Business Partner Management: Externe und interne Geschäftsbeziehungen erfolgreich gestalten [1 ed.] 3658329963, 9783658329969

Dieses Fachbuch gibt einen strukturierten, branchenunabhängigen und zugleich praxisnahen Einblick in alle Arten geschäft

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German Pages 236 [228] Year 2021

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Business Partner Management: Externe und interne Geschäftsbeziehungen erfolgreich gestalten [1 ed.]
 3658329963, 9783658329969

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Teil I: Externes Partner Management
1: Privates und Geschäftliches
Zusammenfassung
2: Operatives Partner Management
2.1 Ziele von Geschäftspartnerschaften
2.2 Smart Partnering
2.2.1 Enge Zusammenarbeit
2.2.2 Der richtige Geschäftspartner
2.2.3 Das Partner-Eco-System
2.2.4 Pflege des Partner-Eco-Systems
2.2.5 Partnerkategorien
Indirektes Material
Direktes Material
2.2.6 Partnerbeziehungen
2.2.7 Die Aufgaben des Partner Management
Zusammenfassung
2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft
2.3.1 Stufe 1 – Partnerauswahl
Define Scope – Zieldefinition
Contact Partner – Kontaktaufnahme
Agree Engagement Modell – Vereinbarung des Kooperationsmodells
Zusammenfassung
2.3.2 Stufe 2 – Vertragsverhandlung und Abschluss
Investigate fit – Überprüfung der Anforderungserfüllung
Negotiate – Vertragsverhandlung
Closing – Vertragsabschluss
Zusammenfassung
2.3.3 Stufe 3 – Implementation des Vertrages
Execute – Umsetzung des Vertrages
Monitor – Überprüfung des Fortschritts
Handover – Übergabe an die operativen Nutzer
Zusammenfassung
2.3.4 Stufe 4 – Anwendung des Vertrages
Execute – Operative Umsetzung der Partnerschaft
Document – Dokumentation und Statistik
Communication – Kommunikation
CIP – Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
2.3.5 Stufe 5 – Terminierung einer Partnerschaft
Basics – Grundlagen
Pros/Cons – Für und Wider
Termination – Beendigung
Zusammenfassung
3: Vertiefungen
3.1 Partnerauswahl und operatives Assessment
3.1.1 Warum ist Sorgfalt bei der Partnerwahl so wichtig?
3.1.2 Auswahlprozess
3.1.3 Operatives Assessment
3.1.4 OSQ Beispiele (Tab. 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4)
Partnerauswahl? Hatten wir das nicht schon ausführlich abgehandelt?
3.2 Das Partner-Eco-System
3.2.1 Struktur und Elemente eines Partner-Eco-Systems
3.2.2 Wertschöpfende und wertschädigende Faktoren
3.2.3 Pflege, Bereinigung und Herauslösung
Trumpfkarte oder Ballast?
3.3 Der Angebotsprozess
3.3.1 RfX: Anbieten in drei Phasen
3.3.2 Angebotsannahme
Gekauft wie besichtigt?
3.4 Engagement-Models
3.4.1 Direkter oder indirekter Vertrieb
3.4.2 Beschaffungsorientierte Geschäftsmodelle
Verliebt, verlobt, verheiratet!
3.5 Typische Geschäftsverträge
3.5.1 Non-Disclosure Agreements NDA
3.5.2 Letter of Intent, Memorandum of Understanding
3.5.3 Rahmenabkommen – Frame Agreements
3.5.4 Rahmenabkommen – Anhänge
3.5.5 Typisches Statement-of-Work SoW
3.5.6 Typisches Maintenance and Support Agreement MSA
Was ist schon typisch, haben Sie sich gefragt?
3.6 Informationssicherheit
3.6.1 Ziele
3.6.2 Informationssicherheit – Meine persönliche Verantwortung!
3.6.3 Gründe für Sicherheitsprobleme
3.6.4 Konsequenzen bei Missachtung
3.6.5 Was ist zu beachten!
3.6.6 IPR Schutz (Intellectual Property Rights)
Zusammenfassung
3.6.7 Informationssicherheit zwischen Partnern
3.6.8 Informationssicherheit bei Geschäftspartnern
Wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!
3.7 Claim Management
3.7.1 Definitionen
3.7.2 Vor RfS/TAcc
3.7.3 Nach RfS/TAcc
3.7.4 Vertragsbeziehungen
3.7.5 Prozess
Es kann auch mal etwas schiefgehen!
3.8 Vertragsarchivierung
3.8.1 Einleitung
3.8.2 Allgemeines
3.8.3 Anforderungen an Firmenprozesse
3.8.4 Anforderungen an das Vertragsarchiv
Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen
3.9 Organisation – RACI und MoO
3.9.1 MoO für den Use Case „Lieferant“
Ordnung ist das halbe Leben, Umordnung die andere Hälfte!
3.10 Kaizen – Ändere zum Besseren
3.10.1 Die 5S des Kaizen
3.10.2 Take a Muda-Walk
3.10.3 Was ist Muda?
Genba: der Ort der Berichterstattung oder auch der Tatort
4: Strategisches Partner Management
4.1 Einleitung
4.2 Strategische Methoden
Schach versus Poker?
5: Interest Management
5.1 Einführung
5.2 Wettbewerb, unser archaisches Handlungsmuster
5.3 Zusammenarbeit als Mittel des Wettbewerbs
5.4 Zusammenarbeit als Mittel des gemeinsamen Erfolgs
5.5 Ko-Kreativität, weil man damit weiterkommt!
5.6 Interest-Management als Methode
„Chief Interest Manager“? Was soll das?
Teil II: Internes Partner Management
6: Herausforderungen aus dem rasanten technischen Wandel
7: Die ganzheitliche Wertschöpfung von Arbeit
7.1 Trends und Probleme der jetzigen Arbeitswelt
7.2 Die Rolle von Umfeld, Beziehungen und Empathie
Wo muss Veränderung starten?
Literatur
8: Zustände und Konsequenzen des internen Partnerings
8.1 Welche Zustände existieren?
8.2 Konsequenzen
Literatur
9: Neues Tool – der WeQ-Test
9.1 Die Fähigkeit zur Teamentwicklung
9.2 Die Inhalte des WeQ-Tests
9.3 Die Anwendung des WeQ-Tests
9.4 Die Auswertung des WeQ-Tests
9.5 Möglichkeiten in der Praxis
9.6 Zusammenfassung
Literatur
10: Praxisbeispiele
10.1 Vergleiche von Start-ups und NGOs
Ko-Kreativität als gemeinsames Ziel?
10.2 Alte Behörde und moderne NGO
10.3 Einige Maßnahmen und Achievements
Literatur
11: Internes Partnering – neu gedacht
11.1 Der Weg ist das Ziel
11.2 Wo könnte der Test einfließen?
11.3 Benchmarking in verschiedenen Netzwerken
12: Aufforderung: Was können wir darüber hinaus tun?
12.1 Ein liebevoller Umgang miteinander
12.2 Die Bedeutung des Moments
12.3 Was steckt hinter dem Wort Gelingen
12.4 Die Entscheidung für eine liebevolle Beziehung
13: Wissenschaftliches
13.1 Zusammenarbeit – das Konzept
13.2 Erkenntnisse der Neurobiologie
Literatur
Nachwort
Literatur

Citation preview

Klaus Krause · Tobias Schnitzler

Business Partner Management Externe und interne Geschäftsbeziehungen erfolgreich gestalten

Business Partner Management

Klaus Krause • Tobias Schnitzler

Business Partner Management Externe und interne Geschäftsbeziehungen erfolgreich gestalten

Klaus Krause Krause3PM Partner Management in Business Berlin, Deutschland

Tobias Schnitzler Wirtschaftsuniversität Wien Wien, Österreich

ISBN 978-3-658-32996-9    ISBN 978-3-658-32997-6  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Verlage. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Im Zeitalter der Digitalisierung und Globalisierung … nein, das ist der Aufhänger für viele Veranstaltungen, auf denen medienwirksam darüber debattiert wird, dass Geschäfte Partnerschaften brauchen. Der Mittelstand braucht die Start-ups, die Forschung braucht die Industrie und die Industrie braucht Partner für den Export usw., aber dies ist nicht der Anlass für dieses Buch. Fest steht, dass kein Unternehmen alle Leistungen selbst und unabhängig von Dritten erbringen kann. Das war schon immer so und wäre auch töricht, denn stets gilt „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“. Man braucht Materiallieferanten, Dienstleister, vielleicht auch Kooperationspartner, aber selbstverständlich auch geeignete Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die alle die Partner und das Partner-Eco-System des Unternehmens darstellen. Deshalb ist dieses Buch auch in zwei Teilen und von zwei Autoren geschrieben. Im ersten Teil befassen wir uns mit den externen und im zweiten Teil mit den internen Partnerschaften, also dem Personal. Während man das Personal über Ausschreibungen, Job-Börsen und Personaldienstleister sucht und findet, erfolgt die Suche nach Geschäftspartnern heute noch immer eher „archaisch“. Man tauscht auf Abendveranstaltungen, Messen und Konferenzen Visitenkarten aus oder hält im Internet nach geeigneten Geschäftspartnern Ausschau. Hoffnung und Zufall sind die Wegbegleiter. Effizient ist das nicht und kostet obendrein viel Zeit und Geld. Ein weiteres Hindernis bilden allerlei Ressentiments zwischen den Suchenden. Start-­ ups und junge Unternehmen haben Angst vor den Etablierten, weil sie befürchten, ihre Unabhängigkeit zu verlieren und ihrer Ideen beraubt zu werden. Die Etablierten hingegen scheuen die „jungen Wilden“, weil sie ihnen Unzuverlässigkeit unterstellen. Überhaupt denken viele Geschäftsführer beim Thema Partnering „Das macht doch unser Einkauf!“ und danach gleich an Verträge und teure Juristen, die beauftragt werden müssten. Also lässt man es lieber und bestellt Material per E-Mail, ohne die angegebenen AGBs, also das Kleingedruckte, näher zu prüfen. Wie aber kann man diese Hürden überwinden? Wie führt man die Suche nach dem richtigen Partner systematisch und damit effizient und effektiv durch? Wie wählt man das

V

VI

Vorwort

geeignete Geschäftsmodell, vereinbart, implementiert, lebt und pflegt es dann? Worauf muss man achten, wenn eine Partnerschaft beendet werden soll? Fragen über Fragen, von denen sich junge Unternehmer überfordert fühlen oder deren sie sich gar nicht bewusst sind, weshalb sie vor Partnerschaften zurückschrecken oder es mit try-and-error versuchen. Hingegen haben etablierte Unternehmen bereits ein sogenanntes Partner-Eco-System. Es ist historisch gewachsen und oft wird versäumt, es zu hegen und zu pflegen. Fehlt dafür aber das Knowhow, dann fehlt es erst recht, wenn man unter den „jungen Wilden“ einen geeigneten Innovationspartner suchen will. Klar strukturiert, branchenunabhängig und übertragbar wird in diesem Praxishandbuch deshalb ein praktischer Leitfaden gegeben, der durch alle Stufen einer Partnerschaft führt und zugleich wichtige Einzelthemen vertieft. So werden z. B. Informationssicherheit, typische Geschäftsverträge sowie der Umgang mit Ansprüchen (Claim Management) aus der Erfahrung langjähriger Praxis einfach und anschaulich beschrieben. Schließlich wird dieser Leitfaden noch ergänzt und abgerundet, indem wichtige Aspekte des strategischen Partner Managements und des sogenannten Interest Managements vorgestellt werden. Im zweiten Teil dieses Buches greifen wir wieder die Parallelen zu den privaten Beziehungen zwischen Menschen auf, bilden diese nun aber auf die internen Partnerschaften in einem Unternehmen, auf die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sowie zwischen den Mitarbeitern selbst ab. Dabei fließen Teile der Doktorarbeit des Autors Dr. Tobias Schnitzler ein, die er vor kurzem bei Herrn Dr. Gerald Hüther abgeschlossen hat und mit denen man sich diesem Thema aus Sicht der Hirnforschung nähern kann. Diese besagt, dass wir im Laufe unseres Lebens unterschiedliche Momente erleben. Es gibt schöne, positive Momente und es gibt weniger schöne Momente. Wir würden gerne immer nur die schönen Momente erleben. Allerdings zeigt sich aus der Hirnforschung, dass sich ein weniger schöner Moment auf ein Kind bzw. einen Erwachsenen nicht notwendigerweise negativ auswirkt. Es hat sich des Weiteren gezeigt, dass ein Kind nur einen einzigen Menschen benötigt – dies kann jemand aus der Familie sein, ein Nachbar oder auch ein Fremder, mit dem das Kind Kontakt hat –, der an das Kind glaubt, der es so annimmt, wie es ist, der ihm das Gefühl gibt, dass es gut ist, genauso, wie es ist. Tatsächlich gehören die weniger schönen Momente zum Leben dazu, weil wir dadurch erst die schönen Momente zu schätzen wissen und sie zu einem Referenzrahmen werden. Beziehung meint nicht nur eine partnerschaftliche Beziehung, sondern einen Austausch zwischen zwei oder mehr Menschen. Das kann zwischen Freunden, Arbeitskollegen, in der Familie oder einfach mit einem Fremden sein. In unserer heutigen Zeit ist die Menschlichkeit sehr stark verloren gegangen. Viele schauen nur auf sich, ihr Ego und dass es diesem gut geht, egal ob es auf Kosten anderer geht. Die Menschen treten heute immer weniger in Beziehung zueinander, sondern behandeln sich gegenseitig als Objekte und schreiben den anderen dieses oder jenes zu. Tatsächlich kann sich jeder Mensch in jeder Sekunde seines Lebens entscheiden: Möchte ich mit einem anderen Menschen in Beziehung treten oder nicht?

Vorwort

VII

Ein Schlüssel liegt in der Forderung, dass wir mehr Gemeinschaften benötigen, deren Mitglieder einander einladen, ermutigen und inspirieren, über sich hinauswachsen. Dahinter steckt, dass Team-Mitglieder, die einander als Subjekte begegnen und sich nicht zum Objekt individueller Ziele machen, gemeinsam eine Kraft entwickeln, die das Team als Ganzes über sich hinauswachsen lässt. Der IQ der Gruppe ist deutlich höher als die Summe der einzelnen Potenziale und Leistungsfähigkeiten. In diesem Praxishandbuch wird der WeQ-Test vorgestellt. Des Weiteren wird ein Innenbild der Start-ups und NGOs gezeichnet und deren internes Partnering beleuchtet. Sind Start-ups hierbei kreativer als etablierte Unternehmen? Rennt der Mittelstand der Innovation hinterher? Worin liegt das Geheimnis der jungen Wilden und was können die Etablierten davon lernen? Das sind viele Fragen, und es mag viele Antworten geben, jedoch eine Beobachtung sollte uns aufmerksam machen und nachdenken lassen! Eine große Mehrheit der Start-ups ist multikulturell aufgestellt. Die Gründer kommen aus vielen Ländern, gehören vielen Kulturkreisen an und haben sehr oft völlig verschiedene Mentalitäten. Wie gelingt es ihnen, dies nicht als Hürden überwinden zu müssen, sondern als Stärke für sich nutzbar zu machen und eine gemeinsame Kraft zu entwickeln? Die Team-Mitglieder von so bunt gemischten Start-ups begegnen einander wie selbstverständlich gleichberechtigt, wertschätzend und freundschaftlich, also in Subjektbeziehungen. Teams in etablierten Unternehmen, mit hierarchischen Strukturen und vorgegebenen Ziel- und Leistungsanforderungen haben oftmals diese Fähigkeit verlernt und sind in Objektbeziehungen gefangen. Die Lektüre des Buches mit seinen beiden Teilen soll zum Nachdenken, zur Adaption und Übertragung des Dargestellten auf das eigene Geschäft und Umfeld anregen. Es soll Mut zum Partnering machen und zugleich auf die Zusammenarbeit mit Partnern (und nötigenfalls auch mit Juristen) vorbereiten. Es ist bewusst neutral und abstrakt gehalten. Die allgemeingültige Darstellung und klare Gliederung gehen vor, anstatt auf eine einzelne Zielgruppe, ein bestimmtes Marktsegment, eine Branche oder eine spezielle Absatzart zu fokussieren. Eine lockere Schreibweise, viele Praxistipps und plastische Beispiele sollen das Lesen erleichtern, aber auch beim Verständnis und dem „in Erinnerung behalten“ helfen. Bevor Sie sich aber in die Lektüre stürzen, möchten wir hier noch eine Anmerkung machen, die uns sehr am Herzen liegt. Dieses Buch ist auch ein deutliches Votum für Fairness und Menschlichkeit in der Zusammenarbeit mit Partnern. Partner Management bedeutet eben nicht, dass Sie lernen sollen, wie man einen Partner „managed“, ihn also durch die Manege führt und zum Objekt eigener Interessen und Ziele macht. Partner Management sowohl intern als auch extern bedeutet, eine subjektbezogene Beziehung zwischen den Partnern – also immer Menschen – so aufzubauen und zu pflegen, wie man sie auch in einer privaten Beziehung wünscht und anstreben sollte: die Würde des Partners respektierend, tolerant, fair und integer. So wird man in einer Partnerschaft glücklich und das ist das Ziel.

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Vorwort

Viel Spaß also beim Lesen und Erfolg nach der Umsetzung! Berlin, Deutschland Wien, Österreich

Klaus Krause Dr. Tobias Schnitzler

Inhaltsverzeichnis

Teil I  Externes Partner Management 1 Privates und Geschäftliches��������������������������������������������������������������������������������   3 2 Operatives Partner Management ����������������������������������������������������������������������   7 2.1 Ziele von Geschäftspartnerschaften��������������������������������������������������������������   8 2.2 Smart Partnering ������������������������������������������������������������������������������������������   9 2.2.1 Enge Zusammenarbeit����������������������������������������������������������������������   9 2.2.2 Der richtige Geschäftspartner ����������������������������������������������������������  10 2.2.3 Das Partner-Eco-System ������������������������������������������������������������������  11 2.2.4 Pflege des Partner-Eco-Systems��������������������������������������������������������  11 2.2.5 Partnerkategorien������������������������������������������������������������������������������  13 2.2.6 Partnerbeziehungen��������������������������������������������������������������������������  18 2.2.7 Die Aufgaben des Partner Management ������������������������������������������  20 2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft�����������������������������������������������������������������  24 2.3.1 Stufe 1 – Partnerauswahl������������������������������������������������������������������  25 2.3.2 Stufe 2 – Vertragsverhandlung und Abschluss����������������������������������  38 2.3.3 Stufe 3 – Implementation des Vertrages ������������������������������������������  49 2.3.4 Stufe 4 – Anwendung des Vertrages ������������������������������������������������  55 2.3.5 Stufe 5 – Terminierung einer Partnerschaft��������������������������������������  62 3 Vertiefungen���������������������������������������������������������������������������������������������������������  71 3.1 Partnerauswahl und operatives Assessment��������������������������������������������������  72 3.1.1 Warum ist Sorgfalt bei der Partnerwahl so wichtig?������������������������  72 3.1.2 Auswahlprozess��������������������������������������������������������������������������������  73 3.1.3 Operatives Assessment����������������������������������������������������������������������  73 3.1.4 OSQ Beispiele (Tab. 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4) ��������������������������������������  76 3.2 Das Partner-Eco-System ������������������������������������������������������������������������������  79 3.2.1 Struktur und Elemente eines Partner-Eco-Systems��������������������������  81 3.2.2 Wertschöpfende und wertschädigende Faktoren������������������������������  84 3.2.3 Pflege, Bereinigung und Herauslösung��������������������������������������������  86

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Inhaltsverzeichnis

3.3 Der Angebotsprozess������������������������������������������������������������������������������������  87 3.3.1 RfX: Anbieten in drei Phasen ����������������������������������������������������������  88 3.3.2 Angebotsannahme����������������������������������������������������������������������������  91 3.4 Engagement-Models ������������������������������������������������������������������������������������  92 3.4.1 Direkter oder indirekter Vertrieb������������������������������������������������������  93 3.4.2 Beschaffungsorientierte Geschäftsmodelle��������������������������������������  95 3.5 Typische Geschäftsverträge��������������������������������������������������������������������������  98 3.5.1 Non-Disclosure Agreements NDA����������������������������������������������������  99 3.5.2 Letter of Intent, Memorandum of Understanding���������������������������� 100 3.5.3 Rahmenabkommen – Frame Agreements ���������������������������������������� 100 3.5.4 Rahmenabkommen – Anhänge �������������������������������������������������������� 100 3.5.5 Typisches Statement-of-Work SoW�������������������������������������������������� 102 3.5.6 Typisches Maintenance and Support Agreement MSA�������������������� 113 3.6 Informationssicherheit���������������������������������������������������������������������������������� 118 3.6.1 Ziele�������������������������������������������������������������������������������������������������� 118 3.6.2 Informationssicherheit – Meine persönliche Verantwortung!���������� 119 3.6.3 Gründe für Sicherheitsprobleme ������������������������������������������������������ 120 3.6.4 Konsequenzen bei Missachtung�������������������������������������������������������� 121 3.6.5 Was ist zu beachten!�������������������������������������������������������������������������� 121 3.6.6 IPR Schutz (Intellectual Property Rights)���������������������������������������� 122 3.6.7 Informationssicherheit zwischen Partnern���������������������������������������� 123 3.6.8 Informationssicherheit bei Geschäftspartnern���������������������������������� 127 3.7 Claim Management�������������������������������������������������������������������������������������� 128 3.7.1 Definitionen�������������������������������������������������������������������������������������� 129 3.7.2 Vor RfS/TAcc������������������������������������������������������������������������������������ 130 3.7.3 Nach RfS/TAcc �������������������������������������������������������������������������������� 131 3.7.4 Vertragsbeziehungen ������������������������������������������������������������������������ 132 3.7.5 Prozess���������������������������������������������������������������������������������������������� 133 3.8 Vertragsarchivierung ������������������������������������������������������������������������������������ 135 3.8.1 Einleitung������������������������������������������������������������������������������������������ 135 3.8.2 Allgemeines�������������������������������������������������������������������������������������� 137 3.8.3 Anforderungen an Firmenprozesse �������������������������������������������������� 138 3.8.4 Anforderungen an das Vertragsarchiv���������������������������������������������� 139 3.9 Organisation – RACI und MoO�������������������������������������������������������������������� 141 3.9.1 MoO für den Use Case „Lieferant“�������������������������������������������������� 143 3.10 Kaizen – Ändere zum Besseren�������������������������������������������������������������������� 146 3.10.1 Die 5S des Kaizen���������������������������������������������������������������������������� 147 3.10.2 Take a Muda-Walk���������������������������������������������������������������������������� 147 3.10.3 Was ist Muda?���������������������������������������������������������������������������������� 149

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4 Strategisches Partner Management ������������������������������������������������������������������ 151 4.1 Einleitung������������������������������������������������������������������������������������������������������ 152 4.2 Strategische Methoden���������������������������������������������������������������������������������� 153 5 Interest Management������������������������������������������������������������������������������������������ 157 5.1 Einführung���������������������������������������������������������������������������������������������������� 157 5.2 Wettbewerb, unser archaisches Handlungsmuster���������������������������������������� 158 5.3 Zusammenarbeit als Mittel des Wettbewerbs����������������������������������������������� 159 5.4 Zusammenarbeit als Mittel des gemeinsamen Erfolgs �������������������������������� 160 5.5 Ko-Kreativität, weil man damit weiterkommt! �������������������������������������������� 161 5.6 Interest-Management als Methode���������������������������������������������������������������� 163 Teil II  Internes Partner Management 6 Herausforderungen aus dem rasanten technischen Wandel���������������������������� 169 7 Die ganzheitliche Wertschöpfung von Arbeit���������������������������������������������������� 171 7.1 Trends und Probleme der jetzigen Arbeitswelt �������������������������������������������� 172 7.2 Die Rolle von Umfeld, Beziehungen und Empathie������������������������������������ 173 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 174 8 Zustände und Konsequenzen des internen Partnerings ���������������������������������� 175 8.1 Welche Zustände existieren?������������������������������������������������������������������������ 175 8.2 Konsequenzen ���������������������������������������������������������������������������������������������� 176 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 179 9 Neues Tool – der WeQ-Test �������������������������������������������������������������������������������� 181 9.1 Die Fähigkeit zur Teamentwicklung ������������������������������������������������������������ 181 9.2 Die Inhalte des WeQ-Tests���������������������������������������������������������������������������� 182 9.3 Die Anwendung des WeQ-Tests�������������������������������������������������������������������� 185 9.4 Die Auswertung des WeQ-Tests�������������������������������������������������������������������� 188 9.5 Möglichkeiten in der Praxis�������������������������������������������������������������������������� 189 9.6 Zusammenfassung���������������������������������������������������������������������������������������� 190 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 191 10 Praxisbeispiele������������������������������������������������������������������������������������������������������ 193 10.1 Vergleiche von Start-ups und NGOs���������������������������������������������������������� 193 10.2 Alte Behörde und moderne NGO �������������������������������������������������������������� 199 10.3 Einige Maßnahmen und Achievements������������������������������������������������������ 201 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 202 11 Internes Partnering – neu gedacht �������������������������������������������������������������������� 203 11.1 Der Weg ist das Ziel������������������������������������������������������������������������������������ 204 11.2 Wo könnte der Test einfließen? ������������������������������������������������������������������ 204 11.3 Benchmarking in verschiedenen Netzwerken�������������������������������������������� 205

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Inhaltsverzeichnis

12 Aufforderung: Was können wir darüber hinaus tun?�������������������������������������� 207 12.1 Ein liebevoller Umgang miteinander���������������������������������������������������������� 208 12.2 Die Bedeutung des Moments���������������������������������������������������������������������� 208 12.3 Was steckt hinter dem Wort Gelingen�������������������������������������������������������� 209 12.4 Die Entscheidung für eine liebevolle Beziehung���������������������������������������� 209 13 Wissenschaftliches������������������������������������������������������������������������������������������������ 213 13.1 Zusammenarbeit – das Konzept������������������������������������������������������������������ 213 13.2 Erkenntnisse der Neurobiologie������������������������������������������������������������������ 216 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 216 Nachwort���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 219 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Teil I Externes Partner Management

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Privates und Geschäftliches

Zusammenfassung

In diesem Kapitel wird zum Einstieg ein Vergleich zwischen privaten und geschäftlichen Partnerschaften ausgeführt, um daraus Erkenntnisse für erforderliche Werte und Verhaltensweisen abzuleiten, die für den Erfolg einer Partnerschaft entscheidend sind.

Über Partner Management nachzudenken und zu schreiben, legt den Vergleich zur Partnerschaft im privaten Leben nahe. Wir sprechen von Partnern, Partnerschaft, Beziehungen und Ehe und es ist richtig und wichtig, über die Zwischenmenschlichkeit nachzudenken. Partnerschaft im beruflichen Sinne bedeutet nämlich in erster Linie Partnerschaft zwischen Menschen und dann erst die vertraglich geregelte Partnerschaft zwischen Gesellschaften und Unternehmen. Nur wenn der zwischenmenschliche Teil einer Geschäftspartnerschaft gut funktioniert, wird der geschäftliche Teil auch erfolgreich sein können. Deshalb unterscheidet sich in Abb. 1.1 die private von der geschäftlichen Partnerschaft so gesehen nicht. Lediglich dem Vertrag, der im Geschäftlichen üblich ist, mag im Privaten die Eheschließung oder ein ausgesprochenes Bekenntnis gegenüberstehen. Es lohnt sich einmal darüber nachzudenken, weshalb die meisten Menschen nach einem Lebenspartner oder zumindest Lebensabschnittsgefährten suchen. Dieser neutrale Begriff impliziert auch ein wichtiges Element des Partner Managements, nämlich die sogenannte „Termination“, die Beendigung einer Partnerschaft. Was bringt uns Menschen also dazu, in Partnerschaften durch unser Leben gehen zu wollen? Die Frage nach dem Wieso beinhaltet den ersten und sehr wichtigen Schritt in einer solchen „Unternehmung“. Wenn man nämlich nach Veränderung und Erneuerung trachtet, © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_1

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1  Privates und Geschäftliches

Abb. 1.1  Private und geschäftliche Partnerschaft

dann sollte man sich klar werden, wozu man diese Veränderung will und was man damit erreichen möchte. Hat man einen potenziellen Partner gefunden, dann wird die berühmte „Chemie“ nur stimmen, wenn dieser Partner (hier sind stets alle Geschlechter gemeint) den Erwartungen genügt. Manches ist uns dabei sehr wichtig, manches akzeptieren wir und manche Eigenschaft verdrängen wir lieber, um später darüber womöglich zu stolpern. Nach der Bindung folgt die Phase des Zusammenwachsens und des sich aneinander Gewöhnens. Vieles läuft hervorragend und wir sind glücklich. Kleine oder auch größere Probleme lassen sich lösen, wenn man nur offen miteinander spricht und sich zuhört. Missverständnisse können ausgeräumt und Kompromisse beschlossen werden. Diesem „Ramp-up“ am Anfang folgt der Alltag, indem sich beweisen muss, ob die Zielvorstellungen, die Auswahl und das Zusammenwachsen erfolgreich waren. Nach einiger Zeit wird es zu Nachbesserungen kommen müssen, denn Interessen und auch Persönlichkeiten verändern sich oder entwickeln sich weiter. Kann man immer offen und ehrlich miteinander kommunizieren, so entsteht aus dieser Veränderung sogar eine Chance für vielfältige und spannende Erneuerungen, die beide Partner als Bereicherung empfinden werden. Gelingt diese Erneuerung nicht, oder treffen uns äußere Einwirkungen und Schicksalsschläge, so kommt es zum ungewollten oder auch erforderlichen Ende. Dann ist es wieder eine Sache der Kommunikationsfähigkeit, ob man im Chaos und Rosenkrieg versinkt, oder geordnet und fair die Partnerschaft zu Ende bringt. Auch der Tod eines Partners kann dieses Chaos zur Folge haben, wenn nicht zuvor vertrauensvolle Gespräche auch diese Eventualität z. B. durch ein Testament vorbereitet haben.

Menschliche Partnerschaften sind von fünf Phasen geprägt:

Phase 1 ist der Beschluss der Suche nach einem Partner und die Vorstellung vom Wunsch- oder Traumpartner. Phase 2 ist das Kennenlernen, das Bekenntnis und die Bindung. Phase 3 wird vom Zusammenrücken und Vertrauensbildung geprägt. Phase 4 bedeutet das aktive Zusammenleben in der gemeinsam gepflegten Partnerschaft. Phase 5 endet schließlich mit der Trennung, aus welchen Gründen auch immer.

1  Privates und Geschäftliches

5

Übersetzt auf die Sprache des Partner Managements nutzen wir die Begriffe: Auswahl-, Vertrags-, Implementations-, Anwendungs- und Terminierungsphase. Auf diese fünf Phasen werden wir in den nachfolgenden Kapiteln noch genauer eingehen. Hier soll zunächst betrachtet werden, was die Beweggründe eines Unternehmers1 sindoder sein sollten – Partnerschaften einzugehen. Folgende kleine Definition hat sich im Berufsleben sehr oft bewahrheitet, und zwar sowohl für selbstständige als auch für angestellte Unternehmerpersönlichkeiten. Den wahren Unternehmer kennzeichnet, dass sein Handeln stets von drei Faktoren bestimmt ist, die man beinahe als seine drei Freuden bezeichnen möchte:

Die Freude, zu verändern, um zu verbessern. Die Freude an der Zusammenarbeit mit anderen Menschen. Die Freude am gemeinsamen Erfolg.

Die erste Freude bedeutet, stets die Initiative zu ergreifen, wenn es etwas zu verbessern oder gar völlig neu zu machen gilt, sowie dies als niemals endenden Prozess zu begreifen und zu leben. Die zweite Freude ist dadurch bestimmt, ob man in der Lage ist, loszulassen, Verantwortung abzugeben und anderen Menschen zu vertrauen, sowie von dem Bewusstsein, nicht immer selbst der Beste in allen Disziplinen sein zu können und zu müssen. Die dritte Freude schließlich ist die Bereitschaft, gemeinsam zu ernten und fair zu teilen. Nur wer den gleichberechtigten Erfolg seiner mitwirkenden Partner ermöglicht, wird nachhaltig erfolgreich sein, sowohl im Berufsleben als auch im Privaten. Nennen wir es die Gleichung des Erfolges (Abb. 1.2). Erfüllt man nämlich alle drei Komponenten, dann ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg gegeben. Kreativität und Fairness sind dabei wohl eher persönliche Eigenschaften, gutes „Partnern“ kann man lernen.

Kreativität

Partnerschaft

Fairness

Erfolg

Abb. 1.2  Die Gleichung des Erfolges

 Es sei hier explizit darauf hingewiesen, dass selbst wenn die männliche Form genutzt wird, stets alle Geschlechter gemeint sind, also Unternehmer und Unternehmerinnen, Manager und Managerinnen, Lieferanten und Lieferantinnen usw.

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1  Privates und Geschäftliches

Für erfolgreiche und langlebige Partnerschaften sind Integrität, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Offenheit als die wesentlichen menschlichen Tugenden die wichtigsten Voraussetzungen. Alles Fachliche und Operative allerdings kann man erlernen, und dabei soll dieses Praxishandbuch helfen. cc

Und gleich vorneweg ein Praxis-Tipp: Gehen Sie in sich und seien Sie ehrlich mit sich! Wenn Sie Freude daran haben, mit anderen Menschen zu kommunizieren und zu arbeiten, wenn Sie sich nicht scheuen, auch mit völlig fremden Menschen in Kontakt zu treten, wenn Sie jede Mail beantworten wollen, weil Ihnen das der Respekt vor dem Absender befiehlt, wenn Sie nicht am liebsten in Ruhe gelassen werden wollen und alle anderen Sie nur nerven … dann sind Sie als Partner Manager geeignet. Müssen Sie sich aber ehrlich eingestehen, dass Sie ein paar Fragen oben abschlägig beantworten mussten, sollten Sie die Finger davon lassen. Sie schaden sich, Ihrem Unternehmen und ärgern andere!

Zusammenfassung In dieser Einleitung zum ersten Teil des Buches wurden die Parallelen zwischen privaten und geschäftlichen Partnerschaften aufgezeigt und diese in die fünf Phasen der Partnerschaft eingeteilt. Außerdem wurden einige Anmerkungen gemacht, die sich auf wichtige Werte und Voraussetzungen beziehen, die Partnerschaften erfolgreich machen. Im nächsten Kapitel wird nun das „Operative Partner Management“ im Unternehmen dargestellt.

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Operatives Partner Management

Zu Kaisers Zeiten war alles anders

Zusammenfassung

Dieses Kapitel beschreibt ausführlich, welche Ziele modernes Partner Management verfolgt, welche Begriffe und Methoden dafür angewendet werden und welchen Strukturen man bei der Umsetzung folgen kann.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_2

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2  Operatives Partner Management

Foto: Ulf Kleiner

2.1

Ziele von Geschäftspartnerschaften

Die innovativen Gründer von späteren Großkonzernen waren noch gezwungen, quasi vom Rohmaterial an alles selbst zu herzustellen, weil es noch keine heterogene, globalisierte Wirtschaftswelt gab, in der man nahezu beliebig auf Zulieferer und Dienstleister zurückgreifen konnte. Nationale und politische Schranken waren Teil der Gründerzeit des vergangenen Jahrhunderts. Aber diese Zeiten, in denen Unternehmen all-rounder sein mussten, die jegliche Leistung mit eigenen Angestellten und internen Dienstleistern erbrachten, sind vorüber. Über die Jahrzehnte seit der industriellen Revolution hat sich dies geändert und es sind immer komplexere und internationale Geflechte von Geschäftspartnerschaften entstanden. Niemand produziert, wie auf einer einsamen Insel und ist dabei hundertprozentiger Selbstversorger. Jedes Unternehmen ist gezwungen, Verträge mit Dritten abzuschließen. Angestellte, Dienstleister, Zulieferer, Kunden und Mitarbeiter, alle zusammen bilden das Partner-Eco-System eines Unternehmens. Die Verträge regeln die Rechte und Pflichten zwischen Ihnen und diesen Partnern.

2.2 Smart Partnering

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Was sind die Handlungs-Maxime und die Ziele beim Aufbau des Partner-Eco-Systems?

Dafür seien hier folgende fünf Hauptziele genannt: 1. Kunden: Alles Handeln orientiert sich an der Kundenzufriedenheit! 2. Partner: Die Auswahl der richtigen Partner ist von strategischer Bedeutung! 3. Verträge: Sorgfältig verhandelte und gepflegte Verträge mit Kunden und Partnern sichern den nachhaltigen Erfolg! 4. Wertschöpfung: Die „make-or-buy“ Entscheidung wird anhand der erzielbaren Wertschöpfung getroffen! 5. Teambildung: Alle beteiligten Personen bilden ein Team, das nur erfolgreich ist, wenn jeder seinen fairen Anteil am Erfolg hat und darin nicht zum Objekt der Ziele anderer gemacht wird! Im folgenden Abschnitt wird nun ein Einstieg in die Aufgaben, Verantwortungen und Methoden des Partner Management gegeben. Wir werden beleuchten, was man als „Smart Partnering“ bezeichnen kann. Dieser Einstieg ist auch als Anregung für solche Leser gedacht, die in etablierten Unternehmen arbeiten und nach Verbesserungspotenzialen suchen. Partner Management als zentrale Funktion im Unternehmen ist eine effektive und nachhaltige Verbesserung (und entlastet den Einkauf!).

2.2

Smart Partnering

Smart – ist ein englisches Wort für geschickt, elegant, proper und viele weitere Adjektive der deutschen Sprache! Das Partner Management soll also geschickt, elegant und proper aufgestellt sein und agieren. Für ein Unternehmen bedeutet dies konkret:

2.2.1 Enge Zusammenarbeit Für den Erfolg eines Unternehmens ist es essenziell, in engem Kontakt mit allen Partnern und Kunden zusammenzuarbeiten. Die Stabilität dieser Zusammenarbeit ist dabei nur zu gewährleisten, wenn die zuständigen Personen nicht fortwährend wechseln. Vertrauen bekommt man nicht geschenkt, sondern man muss es sich über längere Zeit verdienen und dann sorgsam erhalten, um es nicht binnen Sekunden wieder zu verlieren. In vertrauensvollen Beziehungen ist es wichtig, miteinander zu sprechen anstatt übereinander. Persönliche und regelmäßige Begegnungen gehören dazu. Gehen Sie davon aus, dass sich Ihr Gegenüber ebenso loyal zu seinem Unternehmen verhält, wie Sie zu Ihrem, und dass er ebenso Freude und Erfolg an der Arbeit haben möchte, wie Sie. Nehmen Sie sich also die Zeit, Ihre Gesprächspartner kennenzulernen

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2  Operatives Partner Management

und ihre Interessen und Befugnisse zu erkunden. Es ist das Beste, wenn man dies als Ziel der ersten Besprechungen offen anspricht. Das gilt natürlich auch im eigenen Unternehmen, wenn man neue Kollegen oder Mitarbeiter trifft oder wenn man ein Start-up gründen und das Team aufbauen möchte. Es mag trivial klingen, aber ein respektvoller Umgang ist unbedingt erforderlich und zeigt sich bereits in Kleinigkeiten. Schriftwechsel, Mails und Anrufe müssen umgehend beantwortet (zumindest mit einem „ich kümmere mich bis dann und dann darum!“) und sowohl sorgfältig als auch fehlerfrei formuliert und geschrieben werden. Besprechungsprotokolle und Telefonnotizen sind ebenfalls ein Kennzeichen von Sorgfalt und Zuverlässigkeit und erst recht die termingerechte Erfüllung aller vereinbarten „Action Items“. Säumigkeit und Leichtfertigkeit im Umgang mit Partnern führt zu berechtigtem Misstrauen. Und so wie es einem selbst guttut, bricht man sich nichts „aus der Krone“, wenn man Anerkennung und Lob auch mal für andere ausspricht, oder als Feedback per Mail schreibt. Entwickeln Sie also in Ihrem Unternehmen eine ausgeprägte und ehrliche Netiquette im zwischenmenschlichen Umgang. Es lohnt sich! Alle Menschen sind Individuen und keine Maschinen. Toleranz, Respekt und Geduld sind die Grundvoraussetzungen für ein friedliches und erfolgreiches Miteinander!

2.2.2 Der richtige Geschäftspartner Der richtige Geschäftspartner stärkt die Leistungsfähigkeit Ihres Unternehmens, beschleunigt Erfolge und hilft, eine bessere Kundenbeziehung aufzubauen.

Mit den richtigen Geschäftspartnern gewinnen Sie Vorteile, wie z. B.:

Flexibilität in allen operativen Bereichen Kosteneffizienz durch Nutzung der Kosteneffizienz der besten Partner Innovation durch gemeinsames Entwickeln und Nutzen neuer Ideen Top Qualität durch die Qualitätsvorteile Ihrer Partner Top Position am Markt durch gemeinsame, kombinierte Angebote

Die Partner werden strategisch ausgewählt. Dem zugrunde liegt die eigene kurz-, mittel- und langfristige Geschäfts- und Produktplanung. Projekte und Portfolio-Entwick­ lungen müssen mit Vertrieben und Marketing-Fachleuten und in enger Zusammenar­ beit mit den Kunden in einer Roadmap umgesetzt werden. Diese Roadmap ist die Grundlage für die Auswahl der Partner und kann umgekehrt auch aus der engen Zusammenarbeit mit vorhandenen Partnern beeinflusst werden. Es ist also unverzichtbar, seinen Kunden und Lieferanten zuzuhören, ihnen Wettbewerbsvorteilen zu ermöglichen, sowie ein gemeinsames Risiko-Management aufzu-

2.2 Smart Partnering

11

bauen. Nur durch Professionalität gewinnt man Vertrauen und baut belastbare Partnerschaften auf. Das Ziel ist, stets der Erste zu sein, mit dem Ihr Kunde oder Lieferant über neue Geschäftsideen spricht.

2.2.3 Das Partner-Eco-System Das entstehende Partner-Eco-System muss kontinuierlich gepflegt und weiterentwickelt werden, da sowohl im eigenen Unternehmen als auch bei den Geschäftspartnern die jeweiligen Portfolio-Lebenszyklen (lifecycle management) zu permanenten Veränderungen führen werden. Partner Management ist also, wie in Abb. 2.1 dargestellt, eine perpetuelle und funktionsübergreifende Aufgabe und Verantwortung, mit der alle Partnerbeziehungen gleichermaßen gepflegt werden und alle Partner in den eigenen „Create Process“ und das übergeordnete Geschäftsmodell eingebettet sind. Die in Kap.  1 bereits beschriebenen fünf Phasen der Partnerschaft umfassen in der professionellen Umsetzung die in Tab. 2.1 dargestellten Aktionen und Risiken. Im Abschn. 2.3 wird darauf noch detailliert eingegangen werden.

2.2.4 Pflege des Partner-Eco-Systems Wie in jedem Haushalt gehören regelmäßige Routineaufgaben auch zur Pflege eines Partner-­Eco-Systems.

Terminierung ► ► ► ► ► ►

Kunden-/Marktanforderung Partner-/Lieferantenanfrage Neue Ideen Wettbewerb Portfolio-Entwicklung Etc.

Betrieb

Vertrag

Implementation

Abb. 2.1  Perpetueller Prozess

Selektion

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2  Operatives Partner Management

Tab. 2.1  Aktionen und Risiken in den fünf Phasen der Partnerschaft Phase Aktion Partnerauswahl – Anforderungen und Partnerschaftsform festlegen. – Potenzielle Partner suchen, bewerten, auswählen und Kontakt aufnehmen. Vertrag – Erfüllung der Anforderungen überprüfen. – Vertrag verhandeln und abschließen. Implementation – Umsetzung des Vertrages im Unternehmen. – Training und Übergabe an die zuständigen operativen Abteilungen. Anwendung – Ausführung des Vertrages, Kontrolle und Dokumentation. – Kontinuierliche Verbesserung, Kaizen.a Terminierung – Beschluss nach Geschäftsbedarf. – Gemäß vertraglicher Regelung.

Risiken – Vorbereitungsarbeit nicht vollständig. – Falscher Partner ausgewählt. – Fehleinschätzung des Partners. – Vertrag unvollständig oder nicht optimal. – Fehlende oder ungeeignete vertragliche Regelungen. – Interne Umsetzungsschwierigkeiten. – Verdeckte Mängel der Leistungen. – Fehlende oder ungeeignete vertragliche Regelungen. – Terminierungskosten.

Kaizen – Japanisch, Ändere (kai) zum Besseren (zen), siehe Abschn. 3.10

a

Manche Aufgaben dienen der Pflege des existierenden Systems, sind also operative Arbeiten. Andere dienen der Weiterentwicklung und Verbesserung des Systems und haben deshalb strategischen Charakter. Folgende Beispiele sind operative Aufgaben, die der Sicherung des Umsatzes dienen:

Regelmäßige Abstimmung und Koordination von operativen Prozessen, Projekten und Auftragsprognosen. Anpassung des existierenden Vertragswerkes z. B. an sich verändernde Geschäftsbedingungen oder zur Verbesserung der Abläufe. Klärung, Behebung oder Beilegung von Nichterfüllungen (Claim Management). IPR- Management und Informationssicherheit (Überwachung, Koordination). Verbesserungsprozesse (Kaizen), Trainings und „Lessons Learned“ (intern und extern).

Folgende Beispiele sind strategische Aufgaben, die neue Umsätze ermöglichen sollen:

Entwicklung einer Partnerstrategie aus der eigenen Portfolioplanung. Pflege und Anpassung des existierenden Partner-Eco-Systems durch Hinzunahmen oder Terminierungen. Entwicklung neuer Geschäftsfelder in enger Zusammenarbeit mit strategischen Partnern.

2.2 Smart Partnering

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2.2.5 Partnerkategorien Partner ist nicht gleich Partner! Je nach Aufgabe und Ziel benötigt man unterschiedliche Partner mit unterschiedlichen Partnerschaftsformen (engagement model) und Verträgen. Auch die Zusammenarbeit kann sehr unterschiedlich sein, je nachdem ob es z. B. um die Kantine im Haus, eine Spedition oder den Lieferanten einer „High-Tech“ Komponente geht. Am Anfang jeder Arbeit sollte die Erstellung einer Ordnung stehen, die es erleichtert strukturiert und gezielt zu handeln. Zur Erläuterung werden hier nun einige Beispiele für Partnerkategorien und Unterscheidungen vorgestellt. Beginnen wir mit der Unterscheidung zwischen „direktem“ und „indirektem“ Material, wobei sich gleich zeigen wird, dass der Begriff „Material“ nicht nur Dingliches umfasst. Die beiden Begriffe „direct material“ und „indirect material“ werden auch im englischen Sprachraum1 benutzt. Etwas klischeehaft formuliert, ist das direkte Material der Datenträger, auf dem ein Software-Produkt gespeichert wird, um später in Elektro-Supermarkt verkauft zu werden. Dem hingegen sind die Cola und die Pizza, die ein Software-Entwickler beim Schreiben der Software unbedingt braucht, indirektes Material. Es ist unverzichtbar, um überhaupt produzieren zu können, wird aber selbst nicht ausgeliefert.

Indirektes Material Zum indirekten Material zählt alle Materialien, Maschinen, Werkzeuge (Hardware und Software), Lizenzen, Dienstleistungen, Mieten, Verbrauchsstoffe (Strom, Wasser, Gas) und Personalkosten, die nicht Teil der Produktlieferung (oder Kundenleistungen) selbst sind, die aber unbedingt für deren Erbringung benötigt werden. Personalkosten, die einem expliziten Kundenprojekt zugeordnet und dort abgerechnet werden können, gehören zum „direkten Material“. So spröde die Begriffe „direktes“ und „indirektes Material“ klingen mögen, so wichtig ist deren Unterscheidung. Alle Kosten für indirektes Material fallen nämlich auch dann an, wenn das Unternehmen nicht ein einziges Produkt verkauft, müssen aber dennoch  – irgendwann – durch den erzielten Umsatz gedeckt werden. Sie können also eine erhebliche Bürde für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens darstellen, wenn man ihnen nicht genug Aufmerksamkeit schenkt und sie aus dem Ruder laufen. Kaufleute werden zudem auch bilanz- und steuerrechtliche Unterschiede kennen, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll. Wie indirektes Material im Unternehmen kategorisiert wird, wie der Einkauf und die Bereitstellung erfolgt und die Kosten erfasst werden, muss den Bedürfnissen eines Unter-

 In unserer globalisierten Welt ist Englisch Kommunikationsmittel und sehr oft auch Vertragssprache. Deshalb werden in diesem Buch die im englischen Sprachraum üblichen Begriffe beibehalten.

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2  Operatives Partner Management

nehmens angepasst und entsprechend festgelegt werden. Ordnung, Struktur und feste Zuständigkeiten sollten von Anfang an eingerichtet und eingehalten werden und dabei die gleiche Aufmerksamkeit erhalten, wie die kundenbezogenen direkten Materialien.

Direktes Material Wie oben beschrieben, wird mit „direktem Material“ jegliches Material, Produkt oder Dienstleistung bezeichnet, das Teil einer Lieferung oder Kundendienstleistung ist. Wichtig ist, dass den Kategorien stets ein Bereich zugeordnet wird, der die fachliche Geschäftsverantwortung für die fünf Stufen der Partnerschaft übernimmt. Das Partner Management ist dann verantwortlich für die Koordination und den Abgleich mit anderen firmeninternen Interessensgruppen, wie Einkauf, Kaufmannschaft, Logistik oder Vertrieb. cc

Praxis-Tipp: Für die Haushaltspflege der einzelnen Partnerkategorien sollten feste Vertreter der Interessensgruppen und Entscheidungsträger bestimmt und deren Zusammenarbeiten festgelegt werden.

In Abb. 2.2 wird ein tabellarischer Überblick über beispielhafte Partnerkategorien gegeben, die allerdings je nach Unternehmung und Bedarf anders gestaltet werden können. Eingebettetes Material Jegliches Material – sei es Hardware oder Software – das nicht im Unternehmen selbst hergestellt wird, sondern eingekauft werden muss, um im Produkt verbaut zu werden, ohne dabei als Fremdmaterial für den Kunden erkennbar zu sein, bezeichnet man als „embedded material“. Weder der jeweilige Hersteller noch ein expliziter Preis werden ausgewiesen, bzw. sind durch den Kunden wählbar.

Charakterisierung

Eingebettet

Lösungs-partner

o Voll integriert in das Produktangebot. o Nicht für den Kunden sichtbar (kein eigenes „Preisschild“). o Komplementierende Komponenten/Systeme anderer Hersteller (kontrollierte Partnerschaft - „co-opetition“)

o Sichtbar für Kunden (mit eigenem „Preisschild“)

 Entwicklung

 Produkt Management

o Projektspezifische Dienstleister (z. B. Service)

 Vertrieb

o Externe Ressourcen (z. B. Entwicklung) o In Portfolio-Budget-Planung enthalten

 Entwicklung  Service  Lieferlogistik

Unterauf-tragnehmer o Vertriebs- oder Integrationspartner

Dienstleister

Geschäftsverantwortung

Abb. 2.2 Partnerkategorien

2.2 Smart Partnering

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Allerdings muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass alle verbauten Materialien in Materiallisten detailliert aufgeführt werden, um sie z. B. einer Zoll- oder Exportbehörde vorlegen zu können. Genaue und vollständige Materiallisten sind ohnehin Kern aller software-gestützten ERP-Systeme (enterprise resource planning), ohne die heute kein Unternehmen mehr hochwertig, nachhaltig und kostenoptimal produzieren kann. Eingebettetes Material bedarf eines regelmäßigen internen Lebenszyklus-Managements, da auch Fremdprodukte weiterentwickelt, verbessert oder gar abgekündigt werden. Es kann zu Kompatibilitäts- oder auch Kostenproblemen kommen. Diese sollten in einem angemessen häufig tagenden Gremium diskutiert und behandelt werden (PDCA2 und kontinuierliche Verbesserung, siehe Abschn. 3.10). In diesem Zusammenhang sollten wir auch einen Blick auf die sogenannte Open Source Software OSS werfen. Hierbei handelt es sich um Software-Komponenten, die man frei aus dem Internet herunterladen kann. Aber Vorsicht! Bereits wenn man Software auf einen Computer herunterlädt, der in einem Unternehmen steht, wird eine kommerzielle Nutzung unterstellt und man hat den gegebenen Lizenzbedingungen implizit zugestimmt. Dies trifft auch dann zu, wenn der Download durch einen eigentlich gar nicht dazu autorisierten Mitarbeiter erfolgte. Eine genaue Prüfung des Bedarfs, der Konsequenzen und der Lizenzbedingungen ist also erforderlich. Prüfen Sie eingehend ihren technischen Bedarf und die jeweilig gültige Lizenzform. Es gibt Lizenzformen, die aus Ihrer Software automatisch auch Open Source Software machen. Zudem müssen die Lizenztexte in Ihrem Produkt abrufbar sein, bzw. die Verwendung in Materiallisten offengelegt werden. Bitte bedenken Sie dabei, dass es automatische Source-Code-Checker gibt, die auch Rudimente von OSS-Komponenten nachweisen können. Außerdem sollten Sie sich unbedingt darüber im Klaren sein, dass es kein vertraglich gesichertes Lifecycle-Management und ebenfalls keine Korrekturansprüche gibt. Die Pflege der OSS-SW obliegt zumeist Einzelpersonen oder einer „Community“, die verpflichtungsfrei arbeitet. Die Geschäftsverantwortung, d. h. die Auswahl des eingebetteten Materials nach den Anforderungen an das eigene Produkt, obliegt in der Regel der Entwicklungsabteilung und wird mit dem Einkauf, der Qualitätssicherung, der Produktion und der hausinternen Exportkontrolle abgestimmt. Letztere muss entscheiden, ob z. B. eine elektronische Komponente oder ein verwendeter Verschlüsselungsalgorithmus der Beantragung einer besonderen Exportlizenz bedarf. cc

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Praxis-Tipp: Wer exportiert, trägt für die Zulässigkeit des Exports der gesamten Leistung die Verantwortung. Verstöße gegen geltendes Exportrecht sind in der Regel fatal, werden strafrechtlich geahndet und können bis zum generellen Exportverbot für ein Unternehmen führen.

 PDCA: Plan – Do – Check – Act bezeichnet einen Handlungszyklus.

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2  Operatives Partner Management

Lösungspartner Stellen Sie sich vor, sie sind ein Start-up-Unternehmen für Landmaschinen und wollen als besonderen „Unique-Selling-Point“ den Einsatz von getunten Sportwagenmotoren nutzen. Sie werden also einen Hersteller solcher Aggregate suchen, mit ihm verhandeln und ihren Traktor so entwickeln, dass das Kraftpaket hineinpasst, und Sie wollen natürlich bei Ihren Kunden mit der Marke des Zulieferers werben. Dessen Emblem soll auf Ihrer Motorhaube prangen und in Ihrem Werbematerial genutzt werden. Zudem wird Ihr Kunde wählen dürfen, ob er Ihr Produkt mit ihrem Standardmotor, oder der Sportversion A oder gar B kauft. Diese Wahlmöglichkeit findet sich in Ihren Katalogen und selbstverständlich in Ihren Preislisten. Es geht also um Fremdprodukte (auch Dienstleistungen), deren Umfang und Herkunft eine besondere Rolle in Ihrem Angebot spielen. Die Gründe können vielfältig sein, liegen aber sicherlich im Verantwortungsbereich Ihres Produkt-Managements, denn z.  B. die Entscheidung, keine eigene Motorenentwicklung aufzubauen, ist rein strategischer Art und wird nicht einzig Ihrer Entwicklungsabteilung obliegen. In der Regel erfordert die Zusammenarbeit mit Lösungspartnern wegen des wesentlich höheren Wertschöpfungsanteil auch höhere Aufwendungen, größere Teams und umfassendere Vertragswerke. Sehr oft sind solche Lösungspartner auch Wettbewerber, sei es aufgrund von Portfolio-Überlappungen oder regionalen Wettbewerbssituationen mit weiteren Kooperationspartnern. Es ist allerdings ausschließlich eine Frage des soliden Vertragswerkes, um die Zusammenarbeit auch mit einem Konkurrenten erfolgreich und dennoch legal zu gestalten. Es sei darauf hingewiesen, dass es sog. Anti-Trust-Gesetze gibt, die Ausschließlichkeits- oder Verzichtsklauseln, Preisabsprachen oder Ausgleichszahlungen verbieten.

2.2 Smart Partnering

cc

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Praxis-Tipp: Verhandeln und unterschreiben Sie nie einen Geschäftsvertrag ohne juristische Beratung und Begleitung!

Aufgrund eines deutlich relevanten Anteils des Fremdproduktes an Ihrer Wertschöpfung, ist es unbedingt erforderlich, mit dem Kooperationspartner regelmäßige Planungs- und Vereinbarungsgespräche zu führen. Es sind Roadmaps abzustimmen, gemeinsame USPs3 zu entwickeln, Logistikfragen zu klären oder Probleme in der Abwicklung zu beheben. Generell gilt, je mehr Sorgfalt am Anfang auf alle Aspekte der operativen Zusammenarbeit verwendet wurde, umso geringer fallen später die Probleme im Tagesgeschäft aus. Zur Verdeutlichung: Stellen Sie sich vor, Ihr Partner liefert Notstromaggregate, die erst vor Ort mit Ihrer Backstraße verbunden und in Betrieb genommen werden. Dies sollte auf keinen Fall erstmalig beim Kunden stattfinden. Viel besser ist es, wenn zuvor eine eingehende Typprüfung für die verschiedenen Varianten der Notstromaggregate und umfassende Integrations- und Kompatibilitätstests von Ihnen und Ihrem Partner durchgeführt wurden. Je früher ein Fehler erkannt wird, desto billiger ist seine Behebung. Unterauftragnehmer Die Vertriebs- oder Service-Infrastruktur eines Unternehmens kann schon aus Kostengründen nicht immer die gesamte Welt und alle Märkte abdecken. Aber es mag auch die Art eines Produktes dafür sorgen, dass bestimmte Regionen keine ausreichenden Absatzmöglichkeiten bieten (denken Sie an die Lebensmittelbranche). Also wird man sich bei lukrativen Einzelprojekten auf regionale Unterauftragnehmer stützen und für die Verpackung, den Transport und die Zollabwicklung besser einen eta­ blierten Logistik-Anbieter einsetzen. Solche Unterauftragnehmer mit ihren umfassenden Leistungspaketen sind ohnehin wichtiger Bestandteil des „overall delivery model“ vieler Unternehmen. Ein anderes Beispiel wäre ein Lösungspartner, der in einem Land ein gut funktionierendes Service-Netzwerk betreibt, das für Ihr Serviceangebot einzusetzen viel wirtschaftlicher ist, als dort ein eigenes Netzwerk aufzubauen. Kurz, Unterauftragnehmer sind wichtige Geschäftspartner. Auch hier muss entschieden werden, welche Leistung Ihr Portfolio sinnvoll ergänzt und ob es sich um einmalige oder generelle Beauftragungen handeln wird. Mit den erforderlichen Verträgen werden dann die prozessualen Abläufe so genau und so früh wie möglich festgelegt. cc

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Praxis-Tipp: Vereinbaren Sie für jede einzelne Beauftragung ein sogenanntes Statement-of-Work SoW.  Durch die genaue Beschreibung von Pflichten und Rechten wird Streit um Erfüllung oder Nichterfüllung des Vertrages vermieden.

 Unique Selling Points: Alleinstellungsmerkmale im Wettbewerb.

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2  Operatives Partner Management

Dienstleister Im Gegensatz zum Unterauftragnehmer, arbeitet der Dienstleister als zusätzliche Personal-­ Ressource. Sei es, dass Ihr Unternehmen nicht genug qualifizierte und zertifizierte Projektleiter hat oder Sie Entwickler einer bestimmten Fachrichtung nicht für ein Projekt fest einstellen wollen. Es gibt viele Gründe, Personal als Dienstleister und Berater (Consultants) einzustellen. In der Regel werden in den Vereinbarungen alle Rollen, Verantwortungen, Leistungen, Zieltermine oder Reaktionszeiten (Call-Center, 7x24-Notdienstkräfte) genau festgelegt. Alle intellektuellen Rechte an den Arbeitsergebnissen (wichtig im Entwicklungsbereich) liegen beim beauftragenden Unternehmen. cc

Praxis-Tipp: Prüfen Sie bei den Vertragsverhandlungen insbesondere die Klauseln zur Informationssicherheit und zum IPR-Schutz,4 beziehungsweise legen diese verbindlich nach Ihren Erfordernissen fest.

