Ciceros Rede »Pro L. Cornelio Balbo«: Einleitung und Kommentar 3110795604, 9783110795608

Nachdem im Jahre 56 v. Chr. auf der Konferenz von Luca das Triumvirat von Caesar, Pompeius und Crassus bekräftigt worden

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Ciceros Rede »Pro L. Cornelio Balbo«: Einleitung und Kommentar
 3110795604, 9783110795608

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
1 Einleitung
2 Kommentar
3 Literaturverzeichnis
Index rerum

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Malte Helfberend Ciceros Rede Pro L. Cornelio Balbo

Göttinger Forum für Altertumswissenschaft

Beihefte Neue Folge Herausgegeben von Bruno Bleckmann, Thorsten Burkard, Gerrit Kloss, Jan Radicke und Markus Schauer

Band 13

Malte Helfberend

Ciceros Rede Pro L. Cornelio Balbo Einleitung und Kommentar

ISBN 978-3-11-079560-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-079561-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-079564-6 ISSN 1866-7651 Library of Congress Control Number: 2022938753 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Der hier vorliegende Kommentar fußt auf meiner Dissertation, die 2018 online auf dem Dokumentenserver der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf veröffentlicht wurde. Dieser damalige Teilkommentar, der die Paragraphen 1– 44 von Cieros Rede Pro Balbo abdeckte, wurde inzwischen nicht nur um die Kommentierung der restlichen Paragraphen erweitert, sondern auch stellenweise grundlegend überarbeitet. Diese Überarbeitung betrifft u. a. die gesamte Strukturierung der Lemmata, die in kleinere Unterlemmata unterteilt und mitunter neu angeordnet wurden. Daneben wurde weitere Literatur eingearbeitet, manches gestrichen, manches hinzugefügt und Fehlerhaftes oder Ungenügendes korrigiert. Dies gilt nicht allein für den Kommentar, sondern auch für die Einleitung. Insbesondere der Abschnitt über die rechtshistorischen Hintergründe der Rede, die zum Teil ausgesprochen dornige Probleme bieten, wurde vollkommen umgearbeitet. Für die Behandlung dieses schwierigen Themas haben mir Prof. Jan Radicke sowie Dr. Andreas Zack sehr hilfreiche und wertvolle Hinweise gegeben, denen ich dafür an dieser Stelle ganz herzlich danken möchte. Ferner möchte ich den Herausgebern der GFA-Beihefte (Bruno Bleckmann, Thorsten Burkard, Gerrit Kloss, Jan Radicke, Markus Schauer) sowie dem de Gruyter-Verlag für die Aufnahme in diese Reihe danken. Schließlich gebührt auch Prof. Markus Stein besonderer Dank, der über seine Aufgabe als mein Doktorvater hinaus diese Arbeit mit zahlreichen Anmerkungen verbessert und bereichert hat. Düsseldorf, im Mai 2022

Malte Helfberend

Μετὰ δὲ τὸν Πρόδικον Ἱππίας ὁ σοφὸς εἶπεν, Ὦ ἄνδρες, ἔφη, οἱ παρόντες, ἡγοῦμαι ἐγὼ ὑμᾶς συγγενεῖς τε καὶ οἰκείους καὶ πολίτας ἅπαντας εἶναι – φύσει, οὐ νόμῳ· τὸ γὰρ ὅμοιον τῷ ὁμοίῳ φύσει συγγενές ἐστιν, ὁ δὲ νόμος, τύραννος ὢν τῶν ἀνθρώπων, πολλὰ παρὰ τὴν φύσιν βιάζεται. (Plat. Prot. 337c – d)

Inhalt  Einleitung 1 . Datierung der Rede 3 . Zur Person des L. Cornelius Balbus . Cicero und Balbus 9 . Struktur und Argumentation der Rede . Die Rechtslage 17 . Die Überlieferung 23 

Kommentar

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 Literaturverzeichnis 226 226 . Abkürzungsverzeichnis . Textausgaben 226 . Kommentare 227 227 . Sekundärliteratur Index rerum

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4 12

1 Einleitung Während generell Marcus Tullius Cicero zweifellos zu denjenigen antiken Autoren gehört, deren Werk große Beachtung (und infolgedessen auch Kommentierung) gefunden hat, ist seine Rede für Lucius Cornelius Balbus im Verhältnis zu anderen Werken (und gerade auch Reden) sehr viel weniger Gegenstand der Aufmerksamkeit der Philologen gewesen, was zum einen damit zu tun haben mag, daß die Balbiana nicht zu den mustergültigen Reden und Glanzstücken Ciceros oratorischer Karriere gerechnet wird, wie bspw. die Rede Pro Milone, die Catilinarien oder die Philippischen Reden (vgl. bereits die Charakteristik der Ciceronischen Reden in Tac. dial. 37,6), zum anderen damit, daß sich Cicero hier für einen Günstling sowohl des Pompeius als auch Caesars einsetzt, so daß diese Rede als ein Zeugnis von Ciceros Opportunismus¹ betrachtet wird, das man Cicero zuliebe gerne unterschlägt. Als exemplarisch sei nur E. Paratores Werk L’oratoria ciceroniana della maturità (Rom 1959) genannt, in dem die Rede Pro Balbo mit keinem Wort erwähnt wird. Was auch der Grund sein mag, an nennenswerten Kommentaren gibt es nur drei Werke von mitunter unzureichender Qualität: 1. Pro L. Cornelio Balbo oratio ad iudices, ed. for schools and colleges by James Smith Reid, Cambridge 1890 (Ndr. der Erstauflage von 1878), ein zwar gründlicher Kommentar, wegen der Konzentrierung auf den Gebrauch in Schulen jedoch etwas kurz geraten und verständlicherweise mittlerweile veraltet. 2. M. Tullio Cicerone, Orazione „Pro L. Cornelio Balbo“, con introduzione e commento di Giorgio Bonfiglioli, Mailand 1933, nicht so sehr ein Kommentar als vielmehr eine Ausgabe mit Anmerkungen, die sich zudem meist darauf

 Diesen rechtfertigt Cicero selbst in Balb. 61 voluimus quaedam, contendimus, experti sumus: optenta non sunt. … neque esse inconstantis puto sententiam tamquam aliquod navigium atque cursum ex rei publicae tempestate moderari (mit der Schiffsmetapher auch Planc. 93 f.) sowie in seinem berühmten Brief an P. Cornelius Lentulus Spinther (cos. 57) aus dem Dezember des Jahres 54 v.Chr. (fam. I 9,21): nam neque pugnandum arbitrarer contra tantas opes neque delendum, etiam si id fieri posset, summorum civium principatum permanendum in una sententia conversis rebus ac bonorum voluntatibus mutatis, sed temporibus adsentiendum. numquam enim praestantibus in re publica gubernanda viris laudata est in una sententia perpetua permansio; sed ut in navigando tempestati obsequi artis est eqs. Gelzer (1969), 121 f. Anm. 219 bringt diese Haltung in Verbindung mit den πολιτικὰ πρὸς τοὺς καιρούς Theophrasts, auf die Cicero fin. V 11 anspielt; vgl. auch Aischin. 2,164 τοῖς γὰρ καιροῖς συμπεριφέρεσθαι ἀνάγκη πρὸς τὸ κράτιστον καὶ τὸν ἄνδρα καὶ τὴν πόλιν. https://doi.org/10.1515/9783110795615-001

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3.

1 Einleitung

beschränken, den Wortlaut des Lateinischen zu übersetzen oder zu paraphrasieren. M. Tulio Cicerón, Defensa de L. C. Balbo, introducción, edición y comentario por Lisardo Rubio, Barcelona 1954, zwar auch eher eine Ausgabe mit Anmerkungen, jedoch sehr viel gehaltvoller als die Ausgabe Bonfigliolis und qualitativ dem Kommentar Reids vergleichbar.

Die Ausgabe der französischen Budé-Reihe (Cicéron, Discours 15: Pour Caelius, Sur les provinces consulaires, Pour Balbus, ed. J. Cousin, Paris 21969) ist zwar mit Anmerkungen versehen, jedoch so spärlich, daß hier noch weniger von einem Kommentar die Rede sein kann als bspw. bei Bonfiglioli. Jüngst ist zudem noch eine Ausgabe mit katalanischer Übersetzung und Anmerkungen von X. Espluga und N. Moncunill erschienen (M. Tul·li Ciceró, Discursos XVI: Sobre el govern de les províncies consulars, En defensa de Luci Corneli Balb, ed. X. Espluga i N. Moncunill, Barcelona 2013), für die indessen, was die Anmerkungen betrifft, dasselbe gilt wie für die Budé-Ausgabe. Bemerkenswert ist die Arbeit von Espluga und Moncunill allerdings aufgrund einer ausgesprochen ausführlichen Einleitung, in der u. a. die Textgeschichte in ganzer Breite bis in die Neuzeit verfolgt wird. Die beiden Werke von Bonfiglioli und Rubio scheinen im deutsch- und englischsprachigen Raum kaum Beachtung gefunden zu haben; in der letzten Monographie bspw., die zur Balbiana publiziert wurde (Kimberly Ann Barber, Rhetoric in Cicero’s Pro Balbo: an interpretation, London 2004), werden die Kommentare von Bonfiglioli und Rubio gar nicht erwähnt. Weil darüber hinaus der Schwerpunkt der übrigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Rede Pro Balbo in der Hauptsache auf die historische Erforschung (vor allem auf die Rechtsgeschichte) gelegt worden ist, ergibt sich auch aus dieser Tatsache, daß ein philologisch-kritischer Kommentar mit dezidiert sprachlicher Orientierung (d. h. auch Rhetorik und Stilistik, daneben Analyse literarischer Parallelen, Vorbilder und ggf. Nachahmer) ein Desiderat ist, dem mit dieser Arbeit entgegengekommen werden soll. Ohne Diskussionen wie die um die Balb. 21 erwähnte lex Iulia sowie die gesamte Frage um den Rechtsgegenstand der Rede und die Berechtigung der Anklage vollkommen unbeachtet zu lassen, soll in diesem Kommentar doch der Schwerpunkt auf den im engeren Sinne philologischen Aspekten liegen; denn wenngleich Pro Balbo nicht zu den bekannteren Reden Ciceros gehört, ist sie doch ein weiteres Werk eines der unzweifelhaft größten Sprachkünstler der Menschheitsgeschichte. Neben der gerade genannten rechtshistorischen Relevanz läßt sich darüber hinaus die Rede auch in einem weiteren, umfassenderen geschichtlichen Kontext betrachten. Insofern in der Balbiana Probleme der römischen Bürgerrechtspolitik besprochen sowie außerordentliche

1.1 Datierung der Rede

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Lizenzen für einzelne Mächtige (d. h. vor allem Pompeius und Caesar) eingefordert werden, ist sie gewissermaßen ein Dokument für die Entwicklung des republikanisch organisierten römischen Gemeindestaates hin zum monarchisch organisierten römischen Reichsstaates und damit auch indirekt für die Entwicklung von zentralisiertem zu dezentralisiertem Staat.²

1.1 Datierung der Rede Ciceros Rede Pro Balbo wurde im Jahre 56 v.Chr. gehalten und ist neben Pro Archia die einzige uns erhaltene Rede, die das römische Bürgerrecht zum Rechtsgegenstand hat. Dem gebürtigen Gaditaner (dem heutigen Cádiz) Lucius Cornelius Balbus sollte in diesem Prozeß das von Pompeius verliehene Bürgerrecht entzogen werden. Ciceros Verteidigung war erfolgreich; auch in späteren Zeugnissen hören wir von Balbus, der es im Jahre 40 v.Chr. als erster Nicht-Italiker sogar bis zum Konsulat brachte.³ Aller Wahrscheinlichkeit nach fand der Prozeß nach der Konferenz von Luca statt.⁴ H. Braunert hat dafür argumentiert, daß der Angriff auf Caesar und Pompeius, der sich hinter der Anklage des Günstlings Balbus verbirgt, erst nach Luca anzunehmen ist, da mit größerer Wahrscheinlichkeit vor der Konferenz auf optimatischer Seite die Hoffnung bestanden habe, die Triumvirn zu trennen. Nach dem erneuerten Pakt in Luca konnte daher der Angriff auf sowohl Caesar als auch Pompeius wieder beginnen.⁵ Ist somit die Datierung auf die zweite Hälfte des Jahre 56 eingeschränkt, läßt sich möglicherweise aus einer Bemerkung Ciceros in der Balbiana selbst das Datum sogar noch weiter etwa auf den September festlegen. M. Gelzer⁶ vermutet in Balb. 64 (sed quoniam C. Caesar abest longissime atque in iis est nunc locis quae regione orbem terrarum, rebus illius gestis imperium populi Romani definiunt) einen Hinweis auf Caesars Veneterfeldzug⁷, der tatsächlich im September 56 stattfand.

 Vgl. zu diesem Thema H. D. Meyer (1957); speziell zur Bürgerrechtspolitik vgl. 73 – 102.  Vgl. dazu Rubio (1950), 185.  Das Jahr 56 wird üblicherweise akzeptiert. Hoche (1882), 9 f. mußte diese Datierung noch gegen die Annahme des Jahres 55 verteidigen.  Vgl. Braunert (1966), 63 f.  Vgl. Gelzer (1963), 231.  Genauer: Moriner und Menapier.Vgl. Kraner-Dittenberger (1913) zu Caes. Gall. III 28,1.Vgl. auch Rubio und Bonfiglioli zu unserer Stelle.

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1 Einleitung

E. Jullien⁸ hingegen setzt den Prozeß noch vor dem September an, da nach dem August Prozesse nicht mehr möglich gewesen seien, und verweist auf Cic. Verr. I 31. In der Tat fand letztere Verhandlung am 5. August statt, und Cicero warnt hier davor, daß eine Vertagung die Verurteilung des Verres aufgrund der vielen folgenden dies nefasti unmöglich machen würde; indessen muß man hier mit rhetorischer Übertreibung rechnen, da Cicero um jeden Preis verhindern will, daß sich der Prozeß bis in das kommende Jahr hinzieht. In diesem Fall hätte sich der Gerichtshof neu konstituiert, und dies möglicherweise – so Ciceros Befürchtung – aus von Verres bestochenen Richtern und zudem unter dem bereits designierten Prätor M. Caecilius Metellus, einem amicissimus des Verres.⁹ Man muß gegen Jullien betonen, daß es natürlich nicht vollkommen unmöglich war, noch im September oder danach einen Prozeß zu führen.¹⁰

1.2 Zur Person des L. Cornelius Balbus Da der juristische Hintergrund der Rede, d. h. die Bürgerrechtsverleihung an einen Gaditaner sowie deren Anfechtung, sehr eng mit dem Leben und der Person des angeklagten Lucius Cornelius Balbus verwoben ist, sollen nun – soweit dies anhand der Quellen möglich ist – einige einleitende Bemerkungen zu dessen Werdegang innerhalb römischer Reihen, dem Namen und dem möglicherweise politisch motivierten Hintergrund der Anklage folgen. Geboren wurde Lucius Cornelius Balbus¹¹ (maior zur Abgrenzung von seinem Neffen desselben Namens) vermutlich in den ersten Jahren des ersten Jahrhun Jullien (1886), 55. Ebenso bspw. Münzer (1900), 1263, der meint, eine Anklage nach Luca wäre eine „zwecklose Demonstration“ gewesen. Dieser Einschätzung kann ich nicht folgen.  Vgl. Verr. I 26. Siehe dazu auch noch Verr. I 30, wo die Richter aufgezählt werden, die an den nächsten Ianuarischen Kalenden nicht mehr zu Gericht sitzen würden. Vgl. insgesamt zur Bestechlichkeit der Gerichte den Passus Verr. I 37– 40. Es kommt ferner hinzu, daß die designierten Konsuln für das Jahr 69 Q. Caecilius Metellus Creticus, ebenfalls ein Freund des Verres, und der Verteidiger Hortensius waren.  In der Tat jedoch war es so, daß vom 16.08. bis zum 01.09. die ludi votivi stattfanden und vom 05. bis 19.09. die ludi Romani.Vgl. die Übersicht bei Marinone (1950), 4 und Mommsen (1899), 363 Anm. 2. Es würde sich also ein Datum um das Ende des Septembers herum ergeben.  Es gibt zahlreiche Quellen zu L. Cornelius Balbus, wenngleich sie nicht immer allzu ergiebig sind und Balbus oft nur am Rande Erwähnung findet (daneben tritt er auch selbst als Autor in der Korrespondenz Ciceros hervor). Vgl. Cic. Att. II 3,3; VII 3,11; 7,6; VIII 9a,2; 15 A; IX 7,3; 7 A; 7B; 13a; 13 A; 14; X 18,2; Cic. fam. VI 8,1; VII 5; 6; 16; 18; ad Q. fr. II 11 (10); III 1,9. 12; Plin. nat. VII 136; V 36; Tac. ann. XII 60; Suet. Caes. 81; Cass. Dio XLVIII 32,2; Sidon. IX 14,7 (über die literarische Tätigkeit des Balbus); Hist. Aug. v. Max. et Balbin. VII 3 (über den Kaiser Balbinus, der sich auf unseren Balbus zurückführte); ferner erscheint Balbus als Empfänger im Ciceronischen Briefcorpus Att. IX

1.2 Zur Person des L. Cornelius Balbus

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derts vor Christus. L. Rubio glaubt, das Jahr auf 95 einschränken zu können, allerdings ist dies nicht völlig gewiß. Rubio operiert mit der Unwägbarkeit, in welchem Jahr bzw. in welchem Alter Balbus in den römischen Militärdienst eintrat. Es steht jedenfalls fest, daß Balbus unter Quintus Caecilius Metellus Pius, der von 79 – 71 Proconsul in Hispania Ulterior war, gedient hat.¹² Aus Balb. 5 ergibt sich, daß Balbus außerdem im Dienst des C. Memmius et in classe et in exercitu stand, der von 77 bis zu seinem Tod 75 im Krieg gegen Sertorius als Quästor in Spanien tätig war; schließlich diente Balbus auch unter Pompeius, der ihn für seine militärischen Leistungen im Sertorischen Krieg mit dem römischen Bürgerrecht beschenkte und ihn dann in diesem Prozess gemeinsam mit M. Licinius Crassus Dives und Cicero verteidigte. Das Gesetz, mit dem Pompeius zu einer solchen individuellen Bürgerrechtsverleihung berechtigt wurde, war die lex Gellia Cornelia de civitate donanda, die 72 von den Konsuln L. Gellius Poplicola und Cn. Cornelius Lentulus Clodianus eingebracht wurde und auf die sich Cicero in seiner Rede auch bezieht (Balb. 19 u.ö.). Die Bürgerrechtsverleihung muß demnach, wenn man den terminus post quem und den terminus ante quem zusammennimmt, in dem Zeitraum von 72 v.Chr. und 56 v.Chr. erfolgt sein, wobei man schon einen recht frühen Zeitpunkt wird annehmen dürfen, da es Balb. 41 heißt hospitium multis annis ante hoc tempus cum L. Cornelio Gaditanos fecisse publice dico, was aufgrund der multi anni nahelegt, daß Balbus das Bürgerrecht schon bald nach dem Erscheinen der lex Gellia Cornelia erhalten hat, da sich ansonsten das lange zurückliegende

7C. Zweifelhaft ist Att. X 1,2: der hier erwähnte emptus pacificator ist vermutlich nicht Balbus (vgl. Shackleton Bailey (1965/1970) ad loc.). Oft genannt wird ferner Att. IV 5,3, doch ist mit der Palinodie, von der Cicero spricht, wahrscheinlich die Rede De provinciis consularibus gemeint, nicht die Balbiana, zumal wenn Shackleton Baileys Datierung auf Juni/Juli 56 stimmen sollte. Die Liste der Stellen aus den Briefen Ciceros ließe sich im übrigen noch verlängern; man vergleiche das Onomasticon Shackleton Baileys (1995). Zum Leben des Balbus sowie zum gesamten geschichtlichen Hintergrund vgl. Rubio (1949) und (1950), der sogar die vorrömische Geschichte von Gades beleuchtet; ferner Jullien (1886), Münzer (1900) und aus jüngerer Zeit Lamberty (2005).  Vgl. Rubio (1949), 82 mit Anm. 135. Der sprachliche Duktus in Balb. 63 läßt vermuten, daß Balbus jünger als Caesar gewesen ist. Auf das Jahr 95 kommt Rubio, indem er den Eintritt des Balbus in den Militärdienst unter Metellus auf 78 berechnet, da in diesem Jahr während des Konsulats des Q. Lutatius Catulus und des M. Aemilius Lepidus das foedus mit Gades erneuert wurde (vgl. Balb. 34 tum est cum Gaditanis foedus vel renovatum vel ictum), was die Stellung von Auxiliartruppen notwendig gemacht habe und Balbus im Zuge derartiger Aushebungen in den Dienst des Metellus geraten sei. Weil nun das übliche Alter für den Beginn des Militärdienstes 17 Jahre gewesen sei, ergebe sich das Jahr 95 als Geburtsdatum. Rubio bezieht sich hier auf den Rechtsgelehrten Q. Aelius Tubero, der Gell. NA X 28 zitiert wird. Für zwingend halte ich die Argumentation allerdings nicht. Es scheint mir ebenso gut möglich, daß Balbus bereits im Jahre 79, als Metellus nach Spanien kam, den Militärdienst freiwillig angetreten und/oder dies bereits im jüngeren Alter getan hat. Vgl. Mommsen, StR I 506 f.

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1 Einleitung

hospitium mit den Bürgern von Gades nicht erklärt.¹³ Möglicherweise ist Balbus kurz nach dem Krieg gegen Sertorius nach Rom gekommen; vielleicht aber auch erst im Jahre 60 im Gefolge Caesars, der 61 Proprätor von Hispania Ulterior gewesen war und dort Balbus zum praefectus fabrum ernannte (oder ihn, im Falle einer früheren Datierung der Übersiedlung des Balbus nach Rom, d. h. kurz nach dem Krieg gegen Sertorius, als praefectus fabrum nach Spanien mitnahm).¹⁴ Mit dem römischen Bürgerrecht nahm Balbus auch einen vollen römischen Namen an; es gibt zahlreiche Spekulationen darüber, wer mit der Namensgebung Lucius Cornelius Balbus geehrt werden sollte. Ein oft genannter Anwärter für praenomen und nomen gentile ist Lucius Cornelius Lentulus, der im Jahre 206 v.Chr. das erste foedus mit Gades geschlossen hatte, als er Truppen in Spanien befehligte und somit die Beziehungen zwischen Rom und Gades etablierte und festigte.¹⁵ Ein wahrscheinlicherer Kandidat ist der Zeitgenosse des Balbus und Kamerad im Sertorischen Krieg Lucius Cornelius Lentulus Crus, durch dessen Vermittlung möglicherweise Pompeius Balbus das Bürgerrecht verliehen hat. In einem Brief des Balbus, der in dem Ciceronischen Briefcorpus überliefert ist, spricht er u. a. von den maxima beneficia des Pompeius und des Lentulus Crus (Att. IX 7B,2); in einem weiteren heißt es quod Lentulum consulem meum voluisti hic remanere, Caesari gratum, mihi vero gratissimum me dius fidius fecisti; nam illum tanti facio qui non Caesarem magis diligam (Att. VIII 15 A,2).¹⁶ Ferner hat J. Reid erwogen, ob die gens Cornelia auch wegen eines der Urheber der für Balbus so wichtigen lex Gellia Cornelia geehrt werden sollte.¹⁷ Vielleicht spielen alle drei

 So setzt bspw. auch Angelini (1980), 360 f. die Verleihung auf 71 v.Chr. an; Sherwin-White (1973), 301 datiert sie kurioserweise auf 73 (ein Druckfehler?). Zur Bürgerrechtsverleihung an Balbus vgl. auch Rubio (1949), 91 ff.  Für die frühere Datierung vgl. z. B. Reid, 6 und Hoche (1882), 7, für die spätere Rubio (1949), 101, Sherwin-White (1973), 302, Lamberty (2005), 159 und Pina Polo (2011), 197.  Zum ersten foedus vgl. Sherwin-White (1973), 185, Reid, 5 und Rubio (1949), 78. Der Balb. 34 erwähnte primi pili centurio L. Marcius Septimus, der das foedus Marcianum (Balb. 39) begründet hat, war zur Zeit des L. Cornelius Lentulus ein Unterfeldherr in Spanien. Das imperium war jedoch in der Hand des Lentulus, der dort nach Angabe des Livius XXIX 13,7 Proconsul war.Vgl. dazu Pina Polo (2011), 194, der auch erwähnt, daß Lentulus ein hospitium mit Gades schloß. Zur Erneuerung des foedus im Jahre 78 vgl. Balb. 34 und die Anm. 12 oben. Zum Namen vgl. auch Hoche (1882), 5; zustimmend Kaden (1912), 3.  Shackleton Bailey (1965/1970) ad loc. erwähnt hier auch, daß Lentulus vermutlich an der Bürgerrechtsverleihung beteiligt gewesen war. Der Großteil der Forscher hat diese Hypothese vertreten, so bereits Jullien (1886), 15, Gasquy (1886), 14, Bonfiglioli, 5 sowie Lamberty (2005), 156 und Cecere (2007), 231 Anm. 5. Rubio, 16 beläßt es beim non liquet. Skeptisch ist insgesamt Pina Polo (2011), 194– 196, der überhaupt infrage stellt, daß die Namensgebung und die Bürgerrechtsverleihung im Zusammenhang stehen müssen.  Vgl. Reid, 5.

1.2 Zur Person des L. Cornelius Balbus

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Personen bei der Namensgebung eine Rolle. Genauso unentscheidbar ist die Frage nach dem Ursprung des cognomen. Möglicherweise ist es von dem Freund des Pompeius T. Ampius Balbus genommen.¹⁸ Indessen existiert auch die Theorie, daß sich der Name aus dem Punischen ableitet und dieselbe Wurzel hat wie bspw. Hannibal oder Hasdrubal und letzten Endes auf den Namen des semitischen Gottes Baal zurückzuführen ist.¹⁹ Der Name Balbus ist jedoch auch im Lateinischen allgemein üblich gewesen (vgl. z. B. L. Octavius Balbus in Cic.Verr. II 2,31, P. Octavius Balbus in Cic. Cluent. 107 oder den Dichter der Argonautica C. Valerius Flaccus Setinus Balbus); ferner führt I. Kajanto unter dem Lemma „stammering, lisping“ zahlreiche Beispiele für das cognomen Balbus an sowie für die abgeleiteten Formen Balbillus, Balbillianus, Balbinus, Balbinianus und Balbio.²⁰ Eine Synthese wird von J. Zeidler versucht, der beide Faktoren für entscheidend hält, insofern die klangliche Ähnlichkeit des lateinischen Wortes und des punischen dem Bewohner der alten phönizischen Kolonie das Wort Balbus zumindest nahegelegt hat.²¹ Daß dieses cognomen zum einen allgemein üblich war und zum anderen einem Freunde des Pompeius gehörte, hat die Wahl möglicherweise zusätzlich beeinflußt. Im Jahre 59, während des Konsulats Caesars, wurde Balbus von Theophanes von Mytilene (sozusagen der persönliche Geschichtsschreiber des Pompeius) adoptiert, was – wie aus Balb. 57 ersichtlich ist – einen Stein des Anstoßes und Nahrung für die allgemeinen Ressentiments gegen Balbus darstellte. Ähnlich wie Balbus für Caesar, war Theophanes als enger Vertrauter für Pompeius später im Bürgerkrieg als praefectus fabrum tätig. Der praefectus fabrum war ein geringer Offizier, da er keinen Truppenteilen vorgesetzt war, sondern – wie der Name sagt – den Heereshandwerkern. Zusätzlich kamen ihm auch Aufgaben wie Beuteverteilung zu (vgl. Mommsen, StR II 1,565) sowie in späterer Zeit offenbar auch generelle Adjutanten- und Sekretärspflichten. Es wird nun vermutet, daß Balbus und Theophanes als Mittelsmänner für Caesar und Pompeius am Entstehen des ersten Triumvirates zu einem Teil mit verantwortlich waren und sich die Adoption des Balbus gerade durch Theophanes u. a. auch aus dieser Verbindung erklärt.²² Daß

 Vgl. Reid, 5.  So bereits Jullien (1886), 17 und Lamberty (2005), 156, wenngleich Lamberty T. Ampius Balbus als Urheber nicht ausschließt.  Vgl. Kajanto (1965), 240. Auch Gasquy (1886), 14 hat bereits darauf hingewiesen, daß der Name in Rom üblich gewesen ist. Skeptisch ist auch Münzer (1900), 1261 und aus jüngerer Zeit Pina Polo (2011), 192. Ferner ist vielleicht auch der Balbutius quidam aus Cic. Cluent. 166 hier einzuordnen.  Vgl. Zeidler (2005), 178 – 180.  Zur Bedeutung des Theophanes als Vertrauensperson des Pompeius vgl. Caes. civ. III 18,3 adhibito Libone et L. Lucceio et Theophane, quibus communicare de maximis rebus Pom-

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1 Einleitung

es ferner auch eine Verbindung zum dritten Triumvirn Crassus gab, zeigt zum einen der Umstand, daß dieser gemeinsam mit Pompeius und Cicero Balbus verteidigte, zum anderen die Balb. 56 erwähnte Tatsache, daß Balbus von Crassus ein Haus in Tusculum gekauft hatte.²³ Balbus blieb Caesars enger Vertrauter und diente bspw. beim Gallienfeldzug erneut als praefectus fabrum. Nach Ciceros Rede zu urteilen, war es gerade diese Nähe und der vertraute Umgang mit den Mächtigsten der Zeit, der Balbus das Ressentiment seiner Zeitgenossen und vor allem die Feindschaft der politischen Gegner Caesars bzw. insgesamt des Triumvirats einhandelte (von Cicero eingehend behandelt von Balb. 56 an bis zum Schluß). So wurde Balbus als „Stellvertreter“ Pompeius’ und Caesars von einem uns unbekannten Kläger und offenbar Landsmann des Balbus (siehe Balb. 25, 32 und 41) angeklagt, damit ihm das vermeintlich zu Unrecht verliehene Bürgerrecht entzogen werde.²⁴ Wie Cicero insinuiert, sollten mit dem Prozeß seitens der Hintermänner natürlich auch die Triumvirn selbst getroffen werden; ferner wurde dem gaditanischen Kläger durch eine erfolgreiche Verurteilung in Aussicht gestellt, das schon einmal eingebüßte römische Bürgerrecht (vgl. wiederum Balb. 32) erneut zu erhalten.²⁵ Ciceros Verteidigung war erfolgreich; Balbus blieb römischer Bürger und bewegte sich weiterhin im Umkreis der Mächtigen und Einflußreichen. Er schloß sich insbesondere Caesar eng an und blieb auch während des Bürgerkrieges an dessen Seite, wenngleich er stets versuchte zu vermitteln, wovon u. a.

peius consueverat eqs. Zu Leben und Werk des Theophanes vgl. Laqueur (1934). In der bereits genannten Balbinus-Vita (s.o. Anm. 11) werden Balbus und Theophanes zu einer Person vermengt und Balbus Cornelius Theophanes als historiae scriptor bezeichnet.Vgl. dazu Lamberty (2005), 170 Anm. 108 und Pina Polo (2011), 197 Anm. 34. Damit wird ein weiteres schwieriges Thema berührt, die Frage nämlich nach den literarischen Beziehungen und Ambitionen sowohl des Balbus maior als auch minor. Rubio (1950), 190 und bes. 192 ff. sieht die Balbi bspw. im Kontakt mit der literarischen Welt Roms wie z. B.Vergil; der Vers Aen.VI 794 sei eine Anspielung auf die GaramantenKampagne des jüngeren Balbus (vgl. Sidgwick (1890) ad loc.), der in der Tat literarisch tätig war. Jedoch ist in Vers 792 ausdrücklich von Augustus die Rede, was eher gegen Rubios Annahme einer engeren Beziehung von Vergil und Balbus spricht. Auch die Notiz aus der Historia Augusta über den historiae scriptor bezieht Rubio auf Balbus und nicht etwa auf Theophanes, was weitaus wahrscheinlicher wäre. Vgl. ferner Kaden (1912), 32– 34, der dieses Thema eher skeptisch sieht.  Vgl. dazu Rubio (1949), 103.  Vermutlich wurde Balbus auf Grundlage der lex Papia de civitate Romana angeklagt wie vor ihm bereits der Dichter Archias. Zur lex Papia sowie zur lex Licinia Mucia de civibus redigundis, die Balb. 48 und 54 erwähnt wird, vgl. Coşkun (2009), 149 – 155 sowie bereits Goodfellow (1935), 21. Beide besprechen bzw. hinterfragen auch den Zusammenhang der lex Licinia Mucia mit dem Ausbruch des Bundesgenossenkrieges. Zu den verschiedenen Möglichkeiten, gemäß welchem Gesetz Balbus angeklagt wurde, vgl. bereits Gasquy (1886), 9 und Hoche (1882), 8.  Zu diesem Motiv vgl. Rubio, 34, Reid, 11 und Hoche (1882), 8.

1.3 Cicero und Balbus

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die Briefe in der Korrespondenz Ciceros zeugen. Wie oben bereits erwähnt, wurde er 40 v.Chr. zum Suffektkonsul gewählt und starb irgendwann nach 32 v.Chr., nachdem er jedem römischen Bürger 100 Sesterzen vermacht hatte.²⁶

1.3 Cicero und Balbus Cicero übernahm die Verteidigung des Balbus vermutlich nur aufgrund der Nötigung durch Caesar und Pompeius, die ihren Günstling in der Obhut des besten Redners Roms wissen wollten (abgesehen davon, daß Pompeius selbst Verteidiger in diesem Prozeß war), oder vielleicht auch aufgrund einer Art vorauseilenden Gehorsams und des Wunsches, sich mit dem Triumvirat (es sei an dieser Stelle daran erinnert, daß auch Crassus als Verteidiger des Balbus in diesem Prozeß auftrat und daß damit das gesamte Triumvirat involviert war) gut zu stellen.²⁷ Während nämlich Cicero einerseits in der Rede betont, wie sehr er persönlich Balbus verpflichtet sei (Balb. 1 ego quantum ei debeam, alio loco und 58 – 59, bes. 59 non modo non exultavit in ruinis nostris vestrisque sordibus Cornelius, sed omni officio – lacrumis, opera, consolatione – omnis me absente meos sublevavit), macht er doch keinen Hehl daraus, daß er mit der Verteidigung des Balbus vor allem auch Pompeius entgegenkommt (Balb. 4 sed mos est gerundus non modo Cornelio, cuius ego voluntati in eius periculis nullo modo desse possum, sed etiam Cn. Pompeio, qui sui facti, sui iudici, sui benefici voluit me esse, ut apud eosdem vos, iudices, nuper in alia causa fuerim, et praedicatorem et actorem). Überhaupt entpuppen sich die ersten 16 Paragraphen (vor allem 9 – 16) der Rede als ein einziges Elogium auf Pompeius²⁸, das einige auffällige Parallelen zum Passus 28 – 48 (mit Rekapitulation 49) der Rede De lege Manilia aufweist. Die Qualitäten des Pompeius werden dort jedoch (aus ersichtlichen Gründen) ausführlicher behandelt, allerdings ähnlich systematisch wie hier (wovon noch zu reden sein wird) nach den Kategorien scientia rei militaris, virtus, auctoritas und felicitas.  Bzw. 25 Drachmen, wie Cassius Dio XLVIII 32,2 berichtet.  Zu diesem Motiv und generell zum Hintergrund vgl. Reid, 9 f. und Rubio, 27– 35. Brunt (1982), 136 hat ferner vermutet, daß Cicero ebenfalls von Caesar und Pompeius zur Publikation dieser Rede sowie der Rede De provinciis consularibus gedrängt wurde, abgesehen sicherlich von dem generellen Bedürfnis Ciceros zur Selbstdarstellung und rhetorischen Unterweisung der Jugend. Zu diesem Publikationsmotiv vgl. Stroh (1975), 52 f., der sich hier gegen die sog. Redaktionshypothese J. Humberts wendet. Ebenso Espluga (2016), 56. Speziell zur Frage nach den Unterschieden von gehaltener und publizierter Rede vgl. außerdem ebd. 64 ff.  Vgl. Reid, 15: „Up to this point there is a great deal of declamation, and very little argument. All that has been done is to excite sympathy for Balbus, and to establish strongly the antecedent improbability of illegal action on the part of Pompeius.“

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1 Einleitung

Darüber hinaus fällt auf, daß aus den Briefen Ciceros mitunter eine gewisse Abneigung gegen Balbus zu sprechen scheint. Zu nennen ist hier vor allem Att.VII 7,6 über das verlängerte imperium Caesars: annorum autem decem imperium et ita latum ? placet igitur etiam me expulsum et agrum Campanum perisse et adoptatum patricium a plebeio, Gaditanum a Mytilenaeo, et Labieni divitiae et Mamurrae placent et Balbi horti et Tusculanum. sed horum omnium fons unus est. Es ist bezeichnend, daß Cicero hier sein Exil u. a. mit der Adoption des Balbus durch Theophanes sowie dem Grundbesitz des Balbus zusammenstellt, also ausgerechnet den Dingen, die Cicero in seiner Rede als Gründe der Mißgunst angreift und zu entschärfen sucht (s. Balb. 56 – 57). Balbus’ Rolle als Vermittler zwischen Caesar und Pompeius scheint Cicero Att. IX 14,2 in Frage zu stellen: ubi est illa pax de qua Balbus scripserat torqueri se? Eine noch deutlichere Sprache spricht das despektierliche Tartessius iste aus Att.VII 3,11, und auch ad Q. fr. III 1,9 zeugt eher von vorsichtiger Skepsis als von Zuneigung und Vertrauen.²⁹ Um Ciceros Kniefall vor dem Triumvirat zu verstehen und seine Bereitschaft, ihm mißliebige Günstlinge Caesars und Pompeius’ zu verteidigen, muß man auf die historischen Umstände seines Exils einen Blick werfen.³⁰ Für die Vorbedingungen von Ciceros Verbannung kann man bis auf das Jahr 63 v.Chr. zurückgehen, das Jahr, in dem Cicero Konsul war. Am 5. Dezember des Jahres 63 wurden auf Anraten Ciceros und Catos die des Hochverrats überführten Catilinarier ohne Prozeß nach einem im Oktober erlassenen senatus consultum ultimum hingerichtet. Diese Hinrichtung sollte später (zumindest rein offiziell) der Grund für Ciceros Verbannung werden. Derjenige, der diese Verbannung vorantreiben sollte, war Publius Clodius Pulcher, dessen inimicitia sich Cicero dadurch zuzog, daß er im Jahre 61 gegen Clodius in dem Prozeß um den Bona-Dea-Skandal aussagte. Clodius, wie so manche Demagogen seiner Zeit, sah seine Chance darin, durch das Amt des Volkstribuns mit der Volksversammlung Politik gegen die Senatsnobilität zu machen. Da nun aber Clodius (ursprüngl. Claudius) aus einer patrizischen Gens stammte, das Volkstribunat jedoch nur Plebejern offenstand, schien dieser

 Man vergleiche insgesamt als Kontrapunkt zur Verteidigung des Balbus und seines Status als römischer Bürger Ciceros Äußerungen in Phil. 3,10 gegen die allzu große Freigebigkeit bei der Verleihung des Bürgerrechtes. Dies sei nur erwähnt, weil zuweilen immer noch vergessen wird, daß Cicero Anwalt war und in den Reden nicht (unbedingt) seine eigene innere Einstellung preisgibt. Um Cicero selbst zu Wort kommen zu lassen, siehe Cluent. 139 sed errat vehementer, si quis in orationibus nostris quas in iudiciis habuimus auctoritates nostras consignatas se habere arbitratur.  Vgl. hierzu E. Meyer (1922), der insbesondere auf den Seiten 95 – 113 über Ciceros Verbannung und Rückberufung handelt, sowie Gelzer (1969), 102– 151, Christ (1979) und speziell zu Ciceros Rückkehr Nicholson (1992).

1.3 Cicero und Balbus

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Weg zunächst nicht passierbar. Im Jahre 59 jedoch äußerte sich Cicero in einer Verteidigungsrede für seinen ehemaligen Amtskollegen Gaius Antonius offenbar so freimütig über die unhaltbare Lage der res publica unter dem Triumvirat, daß schon drei Stunden nach dem Prozeß Caesar als pontifex maximus die Adoption des Clodius durch den Plebejer Fonteius – eigentlich eine langwierige Prozedur – bewilligte, im übrigen auch mit Absegnung des Auguren Pompeius.³¹ Für das folgende Jahr wurde Clodius dann zum Volkstribunen gewählt und damit Ciceros Schicksal besiegelt. Clodius machte sich sogleich ans Werk, seine lex Clodia einzubringen und durchzusetzen, durch die geächtet werden sollte, wer römische Bürger ohne Prozeß und Gerichtsurteil hinrichten ließ; daß dies auf Cicero zielte, war überdeutlich, vor allem für Cicero selbst, der nun verzweifelt versuchte, seine Freunde oder vermeintlichen Freunde zur Unterstützung zu bewegen. Es erhob sich jedoch kein beherzter Widerstand; auch Pompeius, einer der mächtigsten Männer in Rom und Cicero vorgeblich durch amicitia verpflichtet, sah sich außer Stande (bzw. war nicht bereit), Cicero zu helfen. Ehe das Gesetz zur Abstimmung kam, entzog sich Cicero einer etwaigen gerichtlichen Verfolgung und ging im März 58 freiwillig ins Exil nach Griechenland. Das Gesetz wurde angenommen, Ciceros Besitztümer geplündert, seine Häuser auf dem Palatin und in Tusculum niedergebrannt. Das Blatt wendete sich jedoch dadurch, daß für das Jahr 57 die Konsuln P. Cornelius Lentulus Spinther, der Cicero wohlgesonnen war, und Q. Caecilius Metellus Nepos, der wohl auf Betreiben des Pompeius nun ebenfalls Ciceros Rückberufung vorantrieb, wenngleich er einst bei der Frage der Hinrichtung der Catilinarier in schärfstem Gegensatz zu ihm gestanden hatte, gewählt wurden. Hinzu kamen noch die Volkstribunen T. Annius Milo und P. Sestius, die begannen, Feuer mit Feuer zu bekämpfen und den Schlägertrupps des Clodius, die er stets zusammengetrommelt hatte und mit denen er noch im Januar 57 eine Volksversammlung zur Abstimmung über die Rückberufung Ciceros blutig auseinandertrieb, nun eigene entgegenzusetzen. Nach und nach wurde die Stimme des Senates lauter, welche die Rückholung Ciceros forderte. Am vierten August endlich wurde in den Zenturiatkomitien das Gesetz zur Rückberufung Ciceros erlassen; noch am selben Tage schiffte er sich nach Italien ein und kam am vierten September, von der Bevölkerung stürmisch begrüßt, in Rom an. Nach diesen Ereignissen mußte sich Cicero seiner prekären Lage bewußt sein sowie der Tatsache, wer in Rom die Macht hatte und mit welchen Mitteln diese durchgesetzt und Politik gemacht wurde. Als nach der Konferenz von Luca das Triumvirat erneuert wurde, das Ciceros Verbannung zumindest nicht im Wege gestanden und diese

 Vgl. Christ (1979), 295 und E. Meyer (1922), 73 f.

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1 Einleitung

allein dadurch begünstigt hatte, wird Cicero gewußt haben, daß er sich dem mächtigen Bund anzudienen hatte, um Freunde und Helfer im Falle von Angriffen wie dem des Clodius zu haben.

1.4 Struktur und Argumentation der Rede Die Struktur der Rede Pro Balbo läßt sich etwa folgendermaßen darstellen:³² 1– 4: Exordium 5 – 19: Narratio und Propositio, wobei die narratio natürlich, da Cicero als letzter spricht (vgl. Balb. 4 und 17), nur sehr rudimentär vorhanden ist und darüber hinaus, wie H. Kaden bemerkt, „iam argumentatione admixta“.³³ Teil dieses Abschnittes ist die bereits erwähnte digressio über Pompeius (9 – 16). 19 – 59: Argumentatio (bestehend aus confirmatio und refutatio, die jedoch ineinander übergehen und nicht immer klar voneinander abgrenzbar sind).³⁴ Unter dem Begriff argumentatio ist immer auch die nicht-sachliche Argumentation gemeint sowie häufige und teils ausführliche historische exempla, die man üblicherweise wahrscheinlich nicht als Argumentation im strengeren Sinne ansehen würde. 60 – 65: Peroratio Das Thema oder der strittige Gegenstand dieses Prozesses und somit dieser Rede wird von Cicero in Balb. 19 dem Ankläger in den Mund gelegt: donatum esse L. Cornelium praesens Pompeius dicit, indicant publicae tabulae, accusator fatetur, sed negat ex foederato populo quemquam potuisse, nisi is populus fundus factus esset, in hanc civitatem venire. ³⁵ Den Worten Ciceros nach zu urteilen, bestand in

 Ich lehne mich hier stark an die Analysen von Kaden (1912), Hoche (1882) und Barber (2004) an; ferner konsultiere man die Kommentare von Reid, Bonfiglioli und Rubio.  Kaden (1912), 59.  Hoche (1882), 10 – 16, der insgesamt die Rede geringfügig abweichend segmentiert, differenziert die Abschnitte der argumentatio noch folgendermaßen: 19 – 28: confirmatio de lege; 29 – 43: de foedere; 44– 51: de exemplis; 52– 55: de perpetua consuetudine civitatis nach Ciceros eigener Einteilung in Balb. 17. Darüber hinaus teilt er auch die peroratio, die nach ihm (und anderen) bereits mit Balb. 56 beginnt, noch in zwei Unterpunkte ein, nämlich 56 – 62: de invidis sowie 63 – 65: de iudicibus.Von Hoches Unterteilung der argumentatio weiche ich insofern ab, als ich den 44. Paragraphen noch zur argumentatio de foedere rechne.  An Überblicksdarstellungen und Interpretationen fehlt es nicht; vgl. neben den Kommentaren Rubio (1949), 114 ff., Hardy (1917), 132– 134; Hardy setzt sich hier kritisch mit Reid (1915) auseinander, der wiederum auf einen früheren Aufsatz von Hardy (1914) über die lex Iulia municipalis Bezug nimmt, für die auch die Balb. 21 erwähnte lex Iulia de civitate danda von Bedeutung ist. Weiteres dazu im Kommentar zur Stelle. Aus jüngerer Zeit vgl. noch Venturini (2010), der sein

1.4 Struktur und Argumentation der Rede

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den Augen der Anklage die Unrechtmäßigkeit der Bürgerrechtsverleihung durch Pompeius also darin, daß Gades, eine civitas foederata, der Verleihung (oder möglicherweise der lex Gellia Cornelia) hätte zustimmen müssen (über die Phrase fundum fieri wird noch zu sprechen sein). Da wir nur vermuten können, nach welchem Gesetz die Anklage erfolgte, ist natürlich auch in dem Punkt der Argumentation des Anklägers Vorsicht geboten.³⁶ In der rhetorischen Klassifikation, d. h. der στάσις-Lehre des Hermagoras, hätten wir es in der Balbiana, insofern Cicero die Tat nicht leugnet, sondern ihre positive Qualität verficht (worin er sich Balb. 64 sogar so weit versteigt, daß er geradezu sagt, auch im Falle der Illegalität sei es besser, mit Männern wie Pompeius zu irren als sich von einem magister wie dem Ankläger belehren zu lassen), mit der στάσις der ποιότης zu tun; insofern sich Cicero mit dem Ankläger über die Bedeutung des Wortlautes des gaditanischen foedus auseinandersetzt, mit der στάσις des ὅρος. Dadurch ist auch schon die Argumentationsstruktur der Rede angedeutet, da Cicero, wie K. A. Barber es ausgedrückt hat, einen „two-pronged attack“ unternimmt: „the first consists of the argument that Pompey’s enfranchisement was legal, and the second that Balbus was legally entitled to accept.“³⁷ Daß Pompeius zur Vergabe berechtigt war, wird von Cicero mit dem Hinweis auf die lex Gellia Cornelia begründet, im viel größerem Maße jedoch durch das bereits erwähnte Elogium auf Pompeius, im strengen Sinne also ἔξω τοῦ πράγματος. Cicero verzerrt die Sachlage dahingehend, daß er sein Loblied auf Pompeius als das eigentliche und sachgemäße Plädoyer darstellt und Balb. 15 mit den Worten atque, ut ego sentio, iudices, causa dicta est abschließt, bevor er zum eigentlichen Verhandlungsgegenstand und der Anklage kommt, die er folgerichtig als Nichtigkeiten ausgibt. Diese Art, Reden zu disponieren, um die Überzeugungskraft des ἦθος und πάθος im Gegensatz zum λόγος zu nutzen, kommt bei

Augenmerk vor allem auf die lex Gellia Cornelia und die Funktion des consilium (siehe Balb. 19 de consili sententia) richtet. Zu letzterem vgl. auch Mommsen, StR I 307– 319.  Braunert (1966), 58 meint, aus der Darstellung Ciceros lasse sich ein „fast lückenloser Beweisgang des Anklägers rekonstruieren“; hier scheint er mir dem juristischen Gegner Cicero zuviel Wohlwollen zuzutrauen. Man muß beim Widersacher immer mit Verkürzungen und Verzerrungen rechnen. Vgl. dazu auch Classen (1982), 171: „Für die juristische, politische und rhetorische Beurteilung ergibt sich damit, dass äusserste Vorsicht bei der Auswertung der Reden geboten ist, d. h. mit nicht zur Sache gehörigen (‚überflüssigen’) Abschnitten ebenso gerechnet werden muss wie mit bewussten Entstellungen rechtlicher und historischer Tatbestände.“  Barber (2004), 65. Im folgenden stütze ich mich zu großen Teilen auf Barbers Darstellung der Argumentation.Vgl. im übrigen aber auch Angelini (1980), 362 f., dessen Analyse ganz ähnlich ist, und Paulus (1997), 112 f.

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1 Einleitung

Cicero verständlicherweise relativ häufig vor.³⁸ W. Stroh, der sich intensiv mit Ciceros Technik der Disposition auseinandergesetzt hat, hat einige Reden verglichen, die sich im Hinblick auf Disposition des Stoffes und Argumentationsstrategie ähnlich sind, insbesondere die Rede Pro Q. Roscio comoedo, die Rede Pro Tullio (aufgrund des stark fragmentarischen Zustandes jedoch mit Vorsicht zu behandeln)³⁹ und auch die Rede Pro Cluentio. ⁴⁰ Ab Balb. 19 nun beginnt die eigentliche argumentatio und der von Cicero als nicht zur Sache gehörig dargestellte sachliche Teil der Rede, in dem dafür plädiert wird, daß Balbus das römische Bürgerrecht auf legitime Weise angenommen hatte. Cicero argumentiert folgendermaßen:⁴¹ 1) Die Gaditaner mußten bzw. konnten der Bürgerrechtsverleihung nicht zustimmen (populus fundus factus est), wie der Kläger behauptet, denn a) die Zustimmung von nicht-römischen Gemeinden, wie bei der lex Voconia, Furia und Iulia, erfolgt mit dem Ziel, an den juristischen beneficia der Römer teilzuhaben, nicht etwa um die Autorität Roms dadurch zu schmälern, daß die Legislation von dem Gutdünken anderer civitates abhängig gemacht wird (Balb. 21 fundi populi beneficio nostro, non suo iure fiant; dieses Thema wird in vielfacher Variation von Cicero immer wieder vorgetragen); b) die Zustimmung kann insbesondere dann nicht gefordert werden, wenn Roms Sicherheit und vitale Interessen auf dem Spiel stehen, wie dies (so Cicero) im Falle von Bürgerrechtsverleihungen der Fall ist, da durch die Einbürgerungen die Wehrhaftigkeit Roms gestärkt wird; c) Roms Bürger können jederzeit in anderen civitates Bürger werden, ohne daß Rom zustimmen müßte. Warum also sollte es im umgekehrten Fall anders sein? d) in dem foedus zwischen Rom und Gades steht keine Klausel, die eine Zustimmung erforderlich machen würde; zudem handelt es sich um ein foedus iniquum, das von Gades fordert, die maiestas Roms zu wahren (in Balb. 35

 Brunt (1982), 146 weist darauf hin, daß aus diesem Umstand nicht notwendigerweise auf die Unwahrhaftigkeit Ciceros geschlossen werden kann, da es sich hierbei lediglich um die rhetorisch stärkere Waffe handelt.  Vgl. Stroh (1975), 157– 159, wo er über mögliche attische Vorbilder der Rosciana handelt, wobei S. 157 Anm. 2 als Parallele zu letzterer wiederum die Rede Pro Balbo genannt wird, und 167 über die Rede Pro Tullio. Über die Bedeutung der Reden 5 und 11 des Isaios und über die sprachlichen Parallelen wird im Kommentar zur Stelle zu handeln sein.  Vgl. Stroh (2009), 490 f., der interessanterweise mit Balb. 15 und Cluent. 145 (hinzuzufügen wäre vielleicht noch Cluent. 164, wo das Thema wiederholt wird) erneut unter dem Gesichtspunkt der Disposition die 1. Apologie des Iustinus Martyr (1– 12, bes. aber 12,11) vergleicht.  Ich weise nochmals auf Barbers (2004), 65 ff. Analyse der Argumentation hin, der ich mit geringfügigen Abweichungen und Ergänzungen folge.

1.4 Struktur und Argumentation der Rede

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zitiert Cicero aus dem Vertrag MAIESTATEM POPULI ROMANI COMITER CONSERVANTO; hier klingt also teilweise 1a wieder an); e) das foedus mit Gades ist nicht sakrosankt, da es nicht von den comitia populi oder dem concilium plebis abgesegnet worden ist; in einer concessio argumentiert Cicero dann, daß, selbst wenn das foedus eine Exzeptionsklausel enthalten und dadurch die Unrechtmäßigkeit einer Einbürgerung nach sich gezogen hätte, diese Klausel durch die lex Gellia Cornelia ihre Wirkung verloren hätte, da der Vertrag nicht sakrosankt war.⁴² 2) Die Gaditaner haben inoffiziell zugestimmt, indem sie Balbus zum hospes machten, ihn dadurch also zum römischen Bürger deklarierten, das Verhalten des Klägers diskreditierten und eine Gesandtschaft zur Unterstützung schickten.⁴³ Was darauf folgt, bewegt sich wieder eher außerhalb einer streng sachorientierten Argumentation; nach der Einteilung Hoches beginnen hier die Abschnitte de exemplis und de perpetua consuetudine civitatis, also Priameln von Präzedenzfällen und Gebräuchen, sowie daran anschließend eine ausschließlich emotional-pathetische Argumentation und Appelle.⁴⁴ In der peroratio schließlich wendet sich Cicero – neben einer eingeschobenen Rechtfertigung des eigenen Opportunismus (61– 62) – gegen die Hintermänner des Prozesses (mutmaßlich optimatisch gesinnte Caesar- bzw. Pompeius-Gegner) sowie generell gegen den Brauch, Feinde durch den Angriff auf deren Freunde treffen zu wollen, was Cicero Balb. 60 in dem Satz et erit aequa lex et nobis, iudices, atque omnibus qui nostris familiaritatibus inplicantur vehementer utilis, ut nostras inimicitias ipsi inter nos geramus, amicis nostrorum inimicorum temperemus schön zum Ausdruck bringt. Abgesehen von der sachlichen Argumentation nutzt Cicero wie üblich in hohem Maße die Mittel des ἦθος und πάθος. Direkt im ersten Satz der Rede werden leitmotivisch Begriffe gesetzt, die für den gesamten Text und für die von Cicero forcierte Beurteilung des Falles eine Rolle spielen. Die Rede beginnt si  Cicero argumentiert häufiger mit der „Heiligkeit“ des Volksbeschlusses, so z. B. mit Bezug auf die Dedikation dom. 136 oder auch Sest. 70 und grundsätzlich de legibus III 45; vgl. dazu Halm (1886) zur Sestiana-Stelle.  Gesandtschaften als Leumundszeugen kommen ebenfalls häufiger in Ciceros Reden vor, so bspw. Cael. 5 und Cluent. 196. Die legationes konnten auch für den Gegner erscheinen, so bspw. Verr. II 2,45 und Verr. II 5,57 sowie Verr. II 2,114, wo zwei gegnerische Gesandtschaften gegenübergestellt werden. Vgl. den Kommentar zu Balb. 41. 407– 411.  Siehe oben Anm. 34. Dort wurde bereits angemerkt, daß Hoche die peroratio mit Balb. 56 beginnen läßt. Die Grenzen zwischen unsachlicher argumentatio und pathetischer peroratio sind in den Paragraphen 56 ff. tatsächlich fließend, so daß eine Entscheidung für die eine oder andere Einteilung schwer fällt.

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auctoritates patronorum in iudiciis valent, ab amplissimis viris L. Corneli causa defensa est, si usus, a peritissimis, si ingenia, ab eloquentissimis, si studia, ab amicissimis et cum beneficiis cum L. Cornelio, tum maxima familiaritate coniunctis. Schon im übernächsten Satz werden die Begriffe (bis auf studia, das durch voluntas ersetzt wird) wiederholt: quae sunt igitur meae partes? auctoritatis tantae quantam vos in me esse voluistis, usus mediocris, ingeni minime voluntati paris. Man erinnere sich dabei an die oben erwähnte Rede De lege Manilia, in der ebenfalls die auctoritas des Pompeius hervorgehoben wird sowie die scientia rei militaris, der hier der usus entspricht. Die virtus und die felicitas haben dagegen in der Balbiana keine genaue Entsprechung, wenngleich auch sie in der Rede zur Sprache kommen (vgl. vor allem Balb. 9 cui etiam ipsi casus eventusque rerum non duces, sed comites [eius] consiliorum fuerunt, in quo uno ita summa fortuna cum summa virtute certavit, ut omnium iudicio plus homini quam deae tribueretur). Wie schon erwähnt wurde, ist die Emphase der auctoritas des Pompeius (und somit implicite seiner juristischen Immunität) einer der wesentlichen argumentatorischen Züge der Rede und nimmt dementsprechend nahezu ein Viertel des Textes ein.⁴⁵ Ferner spielen die studia oder die voluntas derjenigen, mit denen Balbus assoziiert wird, eine große rhetorische Rolle; im exordium sind dies in erster Linie die Verteidiger und amicissimi des Balbus, Pompeius und Crassus (neben Cicero selbst), in der peroratio vor allem Caesar. Auch der usus findet sich leitmotivisch in der gesamten Rede wieder (u. a. bspw. in Ciceros Lob des Fachwissens Balb. 45) und dient der Diskreditierung des Anklägers, da Pompeius als Mann der Praxis und Kenner der res militares sowie der foedera gepriesen und den mediocres homines und den librarioli (Balb. 14) kontrastierend gegenübergestellt wird. Die ingenia indessen werden seltener aufgegriffen, fehlen aber auch nicht ganz, insbesondere in den ersten 19 Paragraphen (vgl. z. B. Balb. 17 über Crassus und Pompeius: nihil enim mihi novi, nihil integri neque M. Crassus, qui totam causam et pro facultate et pro fide sua diligentissime vobis explicavit, neque Cn. Pompeius, cuius oratio omnibus ornamentis abundavit, ad dicendum reliquit sowie Balb. 3 und 15 über Pompeius allein, der sich in allen genera artium hervortut). Insgesamt verläßt sich Cicero neben den eigentlichen Argumenten zum Gesetz und dem Bündnis vor allem auf die Schlagkraft der Assoziation des Balbus mit den Triumvirn, und so nimmt es nicht wunder, wenn er noch im letzten Satz der Rede die Richter daran erinnert, daß sie über Balbus eigentlich nur als Stellvertreter des Pompeius zu Gericht sitzen: postremo illud, iudices, fixum in animis

 Vgl. dazu und zu den folgenden Ausführungen auch Barber (2004), 4– 6 und Harries (2004), 155. Das zweite Wort auctoritas hat für die Balbiana sozusagen dieselbe Bedeutung wie die Homerische μῆνις für die Ilias.

1.5 Die Rechtslage

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vestris tenetote, vos in hac causa non de maleficio L. Corneli, sed de beneficio Cn. Pompei iudicaturos. ⁴⁶

1.5 Die Rechtslage Wie eingangs bemerkt, sollen in dieser Arbeit die rechtshistorischen Hintergründe im Gegensatz zum Großteil der wissenschaftlichen Auseinandersetzung nicht in aller Breite behandelt werden (im Kommentar wird an den entsprechenden Stellen zuweilen auf die Diskussionen in der weiterführenden Literatur verwiesen werden); dennoch scheint es geboten, an dieser Stelle auch kurz auf das juristische Problem, das in der Rede Pro Balbo thematisiert wird, einzugehen, d. h. vor allem die Frage danach, ob die Anklage gerechtfertigt war (soweit man dies überhaupt beurteilen kann) oder ob umgekehrt Ciceros Darstellung und Auslegung der Rechtslage dem tatsächlichen Sachverhalt entspricht. Die entscheidende Stelle Balb. 19, in welcher der in rechtlicher Hinsicht womöglich wichtigste Vorwurf des Anklägers (daß nämlich die Zustimmung zur Bürgerrechtsverleihung seitens der gaditanischen civitas fehle) zitiert wird, wurde oben auf Seite 12 bereits genannt. Problematisch ist nun die Paraphrase der Anklage, die gaditanischen Gemeinde habe „zustimmen“ müssen. Was hier (und auch sonst) mit „zustimmen“ übersetzt wird, ist die Verbalphrase fundum fieri ⁴⁷, die das für die Anklage entscheidende juristische Bindeglied zwischen der civitas foederata Gades und der römischen lex Gellia Cornelia bzw. der römischen Bürgerrechtsverleihung gewesen zu sein scheint. Zur Erläuterung dieser obskuren Phrase wird üblicherweise Festus p. 89 M. herangezogen, wo es heißt: Fundus dicitur ager, quod planus sit ad similitudinem fundi vasorum. Fundus quoque dicitur populus esse rei, quam alienat, hoc est

 Vgl. insgesamt zum ἦθος in der Rede Barber (2004), 25; zum πάθος ebd. 45  Diese Phrase wurde ausführlich in der Literatur behandelt; zuletzt vor allem durch Iso (1995), der für die Herkunft aus dem ius civile (vgl. Balb. 21 tulit apud maiores nostros legem C. Furius de testamentis, tulit Q. Voconius de mulierum hereditatibus; innumerabiles aliae leges de civili iure sunt latae; quas Latini voluerunt, adsciverunt und Balb. 22 de nostra vero re publica, de nostro imperio, de nostris bellis, de victoria, de salute fundos populos fieri noluerunt) und folglich auch für die Beschränkung auf das ius civile argumentiert. Etwas anders Coarelli (1994), 116, der über die tabula Heracleensis handelt und mit Bezug auf die eben genannte Stelle Balb. 21 eine Übertragung auf das ius publicum nicht ausschließt: „Il fatto che si tratti di ius civile non costituisce in questo caso un ostacolo: lo stesso procedimento di fundus fieri della lex Iulia dimostra infatti che l’operazione poteva essere estesa anche al diritto pubblico.“ Vgl. ferner Rubio (1949), 114 und Braunert (1966), 61. Gasquy (1886), 59 vergleicht zu fundus i.q. auctor das griechische βεβαιωτής und κύριος.

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1 Einleitung

auctor, sowie Cicero selbst in Balb. 20 sed totum hoc, iudices, in ea fuit positum semper ratione atque sententia, ut cum iussisset populus Romanus aliquid, si id adscivissent socii populi ac Latini, et si ea lex quam nos haberemus, eadem in populo aliquo tamquam in fundo resedisset, ut tum lege eadem is populus teneretur eqs. (ganz ähnlich ferner Gellius, NA XVI 13,6, wo er von Munizipien handelt; vgl. außerdem Cic. dom. 78). Während die Festus-Stelle etwas undurchsichtig bleibt und uns über die juristischen Implikationen des fundum fieri recht wenig sagt, ist Cicero schon verständlicher; doch besteht hier natürlich das Problem darin, daß Cicero das Konzept allein im Sinne seiner Verteidigung darstellen könnte (und Gellius wiederum könnte von Cicero abhängen). Ganz offensichtlich benutzt Cicero die Phrase fundum fieri in einer übertragenden Bedeutung, wie sie durch Verwendungsweisen von fundus + Kopula wie die bei Plautus, Trin. 1123 quae cum eius filio | egi, ei rei fundus pater sit potior vorbereitet ist.⁴⁸ Im eigentlichen Sinne müßte man im Hinblick auf eine Wiedergabe der Anklage (jedenfalls so, wie sie Cicero uns bietet) sagen, die gaditanische Gemeinde ist nicht Grund und Boden geworden; wird eine föderierte Gemeinde kein Grund und Boden, können auch Bürger dieser Gemeinden keine Römer sein bzw. werden. Was kann das nun heißen? Offenbar hat sich die Anklage eines altertümlichen und kaum noch transparenten Formulars und Rechtsinstituts bedient, um nur irgendwie dem politischen Gegner schaden zu können. Bei der typisch römischen Gleichsetzung vom Status des Bodens und des personenrechtlichen Standes des Besitzers⁴⁹ wäre denkbar, daß der Ankläger das Fehlen einer der Bürgerrechtsverleihung entsprechenden Rechtsfiktion bemängelte, mit welcher der gaditanische Boden, auf dem Balbus geboren war, gewissermaßen zum römischen umgewidmet wurde und infolgedessen erst ein Gaditaner zu einem römischen Rechtssubjekt.⁵⁰ Eine derartige Regelung hätte ansonsten im gaditanischen foedus stehen müssen (dies würde u. a. die lange argumentatio de foedere erklären). Auch die Möglichkeit wurde erwogen, mit der Formulierung fundum fieri habe die Anklage eine Art fehlender munizipaler Neuordnung der gaditanischen Gemeinde – in Form der

 Vgl. Iso (1995), 54, der ebenfalls auf diese Stelle hinweist.  Vgl. dazu Zack (2012), 82 ff. Bezeichnend ist die dort referierte Anekdote aus den VergilScholien, der zufolge im Krieg gegen Pyrrhus die Römer einen Kriegsgefangenen zwangen, ein Stück Land auf dem campus Martius zu erwerben, um dann dort mit dem Lanzenwurf den Krieg zu eröffnen. Dadurch, daß ein Stück Land in den Besitz eines hostis übergeht, wird dieses Land ein locus hostilis.  Wenn auch sicherlich ironisch und gehässig vereinfachend, enthalten doch möglicherweise Ciceros Worte in Balb. 5 unum obicitur: natum esse Gadibus den Kern der ganzen Anklage.

1.5 Die Rechtslage

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municipia fundana – im Auge gehabt.⁵¹ Da jedoch die municipia fundana, die wir nur aus der lex Iulia municipalis kennen, ähnlich mysteriös sind wie die Formulierung fundum fieri selbst, ist hier Vorsicht geboten. Was auch die Phrase genau heißen mag, in der altertümlich formulierten Anklage nisi is populus fundus factus est ist das Wort fundus vermutlich noch in erster Linie als Substantiv, d. h. „Grund und Boden“, gebraucht. Cicero nun deutet den Ausdruck fundum fieri als Verbalphrase im Sinne von „Gewährsmann werden“ bzw. „zustimmen“⁵² (ganz deutlich ist diese Bedeutung dann, wenn Cicero die Phrase mit dem Dativ kombiniert, wie in Balb. 38) und erweckt dadurch fortwährend den Anschein, der Ankläger habe eine Art Mitspracherecht föderierter Gemeinden bei innerrömischer Gesetzgebung geltend gemacht, was den Zuhörern natürlich grotesk vorgekommen sein muß. Wenn man sich nun unabhängig von der Frage, was genau die Anklage tatsächlich gemeint haben könnte, nur Ciceros Erwiderung zugunsten von Balbus ansieht, erscheint sie zunächst durchaus stimmig und einleuchtend. Ein populus, d. h. in diesem Fall eine civitas foederata, nimmt in aller Freiheit (die foederati sind liberi, wie von Cicero kurz vorher etabliert worden ist) eine eigentlich römische lex in die eigene Gesetzesordnung auf und ist darauffolgend durch dieses Gesetz gebunden. Was, so Cicero, sollte nun dieses juristische Konzept mit einer römischen Bürgerrechtsverleihung singillatim (daß sich Gemeinden bei kollektiven Bürgerrechtsverleihungen durchaus gegen diese sperren konnten, wie im Fall von Heraclea, berichtet Cicero Balb. 21) zu tun haben? Es ist tatsächlich schwierig, den Anstoß der Verleihung auf Grundlage von Ciceros Verteidigungsrede zu erkennen, doch dürfte die Anklage durch den Rückgriff auf eine veraltetes (aber nicht formell abgeschafftes) Rechtsinstitut zumindest im Sinne eines starren Rechtsformalismus für Balbus nicht ungefährlich gewesen sein. Sonst würde sich auch die bemüht wirkende und teilweise obskure Argumentation Ciceros nicht erklären. Das Schwierige an der Rede ist u. a. die Vermengung der juristischen Konzepte lex und foedus, die für einen Römer jedoch ganz natürlich ist.⁵³ Ominös bleibt

 So Elmore (1916).Vgl. dazu auch Albanese (1973). Vgl. ferner den Kommentar zu Balb. 19. 174– 177.  Ob ganz bewußt oder aufgrund der Tatsache, daß in der späten Republik diese Rechtsform und die dazugehörige Formulierung schlichtweg nicht mehr verständlich waren, bleibe dahingestellt. Ersteres ist allerdings nicht undenkbar; vgl. Albanese (1973), 3 Anm. 8: „non è improbabile che Cicerone riferisca tendenziosamente la tesi dell’avversario dandole una portata alquanto più generale di quella che l’accusatore le conferiva.“  Zu dieser Vermengung vgl. Horn (1930), 45, der folgende Erklärung anbietet: „Ein Völkerrecht in unserem Sinn kennt ja die Antike noch nicht. Wenn zwei Staaten irgendwelche Streitigkeiten nicht auf kriegerischem Wege austragen wollten, so konnten sie sich zwar auf ein Schiedsgericht

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1 Einleitung

indessen, wie genau lex, foedus, die Bürgerrechtsverleihung und die Zustimmung zu derselben in unserem Fall zusammenhängen. Eine Bürgerrechtsverleihung singillatim, die durch die lex Gellia Cornelia abgesegnet erscheint, wird laut Cicero angefochten auf Grundlage des Wortlautes des mit der Gemeinde, aus welcher der Angeklagte stammt, abgeschlossenen foedus bzw. auf Grundlage des foedus schlechthin, denn Ciceros Wiedergabe der Anklage legt ja nahe, daß generell eine civitas foederata einer Bürgerrechtsverleihung durch Rom an einen ihrer Einwohner zustimmen müsse (bzw. erst römischer fundus werden müsse). Erschwert wird hier das Verständnis ferner dadurch, daß Cicero in seiner Argumentation die Zustimmung föderierter Gemeinden vor allem im Zusammenhang mit Gesetzen behandelt, was nach seiner Darstellung gar kein Anklagepunkt war (oder hätte Gades der lex Gellia Cornelia „zustimmen“, d. h. sie in die eigene Rechtsordnung aufnehmen müssen? Siehe Balb. 38 responderem … huic generi legum fundos populos fieri non solere). Zunächst scheint der Fall aufgrund der lex Gellia Cornelia, die es Pompeius gestattete, das römische Bürgerrecht singillatim nach Absprache mit seinem consilium zu vergeben, klar zu sein und für Balbus bzw. Cicero zu sprechen. Indessen muß man auch beachten, daß diese Form der Bürgerrechtsverleihung noch relativ jung war. Es tauchen zwar schon im 4. Jhd. Bürgerrechtsverleihungen virtutis causa und zum Ende des 3. Jhds. auch die ersten Nicht-Italiker mit römischen Bürgerrecht auf, doch der hier verhandelte Typus der feldherrlichen Bürgerrechtsverleihung singillatim ist erst seit C. Marius üblicher geworden, der auch dementsprechend in der Balbiana als Gewährsmann herhalten muß (siehe vor allem Balb. 46 und 48 – 51).⁵⁴ Ob die feldherrliche Bürgerrechtsverleihung im Jahre 56 noch ernsthaft umstritten war, ist eher unwahrscheinlich⁵⁵, doch ist Ciceros Behandlung der Frage, ob das gaditanische foedus Exzeptionsklauseln

einigen, aber bei Differenzen eines verbündeten Staates mit Rom, fiel dieser stärksten Macht der Mittelmeerwelt mit Notwendigkeit auch die Rolle des Schiedsrichters zu.“  Zu den ersten römischen Nicht-Italikern aus der Zeit des zweiten Punischen Krieges vgl. Sherwin-White (1973), 57; zur Bürgerrechtsverleihung singillatim seit Marius vgl. ders. (1973), 291 ff. sowie mit Modifikationen Sánchez (2007), 245 mit Anm. 129.  Vgl. Hantos (1983), 160 über Balb. 46 und das foedus mit Camerinum: „Da die feldherrliche Kompetenz bei der Bürgerrechtsverleihung, die neben die comitiale trat, nur sehr kurze Zeit umstritten blieb, konnte sich wohl die Vorstellung verbreiten, daß die Fragwürdigkeit des Rechtscharakters mit dem Vertrag von Camerinum in Zusammenhang stand“. Indessen weist Hantos darauf hin, daß die Bürgerrechtsverleihung nicht gegen irgendeine Vereinbarung mit dem Bündnispartner verstieß (zumindest in diesem Fall). Zu den Feldherren-foedera vgl. Mommsen, StR I 251 Anm. 1. Vgl. jetzt auch Zack (2017), 44 f., der drei Phasen der „verfassungsgeschichtlichen“ Entwicklung Roms im Hinblick auf die Beteiligung des Volkes bei Vertragsabschlüssen unterscheidet.

1.5 Die Rechtslage

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enthalten habe und ob es sakrosankt, d. h. vom Volk bewilligt, sei, vielleicht dennoch ein Reflex auf eine juristische Auseinandersetzung über feldherrliche und comitiale foedera sowie Bürgerrechtsverleihungen. Noch schwieriger wird das Verständnis der Rede, sobald man den Blick auf das foedus richtet, was offenbar von größerer Bedeutung für das Verständnis der Rede Pro Balbo ist als die lex Gellia Cornelia; denn in dem Status von Gades als civitas foederata (wie Balb. 19 nahelegt) oder aber in dem speziellen Wortlaut des foedus (worauf die Diskussion Balb. 32– 37 über Exzeptions- und Majestätsklauseln deutet) scheint der Dreh- und Angelpunkt der Anklage zu liegen. Zu Beginn der argumentatio behauptet Cicero, der föderierte Status von Gades habe mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun (bzw. generell keinerlei juristische Bedeutung für innerrömische leges); er sagt Balb. 20 quid enim potuit dici imperitius quam foederatos populos fieri fundos oportere? nam id non magis est proprium foederatorum quam omnium liberorum. Auf der anderen Seite jedoch sagt er, nachdem er seine exempla für Bürgerrechtsverleihungen aufgezählt hat, in Balb. 65 simul et illa, iudices, omnia ante oculos vestros proponite. primum esse omnes etiam post mortem reos clarissimos illos viros qui foederatos civitate donarunt. Man fragt sich, ob wirklich die Tatsache, daß es sich um foederati gehandelt hat, so unbedeutend gewesen ist, da Cicero sie hier zum Schluß der Rede explizit hervorhebt. Anhand der Aussagen Ciceros läßt sich leider kein eindeutiges und zusammenhängendes Bild gewinnen. H. Horn hat die Nuancen des Begriffs foederatus untersucht (zu einem guten Teil auch auf Grundlage der Balbiana) und ist zu dem Schluß gekommen: „Die civitates liberae, oft auch liberae atque immunes, werden einerseits den foederatae gegenüber gestellt, andererseits stehen sie mit diesen zusammen in Gegensatz zu den stipendiariae, den tributpflichtigen.“⁵⁶ Horn zitiert hier Balb. 52 (allerdings fälschlicherweise als Balb. 53) multi in civitatem recepti ex liberis foederatisque populis sowie Cic. Pis. 98 und Serv. in Verg. Aen. III 20; er schreibt weiter: „Sodann findet sich aber die Bezeichnung liberi auch als Ueberbegriff zu den civitates foederatae und den civitates liberae.“⁵⁷ Hier verweist Horn auf die eben genannte Stelle Balb. 20 nam id non magis est proprium foederatorum quam omnium liberorum sowie Balb. 27 quod commune liberorum est populorum, non

 Horn (1930), 8. Zum foederatus vgl. auch Sherwin-White (1973), 30 und Rubio (1949), 114.  Ebd. Noch allgemeiner wird im übrigen der Begriff socius verwendet, der uns auch in der Balbiana begegnet, so 21, 24 und 27. Daß sich politisch und juristisch recht unterschiedliche Konzepte in der römischen Außenpolitik finden lassen, hat Hantos (1983) für das Bundesgenossensystem in Italien gezeigt. Zack hat die Konzepte amicus, socius sowie amicus et socius einerseits (2013) und die Konzepte civitas foederata und libera andererseits (2014) genau differenziert. Indessen lassen sich doch zumindest bei Cicero mitunter gewisse begriffliche Unschärfen feststellen.

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proprium foederatorum. Sicherer Boden läßt sich bei einer derartigen begrifflichen Oszillation nicht gewinnen. Auch hilft die auf der Majestätsklausel basierende Unterscheidung von foedus aequum und foedus iniquum nicht weiter, da sie vermutlich konstruiert ist und keine politische Relevanz hat, worauf bspw. die ungenügende Quellenlage zum Begriff foedus iniquum deutet.⁵⁸ Sinnvoller ist vermutlich die Differenzierung in „koordiniertes Bündnis“ und „subordiniertes Bündnis“ von Th. Hantos, wobei das Bündnis mit Gades aufgrund der Majestätsklausel und der Tatsache, daß Gades im Jahre 206 v.Chr. im Zuge einer deditio mit Rom in Beziehung getreten ist, dann als subordiniertes Bündnis gelten muß.⁵⁹ Wie schon bemerkt, soll hier nicht endgültig die Frage geklärt werden, ob der namenlose Ankläger oder Cicero im Recht ist. Nach der communis opinio jedenfalls ist Cicero im Recht und die Verleihung des römischen Bürgerrechtes an Balbus juristisch nicht zu beanstanden, was auch wahrscheinlich ist, insbesondere wenn man bedenkt, daß mutmaßlich der Prozeß nichts war als eine politisch motivierte Farce, in der die Anklage (bzw. die Hintermänner) versuchte, die Triumvirn mit Hilfe einiger unverständlich gewordener verba prisca anzugreifen. Aufgrund des strengen Rechtsformalismus der Römer hätte aber die Anklage gerade mit diesen verba prisca womöglich Pompeius eines Verfahrensfehlers überführen und die Bürgerrechtsverleihung erfolgreich anfechten können. In eine ähnliche Richtung ging schon H. Braunert mit seiner Unterscheidung von „Verfassungswirklichkeit“ und „Verfassungsnorm“, der zu dem Schluß kommt, daß die Anklage durchaus noch im Sinne der Verfassungsnorm gewesen sei, jedoch schon nicht mehr im Sinne der Verfassungswirklichkeit, worauf möglicherweise auch die oben erwähnte Diskussion über feldherrliche und comitiale Bündnisse und Bürgerrechtsverleihungen deutet, die dann vielleicht in den vorausgegangenen 50 Jahren seit C. Marius ausgetragen, aber nie formaljuristisch festgehalten wurde: „Der formale Rechsstandpunkt war antiquiert, dem Reichsstaat mußte mit der Durchsetzung der neuen Rechtspraxis der Weg gebahnt werden.“⁶⁰ Wie man sieht, erweitert Braunert hier den Blick noch um die politische Perspektive, die bereits in Richtung imperium des Prinzipats weist, was bekanntlich in der constitutio Antoniniana des Caracalla im Jahr 212 n.Chr. kulminierte, als (fast) alle Reichsbewohner das römische Bürgerrecht erhielten.

 Vgl. Sánchez (2007), 224 Anm. 34.  Zur Terminologie vgl. Hantos (1983), 156 und 164. Zur deditio der Gaditaner, die von den Karthagern zu den Römern übergelaufen sind, vgl. Heuß (1933), 82 f. Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung der Dedition vgl. ders. (1933), 112. Zur deditio vgl. jetzt auch Zack (2016).  Braunert (1966), 70. Vgl. auch Paulus (1997), 113. Gegen Braunert betont die in juristischer Hinsicht vollständige Haltlosigkeit der Anklage Brunt (1982); ebenso auch schon Rubio (1949), 110 ff.

1.6 Die Überlieferung

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1.6 Die Überlieferung Zum Abschluß noch ein Wort zur Textgeschichte. Im Falle der Rede Pro Balbo sind wir in der glücklichen Lage, daß vor nicht allzu langer Zeit bei der Bibliotheca Teubneriana eine neue kritische Ausgabe erschienen ist, die Tadeusz Maslowski besorgt hat (M. Tullius Cicero: Scripta quae manserunt omnia, fasc. 24: Oratio de provinciis consularibus, Oratio pro L. Cornelio Balbo, Berlin 2007) und auf die ich mich im Kommentar stützen werde. Nur an wenigen Stellen und in nur geringem Ausmaße werde ich vom Text Maslowskis abweichen, worauf an den jeweiligen Stellen hingewiesen wird mit Ausnahme von Eingriffen in die Interpunktion des Textes, die sich jedoch auch auf ein Mindestmaß beschränken werden. Dieser Ausgabe folgend wird hier neben den Paragraphenzahlen die Zeilennummerierung bei der Erstellung der Lemmata des Kommentars benutzt. Unglücklicherweise ist Maslowski kurz vor Vollendung der Edition verstorben, so daß M. D. Reeve die Ausgabe mit einer praefatio versehen hat. Das Fehlen einer praefatio von Maslowski selbst ist ein nicht zu unterschätzender Verlust, zumal nicht klar ist, ob Maslowski noch Gelegenheit hatte, letzte Hand an seine Arbeit zu legen. Daß dies problematisch ist, mag folgender Sachverhalt verdeutlichen: Da die neun uns überlieferten Reden, die Cicero kurz nach seiner Rückkehr aus dem Exil zwischen 57 v.Chr. bis 56 v.Chr. gehalten hat (Cum senatui gratias egit, Cum populo gratias egit, De domo sua, De haruspicum responsis, Pro Sestio, Pro Caelio, In Vatinium, De provinciis consularibus, Pro Balbo), einheitlich überliefert sind, liegt die Vermutung nahe, daß sie noch in der Antike zu einer Ausgabe zusammengefaßt worden sind (vgl. Reeve in der praefatio, p. V: „Has novem orationes florente adhuc imperio Romano aliquis … in unum corpus redegit.“). Vermutlich wurden die Reden innerhalb dieser Ausgabe nach chronologischen Gesichtspunkten angeordnet.⁶¹ Folgerichtig wurde T. Maslowski die Aufgabe übertragen, alle diese neun Reden zu edieren, die uns nun in den Faszikeln 21– 24 der Bibliotheca Teubneriana vorliegen. Anhand der praefationes der Faszikel 21– 23 ließe sich also Maslowskis Einschätzung der Handschriften und seine Methode extrapolieren. Dies ist jedoch nur bis zu einem gewissen Grad möglich, wie Reeve in der praefatio im Hinblick auf Maslowskis Heranziehung und Behandlung der codices Italici (der aus der Renaissance stammenden Handschriften AJSb), die letztlich auf den Codex Harleianus (H) zurückgehen, sowie der editio Romana und Veneta, die beide im Jahre 1471 entstanden sind, bezeugt, p. VI-VII: „quod cur omnino fecerit, aut cur cum

 Vgl. Espluga (2016), 93 und das oben zur Datierung der Balbiana Gesagte.

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1 Einleitung

facere statuisset hos potissimum elegerit, aut cur semel citatos non constanter citarit, ne lectis quidem praefationibus in Sestianam et Vatinianam satis intelligere me fateor.“⁶² Als Kommentator sieht man sich hier also noch dem einen oder anderen Problem gegenübergestellt. Grundsätzlich jedoch gilt, daß man sich durch die codices recentiores und die frühen Editionen nicht irritieren lassen muß, da der Text der neun zur Debatte stehenden Reden auf einer relativ sicheren Grundlage steht. Schon A. Klotz hat in seiner Teubner-Edition (M. Tulli Ciceronis scripta quae manserunt omnia, vol. VII, Leipzig 1919) Maßgebliches geleistet, und die Lektüre seiner praefatio lohnt sich für ein tieferes Verständnis des Handschriftenverhältnisses neben der Lektüre der praefationes von Maslowski nach wie vor. Im großen und ganzen stimmt Maslowskis Einschätzung der Handschriften und ihres Verhältnisses zueinander mit derjenigen von Klotz überein: Der wichtigste Überlieferungsträger ist ein Pariser Codex aus dem 9. Jhd. (P). Während dieser Parisinus früher als die einzig brauchbare Leithandschrift angesehen wurde⁶³, hat Klotz gezeigt, daß wir in den Codices G (Bruxellensis, olim Gemblacensis) und E (Berolinensis, olim Erfurtensis) eine unabhängige Tradition fassen können, da sie gegenüber P an einigen Stellen mit den antiken Testimonien übereinstimmen; ein weiteres Indiz für die unabhängige Tradition ist das sog. compendium insulare, d. h. ein besonders für angelsächsische Codices typisches

 Bereits Oakley (1998), 45 hat dies in seiner Rezension zu Maslowskis Ausgabe der Vatiniana und Caeliana kritisiert: „M.[aslowski] too often cites worthless early editions, most obviously the Venice and Rome editions of 1471 … , but also that of Lambinus“. Vgl. darüber hinaus auch die Rezension zum 23. Faszikel von Reeve (1997); wertvolle Anmerkungen und Corrigenda finden sich ferner in der Rezension des 21. Faszikels von Lebek (1984). Über die italische Tradition und die sog. „Renaissance-Vulgata“ vgl. Reeve (1984), 267: „Be that as it may, Petrarch bestowed a few annotations on it [sc. H], and its text dominated the Italian tradition of the ten speeches until 1528.“ Die zehnte Rede, von der Reeve spricht, ist die unechte Rede Pridie quam in exilium iret.Vgl. dazu ferner Reeve/Rouse (1983), 59. Allerdings gilt auch dies nur mit Einschränkungen. Im Falle des Ottobonianus Latinus 1710 bemerkt Reeve in der praefatio zur Balbiana-Ausgabe Maslowskis p.VII: „Huius igitur codicis imagine inspecta, nihil eum cum H, ut in codicibus italicis solet fieri, multa vero cum GE omittere comperi.“ Zum letztgenannten Codex vgl. auch Ornato/Regnier (1979), 336 – 341 (hier VOT5 genannt). Espluga und Moncunill haben in ihrer Ausgabe die Worte Reeves aufgegriffen und den Ottobonianus als wichtige Handschrift, die in derselben Tradition steht wie G und E (d. h. auf den Hyparchetypus y zurückgeht), grundsätzlich im Apparat erwähnt. Vgl. den Kommentar zu Balb. 24. 212– 217, wo eine Stelle beprochen wird, die für diese These sprechen könnte. Ich kann dennoch bei alledem den Wert der Handschrift außer zu konjekturalen Zwecken nicht recht erkennen.  So vor allem Halm (1854). In dieser Tradition steht auch noch W. Petersons Oxford-Ausgabe. Vgl. außerdem Peterson (1910). Kritische Bemerkungen zu Petersons Ausgabe finden sich in Reeve/Rouse (1983), 97.

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Abbreviationszeichen, mit dem autem abgekürzt wurde, in G und E jedoch falsch aufgelöst wird, was darauf schließen läßt, daß G und E auf einen „Inselcodex“ zurückgehen (vgl. zu all dem die praefatio bei Klotz, p. VII-IX). Aus der Balbiana seien hier folgende Stellen angeführt: 19 est autem petendum: h G : enim E : autem P 41 Gaditanis autem officiis: autem P : hoc GE 41 gravissima autem in istum civem: autem P : hoc GE

Ferner konnte Klotz nachweisen, daß der Korrektor des Parisinus P2 auf dieselbe Vorlage (neben P) zurückgeht wie G und E (bei Maslowski der Hyparchetypus y; siehe das stemma codicum in der praefatio zum 21. Faszikel, p. XXXIII), da er bei dem Ausfüllen der Lücken von P mit G und E übereinstimmt. Daß P2 auf die Vorlage von G und E zurückgeht und nicht etwa auf G und/oder E selbst, ergibt sich schon aus rein zeitlichen Gründen. Während die Handschriften GE aus dem 11. resp. 12. Jhd. stammen, sind die Korrekturen offenbar kurz nach der Abschrift von P selbst entstanden (vgl. die praefatio der Klotz’schen Ausgabe, p. XXIII, der darüber hinaus auch ein paar Trennfehler nennt). Auch im Hinblick auf die angenommene Zeilenlänge des Archetypos von 18 – 22 Buchstaben hat Klotz für die Konjekturalkritik wichtige Anregungen gegeben (Genaueres dazu an den textkritisch relevanten Stellen; vgl. vor allem den Kommentar zu Balb. 16 quem populus Romanus in eqs.). Maslowski weicht von Klotz lediglich in der Bewertung der Handschrift H (Harleianus) aus dem 12. Jhd. ab, die nach Klotz für die Textkonstitution keine Rolle spielt, laut Maslowski jedoch eine eigene Tradition (x) repräsentiert. Indessen geht auch nach Maslowski H neben x auf den Hyparchetypus y und den korrigierten Parisinus zurück, bietet aber gegenüber PGE so oft die richtigen Lesungen, daß er den Harleianus immer wieder für die Texterstellung heranzieht. Ob allerdings wirklich ein zweiter Hyparchetypus x angenommen werden muß, ist fraglich. Die Mahnung „Sed cave ne omnino me fidem codici H abrogare putes. tantum enim abest ut eius auctoritatem spernam, ut multis locis lectiones quas rectas tradere videtur grato animo receperim“ (praefatio zum 21. Faszikel, p. XXVIII) unterstreicht Maslowski mit einigen Stellen, an denen H das Richtige bietet, was m. E. aber über den Charakter von Konjekturen nicht hinausgeht. Um nur zwei Beispiele zu nennen: har. resp. 13 durum H : duorum ω; har. resp. 53 puris H : pueris PG : peritis E. Am bemerkenswertesten ist hier vielleicht dom. 110 indennatum H : indominato PGV : -tu M. Problematisch an H ist ferner die Tatsache zahlreicher Auslassungen (bes. bei den Dankesreden nach der Rückkehr aus dem Exil), die der Handschrift das Aussehen eines Florilegiums oder einer Kompilation (vielleicht für schulische Zwecke?)

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geben, zumal offenbar besonders schwer verständliche oder hoffnungslos korrupte Stellen oder Wörter von H ausgelassen werden, d. h. daß die Auslassungen im Harleianus anscheinend zum großen Teil intendiert sind.⁶⁴ Daß der Harleianus jedoch nicht von entscheidender Wichtigkeit für die Textkonstitution ist, dürfte außer Frage stehen und wird auch von Maslowski nicht bestritten; lediglich J. Cousin, der Editor der Rede innerhalb der Budé-Reihe, spricht dem Harleianus einen höheren Wert für die Überlieferung zu, eine Einschätzung, die sich jedoch nicht recht durchsetzen konnte. Trotz dieser verhältnismäßig sicheren Grundlage für den textus receptus bleiben textkritische Probleme bei einem Werk der Antike wie der Balbiana natürlich nicht aus und sollen auch vereinzelt im Kommentar behandelt werden.⁶⁵

 Maslowski hat dieser Handschrift einen ganzen Aufsatz gewidmet (1982); vgl. auch Maslowski und Rouse (1984), hier besonders die Seiten 67– 69. Es läßt sich generell aufgrund der gezielten Auslassungen und der Eingriffe in den Text (bspw. beim mitunter etwas zu bewußten Umgang mit dem Konjunktiv) feststellen, daß der Schreiber des Harleianus einen ausgesprochenen Scharfsinn an den Tag legt. Selbst wenn man annimmt, daß H auf eine eigene Tradition zurückgeht, so ist er für die Textkonstitution doch nach wie vor nur bedingt bedeutsam, zum Teil eben aufgrund der vielen Auslassungen, zum Teil aber auch wegen seiner charakteristischen Gestaltung, die laut Maslowski (1982), 160 „rendition rather than transmission of the text“ liefern sollte. Ob hier also überlieferter Wortlaut oder Konjektur vorliegen, ist kaum zu entscheiden. Ganz ähnlich jetzt auch Boll (2019), 81 f., der in seinem Kommentar zu Ciceros Rede cum senatui gratias egit auf den Seiten 72– 88 die Überlieferungslage sehr ausführlich darstellt.  Gerade hierzu gibt es in der Forschungsliteratur (besonders der jüngeren) relativ wenige Beiträge; neben älteren wie von Paul (1875) und Sydow (1942) doch immerhin Shackleton Bailey (1979), Mattingly (1985), Santangelo (2010) und Castro Sáenz (2013).

