichende gegenseitige Annäherung auf dem Feld des materiellen Kulturerbes einsetzte, wie sie etwa anhand der Idstedt-Gedächtnishalle und des Flensburger Löwen zu beobachten ist. Andererseits wirkten sich die grenzkulturellen Auseinandersetzungen über die Bonn-Kopenhagener Erklärungen bis in die 1990er Jahre auf das deutsch-dänische Verhältnis aus. Der Grund hierfür ist in der nationalen Relevanz der Grenzregion und des dortigen kulturellen Erbes für den dänischen Staat zu suchen. So zeugen zahlreiche Beispiele von einer trennenden Rolle des materiellen Kulturerbes, die dazu führt, dass die aus der Geschichte der Grenzregion entstandenen Gegensätze erinnert werden und Bestandteil der kollektiven Identitäten bleiben. Für Dänemark nehmen die Abgrenzung von seinem deutschen Nachbarn und die Leidenserfahrung bis heute einen zentralen Platz im nationalen Selbstverständnis ein. So ist über das Fallbeispiel Schleswig hinaus zu vermuten, dass auch weitere historisch umstrittene (Grenz-)Regionen in Europa und ihr Kulturerbe mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind. Die in diesen Räumen miteinander in Bezug auf das kulturelle Erbe konkurrierenden Narrative stellen einen möglichen Kontrast zu der Vorstellung eines geeinten Europas und der Konstruktion eines gemeinsamen, europäischen Erbes dar. So sind es hier vor allem die Sinnzuschreibungen, die sich mit den nationalen Gegensätzen verbinden, die auch heute noch von Relevanz sind. Erst die bewusste Thematisierung dieser divergierenden Erzählungen und die Akzeptanz unterschiedlicher Erinnerungskonzepte legten beispielsweise in der deutschdänischen Grenzregion den Grundstein für die gegenseitige Annäherung im Kontext der Idstedt-Gedächtnishalle und des Flensburger Löwe. Darüber hinaus stellt sich für Europa die Frage, ob dezentralisierte Staaten, die in ihren grenznahen Peripherien selbständige regional-kollektive Narrative, die von den nationalen Meistererzählungen abweichen, zulassen, aufgeschlossener für die Vorstellung von heterokulturellen Räumen sind, während zentralistische Staaten, wie etwa Dänemark, unter Umständen ein Hindernis für transnationale

446

Fazit

Narrative darstellen. So existiert in dem skandinavischen Land auch weiterhin eine historisch begründete Skepsis gegenüber dem europäischen Integrationsprozess, da in den Identitäts- und Alteritätsprozessen Europa und Deutschland oftmals als identisch imaginiert wurden. Diese Gleichstellung lag etwa der Herausbildung der nationaldänischen Identität in der Mitte des 19. Jahrhunderts zugrunde. Die besondere Relevanz Sønderjylland/Schleswigs für die Entstehung des dänischen, aber auch des schleswig-holsteinisch-deutschen Nationalbewusstseins gibt Aufschluss über die besondere Rolle, die die Grenzräume in einem zusammenwachsenden Europa einnehmen. Aufgrund ihrer Charakteristik als Schwellenregionen unterlagen sie wechselnden politischen Herrschaften und unterschiedlichen kulturellen Einflüssen. Durch die ständige Aushandlung von Territorialität und nationaler Demarkation bildeten sie den Übergang zwischen den staatlichen Entitäten auf beiden Seiten der Grenze und waren zugleich Orte der gegenseitigen kulturellen Beeinflussung. Mit der Errichtung von Denkmälern und der Eröffnung von Museen verbanden sich daher oft kulturelle Verdrängungsprozesse, die die Durchsetzung eigener Ansprüche auf den Raum intendierten. Als Schauplatz der Macht erhielt das materielle Kulturerbe eine Abgrenzungsfunktion und diente als Orientierungsrahmen zur Identifizierung territorialer Grenzziehung. In der Realität wurde die Vorstellung einer klar abgrenzbaren, homogenen Kultur dagegen nicht nur in der Region Sønderjylland/ Schleswig, sondern auch in weiteren historisch umstrittenen Grenzräumen, mit der Existenz zahlreicher Heterotopien und kultureller Überlagerungen konfrontiert. Grenzregionen stellen somit dynamische Räume dar, deren Kultur hybride Produkte ständiger Austausch- und Aushandlungsprozesse sind. Aufgrund der besonderen Relevanz, die die grenznahen Peripherien für die Entstehung und Tradierung staatlicher Identitäten besitzen, ist das Kulturerbe dieser Regionen ein zentraler Bestandteil nationaler Meisternarrative. Wegen der als traditionell empfundenen, staatlichen Abgrenzung üben diese Scheidelinien trotz einer gegenläufigen europäischen Politik, die auf die Entstaatlichung setzt, auch gegenwärtig noch Einfluss auf die Aushandlung kollektiver Identitäten aus. So verdeutlicht etwa der dänische Widerstand gegen die Einführung der Euroregion, dass imaginierte Grenzen eine große Langlebigkeit besitzen, wenn sie auf einem gemeinsamen Kulturerbe basieren. Die Frage nach der nationalstaatlichen Demarkation in den Grenzräumen Europas stellt einen wichtigen Aspekt für die Vorstellung von einem gemeinsamen Kulturerbe dar. So sind es gerade die Schwellenregionen und die historisch umkämpften Räume, die sinnbildlich für die kulturelle Vielfalt des Kontinentes stehen. In Schleswig bezeugen etwa die Auseinandersetzungen um zahlreiche Objekte und Bauwerke eine Mehrfachsemantisierung des materiellen Kulturerbes, welches sowohl in regionale als auch in nationale Sinnzusam-

Fazit

447

menhänge eingeordnet wurde. Das kulturelle Erbe der nationalen Übergangsregionen stellt sich demnach analog zu der Vorstellung eines gemeinsamen europäischen Kulturkanons als das Produkt von ständigen Übersetzungsprozessen dar, in deren Kontext Identität und Alterität erfahren wurden. Das Beispiel der deutsch-dänischen Grenzregion exemplifiziert dabei einerseits die Relevanz des Kulturerbes in den nationalstaatlichen Abgrenzungsbestrebungen, andererseits verdeutlicht es die Hybridität und Transnationalität jener Räume. Dabei zeigt sich, dass die kulturellen Gemeinsamkeiten oftmals bis in die Gegenwart verdrängt und transnationale Narrative in Bezug auf das materielle Kulturerbe erst in den letzten Jahren zunehmend thematisiert werden. Aus diesem Grund kennzeichnen gerade diese inneren Peripherien Europas zentrale Schauplätze grenzüberschreitender Austauschprozesse, die von wesentlicher Bedeutung für die Etablierung gemeinsamer Sinnstrukturen und kollektiver Identitäten sind. Ein geteiltes europäisches Kulturerbe definiert sich so nicht nur über die nationalen Zentren und die nationalen Meisternarrative, sondern auch über die Auseinandersetzung mit den heterogenen Memorialtopographien in den Grenzräumen. Die Analyse der wechselvollen Geschichte Schleswigs verdeutlicht exemplarisch die Relevanz der Debatten und Praktiken um das materielle Kulturerbe für die Aushandlung von Grenzziehungen. Die Darstellung des dänischen Historikers Troels Fink, der Deutschland als Problem Dänemarks bezeichnete, greift aber zu kurz: So ist die Geschichte der beiden Länder vielmehr von zahlreichen wechselseitigen Überschneidungen, Abgrenzungs- und Annäherungsprozessen gekennzeichnet. Die auch über das Kulturerbe bis in die Gegenwart tradierten nationalen Ressentiments, deren Wurzeln im 19. Jahrhundert liegen, sind für Außenstehende oft nur schwer nachvollziehbar. Erst mit dem europäischen Integrationsprozess setzte eine deutlich spürbare Annäherung der beiden Staaten in der Region ein, zugleich behielten das Abgrenzungsbedürfnis und die Vorstellung des »Problems Deutschland« in Dänemark ihre Aktualität. Dies ist der Grund, warum auch heute noch das Bewusstsein für die Transnationalität des kulturellen Erbes der Region oftmals hinter den trennenden Narrativen zurückbleibt. Trotz zahlreicher Initiativen verhindert so die »gefühlte Grenze«2 die Entstehung eines grenzüberschreitenden, regionalen Selbstverständnisses.

2 Der dänische Historiker Morten Andresen bezeichnete 2008 im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen der Grenzverschiebung von 1920 die deutsch-dänische Scheidelinie als »den følte grænse« – »die gefühlte Grenze«. Andresen, Den følte grænse, 2008.

IX. Quellen- und Literaturverzeichnis

Ungedruckte Quellen Gemeinschaftsarchiv des Kreises Schleswig-Flensburg (GA SlFl) Abteilung 9: Hauptamt/Magistratsverwaltung 1865-ca. 1945 – 2: Statistiken und Zählungen Abteilung 16: Amt für Kultur und Wirtschaftsförderung 1820 – 1997

– 57: Neubau der Waffenkammer in Idstedt. – 58: Architekt Hans Philipp, Hamburg, und die Idstedt-Gedächtnishalle. – 70: Idstedt-Gedächtnishalle, Allgemeines, Einstufung des Museums durch die britische Besatzungsmacht, Umgestaltung (1957). – 72: Schenkungen für die Idstedt-Gedächtnishalle [Planung einer Neueröffnung des Museums und Gründung einer Stiftung]. – 95: Allgemeine Museumsverwaltung. – 101: Fotos, Skizze und Zeitungsartikel zum Thema Grabungen in Haithabu. – 111: Idstedt-Gedächtnishalle, Allgemeine Angelegenheiten (z. B. Wiedereröffnung 1949).

Abteilung Z 3: Zeitgeschichtliche Dokumentation des Kreises Schleswig-Flensburg – 306: Euroregion, Grenzpendler – 577: Idstedt-Stiftung.

Abteilung ZD: Zeitgenössische Dokumentation der Stadt Schleswig – 4.8: Ortsstatute »gegen Verunstaltung«. – 25.4.: Idstedt, Gedächtnishalle und Feier

Unsortierter Aktenbestand

– – – –

Ordner »Idstedt Erinnerungen 3 dänisch«. Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 1«. Ordner »Idstedt-Halle, Bd. 2«. Ordner »Idstedt-Stiftung, Information«.

Kreisarchiv Nordfriesland (KA Nfr) Abteilung G6: Baupflege Kreis Tondern

– 5: Baupflege Kreis Tondern, allg. Schriftwechsel. – 7: Heimatschutz-Bund.

450 – – – –

Quellen- und Literaturverzeichnis

9: Voß: Das feuerfeste Stroh- und Rethdach, Plön, 1910. 10: Feuersicheres Reetdach, 1908 – 1910. 14: Baupflege Kreis Tondern, 1908 – 1928. 19: Baupflege, insbesondere Brandprobe, 1907 – 1913.

Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein (LA DpflSH) Akte Sauermann

– A II 2, 1: Etats-, Kassen- und Rechnungswesen. Allgemeines: Verfügungen und Berichte, einschließlich Spar- und Krisenverfügungen. – B II, 2: Verband der preußischen Provinzen; Umfragen und Stellungnahmen, die die Denkmalpflege und ihre Organisationen betreffen. – B II, 6: Museen und Museenverbände. – B III C: Skandinavien. – F I a 3, Bd. 2: Pressedienst, Zeitungsartikel und Notizen zur Denkmalpflege.

Landesarchiv für Schleswig-Holstein (LASH) Abteilung 301: Oberpräsidium und Provinzialrat der Provinz Schleswig-Holstein – 1209: Berichte d. Provinzialkommission für Kunst, Wissenschaft und Denkmalpflege 1895 – 1923. – 1219: Entwurf zu einem Kulturprogramm für Schleswig-Holstein 1920 – 1922. – 4066: Naturdenkmalpflege; Brief der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen an den schleswig-holsteinischen Oberpräsidenten vom 24. Februar 1921. – 5513: Erhaltung des Danewerks/Kreis Schleswig. – 5514: Provinzial Kommission für Wissenschaft, Kunst und Denkmalspflege 1916 – 1933. – 5679: Denkschrift des Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein: Die dänische Gefahr und ihre Abwehr, Schleswigfonds, Bd. 1. – 5681: Die dänische Gefahr und ihre Abwehr, Schleswigfonds, Bd. 1, Beiheft. – 6175: Die Abtretung Nordschleswigs an Dänemark; Bd. 5.

Abteilung 309: Regierung zu Schleswig

– – – – – – – – –

18533: Bemerkenswerte Kirchen und sonstige Baudenkmäler. 21067: Danewerk. 21329: Das Löwendenkmal in Flensburg. 22589: Deutsche Kulturarbeit. 23057: Schleswig-Fonds 1923 – 1925. 24395: Die Gedächtniskirche in Idstedt. 24820: Altertümer und Denkmäler. 35333: Instandsetzung der Kirche in Idstedt. 35770: Ausgrabungen in Haithabu.

Abteilung 371: Provinzialverwaltung

– 647: Denkmalsschutz und Denkmalspflege (Provinzial-Kunst-Kommission) 1901 – 1926. – 823: Beihefte zur Herausgabe des Schleswig-Holsteinischen Kunstkalenders. – 834: Kulturprogramm und Beschaffung von Mittel zu ihrer Durchführung.

Abteilung 422.17: Vereine und Verbände. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund – – – –

34: Denkmalpflege. 46: Hausforscher-Tagung, Schleswig Schloß Gottorf. 298: Denkmalpflege, Schleswig-Holstein-Tag. 330: Allgemeine Schriftwechsel (Denkmalpflege).

Ungedruckte Quellen – – – – – –

451

411: Arbeitskreis Bauen, Planen, Pflegen im ländlichen Raum. 582 I: Denkmalschutzgesetz. 768: Aktionskomitee, technischer Ausschuß. 771: Neukonzeption Idstedt-Halle. 774: Finanzielle Förderung, Bundesmittel. 835: Europäisches Kulturschutzjahr 1975.

Abteilung 605: Staatskanzlei – – – –

5667: Schleswig-Holsteinischer Heimatbund. 6619: Haithabu, Hebung und Konservierung des Wikingerschiffs im Haddebyer Noor. 6621: Haithabu – Wikinger Schiff. 6583: Haithabu, Grundsteinlegung der Schausammlung am 10.6.81, Richtfest des WikingerMuseums am 13. 8. 1982, Eröffnung des Wikinger-Museums am 1. 11. 1985. – 6584: Haithabu, Grundsteinlegung der Schausammlung am 10.6.81, Richtfest des WikingerMuseums am 13. 8. 1982, Eröffnung des Wikinger-Museums am 1. 11. 1985.

Abteilung 811: Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur – 6106: Schleswig-Holsteinischer Heimatbund (lfd. Beihilfe ab 1960 – 1975).

