Das Familienkreditmodell: Möglichkeiten der Kreditfinanzierung von Zeiten des Erziehungsurlaubes [1 ed.] 9783428482979, 9783428082971

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Das Familienkreditmodell: Möglichkeiten der Kreditfinanzierung von Zeiten des Erziehungsurlaubes [1 ed.]
 9783428482979, 9783428082971

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loachim Arndt . Das Familienkreditmodell

Sozialpolitische Schriften Heft 67

Das Familienkreditmodell Möglichkeiten der Kreditfinanzierung von Zeiten des Erziehungsurlaubes

Von

Joachim Arndt

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Amdt, Joachim: Das Familienkreditmodell : Möglichkeiten der Kreditfinanzierung von Zeiten des Erziehungsurlaubes I von Joachim Amdt. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Sozialpolitische Schriften; H. 67) Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08297-4 NE:GT

D83 Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0584-5998 ISBN 3-428-08297-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Für Alexandra, Larissa und ...

Inhaltsverzeichnis A.Einleitung ........ .............................. ......... ............. ................... ..........

13

B. Kinderbetreuung und Beruf....................................................................

17

I. FrauenelWerbstätigkeit und Kindererziehung ..........................................

18

1. Wandel und Struktur der FrauenelWerbstätigkeit..................................

18

2. Familien- und Berufsorientierung von Frauen............... .......... ............

26

3. Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit der EItern und der kognitiven, sozialen, emotionalen und gesundheitlichen Entwicklung von Kindern ........ ............. .............................................

32

11. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland..................................

39

I. Mögliche Ziele und Begründungen für familienpolitische Maßnahmen.......

39

2. Das System familienpolitischer Maßnahmen ................ ... ....................

49

a) Überblick..............................................................................

49

b) Leistungen im Rahmen des Mutterschutzgesetzes, des Bundeserziehungsgeldgesetzes und beamtenrechtliche FreisteIlungsregelungen ... .....

60

aa) Die gesetzlichen Regelungen................................... ...............

60

ab) Erfahrungen mit dem Mutterschaftsurlaubsgesetz und dem Bundeserziehungsgeldgesetz ...........................................................

65

m. Betriebliche Familienpolitik............ .................... ........ .................. .....

77

IV.Zusammenfassung und Fazit..............................................................

83

C.Kreditbeschränkungen..........................................................................

87

I. Intertemporale Allokation des Vermögens und des Einkommensstromes eines

Haushaltes mit und ohne Kreditbeschränkungen ............. .......... .. ...... .......

88

11. Grundzüge der Lebenszyklusbypothese und der Hypothese des permanenten Einkommens..................................................... ............................

92

m. Die Bedeutung von Kreditbeschränkungen im Diskussionazusammenhang von

Lebenszyklusbypothese und der Hypothese des permanenten Einkommens.....

99

IV. Die Bedeutung von Kreditbeschränkungen und die Kreditvergabepraxis der Banken und Sparkassen in der Bundesrepublik Deutschland.......................

I 1I

1. Das Privatkundengeschäft der Banken und Sparkassen in der Bundesrepublik Deutschland.........................................................................

1I 1

2. Überprüfung der These der Kreditbeschränkung für die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen einer Befragung von Banken und Sparkassen.......

121

a) Aufbau und Ablauf der Befragung.................... ............................

121

b) Ergebnisse der Expertengespräche ...............................................

126

c) Ergebnisse der Befragung von Banken und Sparkassen ......................

130

V. Zusammenfassung und Fazit..................... .........................................

157

8

Inh.llBVerzeichnis

D.Das Familienkreditmodell ........... .... ... ..... ... ....... .•................ ............ ......

159

I. Zielsetzungen des Familienkreditmodelle. und Kriterien für seine Auageataltung ............................................................................................

159

11. In d.s F.milienkreditmodell einbezogener Peraonenkreis und Voraussetzung der Kreditgewährung ................................................................

166

m. Abwicklung des Kreditgeschäftes, ataatliche Kredithilfen und Autbringung ... . der finanziellen Mittel......................................................................

173

IV.Kreditgewährung im Rahmen des F.milienkreditmodelles - Kredithöhe, Bereitstellungsform, Verzinsung, Sonderregelungen für den Zeitraum des Erziehungsurl.ubes .........................................................................

183

V. Kreditrückfiihrung - Tilgungsform, Berücksichtigung von Kreditrisiken, Tilgungsdauer, Sonderregelungen für die Zeit des Erziehungsurl.ubes .............

193

VI. Einige Anmerkungen zur Abschätzung des Kreditriaikoa und der Akzeptanz einer kreditären Finanzierung von Zeiten des Erziehungsurl.ubes................

207

vn.Zusammenf.ssung und Fazit..............................................................

218

E. Zusammenf.ssung und Schlußbemerkungen ...............................................

221

Verzeichnis der Gesetzesquellen und Verordnungen ........................................

227

Literaturverzeichnis ........................................................... .....................

229

Anh.ng ...............................................................................................

241

I. Fragenk.talog................................................................................

243

11. Kreditanträge.. ........... ... ............................... ............... .......... ... ......

249

m. Empirische Untersuchungen zur Frage der Ver- und Überschuldung ............

254

Verzeichnis der Tabellen Tabelle 1 Länge der Nichterwerbsphasen von Berufsrückkehrerinnen bis zum Alter von 45 Jahren.....................................................................

24

Tabelle 2 Bevorzugte Formen der Koordination von Familie und Beruf..............

30

Tabelle 3 Grund für die Teilnahmeverweigerung ........ ........ .......... ..... ...........

123

Tabelle 4 Charakteristika der Kreditantragsteller .... ............. ...... ........ ...... ......

125

Tabelle 5 Determinanten der Kreditwürdigkeit ................. ....... ........ ....... ......

132

Tabelle 6 Konditionen der Kreditgewährung ................................................

133

Tabelle 7 Geforderte Sicherheiten.............................................................

134

Tabelle 8 Kreditwunsch und Gründe für die Ablehnung des Kreditantrages .. ........

137

Tabelle 9 Bedeutung der Länge der Tilgungsdauer für die Ablehnung des Kreditantrages ..................... ...................... ................... ..................

139

Tabelle 10 Bedeutung der Höhe der zu leistenden Zins- und Tilgungszahlungen für die Ablehnung des Kreditantrages ................................................

140

Tabelle 11 Zeitpunkt für die Ermittlung der Kapitaldienstgrenze .........................

141

Tabelle 12 Bedeutung der vermuteten Folgen einer Erwerbsunterbrechung für die Kreditentscheidung ..................................................................

143

Tabelle 13 Bedeutung des Alters des Antragstellers und des Umfanges der angebotenen Sicherheiten für die Kreditentscheidung ..............................

147

Tabelle 14 Fehlende bzw. nur in einem unzureichenden Umfang angebotene Sicherheiten ...........................................................................

148

Tabelle 15 Weitere Gründe für die Ablehnung des Kreditantrages .......................

150

Tabelle 16 Bereitschaft zur Kreditvergabe unter Berücksichtigung der beantragten Kredithöhe und der gewünschten Tilgungsdauer ..........................

151

Tabelle 17 Maximale Kredithöhe, maximale Tilgungsdauer und angemessene Kreditart....................................................................................

152

Tabelle 18 Staatlich oder privat getragene Kredithilfen.....................................

155

Verzeichnis der Übersichten Übersicht 1

Begrundungen fiir und Ziele von familienpolitischen Maßnahmen.. ..

Übersicht 2

Systematik der bundesdeutschen Familienpolitik : monetäre und reale Transfers .....................................................................

40 50

Übersicht 3

Empirische Untersuchungen zur Frsge der Kreditbeschränkungen....

101

Verzeichnis der Abbildungen Abbildung I

Grunde fiir die Beantrsgung von Erziehungsurlaub durch alleinerziehende Frsuen ................................... ....................... .......

67

Abbildung 2

Grunde fiir die Entscheidung zur (Wieder-)aufnahme der Erwerbstätigkeit nach Ablauf des Erziehungsgeldbezuges bzw. des Erziehungsurlaubes durch Alleinerziehende .............. ........................

71

Abbildung 3

Grunde fiir eine Nichterwerbstätigkeit im Anschluß an den Bezug von Erziehungsgeld bzw. die Inanspruchnahme von Erziehungsururlaub - Alleinerziehende - ........................... ....................... ..

72

Abbildung 4

Gewünschte Höhe des Mutterschaftsgeldbetrsges.........................

75

Abbildung 5

Familienpausenregelungen und qualifikationserhaltende Maßnahmen nach Betriebsgroße .......................................................

80

Abbildung 6

Intertemporsie Allokation von Vermögen und Arbeitseinkommensstrom...............................................................................

90

Abbildung 7

Kreditarten. .................. ..... ................................................

111

Abbildung 8

Private Haushalte mit verschiedenen Vermögensformen und Kreditverpflichtungen nach dem Alter der Bezugsperson.......................

118

Abbildung 9

Zusammenhang zwischen der Länge des Tilgungszeitraumes und der Belastung mit Zins- und Tilgungszahlungen ............ .. .. ....... ...

203

Abkürzungsverzeichnis AFG

Arbeitsförderungsgesetz

BAföG

Bundesausbildungsförderungsgsesetz

BBG

Bundesbeamtengesetz

BErzGG

Bundeserziehungsgeldgesetz

DIW

Deutsches Institut rur Wirtschaftsforschung

ErzUriV

Erziehungsurlaubsverordnung

EVS

Einkommens- und Verbrauchsstichprobe

GKV

Gesetzliche Krankenversicherung

GRV

Gesetzliche Rentenversicherung

GUV

Gesetzliche Unfallversicherung

!AB

Institut rur Arbeitsmarkt und Berufsforschung

ICL

Income-contingent loan

IES

Institut rur Entwicldungsplanung und Strukturforschung

LZH

Lebenszyklushypothese

MPI

Max-Planck-Institut rur Bildungsforschung Berlin

MTL

Mortgage-type loan

MuSchG

Mutterschutzgesetz

MuSchV

Mutterschutzverordnung

PEH

Hypothese des permanenten Einkommens

PCPP

President's Commission on Pension Policy Survey

PSID

Panel Study of Income Dynamics

RVO

Reichsversicherungsordnung

SCHUFA

Schutzgemeinschaft rur allgemeine Kreditsicherung

SGBV

Sozialgesetzbuch, runftes Buch

SGBVI

Sozialgesetzbuch, sechstes Buch

SOEP

Sozioökonomisches Panel

VDR

Verband Deutscher Rentenversicherungsträger

A. Einleitung Als Folge der steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen hat die Diskussion über die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Beruf in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die vorliegende Arbeit begreift sich als Beitrag zu dieser Diskussion. Das Augenmerk richtet sich hierbei auf einen speziellen Aspekt des Spannungsfeldes 'Familie und Erwerbstätigkeit' . Es steht die Frage nach einem 'ausreichenden' Einkommensersatz während der Zeit des Erziehungsurlaubes im Mittelpunkt der Betrachtung. Verschiedene Studien zu den Erfahrungen mit der Anwendung des Bundeserziehungsgeldgesetzes zeigen, daß die Höhe des Erziehungsgeldes von den Betroffenen als unzureichend betrachtet wird. Diese Untersuchungen machen auch deutlich, daß gegenwärtig unter Einkommensaspekten eine den individuellen Präferenzen entsprechende Verbindung von Familien- und Berufstätigkeit nicht als gesichert gelten kann, d. h. eine Rückkehr ins Erwerbsleben kann aus finanziellen Gründen bereits zu einem Zeitpunkt notwendig werden, zu dem eigentlich eine Fortsetzung des Erziehungsurlaubes gewünscht wird. Hiervon sind insbesondere Alleinerziehende betroffen. Stimmen der gewünschte und der tatsächliche Erwerbsstatus nicht überein, so kann dies wiederum zu einer Beeinträchtigung der Entwicklung von Kleinkindern in kognitiver, sozialer, emotionaler und gesundheitlicher Hinsicht führen. Von daher ist eine stärker erwerbsphasenspezifisch ausgerichtete Familienpolitik erforderlich, die der Tatsache, daß das Erwerbseinkommen während des Erziehungsurlaubes entfällt, stärker Rechnung trägt und eine Stabilisierung des Einkommensverlaufes im Lebenszyklus ermöglicht. Wird eine Lösung im Rahmen einer interpersonell umverteilenden Familienpolitik - beispielsweise über eine Erhöhung des Erziehungsgeldes - abgelehnt, so stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten eine intertemporale Umschichtung von Einkommensbestandteilen aus der Zukunft in die Gegenwart in Ergänzung zu den bestehenden Maßnahmen der Familienpolitik bietet, um den Einkommensausfall während des Erziehungsurlaubes auszugleichen und um so eine präferenzgerechte Wahl zwischen Kinderbetreuung und Beruf zu ermöglichen. Dies würde bedeuten, daß Bestandteile des Lebenseinkommens, welche erst nach Beendigung des Erziehungsurlaubes durch eine Rückkehr ins Erwerbsleben erzielt werden, über einen kreditären Prozeß schon während des

14

A. Einleitung

Erziehungsurlaubes zur Verfügung gestellt werden, d. h. in frühere Lebensabschnitte vorverlagert werden. Angesichts des zu beobachtenden Wandels in den Erwerbsstrukturen von Frauen, der sich durch eine zunehmend stärkere Einbindung von Frauen in das Erwerbsleben auszeichnet, erscheint dies prinzipiell als ein gangbarer Weg. Eine intertemporale Umschichtung des Erwerbseinkommens läßt sich in einer ökonomischen Perspektive auch als eine nutzenoptimale Transformation von Vermögen und Einkommensstrom in einen Konsumstrom charakterisieren. Die Frage der intertemporalen Allokation des Einkommensstromes eines Haushaltes ist Bestandteil der auf Modigliani und Brumberg (1954) zurückgehenden Lebenszyklushypothese und der von Friedman (1957) stammenden Hypothese des permanenten Einkommens. Eine intensive Forschungstätigkeit, die sich im Rahmen der Diskussion über diese beiden Ansätze der Konsumtheorie beobachten läßt, hat jedoch Zweifel daran aufkommen lassen, daß eine nutzenoptimale Transformation von Vermögen und Einkommensstrom in einen Konsumstrom im Sinne der Theorien von Friedman (1957) und Modigliani und Brumberg (1954) ohne weiteres möglich ist. Kreditbeschränkungen scheinen dem im Wege zu stehen. Dies wiederum wirft die Frage auf, über welche Möglichkeiten die Familienpolitik verfügt, um die Bedeutung von Kreditbeschränkungen zu reduzieren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeiten werden von daher die Ursachen dafür, daß Erziehungsurlauber Kreditbeschränkungen unterliegen, herausgearbeitet. Gleichzeitig sollen Wege aufgezeigt werden, Kreditbeschränkungen zu überwinden bzw. deren Bedeutung für eine intertemporale Umschichtung von Einkommensbestandteilen aus der Zukunft in die Gegenwart zu reduzieren. Das Ziel besteht darin, eine präferenzgerechte Verbindung von Familie und Beruf zu ermöglichen, und zwar unabhängig von vorübergehenden Schwankungen des Erwerbseinkommens. Darüber hinaus bietet eine intertemporale Einkommensumschichtung auch demjenigen, der ohne eine solche Maßnahme nicht vor der Entscheidung stünde, den Erziehungsurlaub aus finanziellen Gründen vorzeitig abzubrechen, die Möglichkeit, seinen Konsumstrom zu verstetigen. Die Arbeit beginnt im folgenden Kapitel mit einer Skizze des Wandels der Struktur der Frauenerwerbstätigkeit. Auf die anschließenden Ausführungen zur Familien- und Berufsorientierung von Frauen und zu den Zusammenhängen zwischen Berufstätigkeit und kindlicher Entwicklung folgt eine kritische Bestandsaufnahme des bundesdeutschen Systems der Familienpolitik. Auf betriebliche Initiativen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, wird ebenfalls eingegangen.

A. Einleitung

15

In Kapitel C. wird das Phänomen 'Kreditbeschränkungen' näher untersucht. Zunächst soll die Frage einer nutzenoptimalen Transformation von Vermögen und Einkommensstrom in einen Konsumstrom anband eines einfachen Modelles diskutiert werden. Anschließend wird auf die Lebenszyklushypothese, die Hypothese des permanenten Einkommens und die Diskussion über die Bedeutung von Kreditbeschränkungen für die Gültigkeit dieser beiden Theorien eingegangen. Im Anschluß daran soll die Bedeutung von Kreditbeschränkungen und die Kreditvergabepraxis in der Bundesrepublik Deutschland untersucht werden. Eine vom Autor dieser Arbeit durchgeführte Befragung von Banken und Sparkassen mit der Zielsetzung, Informationen über die Ursachen und die Struktur von Kreditbeschränkungen zu gewinnen sowie gleichzeitig Anknüpfungspunkte zur Lösung dieser Problematik zu erhalten, bildet den Schwerpunkt dieses Kapitels. Die Tests auf Kreditbeschränkungen, die üblicherweise verwendet werden, um die Gültigkeit der Lebenszyklushypothese und der Hypothese des permanenten Einkommens zu überprüfen, sind hingegen nur sehr begrenzt dazu in der Lage, Informationen von ähnlicher Qualität zu liefern. Im Kapitel D. wird ein eigenes sozialpolitisches Modell - Familienkreditmodell - konzipiert, welches dazu geeignet ist, Kreditbeschränkungen im Rahmen der kreditären Finanzierung von Zeiten des Erziehungsurlaubes zu überwinden, um so unbeeinflußt von einem vorübergehenden Ausfall des Erwerbseinkommens eine den individuellen Präferenzen entsprechende Koordination von Kinderbetreuung und Beruf zu ermöglichen. Es wird auf den einbezogenen Personenkreis, die Voraussetzungen der Kreditgewährung, die organisatorische Zuordnung des Kreditgeschäftes, die Trägerschaft des Kreditrisikos, die Aufbringung der finanziellen Mittel, die Ausgestaltung der Kreditgewährung, die Kredittilgung und auf flankierende Maßnahmen zur Berücksichtigung von Kreditrisiken eingegangen. Das Kapitel D. schließt mit einigen Anmerkungen dazu, wie man zu einer 'zuverlässigen' Einschätzung des Kreditrisikos und der Akzeptanz einer Kreditfinanzierung von Zeiten des Erziehungsurlaubes gelangt.

B. Kinderbetreuung und Beruf Dieses Kapitel beginnt mit einer Darstellung der Struktur der Frauenerwerbstätigkeit und einer Analyse der zu beobachtenden Veränderung der Familien- und Berufsorientierung von Frauen, um so den Hintergrund der Diskussion über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu beleuchten, und um mögliche Ansatzpunkte für eine Neugestaltung der Familienpolitik aufzeigen zu können. Die Frage der Familien- und Berufsorientierung von Frauen ist von Interesse, um Anhaltspunkte für die Motive der Entscheidung zwischen Kinderbetreuung und Beruf zu gewinnen, aus denen sich erste Rückschlüsse ziehen lassen, inwieweit eine unter Einkommensaspekten l präferenzgerechte Verbindung von Kinderbetreuung und Beruf gewährleistet ist. Hierzu ist eine ausschließliche Betrachtung der Entwicklung von Erwerbsquoten nicht ausreichend. Es wird ergänzend auf die intensiv geführte Diskussion über den Einfluß einer steigenden Frauenerwerbstätigkeit auf die kindliche Entwicklung Bezug genommen. Ausgehend von einem Überblick über die möglichen Ziele und Begründungen für familienpolitische Maßnahmen wird anschließend die bundesdeutsche FamilienpoIitik2 in die Betrachtung eingeführt. Den Schwerpunkt der Untersuchung bilden die Leistungen, die im Rahmen des 1 Die gewählte Form der Koordination von Kinderbetreuung und Beruf ist unler Einkom-

mensaspelaen dann nicht als präferenzgerecht zu bezeichnen, wenn der Eniehungsurlaub aus

rein finanziellen Motiven bzw. aufgrund eines 'unzureichenden' Einkommens während des Freistellungszeitraumes voneitig abgebrochen wird oder werden muß, obwohl eigentlich eine vollständige Inanspruchnahme des Eniehungsurlaubes gewünscht wird. Hierbei ist es unemeblich, ob der Eniehungsurlauber unter einem als 'ausreichend' zu bezeichnenden Einkommen ein Einkommen versteht, welches in etwa die Höhe des Sozialhilfeniveaus aufweist, oder ein Einkommen, welches während des Eniehungsurlaubes eine Aufrechtemaitung des Lebensstandardes ermöglicht. 2 Unter Familienpolitik sind im folgenden all diejenigen sozialpolitischen Maßnahmen und Leistungen zu subsumieren, die auf die Gestaltung der Lebensbedingungen von Familien mit Kindern abzielen, die sich noch nicht im schulpflichtigen Alter befinden. Eine definitorische Eingrenzung des Begriffes Familienpolitik, der sich an dem Alter der zu erziehenden Kinder orientiert, erscheint aufgrund des mit dem Alter stark schwankenden Betreuungsbedarfes sinnvoll. Unter dem Begriff Familie ist die Zwei-Generationen-Familie zu verstehen. Diese umfaßt sowohl die vollständige Familie, bestehend aus beiden Elternteilen und den leiblichen oder aber den adoptierten Kindern, als auch die Ein-Elternteil-Familie, die sich durch das Fehlen eines Elternteiles von den vollständigen Familien unterscheidet (vgl. hienu auch Heldmann, 1986, S. 30ff.). 2 Amdt

18

B. Kinderbetreuung und Beruf

Mutterschutzgesetzes und im Rahmen des Bundeserziehungsgeldgesetzes gewährt werden. Es soll überprüft werden, inwieweit die Familienpolitik unter Einkommensaspekten gegenwärtig eine präferenzgerechte Koordination von Kinderbetreuung und Beruf ermöglicht. Die betriebliche Familienpolitik wird ebenfalls in die Betrachtung einbezogen, um zu überprüfen, inwieweit sich staatliche und betriebliche Familienpolitik ergänzen und so in ihrer Gesamtheit eine von den Betroffenen (Erziehungsurlauber) als zufriedensteIlend betrachtete Verbindung von Familie und Beruf erlauben. Zunächst soll die Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit skizziert werden.

I. Frauenerwerbstätigkeit und Kindererziehung 1. Wandel und Struktur der Frauenerwerbstätigkeit Betrachtet man die Entwicklung von nach Altersklassen getrennten Erwerbsquoten, so ergibt sich das folgende Bild. Für Frauen im Alter von 15 bis unter 20 Jahren und für solche von 60 bis unter 65 Jahren lassen sich über den betrachteten Zeitraum (1971 bis 1990) zu jüngeren historischen Zeitpunkten hin fallende Erwerbsquoten beobachten, was auf ein geändertes Bildungsund Rentenzugangsverhalten zurückgeführt werden kann. Über den Betrachtungszeitraum steigende Erwerbsquoten ergeben sich hingegen für Frauen im Alter von 20 bis unter 60 Jahren. So steigt in dem Zeitraum von 1971 bis 1990 die Erwerbsquote der 20 bis unter 25 Jahre alten Frauen von 69,6 % auf 75,7 %, die der 25 bis unter 30 Jahre alten Frauen von 53,4 % auf 71,6 %, die der 30 bis unter 35 Jahre alten Frauen von 46 % auf 66,9 % und die der 35 bis unter 40 Jahre alten Frauen von 46,3 % auf 68 % (Statistisches Bundesamt, 1972, S. 120; 1992 a, S. 109)1. Es läßt sich somit eine steigende Frauenerwerbsquote gerade für diejenigen Altersklassen konstatieren, für die die Notwendigkeit, Kinderbetreuung und Beruf koordinieren zu müssen, tendenziell gegeben ist, und für die sich damit auch die Frage eines 'ausreichenden' Einkommensersatzes während des Erziehungsurlaubes stellt. Differenziert man nach dem Familienstand und betrachtet die Erwerbstätigenquote, so zeigt sich, daß geschiedene und ledige Frauen eine weit höhere Quote aufweisen als verheiratete Frauen. Während jedoch die Erwerbstätigenquote der geschiedenen (ledigen) Frauen von 74,6 % (69,7 %) im Jahre 1972 auf 71 % (64,3) im Jahre 1990 sinkt, steigt die der verheiratet zusam1 Die Angaben beziehen sich auf die Ergebnisse des Mikrozensus für das frühere Bundesgebiet.

I. Frauenerwerbstätigkeit und KindereIZiehung

19

menlebenden Frauen im gleichen Zeitraum von 40,7 % auf 49 %. Die Erwerbstätigenquote der verheiratet getrenntlebenden sinkt hingegen ebenfalls in dem betrachteten Zeitraum, und zwar von 67,9 % auf 64,5 % (Statistisches Bundesamt, 1992 b, S. 260)2. Trotz einer steigenden Erwerbstätigenquote weisen verheiratet zusammenlebende Frauen damit weiterhin eine unterdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung auf. Rückt man die Entwicklung der Erwerbsbeteiligung von Frauen in Abhängigkeit von Alter und Zahl der zu betreuenden Kinder in den Mittelpunkt der Betrachtung, so lassen sich für den Zeitraum von 1972 bis 1990 die folgenden Zusammenhänge beobachten. Es zeigt sich erwartungsgemäß, daß die Erwerbstätigenquote von Frauen - ohne nach weiteren demographischen Merkmalen zu differenzieren - mit Kindern zu jedem Zeitpunkt unter derjenigen von Frauen ohne Kinder liegt, wobei wiederum Frauen mit Kindern unter sechs Jahren durchgängig eine niedrigere Erwerbstätigenquote aufweisen als Frauen mit Kindern unter 15 Jahren (vgl. Statistisches Bundesamt, 1992 b, S. 260f.). Zwischen der Erwerbstätigenquote und der Zahl der zu betreuenden Kinder besteht ein negativer Zusammenhang (vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 1985, S. 20ff.). Betrachtet man die Entwicklung der Erwerbstätigenquote von Frauen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren mit Kindern unter 6 bzw. mit Kindern unter 15 Jahren, so zeigt sich für beide Quoten für den Zeitraum zwischen 1972 und 1990 eine steigende Tendenz. Sie stieg für Frauen mit Kindern unter 15 Jahren von 38,8 % im Jahr 1972 auf 48,6 % im Jahr 1990 und für Frauen mit Kindern unter 6 Jahren von 33,9 % im Jahr 1972 auf 41,1 % im Jahr 1990 (Statistisches Bundesamt, 1992 b, S.261). Selbst für verheiratete Frauen mit kleinen Kindern läßt sich damit über verschiedene Beobachtungszeitpunkte hinweg eine steigende Erwerbsbeteiligung feststellen. Ob eine solche Entwicklung des Erwerbsverhaltens Ausdruck einer präferenzgerechten Koordination von Kinderbetreuung und Beruf ist, läßt sich jedoch ohne Kenntnis der Motive für das zu beobachtende Erwerbsverhalten nicht sagen. Ein weiteres Charakteristikum sich wandelnder weiblicher Erwerbsmuster liegt in der zunehmenden Bedeutung der Teilzeitbeschäftigung. Dieser Bedeutungswandel zeigt sich nicht nur in einer steigenden Zahl von teilzeitbeschäftigten Frauen, sondern auch in einem steigenden Anteil der Teilzeitkräfte an den Beschäftigten insgesamt (vgl. Brinkmann/Kohler, 1989, S. 474ff.)3. Diese Entwicklungstendenz wirkt sich letztlich auch auf das erbrachte Ar2 Die Angaben beziehen sich auf die Ergebnisse des Mikrozensus fiir das frühere Bundesgebiet. 3 Es gilt zu beachten, daß die Höhe der Teilzeitquote stark von der verwendeten Teilzeitdefinition abhängt.

20

B. Kindcrbctreuung und BeNf

beitsvolumen aus, d. h. die Zahl der insgesamt geleisteten Wochenarbeitsstunden kann abnehmen, obwohl die Erwerbsbeteiligung steigt (vgl. Schwarz, 1988, S. 28lff.). Untersuchungen anband von Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) und der Lebensverlaufsstudie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung Berlin (MPIB) bestätigen den Trend einer steigenden Frauenerwerbstätigkeit (vgl. Jäkel/Kirner, 1987; Lauterbach, 1992; Piscbner/Witte, 1987; Kirner/Schulz, 1992; Tölke, 1989). Diese Datenbestände besitzen jedoch gegenüber den Daten des Mikrozensus den Vorzug, eine 'echte' Analyse von Erwerbsverläufen zu ermöglichen. Dies ist insofern interessant, als im Rahmen dieser Arbeit insbesondere diejenigen den Wandel der Erwerbsstrukturen betreffenden Ergebnisse von Relevanz sind, die sich speziell aus der Kohortenbetrachtung ergeben. Gemeint. sind hiermit Aussagen über das lebensphasenspezifische Erwerbsverhalten von Frauen. So untersucht Lauterbach für drei Geburtsjahrgänge (1929-31, 1939-41 und 1949-51) anband der Daten der Lebensverlaufsstudie die jeweilige altersspezifische Erwerbsbeteiligung und stellt fest: •... daß in der Kohortenabfolgc immcr mehr Frauen erwerbstätig werden, daß es aber hinsichtlich sozialstNkturellcr Mcrkmale dcutlichc Unterschiede im Ausmaß der Erwerbsbeteiligung gibt. Neben der Unterscheidung nach dem Familienstsnd ist das erreichte Bildungsniveau, die Anzahl und die Gcburt der Kinder von zentraler Bedeutung für das Ausmaß der Erwcrbsbeteiligung von Frauen. Für dic Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gilt, daß der Anteil der Frauen, die nach einer Unterbrechung erneut crwcrbstätig wcrden, ansteigt ... und in einer zunehmend kürzeren Phase immer mehr Frauen erneut beschäftigt werden.' (Lauterbach, 1992, S. 6If.).

