Das deutsche Pferdekaufrecht nach Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie [1 ed.] 9783428587070, 9783428187072

Die Arbeit untersucht die Auswirkungen der jüngsten Kaufrechtsreform auf den deutschen Pferdehandel. Neben einer kritisc

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Das deutsche Pferdekaufrecht nach Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie [1 ed.]
 9783428587070, 9783428187072

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 549

Das deutsche Pferdekaufrecht nach Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie

Von

Julia Lüdicke

Duncker & Humblot · Berlin

JULIA LÜDICKE

Das deutsche Pferdekaufrecht nach Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 549

Das deutsche Pferdekaufrecht nach Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie

Von

Julia Lüdicke

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-18707-2 (Print) ISBN 978-3-428-58707-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2022 von der Fakultät für Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 27. April 2022 statt. Literatur und Rechtsprechung wurden bis Ende 2021 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem viel zu früh verstorbenen Doktorvater Herrn Prof. Dr. Peter Mankowski, der mich auf diesem Weg mit Begeisterung, Anerkennung und Menschlichkeit unterstützt und begleitet hat. Unter Einräumung größtmöglicher wissenschaftlicher Freiheiten hat er mich zu dem von mir selbst gewählten Dissertationsthema ermutigt und mir mit besonderem fachlichen und persönlichen Engagement jederzeit zur Seite gestanden. Seine fröhliche Art, seine Leidenschaft und seinen unvergleichlichen Humor werde ich nie vergessen. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Reinhard Bork, der durch seine wertvolle Unterstützung und die außerordentlich schnelle Erstellung des Erstgutachtens einen zügigen Ablauf des Promotionsverfahrens ermöglicht hat. Für die rasche Anfertigung des Zweitgutachtens möchte ich mich außerdem bei Herrn Prof. Dr. Wolfgang Wurmnest, LL.M. (Berkeley) bedanken. Mein Dank gilt ferner der Studienstiftung des deutschen Volkes, die mich während der Promotion sowohl in ideeller als auch in finanzieller Hinsicht großzügig gefördert und unterstützt hat. Darüber hinaus möchte ich meinen großartigen Freunden danken, die mit zahlreichen Anregungen, spannenden und inspirierenden Diskussionen, sorgfältiger Lektüre und konstruktiver Kritik einen unschätzbaren Beitrag zum Gelingen dieser Arbeit geleistet haben. Besonderer Dank gebührt zudem Dr. med. vet. Christian Schäfer, der mir in veterinärmedizinischer Hinsicht ein wertvoller und begeisterungsfähiger Ansprechpartner war. Schließlich möchte ich mich von ganzem Herzen bei meiner Familie bedanken, ohne deren Rückhalt diese Arbeit niemals entstanden wäre. Insbesondere danke ich meinen Eltern für ihre bedingungslose Unterstützung während meiner gesamten juristischen Ausbildung, ihren Zuspruch und den Mut für dieses Projekt. Leider durfte mein Vater die Vollendung der Arbeit nicht mehr erleben. Umso mehr danke ich meinem Großvater, der meine Dissertation als Erster gelesen und durch seine wertvollen Anregungen bereichert hat. Mit Freude blicke ich auf eine spannende Promotionszeit zurück und danke allen, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Hamburg, im Juni 2022

Julia Lüdicke

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 1 Gesetzeshistorische Entwicklung des deutschen Pferdekaufrechts

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A. „Viehgewährschaftsrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

B. „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

C. „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die „große Lösung“ der Schuldrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Streichung der viehkaufrechtlichen Sondervorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24 24 25

D. „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz)“ . . . . . . . .

26

E. „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Europäischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. (Verfehlte?) Rechtspolitische Zielsetzung der Warenkaufrichtlinie . . . . . 2. Öffnungsklausel zugunsten lebender Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Deutsche Umsetzungsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frühzeitige Empfehlungen aus Fachkreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Referenten- und Regierungsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weiteres Gesetzgebungsverfahren und Verabschiedung . . . . . . . . . . . . . . .

27 28 29 30 30 31 31 32

Kapitel 2 Sachmängel beim Pferdekauf A. Der Sachmangelbegriff des § 434 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 434 BGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 434 BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Subjektive und objektive Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschaffenheitsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertraglich vorausgesetzter Verwendungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewöhnliche Verwendung und übliche Beschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . .

34 34 34 34 35 36 37 37 38

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Inhaltsverzeichnis III. Begriffe der Beschaffenheit und Verwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschaffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40 40 41 42

B. Kategorisierung hippologischer Beschaffenheitsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kategorie 1: Identifikationsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kategorie 2: Gesundheitsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kategorie 3: Verhaltensmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Geschuldete Beschaffenheit beim Pferdekauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kategorie 1: Geschuldete Identifikationsmerkmale des Pferdes . . . . . . . . . . . 1. Subjektive Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektive Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis zu Kategorie 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kategorie 2: Geschuldete Gesundheitsmerkmale des Pferdes . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektive Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einbeziehung von veterinärmedizinischen Untersuchungsprotokollen aa) Konkludente Einbeziehung von AKU-Protokollen? . . . . . . . . . . . . bb) Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesonderte Information und Zustimmung des Verbrauchers . . (2) Umsetzung in der pferdekaufrechtlichen Praxis . . . . . . . . . . . . (3) Konsequenzen und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschaffenheitsvereinbarungen ohne AKU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektive Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befunde mit klinischer Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befunde ohne klinische Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Röntgenbefunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beurteilung der Üblichkeit anhand des Röntgen-Leitfadens? (2) Üblichkeit trotz erhöhter Wahrscheinlichkeit klinischer Symptome? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Üblichkeit trotz sicher oder hoch wahrscheinlich auftretender klinischer Symptome? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Mit Sicherheit auftretende klinische Symptome . . . . . . . . (b) Mit hoher Wahrscheinlichkeit auftretende klinische Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Pferdekaufimmanente Entwicklungsunsicherheit bleibt bestehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Verantwortungsbereich des Käufers . . . . . . . . . . . . . . (cc) Rechtsunsicherheit und fehlende Evidenzbasierung in der Veterinärmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 45 45 46 47 47 47 48 49 50 51 54 55 56 57 58 59 59 59 62 64 64 65 66 66 68 71

Inhaltsverzeichnis

11

bb) Übrige Dispositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Dispositionsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Latenzstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Manifestationsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vollständig ausgeheilte Vorerkrankungen und Verletzungen . . . . (1) Übertragung der Grundsätze zu Röntgenbefunden . . . . . . . . . (2) Keine Übertragung der Rechtsprechung zu Unfallwagen . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Operationsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Schönheitsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Abweichende Beurteilung bei Befunden, auf die der Markt mit Preisabschlägen reagiert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis zu Kategorie 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kategorie 3: Geschuldete Verhaltensmerkmale des Pferdes . . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektive Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektive Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stallverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schmiede- und Verladeverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Reitverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesundheitsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Reiterliches Unvermögen oder Disharmonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Natürliches Verhaltensmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis zu Kategorie 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 72 72 73 73 74 74 75 75 77 77 78 78 79 79 82 82 83 85 86 88 89 90 90 91

D. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 3 Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf A. Grundzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93 93

B. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Verbrauchsgüterkaufvertrag i. S. d. § 474 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Verbleibende Rechtsunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 II. Ausschlusstatbestand des § 474 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Öffentlich zugängliche Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Rückausnahme in § 474 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Exkurs: Hybridauktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

12

Inhaltsverzeichnis 2. Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Pferden . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungskriterien des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme des Pferdes . . . . . . . . . . . bb) Lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmangelrisikos . . . . . . . . cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragliche Zustandsbestimmung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzungen und Reichweite der Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sechsmonatszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Doppelwirkung der Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechungsänderung aufgrund der Faber-Entscheidung des EuGH b) Fortgeltung der BGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unangemessene Risikoverteilung beim Pferdekauf und tierschutzrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Faktische Haltbarkeitsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anreiz zu „Probekäufen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausschluss der Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unvereinbarkeit der Vermutung mit der Art der Ware „Pferd“ . . . . . . . . . 2. Unvereinbarkeit der Vermutung mit der Art des mangelhaften Zustands . . a) Unvereinbarkeit der Vermutung mit mangelhaften Identifikationsmerkmalen (Kategorie 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unvereinbarkeit der Vermutung mit mangelhaften Gesundheitsmerkmalen (Kategorie 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Offenkundige Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kurze Inkubationszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine weitergehende Erkenntnismöglichkeit des Verkäufers . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unvereinbarkeit der Vermutung mit mangelhaften Verhaltensmerkmalen (Kategorie 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 103 104 105 107 109 110 111 111 112 113 114 115 115 118 119 119 120 122 123 123 126 126 127 128 128 130

C. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Kapitel 4 Nacherfüllung beim Pferdekauf A. Der Erfüllungsort der Nachbesserung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fortgeltung der Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

132 133 133 133 135 136

Inhaltsverzeichnis

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II. Pferdekauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erhebliche Unannehmlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tierschutzrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interessen des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137 137 139 140 140

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unmöglichkeit der Nacherfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. (Un-)Möglichkeit der Mangelbeseitigung beim Pferdekauf . . . . . . . . . . . . 2. (Un-)Möglichkeit der Nachlieferung eines Ersatzpferdes . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung auf den Pferdekauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verschärfung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahmefälle in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Praktische Gestaltungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tierkaufspezifische Erhöhung der Verhältnismäßigkeitsgrenze? . . . . . . . a) Verhältnismäßigkeitsgrenze bei Gesundheitsmängeln (Kategorie 2) . . aa) Rechtsgedanke und doppelte Schutzrichtung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragbarkeit auf § 439 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine unangemessene Benachteiligung des Verkäufers . . . . . . . . dd) Exkurs: Kostenbeteiligungsrecht des Pferdekäufers . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnismäßigkeitsgrenze bei Identifikations- und Verhaltensmängeln (Kategorie 1 und 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Weber/Putz-Entscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ersatzlose Streichung des § 475 Abs. 4 BGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unzumutbarkeit der Nacherfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fallgruppen beim Pferdekauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachhaltiger Vertrauensverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bindung an das Pferd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arglistige Täuschung bei Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Notfallbehandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. (Not-)Selbstvornahmerecht des Pferdekäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Grundsätze zur Selbstvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Selbstvornahme beim Pferdekauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz: Kein Selbstvornahmerecht des Pferdekäufers . . . . . . . . . . . . .

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14

Inhaltsverzeichnis 2. Ausnahme in Kategorie 2: Erstattungsfähige Notfallbehandlungen . . . . . 169

D. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Kapitel 5 Verjährung beim Pferdekauf

175

A. Verjährungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 B. Vertragliche Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verjährungserleichterungen in AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirksamkeit nach § 309 Nr. 7 lit. a) und b) BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirksamkeit nach § 309 Nr. 8 lit. b) ff) BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verjährungserleichterungen beim Verbrauchsgüterkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtslage vor dem 1. Januar 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ferenschild-Entscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konsequenzen für das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geplante Neuregelung durch das „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Exkurs: Unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch des VerbraucherPferdekäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage seit dem 1. Januar 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konsequenzen für die pferdekaufrechtliche Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweifel an der Richtlinienkonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Kapitel 6 Legislative Regelungsalternativen A. Gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fehlende Berücksichtigung tierspezifischer Besonderheiten und des Tierwohls II. Auslegungsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzen der Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

189 189 189 190 191

B. Keine Verbesserung durch das Umsetzungsgesetz zur Warenkaufrichtlinie . . 191 C. Alternative Regelungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sonderrecht für Lebendtierkäufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Herausnahme lebender Tiere aus dem Verbrauchsgüterkaufregime . . . . . . . . 1. Bedürfnis nach Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine abweichende Beurteilung aufgrund überwiegender Tierschutzbelange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192 192 193 194 196

Inhaltsverzeichnis 3. Exkurs: Rechtslage in europäischen Nachbarländern . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sondervorschriften für den Kauf lebender Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine strengen Formanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 476 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 476 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begrenzung der Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abkehr von der Beweislastumkehr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlage der Vermutungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine überwiegenden tierschutzrechtlichen Belange . . . . . . . . . . . cc) Keine Differenzierung nach den Mangelkategorien . . . . . . . . . . . . b) Dispositive Vermutungsfrist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verkürzte Vermutungsfrist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wahrung der Verbraucherinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wahrung der Unternehmerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wahrung der Tierschutzinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gleichstellung lebender Tiere mit gebrauchten Sachen . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetzliche Festlegung des Nacherfüllungsortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorvertragliche Untersuchungsobliegenheit des Käufers . . . . . . . . . . . . . . a) Obliegenheit zur Durchführung einer AKU? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untersuchungsobliegenheit gem. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB nur bei offensichtlichen Indizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbarkeit des § 442 Abs. 1 BGB auch beim B2C-Pferdekauf . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Einführung einer Rügeobliegenheit des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 196 199 200 200 201 202 203 203 203 204 205 205 206 206 207 208 208 209 210 212 213 213 214 215 215 218 218

Kapitel 7 Schlussbetrachtung A. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Pferdekaufspezifische Auslegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verbleibende Rechtsunsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verpasste Chancen durch das Umsetzungsgesetz zur Warenkaufrichtlinie . .

220 220 220 222 223

B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

Abkürzungsverzeichnis Die in der Arbeit verwendeten Abkürzungen entsprechen denen von Kirchner, Hildebert (Begr.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Aufl., Berlin 2021 sowie Duden, Konrad (Begr.), Die deutsche Rechtschreibung, 28. Aufl., Berlin 2020. Darüber hinaus wurden folgende Abkürzungen verwendet: ABGB AEUV AKU a. M. B2B B2C BeckEuRS BeckOGK BeckOK BeckRS CCE CDU CGT ders. endg. ErwGr. FCoV FDP FN gem. GPM i. S. d. jM jurisPK KSchG LPO MüKo NK o. b. B. PSSM

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Ankaufsuntersuchung am Main Business to Business Business to Consumer Beck-online Rechtsprechung des EuGH, EuG und EuGöD beck-online.Grosskommentar Beck’scher Online-Kommentar Beck-Rechtsprechung Conseil central de l’économie (Zentraler Wirtschaftsrat Belgiens) Christlich Demokratische Union Deutschlands Confédération générale du travail (französischer Gewerkschaftsbund) derselbe endgültig Erwägungsgrund Feline Infektiöse Peritonitis (infektiöse Bauchfellentzündung bei Katzen) Freie Demokratische Partei Fédération Équestre Nationale (Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V.) gemäß Gesellschaft für Pferdemedizin im Sinne der/des juris – Die Monatszeitschrift juris PraxisKommentar Konsumentenschutzgesetz (Österreich) Leistungs-Prüfungs-Ordnung (Regelwerk für nationale Reitturniere) Münchener Kommentar Nomos Kommentar ohne besonderen Befund Polysaccharide Storage Myopathy (angeborene genetisch bedingte Muskelerkrankung bei Pferden)

Abkürzungsverzeichnis rM RRI SchuldR s. o. SOU st. Rspr. Var. verb. WD zit.

17

reitsportMAGAZIN Reiter Revue International (Fachzeitschrift für den Reit- und Pferdesport) Schuldrecht siehe oben Statens offentliga utredningar (schwedisch für „Offizielle Berichte der schwedischen Regierung“) ständige Rechtsprechung Variante verbundene Wissenschaftliche Dienste zitiert

Einführung „Wer ein Pferd ohne Fehler haben möchte, muss zu Fuß gehen.“1

Dieses französische Sprichwort belächelt zu Recht die Illusion, ein in jeder Hinsicht ideal beschaffenes Pferd erwerben zu können. Kaum ein anderes Kaufobjekt ist mit einem vergleichbar hohen Fehlerrisiko behaftet wie ein Pferd. Denn im Gegensatz zu leblosen Sachen können Pferde weder kontrolliert hergestellt noch sicher aufbewahrt werden. Vielmehr unterliegen sie einer stetigen biologischen Entwicklung sowie einem natürlichen (Über-)Lebensrisiko, das weder prognostizierbar noch beherrschbar ist. Der Pferdekäufer kauft daher stets „die Katze (besser: das Pferd) im Sack“. Das macht Pferde jedoch keineswegs zu einem weniger attraktiven Kaufobjekt. Im Gegenteil: Der Pferdehandel ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor herangewachsen. Während jährlich rund 2,6 Milliarden Euro nur für die laufenden Kosten in Pferdesport und -haltung ausgegeben werden, liegt der Gesamtumsatz der deutschen Pferdewirtschaft schätzungsweise bei knapp sieben Milliarden Euro.2 Allein die Reitpferdeauktionen der Zuchtverbände machten im Jahr 2019 einen Gesamtumsatz von knapp 21 Millionen Euro, im Vorjahr waren es noch 19,6 Millionen Euro.3 Zudem bildet das Pferd inzwischen bei mehr als 10.000 deutschen Unternehmen direkt oder indirekt den Haupt-Geschäftsgegenstand.4 Dieses Wirtschaftswachstum beruht nicht nur darauf, dass sich der Reitsport in Deutschland mit derzeit rund 2,32 Millionen Reitern als Breitensport etabliert hat,5 sondern ist auch Folge dessen, dass die deutsche Pferdezucht über die nationalen Grenzen hinaus weltweit bekannt und beliebt ist. So stammten bei den Weltreiterspielen 2018 in Tryon (USA) 128 Pferde und damit knapp 23 Prozent aller gestarteten Pferde aus der deutschen Zucht, wobei die deutschen Pferde allein im Springen zehn der möglichen 15 Medaillen gewinnen konnten.6

1 Sprichwort aus Frankreich, abrufbar unter https://www.aphorismen.de/zitat/17989 (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 2 FN, Jahresbericht 2020, S. 64. 3 Zahlen und Fakten der FN, abrufbar unter https://www.pferd-aktuell.de/deutschereiterliche-vereinigung/zahlen–fakten (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 4 FN, Jahresbericht 2020, S. 64. 5 Zahlen und Fakten der FN (s. o. Fn. 3). 6 Zahlen und Fakten der FN (s. o. Fn. 3).

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Einführung

Vor diesem Hintergrund hat auch das „Pferderecht“ in Deutschland eine hohe praktische Bedeutung erlangt. Zunehmend spezialisieren sich Rechtsanwälte auf diesem Gebiet.7 Das Oberlandesgericht Celle hat mit seinem 20. Zivilsenat sogar einen eigenen „Pferdesenat“.8 Zudem wurde mit dem seit 2005 jährlich stattfindenden sog. „Deutschen Pferderechtstag“ ein Expertenforum für Pferderechtsanwälte, Fachtierärzte und Sachverständige ins Leben gerufen.9 Anlass für die Gründung dieses Forums waren u. a. die weitreichenden Folgen der Schuldrechtsreform, die ihrerseits durch die zwingende Umsetzung der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 10 angestoßen worden ist und im Jahr 2002 für grundlegende Veränderungen im Pferdekaufrecht gesorgt hat. Während zuvor zwischen viehkaufrechtlichen Sondervorschriften und dem allgemeinen Kaufrecht zu unterscheiden war, wurde der Kauf eines Pferdes fortan wie der Erwerb einer leblosen Sache behandelt. Mit den dadurch hervorgerufenen Rechtsunsicherheiten haben sich seitdem nicht nur Examenskandidaten zu beschäftigen. Vielmehr ist der Pferdekauf zum Dauerbrenner in deutschen Gerichtssälen avanciert. Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 und damit exakt 20 Jahre nach der Schuldrechtsreform wurde das nationale Kaufrecht erneut modernisiert. Auch wenn das in der Nacht zum 25. Juni 2021 verabschiedete „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“11 nicht mit dem „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ vom 26. November 200112 zu konkurrieren vermag, so hat es doch die wohl größten Veränderungen seit der Schuldrechtsreform bewirkt.13 Hintergrund war erneut die zwingende Umsetzung einer europäischen Richtlinie. Konkret handelt es sich um die sog. Warenkaufrichtlinie vom 20. Mai 2019,14 die die bislang maßgebliche Verbrauchsgüterkaufrichtlinie – ebenfalls mit Wirkung zum 1. Januar 2022 –

7 Vgl. die eigens dafür eingerichtete Suchplattform „Pferderechtsanwälte“, abrufbar unter: https://www.pferderechtsanwaelte.de (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 8 Geschäftsverteilungsplan des OLG Celle für das Geschäftsjahr 2021, abrufbar unter: https://oberlandesgericht-celle.niedersachsen.de /startseite/wir_uber_uns/geschafts verteilung/geschaeftsverteilung-202986.html (zuletzt abgerufen im Dezember 2021), S. 51. 9 Vgl. https://www.pferderechtstag.de (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 10 „Richtlinie (EU) 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter“, ABlEG L 171 v. 07.07.1999, S. 12. 11 BGBl 2021 I, S. 2133. 12 BGBl 2001 I, S. 3138. 13 So auch Weiß, ZVertriebsR 2021, 208, 216. 14 „Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.05. 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG“, ABl. L 136 v. 22.05.2019, S. 28.

Einführung

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abgelöst hat15 und neben der Stärkung des europäischen Binnenmarktes auf eine weitere Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus gerichtet ist. Letzteres ist jedoch nicht der Grund, warum die Richtlinie bei den nationalen Pferdehändlern für Aufsehen gesorgt hat. Auslöser dafür war vielmehr Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie, der es den Mitgliedstaaten erstmals gestattet, lebende Tiere aus dem Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufrechts auszunehmen.16 Die neuen europäischen Vorgaben boten daher die Möglichkeit, nicht nur verbraucherspezifische, sondern auch die Besonderheiten des Tierkaufs in die nationale Umsetzungsgesetzgebung einfließen zu lassen. Diese Chance hat die deutsche Legislative indes ungenutzt verstreichen lassen. Stattdessen hat sie die Warenkaufrichtlinie nicht nur überschießend, sondern überwiegend auch mit Wirkung für den Tierkauf umgesetzt, weshalb die Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus den Pferdehandel mit voller Wucht getroffen hat. Was das im Einzelnen rechtlich bedeutet und wie diese gesetzgeberische Entscheidung aus hippologischer Sicht zu bewerten ist, soll Gegenstand dieser Arbeit sein. Neben einer kritischen Würdigung des seit Januar 2022 maßgeblichen pferdekaufrechtlichen Systems soll eine Erörterung der gesetzgeberischen Regelungsalternativen aufzeigen, ob diese gegenüber der gewählten Umsetzungsgesetzgebung vorzugswürdig gewesen wären. Maßgeblich ist dabei nicht nur die Gewährleistung rechtssicherer und interessengerechter Ergebnisse, sondern insbesondere auch die Realisierung des zwischenzeitlich in Art. 20a GG verankerten Staatsziels Tierschutz.

15

Art. 23 der Warenkaufrichtlinie. Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie erlaubt die Ausnahme lebender Tiere vom Anwendungsbereich der Richtlinie, was wohl die Ausnahme von den nationalen Verbraucherschutzregelungen meint; so auch Bach, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 12. 16

Kapitel 1

Gesetzeshistorische Entwicklung des deutschen Pferdekaufrechts A. „Viehgewährschaftsrecht“ Nach der aktuellen Gesetzeslage macht es für den Käufer rechtlich gesehen keinen großen Unterschied, ob er ein Pferd oder eine Kaffeemaschine erwirbt. Die gesetzliche Ausgangslage ist dieselbe. Dieser Gleichlauf war jedoch keineswegs schon immer so vorgesehen, sondern ist eine der Errungenschaften der Schuldrechtsreform im Jahr 2002. Zuvor galt über hundert Jahre lang das auf dem sog. deutschen Rechtsprinzip beruhende Viehgewährschaftsrecht von 1900.1 Dieses war dadurch gekennzeichnet, dass es in den §§ 481 ff. BGB a. F. Sondervorschriften für den Verkauf von Nutztieren, wozu auch Pferde zählten, vorsah, während das allgemeine Kaufrecht der §§ 459 ff. BGB a. F. nur subsidiär zur Anwendung gelang.2 Dadurch sollte einerseits Rechtssicherheit geschaffen und die Anzahl an Prozessen reduziert und andererseits der Viehhandel sowie die Viehzucht gefördert und den Besonderheiten des Handels mit lebenden Tieren entsprochen werden.3 Nach § 482 Abs. 1 BGB a. F. haftete der Verkäufer eines Pferdes nur für die sog. Hauptmängel und für diese auch nur, wenn sie sich innerhalb bestimmter Gewährsfristen zeigten.4 Die Hauptmängel waren in der „Kaiserlichen Verordnung, betreffend die Hauptmängel und Gewährfristen beim Viehhandel“ vom 27. März 18995 (im Folgenden: Viehmängelverordnung) aufgeführt, welche auf der Grundlage von § 481 Abs. 2 BGB a. F. erlassen worden war. Nach § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 der Viehmängelverordnung hatte der Verkäufer eines Pferdes ausschließlich für gesundheitliche Fehler einzustehen, namentlich für Rotz, Dummkoller, Dämpfigkeit, Kehlkopfpfeifen, periodische Augenentzündung und Koppen. Zeigte sich eine dieser Erkrankungen innerhalb der jeweils vierzehntägigen

1 2 3 4 5

Riedel, S. 13; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 170. Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 170; Sommer, S. 21. J. Brinkmann, AUR 2005, 181, 182. Sommer, S. 36. RGBl 1899, S. 219 f.

B. „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres‘‘

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Gewährsfrist,6 wurde gem. § 484 BGB a. F. vermutet, dass der Mangel schon zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden war. Dem Käufer stand dann unter den Voraussetzungen des § 485 BGB a. F. das Recht zur Wandelung nach § 487 BGB a. F. zu.7 Handelte es sich bei dem streitgegenständlichen Kauf um einen Gattungskauf, konnte der Käufer gem. § 491 BGB a. F. stattdessen auch die Nachlieferung eines mangelfreien Pferdes verlangen.8 Im Übrigen haftete der Verkäufer gem. § 492 BGB a. F. nur, wenn er eine entsprechende Gewährleistung übernommen oder eine Eigenschaft des Pferdes zugesichert hatte.9 Die Verjährung der früheren Mängelrechte war in § 490 BGB a. F. geregelt und betrug sechs Wochen seit dem Ende der Gewährsfrist.10 Das Viehgewährschaftsrecht unterlag bereits vor seiner Aufnahme in das BGB erheblicher Kritik und war seit jeher Gegenstand zahlreicher Diskussionen.11 Moniert wurden nicht nur die erheblichen Nachteile für den Käufer, sondern auch, dass die Viehmängelverordnung nicht dem aktuellen Stand der tiermedizinischen Erkenntnisse entsprochen habe.12 Zudem hätten sich die Verwendungszwecke von Pferden sowie der Tierhandel insgesamt verändert, weshalb auch die Sonderbehandlung einiger Tierarten jeder Grundlage entbehre.13 Auf die Kritik wurde zwar mit vereinzelten Gesetzesentwürfen reagiert, die die Streichung der Viehmängelverordnung und die Anpassung an das allgemeine Sachmängelgewährleistungsrecht vorgesehen haben.14 Verwirklicht wurde dieses Vorhaben indes erst im Rahmen der Schuldrechtsreform im Jahr 2002.

B. „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht“ Vor der Schuldrechtsreform gab es jedoch noch eine weitere wichtige Gesetzesänderung. Am 1. September 1990 ist das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht“ und damit die Vorschrift des § 90a BGB in Kraft getreten. Seitdem steht in § 90a S. 1 BGB gesetzlich festgeschrieben, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: „Tiere sind keine Sa6 Hierbei handelte es sich um eine von Amts wegen zu berücksichtigende Ausschlussfrist, die von den Parteien gem. § 486 BGB a. F. vertraglich verlängert werden konnte, Riedel, S. 14. 7 Dazu Sommer, S. 46 ff. 8 Sommer, S. 56 f. 9 Dazu im Einzelnen Riedel, S. 15 m.w. N.; Sommer, S. 58 ff. 10 Vgl. J. Brinkmann, AUR 2005, 181, 182; BT-Drucks 14/6040, S. 205 f. 11 Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 170 f.; Sommer, S. 95 ff. 12 Sommer, S. 99 ff. 13 Vgl. zusammenfassend Riedel, S. 18 ff. m.w. N.; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 171; BT-Drucks 14/6040, S. 206 ff. 14 Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 171.

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Kap. 1: Gesetzeshistorische Entwicklung des deutschen Pferdekaufrechts

chen“. Der Gesetzgeber wollte damit zum Ausdruck bringen, dass das Tier ein Mitgeschöpf des Menschen und ein schmerzempfindendes Lebewesen ist, dem gegenüber der Mensch zu Schutz und Fürsorge verpflichtet ist. Dieser Grundgedanke sollte im BGB durch die Beseitigung der formalen Gleichstellung des Tieres mit einer Sache zum Ausdruck kommen.15 Kaufrechtliche Auswirkungen hatte die Gesetzesänderung jedoch nicht. Für den Pferdehandel galt weiterhin primär das Viehgewährschaftsrecht sowie sekundär das allgemeine Kaufrecht der §§ 459 ff. BGB a. F. Denn weder graduiert § 90a BGB lebende Tiere zu Rechtssubjekten16 noch wird ihre Verkehrsfähigkeit in sonstiger Weise berührt. Vielmehr untergräbt § 90a BGB sein tierschutzrechtliches Potential, indem er in S. 3 die für Sachen geltenden Vorschriften – vorbehaltlich tierspezifischer Sonderbestimmungen – für entsprechend anwendbar erklärt. Angesichts dieser faktischen Gleichbehandlung wird § 90a BGB in der Literatur auch als „symbolische Gesetzgebung“17, „Begriffskosmetik“18 oder „gefühlige Deklamation ohne wirklichen rechtlichen Inhalt“19 bezeichnet.

C. „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ Zwölf Jahre später gelang schließlich der langersehnte Durchbruch. Mit Wirkung zum 1. Januar 2002 ist das „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ vom 26. November 200120 (im Folgenden „Schuldrechtsmodernisierungsgesetz“) in Kraft getreten, durch das nicht nur die kaufrechtlichen Regelungen umfassend reformiert, sondern insbesondere die viehkaufrechtlichen Sondervorschriften ersatzlos gestrichen worden sind.

I. Die „große Lösung“ der Schuldrechtsreform Anlass war u. a. die Verpflichtung des deutschen Gesetzgebers zur Umsetzung dreier europäischer Richtlinien (1999/44/EG (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie), 2000/35/EG21 sowie Art. 10, 11 und 18 der Richtlinie 2000/31/EG22). Dabei hatte er die Wahl zwischen der sog. „kleinen Lösung“, die eine isolierte Umset15

BT-Drucks 11/5463, S. 1. Mössner, BeckOGK BGB, § 90a Rn. 10. 17 Braun, JuS 1992, 758, 758. 18 Medicus/Petersen, BGB AT Rn. 1178a. 19 Ellenberger, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 90a Rn. 1. 20 BGBl 2001 I, S. 3138. 21 „Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.06.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“, ABlEG L 200 v. 08.08. 2000, S. 35. 22 „Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 08.06.2000 über den elektronischen Geschäftsverkehr“, ABlEG L 178 v. 17.07.2000, S. 1. 16

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zung der Richtlinien vorsah und der „großen Lösung“, die eine gleichzeitige Modernisierung des Verjährungsrechts, des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und des Kaufrechts sowie eine Integration der Verbraucherschutzgesetze in das BGB beinhaltete.23 Da das Bundesministerium der Justiz (BMJV) die Einführung eines besonderen Verbraucherkaufrechts sowie eine isolierte Überarbeitung des Kaufrechts wegen seiner engen Verknüpfung mit dem Allgemeinen Schuld- und Verjährungsrecht für nicht darstellbar hielt,24 entschied es sich bekanntlich für die „große Lösung“.25 Unter enormem Zeitdruck – der sich aus der zwingenden Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bis zum 1. Januar 2002 ergab26 – entstand in der Folge das „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“.

II. Streichung der viehkaufrechtlichen Sondervorschriften Das Reformgesetz sah u. a. die ersatzlose Streichung der bislang geltenden Sondervorschriften für den Viehkauf und damit eine Anpassung des Tierkaufrechts an das allgemeine Sachmängelgewährleistungsrecht vor.27 Begründet wurde diese Entscheidung zum einen mit der Reformunfähigkeit der bislang geltenden Viehmängelverordnung und zum anderen mit der – jedenfalls partiellen28 – Alternativlosigkeit der Aufhebung des Viehgewährschaftsrechts infolge der zwingenden Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.29 Dies hätte Veranlassung dazu gegeben, die Sonderregelungen insgesamt zu streichen.30 Die Legislative unterlag insoweit der (zweifelhaften) Annahme, dass es aufgrund des Fortschritts der tiermedizinischen Wissenschaft keiner tierspezifischen Sonderregelungen mehr bedürfe.31 Beraten lassen hat sie sich insoweit jedoch nicht; vielmehr hat der Reformgesetzgeber wegen des hohen Zeitdrucks erstmals bei der Änderung viehkaufrechtlicher Vorschriften auf einen umfassenden Austausch mit tiermedizinischen und/oder landwirtschaftlichen Experten verzichtet.32 Konsequenz dieser bis heute maßgeblichen gesetzgeberischen Entscheidung war, dass fortan nicht mehr zwischen dem Kauf eines Tieres und dem Erwerb einer leblosen Sache unterschieden wurde. Vielmehr finden seitdem über § 90a 23 Knütel, NJW 2001, 2519, 2519; W. Ernst, ZRP 2001, 1, 2; Däubler-Gmelin, NJW 2001, 2281, 2281. 24 Vgl. zu den Motiven für die „große Lösung“ Dauner-Lieb, DStR 2001, 1572, 1574. 25 Dazu ausführlich Däubler-Gmelin, NJW 2001, 2281. 26 Vgl. Art. 11 Abs. 1 S. 1 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 27 BGBl 2001 I, S. 3154. 28 Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 204. 29 BT-Drucks 14/6040, S. 81, S. 206 f. 30 BT-Drucks 14/6040, S. 81. 31 BT-Drucks 14/6040, S. 206 f. 32 Bemmann, RdL 2005, 57, 57.

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Kap. 1: Gesetzeshistorische Entwicklung des deutschen Pferdekaufrechts

S. 3 BGB sowohl die allgemeinen kaufrechtlichen Regelungen als auch die Verbraucherschutzvorschriften entsprechende Anwendung, was zu einer erheblichen Verbesserung der Käuferrechte geführt hat. Denn einerseits stehen dem Käufer seitdem die in § 437 BGB aufgeführten Mängelrechte vollumfänglich zu. Andererseits ist er nicht mehr auf die sog. Hauptmängel der Viehgewährsordnung beschränkt, sondern kann seine Ansprüche unter den Voraussetzungen des § 434 BGB auf sämtliche Fehler des Pferdes stützen (sog. römisch-rechtliches Prinzip).33 Hinzu kommen die Schutzvorschriften der §§ 474 ff. BGB, die dem Verbraucher die Durchsetzung seiner Mängelrechte im B2C-Bereich zusätzlich erleichtern. Eingebüßt wurde indes ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit. Insbesondere der weite Sachmangelbegriff des § 434 BGB sowie die Anwendbarkeit der Verbrauchsgüterkaufvorschriften wurden zum Ausgangspunkt zahlreicher Gerichtsprozesse sowie zum Gegenstand erheblicher tierkaufrechtlicher Kritik.34 Bis heute ist die Instanzrechtsprechung von – teils stark divergierenden – Einzelfallentscheidungen geprägt, denen der BGH in regelmäßigen Abständen eine Leitlinie vorzugeben versucht.35 Dabei ist er jedoch stets an den konkreten Einzelfall sowie an den Grundsatz der Gewaltenteilung gebunden, was die Aufstellung allgemeingültiger Lösungsansätze nur selten möglich macht.36

D. „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz)“ Unmittelbar nach der Schuldrechtsreform hat eine weitere tierspezifische Gesetzesänderung für Aufmerksamkeit gesorgt. Mit Wirkung zum 1. August 2002 ist Art. 20a GG um das Staatsziel „Tierschutz“ erweitert worden.37 Während der von der Vorschrift ebenfalls umfasste Umweltschutz bereits im Jahr 1994 verfassungsrechtlich verankert wurde,38 scheiterten zunächst etliche Versuche, auch 33

H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 518. Vgl. zuletzt insbesondere Bemmann et al., AUR 2020, 171. 35 Zuletzt u. a. BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 zu Rittigkeitsproblemen als Sachmangel; BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 dazu, ob ein zweieinhalbjähriger Hengst als „gebraucht“ anzusehen ist; oder BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 zu ausgeheilten Verletzungen als Sachmangel. 36 So führte der BGH kürzlich aus, dass sich „keine allgemein gültigen zeitlichen Grenzen aufstellen [lassen], ab denen ein noch nicht einer Verwendung zugeführtes Tier, insbesondere ein Pferd, nicht mehr als ,neu‘ zu bewerten ist“, BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 39. 37 „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz)“ v. 26.07.2002, BGBl I, S. 2862. 38 „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 3, 20a, 28, 29, 72, 74, 75, 76, 77, 80, 87, 93, 118a und 125a)“ v. 27.10.1994, BGBl I, S. 3146. 34

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den Tierschutz in das Grundgesetz aufzunehmen.39 Sie verfehlten stets die im Bundestag erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit.40 Erst das sog. „Schächturteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 200241 bewirkte ein Umdenken, da der verfassungsrechtlich gesicherten Religionsfreiheit eine höhere Bedeutung als dem lediglich einfachgesetzlich verankerten Schutz der geschächteten Tiere beigemessen wurde.42 Die Fraktionen erkannten die Notwendigkeit, dem Tierschutz Verfassungsrang zu verleihen und ergänzten Art. 20a GG bereits wenige Monate später um die drei Worte „und die Tiere“.43 Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll dadurch dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit den Tieren Rechnung getragen werden.44 Umfasst werden dabei drei Elemente: der Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung, der Schutz vor vermeidbaren Leiden sowie der Schutz vor der Zerstörung tierischer Lebensräume.45 Als Staatszielbestimmung ausgestaltet richtet sich die Vorschrift in erster Linie an die Legislative, die „im einfachen Recht die Belange und den Schutz der Tiere [. . .] im Ausgleich mit anderen berechtigten Interessen zu verwirklichen [hat]“.46 Zugleich verpflichtet Art. 20a GG aber auch die Judikative, die die verfassungsrechtliche Wertentscheidung zugunsten des Tierschutzes stets – auch ohne ausdrückliche Anordnung – bei der Auslegung des einfachen Rechts berücksichtigen muss.47

E. „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ Nach nunmehr knapp zwei Jahrzehnten lediglich kleinerer Gesetzesänderungen48 wurde das deutsche (Verbrauchsgüter-)Kaufrecht unlängst einer erneuten Modernisierung unterzogen. Grund dafür waren erhebliche Neuerungen auf euro39 Hirt/Maisack/Moritz, Art. 20a GG Rn. 2; Huster/Rux, BeckOK GG, Art. 20a Rn. 6. 40 Hirt/Maisack/Moritz, Art. 20a GG Rn. 2. 41 BVerfG, Urt. v. 15.01.2002 – 1 BvR 1783/99 (BVerfGE 104, 337), NJW 2002, 663. 42 Huster/Rux, BeckOK GG, Art. 20a Rn. 6. 43 BT-Drucks 14/8860, S. 1 f. 44 BT-Drucks 14/8860, S. 3. 45 BT-Drucks 14/8860, S. 3. 46 BT-Drucks 14/8860, S. 3; Huster/Rux, BeckOK GG, Art. 20a Rn. 27. 47 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20a Rn. 21; Huster/Rux, BeckOK GG, Art. 20a Rn. 32. 48 Z. B. durch das „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren“ v. 28.04.2017, BGBl I, 969.

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Kap. 1: Gesetzeshistorische Entwicklung des deutschen Pferdekaufrechts

päischer Ebene. Denn mit Wirkung zum 1. Januar 2022 wurde die seit knapp 20 Jahren maßgebliche Verbrauchsgüterkaufrichtlinie von der am 20. Mai 2019 verabschiedeten Warenkaufrichtlinie ersetzt, die ihrerseits bis zum 1. Juli 2021 in deutsches Recht umzusetzen war.

I. Europäischer Hintergrund Die Warenkaufrichtlinie ist eines der beiden übriggebliebenen Fragmente des jahrelangen Versuchs einer Vollharmonisierung der Verbrauchervertragsrichtlinien. Nachdem die Europäische Kommission die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bereits mit dem Vorschlag der Verbraucherrechterichtlinie 49 vollharmonisieren wollte, scheiterte dieses Vorhaben ebenso wie das einige Jahre später (hoch)gesteckte Ziel eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts (GEK)50 am Widerstand der Mitgliedstaaten und damit letztlich an der fehlenden Unterstützung im Europäischen Rat.51 Hintergrund war insbesondere die in einigen Mitgliedstaaten mit der beabsichtigten Rechtsvereinheitlichung notwendig verbundene Herabsetzung des Verbraucherschutzniveaus, die politisch nur schwer durchsetzbar erschien.52 Die Kommission gab jedoch nicht auf und legte schließlich zwei neue Richtlinienentwürfe vor: einen zur Bereitstellung digitaler Inhalte53 sowie einen zum Online- und sonstigen Fernabsatz von Waren.54 Nachdem letzterer noch um den stationären Warenhandel ergänzt und somit zum Entwurf einer Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels (insgesamt) geändert wurde,55 sind am 20. Mai 2019 schließlich beide Richtlinien verabschiedet worden.56 49 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher, KOM(2008) 614 endg. v. 08.10.2008. 50 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein gemeinsames europäisches Kaufrecht, KOM(2011) 635 endg. v. 11.10.2011. 51 Zinner, VuR 2019, 241, 241; Staudenmayer, ZEuP 2019, 663, 665. 52 Staudenmayer, ZEuP 2019, 663, 665. 53 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte, KOM(2015) 634 endg. v. 09.12.2015. 54 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren, KOM(2015) 635 endg. v. 09.12.2015; dazu u. a. Stiegler/ Wawryka, BB 2016, 903. 55 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, KOM(2017) 637 endg. v. 31.10.2017; dazu Gsell, ZEuP 2018, 501. 56 ABl. L 136 v. 22.5.2019, S. 1–27 bzw. S. 28–50.

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1. (Verfehlte?) Rechtspolitische Zielsetzung der Warenkaufrichtlinie Im Gegensatz zur bislang geltenden Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die (lediglich) das rechtspolitische Ziel der Gewährleistung eines europaweit einheitlichen Mindeststandards an Verbraucherschutz verfolgte,57 hat die Warenkaufrichtlinie zusätzlich die Förderung des europäischen Binnenmarktes in ihre Zweckbestimmungen aufgenommen.58 Letzterer wurde unter dem bislang vorherrschenden Mindestharmonisierungsansatz der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie insbesondere dadurch beeinträchtigt, dass einige Mitgliedstaaten erheblich über die europäischen Vorgaben hinausgegangen sind.59 Dadurch kam es nicht nur zu einer deutlichen Anhebung des Verbraucherschutzniveaus, sondern auch zu einer starken – den grenzüberschreitenden Handel in der Union behindernden – Fragmentierung der nationalen Rechtsordnungen.60 Die Warenkaufrichtlinie hat sich daher zum Ziel gesetzt, für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden – jeweils in der AEUV festgeschriebenen61 – unionsrechtlichen Zielen zu sorgen.62 Als Mittel zum Zweck hat sie sich in Art. 4 dem bislang gescheiterten Vorhaben der Vollharmonisierung verschrieben.63 Diese Anhebung des Harmonisierungsgrades gestattet den Mitgliedstaaten weder eine Abweichung von den unionsrechtlichen Vorgaben nach unten noch – und das ist neu – nach oben,64 mithin weder die Gewährleistung eines niedrigeren noch eines höheren Verbraucherschutzniveaus. Auf diese Weise soll eine Rechtsvereinheitlichung herbeigeführt werden, die nicht nur Unternehmern den grenzüberschreitenden Handel erleichtern,65 sondern auch das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt stärken soll.66 Der von Art. 4 ausgehende Schein einer schlussendlich erfolgreich durchgesetzten Vollharmonisierung des Warenhandels trügt jedoch.67 Denn an wesentlichen Stellen durchbricht der europäische Gesetzgeber sein verfolgtes Ziel, indem er den Mitgliedstaaten verschiedene Öffnungsklauseln gewährt.68 Diese sind 57

Art. 1 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Art. 1 der Warenkaufrichtlinie. 59 Staudenmayer, ZEuP 2019, 663, 665. 60 Vgl. ErwGr. 6 der Warenkaufrichtlinie; Staudenmayer, ZEuP 2019, 663, 665. 61 Art. 26 Abs. 1 und 2 AEUV sowie Art. 169 Abs. 1 und 2 lit. a) AEUV. 62 ErwGr. 2 der Warenkaufrichtlinie. 63 Vgl. auch ErwGr. 10 der Warenkaufrichtlinie. 64 Vgl. zum Begriff der Vollharmonisierung Alexander/Jüttner, JuS 2020, 1137, 1139. 65 ErwGr. 7 der Warenkaufrichtlinie. 66 ErwGr. 5, 8 der Warenkaufrichtlinie; Zöchling-Jud, GPR 2019, 115, 116. 67 Vgl. auch Zinner, VuR 2019, 241, 241, die von einer nur „scheinbaren Vollharmonisierung“ spricht oder Zöchling-Jud, GPR 2019, 115, 117, wonach von der angestrebten Vollharmonisierung lediglich ein „Torso“ übrig bleibt. 68 Z. B. sieht Art. 11 Abs. 2 der Warenkaufrichtlinie die Möglichkeit einer Verdoppelung der nach Abs. 1 grundsätzlich einjährigen Beweislastumkehr vor. 58

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Kap. 1: Gesetzeshistorische Entwicklung des deutschen Pferdekaufrechts

das Ergebnis notwendiger Zugeständnisse, ohne die auch der erneute Versuch einer Vollharmonisierung im Rat gescheitert wäre.69 2. Öffnungsklausel zugunsten lebender Tiere Eine dieser Öffnungsklauseln hat im nationalen und internationalen Pferdehandel besondere Aufmerksamkeit erlangt. Es handelt sich dabei um Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie, der im ursprünglichen Kommissionsvorschlag noch nicht vorgesehen war,70 sondern erst auf Initiative einiger Mitgliedstaaten – u. a. Schweden71 – Eingang in die Richtlinie gefunden hat. Neben der bereits bekannten Bereichsausnahme zugunsten gebrauchter und in einer öffentlichen Versteigerung verkaufter Sachen72 gestattet Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie nunmehr auch die Herausnahme lebender Tiere aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie. Den nationalen Gesetzgebern stand es daher im Zuge der bis zum 1. Juli 2021 zwingend zu erfolgenden Umsetzung frei, nicht nur den Kauf bestimmter gebrauchter Waren, sondern auch den Erwerb lebender Tiere von den strengen Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufrechts zu befreien.

II. Deutsche Umsetzungsgesetzgebung Der deutsche Gesetzgeber hat von einer entsprechenden Bereichsausnahme zugunsten lebender Tiere abgesehen. Dennoch stellt das zur nationalen Umsetzung der Warenkaufrichtlinie verabschiedete und am 1. Januar 2022 in Kraft getretene „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und an-

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Staudenmayer, ZEuP 2019, 663, 666. KOM(2017) 637 endg. v. 31.10.2017. 71 Vgl. die auf die schriftliche Anfrage 2018/19:214 veröffentlichte Antwort des schwedischen Ministers für Justiz und Migration Morgan Johansson v. 26.02.2019: „[. . .] Vi har varit framgångsrika i förhandlingarna och fått gehör för att medlemsstaterna får undanta köp av levande djur från direktivets tillämpningsområde.“ („[. . .] Wir waren in den Verhandlungen erfolgreich und haben erreicht, dass die Mitgliedstaaten den Kauf von lebenden Tieren aus dem Geltungsbereich der Richtlinie ausschließen können.“), Ju2019/00507/POL, abrufbar unter https://www.riksdagen.se/sv/dokumentlagar/dokument/svar-pa-skriftlig-fraga/levande-djur-i-konsumentkoplagstiftningen_H61 2214 (zuletzt abgerufen im Dezember 2021) sowie die auf die schriftliche Anfrage 2017/18:568 veröffentlichte Antwort der schwedischen Premierministerin Heléne Fritzon v. 17.01.2018: „[. . .] Sverige har redan i de inledande förhandlingarna av förslaget tagit upp att frågan om köp av levande djur är något som bör uppmärksammas i de fortsatta diskussionerna.“ („[. . .] Schweden hat die Frage des Kaufs lebender Tiere bereits in den ersten Verhandlungen über den Vorschlag als ein Thema angesprochen, das in den weiteren Diskussionen berücksichtigt werden sollte.“), Ju2018/00393/POL, abrufbar unter https://www.riksdagen.se/sv/dokument-lagar/dokument/svar-pa-skriftligfraga/levande-djur-i-konsumentkoplagstiftningen_H512568 (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 72 Art. 1 Abs. 3 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 70

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derer Aspekte des Kaufvertrags“ (im Folgenden „Umsetzungsgesetz“) ein Kompromissergebnis unzähliger Diskussionen um die Sonderbehandlung lebender Tiere im Kaufrecht dar. 1. Frühzeitige Empfehlungen aus Fachkreisen Vor dem Hintergrund der europäischen Entwicklungen haben sich insbesondere die Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN) und der Ausschuss für Tierzucht-, Tierseuchen- und Tierschutzrecht der Deutschen Gesellschaft für Agrarrecht frühzeitig dafür eingesetzt, Tiere von den strengen Schutzvorschriften des Verbrauchsgüterkaufrechts auszunehmen. Dazu haben sie einen zwölfköpfigen Expertenkreis aus Vertretern der Veterinär-, Rechts- und Agrarwissenschaften zusammengestellt, der bereits im Frühjahr 2020 sowohl dem BMJV als auch zahlreichen Mitgliedern des Deutschen Bundestages eine ausführliche Stellungnahme73 übermittelt hat.74 Diese schließt mit der an den Gesetzgeber gerichteten ausdrücklichen Empfehlung, von der Öffnungsklausel des Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie Gebrauch zu machen und lebende Tiere aus dem Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufrechts insgesamt auszunehmen.75 Zur Begründung wurde insbesondere auf tierschutzrechtliche Aspekte sowie darauf verwiesen, dass der Käufer eines lebenden Tieres in der Regel gegenüber dem Verkäufer kein Wissensdefizit aufweise und außerdem durch die allgemeinen kaufrechtlichen sowie die AGB-Vorschriften ausreichend Schutz genieße.76 Diese Position wurde seitens der FN in einem Gespräch mit dem Staatssekretär des BMJV noch einmal persönlich hervorgehoben.77 2. Referenten- und Regierungsentwurf Trotz aller Bemühungen fielen aber sowohl der im Dezember 2020 vorgelegte Referentenentwurf 78 als auch der wenig später veröffentlichte, nahezu wortgleiche Regierungsentwurf 79 ernüchternd aus. Beide Vorschläge haben von einer Umsetzung der Öffnungsklausel zugunsten lebender Tiere abgesehen, ohne diese überhaupt zu erwähnen oder sich mit den geäußerten tierkaufrechtlichen Bedenken auseinanderzusetzen. Stattdessen wurde die Erhöhung des Verbraucher73

Bemmann et al., AUR 2020, 171. Vgl. dazu im Einzelnen FN, Jahresbericht 2020, S. 57. 75 Bemmann et al., AUR 2020, 171, 179. 76 Bemmann et al., AUR 2020, 171, 173 ff. 77 So FN, Jahresbericht 2020, S. 57. 78 Abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Doku mente/RefE_Warenkaufrichtlinie.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 79 BT-Drucks 19/27424. 74

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Kap. 1: Gesetzeshistorische Entwicklung des deutschen Pferdekaufrechts

schutzniveaus unbesehen auf den Tierkauf übertragen, was eine erneute Welle der Kritik ausgelöst hat.80 Die Motive des Gesetzgebers blieben mangels entsprechender Begründung zunächst unbekannt. Erst auf Nachfrage der FDP-Abgeordneten Nicole Bauer wurde seitens der Bundesregierung erwidert, dass Tiere zwar keine Gegenstände seien und gegenüber anderen beweglichen Sachen Besonderheiten aufweisen würden.81 Es sei der Rechtsprechung aber seit der Streichung der viehkaufrechtlichen Sonderregelungen gleichwohl gelungen, die tierischen Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen und im Konfliktfall zu interessengerechten Ergebnissen zu gelangen.82 Die Rückkehr zu Sondergewährleistungsrechten für den Kauf lebender Tiere, wie sie vor der Schuldrechtsreform galten, sei mit Blick auf deren mangelnde Flexibilität nicht erstrebenswert, weshalb auch eine vollständige Herausnahme lebender Tiere aus dem Regelungsbereich des geltenden Kaufrechts nicht sachgerecht sei.83 3. Weiteres Gesetzgebungsverfahren und Verabschiedung Angesichts der anhaltenden Kritik84 wurde jedoch im weiteren parlamentarischen Verfahren diskutiert, ob beim Kauf lebender Tiere zumindest von einer weiteren Erhöhung der Beweislastumkehr abzusehen und deren bisheriger Geltungszeitraum von sechs Monaten beizubehalten sei.85 Nach einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, in der sich auch Prof. Dr. Ivo Bach für eine tierkaufspezifische Sonderregelung der Beweislastumkehr ausgesprochen hat,86 wurde seitens des Ausschusses schließlich eine entsprechende Beschlussempfehlung veröffentlicht.87 Diese war Gegenstand der zweiten und dritten Lesung im Bundestag, welcher in der nächtlichen Rekordsitzung vom 25. Juni 2021 und damit kurz vor dem Ende der europäischen Umsetzungsfrist final über das Reformgesetz zu entscheiden hatte. Unter enormen Zeitdruck wurde schlussendlich der Regierungsentwurf in der vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz geänderten Fassung an80 Vgl. zum Referentenentwurf FN, Stellungnahme zum Referentenentwurf sowie Ausschuss für Tierzuchtrecht, Stellungnahme zum Referentenentwurf; zum Regierungsentwurf außerdem Lüdicke, RdL 2021, 161. 81 BT-Drucks 19/30613, S. 70 f. 82 BT-Drucks 19/30613, S. 71. 83 BT-Drucks 19/30613, S. 71. 84 Vgl. zum weiteren Vorgehen der FN: FN, Jahresbericht 2020, S. 57. 85 Vgl. BT-Drucks 19/30613, S. 71. 86 Bach, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 12. 87 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss), BT-Drucks 19/30951, S. 18; vgl. außerdem den Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks 19/31116, S. 17.

E. „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen‘‘

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genommen.88 Politisch durchgesetzt wurde somit zwar keine Bereichsausnahme zugunsten lebender Tiere. Erstmals seit der Schuldrechtsreform wird aber der rechtliche Gleichlauf zwischen dem Kauf einer Sache und dem eines lebenden Tieres dadurch unterbrochen, dass die Beweislastumkehr eine tierspezifische Sonderregelung in Form der Beibehaltung der bisherigen Sechsmonatsfrist erfahren hat. Im Übrigen bleibt es jedoch weiterhin bei der rechtlichen Gleichbehandlung lebender Tiere mit gegenständlichen Sachen. Dass sich der deutsche Gesetzgeber im Ergebnis nur zu einer punktuellen tierkaufspezifischen Aufrechterhaltung des Status Quo durchringen konnte, überrascht indes nicht – nahte doch das Ende der Legislaturperiode. Ob die breite Wählerschaft eine Herabsenkung des Verbraucherschutzniveaus zugunsten des Tierwohls hingenommen hätte, wird nun keine Rolle mehr spielen. Die Würfel sind gefallen: Der Verbraucherschutz hat gewonnen. Die neuen Regelungen gelten nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 58 EGBGB für alle nach dem 31. Dezember 2021 geschlossenen Kaufverträge.

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Vgl. Plenarprotokoll 19/236 v. 24.06.2021, S. 30759.

Kapitel 2

Sachmängel beim Pferdekauf Durch den Abschluss eines Pferdekaufvertrags verpflichtet sich der Verkäufer gem. § 433 Abs. 1 S. 2 BGB dazu, dem Käufer das Pferd frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Tut er dies nicht, stehen dem Käufer die in § 437 BGB genannten Gewährleistungsrechte zu. Ausgangspunkt jedes Mängelgewährleistungsanspruchs ist somit die Frage nach der Mangelhaftigkeit des erworbenen Pferdes. Während der Käufer unter der Geltung des früheren Viehgewährschaftsrechts gem. § 482 Abs. 1 BGB a. F. nur die sog. Hauptmängel, d.h. die von der Viehmängelverordnung erfassten Krankheiten beanstanden konnte, ist mittlerweile zwischen Sach- (§ 434 BGB) und Rechtsmängeln (§ 435 BGB) zu unterscheiden. Da letztere in der hippologischen Praxis keine wesentliche Rolle spielen, soll der Fokus auf die Vorschrift des § 434 BGB gelegt werden. Dabei lässt bereits die amtliche Überschrift der Norm („Sachmangel“) deren Ungeeignetheit für die entsprechende Anwendbarkeit auf den Kauf eines lebenden Pferdes erahnen. Das vorhandene Konfliktpotential bestätigt sich mit Blick auf die dazu ergangene umfangreiche Judikatur, die sich in zahlreichen Einzelfallkonstellationen mit der rechtlichen Beurteilung verschiedenster Mangelerscheinungen verkaufter Pferde zu beschäftigen hatte.

A. Der Sachmangelbegriff des § 434 BGB Die auf den Verkauf körperlicher Gegenstände zugeschnittene Konzeption des § 434 BGB beruht in wesentlichen Zügen auf europarechtlichen Implikationen. Nachdem sich der deutsche Gesetzgeber bereits im Zuge der Schuldrechtsreform hinsichtlich der Systematik und den verwendeten Begrifflichkeiten überschießend an den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie orientiert hatte, berücksichtigt auch der seit dem 1. Januar 2022 maßgebliche § 434 BGB die geänderten Anforderungen der Warenkaufrichtlinie.

I. Systematik 1. § 434 BGB a. F. Bislang hat § 434 BGB a. F. in drei Absätzen zwischen sieben verschiedenen Arten von Sachmängeln unterschieden. Abs. 1 umschrieb die Mangelfreiheit der

A. Der Sachmangelbegriff des § 434 BGB

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Kaufsache,1 weshalb sich die Mangelhaftigkeit als Abweichung von diesem SollZustand definieren ließ.2 Der geschuldete Zustand der Sache war dabei anhand eines dreistufigen Systems zu ermitteln: Primär war darauf abzustellen, was die Parteien vertraglich vereinbart haben (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.). „Soweit“ eine solche Vereinbarung nicht getroffen wurde, kam es sekundär auf die Eignung zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung an (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a. F.).3 Hatten die Parteien sowohl eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen als auch einen bestimmten Verwendungszweck vorausgesetzt, musste das Kaufobjekt beiden Anforderungen genügen, sofern diese miteinander in Einklang standen.4 Widersprachen sie sich, wurde der Beschaffenheitsvereinbarung zwar in der Regel die Priorität eingeräumt,5 es war jedoch stets durch Auslegung zu ermitteln, welche Vereinbarung im konkreten Einzelfall Vorrang genoss.6 Fehlten subjektive Anknüpfungspunkte, kam es nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB a. F. schließlich auf die Eignung der Sache zur gewöhnlichen Verwendung, auf die Üblichkeit ihrer Beschaffenheit sowie auf diejenige Beschaffenheit an, die der Käufer nach der Art der Sache erwarten konnte.7 Der Gesetzgeber priorisierte somit bislang einen aus der Privatautonomie abzuleitenden subjektiven Fehlerbegriff, der nur hilfsweise auf objektive Maßstäbe zurückgegriffen hat.8 2. § 434 BGB n. F. Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 wurde das bisherige – nicht unumstrittene9 – Stufensystem von einem neuen systematischen Ansatz abgelöst. Der im Zuge der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie reformierte Sachmangelbegriff des § 434 Abs. 1 BGB normiert, dass die Kaufsache frei von Sachmängeln ist, wenn sie den subjektiven und den objektiven Anforderungen (sowie den beim Pferdekauf zu vernachlässigenden Montageanforderungen) entspricht. Im Gegensatz zum bisherigen Stufenverhältnis wurde damit eine Gleichrangigkeit zwischen den sub-

1

Schmidt, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 434 Rn. 6. Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 1. 3 Büdenbender, NK-SchuldR, § 434 Rn. 21. 4 OLG München, Urt. v. 28.08.2014 – 24 U 2956/12, NJW-RR 2015, 435 Rn. 26; Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 49; Weidenkaff, in: Palandt (80. Aufl. 2021, jetzt Grüneberg), BGB, § 434 Rn. 13. 5 Weidenkaff, in: Palandt (80. Aufl. 2021, jetzt Grüneberg), BGB, § 434 Rn. 13. 6 OLG München, Urt. v. 28.08.2014 – 24 U 2956/12, NJW-RR 2015, 435 Rn. 27; Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 49; Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 6; Teigelack, AUR 2008, 309, 310. 7 Schmidt, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 434 Rn. 41; Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 55. 8 Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 2; Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 6. 9 Zur umstrittenen Richtlinienkonformität des bislang vorherrschenden subjektiven Fehlerbegriffs Lorenz, MüKo BGB, Vor § 474 Rn. 12. 2

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

jektiven und objektiven Kriterien geschaffen, die zur Mangelfreiheit der Kaufsache grundsätzlich kumulativ erfüllt sein müssen.10 Hintergrund dieser systematischen Änderung ist Art. 7 Abs. 1 der Warenkaufrichtlinie, der ausdrücklich verlangt, dass die Sache zusätzlich zur Einhaltung der subjektiven Anforderungen auch objektiv vertragsgemäß sein muss. Zumindest für den Verbrauchsgüterkauf blieb dem deutschen Gesetzgeber daher kein Spielraum, das bisherige Stufensystem weiterhin aufrechtzuerhalten. 11 Der neue systematische Ansatz wird jedoch grundsätzlich keine praktischen Auswirkungen haben.12 Die Parteien werden auch weiterhin frei darin sein, ausdrücklich oder konkludent eine Beschaffenheit der Kaufsache zu vereinbaren, die von den objektiven Anforderungen abweicht.13 Das stellt § 434 Abs. 3 S. 1 BGB ausdrücklich klar, indem er – wie bisher § 434 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. – normiert, dass die Sache den objektiven Anforderungen nur entsprechen muss, „soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde“. Dass die Vereinbarung „wirksam“ sein muss, stellt eine redundante Klarstellung einer Selbstverständlichkeit dar. Sie dürfte jedoch daher rühren, dass im Verbrauchsgüterkaufrecht vertragliche Abweichungen von den objektiven Anforderungen inzwischen nur noch unter Einhaltung der besonderen Formerfordernisse des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB zulässig sind. Demnach muss der Verbraucher nicht nur gesondert auf die Abweichung von den objektiven Anforderungen hingewiesen werden (Nr. 1), sondern diese auch ausdrücklich akzeptieren (Nr. 2).14 Dadurch soll dem Informations- und Schutzbedürfnis des Verbrauchers Rechnung getragen und dieser vor nicht wahrgenommenen, hinter seinen objektiv berechtigten Erwartungen zurückbleibenden Leistungsbeschreibungen in AGB bewahrt werden.15

II. Subjektive und objektive Anforderungen Unabhängig von der neuen Systematik des Sachmangelbegriffs entsprechen die von § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 BGB vorgesehenen – nunmehr ausdrücklich so bezeichneten – subjektiven und objektiven Anforde10 BT-Drucks 19/27424, S. 23; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 6. 11 So schon Lommatzsch/Albrecht/Prüfer, GWR 2020, 331, 332; K. Tonner, VuR 2019, 363, 364. 12 Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 6; vgl. für den Verbrauchsgüterkauf außerdem ErwGr. 36 der Warenkaufrichtlinie. 13 BT-Drucks 19/27424, S. 23; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 6. 14 Dazu ausführlich Kap. 2 C. II. 1. a) bb). 15 BT-Drucks 19/27424, S. 23; zum zugrundeliegenden Art. 7 Abs. 5 Warenkaufrichtlinie auch Weißensteiner, ZfRV 2019, 199, 202; Zöchling-Jud, GPR 2019, 115, 120; vgl. außerdem Stiegler/Wawryka, BB 2016, 903, 906.

A. Der Sachmangelbegriff des § 434 BGB

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rungen an den geschuldeten Zustand der Kaufsache denen des bisherigen § 434 Abs. 1 BGB a. F.16 Nach beiden Fassungen muss die Kaufsache subjektiv der vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB bzw. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.) sowie dem vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB bzw. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a. F.) entsprechen. Objektiv wird hingegen auf die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB bzw. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 1 BGB a. F.) sowie auf diejenige Beschaffenheit abgestellt, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache sowie nach den öffentlichen Äußerungen erwarten kann (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB bzw. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 2, S. 3 BGB a. F.). Angesichts dieser Parallelität dürfte auch die bisherige Rechtsprechung zu § 434 Abs. 1 BGB a. F. weitgehend aufrechtzuerhalten sein. 1. Beschaffenheitsvereinbarungen Beschaffenheitsvereinbarungen i. S. v. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB können daher grundsätzlich sowohl ausdrücklich als auch durch schlüssiges Verhalten getroffen werden (einzige Ausnahme: § 476 Abs. 1 S. 2 BGB17); letzteres kommt jedoch nicht „im Zweifel“, sondern nur in eindeutigen Fällen in Betracht.18 Erforderlich ist stets, dass der Verkäufer in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache19 übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen.20 2. Vertraglich vorausgesetzter Verwendungszweck Im Gegensatz dazu hat der BGH für die vertraglich vorausgesetzte Verwendbarkeit i. S. v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a. F. bislang einen von beiden Parteien übereinstimmend unterstellten Nutzungszweck für ausreichend erachtet.21 Eine Vereinbarung sei demnach nicht erforderlich; es genüge, wenn der Käufer den

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Lorenz, NJW 2021, 2065, Rn. 7, 10. Dazu ausführlich unter Kap. 2 C. II. 1. a) bb). 18 BGH, Urt. v. 20.03.2019 – VIII ZR 213/18, NJW 2019, 1937 Rn. 22; BGH, Urt. v. 26.04.2017 – VIII ZR 80/16, NJW 2017, 2817 Rn. 13; BGH, Urt. v. 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 18, 35; siehe auch BT-Drucks 19/27424, S. 23. 19 Erfasst sind ausdrücklich nur Vereinbarungen hinsichtlich der „Beschaffenheit“ einer Sache, Abreden über anderweitige Gegebenheiten der Sache bleiben außen vor, Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 9. 20 BGH, Urt. v. 20.03.2019 – VIII ZR 213/18, NJW 2019, 1937 Rn. 22; BGH, Urt. v. 26.04.2017 – VIII ZR 80/16, NJW 2017, 2817 Rn. 13; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 14.09.2021 – 6 U 127/20, BeckRS 2021, 28243 Rn. 20. 21 St. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 26.04.2017 – VIII ZR 80/16, NJW 2017, 2817 Rn. 16; BGH, Urt. v. 16.03.2012 – V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078 Rn. 16. 17

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

Verwendungszweck bei Vertragsschluss gegenüber dem Verkäufer zur Kenntnis bringt und sich der Verkäufer nicht dagegen verwahrt.22 Diese Rechtsprechung wurde schon vor dem Hintergrund des bislang maßgeblichen Art. 2 Abs. 2 lit. b) der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der ebenso wie Art. 6 lit. b) der Warenkaufrichtlinie ausdrücklich eine „Zustimmung“ des Verkäufers fordert, kritisiert.23 Angesichts der mindestharmonisierenden Wirkung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie war insoweit jedoch kein Richtlinienverstoß zu befürchten.24 Die seit Januar 2022 geltende Warenkaufrichtlinie entfaltet hingegen vollharmonisierende Wirkung, weshalb die bisherige Rechtsprechung – zumindest im B2C-Bereich – wohl aufzugeben und stattdessen eine Vereinbarung, d.h. eine ausdrückliche oder konkludente Zustimmung des Verkäufers hinsichtlich des vom Käufer zur Kenntnis gebrachten Nutzungszwecks zu verlangen sein dürfte.25 Für ein solches Verständnis spricht auch die systematische Stellung des § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB, der sich zwischen zwei Varianten wiederfindet, die beide ausdrücklich auf eine Vereinbarung abstellen.26 Zudem fordert inzwischen auch der deutsche Gesetzgeber – anders als noch bei § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a. F.27 – eine zumindest konkludente Zustimmung des Verkäufers.28 Bedeutung erlangt die Anknüpfung an den vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck jedoch ohnehin nur dann, wenn es sich um eine andere als die objektiv geschuldete gewöhnliche Verwendung handelt.29 3. Gewöhnliche Verwendung und übliche Beschaffenheit Zur gewöhnlichen Verwendung eignet sich die Kaufsache, wenn sie für Zwecke genutzt werden kann, für die Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden.30 Maßgeblich ist der Erwartungshorizont eines vernünftigen Durchschnittskäufers aus dem Verkehrskreis des Erwerbers.31 Ausweislich der Gesetzesmaterialien sollen bei der Beurteilung der gewöhnlichen Verwendungs22

Weidenkaff, in: Palandt (80. Aufl. 2021, jetzt Grüneberg), BGB, § 434 Rn. 22. Vgl. u. a. Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 434 Rn. 73; Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 51 m.w. N.; Lorenz, MüKo BGB, § 434 Rn. 18; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233, 235. 24 Wilke, VuR 2021, 283, 283. 25 So auch Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 7; Wilke, VuR 2021, 283, 283; Pfeiffer, GPR 2021, 120, 124; a. A. wohl Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 17 f. 26 Wilke, VuR 2021, 283, 283. 27 Vgl. BT-Drucks 14/6040, S. 213. 28 BT-Drucks 19/27424, S. 23. 29 Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 18. 30 Vgl. BT-Drucks 14/6040, S. 213. 31 Martinek, in: Staudinger, BGB, § 434 Rn. 84; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 25. 23

A. Der Sachmangelbegriff des § 434 BGB

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eignung sowohl das bestehende Unionsrecht als auch das nationale Recht, technische Normen oder – in Ermangelung dessen – anwendbare sektorspezifische Verhaltenskodizes Berücksichtigung finden.32 Die übliche Beschaffenheit der Kaufsache richtet sich ebenfalls nach dem objektiv berechtigten Erwartungshorizont eines vernünftigen Durchschnittskäufers, welcher primär durch einen Vergleich mit anderen Gütern der gleichen Art geprägt wird.33 Darüber hinaus kann der Begriff der üblichen Beschaffenheit gem. § 434 Abs. 3 Nr. 2 lit. b) BGB durch öffentliche Äußerungen des Verkäufers oder näher bezeichneter Dritter erweitert werden, sofern sie geeignet sind, die Kaufentscheidung des Käufers zu beeinflussen. Hintergrund ist, dass ein Käufer, der seiner Kaufentscheidung eine öffentliche Anpreisung der Sache zugrunde gelegt hat, auch darauf vertrauen dürfen sollte, dass der Verkäufer an diese Eigenschaften gebunden ist.34 Erfasst sind Äußerungen jeder Form,35 die sich an einen unbestimmten Personenkreis richten.36 Relevant wird dies jedoch nur dann, wenn die betreffende Äußerung nicht bereits Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen geworden ist.37 Während der Vorschrift daher bei Äußerungen des Verkäufers nur eine geringe praktische Bedeutung zukommt,38 kann sie insbesondere im Rahmen von Auktionen oder (Internet-)Inseraten eine entscheidende Rolle spielen.39 Soweit der neue § 434 Abs. 3 S. 2 BGB zusätzlich eine – nicht abschließende – Aufzählung von Merkmalen enthält, die zur üblichen Beschaffenheit i. S. v. Nr. 2 gehören sollen, kommt dem rein deklaratorische Wirkung zu.40 Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll lediglich klargestellt werden, dass die übliche Beschaffenheit sämtliche Merkmale einer Sache erfasst.41 Auch ohne gesetzliche Normierung darf aber beispielsweise beim Kauf einer Kaffeemaschine erwartet werden, dass diese so konstruiert ist, dass sie nicht nach zweimaligem Kaffeekochen auseinanderbricht, sie mithin eine gewisse Haltbarkeit i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 2 32 BT-Drucks 19/27424, S. 24; vgl. außerdem den zugrundeliegenden Art. 7 Abs. 1 lit. a) der Warenkaufrichtlinie. 33 BT-Drucks 14/6040, S. 214; BGH, Urt. v. 20.05.2009 – VIII ZR 191/07 (BGHZ 181, 170), NJW 2009, 2807 Rn. 14; Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 24. 34 BT-Drucks 14/6040, S. 214. 35 D. h. mündlich, schriftlich, gedruckt oder elektronisch, Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 30. 36 Schmidt, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 434 Rn. 51; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 30; Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 84. 37 Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 434 Rn. 96; Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 27. 38 Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 77. 39 Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 23; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 519. 40 Ähnlich Weißensteiner, ZfRV 2019, 199, 204. 41 BT-Drucks 19/27424, S. 24.

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

BGB aufweist.42 Zugleich kommt den aufgeführten Kriterien trotz des missverständlichen Wortlauts („einschließlich“) eine bloß beispielhafte Funktion zu, da offenkundig nicht jedes Merkmal auf jedes Kaufobjekt passt. Während z. B. ein Fahrrad eine gewisse Haltbarkeit haben, aber im Gegensatz zu einem technischen Produkt keine besondere Kompatibilität („Fähigkeit der Waren, mit der Hardware oder Software zu funktionieren, mit der Waren derselben Art in der Regel benutzt werden [. . .]“ 43) aufweisen muss, gehört zur Beschaffenheit eines Pferdes weder noch. Insbesondere besitzt kein Lebewesen die unter dem Begriff der Haltbarkeit zu verstehende Fähigkeit, die „erforderlichen Funktionen und [. . .] Leistung[en] bei normaler Verwendung zu behalten“.44 Vielmehr entspricht es gerade den Besonderheiten des Pferdekaufs, dass das erworbene Tier jederzeit unvorhersehbar erkranken oder sogar verenden kann. Selbst durch die Berücksichtigung besonderer Zuchtleitlinien, die Nachhaltigkeitsaspekte einbeziehen,45 kann dieses Lebensrisiko weder wirksam begrenzt noch ausgeschlossen werden.

III. Begriffe der Beschaffenheit und Verwendbarkeit § 434 BGB knüpft sowohl in seiner bisherigen als auch in seiner neuen Fassung an zwei zentrale Begriffe an: zum einen an die Beschaffenheit der Kaufsache und zum anderen an ihre Verwendbarkeit.46 1. Beschaffenheit Im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung hat der Gesetzgeber bewusst von einer Definition des Merkmals der Beschaffenheit abgesehen. Insbesondere hat er offen gelassen, ob nur Eigenschaften umfasst sind, die der Kaufsache unmittelbar physisch anhaften oder ob auch Umstände heranzuziehen sind, die außerhalb der Sache selbst liegen.47 In den Gesetzesmaterialien zum neuen § 434 BGB hat er sich indessen positioniert und sich dem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung etablierten weiten Beschaffenheitsbegriff angeschlossen.48 Demnach sind unter der Beschaffenheit jegliche Merkmale einer Sache zu verstehen, die der

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Vgl. Wilke, BB 2019, 2434, 2438; Weißensteiner, ZfRV 2019, 199, 204. Art. 2 Nr. 8 der Warenkaufrichtlinie. 44 BT-Drucks 19/27424, S. 24; vgl. auch Art. 2 Nr. 13 der Warenkaufrichtlinie. 45 Vgl. z. B. das Hannoveraner Zuchtprogramm, abrufbar unter https://www.hanno veraner.com/hannoveraner-zucht/zuchtprogramme/ (zuletzt abgerufen im Dezember 2021), das zwar Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt, aber ebenso kein gesundes Pferd garantieren kann. 46 Berger, in: Jauernig, BGB, § 434 Rn. 6; Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 12. 47 BT-Drucks 14/6040, S. 213. 48 BT-Drucks 19/27424, S. 23. 43

A. Der Sachmangelbegriff des § 434 BGB

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Sache selbst anhaften oder sich aus ihrer Beziehung zur Umwelt ergeben.49 Dies können in Anlehnung an Art. 6 lit. a) der Warenkaufrichtlinie insbesondere (aber nicht ausschließlich50) die Art, die Menge, die Qualität, die Funktionalität, die Kompatibilität oder die Interoperabilität der Sache sein. 2. Verwendbarkeit Die Verwendbarkeit der Sache wird nicht definiert. Allerdings knüpft sie – obwohl der Gesetzgeber vermeintlich zwischen den Begriffen der Beschaffenheit und der Verwendbarkeit der Sache differenziert – in nahezu jedem denkbaren Fall an die Beschaffenheit der Sache an. Denn die mangelnde Verwendbarkeit der Kaufsache muss stets auf Gründen beruhen, die in der Sache selbst liegen.51 Zwar mag nicht zwingend zu fordern sein, dass sich diese Gründe aus ihrer Beschaffenheit ergeben.52 Allerdings muss die fehlende Eignung auf Umstände, die der Sache selbst anhaften oder auf die in ihrem Zustand begründeten tatsächlichen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Beziehungen zu ihrer Umwelt zurückzuführen sein.53 Da der weite Beschaffenheitsbegriff aber eben diese Umstände und Beziehungen als Beschaffenheitsmerkmale der Sache anerkennt, hängt ihre Eignung zur vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Verwendbarkeit letztlich doch wieder von ihrer Beschaffenheit ab. Das hat zur Folge, dass der in § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB aufgeführten Voraussetzung der Eignung zur gewöhnlichen Verwendbarkeit neben der kumulativ erforderlichen üblichen Beschaffenheit so gut wie keine eigenständige Bedeutung zukommt; vielmehr geht sie in der üblichen Beschaffenheit auf.54 Denn während eine Kaufsache, die sich zur gewöhnlichen Verwendung eignet, dennoch nicht der üblichen Beschaffenheit entsprechen muss und damit gem. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB mangelhaft sein kann,55 wird sich ein Sachmangel bei einer der üblichen Beschaffenheit entsprechenden Sache nicht aus ihrer mangelnden Verwendbarkeit ergeben können. Eignet sich eine Sache nämlich nicht zur gewöhnlichen

49 BT-Drucks 19/27424, S. 23; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 10 f.; vgl. zu § 434 BGB a. F.: BGH, Urt. v. 15.06.2016 – VIII ZR 134/15, NJW 2016, 2874 Rn. 10; BGH, Urt. v. 19.04.2013 – V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 15. 50 Wilke, VuR 2021, 283, 284. 51 Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 31; Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 434 Rn. 80. 52 So z. B. Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 31. 53 Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 20; Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 434 Rn. 80. 54 So schon zur bisherigen Rechtslage Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 434 Rn. 89; vgl. außerdem Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 30. 55 Vgl. Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 434 Rn. 89.

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

Verwendung, so weist sie auch nicht die Beschaffenheit auf, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist.56 Vor dem Hintergrund, dass für die vertraglich vorausgesetzte Verwendbarkeit i. S. v. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB inzwischen wohl eine zumindest konkludente Zustimmung des Verkäufers, mithin eine vertragliche Vereinbarung der Parteien zu fordern sein wird, dürfte auch dieser Anknüpfungspunkt redundant sein.57 Denn soweit der Käufer dem Verkäufer eine bestimmte Verwendbarkeit zur Kenntnis bringt und der Verkäufer dieser Nutzbarkeit ausdrücklich oder konkludent zustimmt, vereinbaren die Parteien damit automatisch eine bestimmte Beschaffenheit des Kaufobjekts. Die gewünschte Verwendbarkeit fungiert insoweit lediglich als Oberbegriff für die daraus abzuleitenden einzelnen Beschaffenheitskriterien.58 Dementsprechend liegt auch in dem Fall, in dem sich der Käufer nur Gedanken über eine bestimmte Nutzbarkeit, nicht aber über die konkrete Beschaffenheit des Pferdes macht, eine (zumindest schlüssige) Beschaffenheitsvereinbarung i. S. v. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB vor, was die Anknüpfungsvariante des § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB im Ergebnis überflüssig machen dürfte.

IV. Ergebnis Der modernisierte Sachmangelbegriff des § 434 BGB ist zwar mit zwei neuen Absätzen nicht nur umfangreicher, sondern auch wesentlich detaillierter ausgestaltet als der bisherige § 434 BGB a. F. Dennoch fallen die praktischen Auswirkungen deutlich geringer aus, als es die textlichen Änderungen erwarten lassen.59 Insbesondere bleibt es trotz des geänderten systematischen Ansatzes beim grundsätzlichen Vorrang vertraglicher Abreden. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass nunmehr auch für den vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck i. S. v. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB eine Vereinbarung der Parteien zu verlangen sein dürfte, weshalb für diesen Anknüpfungspunkt – ebenso wie für die gewöhnlichen Verwendung i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB – wohl kein eigenständiger Anwendungsbereich mehr verbleibt. Vielmehr kommt es stets darauf an, ob das Pferd der (subjektiv) vereinbarten bzw. (objektiv) üblichen Beschaffenheit entspricht. Dabei dürften die von der Rechtsprechung bislang entwickelten Grundsätze auch weiterhin maßgeblich sein. Neue Herausforderungen stellen sich lediglich beim Verbrauchsgüterkauf, in dessen Rahmen der Rechtsanwender die 56

Vgl. Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 434 Rn. 89. Für eine Streichung dieser Anknüpfung daher Harke, GPR 2021, 129, 130; kritisch auch Pfeiffer, GPR 2021, 120, 124. 58 So auch Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 18, nach dem aus einer vorausgesetzten Verwendungsweise mehrere Beschaffenheitsmerkmale folgen können oder Büdenbender, NK-SchuldR, § 434 Rn. 20, wonach die Verwendung lediglich der „Illustrierung“ der Beschaffenheit dient. 59 Ebenso Wilke, VuR 2021, 283, 285. 57

B. Kategorisierung hippologischer Beschaffenheitsmerkmale

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umfangreichen Formerfordernisse des reformierten § 476 Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten hat.