Die Geschäftsverantwortung liegt stets bei der Abteilung, die die Dienstleistung nutzt. Es ist sehr wichtig, da es ja um menschliche Ressourcen geht, dass frühzeitig und regelmäßig miteinander eine Budget- und Einsatzplanung durchgeführt wird. Auch Ihr Dienstleister will Urlaub machen oder hat noch andere Projekte, die einen „harten Anschlag“ erzwingen. Allen Partnerbeziehungen sowohl für indirektes als auch direktes Material ist aber gemeinsam, dass enger Kontakt und regelmäßige Kommunikation mit den Partnern wichtig sind. So weit möglich, sollten Sie Ihre Partner in das elektronische Abwicklungs- oder Projektsteuerungssystem Ihres Unternehmens einbinden. Dies hilft menschliche Irrtümer zu vermeiden, schafft Transparenz und ermöglicht regelmäßige Risiko-Abschätzungen. Ferner sollte in jeder Kategorie und nach wertanalytischen Gesichtspunkten (Einkaufsvolumen, strategische Bedeutung) mit den Partnern ein enger Austausch über Verbesserungspotenziale, Kostenentwicklungen und Einsparmöglichkeiten gepflegt werden. Da das indirekte Material auch „zu Buche“ schlägt, dürfen auch solche Kostenpositionen nicht aus den Augen verloren werden.

2.2.6 Partnerbeziehungen Jedes Unternehmen bewegt sich in einem Geflecht aus vertraglichen Bindungen aller Art, wie sie in Abb. 2.3 dargestellt sind. Dabei ist der Vertrag mit dem Kunden in Form von Rahmenverträgen, Projektverträgen und Einzelbeauftragungen (Purchase Order PO), der Ausgangs- und Bezugspunkt für alle anderen Verträge. Mit der Unterzeichnung einer verpflichtenden Vereinbarung mit einem Kunden, müssen alle Verträge mit den dafür erforderlichen Lieferanten und Dienstleistern belastbar und zielführend abgeschlossen sein (back-to-back, b2b), denn Ihr Unternehmen steht nun als

4

 IPR Intellectual Property Rights (siehe Abschn. 3.6.6).

2.2 Smart Partnering

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Ihr Kunde Liefervertrag

Lizenzabkommen

Separate vertragliche Beziehung

Ihr Kundenvertrieb Ihr Einkauf Global-/Projekt- Einkaufs- & Lizenzverträge

Ihr Partner/Lieferant Abb. 2.3 Partnerbeziehungen

Hauptauftragnehmer (prime contractor) gegenüber dem Kunden in der Bringschuld für alle vereinbarten Leistungen. Als Referenz für alle Obligationen, die Ihr Unternehmen gegenüber dem Kunden zu erfüllen hat, dient einzig und allein der unterzeichnete Kundenvertrag. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit kann – je nach Vertrag – z. B. mit dem Eintreffen einer unterzeichneten Bestellung (Purchase Order, PO) eintreten. Dies wird im Kundenvertrag explizit festgelegt. Typischer Weise wird der Kundenvertrag zwischen Ihrem Kundenvertrieb und dem Einkauf des Kunden abgeschlossen. Dann wird der Einkauf Ihres Unternehmens gemäß den bereits existierenden globalen oder projektspezifischen Lieferverträgen (auch Lizenzen z. B. für Software) die Materialbestellung initiieren: Je nach Art des Geschäftes und Liefermodell folgt die termingerechte Erfüllung der Lieferverpflichtungen. Alle Kontrollprozesse beziehen sich auf die Erfüllung der jeweiligen Verpflichtungen. Erkannte Risiken und gar Nichterfüllungen müssen umgehend eskaliert und möglichst abgewandt werden, um weder in die Pönalregelungen mit dem Kunden (z.  B. x% des PO-Wertes als Discount pro Verspätungswoche!) zu geraten, noch entsprechende Schadensersatzklauseln in den b2b-Verträgen in Anspruch nehmen zu müssen. Besonderes Augenmerk muss man auf die Bedingungen legen, die sich ergeben, wenn vor Ort mit einem Wettbewerber zusammengearbeitet werden muss. Solche Situationen können im Anlagenbau leicht entstehen z. B., wenn Anlagen interagieren müssen, parallel aufgestellt sind oder ein Lieferant den anderen ablösen soll (swap). In einem solchen Fall muss sorgfältig geprüft werden, welche technischen Unterlagen einander bereitzustellen sind. Generell gilt, je weniger desto besser! Entgegen einer weitverbreiteten Meinung, sind nicht nur Patente schützenswertes intellektuelles Eigentum eines Unternehmens. Jegliche proprietäre technische Unterlage, jedes herstellerspezifische Interface, Betriebsanleitungen, Montageanleitungen und ­Service-Handbücher usw., usw. sind geistiges Eigentum eines Unternehmens und müssen geschützt werden.

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2  Operatives Partner Management

Der Schutz erfolgt dadurch, dass …

1. dem Kunden alle Unterlagen vertraglich nur für den hausinternen Gebrauch zugesagt und zur Verfügung gestellt werden, sowie die Weitergabe an Dritte weder zur Einsicht noch zur Nutzung gestattet wird, 2. kein Dritter solche Unterlagen ohne eine gültige Lizenzvereinbarung erhält oder nutzen darf (ggf. kann die erhobene Lizenzgebühr sogar eine Abwehr darstellen) und 3. ebenso in allen b2b-Verträgen die Weitergabe solcher Informationen an Dritte ausgeschlossen wird. Selbstverständlich ist umgekehrt genau darauf zu achten, dass keinerlei IPRs Dritter verletzt werden, d. h. auch hier muss auf einer lizenzierten Nutzung bestanden werden, selbst wenn es Geld kostet. Übrigens sind vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Kunden und Dritten für Ihr Unternehmen nicht relevant, obwohl sie ab und an gerne als Druckmittel verwendet werden! In der Abwicklung aller vertraglichen Obligationen muss mit größter Sorgfalt darauf geachtet werden, dass alle Erfüllungen genau erfasst und quittiert werden. Im Anlagenbau hängt von der Erfüllung bestimmter Meilensteine sehr oft die Fälligkeit von Teilzahlungen ab. cc

Praxis-Tipp: Legen Sie bereits im Vertrag fest, wer für die Abnahme zuständig ist und wie diese erfolgen wird (Testfälle definieren!). Vereinbaren Sie im Vertrag, welche Fehlerkategorie und wie viele offene Mängel zahlungsrelevant sind (pain list o. a. punch-list, Prio-1, -2 oder -3 Fehler). Sonst kann es passieren, dass ein kleiner Lackschaden an einem Anlagengehäuse eine Zahlung in Millionenhöhe blockiert.

2.2.7 Die Aufgaben des Partner Management Bis hierher haben wir uns nur mit dem Verhältnis zwischen einem Unternehmen und seinen Geschäftspartnern befasst, den sogenannten „third parties“. Wir sind auf Kategorien, Vertragsverhältnisse und Handlungsnotwendigkeiten eingegangen und haben auch interne Zuständigkeiten (Geschäftsverantwortlichkeit) betrachtet. Hier soll nun dargestellt werden, wie diese vielen Aufgaben und Verantwortungen in einem Unternehmen organisiert und realisiert werden können. Natürlich wird es viele Konzepte und Varianten geben, doch hier soll ein deutliches Votum für eine zentral eingerichtete Organisationseinheit gegeben werden, die die Verantwortung für die Aufgaben des Partner Management trägt. In Abb. 2.4 ist das Partner Management als organisatorische Einheit 3PM (Third Party Management) mit fünf operativen Aufgabenkomplexen dargestellt. Die einzelnen Aufgaben und Verantwortungen werden dann im Abschn. 2.3 eingehend erläutert.

2.2 Smart Partnering

o o

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Lizenzkonditionen, „right to use“-Definition IPR Schutz & Lizensierung (inbound, outbound)

Partnersuche, Auswahl & Evaluation

Indirekte Vertriebskanäle / Systemintegratoren

o o

Vertragsberatung und Analyse De-Eskalation und Mediation

o o o o

Business Development, Business Case Analyse Partnering Modelle, Vertragsprinzipien Partner „due diligence“, Q-Audits Typprüfungs-/Zertifizierungsvereinbarungen

Partnerpflege

3PM

Kundenanforderungen & Ansprüche (claims)

o o o o o o

Entwicklungs-Meetings Verbesserungs-Workshops Lessons Learned Produktplanungs-Koordination Vertrags-Management Claim Handling

Partnerintegration

o o

Vertragliche und operative Prozessintegration OEM-Lifecycle Management

Abb. 2.4  Aufgaben des Partner Managements

Die Anzahl der erforderlichen Mitarbeiter und die Aufteilung der Zuständigkeiten wird sich nach Art und Umfang des Partner-Eco-Systems richten. Wichtig ist, dass diese Mitarbeiter sich als zentrale Ansprechpartner verstehen und behaupten. Gegenüber Dritten muss immer aus einem Munde gesprochen werden. Parallele Kommunikationspfade führen zu Missverständnissen, vor allem aber zur Unglaubwürdigkeit. Der 3PM-Mitarbeiter,5 der z. B. für alle Lösungspartner zuständig ist, wird stets dafür sorgen, dass alle Vorgänge über ihn oder zumindest in seiner Kenntnis erfolgen. So wird er beispielsweise verhindern, dass die eigenen Entwickler mit dem Vertrieb eines Lieferanten sprechen und er wird stets alle technischen Besprechungen moderieren und dokumentieren. Er sorgt dafür, dass für jedes Fachthema oder Problem im eigenen Haus die wirklich zuständigen und autorisierten Ansprechpartner für solche Besprechungen zur Verfügung stehen und auch nicht andauernd wechseln. Stabilität, Integrität, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Fairness sind die wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Menschen. Im Kontakt mit Externen sind Geduld und Nachsichtigkeit, Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis, Toleranz und Diplomatie erforderlich. cc

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Praxis-Tipp: Eine zentrale 3PM-Abteilung ist mit einem Außenministerium vergleichbar. Ihre Mitarbeiter sind die Botschafter des Unternehmens. Es versteht sich von selbst, dass bei deren Auswahl besonderes Augenmerk auf die fachliche und menschliche Qualifikation der in Frage kommenden Mitarbeiter gelegt werden muss. Die Besetzungen müssen nämlich langfristig stabil bleiben, um eine Chance zu haben, ebenso stabile und vertrauensvolle Beziehungen zu ihren jeweiligen externen Geschäftspartnern aufzubauen.

 Es sind stets Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeint.

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2  Operatives Partner Management

Ebenso wichtig ist es, dass auch in den anderen operativen Einheiten zuständige und autorisierte Mitarbeiter benannt werden, die als Ansprechpartner dienen. Denn auch hier wird es Zeit brauchen, bis die Zusammenarbeit so gut geübt ist, dass man z. B. in Vertragsverhandlungen spürt, wenn ein Kollege gerade auf einen Stolperstein gestoßen ist, der eine Auszeit in der Gesprächsrunde erfordert. Bildet sich der richtige Teamgeist über die Zeit aus, dann funktioniert dieser 7. Sinn sogar in Telefonkonferenzen, ohne dass man seine Kollegen sieht. Deshalb ist eine stabile Besetzung der Rollen so besonders wichtig. cc

Praxis-Tipp: Nicht jedes Unternehmen hat eigene, angestellte Juristen, die Vertragsverhandlungen oder Schadensersatzvorgänge begleiten können. Deshalb ist es sehr wichtig, mit einem hierfür geeigneten Rechtsberatungsunternehmen ebenfalls einen Rahmenvertrag abzuschließen und sich die feste Zuständigkeit bestimmter Juristen (Personen!) zu sichern. Jedes Geschäft ist anders und man muss darin erst Erfahrung sammeln, um gut beraten zu können.

Hat man das 3PM organisatorisch aufgestellt, muss eine Zuordnung i. S. der Matrix-­ Organisation erfolgen, wie sie in vielen Unternehmen üblich ist. Wichtig ist hier eigentlich nur, dass das 3PM möglichst unabhängig ist, weil es zwischen den oft auch gegenläufigen Interessen der involvierten Unternehmensbereiche vermitteln muss. Nach dieser Zuordnung muss noch die strategische Position des 3PM definiert und autorisiert werden. Der Marketing-Mix6 bestimmt die Strategie eines Unternehmens. Vielfach wird Marketing mit Werbung gleichgesetzt, aber tatsächlich versteht man darunter vier voneinander abhängige und einander bedingende Teilstrategien: Produktstrategie • welches Produkt, welche Varianten, welche Qualität … • Marktverfügbarkeit (Roadmap, Release-Planung), Wettbewerbsdifferenzierung, Unique Selling Points … Distributionsstrategie • Online-Handel, Verkauf im Geschäft, Verkauf über Distributoren, Direktlieferung, Lizenzverkauf, Franchising … • Zielmärkte (national, international), Abwicklung und Logistik … Preisstrategie • Value-Pricing, regionale oder kundenspezifische Discounts, Bonusprogramme, Cash-Back …  Über dieses komplexe Thema kann hier nur ein Überblick gegeben werden. Zur Vertiefung wird empfohlen, auf Internetquellen, Veröffentlichungen oder Fachbücher zurückzugreifen.

6

2.2 Smart Partnering

23

• Return-of-Invest, Kostenkontrolle, Einkaufsstrategie … Kommunikationsstrategie • Vertriebsaufstellung (regional, international), Vergütung, Eigen- o. Fremdvertrieb … • Werbung, Promotions, Kundenwahrnehmung … Da keine dieser Teilstrategien ohne eine Geschäftsbeziehung zu einer externen Partei (Kunde, Lieferant, Dienstleister, …) denkbar ist, wird das Partner Management in allen Abläufen und Entscheidungsprozesses benötigt. Dies gilt sowohl für die Umsetzung der Beschlüsse als umgekehrt – und erst recht – für die Festlegung der jeweiligen Strategien. Wenn man die Funktion Partner Management als Außenministerium eines Unternehmens versteht, dann ist sofort auch einsichtig, dass die dort Tätigen die jeweiligen „Länder, Gebräuche und Erfordernisse“ sowie die Entwicklungen dort am besten kennen und gegebenenfalls auch beeinflussen können. Die Beziehung zum Kunden wird selbstverständlich vom Vertrieb getragen und vom Partner Management assistiert, wenn es z. B. um b2b-Beziehungen oder das Claim Management geht. Für alle anderen Geschäftsbeziehungen zu Dritten, ist 3PM selbst in der Verantwortung und kann wertvolle Beiträge oder gar Vorschläge für die jeweiligen Strategieentscheidungen liefern. cc

Praxis-Tipp: Die Mitarbeiter des 3PM sollten mehrjährige interdisziplinäre Erfahrung mitbringen und aus verschiedenen Fachgebieten stammen. Ingenieure, Kaufleute, Qualitätsfachleute und „Vertriebler“. Die richtige interdisziplinäre Mischung macht umsichtig und erfolgreich!

Was liegt also näher, als 3PM wie in Abb. 2.5, auch in Bezug auf seine strategische Bedeutung mitten im Kleeblatt des Marketing-Mix zu positionieren und seine Rollen und Verantwortungen entsprechend festzulegen?

Zusammenfassung In den vorangegangenen Abschnitten haben wir uns mit den Zielen des „Smart Partnering“ beschäftigt und die Wichtigkeit der engen Zusammenarbeit mit den „richtigen“ Geschäftspartnern erörtert. Wir sind auf das Partner-Eco-System eingegangen und haben dessen Pflege und Kategorisierung beschrieben, sowie die Beziehungen zwischen dem eigenen Unternehmen, dem Kunden, Partnern und Wettbewerbern beleuchtet. Schließlich sind wir noch kurz auf die Aufgaben einer zentralen Institution „3rd Party Management“ und seiner strategischen Bedeutung eingegangen. Gerne und häufig wird auf Wirtschaftstagungen, Start-up-Events oder Podiumsdiskussionen (z. B. zur Digitalisierung der Industrie) zur Partnerschaft und Kooperation aufgerufen, doch bleiben die Redner zumeist das „Wie“ schuldig. Deshalb soll hier nun eben dieses „Wie“ beschrieben und ein geeignetes Handwerkszeug angeboten werden, mit dem Partnerschaften aufgebaut, gepflegt und unter Umständen auch

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2  Operatives Partner Management

Vertrieb

Produktstrategie

PLM

Kommunikation sstrategie

3PM

Distributionsstra tegie

F&C

Preisstrategie

SCM

PLM: F&C: SCM:

Product Line Management Financial & Control Supply Chain Management

Abb. 2.5  3PM im Marketing-Mix

beendet werden können. Dieses Handwerkszeug stellt i. S. des „Best Practice“ eine Variante dar, allerdings eine, die sich in vielen Jahren der Anwendung entwickelt und bewährt hat.

2.3

Die fünf Stufen der Partnerschaft

Bereits in der Einleitung wurden die fünf Phasen beschrieben, in die man auch den Zyklus zwischenmenschlicher Partnerschaften einteilen könnte. Natürlich haben solche Einteilungen keinen Anspruch auf ausschließliche Richtigkeit, sondern dienen – wie jede Prozessordnung – eben nur der Ordnung in den Abläufen und deren Nachvollziehbarkeit. In kleinen und kleinsten Organisationen mag einiges auch mit reiner „Virtuosität“ funktionieren. In wachsenden Unternehmen, mit steigender Komplexität und Mitarbeiterzahl, hilft Systematik und Ordnung ungemein. Schließlich beweist man seinen Geschäftspartnern damit auch die eigene Professionalität. So sollen hier nun die fünf Phasen der Geschäftspartnerschaft näher beschrieben werden. Da die Vertrags- und Verhandlungssprache heute sehr oft Englisch ist, sollen hier auch alle gebräuchlichen englischen Fachtermini benutzt und damit vorgestellt werden.

 D-A-CH: D für Deutschland, A für Österreich (lat. Austria) und CH für die Schweiz (lat. Confoederatio Helvetica).

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2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

• Define scope • Locate partner • Agree engagement model

• Investigate fit • Negotiate contract • Sign contract

• Implement contract • Monitor progress • Handover

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• Execute contract • Document obligations and fulfillment • Regular and frequent communication • Apply CIP

• Self-termination vs. self- prolongation • Pro/Con evaluation • Contractual termination process

Abb. 2.6  Die fünf Stufen der Partnerschaft

Spätestens, wenn man Kooperationen und Exporte außerhalb des DACH7-Bereiches plant, kommt man um deren Anwendung nicht herum. Die Abb. 2.6 stellt die fünf Phasen und die jeweiligen Hauptaufgaben darin dar. In den folgenden Kapiteln werden alle Phasen noch eingehend beschrieben.

2.3.1 Stufe 1 – Partnerauswahl Conny war an diesem warmen Sommerabend Abend zur Tanzschule „Tanzbar“ ganz in der Nähe Ihrer Wohnung gegangen. Heute sollte ein Salsa-Schnupperkurs stattfinden, wie das Plakat am schwarzen Brett des Rathauses angekündigt hatte. Erwartungsfroh stand sie nun in dem sich füllenden Tanzsaal. Glänzendes Parkett, das Glitzern der Discokugel an der Decke und ein paar schleppende lateinamerikanische Rhythmen – sie erkannte den Song einer berühmten kubanischen Seniorenband – ließen ihre Aufregung steigen und sie schaute sich nervös nach einem möglichen Tanzpartner um. Sie war nicht hier, um den Mann für’s Leben zu finden. Nein, mit Anfang Zwanzig wollte sie noch ihre Unabhängigkeit genießen. Sie suchte nur einen charmanten und sportlichen Tanzpartner, mit dem auch ein Gespräch in der Pause nicht zur Qual werden würde. Recht bald erblickte sie Jorge. Groß, kräftig und bestimmt aus Lateinamerika stammend, kam er mit der Kapelle in den Tanzsaal. Er war offenbar der Freund des Trompeters. Conny, temperamentvoll und selbstbewusst, nahm ihr Leben stets in die Hand. So ging sie einfach auf Jorge zu, stellte sich vor und fragte ihn, ob er für diesen Abend ihr Tanzpartner sein wolle. „Si“ Jorge lächelte und antwortete, dass er das gerne tun wolle, aber er sei glücklich verheiratet und Vater einer süßen, zweijährigen Tochter. Dieser kleine Ausflug in die Welt des Buena Vista Social Club soll nur der Einstimmung auf die erste Stufe des Partnerings, der Partnerauswahl, dienen. Conny wusste genau, wofür sie einen Partner sucht und wofür nicht. Sie hat einen vielleicht geeigneten Tanzpartner angesprochen und ihre Absicht zweifelsfrei beschrieben. Jorge war bereit, sich auf diese Partnerschaft einzulassen, aber nur unter den von ihm genannten Bedingungen.

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2  Operatives Partner Management

•Define screening criteria for target •Perform desktop research •Draw competitor landscape •Identify potential partners and collect business infos

•Offer Non-Disclosure Agreement •Assess and rank partner evaluation •Check for M&A relevance •Pre-select target partners (shortlist)

•Define source strategy •Launch/define partnership project •Define cooperation Objectives •Issue Letter of Intent / sign Memorandum of Understanding

Abb. 2.7  Stufe 1 – Partnerauswahl

Define Scope  – Contact Partner  – Agree Engagement Model, es ist sicher ein toller Salsa-Abend geworden. Doch nun wenden wir uns der Partnerauswahl im Geschäftsleben zu und behalten die Melodie von Chan-Chan im Ohr. Für die Partnerauswahl ist das Arbeiten in diesen drei Schritten (Abb. 2.7) zweckmäßig. Im ersten Schritt definiert und dokumentiert man die Ziele, im zweiten nimmt man Kontakt auf und im dritten vereinbart man erst das angestrebte Kooperationsmodell. Die genaue Dokumentation aller Schritte, Beschlüsse und Hintergründe ist dabei enorm wichtig, um permanent Planung und Ergebnis gegeneinander überprüfen zu können. Ebenso ist eine präzise Dokumentation aller Partnerkontakt und Gespräche (Minutes of Meeting) unabdingbar.

 efine Scope – Zieldefinition D Allen Aktionen voran geht die „make-or-buy“-Entscheidung, die sorgfältig getroffen werden muss. Jeder unterschriebene Vertrag mit einem Partner erweitert nämlich das eigene Partner-Eco-System nicht nur mit Rechten, sondern auch mit Pflichten, die zuletzt auch Geld kosten. Es muss also eingehend geprüft werden, welches Produkt oder welche Leistung eingekauft werden soll und warum dies besser ist als eine Eigenentwicklung. Der zentrale Angelpunkt all dieser Überlegungen ist die Frage nach der Wertschöpfung. Handelt es sich bei der betrachteten Funktion um etwas, das eigentlich die Expertise des eigenen Unternehmens ausmacht und vielleicht sogar Teil der Alleinstellung ist (Unique Selling Point)? Ermöglicht die eigene Erbringung dieser Funktion einen Wettbewerbsvorteil und stellt ein Differenzierungsmerkmal dar? Hier müssen also die vier Elemente des Marketing-Mix (s. Abschn. 2.2.7) betrachtet werden, denn es gibt technische, kommerzielle, logistische oder auch emotionale Kriterien, die entscheidend sein können. Beispiel Sportwagenmotor

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein etablierter Cabrio-Hersteller, dessen V8-Motoren für ihren Biss und „Sound“ bei Ihren Stammkunden geliebt werden. Selbst kleinere Schwä-

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

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chen in der Verarbeitung des Faltverdecks werden Ihnen dafür nachgesehen. Aus Kostengründen kommen Sie nun auf die Idee, den V8-Motor durch ein farbloses Großserienaggregat gleicher Leistung eines „Familienkutschen“-Herstellers zu ersetzen. Rein technisch spricht alles für den modernen Motor, aber ihre Kunden reagieren emotional und verlassen Sie enttäuscht. Deshalb stehen am Anfang eine genaue Aufstellung und Dokumentation der Anforderungen, der Begründungen und der Konsequenzen einer „buy“-Entscheidung. ◄

Define screening criteria for target: Bevor man sich in die Suche nach einem Lieferanten stürzt, müssen mit den anfordernden Geschäftsbereichen die genauen technischen und wirtschaftlichen Anforderungen an die einzukaufende Leistung aufgestellt werden. Hierbei helfen standardisierte Anforderungskataloge, die später auch für das Assessment eines potenziellen Anbieters verwendet werden können. Ein solcher operativer Fragenkatalog wird beispielhaft im Abschn. 3.1 beschrieben. Je nach Bereich (Technik, Qualität, Lieferfähigkeit, Preis und Zahlungskonditionen) liefern die dafür zuständigen Abteilungen die Anforderungen.

Foto: Ulf Kleiner Beispiel Kaffeemaschine

Ihr Unternehmen möchte in Ihrem Bürogebäude Pausenräume einrichten und dort Kaffeemaschinen aufstellen. Zusammen mit ihrem Betriebsrat schätzen Sie den zu erwartenden Verbrauch und einigen sich auf das anzubietende Sortiment (Cappuccino, Kakao, Espresso, heißes Wasser).

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2  Operatives Partner Management

Die Maschinen sollen frei aufgestellt und an die Wasserversorgung des Hauses angeschlossen werden. Selbstverständlich müssen sie alle üblichen Sicherheitsvorschriften erfüllen. Damit sind die technischen Anforderungen festgelegt. Die Geschäftsleitung legt noch die monatlichen Gesamtkosten für alle Kaffeeautomaten fest, die einen Wert von z.  B. 1500  € nicht überschreiten dürfen. Schließlich geben die Kaufleute noch vor, dass die Maschinen nicht als Anlagen gekauft und abgeschrieben werden sollen. Damit liegt nahe, ein Komplettangebot eines Dienstleistungsunternehmens zu favorisieren, da die Befüllung, Reinigung, Wartung und ­Reparatur nicht durch eigenes Personal vorgenommen werden kann. Mit diesen Daten und Anforderungen kann nun die Suche nach einem Anbieter beginnen. ◄

cc

Praxis-Tipp: Legen Sie erst mit allen Beteiligten den Anforderungskatalog fest. Sie werden sicherlich für die verschiedenen Komponenten Ihres Partner-Eco-Systems gemeinsame Anforderungsprofile haben (z.  B.  Zahlungskonditionen, payment terms), sodass sich Standardkataloge für die verschiedenen Einkaufsarten ergeben werden. Erst dann befüllen Sie den Katalog mit den konkreten Anforderungen. So trennen Sie die Diskussionen und Vereinbarungen um das „WIE“ von denen um das „WAS“.

Perform desktop research: Heute ist das Internet das beste Mittel, nach Kandidaten für eine Geschäftspartnerschaft zu suchen. Jedes namhafte Unternehmen hat einen Internet-Auftritt und gibt dort bereits einen umfassenden Einblick in das angebotene Produktportfolio, die Unternehmensstruktur und oftmals auch die groben Geschäftszahlen. Weitere Informationsquellen sind Fachzeitschriften, Fachmessen und Tagungen. Vielfach werden Unternehmen sogar von Vertrieben aktiv angesprochen, weil auch Vertriebe über das Internet nach potenziellen Kunden suchen. cc

Praxis-Tipp: Lehnen Sie jeglichen Besuch von Vertriebsmitarbeitern ab, wenn die jeweiligen Unternehmen Sie nicht wirklich interessieren. Verhindern Sie vehement, dass an Ihnen vorbei – undiszipliniert und vielleicht aus technischer Neugier – solche Akquise-Aktionen in Ihrem Hause zugelassen werden. Die Gefahr der Ausspähung ist viel zu groß. Auch bei allen verabredeten Treffen mit Externen sollte man sorgsam darauf achten, dass nur die dafür vorgesehenen Besprechungsräume besucht und auch nur die dazu eingeladenen Mitarbeiter gesprochen werden können.

Die Recherche wird hoffentlich ergeben, dass mehrere Kandidaten Ihre Anforderungen möglicherweise erfüllen können und Ihr Anforderungskatalog wird sich mit JA, NEIN, OFFEN Einträgen füllen. Kontaktinformationen, Produktkataloge, Flyer oder auch Demo-­ Filme ergänzen Ihr Recherche-Ergebnis. Das strikte Vorgehen nach dem Anforderungs-

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

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katalog schärft das Auge für solide Informationen oder lediglich angesprochene Emotionen und sichert die Nachvollziehbarkeit des Recherche-Ergebnisses. Ergeben sich beim Studium der Angebote Aspekte, die Sie vorher nicht erkannt haben, so nehmen Sie diese in den Anforderungskatalog in einer besonderen Abteilung auf, bzw. diskutieren Sie diese mit den jeweils zuständigen Verantwortlichen im Unternehmen. Achten Sie bei technischen Daten auf die Vergleichbarkeit der technischen Rahmenbedingungen (Standards, Normen, etc.). cc

Praxis-Tipp: Wenn Ihr Unternehmen eine Zertifizierung nach einem Qualitätsstandard anstrebt oder innehat (z. B. ISO9000), dann kann dieser Standard erzwingen, dass Sie nur mit ebenfalls nach dem Standard zertifizierten Unternehmen kooperieren können. Achten Sie stets auch auf die Standards, die Ihr Kunde erfüllt und im Liefervertrag von Ihrem Unternehmen fordert.

Zurück zur Kaffeemaschine. Sie haben drei Angebote gefunden, die sich technisch kaum zu unterscheiden scheinen. Dafür sind die Vertriebsmodelle sehr unterschiedlich. Ein Anbieter (A) macht ein Festpreisangebot (all inclusive) mit einem Jahr Laufzeit, ein Anbieter (B) gibt Rabatt in Abhängigkeit vom Kaffeekonsum und der Dritte (C) bietet ein Leasing-Modell mit 3 Jahren Laufzeit. Draw competitor landscape: Anhand des Anforderungskatalogs wird nun eine Tabelle (Excel) erstellt, die die gefundenen potenziellen Partner vergleicht. Dabei muss man sicherstellen, dass die Angaben wirklich vergleichbar sind („Äpfel mit Birnen-Problem“). Wenn man sich nicht sicher ist, weil z. B. Parameter mit verschiedenen oder unbekannten Messverfahren ermittelt wurden, muss dies markiert und später mit den Partnern genau geprüft werden. Führen Sie in diesen tabellarischen Vergleich Spalten für die Bewertung und Priorisierung durch die beteiligten Abteilungen ein (auch Ihre eigene) und fordern Sie nun zum Review auf. So ergibt sich eine gute Grundlage für die Diskussion und Entscheidung. cc

Praxis-Tipp: Auch, wenn Sie bereits viele offene Fragen an die jeweiligen Partner haben, vermeiden Sie es, Kontakt aufzunehmen. Sollte ein Anbieter aufgrund des hausinternen Reviews doch nicht in Frage kommen, werden Sie ihn unter Umständen nicht so schnell wieder los. Außerdem geben Sie einem Anbieter allein durch Ihre Anfrage, die immer zu Gegenfragen führen wird, einen unfairen Vorteil gegenüber den anderen. Er kann sich früher vorbereiten und recherchieren.

Identify potential partners and collect business infos: Im Anschluss an das interne Review werden die Bewertungsergebnisse zusammengefasst und als Beschlussvorlage verwendet. Die Entscheidung darüber, mit welchen „Kandida-

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2  Operatives Partner Management

ten“ Kontakt aufgenommen wird, beruht auf dieser Vorlage und muss durch das dafür autorisierte Gremium Ihres Unternehmens getroffen werden. Dieser Beschluss und die Gründe sollten auf alle Fälle protokolliert und ein Zeitrahmen für die Kontaktaufnahme festgelegt werden. Nehmen wir nun an, dass das Kaffeemaschinengremium sich für die Kontaktaufnahme mit Anbieter (A) und (C) entschieden hat, weil für (B) ein Prozess zur Erfassung und Anerkennung des monatlichen Verbrauches organisiert werden müsste. Dies würde Kosten und vielleicht sogar Unstimmigkeiten verursachen und spricht deshalb gegen (B). cc

Praxis-Tipp: Sollte sich bei der Desktop-Recherche herausstellen, dass das Anforderungsprofil nicht genau genug definiert war oder die Ergebnisse (Anzahl) nicht den Erwartungen entsprechen, dann sollten Sie bereits jetzt einen PDCA-Zyklus durchführen. Je früher Mängel beseitigt und Ansätze verbessert werden, desto geringer sind die Kosten des Vorhabens.

Vor der ersten Kontaktaufnahme mit einem Partner ist es ratsam, sich nochmals über das Unternehmen aus den allgemein zugängigen Quellen zu informieren. Je mehr Wissen man über seine Aufstellung und vielleicht auch wirtschaftlichen Ergebnisse (business infos) aktuell im Kopf hat, desto leichter fällt es später, Fragen zu stellen und sich ein ganzheitliches Bild zu machen.

 ontact Partner – Kontaktaufnahme C Offer Non-Disclosure Agreement: Stellen Sie zunächst die erforderlichen Anfrageunterlagen zusammen. Dazu gehört selbstverständlich auch ein Dokument (Flyer oder pdf), das in geeignetem Umfang Ihr Unternehmen vorstellt. Wer geht schon gerne auf die Anfrage eines Fremden ein und nimmt Kontakt mit jemandem auf, über den man erst einmal im Internet Nachforschungen anstellen muss? Die Anfrage und alle Unterlagen (nur Papier oder e-Mail mit pdf-Anlagen, niemals Word, PPT oder XLS!) sollte bei einem nicht-deutschsprachigen Adressaten in Englisch verfasst sein. Die Landessprache sollte man nur nutzen, wenn man ihrer absolut sicher ist. Im Text formuliert man das eigene Interesse und das Ziel der Anfrage, vermeidet aber unnötige Details bereits offenzulegen, da man zu diesem Zeitpunkt nicht sicher sein kann, dass Ihr Interesse auf der Gegenseite erwidert wird. Es gilt die Politik der kleinen Schritte. Alle Anfragen werden zum gleichen Zeitpunkt an die jeweilige Kontaktadresse versendet, die Sie z. B. auf der Homepage der ausgewählten Unternehmen gefunden haben. Nutzen Sie niemals zufällig existierende persönliche Kontakte (im Grenzfall kann dies sogar ein Ausschlusskriterium sein, Stichwort „Compliance-Richtlinien“). Sobald sich die Angeschriebenen melden, müssen Sie die Entscheidung treffen, ob bereits für eine erste Besprechung, Vertraulichkeitsvereinbarungen benötigt werden. Sofern bei einer ersten Begegnung nur Informationen ausgetauscht werden, die man auch im Internet beziehen kann, ist dies noch nicht erforderlich.

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

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Beabsichtigen Sie aber, z. B. über relevante Projekte, Kunden oder Marktzusammenhänge zu sprechen – selbst, wenn es oberflächlich bleibt – so ist eine Vertraulichkeitsvereinbarung eine Voraussetzung und unabdingbar. Die niedrigste Form einer solchen Vereinbarung ist das sogenannte Non-­Disclosure-­ Agreement NDA (siehe Abschn. 3.5.1), das aber nur begrenzten Schutz bietet und deshalb dennoch Vorsicht und Zurückhaltung bei der Offenlegung von Informationen erfordert. Wenn Sie oder Ihr Partner ein NDA wünschen, dann muss dies vor der weiteren Zusammenarbeit vereinbart und beidseitig autorisiert unterschrieben werden. Ein Indikator für das Interesse am Partner und die Professionalität im Umgang mit ihm, ist die Zügigkeit, mit der die Vereinbarung erstellt und unterschrieben wird. cc

Praxis-Tipp: Beachten Sie, dass sowohl Sie als auch Ihr Gegenüber in anderen NDAs gebunden sein können. Ein absolutes No-Go ist z. B., andere Parteien zu benennen oder über Dritte zu sprechen. Die Nennung eines Kunden als Referenz, bedarf dessen vorheriger Zustimmung! Ist Ihr Gegenüber aber in diesem Sinne ein offenes Buch, oder lehnt gar eine Vertraulichkeitsvereinbarung ab, sollten Sie von einer Geschäftsbeziehung Abstand nehmen.

Assess and rank partner evaluation: Im Rahmen der Gespräche werden Sie Informationen sammeln, die Ihnen helfen, die Recherche gemäß Ihres Anforderungskatalogs zu komplettieren und zu detaillieren. Missverständnisse werden geklärt, Rahmenbedingung für die Ermittlung technischer Parameter werden erörtert, und immer wieder werden Sie die Ergebnisse mit den „Stakeholdern“ in Ihrem Unternehmen erörtern, bzw. für bestimmte Klärungen die Experten einbinden. Praxis-Tipp: Exportieren Sie Ihre Produkte, dann müssen Sie unbedingt die Exportfähigkeit Ihrer Lieferanten für Ihre Zielländer überprüfen. Jeder Hersteller muss Ihnen eine gültige Exportkennzeichnung bereitstellen können. Es gibt noch viele weitere Regelungen, die zu erfüllen sind. Im Zweifel sollten Sie sich unbedingt an die BAFA8 bzw. die in Ihrem Land zuständige Behörde und ggf. an sachkundige Berater wenden. Am Ende dieser Partneruntersuchung haben Sie Ihren Anforderungskatalog vollständig mit den erforderlichen Angaben aufgefüllt und können nun die konkurrierenden Angebote vergleichen, prüfen und bewerten (ranking). Nachdem beide Kaffeemaschinenanbieter Sie an Ihrem Standort besucht hatten (inkl. Ortsbegehung), haben Sie ebenfalls beide Firmen besucht. Dabei hat sich herausgestellt, dass Anbieter C (der mit dem Leasing-Angebot), auch Großrasenmäher, Druckluftreiniger und Baustellentoiletten anbietet, was seinem Internet-Auftritt nicht zu entnehmen war. Zudem lassen das Auftreten des Geschäftsführers und die Räumlichkeiten Zweifel an der Einhaltung von Hygienevorschriften aufkommen. Sie trinken während der Besprechung

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 BAFA Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle der Bundesrepublik Deutschland.

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2  Operatives Partner Management

lieber keinen angebotenen Kaffee und entscheiden sich für Anbieter A, der Ihnen in seinem Ausstellungsraum an verschiedenen Modellen alle Prozessschritte in der Umsetzung seines Angebotes genau erläutert. Aufstellungsbedingung, Montage, Inbetriebnahme, Nutzen, sowie Wartung und Reparatur werden anschaulich vorgeführt. Jede Ihrer Fragen wird genau beantwortet und sie können sich selbst von der Qualität des erzeugten Kaffees überzeugen. Nun werden wir dieses Beispiel aber wieder verlassen, um es nicht zu sehr zu strapazieren. Check for M&A relevance: „M&A“ steht für „merger and acquisition“. Warum sollten Sie die Möglichkeit des Zusammenschlusses oder der Akquisition, d. h. der Übernahme, prüfen, wenn Sie doch nur einen Lieferanten oder Dienstleister suchen? Diese Prüfung sollte so früh wie möglich durchgeführt werden. Sie mag in vielen Fällen schnell erledigt sein, weil der betrachtete Partner wirklich nur ein Zulieferer oder Dienstleister ist. Dennoch kann es ungeachtet der Partnerkategorie auch Unternehmen geben, die bei näherem Betrachten für ein gesellschaftsrechtlich relevantes Partner-­Modell in Frage kommen. Die Beispiele in Tab. 2.2 sind fiktiv und willkürlich. Entscheidend dabei ist viel mehr, dass das später festzulegenden Engagement-Modell (Abschn.  2.3.1) im Falle eines M&A-Ansatzes völlig anders aussieht und ein anderes Vorgehen erfordert. Darüber muss man sich vor dem Eintritt in Vertragsverhandlungen klargeworden sein. Darauf soll aber im Rahmen dieses Buches nicht näher eingegangen werden, da es den Rahmen sprengen würde. Pre-select target partners (shortlist): Nachdem Sie nun alle in Frage kommenden Partner durch Besuche und Besprechungen kennengelernt haben, erfolgt nochmals eine Auswertung zusammen mit den involvierten Abteilungen Ihres Hauses. Diese Auswertung führt zu Selektion von Partnern, mit denen in Vertragsverhandlungen eingetreten werden soll (shortlist). Diese Shortlist, sowie das zu vereinbarende „Engagement-Modell“, auf das wir im nächsten Abschnitt näher eingehen, sollte unbedingt ein „approval“ durch die Geschäftsleitung erhalten haben, bevor in die weiteren Verhandlungen eingetreten wird. Die Shortlist ist ein streng vertrauliches Dokument, das unter keinen Umständen den Unternehmen darauf zur Kenntnis gelangen darf.

 gree Engagement Modell – Vereinbarung des Kooperationsmodells A Define source strategy: Erst wenn man die potenziellen Partner genauer kennengelernt hat, kann man das für die Zusammenarbeit geeignete Geschäftsmodell festlegen. Neben den grundsätzlichen Kategorien, die in Abschn. 2.2.5 beschrieben wurden, gibt es unbegrenzte Varianten, mit denen das Kooperationsmodell und die Zulieferstrategie gestaltet werden kann.

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

33

Tab. 2.2  Einige Beispiele anhand Abb. 2.2: Partnerkategorien Kategorie Eingebettetes Material

Ihr Unternehmen … … ist ein Start-up, das hochauflösende Minikameras (patentiert) für den Einsatz in ferngesteuerten Mini-Hubschraubern entwickelt und produziert.

Lösungspartner

… entwickelt leicht bedienbare Baumaschinen für den Einsatz durch Laien und auf kleinstem Raum. Sie sind Nr. 2 in Europa und Nr. 4 weltweit.

Unterauftragnehmer

… entwickelt IT-­ Lösungen für die Produktionssteuerung in Brauereien. Sie benötigen für den asiatischen Markt Unterauftragnehmer, die Ihre Produkte an die Landessprache anpassen und die Systemintegration sowie Service & Maintenance übernehmen. … ist auf internationale just-in-time (jit) Kühltransporte im Food-Bereich spezialisiert. Sie wollen jit-Leistungen für die Untersuchung von Biopsie-Proben in Speziallabors anbieten.

Dienstleister

Betrachteter Partner … … ist Marktführer für besonders robuste Objektive höchster Güte.

… entwickelt mittlere und große Baumaschinen für den Einsatz durch Fachkräfte. Das Unternehmen ist Nr. 2 in Europa und Nr. 3 weltweit. … ist ein Systemintegrator, der bislang nur im Mobilfunk aktiv war, dort aber genau die von Ihnen gesuchten Aufgaben übernommen hat. Das Geschäft ist durch Marktsättigung nicht mehr wachstumsfähig.

… ist auf geschlossen Kühlketten für Implantate, Gewebeproben und Blutkonserven spezialisiert, bedient aber nur stationäre Anwendungen.

M&A-Modell Akquisition durch den Partner, der daran interessiert ist, mit ihrem Unternehmen sein Portfolio um Spezialkameras zu erweitern. Seine Vertriebsreichweite ist wesentlich höher als Ihre. Ihr Volumen kann deutlich wachsen und zugleich gegen Ihre Wettbewerber geschützt werden. Merger: Beide Unternehmen haben gleichwertige Wettbewerbspositionen miteinander komplementierenden Produktportfolios und bekannten Markennamen. Akquisition, denn der Partner hat das erforderliche Knowhow und die Landeskenntnisse. Der Sockelumsatz aus dem Mobilfunk sichert das Überleben und lässt eine sorgfältige Vorbereitung des Markteintritts im Brauwesen zu.

Kooperationsvertrag zur gemeinsamen Entwicklung und Vermarktung von mobilen Kühlsystemen für den jit-Einsatz. Die Produktportfolios und die Zielmärkte sind sonst im Wesentlichen disjunkt und ein M&A-Konzept bietet keinerlei Vorteile.

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2  Operatives Partner Management

Tab. 2.3  Beispiele für mögliche Engagement Model Kategorie Eingebettetes Material

Zu beziehende Leistung – Metrische Maschinenschrauben

Lösungspartner

– Projektspezifische Krangetriebe – Verschlüsselungs-Software – Erdgas für Blockheizkraftwerk – Notstromversorgungen

– 3D-Simulation und Animationen – Sportwagenmotoren für Rasenmäher Unterauftragnehmer – Integration von Industrie-­ Robotern in die Software-­ Umgebung des Kunden. – Werbekampagne für neue Biermarke – Regionalvertrieb für Laborausstattungen

Dienstleister

– Labortests für Brauereiprodukte

– Projektleiter für kundenspezifische SW-­ Anpassungen – Call-Center für Kundenservice

Engagement Modell – Regelmäßige Lager-Zulieferung nach prognostiziertem Warenbedarf (Lieferant ist ins ERPa integriert) – JiT-Lieferungb zur Montage – Jährliche Lizenzvereinbarung – Permanente Lieferung über Pipeline und Fernablesung des Volumens – JiT-Lieferung weltweit, „on-site“Integration sowie 7x24 Service & Maintenance mit Bereitschaftsdienst – Projektvereinbarung z. B. für einen Fernsehfilm – Lager-Zulieferung von drei Typen nach monatlich vereinbartem Bedarf – Dienstleistung beim Kunden nach Zulieferung des Produktes. Partner ist in Ihre Projektprognose und Planung integriert – Auftragsvergabe mit SoWc für eine einzige Kampagne (Konzept und Durchführung) – Provisionsvereinbarung für den Alleinvertrieb Ihres gesamten Produktportfolios in einer Region außerhalb Ihres Vertriebsbereiches – Abrechnung pro Monat pauschal. Labor organisiert Stichproben, Transport und Methodik nach vereinbartem Teststandard – Beauftragung nach Aufwandsprognose und Abrechnung nach geleisteten Arbeitswochen – Monatspauschale je Sprache. Debit/ Kredit gemäß Kundenzufriedenheit.

ERP: Enterprise Resource Planning; eine Software zur Planung, Steuerung und Kontrolle aller Unternehmensressourcen b JiT: Just-in-Time c Statement-of-Work SoW siehe Abschn. 3.5.5 a

In Tab. 2.3 sind ein paar Beispiele zur Erläuterung dargestellt, aber in jedem individuellen Fall obliegt es dem verantwortlichen Team in Ihrem Haus, das angestrebte und für Sie geeignete Modell auszuwählen oder zu entwickeln.

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

cc

35

Praxis-Tipp: Das Engagement-Modell wirkt sich auf alle Prozesse und damit auf Ihr Geschäftsergebnis aus. Man muss also unbedingt ganzheitlich (end-to-end) denken und die Auswirkungen auf alle betroffenen Prozesse über den gesamten Lebenszyklus eines zu beziehenden Gutes betrachten.

Launch/define partnership project: Das Ziel aller Aktivitäten bis hierher war, mit einem Geschäftspartner die vertraglich geregelte Zusammenarbeit in das eigene Geschäftsmodell zu integrieren. Der Bezug von DVD-Etiketten von einem Büromateriallieferanten mag ein einfaches Beispiel sein, das nach Abschluss des Vertrages (online Bestellung mit Rechnung) keinerlei größere Vorkehrungen erfordert, als die genaue Angabe der Lieferadresse, in diesem Fall der Abteilung, die Ihr Software-Produkt auf eine DVD brennt. Aber wie ist es, wenn Sie für die Abwicklung eines Kundenauftrages von Ihrem Lieferanten einen hochmodernen und modularen Computer beziehen wollen, der für jedes Einzelprojekt individuell bestückt und vorkonfiguriert werden soll? Sehen wir den Fall der DVD-Etiketten doch als besonders einfache Variante, des komplexen zweiten Falls einer kundenindividuellen Zulieferung. Abstrahieren wir und ­betrachten den fiktiven allgemeinen Fall. In der Realität mag dann vieles obsolet sein und „die Sache vereinfachen“. Für eine Partnerschaft wurde ein Anforderungsprofil erstellt. Alle erforderlichen Interessensgruppen – die sogenannten „Stakeholder“ – haben ihren Beitrag geleistet. Bevor Sie mit Vertragsverhandlungen beginnen, muss ein Team gebildet werden, dessen Mitglieder eben diese Stakeholder vertreten. Diese Vertreter müssen von den Abteilungen benannt (autorisiert) werden und über den Verhandlungszyklus zur Verfü­ gung stehen. In einer ersten internen Projektbesprechung (kick-off) wird die vereinbarte Zielsetzung der Partner-Verhandlungen sowie der vorgesehene Verhandlungsprozess vorgestellt und die jeweiligen Team-Mitglieder auf die Regeln „eingeschworen“. Allen Beteiligten müssen ihre Rollen, Zuständigkeiten und Autorisierungen bekannt und deutlich sein.

Steering Board Firma A & B Partner Manager Firma A

Direkte Kommunikation

Partner Manager Firma B

Gemeinsames Projektbüro

Vertreter Technik

Vertreter Produktion

Vertreter Service

Vertreter Finanzen

Peers Firma A

Abb. 2.8  Peer-to-Peer Kommunikation

Vertreter Technik

Vertreter Produktion

Vertreter Service

Peers Firma B

Vertreter Finanzen

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cc

2  Operatives Partner Management

Praxis-Tipp: Lassen Sie nie Zweifel daran aufkommen, dass Sie als zuständiger Partner Manager die zentrale, koordinierende Rolle und Verantwortung haben und dass an Ihnen vorbei bzw. ohne Ihre Kenntnis keine Kommunikation mit Dritten zulässig ist. Das hört sich hart an, ist aber notwendig!

Dann wird in einer „Kick-off“-Besprechung mit dem potenziellen Partner dieser Prozess allen Beteiligten nochmals vorgestellt und die „peer-to-peer“ Kommunikation in den einzelnen Arbeitsgruppen vereinbart. Nur die für einen bestimmten Themenkomplex benannten Vertreter sprechen miteinander und dokumentieren ihren Arbeitsfortschritt. Sollte es sich um ein größeres Kooperations- oder Zulieferprojekt handeln, ist es unbedingt ratsam, ein zuständiges Kontrollgremium (steering board, Abb. 2.8) einzurichten, in dem die nächst höhere Management-Ebene, oder gar die Ansprechpartner der jeweiligen Geschäftsleitungen benannt sind. Alle Teams vereinbaren Besprechungen (Treffen, Telefonkonferenzen), um die erforderlichen Gespräche zu führen. Sie, als verantwortlicher Partner Manager, sind über jedes vereinbarte Gespräch vorab in Kenntnis gesetzt und erhalten alle Protokolle, sowie Inhalt und Erledigungsverfolgung aller vereinbarten Klärungen (Action Items). Bei größeren Partnering-Projekten kann die Einrichtung eines gemeinsamen Projektbüros sinnvoll sein, das alle erstellten und ausgetauschten Dokumente zusammenfasst und verwaltet, Besprechungen organisiert, usw. cc

Praxis-Tipp: Führen Sie immer genau Buch darüber, welche Firmendokumente (immer nur gedruckt oder pdf ) Sie wem und wann übergeben oder von wem und wann erhalten haben!

Define cooperation objectives: Wie in allen Lebenssituationen, in denen sich Menschen treffen, um gemeinsam zu arbeiten, zu musizieren, zu wandern oder zu basteln, sollte man zu Beginn unbedingt darüber sprechen, was die jeweilige Motivation, Zielsetzung und Erwartungshaltung der Teilnehmer sind. Vor dem ersten Zusammentreffen mit dem potenziellen Geschäftspartner haben Sie Ihre Team-Kollegen vorbereitet und über Ihre Ziele in Kenntnis gesetzt. Doch bevor Ihr Team und das Ihres Gegenübers nun einfach aufeinander losgelassen werden, muss dieser Abgleich im Plenum (kick-off) nochmals durchgeführt werden. Sehr oft ergeben sich bereits aus dieser Vorstellung und Diskussion Punkte, die jede Partei für sich nochmals bedenken und verarbeiten muss. Außerdem verhindert man spätere und dann u.  U. teure Erkenntnisse aufgrund ungeklärter Missverständnisse („Hab’ ich nicht gewusst!“ „Hat mir ja niemand gesagt!“). Kleines Beispiel zur Verdeutlichung: Stellen Sie sich vor, die Teams zweier Modellbahn-­ Clubs sprechen über die Zusammenlegung ihrer Aktivitäten. Aber erst nachdem die Halle für den gemeinsamen Aufbau bereits gemietet ist und man sich an die große Bastelei machen will kommt heraus, dass der eine Club mit dem Maßstab 1:87 arbeitet und der andere mit 1:160. Deshalb ist die Durchsprache und Protokollierung der Kooperationsziele (cooperation objectives) sehr wichtig. Selbstverständlich werden solche Besprechungsprotokolle mit

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

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allen verwendeten Unterlagen allen Beteiligten zur Verfügung gestellt (siehe auch RACI-­ Modell im Abschn. 3.9). Issue Letter of Intent/sign Memorandum of Understanding: In der vorvertraglichen Phase kann es bereits sinnvoll sein, schriftliche Erklärungen abzugeben. Diese Erklärungen können einseitig oder auch zweiseitig sein. Ein Letter of Intent (LoI) ist eine einseitige Absichtserklärung, die zwar i. d. R. keine belastbaren Zusagen enthält, aber dennoch einen höheren Stellenwert hat als jede mündliche Erklärung. Damit können Sie einem Anbieter z. B. für komplexe Produktionstechnologien eine gewisse Sicherheit und Verbindlichkeit geben, die er vorab benötigt, wenn z.  B. die Erstellung eines individuellen Angebotes bereits relativ große Kostenaufwendungen erfordert. Dem hingegen ist ein Memorandum of Unterstanding (MoU) eine zweiseitige, schriftliche Willenserklärung. Damit können potenzielle Partner, die eine Zusammenarbeit erwägen, sich aber noch nicht sicher sind, ob diese wirklich sinnvoll ist, eine Arbeitsgrundlage für die gemeinsame Evaluierung schaffen. Es wird z. B. eine Machbarkeitsstudie vereinbart, für die man aber noch keinen umfassenden und langfristig bindenden Kooperationsvertrag abschließen möchte. Für diese Studie und die notwendigen Erprobungen benötigen beide Seiten natürlich eine verlässliche Grundlage. Im MoU wird beschrieben, zu welchem Zweck und Ziel die Parteien zusammenarbeiten wollen, und was die rechtlichen, finanziellen und zeitlichen Rahmenbedingungen dafür sind. Ferner werden insbesondere Regelungen getroffen, bezüglich möglicher neuer IPRs9 und für den Ausschluss paralleler Erprobungen mit Wettbewerbern (Ausschließlichkeitsklausel).10 Für beide Formen, LoI und MoU, gilt – wie bei allen schriftlichen Vereinbarungen mit Dritten – dass unbedingt juristischer Beistand einzuholen ist. Auf die typischen Inhalte kommen wir im Abschn. 3.5.2 noch einmal zurück. cc

Praxis-Tipp: Ehrlichkeit und Integrität drücken sich auch in der Bereitschaft zur gegenseitigen Sicherheit aus. Zögern Sie also nicht, diese Mittel zu nutzen, um Vorphasen einer Kooperation zu sichern. Im Falle eines Misserfolges ist ein umfangreicher Kooperationsvertrag später nämlich nur schwer und kostenträchtig wieder aufzulösen („Drum prüfe, wer sich ewig bindet!“).

Zusammenfassung Bevor wir die nächste Stufe des Partnerings „erklimmen“, sollen Sie sich noch ermuntert fühlen, Ihrer Kreativität beim Suchen, Finden und Auswählen des richtigen Geschäfts9

 IPR: Intellectual Property Rights, siehe auch Abschn. 3.6.6.  Ausschließlichkeitsklauseln bedürfen eingehender juristischer Beratung.

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partners freien Lauf zu lassen. Geschäftsmodelle sind immer individuell und deshalb vielfältig. Man sollte nie schablonenartig, bekannte oder vermeintliche Standards bequem weiterverwenden. Denken Sie an das Modell der Ausschreibung (z. B. mit Ankündigung in den Medien) oder das heute leicht realisierbare „e-bidding“-Verfahren, bei dem interessierte Anbieter einen standardisierten Fragebogen beantworten und Angebote abgeben müssen. Das kann bei Massenwaren mit Tagespreisen oder elektronischer Werbung (Flächen, time-slots) bei publikumswirksamen Großveranstaltungen ein effizientes Mittel der Wahl sein. Es gilt also „anything goes!“ … solange es legal ist.

2.3.2 Stufe 2 – Vertragsverhandlung und Abschluss Alle elf Minuten verliebt sich angeblich ein Single. Wie schade, dass es offenbar stets nur einer oder eine ist. Auch wenn man mit sich selbst im Einklang leben kann, so gehört doch zu einer Partnerschaft mindestens eine zweite Person. „Schlanke Sie, attraktiv, spontan und ehrlich ………… sportlicher Er, zuverlässig, gepflegt und handwerklich begabt, sucht Ihn oder Sie für gemeinsame Theaterbesuche, für immer und ewig oder als Fels in der Brandung.“

Wenn im täglichen Leben die oder der Richtige einfach nicht auftauchen will, so kann man die Partnersuche heute digitalisieren, auf einem der vielen Suchportale sein Profil hinterlegen und selbst auf die Suche gehen. Fisch sucht Fahrrad, wie es einmal in einem amerikanischen Roman hieß. Man beschreibt sich und macht sich Gedanken darüber, wie Sie oder Er sein möge. Man sucht, findet und nimmt doch wieder Abstand, oder es verlieben sich zwei Singles und ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Im Café oder bei einem Spaziergang hat man sich kennengelernt, sich immer wieder getroffen und miteinander gesprochen. Treffen Sympathie, gemeinsame Interessen und eine ordentliche Portion „richtige Chemie“ aufeinander, dann kommt der Moment, in dem

o Conduct due diligence / partner assessment o Calculate business case o Summarize findings o Elaborate cooperation details

o Contract types o Agree time-to-contract o Agree peer-to-peer negotiation setup o Define cooperation model o Set terms and conditions o Prepare and exchange all documents for review

Abb. 2.9  Stufe 2 – Vertragsverhandlung und Abschluss

o Sign contract and initial all documents by authorized representatives o Exchange all signed documents in printed and double original o Exchange all documents in electronic form

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man sich binden möchte. Aber wehe, man hat nicht über das „engagement model“ gesprochen und ist von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgegangen. Freundschaft für gemeinsame Unternehmungen, Reisebegleitung oder enge Partnerschaft (mit oder ohne Kinderwunsch), nur für einen Abend, offene Beziehung oder gar nur Mitbewohner in Senioren- oder Studenten-WG? Drum prüfe, wer sich ewig bindet und dies sehr rechtzeitig! Kommt man aber zu dem Schluss, dass beide dieselbe Partnerschaftsform wollen, so kann man sich binden, in welcher Form auch immer, mit oder ohne Vertrag. Die zweite Phase der Partnerschaft, die Vertragsverhandlung und Vertragsabschluss umfasst, kann wie in Abb. 2.9 dargestellt, in drei Schritte unterteilt werden. Wieder einmal lohnt sich dabei der Vergleich mit den privaten und zwischenmenschlichen Beziehungen, denn die Dinge liegen hier nicht viel anders als bei geschäftlichen Partnerschaften. Lediglich wird man zumeist einen Vertrag als Mittel und zur Definition der Bindung abschließen, worauf wir nun in den folgenden Abschnitten näher eingehen. Einem gewissen Wladimir Iljitsch Uljanow, besser bekannt unter seinem Decknamen Lenin, wird die Maxime „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“ zugeschrieben. Nun soll hier nicht empfohlen werden, das Partnering von einem konspirativen Überwachungs- und Kontrollapparat begleiten zu lassen, denn erfolgreiches Partnering beruht auf gegenseitigem Vertrauen, das man sich erst erarbeiten und verdienen muss. Deshalb gehört zu allen Phasen des Partner-Prozesses die regelmäßige Überprüfung, ob das geplante Ziel und die erreichten Ergebnisse noch zueinander passen. PDCA – Plan – Do – Check – Act, das ist der Zyklus, den man immer wieder anwenden muss und so gehört die Überprüfung, ob der ausgewählte Partner wirklich zu den vorher festgelegten Anforderungen passt, zum ersten Schritt der zweiten Phase im Partner-­ Prozesses.