Hiervon teilweise abweichende Ergebnisse findet Lauterbach (1992, S. 56ff.), wenn er die Erwerbstätigenquoten von Frauen mit Kindern einer näheren Betrachtung unterzieht. Zwar zeigt sich für Frauen der mittleren Kohorte, die nur ein Kind haben, das Phänomen einer zunehmend kürzeren Erwerbsunterbrechung und damit das einer erneuten Erwerbsbeteiligung im Anschluß an eine Betreuungsphase; für die Frauen mit einem Kind der jüngsten Kohorte stellt Lauterbach (1992) jedoch eine gegenüber der mittleren Kohorte leicht geringer ausgeprägte Neigung zur Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit fest. Es muß dabei aber berücksichtigt werden, daß für die jüngste Kohorte nur ein vergleichsweise kurzer Beobachtungszeitraum vorliegt. Somit bleibt offen, ob nicht doch noch zu einem späteren Zeitpunkt eine größere Zahl von Frauen dieser Kohorte ins Erwerbsleben zurückkehrt und es damit in der Interkohortenbetrachtung zu einem stärkeren Anstieg der Erwerbstätigenquote in späteren Lebensjahren kommt. Weiterhin stellt Lauterbach (1992) die schon aus den Analysen der amtlichen Statistik bekannte negative Abhängigkeit von Erwerbstätigenquote und Kinderzahl fest. Dieser

I. Frauenerwerbslätigkeit und Kindererziehung

21

Zusammenhang hat über alle betrachteten Kohorten Gültigkeit. Geändert haben sich aber über die verschiedenen Geburtsjahrgänge hinweg die Niveauunterschiede. Das lebensphasenspezifische Erwerbsverhalten von Frauen mit einem Kind unterscheidet sich damit für die jüngeren Kohorten zunehmend deutlicher vom Erwerbsverhalten der Frauen mit zwei und mehr Kindern. Interessant sind auch die Befunde von Lauterbach (1992) bezüglich des Zeitpunktes des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben anIäßlich des Geburtsereignisses, zumal sich hieraus Schlußfolgerungen über das Ausmaß der Erwerbsorientierung von Frauen ableiten lassen. Es zeigt sich, daß über die Kohorten hinweg der Zeitpunkt des Austrittes aus dem Erwerbsleben zunehmend näher an das Ereignis der Geburt heranrückt. In eine ähnliche Richtung deuten die Ergebnisse von Tölke (1990, S. 44ff.)4. Für die jüngeren gegenüber den älteren Geburtsjahrgängen stellt sie eine abnehmende Bedeutung des Ereignisses Heirat für die Erwerbsentscheidung fest. Parallel dazu erhöht das Ereignis Geburt im Interkohortenvergleich zunehmend die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einem Abbruch oder einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit kommt. Jäkel und Kirner (1987) führen ebenfalls einen Interkohortenvergleich durch und nutzen als Datenquelle das SOEP. Sie verwenden eine von Lauterbach (1992) abweichende Kohortenabgrenzung5• Jäkel und Kirner (1987, S. 397ff.) ermitteln die altersspezifischen Erwerbsquoten verheirateter Frauen und unterscheiden dabei zwischen Frauen ohne Kinder, Frauen mit einem Kind, Frauen mit zwei Kindern und Frauen mit drei und mehr Kindern. Sieht man von den jüngeren Altersgruppen der einzelnen Kohorten ab, für die ein über die Kohorten verändertes Bildungsverhalten von Bedeutung ist, so ergeben sich für die drei erstgenannten Frauengruppen steigende altersspezifische Erwerbsquoten von den jeweils älteren Geburtsjahrgängen hin zu den jeweils jüngeren Geburtsjahrgängen. Insbesondere gegenüber der ältesten Kohorte stellen Jäkel und Kirner (1987, S. 397ff.) für die jüngste Kohorte eine mit zunehmendem Alter der Frauen steigende Erwerbsbeteiligung fest. Während Mütter der ältesten Kohorte eher selten nach einer Kinderbetreuungsphase die Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen, weisen Frauen der mittleren und der jüngsten Kohorte eine ausgeprägte Rückkehrneigung auf, auch wenn während des Beobachtungszeitraumes der vor der Geburt liegende Gipfel der Erwerbs4 Tölke bezieht sich ebenfalls auf die Lebensverlaufsstudie des MPffi und verwendet eine deckungsgleiche Kohortenabgrenzung wie Lauterbach (1992).

S Zur ältesten Kohorte zählen die 1920 und friiher geborenen Frauen. Zur mittleren Kohorte rechnen die Geburtsjahrgänge von 1931 bis 1940, und zur jüngsten Kohorte werden die Geburtsjahrgänge von 1941 bis 1950 gezählt.

22

B. Kinderbetreuung und Beruf

quote nicht mehr erreicht wird6 • Letztere kehren damit in zunehmend größerem Umfang und nach einer zunehmend kürzeren Zeit der Erwerbsunterbrechung ins Erwerbsleben zurück (JäkeIlKirner, 1987, S.400). Neuere Untersuchungen von Kirner und Schulz (1992, S. 33ff.) stellen ebenfalls eine über die Kohorten steigende Rückkehmeigung fest7• Jäkel und Kirner (1987, S. 400) untersuchen ferner, inwieweit die lebensphasenspezifische Erwerbsbeteiligung von Frauen über die verschiedenen Geburtsjahrgänge hinweg vom Alter des jüngsten Kindes abhängt. Sie gelangen zu dem Ergebnis, daß mit dem Alter des Güngsten) Kindes auch die entsprechenden Erwerbsquoten steigen, also eine Rückkehr ins Erwerbsleben stattfindet8 . Dabei weisen die Erwerbsquoten von der älteren zu der jüngeren Kohorte hin zunehmend höhere Werte auf, d. h. eine Erwerbstätigkeit wird weniger häufig und zunehmend für einen kürzeren Zeitraum unterbrochen und gleichzeitig steigt über die Kohorten die Rückkehrneigung. Ein solches Erwerbsverhalten spiegelt möglicherweise eine steigende Erwerbsorientierung der Frauen jüngerer Geburtsjahrgänge wider und zeigt, daß insbesondere die Betreuung kleiner Kinder weiterhin durch die Mütter selbst in der Form eines zeitlichen Nacheinanders von Familie und Beruf übernommen wird und von daher weiterhin unterbrochene Erwerbsverläufe zu beobachten sind. Das sich verändernde Erwerbsverhalten von Frauen dokumentiert sich auch darin, daß die Zahl derjenigen Frauen, die nie erwerbstätig waren, über die Kohorten abnimmt und die Zahl der Frauen, die über den Beobachtungszeitraum ununterbrochen erwerbstätig waren, zunimmt. Lauterbach (1992, S. 132) weist für die Geburtsjahrgänge 1929-31 eine Quote der 'Nie Erwerbstätigen' von 5,8 % aus. Diese Quote sinkt auf 2,2 % für Frauen der Geburtsjahrgänge 1949-51. Die Zahl derjenigen Frauen, die ununterbro-

6 Gerade für die vorliegende Betrachtung ist es von Bedeutung, daß für die jeweils jüngeren Geburtsjshrgänge zunehmend kürzere Beobachtungszeiträume zur Verfügung stehen, so daß keine endgültigen Aussagen über den Verbleib der betreffenden Mütter möglich sind. 7 Kimer und Schulz (1992) stützen ihre Untersuchung dabei auf die ersten sechs Wellen des SOEP. Die verwendete Kohortensbgrenzung weicht von der von Jäkel und Kimer (1987) ab.

8 Men (1992, S. 358ff.) stellt in diesem Kontext anband von Schätzergebnissen auf der Basis der ersten vier Wellen des SOEP fest, daß insbesondere kleinere Kinder die Partizipationsneigung von verheirateten Frauen an einer dauerhaften Erwerbslätigkeit reduzieren, und betrachtet das Haushaltsmerkrnsl 'kleinere Kinder' als einen Indikator für ein traditionelles Rollenversländnis der Ehefrau. Merz verwendet jedoch bedauerlicherweise eine recht grobe Altersklasseneinteilung für die im Haushalt befindlichen Kinder. So differenziert er beispielsweise nicht zwischen Säuglingen und Kindern im Kindergartensiter. Die Aussagefähigkeit seiner Ergebnisse hinsichtlich des lebensphasenspezifischen Erwerbsverhaltens von verheirateten Frauen ist damit eingeschränkt.

I. Frauenerwerbstätigkeit und Kindererziehung

23

chen erwerbstätig waren, steigt von 11,2 % für die Geburtsjahrgänge 1929-31 auf 12,6 % für die Geburtsjahrgänge 1939-41 respektive auf 24,4 % für die Geburtsjahrgänge 1949-51 9 • Während der Anteil der Frauen, die zwei und mehr Unterbrechungen im Erwerbsverlauf aufweisen, über die Kohorten sinkt, zeigt sich für den Anteil der Frauen mit einer Unterbrechung kein klarer Trend. Entsprechendes gilt für den Anteil der Frauen an den Erwerbsunterbrecherinnen, die bis zum Interviewzeitpunkt erneut in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Dieser Anteil schwankt über die Kohorten um die 30 %, wobei sich für die Geburtsjahrgänge 1939-41 der höchste Rückkehreranteil ergibt und für die Geburtsjahrgänge 1949-51 der niedrigste. Bezogen auf Frauen mit Kindern stellen Kirner und Schulz (1992, S.40) ähnliche Entwicklungstendenzen fest. Sie ermitteln für die Geburtsjahrgänge 1900-1919 einen 'Hausfrauenanteil ' 10 von 55 %. Dieser sinkt auf 45 % für die Geburtsjahrgänge 1920-1929, auf 40% für die Geburtsjahrgänge 19301939 und auf 28 % für die Geburtsjahrgänge 1940-1949. Weiterhin stellen Kirner und Schulz (1992) für die Gruppe der Frauen mit Kindern einen zunehmenden Anteil der kontinuierlich Berufstätigen fest. Dieser Anteil steigt von 14,2 % für die Geburtsjahrgänge 1900-1919 auf 18,7 % für die Geburtsjahrgänge 1940-1949. Gleichzeitig steigt der Anteil der Berufsrückkehrerinnen über die Kohorten hinweg. Lauterbach (1992, S. 136ff.) untersucht ebenfalls die Dauer einer Erwerbsunterbrechung I I über die verschiedenen Geburtsjahrgänge hinweg, ohne allerdings den Unterbrechungsgrund zu berücksichtigen. Er stellt einerseits eine über die Kohorten abnehmende Dauer der Erwerbsunterbrechung fest. So sinkt der Wert des Medians für die Dauer der ersten Erwerbsunterbrechung von 17,3 Jahren für die Geburtsjahrgänge 1929-31 auf 13,9 Jahre für die Geburtsjahrgänge 1939-41 und schließlich auf 9,9 Jahre für die Geburtsjahrgänge 1949-51. Es zeigt sich weiterhin, daß über alle Kohorten hinweg eine weitere Erwerbsunterbrechung stets von kürzerer Dauer ist als die jeweils vorangegangene. Auch Kirner und Schulz (1992) stellen Berechnungen über

9 Es ist auch hier bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen, daß für die jüngeren Kohorten kürzere Beobachtungszeiträume zur Verfügung stehen als für die älteren Kohorten. 10 J(jmer und Schul;. (1992) bezeichnen als Hausfrauen solche Frauen, die entweder nie erwerbstätig gewesen sind oder ihre Berufstätigkeit nach einer Erwerbsphase aufgegeben haben. Sie verwenden damit eine etwas andere Abgrenzung als Lauterbach (1992). Daraus erklären sich auch die höheren Prozentwerte. Ein direkter Vergleich der Prozentwerte ist damit nicht möglich. Es zeigt sich aber in beiden Fällen die gleiche Entwicklungstendenz.

11 Lauterbach (1992, S. 128) betrachtet als Erwerbsunterbrechung all diejenigen Unterbrechungen, die eine Dauer von mehr als drei Monaten aufweisen.

24

B. Kinderbetrcuung und Beruf

die Länge von Nichterwerbs- und Erwerbsphasen12 an. Sie beschränken sich dabei auf Mütter mit Kindern und differenzieren nicht nach Kohorten. Ihre Ergebnisse werden in der folgenden Tabelle wiedergegeben. Tabelle 1:

Länge der N"lChterwerbspbasea Jahre

VOB

BerufsriickkeJareriaDea bis ZUIIl A1ter von 45 Jahn!o

1. Mchterwemsphase

2. Mchlerwemsphase

3. und weitere Mchlerwemsphase1J

Mchlerwemsphase in hozms

1-3

37,2

35,9

40,8

4-6

20,3

18,2

(23,9)

7-9

12,6

11,5

(12,7)

10-12

11,3

8,9

(1,0)

13-15

7,6

10,5

(9,9)

16-20

8,9

10,5

(5,6)

21 u. m.

2,0

(4,5)

0,0

insgesamt

100,0

100,0

100,0

Werte in Klammem: Fa1lzahlcn unter 20 Quelle: KimerlSchulz (1992, S. 44)

Es zeigt sich, daß für nahezu 60 % der Berufsrückkehrerinnen die 1. Nichterwerbsphase eine Dauer von maximal 6 Jahren aufweist, während die 1. Nichterwerbsphase für knapp 90 % der Berufsrückkehrerinnen eine Dauer von 15 Jahren nicht überschreitet. Nur 37,2 % der Berufsrückkehrerinnen beenden allerdings die 1. Nichterwerbsphase innerhalb des Zeitrahmens von drei Jahren, der für Geburten ab 1992 durch das Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) vorgegebenen ist. Lauterbach (1992, S. 153ff.) untersucht darüber hinaus die Bedeutung der Kohortenzugehörigkeit für die Unterbrechungsrate der Erwerbstätigkeit bei Frauen im Rahmen einer ökonometrischen Schätzung und stellt fest, daß die additiven Kohorteneffekte eine von Kohorte zu Kohorte zurückgehende Unterbrechungsrate bewirken. Weiterhin beobachtet er, daß die additiven 12 Kimer und Schulz (1992, S. 34f.) betrachten 81. Erwerbsphasen alle Zeitspannen, die mindestens ein Kalendeljahr umfassen. Entsprechend gelten al. Erwerbsunterbrechung Zeiten ohne Berufstätigkeit oder gemeldete Arbeitslosigkeit von mindestens einem Jahr.

I. FrauenclWeroatätiglccit und Kindererziehung

2S

Kohorteneffekte eine von Kohorte m Kohorte steigende Wiedereintrittsrate bewirken. In beiden Fällen ist der Einfluß der Kohortenzugehörigkeit signifikant. Der Wandel weiblicher Erwerbsmuster zeigt sich auch im Rahmen der Kohortenanalyse in einer Zunahme des Anteiles teilzeiterwerbstätiger Frauen an allen erwerbstätigen Frauen über die Kohorten hinweg. Dabei steigt dieser Anteil in allen von Lauterbach (1992, S. 247ff.) untersuchten Kohorten mit dem Lebensalter der betrachteten Frauen. In diesem Zusammenhang spielt sicherlich eine Rolle, daß der Teilzeitbeschäftigung für den Verbleib im oder bei der Rückkehr ins Erwerbsleben nach der Geburt eines Kindes eine wichtige Rolle zukommt (vgl. Holst/Schupp, 1993, S. 16ff.). Die Bedeutung von Arbeitsverhältnissen auf Teilzeitbasis könnte in der Zukunft sogar noch steigen. So wünschen 87,3 % aller rückkehrwilligen Frauen mit einer 'Familienpause' eine Teilzeitbeschäftigung. Dem steht jedoch bisher kein ausreichendes Angebot an qualifizierten Teilzeitarbeitsplätzen gegenüber (Behringer/Schulz, 1992, S. 398ff.). Vielfach wird von einer Fortsetzung des Trends einer steigenden Frauenerwerbstätigkeit ausgegangen (vgl. Brinkmann/Engelbrech/Hotbauer, 1988, S.746). Unmittelbare Rückschlüsse auf die Hintergründe für das geänderte Erwerbsverhalten sind aufgrund einer alleinigen Beobachtung der Entwicklung von Erwerbsquoten jedoch nicht möglich. Die Ausführungen haben gezeigt, daß Frauen jüngerer Kohorten verstärkt im Anschluß an eine Phase der Kindererziehung in die Erwerbstätigkeit zurückkehren. Es kommt damit zunehmend das Modell eines zeitlichen Nacheinanders von Familie und Beruf zum Tragen. Weiterhin läßt sich über die Kohorten allgemein eine abnehmende Zahl der Erwerbsunterbrechungen beobachten, die gleichzeitig immer mehr von kürzerer zeitlicher Dauer sind. Das Modell eines zeitlichen Nacheinanders von Familie und Beruf bzw. das 'Drei-Phasen-Modell d3 der Erwerbsbeteiligung bietet anders als das 'ZweiPhasen-Modell' einen Ansatzpunkt dafür, eine intertemporale Umschichtung von Einkommensbestandteilen aus der Zukunft (Zeitraum nach Beendigung des Erziehungsurlaubes) in die Gegenwart vorzunehmen, um den Einkommensausfall während des Erziehungsurlaubes zu kompensieren und um damit den Einkommensverlauf zu glätten. Eine lebenszyklusorientierte bzw. erwerbsphasenspezifische Ausgestaltung der Familienpolitik erscheint insofern möglich. Eine intertemporale Einkommensumschichtung wiederum erleichtert 13 Der Begriff des 'Drei-Phasen-Modelles' bedeutet, daß auf eine Phase der ElWerostätigkeit eine vorübergehende Phase der ElWerosunterorechung folgt, die wiederum in eine Phase der Erwerostätigkeit übergeht. Ein zweiphasiger ElWerosveriauf sieht hingegen keine erneute ElWerosaufnahme vor.

26

B. Kinderoetrcuung und Beruf

unter Einkommensaspekten eine präferenzgerechte Verbindung von Kinderbetreuung und Beruf, wenn finanzielle Mittel aus Maßnahmen einer interpersonellen Umverteilungspolitik nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen oder gestellt werden können.

2. Familien- und Berufsorientierung von Frauen

In diesem Abschnitt wird danach gefragt, welches die Motive von Frauen sind, einer ElWerbstätigkeit nachzugehen. Vor dem Hintergrund einer steigenden ElWerbsbeteiligung von Frauen ist es von Interesse, zu wissen, ob bzw. inwiefern die weibliche Berufsorientierung im Zeitablauf einen Wandel erfahren hat. Hierbei interessiert insbesondere das Wechselspiel zwischen Beruf und Familie. Es werden von daher die Gründe für die Aufgabe einer ElWerbstätigkeit anläßlich des Geburtsereignisses betrachtet. Der Frage nach der gewünschten Form der Koordination von Kinderbetreuung und Beruf und den Motiven, nach einer Phase der Kleinkindbetreuung ins Berufsleben zurückzukehren, wird ebenfalls nachgegangen. Es geht in diesem Abschnitt nicht darum, die Entwicklung bzw. Veränderung von ElWerbsquoten nachzuzeichnen. Dies wurde bereits im vorhergehenden Abschnitt getan, Vielmehr sollen hier die Hintergründe des zuvor skizzierten Entwicklungsprozesses beleuchtet werden. Die Kenntnis der Hintergründe bzw. der Motive einer Entscheidung für oder gegen eine ElWerbstätigkeit ist von Bedeutung, um beurteilen zu können, ob eine unter Einkommensaspekten präferenzgerechte Koordination von Kinderbetreuung und Beruf tendenziell gewährleistet ist, Es geht somit um die Klärung der Frage, ob die Wahl des ElWerbsstatus einkommensbedingt Restriktionen unterliegt. Verschiedene Untersuchungen zeigen, daß Frauen aus sehr unterschiedlichen Motiven heraus einer ElWerbstätigkeit nachgehen. Hierzu üblen sowohl ökonomische bzw, fmanzielle l4 als auch verstärkt berufsbezogene Motive und

14 Zu den ökonomischen bzw. finanziellen Gründen für eine Erwerostätigkeit können die folgenden Erwerosmotive gerechnet werden: eigene Erwerostätigkeit ist aufgrund von Scheidungrrrennungrrod des Ehepartners notwendig; Hinzuverdienst aufgrund von Arbeitslosigkeit/Erwerosunflihigkeit des Ehemannes erforderlich; Vorsorge für die Rente; Finanzierung des Hausbaues und anderer größerer Anschaffungen; Ermöglichung eines höheren Konsumniveaus; Einkommen des Mannes reicht nicht aus, Die eigene Erwerostätigkeit kann weiterhin auch unter dem Aspekt einer Vorsorge gegen das Risiko 'Ehescheidung' betrachtet werden. So gehen Kirner und Schutz (1993, S.9) davon aus, daß in Zukunft unter anderem deswegen mehr Frauen im Anschluß an eine Familienphase in den Beruf zurückkehren werden, da das Risiko von Ehescheidungen gestiegen ist.

I. Frauenerwerbstätigkeit und Kindererziehung

27

andere immaterielle Grundel5, 16. Bertram schätzt die Bedeutung der verschiedenen Motive für die Erwerbsentscheidung wie folgt ein: "Als Versuch einer Antwort ist meines Erachtens davon auszugehen, daß weniger als die Hälfte aller erwerbstätigen Mütter mit kleinen Kindern aus überwiegend ökonomischen Gründen berufstätig ist. So würden bei ausreichender finanzieller Sicherheit 48 % der befragten Frauen lieber nur Hausfrau und Mutter sein, während 52 % auch unter besseren finanziellen Konditionen berufstätig bleiben wollen. Etwa 40 % aller Frauen sehen ihre Arbeit als ein notwendiges Übel an, während rund 60 % ihre Arbeit als einen wesentlichen Aspekt ihres Lebens betrachten."(1983, S. 35).

Die Bedeutung ökonomischer bzw. finanzieller Motive variiert mit verschiedenen soziodemographischen Merkmalen. Insbesondere bei Müttern mit mindestens einem Kind unter drei Jahren, die eine niedrige Berufsposition innehaben und über eine geringe Handlungsautonomie am Arbeitsplatz verfügen, spielen die berufsbezogene Arbeitsmotivation und andere immaterielle Grunde gegenüber der ökonomisch motivierten Berufstätigkeit eine untergeordnete Rolle (Bertram, 1983, S. 39). Auch für erwerbstätige Mütter mit alleinigem Sorgerecht spielt die ökonomische Motivation eine dominante Rolle (PostlerlWegemann/Helbrecht-Jordan, 1988, Bd. 1, S. 64). Interessante Einblicke in die Motivstruktur erwerbstätiger verheirateter Frauen bietet der Aufsatz von Brinkmann/Engelbrech/Hofbauer I7 (1988, S. 728ff.). Es zeigt sich, daß insbesondere Frauen mit einem niedrigen beruflichen Abschluß (Lehre), Hilfs- oder angelernte Arbeiterinnen sowie Frauen aus unteren Einkommensschichten l8 (Haushaltseinkommen ohne eigenes

15 Zu den berufsbezogenen und den anderen immateriellen Gründen fiir eine Erwerbstätigkeit können die folgenden Erwerbsmotive gerechnet werden: Spaß an der Berufstätigkeit; ich bin gerne im Beruf mit anderen Menschen zusammen; Berufstätigkeit bedeutet Abwechslung; ich möchte, was ich gelernt habe, wiederverwerten; Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten; mit Haushalt und Kindern allein fiihle ich mich nicht ausgelastet; Erschließung neuer Aufgaben und Lebensinhalte; Steigerung des Selbstwertgefiihles; ich komme gerne unter Leute; ich wollte durch eigenen Verdienst unabhängiger sein; meine Kinder sind versorgt und brauchen mich nicht so nötig; später, wenn die Kinder aus dem Haus sind, brauche ich eine Aufgabe. 16 So Bertram, 1983, S. 35; Brinkmann, Engelbrech und Hojbauer, 1988, S. 728ff.; Engelbrech, 1987, S. 184; Erler, Jaeckel, Peninger und Sass, 1988; Klüger, 1987, S. I 26ff. und Posrler, Wegemann und Helbrechr-Jordan, 1988, Bd. I, S. 42ff.

17 Brinkmann, Engelbrech und Hojbauer (1988, S. 728) beziehen sich auf eine lAB-Repräsentativerhebung aus dem Jahre 1986. Es wurden 6.000 erwerbstätige und 3.000 nicht erwerbstätige deutsche Frauen (unter 60 Jahren und nicht in Ausbildung) anhand standardisierter mündlicher Interviews befragt. 18 In die selbe Richtung deutet der Befund, daß in Arbeiterhaushalten mit Kindern die durchschnittlich niedrigsten Einkommen mit den höchsten Anteilen erwerbstätiger Partnerinnen zusammentreffen (vgl. Holsr/Schupp, 1990, S. 407).

28

B. Kinderoetrcuung und Beruf

Einkommen) verstärkt ökonomische Motive 19 für ihre Berufstätigkeit äußern. Frauen mit einem höheren beruflichen Abschluß (Hochschule, Fachschule), Angestellte in gehobener Stellung oder Beamtinnen sowie Frauen aus höheren Einkommensschichten nennen dagegen verstärkt berufsbezogene Agumente2° für ihre Erwerbstätigkeit. Es zeigt sich somit das nicht unerwartete Bild, daß die Motive für eine Erwerbstätigkeit je nach individueller Konstellation sehr unterschiedlich sein können, wobei in den seltensten Fällen ausschließlich Motive der einen oder der anderen Kategorie eine Rolle spielen. Interessant ist in dem vorliegenden Zusammenhang, daß sich insgesamt eine Gewichtsverlagerung von den ökonomischen hin zu den berufsbezogenen Motiven abzuzeichnen scheint. Diese Entwicklung geht mit einer steigenden Doppelorientierung21 von Frauen einher, die Familie und Beruf umfaßt (vgl. Bujok, 1988, S. 39ff.; Sommerkorn, 1988). Gleichzeitig läßt sich eine zunehmende Bedeutung des Erwerbswunsches auch für nicht erwerbstätige Frauen beobachten (vgl. Behrens, 1982, S. 182ff.). Des Wandels in den Motivstrukturen ungeachtet, stellt das Geburtsereignis weiterhin einen wichtigen Grund für eine Erwerbsunterbrechung von Frauen dar (Bujok, 1988, S. 36; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 1985, S. 52ff.; Tölke, 1990, S. 44ff.)22. Verschiedene Studien zeigen, daß dabei der Wunsch, die Kinder selbst zu betreuen, eine entscheidende Rolle spielt (vgl. Erler/JaeckeIlPettinger/Sass, 1988, S. 30; Postler/WegemannlHelbrechtJordan, 1988, Bd. 2, Tabelle 15). Dabei wird die Erwerbsunterbrechung vielfach nur als ein vorübergehender Zustand aufgefaßt und neben der Möglichkeit, eine Teilzeitbeschäftigung auszuüben, als bevorzugte Form der Koordination von Familie und Beruf betrachtet (Postler/Wegemann/Helbrecht-Jor19 Hierzu zählen Brinkmann, Engelbrech und Hojbauer (1988, S. 733) folgende Antwortkategorien: 'Ich muß zum Lebensunterhalt beitragen', 'mit den Lebensunterhalt verdienen' und 'wir möchten uns mehr leisten können'. 20 Hierzu zählen Brinkmann, Engelbrech und Hojbauer (1988, S. 733) folgende Antwortkategorien: 'Berufliche Tätigkeit macht mir Freude', 'ich bin gerne im Beruf mit anderen Menschen zusammen' und 'Haushalt allein füllt mich nicht aus'. 21 Die Doppelorientierung von Frauen kann eineraeits darin zum Ausdruck kommen, daß diese beispielsweise von einer Vollzeiterwerostätigkeit auf eine Teilzeiterwerostätigkeit wechseln, um Betreuungsaufgaben besser nachkommen zu können. Andereraeits ist auch eine Fonn der Koordination von Familie und Beruf denkbar, die eine voriJbergehende Aufgabe der Berufstätigkeit mit späterer Rückkehr ins Erwerosleben vorsieht. 22 Die Bedeutung des Geburtsereignisses für eine Erwerosunterorechung hängt von verschiedenen soziodemographischen Merkmalen ab. Mit zunehmender Qualifikation spielen das Vorhandensein von kleinen Kindern bzw. das Ereignis Heirat für die Unterorechung der Erwerostätigkeit eine abnehmende Rolle (BrinkmannlEngelbrech/Hojbauer, 1988, S. 734).

I. Frauenerwerbstätigkeit und Kindererziehung

29

dan , 1988, Bd. 1, S. 45). Im Kontext einer wachsenden Doppelorientierung von Frauen wird die über verschiedene Kohorten hinweg steigende Rückkehrneigung im Anschluß an eine Kinderbetreuungsphase damit verständlich. Dies, wie bereits erwähnt, eröffnet die Möglichkeit, eine intertemporale Umschichtung von Einkommensbestandteilen aus der Zukunft in die Gegenwart vorzunehmen. Einen Überblick über bevorzugte Möglichkeiten, Familie und Beruf in Einklang zu bringen, gibt die Tabelle 2. Bezüglich der Bedeutung der unterschiedlichen Motivkategorien für die Entscheidung, ins Erwerbsleben zurückzukehren, zeigt sich, daß diese in Abhängigkeit von verschiedenen soziodemographischen Merkmalen variiert. So stellt Thielenhaus fest: "Bei den jüngeren Frauen spielt eine höhere Erwerbsorientierung aufgrund qualifizierter Berufsabschlüsse eine gewichtige Rolle. Gegenüber der älteren Frauengeneration haben sich die Lebenspläne der jungen Frauen verändert. Sie betrachten mehmeitlich Familie und Beruf als Lebensinhalte, die gleichwertig nebeneinander stehen." (1988, S. 6).

Dies stützt die These einer zunehmenden Doppelorientierung. Eine Studie im Auftrag des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Umwelt Rheinland-Pfalz (1984, S. 62ff.) zur Wiedereingliederung von Frauen nach einer Erwerbsunterbrechung 23 weist überwiegend berufsbezogene und andere immaterielle Gründe24 für die Rückkehrentscheidung aus. Eine Differenzierung nach dem Familienstand25 zeigt jedoch, daß ledige, geschieden bzw. getrennt lebende und verwitwete Frauen überwiegend finanzielle Rückkehrgründe nennen, während verheiratete Frauen überwiegend immaterielle Gründe für die Rückkehr ins Berufsleben angeben. Es zeigt sich, daß alleinstehende Frauen im Gegensatz zu verheirateten Frauen verstärkt auf ein eigenes Erwerbseinkommen angewiesen sind und somit bezüglich der Wahl des Rückkehrzeitpunktes vermehrt Restriktionen unterliegen (vgl. hierzu Kruber, 1988, S. 99). Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn kleine 23 In die Auswertung gingen die Fragebögen von 511 Frauen ein. Neben den einem festen Schema folgenden Fragebogendaten wurden zusätzlich Angaben bzw. freie Antworten der Frauen und Informationen der beteiligten Arbeitgeber ausgewertet. Emebungsgebiet war Rheinland-Pfalz (MinisteriumjUr Soziales, Gesundheit und Umwelt Rheinland Pfal" 1984, S. 9ff.). 24 Die Art der Rekrutierung der an der Befragung teilnehmenden Frauen dürfte zu einer Selbstselektion geführt haben, so daß der Anteil der gut gebildeten Frauen in der Stichprobe höher sein dürfte, als wenn die zu befragenden Frauen nach einem Zufallsverfahren ausgewählt worden wären (MinisteriumjUr Soziales, Gesundheit und Umwelt Rheinlarid Pfal" 1984, S. 39). Dies dürfte emöhend auf den Anteil der Frauen mit immateriellen Rückkehrgrunden gewirkt haben. Zur Bedeutung des Faktors Bildung für die Rückkehrmotive von Frauen vgl. Brinkmann, Engelbrech und HoJbauer (1988, S. 735).

25 Aufgrund der teilweise geringen Fallzahl ist bei der Interpretation der Daten jedoch Vorsicht geboten.

30

B. Kinderbetreuung und Beruf Tabelle 2:

Bevorzugte Formen der Koordination von Familie und Beruf a),b) [(jnder unter 15 Jahren im Haushalt

Familienstand

sonstige

[(jnderbebetreuung

zu-

ledig

verheiraret

Voll berufstätig ohne [(jnd(er)

12

4

7

2

9

2

-

Voll berujstätig mit [(jnd(em)

9

4

6

5

6

5

6

Teilberujstätig ohne [(jnd(er)

3

2

5

2

3

I

4

Teilberujstätig mit [(jnd(em)

40

38

31

44

36

43

50

[(jnd(er) haben und dabei vorübergehend nicht berujstätig

25

30

34

30

29

30

29

[(jnd(er) haben und dabei gar nicht berujstätig

10

21

16

17

16

18

11

Keine Angabe

I

I

2

-

2

-

-

Summe

100

100

100

100

100

100

100

111 5

160 1

562

828

250 3

836

45

ja

nein

frieden

un-

zu-

frieden

Angaben in Prozent

Basis (=100%)

a) Den Ergebnissen liegt eine Befragung von 3331 Frauen im Alter von 15 bis 65 lahren in Niedersachsen zugrunde (postlerlWegemannlHelbrecht-lordan, 1988, S. 12). b) Den Befragten wurde folgende Frage vorgelegt: "Es gibt für die Frauen ja verschiedene Möglichkeiten, Beruf und Familie miteinander in Einklang zu bringen - oder sich für das eine oder andere zu entscheiden. Auf der Liste stehen nun einige Möglichkeiten. Welche davon würden Sie persönlich bevorzugen?". Quelle: PostlerlWegemannlHelbrecht-lordan, 1988, Bd. 2, Tabelle 35, eigene Darstellung.