Landsarkivet før Sønderjylland (LAS) Abteilung AD03: Sønderborg Amtsr”d – Nr. 220: Bausachen, Den Schutz des Düppel-Denkmals. Abteilung LB 1: Dybbøl-Skanse-Nævnet

– Nr. 867: Gavebrev (1920 – 1945), Nævnets medlemmer, Forskellige korrespondance, Gl. Tegninger og fotografier fra Dybbøl, Forskellige Kort.

Rigarkivet Kopenhagen (RA) Abteilung 0034: Miljøministeriet, 4. Kontor

– 1: Det midlertidige Udvalg af 05. 11. 1979 om Samarbejde mellem Fredningsmyndigheder og Museerne om Arbejdsopgaverne i medfør af Lovgivningen om Bygningsfredning, Fortidsminder med videre.

Abteilung 1635: Nationalmuseet, Rigsantikvaren

– 44: Slesvigske forhandlinger 1919 – 1962, Journalsager, udvalg 1944 – 1990.

Abteilung 10056: Grænseforeningen – – – – – – –

68: Dannevirke 1955-Dannevirke1967. 160: Politiske Vurderinger vedr. Sydslesvig, 1945 – 1953. 193: Politiske vurderinger vedr. Sydslesvig 1945 – 1953. 194: Politiske vurderinger vedr. Sydslesvig 1945 – 1953. 216: Politiske vurderinger vedr. Sydslesvig, 1945 – 1953. 219: Politiske vurderinger vedr. Sydslesvig 1945 – 1953. 433: 1971 – 1980.

452

Quellen- und Literaturverzeichnis

Gesetzestexte und Verordnungen Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gebieten. In: Zentralblatt der Bauverwaltung; 72 (1907). Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmale (Denkmalschutzgesetz). In: GVOBL. Schl-H. vom 7. Juli 1958. S. 217 – 222. Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmale (Denkmalschutzgesetz). In: GVOBL. Schl.-H. vom 18. September 1972. S. 165. Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt für den Amtsbezirk des königlich evangelischlutherischen Konsistoriums in Kiel; 18 (1906). S. 152. Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949. In: GVOBl. Schl.-H. 1962, S. 123. Lov om Bygningsfredning af 12. marts 1918. In: Det Særlige Bygningsyn (Hrsg.). Fortegnelse over De i Henhold til Lov af 12. Marts 1918 Fredede Bygninger. Kopenhagen 1964. S. 163 – 167. Lov om Bygningsfredning af 8. Juni 1966. In: Miljøministeriets 4. kontor (Hrsg.). Bygningsfredningsloven og dens revision – status og perspektiver. Kopenhagen 1975. Richtlinien und Durchführungsvorschriften zum Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmale (Denkmalschutzgesetz). Erlaß des Kultusministers vom 02. Dezember 1960. In: Nachrichtenblatt des Kultusministers des Landes Schleswig-Holstein vom 5. Januar 1961. S. 5 – 11. Verordnung über das Naturschutzgebiet Haithabu-Dannewerk im Landkreise Schleswig vom 5. Juli 1950. In: GVOBl. Schl.-H., S. 214.

Periodika Berliner Zeitung: 21. Mai 1997. Berlingske Tidende: 21. Januar 1927, 3. Februar 1927, 12. Juni 1954, 23. September 1955, 25. November 1957, 26. Juli 2000. Danmarksposten: Nr. 11 – 12 vom November/Dezember 1955. Dannevirke: 18. Mai 1945, 20. September 1948. Deutsche Museums-Nachrichten: 5/1932. Dybbøl-Posten: 14. Mai 1945. Flensborg Avis: 22. Mai 1954, 10. Januar 1955, 25. November 1955, 4. Mai 1962, 8. Januar 1972, 31. Januar 1975, 2. Februar 1976, 20. Juni 1981, 23. Juni 1981, 22. Januar 1983, 27. Juli 1991, 11. Februar 1997, 12. Mai 1997, 13. Mai 1997, 10. Mai 2000, 18. Juli 2000, 24. Juli 2000, 25. Juli 2000, 26. Juli 2000, 13. August 2000, 6. Dezember 2002, 25. November 2003, 20. Mai 2005, 12. Dezember 2006, 30. Mai 2009, 8. Juni 2009, 11. Januar 2010. Flensburger Nachrichten: 29. Oktober 1930. Flensburger Tageblatt: 22. Juni 1949, 26. Juli 1950, 22. Juni 1951, 25. Juli 1960, 15. Februar 1968, 27. Juli 1991, 1. August 1992, 13. August 1992, 7. Mai 1997, 12. Mai 1997, 19. Juli 2000, 26. Juli 2000, 27. Juli 2000, 13. Juni 2009, 19. Februar 2010. Hannoversche Kurier : 9. September 1932.

Literatur und gedruckte Quellen

453

Hejmdal: 12. Januar 1927, 11. April 1927, 14. Mai 1945, 26. November 1955. Jydske Tidende: 8. Januar 1972, 4. Mai 1978, 16. Juni 1981, 23. September 1981. Jyllands-Posten: 1. August 1948, 28. September 1955, 3. November 1955, 14. Januar 1958, 26. Februar 1960, 17. September 1961. Kieler Nachrichten: 21. August 1948, 25. Juli 1950, 11. September 1978, 29. Mai 1979, 12. Mai 1997. Kristeligt Dagblad: 26. November 1955. Land og Folk: 6. November 1955. Lübecker Nachrichten: 25. Juli 1978. Nordschleswiger, Der.: 26. Juli 1978, 22. Juli 1981, 27. Juli 1990, 28. Juli 1992, 14. August 1992, 23. September 1992, 14. November 1992, 10. Juli 1993, 5. Mai 1997, 29. Januar 2000. Pinneberger Tageblatt: 24. November 1975. Schleswiger, Der: 5. Oktober 1930, 23. Oktober 1930. Schleswiger Nachrichten: 5. Juni 1929, 13. Juni 1929, 1. Juli 1930, 25. September 1930, 4. Februar 1936, 6. Februar 1936, 15. Januar 1938, 27, Juni 1953, 27. Juli 1953, 26. Juli 1954, 25. Juli 1955, 30. Juli 1956, 25. Juli 1961, 21. August 1963, 27. Juli 1970, 28. Juli 1972, 28. Juli 1975, 20. Dezember 1977, 11. September 1978, 28. Juli 1992, 24. Juli 1993, 12. Mai 1997, 3. März 1999, 12. Februar 2000, 10. April 2000, 25. Mai 2000, 22. Juli 2000, 26. Juli 2000, 26. August 2000, 9. Dezember 2000, 9. März 2005, 7. Mai 2005, 18. Mai 2005. Schleswig-Holsteinische Heimat-Zeitung: 18. Juni 1949. Schleswig-Holsteinische Landeszeitung: 21. Januar 1958, 16. Juli 1981. Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung: 26. Januar 1950. Sorø Amtstidende: 16. März 1955. Stuttgarter Zeitung: 15. August 1981. vorwärts: 20. August 1981. Zeit, Die: 12. August 1948.

Literatur und gedruckte Quellen Adriansen, Inge. »Teures Land, du Doppeleiche« – om rodfaste symboler i grænselandet, især de slesvig-holstenske dobbeltege. In: Sønderjyske M”nedsskrift; 55 (1979). S. 493 – 508. – Dansk og Tysk spejlet i hinanden. Portrætter af national identitet i 1920. In: Østerg”rd, Uffe (Hrsg.). Dansk Identitet? ærhus 1992. S. 131 – 159. – Dybbøl – et dansk og tysk nationalt symbol. In: Sønderjyske ærbøger ; 1992. S. 249 – 290. – Der Idstedt-Löwe. Ein nationales Monument mit wechselndem Symbolwert. In: Poulsen, Bjørn/Schulte-Wülwer, Ulrich (Red.). Der Idstedt-Löwe. Ein nationales Monument und sein Schicksal. Schleswig 1993. S. 81 – 117. – Der Knivsberg aus dänischer Sicht. In: Ostwald, Jürgen (Hrsg.). Der Knivsberg. 100 Jahre deutsche Versammlungsstätte in Nordschleswig. Heide 1994. S. 219 – 225. – Die Düppeler Mühle. Monument & Museum. Sonderburg 1997.

454

Quellen- und Literaturverzeichnis

Nationale Symboler i Det Danske Rige 1830 – 2000. Bd. 1: Fra fyrstestater til nationalstater. Kopenhagen 2003. – Nationale Symboler i Det Danske Rige 1830 – 2000. Bd. 2: Fra unders”tter til Nation. Kopenhagen 2003. – Erinnerungsorte der Deutsch-Dänischen Geschichte. In: Lundt, Bea (Hrsg.). Nordlichter. Geschichtsbewußtsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe (Beiträge zur Geschichtskultur; 27). Köln/Weimar/Wien 2004. S. 391 – 411. – »Jeg vidner for kommende slægter« – om genforeningsmindesmærker i Sønderjylland. In: Haase, Ingolf. Genforeningsstenene i Sønderjylland. Tondern 2008. S. 7 – 15. – Skamlingsbanke und Knivsberg. Vom nationalen Vorposten zum historischen Erinnerungsort. In: Nordelbingen. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins; 78 (2009). S. 279 – 294. – Erindringssteder i Danmark. Monumenter, mindesmærker og mødesteder. Kopenhagen 2010. Die Wirkungen des Krieges 1864 in Dänemark – im Staat, in der Bevölkerung und in der Kulturlandschaft. In: Stolz, Gerd. Das deutsch-dänische Schicksalsjahr 1864. Ereignisse und Entwicklungen. Husum/Apenrade 2010. S. 146 – 172. – Denkmal und Dynamit. DenkmälerSTREIT im deutsch-dänischen Grenzland. Neumünster 2011. Adriansen, Inge/Doege, Immo. Dansk eller Tysk? Agitation ved folkeafstemningerne i Slesvig i 1920. Neuausg. Sonderburg u. a. 2010. – Deutsch oder Dänisch? Agitationen bei den Volksabstimmungen in Schleswig 1920. Neuausg. Sonderburg u. a. 2000. Adriansen, Inge/Dragsbo, Peter- Lokal-, regional- og rigshistorie gennem 100 ”r. Historisk samfund for Als og Sundeved & Museum Sønderjylland – Sønderborg Slot 1908 – 2008. Sønderborg 2009. Albrecht, Uwe/Andresen, Hans-Günther. Öffentlicher Großbau in Kiel zwischen historistischer Stilarchitektur und »Neuem Stil«. In: Die Heimat; 85/1978. S. 66 – 79. Allen, Carl Ferdinand. Om Sprog- og Folke-Eiendommelighed i Hertugdømmet Slesvig eller Sønderjylland (Antislesvigholstenske Fragmenter ; 6). Kopenhagen 1848. Almgren, Birgitta. Germanistik und Nationalsozialismus: Affirmation, Konflikt und Protest. Traditionsfelder und zeitgebundene Wertung in Sprach- und Literaturwissenschaft am Beispiel der Germanisch-Romanischen Monatsschrift 1929 – 1943. Uppsala 1997. Almgren, Birgitta/Hecker-Stampehl, Jan/Piper, Ernst. Alfred Rosenberg und die Nordische Gesellschaft. Der »nordische Gedanke« in Theorie und Praxis. In: NORDEUROPAforum; 2/2008. S. 7 – 51. Andersen, Henning Hellmuth/Madsen, Hans Jørgen/Voss, Olfert. Danevirke (Jysk Arkæologisk Selskabs Skrifter ; 13). Kopenhagen 1976. Andersen, Morten. Den følte grænse. Slesvigs deling og genopbygning 1918 – 1933. Apenrade 2008. Anderson, Benedict. Imagined Communities. Reflections on the Origins and Spread of Nationalism. Überarb. Ausg. London u. a. 2006. Anderson, Malcolm. Frontiers. Territory and State Formation in the Modern World. Cambridge 1997. Andresen, Hans-Günther. Bauen in Backstein. Schleswig-Holsteinische Heimatschutzar-

Literatur und gedruckte Quellen

455

chitektur zwischen Tradition und Reform. Zur Ausstellung der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek 2. Juli-27. August 1989 (Schriften der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek; 8). Heide in Holstein 1989. – Hjemstavnskultur og byggeskik i Slesvig-Holsten. In: Sønderjyske ærbøger ; 2004. S. 213 – 246. Andresen, Knud. Schleswig-Holsteins Identitäten. Die Geschichtspolitik des SchleswigHolsteinischen Heimatbundes 1947 – 2005 (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; 115). Neumünster 2010. Applegate, Celia. A Nation of Provincials. The german idea of Heimat. Berkeley u. a. 1990. Aronsson, Peter. Representing community. National museums negotiating differences and community in the Nordic countries. In: Goodnow, Katherine/Akman, Haci (Hrsg.). Scandinavian museums and cultural diversity. London/New York 2008. Assmann, Aleida. Zeit und Tradition. Kulturelle Strategien der Dauer (Beiträge zur Geschichtskultur; 15). Köln/Weimar/Wien 1999. – Jahrestage – Denkmäler in der Zeit. In: Münch, Paul (Hrsg.). Jubiläum, Jubiläum… Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung. Essen 2005. S. 305 – 314. – Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. München 2006. Assmann, Jan. Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. In: Ders./Hölscher, Tonio (Hrsg.). Kultur und Gedächtnis. Frankfurt am Main 1988. S. 9 – 19. – Israel und Ägypten – Grenzen auf der Landkarte der Erinnerung. In: Bauer, Markus/ Rahn, Thomas (Hrsg.). Die Grenze. Begriff und Inszenierung. Berlin 1997. S. 91 – 102. Bachmann-Medick, Doris. Translational Turn. In: Dies. Cultural Turns. Neurorientierungen in den Kulturwissenschaften. 4. Aufl. Reinbek bei Hamburg 2010. S. 238 – 283. Bak, Lars H. Tyske sejrsmonumenter p” danske hænder. Düppel Denkmal og Arnkiel Denkmal og den danske stat 1918 – 1950. In: Sønderjyske ærbøger ; 2003. S. 7 – 42. Bath, Matthias. Danebrog gegen Hakenkreuz. Der Widerstand in Dänemark 1940 – 1945. Neumünster 2011. Baud, Michiel/Schendel, Willem van. Towards a Comparative History of Borderlands. In: Journal of World History ; 8,2 (1997). S. 211 – 242. Bauer, Christine H. Die Heimatschutzbewegung des frühen 20. Jahrhunderts und deren Einflüsse auf den Baualltag in Hessen. In: Denkmalpflege & Kunstgeschichte; 1/2001. S. 27 – 33. Becker-Christensen, Henrik. Den nye grænse. In: Ders. (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. S. 24 – 43. – Det tyske mindretal og grænserevisionskravet i mellemkrigstiden. In: Ders. (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. S. 65 – 78. – (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. – Fra »mod hinanden« til »med hinanden«. In: Historisk Samfund for Sønderjylland (Hrsg.). Sønderjyllands Historie; Bd. 2: Efter 1815. Apenrade 2009. S. 214 – 472. Becker-Christensen, Henrik/Sørensen, Preben. Hærvejen gennem Sønderjylland. Kilder – Mindesmærker – Turforslag (Sønderjylland. Lokalhistoriske Emner; 46,4) Apenrade 1983. Behrenbeck, Sabine. Der Kult um die toten Helden. Nationalsozialistische Mythen, Riten und Symbole 1923 bis 1945 (Kölner Beiträge zur Nationsforschung; 2). Diss. Vierow bei Greifswald 1996.