B. Kategorisierung hippologischer Beschaffenheitsmerkmale In der Literatur wird dem Begriff der „Beschaffenheit“ zu Recht die „Funktion der zentralen Kompetenznorm“ für Dogmatik und Vertragsgestaltung zugeschrieben.60 Auch beim Pferdekauf hängt die Mangelhaftigkeit des erworbenen Pferdes stets von dessen Beschaffenheit ab. Allerdings – und hierin liegt das Kernproblem pferdekaufrechtlicher Streitigkeiten – unterscheidet sich die Beschaffenheit eines Pferdes grundlegend von derjenigen lebloser Gegenstände. Lebenden Tieren fehlt bereits ein vergleichbarer Konstruktions- und Herstellungsprozess. Zwar unterliegt auch die Pferdezucht bestimmten Leitlinien; letztlich beschränkt sich die menschliche Einflussmöglichkeit aber auf die Auswahl von Deckhengst und Mutterstute. Weder die biologischen Vorgänge der Trächtigkeit noch die Beschaffenheit des neugeborenen Fohlens lassen sich zuverlässig beherrschen. Vielmehr entwickelt sich jedes Pferd zu einem einzigartigen und komplexen Lebewesen mit unbeeinflussbaren individuellen Anlagen und Wesenszügen. Zwar lassen sich auch bei Pferden objektive Beschaffenheitsmerkmale wie eine bestimmte Größe, Farbe oder bereits erzielte Turniererfolge feststellen.61 Im Gegensatz zu Sachen gehören zu ihrer Beschaffenheit aber auch die ureigenen Charakterzüge und Verhaltensweisen sowie die jeweilige gesundheitliche Verfassung.62 Die hippologischen Beschaffenheitsmerkmale sind mithin nicht nur unbeherrschbarer und individueller als die Eigenschaften lebloser Sachen, sondern auch wesentlich komplexer und vielfältiger. Unternimmt man aber den Versuch einer Untergliederung, so kristallisieren sich drei wesentliche Beschaffenheitskategorien heraus:

I. Kategorie 1: Identifikationsmerkmale Die erste Kategorie umfasst die identifizierenden Beschaffenheitsmerkmale. Es handelt sich dabei um alle objektiven Eigenschaften, die nicht den Besonderheiten lebender Tiere geschuldet sind, sondern gleichermaßen zur Beschaffenheit lebloser Sachen gehören. Dazu zählen neben den im Equidenpass63 festgeschrie60 Schmidt, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 434 Rn. 11; ders., BB 2005, 2763, 2763; vgl. auch Weidenkaff, in: Palandt (80. Aufl. 2021, jetzt Grüneberg), BGB, § 434 Rn. 9. 61 Vgl. die Aufzählung von Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 10. 62 Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 84; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 92. 63 Nach den Vorgaben der EU ist für alle Equiden (Pferde, Ponys, Esel) ein sog. Equidenpass (umgangssprachlich Pferdepass) vorgeschrieben. Dieser enthält insbeson-

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

benen Merkmalen wie dem Geburtsjahr, der Größe, dem Geschlecht, der Farbe, etwaiger Abzeichen (z. B. Blesse), der Rasse,64 der Lebensnummer oder der Abstammung auch etwaige Eintragungen im Zuchtbuch sowie die in den einschlägigen Datenbanken hinterlegten bislang erzielten Turniererfolge des Pferdes.65 Weicht das streitgegenständliche Pferd von den subjektiv oder objektiv geschuldeten Identifikationsmerkmalen ab, so liegt ein „Identifikationsmangel“ vor.

II. Kategorie 2: Gesundheitsmerkmale Die individuellen Gesundheitsmerkmale werden in einer zweiten Kategorie zusammengefasst. In diese Kategorie fallen sämtliche Krankheiten und Verletzungen sowie die inneren und äußeren Anlagen des Pferdes einschließlich seiner Fruchtbarkeit. Beanstandet der Käufer zu Recht eines dieser Beschaffenheitsmerkmale, liegt ein „Gesundheitsmangel“ vor. Die Eigenschaften der zweiten Kategorie sind lebenden Tieren eigentümlich und finden beim Sachkauf kein Pendant. Leblose Gegenstände weisen keine Gesundheitsmerkmale auf, sodass entsprechende Mangelrügen nicht möglich sind. Eine Sache kann weder krank noch gesund sein; sie kann nur intakt, beschädigt, abgenutzt oder zerstört sein. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass Beschädigungen oder Verschleißerscheinungen bei Sachen zwingend auf äußere (in der Regel menschliche) Einflüsse zurückzuführen sind, während Krankheiten und Verletzungen bei Pferden sowohl durch äußere Einflüsse als auch durch rein innere Vorgänge, individuelle Veranlagungen oder das unkontrollierbare eigene Verhalten des Pferdes hervorgerufen werden können. Vergleicht man z. B. einen angeborenen Herzfehler eines Pferdes mit einem Motorschaden eines Kraftfahrzeugs, so kann der Herzfehler auf eine naturgemäß bestehende innere Veranlagung des Pferdes, der Motorschaden hingegen nur auf eine falsche Konstruktion oder auf einen fehlerhaften Umgang durch den Menschen, mithin auf äußere Einwirkungen zurückzuführen sein.

III. Kategorie 3: Verhaltensmerkmale Die dritte Kategorie umfasst schließlich die verhaltensbedingten Beschaffenheitsmerkmale eines Pferdes. Dazu zählen sämtliche Verhaltensweisen einschließdere Angaben zur Identifikation des Pferdes und ist bei jedem Transport mitzuführen. Zugleich ist er Voraussetzung für die Eintragung als Turnierpferd. Ausgestellt wird der Pass von der jeweils zuständigen passausgebenden Stelle wie z. B. der FN oder den Zuchtverbänden, vgl. dazu Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 13; Neumann, S. 16 ff. 64 Vgl. AG Brandenburg, Urt. v. 26.04.2010 – 34 C 139/09, juris Rn. 4 m.w. N. zur Rasse-Zugehörigkeit eines Hundes als Beschaffenheitsmerkmal. 65 Vgl. hierzu die Aufzählung von Oexmann, RdL 2007, 85, 86; außerdem Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 92.

C. Geschuldete Beschaffenheit beim Pferdekauf

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lich der individuellen Charakterzüge des Pferdes, die sich ihrerseits im Verhalten widerspiegeln sowie das erlernte und abrufbare Verhalten (der Ausbildungsstand66).67 Letzteres lässt sich an den bislang erreichten Trainingserfolgen wie dem Anlongieren, dem Einreiten oder Einfahren des Pferdes, dem Beherrschen bestimmter Lektionen, der Parcoursreife oder dem sicheren Umgang im Gelände oder Straßenverkehr bemessen.68 Zudem kann auf die Turnierklassen der FN zurückgegriffen werden.69 Auch die dritte Kategorie ist den Besonderheiten lebender Tiere geschuldet, weshalb sie beim Sachkauf keine Rolle spielt. Weder verhalten sich Sachen noch haben sie einen Charakter oder können ohne menschliches Zutun Dinge erlernen.70 So bildet beispielsweise die Leistungsfähigkeit eines Kraftfahrzeugs keinen individuellen Ausbildungsstand des Fahrzeugs ab, sondern ist vielmehr die Folge einer bestimmten Konstruktion, die aber zu den baulichen Eigenschaften i. S. d. ersten Kategorie gehört.

C. Geschuldete Beschaffenheit beim Pferdekauf Beanstandet der Pferdekäufer ein Identifikations-, Gesundheits- oder Verhaltensmerkmal, so hängt die Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Pferdes gem. § 434 BGB davon ab, ob das beklagte Beschaffenheitsmerkmal von dem geschuldeten Soll-Zustand abweicht. Dabei besteht die Schwierigkeit regelmäßig nicht darin, eine vorhandene Abweichung zu erkennen, sondern vielmehr in der vorgelagerten Frage, welche konkrete Beschaffenheit überhaupt vertraglich geschuldet war. Dies hängt wiederum davon ab, ob die Parteien bestimmte Beschaffenheitsmerkmale vereinbart haben oder ob das Pferd in Ermangelung subjektiver Abreden den objektiv geschuldeten üblichen Identifikations-, Gesundheitsund Verhaltensmerkmalen zu entsprechen hat.

I. Kategorie 1: Geschuldete Identifikationsmerkmale des Pferdes 1. Subjektive Anforderungen Da das zu verkaufende Pferd meist in der Vertragsurkunde näher beschrieben wird, ergeben sich die vertraglich geschuldeten Identifikationsmerkmale der ersten Kategorie regelmäßig aus entsprechenden Parteiabreden i. S. v. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB. So sehen die Musterverträge fast immer Angaben zum Alter, zum Geschlecht, zur Farbe, zu besonderen Abzeichen, zur Abstammung sowie zu 66

Vgl. Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 92. Vgl. dazu die Aufzählung von Neumann, S. 78. 68 Vgl. Neumann, S. 80. 69 Vgl. zu den Turnierklassen FN, Aufgabenheft – Reiten. 70 Auch künstliche Intelligenz ist „menschengemacht“ und beruht z. B. auf einer bestimmten Programmierung der leblosen Sache. 67

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

etwaigen Eintragungen im Zuchtbuch vor.71 Gleiches ergibt sich auch bei einer vertraglichen Bezugnahme auf den Equidenpass des Verkaufspferdes, da dieser im ersten Abschnitt ebenfalls Angaben zur Identifizierung des Pferdes enthält. Daneben steht es den Parteien frei, auch weitere Merkmale wie bereits erzielte Prüfungsleistungen oder Turniererfolge des Pferdes vertraglich festzulegen.72 Häufig wird angesichts der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Pferden auch ein über die gewöhnliche Verwendung hinausgehender Nutzungszweck vereinbart, wodurch ebenfalls bestimmte, diese Verwendung ermöglichende Identifikationsmerkmale als vertragliche Soll-Beschaffenheit festgelegt werden.73 Wurde z. B. die (sofortige, nicht künftige) Nutzung als Freizeit- oder Schulreitpferd vertraglich vorausgesetzt, so muss das verkaufte Pferd reitbar und deswegen mindestens drei Jahre alt sein.74 Ähnliches gilt auch bei einem Sportpferd, das in bestimmten Turnierprüfungen eingesetzt werden soll. Hierfür kann ebenfalls ein gewisses Alter erforderlich sein, da beispielsweise ein erst vierjähriges Pferd an Springprüfungen der Turnierklasse M nicht teilnehmen darf. Haben sich die Parteien über die Einsatzmöglichkeit auf Ponyturnieren geeinigt, ist damit zugleich eine bestimmte Größe des Pferdes geschuldet, weil ein Überschreiten des Ponyendmaßes dazu führt, dass das Tier in Ponyprüfungen nicht startberechtigt ist.75 Auch die Verwendbarkeit zur Zucht kann bestimmte Beschaffenheitsmerkmale i. S. d. ersten Kategorie erfordern. Beispielsweise kann aufgrund der beabsichtigten züchterischen Verwendung eine spezielle Rasse, eine besondere Abstammung oder die Eintragung in einem Zuchtbuch geschuldet sein.76 Letztlich hängt es jedoch von dem Inhalt und Umfang der konkreten Parteiabsprachen ab, welchen subjektiven Anforderungen die Identifikationsmerkmale des streitgegenständlichen Pferdes zu genügen haben. 2. Objektive Anforderungen Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, muss das Verkaufspferd die gem. § 434 Abs. 3 BGB objektiv geschuldeten Identifikationsmerkmale aufweisen. Zur Ermittlung dessen ist auf eine nach objektiven Kriterien zu bemes71 Vgl. z. B. das Vertragsmuster der FN, kostenpflichtig abrufbar unter https:// www.pferd-aktuell.de/shop/pferdekaufvertrag-download.html (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 72 Vgl. zu Prüfungsleistungen eines Hundes OLG Schleswig, Urt. v. 19.06.2008 – 7 U 64/07, juris Rn. 16 f. 73 In diesem Fall greift zwar einerseits § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB. Zugleich liegt aber bereits eine (schlüssige) Beschaffenheitsvereinbarung i. S. v. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB vor, vgl. dazu Kap. 2 A. III. 2. 74 Vgl. dazu AG Hannover, Urt. v. 11.07.2006 – 455 C 3962/06, juris; Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 48 m.w. N. 75 Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 47 m.w. N. 76 Vgl. zur fehlerhaften Abstammung OLG Celle, Urt. v. 13.09.2007 – 8 U 116/07, juris Rn. 2.

C. Geschuldete Beschaffenheit beim Pferdekauf

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sende fiktive Vergleichsgruppe abzustellen,77 die sich z. B. an dem Alter des Pferdes oder an der Rasse orientieren kann.78 So ist beispielsweise bei manchen Pferderassen (z. B. Haflingern79) eine spezielle Farbgebung üblich, während andere (z. B. Isländer80) durch ihre geringe Größe und den robusten Körperbau gekennzeichnet sind. Der konkrete Soll-Zustand hängt dabei ebenfalls von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Ernsthafte Anwendungsschwierigkeiten sind indes nicht zu befürchten, da die Merkmale der vorliegenden Kategorie nicht nur objektivierbar, sondern in der Regel auch problemlos nachweisbar sind. 3. Ergebnis zu Kategorie 1 In der ersten Kategorie lässt sich der vertraglich geschuldete Soll-Zustand meist ebenso leicht feststellen wie das fehlerhafte Identifikationsmerkmal selbst. Weder die entsprechende Anwendbarkeit des für den Sachkauf konzipierten § 434 Abs. 2 BGB noch die des § 434 Abs. 3 BGB lässt größere Komplikationen erwarten. Dies überrascht auch nicht – handelt es sich bei den Merkmalen der ersten Kategorie doch um solche, die auch beim Sachkauf eine Rolle spielen.

II. Kategorie 2: Geschuldete Gesundheitsmerkmale des Pferdes Größere Probleme bereitet demgegenüber die Ermittlung des geschuldeten Gesundheitszustandes – insbesondere, wenn die Parteien von subjektiven Abreden abgesehen haben. 1. Subjektive Anforderungen Im Grundsatz steht es den Parteien frei, sämtliche gesundheitliche Beschaffenheitsmerkmale des Verkaufspferdes vertraglich festzulegen – und zwar unabhängig davon, ob diese über den nach objektiven Kriterien geschuldeten Zustand hinausgehen (positive Beschaffenheitsvereinbarung) oder aber hinter diesem zurückbleiben (negative Beschaffenheitsvereinbarung).81 Letzteres ermöglicht auch

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Berger, in: Jauernig, BGB, § 434 Rn. 14. Vgl. zu Gebrauchtwagen BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2006 – 1 U 38/06, NJW 2006, 2858, 2859 f. 79 Haflinger sind fuchsfarben mit heller Mähne und hellem Schweif, vgl. Behling, S. 96. 80 Isländer werden in der Regel nicht größer als 1,45 Meter. Aufgrund ihres robusten Körperbaus sind sie dennoch dazu in der Lage, Erwachsene zu tragen, was sie zu einem beliebten Freizeitpferd macht, vgl. Behling, S. 122. 81 BT-Drucks 19/27424, S. 23; Schmidt, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 434 Rn. 24; Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 23; bei Verbrauchsgüterkaufverträgen gelten seit dem 01.01.2022 jedoch besondere Formerfordernisse für negative Beschaffenheitsvereinbarungen, dazu sogleich unter Kap. 2 C. II. 1. a) bb). 78

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

den Verkauf verletzter, kranker oder alter Pferde, ohne dass der Verkäufer der Gefahr etwaiger Gewährleistungsansprüche ausgesetzt wird.82 a) Einbeziehung von veterinärmedizinischen Untersuchungsprotokollen In der Praxis wird der gesundheitliche Zustand des Pferdes regelmäßig dadurch vertraglich vereinbart, dass die Parteien das Ergebnis einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung (AKU) durch ausdrückliche Bezugnahme auf das Untersuchungsprotokoll zum Vertragsbestandteil machen.83 In diesem Fall wird derjenige Gesundheitszustand vertraglich geschuldet, der sich aus dem Untersuchungsprotokoll ergibt.84 Die Reichweite der Vereinbarung richtet sich somit nach dem Umfang der durchgeführten und protokollierten Untersuchungen; nicht untersuchte Bereiche oder Krankheiten werden nicht erfasst.85 Welcher Untersuchungsumfang konkret geschuldet ist, hängt von der jeweiligen Parteivereinbarung ab.86 In der Praxis wird insoweit untechnisch zwischen der „kleinen“ und der „großen“ AKU unterschieden. Während bei der kleinen AKU eine gründliche klinische Untersuchung der Organsysteme (Herz, Lunge, Augen, Haut) sowie des Bewegungsapparates inklusive Beugeproben durchgeführt wird, umfasst die große AKU zusätzlich einen standardisierten Satz an Röntgenbildern des Bewegungsapparates.87 Weiterführende Untersuchungen wie Bluttests oder Endoskopien sind von dem in der Tierärzteschaft überwiegend verwendeten standardisierten AKU-Protokoll der Gesellschaft für Pferdemedizin (GPM)88 nicht vorgesehen, können aber zusätzlich individualvertraglich vereinbart werden. Im Rahmen des jeweils vereinbarten Untersuchungsumfangs schuldet der Tierarzt eine umfassende und korrekte Befundung des jeweiligen Pferdes, deren Ergebnis er in einem auch für Laien verständlichen Protokoll schriftlich festzuhalten hat.89 82 Vgl. z. B. zur fehlenden Mangelhaftigkeit eines als „Beistellpferd zum Liebhaberpreis“ verkauften Pferdes, das aufgrund einer Zyste nicht mehr reitbar ist LG Braunschweig, Urt. v. 11.01.2005 – 6 S 149/04, AUR 2005, 379. 83 OLG Schleswig, Urt. v. 26.05.2011 – 13 U 8/10, RdL 2011, 208, 209; Bleckwenn, S. 334, 338 ff.; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 174; Westermann, ZGS 2005, 342, 343; vgl. außerdem beispielhaft § 3 des Musterkaufvertrags der St. GEORG, abrufbar unter https://www.st-georg.de/content/uploads/2017/09/st_georg_vertrag_kauf.pdf (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 84 Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 8, 21; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 520 f. 85 OLG Köln, Urt. v. 25.08.2017 – 6 U 188/16, juris Rn. 29; OLG Hamm, Urt. v. 24.02.2006 – 19 U 116/05, juris Rn. 28; Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433– 480: Tierkauf Rn. 34. 86 Bleckwenn, S. 352 m.w. N. 87 Vgl. dazu den Röntgen-Leitfaden (2018). 88 Kostenpflichtig abrufbar unter https://gpm-vet.de/shop/product/5-gpm-kaufuntersuchungsauftrag (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 89 Neumann, S. 38. Aufgrund dieser gutachterlichen Tätigkeit wird der Vertrag über die Durchführung einer AKU – unbeschadet anderslautender individualvertraglicher Ab-

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Soweit der Tierarzt tiermedizinisch positive Befunde wie z. B. eine positive Beugeprobe90 feststellt und beschreibt, kann die Bezugnahme auf das Protokoll auch zu einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung führen.91 Diese ist außerhalb des Verbrauchsgüterkaufrechts weiterhin formfrei zulässig92 und führt dazu, dass dem Käufer in Bezug auf die vereinbarte Negativeigenschaft keine Gewährleistungsrechte zustehen.93 aa) Konkludente Einbeziehung von AKU-Protokollen? Haben die Parteien zwar eine AKU durchgeführt, liegt aber keine ausdrückliche Bezugnahme auf das Protokoll vor, so kann nicht ohne Weiteres von einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung ausgegangen werden.94 Vielmehr ist zu überprüfen, ob eine dahingehende schlüssige Einigung der Parteien vorliegt.95 Eine solche darf nach der Rechtsprechung des BGH jedoch nur in eindeutigen Fällen angenommen werden und ist eine Frage der in erster Linie dem Tatrichter obliegenden Vertragsauslegung.96 Ausreichend ist weder die bloße Kenntnisnahme noch die einseitig gebliebene Vorstellung des Käufers; es bedarf vielmehr einer zustimmenden Reaktion des Verkäufers.97 Die Annahme einer konkludenten Einigung kann auch nicht auf ein vermeintliches Einbeziehungsinteresse beider Vertragsparteien gestützt werden.98 Zwar haben sowohl der Käufer als auch der Verkäufer regelmäßig ein persönliches Interesse an der fachlichen Einschätzung des Gesundheitszustands des Verkaufspferdes. Denn einerseits möchte der Käufer sichergehen, ein gesundes Pferd zu erwerben; andererseits kann der Verkäufer mit dem Gesundheitszustand des Pferdes werben und zudem später nachweisen, dass das Pferd zum Zeitpunkt der reden – in st. Rspr. sowohl bei einer Beauftragung durch den Käufer als auch bei einem Vertragsschluss mit dem Verkäufer als Werkvertrag gem. § 631 BGB eingeordnet. Verletzt der Tierarzt seine vertraglichen Pflichten, haftet er gegenüber seinem jeweiligen Vertragspartner nach den schärferen werkvertraglichen Regelungen gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB und nicht wie bei sonstigen tierärztlichen Pflichtverletzungen nach den insoweit milderen dienstrechtlichen Vorschriften, vgl. dazu Bemmann et al., Pferdeheilkunde 2014, 687; Stadler, Pferdeheilkunde 2008, 577; Plewa, Pferdeheilkunde 2002, 284, 286 ff. 90 Dazu Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 33. 91 Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 19, 21. 92 BT-Drucks 19/27424, S. 23. 93 Vgl. zu einem lahmenden Pferd nach vorheriger positiver Beugeprobe auf demselben Bein OLG Schleswig, Urt. v. 14.04.2005 – 11 U 131/04, juris Rn. 14 ff.; Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 21. 94 Bleckwenn, S. 339. 95 Vgl. LG Verden, Urt. v. 11.02.2011 – 1 O 41/09, juris Rn. 35. 96 St. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 16 f.; allg. dazu Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 434 Rn. 64. 97 Bleckwenn, S. 339 f. 98 Ebenso Bleckwenn, S. 340.

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

Übergabe gesund war bzw. dem Käufer etwaige gesundheitliche Mängel bereits bei der Übergabe i. S. v. § 442 Abs. 1 BGB bekannt gewesen sind.99 Allerdings ist mit der Einbeziehung des Untersuchungsprotokolls auch ein erhöhtes Haftungsrisiko des Verkäufers verbunden, da in dem Fall jede Abweichung von dem festgestellten Untersuchungsergebnis einen Sachmangel begründet, und zwar unabhängig davon, ob das Pferd klinische Symptome zeigt oder sich trotz der gesundheitlichen Abweichung zum vertraglich geschuldeten Verwendungszweck eignet.100 Sind beispielsweise die erstellten Röntgenbilder laut Protokoll ohne Befund, werden aber im Rahmen einer späteren Untersuchung knöcherne Veränderungen festgestellt, liegt ungeachtet etwaiger Beeinträchtigungen des Pferdes ein Sachmangel vor.101 Hat der Tierarzt bei der AKU Befunde übersehen oder fehlerhaft protokolliert, so ändert das an der Haftung des Verkäufers ebenfalls nichts; er hat für den tierärztlichen Fehler einzustehen.102 Das Verschulden des Tierarztes kann allenfalls im Rahmen etwaiger Regressansprüche gegen den Tierarzt selbst relevant werden.103 Umgekehrt kann eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung aber auch zulasten des Käufers der Annahme eines Sachmangels entgegenstehen, wenn die vereinbarte Beschaffenheit dem gewöhnlichen Verwendungszweck widerspricht.104 Letztlich kann daher ein übereinstimmendes Einbeziehungsinteresse der Parteien nicht ohne Weiteres angenommen werden, sodass der BGH auch in diesem Zusammenhang zu Recht hohe Anforderungen an das Vorliegen einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung stellt.105 bb) Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf Bislang stand es auch den Parteien eines Verbrauchsgüterkaufvertrages frei, beliebige positive und negative Gesundheitsmerkmale des Verkaufspferdes formfrei zu vereinbaren. Es entsprach daher auch im B2C-Bereich der gängigen und bewährten Praxis, AKU-Protokolle durch einfache vertragliche Bezugnahme zum Bestandteil einer (auch negativen) Beschaffenheitsvereinbarung zu machen. Bis99

Vgl. Adolphsen, VersR 2003, 1088, 1090 f.; Bleckwenn, S. 340. Bleckwenn, S. 341. 101 Plewa, Pferdeheilkunde 2012, 711, 712; Bleckwenn, S. 341. 102 Verkäufer und Tierarzt haften insoweit gesamtschuldnerisch, vgl. Plewa, Pferdeheilkunde 2012, 711, 712 f. Nach dem OLG Oldenburg soll jedoch dann etwas anderes gelten, wenn das Protokoll nur insoweit zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung gemacht wurde, wie der Tierarzt das Gutachten mangelfrei erstellt hat; in diesem Fall trage der Käufer das Risiko etwaiger Fehler und sei deswegen mit seinen Mängelrechten ausgeschlossen, vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 04.03.2015 – 5 U 159/14, BeckRS 2015, 7217 Rn. 28. 103 Neumann, S. 76. 104 Vgl. Bleckwenn, S. 343. 105 Vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 15, wonach im konkreten Fall eine Beschaffenheitsvereinbarung entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts „nicht einmal im Ansatz erkennbar“ gewesen sei. 100

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lang mussten dabei allenfalls die Grenzen des verbraucherschützenden Umgehungsverbots in § 476 Abs. 1 BGB a. F. beachtet werden.106 Für Verbrauchsgüterkaufverträge wird diese Vorgehensweise jedoch nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. Denn während bislang mangels divergierender Anforderungen nicht zwischen positiven und negativen Beschaffenheitsvereinbarungen zu unterscheiden war,107 was eine pauschale Einbeziehung des tierärztlichen Protokolls ermöglichte, ist die Wirksamkeit negativer Abreden seit dem 1. Januar 2022 an die Einhaltung strenger Formerfordernisse geknüpft. In Umsetzung von Art. 7 Abs. 5 der Warenkaufrichtlinie bestimmt der neue § 476 Abs. 1 S. 2 BGB, dass der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis zu setzen ist, dass ein bestimmtes Merkmal von den objektiven Anforderungen abweicht (Nr. 1). Zudem ist die Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert zu vereinbaren (Nr. 2). Dabei enthält die Formvorschrift weder eine Ausnahme zugunsten des Tierkaufs noch wäre eine dahingehende teleologische Reduktion der Norm mit dem Willen des Gesetzgebers zu vereinbaren. Vielmehr hat die Legislative mit § 477 Abs. 1 S. 2 BGB zum Ausdruck gebracht, dass sie zwar im Hinblick auf die Beweislastumkehr eine auf Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) Warenkaufrichtlinie gestützte tierkaufspezifische Ausnahmeregelung zulassen, im Umkehrschluss aber den Anwendungsbereich aller übrigen Neuerungen unterschiedslos auf sämtliche Arten von Kaufobjekten erstrecken will. Soweit das AKU-Protokoll also (auch) Beschreibungen des Verkaufspferdes enthält, die von dem objektiv geschuldeten Zustand i. S. v. § 434 Abs. 3 BGB negativ abweichen, reicht die einfache Bezugnahme zur Wirksamkeit der Beschaffenheitsvereinbarung nicht mehr aus. (1) Gesonderte Information und Zustimmung des Verbrauchers Hinsichtlich der konkreten Auslegung der Informations- und Zustimmungserfordernisse liefern der Gesetzestext sowie die zugrundeliegenden Gesetzesmaterialien bereits einige wertvolle Hinweise: Soweit Nr. 1 der Vorschrift verlangt, dass der Verbraucher eigens davon in Kenntnis gesetzt werden muss, dass ein bestimmtes Merkmal der Sache von den objektiven Anforderungen abweicht, lässt die Formulierung „bestimmtes Merkmal“ erkennen, dass sich die Information des Verbrauchers auf eine hinreichend spezifizierte (negative) Eigenschaft der Kaufsache beziehen muss.108 Pauschale Verwendungshinweise o. Ä. scheiden daher von vornherein aus.109 Zudem ver106 Dazu Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 20; Adolphsen, NKSchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 36; Lorenz, MüKo BGB, § 476 Rn. 9 ff.; siehe auch OLG Schleswig, Urt. v. 14.04.2005 – 11 U 131/04, juris Rn. 17. 107 Vgl. BGH, Urt. v. 25.01.2019 – V ZR 38/18, NJW 2019, 2380 Rn. 18. 108 Vgl. Weißensteiner, ZfRV 2019, 199, 203; Maultzsch, JZ 2016, 236, 239. 109 Wilke, BB 2019, 2434, 2438.

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langt das der Rechtsgeschäftslehre bislang unbekannte110 Merkmal „eigens“ von dem Verkäufer ein „Mehr“ im Vergleich zur Übermittlung der anderen vorvertraglichen Informationen.111 Es genügt daher nicht, die Abweichung nur als eine von mehreren Eigenschaften der Kaufsache in der Produktbeschreibung anzuführen.112 Das in Nr. 2 normierte weitere Erfordernis einer ausdrücklichen und gesonderten Vereinbarung der Abweichung schließt zunächst konkludente Abreden aus. Um dem Merkmal „gesondert“ gerecht zu werden, ist zudem eine besondere Hervorhebung der negativen Sacheigenschaft erforderlich. Dafür reicht es nicht aus, die Abweichung neben zahlreichen anderen Vereinbarungen in einen Formularvertrag oder separate AGB einzustellen; die Vertragsunterlagen müssen vielmehr so gestaltet sein, dass dem Verbraucher bei Abgabe seiner Vertragserklärung bewusst wird, dass er eine Kaufsache erwirbt, die von den objektiven Anforderungen an die Vertragsgemäßheit abweicht oder abweichen kann.113 Das Merkmal „gesondert“ ist zudem aus dem Versicherungsrecht bekannt. Dort hat der BGH zu der „gesonderten Mitteilung“ i. S. v. § 28 Abs. 4 VVG entschieden, dass die Verwendung eines separaten Schriftstückes nicht erforderlich sei.114 Allerdings müsse sich die mitzuteilende Belehrung des Versicherers durch ihre Platzierung und drucktechnische Gestaltung vom übrigen Text derart abheben, dass sie für den Versicherungsnehmer nicht zu übersehen ist.115 Dies kann beispielsweise durch eine andere Schriftart oder -größe, durch Fett-, Kursiv- oder Normaldruck, graphische Gestaltungen wie Kästen oder Pfeile oder durch eine besondere Hintergrundfärbung erfolgen.116 Ähnliches gilt auch für die „ausdrückliche und gesonderte Erklärung“ i. S. d. § 309 Nr. 11 lit. a) BGB.117 Die Erwägungen zu § 28 Abs. 4 VVG und § 309 Nr. 11 lit. a) BGB dürften sich angesichts der vergleichbaren Schutzfunktion auf den vorliegenden Kontext übertragen lassen.118 Dabei bedarf es jedoch nicht bloß einer Mitteilung oder Erklärung, sondern vielmehr einer Parteivereinbarung und damit auch einer Zustimmung des Verbrauchers. Diese muss durch aktives und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden.119 Für den Onlinehandel bestimmen die Gesetzesmaterialien, dass ein vom Verbraucher deaktivierbares, vorangekreuztes Käst110 111 112 113 114 115 116 117 118 119

Wilke, VuR 2021, 283, 285. BT-Drucks 19/27424, S. 42. BT-Drucks 19/27424, S. 42. BT-Drucks 19/27424, S. 42. BGH, Urt. v. 09.01.2013 – IV ZR 197/11 (BGHZ 196, 67), r+s 2013, 114 Rn. 17. BGH, Urt. v. 09.01.2013 – IV ZR 197/11 (BGHZ 196, 67), r+s 2013, 114 Rn. 23. BGH, Urt. v. 09.01.2013 – IV ZR 197/11 (BGHZ 196, 67), r+s 2013, 114 Rn. 25. Dazu Wurmnest, MüKo BGB, § 309 Nr. 11 Rn. 7. Vgl. auch Wilke, VuR 2021, 283, 285. ErwGr. 36 der Warenkaufrichtlinie.

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chen nicht ausreichend sei, wohl aber eine auf der Webseite vorgesehene Schaltfläche, die vom Verbraucher angeklickt oder auf andere Weise (aktiv) betätigt werden kann.120 Abseits des Online-Handels bleibt hingegen unklar, wie das eindeutige und aktive Verhalten des Verbrauchers auszusehen hat – insbesondere ob eine oder mehrere Willenserklärungen erforderlich sind. Sofern der Verbraucher nur eine auf den Vertragsschluss insgesamt gerichtete Erklärung abgibt, könnte darin zugleich ein aktives Zustimmungsverhalten gesehen werden, da er ausdrücklich zu erkennen gibt, den Vertrag trotz der ihm bekannt gemachten Abweichung abschließen zu wollen. In der Praxis werden jedoch sicherheitshalber zunächst zwei getrennte Willenserklärungen des Käufers zu fordern sein: eine auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung sowie eine selbstständige Zustimmungserklärung hinsichtlich der konkreten Negativeigenschaft. Statt mehrerer Klicks wird dies beim stationären Handel durch zwei verschiedene Unterschriften bzw. bei mündlichen Verträgen durch mehrfaches „Ja“-Sagen des Verbrauchers umzusetzen sein.121 Unklar bleibt ferner, ob bei mehreren Abweichungen jeder einzelnen ein eigener Hinweis inklusive selbstständiger Abrede gewidmet werden muss oder ob auch ein en bloc-Hinweis auf eine Liste verschiedener Negativeigenschaften erfolgen kann, denen der Verbraucher sodann getrennt von anderen Vereinbarungen ausdrücklich zustimmen kann.122 Letzteres dürfte jedenfalls die praktikablere Lösung darstellen und auch mit dem zugrundeliegenden Verbraucherschutzgedanken zu vereinbaren sein. Denn dieser besteht darin, den Verbraucher überhaupt auf die zum Vertragsinhalt gemachten Negativabweichungen aufmerksam zu machen, damit er seine Vertragserklärung in entsprechendem Bewusstsein abgeben kann.123 Ob die Abweichungen aber einzeln oder gebündelt aufgeführt werden, kann zur Erreichung dieses Regelungsziels keinen Unterschied machen. Insgesamt wird dem Unternehmer jedoch zunächst ein proaktives Vorgehen nach dem Motto „viel hilft viel“ zu empfehlen sein. Zwar besteht im Grundsatz kein Formzwang.124 Im Streitfall trifft aber den Verkäufer die Beweislast dafür, dass eine bestimmte Negativeigenschaft wirksam vereinbart worden ist.125 So120 BT-Drucks 19/27424, S. 42; vgl. dazu auch ErwGr. 49 der „Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ (Digitale-Inhalte-Richtlinie), ABl. L 136 v. 22.05.2019, S. 1. 121 Zöchling-Jud, GPR 2019, 115, 120. 122 Dazu auch Wilke, VuR 2021, 283, 285. 123 BT-Drucks 19/27424, S. 42; Zöchling-Jud, GPR 2019, 115, 120. 124 Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 476 Rn. 6; Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 56 f.; Harke, GPR 2021, 129, 131; Pfeiffer, GPR 2021, 120, 123. 125 Harke, GPR 2021, 129, 131.

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lange es an einer gerichtlichen Konkretisierung der Anforderungen des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB durch den EuGH fehlt, sollte sich der Verkäufer daher in nachweisbarer Form – d. h. bestenfalls in Schriftform gem. § 126 BGB, mindestens aber in Textform i. S. v. § 126b BGB126 – bestätigen lassen, dass er den Verbraucher eigens auf die Negativeigenschaft hingewiesen und dieser der Abweichung ausdrücklich und gesondert zugestimmt hat. (2) Umsetzung in der pferdekaufrechtlichen Praxis Die unternehmerisch handelnden Pferdehändler werden durch die neuen Formerfordernisse vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Statt der bislang gängigen pauschalen Bezugnahme auf das (gesamte) tierärztliche AKU-Protokoll wird der Verkäufer zur Wirksamkeit der Beschaffenheitsvereinbarung nunmehr sicherstellen müssen, dass protokollierte Negativeigenschaften des Verkaufspferdes den Formerfordernissen des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB genügen. Das setzt jedoch zwangsläufig voraus, dass er mögliche Abweichungen von der objektiv geschuldeten gesundheitlichen Beschaffenheit überhaupt als solche erkennt. Dabei darf er nicht den Fehler machen, sich an der protokollierten tierärztlichen Bewertung des Gesundheitszustandes zu orientieren. Denn der dieser Bewertung zugrunde gelegte veterinärwissenschaftliche „Normzustand“ ist keinesfalls mit dem juristischen Verständnis der bei Tieren objektiv geschuldeten – gerade nicht idealen, sondern üblichen – Beschaffenheit i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB gleichzusetzen.127 Eine tiermedizinische Normabweichung begründet daher nicht automatisch eine Abweichung vom objektiv geschuldeten Gesundheitszustand im juristischen Sinne. Vielmehr wird dem Verkäufer eine rechtliche Abgrenzung und damit faktisch eine vorweggenommene Sachmangelprüfung abverlangt, die jedenfalls den juristischen Laien überfordern dürfte.128 Diese Problematik wird der Unternehmer auch nicht dadurch umgehen können, dass er das gesamte AKU-Protokoll pauschal den Formvorgaben des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB unterstellt, den Verbraucher also über den Protokollinhalt insgesamt in Kenntnis setzt und diesen anschließend getrennt von anderen Abreden vereinbart. Denn ein solches Vorgehen würde die Merkmale „eigens“ und „gesondert“ unterlaufen.129 Zum einen würde ein (überschießender) Hinweis auf sämtliche im Protokoll beschriebenen – nicht ausschließlich negativen – Gesundheitsmerkmale eher einer pauschalen Produktbeschreibung gleichkommen als einer dem Merkmal „eigens“ genügenden expliziten Information des Verbrauchers über tatsächlich vorhandene Abweichungen. Zum anderen würde eine entspre126

Ebenso Wilke, VuR 2021, 283, 285. Vgl. Kniefert, NJW 2007, 2895, 2896. 128 Lüdicke, RdL 2021, 161, 166; kritisch auch Kupfer/Weiß, ZVertriebsR 2021, 21, 24. 129 Lüdicke, RdL 2021, 161, 165 f. 127

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chend pauschale Vereinbarung hinsichtlich des gesamten Protokollinhalts auch keine dem Merkmal „gesondert“ gerecht werdende Hervorhebung der Abweichungen von den sonstigen im Protokoll beschriebenen gesundheitlichen Eigenschaften gewährleisten. (3) Konsequenzen und Kritik Durch § 476 Abs. 1 S. 2 BGB wird dem Unternehmer der letzte Rettungsanker in der Flut der hippologischen Verkaufsrisiken genommen. Die negative Beschaffenheitsvereinbarung ist eines der wichtigsten vertraglichen Gestaltungsmittel des Pferdeverkäufers, da sie eine Begrenzung des Mangeltatbestandes ermöglicht und damit die Marktfähigkeit lebender Tiere sicherstellt. Letztere weisen im Gegensatz zu normgefertigten leblosen Sachen fast immer gewisse Abweichungen auf, sodass sich der Pferdeverkäufer grundsätzlich mit jedem Verkauf sehenden Auges der Gefahr späterer Mängelrügen aussetzen würde. Die negative Beschaffenheitsvereinbarung ermöglicht ihm indes die vertragliche Einbeziehung der vorhandenen und bekannten Negativeigenschaften und damit die Erzeugung eines faktischen Haftungsausschlusses. Soweit die Formerfordernisse des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB dem Unternehmer aber die Möglichkeit nehmen, auf sachverständige Beschreibungen des Pferdes Bezug zu nehmen und ihn stattdessen faktisch zu einer Sachmangelprüfung i. S. d. § 434 Abs. 3 BGB zwingen, wird dem juristischen Laien eine rechtssichere Einbeziehung vorhandener Abweichungen nahezu unmöglich gemacht. Das Gestaltungsmittel der negativen Beschaffenheitsvereinbarung wird nicht nur unpraktikabel, sondern auch fehleranfällig. Neben den Rechtsunsicherheiten, die sich schon daraus ergeben, dass die konkreten Anforderungen der Formvorschrift mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung zunächst unklar sein werden, läuft der Verkäufer stets Gefahr, Abgrenzungsfehlern zu unterliegen. Hält er ein Beschaffenheitsmerkmal des Pferdes fälschlicherweise nicht für eine Negativeigenschaft und passt sie deshalb nicht den Formanforderungen an, ist die Beschaffenheitsvereinbarung formunwirksam mit der Folge, dass die jeweilige Eigenschaft nicht zum Vertragsbestandteil geworden ist. Da § 475 Abs. 3 S. 2 BGB zudem die Anwendbarkeit des § 442 BGB für den Verbrauchsgüterkauf gesetzlich ausschließt, führt das letztlich zu dem unbilligen Ergebnis, dass der Verkäufer auch dann gewährleistungsrechtlich haften muss, wenn dem Käufer der konkrete Befund aufgrund der AKU positiv bekannt gewesen ist und er diesen nach tierärztlicher Erörterung bewusst in seine Kaufentscheidung einbezogen hat. Nach alledem hindert § 476 Abs. 1 S. 2 BGB den Verkäufer nicht nur daran, eine Beschaffenheitsvereinbarung auf die fachliche Einschätzung eines Tierarztes zu stützen. Vielmehr wird dem Unternehmer ein Risiko auferlegt, das die Marktfähigkeit lebender Pferde massiv beeinträchtigt. Zugleich dürfte sich angesichts der zu erwartenden Reduzierung (wirksamer) negativer Beschaffenheitsvereinba-

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rungen das Spektrum möglicher Sachmängel erweitern, was in der Folge eine weitere Zunahme pferdekaufrechtlicher Klagen und tierschutzrelevanter Rückabwicklungen befürchten lässt. Dem Gesetzgeber ist daher bei der Konzeption des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB offensichtlich erneut der mit Art. 20a GG nicht zu vereinbarende Fehler unterlaufen, nur den Verkauf lebloser Sachen im Blick zu haben, nicht aber die tierkaufrechtlichen Konsequenzen zu bedenken. b) Beschaffenheitsvereinbarungen ohne AKU Die Durchführung einer AKU ist den Parteien zwar stets zu empfehlen, stellt jedoch keine Rechtspflicht dar.130 Stattdessen können sich die Parteien auch ohne AKU vertraglich auf bestimmte gesundheitliche Beschaffenheitsmerkmale des Verkaufspferdes einigen.131 Insbesondere kann der Verkäufer bereits bekannte Erkrankungen des Pferdes zum Bestandteil einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung machen, um eine darauf bezogene Haftung von vornherein auszuschließen.132 Im B2C-Bereich hat er dabei jedoch ebenfalls die in § 476 Abs. 1 S. 2 BGB normierten Formerfordernisse zu beachten. Andersherum kann es auch dem Käufer auf die Abwesenheit bestimmter Krankheiten133 oder Allergien (z. B. Sommerekzem) oder auf besondere gesundheitliche Beschaffenheitsmerkmale wie eine Grundimmunisierung, die regelmäßige Gabe von Wurmkuren oder die Fruchtbarkeit des Pferdes ankommen. Allgemeinere Vereinbarungen, wonach das Pferd beispielsweise keine verdeckten Verletzungen aufweist und an keiner Krankheit leidet, sind ebenfalls zulässig.134 Daneben führt auch die vertragliche Einigung über einen bestimmten Verwendungszweck zur (konkludenten) Vereinbarung bestimmter Gesundheitsmerkmale, ohne dass es auf § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB ankäme. In diesem Fall kann derselbe gesundheitliche Befund das eine Pferd zur Mangelware degradieren, während er bei einem anderen Pferd völlig unerheblich ist. So muss beispielsweise ein Freizeit- oder Turnierreitpferd anderen körperlichen Belastungen standhalten als eine Zuchtstute, die nicht geritten werden soll. Demgegenüber muss eine Zuchtstute fruchtbar sein, während ein Reitpferd auch kastriert geritten werden kann. Selbiges gilt für Befunde, die – jedenfalls noch – nicht mit klinischen Symptomen einhergehen, aufgrund derer das Pferd aber nur noch schonend geritten werden darf. In diesem Fall dürfte zwar die Zuchttauglichkeit nicht beein130 Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 38; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 521. 131 Vgl. § 2 Nr. 2 des Vertragsmusters der FN (s. o. Kap. 2 Fn. 71). 132 Neumann, S. 75. 133 Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 174. 134 Vgl. dazu OLG Zweibrücken, Urt. v. 13.01.2011 – 4 U 34/10, NJW-RR 2011, 1074; LG Bielefeld, Urt. v. 03.07.2006 – 25 O 340/04, juris Rn. 27; Adolphsen, NKSchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 32.

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trächtigt sein, wohl aber die Eignung für den Turniersport.135 Gleiches gilt für etwaige Vorerkrankungen oder überstandene Operationen, wenn diese eine eingeschränkte Belastbarkeit des Verkaufspferdes zur Folge haben.136 Umgekehrt können klinisch unauffällige genetische Defekte zwar nicht der Verwendbarkeit eines Turnierpferdes, wohl aber der eines Zuchtpferdes entgegenstehen.137 Letztlich liegt es daher erneut im Ermessen der Parteien, welche Gesundheitsmerkmale sie zum Gegenstand einer positiven oder negativen Beschaffenheitsvereinbarung machen. Sie haben lediglich die für den Verbrauchsgüterkauf geltende Formvorschrift des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten. Zudem ist ihnen zur Vermeidung späterer Streitigkeiten stets dazu zu raten, die gewünschte Beschaffenheit möglichst präzise schriftlich festzuhalten. 2. Objektive Anforderungen Soweit keine wirksamen Vereinbarungen i. S. v. § 434 Abs. 2 BGB vorliegen, muss das Pferd den gesetzlich geschuldeten objektiven Anforderungen genügen. Es muss daher gem. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 BGB so beschaffen sein, dass es sich gesundheitlich für die gewöhnliche Verwendung eignet und auch im Übrigen der üblichen gesundheitlichen Beschaffenheit entspricht. Während die gesundheitliche Eignung zur gewöhnlichen Verwendung meist von einem Sachverständigen festgestellt werden kann, bereitet die Ermittlung des darüber hinausgehend geschuldeten üblichen Gesundheitszustands regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten. Schon die Bildung einer für die Üblichkeit maßgeblichen Vergleichsgruppe stellt den Rechtsanwender vor große Herausforderungen. Zwar könnte man auch an dieser Stelle auf die Rasse des Pferdes, das Alter, die bisherige Haltung und Fütterung oder die bislang erfolgte Nutzung abstellen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass jedes Pferd naturgemäß individuell veranlagt ist und der Gesundheitszustand einer eigenständigen biologischen Entwicklung mit ständigen unvorhersehbaren Veränderungen unterliegt, was einen objektiven Vergleich mit dem Gesundheitszustand anderer Pferde trotz selber Rasse und gleichen Alters nahezu unmöglich macht.138 Dennoch lassen sich gewisse Mindestanforderungen an den gesundheitlichen Zustand des Verkaufspferdes zusammenfassen.139 Legt man „Die Ethischen Grundsätze des Pferdefreundes“ der FN zugrunde, die vorsehen, dass der physi135 Vgl. zur mangelnden Verwendbarkeit eines Springpferdes aufgrund einer fortgeschrittenen Arthrose LG Frankenthal, Urt. v. 05.12.2017 – 7 O 385/15, juris Rn. 30 ff. 136 Vgl. zur eingeschränkten Nutzbarkeit eines Freizeitpferdes aufgrund einer Operation an der Beugesehne des rechten Vorderbeins OLG Köln, Urt. v. 23.08.2017 – I-16 U 68/17, juris Rn. 26 ff. 137 Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 68. 138 So auch E. Graf v. Westphalen, ZGS 2007, 168, 171. 139 Siehe dazu auch Neumann, S. 94 ff.

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schen und psychischen Gesundheit des Pferdes unabhängig von seiner Nutzung oberste Bedeutung einzuräumen ist,140 wird der Durchschnittskäufer berechtigterweise erwarten dürfen, dass das von ihm gekaufte Pferd – seinem Alter entsprechend – gesund ist.141 Dafür spricht auch § 1 TierSchG, wonach das Leben und Wohlbefinden eines Pferdes zu schützen sind und ihm keine Schmerzen, Leiden oder sonstigen Schäden zugefügt werden dürfen.142 In diesem Sinne hat auch der BGH zutreffend entschieden, dass der Verkäufer eines Tieres ohne anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung dafür einzustehen hat, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist.143 Vor diesem Hintergrund entspricht jedenfalls ein akut krankes Pferd nicht der üblichen gesundheitlichen Beschaffenheit i. S. d. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB.144 a) Befunde mit klinischer Symptomatik Dieses scheinbar eindeutige Ergebnis lässt jedoch offen, wo die Grenze zwischen Krankheit und Gesundheit zu ziehen ist, d. h. in welchem konkreten gesundheitlichen Zustand das Pferd (noch) gesund ist und ab wann es als (schon) krank gilt. Nach der für Menschen aufgestellten Definition der Weltgesundheitsorganisation ist Gesundheit ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.145 Demgegenüber wird der Begriff der Krankheit als Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen und/oder objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen oder seelischen Veränderungen definiert.146 Zwar lassen sich diese Definitionen nicht ohne Weiteres auf Tiere übertragen, es kann jedoch auch bei Pferden auf das objektiv wahrnehmbare Wohlbefinden abgestellt werden. Demnach kommt es für die Frage der Gesundheit des Pferdes zunächst auf die Abwesenheit klinisch feststellbarer Symptome147 an.148 Ein Pferd, das lahmt, hustet oder sonstige klinische 140

FN, Die Ethischen Grundsätze des Pferdefreundes, S. 6. Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 21; Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 13; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 518. 142 So auch Oexmann, RdL 2008, 113, 114. 143 St. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 25 m.w. N.; BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 25 m.w. N.; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 26 m.w. N. 144 So auch Kniefert, NJW 2007, 2895, 2896; Looschelders, JA 2007, 811, 812; Neumann, S. 94. 145 Vgl. die Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (deutsche Übersetzung); abrufbar unter https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19460131/2014050 80000/0.810.1.pdf (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 146 Burda/Bayer/Zrzavy, Humanbiologie, S. 390. 147 Bei einem Symptom handelt es sich um die subjektive oder objektive Wahrnehmbarkeit eines medizinischen Befundes, weshalb es regelmäßig als Bindeglied zwischen dem Befund und einer tierärztlichen Diagnose verstanden werden kann. Letztere defi141

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Auffälligkeiten zeigt, ist nicht gesund und entspricht somit nicht der gem. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB geschuldeten üblichen gesundheitlichen Beschaffenheit. b) Befunde ohne klinische Symptomatik Deutlich schwieriger ist die Einordnung von medizinischen Befunden, die – jedenfalls gegenwärtig – keine klinisch feststellbaren Symptome hervorrufen. Mangels akuter Beschwerden eignet sich das Pferd in diesen Fällen meist zur gewöhnlichen Verwendung, sodass ein Sachmangel i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB unproblematisch abzulehnen ist.149 Unklar ist demgegenüber, ob das Verkaufspferd trotz des Befundes auch im Übrigen der bei Pferden üblichen gesundheitlichen Beschaffenheit i. S. d. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB entspricht oder ob der Befund zur Mangelhaftigkeit des Pferdes führt. aa) Röntgenbefunde Ein in der Praxis ständig wiederkehrendes Problem bilden Röntgenbefunde ohne klinische Begleitsymptomatik. Es handelt sich dabei um röntgenologisch feststellbare Abweichungen vom veterinärmedizinischen Normzustand, die bislang weder subjektiv noch objektiv wahrnehmbar, d. h. symptomlos sind, aber die Gefahr späterer Beschwerden in sich bergen. Ob ein solcher Befund zur Mangelhaftigkeit des Verkaufspferdes führt, hängt davon ab, wie die übliche röntgenologische Beschaffenheit eines Pferdes zu definieren ist. (1) Beurteilung der Üblichkeit anhand des Röntgen-Leitfadens? Da der Jurist in der Regel keine veterinärmedizinischen Fachkenntnisse besitzt, hat er zur Ermittlung der üblichen röntgenologischen Beschaffenheit eines Pferdes zunächst nach tiermedizinischen Hilfsmitteln gesucht. Fündig wurde er bei dem seit 1993 in verschiedenen überarbeiteten Fassungen existierenden sog. „Röntgen-Leitfaden“, der sich die Standardisierung der AKU zur Aufgabe ge-

niert die Deutung eines pathologisch-klinischen Zustandes, wobei nur die exakte Zuordnung von mehreren Befunden als diagnostische Zeichen und Symptome zu einem definierten Krankheitsbegriff führen kann, vgl. Stadler, Pferdeheilkunde 2008, 577, 578 m.w. N. 148 So auch der BGH, der die Wahrscheinlichkeit einer alsbaldigen Erkrankung mit der Wahrscheinlichkeit klinischer Symptome gleichstellt, vgl. BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18, juris Rn. 25 f.; BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 25 f.; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 26 f.; ebenso OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 14.09.2021 – 6 U 127/20, BeckRS 2021, 28243 Rn. 23. 149 So auch Kniefert, NJW 2007, 2895, 2896; anders nur, wenn das Pferd aufgrund des Befundes nur noch schonend eingesetzt und z. B. nicht mehr gesprungen werden darf; vgl. dazu LG Frankenthal, Urt. v. 05.12.2017 – 7 O 385/15, juris Rn. 30 ff.

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macht hat. Seitdem gilt der Röntgen-Leitfaden als wichtigste tierärztliche Interpretationshilfe bei der anlässlich einer Kaufuntersuchung durchgeführten röntgenologischen Untersuchung mindestens drei Jahre alter Reitpferde. Da sich der Anwendungsbereich des Röntgen-Leitfadens auf die Beurteilung röntgenologischer Befunde von klinisch unauffälligen Pferden beschränkt, erscheinen die dort aufgestellten Kriterien auf den hier gegenständlichen Fall eines Röntgenbefundes ohne Begleitsymptomatik auf den ersten Blick übertragbar zu sein. Schon unter der Geltung des alten Röntgenleitfadens, der in den Fassungen aus den Jahren 2002 und 2007 die Einordnung des Röntgenbefundes in vier verschiedene Röntgenklassen150 und drei Zwischenklassen151 vorsah, wurde zum Teil versucht, die Üblichkeit eines Befundes anhand seiner Zuordnung zu einer bestimmten Röntgenklasse zu bestimmen.152 Diesen Versuch hat der BGH jedoch höchstrichterlich zunichte gemacht, indem er weder Abweichungen von dem als Röntgenklasse I umschriebenen „Idealzustand“ noch röntgenklassenbedingte Preisabschläge beim Weiterverkauf des Pferdes als generell sachmangelbegründend angesehen hat.153 In der Folge hat auch die Röntgenkommission der GPM das juristische Streitpotential der Klassifizierung erkannt. So wurde u. a. kritisiert, dass die Einteilung in Klassen die mit den tatsächlich vorhandenen prognostischen Möglichkeiten der Veterinärmedizin nicht erfüllbare Erwartungshaltung verstärkt habe, mit einer einmaligen Röntgenuntersuchung skelettbedingte Risiken vollständig aufdecken zu können.154 Nach der Aussage von Prof. Dr. Christoph Lischer, Mitglied der Röntgenkommission, waren „diese prognoseähnlichen Aussagen [. . .] nicht mehr zu halten“.155 Vielmehr haben sich die getroffenen Vorhersagen, Risikobewertungen und Wahrscheinlichkeitsangaben als wissenschaftlich unseriös er-

150 Röntgenklasse I beschrieb den „Idealzustand“, Klasse II den „Normalzustand“, Klasse III den „Akzeptanzzustand“ und Klasse IV den „Risikozustand“, vgl. Röntgenleitfaden (2007), S. 5. 151 Die Unterteilung in die Zwischenklassen I–II, II–III und III–IV sollte zum Ausdruck bringen, dass verschiedene Untersucher möglicherweise nach der Deutlichkeit der Befunde und der eigenen Erfahrungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können, Röntgenleitfaden (2007), S. 5. 152 So z. B. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 13.09.2006 – 2 U 80/06, juris; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.05.2006 – 11 U 9/05, BeckRS 2009, 4448; Neumann, S. 100 f.; wohl auch LG Münster, Urt. v. 20.07.2007 – 10 O 240/06, NJOZ 2008, 434, 437 und E. Graf v. Westphalen, RdL 2006, 284, 285 unter dem Gesichtspunkt der sachmangelbegründenden Wertminderung des Pferdes. 153 BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 19 ff.; zustimmend Kniefert, NJW 2007, 2895, 2896; ebenso OLG Köln, Urt. v. 12.12.2007 – 27 U 20/07, BeckRS 2008, 4472 Rn. 8; vgl. außerdem BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 34. 154 Röntgen-Leitfaden (2018), S. 13. 155 Zit. nach Leszinski, RRI v. 16.03.2018.

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wiesen.156 Zudem sollte die klinische Untersuchung wieder mehr an Bedeutung gewinnen, da diese die wichtigste Grundlage zur Beurteilung der aktuellen körperlichen Verfassung des Pferdes sei.157 Vor diesem Hintergrund wurden die Röntgenklassen mit dem aktuellen Röntgen-Leitfaden (2018) ersatzlos gestrichen.158 Stattdessen sind nunmehr ausschließlich Röntgenbefunde mit Abweichungen von der normalen Röntgenanatomie aufgelistet.159 Unterschieden wird dabei zwischen Befunden, bei denen das Risiko einer Lahmheit nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann und solchen Befunden, die mit einem Lahmheitsrisiko behaftet sind (sog. Risikobefunde). Röntgenbilder, die die normale, d. h. die ideale bzw. nicht ideale, aber funktionell unbedeutende Röntgenanatomie aufweisen, gelten als o. b. B. (ohne besonderen Befund) und werden vom Leitfaden nicht erfasst.160 Alle übrigen nicht vom Leitfaden erwähnten Befunde, die von der Normanatomie abweichen, müssen auf Grundlage der Erfahrung des untersuchenden Tierarztes interpretiert werden; eine Risikoabschätzung ist insoweit meist nicht möglich.161 Da der neue Röntgen-Leitfaden (2018) somit nur diejenigen Befunde aufzählt, die eine Abweichung von der „normalen Röntgenanatomie“ darstellen, könnte man annehmen, dass jeder Röntgenbefund, der vom Leitfaden erfasst wird, als unüblich und damit sachmangelbegründend anzusehen ist; sich mithin die übliche röntgenologische Beschaffenheit an derjenigen Beschaffenheit orientiert, die nicht in den Anwendungsbereich des Röntgen-Leitfadens fällt. Dieser Ansatz wird jedoch bereits im Keim erstickt, da der Röntgen-Leitfaden (2018) selbst ausdrücklich klarstellt, dass er „[. . .] keine Hinweise zur üblichen röntgenologischen Beschaffenheit von Reitpferden geben [kann]. Dazu liegen keine ausreichenden wissenschaftlichen Studien vor.“ 162 Außerdem liefere „dieses tierärztliche Hilfsmittel [. . .] keine Hinweise dafür, ob ein Pferd oder ein einzelner Röntgenbefund als Mangel im juristischen Sinne zu qualifizieren ist.“ 163

Nach alledem bleibt der Röntgen-Leitfaden (2018) somit zwar ein wertvolles tierärztliches, jedoch kein juristisches Hilfsmittel. Zur Ermittlung der üblichen röntgenologischen Beschaffenheit eines Pferdes i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB muss daher auf anderweitige Kriterien abgestellt werden. 156

AG Brandenburg, Urt. v. 20.02.2020 – 31 C 140/18, BeckRS 2020, 1988 Rn. 93. So Prof. Dr. Karsten Feige, Präsident der GPM und Direktor der Klinik für Pferde der Tierärztlichen Hochschule in Hannover, vgl. Castronovo, rM v. 29.12.2017. 158 Vgl. Röntgen-Leitfaden (2018), S. 13. 159 Röntgen-Leitfaden (2018), S. 13. 160 Röntgen-Leitfaden (2018), S. 14. 161 Röntgen-Leitfaden (2018), S. 14. 162 Röntgen-Leitfaden (2018), S. 14. 163 Röntgen-Leitfaden (2018), S. 13; vgl. auch BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 34. 157

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(2) Üblichkeit trotz erhöhter Wahrscheinlichkeit klinischer Symptome? Teile der Instanzrechtsprechung haben zunächst angenommen, dass ein Röntgenbefund nur dann üblich und vom Käufer hinzunehmen ist, wenn er nicht mit einer gegenüber dem physiologischen Normbild erhöhten Wahrscheinlichkeit klinischer Erscheinungen verbunden ist.164 Dieser Rechtsprechung hat der BGH jedoch zu Recht eine Absage erteilt.165 Während die Vorinstanz des OLG Karlsruhe aufgrund der mit dem streitgegenständlichen „Kissing Spines“-Befund166 verbundenen ernstzunehmenden Wahrscheinlichkeit klinischer Erscheinungen ein Abweichen von der üblichen Beschaffenheit und damit einen Sachmangel i. S. v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB a. F. angenommen hatte,167 lehnte der BGH die Mangelhaftigkeit des Pferdes ab.168 Diese Entscheidung begründete er damit, dass es nicht zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres gehöre, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht.169 Tiere seien Lebewesen, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und die – anders als Sachen – mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet seien. Gewisse – erworbene oder genetisch bedingte – Abweichungen vom physiologischen Idealzustand kämen bei Lebewesen erfahrungsgemäß häufig vor, sodass der Käufer eines Reitpferdes redlicherweise nicht erwarten könne, ohne entsprechende Vereinbarung ein Tier mit „idealen“ Anlagen zu erhalten. Vielmehr müsse er im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist. Auch die damit verbundenen Risiken für die spätere Entwicklung des Tieres seien für Lebewesen typisch und würden für sich genommen noch keinen vertragswidrigen Zustand darstellen, da der Verkäufer eines Tieres nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands hafte.170 Nach der Auffassung des BGH sind Abweichungen von der „physiologischen Norm“ somit immer dann als üblich hinzunehmen, wenn sie lediglich mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit klinischer Symptome verbunden sind. Die Entscheidung des BGH ist sachgerecht. Sie berücksichtigt in angemessener Weise, dass der Kauf eines Pferdes nicht mit dem Erwerb anderer Handels164 So z. B. OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.05.2006 – 11 U 9/05, BeckRS 2009, 4448; LG Münster, Urt. v. 10.12.2004 – 10 O 716/03, juris Rn. 36. 165 BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351. 166 Unter dem sog. Kissing-Spines-Syndrom versteht man eine knöcherne Veränderung der Wirbelsäule, durch die sich die Dornfortsätze des Pferdes annähern, vgl. Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 42. 167 OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.05.2006 – 11 U 9/05, BeckRS 2009, 4448. 168 BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 19. 169 Kritisch dazu E. Graf v. Westphalen, ZGS 2007, 168, 171. 170 BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 19.

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güter zu vergleichen ist. Im Gegensatz zu maschinell gefertigten Sachen, die in der Regel nach den Vorgaben bestimmter Richtlinien oder DIN-Vorgaben normgerecht hergestellt werden können, kommen Pferde ohne vorgegebenen Herstellungsplan mit individuellen Anlagen auf die Welt. Es liegt in der Natur der Sache, dass kein Pferd dem anderen gleicht. Auf eine mit einer DIN-Norm vergleichbare Idealnorm, der das durchschnittliche Pferd entsprechen muss, kann daher schon deswegen nicht abgestellt werden. Vielmehr muss beim Pferdekauf ein anderer Maßstab gelten als beim Kauf industriell hergestellter Waren.171 Soweit die Veterinärmedizin dennoch einen anatomischen Normzustand des Pferdes beschreibt, ermöglicht dies lediglich die exakte Dokumentation abweichender Befunde. Allerdings darf der zu tiermedizinischen Zwecken definierte Idealzustand keinesfalls mit der bei Pferden üblichen Beschaffenheit i. S. d. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB verwechselt werden. Vielmehr ist die übliche Beschaffenheit gerade nicht die Norm- oder Idealbeschaffenheit, sondern die durchschnittliche Beschaffenheit.172 Das durchschnittliche Pferd wird aber aufgrund seiner naturgegebenen Individualität in nahezu keinem Fall dem medizinischen Normzustand entsprechen, sondern stets gewisse Abweichungen hiervon aufweisen.173 So belegen beispielsweise diverse Studien die Üblichkeit von Veränderungen im Bereich der Dornfortsätze, der Sprunggelenke oder der Strahlbeine.174 Der Umstand, dass diese Abweichungen ein gegenüber dem Idealzustand erhöhtes Risiko späterer klinischer Erscheinungen begründen, ist dabei ebenso üblich wie die Abweichung selbst. Würde man die erhöhte Gefahr späterer Auffälligkeiten daher für die Unüblichkeit röntgenologischer Anomalien genügen lassen, hätte dies zur Folge, dass nahezu jedes Pferd mangelhaft wäre. Stattdessen bleibt mit dem BGH festzuhalten, dass sowohl gewisse Abweichungen von der physiologischen Norm als auch die damit verbundenen Verschlechterungsrisiken dem Pferdekauf immanent und daher grundsätzlich vom Käufer hinzunehmen sind.175 Dies gilt – wie der BGH ebenfalls zutreffend klargestellt hat – unabhängig davon, wie häufig der Befund bei Pferden generell vorkommt, da allein entscheidend ist, dass mit einem erhöhten Risiko behaftete röntgenologische Normabweichungen an sich bei Pferden üblich sind.176 171 So auch Neumann, S. 99 m.w. N.; siehe außerdem LG Lüneburg, Urt. v. 16.03. 2004 – 4 O 322/03, RdL 2005, 66. 172 Kniefert, NJW 2007, 2895, 2896. 173 Vgl. Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 17. 174 Ausführlich dazu Stadler, Pferdeheilkunde 2008, 577, 583; außerdem OLG Celle, Urt. v. 31.05.06 – 7 U 252/05, juris Rn. 23; Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 15 m.w. N.; Wiemer, RdL 2007, 200, 201; Fuhrmann, S. 145; Neumann, S. 99 m.w. N. 175 Ebenso auch OLG Köln, Urt. v. 12.12.2007 – 27 U 20/07, BeckRS 2008, 4472 Rn. 9. 176 BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 28; zustimmend Gutzeit, JuS 2018, 577, 579; anders wohl noch BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/

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(3) Üblichkeit trotz sicher oder hoch wahrscheinlich auftretender klinischer Symptome? Demgegenüber soll sich ein Pferd nach der Rechtsprechung des BGH aber dann in einem vertragswidrigen Zustand befinden, wenn nicht bloß eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, sondern bereits die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Pferd alsbald erkranken und es deshalb oder aus sonstigen Gründen für die vertraglich vorausgesetzte bzw. gewöhnliche Verwendung nicht mehr einsetzbar sein wird.177 Der BGH nimmt somit eine Interessenabwägung vor. Während er dem Käufer das Risiko von Befunden auferlegt, denen bloß eine erhöhte Wahrscheinlichkeit klinischer Auffälligkeiten anhaftet, soll der Verkäufer in die Haftung genommen werden dürfen, sobald die Symptome sicher bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten werden. Dies hat zur Folge, dass zur Beurteilung der Mangelhaftigkeit des Verkaufspferdes stets zu differenzieren ist, ob der beanstandete Röntgenbefund nur mit einfacher oder mittlerer Wahrscheinlichkeit klinische Auffälligkeiten hervorrufen wird oder ob entsprechende Symptome mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Eine solche Abgrenzung begegnet jedoch nicht nur erheblichen praktischen Bedenken. Vielmehr ist die zugrunde gelegte Risikoverteilung auch nicht interessengerecht. (a) Mit Sicherheit auftretende klinische Symptome Unbeschadet etwaiger Beschaffenheitsvereinbarungen muss der Pferdekäufer stets mit gewissen Abweichungen vom physiologischen Idealzustand rechnen. Jedes Lebewesen ist unterschiedlich veranlagt, sodass individuelle gesundheitliche Entwicklungsunsicherheiten dem Tierkauf immanent und daher vom Käufer hinzunehmen sind. Weist das gekaufte Pferd aber einen röntgenologischen Befund auf, der nicht nur wahrscheinlich, sondern mit Sicherheit zu klinischen Auffälligkeiten des Pferdes führen wird, so besteht keine tierkauftypische Entwicklungsunsicherheit, sondern vielmehr Entwicklungsgewissheit. Denn der Röntgenbefund ist mit dem sicheren Auftreten der Symptomatik untrennbar verbunden; ungewiss ist allein der Eintrittszeitpunkt. Bei einem solchen Befund hängt es somit allein vom Zufall ab, ob sich die Symptome bereits vor oder erst nach der Übergabe des Pferdes zeigen. Im ersten Fall wäre das Pferd bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs unstreitig nicht gesund und damit sachmangelhaft, sodass dem Käufer die Gewährleistungsrechte des § 437 BGB zustünden. In letzterem Fall 06, NJW 2007, 1351 Rn. 20 und LG Münster, Urt. v. 20.07.2007 – 10 O 240/06, juris Rn. 47. 177 Vgl. nur BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 25; BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 25; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 26; BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 37.

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würden dem Käufer hingegen – sofern man einen Röntgenbefund, der mit Sicherheit zu klinischen Auffälligkeiten führt, noch als üblich einstuft – mangels bislang eingetretener Symptome keine Gewährleistungsansprüche zustehen. Dieses Zufallsergebnis der Risikosphäre des Käufers zuzuordnen, erscheint unbillig. Denn die Gefahrtragung des Käufers umfasst zwar nicht weniger als die dem Tierkauf immanenten gesundheitlichen Entwicklungsunsicherheiten, aber auch nicht mehr. Ein vernünftiger Durchschnittskäufer muss daher zwar mit röntgenologischen Abweichungen vom Normzustand rechnen, die mit der ungewissen Möglichkeit klinischer Auffälligkeiten verbunden sind, nicht aber mit solchen, die sicher Symptome hervorrufen werden. Rechtlich gesehen ist dem BGH daher insoweit zuzustimmen, als dass ein Röntgenbefund, der mit Sicherheit zu klinischen Erscheinungen wie einer Lahmheit führen wird, nicht der bei Pferden üblichen Beschaffenheit entspricht.178 In praktischer Hinsicht wird jedoch – wenn überhaupt – nur in den seltensten Fällen mit Sicherheit vorhergesagt werden können, dass ein Pferd aufgrund eines Röntgenbefundes künftig klinische Symptome entwickeln wird.179 Zwar gibt es Befunde, wie insbesondere die im Röntgen-Leitfaden (2018) aufgelisteten Risikobefunde, bei denen wissenschaftlich ein Lahmheitsrisiko besteht. Es bleibt jedoch fast immer eine Rest-Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass das Pferd trotz gravierenden Befundes bis zu seinem Lebensende keinerlei Symptome zeigen wird. Hinzu kommt, dass zur prognostischen Einschätzung der Normabweichung in der Regel ein veterinärmedizinischer Sachverständiger herangezogen werden muss. Der naturwissenschaftlich denkende Mediziner kennt jedoch keine Sicherheit im genannten Sinne,180 sodass er den sicheren Eintritt klinischer Symptome – schon zur Vermeidung einer späteren Haftung – wohl kaum prognostizieren wird. (b) Mit hoher Wahrscheinlichkeit auftretende klinische Symptome Daneben hat der Verkäufer nach der Rechtsprechung des BGH auch für röntgenologische Befunde rechtlich einzustehen, aufgrund derer eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Tier alsbald erkranken und es deshalb oder aus sonstigen Gründen für die vertraglich vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung nicht mehr einsetzbar sein wird.181 Das OLG Hamm hat dazu ergänzend 178 Ebenso LG Stendal, Beschl. v. 18.05.2009 – 22 S 148/08, juris Rn. 12; LG Marburg, Urt. v. 22.11.2007 – 1 O 387/04, juris Rn. 32; OLG Frankfurt, Urt. v. 04.09.2006 – 16 U 66/06, juris Rn. 30; OLG Celle, Urt. v. 31.05.06 – 7 U 252/05, juris Rn. 26. 179 Vgl. Neumann, S. 98. 180 Wachsmuth/Schreiber, NJW 1982, 2094, 2095 m.w. N.; vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 13.09.2006 – 2 U 80/06, juris Rn. 55 f. 181 BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 25; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 26; BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 37.

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ausgeführt, dass von einem Sachmangel auszugehen sei, wenn eine alsbaldige Erkrankung bereits bei Gefahrübergang sehr wahrscheinlich war und das Risiko einer Einbuße der Verwendungsmöglichkeit als Reitpferd deutlich über die für ein Lebewesen typischen Entwicklungsunsicherheiten hinausging.182 (aa) Pferdekaufimmanente Entwicklungsunsicherheit bleibt bestehen Bei einer (lediglich) hohen Wahrscheinlichkeit klinischer Symptome bleibt jedoch stets eine nicht zu unterschätzende Rest-Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass das Pferd keine Symptomatik entwickelt und sein Leben lang beschwerdefrei genutzt werden kann. Der hoch wahrscheinliche Eintritt klinischer Auffälligkeiten ist daher im Ergebnis ebenso wenig mit Sicherheit vorherzusagen, wie die Realisierung eines erhöhten, mittleren oder nicht näher einschätzbaren Risikos. Nur weil die Wahrscheinlichkeit höher ist als bei anderen Befunden, beseitigt das nicht das für den Kauf von Lebewesen typische Entwicklungsrisiko. Vielmehr hängt der Eintritt klinischer Erscheinungen auch in diesem Fall von der individuellen Veranlagung und Anfälligkeit des jeweiligen Pferdes ab. Während ein Pferd ohne jegliche Röntgenbefunde nach zwei Wochen lahm und in der Folge unreitbar sein kann, ist es ebenso denkbar, dass ein Pferd mit einem gravierenden Risikobefund zu keiner Zeit klinische Auffälligkeiten zeigen wird. Eines von vielen Beispielen dafür ist das international erfolgreiche Springpferd „Wat nu“, das aufgrund erheblicher Veränderungen am Strahlbein und der damit verbundenen hohen Wahrscheinlichkeit einer späteren Hufrollenentzündung nur in die damalige Röntgenklasse IV („Risikozustand“) eingeordnet wurde. Nach seinem Verkauf in die USA war das Pferd im Jahr 2001 das zweiterfolgreichste Pferd des Landes und lief ohne klinische Auffälligkeiten fünf Jahre im Hochleistungssport.183 (bb) Verantwortungsbereich des Käufers Hält man eine hohe Wahrscheinlichkeit klinischer Erscheinungen für ausreichend, hätte dies außerdem zur Folge, dass der Verkäufer für ein bei der Übergabe klinisch unauffälliges und damit im entscheidenden Zeitpunkt des Gefahrübergangs uneingeschränkt nutzbares Pferd rechtlich einzustehen hätte, obwohl spätere Verwendungseinschränkungen nicht sicher sind. Dabei führt der BGH selber aus, dass der Verkäufer für den Fortbestand des bei der Übergabe vorhandenen Gesundheitszustands nicht einzustehen hat.184 Vielmehr übernimmt der Käufer ab dem Zeitpunkt der Übergabe die Verantwortung für das Pferd (§§ 1, 2 TierSchG) und verpflichtet sich damit, für das Wohlergehen des Tieres zu sor182 OLG Hamm, Urt. v. 28.01.2019 – 2 U 98/18, juris Rn. 28; ebenso AG Brandenburg, Urt. v. 20.02.2020 – 31 C 140/18, BeckRS 2020, 1988 Rn. 140. 183 Beispiel nach Neumann, S. 98 f. 184 BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 19.

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gen – und zwar unabhängig davon, ob dieses gesund bleibt oder erkrankt. Dieses Entwicklungsrisiko haftet jedem Tierkauf an und ist vom Käufer zu tragen.185 Letzterem darf daher bei bestehenden Unsicherheiten, wie sie angesichts der verbleibenden Rest-Wahrscheinlichkeit auch bei einem hohen Risiko klinischer Symptome vorhanden sind, nicht die Möglichkeit eröffnet werden, die übernommene Verantwortung nachträglich auf den Verkäufer abzuwälzen. Diese Möglichkeit ist ihm nur in denjenigen Fällen zuzugestehen, in denen keine Entwicklungsunsicherheit, sondern Gewissheit über den gesundheitlichen Verlauf besteht, d. h. nur dann, wenn der konkrete Befund mit Sicherheit zu klinischen Erscheinungen führen wird.186 Diese Risikoverteilung ist auch interessengerecht; insbesondere wird der Käufer dadurch nicht unangemessen benachteiligt.187 Er hat diverse Möglichkeiten, etwaige Röntgenbefunde und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken vorab aufdecken und veterinärmedizinisch einschätzen zu lassen. Insbesondere kann er eine AKU durchführen lassen und je nach Untersuchungsergebnis entscheiden, ob er das Risiko bestehender Anomalien in Kauf nehmen möchte oder nicht. Will er das Risiko eingehen, kann er entsprechende vertragliche Vorkehrungen treffen, indem er bestehende Gesundheitsgefahren im Kaufpreis berücksichtigen oder sich für den Fall des Eintritts klinischer Symptome zusätzlich zu seinen gesetzlichen Gewährleistungsrechten ein vertragliches Rücktrittsrecht einräumen lässt. Im Übrigen kann er die gewünschte Beschaffenheit in den Vertrag aufnehmen mit der Folge, dass gem. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB jede Abweichung von dieser Vereinbarung einen Sachmangel begründet. Macht der Käufer aber von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch, kauft er das Risiko und die Verantwortung für das jeweilige Pferd sehenden Auges vollumfänglich mit und 185 So steht auch im Röntgen-Leitfaden (2018) auf S. 14: „Der Kauf des Lebewesens Pferd wird jedoch weiterhin – auch bei sorgfältig durchgeführter klinischer und röntgenologischer Untersuchung – ein nicht mit anderen Handelsgütern vergleichbares Risiko beinhalten. Dieses sollte wieder mehr in das Bewusstsein des am Pferdekauf beteiligten Personenkreises gelangen.“ 186 So im Ergebnis auch LG Stendal, Beschl. v. 18.05.2009 – 22 S 148/08, juris Rn. 12; LG Marburg, Urt. v. 22.11.2007 – 1 O 387/04, juris Rn. 32; OLG Frankfurt, Urt. v. 04.09.2006 – 16 U 66/06, juris Rn. 30; OLG Celle, Urt. v. 31.05.06 – 7 U 252/ 05, juris Rn. 26; wohl auch OLG Koblenz, Urt. v. 14.04.2016 – 1 U 254/15, juris Rn. 14 und OLG Koblenz, Urt. v. 21.05.2015 – 1 U 1382/14, NJW-RR 2015, 1192 Rn. 10, das jeweils bei fehlenden klinischen Symptomen zur Annahme eines Sachmangels nicht ausreichen lässt, dass mit einer gewissen (prozentualen) Wahrscheinlichkeit in Zukunft Symptome bei dem jeweiligen Pferd auftreten können; außerdem Oexmann, RdL 2018, 149, 152; ders., RdL 2016, 149, 154; Wiemer, RdL 2007, 200, 203; einen Ursachenzusammenhang zwischen Röntgenbefund und klinischem Befund fordert auch Bemmann, RdL 2005, 57, 62. 187 Anders wohl Neumann, S. 96, der bei jungen Pferden eine unangemessene Benachteiligung des Käufers darin sieht, dass dieser beim Kauf eines jungen Pferdes das Risiko hinnehmen müsste, ob sich aus einer bestehenden Anomalie eine Nutzungseinschränkung aufgrund klinischer Symptome entwickelt oder nicht.

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

zwar unabhängig davon, ob die Wahrscheinlichkeit etwaiger Erkrankungen nur erhöht, hoch oder nicht einschätzbar ist. Auch weitergehende Rechte wie Schadensersatzansprüche188 oder ein Anfechtungsrecht189 können ihm allenfalls dann zustehen, wenn der Verkäufer den Röntgenbefund und das dadurch erhöhte Risiko klinischer Symptome gekannt, gegenüber dem Käufer aber verschwiegen hat. (cc) Rechtsunsicherheit und fehlende Evidenzbasierung in der Veterinärmedizin Schließlich geht mit der vom BGH geforderten Wahrscheinlichkeitsprognose auch ein erhebliches Maß an Rechtunsicherheit einher.190 Während der durchschnittliche Käufer oder Verkäufer regelmäßig nicht zu der Beurteilung fähig sein wird, mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad ein bestimmter Röntgenbefund klinische Erscheinungen hervorrufen wird, drängt diese Erwartungshaltung des BGH auch den tiermedizinischen Sachverständigen in eine Rolle, der er nicht gerecht werden kann. Mangels eindeutiger Kriterien ist bereits definitorisch unklar, was der BGH unter einer hohen Wahrscheinlichkeit in Abgrenzung zu einer geringen oder erhöhten Wahrscheinlichkeit versteht.191 Unabhängig davon ist die Veterinärwissenschaft aber auch nicht imstande, auf der Grundlage eines Röntgenbildes exakte Wahrscheinlichkeitsprognosen aufzustellen.192 Dieses Unvermögen spiegelt sich in den dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen wider.193 Die beauftragten Sachverständigen stellten zwar regelmäßig eine erhöhte Wahrscheinlichkeit klinischer Symptome fest, mit exakten Wahrscheinlichkeitsangaben hielten sie sich indes zurück.194 Grund dafür ist insbesondere die fehlende Evidenzbasierung in der Veterinärmedizin.195 Die Evidenz beschreibt in der Medizin den Grad der Sicherheit von Aussagen, die in wissenschaftlichen Studien publiziert worden sind.196 Dafür 188 Z. B. aus culpa in contrahendo wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten, vgl. dazu Westermann, ZGS 2005, 342, 344. 189 Insbesondere wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB. 190 So auch Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 175. 191 Ebenso Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 175; vgl. auch E. Graf v. Westphalen, ZGS 2007, 168, 169. 192 Insbesondere müssen Röntgenbilder immer im Zusammenhang mit einer klinischen Untersuchung ausgewertet und niemals alleine zur Beurteilung eines Pferdes herangezogen werden, Neumann, S. 99 m.w. N.; Oexmann, RdL 2016, 149, 154. 193 Vgl. u. a. BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150; BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351; OLG Köln, Urt. v. 25.08.2017 – 6 U 188/16, juris; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.05.2006 – 11 U 9/05, BeckRS 2009, 4448; AG Brandenburg, Urt. v. 20.02.2020 – 31 C 140/18, BeckRS 2020, 1988. 194 Vgl. nur AG Brandenburg, Urt. v. 20.02.2020 – 31 C 140/18, BeckRS 2020, 1988 oder OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.05.2006 – 11 U 9/05, BeckRS 2009, 4448. 195 Vgl. Oexmann, RdL 2020, 285, 289; ders., RdL 2020, 11, 13. 196 Deegen, Pferdeheilkunde 2006, 108, 112.