Kinder zu betreuen sind. Differenziert man nach der Stellung im Beruf, so läßt sich feststellen, daß je höher die berufliche Stellung der Befragten, desto größer ist der Anteil detjenigen, die berufsbezogene und andere immaterielle Grunde für die Rückkehr ins Berufsleben nennen. Eine weitere Untersuchung, die im Auftrag des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft von Infratest Sozial forschung durchgeführt wurde, stellt ebenfalls überwiegend immaterielle Grunde für eine Berufsruckkehr im Anschluß an eine Familien-

I. Frauenerwerbstätigkeit und Kindererziehung

31

phase fest26 • Es werden jedoch keine nach soziodemographischen Merkmalen differenzierte Ergebnisse ausgewiesen (Bujok, 1988, S. 39ff.). Hiervon abweichende Ergebnisse ergeben sich aus der Mikrozensus-Zusatzerhebung vom April 198227 • Es zeigt sich ein Übergewicht der finanziellen Motive für die Entscheidung, die Erwerbstätigkeit wieder aufzunehmen: ·Von den 294 500 Frauen, die eine unterbrochene Erwerbstätigkeit wiederaufgenommen haben, gaben 196300 (67 %) 'Verbesserung der Einkommensverhältnisse', 22100 (8 %) 'Sicherung der Altersversorgung', 33 400 (11 %) 'Freude am Beruf sowie 12200 (4 %) 'durch Haushalt nicht ausgelastet' und 'Hausarbeit befriedigt nicht' als Grund für die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit an.· (Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 1985, S.59).

Unterscheidet man zwischen Müttern in vollständigen Familien und solchen in unvollständigen Familien (Alleinerziehende), so zeigt sich erwartungsgemäß, daß für Alleinerziehende finanzielle Motive eine größere Rolle bei der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit spielen als für Mütter in vollständigen Familien. Differenziert man nach dem Qualifikationsniveau der Berufsunterbrecherinnen, so wurde mit steigendem Qualiflkationsniveau zunehmend häufiger die 'Freude am Beruf und entsprechend seltener [manzielle Motive als Beweggründe für eine Rückkehr ins Erwerbsleben genannt (Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 1985, S. 58ff.). Bei einem Vergleich der Ergebnisse der verschiedenen Untersuchungen ist zu beachten, daß diese sich auf unterschiedliche Erhebungszeiträume und unterschiedliche Erhebungsgebiete beziehen. Auch sind die Fallzahlen sehr unterschiedlich. Verzerrungen der Ergebnisse aufgrund von Selektionswirkungen bei der Stichprobenauswahl sind damit bei einzelnen Untersuchungen nicht auszuschließen. Aufgrund der vergleichsweise hohen Fallzahl dürften somit die Ergebnisse der Mikrozensus-Zusatzerhebung die größte Verläßlichkeit aufweisen. Übereinstimmung besteht zwischen den verschiedenen Studien aber insofern, als insbesondere alleinstehende Frauen und Frauen aus Haushalten mit einem niedrigen Haushaltseinkommen verstärkt ökonomische 26 Gmlldlage der Untersuchung bildet die Repräsentativbefragung des Berichtssystems Weiterbildungsverhalten 1985. Diese Befragung wurde durch eine zweistufige telefonisch durchgeführte ZUIl4~befragung ergänzt. Eine erste Zusatzbefragung fand 1986 statt. Diese wurde durch eine zweite ~\lsatzbefragung im Jahr 1987 ergänzt. In die Zusatzbefragung wurden all diejenigen Frauen einbezogen, die nach einer familiär bedingten Unterbrechung wieder erwerbstätig werden wQUten oder geworden sind. Von anfänglich 227 Frauen nahmen an der zweiten Zusatzbefragung noch 161 Frauen teil (Bujok, 1988, S. 10ff.). 27 Die ~usatzerhebung wurde auf freiwilliger Basis durchgeführt. In den ausgewählten Mikrozen.uszählbezirken wurden all diejenigen Haushalte in die Erhebung einbezogen, in denen Mütter mit Kindern unter 15 Jahren wohnten. Das Erhebungsgebiet war Baden-Württemberg (Sratistisches Landesamr Baden-Wartremberg, 1985).

32

B. Kinderbetreuung und Beruf

Gründe für ihre Etwerbsentscheidung nennen, während gut qualifizierte Frauen und Frauen, die vor ihrer Etwerbsunterbrechung eine hohe berufliche Stellung eingenommen haben, verstärkt immaterielle Rückkehrmotive angeben. Parallel zum Anstieg der Etwerbsbeteiligung deutet sich somit eine steigende Berufsorientierung von Frauen an. Für bestimmte Frauengruppen - beispielsweise Alleinerziehende - sind aber weiterhin ökonomische Motive von ausschlaggebender Bedeutung für die Etwerbsentscheidung bzw. für die Wahl des Zeitpunktes, zu dem eine Rückkehr ins Berufsleben vorgenommen wird. Zu dieser Gruppe sind auch diejenigen Frauen zu rechnen, die aufgrund eines niedrigen Einkommens für den Fall der Etwerbsunterbrechung (Erziehungsurlaub) - hierauf wird in Abschnitt B. 11. 2. b) ab) eingegangeneine subjektiv als suboptimal empfundene Form der Koordination von Kinderbetreuung und Beruf wählen muß. In Extremfällen kann dies bedeuten, daß entegegen den individuellen Präferenzen auf eine Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubes gänzlich verzichtet werden muß. Eine intertemporale Umschichtung des Etwerbseinkommens stellt in Abhängigkeit vom Umfang des insgesamt verfügbaren Lebenseinkommens und der weiteren Lebensplanung eine denkbare Möglichkeit dar, eine aus individueller Sicht 'bessere' Verbindung von Familie und Beruf zu erreichen. In dem Maße, wie mit einer wachsenden Berufsorientierung eine steigende Rückkehrneigung in den Beruf im Anschluß an den Erziehungsurlaub einhergeht, steht breiteren Bevölkerungsschichten prinzipiell die Möglichkeit offen, Einkommensbestandteile aus der Zukunft (Zeitraum nach Ende des Erziehungsurlaubes) in die Gegenwart (Zeitraum des Erziehungsurlaubes) zu verlagern. Im folgenden Abschnitt wird untersucht, weIche Bedeutung die Wahl der Betreuungsform für die kognitive, soziale, emotionale und gesundheitliche Entwicklung des Kindes hat. Hierbei kommt dem Zusammenhang zwischen einer präferenzgerechten Koordination von Kinderbetreuung und Beruf auf der einen Seite und der Kindesentwicklung auf der anderen Seite eine besondere Bedeutung zu.

3. Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit der Eltern und der kognitiven, sozialen, emotionalen und gesundheitlichen Entwicklung von Kindern

Mit dem Anstieg der Frauenetwerbsquote läßt sich eine Zunahme des Interesses an den Auswirkungen dieses gesellschaftlichen Wandlungsprozesses auf die Lösung der Betreuungsproblematik und damit einhergehend an den Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung feststellen. Die Diskussion

I. Frauenerwerbstätigkeit und Kindererziehung

33

zeigt, daß es sich bei dem Zusammenhang zwischen elterlicher Erwerbstätigkeit und Kindesentwicklung um einen äußerst komplexen und vielschichtigen Problemzusammenhang handelt. Dies mag in einem gewissen Umfang die teilweise widersprüchlichen Ergebnisse verschiedener Studien zu den Auswirkungen mütterlicher Erwerbstätigkeit auf die Kindesentwicklung erklären28 . Es sollte aber auch beachtet werden, daß schon alleine aufgrund des verwendeten spezifischen Datenmaterials viele Studien keine generalisierenden Aussagen zulassen. Die Ergebnisse gelten in einem solchen Fall vielmehr für eine Population, die unter ganz speziellen Bedingungen die Verbindung familiärer und berufliche Belange zu bewältigen hat. So bemerken Lerner und Galambos beispielsweise: "Il is tl1le that the families of the N[ew] Y[ork] L[ongitudinal] S[tudy] sample represent, on the whole, an economically advantaged group, so that the worlcing mothers could provide high quality substitute child care during their worlcing hours. They were also highly committed to their maternal roles in their time at horne. And the great majority workcd at professional or administrative occupations that brought them substantial personal satisfaction. In this sense, then, the findings of this study illustrate the effect of a mother' s working on her children's psychological development when worlcing and financial conditions are close to optimal." (1988, S. 80).

Weiterhin können das jeweilige Untersuchungsdesign und die Betonung bestimmter Einzelaspekte die Vergleichbarkeit einschränken. Es erscheint auch bei der Interpretation von Untersuchungsergebnissen, die anband von Modellprojekten gewonnen werden, Vorsicht geboten, da sich dort die Betreuung der Kinder i. d. R unter besonders günstigen Bedingungen vollzieht (vgl. Laewen, 1989, S. 872). Im Rahmen von Studien, die sich mit dem Zusammenhang von Berufstätigkeit und Kindesentwicklung auseinandersetzen, wird üblicherweise einer oder werden mehrere der folgenden Punkte untersucht: a) kognitive Entwicklung; b) soziale Entwicklung; c) emotionale Entwicklung und Mutter-Kind-Bindung; d) gesundheitliche Effekte.

28 Vgl. hierzu Blau und Grossberg, 1990, S. 2f.; Bronfenbrenner und Crouter, 1982, S. 40; Desai, Chase-Lansdale und Michael, 1989, S.548; Golffried, Golffried und Bathurst, 1988, S. 12 und Owen und Cox, 1988, S. 85f. 3 Amdl

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B. Kindcrbctreuung und Beruf

In einer zeitlichen Perspektive wird stellenweise zusätzlich zwischen Kurzund Langzeiteffekten unterschieden. Die bereits angesprochene Komplexität des betrachteten Zusammenhanges äußert sich auch in einer großen Zahl der in den verschiedenen Studien betrachteten Determinanten der kindlichen Entwicklung. Für die Kindesentwicklung scheinen unter anderen die folgenden Größen von Bedeutung zu sein, deren Berücksichtigung in empirischen Untersuchungen erst sinnvolle Aussagen über die Auswirkungen unterschiedlicher Betreuungsarrangements erlaubt: a) Alter des Kindes zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit durch die Mutter; b) tägliche Dauer der Fremdbetreuung / Länge der täglichen Arbeitszeit der Mutter; c) Situations- und Rollenzufriedenheit der Mutter; d) Art und Qualität der Betreuungseinrichtung; e) Ausgestaltung des Überganges von einer familiären hin zu einer Fremdbetreuungssituation; f) Beteiligung des Vaters an den Betreuungsaufgaben; g) Einkommenslage des Haushaltes; h) Bildungsabschluß der Eltern; i) Geschlecht des Kindes; j) Vorhandensein von Geschwistern. Nachfolgend sollen einige dieser Determinanten diskutiert werden. Eine für die Rückkehr ins Erwerbsleben wichtige Frage ist die des geeigneten Zeitpunktes, d. h. des Zeitpunktes, ab dem zumindest ein Teil der elterlichen Betreuungsaufgaben delegiert werden kann, ohne daß die kindliche Entwicklung eine Beeinträchtigung erfährt. Eine Sichtung der einschlägigen Literatur ergibt hierbei ein widersprüchliches Bild, d. h. es lassen sich sowohl positive als auch negative Folgen einer frühen Fremdbetreuung konstatieren29 . So stellen Blau und Grossberg (1990, S. 13f.) fest, daß sich die mütterliche Berufstätigkeit während des ersten Lebensjahres negativ auf die kognitive Entwicklung auswirkt, während sie sich während des zweiten Lebensjahres positivauswirkPo. Die Null-Hypothese, daß sich die Effekte einer Be-

29 Vgl. hicl'Zll Fthenakis, 1989, S.9f. und Krilger, Born, Einemann, Heintze und Saiji, 1987, S. 96f.

I. Frauenerwerbstätigkeit und Kindererziehung

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rufstätigkeit während des ersten und des zweiten Lebensjahres gegenseitig aufheben, können die Autoren nicht verwerfen. Blau und Grossberg bemerken hierzu: "It is important to note that these findings reflect the impact of the actual child care arrangements made by the women in the sampIe and do not necessarily imply that all fonns ofaltemative care during the first year oflive have negative effects." (1990, S. 15).

Den gleichen Datensatz und den gleichen Test zur Messung der kognitiven Entwicklung nutzen auch Desai/Chase-Lansdale/Michael (1989). Im Gegensatz zu Blau und Grossberg (1990) stellen die Autoren fest, daß sich lediglich für Jungen aus Familien aus höheren Einkommensschichten die mütterliche Erwerbstätigkeit während des ersten und zweiten Lebensjahres hemmend auf die kognitive Entwicklung auswirkt. Für Mädchen aus Familien mit einem hohen Einkommen hat die Erwerbsaufnahme im zweiten Lebensjahr hingegen signifikant positive Effekte. Für Mädchen aus Familien mit einem niedrigen Einkommen ist dieser Effekt hingegen nicht siginifikant (Desai/Chase-Lansdale/Michael, 1989, S. 556). Auch Bronfenbrenner und Crouter (1982, S. 57) betonen die Bedeutung, die dem Lebensalter des Kindes zum Zeitpunkt der ElWerbsaufnahme für die Kindesentwicklung zukommt. Bezüglich gesundheitlicher Risiken und bezüglich der Qualität der MutterKind-Bindung kommt Laewen (1989, S. 878f.) aufgrund der von ihm referierten Studien zu einer eher skeptischen Einschätzung einer frühen Fremdbetreuung, d. h. einer Fremdbetreuung, die bereits zwischen dem 7. und dem 24. Lebensmonat des Kindes einsetzt. Hinsichtlich der gesundheitlichen Risiken einer frühen Fremdbetreuung stellt Künzler (0. J.) dagegen fest, daß eine familienergänzende Betreuung im Alter von einem bis drei Jahren nicht generell zu einem erhöhten Gesundheitsrisiko führt31 . Vielmehr gilt für den Fall der Fremdbetreuung lediglich für Einzelkinder und Erstgeborene ein leicht erhöhtes Gesundheitsrisiko. Der Risikofaktor 'Krippenbetreuung' wird in seiner Bedeutung durch das Risiko, welches ältere Kinder, die den Kindergarten besuchen, für den Gesundheitsszustand ihre jüngeren Geschwister darstellen, übertroffen (Künzler, o. J., S. 8). Interessant sind auch die Ergebnisse des Modellprojektes 'Tagesmütter' (Gudat/Permien, 1980)32. Wird die Umstellung von der familiären auf die

30 Für ihre Untersuchungen greifen Blau und Grossberg (1990) auf die Daten des 'National Longitudinal Survey of Youth' zuriick. Zur Messung der kognitiven Entwicklung wird der 'Peabody Picture Vocabulary Test' eingesetzt. 31 Den Analysen liegen die Interviewdaten von 169 Familie zugrunde. Zum Zeitpunkt der Befragung lebten in diesen Familien 243 Kinder. Erbebungsgebiet ist der Würzburger Raum (Künzler, o. 1.).

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B. Kinderbetreuung und Beruf

Fremdbetreuung während des ersten Lebensjahres vorgenommen, so ergeben sich hieraus insgesamt positive Effekte für die kindliche Entwicklung. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu der Gruppe derjenigen Kinder, die im zweiten Lebensjahr diesen Übergang erfahren haben. Aber auch gegenüber der Gruppe der ausschließlich familiär betreuten Kinder zeigen sich bei denjenigen Kindern, die bereits während des ersten Lebensjahres fremdbetreut werden, positive Entwicklungseffekte (Gudat/Permien, 1980, S. 88ff.). Goldberg und Easterbrooks (1988) untersuchen die Bedeutung einer frühen Erwerbsaufnahme für die Eltern-Kind-Beziehung33. Findet die Erwerbsaufnahme vor dem 6. Lebensmonat des Kindes statt, so erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, daß das Kind zu einem Elternteil eine unsichere Bindung aufweist (Goldberg/Easterbrooks, 1988, S. 136). Owen und Cox (1988, S. 113) stellen ebenfalls einen Zusammenhang zwischen einer frühen Erwerbsaufnahme und der Eltern-Kind-Bindung fest, und zwar kommt es zu einer tendenziell unsichereren Mutter-Kind-Bindung. Dieser Effekt ist jedoch nicht signifikant34. Eine weitere Frage von Interesse ist die nach dem Zusammenhang zwischen der Länge der täglichen Arbeitszeit der Eltern und der Kindesentwicklung. Es zeigen sich wiederum von Studie zu Studie sehr unterschiedliche Ergebnisse. So stellen Schwartz (1983, S. 1076)35 und Belsky und Rovine (1988, S. 161)36 fest, daß Kinder, deren Mütter während des ersten Lebens32 Das Modellprojekt verteilte sich auf 11 Orte in 5 westdeutschen Bundesländern. An der Untersuchung waren insgesamt 420 Pflegekinder, 400 Elternpaare bzw. alleinerziehende Eltern, 220 Tagesmütter, 13 Springerinnen und 22 pädagogische Berater beteiligt (Bundesminister jUr Jugend. Familie und Gesundheit, 1980, S. 21ff.). 33 In die erste Untersuchungsphase wurden 75 Familien einbezogen, deren Kinder zwischen 19 und 21 Monate alt waren. Die in die Untersuchung einbezogenen Kinder waren alle Einzelkinder, deren Eltern in einem Radius von 40 Kilometern um Ann Arbor (Michigan) herum lebten. An der zweiten Untersuchungsphase nahmen noch 58 der ursprünglich 75 Familien teil. Die zweite Phase wurde zu einem Zeitpunkt durchgeführt, als sich die Kinder bereits im Kindergarten befanden (GoldberglEasterbrooks, 1988, S. 126ff.). 34 Es ist zu beachten, daß Owen und Cox (1988) mit einer äußerst kleinen Stichprobe von 38 Elternpaaren und 38 Kindern arbeiten. 35 An der Studie nahmen 50 Kleinkinder im Alter von 18 Monaten und ihre Mütter teil. Hiervon wurden 17 Kinder ganztags fremdbetreut, während 16 Kinder halbtags fremdbetreut wurden und weitere 17 Kinder keine Kinderbetreuungseinrichtung besuchten. Die Fremdbetreuung wurde jeweils vor dem 9. Lebensmonat des Kindes aufgenommen (Schwarn, 1983, S. 1074). 36 An der Untersuchung nahmen 149 Kinder (Erstgeborene) aus vollständigen Familien teil. Die Daten zur Erwerbstätigkeit der Eltern und zum gewählten Betreuungsarrangement wurden im Rahmen von Interviews erhoben. Die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung wurde anband von Videos beurteilt (BelskylRovine, 1988, S. 159f.).

I. Frauenerwerbstätigkeit und Kindererziehung

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jahres ihre ElWerbstätigkeit wieder aufgenommen haben und die wöchentlich länger als 20 Stunden fremdbetreut werden, verstärkt vermeidendes Verhalten gegenüber der Mutter in der 'Strange-situation'37 zeigen. Weiter zeigen Belsky und Rovine (1988, S. 160f.) für diese Gruppe von Kindern, daß diese gegenüber ihrer Mutter verstärkt eine unsicherere Bindung aufweisen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Gudat und Permien (1980, S. 82f.), wenn sie feststellen, daß bei den halbtags fremdbetreuten Kindern weniger Verhaltensstörungen auftreten als bei den ganztags fremdbetreuten Kindern; gleichzeitig gilt, daß halbtags fremdbetreute Kinder auch gegenüber den ausschließlich familiär betreuten Kindern weniger Verhaltensauffälligkeiten aufweisen. Bezüglich Hemmung und Ängstlichkeit nehmen die halbtags fremdbetreuten Kinder eine Zwischenstellung zwischen den ganztags fremdbetreuten und den familiär betreuten Kindern ein. Auch Goldberg und Easterbrooks (1988, S. 148) stellen eine gegenüber der Teilzeitbeschäftigung nachteilige Wirkung der VollzeitelWerbstätigkeit auf die kindliche Entwicklung fest. Gottfried, Gottfried und Bathurst (1988, S. 49) hingegen halten die Bedeutung des Arbeitszeitumfangs für die kindliche Entwicklung für gering38. Als eine wichtige Größe, die den Zusammenhang zwischen elterlicher Erwerbstätigkeit und Kindesentwicklung entscheidend beeinflußt, hat sich in der empirischen Forschung die mUtterliehe Situations- und Rollenzufriedenheit herausgestellt. Dies bedeutet beispielsweise, daß eine Übereinstimmung zwischen gewünschtem und tatsächlich realisiertem ElWerbsstatus mit positiven Auswirkungen für die kindliche Entwicklung einhergeht, während die umgekehrte Konstellation mit entsprechend negativen Auswirkungen für die Kindesentwicklungen verbunden ist. Dies scheint grundsätzlich unabhängig davon zu gelten, ob es sich bei dem gewünschten ElWerbsstatus um den Zustand der ElWerbs- bzw. um den der NichtelWerbstätigkeit handelt39 . So stellen Gudat und Permien fest: "Die Zufriedenheit der Mutter mit ihrer Situation als Frau, ihre Sicherheit, mit der sie ihre eigenen Interessen, Berufstätigkeit und Mutterrolle balanciert, beeinflußt die Entwicklung ihres Kindes und die Mutter-Kind-Beziehung langfristig stärker als die Umstände der Betreuungsform. Ob also ein Kind von der eigenen Mutter oder einer Tagesmutter betreut wird, ob 37 Das 'Strange-situation-Experiment' sieht vor, in einer Laborsituation durch Anwesenheit einer fremden Person bei kurzfristiger Abwesenheit der Mutter beim Kind Streß zu induzieren. Das Verhalten des Kindes während der Trennungsphase und bei der Rückkehr der Mutter gilt als Indikator fiir die Qualität der MUtler-Kind-Bindung. 38 In die Untersuchung wurden 130 Kinder einbezogen. Davon waren 68 männlichen und 62 weiblichen Geschlechts. Die Familien gehörten durchweg der Mittelschicht an (Goltjried/ Gonjried/Balhursl, 1988, S. 14f.). 39 Vgl. hierzu Bronfenbrenner und Crouter, 1982, S. 56; Laewen, 1989, S. 879f.; Langenmayr, 1987, S. 336f. und Owen und Cox, 1988, S. 88.

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B. Kinderbetreuung und Beruf man im ersten oder im zweiten Lebensjahr mit einer Fremdbetreuung beginnt etc., ist letztlich weniger wichtig als die Frage, ob die Mutter mit ihrer Rolle als Frau in Einklang lebt .• (1980, S. 74).

Auch Reinhard (1981) und Lerner und Galambos (1988) betonen die Bedeutung mütterlicher Zufriedenheit für die Kindesentwicklung. Reinhard (1981, S. 203f.) stellt beispielsweise einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit der Mutter mit ihrer aktuellen Gesamtsituation und mit der kognitiv-emotionalen Entwicklung ihres Kindes fest. Lerner und Galambos gehen von folgendem Zusammenhang zwischen mütterlicher Rollenzufriedenheit und Kindesentwicklung aus: • At least for the present sample, then, a process of influence model that links maternal role satisfaction - > mother-child-interaction - > child development is supported .• (1988, S. 81).

Ergänzend hierzu stellen Owen und Cox eine Verbindung zwischen der Einkommenslage, der Erwerbsentscheidung und der Situationszufriedenheit der Mütter her und kommen zu dem Ergebnis: • Although the mothers' jobs were of various types (e.g., lab technicians, nurses, managers, lawyers), our impression, based on the interviews with these middle-class women, was that most of the women who returned to full-time employment did so because of finances. To maintain the standard of Iiving that they had achieved based on two salaries prenatally, the mothers gene rally feIt compelled to return to their jobs soon after their babies' births. Mothers who decided not to return to work voiced that they did so with some fincancial sacrifice ... To find so little satisfaction among the employed mothers of young infants suggests that this may be aperiod of childhood when the balance of costs to benefita of working falls on the cost side for most mothers. Thus the positive effects of working that have been found for mothers of older children may not have as potent an effect on the functioning and parenting of mothers of infants.· (1988, S. 113f.).

Die Ergebnisse der Autoren machen deutlich, daß nicht nur existenzielle Not, sondern auch der Wunsch, den erreichten Lebensstandard aufrechtzuerhalten, die Rückkehrentscheidung und damit die Situationszufriedenheit der Mutter beeinflussen kann. Weitere Aspekte, die für den Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Kindes und der Berufstätigkeit der Eltern von entscheidender Bedeutung sind, betreffen die QualitlU der Fremdbetreuungseinrichtung und die Gestaltung der Obergangsphase von einer familiären hin zu einer Fremdbetreuungssituation (vgl. Fthenakis, 1989, S. lOf; Goldberg/Easterbrooks, 1988, S.136f.; Laewen, 1989, S. 873ff.; Petersen, 1989, S. 97f.). Es zeigt sich damit, daß ein Zusammenhang zwischen elterlicher Berufstätigkeit und kindlicher Entwicklung besteht, wobei sich weder ausschließlich positive noch ausschließlich negative Wirkungszusammenhänge ausmachen lassen. Vielmehr spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Von besonderer Bedeutung sind hierbei der Zeitpunkt einer erneuten Erwerbsaufnahme,

11. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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der zeitliche Umfang der Fremdbetreuung und die mütterliche Rollen- bzw. Situationszufriedenheit. Die Wahl der Betreuungsform und die Möglichkeit, Kinderbetreuung und Familie präferenzgerecht zu koordinieren, sind demnach von Bedeutung für die kognitive, soziale, emotionale und gesundheitliche Entwicklung des Kindes. Dies deutet darauf hin, daß sich ein familienpolitisches Umfeld, welches es ermöglicht, den gewünschten und den tatsächlichen Erwerbsstatus hinsichtlich Zeitpunkt und Umfang einer erneuten Erwerbsaufnahme in Übereinstimmung zu bringen, positiv auf die frühkindliche Entwicklung auswirkt.

11. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland In diesem Abschnitt wird von daher der Frage nachgegangen, inwieweit die Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland eine präferenzgerechte Verbindung von Kinderbetreuung und Beruf ermöglicht und inwieweit sie eine lebenszyklusorientierte bzw. erwerbsphasenspezifische Ausgestaltung aufweist. Es wird hierzu schwerpunktmäßig der Einkommensaspekt betrachtet. Zunächst soll ein Überblick über die üblicherweise in der Literatur genannten Ziele und Begründungen für familienpolitische Leistungen gegeben werden. Es wird ebenfalls der Frage nachgegangen, ob bzw. inwieweit eine ökonomisch begründete Zielauswahl möglich ist, um aus ökonomischer Sicht zu einer begründeten Ablehnung oder aber Befürwortung von staatlichen Transfers und anderen staatlichen Maßnahmen im Rahmen der Familienpolitik zu gelangen. Daran schließt sich eine kurze Zusammenschau des gegenwärtigen Systems familienpolitischer Maßnahmen an. Es folgt eine kritische Analyse dieser Regelungen.

1. Mögliche Ziele und Begründungen für familienpolitische Maßnahmen

Ziele und Begründungenfür Maßnahmen der Familienpolitik Eine Sichtung der familienwissenschaftlichen Literatur fördert eine Vielzahl von möglichen Zielen und Begründungen für familienpolitische Leistungen zutage. Es lassen sich bestimmte Schwerpunkte ausmachen. Besonders häufig werden als mögliche Ziele die Anerkennung der elterlichen Erziehungsleistung, die Gewährung des soziokulturellen Existenzminimums und die Annäherung der Startchancen der Kinder genannt. Dies gilt ebenfalls für das Ziel 'Berücksichtigung von Kindern bei der Ermittlung der steuerlichen

B. Kinderbetreuung und Beruf

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Leistungsfähigkeit'. Eine weniger exponierte Stellung nehmen Ziele wie die der Beeinflussung der Bevölkerungsentwicklung und die der Sicherung der Altersrenten ein. Vergleichsweise neu sind Ziele wie die der Linderung der finanziellen Belastung im Anschluß an die Geburt durch die Gewährung von Erziehungsgeld und die der Schaffung von Wahlmöglichkeiten zwischen Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit. Übersicht 1 gibt hierüber einen Überblick l . Obersichl 1:

Begriindlllllen für und Ziele von familienpolitischen Maßnahmen Albers (1989, S.340f.)

a) Anpassung der Marktcinkommen der Familien an den durch Kinder bedingten unterschiedlichen Bedarf; b) Verbesserung der Chancengleichheit von Kindern; c) Anerkennung der Erziehungsleistung der Eltern durch die Gesellschaft; d) Förderung einer für die Bestandserhaltung der Gesellschaft ausreichenden Geburtenzahl.

Auge (1984, S.363)

a) Stärkung und Erhalt der Sozialisationsfähigkeit in den unteren und minieren Einkommensschichten; b) Abbau von SozialisationsdefIZiten.

Bundesrat (1985, S. 1,15,21) I Deutscher Bundestag (1985, S. 1353)

a) Mit dem Bundeserziehungsgeld soll die Erziehungstätigkeit durch die Gesellschaft als eine der Erwerbstätigkeit gleichwertige Aufgabe anerkannt werden; b) Stärkung der Sozialisationsfähigkeit der Familie; c) das Erziehungsgeld soll die in der ersten Zeit nach der Geburt besonders starke finanzielle Belastung lindern; d) Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub sollen eine Wahlmöglichkeit zwischen Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit schaffen; e) die Vertretung von Erziehungsurlaubern an ihrem Arbeitsplatz soll den Arbeitsmarkt entlasten.

Dinkel (1987, S.91)

a) Aktive Steuerung der Bevölkerungspolitik; b) Ausgleich von mit der Kindererziehung verbundenen externen Effekten; c) Verhinderung eines Absinkens der Eltern unter die Sozialhilfeschwelle; d) Stärkung der Sozialisationsfähigkeit der Familie. (Fortsetzung nitchste Seite)

1 Diese Übersicht ist nicht als eine abschließende Auflistung der Ziele und Subziele der Familienpolitik zu verstehen. So werden beispielsweise die dem Transferbereich 'Förderung der Vermögensbildung' zugrunde liegenden Zielsetzungen nicht berücksichtigt.

U. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

41

(Fonsetzung Obersichll) Dornbusch (1983, S. 91ff.)

a) Sicherung des BOZialkulturellen Mindestbcdarfs; b) Kostenausgleich für gescllschaftspolitische Funktionen; c) Anpassung des Haushaltscinkommcns an den kindbedingten Bedarf; d) Emalt des Bcvölkerungsbestandes und Sicherung der Altersversorgung.

Harter (1989, S. 20, 46)

a) Die Regelungen des Bundescrziehungsgeldgesctzes sollen zur Schaffung einer kinderfreundlichen Gesellschaft beitragen; b) Stärkung der Sozialisationsfihigkeit der Familie; c) Anerkennung der Erziehungsleistung der Mütter und Väter; d) die Zahlung des Mutterschaftsgeldes soll zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards während des Mutterschutzes beitragen.

Hauder (1989, S.9)

a) Gesellschaftliche Anerkennung der Erziehungsaroeit; b) Stärkung der Sozialisationsfihigkeit der Familie (pädagogische Überlegungen, K08lcnaspektc); c) Entlastung des Albeitsmarktcs durch das zeitweise Ausscheiden der Erziehungsurlauber aus ihrer Erwerostätigkcit; d) Einschränkung der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Erziehungsurlauberinnen von ihrem erwerostätigen Ehepartner.

Heldmann (1986, S.68)

a) Sicherung eines soziodemographischen Mindestbedarfs für Kinder; b) Annäherung der Startchancen der Kinder; c) Vermeidung unzureichender Bctreuungssituationen der Kinder; d) Veroesscrung der familialen Wohnsituation.