456

Quellen- und Literaturverzeichnis

Behrens, Helmut. Das Denkmalschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.). Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. Neumünster 1993. S. 10 – 11. Beindorf, Claudia. »Auf ewig ungeteilt«. Ein Erinnerungsort zwischen Dänemark und Deutschland. In: NORDEUROPAforum. Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur ; 12,2 (2002). S. 65 – 77. Bendix, Regina/Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus. Vorwort. In: Dies. (Hrsg.). Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie; 1). Berlin 2007. S. 7 – 17. Benjamin, Walter. Die Aufgabe des Übersetzers. In: Ders. Gesammelte Schriften; Bd. IV,1. 1.–6. Tsd. Frankfurt am Main 1981. S. 9 – 21. Bennett, Tony. The Birth of the Museum. History, Theory, Politics, Culture. London 1995. Berdichevsky, Norman. The Danish-German Border Dispute. Aspects of cultural and demographic politics 1815 – 2001. Bethesda u. a. 2002. Beseler, Hartwig. Stadtgestalt und Denkmalschutz aus der Sicht des Denkmalschutzes. In: Titzck, Rudolf (Hrsg.). Stadtgestalt und Denkmalschutz in Schleswig-Holstein (Schriftenreihe der Landesregierung Schleswig-Holstein; 18). Kiel 1978. S. 41 – 45. – Bauten in Schleswig-Holstein 1830 – 1930. 2., überarb. Aufl. Heide in Holstein 1980. – Denkmalpflege in Schleswig-Holstein 1893 – 1993. Protokoll eines Jahrhunderts. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.). Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. Neumünster 1993. S. 41 – 168. – Denkmalpflege als Herausforderung. In: Ders. Denkmalpflege als Herausforderung. Aufsätze und Vorträge zu Architektur und Denkmalpflege. Hrsg. von Dirk Jonkanski, Deert Lafrenz und Heiko K.L. Schulze. Kiel 2000. S. 27 – 48. – »Was gibt es wo?« Kunst-Topographie in Schleswig-Holstein. In: Ders. Denkmalpflege als Herausforderung. Aufsätze und Vorträge zu Architektur und Denkmalpflege. Hrsg. von Dirk Jonkanski, Deert Lafrenz und Heiko K.L. Schulze. Kiel 2000. S. 49 – 53. Bessler-Worbs, Tanja. Deutsche Kulturpolitik in Nordschleswig gegenüber der deutschen Minderheit von 1920 bis 1955. Diss. Kiel 1997. Bhabha, Homi. The Location of Culture. London 1994. Biel, Jens-Peter. Zur Rolle der Heimatmuseen in der nationalsozialistischen Kulturpolitik. Das Beispiel Dithmarscher Landesmuseum und sein Direktor Dr. Alfred Kamphausen 1931 bis 1945. In: Dithmarschen; 3/2002. S. 79 – 88. Billig, Michael. Banal Nationalism. London 1995. Boer, Pim den u. a. (Hrsg.). Europäische Erinnerungsorte. 3 Bde. München 2011 – 2012. Bollmus, Reinhard. Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem (Studien zur Zeitgeschichte; 1). 2. Aufl. München 2006. Bömelburg, Hans-Jürgen (Hrsg.). Preußen – Erbe und Erinnerung. Essays aus Polen und Deutschland. Potsdam 2005. Borsý, Vittoria. Grenzen, Schwellen und andere Orte. »… La geographie doit bien Þtre au coeur de ce dont je m’occupe«. In: Dies./Görling, Reinhold (Hrsg.). Kulturelle Topografien. Stuttgart 2004. S. 13 – 41. Bösch, Frank. Das konservative Milieu. Vereinskultur und lokale Sammlungspolitik in ostund westdeutschen Regionen 1900 – 1960 (Veröffentlichungen des Zeitgeschichtlichen Arbeitskreises Niedersachsen; 19). Göttingen 2002.

Literatur und gedruckte Quellen

457

Boswell, David/Evans, Jessica. Representing the Nation: A Reader. Histories, heritage and museums. London u. a. 2007. Brandt, Otto. Geschichte Schleswig-Holsteins. Ein Grundriß. 6. Aufl. Kiel 1966. Brandt, Otto/Klüver, Wilhelm. Geschichte Schleswig-Holsteins. 7. überarb. u. erw. Aufl. Kiel 1976. Braudel, Fernand. Frankreich. Bd. 1: Raum und Geschichte. Stuttgart 1989. Brückner, Wolfgang. Heimat und Demokratie. Gedanken zum politischen Folklorismus in Westdeutschland. In: Zeitschrift für Volkskunde; 61 (1965). S. 205 – 213. Buch, Jørn. Der Begriff »Sønderjylland« früher und heute. In: Grenzfriedenshefte; 3/2001. S. 147 – 158. Buch, Jørn/Sørensen, Preben/Vollertsen, Ernst. Hedeby, Slesvig, Danevirke. 2. Aufl. Apenrade 1989. Bugge, Peter. A European Cultural Heritage? Reflections on a Concept and a Programme. In: Peckham, Robert Shannan (Hrsg.). Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 61 – 73. Bund deutscher Nordschleswiger (Hrsg.). Nordschleswig und die deutsche Volksgruppe in Dänemark. Apenrade 2006. Burch, Stuart. Norden, Reframed. In: Culture Unbound; 2 (2010). S. 565 – 581. Burckhardt, Lucius (Hrsg.). Denkmalpflege ist Sozialpolitik. Studentische Tagung an der Gesamthochschule Kassel, vom 3. bis 8. November 1975. Schlußbericht. Kassel 1977. Caciagli, Mario. Das Europa der Regionen: Regressive Utopie oder politische Perspektive? In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft; 19 (1990). S. 421 – 432. Certeau, Michel de. Kunst des Handelns (Internationaler Merve-Diskurs; 140). Berlin 1988. Choay, FranÅoise. The Invention of the historic monument. Cambridge 2001. Christensen, Christen. Krigsminder fra Danevirke og Dybbøl. Neue Aufl. Kolding 1963. Clemen, Paul. Entwicklung und Ziele der Denkmalpflege in Deutschland. In: Stenographischer Bericht der 1. gemeinsamen Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz in Salzburg 1911. Berlin 1911. S. 51 – 64. Commission of the European Communities (Hrsg.). Summary of Addresses by President Delors to the Churches. 14. Mai 1992 (Nr. 704E/92). Cornelißen, Christoph/Fisch, Stefan/Maas, Annette (Hrsg.). Grenzstadt Straßburg. Stadtplanung, kommunale Wohnungspolitik und Öffentlichkeit 1870 – 1940 (Saarbrücker Studien zur interkulturellen Kommunikation; 2). St. Ingbert 1997. Cosgrove, Denis. Heritage and History. A Venetian Geography Lesson. In: Peckham, Robert Shannan. Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 113 – 123. Cs‚ky, Moritz. u. a. Pluralitäten, Heterogenitäten, Differenzen. Zentraleuropas Paradigmen für die Moderne. In: Cs‚ky, Moritz/Kury, Astrid/Tragatschnig, Ulrich (Hrsg.). Kultur – Identität – Differenz. Wien und Zentraleuropa in der Moderne (Gedächtnis – Erinnerung – Identität; 4). Innsbruck/Wien/Bozen 2004. S. 13 – 43. Danker, Uwe. »Neudänen« 1945: »Wir wollen loyale Untertanen der dänischen Krone sein«. In: Ders. Südschleswig 1945 – 1955. Vom letzten Kampf um Südschleswig zum dauernden Grenzfrieden. Hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Schleswig-Holstein. Kiel 1997. S. 6 – 10. – Südschleswig 1945 – 1955. Vom letzten Kampf um Südschleswig zum dauernden

458

Quellen- und Literaturverzeichnis

Grenzfrieden. Hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Schleswig-Holstein. Kiel 1997. – Einleitung. In: Bohn, Robert/Danker, Uwe/Kühl, Jørgen (Hrsg.). Zwischen Hoffnung, Anpassung und Bedrängung. Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzraum in der NS-Zeit (IZRG-Schriftenreihe; 4). Bielefeld 2001. S. 13 – 37. Daugbjerg, Mads. A site to die for. Practices of nationalism at a Danish heritage site. Diss. Aarhus 2008. – Going global, staying national: museums, heritage and tensions of scale. Paper for London Debates. London 2009. – Cosmopolitan nationalism and the banalities of being Danish. In: Speitkamp, Winfried (Hrsg.). Europäisches Kulturerbe. Bilder, Traditionen, Konfigurationen. Stuttgart 2012. Delanty, Gerard. Peripheries and Borders in a Post-Western Europe. In: INTER: A European Cultural Studies Conference in Sweden. Linköping University Electronic Press 2007. S. 11 – 22. Det Særlige Bygningsyn (Hrsg.). Fortegnelse over De i Henhold til Lov af 12. Marts 1918 Fredede Bygninger. Kopenhagen 1924. – Fortegnelse over De i Henhold til Lov af 12. Marts 1918 Fredede Bygninger. Kopenhagen 1964. Deutscher Bund Heimatschutz (Hrsg.). Heimatschutz; 4,1 – 3 (1907). Doege, Immo. Ehrenhain und Gedenkstätte auf dem Knivsberg. In: Ostwald, Jürgen (Hrsg.). Der Knivsberg. 100 Jahre deutsche Versammlungsstätte in Nordschleswig. Heide 1994. S. 207 – 217. Dolff-Bonekämper, Gabriele. Erinnerungstopographien und Gedächtniskollektive. In: Cs‚ky, Moritz/Großegger, Elisabeth (Hrsg.). Jenseits von Grenzen. Transnationales, translokales Gedächtnis. Wien 2007. S. 63 – 73. Doll, Nikola/Fuhrmeister, Christian/Sprenger, Michael H. (Hrsg.). Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft zwischen 1930 und 1950. Weimar 2005. Donnan, Hastings/Wilson, Thomas M. (Hrsg.). Borders. Frontiers of Identity, Nation and the State. Cambridge 1999. Drachmann, Holger. Derovre fra Grænsen. Strejftog over det danske Termopylæ (Als – Dybbøl) i april maaned 1877. Kopenhagen 1919. Dragsbo, Peter. Mellem regionalisme og nationalisme. Ballum Slusekro og den slesvigske »hjemstavnsstil«. In: Stoklund, Bjarne (Hrsg.). Kulturens Nationalisering. Et etnologisk perspektiv p” det nationale. Kopenhagen 1999. S. 173 – 189. – Folkegrænse og byggeskik. Myter og realiteter i Claus Eskildsens p”stande om dansk og tysk byggeskik i Sønderjylland. In: Sønderjyske Museer ; N.R. 4 (2003). S. 11 – 19. – Das deutsche Kulturerbe in Nordschleswig – vergessen und vernachlässigt? In: Grenzfriedenshefte; 3/2004. S. 199 – 203. – Deutsch-dänische Architekturbeziehungen um 1900. In: Gläser, Manfred u. a. (Hrsg.). Nicht nur Sauerkraut und Smørrebrød. Deutschland und Dänemark im 19. und 20. Jahrhundert. Lübeck 2005. S. 125 – 129. – Die deutschen Volkshochschulen – Architekturdenkmäler im Grenzland. In: Schriften der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig; 80 (2005). S. 70 – 78. – Bauernhöfe aus Alsen und Sundewitt. Hoftypen eines Kulturgrenzgebietes. In: Ders. (Hrsg.). Haus und Hof in Schleswig und Nordeuropa. Heide 2008. S. 96 – 107.

Literatur und gedruckte Quellen

459

– Der schleswigsche Bauernhof und das nordeuropäische Wohnstallhaus. Alte Themen – neue Sichten? In: Ders. (Hrsg.). Haus und Hof in Schleswig und Nordeuropa. Heide 2008. S. 9 – 23. – Dansk og tysk i Sønderjyllands arkitekturhistorie 1864 – 1920. Har Danmark overhovedet en politik for den flernationale kulturarv? In: Sønderjysk M”nedsskrift; 3/ 2009. S. 109 – 114. Düding, Dieter. Einleitung. Politische Öffentlichkeit – politisches Fest – politische Kultur. In: Ders./Friedemann, Peter/Münch, Paul (Hrsg.). Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg. Reinbek bei Hamburg 1988. S. 10 – 24. Duhamelle, Christophe/Kossert, Andreas/Struck, Bernhard (Hg.). Grenzregionen. Ein europäischer Vergleich vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. Dumreicher, Carl. Dybbøl Skanser. Kopenhagen 1924. Eisch, Katharina. Zur Grenze. Eine Ethnographie des bayerisch-böhmischen Grenzraums (Bayerische Schriften zur Volkskunde; 5). München 1996. Enqvist, Hans Henrik. Bevaringsplan Ribe. Ripen 1969. Eskildsen, Claus. Dansk Grænselære. Kopenhagen 1936. Espagne, Michel/Werner, Michael. Deutsch-Fanzösischer Kulturtransfer als Forschungsgegenstand. Eine Problemskizze. In: Dies. (Hrsg.). Transferts. Les Relations Interculturelles dans l’Espace Franco-Allemand (XVIIIe et XIXe siÀcle). Paris 1988. S. 11 – 34. Eysholdt, Tilmann. Im Spannungsfeld von Nation und Europa. Der Grenzfriedensbund 1950 – 1990. Flensburg 1990. Feldbæk, Ole. Dansk identitet 1740 – 1992. In: Østerg”rd, Uffe (Hrsg.). Dansk Identitet? ærhus 1992. S. 57 – 77. Festersen, Jürgen. Der Kulturkampf in Nordschleswig in den 1930er Jahren. Kiel 1998. – Dänemark und die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig 1940 bis 1955. In: Kittel, Manfred u. a. (Hrsg.). Deutschsprachige Minderheiten 1945. Ein europäischer Vergleich. München 2007. S. 571 – 612. Field, Geoffrey G. Nordic Racism. In: Journal of the History of Ideas; 38,3 (1977). S. 523 – 540. Fink, Troels. Geschichte des schleswigschen Grenzlandes. Kopenhagen 1958. – Deutschland als Problem Dänemarks. Die geschichtlichen Voraussetzungen der dänischen Außenpolitik. Flensburg 1968. – Den første streg p” kortet – Clausen-linjen. In: Becker-Christensen, Henrik (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. S. 11 – 13. Flaig, Egon. The Historian as Pedagogue of the Nation. In: History ; 59 (1974). S. 18 – 32. – Soziale Bedingungen des kulturellen Vergessens. In: Didi-Huberman, Georges (Hrsg.). Die Ordnung des Materials. Plastizität, Unbehagen, Nachleben (Vorträge aus dem Warburg-Haus; 3). Berlin 1999. S. 31 – 100. Fleischhauer, Carsten/Turkowski, Guntram (Hrsg.). Schleswig-Holsteinische Erinnerungsorte. Heide 2006. Fonden til bevarelse af gamle huse i Tønder (Hrsg.). Gamle Huse i Tønder ; 1 – 9. 1963 – 1972. Foucault, Michel. Die Heterotopien. Der utopische Körper. Zwei Radiovorträge. Frankfurt am Main 2005.