2 Kommentar Balb. 1– 4: Exordium. Cicero grenzt sich in falscher Bescheidenheit von seinen Vorrednern Pompeius und Crassus ab, durch deren oratorische Gewalt für Cicero nur noch officium und mos gegenüber Pompeius und Balbus als Grund für die Rede übrig bleiben. Balb. 1. 1– 4 Si auctoritates patronorum … tum maxima familiaritate coniunctis.: Es ist mehrfach bemerkt worden, daß Cicero einige seiner Reden mit einem Kondizionalsatz beginnt (neben der Balbiana div. in Caec., Caec., Arch., p. red. in sen., Sest., Vatin., Cael., prov., Rab. Post., Phil. 14).¹ Auffallend ist hierbei, daß sechs dieser elf Reden aus der Zeit von 57– 56 v.Chr. stammen, Arch. und Rab. Post. zumindest noch ungefähr derselben Schaffensperiode zugeordnet werden können, während div. in Caec., Caec. (die allerdings insofern am ähnlichsten ist, als sich auch hier die Junktur in iudiciis valere findet) und Phil. 14 gewissermaßen aus dem zeitlichen Rahmen fallen. Ob man geradezu davon sprechen kann, daß sich besonders in den post-reditum-Reden eine spezielle sprachliche Vorliebe in Form der Kondizionalsätze kristallisiert hat, läßt sich kaum entscheiden. Auch inhaltliche Argumente zu finden ist schwierig, da es sich bei den erhaltenen Reden mit kondizionalem Beginn um sehr verschiedenartige Fälle und Ausgangslagen (schon der Unterschied von Gericht und Senat muß beachtet werden) handelt.² In jedem Fall aber bietet die Konjunktion si rhythmisch gesehen einen Beginn mit Länge, was Quintilians Regel optime incipitur a longis (inst. IX 4,92) entspricht. Auctoritates valent: Diese Junktur kommt bezeichnenderweise sehr oft in der Maniliana (43, 44, 46, 51, 53) vor, deren große Ähnlichkeit zur Rede Pro Balbo bereits mehrfach hervorgehoben wurde. Man fragt sich, ob Cicero die Balbiana  Vgl. Rubio ad loc., Laurand (1936/38), 321 f. mit Anm. 3, der das zeitliche Argument vorbringt: „On voit que cette particularité se rencontre surtout dans la dernière période de sa vie.“ sowie Barber (2004), 87.  Ganz allgemein stimmt jedoch gewiß, was Klodt (1992), 90 f. zum ersten Satz der Rede Pro Rabirio Postumo geschrieben hat: „Nicht selten stellt er [sc. Cicero], wie hier, im ersten Satz eine bestimmte, von anderen (den Richtern oder außenstehenden Personen) herangetragene Meinung an den Anfang …; er vermeidet so, die Richter mit seiner eigenen Meinung zu überfahren und erweckt der Form nach den Eindruck, auch und vor allem andere Auffassungen des Falles gelten zu lassen und die seinige nicht als die alleingültige vorauszusetzen, während er inhaltlich mit dem ersten Satz in Wirklichkeit bereits die Weichen für seine spezielle Interpretation stellt.“ Wenn auch bei der Balbiana nicht davon gesprochen werden kann, daß Cicero andere Meinungen vorträgt, so stimmt doch generell, daß sich der Redner durch die vorsichtige hypothetische Formulierung ein Stück weit zurücknimmt, was natürlich alles im Rahmen der captatio benevolentiae geschieht. https://doi.org/10.1515/9783110795615-002

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zumindest im Hinblick auf die panegyrischen Stellen über Pompeius anhand seiner bereits existierenden Rede De lege Manilia modelliert hat. Si auctoritates patronorum in iudiciis valent, ab amplissimis viris L. Corneli causa defensa est, si usus, a peritissimis, si ingenia, ab eloquentissimis, si studia, ab amicissimis: Derartige Kondizionalsatzreihen zur Darstellung hypothetischer Alternativen kommen häufiger im Werk Ciceros vor, vgl. z. B. Sest. 64 cesseram, si alienam a me plebem fuisse voltis, quae non fuit, invidiae; si commoveri omnia videbantur, tempori; si vis suberat, armis; si societas magistratuum, pactioni; si periculum civium, rei publicae. Ab amicissimis et cum beneficiis cum L. Cornelio, tum maxima familiaritate coniunctis: Vgl. Phil. 10, 2 itaque mihi, qui plurimis officiis sum cum Bruto et maxima familiaritate coniunctus. Das Wort coniunctus kommt noch mehrfach in der Balbiana vor, in Balb. 39 und 41 mit Bezug auf die Gaditaner, deren enge und lang zurückreichende Verbundenheit mit Rom von Cicero in diesem Prozeß verständlicherweise besonders hervorgehoben wird (ebenso wie hier auf individueller Ebene die Verbundenheit des Balbus mit dem Triumvirat und Cicero). Ähnlich äußert sich Cicero auch mit Bezug auf andere Verbündete und Freunde Roms, so z. B. über Centuripae in Verr. II 2, 163 Centuripinorum amicissima ac fidelissima civitas, quae tantis officiis cum populo Romano coniuncta est eqs. Balb. 1. 4 Quae sunt igitur meae partes?: Das Wort partes i.S.v. „Rolle“ kommt sehr oft in den Reden Ciceros vor. Vgl. z. B. Phil. 10, 2 quas enim ipse mihi partis sumpseram, eas praecepit oratio tua, dom. 10, S. Rosc. 35 und öfter. Mit diesem Satz beginnt bereits Ciceros sich vor allem durch das exordium erstreckende dissimulatio, durch die er zum Teil andeuten möchte, daß von Pompeius und Crassus schon vor ihm alles Wichtige gesagt sei (so bspw. auch Balb. 4 quo mihi difficilior est hic extremus perorandi locus und Balb. 17 nihil enim mihi novi, nihil integri … ad dicendum reliquit), durch die er zum Teil aber auch seine eigene Argumentation ἔξω τοῦ πράγματος beginnt, nach welcher der eigentlich zu verhandelnde Gegenstand der Rede die auctoritas des Pompeius sei, während die vom Ankläger vorgebrachten juristischen Punkte völlig belanglos seien (vgl. Balb. 5 hoc satis esse causae [sc. videtur] ut quod fecisse Cn. Pompeium constet id omnes ei licuisse concedant, Balb. 7 ubi igitur est crimen? … huiusne crimen? … cuius igitur? re vera nullius eqs. und Balb. 15 atque, ut ego sentio, iudices, causa dicta est).Vgl. ferner unten zu Balb. 15. Im übrigen ist dies eine ganz übliche argumentative Taktik; vgl. bspw. Sest. 3 (auch hier als letzter Redner) mit K. Halm (1886) ad loc. oder Lig. 1 und 9. Balb. 1. 4 – 6 Auctoritatis tantae quantam vos in me esse voluistis, usus mediocris, ingeni minime voluntati paris.: Eine ganz ähnliche Bescheidenheitsfloskel findet sich schon in der Quinctiana (hier als junger Advokat im Angesicht eines übermächtigen Gegners wie Hortensius); vgl. Quinct. 2 verum ita se

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res habet ut ego, qui neque usu satis et ingenio parum possum, cum patrono disertissimo comparer. Dergleichen nutzt Cicero im Zuge der captatio benevolentiae oft. Neben der auctoritas ist es gerade auch die eigene Beredsamkeit, die Cicero gerne klein redet; um nur einige Beispiele zu nennen: S. Rosc. 1; Manil. 2; div. in Caec. 69 und Caec. 64. Vgl. auch Anm. 2 oben. Tantus … quantus wird von Cicero gelegentlich im einschränkenden Sinne („nur so viel“) verwendet; ein deutlicheres Zeugnis ist Balb. 3 tantum potuit inpertire huic studio temporis quantum ipse … a continuis bellis et victoriis conquievit. Vgl. auch Verr. II 1,155; Cael. 9; leg. II 6 u. ö. Balb. 1. 6 – 7 Nam ceteris a quibus est defensus hunc debere plurimum video; ego quantum ei debeam, alio loco.: Daß der Advokat die persönliche Verpflichtung gegenüber dem Angeklagten betont, mutet heutzutage merkwürdig an, ist aber gängig bei Cicero und gehört zum Bereich des rhetorischen ἦθος;³ in der Rede Pro Plancio, die in dieser Hinsicht ein noch deutlicheres Zeugnis ist, geht Cicero sogar so weit, daß er sich genötigt sieht, seine Verpflichtung, die er erst hervorgehoben hat, wieder zu relativieren, um nicht den Eindruck der Befangenheit zu erwecken (Planc. 1– 4).Vgl. z. B. auch Rab. Post. 47 sowie die Reden Pro Sestio und Pro Milone. Balb. 1. 7– 10 Principio orationis hoc pono, me omnibus qui amici fuerint saluti et dignitati meae, si minus referenda gratia satis facere potuerim, praedicanda et habenda certe satis esse facturum.: Zu praedicare vgl. auch im folgenden Balb. 4 Cn. Pompeio, qui sui facti, sui iudici, sui benefici voluit me esse, ut apud eosdem vos, iudices, nuper in alia causa fuerim, et praedicatorem et actorem sowie Planc. 4. Der Konjunktiv fuerint im Relativsatz erklärt sich durch die Einbettung in den epexegetischen AcI; vgl. Bonfiglioli ad loc. sowie grundsätzlich K.-St. II 199 f. Der Konjunktiv potuerim kann im Sinne einer attractio modi verstanden werden (vgl. hierzu K.-St. II 201 ff.), aber möglicherweise auch ebenso gut als Potentialis (der Gegenwart). Während initium üblicherweise im reinen Ablativ steht, steht principium auch häufig mit der Präposition in. Dagegen principio orationis auch Cluent. 188.Vgl. K.St. I 354 f. Balb. 2. 10 – 12 Quae fuerit hesterno die Cn. Pompei gravitas in dicendo, iudices, quae facultas, quae copia, non opinione tacita vestrorum animorum, sed perspicua admiratione declarari videbatur.: Dieser Satz wurde eingehend von K. A. Barber⁴ untersucht und zum ersten Satz der Rede in Beziehung gesetzt.

 Vgl. Barber (2004), 25.  Barber (2004), 90.

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Tatsächlich scheint es eine Art formaler und inhaltlicher Responsion bei diesen beiden Sätzen zu geben. Barber stellt zunächst die parallelen Anaphern heraus (si … si … si … si – quae … quae … quae), die im übrigen noch im folgenden Satz durch das mehrmalige nihil fortgeführt werden. Ferner gibt es eine Ellipse im 2. und 3. Kolon des jeweiligen Satzes, und dem inklusiven cum … tum des ersten Paragraphen entspricht hier das exklusive non … sed. Der Kontrast innerhalb des non … sed-Gefüges wird noch verstärkt durch die Adjektive tacita … perspicua, die chiastisch angeordnet sind (opinione tacita … perspicua admiratione). In inhaltlicher Hinsicht werden die Qualitäten des Pompeius (und Crassus) in den ähnlich gebauten Kola aufgezählt (oben auctoritas, usus, ingenia und studia; hier gravitas, facultas und copia), wobei jeweils das letzte Kolon eine längere Explikation enthält (oben ab amicissimis eqs.; hier non opinione tacita eqs.) Die parallelen Anaphern (streng genommen nicht ganz Anaphern, da sich die Fragepronomen ändern) finden sich ganz ähnlich Quinct. 94 si licet vivere eum …, si est homini honesto locus …, si fas est respirare P. Quinctium …, si … ea potest … obtinere, spes est hunc eqs. Sin et poterit Naevius id quod libet …, quid agendum est? qui deus appellandus est? cuius hominis fides imploranda est? qui denique questus, qui maeror dignus inveniri in calamitate tanta potest? Quae fuerit … gravitas in dicendo, … perspicua admiratione declarari videbatur.: Die Hauptzeitenfolge im Zusammenhang mit einem Nebentempus im übergeordneten Satz erklärt sich durch die Voranstellung des indirekten Fragesatzes; vgl. z. B. auch Sest. 122 sowie grundsätzlich K.-St. II 191.⁵ Erstmalig werden in diesem Satz die iudices angesprochen; bereits der Plural suggeriert, daß es sich um iudices iurati, d. h. Geschworene, handelt. Der Prozeß gegen Balbus ist also eine quaestio, der Vorsitzende demnach ein quaesitor. ⁶ Größere Wahrscheinlichkeit erhält diese Einschätzung noch, wenn man annimmt, daß Balbus auf Grundlage der lex Papia angeklagt wurde, was gut möglich ist (s. Einl. S. 8 mit Anm. 24). In der Rede für Archias, der sicher nach der lex Papia angeklagt wurde, äußert sich Cicero Arch. 3 wie folgt: sed ne cui vestrum mirum esse videatur, me in quaestione legitima et in iudicio publico, cum res agatur apud praetorem populi Romani, lectissimum virum, et apud severissimos iudices eqs. Ferner sagt Cicero später in Balb. 52 dabo etiam iudicum [sc. interpretationem iuris ac foederum] qui huic quaestioni praefuerunt eqs. ⁷ Ob nun das Quaestionenver-

 Vgl. ferner Lebreton (1901), 259 f.  Vgl. Kaden (1912), 12 f.  Praefuerunt scheint schmeichelnde Übertreibung zugunsten der Geschworenen zu sein. Für eine Textänderung zu praeiverunt, wie sie Mommsen, StR II 1,224 Anm. 1 vorschwebt, sehe ich keine Veranlassung.

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fahren bei Bürgerrechtsprozessen mit der lex Papia oder der früheren lex Licinia Mucia eingeläutet wurde, ist nicht sicher.⁸ Quae copia: Absolut, wie copia hier verwendet wird, scheint es semantisch „blasser“ zu werden, geradezu im Sinne von „Beredsamkeit“ (möglicherweise wird auch dicendi und/oder verborum mitverstanden). Bonfiglioli ad loc. bemerkt bspw. nur „facondia“. In dem alten, aber immer noch nützlichen Lexicon Technologiae Latinorum Rhetoricae von Ernesti heißt es s.v. copia: „Si de verbis et elocutione quaeritur, copia in expedita quadam et profluente celeritate inest.“⁹ Ernesti verweist hierfür auf Cic. Brut. 216 und 220, wo Cicero über C. Scribonius Curio spricht. Aus Brut. 220 hat Ernesti auch seine Definition übernommen; indessen ist in 216 von dem verborum splendor bzw. der verborum copia die Rede, nicht schlechthin von copia. Da Cicero jedoch direkt im folgenden Satz der Balbiana vom ornatus der Rede des Pompeius spricht, mag wohl auch hier schon die copia verborum angedeutet werden. Bei alledem ist freilich zu bedenken, daß die Fülle des Ausdrucks die Redegewandtheit bis zu einem gewissen Grade impliziert und insofern der Schritt von der copia zur eloquentia nicht allzu weit ist. Balb. 2. 12 – 16 Nihil enim umquam audivi quod mihi de iure suptilius dici videretur … nihil de causa et crimine ornatius eqs.: Zu den Neutra der Komparative vgl. Balb. 20, dom. 80 mit R. G. Nisbet (1939) ad loc. sowie Quinct. 8 u. ö. Suptilius: Zur Schreibung suptilius vgl. man die appendix orthographica in Maslowskis Ausgabe sowie seine Bemerkungen in der praefatio der Ausgabe der Reden In Vatinium und Pro Caelio (23. Faszikel der Teubneriana) auf den pp. CVICXI. Maslowskis orthographische Entscheidungen sind nicht immer durchgängig homogen. Zunächst gilt, daß er grundsätzlich nur Lesungen in den Text setzt, die in Handschriften überliefert sind, und somit keine „Standardisierung“ vornimmt. Dabei ist die älteste Handschrift, d. h. der Parisinus, die Leithandschrift. Doch gibt es auch Ausnahmen, bei denen er sich nicht an den Handschriften, sondern an systematischen Gesichtspunkten orientiert, wie im vorliegenden Fall. Hier hat nur der Harleianus suptilius und PGE subtilius, während bspw. Balb. 6 nur der Parisinus opsessionis bietet und HGE obsessionis. In der praefatio zum fasc. 23 p. CVIII heißt es: „ap-, op-, sup- in compositis servavi.“ Ungewöhnlicher noch ist sein Entschluß p. CIX: „m ante q saepe n traditum non sprevi“; und so nimmt er bspw. Balb. 57 quanquam aus G auf, während PEH das üblichere quamquam haben.

 Vgl. Gasquy (1886), 8 f. Mommsen, StR II 1,202 mit Anm. 1 verweist auf die oben genannte Stelle aus Pro Archia und läßt damit die quaestio mit der lex Papia beginnen; die lex Licinia Mucia findet dabei keinerlei Erwähnung, während Balb. 48 (itaque cum paucis annis post hanc civitatis donationem acerruma de civitate quaestio Licinia et Mucia lege venisset, num quis eqs.) auf letztere zu deuten scheint.  Ernesti (1797), 97.

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Auch schreckt Maslowski nicht vor einer gewissen Inkohärenz zurück; vgl. p. CVII: „in verbis cum praepositionibus compositis eam legem mihi scripsi ut et formas adsimilatas et non adsimilatas in textum admittere non dubitarem.“ Entsprechend liest man ähnlich inkonsequent Balb. 45 prudentissumos und peritissumos neben diligentissimos und peritissimus. Am auffälligsten ist sicherlich Balb. 5 mendatio, das einheitlich durch die Handschriften überliefert ist (abgesehen von mendatione in P1, allerdings eben auch hier mit t statt c). Maslowski orientiert sich bei der Textkonstitution ganz offenbar am ideellen Archetypos und nicht am ideellen Autographon. Während zwar durch die früheren praefationes (vgl. auch fasc. 21 zu den orationes post reditum pp. XXXIV-XXXV und fasc. 22 zur Sestiana pp. XL-XLI) Maslowskis grundsätzlichen orthographischen Ansätze eruiert werden können, ist es gerade im Hinblick auf die letztgenannte Stelle bedauerlich, daß entsprechende Äußerungen für die Balbiana fehlen.¹⁰ Nihil [de] memoria maiore de exemplis, nihil peritius de foederibus, nihil inlustriore auctoritate de bellis, nihil de re publica gravius: Das de vor memoria maiore ist offenbar aus den folgenden Präpositionalphrasen durch Influenzfehler nach vorne geraten und wurde von Garatoni zurecht getilgt. An dem Kolon nihil memoria maiore de exemplis zeigt sich ferner, wie hoch in der Rhetorik das historische Beispiel als πίστις ἄτεχνος geschätzt wurde.¹¹ Das nihil peritius de foederibus greift das a peritissimis des ersten Satzes auf (s.o.), genauso wie das nihil inlustriore auctoritate de bellis Pompeius’ scientia rei militaris ins Gedächtnis ruft. Die Kenntnis um militärische Belange und Bündnisse, die Pompeius durch Praxis und unmittelbare Anschauung erlangt hat, soll dem Hörer deutlich gemacht werden und zieht sich (neben der generellen auctoritas) leitmotivisch durch die Rede. Man halte ferner auch nihil de re publica gravius und das Kolon des vorigen Satzes quae gravitas in dicendo nebeneinander. Nihil de ipso modestius: Das Pronomen ipse wird hier (und so öfter) als Reflexivum mit Bezug auf das logische Subjekt des Satzes (hier: Pompeius) benutzt.¹² Vgl. auch Manil. 6 aguntur bona multorum civium, quibus est a vobis et  Zur Problematik der lateinischen Orthographie in der handschriftlichen Überlieferung und zu den Bedenken gegenüber einer Standardisierung vgl. Gibson (2011).  Vgl. Schoenberger (1910), 9 f.: „Weil das Beispiel von solcher Bedeutung ist, so lobt Cicero selbst manche Redner wegen der Anwendung dieser.“ Aus den Reden nennt Schoenberger außerdem nur Sest. 130, wo P. Servilius Vatia Isauricus wegen seiner Benutzung von exempla genannt wird. Im übrigen finden sich derartige Reflexe auf die rhetorische Theorie eher in den Rhetorica. Die hier benutzte Terminologie stammt von Aristoteles, der zwischen unkünstlichen Beweisen (eben den πίστεις ἄτεχνοι), d. h. Dokumenten aller Art, Zeugenaussagen, Eiden etc., und künstlichen Beweisen (πίστεις ἔντεχνοι), d. h. den im strengeren Sinne rhetorischen bzw. rein argumentativen Beweisen unterschied, vgl. dazu ausführlich Martin (1974), 95 ff.  Vgl. Lebreton (1901), 113 und Rubio ad loc.

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ipsorum causa et rei publicae consulendum sowie leg. I 56, leg. II 55 und aus der Dichtung Hor. carm. I 12,17 unde nil maius generatur ipso. Balb. 3. 16 – 19 Ut mihi iam verum videatur illud esse quod non nulli litteris ac studiis doctrinae dediti quasi quiddam incredibile dicere putabantur, ei qui omnes animo virtutes penitus comprehendisset omnia quae faceret recte procedere.: Cicero spielt hier auf ein stoisches Paradoxon an, das besagt (bzw. in diesem Zusammenhang besagen müßte), daß demjenigen, der die Tugenden vollkommen verinnerlicht hat, m.a.W. dem vollendeten stoischen Weisen, nichts mißlingt.¹³ Der Satz bzw. insbesondere der Infinitiv am Schluß hat Schwierigkeiten bereitet. In den Handschriften PGE ist tractare überliefert, recte cadere, was Maslowski in der Teubner-Ausgabe übernommen hat, ist eine Konjektur von J. Reid, während das hier im Lemma wiedergegebene recte procedere eine Konjektur von W. Peterson ist, die sich in seiner Oxford-Ausgabe findet. Der Harleianus bietet ein sinnloses tractaret (was auch Eingang in die editio Veneta von 1471 gefunden hat) sowie ein vor dem faceret eingefügtes vellet; J. Cousin hat in der Budé-Ausgabe den Mittelweg zwischen den Handschriften und der Konjektur von Reid gesucht und tractare geschrieben, wobei er folgerichtig das Personalpronomen ei zu eum ändert. Weitere Konjekturen gibt es von Madvig recte se dare, Paul recte habere ¹⁴, Müller procedere und Stangl quadrare. Reid ad loc. rechtfertigt seine Wahl von cadere mit dem Hinweis auf de or. II 15 sed hoc tamen cecidit mihi peropportune und Att. III 1,1 intellexi … nihil mihi optatius cadere posse. Als weiteren Beleg für cadere mit Adverb im Sinne von „ausgehen, ablaufen“ könnte man noch Rab. Post. 5 hinzuziehen: quis iam modo id quod male cecidit bene consultum putarit? (Text nach Olechowska) und Verr. I 5 hoc … percommode cadit. W. Peterson hat zur Veranschaulichung (denn für die Textkonstituierung kann es nichts recht beitragen) Zeugnisse der alten Stoa herangezogen bzw. vor allem solche über Chrysipp in SVF III 557 φασὶ δὲ καὶ πάντα ποιεῖν τὸν σοφὸν πάσας τὰς ἀρετάς und SVF III 560 λέγουσι δὲ καὶ πάντ’ εὖ ποιεῖν τὸν σοφόν, ἃ ποιεῖ.¹⁵ Dieser Wortlaut würde allerdings eher ein Verb wie facere (oder  Vgl. Pohlenz (1964) I 155: „Er [sc. der Weise] richtet sein Leben ausschließlich nach seinem eigenen sittlichen Empfinden und Ermessen ein. Er kennt den Weltlauf und will nur, was er kann. Darum kann er auch, was er will. Nie kann sein Streben zum Mißerfolg führen. Nichts vermag ihn zu hindern oder zu zwingen.“  Indessen hat auch Paul (1875), 12 f. cadere (ohne recte) in Erwägung gezogen.  Vgl. Peterson (1910), 176. Im übrigen findet sich eine derartige Doktrin bereits beim Gründer der Stoa Zenon; vgl. SVF I 217 Στωικὸν δὲ δόγμα ἐστίν· ὅτι πάντα τε εὖ ποιήσει ὁ σοφὸς καὶ φακῆν φρονίμως ἀρτύσει. Wenn auch an dieser Stelle das eigentliche Fragment noch nicht begonnen hat, so ist doch die einleitende Wortwahl bei Athenaios IV 47. 158a πάντα … εὖ ποιήσει ὁ σοφὸς auffällig und erinnert an die oben genannten Chrysipp-Fragmente. Eine genauere Analogie zu cadere im Griechischen findet sich in der Sprache des Würfelspiels; vgl. Soph. Trach. 61 f. ὦ

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sogar tractare?) oder agere (dann natürlich mit einer Angleichung des Pronomens im Sinne J. Cousins) nahelegen. Nun scheint aber der folgende Satz, wo die angeborene Redegabe des Pompeius Erwähnung findet, sowie auch der größere Zusammenhang, d. h. vor allem Balb. 9, wo Cicero ausführt, daß in der Person des Pompeius fortuna und virtus miteinander ringen, anzudeuten, daß ein Verb mit der Bedeutung „gelingen, glücken, ausgehen usw.“ zu erwarten ist, zumal eine Aussage wie „Dem wahrhaft Tugendhaften gelingt alles“ dem Charakter eines Paradoxons näher käme. Reids recte cadere würde in diesem Kontext schon besser passen. Daß cadere von einem Adverb begleitet sein muß, ist klar; daß es recte sein muß, nicht ganz so sehr. Reids Argument ad loc.: „Recte is certain, because like rectum it is constantly used with reference to the favourite Stoic terms τὸ καλὸν (virtue) and κατόρθωμα (a virtuous action).“ ist nicht zwingend. Man fragt sich ferner, ob nicht statt cadere ein passenderes Verb gefunden werden kann. W. Peterson hat nun in dem genannten Aufsatz auf Ciceros Pro Rabirio Postumo 1 verwiesen, wo es heißt: quamquam hoc plerumque facimus ut consilia eventis ponderemus et, cui bene quid processerit, multum illum providisse, cui secus, nihil sensisse dicamus, und auf dieser Grundlage recte procedere konjiziert, was – wie oben erwähnt – den Vorläufer in Müllers procedere hat und einen guten Sinn ergeben würde. Man könnte sogar die Fortlassung des Adverbs erwägen, da procedere ganz prägnant im Sinne von „gut, erfolgreich ausgehen“ benutzt werden kann. Indessen findet man für letzteres im Merguet zu den Reden Ciceros s.v. procedere nur einen Beleg, nämlich Cluent. 177 furere crudelis atque importuna mulier sibi nequaquam ut sperasset ea quae cogitasset procedere. Und bezüglich dieser Stelle könnte man argumentieren, daß die Nuance des positiven Ausganges nicht durch ein zusätzliches Adverb ausgedrückt werden müßte, da diese positive Nuance durch die Semantik des Verbs sperare bereits nahegelegt wird. Die Diskussion um die Balbiana-Stelle ist von Th. Zielinski noch durch prosarhythmische Bedenken bereichert worden. J. Reids recte cadere würde laut Zielinski eine mala clausula ergeben und wird daher von ihm abgelehnt. Zielinski selbst zieht Pauls recte habere ¹⁶ oder eben Müllers procedere vor. Bei allem Für und Wider erscheint mir Petersons recte procedere in jedem Fall ernsthafter Erwägung wert, weswegen es hier in den Text gesetzt wurde, und vielleicht sogar Müllers alleiniges proce-

τέκνον, ὦ παῖ, κἀξ ἀγεννήτων ἄρα μῦθοι καλῶς πίπτουσιν und Schneidewin/Nauck (1914) sowie Davies (1991) ad loc., die auf die Herkunft aus dem Würfelspiel hinweisen und Soph. fr. 895 (809) Radt zum Vergleich heranziehen: ἀεὶ γὰρ εὖ πίπτουσιν οἱ Διὸς κύβοι.  Vgl. Zielinski (1904), 208. Recte habere ergäbe (zusammen mit dem vorhergehenden quae faceret) einen Choriambus + Ditrochäus (mit Elision), procedere einen Molossus mit aufgelöster erster Länge + Kretikus (hier nur ab faceret).

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dere, wenn man nicht gar in Anlehnung an die Rab. Post.-Stelle ein bene hinzufügt. Quod non nulli litteris ac studiis doctrinae dediti quasi quiddam incredibile dicere putabantur: Cicero verhehlt nach Möglichkeit vor allem in den Reden seine Bildung, und das heißt insbesondere seine griechische Bildung, die sich für einen römischen Senator und consularis auch in dieser Zeit nur in Maßen schickte.¹⁷ Daß Cicero einen Gewährsmann wie den griechischen Philosophen Chrysipp hier explizit nennt, ist also kaum denkbar. Entsprechend entwickeln sich gewisse Sprachgewohnheiten, die durch die Vagheit der Formulierung allenfalls den Anschein des Hörensagens gestatten, nie aber darauf schließen lassen, der Redner selbst sei litteris deditus. Ähnlich unbestimmt spricht Cicero zum Beispiel von den Philosophenschulen der Epikureer und Stoiker in Cael. 41 (itaque alii voluptatis causa omnia sapientes facere dixerunt … alii cum voluptate dignitatem coniungendam putaverunt eqs.). Allein in der Balbiana finden sich drei weitere Stellen einer Bildungs-dissimulatio. In Balb. 12 wird der Philosoph Xenokrates mit quidam umschrieben, was neben nescio quis eine übliche Form ist, Namen zu unterdrücken.¹⁸ Ferner wird zweimal Ennius zitiert; dabei wird er einmal (Balb. 51) mit der Umschreibung ille summus poeta noster genannt, einmal (Balb. 36) bleibt er gänzlich im Hintergrund. Balb. 3. 19 – 23 Quae enim in L. Crasso potuit … quantum ipse a pueritia usque ad hanc aetatem a continuis bellis et victoriis conquievit?: Cicero geht nun so weit, Pompeius’ rednerische Fertigkeiten mit denen seines großen Vorbildes L. Licinius Crassus zu vergleichen, wobei im Falle des Pompeius nach wie vor das Thema der felicitas anklingt, insofern dieser wegen seiner militärischen Pflichten und Erfolge nur wenig Zeit der Rhetorik widmen und dennoch dieselbe Qualität als Orator erlangen konnte.

 Ich bezweifle, daß die Nennung bzw. Andeutung des stoischen Paradoxons Cicero „authority“ verleihe, wie Barber (2004), 117 meint. Gerade im Falle der griechischen Philosophie konnten sich auch Konflikte mit römischer Religiosität entwickeln, wofür die bekannte Ausweisung der Philosophengesandtschaft ein treffendes Beispiel ist. So äußert sich Cicero har. resp. 18 neque is sum qui, si cui forte videor plus quam ceteri qui aeque atque ego sunt occupati versari in studio litterarum, his delecter aut utar omnino litteris quae nostros animos deterrent atque avocant a religione. Lenaghan (1969) ad loc. denkt hier speziell an die Epikureer.  Zu nescio quis vgl. zum Beispiel Sest. 23 mit Halm (1886) ad loc.: „nescio quos, so verächtlich, aber auch um den Schein der Gelehrsamkeit zu vermeiden.“ Auch relativierende Einschübe wie opinor kommen häufig vor. Vgl. Sest. 48 wiederum mit Halm (1886) ad loc. sowie Kaster (2006) ad loc. Daß Cicero überhaupt griechische Wörter in den Reden meidet, ist auch hinlänglich bekannt. Vgl. z. B. Landgraf (1914) zu S. Rosc. 37 und allgemein Laurand (1936/38), 72– 75, 82 und 85 – 91 sowie Kroll (1933) II 117 f. und 126 f.

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Quae enim in L. Crasso potuit, homine nato ad dicendi singularem quandam facultatem, si hanc causam ageret, maior esse ubertas varietas copia: Auffällig ist hier das weite Hyperbaton quae enim in L. Crasso potuit, …, maior esse ubertas varietas copia. J. G. F. Powell hat hierzu einen ausführlichen Aufsatz vorgelegt, der u. a. den Ursprung (m.a.W. colloquial oder künstlerisch) und das sprachliche Register des Hyperbatons bespricht.¹⁹ Lehrreich ist Powells Aufsatz auch, insofern er eine strengere Differenzierung vorstellt, nach der vieles von dem, was gemeinhin als Hyperbaton bezeichnet wird, kein Hyperbaton im strengeren Sinne ist. Unser Fall würde nach Powells Klassifikation zur „genuine discontinuity with stronger words intervening“ (S. 174) gehören, und zwar zum Untertypus des „long-range“-Hyperbatons, wo er als Beispiel Phil. 6,3 anführt: quae vobis potest cum hoc gladiatore condicionis, aequitatis, legationis esse communitas?, was eine gute Parallele zu unserer Fall darstellt. Das entscheidende Kriterium zur Abgrenzung von „echten“ und „falschen“ Hyperbata ist, daß zwischen den Bezugswörtern ein attributives Verhältnis bestehen muß, kein prädikatives. Ein attributives Verhältnis liegt hier in jedem Fall vor, sei es zwischen quae und maior, sei es zwischen quae und ubertas. ²⁰ Mit ubertas varietas copia liegt ferner das erste Asyndeton der Rede vor, deren sich hier viele finden (insbesondere Trikola); es wird an den jeweiligen Stellen darauf hingewiesen werden; zu copia s. o. zu Balb. 2. Tantum potuit inpertire huic studio temporis: Zu tantus im einschränkenden Sinne s.o. zu Balb. 1. Balb. 4. 23 – 24 Quo mihi difficilior est hic extremus perorandi locus.: Vgl. dazu später Balb. 17 sed quoniam me recusante placuit ambobus adhiberi hunc a me quasi perpoliendi quendam operis extremum laborem eqs. Ganz ähnlich auch Mur. 48 quo etiam mihi durior locus est dicendi datus, Mur. 54 und Sest. 3. Sowohl in der Rede Pro Murena als auch in der Rede Pro Sestio finden sich an den genannten Stellen genau so wie hier (im folgenden) die Hinweise auf die Schul-

 J. G. F. Powell (2010), 184 läßt das Ergebnis jedoch ein Stück weit offen: „It appears to emerge provisionally from the above preliminary exploration … that, as far as the Latin usage of Cicero goes, there is no firm reason to suppose that hyperbaton is, in itself, either a formal rhetorical feature or a colloquial feature.“ Powell macht daraufhin noch die Einschränkung, daß das Hyperbaton seines Erachtens aus der mündlichen Sprache kommt, jedoch unter dem Eindruck der Rhetorik (besonders nach Cicero) verstärkt literarisiert und um des Effektes willen benutzt wurde.  J. G. F. Powell (2010), 175 weist darauf hin, daß bei diesen längeren Hyperbata typischerweise semantisch „blasse“ Wörter wie Pronomen und Demonstrativa vorangestellt werden (wie in unserem Falle) und vergleicht diese Erscheinung ferner mit dem Griechischen.

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digkeit gegenüber dem Klienten (bzw. in unserem Falle zusätzlich gegenüber Pompeius). Perorare wird – wie diese Stelle zeigt – nicht nur als oft zitierter terminus technicus der Rhetorik i.S.v. „eine Rede beenden“ benutzt, sondern auch i.S.v. „als letzter reden“ oder genereller „redend abschließen“, was auf beide Fälle zutrifft.²¹ Einen anderen treffenden Beleg aus den Reden Ciceros für perorare mit Bezug auf die Abfolge der Redner kenne ich nicht; doch findet sich eine Parallele in Ciceros Brutus 190 qui [sc. Hortensius] cum partiretur tecum causas (saepe enim interfui), perorandi locum, ubi plurumum pollet oratio, semper tibi relinquebat. Die Stelle suggeriert, daß die Reden der unterschiedlichen Oratoren innerhalb einer causa geradezu als eine zusammenhängende oratio aufgefaßt wurden. Vgl. über das Substantiv peroratio Bonfiglioli ad loc., der auf Brut. 127 verweist, wo peroratio allerdings auch im technischen Sinne von „Schluß der Rede“ benutzt wird. Balb. 4. 24 – 27 Etenim ei succedo orationi quae non praetervecta sit aures vestras, sed in animis omnium penitus insederit, ut … sed ex cuiusquam oratione capere possitis.: Die Konjunktive praetervecta sit und insederit im Relativsatz erklären sich durch den konsekutiven Nebensinn, was u. a. durch das vorangestellte Pronomen ei angedeutet wird. Vgl. die Kommentare von Rubio und Bonfiglioli ad loc. Auch Reid ad loc. meint dasselbe, drückt es jedoch mit Hinblick auf den Inhalt aus, nicht auf die formale Grammatik.²² Man beachte ferner, daß hier die Verbindung in animis omnium penitus sehr kurz nach Balb. 3 omnes animo virtutes penitus steht. Möglicherweise haben die Worte in Ciceros Ohren noch nachgeklungen, so daß er sie (d. h. vor allem animus und penitus) in so kurzen Abständen gesetzt hat. Balb. 4. 27– 31 Sed mos est gerundus non modo Cornelio … et praedicatorem et actorem.: Die Schuldigkeit gegenüber Balbus, die bereits Balb. 1 (ego quantum ei debeam, alio loco) wie hier angedeutet wurde, wird Balb. 58 – 59 noch näher expliziert. Auch das nur hier in den Reden Ciceros (und generell selten) vorkommende Wort praedicator weist auf den Beginn des Exordiums zurück (Balb. 1 si minus referenda gratia satis facere potuerim, praedicanda et habenda

 Vgl. OLD s.v. 2: „To deliver the final part of a speech, wind up a case, conclude.“  „Sit not est, because not Pompeius’ actual speech, but the class to which it belongs, is indicated“. Üblicherweise ist der konsekutive Konjunktiv im Relativsatz automatisierter und eben formaler (man denke an die Regelmäßigkeit, mit der konjunktivische Relativsätze nach dem Muster is, qui vorkommen) aufzufassen, wenngleich Reids Erläuterung den konzeptuellen Hintergrund selbstverständlich trifft und an dieser Stelle der konsekutive Charakter noch stark hervortritt. Vgl. K.-St. II 296 ff. Zur historischen Entwicklung siehe auch H.-Sz. 558 f. Der Konjunktiv ist zu Ciceros Zeit bereits die Regel, der Indikativ nach sunt, qui anscheinend als umgangssprachlich markiert.

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certe satis esse facturum). Im Sinne des rhetorischen ἦθος assoziiert sich Cicero außerdem als praedicator mit Pompeius, dem er laut eigener Aussage ebenfalls verpflichtet ist, wobei die Formulierung voluit me esse praedicatorem beinahe wie ein Eingeständnis der Abhängigkeit anmutet. Ut apud eosdem vos, iudices, nuper in alia causa fuerim: Die alia causa, von der Cicero hier spricht, kann nicht genau identifiziert werden, vgl. Reid, Bonfiglioli und Rubio ad loc. Denkbar und in zeitlicher Hinsicht mit dem nuper noch verträglich wäre der Prozeß de vi gegen P. Asicius, der entweder zum Ende des Jahres 57 oder zu Beginn des Jahre 56 stattfand.²³ Der Fall gehört in die Reihe der politisch brisanten Prozesse (und Senatssitzungen), die sich um die Rückführung des Ptolemaios XII. Auletes nach Ägypten und die Ermordung der alexandrinischen Gesandten ranken (was die römische Öffentlichkeit und Cicero, wie die Rede Pro Rabirio Postumo lehrt, noch zwei Jahre später beschäftigt hat). Pompeius, ein Gönner des Ptolemaios, war zum einen in diese Angelegenheit verwickelt, da er versuchte, für sich den Auftrag der Rückführung zu erkämpfen, zum anderen, da ihm zur Last gelegt wurde, an den Mordanschlägen gegen die Gesandten mit verantwortlich zu sein;²⁴ es ist also durchaus möglich, daß Cicero auch den Prozeß gegen Asicius für eine praedicatio Pompei nutzte. Sollte zudem die Datierung der Rede Pro Asicio auf den Beginn des Jahres 56 stimmen, würde Ciceros Formulierung apud eosdem vos, iudices in diesem Zusammenhang erklärlicher werden, da der Prätor zu Beginn seiner Amtszeit eine Liste von möglichen Geschworenen erstellte, die für Quaestionenprozesse in Frage kamen,²⁵ so daß es tatsächlich personelle Überschneidungen bei den Prozessen gegen Asicius und Balbus geben konnte, wenn nicht etwa Cicero generalisierend den gesamten Ritterstand als iudices anspricht. Der Konjunktiv fuerim ist nicht ganz sicher zu bestimmen. Er könnte sich aus dem Infinitiv mit Prädikatsnomen esse … et praedicatorem et actorem, das den utSatz umgibt, erklären oder in etwas freierer obliquer Rede, nämlich als Gedanke des Pompeius, zu verstehen sein (so Reid, Bonfiglioli und Rubio ad loc.). Auch die Hauptzeitenfolge ist ein wenig problematisch. J. Lebreton sieht das Perfekt hier als ein im strengen Sinne resultatives Perfekt an, das einen gegenwärtigen Zustand

 Vgl. J. W. Crawford (1984), 138 – 140.  Vgl. Gelzer (1969), 151: „Da Pompeius der Gönner des Ptolemaios war, ließ sich eine gewisse Verantwortlichkeit für das ruchlose Treiben des Königs nicht bestreiten, und es ist möglich, daß diese Prozesse, in denen über die Mordtaten an den Alexandrinern verhandelt wurde, auch ihn kompromittieren sollten. Wenn Cicero den Asicius und Caelius verteidigte, so hätte er also zugleich ihm einen Dienst geleistet“.  Vgl. Mommsen, StR II 1,228 f.

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ausdrückt.²⁶ Wenn man jedoch annimmt, daß oblique Rede vorliegt, und man bedenkt, daß generell Komparativsätze nicht der strengen consecutio unterworfen sind, ist auch der Konjunktiv Perfekt als Gedanke des präsenten Pompeius nicht weiter mysteriös. Ob Lebretons Erklärung eines Perfekts mit Auswirkung auf die Gegenwart hier wirklich zutrifft, kann man bezweifeln. Balb. 5 – 19: Narratio und Propositio. Eine narratio im strengeren Sinne des Wortes liegt – wie in der Einleitung S. 12 bemerkt – nicht vor, da Cicero als letzter gesprochen hat. Es wird jedoch ansatzweise (in Balb. 5 – 6) die Geschichte des Balbus besprochen, d. h. vor allem seine merita, aufgrund derer er das Bürgerrecht erhalten hatte. In Balb. 7– 8 beginnt eigentlich bereits die argumentatio; zumindest werden Themen berührt, die im weiteren Verlauf eine Rolle spielen, wobei sich hier noch alles auf die Person des Pompeius konzentriert. Folgerichtig mündet diese Quasi-argumentatio in den Panegyricus auf Pompeius, der erst in Balb. 17 mit der propositio und divisio endet. Balb. 18– 19 leiten mit einem sentenziösen Teil bezüglich der communis condicio omnium nostrum und einem Appell an die Richter über zum eigentlich sachlichen Teil der Rede, wobei hier schon das Thema der unberechtigten invidia angesprochen wird, das zum Ende der Rede, vor allem Balb. 57– 60, erneut aufgegriffen und weiterentwickelt wird und neben der Assoziation des Balbus mit den mächtigen Gestalten Caesar und Pompeius eine der stärksten Waffen Ciceros in der Argumentation ἔξω τοῦ πράγματος bildet. Balb. 5. 32 – 35 Ac mihi quidem hoc dignum re publica videtur, hoc … quod fecisse Cn. Pompeium constet id omnes ei licuisse concedant.: Man beachte die eindringliche vierfache Anapher des kataphorischen Pronomens hoc, das den epexegetischen ut-Satz vorbereitet; vgl. dazu Rubio ad loc. Zwar ist an dieser Stelle fast einhellig rei überliefert, doch ist Garatonis Änderung in re publica mit Sicherheit vorzuziehen. Der Genitiv nach dignus ist selten und unklassisch; kurioserweise kommt er in dem Brief Att. VIII 15 A,1 des Balbus selbst vor: obsecro te, Cicero, suscipe curam et cogitationem dignissimam tuae virtutis. ²⁷ Der Konjunktiv constet erklärt sich wahrscheinlich durch die attractio modi, die gerade bei Relativsätzen oft vorkommt. Insbesondere aufgrund der Semantik des Wortes constet dürfte die Annahme der Obliquität problematisch sein.Vgl. Cic. Brut. 301 (über Hortensius) primum memoria tanta, …, ut quae secum commentatus esset, ea sine scripto verbis eisdem redderet, quibus cogitavisset. ²⁸  Vgl. Lebreton (1901), 255 – 257.  Vgl. Reid ad loc. sowie K.-St. I 398 f. Vgl. ferner Shackleton Bailey (1965/1970) zur Stelle im Atticus-Brief (nach Shackleton Baileys Zählung 165 A), der den Genitiv als „vulgarism“ zur Zeit der Abfassung des Briefes, d. h. 49 v.Chr., bezeichnet.  Vgl. auch Reid ad loc. und K.-St. II 201 f.

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Inhaltlich wird hier bereits die unbedingte Lizenz für Pompeius eingefordert, ein Thema, das in der peroratio in Balb. 64 (videte ne utilius vobis et honestius sit illis ducibus errare quam hoc magistro erudiri) noch einmal deutlich formuliert wird (vgl. hierzu und über die Zuordnung zur στάσις ποιότητος Einl. S. 13). Balb. 5. 35 – 37 Nam verius nihil est quam quod hesterno die dixit ipse, ita L. Cornelium de fortunis omnibus dimicare, ut nullius in delicti crimen vocaretur.: Die Junktur in crimen vocari findet sich nur gelegentlich bei Cicero, so bspw. Planc. 55 atque is quidem eductus ad consules qui tum in crimen vocabatur se inique a tuis iactatum graviter querebatur, wobei sowohl persönlich konstruiert werden kann (wie hier) als auch mit anderen Substantiven wie bspw. Rab. perd. 24 und S. Rosc. 113. Sehr viel häufiger ist die Junktur in iudicium vocari, die auch Balb. 6 (caput/factum) und Balb. 48 (quis) noch vorkommt. Letztere scheint sich an den sprachlichen Duktus des Zwölftafelgesetzes anzuschließen: si in ius vocat, ito. (tab. I 1 Bruns). Der ut-Satz ist in diesem Fall nicht konsekutiv, was nicht recht Sinn ergeben würde. Bonfiglioli ad loc. nennt das ut konzessiv, doch scheint mir Reids Bezeichnung des ita-ut-Gefüges als „limitative“ treffender.²⁹ Daß eigentlich kein crimen gegen Balbus vorliegt, ist selbstverständlich rhetorische Übertreibung, die im folgenden noch weitergeführt wird. Ferner erreicht Cicero durch das vorbereitende ita und den ut-Satz, der nicht nur nicht aus dem ita-Kolon folgt, sondern sogar in einem gewissen Gegensatz zu stehen scheint, einen erheblichen Überraschungseffekt, der an den Charakter eines Paradoxons erinnert. Balb. 5. 37– 39 Non enim furatus esse civitatem, non genus suum ementitus, non in aliquo impudenti mendatio delituisse, non inrepsisse in censum dicitur: unum obicitur, natum esse Gadibus. quod negat nemo.: Das für diese Rede so wichtige Wort civitas fällt hier zum ersten Mal. An dieser Stelle heißt es eindeutig „Bürgerrecht“, doch oszilliert es im Laufe der gesamten Rede zwischen den Bedeutungen „Bürgerrecht“ und „Bürgerschaft, Staat“ (vgl. bspw. Balb. 29). Besonders auffällig in dieser Hinsicht ist Balb. 51 etenim cum ceteris praemiis digni sunt, qui suo labore et periculo nostram rem publicam defendunt, tum certe dignissimi sunt qui civitate ea donentur, pro qua pericula ac tela subierunt, da hier unmittelbar aufeinander folgend das Wort civitas bzw. das darauf bezogenene Relativpronomen qua in zweierlei Sinne verstanden wird, zuerst im Sinne von „Bürgerrecht“, im darauf folgenden Relativsatz im Sinne von „Bürgerschaft“.³⁰  Vgl. Reid ad loc. Treffend ist auch seine Übersetzung: „that L. Cornelius had all his fortunes at stake, but yet was not charged with any offence.“ Vgl. auch K.-St. II 250: „Sehr häufig wird dieses beschränkende ita mit folgendem ut so gebraucht, daß der Hauptsatz eine Einräumung, der Nebensatz einen Gegensatz ausdrückt.“ und H.-Sz. 641 zu den „stipulativen“ ut-Sätzen.  Vgl. dazu H. D. Meyer (1957), 74 f. mit Anm. 5.

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Non in aliquo impudenti mendatio delituisse: Zu aliquis in negativen Sätzen vgl. K.-St. I 634 f. sowie vor allem Seite 640 Anm. 3. Im Gegensatz zu ullus wird dadurch nicht nur die bloße Existenz negiert, sondern zusätzlich auch eine qualitative Nuance angedeutet („irgend etwas“, „von beliebiger Art“). Besonders oft findet sich aliquis – wie Kühner ebenfalls anmerkt – in diesem Sinne in adversativen Satzverbindungen (non – sed) bzw. adversativen Asyndeta wie hier. Siehe auch Balb. 64 nolite, per deos inmortales, iudices, hunc illi acerbum nuntium velle perferri, ut suum praefectum fabrum, ut hominem sibi carissimum et familiarissimum non ob ipsius aliquod delictum, sed suam familiaritatem vestris oppressum sententiis audiat.Vgl. auch Bonfiglioli ad loc. Zu mendatio siehe oben die Anmerkungen zu Maslowskis Orthographie im Kommentar zu Balb. 2. 12– 16.³¹ Non inrepsisse in censum dicitur: Census steht hier übertragen im Sinne von „Bürgerliste“.³² Ebenso Arch. 11 (im übrigen kurz nachdem in Arch. 10 gleichfalls das Verb irrepere benutzt worden ist: cum ceteri non modo post civitatem datam sed etiam post legem Papiam aliquo modo in eorum municipiorum tabulas inrepserunt, eqs.) sowie Cael. 78 und Sest. 101. Ansonsten findet sich im Sinne von „einschleichen“ auch obrepere; so Pis. 1 obrepsisti ad honores errore hominum und Planc. 17 et doceo Cn. Plancium non obrepsisse ad honorem. Die Wahl des Präfixes scheint abhängig zu sein von der Wahl der folgenden Präposition oder doch zumindest damit zu korrespondieren. Unum obicitur, natum esse Gadibus. quod negat nemo.: Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß Cicero keine Gelegenheit ungenutzt läßt, seine Gegner dahingehend zu diskreditieren, daß er hyperbolisch deren Vorwürfe als für den vorliegenden Fall juristisch irrelevant oder (wie hier) als vollkommene Banalitäten darstellt. Man wird nicht annehmen dürfen, daß die Anklage darin bestand, Balbus sei in Gades geboren worden. Vgl. auch Cael. 4 equitis Romani autem esse filium criminis loco poni ab accusatoribus neque his iudicantibus oportuit neque defendentibus nobis oder Lig. 1 novum crimen, C. Caesar, et ante hunc diem non auditum propinquus meus ad te Q. Tubero detulit, Q. Ligarium in Africa fuisse. Ganz

 Vgl. auch den ThlL s.v., der konstatiert, daß die Schreibung mendatium zuweilen in den Handschriften vorkommt.  Vgl. Lebreton (1901), 54. Zum rechtlichen Hintergrund vgl. Mommsen, StR II 1,374, der darauf hinweist, daß der Censor nicht etwa die Aufgabe oder das Recht hatte, das Bürgerrecht zu verleihen oder streitig zu machen, sondern lediglich aufzunehmen, wer sich als römischer Bürger meldete: „[I]n der Regel scheinen sie [sc. die Censoren], wenigstens späterhin, jeden in die Bürgerliste eingetragen zu haben, der, ohne evident im Unrecht zu sein, diese Forderung stellte. Aus dem Schätzungsact ging daher auch, wenn das Bürgerrecht streitig war, nichts anderes hervor, als dass der Betreffende dasselbe zur Zeit der Schatzung für sich in Anspruch genommen hatte.“ Genauso schildert es im übrigen Cicero in Arch. 11.

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üblich sind in diesem Zusammenhang auch Floskeln wie quod negat nemo oder quis negat?, die ähnlich wie ubi igitur est crimen? (vgl. Balb. 7) die vermeintlich selbst-evidente Trivialität der Vorwürfe unterstreichen.Vgl. Cael. 10, Planc. 63 und Tull. 24. Balb. 5. 40 – 45 Cetera accusator fatetur, hunc in Hispania durissimo bello cum Q. Metello, cum C. Memmio et in classe et in exercitu fuisse … cum Pompeio ad extremum belli tempus fuisse.: Cicero gewährt hier einen kurzen Einblick in die militärischen Verdienste des Balbus, die zur Verleihung des römischen Bürgerrechtes geführt haben. Im Grunde liegt in diesem Passus das einzige Stück narratio der Balbiana vor. Die Rede ist vom Krieg gegen Q. Sertorius in Spanien, wo Q. Caecilius Metellus Pius Proconsul von 79 – 71 v.Chr. war (siehe Einl. S. 5); diesem wurde 77 Pompeius zur Unterstützung gesandt, dessen Quästor und Schwager C. Memmius wohl im proelium Turiense fiel.³³ Ut Pompeius in Hispaniam venerit Memmiumque habere quaestorem coeperit, numquam a Memmio discessisse eqs.: Ut ist hier temporal gebraucht. Der Konjunktiv steht, weil der Temporalsatz von einem AcI abhängig ist, das Perfekt, weil der Infinitiv sich nicht auf die Zeitenfolge auswirkt und nach wie vor das vorhergehende fatetur bestimmend ist. Siehe K.-St. II 182 f. Vgl. auch Balb. 8 quid ait accusator? fecisse Pompeium quod ei facere non licuerit. Inhaltlich erläutert es Reid ad loc.: „venerit, not venit, because the prosecuter’s view of the fact, and not the fact itself, is indicated.“ Carthagine esse opsessum, acerrimis illis proeliis et maximis, Sucronensi et Turiensi, interfuisse, cum Pompeio ad extremum belli tempus fuisse.: Vermutlich gehören beide hier genannten Schlachten in das „Jahr der drei Schlachten“, wobei dessen Datierung strittig ist. Nach älterer Datierung hat man für die Schlacht am Sucro das Jahr 75 angenommen. Ch. F. Konrad hat jedoch das Jahr der drei Schlachten auf 76 datiert (m. E. überzeugend); auch die Belagerung von Carthago Nova (heute Cartagena), die Cicero hier nennt, fällt wahrscheinlich in dasselbe Jahr.³⁴ Esse opsessum ist eine Verbesserung von Madvig für das überlieferte esse possessum, wo offensichtlich eine Vertauschung der Buchstaben stattgefunden hat (vgl. den app. crit. bei Maslowski). Balb. 6. 45 – 48 Haec sunt propria Corneli merita in rem publicam nostram, labor assiduitas dimicatio virtus digna summo imperatore; spes pro periculis praemiorum, praemia quidem ipsa non sunt in eius facto qui  Zu Metellus vgl. Münzer (1897a), zu Memmius wiederum Münzer (1931). Die Angaben darüber, wo Memmius fiel, schwanken. Nach Münzer fiel er am Turia (heute Turia oder Guadalaviar), nach Rubio ad loc. am Sucro (heute Júcar). Beide Flüsse münden bei Valencia ins Mittelmeer. Im übrigen ist Turiensi Konjektur von Isaac Vossius; überliefert ist duriensi (PGE) und durensi (H).  Vgl. Konrad (1995).

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adeptus est, sed in eius qui dedit.: Geschickt lenkt Cicero hier erneut den Fokus auf Pompeius (qui dedit) als den vermeintlich in Wahrheit Angeklagten, für den Cicero in Balb. 5 (s.o.) bereits jegliche juristische Lizenzen eingefordert hatte.³⁵ Der Dreh- und Angelpunkt ist das Kolon spes pro periculis praemiorum, wo durch die Erwähnung der praemia, auf die Balbus hofft, die Argumentation in Richtung Pompeius gelenkt wird, nachdem vorher die merita des Balbus (labor assiduitas dimicatio virtus), die zur Hoffnung auf die Belohnung berechtigen, aufgezählt worden sind. Daher ist es vielleicht auch besser, hier einen stärkeren Sinneinschnitt anzunehmen und so zu interpungieren, wie im Lemma geschehen, während Maslowski (und auch Peterson, der indessen insgesamt einen anderen Text bietet) folgendermaßen interpungiert: haec sunt propria Corneli merita in rem publicam nostram, labor assiduitas dimicatio virtus digna summo imperatore, spes pro periculis praemiorum; praemia quidem ipsa non sunt in eius facto qui adeptus est, sed in eius qui dedit. Zugleich ist dies die Stelle in der Balbiana, an der das leitmotivisch anklingende Wort praemium zum ersten Mal vorkommt (vgl. auch Balb. 7, 10, 23, 26, 38, 43, 49, 51, 54, 57 und 65). Cicero unterstreicht damit seine Auffassung von der Rechtmäßigkeit der Bürgerrechtsverleihung nach dem Leistungsprinzip. Macht sich ein Nicht-Römer im herausragenden Maße um Rom verdient, gebührt ihm als Belohnung die Teilhabe an der römischen Rechtsgemeinschaft.³⁶ Der Wortlaut propria Corneli merita ist Konjektur teils von R. Klotz, der propria für das überlieferte proelia konjiziert hatte, teils von A. Klotz, dem die Corneli merita statt des unsinnigen in P1 überlieferten cornelitas (verbessert in cornelii talis P2HAJSb) zu verdanken sind. R. Sydow hat haec sunt praeclara Corneli tas in rem publicam nostram konjiziert, muß dafür aber eine ganz unnötig große Lücke annehmen;³⁷ zudem ist fidelitas in beinahe ebenso problematisch wie labor in (vgl. A. Klotz im app. crit. seiner Ausgabe). J. Reid und C. F. W. Müller haben außerdem Corneli pietas erwogen (von Peterson übernommen); allerdings schließt Reid merita nicht aus, vgl. die Appendix seines Kommentars ad loc.: „If pietas be objected to, merita might be read.“ Ganz im Sinne des tua res agitur wird die römische Sache, um die sich Balbus verdient gemacht hat, mit einem Possessivpronomen betont (merita in rem publicam nostram); noch deutlicher wird dies im folgenden Verlauf des Textes (Balb. 6 in nostris bellis nostris cum imperatoribus).

 Zur Argumentation in Balb. 6 – 7 vgl. Barber (2004), 7.  Vgl. dazu H. D. Meyer (1957), 74.  Vgl. Sydow (1942), 359.

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Zum Asyndeton labor assiduitas dimicatio virtus s.o. zu Balb. 3. 19 – 23. Gerade in dem ersten Drittel der Rede finden sich derartige Spuren des ornatus häufig. Balb. 6. 48 – 52 Donatus igitur est ob eas causas a Cn. Pompeio civitate … factum condemnari volunt.: Das Verb donare kommt bei Cicero mit zwei verschiedenen Konstruktionsweisen vor; einmal mit der Verbindung von direktem Objekt und indirektem Objekt (aliquid alicui donare, wie im Deutschen „schenken“), dann mit der Verbindung von direktem Objekt und adverbialer Ergänzung, d. h. mit ablativus instrumentalis (aliquem aliqua re donare, wie im Deutschen „beschenken“). Letztere Variante liegt hier vor und ist in der Rede auch vorherrschend (vgl. Balb. 7, Balb. 19). H. Happ hat erläutert, daß in beiden Fällen das direkte Objekt obligatorisch ist, daß aber sowohl das indirekte Objekt als auch die adverbiale Ergänzung fehlen können.³⁸ Id accusator non negat, sed reprehendit, ut in Cornelio causa ipsius probetur, poena quaeratur, in Pompeio causa laedatur, poena sit nulla nisi famae: Zum Satz id accusator non negat vgl. oben Balb. 5 quod negat nemo. ³⁹ Die Präposition in wird zuweilen wie hier zur Bezeichnung des Betreffs einer Person oder Sache verwendet; bei Cicero bspw. auch Verr. II 3,6 et in hoc homine saepe a me quaeris, Hortensi, quibus inimicitiis aut qua iniuria adductus ad accusandum descenderim? oder auch Balb. 10 in his tantis virtutibus ac laudibus.Vgl. K.-St. I 562 f. sowie Reid, Bonfiglioli und Rubio ad loc. Die Konjektur labatur statt des überlieferten laedatur von H. Kraffert ist unnötig und wird von Kraffert selbst auch nicht recht begründet.⁴⁰ Sic innocentissimi hominis fortunas, praestantissumi imperatoris factum condemnari volunt.: Vgl. dazu oben Balb. 5 ita L. Cornelium de fortunis omnibus dimicare. Balb. 6. 52 – 58 Ergo in iudicium caput Corneli, factum Pompei vocatur … nec in iis rebus crimen est ullum.: Zur Junktur in iudicium vocare vgl. die Anmerkung oben zu Balb. 5.

 Vgl. Happ (1976), 541 f. Anm. 363.  Sollte übrigens Cicero den Tadel des Anklägers wahrheitsgemäß wiedergeben (was zumindest in Frage gestellt werden kann), so wäre dies ein Beleg dafür, daß tatsächlich auch Pompeius explizit ins Visier genommen worden ist; ob der Person des Pompeius seitens der Anklage jedoch soviel Aufmerksamkeit zuteil wurde wie seitens Cicero, erscheint mir zweifelhaft, und das Gewicht, das Cicero auf Pompeius legt, demzufolge eine translatio criminis auf eine juristisch unantastbare Person zu sein. Ähnlich verfährt Cicero in der Rede Pro Archia, wie Hanchey (2012/13), 165 ff. bemerkt; Hancheys Aufsatz ist generell eine gute Studie der argumentatorischen Parallelen beider Reden. Im übrigen ist einer der Gönner, mit denen Cicero Archias assoziiert, wiederum der hier bereits genannte Q. Metellus Pius.  Vgl. Kraffert (1881/1883), 119, der labatur als Gegensatz zu probetur (bzw. probatur, wie Kraffert liest) vorschlägt. Weitere Gründe führt er jedoch nicht ins Feld.

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Mit dem Satz ergo in iudicium caput Corneli, factum Pompei vocatur hat E. Jullien eine Stelle aus der demosthenischen Ctesiphontea verglichen: Demosth. 18,15 εἶτα κατηγορεῖ μὲν ἐμοῦ, κρίνει δὲ τουτονί.⁴¹ A. Weische (1972) erörtert diese Stelle in seiner Sammlung der Parallelen aus griechischen Rednern bei Cicero nicht; möglicherweise ist sie zu kurz, um aussagekräftig zu sein. Doch scheint mir eine Anlehnung nicht unmöglich zu sein, gerade wenn man bedenkt, daß Cicero bekanntlich die Kranzrede (bzw. das gesamte Rededuell des Demosthenes und Aischines) ins Lateinische übersetzt hat.⁴² Ganz ähnlich ist hier wie dort der Topos, daß mit der Anklage jemand anderes als der eigentlich Angeklagte getroffen werden soll. Die Formulierung caput Corneli ist rhetorische Übertreibung, wie sie sich bei Cicero häufig findet. Das caput steht hier stellvertretend für den Verlust der bürgerlichen Rechte, der gewissermaßen den gesellschaftlichen Tod bedeutet hat.⁴³ Hunc enim in ea civitate in qua sit natus honestissimo loco natum esse concedis, et ab ineunte aetate relictis rebus suis omnibus in nostris bellis nostris cum imperatoribus esse versatum: Das anaphorische Pronomen bezieht sich hier (anders als üblicherweise im Deutschen und eigentlich auch im Lateinischen) auf den Erstgenannten (also Balbus).Vgl. dazu H.-Sz. 180 – 183 und K.-St. I 623: „Aber oft deutet hic auch nicht auf den grammatisch näheren, sondern auf den dem Redenden näher stehenden, wichtigeren Gegenstand“. Möglicherweise wird man sich hier also eine entsprechende Geste Ciceros auf Balbus zu denken haben. Vgl. auch Manil. 19, wenngleich hier ein ille vorangeht, das sich auf das Letztgenannte bezieht (illae pecuniae Asiaticae vs. haec fides atque ratio pecuniarum Romae). Über den emphatischen Gebrauch des Possessivpronomens wurde bereits gesprochen (s. oben den Kommentar zu Balb. 6. 45 – 48). An dieser Stelle wird die Emphase mit in nostris bellis nostris cum imperatoribus besonders deutlich, wenngleich es diesbezüglich voneinander abweichende Überlieferungen gibt. In P und H ist das zweite Possessivpronomen überliefert; in G und E fehlt es jedoch. Maslowski tut wahrscheinlich gut daran, dem Parisinus und Harleianus zu folgen, zumal es inhaltlich und rhetorisch ausgesprochen angemessen erscheint.Von den Kommentatoren äußert sich nur Bonfiglioli ad loc. dazu: „a bella posta Cicerone ripete l’aggettivo possessivo (nostris) per richiamare meglio l’attenzione sull’at-

 Vgl. Jullien (1886), 50 Anm. 3.  Indessen erfolgte diese Übersetzung zu einem späteren Zeitpunkt. Gelzer (1969), 246 Anm. 46 vermutet, daß sie während Ciceros Proconsulat in Kilikien entstanden ist. Gekannt hat Cicero die Reden selbstverständlich bereits zum Zeitpunkt der Balbiana.  Vgl. hierzu Gelzer (1969), 74 Anm. 77. Gelzer bespricht hier in erster Linie die Rede Pro Rabirio perduellionis reo, zieht aber zum Vergleich zahlreiche Stellen aus anderen Reden Ciceros heran.

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tività svolta da Balbo sempre a benefizio della causa romana.“ Neben der Wiederholung verleiht außerdem auch die Voranstellung eine gewisse Emphase. Inhaltlich rekapituliert Cicero hier noch einmal kurz und etwas unbestimmt den Lebensweg des Balbus, wobei er nicht vergißt, die edle Herkunft in dessen Heimat zu erwähnen (in ea civitate in qua sit natus honestissimo loco natum esse concedis), und vor allem seine Leistungen für das römische Volk. Zu ab ineunte aetate und der Frage nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Balbus in den römischen Militärdienst vgl. oben Einl. S. 5. Haec sunt omnia cum plena laudis, tum propria Corneli, nec in iis rebus crimen est ullum.: Vgl. dazu oben Balb. 6 haec sunt propria Corneli merita. Balb. 7. 58 – 60 Ubi igitur est crimen? quod eum Pompeius civitate donavit. huiusne crimen? minime, nisi honos ignominia putanda est. cuius igitur? re vera nullius, actione accusatoris eius unius qui donavit.: Sprachlich ähnlich ist Sest. 80 et causam dicit Sestius de vi? quid ita? … ubi est crimen? quid reprehenditis? K. Halm (1886) vergleicht letztere Stelle in seinem Kommentar zur Sestiana ferner mit Font. 1 (meint jedoch Font. 2) quid accusas? quid reprehendis? Über Ciceros Taktik, die Vorwürfe der Anklage als völlig haltlos oder mittels einer Hyperbole als geradezu absurd (so vor allem in der Sestiana) darzustellen, wurde bereits gesprochen (siehe oben den Kommentar zu Balb. 5. 37– 39). Huiusne ist Verbesserung durch R. Klotz für das überlieferte huiusce P2GHb1, während die erste Hand des Parisinus jegliche Partikel weggelassen hat und nur huius schreibt. Das Gerundiv in honos ignominia putanda est ist in diesem Fall an das Prädikatsnomen angeglichen, nicht an das Subjekt, was gerade in prädikativen Sätzen mit Kopula wie im vorliegenden Fall häufig vorkommt, vgl. z. B. Cic. div. II 90 non enim omnis error stultitia dicenda est sowie grundsätzlich K.-St. I 40 und Reid, Bonfiglioli und Rubio ad loc.⁴⁴ Re vera nullius, actione accusatoris eius unius qui donavit.: Das Verb donare wird hier ausnahmsweise absolut gebraucht.⁴⁵ Nach der Terminologie von H. Happ müßte man diesen Fall vielleicht zu den „kontextbedingten Ellipsen“ zählen;⁴⁶ jedenfalls läßt sich feststellen, daß in verkürzten Relativsätzen oft an sich notwendige Ergänzungen des Verbs fehlen können, wenn sich diese aus dem Kontext erschließen lassen. Vgl. z. B. Flacc. 23 qui gessit [sc. contionem] non adest und Cael. 43 quod si facere vellem, multi a me summi atque ornatissimi viri praedicarentur quorum partim nimia libertas in adulescentia, partim profusa luxuries,

 Kühner-Stegmann faßt I 34 ff. Fälle dieser Art unter dem Stichwort „Attraktionsartige Kongruenzformen“ zusammen.  Vgl. dazu Lebreton (1901), 160.  Vgl. Happ (1976), 440 f.

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magnitudo aeris alieni, sumptus, libidines nominarentur, quae multis postea virtutibus obtecta adulescentiae qui vellet [sc. defendere] excusatione defenderet. Balb. 7. 60 – 64 Qui si adductus gratia minus idoneum hominem praemio adfecisset … tamen esset omnis eius modi reprehensio a vobis, iudices, repudianda.: Cicero deutet mit diesen Worten zunächst das argumentum a minore an, das später (vgl. den Kommentar zu Balb. 24. 217– 222) noch weiter mit dem Hinweis auf die Verleihung des Bürgerrechtes an Tributpflichtige und sogar Sklaven ausgeweitet und verdeutlicht wird. Zum leitmotivischen Begriff praemium vgl. den Kommentar zu Balb. 6. 45 – 48. Sed non ita meritum: Man beachte den Gebrauch von mereri ohne jegliche zu erwartende Präpositionalergänzungen bei Setzung des modifizierenden Adverbs ita. So auch mit anderen Verben; vgl. z. B. dom. 147 quaeso obtestorque vos, pontifices, ut me, quem auctoritate, studio, sententiis restituistis, nunc, quoniam senatus ita vult, manibus quoque vestris in sedibus meis conlocetis oder Phil. 4,14 (mit ferre).⁴⁷ Si denique aliquid [quod] non contra ac liceret factum diceretur, sed contra atque oporteret: Absolut gebraucht wird auch licere. Es liegt hier ein ähnlicher Fall vor wie oben bei donare, nur daß hier kein kurzer Relativsatz steht, sondern ein verkürzter Komparativsatz (contra ac liceret).⁴⁸ Vgl. auch Mil. 92 (hier fehlt allerdings nur die Dativergänzung; ein Infinitiv ist vorhanden). Die Junktur contra facere findet sich recht häufig in der Balbiana (außer hier noch Balb. 10, 13, 16 und 33), adverbial wie hier indessen nur Balb. 33; an den anderern Stellen steht contra als Präposition wie bspw. auch Quinct. 1 eae (sc. res) contra nos ambae faciunt. ⁴⁹ Ebenfalls möglich ist adversus (Präp.) facere; so Verr. II 3,70. Mit der Gegenüberstellung von licere und oportere wird hier zum ersten Mal in der Rede die rein rechtliche und tralatizische Lizenz⁵⁰ einerseits sowie die allgemein moralische Lizenz andererseits (bzw. im Gegenzug rechtliches und tralatizisches sowie moralisches und gewissermaßen natürliches Gebot) differenziert, was im folgenden noch eine beträchtliche Rolle spielen wird. Vgl. vor allem Balb. 8 est einm aliquid quod non oporteat, etiam si licet; quicquid vero non licet, certe non oportet (vielleicht erklärt sich aus dieser Stelle auch das unnötige quod in Balb. 7 durch Influenzfehler). Diese Differenzierung nimmt Cicero häufiger in den Reden vor. Vgl. z. B. Verr. II 3,181 nam illud genus tertium deductionis erat ei Vgl. hierzu auch Lebreton (1901), 155 und Rubio ad loc.  Vgl. Happ (1976), 532 f.  Vgl. Kinsey (1971) ad loc. mit weiteren Stellen.  Vgl. Cic. Phil. 13,14 licet autem nemini contra patriam ducere exercitum, si quidem licere id dicimus quod legibus, quod more maiorum institutisque conceditur.

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usmodi quasi non modo liceret, sed etiam oporteret, nec solum oporteret, sed plane necesse esset und Flacc. 86 extorquere, accipere contra leges non oportet, petere non oportere numquam ostendes, nisi docueris non licere. Vgl. auch Reid, Bonfiglioli und Rubio ad loc. Balb. 8. 64 – 71 Nunc vero quid dicitur? quid ait ⁵¹ accusator? fecisse Pompeium quod ei facere non licuerit … sed etiam decuisse fateamur?: Zum Konjunktiv Perfekt licuerit vgl. oben zu Balb. 5 cetera accusator fatetur, hunc …, ut Pompeius in Hispaniam venerit Memmiumque habere quaestorem coeperit, numquam a Memmio discessisse eqs. Bonfigliolis Erklärung ad loc. als „perfetto logico“ erscheint mir zu umständlich. Zur Unterscheidung von licere und oportere vgl. den letzten Eintrag. Nachdem Cicero allgemein das Verhältnis von licet und oportet dargestellt hat, wendet er sich dem speziellen Fall des Pompeius zu und stellt heraus, daß für Pompeius nicht nur das licet erfüllt ist, sondern er führt dann noch darüber hinausgehend das neue decet ein und fordert erneut die bereits betonte juristische Unantastbarkeit des Pompeius (s.o. Balb. 5 hoc satis esse causae ut quod fecisse Cn. Pompeium constet id omnes ei licuisse concedant). Daß das, was Pompeius tut, in keinem Fall beanstandet werden kann, ist nach Cicero eine Tatsache, die gar nicht erst zur Disposition gestellt werden müßte und dürfte. Denn was fehlt schon diesem Menschen (siehe im folgenden Balb. 9: quid enim abest huic homini)? Die Qualitäten, die Cicero dann im folgenden in rhetorischen Fragen durchgeht (usus, ingenium, pudor, integritas, religio, diligentia, auctoritas), fehlen allesamt dem Pompeius nach Ansicht Ciceros selbstverständlich nicht, woraus sich dann wiederum auf die Lizenz für alle Handlungen des Pompeius schließen läßt. Balb. 9. 71– 72 quid enim abest huic homini quod si adesset, iure haec ei tribui et concedi putaremus?: Reid, Rubio und auch Bonfiglioli ad loc. weisen darauf hin, daß an dieser Stelle abesse im Sinne von deesse benutzt wird und Cicero dementsprechend das Verb mit dem Dativ statt des Ablativs (+ ab) verbindet.⁵² Dabei wird jedoch nirgendwo ein mögliches Vorbild für genau diese Formulierung erwähnt. Es mag ein wenig weit hergeholt erscheinen, doch erinnert Ciceros Frage frappierend an eine berühmte Stelle aus dem Epitaphios des Gor-

 Die Begründung für die Ablehnung der Lesung ait durch Paul (1875), 5 f. kann ich nicht recht nachvollziehen: „Nam quae nunc § 8 init. leguntur … ea habent tam molestam eiusdem sententiae idque minime gravis repetitionem, ut tanti oratoris arte indigna existimem errorique attribuam.“ Paul zieht agitat vor mit Hinweis auf Balb. 21 (auch dies mir nicht erklärlich) und Balb. 57.  Es sei an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, daß sich abesse und deesse bei gleicher Konstruktion doch semantisch leicht unterscheiden, insofern abesse bloß „fehlen“ bedeutet, deesse stärker „mangeln“ oder sogar „im Stich lassen“; vgl. Cic. Brut. 276 hoc unum illi, si nihil utilitatis habebat, afuit; si opus erat, defuit.

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gias, fr. 6,1 Ioli: τί γὰρ ἀπῆν τοῖς ἀνδράσι τούτοις ὧν δεῖ ἀνδράσι προσεῖναι; beide Fragen werden auf dieselbe Art und Weise eingeleitet (quid enim/τί γὰρ), dem Prädikat ἀπῆν entspricht hier genau das abest, das dann wie bei Gorgias mit dem Dativ konstruiert ist, und auch die Wortwahl huic homini ist dem griechischen τοῖς ἀνδράσι τούτοις ganz parallel bis hin zu den gleichen Verben adesset/προσεῖναι. Es sollen nun keine weitreichenden Spekulationen darüber, wie gut Cicero mit dem Werk des Gorgias vertraut war, angestoßen werden, doch legen einige Stellen aus dem Orator, in denen sich Cicero mit den Gorgianischen Figuren bzw. generell dem Stil des Gorgias auseinandersetzt, nahe, daß Autopsie durchaus wahrscheinlich ist, vgl. or. 175 nam, ut paulo ante dixi, paria paribus adiuncta et similiter definita itemque contrariis relata contraria, quae sua sponte, etiamsi id non agas, cadunt plerumque numerose, Gorgias primus invenit, sed iis est usus intemperantius; vgl. außerdem or. 167 und 176. Das Demonstrativpronomen haec des Relativsatzes bezieht sich laut Reid und Bonfiglioli ad loc. auf das Privileg, das Bürgerrecht zu verleihen. Etwas problematisch bleiben in diesem ganzen Kontext die Konjunktive im Imperfekt, insbesondere das adesset, das bezeichnenderweise so nur in den codices recentiores (AJb2) steht, während die eigentlichen Überlieferungsträger (PGEH) sowie b1 noch abesset lesen, was sich möglicherweise aus dem vorhergehenden abest erklärt, vielleicht aber auch aus der Apodosis falsch erschlossen ist, da die Verben tribuere und concedere zunächst die Abwesenheit einer Sache erforderlich zu machen scheinen („was nach unserem Ermessen ihm zugestanden würde, wenn es nicht vorhanden wäre“). Die Konjektur der jüngeren Tradition, die allgemein akzeptiert ist, läßt sich indessen leicht rechtfertigen, wenn man den verallgemeinernden Sinn des irrealen Kondizionalsatzgefüges beachtet: „Was nämlich (sc. welche Qualitäten, s.o.) fehlt diesem Menschen, daß wir glauben würden, daß ihm dieses Privileg rechtlich zugestanden werden müßte, wenn es (sc. die Qualitäten) vorhanden wäre (was sie de facto sind)?“ Da Cicero dann am Einzelfall „Pompeius“ zeigt, daß ihm alle folgenden Qualitäten nicht fehlen, ergibt sich auch für diesen die Anwendbarkeit der von Cicero hier noch allgemein formulierten Regel, daß ihm nämlich das Privileg, das Bürgerrecht zu verleihen (bzw. nach Ansicht Ciceros wahrscheinlich allerlei Privilegien), zugesprochen werden muß. Ferner sollte bei Abwägung des Textes auch die oben genannte Gorgias-Parallele beachtet werden (adesset/προσεῖναι). Balb. 9. 72 – 76 Ususne rerum? qui pueritiae tempus extremum principium habuit bellorum atque imperiorum maximorum … tot victorias bellicas quot sunt in rerum natura genera bellorum.: Hier beginnt die panegyrische digressio über Pompeius und damit die bereits angesprochenen (s. Einl. S. 9) Parallelen zur Maniliana, insbesondere Manil. 28 quis igitur hoc homine scientior umquam aut fuit aut esse debuit? qui e ludo atque e pueritiae disciplinis bello maximo atque

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acerrimis hostibus ad patris exercitum atque in militiae disciplinam profectus est, qui extrema pueritia miles in exercitu summi fuit imperatoris, ineunte adulescentia maximi ipse exercitus imperator, qui saepius cum hoste conflixit quam quisquam cum inimico concertavit, plura bella gessit quam ceteri legerunt eqs. Hier wie dort schließt Cicero die Beschreibung des Pompeius relativisch an, wobei in unserem Fall aber der etwas kompliziertere Rückbezug auf huic homini der vorhergehenden Frage erfolgen muß, da Cicero die Qualitäten in Form von weiteren eingeschobenen Fragen (ususne rerum?) durchgeht. Auffällig sind die parallelen Konstruktionen pueritiae tempus extremum principium und extrema pueritia, wobei Cicero hier rhetorisch noch gekonnter die zeitlich gegensätzlichen Begriffe direkt nebeneinander stellt (tempus extremum und principium). Ferner wird mit usus auch ein im ersten Satz der Rede leitmotivisch gesetzter Begriff genannt.⁵³ Mit den genera bellorum sind laut Rubio ad loc. zum einen See- und Landkriege gemeint, zum anderen unterschiedliche Arten von Kriegen im Hinblick auf die Klassifikation des Gegners, bspw. Kriege gegen Sklaven, gegen Piraten oder gegen reguläre Heere.⁵⁴ Balb. 9. 76 – 79 An ingenium? cui etiam ipsi casus eventusque rerum non duces, sed comites [eius] consiliorum fuerunt … plus homini quam deae tribueretur.: Das nächste charakteristische Merkmal des Pompeius wird besprochen, seine angeborene Anlage, die Cicero mit dem Kriegsglück in Zusammenhang bringt. A. Weische⁵⁵ vergleicht hinsichtlich des Gedankens Demosthenes’ erste Philippika (or. 4,38 – 39, vor allem 39): δεῖ τοὺς ὀρθῶς πολέμῳ χρωμένους οὐκ ἀκολουθεῖν τοῖς πράγμασιν, ἀλλ’ αὐτοὺς ἔμπροσθεν εἶναι τῶν πραγμάτων. Die Ähnlichkeit ist sicher unverkennbar; allerdings unterscheiden sich die Stellen geringfügig darin, daß Demosthenes davon spricht, voranzugehen (ἔμπροσθεν εἶναι), während Cicero von der Begleitung spricht (comites). Der Grund ist gewiß die unterschiedliche Perspektive, die sich in den verschiedenen Subjekten ausdrückt, und der Appell bei Demosthenes einerseits sowie die Konstatierung bei Cicero andererseits. Demosthenes benutzt ein persönliches bzw. konkretes Subjekt (οἱ ὀρθῶς πολέμῳ χρώμενοι) und meint damit die beratenden Athener, die den „Dingen“ also nicht hinterherlaufen sollen; bei Cicero ist das Subjekt das abstrakte casus eventusque rerum. Cicero hätte nun kaum sagen können, daß die

 Vgl. Barber (2004), 33: „The above passage picks up on themes first introduced at the outset of the speech: Pompey’s usus, and later in the digression his ingenium, his pudor, his auctoritas are all discussed.“  Daß die Römer hier fein unterschieden, ist bekannt und zeigt sich auch darin, daß ein Sieg über Sklaven weder zu Triumph noch Ovation berechtigte; vgl. Mommsen, StR I 133.  Vgl. Weische (1972), 86 f.

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casus eventusque rerum de facto dem Pompeius folgen, was der Panegyrik vielleicht doch zuviel gewesen wäre. So stellt er sie als gleichberechtigte Begleiter nebeneinander. Man sollte auch nicht vergessen, daß Demosthenes in dringlicher Lage eine Forderung an die Athener stellt, während Cicero ein Idealbild des Pompeius zeichnet, in dem eben diese Forderung zur Genüge erfüllt ist (so interpretiert auch Weische a.a.O.). Die Gegenüberstellung von dux und comes findet sich häufiger bei Cicero, worauf Reid ad loc. hinweist; so bspw. Phil. 7,22 ita, quod erat optabile antea ut populum Romanum comitem haberemus, nunc habemus ducem sowie har. resp. 58 deinde everso senatus, ut ego semper dixi, comite, duce, ut ille dicebat eqs. Aus späterer Zeit vgl. auch Sen. dial. III 9,2 utendum autem illa [sc. ira] est non ut duce sed ut milite. In quo uno ita summa fortuna cum summa virtute certavit, ut omnium iudicio plus homini quam deae tribueretur: Daß auch das Schicksal (in diesem Falle das positive Schicksal), die fortuna, bzw. das Glück, die felicitas, Zeichen eines guten Feldherren sind (siehe Sulla Felix), ist eine in Rom typische Vorstellung.⁵⁶ Virtus und felicitas sind bspw. auch Charakteristika Caesars in Marc. 19 sowie – mit auffallender sprachlicher Ähnlichkeit – des Lucullus in Manil. 10 in altera parte ita res a L. Lucullo summo viro est administrata, ut initia illa rerum gestarum magna atque praeclara non felicitati eius, sed virtuti, haec autem extrema, quae nuper acciderunt, non culpae, sed fortunae tribuenda esse videantur. Im letzteren Falle ist die (negative) fortuna der felicitas kontrastierend gegenübergestellt. Das negative Gegenstück zu Feldherren wie Pompeius, Caesar oder Lucullus bietet Lucius Piso in der zeitlich nahen Rede De provinciis consularibus 8: cuius, ut provinciam tetigit, sic fortuna cum improbitate certavit, ut nemo posset utrum posterior an infelicior esset iudicare. Die Junktur certare cum im Sinne von „wetteifern mit, im Kampf/Wettstreit liegen mit“ findet sich ebenso wie hier mit Abstrakta als Subjekt z. B. auch Verr. II 1,3 certet mea diligentia cum illorum omnium cupiditate, vestra integritas cum illius pecunia, testium constantia cum illius patronorum minis atque potentia, daneben in derselben Bedeutung auch mit den Verben contendere (Quinct. 84 und S. Rosc. 136) sowie decernere (Quinct. 92). Bonfiglioli ad loc. denkt sich nach plus ein meriti. M. E. ist es wahrscheinlicher, daß hier noch die zu Beginn gesetzten casus eventusque rerum mit ver Vgl. Kajanto (1972), 184 f. Kajanto weist 188 f. ferner darauf hin, daß Cicero insbesondere in seinen philosophischen Schriften die Überlegenheit der virtus gegenüber der fortuna betont, was womöglich auf stoisches Gedankengut zurückgeführt werden kann. In diesem Zusammenhang sei noch auf eine bemerkenswerte Parallele Cic. fam. X 3,2 (an Plancus) hingewiesen: omnia summa consecutus es virtute duce, comite fortuna.

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standen werden müssen, denen aufgrund der Tüchtigkeit Pompeius als dux voranschreitet und die daher eher ihm zugeschrieben werden als der Göttin bzw. dem blinden Schicksal (der Doppelcharakter der fortuna als unpersönliche abstrakte Kraft einerseits und als persönliche Göttin andererseits wird an dieser Stelle besonders deutlich). Bezeichnenderweise hat der Schreiber des Harleianus (über dessen Charakter vgl. Einl. S. 25 f.) hier versucht zu korrigieren und plus quam decet geschrieben, worin ihm die italischen codices recentiores (JSb und die bereits genannten Editionen aus Rom und Venedig) gefolgt sind (über die italischen Codices vgl. Einl. S. 24 Anm. 62). Balb. 9. 79 – 83 An pudor, an integritas, an religio in eo, an diligentia umquam requisita est? quem provinciae nostrae … cogitaverunt?: Hier wird als nächstes Pompeius’ Gerechtigkeit und Mäßigung, um nicht zu sagen humanitas, beschworen, die er Provinzialen bzw. generell abhängigen Personen entgegen bringt. Rubio ad loc. bemerkt richtig, daß mit den drei ersten Substantiven der einleitenden Fragen (pudor, integritas und religio) die drei asyndetisch gesetzten adjektivischen Attribute (castiorem, moderatiorem und sanctiorem) der letzten Frage korrespondieren. Requisita est?: Requirere steht hier nahezu im Sinne von „vermissen“ bzw. im passiven Sinne „fehlen“, vgl. Sest. 128 quem curia magis requisivit, quem forum luxit, quem aeque ipsa tribunalia desideraverunt? und allgemein OLD s.v. Quem provinciae nostrae, quem liberi populi, quem reges, quem ultimae gentes castiorem moderatiorem sanctiorem non modo viderunt: Die Junktur ultimae gentes, die nach dem kritischen Apparat von Maslowski und Peterson auf eine Lesung in der Ausgabe von Carolus Stephanus⁵⁷ zurückgeht, kann durch Cic. dom. 89 o speciem dignitatemque populi Romani, quam reges, quam nationes exterae, quam gentes ultimae pertimescant eqs. gestützt werden. Auch die topische Rhetorik und das Pathos der beiden Stellen sind im übrigen recht ähnlich. Sed aut sperando umquam aut optando cogitaverunt: Der absolute Gebrauch der Verben sperare und optare erklärt sich aus der Verwendung als Verbalsubstantiv (wie generell bei den Nominalformen des Verbs).⁵⁸ Bemerkenswert

 Bei Maslowski heißt es „ultimae gentes v.l apud Car. Stephanum“, bei Peterson „ultimae gentes cod. Car. Steph. et Graevius“. Carolus Stephanus (und offenbar Graevius) müssen anscheinend also eine inzwischen verlorene Handschrift benutzt haben. Überliefert ist ansonsten ult** raregentes P : ultra regentes GE : alterae (exterae b) gentes HAJSb.  Vgl. hierzu Happ (1976), 244 mit Anm. 390. Happ stellt die Überlegung an, daß die eigentlich obligatorischen Ergänzungen (valenzgrammatisch ausgedrückt) im Falle der Nominalformen weggelassen werden können, da bei diesen stärker auf den rein lexematischen Verbalinhalt abgehoben werden soll. Hier zu nennen wäre auch der infinitivus adumbrativus (auch historischer Infinitiv genannt).

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sind die Gerundien sperando und optando auch, da hier der relativ seltene modalkondizionale Gebrauch vorliegt, der bei Partizipien sehr viel häufiger vorkommt, in diesem Fall jedoch auch bei einer nd-Form.⁵⁹ Zu vergleichen ist Sest. 1 nam ut omittatis de unius cuiusque casu cogitando recordari, uno aspectu intueri potestis eqs. und Vat. 6 memento … omnia … ea me pudenter vivendo consecutum esse quae tu inpudenter vaticinando sperare te saepe dixisti. Reid ad loc. übersetzt treffend: „have imagined either in their hopes or their dreams“, womit auch der nominalen Form der Verben Rechnung getragen ist. Balb. 10. 83 – 89 quid dicam de auctoritate? quae tanta est quanta in his tantis virtutibus ac laudibus esse debet … nonne vobis?: Zuletzt spricht Cicero also von der auctoritas des Pompeius, die – wie in der Einl. S. 16 bereits erwähnt – ein leitmotivischer Begriff der Rede ist. Auch der erste Satz der Antwort ruft den Beginn der Rede in Erinnerung; vgl. Balb. 1 auctoritatis tantae quantam vos in me esse voluistis. Während Ciceros auctoritas also von der Wahrnehmung und dem Willen anderer abhängt (quantam vos in me esse voluistis), kann sie im Falle des Pompeius aufgrund seiner Leistungen und Auszeichnungen gar nicht anders denn als bedeutend aufgefaßt werden (quanta … esse debet). Diese auctoritas bietet für Cicero letztlich den Anlaß, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Pompeius’ Handlungen als geradezu schändlich für die Richter, ja sogar den ganzen Staat darzustellen (non turpe rei publicae, nonne vobis?). Cui senatus populusque Romanus amplissimae dignitatis praemia dedit non postulanti, imperia vero etiam recusanti, huius de facto eqs.: Vorangestellte Relativsätze (ohne relativischen Anschluß), deren Relativpronomen im nachfolgenden Hauptsatz durch ein Demonstrativpronomen oder Personalpronomen aufgegriffen werden, kommen in der Form wie hier (cui senatus populusque Romanus …, huius de facto eqs.) bei Cicero recht häufig vor. Vgl. bspw. nochmals in der Balbiana 16: cuius igitur audita virtus dubitationi locum non daret, huius experta atque perspecta optrectatorum voce laedetur? oder dom. 9 quorum etiam delicta … non modo me sed omnis bonos ferre oporteret, eorum optimum consilium ego potissimum repudiarem? u. ö. Aus diesem Grund erscheint mir auch die Textkonstitution von D. R. Shackleton Bailey, der nach cui senatus … recusanti einen Punkt setzen wollte, um das folgende Kolon stärker abzuheben, nicht sinnvoll.⁶⁰ Inhaltlich nutzt Cicero gerne die Steigerung vom „nicht fordern“ zum „ablehnen“; vgl. z. B. Mil. 92 quid restat nisi ut orem obtesterque vos, iudices, ut eam misericordiam tribuatis fortissimo viro quam ipse non implorat, ego etiam repu-

 Vgl. Lebreton (1901), 400 – 404.  Vgl. Shackleton Bailey (1979), 274 f.

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gnante hoc et imploro et exposco? und sprachlich recht ähnlich Phil. 11,20 etsi quis potest refragari non modo non petenti, verum etiam recusanti. Es fragt sich, ob hier ein rhetorischer Topos der Feldherren- und Fürstenpanegyrik vorliegt (vielleicht platonisch beeinflußt?). Die Unwilligkeit, ein imperium zu übernehmen, hinterläßt als ein Mittel der Charakterisierung einer Person jedenfalls noch Spuren bei Tacitus, hist. I 17,1 (über Piso, den designierten Nachfolger Galbas): sermo erga patrem imperatoremque reverens, de se moderatus; nihil in voltu habituque mutatum, quasi imperare posset magis quam vellet. ⁶¹ W. Paul hat amplissima dignitatis praemia konjiziert statt des überlieferten amplissimae dignitatis praemia. ⁶² A. Klotz bemerkt jedoch im app. crit. seiner Ausgabe ganz richtig dazu: „quod improbandum propterea quod sic imperio non dignitas opponitur, sed praemia“. Der vorangestellte Genitiv amplissimae dignitatis ist in diesem Falle ein explikativer Genitiv, wie auch Reid ad loc. erklärt, der einmal mehr eine gelungene Übersetzung anbietet: „gave rewards, that is to say, a very splendid rank“, so daß sich also letztlich die Gegenüberstellung von dignitas und imperia und nicht so sehr die von praemia und imperia ergibt. Zum Genitiv vgl. K.-St. I 428 f. Huius de facto, iudices, ita quaeri ut id agatur licueritne ei facere quod fecit …, non turpe rei publicae, nonne vobis?: Inhaltlich fordert Cicero hier erneut die unbedingte Lizenz für Pompeius’ Handlungen und knüpft diese an frühere Auszeichnungen und außerordentliche Kommandos, die dadurch gewissermaßen die für Cicero willkommenen Präzedenzfälle schaffen. Non steht hier in demselben Sinne wie nonne, was häufig vorkommt; vgl. z. B. Phil. 2,112 non igitur miliens perire est melius quam in sua civitate sine armatorum praesidio non posse vivere? oder Cael. 34 non patrem tuum videras, non patruum eqs. ⁶³ Seltener jedoch ist die Abfolge von non und nonne wie hier; vgl. Mur. 81 (in derselben Reihenfolge, allerdings nicht so kurz aufeinander folgend). G. Garatoni hat – vermutlich eben wegen der Seltenheit – das überlieferte nonne in non geändert, was jedoch von A. Klotz und vor ihm von Th. Zielinski aufgrund der Klausel abgelehnt wurde. Behält man das nonne nämlich bei, liegt der bevorzugte Ditrochäus vor.⁶⁴ Unabhängig vom prosarhythmischen Argument scheint mir von

 Auch die Wendung de se moderatus erinnert an Balb. 2 nihil de ipso modestius.  Vgl. Paul (1875), 3 f.  Vgl. zu dieser Stelle Austin (1966) ad loc.: „non is frequent in a chain of questions like this, when the interrogative tone is clear from the context“.  Vgl. Zielinski (1904), 208. Daß der Ditrochäus oder auch Dichoräus bereits in der Antike bevorzugt war, zeigt die Stelle aus Ciceros Orator 214, wo Cicero erst eine Rede des Volkstribunen C. Carbo zitiert, ehe er die Klausel bewertet: Patris dictum sapiens temeritas fili comprobavit – hoc

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vornherein kein zwingender Grund vorzuliegen, den überlieferten Text im Sinne Garatonis zu ändern. Balb. 11. 89 – 96 Audii hoc de parente meo puer, cum Q. Metellus Luci filius causam de pecuniis repetundis diceret, … dubitasse quisquam verumne an falsum esset videretur: Bei dem hier genannten Meteller handelt es sich um Quintus Caecilius Metellus Numidicus (cos. 109), den Vater des bereits mehrfach genannten Metellus Pius.⁶⁵ Bekannt ist Metellus Numidicus vor allem aufgrund seiner Rolle im Iugurthinischen Krieg, in dem er 108 – 107 sehr erfolgreich den numidischen König bekämpfte, bis er von Marius als Oberbefehlshaber verdrängt wurde; als Censor 102 versuchte er L. Appuleius Saturninus und C. Servilius Glaucia aus dem Senat zu stoßen, wodurch er sich deren Haß zuzog. Als dann im Jahre 100 Marius Consul, Glaucia Prätor und Saturninus Volkstribun waren, setzten sie alles daran, Metellus aus dem Weg zu schaffen. Die Exilierung des Metellus, auf die Cicero anspielt (ille vir cui patriae salus dulcior quam conspectus fuit, qui de civitate decedere quam de sententia maluit) erfolgte aufgrund der Tatsache, daß er das Ackergesetz des Saturninus nicht beschwören wollte. Der hier genannte Repetundenprozeß hat möglicherweise nach seiner Rückkehr aus Afrika stattgefunden, jedenfalls aber früher als sein Exil. Vgl. neben Münzers REArtikel (Sp. 1218) auch Reid, Bonfiglioli und Rubio ad loc. Dieselbe Anekdote berichtet Cicero auch in einem Brief an Atticus (Att. I 16,4; es ist auffällig, daß Cicero an dieser Stelle genau wie hier neben Metellus Numidicus noch Xenokrates – im übrigen namentlich – nennt, auf den Cicero im folgenden Verlauf der Rede anspielt); außerdem findet sie sich bei Valerius Maximus II 10,1, der sich einer frappierend ähnlichen Formulierung bedient: nam quid plus tribui potuit consuli quam est datum reo Metello? qui cum causam repetundarum diceret tabulaeque eius ab accusatore expostulatae ad nomen inspiciendum circa iudices ferrentur, totum consilium ab earum contemplatione oculos avertit, ne de aliqua re, quae in his relatae erant, videretur dubitasse. Mit der Erzählung der Metellus-Anekdote nutzt Cicero hier zum ersten Mal in der Rede das exemplum als rhetorisch-narratives Argument bzw. schlichtweg als Mittel der αὔξησις. H. Schoenberger⁶⁶, der sich mit den exempla bei Cicero intensiv auseinandergesetzt hat, weist auf die Abfolge der Beispiele hin; es ist durchaus bedeutsam, daß Cicero hier erst Metellus nennt und dann Balb. 12 Xenokrates. Es herrscht offenbar die Regel, daß römische exempla vor den auswärtigen genannt werden, da die römischen als die bedeutenderen und wohl auch bekannteren den dichoreo tantus clamor contionis excitatus est, ut admirabile esset. Quaero nonne id numerus effecerit?  Vgl. Münzer (1897).  Vgl. Schoenberger (1910), 32– 36.