Lampert (1985, S.261)

a) Förderung der Sozialisationsaufgabe der Familie; b) Annäherung der Startchancen der Kinder; c) materielle Sicherung der Familie.

Leibinger I Muscheid I Rohwer (1986, S. 39)

a) Anerkennung der Leistungen, die Kindererziehende für die GeseIlschaft eroringen (Sozialisationsleistung, Förderung des wirtschaftliehen Wachstums, Sicherung der Altersversorgung); b) Sicherung eines Mindestlebensstandards von Familien mit Kindern (Familie als förderungswürdige Institution); c) Annäherung der Startchancen der Kinder; d) Berücksichtigung der 8Icuerlichen Leistungsfähigkeit bei der Einkommensbesteuerung; e) Beeinflussung des generativen Verhaltens. (Fonsetzung nllchste Seite)

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B. Kinderbetreuung und Beruf

(Fortsetzung Obersicht 1)

Netzler (1990, S. 29ff., S. 58ff.)

a) Kompensation der spezifischen Risiken der Kindererziehung (Schwierigkeiten bei der Rückkehr ins Berufsleben nach einer Erwerbsunterbrechung; Beeinträchtigung der Chancengleichheit der pflegenden Familienmitglieder aufgrund von zu versorgenden behinderten Kindern oder pflegebedürftigen alten Menschen); b) Annäherung der Startchancen der Kinder.

Oberhauser (1980, S. 585f.)

a) Dem Familienlastenausgleich kommt die Aufgabe zu, ein Absinken der Familie aus ihrer Schicht zu vermeiden und ein Unterschreiten des sozialkulturcllen Existenzminimums zu verhindern; b) Anerkennung der Leistungen, die Familien rur die Gesellschaft erbringen; c) Annäherung der Startchancen der Kinder; d) Steuerung der Bevölkerungsentwicklung; e) Berücksichtigung der eingeschränkten steuerlichen Leistungsfähigkeit von Familien mit Kindern.

Willeke I Onken (1990, S. 8, 10)

a) Familienlastenausgleich in Höhe der soziokulturellen Mindestkinderkosten; b) Kompensation der Kinderkosten.

Diese Übersicht macht deutlich, daß Zielsetzungen, die sich unmittelbar auf das Problemfeld 'Koordinierung von Familie und Beruf beziehen, vergleichsweise selten genannt werden. Es ist von daher zu vermuten, daß die Ausgestaltung des bestehenden familienpolitischen Instrumentariums dieses Problemfeld nur unzureichend berücksichtigt. Für die nachfolgende Analyse wird das oben skizzierte Zielsystem auf Zielsetzungen aus dem Bereich von Familie und Beruf verengt. Die Linderung der finanziellen Belastung in den ersten Jahren nach der Geburt eines Kindes und die Schaffung von Wahlmöglichkeiten zwischen Erwerbs- und Familientätigkeit (vgl. Übersicht 1) stellen die für die weitere Analyse maßgeblichen Leitvorstellungen dar. Beide Zielsetzungen sind als interdependent zu betrachten, da die einkommensbezogenen Konsequenzen einer Entscheidung zwischen Familie und Beruf (Einkommensverlust bei Erwerbsaufgabe oder bei Wechsel von einem Vollzeit- auf einen Teilzeitarbeitsplatz) eben diesen Entscheidungsprozeß beeinflussen und damit den Handlungsspielraum der Eltern einschränken können. Schwankungen im Einkommensverlauf, die beispielsweise aufgrund von Phasen einer erziehungsbedingten Erwerbsunterbrechung (Erziehungsurlaub) auftreten, sind von daher bei der Ausgestaltung der Familienpolitik zu berücksichtigen.

ll. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

43

Es soll nun überprüft werden, inwieweit die Ziele der Familienpolitik ökonomisch fundiert werden können. Anschließend werden die institutionellen Regelungen der bundesdeutschen Familienpolitik daraufhin untersucht werden, ob sie den soeben skizzierten Leitvorstellungen Rechnung tragen, d. h. unter Einkommensaspekten eine präferenzgerechte Verbindung von Kinderbetreuung und Beruf ermöglichen. Ökonomische Analyse Jamilienpolitischer Zielt?

Neben rein verteilungspolitischen oder auch weltanschaulichen Begründungen, ein bestimmtes familienpolitisches Ziel zu verfolgen, gibt es auch verschiedene Versuche einer ökonomisch begründeten Zielauswahl, um aus ökonomischer Sicht zu einer begründeten Ablehnung oder aber Befürwortung von staatlichen Transfers und anderen staatlichen Maßnahmen im Rahmen der Familienpolitik zu gelangen. Einen wichtigen Analysestrang stellt die Anwendung des traditionellen Instrumentariums der Theorie des Marktversagens auf den speziellen Bereich der Familienpolitik dar. So untersucht Bertbold (1989, S. 97ff.), inwieweit möglicherweise meritorische Eingriffstatbestände eine familienpolitische Intervention des Staates angezeigt erscheinen lassen. Weiterhin untersucht er, ob es aufgrund fehlender Gleichgewichtstendenzen des demographischen Prozesses notwendig ist, daß staatlicherseits korrigierend eingegriffen wird. Dieser Analyseansatz korrespondiert mit einer Überprüfung des Zieles 'Erhaltung des Bevölkerungsbestandes' auf seine ökonomische Fundierung hin. Auch geht Bertbold (1989, S. 104f.) der Frage nach, ob externe Effekte eine Rechtfertigungsgrundlage für familienpolitische Maßnahmen bieten. Hierin kann eine ökonomische Untersuchung des Zieles 'Kostenausgleich für gesellschaftspolitische Funktionen der Familientätigkeit' gesehen werden. Insgesamt sieht Berthold in der Theorie des Marktversagens keine geeignete Basis für die Formulierung einer Familienpolitik der interpersonellen Umverteilung. Berthold (1989, S. 114) befürwortet vielmehr eine bedarfsadäquate Umschichtung des Lebenseinkommens unter Zuhilfenahme des Versicherungsprinzips. Homburg und Gräff (1988, S. 20ff.) analysieren ebenfalls die Bedeutung von Externalitäten für die Ausgestaltung familienpolitischer Maßnahmen. Sie berücksichtigen hierbei explizit die Diskussion über den sogenannten 'Drei-

2 Argumentationslinien, die sich auf außcrokonomische Begründungen stützen und eine mögliche Basis für interpersonell umverteilende familienpolitische Maßnahmen abgeben können, werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht betrachtet. Dies gilt ebenso für die verschiedenen Ansätze der Verteilungsgerechtigkeit.

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B. Kinderbetreuung und Berof

Generationen-Vertrag ,3. Diese Diskussion stellt einen Spezialfall der Frage dar, ob Externalitäten eine Korrektur des Status Quo erfordern. Neben dem Ziel 'Kostenausgleich für gesellschaftspolitische Funktionen der Familientätigkeit' wird hiermit auch das Ziel 'Sicherung der Altersversorgung' angesprochen. Mit der Frage, ob Kindererziehung externe Effekte verursacht, hängt unmittelbar die Frage zusammen, inwieweit durch Kindererziehung öffentliche Güter geschaffen werden. Homburg und Gräff (1988, S. 15ff.) betrachten die Möglichkeit eines mit der Bevölkerungszahl zunehmenden ProKopf-Einkommens als ein denkbares öffentliches Gut. Beide Autoren sehen insgesamt keine Möglichkeit, eine interpersonell umverteilende Familienpolitik allokationstheoretisch zu begründen. Homburg und Gräff (1988, S. 26) betonen jedoch, daß es durchaus 'außerökonomische' Begründungen für umverteilende familienpolitische Maßnahmen gibt. Ribhegge (1990, S. 3ff.) prüft, ob die Erziehungsleistung der Eltern Eigenschaften eines öffentlichen Gutes für die Gesamtheit der Rentenversicherten aufweist, und kommt zu dem Schluß, daß nur eine interpersonell umverteilende Rentenversicherung dazu führt, daß exklusive Eigentumsrechte in kollektives Eigentum übergehen. Da einzelne Regelungen des deutschen Rentenversicherungssystems durchaus interpersonell umverteilend wirken, kann man hieraus den Schluß ziehen, daß die Erziehungsleistung der Eltern zumindest partiell Elemente eines öffentlichen Gutes aufweist. Weiterhin geht der Autor der Frage nach, ob von der Kindererziehungsleistung der Eltern technologische externe Effekte ausgehen. Zumindest für den Kreis der hochindustrialisierten und dichtbesiedelten Industriestaaten vermutet Ribhegge (1990, S. 8), daß ein Verzicht auf Kinder eher positive als negative technologische externe Effekte bewirkt. Träfe diese Vermutung zu, so wäre statt der Zahlung einer Subvention von den Eltern eine spezielle Steuer zu erheben. Weniger breiten Raum nimmt die ökonomische Analyse solcher sozialpolitischer Zielsetzungen und Maßnahmen ein, die mit der Schaffung von Wahl möglichkeiten zwischen Beruf und Familie in Zusammenhang stehen. Stellvertretend für diejenigen Autoren, die sich dieses Bereiches angenommen haben, sei Netzler (1990) erwähnt. Ergänzend zu einer Analyse der bereits weiter oben angeführten Eingriffstatbestände geht Netzler (1990, S. 4lff.) auf 3 Der Begriff des 'Drei-Generationen-Vertrages' bezeichnet keinen Vertrag im juristischen Sinne. Vielfach wird in diesem Zusammenhang auch von 'Drei-Generationen-Solidarität' gesprochen. Konzeptionell steckt hinter diesen Begrifflichkeiten die Überlegung, daß im Rahmen der gesetzlichen Altersversorgung in der Bundesrepublik Deutschland die erwerbstätige Generation einerseits durch ihre Beitragsleistungen die Renten der Senioren finanziert und andererseits durch einen 'generativen' Beitrag für eine ausreichende Zahl von Nachkommen sorgt, um die Finanzierong der eigenen Renten sicherzustellen. Für den Erhalt des Rentensystems hat die Generation der Erwerbstätigen damit zwei Leistungen zu erbringen.

D. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

4S

besondere Risikotatbestände ein, die mit der Problematik 'Koordination familiärer und beruflicher Belange' in Zusammenhang stehen. Er nimmt insbesondere auf das Risiko eines nicht gelungenen Wiedereinstieges nach einer Erwerbsunterbrechung und das Risiko eines unterbliebenen innerfamilialen Risikoausgleichs aufgrund von Scheidung oder frühen Tod des Haupternährers Bezug und sieht hierin durchaus eine Rechtfertigung für einen familienpolitischen Eingriff. Mit der Analyse des Risikos eines unterbliebenen innerfamilialen Risikoausgleichs aufgrund von Scheidung oder eines frühen Todes des Haupternährers spricht Netzter (1990) die Frage der sozialen Lage Alleinerziehender an. Diese Analyse korrespondiert mit Zielsetzungen wie 'Schaffung von Wahlmöglichkeiten zwischen Beruf und Familie' und 'Kompensation der spezifischen Risiken der Kinderbetreuung' . Akzeptiert man die Argumente von Berthold (1989), Homburg und Gräff (1988) und Ribhegge (1990), so erscheinen die Möglichkeiten begrenzt, eine interpersonell umverteilenden Familienpolitik und die dahinter stehenden Zielsetzungen ökonomisch im Rahmen einer Analyse der Allokationseffizienz zu begründen und eine solche Politik entsprechend auszugestalten. Auszunehmen wären hiervon Leistungen - wie die Analyse von Netzter (1990) zeigt -, die eine interpersonelle Umverteilung im Sinne eines versicherungstechnischen Risikoausgleiches vorsehen. Ein solches Ergebnis erscheint vor dem Hintergrund der intensiven Diskussion über die Finanzierbarkeit der Renten und einer nicht den Bevölkerungsbestand erhaltenden Geburtenzahl nur schwer nachvollziehbar. Von daher sollen an dieser Stelle einzelne der oben genannten Argumente mit Blick auf die Debatte um den 'Drei-Generationen-Vertrag' genauer betrachtet werden. Zunächst einmal ist festzuhalten, daß in einem Alterssicherungssystem, welches nach dem Umlageverfahren arbeitet und eine lohnorientierte Beitragserhebung vorsieht, die gegenwärtig erwerbstätige Generation die Rentenzahlungen an die gegenwärtige Rentnergeneration finanziert. Auf einen Kapital stock kann nicht zurückgegriffen werden, und ein solcher wird auch nicht gebildet, um den künftigen Zahlungsverpflichtungen des Rentenversicherungsträgers nachkommen zu können. Dies wiederum bedeutet, daß die Renten der zukünftigen Rentnergeneration, d. h. der gegenwärtig erwerbstätigen Generation, aus dem Einkommen der zukünftigen Erwerbstätigengeneration zu fmanzieren sind. Die Befürworter einer Differenzierung des Rentenversicherungsbeitrages nach der Kinderzahl argumentieren von daher, daß Familien mit einer Anzahl von Kindern, die unterhalb des Niveaus liegt, welches zur Erhaltung des Bevölkerungsbestandes notwendig ist, sich als Freifahrer gegenüber Familien mit einer ausreichenden Kinderzahl verhalten.

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B. Kinderbetreuung und Beruf

Dinkel beispielsweise argumentiert wie folgt: ·Um diesen Mechanismus langfristig in Gang zu halten, muß jede aktiv erwerbstätige Generation allerdings zwei Leistungen erbringen: Sie muß mit ihren Geldbeiträgen die jetzt Alten versorgen und muß gleichzeitig ... für die Kinder sorgen, die sie dann im eigenen Alter versorgen können. Heide Leistungen sind gleichzeitig notwendig, so daß ••• die vollständige Äquivalenz des einzelnen zum Bezug seiner Alterarente die Zahlung von Geldbeiträgen und die individuelle Reproduktion ist. Werden nur wenige Kinder geboren, müssen diese Kinder (und damit deren Eltern) später um so größere Lasten für die vielen Alten tragen. Kinderlose entziehen sich einem der beiden Vertragsbestandteile des Generationenvertrages selbst dann, wenn sie lebenslang volle Geldbeiträge leisten ... Selbst wenn sich die Nettoreproduktionsrate genau zu Eins ergänzen sollte, verhalten sich Kinderlose als 'free-rider', solange die Sicherung ihrer späteren Renten durch andere Familien mit Kindern geleistet werden muß.· (1981, S. 106).

Diese Argumentationsweise erscheint plausibel und spricht somit für sozialpolitische Maßnahmen, die die Erziehungsleistung der Eltern honorieren. Um so mehr stellt sich die Frage, wieso beispielsweise Homburg und Gräff (1988, S. 20ff.) dergestalt begründete familienpolitische Leistungen ablehnen. Ein Argument von Homburg und Gräff (1988) besagt, daß es sich bei den von Dinkel (1981) skizzierten positiven Effekten der Kindererziehung um pekuniäre und nicht um technologische externe Effekte handelt. Es bedarf insofern keines wirtschafts- bzw. sozialpolitischen Eingriffes, da pekuniäre Externalitäten nur die Veränderung von Knappheitsrelationen widerspiegeln. Ein weiteres Argument bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen der . Geburtenzahl und der Entwicklung der Lohnsumme. Die Entwicklung des Beitragsaufkommens hängt bei gegebenem Beitragssatz unmittelbar von der Entwicklung der beitragspflichtigen Lohnsumme ab. Für die Rentnergeneration ergeben sich aus einer Steigerung der Geburtenzahl bei gegebenem Beitragssatz nur dann Vorteile, wenn die Entwicklung der Lohnsumme positiv mit der Geburtenzahl korreliert. Nach Meinung beider Autoren ist es jedoch in keiner Weise sicher, daß die Lohnsumme bei steigender Geburtenzahl zunimmt. Damit bleibt unklar, ob sich die Wohlfahrt der Rentner erhöht, wenn die Zahl der Geburten steigt. Somit ergeben sich nach Homburg und Gräff (1988) nicht einmal dann, wenn man den Anspruch aufgibt, ausschließlich technologische externe Effekte durch familienpolitische Maßnahmen berücksichtigen zu wollen, brauchbare Argumente für einen familienpolitischen Instrumenteinsatz. Müller und Burkhardt (1983, S.74), zwei Verfechter des Konzeptes der 'Drei-Generationen-Solidarität', betonen jedoch, daß für den Fall einer rückläufigen Bevölkerung pro Kopf der Beschäftigten zukünftig relativ mehr an die Generation der Rentner abzugeben sein wird. Darüber hinaus befürchten beide Autoren, daß eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung negative Aus-

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wirkungen auf das Wachstum des künftigen Sozialproduktes haben wird. Ruft man sich die verschiedenen Prognosen über die zukünftige Beitragssatzentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung in Erinnerung, so erscheint die von Müller und Burkhardt (1983) behauptete Entwicklung durchaus realistisch. Auch Berthold (1989, S. 105) äußert sich zu der Vorstellung, Kinderlose als auch Familien mit einer Anzahl von Kindern, die unterhalb des bestandserhaltenden Niveaus liegt, bauten ihre Altersversorgung auf den Kindern anderer auf. Er verweist unter anderem darauf, daß die Sicherheit der Renten nicht nur von der Bevölkerungsgröße abhänge, sondern auch von der Kapitalbildung in einer Volkswirtschaft und von der Produktivität der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital bestimmt werde. Er relativiert damit die Bedeutung des 'generativen' Beitrages im Rahmen des Konzeptes des 'DreiGenerationenvertrages ' . Ähnlich argumentieren Müller und Burkhardt, wenn sie wie folgt feststellen: "Eine ausreichend große zukünftige ElWerbsgeneration ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung rur das Fortbestehen des Umlagesystems in der Zukunft. Soll innerhalb des Solidarsystems der Rentenversicherung der Beitrag rur die Erstellung des künftigen Sozialproduktes honoriert werden, so müßte eigentlich nicht nur der Reproduktionsaspekt als solcher berücksichtigt werden. Vielmehr müßte auch der Beitrag, den ein Versicherter durch die Beteiligung am Produktivitätsfortschritt und an der Weitergabe von technischem Wissen erbringt, gesondert berücksichtigt werden. Es scheint jedoch unmöglich, den 'ökonomischen Beitrag' der Rentenversicherten zur Höhe des zukünftigen Sozialproduktes, soweit er aus diesen Gesichtspunkten folgt, in sinnvoller Weise zu quantifIZieren und entsprechend zu berücksichtigen. Wird nun im Rahmen der 3-Generationen-Solidarität die Vorleistung rur ein in der Zukunft ausreichend großes Sozialprodukt nur wenigstens im Bereich der Kindererziehung berücksichtigt, so wird damit der wichtigste Faktor erfaßt, der, vor allem privatwirtschaflieh, je nach der Kinderzahl unterschiedliche Kosten verursacht." (1983, S. 74).

Hinsichtlich der immensen Schwierigkeiten, den 'ökonomischen Beitrag' des Rentenversicherten zur Höhe des zukünftigen Sozialproduktes aufgrund seiner Beteiligung am Produktivitätsfortschritt und der Weitergabe von technischem Wissen zu bestimmen, ist Müller und Burkhardt (1983) beizupflichten. Beide Autoren übersehen jedoch, daß auch die Bewertung des 'generativen' Beitrages zur Höhe des künftigen Sozialproduktes und damit zum Beitragsaufkommen in der Rentenversicherung mit nicht unerheblichen Meßproblemen verbunden ist. So müßte man dazu das zukünftige Einkommen der im Rahmen des 'Drei-Generationen-Vertrages' zu berücksichtigenden Kinder antizipieren, und man müßte darüber hinaus wissen, ob diese Kinder tatsächlich später einmal Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung werden. Möglicherweise wandern sie aus, machen sich selbständig oder werden Beamte. Aufgrund der gegebenen Bewertungsproblematik lehnt bei-

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B. Kinderbetreuung und Beruf

spielsweise Schmähl nach der Kinderzahl differenzierte Beitragssätze ab und führt hierzu aus: "Die Argumentation auf der Basis des Verursacherprinzips reicht al80 höchstena für eine Tendenzaussage, für einen generellen Hinweis auf die Notwendigkeit einer Entlastung von Kindererziehenden, sie gibt aber keinen Anhaltspunkt für eine quantitative Differenzierung der Beitragssätze nach der Kinderzahl. " (1988, S. 320).

Die Frage der Quantifizierbarkeit wiegt um so schwerer, wenn man bedenkt, daß die Familienpolitik bereits in einem beachtlichen Umfang interpersoneIl umverteilend wirkt und Tendenzaussagen damit als völlig unzureichend betrachtet werden können. Um zusätzliche familienpolitische Transfers - wie diese auch immer ausgestaltet sein mögen - im Rahmen einer interpersonell umverteilenden Familienpolitik ökonomisch zu begründen, müßte zuvor gezeigt werden können, daß die bisher geleisteten Zahlungen vom Umfang her nicht ausreichen, die beobachtbaren externen Effekte der Kindererziehung ausreichend zu berücksichtigen. Will man sich nicht nur auf Tendenzaussagen beschränken, so bedeutet dies, daß auch dann, wenn man Autoren wie Homburg und Gräff (1988) in ihrer Argumentation nicht folgen mag, aus Gründen der Praktikabilität sich eine an den Ergebnissen der Analyse der Allokationseffizienz orientierende Familienpolitik der interpersonellen Umverteilung kaum wird verwirklichen lassen. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, daß eine an externen Effekten und anderen Formen des Marktversagens ausgerichtete Transferpolitik der interpersonellen Umverteilung in keinem direkten Zusammenhang zu der Problematik steht, unter Einkommensaspekten zu einer präferenzgerechten Koordination von Kinderbetreuung und Beruf zu gelangen. Derartig begründete Transferzahlungen dürften höchstens rein zufällig eine Höhe aufweisen, die dem Ziel 'Schaffung von Wahlmöglichkeiten zwischen Erwerbs- und Familientätigkeit' gerecht wird. Die Möglichkeiten, die Familienpolitik allokationstheoretisch zu begründen, entsprechend auszugestalten und gleichzeitig unter Einkommensaspekten eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen, sind damit keinesfalls erschöpft. Vielmehr bleibt zu prüfen, ob es ökonomisch fundierte Argumente - im Sinne allokativer Effizienz - für eine intertemporal und inlrapersonell umverteilende Familienpolitik gibt, um so unter Einkommensaspekten eine präferenzgerechte Verbindung von Familie und Beruf zu erreichen. Eine solche Prüfung soll für den speziellen Bereich 'Koordinierung von Kinderbetreung und Beruf vor dem Hintergrund der weiter oben formulierten Leitvorstellungen in Kapitel drei erfolgen.

ll. Faoülienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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2. Das System famUienpolitischer Maßnahmen

Der nachfolgende Abschnitt gibt einen Überblick über den Katalog familienpolitischer Maßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland. Es schließt sich eine schwerpunktartige Betrachtung der im Rahmen des Mutterschutzgesetzes und der im Rahmen des Bundeserziehungsgeldgesetzes erbrachten Leistungen an. Die beamtenrechtlichen FreisteIlungsregelungen werden ebenfalls berücksichtigt.

a) Überblick

Die Familienpolitik gehört zu den sozialpolitischen Handlungsfeldem, die sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen, Maßnahmenträger und Zielsetzungen auszeichnen. Ein Überblick über mögliche Zielsetzungen wurde bereits gegeben. Es läßt sich zwischen realen und monetären Leistungen unterscheiden. Während monetäre Transfers das frei verfügbare Einkommen der begünstigten Familien erhöhen, sind reale Leistungen daran gebunden, daß bestimmte Güter konsumiert werden. Es kann sich dabei entweder um privat oder um staatlich angebotene Güter handeln, wobei der vom Konsumenten zu entrichtende Preis unter dem Marktpreis liegt. Reale Transfers erhöhen zwar nicht das frei verfügbare Einkommen, sie reduzieren aber die für die Konsumtion bestimmter Güter notwendigen finanziellen Mittel. Diese Form der Leistungsgewährung setzt voraus, daß der Konsument über ein ausreichend hohes Einkommen verfügt, um in den Genuß der sozialpolitischen Leistungen zu gelangen. Gleichzeitig werden die Wahlmöglichkeiten des begünstigten Personenkreises auf das Bündel der subventionierten Güter beschränkt4 • Monetäre Transfers lassen sich in direkt und indirekt gewährte monetäre Transfers unterteilen. Dabei erhöhen direkte monetäre Leistungen unmittelbar das frei verfügbare Einkommen, während indirekt gewährte monetäre Leistungen über eine Reduktion der Steuerschuld zu einer Erhöhung des frei verfügbaren Einkommens führen. Von den genannten Regelungen sind diejenigen gesetzlichen Normen zu unterscheiden, die nicht unmittelbar zu einer 4 Eine Zwischenstellung nehmen Transferzahlungen ein, die an die Konsumtion bestimmter GüterkJassen gebunden sind. Sie fiihren zu einer Erhöhung des frei verfiigbaren Einkommens unter der einschränkenden Bedingung, daß ein Gut einer bestimmten Güterklasse konsuoüert wird. Ein Beispiel hierfiir ist die Gewährung von Wohngeld. Aufgrund der Tatsache, daß diese Art der Sozialleistung letztendlich zu einem Geldtransfer an den betreffenden Haushalt fiihrt, soll sie den monetären Leistungen zugerechnet werden. 4 Amdt

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B. Kinderbetreuung und Beruf

größeren Verfügbarkeit materieller Güter führen und die auch als immaterielle Güter bezeichnet werden können. Hierzu gehören beispielsweise die KÜDdigungsschutzregelungen im Rahmen des Mutterschutz- und des Bundeserziehungsgeldgesetzes. Die Übersicht 2 gibt einen systematischen Überblick über monetäre und reale Transfers der bundesdeutschen Familienpolitik. Entscheidend für die Berücksichtigung einer Maßnahme der bundesdeutschen Sozialpolitik in der folgenden Aufstellung ist, daß sie einen Beitrag zur Gestaltung der Einkommenssituation von Familien mit kleinen Kindern leistet. Ein alternatives Auswahlkriterium bestand darin, zu prüfen, ob durch die betreffende Regelung eine Wahlmöglichkeit zwischen familiärem und beruflichem Engagement geschaffen wird oder ob die fragliche Maßnahme an solchen sozialen Risiken ansetzt, die sich aus der Koordination von Kinderbetreuung und Beruf ergeben. Beamtenrechliehe Regelungen werden ausgeklammert. Ebenso werden monetäre Transfers im Rahmen der Vermögensbildung aufgrund ihrer spezifischen Zielsetzung nicht betrachtet. Im Bereich der Steuergesetzgebung werden ausschließlich Regelungen im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigt. Auch hier gilt, daß steuergesetzliche Bestimmungen, die Fragen der Vermögensbildung betreffen, aufgrund ihrer spezifischen Zielsetzung nicht in die Übersicht aufgenommen wurden. Obersicht 2:

Systematik der bundesdeutscheu Familienpolitik : monetäre und reale Transfers Direkte monetäre Transfers Trans/erart (gesetzliche Grundlage)

Bedeutung der Einkommenshöhe, des EIWerbsstatu8 und der Zahl der Kinder fiir die Leistungsgewährung 1. Kindergeld (Bundesldndergeldgesetz)

Dem Kindergeldberechtigten wird fiir jedes Kind unter bestimmten Voraussetzungen Kindergeld gewährt. Für die Höhe des Kindergeldes ist die Stelle des Kindes in der Reihenfolge der beim Kindergeldberechtigten zu berücksichtigenden Kinder entscheidend. Die Leistungsgewährung erfolgt unabhängig vom ElWerbsststus. Für Erstkinder ist die Leistungsgewährung einkommensunabhängig. Für Zweit- und Mehrkinder erfolgt mit steigendem Einkommen eine Kürzung des Zshlbetrages. Maßgeblich hierfiir ist die Summe der positiven Einkünfte der Ehegatten im Sinne des Steuerrechts. (Fortsetzung nlJchste Seite)

11. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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(Fortsetvmg Obersicht 2) 2. Munerschajtsgeld und Arbeitgeberouchuß (Munerschutzgesetz und Reichsversicherungsordnung)

Diese Transferzablungen richtet sich an Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen. Die Höhe der Gessmtleistung orientiert sich an dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen Arbeitsentgelt. Während der Zeit dei Anspruches auf Mutterschaftsgeld besteht die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) beitragsfrei fort. 3. Erziehungsgeld (Bundeserziehungsgeldgesetzf

Das Erziehungsgeld wird unabhängig davon gewährt, ob vorher eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde. Neben dem Bezug von Erziehungsgeld ist eine Teilzeitbeschäftigung von max. 19 Stunden wöchentlich zulässig. Das Bundeserziehungsgeld wird einkommenssbhängig gewährt, d. h. mit steigendem Einkommen wird der Erziehungsgeldbetrag sukzessive gekürzt. Maßgeblich hierfür ist die Summe der positiven Einkünfte der Ehegatten im Sinne des Steuerrechts. Das Bundeserziehungsgeld und vergleichbare Länderleistungen bleiben bei allen anderen Sozialleistungen (z. B. Sozialhilfe) anrechnungsfrei. Mitglieder der GKV sind während des Bezuges von Erziehungsgeld beitragsfrei weiterversichert, vorausgesetzt, es liegen ansonsten keine beitragspflichtigen Einnahmen vor. Die Mitgliedschaft in der GRV besteht ebenfalls beitragsfrei fort. 4. Ortszuschlag (Bundesangestelltentarifvenrag und Manteltarifvenrag jUr Arbeiter des Bundes;6

Voraussetzung für die Gewährung des Ortszuschlages ist eine Erwerbstätigkeit des zu Begünstigenden im öffentlichen Dienst. Der kindbezogene Teil des Ortszuschlages wird zusätzlich zum Kindergeld gewährt und variiert in der Höhe mit der Zahl der Kinder. (Fortsetvmg nächste Seite)

S Einige Bundesländer gewähren im Anschluß an das Bundeserziehungsgeld ein Landeserziehungsgeld, so daß sich in diesen Bundesländern der Gessmtzeitraum, für den ein Erziehungsgeld gewährt wird, verlängert. Bezüglich der Höhe des Landeserziehungsgeldes, der Bezugsdauer und der Einkommensanrechnung weisen die jeweiligen Landesregelungen Unterschiede auf.

6 Streng genommen handelt es sich beim Ortszuschlag nicht um einen Bestandteil der allgemeinen staatlichen Familienpolitik, sondern um eine spezifische Form der betrieblichen Familienpolitik, die nur Beamten und Arbeitern und Angestellten des öffentlichen Dienstes gewährt wird. Dieser Transfer kann aber auch als eine besondere staatliche sozialpolitische Leistung aufgefaßt werden, die nur einer bestimmten Berechtigtengruppe gewährt wird. Für die Einordnung des Ortszuschlages in die Systematik der bundesdeutschen Familienpolitik war die zuletzt genannte Auffassung ausschlaggebend.