460

Quellen- und Literaturverzeichnis

Frahm, Ludwig. Die Doppeleiche. Schleswig-Holsteins Land und Volk im Dichterwort. Lübeck 1888. FranÅois, Êtienne/Schulze, Hagen (Hrsg.). Deutsche Erinnerungsorte. 3 Bde. München 2001. Francois, Etienne/Seifarth, Jörg/Struck, Bernhard (Hrsg.). Die Grenze als Raum, Erfahrung und Konstruktion. Deutschland, Frankreich und Polen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. Frandsen, Steen Bo. Jylland og Danmark – kolonisering, opdagelse eller ligeberettiget sameksistens? In: Østerg”rd, Uffe (Hrsg.). Dansk Identitet? ærhus 1992. S. 57 – 77. – Dänemark. Der kleine Nachbar im hohen Norden. Aspekte der deutsch-dänischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Darmstadt 1994. – Schleswig: Ein Erinnerungsort für Deutsche und Dänen? In: Henningsen, Bernd/Kliemann-Geisinger, Hendriette/Troebst, Steffen (Hrsg.). Transnationale Erinnerungsorte: Nord- und südeuropäische Perspektiven (Die Ostseeregion: Nördliche Dimensionen – Europäische Perspektiven; 10). Berlin 2009. S. 31 – 49. Frei, Norbert. »Machtergreifung«. Anmerkungen zu einem historischen Begriff. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte; 31,1 (1983). S. 136 – 145. Fritz, Markus. Eduard Lyonel Werner. 1879 – 1952: Architekturthemen der Reform- und Heimatschutzbewegung im Raum Düsseldorf. Worms 2005. Gamboni, Dario. Zerstörte Kunst. Bildersturm und Vandalismus im 20. Jahrhundert. Köln 1998. Gammelgaard, Arne. Der Idstedt-Löwe nach Flensburg! In: Grenzfriedenshefte; 1/1992. S. 29 – 33. Gerhard, Dietrich. Neusiedlung und institutionelles Erbe. Zum Problem von Turners »Frontier«. Eine vergleichende Geschichtsbetrachtung. In: Ein Leben aus freier Mitte. Beiträge zur Geschichtsforschung. Festschrift für Ulrich Noack. Göttingen 1961. S. 255 – 295. Gerndt, Helge. Gedanken zum Festwesen der Gegenwart. In: Ders. Kultur als Forschungsfeld. Über volkskundliches Denken und Arbeiten. München 1981. S. 28 – 35. Gerwarth, Robert. Der Bismarck-Mythos. Die Deutschen und der eiserne Kanzler. München 2007. Graef, Fritz. Der Löwe von Idstedt und die Kriegsgräber auf dem Alten Kirchhofe in Flensburg. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte; 65 (1997). S. 255 – 316. Greßhake, Florian. Damnatio memoriae. Ein Theorieentwurf zum Denkmalsturz. München 2010. Haar, Ingo. Historiker im Nationalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der »Volkstumskampf« im Osten (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; 143). Diss. Göttingen 2000. Haase, Ingolf. Genforeningsstenene i Sønderjylland. Tondern 2008. Halbwachs, Maurice. Les Cadres sociaux de la m¦moire. Paris 2004. – Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. Frankfurt am Main 2008. Hall, Stuart. Whose Heritage Un-settling. In: Littler, John (Hrsg.). The Politics of Heritage. Routledge 2005. S. 23 – 35. Hansen, Hans Heinrich. Die Zeit und das dänische Trauma. In: Grenzfriedenshefte; 1/ 2003. S. 63 – 66.

Literatur und gedruckte Quellen

461

Hansen, Hans Schultz. Det sønderjyske landbrugs historie 1930 – 1993 (Skrifter, udgivet af Historisk Samfund for Sønderjylland; 72). Apenrade 1994. – Nationalitetskamp og modernisering 1815 – 1918. In: Historisk Samfund for Sønderjylland (Hrsg.). Sønderjyllands Historie; Bd. 2: Efter 1815. Apenrade 2009. S. 11 – 240. Hansen, Kirsten Catarina. Der Strukturwandel im deutsch-dänischen Grenzgebiet dargestellt an ausgewählten Beispielen aus dem ländlichen Raum. Stuttgart 1992. Hansen, Reimer. Die deutsch-dänische Grenze in historischer Perspektive. In: Ders. u. a. (Hrsg.). Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzbereich (Gegenwartsfragen; 69). Kiel 1993. S. 13 – 40. – Hansen, Reimer/Demandt, Alexander (Hrsg.). Deutschlands Grenzen in der Geschichte. 3., durchges. Aufl. München 1993. – Deutschlands Nordgrenze. In: Ders./Demandt, Alexander (Hrsg.). Deutschlands Grenzen in der Geschichte. 3., durchges. Aufl. München 1993. S. 94 – 139. Hansen, Reimer u. a. (Hrsg.). Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzbereich (Gegenwartsfragen; 69). Kiel 1993. Harck, Sten. Fran Bonn til Strasbourg: Danskernes, tyskernes og frisernes mindretalsrettighederne 1945 – 2000. In: Kühl, Jørgen (Hrsg.). En europæisk model? Nationale mindretal i det dansk-tyske grænseland 1945 – 2000. Apenrade 2002. S. 331 – 349. Hartmann, Angelika. Konzepte und Transformationen der Trias »Mental Maps, Raum und Erinnerung«. Einführende Gedanken zum Kolloquium. In: Damir-Geilsdorf, Sabine. Mental Maps – Raum – Erinnerung. Kulturwissenschaftliche Zugänge zum Verhältnis von Raum und Erinnerung (Kulturwissenschaft; 1). Münster 2005. S. 3 – 21. Hartung, Olaf. Museumskonzeptionen und Geschichtskultur im 19. Jahrhundert. Formen museal repräsentierten Geschichtsbewusstseins in Deutschland. In: Ders. (Hrsg.). Museum und Geschichtskultur. Ästhetik – Politik – Wissenschaft (Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte; 52). Bielefeld 2006. S. 260 – 272. Hartung, Werner. Konservative Zivilisationskritik und regionale Identität am Beispiel der niedersächsischen Heimatschutzbewegung 1895 – 1919 (Quellen und Untersuchungen zur allgemeinen Geschichte Niedersachsens in der Neuzeit; 10). Hannover 1991. – Das Vaterland als Hort von Heimat. Grundmuster konservativer Identitätsstiftung und Kulturpolitik in Deutschland. In: Klueting, Edeltraud (Hrsg.). Antimodernismus und Reform. Zur Geschichte der deutschen Heimatbewegung. Darmstadt 1991. S. 112 – 156. Hassmann, Henning/Jantzen, Detlef. Die deutsche Vorgeschichte – eine nationale Wissenschaft. Das Kieler Museum vorgeschichtlicher Altertümer im Dritten Reich. In: Offa; 51 (1994). S. 9 – 24. Haupt, Richard. Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein mit Ausnahme des Kreises Herzogtum Lauenburg. 3 Bde. Kiel 1887 – 1889. – Schutz weltlicher Baudenkmäler in Preussen und Dänemark. In: Kunstchronik; 15 (1916/ 17). S. 141 – 145. – Geschichte und Art der Baukunst im Herzogtum Schleswig (Die Bau- und Kunstdenkmäler in der Provinz Schleswig-Holstein mit Einschluß benachbarter Gebiete und Landschaften; 5). Heide in Holstein 1924. Hauser, Oswald. Staatliche Einheit und regionale Vielfalt in Preußen. Der Aufbau der Verwaltung in Schleswig-Holstein nach 1867. Neumünster 1967. Hedinger, Hans-Walter. Der Bismarck-Kult. Ein Umriß. In: Stephenson, Gunther (Hrsg.).

462

Quellen- und Literaturverzeichnis

Der Religionswandel in unserer Zeit im Spiegel der Religionswissenschaft. Darmstadt 1976. S. 201 – 215. – Bismarck-Denkmäler und Bismarck-Verehrung. In: Mai, Ekkehard/Waetzold. Stephan (Hrsg.). Kunstverwaltung, Bau- und Denkmal-Politik im Kaiserreich (Kunst, Kultur und Politik im Deutschen Kaiserreich; 1). Berlin 1981. S. 277 – 314. Heimatschutz-Chronik. Ergänzende kleine Mitteilungen zu der Zeitschrift »Heimatschutz«; 1/1918. S. 6. Heinzelmann, Eva/Trobl, Stefanie/Riis, Thomas (Hrsg.). Der dänische Gesamtstaat. Ein unterschätztes Weltreich? The Oldenbourg Monarchy. An Underestimated Empire? Kiel 2006. S. 203 – 217. Helfert, Joseph Alexander von. Denkmalpflege. Öffentliche Obsorge für Gegenstände der Kunst und des Alterthums nach dem neuesten Stande der Gesetzgebung in den verschiedenen Culturstaaten. Wien u. a. 1897. Hennigs, Burkhard von. Historische Gedenkbäume und Gedenksteine in Stormarn. In: Ders. (Hrsg.). Denkmalpflege im Kreis Stormarn II (Stormarner Hefte; 14). Neumünster 1989. S. 248 – 272. Henning, Rudolph. Das deutsche Haus in seiner historischen Entwickelung. Straßburg 1882. Henningsen, Bernd. Der Norden: Eine Erfindung. Das europäische Projekt einer regionalen Identität. In: Ders. (Hrsg.). Das Projekt Norden. Essays zur Konstruktion einer europäischen Region (Wahlverwandtschaft: Der Norden und Deutschland. Essays zu einer europäischen Begegnungsgeschichte; 9). Berlin 2002. S. 17 – 36. – Dänemark. München 2009. – »Die Schlacht war von eigentümlicher Schönheit«. Epochales Ereignis für Deutschland und Dänemark: Tom Buk-Swienty erzählt, wie Preußische Truppen 1864 die Düppeler Schanzen eroberten. In: Süddeutsche Zeitung, 2. Dezember 2011. Henningsen, Lars. N. Mønsterregion i det danske monarki 1721 – 1814. In: Historisk Samfund for Sønderjylland (Hrsg.). Sønderjyllands Historie; Bd. 1: Indtil 1815. Apenrade 2008. S. 333 – 468. Henningsen, Lars. N./Klatt, Martin/Kühl, Jørgen. SSW. Dansksindet politik i Sydslesvig 1945 – 1998. Flensburg 1998. Hill, Thomas. Der Ochsenweg. Zur Konstruktion regionaler historischer Identität. In: Lundt, Bea (Hrsg.). Nordlichter. Geschichtsbewusstsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe (Beiträge zur Geschichtskultur ; 27). Köln/Weimar/Wien 2004. S. 47 – 65. Hillström, Madgalena. Contested Boundaries. Nation, People and Cultural History Museums in Sweden and Norway 1862 – 1909. In: Culture Unbound; 2 (2010). S. 583 – 607. Hingst, Hans. Denkschrift über die Notwendigkeit und Möglichkeit der Erhaltung der Denkmäler auf der Schleswiger Landenge. N.N. 1949. – Geschützte vor- und frühgeschichtliche Denkmäler auf der Schleswiger Landenge. In: Die Heimat. Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein und Hamburg; 62,7 (1955). S. 180 – 184. Hirschfeld, Peter. Bericht des Landesamtes für Denkmalpflege Schleswig-Holstein über die Jahre 1948 und 1949. In: Die Heimat. Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Naturund Landeskunde in Schleswig-Holstein und Hamburg; 57,3 (1950). S. 49 – 57.

Literatur und gedruckte Quellen

463

Hobsbawm, Eric. Introduction, Inventing Traditions. In: Ders./Ranger, Terence. The Invention of Tradition. Cambridge 1983. S. 1 – 14. Hobsbawm, Eric/ Ranger, Terence. J. The invention of tradition. Nachdr. Cambridge u. a. 2010. Hoffmann, Erich/Wulf, Peter (Hrsg.). »Wir bauen das Reich«. Aufstieg und erste Herrschaftsjahre des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein. Neumünster 1983. Hoge, Rüdiger. Stadtgestalt und Denkmalschutz aus der Sicht des Städtebaus. In: Titzck, Stadtgestalt und Denkmalschutz, 1978. S. 36. Höhns, Ulrich. »Mit bewußter Blickrichtung nach Norden«. In: Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte (Hg.). Paul Ziegler – Magistratsbaurat in Flensburg 1905 – 1939 (Kleine Reihe der Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte; 29). Flensburg 1998. S. 80 – 87. Holm, Eric Elner (Hrsg.). Bevaringsplan Viborg. Viborg 1972. Höpel, Thomas. Von der Kunst- zur Kulturpolitik. Städtische Kulturpolitik in Deutschland und Frankreich 1918 – 1939 (Beiträge zur Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung; 7). Stuttgart 2007. Hopp, Peter/Mogensen, Carsten. Ostersturm, P”skeblæsten 1933 (Quellen zur Geschichte der deutsch-dänischen Grenzregion, 2). Flensburg 1983. Hubel, Achim. Denkmalpflege. Geschichte – Themen – Aufgaben. Eine Einführung. 2. durchges. und aktualisierte Aufl. Stuttgart 2011. Hudemann, Rainer u. a. (Hrsg.). Stätten grenzüberschreitender Erinnerung. Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Saarbrücken 2009. Hurd, Madeleine (Hrsg.). Bordering the Baltic. Scandinavian Boundary-Drawing Processes 1900 – 2000 (Nordische Geschichte; 10). Berlin 2010. Huse, Norbert (Hrsg.). Denkmalpflege. Deutsche Texte aus drei Jahrhunderten. München 1984. S. 70 – 73. – Karl Friedrich Schinkel. In: Ders. (Hrsg.). Denkmalpflege. Deutsche Texte aus drei Jahrhunderten. München 1984. S. 62 – 70. Iser, Wolfgang. Coda to the Discussion. In: Budick, Sanford/Ders. (Hrsg.). The Translatability of Cultures. Figurations of the Space Between. Stanford 1996. S. 294 – 304. Jäckel, Eberhard (Hrsg.). Die Schleswig-Frage seit 1945. Dokumente zur Rechtsstellung der Minderheiten beiderseits der deutsch-dänischen Grenze. Frankfurt am Main u. a. 1959. Jahnke, Carsten. Die Borussifizierung des schleswig-holsteinischen Geschichtsbewußtseins, 1866 – 1889. In: Zeitschrift für Schleswig-Holsteinische Geschichte; 130 (2005). S. 161 – 191. Jakstein, Werner. Die Baukunst Schleswig-Holsteins nach dem Kriege. In: SchleswigHolsteinisches Jahrbuch; 1927. S. 18 – 22. Jankuhn, Haithabu. Eine germanische Stadt der Frühzeit. Neumünster 1937. – Eine germanische Stadt der Frühzeit. 2. Aufl. Neumünster 1938. – Die Ausgrabungen in Haithabu (1937 – 1939). Vorläufiger Grabungsbericht. Berlin 1943. – Haithabu. Ein Handelsplatz der Wikingerzeit. 3. völlig neubearb. Aufl. Neumünster 1956. – Die Ausgrabungen in Haithabu und ihre Bedeutung für die Handelsgeschichte des frühen Mittelalters. Köln/Opladen 1958. Jastrow, Alfred. Vertriebene und Flüchtlinge in Nordfriesland. Husum 1978.