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ersten Platz einnehmen. Als Parallelen seien genannt Phil. 5,48 (die römischen antiqui – Alexander), S. Rosc. 64 ff. (T. Caelius – Orestie); Scaur. 2 ff. (P. Crassus – Aias, Themistokles usw.). Umgekehrt ist es dann auffällig, wenn das nicht-römische Exempel vor dem römischen steht, was laut Schoenberger mit einer Verkleinerung und Herabsetzung des zuerst genannten auswärtigen Beispiels einhergeht, wie z. B. Sest. 48 (Töchter des Erechteus – C. Mucius, P. Decius u. a.). Ferner stellt Schoenberger folgende Beobachtung an: „Das scheinbare Lob, das den Griechen an manchen Stellen zuteil wird, dient nur dazu, um daraus den Schluss zu ziehen, die Römer wären viel bedeutender als jene.“⁶⁷ In der Tat dient in Balb. 12 das exemplum des Xenokrates in erster Linie als argumentum a minore (mehr dazu im Komm. zu Balb. 12). Audii hoc de parente meo puer: Die Form audi statt audii oder audivi, die Maslowski übernommen hat, ist selten (vgl. K.-Hw. 783), in diesem Fall aber sowohl in P als auch in G und E überliefert und in P und G jeweils von zweiter Hand zu audii geändert (ferner hat auch H audii). Dennoch habe ich mich hier gegen Maslowski entschieden, da die Form sehr ungewöhnlich und gewiß nicht klassisch ist; vgl. ThlL s.v., Sp. 1262,2 f., nach dem die Form siebenmal inschriftlich im ersten und zweiten Jahrhundert nach Christus belegt ist sowie bei Plinius, epist.VI 21,2, jedoch auch hier nicht einheitlich überliefert, sondern neben den Formen audii und audivi. Ein ähnlich gearteter Fall einer synkopierten Verbform liegt Balb. 16 mit extinxet statt extinxisset vor. Zum proleptischen Demonstrativpronomen hoc, das den sehr viel später folgenden epexegetischen AcI (fuisse iudicem … neminem, dem dann noch zwei cum-Sätze sowie die davon abhängigen Relativsätze vorangehen) vorbereitet, vgl. Rubio ad loc. und K.-St. I 665. Als Parallele sei hier Mur. 58 genannt: saepe hoc maiores natu dicere audivi, hanc accusatoris eximiam vim … profuisse. Die Unterbrechung zwischen Pronomen und AcI ist in unserem Fall allerdings sehr viel länger, so daß Cicero zwischendurch gewissermaßen resümierend hoc igitur causam dicente einschiebt. Die Betonung der eigenen Erfahrung bzw. geradezu der Autopsie findet sich gelegentlich in Ciceros Reden; so (neben der bereits oben genannten Stelle aus der Rede Pro Murena) noch bspw. Mur. 66 ut accepi a senibus und ähnlich Deiot. 31 Cn. Domitius ille quem nos pueri consulem, censorem, pontificem maximum vidimus eqs.

 Schoenberger (1910), 36. Natürlich gibt es auch leicht durchschaubare Ausnahmen; vgl. ebd. S. 36: „Ungeschmälert lobt Cicero nur dann auswärtige Personen und Völker, wo er sie für seine Zwecke braucht, z. B. als Zeugen vor Gericht.“

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Ille vir cui patriae salus dulcior quam conspectus fuit, qui de civitate decedere quam de sententia maluit: Man beachte das pleonastische ille, das als „pronombre enfático“ (Rubio ad loc.) den cum-Satz unterbricht, so daß später ein neuer (hoc igitur causam dicente cum ipsius tabulae circumferrentur) begonnen wird.⁶⁸ Stilistisch bemerkenswert ist außerdem die unterschiedliche Realisierung der Komparativsätze (einmal nominal patriae salus dulcior quam conspectus, einmal verbal de civitate decedere quam de sententia [sc. decedere] maluit) sowie die semantisch leicht zeugmatisch anmutende Verknüpfung des eigentlichen und räumlichen de civitate decedere mit dem übertragenen de sententia decedere (beide Junkturen sind indessen für sich genommen durchaus üblich).⁶⁹ Cum ipsius tabulae circumferrentur inspiciendi nominis causa: Mit den tabulae ist an unserer Stelle das Rechnungsbuch öffentlicher Gelder, die Metellus folglich unterschlagen haben soll, gemeint; das Wort nomen bedeutet in diesem Zusammenhang „Schuldner“ oder „Schulden“, die Junktur nomen in tabulas referre geradezu „einen Schuldposten eintragen“ (vgl. bspw. den Passus Q. Rosc. 4 non confecit tabulas? immo diligentissime. non refert parva nomina in codices? immo omnis summas. leve et tenue hoc nomen est? HS CCCIƆƆƆ sunt. quomodo tibi tanta pecunia extraordinaria iacet?); vgl. auch Reid, Bonfiglioli und Rubio ad loc. Balb. 11. 96 – 99 Nos Cn. Pompei decretum †iudicium† de consili sententia pronuntiatum recognoscemus, cum legibus conferemus, cum foederibus, omnia acerbissima diligentia perpendemus?: Das asyndetische Dikolon decretum iudicium, wie es an dieser Stelle einhellig überliefert ist, stellt ein Problem dar, da asyndetische Dikola (zumindest in den Reden) unüblich sind; ein auffälliges Beispiel (da zwei asyndetische Dikola in kurzem Abstand aufeinander folgen) findet sich in den Philosophica, und zwar de finibus V 62 quis est qui non oderit libidinosam protervam adulescentiam? quis contra in illa aetate pudorem constantiam, etiamsi sua nihil intersit, non tamen diligat? Maslowski hat nun das iudicium getilgt, wobei er auf einen älteren Gewährsmann für diese Tilgung zurückgeht. Im app. crit. seiner Ausgabe heißt es: „iudicium om. V teste Gru., ‚et per me licet eiiciatur‘.“ Nur der Vaticanus Palatinus Latinus 1525 aus dem Jahre 1467 läßt das iudicium aus (was Maslowski, der J. Gruter folgt, übernimmt; Ma-

 In der Terminologie der jüngeren Linguistik würde man vielleicht bei der gespaltenen Nennung des Subjekts einmal mit Eigennamen und dann mit Pronomen von einer „cleft-Satz-Konstruktion“ sprechen.  Vgl. Lussky (1953), 287, der sich generell gegen die falsche (oder doch zu weite) Verwendung des Begriffs „Zeugma“ wendet und dabei auch unsere Stelle bespricht; Lussky klassifiziert unsere Stelle lediglich als ein Wortspiel in dem Sinne, daß hier dasselbe Verb einmal in eigentlicher und einmal in uneigentlicher Bedeutung benutzt wird.

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slowski scheint den Vaticanus also nicht eingesehen zu haben). Maslowski zitiert Gruter indessen nicht vollständig. Zunächst einmal hat Gruter⁷⁰ das iudicium asyndetisch, wie es überliefert ist, im Text gelassen und schreibt in der Anmerkung zur Stelle: „Pal. nonus non agnoscit iudicium, et per me licet eiiciatur sede ista, quamvis sciam [sc. Ciceronem] coniunxisse utrumque libro II. in Verrem fine capitis 23.“ Die Stelle, die Gruter meint, ist Verr. II 2,57 hos pateris impune discedere, qui ob tuum decretum, ob tuum iudicium pecuniam aut dandam aut accipiendam putabant? Die Stelle schlägt jedoch m. E. für die Rechtfertigung des zweigliedrigen Asyndetons decretum iudicium nicht durch, da hier der Eindruck des elliptischen Ausdrucks bzw. der Verkürzung zweier aufeinander folgender Relativsätze überwiegt, zumal die Substantive noch zusammen mit attributiven Possessivpronomina und Präpositionen stehen, während sie hier unverbunden als Objekte nebeneinander gesetzt sind; außerdem ist auch die Stelle der Verrinen wiederum textkritisch problematisch (A. Klotz tilgt in seiner Cicero-Ausgabe ob tuum decretum, das auch die Hds. O ausgelassen hat). Unerwähnt läßt Gruter kurioserweise eine Stelle, die kurz vor der eben genannten steht (also ebenfalls Verr. II 2,57) quid enim debuit praetor facere, cum consilio cognita causa cum comperisset suum comitem iuris decreti iudicii corrumpendi causa … pecuniam accepisse eqs.? Aber auch hier liegt kein zweigliedriges Asyndeton vor. W. Peterson schreibt im app. crit. der Oxford-Ausgabe sowie in einem begleitenden Aufsatz, daß iudicium einheitlich überliefert ist (die Handschrift V wird bei ihm nicht berücksichtigt; allerdings notiert er im app. crit., daß editiones das iudicium getilgt haben; welche editiones, bleibt unklar) und konjiziert selbst iudices. ⁷¹ Letzteres ist möglicherweise eine gute Alternative zur Athetese Maslowskis (bzw. des Palatinus), da der Eingriff in den überlieferten Text dann minimal und die Verschreibung von iudices zu iudicium oder möglicherweise die Fehlinterpretation abgekürzter Wortenden leicht vorstellbar ist. Peterson vermutet mit Bezug auf dom. 80 (tum igitur maiores nostri populares non fuerunt, qui de civitate et libertate ea iura sanxerunt quae nec vis temporum nec potentia magistratuum nec res iam iudicata [Halm: res tum iudicata PGMV: res iudicata H: praetorum decreta Peterson] nec denique universi populi Romani potestas eqs.), daß aufgrund von ähnlichen Abkürzungen iudicium und decretum in den Handschriften ver-

 Verfügbar war mir lediglich eine jüngere nach dem Tod Gruters erschienene Ausgabe, nach der hier zitiert wird: M. Tulli Ciceronis opera omnia: cum Gruteri et selectis variorum notis et indicibus locupletissimis, accurante C. Schrevelio, 4 Bde., Amsterdam 1661. Die Balbiana (sowie die übrigen Reden) befindet sich im zweiten Band, die hier besprochene Stelle auf Seite 531 mit Anm. 3.  Vgl. Peterson (1910), 176.

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wechselt werden.⁷² Ob wirklich eine Verwechslung vorliegt, ist allerdings fraglich, zumal Petersons Konjektur bei der Stelle aus de domo sua problematisch erscheint. Eine weitere Möglichkeit wird vielleicht durch dom. 74 angedeutet: non obscurum de meis … beneficiis suum iudicium decretumque esse voluerunt. Möglicherweise ist also auch ein –que ausgefallen, was sich jedoch gewiß ungefähr so schwer beweisen läßt wie widerlegen. Einstweilen erscheint mir also Petersons Änderung von iudicium in iudices als eine bessere Lösung im Vergleich zur Tilgung. Da ich die Frage jedoch nicht endgültig entscheiden möchte, habe ich iudicium in cruces gesetzt. De consili sententia: Zu dieser Junktur vgl. K.-St. I 393, der herausstellt, daß die Verbindung von sententia mit Präposition (de oder ex) im Sinne von „gemäß dem Wunsche, Verlangen von“ benutzt wird, die rein ablativische Variante dagegen im Sinne von „nach Überzeugung von“, besonders in der Verbindung mea sententia „nach meiner Überzeugung“; vgl. auch H.-Sz. 262. Acerbissima diligentia: Vgl. auch Balb. 54 acerbissima lege Servilia. Es scheint, als würde Cicero das Wort acerbus benutzen, um auf übertriebene Strenge oder Pedanterie abzuheben (geradezu im Sinne des Grundsatzes summum ius summa iniuria). Man fragt sich, ob dies ein Anzeichen dafür ist, daß sich Cicero juristisch gewissermaßen auf dünnem Eis bewegt bzw. daß er, um eine Begrifflichkeit H. Braunerts aufzugreifen, die Verfassungswirklichkeit in dieser Rede betont, nicht die Verfassungsnorm (s. Einl. S. 22.). Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch Balb. 48 acerruma de civitate quaestio sowie Balb. 64 sed si de certo, de perspicuo, de utili, de probato, de iudicato vobis iure esse constituendum videtis, nolite committere ut in re tam inveterata quicquam novi sentiatis, was eher dem Herkommen als dem fixierten Recht den Vorrang einzuräumen scheint. Balb. 12. 99 – 102 Athenis aiunt cum quidam apud eos qui sancte graviterque vixisset [et] testimonium publice dixisset et, ut mos Graecorum est, iurandi causa ad aras accederet, una voce omnes iudices ne is iuraret reclamasse.: Es wurde bereits erwähnt, daß der hier bewußt nicht genannte quidam der Philosoph Xenokrates ist (s. o. zu Balb. 3 quod non nulli litteris ac studiis doctrinae dediti eqs.), der nach dem Tode Speusipps die platonische Akademie von 339 bis 314 leitete.⁷³ Daß Cicero dessen Namen durchaus kennt und ihn nur im Zuge der dissimulatio verschweigt, wurde ebenfalls schon gesagt und ist durch den Atticus-Brief I 16,4 bezeugt (s.o. zu Balb. 11. 89 – 96). Schriften des Xenokrates wird Cicero wahrscheinlich nicht gekannt haben; nach der Vermutung Dörries

 Vgl. Peterson (1910), 173. Petersons Verweis auf dom. 68 bei der oben in Anm. 71 genannten Stelle seines Aufsatzes ist falsch. Er meint die hier besprochene Stelle dom. 80.  Zu Leben, Werk und Nachwirkung des Xenokrates vgl. Dörrie (1967).

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sind diese im Zuge der Sullanischen Eroberung verlorengegangen. Doch gibt es reiches anekdotenhaftes Material, das ähnlich wie die hier genannte Geschichte des Xenokrates σεμνότης oder σωφροσύνη hervorhebt, sowie Formulierungen, die offenbar in Doxographien aufgenommen wurden. Möglich ist auch, daß Cicero durch die Vermittlung des Antiochos von Askalon von Xenokrates erfahren hat. Das et ist von Angelius gewiß zurecht getilgt worden; die Verwirrung wird durch den attrahierten Relativsatz und die ähnlichen Prädikate vixisset und dixisset entstanden sein. Etwas ungewöhnlich mutet die Stellung der Präpositionalphrase apud eos zwischen quidam und dem darauf bezogenen Relativpronomen an. Näherliegend würde erscheinen Athenis aiunt cum quidam qui sancte graviterque vixisset apud eos testimonium publice dixisset; vielleicht ist hier infolge der unnötig gesetzten Konjunktion et eine Transposition der Präpositionalphrase anzunehmen. Indessen ist diese freie Stellung nicht unmöglich, und anderweitige handschriftliche Hinweise auf eine Transposition finden sich anscheinend nicht. Außerdem werden laut K.-St. II 617 f. im Lateinischen mit Vorliebe Wörter derselben Kategorie zusammengestellt, insbesondere im Fall der Pronomina, so daß hier möglicherweise ganz bewußt die Präpositionalphrase apud eos nahe an das quidam gerückt wurde, wenn nicht vielleicht sogar mit apud eos nur die Zugehörigkeit zu den Athenern angedeutet werden soll und daher ohnehin eng zu quidam gehört (zur Präposition apud vgl. grundsätzlich K.-St. I 524 f.). Zur Formulierung iurandi causa ad aras accederet bzw. zur griechischen Sitte, zum Schwur an den Altar zu treten und diesen bzw. das Eidopfer zu berühren vgl. Flacc. 90 ergo is cui, si aram tenens iuraret, crederet nemo, per epistulam quod volet iniuratus probabit? und Aischin. or. 1,114 ἐπιστὰς [sc. Τίμαρχος] τῇ κατηγορίᾳ ἐπὶ τοῦ δικαστηρίου καὶ λαβὼν εἰς τὴν ἑαυτοῦ χεῖρα τὰ ἱερὰ καὶ ὀμόσας μὴ λαβεῖν δῶρα μηδὲ λήψεσθαι καὶ ἐπομόσας τοὺς ὁρκίους θεοὺς καὶ [τὴν] ἐξώλειαν ἐπαρασάμενος ἑαυτῷ κτλ.⁷⁴ Balb. 12. 102 – 104 [cum] Graeci homines spectati viri noluerunt religione videri potius quam veritate fidem esse constrictam: nos etiam in ipsa religione et legum et foederum conservanda qualis fuerit Cn. Pompeius dubitabimus?: Obwohl das cum einheitlich überliefert ist, scheint doch die Tilgung durch Madvig⁷⁵ den Sinn erheblich zu verbessern. Der scharfe Gegensatz tritt sehr viel deutlicher bei der Satzreihe hervor als beim Satzgefüge (vergleichbar ist vorher Balb. 11 audii hoc de parente meo puer, cum Q. Metellus Luci filius … : nos Cn. Pompei decretum … recognoscemus?). Daher scheint sich mir auch die Rettung des cum durch Angleichung des Modus (noluerint), was Naugerius vorgeschlagen hat

 Vgl. hierzu Fisher (2001) ad loc. sowie grundsätzlich Nilsson (1967), 139 – 142.  Vgl. Madvig (1887), 422.

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(s. den app. crit. bei Peterson), nicht zu empfehlen. Zu erwägen wäre allenfalls Petersons Änderung in tum, eine Konjektur, die bereits in der Renaissance existiert hat (Sb2). Jedoch würde eine zeitliche Bestimmung der eigentlichen und allgemeinen Gegenüberstellung von griechischer und römischer Ehrfurcht gegenüber tadellosen Männern etwas die Schärfe nehmen, insofern der Gegensatz nicht mehr allein „Griechen vs. Römer“ wäre, sondern auch „damals vs. heute“; zudem würde man dann im folgenden Satz eine korrespondierende Partikel erwarten, wie Balb. 16 si Cn. Pompeius abhinc annos quingentos fuisset … si nunc apud nos … diceretur. Die Gegenüberstellung dient für das bereits erwähnte argumentum a minore, für welches das griechische Exempel hier hinhalten muß. Denn was in diesem Fall bezüglich des Vertrauens der Richter gegenüber einem Mann von gutem Ruf für die Griechen gilt, muß umso mehr für die Römer gelten, zumal die Glaubwürdigkeit und Treue gerade der Griechen üblicherweise in Frage gestellt wird. Man vergleiche hierzu Ciceros Charakterisierung der griechischen Zeugen in Pro Flacco 9 – 12, vor allem Flacc. 9 testimoniorum religionem et fidem numquam ista natio coluit, totiusque huiusce rei quae sit vis, quae auctoritas, quod pondus, ignorant. Auch die oben genannte Stelle Flacc. 90 gehört hierher. Im übrigen handelt es sich dabei verständlicherweise um einen Topos der Reden in Repetundenprozessen, um nicht-römische Zeugen zu diskreditieren.Vgl. auch die Reden Pro Fonteio und Pro Scauro (hier besonders 38 – 45). Ähnlich werden auch die alexandrinischen Zeugen Rab. Post. 35 – 36 abgetan. Balb. 13. 105 – 110 Utrum enim scientem voltis contra foedera fecisse an inscientem? … testes Cn. Pompei non solum virtutis in bello, sed etiam religionis in pace!: Es folgt ein hoch pathetischer und infolgedessen stark stilisierter und rhetorisch auffälliger Passus. Cicero geht der von ihm selbst gestellten, juristisch an sich nicht unwichtigen Frage, ob Vorsatz besteht oder nicht, durch eine Reihe von Ausrufen aus dem Weg, in der sich aufgrund der gesteigerten Emotionalität und der Indignation Ciceros auch die asyndetischen Reihen einzelner Wörter häufen. Zudem herrscht in den Exklamationen das Gesetz der wachsenden Glieder.⁷⁶ Die Asyndeta ziehen sich bedingt durch das Pathos durch den gesamten Paragraphen, wie überhaupt Pathos und ornatus den rhetorisch ausgefeilteren Teilen einer Rede wie exordium (auf die Asyndeta in Balb. 3, 6 und 9 wurde oben bereits hingewiesen) und peroratio (vgl. Balb. 60) besonders eignen. Indessen finden sich jedoch auch in der argumentatio einige Fälle des Asyndetons, wie Balb. 29 tum vero ut quaeque nobiscum maxime societate amicitia sponsione pactione foedere est coniuncta oder Balb. 39 qui cum maxima bella nobis infer-

 Zur rhetorischen Einordnung dieser Stelle vgl. Barber (2004), 36 und Classen (1982), 168 f., der außerdem als Beispiel für entrüstete Ausrufe Balb. 20 (o praeclarum interpretem iuris) heranzieht.

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rentur moenibus excluserunt, classibus insecuti sunt, corporibus opibus copiis depulerunt. Doch scheint auch in diesen Fällen eine gesteigerte Emotionalität der Grund für die Asyndeta zu sein, da jeweils nachdrücklich die enge Verbindung von Gades und Rom hervorgehoben wird. Indessen scheint sich zuweilen aber auch kein derartiger Grund feststellen zu lassen, wie Balb. 30 itaque in Graecis civitatibus videmus Athenis Rhodios Lacedaemonios ceteros undique adscribi, wo möglicherweise schlichtweg ein verkürzter Ausdruck innerhalb von Aufzählungen vorliegt (bei Aufzählungen von Völkernamen bspw. auch Balb. 31 und 32). Weitere Asyndeta finden sich Balb. 36, 39 (moenia delubra agros), 41, 43, 46, 49, 56 und 60. O Cn. Pompei sic late longeque diffusa laus ut eius gloriae domicilium communis imperi finibus terminetur!: Vgl. zu dieser Stelle auch Balb. 16 cuius res gestae eqs. sowie Balb. 64 mit Bezug auf Caesar: sed quoniam C. Caesar abest longissime atque in iis est nunc locis quae regione orbem terrarum, rebus illius gestis imperium populi Romani definiunt, nolite, per deos immortales, iudices, hunc eqs. Auch die Erwähnung des Herakles und der Grenzen seiner Reisen in Balb. 39 ist in diesem Zusammenhang bezeichnend. Möglicherweise stammt diese Art von Rhetorik aus den τόποι der Alexander-Deklamationen, wie E. Norden⁷⁷ mit Hinweis auf Catil. 3,26 (quorum alter [sc. Pompeius] finis vestri imperi non terrae sed caeli regionibus terminaret) sowie Catil. 4,21 (Pompeius, cuius res gestae atque virtutes isdem quibus solis cursus regionibus ac terminis continentur) herausstellt. O nationes urbes populi reges tetrarchae tyranni: Vgl. zu dieser Stelle einmal mehr Mil. 31 testes nunc vero iam omnes orae atque omnes terrae gentes (so Codex H, exterae gentes ac cett.) nationes, maria denique omnia cum universa tum in singulis oris omnes sinus atque portus. Über die textkritischen Bedenken zu dieser Stelle siehe unten zu Balb. 15. 123 – 128. Zum tetrarcha vgl. Mil. 76 (im übrigen auch wieder mit Asyndeton) imperium ille si nactus esset, omitto socios, exteras nationes, reges, tetrarchas eqs. Nach griechischem Verständnis ist der τετράρχης zunächst ein Herrscher über den vierten Teil eines Landes oder einer Provinz (ferner im militärischen Sinne der Kommandant von vier λόχοι), bezeichnet dann aber auch generell einen Fürsten, jedoch offenbar von geringerem Rang als rex bzw. βασιλεύς. Vgl. LSJ s.v. Indessen gehen die Bezeichnungen zum Teil auch durcheinander; vgl. Ev. Matth. 14,1, wo Herodes Antipas als τετράρχης bezeichnet wird, während er Ev. Matth. 14,9

 Vgl. Norden (1915), 200 Anm. 1. Den Zusammenhang mit dem Rhetorik-Unterricht erschließt Norden vor allem aus der ersten Suasorie des Seneca maior (deliberat Alexander, an Oceanum naviget). Er vergleicht ferner Lukian. dial. mort. 25 (12),5 (Alexander selbst spricht): ἀλλὰ καὶ μέχρι Ἰνδῶν ἦλθον καὶ τὸν Ὠκεανὸν ὅρον ἐποιησάμην τῆς αρχῆς. Vgl. außerdem Sen. epist. 94,62 f.

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βασιλεύς heißt. Ob Cicero also rex und tetrarcha streng unterscheidet oder die Begriffe hier nur im Dienste der αὔξησις anhäuft, dürfte fraglich bleiben. Testes Cn. Pompei non solum virtutis in bello, sed etiam religionis in pace!: Der grammatische und inhaltliche Parallelismus wird hier noch zusätzlich durch den Rhythmus unterstrichen. Es liegt die symmetrische Figur des Doppelschlusses vor, d. h. es steht zweimal dieselbe rhythmische Figur am Periodenende hintereinander. In diesem Fall setzt Cicero zweimal einen Kretikotrochäus: non solum virtūtĭs īn bēllō, sed etiam religiōnĭs īn pācĕ. ⁷⁸ Ebenso auch Balb. 62 hanc vero inīquĭtātem ōmnēs cum aliqua crudelitātĕ cōniūnctām (in letzterem Fall mit Elision von -em). Balb. 13. 110 – 113 Vos denique, mutae regiones, inploro … tum consili inpressa vestigia?: Zuletzt ruft Cicero sogar die unbelebte Natur als Zeugen für die Tapferkeit und Menschlichkeit des Pompeius an, ein rhetorisches Wagnis, das sich nur hier im Kontext des hohen Pathos rechtfertigen läßt. Cicero geht so weit, daß er in einer Apostrophe die stummen Länder und Meere als Personen gedacht direkt im Vokativ anspricht, statt sie im Akkusativ von inploro abhängig zu machen. Ähnlich in Mil. 85 vos enim iam, Albani tumuli atque luci, vos, inquam, imploro atque testor, vosque, Albanorum obrutae arae, sacrorum populi Romani sociae et aequales, quas ille praeceps eqs. Vgl. dazu K.-St. I 255. Balb. 13. 113 – 115 Hunc quisquam incredibili quadam atque inaudita gravitate virtute constantia praeditum foedera scientem neglexisse violasse rupisse dicere audebit?: Cicero kehrt schließlich zur eigentlichen Argumentation zurück, daß nämlich unmöglich Pompeius mit Vorsatz sakrales Recht gebrochen haben kann (daß auch nicht davon gesprochen werden kann, daß Pompeius ohne Vorsatz sakrales oder irgendein Recht gebrochen hat, legt Cicero im folgenden dar). Die Verbindung der Adjektive incredibilis und inauditus findet sich häufig bei Cicero, wie bspw. dom. 59 cum eius maeror, squalor incredibilis et inauditus eqs., Sest. 145 frater optumus, incredibili pietate, amore inaudito u. ö.⁷⁹ Balb. 14. 115 – 118 Gratificatur mihi gestu accusator … quam omnino non scire quid liceat.: Der Ankläger räumt hier nach Cicero ein, daß Pompeius nicht vorsätzlich, sondern unwissend gehandelt hat, was Cicero genau so wenig wie den Vorsatz gelten läßt. An anderer Stelle verurteilt Cicero ebenso das Argument, daß Unwissenheit Lizenz impliziere, allerdings vom Standpunkt der Anklage aus;

 Vgl. zu dieser Stelle Zielinski (1914), 146, dessen Terminologie (d. h. „symmetrische Figur“ und „Doppelschluß“) ich übernommen habe. Zur Unterscheidung von „strenger Symmetrie“ (Identität der Kola) und „freier Symmetrie“ (Nicht-Identität der Kola) vgl. ebd. S. 119 f.  In Balb. 41 re denique multo ante Gadibus inaudita liegt indessen möglicherweise das Partizip von inaudire vor; über diese Frage vgl. den Kommentar zur Stelle. Im Merguet ist diese Stelle s.v. inauditus aufgeführt.

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vgl. Verr. II 2,101 postremo illo desperatissimo perfugio uti posset, se imprudentem fecisse, existimasse id licere. quamquam haec perditissima defensio est, tamen aliquid dici videretur. Der Weg, den der Ankläger gewählt hatte, Pompeius den Vorsatz abzusprechen, wird nun also abrupt abgeschnitten, indem ein Vergehen aufgrund Unwissenheit als ebenso unwahrscheinlich (wegen des Pompeius usus rerum) und ungeheuerlich dargestellt wird wie vorher die vorsätzliche Tat. Da nun Pompeius weder vorsätzlich noch ohne Vorsatz eine illegale Tat begangen hat, stellt sich die Frage, da die Tat unbestritten ist, ob sie überhaupt als illegal angesehen werden kann (was Cicero selbstverständlich verneinen würde). Quasi vero levius sit, cum in tanta re publica versere et maximis negotiis praesis, facere aliquid quod scias non licere, quam omnino non scire quid liceat.: Dieser Satz hat einige Probleme bereitet und zur Konjekturalkritik provoziert. Das überlieferte levius schien vielen den Sinn auf den Kopf zu stellen, so daß non levius oder peius, nequius, turpius u. ä. konjiziert wurde (vgl. den app. crit. in Petersons Ausgabe). W. Peterson hat jedoch gezeigt, daß sich der überlieferte Wortlaut halten läßt.⁸⁰ Die entstandene Verwirrung hängt möglicherweise am Verständnis des Wortes levis sowie an der generellen Einschätzung des Argumentationsganges. Levis wird hier offenbar im Sinne von „leichtsinnig, unverantwortlich“ gebraucht; vgl. OLD s.v. (15) sowie Caes. Gall. V 28,6 postremo quid esse levius aut turpius quam auctore hoste de summis rebus capere consilium? Cicero greift die Worte des Anklägers, der gewiß Pompeius nicht schwerer belasten wollte, sondern im Gegenteil ihn an dieser Stelle gewissermaßen in Schutz nimmt (s. oben zu Balb. 6. 48 – 52), auf und wendet sie gegen ihn, indem er sagt: „Du signalisierst mir, daß Pompeius unwissentlich gehandelt hat, gerade so als ob es für einen Mann in Pompeius’ Position leichtsinniger/verantwortungsloser ist, etwas Illegales mit Vorsatz zu tun als überhaupt nicht zu wissen, was legal ist.“ Nach Cicero ist jedoch genau das Gegenteil der Fall und die völlige Unwissenheit sogar ein noch schlimmerer Vorwurf, den der Ankläger gegenüber Pompeius unmöglich aufrechterhalten kann, wenn er doch schon aufgrund der populi Romani excellens dignitas (Balb. 13) das Zugeständnis gemacht hat, daß Vorsatz in Pompeius’ Handlung nicht liegen kann. Die verallgemeinernde 2. Person (versere, praesis, scias) findet sich auch Balb. 60 cum id defendas quod esse optimum sentias.

 Vgl. Peterson (1910), 176 f. und Rubio ad loc. Indessen sei an dieser Stelle angemerkt, daß ich zwar dem Resultat Petersons zustimme, jedoch nicht voll und ganz seiner Rekonstruktion des Gedankenganges.

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Balb. 14. 118 – 121 Etenim utrum Hispania bellum acerrumum et maximum gesserat quo iure Gaditana civitas esset nesciebat, an cum ius illius populi nosset, interpretationem foederis non tenebat?: Mit diesen Worten schickt Cicero bereits einen Teil der dispositio voraus, insofern die Formulierung quo iure Gaditana civitas auf die Diskussion um die Zustimmung der Gaditaner zur Bürgerrechtsverleihung (Balb. 19 – 26) zielt und die Formulierung interpretationem foederis auf die Frage nach einer Exzeptionsklausel im foedus bzw. generell nach dem Wortlaut des Bündnisses von Rom und Gades (Balb. 32– 37). So wie Cicero es darstellt, ist der Zusammenhang dieser beider Punkte in der Tat schwer herzustellen; Cicero gibt vor, daß dieser Zusammenhang nicht existiert und er selbst nur wegen der Anklage auf das foedus zu sprechen kommt; vgl. Balb. 29 ut iam ad foedus veniam quod ad causam nihil pertinet; de civitatis enim iure, non de foederibus disceptamus. Wie in der Einleitung bereits bemerkt (s. Seite 17 ff.), ist in der Wiedergabe Ciceros kaum herzustellen, welche Bedeutung die gaditanische Gemeinde für die Bürgerrechtsverleihung des Balbus hatte (warum und in welcher Form es bpsw. einer Art Zustimmung bedurft haben sollte) und wie das römisch-gaditanische Bündnis damit verknüpft ist. Man fragt sich, ob Cicero hier vielleicht einen entscheidenden Punkt der Anklage unterschlägt, der diese Verknüpfung deutlich gemacht hätte. Die Ergänzung qui in sowie die Wiederherstellung von utrum stammt von Lambinus; PGE lassen jegliche Satzeinleitung aus, der Kopist des Harleianus jedoch schreibt cum in (worin ihm S, der Codex Monacensis 15734, und O gefolgt sind; vgl. die app. crit. bei Maslowski und Espluga/Moncunill), was sich wohl durch einen Analogieschluß des darauf folgenden cum-Satzes erklärt. Dann jedoch würde man auch in diesem Satz einen Konjunktiv erwarten. Ganz unwahrscheinlich ist ferner G. Giardinas Übernahme des in aber nicht des qui und seine Deutung des Satzgefüges gesserat … nesciebat als eines adversativen Asyndetons. Lambinus’ Korrektur ist daher vorzuziehen. Balb. 14. 121– 123 Id igitur quisquam Cn. Pompeium ignorasse dicere audebit, quod mediocres homines, quod nullo usu, nullo studio praediti militari, quod librarioli denique scire profiteantur?: Die Gegenüberstellung von theoretischem und praktischem Wissen (mit Bevorzugung des letzteren) im Sinne des Pompeius spielt auch in Balb. 45 eine Rolle. Ähnlich urteilt Cicero auch Font. 43 praeterea C. Marium, P. Didium, Q. Catulum, P. Crassum, non litteris homines ad rei militaris scientiam, sed rebus gestis ac victoriis eruditos. Die Junktur studium militare wurde von W. Paul angezweifelt und in studium liberale geändert. Zunächst hat Paul Bedenken wegen des Sprachgebrauchs, der studium rei militaris erfordern würde; der Einwand ist nicht ganz unbegründet, läßt sich aber doch durch Font. 42 aus der Welt schaffen: quid nunc vobis faciendum est studiis militaribus apud iuventutem obsoletis eqs. Pauls Hauptau-

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genmerk liegt allerdings auf dem Sinn, der seiner Ansicht nach hier nicht die Hervorhebung des militärischen Eifers erfordern würde, sondern im Gegenteil dessen, was librarioli aus Büchern lernen könnten, nämlich die iura belli atque pacis (s. Balb. 15), die Teil des studium liberale sind. M.E. ist die Erwähnung der Buchgelehrsamkeit jedoch nicht zwingend, da durch nullo usu bereits der Bereich der Praxis ins Spiel gebracht ist und insofern auch der Hinweis auf praktische militärische Bemühungen nicht fern liegt; zudem gibt es in Hinsicht auf die Überlieferungslage keinen Ansatz, der die Änderung rechtfertigen würde, und auch Paul selbst muß zugestehen, daß er ein in militari verschriebens liberali nicht erklären kann: „Ceterum unde huius tanti erroris origo ducatur, ignoro“.⁸¹ Über das Diminutiv librariolus vgl. L. Laurand, der die allgemein bekannte Tatsache betont, daß Diminutive „appartenaient surtout à la langue familière et à la langue vulgaire“.⁸² In diesem Zusammenhang soll das Diminutiv selbstverständlich eine besonders despektierliche Nuance haben, mit welcher das „Schreiberlein“ abqualifiziert wird. Dabei muß zudem beachtet werden, daß schon das Wort librarius an sich eine weniger positive Konnotation mit sich brachte. Der librarius war der mechanisch arbeitende Kopist im Gegensatz zum höher angesehenen scriba (besonders dem scriba quaestorius).⁸³ Auch bei Demosthenes in der ParapresbeiaRede (or. 19,95) finden wir diese Art der Herabsetzung bereits: εἶτ’ ἐπειδὴ δεῖ λόγον καὶ δίκην ὑπέχειν τῶν πεπραγμένων, ὤν, οἶμαι, πανοῦργος οὗτος [sc. Αἰσχίνης] καὶ θεοῖς ἐχθρὸς καὶ γραμματεύς, ὡς ὑπὲρ τῆς εἰρήνης κρινόμενος ἀπολογήσεται κτλ. Auffallend ist dort besonders die Antiklimax aus πανοῦργος und θεοῖς ἐχθρός auf der einen Seite und γραμματεύς auf der anderen; vgl. außerdem 19,200 (ὑπογραμματεύοντα). 237. 249. 314 sowie or. 18,127 und 265. Der fehlende Subjektsakkusativ im AcI librarioli denique scire profiteantur hat Lambinus, Zielinski und Peterson dazu bewogen, ein se einzufügen (vgl. den app. crit. bei Peterson). Notwendig ist dies jedoch nicht; auch in den Reden kann bei Cicero mitunter der Subjektsakkusativ fehlen; vgl. H.-Sz. 362. Balb. 15. 123 – 128 Equidem contra existimo, iudices … in universo denique belli iure atque pacis: Wenn man den cum-Satz adversativ auffaßt, läßt sich das gesamte Satzgefüge in verkürzter Form ungefähr folgendermaßen paraphrasieren: „Ich jedenfalls meine im Gegenteil, daß, während Pompeius in allen Künsten

 Paul (1875), 9.  Laurand (1936/38), 264. Ebd. S. 269 weist Laurand ferner darauf hin, daß die Diminutive in den Prozeßreden häufiger vorkommen als in den übrigen Reden.  Vgl. hierzu Mommsen, StR I 346 – 355.

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herausragt, sein ausgezeichnetes Wissen im Hinblick auf Bündnisse ein geradezu einzigartiges Verdienst ist“. Die Form excellat ist in P und H überliefert, während G und E excelleat bieten; die konsonantische Konjugation ist offenbar die weitaus üblichere und auch die im Regelfall überlieferte, vgl. Merguet s.v. excello und bspw. Cic. Manil. 41, Quinct. 31 u. ö. In Verbindung mit Adjektiven kann quidam sowohl einschränkende („sozusagen, gewissermaßen“) als auch steigernde („geradezu“) Funktion haben; letzterer Fall liegt hier zweifellos vor, vgl. de or. I 14 incredibili quodam nostri homines dicendi studio flagraverunt sowie K.-St. I 643. Das Prädikativum laudem steht hier im Sinne von „Verdienst, Ruhmestat“, vgl. Merguet s.v. Die Konjektur eius von Baiter (vgl. den app. crit. bei Maslowski) statt des überlieferten et ist nötig, da der Sinn hier eine Art von Besitzangabe erfordert. Scientiam in foederibus pactionibus condicionibus: Die Konstruktion an dieser Stelle mutet ungewöhnlich an. Wie Reid ad loc. bemerkt, würde man ein Genitiv-Attribut oder ein zusätzliches Gerundiv (bspw. interpretandis) erwarten, und erläutert weiter: „Its harshness may be softened by taking praestabilem in closely together = quae excellit in foederibus pactionibus condicionibus“. Indessen ist die Präpositionalphrase statt eines Genitivs zwar volkssprachlich, aber nicht durchweg unmöglich; vgl. H.-Sz. 274 f. und Cic. Phil. 5,22 quo animo hunc futurum fuisse censetis in nos quos oderat, …, et quam avidum in pecuniis locupletium eqs. Zudem ergäbe sich durch die folgenden Attribute populorum etc. eine unschöne und daher gemiedene Genitivhäufung. Exterarum nationum: Die Konjektur exterarum nationum bietet nur der aus dem 15. Jhd. stammende Codex Florentinus b; die übrigen Handschriften haben fast außschließlich et terrarum mit Ausnahme des ebenfalls aus dem 15. Jhd. stammenden Codex Monacensis S, der die Asyndese bevorzugt und das et vor terrarum streicht. Die Konjektur des Florentinus, die allgemein akzeptiert ist und bspw. auch in die Ausgabe von Peterson ohne irgendeine Angabe im kritischen Apparat Eingang gefunden hat, ist in der Tat zu bevorzugen. E. Fraenkel⁸⁴ bespricht diese Stelle im Zusammenhang mit der oben zu Balb. 13. 105 – 110 bereits zitierten Maniliana-Stelle (Manil. 31). A. C. Clark habe bei der Edition der Maniliana innerhalb der Oxford-Reihe der Reden Ciceros schlichtweg seiner Vorliebe für den Harleianus (cod. Harleianus 2682, olim Coloniensis Basilicanus H) nachgegeben und daher omnes terrae gentes nationes statt des sonst überlieferten omnes exterae gentes ac nationes in den Text gesetzt. Auch sei die Verschreibung

 Vgl. Fraenkel (1968), 60 – 62.

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von exterae zu terrae sehr viel wahrscheinlicher als der umgekehrte Fall (im Sinne der lectio difficilior). Die Verbindung exterae nationes findet sich zudem recht häufig bei Cicero, wie bspw. dom. 89 o speciem dignitatemque populi Romani, quam reges, quam nationes exterae, quam gentes ultimae pertimescant eqs., leg. agr. 2,45 u. ö. Auf der anderen Seite wäre die alleinige Setzung des Wortes terrarum in diesem Asyndeton ungewöhnlich. Generell erfordert der Plural offenbar ein stützendes Substantiv wie Balb. 9 partes terrarum, Balb. 13 sola terrarum, Balb. 30 regio terrarum und das bekannte orbis terrarum (Balb. 16 und 64). Allenfalls im „elementaren“ Sinne steht der alleinige Plural innerhalb des Asyndetons, wie z. B. nat. I 22 und nat. II 76. Auch semantisch regen sich Bedenken, da man in diesem Kontext ein Wort mit rechtlicher oder politischer Nuance braucht, wozu die exterae nationes nach Nennung der populi und reges gut passen, während terrae in diesem Sinne nicht stehen kann. Zum einen hat Maslowski also ganz richtig die Konjektur des Florentinus übernommen, zum anderen wäre eine Änderung beim Text der Maniliana von Clark im Sinne Fraenkels durchaus zu erwägen. Balb. 15. 128 – 130 Nisi forte ea quae nos libri docent in umbra atque otio, ea Cn. Pompeium neque cum requiesceret litterae, neque cum rem gereret regiones ipsae docere potuerunt.: Was hier über des Pompeius militärische und außenpolitische Kenntnisse gesagt wird, erinnert an den Beginn der Rede, wo Cicero die Beredsamkeit des Pompeius lobt und mit derjenigen des L. Crassus vergleicht; siehe Balb. 3 in eo qui tantum potuit inpertire huic studio temporis quantum ipse a pueritia usque ad hanc aetatem a continuis bellis et victoriis conquievit? Schon dort wird die ungewöhnlich schnelle Auffassungsgabe des Pompeius hervorgehoben, die es ihm ermöglicht, in sehr kurzer Zeit das zu lernen, wofür andere womöglich ein ganzes Leben brauchen. Da Pompeius zudem (bzw. hauptsächlich) noch den Weg des militärischen Ruhms gegangen ist und daher über reichlich praktische Erfahrung verfügt, kann ihm also unmöglich die scientia im Hinblick auf die foedera und gewissermaßen im Hinblick auf das „Völkerrecht“ abgesprochen werden. Zu beachten ist die beißende ironische Überzeichnung an dieser Stelle, die sich oft in nisi-forte-Sätzen findet; vgl. K.-St. II 416. Nur so erklären sich die Negationen neque … neque. Balb. 15. 131 Atque, ut ego sentio, iudices, causa dicta est.: Sprachlich ähnlich ist Cael. 70 dicta est a me causa, iudices, et perorata, Arch. 8 si nihil aliud nisi de civitate ac lege dicimus, nihil dico amplius; causa dicta est oder auch Q. Rosc. 14. Derartige Floskeln finden sich gelegentlich bei Cicero und gehören ins Feld der dissimulatio, mit der die Anklage als nichtig und die Verteidigung als unnötig dargestellt wird; s.o. zu Balb. 1 (quae sunt igitur meae partes). Auffälliger

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sind diese Floskeln natürlich dann, wenn sie wie hier (und wie in den Reden Pro Archia sowie Pro Quinto Roscio) am Beginn der Rede und der Verteidigung stehen, während sie sich in der Caeliana bspw. recht weit am Ende findet, wo man sie eher erwartet. Auf diese Dispositionstechnik wurde in der Einleitung bereits hingewiesen (S. 13 f.) sowie auf die Behandlung durch W. Stroh (ebd. mit den Anmerkungen 39 und 40). Die Frage, die sich daran anknüpft, ist die nach griechischen Vorbildern oder zumindest Parallelen. Die von Stroh erwähnte Iustinos-Stelle (1. Apologie 12,11 ἦν μὲν οὖν καὶ ἐπὶ τούτοις παυσαμένους μηδὲν προστιθέναι, λογισαμένους ὅτι δίκαιά τε καὶ ἀληθῆ ἀξιοῦμεν)⁸⁵ ist gewiß eine interessante Parallele, aber für Cicero vermutlich nicht allzu aussagekräftig. Näherliegend erscheint da Strohs Vergleich der Disposition zweier Isaios-Reden mit der Rede Pro Quinto Roscio und damit auch Pro Balbo (sowie möglicherweise Pro Tullio). In allen Reden folgt auf einen außersachlichen Teil der sachliche, d. h. die Argumentation im strengen Sinne, die jedoch als bedeutungslos hingestellt wird und auch argumentative Mängel aufweist. Hier in der Balbiana entspricht dem das ausführliche Lob des Pompeius und die darauffolgende Behandlung der rechtlichen Lage. Das Bemerkenswerte sind dabei die sprachlichen Ähnlichkeiten, mit denen der außersachliche Teil abgeschlossen wird; vgl. Isaios or. 5,5 εἰ μὲν τοίνυν, ὦ ἄνδρες, περὶ τούτων ἔμελλον ἀπολογήσασθαι μόνον Λεωχάρης ἢ Δικαιογένης, ἤρκει ἄν μοι τὰ εἰρημένα und 11,19 τί ἔτι δεῖ μαθεῖν ὑμᾶς ἢ ποθεῖτε ἀκοῦσαι περὶ τούτων; ἐγὼ μὲν γὰρ ὡς εὖ φρονοῦσιν ὑμῖν ἱκανὰ τὰ εἰρημένα νομίζω. Noch bedeutender als Isaios ist zumindest im Hinblick auf die Formulierung möglicherweise das Ende des Lysianischen ἐρωτικὸς λόγος aus Platons Phaidros (234c): ἐγὼ μὲν οὖν ἱκανά μοι νομίζω τὰ εἰρημένα. Als Parallele für die dispositio kann dieser tatsächlich letzte Satz des λόγος natürlich nicht dienen. Ob man nun aus dem Gesagten und den zitierten Isaios-Stellen weitreichende Schlußfolgerungen über den genauen Bildungsstand Ciceros ziehen kann, mag dahingestellt sein.⁸⁶ Gewiß läßt sich auch dafür argumentieren, daß für diese Art der Disposition und Darstellung des vorliegenden Falles keine technische Ausbildung vonnöten war und daß sie zusammen mit entsprechenden Formulierungen dem geübten Gerichtsredner ganz natürlich in die Feder flossen.

 Vgl. Stroh (2009), 490 Anm.: „Erkennbar ist, dass Justinos in der 1. Apologie zunächst (1– 12) jene Dinge vorbringt, die für sich allein ausreichen, um die Christen von Schuld freizusprechen“.  Auch Stroh (1975), 159 geht hier nicht weiter als nötig: „Freilich kann man nicht annehmen, daß Cicero das Isaios-Corpus durchgearbeitet und geistig präsent gehabt hätte. Aber besaß er vielleicht eine Art von Sachregister zu den attischen Rednern, das es ihm ermöglichte, eine seinem Fall dem Stoff nach verwandte Rede aufzufinden und sich von ihr anregen zu lassen?“

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Balb. 15. 131– 134 Temporum magis ego nunc vitiis quam genere iudici plura dicam. est enim haec saeculi quaedam macula atque labes, virtuti invidere, velle ipsum florem dignitatis infringere.: Das zeitkritische o tempora o mores der Balbiana bereitet hier schon das invidia-Motiv vor, das an dieser Stelle noch im Zusammenhang mit Pompeius, in Balb. 57– 58 mit direktem Bezug auf den Angeklagten Balbus entwickelt wird. Vitiis quam ist in G2 überliefert und wurde einst von Baiter übernommen. Madvig hat vitiis zu vitio geändert, vermutlich in Analogie zu genere; eine richtige Begründung liefert er leider nicht.⁸⁷ Der Plural vitiis paßt indessen sehr gut zu dem vorhergehenden Plural temporum; er erscheint mir daher unanstößig und, da er überliefert ist, auch den Vorzug zu verdienen. Zu labes im Sinne von „Makel, Schandfleck“ vgl. Verr. I 40 iam vero quomodo ego illam labem ignominiam calamitatemque totius ordinis conquerar, eqs., Cael. 52 u. ö. Zur Angleichung des Demonstrativpronomens an das dazugehörige Substantiv (haec macula) vgl. J. Lebreton (1901), 25, der sowohl Fälle der Attraktion als auch deren Ausbleiben bespricht. Zum Inhalt und zur Gnome haec est macula saeculi, virtuti invidere vgl. Cic. Phil. 14,17 haec interposui …, ut quosdam nimis ieiuno animo et angusto monerem, id quod semper ipse fecissem, uti excellentium civium virtutem imitatione dignam, non invidia putarent; vgl. außerdem im Hinblick auf eine mögliche kaiserzeitliche Nachwirkung Ciceros das Proömium von Tacitus’ Agricola, vor allem 1,3 f.: adeo virtutes iisdem temporibus optime aestimantur, quibus facillime gignuntur. at nunc narraturo mihi vitam defuncti hominis venia opus fuit, quam non petissem incusaturus. tam saeva et infesta virtutibus tempora. Balb. 16. 134 – 140 Etenim si Cn. Pompeius abhinc annos quingentos fuisset … si nunc apud nos id, quod is fecisset, contra foedus factum diceretur, quis audiret? nemo profecto.: Der kritisierten Gegenwart wird die idealisierte Vergangenheit gegenübergestellt; ein Prozeß wie der vorliegende und Vorwürfe, wie sie gegen Pompeius erhoben werden, wären – so Cicero – in der alten Republik undenkbar gewesen. Derartige Gedankenexperimente stellt Cicero häufig in seinen Reden an, sei es daß er wie hier gegenwärtige Personen in die Vergangenheit setzt (vgl. S. Rosc. 50, wo Erucius als negatives Beispiel mit den maiores kontrastiert wird), sei es daß er – was häufiger vorkommt – Personen der Vergangenheit als gegenwärtig darstellt, ein rhetorischer Kunstgriff, den man conformatio nennt (vgl. Balb. 47– 49, wo Marius heraufbeschworen wird, und Cael. 33 – 35 die conformatio des Appius Claudius Caecus).⁸⁸

 Vgl. Madvig (1887), 424.  Vgl. hierzu Barber (2004), 124 Anm. 42.

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Si Cn. Pompeius abhinc annos quingentos fuisset, is vir a quo senatus adulescentulo atque equite Romano saepe communi saluti auxilium expetisset: Der Satz mutet etwas ungewöhnlich an, was vor allem an dem abhinc liegt. Zunächst ist die Verwendung von esse als Vollverb in diesem Kontext üblich.Wenn mit Bezug auf die Vergangenheit „leben“ schlichtweg im Sinne von „existieren“ ausgedrückt werden soll, steht im Lateinischen regulär esse. Vivere wird üblicherweise nur mit Adverbien (so bspw. Balb. 65 tum etiam illud cogitate, sic vivere ac vixisse Cornelium eqs. und Balb. 12 qui sancte graviterque vixisset) oder Präpositionalphrasen wie cum aliquo und sine aliquo in der Bedeutung „das Leben auf diese oder jene Art und Weise führen“ benutzt (vgl. die Belege bei Merguet s.v.), es sei denn, es soll speziell auf die Dauer der Lebenszeit abgehoben werden. Ein gutes Beispiel für die Verwendung von esse und vivere nebeneinander bietet Cic. Cato 69 fuit enim, ut scriptum video, Arganthonius quidam Gadibus, qui octoginta regnaverit annos, centum viginti vixerit. Sodann benutzt Cicero hier statt des üblicheren ante das seltenere abhinc, das zuweilen auch mit Ablativ verwendet wird; besonders auffällig ist die zweimalige und unterschiedliche Verwendung von abhinc in Q. Rosc. 37 quo tempore? abhinc annis XV. defensio mea quae est? Roscium pro sua parte cum Flavio transegisse. repromittis tu abhinc triennium Roscio. K.-St. I 285 Anm. 10 vermutet, daß beim Ablativ des ersten abhinc eine Attraktion an die vorhergehende Frage quo tempore vorliegt. In jedem Fall läßt sich feststellen, daß zwar generell bei zeitlichen Angaben der temporale accusativus spatii dem jüngeren Sprachgebrauch entspricht und die ablativische Konstruktion im Laufe der Zeit verdrängt hat, im Zusammenhang mit abhinc jedoch umgekehrt der Akkusativ älterer Sprachgebrauch ist und der Ablativ jünger; vgl. H.-Sz. 137. Zur pronominalen Wiederaufnahme des Subjekts bei is vir a quo vgl. oben Balb. 11 cum Q. Metellus Luci filius … ille vir cui eqs. Cuius res gestae omnis gentes cum clarissima victoria terra marique peragrassent, cuius tres triumphi testes essent totum orbem terrarum nostro imperio teneri: Ähnlich äußert sich Cicero an anderer Stelle auch über Caesar; vgl. prov. 33 has [sc. gentis] noster imperator nosterque exercitus et populi Romani arma peragrarunt und Marc. 5. Das Verb peragrare wird üblicherweise – wie hier – mit Akkusativobjekt verwendet, zum Teil auch mit Präpositionalphrase wie de or. I 222 peragrat per animos hominum. Die von K.-St. I 265 (4) aufgestellte Regel, daß Intransitiva, die durch Präfigierung zu Transitiva geworden sind, in eigentlicher Bedeutung mit wiederholter Präposition stehen und in übertragener ohne, läßt sich zumindest für peragrare nicht bestätigen. Neben der Stelle aus de oratore, bei der trotz übertragener Bedeutung per steht, vgl. Scaur. 25, wo bei eigentlicher Bedeutung keine Präposition steht: peragravi, inquam, Triari, durissima quidem hieme vallis Agrigentinorum atque collis.

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Die Konjunktive peragrassent und essent genau wie davor expetisset und im folgenden decorasset sowie fecisset dürften sich am wahrscheinlichsten als Attraktionen an den übergeordneten Irrealis erklären lassen, vgl. Reid ad loc. Die drei Triumphe, auf die bereits Balb. 9 angespielt wurde, sind zum einen der Triumph über die Marianer (besonders Cn. Domitius Ahenobarbus sowie der alliierte numidische König Hiarbas), der Pompeius von Sulla spätestens am 12. März im Jahre 79 v.Chr. trotz des jungen Alters und der Unerfahrenheit zugestanden wurde, zweitens der Triumph nach dem Sertorischen Krieg 71 und zuletzt der Triumph wegen des Sieges über Mithridates und generell wegen der Erfolge und der Neuordnung der östlichen Provinzen im Jahre 61.⁸⁹ Mit den partes terrarum, die Balb. 9 in Entsprechung zu der Menge der Triumphe des Pompeius genannt werden, sind demnach Afrika (Hiarbas), Europa (Sertorius) und Asien (Mithridates) gemeint (vgl. Vell. II 40,4). Zur Formulierung vgl. auch Sest. 129 cum vir is, qui tripertitas orbis terrarum oras atque regiones tribus triumphis adiunctas huic imperio notavit eqs. Zum epexegetischen AcI nach Substantiv (ähnlich wie hier testes) vgl. Rab. Post. 34 recitabatur identidem Pompei testimonium regem ad se scripsisse. ⁹⁰ Indessen ist der Fall hier geringfügig anders geartet, insofern durch die Kopula essent stärker der Eindruck einer Verbalform hervorgerufen wird, so daß testes essent geradezu im Sinne von testarentur zu verstehen ist. Zum Motiv des „Weltbezwingers“, als der Pompeius hier dargestellt wird, vgl. man auch Balb. 39 – 40, wo die Ausdehnung des römischen Reiches mit den Reisen des Herakles in Zusammenhang gebracht wird. Quem populus Romanus in singularibusque decorasset: Die Ergänzung an dieser Stelle stammt laut app. crit. bei Maslowski von Baiter, der indessen lediglich Madvig folgt.⁹¹ Die Länge der Konjektur wurde durch A. Klotz bekräftigt, der mit Bezug auf die Auslassungen von P herausgestellt hat, daß die Zeilen einer Kolumne des Archetyps ca. 18 – 22 Buchstaben umfaßt

 Es gibt Datierungen, die den ersten Triumph des Pompeius über die Marianer früher ansetzen, d. h. ins Jahr 80 oder sogar 81. Vgl. dazu Gelzer (1984), 45 f. Diese letzte Ausgabe ist zwar nach Gelzers Tod erschienen, doch ist sie um Notizen aus dem Nachlaß erweitert; in eben solch einer Notiz findet sich der Hinweis auf die mögliche frühere Datierung. Zu den beiden späteren Triumphen vgl. ebd. S. 66 und 115 f.  Vgl. dazu Klodt (1992) ad loc. und grundsätzlich K.-St. I 695 f.  Vgl. Madvig (1887), 424. Es sei an dieser Stelle auf eine etwas irreführende Ungenauigkeit in Maslowskis Apparat hingewiesen. Honoribus ist dort nur einmal in spitze Klammern gesetzt, das dazu jeweils konjizierte Attribut immer (bspw. in honoribus Cou. post Mdv.); dies darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch honoribus konjiziert ist.

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haben müssen⁹², so daß man an dieser Stelle einen Zeilensprung des Schreibers der Vorlage von PG und E annehmen kann. Klotz erwägt ferner in der praefatio auf Seite XV als eigene Konjektur die Verbindung inusitatis honoribus, die fast dieselbe Länge hat, und zitiert als Parallele Phil. 3,23 ne eius usitatus honos impediretur, was einer Junktur inusitatus honos noch am nächsten kommt, die ansonsten bei Cicero nicht belegt ist. Indessen kommen andere Junkturen mit ebenfalls positiven Wertbegriffen vor, so Marc. 1 tantam enim mansuetudinem, tam inusitatam inauditamque clementiam eqs. und Rab. Post. 44 quam quidem vos, iudices, eius in novo genere bonitatem, inusitatam claris ac praepotentibus viris eqs. Auf der anderen Seite wiederum findet sich Planc. 64 ein Beleg, der die Konjektur von Baiter (bzw. Madvig) stützt: excogitati quidam erant a Siculis honores in me inauditi. Ferner hat Madvig a.a.O. insignibus honoribus vorgeschlagen, das von J. Cousin in seiner Budé-Ausgabe aufgenommen wurde; m. E. verdient diese Konjektur jedoch nicht den Vorzug wegen des dreimaligen Homoioteleutons auf –bus, was ein wenig schwerfällig wirkt. Dieselben Bedenken gelten verständlicherweise auch für den Text Petersons, der in singularibusque schreibt. Eine Entscheidung zwischen inauditus und inusitatus zu fällen ist schwierig. Inusitatus scheint eine willkommene Abwechslung zu bieten, da das Wort inauditus dreimal in der Balbiana vorkommen würde, und dies, wenngleich auch möglicherweise einmal als Partizip von inaudire (Balb. 41; zu dieser Frage vgl. den Kommentar zur Stelle), so doch zweimal davon kurz hintereinander (Balb. 13 und hier). Indessen kann natürlich gerade dieser Sachverhalt als Argument für inauditus angeführt werden, da es möglicherweise dem Verfasser noch geistig präsent war. Besser belegt ist inauditus in jedem Fall (s. Merguet s.v.), sowohl generell quantitativ als auch durch die eben genannte Stelle aus Pro Plancio speziell hinsichtlich der Verbindung von honos und inauditus. Einstweilen kann diese Frage nicht mit letzter Gewißheit geklärt werden, weswegen der Text von Maslowski beibehalten werden sollte. Balb. 16. 140 – 143 Mors enim cum extinxisset invidiam, res eius gestae sempiterni nominis gloria niterentur. cuius igitur audita virtus dubitationi locum non daret, huius experta atque perspecta optrectatorum voce laedetur?: Über die orthographischen Besonderheiten der Ausgabe Maslowskis siehe oben zu Balb. 2. 12 – 16 sowie zu Balb. 11. 89 – 96. Die synkopierte Form extinxet statt extinxisset ist in P (und nur dort) überliefert, was den Ausschlag für Maslowski gegeben haben mag, sie in den Text zu setzen; im kritischen Apparat  Vgl. die praefatio seiner Ausgabe, p. Xff. Vgl. auch Clark (1918), 270, der hervorhebt, daß ihn die Behandlung dieses Themas durch Klotz in einem früheren Aufsatz von 1912 dazu bewogen hat, die These, G und E würden auf P zurückgehen, aufzugeben und stattdessen davon auszugehen, daß PG und E eine gemeinsame Vorlage haben. Siehe oben Einl. S. 25.

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verweist Maslowski auf Sest. 28 und 102, wo sich die synkopierte Form des Konjunktivs Plusquamperfekt indessen nur konjektural bzw. in Scholien nachweisen läßt. Die Form ist selten und archaisch, vgl. dazu K.-Hw. 687 und 753. In Balb. 11 haben wir mit audi statt audii oder audivi eine ebenfalls seltene synkopierte Verbform überliefert, und zwar in allen wichtigen Handschriften PGE, woraus sich im Hinblick auf den Archetyp der Überlieferung möglicherweise eine gewisse Tendenz feststellen läßt. Wie ich mich jedoch auch dort gegen die Form audi wegen ihrer Seltenheit entschieden habe, nehme ich auch hier nicht die synkopierte Form auf, zumal die dritte Person extinxet so selten ist, daß sie offenbar nur hier überliefert ist (vgl. ThlL s.v.); Verg. Aen. IV 606 findet sich extinxem, indessen dort ganz gewiß metri causa. Zu vorangestellten Relativsätzen mit Aufnahme durch Pronomen im folgenden Hauptsatz vgl. oben den Kommentar zu Balb. 10. 83 – 89. Die Stelle ist ein klassischer Fall der sog. ab-urbe-condita-Konstruktion bzw. des dominanten Partizips. Auffällig ist hier, daß audita virtus ohne Präposition steht, während die Konstruktion im Zusammenhang mit einer Präpositionalphrase häufiger ist; so bspw. Balb. 55 proxime dico ante civitatem Veliensibus datam de senatus sententia C. Valerium Flaccum, praetorem urbis, nominatim ad populum de Calliphana Veliense ut ea civis Romana esset tulisse; vgl. grundsätzlich dazu H.-Sz. 393 f.⁹³ Zur Junktur perspecta virtus vgl. Pis. 2 virtuti perspectae non auditae nobilitati deferebat sowie das ähnliche spectata virtus in Flacc. 63. Die Lesung experta atque perspecta stammt im übrigen aus dem Harleianus, PGE lassen geschlossen ein erwartbares Partizip vor atque aus und bieten die unsinnige Wortfolge huius atque perfecta. Nur der Korrektor des Gemblacensis hat ein nota vor dem atque eingefügt. Möglicherweise ist diese Stelle ein Indiz für die Richtigkeit der These Maslowskis, daß H auf einen eigenen Hyparchetypus x zurückgeht (s. Einl. S. 25 f.), möglicherweise ist sie aber auch ingeniöse Konjektur des Schreibers. Irreführend ist der Apparat Petersons, der perspecta in den Text setzt, aber nicht erwähnt, daß es in H überliefert (oder konjiziert) ist, sondern es als Korrektur durch den Schreiber eines Pariser Codex des 15. Jhds. in den Apparat setzt. Konsequenterweise nimmt Peterson auch das experta des Harleianus nicht auf, sondern übernimmt eine Konjektur Halms (visa). Daß Peterson noch der Halm’schen Einschätzung von P als der alleinigen Leithandschrift verpflichtet ist, wurde in der Einleitung S. 24 Anm. 63 bereits angemerkt. Balb. 17. 144 – 145 Omittam igitur Pompeium iam oratione mea reliqua, sed vos, iudices, animis ac memoria tenetote.: Hier liegt der erste Fall einer

 Speziell zur ab-urbe-condita-Konstruktion bei Cicero vgl. Laughton (1964), 87– 99.

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praeteritio innerhalb der Rede vor. Ganz verschwiegen wird Pompeius im folgenden nicht; so wird noch im letzten Satz der Rede den Richtern ins Gedächtnis gerufen, daß sie zusammen mit Balbus auch über Pompeius ein Urteil fällen, und noch in diesem Paragraphen wird erneut die Redekunst des Pompeius hervorgehoben. Im Vergleich zu den vorhergehenden panegyrischen Passagen kann man jedoch das omittam als geradezu aufrichtig betrachten, da Pompeius im folgenden in der Tat eine geringere Rolle spielt und auch in der peroratio der Fokus stärker auf Caesar gelenkt wird. Infolgedessen könnte man hier vielleicht von einer praeteritio im weiteren Sinne sprechen.⁹⁴ Die Richter jedenfalls sollen nach der Aufforderung Ciceros Pompeius ständig vor Augen behalten. Zu derartigen Aufforderungen vgl. Phil. 14,3 vos vero, patres conscripti, conservate auctoritatem vestram, manete in sententia, tenete vestra memoria quod saepe ostendistis eqs. oder auch mit der Junktur memoriae mandare in Quinct. 24. Balb. 17. 145 – 149 De lege, de foedere, de exemplis, de perpetua consuetudine civitatis nostrae renovabo ea quae dicta sunt. nihil enim mihi novi … ad dicendum reliquit.: Sehr kurz wird an dieser Stelle eine rudimentäre propositio über Ablauf und Aufbau der folgenden Rede geliefert (s.o. Einl. S. 12), wobei Cicero noch hinzufügt, daß er bereits Gesagtes nur wiederholt, da ihm Crassus und Pompeius nichts übrig gelassen hätten, was er Neues hinzufügen könnte.⁹⁵ Dabei deutet Cicero mit seiner Formulierung an, daß Crassus vor allem der rhetorischen Pflicht des docere nachgekommen ist (totam causam diligentissime explicavit) und Pompeius der Pflicht des delectare (oratio omnibus ornamentis abundavit; vgl. bereits Balb. 2 nihil de causa et crimine ornatius und Balb. 4 ut plus voluptatis ex recordatione illius orationis … capere possitis), so daß Cicero in erster Linie die Aufgabe des movere übernehmen mußte, wie es für den letzten

 Usher (1965) hat zur praeteritio bei Cicero eine eingehende Studie vorgelegt, in der er dieses Stilmittel noch genauer differenziert in reticentia, d. h. das völlige Verschweigen, und occultatio, d. h. die Andeutung. Auf S. 177 führt er unsere Stelle als Beispiel für die reticentia an. Usher bietet auf Seite 179 außerdem eine Statistik über das Formular der occultationes und reticentiae. Die Verben mittere oder omittere sind in den andeutenden occultationes häufiger anzutreffen, während bei den reticentiae die Verben praeterire und praetermittere überwiegen. An dieser Stelle liegt demnach eine untypische reticentia-Formulierung vor im Gegensatz zu Balb. 43 multa praetereo eqs., eine Stelle, die Usher ebenfalls zu den reticentiae zählt.  Classen (1982) klassifiziert und vergleicht diese Stelle in zwei Hinsichten, einmal Seite 159 im Hinblick auf die positive Schilderung von Zeugen oder Mitverteidigern, dann Seite 175 im Hinblick auf die Abgrenzung von den Vorrednern. Vgl. auch Barber (2004), 5 mit Anm. 29, die hervorhebt, daß die Assoziation mit bedeutenden und angesehenen Individuen wie Pompeius und Crassus für Balbus sehr wichtig war, da er selbst als Parvenu Ressentiments ausgesetzt war.

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Redner von mehreren auch üblich war und worin Cicero offenbar eine gewisse Meisterschaft (insbesondere in der miseratio) errungen hatte.⁹⁶ Über den Topos an dieser Stelle vgl. oben zu Balb. 1 quae sunt igitur meae partes? Sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf die Formulierung vgl. außerdem Mur. 48 quo etiam mihi durior locus est dicendi datus ut, cum ante me et ille [sc. Hortensius] dixisset et vir summa dignitate et diligentia et facultate dicendi, M. Crassus, ego in extremo non partem aliquam agerem causae sed de tota re dicerem quod mihi videretur. Nihil enim mihi novi, nihil integri neque M. Crassus … neque Cn. Pompeius … ad dicendum reliquit: Die Negationen neque … neque dienen hier der näheren Bestimmung der zuvor genannten Negation nihil und heben sie nicht auf; vgl. K.St. I 827 Anm. 8. Das Prädikat reliquit kongruiert hier mit dem zuletzt genannten Subjekt, wie es die Regel ist, wenn vor mehreren Subjekten dasselbe Wort anaphorisch verwendet wird (in diesem Fall also das koordinierende neque).⁹⁷ Im Gegensatz dazu vergleiche man die Kongruenz im Falle der Asyndese in Balb. 19 ex ea lege quam L. Gellius Cn. Cornelius … tulerunt. Balb. 17. 149 – 152 Sed quoniam me recusante placuit ambobus adhiberi hunc a me quasi perpoliendi quendam operis extremum laborem, peto a vobis ut me offici potius quam dicendi studio hanc suscepisse operam ac munus putetis.: Bekanntlich sind per-Komposita Merkmal des sermo cotidianus und kommen zum einen in den philosophischen und rhetorischen Schriften Ciceros häufiger vor als in den Reden, zum anderen innerhalb der Reden Ciceros in den früheren häufiger als in den späteren.⁹⁸ Cicero scheint den gesamten Ausdruck hier gewissermaßen abschwächen zu wollen, vielleicht gerade wegen des nicht ausreichend hochsprachlichen Verbs perpolire, weswegen sowohl quasi als auch quidam benutzt werden. Beide Wörter sind zudem nahe an das perpoliendi herangerückt, wodurch sich die etwas ungewöhnliche verschränkte Wortstellung perpoliendi quendam operis extremum laborem ergibt; zu quasi und quidam vgl. auch Reid ad loc.

 Vgl. Martin (1974), 162.  Vgl. Lebreton (1901), 20 f. sowie generell K.-St. I 46 f.  Ausführlich dazu Laurand (1936/38), 271– 277. Laurand bemerkt S. 276 ferner, daß die „nuance de familiarité“ im Falle des Wortes perpolire „peu accentuée“ sei, was vermutlich an der spezifischen Semantik des Verbs und der daraus folgenden Seltenheit liegt. Auch im ThlL s.v. gibt es keinen Hinweis auf eine derartige Nuance; unsere Stelle ist dem Lemma mit der Umschreibung „indicat id, quod poliendo exornatur, excolitur, pulchrius vel melius redditur“ (Sp. 1654,7 f.) subsumiert.

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Die Pflichterfüllung gegenüber Balbus und Pompeius wurde von Cicero bereits früher betont (Balb. 1 ego quantum ei debeam eqs. und 4 sed mos est gerundus eqs.). Daß darüber hinaus Cicero sich mehr oder weniger gezwungen sah, aufgrund der politischen Verhältnisse Fälle wie diesen zu übernehmen, wurde in der Einleitung (S. 9 – 12) bereits erörtert. Rubio ad loc. weist ferner darauf hin, daß diese Formulierung auch im Rahmen der captatio benevolentiae des Publikums zu sehen ist, da der Redner an dieser Stelle bereits zum dritten Mal dasselbe Thema behandelt wie seine Vorredner. Balb. 18. 152 – 155 Ac prius quam adgrediar ad ius causamque Corneli, quiddam de communi condicione omnium nostrum deprecandae malivolentiae causa breviter commemorandum videtur.: Nachdem Cicero andeutungsweise die Struktur der Rede dargelegt hat, kehrt er noch vor dem Beginn der eigentlichen argumentatio erneut zum Thema der invidia zurück, vor der er die Richter eindringlich warnt. Der Konjunktiv adgrediar entspricht durchaus der Regel, nach der beim futurischen Ausdruck im übergeordneten Satz (in diesem Fall also das finale Gerundivum commemorandum) im nachzeitigen Temporalsatz der Konjunktiv Präsens folgt. Eine genaue Parallele bietet off. I 73 in omnibus negotiis, priusquam aggrediaris, adhibenda est praeparatio diligens; vgl. grundsätzlich H.-Sz. 600 f. Balb. 18. 155 – 160 Si quo quisque loco nostrum est, iudices, natus … non gravior L. Cornelio quam multis viris bonis atque fortibus constitui lex vitae et condicio videretur.: Den Mißgunst erregenden Aufstieg des Balbus relativiert Cicero hier damit, daß er den Vergleich zu anderen viri boni atque fortes zieht und dadurch allgemein zu einer positiven Beurteilung der Aufstiegschancen und der Möglichkeit, in Rom seines eigenen Glückes Schmied zu sein, gelangt.Wenngleich Cicero grundsätzlich dem jeweiligen Fall und Angeklagten angepaßt und dementsprechend taktierend vorgeht, dürfte dieser Punkt ihm als homo novus doch möglicherweise auch persönlich am Herzen gelegen haben. Zur Enklise von quisque an Interrogativpronomina vgl. prov. 39 postremo quo quisque animo futurus sit, nescio sowie generell an Interrogativa jeglicher Art wie Verr. II 2,47 (quantum), vgl. K.-St. I 644. Balb. 18. 160 – 164 Sin autem multorum virtus ingenium humanitas … non intellego cur potius invidia violatura virtutem L. Corneli quam aequitas vestra pudorem eius adiutura videatur.: Angesichts der gesteigerten Emotionalität des Passus zeigt sich erneut eine stärkere sprachliche Stilisierung; man beachte die Asyndeta, die hier in kurzen Abständen aufeinander folgen sowie bspw. die starke Assonanz invidia violatura virtutem. Auch der Duktus der captatio benevolentiae und damit des rhetorischen Ethos zeigt sich deutlich an der Erwähnung der präsupponierten aequitas der Richter; ganz ähnlich auch später Balb. 62 sed si

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certorum hominum mentes nulla ratione, iudices, placare possumus, vestros quidem animos certe confidimus non oratione nostra, sed humanitate vestra esse placatos. Ex infimo genere et fortunae gradu: Die Junktur infimus gradus fortunae bezeichnet hier allgemein eine in sozialer Hinsicht „ungünstige“ Ausgangslage, die jedoch aufgrund von virtus usw. überwunden werden kann. Üblicherweise nutzt Cicero gradus, wenn er ganz konkret auf die Ämterlaufbahn zu sprechen kommt, wie in den Verbindungen gradus honoris (Sest. 49) oder gradus dignitatis (Cluent. 150). Ansonsten bedient er sich der „Stufen“-Metapher mit Ausdrücken wie gradus, ascensus oder aditus generell im Zusammenhang mit irgendeiner Art von Erfolg oder Aufstieg gerne (man lese bspw. die Rede Pro Murena über den ambitus); vgl. auch Balb. 40 sit his gradibus ascensus etiam ad civitatem. Die Präpositionalphrase ex infimo genere et fortunae gradu ist mit dem Verb consequi zusammenzuziehen (vgl. auch Reid ad loc.: „starting from“) und muß wohl im Sinne eines ablativus originis verstanden werden. Zuweilen wird ex im Zusammenhang mit Verben der Bewegung und fast schon im Sinne von post derartig verwendet; vgl. Cic. Brut. 318 interim me quaestorem Siciliensis excepit annus, Cotta ex consulatu est profectus in Galliam eqs. und Caes. Gall. V 17,5 ex hac fuga protinus, quae undique convenerant, auxilia discesserunt eqs. sowie allgemein K.-St. I 503 und H.-Sz. 267. Non modo amicitias et rei familiaris copias consecuta est, sed summam laudem honores gloriam dignitatem: Was Cicero hier noch allgemein als amicitias, rei familiaris copias, summam laudem, honores, gloriam und dignitatem nennt, wird später im Hinblick auf den vorliegenden Fall des Balbus auf das römische Bürgerrecht hin spezifiziert, um das der eigentliche Streit schließlich ging; vgl. Balb. 40. Daß sich für Balbus an die Bürgerrechtsverleihung Einfluß, Ansehen und Reichtum knüpften, ist eben kein juristischer Punkt, sondern derjenige der invidia, der Cicero hier vorzubeugen sucht. Reid ad loc. hat Anstoß an dem überlieferten Plural honores genommen, was seines Erachtens nur im Sinne eines Amtes benutzt werden könne (vor allem im Zusammenhang mit dem vorhergehenden summus) und daher an dieser Stelle nicht passe (im übrigen hat schon der Schreiber des Parisinus Latinus 14749 aus dem 15. Jhd., Nicolaus de Clamangis, den Singular in den Text gesetzt; vgl. den app. crit. in der Ausgabe von Espluga/Moncunill), doch ist das Argument nicht zwingend. Auch der Plural findet sich manchmal ohne Bezug auf politische Ämter, so bspw. über eine supplicatio in Catil. 3,23 nam multi saepe honores dis immortalibus iusti habiti sunt ac debiti, sed profecto iustiores numquam. Balb. 19. 164 – 168 Itaque quod maxime petendum est a vobis idcirco non peto, iudices, ne … ne virtutem poeniendam putetis.: Zur Vereinnahmung der Richter durch Hinweis auf ihre sapientia und humanitas s. den Kommentar zu Balb. 18. 160 – 164.

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Zur Verbindung itaque mit idcirco vgl. auch die ähnliche Verbindung mit propterea quod in S. Rosc. 111 itaque mandati constitutum est iudicium non minus turpe quam furti, credo, propterea quod eqs. und A. R. Dyck (2010) ad loc., der anmerkt, daß diese Verbindung ungewöhnlich sei. Indessen ist in derartigen zumindest dem Anschein nach pleonastischen Fällen auch denkbar, daß itaque im Sinne von et ita verwendet wird; vgl. K.-St. II 14 f. Zu pleonastischen Häufungen wie itaque ergo u. ä. vgl. K.-St. II 145. Daneben dient das idcirco natürlich auch zur Vorbereitung des folgenden ne-Satzes. Balb. 19. 168 – 170 Illud peto ut si causam ipsam per se firmam esse et stabilem videritis, hominis ipsius ornamenta adiumento causae potius quam inpedimento esse malitis.: Den Gedanken wiederholt Cicero in ähnlicher Formulierung (ebenfalls mit finalen Dativen) am Schluß in Balb. 65 accedat etiam illud ut statuatis hoc iudicio utrum posthac amicitias clarorum virorum calamitati hominibus an ornamento esse malitis. Interessant ist, daß die ornamenta an dieser Stelle noch das Subjekt darstellen, während sie in der peroratio als finales Prädikativum fungieren. Verständlicherweise hängen die genannten ornamenta eng mit den amicitiae des Balbus zusammen. Es ist daher gewissermaßen einerlei, um eine positive Beurteilung des einen wie des anderen zu bitten. Balb. 19 – 28: Argumentatio de lege. Cicero beginnt die Verteidigung (im engeren Sinne) des Balbus mit dem Hinweis auf die lex Gellia Cornelia, die es Pompeius gestattet habe, Bürgerrechtsverleihungen an Einzelne nach Absprache mit einem consilium vorzunehmen. Sogleich wird die argumentatio de lege jedoch mit der argumentatio de foedere vermengt, da Cicero den Ankläger mit den Worten zitiert, die Heimatgemeinde des Betreffenden hätte zur Bürgerrechtsverleihung zustimmen müssen, sofern es sich jedenfalls um eine föderierte Gemeinde gehandelt habe, was laut Cicero nicht die geringste Rolle spiele. Es wurde bereits in der Einleitung darauf hingewiesen (Seite 17 ff.), daß die Verknüpfung dieser beiden Punkte mehr als unklar ist. Während zu Beginn der Eindruck entsteht, die Gaditaner hätten der Verleihung an sich zustimmen müssen, bewegt sich Ciceros Widerlegung des Anklägers im folgenden (20 – 21) im Bereich der Gesetze, die andere Völker von den Römern übernommen hätten oder nicht, so daß wiederum der Anschein erweckt wird, als hätten die Gaditaner zur lex Gellia Cornelia zustimmen müssen. Cicero entfernt sich dann erneut von einer streng rationalen Argumentation und weist darauf hin, daß die Entscheidungen Roms nicht vom Gutdünken und der Zustimmung anderer Völker abhängen können, insbesondere wenn es um für Rom vorteilhafte Entscheidungen geht (22– 23. 26); doch nimmt Cicero auch die Perspektive der föderierten Gemeinde ein und verurteilt die Beschränkung der Möglichkeit, das römische Bürgerrecht zu erlangen (24– 25). Cicero schließt den Abschnitt mit generellen Bemerkungen über den Wechsel der

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Staatsbürgerschaft und über die Unmöglichkeit, nach römischem Rechtsverständnis Angehöriger zweier Staaten zu sein (27– 28). Balb. 19. 171– 172 Nascitur, iudices, causa Corneli ex ea lege quam L. Gellius Cn. Cornelius ex senatus sententia tulerunt.: Die lex Gellia Cornelia ist (zumindest laut Cicero) das entscheidende streng juristische Bollwerk gegen die Ankläger neben den nicht-juristischen wie bspw. demjenigen, daß das römische Reich wertvoller Auxiliarkräfte nicht entbehren könne. Diese lex ist es letztlich auch, die von Cicero als entscheidendes Argument gegen den Vorwurf, die civitas foederata hätte zustimmen müssen bzw. das foedus habe eine Exzeptionsklausel enthalten, angeführt wird (siehe Balb. 32). Die Natur dieses Gesetzes ist jedoch nicht genau bekannt. Sie wird gewiß zu den Legalisierungen feldherrlicher Bürgerrechtsverleihungen gehören, die seit Marius ein wesentlicher Bestandteil der Auszeichnung durch den Feldherren für militärische Leistungen geworden sind und vor allem in der Kaiserzeit eine große Bedeutung erhalten haben.⁹⁹ Während allerdings üblicherweise Cicero hier beim Wort genommen und infolgedessen auch seine Wiedergabe der Anklage im folgenden Balb. 19 als zutreffend betrachtet wird, glaubt V. Angelini an eine Verzerrung sowohl der Darstellung der lex Gellia Cornelia als auch der Anklage sed negat ex foederato populo eqs. Seine Deutung zielt auf einen sehr viel spezielleren Inhalt des Gesetzes: „È infatti facile dedurre da differenti luoghi che la legge non aveva conferito a Pompeo un indiscriminato potere di attribuire il beneficio in questione dietro semplice parere del consilium ma aveva subordinato la concessione a particolari meriti di carattere militare.“¹⁰⁰ Die Stellen, die Angelini meint, finden sich in Balb. 22– 23 und 25 – 26 sowie 27; vor allem die Formulierung Balb. 25 Gaditanorum auxiliis cum vellemus uti … minui auxilia populi Romani scheint für Angelini ein wichtiger Beleg seiner These zu sein. Es ist m. E. aus keiner der Passagen, die Angelini nennt, ersichtlich, wie ein zwingender Schluß auf eine Gesetzgebung bezüglich der Regulierung der Bürgerrechtsverleihungen nach dem Dienst in den alae sociorum erfolgen muß, weswegen Angelinis enge Deutung des Textes auch zu Recht von P. A. Brunt (1982), 147 zurückgewiesen wurde, der betont, daß man eine deutlichere Erwiderung in diesem Punkt von Cicero erwarten würde. Während ich Angelini zu-

 Vgl. Mommsen, StR III 1,135. Über die Weiterentwicklung vgl. auch Sherwin-White (1973), 294 Anm. 4: „The later enfranchisements of Pompeius and Caesar suggest that this power was included in the leges de imperio from the lex Gabinia de piratis onwards. It was conferred on the members of the Second Triumvirate by a lex Munatia Aemilia.“  Angelini (1980), 365. Der entscheidende Punkt der Anklage sei dementsprechend nicht die Zustimmung einer föderierten Gemeinde, sondern die unterbliebene Eingliederung des Balbus in die alae sociorum, die einer Bürgerrechtsverleihung nach der lex Gellia Cornelia hätte vorausgehen müssen; vgl. ebd. 368.

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gestehe, daß mit Verzerrungen oder Ablenkungsmanövern vom eigentlichen Kern der Anklage (ἀποπλάνησις) bei Cicero zu rechnen ist, scheint seine spezifische Deutung doch schwer zu stützen zu sein. Zu ex/de sententia vgl. oben zu Balb. 11. 96 – 99. Balb. 19. 172 – 174 Qua lege videmus satis esse sanctum, ut cives Romani sint ii quos Cn. Pompeius de consili sententia singillatim civitate donaverit.: Zum umstrittenen Inhalt der lex vgl. die letzte Anmerkung. Zum unpersönlichen Ausdruck lege/legibus sanctum mit folgendem Finalsatz vgl. Sest. 65 cum et sacratis legibus et XII tabulis sanctum esset, ut ne cui privilegium inrogari liceret eqs. Ähnlich decretis legibusve sancire in Balb. 25 sowie mit legibus allein in Verr. II 1,108. Die Verbindung satis esse sanctum hat Unbehagen hervorgerufen; der Wortlaut stammt von F. Sylvius (so Maslowski und Espluga/Moncunill im Apparat, laut Peterson stammt er von Turnebus), der damit das überlieferte satis esse sancti verbessert hat. Dennoch schien so manchem der Ausdruck semantisch zu unbestimmt, und so konjizierte W. Peterson rite esse sanctum; W. Paul hat direkt mehrere Vorschläge wie satis aperte/dilucide/definite/omnino/plane esse sanctum. ¹⁰¹ Zugunsten von definite verweist Paul auf Balb. 32 ac sicubi esset, lex id Gellia et Cornelia, quae definite potestatem Pompeio civitatem donandi dederat, sustulisset, weswegen möglicherweise definite noch am ehesten vorzuziehen wäre. Auch A. Klotz erwägt im app. crit. seiner Ausgabe, ob die Stelle nicht tatsächlich zu ändern ist, wenn er auch völlig offen läßt, in welcher Weise. Indessen findet sich satis sehr häufig ohne weitere adjektivische oder adverbiale Bestimmung allein mit dem Verb, vor allem wie hier mit der nominalen Form des Partizips (vgl. Merguet s.v.); siehe bspw. Cael. 5 neque enim vobis satis commendata huius aetas esse posset, si non modo eqs. oder Mil. 70 satis iudicatum est a Pompeio, satis, falso ista conferri in Milonem, qui eqs. Aus diesem Grund (und auch in Anbetracht der gerade erörterten Tatsache, daß eine klare Entscheidung zugunsten eines Adverbs so gut wie unmöglich erscheint) sollte der Wortlaut beibehalten werden. Das consilium des Feldherren fungierte gewissermaßen an Stelle des Senats, dessen Wirkungskreis und Amtsgewalt auf die Hauptstadt beschränkt blieb. Obwohl nun laut Th. Mommsen das consilium weniger mit einer Rechtsnorm als vielmehr mit dem Herkommen zu tun habe, deute die Formulierung de consili sententia doch auf einen bindenden Beschluß: „Nur in minder strenger Rede wird de consilii sententia auch in solchen Fällen gesetzt, wo die Berather keine entscheidende Stimme haben.“¹⁰² Mir scheint letzteres hier der Fall zu sein, da an-

 Vgl. Paul (1875), 19.  Mommsen, StR I 319 Anm. 4. Zum consilium vgl. auch Venturini (2010).

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dernfalls Cicero wahrscheinlich die Mitglieder des consilium und ihre Qualitäten erwähnt hätte. Balb. 19. 174 – 177 Donatum esse L. Cornelium praesens Pompeius dicit, indicant publicae tabulae, accusator fatetur, sed negat ex foederato populo quemquam potuisse, nisi is populus fundus factus esset, in hanc civitatem venire.: Zu diesem (zumindest vermeintlich) wesentlichen Punkt der Anklage sowie zur Phrase fundum fieri und der Problematik ihrer Übersetzung mit „zustimmen“ siehe Einl. S. 17 ff. Dort wurde auch bereits darauf hingewiesen, daß in der Rede Pro Balbo möglicherweise Vertreter der Verfassungsnorm und der Verfassungswirklichkeit im Hinblick auf das Bürgerrecht aufeinandertreffen, wofür die altertümliche Formel fundum fieri vielleicht ein Indiz ist: „Hinsichtlich der bundesgenössischen Gemeinden ist in der letzten Zeit der Republik über die Nothwendigkeit der Zustimmung derselben [sc. zur Verleihung des Bürgerrechts] gestritten worden und es mag wohl den Bürgern derselben das römische Bürgerrecht damals thatsächlich durch einseitigen römischen Act verliehen worden sein; aber die entgegengesetzte Auffassung ist ohne Zweifel die correcte.“¹⁰³ Vielleicht spiegelt die Formel fundum fieri den alten Rechtszustand wieder, als ganze gentes eingegliedert wurden, deren Heimatgemeinden dadurch römischer Grund und Boden wurden; vgl. Mommsen, StR III 1,32. Wie weit nun die Diskussion um etwaige Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit im Jahre 56 v.Chr. gediehen war und ob tatsächlich die Auffassung der Anklage ohne Zweifel die korrekte ist, wie Mommsen sagt, scheint mir so eindeutig nicht, da der Ankläger womöglich auf ein völlig veraltetes Rechtsinstitut zurückgriff. Es wurde ebenfalls in der Einleitung schon bemerkt, daß, wenn man die Übersetzung von fundum fieri als „zustimmen“ akzeptiert, nicht ganz klar ist, wozu genau die Gaditaner hätten zustimmen sollen, ob zur Bürgerrechtsverleihung singillatim oder zur lex Gellia Cornelia. Die Fälle, die Cicero im folgenden Balb. 20 – 21 nennt, sind Gesetze, die von Gemeinden angenommen wurden (oder nicht); doch sollte dies für die lex Gellia Cornelia gelten? Derartige Unstimmigkeiten haben zu der Annahme einer Verzerrung der Anklage durch Cicero geführt, wie z. B. von V. Angelini¹⁰⁴ (s.o. zu Balb. 19. 171– 172), dessen eigene Rekonstruktion der lex Gellia Cornelia sowie der Anklage jedoch ebenfalls sehr unwahrscheinlich ist. Ähnlich schwankt Cicero in Balb. 54– 55, wo er erst den Eindruck vermittelt, es gehe um eine Zustimmung zur lex Servilia (Balb. 54 num fundos igitur factos populos Latinos arbitramur aut Serviliae legi eqs.), während kurz danach in Balb. 55 von der Bürger Mommsen, StR III 1,698.  Oder auch Classen (1982), 170 Anm. 2, der jedoch etwas mißverständlich von einem Fehlschluß spricht; ein Fehlschluß im strengeren Sinne der formalen Logik liegt jedoch nicht vor. Daß Cicero möglicherweise die Wirklichkeit oder die Anklage verdreht darstellt, ist eine andere Frage.

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rechtsverleihung singillatim an die Priesterin Callipha die Rede ist. Es läßt sich in diesem Punkt offenbar keine letztgültige Sicherheit gewinnen. Unter den publicae tabulae verstehen Rubio und Bonfiglioli ad loc. (wohl zu Recht) die Verzeichnisse des census. Zur Formulierung accusator fatetur vgl. Balb. 5. Zu ex foederato populo quemquam potuisse … in hanc civitatem venire vgl. oben den Kommentar zu Balb. 18. 160 – 164. Balb. 20. 177– 180 O praeclarum interpretem iuris, auctorem antiquitatis, correctorem atque emendatorem nostrae civitatis … expertis faciat foederatos!: Mit den accusativi exclamationis wendet sich Cicero an bzw. gegen den Ankläger, der durch Ciceros stark ironische Übertreibung der Lächerlichkeit preisgegeben werden soll. Die Fälle, in denen Cicero diese Art der irrisio nutzt, sind ausgesprochen zahlreich; man vergleiche nur die unterschiedlichen Bezeichnungen für Verres in den Verrinen: Verr. II 1,100 homo castissimus, Verr. II 1,124 vir optimus, Verr. II 2,71 homo liberalis, Verr. II 2,91 iste homo omnium aequissimus atque a cupiditate omni remotissimus usw. Bemerkenswert ist Quinct. 19, wo sich Cicero sogar in einer Art occupatio gegen den Vorwurf der Ironie verwahrt: vereor ne se derideri putet quod iterum iam dico ‚optimus’. Sprachlich unserer Stelle nächstliegend ist Phil. 2,43 emendatore et correctore. ¹⁰⁵ Antiquitas hat, wie Bonfiglioli ad loc. richtig bemerkt, einen moralisierenden Unterton, so daß die Junktur auctor antiquitatis so viel bedeutet wie „Gewährsmann/Muster alter Sittlichkeit“. Balb. 20. 180 – 182 Quid enim potuit dici imperitius quam foederatos populos fieri fundos oportere? nam id non magis est proprium foederatorum quam omnium liberorum.: Zu dieser Gleichsetzung von foederati und liberi vgl. Einl. S. 21 f. Diese für Ciceros Argumentation relativ wichtige Gleichsetzung von Freien und Bündnispartnern (weil es angeblich keine Rolle spiele, ob Gades civitas foederata ist oder nicht) entspricht möglicherweise nicht den Tatsachen. In Balb. 65 hebt Cicero bei der Besprechung von exempla für die Bürgerrechtsverleihung singillatim die foederati explizit hervor: primum esse omnes etiam post mortem reos clarissimos illos viros qui foederatos civitate donarunt eqs. Es fragt sich, ob Cicero dies so formuliert hätte, wenn die foederati in der Tat gleichbedeutend mit den liberi gewesen wären. Bei Ausdrücken des Sollens, Müssens, Könnens (potuit), Dürfens usw. steht im Lateinischen regulär der Indikativ trotz irrealischer Bedeutung. Die Betonung liegt für den Römer offenbar auf der Wirklichkeit des in einem modalen Ausdruck

 Zur Ironie bei Cicero vgl. Laurand (1936/38), 248 – 255 mit zahlreichen Belegstellen sowie Kaden (1912), 11 mit Anm. 1.