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werden vier verschiedene Evidenzklassen (A, B, C, D) vorgesehen, die die unterschiedliche Validität hierarchisch ordnen.197 Die höchste und damit zuverlässigste Evidenzklasse A ist nur dann einschlägig, wenn aufgrund einer Meta-Analyse zu einem Thema gleichlautende Ergebnisse vorliegen; solche Aussagen haben in der Veterinärmedizin Seltenheitswert.198 Das ist u. a. auf die Ressourcenbeschränkung sowie darauf zurückzuführen, dass Pferde zu den nonverbalen Patienten gehören, was eine Arzt-Patienten-Kommunikation unmöglich macht.199 Ähnliche Schwierigkeiten stellen sich im Hinblick auf die Evidenzklassen B und C, sodass z. B. der für die Beurteilung von symptomlosen Röntgenbefunden heranzuziehende Röntgen-Leitfaden (2018) lediglich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der unzuverlässigsten Evidenzklasse D basiert.200 Aussagen dieser Evidenzklasse beruhen auf klinischen Erfahrungen und der Meinung anerkannter Experten.201 Sie können zwar plausibel sein, sind aber weder gesichert noch durch einschlägige Studien belegt.202 Während die Röntgenklassen des Röntgenleitfadens (2007) noch den Anschein erweckt haben, dass der Grad der Wahrscheinlichkeit späterer Auffälligkeiten hierarchisch geordnet werden kann, stellt der neue Röntgen-Leitfaden (2018) ausdrücklich klar, dass mangels zuverlässiger wissenschaftlicher Erkenntnisse nur danach differenziert werden kann, ob aufgrund von Erfahrungswerten der Evidenzklasse D (irgend-)ein Lahmheitsrisiko besteht (sog. Risikobefunde) oder ob ein solches Risiko nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann. In letzterem Fall ist mangels jeglicher Evidenz von vornherein keine zuverlässige Prognose möglich.203 Allerdings kann auch bei den sog. Risikobefunden nicht sicher vorhergesagt werden, ob, wann und mit welcher konkreten Wahrscheinlichkeit sich das Risiko verwirklichen wird; vielmehr wird auf prozentuale Wahrscheinlichkeiten absichtlich verzichtet.204 Nach Prof. Dr. Lischer, Mitglied der Röntgenkommission, „[. . .] liegen nicht genügend wissenschaftliche Daten zur Interpretation der eventuellen Befunde vor, d. h. es gibt keine ausreichende diagnostische Sicherheit. Ein Pferd kann trotz Röntgenbildern mit Befunden dauerhaft ein gutes Reitpferd sein [. . .]“.205

197 S. Arlt, Untersuchungen zur Einbindung der evidenzbasierten Reproduktionsmedizin, S. 11. 198 Deegen, Pferdeheilkunde 2006, 108, 113. 199 Oexmann, RdL 2020, 285, 289; ders., RdL 2020, 11, 13. 200 Röntgen-Leitfaden (2018), S. 13. 201 Deegen, Pferdeheilkunde 2006, 108, 113. 202 S. Arlt, Untersuchungen zur Einbindung der evidenzbasierten Reproduktionsmedizin, S. 13. 203 Röntgen-Leitfaden (2018), S. 14. 204 Stadler/Bemmann/Schüle, RdL 2018, 118, 119. 205 Zit. nach Oexmann, RdL 2018, 149, 152; ebenso Stadler/Bemmann/Schüle, RdL 2018, 118, 119.

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

Auch bei jungen Pferden unter drei Jahren, für die der Röntgen-Leitfaden (2018) noch nicht anwendbar ist,206 tun sich die Sachverständigen schwer, eine klare Zukunftsprognose zu treffen.207 Jungpferde befinden sich noch im Wachstum und unterliegen somit einer ständigen physiologischen Veränderung und Entwicklung. Bei bestimmten Befunden ist nicht einmal absehbar, ob diese im ausgewachsenen Zustand überhaupt noch vorliegen werden.208 Insofern kann erst recht nicht prognostiziert werden, ob das Pferd aufgrund der Anomalie zu einem späteren Zeitpunkt klinische Symptome zeigen oder in seiner Verwendbarkeit eingeschränkt sein wird.209 Neben die fehlende Evidenz tritt zusätzlich der Umstand, dass das Auftreten klinischer Symptome bei jedem Befund nicht nur von der individuellen physiologischen Entwicklung und Belastbarkeit abhängt, sondern auch von unzähligen weiteren Faktoren wie der Haltung, der Nutzung oder dem Verhalten des jeweiligen Pferdes.210 Diese Begleitumstände kann der Tierarzt jedoch ebenso wenig vorhersehen wie er die Grundkonstitution und damit die Anfälligkeit des jeweiligen Pferdes, aufgrund des Befundes Symptome zu entwickeln, einzuschätzen vermag. Darüber hinaus unterliegt jedes Röntgenbild der subjektiven Erfahrung und Interpretation des jeweiligen Tierarztes.211 Selbst renommierte Tierärzte können bei der Vorlage desselben Röntgenbildes zu divergierenden Ergebnissen kommen.212 Nach alledem vermag die Veterinärmedizin zwar bei einzelnen Befunden ein erhöhtes Risiko späterer Symptome zu prognostizieren; die juristischen Erwartungen einer zuverlässigen Untergliederung in konkrete Wahrscheinlichkeitsgrade kann sie hingegen nicht erfüllen. Der tiermedizinische Sachverständige wird in die Rolle eines Wahrsagers gedrängt, der er auf wissenschaftlich seriöse Weise nicht gerecht werden kann.213 Der Maßstab der hohen Wahrscheinlichkeit ist daher nicht nur mit erheblichen Rechtsunsicherheiten behaftet, sondern stellt auch mangels hinreichender Evidenz der Veterinärwissenschaft kein zuverlässiges Kriterium zur Beurteilung der Üblichkeit eines klinisch unauffälligen Röntgenbefundes dar.214 206

Röntgen-Leitfaden (2018), S. 1. Vgl. AG Brandenburg, Urt. v. 20.02.2020 – 31 C 140/18, BeckRS 2020, 1988 Rn. 111. 208 AG Brandenburg, Urt. v. 20.02.2020 – 31 C 140/18, BeckRS 2020, 1988 Rn. 107 f. 209 AG Brandenburg, Urt. v. 20.02.2020 – 31 C 140/18, BeckRS 2020, 1988 Rn. 108. 210 Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.05.2006 – 11 U 9/05, BeckRS 2009, 4448; OLG Zweibrücken, Urt. v. 13.01.2011 – 4 U 34/10, NJW-RR 2011, 1074, 1075. 211 Neumann, S. 99; siehe auch Stadler/Bemmann/Schüle, RdL 2018, 118, 120. 212 Neumann, S. 99 m.w. N. 213 Ähnlich Stadler, Pferdeheilkunde 2008, 577, 580 hinsichtlich einer tierärztlichen Prognose im Rahmen einer AKU. 214 Ähnlich auch OLG Koblenz, Urt. v. 14.04.2016 – 1 U 254/15, juris Rn. 14 sowie Urt. v. 21.05.2015 – 1 U 1382/14, NJW-RR 2015, 1192 Rn. 10, das einen Mangel nicht 207

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(4) Zwischenergebnis Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass ein Pferd mit einem klinisch unauffälligen Röntgenbefund grundsätzlich der üblichen Beschaffenheit i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB entspricht. Weder eine im Röntgen-Leitfaden (2018) vorgesehene veterinärmedizinische Einordnung des Befundes noch ein gegenüber dem Normzustand erhöhtes Risiko klinischer Auffälligkeiten rechtfertigen für sich genommen die Annahme der Unüblichkeit. Insbesondere zeigen die vorstehenden Ausführungen, dass die höchstrichterliche Differenzierung je nach Wahrscheinlichkeitsgrad des Eintritts klinischer Erscheinungen zur Bestimmung der Üblichkeit von Röntgenbefunden nicht nur unbillig ist, sondern auch die prognostischen Möglichkeiten der Veterinärmedizin überschätzt. Vorzugswürdig sollte der Verkäufer daher nur für solche Röntgenbefunde rechtlich einzustehen haben, die bei Gefahrübergang entweder bereits klinisch erkennbar gewesen sind oder bei denen das Auftreten späterer Symptome ausnahmsweise mit Sicherheit prognostizierbar war. Denn nur in diesen Fällen wird die vom Käufer zu tragende pferdekauftypische Entwicklungsunsicherheit von einer Entwicklungsgewissheit verdrängt, die eine Risikoverlagerung auf den Verkäufer zu rechtfertigen vermag. bb) Übrige Dispositionen Die zu Röntgenbefunden dargestellten Grundsätze lassen sich auf alle übrigen Dispositionen ohne akute klinische Begleitsymptomatik übertragen. Unter dem Begriff der Disposition ist die Veranlagung oder Bereitschaft des Körpers zu verstehen, bei entsprechender Exposition mit schädigenden oder krankmachenden Einflüssen durch Ausbildung einer Krankheit zu reagieren.215 Sie stellt eines der drei pathogenen Stadien der Veterinärmedizin dar, die daneben noch das Stadium der Latenz und das der Manifestation kennt.216 Die Latenz umschreibt das zeitweilige Verborgensein einer Krankheit, mithin die symptomfreie Zeit zwischen dem Stattfinden eines Reizes, beispielsweise einer Infektion und dem Auftreten klinischer Erscheinungen.217 Das Latenzstadium muss jedoch nicht zwingend zum Ausbruch der Erkrankung führen, vielmehr kann es lebenslang andauern oder sogar reversibel sein.218 Tritt die Krankheit jedoch in Erscheinung, zeigen sich also klinische Symptome, wird dadurch das Stadium der Manifestation erreicht.219

darin sieht, dass mit einer gewissen (prozentualen) Wahrscheinlichkeit in Zukunft klinische Symptome auftreten können. 215 Wiesner/Ribbeck, S. 352. 216 Vgl. dazu Oexmann, RdL 2020, 11, 14 m.w. N. 217 Wiesner/Ribbeck, S. 841. 218 Vgl. zum Herpesvirus Böttner, S. 9. 219 Wiesner/Ribbeck, S. 906.

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

(1) Dispositionsstadium Das bloße Vorliegen einer genetisch bedingten220 oder erworbenen221 Disposition begründet für sich genommen keinen Sachmangel i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB.222 Vielmehr sind solche Dispositionen bei Pferden ebenso üblich wie röntgenologische Abweichungen vom Normzustand. Der Pferdekäufer darf auch insoweit kein „ideales“ Pferd erwarten, sondern grundsätzlich nur, dass das Pferd bei der Übergabe nicht krank ist.223 Das bloße Vorhandensein einer Disposition macht das Pferd aber (noch) nicht krank, sondern lediglich prädisponiert (krankheitsbereit224) für den Ausbruch einer bestimmten Erkrankung.225 So gilt beispielsweise die Schimmelfarbe226 als genetische Prädisposition für die Neigung zur Erkrankung an Melanomen. Würde man aber bereits das Vorhandensein einer solchen Disposition als unüblich einzustufen, würde dies zu dem absurden Ergebnis der Mangelhaftigkeit aller weißen Pferde führen.227 (2) Latenzstadium Hat die Erkrankung bereits das Stadium der Latenz erreicht, etwa weil sich das Pferd mit einem Virus infiziert hat, so begründet dies für sich genommen ebenfalls keinen Sachmangel.228 Denn die Latenz einer Erkrankung ist ebenso üblich wie die Disposition selbst. Das zeigt schon ein Blick auf die hierzulande lebenden Pferde. So sind in Deutschland schätzungsweise 90 Prozent aller Pferde mit dem sog. Herpesvirus infiziert; tatsächlich bricht die Erkrankung jedoch nur sehr selten aus.229 Würde man aber bereits die Infektion und damit das Erreichen des 220 Z. B. Polysaccaride Storage Myopathy (eine genetisch bedingte, nicht heilbare Muskelerkrankung) oder Overo Lethal White Syndrom (eine tödliche Darmerkrankung). 221 Z. B. eine Infektion. 222 So auch BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 37 zum Sommerekzem beim Pferd; LG Rottweil, Urt. v. 17.04.2019 – 1 S 85/ 18, juris Rn. 10, 17 zur FCoV-Infektion eines Katers; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.05. 2014 – I-13 U 116/13, juris Rn. 22 zur genetisch bedingten Disposition für eine PSSMErkrankung beim Pferd; Bemmann, RdL 2005, 57, 62; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 518; vgl. außerdem OLG Köln, Urt. v. 08.08.2007 – 11 U 23/07, juris Rn. 4, wonach das Vorhandensein undifferenzierter Stammzellen über eine bloße genetische Disposition hinausgehe und daher bereits für sich betrachtet eine Abweichung von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit des Tieres begründe. 223 So auch der BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 37. 224 Wiesner/Ribbeck, S. 1161. 225 So auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.05.2014 – I-13 U 116/13, juris Rn. 23. 226 Als Schimmel werden weiße Pferde aller Rassen bezeichnet. 227 Beispiel nach Bemmann, RdL 2005, 57, 63. 228 So auch LG Rottweil, Urt. v. 17.04.2019 – 1 S 85/18, juris Rn. 10, 17 zur FCoVInfektion eines Katers. 229 Vgl. St. GEORG v. 10.12.2017, abrufbar unter https://www.st-georg.de/wissen/ herpes-beim-pferd-wenn-die-seuche-im-stall-ist/ (zuletzt abgerufen im Dezember 2021).

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Latenzstadiums als unüblich qualifizieren, wären nahezu alle in Deutschland lebenden Pferde mangelhaft, was ebenfalls kein sachgerechtes Ergebnis darstellen kann. (3) Manifestationsstadium Demgegenüber ist eine bei Gefahrübergang bereits manifestierte Disposition nicht üblich; sie führt daher stets zur Annahme eines Sachmangels i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB.230 Selbiges muss unter Heranziehung der zu Röntgenbefunden aufgestellten Grundsätze auch für diejenigen Dispositionen gelten, die zwar zur Zeit des Gefahrübergangs klinisch unauffällig sind, die aber mit Sicherheit zu einer Manifestation führen werden, bei denen mithin nicht das „ob“, sondern nur das „wann“ der klinischen Erkennbarkeit ungewiss ist.231 Soweit der BGH auch in diesem Zusammenhang auf die hohe Wahrscheinlichkeit einer baldigen Manifestation abstellt,232 begegnet dieses Abgrenzungskriterium erneut den bereits oben dargestellten Bedenken. Es verbleibt gleichermaßen eine nicht unerhebliche Rest-Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die Disposition nie manifestieren und das Pferd zu keiner Zeit beeinträchtigt sein wird. Die tierkaufimmanenten Entwicklungsunsicherheiten sind indes vom Käufer zu tragen, sofern dieser keine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung mit dem Verkäufer getroffen oder sich anderweitig abgesichert hat. Sachmangelbegründend sind somit lediglich diejenigen Dispositionen, die sich bereits manifestiert haben oder deren Manifestation sicher absehbar ist. cc) Vollständig ausgeheilte Vorerkrankungen und Verletzungen Zu ähnlichen Fragestellungen gelangt man bei auskurierten Vorerkrankungen und abgeheilten Verletzungen des – zum Zeitpunkt der Übergabe klinisch unauffälligen – Verkaufspferdes, da auch insoweit künftige Gesundheitsrisiken bestehen können.

230 Vgl. statt aller BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 25 m.w. N., wonach der Verkäufer dafür einzustehen hat, dass das Pferd bei der Übergabe nicht krank ist. 231 So auch BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 37 zum Sommerekzem bei Pferden. 232 BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 37 (Sommerekzem); ebenso LG Flensburg, Urt. v. 31.10.2006 – 1 S 50/06, juris (Sommerekzem). Nach heutigem Stand der tiermedizinischen Wissenschaft kann ohnehin nicht mehr mit hoher Wahrscheinlich davon ausgegangen werden, dass ein Pferd mit einer labortiermedizinisch nachgewiesenen Bereitschaft zur Entwicklung eines Sommerekzems auch tatsächlich daran erkrankt, da ca. 40 Prozent der positiv getesteten Pferde keinerlei Symptome entwickeln, vgl. Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 27 m.w. N.

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

(1) Übertragung der Grundsätze zu Röntgenbefunden Der BGH hatte in diesem Zusammenhang über einen Fall zu entscheiden, in dem ein als Reittier verkauftes erwachsenes Pferd eine ausgeheilte Rippenfraktur aufwies, aufgrund derer der „nahe liegende Verdacht“ bislang unentdeckter (auch psychischer) Unfallfolgen bestand, die sich später noch negativ auf die Gebrauchstauglichkeit auswirken könnten.233 Nach den Ausführungen des BGH müssten in diesem Fall einer folgenlos überstandenen Erkrankung des Verkaufspferdes dieselben Grundsätze wie bei Röntgenbefunden gelten, mithin ebenfalls der Maßstab sicherer oder zumindest hoch wahrscheinlicher klinischer Auswirkungen anzulegen sein.234 Diese Übertragung ist zwar konsequent und bestätigt das bereits seit Jahren aufrechterhaltene höchstrichterliche Mangelverständnis beim Pferdekauf, wonach der Pferdekäufer ohne anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung kein in jeder Hinsicht „ideales“ Pferd erwarten kann. Insbesondere wäre es – gerade bei älteren Pferden – lebensfremd zu verlangen, dass das Verkaufspferd noch nie verletzt oder krank gewesen ist. Unüblich sollten aber auch in diesem Kontext ausschließlich solche – vermeintlich ausgeheilten – Verletzungen oder Erkrankungen sein, aufgrund derer das Pferd mit Sicherheit (und nicht lediglich mit hoher Wahrscheinlichkeit) klinische Symptome zeigen wird. (2) Keine Übertragung der Rechtsprechung zu Unfallwagen Etwas anderes folgt schließlich auch nicht aus der zur Unfallwageneigenschaft von Kraftfahrzeugen ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach die sog. „Unfallfreiheit“ zur geschuldeten üblichen Beschaffenheit eines Kraftfahrzeugs gehört.235 Auch wenn „Unfallpferde“ auf den ersten Blick mit „Unfallwagen“ vergleichbar erscheinen, besteht letztlich kein Anlass dafür, diese Rechtsprechung auf den Tierkauf zu übertragen.236 Hintergrund der BGH-Rechtsprechung ist der Gedanke, dass bei einem Kraftfahrzeug, welches bei einem Unfall einen über einen Bagatellschaden hinausgehenden Schaden erlitten hat, auch bei ordnungsgemäßer Reparatur der Verdacht 233

BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389. BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 25 ff. Im streitgegenständlichen Fall genügte der „nahe liegende Verdacht“ etwaiger Unfallfolgen dem Maßstab der zumindest hohen Wahrscheinlichkeit klinischer Auswirkungen nicht, vgl. Rn. 29. 235 Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein – auch fachgerecht reparierter – Unfallwagen per se sachmangelhaft, es sei denn, es handelt sich um einen bloßen Bagatellschaden, vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 18; BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 19; vgl. auch Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 68. 236 Ebenso BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 28. 234

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besteht, dass sich der Unfallschaden noch negativ auswirken könnte mit der Folge, dass bei einem großen Teil des Publikums eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb eines derart beschädigten Kraftfahrzeugs besteht.237 Denselben Verdacht könnte man zwar auch bei einer – ggf. tierärztlich behandelten – ausgeheilten Vorerkrankung oder abgeheilten Verletzung eines Pferdes haben. Allerdings gilt für die übliche Beschaffenheit eines Pferdes ein anderer Maßstab als beim Kauf eines industriell hergestellten Kraftfahrzeugs. Denn während der Käufer eines Autos grundsätzlich ein nach einem festgelegten Konstruktionsplan hergestelltes, mithin einer bestimmten „Idealnorm“ entsprechendes Fahrzeug erwarten darf, muss der Käufer eines Pferdes ohnehin mit physiologischen Normabweichungen des erworbenen Pferdes rechnen.238 Das für den Autokäufer aufgrund des Unfalls und der damit verbundenen – in die ursprüngliche Konstruktion eingreifenden – Reparatur veränderte Verschlechterungsrisiko ist dem Tierkauf von vornherein immanent. Insofern mag zwar die Unfallfreiheit bei Kraftfahrzeugen zur üblichen Beschaffenheit gehören, beim Tierkauf kann diese hingegen nicht als üblich erwartet werden. Dementsprechend sind weder Verletzungen von Tieren mit Schäden an Autos gleichzusetzen,239 noch lassen sich „Unfallwagen“ mit „Unfallpferden“ vergleichen.240 (3) Zwischenergebnis Nach alledem muss es auch im vorliegenden Kontext bei den bereits dargestellten Grundsätzen bleiben. Sofern das Verkaufspferd zwar früher einmal verletzt oder krank gewesen ist, aufgrund dessen aber weder akute Symptome zeigt noch mit Sicherheit feststeht, dass es (erneut) zu klinischen Erscheinungen kommen wird, entspricht es der bei Pferden üblichen Beschaffenheit. Selbst wenn aufgrund der Verletzung oder Erkrankung eine erhöhte oder hohe Wahrscheinlichkeit späterer Auffälligkeiten besteht, stehen dem Käufer somit keine Mängelrechte aus § 437 BGB zu. In Betracht kommen allenfalls Schadensersatzansprüche, sofern der Verkäufer bekannte Erkrankungen oder Verletzungen pflichtwidrig verschwiegen hat.241 dd) Operationsfolgen Einer gesonderten Betrachtung bedürfen allerdings diejenigen Fälle, in denen das Pferd vor dem Verkauf nicht nur erkrankt oder verletzt war, sondern auf237 BGH, Urt. v. 20.05.2009 – VIII ZR 191/07 (BGHZ 181, 170), NJW 2009, 2807 Rn. 16 m.w. N.; Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 73. 238 Vgl. auch Arnold, JuS 2020, 355, 356. 239 So auch BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 28 mit Verweis auf BT-Drucks 11/5463, S. 5. 240 Lüdicke, NJW 2020, 2840 Rn. 25; Arnold, JuS 2020, 355, 356. 241 Vgl. außerdem zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung OLG Hamm, Urt. v. 24.05.2011 – 19 U 162/10, juris Rn. 16, 34.

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

grund dessen auch operiert, d. h. nicht konservativ, sondern invasiv behandelt worden ist. Im Gegensatz zu konservativen Behandlungsmethoden wie der Verabreichung von Medikamenten, führen invasive Eingriffe stets zu dauerhaften anatomischen Veränderungen des Pferdes – beispielsweise zu dem Verlust eines Magen- oder Darmteils, zur Durchtrennung des Fesselringbands oder zu Operationsnarben, die nicht der pferdeeigenen biologischen Entwicklung geschuldet sind. Während der BGH bislang nur zu folgenlos überstandenen Verletzungen zu entscheiden hatte und diese – zu Recht – den gleichen Grundsätzen wie Röntgenbefunde unterworfen hat,242 dürfte in der vorliegenden Konstellation einer nur mit dauerhaften Operationsfolgen überstandenen Vorerkrankung ein anderer Üblichkeitsmaßstab gelten. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass physiologische Veränderungen aufgrund einer Voroperation des Verkaufspferdes bereits für sich genommen eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit darstellen, auch wenn damit lediglich ein erhöhtes Risiko weiterer Erkrankungen verbunden ist.243 Diese – von den vorgenannten Grundsätzen abweichende – Beurteilung ist überzeugend. Der maßgebliche Unterschied besteht darin, dass es sich bei Röntgenbefunden, sonstigen Dispositionen oder ausgeheilten Vorerkrankungen um für Lebewesen typische – d. h. naturgemäße – Abweichungen vom Normzustand handelt. Es ist lebenden Pferden immanent, dass sie mit individuellen Anlagen geboren werden und im Laufe ihres Lebens erkranken oder sich verletzen. Insofern hat der Käufer mit Anomalien dieser Art grundsätzlich zu rechnen, sodass es für die Unüblichkeit dieser Beschaffenheitsmerkmale allein auf das Vorhandensein bzw. die sichere Absehbarkeit klinischer Erscheinungen ankommen darf. Demgegenüber sind vom Menschen invasiv erzeugte Operationsfolgen weder der tierischen Entwicklung immanent noch bei Lebewesen typisch. Der verständige Pferdekäufer muss redlicherweise nicht damit rechnen, dass das von ihm erworbene Pferd schon einmal operiert worden ist und deswegen dauerhafte anatomische Veränderungen aufweist, die mit einem erhöhten Risiko künftiger klinischer Beschwerden behaftet sind.244 Vielmehr entsprechen solche Operationsfolgen nicht der bei Pferden geschuldeten üblichen Beschaffenheit i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB.245 242

BGH, Urt. v. 30.10.2019 – VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 27. Vgl. LG Münster, Urt. v. 17.08.2010 – 11 O 301/06, juris Rn. 33; bestätigt durch OLG Hamm, Urt. v. 24.05.2011 – 19 U 162/10, juris Rn. 19; LG Bielefeld, Urt. v. 08.08.2008 – 19 O 52/07, juris Rn. 63 f., das zwar zunächst die vom BGH zu Röntgenbefunden aufgestellten Grundsätze darstellt, diese dann jedoch – zwar ohne nähere Begründung, aber im Ergebnis richtig – unangewendet lässt. 244 Insbesondere bei Kolikoperationen besteht regelmäßig eine erhöhte Wahrscheinlichkeit weiterer Koliken, deren Behandlung durch eine bereits erfolgte Voroperation deutlich erschwert sein kann. 245 Freilich bleibt stets zu prüfen, ob etwaige Mängelrechte von vornherein wegen Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers gem. § 442 Abs. 1 BGB ausge243

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ee) Schönheitsfehler Weist das Pferd Schönheitsfehler wie beispielsweise eine Galle246 oder ein nach einer traumatischen Beinverletzung entwickeltes sog. Überbein247 auf, so sind die Gewährleistungsrechte außerhalb des Verbrauchsgüterkaufrechts häufig schon gem. § 442 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.248 Denn in der Regel besichtigt der Käufer das Pferd vor dem Kauf, sodass er einen entsprechenden Makel hätte erkennen können und müssen.249 Hat eine solche Besichtigung jedoch ausnahmsweise nicht stattgefunden, liegt jedenfalls nicht ohne Weiteres ein Sachmangel i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB vor.250 Vielmehr sind auch Normabweichungen in Form von Schönheitsfehlern für Pferde typisch und daher vom Käufer grundsätzlich als üblich hinzunehmen. Nur wenn das Pferd aufgrund des Schönheitsfehlers klinische Erscheinungen zeigt oder solche mit Sicherheit zu erwarten sind, entspricht das gekaufte Pferd nicht der objektiv geschuldeten üblichen Beschaffenheit. ff) Abweichende Beurteilung bei Befunden, auf die der Markt mit Preisabschlägen reagiert? Zum Teil wurde bei Befunden ohne klinische Begleitsymptomatik ein Sachmangel auch damit begründet, dass der jeweilige Befund zu einer Wertminderung des Pferdes auf dem Markt führt.251 Allerdings ist der reine Wert des Kaufobjekts kein Teil seiner Beschaffenheit,252 sodass ein geringerer Wert des gekauften Pferdes schon deswegen kein Abweichen von der üblichen Beschaffenheit begründen kann.253 Darüber hinaus ist für § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB allein schlossen sind, weil beispielsweise die Operationsnarbe groß und sichtbar ist oder der Käufer einen Wallach gekauft hat, der zwangsläufig zuvor kastriert worden ist. Auf Verbrauchsgüterkäufe, die nach dem 31. Dezember 2021 geschlossen wurden, findet § 442 BGB jedoch gem. § 475 Abs. 3 S. 2 BGB keine Anwendung mehr (siehe dazu Kap. 6 C. III. 5.). 246 Unter einer „Galle“ versteht man beulenförmige Verdickungen der Gelenk- oder Sehnenscheidenkapseln, die auf eine Überproduktion von Gelenkflüssigkeit (Synovia) zurückzuführen sind, CAVALLO, Die 100 wichtigsten Pferdekrankheiten, S. 76. 247 Als „Überbeine“ werden alle knöchernen Verdickungen an Knochen bezeichnet, wobei sie am häufigsten an der Innenseite der Vorderbeine zu finden sind, CAVALLO, Die 100 wichtigsten Pferdekrankheiten, S. 286. 248 Etwas anderes gilt für Verbrauchsgüterkaufverträge, die nach dem 31. Dezember 2021 geschlossen wurden, da der reformierte § 475 Abs. 3 S. 2 BGB die Anwendbarkeit des § 442 BGB im B2C-Bereich ausschließt. 249 So auch Neumann, S. 102. 250 Ebenso Arnold, JuS 2020, 355, 356. 251 Z. B. E. Graf v. Westphalen, ZGS 2007, 168, 171; ders., RdL 2006, 284, 285; wohl auch Neumann, S. 94 ff. 252 Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 24; zweifelnd Oexmann, RdL 2016, 149, 152. 253 Kniefert, NJW 2007, 2895, 2896; vgl. auch Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 27.

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

entscheidend, welche Beschaffenheit der Käufer nach der Art der Sache berechtigterweise erwarten kann, nicht aber, welche Beschaffenheit der Käufer oder der Markt tatsächlich erwarten.254 Die objektiv berechtigte Käufererwartung orientiert sich dabei in Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen.255 Soweit die Abwesenheit der oben genannten klinisch unauffälligen Befunde aber gerade nicht zur üblichen Beschaffenheit von Pferden gehört,256 führt der BGH zu Recht aus, dass der Markt bei der Preisfindung von einer besseren als der tatsächlich üblichen Beschaffenheit von Pferden der gleichen Art ausgeht, was für sich genommen aber keinen Mangel zu begründen vermag.257 Vielmehr spiegelt sich in diesem Marktverhalten das grundlegende Problem des Pferdekaufs wider: Der Pferdekäufer erwartet ein ideal beschaffenes Pferd ohne jegliche (Gesundheits-)Risiken und verkennt dabei den maßgeblichen Unterschied zwischen dem Kauf einer Sache und dem eines Lebewesens. c) Zwischenergebnis Die Ermittlung des objektiv geschuldeten Gesundheitszustandes stellt den Rechtsanwender regelmäßig vor erhebliche Schwierigkeiten. Einigkeit besteht insoweit, als dass der Käufer zwar redlicherweise die Übergabe eines gesunden, nicht aber eines in jeder Hinsicht „ideal“ beschaffenen Pferdes erwarten darf. Der Verkäufer kann daher nur dann nach objektiven Kriterien gem. § 434 Abs. 3 BGB haftbar gemacht werden, wenn das Pferd entweder (1.) aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nicht zur gewöhnlichen Verwendung geeignet ist, es (2.) krank, d. h. klinisch auffällig ist, (3.) anatomische Veränderungen (z. B. Narben) aufgrund invasiver Voroperationen aufweist oder aber (4.) einen klinisch unauffälligen Befund zeigt, der nicht bloß mit einer prozentualen Wahrscheinlichkeit, sondern mit Sicherheit Symptome hervorrufen wird. Sonstige symptomfreie Normabweichungen muss der Käufer hinnehmen, selbst wenn diese mit einem gegenüber dem Normzustand erhöhten Risiko künftiger klinischer Erscheinungen verbunden sind oder einen geringeren Marktwert des Pferdes begründen. 3. Ergebnis zu Kategorie 2 Ein Großteil der pferdekaufrechtlichen Streitigkeiten dreht sich um gesundheitliche Probleme verkaufter Pferde. Neben emotionalen und finanziellen Gesichtspunkten wird durch die Erkrankung des Pferdes – anders als beispielsweise bei einer Katze – auch das Hobby oder der sportliche Erfolg des Käufers beein254

Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 76. Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 74. 256 So bei Röntgenbefunden sowie allen übrigen Dispositionen, Vorerkrankungen, früheren Verletzungen und Schönheitsfehlern; anders bei Voroperationen. 257 Vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 21. 255

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trächtigt, was die Prozessbereitschaft zusätzlich erhöhen dürfte. Während der Käufer nach dem früheren Kaufrecht durch die Liste der sog. Hauptmängel in seiner Rechtsausübung begrenzt worden ist, spielt ihm inzwischen der weite Sachmangelbegriff des § 434 BGB in die Karten. Dabei hat sich die Annahme des Reformgesetzgebers, wonach sich § 434 BGB ohne weiteres auch für den Tierkauf eigne, nicht bewahrheitet. Zwar hat die Judikatur einige allgemeingültige Grundsätze zur Anwendbarkeit des § 434 Abs. 1 BGB a. F. bei gesundheitlichen Mangelerscheinungen des Verkaufspferdes aufstellen können, die auch auf den jüngst reformierten Sachmangelbegriff übertragbar sind. Dennoch zeigt ein Vergleich mit der ersten Kategorie, dass der für Sachen konzipierte § 434 BGB bei den sachfremden Beschaffenheitsmerkmalen der zweiten Kategorie an seine Grenzen gelangt. Insbesondere die Ermittlung des objektiv geschuldeten Gesundheitszustands ist von Rechtsunsicherheiten geprägt, denen auch die Veterinärwissenschaft nicht abzuhelfen vermag. Zur Vermeidung dieser Unklarheiten sind in der pferdekaufrechtlichen Praxis stets umfangreiche Beschaffenheitsvereinbarungen sowie die Durchführung einer AKU zu empfehlen.258 Letztere ermöglicht eine frühzeitige Erkennbarkeit vorhandener Gesundheitsrisiken und damit die präventive Aufnahme vertraglicher Regelungen zur Verringerung des Konfliktpotentials.259 Zudem kann das Untersuchungsprotokoll zur sachverständigen Grundlage einer Beschaffenheitsvereinbarung gemacht werden. Im B2C-Bereich dürften entsprechende Bezugnahmen allerdings an den neuen Formerfordernissen des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB scheitern, wodurch der Pferdehandel mit Verbrauchern erheblich an Attraktivität verlieren wird.

III. Kategorie 3: Geschuldete Verhaltensmerkmale des Pferdes 1. Subjektive Anforderungen Die Ermittlung der geschuldeten Verhaltensmerkmale hängt ebenfalls primär von den konkreten Parteiabreden ab. Eigenschaften wie die Abwesenheit von Verhaltensstörungen oder die Verladefrömmigkeit des Pferdes können als Beschaffenheitsvereinbarung in den Vertrag aufgenommen werden. Gleichermaßen kann ein bestimmter Verwendungszweck vertraglich festgelegt werden, aus dem ebenfalls das Vorliegen bestimmter Verhaltensmerkmale abzuleiten ist. So wird es z. B. bei einem „Anfängerpferd“ entscheidend darauf ankommen, dass das Tier lieb ist und gewisse Lektionen bereits sicher beherrscht.260 Demgegenüber 258 So auch Stadler, Pferdeheilkunde 2008, 577, 584; Looschelders, JA 2007, 811, 812; Neumann, S. 69 a. E. 259 Ebenso Stadler, Pferdeheilkunde 2008, 577, 584. Als vertragliche Konsequenz käme z. B. ein zeitlich begrenztes, vertraglich vorbehaltenes Rücktrittsrecht in Betracht. 260 Vgl. zu einem braven Lehrpferd („schoolmaster“) OLG Oldenburg, Urt. v. 01.02. 2018 – 1 U 51/16, juris Rn. 50 ff.

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folgt aus der Bezeichnung als „Freizeitpferd“ nicht zwingend, dass das Pferd die Charakterzüge eines Anfängerpferdes aufweisen muss. Denn der Begriff Freizeitreiter wird nicht durch die Abgrenzung zu einem Profireiter definiert; vielmehr reitet ein Freizeitreiter nur (gelegentlich) in seiner Freizeit, kann aber ebenso erfahren sein.261 Wird die Verwendung als „Turnierpferd“ vorausgesetzt, kann insbesondere die mangelnde Verladefrömmigkeit einen Sachmangel begründen. Denn Turnierpferde werden typischerweise auf verschiedenen Turnieren in der näheren oder weiteren Umgebung vorgestellt, zu deren Veranstaltungsort sie auf einem LKW oder einem Pferdeanhänger transportiert werden müssen. Ein Pferd, das sich nicht verladen lässt, ist daher für die Nutzung als „Turnierpferd“ ungeeignet und damit sachmangelhaft.262 Bei einem „Freizeitpferd“ muss dies hingegen anders bewertet werden, da dieses typischerweise im heimischen Stall oder im angrenzenden Gelände geritten wird, mithin nicht regelmäßig transportiert werden muss. Maßgeblich bleibt jedoch stets die konkrete Vereinbarung im Einzelfall. Liegt eine wirksame Abrede vor, begründet grundsätzlich jede Abweichung davon einen Sachmangel i. S. v. § 434 Abs. 2 BGB. Etwas anderes gilt nur in denjenigen Fällen, in denen die Nutzbarkeit des Pferdes allein daran scheitert, dass der Käufer mit dem Tier nicht umgehen kann.263 Zudem wird die vereinbarte Verwendbarkeit nicht bereits dadurch eingeschränkt, dass sich das Pferd instinktgesteuert verhält. Scheut das erworbene Pferd beispielsweise gelegentlich beim Reiten, mindert dies nicht bereits die Tauglichkeit als Reitpferd. Der Verkäufer schuldet keine Maschine, die jeden Tag kalkulierbar auf die gleiche Art und Weise „funktioniert“, sondern ein Lebewesen, das tagesformabhängigen Schwankungen unterliegen darf.264 Im Gegensatz zu den vorherigen beiden Kategorien unterliegt die Feststellung etwaiger Abweichungen von der vereinbarten Verhaltensbeschaffenheit zudem einer weiteren Schwierigkeit. Denn die Beurteilung des Ist-Zustandes hängt maßgeblich von der subjektiven Wahrnehmung des jeweiligen Betrachters ab.265 Anders als Identifikations- oder Gesundheitsmerkmale des Pferdes, die sich – ggf. von einem Sachverständigen – objektiviert und anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse bewerten lassen, ist die Einschätzung des hippologischen Verhaltens stets von dem subjektiven Eindruck des konkreten Beobachters geprägt. Während z. B. ein erfahrener Reiter das Verhalten eines bestimmten Pferdes als umgänglich und lieb empfindet, kann das gleiche Verhalten auf einen weniger erfahrenen oder ängstlicheren Reiter völlig anders wirken. Darüber hinaus spielen 261 262 263 264 265

Vgl. dazu LG Coburg, Urt. v. 26.01.2016 – 23 O 500/14, juris Rn. 23. So auch LG Kassel, Urt. v. 16.03.2006 – 7 O 1571/02, juris Rn. 45. Vgl. Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 18; Faust, BeckOK BGB, § 434 Rn. 31. Ähnlich auch Neumann, S. 83. Vgl. dazu auch Neumann, S. 78.

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auch die Haltung und der Umgang mit dem Pferd sowie alle weiteren äußeren Einflüsse eine entscheidende Rolle. War der Verkäufer ruhig und gelassen bei der Arbeit mit dem Pferd, wird sich dieses anders verhalten haben, als bei einem Käufer, der gestresst und angespannt ist. Selbst wenn die Parteien also eine umfangreiche und eindeutige Beschaffenheitsvereinbarung in Bezug auf den SollZustand getroffen haben, wird der Rechtsanwender im Rahmen der dritten Kategorie stets vor die Herausforderung gestellt, bei der Bewertung des Ist-Zustandes einen objektiven Beurteilungsmaßstab anzulegen. Haben die Parteien beispielsweise die Schmiede- und/oder Verladefrömmigkeit des Pferdes vertraglich festgelegt, so darf zur Beurteilung der Mangelhaftigkeit nicht die subjektive Wahrnehmung des Käufers maßgeblich sein. Vielmehr muss objektiv darauf abgestellt werden, ob das Pferd ohne Widerstand und Hilfsmittel (z. B. Nasenbremse oder Sedierung) von einem Schmied beschlagen bzw. auf einen Pferdeanhänger oder LKW geführt werden kann.266 Wurde hingegen ein individueller Ausbildungsstand des Pferdes (z. B. „L-fertig“ oder „einsatzbereit für Dressurturniere der Klasse L“) vereinbart,267 hat das LG Münster zutreffend darauf abgestellt, ob das Pferd unter verschiedenen Reitern auf eine gewisse Dauer dem vereinbarten Ausbildungsstand entsprechende, reproduzierbare Leistungen erbringen kann.268 Dabei darf nicht erwartet werden, dass ein bis zur Klasse L ausgebildetes Pferd diese Lektionen auch unter einem Anfänger, der die Lektionen selbst nicht beherrscht, zuverlässig abrufen kann. Vielmehr muss zur Beurteilung der Mangelhaftigkeit stets eine gewisse Gleichwertigkeit zwischen der reiterlichen Qualifikation und dem Ausbildungsstand des jeweiligen Pferdes gewährleistet sein, mithin auf die Einschätzung hinreichend qualifizierter Reiter zurückgegriffen werden.269 Angesichts der verbleibenden Bewertungsunsicherheiten ist dem Verkäufer jedoch dringend zu raten, statt des individuellen Ausbildungsstandes nur bereits erzielte Turniererfolge zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung zu machen. Denn diese Beschaffenheitsmerkmale der ersten Kategorie sind objektiv nachweisbar und von subjektiven Wahrnehmungen unabhängig, was das Konfliktpotential wesentlich verringert und die Rechtssicherheit erhöht. Vor diesem Hintergrund sollte auch von verallgemeinernden Formulierungen, wonach das Pferd z. B. „leichtrittig“, „umgänglich“ 270 oder „von jedermann zu reiten“ 271 ist, 266

Vgl. die Definitionen von Neumann, S. 80 f. Machen die Parteien hingegen bereits erzielte Turniererfolge des Pferdes zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung, handelt es sich um objektive Beschaffenheitsmerkmale der ersten Kategorie. 268 LG Münster, Urt. v. 24.09.2007 – 2 O 11/07, juris Rn. 24. 269 Neumann, S. 82. 270 Vgl. zu einem nervösen und unberechenbaren Pferd OLG Oldenburg, Urt. v. 01.02.2018 – 1 U 51/16, RdL 2018, 313, 314 f.; zu einem steigenden Pferd LG Siegen, Urt. v. 10.06.2011 – 2 O 107/09, juris Rn. 27 f. 267

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abgesehen werden, da solche Aussagen breit interpretierbar und damit ebenfalls konfliktanfällig sind.272 Ähnliches gilt für zukünftige Erfolgsversprechungen, da der Verkäufer in der Regel keinerlei Einfluss auf die weitere Entwicklung des Pferdes hat.273 Wird allerdings vereinbart, dass das Pferd aufgrund seiner Veranlagung für bestimmte Turnierklassen geeignet sei, wird dadurch nicht die bereits vorhandene Eignung für solche Prüfungen vereinbart, sondern nur, dass die Möglichkeit besteht, dieses Leistungsniveau durch entsprechendes Training mit einem passenden Reiter zu erreichen.274 Letztlich steht es den Parteien somit auch im Rahmen der dritten Kategorie frei, gewünschte Verhaltensmerkmale vertraglich festzulegen. Dies sollte jedoch stets in dem Bewusstsein erfolgen, dass die rechtliche Beurteilung beanstandeter Abweichungen angesichts der subjektiv geprägten Wahrnehmung des hippologischen Verhaltens besonders konfliktanfällig und rechtsunsicher ist und zur Wahrung der Objektivität regelmäßig nur unter Hinzuziehung eines Sachverständigen erfolgen kann. 2. Objektive Anforderungen Während der Ausbildungsstand des Verkaufspferdes fast immer vertraglich vereinbart wird, sodass die objektiven Anforderungen insoweit allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen,275 richtet sich die im Übrigen geschuldete Verhaltensbeschaffenheit beim Fehlen entsprechender Abreden nach § 434 Abs. 3 BGB. Wie bei der zweiten Kategorie besteht auch hier die Herausforderung, trotz der Individualität und ständigen Veränderung des Pferdes konkrete Mindestanforderungen festzulegen. a) Grundsätze Der BGH hat dafür seine zur gesundheitlichen Beschaffenheit aufgestellten Grundsätze auf das Verhalten des gekauften Pferdes übertragen. Demnach muss das Pferd auch insoweit keiner „Idealnorm“ entsprechen; vielmehr sei ein vom Idealzustand abweichendes Verhalten für Lebewesen nicht von vornherein untypisch und daher vom Käufer grundsätzlich hinzunehmen.276 Dasselbe gilt nach überwiegender Meinung auch für den Charakter und die Psyche des Pferdes,277 die sich aber ohnehin in dessen Verhalten widerspiegeln. 271 Dazu LG Itzehoe, Urt. v. 27.03.2003 – 4 S 137/02 (unveröffentlicht), nach dem diese Formulierung nicht wörtlich zu verstehen sei. 272 Ebenso Neumann, S. 81. 273 Bedenken hat auch Neumann, S. 83. 274 So zutreffend OLG Frankfurt, Urt. v. 19.04.2004 – 17 U 4/04, juris Rn. 4–6. 275 Neumann, S. 103. 276 BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 28; BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris Rn. 31. 277 Vgl. LG Gießen, Urt. v. 23.11.2012 – 4 O 218/12, juris Rn. 43; Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 84.

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Die Übertragung dieser Grundsätze ist konsequent und trägt zu Recht auch im Rahmen der dritten Kategorie der Eigenschaft von Pferden als Lebewesen Rechnung. Es wäre verfehlt, das vom Menschen angestrebte Idealverhalten eines Pferdes mit dem nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB (lediglich) geschuldeten üblichen Verhalten gleichzustellen und dadurch pferdetypische – insbesondere instinktgesteuerte – Verhaltensweisen als mangelhaft zu bewerten, nur weil sie unerwünscht sind. Zwar mag es für den Reiter unangenehm sein, wenn das erworbene Pferd hin und wieder nervös oder schreckhaft ist. Letztlich handelt es sich hierbei jedoch ebenso um ein für Pferde typisches Verhalten wie gelegentliches Scheuen, Steigen oder Durchgehen.278 Weder wird dadurch die gewöhnliche Verwendung als Reitpferd eingeschränkt noch weicht es deswegen von der im Übrigen geschuldeten üblichen Verhaltensbeschaffenheit ab. Vielmehr entsprechen reaktive schreckhafte und fluchtartige Verhaltensweisen dem naturgemäßen Instinkt eines Fluchttieres.279 Gleiches gilt für dominanzbedingte Aggressivität, die zur Herstellung der Rangordnung ebenfalls zum normalen Verhalten eines Pferdes als Herdentier gehört.280 Ihr ist durch sachgerechte Erziehung zur gegenüber dem Pferd höherrangigen Einordnung in der Hierarchie zu begegnen.281 Sachmangelhaft i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 BGB können Charakterzüge und Verhaltensweisen des Verkaufspferdes somit nicht schon dann sein, wenn sie lediglich unerwünscht sind, sondern erst, wenn sie sich nicht mehr im Rahmen des natürlichen und tiertypischen Verhaltens eines Flucht- und Herdentieres bewegen.282 Das ist der Fall, wenn das Verhalten hinsichtlich seiner Art und Weise sowie seiner Intensität und Häufigkeit deutlich und anhaltend vom Normalverhalten abweicht.283 b) Stallverhalten Unter Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze stellen vereinzelte Unruhen des Pferdes im Stall, wie z. B. das gelegentliche Treten gegen die Boxenwände (z. B. beim Füttern), keine Abweichung von der geschuldeten Soll-Beschaffenheit dar, sondern entsprechen dem natürlichen tiertypischen – wenn auch unerwünschten – Verhalten von Pferden. Zeigt das Pferd im Stall indes zwanghafte Verhaltensstörungen, also Abweichungen von tiertypischen Verhaltensmus278 Vgl. zu einem blockierenden Pferd BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 41; zu einem durchgehenden Pferd BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris Rn. 41; zu einem schreckhaften und störrischen Pferd LG Coburg, Urt. v. 26.01.2016 – 23 O 500/14, juris Rn. 22; zu einem steigenden Pferd LG Siegen, Urt. v. 10.06.2011 – 2 O 107/09, juris Rn. 28. 279 So auch Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 59. 280 Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 62. 281 Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 62 m.w. N. 282 Ebenso Voschepoth, S. 255. 283 Toewe, S. 13; Voschepoth, S. 255 m.w. N.

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tern, so dürften diese aufgrund der Anomalität und der anzupassenden Haltungsbedingungen regelmäßig als Sachmangel i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB zu qualifizieren sein. Die konkrete Grenzziehung hängt jedoch stets von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Eine der häufigsten Verhaltensstörungen und wiederkehrender Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen ist das sog. Koppen. Als Koppen bezeichnet man ein Luftschlucken des Pferdes, das mit einem dumpfen Geräusch einhergeht.284 Die Ursachen für diese Stereotypie sind ungeklärt, in Betracht kommen aber sowohl eine falsche Haltung, Stress und Langeweile als auch Vererbung oder eine Reaktion auf mangelnde Fütterung.285 Während früher Gewichtsverlust oder Koliken aufgrund von Gasansammlungen im Magen als gesundheitliche Folgen des Koppens angesehen wurden,286 ist dies mittlerweile tiermedizinisch widerlegt.287 Dasselbe gilt für die Vermutung, dass Koppen ansteckend sei bzw. von anderen Pferden abgeguckt werden könnte.288 Abgesehen von einer ausgeprägteren Abnutzung der Schneidezähne bei Aufsatzkoppern und einer Verstärkung der Halsmuskulatur hat das Koppen in der Regel keine negativen gesundheitlichen Folgen für das Pferd.289 Aus diesem Grund wird zum Teil die Sachmangelhaftigkeit koppender Pferde abgelehnt.290 Diese Bewertung mag zwar im Rahmen der zweiten Kategorie aus gesundheitlicher Sicht zutreffend sein. Innerhalb der dritten Kategorie zeigt sich hingegen eine Diskrepanz zum normalen pferdetypischen Stallverhalten. Ebenso wie das Koppen nach dem alten Recht einen gewährsfähigen Hauptmangel dargestellt hat,291 ist diese Verhaltensstörung daher richtigerweise auch nach der heutigen Gesetzeskonzeption als unüblich und damit als Sachmangel einzustufen.292 Nicht zu den früheren Hauptmängeln, aber ebenfalls zu den zwanghaften stereotypischen Verhaltensstörungen zählt das sog. Weben.293 Darunter versteht man ein Hin- und Herpendeln des Pferdes von dem einen auf das andere Vorderbein.294 Ursache für diese Verhaltensstörung ist häufig mangelnder Auslauf und 284

Riedel, S. 53; Voschepoth, S. 256. Toewe, S. 24 ff. 286 Riedel, S. 116. 287 Schacht, S. 148. 288 Schacht, S. 148. 289 Niederhöfer, S. 15; Schacht, S. 148. 290 So z. B. Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 53 f. m.w. N.; ders., RdL 2005, 57, 62. 291 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 6 der Viehmängelverordnung. 292 So u. a. auch BGH, Urt. v. 24.02.2010 – VIII ZR 71/09, NJW-RR 2010, 1210 Rn. 7; OLG Celle, Urt. v. 22.11.2010 – 20 U 8/10, NJW-RR 2011, 132, 133; OLG Hamm, Urt. v. 26.11.2007 – 2 U 148/06, juris Rn. 50. 293 Dazu Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 55. 294 Riedel, S. 115. 285

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die damit verbundene Unterdrückung des Bewegungstriebs.295 Während zum Teil auch die Sachmangelhaftigkeit eines webenden Pferdes mangels etwaiger Gesundheits- oder Gebrauchsbeeinträchtigungen296 abgelehnt wird,297 ist dem ebenso wie beim Koppen entgegenzuhalten, dass zwar kein Sachmangel i. S. d. zweiten Kategorie gegeben sein mag, wohl aber ein Mangel i. S. d. dritten Kategorie. Sowohl das Koppen als auch das Weben stellen psychisch bedingte Verhaltensstörungen dar,298 die vom artgerechten Verhalten in Frequenz und Häufigkeit abweichen und daher bei Pferden unüblich sind. Da zudem auch bei einem webenden Pferd besondere Maßnahmen der Fütterung und Haltung erforderlich sind,299 führt das Weben gleichermaßen zur Mangelhaftigkeit des Pferdes i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB.300 Dasselbe gilt für das sog. Headshaking-Syndrom301 sowie für alle sonstigen lokomotorischen oder oralen Stereotypien wie das Boxenlaufen, das exzessive Scharren, das Boxenschlagen oder das sog. Krippen- und Barrenwetzen.302 c) Schmiede- und Verladeverhalten Zeigt das Verkaufspferd Verhaltensprobleme beim Schmied oder beim Verladen, weil es sich nicht oder nur unter großem Widerstand auf einen Anhänger führen oder von einem Schmied beschlagen lässt, so stellt dies für sich genommen kein unübliches Verhalten dar. Viele Pferde wurden ihr Leben lang weder beschlagen noch verladen, sodass ein entsprechend umgängliches Verhalten auch nicht ohne Weiteres erwartet werden kann. Es liegt in der Natur des Pferdes, dass es weder das Beschlagen mit einem (meist glühend heißen) Hufeisen noch die Fahrt auf einem engen Anhänger von vornherein ohne Misstrauen und natür295

Riedel, S. 71; Schacht, S. 149. Die Gesundheits- oder Gebrauchsbeeinträchtigungen webender Pferde sind veterinärmedizinisch umstritten; zum Teil wird aufgrund der ständigen Belastung eine Gefahr von Schäden an den Vorderbeinen gesehen, vgl. Schacht, S. 148. 297 So AG Schleswig, Urt. v. 18.06.2010 – 2 C 21/10, NJW 2010, 2893; Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 55; ders., RdL 2005, 57, 62; Riedel, S. 222. 298 Während das Koppen zu den oralen Stereotypien zählt, fällt das Weben unter die sog. lokomotorischen Stereotypien, Bredenbröker, S. 9, 12. 299 Vgl. LG Münster, Urt. v. 17.08.2010 – 11 O 301/06, BeckRS 2011, 26748; Schacht, S. 149. 300 So auch LG Münster, Urt. v. 17.08.2010 – 11 O 301/06, BeckRS 2011, 26748; OLG Oldenburg, Urt. v. 17.06.2004 – 14 U 41/04, BeckRS 2009, 77009. 301 Unter dem sog. Headshaking versteht man ein wiederholtes und unwillkürliches Kopfschütteln oder Kopfnicken des Pferdes, das den Umgang erheblich erschweren und das Reiten unmöglich machen kann, Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 434 BGB Rn. 56. 302 Vgl. zum Headshaking OLG Zweibrücken, Urt. v. 30.04.2009 – 4 U 103/08, juris; zum Barrenwetzen OLG Köln, Urt. v. 17.02.2009 – 3 U 66/07, juris Rn. 35; zum Koppen, Krippensetzen und Boxenlaufen OLG Hamm, Urt. v. 26.11.2007 – 2 U 148/06, juris Rn. 50; zum Weben, Boxenlaufen, exzessiven Scharren und Boxenschlagen LG Kassel, Urt. v. 16.03.2006 – 7 O 1571/02, juris Rn. 52. 296

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lichen Fluchtinstinkt toleriert. Vielmehr setzen die Schmiede- und Verladefrömmigkeit eine gewisse Gewöhnung und Routine des jeweiligen Pferdes, ggf. sogar ein gezieltes Training voraus, das zwar bei einigen Pferden zur Grundausbildung gehört, jedoch keinesfalls als üblich i. S. v. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB erwartet werden darf. d) Reitverhalten Gegenstand zahlreicher Gerichtsprozesse waren zudem Verhaltensprobleme des Verkaufspferdes beim Reiten, etwa weil das Pferd steigt, bockt, blockiert oder sich anderweitig den Hilfen des Reiters widersetzt.303 Die Rede ist dabei stets von „mangelnder Rittigkeit“ bzw. „Rittigkeitsproblemen“ des gekauften Pferdes.304 Da die Parteien insoweit meist keine besondere Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben,305 stellt sich die Frage, welchen Anforderungen das Pferd genügen muss, damit es hinsichtlich seiner Rittigkeit oder seines Gerittenseins der objektiven Soll-Beschaffenheit entspricht. Die Rittigkeit des Pferdes stellt eines der Zuchtziele der deutschen Warmblutzuchtverbände sowie ein Beurteilungskriterium im Rahmen von Turnierprüfungen dar; zudem fließt sie häufig bei der Taxation eines Pferdes mit ein.306 Nach einem von der FN und der Deutschen Richtervereinigung erarbeiteten Merkblatt zu Dressurpferdeprüfungen ist die „Basis für die Beurteilung der Rittigkeit [. . .] das Erfüllen der Punkte der Ausbildungsskala gemäß den Anforderungen der ausgeschriebenen Klasse. Besonderer Wert ist auf einen schwingenden Rücken zu legen. Die Anlehnung soll bei geschlossenem tätigen Maul und losgelassenem Genick weich sein. Das Pferd soll entsprechend der Klasse gerade gerichtet sein, die Längsbiegung muss nach beiden Seiten gleichmäßig erfolgen. Das Pferd soll die Reiterhilfen akzeptieren und die gestellten Anforderungen konzentriert erfüllen. [. . .].“ 307

Die Rittigkeit ist allerdings keine einseitige Leistung oder angeborene Eigenschaft des jeweiligen Pferdes, sondern basiert auf repetitiven Übungen und einer sachgemäßen und systematischen Ausbildung.308 Sie ist das Ergebnis einer Viel303 Vgl. nur BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879; BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 14.09.2021 – 6 U 127/20, BeckRS 2021, 28243; OLG Köln, Urt. v. 25.08.2017 – 6 U 188/16, juris; OLG Hamm, Urt. v. 07.04.2006 – 19 U 87/05, juris; außerdem Oexmann, RdL 2020, 285, 285. 304 BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 28; OLG Hamm, Urt. v. 07.04.2006 – 19 U 87/05, juris Rn. 22; Oexmann, RdL 2020, 285, 285. 305 Oexmann, RdL 2008, 113, 114. 306 Oexmann, RdL 2020, 285, 285; ders., RdL 2018, 313, 316. 307 Abrufbar unter http://docplayer.org/34833303-Merkblatt-dressurpferdepruefun gen-2008.html (zuletzt abgerufen im Dezember 2021); vgl. auch Oexmann, RdL 2018, 313, 316. 308 Oexmann, RdL 2020, 285, 285 m.w. N.

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zahl unterschiedlicher exogener und endogener Faktoren309 einschließlich der individuellen Wechselwirkung zwischen Pferd und Reiter.310 Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass nicht jeder Reiter mit jedem Pferd zurechtkommt. Vielmehr beruht die Beurteilung der Rittigkeit auf dem subjektiven Reitgefühl des jeweiligen Reiters sowie darauf, ob in der konkreten Pferd-Reiter-Kombination die „Chemie stimmt“.311 Es wäre daher verfehlt, die von beiden Teilen wechselseitig beeinflusste Rittigkeit als ein (alleiniges) Beschaffenheitsmerkmal des Verkaufspferdes zu werten, das bei einseitiger und subjektiver Unzufriedenheit des Käufers bereits für sich genommen zur objektiven Sachmangelhaftigkeit des Pferdes führen könnte.312 Dies hat mittlerweile auch der BGH in zwei nahezu wortgleichen und am selben Tag ergangenen Entscheidungen zutreffend klargestellt.313 Trotz gegenläufiger Tendenzen im Schrifttum314 und der Instanzrechtsprechung315 hat der zuständige achte Zivilsenat entschieden, dass Rittigkeitsprobleme isoliert betrachtet keine Abweichung von der nach objektiven Kriterien geschuldeten Sollbeschaffenheit begründen.316 Rittigkeitsmängel könnten sowohl Ausdruck des natürlichen Verhaltens von Pferden als auch auf eine unzureichende Verständigung zwischen Pferd und Reiter zurückzuführen sein.317 Sofern keine klinischen Auswirkungen hinzukommen, realisiere sich daher lediglich der Umstand, dass es sich bei dem erworbenen Pferd um ein Lebewesen handelt.318 Rittigkeitspro-

309 So zutreffend LG Coburg, Urt. v. 26.01.2016 – 23 O 500/14, juris Rn. 21; OLG Hamm, Beschl. v. 14.01.2014 – I-19 U 79/13, juris Rn. 24; OLG Hamm, Urt. v. 05.06.2012 – I-19 U 132/11, juris Rn. 24; LG Göttingen, Beschl. v. 17.10.2005 – 9 S 10/05, RdL 2006, 14; vgl. auch Stadler, Pferdeheilkunde 2008, 577, 582. 310 Oexmann, RdL 2018, 313, 317; Stadler, Pferdeheilkunde 2008, 577, 582. 311 Vgl. LG Göttingen, Beschl. v. 17.10.2005 – 9 S 10/05, RdL 2006, 14. 312 Zweifelnd auch Oexmann, RdL 2020, 285, 290; ders., RdL 2018, 313, 316; ders., RdL 2007, 85, 88; Bemmann, RdL 2005, 57, 62. 313 BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 sowie BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris; zustimmend u. a. Oexmann, RdL 2020, 285, 290. 314 Vgl. z. B. Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf, Rn. 29; Grunewald, in: Erman, BGB, § 434 Rn. 49. 315 Z. B. OLG Köln, Urt. v. 25.08.2017 – 6 U 188/16, juris Rn. 36 a. E.; LG Frankfurt a. M., Urt. v. 05.04.2018 – 32 O 95/17, BeckRS 2018, 9049 Rn. 35; OLG Hamm, Urt. v. 07.04.2006 – 19 U 87/05, juris Rn. 22 ff.; LG Aurich, Beschl. v. 26.02.2004 – 2 O 54/04, juris Rn. 3. 316 BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 40 sowie BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris Rn. 40; in diesem Sinne inzwischen auch OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 14.09.2021 – 6 U 127/20, BeckRS 2021, 28243 Rn. 23. 317 BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 40; ebenso LG Coburg, Urt. v. 26.01.2016 – 23 O 500/14, juris Rn. 21 f. 318 BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 41; BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris Rn. 41.

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bleme könnten zwar die Nutzung als Reitpferd beeinträchtigen und ein gewisses Risiko im Umgang darstellen, allerdings sei ein solches Risiko für Lebewesen nicht von vornherein untypisch.319 Der Käufer eines lebenden Tieres könne nicht erwarten, dass er – auch ohne besondere (Beschaffenheits-)Vereinbarung – ein ideales Tier erhält, mit dem er gänzlich unproblematischen Umgang pflegen und etwa erhoffte Ausbildungs- oder Turniererfolge zeitnah erzielen kann.320 Der BGH erkennt somit in zutreffender Weise, dass Rittigkeitsprobleme für sich genommen keine objektive Mangelhaftigkeit des Pferdes begründen können, sondern vielmehr auf die zugrundeliegenden Auslöser abgestellt werden muss. Auch wenn die Grenzen häufig fließend verlaufen,321 kann zwischen gesundheitlichen und reiterlichen Ursachen sowie dem natürlichen Verhaltensmuster des Pferdes unterschieden werden.322 aa) Gesundheitsprobleme Beruht die Unrittigkeit auf gesundheitlichen Problemen des Pferdes, so kann ein Sachmangel i. S. d. zweiten Kategorie vorliegen.323 Dafür ist unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen insbesondere das Vorliegen klinischer Auffälligkeiten zu überprüfen. Während einige Instanzgerichte die Rittigkeitsprobleme selbst als klinische Erscheinung einzuordnen schienen,324 hat der BGH zu Recht hervorgehoben, dass die Unrittigkeit eines Pferdes kein klinisches Symptom darstellt.325 Dafür spricht bereits, dass die Veterinärmedizin keine medizinische Definition von „Rittigkeitsproblemen“ kennt.326 Zudem ist die mangelnde Rittigkeit keine natürliche (unmittelbare) Schmerzreaktion eines Pferdes, sondern vielmehr die (mittelbare) Konsequenz einer Schmerzreaktion – z. B. aufgrund von Druck-

319 BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 28; BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris Rn. 31. 320 BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 41; BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris Rn. 41. 321 Stadler, Pferdeheilkunde 2008, 577, 582. 322 Vgl. BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 28, 40 sowie die Unterscheidung von Oexmann, RdL 2020, 285, 286 ff. 323 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 und BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris; OLG Köln, Urt. v. 25.08.2017 – 6 U 188/16, juris (jeweils Kissing-Spines-Syndrom); LG Kassel, Urt. v. 31.05.2006 – 6 O 2882/03, juris (knöcherne Zubildung im Nackenbereich). 324 So wohl OLG Oldenburg, Urt. v. 07.09.2018 – 6 U 10/18, BeckRS 2018, 52404; ebenso OLG Köln, Urt. v. 25.08.2017 – 6 U 188/16, juris Rn. 30 ff.; LG Heidelberg, Urt. v. 30.12.2016 – 3 O 28/14, juris Rn. 44; LG Verden, Urt. v. 19.01.2007 – 8 O 255/ 06, juris Rn. 21. 325 BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 31, 38 f.; BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris Rn. 27, 38 f. 326 BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 37; BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris Rn. 37.

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schmerzen im Rücken, Zahnbeschwerden oder Schmerzen in den Beinen.327 Das klinische Symptom ist dabei der Druckschmerz oder die Lahmheit, nicht aber die darauf beruhende Unrittigkeit.328 Rittigkeitsprobleme können somit allenfalls ein Anzeichen für Schmerzen sein, die ihrerseits auf einen gesundheitlichen Sachmangel i. S. d. zweiten Kategorie zurückführbar sein können. bb) Reiterliches Unvermögen oder Disharmonie Liegen keine gesundheitlichen Probleme zugrunde, können die Rittigkeitsprobleme auch auf reiterlich bedingten Ursachen beruhen.329 Zutreffend nennt der BGH insoweit eine mögliche Disharmonie zwischen Pferd und Reiter, reiterliche Fehler, den individuellen Reitstil sowie die sonstige Handhabung des Pferdes durch den Reiter.330 Letzteres umfasst auch die richtige Ausrüstung wie einen passenden Sattel, eine geeignete Zäumung, ein adäquates und den reiterlichen Fähigkeiten angepasstes Gebiss sowie die Verwendung zulässiger Hilfsmittel wie Sporen, Ausbinder o. Ä.331 Beruhen die Rittigkeitsmängel auf reiterlichen Unzulänglichkeiten, etwa weil der Reiter unerfahren ist oder eine falsche Ausrüstung verwendet, können diese Probleme schon durch eine angepasste reiterliche Handhabung behoben werden. Dementsprechend liegt der Fehler von vornherein nicht in der Beschaffenheit des Pferdes begründet, sodass auch kein Sachmangel i. S. v. § 434 Abs. 3 BGB angenommen werden kann.332 Selbiges gilt, wenn die Rittigkeitsprobleme darauf beruhen, dass der (auch geübte) Reiter bzw. dessen individueller Reitstil mit dem konkreten Pferd nicht harmoniert.333 Auch in diesem Fall sind die Rittigkeitsprobleme nicht auf eine vermeintlich fehlerhafte „Rittigkeitsbeschaffenheit“ des Pferdes zurückzuführen. Vielmehr wird erneut deutlich, dass die Rittigkeit kein dem Pferd anhaftender Faktor i. S. d. Beschaffenheitsbegriffs,334 sondern das Ergebnis einer Vielzahl von Faktoren ist, wozu insbeson327 Vgl. zu Hufen und Zähnen als Ursache für Rittigkeitsprobleme Oexmann, RdL 2020, 285, 286 f. 328 So auch BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 39; BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris Rn. 39. 329 Stadler, Pferdeheilkunde 2008, 577, 582; Gerber/Graubner/Straub, Pferdekrankheiten, S. 331. 330 BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 40. 331 Vgl. zum Sattel und zur Zäumung Oexmann, RdL 2020, 285, 287 f.; vgl. auch LG Siegen, Urt. v. 10.06.2011 – 2 O 107/09, juris Rn. 31. 332 Vgl. LG Coburg, Urt. v. 26.01.2016 – 23 O 500/14, juris Rn. 21; LG Siegen, Urt. v. 10.06.2011 – 2 O 107/09, juris Rn. 28; vgl. auch Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 18. 333 So auch BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 40; Stadler, Pferdeheilkunde 2008, 577, 582; Bemmann, RdL 2005, 57, 62. 334 So auch OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.05.2004 – 8 W 76/04, RdL 2005, 65; Bemmann, RdL 2005, 57, 62.

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

dere auch die individuelle Wechselwirkung zwischen Pferd und Reiter zählt.335 Ist letztere fehlerbehaftet, bedeutet dies jedoch nicht, dass das Pferd unüblich beschaffen oder zur gewöhnlichen Verwendung als Reitpferd ungeeignet ist, sondern allenfalls, dass die konkrete Pferd-Reiter-Kombination unstimmig ist.336 Beruhen die Rittigkeitsprobleme also auf reiterlichen Ursachen gleich welcher Art, liegt ebenfalls kein Sachmangel i. S. v. § 434 Abs. 3 BGB vor. cc) Natürliches Verhaltensmuster Können weder gesundheitliche noch reiterliche Unzulänglichkeiten festgestellt werden, so ist unter Heranziehung der bereits oben genannten Grundsätze zu differenzieren: Halten sich die Beanstandungen im Rahmen des tiertypischen – wenn auch unerwünschten – Verhaltens eines sensiblen Flucht- und Herdentieres, beispielsweise, weil sich das Pferd gelegentlich erschreckt und durchgeht oder die Nähe zu anderen Pferden sucht, entspricht das Pferd der objektiv üblichen Soll-Beschaffenheit.337 Auch unterschiedliche Tagesformen, Verspannungen oder Müdigkeit gehören zum natürlichen Verhalten eines Pferdes und widersprechen damit nicht den Anforderungen, die gem. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 BGB an ein durchschnittliches Reitpferd zu stellen sind. Nur wenn das Pferd beim Reiten echte Verhaltensstörungen zeigt, etwa weil es ständig unvermittelt und anlasslos durchgeht oder steigt, und es auch nicht möglich ist, diesem Verhalten durch einen entsprechenden Umgang entgegenzuwirken, kann dies der Eignung zur gewöhnlichen Verwendung bzw. der bei Pferden im Übrigen geschuldeten üblichen Beschaffenheit widersprechen und somit zur Annahme eines Sachmangels führen.338 e) Zwischenergebnis Das erworbene Pferd muss auch hinsichtlich seines Verhaltens keinem Ideal, sondern nur der Üblichkeit entsprechen. Üblich sind alle Verhaltensweisen, die zwar ggf. unerwünscht sind, sich aber im Rahmen des natürlichen tiertypischen Verhaltens eines Flucht- und Herdentieres bewegen. Somit kann zwar ohne entsprechende Vereinbarung die Abwesenheit von Verhaltensstörungen erwartet werden, nicht aber, dass das Pferd schmiede- und verladefromm ist. Die wieder335

Vgl. Oexmann, RdL 2020, 285, 292. So auch Oexmann, RdL 2020, 285, 292; mit anderer Begründung, aber im Ergebnis ebenso BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 40; BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris Rn. 41. 337 Vgl. zum Durchgehen eines Reitpferdes BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 2/19, juris Rn. 40; BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 40; zu einem schreckhaften Pferd LG Coburg, Urt. v. 26.01.2016 – 23 O 500/ 14, juris Rn. 21; außerdem Voschepoth, S. 268, 270. 338 Ablehnend zu einem steigenden Pferd LG Siegen, Urt. v. 10.06.2011 – 2 O 107/ 09, juris Rn. 28; ablehnend zu einem schreckhaften Pferd LG Coburg, Urt. v. 26.01. 2016 – 23 O 500/14, juris Rn. 21. 336

D. Zwischenfazit

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holt vorgetragene Unrittigkeit des Verkaufspferdes stellt hingegen von vornherein kein Beschaffenheitsmerkmal dar, weshalb zur Beurteilung der Üblichkeit nach der zugrundeliegenden Ursache zu differenzieren ist. 3. Ergebnis zu Kategorie 3 Seit der Schuldrechtsreform hat der Käufer eines Pferdes nicht nur die Möglichkeit das Alter, die Größe oder die Gesundheit des Pferdes zu beanstanden, sondern auch dessen Verhalten. Der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass auch die Abgrenzung zwischen mangelhafter und mangelfreier Verhaltensbeschaffenheit nach der allgemeinen kaufrechtlichen Vorschrift des § 434 BGB erfolgen könne. Die vorstehenden Ausführungen zeigen jedoch, dass in der dritten Kategorie nicht nur die Ermittlung der objektiv geschuldeten Verhaltensbeschaffenheit, sondern auch die Bewertung des Ist-Zustandes erheblichen Rechtsunsicherheiten unterliegt. Das Verhalten eines Pferdes hängt maßgeblich von der subjektiven Wahrnehmung des jeweiligen Betrachters ab, weshalb es einer rein objektiven Beurteilung nur begrenzt zugänglich ist. Im Regelfall wird daher ein Sachverständiger hinzuzuziehen sein, dessen Bewertung jedoch ebenfalls der Gefahr subjektiver Einschläge unterliegt.

D. Zwischenfazit „Aus den Augen, aus dem Sinn“: Wer heutzutage nach diesem Motto noch ein Pferd verkauft, hat sich redlich verschätzt. Während der Verkäufer nach der alten Gesetzeslage nur aufgrund einiger weniger Mängel des verkauften Pferdes mit entsprechenden Gewährleistungsrechten des Käufers rechnen musste, sind der Kreativität bei der Ausgestaltung etwaiger Mängelrügen inzwischen keine Grenzen mehr gesetzt. Dies verleitet nicht selten dazu, sich eines unlieb gewordenen Pferdes unter Berufung auf verschiedenste Beschaffenheitsfehler wieder zu entledigen. Bei diesem Versuch werden allerdings wiederholt die Anforderungen an die Sachmangelfreiheit eines Pferdes mit denen an eine industriell hergestellte Sache verwechselt. Das ist nicht zuletzt der entsprechenden Anwendbarkeit des für Sachen entwickelten Kaufrechts auf den Pferdekauf geschuldet. Schon der Begriff des Sachmangels impliziert falsche Vorstellungen, in deren Folge die Besonderheiten, die sich aus der Eigenschaft als Lebewesen ergeben, übersehen werden. Zudem zeigt die kategorische Untergliederung der hippologischen Beschaffenheitsmerkmale, dass das (sach-)kaufrechtliche System den von der zweiten und dritten Kategorie verkörperten Besonderheiten des Pferdekaufs kaum gerecht werden kann. Weder der Gesundheitszustand noch die Verhaltensmerkmale eines Pferdes lassen sich ohne Weiteres unter die Mangelvoraussetzungen des § 434 BGB subsumieren. Abgesehen davon, dass das tierische Verhalten einer objektiven Beurteilung ohnehin nur bedingt zugänglich ist, wird dies bei der Ermittlung des objektiv geschuldeten Soll-Zustandes besonders deutlich. Die Indi-

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Kap. 2: Sachmängel beim Pferdekauf

vidualität der gesundheitlichen und verhaltensbedingten Beschaffenheitsmerkmale macht einen objektiven Vergleich mit anderen Pferden zur Bestimmung der Üblichkeit nahezu unmöglich. Die Rechtsprechung hat daher in den vergangenen Jahrzehnten versucht, gewisse Mindestanforderungen festzulegen, die jedoch zum Teil die Erkenntnismöglichkeiten der Veterinärmedizin überschätzen und dementsprechend anzupassen sind. Kurzum hat der Pferdekäufer seit der Schuldrechtsreform zwar an Mängelrechten gewonnen, zugleich aber die durch die früheren Mängellisten gewährleistete Rechtssicherheit verloren. Um späteren Unklarheiten bestmöglich vorzubeugen, ist es essentiell, die wesentlichen (positiven und negativen) Beschaffenheitsmerkmale des Verkaufspferdes eindeutig und schriftlich im Kaufvertrag zu fixieren339 – ggf. unter Zuhilfenahme externer Gutachten.340 Dies vereinfacht nicht nur die Ermittlung des vertraglichen Soll-Zustandes, sondern führt in der Folge auch zu mehr Rechtssicherheit und damit zu einem geringeren Konfliktpotential. Soweit der Gesetzgeber die wirksame Vereinbarung negativer Eigenschaften jedoch durch den neu eingefügten § 476 Abs. 1 S. 2 BGB an die Einhaltung besonderer Formerfordernisse geknüpft hat, scheint er die grundlegende Bedeutung negativer Beschaffenheitsvereinbarungen beim Verkauf lebender Tiere verkannt zu haben.

339 So auch Grunewald, EWiR 2020, 587, 588; Looschelders, JA 2007, 811, 812; J. Brinkmann, AUR 2005, 181, 188; Bemmann, AUR 2003, 233, 236; Adolphsen, Pferdeheilkunde 2002, 294, 295; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 176; Neumann, S. 69 a. E. 340 In Betracht kommt auch die Verwendung sog. „equitax“-Gutachten. „Equitax“ ist ein standardisiertes System zur sachverständigen Beschreibung der hippologischen Beschaffenheit eines Pferdes zu einem bestimmten Stichtag mit Ausnahme des gesundheitlichen Zustandes. Die Beschaffenheitsmerkmale des Pferdes werden analysiert und in einem schriftlichen Bericht einschließlich vorgegebener Standardfotos dokumentiert. Der Vorteil eines solchen Gutachtens liegt insbesondere in der Objektivität und der Gewährleistung einer vollständigen Zusammenfassung aller wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale. Zudem kann der Sachverständige im Falle eines späteren Rechtsstreits als Zeuge fungieren. Dennoch bleibt zu berücksichtigen, dass ein solches Gutachten zusätzliche Kosten verursacht, weshalb die Parteien die Erstellung eines „equitax“-Gutachtens nur unter Berücksichtigung des konkreten Kosten-Nutzen-Faktors erwägen sollten; ausführlich dazu Neumann, S. 86 ff.; Voschepoth, S. 278 f.

Kapitel 3

Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf Die wohl größte Schwierigkeit bei der Durchsetzung hippologischer Mängelgewährleistungsrechte besteht darin, nachzuweisen, dass der gerügte Beschaffenheitsfehler bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Der Übergang der Gefahr richtet sich nach dem Übergang der Preisgefahr gem. §§ 446 f. BGB und damit in der Regel nach der Übergabe der Sache (§ 446 S. 1 BGB).1 Der Verkäufer haftet somit nur für diejenigen Sachmängel, die bei der Übergabe (noch) bestehen, nicht aber für solche, die nach Gefahrübergang auftreten oder solche, die bei Vertragsschluss vorlagen, aber vor der Übergabe bereits beseitigt wurden.2 Die Beweislast orientiert sich an § 363 BGB, sodass grundsätzlich der Käufer den Sachmangel und dessen Vorliegen bei Gefahrübergang zu beweisen hat.3 Eine Ausnahme gilt jedoch beim Verbrauchgüterkauf: Für diesen sieht § 477 BGB eine Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers vor.

A. Grundzüge Grundsätzlich obliegt dem Käufer die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Vorliegens eines Sachmangels bei Gefahrübergang. Diese Beweislastverteilung entspricht dem Grundsatz, dass die Parteien jeweils die für sie günstigen Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen haben.4 Für den Käufer eines Pferdes birgt dies jedoch die nicht ganz unerhebliche Schwierigkeit, retrospektiv beweisen zu müssen, dass bereits zum Zeitpunkt der Übergabe ein Mangel wie z. B. eine bestimmte Erkrankung vorgelegen hat. Anders als bei leblosen Sachen werden die Beweismöglichkeiten des Pferdekäufers insbesondere dadurch beeinträchtigt, dass sich Pferde nicht nur naturgemäß ständig weiterentwickeln und verändern, sondern auch, dass sie maßgeblich von äußeren Faktoren wie der Fütterung, der Haltung und dem Umgang beeinflusst werden. Hinzu kommt, dass die Tiermedizin als zukunftsorientierte Heilkunde – anders als es der Reformgesetzgeber offensichtlich angenommen hat5 – meist nicht dazu in der Lage ist, den 1

Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 7. Büdenbender, NK-SchuldR, § 434 Rn. 84. 3 BGH, Urt. v. 09.03.2011 – VIII ZR 266/09, NJW 2011, 1664 Rn. 11; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 434 Rn. 46. 4 Bischoff, JA 2010, 532, 532. 5 Vgl. BT-Drucks 14/6040, S. 207. 2

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Kap. 3: Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf

Entstehungszeitpunkt einer Erkrankung oder Lahmheit des Pferdes nach Ablauf eines längeren Zeitraums nachträglich zu ermitteln.6 Ähnliche Schwierigkeiten stellen sich – insbesondere nach einem zufriedenstellenden Proberitt – bei der Rückdatierung etwaiger verhaltensbedingter Sachmängel.7 Die kurzfristigen und teils erheblichen körperlichen, gesundheitlichen und verhaltensbedingten Veränderungen des Pferdes machen eine retrospektive Beurteilung ohne frühere Anknüpfungstatsachen nahezu unmöglich.8 Dem Käufer bleibt allenfalls die Möglichkeit, den Verkäufer auf die sog. sekundäre Darlegungslast zu verweisen.9 Die sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese außerhalb des von ihr zu beweisenden Geschehensablaufs steht, während der Bestreitende entsprechende Kenntnisse hat und ihm nähere Angaben möglich und zumutbar sind.10 Der Prozessgegner ist in diesem Fall dazu verpflichtet, die vorgetragenen Tatsachen qualifiziert zu bestreiten; anderenfalls gilt die Behauptung des Anspruchsstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.11 Trägt also der Käufer beispielsweise Anhaltspunkte für eine Vorerkrankung des erworbenen Pferdes vor, deren Einzelheiten er aber im Gegensatz zum Verkäufer mangels eigener Wahrnehmungsmöglichkeit im maßgeblichen Zeitpunkt nicht kennt, so reicht ein einfaches Bestreiten der Erkrankung durch den Verkäufer nicht aus.12 Vielmehr muss der Verkäufer im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Angaben zu der vorgetragenen Erkrankung machen.13 Genügt er diesen Anforderungen – wobei zu beachten ist, dass es sich nur um eine Darlegungs- und nicht um eine Beweislast handelt – ist es wieder Sache des Käufers, den Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen.14 Während sich somit die Gewährleistungsrechte des Käufers im Vergleich zum früheren Viehgewährschaftsrecht vervielfacht haben, hat sich seine Beweislage 6 Bemmann et al., AUR 2020, 171, 181 f.; Bemmann, RdL 2006, 197, 197; ders., RdL 2005, 57, 57; ders., AUR 2003, 233, 233; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 176; FN, Jahresbericht 2020, S. 56. 7 Vgl. Bemmann, RdL 2005, 57, 61. 8 Dazu auch Bemmann, RdL 2005, 57, 61. 9 Ausführlich dazu Marx, NJW 2010, 2839, 2842 f. 10 BGH, Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 27; BGH, Urt. v. 04.05.2021 – VI ZR 81/20, NJW-RR 2021, 1029 Rn. 15; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 138 Rn. 10a; Bischoff, JA 2010, 532, 532. 11 BGH, Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 27; BGH, Urt. v. 04.05.2021 – VI ZR 81/20, NJW-RR 2021, 1029 Rn. 15 m.w. N.; Anders, in: Anders/ Gehle, ZPO, § 138 Rn. 28. 12 Marx, NJW 2010, 2839, 2842; allgemein dazu BGH, Urt. v. 14.06.2005 – VI ZR 179/04 (BGHZ 163, 209), NJW 2005, 2614, 2615; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, § 138 Rn. 10a. 13 Marx, NJW 2010, 2839, 2842; vgl. auch BGH, Urt. v. 29.07.2009 – I ZR 212/06, NJW-RR 2009, 1482 Rn. 34. 14 Marx, NJW 2010, 2839, 2842.

B. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf

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gegenüber § 484 BGB a. F. – der bei allen Arten von Kaufverträgen (auch B2B und C2C) zugunsten des Käufers vermutete, dass ein innerhalb der Gewährsfrist erkennbar gewordener Hauptmangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war – erheblich verschlechtert. Aus diesem Grund wurde zum Teil mit einer gebremsten Prozessfreudigkeit gerechnet.15 Die erwartete Zurückhaltung hat sich jedoch nicht bewahrheitet. Stattdessen wurde mit der über § 90a S. 3 BGB auch beim Pferdekauf anwendbaren16 Beweislastumkehr des § 477 BGB ein Ausweg aus dem Beweisdilemma gefunden.

B. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf Nach dem bisherigen § 477 BGB a. F. bzw. dem neuen § 477 Abs. 1 BGB wird, sofern sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang eine Mangelerscheinung zeigt, zugunsten des Verbrauchers vermutet, dass das Pferd bereits bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen ist. Es ist dann Sache des Verkäufers, die Vermutung nicht nur zu erschüttern, sondern vielmehr den vollen Beweis des Gegenteils zu erbringen.17

I. Verbrauchsgüterkaufvertrag i. S. d. § 474 Abs. 1 S. 1 BGB Grundvoraussetzung zur Anwendbarkeit der Beweislastumkehr ist das Vorliegen eines sog. Verbrauchsgüterkaufvertrags. Die Beweislast hierfür trägt der Käufer als diejenige Partei, die die rechtlichen Folgen des Verbrauchsgüterkaufregimes für sich reklamiert.18 Nach der Legaldefinition des bisherigen § 474 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. waren Verbrauchsgüterkäufe Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Diese Definition wird durch die Kaufrechtsreform grundsätzlich nicht berührt; lediglich die Formulierung „bewegliche Sache“ wird durch den Begriff der „Ware“ ersetzt.19 Damit bleibt weiterhin die problematische Abgrenzung zwischen Unternehmer- und Verbrauchereigenschaft maßgeblich, die im Bereich des Pferdehandels wiederholt Gegenstand gerichtlicher Verfahren war.20 Dies nicht zuletzt vor dem Hinter15

Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 207. Grundlegend BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 22 f. m.w. N. 17 BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434; Wiemer, RdL 2007, 200, 203. Vgl. zu einem erfolgreichen Gegenbeweis des Pferdeverkäufers OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 14.09.2021 – 6 U 127/20, BeckRS 2021, 28243 Rn. 28 ff. 18 BGH, Urt. v. 11.07.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 Rn. 13. 19 Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 23; Kupfer/Weiß, VuR 2020, 95, 96. 20 Z. B. BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 30 ff.; BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250; OLG Hamm, Urt. v. 28.01.2019 – 2 U 98/18, juris; LG Bonn, Urt. v. 12.02.2014 – 1 O 368/11, juris Rn. 33; OLG Hamm, Urt. 16

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Kap. 3: Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf

grund, dass der findige Pferdekäufer alles daran setzt, einen für ihn günstigen Verbrauchsgüterkaufvertrag zu konstruieren.21 1. Abgrenzungskriterien Verbraucher ist nach der Legaldefinition des § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Demgegenüber sind als Unternehmer i. S. v. § 14 Abs. 1 BGB alle natürlichen oder juristischen Personen oder rechtsfähigen Personengesellschaften anzusehen, die bei Abschluss des Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handeln. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH setzen sowohl die gewerbliche als auch die selbständige berufliche Tätigkeit – jedenfalls – ein selbstständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus.22 Das OLG Hamm ergänzt diese Grundsätze insoweit, als dass es einen planmäßigen Geschäftsbetrieb verlangt, der mit einem gewissen organisatorischen Aufwand verbunden ist.23 Im Bereich des Verbrauchsgüterkaufrechts ist es für die Unternehmereigenschaft indes nicht erforderlich, dass der Verkäufer mit seiner Geschäftstätigkeit Gewinnerzielungsabsichten verfolgt.24 Denn nach den Ausführungen des BGH ist dem Unternehmerbegriff des § 474 BGB nicht die überkommene Rechtsprechung zum handelsrechtlichen Gewerbebegriff, sondern ein europäisch-autonomer Unternehmerbegriff zu Grunde zu legen, der vom Gedanken des Verbraucherschutzes geprägt ist.25 Insofern ist für die Einordnung des Verkäufers als Unternehmer i. S. d. § 474 Abs. 1 S. 1 BGB nicht auf rein unternehmensinterne (Gewinnerzielungs- oder verlustreduzierende) Absichten, sondern allein auf die

v. 05.03.2009 – 2 U 203/08, juris Rn. 15 ff.; OLG Hamm, Urt. v. 26.11.2007 – 2 U 148/ 06, juris; OLG Köln, Urt. v. 08.08.2007 – 11 U 23/07, juris Rn. 6; OLG Düsseldorf, Urt. v. 02.04.2004 – I-14 U 213/03, juris Rn. 33 ff. 21 Vgl. Oexmann, RdL 2008, 113, 116. 22 BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 74; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 30; BGH, Urt. v. 27.09.2017 – VIII ZR 271/16, NJW 2018, 146 Rn. 40; BGH, Urt. v. 13.03.2013 – VIII ZR 186/12, NJW 2013, 2107 Rn. 18; BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 14. 23 OLG Hamm, Urt. v. 26.11.2007 – 2 U 148/06, juris Rn. 57; vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 28.01.2019 – 2 U 98/18, juris Rn. 37; ebenso Struck, MittBayNot 2003, 259, 262. 24 BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 16; ebenso Faust, BeckOK BGB, § 474 Rn. 18. 25 BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 16 ff. m.w. N.

B. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf

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objektiven Gegebenheiten, d. h. auf sein gesamtes Erscheinungsbild am Markt und sein Verhalten bei Vertragsschluss, abzustellen.26 Dabei besteht keine allgemeine Vermutung dafür, dass alle vorgenommenen Rechtsgeschäfte eines Unternehmers im Zweifel seinem geschäftlichen Bereich zuzuordnen sind.27 Vielmehr setzt ein Handeln in Ausübung der gewerblichen oder der selbständigen beruflichen Tätigkeit i. S. v. § 14 Abs. 1 BGB voraus, dass ein hinreichend enger Zusammenhang mit eben dieser besteht,28 was z. B. bei einer Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdetrainer auf der einen und dem Verkauf eines ausschließlich zu privaten Zwecken genutzten Dressurpferdes auf der anderen Seite nicht ohne Weiteres angenommen werden kann.29 Selbiges gilt nach einer kürzlich ergangenen höchstrichterlichen Entscheidung auch dann, wenn der Käufer zwar vermögend und im Besitz eines eigenen Pferdebetriebs ist, für den er sowohl einen Vermögensverwalter als auch sonstiges Personal angestellt hat, das konkrete Pferd aber allein für private Zwecke, nämlich für den amateurmäßig betriebenen Dressursport, erworben hat.30 Veräußert der Verkäufer das Pferd im fremden Namen, so ändert dies jedoch aufgrund der rein objektiven Betrachtungsweise grundsätzlich nichts an seiner Unternehmerstellung.31 Im Übrigen kann schon der erstmalige oder einmalige Abschluss eines entsprechenden Rechtsgeschäfts nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls auf ein (zukünftiges) unternehmerisches Handeln ausgerichtet sein und somit zur Einordnung des Verkäufers als Unternehmer i. S. v. § 14 BGB führen.32

26 BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 75; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 31; BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 19; ebenso OLG Köln, Urt. v. 08.08.2007 – 11 U 23/07, juris Rn. 6; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 474 Rn. 5; zum Erfordernis einer Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen der Abgrenzung Einkunftserzielung und steuerlich unbeachtliche „Liebhaberei“ am Beispiel der Pferdehaltung Lüdicke, DStR 2002, 667, 671 f. 27 BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 86; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 37. 28 BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 74; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 38. 29 BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 37 ff. 30 BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 76 ff. 31 OLG Köln, Urt. v. 08.08.2007 – 11 U 23/07, juris Rn. 6; vgl. auch BGH, Urt. v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06 (BGHZ 170, 67), NJW 2007, 759 Rn. 15 ff. zu der Konstellation, dass der eigentliche Verkäufer, der Unternehmer ist, einen Verbraucher als Verkäufer vorschiebt, um die Sache unter Ausschluss der Haftung für Mängel zu verkaufen; in diesem Fall richten sich die Mängelrechte des Verbraucher-Käufers nach § 475 Abs. 1 S. 2 BGB wegen Umgehung der Bestimmungen über den Verbrauchsgüterkauf gegen den Unternehmer und nicht gegen den als Verkäufer vorgeschobenen Verbraucher. 32 BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 34 m.w. N. zu sog. Existenzgründern; vgl. dazu auch Martens, BeckOK BGB, § 14 Rn. 40.

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Kap. 3: Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf

2. Verbleibende Rechtsunsicherheit Zwar gibt es inzwischen eine Reihe von Abgrenzungskriterien, die die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmereigenschaft erleichtern. Entscheidend bleiben aber stets die Umstände des konkreten Einzelfalls. Dabei ist aufgrund der beim Pferdekauf besonderen räumlichen Verkaufssituation nach außen oft nicht erkennbar, ob der Verkäufer als Unternehmer oder Verbraucher handelt, was zu erheblichen Beweisschwierigkeiten führen kann.33 Im Gegensatz zum Kauf lebloser Waren, die entweder in einem eindeutig unternehmergeführten Geschäft oder privat, z. B. am Wohnort des Verkäufers, veräußert werden, sind Pferde in der Regel in gemieteten oder gepachteten Boxen untergebracht und werden im Rahmen der entsprechenden Stallanlage besichtigt und verkauft. Dieser Verkaufsraum lässt jedoch – anders als bei einem Warenhaus oder Wochenmarkt – keinerlei Rückschlüsse auf die Verbraucher- oder Unternehmereigenschaft des Verkäufers zu.34 Der Rechtsanwender ist daher auf die Bewertung anderer Kriterien angewiesen, die von der beweisbelasteten Partei vorgetragen werden sollten, eine eindeutige Abgrenzung aber ebenfalls nicht garantieren können. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass nach wie vor ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit verbleibt und die Instanzrechtsprechung wiederholt zu divergierenden Entscheidungen in scheinbar gleich gelagerten Fällen gelangt.35

II. Ausschlusstatbestand des § 474 Abs. 2 S. 2 BGB Ist es dem Käufer gelungen, das Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufvertrages darzulegen (und ggf. zu beweisen), so finden nach § 474 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich die Vorschriften der §§ 475 ff. BGB und damit auch die Beweislastumkehr des § 477 Abs. 1 BGB Anwendung. Eine Ausnahme hiervon gilt nach § 474 Abs. 2 S. 2 BGB jedoch dann, wenn es sich bei dem Kaufgegenstand um eine gebrauchte Sache handelt, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft wurde. Hintergrund dieser Ausnahmeregelung – die im Rahmen der Reform zwar um eine Rückausnahme ergänzt wurde,36 im Kern aber unverändert geblieben ist – war der Gedanke, dass dem Versteigerer eine Prüfung der versteigerten Sachen 33

Vgl. Bemmann et al., AUR 2020, 171, 174. Bemmann et al., AUR 2020, 171, 174. 35 Vgl. nur LG Lüneburg, Urt. v. 07.03.2008 – 4 O 50/07 (unveröffentlicht), das die Zucht mit vier Stuten, aus denen in drei Jahren drei Fohlen gezogen wurden, als unternehmerisches Handeln bewertet hat, während das OLG Braunschweig, Urt. v. 19.10. 2004 – 6 U 11/04 (unveröffentlicht), einen Hobbyzüchter, der regelmäßig drei Zuchtstuten bedecken lässt und die Nachzucht verkauft, als Verbraucher eingestuft hat; Beispiel nach Bemmann et al., AUR 2020, 171, 174; vgl. außerdem Bemmann, in: Düsing/ Martinez, § 14 BGB Rn. 7–9. 36 Dazu sogleich unter Kap. 3 B. II. 1. a). 34

B. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf

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häufig nicht zumutbar ist.37 Gedacht wurde dabei insbesondere an die Versteigerung von Fundsachen gem. § 979 BGB durch Verkehrsbetriebe oder an die Versteigerung hinterlegungsunfähiger Sachen gemäß § 383 BGB.38 Beim Pferdekauf hat § 474 Abs. 2 S. 2 BGB vor allem vor dem Hintergrund an Bedeutung gewonnen, dass sich Pferdeauktionen zu einer verbreiteten und beliebten Vertriebsform entwickelt haben. In regelmäßigen Abständen veranstalten Zuchtverbände, Reitbetriebe oder Privatpersonen Auktionen, bei denen u. a. Reitund Sportpferde, Fohlen, Jung- und Deckhengste oder Zuchtstuten angeboten werden.39 Allein auf den Reitpferdeauktionen der Zuchtverbände im Jahr 2019 wurden auf diese Weise 848 Reitpferde mit einem Gesamtumsatz von knapp 21 Millionen Euro verkauft.40 Bei den Auktionen der Zuchtverbände wurden zudem weitere 1.645 Zuchtpferde und Fohlen sowie Ponys und Kaltblüter versteigert.41 1. Öffentlich zugängliche Versteigerung § 474 Abs. 2 S. 2 BGB knüpft jedoch nicht an jede Art von Versteigerung an, sondern setzt den Verkauf im Rahmen einer „öffentlich zugänglichen Versteigerung“ voraus. Die Beweislast hierfür trifft diejenige Partei, die sich auf den Ausschlusstatbestand beruft, in der Regel also den Verkäufer.42 Das Merkmal der „öffentlich zugänglichen Versteigerung“ wird in § 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB legaldefiniert. Während der reformierte § 474 Abs. 2 S. 2 BGB ausdrücklich auf diese Legaldefinition verweist, hat der BGH die Maßgeblichkeit der Vorschrift auch für die bisherige Gesetzeslage höchstrichterlich bestätigt.43 Dementsprechend handelt es sich um „öffentlich zugängliche Versteigerungen“ i. S. v. § 474 Abs. 2 S. 2 BGB, wenn Verträge im Rahmen einer Vermarktungsform geschlossen werden, „bei der der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist“ (§ 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB).

Nicht (mehr) erforderlich ist demgegenüber das Vorliegen der in § 383 Abs. 3 S. 1 BGB, § 34b Abs. 5 GewO normierten persönlichen Anforderungen an den 37

Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 73. BT-Drucks 14/6857, S. 31. 39 Vgl. nur den Terminplan von MennrathS, die zu den führenden Auktionsveranstaltern Deutschlands gehören, abrufbar unter https://www.mennraths.de (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 40 Zahlen und Fakten der FN (s. o. Kap. 1 Fn. 3). 41 Zahlen und Fakten der FN (s. o. Kap. 1 Fn. 3). 42 Faust, BeckOK BGB, § 474 Rn. 28; Lorenz, MüKo BGB, § 474 Rn. 21. 43 BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 33. 38

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Kap. 3: Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf

Versteigerer. Hintergrund ist, dass die noch in § 474 Abs. 1 S. 2 BGB a. F.44 enthaltene und in § 383 Abs. 3 S. 1 BGB legaldefinierte Voraussetzung der „öffentlichen Versteigerung“, die u. a. eine besondere Qualifikation des Versteigerers vorsieht,45 im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie 46 durch das Merkmal der „öffentlich zugänglichen Versteigerung“ ersetzt worden ist. Die „öffentlich zugängliche Versteigerung“ wird aber durch die zeitgleich geschaffene und den europäischen Vorgaben des Art. 2 Nr. 13 Verbraucherrechterichtlinie entsprechende Vorschrift des § 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB legaldefiniert, die im Gegensatz zu § 383 Abs. 3 S. 1 BGB keine besonderen persönlichen Anforderungen enthält. Soweit dennoch zum Teil die Erfüllung persönlicher Anforderungen i. S. d. § 383 Abs. 3 S. 1 BGB verlangt worden ist,47 fehlte es für eine solche Reduktion der Vorschrift schon bislang an der dafür notwendigen planwidrigen Regelungslücke.48 Auch eine entsprechende Rechtsfortbildung war abzulehnen, da diese nicht nur dem durch den Wortlaut und die Gesetzesänderung eindeutig dokumentierten Willen des Gesetzgebers, sondern auch dem Sinn und Zweck der Neuregelung, nämlich der (einheitlichen) Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie, zuwiderlaufen würde.49 Dementsprechend kommt es für das Vorliegen einer „öffentlich zugänglichen Versteigerung“ sowohl nach dem bisherigen als auch nach dem reformierten § 474 Abs. 2 S. 2 BGB weder darauf an, ob die versteigernde Person eine Qualifikation nach § 34b Abs. 5 GewO besitzt, noch darauf, ob sie selbst Veranstalter der Versteigerung ist.50 Entscheidend sind allein die Voraussetzungen des § 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB und damit insbesondere die persönliche Teilnahmemöglichkeit der Kaufinteressenten (dazu sogleich unter Kap. 3 B. II. 1. b)) sowie das Vorliegen eines auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahrens. Letzteres dürfte zwar bei sog. „Holländischen Auktionen“ – darunter versteht

44 Gültig bis zum 12.06.2014, reformiert durch das „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung“ v. 20.09.2013, BGBl I, S. 3642. 45 Dazu BGH, Urt. v. 24.02.2010 – VIII ZR 71/09, NJW-RR 2010, 1210 Rn. 12, 14. 46 „Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates“, ABl. L 304 v. 22.11.2011, S. 64. 47 So u. a. Berger, in: Jauernig, BGB, §§ 474, 475 Rn. 6; Ball, jurisPK-BGB, § 474 (Stand: 01.02.2020) Rn. 49. 48 BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 36. 49 BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 36 ff. 50 Zu letzterem BGH, Urt. v. 24.02.2010 – VIII ZR 71/09, NJW-RR 2010, 1210 Rn. 13 f.

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man Versteigerungen, bei denen ein festgelegter Ausgangspreis so lange sukzessive reduziert wird, bis das erste Gebot abgegeben wird, das zugleich das Höchstgebot darstellt und nicht mehr überboten werden kann51 – mangels Reaktionsmöglichkeit der übrigen Erwerbsinteressenten abzulehnen sein.52 Diese auch als „reverse auction“ oder „Rückwärtsauktion“ bezeichnete Vermarktungsform findet sich indes weniger im Pferde- als im holländischen Blumenhandel.53 Die beim Pferdekauf übliche, traditionelle „Englische Auktion“, bei der ein festgelegter Mindestpreis so lange überboten werden kann, bis kein höheres Gebot mehr erfolgt,54 fällt demgegenüber – vorbehaltlich reiner Online-Auktionen55 – regelmäßig unter das Merkmal der „öffentlich zugänglichen Versteigerung“ i. S. v. § 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB. a) Rückausnahme in § 474 Abs. 2 S. 2 BGB Neu ist die in § 474 Abs. 2 S. 2 BGB eingefügte Rückausnahme, wonach die Bereichsausnahme nur dann eingreift, wenn dem Verbraucher klare und umfassende Informationen über die Nichtgeltung der Verbrauchsgüterkaufvorschriften leicht verfügbar gemacht worden sind. Hintergrund dieser Ergänzung sind die entsprechenden Vorgaben des Art. 3 Abs. 5 S. 2 der Warenkaufrichtlinie. Die Rückausnahme ist zwar nicht dazu geeignet, der mit der Bereichsausnahme verbundenen Missbrauchsgefahr zu begegnen, die insbesondere darauf beruht, dass grundsätzlich jeder eine Versteigerung durchführen, den Versteigerer „spielen“ und seine Pferde auf diese Weise losgelöst von den strengen Verbraucherschutzvorschriften verkaufen kann.56 Zumindest wird aber der potentielle Käufer durch die gesetzlich vorgegebene Informationspflicht davor bewahrt, sich bei der Ersteigerung eines Pferdes irrtümlich auf den Schutzmechanismus der Verbrauchsgüterkaufvorschriften zu verlassen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Informationspflicht bleibt jedoch zunächst unklar. Der bloße Hinweis auf die Nichtgeltung der Verbraucherschutzvorschriften kann jedenfalls nicht ausreichen, sofern dem Merkmal „umfassend“ eine ei51

Mankowski, JZ 2005, 444, 445; Stephan, S. 8. Bei Holländischen Auktionen handelt es sich daher nicht um – von § 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB aber vorausgesetzte (Koch, in: Erman, BGB, § 312g BGB Rn. 19) – Versteigerungen im Rechtsinne, sondern um Verkäufe zum Höchstgebot, Mankowski, EWiR 2001, 547, 548; S. Ernst, CR 2000, 304, 311; Belakouzova, S. 59 m.w. N.; vgl. auch Schafft, CR 2001, 393, 396; Goldmann, S. 27. 53 Schafft, CR 2001, 393, 393; Stephan, S. 9. 54 Stephan, S. 6. 55 Bei reinen Online-Auktionen fehlt die von § 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB vorausgesetzte Möglichkeit der persönlichen Anwesenheit, sodass es sich in diesen Fällen nicht um eine öffentlich zugängliche Versteigerung i. S. v. § 474 Abs. 2 S. 2 BGB handelt, vgl. Lorenz, MüKo BGB, § 474 Rn. 16. 56 Kritisch auch Staudinger, RdL 2021, 311, 321. 52

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genständige Bedeutung zukommen soll.57 Ob der Verbraucher daher auf jede einzelne nicht anwendbare Vorschrift oder aber diejenigen Regelungen hinzuweisen ist, die stattdessen gelten, wird der EuGH zu klären haben. b) Exkurs: Hybridauktionen Die neueste Errungenschaft des modernen Pferdehandels ist die sog. HybridAuktion. Hybrid-Auktionen haben insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie an Bedeutung gewonnen und zeichnen sich dadurch aus, dass nicht nur persönlich in der Auktionshalle und per Telefon, sondern auch über einen Live-Online-Kanal mitgeboten werden kann.58 Dadurch konnte den pandemiebedingten Teilnehmerbeschränkungen entsprochen und dennoch eine große Reichweite der Auktion gewährleistet werden. Nach Angaben des Webdienstes HSR, der im Sommer 2020 u. a. die Hybrid-Auktionen des Holsteiner Verbandes ermöglicht hat, wird das Auktionsgeschehen mit Hilfe eines latenzfreien Videostreams live übertragen.59 Der registrierte Bieter sieht sowohl das zu versteigernde Pferd als auch den Auktionator zu jedem Zeitpunkt in Echtzeit. Über ein Gebotsfenster kann er online ein Gebot abgeben. Die hereinkommenden Gebote sieht der Auktionator ebenfalls in Echtzeit, sodass diese in das normale Versteigerungs-Prozedere vor Ort integriert werden können. Letztlich handelt es sich bei einer Hybrid-Auktion um eine Mischform zwischen einer Online-Auktion und einer persönlich wahrnehmbaren Präsenzveranstaltung. Während letztere unabhängig von der Person des Versteigerers stets als „öffentlich zugängliche Versteigerungen“ i. S. d. § 474 Abs. 2 S. 2 BGB einzuordnen sind,60 dürfte selbiges auch für Hybrid-Auktionen gelten. Denn einerseits ist für § 474 Abs. 2 S. 2 BGB allein entscheidend, dass der Verbraucher an der Versteigerung persönlich teilnehmen kann, unabhängig davon, ob er dies auch tatsächlich getan oder fernmündlich bzw. schriftlich mitgeboten hat.61 Andererseits wird die Versteigerung über eine Online-Plattform in den Gesetzesmaterialien zum reformierten § 474 Abs. 2 S. 2 BGB sogar ausdrücklich als Unterfall einer „öffentlich zugänglichen Versteigerung“ erwähnt, sofern – wie es bei der Hybrid-Auktion der Fall ist – die Möglichkeit der persönlichen Anwesenheit der Verbraucher gewährleistet wird.62 57

Ebenso Wilke, VuR 2021, 283, 289. Vgl. Wehrmann, St.GEORG v. 17.07.2020. 59 Vgl. die Ausführungen auf der Website des Anbieters HSR Auktion, abrufbar unter https://hsr-auktion.de (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 60 BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 30; siehe auch BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 51 f.; BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 25. 61 Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 474 Rn. 2; vgl. auch BTDrucks 19/27424, S. 28. 62 BT-Drucks 19/27424, S. 28. 58

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2. Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Pferden Wurde das streitgegenständliche Pferd im Rahmen einer „öffentlich zugänglichen Versteigerung“ verkauft, greift die Bereichsausnahme des § 474 Abs. 2 S. 2 BGB jedoch nur dann, wenn es sich bei dem Verkaufspferd um ein „gebrauchtes“ Pferd handelt. Schon die Bezeichnung eines Tieres als „neu“ oder „gebraucht“ lässt die Absurdität dieser gesetzlich notwendigen Abgrenzung beim Tierkauf erkennen. Dennoch handelt es sich hierbei um kein belangloses Einzelproblem. Vielmehr ist die Unterscheidung ebenso maßgeblich für die Zulässigkeit einer Verjährungsverkürzung auf ein Jahr (§ 476 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB) oder für die Wirksamkeit möglicher Haftungsausschlüsse in AGB (§ 309 Nr. 8 lit. b) BGB). Während in der Literatur zunächst aus Gründen der Rechtssicherheit vorgeschlagen wurde, den Gesetzestext nach dem Merkmal „gebrauchte Sachen“ um den Zusatz „und Tiere“ zu ergänzen,63 hat sich der Reformgesetzgeber von der Fehlvorstellung leiten lassen, dass die frühere Rechtsprechung zu „neu hergestellten Sachen“ bereits ausreichende Kriterien zur Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Tieren erarbeitet hätte.64 Tatsächlich hatte die Rechtsprechung aber nie zu prüfen, wann das „Neuhergestelltsein“ endet und das „Gebrauchtsein“ beginnt, da das Merkmal „gebraucht“ dem BGB bis dato unbekannt war.65 Zudem handelt es sich bei den von der Gesetzgebung zitierten Urteilen um lediglich zwei Einzelfallentscheidungen ohne allgemeingültige Grundsätze für andere Nutztiere.66 Im Ergebnis hat es der Gesetzgeber daher zur Aufgabe der Rechtsprechung gemacht, die (weiteren) Kriterien des „Gebrauchtseins“ festzulegen.67 a) Abgrenzungskriterien des BGH Dieser Aufgabe hat sich der BGH inzwischen mehrfach angenommen. Anders als verschiedene Ansätze in der Literatur, wonach Tiere stets als „neu“ 68 oder stets als „gebraucht“ 69 – ggf. auch über den Kunstgriff einer juristischen Se63

Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 207; vgl. auch Pelhak, AgrarR 2001, 312, 312. BT-Drucks 14/6040, S. 245; vgl. insbesondere BGH, Urt. v. 03.07.1985 – VIII ZR 152/84, NJW-RR 1986, 52 zu lebend gelieferten Forellen sowie LG Aschaffenburg, Urt. v. 14.12.1989 – S 210/89, NJW 1990, 915 zu neun Wochen alten Hundewelpen. 65 Bemmann, Pferdeheilkunde 2005, 142, 145; ders., AUR 2003, 233, 236; Neumann, S. 161. 66 Dies hat der BGH in der zu lebend gelieferten Forellen ergangenen Entscheidung ausdrücklich klargestellt, vgl. BGH, Urt. v. 03.07.1985 – VIII ZR 152/84, NJW-RR 1986, 52, 53; so außerdem Bemmann, Pferdeheilkunde 2005, 142, 145; Neumann, S. 161. 67 Bemmann, AUR 2006, 189, 191. 68 So wohl Haas, Das neue Schuldrecht, Kap. 5 Rn. 523. 69 So Grunewald, in: Erman, BGB, § 474 Rn. 9; Eichelberger/Zentner, JuS 2009, 201, 205; Eichelberger, ZGS 2007, 98, 100 f.; Bemmann, AUR 2006, 189, 191; ders., 64

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kunde70 – zu behandeln seien, stellt der BGH einerseits auf die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme des Pferdes71 und andererseits auf die lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmängelrisikos72 ab und überträgt damit die für leblose Sachen geltenden Grundsätze auf den Pferdekauf.73 aa) Bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme des Pferdes In einem ersten zu dieser Problematik ergangenen pferdekaufrechtlichen Urteil aus dem Jahr 2006 hat der BGH entschieden, dass ein Pferd ausgehend vom Wortsinn immer dann „gebraucht“ sei, wenn es bereits benutzt worden ist.74 Was unter der „Benutzung“ eines Pferdes zu verstehen ist, bleibt jedoch gänzlich unklar. Im streitgegenständlichen Fall handelte es sich um ein sechs Monate altes Fohlen, dessen „Benutzung“ der BGH mit der Begründung ablehnte, dass es bislang weder als Reit- noch als Zuchtpferd verwendet worden war. Da aber davon auszugehen ist, dass ein auf einer Auktion vorgestelltes sechs Monate altes Fohlen zumindest schon einmal geführt und transportiert sowie tierärztlich behandelt (insbesondere geimpft oder entwurmt) worden ist, scheint der BGH diese Art der Nutzung jedenfalls nicht zu meinen. Vielmehr will er offenbar auf die erstmalige Benutzung i. S. d. Gebrauchsbestimmung des (erwachsenen) Pferdes abstellen.75 Der Zeitpunkt dieses Nutzungsbeginns ist jedoch gleichermaßen unbestimmt. Denn handelt es sich beispielsweise um ein Springpferd, so kann dieses bereits mit dem ersten Anlongieren oder dem Anreiten76 oder erst mit der Aufnahme des Springtrainings bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen werden.77 Keine Zustimmung verdient hingegen die Befürchtung, dass durch die Anknüpfung an die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme die Gefahr bestünde, RdL 2005, 57, 60; Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 207; Neumann, S. 160 ff.; wohl auch Faust, LMK 2007, 211611. 70 Brückner/Böhme, MDR 2002, 1406, 1409; Neumann, S. 168. 71 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 LS 1; BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 27 ff.; ebenso Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2069; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 531; wohl auch Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 475 Rn. 103; Augenhofer, JZ 2007, 789, 795; zweifelnd Westermann, ZGS 2005, 342, 347. 72 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 30 m.w. N.; ebenso OLG Schleswig, Urt. v. 04.07.2018 – 12 U 87/17, RdL 2018, 389, 390; OLG Düsseldorf, Urt. v. 02.04.2004 – I-14 U 213/03, juris Rn. 44; einschränkend auch Augenhofer, JZ 2007, 789, 795; ablehnend H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 531; Reuter, ZGS 2005, 88, 91. 73 Zu den Abgrenzungskriterien bei leblosen Sachen Lorenz, MüKo BGB, § 474 Rn. 17 ff.; Grunewald, in: Erman, BGB, § 474 Rn. 8. 74 BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 27. 75 Vgl. auch BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 30. 76 So z. B. Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2069. 77 Kritisch hierzu auch Neumann, S. 164; Brückner/Böhme, MDR 2002, 1406, 1407.

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dass ein ehemals gebrauchtes Pferd durch eine spätere Änderung des Nutzungszweckes wieder als „neu“ einzuordnen sei.78 Denn offensichtlich stellt der BGH für den (endgültigen) Eintritt des „Gebrauchtseins“ allein auf die erstmalige Benutzung i. S. d. zu dem Zeitpunkt maßgeblichen Gebrauchsbestimmung ab – unabhängig davon, ob dieser Verwendungszweck zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal verändert wird.79 Auch der Einwand, dass die fachgerechte Ingebrauchnahme durch das Einreiten oder die Ausbildung des Pferdes nicht zu den bei Gebrauchsgegenständen charakteristischen und üblichen Preisabschlägen, sondern zu einer Wertsteigerung des Pferdes führe,80 geht fehl. Denn der unterschiedlichen Behandlung des Kaufs von „gebrauchten“ und „neuen“ beweglichen Sachen liegt die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass dem Verkäufer bei „gebrauchten“ Sachen Haftungserleichterungen zugutekommen sollen, weil diese – auch aus objektiver Käufersicht – mit einem höheren Sachmängelrisiko als „neue“ Gegenstände behaftet sind.81 Dieses Risiko potenziert sich aufgrund der eingeschränkten Erkennbarkeit und Beherrschbarkeit der Qualität aber auch bei Gegenständen, die mit der Zeit im Wert steigen (z. B. Antiquitäten).82 Der Wert der Sache hat keinen Einfluss auf das der Sache anhaftende Mängelrisiko, weshalb er im vorliegenden Zusammenhang unberücksichtigt bleiben muss. Dennoch war die vom BGH zunächst geforderte (alleinige) Anknüpfung an die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme nicht nur von Rechtsunsicherheiten geprägt, sondern hat die vom Gesetzgeber beabsichtigte Differenzierung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Pferden in einigen Fällen auch unmöglich gemacht. Insbesondere Pferde, deren Zweckbestimmung sich in ihrer bloßen Existenz erschöpft, hätten bis zu ihrem Tod als „neu“ angesehen werden müssen.83 bb) Lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmangelrisikos Der BGH bekam allerdings erst 13 Jahre später die Gelegenheit, die Problematik erneut aufzurollen und seine Rechtsprechung um ein weiteres Abgrenzungsmerkmal zu ergänzen. So entschied er im Jahr 2019, dass zur Einordnung eines Pferdes unter die Begriffe „gebraucht“ oder „neu“/„neu hergestellt“ nicht 78 So z. B. Neumann, S. 164; Bemmann, AUR 2003, 233, 237; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 183; siehe auch Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 68. 79 So auch H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 531. 80 Neumann, S. 164. 81 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 32 m.w. N. 82 Faust, BeckOK BGB, § 474 Rn. 31. 83 Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 183; Eichelberger, ZGS 2007, 98, 99; Bemmann, AUR 2003, 233, 237; Brückner/Böhme, MDR 2002, 1406, 1407; Neumann, S. 164; ähnlich auch OLG Schleswig, Urt. v. 04.07.2018 – 12 U 87/17, RdL 2018, 389, 390.

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nur auf eine nutzungsbedingte, sondern zusätzlich auch auf eine rein lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmangelrisikos abzustellen sei.84 Dies begründet er damit, dass bei Tieren wegen ihrer Eigenschaft als Lebewesen auch ohne den bisherigen Einsatz als Nutztier eine erhöhte Gefahr von Sachmängeln bestehe, da sich ein Pferd bereits dadurch ständig selbst „gebraucht“, dass es lebt und sich bewegt.85 Dementsprechend könne auch ein bislang ungenutztes Pferd aufgrund der seit seiner Geburt verstrichenen Lebenszeit ein gegenüber dem „Urzustand“ deutlich erhöhtes Sachmängelrisiko in sich tragen, was einer Bewertung als „neu“ entgegensteht.86 Allerdings sei ein Pferd – trotz des auch in den ersten Lebenstagen nur schwer beherrschbaren Sachmangelrisikos – nicht bereits deswegen als „gebraucht“ anzusehen, weil die Geburt einige Wochen oder Monate zurückliegt. Vielmehr ließe erst ein deutlich längerer Zeitraum den Schluss zu, dass das Sachmängelrisiko in einer die Bewertung als „neu“ ausschließenden Weise angestiegen ist.87 Im streitgegenständlichen Fall hat der BGH dies bejaht und den ersteigerten zweieinhalbjährigen Hengst als „gebraucht“ eingeordnet. Das bedeutet in der Folge jedoch nicht, dass grundsätzlich alle zweieinhalbjährigen Pferde als „gebraucht“ anzusehen sind. Vielmehr stellt der BGH ausdrücklich klar, dass sich keine allgemeingültigen zeitlichen Grenzen aufstellen lassen, sondern die Bewertung eines Pferdes als (noch) „neu“ oder (schon) „gebraucht“ stets der einzelfallbezogenen Würdigung des jeweiligen Tatrichters unterliegt.88 Der Rechtspraxis werden somit keine Anhaltspunkte für die Bemessung der Zeitspanne zwischen der Geburt und dem Beginn des „Gebrauchtseins“ an die Hand gegeben, weshalb auch das Kriterium der lebensaltersbedingten Steigerung des Sachmangelrisikos nicht dazu geeignet ist, für Rechtssicherheit zu sorgen.89 Angesichts der unbestimmten Altersgrenzen sorgt es vielmehr für weitere Unklarheiten und erhöht dadurch zusätzlich die Gefahr willkürlicher Einzelentscheidungen.90 84 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 LS 1; noch offengelassen in BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 32; ebenso OLG Schleswig, Urt. v. 04.07.2018 – 12 U 87/17, RdL 2018, 389, 390; OLG Düsseldorf, Urt. v. 02.04.2004 – I-14 U 213/03, juris Rn. 44; dagegen H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 531; Reuter, ZGS 2005, 88, 91. 85 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 33. 86 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 36 f. 87 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 38 f. 88 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 39. 89 Vgl. auch Fischer/Herrlein, NJW 2007, 674, 678. 90 Kritisch auch Wertenbruch, EWiR 2020, 399, 400.

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cc) Bewertung Dem BGH ist es bislang nicht gelungen, klare Kriterien für eine rechtssichere Abgrenzung von „neuen“ und „gebrauchten“ Pferden aufzustellen. Das ist jedoch nicht allein dem Unvermögen der Judikative geschuldet. Vielmehr zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass sich der BGH in einer Zwickmühle befindet, die er nicht zu lösen vermag. Während er einerseits die Besonderheiten des Pferdekaufs erkennt und zu Recht davon ausgeht, dass sich Pferde auch ohne äußere Einflüsse bereits dadurch selbst „gebrauchen“, dass sie leben und sich bewegen,91 ist er andererseits an den ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers92 gebunden, auch bei Tieren zwischen „neu“ und „gebraucht“ zu unterscheiden. Legt man den zutreffenden Ansatz des BGH aber wörtlich zugrunde, so müsste man zu dem Ergebnis gelangen, dass Pferde aufgrund ihres Eigengebrauchs ab dem Beginn ihres Lebens und damit stets als „gebraucht“ anzusehen sind.93 Insbesondere kann es für die objektive Beurteilung des „Gebrauchtseins“ keinen Unterschied machen, ob das Pferd durch den Menschen oder durch sich selbst in Gebrauch genommen wird, da sich das Mängelrisiko in beiden Fällen erhöht. Die generelle Einordnung lebender Pferde als „gebraucht“ würde überdies für Rechtssicherheit sorgen94 und dem zugrundeliegenden Telos der Vorschrift entsprechen. Denn der unterschiedlichen Behandlung von „neuen“ und „gebrauchten“ Sachen liegt die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass dem Verkäufer bei „gebrauchten“ Sachen Haftungserleichterungen zugutekommen sollen, weil diese – auch aus objektiver Käufersicht – mit einem höheren Sachmängelrisiko als „neue“ Gegenstände behaftet sind. Vor den daraus resultierenden gesteigerten Gefahren einer Inanspruchnahme soll der Verkäufer geschützt werden.95 Beim Verkauf eines Pferdes besteht jedoch die Besonderheit, dass der Verkäufer stets und nicht erst ab einem gewissen Alter des Pferdes dem erhöhten Risiko einer Inanspruchnahme ausgesetzt ist, da Pferde bereits unmittelbar nach ihrer Geburt mit einem gegenüber „neuen“ Sachen wesentlich höheren Sachmängelrisiko behaftet sind.96 Im Gegensatz zu „neuen“ Sachen, die nach einer kontrollierten 91 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 33. 92 Vgl. BT-Drucks 14/6040, S. 245. 93 Dafür im Ergebnis auch Grunewald, in: Erman, BGB, § 474 Rn. 9; Eichelberger/ Zentner, JuS 2009, 201, 205; Eichelberger, ZGS 2007, 98, 100 f.; Bemmann, RdL 2005, 57, 60; Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 207; Neumann, S. 160 ff.; wohl auch Faust, LMK 2007, 211611. 94 So auch Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 185. 95 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 32 m.w. N.; Bemmann, RdL 2005, 57, 59. 96 So auch Eichelberger/Zentner, JuS 2009, 201, 205; Eichelberger, ZGS 2007, 98, 100; Bemmann, AUR 2003, 233, 237; Brückner/Böhme, MDR 2002, 1406, 1408; Neumann, S. 165.

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Herstellung in diesem (originären) Produktionszustand sicher verwahrt werden können, fehlt es bei Pferden sowohl an einem vergleichbaren Herstellungsprozess als auch an der Möglichkeit einer zustandserhaltenden Aufbewahrung. Vielmehr kommt das Pferd mit nicht planbaren Veranlagungen auf die Welt, die im Rahmen einer individuellen Entwicklung unterschiedlichste Veränderungs- und Verschlechterungsrisiken bergen. Hinzu kommt, dass neugeborene Fohlen bereits nach wenigen Stunden eigenständig stehen und laufen können, weshalb sie ebenso wie ein ausgewachsenes Pferd in einer Halle laufen gelassen oder auf die Weide gebracht werden, die damit verbundenen Verletzungsrisiken mithin identisch sind. Selbiges gilt für die Vielzahl äußerer Einflüsse wie dem Stallklima, Artgenossen, Impfungen oder sonstige medizinischen Versorgungen, die u. a. die Gefahr von Infektionen begründen und denen das Pferd ebenfalls unmittelbar nach seiner Geburt ausgesetzt wird.97 Würde man dennoch zwischen „neu“ und „gebraucht“ differenzieren, wäre das „neue“ Pferd bereits mit einem Sachmängelrisiko behaftet, das sonst nur bei einer „gebrauchten“ Sache zu finden ist. Dementsprechend würden dem Verkäufer eines „neuen“ Pferdes Haftungserleichterungen verwehrt werden, die Verkäufern vergleichbar risikobehafteter Gegenstände zustünden und die das Gesetz gerade für den Verkauf entsprechend sachmängelgefährdeter Kaufobjekte gewähren will. Die Behandlung junger Pferde als „neu“ läuft daher nicht nur dem Sinn und Zweck der Vorschrift zuwider, sondern benachteiligt auch den Pferdeverkäufer in unangemessener Weise, was wiederum die Marktfähigkeit junger Pferde erheblich gefährdet. Die Besonderheiten des Pferdekaufs machen somit eine dem Telos der Vorschrift entsprechende Abgrenzung von vornherein unmöglich. Zum Teil wurde deswegen unter Heranziehung der Auslegungshilfe des § 90a BGB gefordert, Tiere aufgrund ihrer rechtlichen Sonderstellung stets als „gebraucht“ bzw. allenfalls für eine juristische Sekunde als „neu“ einzuordnen.98 Einer solchen Auslegung steht jedoch der ausdrücklich geäußerte Wille des Gesetzgebers entgegen, auch beim Tierkauf eine Abgrenzung zwischen „neu“ und „gebraucht“ vorzunehmen und jedenfalls junge Haustiere als „neu“ anzusehen.99 Selbst wenn man unterstellt, dass das neugeborene Pferd lediglich eine juristische Sekunde als „neu“ und erst im Anschluss daran als „gebraucht“ zu bewerten ist,100 liefe dies der gesetzgeberischen Intention zuwider, da faktisch trotzdem keine Abgrenzung erfolgen und auch junge Pferde stets als „gebraucht“ verkauft oder versteigert würden.101 97

Brückner/Böhme, MDR 2002, 1406, 1408. Brückner/Böhme, MDR 2002, 1406, 1409; Neumann, S. 167 f. 99 BT-Drucks 14/6040, S. 245. 100 Brückner/Böhme, MDR 2002, 1406, 1409; Neumann, S. 168. 101 Kritisch auch Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 185. 98

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Zusammengefasst bedeutet das für den Rechtsanwender, dass die vom Gesetzgeber geforderte Unterscheidung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Pferden, die der BGH in den genannten Entscheidungen umzusetzen versucht, dem Sinn und Zweck der Vorschrift widerspricht und außerdem zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten führt, während die vorzugswürdige und für Rechtssicherheit sorgende Lösung der generellen Einordnung von Pferden als „gebrauchte“ Sachen dem gesetzgeberischen Willen zuwiderläuft. Der Rechtsprechung sind daher die Hände gebunden, eine sowohl rechtssichere als auch befriedigende Lösung zu entwickeln. Es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers, den dargestellten Konflikt aufzulösen und durch geeignete tierspezifische Modifikationen – beispielsweise durch die gesetzliche Gleichbehandlung lebender Tiere mit gebrauchten Sachen102 – für Rechtssicherheit zu sorgen.103 Die Chance dazu hätte er im Zuge der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie gehabt. Eine entsprechende Gesetzesänderungen wurde jedoch weder vorgeschlagen noch durchgesetzt. Obwohl also die besseren Gründe dafür sprechen, lebende Tiere stets als „gebraucht“ zu behandeln, werden angesichts des klaren gesetzgeberischen Willens im Rahmen des § 474 Abs. 2 S. 2 BGB sowie der §§ 309 Nr. 8 lit. b) und 476 Abs. 2 BGB auch weiterhin die rechtsunsicheren Kriterien des BGH maßgeblich sein. b) Vertragliche Zustandsbestimmung? Die Rechtsunsicherheiten können nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch nicht dadurch umgangen werden, dass das Verkaufspferd vertraglich als „neu“ oder „gebraucht“ bezeichnet wird.104 Vielmehr habe diese Beurteilung – jedenfalls im vorliegenden Kontext des verbraucherschützenden § 474 Abs. 2 S. 2 BGB105 – anhand eines objektiven Maßstabes zu erfolgen, sodass sie einer Parteivereinbarung entzogen sei.106 Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass die Möglichkeit des Verkäufers, eine neue Sache als „gebraucht“ zu verkaufen, um auf diese Weise Haftungserleichterungen für sich zu reklamieren,

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Dazu unten Kap. 6 C. III. 3. So auch Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 185. 104 BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674; ebenso OLG Schleswig, Urt. v. 04.07.2018 – 12 U 87/17, RdL 2018, 389, 389; LG Oldenburg, Urt. v. 30.03.2006 – 9 O 2979/05, RdL 2006, 152; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 531; Eichelberger/Zentner, JuS 2009, 201, 206; Eichelberger, ZGS 2007, 98, 101; für eine subjektive Abgrenzung aber OLG Schleswig, Urt. v. 13.12.2005 – 3 U 42/05, juris Rn. 28; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 185 f.; Faust, LMK 2007, 211611. 105 Vgl. zu der gleichgelagerten Fragestellung im Rahmen von § 309 Nr. 8 lit. b) ff) BGB die Ausführungen in Kap. 5 B. I. 2. 106 BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 33; dagegen Faust, LMK 2007, 211611; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 185 f. 103

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mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift unvereinbar sei und darüber hinaus den Verbraucherschutz aushöhlen würde.107 Es dürfte jedoch eher unwahrscheinlich sein, dass der Verkäufer eine neue Sache als „gebraucht“ verkaufen wird, weil er in diesem Fall einen schlechteren Preis erzielen würde.108 Zum anderen verstößt eine solche Vereinbarung im Zweifel gegen das Umgehungsverbot des § 476 Abs. 4 BGB mit der Folge, dass die Verbrauchsgüterkaufvorschriften ohnehin Anwendung finden.109 Wird demgegenüber eine in Wirklichkeit gebrauchte Sache als „neu“ verkauft, begründet dies von vornherein keine Umgehung des Verbraucherschutzes; vielmehr würde man im Gegenteil dem Käufer bei einer objektiven Beurteilung den Schutz der subjektiv anwendbaren Verbrauchsgüterkaufvorschriften sogar entziehen.110 Schließlich plädiert auch die überwiegend vertretene Ansicht zu § 309 Nr. 8 lit. b) BGB, der ebenfalls eine Abgrenzung zwischen „neu hergestellt“ und „gebraucht“ verlangt, für die Möglichkeit einer vertraglichen Einordnung,111 sodass ein rechtlicher Gleichlauf hergestellt werden könnte. Dem stünden weder der Wortlaut des § 474 Abs. 2 S. 2 BGB noch der Wille des Gesetzgebers entgegen.112 Vielmehr könnte eine subjektive Abgrenzung für Rechtssicherheit im Einzelfall sorgen und dem Gedanken entsprechen, dass es grundsätzlich Sache der Vertragsparteien ist, die geschuldete Beschaffenheit zu bestimmen.113 c) Ergebnis Im Ergebnis offenbart die Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Pferden eine weitere Schwachstelle der kaufrechtlichen Gleichbehandlung von Pferden und Sachen, der allein durch geeignete legislative Modifikationen begegnet werden kann. Selbst wenn man entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung subjektive Zustandsbeschreibungen für zulässig erachtet, können diese nur in denjenigen Fällen eine rechtssichere Abgrenzung ermöglichen, in denen eine 107 BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 33; zustimmend Augenhofer, JZ 2007, 789, 795. 108 Zweifelnd auch Augenhofer, JZ 2007, 789, 795. 109 OLG Schleswig, Urt. v. 13.12.2005 – 3 U 42/05, juris Rn. 28; Faust, JuS 2007, 284, 285; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 181; vgl. zu den Folgen eines Umgehungsgeschäfts Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 476 Rn. 5; außerdem Lorenz, MüKo BGB, § 476 Rn. 9 ff. 110 Augenhofer, JZ 2007, 789, 795; Faust, LMK 2007, 211611; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 181. 111 Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 309 Nr. 8 Rn. 26; Wurmnest, MüKo BGB, § 309 Nr. 8 Rn. 17 m.w. N.; Coester-Waltjen, in: Staudinger, BGB, § 309 Nr. 8 Rn. 21; Faust, LMK 2007, 211611; dazu Kap. 5 B. I. 2. 112 OLG Schleswig, Urt. v. 13.12.2005 – 3 U 42/05, juris Rn. 28. 113 OLG Schleswig, Urt. v. 13.12.2005 – 3 U 42/05, juris Rn. 28; Faust, BeckOK BGB, § 474 Rn. 30.

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entsprechende Vereinbarung auch tatsächlich getroffen wurde. In allen übrigen Fällen wird weiterhin nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden sein, was jedenfalls beim Verkauf junger Pferde mit erheblicher Rechtsunsicherheit einschließlich der Gefahr willkürlicher Einzelentscheidungen durch die Instanzgerichte verbunden ist.

III. Voraussetzungen und Reichweite der Beweislastumkehr Liegt ein Verbrauchsgüterkaufvertrag vor und ist die Anwendbarkeit der verbraucherschützenden Vorschriften nicht bereits nach § 474 Abs. 2 S. 2 BGB ausgeschlossen, kommt es für das Eingreifen der Beweislastumkehr gem. § 477 Abs. 1 BGB entscheidend darauf an, ob sich bei dem Verkaufspferd innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 BGB abweichender Zustand gezeigt hat. 1. Sechsmonatszeitraum Der Sechsmonatszeitraum gilt sowohl für Pferdekaufverträge, die vor dem 1. Januar 2022 geschlossen wurden, als auch für alle späteren Verträge. Obwohl es vor dem Hintergrund des Regierungsentwurfs zunächst nicht danach aussah,114 bleibt dem Pferdekauf die Sechsmonatsfrist erhalten. Nach längerer Diskussion wurde der Tierkauf auf Veranlassung der CDU von der im ursprünglichen Entwurf für alle Kaufgegenstände vorgesehenen Verdoppelung der Beweislastumkehr ausgenommen.115 Stattdessen wurde mit § 477 Abs. 1 S. 2 BGB die erste und einzige tierkaufspezifische Sonderregelung seit der Schuldrechtsreform geschaffen, die für den Kauf lebender Tiere den bisherigen Geltungszeitraum von sechs Monaten aufrechterhält. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat dazu in seinem Bericht zutreffend ausgeführt, dass eine einjährige Vermutungsfrist nicht dazu geeignet ist, beim Kauf lebender Tiere eine angemessene Risikoverteilung zwischen Verbraucher und Unternehmer herzustellen.116 Vielmehr hätte das gegenüber Sachen wesentlich höhere und unbeherrschbare Veränderungs- und Verschlechterungsrisiko lebender Tiere in Verbindung mit einer einjährigen Vermutungsfrist zu einer unzumutbaren und ungerechtfertigten Belastung des Verkäufers geführt.117 Darüber hinaus wird die für den Sachkauf durchgesetzte Verlängerung der Beweislastumkehr auf ein Jahr mit dem Anreiz zur Herstellung langlebiger Pro114 Der Regierungsentwurf hatte noch eine einjährige Beweislastumkehr für alle Arten von Kaufobjekten vorgesehen, BT-Drucks 19/27424 S. 12. 115 Vgl. Plenarprotokoll 19/236 v. 24.06.201, S. 30846. 116 BT-Drucks 19/31116, S. 17. 117 Dazu auch Lüdicke, RdL 2021, 161, 162 ff.

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dukte begründet.118 Diese Zielsetzung lässt sich jedoch von vornherein nicht auf den Tier- und insbesondere Pferdehandel übertragen. Denn im Gegensatz zu leblosen Sachen, die mithilfe bestimmter Materialien oder Herstellungsprozesse so konstruiert werden können, dass eine bestimmte Haltbarkeit gewährleistet wird,119 bestehen in der Pferdezucht keine vergleichbaren Einflussmöglichkeiten. Obwohl Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden,120 sind diese letztlich nicht dazu geeignet, eine bestimmte (Über-)Lebensdauer des konkreten Pferdes sicherzustellen. Vielmehr ist jedes Pferd das Ergebnis einer unbeherrschbaren Laune der Natur, das trotz bester Gesundheit jederzeit und ohne äußere Einwirkung erkranken, sich verletzen oder sogar verenden kann. Dem unternehmerisch handelnden Pferdeverkäufer wäre daher für die Dauer eines Jahres ein Risiko auferlegt worden, das er – anders als der Veräußerer einer leblosen Sache – weder hätte kontrollieren noch beeinflussen können. Die gesetzgeberische Entscheidung verdient daher jedenfalls insoweit Zuspruch, als dass von der ursprünglich geplanten Jahresfrist beim Tierkauf abgesehen wurde. Dem stehen im Übrigen auch keine europarechtlichen Bedenken entgegen. Zwar setzt die Warenkaufrichtlinie in Art. 11 Abs. 1 als zwingenden Mindeststandard einen einjährigen Geltungszeitraum der Vermutungsregel voraus. Wie der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz aber zutreffend ausführt, kann von der Öffnungsklausel des Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie auch (nur) insoweit Gebrauch gemacht werden, als dass einzelne Vorgaben der Richtlinie nicht oder nicht in vollem Umfang in innerstaatliches Recht umgesetzt werden.121 Denn im Ergebnis kann es keinen Unterschied machen, ob man Tiere zunächst vom Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufs insgesamt ausnimmt und sodann tierspezifische Sondervorschriften – wie eine eigene Beweislastumkehr für den Tierkauf – normiert oder ob man eine entsprechende Vorschrift direkt als „Minusregelung“ in das nationale Verbrauchsgüterkaufregime integriert.122 2. Doppelwirkung der Beweislastumkehr Nachdem der BGH der Beweislastumkehr zunächst lediglich eine Wirkung in zeitlicher Hinsicht zugesprochen hatte,123 der Verbraucher also zu beweisen 118

BT-Drucks 19/27424, S. 15. So auch die Zielsetzung der Warenkaufrichtlinie, vgl. ErwGr. 32. 120 Vgl. z. B. das Hannoveraner Zuchtprogramm, abrufbar unter https://www.han noveraner.com/hannoveraner-zucht/zuchtprogramme/ (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 121 BT-Drucks 19/31116, S. 17; ebenso Bach, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 12; Lüdicke, RdL 2021, 161, 167; Weiß, ZVertriebsR 2021, 208, 216; Wilke, BB 2019, 2434, 2436. 122 Lüdicke, RdL 2021, 161, 167. 123 BGH, Urt. v. 02.06.2004 – VIII ZR 329/03 (BGHZ 159, 215), NJW 2004, 2299, 2300. 119

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hatte, dass der akute Mangel auf einer Ursache beruht, die ihrerseits einen (latenten) Mangel begründete,124 hat er diese Rechtsprechung inzwischen revidiert. a) Rechtsprechungsänderung aufgrund der Faber-Entscheidung des EuGH Anlass war die sog. Faber-Entscheidung des EuGH vom 4. Juni 2015.125 Darin stellte dieser auf Vorlage eines niederländischen Berufungsgerichts zum Gebrauchtwagenhandel fest, dass das Auftreten einer Vertragswidrigkeit in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten die Vermutung erlaubt, dass sie zum Zeitpunkt der Lieferung „zumindest im Ansatz“ bereits vorlag, auch wenn sie sich erst nach der Lieferung des Guts herausgestellt hat.126 Der Verbraucher müsse dabei weder den Grund der Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist.127 Der BGH ist der Entscheidung des EuGH im Jahr 2016 gefolgt und hat damit gegenüber seiner früheren Rechtsprechung nicht nur die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Käufers herabgesetzt, sondern auch die Vermutungsregel um eine sachliche Komponente ergänzt.128 Seitdem gilt: Der Verbraucher muss lediglich darlegen und beweisen, dass sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang eine Mangelerscheinung gezeigt hat, nicht aber auf welche Ursache der mangelhafte Zustand zurückzuführen ist und auch nicht, dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt.129 Kommt der Käufer diesen Anforderungen nach, so wird vermutet, dass die aufgetretene Mangelerscheinung zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat.130 Es obliegt sodann dem Verkäufer, darzulegen und zu beweisen, dass weder der innerhalb der Sechsmonatsfrist aufgetretene Mangel noch eine diesem Mangel zugrundeliegende Ursache, die ihrerseits einen Sachmangel begründet, bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat.131 Er muss somit den vollen Beweis dafür erbringen (§ 292 ZPO), dass der Sachmangel seinen Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat und dem Verkäufer damit nicht zu124 BGH, Urt. v. 15.01.2014 – VIII ZR 70/13 (BGHZ 200, 1), NJW 2014, Rn. 21; BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, Rn. 35; Lorenz, MüKo BGB, § 477 Rn. 5. 125 EuGH, Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13 (Faber/Autobedrijf Hazet Ochten ECLI:EU:C:2015:357. 126 EuGH, Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13 (Faber/Autobedrijf Hazet Ochten ECLI:EU:C:2015:357 Rn. 72. 127 EuGH, Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13 (Faber/Autobedrijf Hazet Ochten ECLI:EU:C:2015:357 Rn. 75. 128 BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36. 129 BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36. 130 BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 46. 131 Faust, BeckOK BGB, § 477 Rn. 13; Lorenz, MüKo BGB, § 477 Rn. 27.

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Kap. 3: Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf

zurechnen ist.132 Gelingt dem Verkäufer die Beweisführung nicht bzw. nicht im Sinne einer vollen richterlichen Überzeugung nach § 286 Abs. 1 ZPO,133 so streitet zugunsten des Käufers die Vermutungsregel des § 477 BGB und zwar auch dann, wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist.134 Da dem Verkäufer dieser Nachweis jedoch so gut wie nie gelingen dürfte, hat der BGH durch seine Rechtsprechungsänderung de facto eine sechsmonatige Haltbarkeitsgarantie zulasten des Verkäufers geschaffen.135 b) Fortgeltung der BGH-Rechtsprechung Dem neuen § 477 Abs. 1 BGB dürfte ebenfalls eine entsprechende Doppelwirkung beizumessen sein,136 da keine Anhaltspunkte für ein von der Faber-Rechtsprechung des EuGH abweichendes Verständnis des europäischen oder deutschen Gesetzgebers ersichtlich sind.137 Vielmehr verwendet Art. 11 Abs. 1 der Warenkaufrichtlinie überwiegend die schon in Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie enthaltenen Begrifflichkeiten.138 Gleiches gilt auch für den neuen § 477 Abs. 1 S. 1 BGB, dessen Wortlaut im Wesentlichen dem des bisherigen § 477 BGB a. F. entspricht. Lediglich das Merkmal des „Sachmangel[s]“ wurde durch die Voraussetzung „ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Sache“ ersetzt. Diese Änderung soll neben der Vermeidung von Missverständnissen in Bezug auf den Sachmangelbegriff insbesondere der Rechtsprechung des BGH entsprechen, der in Umsetzung der Faber-Entscheidung auf das Erkennbarwerden eines „mangelhaften Zustandes“ abgestellt hat.139 Diese Anpassung wäre jedoch überflüssig, wenn der deutsche Gesetzge132 BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 59; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 477 Rn. 9. Um etwaigen Beweisschwierigkeiten vorzubeugen, könnte der Verkäufer bei der Übergabe des Pferdes die Erstellung eines Übergabeprotokolls in Erwägung ziehen. Ähnlich wie beim Wohnungsübergabeprotokoll könnten auch bei der Übergabe des Pferdes etwaige sichtbare Mängel wie Verletzungen oder Ekzeme sowie die Gelegenheit des Käufers, das Pferd sowohl im Umgang (Führen, Putzen etc.) als auch beim Reiten auszuprobieren, schriftlich fixiert werden; dazu Hein/Bizer/Mosbach, JuS 2019, 1178, 1179 f. 133 BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 60 ff.; vgl. auch OLG München, Urt. v. 26.01.2018 – 3 U 3421/16, juris Rn. 29 f. 134 BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 55. 135 Gutzeit, JuS 2016, 459, 462; Maultzsch, JZ 2016, 236, 242; Hübner, Anm. zu EuGH, Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13 (Faber/Autobedrijf Hazet Ochten BV), NJW 2015, 2237, 2241. 136 Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 52; Lüdicke, RdL 2021, 161, 163; vgl. auch Wilke, BB 2019, 2434, 2439; Maultzsch, JZ 2016, 236, 242; K. Tonner, VUR 2019, 363, 365; anders wohl Zöchling-Jud, GPR 2019, 115, 125. 137 Lüdicke, RdL 2021, 161, 163; Wilke, BB 2019, 2434, 2439. 138 Lüdicke, RdL 2021, 161, 163; Wilke, BB 2019, 2434, 2439; Zöchling-Jud, GPR 2019, 115, 125. 139 BT-Drucks 19/27424, S. 44.

B. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf

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ber eine Fortgeltung der Faber-Rechtsprechung von vornherein ablehnen würde. Im Ergebnis kommt daher auch dem reformierten § 477 Abs. 1 BGB eine Doppelwirkung in zeitlicher sowie tatsächlicher Hinsicht zu. 3. Unangemessene Risikoverteilung beim Pferdekauf und tierschutzrechtliche Bedenken Vor diesem Hintergrund lässt sich zwar mit Sicherheit feststellen, dass der Gesetzgeber durch die Aufnahme der tierkaufspezifischen Sonderregelung in § 477 Abs. 1 S. 2 BGB Schlimmeres verhindert hat. Die Beibehaltung der bisherigen Sechsmonatsfrist ist jedoch entgegen der Einschätzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz140 ebenfalls nicht dazu geeignet, eine angemessene Risikoverteilung zwischen Verbraucher und Unternehmer herzustellen. Zudem sind die berührten tierschutzrechtlichen Belange offenbar von vornherein nicht in die Abwägung einbezogen worden. Stattdessen wurde Art. 20a GG – ebenso wie die seit Jahrzehnten geäußerte Kritik141 – übergangen mit der Folge, dass die Beweislastumkehr beim Pferdekauf auch weiterhin unangemessene und tierschutzrechtlich bedenkliche Ergebnisse erzeugen wird. a) Faktische Haltbarkeitsgarantie Die Vermutungsregel legt auch dem Pferdeverkäufer faktisch eine sechsmonatige Haltbarkeitsgarantie auf.142 Zwar steht es dem Unternehmer zu, den Beweis der Mangelfreiheit bei Gefahrübergang zu führen. Dies wird ihm jedoch – jedenfalls in den pferdekaufspezifischen Kategorien 2 und 3 – nur in den seltensten Fällen gelingen.143 Während das Verhalten eines Pferdes maßgeblich von äußeren Einflüssen geprägt und von dessen Tagesform abhängig und dem Beweis bereits deswegen schwer zugänglich ist, wird auch die retrospektive Beurteilung gesundheitlicher Mängel regelmäßig scheitern. Dies ist einerseits der mangelnden Evidenzbasierung der veterinärmedizinischen Wissenschaft geschuldet144 und andererseits den natürlichen Grenzen der Mangelerforschungsmaßnamen. 140 Vgl. BT-Drucks 19/31116, S. 17, wonach eine angemessene Risikoverteilung zwischen Verbraucher und Unternehmer durch die Beibehaltung der für den Tierkauf bewährten Beweislastumkehr von sechs Monaten erreicht würde. 141 Vgl. nur Lüdicke, RdL 2021, 161, 162 ff.; A. L. Brinkmann, RdL 2020, 139, 140 f.; Bemmann et al., AUR 2020, 171, 175; Bemmann, AUR 2003, 233, 236; Westermann, NJW 2002, 241, 252; Pelhak, AgrarR 2001, 312, 312 f.; Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 206. 142 Lüdicke, RdL 2021, 161, 163; Bemmann et al., AUR 2020, 171, 174; siehe außerdem Lorenz, MüKo BGB, § 477 Rn. 5; Gutzeit, JuS 2016, 459, 462; Maultzsch, JZ 2016, 236, 242; Hübner, Anm. zu EuGH, Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13 (Faber/Autobedrijf Hazet Ochten BV), NJW 2015, 2237, 2241. 143 Bemmann et al., AUR 2020, 171, 177. 144 Siehe dazu Kap. 2 C. II. 2. b) aa) (3) (b) (cc).

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Kap. 3: Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf

Schon unter Tierschutzgesichtspunkten kann ein Pferd weder jeder erdenklichen Untersuchung unterzogen noch in seine Einzelteile zerlegt werden.145 Auch frühere Anknüpfungstatsachen wie Röntgen- oder Ultraschallbilder belegen in der Regel nur den damaligen Status Quo. Sie können hingegen nicht zur Grundlage einer zuverlässigen Zukunftsprognose gemacht und damit umgekehrt auch nicht als Beweismittel für die fehlende Ursächlichkeit zwischen der späteren Mangelerscheinung und dem damaligen Zustand herangezogen werden.146 Dem Pferdeverkäufer wird somit eine „faktische Garantiehaftung“ 147 auferlegt, die für einen Zeitraum von sechs Monaten weder angemessen noch gerechtfertigt ist.148 Dies mag zwar beim Verkauf lebloser Sachen anders zu beurteilen sein.149 Denn einerseits kann der Unternehmer durch einen fachgerechten Herstellungsprozess, die Verwendung nachhaltiger Materialien und eine geeignete Verwahrung Einfluss auf die Haltbarkeit der Sache nehmen und damit das der Beweislastumkehr anhaftende Risiko senken. Andererseits unterliegen Fabrikationswaren auch nicht dem tiertypischen Veränderungsrisiko, sodass auch Mängel, die sich erst nach fünf Monaten zeigen, häufig auf einer fehlerhaften Konstruktion beruhen und dementsprechend bereits bei Gefahrübergang in der Sache angelegt waren. Beim Pferdekauf gelten indes andere Grundsätze. Insbesondere stehen dem Pferdeverkäufer keine entsprechenden Einflussmöglichkeiten auf die Haltbarkeit des Pferdes zu. Während ihm die haltungsbedingte Einwirkungsmöglichkeit mit der Übergabe entzogen wird, kann auch ein bis dahin gesundes und artgerecht versorgtes Pferd jederzeit erkranken oder Verhaltensauffälligkeiten entwickeln. Anders als bei einer normgemäß hergestellten Sache, deren mangelfreier Zustand – bei ordnungsgemäßem Umgang – mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Zeitraum erhalten bleibt, kann dies bei einem lebenden Pferd nicht erwartet werden. Vielmehr ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass sich ein Pferd trotz Mangelfreiheit bei Gefahrübergang innerhalb eines Sechsmonatszeitraums die ein oder andere Verletzung zuzieht, erkrankt oder sich (vorübergehend) mangelbegründend verhält. In diesem Fall spricht jedoch eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die auftretende Mangelerscheinung nicht schon bei der Übergabe in dem Pferd angelegt war, sondern sich erst nachträglich entwickelt hat. Denn einerseits unterliegen Tiere einer ständigen natürlichen Entwicklung, andererseits reagieren sie gegenüber leblosen Sachen wesentlich stärker auf äußere Ein-

145 Etwas anderes gilt freilich, wenn das Tier verendet ist und pathologisch untersucht werden kann. 146 Lüdicke, RdL 2021, 161, 163. 147 So zutreffend Bemmann et al., AUR 2020, 171, 177. 148 Ebenso Bemmann et al., AUR 2020, 171, 177. 149 So z. B. Koch, NJW 2017, 1068, 1071; Looschelders, JA 2015, 942, 944.

B. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf

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flüsse.150 Werden diese geändert, wird also beispielsweise ein neues Futter ausprobiert oder eine neue Trainingsmethode angewandt, kann dies innerhalb kürzester Zeit erheblichen Einfluss auf das Verhalten und die Gesundheit des Pferdes haben. Hinzu kommt das natürliche, eigendynamische Verschlechterungsrisiko, das den Zustand des Tieres ebenfalls von einer Sekunde auf die andere massiv beeinträchtigen kann.151 Im Gegensatz zu einem defekten Kabel einer Kaffeemaschine, das in den überwiegenden Fällen auf eine fehlerhafte Herstellung oder die Verwendung qualitativ minderwertiger Materialien zurückzuführen ist, sprechen daher die tierischen Besonderheiten regelmäßig für eine kurzfristige, mithin nachträgliche Mangelentstehung beim Pferdekauf. Für eine sechsmonatige Beweislastumkehr fehlt es daher bereits an einer vergleichbar fundierten Tatsachengrundlage.152 Stattdessen wird dem Pferdeverkäufer trotz rechtswirksamen Verkaufs noch ein weiteres halbes Jahr das Verschlechterungsrisiko des Pferdes auferlegt, das aber nicht nur seiner Einflussnahme entzogen ist, sondern sich auch überwiegend auf solche Fehler bezieht, für die er angesichts ihres nachträglichen Entstehungszeitpunktes grundsätzlich gar nicht haften müsste.153 Zumindest beim Pferdekauf kann daher die mit einer Vermutungsfrist von sechs Monaten verbundene Risikoverteilung nicht als interessengerecht bezeichnet werden. Vielmehr wird der Pferdeverkäufer mit einem unangemessen hohen wirtschaftlichen Risiko belastet. Mit der stets drohenden Rücknahme des Verkaufspferdes ist angesichts der notwendigen Vorkehrungen – wie der Bereithaltung einer tierschutzgerechten Unterbringungsmöglichkeit – ein besonderer organisatorischer Aufwand verbunden, der nicht mit der möglichen Rücknahme einer Kaffeemaschine zu vergleichen ist. Hinzu kommt die Gefahr, dass sich das veräußerte Pferd bei dem Verbraucher nachteilig entwickelt hat. Häufig verliert der Käufer das Interesse an dem in seinen Augen mangelhaften Pferd, sodass er das Training reduziert oder einstellt und nur noch das (tierschutzrechtlich) zwingend erforderliche Mindestmaß an Zeit und Geld investiert. Dadurch kann nicht nur ein erheblicher Ausbildungs- und Trainingsaufwand verloren gehen. Vielmehr vermag sich dies auch in der physischen und psychischen Verfassung des Pferdes widerzuspiegeln, was den Wert bis hin zur Unverkäuflichkeit mindern kann. In diesen Fällen steht das zurückgegebene Tier dem Unternehmer buchstäblich auf den Füßen, was nicht nur in finanzieller, sondern auch in tierschutzrechtlicher Hinsicht ein Problem darstellt. Denn ein unverkäufliches Pferd kann sich der durchschnittliche Pferdehändler nicht leisten, weshalb solche Tiere nicht selten gegen einen Schlachtpreis zu Hundefutter verarbeitet werden. 150

Bemmann et al., AUR 2020, 171, 175. Bemmann et al., AUR 2020, 171, 175. 152 So auch Bemmann et al., AUR 2020, 171, 177. 153 Ein Ausschluss der Vermutungsregel kommt dann nur über § 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB in Betracht, für dessen Voraussetzungen jedoch der Verkäufer die Beweislast trägt, dazu sogleich unter Kap. 3 B. IV. 151

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Kap. 3: Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf

b) Anreiz zu „Probekäufen“ Zugleich verleitet die privilegierte Position des Käufers zu unüberlegten und vorschnellen „Probekäufen“ einschließlich späterer Rückabwicklungen, was ebenfalls tierschutzrechtlichen Bedenken begegnet. Zwar kennt das Gesetz den sog. Kauf auf Probe (§ 454 BGB), wonach der Kaufvertrag im Zweifel nur unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung des Kaufobjekts durch den Käufer geschlossen ist. Allerdings ist dieses Regelungsmodell mit erheblichen Risiken für den Verkäufer verbunden. Dieser trägt nicht nur die Gefahr des zufälligen Untergangs,154 sondern muss auch damit rechnen, dass das Pferd bei Nichtgefallen öffentlich diskreditiert oder in einem verschlechterten Zustand zurückgegeben wird.155 In der pferdekaufrechtlichen Praxis werden entsprechende Vereinbarungen daher nur sehr selten und allenfalls mit einer kurzen Probefrist von etwa zwei bis vier Wochen getroffen.156 Durch die Beweislastumkehr des § 477 wird dem Käufer hingegen für den Zeitraum eines halben Jahres ein rechtlicher Ausweg geboten, durch welchen er sich – trotz bedingungslosen Kaufabschlusses – nicht nur seiner vertraglichen, sondern auch der zugleich übernommenen tierschutzrechtlichen Verantwortung wieder entziehen kann.157 Das dadurch vermittelte Sicherheitsgefühl kann unentschlossene Käufer darin bestärken, den Kaufvertrag zu unterschreiben und das Pferd für einen erheblichen Zeitraum „auszuprobieren“. Im Extremfall kann der findige Pferdekäufer sogar alle paar Monate ein neues Pferd erwerben, mit diesem Turniere bestreiten, anschließend nach einer zum Rücktritt berechtigenden Mangelerscheinung suchen (irgendeine Abweichung lässt sich bei akribischer Untersuchung immer finden) und dasselbe Vorgehen beim nächsten Pferd wiederholen. Es besteht letztlich die Gefahr, dass der Käufer seine Verantwortung gegenüber dem Pferd als nur vorläufig empfindet und deswegen zu einem nachlässigeren Umgang verleitet wird.158 Jedenfalls fördert die Beweislastumkehr das „Hin- und Herreichen“ und damit den Verschleiß verkaufter Pferde. Vor dem Hintergrund der Staatszielbestimmung des Tierschutzes in Art. 20a GG – die einen klaren Auftrag an die Legislative formuliert – sollten die gesetzlichen Regelungen jedoch so ausgestaltet sein, dass der Schutz der Tiere im einfachen Recht berücksichtigt wird.159 Für das Kaufrecht erfordert dies eine gesetzliche Ausgangslage, die den Käufer lebender Tiere dazu anhält, sich vor Vertragsschluss umfassend 154

Westermann, MüKo BGB, § 454 Rn. 7. Neumann, S. 31. Im Falle der unsachgemäßen Behandlung des Pferdes stehen dem Verkäufer freilich Ersatzansprüche gegen den Käufer zu, vgl. dazu Mader/Schermaier, in: Staudinger, BGB, § 454 Rn. 20; Neumann, S. 31. 156 Neumann, S. 30 f. 157 Lüdicke, RdL 2021, 161, 163; Bemmann et al., AUR 2020, 171, 177. 158 Bemmann et al., AUR 2020, 171, 177; FN, Jahresbericht 2020, S. 57; anders wohl die Bundesregierung, vgl. BT-Drucks 19/30613, S. 92. 159 BT-Drucks 14/8860, S. 3. 155

B. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf

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über das Tier und die mit dem Erwerb verbundenen zeitlichen, wirtschaftlichen und (tierschutz-)rechtlichen Konsequenzen und Risiken zu informieren. Die Kaufentscheidung sollte so sicher und endgültig wie möglich gefasst und das Bewusstsein des Käufers auf die mit Erhalt des Pferdes übergehende tierschutzrechtliche Verantwortung gelenkt werden. Insbesondere bei Mängeln, die erst Monate nach der Übergabe in Erscheinung treten und daher auch mit hoher Wahrscheinlichkeit erst nachträglich entstanden sind, sollte der Verbraucher auf seine Verantwortung gegenüber dem Tier verwiesen werden und sich nicht auf eine Risikoübernahme durch den Verkäufer verlassen dürfen. Dem Käufer muss klar sein, dass er ein Lebewesen erwirbt, dessen Zustand sich jederzeit grundlegend verändern kann, für das er aber auch im Falle von Krankheit und Unreitbarkeit weiterhin verantwortlich ist. Will er diese Risiken nicht übernehmen, sollte er von dem Kauf eines lebenden Tieres von vornherein Abstand nehmen und nicht durch die Beweislastumkehr – mithin das Aufzeigen eines gesetzlichen Auswegs – zusätzlich zum bedenkenlosen Kaufabschluss ermutigt werden. c) Ergebnis § 477 Abs. 1 S. 2 BGB ist für den Pferdekauf nur auf den ersten Blick ein Gewinn. Zwar bleibt dem Pferdeverkäufer die Jahresfrist des § 477 Abs. 1 S. 1 BGB erspart. Dennoch hat der Gesetzgeber offenbar übersehen, dass auch die Sechsmonatsfrist für den Kauf lebloser Sachen konzipiert worden und für den Tierkauf gleichermaßen ungeeignet ist. Trotz der zwischenzeitlichen Aufnahme des Tierschutzes in Art. 20a GG scheint dem – wohl gemerkt verfassungsrechtlich nicht verankerten – Verbraucherschutz nach wie vor ein (politisch) höherer Stellenwert beigemessen zu werden. Einzelfallgerechtigkeit kann daher beim Pferdekauf auch weiterhin nur über den in § 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB geregelten Ausschlusstatbestand der Unvereinbarkeit mit der Art der Ware oder mit der Art des mangelhaften Zustandes erzielt werden.

IV. Ausschluss der Beweislastumkehr Ist die Vermutung mit der Art der Ware (dazu 1.) oder mit der Art des mangelhaften Zustandes (dazu 2.) unvereinbar,160 so ist die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr gem. § 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB gesetzlich ausgeschlossen. Dem Rechtsanwender wird dadurch ein Korrekturinstrument an die Hand gegeben,161 das zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse insbesondere beim Pferdekauf von es-

160 § 477 Hs. 2 BGB a. F. hat terminologisch noch auf die Art der „Sache“ bzw. die Art des „Mangels“ abgestellt, was in praktischer Hinsicht jedoch keinen Unterschied macht. 161 Lorenz, MüKo BGB, § 477 Rn. 16.