464

Quellen- und Literaturverzeichnis

Jaworski, Rudolf. Denkmalstreit und Denkmalsturz im östlichen Europa. Eine Problemskizze. In: Ders./Stachel, Peter (Hrsg.). Die Besetzung des öffentlichen Raumes. Politische Plätze, Denkmäler und Straßennamen im europäischen Vergleich. Berlin 2007. S. 175 – 190. Jebsen, Nina. Deutsch vs. Dänisch – Zur Aushandlung einer Grenzraumidentität 1900 – 1930. In: Welz, Gisela (Hrsg.). Epistemische Orte. Gemeinde und Region als Forschungsformate (Kulturanthropologie-Notizen; 80). Frankfurt am Main 2011. S. 101 – 124. Jensen, Bernard Eric. Writing European History – the Danish Way. In: Pok, Attila u. a. (Hrsg.). European History. Challenge for a Common Europe. Hamburg 2002. S. 54 – 73. Jessen-Klingenberg, Manfred. »In allem widerstrebt uns dieses Volk«. Rassistische und fremdenfeindliche Urteile über die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge in SchleswigHolstein 1945 – 1946. In: Pohl, Karl Heinrich (Hrsg.). Regionalgeschichte heute. Das Flüchtlingsproblem in Schleswig-Holstein nach 1945. Bielefeld 1997. S. 81 – 95. – Schleswig-Holsteins Geschichtsschreibung und das Nationalitätenproblem in Schleswig von 1864 bis 1940. In: Ders. Standpunkte zur neueren Geschichte Schleswig-Holsteins. Hrsg. von Reimer Hansen und Jörn-Peter Leppien. Malente 1998. S. 217 – 242. Jessen-Klingenberg, Manfred/Leppien, Jörn-Peter. Noch einmal: Das Problem Idstedt. Zum Wandel des nationalen Geschichtsbewusstseins in Schleswig-Holstein seit dem Ausgang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. In: Lohmeier, Dieter/Paczkowski, Renate (Hrsg.). Landesgeschichte und Landesbibliothek. Studien zur Kultur SchleswigHolsteins. Heide 2001. S. 191 – 212. Jessen-Klingenberg, Manfred/Leppien, Jörn-Peter/Rothert, Hans-Friedrich. Das Problem Idstedt. Sonderdruck aus: Grenzfriedenshefte; 3/1979. Johannsen, Hans Peter. Debatte um ein Denkmal. In: Grenzfriedenshefte; 1/1962. S. 59 – 65. Johannsen, Peter Iver. Die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig. In: Hansen, Reimer u. a. (Hrsg.). Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzbereich (Gegenwartsfragen; 69). Kiel 1993. S. 41 – 72. Jürgensen, Kurt. Die Eingliederung der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg in das preußische Königreich. In: Baumgart, Peter (Hrsg.). Expansion und Integration. Zur Eingliederung neugewonnener Gebiete in den preußischen Staat (Neue Forschungen zur Brandenburg-Preussischen Geschichte; 5). Köln 1984. S. 327 – 356. – Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Schleswig-Holstein. In: Zeitschrift für SchleswigHolsteinische Geschichte; 120 (1995). S. 147 – 172. Kaatmann, Christian. Byggestil og Byggeskik. Nationale strømninger i sønderjysk arkitektur 1850 – 1940. Apenrade 1988. Kater, Michael Hans. Das »Ahnenerbe« der SS 1935 – 1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reichs (Studien zur Zeitgeschichte; 6). Diss. 4. Aufl. München 2006. Keith, Michael/Pile, Steve (Hrsg.). Place and the Politics of Identity. London/New York 1993. Kerski, Basil (Hrsg.). Preußen – Erbe und Erinnerung. Essays aus Polen und Deutschland. Potsdam 2005. Kiesow, Gottfried. Denkmalpflege in Deutschland. Eine Einführung. 4. überarb. Aufl. 2000.

Literatur und gedruckte Quellen

465

Kirshenblatt-Gimblett, Barbara. Theorizing Heritage. In: Ethnomusicology ; 39,3 (1995). S. 367 – 380. – Destination Culture. Tourism, Museums, and Heritage. Nachdr. Berkeley u. a. 1998. Kjærgaard, Thorkild. Contested Heritage and Identity Politics: The Industrial Museum of Schleswig. In: Peckham, Robert Shannan. Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 102 – 110. Klatt, Martin. »… und sich nicht mit den Flüchtlingen zu vermischen.« Ein wenig bekannter Aspekt des dänischen Grenzkampfes nach 1945. In: Grenzfriedenshefte; 1/ 2002. S. 43 – 52. – Fließende Grenzen in einer Grenzstadt. Sprache, Kultur, gesellschaftlicher Status und nationale Identität im Flensburg des langen 19. Jahrhunderts. In: Duhamelle, Christophe/Kossert, Andreas/Struck, Bernhard (Hrsg.). Grenzregionen. Ein europäischer Vergleich vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. S. 315 – 331. Klee, Ernst. Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main 2011. Klose, Olaf. Schleswig-Holsteinisches biographisches Lexikon; Bd. 1. Neumünster 1970. Kocka, Jürgen. Das lange 19. Jahrhundert. Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft. 10., völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart 2001. Kreis, Georg. Schweizer Erinnerungsorte. Aus dem Speicher des Swissness. Zürich 2010. Kreisarchiv Nordfriesland (Hrsg.). Baupflege Kreis Tondern (Schriften des Kreisarchivs Nordfriesland, Schloß vor Husum; 2). Husum 1978. Kristensen, Henrik Skov. Grænsen og besættelsen. In: Becker-Christensen, Henrik (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. S. 79 – 109. – Fra fangelejr til museum og national mindepark – træk af Frøslevlejrens kulturhistorie 1944 – 2001. In: Sønderjyske Museer ; 2001. S. 81 – 100. – Eine Station auf dem Weg in die Hölle. Harrislee-Bahnhof und die Deportation dänischer Gefangener aus Frøslev in deutsche Konzentrationslager. Flensburg/Apenrade 2002. – Der 9. April 1940, die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig und die Grenzfrage. In: Demokratische Geschichte; 16 (2004). S. 155 – 169. – The Museum of Danish Resistance and the Frøslev Camp Museum as Places of Danish Remembrance. In: Bohn, Robert/Cornelißen, Christoph/Lammers, Karl Christian (Hrsg.). Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskulturen im Schatten des Zweiten Weltkrieges. Deutschland und Skandinavien seit 1945. Essen 2008. S. 169 – 181. Kühl, Jørgen. Danevirke. Myte, Symbol, Identitet (Danevirkeg”rdens museumspædagogiske tekster ; 2). Dannevirke 1992. – Heinrich Himmler, Søren Telling og Danevirke. In: Sønderjyske ærbøger ; 1999. S. 153 – 178. – Søren Telling og Danevirke. In: Sønderjyske ærbøger ; 1999. S. 153 – 178. – En europæisk model? Nationale mindretal i det dansk tyske grænseland 1945 – 2000. Apenrade 2002. – En europæisk model? Den slesvigske erfaring og de nationale mindretal. In: Ders. (Hrsg.). En europæisk model? Nationale mindretal i det dansk-tyske grænseland 1945 – 2000. Apenrade 2002. S. 351 – 453. – Zwischen Nationalsozialismus und Nationalismus. Søren Telling und das Danewerk. In: Demokratische Geschichte. Jahrbuch für Schleswig-Holstein; 19 (2008). S. 23 – 40.

466

Quellen- und Literaturverzeichnis

Kühl, Jørgen/Hardt, Nis. Danevirke. Nordens største Fortidsminde. Herning 1999. Kulturarvstyrelsen (Hrsg.). Landbrugets Bygninger 1850 – 1940. Sønderjyllands Amt. Kopenhagen 2005. Kunz, Georg. Verortete Geschichte. Regionales Geschichtsbewusstsein in den deutschen Historischen Vereinen des 19. Jahrhunderts (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; 138). Diss. Göttingen 2000. Kusber, Jan. Konkurrierende Plätze in Sankt Petersburg. Zur Dauerhaftigkeit der Verortung politischer Macht im historischen Gedächtnis. In: Jaworski, Rudolf/Stachel, Peter (Hrsg.). Die Besetzung des öffentlichen Raumes. Politische Plätze, Denkmäler und Straßennamen im europäischen Vergleich. Berlin 2007. S. 131 – 143. Kuschert, Rolf. »Baupflege Kreis Tondern«. Landschaftsgebundenes Bauen im Kreis Tondern am Anfang unseres Jahrhunderts. In: Die Heimat. Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein und Hamburg; 84 (1977). S. 254 – 262. – Prof. D. Volquart Pauls. 23. Januar 1884 – 9. Mai 1954. Vortrag, gehalten in einer Feierstunde des Heimatbundes Landschaft Eiderstedt in Kating am 22. Januar 1984 (Landeskundliche Schriften des Nordfriesischen Vereins; 7). Husum 1984. la Cour, Vilhelm/Fabricius, Knud. Sønderjyllands historie. Fremstillet for det danske folk. Bde. 1 – 5. Kopenhagen 1930 – 1943. Lægring, Kasper/Noldus, Badeloch Vera/Aahauge, Jakob (Red.). Skjulte skatte i grænseæandet. Dansk bygningsarv i Slesvig og Holsten. Frederiksberg u. a. 2010. Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.). Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. Neumünster 1993. Lang, Karen. The Heritage of the Bismarck National Monument in the Weave of Historicity. In: Peckham, Robert Shannan (Hrsg.). Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 124 – 138. Lange, Ulrich (Hrsg.). Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 2. Aufl. Neumünster 2003. Larsen, Niels P. Danevirke i ny belysning. Sorø 1930. Lauridsen, Peter. Om dansk og tysk Bygningsskik i Sønderjylland. In: Historisk Tidsskrift; 6,VI (1895). S. 43 – 113. Leckband, Povl. Kontrast oder Gleichklang? Konzepte und Schaffen dänischer Architekturkollegen Zieglers. In: Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte (Hrsg.). Paul Ziegler – Magistratsbaurat in Flensburg 1905 – 1939 (Kleine Reihe der Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte; 29). Flensburg 1998. S. 88 – 97. Leggewie, Claus. Der Kampf um die europäische Erinnerung. München 2011. Lehmann, Otto. Das Holsteinhaus. Eine landeskundliche Studie. Mühlau 1922. – Das Bauernhaus in Schleswig-Holstein. Altona 1927. – Sinn und Aufgabe der Heimatmuseen. Unter Berücksichtigung der Verhältnisse in Schleswig-Holstein. Sonderdruck aus: Festschrift des Kunstgewerbemuseums [der Stadt Flensburg]. Flensburg 1928. – Die Museen und der nationale Gedanke. Sonderdruck aus: Minerva; 9,5/6 (1933). S. 69 – 75. – Die bisherigen Ergebnisse der Hausforschung für das Volkstum im deutschen Schleswig. In: Nordelbingen; 14 (1938). S. 70 – 107.

Literatur und gedruckte Quellen

467

Leppien, Jörn-Peter. Debatte um ein Denkmal. Die Grenzfriedenshefte und der IdstedtLöwe. In: Grenzfriedenshefte; 1/1992. S. 3 – 6. – »Operation Lion«. Henrik V. Ringsted und der Idstedt-Löwe 1945 – ein Quellenbericht. Sonderdruck aus: Grenzfriedenshefte; 2 (1995). Leube, Achim/Hegewisch, Morten (Hrsg.). Prähistorie und Nationalsozialismus. Die mittel- und osteuropäische Ur- und Frühgeschichtsforschung in den Jahren 1933 – 1945 (Studien Wissenschafts- und Universitätsgeschichte; 2). Heidelberg 2002. Lidegaard, Mads. Hærvejen fra Limfjorden til Dannevirke. Kopenhagen 1992. Little, John. The politics of heritage. Routledge 2005. Loebert, Sönke. Die dänische Vergangenheit Schleswigs und Holsteins in preußischen Geschichtsbüchern (Kieler Werkstücke. Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte; 29). Frankfurt am Main 2008. Lorek, Sabine. Rechtsabrechnung – Retsopgør. Politische Säuberung nach dem Zweiten Weltkrieg in Nordschleswig. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtskreise Apenrade/Aabenraa, Gravenstein/Gr”sten und Tondern/Tønder (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; 108.). Neumünster 1998. Lottes, Günther. Europäische Erinnerung und europäische Erinnerungsorte? In: Jahrbuch für europäische Geschichte; 3 (2002). S. 81 – 92. Lowenthal, David. The Heritage Crusade and the Spoils of History. Cambridge 1998. Lübke, Wilhelm. Geschichte der Renaissance in Deutschland (Geschichte der neueren Baukunst; 2). 2., durchges. und verm. Aufl. Bd. 2. Stuttgart 1882. Lubowitz, Frank. 10. Februar 1920 – Die Volksabstimmung in Nordschleswig und die Forderung nach einer »Neuen Entscheidung«. In: Schriften der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig; 70 (1995). S. 9 – 30. – Det tyske mindretal i Danmark 1945 – 1955. In: Kühl, Jørgen. En europæisk model? Nationale mindretal i det dansk-tyske grænseland 1945 – 2000. Apenrade 2002. S. 115 – 133. – Der Heer- und Ochsenweg durch Nordschleswig. In: Gerd, Stolz/Weidling, Guenther (Hrsg.). Nordschleswig. Landschaft – Menschen – Kultur. Husum 2005. S. 28 – 33. Luhmann, Niklas. Inklusion und Exklusion. In: Berding, Helmut (Hrsg.). Nationales Bewußtsein und kollektive Identität (Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit; 2). Frankfurt am Main 1996. S. 15 – 45. Lunn, Ulla. Preservation of Buildings in Denmark. Kopenhagen 1993. Lutzhöft, Hans-Jürgen. Der Nordische Gedanke in Deutschland 1920 – 1940 (Kieler Historische Studien; 14). Diss. Stuttgart 1971. Maas, Annette. Kriegerdenkmäler und Erinnerungsfeiern im Elsass und in Lothringen. In: Isenberg, Wolfgang (Hrsg.). Historische Denkmäler. Vergangenheit im Dienste der Gegenwart? Bergisch Gladbach 1994. S. 55 – 68. Macdonald, Sharon. Macdonald, Sharon. Nationale, postnationale, transkulturelle Identitäten und das Museum. In: Beier, Rosmarie (Hrsg.). Geschichtskultur in der Zweiten Moderne. Frankfurt am Main 2000. S. 123 – 148. – Museums, national, postnational and transcultural identities. In: Museums and society ; 1 (2003). S. 1 – 16. Machtan, Lothar. Bismarck. In: FranÅois, Etienne/Schulze, Hagen (Hrsg). Deutsche Erinnerungsorte. Bd. 2. München 2001. S. 86 – 104. Matthies, Jörg. Eichen und Granitfindlinge. Denkmäler des späten 19. und frühen 20.