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formulierten Urteils, während im Deutschen die Irrealität der vom modalen Ausdruck abhängigen Aussage auf diesen modalen Ausdruck selbst gewissermaßen abfärbt; vgl. dazu H.-Sz. 327 f. Das Wort imperitius hat sozusagen ähnlich wie auctoritas leitmotivischen Charakter (vgl. den Einleitungssatz der Rede), allerdings im Gegensatz zu letzterem Begriff mit negativem Vorzeichen. Dem Ankläger fehlt alles, was einen Mann wie Pompeius auszeichnet, und dazu gehört u. a. auch der fehlende usus bzw. die fehlende scientia rei militaris, die oft genug innerhalb der Rede an Pompeius hervorgehoben wird. Wie schon im vorhergehenden erläutert, schließt die auctoritas des Pompeius aus, daß er irgendein foedus oder ein Gesetz wissentlich verletzt hat, und seine scientia, daß es unwissentlich geschehen ist; vgl. auch im folgenden Balb. 27 illud inperitissime dictum de populis fundis eqs. Auch K. A. Barbers Einschätzung entpricht dem hier Gesagten: „The term imperitus, applied implicitly to the prosecutor, follows logically from the preceding characterization of him, and the word recalls the contrasting peritissimus that characterized Pompey in the exordium.“¹⁰⁶ Unwissenheit ist allerdings generell ein beliebter Vorwurf, den Cicero dem juristischen Gegner macht, so bspw. Vat. 8 Quid ergo, homo imperitissime solidae laudis ac verae dignitatis, …? Balb. 20. 182 – 188 Sed totum hoc, iudices, in ea fuit positum semper ratione atque sententia, ut … aut aliquo commodo aut beneficio uterentur.: Cicero spricht hier ein für ihn wesentliches Argument an, das vor allem im Zusammenhang mit der argumentatio de foedere noch eine wichtige Rolle spielen wird, daß nämlich das foedus unbedingt als ein subordiniertes Bündnis zu verstehen sein muß und daher unmöglich von der gaditanischen Gemeinde Rom in irgendeiner Art Auflagen oder Einschränkungen hätten auferlegt werden können. Föderierte Gemeinden dürfen römisches Recht als eine Art Gnadengeschenk oder Gefälligkeit nutzen, woraus aber keinerlei Recht auf Mitsprache folgt. Der Argumentation entsprechend kann also auch eine Zustimmung einer civitas foederata, sei es zu einem Gesetz oder einer Bürgerrechtsverleihung singillatim, nicht gefordert werden. Ut cum iussisset populus Romanus aliquid … ut tum lege eadem is populus teneretur: Zur der Formulierung ut cum iussisset populus Romanus aliquid …, ut tum lege eadem is populus teneretur eqs. vgl. im folgenden Balb. 22 cum aliquid populus Romanus iussit … tum utrum fundi facti sint an non quaerendum esse videatur. Über den Konjunktiv im tum-Satz der letzteren Stelle wird im Kommentar ad loc. zu sprechen sein. An dieser Stelle erklärt er sich aus dem explikativen utSatz (vgl. H.-Sz. 645), der sich an ea ratione atque sententia anschließt. Auffällig ist

 Barber (2004), 11. Vgl. auch Harries (2004), 160 f.

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ferner die Wiederholung des ut im tum-Satz, dient hier indessen gewiß wegen der Entfernug des ersten ut zur Klärung der Syntax und ist generell bei der Konjunktion ut nicht allzu selten (vgl. H.-Sz. 808). Si id adscivissent socii populi ac Latini: Zur Junktur socii populi ac Latini vgl. Balb. 21 sociis et Latinis sowie Einl. S. 21 mit Anm. 57. Es wurde dort bereits darauf hingewiesen, daß Begriffe wie foederati oder socii schwer fest zu bestimmen sind und daß sie offenbar oft ungenau und promiscue benutzt werden; vgl. Mommsen, StR III 1, 661 f.: „In minder correcter Rede werden sogar den ‚Latinern und Bundesgenossen‘ oder den ‚Bundesgenossen und Latinern‘ die ‚Bundesgenossen latinischen Stammes‘ oder die ‚Latiner‘ schlechtweg substituirt, also die italische Bundesgenossenschaft in den latinischen Stammbund hineingezogen.“ Streng genommen nehmen die Latiner eigentlich eine Sonderstellung ein und müßten von den socii im weiteren Sinne differenziert werden. An dieser Stelle ist zudem die Frage, ob die Rede von socii populi ac Latini überhaupt berechtigt ist, da bei Ciceros Wiedergabe der Anklage schließlich von einer civitas foederata die Rede war, deren Zustimmung gefordert wird (vgl. auch Balb. 21 quas Latini voluerunt, adsciverunt sowie Balb. 54 Latinis, id est foederatis). Auch Latini und foederati werden in der Rede also ohne Unterschied vermengt. Sed ut illi populi aut iure eo quod a nobis esset constitutum aut aliquo commodo aut beneficio uterentur.: Der Parisinus hat prima manu das letzte Kolon folgendermaßen überliefert: sed ut illi populi aut iure eo quod a nobis esset constitutum ut aliquo commodo aut beneficio uterentur, während alle anderen Handschriften sowie der Korrektor des Parisinus aut statt ut vor aliquo commodo bieten, wie es von Maslowski auch in den Text gesetzt wurde. Peterson erwähnt die Lesart von P1 gar nicht. In der Tat spricht nach Überlieferungslage alles für das aut; indessen kann man sich die Frage stellen, ob ein ut (gerade im Zusammenhang mit aliquo) nicht sinnvoller wäre. Problematisch ist dann jedoch die Koordinierung von iure und beneficio durch aut … aut, während doch eher commodo und beneficio verbunden werden müßten. Das schließt die Lesart von P1 mehr oder weniger aus. C. F. W. Müller und A. Klotz haben außerdem konjiziert aut aliquo commodo ut beneficio (Müller)¹⁰⁷ bzw. aut aliquo commodo ac beneficio (Klotz); letztere Konjektur findet sich bereits im Codex Parisinus Latinus 16226 (vgl. den app. crit. bei Espluga/Moncunill), die auch inhaltlich zu bevorzugen wäre, da eine vergleichende Explizierung von commodum durch beneficium nicht recht Sinn ergeben würde, während die schlichte koordiniernde Konjunktion at-

 Vgl. Müller (1863), 631. In seiner Cicero-Ausgabe schreibt Müller allerdings auch aut aliquo commodo aut beneficio.

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que gut passen würde. Da hier die Überlieferungslage jedoch eindeutig ist, sollte man einstweilen bei aut aliquo commodo aut beneficio bleiben. Balb. 21. 188 – 190 Tulit apud maiores nostros legem C. Furius de testamentis, tulit Q. Voconius de mulierum hereditatibus; innumerabiles aliae leges de civili iure sunt latae: quas Latini voluerunt, adsciverunt.: Beide Gesetze, die Cicero hier erwähnt, betreffen das Erbrecht, wobei die genauen Bestimmungen der lex Voconia und der Sinn der Gesetze Gegenstand von Diskussionen sind. Die lex Furia wurde wohl um die Wende des 2. Jhds. v.Chr. erlassen, wahrscheinlich nach Ende des 2. Punischen Krieges. Sie legte fest, daß kein Legatar mehr als 1000 Asse erhalten dürfe. Offenbar zählte sie zu den Luxusgesetzen, die nach dem Eindringen gewaltiger Vermögen im Anschluß an den 2. Punischen Krieg erlassen wurden. Die lex Voconia (erlassen 169 v.Chr. vom Volkstribunen Q. Voconius Saxa) hatte – laut U. Wesel¹⁰⁸ – den Zweck, das Vermögen bei männlichen Erben der ersten Zensusklasse zu konzentrieren. Nach dem Wortlaut von Gaius II 226 bestimmte die lex Voconia, daß ein Legatar nicht mehr erhalten dürfe als ein Erbe. Es existieren vier verschiedene Auslegungen dieser Bestimmung: 1. Ein einzelnes Legat durfte nicht größer sein als ein einzelnes Erbteil, 2. ein einzelnes Legat durfte nicht größer sein als die Summe der Erbteile, 3. die Summe der Legate durfte nicht größer sein als ein einzelnes Erbteil oder 4. die Summe der Legate durfte nicht größer sein als die Summe der Erbteile. Wesel argumentiert schlüssig dafür, daß die zweite der vier Möglichkeiten die richtige ist, daß die lex Voconia also bestimmte, daß ein einzelnes Legat nicht größer sein durfte als die Summe der Erbteile.¹⁰⁹ Daß die erste Zensusklasse eine Rolle spielte, begründet Wesel mit dem Hinweis auf Cic. Verr. II 1,110 quid, si plus legarit quam ad heredem heredesve perveniat? quod per legem Voconiam ei qui census non sit licet. Dadurch läßt sich jedoch nur auf überhaupt eine Zensusklasse schließen; deutlicher auf die erste Klasse weist Gellius, NA VI 13,3 hoc eo strictim notavi, quoniam in M. Catonis oratione, qua Voconiam legem suasit, quaeri solet, quid sit classicus, quid infra classem. Offenbar spielten also die classici in der Bestimmung der lex Voconia eine Rolle, wahrscheinlich in dem von Wesel eruierten Sinne. Ferner wurden durch dieses Gesetz Frauen vom Legatsrecht ausgeschlossen, weswegen Cicero hier sagt: tulit Q. Voconius de mulierum hereditatibus. An anderer Stelle bezeichnet Cicero das Gesetz sogar als großes Unrecht gegenüber den Frauen; vgl. rep. III 17 quae quidem ipsa lex [sc. Voconia] utilitatis virorum gratia rogata in mulieres plena est inuriae. cur enim pecuniam non habeat mulier? Cicero scheint diesen Punkt des

 Vgl. Wesel (1964), 316 sowie Weishaupt (1999), 128 ff.  Vgl. Wesel (1964), 312 f. Vgl. auch Weishaupt (1999), 82 f.

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Gesetzes also offenbar als sehr wesentlich empfunden zu haben, möglicherweise auch im Hinblick auf seine innig geliebte Tochter Tullia.¹¹⁰ Im Zuge einer Erbschaft stand den Frauen allerdings immer noch zumindest die Hälfte des Vermächtnisses offen; da jedoch die Frau in der Regel unter der Tutel eines Agnaten (wenn ein Ehemann nicht vorhanden war) stand, konnte sie nach wie vor nicht frei über das ererbte Vermögen verfügen, u. a. nicht über die weitere Vererbung. Der Tutor sollte – so A. Weishaupt¹¹¹ – sicherstellen, daß die Erbin ihrerseits in einem Testament dafür sorgt, daß das Familienvermögen im Agnatenverband bleibt, wodurch sich die Klausel, die Frauen aus den Testamenten ausschloß, erklärt. Über die mögliche Schlußfolgerung aus dieser Stelle, daß die Zustimmung föderierter Gemeinden nur für Gesetze des Zivilrechts nötig war und die Formel fundum fieri nur in solchen Fällen Anwendung finden konnte, vgl. Einl. S. 17 Anm. 47. Dafür könnte auch die Formulierung Balb. 38 sprechen: huic generi legum fundos populos fieri non solere. Das bereits angesprochene Problem, daß Cicero nie ganz klärt, wozu genau die Zustimmung erfolgen sollte, ob zu einer lex oder der Bürgerrechtsverleihung singillatim, bleibt davon allerdings unberührt. Zur zweifachen Anapher tulit, tulit vgl. bspw. Catil. 3,18 nam ut illa omittam, …, ut omittam cetera. ¹¹² Im Falle semantisch weniger gewichtiger Wörter wie Pronomen oder Konjunktionen kommen auch häufigere Anaphern vor, wie Balb. 50 quid (7x) oder Balb. 64 si (13x). Auffälliger ist noch die siebenfache Anapher von nihil in Balb. 2. Balb. 21. 191– 192 Ipsa denique Iulia, qua lege civitas est sociis et Latinis data, qui fundi populi facti non essent, civitatem non haberent.: Die lex Iulia aus dem Jahre 90 v.Chr. (eingebracht vom damaligen Consul L. Iulius Caesar) war offenbar eine Maßnahme, um die im Zuge des Bundesgenossenkrieges erfolgten Aufstände einzudämmen.¹¹³ Über den genauen Inhalt ist recht wenig bekannt und folgerichtig hat die lex Iulia zahlreiche Diskussionen provoziert. Hier sollen nur einige strittige Fragen vorgestellt werden; für alles weitere sei auf die Spezialliteratur verwiesen. Zunächst ist unklar, ob mit diesem Gesetz einzelne Personen (also Bürgerrechtsverleihungen singillatim) oder ganze Gemeinden inkorporiert wurden, wobei letzteres sehr viel wahrscheinlicher sein dürfte.¹¹⁴ Ein Hinweis darauf könnte

 Vgl. dazu Balestri Fumagalli (2008), 70 mit Anm. 12.  Vgl. Weishaupt (1999), 137 f.  Siehe dazu Schoenberger (1910), 64.  Vgl. Seston (1978), 542: „Ainsi la lex Iulia a été conçue en 90 pour faire face à un problème ponctuel; empêcher l’extension de l’insurrection italienne et tenter du même coup de l’éteindre sans mettre en cause l’autorité du Sénat et du peuple romain.“  Vgl. Sherwin-White (1973), 150 ff. sowie Hardy (1914), 69 und bereits Gasquy (1886), 63.

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der Passus Balb. 31 sein, wo Cicero davon spricht, daß gentes universae in civitatem sunt receptae, auch wenn dort nicht ausdrücklich von der lex Iulia die Rede ist, sondern generell von der seit Romulus existierenden Sitte, ganze Stämme einzugemeinden. In Ciceros Formulierung civitas est sociis et Latinis data liegt im übrigen dieselbe Ungenauigkeit wie schon in Balb. 20. Mommsen, StR III 1,662 Anm. 1 weist darauf hin, daß Cicero hier zwei Gesetze, welche die Bürgerrechtsverleihung betreffen, nämlich die lex Iulia und die lex Plautia, zusammenwirft. Der Wortlaut unserer Stelle, insbesondere die Konjunktive haberent und fundi facti non essent, deutet möglicherweise darauf hin, daß Cicero hier die lex Iulia zitiert oder sich zumindest an die Diktion des Gesetzes anlehnt, was demzufolge auch für die etwas obskure Phrase fundum fieri gelten würde.¹¹⁵ Eine weitreichende Debatte hat ferner die Verbindung zur lex Iulia municipalis aus dem Jahre 45 v.Chr. und zur tabula Heracleensis, auf der das Gesetz überliefert ist, ausgelöst, in der die Junktur municipes fundani auftaucht, die üblicherweise mit unserer Formulierung fundum fieri zusammengestellt wird. Insbesondere E. G. Hardy und J. S. Reid haben sich im Zusammenhang mit den municipia fundana ein Gefecht über die Frage geliefert, ob mit der lex Iulia das gesamte römische Rechtssystem aufgezwungen wurde (Hardy) oder ob interne Rechtsstrukturen der Munizipien weitestgehend intakt gelassen wurden (Reid).¹¹⁶ Mir scheint Reids Auffassung etwas wahrscheinlicher, insbesondere im Zusammenhang mit den durch den Bundesgenossenkrieg bedingten Konzessionen seitens des römischen Staates. Die anfängliche Weigerung von Heraclea und Neapel, das römische Bürgerrecht anzunehmen, könnte andere Gründe haben als die der völligen Vereinnahmung durch das römische Rechtssystem (siehe den Kommentar zur folgenden Stelle). Jüngst hat ferner A. Giovannini¹¹⁷ eine interessante Arbeit (in zwei Teilen) vorgelegt, in der er die Identität der beiden leges vertritt, womit dann auch der Diktator Caesar als Urheber der lex Iulia municipalis ausscheidet, was ansonsten allgemein angenommen wird. Balb. 21. 192 – 195 In quo magna contentio Heracliensium et Neapolitanorum fuit, cum … non suo iure fiant.: Die gerade schon angesprochene Zurückhaltung Heracleas und Neapels, die lex Iulia und damit das römische Bürgerrecht anzunehmen, beruht in diesen speziellen Fällen offenbar auf den besonders vorteilhaften Bündnissen, die beide civitates mit Rom verbanden. Arch. 6 nennt Cicero Heraclea eine civitas aequissimo iure ac foedere. Beide Bündnisse  Diese Auffassung darf als communis opinio gelten; so bspw. Seston (1978), 539, Coarelli (1994), 115 und bereits Gasquy (1886), 62 f. Contra Iso (1995).  Vgl. Hardy (1914), die Erwiderung von Reid (1915) und wiederum Hardy (1917).  Vgl. Giovannini (2004) und (2008).

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waren relativ alt; das neapolitanische bestand seit 326, das heracleensische seit 278. Die Gründe für die Skepsis gegenüber einer römischen Bürgerrechtsverleihung können vielfältig sein, müssen aber spekulativ bleiben, da wir den genauen Inhalt der foedera nicht kennen; als mögliche Gründe nennt Reid ad loc. „the subjection to the census, the landservice with the legion, the exchange of old laws for the Roman law, the abolition of local politics“. Möglicherweise hat auch das Festhalten an griechischen Traditionen in diesen Gemeinden eine gewisse Rolle gespielt.¹¹⁸ In quo: Bei dem einleitenden in handelt es sich um das in limitativum (vgl. ThlL s.v., Sp. 784,65 f.); vgl. außerdem Balb. 45 in exquirendis condicionibus und Balb. 50 in largienda civitate. Postremo: Mit postremo wird abschließend das für Cicero gewichtigste Argument ins Feld geführt, daß nämlich die Bedeutung der Formel fundum fieri „Annahme eines von seiten der Römer gemachten Geschenks“ sei und keinesfalls eine Beschneidung der römischen Rechtshoheit implizieren könne. Balb. 22. 195 – 201 Cum aliquid populus Romanus iussit … de salute fundos populos fieri noluerunt.: Zum Inhalt dieses ganzen Passus bzw. speziell zu den hier benutzten Begriffen foederati und liberi s. Einl. S. 21 f. Tum utrum fundi facti sint an non quaerendum esse videatur: Auffällig ist hier der einheitlich überlieferte (abgesehen vom Harleianus, der das ganze Kolon von tum bis videatur ausläßt, wie es seinem den Florilegien ähnlichen Charakter entspricht) Konjunktiv. Möglicherweise steht er deswegen, um den Hexameterschluß, d. h. die sog. clausula heroica, zu vermeiden. Zudem findet sich bei videri auch mitunter der höfliche potentiale Konjunktiv („es möchte scheinen“), so daß hier sowohl sprach-pragmatische als auch rhythmische Gründe eine Rolle gespielt haben könnten.¹¹⁹ De nostra vero re publica, de nostro imperio, de nostris bellis, de victoria, de salute fundos populos fieri noluerunt: Das Subjekt zu noluerunt wird man sich κατὰ σύνεσιν aus dem vorhergehenden populus Romanus ziehen müssen, ohne dies jedoch genauer bestimmen zu müssen, wie dies üblicherweise geschieht (maiores nostri Reid und Bonfiglioli; „die Gesetzgeber“ Rubio und Espluga/Moncunill); während generell die constructio ad sensum im Lateinischen verhältnismäßig selten vorkommt (im Vergleich zum Griechischen), wird sie hier

 Vgl. Sherwin-White (1973), 138.  Vgl. Löfstedt (1933), 133 f. Kurioserweise führt Zielinski (1904), 164 gerade diese Stelle mit der Lesung videtur als Beleg für die eigentlich gemiedene clausula heroica an, die zu den pessimae clausulae gehört. Der Indikativ beruht indessen nur auf einer Verschlimmbesserung durch Rumpf; vgl. den app. crit. bei Peterson. Maslowski erwähnt in seinem Apparat die Konjektur Rumpfs schon nicht mehr. Über die clausula heroica vgl. auch Laurand (1936/38), 179 f.

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doch dadurch vereinfacht, daß im vorausgehenden Satz der kollektivische Begriff populus steht, der die Setzung des Plurals unverfänglicher macht. Vgl. z. B. Caes. Gall. I 2,1 f. is [sc. Orgetorix] … civitati persuasit, ut de finibus suis cum omnibus copiis exirent: perfacile esse, cum virtute omnibus praestarent, totius Galliae imperio potiri und grundsätzlich K.-St. I 24 f. Balb. 22. 201– 205 Atqui si imperatoribus nostris, si senatui, si populo Romano non licebit … carendum nobis erit.: Cicero betont hier und im folgenden die Gefahren, die verdienstvolle Nicht-Römer für Rom auf sich nehmen, deren Hilfe man sich durch das Fehlen eines Lockmittels, nämlich des römischen Bürgerrechtes, berauben würde, wenn – so die verallgemeinerte Konsequenz – der Ankläger Recht behielte; vgl. im folgenden Paragraphen ut aut nostra civitas careat in suis periculis … commeatus periculo suo iuverit eqs. sowie später Balb. 51 und 64.¹²⁰ Propositis praemiis: Zu dieser Junktur vgl. Caes. civ. I 17,1 re cognita Domitius ad Pompeium in Apuliam peritos regionum magno proposito praemio cum litteris mittit eqs. Summa utilitate ac maximo saepe praesidio periculosis atque asperis temporibus carendum nobis erit: Das Adjektiv periculosis ist Konjektur von Madvig¹²¹ für das überlieferte periculis PGE und in periculis H und scheint in Verbindung mit atque asperis temporibus auch geboten; das bloße Substantiv in Koordination mit aspera tempora würde deplaziert anmuten, zumal die plötzliche Abfolge der verschiedenartigen Ablative (nach den separativen Ablativen summa utilitate und maximo praesidio würde man periculis am ehesten als modalen Ablativ erklären, während asperis temporibus ein wenig zwischen dem modalen und dem temporalen Ablativ schwankt) dadurch schwerer verständlich würde, weswegen offenbar auch der Schreiber des Harleianus das in eingefügt hat. Balb. 23. 205 – 212 Sed per deos immortales! quae est ista societas, quae amicitia, quod foedus, ut … nulla condicione huius civitatis praemiis adfici possit?: Rhetorisch gesteigert wiederholt Cicero ein weiteres Mal das Thema vom vermeintlichen Unrecht, das Rom einerseits und den nicht-römischen civitates andererseits zuteil würde, wenn das Urteil im Sinne des Anklägers ausfiele. Stellvertretend für die civitates werden hier Massilia, Gades und Sagunt genannt, von denen besonders die letzten beiden vor allem im zweiten Punischen Kriege eine wichtige Rolle für Rom gespielt haben. Die alte griechische Kolonie Massilia war darüber hinaus seit langer Zeit auch ein bedeutendes Bollwerk gegen die

 Vgl. dazu Barber (2004), 94, 102 f. und 106 f. Über den Hinweis auf Konsequenzen des Richterurteils handelt Classen (1982), 163.  Vgl. Madvig (1887), 425 Anm. 2.

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Gallier; vgl. Cic. Font. 13 est item urbs Massilia, de qua ante dixi, fortissimorum fidelissimorumque sociorum, qui Gallicorum bellorum pericula praecipuis populi Romani praemiis compensarunt. Die praecipua praemia, von denen Cicero an der zuletzt genannten Stelle spricht, sind laut A. R. Dyck¹²² territorialer Natur, weswegen möglicherweise auch an unserer Stelle huius civitatis praemiis allgemeiner gefaßt werden muß und nicht allein im Sinne der Bürgerrechtsverleihung. Anders als Balb. 10 amplissimae dignitatis praemia wäre hier der Genitiv also nicht explikativ, sondern ein gewöhnlicher genitivus subiectivus (so Rubio ad loc., der indessen aus mir unerklärlichen Gründen als Argument gegen den genitivus explicativus den Plural praemiis nennt; contra Reid ad loc.). Ut aut nostra civitas careat in suis periculis Massiliensi propugnatore, careat Gaditano, careat Saguntino: Den kollektiven Singular bei Völkernamen (Massiliensi, Gaditano, Saguntino) benutzt Cicero recht selten.¹²³ Hier zu nennen wäre noch Att. V 16,4 De Partho silentium est (laut K.-St. I 67 wohl die einzige klassische Stelle; unsere Stelle rechnen Kühner-Stegmann zu den militärischen Begriffen, da die Völkernamen hier Attribut zu propugnatore sind). Üblich dagegen ist er bei dem Wort hostis wie an unserer Stelle qui cum hoste nostro comminus in acie saepe pugnarit, wobei auch da die Einschränkung gilt, daß der kollektive Singular offenbar generell im Genitiv gemieden wird, weswegen es auch hier im folgenden heißt qui se saepe telis hostium, qui dimicationi capitis, qui morti obiecerit. K. A. Barber glaubt, daß der kollektive Singular in dieser Rede eine rhetorische Funktion hat: „In my view Cicero’s reason for employing the singular here is rhetorical. The case is about an individual enfranchisement and Cicero wants the audience to think in terms of brave foreign individuals.“¹²⁴ Ganz üblich ist auf der anderen Seite jedoch der kollektive Singular bei Länder- und Städtenamen, so z. B. Balb. 34 Carthago nixa duabus Hispaniis huic imperio immineret. Ebenso leg. agr. 1,20 nam bello Punico quicquid potuit Capua, potuit ipsa per sese. Qui nostros duces auxilio laboris, commeatus periculo suo iuverit: Die überlieferte Lesart hat unnötige Schwierigkeiten hervorgerufen und zu den Konjekturen auxilio labore commeatu periculo suo bzw. auxilio laboribus commeatibus periculo suo geführt (s. den app. crit. bei Maslowski). Wenn man jedoch interpungiert, wie Maslowski bzw. bereits Peterson dies tun, ergibt sich ein gut verständlicher Parallelismus der Objekte in dem Relativsatz. Dem Akkusativobjekt nostros duces entspricht im zweiten Kolon commeatus (richtig von Reid ad loc. als Akkusativobjekt erkannt; Rubio ad loc. will es als asyndetisches Genitivattribut zu

 Vgl. Dyck (2012), ad loc.  Vgl. dazu insgesamt Lebreton (1901), 78 ff.  Barber (2004), 134 f. Anm. 30.

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auxilio ziehen, was ganz verfehlt ist), der adverbialen Bestimmung auxilio entspricht periculo und dem davon abhängigen Genitivattribut laboris entspricht das attributive Possessivpronomen im zweiten Kolon des Relativsatzes. Balb. 24. 212 – 217 Etenim in populum Romanum … pateant saepe servis.: Zu den Konzepten der socii und foderati vgl. Einl. S. 21 mit Anm. 57. Zu dem hier vorgebrachten argumentum a minore, daß der Ausschluß verdienter Bundesgenossen aus dem Bürgerrecht eine schwere Beleidigung ist, wo doch sogar Sklaven dieses Rechtes teilhaftig werden können, vgl. schon die Andeutung in Balb. 7. 60 – 64. Etenim in populum Romanum grave est non posse uti sociis excellenti virtute praeditis: Die Verbindung von neutralem gravis und in + Akkusativ (im Sinne von erga) ist bei Cicero relativ selten; zu nennen wären Verr. II 2,160 qua [sc. statua] abiecta basim tamen in foro manere voluerunt, quod gravius in istum fore putabant si scirent homines eqs. und Verr. II 4,19 verum fac te impetravisse, fac aliquid gravius in Heium statuisse Mamertinos, wobei die letzte Stelle noch ein wenig anders geartet ist, da dort das Vollverb statuere zur Anwendung kommt und in dort auch schon geradezu die Bedeutung von contra erhält. Möglich ist ansonsten auch der Dativ, vgl. Planc. 16 vel nescio vel non dico vel denique quod mihi gravissimum esset, si dicerem, sed impune tamen deberem dicere: ‚non recte.‘ Qui velint cum periculis nostris sua communicare: Der Konjunktiv velint ist vermutlich bedingt durch den konsekutiven Nebensinn des Relativsatzes und nicht so sehr als Potentialis aufzufassen (so von Rubio ad loc. erwogen; vgl. Reid ad loc.: „the class of persons who wish“). Das Verb communicare kommt mit pericula sonst bei Cicero, so weit ich sehe, nur Lael. 24 vor: itaque si quando aliquod officium exstitit amici in periculis aut adeundis aut communicandis, quis est, qui eqs. Dort allerdings im Gerundiv, nicht in der Konstruktion mit cum + Abl. In socios vero ipsos et in eos, de quibus agimus, foederatos iniuriosum et contumeliosum est: Diese Stelle ist ein mögliches Zeugnis für die These von Reeve und Espluga/Moncunill (s. Einl. S. 24 Anm. 62), daß der in Florenz zu Beginn des 15. Jhds. entstandene Codex Ottobonianus Latinus 1710 nicht wie die sonstige italische Tradition auf den Harleianus zurückgeht, sondern zusammen mit G und E auf den Hyparchetypus y (bei Maslowski; bei Espluga/Moncunill Θ). Während P und H (sowie der Korrektor von G) die Lesart iniuriosum bieten, hat der Ottobonianus zusammen mit G1 und E incuriosum, was jedoch im Zusammenhang mit contumeliosum ein wenig schwach erscheint, zumal das Wort incuriosum ansonsten bei Cicero nicht belegt ist, weswegen iniuriosum sicherlich richtig ist. Fidelissimos et coniunctissimos socios: Zum mehrfach vorkommenden Wort coniunctus vgl. das oben zu Balb. 1 Gesagte, zum Superlativ Balb. 39. 388 – 393.

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Balb. 24. 217– 222 Nam et stipendiarios ex Africa Sicilia Sardinia ceteris provinciis multos civitate donatos videmus, et qui hostes ad nostros imperatores perfugissent … publice donari videmus.: Cicero führt das argumentum a minore weiter, daß nämlich das, was für Untertanen tributpflichtiger Staaten und Provinzen und ehemalige Feinde sowie für Sklaven gelte, erst recht für die Bürger von befreundeten föderierten Gemeinden gelten müsse; deutlicher noch ist dies in Balb. 41 ausgesprochen. Die Beispiele, die Cicero hier andeutet, beziehen sich allerdings auf eine Zeit (die hier genannten Provinzen wurden noch vor 140 v.Chr. eingegliedert), als die Bürgerrechtsverleihung singillatim noch relativ unüblich war.¹²⁵ Zu den hostes vgl. Balb. 31, wo von den Sabinern die Rede ist und davon, daß universae gentes in Rom aufgenommen wurden; auch dies also ein nicht ganz paralleler Fall im Hinblick auf die causa Balbi; vgl. dazu auch Rubio ad loc. Et magno usu rei publicae nostrae fuissent: Die Form usu als Dativ der uDeklination findet sich in klassischer Zeit recht häufig, besonders bei Caesar, Livius und später auch bei Tacitus. Laut K.-Hw. 395 f. erklärt sich die Form nicht durch die Kontraktion von u und i, da diese beiden Vokale nie zu langem u kontrahiert werden, sondern stellt möglicherweise einen endungslosen Lokativ mit starker Stammendung dar. Servos denique, quorum ius fortuna condicio infima est, bene de re publica meritos persaepe libertate, id est civitate, publice donari videmus.: Das hier von Cicero dargelegte Prinzip libertate, id est civitate ist so selbstverständlich, wie er es darstellt, nicht. In Roms Frühzeit hat es hier durchaus Differenzierungen zwischen Freigeborenen (ingenui), Halbfreien oder Hörigen (was die Grundlage des Klientenwesens ist) und den Sklaven gegeben (vgl. Mommsen, StR III 1,62 f.). Indessen mag zu Ciceros Zeit eine Gleichsetzung dieser Art bereits legitim gewesen sein (vgl. z. B. auch Caec. 96 deinde nihil rationis adfers quam ob rem, si libertas adimi nullo modo possit, civitas possit. nam et eodem modo de utraque re traditum nobis est, et, si semel civitas adimi potest, retineri libertas non potest und har. resp. 57); für die Kaiserzeit läßt sich dieser Grundsatz jedenfalls aufrechterhalten.¹²⁶ Mit dieser historischen Frage hängt die textkritische nach der überlieferten Lesart videbamus am Schluß des Paragraphen zusammmen. Maslowski (sowie die meisten Editoren) setzt videmus in den Text, das laut app. crit. eine Konjektur von Manutius ist, laut Apparat bei Peterson und Espluga/Mon-

 Vgl. Sherwin-White (1973), 295. Generell zur Verleihung an Einzelne vgl. auch Kaden (1912), 46 – 48.  Zum Fortleben in der Kaiserzeit, inbesondere in der lex Iunia de manumissionibus siehe Balestri Fumagalli (1987); zu den Manumissionen in den Provinzen vgl. Giménez-Candela (2002) sowie generell zur Gleichsetzung von Freiheit und Bürgerrecht Gasquy (1886), 28 ff. und Todisco (2011), 479 f. und 486.

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cunill jedoch sogar auf den in Mailand im Jahre 1459 entstandenen Codex Parisinus Latinus 7779 zurückgeht. Wie alle italischen Codices der Renaissance hängt auch dieser vom Harleianus ab (abgesehen wahrscheinlich vom Ottobonianus Latinus 1710; s. Einl. S. 24 Anm. 62) und hat daher allenfalls konjekturalen Wert. Reid ad loc., der das überlieferte videbamus übernimmt, schreibt nun: „videbamus: implies that the practice was once more common than at the time of the speech.“ Wie gerade erörtert, scheint jedoch im Gegenteil diese Praxis zur Kaiserzeit hin immer üblicher geworden zu sein und damit auch die Gleichsetzung von Freilassung und Verleihung des Bürgerrechts. Indessen glaube ich, das historische Argument nicht strapazieren zu dürfen, da Cicero zuzutrauen ist, derartige Aspekte den rhetorischen Zwecken unterzuordnen. In diesem Fall spricht m. E. der präsentische Kontext der vorausgegangenen Sätze (multos civitate donatos videmus, scimus civitate esse donatos) gegen das Imperfekt, so daß wahrscheinlich die Konjektur des Parisinus Latinus 7779 richtig ist. Ferner ist auch das Wort persaepe im letzten Kolon ein Argument für das Präsens videmus, da persaepe bei Cicero nie (weder in den Reden noch in den Philosophica) mit dem Imperfekt steht (s. Merguet s.v. Es steht generell sehr selten mit dem Imperfekt, vgl. ThlL s.v.). Auch wenn das Verschreiben eines Präsens zu einem Imperfekt ungewöhnlich ist, so kommt es doch gelegentlich vor, ohne daß Influenzfehler angenommen werden muß, vgl. har. resp. 2 cuius ego de ecfrenato et praecipiti furore quid dicam? (dicebam P1); har. resp. 31 multa me movent (movebant GE); Sest. 79 exclamat (exclamabat H). Ius fortuna condicio infima est: Vgl. dazu Balb. 18 si omnes quos fortuna extulit, … poena sunt adficiendi, non gravior L. Cornelio quam multis viris bonis atque fortibus constitui lex vitae et condicio videretur. sin autem multorum virtus ingenium humanitas ex infimo genere et fortunae gradu eqs. Balb. 25. 223 – 227 Hanc tu igitur, patrone foederum ac foederatorum, condicionem statuis Gaditanis, tuis civibus, ut … id ne liceat ipsis?: Aus naheliegenden Gründen wird Cicero nicht müde, die Loyalität der Gaditaner gegenüber den Römern zu betonen, die nach ihrer deditio (vgl. Einl. S. 22) insbesondere im Kampf gegen Karthago eine wichtige Rolle spielten (Karthago wird denn auch in Balb. 34 und 39 als Widersacher genannt).¹²⁷ Patrone foederum ac foederatorum: Zur ironischen Bezeichnung des Anklägers als patronus foederum ac foederatorum vgl. den Kommentar zu Balb. 20. 177– 180 (praeclarus interpres iuris). Darüber hinaus wird hier zum ersten Mal die gaditanische Abkunft des Anklägers erwähnt (nochmals in Balb. 32 und 41, wo Cicero diese Tatsache deutlicher als hier für seine Zwecke ausnutzt).

 Vgl. dazu auch Barber (2004), 79.

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Ut quod iis … liceat, … id ne liceat ipsis: In diesem konsekutiv-finalen Nebensatz findet sich sowohl einleitendes ut als auch verneinendes ne, was verhältnismäßig häufig bei Cicero vorkommt. Dabei erklärt sich in vielen Fällen (wie hier) der vermeintliche Pleonasmus vermutlich nur aus der gesperrten Stellung. Hätte Cicero den Satz schon nach condicionem statuis Gaditanis, tuis civibus mit ne eingeleitet, wäre die Negation zum Ende hin bei id liceat ipsis vielleicht schon in Vergessenheit geraten.Vgl. z. B. auch im folgenden Balb. 28 ad populum latum ut is Publicius si domum revenisset et inde Romam redisset, ne minus civis esset. Daneben kommt jedoch mitunter auch die direkte Verbindung ut ne vor wie bspw. Balb. 26 atqui nihil interest, iudices, utrum haec foederati iura constituant, ut ne cui liceat ex iis civitatibus ad nostrorum bellorum pericula accedere, an eqs. oder dom. 45 nam cum tam moderata iudicia populi sint a maioribus constituta, primum ut ne poena capitis cum pecunia coniungatur eqs. Diese Verbindung wird als feierlich und nachdrücklicher als allein stehendes ne aufgefaßt (vgl. K.-St. II 209 und 249 sowie H.-Sz. 643) und meistens als typisch für die Sprache des Rechts und der Administration angesehen (vgl. T. E. Kinsey (1971) ad Quinct. 85 ita possideto ut Quinctio vis ne adferatur). Während sich bei einer Durchsicht der Vorkommnisse von ut ne auch Fälle finden, in denen sich ein Rekurs auf die Rechtssprache und dergleichen nicht sicher festmachen läßt, kann man doch eine gewisse Tendenz dieser Art durchaus feststellen. Die hier ausgeschriebenen Stellen deuten jedenfalls in diese Richtung. So richtig derartige Beobachtungen und möglicherweise auch daraus resultierende Schlußfolgerungen über Bedeutung und Funktion von ut ne sind, sollte man nicht vergessen, daß zunächst einmal ne nichts anderes ist als die Negation bei finalem Konjunktiv und gewissermaßen die parataktische Tradition repräsentiert, während ut ne die hypotaktische Variante eines verneinten Finalsatzes ist.¹²⁸ Quos magnis adiutoribus tuis armis subegimus atque in dicionem nostram redegimus: Das in PGE überlieferte magnis adiutoribus (der Schreiber des Harleianus konjiziert gaditanis adiutoribus, falls von einer Konjektur die Rede sein kann und es dort nicht dadurch eingedrungen sein sollte, daß kurz vorher schon einmal Gaditanis steht) ist offenkundig falsch. Eine derartige Junktur ist bei Cicero nicht belegt und auch nur schwer denkbar. Ein quantitativer Begriff wie magnus wäre hier im Zusammenhang mit adiutor ganz unpassend (daran krankt auch Petersons Konjektur quos magnis adiutoribus tuis

 Vgl. Parzinger (1912), 1– 4. Parzinger hat darüber hinaus auch eruiert, daß Ciceros Gebrauch der Verbindung ut ne im Laufe seines Lebens und Schaffens abnimmt. Über die Entwicklung von Parataxe zu Hypotaxe vgl. auch André (1957).

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armis subegimus). Die hier wiedergegebene Konjektur stammt von Madvig;¹²⁹ ungefähr zeitgleich hat auch W. Paul sich dieser Stelle gewidmet.¹³⁰ Paul konjizierte zunächst magnis adiutoribus tuis armis subegimus; dabei blieb jedoch das Problem der Junktur magna arma, die ein ähnliches Unbehagen wie magni adiutores verursacht, weswegen sich Paul gezwungen sah, das überlieferte armis in animis zu ändern. Diesem Umstand hat Madvig durch das Hinzufügen des Wortes opibus innerhalb der Konjektur abgeholfen, so daß armis stehen bleiben konnte. In der Tat paßt in diesem Fall eine quantitative Bestimmung gut, mit magnus auch Planc. 55 magnae sunt in te opes und Mur. 59 semper in hac civitate nimis magnis accusatorum opibus et populus universus et sapientes ac multum in posterum prospicientes iudices restiterunt; außerdem tantae opes (Planc. 81, Cael. 19, Phil. 6,12, leg. agr. 2,32, Verr. II 2,3, Verr. II 2,11 und Sest. 1), quantae opes (Deiot. 12), maiores opes (leg. agr. 2,75 und Cluent. 153), parvae opes (div. in Caec. 69) und maximae opes (leg. agr. 1,8, Cluent. 94 und post red. in sen. 19). Ut ab senatu etiam per imperatores nostros civitate donentur: Die Überlieferung ist hier gespalten. Der Parisinus bietet das fehlerhafte ut ab senatu etiam per imperatoribus nostris, der Gemblacensis sowie der Erfurtensis ut ab senatu etiam per imperatores nostros civitate donentur, wie es von Maslowski und Peterson in den Text übernommen worden ist. W. Paul hat allerdings offenbar Anstoß am etiam oder an der doppelten Bestimmung mit ab und per genommen und in der interessanten Annahme, daß in et-iam per eine Dittographie aus imper-atoribus vorliegt, ut ab senatu et imperatoribus nostris konjiziert, womit er zugleich die Synthese aus P einerseits und GE andererseits schafft (der Harleianus geht wie so oft eigene Wege und tilgt etiam per und setzt ut ab senatu, ab imperatoribus nostris).¹³¹ So attraktiv der Einfall Pauls ist, er drängt sich nicht mit Notwendigkeit auf. Daß die Kompetenzen der Feldherren im Vergleich zu Volksversammlung und Senat möglicherweise etwas hervorgehoben und daher durch verschiedene Präpositionen differenziert werden, nimmt im Kontext der gesamten Rede nicht wunder. Und die doppelte Bestimmung durch ab und per für Ursache und Vermittlung ist durchaus üblich; vgl. bspw. S. Rosc. 80 quid ais? volgo occidebantur? per quos et a quibus? sowie grundsätzlich K.-St. I 378. Balb. 25. 227– 234 Qui si suis decretis legibusve sanxissent, ne … alienigenarum nos hominum studiis atque externa virtute privari.: Zu legibus sancire

 Vgl. Madvig (1884), 145.  Vgl. Paul (1875), 16.  Vgl. Paul (1875), 9.

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vgl. oben Balb. 19 lege sanctum. In der Aufzählung der fiktiven Bestimmungen der Gaditaner läßt Cicero ein Kolon (Gaditanorum auxiliis eqs.) uneingeleitet. Ein entsprechendes ut kann aber durch die umgebenden ne-Sätze erschlossen werden. Eine derartige Brachylogie ist durchaus möglich; vgl. Phil. 12,11 (über Antonius): denuntiatum est, ne Brutum obsideret, a Mutina discederet: oppugnavit etiam vehementius und allgemein K.-St. II 563. Es ist natürlich auch nicht völlig unmöglich, daß ein ut an dieser Stelle ausgefallen ist (vgl. Reid ad loc.), doch gibt es dafür keine Hinweise. Gaditanorum auxiliis, cum vellemus, uti nobis [non] liceret, privatus vero ne quis vir eqs.: Das überlieferte non vor liceret wurde von Madvig¹³² getilgt, wie es der Sinn auch erfordert. Mit der Negation würde der entscheidende Gegensatz zwischen dem positiven Kolon Gaditanorum auxiliis eqs. und dem negativen Kolon privatus vero ne quis vir eqs. aufgehoben. Daß hier ein adversatives Verhältnis zum vorherigen Kolon vorliegt, zeigt schon das vero (vgl. K.-St. II 80 f.). Rubio ad loc. interpretiert die Stelle ganz richtig: „[L]os Gaditanos, como ciudad federada podrían enviar oficialmente auxiliares en ayuda del ejército romano, pero los particulares no podrían ir por iniciativa propria a alistarse en dicho ejército.“ Pro nostro imperio periculo suo: Vgl. dazu bereits Balb. 22– 23, wo das Thema der eigenen Gefahr, die zugunsten Roms in Kauf genommen wird, durchgängig angesprochen und durch entsprechende Pronomen betont wird. Man beachte an dieser Stelle zudem den emphatischen Chiasmus von Substantiven und Possessivpronomen. Externa virtute: Externa als Attribut zu virtute ist Konjektur von Angelius; überliefert ist paterna, was jedoch im Hinblick auf den Sinn problematisch ist. Die Junktur paterna virtus ist in den Reden Ciceros überhaupt nicht überliefert (s. Merguet s.v.) und auch in der übrigen Prosa scheint sie nur buchstäblich im Sinne von „Tugend/Tapferkeit des Vaters“ vorzukommen, wie bspw. Liv. VII 25,12 (über L. Furius Camillus, den Sohn des „großen“ Camillus): consul duabus legionibus urbi praepositis, octo cum L. Pinario praetore divisis, memor paternae virtutis Gallicum sibi bellum extra sortem sumit eqs. und ebenso Sen. epist. 67,9 über den jüngeren Decius. Allenfalls wäre an unserer Stelle eine Bedeutung wie „Tugend/ Tapferkeit der Vorväter, althergebrachte Tugend/Tapferkeit“ denkbar. Nach Durchsicht des ThlL s.v. scheint dafür aber nur Sil. X 277 (macte o virtute paterna) in Frage zu kommen. Ein Adjektiv mit einer Bedeutung, wie sie externus hat, drängt sich in diesem Kontext auf. Leicht zu akzeptieren ist die Junktur externa virtus indessen auch nicht; man könnte allenfalls Balb. 55 scientia peregrina et externa vergleichen. Halm hatte privata virtute vorgeschlagen, was zwar inhaltlich

 Vgl. Madvig (1887), 425 f.

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in eine andere Richtung als externa virtute geht, jedoch zum Gesamtkontext ebenfalls passen würde. Allerdings ergäbe sich dann eine etwas unschöne Assonanz privata virtute privari. Faute de mieux behalte ich einstweilen die durch Angelius angestoßene Lesung von Maslowskis Ausgabe bei. Balb. 26. 234 – 237 Atqui nihil interest, iudices, utrum haec foederati iura constituant, ut … ea rata esse non possint.: Cicero gelingt nun der Brückenschlag zum aktuellen Prozeß, indem er das gerade genannte Szenario der Gaditaner, die den Beitritt ihrer Bürger zum römischen Heer und zur römischen Bürgerschaft unterbinden, gleichsetzt mit der nachträglichen Aberkennung des bürgerlichen Status, wie sie in eben diesem Prozeß verhandelt wird. Ut ne cui liceat ex iis civitatibus ad nostrorum bellorum pericula accedere: Zu ut ne vgl. den Kommentar zu Balb. 25. 223 – 227. Zum Bezug der Präpositionalphrase ex iis civitatibus vgl. oben zu Balb. 18. 160 – 164. Zur emphatischen Erwähnung der pericula siehe oben zu Balb. 22. 201– 205 (dort interessanterweise ebenfalls eingeleitet durch die adversative Partikel atqui; vgl. dazu K.-St. II 89). Speziell zur Junktur ad pericula accedere vgl. div. in Caec. 63 semper haec causa plurimum valuit, semper haec ratio accusandi fuit honestissima, pro sociis, pro salute provinciae, pro exterarum nationum commodis inimicitias suscipere, ad periculum accedere, operam, studium, laborem interponere. An quae nos eorum civibus virtutis causa tribuerimus: Die Junktur virtutis causa kommt auch noch Balb. 37 und 44 vor und erinnert an die griechische Wendung ἀρετῆς ἕνεκα καὶ ἀνδραγαθίας (Aischin. or. 3,42 und 49). Balb. 26. 237– 243 Nihilo enim magis uteremur iis adiutoribus sublatis virtutis praemiis, quam si … sed etiam interdicto?: Nihilo ist eine Konjektur von Lambinus. PGEH lesen nihil. Diese Lesart wird von Reid ad loc. verteidigt: „irregularly put for nihilo magis; Cic. and the best writers generally use nihilo multo paulo eo tanto quanto etc. to denote the measure of excess with comparatives, not the corresponding accusatives. Livy is the first writer who commonly uses the accusatives. Nihil therefore must here be taken as an adverbial accusative = non.“ Indessen ist adverbiales nihil als Ersatz für non relativ selten. Im K.-St. I 818 findet sich nur eine Stelle aus den Reden Ciceros, nämlich leg. agr. 2,61: remittit hoc Rullo Cn. Pompeius; beneficio isto legis, benignitate xvirali nihil utitur. Bezeichnenderweise nutzt Cicero auch dort nihil zusammen mit dem Verb uti. In Anbetracht jedoch des steigernden magis an unserer Stelle drängt sich der ablativus mensurae unbedingt auf. Die Annahme einer Verschreibung von nihilo zu nihil stellt zudem kein schwerwiegendes Problem dar. Post genus hominum natum: Diese Junktur ist eine Variante zu post homines natos wie bspw. dom. 23 homini post homines natos turpissimo. Noch häufiger ist post hominum memoriam; so bspw. prov. 39, Vat. 6, har. resp. 15 u. ö. Zur ab-urbecondita-Konstruktion vgl. oben den Kommentar zu Balb. 16. 140 – 143.

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Qui se opponat periculis non modo nullo proposito praemio, sed etiam interdicto?: Das Verb interdicere wird nur selten transitiv verwendet (üblich ist die intransitive Konstruktion alicui aliqua re), und dann, zumindest bei Cicero, nur im Passiv.¹³³ Vgl. har. resp. 11 postea vos, patres conscripti, non quo dubia res esset, sed ut huic furiae, si diutius in hac urbe quam delere cuperet maneret, vox interdiceretur, decrevistis eqs. Abgesehen von diesen beiden Stellen mit den Objekten praemium und vox finden sich in den Reden nur noch zwei Stellen, in denen interdicere mit Pronomen verknüpft wird, Planc. 45 neque hoc liberis nostris interdicendum est und Phil. 7,26 omnia fecerit oportet quae interdicta et denuntiata sunt eqs. Zu proposito praemio vgl. den Kommentar zu Balb. 22. 201– 205. Balb. 27. 244 – 249 Sed cum est illud inperitissime dictum de populis fundis … sed etiam in privatorum voluntate.: Cicero schwenkt nun – eingeleitet durch das sed – etwas plötzlich wieder zum (zumindest vermeintlichen) Hauptpunkt der Anklage, daß eine civitas foederata einer Bürgerrechtsverleihung zustimmen müsse, was jedoch sogleich als völlig haltlos abgetan wird, indem hyperbolisch aus diesem Anklagepunkt die Konsequenz gezogen wird, daß dann im Grunde überhaupt kein Nicht-Römer mehr das Bürgerrecht erlangen könne. Die Verbindung zum vorherigen Passus stellt die Präpositionalphrase in privatorum voluntate dar (s. Balb. 25 privatus vero ne quis vir). Im folgenden behandelt Cicero also das individuelle Recht auf eine Entscheidung für bzw. gegen eine bestimmte Staatsbürgerschaft, womit er zugleich das Thema der Unmöglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft verknüpft. Zum Gebrauch der Begriffe foederati, liberi und socii, die mitunter bei Cicero willkürlich gebraucht und austauschbar anmuten, vgl. Einl. S. 21 f. Sed cum est illud inperitissime dictum de populis fundis … tum vero ius omne nostrum iste magister mutandae civitatis ignorat: Der Indikativ bei rein koordinierenden cum-tum-Gefügen ist die Regel; vgl. bspw. auch Balb. 51 etenim cum ceteris praemiis digni sunt, …, tum certe dignissimi sunt, qui eqs. Indessen kommt auch der Konjunktiv im cum-Satz vor, insbesondere dann, wenn ein kausaler oder adversativer Nebensinn betont werden soll, vgl. K.-St. II 350. Als Beispiel für den Konjunktiv sei Balb. 29 genannt: nam cum ex omnibus civitatibus via sit in nostram, cumque nostris civibus pateat ad ceteras iter civitates, tum vero ut quaeque nobiscum maxime … foedere est coniuncta, ita mihi maxime communione … civitatis contineri videtur sowie Verr. II 2,30 cum hos sibi quaestus constituisset magnos atque uberes ex his causis quae ipse instituerat cum consilio, hoc est cum

 Vgl. Lebreton (1901), 176.

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sua cohorte, cognoscere, tum illud infinitum genus invenerat ad innumerabilem pecuniam corripiendam. ¹³⁴ Nostrum ist eine Konjektur von A. G. Kok für das mehrheitlich überlieferte noster (nostris te G1E).¹³⁵ In der Tat regen sich Bedenken gegen noster. Zum einen ist die Stellung des Possessivpronomens vor dem Demonstrativum iste zwar nicht unmöglich, aber doch zumindest unüblicher als der umgekehrte Fall (vgl. Merguet s.v. noster). Eine naheliegende Parallele (auch im Hinblick auf den Sarkasmus) ist Pis. 92 noster hic praeposterus imperator amissorum oppidorum. Doch finden sich insgesamt für die Nachstellung des Possessivums sehr viel mehr Belege. Zum anderen scheint der Sinn hier die Junktur ius nostrum zu fordern, denn es sind ja gerade die römischen Rechtsverhältnisse, auf die Cicero abhebt, nicht das Recht schlechthin. Schon der folgende Satz in Balb. 27 macht dies deutlich: iure enim nostro eqs. Daneben taucht diese Junktur auch in Balb. 20 und Balb. 48 auf, was im Gesamtkontext der Balbiana nicht verwundert, da Cicero nicht müde wird, die rechtliche Souveränität Roms gegenüber anderen (föderierten) Gemeinden zu betonen. Ferner verwendet Cicero die Junktur Caec. 100 (cum ex nostro iure duarum civitatum nemo esse possit), wo genau wie hier im folgenden über die Unmöglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft gehandelt wird. Koks Konjektur sollte also übernommen werden (wie von Maslowski getan); wollte man noster beibehalten, wäre eine Transposition zu iste noster magister zu erwägen. Zu inperitissime dictum vgl. auch Balb. 20 quid enim potuit dici imperitius und die dortige Anmerkung. Es sei daran erinnert, daß Cicero zudem in Balb. 20 just dieselbe Behauptung des Anklägers als unkundig schilt wie an dieser Stelle. Zur Bezeichnung des Anklägers als magister mutandae civitatis vgl. oben zu Balb. 20. 177– 180 (kurz vor der eben genannten Stelle). Es liegt also zwischen Balb. 20 und 27 mehr als nur eine Ähnlichkeit vor. Balb. 27. 249 – 254 Iure enim nostro neque mutare civitatem quisquam invitus potest … nec foedere impediatur, quo minus ex cive Romano civis Gaditanus possit esse.: Diese Stelle (bzw. der gesamte Passus im Zusammenhang mit dem folgenden Paragraphen 28) ist einer von drei loci classici im Werk Ciceros bezüglich der doppelten Staatsbürgerschaft bzw. der Unmöglichkeit der Staatenlosigkeit; die anderen Stellen sind dom.77– 78 (vor allem 78: civitatem vero nemo umquam ullo populi iussu amittet invitus) und Caec. 95 – 100, woraus gerade schon zitiert wurde (insbesondere 100: nam, cum ex nostro iure duarum civitatum nemo esse possit, tum amittitur haec civitas denique, cum is qui profugit receptus est

 Vgl. dazu Lebreton (1901), 341 ff.  Vgl. Kok (1863), 84. Seine Begründung ist indessen ein wenig unbefriedigend: „Pro noster desideratur nostrum.“

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in exsilium, hoc est in aliam civitatem). Im übrigen wird mit nec foedere impediatur bereits der nächste große thematische Abschnitt (der Balb. 29 beginnt) innerhalb der argumentatio vorbereitet, in dem Cicero über den Wortlaut und die Bedeutung des gaditanischen Bündnisses für den Prozeß gegen Balbus spricht. Iure enim nostro neque mutare civitatem quisquam invitus potest: Reid ad loc. hat mit Hinweis auf Balb. 31 (ne quis invitus civitate mutetur) auch an dieser Stelle mutari civitate lesen wollen, doch ist die transitive Konstruktion bei mutare ebenso gut möglich und daher eine Änderung nicht notwendig (vgl. Merguet s.v. mutare). In späterer Zeit werden dann die beiden Konstruktionen mit Akkusativ und Ablativ (einhergehend mit der Bedeutungsänderung zu „eintauschen gegen“) vermengt; vgl. Hor. carm. II 16,18 f. quid terras alio calentis sole mutamus? Neque si velit mutare non potest: J. Lebreton ist aufgrund seiner Untersuchungen von Kondizionalsatzgefügen mit präsentischem Konjunktiv zu dem Schluß gekommen, daß in diesem Fall der Grund für den Indikativ in der Apodosis die Verwendung des Modalverbs posse ist, daß außerdem zwischen Protasis und Apodosis eine Opposition vorliegt („Si = alors même que“). Mitunter läßt sich die Verwendung von Indikativ und Konjunktiv in kondizionalen Gefügen jedoch nicht eindeutig einem bestimmten Grund zuordnen.¹³⁶ Ut si Gaditani sciverint nominatim de aliquo cive Romano: Ut si wird hier gebraucht, um ein Beispiel einzuleiten (vgl. Rubio und Bonfiglioli ad loc.), genauer gesagt ein sog. exemplum fictum, das dann regulär im Konjunktiv (Präsens oder Perfekt) steht; vgl. K.-St. II 454. Der Konjunktiv im darauf folgenden Hauptsatz (magna potestas sit nostro civi mutandae civitatis) dürfte als Potentialis aufzufassen sein. Balb. 28. 254 – 256 Duarum civitatum civis noster esse iure civili nemo potest; non esse huius civitatis qui se alii civitati dicarit potest.: Cicero wendet sich zunächst im Sinne der gerade erwähnten voluntas privatorum der dicatio (bzw. aus Sicht der anderen Gemeinde adscitio) zu, d. h. der bewußten Entscheidung des Individuums, die alte Staatsbürgerschaft abzulegen, indem eine neue angenommen wird; im folgenden wird Cicero dann über das postliminium sprechen, bei dem indessen nicht ganz klar ist, ob Intention des entsprechenden Individuums vorliegen muß oder nicht. Bezeichnend ist, daß A. N. Sherwin-White einerseits schreibt: „It is clear that the loss of citizenship by change of soil was originally regarded as automatic. None of the certainly Republican texts suggests

 Vgl. Lebreton (1901), 359. Vgl. auch seine Übersicht ebd. 349. Offenbar ist die Form si sit – est in den Reden häufiger, während in den Philosophica si sit – sit verhältnismäßig häufiger zu finden ist.

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that the intention of the emigrant was relevant.“¹³⁷ und andererseits: „In pro Balbo 27, 28, 30 […] it is the dicatio and adscitio, not the change of soil, that effects the civitatis mutatio.“¹³⁸ Ob die hier von Cicero vorgetragene Auffassung korrekt ist, kann also bezweifelt werden. Möglicherweise gab es diesbezüglich zu Ciceros Zeit auch juristische Diskussionen, ob Freizügigkeit vorherrschte und der Staatsbürgerwechsel rein durch den Domizilwechsel erfolgte oder nicht. Mommsen, StR III 1,642 merkt an, daß es zumindest in dem alten Latinerbund vielleicht die Möglichkeit zweier Staatsbürgerschaften, d. h. zum einen des römischen Bürgerrechts und zum anderen des Bürgerrechts der jeweiligen latinischen Gemeinde, gegeben haben könnte. Beweisbar (oder widerlegbar) ist das jedoch nicht.¹³⁹ Ob juristisch einwandfrei oder nicht, Ciceros Darstellung des Verhältnisse hat gewisse parallele Züge zu der ur-römischen Einrichtung der adrogatio, bei der sich die entsprechende Person, ehe sie sich der neuen gens offiziell anschließen konnte, durch die detestatio sacrorum zunächst feierlich von der alten lossagen mußte; vgl. dazu Mommsen, StR III 1,38 f. Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, daß für Cicero als einem Munizipalen aus Arpinum das Thema der doppelten Staatsbürgerschaft durchaus persönliche Relevanz hatte, was ihn möglicherweise auch dazu verleitet haben mag, diesen Aspekt hier einzuführen. Eindrucksvoll schildert uns Cicero seine Beziehung zu den zwei Heimaten (seiner germana patria Arpinum und der civitas Rom) im Beginn des zweiten Buches von De legibus (bes. II 3 – 5), wo interessanterweise gerade der Wahl-Athener Atticus fragt, wie man eine Doppelheimat haben kann, worauf Cicero antwortet (II 5): ego mehercule et illi [gemeint ist Cato] et omnibus municipibus duas esse censeo patrias, unam naturae, alteram civitatis; Ciceros Worte in De legibus stehen also durchaus im Einklang mit der hier geäußerten Maxime, insofern ein Mensch also zwei Heimaten haben, aber nicht Bürger zweier Staatswesen sein kann.¹⁴⁰ Balb. 28. 256 – 260 Neque solum dicatione … sed etiam postliminio potest civitatis fieri mutatio.: Cicero wendet sich nun konkret dem ius exilii und dem

 Sherwin-White (1973), 293 Anm. 3.  Sherwin-White (1973), 302 Anm. 5.  Insgesamt kritisch zur Verwendung des Begriffs des Bürgerrechts und damit auch des Mehrfachbürgerrechts steht Hantos (1983), 83 f. Gegen ein in der Forschung oftmals angenommenes ius migrationis oder ius migrandi, das bestimmten Völkern (d. h. den Latinern) die Freizügigkeit als Privileg eingeräumt habe, wendet sich Broadhead (2001).  Vgl. dazu Dycks (2004) Kommentar zu II 4– 5; vgl. auch Hammond (1951), der ausgehend von der Stelle aus De legibus viele Querverweise über die Behandlung der doppelten Staatsbürgerschaft in der Balbiana macht und dabei die griechischen Konzepte ἰσοπολιτεία und συμπολιτεία zur Deutung heranzieht; vgl. ferner Gasser (1999), 32– 49.

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postliminium, d. h. der „Rückkehr über die Schwelle“, zu (vgl. Top. 37, wo Cicero Scaevola wiedergibt: Scaevola autem P. F. iunctum putat esse verbum, ut sit in eo et post et limen; ut, quae a nobis alienata, cum ad hostem pervenerint, ex suo tamquam limine exierint, hinc ea cum redierint post ad idem limen, postliminio redisse videantur.). Diese Regelung sah vor, daß das römische Bürgerrecht bei Abwesenheit bspw. durch Kriegsgefangenschaft nur ruhte und wieder auflebte, sobald der Betreffende nach Rom zurückkehrte.¹⁴¹ Es wurde schon angedeutet, daß es manche Uneinigkeiten bezüglich der tatsächlichen Praxis des postliminium gibt. So hat bspw. A. Coşkun¹⁴² bezweifelt, daß sich ein Bürgerrechtswechsel durch ius exilii und postliminium mit Selbstverständlichkeit und gewissermaßen automatisch und pauschal für den römischen Bürger ergaben, sondern daß, wenn das ius exilii zwischen Rom und einem Bündnispartner bestand, vertraglich mit den jeweiligen Exilorten durch Zusatzklauseln etwaige Bürgerrechtsvereinbarungen reguliert wurden (nach unserer Stelle müßten also derartige Regelungen in den Bündnissen mit Nuceria, Tarraco und Zmyrna existiert haben) und daß ferner auch das postliminium durch Sonderregelungen individuell und ad personam festgelegt wurde, wofür das im folgenden genannte Exempel des Gnaeus Publicius Menander, dem das ius postliminii durch speziellen Volksschluß verliehen wurde, ein Beleg sein könnte. Daß es offenbar Grenzen für die Gültigkeit des postliminium gab¹⁴³, bezeugt auch Cicero in de or. I 181: etenim si C. Mancinum nobilissimum atque optimum virum atque consularem, cum propter invidiam Numantini foederis pater patratus ex S. C. Numantinis dedidisset eumque illi non recepissent posteaque Mancinus domum revenisset neque in senatum introire dubitasset, P. Rutilius M. F. tr(ibunus) pl(ebis) iussit educi, quod eum civem negaret esse, quia memoria sic esset proditum quem pater suus aut populus vendidisset aut pater patratus dedidisset, ei nullum esse postliminium. Quod in calamitate clarissimis viris Q. Maximo C. Laenati Q. Philippo Nuceriae, C. Catoni Tarracone, Q. Caepioni P. Rutilio Zmyrnae vidimus accidisse: Der Passus wird untermalt durch eine Reihe von exempla einiger römischer historischer Persönlichkeiten, deren Exilierung und Bürgerrechtswechsel für Ciceros Argumentation an dieser Stelle von Belang ist. Über Q. Fabius Maxi-

 Vgl. Heuß (1933), 10 Anm. 1, der betont, daß man sich die subjektive Rechtsstellung nicht so sehr als wieder belebt vorstellen sollte, sondern vielmehr als neu geschaffen.  Vgl. Coşkun (2009), 73 – 82 zum ius exilii und 82– 107 zum postliminium.  Vgl. auch Brassloff (1928), 6 f. Anm. 3: „Postliminium tritt nur dann ein, wenn der römische Bürger gegen den Willen des römischen Gemeinwesens in fremde Gewalt gelangt ist, nicht aber, wenn er von Staats wegen (durch deditio an den Fremdstaat) aus dem römischen Herrschaftskreis ausgeschieden wurde; in letzterem Fall lebt bei Wiedereintritt in diesen Kreis die ursprüngliche Rechtsstellung nicht wieder auf.“ Vgl. ferner Brassloff (1933), 34.

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mus Eburnus (cos. 116, cens. 108) ist nicht allzu viel bekannt; seine Verurteilung im Jahre 104 erfolgte offenbar, nachdem er seinen Sohn der Unzucht wegen getötet hatte, woraufhin er ins Exil nach Nuceria ging. Ähnlich dürftig sind wir über C. Popillius Laenas unterrichtet, der 107 als Legat unter dem Consul L. Cassius Longinus diente und nach dessen Niederlage im Kampf gegen die Tiguriner des Hochverrats angeklagt wurde, da er mit den Tigurinern freien Abzug seiner Truppen nach Stellung von Geiseln und Auslieferung der Hälfte des Gepäcks ausgehandelt hatte. Nach der Verurteilung ging er ins Exil. Über Q. Marcius Philippus ist sogar außer dem hier berichteten Exil nichts weiter bekannt. C. Porcius Cato (cos. 114) war ein Enkel des großen Censors. Auch über ihn ist nicht viel bekannt außer einem gewissen Hang zu Erpressung und Bestechlichkeit. Der mediocris orator (Cic. Brut. 108) ging, nachdem er als Legat in Afrika während des Iugurthinischen Krieges gedient hatte, aufgrund der vom Volkstribun C. Mamilius im Zusammenhang mit Irregularitäten in Afrika angestrengten Untersuchungen freiwillig ins Exil nach Tarraco. Die Gründe für die Exilierung des Q. Servilius Caepio (cos. 106) sowie deren genauer Zeitpunkt sind nicht ganz sicher. Möglicherweise hatte er sich für eine heftige Niederlage gegen die Kimbrer und deren Verbündete im Jahre 105 bei Arausio zu verantworten. Möglicherweise wurde er aber auch im Zusammenhang mit dem sog. aurum Tolosanum zur Rechenschaft gezogen. Dabei handelte es sich um einen Tempelschatz des keltischen Tolosa, den Caepio noch während seines Konsulats im Jahre 106, nachdem er die Stadt eingenommen hatte, unterschlagen haben sollte. Der hier erwähnte P. Rutilius Rufus (cos. 105) ist das von Cicero, der Rutilius 78 in Zmyrna selbst getroffen hatte, mehrfach hervorgehobene Exempel für altrömische Standhaftigkeit und Sittlichkeit. Rutilius folgte 94 als Legat dem Q. Mucius Scaevola in die Provinz Asia und ging dort hart gegen die Steuerpächter vor, wodurch er sich den Haß der Ritterschaft zuzog. 92 erfolgte dann in Rom die Anklage in einem Repetundenprozeß und die Verurteilung des Rutilius, der sich gleichmütig und von den Provinzialen herzlich aufgenommen nach Zmyrna begab.¹⁴⁴ Daß das überlieferte vidimus statt des von Madvig konjizierten videmus den Vorzug verdient, ergibt sich

 Zu Fabius Maximus vgl. Münzer (1909), zu Marcius Philippus ders. (1930), zu Servilius Caepio ders. (1923), zu Rutilius Rufus ders. (1914), zu Porcius Cato Miltner (1953) und zu Popillius Laenas Volkmann (1953). Bei dem zuletzt Genannten ist im übrigen nicht ganz eindeutig, ob nicht vielleicht ein Fehler des praenomen in den Handschriften vorliegt. Vielleicht ist nicht C. Popillius Laenas gemeint, sondern dessen Vater P. Popillius Laenas (cos. 132), der zur Zeit der Gracchen wirkte (und gegen sie) und exiliert wurde. Kurioserweise hat auch Volkmann in dem genannten RE-Artikel die beiden verwechselt, da er von einer restitutio des C. Popillius Laenas spricht und sich auf Cic. dom. 87 bezieht. Dort ist jedoch eindeutig von P. Popillius Laenas die Rede.

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daraus, daß bei vidimus stärker die eigene Erfahrung betont wird im Gegensatz zu videmus; siehe dazu den Kommentar unten zu Balb. 30. 278 – 280. Unsere Stelle ist aufgrund der Abfolge der Ortsnamen Nuceria, Tarraco und Zmyrna ein treffender Beleg für die Regel, daß bei Ortsnamen der vokalischen Deklinationen der Lokativ verwendet wird, während bei der konsonantischen Deklination regulär der ablativus loci steht, vgl. K.-St. I 475. Ut earum civitatum fierent cives, hanc ante amittere non potuissent quam hoc solum civitatis mutatione vertissent: Die Ergänzung der Konjunktion cum (causale) ist einmal mehr Konjektur von Madvig und scheint erforderlich zu sein.¹⁴⁵ Andernfalls müßte man eine asyndetische Reihung im utSatz annehmen, was nicht leicht ist, und vor allem nicht recht Sinn ergibt, wenn earum civitatum fierent cives und hanc ante amittere non potuissent quam eqs. syntaktisch auf derselben Stufe stehen. Denkbar ist vielleicht auch Halms Konjektur nam (s. app. crit. bei Peterson), indessen bereitet dann der Irrealis bei posse gewisse Probleme. Daher ist cum vorzuziehen. Zur Junktur solum vertere vgl. neben den oben bereits genannten Stellen dom. 78 und Caec. 100 auch Quinct. 60 (zitiert aus einem Prätorenedikt) und Quinct. 86 ex edicto autem non potuisse bona possideri demonstravi, quod neque fraudandi causa latitasset neque exsili causa solum vertisse diceretur. Balb. 28. 260 – 266 Neque enim sine causa de Cn. Publicio Menandro, libertino homine … se in civitates contulerunt.: Offenbar war es üblich, daß freigelassene servi publici ihren ehemaligen Status als Gemeindesklaven noch im Namen führten. Daneben war es außerdem üblich, den Namen des freilassenden Magistraten anzunehmen. Ein weiterer Publicius, aus der frühen Kaiserzeit, ist CIL III 6083 überliefert: der Liktor D. Publicius Fructus; vgl. dazu Mommsen, StR I 321 Anm. 7. Jill Harries hat erwogen, ob das exemplum des Gnaeus Publicius Menander möglicherweise darauf hinweist, daß Ciceros Vorlage für den gesamten Passus und seine rechtstheoretischen Überlegungen, insbesondere im Hinblick auf das postliminium, Q. Mucius Scaevolas Buch De iure civili gewesen ist, wobei sie von den Digesten 49,15,5 ausgeht, wo Pomponius in seinem Kommentar zu Scaevola genau diesen Fall wiedergibt. Auch die oben zitierte Stelle aus den Topica, wo der Begriff des postliminium nach Scaevola definiert wird, könnte in diese Richtung weisen (s.o. zu Balb. 28. 256 – 260).¹⁴⁶ Weniger wahrscheinlich ist H. Kadens¹⁴⁷

 Vgl. Madvig (1887), 427 f.  Vgl. Harries (2004), 162 Anm. 55. Zustimmend Coşkun (2009), 90 Anm. 269.  Vgl. Kaden (1912), 59 f.

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Annahme, daß es sich hierbei um einen schulrhetorischen Gemeinplatz handele. Dagegen dürfte der doch recht spezifische Charakter des Exempels sprechen. Zu ut ne siehe oben zu Balb. 25. 223 – 227. Balb. 29 – 44: Argumentatio de foedere. Der nächste juristisch wichtige Abschnitt betrifft das Bündnis mit Gades, wobei Cicero von Beginn an darum bemüht ist, die Relevanz für den vorliegenden Fall abzustreiten (Balb. 29: ut iam ad foedus veniam quod ad causam nihil pertinet) und hervorzuheben, daß unabhängig von jeglichen Bündnissen und Bündnisklauseln die lex Gellia Cornelia die entscheidende juristische Absicherung für die Bürgerrechtsverleihung durch Pompeius ist (Balb. 32). Zunächst beginnt der Abschnitt allerdings mit einer überleitenden digressio, die noch Argumente des vorhergehenden Passus über das postliminium verarbeitet (Balb. 29 – 31), ehe Cicero endgültig auf foedera mit anderen Gemeinden zu sprechen kommt. Dabei argumentiert Cicero auf der Grundlage des Wortlautes (oder des vermeintlichen Wortlautes) des gaditanischen foedus in zweierlei Hinsicht: Balb. 32 – 35 setzt sich Cicero mit der Existenz einer Exzeptionsklausel auseinander, die es nicht zulasse, daß gaditanische Bürger in Rom aufgenommen werden, sowie mit der Frage, ob das Bündnis sakrosankt ist. Der Begriff sacrosanctum stammt ursprünglich aus der Zeit der Ständekämpfe und wird im engeren Sinne vom Volkstribunen gesagt, dem sich die Bürgerschaft durch eine Art Eid oder ein durch Eid beschworenes Gesetz (lex sacrata) verpflichtete und die die Verletzung der Immunität des Tribunen durch sofortige Lynchjustiz zu ahnden drohte (der Delinquent wird dadurch sacer); späterhin spricht man gerade im Hinblick auf die Immunität üblicherweise von der tribunicia potestas. Dementsprechend argumentiert Cicero auch, indem er die Beschwörung durch die Volksversammlung in den Vordergrund stellt, während der Ankläger generell eidlich vereinbarte Bündnisse (d. h. ggf. auch feldherrliche Bündnisse) als sakrosankt auszunehmen scheint.¹⁴⁸ Balb. 35 – 37 erfolgt dann gewissermaßen der Gegenangriff Ciceros, indem er eine Majestätsklausel anführt, die letztlich die hegemoniale Stellung Roms sicherstellen soll. Das Gesagte wird in Balb. 38 ausführlich resümiert, bevor Cicero dann zu dem leitmotivischen Argument zurückkehrt, daß das Verbot der Bür-

 Zum Begriff sacrosanctum vgl. Kübler (1920). Vergleichbar ist vielleicht die aus dem attischen Recht bekannte ἀρά, durch die der Verurteilte zum κατάρατος wurde; vgl. Demosth. or. 19,70 und zur Formulierung Deinarch. or. 2,16 πρῶτον μὲν καθ’ ἑκάστην δημοσίᾳ κατὰ τῶν πονηρῶν ἀρὰς ποιούμενοι [sc. οἱ νομοθέται], εἴ τις δῶρα λαμβάνων [μὴ] ταὐτὰ λέγει καὶ γιγνώσκει περὶ τῶν πραγμάτων, ἐξώλη τοῦτον εἶναι (Text nach der Teubner-Ausgabe von N. C. Conomis) sowie Aristoph. Thesm. 331– 351 (hier freilich mit komischer Funktion). Vgl. auch Aischin. or. 1,114; 2,87; 3,99 und besonders eindrucksvoll 3,110 – 111 die προστροπὴ καὶ ἀρὰ ἰσχυρά der Amphiktyonie aus der Zeit des 1. Heiligen Krieges; vgl. ferner das oben zu Balb. 12. 99 – 102 über Eidopfer Gesagte.

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gerrechtsverleihung einerseits ein großes Unrecht gegenüber den treuen und befreundeten Bündnispartnern wäre und andererseits Rom wichtiger Wehrgenossen verlustig ginge (Balb. 39 – 41). In dem letzten Abschnitt der argumentatio de foedere Balb. 41– 43 nutzt Cicero schließlich noch die πίστις ἄτεχνος (zu diesem Begriff vgl. oben den Kommentar zu Balb. 2. 12– 16 Anm. 11) der Zeugen in Gestalt einer gaditanischen Gesandtschaft, deren Erklärung des Balbus zum hospes den Bürgerrechtswechsel des letzteren untermauern soll, da verständlicherweise nur ein Auswärtiger, d. h. in diesem Fall ein Römer, Gastfreund der Gaditaner sein kann, ehe Cicero dann in Balb. 44 den Übergang zum nächsten Abschnitt, d. h. der argumentatio de exemplis, bereitet. Balb. 29. 267– 271 Quod si civi Romano licet esse Gaditanum sive exilio sive postliminio sive reiectione huius civitatis … quid est quam ob rem civi Gaditano in hanc civitatem venire non liceat?: Cicero rekapituliert den vorhergehenden Passus, wobei er auf die Rechtsgleichheit von Römern und Gaditanern schließt, und antizipiert den nächsten großen Themenkomplex des römisch-gaditanischen Bündnisses. Eingeleitet wird der Satz mit einer vermischten Konstruktion (civi Romano licet esse Gaditanum), bei welcher der doppelte Dativ mit der AcI-Konstruktion vermengt wird; letztere würde man üblicherweise nur erwarten, wenn licet ohne eine Dativergänzung stünde; vgl. H.-Sz. 349 f. Gelegentlich kommt diese Vermengung vor, vgl. Caes. Gall. VI 35,8 atque unus ex captivis ʻquid vos’ inquit ʻhanc miseram ac tenuem sectamini praedam, quibus licet iam esse fortunatissimos? Das Konzept des exilium ist hier noch im republikanischen Sinne als freiwillige Rettung vor einer Verurteilung zu verstehen (Cic. Caec. 100 exsilium enim non supplicium est, sed perfugium portusque supplici); erst in der Kaiserzeit wurde die Exilierung bzw. Verbannung als Strafe üblich, weswegen man auch üblicherweise dieses Phänomen als deportatio bzw. relegatio differenziert und dem exilium entgegenhält.¹⁴⁹ Balb. 29. 271– 275 Equidem longe secus sentio. nam cum ex omnibus civitatibus via sit in nostram, cumque … ita mihi maxime communione beneficiorum praemiorum civitatis contineri videtur.: In diesem Passus findet sich erstmalig innerhalb der Rede die „Weg“-Metapher, die eine ähnliche Funktion wie die „Stufen“-Metapher erfüllt (vgl. den Kommentar zu Balb. 18. 160 – 164) und die erneut in Balb. 36 aufgegriffen wird (vgl. den Kommentar zu Balb. 36. 362– 367); speziell zur Formulierung mit patere vgl. Cael. 8 quis est enim cui via ista non pateat und Font. 24 noluerunt ei qui iudicabant hanc patere inimicitiis viam.

 Ausführlich zu diesem Thema hat Grasmück (1978) gehandelt.

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Das Wort secus benutzt Cicero verhältnismäßig selten. Es kommt gelegentlich mit dem Verb existimare vor; vgl. Mur. 31 quod ego longe secus existimo, iudices und Planc. 42 neque nunc multo secus existimo (siehe auch Merguet s.v.). Cum ex omnibus civitatibus via sit in nostram, cumque nostris civibus pateat ad ceteras iter civitates, tum vero eqs.: Zu cum … tum vero siehe oben den Kommentar zu Balb. 27. 244– 249 sowie K.-St. II 350; neben vero tritt auch oft etiam, maxime oder imprimis als modifizierendes Adverb zum tum. Ut quaeque nobiscum maxime societate amicitia sponsione pactione foedere est coniuncta: Die Begriffe societas, amicitia, sponsio, pactio und foedus scheinen hier mehr oder weniger synonym und im Sinne der rhetorischen αὔξησις verwendet zu sein (vgl. Rubio ad loc.); daß Cicero distinkte staatsrechtliche Konzepte vorschwebten, scheint weniger glaublich, zumal sich bspw. sponsio und pactio kaum voneinander unterscheiden lassen und allenfalls im Hinblick auf die Form (spondesne? spondeo) verschiedene Aspekte einer Abmachung betonen; vgl. Reid ad loc. Zur Verwendung des Wortes coniunctus in der Rede vgl. oben zu Balb. 1. 1– 4. Zu den erneut gehäuften Asyndeta societate amicitia sponsione pactione foedere sowie beneficiorum praemiorum civitatis vgl. das oben zu Balb. 13. 105 – 110 Gesagte. Balb. 29. 275 – 278 Atqui ceterae civitates omnes non dubitarent nostros homines recipere in suas civitates, si idem nos iuris haberemus quod ceteri. sed nos non possumus et huius esse civitatis et cuiusvis praeterea, ceteris concessum est.: Der partitive Genitiv iuris, abhängig von idem, vermittelt den Eindruck eines Teilverhältnisses (im Gegensatz zu idem ius oder eadem iura), so daß Cicero möglicherweise der Idee einer völligen Rechtsgleichheit von Rom und anderen civitates aus dem Weg gehen möchte, was gerade im Hinblick auf das folgende Exempel Athens, bei dem dezidiert die Unterschiede Roms und Athens hervorgehoben werden (ceteris concessum est), gut denkbar ist, wenn nicht vielleicht schlichtweg umgangssprachlicher Ausdruck vorliegt; vgl. zum partitiven Genitiv auch Balb. 35 nihil loci sowie grundsätzlich K.-St. I 431 f. Cuiusvis ist Konjektur der editio Romana für das fast allgemein überlieferte cuius (mit Ausnahem von cui E) und ist wegen der Sinnlosigkeit des überlieferten Wortlauts unumgänglich. Balb. 30. 278 – 280 Itaque in Graecis civitatibus videmus Athenis Rhodios Lacedaemonios ceteros undique adscribi multarumque esse eosdem homines civitatum.: H. Schoenberger hat in seiner Arbeit über historische Beispiele in Ciceros Reden auch über „Ciceros Bescheidenheit“ gehandelt, wo er Floskeln zur Einleitung von Beispielen, bes. auswärtigen Beispielen, untersucht, welche die

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Verletzung des Stolzes und der Eigenliebe der Zuhörer verhindern sollen.¹⁵⁰ Schoenberger hat dabei eruiert, daß Cicero als Floskeln u. a. solche wählt, die den Eindruck allgemeiner Bekanntheit erwecken, wie bspw. hier videmus (vgl. auch div. in Caec. 48 und Sest. 143), das vor allem dann benutzt wird, wenn das Beispiel aus geschichtlichen oder literarischen Werken stammt, wärend das Perfekt vidimus stärker auf die eigene Erfahrung zielt (siehe oben zu Balb. 28. 256 – 260). Daneben finden sich auch allgemeinere Formulierungen wie aiunt (vgl. Balb. 12), dicitur, traditur oder dicuntur (so bspw. Balb. 34), zum Teil auch mit Bezugnahme auf die eigene Person (dies verständlicherweise vor allem bei jüngeren Beispielen) memini, vidi, accepi, audivi (vgl. Balb. 2, Balb. 30 im folgenden u. ö.). Das einheitlich überlieferte Athenis muß gegen die Konjektur Athenienses von Pluygers, die Peterson übernommen hat, gehalten werden. Das Asyndeton besteht nur aus Rhodios Lacedaemonios ceteros, der Dativ Athenis ist eine notwendige Ergänzung zu adscribi (vgl. K.-St. I 330). Möglich wäre allenfalls noch die Konstruktion mit ad oder in + Akkusativ, nicht aber in + Ablativ (Arch. 10 quae cum ita sint, quid est quod de eius civitate dubitetis, praesertim cum aliis quoque in civitatibus fuerit ascriptus? ist ein anderer Fall, da dort der adjektivische Charakter des Partizips vorherrscht, zudem ist die Stelle bzw. das in textkritisch nicht unumstritten; vgl. den app. crit. in der Oxford-Ausgabe von Clark. Die übliche Konstruktion von adscribere mit Dativ findet sich bspw. Arch. 7 und 8). Ferner geht es im folgenden exemplum ausschließlich um die Heliaia bzw. den Areopag in Athen, für die Auswärtige nach ihrer Einbürgerung tätig werden können, nicht generell um griechische civitates; die Präpositionalphrase in Graecis civitatibus ist im Sinne von „was betrifft, im Hinblick auf“ zu verstehen.¹⁵¹ Balb. 30. 280 – 285 Quo errore ductos vidi egomet non nullos imperitos homines … in aliam se civitatem dicavit.: Diese Stelle hat im Hinblick auf das attische Gerichtswesen zur Zeit der Rede Probleme bereitet. Mit den iudices sind gewiß die Heliasten gemeint, die hier mit den Areopagiten zusammengestellt werden (vgl. Reid, Rubio, Bonfiglioli ad loc.), mit dem modalen Ablativ certa tribu die attischen φυλαί, aus denen jeweils 600 Bürger zum Geschworenendienst rekrutiert wurden, so daß sich bei einer Zahl von 10 Phylen eine Gesamtzahl von 6000 Heliasten ergibt, womit vermutlich am einfachsten certo numero erklärt werden könnte. Indessen ist dieser letzte Punkt strittig. Reid ad loc. hatte angenommen, daß sich certo numero auf den attischen πίναξ oder das πινάκιον bezieht, auf dem der Name eines jeden Geschworenen stand sowie ein Buchstabe als

 Vgl. Schoenberger (1910), 57 ff.  Vgl. Busche (1896), 567.

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Zahlzeichen (certo numero), der den Gerichtshof anzeigte.¹⁵² Gegen diese Auffassung hat sich James H. Oliver gewendet, der bezweifelt, daß die Einrichtung dieser πινάκια aus der Zeit des klassischen Athen im Jahre 56 v.Chr. noch Bestand hatte, und darüber hinaus anmerkt, daß deren Erwähnung für einen Römer nicht von Belang gewesen wäre.¹⁵³ Olivers eigene Erklärung scheint indessen noch bemühter. Er zieht den Persius-Scholiasten heran, der zu Pers. 5,73 schreibt: Romae autem erat consuetudo, ut omnes qui ex manumissione cives Romani fiebant, in numero civium Romanorum frumentum publicum acciperent. Oliver bringt die Stelle also mit der Liste für die frumentationes in Zusammenhang und argumentiert folgendermaßen: Um auf diese Liste zu kommen, war Ansässigkeit in Rom Voraussetzung, was Cicero dann auf die griechischen Verhältnisse überträgt; Oliver paraphrasiert Ciceros Worte so: „These fellow-citizens of ours had not only accepted privileges [sc. in numero iudicum] and full citizenship [sc. certa tribu] at Athens but had established their domicile [sc. certo numero] in Attica after a mutatio civitatis.“¹⁵⁴ Es regen sich diverse Bedenken: Zunächst kann man fragen, wie zuverlässig die Persius-Scholien generell sind und darüber hinaus welche Aussagekraft sie für die spätrepublikanischen Verhältnisse und daher für die Erklärung Ciceros haben. Zudem muß man sich fragen, ob Cicero in einer derartigen Weise römische Verhältnisse auf griechische übertragen würde. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß die Usancen der Frumentationen, die Oliver an Cicero herantragen möchte, viel eher auf kaiserzeitliche Verhältnisse zutreffen, wofür folgende Gründe sprechen: 1. Es gibt zwar bei Cassius Dio XXXIX 24,1 (zum Jahre 57 v.Chr.) die Notiz, daß Pompeius einen recensus (ἀπογραφή) seiner Freigelassenen (s.o. das Persius-Scholion ex manumissione) erstellen wollte, damit sie ihr Korn regulär beziehen konnten, doch schreibt M. I. Rostowzew: „Dieselbe Stelle scheint aber zu bezeugen, daß trotz der Existenz eines Verzeichnisses in den Kornverteilungen keine Ordnung herrschte und das Korn auch an die Nichtverzeichneten verteilt wurde. Diese Unordnung ergab zur Zeit der Alleinherrschaft Caesars die enorme Summe von 320000 wohl nur zum Teile in die Listen eingetragenen Kornempfängern“.¹⁵⁵ Dies spricht gegen eine Formulierung wie certo numero. 2. Bei Persius selbst in Satire 5,73 – 75 (was Oliver gar nicht zitiert) heißt es: libertate opus est: non hac, ut quisque Velina | Publius emeruit, scabiosum tesserula far | possidet. Das Diminutiv tesserula nun zielt ganz eindeutig auf die tesserae frumentariae; mit diesen Marken wurden die Vertei   

Zu den attischen Geschworenengerichten vgl. Lipsius (1905/15), 134– 166. Vgl. Oliver (1981), 87 Anm. 17. Vgl. Oliver (1981), 87. Rostowzew (1910), 175.

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lungen (vor allem die außerordentlichen Verteilungen) möglicherweise nach dem Vorbild der attischen πινάκια kontrolliert und geordnet. Diese Marken gab es aber erst seit der Zeit des Augustus und würden erst dann in der Tat zu certo numero passen. Nun folgt vielleicht nicht zwingend etwas aus dem Wortlaut des Persius für das, was der Scholiast im Sinn hatte; es scheint aber doch wahrscheinlicher, daß dieser ebenso wie Persius kaiserzeitliche Verhältnisse vor Augen hatte. Der Erwähnung wert ist im übrigen auch, was W. Kißel zu Pers. 5,74– 75 schreibt: „Während der Kaiserzeit stand jedem freien römischen Bürger […] grundsätzliche Teilnahme an der öffentlichen Getreideverteilung (frumentatio) zu – vorausgesetzt, er selbst war aus Rom gebürtig und sein Name hatte durch Los in das numerisch begrenzte Verzeichnis der Berechtigten Eingang gefunden.“¹⁵⁶ Olivers Erklärung scheint daher zu weit hergeholt zu sein; und selbst Reids noch relativ einfache Erläuterung von certo numero durch die πινάκια ist m. E. nicht notwendig. Es könnte schlichtweg ein Hinweis auf die festgelegte Zahl von 600 Bürgern pro Tribus (bzw. Phyle) sein, die dann den Gerichtshof von 6000 Heliasten konstituieren. Nemo umquam qui hanc civitatem retinere vellet in aliam se civitatem dicavit.: Zu konsekutiven Relativsätzen vgl. oben den Kommentar zu Balb. 4. 24– 27. Speziell zu dieser Stelle vgl. J. Lebreton (1901), 325. Siehe auch Balb. 43 multa praetereo quae cotidie labore huius et studio aut omnino aut certe facilius consequantur und Balb. 62 sed si qui sunt quibus infinitum sit odium eqs. Balb. 30. 286 – 292 Sed hic totus locus disputationis atque orationis meae, iudices … civitate donare possimus.: Cicero resümiert und bekräftigt erneut die Bedeutungslosigkeit der Frage nach dem foedus; zur Formulierung proprium foederum vgl. oben Balb. 20. Gleichzeitig dient diese weitere Betonung der Bedeutungslosigkeit jedoch gerade zur Überleitung zu just diesem Thema. Cicero stellt hier die Freizügigkeit des Domizil- und Bürgerrechtswechsels geradezu wie ein allgemeingültiges Völkerrecht dar; auf Ausnahmen kommt er indessen selbst in Balb. 32 zu sprechen. Defendo enim rem universam, nullam esse gentem ex omni regione terrarum: Zum epexegtischen AcI nullam esse gentem vgl. oben zu Balb. 1. 7– 10. Neque tam dissidentem a populo Romano odio quodam atque discidio neque tam fide benevolentiaque coniunctam: Die Konstruktion neque tam dissidentem a populo Romano … neque tam coniunctam ist ein wenig zeugmatisch; man wird sich zu coniunctam eine Präpositionalphrase wie cum populo Romano hinzudenken müssen; vgl. oben Balb. 1. 1– 4 und grundsätzlich zu derartigen Ergänzungen K.-St. II 563 f. Darüber hinaus mutet der gesamte Satz defendo enim

 Kißel (1990) ad loc.

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rem universam eqs. durch die Hinzufügung des neque tam coniunctam-Kolons paradox an, doch ist die Erwähnung von befreundeten Bürgerschaften zum einen wesentlich, da Cicero schließlich im Verlauf der Rede nicht müde wird, die enge freundschaftliche Verbindung Roms mit Gades zu betonen und für Gades die Möglichkeit des Bürgerrechtswechsels vindiziert werden soll, zum anderen weil das entscheidende juristische Substrat der Anklage offenbar gerade der föderierte Status von Gades gewesen ist. Ex qua nobis interdictum sit ne quem adsciscere civem aut civitate donare possimus.: Das Relativpronomen qua muß sich auf gens beziehen, da sich der Konjunktiv im Relativsatz aller Wahrscheinlichkeit nach durch den konsekutiven Nebensinn erklärt (tam dissidentem und tam … coniunctam) und dieser nur möglich ist, wenn er durch tam dissidentem und tam coniunctam gentem bedingt ist, nicht etwa durch fides oder benevolentia. Im übrigen bliebe nullam gentem andernfalls zu unbestimmt. Da sich nun das Pronomen aber auf die gens bezieht, liegt hier eine kleinere Satzverschränkung vor, weil die Präpositionalphrase ex qua eigentlich erst zu ne quem adsciscere civem gehört, nicht zu nobis interdictum sit. Derartige Verschränkungen begegnen nicht allzu häufig, kommen aber gelegentlich vor; eine ganz parallele Stelle aus Cicero ist bspw. fin. II 53 sunt enim levia et perinfirma, quae dicebantur a te, animi conscientia improbos excruciari, tum etiam poenae timore, qua aut afficiantur aut semper sint in metu ne afficiantur aliquando; vgl. K.-St. II 628. Dieser Fall hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem proleptischen Voranstellen eines Themas mit der Präposition de; vgl. Cic. fam. XVI 16,1 de Tirone, mi Marce, ita te meumque Ciceronem et meam Tulliolam tuumque filium videam, ut mihi gratissimum fecisti, quod eum indignum illa fortuna ac nobis amicum quam servum esse maluisti. ¹⁵⁷ Balb. 31. 292 – 297 O iura praeclara … sui quemque iuris et retinendi et dimittendi esse dominum.: Erneut wird die Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft verteidigt und gepriesen. Bezeichnend dabei ist die Formulierung ne quis nostrum plus quam unius civitatis esse possit, womit Cicero ganz richtig den Geltungsbereich auf die römischen Bürger beschränkt. Zwar gilt Balbus als römischer Bürger, solange ihm dieser Status nicht durch gerichtlichen Beschluß entzogen wird, doch steht ja genau dieser Status hier in diesem Prozeß zur Disposition. Cicero setzt hier voraus, was erst der Ausgang der Verhandlung ans Tageslicht bringen soll. In Balb. 43 wird dann die gaditanische Gesandtschaft erwähnt, die bezeugt, daß Balbus Römer und damit eben nicht mehr Gaditaner ist (zumindest nach der hier vorgetragenen Auffassung von doppelter Staatsbür-

 Vgl. hierzu Rosén (1992), 248 f.