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B. Kinderbetreuung und Beruf

(FortsetZJl1lg Übersicht 2) 5. Sozialhilfe (Bundessozialhilfegesetz) Hilfe zum Lebensunterhalt wird nach Regelsätzen festgesetzt. Der Betrag, den ein Haushaltsangehöriger erhält, steht in einem bestimmten prozentualen Verhältnis zum Regelsatz des Haushaltsvorstandes, korreliert positiv mit dem Lebensalter des Angehörigen und erhöht entsprechend den Gesamtbetrag, der dem Haushalt an Sozialhilfe gewährt wird. Werdenden Müttern und Alleinerziehenden wird ein Mehrbedarf zuerkannt. Der auszuzahlende Sozialhilfebetrag korreliert dagegen negativ mit dem anzurechnenden Vermögen und dem zu berücksichtigenden Nettoeinkommen des Hilfesuchenden. Sozialhilfe erhält nicht, wer die erforderliche Hilfe beispielsweise von Angehörigen erhält. Der Sozialhilfeträger kann auf Verwandte ersten Grades nicht zurückgreifen, wenn die Hilfeempfängerin schwanger ist oder ihr Kind bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres betreut. 6. Wohngeld (Wohngeldgesetz) Ein Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und Wohngeldgewährung besteht nur mittelbar und ergibt sich aus der einkommensabhängigen Berechnung des Wohngeldes. Hierfür ist der Gesamtbetrag der Jahreseinkommen aller zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder maßgeblich. Dieser Bruttobetrag ist um bestimmte Beträge zu kürzen. Die Höhe des Wohngeldes hängt positiv von der Zahl der zum Haushalt zählenden Familienmitglieder ab. 7. Kindereniehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindereniehung in der GRV (Sozialgesetzbuch. 6. Buch) Für Zeiten der Erziehung eines Kindes während dessen ersten 3 Lebensjahren gelten Pflichtbeiträge in der GRV als gezahlt. Kindererziehungszeiten werden so bewertet, als seien Beiträge auf der Basis von 75 % des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten geleistet worden. Bei einem Zusammentreffen von Kindererziehungszeiten mit Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erfolgt eine Berücksichtigung der Kindererziehungszeit in der Weise, daß für Zeiten, in denen weniger als 75 % des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten verdient wurde, eine Aufstockung auf den Wert von 75 % vorgenommen wird. Die Berücksichtigungszeit ist für diejenigen von Bedeutung, die während des zehnjährigen Zeitraumes im Anschluß an die Geburt nicht oder nur zeitweise erwerbstätig sind. Diese Zeiten spielen für die Gesamtleistungsbewertung beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten, bei der Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren und bei der Aufrechterhaltung einer Anwartschaft auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine Rolle. 8. Waisenrenten in der GRV und in der gesetzlichen Unfallversicherung (Sozialgesetzbuch. 6. Buch. Reichsversicherungsordnung) Waisenrenten der GRV werden als Prozentsatz der Rente des/der verstorbenen Versicherten berechnet. Der Umfang der vorangegangenen Erwerbstätigkeit des/der verstorbenen Versicherten ist daher für die Höhe der Rente von Bedeutung. Das Einkommen von Berechtigten, das mit einer Waisenrente zusammentriffi, wird angerechnet, wenn ein bestimmter Freibetrag überschritten wird. Das Hinterbliebenenrisiko wird auf der Beitragsseite nicht berücksichtigt. Die Waisenrenten der gesetzlic~en Unfallversicherung (GUV) werden als Prozentsatz des Jahresarbeitsverdienstes des Verstorbenen berechnet. (Fortsetzung nächste Seite)

ll. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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(Fortsetzung Übersicht 2) 9. Witwen- und WitwelTemen in der GRV und in der GUV (Sozialgeset4buch, 6. Buch, Reichsversicherungsordnung) Die Höhe der Witwen- und der Witwerrenten hängt unter anderem davon ab, ob ein Kind zu betreuen ist. Die Witwen- und Witwerrenten der GRV werden als Prozentsatz der Rente des/der verstorbenen Versicherten berechnet. Der Umfang der vorangegangenen Erwerbstätigkeit des/der verstorbenen Versicherten ist daher für die Höhe der Rente von Bedeutung. Eigenes Einkommen, welches einen dynamisierten Freibetrag überschreitet, wird zu 40 % auf die Hinterbliebenenrente angerechnet. Die Höhe des Freibetrages hängt von der Zahl der Kinder ab. Das Hinterbliebenenrisiko wird auf der Beitragsseite nicht berücksichtigt. Die Witwen- und Witwerrenten der GUV werden als Prozentsatz des Jahresarbeitsverdienstes des Verstorbenen berechnet. 10. Eniehungsrente (Sozialgeset4buch, 6. Buch) Die Erziehungsrente ist keine Hinterbliebenenrente, sondern eine Rente aus eigener Versicherung. Die Erziehungsrente steht dem Versicherten für den Fall des Todes des geschiedenen Ehegatten zu, wenn der Versicherte nicht erneut geheiratet hat und wenn er ein Kind zu erziehen oder zu versorgen hat. Der Umfang der vorangegangenen Erwerbstätigkeit ist für die Höhe der Rente von Bedeutung. Eigenes Einkommen, welches einen bestimmten Freibetrag überschreitet, wird angerechnet. 11. Unterhaltsvorschuß (Unterhaltsvorschußgesetz) Den Kindern alleinstehender Väter und Mütter wird unter bestimmten Bedingungen ein Unterhaltsvorschuß in einer für alle Kinder einheitlichen Höhe gewährt. Das Einkommen des Elternteiles, bei dem das Kind lebt, wird auf die Unterhaltsleistung nicht angerechnet. Bestimmte Einkünfte des Berechtigten (Kindes) werden dagegen angerechnet. 12. Krankengeld bei Krankheit der Kinder (Sozialgesetwuch, 5. Buch) Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen für eine Dauer von bis zu 10 Tagen pro Kind und Jahr Krankengeld, wenn der Versicherte zur Pflege oder Betreuung des erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fern bleiben muß. Alleinerziehende können sich bis zu 20 Tage pro Kind und Jahr von der Arbeit freistellen lassen. Das Krankengeld wird als Prozentsatz des zuvor regelmäßig erzielten Arbeitsentgeltes berechnet, soweit dieses der Beitragsberechnung unterliegt. Die Höhe des Krankengeldes darf nicht die Höhe des Nettoarbeitsentgeltes überschreiten. 13. Übergangsgeld in der GUV (Reichsversicherungsordnung) Während einer Maßnahme der Berufshilfe erhält der Verletzte unter bestimmten Voraussetzungen ein Übergangsgeld von der GUV. Die Höhe des Übergangsgeldes hängt unter anderem davon ab, ob der Verletzte mindestens ein Kind hat. Für die Bemessung des Übergangsgeldes der GUV ist bei Verletzten, die in den letzten drei Jahren vor Beginn der Maßnahme der Berufshilfe Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, das regelmäßig erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen maßgeblich. (Fortsetzung nlichste Seite)

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B. Kinderbetreuung und Beruf

(FonselZUllg Obersicht 2) 14. Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Kunarbeirergeld und Schlechtwellergeld (ArbeitsflJrderungsgeserz)

Die Höhe des Arbeitslosengeldes, der Arbeitslosenhilfe, des Kurzarbeiter- und des Schlechtweuergeldes hängt unter anderem davon ab, ob der betreffende Arbeitnehmer mindestens ein Kind im Sinne des Einkommensteuergesetzes hat. Die maßgebliche Bcmessungsgrundlage ist das um bestimmte Abzüge verminderte Arbeitsentgelt. Im Gegensatz zum Arbeitslosen-, dem Kurzarbeiter- und dem Schlechtwettergeld ist die Gewährung der Arbeitslosenhilfe von einer Bedürftigkeitsprüfung abhängig. 15. Unrerhaltsgeld (ArbeitsflJrderungsgeserz)

Das Unterhaltsgeld, welches Teilnehmern an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung gewährt wird, hängt in seiner Höhe unter anderem davon ab, ob der Arbeitnehmer ein Kind im Sinne des Einkommensteuergesetzes hat. Einkommen aus einer beruflichen Tätigkeit wird angerechnet. 16. Leistungen nach dem BundesausbildungsflJrderungsgesetz (BAflJG)

Auf den Umfang der Ausbildungsförderung sind das Einkommen und das Vermögen des Auszubildenden und gegebenenfalls das Einkommen und das Vermögen seines Ehegatten und seiner Eltern anzurechnen. Personen, die Kinderbetreuungsaufgaben wahrgenommen haben, erhalten Leistungen nach dem BAföG ausnahmsweise auch dann, wenn sie bei Beginn eines Ausbildungsabschnittes bereits das 30. Lebensjahr vollendet haben. Darüber hinaus ist ein Teilerlaß des BAIoG-Darlehens aufgrund von Kinderbetreuungsaufgaben möglich. Die Zahl der Kinder des Darlehensnehmers korreliert positiv mit der Höhe des rückzahlungsfreien Einkommens. Indirekte monetäre Transfers Transferan (gesetzliche Grundlage)

Bedeutung der Einkommenshöhe, des Erwerbsstatus und der Zahl der Kinder für die Leistungsgewährung 17. Kinderfreibetrag (Einlwmmensteuergesetz)

Den Eltern wird für jedes Kind ein Kinderfreibetrag gewährt, der das zu versteuernde Einkommen entsprechend mindert. Die Höhe der Steuerersparnis hängt von dem individuellen Grenzsteuersatz ab, der mit der Höhe des Einkommens variiert. 18. Haushaltsfreibetrag (Einlwmmensteuergesetz)

Alleinerziehende können unter bestimmten Bedingungen einen Haushaltsfreibetrag steuerlich geltend machen. Die Höhe der Steuerersparnis hängt vom individuellen Grenzsteuersatz ab. 19. Kinderbetreuungskosren (Einkommensteuergeserz)

Alleinerziehende können die Aufwendungen für die Betreuung ihrer Kinder bis zu einem bestimmten Höchstbetrag als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen. Es wird unter anderem vorausgesetzt, daß die Betreuungskosten ursächlich aus einer Berufstätigkeit, einer Krankheit oder einer Behinderung des Alleinerziehenden resultieren. Die Höhe der Steuerersparnis hängt vom individuellen Grenzsteuersatz ab. (FonselZUllg nachste Seire)

D. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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(Fortsetzung Obersicht 2) 20. Haushaltshilfe (Einkommensteuergesetz)

Die Kosten rur eine Haushaltshilfe können bis zu einem bestimmten Höchstbetrag als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden. Sind die Eltern verheiratet, so müssen als Voraussetzung rur die steuerliche Berücksichtigung der Ausgaben mindestens zwei Kinder unter zehn Jahren dem Haushalt angehören. Bei Alleinerziehenden genügt es, wenn ein Kind unter zehn Jahren zum Haushalt gehört. Die Höhe der Steuererspamis hängt vom individuellen Grenzsteuersatz ab. 21. Ehegattensplining (Einkommensteuergesetz)

Die Höhe der Steuererspamis hängt vom Umfang der Einkommensdifferenz zwischen den Ehepartnern und dem anzuwendenden Grenzsteuersatz ab. Reale Transfers Transferan (gesetzliche Grundlage)

Bedeutung der Einkommenshöhe, des Erwerbsstatus und der Zahl der Kinder rur die Leistungsgewährung 22. Familienversicherung und Haushaltshilfe (Sozialgesetzbuch. 5. Buch)

Eine Voraussetzung rur die beitragsfreie Familienversicherung des Ehegatten und/oder der Kinder ist, daß das Einkommen des betreffenden Familienangehörigen eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschreitet. Eine Bedingung darur, daß eine Haushaltshilfe gewährt wird, besteht darin, daß im Haushalt ein Kind unter 12 Jahren lebt.

2J. Kinderbetreuungseinrichrungen Der Staat unterhält Einrichtungen der Kinderbetreuung in staatlicher Trägerschaft, die aus Steuermitteln finanziert werden. Er stellt die Betreuungsplätze zu einem Preis zur Verffigung, der unter den Selbstkosten liegt. Zusätzlich bezuschußt der Staat private Träger, um so den von den Eltern dort zu entrichtenden Preis zu senken7 .Die Kostenbeteiligung richtet sich i. d. R. nach dem Einkommen der Eltern. 24. Einarbeitungszuschüsse (ArbeitsflJrderungsgesetz)

Unter bestimmten Voraussetzungen muß die Bundesanstalt rur Arbeit Arbeitgebern rur Arbeitnehmer, die nach Zeiten der Kindererziehung in das Erwerbsleben zurückkehren, Zuschüsse gewähren. Der Einarbeitungszuschuß errechnet sich als Prozentsatz des tariflichen oder aber als Prozentsatz des rur den Beruf des Arbeitnehmers ortsüblichen Arbeitsentgelts. (Fortsetzung ndchste Seite)

7 So betrug im Jahre 1987 in Berlin (West) die Differenz, die zwischen dem von den Eltern rur einen Betreuungsplatz in einer städtischen Betreuungseinrichtung maximal zu entrichtenden Preis und den vom Land Berlin aufzubringenden Selbstkosten besteht, durchschnittlich 495,-DM (vgl. Anlage I zu § 3 Abs. I Kita-Kostenbeteiligungsgesetz in Verbindung mit Senator rur Jugend und Familie, 1988, S. 4).

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B. Kinderoetreuung und Beruf

(Fortsetzung Obersicht 2) 25. Leistungen zur Förderung der beruflichen Fortbildung (ArbeitsflJrderungsgesetz)

Die Bundesanstalt für Aroeit kann unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für die Betreuung der Kinder eines Teilnehmers an einer Fortbildungsmaßnahme übernehmen, wenn die Kosten durch die Teilnahme an einer solchen Maßnahme unvermeidbar entstehen. 26. Sozialer Wohnungsbau

Für die Berechtigung zum Bezug einer Sozialwohnung spielen die Höhe des Jahreseinkommens und die Familiengröße eine Rolle. 27. Tarifennäßigungen

Unabhängig vom Einkommen der Eltern entrichten Kinder i. d. R. einen reduzierten Nutzerpreis für öffentliche Verkehrsmittel, staatliche Museen etc.

Die in vorstehender Übersicht aufgeführten Transfers lassen sich nun hinsichtlich der in Abschnitt B. 11. 1. formulierten Leitvorstellungen wie folgt gruppieren. a) Der zu gewährende Transfer orientiert sich in seiner Höhe an dem Erwerbseinkommen, das durch eine zeitweise Aufgabe der Erwerbstätigkeit aufgrund von Kinderbetreuungsverpflichtungen entfällt, so daß aus der Erwerbsentscheidung keine oder aber nur geringe Einkommenseinbußen resultieren. Die Aufgabe der Erwerbstätigkeit ist unabdingbare Voraussetzung für die Transfergewährung. Eine solche Einkommensersatzfunktion kommt in erster Linie dem Mutterschaftsgeld in Verbindung mit den vom Arbeitgeber zu leistenden Zuschüssen zu (Transfer Nr. 2). Eine entsprechende Rolle spielt ebenfalls die Krankengeldzahlung bei Freistellung von der Arbeit zur Betreuung eines erkrankten Kindes (Transfer Nr. 12). Eine ähnliche Bedeutung kommt den Unterhaltsgeldzahlungen für Zeiten der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Fortbildung zu (Transfer Nr. 15). Der Zielsetzung nach ist das Unterhaltsgeld eine Leistung, die an Risikotatbeständen anknüpft, die sich aus der zeitweisen Aufgabe einer eigenständigen Erwerbstätigkeit ergeben (vgl. Gruppe f). b) Die Leistungsgewährung setzt eine Aufgabe oder aber Einschränkung der Erwerbstätigkeit voraus. Die Höhe des Transfers orientiert sich nicht an dem Umfang des entfallenden Erwerbseinkommens.

Dieser Kategorie kann man das Erziehungsgeld (Transfer Nr. 3) und den Teilerlaß des BAföG-Darlehens aufgrund von Pflege und Erziehung ei-

D. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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nes Kindes (Transfer Nr. 16) zuordnen. Ein vollständiger oder aber ein zumindest nahezu vollständiger Einkommensersatz bei Aufgabe bzw. Einschränkung der ElWerbstätigkeit ergibt sich durch das Erziehungsgeld in Verbindung mit weiteren Transfers nur für Bezieher niedriger Einkommen. Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der GRV (Transfer Nr. 7) hat zwar nicht die Aufgabe der ElWerbstätigkeit zur Voraussetzung, die Art der Anrechnung führt aber dazu, daß letztlich nur derjenige aufgrund einer Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten eine höhere Rente erhält, der seine ElWerbstätigkeit aufgibt, einschränkt oder aber unterdurchschnittlich viel verdient. Dieser Transfer bezieht sich zudem auf zukünftige Einkommensverluste, die sich aus einer ElWerbsunterbrechung bzw. Einschränkung der ElWerbstätigkeit ergeben. c) Verschiedene Transfers korrelieren positiv mit dem individuellen Ein-

kommen bzw. dem Haushaltseinlwmmen, stehen aber in keinem direkten Zusammenhang mit der Aufgabe oder Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit.

Zu dieser Gruppe kann man die indirekten monetären Transfers rechnen (Transfer Nr. 17, 18, 20 und 21). Entfällt das ElWerbseinkommen aus den oben genannten Gründen, so führt dies zu einer Reduktion des Transfervolumens. Im umgekehrten Falle führt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. der Übergang von einer Teilzeitbeschäftigung auf eine Vollzeitbeschäftigung zu einer Erhöhung der zu gewährenden Transferzahlung. Eine gewisse Sonderstellung nimmt hier das EhegattenspliUing ein. Sein Transfervolumen korreliert einerseits positiv mit der Einkommensdifferenz zwischen den Ehepartnern. Diese Differenz ist dann am größten8 , wenn ein Ehepartner seine ElWerbstätigkeit aufgibt. Gleichzeitig sinkt damit das Haushaltseinkommen. Andererseits vermindert sich der Steuervorteil bei gegebener Einkommensdifferenz mit sin. kendem Haushaltseinkommen. In sämtlichen Fällen gilt, daß ein Transfer nur dann gewährt wird, wenn der Haushalt über ein ausreichend hohes Einkommen verfügt, so daß es der Besteuerung unterliegt. d) Die Gewährung der Leistung ist nicht unmittelbar von der Entscheidung über die Aufgabe oder Einschrdnkung der Erwerbstdtigkeit abhängig, sie korrelien jedoch negativ mit der Höhe des Haushaltseinkommens , so daß bei einer Aufgabe der Erwerbstdtigkeit oder aber einer Einschrdn-

8 Es wird an dieser Stelle von anderen Einkommensquellen als dem Erwerbseinkommen abstrahiert.

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B. Kinderbetreuung und Beruf

kung der regelmiißig geleisteten Arbeitszeit die Höhe des Transfervolumens tendenziell steigt. Hierzu zählen die Kindergeldzahlung für Zweit- und Mehrkinder (Transfer Nr. 1), die Sozialhilfe (Transfer Nr. 5), das Wohngeld (Transfer Nr. 6) und das Anrecht auf den Bezug einer Sozialwohnung (Transfer Nr. 26). Die Kostenbeteiligung für die Nutzung von öffentlich geförderten Kinderbetreuungseinrichtungen (Transfer Nr. 23) korreliert positiv und der gewährte Transfer damit negativ mit dem Einkommen der Eltern. Die Entscheidung darüber, ob die Erwerbstätigkeit aufrechterhalten, eingeschränkt oder aber zeitweise unterbrochen wird, ist für die Gewährung dieses Transfers jedoch insofern von Bedeutung, als Eltern, die erwerbstätig sind, vorrangig ein Kindergartenplatz zugeteilt wird. Die beitragsfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Transfer Nr. 22) ist nur dann möglich, wenn das individuelle Einkommen desjenigen, der in die Familienversicherung einbezogen werden soll, eine bestimmte Höhe nicht übersteigt. Insofern nimmt dieser Transfer in der Gruppe d) eine Sonderstellung ein. Eine ähnliche Sonderstellung nimmt auch die Unterhaltsvorschußleistung ein (Transfer Nr. 11). Die Höhe dieses Transfers korreliert negativ mit bestimmten Einkünften des Kindes (Unterhaltszablung, Waisenrente etc.). e) Die Leistungsgewährung erfolgt unabhiingig von der Entscheidung aber

die Aufgabe oder Einschriinkung der Erwerbstlitigkeit zum Zwecke der Kinderbetreuung und unabhiingig von der Höhe des individuellen Einkommens bzw. des Haushaltseinkommens. Die Aufgabe oder Einschriinkung der Erwerbstiitigkeit hat damit keinen Einfluß auf die Höhe des zu gewiihrenden Transfers.

Hierzu gehört die Kindergeldzablung für das erste zu berücksichtigende Kind (Transfer Nr. 1), und hierzu gehören auch Tarifermäßigungen (Transfer Nr. 27). f) Der Transfer setzt an Risikotatbestiinden an, die sich indirekt aus der

Aufgabe oder Einschränkung einer eigenstiindigen Erwerbstiitigkeit ergeben.

Zu dieser Gruppe kann die Gewährung von Hinterbliebenenrenten (Transfer Nr. 8 und Nr.9) und die Gewährung der Erziehungsrente (Transfer Nr. 10) gerechnet werden. Das Risiko des Einkommensverlustes durch Tod des für den Lebensunterhalt sorgenden Elternteiles wird so abgesichert. Einarbeitungszuschüsse (Transfer Nr. 24), Leistungen zur Förderung der beruflichen Fortbildung (Transfer Nr. 25) und Unterhaltsgeldzablungen für Zeiten der Teilnahme an Maßnahmen der

11. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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beruflichen Fortbildung (Transfer Nr. 15) setzen an dem Risikotatbestand an, daß die Rückkehr ins Erwerbsleben im Anschluß an eine Phase der Kinderbetreuung möglicherweise nicht friktionslos gelingt. Die besonderen Bezugsbedingungen für Kindererziehende von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (Transfer Nr. 16) setzen an dem Risikotatbestand an, daß eine Ausbildung aufgrund von Kindererziehungspflichten nicht vor Vollendung des 30. Lebensjahres begonnen werden konnte. g) Die Leistungsgewiihrung setzt die Beibehaltung der Enverbsttttigkeit

(oder die Bereitschaft zur Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung) zumindest eines Elternteiles voraus.

Hierzu gehört der Ortszuschlag (Transfer Nr. 4). Dieser Transfer wird immer dann gewährt, wenn mindestens ein Elternteil im öffentlich Dienst beschäftigt ist. Der Erwerbsstatus des anderen Elternteiles ist für die Gewährung ohne Bedeutung. Dieser Transfer entfällt aber immer dann, wenn im Falle der vollständigen Familie der im öffentlichen Dienst beschäftigte Elternteil die Erwerbstätigkeit unterbricht. Für Alleinerziehende, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, entfällt dieser Transfer in jedem Falle. Unter der Voraussetzung, daß die Anwartschaftszeit erfüllt ist, ist die Bereitschaft zur Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld (Transfer Nr. 14). Die Transferhöhe orientiert sich an dem Einkommen, welches aufgrund von Arbeitslosigkeit entfällt. In erster Linie sind es die zur Gruppe a) und b) gehörenden Transfers, die einen Bezug zu den sich aus einer Entscheidung zwischen Familie und Beruf ergebenden Einkommenseinbußen aufweisen. Insbesondere die Transfers der Gruppe a) sind dazu geeignet, den aus einer Erwerbsunterbrechung resultierenden Einkommensausfall zu kompensieren. Die Transfers Nr. 5 und Nr. 6 der Gruppe d) hingegen ermöglichen eine Sicherung gegen das Risiko Einkommensannut. Lediglich aus der Sicht der Bezieher niedriger Erwerbseinkommen erfüllen die Transfers Nr. 5 und Nr. 6, deren Gewährung eine Bedürftigkeitsprüfung vorgeschaltet ist, eine weitere Aufgabe. Sie bewirken - ergänzt um die Transfers Nr. 1 und Nr. 3 - tendenziell eine Kompensation des Einkommensausfalles, der aus einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit oder aber aus einer Erwerbsaufgabe resultiert. Sieht man von Transfer Nr. 2 und von Transfer Nr. 12 einmal ab, die für vergleichsweise kurze Zeiträume gewährt werden, so führt die gegenwärtig praktizierte Familienpolitik bei Beziehern mittlerer und höherer Erwerbseinkommen dagegen nur zu einem partiellen Ersatz für die durch eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit induzierten Einkommenseinbußen. Dies zeigen verschiedene Modellrechnungen

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B. Kinderbetreuung und Beruf

(vgI. z. B. Comelius, 1987; Galler, 1991, S. 118ff. und Netzler, 1990, S. 152ff.). Die Schwankungen im Einkommensverlaufvon Personen, die vorübergehend ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, werden damit oftmals nur unvollständig berücksichtigt. Somit sind die Möglichkeiten, zu einer unter Einkommensaspekten präferenzgerechten Verbindung von Familie und Beruf zu gelangen, tendenziell eingeschränkt. Eine stärker lebensphasenorientierte Ausgestaltung der Familienpolitik stellt eine mögliche Lösung dieser Problematik dar. Im folgenden sollen nun die Leistungen nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG), nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) und nach den beamtenrechtlichen Freistellungsregelungen einer vertiefenden Betrachtung unterzogen werden, da ihnen konzeptionell eine besondere Bedeutung im Sinne der weiter oben formulierten Leitvorstellungen zukommt (vgI. Abschnitt B. 11. 1.). Hierzu werden zunächst die gesetzlichen Grundlagen skizziert, um anschließend auf die Erfahrungen mit der Anwendung dieser Gesetze einzugehen.

b) Leistungen im Rahmen des Mutterschutzgesetzes , des Bundeserziehungsgeldgesetzes und beamtenrechtliche Freistellungsregelungen

aa) Die gesetzlichen Regelungen Mutterschutzgesetz und Mutterschutzverordnung

Das MuSchG gilt für all diejenigen Frauen, die in einem Arbeitsverhätnis stehen (§ 1 Abs. 1 MuSchG); für Beamtinnen hat hingegen die Mutterschutzverordnung (MuSchV) Gültigkeit. Diese sieht zum MuSchG analoge Regelungen vor. Für die Zeitdauer der Schwangerschaft und in den ersten vier Monaten nach der Entbindung ist eine Kündigung i. d. R. unzulässig (§ 9 Abs. 1 MuSchG). Während der Schwangerschaft und nach der Entbindung gelten darüber hinaus bestimmte Schutzvorschriften (§§ 3, 4, 6, 7, 8 MuSchG). Müssen Frauen aufgrund dieser Schutzvorschriften teilweise oder völlig ihre Arbeitstätigkeit unterbrechen oder die Beschäftigungs- oder die Entlohnungsart wechseln, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, mindestens den Durchschnittsverdienst der letzten dreizehn Wochen bzw. der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, weiter zu gewähren; dies gilt, soweit nicht Mutterschaftsgeld nach den Vorschriften der

ll. Familienpolitik in der Bundesrcpublik Deutschland

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Reichsversicherungsordnung (RVO) bezogen wird (§ 11 Abs. 1 MuSchG). Die letzten 6 Wochen vor und die ersten 8 Wochen nach der Geburt gelten als besondere Schutzfristen. Während der letzten 6 Wochen vor der Geburt darf eine werdende Mutter nur dann beschäftigt werden, wenn sie dies selber will (§ 3 Abs. 2 MuSchG). Während der ersten 8 Wochen nach der Geburt besteht ein absolutes Beschäftigungsverbot (§ 6 Abs. 1 MuSchG). An Frauen, die Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung sind, wird während der besonderen Schutzfristen Mutterschaftsgeld gezahlt, wenn in ausreichendem Umfang Vorversicherungs- bzw. Vorbeschäftigungszeiten vorliegen (§ 13 Abs. 1 MuSchG in Verbindung mit § 200 Abs. 1 RVO). Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld ruht jedoch, soweit das Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung regelmäßig beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhält (§ 200 Abs. 4 RVO). Stehen diese Frauen bei Beginn der Schutzfrist vor der Entbindung in einem Arbeits- oder Heimarbeitsverhältnis, erhalten sie als Mutterschaftsgeld das um die gesetzlichen Abzüge verminderte durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate. Der von den gesetzlichen Krankenkassen auszuzahlende Betrag ist jedoch auf maximal 25,-DM kalendertäglich begrenzt. Übersteigt der durchschnittliche Nettolohn diesen Höchstbetrag, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Differenz als Zuschuß zu zahlen (§ 200 Abs. 2 RVO in Verbindung mit § 14 Abs. 1 MuSchG). Für andere Gruppen von Frauen gelten modifizierte Regelungen. Während des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld besteht die Mitgliedschaft in . der Renten- und Krankenversicherung beitragsfrei fort (§ 224 SGB V Abs. 1 und § 56 SGB VI). Die Transferzahlungen, die im Rahmen des MuSchG und der MuSchV erbracht werden, gewähren dem Kreis der Berechtigten - in der oben gewählten Abgrenzung - einen vollen Einkommensersatz während der besonderen Schutzfristen, d. h. für einen Zeitraum von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung. Dieser Zeitraum erfährt eine Erweiterung, wenn aus einer Anwendung der Schutzvorschriften des MuSchG (§§ 3, 4, 6, 7, 8) bzw. der MuSchV (§§ 1,2,3 und 8) Einkommenseinbußen resultieren. Bundeserziehungsgeldgesetz

Die Regelungen des MuSchG und die der MuSchV werden durch das BErzGG und die mit diesem Gesetz in Zusammenhang stehenden Gesetze ergänzt und erweitert. Das BErzGG sieht einen gegenüber dem MuSchG deutlich erweiterten FreisteIlungszeitraum vor. Für nach dem 31.12.1991 geborene Kinder wird Arbeitnehmern unter bestimmten Voraussetzungen bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes Erziehungsurlaub gewährt

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B. Kinderbetreuung und Beruf

(§ 15 Abs. 1 BErzGG). Eine Voraussetzung ist, daß das Kind selbst betreut und erzogen wird. Während einer FreisteIlung nach dem MuSchG oder wenn der mit dem betreffenden Arbeitnehmer in einem Haushalt lebende Elternteil nicht erwerbstätig ist, entfällt der Anspruch auf Erziehungsurlaub (§ 15 Abs. 2 BErzGG). Der Berechtigtenkreis des BErzGG ist insofern weiter gefaßt als der des MuSchG, als nicht nur erwerbstätige Frauen, sondern auch erwerbstätige Männer einbezogen werden. Für den Zeitraum der FreisteIlung besteht i. d. R. Kündigungsschutz. Eine Kündigung ist nur in besonderen Fällen möglich und muß durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle für zulässig erklärt werden (§ 18 BErzGG). Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende des Erziehungserlaubes ist nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten möglich (§ 19 BErzGG).