I nvestigate fit – Überprüfung der Anforderungserfüllung Investigate fit – damit beginnen die Vertragsverhandlungen. Aber warum erst jetzt? Bislang konnte die Leistungsfähigkeit eines betrachteten Unternehmens nur anhand seiner „Papierform“ und aufgrund mündlicher Aussagen überprüft werden. Kein Unternehmen lässt mehr zu, wenn ein möglicher Vertrag noch in weiter Ferne steht. Schließlich kostet die Betreuung solcher Überprüfungen auch Zeit, und Zeit ist Geld. Stellen wir uns vor, Ihr Unternehmen will von einem Lieferanten Elektromotoren verschiedener Stärke und Ausstattung für den Antrieb von Produktions- und Verpackungsanlagen kaufen, die Sie für die Getränkeindustrie entwickeln und herstellen. Nehmen wir ein Projektgeschäft an, das auf einem modularen Produktbaukasten beruht und für jeden Kunden individuelle Planungen und Aufbauten erfordert. Ihre Kunden wollen skalierbare Lösungen, die mit ihrem Geschäftswachstum und sich änderndem Getränkesortiment mitwachsen und angepasst werden können. Es müssen also auch Ausbaupläne und jeweils detaillierte Angebote dazu erarbeitet und vorge­ legt werden. Ihre Entwicklung und Ihre Testabteilung werden umfassende Typprüfungen, Erprobungs- und Freigabephasen fordern. Ihre Kaufmannschaft hat Fragen an die Abwicklung,

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Rechnungslegung und die Verwaltung des Zahlungsverkehrs des Lieferanten. Ihre Compliance-­Wächter wollen die Einhaltung von Arbeitsrecht, Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften sowie von geltendem Export- und Zollrecht überprüfen, usw., usw. Kurz, insbesondere bei strategisch bedeutenden Partnervorhaben entsteht der Bedarf, eine umfassende Überprüfung des Partners vorzunehmen und ggf. umgekehrt einer solchen umfassenden Prüfung selbst standzuhalten. Conduct Due Diligence/Partner Assessment/Audit Es gibt verschiedene Formen der Überprüfung, die man aber nie als Ausdruck des Misstrauens und des Argwohns empfinden oder gar kommunizieren sollte. Begrüßen Sie solche Untersuchungen als sehr effizientes Mittel, eine erfolgreiche Partnerschaft nachhaltig vorzubereiten. Deshalb wäre es auch widersinnig und sogar schädlich, einander etwas vorzumachen (als ob Kaiser Wilhelm die Flotte inspizieren wolle), oder zu signalisieren, man wolle dem anderen „mal auf den Zahn“ fühlen. Ganz einfach: man kann immer etwas voneinander lernen, wenn man sich den „lästigen“ Fragen des anderen stellt und miteinander offen und ehrlich umgeht. Due Diligence – gebotene Sorgfalt – diese Überprüfungsform bezieht sich zumeist auf die genaue Überprüfung der Einhaltung von kaufmännischen Vorschriften, Rechnungslegung und Bilanzierung. Sie ist üblich z. B. vor einem Börsengang, aber auch, bevor ein Unternehmen gekauft wird oder in einen Merger11 übergeht. Sie kann erforderlich werden, wenn Quartals- und Jahresberichte bestimmten rechtlichen Grundlagen genügen müssen, deren Einhaltung kontrolliert wird (IFRS, US-GAAP und HGB).12 Das Partner Assessment setzt auf einem Fragenkatalog auf, den Sie aus Ihren geschäftlichen, technischen und operativen Erfordernissen erstellt haben. Natürlich kann man sich hierfür auf die üblichen Fragestellungen einer ISO-Zertifizierung abstützen, aber es wird stets viele Prüfpunkte geben, die spezifisch für Ihr Geschäft sind. In Abschn. 3.1 wird ein solcher operativer Fragenkatalog als „Operational Supplier Questionnaire“ beispielhaft vorgestellt werden. Dieser Fragenkatalog wird von Ihrem Partner in Form einer Selbstauskunft beantwortet und mit Dokumenten hinterlegt. Daraus wählen Sie dann besonders wichtige Punkte oder solche, die noch Fragen offenließen, und erörtern diese dann ausführlich vor Ort. cc

Praxis-Tipp: „Go to Genba“! Wir werden dieser Aufforderung noch häufiger begegnen.

„Go to Genba“ heißt es im Kaizen, gehe an den Tatort! Gehe dorthin, wo die Arbeit gemacht wird, und lasse Dir von dort nicht nur berichten!

 To merge: verschmelzen; M&A: Merger & Acquisition.  IFRS: International Financial Reporting Standards; US-GAAP: United States Generally Accepted Accounting Principles; HGB: Handelsgesetzbuch. 11 12

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

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Lassen Sie sich Ihre Fragen vorzugsweise vor Ort beantworten. Gehen Sie in das Kühlhaus, wenn Sie fragen zur Kühlkette von Lebensmitteln haben. Gehen Sie in die Buchhaltung, wenn Sie wissen wollen, wie Rechnungen erstellt und archiviert werden. Gehen Sie in den Versand, wenn unklar ist, wie Schock- und Sturzmelder an den Fracht-Containern für Ihre empfindlichen Porzellan-Produkte befestigt werden. Audit  – lat. auditus von audire =  hören. Das Audit war ursprünglich die öffentliche Bücherprüfung, die mündlich vorgetragen wurde. Heute meint man damit, dass ein unabhängiges, aber zertifiziertes Institut beauftragt wird, bei einem Unternehmen ein Audit z. B. gemäß ISO 9000 durchzuführen, um es zu zertifizieren oder die vorhandene Zertifizierung zu überprüfen. Bedenken Sie dabei, dass zertifizierte Unternehmen stets nur mit äquivalent zertifizierten Unternehmen zusammenarbeiten werden und dass das erlangte Zertifikat eben ein solches Audit im Normalfall überflüssig machen soll. Allerdings bevorzugen große Unternehmen, Global Player oder auch Hersteller von besonders anspruchsvollen „mission critical“ Produkten (z.  B.  Luft- und Raumfahrt oder Eisenbahntechnik, Medizintechnik), ihre Lieferanten sogar regelmäßig einem solchen Audit zu unterziehen, um diese zu stetem Bemühen um einen gleichbleibend hohen Qualitätsstandard anzuhalten (zu zwingen). cc

Praxis-Tipp: Alle Überprüfungen kosten Zeit und Geld. Reservieren Sie diese Zeit und planen Sie das Geld in Ihrem Budget ein. Je früher Sie auf Probleme, Risiken und Verbesserungspotenziale stoßen, desto geringer sind die Kosten zur Umsetzung von Maßnahmen. Ihre zufriedenen Kunden werden es Ihnen danken und beim „value pricing“ honorieren.

Calculate business case Was verdienen wir damit? Was kostet uns das? Das sind legitime Fragen und benötigen eine ausführliche und sorgfältige Beantwortung. Setzen Sie sich mit allen Stakeholdern in Ihrem Haus zusammen, diskutieren Sie die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen und Gespräche. Reden Sie auch mit den Kollegen, die im Labor oder Testfeld genaue Untersuchungen an Prototypen durchgeführt haben, oder das Produkt ihres potenziellen Partners einfach mal ausprobiert haben. Mit all’ diesen Informationen werden Sie in der Lage sein, mit Ihren kaufmännischen Spezialisten einen Business Case für die Partnerschaft zu ermitteln, der die Gesamtkosten über den Lebenszyklus (total cost of ownership) ebenso erfasst, wie die erzielbaren Umsätze und Gewinne. Erst wenn eine brauchbare Rendite nachgewiesen werden kann, sollte grünes Licht für die Kooperation gegeben werden. cc

Praxis-Tipp: Sollten sich Probleme mit der Wirtschaftlichkeit einer Partnerschaft ergeben, so ist es ratsam, sehr früh und offen mit dem Partner darüber zu sprechen. Man kann Missverständnisse ausräumen, alternative Geschäfts-

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modelle betrachten oder einfach gemeinsam beschließen, dass die Partnerschaft keinen Sinn macht.

Professionalität in allen Lebenslagen ist unverzichtbar und auch ein Misserfolg ist keine Schande, sondern ein gutes Ergebnis. Man weiß nun genau, warum etwas derzeit nicht funktioniert. Das ist für beide Seiten ein wertvolles Ergebnis! Summarize findings Früher hieß es oft „Wer schreibt, der bleibt!“. Gemeint waren die vielen Bürohengste, die viel beschriebenes Papier erzeugten und zugleich die Einzigen waren, die sich darin auskannten. Vielleicht mögen Sie es also als nervig empfinden, wenn Sie hier immer wieder aufgefordert werden, Arbeitsergebnisse sorgfältig zu dokumentieren und den beteiligten Kollegen zur Verfügung zu stellen. Aber nur durch solche Ergebnisdokumentationen (korrekt klassifiziert, bezeichnet, gelenkt und archiviert), die einem ordentlichen Review-Prozess unterzogen wurden, gewinnt man Referenzpunkte, gegen die man spätere Entwicklungen vergleichen kann. Zudem schafft man Grundlagen, sich später besser erinnern zu können und dafür, neue Kollegen oder Abteilungen effizienter einzuarbeiten. Aber auch im Falle einer späteren Akquisition Ihres Unternehmens, benötigen Sie diese Unterlagen z. B. für eine externe due diligence Untersuchung. Virtuosität und „aus dem Kopf spielen“ sind gefährlich, auch für den Wert Ihres Unternehmens. Fazit also: Stellen Sie einen Untersuchungsbericht zusammen und gleichen Sie ihn mit Ihren Team-Mitgliedern ab (Review und Freigabe). Dann begeben Sie sich in den letzten Schritt dieser die Vertragsverhandlungen vorbereitenden Phase. Elaborate cooperation details In diesem letzten Vorbereitungsschritt stellen Sie den Untersuchungsbericht Ihrer Geschäftsleitung vor und erläutern das angestrebte Kooperationsmodell in allen Details. Hierfür sollten Sie unbedingt ein persönliches (Tisch-)Review mit allen erforderlichen Entscheidern herbeiführen. Alle Ergebnisse werden dann Schritt für Schritt und strukturiert vorgetragen (top-down, kommen Sie nicht von Hölzchen auf Stöckchen!). Es werden Fragen diskutiert und beantwortet, bzw. sogenannte Action Items aufgenommen und deren Bearbeitung terminiert. Wenn Sie bis hierher Ihre Arbeit gut gemacht haben, kann niemand „aus dem Mustopf“ kommen und behaupten, nicht eingebunden, nicht informiert oder befragt worden zu sein. Führen Sie eine klare Entscheidung über das weitere Vorgehen herbei. Es ist Ihr Auftrag und Ihre Autorisierung für die nächsten Schritte. Bekommen Sie diese Entscheidung nicht, sollten Sie auf keinen Fall eigenmächtig weitermachen.

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

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Negotiate – Vertragsverhandlung Nun wird es ernst. Sie treten mit Ihrem Team (und einem sachkundigen Juristen an Ihrer Seite) in die Vertragsverhandlungen ein. Es gibt Fälle, in denen ein Partner seine Marktposition ausnutzt und Ihnen die Vertragsbedingungen diktieren will. Große, weltweit positionierte IT- oder Software-Anbieter sind hier gute Beispiele. Aber dennoch sollten Sie sich diese vorgefertigten Vertragswerke oder Lizenzabkommen sorgfältig durchlesen und darauf bestehen, dass für Sie nicht passende Konditionen angepasst oder gestrichen werden. Schlucken Sie keine Kröten! Resignieren Sie nicht! Es gibt immer Alternativen und nur, wenn man diese konsequent nutzt, kann man sich einem Diktat der Marktmacht entziehen. Hängt man erst einmal am Fliegenfänger, ist man von bestimmten Zulieferungen abhängig geworden, ist es zu spät und der Lieferant diktiert das Geschäft und die Preise. Das gilt auch für indirektes Material, wie z. B. die in Ihrem Haus benutzte Unternehmenssoftware. Sehr ähnlich verhalten sich große Kunden, wie z. B. Mobilfunkbetreiber oder Bahngesellschaften. Natürlich haben auch diese Partner vorgefertigte Vertragskonzepte. Je nachdem, welchen Wertanteil Ihre Dienstleistung oder Lieferung für einen solchen Kunden hat, wird man dort allerdings bereit sein, mit Ihnen zu verhandeln. Haben Sie auch hier Standvermögen und Selbstwertbewusstsein. Ein Versuch lohnt sich immer (insbesondere für die restriktive Regelung des Umgangs mit Ihren IPRs, siehe auch Abschn. 3.6). Nun haben wir schon zwei wesentliche Ausnahmefälle behandelt und können nun zum allgemeinen Teil der Betrachtungen übergehen. Contract types Gemäß der 5S (siehe Abschn. 3.10) des Kaizen steht am Anfang SERI, d. h. vereinfachen und sortieren. Deshalb soll hier mit einer Übersicht über mögliche Vertragstypen (contract types) begonnen werden, allerdings nicht ohne nachdrücklich die Einhaltung der „Goldenen Regel des Partner Managements“ zu fordern! Beherzigen Sie diese Regel stets und von Anbeginn an. cc

Die Goldene Regel des Partner Managements  Die juristische Formulierung des Ver-

trages erfolgt durch die Juristen!  Der geschäftliche Inhalt wird von den dafür geschäftlichen Verantwortungsträgern verhandelt und vereinbart! Binden Sie Ihre Juristen eng in den Verhandlungsprozess ein und fordern Sie deren gestalterische Kreativität in Bezug auf Vertragsformen, formalen Aufbau und Formulierung dessen, was Ihr Unternehmen will oder explizit nicht will. Der unterschriebene Vertrag ist später das Werkzeug Ihrer Arbeit und nicht nur ein Stapel Papier im Dokumenten-Safe einer Anwaltskanzlei. Schon gar nicht sollten Sie Ihre Verträge als Rückversicherungen und juristische Bollwerke für spätere gerichtliche Aus-

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einandersetzungen sehen. Als täglich gelebte Vereinbarung ist er vielmehr eine sichere Verhütung, dass es so weit kommt! Die Art des Vertrages richtet sich nach der Art des Geschäftes. Strebt man zum Beispiel eine Geschäftspartnerschaft zum Zwecke einer Kooperation an, dann wird ein Kooperationsvertrag benötigt, der den Inhalt der Kooperation, den Umgang mit möglichen neuen IPRs und z. B. den Auftritt gegenüber gemeinsamen Kunden regelt. Wenn im Rahmen einer Kooperation keine Warenströme zwischen den Partner entstehen, werden auch keine Regelungen zum Einkauf und zur Bezahlung (ordering, purchase order, payment terms) erforderlich. Beabsichtig man aber Waren von einem Lieferanten zu beziehen, dann muss man entscheiden, ob dies nur einmal geschehen wird, oder ob im Projektgeschäft und wechselnden Bedarfen regelmäßig und individuell bestellt werden muss. Es geht also darum, ob ein Rahmenvertrag (Frame Agreement) sinnvoll ist, der alle wiederkehrenden Anforderungen regelt und dann nur projektspezifische Ergänzungsverträge erfordert, oder ob es bei einem individuellen Vertrag (One-time-Agreement) bleibt. Ein weiterer Vertragstyp ist der Dienstleistungsvertrag (service contract), mit dem die zu erbringende Dienstleistungen vereinbart werden. Dieser kann sich auf einzusetzendes Personal (skills) oder auf genau definierte Leistungen beziehen. Auch hier kann wieder ein Rahmenvertrag oder ein One-time-Agreement (OtA) abgeschlossen werden. In jedem Falle sollte aber ein sogenanntes Statement-of-Work SoW sowohl hinsichtlich seines Formates als auch der individuellen Inhalte vereinbart werden, damit wieder eine Referenz existiert, gegen die man „Soll“ und „Haben“ vergleichen kann. Und schließlich gibt es auch noch die Service- und Wartungsverträge, die mit Dienstleistern und auch Kunden abgeschlossen werden (Frame und OtA), in denen z. B. Fehlerklassen, Reaktions- und Reparaturzeiten oder Malus- und Bonus-Systeme festge­ legt werden. Empfehlenswert ist bei allen Vertragsformen, dass man das Vertragswerk in einen Hauptteil (contract body) und Anhänge (appendices) unterteilen und bereits die Möglichkeit späterer Ergänzungsvereinbarungen (amendments) vorsehen sollte. Im Hauptteil werden alle generischen Anforderungen (generic terms and conditions) festgelegt. Dazu gehören z. B. das anzuwendende Recht, der Ort der Gerichtsbarkeit, die Zahlungskonditionen, Gewährleistungsklauseln usw. In den Anhängen werden fachspezifische Vereinbarungen getroffen, die die Logistik, die Service-Level-Bedingungen, Schulung- und Training betreffen, oder auch eine halbjährig gültige Richtpreisliste oder technische Lieferdaten umfassen können. Ergänzungsvereinbarungen werden erforderlich, wenn unter denselben Rahmenvertragsbedingungen, nach einer gewissen Zeit weitere Geschäftsinhalte geregelt oder vorhandene verändert werden sollen. Es ist hier nicht möglich, auf alle denkbaren Vertragsvarianten einzugehen, denn auch diese folgen Ihren Geschäftserfordernissen. Ihre juristischen Berater werden gewiss die richtige Wahl treffen. Wichtig ist nur, dass man den Vertrag als Werkzeug und Grundlage für die spätere Zusammenarbeit mit dem Partner versteht und bei seiner Erstellung mit

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dem Partner alle denkbaren „Lebenslagen“ der Zusammenarbeit diskutiert, durchdenkt und die Konsequenzen daraus vertraglich festhält. Um Ihnen einen Überblick über typische Inhalte solcher Verträge zu geben, wird in Abschn. 3.5 exemplarisch etwas näher darauf eingegangen. Die gegebenen Beispiele sollen Ihnen dann Anregung sein, über die Vertragsinhalte nachzudenken, die Ihr Geschäft erfordert. Agree time-to-contract Spielen Sie Monopoly? Ja? Und haben Sie auch diese Sonderregelung eingeführt, wonach derjenige gewonnen hat, der nach vier oder fünf Stunden Spielzeit das meiste Kapital hat? Hat man diese Sonderregelung nämlich nicht und spielt auch sonst nach allen Regeln, dann können fünf Stunden knapp bemessen sein und die Nächte lang werden. So ist es auch beim Verhandeln von Verträgen! Vereinbaren Sie intern einen Zeitplan, bis wann Sie welche Themen vereinbart haben wollen und wann Ihre „dead line“ maximal erreicht sein soll. Vereinbaren Sie auch mit Ihrem Verhandlungspartner einen solchen Fahrplan und die Zeit bis zur endgültigen Unterschrift (time-to-contract). Das ist enorm wichtig, um die Verhandlungen effizient und zielorientiert durchführen zu können. Sie gewinnen zudem einen Gradmesser für die Bedeutung, die Ihr Partner (und ebenso Ihre eigene Geschäftsleitung) dem Vorhaben beimisst. cc

Praxis-Tipp: Kommen Sie der vereinbarten Zeitgrenze nahe, sollten Sie unbedingt und sachlich eskalieren. Verhandeln Sie nicht weiter, wenn diese Zeitgrenze überschritten ist, ohne darüber klare Vereinbarungen herbeigeführt zu haben. Time-to-contract ist unter Umständen die Sollbruchstelle, die Sie nutzen müssen, um aussichtslose Verhandlungen beenden zu können.

Agree peer-to-peer negotiation setup Dieser Schritt ist eigentlich nur eine Wiederholung der Aktion, die schon im Abschn. 2.3.1 beschrieben wurde. Dennoch müssen auch zu Beginn der Vertragsverhandlungen die Beteiligten einander mit ihren jeweiligen Zuständigkeiten und Autorisierungen vorgestellt werden. Als zuständiger Partner Manager sollten Sie allerdings darauf achten, dass Sie bei allen Team-Meetings dabei sind. Das zwingt Sie leider ein wenig zum sequenziellen Arbeiten und wird Ihren Terminkalender sehr belasten, aber einer muss den Überblick behalten und Überlappungen, Inkonsistenzen oder gar Widersprüche erkennen und aufgreifen können. Wenn Sie sich häufiger mit demselben Team Ihrer Firma in solche Vertragsverhandlungen begeben, dann wir es wie bei jedem Mannschaftssport Übungseffekte geben, die Sie wieder entlasten werden. cc

Praxis-Tipp: Drängen Sie darauf, dass möglichst immer dieselben Vertreter der Interessenbereiche Ihres Unternehmens an Vertragsverhandlungen teilneh-

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men. Sorgen Sie dafür, dass eine gut funktionierende Mannschaft mit TeamGeist entsteht (Lob, Anerkennung und auch mal Kaffee und Kuchen auf Ihre Kosten) und wirken Sie auf Kollegen ein, die diesen „Spirit“ mitbringen. Akzeptieren Sie keine Team-Mitglieder, die das erforderliche Verantwortungsbewusstsein nicht erkennen lassen oder sich gegenüber Externen nicht absolut professionell verhalten. Es steht zu viel auf dem Spiel, um bei der sportlichen Wortwahl zu bleiben.

Define cooperation model Auch dies ist eine Wiederholung (Überprüfung) des Schrittes im Abschn. 2.3.1. Diesmal allerdings ist es eine Festlegung, die den nachfolgenden Verhandlungen zugrunde liegt und die Vertragsform definiert. Im Unterschied allerdings zur Festlegung des Engagement Models, werden nun auch alle anderen Formen und Prozesse der Zusammenarbeit vereinbart. Bedenken Sie, dass zwei Unternehmen mit unterschiedlichen Kulturen und unterschiedlicher Prozesswelt (process landscape) mit einem Vertrag die Zusammenarbeit vereinbaren, d.  h. Sie müssen alle Schnittstellen, Integrationsmöglichkeiten und Kom­ munikationskanäle durchdenken und festlegen. Die gegenseitige Integration in automatisierte Prozessketten ist ein wesentliches Element der modernen Digitalisierung unter der Überschrift „Industrie 4.0“. cc

Praxis-Tipp: Benutzen Sie als Grundlage für die Diskussion visualisierte Prozessbeschreibungen, Ablaufdiagramme oder Powerpoint-­Darstellungen von Prozessketten. Visualisierung hilft beim gegenseitigen Verständnis, bzw. beugt Missverständnissen vor.

Set terms and conditions Dieser Abschnitt wird in seiner Kürze dem Umfang der erforderlichen Arbeit nicht gerecht! Die allgemeinen und speziellen Geschäftsbedingungen (terms and conditions, T&Cs) zu verhandeln und einvernehmlich festzulegen, ist der Hauptbestandteil der Vertragsverhandlungen und verschlingt – natürlich in Abhängigkeit von der Art und Bedeutung des Vertrages – die meiste Arbeitszeit. Wichtig ist, dass top down vorgegangen wird, also in der Reihenfolge, mit der man auch ein Buch liest, nämlich von vorne nach hinten. Legen Sie zuerst gemeinsam die Struktur des Vertragswerkes (Kapitel, Anhänge und deren Bezeichnung, Nomenklatur, etc.) fest und vereinbaren Sie ein Review- und Berichtswesen, in dem auch die Erledigung von Action Items genau verfolgt wird. Ebenso muss festgelegt werden, welches Team-Mitglied der Editor für ein Kapitel oder Teildokument ist. Diese Person muss sorgsam darauf achten, dass das Dokument stets mit aktualisierten Versionsbezeichnungen und im Überprüfungsmodus (mark-up mode) zur Verfügung steht. Die Möglichkeit der elektronischen Kommentierung im Dokument ist dafür ein sehr hilfreiches und empfehlenswertes Feature.

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Das vereinbarte Gerüst wird dann Kapitel für Kapitel aufgefüllt. Strittige Punkte, die einer Klärung mit dem Management bedürfen, werden markiert und an einem späteren Verhandlungstag wieder aufgegriffen. Blockieren solche offenen Punkte (blocking points) den Fortschritt der Verhandlung, müssen sie unbedingt eskaliert werden. Beginnen Sie die Arbeit an den Anlagen erst, wenn der Contract Body in den wesentlichen Formulierungen vereinbart wurde, sonst fehlen den zuständigen Teams u. U. wichtige Voraussetzungen (z. B. Qualitätsparameter, Erfüllungsdefinitionen) für ihre Arbeit. Wenn es technisch möglich ist, kann man auch einen geschützten, gemeinsamen Datenraum aufbauen, in dem sich stets alle Dokumente befinden. Achten Sie darauf, dass Anlagen (z. B. technische Produktangaben, Zertifikate, etc.) stets nur als PDF-Datei beigelegt werden. Nur so kann man deren Authentizität sicherstellen. Prepare and exchange all documents for review Am Ende der Verhandlungen steht ein gemeinsames Tischreview aller erstellten Dokumente. Letzte Fragen werden geklärt und protokolliert. Dann werden alle Dokumente als final gekennzeichnet – diese dürfen dann natürlich keine Markups oder Kommentare mehr enthalten  – und als vollständiger Dokumentensatz beiden Parteien zum abschließenden Review durch die Geschäftsleitungen vorgelegt. Dazu sollten Sie verbindliche Zieltermine für den Abschluss dieser letzten Überprüfung und für den Vertragsabschluss (Unterschrift durch Zeichnungsberechtigte) vereinbaren.

Closing – Vertragsabschluss Sie haben es geschafft! Vor Ihnen liegen zwei Stapel Papier. Das komplette Vertragswerk mit allen Anlagen liegt zur Unterschrift bereit. Papier? Muss das sein im Zeitalter des papierlosen Büros? Ja, es muss sein. Nur das Original ist der Beweis für die rechtlich bindende Gültigkeit der getroffenen Vereinbarungen! Deshalb brauchen Sie auch in Ihrem Unternehmen einen geplanten und geordneten Weg, solche wertvollen Dokumente sicher aufzubewahren. Lesen Sie hierzu auch Abschn. 3.8, in dem auf die Archivierung von Verträgen genauer eingegangen wird. Sign contract and initial all documents by authorized representatives Alle Dokumente müssen an den dafür vorbereiteten Stellen durch autorisierte Vertreter der Unternehmen unterschrieben werden. Üblich ist, dass je Unternehmen zwei Vertreter13 unterschreiben, also z.  B. der Geschäftsführer und der kaufmännische Geschäftsführer, der Chief Financial Officer CFO.

13  Auch hier sei unterstrichen, dass es sich selbstverständlich um Vertreterinnen und Vertreter, Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer handeln kann.

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Achten Sie darauf, dass auch alle Anlagen – selbstverständlich müssen diese mit demselben Ausgabedatum gekennzeichnet sein  – zumindest mit einer Paraphe gekennzeichnet werden. Die Unterschriftsprozedur kann bei Ihnen beginnen. Die Dokumente werden anschließend mit einem Kurierdienst (oder einer anderen gesicherten Versandmethode) Ihrem Geschäftspartner zur Verfügung gestellt. Auch dort werden alle Dokumente entsprechend unterschrieben. cc

Praxis-Tipp: Wenn die entstehenden Kosten den Rahmen der Vernunft nicht völlig sprengen, sei Ihnen empfohlen, die Unterschriftsprozedur bei einem eigens dafür organisierten Treffen aller Beteiligten durchzuführen. Beglückwünschen Sie sich gegenseitig, nutzen Sie die Gelegenheit zu einem feierlichen Beisammensein und dem weiteren Aufbau von persönlichen Kontakten und Partnerschaft. Es ist die beste Gelegenheit dazu und es ist Ihre Aufgabe als Partner Manager auch mal Event-­Manager und Maitre du Plaisir zu sein!

Exchange all signed documents in printed and double original Nach diesem letzten formalen Akt erhält jedes Unternehmen ein vollständiges Original (in einer Mappe) für die Archivierung. Es ist empfehlenswert, bereits zu diesem Zeitpunkt zwei Kopien des Originals zu erstellen und ebenfalls beizulegen. Exchange all documents in electronic form Erst jetzt kommen wir zum papierlosen Büro und tauschen die Dokumente auch in elektronischer Form aus. Aber auch hier gibt es zwei Pakete. Das eine Paket enthält alle Dokumente in editierbarer Form, also die finalen Office-­ Versionen (wenn Sie sich auf Microsoft-Office geeinigt hatten). Das zweite Paket enthält die vollständigen Scans aller Originale (alle Seiten! Auch Leerseiten mit der Kennzeichnung „absichtlich leer“/„intentionally left blank“!) im pdf-Format. Bedenken Sie, dass nur solche elektronischen Kopien das Original wiedergeben und belegen. Die editierbare Version sind nur dafür gedacht, dass Ihr Partner später vielleicht bei Ergänzungen auch die Editor-Rolle übernehmen kann. cc

Praxis-Tipp: Lassen Sie sich im Geschäftsleben nie auf den Austausch von editierbaren Dokumenten als Vertrag ein (oder gar auf mündliche Zusatzvereinbarungen!).

Ein File im editierbaren Excel-Format mag zwar die Liste des gewünschten Materials enthalten, stellt aber keine verlässliche Grundlage für eine Bestellung dar (purchase order, PO). Ein Word-Dokument ohne Unterschrift ist nur ein Entwurf und keine rechtlich bindende Vereinbarung! Akzeptieren Sie nur Scans von unterzeichneten Originalen und verzichten Sie nie darauf, die dazugehörigen gedruckten Originale ebenfalls zu erhalten!

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Zusammenfassung Auf den vorangegangenen Seiten wurde vorgestellt, wie man mit dem Partner der Wahl zu einer vertraglich geregelten Geschäftsbeziehung kommt. Alle Festlegungen und Definitionen wurden nach bestem Wissen sorgfältig und umsichtig vereinbart. Das war viel systematische Arbeit, doch sind Sie nun nicht aus Ihrer Pflicht entlassen. Bis hierhin hat die neue Partnerschaft nämlich nur eine Papierform, sie wird noch nicht gelebt. Die Umsetzung des Vertrages im operativen Geschäft ist die dritte Phase der Partnerschaft und wird in den folgenden Abschnitten beschrieben.

2.3.3 Stufe 3 – Implementation des Vertrages Können Sie sich noch erinnern, wie das war, als Sie mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner beschlossen, in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen? Sie hatten diese wunderbare Zeit des Anfangs einer neuen Beziehung genossen, aber lebten jeder noch in Ihren eigenen vier Wänden. Nun aber mussten Entscheidungen getroffen werden, welche Möbel im neuen Hausstand Verwendung finden sollten und wie die Wohnung einzurichten sei. Auch die Dinge des täglichen Lebens, wie Einkaufen, Kochen, Aufräumen, Sauber machen und nicht zuletzt die wichtige Frage, wer den Müll runterbringt, mussten geklärt werden. Das, was bislang nur Plan war, musste nun umgesetzt werden und ergab die erste Prüfung für Sie Beide. Was waren nur Worte und was fester Wille? Jeder prüfte, ob alles seinen Erwartungen entsprach und so gab es auch mal Auseinandersetzungen darüber, ob Oma’s gerahmte Winterlandschaft über dem Sofa an die Wand kommen sollte und der Sieger-Pokal vom letzten Motorradrennen in der 125ccm-Klasse auf der Anrichte eines Schwedischen Möbelhauses seinen prominenten Platz finden würde. Meinungsverschiedenheiten wurden diskutiert und zu Kompromissen geführt (Bild an die Flurwand, Pokal ins Gästezimmer, beide später in den Keller). Schließlich ging auch

o Set-up Implementation Team o Training of all relevant business units o Integrate partner into business processes o Start cooperation

o Project support o Measure success / performance in pilots o Adapt processes o Add addendums to contract if required

o Release Implementation team o Assign RACI-Model o Announce operational contact partners

RACI: R=Responsible, A= Approver, C= Contributor, I= Informed

Abb. 2.10  Stufe 3 – Implementation des Vertrages

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dieser Neuanfang in den Alltag über und die Vereinbarungen und Kompromisse mussten sich in der Praxis beweisen, wenn nicht bereits hier die Unvereinbarkeit unterschiedlicher Interessen zu Tage getreten und mit Argumenten bezüglich der Zahnpastatube und des mangelnden Platzes im Schuhschrank zu einem jähen Ende der frischen Liebe geführt worden waren. Wie Sie sehen, lohnt einmal mehr der Vergleich mit dem „richtigen Leben“. Man findet immer wieder die Parallelen zu Geschäftspartnerschaften, denen wir uns nun wieder zuwenden. Denn nun geht es an die Arbeit, nun müssen die getroffenen vertraglichen Vereinbarungen in die Tat umgesetzt werden. Doch hier ist nicht gemeint, den Inhalt des Vertrages – die Materialbestellung, die Dienstleistung oder die Kooperation – zu realisieren. Hier geht es darum dafür zu sorgen, dass in Ihrem Unternehmen alle Betroffenen wissen, welche Aufgaben und Pflichten sie nun haben und alle technischen Voraussetzungen geschaffen werden, um den Vertrag leben zu können. Nennen wir es ramp-up oder Implementation des Vertrages (Abb. 2.10).

 xecute – Umsetzung des Vertrages E Set-up Implementation Team Wie auch schon für die Partnersuche und für die Vertragsphase (Stufe 1 und 2 der Partnerschaft), muss auch hier zunächst wieder das Team bestimmt werden, das die Aufgabe übernimmt. Aus jedem betroffenen Bereich wird wieder ein autorisierter Vertreter benötigt. cc

Praxis-Tipp: Neue Besen kehren gut, aber alte kennen die Ecken besser! Achten Sie stets darauf, dass sie ein ausgewogenes Verhältnis von jungen Wilden und erfahrenen „alten Hasen“ im Team haben. Es fördert die Qualität, macht mehr Spaß und lohnt sich immer!

In einer Kick-off-Veranstaltung werden Sie diese Vertreter über den Vertrag und seinen Aufbau informieren und die Aufgaben verteilen. Bestehen Sie auf der Verfügbarkeit Ihrer Kollegen und auf deren verbindlichen Bekenntnis (commitment) zur übernommenen Zuständigkeit. Andernfalls rennen Sie später Ihren Kollegen und der Erledigung der Aufgaben hinterher. Informieren Sie Ihre Kollegen darüber, welche Vertragsdokumente für sie wichtig sind und deshalb auch gelesen werden sollten. Vereinbaren Sie Ziele und regelmäßige Termine, zu denen Sie im Team den Fortschritt der Arbeiten überprüfen und dokumentieren. Training of all relevant business units Wenn Sie sich ein neues Auto kaufen, dann liegt Ihrem Stolz natürlich ein Nutzerhandbuch bei, das alle Knöpfe und Schalter erläutert. Dennoch wird Ihnen der freundliche Mitarbeiter des Autohauses bei der Übergabe eine persönliche Einführung und Probefahrt anbieten.

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Wenn Sie sich bereits das dritte Mal für die aktuelle Ausgabe Ihres Lieblingsmodells entschieden haben, mag das nicht mehr nötig sein, weil alles seinen gewohnten Platz hat. Aber was, wenn es sich nicht um ein Auto, sondern um eine High-Tech Kamera handelt? Sie brauchen Training! Organisieren Sie für jeden betroffenen Bereich Ihres Unternehmens unter der Anleitung des jeweiligen Team-Mitglieds Trainings-Veranstaltungen über die Inhalte, Rechte und Pflichten des Vertrages und wohnen Sie diesen auch bei. Es wird zu Fragen und ­Diskussionen kommen, die u.  U. auch Rückwirkung auf Ihren Geschäftspartner haben (bzw. auf gleichem Weg von dort zu Ihnen kommen). Proof-of-Concept, Überprüfung des Konzeptes, das schadet nie und je früher Probleme erkannt werden, desto billiger ist deren Beseitigung. cc

Praxis-Tipp: Legen Sie Teilnehmerlisten aus und lassen Sie sich die Teilnahme am Training von den Teilnehmern bestätigen. Es gibt Fälle, z. B. in Bezug auf Gewährleistungsklauseln oder Unfallverhütungsvorschriften, für die Sie solche Trainings nachweisen müssen.

Integrate partner into business processes Die Aufforderung, den Geschäftspartner in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren, klingt nach einem Pleonasmus. Der Geschäftspartner wäre sonst kein Geschäftspartner. Aber diese Aufforderung macht gerade im Zeitalter der viel beschworenen Digitalisierung und des Schlagwortes „Industrie 4.0“ sehr wohl Sinn. Gemeint ist nämlich, dass Sie soweit es technisch möglich und geschäftlich sinnvoll ist, die Geschäftsprozesse Ihres Partners in die Ihres Hauses integrieren sollten. Dafür müssen Schnittstellen geöffnet und Zugriffsrechte vergeben werden. Ihr Kooperationspartner kann aber auch mit seinen Mitarbeitern in Ihr Projekt-­ Management-­System integriert werden, an der automatischen Meilenstein- und Risiko-­ Kontrolle teilnehmen und zu liefernde Dokumente gelenkt über spezielle Portalbereiche erhalten oder bereitstellen. Auch kann Ihr Bestellsystem mit dem Einkauf Ihres Kunden verbunden werden und bereits bei der Angebotsabfrage auf die Lieferangaben bestimmter back-to-back Zulieferer zurückgreifen. Kurz: überall dort, wo Sie beginnen, in Papier und Mail-Verkehr zu denken, sollten Sie eingehend prüfen, ob eine technische Integration möglich ist. Start cooperation Wenn alle Vorkehrungen getroffen und Trainings durchgeführt wurden, starten Sie die Zusammenarbeit mit Ihrem Partner. Veranlassen Sie die erste Umsetzung des Vertrages. Es ist sehr zu empfehlen, dies anhand eines Pilotprojektes (Pilot-Order, etc.) durchzuführen. Wählen Sie dafür möglichst nicht gleich den kompliziertesten Fall, sondern einen typischen Standardfall. Sicher haben sie diesen auch schon in der Vorbereitungsphase als Diskussionsgrundlage genutzt. Es gilt also: „keep it simple and successful!“, schließlich brauchen alle Beteiligten auch einen Erfolg zur Bestätigung und weiteren Motivation.

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Versäumen Sie nicht, stets mit Ihrem peer bei Ihrem Geschäftspartner in Kontakt zu bleiben, ihn zu informieren und den dortigen Fortschritt zu verfolgen. Auch die „Gegenseite“ muss für das Pilotprojekt vorbereitet sein.

 onitor – Überprüfung des Fortschritts M Project support PDCA – Plan – Do – Check – Act, nur die immerwährende Wiederholung dieses Prinzips führt zum Erfolg. Der größte Arbeitsaufwand des Partner Managers ist bis hierhin nun geleistet. Allerdings sollten Sie sich nun auf keinen Fall zufrieden zurücklehnen, denn es werden sich immer wieder Fragen ergeben, die beantwortet werden müssen. Manchmal geht es um das richtige Verständnis, manchmal bedarf es einer hausinternen Vereinbarung, und ein anderes Mal muss mit dem Vertragspartner in einer Telefonkonferenz ein Detail geklärt werden. Hierfür bedarf es Ihrer Unterstützung. Zugleich bleiben Sie auf dem Laufenden bezüglich des Fortschrittes und Erfolgs bei der Umsetzung. Measure success/performance in pilots Dies ist auch der Moment, zudem Sie für diesen neuen Geschäftspartner das Berichtswesen und Berichts-Metriken einführen sollten. Um den Erfolg einer Zusammenarbeit überprüfen zu können, braucht man Informationen. Bestellmengen, Reaktionszeiten, Prozesszeiten, die erforderlichen Parameter müssen Sie zusammen mit den zuständigen Abteilungen vereinbaren und die Ergebnisse bereits für das Pilotprojekt abfragen. So können Sie frühzeitig erkennen, ob etwas klemmt und Verbesserungsbedarf entsteht. Achten Sie auch darauf, dass z. B. Wartungsverträge bestimmte Fehlerklassen und zugeordnete Reaktions- und Reparaturzeiten enthalten können, auf deren Über- oder Untererfüllung ein Bonus- oder Malus-System für die zu bezahlende Wartungsleistung basieren. Haben Sie die erforderlichen Daten nicht erhoben, können Sie auch keine Forderungen stellen oder Abschläge in Anspruch nehmen. cc

Praxis-Tipp: Verlassen Sie sich nicht darauf, dass Ihre Kollegen Sie von selbst darauf aufmerksam machen, wenn die Erfüllung irgendeiner Aufgabe während der Erprobung nur schwer und zeitraubend zu meistern ist. Go-to-Genba! Schauen Sie selbst und vor Ort, wie Aufgaben erfüllt werden und prüfen Sie, dass keine Nebenabsprachen getroffen werden oder Papierlösungen eingeführt werden, weil man mit einem elektronischen Prozessschritt nicht gleich zurechtkommt. Beweisen Sie Ihre Glaubwürdigkeit und zeigen Sie, dass Sie Ihre Kollegen und ihre Arbeit ernst nehmen.

Adapt processes Rom ist nicht an einem Tag erbaut! Auch wenn es schön wäre, so ist es doch unwahrscheinlich, dass alles von Anfang an bestens funktioniert und sich keine Ecken und Nischen zeigen, die einer Nachbesserung bedürfen.

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

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Es muss also zusammen mit den Fachabteilungen und den zuständigen Verantwortlichen für die Prozessordnung Ihres Hauses die Anpassung vorhandener Regelungen veranlasst werden. Wenn sich daraus ergibt, dass auch der Geschäftspartner Anpassungen vornehmen müsste, muss das in der nächsten Besprechung mit ihm geklärt werden. Manchmal reichen Besprechungsprotokolle, um vereinbarte Maßnahmen zu dokumentieren. Manchmal werden aber auch Ergänzungen zum Vertrag erforderlich. Add addendums to contract if required Stellen wir uns vor, Sie beziehen im Rahmen eines Einkaufsvertrages von einem Lieferanten 19-Zoll-Schränke, in denen Computer-Boards (CPU), Festplatten, Stromversorgungen und Lüfter bereits vormontiert sind. In Ihrer Montage sollen diese Schränke dann zusammen mit elektronischen Komponenten aus Ihrem Haus zu Schaltschränken endmontiert werden. Dabei erweist sich, dass die Konfiguration der CPUs und Festplatten mit dem erforderlichen Betriebssystem, sowie die Einrichtung der Komponentenüberwachung für die Stromversorgung und die Lüfter einen zu zeitraubenden Aufwand darstellt. Sie nehmen Kontakt mit Ihrem Lieferanten auf und untersuchen, wie dieser die Endkontrolle für die vormontierten Schränke durchführt. Dabei stellt sich heraus, dass dort sowieso in einem automatisierten Prozessschritt ein Betriebssystem geladen und zumindest temporär auch ein Administrations-Tool für die Stromversorgung und das Lüftersystem eingerichtet wird. Was liegt also näher, als diesen Prozessschritt zur Konfiguration zu nutzen und Ihre Montage zu vereinfachen? Da aber ein solcher Arbeitsschritt, der ja auch beim Lieferanten Geld kostet, ursprünglich nicht vorgesehen war und dementsprechend auch nicht unter die Gewährleistungsklauseln fällt, wird eine vertragliche Ergänzungsvereinbarung erforderlich, ein sog. Addendum. Dies wird im Umfang kurzgehalten, denn sonst würde es den getroffenen Vertrag in Frage stellen. Aber dennoch muss ein solches Addendum mit derselben Sorgfalt und demselben Vorgehen erstellt und vereinbart werden, wie der Vertrag selbst. Auch hier ist wieder erforderlich, dass zum Schluss autorisierte Unterschriften geleistet werden und die Vereinbarung als doppeltes Original ausgefertigt und jeweils archiviert wird. Hat man zum Hauptvertrag ein „Logbuch“ vereinbart, dann kann man hier die Historie und Chronologie einer lebendigen Geschäftsbeziehung belegen.

 andover – Übergabe an die operativen Nutzer H Release Implementation team Zum Abschluss der Pilot- und Erprobungsphase übergibt das Team die Anwendung des Vertrages in den normalen, operativen Betrieb. Das begonnene Monitoring von wichtigen „Betriebsparametern“ muss unbedingt fortgeführt und Kontrollmechanismen realisiert werden, mit denen beispielsweise Stornooder Lieferfristen, Zahlungsziele oder Gewährleistungsphasen überwacht werden.

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2  Operatives Partner Management

Diese Parameter werden heute elektronisch erfasst und zur Verfügung gestellt, damit diese nicht immer wieder mühselig in den Abteilungen aus Akten zusammengeklaubt werden müssen. Moderne Unternehmens-Software unterstützt das Monitoring und auch die Kontrolle von Fristen oder anderen Grenzwerten. Assign RACI-Model Responsible – Approver – Contributer – Informed, diese vier englischen Begriffe stehen für vier Rollen, die stets eindeutig zugeordnet und besetzt sein sollen. Responsible Die Person, die eine Aufgabe aktiv durchführt und dafür verantwortlich ist. Approver Die Person, die die erforderliche Autorisierung hat, Handlungen und Maßnahmen zuzulassen oder auch zu stoppen (z. B. Zahlungsanweisungen). Contributer Die Person oder Personengruppe, die einen Verantwortlichen in der Ausführung seiner Aufgabe durch bestimmte Zulieferungen (contributions) unterstützt. Informed Die Person oder der Personenkreis, der über einen Vorgang und seinen Status informiert werden muss. Das hört sich sehr formal an, hilft aber, Zuständigkeiten klar zu definieren und Durcheinander bei der Erfüllung von Aufgaben – also auch der Anwendung von Verträgen – zu vermeiden. Das RACI-Modell und die Beschreibung des operativen Zusammenwirkens aller Abteilungen (Mode of Operation, MoO) für das Partner Management wird im Abschn. 3.9 beispielhaft beschrieben. Announce operational contact partners Im letzten Schritt der Stufe 3, Implementation des Vertrages, werden alle operativ zuständigen Ansprechpartner sowohl in Ihrem Unternehmen als auch dem Vertragspartner benannt. Vielfach werden es dieselben sein, die bereits in den vorangegangenen Phasen zuständig waren. Insbesondere aber in großen Unternehmen mit einem sehr umfangreichen Partner-Eco-System muss das nicht unbedingt so sein. Eines bleibt aber unverändert. Das Partner Management, Sie und Ihre Kollegen, bleiben zuständig und erster und einziger Ansprechpartner (first and single contact) für alle Themen, die nicht nur der täglichen Abwicklung entspringen.

Zusammenfassung Die dritte Stufe der Partnerschaft ist vergleichbar der ersten Inbetriebnahme einer komplexen Maschine. Man tut gut daran, nicht gleich alle Funktionen auf einmal zu starten, und daran, aufmerksam alle Signale und Instrumente zu beobachten. Schließlich prüft man, ob die Funktion der Maschine zum Schluss auch das gewünschte Ergebnis erbringt. Es wird hier und dort korrigiert, justiert und vielleicht auch mal geölt werden müssen, bis alles rund und zuverlässig arbeitet und man dem Ganzen Vertrauen schenkt. Aber auch

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

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hier gilt, dass Vertrauen gut, aber Kontrolle besser ist, und somit wenden wir uns im ­nächsten Abschnitt – der Stufe 4 der Partnerschaft – dem ständigen Betrieb, d. h. der regulären Anwendung des Vertrages zu.

2.3.4 Stufe 4 – Anwendung des Vertrages „Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein!“. Wer kann sich nicht an dieses Zitat aus Vico von Bülow’s – besser bekannt unter seinem Pseudonym Loriot – Filmklassiker „Pappa ante portas“ erinnern? Sie kennen den Film nicht? Sehr zu empfehlen, insbesondere, wenn man einen humorvollen Blick auf das erlangen will, was passieren kann, wenn man nach vielen Jahren glücklicher Ehe (in diesem Fall bestimmt ohne Ehevertrag) auf einmal mit Änderungen konfrontiert ist, die die Beziehung und die gesamte Familie sehr belasten. Man hat sich das Ja-Wort gegeben, in guten und in schlechten Zeiten, bis dass der Tod Euch scheide, viele Jahre glücklich diese Versprechen gelebt und damit den Vertrag angewendet. Alles war prima, aber nun ist der Nachwuchs fast erwachsen und Heinrich Lohse ist arbeitslos geworden, d. h. Generaldirektor Blume und Heinrich sind übereingekommen, dass er sich fortan mehr darauf konzentrieren möge, seine Erfahrungen seinem Heim und dem Wohl seiner Familie zu widmen. Wie alle Filmfreunde wissen, schafft es Familie Lohse nach einigen Irrungen und Wirrungen, mit dieser neuen Situation zurecht zu kommen und dem gemeinsamen Leben wieder verständnis- und liebevolle Inhalte zu geben. Fazit: Voraussetzung für eine langjährig erfolgreiche Partnerschaft und Umsetzung eines Versprechens ist, dass man sich nie zufrieden zurücklehnt, sondern sich immer in gegenseitigem Respekt, offenem Gespräch und Fürsorge darum bemüht, die Partnerschaft auch über Tiefen und Belastungen hinweg weiterzuentwickeln und aus allem auch noch Positives zu schöpfen. Wir werden im Folgenden noch näher auf diesen kontinuierlichen Verbesserungsprozess KVP eingehen. Allerdings ist es sonst eher nicht empfehlenswert, die nachfolgend beschriebenen formalen und sachlichen Notwendigkeiten einer Geschäftspartnerschaft ins private Leben zu übertragen. Das könnte auch einen KVP überfordern und schnell zur fünften Stufe der Partnerschaft führen (Abb. 2.11).

o Partner relationship management o Contract management & maintenance o Claim management & IPRand IS- management

o Rights and obligations o Communication content

Abb. 2.11  Stufe 4 – Anwendung des Vertrages

o Mutual communication o 3rd Party communication

o Cost reduction programs o Operational optimization o Process improvements & practice sharing o Lessons learned

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2  Operatives Partner Management

 xecute – Operative Umsetzung der Partnerschaft E Partner relationship management Nun ist das Ziel erreicht. Der neue Geschäftspartner ist allen Kollegen bekannt, jeder weiß was zu tun ist und tut es auch. Zeit sich zurückzulehnen und zufrieden auf das Erreichte zu schauen. Sie freuen sich, dass Sie nicht in der Einkaufsabteilung sitzen und täglich Bestellungen ausstellen, Lieferungen verfolgen und Rechnungen bearbeiten müssen. Geht Sie das alles nichts mehr an? Sie ahnen es schon! Nach dieser Vorrede kann nun nur noch ein klares „Nein!“ kommen. Sie sind nicht aus dem Schneider! Sie sind sehr wohl noch immer in einer wichtigen Rolle und Verantwortung! Natürlich muss die operative Umsetzung einer Partnerschaft verfolgt und dokumentiert werden. Dafür haben Sie bereits in der Stufe 3 alle Grundlagen gelegt und hoffentlich können Sie nun von Ihrem Schreibtisch aus und an Ihrem Computer die wichtigsten Eckdaten verfolgen. Auftragsvolumina, Angebotsdaten, Bestellfristen, Lieferzeiten, Erfüllungen, Qualitätseigenschaften oder gar Ausfallraten, d. h. alle wichtigen Parameter, die Auskunft darüber geben können, ob eine Partnerschaft gut funktioniert, bzw. wo es klemmt, sollten Ihnen zur Verfügung stehen und Sie sollten es sich zur Regel – zum Standard – machen (das vierte S im Kaizen: SEIKETSU bedeutet Standardize), diese Parameter eben regelmäßig zu beobachten. Warten Sie nicht auf Klagen oder Eskalationen durch Kollegen! Wenn diese kommen, wurde oftmals schon lange „gelitten“ und mit irgendwelchen Hilfslösungen gearbeitet. Werden Sie selbst aktiv und nehmen Sie diese Informationen bei Ihren ebenso regelmäßigen Partner-Meetings (oder auch Telekonferenzen) stets als ersten Tagesordnungspunkt in Ihrer Agenda auf. Am Anfang steht immer ein gegenseitiger Bericht über Erfolg und Misserfolg, über das was gut lief oder was schiefging. Diese Partner-Meetings sind sehr wichtig und die einzige Instanz, in der zwischen Ihrem Unternehmen und Ihrem Partner über alle wichtigen, operativen Belange gespro­ chen werden sollte. cc

Es mag klischeehaft klingen, aber Golfplatz-Absprachen zwischen Geschäftsführern sind tabu und absolute no-gos. Sie sollten Ihre Position zur Disposition stellen, wenn solche Parallelwelten in Ihrem Unternehmen existieren sollten. Fast immer wird es zu Problemen führen, vielleicht sogar Compliance-Verstöße bedeuten. Aber nun zurück zur normalen Geschäftswelt!

Eine sinnvolle Agenda für z. B. einen 3-monatigen Besprechungszyklus umfasst: 1 . Quartalsbericht anhand der wesentlichen Geschäftsparameter 2. Gut oder schlecht gelaufen:

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• Zwischen Ihrem Unternehmen und dem Geschäftspartner • Zwischen Ihrem Unternehmen und dem Kunden (z. B. Partner-bezogene Reklamationen, Ausfälle, Service-Probleme, etc.) • Konsequenzen und Maßnahmen (lessons learned) 3. Geschäftsprognose für das nächste Quartal (gestaffelt nach Auftragswahrschein lichkeit) 4. Besonderheiten und Risiken anstehender Projekte 5. Jeweils kurzer Bericht • zur Gesamtgeschäftssituation • über neue Entwicklungen (lifecycle management, neue Features, Korrekturen, etc.) • neue Geschäftsideen oder Opportunitäten 6. Vereinbarung von Action Items und des nächstens Termins Nehmen Sie sich bei jedem Treffen ausreichend Zeit für Punkt 5). Tauschen Sie auch allgemeine, nicht partnerbezogene Informationen aus. Das gehört zur Offenheit und zum Respekt im gegenseitigen Umgang, gibt Ihnen aber auch die Chance, an der Weiterentwicklung und er Marktkenntnis Ihres Geschäftspartners teilzuhaben. Je länger und vertrauensvoller eine Zusammenarbeit besteht, desto mehr Vorteil werden Sie auch für Ihre Geschäftsentwicklung daraus ziehen. Selbstverständlich gehört zu jeder Besprechung ein vollständiges Besprechungsprotokoll, das zeitnah verteilt und natürlich zentral – nämlich beim Partner Management – abgelegt wird. Contract management & maintenance Schon wieder Vertragsverhandlungen? Das hatten wir doch gerade erst während der Realisierung eines neuen Vertrages. Dieses Thema wird Sie leider nie völlig verlassen, zumindest nicht in der ersten Zeit einer Partnerschaft. Aber Sie selbst werden die Initiative ergreifen, wenn aus Ihrer permanenten Verfolgung des operativen Betriebes und den regelmäßigen Partner-Meetings die Anpassung des vorhandenen Vertragswerkes die effektivste Art des korrigierenden Eingriffs darstellt. Es ist aber auch gar nicht so unwahrscheinlich, dass Vertragsergänzungen oder -anpassungen schon deshalb erforderlich werden, weil Ihr Geschäft oder das Ihres Partners sich weiterentwickelt hat. Ein einfaches Beispiel: Früher bezogen Sie von Ihrem Lieferanten Kunststoffflaschen mit einer durchschnittlichen Ausfallrate von 100 ppm (parts-per-million) und obendrein gab es sogenannte epidemische Fehler, d.  h. wurde dieser Grenzwert erst einmal überschritten, dann wiesen die Flaschen nach dem Befüllen mit steigender Tendenz Undichtigkeiten auf. Dem entsprechend haben Sie umfangreiche Wareneingangs- und Endkontrollen durchführen müssen. Heute garantiert Ihnen derselbe Hersteller eine Ausfallrate von 1 ppm und schließt epidemische Fehlereffekte aus, d. h. Sie können sich die teuren Tests sparen. Aber bevor Sie diese Qualitätsschritte aus Ihrem Produktionsprozess streichen,

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2  Operatives Partner Management

lassen Sie sich vom Hersteller diese Qualitätsangaben natürlich schriftlich geben. Folglich müssen Sie die entsprechenden Kapitel oder Anlagen des Vertrages einvernehmlich ändern. Claim management Sie sind auf das Ereignisfeld gekommen und lesen nun Ihre Ereigniskarte! Es ist etwas schiefgegangen! Sie können einen Liefertermin bei Ihrem Kunden vermutlich nicht halten, weil ein Zulieferer eine falsche Maschine geliefert hat! Eine Überschreitung des vereinbarten Termins hat einen Schadensersatzanspruch durch Ihren Kunden zur Folge. Was ist zu tun? An dieser Stelle sei Ihnen empfohlen, zum Abschn. 3.7 Claim Management zu springen und dort weiterzulesen. Dieses Thema ist nämlich recht komplex und hat deshalb einen eigenen Abschnitt verdient. Aber eines sei Ihnen schon verraten: Aller höchste Priorität all Ihres Handelns hat immer, mit vereinten Kräften den Schadensfall abzuwenden! IPR- and Information Security IS management Eigentlich ist doch hierzu alles im Vertrag geregelt. Dort steht, wie mit proprietären und vertraulichen Unterlagen umzugehen ist und ggf. auch, wie neue IPRs zu behandeln sind. Ebenso finden sich Regelungen bezüglich des erforderlichen Mitarbeiterverhaltens, der Nutzung von Medien und auch über den Umgang mit Pressemitteilungen und Referenzen. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass trotz aller Regelungen Fragen entstehen, die es zu beantworten gilt. Welche Dokumente dürfen offengelegt werden, und welche nicht? Darf ein Unterauftragnehmer Ihres Lieferanten dieselben Zugriffsberechtigungen zu Ihrem Ordersystem erhalten, wie der Lieferant selbst? Hat Ihr Unternehmen alle erforderlichen Lizenzen z. B. bezüglich der Weiterverwendung von kundenspezifischen Lösungen in anderen Projekten, usw., usw.? Die Klärung der Umstände und die Beantwortung der Fragen, bzw. auch die klare Erteilung von Handlungsrichtlinien, Verboten oder Anweisungen sollte in Ihrer Verantwortung liegen und durch das Partner Management geregelt werden. Es gibt nämlich keine IPR- oder IS-bezogene Frage, die sich nicht auf den Umgang mit Dritten bezieht. Entweder geht es um den Schutz oder die Lizenzierung der IPRs Ihres Unternehmens (outbound), oder um den Schutz oder den Lizenzerwerb für IPRs Dritter (inbound). Immer ist damit aber ein Partner- oder auch Lizenzvertrag im Spiel. cc

Praxis-Tipp: Man kann mit der Vergabe von Lizenzrechten Geld verdienen, oder sich vor dem Wettbewerb schützen. In jedem Fall benötigen Sie die Beratung und Hilfe eines sachkundigen Juristen. Handeln Sie niemals ohne ihn! Lassen Sie sich niemals auf die Formulierung von Lizenzrechten ein und missachten die Goldene Regel des Partner M ­ anagements!

Im Abschn. 3.6 werden wir noch etwas näher auf das Thema Informationssicherheit eingehen. Aber eines soll hier schon erwähnt werden: soziale Netzwerke und offene

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Kommunikationsplattformen sind nicht der Ort, auf dem Sie Geschäftsinformationen austauschen sollten! Trivialer Hinweis? Na, dann schauen Sie mal, was in den offenen Foren mancher Dienste diskutiert wird!

 ocument – Dokumentation und Statistik D Rights and Obligations Rechte und Pflichten – das sind die Inhalte des Vertrages. Nur wenn Sie über die Erfüllung Ihrer Rechte und Pflichten genau Buch führen und alles Relevante dokumentieren, können Sie bei Abweichungen auch auf die Erfüllung des Vertrages pochen, bzw. wissen genau welche Leistungen Ihr Unternehmen dem Vertragspartner noch schuldet. Ganz besonders wichtig wird diese neuerliche Aufforderung zur sorgfältigen Dokumentation, wenn es zu Nichterfüllungen kommt, wie z. B. Defekten, Verspätungen oder aufgrund von fehlenden Vorleistungen. Stellen Sie sich vor, Ihr Unternehmen soll die Fliesenarbeiten in einem OP-Saal ausführen, aber zum vereinbarten Termin hat der Elektriker die Kabelkanäle noch nicht verlegt. Ein Blick in Ihren Kundenvertrag bringt Ihnen hoffentlich die Beruhigung, dass dort alle Vorleistungen, die der Auftraggeber zu erbringen hat, aufgeführt sind. cc

Praxis-Tipp: Erstellen Sie – auch wenn Sie kein Excel-Freak sind – Statistiken mit den relevanten Parametern Ihrer Rechte und Pflichten. So erkennen Sie Tendenzen, wie z. B. stetig wachsender Verzug beim Zahlungseingang oder bei beauftragten Service-Leistungen!