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gerschaft). Zu den pathetischen Ausrufen vgl. das oben zu Balb. 13. 105 – 110 Gesagte. Iam inde a principio Romani nominis a maioribus nostris comparata: Die Junktur iam inde a principio Romani nominis wirkt neben der gleich darauf folgenden Präpositionalphrase a maioribus nostris etwas sperrig, da wir hier direkt hintereinander zweimal die Konstruktion mit a/ab haben. Die Verbindung iam inde a ist jedoch recht üblich und kommt gehäuft im Lateinischen seit der frühen Kaiserzeit vor; vgl. H.-Sz. 257. Ne quis invitus civitate mutetur, neve in civitate maneat invitus: Zur Konstruktion mutare civitatem im Gegensatz zu civitate mutari vgl. den Kommentar zu Balb. 27. 249 – 254. Haec sunt enim fundamenta firmissima nostrae libertatis: Zur Formulierung fundamenta firmissima vgl. Cael. 5 videor mihi iecisse fundamenta defensionis meae, quae firmissima sunt si nituntur iudicio suorum; von den Gesetzen allgemein als einem fundamentum libertatis spricht Cicero Cluent. 146. Balb. 31. 297– 302 Illud vero sine ulla dubitatione maxime nostrum fundavit imperium et populi Romani nomen auxit … largitio et communicatio civitatis.: Cicero trägt hier – wie es scheint – einen Gemeinplatz römischer Rhetorik vor, der für den vorliegenden Fall selbstverständlich mehr als angemessen ist. Die Offenheit für Zulauf aus fremden Völkerschaften wird auf keinen geringeren als den Begründer Roms selbst zurückgeführt und nicht allein das, sondern gerade diese Offenheit wird zudem als Grund für Roms Stärke und Größe bezeichnet; vgl bspw. auch Liv. IV 3,13 (Rede des Canuleius): ergo dum nullum fastiditur genus in quo eniteret virtus, crevit imperium Romanum. paeniteat nunc vos plebeii consulis, cum maiores nostri advenas reges non fastidierint, et ne regibus quidem exactis clausa urbs fuerit peregrinae virtuti? und pointiert formuliert von Plutarch, Rom. 16,3 τούτου μὲν οὖν οὐκ ἔστιν ὅ τι μᾶλλον ηὔξησε τὴν Ῥώμην, ἀεὶ προσποιοῦσαν ἑαυτῇ καὶ συννέμουσαν ὧν κρατήσειεν. Einer ähnlichen Argumentation hat sich bekanntlich auch Kaiser Claudius 48 n.Chr. bei der Vergabe des ius honorum an die Gallier bedient; vgl. Tac. ann. XI 24 (wo übrigens auch die Balbi Erwähnung finden) sowie die Bronzetafel aus Lyon CIL XIII 1668, welche die (möglicherweise) echte Rede des Kaisers überliefert hat.¹⁵⁸ Dieselbe Formulierung wie hier wählt Cicero auch S. Rosc. 50 quibus rebus et agris et urbibus et nationibus rem publicam atque hoc imperium et populi Romani nomen auxerunt; vgl. ferner Mur. 33 (zusammen mit opes) und Pis. 32.

 Vgl. zu diesem Thema und den Stellen Todisco (2011), 482 Anm. 20. Vgl. auch die neue Edition der Inschrift von Malloch (2020); speziell zur Beziehung zu Tacitus s. S. 51– 61.

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Balb. 31. 302 – 307 Itaque et ex Latio multi … violatum foedus eorum videretur.: Im Jahre 338 v.Chr. wurde der latinische Bund aufgelöst und einige Stadtstaaten der Hegemonialmacht Rom eingemeindet. Offenbar wurden dadurch allerdings bloß tatsächlich bereits existierende Machtverhältnisse staatsrechtlich und politisch untermauert, da das vermeintliche foedus aequum mit Rom eben nur vermeintlich aequum gewesen war; vgl. Liv.VIII 4,2 (sub umbra foederis aequi) sowie Mommsen, StR III 1,617– 620.¹⁵⁹ Die juristische Relevanz all dieser Fälle von Inkorporierung ganzer Gemeinden, sowohl der latinischen Gemeinden als auch der nicht-latinischen der Sabiner, Volsker und Herniker, die hier genannt werden, ist für den vorliegenden Prozeß über eine Bürgerrechtsverleihung singillatim mehr als fraglich.¹⁶⁰ Itaque et ex Latio multi, ut Tusculani, ut Lanuvini, et ex ceteris regionibus gentes universae in civitatem sunt receptae: In diesem Satz kongruiert das Partizip des Prädikats receptae mit dem nächst stehenden Substantiv gentes, wie es der Regelfall ist; vgl. oben zu Balb. 17. 145 – 149 sowie K.-St. I 46 f. und J. Lebreton (1901), 11 ff. Die Junktur in civitatem recipere findet sich nochmals in Balb. 52 multi in civitatem recepti ex liberis foederatisque populis. Eine weitere, ganz ähnliche Junktur ist in civitatem suscipere, wie wir sie in Ciceros Behandlung der doppelten Staatsbürgerschaft zu Beginn des zweiten Buches von De legibus finden (II 5): ut ille Cato, cum est Tusculi natus, in populi Romani civitatem susceptus est. Regionibus ist Konjektur von F. K. Rumpf für das einheitlich überlieferte generibus, das in der Tat schwer zu verstehen wäre: „Si enim contendas, genera hoc loco significare populos (quorum quemque pluribus constare gentibus), difficile est dictu, cur Cicero Latio, Italiae regioni, non alias regiones, sed genera, i. e. populos opposuerit“.¹⁶¹ Wie Rumpf weiter ausführt, sucht man nach einer anderen sinnvollen Bedeutung von genus in diesem Zusammenhang vergebens, während regionibus bestens Sinn ergibt. Quibus ex civitatibus nec coacti essent civitate mutari, si qui noluissent, nec si qui essent civitatem nostram beneficio populi Romani consecuti, violatum foedus eorum videretur.: Durch den letzten Satz wird vollends deutlich,

 Zur Auflösung des Latinerbundes vgl. auch Sherwin-White (1973), 59. Zu Lanuvium und Tusculum vgl. Liv. VIII 14,2– 4. Tusculum ist offenbar sogar schon früher inkorporiert worden (um 380 v.Chr.), vgl. Sherwin-White (1973), 64 und Cic. Planc. 19, wo Cicero von Tusculum als einem municipium antiquissimum spricht.  Vgl. Sánchez (2007), 217 Anm. 8: „Ces prétendus parallèles n’ont rien à voir avec la naturalisation à titre individuel de Balbus, et ils tendent même à affaiblir l’argumentation de Cicéron.“ Contra Todisco (2011), 482 Anm. 21. Zum Thema der kollektiven und der individuellen Bürgerrechtsverleihung vgl. auch Kaden (1912), 46 – 48.  Rumpf (1814), 11.

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daß Ciceros Vergleich der historischen Exempel mit dem vorliegenden Fall hinkt, da nicht recht einzusehen ist, wie überhaupt von einem violatum foedus die Rede sein kann, wenn es um eingemeindete Munizipien geht, worauf die vorige Formulierung gentes universae hindeutet. Balb. 32. 308 – 311 Etenim quaedam foedera exstant, ut Cenomanorum Insubrium Helvetiorum Iapydum, non nullorum item ex Gallia barbarorum … necesse est licere.: Cicero kommt nun zum eigentlichen Wortlaut des gaditanischen foedus, das offenbar nach dem, was wir mit Bezug auf die Anklage rückschließen können, entweder eine Exzeptionsklausel enthalten oder zumindest in irgendeiner Form die Annahme des römischen Bürgerrechts durch einen Gaditaner anfechtbar gemacht haben soll. Cicero freilich leugnet das, wie er ja allgemein die juristische Bedeutung des foedus herunterspielt. Zunächst konzediert er die Existenz von Exzeptionsklauseln in Bündnissen und zählt dabei die Cenomannen und Insubrer aus der Gallia cisalpina sowie die Helvetier und die venetisch-illyrischen Iapyden auf und deutet darüber hinaus an, daß weitere entsprechende Bündnisse mit barbarischen Stämmen aus der Gallia (in dem Fall wohl der transalpina) existieren. Bei alldem gibt es das Problem, daß unklar ist, in welchem Verhältnis genau die hier genannten Stämme zum Zeitpunkt der Rede zu Rom standen. J. G. P. Best und B. H. Isaac haben es zweifelhaft erscheinen lassen, daß die foedera noch gültig und juristisch relevant waren. Die Phrase foedera exstant setzen sie gleich mit memoriae traditum esse: „The phrase foedera exstant therefore means no more than that the treaties were still known and available for inspection in the aerarium. Cicero’s words do not necessarily imply that the treaties were still in force in his time or legally valid.“¹⁶² Best und Isaac widmen sich in ihrem Aufsatz insbesondere den Helvetiern, die nach der Kampagne Caesars im Jahre 58 vermutlich von foederati zu stipendiarii geworden waren. Wenn nun all diese Bündnisse zum Zeitpunkt der Rede keine Gültigkeit beanspruchen konnten, geben diese exempla an unserer Stelle für Ciceros Argumentation verständlicherweise wenig her. Es ist darüber hinaus natürlich auch möglich, daß wir mit ganz verschiedenartigen Bündnissen und sehr unterschiedlichen Bestimmungen und Konzessionen zu rechnen haben (s. oben die Einleitung S. 22 zu den Begrifflichkeiten „subordiniertes Bündnis“ und „koordiniertes Bündnis“). Quorum in foederibus exceptum est, ne quis eorum a nobis civis recipiatur.: Zu dieser perfekt-passivischen Formulierung mit negiertem Finalsatz vergleiche auch Verr. II 5,50 si eius modi esse haec duo foedera duorum populorum,

 Best/Isaac (1977), 23. In eine ähnliche Richtung wie Best und Isaac geht bereits Horn (1930), 54 f., der sich ferner gegen die Auffassung wendet, eine Exzeptionsklausel sei ein Indikator für ein besonders günstiges foedus. So bspw. bei Sánchez (2007), 226 und 230.

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iudices, doceo, ut Tauromenitanis nominatim cautum et exceptum sit foedere, ne navem dare debeant, Mamertinis in ipso foedere eqs.; mit anschließendem abhängigen Interrogativsatz statt ne-Satz in Cluent. 120. Auch das Verb cavere kommt in diesen Zusammenhängen vor, d. h. bei Bündnissen oder Gesetzen (wie auch in der Verres-Stelle), vgl. Balb. 37 et simul absurda res est caveri foedere ut eqs. Quod si exceptio facit ne liceat, ubi necesse est licere.: Die Ergänzung an dieser Stelle stammt wie so oft von Madvig und könnte in der Art der Diktion durch ähnliche Umkehrschlüsse aus den rhetorischen loci communes gerechtfertigt werden; vgl. z. B. Cic. inv. II 45 facilius autem ad inventionem animus incidet, si gesti negotii et suam et adversarii narrationem saepe et diligenter pertractabit et, quod quaeque pars suspicionis habebit, eliciens considerabit, … quid factum sit, quod non oportuerit, aut non factum, quod oportuerit. Zwar zieht Madvig diese oder eine andere ähnliche Stelle nicht heran, doch erfordert allein der Sinn einen derartigen Wortlaut.¹⁶³ Wenn diese von Madvig konjizierte Formulierung Ciceronisch sein sollte, liegt – wie K. A. Barber bemerkt – streng genommen ein Fehlschluß vor, da dann an dieser Stelle keine anderen Gründe, weswegen eine Bürgerrechtsverleihung unrechtmäßig sein sollte, Berücksichtigung gefunden hätten, sondern nur Exzeptionsklauseln, auf die sich Cicero allerdings an dieser Stelle auch kapriziert.¹⁶⁴ Balb. 32. 312 – 314 Ubi est igitur foedere Gaditano, ne quem populus Romanus Gaditanum recipiat civitate? nusquam. ac sicubi esset, lex id Gellia et Cornelia, quae definite potestatem Pompeio civitatem donandi dederat, sustulisset.: Cicero spielt gleich zu Beginn seiner Besprechung des foedus seinen stärksten juristischen Trumpf. Es gebe im Bündnis mit Gades keine Exzeptionsklausel, und selbst wenn eine existierte, würde sie durch die lex Gellia Cornelia aufgehoben. Kurioserweise ist das Thema damit aber nicht beendet; im Gegenteil läßt sich Cicero dann im folgenden noch dazu herab, den Begriff sacrosanctum zu klären sowie die Majestätsklausel zu besprechen usw., was die Frage aufwirft, ob nicht möglicherweise doch etwas für Cicero bzw. Balbus Ungünstiges im gaditanischen Bündnis (oder aber in der rogatio Gellia Cornelia, s.u. zu Balb. 33. 318 – 320) gestanden haben mag. Es ist indessen auch nicht unmöglich, daß Cicero hier sein Argument „Nicht X, und selbst wenn X, dann trotzdem nicht Y“ schlichtweg inhaltlich und rhetorisch ausarbeitet, ohne durch die Rechtslage oder die Doku Vgl. Madvig (1887), 431.  Vgl. Barber (2004), 56. Barber macht dabei nicht deutlich, daß der Wortlaut konjiziert ist, ein Mißstand, der gerade im Hinblick auf diese Stelle häufig anzutreffen ist; so bspw. schon Gasquy (1886), 64, der sich auf die erste Auflage der Opuscula Madvigs von 1834/1842 bezieht, und Sánchez (2007), 217 Anm. 9 und 227 Anm. 43.

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mente gewissermaßen gezwungen gewesen zu sein, auf diesen Punkt verstärkt einzugehen.¹⁶⁵ Das in vor foedere ist Konjektur von Halm und verständlicherweise an dieser Stelle erforderlich. Mit Bezug auf einzelne Stellen oder Klauseln wird in aliquo esse oft bei Dokumenten verwendet; vgl. S. Rosc. 128 opinor enim esse in lege quam ad diem proscriptiones venditionesque fiant und Liv.VIII 2,13 in foedere Latino nihil esse, quo bellare, cum quibus ipsi volint, prohibeantur. Die Konstruktion potestatem Pompeio civitatem donandi ist zumindest für Cicero recht ungewöhnlich, aber nicht vollkommen unmöglich. Müller hatte civitate konjiziert (in der adnotatio critica seiner Ausgabe, p. L); tatsächlich findet sich das Verb donare in dieser Rede häufig in der Konstruktion aliquem aliqua re donare (bspw. Balb. 7 und 19). Doch ist auch die Konstruktion mit direktem und indirektem Objekt möglich; in beiden Fällen ist das Akkusativobjekt obligatorisch, während die jeweils andere Ergänzung, d. h. indirektes Dativobjekt einerseits und adverbiale Ergänzung im Ablativ andererseits, fakultativ ist (vgl. oben zu Balb. 6. 48 – 52). Eher hätte Müller civitatis donandae konjizieren können, doch selbst diese sonst übliche Gerundivkonstruktion ist nicht zwingend notwendig. Das Gerundium mit Akkusativobjekt ist bei Cicero ausgesprochen selten, kommt aber zuweilen vor, vgl. bspw. inv. I 36 consilium est aliquid faciendi aut non faciendi ecogitata ratio; vgl. auch K.-St. I 734 f. und H.-Sz. 372 f. Vgl. auch das, was A. Klotz im app. crit. seiner Ausgabe zu dieser Stelle geschrieben hat: „effertur enim hic donandi notis, sicut alibi civitatis, quamobrem hic gerundium cum accusativo recte positum“. Balb. 32. 315 ʻExceptum’ inquit ʻest foedus, si quidem sacrosanctum est.’: In einem Zitat des Anklägers wird hier erstmalig der Begriff sacrosanctum eingeführt, den Cicero im folgenden (in Balb. 33) ausführlich behandeln wird; siehe auch oben S. 106 f. Der Gedankengang hier und im folgenden ist ausgesprochen schwierig nachzuvollziehen, was auch textkritische Erwägungen nach sich gezogen hat. Der überlieferte Wortlaut si quidem wird oft geändert in das von b (ein neuzeitlicher Codex Florentinus) konjizierte si quid; so bspw. in der Ausgabe von Peterson und zuletzt bei Espluga/Moncunill. Reid, der ebenfalls si quid in den Text setzt, hat in seinem Kommentar (in der Appendix zum Text auf Seite 106) die Stelle folgendermaßen paraphrasiert: „ʻthe Gaditane treaty is excepted under the clause (supply illis verbis as below, l. 18) si quid etc.’ The sentence is slightly elliptic, as is the case very often when legal forms are quoted.“ Mit letztem Satz setzt

 Zu diesem „argument pattern“ vgl. Kinsey (1971) zu Quinct. 60 (neque quemquam attinebat id recusare). Daß Cicero sich mitunter gerne ausbreitet und Wissen sowie Rhetorik aufblitzen läßt, ist aus den Verrinen hinlänglich bekannt, wenngleich die zweite actio natürlich nie gehalten wurde.

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Reid jedoch voraus, was zunächst zur Disposition steht, denn die Frage, ob hier ein Dokument zitiert wird oder nicht, bildet gerade den Dreh- und Angelpunkt der weiteren Frage, ob si quidem oder si quid zu schreiben ist. Die Junktur illis verbis ergänzt Reid aus dem folgenden Passus in Balb. 33 (nec quicquam illis verbis SI QUID SACROSANCTUM EST), wo gewiß ein Zitat aus einem Dokument vorliegt, während hier nur der Ankläger zitiert wird; vgl. auch A. Klotz im app. crit. seiner Ausgabe. Reid, Peterson und Espluga/Moncunill entscheiden sich dafür, daß auch hier der Ankläger bereits die offizielle juristische Formulierung zitiert und drucken folgerichtig auch an dieser Stelle si quid sacrosanctum est groß. Doch, wie man sieht, muß dabei nicht nur der überlieferte Wortlaut verändert, sondern auch der Sinn strapaziert bzw. gedankliche Ergänzungen vorgenommen werden. M. E. ist die Überlieferung tragbar; nach Ciceros Argument, daß die lex Gellia Cornelia mehr juristisches Gewicht habe als der Wortlaut des gaditanischen Bündnisses, antwortet der Ankläger: „Ausgenommen ein Bündnis, sofern es sakrosankt ist.“ oder auch: „Ausgenommen das gaditanische Bündnis, da es ja sakrosankt ist.“ (Zur kausalen Bedeutung von si quidem siehe Cic. Tusc. I 3 nam cum apud Graecos antiquissimum e doctis genus sit poetarum, si quidem Homerus fuit et Hesiodus ante Romam conditam, Archilochus regnante Romulo, serius poeticam nos accepimus sowie grundsätzlich K.-St. II 427). Cicero wird dann in Balb. 33 damit antworten, daß in der rogatio vor der Volksversammlung für die lex Gellia Cornelia mit keinem Wort eine sakrosankte Klausel, d. h. eine Art Beschwörungsklausel, erwähnt wird und daher der lex auch keine Einschränkungen durch foedera gemacht werden, womit Cicero voraussetzt, daß derartige Klauseln explizit aufgenommen werden müßten, was der Ankläger möglicherweise bestritten haben würde. Cicero ist also in kurzer Zeit vom Thema des Wortlautes des gaditanischen foedus zum Thema des Wortlautes der lex bzw. rogatio Gellia Cornelia übergegangen, um dann die Debatte vollends bei der Semantik des Begriffes sacrosanctum enden zu lassen. Balb. 32. 315 – 318 Ignosco tibi, si neque Poenorum iura calles (reliqueras enim civitatem tuam) neque nostras potuisti leges inspicere; ipsae enim te a cognitione sua iudicio publico reppulerunt.: Mit großer Malice verhöhnt Cicero den Ankläger zunächst als einen Fremden (das Wort Poenorum im Gegensatz zu Gaditanorum ist hier sicherlich bewußt gewählt, um nicht zugleich den eigenen Klienten in Mißkredit zu bringen) und als einen verurteilten Delinquenten. Ein kleines Problem bereitet dabei der Hinweis auf die Einsicht der Gesetze. Üblicherweise nimmt man an, daß der gaditanische Ankläger irgendwann das römische Bürgerrecht erlangt und es dann in einem öffentlichen Strafverfahren wieder eingebüßt habe, was dann die Unmöglichkeit der Kenntnisnahme der Gesetze impliziere (vgl. Bonfiglioli ad loc. und Reid, S. 11). So eindeutig ist die Sachlage jedoch nicht. Zunächst muß Ciceros Aussage schon dahingehend hyperbolisch

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verstanden werden, daß Gesetze grundsätzlich zumindest während der Phase der Promulgation öffentlich ausgestellt wurden und daher von einer Beschränkung der Einsichtnahme nicht die Rede sein kann (vgl. Mommsen, StR III 1,370 f.). Das Verb inspicere kann also nur auf bereits (in Tempeln, vor allem dem Aerar, vgl. Mommsen, StR II 1,545 ff.) archivierte Gesetze zielen (so auch Rubio ad loc.). Eindeutige Belege dafür, daß archivierte Gesetze sowie generell offizielle Dokumente nur von römischen Vollbürgern eingesehen werden durften, scheint es jedoch nicht zu geben. In Mommsens Staatsrecht findet sich zumindest ein annähernder Hinweis mit Bezug auf Senatsconsulte: „Die Quästoren oder vielmehr deren Schreiber legen dem, der die Abschrift wünscht und sich dafür legitimirt, den betreffenden Band vor“.¹⁶⁶ Wie eine solche Legitimation aussieht, wird indessen nirgendwo geklärt. Man wird bei alledem Cicero nicht allzu leichtfertig eine grobe Unwahrheit unterstellen können, weswegen die Aussage an dieser Stelle mutmaßlich irgendein fundamentum in re haben dürfte. Es ist durchaus denkbar, daß die Quästoren im Aerar Bürgerlisten hatten und Nicht-Römern die Einsicht verweigerten. Auch ist nicht unmöglich, daß man Listen besaß, die durch eine nota die infamia bezeugten bzw. die Bescholtenheit. Es ist m. E. nämlich nicht endgültig ausgemacht, daß der Ankläger tatsächlich das römische Bürgerrecht verloren hatte, da bei strenger Auslegung des Gesetzes ein Nicht-Bürger eigentlich nicht als accusator in einem öffentlichen Prozeß auftreten konnte (abgesehen natürlich vom Repetundenverfahren); der Nicht-Bürger konnte nicht als Vertreter der römischen Gemeinde erscheinen.¹⁶⁷ Vielleicht muß man also annehmen, daß hier nur von einer Beschränkung bürgerlicher Rechte aufgrund der infamia die Rede ist, da diese Rechte durch ein Strafverfahren durchaus eingeschränkt oder erweitert (vgl. Balb. 54 und 57) werden konnten, je nachdem, ob man das Verfahren verlor oder gewann; am bekanntesten und nächstliegenden dürfte der Verlust des passiven Wahlrechts sein.¹⁶⁸ Der letztgültige positive Beweis, daß durch die infamia das Recht, Gesetze im Aerar einzusehen, beschränkt wurde, fehlt allerdings nach wie vor. Im Gegenteil deuten die erhaltenen Indizien in die andere Richtung. In der lex Irnitana z. B., einem Stadtrecht des spanischen Munizipiums Irni aus der Zeit Vespasians, wird mehfach die Notwendigkeit betont, den Gesetzestext öffentlich und gut lesbar auszustellen, was durch die wiederkehrende Formel d(e) p(lano) r(ecte) l(egi) p(ossint) geschieht (vgl. Rub. 85,37; 86,23 und 95,10).¹⁶⁹ Wie im Falle der Promulgation scheint also stets auf Publi Mommsen, StR III 2,1013 Anm. 2.  Vgl. Mommsen (1899), 368.  Vgl. Mommsen (1899), 993 ff.  Der Text und die Rubrizierung folgen der zweisprachigen Ausgabe von Wolf (2011). Daß kaiserzeitliche Munizipalgesetzgebungen aus Spanien für den hier vorliegenden Fall vielleicht

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kation von Gesetzestexten Wert gelegt worden zu sein, was die Zweifel an Ciceros Worten verstärkt. Vielleicht ist Ciceros Aussage ein Reflex auf die archaische Zeit, als Sakralrechtliches sowie Fasten vor dem Zugriff der Menge geschützt werden sollten (vgl. Mommsen, StR II 1,41– 44 und Liv. VI 1,10 zum Jahre 389 v.Chr.: in primis foedera ac leges – erant autem eae duodecim tabulae et quaedam regiae leges – conquiri, quae non conparerent, iusserunt. alia ex eis edita etiam in vulgus; quae autem ad sacra pertinebant, a pontificibus maxime, ut religione obstrictos haberent multitudinis animos, suppressa sowie Cic. Att. VI 1,8 quid ergo profecit quod protulit fastos? occultatam putant quodam tempore istam tabulam, ut dies agendi peterentur a paucis), doch muß dies reine Spekulation bleiben, zumal auch hier sich keine Differenzierung der Legitimation von Bürgern bzw. der fehlenden Legitimation von Nicht-Bürgern findet. Es wird hier zum ersten Mal erwähnt, daß Gades punische bzw. phönizische Wurzeln hat. Im heutigen Cádiz haben bereits im 9. Jhd. v.Chr. Phönizier gesiedelt, die dort offenbar auch ein bedeutendes Melqart-Heiligtum einrichteten (vgl. die Trogus-Epitome Iust. XLIV 5,2 nam cum Gaditani a Tyro, unde et Karthaginiensibus origo est, sacra Herculis per quietem iussi in Hispaniam transtulissent urbemque ibi condidissent eqs.).¹⁷⁰ Wie die Trogus-Stelle zeigt, wurde Melqart mit Herakles gleichgesetzt, der im Verlauf der Rede ebenfalls noch eine Rolle spielen wird (s. Balb. 39). Das Verb callere kommt nur hier bei Cicero vor; es gibt zwei Stellen im Corpus der Ciceronischen Briefe, an denen callere begegnet, interessanterweise aber jeweils nicht von Cicero selbst; vgl. ad Brut. I 17,5 (von Brutus an Atticus)¹⁷¹: quanto autem magis illa callere videtur Philippus, qui privigno minus tribuerit quam Cicero, qui alieno tribuat! und fam. IV 5,2 (von Ser. Sulpicius Rufus): aut qui non in illis rebus exercitatus animus callere iam debet atque omnia minoris existimare? ¹⁷²; der transitive Gebrauch ist dabei insgesamt häufiger belegt als der intransitive (s. ThlL s.v.).

nicht durchschlagend sind, ist unbestritten; auf der anderen Seite liegt jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach den Stadtrechten der Munizipien (zumindest der spanischen) eine gemeinsame latinische Vorlage zugrunde, wie Wolf (2012), 38 f. mit Hinweis auf die Stadtrechte von Malaca und Salpensa hervorhebt. Daß man sich bei der Konzeption der Gesetze am römischen Vorbild orientierte, ist durchaus nicht unwahrscheinlich.  Zur phönizischen Besiedlung Spaniens vgl. Morstadt (2015), 138 – 143.  Der Brief ist höchstwahrscheinlich unecht; vgl. Shackleton Bailey (1980), 10 ff.  Shackleton Bailey (1977), ad loc. will callere hier allerdings in der ursprünglichen Bedeutung indurescere verstanden wissen und wendet sich gegen den Eintrag im ThlL, wo diese Stelle als Beispiel für die übertragene Bedeutung scire, callidum, peritum esse aufgeführt wird.

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Die Junktur cognitione sua ist einer der wenigen Belege für die Verwendung des Possessivpronomens anstelle des Personalpronomens im Genitiv (obiectivus) bei der Bezeichnung von Sachen (im Gegensatz z. B. zu Eigennamen), vgl. bspw. auch Caec. 77 [C. Aquilius] pudore quodam adficeretur ex sua laude. ¹⁷³ Balb. 33. 318 – 320 Quid fuit in rogatione ea quae de Pompeio a Gellio et a Lentulo consulibus lata est, in quo aliquid sacrosanctum exceptum videretur?: Über den Zusammenhang dieser Stelle mit dem Vorhergehenden wurde bereits zu Balb. 32. 315 gesprochen. Die Meinungen darüber, ob Cicero hier die Existenz einer Ausnahmeklausel leugnet, gehen auseinander. Darüber hinaus wird die gesamte Debatte dadurch verwirrend, daß man anscheinend bei Cicero die Existenz von zwei verschiedenen Exzeptionsklauseln annehmen muß, von denen im Passus Balb. 32– 33 die Rede ist. Zum einen wird in Balb. 32 die Existenz einer Ausnahmeklausel im gaditanischen foedus geleugnet, mit der verhindert werden sollte, daß Gaditaner das römische Bürgerrecht erhalten. Zum anderen geht es hier plötzlich aber um die lex Gellia Cornelia, die Exzeptionsklauseln (oder eine Exzeptionsklausel) enthalten haben soll, die sich auf „irgendetwas Sakrosanktes“ (d. h. vermutlich foedera) bezogen haben. Die communis opinio ist, daß an dieser Stelle Cicero die Existenz einer Ausnahmeklausel nicht leugnet: „Cicero bestreitet also nicht, daß es in der lex Gellia Cornelia eine solche Ausnahmeklausel gab – und er kann das offenbar auch nicht bestreiten, wie das kurz darauf seine Wiederholung der Gesetzesklausel, si quid sacrosanctum est, zeigt –, sondern er fragt, ob man dem Inhalt des Gesetzes nach die Anwendung einer Ausnahmeklausel für erforderlich erachten müsse.“¹⁷⁴ Ob nun Cicero die Existenz einer Exzeptionsklausel schlechthin leugnet oder lediglich ihre Anwendbarkeit in Abrede stellt, er ist in jedem Fall bemüht, die Bedeutsamkeit der lex Gellia Cornelia gegenüber dem foedus Gaditanum weiterhin hervorzuheben, was durchaus seiner gesamten Linie innerhalb der Rede entspricht, nach der er stets die Unantastbakeit bzw. Überlegenheit der römischen Rechtsverhältnisse gegenüber auswärtigen Anliegen betont. Mit der letzten inhaltlichen Frage ist eine textkritische verbunden. E. Badian war der Ansicht, daß der Text (wie er hier wiedergegeben ist) geändert werden müsse, wenn man annimmt, daß Cicero die Existenz der exceptio nicht leugnet.¹⁷⁵ Überliefert ist quid fuit in rogatione ea quae de Pompeio a Gellio et a Lentulo consulibus lata est, in qua aliquid sacrosanctum exceptum videretur; in der editio Veneta aus dem Jahre 1471 (nicht erst bei Pantagathus, wie Badian schreibt; vgl. den app. crit. bei Maslowski) findet sich erstmalig die

 Vgl. Lebreton (1901), 98 f. und Rubio ad loc.  Braunert (1966), 63 f. Vgl. auch Bigorra (1958), 447.  Vgl. Badian (1988), 217 f.

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Konjektur in quo mit Bezug auf quid. Diese Konjektur macht Badian für das Mißverständnis verantwortlich, daß Cicero hier die Existenz einer exceptio in dem Gesetz schlechthin leugnet, da der Satz mit der Konjektur in quo nur derartig verstanden werden könne. Mit der überlieferten Lesart würde die Existenz jedoch nicht geradezu angezweifelt, sondern nur die exceptio einer Sache als sakrosankt; Badian paraphrasiert folgendermaßen „What was there in the law passed by Gellius and Lentulus regarding Pompey, in which something sacrosanct appears to be excepted?“. Folgerichtig ändert Badian auch das eindeutig überlieferte videretur in videtur. Bedenken hat Badian bei dem Wortlaut, wie er hier im Lemma steht, auch das Pronomen aliquid gemacht, da man in einer derartigen rhetorischen Frage vielmehr das negative quicquam erwarten würde. Ganz unberechtigt ist dieser Einwand nicht, doch muß man sagen, daß auch aliquis ganz häufig in negativen Sätzen (und eben auch rhetorischen Fragen) vorkommt; vgl. dazu K.-St. I 640 f. Anm. 3. Vgl. auch Balb. 64 ut hominem sibi carissimum et familiarissimum non ob ipsius aliquod delictum, sed suam familiaritatem vestris oppressum sententiis audiat. Daß es dort adjektivisch gebraucht ist und hier substantivisch, macht keinen Unterschied. Weitere Stellen in Fragesätzen wie hier: Verr. II 3,140 und Tusc. I 82. Zudem wäre bei der Lösung Badians die rogatio durch zwei aufeinanderfolgende Relativsätze (von denen Badian einen elegant durch eine Partizipialkonstruktion wiedergibt) gewissermaßen „überbestimmt“ bzw. das quid „unterbestimmt“. Ferner ist m. E. auch nicht recht einzusehen, warum der von Badian geforderte Sinn nicht auch mit quid, in quo videretur erlangt werden kann. Auch mit einer rhetorischen Frage und einem Nebensatz mit konsekutivem Nebensinn ließe sich ein derartiger Sinn erreichen: „Gab es denn in der rogatio, die von Gellius und Lentulus bezüglich Pompeius eingebracht worden ist, etwas, so daß irgendetwas als sakrosankt ausgenommen erscheint?“ Das muß indessen nicht bedeuten, daß Cicero eine exceptio generell leugnet. Etwas ungewöhnlich an dem Satz ist jedoch die Einleitung des Relativsatzes mit in quo. Bezeichnenderweise wollte Madvig das in tilgen;¹⁷⁶ doch läßt sich die Präposition vielleicht im Sinne eines Unterbegriffs, der dem übergeordneten quid subsumiert wird, verstehen: „Gab es denn in der rogatio, die von Gellius und Lentulus bezüglich Pompeius eingebracht worden ist, etwas, so daß irgendetwas darinnen als sakrosankt ausgenommen erscheint?“ Möglich wäre vielleicht auch die Deutung der Präposition in als ein in condicionale (vgl. ThlL s.v.): „so daß unter dieser Bedingung usw.“ Vgl. bspw. Phil. 7,23 quae potest esse maior discordia? in discordia autem pax civilis esse nullo pacto potest oder Marc. 9 (in iracundia).

 Vgl. Madvig (1887), 432.

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Schwierig bleibt dabei die Verwendungsweise mit einem bloßen Relativpronomen (im Gegensatz zu bedeutungsvollen Substantiven). Balb. 33. 320 – 323 Primum enim sacrosanctum esse nihil potest … cum caput eius qui contra fecerit consecratur.: Cicero definiert hier den Begriff sacrosanctum. Die Stelle ist sowohl inhaltlich als auch textkritisch umstritten und massiv bearbeitet worden. Um zunächst auf den Inhalt einzugehen, scheint Cicero hier zwei Fälle der Anwendbarkeit des Begriffes sacrosanctum zu unterscheiden, da er zwei verschiedene Arten von sanctiones einführt. Mit sanctiones sacrandae sunt genere ipso meint Cicero möglicherweise die leges sacratae, die also ihrer Form und ihrem Zweck nach ohnehin Beschwörungsformeln enthalten haben, während in anderen Gesetzen durch zusätzliche Strafbestimmungen erst die göttliche Beschwörung bzw. die Verfluchung des Gesetzesbrüchigen hinzukommt. Rubio ad loc. hat diese Deutung vertreten und führt die Differenzierung von leges sacratae und leges sanctae ein, die auf Ulpian, Dig. I 8,9 zurückgeht: proprie dicimus sancta, quae neque sacra neque profana sunt, sed sanctione quadam confirmata: ut leges sanctae sunt, sanctione enim quadam sunt subnixae. quod enim sanctione quadam subnixum est, id sanctum est, etsi deo non sit consecratum: et interdum in sanctionibus adicitur, ut qui ibi aliquid commisit, capite puniatur. Möglich ist indessen auch, daß Cicero hier zwei Momente desselben Vorgangs zusammenfaßt. Darauf deutet zumindest der Eintrag sacrosanctum bei Festus p. 318 M. sacrosanctum dicitur, quod iure iurando interposito est institutum, si quis id violasset, ut morte poenas penderet. ¹⁷⁷ Danach scheinen also Eidschwur und Verfluchung bzw. Strafandrohung zusammenzugehören. Ulpians Aussage indessen scheint die Differenzierung im Sinne Rubios (und offenbar auch Ciceros) notwendig zu machen. Trotzdem ist natürlich festzuhalten, daß jede lex sacrata eine Art sanctio für den Fall der Übertretung einschloß, wodurch der Gesetzesbrüchige zum sacer wurde; nur enthielten offenbar umgekehrt nicht alle Strafbestimmungen göttliche Anrufungen oder Konsekrationen bzw. überhaupt Androhungen der Todesstrafe (s. die Ulpian-Stelle et interdum in sanctionibus eqs.); vgl. auch das oben S. 106 f. Gesagte. Die inhaltlichen Schwierigkeiten haben diverse Textänderungen nach sich gezogen. Zunächst hat Madvig¹⁷⁸ das überlieferte sanxisset in sanxit verbessert, das hier ganz offensichtlich stehen muß, obwohl Espluga/Moncunill kürzlich wieder zu dem Text der Handschriften zurückgekehrt sind. Das folgende Kolon deinde sanctiones sacrandae sunt aut genere ipso aut optestatione et consecratione legis aut poenae, cum caput eius qui contra fecerit consecratur hat weitaus größere

 Vgl. auch Kübler (1920), 1684.  Vgl. Madvig (1887), 432.

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Probleme bereitet. So hat beispielsweise Madvig et consecratione getilgt und atque optestatione statt aut optestatione geschrieben, so daß er optestatione eng zu genere ipso zieht, dem wiederum die poena gegenübergestellt wird.¹⁷⁹ Nipperdey hat den interessanten Vorschlag gemacht deinde sanctiones sacrandae sunt aut genere ipso aut obtestatione legis aut consecratione personae, cum caput eius eqs., das er nach dem Vorbild des kurz darauf im Text folgenden utrum a capitis consecratione an optestatione legis sacrosanctum esse confirmas? konjiziert.¹⁸⁰ Indessen läßt sich der überlieferte Wortlaut halten, wie A. Klotz in seiner Ausgabe im app. crit. gezeigt hat: „potest aliquid exceptum esse aut genere ipso, nimirum si obstant in universum leges sacrae ne ratum fiat aut ita ut ipsa lege diserte indicetur exceptum aut poena notetur. itaque ex binis notionibus artius cohaerent obtestatio et lex item consecratio et poena.“ Ebenso faßt auch Rubio ad loc. die Verknüpfung der Glieder auf. Vergleichbar für eine derartige Verschränkung der Bezüge ist vielleicht Liv. X 46,4 inspectata spolia Samnitium, et decore ac pulchritudine paternis spoliis, quae nota frequenti publicorum ornatu locorum erant, conparabantur; vgl. dazu H.-Sz. 408 f. Primum enim sacrosanctum esse nihil potest nisi quod populus plebesve sanxit; deinde eqs.: Die Gliederung des Gefüges mit primum – deinde dient hier der Unterscheidung von formalen Voraussetzungen, die laut Cicero nicht existieren (ein Volksschluß), und auf der anderen Seite inhaltlichen Vorausetzungen wie einer obtestatio usw. Zur Form plebes (Cicero differenziert hier genau zwischen den comitia populi Romani und dem concilium plebis bzw. den comitia centuriata und den comitia tributa) vgl. dom. 128 haec nisi plebes iussisset fieri vetuit ¹⁸¹ sowie Sest. 104, Mur. 15, Flacc. 15 und mit besonderer Emphase vor der Volksversammlung leg. agr. 2,66 plebes Romana. Die Form ist älter als plebs und wurde möglicherweise als archaisierend-feierlich empfunden; vgl. K.-Hw. 299. Auch die ältere Genitivform plebei findet sich zuweilen; so bspw. Cael. 34 in der Junktur tribuno plebei. Zur Junktur contra facere siehe oben zu Balb. 7. 60 – 64. Deinde sanctiones sacrandae sunt aut genere ipso aut optestatione et consecratione legis aut poenae, cum caput eius qui contra fecerit consecratur.: Das cum läßt sich hier am einfachsten als ein cum coincidens auffassen, das als eine nähere Explikation des Wortes poenae dient. Schwierig ist der Konjunktiv fecerit; am ehesten dürfte es sich um eine Art der oratio obliqua handeln. Möglicherweise schweben Cicero konkrete juristische Formeln vor, die er gewisser Vgl. Madvig (1887), 432 f.  Vgl. Nipperdey (1848), 142 f.  Im übrigen hat sowohl hier als auch bei der Stelle aus de domo sua die Handschrift H plebes zu plebs geändert.

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maßen zitiert. Vgl. bspw. die sanctio in der lex Irnitana (Rub. 96,13 – 16): isque qui adversus ea fecerit sciens d(olo) m(alo) fraudeve huic legi feceri in res singulas HS C millia nummum municipibus municipi Flavi Irnitani d(are) d(amnas) esto. (Text nach J. G. Wolf). Balb. 33. 323 – 325 Quid habes igitur dicere de Gaditano foedere eius modi? utrum a capitis consecratione an optestatione legis sacrosanctum esse confirmas?: In der Konklusion kehrt Cicero nun zum foedus zurück und bekräftigt, daß sich keinerlei sakrosankte Klauseln mit Bezug auf das Bündnis finden (utrum a capitis eqs. übersetzt bzw. paraphrasiert Reid ad loc.: „Can you point out any lex relating to this so-called foedus, and containing either the obtestatio or the consecratio?“). Die einhellig überlieferte Präposition a/ab, die Peterson getilgt hat, ist unproblematisch. Gelegentlich findet sich a/ab im limitativen Sinne der Rücksicht oder Beziehung (vgl. K.-St. I 496), wie bspw. de or. III 229 nihil enim isti adulescenti neque a natura neque a doctrina deesse sentio; oft auch wie hier im Zusammenhang mit Adjektiven, vgl. Brut. 233 is igitur mediocriter a doctrina instructus, angustius etiam a natura, labore et industria et quod adhibebat ad obtinendas causas curam etiam et gratiam, in principibus patronis aliquot annos fuit. Habere mit Infinitiv in modaler Bedeutung („können“) kommt bei Cicero im späteren Werk recht selten vor; meist in früheren Reden oder Briefen; vgl. bspw. S. Rosc. 100 habeo etiam dicere quem contra morem maiorum minorem annis LX de ponte in Tiberim deiecerit.Virulent wurde der Gebrauch der Wendung offenbar erst bei den christlichen Schriftstellern der Kaiserzeit nach dem Muster des griechischen ἔχω λέγειν; vgl. dazu H.-Sz. 314 f. Zur Differenzierung von populus und plebs vgl. den Kommentar zu Balb. 33. 320 – 323. Balb. 33. 325 – 326 Nihil omnino umquam de isto foedere ad populum, nihil ad plebem latum esse neque legem neque poenam consecratam esse dico.: Der Satz hat aufgrund der Verschiebung der Worte neque legem neque poenam consecratam esse dico in den Codices und des eigentlich überlieferten gratam statt consecratam zu manch einem Verbesserungsversuch angeregt. In PGEH stehen die Worte hinter dem folgenden latum esset, so daß der ganze Satz lautet: nihil omnino umquam de isto foedere ad populum, nihil ad plebem latum esse. de quibus igitur etiam si latum esset neque legem neque poenam gratam esse dico ne quem eqs. Die Worte sind dort offenkundig fehl am Platz und wurden wahrscheinlich transponiert wegen der Ähnlichkeit der jeweils vorausgehenden Worte latum esse und latum esset. Die richtige Abfolge hat C. F. W. Müller wiederhergestellt (laut Espluga/Moncunill bereits vorher Ernesti, vgl. dort den app. crit.). Dem Vorschlag des Angelius, die Worte hinter dico einzufügen (vgl. app. crit. bei Maslowski), steht die bereits genannte Vermutung entgegen, daß das Auge des Schreibers sehr viel wahrscheinlicher von latum esse zu latum esset gewandert ist und die Worte daher nach latum esse ihren eigentlichen Platz haben.

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Schwieriger ist die Frage nach dem überlieferten gratam, das genauso wie die Umstellung des Satzes in den Codices offensichtlich falsch ist. Es hat zahlreiche Versuche der Emendation gegeben, die bis in die Renaissance zurückreichen (die editio Veneta sowie der Codex Florentinus b konjizieren das sinnvollere ratam). Auch hier dürfte Müller mit consecratam das Richtige getroffen haben, da kurz vorher von der optestatione et consecratione legis aut poenae die Rede war. Balb. 33. 327– 331 De quibus igitur … quicquam audes dicere sacrosanctum fuisse?: Endlich kommt Cicero wieder auf die in Balb. 32 erstmalig genannte Formulierung ne quem civem reciperemus des Bündnisses zurück und verknüpft dies mit der kurz vorher erfolgten Erörterung des Begriffes sacrosanctum bzw. entsprechender Klauseln in Gesetzen, die für den vorliegenden Fall nicht relevant seien. Zu vorangestellten Relativsätzen vgl. oben den Kommentar zu Balb. 10. 83 – 89. Zu Prolepsen in Form von Präpositionalphrasen (de quibus dürfte maskulin und zu ne quem civem reciperemus zu ziehen sein) vgl. den Kommentar zu Balb. 30. 286 – 292 sowie Rubio ad loc. Tamen id esset quod postea populus iussisset: Zu dieser Formulierung, die sich an das Zwölftafelgesetz anlehnt, vgl. Liv. VII 17,12 interrex Fabius aiebat in duodecim tabulis legem esse ut, quodcumque postremum populus iussisset, id ius ratumque esset (vgl. tab. XII 5 Bruns). SI QUID SACROSANCTUM EST: Die Worte SI QUID SACROSANCTUM EST scheinen Zitat einer üblichen juristischen Formel zu sein, weswegen Peterson hier est konjiziert hat. Überliefert ist nämlich si quid sacrosanctum esset esse exceptum videretur. Schon Manutius scheint das Zitat erkannt zu haben und hat deswegen si quid sacrosanctum est esse exceptum videretur konjiziert (vgl. den app. crit. bei Maslowski). Die unschöne und unnötige Assonanz est esse hat Peterson dann noch durch die Tilgung des esse beseitigt. Daß das esse nicht nötig ist, zeigt der Wortlaut kurz vorher in Balb. 33 in quo aliquid sacrosanctum exceptum videretur. Der kaiserzeitliche Grammatiker Marcus Valerius Probus (zweite Hälfte des 1. Jhds n.Chr.) hat in seinem Werk De notis iuris die vollständige Formel sowohl in abgekürzter als auch ausgeschriebener Form wiedergegeben (Gramm. Lat. IV p. 273 Keil): SQSSEQNISREHLNR si quid sacri sancti est, quod non iure sit rogatum, eius hac lege nihil rogatur. Diese Stelle hat E. Badian zum Anlaß genommen zu vermuten, daß Cicero hier falsch zitiert, es also si quid sacri sancti est heißen müßte statt sacrosanctum. ¹⁸² Es könnte allerdings auch sein, daß Probus falsch auflöst oder daß – wie Reid ad loc. vermutet – unterschiedliche Varianten existierten. Daß das Formular offenbar nicht immer vollkommen identisch war, zeigen die parallelen Äußerungen bei Cicero in Pro Caecina 95: SI QUID IUS NON ESSET

 Vgl. Badian (1988), 210.

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ROGARIER, EIUS EA LEGE NIHILUM ROGATUM und in De domo sua 106: quid? non exceperas ut, SI QUID IUS NON ESSET ROGARI, NE ESSET ROGATUM? Geringere Abweichungen waren also unter Umständen offenbar auch im juristischen Formular möglich; die Einschätzung wird jedoch noch dadurch erschwert, daß nicht immer ganz klar ist, wie wörtlich Cicero jeweils zitiert. Balb. 34. 331– 333 Nec vero oratio mea ad infirmandum foedus Gaditanorum, iudices, pertinet. neque enim est meum contra ius optime meritae civitatis, contra opinionem vetustatis, contra auctoritatem senatus dicere.: Die Stelle zeigt, welche Gratwanderung Cicero für seinen Fall gehen muß, da er einerseits, um nicht der Anklage in die Karten zu spielen, die juristische Bedeutung des gaditanischen Bündnisses aufgrund der fehlenden Ratfikation durch die Volksversammlung in Abrede stellt, andererseits aber stets die tiefe und lange zurückreichende (vetustatis) Verbundenheit der Römer und Gaditaner hervorhebt. So erklärt sich hier die kleine correctio, die Cicero vornimmt, indem er sich gewissermaßen selbst unterbricht. Zur Formulierung vgl. fr. 9 der Rede In Pisonem: hoc non ad contemnendam Placentiam pertinet unde se is ortum gloriari solet; neque enim hoc mea natura fert nec municipi, praesertim de me optime meriti, dignitas patitur sowie gedanklich auch S. Rosc. 45 quaeso, Eruci, ut hoc in bonam partem accipias; non enim exprobrandi causa sed commonendi gratia dicam. ¹⁸³ Zur Konstruktion meum (non) est mit folgendem Infinitiv, die sich auch mit den Possessivpronomina anderer Personen und Numeri findet, vgl. Mur. 83 his tantis in rebus tantisque in periculis est tuum, M. Cato, qui mihi non tibi, sed patriae natus esse videris, videre quid agatur, retinere adiutorem, eqs. und Planc. 11 nostrum est autem, nostrum, qui in hac tempestate populi iactemur et fluctibus, ferre modice populi voluntates, adlicere alienas, retinere partas, placare turbatas sowie grundsätzlich K.-St. I 454. Es scheint, als würde hierbei das Possessivpronomen dem Infinitiv als einem Neutrum angeglichen. Zu auctoritas senatus vgl. Reid ad loc. Streng genommen bezeichnet auctoritas nur den Ratschlag und ist noch einen Schritt entfernt von dem legalen senatus consultum; Mommsen, StR III 2,1033 f. hat jedoch darauf hingewiesen, daß die auctoritas senatus durchaus mehr war als nur Ratschlag, wenn auch weniger als Befehl. Es war eine, wenngleich nicht juristisch, so doch politisch bindende Weisung, die insbesondere in der nachsullanischen Zeit des Senatsregiments

 Zur Pisoniana vgl. R. G. M. Nisbet (1961) ad loc., der seinerseits die Balbiana-Stelle vergleicht. Zur Rosciana-Stelle sowie generell zur rhetorischen Einordnung der correctio oder griechisch der διόρθωσις vgl. Martin (1974), 279 f. Wenn die Richtig- oder Klarstellung den Aussagen vorausgeht, spricht man im Griechischen von einer προδιόρθωσις, wie im Falle der Rosciana, wenn sie nachfolgt, von einer ἐπιδιόρθωσις, wie an unserer Stelle. Zur Zweischneidigkeit der Argumentation an dieser Stelle vgl. auch Paulus (1997), 111.

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große Bedeutung hatte. Indessen ist natürlich nicht auszuschließen, daß Cicero hier sich ohnehin des strengen Wortgebrauchs enthält. Balb. 34. 334 – 338 Duris enim quondam temporibus … L. Marcius, primi pili centurio, cum Gaditanis foedus icisse dicitur.: Diese Stelle ist bedeutsam für die Datierung und Klassifizierung des ersten Bündnisses mit Gades. Der Tod der beiden Scipionen, die Cicero hier erwähnt, trug sich 211 v.Chr. zu, woraufhin L. Marcius Septimus als tumultuarius dux das Kommando übernahm, jedoch bald die Truppen dem Promagistrat C. Claudius Nero übergab.¹⁸⁴ Dieser Zenturio soll zwar tatsächlich 206 v.Chr. das foedus mit Gades geschlossen haben (vgl. auch Balb. 39 foedus Marcianum), allerdings stand er unter dem Oberbefehl des L. Cornelius Lentulus, der als Inhaber des imperium letztlich Verantwortung für die Mandate trug. Möglicherweise hat Lentulus selbst nur ein hospitium mit Gades geschlossen (s. Einl. S. 6 Anm. 15). Nach F. Münzer¹⁸⁵ ereignete sich der Vertragsabschluß während der Rückkehr des Scipio Africanus Maior (der das imperium in Spanien zwischen 210 und 206 hatte) nach Rom bzw. während sich Lentulus noch auf dem Weg nach Spanien befand. Daß das Bündnis noch unter Scipio Africanus Maior geschlossen wurde, ist indessen eher unwahrscheinlich, da Gades als allerletzte Bastion der Karthager 206 zu den Römern überlief, kurz bevor Scipio das Kommando übergab.¹⁸⁶ Die deditio erfolgte gewiß unter Scipio, ist aber nicht mit dem foedus gleichzusetzen, da es die Dedition als eine Art Vertrag nicht gibt, „sondern sie ist der völkerrechtliche Akt, durch den die unbeschränkte Herrschaft über den Dedierten auf Rom übergeht. Deshalb begründet sie selbst noch kein positives und endgültiges Gewaltverhältnis, sondern nur ein negatives, d. h. lediglich die Freiheit des Dedierten ausschließendes Provisorium.“¹⁸⁷ Dies würde umso mehr erklären, warum man späterhin einen Vertrag (d. h. ein foedus im strengeren Sinne mit Absegnung des Senats oder der Volksversammlung) bzw. dessen Erneuerung und Konsolidierung forderte; vgl. im folgenden Balb. 34 renovatum vel ictum mit Bezug auf das Jahr 78 v.Chr. Über das erste foedus sowie die Bedeutung des L. Marcius Septimus klärt uns auch Livius XXXII 2,5 (zum Jahre 199 v.Chr.) auf: Gaditanis item petentibus remissum ne praefectus Gades mitteretur, adversus id quod iis in fidem populi Romani venientibus cum L. Marcio Septimo convenisset. Mit Bezug auf diese und unsere Stelle schreibt A. Heuß: „Wie sehr die Überzeugung lebendig war, daß der unter dergleichen

 Zum Tod der Scipionen sowie zur Rolle des Marcius Septimus vor der Ankunft des Scipio Africanus vgl. Scullard (1970), 32– 38.  Vgl. Münzer (1930a), 1595.  Vgl. Brewitz (1914), 84; generell zum Abschluß der Kampagne des Scipio Africanus in Spanien vgl. Scullard (1970), 86 – 107.  Heuß (1933), 112. Zur deditio mit anschließendem foedus vgl. auch Horn (1930), 16 ff.

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Umständen sich ergebende Staat in ungeschmälerten [sic] Besitz der staatlichen Souveränität blieb, zeigt die Dedition von Gades. Diese Stadt, ein Hauptstützpunkt der Karthager in Spanien, trat im Jahre 206 zu den Römern über, und zwar dedierte sie sich […]. Als man von Rom aus einige Jahre später einen Präfekten schicken wollte, sträubten sie sich dagegen mit gutem Erfolg, indem sie auf den Vertrag mit L. Marcius Septicius [sic] hinweisen.“¹⁸⁸ Die Livius-Stelle ist jedoch im Hinblick auf den genauen Sinn höchst umstritten; vgl. den app. crit. der Ausgabe von A. H. McDonald. Das Problem an der Stelle besteht darin, daß unklar ist, wovon der ne-Satz abhängt.Wie Heuß ihn interpretiert, müßte man den ne-Satz an petentibus anschließen, was jedoch im Hinblick auf die Wortstellung ausgesprochen ungewöhnlich wäre. Näherliegend wäre es, den Satz von remissum abhängig zu machen. Damit verändert sich indessen der Sinn des Satzes vollständig, vor allem im Hinblick auf das letzte Kolon adversus id quod iis in fidem populi Romani venientibus cum L. Marcio Septimo convenisset. Für die letztere Deutung hat sich E. Badian stark gemacht.¹⁸⁹ Wenn der ne-Satz von remissum abhängt, würde es bedeuten, daß nicht die Stationierung eines Präfekten gegen die vorherige Abmachung mit Septimus verstoßen hätte, sondern gerade im Gegenteil die Tatsache, daß den Gaditanern die Einsetzung eines Präfekten erlassen wurde. Badian argumentiert dafür, daß es durchaus denkbar ist, daß im Zuge der deditio den Gaditanern die Einrichtung einer römischen Garnision (wenn man die Natur des Präfekten als militärisch und nicht judikativ betrachtet, wie es Badian tut) sogar wünschenswert erscheinen mußte, da sie aufgrund ihres Abfalles von den Karthagern mit etwaigen Vergeltungen rechnen konnten. Nachdem im Jahre 199 derartiges nicht mehr zu befürchten stand, wehrten sich die Gaditaner also gegen eine militärische Garnision – im Widerspruch zu ihrer in der Bedrängnis gemachten Zusage. So oder so zeigt sich, daß Gades keine souveräne civitas foederata war (oder jedenfalls nicht immer); sie muß zumindest in der Frühzeit minderen Rechts gewesen sein, sei es nun daß ursprünglich keine Präfektur eingerichtet werden sollte, was schließlich doch versucht wurde, sei es daß die Präfektur vorgesehen war, ihr letztlich aber erlassen wurde; dazu daß in civitates foederatae eigentlich keine Garnisionen eingerichtet werden durften, vgl. Mommsen, StR III 1,690. Cum duo fulmina nostri imperi subito in Hispania, Cn. et P. Scipiones, extincti occidissent.: Die einhellig überlieferte Junktur fulmina nostri imperi mit Bezug auf Personen, d. h. hier die Scipionen, hat Unbehagen ausgelöst. Schon Lambinus und nach ihm Ernesti (vgl. app. crit. bei Peterson) haben lumina für

 Heuß (1933) 82 f.  Vgl. Badian (1954). Vgl. zu der Diskussion auch Briscoe (1973) ad loc.

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fulmina konjiziert, was Reid ad loc. übernommen hat, da er die Bezeichnung fulmina für die gefallenen Scipionen kaum für angemessen hielt und zudem an der Verbindung mit imperium Anstoß nahm. Tatsächlich finden sich die lumina in prov. 22 multa praetereo, quod intueor coram haec lumina atque ornamenta rei publicae, P. Servilium et M. Lucullum. Zudem lehnt Reid Parallelen wie Lucr. III 1034 Scipiadas belli fulmen, Carthaginis horror oder Verg. Aen. VI 842 f.¹⁹⁰ quis Gracchi genus aut geminos, duo fulmina belli, | Scipiadas, cladem Libyae eqs. ab, da ein „Blitz des Krieges“ eben unanstößiger sei als ein „Blitz des Reiches“. Indessen sind auch im Zusammenhang mit fulmen durchaus gewagte Metaphern möglich, wie bspw. Cic. Att. IV 6,2 a te litteras crebro ad me scribi video sed omnis uno tempore accepi. quae res etiam auxit dolorem meum. casu enim trinas ante legeram quibus meliuscule Lentulo esse scriptum erat. ecce quartae fulmen! Dennoch hat man versucht, derartigen Bedenken entgegenzukommen, andererseits aber auch die überlieferte Lesart zu halten. Zu diesem Zweck wurde fulmen an dieser Stelle im Sinne von fulmentum gedeutet, also abgeleitet von fulcire, nicht von fulgere. ¹⁹¹ A. Nelson und J. van Wageningen haben Stellen aus Manilius und Ovid herangezogen, um diese Bedeutung von fulmen wahrscheinlich zu machen; zudem verweisen beide im Hinblick auf unsere Stelle auf den kurz vorher zu lesenden Ausdruck Carthago nixa duabus Hispaniis und argumentieren, daß nixa als parallelen Ausdruck ein Wort in der Bedeutung „Stütze“ erfordere. Der vermeintliche Beleg für fulmen i.q. fulmentum aus Manilius ist II 892 imaque submersi contingens fulmina mundi; allerdings hat hier schon Housman mit guten Gründen fulmina in culmina geändert (vgl. den app. crit. seiner Ausgabe). Auch die Ovid-Stellen schlagen nicht endgültig durch; vgl. am. I 6,16 tu [sc. ianitor], me quo possis perdere, fulmen habes und am. II 1,15 – 20 in manibus nimbos et cum Iove fulmen habebam, | quod bene pro caelo mitteret ille suo. | clausit amica fores: ego cum Iove fulmen omisi; | excidit ingenio Iuppiter ipse meo. | Iuppiter, ignoscas: nil me tua tela iuvabant; | clausa tuo maius ianua fulmen habet. Van Wageningen versteht fulmen an beiden Stellen als „saxum quadratum, quo melius ianua clauditur“.¹⁹² So ingeniös diese Einfälle sind, so problematisch sind sie auch, wie H. Rubenbauer (der darüber hinaus für den Artikel fulmen im ThlL verantwortlich zeichnet) und G.

 Bereits von Freigius (M. Tulii Ciceronis orationes omnes, perpetuis notis logicis, arithmeticis, ethicis, politicis, historicis, antiquitatis, illustratae per Io. Th. Freigium, 3 Bde., Frankfurt 1592) zu unserer Stelle als Vergleich angeführt; die Balbiana befindet sich im dritten Band auf den Seiten 146 ff.  Vgl. Nelson (1912), van Wageningen (1917) und auch A. Klotz in der praefatio seiner Ausgabe, p. LXI. Diese Deutung geht allerdings grundsätzlich bereits zurück auf Scaliger, wie Nelson und van Wageningen lehren.  Van Wageningen (1917), 139.

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Dittmann gezeigt haben.¹⁹³ Alle vermeintlichen Belege lassen sich auch mit der üblichen Bedeutung (wenngleich auch metaphorisch) „Blitz, Schlag“ interpretieren. Zudem ist auch van Wageningens Auslegung von fulmen als eine Art Steinquader problematisch, da nach Rubenbauer/Dittmann die eigentlich üblichen Wörter dieses Bedeutungsspektrums fulmenta, fulmentum, fulcimen, fulcrum immer im Sinne eines im Boden eingelassenen Fundaments benutzt werden. Einen eindeutigen Beleg für fulmen im Sinne von fulmentum machen die Autoren erst im liber glossarum ausfindig, dessen Aussagekraft mit Fug und Recht in Frage gestellt werden kann. Hätte Cicero an unserer Stelle die Scipionen als Stützen bezeichnen wollen, hätte er womöglich zu einer anderen Metapher gegriffen, die sich Sest. 19 findet: alter, o di boni, quam taeter incedebat, quam truculentus, quam terribilis aspectu! unum aliquem te ex barbatis illis, exemplum imperi veteris, imaginem antiquitatis, columen rei publicae diceres intueri. L. Marcius, primi pili centurio, cum Gaditanis foedus icisse dicitur.: Der Infinitiv icisse ist eine Konjektur von Angelius (s. den app. crit. bei Maslowski). Überliefert ist iecisse GE sowie fecisse PH, letzteres hat Peterson in seiner OxfordAusgabe übernommen. Während Maslowski nun in seinem Apparat auch in P fecisse liest, bieten Espluga/Moncunill eine andere Lesung des Pariser Codex; sie schreiben *ecisse P1, fort. iecisse : fecisse P2H. Danach wäre also möglicherweise fecisse überhaupt nicht überliefert, sondern vielleicht nur Konjektur des Harleianus sowie des corrector des Parisinus. Die Frage ist schwer zu entscheiden. Sowohl foedus icere als auch foedus facere sind mögliche Junkturen (vgl. Merguet s.v. foedus). Insbesondere icere kommt mehrfach in der Balbiana vor; vgl. direkt im Anschluß Balb. 34 tum est cum Gaditanis foedus vel renovatum vel ictum, Balb. 50 quid? Heracliensem Alexam P. Crassus, vir amplissimus, ex ea civitate quacum prope singulare foedus Pyrrhi temporibus C. Fabricio consule ictum putatur? sowie Balb. 53 cum Latinis omnibus foedus esse ictum Sp. Cassio Postumo Cominio consulibus quis ignorat? Auch die Verschreibung von icisse zu iecisse ist nicht unwahrscheinlich; derselbe Fall Pis. 28 tu scilicet homo religiosus et sanctus foedus quod meo sanguine in pactione provinciarum iceras (Manutius : ieceras codd.; vgl. den app. crit. der Ausgabe von Clark) frangere noluisti. Indessen ist auch Petersons Aufnahme der Lesart des Harleianus verständlich. Problematisch ist bei alledem, daß der Wortlaut des Parisinus nach Espluga/Moncunill offenbar nicht zweifelsfrei entziffert werden kann. Balb. 34. 338 – 343 Quod cum magis fide illius populi … nullo pacto potest religione obligari.: Wie schon in Balb. 34. 331– 333 wird hier noch einmal die

 Vgl. Rubenbauer/Dittmann (1920).

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Doppelbödigkeit der Argumentation Ciceros deutlich. Cicero betont erneut die vetustas der Beziehung von Rom und Gades und hebt einerseits die Ratifikation des foedus durch den Senat hervor, durch die das einstige Feldherren-foedus zu einem offiziellen Bündnis der beiden Gemeinschaften wurde (renovatum vel ictum), andererseits wiederholt er die fehlende Absicherung durch die Volksversammlung und entkräftet somit den Einwand des Anklägers bezüglich etwaiger sakrosankter Klauseln, durch die das römische Volk gebunden sei. Die Bestätigung durch den Senat, die Cicero erwähnt, erfolgte im Jahre 78 v.Chr. während des Konsulats des M. Aemilius Lepidus und des Q. Lutatius Catulus (vgl. Einl. S. 5 Anm. 12). Daß ausdrücklich nur der Senat das foedus ratifiziert und nicht die Volksversammlung, mag mit der Beschränkung der Kompetenzen der Komitien während der Zeit der Sullanischen Herrschaft zu tun haben (so interpretieren Reid und Rubio ad loc.). A senatu de foedere postulaverunt: Die Wendung a senatu de foedere postulaverunt ist nicht etwa wegen des fehlenden Akkusativobjekts bemerkenswert (so Reid ad loc.), was sehr oft vorkommt, sondern vielmehr aufgrund der Tatsache, daß hier die Präpositionalphrase mit de gewissermaßen den ut-Satz vertritt (die Konstruktion postulare ab aliquo, ut ist ganz üblich; vgl. Merguet s.v.). Überhaupt kommt postulare mit de zur Angabe des Geforderten (oder genauer gesagt: bezüglich dessen eine Forderung gestellt wird) nur sehr selten vor, vgl. bspw. p. red. in sen. 19 qui cum videret sceleratum civem aut domesticum potius hostem, si legibus uti liceret, iudicio esse frangendum, sin ipsa iudicia vis impediret ac tolleret, audaciam virtute, furorem fortitudine, temeritatem consilio, manum copiis, vim vi esse superandam, primo de vi postulavit sowie Verr. II 3,39 ut enim quisque contra voluntatem eius dixerat, ita in eum iudicium de professione iugerum postulabatur. De quo foedere populus Romanus sententiam non tulit, qui iniussu suo nullo pacto potest religione obligari.: Zum Thema der Volkssouveränität und zur Formulierung vgl. Liv. XXVI 33,10 per senatum agi de Campanis qui cives Romani sunt iniussu populi non video posse. Vollbürger waren die Campaner indessen nicht; sie waren durch deditio zu cives sine suffragio geworden; vgl. Mommsen, StR III 1,576. Balb. 35. 343 – 348 Ita Gaditana civitas … populus enim se nusquam obligavit.: Es folgt eine weitere Variation derselben Schlußfolgerung (vgl. auch die erneute Betonung der vetustas, die bereits zweimal in Balb. 34 Erwähnung fand). Zur Kompetenz der Volksversammlung in Bezug auf die foedera vgl. Cic. leg. agr. 2,58 hoc quia vos [sc. Quirites] foedus non iusseritis, veretur Hiempsal ut satis firmum sit et ratum sowie schon früher Polybios VI 14,11 καὶ μὴν περὶ συμμαχίας καὶ διαλύσεως καὶ συνθηκῶν οὗτός [sc. ὁ δῆμος] ἐστιν ὁ βεβαιῶν ἕκαστα τούτων καὶ κύρια ποιῶν ἢ τοὐναντίον. Stets muß dabei indessen beachtet werden, daß

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Cicero aus argumentatorischen Gründen diese Kompetenz hier immer wieder hervorhebt, um das möglicherweise nicht ganz haltlose und daher für Cicero gefährliche Argument des Gegners bezüglich sakrosankter Klauseln zu entschärfen. Vgl. Mommsen, StR III 2,1171 Anm. 1: „Dass er [sc. Cicero], indem er zugleich den iussus populi für das Bündnis fordert, dieses gaditanische theoretisch verwirft und praktisch gelten lässt, ist charakteristisch für seine Zwischenstellung zwischen beiden Parteien und deren entgegengesetzter Theorie und Praxis.“ Diese Zwischenstellung erklärt sich natürlich u. a. dadurch, daß Cicero einerseits die Hegemonie Roms gegenüber civitates foederatae im Hinblick auf die Anklage etablieren und im Zuge dessen das gaditanische Bündnis klein reden muß, andererseits aber seinen Klienten und die Gaditaner insgesamt nicht in Mißkredit bringen möchte und ihre Treue und tiefe Verbundenheit zu Rom herausstellt. Das Problem der Zweischneidigkeit hat Cicero selbst gesehen, vgl. Balb. 34 nec vero oratio mea ad infirmandum foedus Gaditanorum eqs. Mommsen, StR III 2,1170 ff. stellt zur Bestätigung durch die Volksversammlung heraus, daß Ciceros Angaben zumindest anachronistisch sind, wenn nicht sogar geradezu falsch. Zu den verschiedenen Zeiten in der Geschichte der römischen Republik wurde die Ratifikation durch die Volksversammlung unterschiedlich bewertet und rechtlich gehandhabt. Nach der Sullanischen Restauration hat offenbar der Senat massiv in die Rechte der Volksversammlung eingegriffen und daher die Senatsbestätigung ausgereicht (vgl. auch die letzte Anmerkung zu Balb. 34. 338 – 343). Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht Mommsens Gegenüberstellung polybianischer und livianischer Berichte derselben historischen Ereignisse in StR III 2,1171 f. Anm. 2. Zu dem Doppelbündnis mit Gades vgl. auch den Abschnitt über die Kompetenz der Volksversammlung bei Mommsen, StR III 1,340 – 346. Daß Cicero im Zusammenhang mit der Erneuerung des gaditanischen Bündnisses nur Q. Lutatius Catulus (in Balb. 39 spricht er geradezu vom foedus Catuli) und nicht seinen Kollegen M. Aemilius Lepidus nennt, hat höchstwahrscheinlich nur damit zu tun, daß Catulus den entsprechenden Antrag im Senat stellte.¹⁹⁴ Daneben hat aber auch die Anerkennung und politische Nähe Ciceros zu Catulus eine Rolle spielen können, da Catulus, ein Günstling Sullas, stets eine optimatische, senatsaristokratische Politik verfolgte, während ganz im Gegensatz dazu Lepidus als erbitterter Gegner seines Kollegen im Konsulat auftrat (insbesondere nach dem Tod Sullas zu Beginn des Jahres 78 v.Chr.) und sich sogar bis zum offenen Aufstand gegen den Senat hinreißen ließ.¹⁹⁵

 Vgl. Münzer (1927), 2084.  Zu Lepidus vgl. Klebs (1893).

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Balb. 35. 348 – 351 Neque ideo est Gaditanorum causa deterior; gravissimis enim et plurimis rebus est fulta. sed isti disputationi certe nihil est loci. sacrosanctum enim nihil potest esse, nisi quod per populum plebemve sanctum est.: Die Konjunktion neque hat hier eine adversative Färbung („doch ist deswegen nicht…“), wie es zuweilen auch bei dem einfachen et vorkommt, vgl. H.Sz. 481. Zur Junktur causa deterior vgl. auch im folgenden Balb. 36 in superiore condicione causaque; inhaltlich vgl. bereits vorher Balb. 34 nec vero oratio mea ad infirmandum foedus Gaditanorum, iudices, pertinet. Ebendort hat Cicero auch schon die gravissimae res genannt, d. h. das ius optime meritae civitatis, die opinio vetustatis sowie die auctoritas senatus; in dem gesamten Passus Balb. 34– 35 werden diese res noch öfter wiederholt oder weiter expliziert (wie bspw. durch die testimonia imperatorum in Balb. 35). Sed isti disputationi certe nihil est loci: Dieser Satz wird bei Maslowski und Peterson in der Version sed isti disputationi certe nihil est loci wiedergegeben; überliefert ist indessen in allen relevanten Handschriften sed est isti disputationi certe nihil est loci, wobei sich nur die Lesart von H durch die Verbesserung des Pronomens iste (PGE) in isti unterscheidet. Getilgt wurde das erste est nach Maslowski zuerst in den Codices A (cod. Med. laur. 48. 10 a., 1416 in Florenz entstanden) und J (cod. Med. laur. 48. 11 c., der in Florenz während der Jahre 1410 – 1420 von Poggio angefertigt wurde). Espluga/Moncunill haben nun in ihrem app. crit. angegeben, daß in dem Ottobonianus Latinus 1710 (O, vgl. Einl. S. 24 Anm. 62; vgl. auch die Einleitung in Espluga/Moncunill, S. 155 f.) an der Stelle, an der die übrigen Handschriften das erste est setzen, ein Buchstabe steht, der nach ihren Angaben einem c oder e gleicht, möglicherweise als Abkürzung für est, und daß A und J, die nach dem Apparat bei Espluga/Moncunill zu urteilen, den Ottobonianus eingesehen haben müßten, im Anschluß an eben diesen das est ausgelassen haben („unde om. AJ“). Alle drei Codices stammen aus Florenz und wurden zu Beginn des 15. Jhds. geschrieben. Die jüngere italische bzw. florentinische Tradition, die durch AJSb vertreten ist, geht offenbar auf den Ottobonianus zurück, der wiederum die Grundlage für die Kontamination der H- und der GETradition zu bilden scheint. M. Reeve hat dies in der praefatio, p. VII zur Maslowski-Ausgabe deutlich gemacht an dem Beispiel aus Balb. 16 huius experta atque perspecta, wo PG1E das erste Partizip ganz weglassen und huius atque bieten, während H den besseren Text huius experta atque liefert, O indessen die eigene (und schlechtere) Variante huius praesens atque, woraus die jüngere Tradition AJSb2 sowie die editio Romana das noch schlechtere huius praesens experta atque konstruiert hat. Den Ausgangspunkt für die Auslassung in A und J der ersten Kopula est bildet nach diesen Rekonstruktionen also der Ottobonianus.

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Die Konjektur hic sowie die Setzung zwischen disputationi und certe stammt von C. G. Cobet, der diese Änderung jedoch nicht weiter begründet.¹⁹⁶ Daß ein Wort wie hic sich sinngemäß aufdrängt, ist unbestreitbar. Doch läßt sich vielleicht besser die frühneuzeitliche Tilgung des ersten est mit der Cobet’schen Konjektur verknüpfen zu der Version sed hic isti disputationi certe nihil est loci, wie ich es hier in dem Lemma wiedergegeben habe. Der Vorteil ist, daß man so nur eine Korruptel (nämlich an der Stelle des ersten est) statt zweier annehmen muß. Zum partitiven Genitiv nihil loci vgl. das oben zu Balb. 29. 275 – 278 (idem iuris) Gesagte sowie speziell zum Partitivus bei quantitativen Ausdrücken wie nihil auch Cic. off. I 151 omnium autem rerum, ex quibus aliquid acquiritur, nihil est agri cultura melius, nihil uberius, nihil dulcius, nihil homine libero dignius, mit loci (allerdings mit dem positiven pronominalen Gegenstück zu nihil) noch in Cael. 18 sic enim, iudices, reperietis quod, cum ad id loci venero, ostendam, hanc Palatinam Medeam migrationemque eqs. (vgl. dazu auch grundsätzlich K.-St. I 429 f. und H.Sz. 57 f.). Sacrosanctum enim nihil potest esse, nisi quod per populum plebemve sanctum est.: Die Diskussion über sakrosankte Klauseln wird durch die erneut einschärfende Schlußfolgerung beendet; nach dieser refutatio folgt die positive confirmatio über die Majestätsklausel im gaditanischen Bündnis, die Cicero ebenfalls ausführlich erörtert. Zur Differenzierung von populus und plebs vgl. oben zu Balb. 33. 320 – 323. Balb. 35. 351– 355 Quod si hoc foedus quod populus Romanus auctore senatu … quid id ad civitatem?: Der Abschnitt über die Majestätsklausel im gaditanischen Bündnis beginnt mit einem interessanten rhetorischen Trick Ciceros. Nachdem Cicero in den vorangegangenen Paragraphen stets bemüht war, das gegnerische Argument bezüglich sakrosankter Klauseln dadurch zu entkräften, daß er die Ratifizierung des Bündnisses durch die Volksversammlung und somit die religiöse Bindung des römischen Volkes in Abrede stellte, insinuiert er hier im Relativsatz quod populus Romanus auctore senatu eqs. eine Zustimmung (comprobat) des Volkes vermittels des Senats als Stellvertreter, der lediglich die Formalie der suffragia fehlt. Der Passus zeigt einmal mehr Ciceros Oszillation zwischen Auf- und Abwertung des gaditanischen foedus. Zu auctore senatu vgl. oben zu Balb. 34. 331– 333. Quid erat cur ex ipso foedere Gaditanum in civitatem nostram recipi non liceret?: Mit dieser Frage bildet Cicero eine Ringkomposition, die auf die anfängliche Frage aus Balb. 32 ubi est igitur foedere Gaditano, ne quem populus

 Cobet (1854), 233.

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Romanus Gaditanum recipiat civitate? zurückweist, mit der die argumentatio de foedere ihren Ausgang nahm. Nihil est enim aliud in foedere, nisi ut PIA ET AETERNA PAX sit.: Im folgenden bespricht Cicero einzelne Versatzstücke des gaditanischen Bündnisses, wobei seine Aussage nihil est enim aliud in foedere offenkundig cum grano salis zu nehmen ist (vgl. Reid ad loc.). Ein den Worten pia et aeterna pax zumindest ähnliches Formular finden wir in anderen Quellen mit Bezug auf verschiedene Bündnisse, wie z. B. bei Livius XXXVIII 38,2 amicitia regi Antiocho cum populo Romano his legibus et condicionibus esto und Polybios III 22,4 εἰσὶ δ’ αἱ συνθῆκαι τοιαίδε τινές· ἐπὶ τοῖσδε φιλίαν εἶναι Ῥωμαίοις καὶ τοῖς Ῥωμαίων συμμάχοις καὶ Καρχηδονίοις καὶ τοῖς Καρχηδονίων συμμάχοις sowie III 24,3. Speziell zur Formulierung aeterna pax vgl. Dion. Hal. ant. VI 95,2 ἦν δὲ τὰ γραφέντα ἐν ταῖς συνθήκαις τοιάδε: Ῥωμαίοις καὶ ταῖς Λατίνων πόλεσιν ἁπάσαις εἰρήνη πρὸς ἀλλήλους ἔστω, μέχρις ἂν οὐρανός τε καὶ γῆ τὴν αὐτὴν στάσιν ἔχωσι. Quid id ad civitatem?: Im Hinblick auf die zuletzt von Cicero gestellte Frage stößt man auf Probleme bei der Lektüre der kritischen Apparate. Laut Maslowski und Espluga/Moncunill hat nur der florentinische Codex b1 quid id, während die Überlieferungsträger PG1EH quod id schreiben; laut Klotz und Peterson, der zudem selbst qui id konjiziert, bietet jedoch auch der Berolinensis (olim Erfurtensis) quid id und der Harleianus nur quid. Bei derartig ähnlichen Wörter, ist ein endgültiges Urteil über die genauen Lesarten wahrscheinlich schwer möglich; ich neige indessen der Interpretation Maslowskis zu, wenigstens im Hinblick auf den Codex E, der üblicherweise sehr eng mit G zusammenhängt, ohne jedoch die Codices selbst in Augenschein genommen zu haben. Woher immer die Lesart quid id ad stammen mag, sie läßt sich trotz der vielleicht bedenklich anmutenden Geminatio des id-Lautes bei Cicero belegen; vgl. Quinct. 79 ‘minime’ inquam, ‘sed quid id ad rem?’, Att. I 13,6 Messalla consul Autronianam domum emit HS CXXXIIII. ‘quid id ad me?’ inquis (drei Hdss. lassen das id aus; vgl. den app. crit. bei Shackleton Bailey) sowie Verr. II 1,116, wo quid id ad praetorem überliefert ist, was der Editor der Oxford-Ausgabe W. Peterson dort bezeichnenderweise zu qui id ad praetorem ändert und in den Text setzt, während er es hier bei der Balbiana nur im Apparat erwägt. Balb. 35. 355 – 358 Adiunctum illud etiam est quod non est in omnibus foederibus: MAIESTATEM POPULI ROMANI COMITER CONSERVANTO. id habet hanc vim ut sit ille in foedere inferior.: Nach dem sprachlichen Duktus zu urteilen, zitiert Cicero hier offenbar das gaditanische Bündnis bzw. eine spezielle, die Beachtung der römischen Oberhoheit festsetzende Klausel. Es stellt sich bei derartigen Passagen immer die Frage, wie wörtlich Cicero zitiert, und in diesem Fall, ob derartige Klauseln charakteristisch für einen bestimmten Typ von foedera

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waren (man bedenke, daß die Gaditaner durch deditio zu Bündnispartnern der Römer wurden).¹⁹⁷ Die Formulierung der Majestätsklausel hat bereits E. Jullien¹⁹⁸ mit dem ÄtolerBündnis, das Polybios XXI 32,2 (XXII 15,2) erwähnt, verglichen: ὁ δῆμος ὁ τῶν Αἰτωλῶν τὴν ἀρχὴν καὶ τὴν δυναστείαν τοῦ δήμου τῶν Ῥωμαίων ***. Die lacuna hinter Ῥωμαίων hat schon Ursinus (vgl. den app. crit. der Ausgabe von Dindorf/ Büttner-Wobst) angesetzt; es fehlt offensichtlich ein geeignetes Prädikat. Man hat durch mehrere Verbesserungsvorschläge versucht, die Stelle zu heilen (siehe wiederum den app. crit. der Ausgabe), die sich offenbar an unsere Stelle sowie vor allem Liv. XXXVIII 11,2 (imperium maiestatemque populi Romani gens Aetolorum conservato sine dolo malo) anlehnen. Ursinus selbst hat ἀδόλως (sine dolo malo/ comiter) τηρείτω (conservato/conservanto) vorgeschlagen, F. Hultsch ganz ähnlich διαφυλαττέτω χωρὶς δόλου usw. F. W. Walbank hat indessen in seinem Polybios-Kommentar zur oben zitierten Stelle darauf hingewiesen, wie problematisch derartige Rückschlüsse sind: „Since Livy translates back into Latin from P. his phraseology is not necessarily that of the original. […] But there is no reliable contemporary evidence for the use of maiestas in a Roman treaty before the first century, and the treaty with Gades in 78 (Cic. pro Balbo, 35). This passage of Cicero affords no evidence for a treaty in 206 – when the Gaditani seem to have made an act of deditio […] – still less for a maiestas clause at that date.“¹⁹⁹ Eine interessante spätere Parallele findet sich inschriftlich belegt (Dessau, ILS 5050), die acta sacrorum aus dem Jahre 16 v.Chr. anläßlich der Säkularspiele des vorhergehenden Jahres, worauf W. Kroll verwiesen hat.²⁰⁰ Allerdings ist der Text stark verstümmelt auf uns gekommen, und die entscheidenden Stellen sind von Mommsen ergänzt (laut Anmerkung von Dessau auf Grundlage der ähnlichen acta sacrorum aus der Severianischen Zeit). Der konjizierte Wortlaut der Stellen, die für uns wichtig sind, ist zum einen 5050,93 – 94: agnis feminis et IX capris femi[nis sacrum fiat: vos quaeso precorque uti imperium maiestatemque p. R.] | Quiritium duelli domique au[xitis utique semper Latinum nomen tueamini. Zum anderen 5050,127: maiestatemque p. R. Quiriti[um duelli domique auxis, utique semper Latinum nomen tueare. Gerade die Prädikate fehlen uns also leider; nach Mommsens Konjektur würde dem conservare Ciceros hier das augere und tueri entsprechen. Das zeitliche Problem indessen für die Ergänzung des Polybios-Textes, das Walbank

 Grundlegend zum maiestas-Begriff in der römischen Außen- und Innenpolitik der republikanischen Zeit Gundel (1963).  Vgl. Jullien (1886), 11. Seine Aussage, es handele sich um „eadem verba“, ist indessen ein wenig übertrieben.  Walbank (1957/1979), ad loc.  Vgl. Kroll (1933), Bd. I 16 mit Anm. 49.

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angesprochen hat, bleibt natürlich weiterhin bestehen. Man wird vermuten dürfen, daß möglicherweise zur Zeit Ciceros oder vielleicht auch davor im Laufe des 2. Jhds. eine derartige Formulierung in gewissen foedera üblich geworden ist. Zur Junktur maiestatem conservare vgl. Rab. perd. 20 fit senatus consultum ut C. Marius L. Valerius consules adhiberent tribunos pl. et praetores, quos eis videretur, operamque darent ut imperium populi Romani maiestasque conservaretur. Sollte Ciceros Wiedergabe des Wortlauts des Senatsconsults an dieser Stelle nicht anachronistisch sein, würde sie auf einen ähnlichen zeitlichen Rahmen weisen (Marius und L. Valerius Flaccus waren 100 v.Chr. gemeinsam Konsuln), innerhalb dessen möglicherweise die Formulierung maiestatem conservanto technisch geworden ist. Mit der Frage nach der Majestätsklausel und Ciceros Worten id habet hanc vim ut sit ille in foedere inferior hängt außerdem die Frage nach „günstigen“ und „ungünstigen“ Bündnissen bzw. foedera aequa und iniqua zusammen: „The foedus iniquum differs from the foedus aequum […] in that one of the contracting parties is subordinate to the other: the socius is bidden maiestatem populi Romani comiter conservare, and is bound to assist Rome in wars where the allies’ own interest is not at stake.“²⁰¹ Zur letzteren Aussage Sherwin-Whites ist wiederum Polybios’ Wiedergabe der Ätolerbündnisses heranzuziehen, XXI 32,4 (XXII 15,4): ἐὰν πολεμῶσιν πρός τινας Ῥωμαῖοι, πολεμείτω πρὸς αὐτοὺς ὁ δῆμος ὁ τῶν Αἰτωλῶν sowie Liv. XXXVIII 11,3 hostis eosdem habeto [sc. gens Aetolorum] quos populus Romanus armaque in eos ferto bellumque pariter gerito. Es ist indessen fraglich, ob der begrifflichen Differenzierung von foedera aequa und foedera iniqua ein politisches und staatsrechtliches fundamentum in re korrespondiert. Die Junktur foedus iniquum findet sich nur Liv. XXXV 46,10, wenngleich es semantisch ähnliche Verbindungen gibt (vgl. ThlL s.v.), so z. B. Cic. Balb. 41 lex; Cluent. 94 condicio; leg. agr. 2,91 imperia und vor allem Verr. II 3,38 sowie 3,143 pactio. Die spärliche Quellenlage läßt vermuten, daß es eine streng juristische Unterscheidung von foedera aequa und foedera iniqua nicht gegeben hat.²⁰² Daß sich im gaditanischen Bündnis eine derartige explizite Klausel befand, mag damit zusammenhängen, daß die Gaditaner letztlich durch deditio Verbündete der Römer wurden. Man wird grundsätzlich davon ausgehen dürfen, daß die Römer ohnehin eine Achtung ihrer maiestas erwarteten; vgl. Mommsen, StR III 1,664: „Dieselbe [sc. die Hoheit des röm. Volkes] ist in diesem Rechtsverhältniss  Sherwin-White (1973), 121. Als klassisches Beispiel für ein foedus aequum verweist SherwinWhite auf das in Balb. 53 erwähnte foedus Cassianum.  Vgl. Sánchez (2007), 224 Anm. 34. Vgl. zu der Frage auch Hantos (1983), 156 und 164 (koordiniertes Bündnis vs. subordiniertes Bündnis) sowie speziell zum Ätolerbündnis Heuß (1933), 37 ff. und Horn (1930), 28 – 31.

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[sc. einem Bündnis] mit solcher Nothwendigkeit enthalten, dass die Benennung foedus aequum, welche an sich die gegenseitige Anerkennung der gleichen Souveränetät der contrahirenden Staaten ausspricht, in der technischen Sprache vielmehr verwendet wird für den Vertrag, welcher die Abhängigkeit auch, aber nicht geradezu durch jene Majestätsclausel feststellt.“ Pointiert formuliert Cicero dieses Verhältnis Verr. II 1,81 (über die Lampsakener): immo vero ab hominibus et natura et consuetudine et disciplina lenissimis, porro autem populi Romani condicione sociis, fortuna servis, voluntate supplicibus. Id habet hanc vim ut sit ille in foedere inferior.: Ciceros Erläuterung der Majestätsklausel hat Konjekturversuche nach sich gezogen. Überliefert ist id habet hanc vim ut sit ille (illi P) in foedere inferior GEHP2. W. Paul hat in foedere inferiore konjiziert, eine Junktur, die Balb. 44 tatsächlich überliefert ist.²⁰³ Paul geht dabei von der Beobachtung aus, daß der Parisinus oftmals die Enden von Wörtern falsch wiedergibt. Mag dies auch richtig sein, so besteht doch bei Pauls Überlegungen das Problem, daß er, ganz in der Tradition K. Halms stehend (s. Einl. S. 24), allein den Parisinus als Leitcodex betrachtet und GEH außer acht läßt. Sobald diese Handschriften denselben Text bieten, verfängt Pauls Argument der verschriebenen Enden für eine Konjektur verständlicherweise nicht mehr. Darüber hinaus würde inferiore die Klausel zerstören, da sich die üblicherweise gemiedene clausula heroica, d. h. der Hexameterschluß, ergeben würde.²⁰⁴ Auch die inhaltlichen Gründe, die W. Paul gegen den überlieferten Wortlaut anführt, sind nicht recht überzeugend: „Sed ut iam eo, unde degressa erat, sese reflectat oratio, nihil opus erat adicere ‚in foedere’, quoniam universa disputatio versatur in ipsius foederis verbis interpretandis.“²⁰⁵ Balb. 36. 358 – 362 Primum verbi genus hoc CONSERVANTO … cuius maiestas foederis sanctione defenditur.: In einem durchaus kurzweiligen Passus erläutert Cicero philologisch die Majestätsklausel für die anwesenden Richter (und für den Ankläger, dessen mangelhafte Kenntnis der lateinischen Sprache bei der Gelegenheit von Cicero karikierend hervorgehoben wird) und schärft zudem ein, daß Rom letztlich jegliche Entscheidungsgewalt in dem Bündnis zukommt und daß mithin die Gaditaner kein Recht auf Einspruch bezüglich einer Bürger-

 Vgl. Paul (1875), 1 f.  Vgl. Zielinski (1904), 208.Vgl. auch den app. crit. der Ausgabe von A. Klotz, in dem er C. F.W. Müllers Konjektur ut sint illi in foedere inferiores ablehnt. Für inferiores gilt dasselbe wie für inferiore. Ferner argumentiert Klotz im Apparat für den unvermittelt erscheinenden Singular, daß also ille im Sinne von populus Gaditanus zu verstehen ist, mit dem Hinweis auf das in der Balbiana folgende deinde cum alterius populi maiestas conservari iubetur, de altero siletur, certe ille populus in superiore condicione causaque ponitur cuius maiestas foederis sanctione defenditur.  Paul (1875), 2.

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rechtsverleihung haben. Ob die Aussage quo magis in legibus quam in foederibus uti solemus bezüglich des Imperativs II so stimmt, ist bei alledem fraglich. Mommsen, StR I 249 Anm. 1 bemerkt, daß die imperativische Formulierung durchaus ursprünglich für foedera üblich war (vgl. die oben zu Balb. 35. 355 – 358 zitierten Parallelen), Cicero sich hier aber an einer späteren (d. h. seiner) Zeit orientiere, in der die alte foedus-Form zurücktrat und der höflichere Senatsbeschluß an die Stelle des foedus trat, wodurch der erklärende Zusatz Ciceros verständlich wird. Historisch korrekter wäre es vielleicht gewesen, hätte Cicero solebamus statt solemus gesagt, für seine rhetorischen bzw. juristischen Zwecke ist indessen das letztere angemessen. Verbi genus hoc CONSERVANTO: Das in diesem Falle indeklinable Wort conservanto ist ein Teil des vorher genannten Zitats und steht in Apposition zu verbi genus hoc. Bei der Verwendung derartiger indeklinabler (gewissermaßen in Anführungszeichen gesetzter) Wörter gibt es durchaus Unterschiede in der Stilhöhe. Daß das zu substantivierende Wort unverbunden in den Satz gestellt wird, kommt nur in den Philosophica, Rhetorica und Briefen vor (z. B. Cic. Cato 70 neque sapienti usque ad ‘plaudite’ veniendum est), während die Apposition oder die Setzung von hoc, illud oder istud vor dem Wort gerade in den Reden vorkommt, wobei das Demonstrativpronomen an unserer Stelle allerdings zu genus gehört.²⁰⁶ Dabei ist zu berücksichtigen, daß conservanto sowohl hier als auch in Balb. 35 Konjektur von Lambinus ist, die jedoch, wie gerade unsere Stelle hier zeigt, unverzichtbar ist. Während das in Balb. 35, Zeile 357 von PGE überlieferte CONSERVANT bereits vom Schreiber des Harleianus in CONSERVENT verbessert worden ist und sich die Konjektur CONSERVANTO allenfalls durch die Parallelen bei anderen Autoren (s.o.) rechtfertigen ließe, ist an der vorliegenden Stelle, wo P1 CONSERVANTI und P2GEH CONSERVANDI überliefern, Lambins Konjektur nach dem einleitenden verbi genus hoc sehr nahe liegend (denn was sollte verbi genus hoc conservandi/conservanti, quo magis in legibus quam in foederibus uti solemus, imperantis est, non precantis schon heißen?), insofern Cicero hier gerade den ungewöhnlicheren Imperativ II der dritten Person Plural für erklärungsbedürftig hält. Ist CONSERVANTO aber für diese Stelle gesichert, muß man entsprechend auf die Stelle in Balb. 35 zurückschließen, wenngleich das CONSERVENT aus dem Codex Harleianus nicht undenkbar wäre und einmal mehr das treffende Sprachgefühl des Schreibers unter Beweis stellt (vgl. die Charakterisierung in der Einl. S. 25 f. Anm. 64).

 Sehr erhellend zu den verschiedenen Möglichkeiten der Substantivierung Lebreton (1901), 84 ff. Speziell zu unserer Stelle vgl. Rubio ad loc. Zur Verwendung von Verben im Zitat bzw. speziell von conservare vgl. auch Happ (1976), 256 f. mit Anm. 478.

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Certe ille populus in superiore condicione causaque ponitur cuius maiestas foederis sanctione defenditur.: Dies ist die für Cicero entscheidende Konklusion aus der Besprechung der Majestätsklausel. Rom ist und bleibt die Hegemonialmacht. Zu in superiore condicione causaque vgl. oben Balb. 35 das Gegenstück: id habet hanc vim ut sit ille in foedere inferior. Im Gegensatz zu der oben besprochenen Bedeutung von sanctio als „Strafbestimmung“ innerhalb von Gesetzen, hat es hier nur mehr die abgeschwächte Bedeutung von „Klausel“ (vgl. Rubio ad loc.). Balb. 36. 362 – 367 In quo erat accusatoris interpretatio indigna responsione … quidem certe non convenit.: Cicero macht sich häufiger über die Ausdrucksweise und mangelnde latinitas seiner Gegner lustig; vgl. vor allem Phil. 3,22 (quis sic loquitur?). Dabei deutet er an, daß er sich zu einer Antwort auf den Einwand des Anklägers geradezu herablassen muß (indigna responsione ist die zweifellos richtige Lesart des Harleianus gegen das großenteils überlieferte digna in responsione PGE). Der Ankläger will comiter im Sinne von communiter verstanden wissen, was Cicero als ganz absurd abtut (‘communiter’ quidem certe non convenit). Dagegen hält Cicero seine eigene (zugegeben sehr viel näher liegende) Deutung, daß freundlich oder gefällig (comes) die Menschen genannt werden, die wohlwollend, bereitwillig und liebenswürdig (benigni faciles suaves) sind und daß ein freundlicher/bereitwilliger Mensch einem Herumirrenden wohlwollend und nicht ungern den Weg zeige (benigne, non gravate sc. monstrat viam). Um seine eigene Deutung von comiter zu unterstreichen, zitiert Cicero aus einer Tragödie des Ennius, deren Verse (die nicht genauer zuzuordnen sind) er off. I 51 vollständiger ausschreibt (TrRF 145 = 313 – 315 Jocelyn): homo qui erranti comiter ²⁰⁷ monstrat viam | quasi lumen de suo lumine accendat facit. | nihilo minus ipsi lucet cum illi accenderit. Daß Cicero es hier beim ersten Senar beläßt, erklärt sich schlichtweg aus der Ökonomie, da schließlich nur das Wort comiter erklärt werden soll und der Vergleich des angezündeten Lichtes überflüssig gewesen wäre. G. Petrone hat darüber hinaus vor allem im Hinblick auf die „Weg“-Metapher (vgl. oben zu Balb. 29. 271– 275, worauf auch Petrone Bezug nimmt) über die weiterführenden ideologischen bzw. philosophischen Implikationen dieses Zitates gehandelt: „Dunque già prima, nel testo, è attivato quel motivo che conduce

 Es sei hier am Rande angemerkt, daß interessanterweise der Codex Bernensis 104 (c), in dem De officiis überliefert ist, die Lesart communiter bietet; vgl. die app. crit. in Jocelyns EnniusAusgabe bzw. in der Teubner-Ausgabe von De officiis, die Atzert besorgt hat. Dort erklärt sich das Eindringen der Lesart indessen leichter dadurch, daß Cicero in dem vorhergehenden Passus von den communia spricht und damit sogar das Ennius-Zitat einleitet: omnium autem communia hominum videntur ea, quae sunt generis eius, quod Ennio positum in una re transferri in permultas potest.