Die zweite Säule des BErzGG ist das Erziehungsgeld. Es zeigen sich wichtige Unterschiede zu den Regelungen des MuSchG und der MuSchV. Dies betrifft den Berechtigtenkreis, die Art, die Dauer und die Höhe der Transferzahlung. Im Gegensatz zu den Transfers nach dem MuSchG und der MuSchV beschränkt sich der Kreis der Berechtigten nicht nur auf Erwerbstätige. Berechtigt ist vielmehr der, der mit einem Kind, für welches ihm beispielsweise die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (§ 1 BErzGG). Dabei entspricht einer nicht vollen Erwerbstätigkeit eine wöchentliche Arbeitszeit von maximal 19 Stunden, eine nach dem Arbeitsförderungsgesetz beitragsfreie Beschäftigung oder eine Beschäftigung zur Berufsbildung (§ 2 BErzGG). Der Anspruch auf Erziehungsgeld endet für ab dem 1.1.1993 geborene Kinder mit der Vollendung des 24. Lebensmonats (§ 4 BErzGG). Die Höhe des Erziehungsgeldes beträgt 600,-DM monatlich, wenn bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Werden diese überschritten, so wird das Erziehungsgeld sukzessive gekürzt (§§ 5 BErzGG). Als Einkommen gilt die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes. Es wird hierzu sowohl das Einkommen des Berechtigten und als auch das seines Ehegatten berücksichtigt (§ 6 BErzGG). Die Erziehungsgeldleistung erhält durch die Einkommensanrechnung auf den auszuzahlenden Transferbetrag eine bedarfsorientierte Ausrichtung. Das Erziehungsgeld weist keine unmittelbare Einkommensersatzfunktion auf. Für die Dauer des Anspruches auf Erziehungsgeld bleibt der Erziehungsgeldberechtigte beitragsfrei in der GKV krankenversichert (§ 224 Abs. 1 SGB V). Die Beitragsfreiheit erstreckt sich jedoch nur auf das Erziehungsgeld. Für Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren gelten Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung als gezahlt (§ 56

n. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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SGB VI). Diese Regelungen des BErzGG finden für Beamte keine Anwendung. Erziehungsurlaubsverordnung und landesgesetzliche Regelungen

Während die Bestimmungen des BErzGG, die das Erziehungsgeld betreffen, unmittelbar auch für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes gelten, trifft dies für diejenigen Regelungen des BErzGG nicht zu, die den Erziehungsurlaub betreffen. Hier sorgt die Erziehungsurlaubsverordnung (ErzUrlV) dafür, daß für Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst den §§ 15 bis 17 BErzGG entsprechende Regelungen Anwendung finden. Eine vergleichbare Funktion haben die von den einzelnen Bundesländern für die Landesbeamten erlassenen Regelungen, die sich an der ErzUrlV orientieren. Auf die Besonderheiten des beamtenrechtlichen Arbeitsverhältnisses zugeschnitten, sieht § 5 Abs. 1 ErzUrlV eine Aufrechterhaltung des Beihilfeanspruches während des Freistellungszeitraumes vor. Ergänzend gewährt § 5 Abs. 2 ErzUrlV einen Zuschuß von bis zu 60,-DM monatlich zu den Krankenversicherungsbeiträgen für diejenigen Beamten, deren Dienst- bzw. Anwärterbezüge unter der Versicherungspflichtgrenze in der GKV liegen. Für Beamte auf Probe und für Beamte auf Widerruf gilt ein Entlassungsverbot (§ 4 Abs. 1 ErzUrlV). Ferner besteht die Möglichkeit zu einer Teilzeitbeschäftigung während des Erziehungsurlaubes (§ 1 Abs. 4 ErzUrlV). Ergänzend zu der sich an das BErzGG anlehnenden ErzUrlV kennt das Beamtenrecht weitergehende Freistellungsmöglichkeiten. So ermöglicht das Bundesbeamtengesetz (BBG) eine Freistellung von bis zu 12 Jahren, wenn mindestens ein Kind unter 18 Jahren zu betreuen ist. Phasen einer Teilzeitbeschäftigung in Verbindung mit Zeiten der Beurlaubung dürfen zusammen einen Zeitraum von 15 Jahren nicht überschreiten (§ 79a Abs. 1, 2 BBG). Unter bestimmten Voraussetzungen besteht die Möglichkeit zu einer Nebentätigkeit (§ 79a Abs. 3 BBG). Die Landesbeamtengesetze sehen analoge Regelungen für die Landesbeamten vor. Für Angestellte und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst bieten tarifrechtliche Vorschriften einen rechtlichen Ansatzpunkt für die Vereinbarung einer über den Erziehungsurlaub hinausgehenden Freistellung aufgrund familiärer Pflichten. Bewertung

Das MuSchG, das BErzGG, die entsprechenden beamtenrechtlichen Regelungen und die mit diesen Gesetzen in Zusammenhang stehenden gesetzlichen Regelungen leisten somit einen Beitrag zu einer zeitgemäßen Familienpolitik im Sinne der im Abschnitt B. 11. 1. formulierten Leitvorstellungen. Bedeutsam sind insbesondere der Kündigungsschutz, die beitragsfreie Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in der GKV bzw. die Aufrechterhaltung des

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B. Kinderbetreuung und Beruf

Beihilfeanspruches und die beitragsfreie Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung in der GRV bzw. der Kindererziehungszuschlag zum Ruhegehalt von Beamten. Der Kündigungsschutz trägt zu mehr Planungssicherheit für die Kindererziehenden bei und erweitert damit deren Handlungsspielraum. Die beitragsfreie Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes wirkt finanziell entlastend. Um unter Einkommensaspekten eine möglichst präferenzgerechte Verbindung von Kinderbetreuung und Beruf zu ermöglichen, erscheint aber die Dauer, für die Zahlungen im Rahmen des MuSchG und der MuSchV geleistet werden, tendenziell als zu kurz, bzw. die Höhe, für die Zahlungen im Rahmen des BErzGG geleistet werden, tendenziell als zu niedrig. Damit werden Transfers, die ihrer Höhe nach ausreichen, den aus einer Erwerbsunterbrechung resultierenden Einkommensausfall zu kompensieren, lediglich für einen kurzen Zeitraum im Rahmen des MuSchG und der MuSchV geleistet. Den Transferzahlungen im Rahmen des BErzGG kommt aufgrund ihrer Höhe nur für vergleichsweise niedrige Einkommen eine Einkommensersatzfunktion zu. Diejenigen Schwankungen im Einkommensverlauf von Personen bzw. Haushalten, die aus einer vorübergehenden Einschränkung oder aber Unterbrechung der Erwerbstätigkeit aufgrund von Erziehungsaufgaben resultieren, werden somit nur ansatzweise berücksichtigt. Eine derartige Ausgestaltung familienpolitischer Instrumente mag mit den traditionellen Begründungen für eine staatliche Familienpolitik und den gängigen Zielformulierungen, die einer solchen Politik zugrunde liegen, in Einklang stehen. Den Anforderungen an die Familienpolitik, die sich aus dem Spannungsfeld 'Kinderbetreuung und Beruf ergeben, wird die gegenwärtig praktizierte Politik nur beschränkt gerecht. Hierauf deuten verschiedene Studien zu den Erfahrungen mit der Anwendung des MuSchG und des BErzGG hin (vgl. hierzu Speil 1985; Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1986; IES 1990a und 1990b). Eine stärker lebensphasenorientierte Ausgestaltung der Familienpolitik im Sinne einer intertemporalen Umschichtung von Einkommensbestandteilen aus der Zukunft (Zeitraum nach Beendigung des Erziehungsurlaubes) in die Gegenwart (Pha~ der des Erziehungsurlaubes) wird nicht vorgenommen, obwohl sie vor dem Hintergrund einer steigenden Frauenerwerbstätigkeit konzeptionell möglich erscheint. Auf die Erfahrungen mit dem MuSchG und dem BErzGG soll nachfolgend ausführlich eingegangen werden, indem auf verschiedene Studien zurückgegriffen wird. Es wird danach gefragt, wie groß der Anteil der Berechtigten ist, die Leistungen nach dem MuSchG und dem BErzGG in Anspruch nehmen und inwieweit der Leistungszeitraum vollständig ausgeschöpft wird. Überprüft wird auch, ob erneut eine Erwerbstätigkeit aufgenommen wird. Darüber hinaus werden die handlungsleitenden Motive betrachtet, d. h. es wird bei-

D. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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spielsweise danach gefragt, warum einzelne Erziehungsurlauber den Erziehungsurlaub vorzeitig abbrechen. Eine kritische Würdigung der Leistungen nach dem MuSchG und dem BErzGG bildet den Abschluß. ab) Erfahrungen mit dem Mutterschaftsurlaubsgesetz und dem Bundeserziehungsgeldgesetz Inanspruchnahme

Die allgemeine Quote der Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub nach dem MuSchG und von Erziehungsurlaub nach dem BErzGG weist, d. h. ohne dabei nach der Dauer der Inanspruchnahme oder anderen Kriterien zu differenzieren, Werte von über 90 % auf. So wählten während der Jahre 1986 bis 1988 ca. 96 % der Frauen, die in den durch das Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung (IES) befragten Betrieben9 beschäftigt waren und ein Kind bekommen hatten, den Erziehungsurlaub (1990a, Bd. 2, S. 66). Betrachtet man speziell alleinerziehende Frauen, so stellt man ebenfalls ein hohes Maß der Inanspruchnahme fest (vgl. IES, 1990b, Bd. I, S. 10). Wird eine Differenzierung nach dem Geschlecht vorgenommen, so zeigen sich erhebliche Unterschiede. Es nahmen zwar 43,6 % der Väter, die Erziehungsgeld beziehen, Erziehungsurlaub in Anspruch (IES, 1990a, Bd. I, S. 111 ), dies ist aber vor dem Hintergrund eines durchweg geringen Anteils der Erziehungsgeld beziehenden Väter an der Gesamtheit der Erziehungsgeldbezieher zu sehen. Dieser Anteil schwankte 1988 zwischen 3,4 % in Hamburg und 0,8 % in den ländlichen Regionen Bayerns (IES, 1990b, Bd. I, S. 86 ff.)lO. Von der Möglichkeit, eine Teilzeitbeschäftigung während des Erziehungsurlaubes auszuüben, wird nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht. Im Jahre 1987 betrug der Anteil der Erziehungsurlauber mit einer Teilzeitbeschäftigung an der Gesamtheit der vor Bezug des Erziehungsgeldes nicht-

9 Es wurden während des Erbebungszeitraumes von November 1988 bis MälZ 1989 insgesamt 444 Betriebe in den Regionen Unterfranlten, Hannover und Vechta schriftlich befragt. Von den befragten Betrieben haben 253 den Fragebogen an das IES zurückgesandt. In 201 der so befragten 253 Betriebe traten während des Befragungszeitraumes ElZiehungsurlaubsfälle auf. Die Befragung bezieht sich Buf den Zeitraum 1985 bis 1988 (IES, 19901, Bd. 2, S. 44ff.) 10 Die Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrbein-Westfalen und West-Berlin wurden nicht berücksichtigt. 5 Arndt

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B. Kinderbetreuung und Beruf

selbständig Erwerbstätigen 2,5 % (Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, 1989, S. 53). Ähnlich wie der Erziehungsurlaub, wird auch das Erziehungsgeld von nahezu all denjenigen, die dazu berechtigt sind, in Anspruch genommen. Ohne nach der Dauer und der Höhe des Erziehungsgeldbezuges zu unterscheiden, lag die Quote der Inanspruchnahme 1987 bei 97,6 %. Betrachtet man ausschließlich die Gruppe der alleinstehenden Mütter, so ergibt sich eine Quote von 98,2 % (IES, 1990b, Bd. I, S. 88 ff.)l1. Motive für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem BErzGG Es stellt sich an dieser Stelle die Frage nach den Gründen bzw. den Motiven für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem BErzGG. Für die Gruppe der Alleinerziehenden ergeben sich aus der mündlichen Befragung im Rahmen des Forschungsprojektes 'Erfahrungen mit der Anwendung des Bundeserziehungsgeldgesetzes' aufschlußreiche Hinweise (IES, 1990b)12. Insgesamt machten 204 Frauen Angaben über ihre persönlichen Entscheidungsgründe, wobei mehrere Antworten je Befragungsperson zugelassen wurden. Die Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Bedeutung der verschiedenen Motive für die Beantragung von Erziehungsurlaub. Danach dominiert der Wunsch, die Kinderbetreuung selbst zu übernehmen. Dies deckt sich mit den Ergebnissen des Abschnittes B. I. 2. Die Zahl der Nennungen zu Punkt e) und Punkt g) weist hingegen auf die Bedeutung hin, die der finanziellen Lage der Betreuenden und dem Erhalt des Arbeitsplatzes durch Kündigungsschutzregelungen für die getroffene Entscheidung zukommt. Hieraus kann der Schluß gezogen werden, daß diejenigen, die Erziehungsurlaub beantragen, dies i. d. R. freiwillig tun. Dies bedeutet auch, daß zumindest für die erste Phase nach der Geburt vielfach ein zeitliches Nacheinander von Familie und Erwerbstätigkeit einem zeitlichem Nebeneinander vorgezogen wird. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der Modellversuch zur Einführung von Erziehungsgeld in Niedersachsen (vgl. hierzu Speil, 1985, S. 167, S. 169).

11 Es sollte beachtet werden, daß sich die Berechtigtengruppen in Größe und Zusammensetzung für den Fall des Bezuges von Erziehungsgeld und für den Fall der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub unterscheiden (vgl. hierzu Abschnitt B. D. 2. b) aa».

12 Es wurden während des Befragungszeitraumes (März-Mai 1989) 395 alleinstehende Erziehungsgeldempfängerinnen und 68 alleinerziehende Mütter ohne Erziehungsgeldbezug befragt (IES, 1990b, Bd. 2, S. 8ff.).

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ll. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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a) hatte nicht weiter daruber nachgedacht - b) wollte mein Kind selbst versorgen - c) mußte mein Kind selbst versorgen - d) konnte Ausbildung auch nach Ablauf des Erziehungsurlaubes abschließen - e) bekam Geld und konnte beim Kind bleiben - f) Möglichkeit zur Teilzeittätigkeit LR. des BErzGG - g) der Arbeitsplatz blieb erhalten - h) Arbeitslosengeld wurde nach Ablauf des Erziehungsurlaubs weitergezahlt - i) hatte in Verbindung mit Erziehungsgeld mehr Geld zur Verfiigung als durch Erwerbstätigkeit • 333 Nennungen - •• 75 Nennungen Abbildung I: Grunde für die Beantragung von Erziehungsurlaub durch alleinerziehende Frauen Quelle: IES, 1990b, Bd. 2, S. 146, eigene Darstellung.

Motive für den Verzicht auf Leistungen nach dem BErzGG

Für die Gruppe der Alleinerziehenden, die aufgrund ihrer Lebenssituation vor besonderen Problemen steht, liefert die Studie 'Erfahrungen mit der Anwendung des Bundeserziehungsgeldgesetzes' (IES, 1990b) einige Anhaltspunkte. Die Antworten auf die Frage nach den Gründen für den Verzicht auf Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub deuten an, daß eine monokausale Erklärung zu kurz greift. Vielmehr spielen die finanzielle Lage, die Betreuungssituation des Kindes, die Erwerbsbedingungen und die persönliche Wertorientierung gegenüber Familien- und Erwerbstätigkeit eine wichtige Rolle. Auffallend ist die hohe Zahl der Nennungen von finanziellen Motiven als ein Grund für den Verzicht auf Leistungen nach dem BErzGG, d. h. für eine Aufrechterhaltung der Erwerbstätigkeit. Danach nannten 47 der 68 befragten erziehungsgeldberechtigten Mütter ohne Erziehungsgeldbezug die aus ihrer Sicht zu geringe Höhe des Erziehungsgeldes als Grund für eine Beibehaltung der Erwerbstätigkeit und 34 von 68 mündlich befragten Frauen gaben an, daß sie finanziell unabhängig sein wollten (IES, 1990b, Bd. 1, S. 384ff. und

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B. Kindcrbctreuung und Beruf

Bd. 2, S. 457). Dieses Ergebnis unterstreicht die Bedeutung der finanziellen Lage für die Schaffung von Wahlmöglichkeiten zwischen Familien- und Erwerbstätigkeit.

Dauer der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem BErzGG, Verbleib nach Beendigung des Erziehungsurlaubes und handlungsleitende Motive Die Ergebnisse der schriftlichen Betriebsbefragung durch das IES (1990a) zeigen, daß der Erziehungsurlaub von einer Mehrheit der Mütter voll ausgeschöpft wird. So beanspruchten 90 % der Mütter von Kindern der Geburtsjahrgänge 1986, 1987 und 1988 13 den Erziehungsurlaub in seiner vollen Länge 14. Der Anteil der Mütter, die nur bis zum 6. Lebensmonat des Kindes von der Möglichkeit des Erziehungsurlaubes Gebrauch machten, betrug über den betrachteten Zeitraum 7 % (IES, 1990a, Bd. 1, S. 68 u. 69). Einer Auswertung der Ptlichtversichertenbestandsstatistik des VDR zufolge schöpften dagegen 24 % der Berechtigten den Erziehungsurlaub nicht voll aus (Wittmann, 1990, S. 534)15. Eine Betrachtung der alleinerziehenden Erziehungsurlauberinnnen zeigt, daß ca. 4 % den Erziehungsurlaub vorzeitig abbrachen (IES, 1990b, Bd. 1, S. 10). Im Gegensatz zu den Erziehungsurlauberinnen nahmen Väter den Erziehungsurlaub nur selten vollständig in Anspruch (IES, 1990a, Bd. 1, S. 93). Für die Gruppe der Alleinerziehenden gibt die Studie 'Lebenssituation alleinstehender Erziehungsgeldempfängerinnen' (IES, 1990b) erste Hinweise auf die Motive für eine nicht volle Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubes; von insgesamt 33 Nennungen, bezogen auf einen Katalog von 6 möglichen Antworten, entfielen mit 16 Nennungen fast die Hälfte aller Nennungen auf die Antwort 'Geld hätte nicht gereicht', d. h. auf ein finanzielles Motiv als Begründung für eine vorzeitige Rückkehr ins Erwerbsleben (IES, 1990b, Bd. 2, S. 468).

13 Für Kindcr dcr Gcburtsjahrgänge 1986 und 1987 betrug der Erziehungsurlaub maximal 10 Monatc. Für Geburtcn ab 1988 betrug der Erziehungsurlaub maxima112 Monate. 14 Die Ergebnisse der IES-Betriebsbefragung deuten darauf hin, daß von den erweiterten Freistellungsregelungen nach Beamtenrecht und Bundesangestelltentarif schwerpunktmäßig für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren Gcbrauch gemacht wird (fES, 1990a, Bd. 2, S. 112). IS Dic Divergenz zwischen dcn Ergcbnissen dcr Betricbsbefragung durch das IES und dcr Auswcrtung der VOR-Daten dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil darauf zurückzuführen sein, daß die Pflichtversichertenbestandsstatistik die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub nur indirekt im Rahmen der Anrechnung von Kindererziehungszciten in der GRV abbildct. Weiterhin konnte zum Auswertungstermin '1. Oktober 1989' für das Berichtsjahr 1988 erst in ca. 35 % der Fälle die Kindererziehungszeit festgestellt werden. Für das Berichtsjahr 1987 lag dicser Anteil dagegen bei 74 % (vgl. hicrzu Wittnumn, 1990, S. 527).

ß. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

69

Ein Großteil derjenigen, die den Erziehungsurlaub voll ausschöpfen, kehrt nicht unmittelbar im Anschluß daran in die Erwerbstätigkeit zurück, sondern widmet sich weiterhin der Kinderbetreuung. Nach Berechnungen von Wittmann (1990, S. 532) weisen 54 % der Frauen, die 1987 entbunden haben und bei denen das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses für den Zeitraum vor der Geburt unterstellt werden kann, 1988 Beschäftigungszeiten auf. Anband der Daten der IES-Betriebsbefragung läßt sich feststellen, daß 47 % der Erziehungsurlauberinnen in ihren alten Betrieb zurückkehren 16. Von diesen Frauen gaben ca. 6 % anschließend ihre Erwerbstätigkeit wieder auf (IES, 1990a, Bd. 1, S. 14lff.). Weit höhere Rückkehrquoten weisen Alleinerziehende auf. Hier ergeben sich für Mütter mit nur einem Kind Rückkehrquoten von 81 % und für die Mütter mit 2 und mehr Kindern Rückkehrquoten von 65 % (lES, 1990b, Bd. 1, S. 247). Nach den Ergebnissen einer von der Sozialforschungsstelle Dortmund durchgeführten Betriebsbefragung l7 im Rahmen der Studie 'Erwerbstätigkeit und Mutterschaft' (Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1986) kehrten 1984 38 % der Frauen, die den Mutterschaftsurlaub l8 in Anspruch genommen hatten, unmittelbar danach in ihren Beruf zurück; dabei zeigen sich zwischen den einzelnen beruflichen Statusgruppen Unterschiede, wobei un- und angelernte Arbeiterinnen eine Rückkehrquote von 50 %, einfache Angestellte eine von 28 % und mittlere und höhere Angestellte eine von 37 % aufweisen (Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1986, S. 36ff.). Die in Zusammenhang mit dieser Betriebsbefragung durchgeführte Repräsentativerhebung bei Frauen l9 mit einem Mutterschaftsurlaub im Jahre 1980/81

16 Eine mögliche Erklärung für die unterschiedliche Höhe der Rückkehrquoten kann in dem für beide Untersuchungen unterschiedlichen Betnchtungszeitpunkt gesehen werden. Während die !ES-Studie ihrer Berechnung den Zeitpunkt des Auslaufens des Erziehungsurlaubes zugrunde legt, untersucht Wittmann, ob im Jahre 1988 eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde; dabei spielt es keine Rolle, wann im Jahre 1988 - d. h. direkt im Anschluß an das Ende des Erziehungsurlaubes oder aber erst einige Monate später - die Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen wurde. 17 Es handelt sich hieroei um eine repräsentative Bctriebsemebung. Die schriftliche Emebung wurde in dem Zeitnum von Mai bis Juni 1985 durchgeführt und umfaßt 700 Betriebe aus sechs Bnnchen des venroeitenden Geweroes und des privaten Dienstleistungsgeweroes (Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1986, S. 7ff.). 18 Bei einem Vergleich der vom !ES und der von der Sozialforschungsstelle Dortmund ermittelten Rückkehrquoten ist zu beachten, daß das Mutterschaftsurlaubsgesetz, welches bis zum 31.12.1985 Gültigkeit hatte, einen Freistellungszeitnum von lediglich 6 Monaten vorsah. 19 Die Befngung wurde im August und im September 1985 in Form von mündlichen Interviews durchgeführt. Insgesamt lagen 1095 auswertbare Interviews vor (Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1986, S. 205ff.).

70

B. Kinderbetreuung und BeNf

bzw. im Jahre 1984 zeigt ähnliche Ergebnisse (Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1986, S. 243). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Auswertung der MikrozensusZusatzerhebung vom April 1982 durch das Statistische Landesamt BadenWürttemberg. Danach wies eine Mehrheit der Berufsrückkehrerinnen eine Unterbrechungsdauer auf, die die Länge des bis 1986 gültigen Mutterschaftsurlaubes bzw. die Länge des 1986 bzw. 1987 gültigen Erziehungsurlaubes überschritt. Auch diese Untersuchung weist auf eine höhere Erwerbsneigung Alleinerziehender hin, die sich in einer vergleichsweise kurzen Erwerbsunterbrechung äußert (vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 1985, S. 55ff.)20. Fragt man nach den handlungsleitenden Motiven derjenigen Personen, die unmittelbar im Anschluß an den Erziehungsurlaub wieder erwerbstätig wurden, so läßt sich feststellen, daß finanzielle Motive eine wichtige Rolle spielten. Dies gilt insbesondere für Alleinerziehende und wird durch die Abbildung 2 illustriert. Gemessen an der Zahl der Nennungen - es entfielen 379 der insgesamt 677 Nennungen auf die Punkte c) bis h) - spielen somit finanzielle Motive eine entscheidende Rolle für die Rückkehrentscheidung21 . Dabei unterstreichen die Nennungen zu Punkt d) und g) die besondere Dringlichkeit einer Rückkehr ins Erwerbsleben. Es handelt sich hier offenbar um Personen, die außer ihrem Erwerbseinkommen über keine Einkommensquellen verfügen, die ausreichen würden, den 'lebensnotwendigen' Bedarf zu decken. Die Nennungen zu Punkt c) hingegen deuten darauf hin, daß es für eine andere Gruppe der befragten Frauen weniger darauf ankommt, über die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit ein Einkommen zu erzielen, das zur Deckung des 'lebensnotwendigen' Bedarfes ausreicht. Vielmehr scheint es diesem Personenkreis darum zu gehen, durch eine erneute Erwerbstätigkeit eine den individuellen Präferenzen entsprechende Verteilung der Konsumausgaben im Lebenszyklus zu ermöglichen. Daneben spielen sowohl die Berufsorientierung der befragten Frauen, die sich in den Nennungen zu den Punkten a) und b) ausdrückt, als auch die gesicherte Kinderbetreuung (Punkt j) eine wichtige Rolle für die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit. Die Bedeutung finanzieller Gründe für eine Rückkehr ins Erwerbsleben im Anschluß an die gesetzlichen Freistellungsregelungen - nicht nur für Alleiner20 Diese Ergebnisse machen deutlich, daß die Berechnung von Rückkehrquoten, die sich ausschließlich auf den Zeitpunkt beziehen, zu dem der gesetzlich mögliche FreisteIlungszeitraum endet, ein nur unvollständiges Bild des Erwerbsvemaltens von Frauen mit Kindern ergeben. 21 Es ist zu beachten, daß 5 von 12 Antwortvorgaben finanzielle Bew'ggTÜnde betreffen und Mehrfachnennungen möglich waren.

D. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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a) um wieder einmal unter Leute zu kommen - b) Freude am Beruf - c) möchte auf (gutes) Einkommen nicht verzichten - d) finanzielle Notwendigkeit - e) finanzielle Unabhängigkeitf) zu wenig Geld vom Vater des Kindes/der Kinder - g) um nicht Sozialhilfe beanspruchen zu müssen - h) um Eltern nicht finanziell zu belasten - i) um nicht aus dem Beruf herauszukommen - j) die Kinderbetreuung ist gesichert - k) um Ausbildung abschließen zu könnenI) Sicherung der Rente • 559 Nennungen - •• 118 Abbildung 2: Grunde für die Entscheidung zur (Wieder-)aufnahme der Erwerbstätigkeit nach Ablauf des Erziehungsgeldbezuges bzw. des Erziehungsurlaubes durch Alleinerziehende Quelle: lES, 1990b, Bd. 2, S. 229, eigene Darstellung.

ziehende - wird durch weitere Studien bestätigt. Beispielhaft kann die von der Sozialforschungsstelle Dortmund durchgeführte Studie 'Erwerbstätigkeit und Mutterschaft' (Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1986) genannt werden. Es zeigt sich, daß mit steigendem Anteil des Einkommens der Mutterschaftsurlauberin am Haushaltseinkommen - die absolute Höhe des Nettoverdienstes der Frau spielte hierbei keine wesentliche Rolle - auch die Rückkehrquote stieg (Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1986, Tabellenband 2, Tabelle 616). Die Befragung Alleinerziehender durch das IES (1990b) ergibt für diejenigen, die nicht unmittelbar im Anschluß an den Erziehungsurlaub wieder erwerbstätig wurden, daß der Wunsch, die Kinderbetreuung selbst zu übernehmen, bei ihrer Entscheidung eine wichtige Rolle spielte. Die Nennungen zu Punkt b) in Abbildung 3 zeigen aber auch, daß hierzu eine 'ausreichende' finanzielle Unterstütztung notwendig ist. Für die getroffene Erwerbsentscheidung nicht zu vernachlässigen ist ebenfalls die Bedeutung von Arbeitsbedin-

72

B. Kinderbetreuung und BeNf

gungen, die eine Gleichzeitigkeit von Familie und Beruf erschweren und damit eine über den Erziehungsurlaub hinausgehende Phase der Nichterwerbstätigkeit notwendig machen können. Diese Zusammenhänge veranschaulicht die Abbildung 3.

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Mütter mit 2 und mehr Kindern--

a) wollte selbst beim Kind bleiben - b) werde finanziell ausreichend unterstütztc) Beuclaubungsmäglichkeit - d) keine Kinderbetreuungsmäglichkeiten - e) mehrere Kinder erschweren Erwerbstätigkeit - f) Arbeitsbedingungen verhinderten Erwerbstätigkeit g) erwarte weiteres Kind - h) habe behindertes Kind - i) Anrechnung des Verdienstes auf Sozialleistungen - j) keine Arbeitserlaubnis - k) hohe allgemeine Belastung - I) wollte Schulausbildung beenden - m) BeNfsausbildung - n) Krankheit des Kindes

* 185

Nennungen -

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151 Nennungen

Abbildung 3: Gründe für eine Nichterwerbstätigkeit im Anschluß an den Bezug von Erziehungsgeld bzw. die InanspNchnahme von Erziehungsuclaub - Alleinerziehende Quelle: IES, 1990b, Bd. 2, S. 241, eigene Darstellung.

Ein weiterer Grund für die Aufgabe der Erwerbstätigkeit ist oftmals dann gegeben, wenn eine angemessene Fremdbetreuungsmöglichkeit fehlt (Erlerl Jaeckel/PettingerISass, 1988, S. 32ff.). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Betriebsbefragung durch das IES (1990a, Bd. 1, S. 145ff.)22. Sowohl die Brigitte-Studie (Erler/JaeckeIlPettingerISass, 1988) als auch die IES-Betriebsbefragung (l990a) kommen gleichzeitig zu dem Ergebnis, daß ein möglicherweise unzureichendes Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen von nur 22 Es handelt sich hierbei um den Kenntnisstand der Betriebe über die Gründe der Erwerbsaufgabe im Anschluß an den Erziehungsuclaub.

ß. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

73

untergeordneter Bedeutung rur die Aufgabe der Erwerbstätigkeit ist. Zu etwas anderen Ergebnissen kommt die Befragung von Mutterscbaftsurlauberinnen durch die Sozialforschungsstelle Dortmund (Bundesminister rur Arbeit und Sozialordnung, 1986). Neben dem Wunsch, die Kinderbetreuung selbst übernehmen zu wollen, spielen ein unzureichendes Angebot an Fremdbetreuungsmöglichkeiten und ein Mangel an Teilzeitarbeitsplätzen eine entscheidende Bedeutung rur eine zumindest vorübergehende Erwerbsaufgabe (Bundesminister rur Arbeit und Sozialordnung, 1986, S. 284ff.). Die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit ist vielfach mit einem Übergang von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung verbunden. Dies zeigen verschiedene Studien zum Erwerbsverhalten von Mutterschafts- bzw. Erziehungsurlauberinnen. Aus den Ergebnissen der Betriebsbefragung durch das IES (1990a) ergibt sich, daß von den insgesamt 1.132 Frauen, die im Anschluß an den Erziehungsurlaub in den Betrieb zurückkehrten, 31 % einen Wechsel von einer Vollzeit- auf eine Teilzeitstelle vornahmen (IES, 1990a, Bd. 2, S. 232). Die mündliche Befragung von Frauen durch die SozialforschungssteIle Dortmund ergibt einen leicht höheren Wert (Bundesminister rur Arbeit und Sozialordnung, 1986, Tabellenband 2, Tabelle 501). Diese Entwicklung spiegelt sich ebenfalls darin wieder, daß der Anteil der Vollzeitbeschäftigten an den Berufsrückkehrerinnen geringer ist als er rur den gleichen Personenkreis zum Zeitpunkt vor der Geburt war. Dies zeigt die mündliche Befragung durch das IES (1990b) rur die Gruppe der Alleinerziehenden besonders deutlich. Hiernach sinkt der Anteil der VoIlzeitbeschäftigten von 79 % zum Zeitpunkt vor der Geburt auf 18 % zum Zeitpunkt der Rückkehr ins Erwerbsleben (lES, 1990b, Bd. 2, S. 266 u. S. 268). Auch die Ergebnisse der Mikrozensus-Zusatzerhebung vom April 1982 bestätigen, daß Berufsrückkehrerinnen tendenziell kürzere Arbeitszeiten aufweisen als die Gesamtheit der erwerbstätigen Frauen (Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 1985, S. 57). Auch von der Möglichkeit, Erziehungsgeld zu beziehen, wurde von der überwiegenden Zahl der Berechtigten über den Höchstzeitraum Gebrauch gemacht. Für Alleinerziehende ergibt sich dabei eine Quote der Inanspruchnahme von 83,8 % rur das Jahr 1986, von 87,1 % rur das Jahr 1987 und von 93 % rur die erste Jahreshälfte des Jahres 1988. Gründe rur eine verkürzte Inanspruchnahme waren die vorzeitige Rückkehr ins Erwerbsleben und die einkommensabhängige Gewährung des Erziehungsgeldes ab dem 7. Lebensmonat des Kindes, wobei der letztgenannte Grund überwiegend auf Verheiratete zutraf (IES, 1990b, Bd. 1, S. 9 und S. 92ff.).