468

Quellen- und Literaturverzeichnis

Jahrhunderts in Kiel. In: Rönnau, Jens (Hrsg.). Stolperstein der Geschichte – die Ruine des U-Bootbunkers als Mahnmal und Herausforderung. Kiel 1997. S. 192 – 196. – Symbol der Unabhängigkeit. Zur Motiv- und Denkmalikonographie der SchleswigHolsteinischen Doppeleiche. In: Gröning, Gert/Schneider, Uwe (Hrsg). Gartenkultur und nationale Identität. Strategien nationaler und regionaler Identitätsstiftung in der deutschen Gartenkultur. Worms 2001. S. 52 – 75. – »Unter einer Krone Dache…« Die Doppeleiche als schleswig-holsteinisches Unabhängigkeitssymbol (Geschichte & Kultur Schleswig-Holsteins; 13). Neumünster 2003. Mazur, Zbigniew (Hrsg.). Das deutsche Kulturerbe in den polnischen West- und Nordgebieten. Wiesbaden 2003. McGuire, Michael Courtney Quinn. Bismarck in Walhalla. The cult of Bismarck and the politics of national identity in Imperial Germany, 1890 – 1915. Diss. Ann Arbor 1994. Medick, Hans. Zur politischen Sozialgeschichte der Grenzen in der Neuzeit Europas. In: Sozialwissenschaftliche Informationen; 20/3 (1991). S. 157 – 163. – Grenzziehungen und die Herstellung des politisch-sozialen Raumes. Zur Begriffsgeschichte und politischen Sozialgeschichte der Grenzen in der Frühen Neuzeit. In: Weisbrod, Bernd (Hrsg.). Grenzland. Beiträge zur Geschichte der deutsch-deutschen Grenze (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Niedersachsens nach 1945; 9). Hannover 1993. S. 195 – 207. Meier, Hans-Rudolf. 30 Jahre seit dem Europäischen Jahr für Denkmalpflege und Heimatschutz. Perspektiven für die »Zukunft unserer Vergangenheit«. In: NIKE-Bulletin; 3/2005. S. 4 – 9. Meitzen, August. Das deutsche Haus in seinen volksthümlichen Formen. Behufs Ermittelungen über die geographische und geschichtliche Verbreitung. Berlin 1882. Meixner, Wolfgang. Mythos Tirol. Zur Tiroler Ethnizitätsbildung und Heimatschutzbewegung im 19. Jahrhundert. In: Geschichte und Region; 1/1992. S. 88 – 106. Mejborg, Reinhold. Gamle danske Hjem i det 16de, 17de og 18de Aarhundrede. Kopenhagen 1888. – Nordiske Bøndergaarde i det XVIde, XVIIde og XVIIIde Aarhundrede i Slesvig. Kopenhagen 1892. Menkovic, Biljana. Politische Gedenkkultur. Denkmäler – Die Visualisierung politischer Macht im öffentlichen Raum (Vergleichende Gesellschaftsgeschichte und politische Ideengeschichte der Neuzeit; 12). Wien 1999. Meyer, Carl. Das Bauen auf dem platten Lande und in den kleinen Städten SchleswigHolsteins. Baukatechismus mit Bildern. 3. Aufl. Lübeck 1915. Miljøministeriets 4. kontor (Hrsg.). Bygningsfredningsloven og dens revision – status og perspektiver. Kopenhagen 1975. Miltkau, Arne. Wiederaufbau der Kieler Innenstadt. In: Oddey, Markus/Riis, Thomas (Hrsg.). Zukunft aus Trümmern. Wiederaufbau und Städtebau in Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg. Kiel 2000. S. 84 – 123. Mittag, Jürgen (Hrsg.): Die Idee der Kulturhauptstadt Europas. Anfänge, Ausgestaltung und Auswirkungen Europäischer Kulturpolitik. Essen 2008. Mittig, Hans-Ernst. Über Denkmalkritik. In: Ders./Plagemann, Volker (Hrsg.). Denkmäler im 19. Jahrhundert. Deutung und Kritik (Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts; 20). München 1972.

Literatur und gedruckte Quellen

469

Mogensen, Carsten R. (Hrsg.). Dansk i hagekorsets skygge. Det tredie rige og det dansk mindretal i Sydslesvig 1933 – 1939. Flensburg 1981. Møller Terkildsen, Ingvert. De sønderjyske domæneg”rde (Sønderjyske billeder ; 7). Apenrade 2001. Mortensen, Tage (Hrsg). Søren Telling. Om og af den danske jarl p” Danevirke. Flensburg 1969. Müller, Michael G./Petri, Rolf (Hrsg.). Die Nationalisierung von Grenzen. Zur Konstruktion nationaler Identität in sprachlich gemischten Grenzregionen. Marburg 2002. Müller, Sophus/Neergaard, Carl. Danevirke, arkæologisk undersøgt, beskrevet og tydet af Sophus Müller og Carl Neergaard. Kopenhagen 1903. Müller-Wille, Michael. The political misuse of Scandinavian prehistory in the years 1933 – 1945. In: Roesdahl, Else/Sørensen, Preben Meulengracht (Hrsg.). The Waking of Angantyr. The Scandinavian past in European culture/Den nordiske fortid i europæisk kultur (Acta Jutlandica; 71,1). Aarhus 1996. S. 156 – 175. Münkler, Herfried. Die Deutschen und ihre Mythen. Berlin 2009. Must, Heiner (Hrsg.). Bildersturm. Heidelberg 2006. Nipperdey, Thomas. Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert. In: Ders. Gesellschaft, Kultur, Theorie. Gesammelte Aufsätze zur neueren Geschichte. Göttingen 1976. S. 133 – 173. Nitz, Hans-Jürgen. Der Beitrag der historischen Geographie zur Erforschung von Peripherien. In: Nolte, Hans-Heinrich (Hrsg). Europäische Innere Peripherien im 20. Jahrhundert (Historische Mitteilungen; Beiheft 23). Stuttgart 1997. S. 17 – 36. N.N. Sønderborg in Sønderjylland-Schleswig. Candidate for European Capital of Culture. Sonderburg [2010]. N.N. Wiedererrichtung des Idstedt-Löwen? In: Schleswig-Holstein. Monatshefte für Heimat und Volkstum; 14,3 (1962). S. 82. Noack, Johan-Peter. Det danske mindretal i Sydslesvig 1920 – 1945. 2. Bde. Apenrade 1989. – Da grænsen »l” fast« – grænsestriden efter 2. verdenskrig. In: Becker-Christensen, Henrik (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. S. 110 – 128. – Als die Grenze »fest lag« – der Grenzstreit nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Grenzfriedenshefte; 1/1996. S. 23 – 40. Nolte, Hans-Heinrich. Internal Peripheries – A Definition and A Note. In: Ders. (Hrsg.). Internal Peripheries in European History. Göttingen/Zürich 1991. S. 1 – 3. – Europäische Innere Peripherien – Ähnlichkeiten, Unterschiede, Einwände zum Konzept. In: Ders. (Hrsg.). Europäische Innere Peripherien im 20. Jahrhundert (Historische Mitteilungen; Beiheft 23). Stuttgart 1997. S. 7 – 16. – (Hrsg). Europäische Innere Peripherien im 20. Jahrhundert (Historische Mitteilungen; Beiheft 23). Stuttgart 1997. Nora, Pierre. Lex lieux de m¦moire. 7 Bde. Paris 1984 – 1992. Nørlund, Poul. Forord. In: Det Særlige Bygningssyn (Hrsg.). Bygningsfredning gennem 25 Aar. Kopenhagen 1943. S. 7 – 11. Nyrop, Martin. Danske Præstegaarde. En Række vejledende Tegninger knyttede til den af Ministeriet for Kirke- og Undervisningsvæsenet i Aaret 1892 nedsatte Kommissions Betænkning om en bedre Ordning af Landsbypræsteembedernes Bygningsvæsen. Kopenhagen 1896. Oddey, Markus. Die Kieler Hafenindustrie im Zweiten Weltkrieg. In: Ders./Riis, Thomas

470

Quellen- und Literaturverzeichnis

(Hrsg.). Zukunft aus Trümmern. Wiederaufbau und Städtebau in Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg. Kiel 2000. S. 7 – 83. Oddey, Markus/Riis, Thomas (Hrsg.). Zukunft aus Trümmern. Wiederaufbau und Städtebau in Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg. Kiel 2000. Olschowsky, Burkhard u. a. (Hrsg.). Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Erfahrungen der Vergangenheit und Perspektiven (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa; 42). München 2011. Opitz, Eckardt. Schleswig-Holstein im dänischen Gesamtstaat am Ende der Ära Bernstorff. In: Heinzelmann, Eva/Trobl, Stefanie/Riis, Thomas (Hrsg.). Der dänische Gesamtstaat. Ein unterschätztes Weltreich? The Oldenbourg Monarchy. An Underestimated Empire? Kiel 2006. S. 203 – 217. Østerg”rd, Uffe. Schleswig and Holstein in Danish and German Historiography. In: Frank, Tibor/Hadler, Frank (Hrsg.). Disputed Territories and Shared Pasts. Overlapping National Histories in Modern Europe (Writing the nation: national historiographies and the making of nation states in 19th and 20th century Europe; 6). Basingstoke u. a. 2011. S. 200 – 223. Osterhammel, Jürgen. Die Wiederkehr des Raumes. Geopolitik, Geohistorie und historische Geographie. In: Neue Politische Literatur ; 1/1998. S. 374 – 397. Ostwald, Jürgen. Der Idstedt-Löwe und die Denkmalanlage auf dem Alten Friedhof in Flensburg. In: Poulsen, Bjørn/Schulte-Wülwer, Ulrich (Red.). Der Idstedt-Löwe. Ein nationales Monument und sein Schicksal. Schleswig 1993. S. 48 – 80. – Das Bismarckdenkmal auf dem Knivsberg. In: Ders. (Hrsg.). Der Knivsberg. 100 Jahre deutsche Versammlungsstätte in Nordschleswig. Heide 1994. S. 103 – 134. Ott, Michaela. Raum. In: Ästhetische Grundbegriffe. Bd. 5. S. 113 – 149. Ottomeyer, Hans. Zeugnisse der Geschichte und die Museen Europas. In: Tietmeyer, Elisabeth u. a. (Hrsg). Die Sprache der Dinge – kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die materielle Kultur (Schriftenreihe Museum Europäischer Kulturen; 5). Münster u. a. 2010. S. 23 – 30. Pauls, Volquart. Die Darstellung der Schleswig-Holsteinischen Erhebung (1848 – 51) in den Schleswig-Holsteinischen Heimatmuseen. Ein Beispiel für die Gestaltung der historischen Abteilungen in unsern Heimatmuseen. Sonderdruck aus: Museumskunde; N.F. 10,1 (1938). Peckham, Robert Shannan. The Politics of Heritage and Public Culture. In: Ders. (Hrsg.). Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 1 – 13. Peters, Olaf. Das Knivsbergfest. Eine nationale Festveranstaltung der deutschen Minderheit in Dänemark. Kiel 1990. – »Weihnachten, Ostern und Knivsbergfest«. 100 Jahre »Deutsches Volksfest auf dem Knivsberg«. In: Ostwald, Jürgen (Hrsg.). Der Knivsberg. 100 Jahre deutsche Versammlungsstätte in Nordschleswig. Heide 1994. S. 59 – 102. Pirinen, Hanna. »The Nordic concept« in relation to the arts. Politics and exhibition policy in the Third Reich. In: Nordisk Museologi; 1 (2007). S. 46 – 57. Pollard, Sidney. Marginal Areas. Do they have a Common History? In: Etemad, Bouda u. a. (Hrsg.). Towards an International Economic and Social History. Genf 1995. S. 121 – 136. Poulsen, Bjørn. Hertugdømmets dannelse 700 – 1544. In: Historisk Samfund for Sønderjylland (Hrsg.). Sønderjyllands Historie; Bd. 1: Indtil 1815. Apenrade 2008. S. 41 – 186.