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Kap. 3: Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf

sentieller Bedeutung ist. Eine formularmäßige Abbedingung des Ausschlusstatbestandes ist nicht gestattet.162 1. Unvereinbarkeit der Vermutung mit der Art der Ware „Pferd“ Nach der Streichung der viehkaufrechtlichen Sondervorschriften wurde zunächst diskutiert, ob die Vermutungsregel mit der Art der Kaufsache Pferd generell unvereinbar und deswegen beim Pferdekauf unanwendbar sei.163 Bedenken wurden insbesondere im Hinblick auf die Eigenschaft von Pferden als Lebewesen geäußert, da diese naturgemäß einer stetigen und raschen Veränderung ihres allgemeinen und gesundheitlichen Zustandes unterliegen, der außerdem maßgeblich von Haltung, Pflege und Belastung beeinflusst wird.164 Zudem könnte bereits die Lebenserwartung einiger Tiere unterhalb des Geltungszeitraumes liegen.165 Inzwischen gehen allerdings sowohl der BGH als auch der überwiegende Teil der Literatur zu Recht davon aus, dass die Anwendbarkeit nicht schon an der Unvereinbarkeit mit der Art der Kaufsache „Pferd“ scheitert.166 Der BGH argumentiert damit, dass das den spezifisch verbraucherschützenden Charakter der Beweislastumkehr begründende Wissensgefälle zwischen Verbraucher und Unternehmer167 auch beim Kauf eines Tieres bestünde.168 Der gewerblich tätige Verkäufer könne den Zustand des Tieres im Zeitpunkt der Übergabe in der Regel besser beurteilen als ein Käufer, der mit dem Erwerb von Tieren weder beruflich noch gewerbsmäßig befasst ist.169 Ob diesen Erwägungen im Ergebnis zuzustim-

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LG Siegen, Urt. v. 10.06.2011 – 2 O 107/09, juris Rn. 30. So u. a. AG Worbis, Urt. v. 28.01.2005 – 1 C 437/03, juris Rn. 14; AG Helmstedt, Urt. v. 01.04.2003 – 3 C 486/02, RdL 2005, 65; Bemmann, RdL 2005, 57, 61; wohl auch LG Verden, Urt. v. 16.02.2005 – 2 S 394/03, RdL 2005, 176; LG Lüneburg, Urt. v. 16.03.2004 – 4 O 322/03, RdL 2005, 66; OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.05.2004 – 8 W 76/04, RdL 2005, 65; Adolphsen, Pferdeheilkunde 2002, 294, 296; ders., AgrarR 2001, 203, 206; Westermann, NJW 2002, 241, 252. 164 AG Worbis, Urt. v. 28.01.2005 – 1 C 437/03, juris Rn. 14; OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.05.2004 – 8 W 76/04, RdL 2005, 65; Bemmann, RdL 2005, 57, 61; Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 206. 165 Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 206. 166 Grundlegend dazu BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 22, 24; ebenso Lorenz, MüKo BGB, § 477 Rn. 18; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 532; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 177; Faust, LMK 2006, 185484; Westermann, ZGS 2005, 342, 347 f.; Augenhofer, ZGS 2004, 385, 386 f.; Oexmann/Wiemer, Pferdeheilkunde 2004, 368, 368. 167 Vgl. BT-Drucks 14/6040, S. 245. 168 BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 24. 169 BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 24. 163

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men ist, kann an dieser Stelle dahinstehen,170 da eine generelle Unvereinbarkeit mit der Art der Sache Tier jedenfalls aus anderen Gründen abzulehnen ist. Nach den Gesetzesmaterialien soll eine Unvereinbarkeit mit der Art der Kaufsache insbesondere gebrauchte Sachen betreffen, da bei diesen schon wegen des sehr unterschiedlichen Grades der Abnutzung kein entsprechender allgemeiner Erfahrungssatz dafür bestünde, dass der innerhalb der Sechsmonatsfrist eingetretene Mangel schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat.171 Legt man diese Erwägungen zugrunde, könnte es erneut darauf ankommen, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Pferd um eine „gebrauchte“ Sache handelt. Allerdings hat der BGH – entgegen den gesetzgeberischen Ausführungen – zu Recht entschieden, dass die Beweislastumkehr auch beim Verkauf gebrauchter Sachen grundsätzlich anwendbar ist.172 Würde man den vom Gesetzgeber geforderten Erfahrungssatz für die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr voraussetzen, würde diese regelmäßig gerade in denjenigen Fällen leerlaufen, in denen der Entstehungszeitpunkt des Mangels nicht zuverlässig festgestellt werden kann.173 Dies würde nicht nur dem zugrundeliegenden Regel-Ausnahme-Verhältnis widersprechen, sondern auch den darin normierten Verbraucherschutz aushöhlen.174 Zudem müsste der Verkäufer zur Entkräftung der Vermutungsregel lediglich Tatsachen beweisen, aus denen folgt, dass es im konkreten Fall keinen entsprechenden Erfahrungssatz gibt. Diese Besserstellung des Verkäufers ist mit dem Charakter einer Beweislastumkehr jedoch nicht vereinbar, da diese dem Beweisbelasteten den vollen Gegenbeweis auferlegt.175 Im Übrigen ist eine solche Einschränkung der Vermutungsregel weder dem Gesetzeswortlaut noch der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zu entnehmen.176 Auch die Warenkaufrichtlinie enthält keinerlei Hinweise auf ein solches Verständnis. Im Ergebnis kann somit dahinstehen, ob das konkrete Pferd als „gebraucht“ i. S. d. Gesetzesmaterialien anzusehen ist, da eine solche Ein170 Vgl. dazu die entsprechenden Ausführungen unter Kap. 6 C. II. 1.; kritisch auch Bemmann et al., AUR 2020, 171, 174 f. 171 BT-Drucks 14/6040, S. 245. 172 BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490, 3492; ebenso Faust, BeckOK BGB, § 477 Rn. 15 m.w. N.; Gsell, JuS 2005, 967, 968; Oexmann/Wiemer, Pferdeheilkunde 2004, 368, 368; E. Graf v. Westphalen, ZGS 2004, 341, 341; Mankowski, EWiR 2003, 465, 465; Neumann, S. 187 m.w. N.; anders wohl Westermann, NJW 2002, 241, 252; Haas, BB 2001, 1313, 1319. 173 BGH, Urt. v. 18.07.2007 – VIII ZR 259/06, NJW 2007, 2621 Rn. 17; BGH, Urt. v. 11.07.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 Rn. 10; BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195 Rn. 15; BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490, 3492; Faust, BeckOK BGB, § 477 Rn. 15 m.w. N. 174 BGH, Urt. v. 18.07.2007 – VIII ZR 259/06, NJW 2007, 2621 Rn. 17; BGH, Urt. v. 11.07.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 Rn. 10; BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195 Rn. 15; BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490, 3492. 175 Faust, BeckOK BGB, § 477 Rn. 15; Gsell, JuS 2005, 967, 969. 176 Oexmann/Wiemer, Pferdeheilkunde 2004, 368, 368.

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ordnung ohnehin nicht zur Unvereinbarkeit mit der Vermutungsregel führen würde.177 Vielmehr nennen die Gesetzesmaterialien zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Tierkrankheiten als einen möglichen Unterfall der Unvereinbarkeit mit der Art des Mangels,178 was jedoch überflüssig wäre, wenn der Gesetzgeber von einer generellen Unvereinbarkeit mit lebenden Tieren ausgegangen wäre.179 Selbiges gilt auch im Hinblick auf den neu eingefügten § 477 Abs. 1 S. 2 BGB, der die Vermutungsfrist für den Tierkauf gesondert regelt. Eine solche Sonderregelung wäre bei einem generellen Ausschluss der Beweislastumkehr beim Kauf lebender Tiere gleichermaßen redundant. Im Übrigen spricht gegen eine Unvereinbarkeit mit der Art der Sache auch, dass bereits das alte Recht in § 484 BGB a. F. eine Vermutung zugunsten des Pferdekäufers vorsah, wonach ein Hauptmangel als bei Gefahrübergang vorliegend vermutet wurde, sofern er sich innerhalb der Gewährsfrist gezeigt hat.180 Zwar waren die zweiwöchigen Gewährsfristen deutlich kürzer als die nunmehr geltende Sechsmonatsfrist. Dennoch ging der Gesetzgeber offenbar schon vor der Schuldrechtsreform davon aus, dass eine Beweislastumkehr grundsätzlich mit der Art der Kaufsache Pferd vereinbar ist. 2. Unvereinbarkeit der Vermutung mit der Art des mangelhaften Zustands Statt einer generellen Unvereinbarkeit der Vermutung mit der Art der Sache ist daher gem. § 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2 BGB stets eine Unvereinbarkeit mit der Art des gerügten mangelhaften Zustandes, d. h. mit dem konkret beanstandeten mangelhaften Beschaffenheitsmerkmal in Erwägung zu ziehen. Beweisbelastet ist insoweit der Verkäufer.181 Da aber die Varianz an möglichen Beanstandungen beim Pferdekauf kaum überschaubar ist, hat auch die gerichtliche Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher Einzelfälle zur Unvereinbarkeit mit der Vermutungsregel zu entscheiden gehabt.182 Zur Strukturierung der entstandenen Kasuistik kann jedoch auf die drei Beschaffenheitskategorien zurückgegriffen werden. 177 So zum bisherigen § 477 BGB auch Oexmann/Wiemer, Pferdeheilkunde 2004, 368, 368; E. Graf v. Westphalen, ZGS 2004, 341, 341; vgl. auch Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 177. 178 BT-Drucks 14/6040, S. 245. 179 Vgl. BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 23. 180 BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 24; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 177. 181 Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 477 Rn. 10; Gsell, JuS 2005, 967, 969. 182 Vgl. nur BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 (Sommerekzem); LG Oldenburg, Urt. v. 26.05.2004 – 13 O 3912/02, RdL 2006, 65 (Koppen); LG Kiel, Urt. v. 30.06.2005 – 5 O 115/04, RdL 2006, 65 (Gastropathie);

B. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf

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a) Unvereinbarkeit der Vermutung mit mangelhaften Identifikationsmerkmalen (Kategorie 1) Fehlerhafte Identifikationsmerkmale werden selten forensisch. Das liegt nicht zuletzt an ihrer gegenüber den beiden anderen Mangelkategorien wesentlich besseren Beweisbarkeit. Hat das Pferd beispielsweise nicht die vereinbarten Turniererfolge erzielt oder ist es schwarz statt braun, so wird dem Käufer regelmäßig der Beweis gelingen, dass diese Abweichung schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Während fehlende Platzierungen mithilfe der einschlägigen Datenbanken (z. B. FN-Erfolgsdaten183) ermittelt werden können, sind die äußerlichen Identifikationsmerkmale meist unveränderlich und daher offenkundig bereits bei der Übergabe vorhanden gewesen. Der Beweislastumkehr kommt daher im Rahmen der ersten Kategorie – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle zu. Jedenfalls ergeben sich bei ihrer Anwendung meist keine nennenswerten Schwierigkeiten. b) Unvereinbarkeit der Vermutung mit mangelhaften Gesundheitsmerkmalen (Kategorie 2) Im Rahmen der zweiten Kategorie kommt der Vermutungsregel hingegen herausragende Bedeutung zu, da die größte Schwierigkeit einer auf einen Gesundheitsmangel gestützten Klage regelmäßig in der Beweisführung der Mangelhaftigkeit des Pferdes bei Gefahrübergang liegt. In unzähligen Fällen hängt der Erfolg einer Mangelklage somit davon ab, ob sich der Käufer auf die Beweislastumkehr berufen kann. Ausweislich der Gesetzesmaterialien hat jedoch bereits der Gesetzgeber erkannt, dass die Vermutungsregel mit Tierkrankheiten häufig unvereinbar ist.184 Dies wurde damit begründet, dass wegen der Ungewissheiten über den Zeitraum zwischen Infektion und Ausbruch einer Krankheit nicht selten unklar bleibe, ob eine Ansteckung bereits vor oder erst nach der Lieferung des Tieres an den Käufer erfolgt ist.185 In diesem Fall ließe sich – so der Gesetzgeber – eine Vermutung, dass der Mangel zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen hat, nicht rechtfertigen.186 Die bestehenden Ungewissheiten ordnet die Legislative damit dem Verantwortungsbereich des Käufers zu, was aber letztlich dazu führt, dass die bei Tierkrankheiten typischen Beweisschwierigkeiten entgegen der verbraucherschützenden Intention der Beweislastumkehr zulasten des Verbrauchers gehen. LG Göttingen, Beschl. v. 17.10.2005 – 9 S 10/05, RdL 2006, 14 (Rittigkeit); OLG Oldenburg, Urt. v. 17.06.2004 – 14 U 41/04, RdL 2005, 65 (Weben). 183 https://www.fnverlag.de/fn-erfolgsdaten (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 184 BT-Drucks 14/6040, S. 245. 185 BT-Drucks 14/6040, S. 245. 186 BT-Drucks 14/6040, S. 245.

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Kap. 3: Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf

Demgegenüber hat der BGH seine – soeben unter Kap. 3 B. IV. 1. dargestellte – Rechtsprechung zu gebrauchten Kraftfahrzeugen187 zu Recht auf den Tierkauf übertragen. Demnach ist die Vermutungsregel nicht schon dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn der Mangel typischerweise jederzeit auftreten kann und deshalb keinen hinreichenden Rückschluss darauf zulässt, dass er schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat.188 Anders als der Gesetzgeber ordnet der BGH daher bestehende Ungewissheiten über den Entstehungszeitpunkt einer Erkrankung grundsätzlich der Sphäre des Verkäufers zu. Dies begründet er damit, dass die gegenteilige Risikoverteilung auch beim Kauf eines Lebewesens zu einer Einengung der Beweislastumkehr führen und dadurch den intendierten Verbraucherschutz weitgehend aushöhlen würde.189 Für das Verständnis des BGH spricht auch der ansonsten bestehende Widerspruch zu der Faber-Entscheidung des EuGH. Denn wenn es danach für das Eingreifen der Vermutungswirkung ausreicht, dass der Käufer weder eine der gerügten Mangelerscheinung zugrundeliegende Ursache nachweist noch, dass diese aus dem Verantwortungsbereich des Verkäufers stammt,190 so kann die ungeklärte oder nicht aufklärbare Kausalität nicht gleichzeitig den hier besprochenen Ausschlusstatbestand erfüllen.191 Dies würde die vom EuGH geforderte und vom BGH umgesetzte192 Verringerung der Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Käufers ad absurdum führen. Nicht ersichtlich ist allerdings, warum der BGH im Weiteren – wenn auch nur in einem obiter dictum – auf die genannten Ausführungen der Gesetzesmaterialien verweist193 und damit offenbar nicht aufklärbare Ungewissheiten über den Zeitpunkt der Ansteckung für eine Unvereinbarkeit mit der Art des Mangels und damit für die Nichtanwendbarkeit der Vermutung zulasten des Käufers gleichwohl genügen lässt.194 Zwar fordert der BGH zu Recht auch eine Berücksich187 BGH, Urt. v. 18.07.2007 – VIII ZR 259/06, NJW 2007, 2621 Rn. 17; BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195 Rn. 15; BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490, 3492. 188 BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 26; bestätigt durch BGH, Urt. v. 11.07.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 Rn. 10. 189 Vgl. BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 26. 190 EuGH, Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13 (Faber/Autobedrijf Hazet Ochten BV), ECLI:EU:C:2015:357 Rn. 75; dem folgend BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36. 191 So zutreffend OLG Köln, Urt. v. 25.08.2017 – 6 U 188/16, juris Rn. 40. 192 BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15 (BGHZ 212, 224). 193 BT-Drucks 14/6040, S. 245. 194 BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 27, 29; darauf Bezug nehmend auch OLG Köln, Urt. v. 08.08.2007 – 11 U 23/07, juris Rn. 9; anders jedoch BGH, Urt. v. 11.07.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 Rn. 10; dagegen auch Faust, LMK 2006, 185484; H. F. Müller, FS Harm Peter Wester-

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tigung der Besonderheiten des Tierkaufs; diese rechtfertigen jedoch weder den dargestellten Widerspruch zu dem zugrundeliegenden Verbraucherschutz195 noch den zu der Faber-Entscheidung des EuGH. Vielmehr stehen die tierischen Eigenarten nur einer einheitlichen Beurteilung aller erdenklichen Erkrankungen entgegen und zwingen stattdessen zu einer auf den konkreten gesundheitlichen Fehler bezogenen Einzelfallentscheidung, bei der aber – wie der BGH selber ausführt – neben den tierkaufrechtlichen Besonderheiten stets auch der verbraucherschützende Charakter der Beweislastumkehr zu berücksichtigen ist.196 Ungeachtet dessen wurde mittlerweile jedenfalls zu Recht mehrfach entschieden, dass die Vermutungsregel auch beim Tierkauf nicht allein aufgrund von Ungewissheiten über den Entstehungszeitpunkt der jeweiligen Erkrankung unanwendbar ist.197 Vorzugswürdig und mit dem Telos der Beweislastumkehr am ehesten vereinbar muss vielmehr – wie beim Kauf gebrauchter Sachen – darauf abgestellt werden, ob dem Unternehmer der Beweis eines Erfahrungssatzes gelingt, wonach der konkrete Mangel dem „Anschein“ 198 nach erst nachträglich, d. h. nach Gefahrübergang entstanden ist.199 Um das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Vermutungsregel zu wahren, wird man dafür jedoch einen Erfahrungssatz von einigem Gewicht, d. h. eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit einer nachträglichen Mängelentstehung verlangen müssen.200 Gelingt dem Unternehmer eine entsprechende Beweisführung, obliegt es dem Verbraucher, den Anschein seinerseits zu erschüttern, indem er (lediglich) die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, d. h. einer anfänglichen Mangelhaftigkeit nachweist.201 Er braucht dabei nicht den Beweis des Gegenteils mann, S. 532; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 178; Ball, jurisPK-BGB, § 477 BGB (Stand: 01.02.2020) Rn. 51. 195 So auch Faust, LMK 2006, 185484. 196 Vgl. BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 27 f.; siehe auch Lorenz, MüKo BGB, § 477 Rn. 21. 197 BGH, Urt. v. 11.07.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 Rn. 10; LG Frankfurt a. M., Urt. v. 05.04.2018 – 32 O 95/17, BeckRS 2018, 9049 Rn. 61 ff.; OLG Hamm, Beschl. v. 14.01.2014 – I-19 U 79/13, juris Rn. 22; LG Köln, Urt. v. 08.02.2011 – 14 O 72/10, juris Rn. 64; OLG Zweibrücken, Urt. v. 13.01.2011 – 4 U 34/10, NJWRR 2011, 1074, 1075; letztlich auch BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 29; anders noch LG Kiel, Urt. v. 30.06.2005 – 5 O 115/ 04, RdL 2006, 65; LG Verden, Urt. v. 16.02.2005 – 2 S 394/03, RdL 2005, 176; AG Bad Gandersheim, Urt. v. 23.04.2004 – 4 C 32/03, RdL 2005, 66; LG Lüneburg, Urt. v. 16.03.2004 – 4 O 322/03, RdL 2005, 66; Neumann, S. 194. 198 Gsell, JuS 2005, 967, 969 f. 199 So auch OLG Schleswig, Urt. v. 05.12.2013 – 7 U 24/13, juris Rn. 24; LG Köln, Urt. v. 08.02.2011 – 14 O 72/10, juris Rn. 64; Faust, BeckOK BGB, § 477 Rn. 15; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 477 Rn. 10; Lorenz, MüKo BGB, § 477 Rn. 19. 200 Gsell, JuS 2005, 967, 969; ähnlich auch Voschepoth, S. 277. 201 Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 477 Rn. 9. Zeigt das gekaufte Pferd z. B. zwei Monate nach der Übergabe Symptome einer Krankheit, deren

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Kap. 3: Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf

zu führen, also gerade nicht die anfängliche Mangelhaftigkeit der Sache zu beweisen.202 Das Grundgefüge der Vorschrift als echte Beweislastumkehr bleibt dadurch erhalten.203 aa) Offenkundige Verletzungen Als Beispiel für einen Erfahrungssatz, wonach der konkrete Mangel dem Anschein nach erst nachträglich entstanden ist, werden bei Gebrauchtwagen häufig äußerlich erkennbare Mängel angeführt.204 Macht der Käufer erst einige Zeit nach der Übergabe einen auch für einen fachlich nicht versierten Käufer deutlich sichtbaren Blechschaden am erworbenen Wagen geltend, so spricht ein erster Anschein für die Nachträglichkeit des Schadens. Denn typischerweise werden äußerlich erkennbare Defekte schon bei der Übergabe angesprochen, sodass bei fehlender Beanstandung eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Mangel erst später eingetreten ist.205 Übertragen auf den Tierkauf lassen insbesondere offenkundige Verletzungen wie z. B. großflächige Wunden auf eine nachträgliche Mangelentstehung schließen. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann auch in diesem Zusammenhang davon ausgegangen werden, dass der Käufer eine solche Verletzung bereits bei der Übergabe bemerkt und beanstandet hätte.206 bb) Kurze Inkubationszeit Ebenso kann dem Verkäufer der Nachweis eines Erfahrungssatzes für eine nachträgliche Mangelentstehung gelingen, wenn die Inkubationszeit einer Krankheit bekannt ist und den Zeitraum zwischen Gefahrübergang und Auftreten der

Inkubationszeit in der Regel höchstens sechs Wochen beträgt, so hat die Ansteckung dem Anschein nach mit hoher Wahrscheinlichkeit erst nach der Übergabe stattgefunden. Weist der Käufer jedoch seinerseits nach, dass im Verkaufszeitraum ein Tier des Verkäufers erkrankt war, mit dem auch das Verkaufspferd in Kontakt gekommen war, stehen damit Umstände fest, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit einer bereits bei Gefahrübergang vorhandenen Erkrankung des Pferdes ergibt. Damit ist die Vermutung nicht mehr länger mit dem konkreten Erscheinungsbild des Mangels unvereinbar; Beispiel nach Gsell, JuS 2005, 967, 970. 202 Gsell, JuS 2005, 967, 970. 203 Gsell, JuS 2005, 967, 970. 204 BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195 Rn. 16; BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490, 3492; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.03. 2017 – I-22 U 211/16, NJW-RR 2017, 1134 Rn. 50; Faust, BeckOK BGB, § 477 Rn. 18; Lorenz, MüKo BGB, § 477 Rn. 19; Gsell, JuS 2005, 967, 969. 205 BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195 Rn. 16; BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490, 3492; Gsell, JuS 2005, 967, 969; kritisch Neumann, S. 193. 206 So auch H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 533; Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2069; kritisch E. Graf v. Westphalen, ZGS 2004, 341, 341 f.

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Symptome deutlich unterschreitet.207 Dasselbe gilt, wenn die Erkrankung bei anderen Pferden im Heimatstall des Käufers schon deutlich früher aufgetreten ist als bei dem gekauften Pferd.208 Reicht die Inkubationszeit hingegen in die Zeit vor Gefahrübergang hinein oder ist das erworbene Pferd das zuerst erkrankte Tier im Stall des Käufers, bleibt die Beweislastumkehr grundsätzlich anwendbar.209 Auch bei Krankheiten, die sich üblicherweise schleichend und über einen längerfristigen Zeitraum entwickeln, wird sich ein Anschein für eine nachträgliche Mängelentstehung kaum darlegen und beweisen lassen.210 cc) Keine weitergehende Erkenntnismöglichkeit des Verkäufers Aufgrund des verbraucherschützenden Charakters der Beweislastumkehr könnten schließlich diejenigen Mangelerscheinungen des Pferdes mit der Vermutung unvereinbar sein, bei denen dem Verkäufer keine weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten zustanden als dem Käufer. Denn Grundlage der verbraucherschützenden Vermutungsregel sind ausweislich der Gesetzesmaterialien die gegenüber dem Käufer ungleich besseren Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers.211 Gerade der Gesundheitszustand eines Pferdes vermag aber im Zweifel nur von einem Tierarzt korrekt zu beurteilen sein und kann im Einzelfall für den Verkäufer ebenso wenig einschätzbar sein wie für den Käufer. Fehlt es daher hinsichtlich des streitgegenständlichen Mangels an dem zugrundeliegenden Wissensgefälle, könnte man aufgrund der fehlenden Zweckerfüllung die Beweislastumkehr im Einzelfall für unanwendbar halten.212 Abgesehen davon, dass bereits unklar wäre, welcher Maßstab für die Erkennbarkeit des Verkäufers anzulegen wäre, lässt sich eine solche Einschränkung der Vorschrift aber weder dem Wortlaut noch dem Gesetzeszweck entnehmen.213 Der 207 LG Essen, Urt. v. 04.11.2003 – 13 S 84/03, NJW 2004, 527; Lorenz, MüKo BGB, § 477 Rn. 21; Lüdicke, NJW 2020, 2840 Rn. 20; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 533. 208 H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 533. 209 Vgl. BGH, Urt. v. 11.07.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 Rn. 8 ff. zur Infektion eines Zuchtkaters; Lorenz, MüKo BGB, § 477 Rn. 21; Lüdicke, NJW 2020, 2840 Rn. 20. 210 So auch Neumann, S. 199; vgl. zudem die Beispiele von Oexmann/Wiemer, Pferdeheilkunde 2004, 368, 369 ff. 211 BT-Drucks 14/6040, S. 245. 212 So z. B. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.11.2004 – 19 U 130/04, ZGS 2005, 36, 38; Grohmann/Gruschinske, ZGS 2005, 452, 454 f.; E. Graf v. Westphalen, ZGS 2005, 210, 212; Witt, NJW 2005, 3468, 3470; Wietoska, ZGS 2004, 8, 10. 213 BGH, Urt. v. 11.07.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 Rn. 11; offengelassen noch von BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490, 3492; ebenso Faust, BeckOK BGB, § 477 Rn. 19; ders., LMK 2006, 185484; Lorenz, MüKo BGB, § 477 Rn. 19; Maultzsch, NJW 2006, 3091, 3094; anders Bemmann, in: Düsing/ Martinez, § 476 BGB Rn. 9, der insoweit auf die Motive des europäischen Gesetzgebers verweist.

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Gesetzgeber benennt als Grundlage der Beweislastumkehr zwar ein grundsätzlich bestehendes Wissensgefälle zwischen Verbraucher und Unternehmer,214 fordert jedoch keineswegs einen konkret bestehenden Wissensvorsprung des Unternehmers als Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vermutungsregel im Einzelfall. Vielmehr beruht § 477 BGB auf einer typisierten Risikoverteilung, die nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass die Erkenntnismöglichkeiten beider Parteien im konkreten Fall (ausnahmsweise) gleichgestellt sind.215 Würde man einen Wissensvorsprung des Verkäufers stets voraussetzen, würde dies nicht nur den europäischen Vorgaben zuwiderlaufen, sondern auch entgegen der gesetzgeberischen Intention dazu führen, dass die Vermutung bei verdeckten Mängeln nie eingreifen und somit der spezifisch verbraucherschützende Charakter der Vorschrift weitgehend leerlaufen würde.216 dd) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist die Beweislastumkehr nur dann wegen Unvereinbarkeit mit der Art der gesundheitlichen Mangelerscheinung gem. § 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2 BGB unanwendbar, wenn der Verkäufer einen Erfahrungssatz darlegen und beweisen kann, wonach der Mangel typischerweise erst nach der Übergabe entstanden ist. Dies wird ihm in der Regel nur gelingen, wenn es sich um offensichtliche Verletzungen des Pferdes oder um solche Krankheiten handelt, deren Inkubationszeit den Zeitraum zwischen Gefahrübergang und Auftreten der Symptome deutlich unterschreitet. Demgegenüber schließen weder die fehlende Erkennbarkeit des Mangels für den Verkäufer noch der Umstand, dass die konkrete Erkrankung oder Verletzung typischerweise jederzeit auftreten kann, die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr aus. c) Unvereinbarkeit der Vermutung mit mangelhaften Verhaltensmerkmalen (Kategorie 3) Beanstandet der Käufer fehlerhafte Verhaltensweisen des erworbenen Pferdes, spielt der Ausschlusstatbestand des § 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2 BGB eine ebenso zentrale Rolle. Dabei kommt es auch im Rahmen der dritten Kategorie entscheidend darauf an, ob der Verkäufer einen Erfahrungssatz darlegen und ggf. beweisen kann, wonach das mangelhafte Verhalten typischerweise erst nach der Übergabe entstanden ist.217 214

BT-Drucks 14/6040, S. 245. Maultzsch, NJW 2006, 3091, 3094. 216 Vgl. BGH, Urt. v. 11.07.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 Rn. 11; Faust, LMK 2006, 185484; Veit, Jahrbuch des Agrarrechts IX, S. 178. 217 Mangels entsprechenden Vortrags durch den Verkäufer hat das OLG Hamm, Urt. v. 26.11.2007 – 2 U 148/06, juris Rn. 60 keine Unvereinbarkeit des Koppens mit der Beweislastumkehr angenommen; ebenso zum Weben LG Münster, Urt. v. 17.08.2010 – 11 O 301/06, juris Rn. 34 f. 215

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Dies wird ihm im Gegensatz zur zweiten Kategorie jedoch wesentlich häufiger gelingen, da Verhaltensmängel üblicherweise nicht jederzeit auftreten. Vielmehr wird das Verhalten eines Pferdes maßgeblich von äußeren Einflüssen wie der Haltung, dem Umgang und der jeweiligen Nutzungsart geprägt.218 Verändert sich das Verhalten eines Pferdes, beruht das typischerweise auf einschneidenden äußeren Veränderungen wie einem Stallwechsel, dem Absetzen von der Mutterstute, der Trennung von der bekannten Herde, einem Transport, neuen Artgenossen und Bezugspersonen oder einem anderen Training mit anderer Ausrüstung.219 Dementsprechend treten auch etwaige Verhaltensmängel typischerweise nicht irgendwann, sondern gerade im Zusammenhang mit einer (verkaufsbedingten) Veränderung der Lebenssituation auf. Das wiederum spricht regelmäßig dafür, dass Mängel der dritten Kategorie sehr wahrscheinlich erst aufgrund des Besitzerwechsels und damit nach Gefahrübergang entstanden sind.220 Insbesondere Verhaltensstörungen wie das Koppen, Weben oder Boxenlaufen treten nicht ereignisunabhängig und damit jederzeit auf, sondern typischerweise aufgrund bestimmter stressauslösender Belastungssituationen, wie sie mit einer verkaufsbedingten Veränderung der Lebensumstände des Verkaufspferdes regelmäßig einhergehen.221 Dasselbe gilt für anomale Verhaltensweisen wie z. B. übermäßige Schreckhaftigkeit oder besonders ausgeprägte Aggressivität, die ebenfalls meist durch Stress aufgrund einer neuen und unbekannten Umgebung sowie veränderten Haltungs- und Umgangsbedingungen ausgelöst werden. Auch plötzlicher Leistungsabfall beim Reiten tritt nicht ohne Grund auf, sondern liegt typischerweise am Wechsel des Reiters und des individuellen Reitstils.222 Bei offenkundigen verhaltensbedingten Sachmängeln wie z. B. permanentem Steigen oder Bocken beim Reiten oder einem offensichtlichen Unvermögen des Verkaufspferdes hinsichtlich des geschuldeten Ausbildungsstandes kann zudem davon ausgegangen werden, dass der Käufer diese Mängel entweder bei einem in der Regel kurz vor Gefahrübergang erfolgten Besichtigen und Probereiten des 218 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 14.01.2014 – 19 U 79/13, BeckRS 2014, 16927 Rn. 23. 219 Vgl. OLG Celle, Urt. v. 31.05.2006 – 7 U 252/05, juris Rn. 31; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 533. 220 Ebenso OLG Celle, Urt. v. 22.11.2010 – 20 U 8/10, NJW-RR 2011, 132, 133; Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 62; Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 476 BGB Rn. 11; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 533; Riedel, S. 223, 225. 221 Niederhöfer, S. 14 ff.; Riedel, S. 223, 225; vgl. auch Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 476 BGB Rn. 11; ders., RdL 2005, 57, 62; eine Unvereinbarkeit des Koppens mit der Beweislastumkehr angenommen haben daher z. B. OLG Celle, Urt. v. 22.11.2010 – 20 U 8/10, NJW-RR 2011, 132, 133; LG Oldenburg, Urt. v. 26.05.2004 – 13 O 3912/ 02, RdL 2006, 65 f.; anders LG Köln, Urt. v. 14.03.2007 – 4 O 40/06, juris Rn. 110 ff.; zum Weben OLG Oldenburg, Urt. v. 17.06.2004 – 14 U 41/04, RdL 2005, 65; Voschepoth, S. 261 f. 222 Vgl. LG Siegen, Urt. v. 10.06.2011 – 2 O 107/09, juris Rn. 31; Riedel, S. 228.

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Kap. 3: Darlegungs- und Beweislast beim Pferdekauf

Verkaufspferdes oder bei der Übergabe selbst bemerkt und bemängelt hätte.223 Fehlt hingegen eine solche Beanstandung und rügt der Käufer den entsprechenden Mangel stattdessen erst deutlich nach der Übergabe, besteht – ähnlich wie bei sichtbaren Verletzungen – ebenfalls eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der verhaltensbedingte Mangel erst später entstanden ist.224 Dasselbe gilt auch für eine vertraglich geschuldete Verladefrömmigkeit, sofern der Käufer das Pferd beim Verkäufer selbst verladen und mit einem Anhänger oder LKW zum neuen Stall transportiert hat. Letztlich gelten daher dieselben Grundsätze wie im Rahmen der zweiten Kategorie, allerdings mit dem Unterschied, dass Verhaltensfehler nicht typischerweise jederzeit, sondern im Regelfall aufgrund bestimmter äußerer Veränderungen oder Ereignisse auftreten. Der Verkäufer wird sich daher in der dritten Kategorie wesentlich häufiger auf die Unvereinbarkeit mit der Art des mangelhaften Zustandes i. S. v. § 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2 BGB berufen können. Das hindert den Käufer jedoch nicht daran, das Vorliegen der Verhaltensstörung bei Gefahrübergang zu beweisen. In Betracht kommt eine solche Beweisführung beispielsweise, wenn das erworbene Pferd Schäden an den Vorderzähnen aufweist, die darauf hinweisen, dass das Tier nicht erst seit kurzem, sondern bereits seit längerer Zeit koppt. 3. Ergebnis Zusammengefasst scheitert die Anwendbarkeit der Beweislastumkehr beim Pferdekauf nicht schon an einer generellen Unvereinbarkeit mit der Art der Kaufsache Pferd. Vielmehr kommt es regelmäßig darauf an, ob die konkrete Mangelerscheinung mit der Vermutungsregel zu vereinbaren ist oder ob sie einer Anwendbarkeit der Beweislastumkehr gem. § 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 1 BGB entgegensteht. Während letzteres bei gesundheitlichen Mängeln nur im Ausnahmefall anzunehmen ist, dürfte die Unvereinbarkeit bei Verhaltensmängeln den Regelfall darstellen.

C. Zwischenfazit Die Krux pferdekaufrechtlicher Gewährleistungsansprüche liegt immer wieder darin, das Vorliegen des beanstandeten Mangels bei Gefahrübergang zu beweisen. Insofern hängt der Ausgang eines Rechtsstreits regelmäßig von der Beweislastverteilung ab. Da diese grundsätzlich beim Käufer liegt, überrascht es nicht, dass dieser stets alles daran setzt, in den Genuss der verbraucherschützenden Beweislastumkehr zu kommen. Die Vermutungsregel belastet jedoch angesichts ihres sechsmonatigen Geltungszeitraums nicht nur den unternehmerisch handelnden Pferdeverkäufer in ungerechtfertigter und unangemessener Weise. Vielmehr 223 224

Vgl. Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 476 BGB Rn. 10 m.w. N. Siehe auch AG Herne, Urt. v. 06.10.2003 – 5 C 85/02, ZGS 2005, 199.

C. Zwischenfazit

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begegnet sie auch erheblichen tierschutzrechtlichen Bedenken. Aus diesem Grund war die Vorschrift bereits Gegenstand zahlreicher Diskussionen und Reformforderungen. Umso bedauernswerter ist es, dass es auch im Rahmen der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie nicht gelungen ist, eine befriedigende Lösung für den Tierkauf zu schaffen. Statt einer Verbesserung hat der Gesetzgeber den Weg des geringsten Übels gewählt, indem er die bisherige Gesetzeslage einfach beibehalten hat. In der Folge wird der Ausschlusstatbestand des § 477 Hs. 2 BGB a. F., der sich nunmehr in § 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB wiederfindet, auch in Zukunft das einzige Korrekturinstrument des Rechtsanwenders sein. Während dies bei Verhaltensmängeln regelmäßig zur Nichtanwendbarkeit der Beweislastumkehr führen kann, hängt der Ausschluss bei Gesundheitsmängeln insbesondere von deren Offenkundigkeit bzw. Inkubationszeit ab. Letztlich kommt es jedoch – ebenso wie bei den nicht minder problematischen Abgrenzungen zwischen „Verbrauchern“ und „Unternehmern“ oder „gebrauchten“ und „neuen“ Pferden – stets auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an. Tierschutzgerechte, angemessene und rechtssichere Lösungen werden daher auch in diesem Zusammenhang allenfalls Zukunftsmusik sein.

Kapitel 4

Nacherfüllung beim Pferdekauf Hat der Pferdekäufer das Vorliegen eines Sachmangels bei Gefahrübergang darlegen und ggf. beweisen können, so stehen ihm über § 90a S. 3 BGB die in § 437 BGB normierten Mängelgewährleistungsrechte zu. Der Vorrang gebührt dabei dem in §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB geregelten Nacherfüllungsanspruch, dessen Priorität sich zwar nicht ausdrücklich aus § 437 BGB ergibt, jedoch daraus folgt, dass die übrigen Mängelrechte grundsätzlich eine fruchtlos abgelaufene Frist zur Nacherfüllung voraussetzen.1 Er ist unabhängig von einem Vertretenmüssen des Verkäufers2 wahlweise3 auf die Beseitigung des Mangels oder auf die Lieferung eines mangelfreien Ersatzpferdes gerichtet4 und modifiziert damit den auf mangelfreie Leistung gerichteten Erfüllungsanspruch des Käufers aus § 433 Abs. 1 S. 2 BGB.5 Auf Art. 3 Abs. 2 und 3 der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beruhend wurde § 439 BGB erst im Zuge der Schuldrechtsreform in das deutsche Kaufrecht integriert.6 Während das bis dahin geltende Recht lediglich in § 480 Abs. 1 BGB a. F. einen Anspruch auf Ersatzlieferung beim Gattungskauf vorgesehen hat, wollte der Gesetzgeber mit der Neuregelung die Unterscheidung zwischen Gattungs- und Stückkauf verzichtbar machen.7 Auf diese Weise sollte das geltende Recht wieder an die Rechtswirklichkeit herangeführt werden, in der der Käufer beim Auftreten eines Mangels regelmäßig nicht die Rückgängigmachung des Vertrags oder die Minderung des Kaufpreises wünsche, sondern die Reparatur oder den Umtausch der Sache.8 Diese gesetzgeberischen Erwägungen treffen auf den Pferdehandel jedoch nicht gleichermaßen zu. Dem Kauf eines Pferdes liegt eine emotional und sub1 Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 2; Huber, NJW 2002, 1004, 1005; vgl. auch den zugrundeliegenden Art. 3 Abs. 5 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 2 BT-Drucks 14/6040, S. 231; Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 7; Huber, NJW 2002, 1004, 1005. 3 Das Wahlrecht steht dem Käufer zu, BT-Drucks 14/6040, S. 231. 4 Augenhofer, ZGS 2004, 385, 388. 5 Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 7; Lorenz/Arnold, JuS 2014, 7, 7; Lorenz, NJW 2006, 1175, 1175. 6 Vgl. zur Begründung BT-Drucks 14/6040, S. 231. 7 BT-Drucks 14/6040, S. 230. 8 BT-Drucks 14/6040, S. 230.

A. Der Erfüllungsort der Nachbesserung

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jektiv geprägte Auswahlentscheidung zugrunde, die sich auf ein Lebewesen bezieht, das im Gegensatz zu einer leblosen Sache nicht einfach umgetauscht oder repariert werden kann. Insbesondere gesundheitliche Sachmängel des gekauften Pferdes sind nur dann nachbesserungsfähig, wenn sie folgenlos heilbar sind.9 Häufig ist die Nacherfüllung daher von vornherein unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB) oder dem Käufer unzumutbar (§ 440 S. 1 Alt. 3 BGB). Im Grunde werden die Parteien eines Pferdekaufvertrags stets mit denselben drei Kernfragen konfrontiert, die im Folgenden näher erörtert werden sollen: 1. Wo muss der Käufer eine mögliche Nachbesserung des Pferdes verlangen (dazu A.)? 2. Wann gelten zugunsten des Käufers bzw. Verkäufers Ausnahmen vom grundsätzlichen Vorrang der Nacherfüllung (dazu B.)? 3. Steht dem Käufer eines kranken Pferdes ein (Not-)Selbstvornahmerecht zu (dazu C.)?

A. Der Erfüllungsort der Nachbesserung I. Allgemeine Grundsätze Der Nacherfüllungsort ist gesetzlich nicht festgelegt. Weder die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie noch die Warenkaufrichtlinie enthalten zwingende Vorgaben.10 Letztere überlässt die Festlegung des Nacherfüllungsortes in ErwGr. 56 vielmehr ausdrücklich dem nationalen Recht. Der deutsche Gesetzgeber hat von einer entsprechenden nationalen Regelung jedoch bislang abgesehen. Insbesondere normiert § 439 Abs. 2 BGB nur die Kostentragung zulasten des Verkäufers, nicht aber, wer die Kaufsache wohin zu transportieren hat.11 1. Rechtsprechung des BGH Nachdem verschiedene Lösungsansätze diskutiert und sich die Gleichsetzung des Nacherfüllungsortes mit dem aktuellen Belegenheitsort der Sache als wohl herrschende Meinung herauskristallisiert hatte,12 bekam im Jahr 2011 erstmals 9 Westermann, ZGS 2005, 342, 345; Neumann, S. 111; vgl. zur Operation eines Hundes, die den körperlichen Defekt nicht folgenlos beseitigen konnte BGH, Urt. v. 22.06. 2005 – VIII ZR 281/04 (BGHZ 163, 234), NJW 2005, 2852. 10 Vgl. zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18 (Fülla/Toolport GmbH), ECLI:EU:C:2019:447 Rn. 32. 11 BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 (BGHZ 189, 196), NJW 2011, 2278 Rn. 23; Westermann, MüKo BGB, § 439 Rn. 9. 12 So z. B. OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 32/09, NJOZ 2010, 612, 613; OLG München, Urt. v. 12.10.2005 – 15 U 2190/05, NJW 2006, 449, 450; AG Menden, Urt. v. 03.03.2004 – 4 C 26/03, NJW 2004, 2171, 2171 f.; Thürmann, NJW 2006, 3457, 3458; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1895; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016, 2018; Huber,

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

der BGH die Gelegenheit, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen. Entgegen den bislang überwiegenden Stimmen in Literatur und Rechtsprechung entschied er zur bisherigen Rechtslage, dass mangels gesetzlicher Spezialregelung die allgemeine Vorschrift des § 269 BGB zum Tragen käme.13 Demnach sei der Nacherfüllungsort grundsätzlich an dem Ort anzusiedeln, an dem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz (§ 269 Abs. 1 BGB) bzw. seine gewerbliche Niederlassung (§ 269 Abs. 2 BGB) hatte, sofern sich nicht aus einer Parteivereinbarung oder aus der Natur des Schuldverhältnisses etwas anderes ergibt. Bei der insoweit gebotenen Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls14 sei aus europarechtlicher Sicht stets zu prüfen, ob die mit der jeweils geschuldeten Nacherfüllung verbundenen Unannehmlichkeiten des Käufers die Erheblichkeitsschwelle überschreiten.15 Ist dies – z. B. aufgrund des geschuldeten Transports zum Verkäufer – der Fall, so sei der Nacherfüllungsort mit dem Belegenheitsort der Kaufsache gleichzusetzen.16 Die Entscheidung des BGH erntete umgehend massive Kritik. Insbesondere wurde zu Recht angemerkt, dass das Abstellen auf die allgemeine Vorschrift des § 269 BGB zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt.17 Der Käufer befindet sich in einer Zwickmühle: Verlangt er fälschlicherweise die Nachbesserung am Belegenheitsort der Sache, verliert er – weil der Verkäufer keine Nacherfüllung in dieser Form schuldet – bei fruchtlosem Fristablauf seine Sekundärrechte.18 Sorgt er hingegen sicherheitshalber dafür, dass die Sache zum Verkäufer gelangt, umgeht er damit zwar das Risiko eines Rechtsverlustes, allerdings kann darin eine partielle Selbstvornahme liegen, deren Kosten der Käufer nach der Rechtsprechung des BGH19 nicht ersetzt bekommt.20 Daneben wurde kritisiert, dass der NJW 2002, 1004, 1006; zum Werkvertragsrecht auch BGH, Urt. v. 08.01.2008 – X ZR 97/05, NJW-RR 2008, 724, 725. 13 BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 (BGHZ 189, 196), NJW 2011, 2278 Rn. 20, 29. 14 Vgl. BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 (BGHZ 189, 196), NJW 2011, 2278 Rn. 35. 15 BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 (BGHZ 189, 196), NJW 2011, 2278 Rn. 45. 16 BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 (BGHZ 189, 196), NJW 2011, 2278 Rn. 45. 17 Höpfner, BeckOGK BGB, § 439 Rn. 41; Cziupka, NJW 2013, 1043, 1044; Jaensch, NJW 2012, 1025, 1030; Faust, JuS 2011, 748, 750. 18 Höpfner, BeckOGK BGB, § 439 Rn. 41; Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 35; ders., JuS 2011, 748, 750 f.; Cziupka, NJW 2013, 1043, 1043; Jaensch, NJW 2012, 1025, 1030. 19 Grundlegend BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04 (BGHZ 162, 219), NJW 2005, 1348, 1349 ff.; kritisch Herresthal/Riehm, NJW 2005, 1457; Lorenz, NJW 2005, 1321. 20 Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 35; ders., JuS 2011, 748, 751; Höpfner, BeckOGK BGB, § 439 Rn. 42; Cziupka, NJW 2013, 1043, 1044; Jaensch, NJW 2012, 1025, 1030. Dem Käufer steht auch kein Anspruch aus § 439 Abs. 2 BGB zu, da diese Vor-

A. Der Erfüllungsort der Nachbesserung

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BGH die nach § 267 Abs. 3 AEUV zwingend gebotene Vorlage an den EuGH unterlassen habe.21 Dies holte jedoch einige Jahre später das AG Norderstedt nach.22 2. Rechtsprechung des EuGH Das nach der Vorlage des AG Norderstedt im Jahr 2019 mit Spannung erwartete Urteil des EuGH in Sachen Fülla23 fiel jedoch enttäuschend aus.24 Der EuGH verpasste die Chance, für Rechtssicherheit zu sorgen und legte den Nacherfüllungsort weder am ursprünglichen Erfüllungsort noch am aktuellen Belegenheitsort der Sache fest. Stattdessen entschied er, dass die Bestimmung des Nacherfüllungsortes Aufgabe des jeweiligen Mitgliedsstaates bzw. vom nationalen Gericht durch richtlinienkonforme Auslegung zu ermitteln sei.25 Der Nacherfüllungsort müsse jedoch stets dem von der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorgegebenen „dreifachen Erfordernis“ genügen, die Nachbesserung oder Ersatzlieferung für den Verbraucher-Käufer unentgeltlich, innerhalb einer angemessenen Frist sowie ohne erhebliche Unannehmlichkeiten zu ermöglichen.26 Letztere seien jedenfalls dann gegeben, wenn der Verbraucher einer Belastung ausgesetzt wird, die geeignet wäre, einen durchschnittlichen Verbraucher von der Geltendmachung seiner Ansprüche abzuhalten.27 Dies könnte sich z. B. aus der Art der Kaufsache ergeben, etwa weil sie besonders schwer, sperrig oder zerbrechlich ist, oder weil im Zusammenhang mit dem Versand besonders komplexe Anforderungen zu beachten sind.28 Demgegenüber könnte die Beförderung kompakter Verbrauchsgüter, die weder einer speziellen Handhabung noch einer besonderen Transportweise bedürfen, keine für den Verbraucher erhebliche Unannehmlichkeit darstellen.29

schrift nur dann als Anspruchsgrundlage greift, wenn die Transportlast beim Käufer lag, Cziupka, NJW 2013, 1043, 1043 f. 21 Purnhagen, EuZW 2011, 626, 630; Augenhofer/Appenzeller/Holm, JuS 2011, 680, 685; Staudinger/Artz, NJW 2011, 3121, 3123; Faust, JuS 2011, 748, 750. 22 AG Norderstedt, EuGH Vorlage v. 27.12.2017 – 47 C 31/16, juris; vgl. dazu im Einzelnen Kap. 4 A. I. 2. 23 EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18 (Fülla/Toolport GmbH), ECLI:EU:C:2019: 447. 24 So auch Looschelders, JA 2020, 61, 63; Augenhofer, NJW 2019, 1988, 1988. 25 EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18 (Fülla/Toolport GmbH), ECLI:EU:C:2019: 447 Rn. 48. 26 EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18 (Fülla/Toolport GmbH), ECLI:EU:C:2019: 447 Rn. 32. 27 EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18 (Fülla/Toolport GmbH), ECLI:EU:C:2019: 447 Rn. 40. 28 EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18 (Fülla/Toolport GmbH), ECLI:EU:C:2019: 447 Rn. 43. 29 EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18 (Fülla/Toolport GmbH), ECLI:EU:C:2019: 447 Rn. 44.

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

Die Entscheidung des EuGH führte somit keine wesentlichen Neuerungen herbei.30 Vielmehr blieb es bei der vom BGH geforderten einzelfallbezogenen Bestimmung des Nacherfüllungsortes gem. § 269 BGB, die zwar weiterhin für Rechtsunsicherheiten sorgte, aber jedenfalls richtlinienkonform zu sein schien.31 Angesichts der überschießenden Umsetzung des Nacherfüllungsanspruchs in § 439 BGB war der vom EuGH konkretisierte europäische Hintergrund der Vorschrift im Übrigen stets und nicht nur bei Verbrauchsgüterkaufverträgen zu beachten.32 3. Fortgeltung der Grundsätze Obwohl weder der BGH noch der EuGH bislang für Rechtssicherheit sorgen konnten, hat der deutsche Gesetzgeber auch im Zuge der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie von einer gesetzlichen Festlegung des Nacherfüllungsortes abgesehen. Insbesondere trifft der neue § 439 Abs. 5 BGB („Der Käufer hat dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen.“) keine Aussage über den Ort der Nacherfüllung. Die Vorschrift normiert lediglich die bereits nach der bisherigen Gesetzeslage bestehende Obliegenheit des Käufers,33 dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrüge für eine entsprechende Untersuchung zu überlassen.34 Mangels gesetzlicher Regelung wird für die Ermittlung des Nacherfüllungsortes daher auch weiterhin die allgemeine Vorschrift des § 269 BGB unter Berücksichtigung der Fülla-Entscheidung heranzuziehen sein.35 Daneben bestimmt § 475 Abs. 5 BGB in Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 lit. c) der Warenkaufrichtlinie inzwischen auch auf nationaler Ebene, dass die „[. . .] Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist [. . .] und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen [ist], wobei die Art der Sache sowie der Zweck, für den der Verbraucher die Sache benötigt, zu berücksichtigen sind.“ Insofern wurden die bislang in Art. 3 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie normierten Nacherfüllungsgrundsätze nicht nur auf europäischer Ebene aufrechterhalten, sondern ausdrücklich in das nationale Recht integriert.

30

Ebenso Feldmann, EuZW 2019, 601, 604. So auch Looschelders, JA 2020, 61, 63; Omlor, JuS 2019, 1016, 1017; Feldmann, EuZW 2019, 601, 602. 32 BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 (BGHZ 189, 196), NJW 2011, 2278 Rn. 47; Lorenz, MüKo BGB, Vor § 474 Rn. 3 m.w. N.; Eisenberg, BB 2011, 2634, 2636. 33 BGH, Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 310/08, NJW 2010, 1448 Rn. 12. 34 Nach der Gesetzesbegründung dürfte es sich nunmehr um eine erzwingbare Pflicht handeln, vgl. BT-Drucks 19/27424, S. 27; a. A. Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 15. 35 So auch Höpfner, BeckOGK BGB, § 439 Rn. 37; Omlor, JuS 2019, 1016, 1018; Feldmann, EuZW 2019, 601, 604. 31

A. Der Erfüllungsort der Nachbesserung

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II. Pferdekauf Die einzelfallorientierte Bestimmung des Nacherfüllungsortes ruft auch beim Pferdekauf Rechtsunsicherheiten hervor. So stellt sich z. B. die Frage, ob ein verladescheues Pferd zum Verladetraining beim Verkäufer transportiert (und dafür verladen) werden muss oder ob der Käufer Nachbesserung im heimischen Stall verlangen darf. Gleiches gilt für verletzte oder kranke Tiere. Müssen diese verladen und transportiert werden oder darf eine tierärztliche Behandlung vor Ort beansprucht werden? Zur erleichterten Anwendung des § 269 BGB hat der BGH bereits mehrfach den Versuch unternommen, die maßgeblichen Umstände des Einzelfalls in Fallgruppen zusammenzufassen.36 So sei es bei Geschäften des täglichen Lebens, etwa beim Kauf im Ladengeschäft, üblich, dass die Kunden ihre Reklamationen unter Vorlage der mangelhaften Ware am Sitz des Verkäufers vorbringen.37 Auch beim Fahrzeugkauf könnten technisch aufwändige Diagnose- oder Reparaturarbeiten erfordernde Nachbesserungsarbeiten wegen der beim Verkäufer vorhandenen materiellen und personellen Möglichkeiten sinnvoll nur am Betriebsort des Händlers vorgenommen werden.38 In Bezug auf den Pferdekauf steht eine höchstrichterliche Entscheidung noch aus. Die Umstände des Pferdehandels lassen sich jedoch gleichermaßen in einer Fallgruppe zusammenfassen, da sie unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze regelmäßig für eine Nachbesserung am Belegenheitsort des Tieres sprechen.39 Würde man den Nachbesserungsort nämlich mit dem Wohn- oder Geschäftssitz des Verkäufers gleichsetzen, wäre dies mit Unannehmlichkeiten verbunden, die die Erheblichkeitsschwelle deutlich überschreiten und dazu geeignet sind, den Käufer von der Geltendmachung seiner Ansprüche abzuhalten (dazu 1.). Zudem dürfte ein solches Verständnis nicht nur tierschutzrechtlichen Grundgedanken – die wegen der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten des Tierschutzes in Art. 20a GG ebenfalls abwägungsrelevante Berücksichtigung finden müssen – (dazu 2.), sondern auch den Verkäuferinteressen zuwiderlaufen (dazu 3.). 1. Erhebliche Unannehmlichkeiten Während eine Nachbesserung im Rahmen der ersten Kategorie meist von vornherein unmöglich ist, muss das mangelhafte Pferd sowohl zur erfolgreichen 36

Höpfner, BeckOGK BGB, § 439 Rn. 35.2. BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 (BGHZ 189, 196), NJW 2011, 2278 Rn. 33. 38 BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 (BGHZ 189, 196), NJW 2011, 2278 Rn. 33. 39 So im Ergebnis auch Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 84; Adolphsen, NKSchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 53b; Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066 f.; anders Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 439 BGB Rn. 15. 37

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

Behandlung gesundheitlicher Probleme (Kategorie 2) als auch zur Korrektur von Verhaltensmängeln (Kategorie 3) in der Regel mehrfach zum Verkäufer hin und wieder zurück transportiert oder sogar bei diesem untergestellt werden.40 Dies erfordert im Gegensatz zur Versendung einer leblosen kompakten Ware41 besondere organisatorische und logistische Maßnahmen, die durch eine Nachbesserung am Belegenheitsort des Pferdes vermieden werden können. Während Schuhe oder Taschen einfach in einen Karton gepackt und per Post an den Verkäufer geschickt werden können, muss ein Pferd auf einem speziell dafür angefertigten Pferdeanhänger oder LKW von einem entsprechend qualifizierten Fahrer transportiert werden. Dabei hat der Käufer die Beförderung des Tieres nicht nur zu versichern und die Vorgaben der Tierschutztransport-42 und Viehverkehrsverordnung43 zu beachten, sondern auch nach § 1 TierSchG jederzeit für das Wohl und die Sicherheit des Pferdes zu sorgen. Insbesondere muss das Pferd vor Verletzungen geschützt sowie – je nach Fahrtlänge – zwischendurch gefüttert und getränkt werden. Zur anschließenden Einstallung beim Verkäufer sind zudem die Übergabe des notwendigen Zubehörs wie dem Pferdepass oder einem speziell angepassten Sattel zu veranlassen und die essentiellen Rahmenbedingungen wie die Fütterung und die konkrete Haltung des Pferdes (z. B. Weidegang, Offenstall- oder Boxenhaltung etc.) für die Dauer der Nachbesserung abzustimmen. Obgleich der damit verbundene Aufwand bereits für sich genommen die Erheblichkeitsschwelle überschreiten dürfte, entstünden dem Käufer zusätzlich beachtenswerte persönliche Unannehmlichkeiten. Denn mit dem Kauf eines Pferdes übernimmt der Erwerber nicht nur die Verantwortung für ein Lebewesen, sondern baut regelmäßig auch eine besondere emotionale Beziehung zu dem jeweiligen Tier auf. Diese Bindung müsste er durch eine Rückgabe an den Verkäufer zumindest temporär wieder aufgeben. Zugleich wäre das Pferd für den Zeitraum der Nachbesserung der Einwirkung des Käufers entzogen, was bei Pferden – anders als bei leblosen Gegenständen – weitreichende Folgen haben kann. Denn während eine Kaffeemaschine keiner natürlichen Veränderung unterliegt, besteht bei einem lebenden Pferd stets die Gefahr, dass sich dieses aufgrund der vom Heimatstall des Käufers verschiedenen Haltungs- und Umgangsbedingungen völlig anders entwickelt als es dies unter der Einflussnahme des Käufers getan hätte. 40

Vgl. Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066. Vgl. EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18 (Fülla/Toolport GmbH), ECLI:EU:C: 2019:447 Rn. 44. 42 „Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/ 97“, ABl. L 3 v. 05.01.2005, S. 1 (Tierschutztransportverordnung). 43 „Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr“ (Viehverkehrsverordnung), Neufassung v. 26.05.2020, BGBl I, S. 1170. 41

A. Der Erfüllungsort der Nachbesserung

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Schon vor dem Hintergrund der anderenfalls drohenden praktischen und persönlichen Unannehmlichkeiten sprechen daher die Umstände des Pferdehandels regelmäßig dafür, den Nachbesserungsort gem. § 269 Abs. 1 BGB am Belegenheitsort des erworbenen Pferdes anzusiedeln. 2. Tierschutzrechtliche Bedenken Dieses Verständnis bestätigt sich mit Blick auf die gegenüber einer Nachbesserung am Wohn- oder Geschäftssitz des Verkäufers bestehenden tierschutzrechtlichen Bedenken, die nicht zuletzt wegen Art. 20a GG in die Gesamtabwägung einzubeziehen sind. Sowohl der mit einer Nachbesserung beim Verkäufer verbundene Transport als auch der Wechsel der gewohnten Umgebung einschließlich des Entzugs der vertrauten Bezugspersonen und Artgenossen bedeuten für das verkaufte Pferd (erneut) enormen Stress, den es aus tierschutzrechtlicher Sicht bestmöglich zu vermeiden gilt. Handelt es sich um einen Gesundheitsmangel i. S. d. zweiten Kategorie kommt hinzu, dass das verletzte oder erkrankte Pferd zunächst – ggf. quer durch Deutschland – zum Verkäufer transportiert werden müsste, bevor es die notwendige tierärztliche Behandlung erhält.44 Dieses Zuwarten widerspricht jedoch dem in § 1 S. 2 TierSchG niedergelegten Grundsatz, nach dem einem Tier ohne vernünftigen Grund keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden dürfen. Insbesondere bei akuten Verletzungen oder Erkrankungen des Pferdes sprechen daher die – in Art. 20a GG verfassungsrechtlich abgesicherten – Tierwohlbelange für eine Nachbesserung am Belegenheitsort des Pferdes.45 Handelt es sich um einen Verhaltensmangel der dritten Kategorie, kann zudem – dies sei am Rande bemerkt – der mit der Verbringung zum Verkäufer verbundene Stressfaktor die Erfolgsaussichten der Nachbesserung minimieren. Denn während leblose Sachen ohne weiteres von A nach B verbracht werden können, wird gerade das Verhalten eines Pferdes maßgeblich durch äußere Einflüsse wie stressauslösende Transporte oder Veränderungen der Haltung und Umgebung geprägt.46 Die Beförderung zum Verkäufer könnte daher ihrerseits das Verhalten des Pferdes beeinflussen, bereits vorhandene Mängel verstärken oder sogar neue Probleme hervorrufen. Zugleich besteht die Gefahr, dass ein vermeintlich beseitigter Mangel angesichts der mit der Rückkehr zum Käufer verbundenen – wiederholten – Stresssituation erneut auftritt. Im Rahmen der dritten Kategorie sprechen daher nicht nur die betroffenen Tierwohlbelange, sondern auch die Er-

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Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066. Vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212 zur Behandlung eines Hundewelpen am Wohnsitz des Käufers. 46 Vgl. dazu die Ausführungen unter Kap. 3 B. IV. 2. c). 45

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

folgsaussichten der Nachbesserung regelmäßig für eine Mangelbeseitigung am Belegenheitsort des erworbenen Pferdes. 3. Interessen des Verkäufers Entgegen dem ersten Anschein dürfte das gefundene Ergebnis auch der gewöhnlichen Interessenlage des Verkäufers entsprechen. Denn müsste das Pferd stets zu seinem Wohn- oder Geschäftssitz befördert werden, hätte er in jedem Fall die anfallenden (Versicherungs-)Kosten sowie die nicht unerheblichen (Gesundheits-)Risiken zu tragen.47 Entspricht der Nachbesserungsort hingegen dem Belegenheitsort des Pferdes, obliegt ihm die Wahl zwischen der Veranlassung eines Transports oder der ggf. kostengünstigeren Mangelbeseitigung vor Ort.48 Da insbesondere die Höhe anfallender Tierarztkosten aufgrund der festen Gebührenordnung für Tierärzte ortsunabhängig ist,49 dürfte sich eine Behandlung am Belegenheitsort des Pferdes angesichts der eingesparten Transportkosten regelmäßig als günstiger erweisen. Dies gilt umso mehr, als dass eine stets drohende transportbedingte Verschlechterung des Gesundheitszustandes die Behandlungskosten zusätzlich erhöhen kann. Selbst wenn es dem Verkäufer im Einzelfall auf die Behandlung durch einen bestimmten Tierarzt ankommen sollte, steht diesem Anliegen nichts entgegen. Denn das Recht zur Auswahl und Beauftragung des konkreten Tierarztes verbleibt grundsätzlich beim Verkäufer.50 Er muss allenfalls höhere Anfahrtskosten übernehmen, die aber im Vergleich zu den alternativ anfallenden Transportkosten des Pferdes nicht ins Gewicht fallen dürften. 4. Ergebnis Zusammengefasst ist daher den gem. § 269 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesamtumständen der Fallgruppe „Pferdekauf“ regelmäßig zu entnehmen, dass eine Nachbesserung unbeschadet abweichender vertraglicher Vereinbarungen am Belegenheitsort des Pferdes zu erfolgen hat.51 Ausnahmen bestätigen jedoch bekanntermaßen die Regel, weshalb der Pferdekäufer gleichwohl mit Rechtsunsicherheiten und dem nicht zu vernachlässigenden Restrisiko einer Fehlprognose belastet bleibt. 47

Vgl. Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066; Ringe, NJW 2012, 3393, 3396. Vgl. Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 35. 49 Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066. 50 Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066; etwas anderes kann allenfalls in Notsituationen gelten, siehe dazu Kap. 4 C. II. 2. 51 So im Ergebnis auch Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 84; Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066 f.; dafür den Nacherfüllungsort stets dem Belegenheitsort der Kaufsache gleichzusetzen u. a. Brors, NJW 2013, 3329, 3332; Jaensch, NJW 2012, 1025, 1030; Thürmann, NJW 2006, 3457, 3458; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1895; Tiedtke/ Schmitt, DStR 2004, 2016, 2018; Huber, NJW 2002, 1004, 1006. 48

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung Im Regelfall entspricht die Vertragserfüllung und mit ihr der Vorrang der Nachbesserung oder Nachlieferung dem übereinstimmenden Interesse der Vertragsparteien. Gerade beim Kauf eines lebenden Pferdes gibt es jedoch Konstellationen, in denen die Nacherfüllung unmöglich ist oder dem Interesse einer oder beider Parteien widerspricht. Diese Fälle greifen u. a. die §§ 275, 281 Abs. 2, 323 Abs. 2, 439 Abs. 4 sowie § 440 BGB auf, indem sie Ausnahmen vom Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs statuieren.

I. Unmöglichkeit der Nacherfüllung Ist die von dem Käufer verlangte Art der Nacherfüllung – z. B. die Beseitigung eines Gesundheitsmangels – unmöglich, so steht dem entsprechenden Anspruch des Käufers die rechtsvernichtende Einwendung des § 275 Abs. 1 BGB entgegen. Der Verkäufer muss sich auf die Befreiung von der Leistungspflicht nicht berufen.52 Sofern nicht beide Arten der Nacherfüllung ausgeschlossen sind, beschränkt sich der Anspruch des Käufers auf die jeweils andere Art der Nacherfüllung; die unmittelbare Geltendmachung von Sekundärrechten kommt nicht in Betracht.53 Denn wenn der Käufer nach § 440 S. 1 Var. 1 BGB schon dann nur auf die andere Nacherfüllungsart zurückgreifen darf, wenn der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art als unverhältnismäßig i. S. v. § 439 Abs. 4 BGB verweigert, muss dies erst recht gelten, wenn die gewählte Art der Nacherfüllung unmöglich i. S. v. § 275 Abs. 1 BGB ist.54 Dennoch erklärte Sekundärrechtsbehelfe des Käufers sind somit wegen Missachtung des Vorrangs der Nacherfüllung unwirksam.55 1. (Un-)Möglichkeit der Mangelbeseitigung beim Pferdekauf Die Mangelbeseitigung gem. § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist beim Pferdekauf häufig unmöglich. Das gilt insbesondere für Sachmängel der ersten und zweiten Kategorie, da weder unveränderliche Eigenschaften wie ein falsches Alter oder eine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Abstammung noch angeborene oder chronische gesundheitliche Fehler oder degenerative Veränderungen des Pferdes einer Nachbesserung zugänglich sind.56 Nach dem Wortlaut

52

Lorenz, BeckOK BGB, § 275 Rn. 19. Westermann, MüKo BGB, § 440 Rn. 4, 6. 54 Faust, BeckOK BGB, § 440 Rn. 12; vgl. auch BT-Drucks 14/6040, S. 234. 55 Vgl. z. B. AG Northeim, Urt. v. 07.11.2013 – 3 C 30/13, RdL 2014, 74. 56 Dazu Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 439 BGB Rn. 3; Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 205; Neumann, S. 111; vgl. außerdem BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 281/04 (BGHZ 163, 234), NJW 2005, 2852, 2854 zur unvollständigen Beseitigung einer Fehlstellung des Sprunggelenks eines Hundes. 53

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

des § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch jedoch nur ausgeschlossen, „soweit“ die Leistung (die Nachbesserung) unmöglich ist. Im Übrigen bleibt der Anspruch des Käufers erhalten, sofern er – wenn auch ggf. unter Ausgleich eines dadurch verbleibenden Minderwerts57 – bereit ist, sich mit einem Zustand des Pferdes im Umfang der möglichen Nachbesserung zu begnügen.58 Da der Nachbesserungsanspruch aber grundsätzlich nicht nur auf eine bloße Verbesserung, sondern auf eine vollständige und nachhaltige Beseitigung des Mangels gerichtet ist,59 steht es dem Pferdekäufer ebenso frei, eine teilweise Nachbesserung nicht zu akzeptieren.60 In diesem Fall kann er entweder Nachlieferung verlangen oder – sofern diese ebenfalls unmöglich oder unverhältnismäßig ist – unmittelbar auf die Sekundärrechte zurückgreifen, ohne dem Verkäufer zuvor eine Frist zur Mangelbeseitigung setzen zu müssen.61 2. (Un-)Möglichkeit der Nachlieferung eines Ersatzpferdes Ist die Nachbesserung unmöglich, stellt sich die Frage, ob der Käufer dem Verkäufer vor der Geltendmachung von Sekundärrechten eine Frist zur Lieferung eines Ersatzpferdes gem. § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB setzen muss bzw. darf oder ob eine Ersatzlieferung von vornherein unmöglich und damit nach § 275 Abs. 1 BGB gesetzlich ausgeschlossen ist. Da ein lebendes Pferd angesichts seiner Individualität nicht ohne Weiteres durch ein anderes Tier „ersetzt“ werden kann, ist die Beantwortung dieser Frage regelmäßig mit erheblichen Rechtsunsicherheiten behaftet, was verheerende Folgen haben kann: Geht der Käufer fälschlicherweise davon aus, dass die Nachlieferung unmöglich ist und versäumt er es deswegen dem Verkäufer eine entsprechende Frist zu setzen, führt dies zur Unwirksamkeit eines von ihm unmittelbar erklärten Rücktritts oder geltend gemachten Schadensersatzanspruches. Gehen die Parteien hingegen irrtümlich von der Möglichkeit einer Nachlieferung aus,

57 Schadensersatz statt der ganzen Leistung und Rücktritt vom Vertrag scheiden hingegen wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB aus, wenn der Käufer von der Unmöglichkeit der vollständigen Mangelbeseitigung wusste; Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 49. 58 BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 12; ebenso Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 439 Rn. 15; Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 49; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 523, der aber darauf hinweist, dass der eingeschränkte Nachbesserungserfolg im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des erforderlichen Aufwands Berücksichtigung finden muss. 59 BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 12; BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 281/04 (BGHZ 163, 234), NJW 2005, 2852, 2854; Westermann, MüKo BGB, § 439 Rn. 12. Da jeder tiermedizinische Eingriff Spuren hinterlässt, reicht zur Nachbesserung beim Tierkauf auch die Herstellung der erforderlichen körperlichen Funktionen, Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 439 BGB Rn. 2, 3 m.w. N. 60 Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 49. 61 Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 49.

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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wird der Verkäufer ggf. mit einem ungerechtfertigten (Ersatz-)Beschaffungsrisiko belastet. a) Allgemeine Grundsätze Während das alte Recht in § 480 Abs. 1 BGB a. F. eine Ersatzlieferung nur für den Gattungskauf vorsah, unterscheidet § 439 Abs. 1 BGB nicht (mehr) zwischen Gattungs- und Stückschulden. Einigkeit besteht jedoch nur insoweit, als dass die Nachlieferung beim Gattungskauf grundsätzlich möglich ist und erst ab dem Moment ausscheidet, in dem die gesamte Gattung untergegangen ist und nicht mehr hergestellt werden kann.62 Liegt hingegen ein Stückkauf vor, wird die Rechtslage nach wie vor kontrovers beurteilt:63 In der Literatur wird zum Teil eine generelle Unmöglichkeit der Nachlieferung angenommen.64 Das wird damit begründet, dass sich der Erfüllungsanspruch bei Stückschulden allein auf den konkret geschuldeten Kaufgegenstand beziehe, weshalb es keine andere erfüllungstaugliche Sache und damit auch keine Möglichkeit zur Ersatzlieferung gebe.65 Darüber hinaus wird ein Wertungswiderspruch befürchtet, da der Verkäufer bei der Entdeckung des Mangels vor der Übergabe gem. § 275 Abs. 1 BGB von seiner Pflicht befreit, bei einer Mangelentdeckung nach der Übergabe aber gem. § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB zur Ersatzlieferung verpflichtet sein würde. Die divergierenden Pflichten des Verkäufers würden sich somit allein nach dem zufälligen Zeitpunkt der Feststellung des Mangels richten, obwohl in beiden Fällen der gleiche Unmöglichkeitsbegriff des § 275 Abs. 1 BGB gelte.66 Der BGH hat demgegenüber bereits im Jahr 2006 höchstrichterlich klargestellt, dass eine Nachlieferung auch beim Stückkauf grundsätzlich möglich sei.67 Die gegenteilige Ansicht werde weder vom Wortlaut der Norm gestützt, noch sei sie mit dem zugrundeliegenden Willen des Gesetzgebers vereinbar.68 In der Tat liefert der Wortlaut von § 439 Abs. 1 BGB – anders als noch § 480 BGB a. F. – keine Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung. Vielmehr führen die Gesetzesmaterialien aus, dass eine Unterscheidung zwischen Stück- und Gat-

62

Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 439 Rn. 15. Zum Streitstand Westermann, MüKo BGB, § 439 Rn. 15. 64 So z. B. Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 51 f.; Musielak, NJW 2008, 2801; Tiedtke/Schmitt, JuS 2005, 583; Huber, NJW 2002, 1004, 1006. 65 Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 51 m.w. N.; Huber, NJW 2002, 1004, 1006, die jedoch beide in dem seltenen Fall der Lieferung eines Identitätsaliuds eine Ausnahme sehen. 66 Musielak, NJW 2008, 2801, 2804. 67 BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 (BGHZ 168, 64), NJW 2006, 2839; ebenso Roth, NJW 2006, 2953; Pammler, NJW 2003, 1992. 68 BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 (BGHZ 168, 64), NJW 2006, 2839 Rn. 19. 63

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

tungsschulden im modernisierten Kaufrecht verzichtbar sei.69 Das primäre Interesse des Käufers bestünde darin, eine mangelfreie Sache zu erhalten, was „in den meisten Fällen – auch beim Stückkauf – durch Nachbesserung oder Lieferung einer anderen gleichartigen Sache befriedigt werden“ 70 könne.71 Zwar schränkt die Gesetzesbegründung diesen Grundsatz für den Kauf einer bestimmten gebrauchten Sache sogleich wieder ein, indem sie darauf hinweist, dass eine Nachlieferung insoweit „zumeist von vornherein ausscheiden wird“,72 diese Einschränkung zeigt aber im Umkehrschluss, dass die Ersatzlieferung auch bei gebrauchten Waren keineswegs immer ausgeschlossen sein soll. Zur Abgrenzung im Einzelfall stellt der BGH auf den durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien bei Vertragsschluss ab.73 Nach deren Vorstellung sei eine Ersatzlieferung immer dann möglich, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden könne.74 Bei gebrauchten Sachen sei dies in der Regel abzulehnen.75 Denn angesichts des naturgemäß unterschiedlichen Erhaltungszustands gebrauchter Sachen und der damit verbundenen Schwierigkeit, eine in jeder Hinsicht gleichwertige Ersatzsache zu beschaffen, wäre – wenn auch bei gebrauchten Sachen regelmäßig ein Anspruch auf Nachlieferung bestünde – häufiger Streit über die Gleichwertigkeit einer in Frage stehenden Ersatzsache absehbar.76 Dieser müsste vor einer etwaigen Geltendmachung von Sekundärrechten wegen des Vorrangs der Nacherfüllung stets ausgefochten werden, was letztlich den Interessen beider Kaufvertragsparteien zuwiderlaufen würde.77 Zusammengefasst bedeutet das für den Stückkauf: Je individueller die der konkreten Kaufentscheidung zugrundeliegenden Kriterien waren und je größer die damit verbundenen Schwierigkeiten einer Ersatzbeschaffung ausfallen, desto geringer fällt aufgrund der absehbaren Streitigkeiten das Parteiinteresse an einer Nachlieferungsmöglichkeit aus und desto schwächer wird das Nachlieferungsrecht bzw. die Nachlieferungspflicht.78 69

BT-Drucks 14/6040, S. 94. Hervorhebung durch Verfasserin. 71 BT-Drucks 14/6040, S. 89. 72 BT-Drucks 14/6040, S. 232. 73 BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 Rn. 22 f. 74 BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 Rn. 23. 75 BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 Rn. 24; so auch BT-Drucks 14/6040, S. 232. 76 BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 Rn. 24. 77 BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 Rn. 24. 78 Vgl. Westermann, MüKo BGB, § 439 Rn. 15. 70

(BGHZ 168, 64), NJW 2006, 2839 (BGHZ 168, 64), NJW 2006, 2839 (BGHZ 168, 64), NJW 2006, 2839 (BGHZ 168, 64), NJW 2006, 2839 (BGHZ 168, 64), NJW 2006, 2839

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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b) Übertragung auf den Pferdekauf Beim Pferdekauf handelt es sich in der Regel um einen Stückkauf 79 und zwar um einen, der mit dem Kauf einer gebrauchten Sache vergleichbar ist. Ähnlich wie sich gebrauchte Sachen aufgrund ihrer bisherigen Verwendung in Abnutzungs- und Erhaltungsgrad individuell voneinander unterscheiden, sind Pferde bereits naturgemäß von höchster Individualität geprägt. Wie beim Gebrauchtwarenkauf ist daher auch die Beschaffung eines in jeder Hinsicht gleichartigen und gleichwertigen Ersatzpferdes regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Würde man die Nachlieferung beim Pferdekauf dennoch im Grundsatz für möglich halten, würde dies wegen des Vorrangs der Nacherfüllung häufig zu Auseinandersetzungen über die Beschaffenheit des Ersatzpferdes führen, bevor sich der Käufer auf die Sekundärrechte berufen könnte. Ebenso wie dies beim Kauf gebrauchter Sachen den beiderseitigen Parteiinteressen zuwiderläuft, entspricht die Möglichkeit zur Nachlieferung deshalb auch beim Pferdekauf regelmäßig nicht den Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluss. Vielmehr lässt sich das für gebrauchte Sachen geltende Regel-Ausnahme-Verhältnis auf den Pferdekauf übertragen, und zwar unabhängig davon, ob das konkrete Pferd schon als „gebraucht“ oder noch als „neu“ anzusehen ist.80 aa) Verschärfung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses Bei näherer Betrachtung muss dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis beim Pferdekauf sogar noch strenger gehandhabt werden. Während nämlich beim Kauf einer gebrauchten Sache eine Ersatzlieferung zumindest dann möglich sein soll, wenn der Kaufentscheidung kein persönlich gewonnener, subjektiv geprägter Gesamteindruck des Käufers von dem individuellen Gegenstand zugrunde lag und eine nach objektiven Anforderungen81 – d. h. bei einem Fahrzeug insbesondere hinsichtlich Zustand, Alter, Laufleistung, Typ und Ausstattung82 – gleichartige und gleichwertige Ersatzsache beschafft werden kann,83 weisen Pferde neben diesen objektivierbaren Identifikationsmerkmalen i. S. d. ersten Kategorie noch gesundheitliche sowie verhaltensbedingte Eigenschaften auf. Diese müssten bei einer Ersatzlieferung ebenfalls den Kriterien der Gleichartigkeit und Gleichwer-

79 Lüdicke, NJW 2020, 2840 Rn. 24; Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2065; J. Brinkmann, AUR 2005, 181, 184. 80 Lüdicke, NJW 2020, 2840 Rn. 24; ebenso OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 01.02.2011 – 16 U 119/10, BeckRS 2011, 5375. 81 BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 (BGHZ 168, 64), NJW 2006, 2839 Rn. 23. 82 Vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 (BGHZ 168, 64), NJW 2006, 2839 Rn. 24; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 439 Rn. 15. 83 BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 (BGHZ 168, 64), NJW 2006, 2839 Rn. 24.