74

B. Kinderbetreuung und BeNf

Kritik am BErzGG aus der Sicht der Betroffenen

Aufgrund der Motive, die für eine vorzeitige Beendigung des Erziehungsurlaubes, für eine sofortige Rückkehr in die Erwerbstätigkeit im Anschluß an den Erziehungsurlaub bzw. für eine über den Erziehungsurlaub hinausgehende Nichterwerbsphase genannt wurden, erstaunt es nicht, daß insbesondere die Länge des Erziehungsurlaubes und die Höhe des Erziehungsgeldes von einem nennenswerten Teil der in verschiedenen Studien Befragten als unzureichend empfunden wurde. Im Rahmen der von der Sozialforschungsstelle Dortmund durchgeführten Befragung von MuUerschaftsuriauberinnen (Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1986) wünschten sich 54 % der 810 Frauen, die mit der 1980/81 bzw. 1984 gültigen Dauer des Mutterschaftsurlaubes unzufrieden waren, eine Verlängerung um 6 Monate auf insgesamt 12 Monate. Dagegen sprachen sich 16 % dieser Frauen für eine Verlängerung auf insgesamt 24 Monate und 27 % für eine Verlängerung auf insgesamt 36 Monate aus (Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1986, Tabellenband 2, Tabelle 247). Auch die vom IES (1990b) befragten Alleinerziehenden sprachen sich mehrheitlich für eine Verlängerung des Erziehungsurlaubes aus. Dabei entfielen 13,6 % der insgesamt 154 Nennungen auf eine Dauer des Erziehungsurlaubes von 1 bis 2 Jahren, 24,7 % der Nennungen auf eine Dauer von 2 bis 3 Jahren und 59,7 % auf eine Verlängerung des Erziehungsurlaubes auf einen Zeitraum von insgesamt 3 bis 4 Jahren (IES, 1990b, Bd. 2, S.469). Mit der durch die Neufassung des BErzGG vom 21.1.1992 erfolgten Verlängerung des Erziehungsurlaubes dürfte damit die Frage einer als unzureichend betrachteten Länge des Freistellungszeitraumes eine wesentliche Entschärfung erfahren haben. Diese Vermutung wird durch neuere Befragungsergebnisse gestützt. Danach hielten 76 % von 800 Müttern mit Kindern bis einschließlich 12 Jahren, die im Rahmen einer Studie zur Betreuungssituation in Deutschland23 befragt wurden, einen 3-jährigen Erziehungsurlaub für ausreichend; dabei unterscheiden sich die Werte für die alten und die neuen Länder nur unwesentlich (Ohde, 1992, Anhang). Unzufriedenheit mit der Höhe des Mutterschaftsgeldes äußerten 63 % der durch die Sozialforschungsstelle Dortmund befragten Frauen; dabei liegt dieser Prozentsatz für diejenigen Frauen, die 1984 entbunden haben, bei 71 %, während er für die Frauen, die 1980/81 entbunden haben, bei 57 % liegt (Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1986, Tabellenband 2, Ta23 Es wurden insgesamt 800 Frauen mit Ki'ldern im Alter von bis zu 12 Jahren in den alten und neuen Bundesländern befragt. Die Erhebung der Daten erfolgte im Rahmen von persönlichen Interviews anband eines weitgehend geschlossenen Fragebogens in dem Zeitraum vom 26.11.1991 bis zum 7.1.1992 (Ohde, 1992, S. 10ff.).

n. Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

75

belle 148)24. Einen Überblick über die Höhe des von den Frauen jeweils präferierten Betrages und die Häufigkeit, mit der von den Befragten bestimmte Wunschbeträge für die Höhe des Mutterschaftsgeldes angegeben wurden, gibt die Abbildung 4.

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Mutu:nchaftourlaub 1984

Abbildung 4: Gewünschte Höhe des Mutterschaftsgeldbetrages Quelle: Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1986, Tabellenband 2, Tabelle 148, eigene Darstellung.

Die durch das IES (1990b) befragten alleinerziehenden Frauen zeigten sich zu fast 70 % mit der Höhe des Erziehungsgeldbetrages unzufrieden; knapp 44 % dieser Frauen äußerten jedoch die Meinung, die Höhe des Erziehungsgeldes sei unter der Bedingung ausreichend, daß etwas hinzuverdient werden könnte. Insgesamt ist der Anteil derjenigen, die die Höhe des Erziehungsgeldes als unzureichend betrachteten, unter den Müttern mit einem Kind größer als unter den Müttern mit zwei und mehr Kinder. Auf die Frage nach der gewünschten Höhe des Erziehungsgeldes gaben die Befragten Beträge an, die zwischen 8oo,-DM und 3000,-DM schwanken, wobei ein Betrag zwischen 8oo,-DM und l000,-DM am häufigsten und ein Betrag zwischen 1250,-DM und 15oo,-DM am zweithäufigsten genannt wurde (IES, 1990b, Bd.2, S.459ff.). In diesem Zusammenhang äußern die Autoren der vom IES (1990b) durchgeffihrten Studie die Vermutung, die Frauen orientierten sich an 24 1980/1981 lag die Höhe des Mutterschaftsgeldes bei 750,-DM und wurde 1984 auf 510,-

DM gesenkt.

76

B. Kinderbetreuung und Beruf

dem Einkommen, welches sie im Falle einer Erwerbstätigkeit erwarten können (IES, 1990b, Bd. 1, S. 397). Auch die Ergebnisse einer Repräsentativbefragung25, die im Auftrag des Staatsinstitutes für Frühpädagogik und Familienforschung in München durchgeführt wurde, weist für einen nennenswerten Teil der Befragten eine Unzufriedenheit mit der Höhe des Erziehungsgeldes aus (Walper/Gavranidou, 1991). Von den insgesamt 1950 Frauen, die auf die Frage nach ihrer persönlichen Meinung über die Höhe eines Erziehungsgeldes von 600,-DM antworteten, waren 42,9 % der Meinung, der Erziehungsgeldbetrag sei zu niedrig. Eine Differenzierung nach der Partnerkonstellation zeigt, daß verheiratete Frauen seltener mit der Höhe des Erziehungsgeldes unzufrieden waren als Alleinerziehende und auch seltener als Frauen, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben (Walper/Gavranidou, 1991, Tabellenband 1, Tabelle 5.3, S. 51). Der vergleichsweise hohe Anteil der Unzufriedenen unter den Alleinerziehenden weist auf die besondere Problemlage dieser Gruppe hin. Wird statt nach der Partnerkonstellation nach dem Erwerbsstatus der befragten Frauen unterschieden, so zeigt sich, daß der Anteil derjenigen, der das Erziehungsgeld für zu niedrig hält, für die Gruppe der vollzeit erwerbstätigen Frauen am höchsten ist (48,8 % von 643 befragten vollzeit erwerbstätigen Frauen), gefolgt von der Gruppe der Frauen mit einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 19,5 bis 34,5 Stunden (41,2 % von 374 befragten teilzeit erwerbstätigen Frauen). Den niedrigsten Anteil weisen Frauen mit einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von unter 19,5 Stunden (35,3 % von 150 befragten Frauen) und Hausfrauen (35,5 % von 614 befragten Frauen) auf (Gavranidou/Heinritz, 1991, Tabellenband 2, Tabelle 5.3, S. 44). Ein solches Ergebnis stützt die Vermutung der Autoren der IES-Befragung (IES, 1990b), wonach die Grundlage für die Beurteilung der Höhe des Erziehungsgeldes das Erwerbseinkommen ist, welches im Falle der Erwerbsunterbrechung entfällt. Insofern erscheint es plausibel, daß insbesondere vollzeiterwerbstätige Frauen die Höhe des Erziehungsgeldes für unzureichend halten, da für diese Personengruppe das in seiner Höhe nach oben fixierte Erziehungsgeld tendenziell zu einem niedrigeren Einkommensersatz führt als für teilzeitbeschäftigte Frauen. Diese Ergebnisse sind auch vor dem Hintergrund zu sehen, daß für den Fall der Erwerbsaufgabe die im Rahmen der 25 Die Datenerhebung erfolgte im Zeitraum vom 1.4. bis 2.6.1989. Sie wurde in Fonn von mündlichen Interviews durchgeführt. Insgesamt wurden 2003 bayerische Frauen (ohne Ausländerinnen) im Alter zwischen 18 und 55 Jahren befragt (WalperIGavranidou, 1991, Bericht zum Tabellenband 1; Tabellenband 1).

m. Betriebliche Familienpolitik

77

Familien- und Sozialpolitik gewährten Transfers in ihrer Gesamtheit zu einer mit der Höhe des entfallenden Erwerbseinkommens sinkenden Kompensation der Einkommenseinbußen führen (vgl. hierzu Abschnitt B. 11. 2. a». Fazit

Die Frage eines 'ausreichenden' Einkommensersatzes während der Phase der Erwerbsunterbrechung wurde im Gegensatz zur Frage der Länge des Erziehungsurlaubes im Rahmen der Neufassung des BErzGG nicht angegangen und ist somit weiterhin ungelöst. Insofern dürften die Aussagen der oben genannten Studien, die in den zurückliegenden Jahren erstellt wurden, weiterhin Gültigkeit haben. Es ist sogar zu vermuten, daß sich die ökonomische Lage von Erwerbsunterbrechern verschlechtert hat, da das Erziehungsgeld in seiner Höhe nicht der allgemeinen Entwicklung der Erwerbseinkommen und der Lebenshaltungskosten angepaßt wurde. Es besteht von daher Handlungsbedarf, da die gegenwärtig praktizierte Form der Familienpolitik unter Einkommensaspekten eine präferenzgerechte Verbindung von Kinderbetreuung und Beruf nur eingeschränkt zuläßt. Eine besondere Problemgruppe stellen Alleinerziehende dar. Die Ausführungen haben ferner gezeigt, daß die Ziele 'Linderung der finanziellen Belastungen' und 'Schaffung von Wahlmöglichkeiten zwischen Familie und Beruf nicht nur die Forderung nach einer Existenz- oder Grundsicherung umfassen sollten. Vielmehr sollten sie ebenfalls die Forderung einbeziehen, einen Ausgleich detjenigen Einkommenseinbußen, die durch eine zeitweise Einschränkung der Erwerbstätigkeit induziert werden, zu gewährleisten.

III. Betriebliche Familienpolitik Die (staatliche) Familienpolitik wird zunehmend durch betriebliche Maßnahmen der Familienpolitik ergänzt. Dies zeigt die steigende Zahl von Regelungsabreden, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen, die Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Inhalt haben. Von daher soll die betriebliche Familienpolitik in die vorliegende Betrachtung einbezogen werden, um abschätzen zu können, inwieweit das betriebliche Engagement auf diesem Gebiet zu einer 'besseren' Koordination familiärer und beruflicher Belange beiträgt und damit den oben skizzierten Defiziten der staatlichen Familienpolitik Rechnung trägt.

78

B. Kinderbetreuung und Beruf

Die bisher realisierten Programme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf enthalten jeweils eines oder mehrere der folgenden Elementei : a) Familienpausenregelungen und Wiedereinstellungsvereinbarungen; b) Maßnahmen zum beruflichen Qualifikationserhalt; c) Flexibilisierung der Erwerbsarbeit; d) Regelungen zur Unterstützung der Fremdbetreuung; e) finanzielle Unterstützungsleistungen. Dabei bilden Regelungen der Arbeitszeitflexibilisierung, Familienpausenregelungen in Verbindung mit Wiedereinstellungsvereinbarungen und Hilfen zum Qualifikationserhalt den Schwerpunkt der in den verschiedenen Vereinbarungen vorgesehenen Maßnahmen (Herrmann, 1991, S. 156). Die einzelnen betrieblichen Leistungen weisen nicht unerhebliche qualitative Unterschiede auf. Hinsichtlich des Punktes a) ist dies die arbeitsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers während der Familienpause, die zeitliche Dauer, für die maximal eine Freistellung gewährt wird und die rechtliche Verbindlichkeit der Wiedereinstellungszusage. Was die arbeitsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers während der Familienpause betrifft, so gibt es Modelle, die für die Zeit der FreisteIlung eine Auflösung (Kündigung) des Arbeitsverhältnisses vorschreiben (z. B. Betriebsvereinbarung der Daimler-Benz AG, 1989), während andere Modelle für diesen Zeitraum eine Beurlaubung des Mitarbeiters vorsehen (z. B. Betriebsvereinbarung der Deutschen Lufthansa AG, 1990). Das Beurlaubungsmodell impliziert, daß die Mutter oder der Vater während der Familienpause Mitarbeiter des Betriebes bleiben, ohne daß ein Entgelt gezahlt wird. Die Länge des Zeitraumes, für den die jeweilige Familienpausenregelung eine Wiedereinstellungszusage gewährt und für den das Beurlaubungs- oder das Kündigungsmodell Gültigkeit hat, variiert ebenfalls. Die Betriebsvereinbarung der Daimler-Benz AG (1989) sieht beispielsweise eine Freistellung von bis zu sieben Jahren bei einem Kind und bis zu insgesamt zehn Jahren bei mehreren Kindern vor. Die Betriebsvereinbarung der Messerschmitt-Bölkow-Blohm AG (1989) sieht dagegen einen sechsmonatigen betrieblichen Erziehungsurlaub vor, der sich an den gesetzlichen Erziehungsurlaub anschließt. Für diesen Zeitraum kommt das Beurlaubungsmodell zur Anwendung. Eine darüber hinausgehende FreisteIlung setzt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses voraus. Es wird jedoch demjenigen eine Wiederein1 Einen Überblick über die verschiedenen Modelle betrieblicher Familienpolitik, die in Betriebsvereinbarungen, Tarifvereinbarungen und Regelungsabreden vereinbart wurden, geben Herrmann (1991), Hoff(1987), IES (1989) und Schwanz, Schwarz und Vogel (1991).

m. Betriebliche Familienpolitik

79

stellungszusage gegeben, der bis zum siebten Lebensjahr des Kindes (bei mehreren Kindern bis zu zehn Jahren) wieder in das Unternehmen zurückkehrt. Für diesen Zeitraum gilt das KÜDdigungsmodell. Auch die rechtliche Verbindlichkeit der Wiedereinstellungszusage weist Variationen auf. Während die Betriebsvereinbarung der Daimler-Benz AG (1989) eine uneingeschränkte Wiedereinstellungszusage über den gesamten Freistellungszeitraum vorsieht, gilt dies für die Betriebsvereinbarung der Messerschmitt-Bölkow-Blohm AG (1989) nur für den sechsmonatigen Zeitraum des betrieblichen Erziehungsurlaubes. Für den darüber hinausgehenden Freistellungszeitraum wird die Wiedereinstellungszusage nur unter einschränkenden Bedingungen gewährt. Das Recht auf WiedereinsteIlung wird für Zeiten des Personalabbaus aufgehoben, wenn geeignete freie Arbeitsplätze nicht angeboten werden können. Bezüglich der Verbreitung von Familienpausenregelungen und Wiedereinstellungsvereinbarungen gibt eine vom Institut der Deutschen Wirtschaft (Herrmann, 1991) im Frühsommer 1990 durchgeführte Unternehmensumfrage2 interessante Hinweise. Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, daß in 84 Betrieben (12,5 %) zum Befragungszeitpunkt Familienpausenregelungen existierten, die über den gesetzlichen Erziehungsurlaub hinausgehende Freistellungszeiträume vorsahen, während in 511 Betrieben (75,8 %) solche Regelungen nicht existierten. Dieselbe Studie zeigt auch, daß es schwerpunktmäßig große Unternehmen sind, die ihren Mitarbeitern eine über die Dauer des gesetzlichen Erziehungsurlaubes hinausgehende Freistellung mit WiedereinsteIlungszusage anbieten (Herrmann, 1991, S. 94, 148ff.). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Befragung von 500 Unternehmen durch die Zeitschrift Capital (Sinn, 1989). Eine Differenzierung nach Branchen ergibt, daß Freistellungsregelungen in Verbindung mit Wiedereinstellungsvereinbarungen vor allem von Dienstleistungsunternehmen, Banken und Versicherungen und der Industrie angeboten werden (Sinn, 1989, S. 264). Eine Reihe von Familienpausenregelungen und Frauenförderplänen sieht Maßnahmen zum Qualifikationserhalt während der Phase der Erwerbsunterbrechung vor, um den Wiedereinstieg zu erleichtern. Die Ausgestaltung der konkreten Maßnahmen ist sehr unterschiedlich und reicht von Aushilfstätigkeiten, Urlaubs- und Krankheitsvertretungen, betrieblichen Weiterbildungsprogrammen, Kostenübernahmen für fachliche Weiterbildungskurse, Zusen-

2 An der Umfrage beteiligten sich 700 Unternehmen aus den alten Bundesländern. In die Auswertung wurden 674 Fragebögen einbezogen. Die 674 in die Auswertung einbezogenen Unternehmen kommen aus 21 verschiedenen Branchen. Die Stichprobe wurde mit Hilfe eines Quotenverfahrena konstruiert. Es wurden nur Unternehmen der Privatwirtschaft berücksichtigt. Weiterhin wurden Klein- und Kleinstbetriebe nicht betrachtet (vgl. Hernnann, 1991, S. 84ff.)

80

B. Kinderbetreuung und Beruf

dung der Werkszeitung, Ausleihe von Fachliteratur, Heimarbeit als freier Mitarbeiter hin bis zu regelmäßigen Informationsveranstaltungen und Einladungen zu Betriebsfesten. Die Betriebsvereinbarung der Daimler-Benz AG (1989) bietet beispielsweise die Möglichkeit zu Urlaubs- und Krankheitsvertretung und zur Teilnahme an betrieblichen Bildungsmaßnahmen und gewährt eine Kostenübernahme für fachliche Weiterbildungskurse. Die Betriebsvereinbarung der Deutschen Bank AG (1990) sieht dagegen neben der Teilnahme an fachlichen Weiterbildungsmaßnahmen und der Übernahme der Kosten für arbeitsplatzspezifische und berufsfördernde Weiterbildungsmaßnahmen die Entwicklung eines speziellen 'Return-Programms' für die Wiedereingliederung nach der Familienphase vor. Einzelne Betriebsvereinbarungen beinhalten nicht nur das Angebot von Qualifikationsmaßnahmen, sondern machen die Wiedereinstellungszusage explizit von der Bereitschaft zur Teilnahme an qualifikationserhaltenden Maßnahmen abhängig (z. B. Betriebsvereinbarung der WolffWalsrode AG, 1989). Die Verbreitung von qualifikationserhaltenden Maßnahmen und erweiterten Familienpausenregelungen in Abhängigkeit von der Betriebsgröße illustriert die Abbildung 5.

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Maßnahmen zum Erhalt der Qualifikation vorhanden

Abbildung 5: Familienpausenregelungen und qualifikationserhaltende Maßnahmen nach Betriebsgräße Quelle: Herrmann, 1991, S. 149, eigene Darstellung.

Während die vorstehend diskutierten Maßnahmen der betrieblichen Familienpolitik vorwiegend die Strategie eines zeitlichen Nacheinanders von Familie

m. Betriebliche Familienpolitik

81

und Beruf betreffen, geht es bei den Regelungen zur Flexibilisierung der Erwerbsarbeit überwiegend darum, das zeitliche Nebeneinander von Familienund Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Man findet in der Praxis eine Vielzahl von unterschiedlichen Formen der Flexibilisierung. Die Regelungen reichen von Gleitzeit, Teilzeitarbeit, Job-Sharing, Schicht- und Nachtarbeit hin bis zu Zeitguthabenregelungen und flexiblen Arbeitszeitsystemen (vgl. hierzu Schwartz/Schwarz/Vogel, 1991, S. 69ff.). Neben einer zeitlichen Flexibilisierung der Erwerbsarbeit gibt es auch Ansätze einer räumlichen Flexibilisierung. Die Hewlett-Packard GmbH praktiziert beispielsweise das 'Site-Sharing', d. h. die Verlagerung eines Teiles der Arbeitsaufgaben in die eigene Wohnung (Kriese, 1989, S. 452). Von den genannten Formen der Arbeitszeitflexibilisierung weist die Teilzeitarbeit die stärkste Verbreitung auf. Es folgen flexible Arbeitszeitarrangements, Gleitzeit und Job-Sharing (Herrmann, 1991, S. 98). Von den im Rahmen der Unternehmensbefragung durch die Zeitschrift Capital (Sinn, 1989) befragten Unternehmen gaben 44 % an, sie würden flexible Arbeitszeitformen praktizieren. Gemeint waren i. d. R. Teilzeitarbeit- oder Gleitzeitregelungen. Es sind wiederum schwerpunktmäßig die größeren Unternehmen, die flexible Arbeitszeitarrangements anbieten (Sinn, 1989, S. 265). Auch im Bereich der Kinderbetreuung ist zunehmend ein betriebliches Engagement zu beobachten. Die betrieblichen Aktivitäten in diesem Bereich sind in der Form sehr unterschiedlich. Die traditionelle Variante des betrieblichen Engagements in der Kinderbetreuung stellt die betriebseigene Kindertagesstätte dar (z. B. Schering AG, Berlin; Deutsche Bank AG, Eschborn). Den größten Teil der Ausgaben trägt in diesem Fall i. d. R. das Unternehmen. Meist werden zusätzlich nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelte Elternbeiträge erhoben. Andere Unternehmen praktizieren das Modell einer betriebsnahen Einrichtung auf Stadtteilebene, indem Sie den betrieblichen Kindergarten auch für werksfremde Kinder aus dem Wohnumfeld öffnen, um so in den Genuß eines öffentlichen Zuschusses zu gelangen (z. B. Siemens AG, München). Wieder andere Unternehmen sichern sich Belegrechte in bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen, indem sie beispielsweise die Personalkosten übernehmen (z. B. Rowenta GmbH, Erbach). Eine weitere Strategie besteht in der Unterstützung von Elteminitiativkindergärten (z. B. Hewlett Packard GmbH, Böblingen). Dies kann in der Form geschehen, daß das Unternehmen die Räume zur Verfügung stellt oder indem es die Betreuungseinrichtung finanziell unterstützt. Ein anderer Weg wird durch das Kaufhaus Beck in München beschritten. Dieses stellt Vermittlungsdienste zur Verfügung, die bei der Suche nach einer geeigneten Kinderbetreuung Unterstützung gewähren3 . Das unternehmerische Engagement in diesem Bereich steht 6 Arndt

82

B. Kinderbetreuung und Beruf

noch am Anfang. So ergibt die Capital-Umfrage, daß lediglich sechs Prozent der befragten Unternehmen ihren Mitarbeitern einen Platz in einem Betriebskindergarten oder in öffentlichen Einrichtungen anbieten können (Sinn, 1989, S. 266). Darüber hinaus erbringen einige Unternehmen auch finanzielle Leistungen, die über die eigentlichen Lohn- und Gehaltszahlungen hinausgehen und der betrieblichen Familienpolitik zugeordnet werden können. Die Capital-Umfrage ergibt, daß 61 % der befragten Unternehmen Geburtsprämien von durchschnittlich 260 DM je Kind zahlen (Sinn, 1989, S. 26lff.). Eine vergleichsweise großzügige Einmalzahlung sieht die Betriebsvereinbarung der IBM Deutschland GmbH (1990) vor. Für den Fall einer Arbeitszeitreduzierung anstelle des gesetzlichen Erziehungsurlaubes oder für den Fall einer Erziehungspause gewährt IBM eine Erziehungsbeihilfe in Höhe von 4.600 DM. Weitaus seltener als Geburtsprämien werden spezielle Familiengründungsdarlehen (5 %) gewährt oder familienstandsbezogene Komponenten in das Lohn- und Gehaltssystem eingebaut (19 %). Im Rahmen von familienstandsbezogenen Komponenten des Entlohnungssystems erhalten die Mitarbeiter der von der Zeitschrift Capital befragten Unternehmen im Durchschnitt einen Betrag zwischen 25 und 50 DM je Kind und Monat (Sinn, 1989, S. 262). Einige Betriebs- oder Tarifvereinbarungen sehen für den Fall einer unvorhersehbaren und unverschuldeten fmanziellen Notlage Hilfen durch Unterstützungskassen vor (z. B Betriebsvereinbarung der Wolff Walsrode AG,1989). Die betrieblichen Programme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und andere Maßnahmen der betrieblichen Familienpolitik geben von ihrer Konstruktion her eine wichtige Hilfestellung, wenn es darum geht, Familie und Erwerbstätigkeit zu koordinieren. Die praktizierten Modelle berücksichtigen dabei schwerpunktartig die nicht einkommensbezogenen Aspekte des Spannungsfeldes 'Kinderbetreuung und Beruf. Bedauerlich ist der geringe Verbreitungsgrad der meisten der angebotenen Leistungen. Damit beschränken sich die Vorteile solcher Programme und Maßnahmen, die insbesondere in der Eröffnung von Wahlmöglichkeiten bestehen, auf eine kleine Zahl von Beschäftigten. Sieht man einmal von den monetären Vorteilen ab, die sich für die Mitarbeiter aus einer betrieblich unterstützten Kinderbetreuung ergeben, so weisen die finanziellen Leistungen der betrieblichen Sozialpolitik eine vergleichsweise weite Verbreitung auf. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse

3 Für einen Überblick über betriebliche Maßnahmen im Bereich der Kinderbetreuung vgl. Busch, Dörfler und Seehausen (1991), MinisteriumfiJr Wirtschaft. Mittelstand und Technologie Baden Wümemberg (1991) und Schwanz, Schwarz und Vogel (1991).

IV. Zusammenfassung und Fazit

83

des Abschnittes B. 11. 2. b) ab) erscheint jedoch die Höhe der Zahlbeträge und die Ausgestaltung der Leistungsgewährung, die sowohl für Zeiten der Erwerbsunterbrechung als auch für Zeiten einer vorübergehenden Teilzeitbeschäftigung die Frage eines als 'ausreichend' empfundenen Einkommensersatzes außer acht lassen, als wenig geeignet, die Defizite der staatlichen Familienpolitik zu kompensieren. Es ist somit festzustellen, daß trotz einer steigenden Bedeutung der betrieblichen Familienpolitik weiterhin Handlungsbedarf besteht, um unter Einkommensaspekten eine präferenzgerechte Verbindung von Kinderbetreuung und Beruf zu erleichtern. Eine Verstetigung des Einkommensstromes ermöglicht die betriebliche Familienpolitik ebensowenig wie die staatliche Familienpolitik.

IV. Zusammenfassung und Fazit Es läßt sich ein Wandel in den Erwerbsstrukturen und -motiven beobachten. Dieser zeigt sich in einer steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen und umfaßt auch solche mit Kindern. Damit einher geht, daß Frauen über die Kohorten hinweg zunehmend häufiger im Anschluß an eine Phase der Kinderbetreuung wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Gleichzeitig nimmt die Dauer der Erwerbsunterbrechung ab. Der zu beobachtende Wandel zeigt sich darüber hinaus in einer steigenden Arbeitsmarktorientierung von Frauen; in Abhängigkeit von der finanziellen Lage können jedoch ökonomische Motive die Erwerbsentscheidung dominieren. Trotz der Veränderung in den Motivstrukturen stellt das Geburtsereignis weiterhin einen wichtigen Grund für eine Erwerbsunterbrechung dar, wobei der Wunsch, die Betreuung selbst zu übernehmen, eine wichtige Rolle spielt. Die individuellen ökonomischen Rahmenbedingungen können aber dazu führen, daß eine subjektiv als suboptimal empfundene Koordination von Kinderbetreuung und Beruf gewählt werden muß. Eine Vorverlagerung von Bestandteilen des Lebenseinkommens aus der Zukunft in frühere Lebenssabschnitte stellt unter bestimmten Voraussetzungen eine geeignete Lösung dieses Problemes dar. Hierfür bietet das 'Drei-PhasenModell' der Erwerbsbeteiligung einen Ansatzpunkt. Das Wechselspiel zwischen elterlicher Berufstätigkeit und der kognitiven, sozialen, emotionalen und gesundheitlichen Entwicklung von Kindern ist äußerst komplex. Neben dem Zeitpunkt einer erneuten Erwerbsaufuahme und dem zeitlichen Umfang der Fremdbetreuung erweist sich die mütterliche Rollen- bzw. Situationszufriedenheit als bedeutsam für die kindliche Entwicklung. Dabei gehen im Falle einer Übereinstimmung von gewünschtem und realisiertem Erwerbsstatus positive Auswirkungen auf die Kindesentwicklung

84

B. Kinderbetreuung und Beruf

aus. Verhindern die ökonomischen Rahmenbedingungen - wie beispielsweise ein unzureichender Einkommensersatz für den Fall einer Erwerbsunterbrechung - eine den Präferenzen entsprechende Wahl zwischen Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit, so sind negative Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung möglich. Eine Sichtung der familienwissenschaftlichen Literatur ergab, daß Zielsetzungen, die sich auf das Problemfeld 'Koordinierung von Familie und Beruf' beziehen, unterrepräsentiert sind. Dies spiegelt die Ausgestaltung der bundesdeutschen Familienpolitik wider. Eine unter Einkommensaspekten präferenzgerechte Verbindung von Kinderbetreuung und Beruf wird von der gegenwärtig praktizierten Familienpolitik nur unzureichend unterstützt. So zeigen verschiedene Studien, daß die Höhe des Erziehungsgeldes von den Betroffenen als nicht ausreichend erachtet wird. Insbesondere für Alleinerziehende kann dies bedeuten, daß aufgrund des Einkommensausfalles, der mit einer Erwerbsunterbrechung einher geht, der Erziehungsurlaub früher als gewünscht abgebrochen werden muß. Für einige Gruppen von Erziehungsurlaubern scheint die Unzufriedenheit mit der Höhe des Erziehungsgeldes mit dem Wunsch nach einer Verstetigung des Einkommensstromes in Zusammenhang zu stehen. Ferner wurde überprüft, inwieweit die familienpolitischen Ziele und die Maßnahmen der Familienpolitik der ökonomischen Analyse zugänglich sind. Insbesondere aus Gründen der praktischen Umsetzbarkeit erscheint eine an den Ergebnissen der Allokationseffizienz orientierte Familienpolitik der interpersonellen Umverteilung wenig realistisch. Darüber hinaus dürfte eine interpersoneIl umverteilende Transferpolitik, die an der Internalisierung von externen Effekten und anderen Formen des Marktversagens ausgerichtet ist, nur höchst zufällig eine Höhe aufweisen, die dem Ziel 'Schaffung von Wahlmöglichkeiten zwischen Kinderbetreuung und Beruf' gerecht wird. Schließlich wurde die betriebliche Familienpolitik in die Betrachtung eingeführt. Es zeigt sich, daß trotz des umfangreichen Kataloges von Maßnahmen der betrieblichen Sozialpolitik Handlungsbedarf besteht, da diese i. d. R. einen geringen Verbreitungsgrad aufweisen und die Ausgestaltung der finanziellen Leistungen nicht dazu geeignet ist, die Mängel der staatlichen Familienpolitik zu kompensieren. Eine Möglichkeit, den Defiziten der staatlichen und betrieblichen Familienpolitik Rechnung zu tragen, besteht darin, die bekannten Politikmaßnahmen des Familienlastenausgleiches um eine intrapersonell und intertemporal umverteilende Familienpolitik zu ergänzen. Ein solcher Ansatz erscheint besonders geeignet, die lebenszyklischen Aspekte des Einkommensverlaufes von Personen, die ihre Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kinderbetreuung zeitweise unterbrechen, zu berücksichtigen. Die Frage der ökonomischen Fundierung eines solchen Konzeptes ist Gegenstand des nachfolgenden Kapitels. Es

IV. Zusammenfassung und Fazit

85

ist ZU prüfen, ob der intertemporale Einkommenstransfer von den Individuen selbst geleistet werden kann, indem sie beispielsweise einen Kredit bei einer Bank aufnehmen, oder ob Unvollkommenheiten auf dem Kapitalmarkt einen solchen Transfer behindern.

c. Kreditbeschränkungen Im folgenden wird die Frage der intertemporalen Allokation des Einkommensstromes eines Haushaltes problematisiert. Hierzu soll im ersten Abschnitt dieses Kapitels die Bedeutung von Kreditbeschränkungen l , die einer intertemporalen Einkommensumschichtung im Wege stehen können, für die individuelle Wohlfahrt anband eines einfachen Zweiperiodenmodelles dargestellt werden. Die Frage der intertemporalen Allokation des Einkommensstromes eines Haushaltes ist auch Bestandteil der auf Modigliani und Brumberg (1954) zurückgehenden Lebenszyklushypothese (LZH) und der von Friedmann (1957) stammenden Hypothese des permanenten Einkommens (PEH). Im Rahmen der Diskussion, ob die LZH und die PEH das zu beobachtende Konsumverhalten zutreffend beschreiben, wird dem Phänomen 'Kreditbeschränkung' große Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Diskussion ist für die vorliegende Arbeit von Interesse. Bevor in Abschnitt III. dieses Kapitels hierauf näher eingegangen wird, sollen die Grundzüge der LZH und der PEH in Abschnitt 11. skizziert werden. In den weiteren Abschnitten dieses Kapitels wird der Frage nachgegangen, ob bzw. inwieweit die in der Bundesrepublik Deutschland geübte Praxis der Kreditvergabe eine nutzenoptimale Transformation von Vermögen und Einkommensstrom in einen Konsumstrom zuläßt. Es geht schwerpunktmäßig darum, die Struktur und die Ursachen von möglichen Kreditbeschränkungen herauszuarbeiten. Zu diesem Zweck hat der Verfasser dieser Arbeit eine Befragung von Banken und Sparkassen durchgeführt. Es sollte insbesondere überprüft werden, ob eine Kreditfmanzierung von Zeiten des Erziehungsurlaubes ohne staatliche Intervention auf dem Kapitalmarkt möglich ist oder ob dem Marktunvollkommenheiten entgegenstehen.