Literatur und gedruckte Quellen

471

Pringle, Heather Anne. The master plan. Himmler’s scholars and the Holocaust. New York 2006. Quellen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; III. 2., überarb. Aufl. Kiel 1986. Quenzel, Gudrun. Konstruktionen von Europa. Die europäische Identität und die Kulturpolitik der Europäischen Union. Bielefeld 2005. Qvortrup, Helge. …til støtte for danskheden. Grænseforeningen 1920 – 1990 (Grænseforeningens ”rbog; 25). Apenrade 1991. Rasmussen, Carsten Porskrog. Et hertugdømme – mange herrer 1544 – 1720. In: Historisk Samfund for Sønderjylland (Hrsg.). Sønderjyllands Historie; Bd. 1: Indtil 1815. Apenrade 2008. S. 187 – 332. – Slesvig og Holsten – hertugdømmer og grænseland. In: Lægring, Kasper/Noldus, Badeloch Vera/Aahauge, Jakob (Red.). Skjulte skatte i grænseæandet. Dansk bygningsarv i Slesvig og Holsten. Frederiksberg u. a. 2010. S. 115 – 125. Rasmussen, Ren¦. Dänischer Sturm auf Düppel. In: Grenzfriedenshefte; 2/2000. S. 151 – 177. Rath, Karl vom. Die Aufgaben der Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. In: Die Heimat. Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein und Hamburg; 57,3 (1950). S. 57. Reichel, Peter. Der schöne Schein des Dritten Reichs. Gewalt und Faszination des deutschen Faschismus. Hamburg 2006. Reinhardt, Georg. Preußen im Spiegel der öffentlichen Meinung Schleswig-Holsteins 1866 – 1870 (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; 29). Neumünster 1954. Renan, Ernest. Was ist eine Nation? Vortrag in der Sorbonne am 11. März 1882. In: Jeismann, Michael/Ritter, Henning (Hrsg.). Grenzfälle. Über neuen und alten Nationalismus. Leipzig 1993. S. 290 – 311. Rerup, Lorenz. Danmarks historie. Slesvig og Holsten efter 1830. Kopenhagen 1982. S. 319 – 346. – Grænsen i en EU-tid. In: Becker-Christensen, Henrik (Hrsg.). Grænsen i 75 ”r. 1920 – 1995. Apenrade 1995. S. 182 – 192. Reumann, Klauspeter. Wege zum Krieg – Wege zum Frieden. 1864 – 1989 (Stichworte; 12). [Kiel] 1989. Rhamm, Karl. Altgermanische Bauernhöfe im Übergang vom Saal zu Fletz und Stube. Braunschweig 1908. Riedrich, Otto. Neue Baukeramik Schleswig-Holsteins. In: Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch; 1927. S. 23 – 38. Riegl, Alois. Der moderne Denkmalkultus – sein Wesen und seine Entstehung. Wien u. a. 1903. Rieth, Adolf. Vorzeit gefälscht. Tübingen 1967. Riis, Thomas. Zusammenfassung. In: Oddey, Markus/Ders. (Hrsg.). Zukunft aus Trümmern. Wiederaufbau und Städtebau in Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg. Kiel 2000. S. 313 – 323. – Gibt es ein schleswig-holsteinisches Selbstverständnis? In: Lundt, Bea (Hrsg.). Nordlichter. Geschichtsbewußtsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe (Beiträge zur Geschichtskultur; 27). Köln/Weimar/Wien 2004. S. 373 – 389.

472

Quellen- und Literaturverzeichnis

Ringsted, Henrik V. Fran vor udsendte korrespondent. Kopenhagen 1965; Ders. Erindringer ; 2. Bd. Kopenhagen 1979. Rodell, Magnus. Das Gibraltar des Nordens. Die Herstellung des schwedisch-russischen Grenzgebietes um 1900. In: Duhamelle, Christophe/Kossert, Andreas/Struck, Bernhard (Hrsg.). Grenzregionen. Ein europäischer Vergleich vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. S. 123 – 152. Roesdahl, Else. Vikingerne i dansk kultur. In: Fortid og Nutid; 2/1994. S. 158 – 172. Rosenberg, Alfred. Der Mythus des 20. Jahrhunderts. München 1930. Roth, Martin Roth. Heimatmuseum. Zur Geschichte einer deutschen Institution (Berliner Schriften zur Museumskunde; 7). Berlin 1990. Rudbeck, Frederik. Der Flensburger Löwe. In: Grenzfriedenshefte; 3/1983. S. 141 – 142. Rüdiger, Jan. Vom Nutzen des Vergessens. Schleswig-Holsteins Landesmittelalter. In: Lundt, Bea (Hrsg.). Nordlichter. Geschichtsbewußtsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe (Beiträge zur Geschichtskultur; 27). Köln/Weimar/Wien 2004. S. 87 – 135. Runge, Johann. Die dänische Minderheit in Südschleswig. In: Hansen, Reimer u. a. (Hrsg.). Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzbereich (Gegenwartsfragen; 69). Kiel 1993. S. 73 – 158. Sahlins, Peter. The Nation and the Village. State-Building and Communal Struggles in the Catalan Borderland during the Eighteenth and Nineteenth Centuries. In: Journal of Modern History ; 60 (1988). S. 234 – 263. – Boundaries. The Making of France and Spain in the Pyrenees. Berkeley/Los Angeles/ Oxford 1989. Salomon, Kim. Konflikt i Grænseland. Sociale og nationale modsætninger i Sønderjylland 1920 – 1933. Kopenhagen 1980. Sauermann, Ernst. Kleinstadtbilder aus Schleswig-Holstein; Heft 1: Apenrade. Herausgegeben vom Flensburger Kunstgewerbe-Museum. Flensburg 1909. – Geleitwort. In: Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch; 1927. S. I – II. – (Hrsg.). Die Kunstdenkmäler des Landes Schleswig-Holstein. 4. Bde. Berlin 1939. Schallmayer, Egon (Hrsg.). Archäologie und Politik. Archäologische Ausgrabungen der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts im zeitgeschichtlichen Kontext (Fundberichte aus Hessen, Beihefte; 7). Bonn 2011. Scharff, Alexander. Geschichte Schleswig-Holsteins. Ein Überblick. Neuausg., 5. aktualisierte und überarb. Aufl. Freiburg im Breisgau u. a. 1991. Scharte, Sebastian. Preußisch – deutsch – belgisch. Nationale Erfahrung und Identität. Leben an der deutsch-belgischen Grenze im 19. Jahrhundert (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland; 115). Münster 2010. Schartl, Matthias. Idstedt – Erinnerungsort gemeinsamer deutsch-dänischer Geschichte. Die neue Ausstellung in der Idstedt-Halle. Flensburg/Schleswig 2006. – Idstedt und Düppel. Erinnerungsorte deutsch-dänischer Geschichte. In: Fleischhauer, Carsten/Turkowski, Guntram (Hg.). Schleswig-Holsteinische Erinnerungsorte. Heide 2006. S. 22 – 33. Scheck, Thomas. Die Anfänge der Denkmalschutzes und der staatlichen Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. Bonn 1989. – Denkmalpflege und Diktatur. Die Erhaltung von Bau- und Kunstdenkmälern in Schleswig-Holstein und im Deutschen Reich zur Zeit des Nationalsozialismus. Diss. Berlin 1995.

Literatur und gedruckte Quellen

473

Schlaber, Gerret Liebing. Kontroverse um ein Denkmal. Der Idstedt-Löwe zwischen Provokation und Provisorium (1992 – 2002). In: Grenzfriedenshefte; 4/2002. S. 259 – 290. Schleswig-Holsteiner Bund (Hrsg.). Aber, Herr Eskildsen! (Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit; 4). Kiel 1937. – Schleswig urdänisches Land? (Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit; 1). Kiel 1937. – Volkskundliche Tatsachen gegen dänische »Grenzlehren«. Zwei Beiträge zur Volkskunde im Grenzland Schleswig (Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit; 7). Flensburg 1939. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund (Hrsg.). 20 Jahre Schleswig-Holsteinischer Heimatbund. Neumünster 1968. – (Hrsg.). 50 Jahre Schleswig-Holsteinischer Heimatbund. Kiel 1997. Schleswig-Holsteinischer Heimatbund/Landesarchiv Schleswig-Holstein (Hg.). 150 Jahre Schleswig-Holstein-Lied. Schleswig-Holsteins Lied und Farbe im Wandel der Zeiten. Vorträge und Diskussionen eines wissenschaftlichen Symposiums im Landesarchiv Schleswig-Holstein im Prinzenpalais Schleswig (Veröffentlichungen des schleswigholsteinischen Landesarchivs; 40). Schleswig 1995. Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch; 1927. Schleswig-Holsteinische Universitäts-Gesellschaft (Hrsg.). Dänentum in Eiderstedt? (Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit; 2). Kiel 1936. Schlögel, Karl. Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. München 2003. Schmidt, Gerhard. Bericht zur Lage der deutschen Minderheit in Nordschleswig. In: Paulina-Mürl, Lianne (Hrsg.). Minderheiten in Europa. Landtagsforum am 7. Juni 1991. Lübeck 1991. S. 101 – 104. Schmidt, Hanno. Ein Monument im Wandel der Zeit. Zur Frage der Wiedererrichtung des Idstedt-Löwen in Flensburg. In: Schleswig-Holstein. Monatshefte für Heimat und Volkstum; 14,2 (1962). S. 29 – 31. Schmidt, Werner. Gedanken auf dem Schlachtfeld bei Idstedt. In: In: Schleswig-Holstein; 9/1978. S. 14 – 16. – Im Blickpunkt: Idstedt 1978. In: Schleswig-Holstein; 9/1978. S. 1. Schmidt-Wodder, Johannes. Deutschland gestern und heute. Wien/Leipzig 1934. Schnack, Renate. Slesvig-Holsten og mindretallene i 1980’erne og 1990’erne. In: Kühl, Jørgen (Hrsg.). En europæisk model? Nationale mindretal i det dansk-tyske grænseland 1945 – 2000. Apenrade 2002. S. 299 – 316. Schultze-Naumburg, Paul. Kulturarbeiten. 9 Bde. München 1901 – 1917. Schulze, Winfried/Aly, Götz (Hrsg.). Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 2000. See, Klaus von. Das »Nordische« in der Deutschen Wissenschaft des 20. Jahrhunderts. In: Jahrbuch für internationale Germanistik; 15 (1983). S. 8 – 38. Seele, Sieglinde. Lexikon der Bismarck-Denkmäler. Türme, Standbilder, Büsten, Gedenksteine und andere Ehrungen. Eine Bestandsaufnahme in Wort und Bild. Petersberg 2005. Segert, Dieter. Die Grenzen Osteuropass: 1918, 1945, 1989 – Drei Versuche im Westen anzukommen. Frankfurt/New York 2002. Serrier, Thomas. Geschichtskultur und Territorialität. Historisches und räumliches Bewusstsein im deutsch-polnischen Grenzraum im 19. und 20. Jahrhundert. In: FranÅois,

474

Quellen- und Literaturverzeichnis

Etienne/Seifarth, Jörg/Struck, Bernhard (Hg.). Die Grenze als Raum, Erfahrung und Konstruktion. Deutschland, Frankreich und Polen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. S. 243 – 266. Sievers, Kai Detlev. Die Köllerpolitik und ihr Echo in der deutschen Presse 1897 – 1901 (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; 47). Diss. Neumünster 1964. Simmel, Georg. Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. 6. Aufl. Berlin 1983. Skougaard, Mette. Ostenfeldg”rden og den dansk-tyske strid om den nationale arv. In: Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte (Hrsg.). Paul Ziegler – Magistratsbaurat in Flensburg 1905 – 1939 (Kleine Reihe der Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte; 29). Flensburg 1998. S. 158 – 172. Skovgaard, Joakim A. Conservation Planning in Denmark. In: Town Planning Review; 49,4 (1978). S. 519 – 539. Speitkamp, Winfried. Die Verwaltung der Geschichte. Denkmalpflege und Staat in Deutschland 1871 – 1933 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; 114). Göttingen 1996. – Denkmalsturz und Symbolkonflikt in der modernen Geschichte. Eine Einleitung. In: Ders. (Hrsg.). Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik. Göttingen 1997. S. 5 – 21. – Speitkamp, Winfried (Hrsg.). Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik. Göttingen 1997. – Zu Rezeption und Verständnis nationaler Denkmäler. In: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Hrsg.). Europäische Nationaldenkmale im 21. Jahrhundert – Nationale Erinnerung und europäische Identität (thema M4; Sonderband). Leipzig 2005. S. 78 – 84. Springer, Ernst/Schlechter, Günter. Kulturdenkmal Danewerk. Archäologisch-Landschaftspflegerische Fachplanung. Erläuterungsbericht. Busdorf 1981. Stange, Alfred. Der Schleswiger Dom und seine Wandmalereien. Berlin 1940. Stark, Joachim. Haithabu – Schleswig – Danewerk. Aspekte einer Forschungsgeschichte mittelalterlicher Anlagen in Schleswig-Holstein. Oxford 1988. Steckner, Cornelius. Grenzfall Bismarck. Der bewaffnete Friede, die olympische und die apollinische Stadionsplastik. In: Ostwald, Jürgen (Hrsg.). Der Knivsberg. 100 Jahre deutsche Versammlungsstätte in Nordschleswig. Heide 1994. S. 135 – 167. Steensen, Thomas. Rudolf Muuß. Heimatpolitiker in Nordfriesland und Schleswig-Holstein. Husum 1997. Steinhäuser, Martin. Im Bunde mit der Geschichte. Trotz allem »up ewig ungedeelt«. In: Schleswig-Holstein; 10 (1949). S. 1 – 10. Steinwascher, Gerd. Die Oldenburger. Die Geschichte einer europäischen Dynastie. Berlin 2011. Stephanides, Stephanos. The Translation of Heritage. Multiculturalism in the »New« Europe. In: Peckham, Robert Shannan. Rethinking Heritage. Cultures and Politics in Europe. London 2003. S. 45 – 57. Steuer, Heiko. Herbert Jankuhn und seine Darstellungen zur Germanen- und Wikingerzeit. In: Ders. (Hrsg.). Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995. Berlin/New York 2001. S. 417 – 473. Stickler, Matthias. »…denn wo du bist, ist Deutschland«. Bismarckkult und Bismarck-

Literatur und gedruckte Quellen

475

denkmäler im Kaiserreich. In: Heidenreich, Bernd/Kraus, Hans-Christof/Kroll, FrankLothar (Hrsg.). Bismarck und die Deutschen. Berlin 2005. S. 169 – 181. Stoklund, Bjarne. Bondebygninger og folkekarakter. Striden om »den etnografiske grænse« mellem dansk og tysk 1840 – 1940. In: Ders. (Hrsg.). Kulturens Nationalisering. Et etnologisk perspektiv p” det nationale. Kopenhagen 1999. S. 48 – 65. – G”rdtyper og boligformer. In: Ders. (Hrsg.). Tingenes kulturhistorie. Etnologiske studier i den materielle kultur. Kopenhagen 2003. S. 79 – 110. – Der schleswigsche Hof und die dänische Bauernhausforschung. In: Dragsbo, Peter (Hrsg.). Haus und Hof in Schleswig und Nordeuropa. Heide 2008. S. 24 – 43. – Stolz, Gerd. Verloren ehe begonnen. Idstedt – 25. Juli 1850. In: Schleswig-Holstein; 9/ 1978. S. 2 – 7. – Der Weg zu einer nationalen Entscheidung. In: Ders. Volksabstimmung Nordschleswig 1920. Plebiscit Slesvig. Apenrade/Sonderburg 1990. S. 15 – 60 – Das deutsch-dänische Schicksalsjahr 1864. Ereignisse und Entwicklungen. Husum/ Apenrade 2010. Strasser, Peter. Welt-Erbe? Thesen über das »Flaggschiffprogramm der UNESCO. In: Bendix, Regina/Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus (Hrsg.). Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie; 1). Berlin 2007. S. 101 – 128. Strömholm, Stig. Zur kulturellen Identität des Nordens – Mythen und Realitäten. In: Henningsen, Bernd (Hrsg.). Das Projekt Norden. Essays zur Konstruktion einer europäischen Region (Wahlverwandtschaft – Der Norden und Deutschland. Essays zu einer europäischen Begegnungsgeschichte; 9). Berlin 2002. S. 103 – 117. Struck, Bernhard. Vom offenen Raum zum nationalen Territorium. Wahrnehmung, Erfindung und Historizität von Grenzen in der deutschen Reiseliteratur über Polen und Frankreich um 1800. In: FranÅois, Etienne/Seifarth, Jörg/Struck, Bernhard (Hg.). Die Grenze als Raum, Erfahrung und Konstruktion. Deutschland, Frankreich und Polen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/New York 2007. S. 77 – 104. Surynt, Izabela/Zybura, Marek (Hrsg.). Narrative des Nationalen. Deutsche und polnische Nationsdiskurse im 19. und 20. Jahrhundert (Studia Brandtiana; 2). Osnabrück 2010. Svendler Nielsen, Hans Peter. Bedre Byggeskik. In: Erhvervshistorisk ærbog; 1979. S. 89 – 126. Svensson, Björn. Hvad siger Dr. Stoltenberg? Kontakt; 10 (1981). Swenson, Astrid. »Heritage«, »Patrimoine« und »Kulturerbe. Eine vergleichende historische Semantik. In: Bendix, Regina/Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus (Hrsg.). Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie; 1). Berlin 2007. S. 53 – 74. Telling, Søren. Med Søren Telling paa Jyske Hærvej i Dannevirke og Hedeby og gennem Gottorp Musæets sale. 2. Aufl. [Kopenhagen 1948/49]. Thamer, Hans-Ulrich. Von der Monumentalisierung zur Verdrängung der Geschichte. Nationalsozialistische Denkmalpolitik und die Entnazifizierung von Denkmälern nach 1945. In: Speitkamp, Winfried (Hrsg.). Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik. Göttingen 1997. S. 109 – 136. Thomsen, Alexander. Blut und Rasse im Volkstumsringen der Nordmark (Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit; 9). Flensburg 1939. Thomsen, Artur. Der Idstedt-Löwe. In: Grenzfriedenshefte; 3/1983. S. 140 – 141.