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all’espressione enniana, presente e rilevabile nella metafora dei ‘viandanti’, che intraprendono la strada che conduce alla cittadinanza romana. L’immagine prelude al verso, che fa tutt’uno con il tema di fondo: non era stato forse Pompeo a mostrare comiter a Balbo la strada per arrivare a Roma?“²⁰⁸ Der Vers fügt sich daher insgesamt (unabhängig von der akut benötigten Deutung des Wortes comiter) gut ein in die von Cicero hier vertretene Auffassung im Hinblick auf das Thema der Vergabe des römischen Bürgerrechts. Es ist bezeichnenderweise nicht das einzige Ennius-Zitat innerhalb dieser Rede; vgl. Balb. 51 (hostem qui feriet, erit mi Carthaginiensis, quisquis erit; cuiatis siet), ein Vers, der den Bezug zum Thema des Bürgerrechts noch deutlicher herstellt. Zum Satzanfang mit limitativem in quo vgl. Balb. 21 in quo magna contentio. Zum Asyndeton benigni faciles suaves vgl. das oben zu Balb. 13. 105 – 110 Gesagte. Balb. 37. 367– 369 Et simul absurda res est caveri foedere ut maiestatem populi Romani ‘communiter’ conservent, id est ut populus Romanus suam maiestatem esse salvam velit.: Das Romanus nach populus ist zwar so nicht überliefert (in PGE fehlt jeglicher Hinweis darauf), doch hat der Harleianus R(omanus) populus, was vom Codex Florentinus Bibl. Nat. Conv. Suppr. J 4 4 (b) zum zweifellos richtigen²⁰⁹ populus R(omanus) geändert und von der editio Veneta übernommen wurde (über die italische Handschriftentradition und ihr Verhältnis zum Harleianus vgl. Einl. S. 24 mit Anm. 62). Während Maslowski auf dieser Grundlage das Romanus zumindest in spitzen Klammern in den Text setzt (ich lehne mich bei der Textgestaltung an Peterson an), lassen Espluga/Moncunill es ganz weg. Die Betonung gerade des römischen Volkes scheint jedoch geboten zu sein, da der Satz bzw. das Argument ansonsten ein wenig die Pointiertheit, die durch das Possessivpronomen suam unterstrichen wird, vermissen lassen würde, wenn man mit dem Fortlassen des Romanus, wie es Espluga/Moncunill vornehmen, die Aussage ganz allgemein auf Völker schlechthin ausdehnen würde; vgl. Bonfiglioli ad loc.: „l’assurdità della interpretazione della parola comiter come fosse communiter risulta evidente dal fatto che il popolo romano si obbligherebbe per trattato di difendere egli stesso la propria sovranità.“, ähnlich auch Rubio ad loc., der indessen darauf hinweist, daß die Interpretation des Wortes comiter durch den Ankläger nicht gar so unwahrscheinlich sein muß, wie Cicero behauptet. Rubio erwähnt mit Hinweis auf das sog. carmen Marcianum bei Liv. XXV 12,9 (Hostes, Romani, si ex agro expellere voltis, vomicam quae gentium venit longe, Apollini vovendos censeo ludos qui quotannis comiter Apollini fiant; cum populus

 Petrone (2008), 1299 f.  Ein Beleg für Romanus populus ist mir nicht bekannt.

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dederit ex publico partem, privati uti conferant pro se atque suis), daß im Altlateinischen durchaus comiter im Sinne von communiter aufgefaßt werden konnte. Daß die Bedeutung hier vorliegt, ist jedoch fraglich, insbesondere im Hinblick auf die oben zitierten parallel überlieferten foedera (sine dolo malo); ferner stellt sich im Zusammenhang mit der Junktur maiestatem conservare die Frage, wie communiter genau verstanden werden sollte. Nach einer Durchsicht des ThlL s.v. comis und communis erweist sich eine derartige Deutung tatsächlich als schwierig, zumal es auch Vertrags- oder Bündnistexte mit solchen Formulierungen nicht zu geben scheint. Die einzige (im communis-Artikel des Thesaurus mit einem Fragezeichen versehene) Stelle, in der communiter und comiter bedeutungsgleich sein könnten, findet sich in Claudians erstem Buch von In Eutropium (18,367 f.): quidquid amas, dabit illa manus; communiter omni | fungitur officio gaudetque potentia flecti. Doch ist auch diese Stelle, wie der Thesaurus andeutet, zweifelhaft, da communiter auch hier eher im Sinne von „gemeinschaftlich“ gedeutet werden kann; H. Schweckendiek übersetzt in seinem Kommentar zu In Eutropium die beiden Verse folgendermaßen: „was du auch magst, diese Hand besorgt’s dir. Für den gemeinsamen Zweck ist jede Stellung ihm recht, und der Mächtige beugt sich willig.“²¹⁰ Doch selbst wenn man annähme, daß communiter und comiter bei Claudian (der zeitlich doch immerhin um einiges von Cicero entfernt ist) synonym wären, würde immer noch ein stichhaltiger Beweis für die Verwendung von comiter i.S.v. communiter fehlen, denn auch die von Rubio genannte Livius-Stelle liefert keinen endgültig durchschlagenden Beleg. Balb. 37. 369 – 374 Quod si iam ita esset ut esse non potest … imperatoribus nostris deferamus?: Zum Abschluß der Diskussion über die Majestätsklausel kommt Cicero zu seinem für die Ohren des römischen Publikums wirkungsvollsten Argument (im Einklang mit den Vorgaben des rhetorischen πάθος): Einschränkungen für die Verleihung des römischen Bürgerrechts an verdiente Nicht-Römer würden eine Minderung bzw. geradezu eine Aufhebung (potest esse ulla denique maiestas) der römischen Hoheit und Souveränität durch die Gaditaner bedeuten. Zur Argumentationsform der concessio wie hier quod si iam ita esset ut esse non potest, tamen de nostra maiestate, nihil de illorum caveretur vgl. das oben zu Balb. 32. 312– 314 Gesagte (ac sicubi esset, lex id Gellia et Cornelia, quae definite potestatem Pompeio civitatem donandi dederat, sustulisset). Potest esse ulla denique maiestas, si impedimur quo minus per populum Romanum beneficiorum virtutis causa tribuendorum potestatem impera-

 Schweckendiek (1992), 43.

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toribus nostris deferamus?: In diesem Satz bieten GE statt maiestas (wie in P und H) potestas, was sich – wie A. C. Clark herausgestellt hat²¹¹ – offenbar dadurch erklärt, daß in der Vorlage der Text maiestas in der Zeile nach bzw. unter potest esse ulla denique stand und die Augen des Schreibers zum potest esse zurückgewandert sind, woraus er in der darauffolgenden Zeile potestas gemacht hat. Diese Stelle spricht neben anderen für die von A. C. Clark und A. Klotz angenommene Zeilenlänge von 18 – 22 Buchstaben im Archetyp, da potest esse ulla denique 21 Buchstaben hat; vgl. dazu das zu Balb. 16 (quem populus Romanus in singularibusque decorasset) Gesagte. Zu dem Satz si impedimur quo minus per populum Romanum beneficiorum virtutis causa tribuendorum potestatem imperatoribus nostris deferamus (als Subjekt muß man sich den Senatorenstand denken, so Reid, Rubio und Bonfiglioli ad loc.) vgl. Balb. 25 si populus Romanus permiserit, ut ab senatu etiam per imperatores nostros civitate donentur und das oben dazu Gesagte. Zur Junktur virtutis causa vgl. den Kommentar zu Balb. 26. 234– 237. Balb. 38. 375 – 378 Sed quid ego disputo … fundos populos fieri non solere;: An dieser Stelle beginnt Ciceros große Rekapitulation seiner vorgebrachten Argumente und damit auch der Abschluß der argumentatio im engeren Sinne des Wortes. Zwar lassen sich auch die folgenden Paragraphen bis zur peroratio noch im weiteren Sinne der argumentatio zuordnen (s. Einl. S. 12), insbesondere die in den folgenden Paragraphen 39 und 41– 43 ins Feld geführten Legaten aus Gades als πίστεις ἄτεχνοι, doch ist das, was Cicero im Rest der Rede von nun an vorbringt, nicht länger juristisch oder zumindest nicht eigentlich für den vorliegenden Fall relevant; es handelt sich vielmehr um historische exempla, rhetorische Gemeinplätze und emotionale Appelle an die Richter. Dem irrealen Einleitungssatz sed quid ego disputo quae mihi tum si Gaditani contra me dicerent vere posse dici viderentur? entspricht im folgenden Balb. 39 die Antwort: nunc vero quid ego contra Gaditanos loquar eqs. Cicero betont mehrfach die Übereinstimmung der römischen und der gaditanischen Haltung zur causa Balbi; der Ankläger wird gewissermaßen als einsamer Rufer in der Wüste dargestellt. Responderem legem populum Romanum iussisse de civitate tribuenda; huic generi legum fundos populos fieri non solere: Die lex de civitate tribuenda, von der Cicero hier spricht, ist natürlich die lex Gellia Cornelia; sehr viel schwieriger ist die Deutung des darauffolgenden Kolons huic generi legum fundos populos fieri non solere. Da die Interpretation der Junktur bzw. der juristischen Konzeption des fundum fieri nicht endgültig geklärt ist (s. Einl. S. 17 ff.), kann auch

 Vgl. Clark (1918), 277.

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nicht ganz zweifelsfrei gesagt werden, von welchem genus legum Cicero hier genau spricht. H. Braunert erwägt, ob das gemeinte genus von der Art ist, daß es solche Gesetze sind, bei denen nachträglich Aktionen von Magistraten legalisiert wurden (wie offenbar im Falle der Bürgerrechtsverleihung durch Pompeius).²¹² Cicero argumentiere hier also laut Braunert im Sinne der Verfassungswirklichkeit, nicht der Verfassungsnorm (siehe dazu Einl. S. 22). Eine weitere Möglichkeit könnte die Unterscheidung von Privatrecht und Staatsrecht sein, die vor allem J. J. Iso im Zusammenhang mit der Phrase fundum fieri in den Vordergrund gestellt hat (s. erneut Einl. S. 17 ff.).²¹³ Bonfiglioli ad loc. sieht in dem genus legum den Gegensatz von Bürgerrechtsverleihungen generatim bzw. singillatim angesprochen: „La sostanza è questa: che la condizione espressa con fundum fieri era necessaria perché un popolo potesse acquistare la cittadinanza romana, non era invece necessaria quando si trattava del conferimento di questo diritto a un singolo individuo.“ Ebenso Ch. G. Paulus, der glaubt, hier würden Gesetze wie die lex Gellia Cornelia in Gegensatz zu Gesetzen wie der lex Iulia von 90 v.Chr. gesetzt, mit der ganzen Völkerschaften das römische Bürgerrecht verliehen wurde.²¹⁴ Rubio ad loc. vergleicht Balb. 22 (de nostra vero re publica, de nostro imperio, de nostris bellis, de victoria, de salute fundos populos fieri noluerunt) und bietet eine sehr einfache und ungezwungene Interpretation: „Las leyes de interés esencial para Roma y su seguridad como aclaró ya Cicerón en el § 22.“ Dabei übersieht Rubio indessen ein wenig das deiktische huic generi legum, das sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf de civitate tribuenda zurückbeziehen muß und sich daher bei seiner Deutung schwer einordnen läßt. Daß Cicero nicht grundsätzlich Gesetze meinen kann, welche die Verleihung des römischen Bürgerrechts reglementieren, erhellt aus Ciceros eigenem Beispiel von Heraclea und Neapel in Balb. 21, da diese beiden Bürgerschaften das römische Bürgerrecht, das ihnen angetragen wurde, abgelehnt haben und mithin an dem Entscheidungsprozeß offensichtlich beteiligt waren, so daß die Frage bezüglich der Zustimmung oder Ablehnung solcher Gesetze dort sehr klar beantwortet ist. Am wahrscheinlichsten dürften die Ansätze von Braunert oder Bonfiglioli und Paulus sein, wobei allerdings Braunerts Deutung etwas überinterpretiert und obskur erscheint. Man fragt sich, ob von den Hörern bzw. Lesern durch eine so sachte

 Vgl. Braunert (1966), 60.  Vgl. Iso (1995). Ein Vorbild für solch eine Gegenüberstellung von öffentlichem und privatem Recht gäbe es in Isaios 11,32 οὐκοῦν οὐ δεῖ προσέχειν ὑμᾶς τοῖς τούτου λόγοις τὸν νοῦν οὐδ’ ἐπιτρέπειν οὐδ’ ἐθίζειν εἶναι γραφὰς περὶ ὧν ἰδίας δίκας οἱ νόμοι πεποιήκασιν. Das Objekt zu ἐθίζειν muß man sich aus dem vorhergehenden τούτου ziehen, womit der Ankläger in dem Prozeß gemeint ist bzw. dessen ἐπίτροπος (vgl. die ὑπόθεσις zur Rede).  Vgl. Paulus (1997), 110.

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Andeutung wie huic generi legum auf einen so speziellen juristischen Sachverhalt wie der nachträglichen Legitimierung feldherrlicher Aktionen geschlossen werden kann, insbesondere nachdem von einer lex de civitate tribuenda die Rede war, was m. E. eine Assoziation bzw. eine Schlußfolgerung im Sinne Bonfigliolis bzw. Paulus’ wahrscheinlicher macht. Balb. 38. 378 – 384 Cn. Pompeium de consili sententia civitatem huic dedisse … potestatem nullam haberemus.: Die ἀνακεφαλαίωσις wird fortgeführt; während in den vorhergehenden Kola die argumentatio de lege rekapituliert wurde, ist es hier die zuletzt erfolgte argumentatio de foedere, wobei der Hinweis auf das consilium des Pompeius gewissermaßen ein Scharnier zwischen den beiden Paradigmen bildet. H. Horn hat mit Hinblick auf diese Zusammenfassung der Argumentation geschrieben: „Merkwürdig bleibt bei diesem Beweisgang nur das eine, daß Cicero keinen Unterschied macht zwischen einer innerrömischen lex und einem außenpolitischen Vertrag.“²¹⁵ Zu dieser Vermengung von lex und foedus vgl. die Einleitung S. 19 f. Zur Junktur de consili sententia vgl. den Kommentar zu Balb. 11. 96 – 99. Nullum populi nostri iussum Gaditanos habere; itaque nihil esse sacrosanctum quod lege exceptum videretur: Zur Diskussion sakrosankter Klauseln vgl. oben den Kommentar zu Balb. 32. 315; 33. 318 – 320 und 33. 320 – 323. Populi nostri ist gen. subi. zu nullum iussum (vgl. Rubio ad loc.). Si esset, tamen in foedere nihil esse cautum praeter pacem; additum esse etiam illud, ut maiestatem illi nostram conservare deberent: Zur Diskussion der Majestätsklausel, vgl. den Kommentar zu Balb. 35. 351– 355 und 355 – 358. Conservare ist Konjektur von Ascensius aus dem 16. Jhd. für das einhellig überlieferte servare (vgl. den app. crit. bei Maslowski) und muß in Anbetracht der vorherigen Formulierung der Majestätsklausel Ciceros auch so stehen. Quae certe minueretur, si aut adiutoribus illorum civibus uti in bellis nobis non liceret aut praemi tribuendi potestatem nullam haberemus: Zuletzt liefert Cicero noch ein in dieser Rede oft benutztes Argument, daß nämlich Roms Souveränität und sogar Sicherheit (insofern sich die Wehrhaftigkeit Roms durch Eingliederung weiterer Völker vergrößert) durch eine Einschränkung der Bürgerrechtsverleihungen bedroht wäre. Sowohl zu diesem Argument als auch zur Formulierung adiutoribus civibus uti vgl. Balb. 26 nihilo enim magis uteremur iis adiutoribus sublatis virtutis praemiis, quam si eqs. Vgl. auch schon davor Balb. 23 quae est ista societas, quae amicitia, quod foedus, ut aut nostra civitas careat in suis periculis Massiliensi propugnatore, careat Gaditano, careat Saguntino, aut si quis ex his populis sit exortus, qui nostros duces eqs.

 Horn (1930), 45. Generell zum foedus Gaditanum vgl. S. 43 – 47.

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Balb. 39. 384 – 388 Nunc vero quid ego contra Gaditanos loquar … ad nostrum imperium nomenque flexerunt;: Zu den einleitenden Worten nunc vero quid ego contra Gaditanos loquar vgl. auch den Beginn von Balb. 38 mit dem Kommentar zur Stelle. Sowohl inhaltlich als auch bezüglich des sprachlichen Duktus vgl. zudem Balb. 34 nec vero oratio mea ad infirmandum foedus Gaditanorum, iudices, pertinet. Durch die Worte legatione ipsa leitet Cicero hier zum Argument der gaditanischen Gesandtschaft über, das in gewisser Weise seinen stärksten Trumpf gegen den Ankläger bildet, da Cicero allein hier wenigstens ansatzweise auf die Anklage einzugehen und sie zu widerlegen scheint, insofern die Legaten aus Gades, indem sie Balbus zum hospes und damit indirekt zum Nicht-Gaditaner bzw. Römer erklären, auf eine etwas inoffizielle Art ihre Zustimmung zur Bürgerrechtsverleihung geben. Damit ist zwar die hier juristisch relevante Formalität des fundum fieri nach wie vor nicht erfüllt (um die es dem Ankläger offenkundig gerade ging, vgl. Balb. 42), doch kommt Cicero an dieser Stelle eben dieser Forderung des Anklägers so nahe wie sonst nirgendwo und entkräftet sie dadurch.²¹⁶ Qui a principio sui generis †aut studio rei publicae ii† ab omni studio sensuque Poenorum mentes suas ad nostrum imperium nomenque flexerunt: Der erste von vier Relativsätzen (qui … qui … qui … quorum) in diesem Paragraphen birgt erhebliche textkritische Probleme, weswegen ich es gegenüber Maslowski vorgezogen habe, mit A. Klotz und Espluga/Moncunill die Worte aut studio rei publicae ii in cruces zu setzen (die Korruptel endet offenbar mit ii). Alle Versuche, den Text wiederherzustellen, bleiben problematisch, wie bspw. Maslowskis qui a principio sui generis ac (aut P : ac H : om. GE) [studio] rei publicae [ii] usw. Die Tilgung des ersten studio stammt von Angelius (s. den app. crit. bei Maslowski), die sich deshalb rechtfertigen läßt, weil eine Geminatio von studio auf so engem Raum stilistisch ungeschickt und daher schwer vorstellbar ist; das Pronomen ii hat bereits der Harleianus ausgelassen, während es in P zum Teil in der Rasur steht (partim in rasura, wie es im Apparat bei Maslowski heißt; nach Espluga/ Moncunill hat es der Korrektor des Parisinus P2 hinzugefügt), in G als iis und in E als his. Das Problem ist, daß auch in der von Maslowski rekonstruierten Version kein recht befriedigender Sinn herauskommt. Wollte oder konnte Cicero wirklich

 Ähnlich verfährt auch Aischines in seiner Parapresbeia-Rede (or. 2,142 f.); dem Vorwurf des Demosthenes, Aischines sei für den Untergang der Bewohner von Phokis während des 3. Heiligen Krieges verantwortlich gewesen, begegnet dieser mit dem Hinweis auf eine phokische Gesandtschaft, die ihn nicht etwa – wie zu erwarten wäre – anklage, sondern im Gegenteil verteidige; vgl. 2,142 ἥκουσι δ’ ἀπὸ τῶν ἐν Φωκεῦσι πόλεων πρέσβεις οὓς ἐγὼ τὴν τρίτην πρεσβείαν ἐπὶ τοὺς ᾿Aμφικτύονας πρεσβεύων ἔσωσα κτλ. und 143 ὅτι δ’ ἀληθῆ λέγω, κάλει μοι Μνάσωνα τὸν Φωκέα καὶ τοὺς συμπρέσβεις κτλ.

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sagen, daß die Gaditaner im Grunde genommen seit Anbeginn der Zeiten (a principio sui generis) sich von der punischen Kultur ab- bzw. den Römern zuwandten? (Über die Ursprünge der phönizischen Siedlung in Spanien vgl. oben S. 120 mit Anm. 170). Oder sollte Cicero hier mit Poenorum speziell die Karthager (so Reid, S. 106) meinen, die in der Tat den Gaditanern insbesondere im zweiten Punischen Krieg nicht immer das Leben leicht machten? Vgl. Liv. XXVIII 36,3 ad eam rem et a Carthagine pecunia Magoni advecta est, et ipse quantam potuit a Gaditanis exegit, non aerario modo eorum sed etiam templis spoliatis et privatim omnibus coactis aurum argentumque in publicum conferre. Derartige Umstände mögen zum Abfall der Gaditaner beigetragen haben; vgl. Liv. XXVIII 30,4 Gades sine certamine per proditionem recipiendi, ultro qui eam rem pollicerentur in castra Romana venientibus, spes, sicut ante dictum est, fuerat. sed patefacta immatura proditio est, comprensosque omnes Mago Adherbali praetori Carthaginem devehendos tradit. ²¹⁷ Doch wie sollte man auch dann a principio sui generis im Gesamtzusammenhang verstehen? Schwierig ist auch Reids Version (vgl. seine Appendix zum Text, S. 106 f.): qui a principio sui generis ac [studio] rei publicae, id est, ab omni studio sensuque Poenorum eqs. (womit Reid der alten Teubner-Ausgabe von R. Klotz folgt). Reid schreibt ferner in der Appendix – wie bereits angedeutet –, daß hier mit den Poeni die Karthager gemeint sein müssen, von denen sich die Gaditaner also abwenden. Dann läßt sich allerdings schwer seine (bzw. R. Klotz’) Konjektur beibehalten, da das id est dann andeuten würde, daß auch mit dem principium sui generis ac rei publicae der karthagische Ursprung (den es nicht gab) und nicht der allgemein phönizische gemeint sein müßte. Gewiß muß sich Cicero um derartige Differenzierungen keine Gedanken gemacht haben und kann den gemeinsamen phönizischen Ursprung der Gaditaner und Karthager im Auge gehabt haben, den die Gaditaner durch einen Abfall von den Karthagern zu den Römern gewissermaßen verleugnen. Das hieße, daß Cicero einmal vom principium sui generis ac rei publicae als dem allgemeinen phönizischen Ursprung und dann vom studium sensusque Poenorum (gen. obi., vgl. Bonfiglioli und Reid ad loc.) als dem Wohlwollen speziell gegenüber den Karthagern spräche, was vielleicht nicht unmöglich, aber doch schwer nachzuvollziehen wäre. Außerdem ist auch die von R. Klotz und Reid durch das id est hergestellte Entsprechung von principium und studium sensusque nicht eben leicht zu akzeptieren. Da mir keine der Lösungen besonders einfach erscheint (vgl. auch den app. crit. bei Peterson für weitere Vorschläge), belasse ich es wie A. Klotz und Espluga/Moncunill beim non liquet und setze die problematischen Worte in cruces.

 Zum historischen Hintergrund vgl. auch Rubio (1949), 76 ff.

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Balb. 39. 388 – 393 Qui cum maxima bella nobis inferrentur moenibus excluserunt … se nobiscum coniunctissimos esse arbitrati sunt;: Zu den historischen Hintergründen und der Rolle der Gaditaner im zweiten Punischen Krieg vgl. die letzte Anmerkung sowie speziell für die hier von Cicero gewählte Formulierung excluserunt auch Liv. XXVIII 37,1 Mago cum Gades repetisset, exclusus inde ad Cimbios – haud procul a Gadibus is locus abest – classe adpulsa, mittendis legatis querendoque quod portae sibi socio atque amico clausae forent, purgantibus iis eqs. Die Einfügung a Carthaginiensibus, eos stammt von A. Klotz; es scheint, daß hier eine Zeile des Archetyps ausgefallen ist (vgl. Klotz im app. crit.: „videtur unus archetypi versus omissus esse“), die durch die Länge der Einfügung von Klotz ergänzt wäre (vgl. dazu den Komm. zu Balb. 16. 134– 140 quem populus Romanus in singularibusque decorasset). Dem Sinn und der Länge nach wäre auch Maslowskis ab isdem Poenis, eos möglich, doch ist Carthaginiensibus aufgrund der variatio vorzuziehen und darüber hinaus auch als negativer Kontrastbegriff zu „Punier, Phönizier“, zu denen Balbus bzw. die Gaditaner schließlich auch gezählt werden. Zu Petersons qui, cum maxima bella nobis inferrentur, moenibus excluserunt bemerkt A. Klotz im app. crit. zur Stelle richtig: „certe quod post inseruit Pet., nec sententiae satisfacit, et clausulam pessumdat.“ Classibus insecuti sunt, corporibus opibus copiis depulerunt: Zu dieser Formulierung vgl. Demosth. or. 9,40 ἐπεὶ τριήρεις γε καὶ σωμάτων πλῆθος καὶ χρημάτων καὶ τῆς ἄλλης κατασκευῆς ἀφθονία. Zum Asyndeton corporibus opibus copiis vgl. das zu Balb. 13. 105 – 110 Gesagte. Ob inhaltlich die drei Begriffe semantisch distinkt sein müssen, ist fraglich (vgl. Rubio ad loc.); sie könnten allein im Sinne der αὔξησις aneinandergereit sein. Möglicherweise hatte Cicero aber auch mit den corpora speziell einzelne Männer, mit den copiae dann allgemeiner Truppen und mit den opes Unterstützung in Form von bspw. Getreidelieferungen im Auge (vgl. Balb. 40 frumento subpeditato). Qui et veterem illam speciem foederis Marciani semper omni sanctiorem ara duxerunt: Zu veterem illam speciem foederis Marciani vgl. oben zu Balb. 34. 334– 338. Die Konjektur sanctiorem ara stammt bereits von Lambinus; überliefert ist sanctiorem arce PGEH (im Parisinus zudem mit der falschen Worttrennung sanctiore marce; vgl. den app. crit. bei Maslowski), das Reid ad loc. sowie Peterson halten wollten, doch ist trotz Reids Einwänden der Vergleich einer als heilig betrachteten Institution mit einer Zitadelle oder einer Burg nicht recht nachvollziehbar. Lambins nahe liegende und einfache Konjektur ara ist unbedingt (auch

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gegen Krafferts sanctiorem iure)²¹⁸ vorzuziehen. Die Junktur sancta ara läßt sich jedenfalls nachweisen; vgl. Ov. Met. III 733 turaque dant sanctasque colunt Ismenides aras und Sen. Oed. 303 opima sanctas victima ante aras stetit. Der ThlL verweist s.v. ara nach den eben genannten Stellen im übrigen auch vergleichend auf Cic. Mil. 85 vos enim iam, Albani tumuli atque luci, vos, inquam, imploro atque testor, vosque, Albanorum obrutae arae, sacrorum populi Romani sociae et aequales eqs. Et hoc foedere Catuli senatusque auctoritate se nobiscum coniunctissimos esse arbitrati sunt: Zur Bezeichnung des Bündnisses als foedus Catuli vgl. den Kommentar zu Balb. 34. 338 – 343. Zu se nobiscum coniunctissimos esse arbitrati sunt vgl. in inhaltlicher Hinsicht den Kommentar zu Balb. 1; zu coniunctus im Superlativ vgl. auch Balb. 24 fidelissimos et coniunctissimos socios (dort ist allerdings die Lesart nicht endgültig sicher; nur der Harleianus hat coniunctissimos, GE haben coniunctos und P coniunctis) sowie Cic. ad Q. fr. I 3,4 his de causis hoc maximum malum quod te non vidi, quo nihil amatissimis et coniunctissimis fratribus acerbius ac miserius videtur accidere potuisse eqs. Der Komparativ findet sich bspw. Mur. 3 quis mihi in re publica potest aut debet esse coniunctior quam is cui res publica eqs. Grundsätzlich scheint die Steigerung der participia perfecta gemieden zu werden, zumindest solange der partizipiale bzw. verbale Charakter der Partizipien noch empfunden wird; vgl. H.Sz. 165. Balb. 39. 393 – 395 Quorum moenia delubra agros ut Hercules itinerum ac laborum suorum, sic maiores nostri imperi ac nominis populi Romani terminos esse voluerunt.: Cicero suggeriert hier und im folgenden Paragraphen eine σύγκρισις des Pompeius und Herakles, wie bereits K. A. Barber bemerkt hat: „The hero-god is a fitting figure for Cicero to mention in this speech. Although Cicero does not draw a parallel in his speech, Pompey’s triumphs and military successes encourage comparison to Hercules.“²¹⁹ Barber verweist ferner auf die Vergleiche bei Plinius, nat. VII 95 – 99 (z. B. 95: aequato non modo Alexandri Magni rerum fulgore, sed etiam Herculis prope ac Liberi patris) und Plutarch, Pomp. 45; dort ist allerdings nur von den drei Triumphen über die drei Erdteile (vgl. Balb. 9 qui tot habet triumphos quot orae sunt partesque terrarum und vor allem den Kommentar zu Balb. 16. 134– 140) die Rede, während in Paragraph 46 dann ein Vergleich mit Alexander (wie bei Plinius) folgt. Auch die Formulierung sic maiores nostri imperi ac nominis populi Romani terminos esse voluerunt weist auf das Enkomion des

 Vgl. Kraffert (1881/1883), 119.  Barber (2004), 39.

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Pompeius zurück, vgl. Balb. 13 o Cn. Pompei sic late longeque diffusa laus ut eius gloriae domicilium communis imperi finibus terminetur!. Nach der gängigsten Sagenversion, die Cicero hier offenbar vorschwebt, hat Herakles im äußersten Westen der Oikumene, also in Spanien, die zehnte seiner zwölf von Eurystheus aufgetragenen Aufgaben bestanden, bei der er auf der Insel Erytheia, jenseits der Säulen des Herakles, dem dreiköpfigen oder dreileibigen Riesen Geryoneus (bei Horaz, carm. II 14,7 f. heißt er ter amplus Geryones) eine Rinderherde stahl und Geryoneus selbst letzten Endes mit seinen Pfeilen erlegte.²²⁰ Die Erwähnung des Herakles in einem Prozeß gegen einen Gaditaner drängt sich noch aus einem weiteren Grund auf, der bereits oben zu Balb. 32. 315 – 318 erwähnt wurde. Gerade in Gades genoß nämlich Herakles bzw. sein phönizisches Gegenstück Melqart eine herausragende Verehrung.²²¹ So findet man die für Herakles typische Keule z. B. auf einem Denar eines Proprätors Balbus (aus dem Jahre 41 v.Chr.), der möglicherweise in Spanien geprägt wurde, worüber allerdings Uneinigkeit herrscht genau wie über die Identität des auf der Münze verewigten Balbus.²²² E. Jullien glaubt, daß es sich bei dem Proprätor um Balbus’ Neffen Balbus minor handelt.²²³ Dagegen meinen M. H. Crawford, H. Kaden und M. G. G. Cecere, daß „unser“ Balbus maior der gesuchte Proprätor sein muß.²²⁴ Cecere zieht als weiteren Grund gegen Balbus minor einen Brief des Asinius Pollio (Cic. fam. X 32) vom 8. Juni 43 v.Chr. heran, in dem von den Missetaten des jüngeren Balbus in der Hispania Ulterior als Quästor die Rede ist, aufgrund derer er sogar nach Mauretanien floh; vgl. X 32,1 Balbus quaestor magna numerata pecunia, magno pondere auri, maiore argenti coacto de publicis exactionibus, ne stipendio quidem militibus reddito duxit se a Gadibus et triduum tempestate retentus ad Calpem Kal. Iun. traiecit sese in regnum Bogudis plane bene peculiatus sowie 32,2 sed praeter furta et rapinas et virgis caesos socios haec quoque fecit, ut ipse gloriari solet, quae C. Caesar: ludis eqs. Dieses Verhalten und die Flucht machen eine spätere Proprätur in derselben Provinz tatsächlich ein wenig unwahrscheinlich.

 Vgl. Weicker (1910) zu Geryoneus allgemein sowie Schweitzer (1922), 146 ff. zu den Ursprüngen der Sage und unterschiedlichen Sagenversionen.  Vgl. C. Bonnet (1988), 203 – 230 über den Kultus in Gades sowie 399 – 415 über den Synkretismus von Melqart und Herakles.  Zur Abbildung vgl. M. H. Crawford (1974), nr. 518.  Vgl. Jullien (1886), 140 ff. Ebenso Lamberty (2005), 169 mit Anm. 95 und Pina Polo (2011), 199 mit Anm. 46, der allerdings auch darauf hinweist, daß keine endgültige Gewißheit zu erlangen ist.  Zu M. H. Crawford siehe Anm. 222 oben. Crawford geht im übrigen davon aus, daß der Denar nicht in Spanien geprägt wurde. Vgl. ferner Kaden (1912), 29 – 31 und Cecere (2007), 237.

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Möglicherweise ist der Proprätor der Münzen also tatsächlich der von Cicero hier verteidigte Balbus, der dann im Jahre 40 zum Suffektkonsul ernannt wurde. Zum Asyndeton moenia delubra agros vgl. das oben zu Balb. 13. 105 – 110 Gesagte. Balb. 40. 395 – 403 Testantur et mortuos nostros imperatores quorum vivit inmortalis memoriae gloria, Scipiones Brutos Horatios Cassios Metellos … sit his gradibus ascensus etiam ad civitatem.: Die Anrufung toter und lebendiger Feldherren sowie des gesamten römischen Volkes durch die Gaditaner, die Cicero hier den Richtern vor Augen stellt, variiert das altbekannte Argument, daß eine Einschränkung bei der Vergabe des Bürgerrechts einerseits eine große Ungerechtigkeit gegenüber den Verbündeten wäre, andererseits von großem Schaden für Rom selbst. Bei der Überlieferung der Namen der Feldherren gibt es gewisse Probleme. Vorweg sei angemerkt, daß die Plurale nicht notwendigerweise buchstäblich zu verstehen sind, sondern im Sinne eines „typisierenden Plurals“ verwendet sein können; vgl. Sest. 143 qua re imitemur nostros Brutos, Camillos, Ahalas, Decios, Curios, Fabricios, Maximos, Scipiones, Lentulos, Aemilios, innumerabiles alios qui hanc rem publicam stabiliverunt und Tusc. I 4 an censemus, …, non multos etiam apud nos futuros Polyclitos et Parrhasios fuisse? sowie grundsätzlich H.-Sz. 19. Die beiden Scipionen wurden bereits Balb. 34 erwähnt sowie Q. Caecilius Metellus Pius in Balb. 5, der offenbar für die militärische und damit auch politische Karriere des Balbus von Bedeutung war; daneben hatte Cicero Balb. 11 auch Q. Caecilius Metellus Numidicus erwähnt, bei dem sich jedoch im Gegensatz zu den Scipionen und Metellus Pius kein Bezug zu Spanien herstellen läßt; doch muß – wie gerade angedeutet – Metellus Pius (oder irgendein anderer Metellus) in dem Plural nicht mit gemeint sein. Mit Brutos zielt Cicero aller Wahrscheinlichkeit nach auf Decimus Iunius Brutus Callaicus (cos. 138), der im jenseitigen Spanien Statthalter war und dort mehrere erfolgreiche Feldzüge unternahm, insbesondere gegen die Lusitaner und Callaiker, wodurch Brutus sein Cognomen erhielt.²²⁵ Bei den zwei übrigen Eigennamen sind die Bezüge nicht ganz so deutlich, was zu Verbesserungsvorschlägen geführt hat. Der überlieferte Name Horatios ist in der Tat bedenklich. Es läßt sich kein passender Vertreter des Namens ausfindig machen, denn daß Cicero den mythischen Widersacher des Porsenna, Horatius Cocles, im Sinne gehabt haben soll, ist wenig wahrscheinlich. Garatoni hat deswegen Flaccos konjiziert, das Reid in seiner Appendix zum Text, S. 107, mit der Begründung aufgenommen hat, daß ein Kopist sich durch den Namen Brutos an die ersten Konsuln Roms (L. Iunius Brutus und Horatius Pulvillus) erinnert fühlte

 Vgl. Münzer (1918).

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und daher Horatios einfügte; Reid schreibt zudem, daß „no doubt the fact that the poet Horace’s name was Flaccus influenced the reading.“ Es gibt nun im Sinne von Garatonis Konjektur tatsächlich einen Flaccus der nahe läge – der von Cicero Balb. 55 erwähnte C. Valerius Flaccus (cos. 93). Für letzteren gilt wiederum, was bereits zu den Scipiones, Metellos und Brutos gesagt wurde, daß nämlich ein Bezug zu Spanien existiert. Valerius Flaccus hatte während seines Konsulats gegen die Keltiberer gekämpft und später einen Triumph gefeiert.²²⁶ Dasselbe Problem wie bei Horatios ergibt sich beim überlieferten Cassios, das nach Reid (an der eben genannten Stelle) auf dieselbe Weise wie Horatios in den Text gelangt sei, nur daß der Kopist hier nicht die römische Frühgeschichte im Sinn gehabt habe, sondern den Ausgang der Republik und daher zum einen Caesarmörder Brutus den anderen Cassius hinzu assoziierte. Der einzige Cassius mit einem Bezug zu Spanien, der sich finden läßt, ist Q. Cassius Longinus, der 54 unter Pompeius Quästor in Hispania Ulterior war;²²⁷ schon aus zeitlichen Gründen fällt dieser also weg. Für Cassios hat daher Manutius Crassos konjiziert, was vermutlich nicht so sehr an Ciceros Mitverteidiger und Triumvirn erinnern sollte als vielmehr an dessen Vater P. Licinius Crassus²²⁸ (cos. 97), der von 96 – 93 v.Chr. als Proconsul in Hispania Ulterior war und über die Lusitaner triumphierte. Bei alledem ist indessen natürlich auch nicht unmöglich, daß Cicero sich schlichtweg auf uns unbekannte Persönlichkeiten der römischen Geschichte bezieht (so Rubio ad. loc.), wodurch jede Konjektur von Eigennamen problematisch wird. Et hunc praesentem Cn. Pompeium, quem procul ab illorum moenibus acre et magnum bellum gerentem commeatu pecuniaque iuverunt: Mit dem acre et magnum bellum dürfte der Krieg gegen Sertorius gemeint sein; vgl. dazu oben den Kommentar zu Balb. 5. 40 – 45. Et hoc tempore ipsum populum Romanum, quem in caritate annonae, ut saepe ante fecerant, frumento subpeditato levarunt: Der Relativsatz quem in caritate annonae, ut saepe ante fecerant, frumento subpeditato levarunt zielt auf Pompeius’ Funktion als curator annonae, als der er, mit einem prokonsularischen Imperium (vgl. Cic. fam. I 1,3 cum imperio) für fünf Jahre versehen, aufgrund eines Anstiegs der Getreidepreise in Rom die Vollmacht über die Getreidevorräte in Italien und den Provinzen erhalten hatte. Cicero selbst hatte sich kurz nach seiner

 Vgl. Münzer (1955).  Vgl. Münzer (1899).  Über die Zuteilung des Cognomens Dives bei diesem Crassus herrscht Uneinigkeit. Münzer (1926), 287 f. hat es ihm abgesprochen, Gelzer (1926), 295 in dem RE-Artikel über Crassus den Triumvirn spricht es dem Vater zu.

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Rückkehr aus dem Exil am 7. September 57 v.Chr. im Senat für ein entsprechendes Gesetz ausgesprochen (vgl. Cic. dom. 16).²²⁹ Nur der Korrektor des Gemblacensis G2 liest an dieser Stelle ipsum, während im übrigen einheitlich ipso überliefert ist und sich damit also auf hoc tempore bezöge. M. E. ist jedoch die Lesart von G2 vorzuziehen, da Cicero doch offensichtlich durch die Betonung des römischen Volkes (ipsum populum Romanum) eine Klimax zu den vorher genannten toten und lebendigen Feldherren herstellen möchte („nicht bloß unsere Feldherren, sondern das römische Volk selbst rufen sie zu Zeugen an“). Se hoc ius esse velle ut sibi et liberis, si qui eximia virtute fuerit, sit in nostris castris, sit in imperatorum praetoriis, sit denique inter signa atque in acie locus, sit his gradibus ascensus etiam ad civitatem.: Es gibt in diesem Passus zwei kleinere textkritische Probleme. Erstens ist der Relativsatz si qui eximia virtute fuerit unterschiedlich überliefert. Nur P hat fuerit, während alle anderen Codices fuerint bieten. Der Singular scheint indessen, auch wenn dem Relativsatz liberis vorausgeht, besser zu passen, da eine solche Aussage weitaus mehr im Einklang stünde mit der in der Rede durchgehend hervorgehobenen Bürgerrechtsverleihung singillatim virtutis causa. Cicero möchte gewissermaßen die Lizenz nicht geradezu auf alle tapferen Kinder der Gaditaner (und sie selbst: sibi et liberis) ausdehnen, sondern nur sagen: „wenn unter ihnen sich einer verdient gemacht hat…“. Reids Einwand in seiner Appendix zum Text, S. 107, daß das substantivische si quis hier zu erwarten wäre, wenn kein Bezugswort für das Indefinitpronomen im Kondizionalsatz steht, ist nicht zwingend, da aus dem vorhergehenden Bezugswort sibi bzw. liberis ein solches im Kondizionalsatz gedanklich ergänzt werden kann. Daß ferner ohnehin si qui auch substantivisch verwendet werden kann, bezeugt gerade mit Hinweis auf Stellen aus Cicero K.Hw. 614. Darüber hinaus hat in den Zeilen 401– 402 nur G2 jeweils sit, während ansonsten sint überliefert ist²³⁰, mithin also ascensus als Plural aufzufassen wäre; dieser wäre bei einem derartigen Wort allerdings recht ungewöhnlich; aus den Reden gibt es als Beleg dafür nur Planc. 25 etenim in virtute multi sunt adscensus. Desweiteren drängt sich der Singular durch das Subjekt im Kolon sit denique inter signa atque in acie locus auf. Der Singular ist daher vorzuziehen. Zur „Stufen“Metapher (sit his gradibus ascensus) vgl. Balb. 18. 160 – 164.

 Vgl. zum Hintergrund Gelzer (1984), 136 f.  An dieser Stelle scheint ein Fehler im Apparat von Maslowski vorzuliegen, da er nur dreimal sit bzw. sint verzeichnet und dadurch unklar bleibt, auf welche drei der vier Wörter Maslowskis Angabe zu beziehen ist. Im Apparat von Espluga/Moncunill ist sit bzw. sint dann viermal notiert.

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Balb. 41. 403 – 407 Quod si Afris, si Sardis, si Hispanis … sed iniquissimas leges inpositas a nobis esse arbitrabuntur.: Cicero wiederholt erneut das argumentum a minore, daß die Möglichkeit, das römische Bürgerrecht aufgrund gewisser Verdienste zu erlangen, gerade für Mitglieder einer civitas foederata wie Gades bestehen müsse, wo doch dasselbe für Mitglieder tributpflichtiger Gemeinden gelte; vgl. Balb. 24 und 29. Reid ad loc. merkt an, daß Ciceros Differenzierung an dieser Stelle falsch ist und durchaus auch civitates foederatae zu Tributzahlungen verpflichtet werden konnten; daß grundsätzlich das Konzept foedus und damit auch civitas foederata nicht so einheitlich ist, wie Cicero behauptet, und daher auch derartige pauschal-verallgemeinernde Schlüsse (wie an unserer Stelle) zu diesen Konzepten problematisch sind, wurde bereits in der Einleitung hervorgehoben; vgl. S. 21 mit Anm. 57. Zum Asyndeton officiis vetustate fide periculis foedere vgl. oben zu Balb. 13. 105 – 110; zu coniunctus mit Bezug auf die Gaditaner vgl. oben zu Balb. 1. Zum Begriff vetustas vgl. auch Balb. 34 (bis) und 35. An der vorliegenden Stelle heißt es geradezu so viel wie vetustas amicitiae, vgl. Quinct. 70 ingenio, vetustate, artificio tu facile vicisti. ²³¹ Non foedus sibi nobiscum, sed iniquissimas leges inpositas a nobis esse arbitrabuntur: Dieser Satz hat Peterson wegen des leichten Zeugmas Unbehagen bereitet, weswegen er H. A. Koch folgend nach nobiscum ein ictum in den Text gesetzt hat (zusätzlich verweist er auf Sest. 24: id autem foedus meo sanguine ictum sanciri posse dicebant; indessen ist auch diese Stelle textkritisch umstritten, vgl. den app. crit. in der Ausgabe Maslowskis). Zwingend nötig ist die Ergänzung ictum jedoch nicht, da sich hier der Sinn ohne weiteres erschließen läßt und zudem Cicero im ersten Kolon vielleicht gar nicht ein Wort wie ictum (bzw. eine Verbindung wie ictum esse) vorgeschwebt hat, sondern lediglich esse, dessen Ellipse leicht zu verkraften ist; zum Vorkommen des Zeugmas in der lateinischen Literatur vgl. H.-Sz. 832. Balb. 41. 407– 411 Atque hanc, iudices, non a me fingi orationem … deprecatores huius periculi missos videtis;: Cicero ruft nun die gaditanische Gesandtschaft herbei, die dadurch, daß sie ein hospitium publicum, d. h. eine Art Patronatsverhältnis zwischen Gemeinden als Klienten und römischen Bürgern (im Gegensatz zum hospitium privatum, bei dem eine Gastfreundschaft zwischen einzelnen Privatpersonen geschlossen wurde), mit Balbus vorweisen können, ihre Anerkennung des römischen Bürgerstatus des Balbus untermauern; damit belegt Cicero indirekt die Zustimmung (fundum fieri) der civitas foederata Gades zur

 Zur letzten Stelle vgl. Kinsey (1971) ad loc. Neben unserer Stelle finden sich bei Kinsey noch weitere Parallelen.

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Bürgerrechtsverleihung an Balbus. Das beweiskräftige Dokument dafür sind die tesserae hospitales, die meist in zwei entsprechende Hälften geteilt (wie die griechischen σύμβολα) den Nachweis über das abgeschlossene Patronats- oder Gastfreundschaftsverhältnis lieferten²³²; vgl. die Anagnorisis bei Plaut. Poen. 1046 ff. Hanno: hem! quid ego audio? Agorastocles: Antidamae gnatum me esse. Ha. si itast, tesseram conferre si vis hospitalem, eccam attuli. Ag. agedum huc ostende. est par probe. nam habeo domi. Ha. o mi hospes, salve multum! eqs. Auf den Täfelchen oder Münzen waren bpsw. Hände abgebildet, die durch die Zusammenführung vereinigt wurden; vgl. Tac. hist. I 54,1 miserat civitas Lingonum vetere instituto dona legionibus dextras, hospitii insigne. Bei alldem muß indessen bedacht werden, daß die Konjektur tesseram von Madvig stammt. Überliefert ist das sinnlose proferam testesseram (testeseram P1) legatos excito laudatores PGE sowie die verbesserte Version proferam testes proferam legatos excito laudatores H. Madvig hat nun zu Recht an der Lesart des Harleianus aus verschiedenen Gründen Anstoß genommen, zum einen aufgrund der unschönen Geminatio von proferam, ferner wegen der Differenzierung von testes und legati, die hier schließlich in Personalunion auftauchen, und vor allem wegen der Junktur testes/ legatos proferre: „Quis enim testes et legatos proferre se dixit, tanquam manibus gestaret, quum produceret?“²³³ Die Änderung von testesseram zu tesseram ist also unbedingt gegenüber der vom Harleianus überlieferten Lesart proferam testes proferam legatos vorzuziehen. J. Cousins in seiner Budé-Ausgabe vorgenommene Umstellung tesseram proferam, legatos excito zugunsten des Parallelismus ist unnötig. Zur Bedeutung dieses ganzen Passus (insbesondere die Formulierung multis annis ante hoc tempus) für die Frage des Zeitpunkts der Bürgerrechtsverleihung an Balbus vgl. die Einleitung S. 5 f. Legatos excito: Die Formulierung legatos excito ist ein üblicher Ausdruck der Gerichtssprache (vgl. Bonfiglioli und Reid ad loc.), der sich auch an anderen Stellen bei Cicero findet; vgl. Planc. 43 quem iudicem ex illis aut tacitum testem haberes aut vero etiam excitares? sowie Rab. Post. 47 possum excitare multos reductos testis liberalitatis tuae, quod saepe audivi patri tuo Curtio magno adiumento in iudicio capitis fuisse. Die Ergänzung an der letzten Stelle stammt von Clark (vgl. den app. crit. seiner Ausgabe); C. Klodt hat sich in ihrem Kommentar zur Stelle gegen eine Ergänzung entschieden, da das Wort reductos keine weitere Bestimmung brauche.²³⁴ Unsere Stelle steht insofern einzig dar, als den anderen  Vgl. Hiltbrunner (2005), 85 ff.; eine kürzere Version findet sich Hiltbrunner/Gorce/Wehr (1972), 1096 f.  Madvig (1887), 436.  Vgl. Klodt (1992) ad loc.

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Parallelen die Unmittelbarkeit der Balbiana fehlt. Mit der Formulierung legatos excito suggeriert Cicero geradezu, daß er just in dem Moment des Sprechens die Gesandten auffordert, nach vorne in den Zeugenstand zu treten. Laudatores ad hoc iudicium, summos homines ac nobilissimos, deprecatores huius periculi missos videtis;: Die legatio Gaditanorum soll also nicht nur beweisen, daß Balbus tatsächlich schon ein römischer Staatsbürger ist, sondern tritt zudem gewissermaßen als Charakterzeuge auf. Die Formulierung wird in Balb. 42 erneut aufgegriffen: civis amplissimos legavit testis huius iuris, vitae laudatores, periculi deprecatores; vgl. auch Cic. Cael. 5, wo Cicero eine Legation des Heim-Munizipiums des Caelius als Fürsprecher für diesen nennt: idemque nunc lectissimos viros et nostri ordinis et equites Romanos cum legatione ad hoc iudicium et cum gravissuma atque ornatissuma laudatione miserunt. ²³⁵ Auch Verr. II 2,45 werden Legaten, hier aus Syrakus, erwähnt, die publice laudationis causa für Verres sprechen. In diesem Fall wird deren Bedeutung aus verständlichen Gründen herunter gespielt; so sind es auch nur pauci, die zudem durch die Verbrechen des Verres profitiert haben. Verr. II 2,114 werden bspw. sowohl die Gesandschaft zugunsten des Verres als auch die zugunsten des Sthenius, der von Verres verklagt worden war und hier als Belastungszeuge auftritt, genannt und ihre unterschiedlichen Qualitäten gegenübergestellt. Weitere munizipale Leumundszeugen (laudatores) finden sich Cluent. 196. Auffällig an unserer Stelle ist die Wortstellung. Wie das ganz parallel in Balb. 42 folgende ad vestrum iudicium civis amplissimos legavit testis huius iuris, vitae laudatores, periculi deprecatores nahelegt, müßte summos homines ac nobilissimos eigentlich als der Subjektsakkusativ zu missos videtis und die laudatores sowie die deprecatores als prädikative Appositionen aufzufassen sein. Die Einschließung des direkten Objekts durch die zwei Appositionen ist zumindest ungewöhnlich, doch ist grundsätzlich die Voranstellung einer Apposition, sogar mit weiter Sperrung vom Bezugswort, nicht unmöglich, wie bspw. Cic. Phil. 5,42 advolabat ad urbem a Brundisio homo impotentissimus, ardes odio, animo hostili in omnis bonos cum exercitu Antonius (vgl. K.-St. II 604). Dadurch daß hier noch nach dem Subjektsakkusativ ein zweites Attribut deprecatores huius periculi gewissermaßen nachgereicht wird, entsteht eine Art Klammerstellung der Appositionen. Es sei am Rande bemerkt, daß Cicero nicht nur tatsächliche hospites als πίστεις ἄτεχνοι vor Gericht lädt und ihre Aussagen nutzt bzw. im Falle des Gegners  Vgl. Austin (1966) ad loc.: „The members of such a deputation (legatio) would either bring accredited mandata, or would give personal evidence on oath; the usual number seems to have been at least ten, and it was better to have no laudatores at all than to appear unable to produce the customary minimum (Verr. v. 57).“

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bekämpft, sondern den Begriff hospes auch topisch und mit despektierlicher Absicht verwendet, wie bspw. Rab. perd. 28, wo Titus Labienus als hospes verhöhnt wird, weil er sich mit den römischen Bräuchen nicht auskenne: adeone hospes huiusce urbis, adeone ignarus disciplinae consuetudinisque nostrae [civitatis], ut haec nescias, ut peregrinari in aliena civitate, non in tua magistratum gerere videare? sowie Mil. 33 an vero, iudices, vos soli ignoratis, vos hospites in hac urbe versamini, vestrae peregrinantur aures eqs. ²³⁶ Balb. 41. 411– 414 Re denique multo ante Gadibus inaudita, fore huic ab illo periculum crearetur *** gravissima autem in istum civem suum Gaditani senatus consulta fecerunt.: Der Satz scheint heillos korrupt zu sein, und kein Versuch einer Emendation konnte bisher vollends überzeugen, weswegen eine oder sogar mehrere lacunae für diese Stelle angenommen werden. Überliefert ist er zunächst in der Form re denique multo ante Gadibus inaudita, fore huic ab illo periculum crearetur gravissima autem (hoc G1E) in istum civem suum Gaditani senatus convitia (‐cia EH) fecerunt. Um dem Satz eine einigermaßen verständliche syntaktische Struktur zu geben, wird üblicherweise das Wort inaudita als das Partizip von inaudire aufgefaßt (vgl. Bonfiglioli ad loc. und Rubio, S. 57 f. sowie oben zu Balb. 16. 134– 140 quem populus Romanus in singularibusque decorasset; dort ist das konjizierte inauditis indessen als Form des Adjektivs inauditus aufzufassen), von dem dann der Infinitiv fore abhängt. Allerdings ist das Verb in(d)audire fast nur bei Plautus und anderen älteren Dramatikern belegt, bei Cicero nur in den Briefen (s. ThlL s.v.); vgl. bspw. Att. VI 1,20 num quid de quo inaudisti? und Att. XV 26,1 inaudivi L. Pisonem velle exire legatum ψευδεγγράφῳ senatus consulto. Das ut nach fore, das sich wegen des Konjunktivs crearetur aufdrängt, stammt aus der florentinischen Renaissance-Vulgata, der Codex b stellt es so wie hier, die Codices AJS setzen es nach huic. Die Lücke nach crearetur hat Halm angesetzt (s. app. crit. bei Maslowski), gewiß bedingt durch das folgende autem, das sich ansonsten schwer erklären ließe. Dem letzten Problem ist die editio Romana und ihr folgend J. Cousin in der Budé-Ausgabe entgegengetreten, indem sie statt des überlieferten autem (oder hoc) tum schreiben, so daß sich die lacuna damit erübrigt. Cousin übersetzt den Satz dann folgendermaßen: „enfin, bien avant cette affaire, comme on avait appris à Gadès que cet homme devait le mettre alors en position périlleuse, les Gaditains firent des sénatus-consultes très rigoureux contre l’individu, bien qu’il fût leur concitoyen.“ Indessen ist die Konjektur der editio Romana (und Cousins) nicht ganz unproblematisch, da autem gewissermaßen einheitlich überliefert ist. Zwar haben der

 Vgl. dazu sowie generell zur politischen Bedeutung der urbs gegenüber der Provinz H. D. Meyer (1957), 10 f.

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Gemblacensis (prior manus) und der Erfurtensis die Lesart hoc, doch liegt hier offenbar nur der häufig auftretende Fall vor, daß G und E das compendium insulare (für autem) ihrer Vorlage falsch auflösen; vgl. dazu die Einleitung, S. 24 f.²³⁷ Schließlich ist auch senatus consulta konjiziert (erneut vom florentinischen Codex b), während die Überlieferung senatus convicia hat, was Reid ad loc. halten wollte mit dem Hinweis, daß es sehr unwahrscheinlich sei, daß die Gaditaner ganze Senatsconsulte gegen einen Mann aufsetzten. Indessen wirkt auch die überlieferte Junktur gravissima senatus convicia facere ungewöhnlich. Ein Beleg für eine solche Wendung fehlt (vgl. den ThlL s.v. convicium); am nähsten käme unserer Stelle noch Cic. Pis. 63 neque vero contempsisti, sis licet Themista sapientior, sed os tuum ferreum senatus convicio verberari noluisti. Doch ist auch diese Formulierung os senatus convicio verberari etwas ganz anderes als Gaditani gravissima senatus convicia fecerunt. Wir sind darüber hinaus über die tatsächlichen Usancen der gaditanischen Politik oder Gerichtsbarkeit zu schlecht informiert und müssen immer mit möglicherweise unangemessenen Aussagen und Übertragungen Ciceros auf andere Gemeinden rechnen, so daß er vielleicht auch von gaditanischen Senatsconsulten spricht, wo streng genommen von etwas Derartigem gar nicht die Rede sein kann. Jede Art von Spekulation bleibt jedoch unsicher, da wir aufgrund der angenommenen Lücke über den Zusammenhang im dunkeln bleiben. Möglicherweise liegt sogar noch eine weitere Lücke vor, wie A. Klotz im app. crit. seiner Ausgabe in Betracht gezogen hat: „lacunam statuit Ha. [sc. K. Halm] sed vide ne gravius detrimentum factum sit potius post fore; nec enim perspicio ad quas personas pronomina huic et illo spectent.“ Dementsprechend haben den Text jüngst Espluga/Moncunill mit zwei lacunae gedruckt. Balb. 42. 414 – 421 Potuit magis fundus populus Gaditanus fieri, quoniam hoc magnopere delectare verbo … vitae laudatores, periculi deprecatores?: Mit drei anaphorisch eingeleiteten rhetorischen Fragen (potuit magis? potuit certius? potuit magis?) zieht Cicero die entscheidende Schlußfolgerung, daß die föderierten Gaditaner durch ihre Erklärung des Balbus zum hospes diesen als Römer anerkennen und damit zur Bürgerrechtsverleihung ihre Zustimmung gegeben haben (si tum fit fundus cum scita ac iussa nostra sua sententia comprobat). Dabei läßt er es sich nicht nehmen, mit dem quoniam-Satz dem Ankläger noch einmal einen sarkastischen Seitenhieb zu geben und dessen Insistieren auf der Formulierung fundum fieri (die mit hoc verbo gemeint ist) als lächerliche Pedanterie zu kennzeichnen. Er geht sogar noch weiter und erwähnt, daß der gaditanische Ankläger von den Gaditanern bestraft wurde (wofür, ist freilich unklar; vgl. bereits

 Vgl. auch Paul (1875), 5.

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Balb. 32. 315 – 318 und kurz vor der vorliegenden Stelle Balb. 41 gravissima autem in istum civem suum Gaditani senatus consulta fecerunt), und hebt die Bedeutung der Gesandten als Leumundszeugen hervor. Ut et civitate illum mutatum esse fateretur: Zu mutare/mutari vgl. den Kommentar zu Balb. 27. 249 – 254. Potuit certius interponere iudicium voluntatis suae quam cum etiam accusatorem huius multa [et poena] tavit?: Das überlieferte iudicium wollte Madvig in indicium ändern, da er an der Junktur iudicium voluntatis Anstoß nahm.²³⁸ Bereits Reid ad loc. hat jedoch darauf hingewiesen, daß diese Junktur durchaus möglich ist in der Bedeutung „a decided expression of feeling“; vgl.Verr. II 1,41 haud scio an maior etiam haec necessitudo fuerit quam illa Carbonis, ac plus iudicium voluntatis valere quam sortis debeat. Der Text ist hier wiedergegeben, wie ihn A. Klotz in seiner Ausgabe hergestellt hat. Überliefert ist multa et poena multavit P2GEH bzw. multa et poenatavit P1. Die Redundanz multa multare sowie das Zeugma poena multare (eine multa ist eigentlich keine poena, da eine multa üblicherweise immer finanzieller Art ist; vgl. den ThlL s.v. multa) haben schon in früheren Editionen zu Verbesserungsversuchen animiert; so hat Baiter multa et poena notavit und Halm multa et poena dignum putavit. Wie A. Klotz im app. crit. seiner Ausgabe aber richtig bemerkt, ist die Abfolge multa und poena problematisch: „mihi poena notio generalis post specialem multa ferri non posse videtur.“ Klotz hat sich daher dazu entschlossen, et poena ganz zu streichen. Möglicherweise war poena eine Glosse, die das weniger bekannte multa erklären sollte. Zu notare im Sinne von „zurechtweisen, mit einer nota versehen“ vgl. Balb. 56 tum luxuriam, quae non crimine aliquo libidinis, sed communi maledicto notabatur und prov. 15 itaque hanc eius temeritatem senatus supplicatione denegata notavit. Potuit magis de re iudicare quam cum ad vestrum iudicium civis amplissimos legavit testis huius iuris, vitae laudatores, periculi deprecatores?: Zu den gaditanischen Gesandten als Leumundszeugen vgl. oben den Kommentar zu Balb. 41. 407– 411. Zum prädikativ gesetzten testis vgl. prov. 43 et si illius [sc. Caesaris] voluntatis generum [sc. Pompeium] eius habeo testem eqs. sowie Phil. 1,10 huius tamen diei vocem testem rei publicae relinquerem meae perpetuae erga se voluntatis. Balb. 43. 421– 426 Etenim quis est tam demens quin sentiat ius hoc Gaditanis esse retinendum … studio cura diligentia commendatior?: Cicero berührt hier einen weiteren für die Bürgerrechtsverleihung an Balbus wichtigen Aspekt; neben dem Topos der unantastbaren Oberhoheit sowie des Nutzens für

 Vgl. Madvig (1887), 436.

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die Römer und demjenigen des Wohlwollens und der Belohnung für untergebene bzw. verbündete Gemeinden rückt Cicero hier zudem den Nutzen des römischen Bürgerstatus des Balbus für Gades ins Blickfeld. Als deren Fürsprecher in Rom, d. h. im politischen Zentrum der Welt, der die Belange der Gaditaner den mächtigen Römern vorbringen und Gades somit „anempfehlen“ kann, wird Balbus hier dargestellt. Wie Cicero im folgenden weiter andeutet, verbindet sich damit auch ein kulturelles oder, besser gesagt, zivilisatorisches Programm (s. den Kommentar zur inveterata barbaria), als dessen Protagonisten sich die Römer bekanntlich gerne sahen (es sei nur an die berühmte κατάβασις in Vergils Aeneis erinnert). Zu sehr kaprizieren sollte man sich auf diesen Punkt indessen auch nicht: „Es ist für Cicero nicht Sinn der Bürgerrechtspolitik, römisches Wesen über die Provinzen zu verbreiten, sondern ausschließlich ist beabsichtigt, dem herrschenden römischen Volke aus allen Teilen des beherrschten Gebietes frische Kräfte zuzuführen, die dazu beitragen sollen, die Herrschaft über die übrigen auszudehnen und zu festigen. Der Lohn für diesen Dienst ist Teilnahme an der Herrschaft durch Eintritt in den Rechtsverband des herrschenden Volkes und damit die Möglichkeit, den Interessen der ehemaligen Heimat wirksamer dienen zu können.“²³⁹ Ne saeptum sit is iter perpetuum ad hoc amplissimum praemium civitatis: An unserer Stelle ist übereinstimmend in PGEH iter perpetuum überliefert, dem Garatoni ein in vor perpetuum hinzugefügt hat, so daß man statt des attributiven auf iter bezogenen Adjektivs perpetuum die Präpositionalphrase in perpetuum mit Bezug auf die Verbalphrase saeptum sit iter zu verstehen hat. W. Paul hat zwar versucht, die Überlieferung zu halten in dem Sinne „omnibus semper patens – id quod in universa disputatione non destitit urgere“²⁴⁰, doch stellt sich die Frage, ob nicht gerade der von Paul geforderte Sinn viel eher mit iter in perpetuum getroffen wird; auf eine Parallele für die Junktur in perpetuum in Pis. 40 weist Paul sogar selbst hin: quod si non tuis nefariis in hunc ordinem contumeliis in perpetuum tibi curiam praeclusisses, quid tandem erat actum aut gestum in tua provincia de quo ad senatum cum gratulatione aliqua scribi abs te oporteret? Ferner hat A. Klotz im app. crit. seiner Ausgabe auf die Wortstellung aufmerksam gemacht: „sed tunc debebat dicere orator perpetuum iter.“ Vgl. dazu auch K.-St. II 605, wo zwar auch zahlreiche Ausnahmen für die Regel der Voranstellung des Attributs (vor allem im Falle der Betonung) angeführt werden, diese jedoch eben Ausnahmen insbesondere im klassischen Latein und bei Begriffen der Menge, Größe, Zeit, des Raumes, Lobes und Tadels sind. Zum Genitiv in praemium civitatis vgl. den Kommentar zu Balb. 10. 83 – 89.

 H. D. Meyer (1957), 93 f.  Paul (1875), 4.

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Quis est enim nostrum cui non illa civitas sit huius studio cura diligentia commendatior?: Zum Topos der Anempfehlung vgl. auch schon Balb. 35 quod si hoc foedus quod populus Romanus auctore senatu, commendatione et iudicio vetustatis, voluntate et sententiis suis comprobat, idem suffragiis comprobasset, quid erat cur ex ipso foedere Gaditanum in civitatem nostram recipi non liceret? Speziell zur Formulierung mit dem Komparativ commendatior vgl. auch Phil. 2,32 quae enim res umquam, pro sancte Iuppiter, non modo in hac urbe sed in omnibus terris est gesta maior, quae gloriosior, quae commendatior hominum memoriae sempiternae? Zum Asyndeton studio cura diligentia vgl. den Kommentar zu Balb. 13. 105– 110. Balb. 43. 426 – 431 Omitto quantis ornamentis … summa in eam civitatem huius rogatu studia et beneficia contulerit.: In einer Reihe von praeteritiones (die nächste folgt sogleich im kommenden Satz: multa praetereo) geht Cicero nochmals auf die engen Beziehungen von Rom und Gades bzw. im besonderen von Caesar und Gades ein. Bei alledem ist praeteritio im weiteren Sinne gemeint; im engeren Sinne handelt es sich hier – wie S. Usher²⁴¹ herausgestellt hat – um eine occultatio, d. h. ein anspielendes Verschweigen, in der Alexander-Rhetorik εἰρωνεία genannt. Usher differenziert genau zwischen occultatio und reticentia oder praeteritio, bei welcher ein Sachverhalt ohne jegliche Andeutung ganz verschwiegen wird; vgl. den Kommentar zu Balb. 17. 144– 145. Eine weitere Stelle der Balbiana, die Usher nennt, ist Balb. 55 sacra Cereris, iudices, summa maiores nostri religione confici caerimoniaque voluerunt. quae cum essent adsumpta de Graecia, et per Graecas curata sunt semper sacerdotes et Graece omnia nominata. sed cum illam quae Graecum illud sacrum monstraret et faceret ex Graecia deligerent, tamen sacra pro civibus civem facere voluerunt, ut deos immortales scientia peregrina et externa, mente domestica et civili precaretur. has sacerdotes video fere aut Neapolitanas aut Velienses fuisse, foederatarum sine dubio civitatum. mitto vetera. Im Hinblick auf den historischen Hintergrund dieses Passus drückt sich Cicero etwas ungenau aus. Caesar war 61 v.Chr. streng verfassungsrechtlich gesehen Proprätor (nicht Prätor) in Hispania Ulterior. Dieser ungenaue Sprachgebrauch war indessen üblich; vgl. Mommsen, StR II 1,240 Anm. 5. Mommsen spekuliert darüber hinaus auch, ob nicht möglicherweise eine appellativische Verwendungsweise des Wortes praetor vorliegt; ursprünglich waren nämlich alle Provinzialstatthalter Prätoren (natürlich nicht umgekehrt), wodurch das Wort praetor schlechthin auch für den proprätorischen Statthalter verwendet worden ist.

 Vgl. Usher (1965), 177. Usher stellt S. 178 heraus, daß die occultationes im Laufe von Ciceros Karriere häufiger werden, was er auf eine Zunahme des Selbstvertrauens Ciceros zurückführt. Die Zahlen für das Vorkommen der reticentia sind durchweg gleichbleibend.

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Mommsen verweist hierzu auf Cic. Flacc. 45 und 85 sowie auf Lig. 3 und Caes. civ. I 6,6 und I 12,1. Quantis ornamentis populum istum C. Caesar cum esset in Hispania praetor adfecerit, controversias sedarit, iura ipsorum permissu statuerit: Zur Junktur ornamentis adficere vgl. Cic. leg. agr. 2,31 videte nunc eos, qui a vobis nihil potestatis acceperint, quanto maioribus ornamentis adficiat quam omnes nos adfecti sumus, quibus vos amplissimas potestates dedistis. In dem abhängigen Fragesatz an dieser Stelle liegt ein Zeugma vor, da das einleitende quantis ornamentis nur zum Verb adficere paßt. Daher hat man oft daran gedacht, den Text dahingehend zu verändern, daß mit controversias sedarit eqs. ein untergeordneter Satz beginnt, dessen einleitendes Wort verlorengegangen ist. So hat Rau vor controversias ein ut konjiziert, Ernesti qui, Schuetz quod und Kraffert quot (vgl. den app. crit. bei Peterson). Es wurde jedoch schon im Kommentar zu Balb. 41. 403 – 407 darauf hingewiesen, daß Zeugmata durchaus nicht auszuschließen sind; vgl. auch A. Klotz in seinem app. crit.: „sed zeugmate quodam notio interrogativa ex quantis sumitur“, der dabei an ein Wort wie quam denkt und ferner auf Stat. Theb. II 446 f. verweist: respice, quantus | horror et attoniti nostro in discrimine cives; vgl. auch Rubio ad loc. Inveteratam quandam barbariam ex Gaditanorum moribus disciplinaque delerit: Über den zivilisatorischen Einfluß Roms bzw. Caesars auf die Provinzialen spricht Cicero auch Marc. 8 domuisti gentis immanitate barbaras. ²⁴² Daß Cicero gerade die Hispanier als besonders barbarisch galten, bezeugt ad Q. fr. I 1,27 quod si te sors Afris aut Hispanis aut Gallis praefecisset, immanibus ac barbaris nationibus, tamen esset humanitatis tuae consulere eorum commodis et utilitati salutique servire. Die Handschriften PGEH überliefern an dieser Stelle inveteratam quondam barbariam, die nahe liegende Konjektur quandam stammt bereits von Manutius (vgl. den app. crit. bei Maslowski). Die überlieferte Lesart hat indessen H. Kaden zu halten versucht und wollte quondam i.S.v. iam inde ab antiquissimis temporibus, iam dudum, iam pridem verstehen.²⁴³ Mir scheint das konjizierte quandam jedoch sinnvoller zu sein, da Cicero an dieser Stelle dem Begriff barbaria die Schärfe nehmen möchte. Die Wendung inveteratam quondam barbariam i.S.v. altissimis radicibus in civitate defixa (so Kaden an der genannten Stelle) wäre zu hart gegenüber Balbus und den anwesenden Legaten und würde das Lob, das

 Zu diesem Thema vgl. Jüthner (1923) 80 ff., der insbesondere auch über die Bedeutung des römischen Bürgerrechtes für die Ausbreitung römischer Kultur handelt.  Vgl. Kaden (1912), 35.

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Cicero beständig den Gaditanern zollt, konterkarieren und damit auch seinen gesamten Fall schwächen; ebenso Rubio und Bonfiglioli ad loc. Kaden vermutet an der eben genannten Stelle, daß es sich bei der barbaria um eine Todesstrafe handelt, bei der die Verurteilten teilweise vergraben und dann bei lebendigem Leib verbrannt wurden. Der früheste Beleg für eine derartige Todesstrafe stammt aus eine Rede des alten Cato, fr. 147 Sblend.: homines defoderunt in terram dimidiatos ignemque circumposuerunt, ita interfecerunt. ²⁴⁴ Wie M. T. Sblendorio Cugusi (1982) ad loc. anmerkt, handelt es sich offenbar um ein Fragment aus einer Rede De bello Carthaginiensi, könnte also auf punische Todesstrafen abzielen, die möglicherweise auch im karthagisch geprägten Spanien zu finden waren. Anders versteht E. Jullien die barbaria: „Veri simile est Caesarem impedivisse ne Gaditani ritu punico Herculi humana victima sacrificarent.“²⁴⁵ Damit ziele Cicero also auf den oben bereits erwähnten punischen Melqart-Kult. Zu den Menschenopfern bei den Galliern (und das heißt vielleicht auch Keltiberern) vgl. Cic. Font. 31 quis enim ignorat eos usque ad hanc diem retinere illam immanem ac barbaram consuetudinem hominum immolandorum? (Zu usque ad hanc diem: die Rede stammt aus dem Jahre 69 v.Chr., also noch vor dem Auftreten Caesars als Proprätor).²⁴⁶ Jullien nennt als Belege noch Curt. IV 3,23, wo Curtius von Menschenopfern an Saturn bei den Karthagern berichtet, sowie Tert. Apol. 9, 2– 4, der sich erst auf afrikanische Heiden und im folgenden auch auf Gallier bezieht und ebenfalls von Menschenopfern an Saturn spricht (haben Curtius und Tertullian hier vielleicht dieselbe Quelle?). Eine weitere (aber nicht wahrscheinlichere) Möglichkeit, die barbaria zu verstehen, ist im Sinne von Räuberbanden. Cassius Dio berichtet XXXVII 52,1 über Caesars Statthalterschaft in Hispanien: ὁ δὲ δὴ Καῖσαρ τῆς τε Λυσιτανίας μετὰ τὴν στρατηγίαν ἦρξε, καὶ δυνηθεὶς ἂν τὰ λῃστικά, ἅπερ που ἀεὶ παρ’ αὐτοῖς ἦν, ἄνευ μεγάλου τινὸς πόνου καθήρας ἡσυχίαν ἔχειν, οὐκ ἠθέλησε. Die Formulierung des Relativsatzes durch Dio würde zu Ciceros inveterata passen. Suetons Caesar-Vita führt hier indessen nicht weiter. In 18,1 berichtet er von der Erlosung der Provinz Hispania Ulterior durch Caesar, der daraufhin, nachdem er Bürgen gestellt hatte, um seine Gläubiger zu beruhigen, in größter Eile Rom verließ: incertum metune

 Norden (1915), 180, der diese Stelle bespricht, verweist richtig darauf, daß dimidiatos prädikativ zu verstehen ist: „sie gruben Menschen halb in die Erde“. Auch Kaden (1912), 36 nennt das Cato-Fragment und paraphrasiert folgendermaßen: „in terram ex parte defossi deinde combusti sunt“.  Jullien (1886), 33 Anm. 2.  Vgl. auch Dyck (2012) ad loc. mit weiteren Stellen. Man wird also davon ausgehen dürfen, daß Menschenopfer bei den Kelten allgemein angenommen wurden und daß bei den Römern dieses gemeinplätzige Urteil fest verwurzelt war.

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iudicii, quod privato parabatur, an quo maturius sociis inplorantibus subveniret; pacataque provincia pari festinatione, non expectato successore ad triumphum simul consulatumque decessit. Weder von Räubern ist dort explizit die Rede noch von einer Gewohnheit, sondern nur von einer Befriedung der Provinz. Ob das Wort barbaria zu Räuberbanden paßt, selbst wenn Cassius Dio schreibt, daß diese in Hispanien üblicherweise ihr Unwesen trieben, ist mehr als fraglich, zumal Dio der einzige Gewährsmann dafür wäre. Die Formulierung ex Gaditanorum moribus disciplinaque an unserer Stelle macht diese Deutung darüber hinaus ganz unwahrscheinlich. Am nächsten liegt daher, daß Cicero entweder auf eine bestimmte Art von Todesstrafe abzielt oder auf (oft bei „barbarischen“ Völkern angenommene) Menschenopfer. Balb. 43. 431– 435 Multa praetereo … studio ut diligentissimum defensorem commodorum suorum.: Zu der hier fortgeführten praeteritio vgl. den Kommentar zu Balb. 43. 426 – 431. Quae cotidie labore huius et studio aut omnino aut certe facilius consequantur: Zur Formulierung labore huius vgl. Balb. 6 haec sunt propria Corneli merita in rem publicam nostram, labor assiduitas dimicatio virtus digna summo imperatore eqs. Reid ad loc. hat erwogen, den Konjunktiv consequantur in den Indikativ zu ändern, da er keine hinreichende Begründung für den Konjunktiv finden konnte. Rubio ad loc. dagegen faßt ihn als Konjunktiv im Relativsatz mit konsekutivem Nebensinn auf, wodurch die überlieferte Lesart gewiß gerechtfertigt werden kann; zum Relativsatz mit konsekutivem Nebensinn vgl. auch den Kommentar zu Balb. 4. 24– 27. Itaque et adsunt principes civitatis: Die Legaten aus Gades werden an dieser Stelle als principes civitatis ²⁴⁷ bezeichnet, d. h. als führende Männer der gaditanischen Gemeinde; mit Bezug auf Rom sind damit in der Regel Consulare gemeint, jedoch können auch generell sozial hochgestellte Männer unter diesen Begriff fallen, was hier bei den Nicht-Römern ebenfalls angenommen werden muß.²⁴⁸ Vgl. auch Balb. 54 quod si acerbissima lege Servilia principes viri, gravissimi et sapientissimi cives eqs. sowie p. red. in sen. 4 princeps autem civitatis (von Pompeius, der dom. 110 sogar princeps orbis terrae genannt wird) und mit böser Ironie Flacc. 54 princeps principum.

 Der Text in der hier wiedergegebenen Form stammt von Angelius (s. den app. crit. bei Maslowski). Überliefert ist et adsunt principes adsunt civitates PH und et adsunt civitates GE.Vgl. den app. crit. in der Ausgabe von Peterson, dessen Apparat an dieser Stelle etwas klarer ist als der Maslowskis. Die von Angelius rekonstruierte Fassung, in der das eine überflüssige adsunt gestrichen und die Kasusendung bei civitates angepaßt wird, ist unbedingt zu übernehmen.  Grundlegend hierzu Wickert (1954); speziell zum Begriff princeps in der republikanischen Zeit vgl. die Spalten 2029 – 2041.

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Et defendunt amore ut suum civem, testimonio ut nostrum, officio ut ex nobilissimo civi sanctissimum hospitem, studio ut diligentissimum defensorem commodorum suorum.: Diese Formulierung, die man rhetorisch als συναθροισμός oder enumeratio bezeichnen könnte, insofern der vorliegende Begriff (in diesem Falle also Balbus) mit einer congeries verborum in seinen verschiedenen Hinsichten beleuchtet wird²⁴⁹, erinnert ein wenig an den Beginn der Rede: Si auctoritates patronorum in iudiciis valent, ab amplissimis viris L. Corneli causa defensa est, si usus, a peritissimis, si ingenia, ab eloquentissimis, si studia, ab amicissimis et cum beneficiis cum L. Cornelio, tum maxima familiaritate coniunctis; vgl. auch Aischin. or. 2,178 ἐμὲ δ’ οὐχ ὡς πρεσβευτὴν κρίνουσιν, ἀλλ’ ὡς ἐγγυητὴν Φιλίππου καὶ τῆς εἰρήνης. Cicero „zerlegt“ dabei indessen nicht nur den Begriff „Balbus“, dessen Hinsichten in Form von ut-Phrasen und direkten Objekten dargestellt werden (wie in der eben genannten Aischines-Stelle), sondern auch den Begriff defensio legatorum Gaditanorum, deren Hinsichten passend mit dem abl. resp. (amore, testimonio, officio und studio) zum Ausdruck gebracht werden.²⁵⁰ Zur prägnanten Verwendung der Präposition ex in der Wendung defendunt officio ut ex nobilissimo civi sanctissimum hospitem vgl. den Kommentar zu Balb. 18. 160 – 164. Balb. 44. 435 – 441 Ac ne ipsi Gaditani arbitrentur, quamquam nullo incommodo adficiantur, si liceat horum ²⁵¹ cives virtutis causa in nostram civitatem venire, tamen … de eo numquam omnino esse dubitatum.: Im Gegensatz zu J. Hoche, der diesen Paragraphen bereits der argumentatio de exemplis (s. Einl. S. 12 Anm. 34) zuordnet, rechne ich ihn noch zur argumentatio de foedere. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, insofern Cicero zum einen noch Gedanken der vorhergehenden Argumentation resümiert (vgl. die Formulierungen si liceat horum cives virtutis causa in nostram civitatem venire und hoc ipso inferius esse suum foedus), zum anderen aber auch – wie die Futura consolabor und admonebo zeigen – auf das folgende Räsonnement verweist. Mit dem letzten Kolon

 Vgl. dazu Martin (1974), 307.  Zu der genauen inhaltlichen Deutung der ablativi respectus vgl. Bonfiglioli ad loc. Zu officio vgl. auch Reid ad loc.: „the original meaning of officium, an action demanded by ties of blood or friendship, comes out strongly here“.  Maslowski, Peterson und Cousin (sowie Reid, Bonfiglioli und Rubio) setzen hier eorum in den Text, das bereits Manutius konijziert hat, während eigentlich horum einhellig überliefert ist. Zuletzt sind Espluga/Moncunill in ihrer Ausgabe wieder zu der Lesart der Handschriften zurückgekehrt, und tatsächlich läßt sich nicht ohne weiteres einsehen, warum das deiktische Pronomen horum nicht denkbar sein sollte, zumal Cicero es kurz darauf erneut mit Bezug auf die Gaditaner benutzt: consolabor et hos praesentis viros optimos.

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des Paragraphen simul et vos non ignorantis, iudices, admonebo, quo de iure hoc iudicium constitutum sit, de eo numquam omnino esse dubitatum schärft Cicero erneut ein, daß nach seinem Ermessen die Frage nach dem foedus, mit der er sich in den vorangegangenen Paragraphen auseinandergesetzt hat, im Grunde juristisch irrelevant ist (vgl. den Beginn des argumentatio de foedere Balb. 29 ut iam ad foedus veniam quod ad causam nihil pertinet; de civitatis enim iure, non de foederibus disceptamus) bzw. daß bezüglich der juristisch relevanten Fragen (nach Cicero also das ius civitatis und besonders – wie im letzten Satz der Rede noch einmal hervorgehoben wird – das Recht des Pompeius, beneficia zum Nutzen Roms zu verteilen) überhaupt keine Unstimmigkeiten existieren (numquam omnino esse dubitatum), womit er die Richter von vornherein für seine Sache vindiziert. Die Konjunktive adficiantur und liceat werden von Reid und Rubio ad loc. so erklärt, daß die Aussage des quamquam- und des si-Satzes zu dem AcI Gaditani arbitrentur inferius esse suum foedus quam ceterorum gehören und somit als Gedanke Dritter in die oratio obliqua gesetzt wird; während liceat theoretisch auch als Potentialis aufgefaßt werden könnte, ist dies bei adficiantur im quamquamSatz unwahrscheinlich. Bei K.-St. II 442 indessen wird unsere Stelle zu den Fällen der Modusangleichung im quamquam-Satz gezählt, was auch mir wahrscheinlicher vorkommt, da gerade der Inhalt des Satzgefüges quamquam nullo incommodo adficiantur, si liceat horum cives virtutis causa in nostram civitatem venire genau der Auffassung Ciceros entspricht und infolgedessen die „Verschiebung“ der Aussage in die oratio obliqua (wodurch sie als Meinung allein der Gaditaner hingestellt würde) zu einer Abschwächung der Aussagekraft Ciceros führte. Zur Junktur virtutis causa vgl. den Kommentar zu Balb. 26. 234– 237. Tamen hoc ipso inferius esse suum foedus quam ceterorum: Zur Junktur foedus inferius vgl. den Kommentar zu Balb. 35. 355 – 358. Simul et vos non ignorantis, iudices, admonebo, quo de iure hoc iudicium constitutum sit, de eo numquam omnino esse dubitatum.: Das Verb ignorare wird hier absolut gebraucht, was gerade bei den nominalen Formen von Verben oft vorkommen kann.²⁵² Auch kontextbedingte Ellipsen von obligatorischen Ergänzungen kommen oft vor, wie bspw. Catil. 3,3 quae quoniam in senatu inlustrata, patefacta, comperta sunt per me, vobis iam exponam breviter ut et quanta et quam manifesta et qua ratione investigata et comprehensa sint vos qui et ignoratis et expectatis scire possitis. Üblicher ist ignorare mit AcI, wie bspw. Balb. 53. Bei non ignorantis handelt es sich an dieser Stelle um eine Litotes mit konzessiv ge-

 Vgl. Happ (1976), 514 Anm. 186.

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brauchtem prädikativem Partizip („obwohl ihr ganz genau wißt“; vgl. Reid und Rubio ad loc.). Über die Hineinziehung des Bezugswortes in den vorangestellten Relativsatz bei admonebo, quo de iure hoc iudicium constitutum sit, de eo numquam omnino esse dubitatum, was charakteristisch für das Altlateinische ist, sich jedoch auch oft bei Cicero findet, vgl. H.-Sz. 564. Ein vergleichbarer Fall auch Verr. II 2,121 quas enim leges sociis amicisque dat is qui habet imperium a populo Romano, auctoritatem legum dandarum ab senatu, eae debent et populi Romani et senatus existimari. Balb. 45 – 51: Argumentatio de exemplis. Cicero beschränkt sich im folgenden, d. h. bis zum Ende der Rede, auf eine Argumentation ἔξω τοῦ πράγματος. Er sieht von den für den Fall relevanten Gesetzen (und Bündnissen) ab und zieht eine Reihe von gewichtig klingenden Präzedenzfällen heran, in diesem Fall verdiente und große Feldherren der römischen Vergangenheit, deren liberaler Umgang mit der Vergabe des römischen Bürgerrechtes das entsprechende Verhalten des Pompeius vindizieren soll (46 – 50). Eingeleitet wird diese Priamel an Beispielen durch eine Hervorhebung des Wertes des Fachwissens gegenüber dem Allgemeinwissen (45); als Spezialisten für Bündnisse, über die Cicero im vorhergehenden ausführlich gesprochen hat, erscheinen eben solche Feldherren wie Pompeius, deren Urteil in derartigen Angelegenheiten aufgrund ihrer Praxis eine größere Bedeutung zukommt als einem nur theoretisch (und mithin unzulänglich) Gebildeten wie dem Ankläger. Zuletzt (51) schließt Cicero mit einer Rekapitulation der genannten Exempel, in der erneut (wie so oft in der Rede) einerseits das Leistungsprinzip beschworen wird, aufgrund dessen Einbürgerungen statthaft sein sollten, andererseits der Nutzen, den Rom aus den Neubürgern ziehen könne. Balb. 45. 442 – 445 Quos igitur prudentissumos interpretes foederum, quos peritissumos bellici iuris, quos diligentissimos in exquirendis condicionibus civitatum atque causis esse arbitramur? eos profecto qui iam imperia ac bella gesserunt.: Zur Orthographie (prudentissumos/diligentissimos) vgl. den Kommentar zu Balb. 2. 12– 16. Statt bellici iuris hat W. Paul publici iuris konjiziert. Die Junktur ius bellicum ist jedoch unanstößig und bei Cicero, off. III 107 belegt: est autem ius etiam bellicum, fidesque iurisiurandi saepe cum hoste servanda. Auf diese Stelle weist im übrigen Paul selbst hin.²⁵³ Pompeius wurde bereits im gesamten Verlauf der Rede als peritus dem unwissenden Ankläger gegenübergestellt (Balb. 2 nihil peritius de foederibus), oder es wurden seine profunden, vor allem aus der Praxis gewonnenen Kenntnisse

 Vgl. Paul (1875), 10. Vgl. dazu auch den app. crit. in der Ausgabe von A. Klotz.

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hervorgehoben (Balb. 9 ususne rerum?). An dieser Stelle verweilt Cicero nun ein wenig bei dem Thema „Fachwissen vs. Allgemeinwissen“ und verallgemeinert es. Cicero preist das Fachwissen und weist auf die Notwendigkeit hin, manche Probleme zu delegieren, während er in de or. II 5 das Ideal des umfassend gebildeten Redners hervorhebt.²⁵⁴ Auf der anderen Seite betont auch Cicero in De oratore den Primat des usus vor der ars; vgl. de or. I 15 ut ad eam doctrinam quam suo quisque studio consecutus esset adiungeretur usus frequens qui omnium magistrorum praecepta superaret. Diese Gegenüberstellung erinnert an den alten Gegensatz von τέχνη und παιδεία, wie er in den platonischen Dialogen erörtert wird. Während sich Cicero in de or. II 5 auf die Seite der Sophisten bzw. Rhetoren schlägt und im Sinne der (von Platon kolportierten) gorgianischen Auffassung argumentiert, daß der Redner grundsätzlich besser, d. h. überzeugender, über einen Gegenstand sprechen könne als die jeweiligen Fachleute (vgl. Plat. Gorg. 456c und 457a), begibt sich Cicero in de or. I 15 sowie an unserer Stelle in Gegensatz dazu, wie es bspw. von Sokrates in Plat. Prot. 319b-c ausgedrückt ist: ὁρῶ οὖν, ὅταν συλλεγῶμεν εἰς τὴν ἐκκλησίαν, ἐπειδὰν μὲν περὶ οἰκοδομίας τι δέῃ πρᾶξαι τὴν πόλιν, τοὺς οἰκοδόμους μεταπεμπομένους συμβούλους περὶ τῶν οἰκοδομημάτων, ὅταν δὲ περὶ ναυπηγίας, τοὺς ναυπηγούς, καὶ τἆλλα πάντα οὕτως, ὅσα ἡγοῦνται μαθητά τε καὶ διδακτὰ εἶναι. Das in der Präpositionalphrase in exquirendis condicionibus civitatum atque causis ist laut ThlL als in limitativum aufzufassen; vgl. auch Balb. 21 in quo magna contentio Heracliensium et Neapolitanorum fuit sowie Balb 50 parcus in largienda civitate. Die Verbindung condicionibus civitatum atque causis versteht man am besten als eine Art Hendiadyoin (vgl. Bonfiglioli ad loc.: „condizioni legali“), so daß der ganze Ausdruck etwas wie „bei der Untersuchung der juristischen Bedingungen des Bürgerrechts“ heißen müßte. Cicero geht an dieser Stelle in Form des interrogativen Trikolons geschickt vom militärischen zum zivilrechtlichen Gebiet über. Daß sich ein Feldherr wie Pompeius durch seine praktische Erfahrung gut mit Bündnispolitik und Kriegsrecht auskennt, mag als selbstverständlich angenommen werden; daß er einen Juristen und Zivilpolitiker (wie bspw. Cicero) im Hinblick auf Fragen des Bürgerrechts übertrifft, ist vielleicht schon nicht mehr ganz so selbstverständlich. Eos profecto qui iam imperia ac bella gesserunt.: C. F. W. Müller hat (in der adnotatio critica seiner Ausgabe, p. LII) erwogen, vor dem iam noch ein multa hinzuzufügen, was jedoch nicht nötig ist, worauf schon A. Klotz im app. crit. seiner Ausgabe hingewiesen hat: „iam rectissime ponitur ad perfecti vim au-

 Vgl. dazu Harries (2004), 151.

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gendam, infringitur addito multa. nec enim quot quis bella gesserit agitur, sed omninone gesserit.“ Nach Bonfiglioli ad loc. liegt in dem Ausdruck imperia ac bella gerere ein Zeugma vor. Die Junktur imperia gerere ist jedoch nicht unmöglich; vgl. Cic. fam. III 7,5 postea vero quam ita et cepi et gessi maxima imperia ut mihi nihil neque ad honorem neque ad gloriam acquirendum putarem eqs. Besser erklärt die Junktur imperia ac bella gerere Rubio ad loc. als ein Hendiadyoin im Sinne von „die Kriegsführung übernehmen“. Balb. 45. 445 – 451 Etenim si Q. Scaevola ille augur cum de iure praediatorio consuleretur … quis dubitet de foederibus et de toto iure pacis et belli omnibus iuris peritissimis imperatores nostros anteferre?: Die gerade ausgegebene Maxime, daß Fachwissen zuweilen dem Allgemeinwissen vorzuziehen ist, veranschaulicht Cicero nun anhand von einzelnen Beispielen, wobei er hier exempla der jüngeren Geschichte nutzt.²⁵⁵ Als ein gewichtiges Argument für Ciceros vorher genannte These muß die Nennung des Augurs Q. Mucius Scaevola (cos. 117)²⁵⁶ gelten, da er, doch schließlich selbst ein eminenter Jurist seiner Zeit, gewisse Fragen im Zusammenhang mit staatlichen Grundstückspfändungen an die Güteraufkäufer Furius und Cascellius delegierte. Über Furius kann nur spekuliert werden, ob er mit dem römischen Ritter Num. Furius, einem Freund des Redners Crassus, identisch ist. Ähnlich dürftig sind wir über Cascellius unterrichtet; vielleicht war sein praenomen Aulus. ²⁵⁷ Auf unserer Stelle beruht die fast wörtliche Wiedergabe bei Val. Max. VIII 12,1 Q. Scaevola, legum clarissimus et certissimus vates, quotienscumque de iure praediatorio consulebatur, ad Furium et Cascellium, quia huic scientiae dediti erant, consultores reiciebat.  Vgl. Schoenberger (1910), 42 f. Während insgesamt die Dichte der exempla im Laufe von Ciceros schriftstellerischer Tätigkeit abnimmt, verwendet Cicero in seinem Spätwerk häufiger Beispiele der jüngeren Geschichte, was Schoenberger als Abrücken vom rhetorischen Schulbetrieb deutet; dies gilt besonders für die Periode von 57– 43 v.Chr. Weitere Stellen für jüngere Beispiele dom. 35. 83 – 84. 91. 102; har. 51. 54; p. red. in sen. 37 = ad Quir. 6; p. red. ad Quir. 19 – 20 und Pis. 20.  Zu Scaevola Augur vgl. Münzer (1933), der Sp. 436 diese Anekdote als Ausdruck der Bescheidenheit des Scaevola deutet. Zu unterscheiden ist dieser Scaevola bekanntlich von dem gleichnamigen Cousin (cos. 95), der zur Differenzierung üblicherweise der pontifex maximus genannt wird; zu letzterem vgl. Münzer/Kübler (1933). Der pontifex maximus zeichnet auch zusammen mit dem Redner Crassus für die Balb. 48 und 54 erwähnte lex Licinia Mucia verantwortlich. Er ist ferner der Scaevola, der das Werk De iure civili schrieb, über dessen Benutzung seitens Cicero im Kommentar zu Balb. 28. 260 – 266 gehandelt wurde. Der hier genannte Scaevola Augur hinterließ keine Schriften. Gelernt hat Cicero von beiden.  Zu Furius vgl. Münzer (1910), zu Cascellius Münzer (1899a). Castro Sáenz (2013) vermutet an unserer Stelle ein Wortspiel mit praediator und praedator. Unmöglich ist das bei Cicero nicht, aber auch nicht recht beweisbar. Darüber hinaus würde Cicero durch ein derartiges Wortspiel seiner eigenen Argumentation womöglich noch geschadet haben.