Communication Content Datenspeicher sind heute nicht mehr teuer. Es spricht also nichts dagegen, sich Kopien des gesamten Mail-Verkehrs mit einem Lieferanten oder Kunden anzulegen. Notieren Sie sich Telefonate und kurz deren Inhalt. Die moderne IT-Welt stellt Ihnen allerlei „Helferlein“ dafür zur Verfügung, die Sie nutzen sollten. Ihr fortschreitendes Alter und die steigende Anzahl an Vorgängen macht es unmöglich, alles im Kopf zu behalten. Außerdem werden Sie froh sein, wenn Sie im Falle eines Pro­ blems (Gerücht, Behauptung, Vermutung, …) auf Ihr lückenloses Archiv zurückgrei­ fen können.

Communication – Kommunikation Mutual Communication Wer mit wem den früher als „Geschäftskorrespondenz“ bezeichneten Informationsaustausch durchführt, ist mit der peer-to-peer-Regel und den vereinbarten Ansprechpartnern genau bezeichnet. Früher gab es eine Mappe mit der empfangenen oder der zu sendenden Post, und deren Bearbeitung oder gar Unterschrift unterlag genau festgelegten Berechtigungen (z. B. Prokura). Natürlich werden in modernen Unternehmen mit der Prozessordnung auch die

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2  Operatives Partner Management

Unterschriftsberechtigungen (Limits of Authority, LoA) festgelegt. Aber leider sind die elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten so vielfältig und schnell, dass daran oftmals gar nicht mehr gedacht wird. Hier sollten Sie besonders wachsam sein und Ihre Kollegen zur Disziplin anhalten (zwingen). Selbst wenn ein Kollege keine Unterschriftsberechtigung hatte, also nicht autorisiert war, dann kommt der Download einer Software einer Lizenzunterschrift gleich und die Frage nach einem Preis, kann als Abruf eines Angebotes verstanden werden. Vieles kann man wieder gerade biegen! Besser ist es, dies gar nicht erst zu müssen! So kann sich Ihr Geschäftspartner stets auf Ihr Unternehmen, auf Sie und Ihr Wort verlassen. 3rd Party Communication Können Sie sich noch erinnern, was ganz weit vorne über Geschäftspartner gesagt wurde, die Ihnen fröhlich von anderen Geschäftspartnern und Geschäften berichten? Wir haben das als ein Kennzeichen mangelnder Integrität und Zuverlässigkeit gebrandmarkt. Was ist aber, wenn ein Kunde Sie nach Referenzen oder gar nach der Zusammensetzung Ihres Partner-Eco-Systems fragt? Dieser Wunsch ist nachvollziehbar und legitim, denn der Kunde will sich davon überzeugen, dass Sie das Material für Ihre Leichtbauflugzeuge nicht vom Schrottplatz beziehen, oder die Stoffe Ihrer Kleiderkollektion nicht von Kindern in armen Ländern färben lassen. Vereinbaren Sie mit Ihren Partnern und Lieferanten eine Veröffentlichungsklausel, die Ihnen und Ihrem Partner erlaubt (oder auch verbietet), gegenüber Dritten die Existenz der Partnerschaft (und nicht mehr) zu zitieren. Wenn Sie aber zu Werbezwecken über Kooperationen und deren Ergebnisse berichten wollen, wenn Ihr Kunde Referenzen oder gar Rezensionen von anderen Kunden fordert, dann nehmen Sie mit den in Frage kommenden Quellen Kontakt auf. Besprechen Sie genau, was Sie vorhaben und lassen Sie sich stets schriftlich genau dieses Vorhaben bestätigen. Verhindern Sie jegliche Veröffentlichung oder Referenz ohne eine solche schriftliche Einverständniserklärung (written consent). Vielfach wird Ihr Partner sogar froh sein, Ihnen behilflich sein zu können, denn es kann ja auch eine indirekte Werbung für sein Unternehmen sein. cc

Praxis-Tipp: Wenn Ihr Unternehmen plant, neue Produkte mit „Beta-­Testern“, „friendly usern“ oder Pilotkunden zu erproben und zu bewerben, dann denken Sie daran, dass Sie für die Bereitstellung von Kundenkommentaren oder Empfehlungen auch einen Rabatt oder ähnliches ausloben.

Das heißt aber nicht, dass man sich Lobgesänge kauft. So etwas fällt einem später auf die Füße, wenn man die geschürte Erwartungshaltung nicht erfüllen kann.

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CIP – Kontinuierlicher Verbesserungsprozess CIP, Continuous Improvement Process  – KVP, Kontinuierlicher Verbesserungsprozess, nach der ein oder anderen Methode sollte in jedem Unternehmen ein solcher Prozess in­ stalliert sein. Es muss kontinuierlich überwacht werden, ob Plan und Ergebnis noch im Einklang stehen, um mit Einzelmaßnahmen oder grundsätzlichen Verbesserungen der Abläufe dem entgegenzuwirken. Aber selbst, wenn alle Monitore grünes Licht zeigen, sollte man dennoch regelmäßig nach Möglichkeiten der Verbesserung suchen. Würden nicht ohnehin viele Menschen diesen Drang in sich tragen, dann würden wir vielleicht noch immer mit Super8-Kameras filmen und das flimmernde Heimkinoerlebnis als ein Genuss höchster Perfektion empfinden. Bekanntlich ist aber das Bessere der Feind des Guten, und so begeistern wir uns heute für 4K-Flatscreens und das Blue-Ray-Format, bis auch dies wieder Schnee von gestern ist. Diese Vorrede bedeutet eigentlich nichts weiter, als die Aufforderung, nichts als fertig und perfekt zu verstehen. Auch in gut funktionierenden Partnerschaften kann man gemeinsam Möglichkeiten finden, die Dinge noch besser zu machen oder mit neuen Inhalten zu versehen. Hier seien ein weiteres Mal die Methoden des Kaizen empfohlen. Kai-Zen, ändere zum Besseren, das ist die stete Aufforderung, immer wieder vor Ort zu überprüfen, wie ein Arbeitsprozess funktioniert oder gelebt wird. Go to Genba, gehen Sie an den „Tatort“ und sprechen Sie mit Ihren Kollegen. Organisieren Sie Brain Stormings mit geeigneten Kollegen Ihrer Entwicklungsabteilung und dem Vertrieb Ihres Geschäftspartners und suchen Sie nach neuen Geschäftsideen oder technischen Verbesserungen. Führen Sie regelmäßige Planspiele mit Ihrem Partner durch, die seine aktuelle Preisstellung überprüfen und nach günstigeren Konditionen suchen helfen (es geht hier nicht nur darum, dem Lieferanten immer wieder neue Preisnachlässe abzupressen! Denken Sie immer an win-win!). „Take a Muda-Walk“, laden Sie die zuständigen Kollegen z. B. der Produktion zu einem regelmäßigen Spaziergang durch alle Stationen des Produktionsprozesses ein und überprüfen gemeinsam, wie Zulieferprodukte transportiert und verarbeitet werden. Schauen Sie sich gemeinsam Schnittstellen und Übergabepunkte an und suchen Sie nach „Muda“, das ist der japanische Begriff für Verlust, Abfall oder auch Verschwendung. In Abschn. 3.10 werden wir den Muda-Walk und die drei verschiedenen Formen des Verlustes etwas näher beschreiben. Stellen Sie also immer wieder alles in Frage, zumindest in Gedanken, und lassen Sie sich nie von der Zufriedenheit anderer blenden. Es gibt immer etwas, was besser ist als das Gute. cc

Praxis-Tipp: Erarbeiten und vereinbaren Sie die CIP-Methoden, die Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Partner Manager anwenden wollen, in enger Zusammenarbeit mit Ihrer QA-Abteilung. Die Kollegen werden froh sein, wenn sie sich einbringen können und Sie bestimmt gut u ­ nterstützen.

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2  Operatives Partner Management

2.3.5 Stufe 5 – Terminierung einer Partnerschaft

Foto: Ulf Kleiner

Hans-Wilhelm Müller und Gertrud Flottke hatten sich erst spät in ihrem Leben kennengelernt und geheiratet. Beide hatten längst die Hoffnung auf Eheglück aufgegeben, als ein Zufall sie zusammenbrachte. HaWi, wie ihn seine wenigen Freunde nannten, war ein schmächtiges, unscheinbares Männlein, Ende Vierzig. Er arbeitete im Archiv eines Druckhauses, während Gertrud eine gelernte Fleischermamsell und unübersehbare Erscheinung war, die kräftig zupacken konnte. Die Beiden waren ein ungleiches Paar, das kinderlos blieb und 25 Ehejahre in grauer Eintönigkeit hinter sich gebracht hatten. Je schweigsamer und untertäniger Hans-Wilhelm wurde, desto aggressiver und übergriffiger wurde Gertrud. Als sie schließlich beide Rentner waren, ließ Gertrud immer häufiger ihre Frustration in heftigen Verbalien und manchmal sogar Tätlichkeiten an HaWi aus. Er erduldet alles, wusch, putzte, kochte und fügte sich in sein Schicksal, bis eines Tages Gertrud sogar seine wunderbar duftenden und knusprig gebratenen Bouletten als „Schweinefraß“ beschimpfte, während er ihr aus der

o Contract lifetime o Termination reasons o Surviving obligations

o Pro termination o Contra termination

o Risk mitigation o Contractual process

Abb. 2.12  Stufe 5 – Terminierung des Vertrages

 Diese kleine Geschichte lehnt sich sehr frei an einen tatsächlichen Fall von Totschlag an, der vor vielen Jahren in Berlin einmal durch die Presse ging. 14

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

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heißen, gusseisernen Pfanne auftat. Er konnte die Pfanne kaum mit einer Hand halten, aber mit beiden … Das Gericht zeigte später sogar ein gewisses Verständnis und erkannte auf Totschlag im Affekt. HaWi zog dennoch für die ihm verbleibenden Jahre in die Haftanstalt der Stadt ein. Er hatte ausdrücklich um das volle Strafmaß gebeten. Wäre ihm ein Kloster mit Schweigegelübde angeboten worden, hätte er diese Strafe mit noch größerer Freude entgegengenommen.14 Streit, Frustration, Verrat, Rosenkrieg und Auseinandersetzungen um das Sorgerecht von Kindern … wir alle kennen diese Themen oft genug aus dem privaten Umfeld, auf alle Fälle aber aus unzähligen mehr oder minder realistischen Kinodramen. Soweit sollte es in einer Geschäftspartnerschaft nicht kommen, sonst hätte man zuvor – wie im privaten Leben – schon sehr lange alles, wirklich alles, falsch gemacht. Ignoranz anstatt Aufmerksamkeit, Egoismus anstatt Fairness, usw., usw., aber darauf wollen wir hier nicht eingehen. In sehr vielen Jahren beruflicher Praxis und Verantwortung im Partner Management und der Zuständigkeit für große Partner-Eco-Systeme habe ich es nur einmal erlebt, dass ein Vertrag mit einem Lieferanten formal terminiert wurde. Dieser Partner war von unserem größten Wettbewerber gekauft worden. Nichtsdestotrotz kann es gute Gründe geben, die 5. Stufe einer Partnerschaft zu nehmen, die Terminierung (Abb. 2.12). cc

Praxis-Tipp: Schon hier möchte ich Ihnen dringend nahelegen, gerade in der 5. Stufe auf korrektes, faires und professionelles Handeln und Verhalten zu achten. Auch wenn sich die Wege zweier Unternehmen trennen, so sind die Menschen Ihre Partner gewesen und haben wie Sie ihr Bestes gegeben. Denken Sie daran, dass man sich im Leben immer zweimal begegnet!

Basics – Grundlagen Contract life time Die Vertragslebensdauer und der Zeitraum für die Gültigkeit bestimmter Vereinbarungen sind im Vertrag festgelegt. Hier geht es um Preisangaben, Gewährleistungszeiten, Wartungszusagen, Produktlebenszyklen inklusive Korrektur- und Weiterentwicklungszusagen, Ersatzteilverfügbarkeiten oder auch Geheimhaltungszeiten und vieles mehr. Einsichtig ist sicherlich, dass all diese Zeiten und Fristen sich nach der Art des Geschäftes richten. In Branchen wie der Telekommunikation, dem Schienenverkehr, der Luftfahrt und Raumfahrt, oder dem Schiffbau sind alle Zeiträume wesentlich größer und Verfügbarkeiten länger festgelegt, als z. B. bei Konsumgütern. Diese Zeitangaben, wie auch alle anderen Zeit- und Fristangaben im Vertrag, sollte man also stets im Auge behalten, oder zumindest eingehend prüfen, wenn man sich mit dem Gedanken trägt, einen Vertrag aufzukündigen. Verträge ohne Terminierungsklauseln und ohne Gültigkeitsangaben sind unüblich, fragwürdig und vielleicht sogar juristisch als zweifelhaft zu bezeichnen.

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cc

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Praxis-Tipp: Legen Sie sich für alle Verträge eine Tabelle mit allen Zeitdauerund Fristangaben an. Im Zweifelsfall ist die Suche in vielen hundert Seiten Vertragswerk zeitraubend und nervtötend. Noch besser ist es, wenn alle diese Angaben von einer zentralen Vertragsdatenbank abrufbar sind.

Termination reasons Der einfachste Grund für eine Vertragskündigung ist, dass man einfach vergessen hat, ihn fristgerecht zu verlängern. Deshalb schauen wir zunächst auf die üblichen Grundformen der Vertragsdauer: • Automatischer Ablauf des Vertrages nach einer festgelegten Zeit (z. B. 1 Jahr), wenn nicht fristgerecht verlängert wurde (z. B. 1 Quartal zum Ablauf des Vertrages). • Automatische Verlängerung des Vertrages um eine festgelegte Zeit (z.  B. 1 Jahr), wenn nicht fristgerecht gekündigt wurde (z. B. 1 Quartal zur nächsten Gültigkeitsphase). • Gültigkeit für eine festgelegte Dauer von z. B. mindestens 5 oder 10 Jahren, mit automatischer Verlängerung für weitere x Jahre, wenn nicht zuvor fristgerecht gekündigt wurde (z. B. 1 Jahr zum Ablauf des Vertrages). Ferner müssen wir zwischen dem Kundengeschäft (outbound contracts) und dem Lieferantengeschäft (inbound contracts) unterscheiden. Im Kundengeschäft sind Terminierungen eines Vertrages üblich, z. B. wenn es sich um ein Projektgeschäft handelt. Wenn das Blockheizkraftwerk gebaut und in Betrieb genommen ist, dann kann der Projektvertrag ablaufen und durch einen Wartungsvertrag abgelöst werden. Es kann auch zur Kündigung kommen, weil Ihr Wettbewerb irgendwann das bessere Produkt anbietet. Im Lieferantengeschäft richten sich die Terminierungsfestlegungen und Fristen natürlich nach Ihrem Kundengeschäft (back-to-back, b2b contracts) und dürfen dieses nicht gefährden. Dennoch können verschiedene Gründe zur Terminierung führen: • Veränderung Ihres Produktportfolios machen Zulieferungen obsolet, oder die Bereinigung Ihres Partner-Eco-Systems erfordert die Reduzierung paralleler Zulieferer. • Der Zulieferer kann die erforderlichen Produkte nicht mehr bereitstellen (Preis, Menge, Qualität, Lebenszyklus, …) • Sie oder der Zulieferer werden von einem jeweiligen Wettbewerber übernommen. • Sie oder der Zulieferer erfüllen wiederholt nicht die Vertragsklauseln (Nichterfüllung, Insolvenz, Bankrott, …) Surviving obligations Halt! Halt! Geschieden heißt nicht unbedingt auch „Alles wieder auf null“. Genau wie nach einer Scheidung gibt es noch Verpflichtungen, z.  B. an der gemeinsamen Erziehung und Fürsorge sowie dem Unterhalt noch minderjährige oder in der Ausbildung befindlicher Kinder. Auch gemeinsames Eigentum kann noch zu Ver­ pflichtungen führen, oder ein fälliger Rentenausgleich.

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

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Aber bei dem einem oder anderen Leser bzw. Leserin wunde Punkte berührt werden und dieses Buch im Regal verschwindet, wechseln wir lieber schnell auf die Verpflichtungen, die eine Terminierung eines Vertrages überleben, die surviving obligations. Da die Erfüllung solcher Verpflichtungen auch nach Vertragsende Geld kosten werden, sollte man sie gründlich bedenken, bevor man den Vertrag aufkündigt. Noch schlauer ist es, diese Kosten schon vor Vertragsunterschrift zu schätzen und im Business Case zu berücksichtigen. Kaufleute behandeln solche Posten wohl auch als „Rücklagen aus Risiko“, da deren Erklärung bei der Steuererklärung Vorteile bringen kann. Überlebende Verpflichtungen sind all die Pflichten, die aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen auch nach dem Vertragsende – zumindest für eine bestimmte Zeit – erfüllt werden müssen. An erster Stelle stehen hier die Vertraulichkeitsvereinbarungen und der gegenseitige Schutz etwaiger IPRs und Lizenzen. Ferner müssen sehr oft Reparatur-, Korrektur- und Wartungsleistungen sowie Ersatzteilbereitstellung (outbound obligations) noch lange über das Vertragsende sichergestellt werden. Andererseits kann Ihr Lieferant noch für eine gewisse Zeit verpflichtet sein, sie weiter zu beliefern oder Dienstleistungen zu erfüllen (inbound obligations). Ein wichtiges Mittel zur Sicherung Ihres Geschäftes, insbesondere, wenn Kooperationspartner wegfallen, ist das sogenannte Escrow Agreement (Treuhändervereinbarung). Hiermit wird sichergestellt, dass wichtige Technologien Ihnen zur Verfügung gestellt werden, wenn ein Lieferant dies nicht mehr selbst kann. Auf das Escrow Agreement werden wir im Abschn. 3.5.3 noch mal etwas näher eingehen. Soviel schon jetzt: ohne einen sachkundigen Juristen werden Sie nicht auskommen. cc

Praxis-Tipp: Gerade im Anlagenbau (z. B. Telekommunikation) fordern Betreiber von ihren Lieferanten recht oft, dass Sie bei technischer Nichterfüllung des Vertrages auf Kosten Ihres Unternehmens die Bereitstellung einer Lösung durch Ihren Wettbewerb realisieren. Solche Forderungen sollten Sie sich dreimal überlegen, bevor Sie sie unterschreiben.

 ros/Cons – Für und Wider P Hier soll nun ein Blick auf gute Gründe für und wider eine Vertragskündigung geworfen werden. Dabei werden nur solche Situationen betrachtet, in denen es für Ihr Unternehmen aus geschäftlichen Gründen darum geht, einen Vertrag weiterzuführen oder eben nicht. Außenvor lassen wir die oben genannten unfreiwilligen Gründe, wie Übernahmen, Konkurs, wiederholte Nichterfüllung, usw. Pro termination Alle Gründe für eine Beendigung ergeben sich aus der Pflege des eigenen Partner-Eco-­ Systems. Im Folgenden steht der Begriff „Produkt“ synonym für alle eingekauften Leistungen (Material, Software, Lizenzen, Dienstleistungen):

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2  Operatives Partner Management

1. Zu viele gleichwertige Lieferanten für ein Produkt (multiple sources anstatt 2nd source). • Hohe operative Kosten aufgrund der erforderlichen Prozesspflege, Partner Management, Rechnungswesen usw. • Dieser Fall sollte eigentlich nur nach einem Merger auftreten können und eine Bereinigung erforderlich machen. Sonst sollte das Partner Management in seiner Verantwortung für das Partner-Eco-System dies verhindert haben. 2. Rückgang des Bestellvolumens (Marktveränderung, Produkt erreicht Lebensende). • Operative Kosten stellen den Business Case für diese Zulieferung in Frage. • Die Terminierung des Gesamtvertrags sollte nur betrachtet werden, wenn das gesamte Volumen über alle Lieferungen unwirtschaftlich wird. Einzelne Leistungen können als Bestellobjekt auch einzeln abgekündigt werden. Damit reduziert sich die Anzahl der zu pflegenden Positionen (Kosten). 3. Zulieferung erfüllt nicht mehr die Markterfordernisse (Preis, Qualität, Technologie). • Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. • Wenn sich dies nicht im Verhandlungsweg abstellen lässt und auch nicht nur einzelne Positionen betrifft, dann kommt die Terminierung des Gesamtvertrages in Frage. 4. Zulieferer kündigt relevante Zulieferungen ab (Marktveränderung, Produkt erreicht Lebensende). • Verlust der Lieferfähigkeit. • Normalerweise sollten Abkündigungen aus dem normalen Produktlebenszyklus Ihnen rechtzeitig nach dem im Vertrag festgelegten Verfahren mitgeteilt und Ablöseprodukte benannt werden. Werden Sie von solchen Abkündigungen hingegen überrascht, oder werden keine Alternativen benannt, dann ist die Zuverlässigkeit des Partners an sich in Frage zu stellen. Contra termination Aber was spricht nun dagegen, in den oben genannten Situationen einen Vertrag zu kündigen? In jedem Fall entstehen Kosten, auch für die Kündigung und deren Konsequenzen. Zudem müssen Risiken bedacht werden, auf die wir im nächsten Abschnitt noch eingehen werden. Hier aber soll für jede der vier Situation nun ein Gegenargument und eine Handlungsalternative aufgezeigt werden. 1. Zu viele gleichwertige Lieferanten für ein Produkt (multiple sources anstatt 2nd source). • Vorhandene Verträge und abgestimmte, funktionierende Prozesse stellen Werte dar. • Bestellung von Material mit multiple source auslaufen und Vertrag ruhen lassen. • Alternative Produktlieferung oder andere Kooperationsebenen prüfen. 2. Rückgang des Bestellvolumens (Marktveränderung, Produkt erreicht Lebensende). • Vorhandene Verträge und abgestimmte, funktionierende Prozesse stellen Werte dar. • Mit dem Lieferanten prüfen, ob mit der Roadmap seines Produkt-Portfolio eine innovative Weiterentwicklung Ihres Portfolios möglich ist, oder gemeinsam neue Märkte erobert werden können.

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

67

3. Zulieferung erfüllt nicht mehr die Markterfordernisse (Preis, Qualität, Technologie). • Vorhandene Verträge und gute Kenntnis der Probleme Ihrerseits ermöglichen Lösungen. • Mit dem Lieferanten prüfen, ob den Problemen gemeinsam entgegengewirkt werden kann. 4. Zulieferer kündigt relevante Zulieferungen ab (Marktveränderung, Produkt erreicht Lebensende). • Vorhandene Verträge stellen Werte da, haben aber offenbar Prozessmängel. • Da normalerweise Abkündigungen Ihnen rechtzeitig zur Kenntnis kommen sollten und eine ebenso rechtzeitige Reaktion erfordern, können Sie versuchen, diese Prozessmängel gemeinsam abzustellen. Setzen Sie auf ein Zulieferprodukt, dass sein Lebensende erreicht hat, dann kann es sein, dass auch Ihr Produkt eigentlich dem Ende seiner Marktfähigkeit entgegengeht. Abschließend kann man sagen, dass solche „Krisen“ einer Partnerschaft, die Sie vielleicht über eine Terminierung nachdenken lassen, sehr wohl auch wertvolle Chancen bieten. Ein erfolgreicher catch-up Ihres Lieferanten, die Erhaltung seiner Marktfähigkeit und Ihrer Kooperation, die Entwicklung von alternativen und neuen Geschäftsideen wird Ihren Geschäftspartner zu einem noch zuverlässigeren Partner machen und die Geschäftsbeziehung nachhaltig stabilisieren. Insofern muss einer Entscheidung über die Terminierung eine Risikoabschätzung vorangestellt werden.

Termination – Beendigung Risk mitigation Risikoabschätzung und Minimierung! Das meint hier nicht das Risiko, dass ein gekündigter Partner verärgert ist und nach der Terminierung nun versucht, Ihnen zu schaden. Solch Verhalten sollte in der Geschäftswelt unüblich sein und es schließt sich eigentlich aus, wenn man stets korrekt und respektvoll miteinander umgeht. Nein, hier ist gemeint, die Konsequenzen aus einer Terminierung genau zu betrachten, wenn möglich zu quantifizieren und dann erst aus einer Gesamtschau der Fakten die Entscheidung zu treffen. Wohlgemerkt bezieht sich dies immer nur auf Terminierungen, die sich nicht aus gesellschaftsrechtlichen Aspekten ergeben (Insolvenz, Übernahme, Verstöße gegen das Handelsrecht, o. ä.). Zu betrachten sind: • Kosten der Terminierung (des Vorgangs selbst). • Kosten für die Einführung eines Ersatzpartners. • Kosten für die Erfüllung aller „surviving obligations“.

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2  Operatives Partner Management

• Initiale Kosten für die Einführung dieses Partners (wenn noch nicht vollständig durch Ihren Business Case gedeckt). • Alternative Kosten für die „Revitalisierung der Partnerschaft“. • Verlust von Geschäftspotenzialen. • Gewinn von Geschäftspotenzialen bei erfolgreicher Revitalisierung. • Auswirkung auf Ihre Marktreputation (abhängig von der Markenbedeutung Ihres Zulieferers). • Auswirkung auf Ihrer Lieferfähigkeit (z.  B.  Ersatzteile, oder vertragliche Verpflichtungen gegenüber Kunden). Contractual process Hierzu ist eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass man sich minutiös an die vertraglichen Vorgaben halten muss, sonst läuft man Gefahr, dass eine Vertragskündigung nicht rechtswirksam wird. cc

Praxis-Tipp: Handeln Sie nie (weder als Person noch als Unternehmen) ohne juristischen Beistand und ohne dessen eingehende Prüfung der Verträge mit dem Partner und relevanter Verträge mit Dritten (z. B. Kunde!).

Die genaue Dokumentation aller Schritte, Mails, Besprechungen etc. ist ebenso unablässig, wie der höfliche und korrekte Umgang mit den Gesprächspartnern. Man begegnet sich im Geschäftsleben stets ein zweites Mal, oder zumindest unverhofft! Ein Hinweis sei noch in Bezug auf eine übliche Klausel gegeben, die die Vernichtung und Rückgabe aller Unterlagen betrifft. Nehmen Sie diese Klausel ernst, auch wenn diese gegenseitig kaum überprüfbar und im eigenen Unternehmen wohl nicht mit 100  %iger Sicherheit realisierbar ist (in irgendeinem Schubfach schlummert immer was). Aber führen Sie die Vernichtung und Rückgabe als geplanten und geordneten Prozess durch. Binden Sie alle betroffenen Abteilungen und Personen systematisch ein und lassen Sie sich die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen verbindlich bestätigen. Ehrlich gesagt geht es hier um Ihre Rückversicherung (Ausführung nach bestem Wissen und Gewissen), für den Fall, dass irgendwann, irgendwo doch Unterlagen auftauchen, die nicht hätten auftauchen sollen!

Zusammenfassung Nun haben wir ausführlich die 5 Stufen der Geschäftspartnerschaft betrachtet und erläutert. Die Darstellungen entspringen einer langjährigen Praxis, sind aber kein fixiertes Rezept, das man haargenau so durchführen muss, um ans Ziel zu kommen. Es geht hier nicht um Raumfahrt, in der kleinste Kursabweichungen in die unendlichen Weiten des Weltraums oder zum Absturz führen.

2.3 Die fünf Stufen der Partnerschaft

69

Es handeln Menschen miteinander und diese werden sich auf Methoden und Terminologien einigen, die für sie geeignet und sinnvoll sind. Vielleicht definieren Sie sich 3 oder 6 anstatt 5 Stufen, vielleicht organisieren Sie die Prozesse anders. Das ist richtig und ein Zeichen Ihrer Kompetenz. Aber bewahren und fördern (fordern) Sie Offenheit, Toleranz und Respekt gegenüber Ihren Mitspielern, vereinbaren Sie gemeinsam die „Spielregeln“, an die Sie sich selbstverständlich genau halten, und suchen Sie stets das Miteinander anstatt das Gegeneinander. Dann steht dem gemeinsamen Erfolg nichts im Wege!

3

Vertiefungen

Von Hölzchen auf Stöckchen?

Zusammenfassung

Immer wieder wurden Sie in den vorangegangenen Kapiteln auf Kapitel „weiter hinten“ verwiesen. Zum einen darf man nicht von Hölzchen auf Stöckchen kommen und muss sich entlang eines imaginären Fadens auf einer Detaillierungsebene entlang bewegen, weil es sonst verwirrend und unübersichtlich wird. Andererseits gibt es Themen, die so wichtig sind, dass man darin doch tiefer graben sollte. Deshalb soll in diesem Kapitel anhand von zehn Themen tiefer gegraben werden, die in der Praxis sowohl bei etablierten Unternehmen als auch bei Start-ups immer wieder auftauchen und man sich mit ihnen auseinandersetzen muss.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_3

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3 Vertiefungen

Es soll versucht werden, auch wieder eine gleichmäßige Granularität zu wahren und einen Überblick zu geben. Das sollte ausreichen, um Ihnen die Orientierung zu ermöglichen und bei der Entscheidung zu helfen, was Sie selbst bewerkstelligen können und wofür Sie Partner brauchen, die Ihnen helfen. Und damit wären wir wieder bei der „make-or-buy“ Entscheidung, wobei selbst im eigenen Unternehmen der Begriff „buy“ gar nicht so falsch ist, denn auch die Arbeitsleistung die Kollegen für Sie erbringen, muss bezahlt werden und im Budget vorgesehen sein. 1. Partnerauswahl und operatives Assessment 2. Das Partner-Eco-System 3. Der Angebotsprozess 4. Engagement-Models 5. Typische Geschäftsverträge 6. Informationssicherheit 7. Claim Management 8. Vertragsarchivierung 9. RACI und MoU 10. Kaizen

3.1

Partnerauswahl und operatives Assessment

Nochmal das Thema Partnerauswahl? Hatten wir das nicht schon ausführlich abgehandelt?

Eigentlich schon, aber es gibt ein operatives Mittel, das hier vorgestellt werden soll, weil es bei der Auswahl eines geeigneten Geschäftspartners sehr hilfreich sein kann. Nehmen Sie diesen Abschnitt also als Vertiefung und kleine Wiederholung, er ist ja auch nicht lang.

3.1.1 Warum ist Sorgfalt bei der Partnerwahl so wichtig? Die Verantwortung für die Auswahl des richtigen Geschäftspartners liegt in der Hand desjenigen, der im Unternehmen die Verantwortung für den suchenden Geschäftsbereich hat. Das kann also z. B. die Leitung einer Produktlinie oder eines Kundenteams (Projekt) sein. Die Auswahl sollte auf der Basis von wohl definierten und abgestimmten Partnerauswahl-Prozessen erfolgen (siehe Abschn.  2.3.1), d.  h. auf sorgfältigen Untersuchungen, Qualifizierungen und Überprüfung (due diligence) erfolgen. Die Auswahlkriterien werden durch Ihren Einkauf (i. S. der generellen Anforderungen an einen Lieferanten) und durch den Geschäftsverantwortlichen (technische Anforderungen, Qualitätsmerkmale, Wartbarkeit, Logistik) festgelegt.

3.1 Partnerauswahl und operatives Assessment

73

Aber denken Sie daran, gegenüber den Kunden Ihres Unternehmens, ist Ihr Unternehmen für alle Lieferungen und Leistungen verantwortlich, also auch für die, die sie von Zulieferern beziehen! Man nennt dies auch das „back-to-back“ Verhältnis, das zur besonderen Sorgfalt zwingt und allen Beteiligten in Ihrem Unternehmen deutlich gemacht werden sollte.

3.1.2 Auswahlprozess Am Anfang des Auswahlprozesses steht, den Prozess zu definieren. Man schreibt auf, was man vorhat und was das Ziel ist, dazu gehören: • Meilensteine und Meilensteinergebnisse (vereinbarte Anforderungsspezifikationen, Vergleichs- und Bewertungsmatrizen, Entscheidungskriterien, etc.), wobei man sich an den Anforderungen für die sog. ISO-Standards orientieren kann. • Vereinbarung von Rollen und Verantwortungen (siehe RACI-Modell in Abschn. 3.9) • Geschäftsfall (business case) und Risikobetrachtungen • Unterscheidung zwischen Projekt- und Produkt-Partnern. • Unterscheidung zwischen opportunistisch gewählten Partnern für kurzfristige Geschäfte oder strategischen Geschäftspartnern, gemäß einer langfristig geplanten Geschäftsstrategie. Für die strategische Planung empfiehlt es sich den Markt kontinuierlich zu beobachten und potenzielle Geschäftspartner zu identifizieren. • Rahmenbedingungen und -anforderungen (terms & conditions T&Cs) • Klare Definition und interne Kommunikation der Zielsetzung und des Zeitrahmens für die Partnersuche (scope and timeline). Am Ende dieses Prozesses steht, ein oder mehrere potenzielle Geschäftspartner gefunden zu haben. Man tritt dann in den Vertragsprozess ein. Aber gerade bei strategisch bedeutsamen Partnern (erwartetes Auftragsvolumen, Bedeutung des Partners gegenüber Ihren Kunden, gemeinsame Entwicklungen, etc.) sollte man sich die Zeit nehmen und einander genau kennenlernen. Neben den bekannten Überprüfungsmethoden (Audit, due diligence) gibt es noch eine Methode, die Kennenlernen, Überprüfung und „voneinander lernen“ vereint. Diese soll hier als „Operatives Assessment“ bezeichnet und beschrieben werden.

3.1.3 Operatives Assessment Man kann sich auf Auditierungen gemäß der ISO-Richtlinien zurückziehen oder vorhandene Zertifikate einfach akzeptieren. Doch diese sind recht abstrakt und formal und können deshalb nur schwerlich die realen Bedürfnisse Ihres Geschäfts widerspiegeln.

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3 Vertiefungen

Besser ist es also, wenn Sie die Bedürfnisse Ihres Unternehmens in den verschiedenen operativen Kategorien sammeln und aufschreiben, für diesen Zweck am besten tabellarisch. Erstellen Sie also ein „Operational Supplier Questionnaire“ (kurz OSQ), wie es hier genannt werden soll. Darin sind nach den Bereichen sortiert, Ihre operativen Anforderungen aus der Produktplanung des Geschäftszweiges, der Entwicklung, dem Einkauf, der Produktion, der Qualitätssicherung, der Buchhaltung usw. aufgelistet und mit spezifischen Fragen zu Methoden und Prozessen hinterlegt. Diese Fragen können sich auf beizubringende Prozessbeschreibungen, Dokumente und Zertifikate beziehen oder einfach nur i.S. der Selbstauskunft mit „ja/vorhanden“ oder „nein/nicht vorhanden“ beantwortet werden. Auch reale Beispieldokumente, Release-­ Notes, Approvals, Screenshots, usw. können dem Verständnis der angewandten Prozesse und Methode dienen. Selbstverständlich können die einschlägigen ISO-Standards als Quelle und Referenz für diese Fragen und deren Formulierung dienen, aber die Auswahl erfolgt strikt nach Ihren realen, operativen Bedürfnissen. Das „Questionnaire“ dient also der Abfrage von Informationen und ggf. der Vorbereitung eines vor-Ort-Workshops. Die Fragen werden nach Bedeutung und Komplexität so gestellt, dass weniger wichtige Themen im Wege der Selbstauskunft im Vorfeld geklärt werden und die operativ gewichtigeren Themen vor Ort dargestellt und diskutiert werden. Dabei liegt der Schwerpunkt darauf, die reale Umsetzung der formalen Prozesse und Methoden, die Ihr Partner oder Lieferant verwendet, zu verstehen und sowohl nach Verbesserungsmöglichkeiten als auch nach potenziellen Problemen für die Zusammenarbeit zu suchen. cc

Praxis-Tipp: Ein vertrauensvoller und offener Umgang mit einem solchen operativen Assessment dient also beiden Seiten und ist den Aufwand in aller Regel auch beidseitig wert. Deshalb kann man ruhig mit dem „jeder zahlt seins“-Ansatz herangehen.

Bei strategisch sehr wichtigen Partnerschaften, oder wenn gar zwei Unternehmen aufeinandertreffen, die jeweils sehr umfassend ausgebaute Prozessordnungen leben, ist ein beidseitiges, symmetrisches Assessment empfehlenswert. Selbst i.S. eines Benchmarkings mit Unternehmen, mit denen Sie nicht einmal vertragliche Beziehungen haben, kann ein beidseitiges Assessment so viele praktische Erkenntnisse und Verbesserungspotenziale aufdecken, dass sich der Aufwand lohnt. cc

Praxis-Tipp: Benchmarkings sind hervorragende Werbemittel für das eigene Unternehmen, wenn entsprechende Vereinbarungen diese Werbung zulassen.

Im Abschn.  3.1.4 finden Sie in ein paar Beispiele für ein OSQ das man z.  B als Excel-Datei aufbauen kann. Als Grundlage für die Auswahl der Beispiele dient ein fiktives Unternehmen, das im Anlagenbau aktiv ist und darin Maschinen oder andere technische Einrichtungen in Verbindung mit umfangreicher Software liefert.

3.1 Partnerauswahl und operatives Assessment

75

Im OSQ sollte man bereits Spalten für die Antworten und Angaben des Partners, sowie für offene Fragen oder getroffene Empfehlungen vorsehen (to be documented in advance, response, references, your comments, recommendations), die hier zur besseren Übersichtlichkeit aber fortgelassen wurden. Sie werden auch bemerken, dass die Nummern für die Fragen in den Kategorien nicht durchgängig fortlaufend sind. Das kommt daher, dass nur eine kleine Auswahl getroffen wurde. Sie sollten für Ihren Einsatz eigene Fragen formulieren und ein eigenes Nummernsystem einführen. Führen Sie solche Assessments mit mehreren Lieferanten (2nd source) durch, dann ist u. U. auch die Definition eines quantifizierten Qualitätsindikators und eines Bewertungssystems sinnvoll. Hierauf soll aber nicht weiter eingegangen werden, weil Sie in der QA-Abteilung Ihres Unternehmens gewiss auf kreative Vorschläge und Methoden treffen werden. Allerdings seien hier noch ein paar Anmerkung gemacht zum Thema „Zielvorgabe“ und „Zielerfüllung“ bei der Suche nach dem richtigen Partner. In den vorangegangenen Kapiteln wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung aller relevanten Anforderungen an einen neuen Geschäftspartner mit allen im Unternehmen betroffenen Verantwortlichen, sowie der immer wiederkehrende Vergleich mit diesen Anforderungen essenziell sind. Die Methode, mit der man diesen Soll-Ist-Vergleich durchführt, wählen Sie nachdem, was Ihnen und Ihren Kollegen geeignet erscheint. Sie können sich für die sogenannte SWOT-Analyse entscheiden, wobei SWOT1 ein englisches Kunstwort aus den Anfangsbuchstaben von Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Bedrohungen) ist. Sie können tabellarische Punktesysteme verwenden, oder Sie können  – ganz modern  – den Ansatz des Design Thinking2 verwenden und sogenannte Value Proposition Canvas3 erstellen. Ob Sie nach vorher quantifizierten Parametern und Grenzwerten vorgehen (z. B. bei technischem Material), ob Sie die Eignung eines Partners aus Sicht der Wertschöpfung Ihres Kunden (design thinking) oder Ihrer eigenen value proposition betrachten und in irgendeiner übersichtlichen Form darstellen (XLS, wandfüllende Tapeten bzw. canvas) richtet sich einzig und allein danach, was Ihnen und Ihren Kollegen als geeignet erscheint. Man kann keine Empfehlung aussprechen für eine der vielen Methoden. cc

Praxis-Tipp: Einigen Sie sich in Ihrem Unternehmen auf eine einfache und unkomplizierte Methode für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess und halten Sie diesen durch. Insbesondere die Pflege des Partner-Eco-Systems und der dazugehörigen Verträge gehen direkt in die Wertigkeit Ihres Unternehmens ein.

 Umfangreiche Literatur zur SWOT-Analyse findet sich im Internet und Buchhandel.  https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/design-thinking-54120/version-277174. 3  https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-54885-1_9. 1 2

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3 Vertiefungen

3.1.4 OSQ Beispiele (Tab. 3.1, 3.2, 3.3 und 3.4) Tab. 3.1  OSQ-Kategorie Qualität Prozeßelement Quality Assurance

Nr. 1 2 4 9 13 14 16 17

Change & Fault Management

1 2

3 5 Risk Management

1 2

Supplier Management

1 2 3 6 9 10 11 12

Training

1

Documentation

1

Configuration Management

1 4

5

Frage Projektmanagement Dokumentation verfügbar? Qualitätsmanagement Dokumentation verfügbar? Sind Qualitätsziele (Metriken) definiert und verfügbar? Werden Qualitätssicherungsaktivitäten abgeschätzt, geplant und verfolgt? Existiert regelmäßiges Qualitäts-Reporting? Organisation und Durchführung von Reviews? Existieren besondere Pläne und Maßnahmen für wichtige oder besonders kritische Projekte oder Vorgänge? Werden Audits durchgeführt (extern/intern, HW/SW) und wie werden diese dokumentiert? Welche generellen Regeln und Prozeduren sind festgelegt für das Versions-Handling von Dokumenten? Welche generellen Regeln und Prozeduren sind festgelegt für das Handling von Anforderungsänderungen (interne und externe Anforderung)? Welche generellen Regeln und Prozeduren sind festgelegt für Fehler-und Ausfall-Reports (intern und extern)? Werden alle Änderung vollständig dokumentiert und sind rückverfolgbar? Existiert ein Risko-Management Prozess? Auf welcher Basis und mit welchen Regeln erfolgt die Risikobewertung und Behandlung? Nach welchen Kriterien wird die „make or buy“-Entscheidung getroffen? Existiert ein Risiko-Management Prozess für wichtige Zulieferer? Gibt es „2nd source“ Zulieferer? Wie werden nicht-funktionale Anforderungen an Zulieferer definiert (Verfügbarkeit, Performance, Qualitätsziele, etc.)? Beschreiben Sie Ihren Einkaufsprozess. Wie werden Zulieferer qualifiziert und zertifiziert? Werden Abnahmetests geplant, durchgeführt und dokumentiert? Beschreiben Sie Ihren kontinuierlichen Qualitätssicherungsprozess für ihre Zulieferer (nach Abnahme). Beschreiben Sie Ihr Trainingsangebot für Kunden, Projekt-­Ingenieure und Service-Personal sowie für Kundenabnahmen und Betrieb. Stellen Sie Ihre Kundendokumentation für das Produkt xy zur Verfügung. Wie sind Rollen und Verantwortungen definiert? Beschreiben Sie Ihr Configuration Management CM. Wie werden Konfigurationen (HW/SW) geschätzt, geplant, realisiert und archiviert? Wie werden CM Objekte definiert und dokumentiert? (Fortsetzung)

3.1 Partnerauswahl und operatives Assessment

77

Tab. 3.1 (Fortsetzung) Prozeßelement Requirement Definition

Nr. Frage 1 Wie werden Entwicklungsanforderungen erfasst (proaktiv, auf Anfrage, definierte Prozesse)? Beschreiben Sie Ihren Entwicklungsprozess. 4 Wie werden nicht-funktionale Anforderungen erfasst, analysiert und berücksichtigt (z. B. Verfügbarkeit, Performanz, Robustheit etc.)? 5 Wie werden Sicherheitsanforderungen erfasst, analysiert und berücksichtigt? 6 Wie werden Betriebs- und Wartungsanforderungen erfasst, analysiert und berücksichtigt? 10 Beschreiben Sie den Dokumenten-Review-Prozess Definition of Feature 1 Beschreiben Sie Rollen und Verantwortungen and architecture 6 Wie werden Produktarchitektur und Schnittstellen definiert, dokumentiert, gepflegt und aktualisiert? 11 Welche Mechanismen und Prozesse werden angewendet, um Hardware- und Software-Entwicklung aufeinander abzustimmen und zu koordinieren? 13 Wie werden in Produktarchitektur und dem Design folgende Aspekte berücksichtigt? – Nutzbarkeit und Betreibbarkeit – Sicherheit und Schutz – (Hoch-)Verfügbarkeit, Performanz, Robustheit, Ausfallsicherheit – Wartung und Reparatur im Betrieb Implementation and 1 Beschreiben Sie Rollen und Verantwortungen Test (SW) 6 Beschreiben Sie die Design- und Entwicklungskonventionen (auch Coding) 8 Stellen Sie ein Beispiel für einen Testplan bereit! 10 Verwenden Sie Methoden und Werkzeuge zur statischen Code-­ Analyse ein? Wenn ja, welche? 14 Verwenden Sie automatische Regressionstest? Wenn ja, wie werden die Testergebnisse dokumentiert und ausgewertet? 20 Wie wird der Testfortschritt ermittelt und dokumentiert? 21 Verwenden Sie die sog. „root-cause analysis“ und wie werden die Ergebnisse dokumentiert und ausgewertet? 23 Beschreiben Sie das eingesetzte Fehlermelde- und Verfolgungssystem (IT-based)? 24 Existiert ein „end-to-end“ Testbett, in dem das Produkt mit realen Komponenten und Systemen getestet wird? Product Integration 1 Beschreiben Sie Rollen und Verantwortungen and Test (Fortsetzung)

78

3 Vertiefungen

Tab. 3.1 (Fortsetzung) Prozeßelement

Nr. Frage 11 Wenn gefordert: Wie wird Hochverfügbarkeit und Robustheit getestet? 12 Wie wird die Performanz des Produktes oder Systems getestet? 13 Wenn gefordert: Wie wird die Einhaltung von verbindlichen Hardware- oder Software-Standards, bzw. von Normen und technischen Vorschriften verifiziert und zertifiziert? 14 Wenn gefordert: Wie werden Interoperabilitätstests und „multivendor“ Integrationstests durchgeführt? 16 Beschreiben Sie die Freigabekriterien für globale Freigaben, Produkt-Releases, Korrekturversionen sowie für das Testende. 15 Beschreiben Sie die Installations-, Upgrade-, Migrations- und Rückfall-Prozeduren und Hilfsmittel? Stellen Sie ein Beispiel zur Verfügung.

Partnerauswahl? Hatten wir das nicht schon ausführlich abgehandelt? In diesem Abschnitt wurde Ihnen eine Methode vorgestellt, mit der man einen in Betracht kommenden Geschäftspartner näher kennenlernen kann und zugleich eine nachhaltige Grundlage für den Aufbau der Zusammenarbeit und aller interagierenden Prozesse gewinnt. Das vorgestellte operative Assessment lohnt sich bei wichtigen Partnern auf alle Fälle, aber auch i.S. des Unternehmens-Benchmarkings, wenn es nur darum geht, voneinander zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Die Auswahl der vorgestellten Assessment-Themen und der darin zu stellenden Fragen obliegt Ihnen und muss an Ihr Geschäft angepasst werden. Aber als Leitfaden und Beispiel stellen sie eine Grundlage dafür dar.

Tab. 3.2  OSQ-Kategorie Release-Management Prozeßelement Nr. Frage Rollout 1 Beschreiben Sie den Dokumentationsprozess und stellen Sie ein Beispiel für eine Release-Note bereit. 2 Beschreiben Sie den Rollout-Prozess (Häufigkeit, Informations-­ Management, Vollversionen, Update-Versionen, Korrekturen, Wartungsende etc.) 3 Wie wird der Rollout-Inhalt beschrieben? (Funktional, korrigierte Fehler, Kompatibilitäten, etc.) 5 Wie wird gewährleistet, dass die Testbedingungen für ein Release, den existierenden Feldbestand widerspiegeln? 6 Wie wird ermittelt, welches System des Feldbestandes von einer Korrekturversion betroffen ist (forced update, Field Stock Management)?

3.2 Das Partner-Eco-System

79

Tab. 3.3  OSQ-Kategorie Logistik Prozeßelement Delivery and invoicing

Export regulations

3.2

Nr. Frage Erläuterung 1 Welches ist Ihr bevorzugtes Bestell- und Kundengesteuertes Liefersystem? Bestellsystem? Produktion auf Lager? Bestellung von (Lizenz-)Bündeln mit einer Bestellung erforderlich? Losgröße 1 möglich? 2 Wie wird DSP (Demand Supply Abhängigkeit der Planning) implementiert? Lieferfähigkeit von Kunden-­ Forecasts? Bindende Aussagen erforderlich? 3 Benennen Sie Ihre aktuelle Flexibilität vor Liefertermin, Volumenflexibilität (flexibility corridor) z. B.: für eine Bestellung. Woche: 1–4 +30 %, 5–8 +80 %, >8 unbegrenzt 4 Beschreiben Sie Ihren Bestellannahme-, Bestätigungsfrist: z. B. 1–2 Bestätigungs- bzw. Storno-Prozess. Arbeitstage 5 Beschreiben Sie Ihre aktuellen Vorlaufzeit mit Foreast: z. B. Volumens-Vorlaufzeiten. 5–15 Arbeitstage. Ohne Forecast Vorlaufzeit für Losgröße 1. 6 Beschreiben Sie Ihren Rückgabe- und Dead on Arrival (DOA), Return Austauschprozess Material Authorization (RMA): -R  MA-Nummernvergabe 24 h nach Anforderung. - Versand von Ersatzlieferungen innerhalb 24–48 h 7 Beschreiben Sie Ihren Separate Rechnungsstellung Rechnungsstellungsprozess (invoicing) (nicht in der Verpackung). (Lieferdokumente, Packlisten, elektronische Form, verwendete IT-Tools, …) 1 Wie wird die Einhaltung von Exportprozess (Rollen und Exportvorschriften sichergestellt? Verantwortungen)

Das Partner-Eco-System

Trumpfkarte oder Ballast?

Der Titel klingt provokativ! Aber das soll er auch sein, denn es gibt einen Aspekt, über den viele Unternehmen nicht nachdenken, bis es dann u. U. zu spät ist. Solange man sich nämlich nicht damit beschäftigen muss, das eigene Unternehmen oder Teile daraus zu verkaufen oder mit einem anderen Unternehmen zusammenzulegen, oder umgekehrt ein anderes Unternehmen oder Teile daraus zu kaufen (Merger & Acquisition, M&A), scheint es nicht wichtig zu sein, ob das eigene Partner-Eco-System eine

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3 Vertiefungen

Tab. 3.4  OSQ-Kategorie Service & Maintenance Prozeßelement Capacity and Availability Management (CAM)

Supplier Management

Service Delivery (SD)

Incident Resolution and Prevention

Service System Development (SSD)

Nr. Frage 1 Wie wird der Ressourcen-Bedarf ermittelt, geplant und bereitgestellt? 3 Wer ist verantwortlich für die Ressourcen-Planung? 5 Wie wird 7/24-Verfügbarkeit (nach Ländern) gesichert? 1 Wie berücksichtigt Ihr Service-Prozess eingebettete Fremdprodukte (3rd party HW/SW)? 7 Wie sichern Sie die Service-Dienstleistung der Lieferanten für eingebettete Fremdprodukte? 8 Wie überprüfen Sie die Service-Kompetenz Ihrer Lieferanten für eingebettete Produkte? 9 Wie erfolgt die Einbindung? 1 Welche Hilfsmittel und Infrastrukturen werden durch Ihr Personal verwendet (Handbücher, Tracing-tools, web-Einsatz). 2 Wie werden Service-Verträge abgewickelt? 3 Wie wird die Einhaltung der Prozesse verfolgt und Abweichungen entgegengewirkt? 4 Wie bearbeiten Sie Kundenanfragen und Fehlermeldungen? 1 Beschreiben Sie die Vorgangsbearbeitung (incident). 4 Wie werden Vorgänge identifiziert, analysiert, behoben und aufgezeichnet? 7 Wann werden „workarounds“ für Vorgänge zur Verfügung gestellt (Kriterien, Ausbringung) 9 Beschreiben Sie die Status-Kommunikation mit dem Kunden. 10 Welche Maßnahmen werden ergriffen, um Wiederholungen zu vermeiden (lessons learned)? 11 Falls eingesetzt: wie erfolgt die Fernanalyse von Vorgängen? 1 Beschreiben Sie, wie Kundeninformationen und Service-­ Anforderungen erfasst, ausgewertet und zur Weiterentwicklung des SSD umgesetzt werden. 3 Beschreiben Sie, wie Ihr SSD die individuellen Anforderungen der Kunden erfasst und deren Umsetzung verwaltet. 5 Wie erfolgt die Planung Ihres SSD (Plan, Ressourcen, Dokumentation)? 6 Wie wird Ihr SSD validiert (Reviews, dry runs für ausgewählte Fälle, Pilotkunde)? (Fortsetzung)

3.2 Das Partner-Eco-System

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Tab. 3.4 (Fortsetzung) Prozeßelement Nr. Frage Service System Transition 1 Beschreiben Sie den Einführungsprozess für ein neues Service-­ (SST) System (neue Produkte, neue Releases, Fehlerkorrekturen, Abkündigungen)? 5 Beschreiben Sie, wie Ihr Service-System den Lebenszyklus von Fremdkomponenten (3rd party products) in Ihren Produkten berücksichtigt. 7 Beschreiben Sie, wie Kunden über neue Releases, erforderliche Änderungen und vorgesehene Produktabkündigungen informiert werden. 9 Welche Leistungen bieten Sie Kunden an, die von einer Produktabkündigung oder einem Wartungsende betroffen sind? 10 Wie werden neue Release ausgebracht? 14 Wie wird der Kunde in solche Update-Prozeduren eingebunden?

Schatzkammer voller Goldstücke oder ein bleischwer auf dem Firmenwert lastender Leichenkeller ist. Wen ginge das etwas an? Hier werden wir uns nun damit beschäftigen, was an einem Partner-Eco-System wertvoll sein kann und Schätze darstellt, und was daran eher als Leiche, Ballast und wertmindernd zu bewerten ist. Zur Erinnerung hier noch einmal die Definition: Angestellte, Dienstleister, Zulieferer, Kunden, … alle zusammen bilden das Partner-­ Eco-­System eines Unternehmens. Die Verträge regeln die Rechte und Pflichten zwischen Ihnen und diesen Partnern.

3.2.1 Struktur und Elemente eines Partner-Eco-Systems Zunächst rekapitulieren wir noch einmal die Struktur und die Elemente eines Partner-­Eco-­ Systems (siehe Abschn. 2.2.3). Darin kann lediglich die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten „Materialien“ verallgemeinert werden und das Element „Kunde“ ist – hoffentlich – immer vorhanden. Alle anderen Elemente und Kategorien sind exemplarisch gemeint. Um die Zusammenhänge anschaulicher darstellen zu können, wurde die typische Struktur des Partner-Eco-Systems eines Unternehmens gewählt, das kundenspezifische Anlagen baut. Es muss sich dabei in eine Umgebung integrieren, die auch Komponenten anderer Hersteller aufweist. Damit ergibt sich, dass zwischen dem Unternehmen und diesen anderen Herstellern Lizenzen z. B. für die Nutzung von Schnittstellen oder Installationsanleitungen (i. S. einer Schutzgebührt) entrichtet werden müssen. Es sei noch mal erwähnt, dass Lizenzen nicht nur für SW- oder Patentnutzungsrechte gezahlt werden, sondern auch für die Nutzung technischer Unterlagen, Werkzeuge und Arbeitsmethoden. Vielfach werden proprietäre Unterlagen, selbst wenn sie nicht patentfä-

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3 Vertiefungen

hig sind, nur gegen eine Lizenzgebühr offengelegt. In diesem Falle handelt es sich dann mehr um eine Schutzgebühr. Das Element „indirektes Material“ wird hier sogar in zwei Kategorien unterschieden, wobei in der einen alle Bezüge zusammengefasst werden, die für die Produktion (P) benötigt werden, nicht aber dem Kunden ausgeliefert werden. Dies sind oft technische Komponenten, die womöglich vom selben Lieferanten bezogen werden, der auch direktes Material liefert. Damit ist eine gewisse Untrennbarkeit gegeben. Material, das für den Betrieb (B) des Unternehmens benötigt werden, also auch dann eingekauft werden müssten, wenn die Produktion stillstehen würde, stellt die zweite Kategorie indirekten Materials dar. In der Abb. 3.1 findet sich der Begriff „Bilanzierter Partner“, d. h. es handelt sich um die Partner, mit denen Ihr Unternehmen Werteflüsse (Material, Leistung, Geld) regelmäßig bilanziert. Aus der Art und Zusammenstellung, aus Vertragskonditionen sowie aus den Werteflüssen im Partner-Eco-System kann man einige Rückschlüsse auf Ihr Unternehmen ziehen. Dies wird in Tab. 3.5, 3.6, 3.7 und 3.8 gegenüber gestellt. Allen Kategorien des Partner-Eco-Systems gemein ist natürlich die Forderung, dass für jede Geschäftsbeziehung das gesamte Vertragswerk inklusive aller relevanten Monitoring-­ Parameter vollständig und vorlegbar verfügbar ist. Wenn Sie nämlich mit Ihrem Unternehmen in einen M&A-Prozess eintreten oder extern auditiert werden, dann kommt bald der Tag der Wahrheit. Dann müssen Sie Ihr Partner-­Eco-System – unter bestimmten Randbedingungen, die die Juristen genau überwachen – geeignet aber umfassend offenlegen.

Bilanzierter Partner

Charakterisierung im Partner-Eco-System

Embedded HW/SW

Voll in das eigene Produktangebot integriert und nicht sichtbar für den Kunden.

Lösungspartner

Ergänzende Produkte und Lösungen, die zuvor überprüft und zertifiziert wurden.

Systemintegratoren

Leistungspartner, die im Projekt technische Dienstleistungen erbringen.

Unterauftragnehmern

Verbessern – auch temporär – die Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens.

Inbound-Lizenzen

IPR-Lizenzen, die das Unternehmen kaufen muss (Nutzungsrechte an Schnittstellen, Methoden, Patenten).

Outbound-Lizenzen

IPR-Lizenzen, die das Unternehmen verkauft (Nutzungsrechte an Schnittstellen, Methoden, Patenten).

Indirektes Material (P)

Material, das für die Produktion benötigt nicht aber geliefert wird (Produktions-SW, Maschinen, etc.).

Indirektes Material (B)

Material, das für den Betrieb des Unternehmens benötigt wird (Papier, Catering, Energie, etc.).

Kunden

Alle Kundenverträge, aus denen es gültige Rechte und Pflichten gibt

Abb. 3.1  Partner-Eco-System eines Anlagenbauers

3.2 Das Partner-Eco-System

83

Tab. 3.5  Lieferanten, Lösungspartner, Systemintegratoren und Unterauftragnehmer Parameter Anzahl der Partner Art der Partner

Eigenschaften klein, groß, viele Zweit- und Drittlieferanten, Alleinlieferant klein, groß, national, international, hausintern- oder ISO-­ zertifiziert, Technologie- oder Marktführer, „lame ducks/no names“ Exportrechtliche Einstufung Embargobehinderte Produkte, Leistungen, Ursprung oder Nationalität Alter der Partnerschaft alt, jung, temporär Jeweiliges Volumen null, klein, groß, schwankend Payment-Terms Zahlungsziele, Stornoflexibilität, Discountsystem, Bestellvorlaufzeiten großzügig oder eng gefasst, Einhaltung der Zahlungsziele Termination-Terms langfristig, kurzfristig, Übernahmeausschluss bei M&A Gewährleistungsregelungen großzügig oder strikt, Regelungen für Ersatzlieferungen, Dead-onArrival-Rücknahme Service- und Maintenance vorhanden, nicht vorhanden, anspruchsvolle Erfüllungskriterien, Verträge Gutschriftregelungen bei Unter-/Übererfüllung Mittelbarer Einkauf Partner liefert auch Produkte oder Lizenzen Dritter Gebündelter Einkauf Partner liefert für mehrere Geschäftsfelder oder sogar Tochtergesellschaften „Co-opetition“ Partner ist in bestimmten Segmenten oder Regionen auch Wettbewerber

Tab. 3.6 Lizenzen Parameter Inbound-Lizenzen

Eigenschaften Anzahl, Volumen, Kosten, Patente, Nutzungsrechte für Interfaces oder Methoden Outbound-Lizenzen Anzahl, Volumen, Patente, Nutzungsrechte für Interfaces oder Methoden Lizenzbindung kurzfristig, langfristig Payment-Terms one time-fee, zeit-, volumens- oder umsatzabhängig Termination-Terms langfristig, kurzfristig, Übernahmeausschluss bei M&A „Co-opetition“ Lizenznehmer/-geber ist in bestimmten Segmenten oder Regionen auch Wettbewerber

Tab. 3.7  Indirektes Material Parameter Produktion

Betrieb

Weitere Parameter wie bei direktem Material

Eigenschaften Anzahl der Lieferanten, homogenes- oder heterogenes Lieferantenportfolio, wechselnder – oder langfristig, stabiler Einsatz, hohe oder geringe Projektspezifik Anzahl der Lieferanten, Bündeleinkauf z. B. von Büromaterial, hoher Einkaufsanteil für auslagerbare Leistungen wie Catering, Hauspost, Wachschutz

84

3 Vertiefungen

Tab. 3.8 Kunden Parameter Kundenkategorie Kundenart

Geschäftsart Region Surviving-Clauses Termination-Terms

Vertragsdokumente Lieferdokumente

Eigenschaften Einzel-, Rahmenvertrags- o. Endkunde, Wiederverkäufer/Integrator, Distributor Anzahl der Projekte und Volumen über Zeit, Alter der Geschäftsbeziehung, Art der Zusammenarbeit, gemeinsame IPRs, Kundengröße und -reputation Produktlieferung, Dienstleistung, Anlagenbau, Spezialisierungsgrad national, EU, weltweit nach Regionen Rechte und Pflichten, sowie Bindefristen bei Terminierung Pönale bei Insolvenz/Nichterfüllung, Mitsprache-/Zustimmungsrecht bei Übernahme durch Dritte, Mitsprache-/Zustimmungsrecht bei bestimmten Änderungen im Lieferanten-Portfolio Vollständig und unterschrieben mit allen Anlagen im Original, elektronisch und/oder in Papierform Bestellungen, Rechnungen, Zahlungsbelege, Gewährleistungsunterlagen, Abnahmebestätigungen und -zertifikate, Empfangsbestätigungen, Zoll- und Frachtpapiere, Exportlizenzen und Einfuhrgenehmigungen, Ursprungs- und Endnutzernachweise

Payment-Terms wie bei direktem Material

Fehlen dann Verträge und Unterlagen, bzw. sind nicht im Original verfügbar, beginnt eine grandiose Recherche-Arbeit, bzw. Ihr Unternehmen gerät in eine sehr peinliche Situation.