1 Nachfolgend soll mit dem Begriff 'Kreditbeschränlrung' insbesondere der Umstand bezeichnet werden, daß sich Konsumenten mengenmäßig nur in einem geringeren Umfang verschulden können als gewünscht.

88

C. Kreditbeschränkungen

I. Intertemporale Allokation des Vermögens und des Einkommensstromes eines Haushaltes mit und ohne Kreditbeschränkungen 1 Die Grundlage für die folgende Darstellung bildet ein Zweiperiodenmodell, wobei Unsicherheit ausgeschlossen wird. Der betrachtete Konsument steht vor der Frage, wie er seinen Einkommensstrom und sein Vermögen nutzenoptimal auf die beiden Perioden to und t l aufteilen soll. Hierzu wird die folgende additive intertemporale Nutzenfunktion unterstellt: U = u (cO>

(1)

+

u (CI) / (1

+p)

Hierbei bezeichnet Cl den Konsum2 in Periode t (t = 0,1), u (0) den Nutzen aus dem Konsum in der entsprechenden Periode und p die Rate der Zeitpräferenz, die die Minderschätzung des zukünftigen Konsums im Vergleich zum gegenwärtigen Konsum ausdrückt. Wird weiter unterstellt, daß Kreditschulden und sonstige Schulden zurückgezahlt werden und daß das betrachtete Individuum seinen Nachkommen weder Geld- noch Realvermögen hinterläßt, so ergibt sich für den Konsumenten die folgende, auf die gesamte Lebenszeit bezogene Budgerestriktion: (2)

Co

+ CI / (1 + r)

=

Ao + Wo + w l / (1 + r)

Ao steht für das zu Beginn der Planungsperiode verfügbare Geld- und Realvermögen und wl (t = 0,1) für das Arbeitseinkommen3 nach Steuern der jeweiligen Periode t. Die Variable r bezeichnet den Realzins. Wird ein perfekter Kapitalmarkt unterstellt, d. h. wird von möglichen Kreditbeschränkungen abstrahiert, so stellt die obige Budgetrestriktion die einzige Beschränkung dar, die der Konsument bei der intertemporalen Allokation seines Vermögens und seines Arbeitseinkommensstromes zu beachten hat. Dem betrachteten Individuum ist es somit möglich, über entsprechende Spar- und Entsparprozesse und via Verschuldung seinen Konsumstrom unabhängig vom zeitlichen Verlauf des Arbeitseinkommensstromes zu gestalten. Änderungen im zeitlichen Verlauf des Arbeitseinkommensstromes berühren den optimalen intertemporalen Konsumplan nicht, soweit die Änderung des zeitlichen Verlaufes den Barwert des Arbeitseinkommensstromes unberührt läßt. Der betrachtete Konsument 1 Vgl. hierzu Hayashi (1987, S. 93ff.) und Westphal (1988, S. 126ff.).

2 Von der Existenz dauemafter Konsumgüter wird aus Gründen der Vereinfachung an dieser

Stelle abstrahiert.

3 Von weiteren Einkommensquellen wie beispielsweise Mieteinnahmen wird abstrahiert, da ihre Einbeziehung die Darstellung nicht grundsätzlich verändern würde.

I. Intertemporale Allokation dea Vermögen. und dei Einkommen.

89

hat lediglich zu beachten, daß der Barwert des Konsumes den Barwert aus Vermögen und Arbeitseinkommensstrom nicht übersteigt. Die Lösung dieses Maximierungsproblemes stellt sich damit als eine Maximierungsaufgabe unter Nebenbedingungen dar. Es ist der Konsumstrom (co' CI) zu wählen, der die Nutzenfunktin (1) maximiert und gleichzeitig die Budgetrestriktion (2) berücksichtigt. Analytisch läßt sich diese Optimierungsaufgabe durch die folgende Lagrange-Funktion darstellen: (3) L

= u (cO> + U (CI) / (1 + p) + IL {Au + Wo + w l / (1 + r) - Co - CI / (1 + r)}

Mit IL wird der Lagrange-Multiplikator bezeichnet. Als Lösung dieser Maximierungsaufgabe unter Nebenbedingungen ergibt sich die folgende Forderung an den optimalen intertemporalen Konsumpfad: (4)

du / du dco dC I

= ..!...±..!. 1+P

Die Ressourcen des betrachteten Individuums sind somit in einen solchen Konsumstrom zu transformieren, daß das Verhältnis der Grenmutzen des Konsums in den beiden Perioden dem Verhältnis der beiden Diskontierungsfaktoren entspricht. Bedingung hierfür ist, den Konsumstrom unabhängig vom zeitlichen Verlauf des Arbeitseinkommensstromes gestalten zu können. In Abhängigkeit von der Höhe des Realzinses, der Höhe der Zeitpräferenzrate, dem zeitlichen Verlauf des Arbeitseinkommensstromes und dem Volumen des zu Beginn der Planungsperiode verfügbaren Geld- und Realvermögens setzt dies gegebenenfalls einen Verschuldungsprozeß voraus. Die Notwendigkeit zu einer vorübergehenden Verschuldung - will man den optimalen intertemporalen Konsumpfad realisieren - ist um so eher gegeben, je niedriger der Realzins, je höher die Zeitpräferenzrate, je niedriger das zu Beginn der Planungsperiode verfügbare Geld- und Realvermögen und je rechtssteiler sich die Periodenverteilung des Lebenseinkommens darstellt. Einer vorübergehenden Verschuldung können jedoch Kreditbeschränkungen entgegenstehen, die es dem einzelnen Individuum unmöglich machen, den optimalen intertemporalen Konsumpfad zu erreichen. Die Frage der Kreditbeschränkungen dürfte damit tendenziell an Bedeutung gewinnen, wenn eine ausgesprochen rechtssteile Verteilung des Lebenseinkommens vorliegt oder wenn der betrachtete Konsument mit starken Schwankungen seines Arbeitseinkommens konfrontiert ist. Eine solche Konstellation ist beispielsweise dann gegeben, wenn zum Zwecke der Kinderbetreuung die Erwerbstätigkeit vorübergehend unterbrochen wird. Den Zusammenhang zwischen nutzenoptimaler Gestaltung des Konsumstromes und Kreditbeschränkungen veranschaulicht die Abbildung 6.

90

C. Kreditbeschrinlrungen Cl

WJ

WI +

At (I

+

+Tl

WI (I +Tl

Cl' 1----.. -----------+--------------\

I1

~--~----------------~------~----------~~

t

'oft

+ At

CO'

WI+At+w,/(1+r)

t

Abbildung 6: Intertemporale Allokation von Vermögen und Arbeitseinkommensstrom

Wählt man einen Umweltzustand als Referenzpunkt, der sich durch einen perfekten Kapitalmarkt auszeichnet, so verdeutlicht die Abbildung 6, daß Kreditbeschränkungen ceteris paribus zu Wohlfahrtsverlusten führen. Für den Fall des perfekten Kapitalmarktes beschreibt die Budgetgerade AD die für das Individuum realisierbaren Konsumströme. Bei gegebenem Realzins und gegebener Zeitpräferenzrate wird das Individuum seinen Konsumstrom derart gestalten, daß es in der Periode to einen Konsum von clI'" und in der Periode t l einen Konsum von c l * realisiert, da es auf diese Weise unter den gegebenen Rahmenbedingungen seinen Nutzen maximiert. Diese Situation wird durch den Tangentialpunkt C zwischen der Budgetgeraden AD und der Indifferenzkurve I 1 beschrieben. Diese Tangentiallösung erfüllt die Gleichung (4). Um in der Periode to einen Konsum in der Höhe von clI'" zu ermöglichen, müssen Einkommensbestandteile aus der Zukunft in die Gegenwart verlagert

I. Intertemponle Allokation des Vennögens und des Einkommens

91

werden. Dies ist notwendig, da die Summe aus dem Startvermögen Ao und aus dem Arbeitseinkommen Wo nicht ausreicht, um den Konsum cII"' in der Periode to realisieren zu können. Eine solche Verlagerung ist für den Fall des perfekten Kapitalmarktes unproblematisch. Geht man jedoch davon aus, daß üblicherweise der Kreditzinssatz rk über dem Anlagezinssatz r. liegt4 , ergibt sich hieraus eine im Punkt B geknickte Budgetgerade. Die für das Individuum realisierbaren Konsumströme werden jetzt durch die Budgetgerade ABE beschrieben. Unter den nun gegebenen Rahmenbedingungen wird der nutzenoptimale Konsumstrom durch den Tangentialpunkt zwischen der Budgetgeraden ABE und der Indifferenzkurve 12 beschrieben. Im Vergleich zur Referenzsituation des perfekten Kapitalmarktes geht diese neue Gleichgewichtssituation mit einem Verzicht auf Gegenwarts- zugunsten von zukünftigem Konsum einher. Gleichzeitig werden in einem geringeren Umfang Einkommensbestandteile aus der Zukunft in die Gegenwart verlagert. Dies ist gleichbedeutend mit einer stärkeren Anbindung des aktuellen Konsums an die Höhe des aktuell verfügbaren Einkommens, d. h. mit einer vergleichsweise höheren Sensitivität des Konsums gegenüber Einkommensschwankungen. Da für den betrachteten Konsumenten eine weiter außen liegende Indifferenzkurve mit einem höheren Nutzenniveau verbunden ist, hat für ihn ein über dem Anlagezinssatz liegender Kreditzinssatz ceteris paribus einen Wohlfahrtsverlust zur Folge. Lehnen es die Banken generell ab, einen Kredit allein mit dem zukünftigen Einkommen als Sicherheit zu gewähren, so beschreibt die Budgetgerade ABF die für das Individuum realisierbaren Konsumströme. Der unter diesen Rahmenbedingungen nutzenoptimale Konsumstrom wird durch den Tangentialpunkt B zwischen der Budgetgeraden ABF und der Indifferenzkurve 13 beschrieben. Diese Situation geht mit einem weiteren Verzicht auf Gegenwartskonsum zugunsten von zukünftigem Konsum einher. Darüber hinaus unterbleibt jeglicher Transfer von Einkommensbestandteilen aus der Zukunft in die Gegenwart. Dies ist gleichbedeutend mit einer noch stärkeren Anbindung des aktuellen Konsums an die Höhe des aktuell verfügbaren Einkommens. Gleichzeitig ergibt sich für das betrachtete Individuum durch diese Form der Kreditbeschränkung ceteris paribus ein Wohlfahrtsverlust, der noch über den des vorangegangenen Falles hinausgeht. Dargestellt wird dies durch die näher zum Ursprung liegende Indifferenzkurve 13 • Dieser Wohlfahrtsverlust resultiert aus den fehlenden Möglichkeiten, Einkommensbestandteile intertemporal umzuschichten, und zwar aus der Zukunft in die Gegenwart. Anders ausge4 Eine solche Zinssatzdifferenz kann beispielsweise durch die Tnnsaktionskosten der Kreditgewährung erklärt werden.

92

C. Krcditbeschrinkungen

drückt bedeutet dies, daß von Maßnahmen, die dazu geeignet sind, die Bedeutung von Kreditbeschränkungen zu verringern, tendenziell woblfahrtssteigernde Wirkungen ausgehen. Nachfolgend soll die Frage der nutzenoptimalen Transformation von Vermögen und Einkommensstrom in einen Konsumstrom noch einmal im Kontext der LZH und PEH aufgegriffen werden.

11. Grundzüge der Lebenszyklushypothese und der Hypothese des permanenten Einkommens! Lebenszyklushypothese2,J

Die LZH betrachtet die Konsumentscheidung als ein intertemporales Optimierungskalkül. Modigliani und Brumberg beschreiben diesen Entscheidungsprozeß wie folgt: Oll is precisely on this point that a really important lesson can be learned by taking a freah look at the traditional theory of the household; according to this theory there need not be any close and simple relation between consumption in a given ahort period and income in the same period. The rate of consumption in any given period is a facet of a plan which extends over the balance of the individual' s Iife, while the income accruing within the same period is but one element which contributes to the ahaping of such a plan. ° (1954, S. 39lf.).

An den Anfang ihrer Analyse stellen Modigliani und Brumberg (1954, S. 390) die folgende intertemporale Nutzenfunktion: (5)

Hierbei bezeichnet ct den individuellen Konsum während des Lebensjahres t des Individuums, L die Jahre der Erwerbstätigkeit (N) und die Jahre des Rentnerdaseins (M) und ~+I das zu vererbende Vermögen. Diese Nutzenfunktion wird vor dem Hintergrund der folgenden Budgetbeschränkung (Modigliani und Brumberg, 1954, S. 390f.) maximiert: (6)

N

Ilt

YT

+ E (1 + r)T+I.t T=t

_ -

1lL+I

(1

L

CT

+ r)L+I.t + E (1 + r)T+I-t T=t

1 Einen Überblick über verschiedene Ansätze der Konsumtheorie geben z. B. Blümle (1985), Fisher (1983) und König (1978). 2 Es werden die Grundzüge einer frühen Version der LZH dargestellt. 3 Die Bezeichnung von Parametern und Variablen orientiert sich am Originalartikel von Madigliani und Brumberg (1954).

ll. Lebenszyklushypotheac und Hypotheac dea pennanenten Einkommens

93

Die Variable a, steht für den Vermögensbestand zu Beginn des Lebensjahres t, r steht für den Zinssatz und Y, steht für das Einkommen (außer Zinseinkommen) während des Lebensjahres t. Während für ein Individuum im Alter von t Jahren Y, und c, das aktuelle Einkommen und den aktuellen Konsum bezeichnen, stellen für T > t YT und cT das erwartete Einkommen bzw. den erwarteten Konsum dar. Das Typische der Lebenszyklushypothese in ihrer mikroökonomischen Variante ist hierbei unter anderem die explizite Berücksichtigung des Alters für die Konsumentscheidung. Für die weitere Analyse treffen Modigliani und Brumberg (1954, S. 390ff.) die folgenden Annahmen: a) lediglich der gegenwärtige und der zukünftige Konsum und das Vererben von Vermögen stiften dem Individuum Nutzen; b) Ausschluß von Unsicherheit; c) Konstanz des Preisniveaus für Konsumgüter; d) Vererbung und Schenkungen werden ausgeschlossen, d. h. gleich Null;

~+I

ist

e) der Konsumstrom wird durch die individuellen Präferenzen und den Zinssatz r beeinflußt, jedoch nicht durch den Umfang des Barwertes des zur Verfügung stehenden Vermögens v,; f) der Zinssatz r ist Null; g) das Modellindividuum plant, sein Einkommen gleichmäßig über den Lebensverlauf zu konsumieren, d. h. der Planungshorizont umfaßt die Phase des Erwerbslebens und die Phase des Rentnerdaseins. Unter diesen Annahmen leiten Modigliani und Brumberg (1954, S. 397) die folgende individuelle Konsumfunktion ab: (7)

_

c - c (y,

yc, a,

_ .1

t) - L Y + I

ili..:..!l .1 L yc + L a I

I

Hierbei bezeichnet c den aktuellen Konsum, Y das aktuelle Einkommen, yc das durchschnittlich erwartete Einkommen, a das Vermögen zu Beginn der Planungsperiode, L, die restliche Lebenszeit im Alter von t Jahren und N die Zahl der Jahre der Erwerbstätigkeit. Die einzelnen Koeffizienten hängen in dieser Darstellung vom Alter ab. Je länger die verbleibende Lebenszeit L" desto geringer ist die Konsumneigung aus Y und a. Die marginale Konsumneigung ist in der Darstellung der Gleichung (7) somit ausschließlich vom Alter abhängig. Gleichzeitig wird deutlich, daß Schwankungen des gegenwärtigen Einkommens in einem solchen Modellrahmen in einem geringeren Umfang den aktuellen Konsum bestimmen als in einem Modell, welches einen

94

C. Kreditbeschränkungen

kürzeren Planungshorizont als die verbleibende Lebenszeit unterstellt oder von Beschränkungen auf dem Kapitalmarkt ausgeht4 • Damit würden unter den Voraussetzungen des Modelles von Modigliani und Brumberg (1954) diejenigen Einkommenseinbußen, die mit einer Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubes einhergehen, das Konsumniveau während dieses Zeitraumes nur in einem vergleichsweise geringen Umfang beeinflussen. Ist das Lebenseinkommen ausreichend hoch und damit die Bedienung eines Kredites möglich, so wäre unter Einkommensaspekten eine präferenzgerechte Koordination von Kinderbetreuung und Beruf gewährleistet. Über weitere Umformungen gelangen Modigliani und Brumberg (1954, S. 404) schließlich zu der durch die Gleichung (8) dargestellten Sparfunktion, die sie zur Analyse des Spar- und Konsumverhaltens von solchen Haushalten heranziehen, die sich aufgrund von unerwarteten Einkommensschwankungen in einer Ungleichgewichtssituation befinden: (8)

s =

M L-t 1 L y" + L (y-y") - L [a - a (y", t)] \

\

Hierbei bezeichnet s die Ersparnis und (y - y") die Abweichung des aktuellen Einkommens von dem durchschnittlich in der Zukunft erwarteten Einkommen. Die Variable M steht für die Zahl der Jahre des Rentnerdaseins und [a - a (y", t)] bezeichnet die Abweichung des ursprünglichen Vermögensbestandes von dem Vermögensbestand, der mit den revidierten Vorstellungen über die Höhe des durchschnittlich in der Zukunft zu erwartenden Einkommens kompatibel ist. Ausgehend von der Sparfunktion in der Darstellung der Gleichung (8), stellen Modigliani und Brumberg (1954, S. 405) die folgende Überlegung an. Ein Individuum befindet sich im Alter von t-1 Jahren in einer Gleichgewichtsstituation. Im Alter von t Jahren erf'ahrt dieses Individuum eine unerwartete Steigerung seines Einkommens. Sie unterscheiden dabei zwei Situationen. Im ersten Fall betrachtet das Individuum die Einkommenssteigerung als vorübergehend. Modigliani und Brumberg bemerken hierzu: "There is no imbalance in assets and, therefore, the third tenn is zero. But the second tenn will be positive since a share of current income, amounting to Y\ - Y\.l' represents a nonpennanent component. Because our individual will be saving an abnonnally large share of this portion of his income, his saving ratio will rise above the nonnal figure This ratio will in fact be higher, the higher the share of current income which is nonpermanent, or, which is equivalent in this case, the higher the percentsge increase in income." (1954, S.405).

"t.

4 Im Gegensatz zur LZH, die neben dem aktuellen Einkommen auch Einkommenserwartungen als für den Konsum relevant erachtet, die sich auf den Lebenshorizont als Planungsgrundlage beziehen, sehen die absolute und relative Einkommenstheorie das jeweilige Gegenwartseinkommen als Bezugsgräße der Konsumentscheidung an.

ß. Lebenszyklushypothese und Hypothese dei permanenten Einkommens

95

Im zweiten Fall gehen Modigliani und Bnunberg davon aus, daß das Individuum aufgrund der Einkommenssteigerung seine ElWartungen bezüglich des durchschnittlich zu elWartenden zukünftigen Einkommens revidiert. Hierzu stellen Modigliani und Brumberg fest: "In this case the transitory component ia, of course, zero; but now the third tenn bccomca positive, reflecting an insufficiency of a&aCta relative to the new and higher income expcctstion. Accordingly, the saving ratio rises again above the normal level ~ by an extent which is grealer the greater the percentsge increase in incomc.· (1954, S. 405).

Aufgrund ihrer Überlegungen kommen Modigliani und Brumberg schließlich zu dem Ergebnis: ·Our model implies, then, that a household whose currcnt incomc unexpectedly rises above the previous 'accustomcd' level (where the term 'accustomed' refen to the average expccted income to which the household was adjusted), will save a proportion of ita income larger than it was saying before the change and also larger than ia prescntly saved by the permanent inhabitsnta of the incomc bracket into which the household now enten. 7he statemelll, of course, holds in reversefor afaU in income [meine Hervomebung!].· (\954, S. 4(6).

Es zeigt sich wiederum, daß in einem solchen Modellrahmen aktuelle Einkommensschwankungen unabhängig davon, ob es sich um Einkommenssteigerungen oder um Einkommensausfälle handelt, nur sehr gedämpft auf die Höhe des aktuellen Konsums wirken. Diese frühe mikroökonomische Version der LZH und die von Ando und Modigliani (1963) hiervon abgeleitete makroökonomische Variante der LZH hat eine intensive Diskussion ausgelöst. Die LZH wurde hierbei vielfach kritisiert. Es wurden unter anderem die folgenden Punkte als problematisch erachtet5: a) Isolierung der Konsumentscheidung von den übrigen ökonomischen Aktivitäten eines Haushaltes, z. B. der ElWerbsentscheidung; b) VelWendung eines einheitlichen Zinssatzes und der Verzicht, Verschuldungsgrenzen anzusetzen, unterstellen einen perfekten Kapitalmarkt; c) Ausschluß von Unsicherheit; d) Art des unterstellten ElWartungsbildungsprozesses entspricht nicht dem bereits hohen Maß an Rationalität bei der Konsumplanung; e) Länge des Planungshorizontes ist unrealistisch; f) Konstanz des Zinssatzes; S Einen Überblick hierüber geben z. B. Drost (\978), Fisher (1983), Franz (1987), Holzmann (1984) und Ramser (1978).

96

c. Kreditbeschränlrungen g) Nichtberücksichtigung von dauerhaften Konsumgütern und unvollständigen Zweithandmärkten; h) Nichtberücksichtigung von Schenkungs- und Vererbungsmotiven.

An diesen Kritikpunkten orientieren sich die verschiedenen Modifikationen, die die LZH im Zeitverlauf erfahren hat, auf die hier aber nicht eingegangen werden soll. Aufgrund des spezifischen Erkenntnisinteresses der vorliegenden Arbeit - gefragt ist nach den Möglichkeiten von Erziehungsurlaubern, Einkommensbestandteile aus der Zukunft in die Gegenwart zu verlagern - soll im Anschluß an die Darstellung der Grundzüge der PEH schwerpunktmäßig die Frage vertieft werden, welche Bedeutung Kapitalmarktunvollkommenheiten für die Erklärung des beobachtbaren Konsumverhaltens und damit für die Gültigkeit des Konzeptes der LZH zukommt. Hypothese des permanenten Einkommens

Ähnlich wie die LZH betrachtet auch die PEH die Konsumentscheidung als ein intertemporales Optimierungsproblem. Beide Ansätze betonen die Rolle des Vermögens für die Konsumentscheidung. Während die LZH die Frage des Lebensalters besonders hervorhebt, stellt die PEH die Bedeutung einer geeigneten Abgrenzung von Einkommensgrößen in den Vordergrund. Im Gegensatz zur LZH, die ursprünglich als eine mikroökonomische Theorie der Konsumentscheidung entwickelt wurde, wurde die PEH ungeachtet ihrer mikroökonomischen Fundierung von vornherein als eine makroökonomische Theorie konzipiert. Ausgangspunkt der PEH ist die Überlegung, daß Haushalte ihren Konsum nicht am Einkommen der laufenden Periode, sondern an den dauerhaften Einkommenserwartungen ausrichten (Friedman, 1957, S. 10). Hierzu bemerkt Friedman: "The designation of current receipts as 'income' in ststistical studies is an expedient enforced by limitstions of data. On a theoretical level, income is generaUy defined as the amount a consumer unit could consume (or believes that it could) while maintaining its wealth intact." (1957, S. 10).

Er bietet damit eine erste mögliche Definition des Begriffes 'permanentes Einkommen'. Gleichzeitig prägt Friedman (1957, S. 11) den Begriff des 'permanenten Konsums' und führt hierzu aus: "A similar problem arises about the meaning of 'consumption'. We have been using the tenn consumption to designate the value of the services that is it planned to consume during the period in question, which, under conditions of certainty, would also equal the value of the services actuaUy consumed. The tenn is generaUy used in statistical studies to designate actual expenditures on goods and services. It therefore differs from the value of services it is

11. Lebenszyklushypothese und Hypothese deI pennanenten Einkommens

97

planned to consume on two counts: because of additions to or subtractions from the stock of consumer goods, second, because of divergencel between plans and their realization.· (1957, S. 11).

Aufgrund von weiteren theoretischen Überlegungen gelangt Friedman (1957, S.7ff.) schließlich m der Konsumfunktion in der Darstellung der Gleichung (9), die als zentraler Baustein der PEH betrachtet werden kann: (9)

cp = k (i, w, u) Yp

= k (i, w, u) i W

Hierbei bezeichnet cp den permanenten Konsum, k das Verhältnis von permanentem Konsum m permanentem Einkommen, i6 den Zinssatz und w das Verhältnis von Vermögen (außer Humanvermögen) m permanentem Einkommen; u hingegen berücksichtigt diejenigen Faktoren, welche die Form der Indifferenzkurve determinieren. Die Variable W steht für das gesamte Vermögen (einschließlich Humanvermögen) der konsumierenden Einheit. Der für das Verhältnis von permanentem Konsum m permanentem Einkommen verantwortliche Proportionalitätsfaktor hängt damit nicht von der Höhe des Gesamtvermögens und nur indirekt von der Höhe des permanenten Einkommens ab; ein Punkt, der Anlaß für vielfältige Kritik und entsprechende empirische Überprüfungen gab. Eine direkte empirische Überprüfung der in Gleichung (9) dargestellten Konsumfunktion scheitert jedoch daran, daß sich die permanenten Größen cp und Yp nicht direkt beobachten lassen. Beobachten lassen sich nur die tatsäch. lichen Einnahmen und die tatsächlichen Ausgaben. Friedman (1957, S. 21ff.) nimmt deshalb die folgenden definitorischen Abgrenmngen zwischen den beobachtbaren und den permanenten Größen vor: (10)

(11) Die tatsächlichen (gemessenen) Einnahmen Y setzen sich demnach aus einer permanenten Komponente yp und einer transitorischen Komponente Yt msammen. Dabei spiegelt die permanente Größe y p den individuellen Vermögensbestand (außer Humanvermögen) und die individuelle Einkommenserzielungsfähigkeit der betrachteten Einheit wider. Die transitorische Größe Yt schließlich gibt Zufallseinflüsse wie Krankheit, Wetter oder die konjunkturelle Entwicklung wieder. Die Gleichung (11) kann analog interpretiert werden. Der tatsächliche (gemessene) Konsum c setzt sich demnach 6 Friedman (1957, S. 17) unterstellt einen für alle Vermögensarten einheitlichen Zinssatz. Darüber hinaus geht er von einem für die Kreditsufnahme und die -kreditvergabe gleichermaßen gültigen Zinssatz aus. 7 Arndt

98

C. Kreditbeschränkungen

aus einer permanenten Komponente cp und einer transitorischen Komponente CI zusammen. Friedman führt hierzu weiter aus: "The precise line to be drawn between permanent and transitory componenta is best left to be determined by the data themselves ... " (1957, S. 23).

Damit überläßt Friedman (1957) die Unterscheidung zwischen permanenten und transitorischen Größen der Empirie. Unklar bleibt auch, auf welchen Zeithorizont er beispielsweise den Begriff des 'permanenten Einkommens' bezieht. Friedman (1957) verweist hierzu wiederum auf die Empirie. Die Gleichungen (9), (10) und (11) ergänzt Friedman (1957, S. 26) um die folgende Annahme: (12)

q)'lyp

= q cI vor der Erwerbsunterbrechung l jeweils dem monatlichen Nettoerwerbseinkommen (~) und den monatlichen staatlichen Transferzahlungen (TI) der einzelnen Monate t des Erziehungsurlaubes gegenübergestellt. Die Differenz ergibt die für jeden Monat des FreisteIlungszeitraumes auf Monatsbasis berechnete Kreditobergrenze (~D1), die sich folgendermaßen darstellen läßt: (13)

Die Summe der dergestalt für die einzelnen Monate der Freistellung ermittelten Kreditobergrenzen ergibt die Kreditobergrenze für den Gesamtzeitraum des Erziehungsurlaubes (KErL). Dies läßt sich formal wie folgt darstellen: (14)

KErL =

N

L

~D1

1=1

Hierbei bezeichnet N die Dauer des beantragten Erziehungsurlaubes in Monaten. Dabei kann N gegenwärtig maximal den Wert 36 annehmen, soweit während des Erziehungsurlaubes kein weiteres Kind geboren wird. Staatliche Ausfallbürgschaften werden damit vorbehaltlich einer ausreichenden Kapitaldienstfähigkeit des Antragstellers für Kreditbeträge bis zu der in Gleichung (14) ermittelten Höchstgrenze vergeben, wobei aus der Sicht der Kreditinstitute noch die Eigenbeteiligung am Ausfallrisiko in Abzug zu bringen ist. Um die spätere Rückführung des Kredites sicherzustellen, ist in einem zweiten Schritt die Kapitaldienstfähigkeit des Kreditnehmers nach Maßgabe der modifizierten Kriterien der Kreditwürdigkeitsprüfung (vgl. Abschnitt D. H.) bei gegebener Länge der Tilgungsphase und bei gegebener 1 Um zufällige oder saisonale Schwankungen des monatlich verfügbaren Einkommens nach Möglichkeit auszuschließen, sind jahresdurchschnittliche Werte zu verwenden. Hierzu kann beispielsweise auf die letzten zwölf Monate vor AntragsteIlung Bezug genommen werden.

186

D. Das Familienkrcditmodell

Höhe des Kreditzinses etc. zu bestimmen. Der so ermittelte Kreditbetrag KFib ist KEn; gegenüberzustellen. Damit ergibt sich der Kreditbetrag KLim, über den der Erziehungsurlauber verfügen kann und für den staatlicherseits eine Ausfallbürgschaft übernommen wird als: (15)

KLim

,falls KFib