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Der zweite große Jurist, der hier genannt wird, ist Ciceros persönlicher Freund (sowie Kollege während der Prätur 66) C. Aquilius Gallus, seinerseits ein Schüler des Pontifex Scaevola. Er taucht bereits in Ciceros Pro Caecina aus dem Jahre 69/ 68 auf. Der Passus Caec. 77– 79 ist gewissermaßen ein Elogium auf den vir ornatissimus, der das responsum zum Interdikt de vi armata gegeben hatte, das die Seite Caecinas und Ciceros begünstigte. Hier bildet er als bedeutender Rechtsgelehrter die Negativfolie für den Fachmann M. Tugio, dem aus argumentationstechnischen Gründen in diesem Fall die Palme gereicht wird.²⁵⁸ Balb. 46. 451– 453 Possumusne igitur tibi probare auctorem exempli atque facti illius quod a te reprenditur C. Marium? quaeris aliquem graviorem constantiorem praestantiorem virtute prudentia religione?: Cicero führt mit C. Marius, wie Cicero ein Arpinate, das vielleicht bedeutendste historische exemplum an, das hier als der entscheidende Präzedenzfall für Bürgerrechtsverleihungen durch Feldherren an einzelne verdiente Nicht-Römer dienen soll.²⁵⁹ Allerdings hat Marius nicht allein (und vielleicht nicht einmal in erster Linie) juristische Relevanz, sondern vor allem emotionale und ideologische. Die Assoziation von Marius und Pompeius dient vor allem der fortwährenden Immunisierung des Pompeius: „He [sc. Cicero] is able to draw this parallel between Marius’ enfranchisements and Pompey’s not because of the similarity of the circumstances, which he admits later are completely different (49), but because of the similarities between the auctoritas of Marius and Pompey.“²⁶⁰ Über die auctoritas als wesentliches Argument für die Unbescholtenheit des Pompeius vgl. die Einl. S. 16. Auch der sprachliche Duktus dieser Stelle erinnert an das umfangreiche Elogium auf Pompeius (vgl. vor allem Balb. 9). Pluygers hat bei dem zweiten Fragesatz eine einleitende Partikel vermißt und an vor quaeris konjiziert (vgl. app. crit. bei Maslowski). Nötig ist das jedoch nicht, worauf bereits Reid ad loc. hingewiesen hat: „note the omission of the interrogative particle; in positive sentences the abruptness thus caused indicates some strong feeling, as of surprise or indignation.“ Ebenso Bonfiglioli und Rubio ad loc. Sprachlich fällt im zweiten Fragesatz außerdem das zweifache asyndetische Trikolon graviorem constantiorem praestantiorem virtute prudentia religione auf. Zu den Asyndeta vgl. den Kommentar zu Balb. 13. 105 – 110.

 Zu Aquilius vgl. Klebs/Jörs (1895). Über Tugio ist weiter nichts bekant.  Über Feldherren der Republik als exempla vgl. Schoenberger (1910), 15 ff. Über feldherrliche Bürgerrechtsverleihungen an Einzelne vgl. auch Jullien (1886), 11 f. Nützlich ist ferner die tabellarische Übersicht, die Badian (1958), 302 ff. in seiner Appendix B über die Bürgerrechtsverleihungen singillatim bietet.  Barber (2004), 40.

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Balb. 46. 453 – 458 Is igitur Iguinatem M. Annium Appium … ut non C. Mari factum condemnetur?: Der gesamte Passus an dieser Stelle ist offenkundig fehlerhaft überliefert und möglicherweise unheilbar korrupt. Nimmt man noch den vorhergehenden Satz hinzu, ist der problematische Text in folgender Gestalt überliefert: Quaeris aliquem graviorem constantiorem praestantiorem virtute prudentia religionis igitur aequitate M. Annium Appium fortissimum virum virtute praeditum civitate donavit cum Camertinum foederum sanctissimum atque aequissimum sciret esse. praestantiorem PH : praesentiorem GE | aequitate GH : equitate PE | Appium P : Apium GEH | fortissimum P2GEH : fortissimus P1 | virtute PEH : om. G | sanctissimum P2GE : sanctissimus P1 : scientissimum H Daß in religionis igitur aequitate die erste Korruptel steckt, hat Halm entdeckt (vgl. den app. crit. bei Maslowski) und aufgrund der Stelle Balb. 47 neque Iguinatium neque Camertium foedere esse exceptum quo minus eqs. geschlossen, daß hier die Erwähnung der umbrischen Stadt Iguvium (heute Gubbio) fehlt und daher religione? is igitur Iguvinatem konjiziert (das Ethnikon wurde durch R. Klotz noch zu Iguinatem geändert). Auch daß virtute praeditum allein nicht stehen kann, wird seit langem akzeptiert und bspw. durch die Hinzufügung von summa verbessert (so Reid, Peterson, Rubio und Bonfiglioli). A. Klotz hat erstmalig angenommen, daß möglicherweise eine größere Lücke anzusetzen ist; ihm folgten Cousin, Maslowski und Espluga/Moncunill. Während damit die Erwähnung der Bürgerrechtsverleihung an den sonst unbekannten M. Annius Appius aus Iguvium einigermaßen feststeht, fehlt ein Hauptsatz für den Satz cum Camertinum foederum sanctissimum atque aequissimum sciret esse, der sich kaum an den Satz is igitur Iguinatem M. Annium Appium, fortissimum virum *** virtute praeditum, civitate donavit anschließen kann. Diese Lücke nach civitate donavit wurde von Madvig²⁶¹ mit idem cohortes duas universas Camertium civitate donavit versuchsweise geschlossen, der sich im Wortlaut an Balb. 50 quid? cohortis duas universas Camertium ? (die Ergänzung stammt dort von Lange, vgl. den app. crit. bei Maslowski) anlehnt. Daß an letzterer Stelle (und damit auch an dieser) von Marius die Rede ist, wird aus Valerius Maximus V 2,8 nam C. quidem Mari non solum praecipuus sed etiam praepotens gratae mentis fuit impetus: duas enim Camertium cohortes, mira virtute vim Cimbrorum sustinentes, in ipsa acie adversus condicionem foederis civitate donavit sowie Plutarch, Mar. 28,3 καίτοι λέγεται Καμερίνων ἄνδρας ὁμοῦ χιλίους διαπρεπῶς ἀγωνισαμένους ἐν τῷ πολέμῳ δωρησάμενος πολιτείᾳ, δοκοῦντος εἶναι τούτου παρανόμου καί τινων ἐγκα-

 Vgl. Madvig (1887), 439 f.

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λούντων, εἰπεῖν ὅτι τοῦ νόμου διὰ τὸν τῶν ὅπλων ψόφον οὐ κατακούσειεν gefolgert. H. B. Mattingly²⁶² hat die Berechtigung dieses Rückschlusses bestritten, da in Balb. 50 der Kontext nicht ein Exempel aus dem Kimbernkrieg erfordere, sondern aus dem Bundesgenossenkrieg aufgrund der vorherigen Erwähnung des Pompeius (pater), der auch das Subjekt des Satzes über die zwei Camertinischen Kohorten sein müsse. Cicero auf eine chronologische Homogenität der historischen Beispiele pressen zu wollen scheint mir problematisch. Darüber hinaus erheischt gerade die Einleitung mit quid? ein neues Subjekt, wie darauf folgend bei Crassus und Sulla. Andernfalls hätte Cicero womöglich quid? idem eqs. geschrieben.²⁶³ Daß der Wortlaut des Valerius Maximus ggf. dazu dienen kann, denjenigen Ciceros wiederherzustellen, zeigt bspw. die im Kommentar zu Balb. 45. 445 – 451 erwähnte Stelle über die praediatores Furius und Cascellius (Val. Max. VIII 12,1) sowie die oben im Kommentar zu Balb. 11. 89 – 96 erwähnte Anekdote über Metellus Numidicus (Val. Max. II 10,1). Dieser Umstand mag Espluga/Moncunill dazu bewogen haben, im Apparat ihrer Ausgabe als Attribut zu virtute statt des üblichen summa in Anlehnung an Valerius Maximus (V 2,8; siehe oben) mira zu konjizieren. Während die Ergänzung Madvigs üblicherweise übernommen wurde, haben sich Espluga/Moncunill dazu entschlossen, hier nur eine Lücke anzusetzen. Auch die zweite Ergänzung dieser Stelle foedus omnium nach Camertinum, die von C. F. W. Müller stammt, haben Espluga/Moncunill nicht übernommen, was in Anbetracht des in ihrem Text fehlenden Hauptsatzes wahrscheinlich eine bessere Lösung ist. Is igitur Iguinatem M. Annium Appium, fortissimum virum *** virtute praeditum, civitate donavit: Zum Ethnikon Iguinas (oder Iguvinas) bemerkt G. Bonnet, daß es je nach Bildung der Ethnika stilistische und auch semantische Nuancierungen gibt: „En disant Iguvinatem, Cicéron souligne avec force le maintien de l’appartenance de ce M. Annium [sic] à la communauté d’Iguvium; l’emploi du traditionnel Iguvinum eût simplement localisé le nouveau citoyen, quand Cicéron veut insister sur un cas de ‘double nationalité’.“²⁶⁴ Dabei sollte indessen nicht außer Acht gelassen werden, daß der Wortlaut an dieser Stelle nur konjiziert ist. Darüber hinaus ist es auch fraglich, ob die Zugehörigkeit zur alten Gemeinde und die doppelte Staatsbürgerschaft an dieser Stelle tatsächlich besonders hervorgehoben werden sollen oder ob nicht sogar genau das Gegenteil sinnvoller wäre, zumal da Cicero in Balb. 28 ausgiebig über die Unmöglichkeit

 Vgl. Mattingly (1985), 150 f.  So bereits Madvig (1887), 439.  G. Bonnet (2001), 34.

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einer doppelten Staatsbürgerschaft (zumindest nach römischen Rechtsverhältnissen) gehandelt hatte. Sicheres läßt sich hier nicht gewinnen. , cum Camertinum foederum sanctissimum atque aequissimum sciret esse. potest igitur, iudices, L. Cornelius condemnari, ut non C. Mari factum condemnetur?: Zu dem Bündnis mit der umbrischen Stadt Camerinum und dem Begriff foedus aequum (so bspw. auch von Heraklea in Arch. 6 aequissimo foedere) schreibt Th. Hantos: „Überall dort, wo Cicero und Livius von einem foedus aequum sprechen, geht es ihnen darum, das ganz besonders gute Verhältnis Roms zu einem anderen Staat zu betonen oder auf eine bemerkenswerte Geste römischer Großzügigkeit aufmerksam zu machen.“²⁶⁵ Dagegen meint Th. Mommsen StR III 664 f. mit Anm. 2, daß ein foedus aequum lediglich ein Bündnis ist, dem die Majestätsklausel fehlt (dies natürlich mit Bezug auf Balb. 35), und daß auch ein foedus aequum zunächst die römische Hegemonie begründet hat. Zumindest in Roms Frühzeit scheint dies jedoch noch anders gewesen zu sein, so bspw. beim foedus Cassianum (vgl. Balb. 53).²⁶⁶ Als völkerrechtliches Konzept gibt es streng genommen weder das foedus aequum noch das foedus iniquum. Das Exempel des Marius²⁶⁷ dient als argumentum a maiore, um eine vermeintliche Vertragsverletzung als geringfügig im Angesicht der auctoritas erscheinen zu lassen; denn so wird man den konzessiven cum-Satz cum Camertinum foederum sanctissimum atque aequissimum sciret esse wohl aufzufassen haben. Über die vermeintliche Vertragsverletzung schreibt Th. Hantos: „Die Bürgerrechtsverleihung verstieß jedoch nicht gegen vertragliche Vereinbarungen, wie auch Valerius Maximus fälschlicherweise meint (5,2,8: adversus condicionem foederis), da es Camerinum ja offenstand, die Verleihung zu bestätigen, ein Akt, der gerade in mit dem Begriff des fundus fieri mehrmals Erwähnung findet. Da die feldherrliche Kompetenz bei der Bürgerrechtsverleihung, die neben die comitiale trat, nur sehr kurze Zeit umstritten blieb, konnte sich wohl die Vorstellung verbreiten, daß die Fragwürdigkeit des Rechtscharakters mit dem Vertrag von Camerinum in Zusammenhang stand, wobei die Verständnislücke durch die Stilisierung des Vertrages als sanctissimum und aequissimum inhaltlich gefüllt wurde.“²⁶⁸

 Hantos (1983), 158. Vgl. dazu auch Sherwin-White (1973), 121.  Kritisch zu dieser Einschätzung Mommsens auch Horn (1930), 14.  Die Parallelität von Marius und Pompeius als denjenigen Personen, deren auctoritas das entscheidende Argument in der Verteidigung des Balbus spielt, wird hier überdeutlich. In Balb. 6 heißt es ganz ähnlich: ergo in iudicium caput Corneli, factum Pompei vocatur. Zu ut non im Sinne von „ohne daß“ vgl. K-St. II 350 (e).  Hantos (1983), 160.

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Balb. 47. 458 – 460 Existat ergo ille vir parumper cogitatione vestra, quoniam re non potest, ut conspiciatis eum mentibus, quem iam oculis non potestis;: Das historische exemplum des Marius wird weiter ausgearbeitet zu einer regelrechten conformatio (griechisch διατύπωσις oder εἰδωλοποιία), bei der den Hörern eine Person o. ä. rhetorisch wirksam und üblicherweise mit großem Pathos vor Augen gestellt wird. Der Sprachduktus weist dabei meist eine große Ähnlichkeit auf, was auf den topischen Charakter dieses Kunstgriffes weist. Bspw. findet sich in der Ctesiphontea des Aischines eine conformatio (3,157), die Cicero vielleicht nachgebildet hat; gerade die Antithese von visueller Wahrnehmung und Imagination ist auffällig: ἀλλ’ ἐπειδὴ τοῖς σώμασιν οὐ παρεγένεσθε, ἀλλὰ ταῖς γε διανοίαις ἀποβλέψατ’ αὐτῶν εἰς τὰς συμφορὰς καὶ νομίσαθ’ ὁρᾶν ἁλισκομένην πόλιν, τειχῶν κατασκαφάς κτλ. Dem quoniam-Satz entspricht dabei der Beginn mit ἀλλ’ ἐπειδὴ. Die Körper sind bei Cicero ersetzt durch die Augen, der Gedanke ist jedoch derselbe. Frappierend ist vor allem die Parallele conspiciatis mentibus und ταῖς διανοίαις ἀποβλέψατε. Dieselbe Formulierung (νομίσαθ’ ὁρᾶν) auch Aischines or. 1,161 μὴ γὰρ ὑπ’ ἐμοῦ λεγόμενον, ἀλλὰ γιγνόμενον τὸ πρᾶγμα νομίσαθ’ ὁρᾶν. Vgl. auch Aischin. or. 2,148 über seine Mutter, die vor Gericht nicht anwesend war: ἐλευθέρους δέ μοι συμβέβηκεν εἶναι καὶ τοὺς πρὸς μητρὸς ἅπαντας, ἣ νῦν ἐμοὶ πρὸ τῶν ὀφθαλμῶν προφαίνεται φοβουμένη περὶ τῆς ἐμῆς σωτηρίας καὶ διηπορμένη. Ferner 3,244 (νομίσαθ’ ὁρᾶν) und 3,257 (ὑπολαμβάνετε ὁρᾶν). Bei Cicero ist Deiot. 40 ganz ähnlich formuliert: propone tibi duos reges et id animo contemplare quod oculis non potes. Nachahmung möglicherweise bei Ov. Her. 10,135 f. nunc quoque non oculis, sed qua potes, adspice mente | haerentem scopulo quem vaga pulsat aqua. Übliche Ausdrücke für den Sachverhalt der Wahrnehmung sind auch oculis cernere z. B. S. Rosc. 98 und 107 oder ante oculos versari wie S. Rosc. 98 non versatur ante oculos vobis in caede Glaucia? sowie ante oculos ponere in leg. agr. II 53.²⁶⁹ Balb. 47. 460 – 461 Dicat se non imperitum foederis, non rudem exemplorum, non ignarum belli fuisse;: Erneut wird durch die fiktive Rede des Marius (der Konjunktiv dürfte am ehesten potential sein) dessen Nähe zu Pompeius hergestellt. Die Diktion erinnert an Balb. 2 nihil enim umquam audivi quod mihi de iure suptilius dici videretur, nihil [de] memoria maiore de exemplis, nihil peritius de  Vgl. zur conformatio bei Cicero noch Schoenberger (1910), 76 f. (mit weiteren Stellen). Grundsätzlich Martin (1974), 288 f. Dort wird sie auch als ἐνάργεια und illustratio oder demonstratio bezeichnet. Die Begriffe sind, wie so oft in der antiken Rhetorik, zahlreich. Speziell zu unserer Stelle vgl. noch David (1980), 75, der die Bedeutung der visuellen Erinnerung – man denke an die römischen imagines – für die „force évocatoire“ des exemplum hervorhebt.

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foederibus, nihil inlustriore auctoritate de bellis, eqs. Dabei verstärkt Cicero den Ausdruck noch durch die dreifache Litotes, worüber P. Parzinger mit Hinblick auf die Stilentwicklung Ciceros ausführlich gehandelt hat.²⁷⁰ Der Ausdruck non imperitus scheint insgesamt selten zu sein; in den Reden kommt er offenbar sonst gar nicht vor. Parzinger nennt als Belege u. a. Brut. 175 (hier als Adverb) sowie fam. I 9,2 (im Superlativ). Non ignarus ist dagegen häufiger, auch in den Reden, wie bspw. Sest. 119, Mil. 72 und Phil. 2,37. Die Handschriften GE²⁷¹ haben statt non ignarum (so in PH) non aeque ignarum überliefert, was A. Klotz verdachtsweise auf ein verschriebenes non denique ignarum zurückführt. Möglicherweise haben GE an dieser Stelle erneut ein Abkürzungszeichen in dem zugrunde liegenden „Inselcodex“ nicht erkannt bzw. falsch gedeutet (vgl. dazu Einl. S. 24 f.). Zu erwägen wäre non denique ignarum als Lesart durchaus. Der kritische Apparat in der Ausgabe Maslowskis ist an dieser Stelle ungenau bis geradezu falsch. Die abweichende Lesart von GE ist zur Zeile 460 notiert, welche die Worte quem iam oculis non potestis; dicat se non imperitum foederis, non ru- enthält, und dies leider nur in der Form non PH : non aeque GE, so daß der Bezug auf das letzte Kolon non ignarum belli fuisse schwer bzw. unmöglich ist. Balb. 47. 461– 464 Se P. Africani discipulum ac militem, se stipendiis, se legationibus bellicis eruditum, se … omnia iura belli perdiscere ac nosse potuisse;: Die conformatio des Marius wird fortgeführt, wobei der sprachliche Duktus weiterhin an die übliche Feldherren-Panegyrik erinnert, wie sie Cicero schon in der digressio über Pompeius (sowohl hier als auch in der Maniliana) angestimmt hatte; vgl. den Kommentar zu Balb. 9. 72– 76. Si tanta bella egisset quanta [gessit] confecit, si tot consulibus meruisset quotiens ipse consul fuit: Zu den Indikativen in den verallgemeinernden Relativsätzen innerhalb der indirekten Rede schreibt J. Lebreton: „Dans cet exemple, Cicerón a sans doute employé l’indicatif pour marquer une antithèse entre la réalité … et l’hypothèse inexacte.“²⁷² Gerade in Relativsätzen kommt dies zuweilen vor. Daher ist auch die Konjektur fuit von Abramus (vgl. den app. crit. bei Maslowski) für das einhellig überlieferte fuisset zu übernehmen (neben dem vorhergegangenen Indikativ confecit). Im quanta-Satz sind asyndetisch zwei Prädikate (gessit confecit) überliefert, die so nicht stehen können, weswegen bspw. die codices recentiores ein et hinzugefügt haben (vgl. den app. crit. bei Peterson, der das et übernimmt). A. Klotz  Vgl. dazu Parzinger (1911), 13 ff.  Auch der Ottobonianus ist hier denselben Weg gegangen wie GE. Zur Nähe von O zur Tradition von GE vgl. Einl. S. 24 Anm. 62.  Lebreton (1901), 368 Anm. 1. Generell zu diesem Phänomen vgl. die Seiten 365 ff.

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hat erstmalig das gessit getilgt, das sich leicht als Influenzfehler aus dem vorhergehenden egisset erklärt. Schon vorher hatte Müller das confecit getilgt, was Espluga/Moncunill übernommen haben, ohne jedoch im Gegensatz zu Müller das vorangehende Prädikat egisset zu ändern (Müller hatte hier zu attigisset geändert). So wird dem Satz indessen jegliche Pointe genommen. Der entscheidende Punkt der Aussage muß doch sein, daß Marius alle Kriege, die er führte, zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht hat. Die Aussage ist an dieser Stelle dann mit falscher Bescheidenheit in Form eines hypothetischen Kondizionalsatzgefüges ausgedrückt. Den korrekten Schluß, ob die Bedingung des si-Satzes erfüllt ist, wird jeder Hörer gezogen haben können. Daher haben die si-Sätze an dieser Stelle geradezu eine kausale Nuance; vgl. K.-St. II 427. Balb. 47. 464 – 468 Sibi non fuisse dubium quin nullo foedere a re publica bene gerenda impediretur … praemia virtutis tribuerentur.: Bei dem Verb impediretur haben wir den Fall vorliegen, daß der Infinitiv Perfekt Auswirkungen hat auf die consecutio temporum, da sich der Konjunktiv Imperfekt offenkundig nach dem fuisse richtet, nicht nach dem übergeordneten Prädikat dicat; vgl. dazu K.-St. II 183 f. J. Lebretons Klassifikation dieser Stelle scheint mir grammatisch nicht den Kern zu treffen: „Propositions qui, au style direct, sont ordinairement assujetties à la concordance des temps. Au style indirect, ces propositions se construisent aux temps secondaires.“²⁷³ A se ex coniunctissima atque amicissima civitate fortissimum quemque esse delectum: Zur coniunctissima atque amicissima civitas vgl. den Kommentar zu Balb. 1. 1– 4. Neque Iguinatium neque Camertium foedere esse exceptum quo minus eorum civibus a populo Romano praemia virtutis tribuerentur: Zum Bündnis mit Iguvuim und Camerinum vgl. den Kommentar zu Balb. 46. 453 – 458. Die Formulierung foedere esse exceptum gemahnt an die Diskussion über Exzeptionsklauseln in Balb. 32. Auch die leitmotivischen praemia wurden schon mehrfach in der Rede erwähnt, vgl. bspw. Balb. 6, 22 (hier auch in Verbindung mit der Junktur fortissimum quemque), 37 u. ö. (vgl. auch Rubio ad loc.). Eigentümlich an dieser Stelle ist die Konstruktion exceptum quo minus, statt ne in Balb. 32, das vielleicht durch das vorangegangene impediretur beeinflußt sein mag (so Reid ad loc.). Beide Konstruktionen kommen vor; vgl. Verr. II 2,187 quod lege excipiuntur tabulae publicanorum quo minus Romam deportentur, eqs. sowie grundsätzlich K.St. II 257 ff. (259 findet sich unsere Stelle). Balb. 48. 468 – 471 Itaque cum paucis annis post hanc civitatis donationem acerruma de civitate quaestio Licinia et Mucia lege venisset, num quis

 Lebreton (1901), 272.

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eorum qui de foederatis civitatibus esset civitate donatus in iudicium est vocatus?: Cicero erwähnt hier zum ersten Mal die lex Licinia Mucia de civibus redigundis aus dem Jahre 95 v.Chr. (vgl. kurz danach Balb. 54 neque ius est hoc reprehensum Licinia et Mucia lege eqs.). Eine weitere Stelle, an der sich Cicero kritisch über dieses Gesetz äußert, findet sich in der Rede Pro C. Cornelio I, frg. 22 Crawford, wo die lex geradezu inutilis und perniciosa genannt wird. Zu diesem Gesetz sowie zur lex Papia de civitate (nach der vermutlich Balbus angeklagt wurde) vgl. A. Coşkun (2009), 149 – 155. Laut Coşkun war die lex Licinia Mucia die erste rechtliche Maßnahme zur Überprüfung von widerrechtlich angemaßtem Bürgerstatus. Über das Epitheton acerruma schreibt Coşkun: „Jene Schärfe bezieht sich nicht auf die Sanktion, sondern auf die Untersuchung der Rechtmäßigkeit der civitas.“²⁷⁴ Die scharfe Sanktion, Bestrafung und Fremdenausweisung ist laut Coşkun erst Folge der späteren lex Papia (65 v.Chr.) gewesen, unter der auch Archias angeklagt wurde, s. Einl. S. 8 Anm. 24. Coşkun argumentiert dementsprechend auch dafür, daß die lex Licinia Mucia nicht – wie üblicherweise angenommen (vgl. z. B. Mommsen, StR III 1,639 mit Anm. 2) – ein ausschlaggebender Grund für den Ausbruch des Bundesgenossenkrieges war. Als Ursache für den Bundesgenossenkrieg ist laut Coşkun die rogatio Livia viel entscheidender gewesen (und daneben wohl auch gerade die Ermordung des „aristokratischen Gracchus“ M. Livius Drusus im Jahre 91 v.Chr.). Die alte Deutung der lex als Ursache des Krieges (im Sinne Mommsens) hat vor kurzem wieder F. C. Tweedie aufgegriffen.²⁷⁵ Was auch der tatsächliche Grund sein mag, Cicero zumindest scheint anzunehmen, daß diese lex die oder doch eine Ursache des Krieges gewesen ist, da er sie – wie erwähnt – in dem Corneliana-Fragment perniciosa rei publicae nennt, was doch auf den Krieg hinzudeuten scheint. Das Prädikat des cum-Satzes venisset (das einheitlich überliefert ist) hat Probleme bereitet und verschiedene Verbesserungsversuche nach sich gezogen; Luterbacher hat evenisset konjiziert, Müller extitisset und Peterson obvenisset (vgl. den app. crit. bei Maslowski). Einfach ist das bloße venire nicht, aber nicht unmöglich. Venire im Sinne von „sich ereignen, sich zutragen“ kommt gerade mit negativer Konnotation (fast schon ein „hereinbrechen“ oder „aufkommen“) gelegentlich vor; vgl. Phil. 3,35 quod si iam – quod di omen avertant! – fatum extremum rei publicae venit eqs. und Manil. 15 nam in ceteris rebus cum venit cala-

 Coşkun (2009), 153.  Vgl. Tweedie (2012). Dort auch weitere Literatur zum Thema. Zum historischen Hintergrund der Bundesgenossenkriege vgl. ferner Kendall (2013) und jüngst Santangelo (2018).

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mitas, tum detrimentum accipitur. ²⁷⁶ Das Wort quaestio findet sich bei Cicero gelegentlich mit Verben der Bewegung wie bspw. Tusc. V 18 videtur enim ad exitum venisse quaestio oder part. 104 quaestio quaedam exoritur. Zur Kongruenz im Relativsatz qui de foederatis civitatibus esset civitate donatus mit Bezug auf quis eorum vgl. K.-St. I 66 f., wo heraugestellt wird, daß zuweilen das Relativpronomen (und damit das Prädikat) nicht mit dem pluralischen Demonstrativum kongruiert (eorum), sondern mit dem übergeordneten Subjekt (quis). Vgl. auch de or. III 16 is erit ex iis, qui aut illos non audierit aut eqs. Zur Junktur in iudicium vocare vgl. den Kommentar zu Balb. 5. 35 – 37. Zu den Konstruktionsweisen des Verbs donare vgl. den Kommentar zu Balb. 6. 48 – 52. Balb. 48. 471– 473 Nam Spoletinus T. Matrinius, unus ex iis quos C. Marius civitate donasset, dixit causam ex colonia Latina in primis firma et inlustri.: Cicero nennt nun ein historisches Beispiel eines Prozesses, in dem offenbar eine Anklage aufgrund der lex Licinia Mucia erfolgte, die Argumentation des Anklägers L. Antistius, der im folgenden genannt wird, jedoch entscheidend von derjenigen des Anklägers des Balbus abwich (dazu in der nächsten Anmerkung mehr). Sowohl der Angeklagte Matrinius als auch der Ankläger Antistius sind nur aus dieser Stelle Ciceros bekannt (Antistius vielleicht mit dem S. Rosc. 90 genannten identisch?). Über die in Umbrien gelegene, 241 v.Chr. gegründete, latinische Kolonie Spoletium schreibt Th. Hantos: „Die Eigenständigkeit war formal wahrscheinlich auch für den Bereich der Außenpolitik festgesetzt und damit einhergehend das Verhältnis zu Rom als Bundesgenossenverhältnis konstruiert.“²⁷⁷ Folgerichtig zieht Hantos an dieser Stelle auch als Parallele Balb. 54 Latinis, id est foederatis heran, um die Gleichstellung von Latinern und Bundesgenossen zu unterstreichen. Vgl. bereits H. Horn: „Aus diesen Stellen folgt, daß trotz der üblichen Trennung zwischen socii und Latini auch die latinischen Kolonien staatsrechtlich als foederati galten.“²⁷⁸ Juristisch ist diese Gleichstellung für Cicero durchaus relevant, da – wie mehrfach erwähnt – das Hauptargument der Anklage allem

 Happ (1976), 495 Anm. 47 bespricht die Balbiana-Stelle im Hinblick auf die Verbindung von quaestio venit mit der Präpositionalphrase de civitate und spricht geradezu von einer Funktionsverb-Fügung.  Hantos (1983), 125. Hantos nennt diesen Typ der Herrschaft (d. h. bei latinischen Kolonien) „territorialintegrative indirekte Herrschaft“.  Horn (1930), 87. Jüngst hat auch Sánchez (2016) den föderierten Status der latinischen Kolonien hervorgehoben. Über Spoletium handelt er auf den Seiten 72 f. Sein Fazit auf Seite 75: „En tous les cas, il est faux de prétendre que la formule Latinis, id est foederatis figurant dans le Pro Balbo constitue une exception et une exagération rhétorique de la part de Cicéron.“

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Anschein nach auf dem föderierten Status der gaditanischen Gemeinde beruhte (vgl. Einl. S. 17 ff. sowie den Kommentar zu Balb. 19. 174– 177). Die prägnante Präpositionalphrase ex colonia Latina ist eine prädikative Ergänzung zu Matrinius, fast schon im Sinne von „da er aus einer latinischen Kolonie stammte“; vgl. den Kommentar zu Balb. 18. 160 – 164 sowie K.-St. I 504. Balb. 48. 473 – 479 Quem cum disertus homo L. Antistius accusaret … negabat hoc beneficium re ipsa sublata valere debere.: Cicero konkretisiert den entscheidenden Kontrast zwischen dem Prozeß gegen Balbus und dem gegen Matrinius. Sowohl Balbus als auch Matrinius wird das römische Bürgerrecht abgesprochen²⁷⁹, doch führte L. Antistius die unrechtmäßige Verleihung des Bürgerrechtes nicht wie der Ankläger des Balbus auf die Notwendigkeit der Zustimmung durch die föderierte Heimatgemeinde zurück, sondern auf die fehlende Voraussetzung der Koloniegründung, wie sie durch die lex Apuleia ²⁸⁰ festgelegt war. Dieses Gesetz erlaubte es Marius, je drei römische Bürger pro Kolonie zu ernennen; es zielte laut H. M. D. Parker auf die drei führenden Magistrate der Kolonie; üblicher seien zwar duoviri gewesen, doch gab es offenbar auch Fälle von tresviri, vor allem in Arpinum, der Heimatgemeinde des Marius (und Cicero): „Now the magistracy in Italian municipia, especially before the Social War, does not seem to have conformed to a common model; it varied both in number and in title.“²⁸¹ Da nun offenkundig die Gründung der Kolonie (oder der Kolonien) ausblieb, wurde von L. Antistius damit auch die im Vorfeld durchgeführte Bürgerrechtsverleihung als juristisch nichtig angesehen. Über die viri coloniae deducendae vgl. Mommsen StR II 1,624– 639, vor allem 628, wo Mommsen auf diesen Fall zu sprechen kommt. Während sonst üblicherweise diese Beamten für diese Aufgabe gewählt wurden, ist hier die Deduktion allein Marius als Consul übertragen worden – ein weiterer Beleg für seine geradezu monarchische Sonderstellung, die manch eine staatsrechtliche Ausnahme mit sich brachte. [Spoletinus] dixit fundum Spoletinum populum non esse factum: Sowohl die Ergänzung von non, das leicht ausgefallen sein kann, durch Pan-

 Im Falle des Matrinius ist die Anklage auf Grundlage der lex Licinia Mucia durch Ciceros Worte gesichert, im Falle des Balbus ist die Frage strittig. Wahrscheinlicher ist allerdings die spätere lex Papia (s. Einl. S. 8 Anm. 24). Beide Gesetze hatten jedoch offenbar dieselbe juristische Stoßrichtung.  Das Gesetz stammt wahrscheinlich aus der Zeit des zweiten Volkstribunats des berüchtigten L. Apuleius Saturninus, d. h. aus dem Jahre 100 v.Chr. Vgl. dazu Klebs (1895), 265.  Parker (1938), 9. Badian (1958), 206 Anm. 1 glaubt, daß das überlieferte ternos zu trecenos geändert werden müsse, da nur dreihundert eine realistische Zahl für die Kolonisten sei. Folgerichtig lehnt er auch Parkers Deutung des Gesetzes ab.

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tagathus als auch die Tilgung von Spoletinus von Lallemand sind notwendig (das Subjekt des Satzes ist natürlich Antistius). Videbat enim populos de suo iure, non de nostro fundos fieri solere: Zu dieser Formulierung vgl. den gesamten Passus Balb. 20 – 22, wo Cicero auseinandersetzt, wozu föderierte Gemeinden zustimmen können (und wollen) und wozu nicht. Sed cum lege Apuleia coloniae non essent deductae, qua lege Saturninus C. Mario tulerat ut in singulas colonias ternos cives Romanos facere posset: Zur Wiederholung des Substantivs im Relativsatz vgl. P. Parzinger: „In Ciceros Schriften tritt die Wiederholung des Substantivs zwar nicht so sehr hervor wie bei Caesar, doch sind es auch hier der Beispiele nicht gar wenige. Sie zeigen im Gebrauch der Substantiva grössere Abwechslung wie bei Caesar und begegnen uns am öftesten in den Reden und in der Schrift de inv.“²⁸² Vorherrschender Kasus ist dabei der Ablativ (mit und ohne Präposition). Die meist wiederholten Substantive sind dies, locus und lex. Die Wendung entstammt dem Kurialstil und findet sich entsprechend oft in der Juristen- und Gesetzessprache, vgl. auch Caec. 38 si auctoritate virorum talium vis armatorum hominum iudicio approbata videatur, in quo iudicio eqs. Müller hat vor C. Mario ein de hinzugefügt (vgl. die adnotatio critica seiner Ausgabe auf Seite LII), doch ist der dativus commodi an dieser Stelle nicht undenkbar; Klebs spricht im Hinblick auf Marius und Saturninus geradezu von einem politischen Bündnis oder von Marius und Saturninus als Verbündeten.²⁸³ Die Formulierung, Saturninus habe die lex Apuleia „zugunsten“ des Marius eingebracht, wäre also durchaus möglich. Zur final-konsekutiven und distributiven Funktion des in bei ut in singulas colonias ternos cives Romanos facere posset vgl. K-St. I 569. Balb. 49. 479 – 482 Nihil habet similitudinis ista accusatio; sed tamen tanta auctoritas in C. Mario fuit ut non per L. Crassum, adfinem suum, hominem incredibili eloquentia, sed paucis ipse verbis causam illam gravitate sua defenderit et probarit.: Mit nihil habet similitudinis ista accusatio zieht Cicero die Schlußfolgerung aus dem Vorhergegangenen; danach stimmt er mit sed tamen erneut das altbewährte Leitmotiv der auctoritas an (s. Einl. S. 16). Die Konzessivität ergibt sich aus dem Gedanken, daß die Anklage des Antistius deutlich besser begründet und juristisch fundiert war als diejenige im Balbus-Prozeß.Trotz dieser guten Anklage also setzte sich Marius rein aufgrund seiner auctoritas durch – um wie viel mehr, so die hintergründige Argumentation, muß dies für Pompeius gelten, der sich mit einem so vergleichsweise schwachen Gegner auseinanderzusetzen hat. Marius habe bei

 Parzinger (1912), 8.  Vgl. Klebs (1895), 264 f.

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alledem nicht einmal des Crassus²⁸⁴, des größten Redner Roms, bedurft; zu diesem vgl. bereits Balb. 3. Die Nennung des Crassus ist eine besondere Pikanterie Ciceros, insofern dieser durch die Verteidigung des Matrinius gegen die Durchsetzung seines eigenen Gesetzes gesprochen haben würde; ich schließe aus dieser Stelle, daß Crassus de facto nicht in dem Prozeß gegen Matrinius auftrat – ja vielleicht nicht einmal Marius selbst.²⁸⁵ Dafür könnte der freie Tempusgebrauch bei defenderit und probarit im Konsekutivsatz sprechen. Das absolute Tempus deutet darauf hin, daß die Handlung des ut-Satzes nicht bezogen ist auf die Handlung des übergeordneten Satzes, sondern vom Standpunkt des Redenden ausgedrückt wird; vgl. K-St. I 113 f.²⁸⁶ Der Inhalt hat rein spekulativen und hypothetischen Charakter, der Konjunktiv in diesem Falle also durchaus eine eigenständige potentiale Färbung („sein Ansehen war so groß, daß er mit wenigen Worten … verteidigt haben könnte.“) Beim Ablativ paucis verbis dürfte es sich um einen ablativus instrumentalis handeln, der parallel zur Präpositionalphrase per L. Crassum steht, bei gravitate sua dagegen handelt es sich um einen ablativus causae. Balb. 49. 482 – 490 Quis enim esset, iudices … si quisquam huius imperi defensor mori potest, vivat auctoritas inmortalis.: Cicero schließt in einem hochrhetorisierten resümierenden Passus die Ausführungen über das historische Exempel des Marius ab, der fortan (Balb. 50, 51 und 64) nur noch als Name in Aufzählungen vorkommen wird. Dabei klingen sowohl inhaltlich als auch sprachlich einige der früheren Stellen der Rede an. Zum Thema der verstärkten Wehrhaftigkeit Roms durch Nicht-Römer einerseits sowie deren Belohnung nach dem Leistungsprinzip andererseits vgl. den gesamten Abschnitt Balb. 22 – 24 (mit häufiger Betonung der pericula). Zur leitmotivischen spes praemiorum, die in diesem Passus erwähnt wird, vgl. den Kommentar zu Balb. 6. 45 – 48. Zum Leitmotiv der auctoritas vgl. außerdem Einl. S. 16 sowie zur Junktur valeat auctoritas den ersten Satz der Rede. Quis enim esset, iudices, qui imperatoribus nostris in bello, in acie, in exercitu delectum virtutis eqs.: An dieser Stelle ist delectum P2E (delectu G) sowie delictum P1H überliefert, was von Müller und Reid zu dilectum geändert wurde. Reid ad loc. verweist kurioserweise auf Balb. 47 fortissimum quemque esse

 Adfinis war Crassus, weil seine Tochter einen Sohn des Marius geheiratet hatte; vgl. Rubio ad loc. sowie Badian (1958), 213 Anm. 4.  Vergleichbar ist ein Prozeß, den Cicero de or. I 62 erwähnt: nec, si huic M. Antonio pro Hermodoro fuisset de navalium opere dicendum, non, cum ab illo causam didicisset, ipse ornate de alieno artificio copioseque dixisset.Vgl. Leeman/Pinkster (1981) ad loc.: „Der Satz ist sehr auffällig; offenbar hat Antonius in Wirklichkeit gar nicht für Hermodoros plädiert.“  Speziell zu dieser Stelle vgl. auch Lebreton (1901), 230.

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delectum, wo einheitlich delectum, nicht dilectum überliefert ist, zumal es sich dort um das Partizip handelt, nicht um das Substantiv wie hier. Nach den ThlLArtikeln zu dilectus und delectus kommen beide Formen anscheinend unterschiedslos in den Handschriften vor, wenngleich dilectus die häufigere Schreibweise ist. Diese schwierige Frage ist kaum zu entscheiden, weswegen die überlieferte Lesart delectum hier beibehalten ist. Quod si vultus C. Mari, si vox, si ille ²⁸⁷ imperatorius ardor oculorum eqs.: Schon Reid ad loc. hat als Parallele die Marius-Vita des Plutarch (39,3) angeführt, aber die Stelle nicht zur Gänze ausgeschrieben: λέγεται τὰ μὲν ὄμματα τοῦ Μαρίου φλόγα πολλὴν ἐκβάλλοντα τῷ στρατιώτῃ φανῆναι, φωνὴν δὲ μεγάλην ἐκ τοῦ παλισκίου γενέσθαι. Die Erwähnung sowohl der ὄμματα φλόγα πολλὴν ἐκβάλλοντα (ardor oculorum) als auch der φωνή (vox) ist bezeichnend, wenngleich die Situation bei Plutarch freilich ganz anders geartet ist und das Feuer der Augen aufgrund des dunklen Raumes, aus dem die Augen hervorleuchten (und die Stimme hervortönt), genannt wird. Sit hoc discrimen inter gratiosos civis atque fortis, ut illi vivi fruantur opibus suis eqs.: Statt des überlieferten gratiosos hat C. A. Lehmann otiosos konjiziert²⁸⁸, doch hat bereits A. Klotz im app. crit. seiner Ausgabe zurecht dagegen eingewandt: „at otio non comparantur opes.“ Man fragt sich ein wenig, ob Cicero mit dem Wort gratiosos speziell an Balbus gedacht hat, der sich ja gerade aufgrund seines Status als strebsamer Günstling (d. h. als gratiosus ²⁸⁹) des Caesar und Pompeius vieler Angriffe zu erwehren hatte (zu Ciceros durchaus nicht nur positiven Beurteilung seines Klienten vgl. Einl. S. 9 f.). Balb. 50. 490 – 493 Quid? Cn. Pompeius pater … quid? cohortis duas universas Camertium ?: Es folgt eine lange Priamel mit Beispielen von Feldherren und deren Bürgerrechtsverleihungen singillatim, rhetorisch wirkungsvoll gestaltet und gegliedert durch die mehrfach benutzte anaphorische Frage quid?. Eingeleitet wird die Priamel mit Pompeius Strabo, in dessen Stab Cicero bekanntlich während des Bundesgenossenkrieges gewesen ist. Die hier  Zu ille, das nur in PH überliefert ist und in GE fehlt, findet sich eine kuriose Bemerkung im Apparat bei Maslowski (dort Z. 485) und auch noch bei Espluga/Moncunill. Beide verweisen auf die Panegyrici Latini VII 9,5, wo es heißt: hic imperatorius ardor oculorum. Das mag eine Nachahmung sein, hat aber für die Frage, ob hier das Pronomen ille, d. h. die Lesart von PH, in den Text zu setzen ist oder nicht, wenig Gewicht.  Vgl. Lehmann (1879), 217.  Wistrand (1941), 25 weist auf die sowohl passive als auch aktive Bedeutung des Adjektivs hin: „Wie gloriosus nicht nur ‚ruhmvoll’, sondern auch ‚ruhmsüchtig, prahlerisch’ bedeutet, bezeichnet gratiosus nicht nur den schon einflussreichen, sondern auch denjenigen, der nach gratia strebt, der also durch beneficia die Dankbarkeit der Menschen und damit ein Anrecht auf ihre officia erwerben will.“

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genannten Neubürger sind ansonsten unbekannt, wenn nicht vielleicht P. Caesius der Empfänger von fam. XIII 51 ist, doch ist dies nicht sicher; es könnte sich auch um dessen Sohn handeln.²⁹⁰ Rebus Italico bello maximis gestis: Zu dieser Formulierung, die sich auf den Bundesgenossenkrieg bezieht, vgl. auch Balb. 5 acerrimis illis proeliis et maximis und Balb. 14 bellum acerrumum et maximum mit Bezug auf den Krieg gegen Sertorius, der durch die Wortwahl proelia acerrima und bellum acerrimum deutlicher als Krieg (mit seinen Gefahren) gekennzeichnet ist. P. Caesium, equitem Romanum, virum bonum, qui vivit: Zu qui vivit im Sinne von qui superest (Caesius lebte offenkundig 56 v.Chr. noch), d. h. mit einer Betonung der Dauer des Lebens, vgl. den Kommentar zu Balb. 16.134 – 140. Ravennatem foederato ex populo nonne civitate donavit? quid? cohortis duas universas Camertium ?: Ciceros Erwähnung von Ravenna als einer civitas foederata scheint, zumindest im Hinblick auf die hier geschilderten Ereignisse des Bundesgenossenkrieges, problematisch. Schon Reid ad loc. hatte angemerkt, daß die Bürgerrechtsverleihung singillatim nicht recht verständlich sei, da Ravenna insgesamt das Bürgerrecht entweder 90 v.Chr. durch die lex Iulia de civitate danda (siehe Balb. 21) oder durch die lex Plautia Papiria des Jahres 89 v.Chr. erhalten habe, was auch bedeutet, daß von einer civitas foederata nicht mehr die Rede sein kann. Reid spekuliert, daß Ravenna möglicherweise die erste lex noch abgelehnt (wie Heraclea und Neapel, siehe wiederum Balb. 21) und Caesius in der Zeit zwischen lex Iulia und lex Plautia Papiria das Bürgerrecht von Pompeius Strabo erhalten habe.²⁹¹ G. Susini wiederum hat eine andere Erklärung für die Bezeichnung von Ravenna als civitas foederata: „Ravenna nell’89 a. C. ottenne il diritto latino; Cicerone ne poteva parlare nel 56 come di una civitas foederata, poiché lo status di colonia latina concesso a tutte le comunità della Transpadana era in realtà una finzione istituzionale, una fase politica di trapasso verso il conseguimento della cittadinanza romana, ottenuta poi nel 49 a. C. (o, secondo alcuni, poco più tardi).“²⁹² Man sollte sich vielleicht grundsätzlich nicht zu sehr auf den Begriff civitas foederata bzw. in diesem Falle populus foederatus kaprizieren, da Cicero diesen womöglich nur wählt, um das Argument des Anklägers (Balb. 19) besser entkräften zu können. Zur Präpositionalphrase foederato ex populo vgl. den Kommentar zu Balb. 48. 471– 473.

 Vgl. Shackleton Bailey (1977) ad loc.  Zu 89 als wahrscheinlichem Datum der Verleihung vgl. Miltner (1952), 2257.  Susini (1967), 364 f.

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Zum Beispiel des Marius und den Camertinischen Kohorten vgl. den Kommentar zu Balb. 46. 453 – 458. Balb. 50. 493 – 496 Quid? Heracliensem Alexam P. Crassus, vir amplissimus, ex ea civitate quacum prope singulare foedus Pyrrhi temporibus C. Fabricio consule ictum putatur? quid? Massiliensem Aristonem Sulla?: Über das besonders vorteilhafte Bündnis Heracleas, das womöglich der Grund für die Ablehnung der lex Iulia und damit des römischen Bürgerrechts war, vgl. den Kommentar zu Balb. 21. 192– 195. Warum das während des zweiten Konsulats des C. Fabricius Luscinus (278 v.Chr.) im Pyrrhus-Krieg geschlossene Bündnis prope singulare war, ist nicht auszumachen. Den einzigen Anhaltspunkt bietet die Überlieferung von einer lösegeldfreien Entlassung von 200 in Lokroi gefangen gesetzten Römern seitens des Pyrrhus.²⁹³ Doch deutet dies eher auf einen Friedensvertrag hin, nicht auf ein foedus im engeren Sinne (ein ähnlicher Fall liegt bei Gades vor, vgl. den Kommentar zu Balb. 34. 334– 338). Ob überhaupt ein Bündnis geschlossen wurde, scheint fraglich zu sein, wie Cicero selbst durch das putatur andeutet.²⁹⁴ Zu P. Crassus vgl. den Kommentar zu Balb. 40. 395 – 403. Zu Marseille vgl. den folgenden Kommentar zu Balb 50 Aveniensem. Die Ergänzung des Pränomens bei Sulla stammt von Baiter, der Balb. 51 vergleicht (s. app. crit. bei Maslowski). Da Cicero das Pränomen bei allen anderen Feldherren setzt, ist es auch hier unbedingt geboten. Balb. 50. 496 – 498 Quid? quoniam de Gaditanis agimus, idem †erosnovem Gaditanos? quid? vir sanctissimus et summa religione ac modestia, Q. Metellus Pius, Q. Fabium Saguntinum?: Der in P1 überlieferte Wortlaut erosnovem Gaditanos an dieser Stelle ist offenkundig falsch und wurde verschiedentlich geändert (s. app. crit. bei Maslowski; s. auch den app. crit. bei Peterson zu der zusammengeschriebenen Form erosnovem); daneben haben GE sowie der Korrektor des Parisinus, d. h. wahrscheinlich schon der gemeinsame Hyparchetypus y (siehe dazu Einl. S. 25), heros novem Gaditanos, aber weder erus noch heros sind hier recht denkbar, wenn es sich nicht ohnehin um phonetische Varianten desselben Wortes handelt. In eine ganz und gar willkürliche Richung gehen nun Versuche, einen Eigennamen aus der Überlieferung zu spinnen, wie Hannonem Gaditanum (Garatoni) oder Erosium Gaditanum (Halm), zumal das überlieferte Gaditanos dann angeglichen werden muß. Wahrscheinlicher dürften die Konjekturen homines novem (Wrampelmeyer; dabei bezieht er sich auf den neuzeitlichen Wolfenbütteler Codex 205, einen codex descriptus, der letzten Endes auf den Parisinus zu-

 Vgl. Münzer (1909a), 1934.  Vgl. auch Münzer (1909a), 1937.

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rückgeht, vgl. die praefatio der Oxford-Ausgabe von Peterson, p. VIII)²⁹⁵, servos novem (Reid, von Peterson übernommen) oder viros novem (Sylvius). Die Konjektur von Sylvius hat in jüngerer Vergangenheit erneut F. Santangelo erwogen und darüber hinaus selbst den interessanten Vorschlag idem vero novem Gaditanos? eingebracht.²⁹⁶ Ich behalte dennoch die cruces bei, da die bestimmte Entscheidung für eine der zuletzt genannten Lösungen unmöglich erscheint. Zu Metellus Pius vgl. den Kommentar zu Balb. 5. 40 – 45. Man beachte an dieser Stelle die für Cicero bemerkenswerte Inkonzinnität des attributiven Adjektivs sanctissimus und des adnominalen abl. qualitatis summa religione ac modestia. Zu Sagunt vgl auch Balb. 23, wo genau wie hier neben Sagunt Marseille und Gades genannt werden. Möglicherweise schwebten Cicero in Balb. 23 die hier gebrachten exempla bereits vor. Balb. 50. 498 – 501 Quid? hic qui adest … tum vel nimium parcus in largienda civitate?: Beim hier genannten Avignon existieren hinsichtlich des föderierten Status ähnliche Bedenken wie bspw. bei Ravenna und anderen Fällen von vermeintlichen civitates foederatae, die Cicero für seine Argumentation vereinnahmt. Ch. Goudineau hat dazu einen ausführlichen Aufsatz publiziert, in dem er herausstellt, daß Avignon nicht einmal eine selbständige civitas gewesen sei, sondern dem Einflußbereich Marseilles unterstand: „Notre Avignonnais ne peut donc être ‚fédéré‘ que par son appartenance à la civitas foederata de Marseille.“²⁹⁷ Ebenso bereits H. Horn, der als entscheidendes Zeugnis die Ethnika des Stephanos von Byzanz anführt, wo es unter dem Lemma Αὐενίων (538) heißt: πόλις Μασσαλίας πρὸς τῷ Ῥοδανῷ.²⁹⁸ Dies würde sich im Zusammenhang mit der gerade in Balb. 50 erfolgten Nennung von Marseille (s.o.) gut erklären. Goudineau denkt statt an eine civitas foederata vielmehr an eine Art Städteverband: „Il n’est qu’une possibilité: celle d’un Etat fédéral regroupant autour de Marseille un certain nombre de cités (Avignon, Cavaillon, Glanon, les Kainikétai) conservant leur individualité propre, leur corps de citoyens (dont les représentants se réunissent dans le bouleuterion local, comme à Glanum), frappant selon les normes massaliotes leur propre numéraire – à moins que la Monnaie de Marseille ne s’en charge – , mais unies à la cité phocéenne par un lien assez fort pour que l’ensemble constitue un tout, jouissant, dans le cadre d’un foedus avec une puissance extérieure, des mêmes clauses et des mêmes droits.“²⁹⁹

 Vgl. Wrampelmeyer (1880), 36 in der Anmerkung zu unserer Stelle. Wrampelmeyer hatte außerdem „priore tempore“, wie er schreibt, Hieronem erwogen.  Vgl. Santangelo (2010).  Goudineau (1976), 331.  Vgl. Horn (1930), 22. Zitiert hier nach der Ausgabe von Billerbeck.  Goudineau (1976), 331 f.

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Suptilissime sunt omnia perpolita: Zur Orthographie von suptilissime vgl. den Kommentar zu Balb. 2. 12– 16. Zum Verb perpolire vgl. den Kommentar zu Balb. 17. 149 – 152. M. Crassus, non Aveniensem foederatum civitate donavit, homo cum gravitate et prudentia praestans, tum vel nimium parcus in largienda civitate?: Zum in limitativum (ThlL s.v) bei nimium parcus in largienda civitate vgl. den Kommentar zu Balb. 21. 192– 195. Den Geiz des Crassus im Hinblick auf Bürgerrechtsverleihungen stellt Cicero heraus, um den Verdacht einer zu leichtfertig übernommenen Verteidigung von dem juristischen Partner abzuwehren (siehe auch die Betonung seiner gravitas). Wenn ein derartig „sparsamer“ Feldherr die Bürgerrechtsverleihung des Balbus verteidigt, muß diese spezielle Verleihung – so der zugrundeliegende Gedanke – gerechtfertigt sein. Zu non = nonne vgl. den Kommentar zu Balb. 10. 83 – 89. Balb. 51. 502 – 508 Hic tu Cn. Pompei beneficium vel potius iudicium et factum infirmare conaris … quosdam Uticenses et Saguntinos [Fabios] civitate donavit.: Eine schlichte Rekapitulation des bereits Gesagten. Die Eingriffe in den Text sind an dieser Stelle unstrittig. Die Ergänzung von quod M. Crassum durch Sylvius (s. app. crit. bei Maslowski) ist zum Zwecke der Vollständigkeit der Rekapitulation ebenso notwendig wie die Tilgung des Fabios durch Garatoni, das sich leicht als ein Influenzfehler aus Balb. 50 Q. Fabium Saguntinum erklärt. Nam et Gaditanum Asdrubalem ex bello illo Africano et Mamertinos Ovios et quosdam Uticenses et Saguntinos [Fabios] civitate donavit: Nicht ganz so selbstverständlich, aber doch allgemein akzeptiert ist die Änderung des überlieferten obvios zu Ovios durch Buchanan³⁰⁰, worunter man eine Familie aus Messana zu verstehen hat (vgl. Rubio und Bonfiglioli ad loc.), denen während Pompeius’ Feldzug in Afrika (vgl. den Kommentar zu Balb. 16. 134– 140) das römische Bürgerrecht verliehen wurde. Der Name Ovius ist oskischen Ursprungs; möglicherweise haben sich also bei den ursprünglich in Kampanien beheimateten Mamertinern (Mamertinus heißt zu dieser Zeit und gerade bei Cicero üblicherweise nur „Bürger aus Messana“) Spuren der alten oskischen Heimat in Form von Eigen- und Familiennamen erhalten. Zu dem Namen vgl. Liv. IX 7,1 f. cum haec dicerentur audirenturque, …, dicitur Ofillius Calavius Ovi filius, clarus genere factisque tum etiam aetate verendus, longe aliter se habere rem dixisse.

 Von dieser Konjektur wissen wir durch den kritischen Anhang der Ausgabe von Lambinus (Orationum M. T. Ciceronis, a Dionys. Lambino emendatarum, volumen III, Paris 1572; die Anmerkung zu unserer Stelle findet sich dort auf den Seiten 2765 f.).

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Während Maslowski das letzte Wort dieses Passus donavit in spitze Klammern setzt, sind diese hier weggelassen, da das Wort in H überliefert ist (siehe auch den Text bei Peterson oder zuletzt bei Espluga/Moncunill). Im Falle von Utica ergibt sich erneut das bereits bekannte Problem, daß nicht klar ist, ob es ein foedus mit Utica gab und mithin ob Ciceros Argumentation wasserdicht ist, da die Bürgerrechtsverleihungen an Angehörige freier Gemeinden auch nach Ansicht des Anklägers unanstößig gewesen wären (siehe Balb. 19). Allzu wahrscheinlich ist die Annahme des föderierten Status von Utica nicht.³⁰¹ Balb. 51. 508 – 512 Etenim cum ceteris praemiis digni sunt … et contra oppugnatores rei publicae de civitate exterminari!: Cicero bietet hier hinlänglich Bekanntes; erneut betont er die praemia, die potentiellen Neubürgern aufgrund der pericula, die sie auf sich nähmen, zuständen (vgl. den Kommentar zu Balb. 6. 45 – 48; dort fällt auch das Wort labor). Der ganze Abschnitt hat nicht so sehr den Charakter einer recapitulatio als vielmehr den einer repetitio. Zu propugnatores vgl. den propugnator Massiliensis (bzw. Gaditanus und Saguntinus) in Balb. 23 (auch dort ist im übrigen die Rede von pericula, labor und den tela). Man beachte an dieser Stelle noch das etwas frostige Wortspiel propugnatores/ oppugnatores sowie den strengen Parallelismus der Kola propugnatores huius imperi in hanc civitatem venire – oppugnatores rei publicae de civitate exterminari. Balb. 51. 512 – 517 Neque enim ille summus poeta noster … persaepe nobilitatis inertiae praetulerunt.: Der summus poeta, der hier zur Illustration herangezogen wird, ist erneut – wie schon Balb. 36 – Ennius. Gerade Ennius wird von Cicero gerne durch das Possessivum noster vereinnahmt, so auch Arch. 18 und 22 (dort jeweils sogar mit namentlicher Nennung: noster Ennius) und womöglich, wenn die Verse von Ennius stammen, Rab. Post. 28.³⁰² Summus poeta heißt er u. a. auch de or. I 198. Der Ennius-Vers unserer Stelle stammt offenkundig aus den Annales (234 f. Skutsch = 280 f. Vahlen), wobei eine ganz genaue Zuordnung nicht zweifelsfrei möglich ist; J.Vahlen hatte den Vers im 8. Buch verortet, O. Skutsch im 7. Sicher scheint zu sein, daß es sich um eine Feldherren-Rede des Hannibal vor einer Schlacht handelt, unsicher wiederum, um welche Schlacht. Als Möglichkeiten werden die Schlacht am Ticino oder die Schlacht bei Cannae genannt.³⁰³ Skutsch druckt den Vers mit cruces: Hostem qui feriet †erit (inquit) mi†

 Vgl. Sherwin-White (1973), 181 Anm. 5. Vgl. auch Mommsen, StR III 1,657 f. Anm. 3. Badian (1958), 293 erwägt in seiner note H, daß Cicero ein „slip“ wie bei Utica auch im Falle von Sagunt unterlaufen sein könnte.  Vgl. Klodt (1992), zur Rab.-Post.-Stelle. Klodt stellt auch heraus, daß bspw. Accius und Naevius nie noster genannt werden. Siehe auch leg. I 33, wo das berühmte Terenz-Zitat aus dem Heautontimorumenos nur begleitet wird von dem Einschub ut ait poeta.  Vgl. dazu und zu den folgenden Ausführungen Skutsch (1985), ad loc.

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Carthaginiensis | Quisquis erit. cuiatis siet. Vahlen hatte den Vers offenbar aus metrischen Gründen mit einer Umstellung von mihi erit wiedergegeben, wenngleich erit mihi einhellig überliefert ist. Skutsch argumentiert nun in seinem Kommentar gegen die Wortstellung mihi erit aufgrund der zu vermeidenden Elision und der emphatischen Stellung des Pronomens. Ist vielleicht an eine metrische Kürzung bei der zweiten Silbe von erit zu denken? Die Diktion des Verses ist archaisch und feierlich, wie an der alten unkontrahierten Form cuiatis für cuias und an siet statt sit deutlich wird (vgl. dazu Skutsch ad loc.). Die Gesinnung, die sich in diesem Ennius-Zitat ausdrückt und die Cicero hier den Römern anempfehlen möchte, reicht zurück zu dem Panegyrikos des Isokrates und dessen Vereinnahmung aller Menschen gleicher παιδεία als Hellenen im Gegensatz zu der Gemeinschaft des Blutes, wenngleich bei Ennius und Cicero weniger die geistige als vielmehr die militärische Leistung die Menschen zu einer Gattung verbindet; vgl. Paneg. 50 τοσοῦτον δ’ ἀπολέλοιπεν [sc. ἡ πόλις ἡμῶν] περὶ τὸ φρονεῖν καὶ λέγειν τοὺς ἄλλους ἀνθρώπους, ὥσθ’ οἱ ταύτης μαθηταὶ τῶν ἄλλων διδάσκαλοι γεγόνασι καὶ τὸ τῶν Ἑλλήνων ὄνομα πεποίηκε μηκέτι τοῦ γένους, ἀλλὰ τῆς διανοίας δοκεῖν τεκμήριον εἶναι καὶ μᾶλλον Ἕλληνας καλεῖσθαι τοὺς τῆς παιδεύσεως τῆς ἡμετέρας ἢ τοὺς τῆς κοινῆς φύσεως μετέχοντας. Imperatoriam: Zum Adjektiv imperatorius vgl. bereits Balb. 49 ille imperatorius ardor oculorum. Id habent hodie leve et semper habuerunt: Die Lesung hodie ist eine Emendation von Halm für das überlieferte hoc, das nach id überflüssig wird (vgl. den app. crit. der Ausgabe Maslowskis). Aufgrund des folgenden semper sowie des Polyptotons³⁰⁴ habent/habuerunt (als Subjekt wird man sich aus dem imperatoriam ein imperatores ziehen müssen) ist die Änderung zu hodie geboten. Die Junktur leve habere gibt Rubio ad loc. richtig wieder mit „tener en poco, dar poca importancia“, sie schließt eng an die Worte cuiatis siet des Ennius-Verses an. Üblich ist die Junktur nicht, doch gibt es ähnliche Fälle wie Cic. Att. I 5,4 etenim cum multos dies auris meas Acutilio dedissem, …, non mihi grave duxi scribere ad te de illius querimoniis, cum eas audire, quod erat subodiosum, leve putassem und Nep. prol. 1 non dubito fore plerosque, Attice, qui hoc genus scripturae leve et non satis dignum summorum virorum personis iudicent.

 Vgl. dazu grundsätzlich Parzinger (1911), 26 ff. So bspw. auch dom. 103 habetis et semper habuistis oder Balb. 65 tum etiam illud cogitate, sic vivere ac vixisse Cornelium eqs.

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Bei semper habuerunt liegt im übrigen die berühmte ēssĕ-vĭdĕātūr-Klausel vor, worauf K. A. Barber hinweist.³⁰⁵ Et hominum ignobilium virtutem persaepe nobilitatis inertiae praetulerunt: Zu persaepe vgl. den Kommentar zu Balb. 24. 217– 222. Balb. 52 – 59³⁰⁶: Argumentatio de perpetua consuetudine civitatis und πίστις παθητική (de invidis). Cicero beschränkt sich zuletzt auf das Beweismittel des Präzedenzfalles und suggeriert, daß eine Aberkennung des Bürgerrechts im Falle des Balbus eine geradezu unerhörte Neuerung sei. Dabei dienen ihm als Gewährsleute die Gerichte (52), das römische Volk (53 – 54) und der Senat (55). Danach beginnt vollends die Argumentation ἔξω τοῦ πράγματος, wodurch eine Überleitung zur pathetischen peroratio geschaffen wird. Cicero behandelt in den Paragraphen 56 – 59 die Mißgunst gegenüber dem Parvenu Balbus, die nach seiner Darstellung der Hintergrund für den Prozeß sei. Dabei führt er einzelne Gegenstände des Anstoßes an, wie eine Villa in Tusculum, die Einschreibung in einer angesehenen Tribus, die Adoption durch Theophanes, und widerlegt die Vorwürfe (56 – 57). Daneben deutet Cicero an, daß der Prozeß eigentlich vielmehr den Gönnern des Balbus gilt und letzterer mithin ein leichtes und unschuldiges Opfer der Streitigkeiten Mächtigerer ist, wobei Cicero im Sinne des rhetorischen ἦθος seine eigene Dankbarkeit und Pflicht gegenüber Balbus erwähnt (58 – 59). Balb. 52. 518 – 521 Habetis imperatorum summorum … dabo sanctissimum et sapientissimum iudicium etiam senatus.: Die Sätze haben eine überleitende Funktion und bilden eine kleine propositio für die folgenden Paragraphen. Nachdem in der argumentatio de exemplis die Handhabung der Bürgerrechtsverleihung durch Feldherren behandelt worden ist, geht Cicero nun zum Volk,

 Vgl. Barber (2004), 102 ff. Zu dieser Klausel bei Cicero vgl. auch Parzinger (1912), 52 sowie Laurand (1936/38), 117– 232 (die Klauselrhythmik im engeren Sinne behandelt er ab der Seite 156). Parzinger weist darauf hin, daß Cicero diese Klausel im späteren Werk mehr und mehr zu meiden scheint.  Abweichend von der gängigen Gliederung werden hier die Paragraphen 56 – 59 noch zur argumentatio im weiteren Sinne gezählt, während man üblicherweise mit 56 die peroratio beginnen läßt. Dabei wurde der an Aristoteles angelehnte Begriff der πίστις παθητική gewählt; siehe dazu Martin (1974), 96 f. Damit ist sehr gut der Mischcharakter des Abschnitts 56 – 59 gekennzeichnet, der noch stark argumentative und beweisende Züge (wenngleich natürlich unsachlich) zeigt, während ab Paragraph 60 die stärkere Verallgemeinerung (et erit aequa lex) beginnt sowie die für die peroratio charakteristischen Appelle; vgl. Einl. S. 15 mit Anm. 44. In der Einteilung folge ich G. Bonfiglioli (vgl. die Gliederung in seiner Einleitung, S. 18 f.), der die Paragraphen 56 – 59 zum „Sesto argomento“ zusammenfaßt und die peroratio ebenfalls erst mit 60 beginnen läßt. Auch die digressio findet mitunter vor der peroratio noch ihren Platz; vgl. Cic. de or. II 80 tum autem alii conclusionem orationis et quasi perorationem conlocant, alii iubent, antequam peroretur, ornandi aut augendi causa degredi, deinde concludere ac perorare.

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zum Senat und vor allem zu den Gerichten über, deren günstiges Urteil hier durch ihre Vereinnahmung gewissermaßen als Fait accompli antizipiert wird. Feldherren, Volk und Senat wurden schon vorher in der Rede zusammen genannt, so Balb. 22 atqui si imperatoribus nostris, si senatui, si populo Romano non licebit eqs. und Balb. 25 si populus Romanus permiserit, ut ab senatu etiam per imperatores nostros civitate donentur eqs. Zur Bedeutung des Relativsatzes qui huic quaestioni praefuerunt vgl. den Kommentar zu Balb. 2. 10 – 12 mit Anm. 7. Balb. 52. 521– 524 Iudices cum prae se ferrent palamque loquerentur, quid essent lege Papia de M. Cassio Mamertinis repetentibus iudicaturi, Mamertini publice suscepta causa destiterunt.: Zur lex Papia vgl. Einl. S. 8 Anm. 24 sowie den Kommentar zu Balb. 48. 468 – 471. Die genauen Umstände dieses Prozesses sind unbekannt. Möglicherweise herrschte eine ähnliche juristische Konstellation, wie sie der Ankläger in diesem Prozeß geltend macht, insofern Messana als eine civitas foederata einer römischen Bürgerrechtsverleihung nicht zugestimmt und versucht hat, einen ihrer Bürger zurückzufordern (zu repetentibus vgl. auch Balb. 38 illis enim repetentibus L. Cornelium responderem eqs.) – wie man hier sieht, ohne Erfolg. Loqui mit indirektem Fragesatz ist gerade in den Reden ganz unüblich.³⁰⁷ Nach Merguet s.v. ist die absolute Konstruktion gebräuchlich, daneben die Konstruktion mit dem Objekt id/haec sowie de + Abl. oder AcI. Balb. 52. 524 – 528 Multi in civitatem recepti ex liberis foederatisque populis [liberati] sunt: nemo umquam est de civitate accusatus … quem constaret ab imperatore nostro civitate donatum.: Erneut ein rekapitulierender Passus, der das bisher Gesagte noch dahingehend verallgemeinert, daß laut Cicero nie eine feldherrliche Bürgerrechtsverleihung in einem Prozeß erfolgreich belangt worden sei. Die Textgestaltung weicht hier geringfügig von derjenigen Maslowskis ab, der die Worte liberati sunt athetiert, die der Harleianus ausgelassen hat, während PGE sie haben. Da jedoch nur das liberati offensichtlich falsch ist, sollte man nur dieses einklammern (wie bei Peterson oder Espluga/ Moncunill) oder liberati sunt vielleicht ganz aus dem Text nehmen, wie es in H überliefert ist. Gerade im Falle des Harleianus besteht jedoch immer die Möglichkeit, daß es sich nicht um Überlieferung des Textes handelt, sondern um einen Eingriff des Kopisten (siehe Einl. S. 25 f. mit Anm. 64), der sich möglicherweise an dem falschen liberati gestört und infolgedessen beide Wörter liberati sunt getilgt hat. In sprachlicher Hinsicht ist sowohl die Ellipse von sunt (K.-St. I

 Vgl. Happ (1976), 528 Anm. 279. Vgl. auch die Appendix im ThlL s.v. loqui zu den syntaktischen und stilistischen Besonderheiten. Es sei noch angemerkt, daß an unserer Stelle der Fragesatz sowohl von loqui abhängt als auch von prae se ferre.

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10 ff.) als auch die weite Sperrung von recepti und sunt (K.-St. II 603 Anm. 7) denkbar. Balb. 53. 529 – 533 Cognoscite nunc populi Romani iudicium … incisum et perscriptum fuisse.: Nun folgt das Urteil des römischen Volkes, das es durch Bündnisse bzw. durch die Volksgesetzgebung zum Ausdruck bringt; insofern hat dieser und der folgende Paragraph (unter den resümierenden) noch die größte – für den vorliegenden Fall – juristische Relevanz, da hier den Anklagepunkten noch am ehesten entsprochen wird (vgl. wiederum Balb. 19). Eingeleitet wird der Paragraph durch das später (Balb. 55) wieder anaphorisch aufgenommene cognoscite; diese Aufforderung findet sich sehr oft in Ciceros Reden, vgl. z. B. S. Rosc. 109 und 119, Verr. II 2,32 usw. Vergleichbar ist das griechische σκέψασθε, ὦ ἄνδρες ᾿Aθηναῖοι aus den attischen Rednern, bspw. Aischin. 1,6. 14. 24. 26. 39 u. ö. Cum Latinis omnibus foedus esse ictum Sp. Cassio Postumo Cominio consulibus quis ignorat?: Das foedus Cassianum, mit dem der latinische Bund begründet wurde und wodurch sich wahrscheinlich die gewisse Sonderstellung der Latiner erklärt, ist in jüngerer Vergangenheit wieder auf 493 v.Chr. (nach der alten Annalistik) datiert worden.³⁰⁸ Der Wortlaut ist, nach Cicero zu urteilen, noch zu seiner Zeit auf einer Bronzesäule in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen. Nach 90 v.Chr., d. h. nach dem Ende des Bundesgenossenkrieges und der Durchsetzung der lex Iulia (siehe dazu den Kommentar zu Balb. 21. 191– 192), wurde diese Säule aber, da der Inhalt hinfällig geworden war, offenbar in den Diana-Tempel verbracht.³⁰⁹ Quod quidem nuper in columna ahenea meminimus post rostra incisum et perscriptum fuisse: Daß nuper sich auf länger zurückliegende Ereignisse (in diesem Fall wären es also immerhin um die 34 Jahre) beziehen kann, zeigt bspw. div. in Caec. 67 (104– 70 v.Chr.). Derselbe Zeitabstand trifft zufälligerweise auch auf Cic. Verr. II 2,118 zu, wo Cicero den Prozeß des Cn. Domitius Ahenobarbus gegen M. Iunius Silanus erwähnt, der 104 v.Chr. stattgefunden hatte. Zur Junktur incisum et perscriptum fuisse und zu dem Hinweis auf öffentlich sichtbare Zeugnisse vgl. leg. agr. II 88 (hier freilich nicht vor Gericht, sondern der Volksversammlung) itaque hoc perscriptum in monumentis veteribus reperietis.Vgl. auch Demosth. or. 9,41 τὰ δ’ ἐν τοῖς ἄνωθεν χρόνοις ὅτι τἀναντία εἶχεν ἐγὼ

 Vgl. Coşkun (2009), 31– 34. Zumindest schließt er das frühere Datum nicht aus. So auch schon Horn (1930), 87 ff. Dagegen Hantos (1983), 150 f. mit Anm. 2, die das Bündnis auf 374– 371 datiert. Zur Frage foedus aequum vs. foedus iniquum vgl. den Kommentar zu Balb. 35. 355 – 358. Das foedus Cassianum wird als klassischer Fall des foedus aequum betrachtet.  Vgl. dazu J. E. Powell (1934), 14. Zum Diana-Tempel vgl. auch Reid ad loc.

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δηλώσω, οὐ λόγους ἐμαυτοῦ λέγων, ἀλλὰ γράμματα τῶν προγόνων τῶν ὑμετέρων ἁκεῖνοι κατέθεντο εἰς στήλην χαλκῆν γράψαντες εἰς ἀκρόπολιν. Balb. 53. 533 – 537 Quo modo igitur L. Cossinius Tiburs, pater huius equitis Romani … damnato C. Masone civis Romanus est factus?: Cicero beginnt hier über eine heutzutage befremdend anmutende juristische Praxis zu sprechen, bei der den Anklägern für erfolgreiche Verurteilungen bürgerrechtliche Belohnungen und Vergünstigungen in Aussicht gestellt wurden. Der Nicht-Römer erhielt das römische Bürgerrecht, der Bewohner einer rangniedrigeren Tribus rückte in die des Angeklagten auf, wenn sie im Rang höher war, und dgl.³¹⁰ Nicht ohne despektierliche Untertöne, dient dieser ganze Passus (bis zum Ende von Balb. 54) als ein argumentum a minore zugunsten der nach Cicero weitaus weniger anstößigen Bürgerrechtsverleihung singillatim für militärische Verdienste. Das Gesetz, nach dem die hier genannten T. Coelius und C. Papirius Maso verurteilt wurden, war offenbar die viel umstrittene lex Servilia (vgl. dazu den Kommentar zu Balb. 54. 541– 548). Die Protagonisten, die Cicero hier nennt, sind kaum bekannt. Über den Tiburtiner L. Cossinius, dessen Sohn offenbar beim Prozeß anwesend war (huius equitis Romani), weiß man nur, daß er im Kampf gegen Spartacus fiel; vgl. Plut. Crass. 9,5 – 7. Die nepotes Coponii werden auch Cael. 24 genannt, der Großvater ist sonst unbekannt. Ex eadem civitate: Zu dieser attributiven Präpositionalphrase vgl. den Kommentar zu Balb. 48. 471– 473. Balb. 54. 537– 541 An lingua et ingenio patefieri aditus ad civitatem potuit, manu et virtute non potuit? … quam bellatori esse voluerunt?: Rhetorisch im höchsten Grade durchstilisiert führt Cicero das argumentum a minore vom Primat militärischer Verdienste gegenüber den zivilen weiter aus. Gelegentlich findet sich dieser Gedanke im Werk Ciceros; vgl. bspw. Mur. 22 qui potest dubitari quin ad consulatum adipiscendum multo plus adferat dignitatis rei militaris quam iuris civilis gloria? und de. or. I 7 quis enim est qui si clarorum hominum scientiam rerum gestarum vel utilitate vel magnitudine metiri velit, non anteponat oratori imperatorem? Vom cedant arma togae ist hier nicht viel übrig. Stilistisch fallen die vier eindringlichen rhetorischen Fragen auf, die zum einen anaphorisch mit an eingeleitet (zu anne siehe gleich im folgenden), zum anderen im Falle der ersten beiden Fragen durch Epipher innerhalb der Kola der Frage abgeschlossen werden (zur Frage mit an vgl. auch K.-St. II 169 b). Weil zudem die dritte Frage mit demselben Prädikat abgeschlossen wird wie die zweite (licebat), liegt hier, wenn man anne und an als gleichwertig ansieht, eine Symploke, d. h. die Verknüpfung von Anapher und Epipher vor. Während die ersten

 Vgl. Mommsen (1899), 509 und Mommsen, StR III 1,642 f. Vgl. auch Balb. 57.

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beiden Fragen sich durch ihren Parallelismus auszeichnen, herrscht in den letzten beiden eine chiastische Konstruktion vor (adipisci dicendo/pugnando adsequi und accusatori maiores/maiora bellatori). Schon mehrfach ist in dieser Rede (aus naheliegenden Gründen) die Metapher des Weges, Zugangs oder der Stufe bemüht worden (patefieri aditus ad civitatem); vgl. Balb. 18 (mit Kommentar zu 18. 160 – 164), 29 (mit Kommentar zu 29. 271– 275), 36 (im Ennius-Vers; siehe auch dort den Kommentar zu Balb. 36. 362– 367), und 40. Anne de nobis trahere spolia foederatis licebat, de hostibus non licebat?: Schwer einzuordnen ist an dieser Stelle das anne der zweiten Frage; Angelius (siehe app. crit. bei Maslowski) sowie später P. Manutius (siehe Peterson) haben, wahrscheinlich um die sprachliche Parallelität zu erhalten, anne in an geändert. Das sprachhistorisch ältere anne (siehe K.-St. II 517 f.) ist tatsächlich verhältnismäßig selten bei Cicero, kommt aber gerade auch als Variation von an vor, so Manil. 57 quo mihi etiam indignius videtur obtrectatum esse adhuc, Gabinio dicam anne Pompeio an utrique, eqs. sowie inv. I 38 sacer profanus, publicus anne privatus, alienus an ipsius, de quo agitur, locus sit aut fuerit. Daß zudem ein Kopist ein an in anne verschrieben haben soll, ist schwieriger vorzustellen als der umgekehrte Fall. Vielleicht haben Cicero rhythmische Gründe zur Einleitung der Frage mit anne bewogen. In jedem Fall sollte man die überlieferte Lesart beibehalten. An accusatori maiores nostri maiora praemia quam bellatori esse voluerunt?: Zum leitmotivischen Begriff der praemia vgl. den Kommentar zu Balb. 6. 45 – 48. Balb. 54. 541– 548 Quod si acerbissima lege Servilia principes viri, gravissimi et sapientissimi cives … in eodem iudicia imperatorum valerent?: Ein historisch ausgesprochen umstrittener Satz, sowohl im Hinblick auf die lex Servilia als auch auf die Formulierung Latinis, id est foederatis. Zur lex Servilia sei in erster Linie auf die reiche Literatur verwiesen, da hier nicht die ganze Problematik dargestellt werden kann. Weder ist klar, wer das Gesetz eingebracht hat (Servilius Caepio, der bereits Balb. 28 genannt wurde, oder Servilius Glaucia), noch, in welchem Jahr, noch, was es genau besagte.³¹¹ Sicher scheint nur, daß es im Zusammenhang mit dem Repetundenverfahren stand und eine Änderung gegenüber der älteren lex Acilia darstellte: „Worin ferner die Änderungen der lex Servilia gegenüber der lex Acilia bestanden, läßt sich trotz all der Tinte, die über dieses Thema vergossen wurde, nicht mehr sicher eruieren. Nicht

 Vgl. Badian (1954a), der sich für Caepio und das Jahr 106 ausspricht; für Caepio auch Gruen (1969) und Griffin (1973). Für Glaucia Mattingly (1975) und (1983) und Levick (1967) sowie bereits Mommsen (1899), 708 f.

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einmal das Datum ihrer Rogation ist unstrittig (ca. 111/100), obwohl mit Thomas Broughton 101 angesetzt werden sollte.“³¹² Am wahrscheinlichsten ist laut A. Coşkun eine Änderung der Prozeßordnung oder des Strafmaßes. In diese Richtung geht auch schon Th. Mommsen, der lediglich sagt, die lex Servilia habe die alte lex Acilia verschärft.³¹³ Auch die Bezeichnung des Gesetzes als acerbissima hat eine ausufernde Diskussion hervorgerufen. Eine gängige Deutung stützt sich auf die Nennung der Latiner an unserer Stelle und schließt daraus, acerbissima sei die lex, weil sie nur Latiner begünstigte (so bereits Reid ad loc. sowie E. Badian). Diese Deutung scheint (sowie andere in der Literatur vertretene Deutungen) zu bemüht. Die Latiner könnten an dieser Stelle schlichtweg aus dem Grunde genannt sein, daß Cicero im vorhergehenden (Balb. 53) Latiner als Beispiele vorgebracht hat. Eher noch dürfte man – wie Mommsen – an eine vage Anspielung einer Verschärfung der alten lex Acilia denken. Vielleicht gibt es allerdings auch eine noch einfachere Erklärung: „In my view ‚acerbissima’ should not be a dark and irrelevant allusion to any other provision of the lex Servilia, but is explained by the ‚cum praesertim’ clause.“³¹⁴ Diese Deutung scheint zumindest im Kontext des ganzen Passus und des argumentum a minore attraktiv. Da Cicero das ganze genus accusationis, das eine calamitas senatoris zur Folge hat, degoutant erscheinen muß und dieses ferner an dieser Stelle dem Bürgerrechtserwerb durch militärische Tapferkeit mißbilligend gegenübergestellt wird, bezeichnet er vielleicht auch die damit im Zusammenhang stehende lex Servilia als acerbissima (zu diesem Attribut vgl. den Kommentar zu Balb. 11. 96 – 99: acerbissima diligentia). Das zweite historische Problem unserer Stelle ist Ciceros Gleichstelllung der Latiner mit den Föderierten, die auf einer möglicherweise ungenauen und dem juristischen Zweck dieser Rede angepaßten Redeweise beruht, da den Latinern üblicherweise eine Sonderstellung unter der Verbündeten eingeräumt wird: „Next to the Latin Name and of partially similar rank stand the Italian allies, the socii proper, or foederati. […] The socii stand further off from the Roman state than the Latins, yet from one aspect, that of military obligation, there is so little distinction

 Coşkun (2009), 143 f. Auf Seite 144 Anm. 441 führt Coşkun die Masse der Literatur zu diesem Thema auf.  Vgl. Mommsen (1899), 728 f. Dafür spräche die Formulierung Verr. II 1,26 puta te non hac tam atroci (sc. lege Servilia), sed illa lege mitissima (sc. lege Acilia) causam dicere. Wenn die dort genannte lex Servilia mit unserer identisch sein sollte, stünde im übrigen auch Servilius Glaucia als Rogator fest, da er in den Verrinen explizit genannt wird. Davon geht u. a. Balsdon (1938) aus, der im Anhang seines Aufsatzes eine nützliche Übersicht der leges repetundarum nebst Quellenangabe bietet.  Brunt (1982), 144 Anm. 32.

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to be observed between them that Cicero could fuse the two together in the formula Latinis id est foederatis.“³¹⁵ Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß es auch die Auffassung gibt, die Bezeichnung der Latiner als Föderierte sei durchaus angemessen;³¹⁶ vgl. den Kommentar zu Balb. 48. 471– 473 sowie die Einl. S. 21 f. Hanc Latinis, id est foederatis, viam ad civitatem populi iussu patere passi sunt neque ius est hoc reprehensum Licinia et Mucia lege: Zur lex Licinia Mucia vgl. den Kommentar zu Balb. 48. 468 – 471, zur „Weg“-Metapher vgl. den Kommentar zu Balb. 54. 537– 541. Cum praesertim genus ipsum accusationis et nomen eius modi praemium, quod nemo adsequi posset nisi ex senatoris calamitate, eqs.: Zu nomen hat man sich wohl ein repetundarum zu denken, „the mere sound of which, Cic. implies, was hateful to the Senate.“ (Reid ad loc.). Zum Begriff praemium vgl. den Kommentar zu Balb. 6. 45 – 48. Die Konjunktion et hat J. A. Ernesti hinzugefügt und muß stehen. Zur Junktur ex senatoris calamitate vgl. Verr. II 1,157 iam qui ex calamitate senatoris populi Romani, cum praetor iudicio eius praefuisset, spolia domum suam referre et manubias detrahere conatus sit, is ullam ab sese calamitatem poterit deprecari? Dubitandum fuit, quin quo in genere iudicum praemia rata essent, in eodem iudicia imperatorum valerent?: Zu den praemia siehe erneut Balb. 6. 45 – 48. Man beachte an dieser Stelle den hintergründigen Chiasmus (iudicum praemia/iudicia imperatorum) sowie die figura etymologica (iudicum/iudicia). Geschickt stellt Cicero die militärischen und zivilen Paradigmen auf den Kopf, indem er rechtskräftige Urteile als Geschenke und feldherrliche Bürgerrechtsverleihungen als juristisch bedeutsame Urteile darstellt. Das genus dürfte sich auf das vorher genannte genus accusationis beziehen; ähnlich auch schon Reid ad loc., der schreibt, man müsse sich bspw. einen Genitiv wie causarum ergänzen. Balb. 54. 548 – 550 Num fundos igitur factos populos Latinos arbitramur aut Serviliae legi aut ceteris, quibus Latinis hominibus erat propositum aliqua ex re praemium civitatis?: Zu dieser Formulierung vgl. kurz danach Balb. 55 num igitur aut fundos factos Velienses … arbitrabamur? Zu diesem Argument vgl. auch Balb. 38 huic generi legum fundos populos fieri non solere. Der Rückgriff auf das alte Argument, auswärtige Völker hätten zu römischen Bürgerrechtsverleihungen oder Gesetzeserlassen keine Zustimmung zu geben, überrascht ein wenig, wo es Cicero doch hier eigentlich darum ging, das iudicium populi Romani (Balb. 53) darzustellen; man muß wohl daraus schließen, daß die Junktur bzw. das Rechtsinstitut des fundum fieri für die Anklage wesentlich war und verstärkt

 Sherwin-White (1973), 119. Vgl. auch Braunert (1966), 66 f.  Zuletzt Sánchez (2016).

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entkräftet werden mußte (vgl. Balb. 42 quoniam hoc magnopere delectare verbo); zur Phrase fundum fieri vgl. Einl. S. 17 ff. Balb. 55. 551– 554 Cognoscite nunc iudicium senatus … et per Graecas curata sunt semper sacerdotes et Graece omnia nominata.: Zur Formulierung mit cognoscite vgl. den Beginn von Balb. 54. Cicero wendet sich nun dem Präzedenzfall des Senatsurteils zu, das gleichzeitig mit dem Volkswillen in eins gesetzt wird (semper iudicio est populi comprobatum). Über den griechischen Demeterkult, der durch eine Verschmelzung mit dem Cereskult in Italien Fuß faßte, berichten auch Dion. Hal. ant. I 33,1 ἱδρύσαντο³¹⁷ δὲ καὶ Δήμητρος ἱερὸν καὶ τὰς θυσίας αὐτῇ διὰ γυναικῶν τε καὶ³¹⁸ νηφαλίους ἔθυσαν, ὡς Ἕλλησι νόμος, ὧν οὐδὲν ὁ καθ’ ἡμᾶς ἤλλαξε χρόνος sowie Val. Max. I 1,1, der wie Cicero die Anekdote der Calliphana erzählt und erwähnt, daß Ceres more Graeco verehrt wurde. Üblicherweise wurde die Verschmelzung der Demeter mit der Ceres sehr früh (Beginn des 5. Jhds. nach Dion. Hal. ant. VI 17,2– 4 und 94,3) gesetzt³¹⁹, doch nimmt man heute eine jüngere (3. Jhd.) Übernahme an – zumindest des Graecus ritus, wie ihn Cicero hier beschreibt.³²⁰ Worin genau dieser Graecus ritus bestand, kann man nicht sicher sagen. Möglicherweise deutet Dionys von Halikarnaß mit τὰς θυσίας αὐτῇ διὰ γυναικῶν τε καὶ νηφαλίους ἔθυσαν das Wesentliche an; dafür spräche jedenfalls die Wendung ὡς Ἕλλησι νόμος. Das „nüchterne Opfer“ ist offenbar eines ohne die Libation von Wein. Cicero hat jedoch wahrscheinlich speziell die Ausübung des Kultes durch Frauen im Sinn, was für den römischen Ritus untypisch war³²¹ (mit Ausnahme vielleicht des Bona-Dea-Kultes; vgl. Einl. S. 10 ff. zu Clodius’ Verwicklung in den bekannten Bona-Dea-Skandal, im Zuge dessen Cicero gegen Clodius aussagte).

 Das Subjekt sind die Arkader, die unter der Führung des aus der Aeneis bekannten Euander die erste Siedlung auf dem Palatin gegründet haben sollen. Dionys verlegt mithin die Etablierung des Demeterkultes auf italischem Boden in die mythische Vorvergangenheit des Troischen Krieges, wenn hier nicht vielleicht Demeter geradezu im Sinne von Ceres zu verstehen ist, deren Kult in der Tat in vorhistorische Zeiten zurückreicht; vgl. Spaeth (1996), 4– 6.  Hier ist der Text möglicherweise falsch überliefert. Vgl. zu der Stelle den app. crit. in der Ausgabe von C. Jacoby: „post καὶ excidisse παίδων vel κορῶν censet Ambrosch; an νυμφῶν?“  Vgl. Opelt (1957), 688.  Vgl. Scheid (1995), 21 und 24. Scheid verwahrt sich im übrigen gegen die Idee einer „angestammten“ Religion einerseits und einer fremden Religion, welche die heimische allmählich überlagert, andererseits; mithin wendet er sich auch gegen die Idee eines religiösen Synkretismus. In diachroner Perspektive einzelne Strata der religionsgeschichtlichen Entwicklung auszumachen scheint mir indes unverfänglich.  Spaeth (1996) widmet in ihrer Monographie über die Göttin Ceres auf den Seiten 103 – 123 ein ganzes Kapitel der Bedeutung der Frau im und für den Ceres-Kult. Dort wird auch unsere Stelle besprochen.

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2 Kommentar

Graece omnia nominata: Die letzten Worte dieses Abschnitts haben die Codices in der Form Graeca omnia nominata überliefert; schon der Florentiner Codex b1 hat hier Graeca in Graece geändert. Reid ad loc. hat die überlieferte Lesart halten wollen und Graeca omnia nominata übersetzt mit: „all the terms used are Greek“. Ob diese Übersetzung möglich ist, darf bezweifelt werden. Hieße die Version mit Prädikatsnomen Graeca omnia nominata nicht eher „alles wird Griechisch genannt“, während nur die Phrase mit dem Adverb Graece omnia nominata „alles wird Griechisch benannt“ heißen kann? Eine Graeca omnia nominata vergleichbare Wendung aus Cicero kenne ich nicht, während Graece nominari ganz üblich ist; vgl. bspw. or. 37 und top. 42. Die Konjektur aus b1 dürfte also vorzuziehen sein. Balb. 55. 555 – 559 Sed cum illam quae Graecum illud sacrum monstraret et faceret ex Graecia deligerent … foederatarum sine dubio civitatum.: Cicero kommt nun zu der für seine argumentativen Zwecke entscheidenden Besonderheit des Cereskultes, daß nämlich einerseits der Graecus ritus bis hin zur Abstammung der Priesterin – aus der Erwähnung von Neapel und dem lukanischen Velia (oder Elea) kann man ersehen, daß mit Graecia hier die Magna Graecia gemeint ist – beibehalten wird, andererseits aber die Priesterin als Funktionärin des Staatskults römische Bürgerin sein muß (pro civibus civem). Entfernt erinnert diese Stelle an Ciceros Differenzierung der germana patria und civitas in De legibus II 3 – 5; vgl. den Kommentar zu Balb. 28. 254– 256. Speziell zum Cereskult vgl. ferner leg. II 21 nocturna mulierum sacrificia ne sunto, praeter olla quae pro populo rite fient. neve quem initianto, nisi ut adsolet Cereri Graeco sacro. ³²² Tamen sacra pro civibus civem facere voluerunt: Zur substantivischen Wortparataxe mit Polyptoton civibus civem vgl. Planc. 87 senatum senatui; Deiot. 8 hospes hospiti. ³²³ Balb. 6 praemiorum, praemia ist ein etwas anderer Fall, da die Wörter dort in verschiedenen Kola stehen. Ut deos inmortales scientia peregrina et externa, mente domestica et civili precaretur: Zur Junktur scientia externa vgl. den Kommentar zu Balb. 25. 227– 234. Has sacerdotes video fere aut Neapolitanas aut Velienses fuisse, foederatarum sine dubio civitatum: Zuletzt betont Cicero erneut, daß die Heimatgemeinden der mit Bürgerrecht versehenen Priesterinnen föderierte Gemeinden waren; zu Neapel vgl. Balb. 21. Balb. 55. 559 – 564 Mitto vetera: proxime dico ante civitatem Veliensibus datam de senatus sententia C. Valerium Flaccum, praetorem urbis … aut

 Vgl. Dyck (2004) ad loc.  Vgl. dazu generell Parzinger (1911), 37 ff.