3.2.2 Wertschöpfende und wertschädigende Faktoren Wenn man die Zusammenstellung im vorangegangenen Abschnitt in aller Ruhe durchliest und die Stichworte als Anregung nutzt, um diese anhand des eigenen Unternehmens zu ergänzen und zu bewerten (gut/schlecht), dann wird einem schnell klar, dass es sich hier um eine Einschätzung eines Wertfaktors Ihres Unternehmens handelt. Hinter jedem Parameter steckt die Frage, ob er optimal gestaltet ist und sich deshalb wertschöpfend auswirkt oder den Wert Unternehmens schädigt. cc

Praxis-Tipp: Es ist sofort einsichtig, dass unvollständige oder nicht aktuelle Dokumente die Frage nach Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit in Ihrem Unternehmen aufwerfen. Gibt es hier Mängel, gerät der Unternehmenswert unter Druck. Sorgen Sie also dafür, dass Ordnung herrscht. Wenn man erst im Rahmen einer M&A-Aktion viele hundert Vertragsdokumente und möglicherweise tausende Seiten prüfen muss, vergeht viel Zeit und fallen hohe Kosten an.

Gehen wir die Kategorien noch einmal durch und bewerten beispielhaft einige Parameter wie in Tab. 3.9, 3.10, 3.11 und 3.12 gegenübergestellt wird:

3.2 Das Partner-Eco-System

85

Tab. 3.9  Lieferanten, Lösungspartner, Systemintegratoren und Unterauftragnehmer Parameter Anzahl, Art und Alter der Partner

Exportrechtliche Einstufung

Payment-Terms

Termination-Terms Gewährleistungsregelungen

Service- und Maintenance Verträge

Mittelbarer Einkauf

Gebündelter Einkauf

„Co-opetition“

Eigenschaften – Viele Verträge mit seltenem, schwankendem oder keinem Umsatz – Zu viele Zweit- und Drittlieferanten gemessen am jeweiligen Volumen – Viele kleine Lieferanten mit nur nationaler Lieferfähigkeit, unbekannte Hersteller mit veralteten Produkten – Viele nicht ISO-zertifizierte Lieferanten – Geringer Anteil von langjährigen Partnerschaften – Keine und nur unregelmäßige Einsparungsprogramme – Hoher Anteil nicht-europäischer oder gar embargobehinderter Lieferanten oder Dienstleister (z. B. SW-­Entwicklung in Russland) – Enge Zahlungsziele, geringe Stornoflexibilität, kein Discountsystem, lange Bestellvorlaufzeiten – Schlechte Einhaltung der vertraglichen Zahlungsziele – Langfristige Bindung – Ausschluss einer Vertragsübernahme bei M&A – Kurze Garantiezeiten – Keine Regelungen für Ersatzlieferungen oder Dead-on-­ Arrival-Rücknahme – Keine Verträge abgeschlossen, obwohl möglich und sinnvoll – Vorhandene Verträge erfüllen nicht die Kriterien, die Ihr Unternehmen Ihren Kunden garantiert (keine b2b-­ Kompatibilität) – Hoher Einkaufsanteil bei Lieferanten, Resellern oder Distributoren. – Geringer Einfluss auf die Terms & Conditions – Abhängigkeitsverhältnis – Einkaufskonditionen können nur dadurch optimiert werden, dass gebündelt für mehrere Geschäftsfelder oder sogar Tochtergesellschaften eingekauft wird – Abhängigkeit von der Geschäftsentwicklung, Verlust der Konditionen bei Herauslösung (M&A). – Partner ist in bestimmten Segmenten oder Regionen auch Wettbewerber und beeinflusst im Falle von M&A die Handlungsfreiheit Ihres Unternehmens

Tab. 3.10 Lizenzen Parameter Eigenschaften Inbound-Lizenzen – Hohe Lizenzkosten für viele IPR-Nutzungsrechte – Langfristige Bindungen mit zeit-, volumen- oder umsatzabhängigen Lizenzkosten – Übernahmeausschluss bei M&A „Co-opetition“ – Lizenzgeber ist in bestimmten Segmenten oder Regionen auch Wettbewerber

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3 Vertiefungen

Tab. 3.11  Indirektes Material Parameter Produktion und Betrieb

Eigenschaften – Es gelten sinngemäß dieselben Bewertungskriterien wie bei direktem Material

Tab. 3.12 Kunden Parameter Surviving-­ Clauses Termination-­ Terms

Eigenschaften – Langjährige Bindungen aus Update-, Wartungs- und Reparaturverpflichtungen – Recht auf Bereitstellung und kommerzielle Nutzung aller technischen Unterlagen (z. B. Source-Code) bei Übernahme durch Dritten oder Insolvenz. – Langfristige Terminierungsphasen – Mitsprache-/Zustimmungsrecht oder gar Kündigungsrecht bei Übernahme durch Dritte oder bei bestimmten Änderungen im Lieferanten-Portfolio

Diese Bewertungen mögen für Ihr Unternehmen und Ihr Partner-Eco-System nicht passen, aber sie sollen Ihnen Beispiele sein, an denen Sie eine gut/schlecht-Bewertung für Ihr Partner-Eco-System durchführen können. Sicher ergeben sich Optimierungsmöglichkeiten und Handlungsbedarf.

3.2.3 Pflege, Bereinigung und Herauslösung Wie Sie anhand der vorangegangenen Betrachtungen sehen konnten, macht eine regelmäßige Pflege des Partner-Eco-Systems Sinn und wirkt werthaltig oder gar wertsteigernd. Es ist also empfehlenswert, sich die 5S und 3M des Kaizen (s. Abschn. 3.10) zur Angewohnheit und Regel zu machen. Der Aufwand im täglichen Ablauf ist gering und leicht zu bewerkstelligen. Gehen Sie in einen M&A-Prozess, oder müssen Sie gar Ihr Unternehmen liquidieren, so entstehen sehr hohe Aufwendungen und große Unsicherheiten. Es werden Fehler unterlaufen und Einschätzungen getroffen werden, die den Wert Ihres Unternehmens schmälern. Kommt es zum Verkauf Ihres Unternehmens oder Teilen davon, oder kaufen Sie selbst ein Unternehmen, dann werden folgende vier Kriterien eine große Rolle spielen, weshalb sie hier noch besonders hervorgehoben werden: 1. Unmittelbare Verbindlichkeiten zwischen Partnern –– Zu einem Stichtag werden alle monetären Verbindlichkeiten zwischen Ihnen und allen Partnern festgehalten. Es kann sich um Außenstände und Zahlungsverpflichtungen handeln. –– Dito werden alle Lieferverpflichtungen erfasst (inbound/outbound), die aufgrund gültiger Bestellungen (purchase orders PO) existieren. 2. Mittelbare Verbindlichkeiten aus Kundenverträgen –– Dies können Liefer-, Leistungs- oder Bereitstellungsverpflichtungen sein, die auch ohne existierende Bestellung zu gewährleisten sind.

3.3 Der Angebotsprozess

87

3. Terminierung und Surviving clauses –– Alle Terminierungsfristen und Verpflichtungen nach einer Terminierung müssen aufgelistet werden und nach den langfristigsten Verbindlichkeiten bewertet und sichergestellt werden. –– Unter Umständen sind genaue sequenzielle und kausale Reihenfolgen des Handelns einzuhalten. 4. Offenlegung, Transitionsphase und Migrierbarkeit –– Die Offenlegung von Verträgen gegenüber einem potenziellen Käufer muss gewissenhaft nach den jeweils geltenden Non-Disclosure-Agreements erfolgen. Unter Umständen müssen von bestimmten Lieferanten oder Kunden zunächst Einwilligungen eingeholt oder mit dem Käufer spezielle NDAs unterzeichnet werden. –– Vielfach müssen Regelungen zur Abwicklung in der Übergangszeit getroffen werden. Die Transitionsphase beginnt, wenn der Kauf oder Verkauf eines Unternehmens zwar vertraglich gültig geworden ist, aber nun die Übertragung aller Verträge auf den neuen Eigentümer beginnt. –– Besonderes Augenmerk bei der Planung dieser Phase ist darauf zu legen, ob es Verträge mit Dritten gibt, mit denen auch der Käufer bereits Vertragsbeziehungen hatte. Dann müssen diese Verträge migriert werden und sorgsam auf die Erhaltung des „best case“ geachtet werden. –– Für Lieferanten, die die Vertragsübernahme durch einen Dritten – dem Käufer – abgelehnt haben, muss rechtzeitig Ersatz bereitgestellt werden.

Trumpfkarte oder Ballast? Die Aus- oder Eingliederung eines Partner-Eco-Systems mit hunderten Verträgen ist offensichtlich kein einfacher Prozess, den man mal so nebenher realisiert. Es wird einem daran auch deutlich, warum der Ausstieg eines EU-Mitgliedslandes kein triviales Unterfangen ist, geht es doch um tausende oder gar zehntausende Verträge, die alle einander irgendwie noch bedingen. Sie sollten nun verstehen, weshalb der Titel dieses Abschnittes provokativ gewählt wurde. Mal ehrlich: Wie bewerten Sie nun das Partner-Eco-System Ihres Unternehmens? Trumpfkarte oder Ballast?

3.3

Der Angebotsprozess

Gekauft wie besichtigt

In diesem Abschnitt soll auf einen Prozess eingegangen werden, der nicht nur Start-ups Kopfzerbrechen bereitet. Sehr oft kommt das Kopfzerbrechen aber auch erst, wenn klar wird, dass man Fehler gemacht, d. h. Geld verloren oder „liegengelassen“ hat.

88

3 Vertiefungen

Weil aber bereits mit der Qualität des Angebotes der Grundstein für eine erfolgreiche Kunden-Anbieter-Beziehung, also Partnerschaft, gelegt wird, soll diesem Prozess hier ein eigener Abschnitt gewidmet werden. Dabei scheint doch alles so einfach zu sein. Sie wollen Ihr Badezimmer renovieren lassen, holen sich dafür von ein oder zwei Meisterbetrieben der Umgebung Angebote ein und entscheiden nach Preis und Gefühl. Hat man Pech, wird gefuscht und man hat Ärger mit den Reklamationen und Nachbesserungen, oder man hat Glück und alles geht gut (vielleicht ist man aber auch nur Laie und erkennt den Fusch nicht). Ein rundherum zufriedener Kunde, der keinen Reklamationsgrund hat, empfiehlt den Meisterbetrieb weiter. Dies ist im Interesse des Meisters, denn ausbleibende Nacharbeiten und eine hoffentlich wirtschaftliche Kalkulation sichern das Überleben des Betriebes. Jedes Unternehmen steht aufgrund seiner Geschäftsaktivitäten mit seinen Kunden in einem Anbieter-Kundenverhältnis. Die Art, wie angeboten wird, richtet sich nach der Art des Geschäftes. Ein Restaurant bietet seine Speisen mit der Speisekarte an. Die Bestellung beim Service-­Personal bedeutet die Annahme des Angebotes und verpflichtet in der Regel zur Bezahlung nach dem Genuss der Speisen und Getränke. Reklamationen können zu Diskussionen und Erstattung führen. Online-Handel und Versandhäuser bieten ihre Waren in Katalogen an. Mit der abgeschlossenen Bestellung hat man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen AGB im Kleingedruckten akzeptiert und den durch den Gesetzgeber vorgegebenen Schutz. Allen Angebotsarten gemein ist, das sie in mehreren Phasen erfolgen und so gestaltet werden sollten, dass Missverständnisse über Angebot und Erfüllung vermieden werden. Das gelingt nicht immer, wie jeder von uns weiß, aber je seltener das der Fall ist, desto zufriedener sind wir.

3.3.1 RfX: Anbieten in drei Phasen In vielen Unternehmen trifft man auf einen wohldefinierten und akribisch eingehaltenen Angebotsprozess, den auch unter dem Namen „RfX-Prozess“ bekannt ist. Dabei steht „Rf“ für „request for“ und das X ist eine Variable. Die drei Angebotsphasen sind • Request for Information (RfI): Ihr Kunde fragt zunächst nur nach Informationen • Request for Estimation (RfE): Ihr Kunde fragt nach einer ersten Preisindikation • Request for Quotation (RfQ): Ihr Kunde fragt nach einem verbindlichen Angebot Abb. 3.2 veranschaulicht den Ablauf, der nachfolgend Schritt für Schritt erläutert wird. Dabei kann es passieren, dass Sie mit Ihrem Kunden iterativ mehrere Gespräche führen müssen, um eine möglichst hohe Deckung zwischen Erwartung und Vereinbarung für beide Seiten (!) herbeizuführen.

3.3 Der Angebotsprozess

89

Request for Information (RfI)

Request for Estimation (RfE)

Request for Quotation (RfQ)

•Non-NDA docs •NDA per need •Generic offers

•Optional info on estimated project costs •Optional Memorandum of Understanding or Letter of Intend

•Valid and quoted offer •Offer validity period •Terms&Conditions (AGB)

Purchase Order (PO)

Purchase Order Confirmation (POC)

Delivery

•Written PO •Delivery due date agreed

•Optional PO confirmation

•In time with notice of receipt •Optional with type acceptance protocoll

Abb. 3.2  Der Angebotsprozess

cc

Praxis-Tipp: Es ist sehr wahrscheinlich und für Sie wünschenswert, dass Sie stets mehrere Angebotsprozesse parallel durchführen, d. h. zeitgleich mehr als nur einen potenziellen Kunden haben. In diesem Fall sollten Sie jeden Vorgang mit allen Dokumenten und den wichtigsten Status-Indikatoren (Rfx, Wahrscheinlichkeit, Termine, Priorität, o. ä.) in Ihrem CRM4-System verankern und einem regelmäßigen „deal-review“ mit allen dafür relevanten Kollegen durchführen. So behalten Sie Überblick und Kontrolle über den Angebots- und Bestellvorgang. Machen Sie den Deal-Review zur Pflichtveranstaltung, ohne deren Durchführung kein Angebot Ihr Haus verlässt!

Request for Information (RfI) Ihr Kunde fragt Sie nach Informationen und Unterlagen, die Ihre Dienstleistungen oder Produkte betreffen. Vielleicht hat er Sie auf einer Messe oder im Internet entdeckt, wurde von Ihrem Vertrieb angesprochen oder hat eine Empfehlung erhalten. Vielleicht ist er aber auch Bestandskunde, der ein neues Projekt vorbereitet. In der Regel handelt es sich bei den erfragten Informationen um solche, die nicht vertraulich sind und für deren Bereitstellung noch kein Non-Disclosure-Agreement NDA erforderlich ist. Gegebenenfalls muss eine solche Vertraulichkeitsvereinbarung zunächst getroffen werden. Es ist die Aufgabe Ihres Vertriebes oder Kundenbetreuers herauszufinden oder stets zu wissen, wofür der Kunde die Informationen benötigt und deren Zusammenstellung genau darauf zu beziehen. Die erfragten Informationen sollten auf den angenommenen Bedarf des Kunden zugeschnitten sein, d. h. nicht die Masse ist entscheidend, sondern die Qualität und Angemessenheit.

4

 CRM: Customer Relation Management.

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3 Vertiefungen

Oft ist weniger auch deshalb mehr, weil man an der Nachfrage nach weiteren Informationen auch das Interesse des Kunden ablesen kann. cc

Praxis-Tipp: Es ist empfehlenswert, sich rechtzeitig über die typischen Umstände klar zu werden, aus denen Ihre Kunden von Ihnen Informationen beziehen wollen. Geht es um neue Projekte? Geht es um Erprobungen oder ist der Kunde auf der Suche nach alternativen Anbietern? Arbeiten Sie vor und erstellen Sie typische Pakete, damit sie später schnell reagieren können.

Der RfI ist also in der Regel eine Konsequenz aus einer erfolgten Kundenansprache. Die Informationen werden elektronisch oder in Papierform bereitgestellt und sollten Ihre Wertschöpfungsmerkmale hervorheben (value proposition). Request for Estimation (RfE) „Was kommt auf mich zu? Was kostet mich die Reparatur des Getriebes?“ fragen Sie den Service-Mitarbeiter in der Reparaturannahme ihres Autohändlers, weil Sie entscheiden wollen, ob sich die Reparatur Ihres alten Autos noch lohnt? Der Fachmann wird Ihnen unter allem Vorbehalt und nicht verbindlich einen groben Wert nennen, für die genauen Kosten aber auf das zu erstellende Reparaturangebot verweisen. Die Frage nach der Größenordnung ist deshalb legitim, weil Ihr Kunde dafür sorgen will, dass Art und Umfang einer Bestellung genau zu seinen Anforderungen und zu seinem Budget passen. Erste Preisindikationen helfen dann dabei zu entscheiden, welche Ausstattungsmerkmale oder Qualitäten wirklich benötigt werden. Diese Phase der Angebotserstellung wird insbesondere im b2b5-Bereich also ein iterativer Prozess sein, an dessen Ende eine möglichst genaue Übereinstimmung zwischen den Verständnissen von Anbieter und Kunden über die zu erbringenden Leistungen oder Lieferungen, die dafür gültigen Rahmenbedingungen (Terms & Conditions) und des fälligen Preises (payment terms) erreicht worden sein sollte. cc

5

Praxis-Tipp: Nehmen Sie sich lieber Zeit und arbeiten gründlich. Besser ein Klärungsgespräch zu viel als eines zu wenig. Außerdem minimieren Sie Ihr Risiko. Achten Sie darauf, dass Sie bereits hier alle beteiligten Leistungserbringer in Ihrem Unternehmen einbinden und abfragen. Eine genaue interne Festlegung des Angebotsprozesses ist sehr h ­ ilfreich und verhindert, dass Sie Risiken, Notwendigkeiten oder Zusammenhänge übersehen, die später teuer werden!

 b2b: business-to-business oder auch back-to-back.

3.3 Der Angebotsprozess

91

Request for Quotation (RfQ) Wenn Sie die erste grobe Schätzung des Service-Mitarbeiters nicht schon dazu gebracht haben dankend abzulehnen, werden Sie vor der Beauftragung der Reparatur ein vollständiges und bindendes Angebot einfordern. Seriöse Werkstätten beginnen umfangreiche Arbeiten ohnehin erst, wenn Sie dieses schriftliche Angebot auch schriftlich bestätigt haben. Da aber in diesem dritten Schritt des RfX-Prozesses auch der „point-of-no-return“ erreicht wird, ist hier äußerste Sorgfalt anzuraten. Jedes Angebot ist so individuell, wie die Branche, der Geschäftsinhalt, das Projekt und der Kunde. Deshalb kann hier kein allgemeingültiger Vorschlag für die Erstellung und die Form eines bindenden Angebotes gemacht werden. Jeder Anbieter muss sich selbst gründliche Gedanken machen, was in seinem Angebot enthalten sein muss, damit nachher nichts schief geht und das Geschäftsergebnis sowohl für ihn als auch den Kunden zufriedenstellend ist (win-win). Dennoch sollen in Tab. 3.13 ein paar Hinweise gegeben werden, um damit die Denkweise darzustellen. cc

Praxis-Tipp: Unterziehen Sie Ihr Angebot einem internen Review mit den erforderlichen Mitarbeitern. Führen Sie ein, dass ein Angebot stets nur von zwei Verantwortlichen freigegeben werden kann. Holen Sie sich juristischen Beistand, wenn Sie sich z.  B. bei komplexeren Angeboten unsicher fühlen. Übernehmen Sie nie ungeprüft, die AGBs Ihres Kunden, selbst wenn es sich um das namhafteste Unternehmen handelt. Das Gehalt des Einkäufers dort richtet sich nach den Einsparungen, die er erreicht hat.

cc

Und gleich noch ein Tipp: Nach erteiltem Auftrag, werden Änderungswünsche des Kunden wie ein neuer RfX-Prozess behandelt. Nettigkeit wird missbraucht!

3.3.2 Angebotsannahme Nachdem Sie Ihr bindendes Angebot Ihrem Kunden haben zukommen lassen, beginnt das Warten auf die Bestellung. Leider folgt diese nicht immer in der Bindefrist oder vielleicht sogar gar nicht. Der vor dem Hintergrund dieses Risikos erbrachte Aufwand muss in Ihrer Kostenkalkulation beim nächsten Angebot berücksichtigt werden. Wenn aber Ihr Kunde Ihr Angebot annimmt, dann folgen die drei Schritte, die in nachfolgender Grafik dargestellt sind. Die verbindliche Bestellung (Purchase Order, PO) erfolgt in schriftlicher Form oder ein zwischen Ihnen und Ihrem Kunden vertraglich vereinbartes Bestellmedium, in dem Sie als sog. Kreditor gelistet wurden.

92

3 Vertiefungen

Tab. 3.13  Inhalt eines bindenden Angebots Was

Wie

Wann Wo

Wofür

Zusätzlich

– Detaillierte Beschreibung aller Leistungen und Lieferungen (deliverables). – Qualitäts- und Quantitätsangaben – Gewährleistungsangaben – Kennblätter und garantierte Eigenschaften, ggf. Zertifikate – Beschreibung der Leistungserbringung, der Auslieferungs-, Inbetriebnahme- oder Abnahmeprozesse – Beschreibung des Einsatzes von Unterauftragnehmern – Beschreibung von Voraussetzungen, die durch den Kunden zu erbringen sind – Zeitplan für Materialbestellung und Anlieferung – Zeitplan für Aufbau, Inbetrieb- und Abnahme. – Genaue Beschreibung der Lieferlogistik – Verpackung, Lieferart, Transportsicherung – Ggf. Zoll und Exportabwicklung – Detaillierte Darstellung aller Kostenpositionen, Fälligkeiten (payment plan) und Überziehungskonditionen – Bindefrist des Angebotes – Aufstellung einzuhaltender gesetzlicher Rahmenbedingungen – Haftungsausschlüsse – Umgang mit Änderungswünschen nach Auftragsannahme (Change Control) – Gerichtsstand

In einem solchen Fall wird unter Umständen von Ihnen eine schriftliche Bestätigung der Annahme der Bestellung verlangt. Sonst ist dieser Schritt eher unüblich. Danach wird aus Ihrem Angebot ein bindender Vertrag, dessen vollständige und fristgerechte Erfüllung (Delivery) Ihr oberstes Ziel sein muss.

Gekauft wie besichtigt? Nein, gewiss nicht! Dieser dreistufige Angebotsprozess ist eigentlich ganz alltäglich, denn er begegnet uns in unserem Leben bei jedem Restaurantbesuch oder Einkauf im Supermarkt, nur denken wir nicht darüber nach. Im Geschäftsleben allerdings sollte man sich aber frühzeitig Gedanken darüber machen, wie man den Angebotsprozess für sein Unternehmen aufbauen und festlegen möchte. Natürlich richtet sich dies nach Ihren Kunden und Markterfordernissen. Sorgfalt und Disziplin bei der Durchführung dieses Prozesses vermeiden Missverständnisse und Verluste und sorgen zugleich für die Kundenzufriedenheit, von der Sie leben.

3.4

Engagement-Models

Verliebt, verlobt, verheiratet!

„Verliebt, verlobt, verheiratet!“, wer kann sich nicht an diese neckenden Worte aus der Grundschulzeit erinnern?

3.4 Engagement-Models

93

Doch selbst die Modelle für ein „Engagement“ zwischen Lebens- oder Lebensabschnittsgefährten sind heute nicht mehr so einfach aufgezählt und vorgegeben. Sie sind zum Glück so vielfältig und bunt geworden, wie wir Menschen nun mal sind. Da aber auch Geschäftspartnerschaften so unbegrenzt vielfältig sind, wie es Geschäftspartner und Geschäftsinhalte gibt, erscheint es vielleicht unsinnig, dennoch verschiedene Modelle vorstellen zu wollen. Es soll auch nicht darum gehen, Ihnen Blaupausen an die Hand zu geben, die nur noch adaptiert und dann eingesetzt werden müssen. Viel wichtiger ist es, mit Hilfe einiger Beispiele Ihre Kreativität anzuregen und Ihnen bewusst zu machen, dass der Vertrag nur die Prozesse zwischen Ihnen und Ihrem Vertragspartner regelt, die sie für das Engagement benötigen oder erlangen wollen. In den folgenden Seiten werden deshalb beispielhaft Modelle vorgestellt, die recht häufig vorkommen. Dabei wird zwischen vertrieblich orientierten und beschaffungsorientierten Geschäftsmodellen unterschieden. Aber geht es denn immer nur um Einkauf und Distribution? Was ist mit Beteiligungsgesellschaften, Franchising- oder Sponsoring-Modellen, Produktionsgenossenschaften und Arbeitsgemeinschaften? Natürlich gibt es in jeder Branche und für jede Anwendung spezielle „Engagement Models“, die u. U. sogar eigene gesetzliche Spielregeln haben, denken Sie an die Finanzwelt. Aber wenn man das von ganz weit oben betrachtet, liegt jedem zweiseitigen ­Geschäftsverhältnis doch wieder ein Liefervertrag (Waren, Leistungen, Kredite, Verzin­ sung usw.) zugrunde, der Rechte und Pflichten regelt. Verliebt, verlobt, verheiratet – mit oder ohne Ehevertrag – das Grundprinzip „quid pro quo“, wonach gleiches mit gleichem vergolten wird, bleibt stets erhalten. Die Entwicklung und Vereinbarung eines individuellen „engagement model“ muss dies stets im Auge behalten.

3.4.1 Direkter oder indirekter Vertrieb Wir nehmen als Grundlage der Betrachtungen noch einmal das Bild aus Abschn. 2.2.6 und modifizieren es in Abb. 3.3 ein bisschen. Wie engagieren Sie sich am Markt? Auf welche Basis stellen Sie Ihr Geschäftsmodell? Im Wesentlichen richten sich diese Fragen auf die Art der Distribution. Betrachten wir ein Produktgeschäft, in dem Ihr Unternehmen Produkte produziert und vermarktet und unterscheiden wir zwischen direkten und indirekten Kunden. Sie können darin entweder selbst vom Kunden Bestellungen (purchase order, PO) akquirieren und entgegennehmen, oder Sie versorgen Ihre Endkunden über Zwischenhändler. Wenn Sie nicht in jedem Zielland einen eigenen Vertrieb aufbauen wollen, können Sie eine Vertriebspartnerschaft eingehen. In diesem Fall übernimmt eine andere Firma den Vertrieb Ihrer Produkte und wird nach einem vereinbarten Schlüssel am Umsatz beteiligt. Die Lieferung erfolgt direkt durch Sie an den Endkunden. Die Erfüllung aller vertraglich

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3 Vertiefungen

Direkter Kunde Vertriebspartner

PO

PO

Distributor

VA-Reseller

PO

B2B

Ihr Einkauf PO

Beziehung

Beziehung

Kundenvertrieb

PO

PO

B2B

PO

Indirekter Kunde

Ihre Partner/Lieferanten Abb. 3.3  Direkter oder indirekter Vertrieb

zugesagten Leistungen und Produkteigenschaften müssen Sie mit entsprechenden back-­ to-­back-Verträgen (b2b) mit Ihren Lieferanten sicherstellen. Viele Produkte können besser über Distributoren (Supermarkt, Online-Shop, Fach- und Einzelhandel) und Wiederverkäufer (Reseller, Value-Added Reseller) vermarktet werden. Hierbei gehen Sie Ihre Lieferverpflichtungen gegenüber diesen Zwischenhändlern ein und das b2b-Verhältnis besteht nur zu diesen, d. h. alle Gewährleistungsansprüche des Kunden können sich nur an den Zwischenhändler richten, der diese dann ggf. bei Ihnen geltend machen kann. Sie liefern also nicht direkt an den Kunden, sondern auf Bestellung an Zwischenlager (Supermarkt), oder termingerecht auf eine Baustelle. Der Vertrieb über Wiederverkäufer wird oft genutzt, wenn Ingenieurbüros, Systemintegratoren oder Baufirmen Ihre Produkte termingerecht ordern und vor Ort verwenden (Reseller), oder mit eigenen Produkten und Leistungen aufwerten und erst dann liefern (Value Added Reseller). Ebenso können Ihre Lieferanten Hersteller, Distributoren oder Wiederverkäufer sein. In jedem Fall wird man als Vertragsmodell das sogenannte „Supply and License Agreement“ wählen, sofern nicht durch den Kauf selbst der Vertrag zustande kommt (Einzelhandel). Kooperationsmodelle kommen in Frage, wenn Sie selbst Wiederverkäufer sind oder eine Vertriebsagentur betreiben. Sie erbringen also Vertriebsleistungen und können sich mit anderen Dienstleistern zusammenschließen, um Ihren Marktzugang zu verbessern, Infrastrukturkosten zu sparen oder von dem bereits gut eingeführten Firmennamen eines Ihrer Partner zu profitieren. So sind aus Einzelhändlern die ersten Supermarktketten entstanden, die aus dem gesteigerten Volumen Einkaufsvorteile gewinnen konnten. Hotelketten, Krankenhäuser oder Seniorenresidenzen mit vielen Standorten sind weitere Beispiele.

3.4 Engagement-Models

95

3.4.2 Beschaffungsorientierte Geschäftsmodelle Natürlich geht es hier nicht um entweder/oder. Die Art der Beschaffung von Produkten oder Leistungen, die man benötigt, um lieferfähig zu sein, muss natürlich zum vertrieblichen Geschäftsmodell passen und abgestimmt sein. Verallgemeinert heißt das, dass das vollständige Geschäftsmodell sich aus vielen Teilmodellen zusammensetzt. Denken Sie z. B. an Finanzierungs- und Zahlungsmodelle, oder Logistikmodelle, die sich nach dem Zielland und dem geeigneten Transportmittel richten. Doch hier wollen wir uns nur auf zwei Aspekte beziehen und dafür fehlt nun nur noch der Blick auf verschiedene, denkbare Beschaffungsmodelle. Hierzu verwenden wir für Tab. 3.14 die etwas vereinfachte Tabelle aus Abschn. 2.3.1.3. Eingebettetes Material Massenwaren, die nach Gewicht, Volumen oder in sehr großer Stückzahl eingekauft werden, können als Lagerzulieferung erfolgen. Der Lieferzyklus und die zu liefernde Menge, kann sich an einem vereinbarten unteren Grenzwert für den Lagerbestand richten, nach Bedarfsprognosen oder nach einem festgelegten Turnus mit ebenso festgelegten Mengen erfolgen. Dieses Modell kann umgekehrt auch für die Abholung von Abfall oder Recycling-­ Material verwendet werden. Einzelne Komponenten (ohne für den Kunden erkennbares Hersteller-Label, white-/ non-labeled), insbesondere bei höherem Warenwert, werden zumeist nicht an ein Lager geliefert, sondern nach dem just-in-time-Verfahren (JiT) zu einem bestimmten Liefertermin geordert. Die Bestellung kann automatisch mit der vereinbarten Vorlaufzeit ausgelöst werden. Software wird dem hingegen nur selten dinglich bestellt und geliefert. Hier sind Lizenzvereinbarungen, mit Nutzer-, Volumen- oder Performance-Grenzwerten üblich. Vielfach werden Lizenzschlüssel bereitgestellt. Brennstoffe, Wasser oder Strom werden als Versorgungsleistung gekauft, deren Bereitstellung einmalig und der Verbrauch zyklisch bezahlt wird. Es gibt also einen Kaufvertrag mit einer festgelegten Laufzeit. Einzelne Bestellungen sind in der Regel nicht erforderlich. Lösungspartner Technische Einrichtungen, größere Gewerke, komplette Montagen von Systemen, die Ihr Unternehmen beispielsweise als technische Voraussetzung beim Kunden durch einen Partner erbringen lässt, werden i. d. R. auch als JiT-Lieferungen bestellt. Man wird stets darauf bedacht sein, selbst Zwischenlagerungen in Bereitstellungslagern so kurz wie möglich zu halten und alle Arbeiten nahtlos in den Gesamt-Prozessablauf einbetten. Individuelle Software- oder auch Produktanpassungen für einen bestimmten Kunden können im Rahmen einer Projektvereinbarung oder auch einer Produktplanung mit Absatzprognosen beauftragt werden. Alle Arbeiten erfolgen beim Lieferanten im Rahmen seiner Arbeitsplanung. Die Bestellung und Lieferung richtet sich nach der Einbettung in den Gesamt-Prozessablauf.

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3 Vertiefungen

Tab. 3.14  Beschaffungsorientierte Geschäftsmodelle Kategorie Zu beziehende Leistung Eingebettetes Material – Schüttgut – Komponenten (non labeled) – Software – Brennstoff, Strom, Wasser Lösungspartner

Unterauftragnehmer

Dienstleister

Mögliches Engagement Modell – Lagerzulieferung nach Warenbedarf – JiT-Lieferung – Lizenzvereinbarung – Bereitstellungsvertrag – Technische Einrichtungen – JiT-Lieferung – Individuelle Software-Anpassung – Projektvereinbarung – Produktkomponenten (labeled) – Lager-Zulieferung – Integrationsleistung beim Kunden – Dienstleistungsvertrag (turn-key) – Auftragsvergabe mit SoW – Allg. Dienstleistungen – Provisionsvereinbarung (z. B. Werbeagentur) – Kundenwerbung – Labordienstleistungen – Abrechnung pro Monat pauschal. – Freie Mitarbeiter – Abrechnung nach Zeit und – Call-Center-Funktion Aufwand – Abrechnung pro Monat mit Debit/Kredit.

Je nach Art Ihres Geschäftes, kann auch eine Bereitstellung von Komponenten (Motoren, Getriebe, Halbzeuge aller Art mit Hersteller-Label) in Ihrem Lager sinnvoll sein. Bestellmethoden und Lieferlogistik richten sich nach Ihrem Geschäftsmodell. Unterauftragnehmer Integrationsleistungen beim Kunden, z. B. der Aufbau einer von Ihnen gelieferten Bühnen­ einrichtung, kann durch Ihr Personal erfolgen, wird aber sehr oft an Unterauftragnehmer vergeben. Dienstleistungsverträge für die Erfüllung einer kompletten Aufgabe bis hin zur betriebsbereiten Übergabe an den Kunden (turn-key) werden als Rahmenverträge mit ein oder mehreren Dienstleistern oder als projektspezifischer Einzelvertrag abgeschlossen. Solche Verträge dienen der Kapazitätserweiterung eigener Ressourcen oder erfolgen vor dem Hintergrund, keine eigenen Ressourcen aufbauen zu wollen. Allgemeine Dienstleistungen, wie z.  B. die einer Werbeagentur (Web-Auftritt, Broschüren und Jahresbilanzen, Messeauftritte, etc.), werden ebenfalls häufig über Rahmenverträge beauftragt, erfordern aber jeweils ein Statement-of-Work das die jeweiligen ­Inhalte festlegt. Die Arbeiten erfolgen regelmäßig und wiederkehrend. Ein Kontakt mit Kunden ist zumeist nicht erforderlich. Kundenwerbung ist ebenfalls eine Dienstleistung, die mit klar umrissenen Zielen, Gebieten und Vorgaben an Dritte vergeben werden kann. Die Leistungsfähigkeit Ihres Vertriebes wird durch Einzelpersonen oder beauftragte Teams erweitert. Die Spanne der Methoden reicht vom Lobbyismus, über Telefonwerbung bis hin zu aktiven Promotions, mit denen Sie als „Neuankömmling“ in einer Region oder einer Stadt in das wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Netzwerk eingeführt werden.

3.4 Engagement-Models

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Solche Dienstleistungen werden oft durch lokale Wirtschaftsförderungseinrichtungen von Ländern oder Kommunen angeboten. Das Angebot umfasst dann genau definierte Pakete, die Sie im Rahmen Ihrer finanziellen Möglichkeiten buchen können. Dienstleister Labordienstleistungen sind ein Beispiel für personengebundene Dienstleistungen, die Ihr Unternehmen bei einem Anbieter bucht, als ob diese Personen und die erforderliche Ausstattung Ihrem eigenen Unternehmen gehören würde. Zahnprothesen, Blutuntersuchungen, Materialerprobungen sind nur wenige Beispiele. Die Abrechnung erfolgt z. B. pauschal pro Monat, nach Stunden oder durchgeführten Arbeiten. Einzelbestellungen werden durch Übersendung des erforderlichen Arbeitsmaterials (im Detail natürlich gemäß den entsprechenden Vereinbarungen im Vertrag) ausgelöst. Freie Mitarbeiter bieten sich und ihre Dienstleistungen selbst an. Dafür nutzen sie Netzwerke oder leben von der Weiterempfehlung. Solche, oftmals auch Freelancer genannten Spezialisten, übernehmen bestimmte Aufgaben in einem Unternehmen, um ausgefallene Mitarbeiter (z.  B.  Schwangerschaft) temporär zu ersetzen oder für besondere Projekte ein Knowhow bereitzustellen, das sonst nicht benötigt wird. Es gibt viele Einsatzmöglichkeiten und die Bezahlung erfolgt meistens nach Zeit (Stundensatz) und Aufwand (expenses). cc

Praxis-Tipp: Achten Sie stets darauf, dass ein in Frage kommender Freelancer auch andere Auftraggeber nachweisen kann. Es besteht sonst die Gefahr, dass man diesem eine Scheinselbstständigkeit unterstellt und bei einer steuerrechtlichen Prüfung auch Ihrem Unternehmen Fragen stellt.

Call-Center-Funktion Call-Center-Anbieter werden oft beauftragt, um den Erstkontakt eines Kunden z. B. für Kundendienstanfragen, Pannenmeldungen oder anderen sehr häufig auftretenden Anfragen „abzufangen“ und durch geschultes und oft multilinguales Fachpersonal übernehmen zu lassen. Eine freundliche Stimme nimmt Ihren Anruf entgegen, begrüßt den Anrufer im Namen Ihrer Firma und gibt erste Antworten. Sie kennen das. Solche Dienstleistungen werden professionell angeboten. Das Leistungsspektrum wird individuell vorbereitet und das Personal auf Ihren Bedarf geschult. Einem Vertrag folgt die Bezahlung z. B. nach der Anzahl der behandelten Anrufe oder pauschal pro Monat. Üblich ist, dass Qualitätsproben, Zufriedenheitskontrollen oder gar Kundenbefragungen als Basis für Abschläge oder Aufschläge (credit/debit) auf den Basispreis und als Regulativ vereinbart werden.

Verliebt, verlobt, verheiratet! Hoffentlich haben Sie die in diesem Abschnitt ausgewählten Beispiele als Anregung verstanden, über die Engagement-Modelle in Ihrem Unternehmen gegenüber den verschiede-

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3 Vertiefungen

nen Geschäftspartnern einmal nachzudenken, um nach Optimierungs- oder Veränderungsmöglichkeiten Ausschau zu halten. Kontinuierliche Veränderungen, um zu verbessern, sind nun mal eine Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg. Sprechen Sie mit Ihren Partnern offen darüber, denn zum Vertrag gehören ohnehin ja mindestens zwei, denken Sie gemeinsam neu und versuchen Sie sich immer wieder von Üblichem und Gewohntem zu trennen. Dies anzuregen, ist der Zweck dieses Abschnittes.

3.5

Typische Geschäftsverträge

Was ist schon typisch, werden Sie sich fragen

Sicher können Juristen mehr über die verschiedenen Aspekte des Gesellschaftsrechts, der Haftung und Gewährleistung oder der Rechtsprechung zum Handelsrecht erklären und schreiben. Aber darum geht es hier nicht. Im Folgenden soll auf möglichst einfache Art, nämlich tabellarisch, erläutert werden, was sich hinter den verschiedenen Kapiteln und Klauseln eines Vertrages üblicherweise – typisch – verbirgt, bzw. was man in bestimmten, immer wiederkehrenden Vertragsformen vorfindet oder verhandeln muss. Damit erhalten Sie eine Grundlage, aufgrund derer Sie mit Ihren Juristen und denen Ihrer Geschäftspartner verhandeln können. Und Sie erhalten Anregungen darüber nachzudenken, welche Inhalte und Regelungen Verträge für Ihr Geschäft enthalten sollen. Weil man es gar nicht oft genug sagen kann, beginne ich mit der Wiederholung der „Goldenen Regel des Partner Managements“: cc

Die Goldene Regel des Partner Managements  Die juristische Formulierung des Vertrages erfolgt durch die Juristen!  Der geschäftliche Inhalt wird von den dafür geschäftlichen Verantwortungsträgern verhandelt und vereinbart!

Das Partner Management sammelt deshalb den Inhalt von allen relevanten Beteiligten im Unternehmen (corporate stakeholders): • • • • • • • •

Geschäftsverantwortliche (Business owner) im Portfolio, Vertrieb, Einkauf, Service & Wartung (Maintenance), Kaufmännische Abteilung (Finance & Control), Qualitätssicherung QA, Entwicklung (research & development, R&D) und … wer auch immer ein begründbares Interesse vertritt, das im Vertrag verankert werden soll!

3.5 Typische Geschäftsverträge

99

3.5.1 Non-Disclosure Agreements NDA Vertraulichkeitsvereinbarungen werden zumeist in recht einfacher Form zwischen zwei Partnern erstellt und unterzeichnet. Dabei sind drei NDA-Formen gebräuchlich: Standard NDA Der typische Inhalt wird in Tab. 3.15 beschrieben. Extended NDA Es handelt sich um ein Standard-NDA das mit einer Liste der zu überreichenden Dokumente erweitert wird. Nur diese Dokumente werden zur Verfügung gestellt und dürfen genutzt werden, z.  B. um ein Angebot zu erstellen. Jegliches Nutzungsrecht über den Zweck des Angebots hinaus wird explizit ausgeschlossen. Clean Team NDA (Beichtstuhlverfahren) Hierbei handelt es sich um ein Standard-NDA, das aber von einer genau festgelegten Gruppe von Personen unterschrieben wird und absichert, dass nur diese Personen (clean team) Zugang zu den offenzulegenden Informationen erhalten. Zumeist wird dieses Tab. 3.15  Typische Inhalte eines Standard-NDA Paragraf Definition of entities

Bedeutung Am Anfang werden die juristischen Personen, d. h. die Parteien, die in das NDA eintreten, genau festgelegt. Dazu gehört die gesellschaftsrechtlich vollständige und korrekte Bezeichnung der Parteien, ihr Sitz und die jeweilige Registernummer im Handelsregister. Vielfach werden noch Tochterunternehmen (affiliates) inkludiert. Purpose of the Präzise Definition des Zwecks der Vereinbarung und der Rollen der beiden Agreement Parteien. Definitions Wiederkehrend verwendete Begriffe werden genau definiert und in englischen Texten fortan mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben. Terms Zumeist folgt eine Liste von Festlegungen, was unter vertraulichen und nicht vertraulichen Informationen zu verstehen ist, in welcher Form diese bereitgestellt werden können und wie damit umzugehen ist (z. B. Weitergabe an Unterauftragnehmer). Ferner werden Lizenzrechte ausgeschlossen, die Form von Streitbeilegungen bzw. der gegebenenfalls zu verwendende Gerichtssitz festgelegt. Praxis-Tipp: Überlassen Sie diesen Teil immer den Juristen! Validity Die Gültigkeitsdauer des NDA muss festgelegt werden und richtet sich nach Art und Geschäftsbedeutung der offenzulegenden Informationen. Üblich sind Laufzeiten von 2 bis 5 Jahren. Signature Auch hier gilt wieder, dass ein Vertrag erst zustande gekommen ist, wenn beide Seiten unterschrieben haben und eine Ausgabe des Originals in Händen halten. Documents Beim Extended-NDA folgt hier eine Liste mit genauen Angaben der zur Verfügung gestellten Dokumente (möglichst nur pdf!).

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3 Vertiefungen

­ erfahren im Vorfeld von Merger & Acquisition-Projekten (M&A, d. h. Zusammenlegung V oder Kauf von Unternehmen) verwendet. Nur dieses Team arbeitet an den Inhalten und erstellt einen gemeinsamen Report, der wiederum nur ebenso vorbestimmten Personen beider Unternehmen zur Verfügung gestellt werden darf und streng vertraulich zu handhaben ist.

3.5.2 Letter of Intent, Memorandum of Understanding Da eine Absichtserklärung (Letter of Intent, LoI) in der Regel keinerlei vertragliche Verbindlichkeit enthält, hat ein LoI auch nur den Wert einer vertrauensbildenden Maßnahme. Man zeigt seine Bereitschaft, das gesprochene Wort (Worte sind geduldig) auch schriftlich niederzulegen. Dies kann genauso in Form eines Briefes, wie aber auch als Mail oder bereitgestellte Besprechungsnotiz erfolgen. Deshalb kann man keine typische Struktur und übliche Inhalte beschreiben. Dennoch gilt wie immer, dass Sie sich bei Ihren Hausjuristen absichern sollten, damit nicht im guten Glauben oder versehentlich Formulierungen gewählt werden, die hinterher zu Ihrem Nachteil ausgelegt werden. Manchmal hilft hier schon eine standardisierte Ausschlussformulierung (disclaimer) in der Fußzeile des Schreibens. Dem hingegen ist die schriftliche Niederlegung des gemeinsamen Verständnisses (Memorandum of Understanding, MoU) zweier Parteien zu einem Thema, einer Aufgabe oder einem Vorhaben, das Ergebnis eines Abstimmungsprozesses und wird am Ende unterschrieben. Deshalb sind Strukturen wie in einem Vertrag üblich und in Tab. 3.16 aufgelistet.

3.5.3 Rahmenabkommen – Frame Agreements Im Hauptteil (contract body) eines Rahmenabkommens finden sich Kapitel mit den in Tab. 3.17 aufgelisteten Überschriften.

3.5.4 Rahmenabkommen – Anhänge Während im sogenannten Contract Body alle allgemeinen und prinzipiellen Vereinbarungen beschrieben werden und man mit dessen Fertigstellung schon ein großes Arbeitspaket bewältigt hat, enthalten die Anhänge (appendices) spezifische Vereinbarungen und solche, die regelmäßig aktualisiert werden müssen (z. B. Preislisten und Bestellnummern). Alle formalen Anforderungen an die jeweiligen Anhänge sind dieselben wie für den Contract Body, d. h. am Anfang steht immer die genaue Bezeichnung des Dokuments, sein Zweck (purpose) und die darin neuen Begriffsdefinitionen (definitions). Ebenso schließt jedes Dokument mit einem spezifischen Kapitel Final Provisions und einer Unterschriftenseite.

3.5 Typische Geschäftsverträge

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Tab. 3.16  Strukturen eines LoI oder MoU Paragraf Definition of entities

Bedeutung Am Anfang werden die juristischen Personen, d. h. die Parteien, die in das MoU erstellen, genau festgelegt. Dazu gehört die gesellschaftsrechtlich vollständige und korrekte Bezeichnung der Parteien, ihr Sitz und die jeweilige Registernummer im Handelsregister. Vielfach werden noch Tochterunternehmen (affiliates) inkludiert. Purpose of the Präzise Definition des Zwecks der Vereinbarung und der Rollen der beiden Agreement Parteien. Wenn bereits NDAs z. B. aus Rahmenverträgen existieren, werden diese an dieser Stelle detailliert aufgelistet und als gültig referenziert. Damit können entsprechende Vertraulichkeitserklärungen hier entfallen. Definitions Wiederkehrend verwendete Begriffe werden genau definiert und in englischen Texten fortan mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben. Ein paar Beispiele: „Common Report“: Vereinbarung, einen gemeinsamen Bericht über Arbeitsergebnisse zu erstellen. „Derivative Work“: Definiert, was i.S. der Zusammenarbeit ein Arbeitsergebnis sein soll (Produktverbesserungen, Konzepte, Prozessdefinitionen, etc.). „Evaluation Results“: Definiert, was i.S. der Zusammenarbeit das Ergebnis z. B. einer Erprobung sein soll (Performanz, Kapazität, Kompatibilität, Marktpotenziale, etc.). „Intellectual Property Rights“ or „IPR“: wenn kein existierendes NDA herangezogen werden kann, oder vorhandene keine IPR-bezogenen Regelungen enthalten, wird hier der Begriff IPR definiert. „Reprensentatives/Management Representatives“: Oftmals ist es erforderlich, genau festzulegen welche Personen im Rahmen der Zusammenarbeit agieren werden und dürfen, sowie deren Befugnisse zu definieren. Roles/Work Split Wenn ein MoU vereinbart wird, um z. B. eine gemeinsame technische Lösung zu erproben, oder das Marktpotenzial für eine gemeinsame Produktentwicklung zu untersuchen, dann ist es empfehlenswert, nicht nur die handelnden Personen festzulegen, sondern auch deren Rolle und Aufgaben. Dazu gehört auch, dass man definiert, was nicht zu einem Aufgabengebiet gehört, um Missverständnisse zu vermeiden. Confidentiality Hier werden die Regelungen zur Wahrung der Vertraulichkeit niedergelegt, sofern das MoU sich nicht auf ein bereits existierendes und geeignetes NDA beziehen kann Term and Validity Die Gültigkeitsdauer des MoU muss festgelegt werden und richtet sich nach Art und Inhalt der Vereinbarung. In der Regel richtet sich diese Dauer nach dem erforderlichen Zeitrahmen für die vereinbarten Arbeiten. Für die Vertraulichkeitsregelung sind zusätzlich Laufzeiten von 2 bis 5 Jahren üblich. Termination Keine Vereinbarung ohne eine Definition, unter welchen Umständen sie formal beendet werden kann. Hinweise hierzu finden sich in Abschn. 3.5.3. (Fortsetzung)

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3 Vertiefungen

Tab. 3.16 (Fortsetzung) Paragraf Other terms

Bedeutung In Abhängigkeit von Art und Zweck des MoUs können noch weitere Definitionen hinzukommen: „Joint workshops“: Wenn Sie im Rahmen des MoU einem Kunden z. B. ein Produkt zur Erprobung überlassen, kann es wünschenswert sein, regelmäßige gemeinsame Workshops zu vereinbaren, um den Fortgang der Arbeiten zu begleiten. „Common Report“: Um ein verlässliches Arbeitsergebnis für beide Parteien zu erlangen, ist es oft empfehlenswert, die Erstellung eines gemeinsamen Ergebnisberichts zu vereinbaren. Nur dieser hat dann für weitere Verhandlungen Gültigkeit und dient als Referenz. „Ownership of results“: Treffen Ingenieure aufeinander, entstehen Ideen und Verbesserungsvorschläge. Es ist ratsam, explizit auszuschließen, dass ein erprobender Kunde mit diesen Ideen und Vorschlägen selbst (mittelbar) IPRs am erprobten Produkt geltend machen kann. „Grant of licenses“: Wird z. B. eine Software zur Erprobung überlassen, wird hier festgelegt, dass das Recht zur Nutzung sich auf diese Erprobung, nicht jedoch auf einen späteren kommerziellen Einsatz bezieht. „Costs“: Vielfach ist es üblich zu vereinbaren, dass jede Partei alle auf ihrer Seite entstehenden Kosten selbst übernimmt. Gegebenenfalls müssen andere Regelungen niedergelegt werden. „No binding“: Auch hier geht es wieder um die Vermeidung von Missverständnissen, weshalb sehr oft explizit vereinbart wird, dass mit dem MoU keine verbindliche Absicht verbunden ist, in irgendeine vertragliche Beziehung einzutreten. „No claims, no liability“: Da das MoU eben keine vertragliche Bindung der Parteien enthält, sondern nur das gemeinsame Verständnis einer befristeten Zusammenarbeit niederlegt, ist es sehr ratsam, jeglichen Gewährleistungsoder Haftungsanspruch gegenseitig auszuschließen.

Tab.  3.18 beschreibt exemplarisch einige typische Anhänge. Diese werden in Ihrem Geschäft variieren oder angepasst werden müssen. Grundsätzlich ist lediglich die ­Unterscheidung zwischen generischen und spezifischen Definitionen, die bestimmt, was in den Contract Body gehört oder ein Anhang dazu wird.

3.5.5 Typisches Statement-of-Work SoW Tab. 3.19 beschreibt typischen Inhalte für die Festlegung einer zu erbringenden Leistung. Ein solches Statement-of-Work kann Teil eines einmaligen Werkvertrages sein, oder unterhalb eines Rahmenvertrages pro Einzelprojekt erstellt werden. Dann wird es hierfür ein bereits zwischen den Parteien vereinbartes Format (template) geben, dass nur individuell ausgefüllt, verhandelt und vereinbart werden muss.

3.5 Typische Geschäftsverträge

103

Tab. 3.17  Typischer Inhalt eines Rahmenabkommens Paragraf Definitions

Purpose of the Agreement Commercial engagement, projects, Statement of Work Grant of licenses and other rights

Delivery of products and professional services

Ordering procedure

Initial testing and acceptance

Bedeutung Im Vertrag tauchen immer wieder verwendete Begriffe auf, wie z. B. Partei, Projekt, Kunde, Liefertermin, Fehler usw. Jeder Begriff kann anders verstanden werden, deshalb ist eine gemeinsam vereinbarte Definition wichtig, die in diesem vordersten Kapitel hinterlegt wird. Alle dort definierten Begriffe werden im Vertragstext hervorgehoben (z. B. Schriftgrad) oder bei englischsprachigen Verträgen mit einem Großbuchstaben begonnen. Wie bei einem NDA muss der Zweck und die Verwendung präzise definiert werden. Hier wird die Art der Zusammenarbeit beschrieben und ein Überblick über die geplanten Prozessketten gegeben. Soll gemeinsam an Kundenprojekten gearbeitet oder andere Leistungen individuell beauftragt werden, wird hier bereits die gegenseitige Verpflichtung, miteinander ein sog. Statement of Work zu erstellen verankert. (s. a. Abschn. 3.5.5) Müssen im Rahmen der Zusammenarbeit gegenseitig Lizenzen erteilt werden (SW, Interfaces, techn. Dokumentation etc.) oder andere Rechte (Zugriffsrechte auf Datenbanken, Fehlerfernabfrage etc.) eingeräumt werden, so erfolgt dies bereits an dieser frühen Stelle. So wird verhindert, dass diese Frage in untergeordneten Teams jeweils erneut geklärt werden muss. Bei einem Lieferantenvertrag wird hier beschrieben, wie Produkte oder Leistungen in die Prozesskette Ihres Unternehmens integriert werden, d. h. wie der Lieferprozess aussehen soll. Der Prozess sollte so strukturiert sein, dass die Erfüllung der Lieferantenverpflichtungen leicht zu überprüfen ist. Allerdings spielen auch Gewährleistungszeiträume eine Rolle, die oft mit der Lieferung des Produktes beginnen, d. h. dass Sie hier noch beachten müssen, wann das Produkt schließlich in Ihren oder den Besitz Ihres Kunden übergehen wird, bzw. wann die Nutzung beginnt! Dies ist die Beschreibung des Bestellprozesses. Es werden Vorlaufzeiten, RisikoBestellungen, Lieferzeiten usw. vereinbart, sowie der technische Ablauf einer Bestellung festgelegt. Lassen Sie sich dabei nie auf den Austausch von XLS-Tabellen (Source-Datei) ein. Das gibt irgendwann nur Verwirrungen, weil keine Unterschrift darauf möglich ist. Eine klassische Bestellung in Schriftform oder elektronisch ausgelöst, dann aber auch mit e-Signatur sind die besseren Alternativen. Typprüfung und Wareneingangskontrolle. Getreu dem Motto, dass eine früh erkannte Gefahr später weniger Geld kostet, sollten Sie hierfür mit Ihren QAFachleuten Pflichttests vereinbaren. Einerseits geht es darum, ob eine Lieferung oder Leistung prinzipiell die an sie gestellten Anforderungen erfüllt (Typprüfung, type acceptance), andererseits geht es darum zu prüfen, ob jede einzelne Lieferung die Qualitätsanforderungen erfüllt (Wareneingangskontrolle, incoming inspection). Ganz nebenher überprüfen Sie dabei auch gleich, wie Ihr Lieferant mit technischen Fragen, Fehlermeldungen und Korrekturen umgeht, wie gut sein Personal geschult ist und seine Korrekturprozesse funktionieren. Praxis-Tipp: Typprüfungskonzepte kosten Geld und man könnte auf die Idee kommen, sich auf Gewährleistungen und ISO-Zertifikate zu verlassen. Aber verstehen Sie sich stets auch als „Chief Executive Officer for Customer Happiness“ und kämpfen gegen diese etwas leichtfertige, aber nicht ungewöhnliche Haltung an.

(Fortsetzung)

104

3 Vertiefungen

Tab. 3.17 (Fortsetzung) Paragraf Transportation documents, packing, labeling and records

Documentation

Payments

Warranties

Open Source Software (OSS)

Bedeutung Für jeden Versand und Transport werden vollständige Begleit- und Transportdokumente benötigt (z. B. für Zoll und Exportkontrolle). Es muss vereinbart werden, wie Waren zu verpacken sind (abhängig von der Frachtart: Luft, Schiff, LKW) und ob z. B. Schockabsorber oder Stoß-/Sturzindikatoren erforderlich sind. Hier werden der prinzipielle Prozess, sowie die Rollen und Verantwortungen festgelegt. Der Appendix LO vereinbart die Details (auch Aktualisierungen nach neuen Zoll- oder Exportrecht). Zu jeder Leistung und Lieferung gehören aktuelle Beschreibungen (User Manual, Service Manual, Parts Lists, Export Classification, SW-Licences, Warranty Certificate, …). Hier wird Art, Umfang und Menge dieser Dokumentation vereinbart. Zahlungsbedingungen bzw. payment terms dürfen in keinem Vertrag fehlen. Zusammen mit den Kaufleuten beider Vertragspartner werden diese Bedingungen verhandelt und genau festgelegt. Fälligkeiten, Zahlungsziele (hier geht es manchmal sogar um 60 oder 90 Tage!), Discounts, Währung, Mehrwertsteuersätze, Bankverbindungen usw. werden festgelegt. Achten Sie auch darauf, dass Pönale vereinbart werden, wenn Waren- oder Leistungen verspätet bereitgestellt werden. Pönale werden sehr oft als Prozentsatz x% vom Gesamtwert der Bestellung (Purchase Order Value, PO-Value) pro Tag oder Woche der Verspätung bis hin zu einem maximal Prozentsatz y% vom PO-Value vereinbart. Bei Lieferausfällen oder Nichterfüllungen von Just-in-Time-Deliveries (JiT) kommen die Haftungsklauseln (Liability) zum Tragen. Praxis-Tipp: Bei nicht-EU Geschäftspartnern sollten Sie immer prüfen, ob die Geschäftsbeziehung embargorechtlich unbedenklich ist, andernfalls wären nämlich auch die finanziellen Transaktionen behindert, oder gar verboten und damit unmöglich! Zu jeder Leistung, für die man zahlt, gehört eine Garantie und Gewährleistung. Was diese umfasst (Beginn, Dauer), wie diese zu erfolgen hat (Einsenden, Reparatur vor Ort, Wandel) und wie mit Frühausfällen (noch vor dem Verbau/Einsatz, z. B. dead-on-arrival) umzugehen ist wird hier vereinbart. Schäden oder Ausfälle, die man erst erkennt, wenn die gelieferte Ware tatsächlich verwendet wird (z. B. im Anlagenbau), erfordern besondere Regelungen. Ab wann gilt die Garantiedauer? Wie wird der Beginn der Garantie markiert (Einsendung einer Gewährleistungskarte nach Verbau)? Wer übernimmt die Verantwortung für die Phase der Lagerung? Diese sind Fragen, die Sie gemeinsam und entlang des individuellen Geschäftsprozesses klären und festlegen sollten. Im privaten Bereich ist es einfach. Man kauft den Mixer und nimmt in mit nach Hause. Ist er defekt, wird er umgetauscht oder innerhalb von sechs Monaten noch repariert. Verdachtsmomente des Gewährleistungsmissbrauchs zu überprüfen obliegt dem Verkäufer und seiner Abwägung zwischen Kundenkulanz und Betrugsabwehr. Bei Waren mit hoher geschäftlicher Bedeutung, wird man solche Vereinfachung nicht anwenden können. Ihr Lieferant muss Ihnen den Einsatz von Open Source Software (OSS) in seinem Produkt offenlegen und dazu auch eine genaue Bezeichnung des Lizenztyps und den zutreffenden Lizenztext bereitstellen. Ferner muss er auch für diese OSSKomponenten die korrekte Exportkennzeichnung benennen. Das Pflege- und Korrekturkonzept für solche Komponenten sollte ebenfalls dargestellt und an dieser Stelle vertraglich verankert werden. Praxis-Tipp: Drängen Sie darauf, dass in Ihrem Unternehmen mit dem Einsatz von OSS-Komponenten bedacht und kontrolliert verfahren wird. Kostenlos ist nicht automatisch oder deshalb auch gut. Die Folgekosten und Auswirkungen werden von SW-Entwicklern gerne ignoriert.