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

tigkeit entsprechen. Im Gegensatz zu den Merkmalen der ersten Kategorie, die zwar in ihrer Gesamtheit individuell erscheinen, im Einzelnen aber (z. B. hinsichtlich Farbe, Größe und Alter) auch bei anderen Pferden in objektiv vergleichbarer Weise vorkommen, zeichnen sich die Eigenschaften der zweiten und dritten Kategorie durch ihre Einzigartigkeit aus. So betont auch der BGH in ständiger Rechtsprechung, dass jedes Pferd mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet ist.84 Sofern für die Kaufentscheidung des Käufers neben bestimmten Identifikationsmerkmalen i. S. d. ersten Kategorie also auch der individuelle Gesundheitszustand des Pferdes maßgeblich war, ist bereits zweifelhaft, ob ein mit gleichwertigen und gleichartigen Anlagen, Vorbelastungen und gesundheitlichen Risiken ausgestattetes Pferd überhaupt existiert, geschweige denn vom Verkäufer beschafft werden kann. Jedenfalls ist eine korrekte Bewertung der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit kaum bis gar nicht zu gewährleisten. Der Gesundheitszustand eines Pferdes kann in der Regel nicht ohne tierärztliche Hilfe eingeschätzt und selbst von einem Tierarzt nicht vollumfänglich erfasst und prognostiziert werden. Hat sich die Kaufentscheidung des Käufers (außerdem) auf bestimmte Verhaltensweisen oder Charaktereigenschaften des Pferdes i. S. d. dritten Kategorie bezogen, treten weitere Bedenken hinzu. Denn neben der Einzigartigkeit dieser Merkmale, die das Vorhandensein eines gleichartigen und gleichwertigen Ersatzpferdes ebenfalls in Frage stellt, sind die Eigenschaften der dritten Kategorie von subjektiven Wahrnehmungen und Empfindungen geprägt. Dadurch wird die Möglichkeit einer objektiv korrekten Überprüfung der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit zusätzlich erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Hat sich der Pferdekäufer also nicht aufgrund eines persönlich gewonnenen, subjektiv geprägten Gesamteindrucks, wohl aber aufgrund individueller gesundheitlicher und/oder verhaltensbedingter Merkmale für ein bestimmtes Pferd entschieden, dürfte es regelmäßig nicht seinem Interesse entsprechen, ein Ersatzpferd zu erhalten, von dem er weder weiß noch objektiv qualifiziert überprüfen kann, ob dieses im Vergleich zu dem ursprünglich gewollten Pferd in jeder für ihn maßgeblichen Hinsicht gleichartig und gleichwertig ist. Zwar kommt es nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur auf die käuferseitigen Interessen, sondern vielmehr auf den Willen beider Parteien bei Vertragsschluss an. Es dürfte jedoch gleichermaßen den Verkäuferinteressen zuwiderlaufen, trotz sich aufdrängender Aussichtslosigkeit einer den Käufer zufriedenstel-

84 Vgl. nur BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18 (BGHZ 226, 1), NJW 2020, 2879 Rn. 27.

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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lenden Ersatzlieferung mit einem gattungsschuldähnlichen Beschaffungsrisiko85 belastet zu werden. Zusammengefasst scheidet die Möglichkeit zur Nachlieferung daher nicht nur dann aus, wenn der Kaufentscheidung des Käufers ein persönlich gewonnener Gesamteindruck des jeweiligen Pferdes zugrunde lag,86 sondern auch dann, wenn sich sein Entschluss (auch) auf bestimmte gesundheitliche Aspekte oder Verhaltensweisen des Pferdes i. S. d. zweiten oder dritten Kategorie bezogen hat. Eine von diesem Regelfall abweichende Ausnahme kann demgegenüber nur dann angenommen werden, wenn der Käufer an sämtlichen individuellen und subjektiv wahrgenommenen Merkmalen des jeweiligen Pferdes ein derart untergeordnetes Interesse hat, dass den seiner Kaufentscheidung allenfalls zugrundeliegenden objektivierbaren Kriterien der ersten Kategorie auch mit einem ersatzweise angebotenen Pferd genügt werden kann.87 bb) Ausnahmefälle in der Rechtsprechung Wirft man einen Blick auf die Rechtsprechung, wurde ein solcher Ausnahmefall u. a. bei Kutsch-,88 Sport-,89 Schul-90 und Zuchtpferden91 angenommen. Soweit dies jedoch zum Teil ausschließlich damit begründet wurde, dass keine emotionale Bindung zwischen Pferd und Käufer bestanden habe,92 greift dies zu kurz. Denn vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen ist allein die fehlende emotionale Bindung zu dem erworbenen Pferd nicht dazu geeignet, das konkrete Pferd als für den Käufer austauschbar erscheinen zu lassen. Zwar bilden emotionale Interessen einen der Anknüpfungspunkte für einen entgegenstehenden Par-

85

So Huber, NJW 2002, 1004, 1006. Vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 01.02.2011 – 16 U 119/10, BeckRS 2011, 5375; Lüdicke, NJW 2020, 2840 Rn. 24; Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066. 87 So z. B. LG Rottweil, Urt. v. 25.01.2017 – 1 S 23/16, NJW-RR 2017, 562 Rn. 6; vgl. außerdem die Ausführungen des OLG Hamm, Urt. v. 23.05.2014 – 19 U 93/13, BeckRS 2015, 7415 Rn. 25 sowie OLG Hamm, Urt. v. 05.06.2012 – 19 U 132/11, juris Rn. 28. Ein auf Nachlieferung gerichteter Wille kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn sich der Käufer auf Verhandlungen über eine mögliche Ersatzlieferung einlässt; dazu BGH, Beschl. v. 24.11.2009 – VIII ZR 124/09, BeckRS 2010, 1615, der die Feststellungen des OLG Zweibrücken, Urt. v. 30.04.2009 – 4 U 103/08, BeckRS 2009, 11963 nicht beanstandet hat, wonach eine Ersatzlieferung beim Kauf eines Turnierpferdes jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn der Käufer sich zunächst auf Verhandlungen über eine Ersatzlieferung eingelassen und diese folglich als taugliche Modalität der Nacherfüllung angesehen hat. 88 OLG Koblenz, Urt. v. 23.04.2009 – 5 U 1124/08, NJW-RR 2009, 985, 986. 89 OLG Hamm, Urt. v. 05.06.2012 – 19 U 132/11, juris Rn. 28. 90 AG Hannover, Urt. v. 11.07.2006 – 455 C 3962/06, juris Rn. 19. 91 LG Kiel, Urt. v. 22.11.2018 – 12 O 34/18, BeckRS 2018, 44409. 92 So z. B. LG Kiel, Urt. v. 22.11.2018 – 12 O 34/18, BeckRS 2018, 44409 Rn. 34 oder OLG Hamm, Urt. v. 05.06.2012 – 19 U 132/11, juris Rn. 28. 86

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

teiwillen bei Vertragsschluss,93 daneben sind aber auch alle weiteren der konkreten Kaufentscheidung zugrunde liegenden, subjektiven Interessen des Käufers an dem jeweiligen Pferd – wie z. B. (auch gewerblich motivierte oder gewinnorientierte) bestimmte Sicherheits-94 oder Zuchtinteressen95 – zu berücksichtigen, ohne dass der Käufer zugleich emotional mit dem jeweiligen Pferd verbunden sein muss.96 In der gerichtlichen Praxis muss daher unter Zugrundelegung der oben dargestellten Erwägungen stets nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Als hippologischer Regelfall ist jedoch die Unmöglichkeit der Nachlieferung zu unterstellen mit der Folge, dass der Verkäufer grundsätzlich kein Ersatzpferd zu liefern und der Käufer vor der Geltendmachung von Sekundärrechten keine Frist zur Nachlieferung zu setzen braucht. Tragen die Parteien indes besondere Umstände vor, aus denen ersichtlich wird, dass der Käufer seinem konkreten Kaufentschluss weder einen persönlich gewonnenen subjektiven Gesamteindruck von dem jeweiligen Pferd noch bestimmte individuelle Merkmale i. S. d. zweiten oder dritten, sondern allenfalls Eigenschaften der ersten Kategorie zugrunde gelegt hat und ist der Verkäufer außerdem dazu in der Lage, ein entsprechendes Ersatzpferd 97 zu beschaffen, kann ausnahmsweise ein hiervon abweichender, auf die Möglichkeit einer Nachlieferung gerichteter Parteiwille angenommen werden. cc) Praktische Gestaltungsoptionen Zwar unterliegen pferdekaufrechtliche Verträge grundsätzlich keinem Formzwang. Zur Schaffung von Rechtssicherheit empfiehlt es sich jedoch, in nachweisbarer Form (d. h. nicht mündlich, sondern z. B. in Schrift- oder Textform gem. § 126 BGB bzw. § 126b BGB) vertraglich zu vereinbaren, ob im Falle der Mangelhaftigkeit eine Ersatzbeschaffung gewollt ist oder nicht. Eine vertragliche

93 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 23.08.2017 – 1 U 141/08, BeckRS 2017, 125837 Rn. 40; AG Hannover, Urt. v. 11.07.2006 – 455 C 3962/06, juris Rn. 19; Lüdicke, NJW 2020, 2840 Rn. 24; Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2065. 94 Dazu OLG Celle, Urt. v. 07.04.2014 – 20 U 29/13, NJOZ 2014, 1228. 95 Vgl. dazu LG Kiel, Urt. v. 22.11.2018 – 12 O 34/18, BeckRS 2018, 44409, das ohne nähere Begründung die Austauschbarkeit eines wertvollen Zuchthengstes angenommen und dabei das besondere Zuchtinteresse des Käufers an dem konkreten Hengst verkannt hat. 96 Lüdicke, NJW 2020, 2840 Rn. 24; vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 23.05.2014 – 19 U 93/13, BeckRS 2015, 7415 Rn. 25; OLG Hamm, Urt. v. 05.06.2012 – 19 U 132/11, juris Rn. 28. 97 Das Ersatzpferd muss nicht zwingend seinem eigenen Bestand entstammen, OLG Koblenz, Urt. v. 23.04.2009 – 5 U 1124/08, NJW-RR 2009, 985, 986; LG Magdeburg, Urt. v. 05.10.2011 – 2 S 117/11 (082), juris Rn. 4 m.w. N.

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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Abbedingung dürfte wegen des Umgehungsverbots in § 476 Abs. 4 BGB jedoch nur außerhalb des Verbrauchsgüterkaufrechts wirksam sein.98 Daneben bleibt es dem Käufer unbenommen, ein vom Verkäufer angebotenes anderes – nicht zwingend gleichwertiges – Pferd gem. § 364 Abs. 1 BGB an Erfüllungs statt anzunehmen und dadurch den ursprünglichen Nacherfüllungsanspruch erlöschen zu lassen.99 Zudem steht es den Parteien jederzeit frei, den ursprünglichen Kaufvertrag einvernehmlich rückabzuwickeln und (ggf. auch konkludent) einen neuen Kaufvertrag über ein anderes Pferd abzuschließen.100 Bei dieser – vermeintlich zum selben Ergebnis führenden Alternativlösung – hat der Käufer jedoch keinen auf den Abschluss eines neuen Kaufvertrags gerichteten Anspruch, weshalb das Käuferschutzniveau insgesamt geringer ausfällt. Im Übrigen besteht – ebenso wie bei § 364 Abs. 1 BGB101 – die Gefahr, dass auch das andere Pferd mangelhaft ist, was den Zugang zu den Sekundärrechten letztlich nur verzögert.

II. Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung Nach § 439 Abs. 2 BGB sind die für die Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen vom Verkäufer zu tragen, was insbesondere beim Pferdekauf zu einer erheblichen Kostenbelastung führen kann. § 439 Abs. 4 BGB gewährt dem Verkäufer daher eine Einrede,102 nach der er die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 BGB immer dann verweigern kann, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Die Unverhältnismäßigkeit kann sich dabei aus zwei verschiedenen Perspektiven ergeben, die beide von § 439 Abs. 4 BGB erfasst werden: Zu unterscheiden sind die relative und die absolute Unverhältnismäßigkeit.103 Die relative Unverhältnismäßigkeit folgt aus § 439 Abs. 4 S. 2, letzter Hs. BGB und ergibt sich aus einem Vergleich der anzuwendenden Kosten beider – grundsätzlich möglicher104 – Arten der Nacherfüllung zueinander.105 Relativ 98

Vgl. Gsell, JuS 2007, 97, 99. Vgl. Dennhardt, BeckOK BGB, § 364 Rn. 3. 100 Huber, NJW 2002, 1004, 1006. 101 Die Rechtsfolgen normiert § 365 BGB, der den Gläubiger für den Fall der Mangelhaftigkeit des an Erfüllungs statt hingegebenen Ersatzpferdes auf die kaufrechtliche Gewährleistung verweist; dazu Dennhardt, BeckOK BGB, § 365 Rn. 1. 102 So die ganz h. M., vgl. nur BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195 Rn. 26; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 439 Rn. 16; siehe außerdem BT-Drucks 14/6040, S. 232. 103 Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 439 Rn. 16a; W. Müller/Seitz, NJW 2020, 3201 Rn. 2. 104 Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2060, 2062. 105 Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 439 Rn. 16a; Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 60. 99

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

unverhältnismäßig kann nur die teurere Nacherfüllungsart sein.106 Allein der höhere Kostenaufwand einer Nacherfüllungsmöglichkeit führt jedoch für sich genommen noch nicht zu deren relativer Unverhältnismäßigkeit; ein solches Verständnis würde dem in § 439 Abs. 1 BGB normierten Wahlrecht des Käufers widersprechen.107 Erforderlich ist vielmehr eine Abwägung zwischen dem Interesse des Verkäufers, die Kosten möglichst gering zu halten, mit dem Interesse des Käufers an der von ihm gewählten Art der Nacherfüllung.108 Dabei ist neben dem Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und der Bedeutung des Mangels (§ 439 Abs. 4 S. 2 BGB) auch ein etwaiges Vertretenmüssen des Verkäufers zu berücksichtigen.109 Zum Teil wird auch auf feste Prozentzahlen abgestellt.110 Die aus § 439 Abs. 4 S. 3 Hs. 2 BGB abzuleitende Einrede der absoluten Unverhältnismäßigkeit kann demgegenüber – unbeschadet des § 475 Abs. 4 BGB a. F. (dazu sogleich unter Kap. 4 B. II. 2.) – erhoben werden, wenn die geforderte oder einzig mögliche Art der Nacherfüllung bereits für sich genommen unverhältnismäßige Kosten verursacht.111 Dies hat der BGH bei nicht zu vertretenden Mängeln jedenfalls dann angenommen, wenn die Kosten der Nacherfüllung 150 Prozent des Werts der Sache im mangelfreien Zustand bzw. 200 Prozent des mangelbedingten Minderwerts übersteigen.112 Allerdings – so der BGH – sollen diese Werte keine umfassende Prüfung aller relevanten Umstände des Einzelfalls ersetzen, sondern lediglich als erster Anhaltspunkt und damit der Rechtssicherheit dienen.113 1. Tierkaufspezifische Erhöhung der Verhältnismäßigkeitsgrenze? Mangels tierspezifischer Sonderregelung steht grundsätzlich auch beim Pferdekauf die Abwägung der wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund. Maßgeblich ist daher insbesondere der objektive Wert des streitgegenständlichen Pferdes. Angesichts der tierischen Besonderheiten drängt sich jedoch die Frage auf, ob – 106

Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 60. W. Müller/Seitz, NJW 2020, 3201 Rn. 3. 108 Dazu ausführlich Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 62 ff. 109 BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17 (BGHZ 220, 134), NJW 2019, 292 Rn. 97; BGH, Urt. v. 04.04.2014 – V ZR 275/12 (BGHZ 200, 350), NJW 2015, 468 Rn. 36, 45. 110 Z. B. hat das LG Ellwangen, Urt. v. 13.12.2002 – 3 O 219/02, NJW 2003, 517, 517 die Pflicht zur Nachlieferung für unverhältnismäßig gehalten, wenn deren Kosten die der Nachbesserung um mehr als 20 Prozent übersteigen. Vgl. außerdem Tiedtke/ Schmitt, DStR 2004, 2060, 2063; Huber, NJW 2002, 1004, 1008; Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2121 f. 111 Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 439 Rn. 16a; Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 59. 112 BGH, Beschl. v. 14.01.2009 – VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660 Rn. 15 m.w. N. 113 BGH, Urt. v. 04.04.2014 – V ZR 275/12 (BGHZ 200, 350), NJW 2015, 468 Rn. 41, 45. 107

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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insbesondere bei Gesundheitsmängeln der zweiten Kategorie – eine tierkaufspezifische Erhöhung der Verhältnismäßigkeitsgrenze erforderlich ist. a) Verhältnismäßigkeitsgrenze bei Gesundheitsmängeln (Kategorie 2) Im Rahmen der zweiten Kategorie hätte eine rein wirtschaftlich orientierte Abwägung zur Folge, dass der Verkäufer tiermedizinisch indizierte Heilbehandlungen verletzter oder erkrankter Pferde gem. § 439 Abs. 4 BGB allein aus Unwirtschaftlichkeitsgründen verweigern dürfte. Dieses Ergebnis verletzt jedoch nicht nur das Affektionsinteresse des Käufers, sondern begegnet auch grundlegenden tierschutzrechtlichen Bedenken. Im Schrifttum wurde daher vorgeschlagen, beim Tierkauf den Rechtsgedanken des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB heranzuziehen, der eine Sonderregelung für die Verhältnismäßigkeit tierärztlicher Heilbehandlungen normiert.114 aa) Rechtsgedanke und doppelte Schutzrichtung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB Der im Schadensrecht zu verortende § 251 Abs. 2 S. 2 BGB wurde im Jahr 1990 gemeinsam mit § 90a BGB durch das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht“ eingefügt.115 Er normiert, dass die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig sind, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen. Der Vorschrift liegt die gesetzgeberische, in § 1 TierSchG verankerte und inzwischen auch in Art. 20a GG aufgenommene Wertung zugrunde, dass dem Tier als Mitgeschöpf eine Sonderrechtsstellung zukomme, die den Menschen zu Schutz und Fürsorge verpflichte.116 Diese Sonderrechtsstellung bringt § 251 Abs. 2 S. 2 BGB durch eine doppelte Schutzrichtung zum Ausdruck: die Rücksichtnahme auf das Tierwohl einerseits und die Anerkennung des menschlichen Affektionsinteresses an dem Tier andererseits.117 Vor diesem Hintergrund verbietet § 251 Abs. 2 S. 2 BGB „eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Bemessung des aus der Verletzung eines Tieres entstehenden Schadens“.118 Vielmehr sind die gesamten Heilbehandlungskosten zu ersetzen, sofern sie sich im Rahmen der allgemeinen Verhältnismäßig114 Während Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068 diese Erwägung allein auf tierschutzrechtliche Aspekte stützt und Tuma-Koch, S. 274 ff. sowie H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 522 dasselbe Ergebnis mit dem Affektionsinteresse des Käufers begründen, argumentiert Neumann, S. 115 unter Heranziehung beider Aspekte. 115 BGBl 1990 I, S. 1762. 116 BT-Drucks 11/5463, S. 5; vgl. auch § 1 TierSchG. 117 Ebert, in: Erman, BGB, § 251 Rn. 26. 118 BT-Drucks 11/5463, S. 5.

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

keit halten, der Höhe nach also denjenigen Betrag nicht überschreiten, den ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten aufgewendet hätte.119 Entscheidend ist neben dem Wert des Tieres nicht nur das Maß des Verschuldens sowie die tiermedizinische Indikation, sondern auch das individuelle Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem verletzten Tier.120 Die Anerkennung dieses Affektionsinteresses wurzelt ihrerseits in dem qualitativen Unterschied, der zwischen der emotionalen Bindung zu einem Tier und der Beziehung zu einer leblosen Sache besteht.121 Im Gegensatz zu Gegenständen werden Pferde als Freund und Freizeitpartner erworben, die zur selbstständigen Interaktion mit dem Menschen fähig und damit einer Kommunikation zugänglich sind.122 Aus diesem Grund entwickelt der Mensch eine – vom objektiven Wert losgelöste – subjektive und gefühlsmäßige Wertschätzung, die im Endeffekt auf der Lebendigkeit und damit auf der Ursächlichkeit der Sonderbehandlung von Tieren beruht.123 bb) Übertragbarkeit auf § 439 Abs. 4 BGB § 251 Abs. 2 S. 2 BGB ist gesetzliche Konsequenz der Anerkennung des grundsätzlichen Unterschieds zwischen Tieren und Sachen.124 Dieser Unterschied ist indes nicht auf das Schadensrecht beschränkt. Der rechtliche Grundgedanke des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, die aus dieser Unterscheidung folgende Sonderstellung lebender Tiere zum Ausdruck zu bringen, sollte daher auf der Primärebene des Mängelgewährleistungsrechts gleichermaßen Berücksichtigung finden.125 Denn unabhängig davon, ob die Erstattung tiermedizinisch indizierter Heilbehandlungskosten im Rahmen eines Schadensersatzanspruches oder als Nachbesserungshandlung verlangt wird, sollte deren Angemessenheit nicht ausschließlich anhand des objektiven Tierwertes, sondern stets unter Berücksichtigung des Tierwohls126 sowie der immateriellen Interessen des Tierhalters beurteilt werden.127 Dies gilt umso mehr, als dass der Tierschutz inzwischen in Art. 20a GG eine verfassungsrechtliche Grundlage gefunden hat128 und die – dadurch besonders 119

BT-Drucks 11/5463, S. 5, 7. BT-Drucks 11/5463, S. 7. 121 Ebert, in: Erman, BGB, § 251 Rn. 26. 122 Vgl. dazu Tuma-Koch, S. 365 m.w. N. 123 Tuma-Koch, S. 364 f. 124 Ebert, in: Erman, BGB, § 251 Rn. 26. 125 Dafür auch Tuma-Koch, S. 274 ff.; Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 522; Neumann, S. 115. 126 Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068; Neumann, S. 115. 127 Tuma-Koch, S. 274 ff.; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 522; Neumann, S. 115. 128 Neumann, S. 114; Ebert, in: Erman, BGB, § 251 Rn. 26. 120

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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hervorgehobene – rechtliche Sonderstellung lebender Tiere seitdem auch ohne ausdrückliche Erwähnung bei der Abwägung und Auslegung des einfachen Rechts zu berücksichtigen ist.129 Zwar mag es aus Sicht des verletzten oder erkrankten Tieres keinen Unterschied machen, ob der Verkäufer oder der Käufer die Kosten der Heilbehandlung trägt. Durch eine Ergänzung der grundsätzlich rein wirtschaftlich orientierten Verhältnismäßigkeitsgrenze des § 439 Abs. 4 BGB um eine tierschutzrechtliche Komponente wird indes die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Heilbehandlung überhaupt durchgeführt wird.130 Stünde dem Verkäufer nämlich ein Weigerungsrecht nach § 439 Abs. 4 BGB zu, hätte dies im Zweifel die Rückgabe des Pferdes zur Folge, da der Käufer entweder auf eine Ersatzlieferung oder die Sekundärrechte – insbesondere die Rückabwicklung des Vertrages – verwiesen würde. Es wäre dann Sache des Verkäufers, das Tier aus Kostengründen in den Grenzen des TierSchG nicht behandeln, sondern töten zu lassen.131 Es ließe sich zwar einwenden, dass das Zivilrecht nicht dazu zweckentfremdet werden sollte, eine nach dem öffentlich-rechtlichen TierSchG nicht gebotene Heilbehandlung zu erzwingen.132 Allerdings ist eine Heilbehandlung in Form der Nachbesserung auch in dem Fall, in dem sich der Verkäufer für eine Behandlung des zurückgegebenen Pferdes entscheiden würde, einer Rückgabe des Pferdes tierschutzrechtlich vorzuziehen. Denn dadurch kann vermieden werden, dass das Tier unmittelbar nach der Eingewöhnungsphase beim Käufer erneut einen Stallwechsel verkraften und sich mit einer neuen Umgebung arrangieren muss, mithin einer erheblichen Stressbelastung ausgesetzt wird.133 Daneben würde durch ein Weigerungsrecht des Verkäufers auch ein – von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB ebenfalls als schützenswert anerkanntes – bestehendes Affektionsinteresse des Käufers beeinträchtigt, da dieses auf den Erhalt des Pferdes und damit parallel zu den tierschutzrechtlichen Interessen ebenfalls auf die Durchführung der Heilbehandlung gerichtet ist.134 Eine Verweigerung der Nachbesserung nach § 439 Abs. 4 BGB hätte indes zur Folge, dass der Käufer entweder auf eine Ersatzlieferung – diese wird aber bei einem bestehenden Affektionsinteresse nach dem maßgeblichen Willen der Parteien bei Vertragsschluss regelmäßig unmöglich sein – oder auf die Sekundärrechte verwiesen würde. Während aber die Rückabwicklung des Vertrags angesichts der damit verbundenen Rückgabe des liebgewonnenen Pferdes (§ 346 Abs. 1 BGB) den immateriellen Käufer129

Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20a Rn. 21. Tuma-Koch, S. 272. 131 Dazu Tuma-Koch, S. 276; siehe auch Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068. 132 So Tuma-Koch, S. 276 f. 133 Ähnlich auch Neumann, S. 115. 134 H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 522; Neumann, S. 115; Tuma-Koch, S. 279. 130

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

interessen widersprechen dürfte, steht ihm ein Schadensersatzanspruch (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB oder §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB) – ungeachtet der Tatsache, dass er in diesem Fall das Insolvenzrisiko des Verkäufers tragen würde – von vornherein nur dann zu, wenn der Verkäufer den Gesundheitsmangel des Pferdes ausnahmsweise zu vertreten hat.135 In den überwiegenden Fällen bleibt dem Käufer somit allein die Möglichkeit, den Kaufpreis gem. § 441 Abs. 1 BGB auf null zu mindern mit der Folge, dass sich sein Erstattungsanspruch erneut an dem Wert des Pferdes orientiert. Würde hingegen – dem Rechtsgedanken des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB entsprechend – auch das Affektionsinteresse des Käufers im Rahmen der Abwägung nach § 439 Abs. 4 BGB Anerkennung finden, könnte der Käufer in größerem Umfang auf die Behandlung des Tieres bestehen und damit sein – auch nach kaufrechtlichen Wertungen berechtigtes – Leistungsinteresse in Bezug auf das konkrete Pferd durchsetzen.136 cc) Keine unangemessene Benachteiligung des Verkäufers Mit einer am Rechtsgedanken des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB orientierten, tierkaufspezifischen Anpassung der Verhältnismäßigkeitsgrenze des § 439 Abs. 4 BGB geht schließlich auch keine unangemessene Benachteiligung des Verkäufers einher. Zwar ließe sich einwenden, dass § 251 Abs. 2 S. 2 BGB eine gegenüber § 439 Abs. 4 BGB abweichende Normsituation zugrunde liegt, weil dem Schadensersatzschuldner – anders als dem Verkäufer – häufig ein Verschulden vorgeworfen und ihm dementsprechend ein höherer Kostenbetrag zugemutet werden könnte.137 Diese Zweifel sind indes unbegründet: Als Norm des allgemeinen Schadensrechts gilt § 251 Abs. 2 S. 2 BGB gleichermaßen für verschuldensunabhängige Schadensersatztatbestände – insbesondere für die Tierhalterhaftung des § 833 S. 1 BGB.138 Zudem handelt es sich bei der Heilbehandlung des Pferdes ohnehin um eine dem Veräußerer obliegende (verlängerte) Tierhalterpflicht aus § 1 TierSchG. Denn hätte er das Tier nicht verkauft und den Mangel selbst festgestellt, hätte er dem Leid des Pferdes abhelfen und die anfallenden Kosten übernehmen müssen.139 Zwar gehen die Tierhalterpflichten und -risiken grundsätzlich mit der Übergabe des Pferdes auf den Käufer über. Lag der Gesundheitsmangel aber bereits bei Gefahrübergang vor, so trifft die damit verbundene tierschutzrechtliche

135 136 137 138 139

Vgl. Tuma-Koch, S. 278. Tuma-Koch, S. 278. Neumann, S. 114. Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068. Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068.

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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Verantwortung nicht den Erwerber, sondern verbleibt im Pflichtenkreis des Veräußerers.140 In Anlehnung an die Verhältnismäßigkeitsgrenzen des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB gilt dies freilich nur für tiermedizinisch indizierte Heilbehandlungen, die ein verständiger Tierhalter in der konkreten Situation durchgeführt hätte.141 Wird der dafür zu veranschlagende Betrag durch die streitgegenständlichen Nachbesserungskosten überschritten, kann sich der Verkäufer auch weiterhin auf die Einrede des § 439 Abs. 4 BGB berufen. dd) Exkurs: Kostenbeteiligungsrecht des Pferdekäufers In dem Fall eines berechtigten Unverhältnismäßigkeitseinwands nach § 439 Abs. 4 BGB sollte außerdem die Möglichkeit des Pferdekäufers in Betracht gezogen werden, das Verweigerungsrecht des Verkäufers durch die verbindliche Zusage einer finanziellen Beteiligung abwenden zu dürfen.142 Zwar hat der BGH zu § 249 Abs. 2 S. 1 BGB festgestellt, dass der Geschädigte – sofern die Reparaturkosten seines Kraftfahrzeugs dessen Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 Prozent übersteigen – kein Recht dazu habe, diese Mangelbeseitigungskosten in einen von dem Schädiger auszugleichenden, wirtschaftlich vernünftigen Teil und einen von dem Geschädigten selbst zu tragenden, wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufzuspalten.143 Denn dadurch würde ein Anreiz zu unwirtschaftlichen Reparaturen gesetzt, die nicht nur zu einer dem Gebot der wirtschaftlichen Vernunft zuwiderlaufenden Aufblähung von Ersatzleistungen bei der Schadensregulierung im Kraftfahrzeugbereich, sondern auch zu einer vom Zweck des Schadensausgleichs nicht gebotenen Belastung des Schädigers führen würden.144 Das dieser Entscheidung zugrundeliegende Wirtschaftlichkeitspostulat des Schadensrechts145 kann allerdings auf den Handel mit lebenden Tieren nicht übertragen werden.146 Wie bereits dargelegt verbietet die u. a. in § 1 TierSchG, §§ 90a und 140

Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068. So auch Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068; zu § 251 Abs. 2 S. 2 BGB BTDrucks 11/5463, S. 5, 7. 142 So auch H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 522 f.; Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2069. Für einen Ersatzanspruch in Höhe der noch verhältnismäßigen Wiederherstellungskosten gem. §§ 249, 251 Abs. 2 BGB auch BGH, Urt. v. 27.10.2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589 Rn. 21; generell für ein Kostenbeteiligungsrecht außerdem Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 68 m.w. N.; Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 439 Rn. 125; Kirsten, ZGS 2005, 66, 74; a. A. Grunewald, in: Erman, BGB, § 439 Rn. 18. 143 BGH, Urt. v. 15.10.1991 – VI ZR 67/91 (BGHZ 115, 375), NJW 1992, 305, 306. 144 BGH, Urt. v. 15.10.1991 – VI ZR 67/91 (BGHZ 115, 375), NJW 1992, 305, 306. 145 Dazu BGH, Urt. v. 15.10.1991 – VI ZR 314/90 (BGHZ 115, 364), NJW 1992, 302, 303 m.w. N.; BGH, Urt. v. 15.10.1991 – VI ZR 67/91 (BGHZ 115, 375), NJW 1992, 305, 306. 146 So im Ergebnis auch BGH, Urt. v. 27.10.2015 – VI ZR 23/15, NJW 2016, 1589 Rn. 21. 141

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

251 Abs. 2 S. 2 BGB sowie Art. 20a GG zum Ausdruck kommende rechtliche Sonderstellung lebender Tiere eine rein wirtschaftlich orientierte Handhabung des § 439 Abs. 4 BGB beim Pferdekauf. Zudem kann der durch ein Beteiligungsrecht des Käufers geschaffene Anreiz zur unwirtschaftlichen Behandlung eines kranken Pferdes nicht mit einer unwirtschaftlichen Reparatur eines Kraftfahrzeugs verglichen werden. Vielmehr ist im Lichte des Tierschutzes grundsätzlich jede Heilbehandlung der Nichtbehandlung vorzuziehen. Um den Verkäufer jedoch nicht unangemessen finanziell zu belasten, darf der Käufer die Behandlung in diesem Fall nur unter verbindlicher Übernahme des die Verhältnismäßigkeitsgrenze überschreitenden Kostenanteils durchführen zu lassen. ee) Zwischenergebnis Der Rechtsgedanke des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, der die Sonderrechtsstellung lebender Tiere zum Ausdruck bringen will, sollte nicht auf das Schadensrecht beschränkt, sondern ebenfalls im Rahmen der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung Berücksichtigung finden. In die gem. § 439 Abs. 4 BGB vorzunehmende Abwägung sind daher im Rahmen der zweiten Kategorie nicht nur wirtschaftliche Faktoren, sondern auch das Wohl des Tieres sowie eine bereits vorhandene Bindung des Käufers zu dem jeweiligen Pferd einzubeziehen. Ist die Behandlung des Pferdes tiermedizinisch indiziert, kann die Nachbesserung somit auch dann verhältnismäßig sein, wenn deren Kosten den Wert des erkrankten Tieres wesentlich überschreiten.147 Anderenfalls ist dem Käufer zur Abwendung der Unverhältnismäßigkeitseinrede jedenfalls ein Kostenbeteiligungsrecht zuzusprechen. Maßgeblich bleiben aber – wie so oft – die Umstände des konkreten Einzelfalls; Pauschalisierungen oder starre (Prozent-)Grenzen verbieten sich.148 b) Verhältnismäßigkeitsgrenze bei Identifikations- und Verhaltensmängeln (Kategorie 1 und 3) Löst man sich von der konkreten Formulierung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB, der sich angesichts seiner Verortung im Schadensrecht lediglich auf die „Heilbehandlung eines verletzten Tieres“ bezieht, und hebt den der Norm zugrundeliegenden Rechtsgedanken der anerkennenswerten Sonderrechtsstellung lebender Tiere isoliert hervor, so dürfte diesem – schon wegen Art. 20a GG – auch in den beiden weiteren Kategorien (1 und 3) abwägungsrelevante Bedeutung zuzumessen sein. Jedenfalls für das Affektionsinteresse des Käufers macht es keinen Unterschied, ob er wegen der Unverhältnismäßigkeit von Heilbehandlungskosten oder wegen unverhältnismäßig hoher Beseitigungskosten eines Identifikations- oder 147 148

H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 522; Neumann, S. 115. Neumann, S. 116.

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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Verhaltensmangels auf die – seinen immateriellen Interessen widersprechenden – Sekundärrechte verwiesen wird.149 Die besondere Qualität der emotionalen Bindung zu dem erworbenen Tier bleibt dieselbe – unabhängig davon, auf welche Art sie beeinträchtigt zu werden droht. Zugleich kann es – je nach Konstellation – auch tierschutzrechtlich geboten sein, die Verhältnismäßigkeitsgrenze in Bezug auf die Kosten einer möglichen Nachbesserung eines Identifikations- oder Verhaltensmangels höher anzusetzen, nämlich insbesondere dann, wenn das Verweigerungsrecht eine Rückgabe des Pferdes an den Verkäufer zur Folge hätte. Denn auch in diesem Zusammenhang würde ein erneuter Stallwechsel den Entzug der gewohnten Umgebung und damit eine enorme Stresssituation für das Pferd bedeuten. Spätestens seit ihrer verfassungsrechtlichen Verankerung muss die herausragende Sonderstellung lebender Tiere stets und nicht nur im Rahmen der zweiten Kategorie in die Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB hineingelesen werden. Das Tierwohl ist daher ebenso wie das käuferseitige Affektionsinteresse kategorieübergreifend als abwägungsrelevanter Faktor anzuerkennen.150 2. Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf Eine weitere Besonderheit fand sich bislang in den Verbrauchsgüterkaufvorschriften. Gem. § 475 Abs. 4 S. 1 BGB a. F. durfte der Verkäufer, wenn die eine Art der Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen war oder er diese nach § 275 Abs. 2 oder 3 BGB oder § 439 Abs. 4 S. 1 BGB ablehnen konnte, der anderen Art der Nacherfüllung nicht die Unverhältnismäßigkeit der Kosten nach § 439 Abs. 4 S. 1 BGB entgegenhalten. Ihm stand mit anderen Worten kein Totalverweigerungsrecht zu. § 475 Abs. 4 S. 2 BGB a. F. eröffnete ihm lediglich die Möglichkeit, den Aufwendungsersatz auf einen angemessenen Betrag zu beschränken. a) Weber/Putz-Entscheidung des EuGH Hintergrund dieser einschränkenden Regelung war die sog. Weber/Putz-Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2011,151 in der dieser auf Vorlage des BGH152 entschieden hatte, dass Art. 3 Abs. 3 UAbs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ausschließe, dass eine nationale gesetzliche Regelung dem Verkäufer das Recht gewährt, die einzig mögliche Art der Abhilfe wegen ihrer absoluten 149 Eine Nachlieferung dürfte angesichts des bestehenden Affektionsinteresses nach dem maßgeblichen Willen der Parteien unmöglich i. S. v. § 275 Abs. 1 BGB sein. 150 Für eine generelle Einbeziehung des käuferseitigen Affektionsinteresses auch Riehm, ZIP 2019, 589, 594. 151 EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09, C-87/09 (Gebr. Weber GmbH; Jürgen Wittmer/Ingrid Putz; Medianess Electronics GmbH), ECLI:EU:C:2011:396. 152 BGH, Beschl. v. 14.01.2009 – VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660.

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

Unverhältnismäßigkeit zu verweigern.153 Der BGH reagierte auf dieses Urteil zunächst mit einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 439 Abs. 3 BGB a. F.,154 bevor der Gesetzgeber der Weber/Putz-Entscheidung durch den im Jahr 2018 eingefügten § 475 Abs. 4 BGB a. F. Rechnung getragen hat.155 Die Vorschrift des § 475 Abs. 4 S. 1 BGB a. F. unterlag jedoch ebenfalls erheblicher Kritik.156 Diese stützte sich insbesondere darauf, dass die Vorschrift ein Verweigerungsrecht des Verkäufers wegen absoluter Unverhältnismäßigkeit nicht schlechthin ausgeschlossen habe, obwohl der Unionsgesetzgeber dem Verkäufer ausweislich der Entscheidungsgründe des EuGH-Urteils mit Art. 3 Abs. 3 UAbs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ein Verweigerungsrecht nur im Fall der Unmöglichkeit oder relativen Unverhältnismäßigkeit habe gewähren wollen.157 Tatsächlich entsprach § 475 Abs. 4 S. 1 BGB a. F. aber nicht nur dem eindeutigen Tenor der Weber/Putz-Entscheidung,158 sondern auch dem in den Entscheidungsgründen ebenfalls dargestellten primär zugrundeliegenden Rechtsgedanken des Art. 3 Abs. 3 UAbs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Dieser besteht nach den Ausführungen des EuGH darin, der Vertragserfüllung mittels einer der beiden Abhilfemöglichkeiten stets den Vorzug zu gewähren, da durch die subsidiären Mittel nicht dasselbe Verbraucherschutzniveau zu erreichen sei, wie durch die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes.159 In dem von § 475 Abs. 4 S. 1 BGB a. F. (vermeintlich europarechtswidrig) nicht erfassten Fall der möglichen und verhältnismäßigen einen Art der Nacherfüllung, aber absolut unverhältnismäßigen anderen Abhilfemöglichkeit besteht jedoch keine Gefahr der Herabsetzung dieses Verbraucherschutzniveaus. Verweigert der Verkäufer nämlich in diesem Fall die absolut unverhältnismäßige Nacherfüllungsart gem. § 439 Abs. 4 S. 1 BGB, so wird der Käufer nicht bereits auf die sekundären Rechtsbehelfe verwiesen, sondern kann vielmehr die jeweils andere (mögliche und verhältnismäßige) Art der Nacherfüllung für sich beanspruchen.

153 EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09, C-87/09 (Gebr. Weber GmbH; Jürgen Wittmer/Ingrid Putz; Medianess Electronics GmbH), ECLI:EU:C:2011:396 Rn. 73 154 Kritisch dazu Georg, NJW 2018, 199, 201 f.; außerdem Faust, BeckOK BGB, § 475 Rn. 34; Lorenz, MüKo BGB, Vor § 474 Rn. 3. 155 Vgl. das „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren“ v. 28.04.2017, BGBl I, S. 969. 156 Insbesondere Georg, NJW 2018, 199, 202; vgl. außerdem Faust, BeckOK BGB, § 475 Rn. 36 ff.; Lorenz, MüKo BGB, § 475 Rn. 27. 157 So z. B. Faust, BeckOK BGB, § 475 Rn. 40; Georg, NJW 2018, 199, 202. 158 So auch Georg, NJW 2018, 199, 200. 159 EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09, C-87/09 (Gebr. Weber GmbH; Jürgen Wittmer/Ingrid Putz; Medianess Electronics GmbH), ECLI:EU:C:2011:396 Rn. 72.

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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Jedenfalls kam dem Einwand der Richtlinienwidrigkeit nur geringe praktische Bedeutung zu, da sich der Käufer im Falle der möglichen und verhältnismäßigen einen Art der Nacherfüllung und absoluten Unverhältnismäßigkeit der anderen Art in der Regel ohnehin auf die (unstreitig richtlinienkonforme) relative Unverhältnismäßigkeit der Kosten gem. § 439 Abs. 4 S. 1 BGB berufen konnte.160 b) Ersatzlose Streichung des § 475 Abs. 4 BGB a. F. Dank der Warenkaufrichtlinie gehört die Problematik rund um das Totalverweigerungsrecht des Verkäufers nunmehr endgültig der Vergangenheit an. Hintergrund ist Art. 13 Abs. 3 der Warenkaufrichtlinie, der dem Verkäufer im Falle der Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit beider Arten der Nacherfüllung – anders als noch der EuGH in Sachen Weber/Putz – ein Totalverweigerungsrecht gewährt.161 Ausweislich der deutschen Gesetzesmaterialien wurde es auch beim Verbrauchsgüterkauf als nicht gerechtfertigt angesehen, den Verkäufer zur Erbringung einer unverhältnismäßigen Leistung zu verpflichten.162 Zugleich wurde eine anderweitige Kompensation des Verbrauchers im Falle der Unverhältnismäßigkeit beider Arten der Nacherfüllung für nicht erforderlich gehalten, da in den fraglichen Fällen sowohl die Möglichkeit zum Rücktritt vom Vertrag als auch zur Minderung des Kaufpreises bestünde.163 § 475 Abs. 4 BGB wurde dementsprechend ersatzlos gestrichen.164 In der Praxis gilt es daher zu unterscheiden, ob der streitgegenständliche Kaufvertrag vor oder nach dem 1. Januar 2022 geschlossen worden ist. Während bei Altverträgen weiterhin die verbraucherschützende Sondervorschrift des § 475 Abs. 4 BGB a. F. zu beachten ist, ein Totalverweigerungsrecht des Unternehmers also ausgeschlossen bleibt, steht es dem Verkäufer neuerer Verträge auch im B2C-Bereich zu, die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung – trotz Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit der jeweils anderen Nacherfüllungsart – wegen absolut unverhältnismäßiger Kosten gem. § 439 Abs. 4 S. 1 BGB zu verweigern. 3. Ergebnis Die Besonderheiten des Pferdekaufs zwingen einmal mehr zur besonderen Handhabung des Kaufrechts, vorliegend der Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB.165 160 So auch Lorenz, MüKo BGB, § 475 Rn. 31; Faust, BeckOK BGB, § 475 Rn. 40; vgl. für ein Gegenbeispiel Georg, NJW 2018, 199, 201 f. 161 Vgl. auch ErwGr. 49 der Warenkaufrichtlinie. 162 BT-Drucks 19/27424, S. 29. 163 BT-Drucks 19/27424, S. 29. 164 BGBl 2021 I, S. 2134. 165 Konsequenterweise muss selbiges auch für die Beurteilung des „groben Missverhältnisses“ i. S. v. § 275 Abs. 2 BGB gelten, vgl. Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 522.

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

Dieser ist – unbeschadet des für Altverträge geltenden § 475 Abs. 4 BGB a. F. – im Lichte des Art. 20a GG und unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB so auszulegen, dass neben wirtschaftlichen Aspekten auch tierschutzrechtliche sowie immaterielle Interessen an der Nachbesserung in die Abwägung einzubeziehen sind. Angesichts der damit verbundenen Erhöhung der Verhältnismäßigkeitsgrenze sind pferdekaufrechtliche Nachbesserungshandlungen nicht schon deshalb als unverhältnismäßig anzusehen, weil ihre Kosten den objektiven Wert des streitgegenständlichen Pferdes erheblich übersteigen.

III. Unzumutbarkeit der Nacherfüllung Schließlich kann eine Fristsetzung zur Nacherfüllung auch gem. § 440 S. 1 Var. 3 BGB entbehrlich sein, weil dem Käufer die ihm zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar ist. Mit § 440 S. 1 Var. 3 BGB hat der deutsche Gesetzgeber die europäischen Vorgaben des Art. 3 Abs. 5 Gedankenstrich 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie überschießend für alle Arten von Kaufverträgen umgesetzt.166 Während § 440 S. 1 Var. 3 BGB also bislang sowohl im allgemeinen als auch im Verbrauchsgüterkaufrecht anzuwenden war, ist bei neueren B2C-Verträgen, die nach dem 31. Dezember 2021 geschlossen wurden, der neu eingefügte § 475d BGB zu beachten. Dieser erklärt § 440 BGB sowohl für den Rücktritt (§ 475d Abs. 1 BGB) als auch bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen (§ 475d Abs. 2 BGB) für unanwendbar und normiert stattdessen eigene Ausnahmefälle, bei denen eine Fristsetzung entbehrlich ist (dazu sogleich unter 2.). Soweit § 440 S. 1 Var. 3 BGB aber anwendbar bleibt, kann sich die Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle sowohl aus der Art der Sache oder dem beabsichtigten Verwendungszweck167 als auch aus der Person des Verkäufers168 oder aus anderen tatsächlichen Umständen ergeben.169 Sie ist dabei allein aus der Perspektive des Käufers zum Zeitpunkt der Geltendmachung des jeweiligen Sekundärrechts zu bestimmen.170 Selbst gewichtige Interessen des Verkäufers an der Nacherfüllung sind daher nicht geeignet, die Unzumutbarkeit für den Käufer aufzuwiegen.171 Insoweit unterscheidet sich § 440 S. 1 Var. 3 BGB von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts, genauer von den §§ 281 Abs. 2 Alt. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB, die für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung zur Nach166

BT-Drucks 14/6040, S. 223, 233. BT-Drucks 14/6040, S. 233 f. 168 BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 23; BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 18; Lorenz, NJW 2004, 26, 27; anders Gutzeit, NJW 2008, 1359, 1362. 169 Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 440 Rn. 8. 170 BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 36; Faust, BeckOK BGB, § 440 Rn. 40. 171 Augenhofer, ZGS 2004, 385, 389. 167

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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erfüllung stets eine Abwägung der beiderseitigen Interessen und damit auch die Berücksichtigung des Schuldnerinteresses verlangen.172 1. Fallgruppen beim Pferdekauf Beim Pferdekauf ist die Nacherfüllung nach der Rechtsprechung des BGH zwar nicht schon dann gem. § 440 S. 1 Var. 3 BGB unzumutbar, wenn zur Nachbesserung eine mit erhöhten Risiken behaftete Operation erforderlich ist.173 Allerdings kann sich die Unzumutbarkeit u. a. aus einem nachhaltigen Vertrauensverlust (dazu a)), einer bereits aufgebauten Bindung zu dem erworbenen Pferd (dazu b)), einer arglistigen Täuschung durch den Verkäufer bei Vertragsschluss (dazu c)) sowie aus einer dringend erforderlichen Notfallbehandlung des Pferdes (dazu d)) ergeben. a) Nachhaltiger Vertrauensverlust Zunächst kann dem Käufer die Nachbesserung gem. § 440 S. 1 Var. 3 BGB unzumutbar sein, weil das Vertrauen zu dem konkret erworbenen Pferd nachhaltig erschüttert worden ist. Weist das erworbene Pferd beispielsweise verhaltensbedingte Sachmängel i. S. d. dritten Kategorie auf und hat dieses fehlerhafte Verhalten zu einer Verletzung des Käufers oder eines Dritten geführt, etwa weil das Pferd getreten oder jemanden abgeworfen hat, so kann dies der Zumutbarkeit einer Nachbesserung entgegenstehen.174 Selbst wenn bislang niemand verletzt wurde, von dem erworbenen Pferd aber konkrete Gefahren für das Leben oder die Gesundheit des Käufers oder anderer Personen ausgegangen sind, kann es dem Käufer nicht zumutbar sein, sich auf einen Nachbesserungsversuch einzulassen, sofern ein – bei Pferden nahezu immer bestehendes – Risiko verbleibt, dass die Nachbesserung scheitert und sich die Gesundheitsgefährdungen wiederholen.175 Vielmehr ist in diesem Fall eine vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung nach § 440 S. 1 Var. 3 BGB entbehrlich, sodass der Käufer unmittelbar auf die Sekundärrechte zurückgreifen und vom Kaufvertrag zurücktreten kann. b) Bindung an das Pferd Demgegenüber kann auch der umgekehrte Fall einer bereits aufgebauten emotionalen Bindung zu dem erworbenen Pferd die mit einer Rückgabe des Tieres verbundene Ersatzlieferung – wenn diese nicht ohnehin wegen Unmöglichkeit 172 W. Ernst, MüKo BGB, § 281 Rn. 62; Gutzeit, NJW 2008, 1359, 1360; vgl. zum Verhältnis der Vorschriften untereinander Augenhofer, ZGS 2004, 385, 388 f. m.w. N. 173 BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 15. 174 Vgl. Faust, BeckOK BGB, § 440 Rn. 43 m.w. N. 175 So auch Schubel, JuS 2002, 313, 317; Augenhofer, ZGS 2004, 385, 390; vgl. außerdem OLG Köln, Beschl. v. 01.09.2003 – 19 U 80/03, NJOZ 2004, 556, 559 (im streitgegenständlichen Fall jedoch verneinend).

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

gem. § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist – für den Käufer unzumutbar machen.176 Auch in diesem Fall steht ihm nach § 440 S. 1 Var. 3 BGB ein unmittelbares Schadensersatz- oder Minderungsrecht zu. Will er jedoch vom Kaufvertrag zurücktreten, kann er sich nicht wegen einer vermeintlichen Bindung zum erworbenen Pferd auf die Unzumutbarkeit nach § 440 S. 1 Var. 3 BGG berufen, sondern wird zuvor eine Frist zur Nachlieferung setzen müssen, da anderenfalls eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne eines venire contra factum proprium (§ 242 BGB) vorläge.177 c) Arglistige Täuschung bei Vertragsschluss Darüber hinaus kann der Käufer auch dann zur unmittelbaren Geltendmachung der Sekundärrechte berechtigt sein, wenn er vom Verkäufer bei Vertragsschluss arglistig über die Mangelfreiheit des Verkaufspferdes getäuscht worden ist.178 Der BGH hatte in diesem Zusammenhang u. a. in einem pferdekaufrechtlichen Fall zu entscheiden, in dem der Verkäufer bei Vertragsschluss arglistig verschwiegen hatte, dass es sich bei dem Verkaufspferd um einen sog. „(residualen) Kryptorchiden“, d. h. um ein Pferd handelte, dem bei der Kastration das Hodengewebe nicht vollständig entfernt worden war.179 Nach überzeugender Ansicht des BGH ist eine vom Verkäufer bei Vertragsschluss begangene Täuschungshandlung regelmäßig dazu geeignet, die für eine Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage zu beschädigen.180 Während der Käufer deswegen ein berechtigtes Interesse daran hat, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen, stehen dem im Regelfall keine relevanten Belange des Verkäufers gegenüber.181 Gerade wenn dem Verkäufer der Mangel schon bei Vertragsschluss bekannt war, besteht nach den zutreffenden Ausführungen des BGH

176 BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 281/04 (BGHZ 163, 234), NJW 2005, 2852, 2854; OLG Hamm, Urt. v. 23.05.2014 – 19 U 93/13, BeckRS 2015, 07415 Rn. 24; im konkreten Fall ablehnend LG Magdeburg, Urt. v. 05.10.2011 – 2 S 117/11 (082), juris Rn. 6; Hofmann, JA 2013, 16, 19; Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 205; vgl. auch Neumann, S. 118. 177 So zutreffend LG Magdeburg, Urt. v. 05.10.2011 – 2 S 117/11 (082), juris Rn. 6; Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 439 BGB Rn. 9. 178 BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371; BGH, Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 13; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 440 Rn. 8; Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2067; Lorenz, NJW 2004, 26, 26 f. 179 BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371; vgl. auch OLG Koblenz, Urt. v. 23.04.2009 – 5 U 1124/08, NJW-RR 2009, 985, 986, wonach der Verkäufer arglistig handelt, wenn er das Durchgehen traumatisierter Kutschpferde verschweigt. 180 BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 19; ebenso BGH, Urt. v. 12.03.2010 – V ZR 147/09, NJW 2010, 1805 Rn. 9; BGH, Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 13. 181 BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 19.

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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keine Veranlassung, ihm nach der Entdeckung des Mangels eine zweite Chance zu gewähren, da der so handelnde Verkäufer keinen Schutz vor den mit der Rückabwicklung des Vertrages verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen verdient.182 Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob der Verkäufer die Mängelbeseitigung selbst vornehmen oder dafür einen externen Dritten – hier beispielsweise einen Tierarzt oder Bereiter – beauftragen würde.183 Während der BGH die Entbehrlichkeit der Fristsetzung im Falle einer arglistigen Täuschung durch den Verkäufer auf die §§ 281 Abs. 2 Alt. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB stützt und sich dadurch zu einer Interessenabwägung verpflichtet, lässt sich dasselbe Ergebnis regelmäßig auch über § 440 S. 1 Var. 3 BGB erreichen184 – zumal auch der BGH in seinen Entscheidungsgründen von der „Unzumutbarkeit“ der Nacherfüllung spricht.185 Letztlich ist die gesetzliche Grundlage aber ohne Belang, da ohnehin in jedem Fall eine Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalls erforderlich ist und die Rechtsfolgen der Entbehrlichkeit des Fristsetzungserfordernisses bei allen drei Vorschriften die gleichen sind. Entscheidend ist, dass in stringenter Weise an das Dogma der Haftungsverschärfungen zulasten arglistig handelnder Verkäufer angeknüpft wird. d) Notfallbehandlungen Schließlich kann dem Käufer die Aufforderung zur Nacherfüllung nach der Rechtsprechung des BGH auch dann gem. § 440 S. 1 Var. 3 BGB unzumutbar sein, wenn das Pferd an einer akuten Verletzung oder Erkrankung leidet, die einer sofortigen tierärztlichen Behandlung bedarf.186 Dies wird damit begründet, dass es dem Käufer wegen der in Art. 20a GG und § 1 S. 2 TierSchG niedergelegten tierschutzrechtlichen Belange je nach Schwere der Erkrankung und abhängig von der Dringlichkeit der Heilbehandlung im Einzelfall nicht zuzumuten ist, zunächst den Verkäufer zu erreichen, ihn zur Behandlung des Tieres aufzufordern und dessen Tätigwerden abzuwarten mit der Gefahr, dass dieser die Behandlung ablehnt.187 182 BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 19; so auch schon BGH, Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 14. 183 BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 20. 184 So z. B. LG Köln, Urt. v. 30.08.2005 – 5 O 479/04, BeckRS 2005, 12110; LG Bonn, Urt. v. 30.10.2003 – 10 O 27/03, NJW 2004, 74, 75. 185 Vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2010 – V ZR 147/09, NJW 2010, 1805 Rn. 9; BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 18; BGH, Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 15. 186 BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212 zur Notfallbehandlung eines kranken Hundes; ebenso OLG Hamm, Urt. v. 23.05.2014 – 19 U 93/13, BeckRS 2015, 07415 Rn. 24. 187 BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212; ebenso Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2067; Augenhofer, ZGS 2004, 385, 391; Neumann, S. 119.

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

Unabhängig davon, ob dieser Rechtsprechung – insbesondere im Hinblick auf die Kostenfolgen – vollumfänglich zuzustimmen ist,188 muss dem BGH jedenfalls insoweit entgegengetreten werden, als dass er noch einen Schritt weiter geht und diese Grundsätze nicht nur auf die erste (Notfall-)Behandlung des Tieres, sondern gleichermaßen auf die sich daran anschließenden Folgebehandlungen anwendet.189 Nach den Ausführungen des BGH sei der Käufer auch insoweit nicht gehalten, den Verkäufer zur (weiteren) Nachbesserung aufzufordern, da der damit verbundene Tierarztwechsel unzumutbar und unzweckmäßig sei.190 Letzteres insbesondere deswegen, weil sich die anfallenden Kosten bei einem Tierarztwechsel nicht verringern, sondern wenn überhaupt erhöhen würden, da ein vom Verkäufer neu beauftragter Tierarzt nicht an eine eigene Erstuntersuchung anknüpfen könnte.191 Der Nacherfüllungsort beim Pferdekauf ist jedoch in aller Regel am Belegenheitsort des Pferdes anzusiedeln,192 weshalb sich die Nachbesserungshandlung des Verkäufers grundsätzlich darin erschöpft, einen Tierarzt vor Ort mit der Folgebehandlung des Pferdes zu betrauen.193 Diese – nicht (mehr) notfallmäßige – Beauftragung seitens des Verkäufers ist jedoch regelmäßig nicht dazu geeignet, die Grenze der Unzumutbarkeit des § 440 S. 1 Var. 3 BGB zu erreichen. Vielmehr wird der Verkäufer aus Zweckmäßigkeits- und Kostengründen in den überwiegenden Fällen ohnehin den Tierarzt der notfallmäßigen Erstversorgung auch zur weiteren Behandlung des Pferdes auffordern, sodass für den Käufer keinerlei Nachteile entstehen. Sollte der Verkäufer im Einzelfall einen anderen Tierarzt bevorzugen, kann dies zwar mit höheren Kosten verbunden sein; dies ist indes ein alleiniges Problem des Verkäufers, das keine Unzumutbarkeit für den Käufer zu begründen vermag. Den Käufer- und Tierschutzinteressen an der Heilung des Pferdes kann vielmehr auch durch einen anderen de lege artis arbeitenden Tierarzt entsprochen werden. Im Übrigen hat die (weitere) Nachbesserung durch den Verkäufer sogar einen erheblichen Vorteil für den Käufer, da sie ihn von der Kostentragung bzw. dem Risiko der mangelnden Kostenerstattung194 befreit. Ihm ist es daher regelmäßig zumutbar, den Verkäufer unter Setzung einer angemessenen Frist zur – nicht mehr notfallmäßigen – Weiterbehandlung des Pferdes vor Ort aufzufordern, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass die Frist wegen der Wertentscheidung des Art. 20a GG sowie der Vorschrift des § 1 S. 2

188

Dazu sogleich unter Kap. 4 C. II. 2. BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212; anders die Vorinstanz LG Bielefeld, Urt. v. 14.12.2004 – 20 S 99/04, ZGS 2005, 79. 190 BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212 f. 191 BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3213. 192 S.o. Kap. 4 A. II. 193 Vgl. Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2067. 194 Dazu sogleich unter Kap. 4 C. II. 189

B. Ausnahmen vom Vorrang der Nacherfüllung

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TierSchG je nach Dringlichkeit der Behandlung entsprechend kurz bemessen sein darf.195 2. Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf Für neuere Verbrauchsgüterkaufverträge schließt der mit Wirkung zum 1. Januar 2022 eingefügte § 475d Abs. 1 BGB die Anwendbarkeit des § 440 BGB aus. Hintergrund dieser Sonderregelung ist Art. 13 Abs. 4 lit. a)–d) der Warenkaufrichtlinie, der für den Rücktritt von einem Verbrauchsgüterkaufvertrag von § 440 BGB abweichende, vollharmonisierende Vorgaben macht, die sich in § 475d Abs. 1 Nr. 1–5 BGB wiederfinden. Da Schadensersatzansprüche vom Anwendungsbereich der Richtlinie nicht erfasst sind, stellt § 475d Abs. 2 BGB aus Gründen der Rechtssicherheit einen nationalen Gleichlauf zwischen den Rücktrittsvoraussetzungen und denen eines Schadensersatzanspruches her.196 In der Praxis stellt sich nunmehr die Frage, inwieweit sich die soeben dargestellten Fallgruppen auf den Anwendungsbereich des § 475d Abs. 1 BGB übertragen lassen. Zwar nennt § 475d Abs. 1 BGB die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung nicht ausdrücklich. Nach § 475d Abs. 1 Nr. 3 BGB kann die Fristsetzung zur Nacherfüllung jedoch entbehrlich sein, wenn der Mangel derart schwerwiegend ist, dass der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist. Nach den Gesetzesmaterialien ist dazu eine einzelfallabhängige Abwägung der widerstreitenden Parteiinteressen erforderlich. Die nähere Ausgestaltung dieser Abwägung, insbesondere die Frage, ob alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind oder nur solche, die einen unmittelbaren Bezug zum Mangel haben, wird ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen.197 Während die Gesetzesbegründung nur auf die Digitale-Inhalte-Richtlinie Bezug nimmt, nach deren ErwGr. 65 ein schwerwiegender Mangel beispielsweise dann vorliegt, wenn dem Käufer ein Antivirenprogramm bereitgestellt wird, das selbst mit Viren infiziert ist, führt die Warenkaufrichtlinie in ErwGr. 52 aus: „Gleichermaßen könnte die Vertragswidrigkeit in bestimmten Fällen so schwerwiegend sein, dass der Verbraucher nicht mehr darauf vertrauen kann, dass der Verkäufer in der Lage ist, den vertragsgemäßen Zustand der Waren herzustellen, beispielsweise wenn die Vertragswidrigkeit die Möglichkeit des Verbrauchers zur normalen Verwendung der Waren ernsthaft beeinträchtigt und von ihm nicht erwartet werden kann, darauf zu vertrauen, dass eine Nachbesserung oder Ersatzlieferung durch den Verkäufer dem Problem abhelfen würde.“

Vor diesem Hintergrund können insbesondere Mängel des Pferdes, die zu einer Verletzung des Käufers geführt oder auf andere Weise sein Vertrauen nachhaltig erschüttert haben, ebenso wie ein Mangel, den der Verkäufer dem Käufer arglis195 So zutreffend Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2067; im Ergebnis ebenso LG Bielefeld, Urt. v. 14.12.2004 – 20 S 99/04, ZGS 2005, 79. 196 BT-Drucks 19/27424, S. 39. 197 BT-Drucks 19/27424, S. 37 f.

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

tig verschwiegen hat, derart schwerwiegend sein, dass eine Fristsetzung auch gem. § 475d Abs. 1 Nr. 3 BGB entbehrlich ist. Selbiges wird im Lichte von Art. 20a GG gelten, wenn der Mangel eine sofortige Notfallbehandlung des Pferdes erforderlich macht. Hat der Käufer hingegen eine enge Bindung zu dem streitgegenständlichen Pferd aufgebaut, so spielt § 475d BGB von vornherein keine Rolle, da eine Ersatzlieferung in diesem Fall bereits unmöglich i. S. v. § 275 Abs. 1 BGB ist. Letztlich wird die Rechtsprechung die näheren Voraussetzungen des § 475d Abs. 1 BGB konkretisieren und ggf. neue Fallgruppen bilden müssen. Da die Warenkaufrichtlinie aber insgesamt auf eine Erhöhung und nicht auf eine Herabsenkung des Verbraucherschutzniveaus gerichtet ist,198 kann davon ausgegangen werden, dass die Aufforderung zur Nacherfüllung innerhalb der oben genannten Fallgruppen auch nach dem neuen § 475d Abs. 1 BGB entbehrlich sein wird.

C. (Not-)Selbstvornahmerecht des Pferdekäufers Der umsichtige Pferdehalter besitzt zwar in der Regel hippologische, aber keine juristischen Vorkenntnisse. Bei Erkrankungen des Pferdes (Kategorie 2) wird daher häufig dessen Genesung als vorrangiges Ziel wahrgenommen, weshalb umgehend ein Tierarzt konsultiert wird, ohne dabei in rechtlicher Hinsicht an den Vorrang der Nacherfüllung zu denken. Gleiches gilt für den Fall, dass das Pferd verhaltensbedingte Sachmängel (Kategorie 3) zeigt. Auch insoweit ist die Versuchung groß, das Problem zunächst selbst in den Griff zu bekommen, indem man den Bereiter oder Trainer seines Vertrauens engagiert. Sobald aber die Rechnung fällig wird, wendet sich der voreilige Pferdekäufer schließlich doch an den Verkäufer, um diesen zur Erstattung der angefallenen Kosten aufzufordern.

I. Allgemeine Grundsätze zur Selbstvornahme Juristisch handelt es sich hierbei um den Fall der sog. Selbstvornahme, die – anders als im Werk- oder Mietrecht – im Kaufrecht keine eigenständige Regelung erfahren hat. Während die Literatur dem selbst nachbessernden Käufer teilweise Kostenerstattungsansprüche aus § 326 Abs. 2 S. 2 BGB (analog) wegen der vom Käufer herbeigeführten Unmöglichkeit des Nachbesserungsanspruchs,199 aus (unberechtigter) Geschäftsführung ohne Auftrag200 oder aus Bereicherungsrecht201 zugesteht, hat der BGH diese Erwägungen von vornherein zurückgewie198

Vgl. Art. 1 der Warenkaufrichtlinie. So z. B. Lorenz, NJW 2005, 1321, 1322 ff.; ders., NJW 2003, 1417, 1418 f.; Herresthal/Riehm, NJW 2005, 1457, 1460; Ebert, NJW 2004, 1761, 1762 ff. 200 So z. B. Oechsler, NJW 2004, 1825, 1826 f. 201 Z. B. Gsell, ZIP 2005, 922, 925. 199

C. (Not-)Selbstvornahmerecht des Pferdekäufers

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sen und ein Selbstvornahmerecht des Käufers in ständiger Rechtsprechung strikt abgelehnt.202 Er begründet seine Entscheidung mit dem den §§ 437 ff. BGB zugrundeliegenden Vorrang der Nacherfüllung, der durch ein Selbstvornahmerecht des Käufers unterlaufen würde.203 Anders als im Miet- und Werkvertragsrecht habe der Gesetzgeber im Kaufrecht bewusst von einer den §§ 637, 536a Abs. 2 BGB entsprechenden Regelung abgesehen. Obwohl die ersparten Kosten des Verkäufers von den im Rahmen eines Selbstvornahmerechts ersatzfähigen eigenen Aufwendungen des Käufers rechtlich zu unterscheiden seien, dürfe diese gesetzgeberische Entscheidung nicht durch die Erstattung der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen über § 326 Abs. 2 S. 2 BGB (analog) ausgehebelt werden.204 Zudem – so der BGH – hätte der Widerspruch zu dem grundsätzlichen Vorrang der Nacherfüllung eine Vereitelung der Untersuchungs- und Beweissicherungsrechte des Verkäufers hinsichtlich (der Verhältnismäßigkeit) der aufzuwendenden Kosten sowie der Ursache des Mangels und dessen Vorliegen bei Gefahrübergang zur Folge.205 Dem gegenläufigen Interesse des Käufers, dem Verkäufer in den Fällen keine Frist setzen zu müssen, in denen dies keinen Erfolg verspricht oder für den Käufer unzumutbar ist, trage das Gesetz im Übrigen mit den Ausnahmebestimmungen der §§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB und § 440 S. 1 BGB hinreichend Rechnung.206

II. Selbstvornahme beim Pferdekauf 1. Grundsatz: Kein Selbstvornahmerecht des Pferdekäufers Ist die Nachbesserung nicht ohnehin unmöglich i. S. v. § 275 Abs. 1 BGB, steht auch dem Käufer eines mangelbehafteten Pferdes grundsätzlich kein Selbstvornahmerecht zu. Bessert er dennoch nach, indem er z. B. die tierärztliche Behandlung eines Gesundheitsmangels durchführen lässt, stehen ihm weder ein Kosten-

202 Grundlegend BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04 (BGHZ 162, 219), NJW 2005, 1348, 1349 ff.; ebenso LG Gießen, Urt. v. 10.03.2004 – 1 S 453/03, NJW 2004, 2906; LG Aachen, Urt. v. 23.10.2003 – 6 S 99/03, DAR 2004, 452; AG Kempen, Urt. v. 18.08.2003 – 11 C 225/02, MDR 2003, 1406; AG Daun, Urt. v. 15.01.2003 – 3 C 664/ 02, NJW-RR 2003, 1465; Arnold, ZIP 2004, 2412; Dauner-Lieb/Dötsch, NZBau 2004, 233. 203 BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04 (BGHZ 162, 219), NJW 2005, 1348, 1349 ff. 204 Dafür aber u. a. Lorenz, NJW 2005, 1321, 1322 ff.; ders., NJW 2003, 1417, 1418 f.; Herresthal/Riehm, NJW 2005, 1457, 1460; Ebert, NJW 2004, 1761, 1762 ff.; dagegen u. a. M. Tonner, VuR 2005, 207, 208 f.; Dauner-Lieb/Dötsch, NZBau 2004, 233. 205 BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04 (BGHZ 162, 219), NJW 2005, 1348, 1350. 206 BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04 (BGHZ 162, 219), NJW 2005, 1348, 1351.

168

Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

erstattungsanspruch207 noch – abgesehen von den Fällen einer gesetzlich vorgesehenen Entbehrlichkeit der Fristsetzung – die Sekundärrechtsbehelfe zu.208 Dieses Ergebnis erscheint im Regelfall auch interessengerecht. Zwar könnte man bei gesundheitlichen Mängeln des Pferdes anführen, dass es für den Verkäufer aufgrund der festen Gebührenordnung für Tierärzte keinen wirtschaftlichen Unterschied macht, ob er oder der Käufer den Tierarzt beauftragt.209 Allerdings ist zu bedenken, dass das durch eine mögliche Selbstvornahme unterlaufene „Recht zur zweiten Andienung“ 210 auch das Interesse des Verkäufers schützt, frei entscheiden zu können, ob er den geschuldeten Nachbesserungserfolg durch eigenen Einsatz bzw. den Einsatz betriebsinternen Personals oder durch die Beauftragung eines externen Dritten wie eines Tierarztes erreichen will.211 Diese Entscheidung kann mitunter einen erheblichen finanziellen Unterschied bedeuten.212 Diesem kann auch nicht durch eine entsprechende wertmäßige Berücksichtigung im Rahmen des käuferseitigen Ersatzanspruches genügt werden, da insoweit das berechtigte und vom „Recht zur zweiten Andienung“ ebenfalls geschützte Interesse des Verkäufers entgegensteht, Details seiner wirtschaftlichen Lage im Allgemeinen sowie seiner innerbetrieblichen Kalkulation im Besonderen gegenüber seinem Vertragspartner preisgeben zu müssen.213 Hinzu kommt, dass der Verkäufer neben den wirtschaftlichen Folgen der Nachbesserung auch das gewährleistungsrechtliche Risiko ihres Fehlschlagens zu tragen und dementsprechend ein schützenswertes Interesse daran hat, sämtliche Nachbesserungsoptionen – z. B. verschiedene Behandlungsmöglichkeiten des Pferdes – gegeneinander abzuwägen, bevor er sich für eine bestimmte Art der Nachbesserung entscheidet.214 Zugleich hat grundsätzlich auch der Käufer kein vorzugswürdiges Interesse an einer Selbstvornahme. Sein vorrangiges Ziel besteht darin, ein mangelfreies Pferd zu erhalten. Dabei macht es für den Käufer aber keinen Unterschied, ob dieses Ziel durch einen von ihm beauftragten Dritten wie einem Tierarzt oder Bereiter erreicht wird, oder ob der Verkäufer den entsprechenden Auftrag erteilt hat. Ent207

BGH, Urt. v. 07.12.2005 – VIII ZR 126/05, NJW 2006, 988 Rn. 13 ff. BGH, Urt. v. 07.12.2005 – VIII ZR 126/05, NJW 2006, 988 Rn. 10, 13; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 17.07.2006 – 18 U 96/05, NJOZ 2007, 2046; OLG Schleswig, Urt. v. 21.12.2012 – 3 U 22/12, NJW-RR 2013, 1144. 209 Vgl. Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 439 BGB Rn. 4. 210 Hierbei handelt es sich freilich um kein „echtes“ Recht im Sinne eines einklagbaren Rechts. Insbesondere folgt aus der in § 433 Abs. 2 BGB statuierten Abnahmepflicht des Käufers keine entsprechende Duldungspflicht. Vielmehr begründet die Aufforderung zur Nacherfüllung eine reine Obliegenheit des Käufers, der andernfalls auf die übrigen Gewährleistungsrechte verzichten müsste. Vgl. dazu Lorenz/Arnold, JuS 2014, 7, 8; Mankowski, JZ 2011, 781, 785; Lorenz, NJW 2006, 1175, 1176. 211 Schroeter, AcP 207 (2007), 28, 60. 212 Schroeter, AcP 207 (2007), 28, 60. 213 Schroeter, AcP 207 (2007), 28, 61. 214 Vgl. Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 439 BGB Rn. 5. 208

C. (Not-)Selbstvornahmerecht des Pferdekäufers

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scheidend ist nur, dass die ausgewählte Hilfsperson de lege artis arbeitet und den Mangel erfolgreich beseitigt. Gleiches gilt auch für den Fall, dass der Verkäufer die Nachbesserung selber durchführen will. Zwar mag der Käufer eines liebgewonnen Pferdes berechtigte Interessen daran haben, den Mangel selbst oder durch eine Person seines Vertrauens beseitigen zu lassen. Diese Belange müssen aber aufgrund der gesetzlichen Konzeption der seitens des Verkäufers geschuldeten Nacherfüllung zurücktreten. Da das Risiko eines Fehlschlags stets beim Verkäufer verbleibt, ist ohnehin davon auszugehen, dass dieser im eigenen Interesse die erfolgversprechendste Nachbesserungsmaßnahme wählen und ggf. eine entsprechend qualifizierte Fachkraft beauftragen wird. Sollte die Nachbesserung durch den Verkäufer oder eine von ihm ausgewählte Hilfsperson im Ausnahmefall dennoch zu einer unzumutbaren Belastung des Käufers führen, ist er durch die Vorschrift des § 440 S. 1 Var. 3 BGB bzw. im B2C-Verhältnis durch § 475d BGB hinreichend geschützt.215 2. Ausnahme in Kategorie 2: Erstattungsfähige Notfallbehandlungen Legt der Jurist einen Grundsatz fest, gibt es meist auch eine Ausnahme davon. Insbesondere wenn es um Verbraucher, Mieter oder Arbeitnehmer geht, sind Gesetz und Rechtsprechung großzügig bei der Anerkennung von Ausnahmefällen. Demgegenüber macht der BGH keine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Selbstvornahme, wenn es um tierschutzrechtlich gebotene Notfallbehandlungen eines i. S. d. zweiten Kategorie mangelhaft erworbenen Pferdes geht.216 In einem obiter dictum führte er aus, dass einem Ersatzanspruch des Käufers gem. § 326 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 BGB (analog) auch in diesem Fall der abschließende Charakter der §§ 437 ff. BGB sowie der gesetzgeberische Wille entgegenstünden.217 Stattdessen dürfe sich der Käufer wegen Unzumutbarkeit der Fristsetzung gem. § 440 S. 1 Var. 3 BGB unmittelbar auf die Sekundärrechte des § 437 Nr. 1 und 2 BGB berufen.218 Die Sekundärrechtsbehelfe werden jedoch dem primären Interesse des Pferdekäufers, die Kosten der notfallmäßigen Behandlung des mangelhaft erworbenen Pferdes vom Verkäufer ersetzt zu bekommen, in aller Regel nicht gerecht. Denn sie „überspringen“ den verschuldensunabhängigen Nachbesserungsanspruch und verweisen den Käufer allein auf die Möglichkeiten des Rücktritts, der Minderung oder des Schadens- bzw. Aufwendungsersatzanspruches. Im Wege der Minderung 215

BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04 (BGHZ 162, 219), NJW 2005, 1348,

1351. 216

BGH, Urt. v. 07.12.2005 – VIII ZR 126/05, NJW 2006, 988 Rn. 16. BGH, Urt. v. 07.12.2005 – VIII ZR 126/05, NJW 2006, 988 Rn. 16. 218 BGH, Urt. v. 07.12.2005 – VIII ZR 126/05, NJW 2006, 988 Rn. 11; BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212. 217

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

erhält der Käufer zwar den mangelbedingten Minderwert des Pferdes, dieser bleibt jedoch wertmäßig meist deutlich hinter den Tierarztkosten zurück.219 Demgegenüber könnte er im Rahmen eines Schadensersatzanspruches die vollen Behandlungskosten ersetzt bekommen. Während dies in dem vom BGH zu entscheidenden Fall aufgrund eines Vertretenmüssens des Verkäufers möglich und somit ein interessengerechtes Ergebnis herbeizuführen war,220 handelt es sich hierbei keineswegs um den Regelfall. Vielmehr wird sich der Verkäufer bei gesundheitlichen Mängeln des Pferdes häufig exkulpieren können221 mit der Folge, dass eine Kostenerstattung im Wege des Schadensersatzanspruches ausscheidet. Dem Käufer bleibt dann nur noch die Möglichkeit des Rücktritts, in dessen Rahmen er seine getätigten Aufwendungen zwar ersetzt bekommt, er aber auch das erworbene Pferd zurückgeben muss.222 Die Rückgabe eines häufig schon lieb gewonnenen Pferdes kann aber nicht nur dem Affektionsinteresse des Käufers zuwiderlaufen, sondern auch dem des Pferdes, das als Mittel zum Zweck „herumgereicht“ und erneut aus seiner gewohnten Umgebung gerissen wird. Letztlich hat die BGH-Rechtsprechung daher folgende Konsequenzen: Unterlässt der Käufer die dringend notwendige Behandlung, verstößt er damit nicht nur gegen tierschutzrechtliche Grundgedanken und seine Pflichten aus §§ 1 und 2 TierSchG; vielmehr könnte er sich dadurch sogar einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit nach § 17 Nr. 2 bzw. § 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG schuldig machen. Verhält er sich hingegen tierschutzgerecht und lässt das Pferd behandeln, bleiben ihm bei fehlendem Vertretenmüssen des Verkäufers nur die Optionen der (überwiegenden) eigenen Kostenübernahme oder der Rückgabe des Pferdes. Dieses Ergebnis ist weder interessen- noch tierschutzgerecht. Soweit der BGH die Grundsätze zur Selbstvornahme unbesehen auch auf tiermedizinische Notfallbehandlungen überträgt, verkennt er offenbar, dass es sich dabei nicht um den Fall einer klassischen Selbstvornahme handelt. Der Käufer entscheidet sich hier nicht eigenmächtig für eine selbstständige Mangelbeseitigung, sondern wird aufgrund der Notsituation faktisch zur eigenhändigen Vornahme der grundsätzlich dem Verkäufer obliegenden Nachbesserungshandlung gezwungen. Dies gebietet nicht nur Art. 20a GG, sondern auch § 1 TierSchG, wonach das Leben und Wohlbefinden eines Tieres zu schützen sind und ihm ohne vernünftigen Grund keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden dürfen. 219

So auch H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 526 m.w. N. Vgl. BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 1/05, NJW 2005, 3211, 3212 f. 221 J. Brinkmann, AUR 2005, 181, 185; vgl. zu genetischen Fehlern eines Tieres außerdem BGH, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 281/04 (BGHZ 163, 234), NJW 2005, 2852, 2853. 222 Unter Verweis auf das alte Recht greift Gsell, LMK 2006, 168751 die Frage auf, ob es sich bei einem Rücktritt des Käufers angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen Mangelfreiheit um ein rechtsmissbräuchliches venire contra factum proprium (§ 242 BGB) handelt. 220

C. (Not-)Selbstvornahmerecht des Pferdekäufers

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Während der Käufer also im Normalfall die (zeitliche) Möglichkeit hat, gem. § 439 Abs. 1 BGB zwischen Nachbesserung oder Nachlieferung zu wählen und dem Verkäufer sodann eine entsprechende Frist zur – von diesem wirtschaftlich zu tragenden – Behandlung des Pferdes zu setzen, bleibt ihm für dieses Vorgehen bei einer Notlage des Pferdes aus tierschutzrechtlichen Gründen keine Zeit. Der Umstand, dass der Käufer in diesem Fall nicht auf seine Rechte aus § 439 Abs. 1 BGB besteht, sondern stattdessen das Tier notfallmäßig versorgt, darf ihm aber nicht insoweit zum Nachteil gereichen, als dass man ihm – wie es der BGH aber tut – den verschuldensunabhängigen Nacherfüllungsanspruch gänzlich verwehrt und ihn (lediglich) wegen Unzumutbarkeit der Fristsetzung auf die rechtsfolgenverschiedenen Sekundärrechte verweist.223 Vielmehr ist die Annahme der Unzumutbarkeit einer Fristsetzung in der hier besprochenen Notsituation nicht zielführend, da § 440 S. 1 Var. 3 BGB auf ein Überspringen der Nacherfüllungshandlung gerichtet ist, vorliegend der Sache nach aber eine Mangelbeseitigung stattgefunden hat. Zwar stellt eine echte Selbstvornahme keine Nacherfüllungshandlung des Verkäufers, sondern ein eigenmächtiges Tätigwerden des Käufers dar. Demgegenüber dürfte aber eine tiermedizinisch indizierte Notbehandlung eines leidenden Pferdes durch den Käufer ausnahmsweise als zulässige Form der Mangelbeseitigung anzusehen sein. Der aufgrund der Notsituation des Pferdes berührte und in Art. 20a GG verfassungsrechtlich verankerte Tierschutz, der bei der Auslegung des einfachen Rechts stets zu berücksichtigen ist,224 reduziert in diesem Fall einerseits das (Wahl-)Recht des Käufers aus § 439 Abs. 1 BGB und beschränkt andererseits das „Recht“ des Verkäufers zur zweiten Andienung jeweils dahingehend, dass eine Nachlieferung ausscheidet und zugleich die einzig richtige Nachbesserungshandlung darin besteht, das Pferd schnellst- und bestmöglich medizinisch zu versorgen. Kann dieses Ziel aus Zeitgründen nur durch den Käufer erreicht werden, indem dieser das Pferd selbst oder mithilfe eines umgehend gerufenen, ortsansässigen Tierarztes behandelt, ist eine entsprechende, konkludente Anweisung des Käufers durch den Verkäufer zu unterstellen. Denn einerseits kann der Verkäufer nur auf diese Weise seiner (verlängerten) Tierhalterpflicht aus § 1 TierSchG nachkommen, die bei einem bereits bei Gefahrübergang vorhandenen gesundheitlichen Problem des Pferdes nicht auf den Käufer übergegangen ist225 und die schnellstmögliche Behandlung des schmerzleidenden Tieres gebietet. Andererseits dürfte die konkludente Behandlungsanweisung auch dem Interesse des Verkäufers entsprechen, im Falle einer hypothetischen Rückabwicklung ein lebendes Pferd zurückzuerhalten. Der Käufer wird daher ähnlich einem Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) für den Verkäufer tätig, sodass es sich im Ergebnis um eine zwar 223 224 225

H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 526. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20a Rn. 21. S. o. Kap. 4 B. II. 1. a) cc).

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Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

vom Käufer vorgenommene, aber durch den Verkäufer veranlasste und daher ihm zurechenbare Form der (Not-)Mangelbeseitigung i. S. d. § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB handelt. Da die Kosten der Nacherfüllung verschuldensunabhängig vom Verkäufer zu tragen sind,226 steht dem Käufer in der Folge ein Anspruch auf Erstattung der aufgewendeten Heilbehandlungskosten aus § 439 Abs. 2 BGB zu. Die – trotz der unglücklichen Formulierung – in § 439 Abs. 2 BGB enthaltene Anspruchsgrundlage227 ist zwar dann nicht einschlägig, wenn der Käufer den Mangel eigenmächtig selbst beseitigt, da er insoweit keine Aufwendungen „zum Zwecke der Nacherfüllung“, sondern nur solche zum Zwecke der Selbstvornahme tätigt.228 Allerdings kommt die Vorschrift dann zum Tragen, wenn der Käufer in Absprache oder auf Veranlassung des Verkäufers Nacherfüllungshandlungen vorgenommen hat.229 Liegt eine gesundheitliche Notsituation des Pferdes vor, handelt der Käufer gerade nicht eigenmächtig, sondern führt die Mangelbeseitigung aufgrund einer konkludenten Anweisung des Verkäufers durch. Er tätigt dementsprechend erforderliche Aufwendungen „zum Zwecke der Nacherfüllung“, die ihm vom Verkäufer über § 439 Abs. 2 BGB zu erstatten sind. Die dargestellte Durchbrechung des grundsätzlichen Verbots der Selbstvornahme ist nicht nur tierschutzgerecht, sondern schafft auch einen angemessenen Interessenausgleich. Während der Käufer aufgrund der Notsituation sein Wahlrecht aus § 439 Abs. 1 BGB sowie die Möglichkeit verliert, den mit der Nacherfüllung verbundenen Kosten- und Organisationsaufwand auf den Verkäufer abzuwälzen, wird dem Verkäufer das Recht genommen, verschiedene Nachbesserungsoptionen hinsichtlich Personal, Material und Art der vorgenommenen Behandlung gegeneinander abzuwägen. Die Verkürzung der beiderseitigen Rechte erscheint jedoch vor dem tierschutzrechtlichen Hintergrund für beide Parteien hinnehmbar – zumal die Integrität des Pferdes nicht nur dem Affektionsinteresse des Käufers, sondern auch dem des mit dem gewährleistungsrechtlichen Risiko behafteten Verkäufers entsprechen dürfte. Darüber hinaus würde der Verkäufer gegenüber dem Käufer unangemessen bevorteilt werden, wenn er im Normalfall die Mangelbeseitigung durchzuführen und finanziell zu tragen hätte, sich denselben Pflichten aber entziehen könnte, nur weil das Pferd sofortiger medizinischer 226 Westermann, MüKo BGB, § 439 Rn. 22; Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 439 Rn. 10. 227 BGH, Urt. v. 30.04.2014 – VIII ZR 275/13 (BGHZ 201, 83), NJW 2014, 2351 Rn. 15; BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 (BGHZ 189, 196), NJW 2011, 2278 Rn. 37; BGH, Urt. v. 15.07.2008 – VIII ZR 211/07 (BGHZ 177, 224), NJW 2008, 2837 Rn. 9. 228 Weidenkaff, in: Grüneberg (81. Aufl. 2022), BGB, § 439 Rn. 13; H. F. Müller, ZJS 2012, 444, 444. 229 H. F. Müller, ZJS 2012, 444, 444; siehe auch Pammler, jurisPK BGB, § 439 (Stand: 12.06.2020) Rn. 74 f.; Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 439 Rn. 88.