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foedus et a senatu et a populo Romano violatum arbitrabamur?: Die hier wiedergegebene Episode muß sich irgendwann vor 95 v.Chr. ³²⁴ zugetragen haben, da Valerius Flaccus zu der Zeit Prätor war; zu prätorischen Rogationen (im Gegensatz zu consularischen) vgl. Mommsen, StR II 1,127 mit Anm. 3. Zu Valerius Flaccus (cos. 93) vgl. außerdem den Kommentar zu Balb. 40. 395 – 403. Zur praeteritio vgl. den Kommentar zu Balb. 17. 144– 145. Zur Formulierung vgl. Pis. 80 sed praeterita mitto und Aischin. 1,81 καὶ τὰ μὲν πολλὰ καὶ παλαιὰ ἐάσω. De senatus sententia: Zu den Präpositionalphrasen de sententia und ex sententia vgl. den Kommentar zu Balb. 11. 96 – 99. Num igitur aut fundos factos Velienses: Zu dieser Formulierung vgl. Balb. 54. Foedus … violatum arbitrabamur?: Zur Junktur violatum foedus vgl. Balb. 31. Balb. 56. 565 – 568 Intellego, iudices, in causa aperta … animos frangeremus.: Zur Formulierung und zum Topos plura esse dicta quam res postularet vgl. den Kommentar zu Balb. 15 (atque, ut ego sentio, iudices, causa dicta est). Auch dort reißt Cicero bereits andeutungsweise das Thema des Neides an, stellt dann in Balb. 19 aber die argumentatio voran, ehe er hier nun in der Hauptsache von der invidia handelt. Über die Beschwichtigung der invidia gibt Cicero Ratschläge in de or. II 210. Die Argumente, die sich aus der Andeutung ergeben, daß der Klient der unschuldige Stellvertreter für einen mächtigeren und vom Ankläger eigentlich anvisierten Gegner sei (Balb. 60 amicis temperemus), fehlen dort allerdings. Zum Thema des Neides und der Gefahr des Einflusses auf den Prozeß durch den Neid vgl. Rab. Post. 40 tum subinvisum apud malivolos Postumi nomen propter opinionem pecuniae ³²⁵ sowie Rab. Post. 45. In causa aperta minimeque dubia: Zum σχῆμα κατ’ ἄρσιν καὶ κατὰ θέσιν (d. h. der pleonastische Ausdruck desselben Sachverhalts in positiver und negativer Weise) vgl. Cluent. 64 rem non dubiam, sed apertam atque manifestam. ³²⁶ Im Griechischen vgl. bspw. [Demosth.] or. 7,37 οὐ δὴ ἀφανῆ ἐστι τὰ οὕτω πραχθέντα, οὐδὲ κρίσεως δεόμενα, ἀλλὰ πᾶσι γνώριμα πότερος πρότερος ὁ μήν ἐστιν, ἐν ᾧ ἡ εἰρήνη ἐγένετο ἢ ἐν ᾧ τὰ χωρία ἑάλω.

 Vgl. Münzer (1955), 7. Wegen der leges annales kommt spätestens 96 v.Chr. infrage, doch könnte er auch früher Prätor gewesen sein; vgl. Broughton (1952), 9 f., der den Namen zum Jahr 96 mit einem Fragezeichen versieht.  Vgl. auch Klodt (1992) ad loc.  Vgl. dazu Parzinger (1911), 18 ff. Parzinger nennt allerdings nur die Stelle der Cluentiana, nicht unsere.

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Zur Junktur minime dubia vgl. Cael. 15 minime dubia loquor; Flacc. 48 res minime dubia. Eine ähnliche Junktur z. B. Caec. 5 nihil est in re praesertim aperta ac simplici quod excellens ingenium requiratur. Multo et plura et a pluribus peritissimis: Zum leitmotivischen peritissimis (Pompeius und Crassus) vgl. schon den Beginn der Rede Balb. 1. Malivolorum iniquorum invidiosorum: Zum Asyndeton vgl. den Kommentar zu Balb. 13. 105 – 110. Balb. 56. 568 – 571 Quos ut accusator incenderet, ut aliqui sermones hominum alienis bonis maerentium etiam ad vestras aures permanarent et in iudicio ipso redundarent, idcirco illa in omni parte orationis suae [arte] aspergi videbatis;: Cicero stellt seinen eigenen Zwecken (ut frangeremus) die des Anklägers gegenüber, womit er zugleich die Rechtfertigung dieser nicht zur Sache gehörigen Punkte liefert; weil das neidvolle Gerede (aliqui sermones) bis an die Ohren der Richter gelangt ist (zu vestras aures vgl. Balb. 4), muß sich Cicero dazu herablassen, diese haltlosen Gehässigkeiten zu kontern. Es gibt in diesem Satz zwei sprachliche und textkritische Probleme; zum einen ist die Abfolge der beiden ut-Sätze erklärungsbedürftig. Reid ad loc. meinte, sie seien parallel aufzufassen „placed side by side, without et or other connecting particle.“ Einfacher jedoch scheint die Annahme unterschiedlicher Ordnung, wobei der erste Satz final und der zweite konsekutiv (oder vielleicht ebenfalls final) aufzufassen sein dürfte; der erste, finale, ut-Satz ist mehr oder weniger nur eine Explikation des folgenden idcirco, während der zweite ut-Satz dem Hauptsatz deutlicher untergeordnet ist. Ich gebe frei wieder: „Um diese³²⁷ aufzuhetzen, hat der Ankläger – wie ihr gesehen habt – jene Dinge³²⁸ in jedem Teil seiner Rede eingestreut, so daß/damit irgendwelches Gerede von Menschen, die sich über den Wohlstand Fremder grämen, sogar bis zu euren Ohren gelangt ist/gelangt und selbst im Prozeß im Überfluß vorhanden war/ist.“ Denkbar ist aber vielleicht auch eine Änderung des zweiten ut zu et. Zuweilen kommt dieser Fehler in den Handschriften vor; vgl. p. red. in sen. 25 quo tempore quantam vim naturae bonitas haberet et (ut P1 : aut HP2) vera nobilitas, intellegere potuistis sowie har. 20 exauditus in agro propinquo et (ut E) suburbano est strepitus eqs. (genau so auch har. 43). Doch sollte man vielleicht von einer Änderung absehen, solange sich eine sprachlich und inhaltlich befriedigende Lösung finden läßt.

 Quos wird sich wahrscheinlich auf den gesamten Ausruck invidiosorum animos beziehen.  Illa ist teils anaphorisch, insofern es auf die sermones zurückweist, teils aber auch kataphorisch, insofern der Inhalt der sermones im folgenden noch genauer expliziert wird.

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Das andere Problem betrifft den Hauptsatz. Dessen Wiedergabe weicht hier von derjenigen Maslowskis (und, soweit ich sehe, auch aller anderen Ausgaben) ab. Bei Maslowski (und bspw. auch Peterson) liest man idcirco illa in omni parte orationis summa arte aspergi videbatis. Summa ist eine Konjektur von Lambinus; überliefert ist sua PGH und suae E. Die Erwähnung der Kunstfertigkeit (zumal noch der außerordentlich großen) des Gegners scheint ganz und gar unpassend.³²⁹ Interessanterweise hat Lambinus selbst, auch wenn er für die Konjektur summa verantwortlich zeichnet, in einer Anmerkung seiner Ausgabe³³⁰ eine – m. E. bessere – Lösung angedeutet, daß nämlich arte sich als ein Influenzfehler aus dem vorhergehenden parte erklärt und deshalb getilgt werden muß. Dann ist es ohne weiteres möglich, das überlieferte Possessivum zu halten (angeglichen an orationis, wie in E). Nur so ergibt sich ein akzeptabler Sinn. Die indirekte Reflexivität bei orationis suae ist durchaus nicht so unüblich, wie allgemein angenommen; vgl. H.-Sz. 175 und K.-St. I 603 f. Balb. 56. 571– 574 Tum pecuniam L. Corneli … quae non crimine aliquo libidinis, sed communi maledicto notabatur;: Cicero geht nun die einzelnen Ressentiments, die mit illa vorbereitet wurden, durch und beginnt mit einer ganz allgemeinen Abwehr des Vorwurfs des Reichtums, der laut Cicero nicht so groß wie behauptet sei und überhaupt eher redlich erspart als zusammengerafft erscheine. Zu aliquis nach Negation vgl. den Kommentar zu Balb. 33. 318 – 320. Zu notare vgl. den Kommentar zu Balb. 42. 414– 421. Balb. 56. 574 – 579 Tum Tusculanum, quod Q. Metelli fuisse meminerat … non legibus tamquam tutelas pervenire.: Als nächstes kommt Cicero auf das Tusculanische Anwesen des Balbus zu sprechen, wobei der besondere Anstoß offenbar nicht so sehr in dem Luxus überhaupt liegt, sondern vielmehr in der Tatsache, daß Balbus das Anwesen als Rangniedriger von einem Ranghöheren erhalten hat (woran Cicero im übrigen auch Anstoß genommen hat, siehe Einl. S. 10). Diesem Vorwurf begegnet Cicero mit dem Hinweis auf den umgekehrten

 Es ist zwar grundsätzlich denkbar, daß Cicero mit einer Art von konzessivem Scheinlob die rhetorischen Fertigkeiten des Gegners hervorhebt, um dadurch die eigene Widerlegung in ein um so besseres Licht zu rücken; in diesem speziellen Falle erscheint mir dies jedoch eher unwahrscheinlich, da Cicero den namenlosen Gegner durchweg mit ausgesuchter und offener Verachtung behandelt (anders als bspw. Hortensius in den Verrinen), vgl. den Kommentar zu Balb. 32. 315 – 318, Balb. 20. 180 – 182 sowie Balb. 36. 362– 367. Auch die Bezeichnung des Gegners als magister (Balb. 27 und 64) zeugt nicht so sehr von feiner Ironie als schon vielmehr unverhohlenem Sarkasmus.  Zur Lambinus-Ausgabe vgl. den Kommentar zu Balb. 51. 502– 508. Die Anmerkung zu unserer Stelle findet sich bei Lambinus auf der Seite 2766.

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Weg, insofern nämlich genauso gut Ranghöhere Grundstücke von Rangniederen kaufen können und im Falle des käuflichen Eigentums keine gesetzlichen Vorschriften über den Verbleib innerhalb einer gens besteht wie bei der Tutel (dazu gleich mehr). Zu Metellus vgl. Balb. 5, zu Crassus, dem Redner, Balb. 3. Sotericus Marcius und Vennonius Vindicius, dessen Name nur durch Naugerius wiederhergestellt ist (vgl. den app. crit. bei Maslowski), sind allein durch unsere Stelle bekannt, wenn nicht vielleicht unser Sotericus mit demjenigen aus Gell. NA XII 2,11 identisch ist. Emptionibus ea solere saepe ad alienos homines, saepe ad infimos, non legibus tamquam tutelas pervenire.: Maslowski hat diese Kola in der in P überlieferten Form in den Text gesetzt, d. h. ohne die Präposition ad vor alienos, wie es in GE überliefert ist. Der Harleianus hat diesen Teil (saepe … homines) ganz ausgelassen. Bereits A. Klotz hatte sich dafür entschieden, der in seinem Apparat auf einen eigenen Aufsatz aus der Glotta sowie auf eine Arbeit von W. A. Baehrens verweist.³³¹ Baehrens hat nun die ἀπὸ κοινοῦ-Stellung von Präpositionen untersucht, insbesondere die Setzung der Präposition nur im zweiten Gliede, die man hier annehmen müßte. Die Belege, die er für Cicero anführt, stammen aber sämtlich aus den Briefen und haben daher für uns nur beschränkte Aussagekraft. Da zudem die Präposition ad in GE gut überliefert und nicht einmal konjiziert ist, halte ich die Beibehaltung für richtig (so Peterson in der Oxford-Ausgabe). Mit der Wendung legibus tutelas pervenire spielt Cicero auf die sog. tutela legitima an, d. h. eine Vormundschaft, die weder durch Testament noch durch magistratischen Beschluß begründet wird, sondern gewissermaßen wie ein Erbe auf die gradnächsten agnaten Verwandten übergeht. In der älteren Republik hatte es zudem noch eine gesetzliche Tutel der Gentilgenossen gegeben.³³² Cicero argumentiert also, daß von einer derartigen gesetzlichen Übereignung von Grundstücken, damit diese sozusagen in einer Familie verbleiben, nicht die Rede sein kann und daher der Kauf oder Verkauf eines Anwesens durch Rangniedrigere nichts Anstößiges hat. Balb. 57. 579 – 582 Obiectum est etiam, quod in tribum Clustuminam pervenerit … praetextam togam consecuntur.: Über die tribus Clustumina, die zu den 17 älteren tribus rusticae gehörte, vgl. Mommsen, StR III 1,171. Sicher zu datieren ist die Einrichtung der Clustumina nicht, wohl aber zu Beginn des 5. Jhds. v.Chr.³³³ Die Landtribus standen in einem besseren Ansehen als die 4 tribus ur Vgl. Klotz (1915) sowie Baehrens (1912). Klotz bespricht jedoch in dem Aufsatz nicht die Balbiana-Stelle; der Verweis auf Baehrens findet sich auf den Seiten 216 ff. bei einer Besprechung von Cic. dom. 18.  Vgl. Kaser (1971), 356.  Vgl. Kubitschek (1937), 2497 f. Zur geographischen Einordnung der Tribus vgl. ebd. 2501 ff.

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banae, weswegen die Einschreibung des Balbus in die Clustumina (wie im Falle der anderen Vorwürfe in diesem Passus) als eine Form des mißliebigen sozialen Strebertums betrachtet wird. Der Konjunktiv pervenerit wird als eine Art der oratio obliqua aufzufassen sein (überhaupt wäre statt des quod-Satzes ein AcI ebenso gut oder besser denkbar gewesen). Zur Hauptzeitenfolge im Relativsatz nach präteritalem Tempus (eine durchaus gängige Erscheinung) vgl. K.-St. II 190 f. Qui legum praemiis praetoriam sententiam et praetextam togam consecuntur: Über die Belohnungen für Ankläger in Form des vormaligen Standes oder Vorteils des erfolgreich verurteilten Angeklagten handelt Th. Mommsen (1899), 509.³³⁴ An unserer Stelle geht es um die praetoria sententia, d. h. um ein bevorzugtes Stimmrecht im Senat. Wie verbreitet derartige von Rechtswegen angeordnete Belohnungen in der republikanischen Zeit waren, läßt sich kaum sagen. Die Belohnung mit der jeweils höheren Rangklasse liegt möglicherweise auch der Balb. 54 erwähnten lex Servilia zugrunde, die laut Cicero eine Verurteilung calamitate senatoris zur Folge habe. Speziell zur toga praetexta vgl. Mommsen, StR I 461 mit Anm. 1, der hier den Beginn der in der Kaiserzeit so üblichen fiktiven Magistratur und der damit verbundenen ornamenta bespricht. Der früheste bekannte Fall ist offenbar C. Papirius Carbo, der um 67 v.Chr. als Volkstribun wegen einer erfolgreichen Repetundenklage mit den consularischen ornamenta ausgezeichnet wurde, obwohl er „nur“ Volkstribun war, vgl. Cass. Dio XXXVI 40,3 f. Zu dem in dieser Rede so entscheidenden Begriff der praemia vgl. den Kommentar zu Balb. 6. 45 – 48. Über die Form consecuntur vgl. den Kommentar zu Balb. 2. 12 – 16. Balb. 57. 582 – 584 Et adoptatio Theophani agitata est, per quam Cornelius nihil est praeterquam propinquorum suorum hereditates adsecutus.: Zu Theophanes von Mytilene und dem Anstoß der Adoption vgl. Einl. S. 7 f. mit Anm. 22. Wie genau Ciceros Worte zu verstehen sind, läßt sich nicht mehr ermitteln. Üblicherweise wird angenommen, daß durch eine Heirat die Nächsten des einen auch die Nächsten des anderen wurden, der dann deren Erbe antrat; so schreibt H. Kaden: „Omnibus igitur tractatis concludam Balbi propinquos esse eos homines, qui, cum Theophanis essent propinqui, nuptiis eius etiam Balbi

 Fälschlicherweise jedoch ordnet Mommsen in Anm. 2 Balb. 52 als Beispiel für den Tausch der Tribus ein. Unverständlich ist Anm. 1 die Angabe von Balb. 51 als Beleg für die Belohnung des Anklägers in Form der Befreiung vom Kriegsdienst des Anklägers selbst sowie dessen Nachkommen. Das kann ich Ciceros Worten an der Stelle nicht entnehmen. Richtig indessen ist Anm. 3 der Verweis auf Balb. 57 als Beleg für die Belohnung mit der höheren Rangklasse (praetoriam sententiam et praetextam togam).

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essent facti. Eorum igitur divitias L. Cornelius est assecutus adoptione sua atque hereditate.“³³⁵ So auch schon andeutungsweise Reid ad loc. (allerdings dubitanter). Man wird es besser beim non liquet belassen wie jüngst F. Santangelo: „The meaning of this remark is far from clear. It might imply that the adoption followed intermarriage between the families of the two men and entailed no immediate financial advantage for Balbus or that there would have been some gain for Balbus only if Theophanes had died.“³³⁶ In Arch. 11 dient der Antritt einer Erbschaft von römischen Bürgern allein als Argument dafür, daß Archias selbst als römischer Bürger anerkannt ist: et adiit hereditates civium Romanorum. Auch das mag hier bedeutsam sein. Die Genitivendung auf –i statt –is ist bei griechischen Eigennamen durchaus üblich, wie sich überhaupt bei der Wiedergabe griechischer Eigennamen im Lateinischen starke Heteroklisie beobachten läßt; vgl. K.-Hw. 364. Zur persönlich formulierten Wendung adoptatio agitata est und dem damit verbundenen Vorwurf an die Anklage („…wurde durchgehechelt“) vgl. Planc. 4 quae vero ita sunt agitata ab illis, ut aut merita Cn. Planci erga me minora esse dicerent quam a me ipso praedicarentur, aut, eqs. Balb. 57. 585 – 587 Quanquam istorum animos qui ipsi Cornelio invident non est difficillimum mitigare; more hominum invident, in conviviis rodunt, in circulis [idcirco] vellicant, non illo inimico, sed hoc malo dente carpunt.: Zur Orthographie von quanquam vgl. den Komm. zu Balb. 2. 12– 16. Die Konjunktion steht in diesem Fall mit Hauptsatz im Sinne von „indessen“, vgl. K.-St. II 444. Mit ipsi werden hier die Neider des Balbus betont vorangestellt, um sie gegen die im folgenden behandelten Neider des Caesar und Pompeius (qui amicis L. Corneli aut inimici sunt eqs.), die nach Cicero also viel gefährlicher seien, abzugrenzen. Zum Diminutiv circulis vgl. den Kommentar zu Balb. 14 121– 123 (librariolus). Auffällig ist, daß Cicero auch Deiot. 33, wo ebenfalls die malevoli (vgl. Balb. 56) genannt werden, ein Diminutiv benutzt: nonne intellegis, Caesar, ex urbanis malevolorum sermunculis haec ab istis esse conlecta? In dem Abschnitt „Klatsch und Briefverkehr“ vergleicht W. Kroll³³⁷ unsere Stelle mit Cic. Att. II 18,2 sermo in circulis dumtaxat et in conviviis est liberior quam fuit sowie Att. IX 1,3 und Att. XIII 37,2; ferner off. 1,132 sermo in circulis disputationibus congressionibus familiarium versetur, sequatur etiam convivia, Ov. am. III

 Kaden (1912), 38 f. Vgl. auch Jullien (1886), 44 mit Anm. 5.  Santangelo (2018a), 136.  Vgl. Kroll (1933) I 82 mit Anm. 8.

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1,17 sowie Prop. III 24,21.³³⁸ Es ist auffällig, daß an zwei Cicero-Stellen genau dieselbe Junktur (sermo in circulis) auftaucht. Kroll betont ganz richtig, daß diese convivia und circuli als Quelle und Ort der Distribution der öffentlichen Meinung wichtig (und gefürchtet) waren, so also auch im Falle der invidia gegenüber Balbus. Zum athetierten idcirco muß man nicht viele Worte verlieren. G2 bietet in circo für das überlieferte idcirco, und man kann sich so eine Vorstellung davon machen, wie dieses Wort ursprünglich durch Dittographie von –circu in die Überlieferung gelangt ist. Schon Angelius hat hier ganz richtig getilgt. Sed hoc malo dente carpunt: Die Handschriften PGH haben an unserer Stelle male dente, E male dentes. Die Konjektur malo dente bei Maslowski (und Peterson) stammt aus dem cod. Guelf. Helmst. 304 und wurde von Wrampelmeyer gutgeheißen.³³⁹ Zusätzliche Unterstützung erhielt diese Lesart noch von Th. Zielinski, der sie aufgrund der guten Klausel (Kretikus+Ditrochäus) lobt.³⁴⁰ Bei der Junktur malus dens könnte es sich darüber hinaus um eine sprichwörtliche Wendung handeln. A. Otto geht in seiner Untersuchung der sprichwörtlichen Redensarten s.v. dens von Hor. carm. IV 3,16 aus, wo es heißt et iam dente minus mordeor invido. Zur Balbus-Stelle schreibt Otto: „Der Gedanke an Neid und Mißgunst ist zwar nicht ausdrücklich betont, liegt aber zu Grunde bei Cic. p. Balb. 26, 57.“³⁴¹ Malus dens ist also wie invidus dens zu verstehen und bildet den Gegensatz zum inimicus dens. Als Parallelen nennt Otto zwei Ovid-Stellen: Trist. IV 10,123 nec … livor iniquo ullum de nostris dente momordit opus und besonders Pont. III 4,74 quia laedere vivos livor et iniusto carpere dente solet. Hinzuziehen könnte man noch Hor. Epod. 6,15 an si quis atro dente me petiverit ³⁴² und ähnlich Epod. 5,47 f. hic irresectum saeva dente livido | Canidia rodens pollicem. ³⁴³ Carpere wird an unserer Stelle absolut gebraucht, das direkte Objekt dabei im Vagen gelassen.³⁴⁴ Derselbe Fall liegt vor bei rodere und vellicare. ³⁴⁵

 Bzw. III 25,1: Hier liegt wie so oft bei Properz das Problem der Gedichtgrenzen vor; wahrscheinlich aber gehören 24 und 25 zusammen; die beiden Editoren Fedeli und Heyworth drucken den Text durchgehend, fügen aber am Rand III 25 hinzu.  Vgl. Wrampelmeyer (1880), 36 in der Anmerkung.  Vgl. Zielinski (1904), 208. Damit wendet er sich u. a. gegen Madvig (1887), 444 Anm. 1, der maligno dente vorgeschlagen hatte.  Otto (1890), 107.  Vgl. dazu Watson (2003) ad loc., der ebenfalls unsere Stelle zum Vergleich heranzieht.  An dieser Stelle kann der lividus dens allerdings auch (oder sogar in erster Linie) im eigentlichen Sinne verstanden werden (dasselbe gilt für Epod. 8,3 dens ater). Die Ähnlichkeit unter den verschiedenen Junkturen mit dem Wort dens, die besonders Horaz gefallen zu haben scheinen, ist dennoch auffällig.  Vgl. Lebreton (1901), 157.  Vgl. Lebreton (1901), 164.

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Balb. 58. 588 – 591 Qui amicis L. Corneli aut inimici sunt aut invident … fortunae dignitatique non cessit?: An diesem Punkt betont Cicero erneut als letztes entscheidendes Thema (daher denn auch bis zum Ende der Rede) die Verbindung des Balbus mit den Mächtigen Roms (also vor allem Pompeius und Caesar), die der eigentliche Grund für den ganzen Prozeß sei, womit abschließend noch einmal indirekt die gesamte juristische Auseinandersetzung mit dem Ankläger über Bündnisse und Bürgerrechtsverleihungen konterkariert wird. Nam huic quidem ipsi quis est umquam inventus inimicus aut quis iure esse potuit?: Zum Indikativ potuit vgl. den Kommentar zu Balb. 20. 180 – 182. Quem bonum non coluit, cuius fortunae dignitatique non cessit?: Cessit ist in den Handschriften GEH überliefert, P hat concessit, das noch Peterson sowie die Kommentare übernommen haben. A. Klotz, Maslowski, Cousin und Espluga/ Moncunill haben indessen die Lesart von GEH übernommen, Klotz mit dem Hinweis im app. crit. auf die bessere Klausel. Darüber hinaus läßt sich auch paläographisch die Entstehung von concessit leicht durch die Dittographie von non erklären. Balb. 58. 591– 595 Versatus in intima familiaritate hominis potentissimi in maximis nostris malis atque discordiis … omnis illa inclinatio communium temporum incumberet.: Zum Hintergrund von Ciceros Exil, das er hier hervorhebt und auf dessen Urheber Caesar, den homo potentissimus, er anspielt, vgl. Einl. S. 10 ff. Zur Junktur intima familiaritate vgl. als mögliche Nachwirkung Tac. hist. I 46,1 adiungitur Licinius Proculus, intima familiaritate Othonis suspectus consilia eius fovisse. Zu in maximis nostris malis atque discordiis vgl. im folgenden Balb. 59. Neminem unquam alterius rationis ac partis non re, non verbo, non vultu denique offendit: Zur Orthographie von unquam vgl. den Kommentar zu Balb. 2. 12– 16. Auffällig an dieser Stelle ist die doppelte Verneinung neminem non. Pleonastische Negationen dieser Art sind selten und bei Cicero üblicherweise textkritisch unsicher, vgl. Verr. II 2,60 debebat Epicrates nummun nullum nemini (nullum om.V), sowie Phil. 6,7 moram exhibere [n]ullam i tali cive liberando sine scelere non possumus (vgl. den app. crit. der Ausgabe von Fedeli für die zahlreichen Heilungsvorschläge); vgl. K.-St. I 827 f. sowie H.-Sz. 802– 807. Dort wird S. 804 auch herausgestellt, daß die sprachpsychologischen Gründe für diese Pleonasmen Emphase und Affekt sein können, was für unsere Stelle gut passen würde.³⁴⁶ Insbesondere die Tatsache, daß Cicero die einzelnen Wortnegationen

 Wackernagel (1926/1928), II 299, charakterisiert den Negationspleonasmus folgendermaßen: „Wir wundern uns über diese pleonastische Ausdrucksform. Aber es äussert sich darin einfach das Bedürfnis, die Verneinung an allen den Satzteilen zum Ausdruck zu bringen, an denen sie

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bei re, verbo und vultu nutzt, statt des leichter zu akzeptierenden neque…neque, spricht für erhöhte Emotionalität der Rede. Fuit hoc sive meum sive rei publicae fatum: Die richtige Lesung fatum stammt von dem Korrektor des Gemblacensis, PG1EH lesen hier factum. Fatum mit negativer Konnotation (und gerade mit Bezug auf Cicero selbst oder die res publica) findet sich oft bei Cicero, vgl. bspw. Phil. 2,1, Phil. 3,35 verbunden mit extremum sowie Phil. 5,39 verbunden mit grave. Ut in me unum omnis illa inclinatio communium temporum incumberet: Zu der Junktur inclinatio communium temporum vgl. auch Cic. dom. 46 ac si hoc de me potuit (sc. fieri) … , cui nihil oberat praeter conversionem status et inclinationem communium temporum eqs., die Junktur inclinatio temporum auch Cic. leg. agr. II 80 und Planc. 94. M. Gelzer³⁴⁷ hat gezeigt, daß dieser Begriff aus der politischen Theorie Theophrasts (vgl. Cic. fin. V 11) stammt, was in unserem Zusammenhang bedeutungsvoll ist, da auch im folgenden in Balb. 61– 62 Gelzer den Einfluß der Theophrastischen Lehre für Ciceros Rechtfertigung des Opportunismus vermutet (siehe dort für weiteres). Balb. 59. 595 – 597 Non modo non exultavit in ruinis nostris vestrisque sordibus Cornelius, sed omni officio – lacrumis, opera, consolatione – omnis me absente meos sublevavit.: Die Paragraphen-Einteilung der Teubner-Ausgaben von A. Klotz und Maslowski (der Cousin und Espluga/Moncunill gefolgt sind) weicht von derjenigen der Oxford-Ausgabe Petersons ab, der hier noch den 58. Paragraphen und erst bei quorum ego den 59. ansetzt. Ich folge Maslowski. Cicero identifiziert hier – wie so oft – sein eigenes Unglück mit dem des Staates bzw. sich selbst geradezu mit der res publica, um die sich Balbus durch die Unterstützung Ciceros daher verdient gemacht habe: „By extending help and sympathy to Cicero’s family during this difficult time, Balbus also helped the Republic because it was distressed by Cicero’s exile. […] This identification of client with Cicero and Cicero with the Republic (and thereby client with Republic) in [sic] common in the post-reditum speeches.“³⁴⁸ Vgl. bspw. Sest. passim; Planc. 1, 2, 3, 18, 26, 68, 77; Mil. 34– 39; Rab. Post. 47. Zur Formulierung exultare in vgl. Sest. 88 in funeribus rei publicae exultantem ac tripudiantem … constringeret sowie dom. 133. Überliefert ist an dieser Stelle einhellig in ruinis vestris nostrisque discordiis, was Grund für einige Verbesserungsvorschläge gewesen ist. Der Text bei Mazum Ausdruck gebracht werden kann“. Für das Lateinische hat Löfstedt (1933), 209 – 218 über Negationspleonasmen gehandelt, für das Griechische Herter (1943) am Beispiel des Epitaphios des Hypereides.  Vgl. Gelzer (1969), 42 Anm. 72.  Barber (2004), 18. Zu diesem Thema vgl. auch Rubio (1949), 105.

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slowski stammt von W. Paul.³⁴⁹ Kurz zuvor in Balb. 58 hieß es versatus in intima familiaritate hominis potentissimi in maximis nostris malis atque discordiis neminem umquam … offendit. Paul vermutete nun, daß die Verschreibung von sordibus zu discordiis durch ein zurückwanderndes Auge bedingt sein kann, was dann auch die Umstellung der Pronomina zur Folge hatte, weil nostris discordiis noch nachklang. Die sordes, also die Trauerkleidung, finden bei Cicero oft Erwähnung (gerade im Zusammenhang mit seinem Exil); vgl. bspw. dom. 59 Quid mea filia (sc. vos violarat), cuius fletus adsiduus sordesque lugubres vobis erant iucundae oder Sest. 144 video Milonem … sordidatum et reum; video P. Lentulum … in hoc misero squalore et sordibus. R. Sydow hat wenig überzeugend in ruinis meis nostrisque discidiis konjiziert.³⁵⁰ Eine Verschreibung von sordibus zu discordiis scheint jedoch schon aus lautlichen Gründen näher zu liegen als eine Verschreibung von sordibus zu discidiis, zumal sich – wie gerade erwähnt – das falsche discordiis viel leichter durch einen Influenzfehler (aus Balb. 58) erklärt. Auch die Einfügung des nicht überlieferten Possessivums meis durch Sydow ist unnötig. Zu Madvigs Vorschlag in ruinis nostris lacrimisque oder in ruinis nostris vestrisque lacrimis ³⁵¹, der Anstoß an dem folgenden lacrumis genommen hatte, weil es nicht zu den übrigen Begriffen officio, opera und consolatione passe, und es deswegen an diese Stelle transponiert, schreibt A. Klotz im app. crit.: „dividitur enim omne officium in lacrumas operam consolationem.“ Entsprechend hat Maslowski im Schriftbild die drei das officium explizierenden Begriffe in eine erläuternde Parenthese gesetzt (so auch schon Peterson). Balb. 59. 597– 602 Quorum ego testimonio ac precibus munus hoc meritum huic et, ut principio dixi, iustam et debitam gratiam refero … grata esse vobis et probata.: Zu Inhalt und Formulierung dieser Stelle (im Hinblick auf die Schuldigkeit Ciceros gegenüber Balbus) vgl. Balb. 1. Zu ut principio dixi vgl. vor allem den Kommentar zu Balb. 1. 7– 10. Zum ἦθος dieser Stelle und der Assoziation von Angeklagtem und Verteidiger vgl. den letzten Eintrag. Speroque … et grata esse vobis et probata: Zu sperare mit AcI der Gegenwart vgl. K.-St. I 689: „Wenn aber das Objekt des regierenden Verbs mit der Handlung des regierenden Verbs gleichzeitig oder schon vor ihr vollendet ist, so steht der

 Vgl. Paul (1875), 11 f. Im app. crit. bei Maslowski falsch als „Paul 2“ angegeben. Ferner hat Maslowski im Apparat die Lesart in ruinis nostris vestrisque discordiis A. Klotz zugeschrieben und nicht J. Cousin, der diesen Text (d. h. die Lesart der Handschriften mit vertauschten Pronomina) in seine Budé-Ausgabe gesetzt hat. A. Klotz selbst hatte in ruinis nostris vestrisque sordibus (wie auch schon Peterson).  Vgl. Sydow (1942), 359.  Vgl. Madvig (1887), 444 f.

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Infinitiv des Präsens oder des Perfekts. So oft nach spero = Ich bin überzeugt, glaube bestimmt.“ So bspw. Lig. 35 equidem spero te recordari. Das Verb wird dann schon nahezu synonym mit confidere; vgl. bspw. Phil. 1,11 quoniam utriusque consili causam, patres conscripti, probatam vobis esse confido, prius quam de re publica dicere incipio, pauca querar de hesterna M. Antoni iniuria (vgl. dazu ferner Balb. 62 vestros quidem animos certe confidimus non oratione nostra, sed humanitate vestra esse placatos). Pro facultate hominis: Problematisch ist die Junktur pro facultate hominis, die von Müller stammt. Überliefert ist pro facultate huius, das aber so nicht stehen kann: „Ea vitiata esse arguuntur primum repetito moleste pronomine, deinde ipsa sententia.“³⁵² Pauls eigene Konjektur pro facultatibus hat etwas für sich, doch ist facultas im Plural generell in den Reden selten (vgl. Merguet s.v.). Eine treffende Parallele wäre vielleicht Rab. perd. 14 quae si in illo minima fuissent, tamen prae tuis facultatibus maxima putarentur. Allerdings sind auch da die facultates näher durch das Possessivum bestimmt. Die Junktur pro facultatibus allein steht bei Cicero, so weit ich sehe, nur off. II 58; in Att. IV 3,6 pro facultatibus nostris. Doch auch facultas im Singular mit dem Attribut hominis scheint in der gesamten Latinität ausgesprochen selten zu sein. Mir ist nur Cassian. conl. praef. 7 bekannt: de quibus tamen si quis voluerit veram proferre sententiam et utrum impleri queant desiderat experiri, festinet prius eorum propositum simili studio et conversatione suscipere, et tunc demum ea, quae supra facultatem hominis videbantur, non solum possibilia, verum etiam suavissima deprehendet. Der Plural facultates dagegen findet sich zuweilen mit dem Attribut hominis, vgl. Verr. II 3,199 und II 2,83. A. Klotz hat ferner in seinem Apparat pro facultate et erwogen (vgl. auch Balb. 17 pro facultate et pro fide sua). Die Entscheidung für eine dieser drei guten Lösungen ist sehr schwierig, weswegen hier die allgemein akzeptierte von Müller beibehalten wird (so auch schon bei Peterson), zumal sich die Verschreibung huius paläographisch leicht als Mißdeutung einer Abkürzung für hominis erklären ließe. Balb. 59. 602 – 605 Non igitur a suis, quos nullos habet … iniusta contentione avocabat.: Auffällig zu Beginn ist der Relativsatz quos nullos habet, anstatt dessen man womöglich quos non habet oder quorum nullos habet erwartet hätte (bezeichnenderweise liest P nullus, das natürlich sinnlos ist). Die Adjektive der Zahl, Menge, des Grades und der Reihenfolge stehen jedoch nicht selten als prädikatives Attribut, so daß hier nullus die Bedeutung von non annimmt bzw. geradezu als ein verstärktes non fungiert; vgl. K.-St. I 236 und H.-Sz. 205. In der

 Paul (1875), 2 f. Cousin und Espluga/Moncunill sind indessen zur Lesart der Hdss. zurückgekehrt.

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Klassik ist diese Verwendung von nullus schon seltener geworden, gelegentlich kommt es aber auch bei Cicero noch vor, bspw. S. Rosc. 128 profecto aut haec bona in tabulas publicas nulla redierunt eqs. und Catil. 1,16 sic enim iam tecum loquar, non ut odio permotus esse videar, quo debeo, sed ut misericordia, quae tibi nulla debetur. Sed a suorum qui et multi et potentes sunt urguetur inimicis: Mit den multi et potentes dürfte Cicero auf die im Hintergrund agierenden Optimaten, die das Triumvirat angreifen wollten, abzielen; vgl. Einl. S. 8. Zur Orthographie von urguetur vgl. den Kommentar zu Balb. 2. 12– 16. Quos quidem hesterno die Cn. Pompeius copiosa oratione et gravi secum, si vellent, contendere iubebat: Zu vorangestellten Relativsätzen vgl. den Kommentar zu Balb. 10. 83 – 89. Zur Formulierung hesterno die und copiosa oratione et gravi vgl. Balb. 2. Ab hoc impari certamine atque iniusta contentione avocabat: Das sicherlich richtige impari certamine ist nur in GE überliefert, P1 hat imperi, P2H imperito, das möglicherweise durch die leitmotivische Gegenüberstelltung innerhalb der Rede des peritus Pompeius und des imperitus der Anklage bedingt ist, als Bezugswort für das certamen aber nicht paßt. Balb. 60 – 65: Peroratio. Zuletzt geht Cicero vom Aufruf an die mutmaßlichen Hintermänner des Prozesses, mit ihren eigentlichen Zielen, d. h. den Triumvirn, zu streiten und nicht mit irgendwelchen Günstlingen (60), dazu über, ausführlich seinen Opportunismus bzw. seine geänderte Haltung gegenüber den Triumvirn im allgemeinen sowie gegenüber Caesar im besonderen zu rechtfertigen. Diese Rechtfertigung beendet er mit der allgemeinen Rationalisierung von politischen Kurswechseln überhaupt (60 – 62). Nach diesem persönlichen Einschub erfolgt noch einmal die ethische Assoziation von Balbus und Caesar sowie die pathetischen Appelle an die Richter, nicht das Schicksal des Balbus zu besiegeln und vor allem – wie nochmals im letzten Satz der Rede betont – zu bedenken, daß eine juristische Verurteilung des Balbus auch eine moralische Verurteilung des Pompeius impliziere (63 – 65). Balb. 60. 605 – 608 Et erit aequa lex et nobis, iudices, atque omnibus qui nostris familiaritatibus inplicantur vehementer utilis, ut nostras inimicitias ipsi inter nos geramus, amicis nostrorum inimicorum temperemus.: A.Weische vergleicht zu diesem Satz Demosth. 18,16, wo Demosthenes Aischines ein ähnliches Vorgehen durch die Anklage des Ktesiphon vorwirft: „Von Demosthenes kann Cicero die Anregung erhalten haben, den Gedanken aus der Rede des Pompeius als allgemeine gültige Sentenz zu formulieren. […] Die Wortfolge nostras inimicitias ipsi inter nos ist ähnlich pointiert wie bei Demosthenes τῆς ἡμε-

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τέρας ἔχθρας ἡμᾶς ἐφ’ ἡμῶν αὐτῶν.“³⁵³ Problematisch ist nun das in den Handschriften überlieferte erat (jüngst von Espluga/Moncunill wieder übernommen) statt erit. Tatsächlich heißt es auch bei Demosthenes τῆς ἡμετέρας ἔχθρας ἡμᾶς ἐφ’ ἡμῶν αὐτῶν δίκαιον ἦν τὸν ἐξετασμὸν ποιεῖσθαι, doch ist das Imperfekt ἦν dort ganz anders geartet, als es hier der Fall wäre bzw. sein müßte.Wie Reid ad loc. ausführt, könnte es nur als ein Rückbezug auf die Rede des Pompeius (wie im vorhergehenden Paragraphen) mit anhaltender Gültigkeit für die Gegenwart zu verstehen sein. Nur dann kann man die Hauptzeitenfolge im epexegetischen utSatz nachvollziehen. Es ist aber durchaus nicht unmöglich, daß Cicero gerade um der Verallgemeinerung der Pompeischen Rede willen hier ins Futur wechselt (wie von Müller³⁵⁴ vorgeschlagen), wodurch dann das Präsens im folgenden Nebensatz unproblematisch wird. Zu ähnlichen Formulierungen vgl. man Verr. II 3,162 etenim, iudices, eiusmodi res publica debet esse et erit veritate iudiciorum constituta, ut inimicus neque deesse nocenti possit neque obesse innocenti, wo sogar eine gewisse Gedankenähnlichkeit vorliegt. Zum Futur bei Mahnungen Aufforderungen etc. vgl. K.-St. I 144. Besonders naheliegend ist dies bei der Vorausschau auf eine bestimmte Zeit wie Mil. 69 erit, erit illud profecto tempus et inlucescet ille aliquando dies, cum eqs. sowie Lael. 40 haec igitur lex in amicitia sanciatur, ut eqs. und Lael. 44. Aus späterer Zeit Tac. hist. I 16,1 sub Tiberio et Gaio et Claudio unius familiae quasi hereditas fuimus: loco libertatis erit quod eligi coepimus sowie Sen. epist. 52,14 permittendum erit aliquando iuvenibus sequi impetum animi. Die Lesart nobis ist eine Konjektur des Manutius und notwendig; das in den Handschriften überlieferte vobis ergibt hier keinen Sinn und erklärt sich leicht durch das nachfolgende iudices (selbst Espluga/Moncunill sind hier nicht zur Lesart der Handschriften zurückgekehrt). Zur Orthographie von inplicantur vgl. den Kommentar zu Balb. 2. 12– 16. Zu vehementer im Sinne von valde vgl. de or. II 216 suavis autem et vehementer saepe utilis iocus et facetiae sowie grundsätzlich K.-St. I 794. Balb. 60. 608 – 611 Ac si mea auctoritas satis apud illos in hac re ponderis haberet, cum me praesertim rerum varietate atque usu ipso iam perdoctum viderent, etiam ab illis eos maioribus discordiis avocarem.: Dieser Satz bildet das entscheidende Scharnier zwischen der Aufforderung an die Feinde der Triumvirn, den Kampf mit diesen selbst aufzunehmen, und Ciceros Darstellung seiner Palinodie im Hinblick auf die Politik Caesars. Cicero nutzt hier nämlich ein Argument a fortiori, das den Hörern nahelegt, sich mit Caesar oder den Triumvirn

 Weische (1972), 87. Vgl. auch Jullien (1886), 53 Anm. 3. Vgl. ferner den Kommentar zu Balb. 6. 52– 58, wo bereits Demosth. 18,15 verglichen wurde.  Vgl. Müller (1865), 13.

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generell zu versöhnen, da doch sogar er, der rerum varietate atque usu ipso iam perdoctus sei, dies vermag.³⁵⁵ Zur Wendung si mea auctoritas satis apud illos in hac re ponderis haberet vgl. Balb. 1 si auctoritates patronorum in iudiciis valent. Der cum-Satz ist, wie schon Reid ad loc. herausgestellt hat, leicht elliptisch und paraphrasiert ut aequum est multis de causis et praesertim cum; Reid vergleicht dazu ferner den Gebrauch des griechischen ἄλλως τε καί. Zu discordiis vgl. Balb. 58; zu avocarem vgl. Balb. 59 avocabat (über die Rede des Pompeius). Balb. 60. 611– 615 Etenim contendere de re publica … non obest civitati.: Zum Gedanken an dieser Stelle und im folgenden Paragraphen (und dem möglichen Einfluß des Theophrast) vgl. Einl. S. 1 Anm. 1. Zur Diktion vgl. ferner prov. 18. Zu beachten ist in diesem Passus die variatio des Ausdrucks; im ersten Satz mit verbalem Objekt (contendere) und einem adverbalen Gen. poss. (fortium virorum et magnorum hominum) als Prädikativum, im zweiten Satz mit nominalem Subjekt (contentio) und einem adjektivischen Prädikatsnomen (sapiens). Cum id defendas quod esse optimum sentias: Der Konjunktiv Präsens defendas im cum-Satz erklärt sich durch das absolute Tempus, das vor allem in kausalen und konzessiven Sätzen stehen kann; bei Cicero ist nach Kühner-Stegmann diese selbständige Zeitenfolge in cum-Sätzen sogar die Regel; vgl. K.-St. II 189 f. Die Nähe des cum-Satzes zum Infinitiv Präsens contendere hat im Gegensatz zum Prädikat putavi vielleicht eine Rolle bei der Zeitengebung gespielt. Der Konjunktiv sentias wird sich am ehesten durch konsekutiven Nebensinn im Relativsatz erklären. Neque huic umquam labori officio muneri defui: Zum Asyndeton labori officio muneri vgl. den Kommentar zu Balb. 13. 105 – 110. Balb. 61. 615 – 617 Voluimus quaedam, contendimus, experti sumus: optenta non sunt. dolorem alii, nos luctum maeroremque suscepimus. cur ea quae mutare non possumus convellere malumus quam tueri?: Bemerkenswert an unserer Stelle ist die Oszillation des Plurals; zu Beginn (voluimus etc.) sowie zum Schluß (possumus etc.) ist durchaus denkbar, daß der Plural im strengen Sinne zu verstehen ist und die alii (Reid ad loc. schreibt: „others of my party“) mit gemeint sind, während sich natürlich suscepimus nur auf Cicero beziehen kann. Ferner beachte man die Differenzierung bei den Ausdrücken des Schmerzes; die anderen hätten nur dolor auf sich genommen, Cicero luctus und maeror. J. H. H. Schmidt setzt den dolor mit dem griechischen ἄλγος gleich, maeror mit λύπη und

 Zu Argumenten dieser Art sowie speziell zu unserer Stelle vgl. Barber (2004), 65 und 110.

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luctus mit πένθος.³⁵⁶ Grundsätzlich kann man vielleicht sagen, daß dolor ganz allgemein jede Form von Schmerz bezeichnet, während maeror sehr viel stärker den tief sitzenden und lange währenden Kummer zum Ausdruck bringt und luctus bereits die nach außen getragene Trauer. Luctus nähert sich daher schon fast dem squalor an; vgl. Cluent. 192 postea autem quam appropinquare huius iudicium ei nuntiatum est, confestim huc advolavit ne aut accusatoribus diligentia aut pecunia testibus deesset, aut ne forte mater hoc sibi optatissimum spectaculum huius sordium atque luctus et tanti squaloris amitteret. Zu sordes vgl. auch Balb. 59. Balb. 61. 617– 618 C. Caesarem senatus et genere supplicationum amplissimo ornavit et numero dierum novo.: Hier und im folgenden legt Cicero seine Unterstützung Caesars dar, indem er einzelne Maßnahmen durchgeht, denen er sich zumindest nicht in den Weg gestellt hat oder die er sogar aktiv befürwortet hat (so suggeriert es jedenfalls der folgende Wortlaut princeps et auctor fui). Die erste Maßnahme betrifft ein vom Senat beschlossenes Dankfest, das im Zusammenhang steht mit Caesars gallischen Feldzügen. Wann diese supplicatio stattgefunden hat, ist umstritten. Mitunter wird sie ins Jahr 56 v.Chr. gesetzt, mitunter aber auch schon in den Herbst des Jahres 57³⁵⁷, was gut möglich ist, da sich Caesars eigene Erwähnung dieser supplicatio am Ende des zweiten Buches seiner commentarii findet, d. h. zum Abschluß des zweiten Kriegsjahres (Gall. II 35,4): ob easque res ex litteris Caesaris dies quindecim supplicatio decreta est, quod ante id tempus accidit nulli. Diese letztere Stelle³⁵⁸ ist auch ein entscheidender Beleg gegen die in der Balbiana überlieferte Fassung; die Handschriften lesen nämlich dierum novem (VIIII GE), was Manutius zu novo verbessert hat. Schon Reid ad loc. hat auf die Parallelen prov. 27 (ergo in illa supplicatione quam ego decrevi res ipsa tributa est dis immortalibus et maiorum institutis et utilitati rei publicae, sed dignitas verborum, honos et novitas et numerus dierum Caesaris ipsius laudi gloriaeque concessus est) sowie Pis. 45 hingewiesen. Balb. 61. 618 – 620 Idem in angustiis aerari victorem exercitum stipendio adfecit, imperatori decem legatos decrevit, lege Sempronia succedendum non censuit.: Cicero führt die Liste der Ausnahmeregelungen zugunsten Caesars fort. Zur Besoldung der Soldaten vergleiche prov. 28 relatum est ad nos de stipendio exercitus; non decrevi solum, sed etiam ut vos decerneretis laboravi; multa dissentientibus respondi; scribendo adfui. tum quoque homini plus tribui quam nescio cui necessitati. illum enim arbitrabar etiam sine hoc subsidio pecuniae retinere exercitum praeda ante parta et bellum conficere posse; sed decus illud et orna Vgl. Schmidt (1889), 794 ff. Unsere Stelle bespricht er auf Seite 810.  So Pocock (1925).  Neben Ciceros eigenen Worten in prov. 26 supplicationem quindecim dierum decrevi sententia mea.

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mentum triumphi minuendum nostra parsimonia non putavi. Was von Teilen des Senats also beanstandet wurde, war die Forderung des Soldes aus dem Aerar, obwohl die Truppen aus der Kriegsbeute hätten versorgt werden können. Zur Bewilligung von Geldern für die Truppen durch den Senat vgl. Mommsen, StR III 2,1097. Speziell zur Junktur in angustiis aerari vgl. prov. 11 quibus quidem vos in his angustiis aerari tamen subveniatis necesse est. Die Junktur angustiae aerarii auch Verr. II 3,182; leg. agr. II 36. Auch ohne entsprechendes Attribut kann das Wort angustiae schon im Sinne von „finanzieller Engpaß“ verstanden werden; vgl. Quinct. 19 tum iste vir optimus (sc. Sex. Naevius), qui hunc (sc. Quinctium) in summas angustias adductum putaret, eqs. Über die Anzahl von Legaten vgl. Reid ad loc.: „the number of legati (adjutants, staff-officers) allowed as a rule to each provincial governor was three; but ten werde appointed to serve under Caesar, nine of whom are mentioned by him in B. G. 7,90.“ Doch ist es gar nicht so sicher, daß die Anzahl allein den Anstoß erregt hat. Mommsen, StR II 1,692 f. nennt unsere Stelle im Zusammenhang mit dem Zehnmännercollegium zur Verhandlung von Friedensverträgen. Die Anzahl von zehn Legaten war bei diesen Gesandtschaften jedoch – wie Mommsen selbst schreibt – üblich; die besondere Ehrung, um die es hier geht, würde dadurch nicht zum Ausdruck gebracht. Möglicherweise haben wir hier einen Reflex auf die später unter Augustus etablierte Entstehung des festen Legionslegaten mit ständigem Kommando, was im übrigen auch bei Mommsen StR II 1,701 im Grunde angedeutet wird, da er die Einsetzung der ständigen Legionslegaten in die Zeit der gallischen Kriege datiert. Vgl. auch Cic. prov. 28 actum est de decem legatis quos alii omnino non dabant, alii exempla quaerebant, alii tempus differebant, alii sine ullis verborum ornamentis dabant. Die lex Sempronia de provinciis consularibus (123 v.Chr.) hatte festgesetzt, daß jedes Jahr die consularischen Provinzen neu (und zwar vor der Wahl der designierten Konsuln) ausgelost wurden; dieses Gesetz wurde durch die lex Vatinia des Jahres 59 im Falle Caesars gewissermaßen außer Kraft gesetzt, da ihm ein fünfjähriges Proconsulat in Gallien dekretiert wurde, und gehört wie bspw. auch der Pompeius durch die lex Gabinia verliehene Oberbefehl gegen die Seeräuber zu den außerordentlichen Kommandos, die sich im Ausgang der Republik zunehmend häuften; vgl. dazu Mommsen, StR I 53 f. Balb. 61. 620 – 623 Harum ego sententiarum et princeps et auctor fui, neque me dissensioni meae pristinae putavi potius adsentiri quam praesentibus rei publicae temporibus et concordiae convenire.: Mommsen, StR III 2,977 f. mit Anm. 1 bemerkt zu dieser Stelle, daß die Formulierung nicht notwendigerweise bedeuten muß, daß Cicero der Antragsteller war (was auch nicht recht glaubhaft wäre), und daß sowohl princeps als auch auctor (zumindest in

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späterer Zeit) schlichtweg jeden Senator bezeichnen konnte, der einem Antrag zustimmte.³⁵⁹ Zur Formulierung vgl. Pis. 35 de me senatus ita decrevit Cn. Pompeio auctore et eius sententiae principe ut eqs. und dom. 10 quoniam princeps ego sum eius (sc. sententiae) atque auctor. Zum Hintergrund vergleiche die Paragraphen 26 – 28 der Rede De provinciis consularibus. Zur ähnlichen Junktur princeps civitatis vgl. den Kommentar zu Balb. 43. 431– 435. Ein kleineres Problem stellt der fehlende Subjektsakkusativ im zweiten Teil des AcI dar, was zu der Deutung eines unpersönlichen convenire geführt hat (siehe Reid ad loc., der diese Möglichkeit aber ablehnt), doch ist die Auslassung des Subjektsakkusativ durchaus nicht so unüblich ist, wie oft vermutet wird; vgl. den Kommentar zu Balb. 14. 121– 123, zumal die zweimalige Setzung des me zusätzlich zum Possessivum meae nach dissensioni womöglich ein wenig pleonastisch anmuten würde. Balb. 61. 623 – 626 Non idem aliis videtur … ex rei publicae tempestate moderari.: Zur Segelmetapher (gerade auch im Zusammenhang einer Rechtfertigung seiner wetterwendischen Politik) vgl. den Einl. S. 1 Anm. 1. bereits genannten Brief fam. I 9,21 an Publius Cornelius Lentulus Spinther (cos. 57) sowie Planc. 93 f.; neben dem Brief fam. I 9,21 außerdem Att. VIII 11,1.³⁶⁰ Argumentatorisch ähnlich ist auch Rab. Post. 33, wo Cicero die Übernahme der Verteidigung seines alten Erzfeindes Gabinius rechtfertigt; vgl. dazu C. Klodt (1992) ad loc. Auch mit Bezug auf die Politik anderer benutzt Cicero nautische Bilder, so Rab. perd. 25 nec tuas umquam ratis ad eos scopulos appulisses ad quos Sex. Titi adflictam navem et in quibus C. Deciani naufragium fortunarum videres. Navigium atque cursum ex rei publicae tempestate moderari: Das letzte Kolon hat wegen seines leicht zeugmatischen Charakters Schwierigkeiten bereitet, die Reid ad loc. damit zu beheben meinte, daß er hinter navigium ein dirigere einfügte (zumindest vermutungsweise). Klotz hat in seinem Apparat Cicero eine nachlässige Redeweise attestiert: „videtur Cicero paulo neglegentius locutus es-

 Vgl. Mitchell (1991), 173 Anm. 83, der hervorhebt, daß derartige Formulierungen üblicherweise den Antragsteller implizieren. Üblicherweise, aber eben nicht notwendigerweise. Gerade in unserem Falle dürfte es unwahrscheinlich sein.  Allgemein zu Ciceros Kurswechsel in der Politik nach der Konferenz von Luca vgl. Mitchell (1991), 181 ff. Ciceros fehlende Konsequenz und Wankelmütigkeit sind schon früh ein anticiceronischer Gemeinplatz geworden, wie bspw. die Invektive Pseudo-Sallusts lehrt; vgl. auch Sen. contr. II 4,4 nemo sine vitio est: in Catone moderatio , in Cicerone constantia, in Sulla clementia. Über die moralistische Beurteilung Ciceros in der frühen Kaiserzeit handelt La Bua (2019), 106 – 112. Ausführlich hat sich dem Thema Fulkerson (2013) gewidmet, die den entsprechenden Vorwurf relativiert und auf Ciceros Status als homo novus hinweist, der ihn besonders anfällig für entsprechende Angriffe seitens der Optimaten – da constantia ein „aristokratischer“ Wert sei – gemacht habe.

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se.“ Schon Rubio ad loc. hat sich hierzu kritisch geäußert und den Ausdruck navigium atque cursum als ein Hendiadyoin aufgefaßt (= navigii cursum). Das Verb moderari kommt i. q. „steuern, lenken“ zumeist mit transitivem Akkusativobjekt vor. Gelegentlich findet sich auch der Dativ, obwohl moderari mit Dativ häufiger die Bedeutung „mäßigen, zügeln“ hat.³⁶¹ Ein ähnlicher Fall liegt bei temperare vor, das mit dem Dativ im Sinne von moderari (+ Dativ) benutzt wird oder im Sinne von „schonen“; vgl. Balb. 60 amicis nostrorum inimicorum temperemus. Bei den anderen Bedeutungen („richtig mischen“, „ordnen“, „einrichten“ etc.) steht bei temperare der Akkusativ.³⁶² Balb. 62. 626 – 628 Sed si qui sunt quibus infinitum sit odium in quos semel susceptum sit, quos video esse non nullos ³⁶³, cum ducibus ipsis, non cum comitatu adsectatoribusque confligant.: Geschickt leitet Cicero vom Thema der Beharrlichkeit in der politischen Einstellung (bzw. dessen Fehlen) über zum Thema der Beharrlichkeit des Hasses und spannt dabei, nachdem er sich ausführlich in eigener Angelegenheit geäußert hat, den Bogen zurück zu Balb. 60, indem er die Gegner wieder dazu auffordert, ihre Kämpfe mit den eigentlichen Zielen ihres Hasses auszutragen und nicht mit deren harmlosem Gefolge. Ungewöhnlich ist die Abfolge dreier Relativsätze; nur Rubio ad loc. hat sich zu dem Verhältnis der Sätze zueinander geäußert und herausgestellt, daß mit quos video esse non nullos nicht diejenigen gemeint sind, die im vorangegangenen Relativsatz genannt wurden, sondern diejenigen, quibus infinitum sit odium. Der letzte Relativsatz hat eine nahezu parenthetische Qualität und könnte auch typographisch durch Klammern oder Gedankenstriche abgetrennt werden. Während der Konjunktiv im ersten Relativsatz sich leicht als ein konsekutiver erklärt, ist der Konjunktiv im zweiten Relativsatz schwieriger zu deuten, weswegen auch est konjiziert worden ist (so Reid in seinem Kommentar und Baiter in seiner Ausgabe). Denkbar wäre eine Art der Modusattraktion (vgl. dazu H.-Sz. 558); möglicherweise hängt es auch mit dem fehlenden Bezugswort zusammen (in unserem Falle also in eos), was den Relativsatz schon ein wenig dem abhängigen Fragesatz annähert; vgl. dazu H.-Sz. 555 f.³⁶⁴ Zwingend nötig scheint eine Änderung jedenfalls nicht. Nötig waren indessen die Konjekturen des Florentiner codex b1 susceptum für das überlieferte suspectum, ebenso wie adsectatoribusque

 Vgl. Lebreton (1901), 178. Vgl. auch K.-St. I 339 f.  Vgl. dazu Lebreton (1901), 181.  P1 hat hier nullus, wie auch schon P in Balb. 59 quos nullus habet. Im Kommentar zu Balb. 35. 355 – 358 (id habet hanc vim ut sit ille in foedere inferior) wurde bereits bemerkt, daß gerade der Parisinus eine hohe Fehleranfälligkeit bei den Wortenden zeigt.  Vielleicht weniger wahrscheinlich, aber nicht unmöglich wäre es ferner, den Relativsatz im kondizionalen (K.-St. II 309) oder sogar iterativen (K.-St. II 206 f. mit Anm. 6) Sinne zu verstehen.

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für das überlieferte adspectatoribusque und die aus den italienischen Renaissance-codices (JSb) stammende Konjektur confligant für das überlieferte confligunt. Unterstützung erhält der iussive Konjunktiv ferner durch eine im Gedanken und in der Formulierung ähnliche Stelle, Cael. 67 capiti vero innocentis fortunisque parcant (nämlich die Ankläger). Das Wort comitatus steht hier im Sinne von comites (Abstractum pro Concreto).³⁶⁵ Balb. 62. 628 – 633 Illam enim fortasse pertinaciam non nulli … sed humanitate vestra esse placatos.: Ciceros Worte an dieser Stelle sind nicht ganz einfach zu deuten, insbesondere, was genau mit illam und hanc gemeint ist. Rubio ad loc. bezieht illam auf das vorhergehende cum ducibus confligere und hanc auf cum comitatu adsectatoribusque confligere. Das ist sicher richtig, aber ein wenig verkürzt. Man muß den vorausgegangenen Kondizionalsatz si qui sunt quibus infinitum sit odium in quos semel suceptum sit dabei im Hinterkopf behalten. Nur dann erklärt sich die Charakterisierung des Sachverhalts als pertinacia, also Starrsinn in unserem Falle. Allein der Kampf mit Anführern könnte nicht sinnvoll so bezeichnet werden, sondern der Kampf derer, die von einmal gefaßtem Haß nicht lassen können. Werden mit diesem unauslöschlichen Haß Leute wie Caesar und Pompeius verfolgt, mag dieser Kampf noch als pertinacia oder sogar virtus betrachtet werden, richtet er sich gegen Gefolgsleute wie Balbus, ist der Kampf geradezu ungerecht und grausam. Zur Formulierung vgl. auch Marc. 31 quae enim pertinacia quibusdam, eadem aliis constantia videri potest. Illam enim fortasse pertinaciam … hanc vero iniquitatem: Zu der im Lateinischen üblichen Attraktion des Pronomens (illam – hanc) an das Prädikatsnomen vgl. den Kommentar zu Balb. 7. 58 – 60 (dort beim Gerundiv) und den Kommentar zu Balb. 15. 131– 134. Certorum hominum: Certus kann in Verbindung mit homo (genau wie im Deutschen „ein gewisser“) eine pejorative Nuance bekommen; vgl. Marc. 16 quotiens ego eum et quanto cum dolore vidi, cum insolentiam certorum hominum tum etiam ipsius victoriae ferocitatem extimescentem! und dom. 28 hanc nostram coniunctionem, hanc conspirationem in re publica bene gerenda, hanc iucundissimam vitae atque officiorum omnium societatem certi homines fictis sermonibus et falsis criminibus diremerunt. Vestros quidem animos certe confidimus non oratione nostra, sed humanitate vestra esse placatos: Der abschließende Appell an die Richter ist typisch für Cicero: Vgl. dazu Barber, 23: „Such an appeal to humanitas is made in other Ciceronian speeches: in the Pro Archia (31), the other speech regarding ci-

 Vgl. dazu Lebreton (1901), 55.

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tizenship, and in a few speeches in which there was ill feeling towards the defendant: the Pro Caelio (75) and Pro Sulla (92). These qualities are attributed to the jury both to win their favor and to suggest to them how they should act in judging this case.“³⁶⁶ Eine weitere Stelle ist Cluent. 29 sentio, iudices, vos pro vestra humanitate his tantis sceleribus breviter a me demonstratis vehementer esse commotos sowie Cluent. 95.³⁶⁷ Zur Formulierung des Appells vgl. auch Balb. 59 speroque, iudices, ut eos qui principes fuerunt conservandae salutis aut dignitatis meae diligitis et caros habetis, sic quae ab hoc pro facultate hominis, pro loco facta sunt, et grata esse vobis et probata mit dem Kommentar zur Stelle, wo bereits hervorgehoben wurde, daß sperare und confidere hier nahezu synonym verwendet werden. Balb. 63. 634 – 637 Quid enim est cur non potius … cum familiarissimis eius est adaequatus.: Über die Bedeutung dieser Stelle für das Geburtsdatum des Balbus vgl. Einl. S. 5 mit Anm. 12. Die etwas frostig anmutende Assonanz laudem – fraudem muß Cicero wohl gesucht haben; andernfalls hätte er womöglich statt fraus ein näher liegendes Wort wie damnum o. ä. gewählt. Das Subjekt von cognovit und placuit ist sicherlich Balbus. In letzerem Falle ergibt sich Balbus als Subjekt zwingend aus dem Sinn; das wiederum würde einen harten Subjektswechsel bedeuten, wenn man als Subjekt von cognovit Caesar annähme (so Bonfiglioli ad loc.; richtig indessen Rubio ad loc. und Espluga/Moncunill in Anm. 396 zu ihrem Text). Balb. 63. 637– 639 In praetura, in consulatu praefectum fabrum detulit; consilium hominis probavit, fidem est conplexus, officia observantiamque dilexit.: Über den Zusammenhang von Caesars Proprätur in Spanien 61 v.Chr. mit der Frage, wann Balbus nach Rom gekommen sein könnte, vgl Einl. S. 6; über das Amt des praefectus fabrum vgl. Einl. S. 7; über Ciceros ungenaue Verwendung des Wortes praetor vgl. den Kommentar zu Balb. 43. 426 – 431; über die Orthographie von conplexus vgl. den Kommentar zu Balb. 2. 12– 16. An unsere Stelle nun erfolgt der Subjektswechsel zu Caesar, während Cicero im folgenden fuit hic wieder zu Balbus schwenkt. Unsere Stelle ist auffällig wegen des ungewöhnlichen Gebrauchs des Wortes deferre, zu dem nach ThlL s.v. hier ein ad aerarium hinzuzudenken ist. Zugrunde liegt der Gedanke einer Abrechnung über Reisegelder oder jedwede Gratifikationen zugunsten von comites, die ein vorgesetzter Beamter nach Ablauf seiner Amtszeit im Aerar vorlegen mußte, so daß praefectum fabrum hier prädikativ zu dem gedachten Balbum zu verstehen

 Barber (2004), 23.  Vgl. auch Stroh (1975), 30 Anm. 91.

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ist;³⁶⁸ zum Sachverhalt vgl. Mommsen, StR I 300 f. mit Anm. 5; Mommsen nennt dort auch eine weitere (ebenfalls im ThlL verzeichnete) Stelle, Cic. fam. V 20,7 quod scribis de beneficiis, scito a me et tribunos militaris et praefectos et contubernalis dumtaxat meos delatos esse. ³⁶⁹ Reid, Bonfiglioli und Reid ad loc. verweisen zudem auf Arch. 11 et in beneficiis ad aerarium delatus est a L. Lucullo pro consule. Die Archias-Stelle ist auch insofern bedeutsam, als Cicero dort die delatio beneficiorum im Zusammenhang einiger Argumente dafür bringt, daß Archias tatsächlich römischer Bürger ist;³⁷⁰ die Rechnungslegung im Aerar ist mithin ein weiterer indirekter Beweis für den römischen Bürgerrechtsstatus des Balbus. Balb. 63. 639 – 642 Fuit hic multorum illi laborum socius aliquando; est fortasse nunc non nullorum particeps commodorum. quae quidem si huic offuerint apud vos, non intellego quod bonum cuiquam sit apud talis viros profuturum.: Hier vollzieht sich erneut der Subjektswechsel auf Balbus (möglicherweise mit einer Geste, die das deiktische hic begleitet haben könnte). Die beiden ersten Kola sind äußerst kunstvoll gebaut, syntaktisch parallel, semantisch antithetisch, während zudem die Zeitadverbien (aliquando – nunc) chiastisch angeordnet sind. Balbus wurde bereits in der narratio 5 – 6 als socius laborum dargestellt, dort allerdings des Pompeius, hier Caesars. Zum Nachleben dieser Junktur vgl. Stat. Silv. V 2,34– 37 rigidi summam Mavortis agebat | Corbulo, sed comitem belli sociumque laborum | ille quoque egregiis multum miratus in armis | Bolanum. Cicero zieht seine Schlußfolgerung mit einem argumentum a minore, daß niemandem irgendein Gut wird nützen können, wenn schon die überschaubaren (non nullorum) Vorteile, die Balbus durch seine Beziehung zu Caesar genießt, Anstoß erregen. Eine ähnliche Argumentationsform (und sprachliche Gestaltung) hatte Cicero auch Balb. 18 genutzt; auch dort wird die Schlußfolgerung mit einem Kondizionalsatz (sin autem) eingeleitet und danach im Hauptsatz mit non intellego weitergeführt. Es handelt sich um eine schwächere Form der ἀπορία, bei welcher der Redner üblicherweise in Form einer Frage die eigene Ratlosigkeit vorgibt.³⁷¹ In unseren Fällen wird die Ratlosigkeit durch den Aussagesatz non intellego verdeutlicht.

 Damit erledigt sich auch die Konjektur praefecturam des Pantagathus statt des überlieferten praefectum; s. app. crit. bei Maslowski, der hier allerdings nur die Konjektur und nicht die Lesart der Handschriften nennt, so daß die genaue Zuordnung der Konjektur erschwert wird. Ausführlicher ist der Apparat von Espluga/Moncunill oder auch A. Klotz.  Vgl. Shackleton Bailey (1977), ad loc.  Vgl. H. Vretska/K. Vretska (1979), ad loc.  Vgl. Martin (1974), 287.

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Balb. 64. 642 – 647 Sed quoniam C. Caesar abest longissime … sed suam familiaritatem vestris oppressum sententiis audiat.: Zur Bedeutung dieser Stelle für die Datierung der Rede vgl. Einl. S. 3; Locis quae regione orbem terrarum, rebus illius gestis imperium populi Romani definiunt: Zum συναθροισμός mit den limitativen Ablativen vgl. den Kommentar zu Balb. 43. 431– 435; zu den loca, quae imperium populi Romani definiunt vgl. auch das Enkomion auf Pompeius Balb. 13 o Cn. Pompei sic late longeque diffusa laus ut eius gloriae domicilium communis imperi finibus terminetur! sowie den Kommentar zu Balb. 39. 393 – 395. Nolite … hunc illi acerbum nuntium velle perferri: Auffällig ist der Pleonasmus nolite velle perferri. Dieser findet sich ebenfalls Mur. 50 quibus rebus qui timor bonis omnibus iniectus sit quantaque desperatio rei publicae, si ille factus esset, nolite a me commoneri velle. Die Verbindung nolle velle scheint jedenfalls nur vorzukommen, wenn das velle einen Infinitiv Passiv nach sich zieht. Das positive Gegenstück findet sich Ov. Her. 21,60 me, precor, ut serves, perdere velle velis. Vgl. dazu grundsätzlich H.-Sz. 337 und vor allem 791 f. Per deos inmortales: Zur Orthographie inmortales vgl. den Kommentar zu Balb. 2. 12– 16. Der Ausruf per deos immortales in einem Appell an die Richter (in der peroratio) findet sich auch S. Rosc. 153 videte per deos immortales quem in locum rem publicam perventuram putetis (siehe auch Balb. 65). Ut suum praefectum fabrum: Über das Amt des praefectus fabrum vgl. Einl. S. 7. Ut hominem sibi carissimum et familiarissimum non ob ipsius aliquod delictum: Zum nahezu leitmotivischen Begriff familiaritas vgl. bereits den ersten Satz der Rede Balb. 1; zur Formulierung non ob ipsius aliquod delictum vgl. Balb. 5 ut nullius in delicti crimen vocaretur; zur Verwendung von aliquis in negativen Sätzen vgl. den Kommentar zu Balb. 5. 37– 39. Balb. 64. 647– 649 Miseremini eius qui non de suo peccato, sed huius summi et clarissimi viri facto, non de aliquo crimine, sed periculo suo de publico iure disceptat.: Cicero greift noch einmal das Räsonnement aus Balb. 6 auf, das er dort besonders pointiert in dem Satz ergo in iudicium caput Corneli, factum Pompei vocatur zum Ausdruck gebracht hatte. Pompeius wird auch hier gemeint sein, obwohl Cicero mittlerweile den Fokus auf Caesar gerichtet hat (so auch Rubio ad loc.); das Pronomen huius weist jedenfalls auf eine deiktische Geste auf den anwesenden Pompeius hin; zur Verwendung von aliquis in negativen Sätzen vgl. den Kommentar zu Balb. 5. 37– 39. Balb. 64. 649 – 654 Quod ius si Cn. Pompeius ignoravit … honestius sit illis ducibus errare quam hoc magistro erudiri.: In einer gewaltigen kondizionalen

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Periode voller Anaphern bietet Cicero noch einmal eine ἀνακεφαλαίωσις³⁷² der Paragraphen 46 – 55 bzw., indem er auch die foederati populi, socii und Latini erwähnt, im Grunde der gesamten argumentatio, denn das Argument, daß die mit Rom verbündeten (oder von Rom abhängigen) Gemeinden entweder kein Mitspracherecht bei Bürgerrechtsverleihungen seitens Rom hätten oder indirekt ihre Zustimmung (durch militärische oder sonstige Unterstützung sowie durch Gesandtschaften) zeigen würden, war einer der wesentlichen Punkte im Verlaufe der gesamten Rede; über die Begriffe foederati populi und socii vgl. die Einl. S. 21 f. Videte ne utilius vobis et honestius sit illis ducibus errare quam hoc magistro erudiri: Der Hauptsatz videte ne utilius vobis et honestius sit illis ducibus errare quam hoc magistro erudiri bildet eine Art concessio, die nach der στάσιςLehre des Hermagoras die Rede in die Nähe der στάσις (lat. constitutio) der ποιότης (lat. qualitas) rückt, auch wenn die übrige Rede dieser στάσις eher selten entsprochen hat (vgl. dazu Einl. S. 13). Man darf sich fragen, ob Cicero dieses virtuelle Schuldeingeständnis vielleicht nur in Fällen genutzt hat, in denen er juristisch unsicher war (wie möglicherweise im Falle der Balbiana); vgl. auch Flacc. 25 sed cum L. Flacci res agatur, qua ex familia qui primus consul factus est primus in hac civitate consul fuit …, in quo, etiam si quid errasset, omnes boni conivendum esse arbitrarentur. Zum ne, das hier zwischen finaler („damit nicht“) und kondizional-fragender („ob nicht“) Bedeutung oszilliert, vgl. H.-Sz. 534 und 542. Die ironische Bezeichnung des Anklägers als magister, die eine unstatthafte Anmaßung und Belehrung seitens des Anklägers suggeriert, weist zurück auf ähnliche Seitenhiebe innerhalb der Balbiana wie Balb. 20 O praeclarum interpretem iuris, auctorem antiquitatis, correctorem atque emendatorem nostrae civitatis (siehe auch den Kommentar zur Stelle) und Balb. 25 patrone foederum ac foederatorum. Auch die Bezeichnung als librariolus (Balb. 14) gehört am Rande in diese Reihe der ironisch gefärbten Herabsetzungen. Balb. 64. 654 – 656 Sed si de certo, de perspicuo, de utili, de probato, de iudicato vobis iure esse constituendum videtis, nolite committere ut in re tam inveterata quicquam novi sentiatis.: Rubio ad loc. verweist zu unserer Stelle auf Balb. 34, wo zweimal durch das Wort vetustas die weit zurückreichende Verbindung von Rom und Gades betont wird. Es ist ferner bezeichnend, daß das sonst bei Cicero recht seltene Verb inveterare (s. Merguet s.v.) ausgerechnet in der Balbiana zweimal vorkommt. Meist wird es übrigens mit negativer Konnotation

 Über exempla in der peroratio, die grundsätzlich selten sind, sich hier aber aus dem resümierenden Charakter des Passus erklären, vgl. Schoenberger (1910), 52 f.Weitere Stellen dieser Art: Flacc. 98 – 99; Scaur. 47.

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verwendet wie in Balb. 43 (inveterata barbaria), so bspw. auch Vat. 6 odium inveteratum oder Cluent. 1 invidia inveterata; die Verbindung mit res findet sich in den Reden sonst nur Sull. 81 sin illa res prima valuit, num inveterata quam recens debuit esse gravior? Die Formulierung nolite committere ut … sentiatis wirkt ein wenig pleonastisch (vgl. Rubio ad loc.), ähnlich wie auch schon zuvor Balb. 64 nolite … hunc illi acerbum nuntium velle perferri, ut … audiat, dort allerdings aus geringfügig anderen Gründen. Die Redundanz dort entsteht durch den überflüssig wirkenden zweiten Infinitiv velle, hier durch die Verwendung von committere samt dem davon abhängigen ut-Satzes statt eines Infinitivs sentire. Balb. 65. 656 – 659 Simul et illa, iudices, omnia … iudices qui adprobarunt.: Im letzten Paragraphen der Rede resümiert Cicero noch einmal einige der wichtigsten ethischen und pathetischen Argumente ἔξω τοῦ πράγματος (gegliedert durch primum, tum und postremo). Ähnlich wie schon in Balb. 64 werden zunächst erneut alle Instanzen, welche die entscheidenden Präzedenzfälle geschaffen haben (zumindest laut Cicero), genannt, d. h. Feldherren, Senat, Volksversammlung und Richter, deren Entscheidungen die Richter in diesem Prozeß also gegebenenfalls mitverurteilen würden. Ante oculos vestros proponite: Zur Junktur ante oculos proponere vgl. den Kommentar zu Balb. 47. 458 – 460. Deinde senatum qui *** se hoc iudicavit: Die größte Schwierigkeit dieser Stelle bietet der Relativsatz qui se hoc iudicavit (PG1E), der so nicht stehen kann und daher auch schon von G2 dahingehend geändert wurde, daß das se weggelassen wurde (in der Form haben es dann auch Peterson und Cousin übernommen). Was die Lesart des Harleianus betrifft, gehen die Angaben in den textkritischen Apparaten ein wenig auseinander. Maslowski, Cousin und Espluga/ Moncunill schreiben, H biete qui per se hoc iudicavit, während A. Klotz und Peterson den Text als qui persaepe hoc iudicavit wiedergeben. Wie auch immer die Lesart des Harleianus ist, alle überlieferten Varianten kranken ohnehin an einem entscheidenden Problem, auf das Madvig hingewiesen hat: „neque enim senatus hoc iudicavit, id est, multos claros imperatores homines foederatos civitate donasse, sed eos hoc iure et legitime fuisse [sic. Lies fecisse].“³⁷³ Von der Lesart von PGE ausgehend nahm Madvig eine Lücke vor se an und konjizierte se hoc iudicavit, was Ciceros Sprachgebrauch in der Rede durchaus entsprechen würde (vgl. vor allem Balb. 7– 8); in eine ähnliche Richtung geht die ebenfalls gute Konjektur se von A. Klotz ³⁷⁴. Wie genau die Stelle emendiert bzw. die

 Madvig (1887), 446 Anm. 1.  Oder ist vielleicht se denkbar?

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Lücke ergänzt werden kann bzw. muß, ist jedoch unsicher, gewiß nur, daß der Text in der überlieferten Fassung unmöglich ist.³⁷⁵ Balb. 65. 660 – 664 Tum etiam illud cogitate … an ornamento esse malitis.: Der zweite der drei letzten Appelle an die Richter beginnt mit einem textkritischen Problem, da P cogitate und GEH cogitatote überliefert haben. Der Imperativ II, auch wenn von der Mehrzahl der Handschriften überliefert, dürfte an dieser Stelle dennoch unwahrscheinlich sein. Zum einen scheint es keinen Beleg für den Imperativ II Plural des Verbs cogitare bei Cicero zu geben³⁷⁶, zum anderen würde dadurch die Steigerung vom Imperativ I zu II, der im folgenden Satz kommt, zu früh gesetzt erscheinen und der Klimax dadurch die Spitze nehmen (die Steigerung vollzieht sich gewissermaßen vom sinnlichen Eindruck ante oculos vestros proponite über das bloße Nachdenken cogitate zur intellektuellen und moralischen Internalisierung in animis vestris tenetote). Eine ganz ähnliche Stelle mit einer Steigerung der Imperative ist S. Rosc. 109: totam vitam naturam moresque hominis ex ipsa legatione cognoscite. nisi intellexeritis, iudices, nullum esse officium, nullum ius tam sanctum atque integrum quod non eius scelus atque perfidia violarit et imminuerit, virum optimum esse eum iudicatote. Auch die semantische Verbindung ist ähnlich, da im Imperativ I ein Verb des Denkens steht, im Imperativ II eines des Urteilens (hier in der Balbiana ist das iudicatote freilich umschrieben mit in animis vestris tenetote … iudicaturos). Auch wenn die Verschreibung von cogitate zu cogitatote ungewöhnlich anmuten mag, ist sie doch gerade in diesem Kontext des folgenden Imperativs II nicht undenkbar; vgl. auch den Kommentar zu Balb. 24. 217– 222 über die Verschreibung eines Präsens zu einem Imperfekt, wo also (wie hier die Silbe -to‐) die Silbe -ba- dem überlieferten Wort hinzugefügt wird. Sic vivere ac vixisse Cornelium: Zur Verwendungsweise des Verbs vivere mit adverbialen oder präpositionalen Ergänzungen vgl. den Kommentar zu Balb. 16. 134– 140. Cum omnium peccatorum quaestiones sint: Zum Quaestionenverfahren, das auch in diesem Prozeß zugrunde lag, vgl. den Kommentar zu Balb. 2. 10 – 12.³⁷⁷ Non de vitiorum suorum poena, sed de virtutis praemio in iudicium vocetur: Zum leitmotivischen Begriff praemium vgl. den Kommentar zu Balb. 6.

 Espluga/Moncunill haben von der Idee einer lacuna Abstand genommen und lediglich das se in cruces gesetzt.  Und auch der Singular ist selten. Soweit ich sehe, nur rep. III 47 und fam. III 11,5.  Zur Einführung der quaestio in das römische Strafrecht vgl. Mommsen (1899), 147, zu den einzelnen Delikten, die in diesen ständigen Gerichtshöfen beurteilt wurden (jedenfalls seit Sulla), vgl. ebd. 203 f.

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45 – 48 (auch dort schon im Zusammenhang mit dem Wort virtus genannt, vgl. auch den Kommentar zu Balb. 26. 234– 237 über die Junktur virtutis causa). Zur Junktur in iudicium vocari vgl. den Kommentar zu Balb. 5. 35 – 37. Utrum posthac amicitias clarorum virorum calamitati hominibus an ornamento esse malitis: Der abhängige Interrogativsatz wiederholt noch einmal das Räsonnement von Balb. 63. Der Genitiv clarorum virorum kann als genitivus obiectivus aufgefaßt werden (vgl. ähnlich Caes. civ. I 4,1 Catonem veteres inimicitiae Caesaris incitant et dolor repulsae, s. auch K.-St. I 415), aber ebenso als subiectivus (dem reziproken Charakter der Freundschaft entsprechend). Balb. 65. 664 – 666 Postremo illud, iudices, fixum in animis vestris tenetote, vos in hac causa non de maleficio L. Corneli, sed de beneficio Cn. Pompei iudicaturos.: Es wurde mehrfach im Kommentar darauf hingewiesen, daß Cicero speziell in dieser Rede größtes Gewicht auf die Argumente ἔξω τοῦ πράγματος legt und die argumentatio im engeren Sinne, wenngleich er sich natürlich dazu herabläßt, als nebensächlich betrachtet (oder es doch jedenfalls so darstellt; vgl. den Kommentar zu Balb. 15. 131). Folgerichtig beendet Cicero die Rede mit einer erneuten Assoziation – dem rhetorischen ἦθος gehorchend – des Balbus mit Pompeius, der laut Cicero gemeinsam mit Balbus auf der Anklagebank sitzt (vgl. dazu vor allem Balb. 6). Appelle innerhalb der peroratio an die Richter über ihre Verantwortlichkeit und die Konsequenzen des Urteils sind in Ciceros Reden zahlreich (vgl. den Kommentar zu Balb. 22. 201– 205). Auch grammatisch schlägt sich dies oft in Zukunftsformen nieder. Vgl. S. Rosc. 153 videte per deos immortales quem in locum rem publicam perventuram putetis; Cluent. 196 non illi vos de unius municipis fortunis arbitrantur sed de totius municipi statu dignitate commodisque omnibus sententias esse laturos. Zum PFA von iudicare vgl. ferner Flacc. 3 non estis de Lydorum aut Mysorum aut Phrygum …, sed de vestra re publica iudicaturi. Ich kann daher Lebretons Einschätzung dieser Stelle nicht ganz teilen, der schreibt: „Enfin il reste un certain nombre d’exemples dans lesquels l’impératif en –to exprime un ordre ou un conseil dont l’exécution doit être immédiate.“³⁷⁸ Das ist zwar richtig, doch sind die Konsequenzen, welche die Richter im Gedächtnis behalten sollen, eben auch allgemeingültig und für die Zukunft relevant, weswegen sich m. E. diese Stelle von einer wie bpsw. Balb. 17 omittam igitur Pompeium iam oratione reliqua mea, sed vos, iudices, animis ac memoria tenetote nicht gravierend unterscheidet. Th. Zielinski hat in seiner Untersuchung des „constructiven Rhythmus“³⁷⁹ den letzten Satz der Balbiana rhythmisch analysiert und dabei eine sechszeilige

 Lebreton (1901), 199.  Vgl. Zielinski (1914), 249 ff.

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Strophe (aa, bccb; Doppelanschlag + chiastische Vierzeile) herausgearbeitet: postremo illud, iūdĭcēs, fīxŭm (1) in animis vestrīs tĕnētōtĕ (1), vōs ĭn hāc caūsā (1) non de maleficiō Lūcī Cōrnēlī (S2), sed de beneficiō Gnaēī Pōmpēī (S2), iūdĭcātūrōs (1). Wenn man Elision annimmt, muß die Kürze der ersten Klausel natürlich über dem in von in animis stehen. Die Ziffer 1 steht in diesem Fall für den Kretikotrochäus, S2 für einen Dikretikus mit gelängter Basis des Kretikus (im Grunde ein Dimolossus). Die Klauseln der Kola des ganzen Satzes setzen sich also nach Zielinski zusammen aus einem sogenannten Doppelanschlag 1+1 aus kretikotrochäischen Klauseln und der chiastischen Figur 1+S2+S2+1 aus kretikotrochäischen und dikretischen Klauseln. L. Laurand hingegen interpretiert iudicaturos nicht als Kretikotrochäus, sondern als Kretikospondeus.³⁸⁰

 Vgl. Laurand (1936/38), 180 – 182; Laurand wendet sich generell kritisch gegen Zielinski; vgl. ebd. 197– 200.

3 Literaturverzeichnis 3.1 Abkürzungsverzeichnis RE = Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, hrsg. von A. Pauly, G. Wissowa et al., Stuttgart 1893 ff. RAC = Reallexikon für Antike und Christentum, hrsg. von Th. Klauser, Stuttgart 1950 ff. ThlL = Thesaurus Linguae Latinae, Leipzig 1900 ff. OLD = Oxford Latin Dictionary, ed. P. G. W. Glare, Oxford 1982. LSJ = Liddell, H. G. und R. Scott, Greek-English Lexicon, rev. H. S. Jones, R. McKenzie et al., with a revised supplement, Oxford 91996. K.-Hw. = Kühner, R., Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache, Erster Teil: Elementar-, Formen- und Wortlehre, bearb. von Fr. Holzweissig, Hannover 21912 (Ndr. Hannover 1994). K.-St. = Kühner, R., Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache, Zweiter Teil: Satzlehre, 2 Bde., bearb. von C. Stegmann, mit Zusätzen und Berichtigungen von A. Thierfelder, Hannover 51976 (Ndr. Hannover 1997). H.-Sz. = Lateinische Syntax und Stilistik, begründet von J. B. Hofmann, fortgeführt von A. Szantyr (HbdA II 2,2), München 1965. CIL = Corpus Inscriptionum Latinarum, Leipzig/Berlin 1862 ff. ILS = Inscriptiones Latinae Selectae, 3 Bde. in 5 Teilbänden, hrsg. von H. Dessau, Berlin 1892 – 1916 (Ndr. Berlin 31962). Merguet = Lexikon zu den Schriften Cicero’s, mit Angabe sämtlicher Stellen von H. Merguet, Teil 1: Lexikon zu den Reden des Cicero, 4 Bde., Jena 1877 – 1884 (Ndr. Hildesheim 1962), Teil 2: Lexikon zu den philosophischen Schriften Cicero’s, 3 Bde., Jena 1887 – 1894 (Ndr. Hildesheim 1971). SVF = Stoicorum Veterum Fragmenta, hrsg. von H. von Arnim, 4 Bde., Leipzig 1903 – 1924 (Ndr. Stuttgart 1968). TrRF = Tragicorum Romanorum Fragmenta, hrsg. von W.-W. Ehlers, P. Kruschwitz, G. Manuwald, M. Schauer und B. Seidensticker, Göttingen 2012 ff. Mommsen, StR = Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht, 3 Bde. in 5 Teilbänden, Leipzig 3 1887 – 1888 (Ndr. Darmstadt 1963).

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Index rerum ab-urbe-condita-Konstruktion 74, 98 AcI, epexegetisch 29, 56, 72, 111 AcI, ohne Subjektsakkusativ 66, 215 Adoption 7, 10 f., 190, 203 f. adrogatio 102 Anapher, anaphorisch 30, 39, 76, 87, 159, 183, 192 f., 221 Antiklimax 66 Argumentation ἔξω τοῦ πράγματος (unsachliche Argumente) 13, 15, 28, 39, 69, 168, 190, 222, 224 argumentum a fortiori 211 argumentum a maiore 174 argumentum a minore 47, 56, 61, 92 f., 155, 193, 195, 219 Asyndeton, asyndetisch 36, 41, 44, 52, 57 f., 61 f., 65, 67 f., 76 f., 91, 105, 108 f., 142, 149, 152, 155, 162, 171, 176, 200, 212 attractio modi 29, 39, 72, 216 auctoritas als Leitmotiv 16, 32, 53, 84, 171, 181 αὔξησις 55, 63, 108, 149 Bona-Dea-Skandal 10, 197 Brachylogie 97 Bundesgenossenkrieg 8, 87 f., 173, 178, 183 f., 192 Bündnis, koordiniert vs. subordiniert 22, 84, 115, 138 Bürgerrecht, doppelt 100 ff., 112, 114, 173 Bürgerrecht, Verleihung singillatim 20, 82 f., 87, 93, 114, 145, 154, 171, 183, 193 Bürgerrecht, Verleihung virtutis causa 20, 154 captatio benevolentiae 27, 29, 77 Charakterzeugen 15, 157, 160 civitas foederata 13, 17, 19 – 21, 80, 83 – 85, 87, 93, 99, 129, 133, 155, 180, 184, 186, 191, 198 compendium insulare 24, 159 concessio 15, 143, 221 https://doi.org/10.1515/9783110795615-004

conformatio 70, 175 f. constitutio Antoniniana 22 constructio ad sensum 89 copia verborum 31 correctio 127 deditio 22, 94, 103, 128 f., 132, 137 f. delatio beneficiorum 219 detestatio sacrorum 102 διατύπωσις, s. conformatio Dikolon, asyndetisch 57, 176 Diminutiv 66, 110, 204 διόρθωσις, s. correctio dissimulatio 28, 35, 59, 68 Dittographie 96, 205 f. Eid 32, 60, 106, 123 Ellipse, elliptisch 30, 46, 58, 155, 167, 192, 212 Elogium 9, 13, 171 Enkomion 150, 220 enumeratio 166, 220 Epipher 193 exemplum 12, 15, 21, 32, 55 f., 61, 83, 101, 103 ff., 109, 115, 144, 166, 168, 170 f., 173, 175, 182, 186, 190, 221 Fachwissen vs. Allgemeinwissen 16, 169 Figura etymologica 196 foedus aequum 22, 114, 138 f., 174, 192 foedus, comitial 20 ff. foedus, feldherrlich 20 ff., 106, 132 foedus iniquum 14, 22, 138, 174, 192 Frage, rhetorisch 48, 122, 159, 193, fundum fieri 13, 17 – 19, 82, 87 – 89, 144 f., 147, 155, 159, 196 f. Gemeinplatz 106, 113, 116, 144, 215 Geminatio 136, 147, 156 Günstling 1, 3, 9 f., 133, 183, 210 Hendiadyoin 169 f., 216 hospitium 5 f., 128, 155

238

Index rerum

Hyperbaton 36, 95, 157, 192 Hyperbole, hyperbolisch 4, 40 f., 45 f., 83, 99, 118 Identifizierung Ciceros mit res publica 207 Imperativ II 140, 223 Infinitiv nach habere = „können“ 125 Infinitiv Präsens nach sperare 208 Influenzfehler 32, 47, 94, 177, 187, 201, 208 Inkonzinnität 186 Invektive 215 invidia-Motiv 39, 70, 77 f., 199, 204 f. Ironie 18, 68, 83, 94, 165, 201, 221 irrisio 83 Klimax 154, 223 Kongruenz 46, 76, 114, 179 Leistungsprinzip 43, 168, 182 Leumundszeugen, s. Charakterzeugen lex Acilia 194 f. lex Apuleia 180 f. lex Furia 14, 86 lex Gabinia 80, 214 lex Gellia Cornelia 5 f., 13, 15, 17, 20 f., 79 f., 82, 106, 116, 118, 121, 144 f. lex Irnitana 119, 125 lex Iulia de civitate danda 2, 12, 14, 17, 87 f., 145, 184 f., 192 lex Iulia municipalis 12, 19, 88 lex Licinia Mucia 8, 31, 170, 178 – 180, 196 lex Papia 8, 30 f., 178, 180, 191 lex Plautia Papiria 88, 184 lex Sempronia 214 lex Servilia 82, 193 – 195, 203 lex Vatinia 214 lex Voconia 14, 86 Litotes 167, 176 Lizenz, juristisch 3, 40, 43, 47 f., 54, 63, 154 locus communis, s. Gemeinplatz Menschenopfer 164 f. municipia fundana 19, 88 Negationspleonasmus

206

Opportunismus 1, 15, 207, 210 oratio obliqua 38 f., 124, 167, 203 Orthographie 31 f., 41, 73, 168, 187, 204, 206, 210 f., 218, 220 Panegyrik, panegyrisch 28, 39, 49, 51, 54, 75, 176 Partizip, dominant, s. ab-urbe-condita-Konstruktion πίστις ἄτεχνος 32, 107, 144, 157 Plural, typisierend 152 Polyptoton 189, 198 postliminium 101, 103, 105 f. praefectus fabrum 6 – 8, 218, 220 praemium als Leitmotiv 43, 47, 177, 182, 188, 194, 196, 203, 223 Präpositionalphrase, prägnant 78, 166, 180 praeteritio 74 f., 162, 165, 199 Priamel 15, 168, 183 Prolepse, proleptisch 56, 112, 126 Promulgation 119 Punischer Krieg 20, 86, 90, 148 f. Pyrrhus-Krieg 18, 185 quaestio

30 f., 38, 179, 223

Ratifikation 132 f., 135 Relativsatz, Hineinziehung des Bezugswortes 168 Relativsatz, konsekutiv 37, 92, 111, 165, 212, 216 Relativsatz, vorangestellt 53, 74, 126, 210 Relativsatz, Wiederholung des Bezugswortes 181 Repetundenverfahren 55, 61, 104, 119, 194, 203 Ressentiment 7 f., 75, 201 rogatio 116, 118, 122, 178, 195, 199 sermo cotidianus 37, 66, 76, 108 Sertorischer Krieg 5 f., 42, 72, 153, 184 Singular, kollektiv 90 f. Sperrung/Sperrstellung, s. Hyperbaton Spott, s. irrisio Sprichwort 205 στάσις 13, 40, 221 „Stufen“-Metapher 78, 107, 154

Index rerum

Suffektkonsul 9, 152 συναθροισμός, s. enumeratio supplicatio 78, 213 σχῆμα κατ’ ἄρσιν καὶ κατὰ θέσιν Symploke 193

ut-Satz, epexegetisch/explikativ 200, 211 199

tabula Heracleensis 17, 88 tesserae frumentariae 110 tesserae hospitales 156 Theorie vs. Praxis 65, 168 Tribus 111, 190, 193, 202 f. tumultuarius dux 128 Übertreibung, s. Hyperbole Umgangssprache, s. sermo cotidianus ut ne 95, 98, 106

239

39, 84,

verba prisca 22 Verfassungsnorm vs. Verfassungswirklichkeit 22, 59, 82, 145 Völkerrecht 19, 68, 111, 128, 174 „Weg“-Metapher

107, 141, 196

Zeugma, zeugmatisch 57, 111, 155, 160, 163, 170, 215 Zitat, bei Cicero 15, 17, 35, 54, 79, 88, 105, 117 f., 125 ff., 136, 140 – 142, 188 f. Zwölftafelgesetz 40, 126