(Fortsetzung)

3.5 Typische Geschäftsverträge

105

Tab. 3.17 (Fortsetzung) Paragraf Intellectual Property Rights

Bedeutung Im Rahmen einer Zusammenarbeit sind nicht nur bereits existierende IPRs betroffen, sondern es können auch neue IPRs entstehen, weil Menschen Ideen haben. Dies ist ein erstrebenswertes Ergebnis einer Zusammenarbeit, bedarf aber der Regelung. Deshalb wird vereinbart, wie mit neuen IPRs umgegangen werden soll und wer ggf. welche Nutzungsrechte bekommt. Oftmals beziehen sich die Zuordnungen auf die betroffenen Produkte, Komponenten oder Leistungen, d. h. der Geschäftspartner kann keine Rechte an Ihren Produkten erlangen, weil seine Mitarbeiter daran neue Ideen eingebracht haben und umgekehrt. Für Ideen, die sich so nicht eindeutig zuordnen lassen, werden Entscheidungsgremien (steering boards) vereinbart. Confidentiality In diesem Kapitel werden nochmals alle Vorkehrungen und Vereinbarungen hinterlegt, die auch im NDA vorhanden waren. Hier allerdings, wie auch bei einem Lizenzabkommen, werden mögliche Schäden quantifiziert, Haftungsgrenzen und Pönalen vereinbart, d. h. ein Instrumentarium aus einklagbaren Forderungen für den Fall eines Verstoßes bereitgestellt. Epidemic failure Klauseln unter diesem Titel trifft man in Vereinbarungen an, die die Lieferung von Massenwaren regeln (etwa elektronische Bauteile, mechanische Kleinteile, Labormaterial, etc.). Qualitätsmängel oder gar Fehler treten nicht nur stochastisch auf, also zufällig, sondern können in ihrer Häufigkeit oder Größe extrapolierbare Tendenzen aufweisen. Wenn sich also aus der Beobachtung von Häufigkeiten oder Parameterabweichungen Tendenzen ableiten lassen, die Frühausfälle oder Folgemängel erwarten lassen, spricht man von epidemischen Fehlern. Die Extrapolation kann beim Hersteller erfolgen, oder ein Ergebnis Ihrer Qualitätssicherungsprozesse sein. Hier wird vereinbart, welche Bewertungsalgorithmen anzuwenden und welche statistischen Daten dafür heranzuziehen sind. Es werden Grenzwerte festgelegt, bei deren Überschreitung eine Mitteilungspflicht besteht. Macht eine solche Definition für die im Vertrag vereinbarten Leistungen oder Lieferungen keinen Sinn (zu geringe Stückzahl oder anderweitig sinnlos), dann entfällt dieser Paragraf natürlich. Product liability Die Produkthaftung bezieht sich auf Schäden, die Ihnen als Käufer entstehen könnten, wenn diese durch Produktmängel verursacht wurden. Aufsehenerregende gerichtliche Auseinandersetzungen hierzu kennen wir aus dem angloamerikanischen Rechtsraum, wenn es zu Autounfällen kam, denen vermeintlich ursächlich ein technischer Mangel zugrunde lag. Da die Schadensersatzforderungen, je nach Produkt und Markt (Rechtsraum), enorme Beträge erreichen können, ist es sehr sinnvoll, hier vom Lieferanten den Abschluss und den Erhalt einer geeigneten Versicherung zu fordern. Hierzu sind unbedingt nicht nur Juristen, sondern auch Versicherungsfachleute zu Rate zu ziehen. Sie müssen Ihren Lieferanten oder Kooperationspartner verpflichten, nachweisbare Quality Qualitätssicherungsprozesse und -methoden (b2b) anzuwenden, da Sie gegenüber assurance; Ihren Kunden hierzu ebenfalls verpflichtet sein können (z. B. aufgrund von security ISO-Konformität). Ferner müssen Sie Ihren Lieferanten verpflichten, requirements Sicherheitsanforderungen (z. B. CE, IT-security, Personenzugangskontrollen, etc.) zu erfüllen, die für Ihr Geschäft relevant sind. Detaillierte Anforderungen werden in den Anhängen „QA“ und „SEC“ definiert.

(Fortsetzung)

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3 Vertiefungen

Tab. 3.17 (Fortsetzung) Paragraf General supplier requirements and ethical issues

Environmental issues

Business practices

Modifications and product availability

Maintenance and support

Term and termination, Effect of termination

Force majeure

Bedeutung Bei größeren Unternehmen mit einer eigenen Einkaufsorganisation ist es üblich, generelle Einkaufsvorschriften und Lieferantenanforderungen aufzustellen. Diese sind dann für jeden Geschäftspartner, von dem Materialien oder Leistungen gekauft werden, gleich. Solche general supplier requirements umfassen z. B. Anforderungen zur Verantwortung des Managements und seiner Aufstellung (management responsibility and directive system), der Personalführung (Human Resource Management), dem Umgang mit der Umwelt und dem Umweltschutz oder der Sicherheit (Unfall, Industriespionage, Katastrophenschutz) im Unternehmen. Die entsprechende Direktive Ihres Unternehmens wird hier als bindend aufgeführt und im Anhang „GSR“ hinterlegt. Die Definitionen hier beziehen sich auf die von Ihnen einzukaufenden Produkte. Umweltschutzanforderungen an das liefernde Unternehmen selbst werden im Anhang „GSR“ definiert. Für jedes Produkt werden genaue Angaben über die verwendeten Materialien (auch gefährliche Bauteile wie LI-Akkumulatoren, hazzarduous materials list) und deren Wiederverwendbarkeit bzw. Entsorgung benötigt. Dies bezieht sich sowohl auf das Produkt als auch auf seine Verpackung. Die Details, die zu erfüllende Gesetzgebung, sowie das Recycling-Konzept werden im Anhang „ENV“ genau beschrieben. Hierbei geht es um die gegenseitige Verpflichtung, geltendes Recht einzuhalten, sich gegenseitig bei erkannten Verstößen zu informieren bzw. einander davor zu bewahren, sowie zur Erfüllung der Anti-Korruptionsgesetzgebung (anti bribery act) und der Gesetze zur ordnungsgemäßen Buchführung. Produkte und Leistungen unterliegen normalerweise einer Pflege und Weiterentwicklung. Sie folgen einem geplanten Produktlebenszyklus. Dieser wird asynchron zum Lebenszyklus Ihrer Produkte verlaufen, muss aber in Ihrer Produktplanung und Pflege berücksichtigt werden. Deshalb werden hier ggf. Vereinbarungen getroffen, wie häufig solche Veränderungen durchgeführt werden dürfen, welche Kompatibilitätsanforderungen sie zu erfüllen haben (z. B. bei Software) und welche Informationsmechanismen und Vorlaufzeiten einzuhalten sind. Ferner wird festgelegt, wie lange ein Produkt in einer bestimmten Version oder Ausfertigung lieferbar sein muss (inkl. Ersatzteilversorgung, Reparatur und Wartung). Reparatur, Wartung und Unterstützung sind essenzielle Leistungen, die ein Lieferant von Industriegütern erbringt, bzw. die Ihr Unternehmen Ihren Kunden bereitstellen muss. Die Anforderungen hierzu können, je nach Art und Umfang des Geschäfts sehr komplex und umfangreich sein. Deshalb wird hier in der Regel nur auf den Anhang „MSA“ verwiesen werden. Wie bereits im Abschn. 2.3.5 ausführlich erläutert, werden im Vertrag die Bedingungen für die Beendigung des Vertrages und die Konsequenzen daraus genau festgelegt. Die ebenso genaue Erfüllung dieser Bedingungen ist Voraussetzung, damit die Beendigung auch rechtswirksam werden kann. Praxis-Tipp: Überlegen Sie sich genau, welche Anforderungen und Bedürfnisse Ihres Unternehmens über die Beendigung des vertraglichen Geschäftsverhältnisses hinaus und für welche Zeitdauer erfüllt werden müssen (surviving clauses). Höhere Gewalt! Sollten Bürgerkriege, Naturkatastrophen oder verwüstende Unfälle Ihnen oder Ihrem Lieferanten die Erfüllung des Vertrages unmöglich machen, so verzichten Sie an dieser Stelle darauf, einander für die entstehenden Schäden (Ausfälle, Kosten, etc.) haftbar zu machen. Ebenso wird eine Rücktrittsmöglichkeit eingeräumt, wenn sich aus solchen Gründen zwingend eine Nichterfüllbarkeit der vertraglichen Verpflichtungen ergibt.

(Fortsetzung)

3.5 Typische Geschäftsverträge

107

Tab. 3.17 (Fortsetzung) Paragraf Escrow agreement

Export control and customs requirements

Limitation of liability

Subcontractors

Bedeutung Treuhand-/Hinterlegungsvereinbarung. Nehmen wir an, Sie beziehen von einem Geschäftspartner Produkte, die für Ihr Unternehmen von strategischer Bedeutung sind und deren Fortfall nicht durch Dritte oder selbsterbrachte Leistungen unmittelbar ausgeglichen werden kann. Dies trifft insbesondere bei Technologieprodukten zu, für die ein Lieferant besondere IPRs hält und am Markt eine Alleinstellung genießt. Wenn ein solcher Lieferant z. B. Insolvenz anmeldet oder ein neuer Eigentümer nach einer Übernahme Portfoliobereinigungen durchführt, kann Ihre Lieferfähigkeit nachhaltig gefährdet werden. Als Gegenmaßnahme für die Konsequenzen aus einem solchen Fall können Sie mit dem Lieferanten eine Treuhandvereinbarung treffen. Hiernach wird entweder eine zyklisch oder bei Eintreffen durchzuführende Hinterlegung aller erforderlichen technischen Unterlagen (auch und insbesondere Quellcode), Materialien und Technologien bei einem Treuhänder (Escrow Agent) vereinbart. Diese Treuhänder sind spezialisierte Juristen und Kanzleien, die die entsprechenden Zertifikate halten. In der Regel wird eine hälftige Kostenteilung zwischen Ihnen und Ihrem Vertragspartner vereinbart. Praxis-Tipp: Manche Produkte benötigen neben den technischen Unterlagen auch ein großes Maß menschlichen Knowhows und Fertigkeit, um bereitgestellt werden zu können. In solchen Fällen ist es ratsam, den Lieferanten zu seinen Kosten zur Bereitstellung einer erforderlichen Zahl von Spezialisten für einen zugesicherten Zeitraum zu verpflichten. Insbesondere bei für den Export bestimmten Zulieferungen ist sorgsam auf die Vollständigkeit und Korrektheit der Materiallisten und der Exportkennzeichnungen zu achten. Bei Personal, das Leistungen im nicht-europäischen Ausland erbringen soll, kann eine Arbeitgebererklärung zur Herkunft der jeweiligen Mitarbeiter erforderlich werden. Hier werden alle Mechanismen und Angaben vereinbart, die erforderlich sind, um Ihre Exportfähigkeit zu erhalten. Zu beachten sind das geltende Exportrecht, sowie das Zollrecht des Landes des Ursprungs- und des Ziellandes. Im Vertrag werden neben der Produkthaftbarkeit, Haftbarkeiten für Verstöße gegen die Vertraulichkeit und den IPR-Schutz geltend gemacht und quantifiziert. Alle anderen Schäden, insbesondere indirekte Schäden (indirect damages), wie z. B. Verlust von Einnahmen oder Folgeschäden, werden in der Regel ausgeschlossen. Schäden aus grober Fahrlässigkeit (gross negligence) oder Vorsatz (willful misconduct) werden nicht ausgeschlossen. Für alle quantifizierten Haftbarkeiten werden jeweils geltende Obergrenzen vereinbart. Es ist empfehlenswert eine Klausel einzubauen, die Ihren Lieferanten verpflichtet, Sie davon rechtzeitig in Kenntnis zu setzen und Ihr schriftliches Einverständnis einzuholen, wenn insbesondere Leistungen nicht durch den Lieferanten, sondern durch einen Unterauftragnehmer erbracht werden sollen. Im Wartungs- und Reparaturdienst schützt man sich so vor Missverständnissen, Behinderungen und unnötigen Nachfragen, wenn anstatt des angekündigten Personals Mitarbeiter einer unbekannten Drittfirma auftauchen. Vielfach wird an dieser Stelle auch vereinbart, dass der Lieferant alle vertraglich bereits existierenden Unterauftragnehmer oder gar Tochtergesellschaften (Affiliates) offenlegen muss.

(Fortsetzung)

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3 Vertiefungen

Tab. 3.17 (Fortsetzung) Paragraf Bedeutung Final provisions Es gibt immer Themen, die man nicht einem besonderen Kapitel zuordnen möchte, bzw. die man unmittelbar oberhalb der Unterschriftenseite sucht. Dazu gehören: – Entire Agreement: Der Unterschriftsberechtigte prüft hier noch mal, welche Dokumente zum Gesamtvertragswerk gehören und ob diese vollständig vorliegen. Deshalb steht hier eine Auflistung aller Einzeldokumente und ihrer genauen Bezeichnungen und Ausgabedaten. – Assignment and Transfer: Dies ist eine Vereinbarung, die bestimmt, dass der Vertrag beiderseitig nicht ohne vorherige schriftliche Einwilligung der jeweils anderen Seite auf einen Unterauftragnehmer oder einen Rechtsnachfolger übertragen werden darf. – Notices: Dies ist die Angabe der jeweiligen Adressaten für die Geschäftskorrespondenz. – No Waiver: Die Juristen formulieren hier, dass durch keine Handlung oder Teilzahlung ein Verzicht auf die vollständige Erfüllung der vertraglich vereinbarten Pflichten erwirkt oder unterstellt werden kann. – Partial Invalidity: Sollten Teile des Vertrages durch eine veränderte Rechtsprechung ungültig werden, so gemäß dieser Vereinbarung umgehend eine entsprechende Anpassung und Korrektur zu vereinbaren. – Governing Law: Sind Sie ein deutsches Unternehmen, dann wollen und müssen Sie Ihre Geschäfte nach deutschem Recht abwickeln. Ist Ihr Vertragspartner kein deutsches Unternehmen, so müssen Sie sich auf ein anzuwendendes Recht einigen. Hierfür wird Ihre juristische Vertretung Sie beraten. Achten Sie darauf, dass im englischen Sprachraum sehr oft nach Fallrecht geurteilt wird und nicht nach gültigen Gesetzen. Daraus ergibt sich, dass man gezwungen sein kann, Juristen zu beauftragen, die in diesem Rechtsraum zugelassen sind. – Dispute Resolution: Auch der Ort an dem ggf. ein Rechtsstreit geklärt werden soll, kann über den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend sein. Nicht nur das Prozessrecht eines anderen Landes kann unterschiedlich sein, sondern auch Reisekosten und juristische Beistände (mit Gerichtszulassung) im Land der vereinbarten Gerichtsbarkeit können auf Sie Druck ausüben. In diesem Falle ist es ratsam, einen Gerichtsstand zu vereinbaren, der für beide Parteien gleichermaßen „unbequem“ ist. Hier kann auch vereinbart werden, dass in jedem Falle vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung eine professionelle Mediation genutzt werden soll. – Surviving Clauses: Alle Paragrafen des Vertragswerkes, die Vereinbarungen enthalten, die auch nach einer Vertragsbeendigung Gültigkeit haben, werden hier nochmals explizit aufgelistet. – Independent Parties: Hier wird konstatiert, dass die Vertragsparteien juristisch voneinander unabhängige Einheiten (legel entitites) darstellen und dass der vorliegende Vertrag an dieser Unabhängigkeit in keiner mittelbaren und unmittelbaren Weise etwas ändert. – In Witness whereof: Nun folgt die Benennung der Zeichnungsberechtigten (mindestens zwei pro Partei), die mit Ihrer Unterschrift zu dem eingetragenen Datum das Vertragswerk gültig machen. Der Vertrag wird im doppelten Original vollständig und in Papierform ausgetauscht. Praxis-Tipp: Achten Sie darauf, dass auch alle Anlagen unterschrieben werden und jede (!) Seite mit einem Kürzel gekennzeichnet wird. Das ist zwar etwas mühselig, aber es kann so keine Diskussionen darum geben, ob eine Seite zum Originalvertrag gehört oder nicht.

3.5 Typische Geschäftsverträge

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Tab. 3.18  Anhänge eines Rahmenabkommen Paragraf Bedeutung Product Appendix Sie kaufen Produkte oder Leistungen ein. Hier werden diese detailliert „PA“ beschrieben und alle vertragsrelevanten Eigenschaften und Qualitätsparameter aufgeführt. Außerdem findet sich hier i. d. R. auch eine aktuelle für diesen Vertrag gültige Preisliste mit genauen Bestellbezeichnungen. Logistic Ziel des LO ist, sich mit dem Lieferanten auf die Definitionen und Appendix „LO“ Bedingungen zu einigen, die eine enge Zusammenarbeit mit Ihnen zu ermöglichen und Ihre Logistikprozesse vereinfachen und optimieren, insbesondere: – Vorlaufzeit (lead times), – Lieferkapazität, – Integration des Lieferanten in Ihre Logistikprozesse (order and delivery process), – Lieferplanung und Prognosen (forecasting), – Warnprozesse, wenn die Verfügbarkeit von Produkten oder Leistungen gefährdet ist, – Definition des Materialflusses und der dafür erforderlichen Informationen, – Verantwortlichkeiten und Prozesskontrollmittel und – Qualitätsstandards für den Logistikprozess. Es werden hier aber auch die genauen Abläufe festgelegt, die anzuwenden sind, wenn Ersatzteile in kürzester Zeit bereitgestellt werden müssen (mission critical applications). Quality Qualität bezieht sich nicht nur auf die Qualität eines Produktes. Die Assurance Anforderungen, die im Contract Body z. B. unter Generic Supplier Appendix „QA“ Requirements aufgeführt wurden, müssen selbstverständlich auch durch entsprechende qualitätssichernde Prozesse kontrolliert werden. Hier wird also Art und Umfang dieser QA-Prozesse definiert und vereinbart, welche Überprüfungsmethoden gegenseitig anzuwenden sind bzw. sein dürfen (due diligence, Audit, etc.) Natürlich spielt auch die Überprüfung der Produkt- oder Leistungsqualität eine große Rolle, weshalb hier entsprechende Kontrollmechanismen vereinbart werden (Freigabetests, Typprüfungen, Stichproben, prozessbegleitende Überprüfung, online-Kontrollen, usw.). Maintenance and Wenn Sie ein Lieferant komplexer Systeme oder Anlagen sind, dann fordert Ihr Kunden von Ihnen ein Maintenance and Support Agreement MSA oder Support auch Service Level Agreement SLA. Agreement Selbstverständlich müssen Sie dann mit jedem Zulieferer von ebenso „MSA“ komplexen Einzelkomponenten oder Systemen back-to-back (b2b) ebenfalls ein MSA abschließen das Ihre Kundenzusagen absichert und diesen entspricht. Ein typisches MSA ist in Abschn. 3.5.6 beschrieben. Open Source Während im Contract Body allgemeine und methodische Vereinbarungen Software „OSS“ zum Thema OSS getroffen wurden, wird hier genau festgelegt, welche OSS-bezogenen Informationen der Lieferant bereitstellen muss. Es geht um eine präzise und vollständige Auflistung aller Lizenzen, Lizenztypen, Lizenztexte, Pflegevereinbarungen und auch Exportkennzeichnungen. (Fortsetzung)

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3 Vertiefungen

Tab. 3.18 (Fortsetzung) Paragraf Bedeutung Testing and Es ist nicht nur wichtig zu vereinbaren, dass man etwas tun möchte, sondern Acceptance „TA“ auch wie man es tun wird. Testen, Messen und Überprüfen sind technische Vorgänge, deren Ergebnis von vielen Details abhängt. Ebenso ist es wichtig festzulegen, welche Objekte getestet werden sollen und mit welchem Zweck. Prototypen, Erstserienmuster, und Stichprobenobjekte können völlig unterschiedliche Eigenschaften haben und es muss ausgeschlossen werden, dass ein gezielt optimierter Prototyp wie ein Stichprobenobjekt betrachtet wird. Diese Anlage wird also ein Spiegelbild der technischen Qualitätssicherung Ihres Unternehmens sein. Bitte beachten Sie, dass sich „technisch“ hier nicht auf technische Produkte beschränkt, sondern „systematisch, methodisch und wiederholbar“ meint und damit auch auf Dienstleistungen anzuwenden ist. Environmental Neben spezifischen, produktbezogenen Anforderungen müssen auch die Requirements allgemeinen und gesetzlich verankerten Anforderungen an Umweltschutz und „ENV“ Nachhaltigkeit eingehalten werden. Es geht um Rücknahme und Entsorgung, um Angaben zu verwendeten Materialien, oder auch um interne Maßnahmen zum Umweltschutz. Es wird also explizit die Einhaltung aller relevanten Vorschriften gefordert (z. B. EU-Richtlinie 2011/65/EU, RoHS – Restriction of Hazardous Substances). Insurance Da es in einem Geschäfts- und Liefervertrag auch um Haftbarkeiten aus Requirements Nichterfüllung oder anderen Vertragsverletzungen geht, ist es wichtig vom „INS“ Vertragspartner auch den Abschluss entsprechender Haftpflichtversicherungen zu fordern. Spezielle Versicherungen können abhängig von der Art des Geschäftes (Anlagenbau, kritische Länder, Gefahrenaspekte, Luft- und Raumfahrt) noch hinzukommen, um Risiken zu minimieren. Template: Wenn Sie vorhaben, in Projekten Leistungen zu beauftragen, sei es Statement of Dienstleistungen oder kundenspezifische Anpassungen des zu liefernden Work „SOW“ Produktes, so müssen alle Details dieser projektspezifischen Leistungen definiert und vereinbart werden. Dies erfolgt am besten mittels eines bereits mit dem Rahmenvertrag vereinbarten Formblatt (template), dass dann nur noch ausgefüllt und inhaltlich verhandelt werden muss. Eine typische Gestaltung eines solchen SoW-template findet sich im Abschn. 3.5.5. Security In Abhängigkeit von der Art des Geschäftes werden hier die Anforderungen Requirements an die Datensicherheit, an die Gebäudesicherheit und die Zugangskontrolle, „SEC“ an Geheimhaltung, Katastrophenschutz, Schutz gegen Kriminalität und Angriff, Unfallverhütung usw. aufgeführt. Bedenken Sie, dass heute bereits Kabel gestohlen werden, weil Kupfer so teuer geworden ist. Bedenken Sie, dass Chemikalien auch der Herstellung von Drogen dienen können und dass Cyber-Hijacking und Hacking leider keine Bedrohungen aus einem Hollywood-Film darstellen. (Fortsetzung)

3.5 Typische Geschäftsverträge

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Tab. 3.18 (Fortsetzung) Paragraf Generic Supplier Requirements „GSR“

Bedeutung Diese Anlage ist besonders wichtig, da sie alle Anforderungen an einen Geschäftspartner Ihrer Firma aufführen, die allen Partnerschaften gemein sind (generisch). Hier können Anforderungen enthalten sein, die auch in anderen Anlagen oder dem Contract Body angesprochen werden. Es ist also sorgfältig auf Orthogonalität und Widerspruchsfreiheit zu achten. Hier sind seien nur einige Themen genannt, die typisch in einem GSR aufgeführt werden: – Management System und Verantwortung – Personalwesen – Umweltschutz – Risiko Management – Unternehmensschutz – Gewerblicher Rechtsschutz und Haftung – Produktsicherheit, -schutz und -haftung – Qualitätssicherung – Produktplanung, Produktpflege, Lebenszyklus Management – Service- und Wartung – Einkaufsprozesse – Produktionsprozesse inkl. Qualitätskontrolle – Lieferplanung und Ausführung – Materialplanung

Tab. 3.19  Statement-of-Work SoW Paragraf Definitions Contract specific details

Scope/out of scope

Solution details

Bedeutung Hier werden alle Begriffsdefinitionen durchgeführt, die nicht im Contract Body existieren. Sonst wird dorthin verwiesen. Für jede Projektvereinbarung, die das Standard-SoW verwendet, wird hier eine spezifische Projektbeschreibung eingefügt. Diese sollte präzise genug sein, um dieses SoW von anderen (nachfolgenden) unterscheiden zu können. Angaben über einen Kunden, ein Zielland oder ein Entwicklungsprogramm sowie über die geschäftliche Bedeutung dienen der Einordnung und vermeiden Missverständnisse. Dieses Kapitel ist so trivial wie entscheidend. Was wird beauftragt, welche Leistungen in welchem Umfang und was wird nicht beauftragt. Abhängig von der Geschäftsart kann dieses Kapitel im Sinne eines Formulars auch weiter detailliert werden oder gar zu einem Fragebogen ausgebaut werden, in dem nur noch ja/nein-Fragen beantwortet werden. Vielfach macht ein Auftraggeber genaue Vorgaben über die anzuwendende Technik, einzusetzende Materialien oder zu benutzende Methoden. Auch dieses Kapitel ist sehr geschäftsspezifisch und der sinnvolle Detaillierungsund Vorbereitungsgrad unterliegt den gegebenen Anforderungen. (Fortsetzung)

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3 Vertiefungen

Tab. 3.19 (Fortsetzung) Paragraf Deliverables

Bedeutung Man bezahlt nur, was man auch geliefert bekommen hat. Es ist also unabdingbar, die auszuliefernden Produkte bzw. die zu erbringenden Leistungen genau zu beschreiben und aufzulisten. Materiallisten, Lieferdokumente, Funktionsnachweise, etc. dienen der Vermeidung jeglichen Streitpotenzials. Supplier products Wird von einem Lieferanten eine kundenspezifische Anpassung gewünscht, (SW and HW) so muss festgelegt werden, auf welches Produkt des Lieferanten sich diese Anpassung beziehen soll. Dabei sind genaue Angaben zur ggf. betroffenen Hardware und Software zu machen. EULA Der Endbenutzer-Lizenzvertrag (End User License Agreement) wird benötigt, wenn Sie für einen Ihrer Kunden spezifische Anpassungen eines Zulieferproduktes beauftragen und dieser dafür natürlich eine Nutzungsberechtigung benötigt. Dies kann auch Nutzungsberechtigungen für eingebettete Lizenzen von Drittprodukten (Betriebssysteme, Datenbanken, etc.) betreffen. 3rd Party Products Der Einsatz von Zuliefermaterial liegt in der Verantwortung Ihres Zulieferers. Dennoch kann es Anforderungen Ihrerseits geben, die and 3rd Party berücksichtigt werden müssen. Gerade in Bezug auf Ersatzteillieferungen, Product Warranty Service- und Wartungsleistungen oder beim Einsatz von Terms Unterauftragnehmern kann es Abstimmungsbedarf geben, um die Vielfalt oder gar Konkurrenzsituationen bei Ihrem Kunden zu vermeiden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Gewährleistungszusagen von Zulieferern Ihres Zulieferers natürlich zu Ihren Gewährleistungsobligationen gegenüber ihrem Kunden passen müssen. Das ist nun mal das Wesen von b2b-Verträgen. Unter Umständen werden für kundenspezifische Anpassungen, Services Einzelanfertigungen oder spezifische Dienstleistungen auch individuelle (Professional Services, Support & Maßnahmen im Bereich von Pflege, Wartung und Kundenbetreuung erforderlich, die nicht mit den Anlagen des Rahmenvertrages definiert sind. Maintenance Diese Spezifika werden hier beschrieben. Services) Training and Wie unter für den Service beschrieben, kann es auch spezifische Documentation Anforderungen für das Training Ihres Personals oder des Kunden geben, sowie spezielle Dokumentation benötigt werden. Project milestones Dies ist ein besonders wichtiges Kapitel und sollte mit größter Sorgfalt and lead time verhandelt und ausgefüllt werden, da die Projektpläne, Meilensteine und Terminplanungen zweier Unternehmen genau aufeinander abgestimmt werden müssen. In der Regel gehören projektspezifische oder Einzelbeauftragungen zu einem Kundenprojekt und dürfen dieses in seiner Gesamtheit nicht gefährden. Grafische und verbale Beschreibungen und Definitionen verhindern Missverständnisse. Praxis-Tipp: Selbst, wenn beide Parteien moderne Projektplanungs-­ Software verwenden, darf dieser Teil nur aus gedruckten (pdf) und beidseitig unterschriebenen Plänen und Unterlagen bestehen. Quell-­ Dateien sind veränderbar und tragen den Streit bereits in sich. (Fortsetzung)

3.5 Typische Geschäftsverträge

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Tab. 3.19 (Fortsetzung) Paragraf Roles and responsibilities Prices

Terms and conditions (Invoicing Milestones, Payment Terms) Signatures Appendix 1 – Customer solution requirements

Appendix 2 – Technical proposal Appendix 3 – Bill of Material (BOM)

Appendix 4 – Exclusions and obligations of the parties

Appendix 5 – EULA

Bedeutung Das SoW ist wie eine Inkarnation des Rahmenvertrages zu verstehen, deshalb müssen alle projektspezifischen Rollen und Verantwortungen definiert und mit zuständigen Vertretern ausgefüllt werden. Leistungsabrechnung nach Stunden und Material, Komplettangebot (turn-key), Bezahlung nach Nutzung, etc.; das anzuwendende Modell wird im Rahmenvertrag vereinbart, die spezifische Preisbildung erfolgt im SoW. Dieser Absatz verknüpft die Kapitel Deliverables, mit den definierten Meilensteinen und den benannten Preisen. Kein Geld ohne nachweislich erbrachte Leistung ist das Motto. Wenn die Leistung aber erbracht wurde, dann muss innerhalb der vereinbarten Fristen auch bezahlt werden. Ihr Unternehmen muss sich schließlich an dieselben Maßstäbe halten, die Sie an Ihre Lieferanten setzen. Unglaubwürdigkeit und Unzuverlässigkeit sind äußerst schädlich. The same procedure … nehmen Sie diese Prozedur ernst und folgen Sie den Hinweisen aus Abschn. 2.3.2 Auch in einem SoW unterscheidet man am besten wieder zwischen dem „body“ und den erforderlichen Anhängen. Das ermöglicht auch, diese durch unterschiedliche Teams erstellen, überprüfen und verabschieden zu lassen, ohne andere editorische Arbeiten zu behindern. Sehr oft sind technische Beschreibung sehr umfangreich und folgen eigenen Strukturen, weshalb es erst recht sinnvoll ist, sie nicht inmitten allgemeiner Vereinbarungen zu platzieren. Siehe Anmerkung zum Appendix 1 Materiallisten müssen bestimmte branchenspezifische Anforderungen an Granularität und Aufbau erfüllen. Für Software-Produkte, elektronische Komponenten, chemische oder metallurgische Produkte gelten andere Anforderungen als z. B. für die Ausstattung und Durchführung eines Kulturevents inkl. Catering. In jedem Fall ist die BOM ein wichtiges Mittel die Vollständigkeit der Lieferung zu überprüfen (auch beim Zoll!). Sind zur Erfüllung einer Beauftragung per SoW bestimmte Vorleistungen durch Sie als Abnehmer oder den Endkunden zu erbringen, so müssen diese hier detailliert beschrieben werden. Gibt es Vorleistungen, wie z. B. die Bereitstellung von SW-Lizenzen, die Sie nicht erbringen wollen oder können, ist es ratsam, diese hier ebenfalls zu benennen. Das vermeidet spätere Diskussionsschleifen unter Kollegen, die den Vertragsverhandlungen nicht beigewohnt haben. Siehe Anmerkung zum Appendix 1

3.5.6 Typisches Maintenance and Support Agreement MSA Wartung und Pflege von gelieferten Produkten, Anlagen, Systemen oder Bauwerken ist nicht nur eine Notwendigkeit, es ist auch eine Dienstleistung, mit der Geld verdient wird. Umfang und Preis des Angebotes richten sich natürlich nach der Art des Geschäfts. Ein Wartungsvertrag für eine professionelle Nähmaschine wird einfacher und billiger sein als

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3 Vertiefungen

ein Wartungsvertrag für ein Flugzeug. Der Umfang richtet sich nach dem Kundenbedarf, der Preis allerdings nach dem Wert, den der Wartungsvertrag für den Kunden hat. Für die Nähmaschine wird der Maßschneider einen Wartungsanbieter suchen, der den günstigsten Preis bietet oder sogar nur case-by-case beauftragen. Für eine hoch technisierte Erntemaschine muss die Einsatzfähigkeit während der Erntezeit rund um die Uhr sichergestellt sein. Ein solcher 7/24-Service mit Reaktionszeiten von z.  B. 30 Minuten wird einen wesentlich höheren „Marktpreis“ ermöglichen. Bedenken Sie also bei der Gestaltung Ihres „Maintenance and Support“-Angebotes, dass es sich hierbei eben auch um ein Dienstleistungsportfolio handelt, das gestaltet und am Markt (value-pricing, unique-selling points) orientiert angeboten wird. Typische Inhalte eines MSA sind in Tab. 3.20 aufgeführt.

Was ist schon typisch, haben Sie sich gefragt? Obwohl jede Geschäftsbeziehung, jedes Engagement Model und die erforderlichen Vertragswerke so vielfältig und unterschiedlich sind wie die Geschäftspartner, die sie ­abschließen und die Geschäfte, die vereinbart werden, kehren doch bestimmte Vertragstypen und vor allem bestimmte Methoden und Strukturen darin immer wieder. Dabei ist jede Struktur erst einmal so gut, wie eine andere, Hauptsache aber, man hält sich durchgängig an diese. Tab. 3.20  Inhalte eines typischen Maintenance and Support Agreements Paragraf Scope

Bedeutung Bevor man das „was“ beschreibt, sollte das „wofür“ klargestellt werden. Wird mit einem Lieferanten ein back-to-back Vertrag abgeschlossen, der Ihre Verpflichtungen gegenüber Ihrem Kunden absichert, so finden sich im Maintenance and Support Agreement MSA andere Regelungen, als wenn Sie das MSA als Endkunde mit ihrem Lieferanten abschließen. In dieser Aufstellung wird von b2b-Fall ausgegangen. Services (overview, Sehr oft bezieht man von einem Lieferanten nicht nur ein einziges Produkt compatibility and oder nur eine Leistung. Die Dauer einer Partnerschaft, die Diversifizierung correction matrix, und Weiterentwicklung der Produkte und Produktportfolios führen dazu, emergency service, dass im MSA mehrere Objekte betrachtet werden müssen. Das MSA stellt dann einen Rahmenvertrag dar, in dem geregelt wird, auf welche Produkte fault correction oder Leistungen dieser sich bezieht und welche Pflege- oder service) Unterstützungsleistungen bestellt werden sollen. Da auch Ihr eigenes Portfolio einer Weiterentwicklung und einem Lebenszyklus unterliegt, wird sehr oft eine Matrixdarstellung erforderlich, um den Überblick zu behalten. Zur Verdeutlichung: für ein von Ihnen geliefertes Produkt, das dem Ende seines Lebenszyklus nahe ist, bzw. von Ihnen bereits abgekündigt wurde, werden Sie gewiss keinen umfassenden Ersatzteildienst mit großen Lagerbeständen und Express-Versand bereithalten oder kostenlose Software-Korrekturen (patches) anbieten. (Fortsetzung)

3.5 Typische Geschäftsverträge

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Tab. 3.20 (Fortsetzung) Paragraf Technical queries

Update-Services (SW/HW)

Response time classification

Service credit

Bedeutung Insbesondere für den Betrieb von Anlagen ist es üblich, eine telefonischen Ersthilfe zu organisieren. Für alle Anfragen des Kunden steht dann z. B. ein Call-Center bereit, das auf viele einfache Fragen und Nutzungsprobleme geschult wurde. Auch ein technischer Dienstleister oder Mitarbeiter der Regional- oder Landesvertretung kommen in Frage. Fast immer wird ein 7/24 h-Dienst eingerichtet. Für alle Fragen, die dieser 1st-level-Dienst nicht beantworten kann, wird eine zweite und manchmal sogar eine dritte Ebene realisiert, in der jeweils noch mehr Experten-Knowhow und auch Veranlassungsrechte vergeben werden. Der Aufwand für die Bearbeitung technischer Fragen (in genau festgelegten Reaktionszeiten) richtet sich natürlich nach der Art des Geschäftes und muss dadurch wirtschaftlich gerechtfertigt sein. Anlagen und Systeme der Großindustrie, im medizinischen oder militärischen Bereich stellen andere Anforderungen als die telefonische Betreuung der Kunden von Konsumgütern (z. B. Autos). Während an einem PKW technische Komponenten (Hardware) oder Software nur aktualisiert werden, wenn z. B. ein Sicherheitsrisiko droht (Rückrufaktionen) oder der Kunde neues Kartenmaterial für sein Navigationssystem wünscht (beides kann sogar eine Kostenbeteiligung des Eigentümers implizieren), sind in vielen anderen Branchen regelmäßige Software- oder Hardware-Updates erforderlich. Hierfür müssen Zyklen, Prioritäten, Prozesse und Dokumentation vereinbart werden. Der Automobilbauer wird also mit seinen Zulieferern (Bordcomputer, Bremssysteme, etc.) solche Update-Regelungen treffen. Für alle Dienstleistungen (Telefonbetreuung, Reparatur- und Wartungsdienste, Ersatzteilbereitstellung, Bereitschaftsdienste) werden genaue Reaktions- und Erfüllungszeiten vereinbart. Diese sind sehr oft nach Fehlerprioritäten (emergency, prio1-error, prio2-error etc.) und ggf. auch nach Service-Klassen (Gold, Silber, Standard) gestaffelt. Auch hier spielen Wirtschaftlichkeitserwägungen bei der Gestaltung eine große Rolle. MSA-Leistungen werden nicht kostenlos erbracht. Wie für das Produkt selbst, zahlt Ihr Kunde auch für den Wartungsvertrag (auch wenn sehr oft irrtümlich angenommen wird, dass alle Leistungen ja unter die Gewährleistung fallen). Dementsprechend muss auch im b2b-Verhältnis für die Leistungen – zumeist im Voraus – bezahlt werden. Zur Kontrolle werden genaue Erfüllungsstatistiken vereinbart und erhoben. Bei Untererfüllung werden Kreditpunkte auf die nächste Abschlagszahlung vereinbart, bei Übererfüllung können auch Boni ausgelobt werden. Die Nichterfüllung hingegen ist stets von einer Eskalation und ggf. auch Pönalen-Forderung (siehe Abschn. 3.7) begleitet. (Fortsetzung)

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3 Vertiefungen

Tab. 3.20 (Fortsetzung) Paragraf Warranty services

Case statistics

Repair and replacement service (SPARELOG)

Support for 3rd party products

Bedeutung Nach Abnahme einer Leistung oder Übernahme eines Produktes beginnt die Gewährleistungsphase. Deren Dauer und Umfang ist im Rahmenvertrag (Kaufvertrag) festgelegt. Hier wird nun genau beschrieben, welche Dienstleistungen während der Gewährleistungsphase zu erbringen und welche Prozesse dafür zu erfüllen sind. Eine wichtige Aufgabe der telefonischen Kundenbetreuung ist, zwischen vermeintlichen Gewährleistungsfällen und normalem Kundendienst zu unterscheiden, etwa bei fahrlässiger Fehlbedienung. Streitfälle sind allerdings nie auszuschließen, da es für den Kunden stets darum geht, ob er zahlen muss oder nicht. Kunden werden also immer wieder dazu neigen, einen Gewährleistungsfall zu unterstellen. Erfolg oder Misserfolg müssen messbar sein, deshalb ist es wichtig, sich mit seinem Vertragspartner auf einheitliche Statistiken und Erhebungsmethoden zu einigen und deren beidseitige Erstellung zu vereinbaren. So wird einerseits verhindert, dass es später Missverständnisse oder gar Streit geben kann, und andererseits wird so die Grundlage gelegt, die oben beschriebenen Services Credits zu ermitteln und abzurechnen. Selbstverständlich und unabhängig davon muss ein Unternehmen, das sich Qualität und Kundenzufriedenheit auf die Fahnen schreibt, auch die Qualität der gebotenen (und verkauften) Wartungs- und Unterstützungsdienstleistungen kontrollieren. Stellen Sie sich vor, sie bereiten eine Expedition zum Mars vor! Sie tun gut daran, sehr frühzeitig darüber nachzudenken, welche Ersatzteile und Reparaturmittel Sie mitnehmen sollten. So ist es auch, wenn der Bestimmungsort Ihrer Leistungen nicht ganz so exotisch ist. Dennoch kann die Rückwirkung auf den Erfolg Ihrer Unternehmungen dramatisch sein, wenn Ersatzteile, Werkzeuge, Reparatur-Knowhow, Versorgungs- und Bevorratungsketten nicht sorgsam durchdacht sind und die Produktionsanlage Ihres Kunden in einem Nicht-EU-Land an einem Oster-Samstag gegen 18 Uhr bei Schneesturm stehen bleibt. Auch wenn es immer wieder leichtfertig behauptet wird, eine ausgefallene Festplatte in einem Systemrechner kann man dann nicht einfach mit einem Billigprodukt von einem lokalen Elektronik-Discounter ersetzen. Auch Ihr Lieferant nutzt Fremdkomponenten z. B. als eingebettetes Material in seinen Produkten. Als verbauender Hersteller ist er für dieses Material back-to-back verantwortlich, so wie sie für die Verwendung der Zulieferung, auf die sich dieses MSA bezieht. Sie werden also genau festlegen, welche Service-Dienstleistungen Sie für diese Fremdprodukte erwarten. Zum Beispiel sind die Preise für SW-Wartungsverträge sehr oft von der Anzahl der gekauften Lizenzen abhängig. Vielleicht erhält also Ihr Lieferant aufgrund seiner größeren Abnahme bessere Konditionen, als es Ihnen möglich wäre. Hier geht es also wieder um die gesamtheitliche Wirtschaftlichkeit. Praxis-Tipp: Trennen Sie möglichst alle Verantwortungen und übernehmen Sie nie Leistungen für Ihren Lieferanten, weil Sie vermeintlich bessere Konditionen erhalten. Bevorzugen Sie „turn-key“ Modelle, also vollständige Leistungspakete. Zum Schluss zahlen Sie sonst wegen des Zuständigkeitsgerangels immer drauf. (Fortsetzung)

3.5 Typische Geschäftsverträge

117

Tab. 3.20 (Fortsetzung) Paragraf Training service

Bedeutung Bei komplexen Systemen wird es erforderlich sein, dass Ihr Lieferant die Service-Mitarbeiter Ihres Unternehmens oder eines Unterauftragnehmers schult. Solche Trainings werden insbesondere auch dann wichtig, wenn Ablösungen ins Feld gebracht oder neue Kundensegmente bedient werden sollen. In diesem Kapitel wird also Art, Umfang, Ort und Preis der Trainings festgelegt. Lifecycle policy – Kein Produkt und keine Dienstleistung bleibt über ihren Lebenszyklus support of versions unverändert, zumindest wird der Erhalt der Vermarktbarkeit und die (supplier SW/HW, Veränderung von Zulieferkomponenten dies erzwingen. Dementsprechend 3rd party products) gibt es auch eine Folgewirkung im Bereich Wartung und Pflege. Dies wird hier miteinander vereinbart und abgeglichen zwischen den Prozessen Ihres Unternehmens und denen Ihres Geschäftspartners. Im Sinne der b2b-Vereinbarungen, wird sich dieser Abgleich an dem orientieren, was Sie Ihren Kunden anbieten und zusagen wollen. Review meetings Reden Sie miteinander! Vereinbaren Sie regelmäßige Reviews, in denen alle Punkte der Zusammenarbeit, laufende und zukünftige Projekte, Erfolge und Misserfolge offen und systematisch durchgesprochen werden. Nutzen Sie die Case Statistics als Grundlage und erstellen Sie genaue Besprechungsprotokolle. Kontinuierliche Verbesserung erzielt man nur durch systematisches und standardisiertes Vorgehen. Interfaces Insbesondere im Service-Bereich werden oft elektronische Interfaces benötigt. Denken Sie an Ihre KFZ-Werkstatt und deren Computer für die Bestellung von Original-Ersatzteilen. Für Online-Diagnosen und Fernwartung müssen Interfaces festgelegt, oder für den Anschluss von Spezialwerkzeugen sogar erst entwickelt werden. Aber auch alle menschlichen Schnittstellen müssen definiert werden, d. h. Sie müssen die Organisation und die peer-to-peer-Kommunikation beschreiben. Diese Kapitel ist der Lumpensammler für Themen, die sich sonst nicht Further geeignet zuordnen ließen. Allerdings sind Festlegungen z. B. zu arrangements erforderlichen Werkzeugen und ggf. auch Lizenzvereinbarungen, wenn (service toolset, lizenzpflichtige Interfaces oder technische Systeme genutzt werden müssen exclusions) sehr wichtig. Solche zweckgebundenen Lizenzvergaben (Sie müssen ja keine Lizenzgebühr verlangen) sichern aber, dass Ihr Knowhow oder das Ihres Lieferanten eben nur zum vereinbarten Zweck verwendet werden darf. Ausschließungen, wie z. B. bezüglich der Vergabe von Unteraufträgen können ebenfalls von Bedeutung sein und hier vermerkt werden. Oben wurde das Service Credit System beschrieben. Da es sich um Statistik Service credit und statistisch-mathematische Methoden handelt, ist es zweckmäßig, diese (general rules, in einem eigenen Kapitel und Anhang geschlossen zu beschreiben und zu calculation of vereinbaren. Beispiele zu geben, macht wenig Sinn. Diese wären immer service credit) sehr branchenspezifisch. Wenn Sie das Verfahren nutzen wollen, werden Sie einen für Ihr Geschäft geeigneten Algorithmus finden und vereinbaren können.

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3 Vertiefungen

Ihre Verträge sind Ihre Werkzeuge und die müssen gut in der Hand liegen, gepflegt und funktionsfähig sein. Deshalb ist dieser Abschnitt für Sie hoffentlich hilfreich, um Ihre Verträge zu gestalten und sich auf deren Verhandlung (mit Juristen) vorzubereiten.

3.6

Informationssicherheit

Wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß! (Rumpelstilzchen, Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (KHM 55))

Foto: Ulf Kleiner

3.6.1 Ziele Was versteht man unter Informationssicherheit und warum ist diese so enorm wichtig? Informationssicherheit ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg aller kommerziellen Aktivitäten. Der korrekte und sorgfältige Umgang mit Betriebsgeheimnissen und dem intellektuellen Eigentum Ihres Unternehmens und Ihrer Geschäftspartner muss ein Selbstverständnis in allen Ihren Geschäftsprozessen sein und zur automatischen Verhaltensweise aller Ihrer Angestellten werden. Deshalb richten sich diese Kapitel eigentlich an alle Mitarbeiter eines Unternehmens mit der Absicht, das Bewusstsein zu verbessern für • Risiken und Schäden durch unsachgemäße Behandlung von Informationen und intellektuellem Eigentum, sowie für • Mittel und Maßnahmen zur Vorsorge und zum Schutz.

3.6 Informationssicherheit

119

Das Ziel ist, Ihnen eine klare Richtschnur zu geben für die unverzichtbare Informationssicherheit und die Prinzipien des IPR-Schutzes (Intellectual Property Rights).

3.6.2 Informationssicherheit – Meine persönliche Verantwortung! Wir wollen nun das Thema IS einmal losgelöst von Aufgaben, funktionalen Verantwortungen oder gar der Rolle des Partner Managers betrachten, aus der Vogelperspektive sozusagen. Informationssicherheit ist die persönliche Verantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters, angefangen bei den Kollegen, die am Empfang sitzen, über die Mitarbeiter des Catering-­ Services (was in den Verträgen genau festgelegt wurde) bis hin zu den Entwicklern, Vertriebskollegen und den Werkstudenten und Auszubildenden! Jede Information, die man vielleicht nur durch das Mithören von Kantinengesprächen erlangt oder über die man mit einem Kollegen in der S-Bahn zum Flughafen spricht, kann bedeutsam sein und ausgespäht werden, oder zu haltlosen Gerüchten im Unternehmen führen. Viele von Ihnen werden dieses Plakat oder ähnliche in anderen Sprachen aus einer dunklen Zeit schon mal gesehen haben. Damals ging es hauptsächlich um verbale Information, denn um an Dokumente oder Fotografien zu gelangen, musste man einen hohen konspirativen und gefahrvollen Aufwand treiben. Das ist heute anders und es geht nicht mehr nur um verbale Information, sondern im Zeitalter der sozialen Netzwerke sowie der milliardenfach versendeten eMails, SMS- und Whatsapp-Nachrichten um die elektronische Verbreitung von Information und das fehlende Bewusstsein, für den gleichsam fehlenden Schutz in diesen Medien.

Quelle: US Office of War Information, www.defendamerica.mil, public domain

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3 Vertiefungen

Hier ein paar fiktive – leider nicht abwegige – Zitate: „Hi Freunde, ich sende Euch mal eine Powerpoint mit unseren neuesten Ideen. Super spannendes Thema! Ich bin froh, dass die mich genommen haben!“ „Das dritte Quartal wird wohl der Hammer! Man müsste glatt die eigenen Aktien kaufen!“ „Schön, Sie mal wieder zu treffen! Na, sie sind ja fleißig, selbst im Zug. Woran arbeiten Sie denn? …… Ach, das ist nur unsere Roadmap für die nächsten drei Jahre, schauen Sie mal!“ „Hey Leute, war gestern auf der Werft Farbe liefern und durfte an Bord der neuen Fregatte! Hab’n paar Selfies auf unsere Vereinsseite geladen!“ „Ich sende Ihnen mal rasch die Preisliste von Anbieter XY. Können Sie drunter bleiben?“ „Buoah, der neue Motor auf unserem Teststand ist cool. Schaut Euch mal die Testergebnisse an! LG, Speedy“ „Dearr Pjotrr, long time, no sssee! Would you be ssso kind to let me the interrface ssspecification of yourr supplierr Radar-Tech Inc.?“

So oder so ähnlich findet man Beiträge in offenen Foren, bekommt Mails oder wird angesprochen! Manchmal harmlos, oft gewiss ohne große Folgen, aber stets ist es leichtsinniges Handeln und in der Regel ein klarer Verstoß gegen den unterschriebenen Arbeitsvertrag. Vor dem Hintergrund der denkbaren persönlichen Konsequenzen kann man also nicht deutlich genug darauf hinweisen, dass Informationssicherheit die persönliche Verantwortung eines jeden Mitarbeiters im Unternehmen ist!

3.6.3 Gründe für Sicherheitsprobleme Zusammenfassend kann man folgende Gründe für Sicherheitsprobleme nennen: Moderne Kommunikation Moderne Kommunikationsmittel oder Plattformen laden dazu ein, Informationen arglos mit anderen zu teilen. Das Internet hat eine „upload/download“ Mentalität6 erzeugt. Internet-Nutzer legen proprietäre Firmeninformationen offen und denken nicht an deren potenziellen Missbrauch oder über die fehlende Internet-Vertraulichkeit und Sicherheit nach. Mangelndes Bewusstsein … … der operativ tätigen Mitarbeiter (Vertrieb, Technischer Vertrieb und Projekt-Ingenieure, Kundendienst-Teams, globaler oder regionaler Einkauf etc.) bezüglich der Informationssicherheitsrichtlinien im eigenen Unternehmen und den sich daraus ergebenden persönlichen Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsverpflichtungen. … der Geschäftsverantwortlichen, weil die IPR-Verantwortung, der Schutz und ggf. die Lizenzierungsrichtlinien im Unternehmen nicht (klar) definiert und/oder kommuniziert wurden.  Oft wird übersehen, dass die Verfügbarkeit von Fotos, Informationen und Materialien im Internet nicht impliziert, dass diese kommerziell genutzt werden dürfen (Urheberschutz).

6

3.6 Informationssicherheit

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Sollten Sie in Ihrem Unternehmen, als Angestellter, Geschäftsführer oder Inhaber, nun Zweifel bekommen haben, ob alles gut und richtig organisiert ist, ist es höchste Zeit, dies zu eskalieren oder gleich zur „Chef-Sache“ zu machen.

3.6.4 Konsequenzen bei Missachtung Es gibt nur zwei Kategorien für Konsequenzen, die sich aus der Missachtung der Informationssicherheitsrichtlinien ergeben können: juristische und geschäftliche Konsequenzen. Aber beide können gleichsam schmerzhaft sein. Juristische Konsequenzen • Die Verletzung existierender Vertraulichkeitsvereinbarungen durch Offenlegung geschützter Informationen Dritter, kann zu Schadensersatzforderungen führen. Maßgebend dafür ist das jeweilige NDA oder die entsprechenden Regelungen in einem Geschäftsvertrag. • Persönliche Konsequenzen nach Verstoß gegen den jeweiligen Anstellungsvertrag und die Firmenrichtlinien (Abmahnung, Kündigung). • Verlust von Rechten an Betriebsgeheimnissen und intellektuellem Eigentum. • Verwirkung von Patentschutz oder der Anmeldung von Urheberrechten. Geschäftsschädigung und geldwerte Verluste • weil Sie unterboten oder durch Wettbewerber abgelöst werden können (under bidding, swap-out). • durch Verlust von Alleinstellungs- (Unique Selling Points) oder Differenzierungsmerkmalen (key-differentiators), • durch Verlust von Integrität und Reputation, • weil Sie keine Lizenzkosten für die Nutzung Ihrer IPRs fordern können oder • durch Schadensersatzforderungen Ihrer Kunden oder Lieferanten, bei Verstoß gegen die vereinbarte Informationssicherheit.

3.6.5 Was ist zu beachten! Eigentlich ist das einfach und soll in ebenso einfache Worte gefasst werden: cc

„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ oder

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cc

3 Vertiefungen

„Einfach mal still sein!“

Dennoch sollten Sie die folgenden vier Regeln im Kopf behalten, bzw. deren Aufstellung und Durchsetzung in Ihrem Unternehmen fordern: 1. Folgen Sie stets der Richtlinie zur Nutzung öffentlicher, sozialer Netzwerke, die Ihr Unternehmen erlassen hat! 2. Klassifizieren Sie stets alle Firmendokumente mit einem korrekten Klassifikationsund Urheberrechts-Label (z.  B.  Nur für internen Gebrauch; Vertraulich; Geheim; © Copyright 2021). 3. Benutzen Sie nur die offiziellen Formatvorlagen (official brand templates) Ihres Unternehmens, die editierbare Klassifikations- und Urheberrechts-Label bereitstellen. 4. Halten Sie Ihre Lippen geschlossen! Was Sie nicht ins Internet laden, kann nicht missbraucht werden!

3.6.6 IPR Schutz (Intellectual Property Rights) Schutz durch Non Disclosure Agreements (NDA) NDAs haben zwei hauptsächliche, operative Effekte: 1. Vertrauliche Informationen müssen vertraulich behandelt werden und dürfen Dritten nicht offengelegt werden. 2. Vertrauliche Informationen dürfen nur und ausschließlich für den im NDA definierten Zweck verwendet werden. Vergleich: Ein NDA erlaubt Ihnen, im Verkaufsraum Ihres Autohändlers ein Auto anzuschauen und das Fahrerhandbuch zu lesen. Schutz durch Lizenzabkommen (License Agreements, LA) Lizenzabkommen haben ebenfalls zwei hauptsächliche, operative Effekte: 1. LAs gewährleisten Lizenzrechte (= Nutzungsrecht, usage permission) für die übergebene Information und definieren exakt Zweck, Anwendung und Zeitrahmen als Bedingungen, unter denen die Informationen genutzt werden dürfen (unter Ausschließung aller anderen Zwecke, Anwendungen und Zeitbedingungen). 2. LAs erlauben die Vereinbarung von Strafen und Haftbarkeiten für den Fall der Verletzung der gewährleisteten Lizenzrechte und enthalten gleichzeitig die Klauseln eines NDA.

3.6 Informationssicherheit

123

Vergleich: Das Lizenzabkommen erlaubt Ihnen, das Auto gemäß der gewährleisteten Lizenz zu nutzen, also z. B. nur im Stadtgebiet und nur während der vereinbarten Zeit für die Probefahrt. cc

Praxis-Tipp: Definieren Sie immer präzise einen engumfassten Zweck (purpose) und die Gültigkeitsdauer für das NDA/LA.

Die „Schmerz“-Klausel im LA dient als starke Abschreckung, die Lizenzvereinbarung zu missachten und belegt die Ernsthaftigkeit des Lizenznehmers, sich an die Regeln zu halten.

Zusammenfassung Es sollten immer angemessene Regelungen zur Informationssicherheit getroffen werden. Dafür muss man sich einigen, ob • ein Non Disclosure Agreement (NDA) als einfachste Form und Minimum ausreicht, oder • ob die striktere Variante des Lizenzabkommens zur Regelung der Nutzungsrechte eines Partners an den ihm übergebenen technischen Informationen, Software, Spezifikationen etc. erforderlich wird. Für NDAs kann man auf Standards zurückgreifen, die frei verfügbar sind und vielfach genutzt wurden. Diese finden dann schnell einen Konsens zwischen den Parteien, denn der Prozess bis zur Unterzeichnung des NDAs darf die Arbeiten nicht behindern. Lizenzabkommen müssen individuell erstellt werden. Handeln Sie nie ohne die Unterstützung und Beratung durch die Juristen Ihres Hauses!

3.6.7 Informationssicherheit zwischen Partnern Es ist recht unwahrscheinlich, dass in den operativen Abteilungen eines Unternehmens ausgerechnet Juristen das Mitarbeiterprofil prägen, es sei denn wir sprechen hier über große, international agierende Rechtsberatungsunternehmen, Immobilien- oder Investment-­ Banken. Gehen wir davon aus, dass die Mehrheit der tätigen Kollegen Ingenieure, Betriebswirtschaftler, Kaufleute usw. sind. Man kann also nicht voraussetzen, dass diese mit den Augen eines Juristen auf die Vorgänge schauen und sich stets der vertraglich definierten Rechtsbeziehungen bewusst sind. Da aber mangelndes Bewusstsein und deshalb auch fehlende Vorsicht zu „teuren“ Missverständnissen führen kann, soll hier auf vier Rechtsbeziehungen eingegangen werden, die sich im Geschäft mit Kunden, Lieferanten und Wettbewerbern ergeben können. Dabei wird auf reale Erfahrungen im operativen Geschäft zurückgegriffen.