D. Zwischenfazit

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Hilfe bedarf und dem Käufer deswegen keine Zeit zur Fristsetzung bleibt.230 Der Verkäufer ist auch nicht schützenswerter, da sich der Käufer in der vorliegenden Konstellation im Gegensatz zu den klassischen Fällen der Selbstvornahme nicht eigenmächtig über die Rechte des Verkäufers hinwegsetzt, sondern gleichermaßen von der Situation überrascht und aus tierschutzrechtlichen Gründen faktisch zum Tätigwerden gezwungen wird. Im Übrigen ist der Verkäufer auch weitgehend vor Missbräuchen des Käufers geschützt, da es im Zweifelsfall Aufgabe des Käufers ist, nicht nur den Mangel, sondern auch die Eilbedürftigkeit der Behandlung darzulegen und ggf. zu beweisen.231 Gleiches gilt für die Erforderlichkeit der getätigten Aufwendungen, da diese in § 439 Abs. 2 BGB als anspruchsbegründende Voraussetzung definiert ist. Im Ergebnis steht daher dem Pferdekäufer, der ein mit einem Gesundheitsmangel erworbenes Pferd notfallmäßig behandeln lässt, ein Kostenerstattungsanspruch aus § 439 Abs. 2 BGB232 mit der Begründung zu, dass die dringend erforderliche Notbehandlung eines Tieres keinen Fall der eigenmächtigen Selbstvornahme darstellt, sondern eine vom Verkäufer konkludent veranlasste Form der Mangelbeseitigung i. S. d. § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB.

D. Zwischenfazit Die europäisch geprägte Idee eines vorrangigen Nacherfüllungsanspruches entspricht beim Pferdekauf nur selten den Parteiinteressen. In den meisten Fällen lässt sich das erworbene Pferd weder „reparieren“ noch hat der Käufer, der sich ein bestimmtes Pferd ausgesucht hat, Interesse an einem Ersatzpferd. Insbesondere wenn dem Kaufentschluss ein persönlich gewonnener Gesamteindruck des jeweiligen Pferdes zugrunde lag oder wenn der Käufer seine Kaufentscheidung (zumindest auch) auf bestimmte gesundheitliche Aspekte oder Verhaltensweisen des Pferdes i. S. d. zweiten oder dritten Kategorie gestützt hat, entspricht eine Nachlieferung nicht dem maßgeblichen Willen der Parteien bei Vertragsschluss. Ist die Nacherfüllung aber ausnahmsweise möglich, trifft den Käufer das mit der Ermittlung des Nacherfüllungsortes verbundene Prognoserisiko. Zwar wird der Nachbesserungsort schon unter Tierschutzgesichtspunkten regelmäßig am Belegenheitsort des Pferdes anzusiedeln sein; rechtssicher ist dieses Ergebnis angesichts der Anwendung des unbestimmten § 269 BGB indes nicht. 230

Vgl. H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 526. H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 526. 232 Zum Teil wird ein Kostenerstattungsanspruch des notfallmäßig handelnden Tierkäufers auch auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag oder das Bereicherungsrecht gestützt, vgl. LG Bielefeld, Urt. v. 14.12.2004 – 20 S 99/04, ZGS 2005, 79; Westermann, MüKo BGB, § 439 Rn. 13; Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2068; H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 526; vgl. auch Grunewald, in: Erman, BGB, § 439 Rn. 14. 231

174

Kap. 4: Nacherfüllung beim Pferdekauf

Ferner kommt auch die Vorschrift des § 439 BGB nicht ohne tierkaufrechtliche Modifikationen aus. So ist dem Käufer in der zweiten Kategorie nicht nur ein Recht zur Vornahme von Notfallbehandlungen einschließlich entsprechendem Kostenerstattungsanspruch aus § 439 Abs. 2 BGB zuzusprechen. Vielmehr ist unter Heranziehung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB zugrundeliegenden Rechtsgedankens auch die grundsätzlich wirtschaftlich orientierte Verhältnismäßigkeitsgrenze des § 439 Abs. 4 BGB tierkaufspezifisch anzuheben. Obgleich also die Anwendung des § 439 BGB auf den Pferdekauf weniger Probleme als die §§ 434, 477 BGB aufzuwerfen scheint, wird der Rechtsanwender auch insoweit mit diversen Auslegungsfragen und Rechtsunsicherheiten konfrontiert.

Kapitel 5

Verjährung beim Pferdekauf Die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte stehen dem Pferdekäufer nicht unbegrenzt zur Verfügung. Vielmehr regelt das Gesetz je nach Kaufgegenstand verschiedene Verjährungsfristen, nach deren Ablauf gewährleistungsrechtliche Ansprüche nicht mehr durchgesetzt werden können. Dadurch sollen sowohl Rechtssicherheit als auch Rechtsfrieden geschaffen werden.1

A. Verjährungsfristen Beim Pferdekauf verjähren die Gewährleistungsansprüche gem. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB grundsätzlich nach Ablauf von zwei Jahren.2 Bei Mängeln, die sich erst kurz vor dem Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist zeigen, ist jedoch die neu eingefügte Ablaufhemmung in § 475e Abs. 3 BGB zu beachten. Danach verjähren Mängel, die sich innerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist gezeigt haben, nicht vor dem Ablauf von vier Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat.3 Das Merkmal „gezeigt“ dürfte dabei wie der in § 439 Abs. 3 S. 1 BGB verwendete Begriff „offenbar“ und damit in einem objektivierten Sinn zu verstehen sein.4 Hintergrund der Ablaufhemmung ist Art. 10 Abs. 5 der Warenkaufrichtlinie. Dieser erlaubt den Mitgliedstaaten in S. 1 zwar die Normierung nur einer Verjährungsfrist und damit die Beibehaltung des deutschen Regelungssystems, das eine Gewährleistungsfrist nicht kennt. Die Verjährungsfrist muss nach S. 2 der Vorschrift jedoch so beschaffen sein, dass der Verbraucher seine Rechte bezüglich aller Mängel durchsetzen kann, die innerhalb des in Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie festgelegten zweijährigen Haftungszeitraums in Erscheinung treten. Da die Einleitung verjährungshemmender Maßnahmen stets gewisse Zeit in Anspruch nimmt, scheidet ein Gleichlauf zwischen Haftungsdauer und Verjährungsfrist so1

BT-Drucks 14/6040, S. 100; Grothe, MüKo BGB, § 194 Rn. 7. Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 438 BGB Rn. 1. 3 Der Regierungsentwurf sah noch eine Ablaufhemmung von zwei Monaten vor (BTDrucks 19/27424, S. 11), die jedoch im weiteren Gesetzgebungsverfahren für zu kurz gehalten und dementsprechend auf Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (BT-Drucks 19/30951, S. 17) auf vier Monate verlängert worden ist. 4 Lorenz, NJW 2021, 2065 Rn. 49, 14. 2

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Kap. 5: Verjährung beim Pferdekauf

mit jedenfalls hinsichtlich derjenigen Mängel aus, die sich erst kurz vor dem Ablauf der Zweijahresfrist offenbaren.5 Dem trägt § 475e Abs. 3 BGB Rechnung, indem er zur Sicherstellung der effektiven Rechtsdurchsetzung eine viermonatige Ablaufhemmung normiert.

B. Vertragliche Abdingbarkeit Die zweijährige Verjährungsfrist stellt gegenüber der zu Zeiten des Viehgewährschaftsrechts maßgeblichen sechswöchigen Frist des § 490 BGB a. F. zwar eine erhebliche Verlängerung dar. Allerdings ist die Vorschrift des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht zwingend, weshalb sowohl bei „normalen“ Pferdekaufverträgen als auch bei bestimmten Verbrauchsgüterkaufverträgen die – wenn auch begrenzte – Möglichkeit vertraglicher Fristverkürzungen besteht.6 Während außerhalb des B2C-Bereichs insbesondere die Grenzen des § 202 BGB bzw. bei Verkürzungen in AGB diejenigen des § 309 Nr. 7 lit. a) und b) sowie Nr. 8 lit. b) ff) BGB zu beachten sind (dazu I.), tritt bei Verbrauchsgüterkaufverträgen die Schutzvorschrift des § 476 Abs. 2 BGB hinzu (dazu II.).

I. Verjährungserleichterungen in AGB Pferde werden regelmäßig unter Zuhilfenahme vorformulierter Kaufverträge und damit unter Verwendung von AGB verkauft.7 Darin finden sich häufig Klauseln zur vertraglichen Verkürzung der gesetzlich vorgesehenen zweijährigen Verjährungsfrist. Solche Abreden sind jedoch nicht uneingeschränkt zulässig. Vielmehr sind sie – gegenüber Unternehmern in den Grenzen des § 310 Abs. 1 BGB – an den Wirksamkeitsvoraussetzungen der §§ 307 ff. BGB, insbesondere an § 309 Nr. 7 lit. a) und b) und Nr. 8 lit. b) ff) BGB zu messen. 1. Wirksamkeit nach § 309 Nr. 7 lit. a) und b) BGB § 309 Nr. 7 lit. a) und b) BGB zählen verschiedene haftungsbegrenzende Klauseln auf, die aufgrund ihrer besonderen Benachteiligung ohne Wertungsmöglichkeit gesetzlich verboten sind. Da auch Verjährungserleichterungen die Haftung des Verwenders beschränken, sind solche Vereinbarungen gleichermaßen an der Vorschrift des § 309 Nr. 7 lit. a) und b) BGB zu messen.8 Sieht der gegenständliche Pferdekaufvertrag beispielsweise eine verkürzte Verjährungsfrist vor, von 5 Vgl. BT-Drucks 19/27424, S. 40; außerdem Estner, ZVertriebsR 2020, 178, 181; Lommatzsch/Albrecht/Prüfer, GWR 2020, 331, 334; Bach, NJW 2019, 1705, 1708. 6 Westermann, MüKo BGB, § 438 Rn. 42; Rapp, NJW 2021, 969, 969. 7 Vgl. z. B. den Musterkaufvertrag der FN (s. o. Kap. 2 Fn. 71) oder der St. GEORG (s. o. Kap. 2 Fn. 83). 8 BT-Drucks 14/6040, S. 159; BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 19.

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der aber die in § 309 Nr. 7 lit. a) und b) BGB bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht ausgenommen sind, ist die gesamte Klausel unwirksam.9 Auch eine teilweise Aufrechterhaltung scheidet aus, da dazu eine vom BGH für nicht zulässig erachtete geltungserhaltende Reduktion durch inhaltliche Veränderung einer unzulässigen Klausel erforderlich wäre.10 Stattdessen sind entsprechende Verjährungserleichterungen insgesamt unwirksam mit der Folge, dass sie unangewendet bleiben müssen und an ihre Stelle gem. § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Zweijahresfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB tritt.11 2. Wirksamkeit nach § 309 Nr. 8 lit. b) ff) BGB Neben einer Wirksamkeitskontrolle nach § 309 Nr. 7 BGB ist außerdem an die Vorschrift des § 309 Nr. 8 lit. b) ff) BGB zu denken. Diese bestimmt für den Kauf neu hergestellter Sachen, dass eine in AGB enthaltene Verkürzung der Verjährungsfrist von Mangelansprüchen gegen den Verwender nur insoweit zulässig ist, als dass eine Frist von einem Jahr nicht unterschritten wird. Denn einerseits kann zwar ein berechtigtes Interesse des Verwenders daran bestehen, innerhalb einer kürzeren Frist Klarheit über den Umfang möglicher Gewährleistungsansprüche zu erhalten.12 Andererseits soll aber auch der Käufer davor geschützt werden, durch AGB in der Durchsetzung seiner Gewährleistungsrechte unangemessen beeinträchtigt zu werden.13 Verjährungserleichterungen, die eine Frist von einem Jahr unterschreiten sind somit – vorbehaltlich sonstiger Unwirksamkeitsgründe – nur beim Verkauf gebrauchter Waren möglich.14 Dementsprechend kommt es erneut maßgeblich darauf an, ob das Verkaufspferd als „gebraucht“ oder „neu hergestellt“ anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist zur Abgrenzung auch in diesem Zusammenhang auf die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme des Pferdes sowie auf eine lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmängelrisikos abzustellen.15 Dabei stellen sich dieselben Schwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten wie bei § 474 Abs. 2 S. 2 BGB, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen unter Kap. 3 B. II. 2. verwiesen wird.

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BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 20. BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 21; BGH, Urt. v. 06.04.2005 – VIII ZR 27/04, NJW 2005, 1574, 1576. 11 BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 22. 12 BT-Drucks 14/6040, S. 159. 13 Wurmnest, MüKo BGB, § 309 Nr. 8 Rn. 77. 14 Wurmnest, MüKo BGB, § 309 Nr. 8 Rn. 79. 15 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 LS 1, Rn. 30; BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 27 ff. 10

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Allerdings – und insoweit unterscheidet sich § 309 Nr. 8 lit. b) ff) BGB von § 474 Abs. 2 S. 2 BGB – hat der BGH die subjektive Einordnung des Pferdes als „neu hergestellt“ oder „gebraucht“ bislang nur im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs für unzulässig erklärt.16 In Bezug auf § 309 Nr. 8 lit. b) ff) BGB steht eine höchstrichterliche Entscheidung noch aus; die wohl überwiegende Meinung hält eine subjektive Abgrenzung aber für zulässig.17 Den Parteien eines Pferdekaufvertrags ist zur Schaffung von Rechtssicherheit jedenfalls eine entsprechende Abrede zu empfehlen. Denn selbst wenn die Klausel gerichtlich für unwirksam erklärt würde, sind damit keinerlei nachteilige Folgen, sondern nur die Anwendbarkeit der vom BGH aufgestellten objektiven Kriterien verbunden, die anderenfalls ohnehin anzuwenden wären.

II. Verjährungserleichterungen beim Verbrauchsgüterkauf Haben die Parteien eines Verbrauchsgüterkaufvertrags die grundsätzlich zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB vertraglich verkürzt, so muss diese Vereinbarung zusätzlich den Anforderungen des verbraucherschützenden § 476 Abs. 2 BGB genügen. Die Vorschrift wurde ebenfalls durch das Umsetzungsgesetz modernisiert. Demnach bleiben vertragliche Verjährungserleichterungen auf ein Jahr beim Verkauf gebrauchter Waren zwar im Grundsatz zulässig (§ 476 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB). Allerdings – und das ist gegenüber der Vorgängervorschrift neu – wird die Wirksamkeit der Vereinbarung nunmehr von der Einhaltung der besonderen Formerfordernisse des § 476 Abs. 2 S. 2 BGB abhängig gemacht. Dem Rechtsanwender wird daher nicht nur erneut die von gravierenden Rechtsunsicherheiten geprägte Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Pferden abverlangt, die vorliegend angesichts des verbraucherspezifischen Charakters des § 476 Abs. 2 S. 2 BGB nicht durch subjektive Abreden umgangen werden kann.18 Vielmehr muss er auch nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses differenzieren. Denn für Altverträge gilt trotz höchstrichterlich festgestellter Richtlinienwidrigkeit weiterhin die Vorschrift des § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. (dazu 1.), während für alle Verträge, die nach dem 31. Dezember 2021 geschlossen wurden, die Vorgaben des reformierten, aber nicht minder problematischen § 476 Abs. 2 BGB maßgeblich sind (dazu 2.). 16 „Ob eine Sache oder ein Tier neu oder gebraucht ist, ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen und – jedenfalls bei einem Verbrauchsgüterkauf – einer Parteivereinbarung entzogen“, BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 33. 17 Vgl. nur Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 309 Nr. 8 Rn. 26; Wurmnest, MüKo BGB, § 309 Nr. 8 Rn. 17 m.w. N.; Coester-Waltjen, in: Staudinger, BGB, § 309 Nr. 8 Rn. 21; Faust, LMK 2007, 211611. 18 BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06 (BGHZ 170, 31), NJW 2007, 674 Rn. 33.

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1. Rechtslage vor dem 1. Januar 2022 Die Vorschrift des § 476 Abs. 2 BGB a. F. hat turbulente Zeiten hinter sich. Spätestens seit der Ferenschild-Entscheidung des EuGH vom 13. Juli 201719 ist die Vorschrift in den Fokus europarechtlicher Diskussionen gerückt. Denn seitdem steht fest, dass § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. mit den zwingenden Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht vereinbar und damit europarechtswidrig ist.20 a) Die Ferenschild-Entscheidung des EuGH Hintergrund der Entscheidung war ein am 4. März 2016 eingereichtes Vorabentscheidungsersuchen des belgischen Cour d’appel de Mons zur Auslegung von Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 UAbs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. 21 Nach den bindenden Ausführungen des EuGH unterscheidet Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie zwischen der – dem deutschen Recht unbekannten – Haftungsdauer und der Verjährungsfrist. Während die Verjährungsfrist die Einklagbarkeit des Anspruchs betrifft, hindert der Ablauf der Haftungsdauer bereits die Anspruchsentstehung.22 Für beide Institute sieht Art. 5 Abs. 1 eine Mindestfrist von zwei Jahren vor. Art. 7 Abs. 1 UAbs. 2 ist nach dem EuGH jedoch dahingehend auszulegen, dass bei gebrauchten Sachen eine vertragliche Verkürzung der Haftungsdauer auf bis zu ein Jahr gestattet ist. Die Verjährungsfrist sei demgegenüber nicht gleichermaßen abdingbar, sondern habe unabhängig von der Haftungsdauer mindestens zwei Jahre ab Lieferung der Sache zu betragen.23 Dafür spreche neben dem Wortlaut der Norm – wobei der EuGH ausdrücklich auf die deutsche Sprachfassung verweist24 – auch ErwGr. 16 der Richtlinie, in dem es heißt, dass die Mitgliedstaaten den Parteien gestatten können, für gebrauchte Güter eine kürzere „Haftungsdauer“ zu vereinbaren.25 Soweit das deutsche Recht also in einem Umkehrschluss26 zu § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. bei gebrauchten Sachen eine vertragliche Erleichterung der Ver19 EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16 (Ferenschild/JPC Motor SA), ECLI:EU:C: 2017:541. 20 BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008 Rn. 19; BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 22; vgl. dazu auch Leenen, JZ 2018, 284; B. Köhler, GPR 2018, 37; Lorenz, MüKo BGB, § 476 Rn. 25 ff. 21 ABl. C 191 v. 30.05.2016, S. 12. 22 EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16 (Ferenschild/JPC Motor SA), ECLI:EU:C: 2017:541 Rn. 33 ff. 23 EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16 (Ferenschild/JPC Motor SA), ECLI:EU:C: 2017:541 Rn. 41. 24 EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16 (Ferenschild/JPC Motor SA), ECLI:EU:C: 2017:541 Rn. 44. 25 EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16 (Ferenschild/JPC Motor SA), ECLI:EU:C: 2017:541 Rn. 43 ff. 26 Staudinger, DAR 2018, 241, 241.

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jährung auf bis zu ein Jahr erlaubt hat, weicht das dieser Regelung zugrundeliegende deutsche Richtlinienverständnis27 erheblich von der dargestellten Auslegung des Gerichtshofs ab.28 Da letztere aber Bindungswirkung entfaltet, ist § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. richtlinien- und damit europarechtswidrig.29 b) Konsequenzen für das deutsche Recht Die rechtlichen Konsequenzen der Unionsrechtswidrigkeit waren lange Zeit ungeklärt. Während in der Literatur u. a. eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung des § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. diskutiert wurde,30 hat die instanzgerichtliche Rechtsprechung die vorherrschende Rechtsunsicherheit durch divergierende Einzelentscheidungen befeuert. So hat sich das OLG Frankfurt gegen eine Anwendbarkeit der Vorschrift ausgesprochen,31 während das OLG Celle der Richtlinienwidrigkeit mangels horizontaler Drittwirkung keine Auswirkungen auf das deutsche Recht beigemessen hat.32 Der BGH bestätigte zunächst nur in einem obiter dictum die offensichtliche Unionsrechtswidrigkeit von § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F., ließ deren rechtlichen Auswirkungen aber mangels Entscheidungserheblichkeit unerörtert.33 Da auch die Legislative keine Initiative ergriff, konnte erst durch eine weitere Entscheidung des BGH im November 202034 und damit über drei Jahre nach Erlass des EuGH-Urteils Rechtssicherheit geschaffen werden. In der bezeichneten Entscheidung urteilte der BGH, dass es bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber bei einer Fortgeltung des § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. bleiben müsse.35 Die Richter betonten zwar einerseits die mitgliedstaatliche Verpflichtung zur Verwirklichung des europäischen Richtlinienziels,36 zeigten andererseits aber auch die Grenzen der nationalen Auslegungs- bzw. 27

Vgl. dazu BT-Drucks 14/6040, S. 245. Leenen, JZ 2018, 284, 287. 29 Lorenz, MüKo BGB, § 476 Rn. 25 f. 30 Vgl. dazu u. a. Staudinger, DAR 2020, 558; ders., DAR 2018, 241; Leenen, JZ 2018, 284, 287; Ball, jurisPK-BGB, § 476 (Stand: 07.01.2021) Rn. 28. 31 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 11.07.2019 – 16 U 112/18, BeckRS 2019, 31511 Rn. 13. 32 OLG Celle, Urt. v. 11.09.2019 – 7 U 362/18, BeckRS 2019, 32378 Rn. 7. 33 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 22 f. 34 BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008; in einem obiter dictum bestätigt durch BGH, Urt. v. 07.04.2021 – VIII ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 102. 35 BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008 Rn. 46. 36 Vgl. dazu auch EuGH, Urt. v. 27.03.2014 – C-565/12 (LCL Le Crédit Lyonnais SA/Fesih Kalhan), ECLI:EU:C:2014:190 Rn. 54; EuGH, Urt. v. 05.10.2004 – C-397/01 bis C-403/01 (Bernhard Pfeiffer u. a./Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e.V.), ECLI:EU:C:2004:584 Rn. 113 m.w. N. 28

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Rechtsfortbildungsmöglichkeiten auf. Diese fänden sich vorliegend in dem eindeutigen Wortlaut der Norm sowie in dem ausdrücklich erklärten Willen des deutschen Gesetzgebers, das ihm bekannte Modell einer Haftungsfrist gerade nicht neu in das nationale Recht einzuführen, sondern es bei dem im deutschen Recht bereits geltenden System der Verjährung zu belassen.37 Vor diesem Hintergrund käme eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung weder dahingehend in Betracht, dass § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. unanwendbar ist noch dahingehend, dass mit der Vorschrift (nur) eine Vereinbarung einer auf bis zu ein Jahr verkürzten Haftungsdauer erlaubt sein soll.38 Eine Derogation der Vorschrift würde den Willen des Gesetzgebers, beim Kauf gebrauchter Sachen eine Vereinbarung über eine verkürzte Verjährung zuzulassen, ins Gegenteil verkehren und käme einer verfassungsrechtlich unzulässigen Verwerfung der Norm durch den Senat gleich.39 Im Übrigen könne eine Vereinbarung über die Haftungsfrist auch nicht als Minus in die Verjährung reingelesen werden mit der Folge, dass man diesen Teil aufrechterhalten könnte. Denn eine gegen den ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen verstoßende erstmalige Einführung einer Haftungsfrist in das deutsche Gewährleistungsrecht überschreite die verfassungsrechtlichen Grenzen und greife unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein.40 Die lang ersehnte Entscheidung des BGH hat der – insbesondere beim Pferdeund Gebrauchtwagenkauf – vorherrschenden Rechtsunsicherheit ein Ende bereiten können. Die vorläufige Fortgeltung der Norm hat dabei nicht nur die befürchtete Prozessflut verhindert,41 sondern ist auch zu Recht auf Zustimmung gestoßen.42 Der BGH berücksichtigt zutreffend die Grenzen der nach innerstaatlichem Recht erlaubten Auslegungsmethoden – insbesondere den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung. So darf eine richtlinienkonforme Auslegung nach der Rechtsprechung des EuGH nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts herangezogen werden.43 Auch das BVerfG hat wiederholt festgestellt, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm nicht im Wege der richtlinienkonformen Auslegung ein entgegenge37 BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008 Rn. 31 ff.; vgl. außerdem BT-Drucks 14/6040, S. 81. 38 BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008 Rn. 36. 39 BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008 Rn. 39. 40 BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008 Rn. 41 f. 41 Almeroth, NZV 2021, 102, 102. 42 Vgl. Looschelders, JA 2021, 419, 421; Rapp, NJW 2021, 969 Rn. 11 ff.; Tolani, Anm. zu BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008, 1014; kritisch Staudinger/Busse, jM 2021, 197, 198 f. 43 EuGH, Urt. v. 15.01.2014 – C-176/12 (Association de médiation sociale/Union locale des syndicats CGT u. a.), ECLI:EU:C:2014:2 Rn. 39; EuGH, Urt. v. 04.07.2006 – C-212/04 (Konstantinos Adeneler u. a./Ellinikos Organismos Galaktos), ECLI:EU:C: 2006:443 Rn. 110.

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setzter Sinn verliehen werden darf.44 Zwar ist der nationale Richter zur Wahrung des Richtlinienziels nicht nur zu einer Auslegung im engeren Sinn, sondern – soweit möglich – auch zu einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung verpflichtet. Für diese gelten indes dieselben verfassungsrechtlichen Grenzen.45 Vor diesem Hintergrund kommt weder eine die Norm in ihr Gegenteil verkehrende Derogation von § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F.46 noch das Hineinlesen der vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht mitgeregelten Haftungsfrist47 in Betracht. Vielmehr hat der BGH zutreffend sowohl die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung als auch eine entsprechende Rechtsfortbildung des § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. abgelehnt.48 c) Geplante Neuregelung durch das „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ Der richtlinienwidrige § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. sollte nach der Rechtsprechung des BGH zwar nur bis zu einer gesetzlichen Neuregelung fortgelten. Auf diese ließ der Gesetzgeber jedoch erstaunlich lange warten. Während er zunächst durch langjährige Untätigkeit glänzte, war eine Änderung des § 476 BGB schließlich in dem Entwurf des – inzwischen verabschiedeten49 – „Gesetzes für faire Verbraucherverträge“ vorgesehen.50 Der am 16. Dezember 2020 veröffentlichte Regierungsentwurf schlug vor, einerseits den richtlinienwidrigen zweiten Hs. von § 476 Abs. 2 BGB zu streichen und andererseits in Abs. 1 der Vorschrift einen neuen S. 2 aufzunehmen, der es den Parteien stattdessen erlaubt, eine mindestens einjährige Gewährleistungsfrist51 zu vereinbaren.52 Die Umsetzung dieses Entwurfs hätte jedoch zur Folge gehabt, dass die Praxis erstmals mit der – dem deutschen Recht bislang unbekannten – Gewährleistungsfrist konfrontiert worden wäre, was erhebliche Rechtsunsicherheiten hervorzuru44 BVerfG, Beschl. v. 15.09.2011 – 1 BvR 2232/10 (BVerfGK 19, 50), NVwZ 2012, 429 Rn. 45 m.w. N.; BVerfG, Urt. v. 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79 (BVerfGE 54, 277), NJW 1981, 39, 43. 45 BGH, Urt. v. 28.10.2015 – VIII ZR 158/11 (BGHZ 207, 209), NJW 2016, 1718 Rn. 37 ff. 46 Dafür aber OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 11.07.2019 – 16 U 112/18, BeckRS 2019, 31511 Rn. 13; eine Derogation wegen des verbleibenden Anwendungsbereichs für Rechtsmängel nicht befürchtend Staudinger/Busse, jM 2021, 197, 199. 47 Dafür z. B. Leenen, JZ 2018, 284, 288 f. 48 Zustimmend auch Lorenz, MüKo BGB, § 476 Rn. 26; Augenhofer, BeckOGK BGB, § 476 Rn. 67; Faust, BeckOK BGB, § 476 Rn. 4; Tolani, Anm. zu BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008, 1014; Looschelders, JA 2021, 419, 421; Rapp, NJW 2021, 969 Rn. 11; Arnold/Hornung, JuS 2019, 1041, 1047; kritisch hingegen Staudinger/Busse, jM 2021, 197, 198 ff.; Leenen, JZ 2018, 284, 288 f. 49 BGBl 2021 I, S. 3433. 50 BT-Drucks 19/26915, S. 8. 51 Synonym für Haftungsfrist oder Haftungsdauer. 52 BT-Drucks 19/26915, S. 8, 13.

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fen drohte. Vor dem Hintergrund, dass die Gewährleistungsfrist mit Inkrafttreten des reformierten § 476 Abs. 2 BGB aber bereits wenige Monate später wieder abgeschafft worden wäre, wurden im weiteren Gesetzgebungsverfahren berechtigte Zweifel an der Zweckmäßigkeit des geplanten § 476 BGB-E erhoben.53 So wurde nicht nur die Verursachung unnötiger Kosten, sondern insbesondere befürchtet, dass die kurzfristige Gesetzesänderung mehr Verwirrung stiften als Rechtssicherheit schaffen würde.54 Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat daher eine Streichung des ursprünglich vorgesehenen § 476 BGB-E in seine Beschlussempfehlung aufgenommen,55 die der Bundestag in seiner Sitzung vom 24. Juni 2021 angenommen hat.56 Eine Korrektur des richtlinienwidrigen § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. war damit vom Tisch. Das Gesetz für faire Verbraucherverträge wurde ohne entsprechende Änderungen der Vorschrift verabschiedet,57 sodass § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. auch weiterhin für die Wirksamkeit sämtlicher Verjährungserleichterungen maßgeblich ist, die vor dem 1. Januar 2022 vereinbart worden sind. d) Exkurs: Unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch des Verbraucher-Pferdekäufers Zwar mögen die Gründe, die gegen eine Umsetzung des geplanten § 476 BGB-E gesprochen haben, nachvollziehbar sein. Sie ändern jedoch nichts daran, dass dem Gesetzgeber die Richtlinienwidrigkeit des § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. spätestens seit der Ferenschild-Entscheidung im Jahr 2017 bekannt gewesen sein muss. Dass er dennoch über Jahre hinweg keine Korrektur der Vorschrift vorgenommen hat, könnte daher seitens der Pferdekäufer zur Grundlage eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs58 gemacht werden. Verbraucher, die grundsätzlich bestehende Gewährleistungsrechte aufgrund des Ablaufs einer vereinbarten einjährigen statt der von der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zwingend vorgesehenen zweijährigen Verjährungsfrist nicht effektiv durchsetzen konnten, dürften als Adressaten der Richtlinie einen – kausal auf der Untätigkeit des deutschen Gesetzgebers beruhenden – Schaden erlitten ha53 Vgl. Buchmann, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge, S. 8; Brönneke, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge sowie begleitender Anträge, S. 8. 54 Buchmann, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge, S. 8. 55 BT-Drucks 19/30840, S. 7. 56 Plenarprotokoll 19/236 v. 24.06.2021, S. 30732. 57 BGBl 2021 I, S. 3433. 58 Zum unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch grundlegend EuGH, Urt. v. 19.11. 1991 – verb. Rs. C-6/90 und 9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), ECLI:EU:C: 1991:428; konkretisiert u. a. durch EuGH, Urt. v. 05.03.1996 – verb. Rs. C-46/93 und C–48/93 (Brasserie du pêcheur/Factortame), ECLI:EU:C:1996:79.

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ben.59 Zwar mag der für einen Staatshaftungsanspruch ebenfalls erforderliche qualifizierte Richtlinienverstoß60 in Altfällen noch abzulehnen sein, da die Auslegung der Richtlinie – trotz der laut EuGH eindeutigen deutschen Sprachfassung61 – durch den deutschen Gesetzgeber vertretbar gewesen sein könnte.62 Seit Ferenschild war dieses Verständnis jedoch offenkundig nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die dennoch unterlassene gesetzgeberische Anpassung der Vorschrift dürfte daher in Verbindung mit der fehlenden Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung oder Rechtsfortbildung inzwischen eine andere Bewertung rechtfertigen, mithin einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch des Verbraucher-Pferdekäufers begründen.63 2. Rechtslage seit dem 1. Januar 2022 Für verjährungserleichternde Vereinbarungen, die nach dem 31. Dezember 2021 getroffen wurden, hat sich die seit Ferenschild feststehende Richtlinienwidrigkeit einjähriger Verjährungserleichterungen – trotz des in § 476 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB gleichgebliebenen Wortlauts – endgültig erübrigt. Denn dem reformierten § 476 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB liegt nicht mehr Art. 7 Abs. 1 UAbs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, sondern Art. 10 Abs. 6 der Warenkaufrichtlinie zugrunde. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, „dass sich der Verkäufer und der Verbraucher im Falle von gebrauchten Waren auf [. . .] Vereinbarungen über kürzere Haftungszeiträume oder Verjährungsfristen [. . .] einigen können, sofern diese kürzeren Fristen ein Jahr nicht unterschreiten“.64 Im Gegensatz zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wird den Parteien somit auf europäischer Ebene nicht mehr nur die vertragliche Verkürzung der Haftungsdauer, sondern auch die bislang nicht gestattete Erleichterung der Verjährungsfrist erlaubt. Die Hoffnung, dass vor diesem Hintergrund keine Anpassung der bislang verwendeten Musterverträge erforderlich sei, hat der Gesetzgeber jedoch zunichte

59 So auch Faust, BeckOK BGB, § 476 Rn. 4; vgl. zu den Voraussetzungen des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs im Einzelnen EuGH, Urt. v. 05.03.1996 – verb. Rs. C-46/93 und C–48/93 (Brasserie du pêcheur/Factortame), ECLI:EU:C: 1996:79 Rn. 51; außerdem BGH, Urt. v. 22.01.2009 – III ZR 233/07, NJW 2009, 2534 Rn. 12 sowie Frenz/Götzkes, JA 2009, 759, 760 ff. 60 Dazu ausführlich Frenz/Götzkes, JA 2009, 759, 760 ff. 61 EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16 (Ferenschild/JPC Motor SA), ECLI:EU:C: 2017:541 Rn. 44. 62 So Lorenz, MüKo BGB, § 476 Rn. 27; vgl. auch Staudinger, DAR 2020, 558, 559; allgemein zur Einordnung der Schlechtumsetzung einer Richtlinie als hinreichend qualifizierter Richtlinienverstoß Frenz/Götzkes, JA 2009, 759, 762. 63 So im Ergebnis auch Lorenz, MüKo BGB, § 476 Rn. 27; Faust, BeckOK BGB, § 476 Rn. 4; Looschelders, JA 2021, 419, 421; vgl. außerdem Rapp, NJW 2021, 969 Rn. 13 f. 64 Hervorhebungen durch Verfasserin.

B. Vertragliche Abdingbarkeit

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gemacht. Denn im Gegensatz zur bisherigen Gesetzeslage hängt die Wirksamkeit vertraglicher Verjährungserleichterungen nunmehr von der Einhaltung besonderer Formerfordernisse ab. So wie es § 476 Abs. 1 S. 2 BGB in Umsetzung von Art. 7 Abs. 5 der Warenkaufrichtlinie für negative Beschaffenheitsvereinbarungen normiert, verlangt auch § 476 Abs. 2 BGB in einem neu eingefügten S. 2, dass der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde (Nr. 1) und die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart worden ist (Nr. 2). Diesen Anforderungen wird eine in einem vorformulierten Mustervertrag aufgenommene Verjährungserleichterung indes nicht gerecht. Vielmehr muss der Pferdeverkäufer, der seine Haftung wirksam begrenzen will, den Käufer in Zukunft über die Verjährungsverkürzung informieren und diese anschließend ausdrücklich und von übrigen Abreden getrennt, d. h. außerhalb von AGB, mit dem Käufer vereinbaren.65 Da den Verkäufer im Streitfall die Beweislast trifft, ist ihm auch in diesem Zusammenhang (wenigstens) die Einhaltung der Textform zu empfehlen. a) Konsequenzen für die pferdekaufrechtliche Praxis Dem unternehmerisch handelnden Pferdeverkäufer wird mit § 476 Abs. 2 S. 2 BGB erneut ein bürokratischer Mehraufwand zugemutet, der auch die vertragliche Vereinbarung kürzerer Verjährungsfristen unattraktiv und unpraktikabel macht. Entsprechenden Klauseln kommt aber gerade im Bereich des Pferdehandels wesentliche Bedeutung zu. Denn einerseits dürfte es sich bei der weit überwiegenden Zahl der Verkaufspferde um „gebrauchte“ Pferde i. S. d. § 476 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB handeln. Andererseits sind Tiere im Vergleich zu leblosen Sachen einem ungleich höheren und zugleich unbeherrschbaren Verschlechterungsrisiko ausgesetzt. Je länger der zeitliche Abstand zwischen Übergabe und der Geltendmachung von Mängelrechten bemessen ist, desto größer wird die Beweisnot des Verkäufers sein. Dies gilt umso mehr, als dass im Verbrauchsgüterkaufrecht auch noch die Beweislastumkehr des § 477 Abs. 1 BGB zugunsten des Verbrauchers greift. Der Verkäufer hat daher bei der Veräußerung lebender Pferde ein besonders schützenswertes Interesse an der frühzeitigen Schaffung von Rechtsfrieden, dessen Durchsetzung ihm nicht durch die Einhaltung aufwendiger Formerfordernisse erschwert werden sollte. Im Übrigen entspricht die Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr der seit Jahrzehnten im Pferdehandel praktizierten und bewährten Praxis.66 Umfangreiche Informationspflichten dürften daher lediglich die Vertragsurkunden überfrachten, dadurch den Verbraucher überfordern und an65 Vgl. zu den Formanforderungen im Einzelnen BT-Drucks 19/27424, S. 42; außerdem Kap. 2 C. II. 1. a) bb). 66 Lüdicke, RdL 2021, 161, 167.

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Kap. 5: Verjährung beim Pferdekauf

gesichts des formalistischen Mehraufwands für weitere Einschränkungen der Marktfähigkeit „gebrauchter“ Pferde sorgen. b) Zweifel an der Richtlinienkonformität Daneben bestehen ernsthafte Zweifel an der unionsrechtlichen Wirksamkeit des neu eingefügten § 476 Abs. 2 S. 2 BGB. Denn der deutsche Gesetzgeber begründet die Einführung der Formerfordernisse nicht mit zwingenden Vorgaben der Warenkaufrichtlinie, sondern mit Aspekten der Rechtsklarheit. Er führt insoweit aus: „[. . .] Es würde indes zu einer sehr komplexen Rechtslage und damit zu Rechtsunsicherheit führen, eine Verkürzung der Verjährungsfrist grundsätzlich durch einfache Vereinbarung zuzulassen, eine Verkürzung der Verjährungsfrist in Bezug auf die Aktualisierungsverpflichtung aber von den besonderen Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 5 der Warenkaufrichtlinie abhängig zu machen. Auf eine solche Unterscheidung wird daher verzichtet [. . .]. Mit dieser Regelung werden an eine vertragliche Abweichung von den gesetzlichen Verjährungsfristen dieselben Anforderungen gestellt, wie sie bei Abweichung von den objektiven Anforderungen der Vertragsmäßigkeit bestehen. Eine solche einheitliche Regelung dient der Rechtsklarheit und vereinfacht den Wirtschaftsteilnehmern die Rechtsanwendung.“ 67

Unabhängig davon, ob § 476 Abs. 2 S. 2 BGB tatsächlich dazu geeignet ist, für klarere Rechtsverhältnisse zu sorgen, dürfte die Einführung der Formerfordernisse zumindest im Hinblick auf die beim Pferdekauf allein relevanten vertraglichen Verjährungserleichterungen auf ein Jahr (§ 476 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB) gegen das in Art. 4 der Warenkaufrichtlinie verankerte Prinzip der Vollharmonisierung verstoßen.68 Demnach dürfen die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht keine von den Bestimmungen der Warenkaufrichtlinie abweichenden Vorschriften aufrechterhalten oder einführen, was auch für die Gewährleistung eines höheren Verbraucherschutzniveaus gilt.69 Auf diese Weise soll der unter dem Mindestharmonisierungsansatz der Verbrauchgüterkaufrichtlinie entstandenen Fragmentierung der nationalen Rechtsordnungen begegnet werden, die an verschiedenen Stellen und in unterschiedlichem Ausmaß über die Unionsstandards hinausgegangen sind.70 Zwar durchbricht auch die Warenkaufrichtlinie das Prinzip der Vollharmonisierung, indem sie den Mitgliedstaaten an zahlreichen Stellen Öffnungsklauseln gewährt.71 Allerdings sind die Mitgliedstaaten, die sich für die Umsetzung einer solchen Öffnungsklausel entscheiden, an deren inhaltliche Reichweite gebunden. Sie dürfen mithin keine nationale Vorschrift einführen, die den von der Öffnungsklausel eingeräumten Gestaltungsspielraum überschreitet. 67 68 69 70 71

BT-Drucks 19/27424, S. 43. Kritisch schon Lüdicke, RdL 2021, 161, 167. Zum Begriff der Vollharmonisierung Alexander/Jüttner JuS 2020, 1137, 1139. Vgl. ErwGr. 6 und 10 sowie Art. 1 der Warenkaufrichtlinie. Z. B. in Art. 10 Abs. 3 der Warenkaufrichtlinie.

C. Zwischenfazit

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Letzteres hat der deutsche Gesetzgeber indes getan; die in § 476 Abs. 2 S. 2 BGB normierten Formanforderungen finden in der Warenkaufrichtlinie kein Pendant. Zwar erlaubt Art. 10 Abs. 6 der Warenkaufrichtlinie eine gesonderte Regelung für Verjährungserleichterungen beim Kauf gebrauchter Sachen. Die Reichweite der Öffnungsklausel beschränkt sich jedoch allein auf eine zeitliche Komponente.72 Formvorgaben sind weder verpflichtend noch optional vorgesehen. Soweit der deutsche Gesetzgeber also die Wirksamkeit verjährungsverkürzender Vereinbarungen in § 476 Abs. 2 S. 2 BGB von der Einhaltung besonderer Formerfordernisse abhängig macht, überschreitet er den von Art. 10 Abs. 6 der Warenkaufrichtlinie eröffneten Gestaltungsrahmen und damit in europarechtswidriger Weise das von der Warenkaufrichtlinie vorgesehene Verbraucherschutzniveau. c) Ergebnis Dank der modernisierten Vorgaben der Warenkaufrichtlinie begegnen vertragliche Verjährungserleichterungen i. S. v. § 476 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB seit Januar 2022 zwar keinen unionsrechtlichen Bedenken mehr. Stattdessen verstoßen entsprechende Klauseln nunmehr aber gegen nationales Recht. Denn obwohl die Richtlinienkonformität der Formvorgaben des § 476 Abs. 2 S. 2 BGB zu bezweifeln ist, stehen diese bis zu einer anderslautenden höchstrichterlichen Entscheidung formularmäßig getroffenen Verjährungsverkürzungen entgegen. Durch die zusätzlichen Anforderungen wird die Vereinbarung kürzerer Verjährungsfristen erheblich verkompliziert, was im Ergebnis den Handel mit „gebrauchten“ Pferden empfindlich beeinträchtigen wird.

C. Zwischenfazit Die gesetzgeberischen Entwicklungen rund um § 476 Abs. 2 BGB offenbaren einmal mehr die Schwierigkeiten der beabsichtigten Privatrechtsvereinheitlichung, die nicht zuletzt ein kompliziertes und mit Rechtsunsicherheiten behaftetes Zusammenspiel zwischen nationaler Gesetzgebung und grenzüberschreitendem Unionsrecht erfordert. Zwar konnte der BGH zumindest insoweit für nationale Rechtssicherheit sorgen, als dass er vertragliche Verjährungsverkürzungen trotz der seit Ferenschild feststehenden Richtlinienwidrigkeit des § 476 Abs. 2 Hs. 2 BGB a. F. für wirksam erklärt hat. Mit viel Lärm um nichts lässt sich hingegen der Versuch einer richtlinienkonformen Übergangslösung durch das „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ zusammenfassen. Trotz der durch Art. 10 Abs. 6 der Warenkaufrichtlinie verbesserten europäischen Ausgangslage kommt schließlich auch die Neuregelung des § 476 Abs. 2 BGB nicht ohne unionsrechtliche Bedenken aus, da der Gesetzgeber trotz vollharmonisierender Wirkung der 72

Wilke, VuR 2021, 283, 292.

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Kap. 5: Verjährung beim Pferdekauf

neuen Richtlinie europarechtlich nicht vorgesehene Formerfordernisse eingeführt hat. Letztlich besteht die Herausforderung des Verjährungsrechts somit darin, den Überblick über die aktuellen legislativen und judikativen Entwicklungen zu behalten, um diese bei der Vertragsgestaltung berücksichtigen zu können. Da die Vereinbarung einer Verjährungserleichterung im Übrigen sowohl nach § 476 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB als auch nach § 309 Nr. 8 lit. b) ff) BGB den Verkauf eines „gebrauchten“ Pferdes voraussetzt, wird der Pferdehändler darüber hinaus auch weiterhin mit der Abgrenzung zwischen „neuen/neu hergestellten“ und „gebrauchten“ Tieren konfrontiert. Dass diese Abgrenzung beim Pferdekauf jedoch weder interessengerecht noch rechtssicher ist, kann dabei nicht oft genug wiederholt werden.

Kapitel 6

Legislative Regelungsalternativen A. Gesetzliche Ausgangslage Ausgangslage des derzeitigen pferdekaufrechtlichen Systems war die in den Gesetzesmaterialien zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum Ausdruck kommende Annahme des Reformgesetzgebers, die Sachmängelhaftung könne sich „ohne weiteres auch beim Viehkauf nach den neu gefassten §§ 433 ff. richten“.1 Die Vielzahl pferdekaufrechtlicher Rechtsstreitigkeiten, die in regelmäßigen Abständen bis zur höchsten Instanz durchgefochten werden, zeichnen jedoch – zumindest in der hippologischen Praxis – ein anderes Bild. So offenbaren die vorstehenden Kapitel diverse Schwachstellen des rechtlichen Gleichlaufs zwischen dem Kauf einer leblosen Sache und dem Handel mit lebenden Pferden, die sich nicht nur in unangemessenen, sondern zum Teil auch in tierschutzwidrigen Ergebnissen widerspiegeln. Die Kategorisierung der pferdetypischen Beschaffenheitsmerkmale lässt dabei erkennen, dass sich die bestehenden Rechtsunsicherheiten und Anwendungsschwierigkeiten insbesondere auf die Kategorien 2 und 3 und damit auf diejenigen Bereiche konzentrieren, in denen sich Pferde von leblosen Gegenständen unterscheiden.

I. Fehlende Berücksichtigung tierspezifischer Besonderheiten und des Tierwohls Die Identifikationsmerkmale der ersten Kategorie werden zwar ebenfalls zur Grundlage verschiedenster Mängelrügen gemacht. Dass sie aber im Gegensatz zu den Beschaffenheitsmerkmalen der zweiten und dritten Kategorie selten forensisch werden, dürfte insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass sie nicht den Besonderheiten der hippologischen Beschaffenheit geschuldet sind. Vielmehr handelt es sich um solche Eigenschaften, die auch Sachen aufweisen, weshalb keine tierkaufspezifische Handhabung des Sachkaufrechts erforderlich ist. Das reduziert – ebenso wie die Objektivier- und Beweisbarkeit dieser Merkmale – das in der ersten Kategorie bestehende Konfliktpotential, welches sich wiederum in der begrenzten Zahl einschlägiger Gerichtsverfahren widerspiegelt.

1

BT-Drucks 14/6040, S. 207.

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Kap. 6: Legislative Regelungsalternativen

Die Beschaffenheitsmerkmale der Kategorien 2 und 3 sind demgegenüber gerichtliche Dauerbrenner. Sie verkörpern die individuellen und veränderbaren Gesundheits- und Verhaltensmerkmale und damit die Besonderheiten des Kaufobjekts „Pferd“. Leblosen Sachen haftet kein entsprechendes Pendant an, sodass der Pferdekauf insoweit auf einer gegenüber Gegenständen wesentlich anderen Tatsachengrundlage beruht. Dieser Unterscheidung wird die (nur) für den Kauf lebloser Sachen konzipierte kaufrechtliche Risikoverteilung nicht gerecht. Hinzu kommt, dass im Bereich des Pferdehandels nicht nur die Interessen und Risiken der Parteien ausgeglichen werden müssen, sondern – spätestens seit der Aufnahme des Staatsziels Tierschutz in Art. 20a GG – auch die betroffenen Tierwohlbelange abwägungsrelevante Berücksichtigung finden müssen. Den Schutz lebender Kaufobjekte klammern die auf leblose Gegenstände zugeschnittenen kaufrechtlichen Regelungen indes ebenfalls aus.

II. Auslegungsgrenzen Mangels gesetzlicher Berücksichtigung der tierspezifischen und tierschutzrechtlichen Besonderheiten obliegt es den Gerichten, die sachrechtlichen Vorschriften tierkaufgerecht auszulegen, mithin für eine angemessene Risikoverteilung einerseits sowie eine hinreichende Berücksichtigung des Tierwohls andererseits zu sorgen. Sichergestellt wird dies durch § 90a S. 3 BGB, der lediglich eine entsprechende Anwendung des Kaufrechts anordnet, sowie durch Art. 20a GG, der den Tierschutz auch ohne ausdrückliche Erwähnung stets für abwägungsrelevant erklärt. Unter Heranziehung dieser Vorschriften lassen sich zwar zum Teil angemessene Ergebnisse erzielen. In vielen Fällen stehen einer tierkaufgerechten Normanwendung aber die verfassungsrechtlichen Auslegungsgrenzen wie insbesondere der Wortlaut der Norm oder der ausdrücklich geäußerte Wille des Gesetzgebers und damit das Prinzip der Gewaltenteilung entgegen. Zudem führt die stets notwendige pferdekaufspezifische Auslegung der sachkaufrechtlichen Vorschriften zu Einzelfallgerechtigkeit, Willkür und einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit. Letztere belastet nicht nur die Parteien des Kaufvertrags und führt zu einer unübersichtlichen Fülle divergierender instanzgerichtlicher Einzelfallentscheidungen, sondern stellt zugleich eine Gefährdung des Tierwohls dar. Denn je rechtsunsicherer die gesetzlichen Regelungen ausgestaltet sind, desto höher fällt das Konfliktpotential und damit die Gefahr späterer Gerichtsverfahren aus. Pferdekaufrechtliche Gerichtsprozesse schöpfen aber nicht nur häufig den Instanzenzug aus, sondern erfordern in den meisten Fällen auch umfangreiche Beweisaufnahmen, wodurch das Verfahren zusätzlich in die Länge gezogen und der Tierschutz vernachlässigt wird. Denn obwohl ein lebendes Tier auch während eines Gerichtsprozesses versorgt und gepflegt werden muss, senkt die unklare Rechtslage eine entsprechende Bereitschaft der Parteien häufig auf ein Minimum herab.

B. Keine Verbesserung durch das Umsetzungsgesetz

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III. Grenzen der Vertragsgestaltung Im Interesse sowohl der Parteien als auch des Tierschutzes sollten daher zur Konfliktvermeidung eindeutige vertragliche Abreden getroffen werden, die den gesetzlichen Defiziten entgegenwirken und auf diese Weise ein möglichst hohes Maß an Rechtssicherheit erzeugen. Zu denken ist insbesondere an umfangreiche Beschaffenheitsvereinbarungen, die die problembehaftete Ermittlung der bei Pferden „üblichen“ Beschaffenheit i. S. d. § 434 Abs. 3 BGB entbehrlich machen können. Während das allgemeine Kaufrecht aufgrund seines hohen Abstraktionsniveaus und der Abdingbarkeit in weiten Teilen vertragliche Flexibilität und damit eine entsprechende bilaterale Prävention ermöglicht, steht der zwingende Charakter des Verbrauchsgüterkaufrechts in aller Regel auch vertraglichen Sondervereinbarungen entgegen. Hintergrund ist die mit den §§ 474 ff. BGB bezweckte Privilegierung des Verbrauchers, die nicht durch vertragliche Vereinbarungen unterlaufen werden soll. Trotz der bestehenden (tierschutzrechtlichen) Bedenken kann daher beispielsweise der sechsmonatige Geltungszeitraum der Beweislastumkehr weder vertraglich abbedungen noch einzelfallabhängig verkürzt werden. In diesen Fällen sind nicht nur der Judikatur, sondern auch den Parteien des Verbrauchsgüterkaufvertrags die Hände gebunden.

B. Keine Verbesserung durch das Umsetzungsgesetz zur Warenkaufrichtlinie Obwohl dem deutschen Gesetzgeber inzwischen bekannt gewesen sein dürfte, dass sich der Viehkauf nicht „ohne weiteres“ nach den §§ 434 ff. BGB richten kann, hat er auch die durch die Warenkaufrichtlinie angestoßene Kaufrechtsreform nicht zur Schaffung von Rechtsnormen genutzt, die angemessene und tierschutzgerechte Ergebnisse zu gewährleisten vermögen. Dabei hat sich die legislative Ausgangssituation seit der Schuldrechtsreform wesentlich verändert. Einerseits wurde mit Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie eine Öffnungsklausel geschaffen, die es dem Gesetzgeber ermöglicht hätte, den Tierkauf auch im Bereich des Verbrauchsgüterkaufrechts gesondert zu behandeln. Andererseits wurde zwischenzeitlich der Tierschutz in Art. 20a GG zur Staatszielbestimmung ernannt mit dem klaren Appell an den Gesetzgeber, den Schutz der Tiere im Ausgleich mit anderen berechtigten Interessen einfachgesetzlich zu verwirklichen.2 Diesem Staatsauftrag ist die deutsche Legislative nicht nachgekommen. Vielmehr hat sie im Gegenteil auf Kosten des Tierschutzes eine weitere Erhöhung

2

BT-Drucks 14/8860, S. 3.

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Kap. 6: Legislative Regelungsalternativen

des Verbraucherschutzniveaus durchgesetzt, da sie sich – mit einer Ausnahme – gegen tierkaufspezifische Modifikationen und stattdessen für eine einheitliche Adaption der europäischen Vorgaben der Warenkaufrichtlinie entschieden hat. Statt einer Optimierung ist daher ein Rückschritt des pferdekaufrechtlichen Systems zu befürchten. Insbesondere dürfte die zusätzliche Privilegierung der Verbraucher den Anreiz verstärken, bei ausbleibendem Erfolg oder Unzufriedenheit mit dem erworbenen Pferd den Kaufvertrag rückabzuwickeln und sich der übernommenen tierschutzrechtlichen Verantwortung im Nachhinein wieder zu entziehen. Zugleich werden die Parteien angesichts der neu geschaffenen Formerfordernisse darin beeinträchtigt, umfangreiche vertragliche Abreden – insbesondere negative Beschaffenheitsvereinbarungen – zu treffen und damit ein Mindestmaß an Rechtssicherheit zu schaffen. Selbst die seit der Schuldrechtsreform erstmalige und einzigartige Einführung einer tierkaufspezifischen Sondervorschrift in § 476 Abs. 1 S. 2 BGB stellt keine Errungenschaft dar. Sie sichert lediglich den gesetzlichen status quo, vermag aber keinerlei pferdekaufrechtliche Verbesserungen herbeizuführen. Insgesamt hat sich der deutsche Gesetzgeber daher erneut für den Verbraucherschutz und gegen den Tierschutz entschieden.

C. Alternative Regelungsmöglichkeiten Die verabschiedete Fassung des deutschen Umsetzungsgesetzes war jedoch keineswegs alternativlos. Vor dem Hintergrund der neuen Öffnungsklausel in Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie bot sich dem deutschen Gesetzgeber eine Vielzahl verschiedener Gestaltungsoptionen: Beispielsweise hätte er – losgelöst von zwingenden europäischen Vorgaben – ein eigenes Sonderrecht für den Kauf lebender Tiere entwerfen (dazu I.) oder den Tierhandel aus dem Anwendungsbereich der Verbraucherschutzvorschriften herausnehmen können (dazu II.). Ebenso hätte er auch die mit § 477 Abs. 1 S. 2 BGB bereits angestoßene Möglichkeit einer „Minus-Umsetzung“ umfassender verfolgen und durch die Aufnahme weiterer tierkaufspezifischer Sondervorschriften bestehende Konflikte zwischen Verbraucher- und Tierschutz auflösen können (dazu III.). Ob diese Regelungsalternativen der vom Gesetzgeber gewählten Umsetzungsgesetzgebung vorzuziehen sind, hängt jedoch davon ab, ob sie eine angemessenere Risikoverteilung zwischen den Parteien sowie mehr Rechtssicherheit und ein höheres Tierschutzniveau zu gewährleisten vermögen.

I. Sonderrecht für Lebendtierkäufe Als Pendant zu der vom deutschen Gesetzgeber stets favorisierten Rechtsvereinheitlichung ist zunächst die Einführung eines eigenen Sonderrechts für Lebendtierkäufe in Betracht zu ziehen, das sowohl die allgemeinen als auch die

C. Alternative Regelungsmöglichkeiten

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Verbrauchsgüterkaufvorschriften verdrängt.3 Eine entsprechende Gestaltung wäre von Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie gedeckt und hätte den Vorteil, dass nicht nur die Parteiinteressen, sondern auch das Tierwohl gesetzlich berücksichtigt, mithin ein möglichst hohes Tierschutzniveau gewährleistet werden könnte. Dieses zweispurige System aus Sach- und Tierkaufrecht wurde jedoch bereits in der Vergangenheit mit dem ehemaligen Viehgewährschaftsrecht erprobt und aus gutem Grund im Zuge der Schuldrechtsreform abgeschafft. Insbesondere Mängellisten können weder wissenschaftlich seriös erstellt noch flexibel gehandhabt werden.4 Vielmehr ist das Konzept eines abstrakten, einheitlichen Kaufrechts für alle Arten von Kaufgegenständen im Grundsatz zu begrüßen. Es ist detailärmer und damit für den Rechtsanwender wesentlich übersichtlicher. Zudem bietet es hinreichende Flexibilität, um einzelfallgerechte Ergebnisse zu erzeugen. Freilich zeigen die vorstehenden Kapitel, dass es dafür – insbesondere im zwingenden Verbrauchsgüterkaufrecht – einiger tierkaufspezifischer Modifikationen bedarf. Für deren Berücksichtigung ist jedoch die Einführung eines eigenständigen und umfassenden Tierkaufrechts, das auch die allgemeinen Bestimmungen verdrängt, weder erforderlich noch erstrebenswert.

II. Herausnahme lebender Tiere aus dem Verbrauchsgüterkaufregime Stattdessen könnte man in Erwägung ziehen, den Kauf lebender Tiere zumindest vom Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufrechts auszunehmen. Dies wäre in Umsetzung von Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) Warenkaufrichtlinie auf europäischer Ebene ebenfalls zulässig und könnte beispielsweise neben der Bereichsausnahme zugunsten bestimmter gebrauchter Sachen in § 474 Abs. 2 S. 2 BGB gesetzlich aufgenommen werden. Entsprechende Forderungen wurden bereits Anfang 2020 erhoben5 und nach der Veröffentlichung des abweichenden Regierungsentwurfs erneut bekräftigt.6 Der Vorteil dieser Gestaltungsoption läge darin, dass sich die Vielzahl der mit der Anwendung des zwingenden Verbrauchsgüterkaufrechts auf den Pferdehandel verbundenen Abgrenzungsfragen und Rechtsunsicherheiten erledigen würde. Der Kauf eines Pferdes würde sich auch im B2C-Bereich nach dem allgemeinen Kaufrecht der §§ 434 ff. BGB richten, das zwar ebenfalls auf den Erwerb lebloser Sachen zugeschnitten, aber in weiten Teilen abdingbar und damit wesentlich fle3

Dafür z. B. Voschepoth, S. 283 ff. So auch Neumann, S. 223. 5 Bemmann et al., AUR 2020, 171, 179. 6 Vgl. FN, Stellungnahme zum Referentenentwurf, S. 1 f.; Ausschuss für Tierzuchtrecht, Stellungnahme zum Referentenentwurf, S. 2 ff. 4

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Kap. 6: Legislative Regelungsalternativen

xibler ist. Obwohl eine entsprechende Bereichsausnahme also auf den ersten Blick eine adäquate Lösung zu sein scheint, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass sie weder interessengerecht (dazu 1.) noch tierschutzrechtlich geboten ist (dazu 2.). 1. Bedürfnis nach Verbraucherschutz Gegen eine Bereichsausnahme zugunsten lebender Tiere spricht zunächst, dass der Verbraucher auch beim Pferdekauf grundsätzlich schutzbedürftig ist.7 Den Verbraucherschutzvorschriften liegt der Gedanke zugrunde, dass zwischen den Parteien eines Verbrauchsgüterkaufvertrags erfahrungsgemäß ein strukturelles Ungleichgewicht besteht. Der Unternehmer hat nicht nur einen Informationsvorsprung hinsichtlich der Eigenschaften seines Produkts, sondern besitzt auch umfassende Markt- und Vertriebserfahrung, was ihm eine überlegene Verhandlungsposition gewährt. Die §§ 474 BGB ff. sollen daraus resultierenden Benachteiligungen des Käufers entgegenwirken und die gestörte Vertragsparität wiederherstellen.8 Beim Pferdehandel wird ein solches Gefälle zulasten des Verbrauchers jedoch zum Teil mit der Begründung abgelehnt, dass der Käufer eines Pferdes fachkundig sei und das Tier individuell besichtigt und ausprobiert habe, während dem Unternehmer keine überlegenen, sondern lediglich dieselben begrenzten Untersuchungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden.9 Dem ist zwar insoweit zuzustimmen, als dass von dem Käufer eines Pferdes schon aus tierschutzrechtlichen Gründen ein Mindestmaß an hippologischem Fachwissen erwartet werden darf. So hat der Pferdekäufer im Gegensatz zu dem Erwerber einer Kaffeemaschine – der weder besondere Produktkenntnisse aufweisen noch einer besonderen Verantwortung gegenüber der Maschine gerecht werden muss – gem. § 2 Nr. 3 TierSchG eine angemessene Pflege und Fütterung sowie die verhaltensgerechte Unterbringung und notwendige Versorgung durch Schmied und Tierarzt sicherzustellen. Zugleich sind die „Produktkenntnisse“ des Pferdeverkäufers in der Tat begrenzter als die eines Kaffeemaschinenherstellers. Während letzterer in der Regel Einblicke in den Herstellungsplan und die Produktionsvorgänge hat und somit den Zustand seiner Maschine besser zu beurteilen vermag als der lediglich kaffeekochende Endverbraucher, ist der Verkäufer eines Pferdes ebenso wenig wie der Käufer dazu imstande, den „Herstellungsprozess“ des Pferdes zu beeinflussen

7 So auch Schweden, vgl. „En ny lag om konsumentskydd vid köp och vissa andra avtal – Betänkande av Utredningen om nya konsumentköpregler“ („Ein neues Gesetz zum Verbraucherschutz bei Kauf- und bestimmten anderen Verträgen – Bericht über die Untersuchung der neuen Regeln für den Verbraucherkauf “), SOU 2020:51, abrufbar unter http://data.riksdagen.se/dokument/H8B351#page_301 (zuletzt abgerufen im Dezember 2021), S. 204 ff. 8 C. Arlt, Verbraucherschutz im reformierten Kaufrecht, S. 47. 9 Bemmann et al., AUR 2021, 171, 174 f.; FN, Jahresbericht 2020, S. 56.

C. Alternative Regelungsmöglichkeiten

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oder dessen Gesundheitszustand qualifiziert zu beurteilen. Letzteres kann nur ein fachkundiger Veterinärmediziner, der regelmäßig im Interesse und in Kenntnis beider Parteien mit der Durchführung einer AKU beauftragt wird. Dennoch kann ein Wissensgefälle zwischen den Parteien nicht vollständig negiert werden.10 Zunächst gibt es viele pferdekaufende Verbraucher, denen zwar fachkundige Hilfspersonen zur Sicherstellung einer artgerechten Haltung des Tieres zur Seite stehen, die aber selbst wenig hippologische Fachkenntnisse besitzen. In diesen Fällen wird der Unternehmer trotz der externen Beratung stets überlegen sein. Aber auch gegenüber einem fachlich versierten Verbraucher kommt dem Unternehmer ein begrenzt überlegenes Wissen zu, da er zwar den Gesundheitszustand i. S. d. zweiten Kategorie nicht qualifiziert zu beurteilen vermag, wohl aber das Verhalten und die Entwicklung des Pferdes – insbesondere, wenn ihm das Tier bereits seit dessen Geburt gehört. Im Gegensatz zum Käufer sind ihm zudem die den Zustand des Pferdes während seiner Besitzzeit beeinflussenden Faktoren wie die Fütterung, Haltung oder das Training bekannt.11 Hinzu kommt, dass der unternehmerisch handelnde Verkäufer regelmäßig mehr Erfahrung mit der Abwicklung von Pferdekaufverträgen besitzt als der Verbraucher, der nicht jede Woche ein neues Pferd erwirbt. Der Verkäufer kennt sowohl den Markt als auch die rechtlichen Abläufe einschließlich möglicher Schlupflöcher. Im Übrigen stellt er in der Regel den Kaufvertragsentwurf zur Verfügung. Der kaufunerfahrene Verbraucher wird somit automatisch in die schlechtere Verhandlungsposition gedrängt. Diese verschlechtert sich zusätzlich dadurch, dass der Käufer, der regelmäßig nur an dem konkreten Pferd interessiert ist, kompromissbereiter sein wird als der Verkäufer, der im Zweifel auch an andere Interessenten verkaufen und damit den Druck erhöhen kann. Ohne die Aufrechterhaltung eines Mindestmaßes an zwingendem Verbraucherschutz, besteht daher die Gefahr, dass der Verbraucher auch ungünstigen Kaufkonditionen zustimmt mit der Folge, dass der Verkäufer letztlich die Abbedingung wesentlicher Käuferrechte in der Hand hätte. Ein strukturell bestehendes Ungleichgewicht zwischen Unternehmer und Verbraucher ist daher auch beim Pferdekauf nicht von der Hand zu weisen. Zwar dürfte dieses deutlich geringer ausfallen als beim Kauf von Fabrikationsware. Im Grundsatz ist aber auch der pferdekaufende Verbraucher durch geeignete Schutzvorschriften vor drohenden Benachteiligungen zu schützen, weshalb eine vollständige Ausnahme des Tierkaufs aus dem Anwendungsbereich der Verbraucherschutzbestimmungen nicht interessengerecht erscheint.

10 Vgl. auch Voschepoth, S. 278, die ebenfalls von einer Überlegenheit des Verkäufers ausgeht. 11 Lüdicke, RdL 2021, 161, 164.

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Kap. 6: Legislative Regelungsalternativen

2. Keine abweichende Beurteilung aufgrund überwiegender Tierschutzbelange Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund überwiegender tierschutzrechtlicher Belange. Zwar könnte dem Tierschutz angesichts seiner verfassungsrechtlichen Verankerung in Art. 20a GG und dem lediglich geringen Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien gegenüber dem lediglich einfachgesetzlich festgeschriebenen Verbraucherschutz vorrangige Bedeutung zugemessen werden. Allerdings machen die betroffenen tierschutzrechtlichen Interessen keine generelle Bereichsausnahme zugunsten lebender Tiere erforderlich. Vielmehr würde eine solche Regelung beim Pferdekauf ebenfalls tierschutzrechtlichen Bedenken begegnen. Denn durch die Ausnahme lebender Tiere vom Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufregimes würde nicht nur der Tierschutz „gewinnen“, sondern ebenso die unternehmerisch handelnden Pferdeverkäufer. Letztere werden bislang durch die Verbrauchsgüterkaufvorschriften davon abgehalten, Pferde unter Ausnutzung ihrer überlegenen Verhandlungsposition an kaufunerfahrene Verbraucher zu vermarkten. Der Unternehmer, der sich verschärften Käuferschutzvorschriften ausgesetzt sieht, wird Verkaufsentscheidungen gründlicher überdenken und verantwortungsvoller handeln. Insbesondere dürfte er auch gegenüber unerfahreneren Käufern mehr darauf bedacht sein, das Pferd einerseits in einem tierschutzgerechten Zustand zu übergeben und andererseits an einen Käufer zu verkaufen, dessen Anforderungen das jeweilige Pferd auch gerecht werden kann. Zugleich wird er das Pferd nicht jedem potentiellen Käufer anvertrauen, sondern nur denjenigen, denen er einen gewissenhaften und tiergerechten Umgang mit dem Pferd unterstellt. Anderenfalls erhöht sich die Gefahr, dass bereits nach kurzer Zeit Probleme entstehen, aufgrund derer der in Beweisnot geratene Unternehmer das Pferd wieder zurücknehmen muss. Dieser nicht nur verbraucher-, sondern zugleich das Tierwohl schützende Regulierungseffekt der Verbrauchsgüterkaufvorschriften würde bei einer generellen Bereichsausnahme zugunsten lebender Tiere vollständig entfallen. Letztlich schützen die §§ 474 ff. BGB somit nicht nur den unerfahrenen Käufer vor Benachteiligungen, sondern – wenn auch als unbeabsichtigter Nebeneffekt – zugleich das Wohl der zu verkaufenden Tiere. Angesichts dieses partiellen Gleichlaufs ist der Tierschutz daher trotz seiner verfassungsrechtlichen Verankerung nicht dazu geeignet, das aus Verbrauchersicht vorhandene Schutzbedürfnis vollständig zu verdrängen und eine generelle Bereichsausnahme zugunsten lebender Tiere zu rechtfertigen. 3. Exkurs: Rechtslage in europäischen Nachbarländern Ein Blick über die deutschen Grenzen hinaus zeigt, dass viele europäische Nachbarländer – zum Teil trotz eigener Bemühungen in Bezug auf die Aufnahme der Öffnungsklausel in Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) Warenkaufrichtlinie – ebenfalls

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zu einer grundsätzlichen Aufrechterhaltung des Verbraucherschutzes tendieren. Beispielsweise halten weder Frankreich noch Belgien oder Schweden eine generelle Bereichsausnahme zugunsten lebender Tiere für zweckmäßig: Sowohl die belgische Kommission für Verbraucherfragen als auch ein auf Beschluss der schwedischen Regierung erstellter Bericht führen aus, dass der Verbraucherschutz auch beim Kauf lebender Tiere nicht vollständig aufzugeben, sondern vielmehr ein Gleichgewicht zwischen den Verbraucherinteressen und dem tierkaufspezifischen Regelungsbedarf herzustellen sei.12 Auch in Frankreich wird der Verbraucher-Pferdekauf weiterhin dem verbraucherschützenden Code de la consommation unterfallen.13 Lediglich die bereits bekannte, für den Kauf bestimmter Tiere („animaux domestiques“)14 in Art. 213-1 Code rural normierte Ausnahme von der zweijährigen Beweislastumkehr des Art. 217-7 Code de la consommation wird aufrechterhalten und nunmehr auf die Öffnungsklausel des Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie gestützt.15 Gleichwohl sind auch Bereichsausnahmen zugunsten lebender Tiere zu finden. So hat der österreichische Gesetzgeber die neu geschaffene Öffnungsklausel dazu genutzt, den Tierkauf vom Anwendungsbereich sämtlicher nationaler Verbraucherschutzbestimmungen auszunehmen.16 Zwar wurde auf europäischer Ebene eine entsprechende Zersplitterung der nationalen Tierkaufrechte mit der Auf12 Vgl. für Belgien „Avis – Transposition de directives européennes concernant la vente aux consommateurs tant de biens que de contenus et services numériques“ („Stellungnahme – Umsetzung der EU-Richtlinien über den Verkauf von digitalen Waren, Inhalten und Dienstleistungen an Verbraucher“), CCE 2019-1660 v. 03.09.2019, abrufbar unter https://www.ccecrb.fgov.be/dpics/fichiers/2019-09-19-03-21-55_CCE 20191660transpositiondirectives..pdf (zuletzt abgerufen im Dezember 2021), S. 5 f. sowie für Schweden SOU 2020:51 (s. o. Fn. 7), S. 204 ff. 13 Vgl. die Ausarbeitung zur Gewährleistung beim Kauf lebender Tiere, WD 7 – 3000 – 033/21, S. 7, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/844326/ 94edfe9afbf27be8f5a6e5d87ac4579f/WD-7-033-21-pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 14 Laut der Verordnung „Arrêté du 11 août 2006 fixant la liste des espèces, races ou variétés d’animaux domestiques“, abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/down load/pdf?id=R3ss-_7F9C5MsvA5vo0TQcLA4aKVsI0JBXEqZiC2ilk (zuletzt abgerufen im Dezember 2021) gehören auch Pferde zu den „animaux domestiques“. 15 „Rapport n ë 3382 – fait au nom de la commission des affaires économiques sur le projet de loi, adopté par le Sénat après engagement de la procédure accélérée, portant diverses dispositions d’adaptation au droit de l’Union européenne en matière économique et financière (n ë 3196)“ („Bericht Nr. 3382 – erstellt im Namen des Wirtschaftsausschusses zu dem vom Senat nach Einleitung des beschleunigten Verfahrens angenommenen Gesetzentwurf, der verschiedene Anpassungsbestimmungen an das Recht der Europäischen Union in Wirtschafts- und Finanzfragen enthält“) v. 30.09.2020, abrufbar unter https://www.assemblee-nationale.fr/dyn/15/rapports/cion-eco/l15b3382-tii_rap port-fond (zuletzt abgerufen im Dezember 2021), S. 12. 16 Vgl. den Beschluss des Nationalrates v. 07.07.2021, abrufbar auf der Internetseite der Republik Österreich unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/BNR/ BNR_00346/index.shtml (zuletzt abgerufen im Dezember 2021) sowie die Kundmachung im Österreichischen BGBl I Nr. 175/2021.

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nahme der Optionsklausel in Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie sehenden Auges in Kauf genommen. Dennoch wurden auf nationaler Ebene angesichts der drohenden Divergenzen unerträgliche Wettbewerbsnachteile einschließlich vermehrter Wegzüge inländischer Unternehmer befürchtet.17 Dem ist jedoch zunächst entgegenzuhalten, dass Verbrauchsgüterkäufe gem. Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO in aller Regel dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers unterliegen, weshalb vermeintlich strengere deutsche Regeln unterschiedslos für alle Unternehmer gelten, die Verträge mit deutschen Verbrauchern schließen.18 Hinzukommt, dass eine Bereichsausnahme in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der nationalen Kaufrechtssysteme nicht zwangsläufig eine verbesserte Rechtsstellung des Verkäufers zur Folge hat, die ihn zum Wegzug drängen könnte. Gerade dies zeigt das Beispiel Österreichs: Das österreichische Kaufrecht kann als Mischform zwischen dem ehemaligen Viehgewährschaftsrecht und dem heutigen deutschen Kaufrecht verstanden werden.19 Während einerseits bestimmte tierkaufrechtliche Sonderbestimmungen zu beachten sind – wie beispielsweise die lediglich sechswöchige Verjährungsfrist in § 933 Abs. 2 ABGB oder § 925 ABGB, der auf gesondert geregelte Vermutungsfristen für bestimmte Tierkrankheiten in einer eigenen Verordnung20 verweist – gelten im Übrigen die allgemeinen kaufrechtlichen Vorschriften.21 Letztere sehen u. a. in § 924 ABGB eine sechsmonatige Beweislastumkehr vor, die nicht auf den B2C-Bereich begrenzt, sondern stets zugunsten des Käufers anzuwenden ist.22 Handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf, war zudem bislang das Konsumentenschutzgesetz (KSchG) und insbesondere § 9 Abs. 2 KSchG zu beachten. Letzterer hat die Anwendbarkeit der tierkaufspezifischen Sondervorschriften (§§ 925 bis 927 und 933 Abs. 2 ABGB) auf den Erwerb durch Verbraucher ausgeschlossen.23 In Umsetzung der Warenkaufrichtlinie hat der österreichische Gesetzgeber nunmehr ein weiteres Gesetz geschaffen: das sog. Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG).24 Das VGG ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten und auf alle Warenkaufverträge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2021 geschlossen wurden.25 Der Kauf lebender Tiere ist jedoch 17 Vgl. z. B. FN, Stellungnahme zum Referentenentwurf, S. 2; Ausschuss für Tierzuchtrecht, Stellungnahme zum Referentenentwurf, S. 3. 18 Vgl. Bach, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 12. 19 Vgl. Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 204. 20 „Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 28. November 1972 über die Vermutungsfristen bei Tiermängeln“, Österreichisches BGBl Nr. 472/1972. 21 Hofer, S. 239 f. 22 Hofer, S. 236. 23 Dazu Hofer, S. 241. 24 Österreichisches BGBl I Nr. 175/2021. 25 § 29 Abs. 1 und 2 VGG.

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aus dem Anwendungsbereich des neuen Gesetzes ausgenommen worden, § 1 Abs. 2 Nr. 1 VGG. Zugleich wurde § 9 Abs. 2 KSchG aufgehoben26 mit der Folge, dass der Pferdekauf seit dem 1. Januar 2022 nur noch den allgemeinen kaufrechtlichen Vorschriften des ABGB unterfällt. Das hat freilich zu gewissen Verbesserungen der Verkäuferrechte geführt. Anders als es bei einer entsprechenden Bereichsausnahme im BGB der Fall wäre, bleibt aber insbesondere die sechsmonatige Beweislastumkehr des § 924 ABGB zugunsten des Käufers weiterhin anwendbar. Eine im Vergleich zum deutschen Recht unerträgliche Privilegierung des Verkäufers ist daher schon vor diesem Hintergrund nicht zu befürchten. Im Übrigen ist es nicht die Aufgabe der nationalen Legislative, für eine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Regelungen zu sorgen. Vielmehr hat sie Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen nationalen Kaufrechtssystem so umzusetzen, dass die innerstaatlichen Vorschriften einerseits eine angemessene Risikoverteilung einschließlich des gebotenen Verbraucherschutzes und andererseits ein höchstmögliches Tierschutzniveau gewährleisten. Während dafür im EU-Ausland – wie beispielsweise in Österreich – eine generelle Bereichsausnahme zu befriedigenden Lösungen führen kann, zeigen die vorstehenden Ausführungen, dass die Herausnahme lebender Tiere aus dem deutschen Verbrauchsgüterkaufrecht nicht dazu geeignet ist, angemessene und dem Staatsziel Tierschutz dienliche Ergebnisse zu erzeugen.

III. Sondervorschriften für den Kauf lebender Tiere Vor diesem Hintergrund hätte der deutsche Gesetzgeber neben § 477 Abs. 1 S. 2 BGB die punktuelle Aufnahme weiterer Sonderregelungen in Erwägung ziehen müssen, die das sachrechtliche Kaufrecht an den notwendigen Stellen tierkaufspezifisch modifizieren. Das Ziel sollte dabei in der Reduktion pferdekaufrechtlicher Rückabwicklungen sowie in der Förderung eines verantwortungsvolleren und tierschutzgerechteren Umgangs mit der Kaufsache Pferd liegen. Um realitätsfernen Erwartungshaltungen von vornherein vorzubeugen, muss das Bewusstsein beider Vertragsparteien wieder vermehrt darauf gelenkt werden, dass der Kauf eines lebenden und sich verändernden Tieres nicht mit dem Erwerb einer leblosen Sache zu vergleichen ist. Die gesetzliche Risikoverteilung muss daher so ausgestaltet sein, dass der Käufer keine übereilten Kaufentscheidungen trifft, sondern gewissenhafte Überlegungen anstellt und das Tier nur dann erwirbt, wenn er sich das damit verbundene Risiko sowie die zu übernehmende Verantwortung hinreichend bewusst gemacht hat. Zugleich ist ein höheres Maß an Rechtssicherheit anzustreben, um überflüssiges Konfliktpotential sowie willkürliche Einzelentscheidungen bestmöglich zu vermeiden. 26 Vgl. Art. 3 Nr. 4 des Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes, Österreichisches BGBl I Nr. 175/2021.

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Tierkaufspezifische Anpassungen sind daher an denjenigen Stellen in Betracht zu ziehen, an denen das Gesetz diesen Anforderungen nicht gerecht wird und auch der Rechtsprechung keine befriedigende Auslegung zu gelingen vermag. Greift man zur Lokalisierung der entsprechenden Problemschwerpunkte auf die vorstehenden Kapitel zurück, so stehen die neuen Formanforderungen des § 476 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 BGB (dazu 1.), die Länge der Beweislastumkehr (dazu 2.) sowie die Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Pferden (dazu 3.) im Vordergrund der Kritik. Schwierigkeiten bereitet zudem die Ermittlung des Nacherfüllungsortes (dazu 4.). In Anlehnung an Regelungen im EUAusland ist schließlich die gesetzliche Einführung einer vorvertraglichen Untersuchungsobliegenheit (dazu 5.) sowie die Aufnahme einer Rügeobliegenheit in Betracht zu ziehen (dazu 6.). Im Sinne der Rechtsvereinheitlichung sollte dem Umfang möglicher Sonderregelungen aber stets das Prinzip „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ zugrunde gelegt werden. 1. Keine strengen Formanforderungen Zunächst erscheint es zur Herstellung einer angemessenen Risikoverteilung erforderlich, den Kauf lebender Tiere von den strengen Formanforderungen des § 476 Abs. 1 S. 2 sowie Abs. 2 S. 2 BGB zu befreien. Denn jedenfalls der Pferdehandel wird durch die Formvorschriften massiv beeinträchtigt, ohne dass auf Verbraucherseite ein entsprechendes Schutzbedürfnis besteht. a) § 476 Abs. 1 S. 2 BGB Die Vorschrift des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB macht die Wirksamkeit negativer Beschaffenheitsvereinbarungen von der Einhaltung einer besonderen Form abhängig und verhindert damit nicht nur die gängige Praxis einfacher Bezugnahmen auf tierärztliche Protokolle, sondern gefährdet generell die Marktfähigkeit lebender Pferde.27 Dabei besteht beim Pferdekauf von vornherein keine Notwendigkeit für die Einhaltung entsprechender Formerfordernisse. Vielmehr handelt es sich um Anforderungen, die offenkundig auf den Kauf lebloser Fabrikationsware zugeschnitten wurden. Der Vorschrift liegt die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dem Informations- und Schutzbedürfnis des Verbrauchers Rechnung zu tragen,28 diesen mithin vor nicht wahrgenommenen, hinter seinen objektiv berechtigten Erwartungen zurückbleibenden Leistungsbeschreibungen in AGB zu schützen.29 Der Unternehmer, der umfassende Kenntnisse über den Herstellungsvorgang und die Be-

27 28 29

S. o. Kap. 2 C. II. 1. a) bb) (3). BT-Drucks 19/27424, S. 23. Zöchling-Jud, GPR 2019, 115, 120; Weißensteiner, ZfRV, 2019, 199, 202.