476

Quellen- und Literaturverzeichnis

– Die Debatte um den Idstedt-Löwen. In: Grenzfriedenshefte; 3/1992. S. 183 – 187. – Die Zeit ist reif! Der Löwe soll zurückkehren. In: Grenzfriedenshefte; 1/1992. S. 25 – 28. Thum, Gregor. Die fremde Stadt. Breslau 1945. Berlin 2003. Tittel, Lutz. Monumentaldenkmäler von 1871 bis 1918 in Deutschland. Ein Beitrag zum Thema Denkmal und Landschaft. In: Mai, Ekkehard/Waetzold. Stephan (Hrsg.). Kunstverwaltung, Bau- und Denkmal-Politik im Kaiserreich (Kunst, Kultur und Politik im Deutschen Kaiserreich; 1). Berlin 1981. S. 215 – 275. Todorova, Maria. Die Erfindung des Balkans. Europas bequemes Vorurteil. Darmstadt 1999. Tidick, Marianne. Hundert Jahre staatliche Denkmalpflege in Schleswig-Holstein. In: Miethke, Jürgen (Hrsg.). DenkMal Schleswig-Holstein. Ansprachen anläßlich des 100jährigen Bestehens der Landesdenkmalpflege. Kiel 1993. S. 11 – 16. Titzck, Rudolf (Hrsg.). Stadtgestalt und Denkmalschutz in Schleswig-Holstein (Schriftenreihe der Landesregierung Schleswig-Holstein; 18). Kiel 1978. S. 41 – 45. Trimborn, Jürgen. Denkmale als Inszenierungen im öffentlichen Raum. Ein Blick auf die gegenwärtige Denkmalproblematik in der Bundesrepublik Deutschland aus denkmalpflegerischer und medienwissenschaftlicher Sicht (Kunstgeschichte; 1). Diss. Köln 1997. Tschirner, Thomas/Wiese, Melf. Wer darf erinnern? – Das Frøslevlejren Museum als binationaler Erinenrungsort? In: Köhr, Katja/Petersen, Hauke/Pohl, Karl Heinrich (Hrsg.). Gedenkstätten und Erinnerungskulturen in Schleswig-Holstein. Geschichte, Gegenwart und Zukunft (Geschichtswissenschaft; 14). Berlin 2011. S. 95 – 114. Tschofen, Bernhard. Antreten, ablehnen, verwalten? Was der Heritage-Boom den Kulturwissenschaften aufträgt. In: Bendix, Regina/Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus (Hrsg.). Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie; 1). Berlin 2007. S. 19 – 32. Uhl, Heidemarie. Zwischen Pathosformel und Baustelle: Kultur und europäische Identität. In: Cs‚ky, Moritz/Sommer, Monika (Hrsg.). Kulturerbe als soziokulturelle Praxis (Gedächtnis – Erinnerung – Identität; 6). Innsbruck/Wien/Bozen 2005. S. 129 – 145. Ulbrich, Claudia. Transferprozesse in Grenzräumen. In: Lüsebrink, Hans-Jürgen/Reichardt, Rolf (Hrsg.). Kulturtransfer im Epochenumbruch. Frankreich-Deutschland 1770 bis 1815. Leipzig 1997. S. 131 – 137. Venborg Pedersen, Mikkel. Die Herzöge von Augustenburg. In: Porskrog Rasmussen, Carsten (Hrsg.). Die Fürsten des Landes. Herzöge und Grafen von Schleswig, Holstein und Lauenburg. Neumünster 2008. S. 310 – 341. Vollertsen, Nils. Herbert Jankuhn, Hedeby-forskningen og det tyske samfund 1934 – 1976. In: Fortid og Nutid; 36 (1989). S. 235 – 251. Weigelt, Frank Andr¦. Von »Cultural Property« zu »Cultural Heritage«. Die UNESCOKonzeptionen im Wandel der Zeit. In: Bendix, Regina/Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus (Hrsg.). Prädikat »Heritage«. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie; 1). Berlin 2007. S. 129 – 146. Weisbrod, Bernd. Cultures of Change. Generations in the politics and memory of modern Germany. In: Lovell, Stephen (Hrsg.). Generations in twentieth-century Europe. Basingstoke 2007. S. 19 – 35. Weitling, Günter. Deutsche Düppel-Rezeption und Vermittlung im Wandel der Zeiten. In:

Internetquellen

477

Stolz, Gerd. Das deutsch-dänische Schicksalsjahr 1864. Ereignisse und Entwicklungen. Husum/Apenrade. 2010. S. 173 – 196. Wendl, Tobias/Rösler, Michael. Introduction. Frontiers and borderlands. The rise and relevance of an anthropological research genre. In: Dies. (Hrsg.). Frontiers and borderlands. Anthropological perspectives. Frankfurt am Main u. a. 1999. S. 1 – 27. Williams, Raymond. Culture and society, 1780 – 1950. New York 1983. Wilson, Thomas M./Donnan Hastings (Hrsg.). Border Identities. Nation and State at International Frontiers. Cambridge 1998. Wingender, Franz. Hærvejen (Ad sydslesvigske veje; 5). Flensburg 1993. Witt, Reimer. Idstedt – ein Mythos im Wandel. In: Grenzfriedenshefte; 2/2000. S. 115 – 126. Wolf, Gustav. Die schöne deutsche Stadt. Norddeutschland. München 1913. – Das norddeutsche Dorf. Bilder ländlicher Bau- und Siedlungsweise im Gebiet nördlich von Mosel u. Lahn, Thüringer Wald u. Sudeten. München 1923. – Haus und Hof deutscher Bauern. Eine Darstellung in Einzelbänden. Bd. 1: SchleswigHolstein. Berlin 1940. Wulf, Peter. Zustimmung, Mitmachen, Verfolgung und Widerstand – Schleswig-Holstein in der Zeit des Nationalsozialismus. In: Lange, Ulrich. Geschichte Schleswig-Holsteins von den Anfängen bis zur Gegenwart. Neumünster 1996. S. 553 – 589. Wussow, Alexander von. Die Erhaltung der Denkmäler in den Kulturstaaten der Gegenwart. 2. Bde. Berlin 1885. Zeeden, Ernst Walter. Zusammenfassender Bericht der Sektion »Feste und Politik in Deutschland. In: Schumann, Peter (Red.). Bericht über die 35. Versammlung Deutscher Historiker in Berlin. Stuttgart 1984. S. 85 – 89. Zeyringer, Klaus. Ambivalenz der kulturellen Erbes. Die großen und kleinen Erzählungen. In: Ders./Cs‚ky, Moritz (Hrsg). Ambivalenz der kulturellen Erbes. Vielfachcodierungen des historischen Gedächtnisses. Innsbruck u. a. 2000. S. 9 – 25. Zhurzhenko, Tatiana. Borderlands into Bordered Lands. Geopolitics of Identity in PostSoviet Ukraine (Soviet and Post-Soviet Politics and Society ; 98). Stuttgart 2010. Ziegler, Paul. Die städtebauliche und architektonische Entwicklung der Stadt Flensburg. In: Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch; 1927. S. 180 – 187. Zimmermann, Harm-Peer. »… schmeiß’ die Preußen aus dem Land!« Die demokratische und augustenburgische Opposition in Schleswig-Holstein 1863 – 1881. In: Demokratische Geschichte; 8 (1993). S. 9 – 34.

Internetquellen Bewerbung der Stadt Sønderborg als europäische Kulturhauptstadt. http://www.sonderborg2017.dk/de [Zugriff am 25. Januar 2012]. Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen. http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=148& CM=1& DF=23/04/2010& CL=GER [Zugriff am 24. 01. 2012]. Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit

478

Quellen- und Literaturverzeichnis

zwischen Gebietskörperschaften. http://conventions.coe.int/treaty/ger/Treaties/Html/106.htm [Zugriff am 17. Januar 2012]. Europa-Lexikon der Bundesregierung. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Lexikon/EUGlossar/E/2005 – 11 – 21-europa-der-regionen.html [Zugriff am 17. Januar 2012]. Flyer »a soul for europe«. http://www.asoulforeurope.eu/who/mission-statement [Zugriff am 28. November 2011]. Grußwort von Kultusminister Per Stig Møller zur Einweihung des Idstedt-Löwen am 10. September 2011. http://www.flensburg.de/politik-verwaltung/stadtverwaltung/pressebox/index.php [Zugriff am 10. Januar 2012]. Grußwort von Oberbürgermeister Simon Faber zur Einweihung des Idstedt-Löwen am 10. September 2011. http://www.flensburg.de/politik-verwaltung/stadtverwaltung/pressebox/index.php [Zugriff am 10. Januar 2012]. Grußwort von Stadtpräsident Dewanger zur Einweihung des Idstedt-Löwen am 10. September 2011. http://www.flensburg.de/politik-verwaltung/stadtverwaltung/pressebox/index.php [Zugriff am 10. Januar 2012]. Programm Europäisches Kulturerbe-Siegel. http://ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc2519_de.htm [Zugriff am 28. November 2011]. Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten. http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=157& CM=1& CL=GER [Zugriff am 24. 01. 2012]. Rede »Europe and Culture« von Jos¦ Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission auf der Berliner Konferenz für europäische Kulturpolitik vom 26. November 2004. http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=SPEECH/04/495& format=HTML& aged=1& language=EN& guiLanguage=en [Zugriff am 28. November]. 2011].

X. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zeichnung, Wohnhaus im Heimatschutzstil, Kopenhagen, Mariendalsvej 62 – 64, errichtet 1910 von Ulrich Plesner. Kunstakademiets Bibliotek Kopenhagen.

480

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2: Fotographie, Wohnhaus im Heimatschutzstil, Flensburg, Burghof 6, errichtet 1909/10 von Paul Ziegler. Eiko Wenzel, Untere Denkmalschutzbehörde, Stadt Flensburg.

Abbildung 3: Xylographie, Flensburger Löwe auf dem Friedhof in Flensburg, Illustrierte Zeitung 1862. Städtisches Museum Flensburg.

Abbildungsverzeichnis

481

Abbildung 4: Holzschnitt von S. Hamburger, Hamburg 1864. Städtisches Museum Flensburg.

Abbildung 5: Zeichnung von Wilhelm Selck, Doppeleiche, um 1848. Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen.

482

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 6: Postkarte, das Bismarck-Denkmal auf dem Knivsberg, unbekanntes Jahr. Museum Sønderjylland – Sønderborg Slot.

Abbildung 7: Fotographie, Blick in die Idstedt-Ausstellung, um 1910. Gemeinschaftsarchiv Schleswig-Flensburg.

Abbildungsverzeichnis

483

Abbildung 8: Postkarte, Idstedt-Waffenkammer, um 1910. Gemeinschaftsarchiv SchleswigFlensburg.

Abbildung 9: Fotographie, Duborg-Schule in Flensburg, 1927. Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch; 1927. S. 70.

484

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 10: Fotographie, Oberrealschule an der Bismarckstraße in Flensburg, 1927. Ziegler, Entwicklung der Stadt Flensburg, 1927. S. 181.

Abbildung 11: Fotographie, Städtische Verwaltungsgebäude am Nordertor in Flensburg, 1927. Ziegler, Entwicklung der Stadt Flensburg, 1927. S. 184.

Abbildungsverzeichnis

485

Abbildung 12: Fotographie, Blick in die Idstedt-Ausstellung, 1930. Gemeinschaftsarchiv Schleswig-Flensburg.

Abbildung 13: Fotographie, Ausgrabungen in Haithabu, 1935. Gemeinschaftsarchiv SchleswigFlensburg.

486

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 14: Fotographie, Ausgrabungen in Haithabu, 1935. Gemeinschaftsarchiv SchleswigFlensburg.

Abbildung 15: Karte »Hofrassen«, 1936. Eskildsen, Dansk Grænselære, 1936. S. 73.

Abbildungsverzeichnis

487

Abbildung 16: Fotographie, Transport des Idstedt-Löwen, 1945. Privatbesitz Gerret Liebing Schlaber.

Abbildung 17: Plan Neukonzeption Idstedt-Halle, 1978. Gemeinschaftsarchiv Schleswig-Flensburg.

488

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 18: Entwurf Haithabu-Museum, 1981. Landesarchiv für Schleswig-Holstein.

Abbildung 19: Entwurf Haithabu-Museum, 1981. Landesarchiv für Schleswig-Holstein.

Abbildungsverzeichnis

489

Abbildung 20: Fotographie, Einweihung des Flensburger Löwen, Ansprache von Prinz Joachim von Dänemark, 2011. H. Rudow, Stadt Flensburg.

Abbildung 21: Fotographie, Idstedt-Gedächtnishalle, 2010. Privatbesitz.

490

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 22: Fotographie, Ausstellung in der Idstedt-Gedächtnishalle, 2010. Privatbesitz.

Abbildung 23: Fotographie, Museum Frøselvlejren, 2010. Privatbesitz.

Abbildungsverzeichnis

491

Abbildung 24: Fotographie, Düppeler Mühle auf den Düppeler Schanzen, 2010. Privatbesitz.