124

3 Vertiefungen

Ihr Kunde 1

Liefervertrag

Lizenzabkommen

Ihr Kundenvertrieb

Separate vertragliche Beziehung

4

3

Ihr Einkauf Global-/Projekt- Einkaufs- & Lizenzverträge

2

Ihr Partner/Lieferant Abb. 3.4  Informationssicherheit zwischen Partnern

Die vier genannten vertraglichen Beziehungen sehen Sie in Abb. 3.4. Nachfolgend werden diese in Bezug auf das Thema Informationssicherheit etwas näher beschreiben. Vertrag zwischen Ihnen und Ihrem Kunden (1) Ein typischer Kundenvertrag sichert dem Kunden (und nur ihm) das Recht zu, von Ihnen alle erforderlichen technischen Unterlagen (Papier oder pdf, keine Quelldokumente oder Quellcode) vollständig für alle vertraglich gelieferten Produkte oder Leistungen zu erhalten.

Dieser Kundenvertrag sollte allerdings explizit jedes Recht für den Kunden ausschließen, die empfangene Dokumentation • Dritten offenzulegen oder an diese weiterzugeben und • außerhalb des vereinbarten Projektes, der Lieferung oder Leistung kommerziell zu nutzen. Ein Kundenvertrag sollte … • keinesfalls eine Klausel enthalten, die verhindert oder ausschließt, dass Ihr Unternehmen für Ihre IPRs von Dritten Lizenzverträge und die Entrichtung von Lizenzkosten fordern darf, wenn diese im Wunsch Ihres Kunden in das Projekt einbezogen werden sollen, oder

3.6 Informationssicherheit

125

• eine Verpflichtung für Sie enthalten, mit Dritten einen Vertrag abzuschließen in einem unbekannten oder undefinierten Rahmen und „zum Wohle des Projektes“. cc

Praxis-Tipp: Behalten Sie immer volle Kontrolle über die Offenlegung und kommerzielle Verwendung Ihrer IPRs und geschäftsrelevanten Informationen! Hegemonie und Protektionismus sind in diesem Zusammenhang positive Begriffe.

Vertrag zwischen Ihnen und Ihrem Partner/Lieferanten (2) In der Zusammenarbeit mit einem Partner oder Lieferanten im Rahmen eines Kundenprojektes (b2b-agreement) müssen wir zwei Phasen unterscheiden, die Angebotsphase (vorvertraglich) und die Realisierungsphase (vertraglich).

Während der Angebotsphase (RfE: request for estimation, RfQ: request for quotation) und bevor Sie irgendeine Kommunikation über das Projekt mit Ihrem Partner oder Lieferanten beginnen, müssen Sie prüfen, ob • ein NDA existiert und auch für dieses Projekt geeignet ist. Untersuchen Sie die „purpose“ Angaben im NDA sorgfältig! Gegebenenfalls müssen Sie ein neues NDA vereinbaren. • dieses NDA auch geeignet ist, darüber geschäftskritische oder vertrauliche technische Informationen auszutauschen, die der Empfänger zur Beantwortung Ihres RfE/RfQ unbedingt benötigt. Für diesen Fall muss das NDA (extended NDA) entsprechende, restriktive Klauseln enthalten, die den Verwendungszweck und die Nutzungsrechte auf eben diesen Angebotsprozess beschränken. Ferner müssen durch Ihr Unternehmen bereitgestellten Dokumente, sowie deren berechtigter Empfänger explizit aufgeführt und jegliche weitere kommerzielle Nutzung (auch aus der Erinnerung, residual retention) ausgeschlossen werden. Für die Projektphase gilt dann verschärfend: • Keine Offenlegung irgendeiner proprietären Dokumentation (Interface Spezifikationen, Installations-/Konfigurationsanleitungen, Service-Handbücher etc.) ohne ein unterzeichnetes Lizenzabkommen LA. • Neue LAs mit einem Partner oder Lieferanten werden i. d. R. limitiert auf das betroffene Projekt abgeschlossen (Kunden-, Land-, Zeitbegrenzung).

126

3 Vertiefungen

• LAs können, müssen aber nicht, eine Lizenzgebühr enthalten. Dies wird in Abhängigkeit von der kommerziellen und strategischen Bedeutung des Lizenznehmers durch den Geschäftsverantwortlichen (business owner) zu entscheiden sein.

Vertrag zwischen Ihnen und einem Wettbewerber (3) Während der Angebotsphase (RfE/RfQ) gibt es gewöhnlich keinen Bedarf, Informationen mit dem Wettbewerber auszutauschen.

Für die Projektphase gilt allerdings ebenso wie für einen Lieferanten oder Partner verschärfend: • Keine Offenlegung irgendeiner proprietären Dokumentation (Interface Spezifikationen, Installations-/Konfigurationsanleitungen, Service-Handbücher etc.) ohne ein unterzeichnetes Lizenzabkommen LA. • Neue LAs mit einem Partner oder Lieferanten werden i. d. R. limitiert auf das betroffene Projekt abgeschlossen (Kunden-, Land-, Zeitbegrenzung). • LAs sollten in diesem Fall immer eine (erhebliche) Lizenzgebühr enthalten. Diese wird in Abhängigkeit von der kommerziellen und strategischen Bedeutung der zu erteilenden Lizenz gefordert. Setzen Sie diese Gebühr in Abstimmung mit dem dafür Geschäftsverantwortlichen (business owner) fest. cc

Praxis-Tipp: Verfolgen Sie eine strikt hegemoniale und protektionistische IPRLizenzierungsstrategie, die stets nur das absolute Minimum der erforderlichen Nutzungsrechte für Dritte oder Wettbewerber einräumt. Wenn es erforderlich ist, erstellen Sie eigene Beschreibungen (subset), die auf diese erforderlichen Funktionen und Informationen verkürzt sind.

Vertrag zwischen dem Wettbewerber und Ihrem Kunden (4) Halt!

3.6 Informationssicherheit

127

Kein Vertrag zwischen Ihrem Kunden und einem Dritten (Zulieferer des Kunden, Tochtergesellschaft, etc.) • enthält valide Verpflichtungen für Sie, irgendetwas zu tun, zu unterlassen, zu liefern oder zu leisten, • schützt Ihre IPRs oder • erlaubt Ihnen, Nutzungsrechte an den IPRs Dritter abzuleiten! Leider ist dieser Hinweis immer wieder von Nöten, denn wenn bei Ihrem Kunden oder einem beteiligten Wettbewerber etwas schiefgeht, wird gerne die Schuld bei anderen gesucht. Bedenken Sie vielmehr, dass auch Sie gegen Ihren Kunden Schadensersatzansprüche haben könnten, wenn ein Projekt aufgrund nicht erbrachter Vorleistungen in Verzug gerät und Sie über Ihr Angebot hinaus Mehrkosten haben! Auch die Weitergabe Ihrer technischen Unterlagen durch Ihren Kunden an einen unberechtigten Dritten, ist kein Kavaliersdelikt und kann gegebenenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen. Lassen Sie sich also nie überrumpeln, sondern: • Überprüfen Sie immer Ihren Kundenvertrag (double check), ob die unterstellten Pflichten oder behaupteten Informationsschutzklauseln enthalten sind und zutreffen! • Unterscheiden und separieren Sie immer klar zwischen den vertraglichen Beziehungen der involvierten juristischen Personen (legal entities) und den jeweiligen Verpflichtungen (obligations)! • Binden Sie immer die zuständigen Juristen Ihres Unternehmens ein!

3.6.8 Informationssicherheit bei Geschäftspartnern Lenin! Ihm sagt man den Ausspruch nach, „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“ Wer weiß? Auch wenn dieser Ausspruch vor seinem historischen Hintergrund eine sehr bittere und düstere Bedeutung bekommt, so ist er dennoch eine Binsenweisheit.

128

3 Vertiefungen

Im Kaizen heißt das einfach – und viel freundlicher – Go to Genba! Gehe dorthin, wo Du selbst Augenschein nehmen kannst, gehe zum Ort des Geschehens. Partner, Lieferanten, Lizenznehmer und auch Kunden sollten von Ihnen in Bezug auf die Erfüllung der Informationssicherheitsanforderungen sorgsam ausgesucht, überprüft oder gar auditiert werden! Nicht jede „Garagenfirma“ darf Lizenznehmer für Ihre IPRs werden können! Deshalb „Go to Genba!“: • Überprüfen Sie potenzielle und auch existierende Lizenznehmer eingehend! • Ihre Geschäftspartner müssen sich selbstverständlich zu denselben Informationssicherheits-Maximen bekennen, wie Ihr Unternehmen! • Entstehen Zweifel, die Sie nicht ausräumen können, verzichten Sie lieber auf eine Lizenzvergabe!

Wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß! Worauf sollten Sie also achten, damit das so bleibt? Hier ein paar Hinweise als Zusammenfassung dieses Abschnitts: 1. Folgen Sie den Informationssicherheitsrichtlinien Ihres Unternehmens! Sorgen Sie ggf. dafür, dass von der Geschäftsleitung deren Aufstellung veranlasst wird, wenn sie noch nicht in geeigneter Qualität verfügbar sind! 2. Klassifizieren Sie stets alle Dokumente! 3. Unterscheiden Sie zwischen NDAs und Lizenzabkommen und bestehen Sie auf deren Vereinbarung! 4. Prüfen Sie stets sorgfältig, welche vertraglichen Beziehungen relevant sind, bevor Sie handeln! 5. Übernehmen Sie eine aktive Rolle darin, Ihr Unternehmen davor zu bewahren, ein offenes Geheimnis oder auch „Leakwork Enterprise“ zu werden! 6. Handeln Sie nie ohne den Rat und die Unterstützung der Juristen Ihres Unternehmens!

3.7

Claim Management

Es kann auch mal etwas schiefgehen!

Autsch, trotz aller Vorkehrungen und Sorgfalt ist etwas schiefgegangen. Sie können vertragliche Verpflichtungen nicht einhalten! Ihr Lieferant teilt Ihnen mit, dass er aufgrund technischer Probleme ein Maschinenteil nicht rechtzeitig bereitstellen kann. Die Inbetriebnahme der Anlage am Standort A zum vereinbarten Zeitpunkt ist nicht mehr möglich!

3.7 Claim Management

129

Es ist außerdem Ihr schwarzer Tag, denn an diesem Freitagnachmittag zwischen Himmelfahrt und Pfingsten stellt das Montagepersonal am Standort B fest, dass beim Übergang von der alten zur neuen Betriebssoftware (Migrationen sind immer kritisch) ein Fehler unterlaufen ist. Die zuvor bereits für den Wirkbetrieb abgenommene Anlage wird nur mit einer stundenlangen Ausfallzeit wieder die Produktion aufnehmen können. Der Kunde droht mit Schadensersatzansprüchen in Millionenhöhe und eskaliert gleich bis zum Vorstand Ihres Unternehmens. Auf allen Kanälen laufen die Drähte heiß und Ihr Vertriebskollege vor Ort gerät in Panik. Er schreibt wütende Mails und behauptet, der Kunde würde sofort zum Wettbewerb wechseln. Natürlich findet das alles nicht nebenan statt, sondern im fernen Indien, in einer anderen Zeitzone und bei einem gerade erst gewonnenen neuen Kunden. Und aufgrund eines regionalen Festes sind alle Flüge und Hotels ausgebucht. Ein schöner Schlamassel! Schwarzmalerei? Dramaturgische Übertreibung in einem Buch über Partner Management? Nein, wenn etwas schiefgeht, dann immer unter den widrigsten Umständen, die man sich denken kann. Es gilt das Prinzip der äußersten Gemeinheit. Der größte Schlamassel geschieht auch! Aber lassen Sie uns Schritt für Schritt vorgehen und erst einmal ein paar Grundlagen klären.

3.7.1 Definitionen Was ist ein „Claim“? Claim ist das englische Wort für die Behauptung, die Forderung, das Anrecht, die Beanstandung, die Inanspruchnahme, die Mängelrüge oder auch die Reklamation. Man merkt aber auch sofort, dass dieser Begriff eben nur den Anspruch auf etwas enthält, nicht aber implizit das unbedingte Recht darauf. Ein Anspruch kann sich nur auf im Vertrag zwischen den Partnern vereinbarte Pönale beziehen, die drohen, wenn vertragliche Ziele oder Obligationen nicht erfüllt werden.

130

3 Vertiefungen

Solche Pönale können in Form von Geldstrafen, Kostenkompensationen und Preisnachlässen auf ausstehende Zahlungen geltend gemacht werden. Normalerweise werden Folgeschäden (indirect damages, subsequent damages), wie z. B. Verdienstausfälle oder Schadensersatzansprüche Dritter explizit ausgeschlossen. Die einzige Ausnahme können Schäden darstellen, die durch grobe Fahrlässigkeit (gross negligence) und absichtliches Fehlverhalten (willful misconduct) verursacht wurden. Wer kann gegen wen einen „Claim“ erheben? Jede Vertragspartei kann einen Schadensersatzanspruch gegen die jeweils andere Partei geltend machen, sobald die Nichterfüllung eingetreten ist. Bedenken Sie dabei, dass in Kundenverträgen (sehr oft im Anlagenbau) u. U. für beide Parteien zu erfüllenden Verpflichtungen enthalten sein können. So kann ein Kunde verpflichtet sein, bauliche Maßnahmen durchzuführen oder andere Vorbereitungen zu treffen, bevor Sie als Lieferant Ihren Lieferverpflichtungen nachkommen können. Prinzipiell ist es also möglich, wenngleich nur mit größter Vorsicht umzusetzen, dass Sie gegen Ihren Kunden einen „Claim“ erheben.

3.7.2 Vor RfS/TAcc Sie werden es in der Einleitung zu diesem Abschnitt vielleicht bemerkt haben. Dort wurden zwei Fälle unterschieden, nämlich Nichterfüllungen vor und nach der Abnahme. RfS (Ready-for-Service) und TAcc (Type Acceptance) sind übliche Begriffe für die Bereitstellung zum Betrieb und die vollständige Abnahme durch den Kunden. Ready-for-Service RfS tritt ein, wenn Ihr Autohändler das von Ihnen bestellte Fahrzeug mit Zulassung im Abnahmeraum bereitstellt und Ihnen das gute Stück vorführt. Type Acceptance Die Type Acceptance ist erfolgt, wenn Sie keine Beanstandungen haben, alle bestellten Extras tatsächlich auch vorhanden sind und Sie die Abnahme quittiert haben. Für eine pharmazeutische Produktionsanlage sind diese Vorgänge selbstverständlich etwas komplexer und zeitaufwendiger. Aber schauen wir auf mögliche Nichterfüllungen, die zu Ansprüchen gegen Ihr Unternehmen führen können: • Überschreitung des in der Bestellung festgelegten Fälligkeitstermins (Liefertermin) z. B. für Produkte, Leistungen, Inbetriebnahmen (go-life) oder Systemintegration (just in time deliveries JIT) und • Verspätete oder unvollständige Verfügbarkeit von Diensten oder Personalressourcen.

3.7 Claim Management

131

Jegliche Überschreitung der vereinbarten Fälligkeitstermine (due dates) kann zu Kompensationsansprüchen führen. Die Kompensation für Terminüberschreitungen wird sehr oft bereits im Vertrag festgelegt. Sie mag im Einzelfall bezüglich des monetären Verlustes nicht wirklich schmerzen, aber der Eintritt des Kompensationsfalles bedeutet zugleich einem enormen Reputationsverlust bei Ihrem Kunden. Auch wenn man manchem Star seine sprichwörtliche Unpünktlichkeit nachsieht, beliebter sind die Künstler, die pünktlich auftreten. Der Kompensationswert errechnet sich zumeist als prozentualer Anteil x % vom Wert der Bestellung (PO-value) pro Tag oder Woche der Verzögerung, bis zu einem Grenzwert von y %, z. B. 10 % oder 15 % vom PO-value oder manchmal auch einem fixierten Geldbetrag (z €). Die Kompensation kann vereinbart werden als Abschlag auf noch ausstehende Zahlungen, als Wertgutschein (credit voucher) oder Discounts für spätere Bestellungen.

3.7.3 Nach RfS/TAcc Sie sind glücklicher Besitzer eines neuen Kleinbaggers und freuen sich über dessen Zuverlässigkeit und Vielseitigkeit. Allerdings, eines morgens, ein paar Monate nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, lässt sich die Baggerschaufel nicht mehr schwenken. Es gibt keine kleine Abhilfe, denn Sie erkennen, dass ein Lager gebrochen ist. Kein Problem, Sie haben ja einen Wartungsvertrag mit Reparaturgarantie für Werktage zwischen 6 h und 18 h abgeschlossen, der eine telefonische Erreichbarkeit sowie die Reparatur von Verschleißteilen innerhalb 2 Stunden garantiert. Gelassen rufen Sie die Hotline an und geraten für geschlagene dreißig Minuten in eine Warteschleife. Schließlich haben Sie jemanden am Telefon, aber der spricht nicht wirklich Deutsch. Mühsam und nach langem Verhandeln bekommen Sie eine Telefonnummer von einer Vertragswerkstatt des Bagger-Herstellers. Dort will man Ihnen helfen, aber das vermutlich benötigte Ersatzteil muss aus dem Stammwerk am anderen Ende des Landes herbeigebracht werden und natürlich ist heute Freitag und es steht ein langes Feiertagswochenende bevor. Genug von dieser Schauergeschichte, schauen wir auf die Fakten. Sie haben für die erworbene Maschine einen Service- und Wartungsvertrag abgeschlossen. Dieser enthält genau definierte Dienstleistungen und die Rahmenbedingungen, unter denen die Leistungen garantiert werden. Ihr Anspruch auf Schadensersatz kann nur aus diesem Service- und Wartungsvertrag abgeleitet werden. Folgeschäden werden Sie i. d. R. nicht geltend machen können, dafür sollten Sie als Bauunternehmer eine zusätzliche Versicherung haben. Ansprüche ergeben sich also aus der Nichterfüllung von vereinbarten: • System- und Leistungsverfügbarkeiten (z. B. Ausfälle, Quality of Service QoS) • Reaktionszeiten in Bezug auf den jeweiligen Dringlichkeitsgrad (Outage/emergency, service degradation, Prio-1-error, etc.) • Verfügbarkeiten für Problemlösungen, Reparaturen oder Ersatzteilen

132

3 Vertiefungen

Die Kompensation bei Nichterfüllung von Service- und Wartungsverträgen erfolgt sehr oft in Form von Abschlägen auf noch ausstehende Zahlungen, als Wertgutschein (credit voucher) oder Discounts für spätere Bestellungen.

3.7.4 Vertragsbeziehungen Abb.  3.5 verdeutlicht die Beziehungen zwischen Ihnen, Ihrem Kunden und ggf. Ihrem Lieferanten. Für Schadensersatzansprüche ist stets wichtig zu unterscheiden, wann diese geltend gemacht werden, vor oder nach der Abnahme. Wenn es sich um ein Claim nach der Abnahme handelt, ist es wichtig darauf zu achten, ob er während der Gewährleistungszeit oder danach angemeldet wird. Es gelten nämlich entweder die Regelungen des Rahmenvertrages und ggf. projektspezifischer Ergänzungen zur Lieferung oder die Regelungen eines gültigen Service- und Wartungsvertrages. Da die Ursache für eine Nichterfüllung auch auf der Seite eines Ihrer Lieferanten liegen kann, ist es wichtig die vertraglichen Regelungen so zu gestalten, dass sie zu den Obligationen passen, die Sie gegenüber Ihrem Kunden eingegangen sind (b2b-fit). Und selbstverständlich kann ein Kunde (oder Sie gegen Ihren Lieferanten) nur dann nach der Gewährleistungsphase einen Anspruch geltend machen, wenn auch ein Serviceund Wartungsvertrag abgeschlossen wurde. Um diesen drücken sich aber viele Beteiligten gerne herum, weil er ja Geld kostet. cc

Praxis-Tipp: Drängen Sie stets auf den Abschluss und die sorgsame Pflege von Service- und Wartungsverträgen (zumindest, wenn es sich um wertvolle Industriegüter handelt). Es zahlt sich im wahrsten Sinne des Wortes aus!

Vor RfS-TAcc

Rahmenvertrag

Ihr Kunde Service & Wartungsvertrag MSA

Ihr Unterneh men

Nach RfS-TAcc Abb. 3.5  Vertragsbeziehungen bei Kundenabnahmen

Liefer- & Lizenzvertrag (incl. MSA)

Ihr Lieferant

3.7 Claim Management

133

3.7.5 Prozess Nein, hier ist nicht der Gerichtsprozess gemeint. So weit sollten es alle Beteiligten auf keinen Fall kommen lassen. Wie im privaten Leben führt ein Ehekrieg oder ein Nachbarschaftsstreit nur dazu, dass alle Beteiligten Schaden nehmen und hinterher für lange Zeit verbrannte Erde herrscht. Im Geschäftsleben kann man sich das nicht leisten, es spricht sich herum und niemand hat etwas davon. cc

Die oberste Regel im Claim Management lautet also  Setzen Sie stets alle gebotenen Mittel offen und kooperativ ein, um den Schadensfall gar nicht erst eintreten zu lassen. Wenn sich dieser nicht mehr abwenden lässt, gehen Sie damit ehrlich und offen um. Faule Ausreden und Taktieren führen zu nichts, außer zu Argwohn und Komplikationen! 

Was ist also zu tun (chronologisch)? 1. Potenzielle Claims müssen unverzüglich von den Abteilungen gemeldet werden, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen Ihres Unternehmens verantwortlich sind. Alle Meldungen müssen zentral erfasst werden. Die Erfassung sollte durch die Project Management Tools Ihres Unternehmens unterstützt werden. 2. Die Meldung an das Claim Management Board Ihres Unternehmens umfasst: –– Die genaue Bezeichnung des Projektes (Project-ID) und die betroffenen Partner (Kunde, Lieferant, Ihr Unternehmen). –– Detaillierte Beschreibung der Nichterfüllung gemäß Vertrag –– Bezug auf relevante Verträge und Purchase Orders PO –– Bereitstellung aller Mailvorgänge und relevanter technischen Unterlagen. –– Angaben zu Art und Umfang des Schadensersatzanspruches, sofern der Anspruch stellende Partner dies bereits benannt oder beziffert hat. 3. Claim Management Board CMB –– Das CMB trifft sich regelmäßig oder bei akutem Bedarf. –– Teilnehmer sind Vertreter des Einkaufs, der Rechtsabteilung, der kaufmännischen Abteilung und des Partner Managements, sowie Vertreter der betroffenen Geschäftseinheiten (Vertrieb, Service, Montage, etc.). –– Das CMB bewertet die Fakten und vereinbart geeignete Maßnahmen, um den Schadensfall zu vermeiden. –– Das CMB veranlasst und führt gemeinsame Besprechungen mit den betroffenen Partnern durch. Einvernehmliche Lösungen (auch Kompensationen) müssen schriftlich fixiert und von autorisierten Vertretern der Parteien bestätigt werden. 4. Bevorzugen Sie immer kooperative Lösungen gegenüber juristischen Maßnahmen aber handeln Sie nie ohne eine frühzeitige und enge juristische Beratung! –– Ansprüche können nur geltend gemacht werden, wenn bestimmte formaljuristische Schritte genau eingehalten werden!

134

3 Vertiefungen

–– Ist Ihr Unternehmen der Anspruchsteller, dann müssen Sie zu einem von Ihren Juristen festzulegenden Zeitpunkt die Gegenpartei formal und schriftlich mit einem sogenannten Claim Letter in Verzug setzen. cc

Praxis-Tipp: Bewahren Sie Ruhe und lassen Sie sich niemals auf Schuldzuweisungen, Vertuschungen oder emotionales Handeln ein. Der Umgang mit einem Claim ist sehr vom Kulturkreis der Betroffenen abhängig und in manchen Regionen gehört ordentliches „Säbelrasseln“ zum Geschäft. Aber manchmal werden sogar unter lautestem Getöse – quasi in Nebensätzen – die ausgleichenden Vereinbarungen getroffen. Fehler sind menschlich und normal, sie gehören überall in der Welt zum Geschäft. Also noch einmal: stets cool bleiben und systematisch, sachlich und lösungsorientiert vorgehen!

cc

Und noch was! Nur ein Handschlag mit anschließender Unterschrift unter einer Beilegungsvereinbarung ist das Ziel! Ein Handschlag mit Einlage ist ein absolutes „no go“, illegal und rächt sich immer!

Es kann auch mal etwas schiefgehen! In diesem Abschnitt ging es darum, auch wenn etwas mal schiefgeht, die Ruhe zu bewahren und systematisch vorzugehen. Murphy’s Law schlägt immer wieder zu, aber der Umgang damit ist entscheidend. Prüfen Sie in Ruhe zunächst die vertragliche Relevanz der gegen Sie erhobenen Forderungen! Oft lösen sich schon hier die Probleme, weil auch die „Gegenseite“ nicht immer dies als erstes prüft. Klären Sie dann, in welcher Phase sich das Projekt befindet und welche vertraglich vereinbarten Maßnahmen anzuwenden sind. Binden Sie alle verantwortlichen Kollegen ein und lassen Sie sich eingehend von „Ihren Leuten“ informieren, um sich ein Bild der Lage zu machen.

3.8 Vertragsarchivierung

135

Vereinbaren Sie Ihr Vorgehen und nehmen Sie mit dem Fordernden geeignet Kontakt auf. Dann gilt es, primär das verursachende Problem zu lösen und so die Grundlage für den Claim zu beseitigen. Gelingt das nicht, kann man immer noch über Kompensationen verhandeln. Zum Schluss sollten Sie eine „Lessons-Learned“-Runde sowohl intern als auch mit dem Anspruchsteller durchführen. Jeder Fehler, insbesondere wenn er teuer war, sollte wenigstens dazu genutzt werden, die Wiederholung desselben zu verhindern.

3.8

Vertragsarchivierung

Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen. (Goethe, Faust 1, Studierzimmer. (Schüler))

3.8.1 Einleitung Haben Sie schon mal ein Haus gekauft? Haben Sie Kreditverträge, Versicherungen und schließlich bei einem Notar einen Kaufvertrag unterschrieben? Vielleicht! Aber sicherlich können Sie sich vorstellen, wie viele Originalunterlagen mit Ihrer Unterschrift sowie Stempeln und Siegeln darauf Sie erhalten hätten.

136

3 Vertiefungen

Andere Frage: Wo bewahren Sie den Fahrzeugbrief für Ihr Auto auf? Im Auto? Im Wohnzimmerschrank, drittes Schubfach links?! Und Ihre Zeugnisse, Ihre Urkunden und die Garantieunterlagen für Ihre neuen Küchengeräte …? Sie merken, worauf es hinaus geht. Es handelt sich um den lästigen Papierkram, den man aber gut aufheben oder gar wegschließen muss, weil er als Beweis dafür dient, dass man rechtmäßiger Eigentümer, Anspruchsteller oder nicht säumiger Schuldner ist. In der Regel geht es im privaten Bereich um die sorgfältige Ablage oder Verwahrung (Bankschließfach oder Wandtresor hinter Opa Wilhelm’s Konterfei im Arbeitszimmer) dieser wichtigen Unterlagen. Ein regelmäßiger Zugriff ist meistens nicht erforderlich, weil Sie mit dem Inhalt dieser Papiere nicht arbeiten, sondern zumeist einfach auf der dadurch gegebenen Grundlage leben. Das ist im Geschäftsleben allerdings anders, auch wenn viele Menschen dort auch erst einen Aha-Effekt haben mussten, um diese Andersartigkeit und die Konsequenzen daraus zu erkennen. Wieder wollen wir Ihre Fantasie bemühen! Stellen Sie sich vor, Sie sind Hersteller von kundenspezifischen Gewerbemöbeln und Geschäftsausstattungen. Sie liefern turn-key! Die Zahnarztpraxis Dr. Bohr, das Ingenieurbüro im Zentrum am Rathausplatz, das Sportstudio im Vorort, das Hotel am See, der Zwei-­ Sterne Koch im Goldenen Löwen, Autohaus Mausemeier am Autobahnkreuz und, und, und … alle haben von Ihnen in den letzten 10 Jahren wunderbare, vollständige Ausstattungen ihrer Geschäftsräume erhalten. Sie haben eingekauft, gelagert, produziert und geliefert. Sie haben Änderungswünsche erfüllt, Reparaturen auf Gewährleistung und Umbaumaßnahmen durchgeführt, weil Arbeitsplätze barrierefrei gestaltet werden mussten. Sie merken, worauf es hinausläuft! Für jedes Projekt gibt es eine Vielzahl relevanter Verträge, die die genauen Konditionen sowie die Pflichten und Rechte aller Beteiligten beinhalten. Wie wollen Sie also nach langjähriger, erfolgreicher Geschäftsführung alle diese Fakten im Kopf behalten? Oder verlassen Sie sich darauf, dass Ihre Mitarbeiter wahre masterminds sind, die dann aber nie kündigen oder in den Ruhestand gehen dürfen? Dies ist der besagte Aha-Effekt: Verträge sind nicht nur geduldiges Papier, auf dem Ihr Berufsleben fußt, nein, es sind Werkzeuge und Informationsquellen, die sie jeden Tag brauchen werden. Und sie werden schnell erkennen, dass selbst eine beeindruckende Regalwand, randvoll gefüllt mit gut sortierten und beschrifteten Leitz-Ordnern, eben nur optisch beeindruckt, in der Praxis aber auch nicht viel hilft. cc

Praxis-Tipp: Gleich hier sei erwähnt, dass eine solche Regalwand mit ordentlich abgelegten Originalen sogar eine Gefahr darstellt. ­Hochwasser und Feuersbrunst sind leider nicht auszuschließen und gescannte Originale stellen im Streitfall vor Gericht leider keine wirklichen Beweise dar! Für Ihre Originale benötigen Sie also eine sichere Verwahrung.

3.8 Vertragsarchivierung

137

Finance (Payment docs) TCM (Export and Customs docs)

HR (Employee contracts)

Logistics/ Supply Chain (logistics Docs)

Central Contract Repository

Sales (Customer Contracts)

Procurement (Supplier/ Subcon Contracts)

Product Management (Product Programs contracts)

Abb. 3.6  Quellen für originale Geschäftsdokumente

Was Sie wirklich brauchen, ist ein zentrales, elektronisches Vertragsarchiv, eine Datenbank, die sowohl die Scans der Originale zur Einsicht als auch alle geschäftsrelevanten Daten und Fakten effizient – auf Knopfdruck und Klick – zur Verfügung stellt. Um die Wichtigkeit zu verdeutlichen, sind in Abb. 3.6 weitere Quellen für verbindliche Original-Dokumente aufgeführt, die auch alle kategorisiert und mit Zugriffsrechten versehen, abgelegt werden müssen.

3.8.2 Allgemeines Diese Kapitel stellen ein klares Votum für ein modernes und zentrales Vertragsarchiv (Central Contract Repository) dar. Wenn man in einem Großunternehmen einmal an einem Spin-off – einer Ausgründung oder einem Verkauf – teilgenommen hat, wird man ein solches CCR schätzen oder sich herbeisehnen. Alle Verträge müssen dann nämlich gesichtet, sortiert und geprüft werden. Man wird die Konsequenzen aus einem Verkauf eines Geschäftsbereiches prüfen und dafür alle Kunden- und Lieferantenverträge untersuchen und den potenziellen Käufern einen – juristisch zulässigen und kontrollierten – Überblick über das Vertrags-Portfolio geben und viele andere Ausarbeitungen erstellen müssen.

138

3 Vertiefungen

Wenn Sie sich dann vor die große Regalwand stellen müssen und gezwungen sind, Ordner für Ordner manuell durchzuarbeiten, wissen Sie was ein CCR wert gewesen wäre und welche Arbeit es erspart hätte. Hier nun die vier Hauptforderungen an ein zentrales Vertragsarchiv: 1. Es darf nur ein zentrales Vertragsarchiv für alle Unternehmensbereiche und Einheiten geben und muss zwingend von allen genutzt werden. 2. Alle geschäftsrelevanten oder legislativ erforderlichen Dokumente werden im CCR und nur dort gespeichert. 3. Das CCR stellt intelligente Such- und Auswertungsmechanismen für alle Geschäftsunterlagen, Zertifikate und Zulassungen mit jeweils genau festgelegten Zugriffsberechtigungen bereit. 4. Das CCR wird kontrolliert und gepflegt unter der Leitung und Verantwortung einer zentralen Unternehmensinstanz, z. B. der Rechts- und Compliance-Abteilung.

3.8.3 Anforderungen an Firmenprozesse Die Einrichtung eines zentralen Vertragsarchivs hat Rückwirkungen auf die im Unternehmen vereinbarten Geschäftsprozesse. Einige Grundgedanken hierzu möchte ich hier aufführen. Sie sind kein Muss, spiegeln aber Erfahrungen wider und sind so i. S. des „best practice“ als Vorschläge zu verstehen. Grundsatz: Ein gültiger Vertrag ist die obligatorische Voraussetzung für jedes Projekt, das Kosten verursacht. 1. Beispiele für Verträge im Rahmen von Kundenprojekten (extern getriggerte Projekte): –– Request for Quotation RfQ vom Kunden, um ein Angebot zu erstellen (verbindliche Termine und Bindefristen!) –– Kundenvertrag und Bestellung (purchase order PO, risk-PO) für die Lieferung von Produkten und Dienstleistungen. –– Kundenvertrag und Bestellung für Wartungsdienstleistungen. –– Globale Rahmenabkommen sowie alle projektspezifischen Verträge, die sich auf das Rahmenabkommen beziehen (sowohl Lieferung als auch Wartung). 2. Beispiele für Verträge im Rahmen von Produktentwicklungsprogrammen (intern ge­ triggerte Projekte): –– Programmvereinbarung (am Meilenstein X) bezüglich der Entwicklung von Produkten oder vermarktbaren Dienstleistungen (inkl. Budget-Freigabe). –– Master-Programmvereinbarung und zugeordnete Teilprojektvereinbarungen, z. B. bei der Entwicklung eines Produktportfolios. –– Kein Prozessablauf kann gestartet werden ohne: –– Kundenvertrag, –– Programmvereinbarungen oder –– Zahlungsobligation gegenüber Dritten (Mieten, Gebühren, Steuern, Gehälter, etc.)

3.8 Vertragsarchivierung

139

Der erste Schritt nach Prozess-Start ist: • Der Projektleiter PL initiiert den Prozess, sobald der unterschriebene Vertrag verfügbar ist (vollständig als pdf dem PL vorliegend). • Der PL muss die erforderliche Autorisierung haben (limits of authority LoA) • Die Initialisierung umfasst: –– Einrichtung eines Containers im Vertragsarchiv –– Erstellung aller Projektunterlagen und Ordner –– Subsequente Prozesse starten (z. B. im Enterprise Resource Planning Tool für Personaleinsatzplanung, Finance & Control, etc.) Zusammengefasst bedeutet dies, dass nur ein gültiger Vertrag mit gesichertem Budget einen operativen Prozess (Entwicklung, Produktion, Auslieferung) starten kann. Der verantwortliche Projektleiter legt den Vertrags-Container im CCR an und schafft damit die Referenz für alle Überprüfungen zwischen Pflicht und Erfüllung. Alle anderen Prozesse im Unternehmen (insbesondere alle IT-basierten) werden erst danach eingerichtet und gestartet. Für die Prozessordnung Ihres Unternehmens bedeutet dies aber, dass Ihren Projektleitern zentrale Administrationsrechte für das CCR und alle subsequenten (IT-)Prozesse eingerichtet werden müssen.

3.8.4 Anforderungen an das Vertragsarchiv Welche Anforderungen an das zentrale Vertragsarchiv lassen sich also ableiten? Geht es hier nur um eine Datenbank, die man mit ein paar Ordnern im Windows-Explorer realisieren kann? Nein, natürlich nicht und meine Empfehlung geht dahin, ein professionelles System anzuschaffen oder als Teil Ihrer Inhouse-IT-Welt zu buchen. Hier nun einige essenzielle Anforderungen: 1. Das CCR ist eine intelligente Datenbank mit genau definierten, verwalteten und kon­ trollierten Zugriffsberechtigungen. Sie wird durch eine zentrale Instanz im Unternehmen geführt, verwaltet und gepflegt. 2. Die Sicherung des CCR-Inhalts auf einen sicheren Speicher (hierfür gibt es Dienstleister, die hohe Verfügbarkeiten sowie geringste Fehler- und Verlustquoten garantieren) sowie die ebenso sichere Ablage aller Dokumente sind feste Bestandteile des Ablageprozesses. 3. Btb-Verträge mit Dienstleistern für Datenspeicherung und Dokumenten-Safes sind also eine Voraussetzung für den CCR-Betrieb und sollten auch ohne CCR in jedem Unternehmen selbstverständlich realisiert werden. 4. Das CCR gewährleistet: –– Alle Dokumente im CCR sind mit ihren Lenkungskennzeichen (Dokumentennummer, Status, Vertraulichkeitskennzeichnung) verwaltet und abrufbar.

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3 Vertiefungen

–– Zu jedem im CCR abgelegten Dokument (sowohl intern als auch extern) muss eine Anzahl obligatorischer Angaben eingetragen werden, um den ersten Speichervorgang abschließen zu können. Dies sind z. B.: –– Vertragspartner oder Programmverantwortlicher –– Globaler Vertrag, Projektvertrag, interner Vertrag –– Datum der Unterschrift, Vertragsende oder Fristablauf für Kündigung –– Schlüsselkonditionen (Zahlungsbedingungen, Gewährleistungsparameter, Haftungsgrenzen, Pönalen-Regelungen, etc.) –– Parameter für das Controlling (Lieferfristen, Stornofristen, Ablauf von Gewährleistungen oder Wartungsverträgen, etc.) –– Nutzung einer effizienten Suchmaschine, die auf vordefinierten und auswählbaren Suchparametern aufsetzt. –– Benachrichtigungssystem, das für vordefinierte Kontrollparameter bestimmte Adres­ saten (Prozessrollen) rechtzeitig über Annäherung, Überschreitung oder Verletzung informiert. In Abb. 3.7 sind nochmal typische Vertragskategorien aufgeführt, nach denen ein CCR strukturiert werden kann. Wie so oft im Leben, kann man Ordnung am leichtesten halten, wenn man sie von Anbeginn eingeführt und gehalten hat. Die Einführung oder Herstellung einer Ordnung wird umso aufwendiger und teurer, je länger man damit wartet. Denken Sie einfach an Ihren Keller oder die Rumpelkammer auf dem Dachboden. Licht ausschalten hilft nicht wirklich!

Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen Während im privaten Bereich Verträge z. B. zur Gütertrennung dazu dienen, für den Fall einer Terminierung der Beziehung, den Streit zu vermeiden, also stets auch ein bisschen

Verträge

Kategorien

Kundenverträge

Lieferantenverträge

Lizenzabkommen

Andere zu archivierende Originaldokumente

Programm-vereinbarungen

o Gruppen-Kunden o Einzelkunden

o Lieferant, Lösungspartner o Indirektes Material o Unteraufragnehmer

o Lizenznahmen o Lizenzvergaben

o Dokumente gem. Prozessordnung o R&D Produkt-dokumente

o o o o o

o Bindende Angebote o Globale Liefer- & Lizenzverträge o Projektspezifische Liefer- & Lizenzverträge o Globale Wartungsverträge o Projektspezifische Wartungsverträge o Aufträge (outbound) o NDAs, LoI, MoU, ….

o Interface-Lizenzabkommen o TechnologieLizenzabkommen

o Meilenstein-Entscheidungs- o Arbeitnehmerverträge protokolle o Prozessordnung o …. o Zertifikate o Zahlungsbelege o Export-/Zollbelege o Marketing-Dokumente o ….

Bindende Angebote Globale Rahmenverträge Projektverträge Globale Wartungsverträge Projektspezifische Wartungsverträge o Aufträge (inbound) o ….

Abb. 3.7  Kategorien im zentralen Vertragsarchiv CCR

o o o o o

Personalwesen Qualitätssicherung Finanzwesen Logistik Werbung

3.9 Organisation – RACI und MoO

141

Misstrauen im Bauch tragen, dienen die Geschäftsverträge dazu, die Zusammenarbeit i.S. des Win-Win erfolgreich zu gestalten und auszuführen. Die Terminierung steht im Hintergrund und wird in der Regel nicht angestrebt. So werden die Verträge eines Unternehmens zum täglichen Handwerkszeug. Sie belegen die Regeln und Pflichten, die man erfüllen muss, sie bilden die Grundlage für den Ausbau des gemeinsamen Geschäftes und sie dienen auch mal der Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Kurz, die Verträge sollten nicht in Aktenschränken verstauben, sondern  – möglichst digital – in die operativen Prozesse des Tagesgeschäft integriert sein. Denken Sie nur an die oft sehr unterschiedlichen Vereinbarungen zu Terminketten und Zahlungsfälligkeiten, Vorkasse, Abschläge usw. Das kann man nicht im Kopf behalten. Am besten ist es, wenn eine intelligente Datenbank den Bedarfsträgern in Ihrem Unternehmen rechtzeitig Erinnerungen sendet. Dieser Abschnitt hat Ihnen einen Überblick über den Einsatz einer solchen Zentralen Vertragsdatenbank gegeben und die Anforderungen daran zusammengefasst. Vielleicht nutzen Sie also diesen Abschnitt, um Ihr Central Contract Repository CCR auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen.

3.9

Organisation – RACI und MoO

Ordnung ist das halbe Leben, Umordnung die andere Hälfte!

RACI? Nein, hier ist nicht das türkische Nationalgetränk mit Anisgeschmack gemeint und MoO steht auch nicht für „Master of Orion“, einem Computerspiel der späten Neunziger. RACI und MoO sind zwei gebräuchliche Abkürzungen für Organisationsmethoden, die auch für die Arbeit mit Geschäftspartnern sehr wichtig sind, denn sie helfen, Zuständigkeiten und Verantwortungen zuzuordnen und Durcheinander zu vermeiden. cc RACI: Responsible – Approver – Contributer – Informed cc MoO: Mode of Operation Dieser kleine Exkurs in die Unternehmensorganisation soll Ihnen helfen, das Partner Management in Ihrem Unternehmen auf ein sicheres Fundament zu stellen und erfolgreich zu gestalten. Der sogenannte Mode of Operation beschreibt das operative Zusammenwirken aller Abteilungen. Aber keine Sorge! Wir wollen hier nicht, top-down von der Geschäftsleitung, ein gesamtes Unternehmen und sein Zusammenwirken zu beschreiben. Dafür steht die Prozessordnung Ihres Hauses und orientiert sich dabei an den einschlägigen Anforderungen z. B. der ISO-Richtlinien.

142

3 Vertiefungen

Tab. 3.21  Partner-Kategorien und Zuständigkeiten im Unternehmen Use Case Charakterisierung Geschäftsverantwortung Lieferant (eingebettet) – Voll integriert in – Entwicklung das Produktangebot.

Kooperationspartner

– Komplementierende – Produkt Management Komponenten

Unterauftragnehmer

– Projektspezifische – Vertrieb Dienstleister – Vertriebs- oder Inte­grationspartner – Externe Ressourcen – Entwicklung – Service – Produktion

Dienstleister

Beteiligt – Partner Management – Service – Quali­ tätssicherung – Einkauf – Produktion – Geschäftsleitung – Partner Management – Entwicklung – Vertrieb – Marketing – Quali­ tätssicherung – Einkauf – Service – Quali­ tätssicherung – Einkauf – Quali­ tätssicherung – Einkauf

Tab. 3.22 Handlungsebenen L-I Select L-II – Define scope – Locate partner – Agree engagement model

Contract Implement – Investigate fit – Implement contract – Negotiate – Monitor contract – Sign contract progress – Handover

Manage – Execute contract – Document obligations and fulfillment – Regular and frequent communication – Apply CIP

Terminate – Self-termination vs. selfprolongation – Pro/Con evaluation – Contractual termination process

Wir werden uns hier ausschließlich auf den Wirkungskreis des Partner Managements beschränken, dem „bottom-up“-Ansatz folgen und das MoO mit RACI ausfüllen. Beginnen wir also in Tab. 3.21 mit der Unterscheidung, der zu betrachtenden Anwendungsfälle (use cases).

3.9 Organisation – RACI und MoO

143

Tab. 3.23  MoO für Phase Select Partner L-I L-II Select Define scope

L-III Define screening criteria for target Perform desktop research Draw competitor landscape Identify potential partners, collect business infos Locate Offer Non-­ partner Disclosure Agreement Assess and rank partner evaluation Check for M&A relevance Pre-select target partners (shortlist) Agree Define source engagement strategy model Launch/define partnership project Define cooperation Objectives Issue LoI/sign MoU

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3.9.1 MoO für den Use Case „Lieferant“ Im Abschn. 2.3 haben wir bereits die fünf Stufen der Partnerschaft und die Aufgaben darin kennengelernt. Um die Erstellung eines MoO und die Zuordnung der Rollen gemäß des RACI-Modells zu erläutern, werden wir uns hier auf den Use Case „Lieferant“ und die ersten drei der fünf Stufen (level I) beschränken und nur die ersten beiden Handlungsebenen (Tab. 3.22) betrachten. In jeder Stufe gibt es eine zweite Handlungsebene (level II) und jede Aufgabe lässt sich wieder in weitere Teilaufgaben in einer dritten Handlungsebene (level III) untergliedern. Diese drei Ebenen, die beteiligten Abteilungen sowie die Zuordnung von R, A, C und I sind beispielhaft mit den drei Tabellen (Tab. 3.23, 3.24 und 3.25) dargestellt. Zur Erinnerung:

144

3 Vertiefungen

Tab. 3.24  MoO für Phase Contract Partnership L-I L-II L-III Contract Investigate Conduct due fit diligence/partner assessment Calculate business case Summarize findings Elaborate cooperation details Negotiate Contract types contract Agree time-to-­ contract Agree peer-topeer negotiation setup Define cooperation model Set terms and conditions Prepare and exchange all documents for review Sign Sign contract contract and initial all documents by authorized representatives Exchange all signed documents in printed and double original Exchange all documents in electronic form

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• Responsible: die Person, die eine Aufgabe aktiv durchführt und dafür verantwortlich ist. • Approver: die Person, die die erforderliche Autorisierung hat, Handlungen und Maßnahmen zuzulassen oder auch zu stoppen (z. B. Zahlungsanweisungen).

3.9 Organisation – RACI und MoO

145

Tab. 3.25  MoO für Phase Implement Partnership L-I L-II Implement Implement contract

L-III Setup Implementation Team Training of all relevant business units Integrate partner into business processes Start cooperation Monitor Project support progress Measure success/ performance in pilots Adapt processes Add addendums to contract if required Handover Release Implementation team Assign RACI-Model Announce operational contact partners

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• Contributer: die Person oder Personengruppe, die einen Verantwortlichen in der Ausführung seiner Aufgabe durch bestimmte Zulieferungen (contributions) unterstützt. • Informed: die Person oder der Personenkreis, der über einen Vorgang und seinen Status informiert werden muss. Die Abteilungen mögen sein: 3PM: RD: PLM: SCM: QA: PRC: SAM: FC: CEO:

Partner Management (3rd party) Entwicklung (Research & Development) Produkt Management (Product Line Management) Produktion und Logistik (Supply Chain Management) Qualitätssicherung (Quality Assurance) Einkauf (Procurement) Wartung- und Pflege (Service and Maintenance) Kaufmännische Abteilung (Finance and Control) Geschäftsführung (Chief Executive Officer)

146

3 Vertiefungen

Die Rollenzuordnung ist nur beispielhaft gemeint und bezieht sich auf die Auswahl eines fiktiven Zulieferers von eingebettetem Material. Die Rollen Responsible und Approver können jeweils nur einmal vergeben werden. Informed kann bedeuten, dass die betreffende Abteilung aktiv informiert wird, oder nur Zugang zu den Informationen erhält.

Ordnung ist das halbe Leben, Umordnung die andere Hälfte! Das vorgestellte Verfahren scheint sehr formal zu sein, hilft aber, Zuständigkeiten klar zu definieren und Fehler bei der Erfüllung von Aufgaben, also auch der Erfüllung von Verträgen, zu vermeiden. Der Aufwand lohnt sich, weil im Umgang mit externen Partnern besondere Disziplin und Sorgfalt erforderlich sind. cc

Praxis-Tipp: Sollten solche MoU-Festlegungen in Ihrem Unternehmen noch nicht getroffen worden sein, wenden Sie sich mit dem Vorschlag, diese zu erstellen, an Ihre QA-Abteilung. Spätestens wenn ein ISO-Audit ins Haus steht, wird sowieso danach gefragt werden.

3.10 Kaizen – Ändere zum Besseren Gemba oder Genba (jap. 現場) ist ein japanischer Begriff und bedeutet „der eigentliche Ort“ oder „der reale Ort“. Mit Genba wird oft auch der Ort der Berichterstattung oder der Tatort bezeichnet.7

Was ist die Grundlage allen Fortschritts? Was hat dazu geführt, dass wir uns vom Urmenschen zum Mitglied moderner Zivilisationen entwickelt haben? Es ist wohl der Wettbewerb. Urzeitlich war es der Kampf um das nackte Überleben, heute ist es das Streben nach Macht und Reichtum. Derjenige ist im Vorteil, der schneller und ausdauernder versucht, verändert und verbessert, anstatt Gegebenheiten als ausreichend hinzunehmen. Ägyptische Pyramiden, römische Viadukte und japanische Schwerter waren nicht von Anfang an so hoch, so lang oder so scharf, sondern haben ihre Perfektion erst durch die unermüdliche Lust ihrer Erfinder an der Verbesserung und Weiterentwicklung, zum Teil über hunderte von Jahren und Generationen von Baumeistern und Schwertschmieden erlangt. Und allem zugrunde liegt die Wiederholung und damit die Chance, aus den Fehlern der vorangegangenen Versuche zu lernen und diese nun zu vermeiden. Das Streben nach Perfektion kann zum Selbstzweck, zur Lebensform oder gar Teil eines Glaubensbekenntnisses werden. Die Wiederholung wird ritualisiert und zum Lebensinhalt, oder etwas weniger philosophisch ausgedrückt, zur Methode und zum Prozess. Im Vorangegangenen haben wir sich wiederholende Prozesse beschrieben. Wiederholungen ergeben sich zwangsläufig, weil Stillstand und Veränderungsresistenz unweigerlich zum Misserfolg eines Unternehmens führen. Um (wenigstens) eine Methode gegen diesen Still-

7

 https://de.wikipedia.org/wiki/Gemba.

3.10 Kaizen – Ändere zum Besseren

147

stand vorzustellen, soll hier nun eine kurze Einführung in Kaizen8 gegeben werden. Kaizen stammt aus dem Japanischen und bedeutet „ändere“ (Kai) „zum Besseren“ (Zen). Die Kaizen-Methoden basieren auf Konzepten des US-amerikanischen Physiker William E.  Deming, der 1950 von General MacArthur als Statistiker und Qualitätsexperte nach Japan geholt wurde, um zu helfen, die japanische Industrie wiederaufzubauen. Der sogenannte Deming-Kreis oder auch PDCA-Zyklus sieht vor, dass alle Prozesse systematisch einer sich wiederholenden Abfolge aus Planung, Durchführung, Kontrolle (Control) und Aktion gehorchen müssen. Diese Systematik wird zur kontinuierlichen Verbesserung – Kaizen – angewandt und basiert auf den Vorgaben, die das Management durch persönliche Augenscheinnahme am Ort des Handelns zuvor festgelegt hat („go to genba“).

3.10.1 Die 5S des Kaizen Die 5S und die japanischen Begriffe in Abb. 3.8 sollen hier nun etwas näher erläutert werden. Es lohnt, sich diese 5S als „Eselsbrücke“ einzuprägen und zum Standard für das Partner Management zu machen. Der japanischen Bedeutungen (links) sind in Tab. 3.26 beispielhaft Abbildungen auf das Partner-Eco-System PES (rechts) gegenübergestellt.

3.10.2 Take a Muda-Walk Spaziergehen ist gesund! Wenn man nach einem langen Arbeitstag für ein bis zwei Stunden durch einen Park oder einfach nur die Nachbarschaft läuft, fallen Sorgen ab, sortieren sich Probleme und man kann besser wichtig von unwichtig unterscheiden.

Abb. 3.8  Die 5S des Kaizen

SEIRI

Simplify

SHITSUKE

Sustain

SEIKETSU

Standardize

SEITON

Die 5S des Kaizen

Straighten

SEISO

Scrub

 Umfassende Einführungen und Vertiefungen hierzu finden sich in großer Zahl im Internet und der Literatur. Es soll hier deshalb darauf verzichtet werden, bestimmte Empfehlungen zu geben.

8

148

3 Vertiefungen

Tab. 3.26  Die 5S des Kaizen SEIRI (Simplify/Sort) Unterscheide zwischen Dingen, die für eine auszuführende Arbeit benötigt werden, und solchen, die nicht benötigt werden. SEITON (Straighten) Lege die benötigten Dinge so ab, dass Du sie schnell findest und wieder zurücklegen kannst. SEISO (Scrub/Sweep) Halte Deinen Arbeitsplatz, die Werkzeuge und das Material sauber und entferne jeden Abfall. SEIKETSU (Stabilize/Standardize) Standardisiere, pflege und verbessere die ersten drei „S“. SHITSUKE (Sustain/Self Discipline) Praktiziere die 5S täglich und mache 5S zu Deiner Lebensweise.

Entwickle und halte das PES von Anfang an schlank und einfach.

Strukturiere und ordne das PES übersichtlich und dokumentiere es sorgfältig und geordnet.

Entferne aus dem PES, was nicht mehr gebraucht wird (Lieferanten, Leistungen, Produkte). Pflege, was gebraucht wird (z. B. Verträge). Die Verwaltung und Bewirtschaftung des PES ist eine perpetuelle Aufgabe. Unternehmerischer Erfolg erfordert kontinuierliche Verbesserung und Disziplin.

Es findet ein Aufräumprozess statt, an dessen Ende einige Gedanken oder Sorgen quasi als Abfall – und im wahrsten Sinne des Wortes – entsorgt werden können. Das Wort „Muda“ steht laut Wikipedia9 für eine sinnlose Tätigkeit, Verschwendung, Nichtvorhandensein von Sinn oder Nutzen. Es wird definiert als [Wallace J. Hopp]:10 „… any human activity that absorbs resources but creates no value.“ „… jede menschliche Aktivität, die Ressourcen verbraucht, aber keinen Wert erzeugt.“

Sorgen und unsortierte Gedanken sind auch menschliche Aktivitäten und es ist nur richtig, wenn man möglichst viele davon aussortiert. Somit wird der Spaziergang nach Feierabend (oder zwischendurch) eben zum „Muda-Spaziergang“ oder auch Muda-Walk. Schauen wir aber auf unsere Arbeit, unser Unternehmen und die Zusammenarbeit mit unseren Geschäftspartnern, dann kann die Aufforderung zum Muda-Walk sowohl wörtlich gemeint sein, also im Sinne einer realen Begehung, als auch virtuell, in dem man Prozessbeschreibungen einem Review unterzieht. Wo immer es geht, ist aber die persönliche Augenscheinnahme der Betrachtung am Schreib- oder Besprechungstisch vorzuziehen.

 https://de.wikipedia.org/wiki/Muda.  Wallace J. Hopp: Factory Physics: foundations of manufacturing management. 2nd ed./Wallace J. Hopp, Mark L. Spearman. McGraw-Hill Higher Education, ISBN 0-256-24795-1, 2000, S. 287.

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3.10 Kaizen – Ändere zum Besseren

149

3.10.3 Was ist Muda? Was bedeutet aber im prozessualen Sinne „Abfall“? Wie definiert man „Muda“ und wo sucht man danach? Wie bei den 5S wollen wir auch hier eine einfache Darstellung versuchen, die schnell und einleuchtend erfasst werden kann und dann als Anregung zur Vertiefung dienen soll. Literatur findet sich auch hierzu im Fachbuchhandel und dem Internet in Hülle und Fülle. Üblicherweise werden sieben Formen der Verschwendung (dieser Begriff stellt nicht die sinngemäß richtige Übersetzung des Wortes Muda dar, hat sich aber durch die im Englischen genutzte Übersetzung mit waste verbreitet): Formen der Verschwendung 1. Unnötige Materialbewegungen 2. Falsche Bestände (Material, Produkte, Anlagen) 3. Unnötige Bewegungen (Mensch-Maschine-Ergonomie) 4. Wartezeiten im Prozessablauf 5. Verarbeitung (Über-, Unterlastung) 6. Überproduktion 7. Korrekturen und Fehler

Transportation Inventory Motion Waiting Inappropriate Processing Over-Production Defects

Natürlich liegt es nahe, diese Formen der Verschwendung in Produktionsstätten oder bei Logistik-Dienstleistern zu suchen. Aber mit ein bisschen Abstraktionsvermögen kann man diese Verschwendungsformen z. B. auch in der Softwareentwicklung, in Dienstleistungsunternehmen (Restaurant) oder in Verwaltungen finden. Stellen Sie sich beispielsweise ein Amtsgericht vor, in dem die Gerichtsakten und -vorgänge …

1 . unnötig transportiert werden, 2. falsch zugeordnet sind (Verkehrsrecht, Familienrecht, Strafrecht), 3. unnötig oft von verschiedenen Bearbeitern in die Hand genommen werden, 4. in Poststellen liegen bleiben, 5. sich bei unterbesetzten Dienststellen anstauen, 6. durch unsinnige Vorschriften nicht abgeschlossen werden und 7. schließlich aufgrund von Formfehlern zu Einsprüchen führen.

Als Erinnerungsstütze findet man in der Literatur sehr oft die sogenannten 3M des Kaizen:

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3 Vertiefungen

Muri – Mura – Muda Während Muda die Verschwendung i.S. der Wertschöpfung meint, bezeichnet Mura inkonsistente Arbeiten und Prozesse. Muri schließlich bezeichnet unbegründete und zufällige Vorgänge. Merken Sie sich also für Ihren Muda-Walk die 3M und sie werden bald mit geübten Augen viel Verbesserungspotenzial entdecken.

Genba: der Ort der Berichterstattung oder auch der Tatort Verschiedentlich schaut man in fragende Augen, wenn einmal über Kaizen gesprochen wird. Oft glauben die Zuhörer, Kaizen sei irgendeine asiatische Form, Erleuchtung im Leben zu finden, oder sie denken „Kaizen! Gibt’s das noch? Ist doch kalter Kaffee!“. Gewiss werden immer wieder mit griffigen Schlagworten neue Methoden werbewirksam angekündigt. Aber schaut man genau hin, dann handelt es sich oft um alten Wein in neuen Schläuchen. Schon immer wurden Methoden zur Zieldefinition und kontinuierlichen Verbesserung entwickelt, sonst gäbe es nicht die Pyramiden von Gyzeh, die scharfen Schwerter der Samurai und die Saturn-Raketen. Wichtig ist dabei nur, dass man überhaupt Mut zur Veränderung und Streben nach kontinuierlicher Verbesserung hat. Wichtig ist, dass man sich darüber bewusst wird und sich für eine Methode entscheidet. Wie man diese dann bezeichnet – KVP, Kaizen oder CIP – ist unerheblich.

4

Strategisches Partner Management

Schach versus Poker?

Zusammenfassung

Stratēgía: im Altgriechischen bedeutete dieser Begriff „Feldherrentum, Feldherrenkunst“ und mit Stratēgós wurde der „Feldherr“ bezeichnet, der sein Heer – stratós – befehligte. Im Sinne der Unternehmensführung steht der Begriff „Strategie“ für den mittel- bis langfristigen Plan, mit dem die Unternehmensziele erreicht werden sollen. Strategisches Denken ist auch für das Partner Management wichtig! In diesem Kapitel werden verschiedene strategische Methoden vorgestellt.