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schaffenheit seines Produktes hat, soll daran gehindert werden, die Ware in seinen AGB so zu umschreiben, dass er damit faktisch eine Haftungsbeschränkung zulasten des Verbrauchers erzeugt. Diese Gefahr besteht beim Pferdekauf jedoch nicht gleichermaßen, da die Erkenntnismöglichkeiten der Parteien wesentlich näher beieinander liegen. Einerseits entspricht es der gängigen Praxis, dass der Käufer das Pferd vor dem Kauf besichtigt und probereitet, sodass ihm sichtbare Abweichungen wie eine falsche Farbe oder Verhaltensstörungen regelmäßig schon im Vorwege auffallen werden. Andererseits kann insbesondere der Gesundheitszustand des Pferdes meist weder vom Verbraucher noch vom Unternehmer, sondern nur von einem fachkundigen Veterinärmediziner korrekt beurteilt und beschrieben werden. Lassen die Parteien aber eine AKU durchführen und wird deren Ergebnis zur Grundlage der Beschaffenheitsvereinbarung gemacht, obliegt die Zustandsbeschreibung dem Tierarzt und ist somit dem Einfluss des Verkäufers von vornherein entzogen. Zudem wird die Untersuchung regelmäßig im Interesse und in Kenntnis beider Vertragsparteien durchgeführt, da das Ergebnis – im Gegensatz zur der Produktbeschreibung einer Kaffeemaschine – für den Kaufentschluss des Pferdekäufers wesentliche Bedeutung hat. Selbst wenn der Verbraucher den Tierarzt nicht selbst beauftragt hat, ist daher davon auszugehen, dass er sich über etwaige Befunde informieren und aufklären lässt. Während also der Verkäufer durch die Anforderungen des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB massiv beeinträchtigt wird, schützt die Vorschrift den Verbraucher in den überwiegenden Fällen nur vor solchen Negativeigenschaften des Pferdes, die ihm ohnehin bekannt und ggf. sogar tierärztlich erläutert worden sind. Ein zusätzlicher Hinweis und eine gesonderte Vereinbarung der Abweichung dürften den Verbraucher in diesem Fall eher verunsichern und angesichts der vermittelten Warnfunktion sogar abschrecken. Dem Verbraucher wird das Gefühl vermittelt, ein „schlechtes“ Pferd zu erwerben, obwohl er beim Kauf eines Lebewesens stets mit gewissen Abweichungen zu rechnen hat. Statt zweckgerichtet vor Benachteiligungen zu schützen, würde § 476 Abs. 1 S. 2 BGB daher abermals die lebensfremde Erwartungshaltung schüren, ein ideales Tier erwerben zu können. Zumindest beim Kauf lebender Pferde führt die Vorschrift daher zu unbilligen Ergebnissen, weshalb sie nicht zur Anwendung gelangen sollte. Der Verbraucher wird durch das Umgehungsverbot des § 476 Abs. 4 BGB ausreichend vor unerkannten Haftungsbegrenzungen geschützt.30 b) § 476 Abs. 2 S. 2 BGB Vergleichbares gilt auch für § 476 Abs. 2 S. 2 BGB. Die darin normierten Formerfordernisse für vertragliche Verjährungserleichterungen führen ebenfalls zu 30

Dazu ausführlich Faust, BeckOK BGB, § 476 Rn. 15 ff.

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einer massiven Beeinträchtigung des Pferdehandels,31 ohne dass seitens der Verbraucher eine Notwendigkeit dafür besteht. Denn die mit der Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr verbundenen Einschränkungen der Käuferrechte sind nicht so erheblich, dass daran derart strenge Formanforderungen geknüpft werden müssten. Im Regelfall zeigen sich Fehler des erworbenen Pferdes bereits kurz nach der Übergabe.32 In diesem Fall wird der Verbraucher durch eine einjährige Verjährungsfrist nicht an der effektiven Durchsetzung seiner Rechte gehindert. Offenbart sich ein Fehler hingegen erst nach zehn Monaten, so stehen dem Käufer meist ohnehin nur noch begrenzte Möglichkeiten zu, das Vorliegen dieses Mangels bei Gefahrübergang zu beweisen. Denn je größer der zeitliche Abstand zur Übergabe ist, desto schwieriger gestaltet sich die retrospektive Beurteilung der Mangelerscheinung. Da ihm in diesem Fall auch die Beweislastumkehr nicht mehr zur Verfügung steht, wird seine Rechtsdurchsetzung durch eine einjährige Verjährungsfrist ebenfalls nicht wesentlich eingeschränkt. Auch der europäische Gesetzgeber hat entsprechende Formerfordernisse nicht für notwendig erachtet. Vielmehr wurde § 476 Abs. 2 S. 2 BGB auf Eigeninitiative der deutschen Legislative eingefügt, die jedoch ebenfalls keine überwiegenden Verbraucherschutzinteressen zur Begründung anführt, sondern sich auf Aspekte der Rechtsklarheit und Rechtsvereinfachung beruft. Dem Verbraucher kann jedoch nicht unterstellt werden, dass er Verjährungserleichterungen in Bezug auf die Aktualisierungsverpflichtungen nicht von übrigen Verjährungsverkürzungen zu differenzieren vermag, während er im Übrigen weiterhin zwischen „normalen“ Kaufgegenständen und Sachen mit digitalen Elementen zu unterscheiden hat.33 Stattdessen werden ein zusätzlicher Hinweis sowie eine § 476 Abs. 2 S. 2 BGB entsprechende Vereinbarung auch in diesem Zusammenhang die Vertragsurkunde überfrachten, ohne dem Verbraucher tatsächlich zu nutzen. Da demgegenüber die formfreie Vereinbarung einer kürzeren Verjährungsfrist essentiell für den Verkauf lebender Pferde ist, sollten auch die Anforderungen des § 476 Abs. 2 S. 2 BGB beim Pferdehandel keine Anwendung finden. c) Ergebnis Trotz der gesetzgeberischen Bestrebungen nach Einheitlichkeit ist daher aus hippologischer Sicht eine Ausnahmeregelung zugunsten des Tierkaufs aufzunehmen, die letzteren von den Formanforderungen sowohl des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB als auch des § 476 Abs. 2 S. 2 BGB befreit. Auf diese Weise kann die Marktfähigkeit lebender Tiere aufrechterhalten werden, ohne dass in verbraucherschutzrechtlicher Hinsicht ernsthafte Benachteiligungen zu befürchten sind. Ein 31 32 33

S. o. unter Kap. 5 B. II. 2. a). Bemmann, AUR 2003, 233, 238. Vgl. nur § 477 BGB oder § 475b BGB.

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entsprechender Ausnahmetatbestand könnte beispielsweise in einem neuen § 476 Abs. 5 BGB-E geregelt werden. 2. Begrenzung der Beweislastumkehr Daneben sind angesichts der fortbestehenden Bedenken gegenüber der sechsmonatigen Beweislastumkehr34 auch im Rahmen des § 477 BGB alternative Gestaltungsoptionen für den Pferdekauf in Betracht zu ziehen. Möglich wären eine vollständige Abkehr von der Beweislastumkehr (dazu a)), die Erlaubnis der Abdingbarkeit (dazu b)) oder die Normierung einer kürzeren Vermutungsfrist (dazu c)). a) Abkehr von der Beweislastumkehr? Bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wurde im Hinblick auf die rasche physiologische Veränderung lebender Organismen vorgeschlagen, Tiere vom Anwendungsbereich der Beweislastumkehr (§ 476 BGB a. F.) auszunehmen.35 Vergleichbare Bedenken und Forderungen sind auch im Rahmen der aktuellen Kaufrechtsreform geäußert worden.36 Das Institut der Beweislastumkehr existierte indes schon zu Zeiten des Viehgewährschaftsrechts. Dieses sah in § 484 BGB a. F. unabhängig von dem Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs eine – wenn auch deutlich kürzer bemessene – Beweislastumkehr zugunsten des Käufers vor. Eine tierkaufspezifische Abkehr von der Beweislastumkehr würde daher zugleich die Abkehr von Käuferrechten bedeuten, die das BGB schon seit Jahrzehnten anerkennt. Dem Verbraucher würde ein wesentliches Hilfsmittel zur erfolgreichen Prozessführung genommen, was letztlich nur gerechtfertigt ist, wenn die der Vermutungsregel zugrundeliegenden gesetzgeberischen Erwägungen auf den Tierkauf nicht zuträfen oder überwiegende tierschutzrechtliche Belange dies erforderlich machen. aa) Grundlage der Vermutungsregel Nach der Gesetzesbegründung zu § 476 BGB a. F. sind Grundlage der Beweislastumkehr die schlechteren Beweismöglichkeiten des Verbrauchers und die – jedenfalls in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe – ungleich besseren Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers.37 Diese Erwägungen treffen zwar im Grundsatz auch auf den Kauf eines Pferdes zu, das Ungleichgewicht dürfte indes deutlich geringer als beim Kauf einer leblosen Sache ausfallen.38 34

S. o. unter Kap. 3 B. III. 3. Pelhak, AgrarR 2001, 312, 312 f.; Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 206. 36 So z. B. die Pferdezuchtverbände, vgl. Plenarprotokoll 19/218 v. 25.03.2021, S. 27630; Bemmann et al., AUR 2020, 171. 37 BT-Drucks 14/6050, S. 245. 38 Lüdicke, RdL 2021, 161, 164. 35

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Denn während der Verkäufer einer Kaffeemaschine deren Zustand und Haltbarkeit aufgrund der gewählten Konstruktion, der verwendeten Einzelteile sowie mithilfe verfügbarer Erfahrungssätze qualifiziert zu beurteilen vermag, kann der Verkäufer eines Pferdes naturgemäß weder auf einen Herstellungsplan zurückgreifen noch in das Pferd hineinschauen. Genetisch bedingte Dispositionen, angeborene Verhaltensweisen oder angelegte Krankheiten bleiben ihm daher ebenso verborgen. Insoweit kommt allein der Rückgriff auf veterinärmedizinische Erkenntnismöglichkeiten in Betracht, die der Käufer jedoch gleichermaßen ausschöpfen kann. Im Übrigen lassen sich angesichts der individuellen Veranlagung jedes einzelnen Pferdes auch keine allgemeingültigen Erfahrungssätze aufstellen, sodass die weitere Entwicklung des Verkaufspferdes letztlich für beide Parteien weder beherrschbar noch vorhersehbar ist. Der Wissensvorsprung des Pferdeverkäufers beschränkt sich daher in der Regel auf die sichtbare Entwicklung und das wahrnehmbare Verhalten des Pferdes während seiner Besitzzeit einschließlich der den Zustand des Tieres zu dieser Zeit beeinflussenden äußeren Faktoren.39 Zwar erlauben auch diese Erkenntnisse keine langfristigen Zukunftsprognosen hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Pferdes. Ein gewisses Ungleichgewicht i. S. d. gesetzgeberischen Erwägungen wird dadurch jedoch trotzdem begründet.40 Obgleich sich dieses in Ausmaß und Ausprägung erheblich von dem Kauf einer leblosen Sache unterscheiden mag, spricht es doch für die grundsätzliche Aufrechterhaltung der Beweislastumkehr beim Pferdekauf.41 bb) Keine überwiegenden tierschutzrechtlichen Belange Dem stehen auch keine überwiegenden tierschutzrechtlichen Belange entgegen. Vielmehr besteht auch im Anwendungsbereich (nur) der Beweislastumkehr ein partieller Gleichlauf zwischen den Verbraucher- und Tierschutzinteressen. Denn ohne die Vermutungsregel besteht die Gefahr, dass Pferde unabhängig von ihrem Zustand an ahnungslose Käufer verkauft werden, ohne dass der Verkäufer mit ernsthaften gewährleistungsrechtlichen Konsequenzen rechnen muss. Dem beweisbelasteten Käufer wird die retrospektive Beurteilung gesundheitlicher oder verhaltensbedingter Mängel nämlich in der Regel nicht gelingen. Vor diesem Hintergrund steht nicht nur zu befürchten, dass Verkaufspferde in einem wesentlich schlechteren Zustand gehalten und verkauft werden, sondern auch, dass die Pferdehändler unerfahrene Verbraucher als Käufer bevorzugen. Denn diese werden im Zweifel weder eine AKU durchführen lassen noch selbst dazu in der Lage sein, den Zustand des Pferdes qualifiziert zu beurteilen. Die Beweislastumkehr 39

Lüdicke, RdL 2021, 161, 164. So auch BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 (BGHZ 167, 40), NJW 2006, 2250 Rn. 24; vgl. auch Wilke, BB 2019, 2434, 2436. 41 So im Ergebnis auch Bach, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 12. 40

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hemmt demgegenüber die rein wirtschaftlich orientierte Vorgehensweise unternehmerisch handelnder Pferdeverkäufer. Denn angesichts der ihm drohenden Beweisnot wird der Unternehmer Rückabwicklungen bestmöglich vermeiden wollen, weshalb er das Pferd einerseits in einem tierschutzgerechten Zustand übergeben und andererseits kompetente und verantwortungsbewusste Käufer vorziehen dürfte. Im Ergebnis können daher auch tierschutzrechtliche Gründe für die grundsätzliche Aufrechterhaltung der Beweislastumkehr im B2C-Bereich angeführt werden. cc) Keine Differenzierung nach den Mangelkategorien In Betracht kommt allenfalls eine teilweise Bereichsausnahme, die sich an den drei Mangelkategorien orientiert. Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass sich die praktische Relevanz der Beweislastumkehr vorwiegend auf die zweite Mangelkategorie bezieht, sodass man den Anwendungsbereich der Vermutungsregel von vornherein auf gesundheitliche Mängel des Pferdes beschränken könnte. Dagegen spricht jedoch zunächst, dass sich die verbraucherschützende Zweckbestimmung des § 477 Abs. 1 BGB gleichermaßen auf alle drei Kategorien erstreckt. So besteht das Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien nicht nur im Hinblick auf die Gesundheit des Pferdes, sondern hinsichtlich aller Beschaffenheitsmerkmale. Einer unterschiedlichen rechtlichen Behandlung fehlt es daher bereits an einer entsprechenden Tatsachengrundlage. Hinzu kommt, dass die kaufrechtlichen Regelungen so generell und abstrakt wie möglich gehalten werden sollten, sofern nicht ausnahmsweise überwiegende – insbesondere tierschutzrechtliche – Belange eine Sonderregelung erfordern. Vorliegend sind jedoch keine Gründe ersichtlich, die eine kategoriespezifische Sonderbehandlung erforderlich machen. Vielmehr schützt die Beweislastumkehr in allen drei Kategorien nicht nur die Verbraucherinteressen, sondern auch das Tierwohl. Im Übrigen wird durch den Ausnahmetatbestand des § 477 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 2 BGB hinreichend sichergestellt, dass die Vermutungsregel nicht zur Anwendung gelangt, wenn sie mit der Art des konkreten Mangels unvereinbar ist. Schon aus Gründen der Rechtseinheit sollte das Institut der Beweislastumkehr daher kategorieübergreifend beibehalten werden. b) Dispositive Vermutungsfrist? Allerdings könnte erwogen werden, die Beweislastumkehr beim Tierkauf dispositiv auszugestalten.42 Hiervon sollte jedoch aufgrund der soeben unter Kap. 6 C. II. 1. dargestellten Erwägungen abgesehen werden. Denn angesichts des mit 42 Dafür z. B. Bach, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 12; vgl. außerdem die schwedischen Erwägungen, SOU 2020:51 (s. o. Fn. 7), S. 210.

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der Beweislastumkehr verbundenen enormen wirtschaftlichen Risikos des Verkäufers ist davon auszugehen, dass nahezu jeder Unternehmer auf die vertragliche Abbedingung des § 477 Abs. 1 BGB drängen und diese angesichts seiner besseren Verhandlungsposition im Zweifel auch durchsetzen wird. Der Vermutungsregel würde in der Folge keine praktische Bedeutung mehr zukommen, was faktisch der gesetzlichen Abschaffung gleichkäme. Da dieses Ergebnis aber weder interessengerecht noch tierschutzrechtlich geboten ist, sollte der Ansatz einer dispositiven Ausgestaltung des § 477 Abs. 1 BGB ebenfalls verworfen werden. c) Verkürzte Vermutungsfrist? Stattdessen könnte beim Pferdekauf eine deutlich kürzere Vermutungsfrist von wenigen Wochen zu interessengerechten Ergebnissen führen.43 Durch die Normierung einer lediglich kurzzeitig eingreifenden Beweislastumkehr würde dem grundsätzlichen Bedürfnis nach einer Vermutungsregel entsprochen werden, ohne zugleich den mit einem sechsmonatigen Geltungszeitraum verbundenen Bedenken zu begegnen. Die Länge der Frist muss dabei so bemessen sein, dass einerseits ein angemessener Ausgleich zwischen den Parteiinteressen hergestellt und andererseits ein möglichst hohes Tierschutzniveau gewährleistet werden kann. Orientiert man sich an der ehemaligen Gewährsfrist, so könnte man einen Zeitraum von zwei Wochen für ausreichend erachten. Allerdings wurde die frühere Mängelliste einschließlich der darin enthaltenen Fristen für wissenschaftlich überholt angesehen.44 Zudem kann sich der Käufer nach dem heutigen System nicht mehr nur auf bestimmte Krankheiten, sondern auf sämtliche Gesundheitssowie Identifikations- und Verhaltensmängel des Pferdes berufen. Insbesondere das Verhalten des Pferdes kann sich aber nach einem Stallwechsel zunächst stressbedingt verändern, bevor es wieder den „Normalzustand“ erreicht. Um zugunsten des Verbrauchers auch diese Fälle erfassen zu können, sollte der Vermutungszeitraum mehr als nur zwei Wochen betragen. Angemessen erscheint eine Frist von etwa sechs Wochen. aa) Wahrung der Verbraucherinteressen Entgegen dem ersten Anschein wird der mit der Beweislastumkehr bezweckte Verbraucherschutz durch eine Verkürzung der Vermutungsfrist auf sechs Wochen nicht unangemessen ausgehöhlt. Der verbraucherschützende Zweck der Beweislastumkehr liegt darin, ggf. bestehende schlechtere Beweismöglichkeiten des Käufers dadurch auszugleichen, dass er für einen bestimmten Zeitraum nicht

43 Vgl. auch Adolphsen, AgrarR 2001, 203, 207, der schon zur Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie eine deutlich verkürzte pauschalierte Präsumtionsfrist vorgeschlagen hat; vgl. außerdem Voschepoth, S. 280 f. 44 BT-Drucks 14/6040, S. 206; gegen eine Zweiwochenfrist auch Voschepoth, S. 281.

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nachzuweisen braucht, dass eine erkennbar gewordene Mangelerscheinung bereits bei Gefahrübergang in der erworbenen Kaufsache angelegt war. Beim Pferdehandel ist das zugrundeliegende Ungleichgewicht zwischen den Parteien jedoch deutlich schwächer ausgeprägt, weshalb der Käufer eines Pferdes von vornherein weniger schutzbedürftig ist als der Käufer einer industriell hergestellten Sache. Hinzu kommt eine wesentlich andere Tatsachengrundlage, da sich Pferde anders als leblose Gegenstände stetig verändern und einem altersabhängigen „Verfall“ unterliegen. Während Fehler einer Sache häufig auch Jahre später auf deren mangelhafte Konstruktion zurückzuführen sind, hat sich eine erst nach einigen Monaten erkennbar gewordene Mangelerscheinung eines lebenden Pferdes mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit erst in der Zeit nach der Übergabe entwickelt.45 Denn angesichts der stetigen Veränderung lebender Tiere gilt: Je größer der zeitliche Abstand zwischen Mangelerscheinung und Gefahrübergang bemessen ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer nachträglichen Mangelentstehung. Die Beweislastumkehr will dem Käufer jedoch lediglich über Beweisschwierigkeiten hinweghelfen, nicht aber Käuferrechte für Fehler konstruieren, die den Mangeltatbestand von vornherein nicht erfüllen. Da sich sowohl die in Betracht kommenden fehlerhaften Identifikationsmerkmale als auch etwaige Erkrankungen, Verletzungen oder Verhaltensstörungen eines Pferdes in aller Regel innerhalb weniger Tage oder Wochen zeigen,46 kann daher etwaig schlechteren Beweismöglichkeiten des Pferdekäufers bereits durch die Normierung einer kurzen Vermutungsfrist von sechs Wochen ausreichend entsprochen werden. bb) Wahrung der Unternehmerinteressen Zugleich wird durch eine sechswöchige Vermutungsfrist den Unternehmerinteressen Rechnung getragen. Einerseits spiegelt die Verkürzung der Frist das wesentlich geringer ausgeprägte Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien eines Pferdekaufvertrags wider. Andererseits werden dadurch die fehlenden Einflussmöglichkeiten des Verkäufers auf eine bestimmte Funktionsfähigkeit oder Haltbarkeit des jeweiligen Pferdes berücksichtigt. Darüber hinaus sorgt die Fristverkürzung für eine angemessene Begrenzung des wirtschaftlichen Unternehmerrisikos. Die „faktische Garantiehaftung“ würde allenfalls für einen überschaubaren Zeitraum von sechs Wochen bestehen. Dabei würde es dem Verkäufer angesichts des geringeren zeitlichen Abstands zwischen Übergabe und Mangelerscheinung mit einer höheren Wahrscheinlichkeit gelingen, den Beweis der 45

Ebenso Voschepoth, S. 280. Z. B. beträgt die Inkubationszeit bei Herpes zwei bis zehn Tage, Gerber/Griot/Zanoni/Straub, Pferdekrankheiten, S. 522; bei Druse drei bis sieben Tage, Gerber, Krankheiten des Pferdes, S. 91; bei Influenza ein bis drei Tage, Gerber, Krankheiten des Pferdes, S. 79. 46

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Kap. 6: Legislative Regelungsalternativen

Mangelfreiheit bei Gefahrübergang zu führen. Jedenfalls wird mit einer kürzeren Vermutungsfrist die Anzahl potentieller Rückabwicklungen maßgeblich reduziert und damit auch die Gefahr vermindert, dass der Verkäufer Pferde zurücknehmen muss, die über einen langen Zeitraum falsch geritten oder gehalten wurden und dadurch ggf. nicht mehr weiterzuverkaufen sind. cc) Wahrung der Tierschutzinteressen Schließlich ist eine sechswöchige Vermutungsfrist auch dazu geeignet, den betroffenen tierschutzrechtlichen Interessen gerecht zu werden. Denn zum einen zwingt die grundsätzliche Beibehaltung der Beweislastumkehr unternehmerisch handelnde Pferdeverkäufer zu tierschutzgerechten und verantwortungsbewussten Veräußerungen an geeignete Käufer. Zum anderen kann durch eine deutliche Verkürzung des Geltungszeitraum den mit einer Sechsmonatsfrist verbundenen tierschutzrechtlichen Bedenken wirksam begegnet werden. Insbesondere wird das durch die Beweislastumkehr vermittelte Sicherheitsgefühl des Käufers erheblich herabgesetzt, wenn die „Rückgabeoption“ nicht für mehrere Monate, sondern lediglich für wenige Wochen besteht. Dadurch wird einerseits das mit dem Kauf eines Lebewesens verbundene Risiko wieder mehr in den Vordergrund der Kaufentscheidung gerückt und andererseits das Bewusstsein hinsichtlich der übernommenen tierschutzrechtlichen Verantwortung gestärkt. Eine verkürzte Vermutungsfrist führt daher nicht nur kurzfristig zu einer fundierteren Kaufentscheidung, sondern auch langfristig zu einem sorgsameren Umgang mit dem erworbenen Tier. Zugleich wird der Anreiz zu „Probekäufen“ angesichts des damit verbundenen Aufwands umso geringer, je kürzer die „Probefrist“ bemessen ist. Insofern würde durch eine kürzere Frist auch unnötigem Konfliktpotential vorgebeugt sowie die Zahl der pferdekaufrechtlichen Rückabwicklungen verringert. Die Konsequenz sind seltenere Stall- und Besitzerwechsel und damit eine erhebliche Reduktion von Stress und Verschleiß verkaufter Pferde. d) Ergebnis Letztlich schützt die Beweislastumkehr des § 477 Abs. 1 BGB sowohl verbraucher- als auch tierschutzrechtliche Interessen, weshalb sowohl eine vollständige Herausnahme lebender Tiere aus dem Anwendungsbereich der Beweislastumkehr als auch die tierkaufspezifische Ausgestaltung als dispositives Recht abzulehnen sind. Angesichts des lediglich schwach ausgeprägten Ungleichgewichts zwischen den Parteien eines Pferdekaufvertrags sowie der zu berücksichtigenden tierischen Besonderheiten sollte die Vermutungsfrist jedoch gegenüber derjenigen beim Kauf lebloser Sachen deutlich verringert werden. So ist beim Pferdehandel bereits eine kurze Frist von sechs Wochen dazu geeignet, sowohl ein hinreichendes Verbraucher- und Tierschutzniveau zu gewährleisten als auch das wirtschaftliche Risiko des Verkäufers angemessen zu begrenzen.

C. Alternative Regelungsmöglichkeiten

209

3. Gleichstellung lebender Tiere mit gebrauchten Sachen Ein weiterer hippologischer Problemschwerpunkt besteht in der Abgrenzung zwischen „neuen“ und „gebrauchten“ Pferden. Die gesetzlich zwingende Unterscheidung stellt die Judikatur regelmäßig vor erhebliche Probleme, da eine rechtssichere und zugleich dem Telos der Vorschrift entsprechende Abgrenzung einerseits unmöglich, eine generelle Einordnung lebender Tiere als „gebraucht“ aber andererseits mit dem gesetzgeberischen Willen unvereinbar ist.47 Dieser Konflikt könnte durch eine gesetzliche Gleichstellung lebender Tiere mit „gebrauchten“ Sachen aufgelöst werden. Eine entsprechende Gleichbehandlung hätte zur Folge, dass die für den Kauf gebrauchter Waren vorgesehenen gesetzlichen Privilegierungen des Verkäufers auch beim Kauf lebender Pferde stets – und nicht erst ab einem gewissen Lebensalter – zur Anwendung gelangen würden. Das bedeutet konkret, dass bei jedem Verbraucher-Pferdekauf – freilich nur unter der Einhaltung der strengen Formerfordernisse des § 476 Abs. 2 S. 2 BGB – Verjährungsverkürzungen auf ein Jahr zulässig und AGB-Klauseln nicht mehr an § 309 Nr. 8 lit. b) BGB zu messen wären. Hat der Verkauf im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Versteigerung stattgefunden, würde zudem die Bereichsausnahme des § 474 Abs. 2 S. 2 BGB eingreifen mit der Folge, dass ausnahmsweise die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf unanwendbar bleiben. Angesichts der Besonderheiten, die mit dem Verkauf lebender Tiere verbunden sind, erscheint diese Privilegierung des Verkäufers gerechtfertigt. Denn abgesehen davon, dass bereits jetzt die weit überwiegende Zahl der verkauften Pferde als „gebraucht“ einzuordnen ist, entspricht die Interessen- und Risikolage beim Verkauf eines lebenden Tieres stets und nicht erst ab einem gewissen Zeitablauf derjenigen beim Gebrauchtwarenkauf. Der Unterschied zwischen einer gebrauchten und einer neuen Sache besteht vor allem in der nutzungsbedingten Abweichung der Gebrauchtware zum ursprünglich hergestellten Idealzustand. Während eine neue Sache lediglich mit dem fabrikationsbedingten Mängelrisiko behaftet ist, im Übrigen aber in ihrem Herstellungszustand vor äußeren Einflüssen geschützt verwahrt werden kann, wurde eine gebrauchte Sache bereits verschiedensten mit der Nutzung verbundenen Einwirkungen ausgesetzt, die das ursprüngliche Mängelrisiko angesichts etwaiger – nicht zwingend erkennbarer – Verschleißerscheinungen ansteigen lassen. Vergleicht man dies mit der Veräußerung eines Pferdes, so entspricht diese stets dem Verkauf einer „gebrauchten“ Sache. Denn ein Pferd lässt sich zu keiner Zeit in einem Zustand verkaufen, der dem einer „neuen“ Sache entspricht – insbesondere mit einem vergleichbar niedrigen Mängelrisiko behaftet ist. Bei Lebe-

47

Dazu ausführlich Kap. 3 B. II. 2.

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Kap. 6: Legislative Regelungsalternativen

wesen gibt es keinen herstellbaren Idealzustand, der durch eine vor äußeren Einflüssen geschützte Verwahrung aufrechterhalten werden kann. Vielmehr sind bereits die Trächtigkeit der Mutterstute sowie die Entwicklung des Fohlens im Mutterleib der menschlichen Beherrschbarkeit entzogen. Zudem wird das Pferd bereits unmittelbar nach seiner Geburt einer (menschlichen) Nutzung und dem damit verbundenen Verschleißrisiko zugeführt. Einerseits gebraucht es sich selbst, indem es lebt und sich bewegt,48 andererseits wird es vom Menschen als potentielles Sport- oder Freizeitpferd gehalten und entsprechenden äußeren Einflüssen wie dem Stallklima, Artgenossen oder tiermedizinischen Versorgungen ausgesetzt. Eine einwirkungsfreie, zustandserhaltene Verwahrung ist mithin unmöglich. Dementsprechend ist auch das einem Pferd anhaftende Mängelrisiko bereits von Geburt an so hoch, dass es gerechtfertigt erscheint, die gesetzlichen Privilegierungen für den Verkauf „gebrauchter“ Waren auch dem Verkäufer eines jungen Pferdes zuzusprechen. In praktischer Hinsicht würde dafür bereits eine entsprechende Klarstellung in den Gesetzesmaterialien genügen. Dann könnten die Vorschriften zu gebrauchten Sachen in Übereinstimmung mit dem gesetzgeberischen Willen so ausgelegt werden, dass lebende Tiere generell wie gebrauchte Sachen zu behandeln sind. Um ein höheres Maß an Rechtssicherheit zu gewährleisten, müsste indes eine legislative Änderung der einschlägigen Vorschriften („gebrauchte Sachen und lebende Tiere“) in Betracht gezogen werden. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass sich die Problematik nicht auf den B2C-Bereich beschränkt, sondern auch in § 309 Nr. 8 lit. b) BGB eine Rolle spielt. Aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung und Rechtsklarheit könnte daher auch eine allgemeingültige Gleichstellungsklausel in das BGB – beispielsweise in einen neu einzufügenden § 90a S. 4 BGB-E – aufgenommen werden. 4. Gesetzliche Festlegung des Nacherfüllungsortes Zur Schaffung von Rechtssicherheit ist im Übrigen die gesetzliche Festlegung des Nacherfüllungsortes in Betracht zu ziehen. Zwar hat die Nachbesserung beim Pferdekauf gem. § 269 Abs. 1 BGB regelmäßig am Belegenheitsort des erworbenen Pferdes zu erfolgen. Rechtsunsicherheiten und Konfliktpotential bleiben indes bestehen.49 Konkret kommt beim Pferdekauf eine gesetzliche Normierung des Nacherfüllungsortes am Belegenheitsort der Kaufsache in Betracht. Eine entsprechende Regelung sollte jedoch nicht auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt, sondern in das allgemeine Kaufrecht – beispielsweise durch einen neuen § 439 Abs. 5 S. 2

48 BGH, Urt. v. 09.10.2019 – VIII ZR 240/18 (BGHZ 223, 235), NJW 2020, 759 Rn. 33. 49 S. o. Kap. 4 A. II.

C. Alternative Regelungsmöglichkeiten

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BGB-E – integriert werden. Auf diese Weise würde zugunsten der Rechtssicherheit ein gesetzlicher Regelfall festgelegt, zugleich aber die Abdingbarkeit der Vorschrift gewährleistet werden. Die Parteien könnten sich weiterhin individualvertraglich auf einen abweichenden Nacherfüllungsort einigen und damit im Einzelfall bestehende Benachteiligungen ausgleichen.50 Lediglich die formularmäßige Abbedingung zu Ungunsten eines Verbrauchers sollte unzulässig sein.51 Beim Pferdekauf würde die Gleichstellung des Nacherfüllungsortes mit dem aktuellen Belegenheitsort für interessengerechte Ergebnisse sorgen.52 Denn zum einen entspricht der Belegenheitsort der Kaufsache dem schon nach § 269 Abs. 1 BGB regelmäßig maßgeblichen Erfüllungsort der Nachbesserung. Zum anderen ist eine Nachbesserung am Belegenheitsort des Pferdes angesichts der mit dem Transport zum Verkäufer verbundenen Beeinträchtigungen und Risiken sowohl zur Wahrung der Käuferinteressen als auch tierschutzrechtlich geboten. Aber auch über den Pferdekauf hinaus sprechen gute Gründe für eine Normierung des Nacherfüllungsortes am Belegenheitsort der Kaufsache.53 Denn der Verkäufer dürfte generell daran interessiert sein, über die Notwendigkeit eines kostspieligen Transportes selbst entscheiden zu dürfen.54 Während er bei einer Gleichstellung des Nacherfüllungsortes mit seinem Wohnsitz stets die anfallenden Beförderungs- oder Versendungskosten zu übernehmen hätte, bliebe ihm bei der vorliegend priorisierten Lösung die Möglichkeit, entweder auf eine Verbringung der Ware zu verzichten und am Belegenheitsort nachzuerfüllen oder aber den Transport möglichst kostengünstig selbst zu organisieren.55 Zudem können für den Belegenheitsort der Kaufsache als Nacherfüllungsort auch die Gleichstellung mit der Rechtsprechung zum werkvertraglichen Nacherfüllungsanspruch sowie der Gleichlauf mit dem Erfüllungsort für die Rückgewähr empfangener Leistungen nach erfolgtem Rücktritt angeführt werden.56 Im Übrigen stünden einer entsprechenden nationalen Regelung auch keine zwingenden unionsrechtlichen Vorgaben entgegen. Vielmehr hat es auch der europäische Gesetzgeber versäumt, für Rechtssicherheit zu sorgen und den Nacherfüllungsort auf europäischer Ebene einheitlich festzulegen. Stattdessen eröffnet

50

Vgl. Augenhofer, NJW 2019, 1988, 1990. Ringe, NJW 2012, 3393, 3398. 52 Dafür auch Wertenbruch, NJW 2012, 2065, 2066; Westermann, MüKo BGB, § 434 Rn. 84; Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 53b. 53 Dafür auch Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 35; Andrae, NJW 2007, 3457, 3458; Thürmann, NJW 2006, 3457, 3458 f.; Huber, NJW 2002, 1004, 1006; für eine Festlegung des Nacherfüllungsortes am gewöhnlichen Aufenthalt des Käufers Ringe, NJW 2012, 3393, 3398; ähnlich auch Augenhofer, NJW 2019, 1988, 1990. 54 Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 35; Ringe, NJW 2012, 3393, 3396. 55 So auch Faust, BeckOK BGB, § 439 Rn. 35; Ringe, NJW 2012, 3393, 3396. 56 Höpfner, BeckOGK BGB, § 439 Rn. 47. 51

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Kap. 6: Legislative Regelungsalternativen

ErwGr. 56 der Warenkaufrichtlinie ausdrücklich das Ermessen der nationalen Gesetzgebung. Zumindest der deutschen Legislative ist daher dringend zu raten, diesen Gestaltungsspielraum zur Schaffung von Rechtssicherheit zu nutzen und den Nacherfüllungsort – jedenfalls für den Tierkauf, vorzugsweise aber für sämtliche Kaufverträge – am Belegenheitsort des Kaufobjekts festzulegen. 5. Vorvertragliche Untersuchungsobliegenheit des Käufers In Anlehnung an einen auf Beschluss der schwedischen Regierung zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie erstellten Bericht ist ferner die gesetzliche Einführung einer vorvertraglichen Untersuchungsobliegenheit des Käufers in Betracht zu ziehen.57 Nach dem schwedischen Vorschlag wird der Käufer zwar nicht zur Untersuchung des Pferdes verpflichtet. Unterlässt er die Untersuchung aber oder kommt er einer entsprechenden Aufforderung des Verkäufers ohne triftigen Grund nicht nach, so kann er sich später nicht auf Mängel des Tieres berufen, die bei einer Untersuchung hätten festgestellt werden müssen – es sei denn, der Verkäufer hat arglistig gehandelt.58 Der Vorteil einer solchen Regelung läge darin, dass der Käufer vor Abschluss des Vertrages zur sorgfältigeren Besichtigung und Auswahl des Pferdes gezwungen würde. Die vorab gewonnen Erkenntnisse könnte er in seine Kaufentscheidung einbeziehen, weshalb diese fundierter und sicherer ausfallen dürfte. Dem Käufer würde bereits vor Vertragsschluss vor Augen geführt, was er von dem Verkaufspferd erwarten kann und darf. Dadurch kann späteren Enttäuschungen vorgebeugt werden, was wiederum das Konfliktpotential und die Gefahr späterer Rückabwicklungen zu reduzieren vermag.59 Problematisch ist allerdings, welcher Untersuchungsumfang von dem in der Regel veterinärmedizinisch nicht vorgebildeten Käufer erwartet werden kann. Die Untersuchung eines Pferdes kann von einer reinen Blickdiagnose über die Entnahme einer Blutprobe bis hin zur Erstellung umfassender Röntgenbilder reichen. Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten sollte der Mindestumfang vorab festgelegt werden, weshalb sich eine standardisierte Untersuchung empfiehlt. In Betracht kommt daher die Obliegenheit zur Durchführung einer tierärztlichen AKU, da es für diese einen standardisierten Kaufuntersuchungsvertrag der GPM gibt, der sowohl die zu treffenden Vereinbarungen und Bedingungen als auch das Untersuchungsspektrum bestimmt.60 57

Vgl. dazu SOU 2020:51 (s. o. Fn. 7), S. 206 ff. SOU 2020:51 (s. o. Fn. 7), S. 206 f. 59 Vgl. SOU 2020:51 (s. o. Fn. 7), S. 207 f. 60 Kostenpflichtig abrufbar unter https://gpm-vet.de/shop/product/5-gpm-kaufunter suchungsauftrag (zuletzt abgerufen im Dezember 2021); dazu Bemmann/Stadler/ Schüle, AUR 2020, 242. 58

C. Alternative Regelungsmöglichkeiten

213

a) Obliegenheit zur Durchführung einer AKU? Würde man den Käufer zum Erhalt seiner Mängelrechte stets zur Durchführung einer AKU verpflichten, so hätte dies eine erhebliche wirtschaftliche Belastung zur Folge, die nicht gerechtfertigt erscheint. Insbesondere wird es Käufer geben, die zwar keine dem standardisierten AKU-Protokoll entsprechenden Untersuchungen durchführen können, wohl aber ausreichende Fachexpertise besitzen, um den Zustand des Pferdes auch ohne AKU hinreichend qualifiziert einschätzen und eine darauf beruhende fundierte Kaufentscheidung treffen zu können. Insbesondere bei günstigeren Pferden kann die kostspielige AKU außer Verhältnis zum Kaufpreis stehen und damit unwirtschaftlich sein. Soweit Schweden dem mit einer Preisgrenze begegnen will, unterhalb derer die vorvertragliche Untersuchungsobliegenheit entfällt,61 scheint dies nicht nur missbrauchsanfällig, sondern auch willkürlich. Die Durchführung einer AKU ist bei einem günstigen Pferd grundsätzlich ebenso sinnvoll wie bei einem teuren Pferd. Denn auch das günstige Pferd kann in einer Weise erkranken, die im Nachhinein enorme Kosten produziert. Schließlich würde eine entsprechende Obliegenheit dazu führen, dass es im Falle einer Mängelrüge ohne zuvor durchgeführte AKU auf das Ergebnis einer hypothetischen Untersuchung ankäme. Denn nur, wenn der Fehler bei einer vorherigen Untersuchung nicht hätte erkannt werden können, dürfte der Käufer entsprechende Mängelrechte geltend machen. In der Folge würde die retrospektive Bewertung des gerügten Fehlers erneut der ohnehin juristisch stark beanspruchten Tierärzteschaft auferlegt, obwohl es auch für diese Einschätzung an hinreichend evidenzbasierten Erkenntnissen mangeln dürfte. b) Untersuchungsobliegenheit gem. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB nur bei offensichtlichen Indizien Entscheidet man sich also mit guten Gründen gegen eine vorvertragliche AKU-Obliegenheit, muss der Käufer auf andere Weise zu sorgfältigeren Kaufentscheidungen bewegt werden. Einen Beitrag dazu leistet § 442 Abs. 1 BGB. Nach S. 1 der Vorschrift sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss Kenntnis von dem Mangel hatte. Unabhängig davon, dass dem Käufer in diesem Fall auch der Vorwurf eines rechtsmissbräuchlichen venire contra factum proprium gem. § 242 BGB gemacht werden könnte,62 dürfte die Kenntnis des Käufers in der Praxis schwer nachzuweisen

61

Vgl. SOU 2020:51 (s. o. Fn. 7), S. 206. BGH, Urt. v. 15.06.2012 – V ZR 198/11, NJW 2012, 2793 Rn. 22; Westermann, MüKo BGB, § 442 Rn. 1; Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 38. 62

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Kap. 6: Legislative Regelungsalternativen

sein.63 Entscheidend ist daher regelmäßig § 442 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach der Käufer Rechte wegen eines Mangels, der ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, nur dann geltend machen kann, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Grobe Fahrlässigkeit wird dabei als besonders schwere Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt definiert.64 Dadurch wird zwar ebenfalls keine generelle Untersuchungspflicht des Käufers – insbesondere keine Pflicht zur Durchführung einer AKU65 – begründet.66 Umständen, die offensichtlich auf einen Mangel hinweisen, muss der Käufer jedoch nachgehen.67 Diese Obliegenheit ist auch beim Pferdekauf angemessen. Denn liegen bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses offenkundige Indizien für einen Fehler des Pferdes vor, soll sich der Käufer nicht davor verschließen und auf spätere Mängelrechte vertrauen dürfen. Vielmehr sollte er entweder nähere Untersuchungen anstellen und seine Kaufentscheidung angesichts der gefundenen Ergebnisse überdenken oder aber das Pferd erwerben und die volle (tierschutzrechtliche) Verantwortung für die weitere Entwicklung des Tieres übernehmen. § 442 Abs. 1 BGB ist mithin geeignet, beim Pferdekauf interessengerechte Ergebnisse zu gewährleisten, ohne dass es einer erweiterten vorvertraglichen Untersuchungsobliegenheit bedarf. c) Anwendbarkeit des § 442 Abs. 1 BGB auch beim B2C-Pferdekauf Im B2C-Bereich wird die Anwendbarkeit von § 442 Abs. 1 BGB allerdings durch den reformierten § 475 Abs. 3 S. 2 BGB ausgeschlossen. Hintergrund ist Art. 7 Abs. 5 der Warenkaufrichtlinie, wonach die Haftung für Negativeigenschaften nur dann entfallen soll, wenn ein Hinweis des Verkäufers sowie eine ausdrückliche und gesonderte Zustimmung des Käufers vorliegen. Diese Regelung ersetzt den in Art. 2 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorgesehenen und in § 442 Abs. 1 BGB umgesetzten Haftungsausschluss bei Kenntnis des Mangels, weshalb letzterer im Verbrauchsgüterkaufrecht auszuschließen war.68 Beim Pferdekauf führen die in § 476 Abs. 1 S. 2 BGB umgesetzten Formvorgaben des Art. 7 Abs. 5 der Warenkaufrichtlinie indes zu unbilligen Ergebnissen, 63

Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 38. Vgl. statt aller Faust, BeckOK BGB, § 442 Rn. 22. 65 H. F. Müller, FS Harm Peter Westermann, S. 522; Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 38. 66 Grunewald, in: Erman, BGB, § 442 Rn. 11; Faust, BeckOK BGB, § 442 Rn. 23. 67 Adolphsen, NK-SchuldR, Anh. V zu §§ 433–480: Tierkauf Rn. 38; MatuscheBeckmann, in: Staudinger, BGB, § 442 Rn. 27. Zu Beispielen beim Pferdekauf Bemmann, in: Düsing/Martinez, § 442 BGB Rn. 2 ff. 68 BT-Drucks 19/27424, S. 28, vgl. außerdem die Entsprechungstabelle im Anh. der Warenkaufrichtlinie. 64

C. Alternative Regelungsmöglichkeiten

215

weshalb die Vorschrift nach der hier vertretenen Auffassung keine Anwendung finden sollte.69 In der Folge bestünde auch kein Widerspruch zu § 442 Abs. 1 BGB. Vielmehr zeigen die vorstehenden Ausführungen, dass der darin geregelte Haftungsausschluss dazu geeignet ist, gewissenhaftere Kaufentscheidungen zu fördern, was wiederum spätere Rückabwicklungskonflikte vermeiden und damit dem Staatsziel Tierschutz dienen würde. Der Anwendungsbereich des § 442 Abs. 1 BGB sollte sich daher beim Kauf lebender Tiere auch auf den B2CBereich erstrecken, was z. B. durch eine Rückausnahme in einem neu einzufügenden § 475 Abs. 3 S. 3 BGB-E sichergestellt werden könnte.70 Eine entsprechende Ausnahmeregelung wäre trotz der gegenläufigen Vorgaben in Art. 7 Abs. 5 der Warenkaufrichtlinie von der Öffnungsklausel des Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie gedeckt und damit auch auf europäischer Ebene unbedenklich. d) Ergebnis Eine dem schwedischen Vorschlag entsprechende generelle vorvertragliche Untersuchungsobliegenheit des Käufers ist abzulehnen. Nachforschungspflichten treffen ihn nur, wenn bei Vertragsschluss offenkundige Indizien für einen Mangel des Pferdes vorlagen. Geht der Käufer diesen Umständen nicht nach, kann er mit seinen Mängelrechten gem. § 442 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen sein. Angesichts der Besonderheiten des Pferdekaufs sollte sich der Geltungsbereich des § 442 Abs. 1 BGB überdies nicht auf normale Pferdekaufverträge beschränken, sondern auch auf den B2C-Bereich erstrecken, was eine tierkaufspezifische Rückausnahme zu § 475 Abs. 3 S. 2 BGB erforderlich macht. 6. Einführung einer Rügeobliegenheit des Käufers Vor dem Hintergrund der Öffnungsklausel des Art. 12 der Warenkaufrichtlinie sollte schließlich die Implementierung einer tierkaufspezifischen Rügeobliegenheit in Betracht gezogen werden. Unter einer Rügeobliegenheit (nicht: Untersuchungs- und Rügeobliegenheit, wie sie z. B. für den Handelsverkehr in § 377 HGB vorgesehen ist) versteht man die Obliegenheit des Käufers, einen (zufällig) positiv festgestellten Mangel innerhalb eines bestimmten Zeitraumes gegenüber dem Verkäufer anzuzeigen.71 Versäumt der Käufer die rechtzeitige Rüge, verletzt er damit zwar keine Vertragspflicht im technischen Sinn, er verliert aber seine Gewährleistungsrechte.72 Angesichts der nahezu wortgleichen Vorgaben des Art. 5 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wurde bereits im Rahmen der Schuldrechtsreform 69 70 71 72

S. o. Kap. 6 C. III. 1. a). Für eine generelle Beibehaltung des § 442 BGB Harke, GPR 2021, 129, 132, 136. Vgl. Art. 12 der Warenkaufrichtlinie. Dazu Wilke, BB 2019, 2434, 2442; Rudloff, VuR 2018, 323, 326.

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Kap. 6: Legislative Regelungsalternativen

über die Einführung einer generellen Rügeobliegenheit diskutiert, vom Rechtsausschuss jedoch schlussendlich abgelehnt.73 In der mehrheitlich angenommenen Beschlussempfehlung hat der Ausschuss die Ablehnung damit begründet, dass für den Beginn der Rügefrist positive Kenntnis des Käufers erforderlich sei, der Verkäufer aber praktisch keine Möglichkeit hätte, dem Käufer den genauen Zeitpunkt der Kenntniserlangung nachzuweisen. Die Rügepflicht würde daher nur zu einer unnötigen Mehrbelastung der Gerichte führen, in der Sache aber nichts bewirken.74 Allerdings ist davon auszugehen, dass der Käufer in aller Regel keinen Rechtsverlust riskieren und es deshalb wohl selten auf die Beweisnot des Verkäufers ankommen lassen wird. Ungeachtet dessen sprechen jedenfalls beim Pferdekauf gute Argumente für die Einführung einer Rügeobliegenheit: Der entscheidende Unterschied zum Sachkauf besteht erneut in der raschen Veränderbarkeit lebender Tiere. Da die Feststellung eines Mangels meist ausschließlich der Käufersphäre zuzuordnen ist, begründet dies eine Abhängigkeit des Verkäufers. Informiert der Käufer ihn erst verzögert über eine aufgetretene Mangelerscheinung, erschwert dies dem Verkäufer die (Gegen-)Beweissicherung. Denn das Pferd verändert sich nicht nur zwischen Übergabe und Auftreten des Mangels, sondern auch zwischen letzterem und der Mangelanzeige. Das führt dazu, dass sich der erkennbar gewordene Fehler zwischenzeitlich verschlimmert oder grundlegend verändert haben kann bzw. gar nicht mehr feststellbar ist. Ohne eine Rügeobliegenheit läge es daher in den Händen des Käufers, den Zeitraum zwischen Mangelerscheinung und Mangelanzeige im Rahmen der jeweiligen Verjährungsfrist beliebig auszudehnen und dadurch die Beweissituation des Verkäufers ggf. massiv zu beeinträchtigen. Dies gilt erst recht, wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, da im B2C-Bereich zugunsten des Käufers die Beweislastumkehr des § 477 Abs. 1 BGB greift mit der Folge, dass ausnahmsweise dem Verkäufer der Hauptbeweis obliegt. Daneben dürfte nicht nur der Veräußerer ein berechtigtes Interesse an einer möglichst frühzeitigen Mangelanzeige haben. Vielmehr liegt es regelmäßig auch im Interesse des Tierwohls, dass dem Verkäufer – insbesondere gesundheitliche – Mängel umgehend mitgeteilt werden, damit dieser notwendige Nachbesserungen in Form tierärztlicher Behandlungen zeitnah in die Wege leiten kann. Verschleppte Erkrankungen oder Lahmheiten können nicht nur zu einer unzumutbaren finanziellen Belastung des Verkäufers führen, sondern auch das Tierwohl dauerhaft beeinträchtigen. Zieht man also eine tierkaufspezifische Rügeobliegenheit in Betracht, könnte diese – vergleichbar zur der im Rahmen der Schuldrechtsreform vorgeschlagenen

73 74

Vgl. BT-Drucks 14/7052, S. 173, 197. BT-Drucks 14/7052, S. 197.

C. Alternative Regelungsmöglichkeiten

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Lösung – in einen neu einzufügenden § 442 Abs. 1a BGB-E aufgenommen werden. Die Fristlänge muss dabei nicht der für den Verbrauchsgüterkauf in Art. 12 der Warenkaufrichtlinie europarechtlich vorgesehenen Mindestdauer von zwei Monaten genügen, da diese vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie für den Kauf lebender Tiere keine Bindungswirkung entfaltet. Stattdessen scheint – auch mit Blick auf den vorgeschlagenen sechswöchigen Geltungszeitraum der Beweislastumkehr – eine Frist von einem Monat zweckmäßig. Dadurch kann einerseits die zügige Gewissheit des Verkäufers sowie eine zeitnahe Abhilfe bei Erkrankungen des Tieres gewährleistet und andererseits die rasche Abwicklung des Kaufvertrages und damit die Schaffung von Rechtsfrieden zwischen den Parteien gefördert werden.75 Einer allgemeingültigen, d. h. auch im Verbrauchsgüterkaufrecht anwendbaren Regelung in § 442 Abs. 1a BGB-E stehen schließlich auch keine überwiegenden Verbraucherschutzbelange entgegen. Vielmehr ist vernünftigerweise davon auszugehen, dass auch der Verbraucher Interesse an der zeitnahen Herstellung des vertragsgemäß geschuldeten Zustandes hat und deswegen ohnehin alsbald den Kontakt zum Verkäufer suchen wird.76 Jedenfalls ist kein schutzwürdiges Interesse des Verbrauchers erkennbar, trotz Kenntnis von einem Mangel mit der Geltendmachung seiner Rechte bis zu zwei Jahre abzuwarten.77 Im Übrigen verlangt ihm die Rügeobliegenheit keine unangemessenen Anstrengungen ab. Insbesondere handelt es sich – anders als bei § 377 HGB – nicht um eine Untersuchungs-, sondern lediglich um eine Unterrichtungs- bzw. Informationsobliegenheit. Diese erfordert positive Kenntnis des Verbrauchers, sodass ihm keine besondere Überprüfung des Pferdes zugemutet wird. Er hat zur Wahrung seiner Rechte lediglich einen wahrgenommenen Fehler anzuzeigen. Ebenso kann er die Mitteilung aber auch unterlassen und den Mangel auf eigene Kosten selbst beheben (lassen). Da viele Mitgliedstaaten schon in Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nationale Rügefristen eingeführt haben, die angesichts der unveränderten europäischen Vorgaben wohl auch beibehalten werden, sind schließlich auch keine unzumutbaren Wettbewerbsnachteile auf dem europäischen Binnenmarkt zu befürchten.78 Um den unerfahrenen Verbraucherkäufer aber vor einem Rechtsverlust aus Unwissenheit zu schützen, sollte die Rügefrist jedenfalls im B2C-Bereich um eine Hinweispflicht des Verkäufers ergänzt werden.79 Zudem sollte die

75

Vgl. auch BT-Drucks 14/7052, S. 173; Rudloff, VuR 2018, 323, 327. Rudloff, VuR 2018, 323, 327. 77 So auch BT-Drucks 14/7052, S. 173. 78 Zwischenzeitlich war eine Rügeobliegenheit in den Rechtsordnungen von sechzehn Mitgliedstaaten vorgesehen, vgl. die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament v. 24.04.2007, KOM(2007), 210, S. 10. 79 Ebenso der Vorschlag im Rahmen der Schuldrechtsreform, vgl. BT-Drucks 14/ 7052, S. 173. 76

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Kap. 6: Legislative Regelungsalternativen

Pflicht zur Anzeige immer dann entfallen, wenn der Verkäufer den Mangel bereits zur Kenntnis genommen80 oder arglistig gehandelt hat.81 7. Zusammenfassung Nach alledem scheint die punktuelle Modifikation der (verbrauchsgüter-)kaufrechtlichen Regelungen dazu geeignet, bestehenden Bedenken abzuhelfen und einen angemesseneren und tierschutzgerechteren Interessenausgleich zu gewährleisten. Durch den Verzicht auf komplizierte Formerfordernisse bleiben lebende Pferde marktfähig, während den beeinträchtigten Tierwohl- und Verkäuferinteressen durch eine Verkürzung der Vermutungsfrist auf sechs Wochen sowie die Einführung einer tierkaufspezifischen Rügefrist von einem Monat entsprochen werden kann. Gefestigtere Kaufentscheidungen können zudem dadurch forciert werden, dass der Haftungsausschluss des § 442 Abs. 1 BGB auch beim Verbraucher-Pferdekauf Anwendung findet. Schließlich kann zur Herstellung von Rechtssicherheit die Gleichstellung lebender Tiere mit gebrauchten Sachen sowie die Festlegung des Nacherfüllungsortes am Belegenheitsort des Verkaufstieres in das allgemeine Kaufrecht aufgenommen werden. Insgesamt wären somit lediglich minimale Gesetzesmodifikationen notwendig, die jedoch in ihrer Gesamtheit dazu geeignet sind, nicht nur das Kaufrechtsregime auf ein wesentlich höheres Tierschutzniveau anzuheben, sondern auch die tierischen Besonderheiten beim Ausgleich der widerstreitenden Interessen angemessen zu berücksichtigen.

IV. Würdigung Würdigt man die vorgenannten Regelungsalternativen, so hat sich die deutsche Legislative aus hippologischer Sicht für die ungünstigste Umsetzungsoption entschieden. Die unbesehene Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus beim Verkauf lebender Tiere geht nicht nur zulasten berechtigter Unternehmerinteressen, sondern auch auf Kosten des Tierwohls. Gleichwohl wären auch die Schaffung eines tierkaufrechtlichen Sonderrechts oder – angesichts des partiellen Gleichlaufs zwischen Verbraucher- und Tierschutzinteressen – die vielfach geforderte Bereichsausnahme zugunsten lebender Tiere unbefriedigend gewesen. Vielmehr kann ein angemessener Ausgleich zwischen den betroffenen Interessen, zu denen auch das Tierwohl gehört, nur durch die Aufnahme einzelner tierkaufspezifischer Sondervorschriften gewährleistet werden. Zwar könnte man mit dem Argument der Andersartigkeit für nahezu jeden Kaufgegenstand individuell zugeschnittene Sondervorschriften fordern. Im Gegensatz zum Pferd genießt aber das Wohl lebloser Gegenstände keinen verfas-

80 81

So auch Italien, KOM(2007), 210, S. 10. So z. B. in Dänemark und Finnland, KOM(2007), 210, S. 10.

C. Alternative Regelungsmöglichkeiten

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sungsrechtlichen Schutz. Stattdessen ist es dem Kauf sämtlicher Sachen gemein, dass lediglich die zweiseitigen Parteiinteressen des Käufers und Verkäufers auszugleichen sind, was ohne Weiteres durch einheitliche Regelungen umgesetzt werden kann. Beim Pferdekauf gebietet hingegen Art. 20a GG die zusätzliche Einbeziehung des Tierwohls, was – wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben – einige Modifikationen der sachrechtlichen Vorschriften unerlässlich macht. Mit § 477 Abs. 1 S. 2 BGB hat der deutsche Gesetzgeber zwar in letzter Sekunde einen Schritt in die richtige Richtung gewagt. Er ist jedoch auf halber Strecke stehen geblieben. Dabei wäre es an der Zeit gewesen, sich nicht nur zugunsten von Kaufsachen mit digitalen Elementen, sondern auch zum Schutz lebender Tiere von der realitätsfernen Vision eines einheitlichen Kaufrechts zu lösen und dem verfassungsrechtlichen Staatsauftrag des Tierschutzes durch die punktuelle Aufnahme tierkaufspezifischer Modifikationen qualifiziert nachzukommen.

Kapitel 7

Schlussbetrachtung Spätestens seit der Schuldrechtsreform im Jahr 2002 hält der Pferdekauf Gerichte und Anwaltschaft auf Trab. Durch die ersatzlose Streichung des Viehgewährschaftsrechts fällt der Pferdehandel seitdem in den Anwendungsbereich nicht nur des allgemeinen, sondern auch des Verbrauchsgüterkaufrechts, was zu einer drastischen Verbesserung der Käuferrechte geführt hat. Zugleich hat der Pferdesport zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sportpferde werden für horrende Summen gehandelt, was realitätsferne Erwartungshaltungen schürt. „Funktioniert“ das gekaufte Pferd nicht oder stellt sich der erhoffte sportliche Erfolg nicht ein, bleiben Frust und teure Unterhaltskosten. In der Regel sucht der enttäuschte Käufer die Verantwortung beim Verkäufer, was nicht selten in einer gerichtlichen Auseinandersetzung endet.

A. Zusammenfassung der Ergebnisse Der meist pferdeunerfahrene Tatrichter wird in diesem Fall vor die Aufgabe gestellt, das für den Sachkauf konzipierte Mängelgewährleistungsrecht gem. § 90a S. 3 BGB auf den streitgegenständlichen Pferdekauf entsprechend anzuwenden. Dabei hat er nicht nur das mittlerweile in Art. 20a GG verankerte Staatsziel Tierschutz zu berücksichtigen, sondern wird auch mit einer Reihe von Abgrenzungsfragen und Rechtsunsicherheiten konfrontiert. Hintergrund sind in aller Regel die Besonderheiten der hippologischen Beschaffenheit, die sich nicht auf die – auch leblosen Sachen anhaftenden und deshalb meist unproblematischen – Identifikationsmerkmale der ersten Kategorie beschränkt, sondern sich zusätzlich auf den jeweiligen Gesundheitszustand (Kategorie 2) sowie die individuellen Verhaltensund Charakterzüge des Pferdes (Kategorie 3) erstreckt. Die Merkmale der Kategorien 2 und 3 unterliegen jedoch einer ständigen biologischen Entwicklung und Veränderung, was nicht nur zuverlässige Zustandseinschätzungen und retrospektive Fehlerbeurteilungen, sondern auch Zukunftsprognosen sowie die objektive Vergleichbarkeit mit anderen Pferden wesentlich erschwert.

I. Pferdekaufspezifische Auslegungsgrundsätze Um diesen – durch die Kategorien 2 und 3 verkörperten – Unterschieden zu leblosen Sachen gerecht zu werden, sind bei der Anwendung der sachrechtlichen

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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Vorschriften sowohl gem. § 90a S. 3 BGB als auch nach Art. 20a GG einige pferdekaufspezifische Auslegungsgrundsätze zu beachten: Zum Sachmangelbegriff: Unbeschadet abweichender Beschaffenheitsvereinbarungen muss das Verkaufspferd weder in Bezug auf seine Gesundheit noch hinsichtlich seines Verhaltens einer „Idealnorm“ entsprechen. In Kategorie 2 genügt das Pferd daher der „Üblichkeit“ i. S. v. § 434 Abs. 3 Nr. 2 BGB, wenn es gesund ist. Das bedeutet, dass es weder klinische Auffälligkeiten noch mit weiteren Gesundheitsrisiken behaftete anatomische Veränderungen aufgrund invasiver Voroperationen zeigen sowie keine klinisch unauffälligen Befunde aufweisen darf, die – nicht, wie es der BGH genügen lässt, mit hoher Wahrscheinlichkeit, sondern – mit Sicherheit Symptome hervorrufen werden. In Kategorie 3 ist hingegen entscheidend, ob sich das tierische Verhalten – auch wenn es ggf. unerwünscht ist – im Rahmen des natürlichen tiertypischen Verhaltens eines Flucht- und Herdentieres bewegt; es darf sich davon weder in Bezug auf die Art und Weise noch hinsichtlich der Intensität und Häufigkeit deutlich und anhaltend unterscheiden. Zur Beweislastumkehr: Die Beweislastumkehr des § 477 Abs. 1 BGB ist auch beim Kauf lebender Pferde anwendbar. Es ist jedoch nach der Art des Mangels zu differenzieren: Bei Gesundheitsmängeln der zweiten Kategorie kann die Beweislastumkehr ausnahmsweise gem. § 477 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Alt. 2 BGB ausgeschlossen sein, wenn es sich entweder um einen offenkundigen Mangel handelt oder aber die Inkubationszeit den Zeitraum zwischen Auftreten des Mangels und Gefahrübergang deutlich unterschreitet. Bei Verhaltensmängeln der dritten Kategorie ist § 477 Abs. 1 BGB demgegenüber regelmäßig unanwendbar, da solche Mängel nicht typischerweise jederzeit, sondern gerade aufgrund veränderter äußerer Einflüsse wie einer Verkaufssituation entstehen. Es obliegt allerdings dem Verkäufer, einen entsprechenden Erfahrungssatz darzulegen und ggf. zu beweisen. Zur Nacherfüllung: Ist eine Nachbesserung ausnahmsweise möglich, ist der Nacherfüllungsort gem. § 269 Abs. 1 BGB in der Regel am Belegenheitsort des jeweiligen Pferdes anzusiedeln. Zudem ist die Verhältnismäßigkeitsgrenze der Nachbesserungskosten i. S. v. § 439 Abs. 4 BGB unter Heranziehung des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedankens pferdekaufspezifisch anzuheben. In die er-

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Kap. 7: Schlussbetrachtung

forderliche Abwägung sind sowohl das Tierwohl als auch ein bestehendes Affektionsinteresse des Käufers einzubeziehen. Zum Schutz des Tierwohls ist in tiermedizinischen Notfallkonstellationen im Rahmen der zweiten Kategorie außerdem eine konkludente Anweisung des Käufers durch den Verkäufer zu unterstellen, wonach dieser das Tier umgehend medizinisch zu versorgen hat. In der Folge steht dem Käufer ein entsprechender Erstattungsanspruch aus § 439 Abs. 2 BGB zu. Die Nachlieferung eines Ersatzpferdes ist nach dem maßgeblichen Willen der Parteien bei Vertragsschluss regelmäßig wegen Unmöglichkeit i. S. v. § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Sie kann aber nach entsprechendem Parteivortrag ausnahmsweise möglich sein, wenn der Kaufentscheidung lediglich objektivierbare Eigenschaften der ersten Kategorie zugrunde lagen, denen auch mit einem ersatzweise angebotenen Pferd genügt werden kann.

II. Verbleibende Rechtsunsicherheiten Trotz der Entwicklung einiger pferdekaufspezifischer Auslegungsgrundsätze, durch die den maßgeblichen Unterschieden zwischen leblosen Sachen und Pferden in einigen Punkten Rechnung getragen werden kann, verbleibt ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit. Insbesondere sind die Gerichte regelmäßig auf die sachverständigen Ausführungen der Tierärzteschaft angewiesen, die den Prognoseanforderungen jedoch mangels ausreichender Evidenzbasierung kaum gerecht werden kann. Darüber hinaus handelt es sich lediglich um Auslegungsgrundsätze, die zwar im Regelfall eingreifen, deren Anwendbarkeit aber stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig ist. An vielen Stellen ist die Judikative außerdem durch die verfassungsrechtlichen Auslegungsschranken, insbesondere durch das Prinzip der Gewaltenteilung begrenzt. Das hat zur Folge, dass einige tierkauffremde Normkonzeptionen wie z. B. die Differenzierung zwischen „neu“ und „gebraucht“ einer adäquaten Anwendung beim Pferdekauf von vornherein entzogen sind. Vor diesem Hintergrund ist nicht nur den Parteien zu empfehlen, möglichst umfassende und klare vertragliche Vereinbarungen zu treffen, die Rechtsunsicherheiten vorbeugen und das Konfliktpotential minimieren können. Vielmehr ist auch der Gesetzgeber angehalten, verbleibende gesetzliche Unklarheiten durch tierkaufspezifische Modifikationen zu beseitigen. Der entsprechende Staatsauftrag folgt nicht zuletzt aus Art. 20a GG, der den Schutz lebender Tiere zum Staatsziel erklärt und sich dabei in erster Linie an die Legislative richtet. Angesichts der engen Verknüpfung von Rechtssicherheit und Tierschutz umfasst dieser Schutzauftrag auch die Herstellung größtmöglicher Rechtsklarheit. Denn je rechtsunsicherer die gesetzlichen Vorschriften ausgestaltet sind, desto häufiger wird das Pferd Gegenstand menschlicher Auseinandersetzungen. Als Konfliktauslöser droht es dabei stets zur unlieb gewordenen finanziellen, emotionalen und zeit-

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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lichen Belastung zu werden, der lediglich ein Minimum an Fürsorge und Zuwendung gewidmet wird. Zugleich werden pferdekaufrechtliche Gerichtsverfahren durch die Erforderlichkeit umfangreicher Beweisaufnahmen erheblich in die Länge gezogen, was die artgerechte Versorgung des streitgegenständlichen Tieres ebenfalls in den Hintergrund rücken lässt. Um die Verfahrensdauer zusätzlich zu verkürzen, sollte neben der Herstellung größtmöglicher Rechtssicherheit auch eine höhere Fachkunde des entscheidenden Gerichts forciert werden. Dafür ist insbesondere die vermehrte Inanspruchnahme der Schiedsgerichtsbarkeit1 – ggf. sogar die Gründung eines eigenen „Pferdeschiedsgerichts“ 2 – sowie die (weitere3) Bildung von „Pferdesenaten“ oder „Pferdekammern“ anzustreben.

III. Verpasste Chancen durch das Umsetzungsgesetz zur Warenkaufrichtlinie Im B2C-Bereich standen legislativen Verbesserungsbestrebungen bislang jedoch die zwingenden Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entgegen. Ein Lichtblick war daher die Verabschiedung der europäischen Warenkaufrichtlinie, die mit ihrer Öffnungsklausel zugunsten lebender Tiere in Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) die bislang auf europäischer Ebene bestehenden Gestaltungsschranken aufgehoben hat. Die darauf gestützten Hoffnungen deutscher Pferdehändler auf eine Modernisierung des pferdekaufrechtlichen Systems wurden jedoch bitter enttäuscht. Der deutsche Gesetzgeber hat die nationale Gesetzesreform zur Umsetzung der neuen Richtlinie weder dazu genutzt, das Kaufrecht den tierkaufspezifischen Gegebenheiten anzupassen noch ein angemessenes Tierschutzniveau sicherzustellen. Letzteres hat er vielmehr zusätzlich gefährdet, da er das Verbraucherschutzniveau auch beim Tierkauf den europäischen Vorgaben entsprechend angehoben hat. Lediglich von einer Verlängerung der Vermutungsfrist wurde nach erheblichen Protesten abgesehen, was zwar im Grundsatz zu begrüßen ist, jedoch ebenfalls keine Systemverbesserung zur Folge hat. 1 Der Vorteil eines Schiedsverfahrens besteht insbesondere darin, dass eine höhere Fachkunde des Gerichts sichergestellt werden kann. Ferner besteht die Möglichkeit von beschleunigten Verfahren (sog. „Fast-Track-Arbitration“), bei denen nach spätestens sechs Monaten ein Endschiedsspruch erlassen wird, vgl. Art. 1 in Anlage 4 der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit v. 01.03.2018, abrufbar unter: https://www.disarb.org/fileadmin/user_upload/Werkzeuge_und_Tools/ 2018_DIS-Schiedsgerichtsordnung.pdf (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 2 Die Gründung eines „Pferdeschiedsgerichts“ war bereits Tagungspunkt des Deutschen Pferderechtstags am 14.03.2008, vgl. das Kongressprogramm, abrufbar unter https://www.pferderechtstag.de/de/Article/ID/274/Session/1-HDS2iyXk-3-IP/guidOb ject/Programm.htm/Programm.htm (zuletzt abgerufen im Dezember 2021). 3 Das OLG Celle hat mit seinem 20. Zivilsenat bereits einen eigenen „Pferdesenat“, vgl. den Geschäftsverteilungsplan für das Geschäftsjahr 2021, abrufbar unter: https:// oberlandesgericht-celle.niedersachsen.de /startseite/wir_uber_uns/geschaftsverteilung/ge schaeftsverteilung-202986.html (zuletzt abgerufen im Dezember 2021).

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Kap. 7: Schlussbetrachtung

Unabhängig davon, ob der Gesetzgeber aus Zeitnot oder vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen aus politisch motivierten Gründen gehandelt hat, bleibt es unverständlich, warum der Tierschutz trotz Verfassungsrangs nach wie vor legislativ übergangen wird. Zwar wäre die vielfach geforderte Ausnahme lebender Tiere aus dem Verbrauchsgüterkaufregime angesichts des partiellen Gleichlaufs der Verbraucher- und Tierschutzinteressen nicht das Mittel der Wahl gewesen. Zumindest in denjenigen Bereichen, in denen eine tierschutzgerechte Auslegung unmöglich ist, hätte die Legislative aber den Staatsauftrag des Tierschutzes annehmen und tierspezifische Anpassungen des Gesetzestextes vornehmen müssen. Insgesamt hätten bereits wenige tierkaufrechtliche Modifikationen zu einer wesentlichen Verbesserung des deutschen Pferdekaufrechts führen können. Dabei wäre weder eine Rückkehr zu viehkaufrechtlichem Sonderrecht noch eine erhebliche Verkomplizierung des Kaufrechts insgesamt zu befürchten gewesen. Vielmehr hätten punktuelle Anpassungen für mehr Rechtssicherheit sorgen und damit nicht nur den Parteiinteressen, sondern auch dem Tierwohl dienen können.

B. Ausblick Mit der Verabschiedung des Umsetzungsgesetzes hat die Legislative zwar die erste Chance zur Optimierung des Pferdekaufrechts verpasst. Die Ära der Warenkaufrichtlinie hat indes gerade erst begonnen. Dem Gesetzgeber bietet sich auch weiterhin die Möglichkeit, den Staatsauftrag aus Art. 20a GG anzunehmen und das Kaufrecht um einzelne tierkaufrechtliche Modifikationen zu ergänzen. Insbesondere sollte er in Bezug auf die verbraucherschützenden Formvorschriften des § 476 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 BGB sowie hinsichtlich § 475 Abs. 3 S. 2 BGB, der die Anwendbarkeit des § 442 Abs. 1 BGB im B2C-Bereich ausschließt, tierspezifische Rückausnahmen schaffen und den sechsmonatigen Geltungszeitraum der Beweislastumkehr beim Kauf lebender Tiere in § 477 Abs. 1 S. 2 BGB deutlich reduzieren. Zur Gewährleistung eines angemessenen Interessenausgleichs bietet sich eine Frist von sechs Wochen an. Zum Zwecke der Rechtssicherheit sollten zudem lebende Tiere gebrauchten Sachen gesetzlich gleichgestellt und der Nacherfüllungsort am Belegenheitsort des erworbenen Tieres festgeschrieben werden. Zu guter Letzt ist die Aufnahme einer tierkaufspezifischen Rügeobliegenheit in Form eines neuen § 442 Abs. 1a BGB-E anzuregen, um sowohl im Interesse des Verkäufers als auch im Interesse des Tierwohls eine zügige Mängelanzeige des Käufers sicherzustellen. Obwohl der Gesetzgeber selbst bereits im Jahr 2002 in den Gesetzesmaterialien zur Ergänzung des Art. 20a GG darauf aufmerksam gemacht hat, dass „der Schutz des Tieres als Lebewesen [. . .] in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland noch immer unzulänglich [ist]“,4 hat das Kaufrecht in dieser Hin4

BT-Drucks 14/8860, S. 1.

B. Ausblick

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sicht in den letzten zwanzig Jahren keinerlei Verbesserung erfahren. Trotz zahlreicher Gespräche, Petitionen und Stellungnahmen ist es bis heute nicht gelungen, das Tierwohl in den kaufrechtlichen Vorschriften zu verankern. Vielmehr hat sich die Legislative auch im Rahmen der jüngsten Kaufrechtsreform – trotz ausdrücklicher Öffnungsklausel in Art. 3 Abs. 5 S. 1 lit. b) der Warenkaufrichtlinie – gegen den Schutz lebender Tiere und stattdessen für eine weitere Privilegierung der Verbraucher entschieden. Zwar gibt es mit § 477 Abs. 1 S. 2 BGB erstmals eine tierkaufrechtliche Sondervorschrift. Diese ist jedoch ihrerseits fernab davon, angemessene und tierschutzgerechte Ergebnisse zu gewährleisten. Es bleibt daher nur der ausdrückliche Appell an den deutschen Gesetzgeber, den mit § 477 Abs. 1 S. 2 BGB eingeschlagenen Weg zügig weiterzugehen und die längst überfälligen Gesetzesanpassungen zugunsten lebender Tiere in das Kaufrechtsregime der §§ 434 ff. BGB zu integrieren.

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Westphalen, Eduard Graf v.: „Die Beweislastumkehr zu Gunsten des Pferdekäufers nach § 476 BGB – Zugleich eine Kritik an BGH, Urteil v. 2.6.2004 – VIII ZR 329/03“, in: ZGS 2004, S. 341–344 Westphalen, Eduard Graf v.: „Zur Auslegung von § 476 BGB bei Verschleiß und Bedienungsfehlern“, in: ZGS 2005, S. 210–216 Wiemer, Nina: „Kissing-Spines-Syndrom als Sachmangel beim Pferdekauf“, in: RdL 2007, S. 200–204 Wiesner, Ekkehard/Ribbeck, Regine: Lexikon der Veterinärmedizin A–Z, 4. Aufl., Stuttgart 2000 (zit.: Wiesner/Ribbeck, S.) Wietoska, Elke: „Die Beweislastumkehr in § 476 BGB in der Praxis des Gebrauchtwagenkaufs“, Anmerkung zu OLG Köln, Urt. v. 11.11.2003 – 22 U 88/03, in: ZGS 2004, S. 8–12 Wilke, Felix M.: „Das neue Kaufrecht nach Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie“, in: VuR 2021, S. 283–293 Wilke, Felix M.: „(Verbrauchsgüter-)Kaufrecht 2022 – die Warenkauf-Richtlinie der EU und ihre Auswirkungen“, in: BB 2019, S. 2434–2447 Wintzer, Hanns-Jürgen: Krankheiten des Pferdes – Ein Leitfaden für Studium und Praxis, 3. Aufl., Berlin 1999 (zit.: Bearb., Krankheiten des Pferdes, S.) Witt, Carl-Heinz: „Beweislastumkehr nach § 476 BGB bei äußerlichen Beschädigungen der Kaufsache“, in: NJW 2005, S. 3468–3470 Zinner, Marilies: „Was vom CESL übrigblieb – Neues Verbrauchervertragsrecht mit digitalem Einschlag“, in: VuR 2019, S. 241–242 Zöchling-Jud, Brigitta: „Das neue Europäische Gewährleistungsrecht für den Warenhandel“, in: GPR 2019, S. 115–133

Stichwortverzeichnis Affektionsinteresse 151 ff., 161 f., 170 ff., 222 Allgemeine Geschäftsbedingungen 52, 103, 176 ff., 184 ff., 200 f., 209 Ankaufsuntersuchung – Begriff und Umfang 48 – Obliegenheit 213 – Vertragliche Einbeziehung 48 ff. Arglist 68, 75, 162 f., 212 ff. Auktion siehe Versteigerung Beschaffenheit – Begriff 40 f. – hippologische Kategorien 43 ff., 205 – übliche 39 f., 46 f., 57 ff., 82 ff. Beschaffenheitsvereinbarung – Begriff 37 – Form 50 ff., 200 f. – negative 47 f., 50 ff., 200 f. Beweislastumkehr 32 f., 95 ff., 203 ff. Boxenlaufen/Boxenschlagen 83, 85, 129 Faktische Garantiehaftung 115 ff., 207 Formerfordernis – Beschaffenheitsvereinbarung 50 ff., 200 f. – Nichtgeltung der Verbraucherschutzvorschriften 101 f. – Verjährungsverkürzung 185 ff., 201 f. Galle 77 Gebrauchte Tiere 103 ff., 177 f., 209 f. Gesundheitsmerkmal 44, 47 ff., 123 ff., 145 ff., 151 ff., 169 ff., 190, 205 Haltbarkeit 39 f., 111 f., 207 Headshaking 85

Heilbehandlungskosten (Verhältnismäßigkeit/Höhe) 151 ff. Hybridauktion 102 Idealnorm/Idealzustand 60, 62 f., 72, 74 f., 76, 82 f., 88, 209 f., 221 Identifikationsmerkmal 43 f., 45 ff., 123, 156 f., 189 Inkubationszeit 126 f., 207 Kolikoperation 75 f. Koppen 84, 129 Krippen- und Barrenwetzen 85 Nacherfüllungsort 133 ff., 210 ff. Notfallbehandlung 163 ff., 169 ff. Öffnungsklausel 29, 30, 31, 112, 186 f., 192, 196 ff., 215 ff. Pferdeschiedsgericht 223 Pferdesenat/Pferdekammer 20, 223 Rechtsvergleich 196 ff. Rittigkeit 86 ff., 129 f. Röntgenbefund 59 ff. Röntgenklasse 60 f., 69 Röntgenleitfaden 59 ff. Rügeobliegenheit 215 ff. Sachmangel – Begriff und Systematik 34 ff. – Objektive Anforderungen 36 ff., 46 f., 57 ff., 82 ff. – Subjektive Anforderungen 36 ff., 45 f., 47 ff., 79 ff.

Stichwortverzeichnis Schmiede- und Verladefrömmigkeit 79 ff., 85 f., 130 Sommerekzem 56, 72 f. Symptom 58 f. Tiermedizinischer Normzustand 54, 59, 63 Tierschutz – einfachgesetzlich 115 ff., 139 f., 151 ff., 163, 169 ff., 196, 204 f., 208, 222 – verfassungsrechtlich 26 f. Überbein 77

Vergleichsgruppe 47, 57 Verhaltensmerkmal 44 f., 79 ff., 128 ff., 145 ff., 156 f., 190 Verhältnismäßigkeitsgrenze 150 ff. Verjährung 103, 175 ff., 201 f. Versteigerung 39, 99 ff. Verwendungszweck – gewöhnlicher 38 f., 41 f., 57, 59, 82 ff. – vertraglich vorausgesetzter 37 f., 41 f., 46, 56 f., 79 ff. Viehgewährschaftsrecht 22 f., 193 Viehmängelverordnung 22 f., 25, 193

Verbrauchsgüterkauf – Begriff 95 ff. – Besondere Formanforderungen siehe Formerfordernis – Vermutungsregel siehe Beweislastumkehr

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Vollharmonisierung 28 ff., 186 f. Warenkaufrichtlinie 28 ff. Weben 84 f., 129 Wert des Tieres 77 f., 105, 150 ff.