Foto: Ulf Kleiner © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_4

151

152

4.1

4  Strategisches Partner Management

Einleitung

Eigentlich sollte man sich immer erst einmal einen Plan machen und ihn dann mit den zur Verfügung stehenden Mitteln (z. B. der Belegschaft) umsetzen. Aber in der Realität ist es oft umgekehrt. Das Tagesgeschäft ergibt Notwendigkeiten, denen man folgt und daraus handelt. Ursprüngliche Planungen und Vorhaben sind schnell vergessen. Der Erfolg rechtfertigt das Handeln und man versäumt leicht, immer wieder mal über den Tellerrand zu schauen. Doch mit dem Erfolg hat man auch viele Erfahrungen gesammelt  – gute und schlechte – auf die man nun zurückgreifen kann, um daraus verlässliche Annahmen und geeignete Konsequenzen für die Geschäftsentwicklung – die Strategie – abzuleiten. Wohin soll also die Reise gehen, wohin geht die Reise der anderen und wer sind diese anderen? Reisen führen in der Regel von A nach B. Manchmal sind es zwar auch Abenteuerreisen mit unbestimmtem Ziel, aber diese Variante wollen wir hier nicht betrachten. Von A nach B bedeutet Bewegung und Veränderung. Damit dies systematisch und geordnet erfolgt, beginnt man zweckmäßig wieder mit dem „Marketing-Mix“, den wir schon im Abschn. 2.2.7 betrachtet haben (Abb. 4.1). Ein Unternehmen wird seine Produkte und Leistungen nach den Kundenwünschen und Markterfordernissen neu- bzw. weiterentwickeln (Produktstrategie), dafür geeignete Absatzwege suchen (Distributionsstrategie), die optimalen Preise festlegen (Preisstrategie)

Abb. 4.1 Marketing-Mix

4.2  Strategische Methoden

153

und die Kunden mit passenden Werbemitteln informieren (Kommunikationsstrategie). Es werden sogenannte „Release“-Pläne für die Bereitstellung von Produkten und Varianten erarbeitet, sowie für mehrere Release-Zyklen geplant (Roadmaps). Selbstverständlich gehört zum geplanten Markteintritt auch ein ebenso geplantes Ende der Vermarktung, d. h. für jedes Produkt und jede Leistung wird ein Lebenszyklus festgelegt (product lifecycle planning). Dies alles richtet sich nach den Erkenntnissen, die die Vertriebe und Marketing-­ Abteilungen eines Unternehmens bezüglich der Kundenbedürfnisse, Absatzmöglichkeiten, Marktentwicklungen und vielleicht auch politischen Entwicklungen gewonnen und ausgewertet haben. Durch engen Kundenkontakt, intensive Wettbewerbsbeobachtung, sowie aufmerksame Auswertung der wirtschaftlichen Gesamtlage entsteht eine hoffentlich klare Sicht und richtige Interpretation, die dann in die strategische Geschäftsplanung Ihres Unternehmens mündet und schließlich realisiert wird. Das wirtschaftliche Ergebnis wird die Qualität dieser Aufklärungs- und Auswertungsarbeit belegen. Da es hierzu umfangreiche Literatur gibt, soll hier nicht vertiefend darauf eingegangen werden. Dieses etwas ausführlichere Vorwort soll aber dazu dienen, hier ein sehr leistungsfähiges Hilfsmittel vorzustellen, das bei der strategischen Geschäftsplanung oft unterschätzt oder vernachlässigt wird, nämlich das strategische Partner Management.

4.2

Strategische Methoden

Zu strategischen Methoden, die man für die Unternehmensführung, das Personal Management oder das Marketing einsetzen kann, selbst über strategisches Denken finden sich unzählige Veröffentlichungen und Veranstaltungen, wenn man danach im Internet sucht. Eine strategische Methode entsteht, wenn man an ein wiederkehrendes Problem mit den vorherigen Erfahrungen herantritt und versucht, die Konsequenzen, die sich aus Varianten der Problemlösung ergeben, für neue Fälle möglichst weit im Voraus zu durchdenken, zu extrapolieren und die anscheinend beste Lösung auszuwählen. Beim nächsten Mal hat man dann ein Erfahrungspaket mehr und die Extrapolation wird sicherer. Absolute deterministische Lösungen wird es nicht geben, statistische Methoden können in bestimmten Fällen vielleicht helfen, aber insgesamt wird man sich auf Erfahrungen, kooperatives Durchdenken und Planen mit seinen Kollegen und auf kompromissbewusste Risikoabschätzungen beziehen müssen. Dies trifft gewiss auf die Mehrheit der Unternehmen zu und mag bei marktdominierenden Wirtschaftsgiganten oder Höchstgeschwindigkeits-Aktienhändlern anders sein.

154

4  Strategisches Partner Management

Wir wollen hier aber praxisnah bleiben, und deshalb sollen die wichtigsten Methoden für das strategische Partner Management als Praxis-Tipps vorgestellt werden: 1. Vereinbaren Sie mit den wichtigsten Partnern (auch Kunden) Ihres Unternehmens regelmäßige Strategie-Treffen in geeignetem Turnus. Die Teilnehmer müssen für die von ihnen vertretenen Bereiche die erforderlichen Entscheidungskompetenzen haben. 2. Informieren Sie darin Ihre Partner und Zulieferer regelmäßig und frühzeitig z. B. über Ihre • Release- und Roadmap-Planung, • Wichtige Entwicklungsschritte und voraussichtlich benötigte Technologien oder Fachkenntnisse (z. B. bei Personal- oder Technikdienstleistern), • Wichtige Projekte, Kunden und Wettbewerber, • Zielmärkte, Volumina, Preisentwicklungen und wirtschaftliche Ergebnisse (soweit es zulässig ist) oder Ihre • Liefer- und Logistikanforderungen 3. Lassen Sie sich umgekehrt in gleicher Weise regelmäßig und umfassend von Ihren Partnern und Zuliefern berichten. 4. Entwickeln Sie mit allen Partnern und Zulieferern, insbesondere aber zu besonders wichtigen, eine enge und vertrauensvolle Beziehung. 5. Führen Sie zudem regelmäßige strategische Workshops mit kompetenten und entscheidungsbefugten Teilnehmern durch, die der gemeinsamen Marktbewertung und Geschäftsentwicklung dienen. Darin kann auch diskutiert und vereinbart werden, wie man plötzlichen Herausforderungen (Pandemie, Naturkatastrophen, politische Veränderungen) am besten begegnet. 6. Erkunden Sie regelmäßig den Markt nach potenziellen neuen Partnern und Lieferanten. Verfolgen Sie ebenso Ihren Wettbewerb und dessen Lieferantenportfolio. Veranstalten Sie interne Strategie-Workshops z. B. mit Ihren Vertrieben und der Marketing-Abteilung. 7. Engagieren Sie sich in Arbeitskreisen der Wirtschaft, der Normierung oder der Wissenschaft. Bleiben Sie am Ball! Je früher Sie neue Trends oder Veränderungen erkennen, desto besser ist es.

Schach versus Poker? Nein, pokern sollte man im Geschäft nie, dafür aber immer wieder strategisch über den Tellerrand nach vorne schauen! Nehmen Sie sich die Zeit und realisieren Sie neben dem Tagessgeschäft, also dem operativen Partner Management, auch Maßnahmen, Methoden und Prozesse, die dem strategischen Partnering dienen. Arbeiten Sie gemeinsam daran, dass langfristig stabile, ehrliche und faire Partnerschaften entstehen, denn in diesen werden stets beide Seiten bemüht sein, diese Errungenschaft zu schützen, auszubauen und davon auch zukünftig zu prosperieren.

4.2  Strategische Methoden

155

In einer solchen Partnerschaft denkt man für den Partner mit, entwickelt kreativ neue Geschäftsideen und ist sogar bereit, die eigenen Geschäftsstrategien dafür anzupassen. Zusammengefasst bedeutet dies, dass das strategische Partner Management ein äußerst wirksames Mittel der strategischen Geschäftsplanung überhaupt ist, denn es nutzt auch die Marktintelligenz außerhalb Ihres eigenen Unternehmens. Es gilt daher immer: 1 + 1 > 2 ! Das ist die eigentliche Strategie, die hinter allem steht!

5

Interest Management

Noch ein Management! „Chief Interest Manager“? Was soll das?

Zusammenfassung

Jeder Mensch hat Interessen, die er mehr oder minder aktiv verfolgt. In der Geschäftswelt folgen die Interessen eines Unternehmens aus seinem Geschäftszweck und steuern das Handeln. Wie geht man mit den verschiedenen Interessen um, die unweigerlich aufeinandertreffen, wenn zwei Unternehmen eine Partnerschaft eingehen wollen? Das Kapitel beantwortet diese und weitere Fragen.

5.1

Einführung

Stellen Sie sich vor … Eine Gruppe unterschiedlicher Menschen trifft zusammen, zufällig oder geplant, auf einem Volksfest, einem Parteitag, einer Vorstandssitzung oder zu einer Projektbespre­ chung, und jedes Individuum bringt an den Veranstaltungsort seine Interessen mit, die persönlichen und die, für die man bezahlt oder gewählt wird. Jeder hat eine Vorstellung und Erwartung bezüglich dessen, was wohl passieren wird und was er (sie) selbst erreichen können wird. Je konträrer diese Vorstellungen sind, desto mehr wird gerungen werden. Auf dem Volksfest mag es dem einen um reichlichen Biergenuss gehen, der nächste will nur alle Fahrgeschäfte ausprobieren und sucht dabei den ultimativen Kick. Alle können

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_5

157

158

5  Interest Management

Ihre Bedürfnisse erfüllen, niemand behindert sich darin gegenseitig. Darauf sind Volks­ feste im Allgemeinen eingestellt und es funktioniert. Wer dort aber Ruhe und Kontemplation sucht, wird enttäuscht werden und seine Inte­ ressen nicht erfüllt sehen. Eine große Rolle für die Erfüllung der jeweiligen Interessen an einem Ereignisort spielt also, wie weit diese Interessen der Anwesenden auseinanderklaffen und die Häufigkeit, mit der bestimmte Interessen durch die Anwesenden vertreten sind. Auf Parteitagen wird heftig diskutiert und zum Schluss abgestimmt. Ist der Dissens unüberbrückbar, spaltet sich womöglich die Partei. Vorstandssitzungen werden durch Mehrheitsbeschluss zum Ergebnis geführt, Projektbesprechungen enden in Eskalationen zur nächst höheren Entscheider-Ebene. Was regelt den Abgleich zwischen den Interessen, den Ausgleich und Kompromiss? Auf dem Volksfest ist das einfach zu beantworten: Angebot und Nachfrage! Schaut man aber genauer hin, dann stellt man fest, dass diese Regel immer zutrifft. Auf dem Parteitag ist nur das politische Angebot beschlussfähig, dass eine Mehrheit der Delegierten erlangen kann. In einer Projektbesprechung wird nur die Projektlösung angenommen werden, die von der Mehrheit der Beteiligten als realisierbar und erfolgversprechend erachtet wird, denn nur diese Angebote finden genug Nachfrage! Wäre der Mensch also in der Lage, rein objektiv und sachlich entlang der vorliegenden Fakten zu entscheiden, dann würden viele Parteitage sehr schnell zum Ergebnis kommen, alle Vorstände wären unfehlbar und jedes Projekt würde ein großer Erfolg. Und auf Volksfesten gäbe es keinen Streit und keine Rauferei. Doch der Mensch entscheidet nie wie eine programmierte Maschine rein objektiv und sachlich, sondern stets und zuerst emotional und auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Und schon haben wir den Schlamassel und die Reporter viel Dramatisches von den Parteitagen zu berichten. Um in diesem Kapitel am Ende doch zu pragmatischen Empfehlungen zu kommen, die Ihnen etwas nützen, soll Ihnen eine Sichtweise nähergebracht werden, die zu erklären versucht, warum emotionales und objektives Handeln, persönliche Interessen und die der Gruppe, der jemand angehört, nicht voneinander zu trennen sind.

5.2

Wettbewerb, unser archaisches Handlungsmuster

Wenn wir auf unseren Weg vom Steinzeitmenschen zum Mitglied der modernen Zivilisation schauen, dann erkennen wir, dass der Mensch vom Kampf ums Überleben geprägt ist. Am Anfang stand der pure Kampf gegen die raue Natur, das Ringen um Nahrung, Feuerstätten und die Abwehr aller möglichen Gefahren. Der Stärkere und der, der sich schneller anpassen konnte, überlebte und setzte seine Gene durch. Vermutlich war, ähnlich wie im Tierreich, die Führerschaft dem Stärksten in der Gruppe oder des Stammes sicher. Er war der Leitwolf und es ist zu vermuten, dass es meistens ein ER war.

5.3  Zusammenarbeit als Mittel des Wettbewerbs

159

Alsbald wich der Kampf gegen die Natur dem gnadenlosen Wettbewerb um Ansehen, Macht und Eigentum. Gewinner wurden zu Idolen, Verlierer begangen – das ist belegt – aus Schmach Selbstmord (Olympia), oder wurden einfach hingerichtet (Rom). Die Menschheit wurde durch diesen Wettbewerb geprägt und richtete sich stets nach ihm aus. Die Stadtstaaten des antiken Griechenlands, das römische oder später auch das osmanische Reich, Kolonialmächte und die Supermächte unserer heutigen Zeit standen bzw. stehen im Wettbewerb miteinander. Allzu oft wird dieser Wettbewerb vom Machtstreben Einzelner (Diktatoren) getrieben oder bildet sich im extremen Ehrgeiz der mächtigen Führer globaler Großunternehmen ab. Die Prägung der Gesellschaft oder auch der meisten Unternehmen ist deshalb streng hierarchisch und nach militärischen Führungsprinzipien aufgebaut. Demokratien versuchen den Ausgleich, aber immer wieder geraten sie ins Wanken, weil die Wähler ihren archaischen Prägungen folgen und starke Führer fordern, an die sie dann willig ihre Verantwortung für sich und andere abgeben können. Dafür muss man ihnen nur eine vermeintliche äußere Bedrohung einreden und damit ihre Ängste schüren. Dies ist das Vorfeld jedes Angriffskrieges oder Machtübernahme, die zum Schluss doch immer nur dazu dienen, die Macht und die Taschen der Führer und ihrer Entourage zu füllen. Es scheint, dass diese Führer – und es sind fast ausschließlich (alte) Männer – nicht erkennen, dass auch ihr letztes Hemd keine Taschen hat. Was aber hat das mit Geschäftspartnerschaften zu tun? Warum sollen unsere uralten Denkmuster eine Rolle spielen, wenn es um unser Zusammenleben und unsere Zusammenarbeit geht? Dafür schauen wir im nächsten Abschnitt auf ein arabisches Sprichwort.

5.3

Zusammenarbeit als Mittel des Wettbewerbs

„Meines Feindes Feind ist mein Freund“ sagt ein altes arabisches Sprichwort, dessen sich schon viele Machthaber und Feldherren bedient haben. Dahinter steckt die Suche nach einem Partner im Kampf um einen Sieg und der Argwohn gegenüber jeder Partei, die nicht die eigene ist. Dennoch ist erkennbar, dass das Schmieden von Allianzen ursprünglich eben auch nur ein Mittel des Macht- und Wettkampfs war. So werden auch geschäftliche Partnerschaften und Allianzen hauptsächlich deshalb eingegangen, weil man sich daraus Vorteile gegenüber dem Wettbewerb verspricht. Die Auswahl des Partners richtet sich nach der Analyse der eigenen Schwächen. Benötigt man bestimmte Materialien als Zulieferung, weil man diese selbst nicht so günstig oder hochwertig herstellen kann oder sucht man einen lokalen Vertriebspartner, weil man in einem bestimmten Land kein eigenes Personal aufbauen will, egal was der Grund ist, der Partner wird immer als Auftragnehmer in die eigenen Reihen integriert und hat der Strategie seines Auftraggebers zu folgen. Leistung gegen Geld, der Geschäftspartner wird oft nur wie ein Söldner in den eigenen Heerscharen gesehen.

160

5  Interest Management

Eine Zusammenarbeit mit einem Wettbewerber ist erst recht nahezu undenkbar, auch wenn diese in bestimmten Fällen und mit guten Verträgen sogar beiden Seiten Vorteile bringen könnte. Die sogenannte „co-opetition“ kann nämlich sinnvoll werden, wenn zwei Anbieter zwar teilweise überlappende, aber andererseits auch einander komplementierende Portfolios haben. Warum also soll man nicht in einem Markt miteinander kooperieren und in einem anderen als Wettbewerber gegeneinander antreten? Solange man mitei­ nander fair und korrekt umgeht, sowie das Wettbewerbsrecht (anti trust legislation) im Auge behält, ist daran nichts Verwerfliches. In der Regel aber überwiegt der Argwohn gegenüber Partnern und alle Verträge sehen ein klares Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis vor, in dem ersterer das Sagen hat. Selbst junge Unternehmen (Start-ups) zögern, Geschäftspartnerschaften einzugehen. Der Argwohn, seine Unabhängigkeit zu verlieren, oder gar nur ausgespäht zu werden, überwiegt. Ohnehin sind insbesondere Start-ups schon aus Geldmangel daran gewöhnt, alles selbst zu machen, weil die eigene Ressource (7 x 24) ja scheinbar kein Geld kostet. Schade, denn wären junge Unternehmen häufiger in der Lage, ihre „Do-it-­yourself!“Mentalität und die Angst vor dem Verlust des alleinigen Erfolges (Sieges) zu überwinden, dann würden sie in der sehr großen Ressource unserer Wirtschaft gewiss ideale Partner für eben diesen Sieg finden, ohne sie fürchten zu müssen. Gemeint sind die unzähligen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU, Small and Medium Enterprises SME), die in Europa den Bärenanteil unserer Wirtschaftskraft bedeuten.

5.4

Zusammenarbeit als Mittel des gemeinsamen Erfolgs

Wenn Sie den Abschnitt über die 5 Stufen der Partnerschaft eingehend gelesen haben, dann wird Ihnen nicht entgangen sein, dass der Autor ein eifriger Verfechter echter Partnerschaften zwischen gleichwertigen Partner ist, die einander respektieren und miteinander das Geschäft zum gegenseitigen Vorteil entwickeln wollen. Sie wurden im Vorangegangenen immer wieder dazu ermutigt, selbst Materiallieferanten eng in Ihre Prozesse einzubinden und kontinuierlich gemeinsam nach Verbesserungspotenzialen zu suchen, die beiden Seiten zum Vorteil gereichen. Ihnen wurde nahegelegt, regelmäßig gemeinsam darüber nachzudenken, wie man Gutes noch besser machen und gemeinsam neue Geschäftspotenziale nutzen kann. Zusammenarbeit als Mittel des gemeinsamen Erfolges setzt also voraus, dass man die Urtriebe „Wettkampf“ und „Argwohn“ überwindet. Um dies zu beschreiben, kommen wir noch mal auf die Start-ups und die KMUs zurück. Junge Unternehmer scheuen vor den Etablierten und Krawattenträgern zurück. Die etablierten Unternehmen haben Angst vor den „jungen Wilden“ und unterstellen Unzuverlässigkeit und Instabilität. Aber was ist mit den jungen Firmen, insbesondere den technologiegetriebenen, die in die Wachstums- und Konsolidierungsphase treten wollen? Was ist mit denen, die die unsi-

5.5  Ko-Kreativität, weil man damit weiterkommt!

161

cheren Fahrwasser der Firmengründung und Selbstfindung bereits hinter sich haben und nun um das Vertrauen kämpfen, in sie zu investieren? Auf der anderen Seite haben wir unzählige mittelständische Unternehmen, vielfach in Familienbesitz, die dringend nach Innovation, Digitalisierung und Verjüngung suchen. Diese beiden Interessensgruppen sind eigentlich füreinander die ideale Ergänzung. Erfahrung und Stabilität trifft auf Mut zur Initiative und Innovation, denn … Neue Besen kehren gut, aber die alten kennen die Ecken besser! Fühlen Sie sich also ermutigt, den Geschäftspartner nicht nur als bezahlten Erfüllungsgehilfen Ihrer Geschäftsstrategien zu betrachten. Gehen Sie über ein Lieferantenverhältnis hinaus und suchen Sie nach Kooperationspartnern, mit denen Sie gemeinsame Geschäftsziele entwickeln und erreichen, dann ist 1 + 1 stets deutlich größer als 2.

5.5

Ko-Kreativität, weil man damit weiterkommt!

Es ist nahezu unmöglich, sich eine vom Wettbewerb befreite Gesellschaft vorzustellen, was man heute wohl als Fiktion für eine ferne, bessere Zukunft bezeichnen müsste. Machen wir es uns etwas einfacher und stellen uns einen Verein von Modelleisenbahnfreunden vor, die bei einem Treffen die Vision entwickelt haben, die größte Modelleisenbahnanlage der Welt zu bauen und bei der Detailierung der Eisenbahn und des Landschaftsbaus stets das gerade technisch Mögliche auszureizen. Stellen wir uns vor, diese Gruppe von vielleicht 30 oder 40 Enthusiasten beginnt die Planung voller Begeisterung und Vorfreude auf das Ergebnis, und jedes Gruppenmitglied bringt alle seine Fähigkeiten und Kompetenzen uneingeschränkt ein, denn gleich zu Beginn wurde festgelegt, dass alle Mitwirkenden zu gleichen Teilen am Erfolg Anteil haben werden. Niemand steht in Konkurrenz zueinander, alle haben ein gemeinsames Interesse und Ziel. Alle „Gehirne“ und „Hände“ arbeiten kongruent an derselben Aufgabe. Es dauert nicht lange und der erste Anlagenteil ist fertiggestellt. Besucher aller Altersklassen strömen in Scharen staunend und begeistert durch diese Welt in Miniatur. Die Kassen füllen sich, das Team arbeitet weiter und Jahr für Jahr wächst diese unvergleichliche Attraktion zur wirklich größten Miniaturwunderwelt … die Sie in der Speicherstadt in Hamburg jederzeit bewundern können. Sicherlich werden die Initiatoren ein gut durchdachtes wirtschaftliches Modell umgesetzt haben und der Ursprung war vielleicht ebenso wenig ein Verein, wie das Team hundertprozentig basisdemokratisch aufgestellt war. Dennoch muss die Überzeugung und Begeisterung für das gemeinsame Ziel bei allen Beteiligten so groß gewesen sein, dass die Abweichungen vom idealistischen Gleichheitsansatz den Erfolg nicht gefährdet haben. Gemeinsame Kreativität, Ko-Kreativität, multipliziert genau dann den Wirkungsgrad eines Teams und ermöglicht unglaubliche Leistungen, wenn der Wettbewerb und der individuelle Egoismus überwunden werden. Und wir kennen noch mehr gute Beispiele.

162

5  Interest Management

Berühmte Rock-Bands in ihren Anfangsjahren haben aus enger Freundschaft und im Unglauben, jemals erfolgreich sein zu können, die Musikwelt erobert und umgekrempelt (bis dann individuelle Egoismen zu Machtkämpfen und dem Zerfall der Formation führten). Junge Forscherteams haben Durchbrüche der Wissenschaft ermöglicht, weil sie an den ethischen Wert des gemeinsamen Ziels glaubten und ihre eigenen Interessen hintenangestellt haben. Das bedeutet also, dass es möglich ist, zwischen Team-Mitglieder einen Multiplikationseffekt der Leistungsfähigkeiten und der Kreativität zu erzielen, wenn man es schafft, zumindest temporär ein vom individuellen Wettbewerb befreites Arbeitsumfeld zu schaffen. Dafür müssen alle Beteiligten sich mit dem gemeinsamen Ziel identifizieren und sich ihres fairen Anteils am Erfolg sicher sein können. Dafür sollen hier ein paar praktische Vorschläge gemacht werden, die Sie als Anregung verstehen mögen. Alle haben das Ziel, in Ihrem Unternehmen die Kreativität, Motivation und Identifikation der Mitarbeiter zu erhöhen und somit die Innovationskraft des Unternehmens zu stärken. Dabei beschränken wir uns an dieser Stelle auf Beispiele, die nach außen, also auf externe Partner gerichtet sind. Der Begriff der Ko-Kreativität und erfolgreiche Maßnahmen, die nach innen gerichtet sind, werden im zweiten Teil dieses Buches ausführlich dargestellt. Interner Think-Tank In regelmäßigen Abständen wird durch einen älteren und erfahrenen Kollegen mit Führungserfahrung (gerne auch vom Betriebsrat) ein Innovations-Workshop veranstaltet und moderiert. In diesem ist jeder Teilnehmer gleich und es können beliebige Vorschläge für Produkt- oder Prozessverbesserungen eingebracht werden. Der Moderator sorgt dafür, dass jeder Vorschlag nur positiv kritisiert werden darf. Die Auswahl der besten Vorschläge erfolgt in einer geheimen Abstimmung. Die besten drei pro Durchlauf werden der Geschäftsleitung vorgestellt. Neben den üblichen Vergütungsverfahren für Verbesserungsvorschläge, sollten Prämien und Erfolgsbeteiligungen für den Einreicher und alle Beteiligten geeignet ausgelobt und auch ausgeschüttet werden. Studenten und Doktoranden Ihr Unternehmen bietet Studenten und Doktoranden Möglichkeiten für Praktika, Bachelor- oder Masterarbeiten und Werkstudententätigkeiten unabhängig von konkreten, geschäftsstrategischen Zielsetzungen. Die Betreuung erfolgt durch freiwillige Paten in den jeweiligen Abteilungen, die dann gemeinsam die Ergebnisse vortragen und auch für die Zeugniserstellung durch das Unternehmen zuständig sind. Mentoring Ihr Unternehmen unterstützt Forschungsprojekte oder auch Start-ups mit eigenen, freiwilligen Mitarbeitern. Die Projekte, die unterstützt werden, müssen nicht unbedingt zu den geschäftsstrategischen Zielen des Unternehmens passen. Auf alle Fälle aber sollte das über

5.6  Interest-Management als Methode

163

die Mitarbeiter bereitgestellte Knowhow dem unterstützten Projekt weiterhelfen. Auf der Basis geeigneter Vereinbarung darf Ihr Unternehmen extern und Ihr Mitarbeiter intern über die Arbeit und ihre Ergebnisse berichten. Mitnutzung von technischen Ressourcen In vielen Unternehmen werden die technischen Ressourcen (Labortechnik, Modellwerkstatt, Vorserienfertigung, Produktion, …) nicht immer zu 100 % ausgelastet sein. Auslastungslücken können als Ressource Universitäten und Tech-Start-ups angeboten werden. Vertraulichkeitserklärungen sichern die Nutzer ab. Dennoch wird Ihr Unternehmen von der innovativen Dynamik und dem Enthusiasmus profitieren, denn die Ko-Kreativität Ihrer eigenen Mitarbeiter wird automatisch angereizt. Offener Inkubator Die Start-up-Szene ist vielfältig und sehr oft bereits selbst ein Lifestyle-Produkt. Aber es gibt sehr viele ernst zu nehmende junge Menschen, die ihre Ideen in eigenen Unternehmen realisieren wollen. Sogenannte Inkubatoren bieten die erforderliche Infrastruktur, Beratungsleistungen und sehr oft auch finanzielle Unterstützung an. Diese Inkubatoren werden als privatwirtschaftliche Dienstleistung, als branchenspezifische Einrichtungen bestimmter Großunternehmen oder auch im Umfeld von Universitäten angeboten. Im eCommerce-­ Bereich ist dafür auch nicht viel mehr als Tisch, Stuhl, WLAN, Pizza und Kaffeemaschine erforderlich. Im Tech-Bereich hingegen werden technische Infrastruktur sowie branchenspezifische Beratung und Unterstützung gebraucht. Wenn es Ihr Unternehmen sich leisten kann, oder bereit ist dafür einen Fachverband zu gründen, dann kann ein offener Inkubator für den sich Tech-Start-ups in Wettbewerbsform bewerben können, viele neue Ideen und Geschäftsmodelle auch für Ihr Unternehmen hervorbringen, wenn den Teilnehmern auch dann Unterstützung und Hilfe beim go-to-market gewährt wird, wenn eine Idee nicht im Unternehmen oder Verband eingesetzt werden wird. All diesen Modellen ist gemein, dass sie die Akteure wenigstens für eine gewisse Zeit und in einem festgelegten Rahmen von Konkurrenzgedanken befreien soll. Das Unternehmen, dass solche Freiräume einrichtet und sicherstellt, muss sich in diesem Rahmen und für diese Zeit von unmittelbaren Profitgedanken – also dem primären Eigeninteresse – befreien, denn der Erfolg wird sich hauptsächlich mittelbar einstellen. Aber es lohnt sich, wie der Autor aus eigener Erfahrung mit diesen Modellen bestätigen kann.

5.6

Interest-Management als Methode

Was ist nun aus den vorangegangenen Betrachtungen das praktische Fazit für das Partner Management? Fassen wir zunächst ein paar Kernaussagen dieses ersten Teils des Buches zusammen und schauen wir dann, was sich daraus ableiten lässt.

164

5  Interest Management

Dabei beziehen wir uns die in Kap. 1 beschriebenen „drei Freuden“ einer Unternehmerin oder eines Unternehmers: Die Freude am Verändern und Verbessern Dafür braucht es Kreativität, die Fähigkeit Potenziale zu erkennen und Ziele auch visionär zu beschreiben. Die Freude an der Zusammenarbeit mit anderen Menschen Dafür muss man Vertrauen durch Integrität, Respekt, Anerkennung und Stetigkeit aufbauen und erhalten. Die Freude am gemeinsamen Erfolg Dafür muss man bereit sein, alle Beteiligten fair am Erfolg zu beteiligen. Kommen nun mehrere Menschen von mehreren Interessensgemeinschaften zusammen, Kunden, Lieferanten, Kooperationspartner oder Kollegen verschiedener Abteilungen, so sind sie zu zuerst einmal Menschen. Jeder folgt seinen Interessen und den drei „Freuden“, je nachdem wie sehr er oder sie ein Unternehmertyp ist oder nicht. Jeder hat Ideen und Ziele (zu erlangende Vorteile), jeder erwartet Respekt und Anerkennung und jeder möchte einen fairen Anteil am Kuchen, der zum Schluss verteilt wird. Wenn also für alle drei Freuden zwischen diesen Menschen am Ende für jeden ein befriedigendes Ergebnis erzielt wurde, so sind alle zufrieden und können miteinander arbeiten. Geht nur einer aus dem Raum und ist sauer, fühlt sich über’s Ohr gehauen, ausgegrenzt oder gering schätzt, dann wird er alles daransetzen, dass die anderen auch nicht erfolgreich sein können. Eingedenk dieses einfachen Zusammenhangs sollte man den Begriff des „Partner Managements“ eigentlich durch „Interest Management“ ersetzen, denn diejenigen, die sich dieser Aufgabe widmen, können nur erfolgreich sein, wenn sie die Interessen aller Beteiligten bereit und in der Lage sind zu bedenken und auszugleichen. Am Anfang steht also, alle Beteiligten nach den Interessen zu fragen, mit denen sie sich an einer gemeinsamen Aufgabe beteiligen wollen und natürlich auch die eigenen Interessen auf den Tisch zu packen. Ganz schnell einigt man sich bei den Punkten, die sich dann als gemeinsame Interessen offenbaren. Die verbleibenden Punkte bedürfen dann des Interessenausgleiches, was fast immer möglich ist. Viele Verhandlungen scheitern, obwohl der Konsens eigentlich überwogen hätte. Weil man sich aber eher belauert und mit verdeckten Karten spielt – so wie wir es von unserem Wettbewerbsdenken gewohnt sind  – wird viel Energie auch auf Konsensthemen verschwendet und der Konsens zerredet. Verstehen Sie sich also als „Interest Manager“ und machen Sie es sich zur Methode, die Frage nach den Interessen aller Beteiligten an den Anfang zu stellen. Achten Sie darauf,

5.6  Interest-Management als Methode

165

dass stets eine verlässliche Atmosphäre1 des Vertrauens und der Offenheit herrscht, damit alle den Mut haben aus ihrer „Deckung“ zu kommen.

„Chief Interest Manager“? Was soll das? Eigentlich ist es ganz einfach! Bereits mit der Gleichung des Erfolges im Abschn. 2.1 haben wir dargestellt, dass man Win-Win nur erreichen kann, wenn man sich auch mal in die Schuhe seines Gegenübers stellt und versucht, seine Sichtweise zu verstehen, also seine Interessen zu erkennen. Wenn beide Parteien den Werten „Respekt, Toleranz und Anerkennung“ folgen, sollte stets ein Konsens gefunden werden können, in dem jeder seine Interessen so weit wie möglich erfüllen kann und jeder zufrieden mit dem Erreichten ist. Dies setzt aber voraus, dass man gegenseitiges Vertrauen aufbaut und einander in einer Subjektbeziehung begegnet. Insofern ist dieses letzte Kapitel im ersten Teil unseres Buches auch die perfekte Überleitung zum zweiten Teil, in dem Sie viel Spannendes und Wichtiges über eben diese Subjektbeziehungen und das interner Partnering eines Unternehmens kennenlernen werden!

 Bei besonders heiklen Verhandlungen kann ein „Clean-Team-NDA“ diese Atmosphäre sicherstellen. Siehe Abschn. 3.5.1.

1

Teil II Internes Partner Management

6

Herausforderungen aus dem rasanten technischen Wandel

Zusammenfassung

In diesem Kapitel werden zunächst die Herausforderungen aus dem rasanten technischen Wandel ausgeführt, um daraus Erkenntnisse für interne Zusammenhänge abzuleiten, die für den Erfolg einer internen Partnerschaft entscheidend sind.

Unsere hoch industrialisierte Gesellschaft ist von einer grundlegenden Paradoxie und einer tief greifenden Herausforderung für die Arbeitswelt gekennzeichnet: Einerseits haben die modernen Technologien (Stichwort Digitalisierung) in den letzten Jahren eine enorme Steigerung der Produktivität und der materiellen Wertschöpfung ermöglicht. Doch andrerseits hat dies zu keiner für alle entlastenden und befriedigenden Teilhabe an der Wertschöpfung geführt, sondern weiterhin zu gravierenden Fehlentwicklungen und Herausforderungen. Die entstandenen Fehlentwicklungen und Herausforderungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Arbeit überlastet die Arbeitnehmer durch längere Arbeitszeiten, Leistungsdruck, Stress und Ausbeutung („Verdichtung der Arbeit“). Zugleich werden immer mehr Menschen aus der Erwerbsarbeit in Arbeitslosigkeit oder in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt. Die aus Arbeit erwirtschafteten Einkommen sind einerseits durch unterbezahlte Arbeit (Niedriglöhne, Zeitarbeit, usw.) und andererseits durch überhöhte, nicht durch eigene Leistung gedeckte Einkommen extrem ungleich verteilt. Eine einseitig auf monetären Gewinn hin orientierte „Arbeitskultur“ verhindert vielfach eine befriedigende Entfaltung in Kreativität, Beziehungen zwischen den Personen, Kommunikation und Sinnfindung in der Arbeitswelt. Andere Bereiche sinnvoller Tätigkeit © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_6

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6  Herausforderungen aus dem rasanten technischen Wandel

und Wertschöpfung wie Familienarbeit, ehrenamtliche Gemeinwohlarbeit u.  ä. werden weiterhin an den Rand gedrängt und unterbewertet. Die Folgen dieser Entwicklung sind bspw.:

1. Ausschluss von motivierten und qualifizierten oder qualifizierbaren Menschen aus einer gesicherten Erwerbsarbeit und somit eine weitere Spaltung der Gesellschaft. 2. Daraus folgend öffnet sich die Schere zwischen Überangebot, sinkender Kaufkraft und Unterkonsum. Das wiederum führt zu sozial-ökonomischen Crash-­ Tendenzen der Wirtschaft. 3. Auf Dauer überlastet dies den Sozialstaat und die sozialen Sicherungssysteme. 4. Bereits heute destabilisiert dies psychisch und sozial jene schwer, die aus Erwerbsarbeit und ausreichendem Einkommen ausgegrenzt worden sind. Jene, die Arbeit haben, sind häufig im Arbeitsprozess überlastet (Burnout-Syndrom) und haben Angst um den Arbeitsplatz und die eigene soziale Sicherheit. 5. Die Überbeanspruchung bei der Erwerbsarbeit hat auch Folgen in privaten und gesellschaftlichen Bereichen: Es fehlen immer mehr Humanressourcen in Familie, Gesellschaft und Kultur. In der Folge geht das zivilgesellschaftliche Engagement zurück, demokratisches Mitwirken und die Kulturteilhabe kommen zu kurz.

7

Die ganzheitliche Wertschöpfung von Arbeit

Zusammenfassung

Insgesamt kann eine ganzheitliche Wertschöpfung von Arbeit in bezahlte Lohn- bzw. Erwerbsarbeit, unentgeltliche Eigenarbeit (z. B.: Familienarbeit, Arbeit an Wohnung, Haus, Garten, usw.), ehrenamtliche Gemeinwohlarbeit (z. B. Vereine, Kirchen, Chor, usw.) und reproduktive Wertschöpfung (z.  B.  Erholung, Kunst, Kultur, usw.) eingeteilt werden.

Die moderne Wirtschaftsweise hat zwar Wohlstandszuwächse und Bequemlichkeiten gebracht, die es früher nicht gab. Doch sind mit ihr die „Entfremdung des Menschen in der Arbeit“ (Karl Marx) und die Spaltung der Gesellschaft nicht überwunden, sondern haben sich systemisch verfestigt. Es klemmte bereits seit einigen Jahrzehnten in unseren Unternehmen. Weiterhin ist es wichtig zu sehen, dass es auch in der Erwerbsarbeit  – wenn sie denn sinnstiftend sein soll  – um eine ganzheitliche Wertschöpfung geht. Diese kann in vier Bereichen gefunden werden. 1. Materieller Wert • Produktivität • Entlohnung • Gewinn 2. Sozialer Wert • soziale Einbindung • soziale Anerkennung • Soziale Sicherheit © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_7

171

172

7  Die ganzheitliche Wertschöpfung von Arbeit

3. Psychischer Wert • Kreativität • Kommunikation • Ganzheitliche Betätigung • Verantwortung 4. Ideeller/ethischer Wert • individuelle Sinnfindung • dem Guten, der Gemeinschaft dienen • spirituelle Sinnfindung Mit dem Hintergrund der entstandenen Fehlentwicklungen und Herausforderungen aus der Industrialisierung und der genannten ganzheitlichen Wertschöpfung möchte ich einen Bogen zur Corona-Situation und die vorangetriebene Digitalisierung spannen.

7.1

Trends und Probleme der jetzigen Arbeitswelt

In Zeiten von verstärkter digitaler Zusammenarbeit (Stichwort Home-Office) und den zukünftigen Trends, welche neue Chancen des Miteinanders schaffen, stehen viele Unternehmen vor Herausforderungen in Bezug auf die Zusammenarbeit ihrer Mitarbeiter und Teams. Die großen Trends, wie bspw. Digitalisierung, New Work, Automatisierung, Individualisierung, Gleichstellung der Geschlechter, Mobilität, Urbanisierung, usw. werden hierbei in der Abb. 7.1 aufgegriffen. Die damit einhergehenden Probleme könnten bspw.

Abb. 7.1  Trends und Probleme der jetzigen Arbeitswelt. (Quelle: ©CultureWork, 2020)

7.2  Die Rolle von Umfeld, Beziehungen und Empathie

173

bei der Führung, Innovationsgeschwindigkeit, Organisation, Kultur, Frustration, Mitarbeiter, usw. gefunden werden. Mir stellt sich bei der Betrachtung der Abbildung die Frage, was uns in einem Team oder in einer Gemeinschaft verbindet und stärkt? Wie können Unternehmen die ungenutzten Potenziale ihrer MitarbeiterInnen so hervorlocken und zum Leben erwecken, dass eine neue Stufe der Kreativität, des Miteinanders (Wir-Gefühl) sowie gemeinsamen Schöpfertum erreicht wird, auf der ungeahnte Leistungen entstehen? In all diesen Trends und Herausforderungen der modernen Arbeitswelt spielen das Umfeld, Beziehungen und Empathie eine große Rolle, auf die im nächsten Abschnitt genauer eingegangen wird. Meines Erachtens sollten die Herausforderungen genau mit diesen Ansätzen angegangen werden.

7.2

Die Rolle von Umfeld, Beziehungen und Empathie

In der Begegnung mit anderen Menschen können Potenziale erkannt werden, die der Person allein nicht bewusst sind und die allein nicht erschlossen werden können. Dafür muss man sich aus den „Verwicklungen“ befreien, z. B. mit Hilfe von anderen, die als „Entwicklungshelfer“ dienen können. Dabei bedeutet Entwicklung konkret die Selbstbefreiung aus all den Verwicklungen, in die wir durch unsere bisherigen Vorstellungen geraten sind. Allgemein ist die Fähigkeit, sich zu entfalten, das Leben mit all seinen Möglichkeiten, die es gibt, zu gestalten, glücklich zu sein und gesund zu bleiben von Geburt an in jedem Menschen angelegt. In der Studie „Kreativität – Wege zu erfolgreicher Innovation“ haben Cummings und Oldham (1998) gezeigt, dass es wesentlich vom Umfeld in der Arbeit abhängt, ob MitarbeiterInnen Ihr Potenzial entfalten können. Die Komplexität der Tätigkeit, nicht-­autoritärer Führungsstil, unterstützende Vorgesetzte, anregende ArbeitskollegInnen sowie kreative Konkurrenz (motivierende Herausforderungen) wurden als bedeutende Faktoren skizziert. Zudem kann anregend eingebracht werden, dass wir Zeit unseres Lebens von vier Bereichen geprägt werden, indem das Umfeld und die Arbeit auch eine Rolle spielen. 1. Umfeld charakterisiert durch Familie, Partnerschaft, Arbeit, Wohnung, Freunde, Wohnort, Landschaft kann nährend oder verstörend sein. 2. Ahnen und Familie: Das Erbgut bestimmt zu einem bestimmten Teil unseren Lebensweg. Harmonische Anlagen können gestärkt werden, disharmonische sind veränderbar (Gene sind veränderbar). 3. Ernährung und Lebensweise: Eine individuelle richtige Ernährung und Lebensart fördern das Wachstum. 4. Umwelt: Klima, Politik, Weltgeschehen fördern oder hemmen uns.

174

7  Die ganzheitliche Wertschöpfung von Arbeit

So sind unsere alltäglichen Beziehungen zu anderen Menschen von Empathie1 geprägt, denn das entspricht dem Innersten unserer Natur. Wir spiegeln uns etwas. Empathie ist genau das Mittel, mit dem wir unser Zusammenleben organisieren und unsere Zivilisation weiterentwickeln. Auf den Punkt gebracht: Die Entwicklung des empathischen Bewusstseins ist die wesentliche Grundlinie der menschlichen Geschichte – auch wenn die Historiker dem bisher nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt haben. Den vorherigen Ausführungen kann eine Frage angestellt werden: Wo muss Veränderung starten?

Wo muss Veränderung starten? Eigentlich ist es ganz einfach! Veränderung kann nur bei mir selbst beginnen. Wenn ich mich verändere, wird mein Umfeld darauf reagieren. Somit verändern wir uns. Durch unsere Veränderung können wir auch die anderen verändern. Insofern ist dieses Kapitel unseres Buches auch eine gute Überleitung zum nächsten Bereich des Internen Partnerings!

Literatur Cummings, A., & Oldham, G. R. (1998). Wo Kreativität am besten gedeiht. Harvard Business Manager, 4, 32–43.

 Das Sich-Hineinversetzen in die Gefühls- und Stimmungslage anderer, so dass diese sich verstanden und angenommen fühlen können. Dieses Gefühl führt bspw. bei Kleinkindern zu Urvertrauen und einem stabilen Selbst. Sie spielt in allen menschlichen Beziehungen eine Rolle und gelingt besser, wenn sich zwei Personen in ihrer Disposition ähneln und Parallelen in ihren Biografien aufweisen. Empathie wird auch als die Fähigkeit beschrieben, ‚da‘ zu sein. Zuhören, ohne zu werten, ehrlich am anderen interessiert sein, ohne bereits zu wissen. 1

8

Zustände und Konsequenzen des internen Partnerings

Eine Vielfalt an Mustern und Bindungen ist in Teams vorhanden!

Zusammenfassung

Angesichts der zunehmenden Komplexität und der vielfältigen wechselseitigen Abhängigkeiten und Verflechtungen werden innovative Weiterentwicklungen zunehmend durch die Qualität des Zusammenwirkens der Mitglieder von Teams bestimmt. In diesem Kapitel werden die bestehenden Zustände und die daraus resultierenden Konsequenzen beschrieben.

8.1

Welche Zustände existieren?

Es gibt vielfältigste Beziehungen in Teams, die durch verschiedene Bindungen und Netzwerke geprägt werden. Bei der einfachsten Form, der bilateralen Partnerschaft, erfolgt die Kommunikation, Kooperation bzw. Austausch direkt zwischen den beiden Parteien. Die bilaterale Form dominiert im Alltag in den Unternehmen, da oft zwei Personen in Gesprächen zusammen kommen. Wichtig zu erwähnen ist, dass beim internen Partnering unmittelbar auf das Verhalten reagiert werden kann und man sich sehr gut aufeinander abstimmen könnte. Jedoch kann es auch zum Ausnutzen von Macht- bzw. Hierarchiestrukturen in einer bilateralen Partnerschaft kommen (bspw. benötigen klassisch erzogene Männer MitarbeiterInnen „unter“ sich und es kommt zu keiner Begegnung auf Augenhöhe).

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_8

175

176

8  Zustände und Konsequenzen des internen Partnerings

Dazu ist evident, dass Partnerschaften horizontal, vertikal oder auch diagonal sein können. Der Ansatz dieses Buches unterstützt die horizontale Begegnung im internen Partnering, bei dem bspw. Frauen die gleiche Teilhabe, Autonomie, usw. in der Arbeitswelt (sei es im internen oder auch im externen Partnering) haben. Die Bindungsintensität kennzeichnet sich durch die Ausprägungsformen gering, moderat oder auch hoch. Mögliche Indikatoren zur Beurteilung dieser sind die Anzahl kooperativer Funktionsbereiche, der Entscheidungsgrad oder die Geschäftsbeziehung. Falls es nur zu einem Informations- oder Erfahrungsaustausch der internen Partner kommt, liegt eine geringe Intensität vor. Werden Aktivitäten und Entscheidungen aufeinander abgestimmt, kann von einer moderaten Bindungsintensität gesprochen werden. Eine hohe Bindung schließlich liegt vor, wenn alle kooperationsrelevanten Aktivitäten und Entscheidungen aufeinander abgestimmt und besprochen werden. Dabei sollte, wie in der chinesischen Philosophie oder im asiatischen Raum üblich, stets das „Gesicht“ der internen Partner gewahrt werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist eine „Win-Win-­ Situation“ der beteiligten Partner. Die fünf Erfolgsfaktoren, die einen großen Einfluss auf das interne Partnering haben, sind:

1. Status 2. Certainty (Gewissheit) 3. Autonomy (Selbstbestimmtheit) 4. Relatedness (Verbundenheit, Zugehörigkeit) 5. Fairness (Gerechtigkeit)

Die Erkenntnis daraus ist: Wir können uns nicht nur um uns selbst kümmern oder uns als Einzelne bzw. Teams in nahezu autistische Verhaltensmuster zurückziehen, sondern sollten in stetiger Kooperation und Kommunikation mit unseren Partnern stehen. Wenn eine weitere Person dazu kommt, spricht man von multilateralen Formen des internen Partnerings. Hierdurch kann es zu einer starken Veränderung der Beziehungsqualität kommen, da diese Konstellationen bereits indirekte Beziehungen oder Koalitionen, bzw. asymmetrische Informations- und Machtbeziehungen, beinhalten. Multilaterale Formen können durch Matrixorganisationen oder auch Netzwerke (einfache und komplexe) dargestellt werden, wie in Abb. 8.1 ersichtlich.

8.2

Konsequenzen

In diesem Abschnitt wird auf die positiven und negativen Konsequenzen eingegangen, wenn internes Partnering gelingt oder nicht so gut läuft.

8.2 Konsequenzen Bilaterale Bindungen

Einfache Netzwerke

177 Trilaterale Bindungen

Komplexe Netzwerke

Abb. 8.1  Einfache und multilaterale Formen des Partnerings. (Quelle: Morschett et al. 2003)

Bei einer positiven und konstruktiven Begegnung im internen Partnering ist mit mehr Freude und Begeisterung, Kosten und Zeitoptimierung, mehr Klarheit in den Prozessen, Koordination von Abläufen, Zufriedenheit sowie positiver Mitgestaltung zu rechnen. Es bleibt mehr Zeit für Wesentliches und das Selbstvertrauen wird bei den betroffenen Individuen gestärkt. Andererseits können negative Konsequenzen, bei einem nicht – wertschätzenden Verhalten oder dem Fehlen von Kooperation, langsame Prozesse und zeitraubende Tätigkeiten sein, unmotivierte Mitarbeiter oder das Entstehen von Konflikten, wenn die Kommunikation nicht oder nur teilweise stattfindet. Dies führt im internen Partnering oft zu Effizienzverlust, Fluktuation oder auch Krankenständen, da die Beziehung zwischen den Parteien „krankt“. Es ist dabei die Anwendung all dessen, was im Teil I für externe Partner beschrieben wurde, ebenso auf die internen abzubilden, da sowohl im externen und internen Partnering Menschen miteinander arbeiten bzw. es immer „menscheln“ wird in Unternehmen. Fol-

178

8  Zustände und Konsequenzen des internen Partnerings

gend werden noch einige Punkte vorgestellt, die ein internes Partnering unterstützen können. Einige Punkte, die ein internes Partnering unterstützen können, sind:

1. Jeder Kooperationspartner sollte von einer Begegnung lernen und aktiv teilhaben am Prozess 2. Ein präzises Kooperationsziel sollte vereinbart warden (Sinnfindung nach Viktor Frankl) 3. Erwartungen und Zielvorstellung sind auf eine gemeinsame Basis zu bringen 4. Komplexität des eigenen Bereiches und der eigenen Wahrnehmungen darstellen und erläutern 5. Festlegen von Kooperations-Maßnahmen und Terminen 6. Aufgaben, Kompetenzen und Zuständigkeiten sollten klar verteilt werden 7. Gleiche Rechte und Pflichten für alle Kooperationspartner 8. Gleichmäßige Verteilung der Zeit- und Personalressourcen

Aktuelle Forschungen über die Erfolgskriterien des internen Partnerings zeigen klar und deutlich, dass nicht allein die fachliche Qualifikation der Personen über deren Erfolg von Organisationen entscheidet. Von vorrangiger Bedeutung ist die Entwicklung einer offenen und konstruktiven Kommunikationskultur und die Bereitschaft zu Kooperation, bestmöglich zu einer Ko-Kreativität. Dies wird besonders durch zwei Faktoren hervorgehoben: • Erstens, ob und wie gut es Partnern gelingt, die eigenen inneren Haltungen und persönlichen Handlungsmuster zur reflektieren. • Zweitens, wie gut Sie als Partner wertschätzend die Wechselwirkungen dieser individuellen Haltungen, Muster und deren Auswirkungen auf Ihre Zusammenarbeit reflektieren können. Wenn beides gut gelingt, kann von Beginn an eine tragfähige Wertebasis und ein Verständnis für die individuellen Herangehensweisen entwickelt werden. Nur auf dieser Basis ist ein dynamischer und inhaltlich konstruktiver Prozess möglich, ohne dass auf der persönlichen Ebene Missverständnisse und daraus Konflikte entstehen und mentale Ressourcen verschwendet werden. In der Praxis ist dies jedoch nicht so einfach und beinhaltet einen „längeren Atem“ und viele Gespräche, um an den individuellen Haltungen, Mustern und deren Auswirkungen auf das interne Partnering zu arbeiten. All diese Bindungen und wechselseitigen Begegnungen kommen in Teams vor. Zum größten Teil unbewusst und zufällt. Vor diesem Hintergrund wurde ein WeQ-Test für

Literatur

179

Teams entwickelt, der die Wechselwirkungen sichtbar macht und im nächsten Kapitel detailliert vorgestellt wird. Abschließend sei hervorgehoben, dass stets wir selbst Gestalter aller unserer Beziehungen und Lernprozesse sind oder sein sollten. Sind wir es nicht, dann sind wir das Objekt von jemand anderem und damit fremdbestimmt.

Literatur Morschett, D., Zentes, J., & Swoboda, B. (2003). Kooperationen, Allianzen, Netzwerke. Grundlagen-­ Ansätze-­Perspektiven. Wiesbaden: Gabler.

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Neues Tool – der WeQ-Test

Ausgangspunkt für Veränderungen?

Zusammenfassung

Der WeQ-Test wurde entwickelt, um die Qualität des Zusammenwirkens aller Mitglieder eines Teams sichtbar zu machen. Er gibt Aufschluss über das Ausmaß, in dem die individuellen kognitiven, sozialen und emotionalen Kompetenzen der Mitglieder eines Teams miteinander verknüpft sind und auf konstruktive Weise für kooperative und ko-kreative Leistungen des Teams genutzt werden können. In diesem Kapitel soll herausgestellt werden, wozu das neue Tool des WeQ-Tests dient, welche Inhalte dabei vorkommen, wie man es anwendet und wie die Ergebnisse dabei zu lesen sind. Die Hauptbestandteile werden dabei kurz angeschnitten, um Neugierde bei den Lesern zu wecken, dieses innovative Tool auch in ihren Teams anzuwenden.

9.1

Die Fähigkeit zur Teamentwicklung

Kein Mensch entwickelt die in ihm liegenden Potenziale alleine. Unsere Welt ist heute hochkomplex und für die vielzähligen Herausforderungen und Probleme unseres Jahrhunderts gibt es nur sehr selten einfache Lösungen. Stattdessen wird offenbar, dass viele Themen in vielschichtiger Weise miteinander verknüpft und diffizilen Abhängigkeiten unterworfen sind.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_9

181

182

9  Neues Tool – der WeQ-Test

Wenn Menschen Neues oder wahre Innovationen entwickeln wollen, sind sie daher darauf angewiesen, über die Fähigkeiten des Einzelnen hinaus zu denken. Sie müssen ihr Potenzial als Team entwickeln, damit aus ihnen mehr wird, als eine Summe von Einzelpersonen. Dazu benötigt es gegenseitige Unterstützung, Inspiration und Ermutigung, die persönlichen Stärken bestmöglich ins Team einzubringen und kontinuierlich über sich selbst hinauszuwachsen. Kreatives, innovatives Zusammenarbeiten kann daher nur mit einer entsprechenden inneren Haltung aller Beteiligten und einer passenden Kultur in der Gesamtorganisation geschehen. Diese Kultur wird auch „Subjektkultur“ genannt, in der sich Menschen als selbstbestimmte, gestaltungsfähige und selbstverantwortliche Subjekte begegnen. Solange sich Menschen in Organisationen jedoch gegenseitig zu Objekten ihrer Bewertungen, Erwartungen, Absichten, Ziele, Maßnahmen, Anordnungen etc. machen, können Potenziale sich nicht entfalten. Durch die Fähigkeit zur Innovation und Teamentwicklung, wie in der Einleitung ersichtlich, wurde von Hirnforscher Dr. Gerald Hüther und Psychologe Dr. Klaus-Dieter Dohne ein WeQ-Test entwickelt, der verschiedene Fragen tiefer untersucht. In meiner Doktorarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien zum Thema „Success factors of transformative learning for sustainable development“ konnte ich den WeQ-Test bei acht Unternehmen in Berlin und Wien anwenden und habe diese mit einem „Online-Questionnaire“ zur Beurteilung der Qualität eines Teams befragt. Dabei füllten alle Teammitglieder den Fragebogen aus und nach Eingang der entsprechenden Antworten wurde dieser nach optimierten Algorithmen ausgewertet. cc

Eine Analyse der einzelnen Faktoren gibt Auskunft darüber, wo die besonderen Stärken und auch die Herausforderungen im internen Partnering zu finden sind.

Der WeQ-Test dient dazu, um konkret die Qualität einer Teamentwicklung und -kultur sichtbar zu machen. Mit Hilfe des Tools lässt sich messen und visualisieren, wie gut es einem Team bereits gelungen ist, die für alle innovativen Potenzialentfaltungsprozesse erforderliche Subjektkultur herauszubilden. Zugleich wird zielgerichtet sichtbar, wo möglicherweise herausfordernde Themen verborgen liegen, die den Weiterentwicklungsprozess des Teams erschweren oder blockieren.

9.2

Die Inhalte des WeQ-Tests

Der WeQ-Test beinhaltet 42 Aussagen, die es zu bewerten gilt. Die Form der Fragen verlangt, dass Sie zwischen Ihrer Perspektive und der Perspektive der anderen Mitglieder der Gemeinschaft wechseln müssen. Der Wechsel zwischen einer Innen- und einer Außenperspektive ist für das menschliche Gehirn besonders anstrengend und erfordert eine große Menge mentaler Energie.

9.2  Die Inhalte des WeQ-Tests

cc

183

„Die Wahrnehmung ist ein Spiegel, keine Tatsache. Und das, worauf ich schaue, ist mein Geisteszustand, der sich außen spiegelt … Alles, was du wahrnimmst, ist Zeuge für das Denksystem, das du wahrhaben willst.“ (Michael Dawson)

Die Auswertung erfolgt anonym, so dass Ihre Antworten nicht transparent für die anderen werden. Es geht hier nicht um die Einschätzung einzelner Personen, sondern um die Qualität in Ihrem Team. Die Fragen sind folgendermaßen aufgebaut: Zunächst erfahren Sie in einem kurzen Hinführungstext die Hintergründe und verschiedenen Ausformungen eines Aspektes von Teamkultur und Zusammenarbeit. Anschließend wird eine Aussage zu diesem Aspekt gemacht. Die einzelnen TeilnehmerInnen beantworten jede einzelne Aussage (von 42 Aussagen) in den folgenden vier Dimensionen. 1 . Ihre persönliche Einschätzung (das heißt Ihre persönliche Meinung)? 2. Wie würden andere Mitglieder Ihres Teams die Frage beantworten? Es gibt keine richtige oder falsche Antwort, aber bitte beantworten Sie, wie andere die Frage beantworten würden (das heißt die Ansicht anderer Mitglieder). 3. Was würden Sie sich für Ihr Team wünschen (das heißt Ihren persönlichen Wunsch)? 4. Was würden sich andere in Ihrem Team wünschen (das heißt Verlangen der anderen Mitglieder)? Die Befragten geben ihre Antwort auf jede dieser Fragen auf einer Skala von 1 bis 6, während 1 = „Vorschlag gilt überhaupt nicht“ und 6 = „Vorschlag gilt vollständig“.

Dimension 1 Dimension 2 Dimension 3 Dimension 4

cc

Trifft nicht zu 1 o o o o

2 o o o o

3 o o o o

4 o o o o

5 o o o o

Trifft voll zu 6 o o o o

Und gleich noch ein Tipp: Empfehlenswert ist daher, dass Sie sich für die einzelnen Fragen nicht nur Zeit nehmen, sondern auch ungestört sind. Hilfreich ist es auch, nach einigen Fragen oder nach Abschlusses eines Abschnittes eine Pause zu machen. Sie können jederzeit zu der Stelle im WeQ-Test zurückkehren, an der Sie ihre Arbeit unterbrochen haben.

Des Weiteren besteht der WeQ-Test aus neun Faktoren: 1. Unterstützung im Team 2. Sozial-emotionale Kommunikation 3. Sachbezogene Kommunikation

184

9  Neues Tool – der WeQ-Test

4 . Umgang mit Diversität 5. Teilhabe 6. Gemeinsame Werteorientierung 7. Kooperativität 8. Offenheit für Veränderungen 9. Fehlerkultur Für den interessierten Leser werden die einzelnen Faktoren noch genauer beschrieben und definiert, um ein runderes Bild vom Inhalt des WeQ-Tests zu bekommen. Bei jedem einzelnen Faktor können die besonderen Stärken und Herausforderungen herausgelesen werden, an denen ein Team noch weiterarbeiten könnte. cc Unterstützung im Team  Der Faktor Unterstützung im Team zeigt an, wie gut es gelingt, neue Mitglieder in ein bestehendes soziales System zu integrieren, ohne dass die bestehende Ordnung zu sehr irritiert wird und so, dass die Neuen stabil und wohlwollend aufgenommen werden. […] cc Sozial-emotionale Kommunikation  Der Faktor sozial-emotionale Kommunikation erfasst im Detail, ob es zur positiven Beruhigung der sozial-emotionalen Bewertungsebenen im Gehirn kommt oder ob Irritation, Angst oder Desorientierung das Miteinander und die Kommunikation bestimmen. […] cc Sachbezogene Kommunikation  Der Faktor sachbezogene Kommunikation beschreibt, in welchem Umfang alle Mitglieder alle relevanten Sachinformationen erhalten, die sie für eine adäquate Beteiligung an den Aufgaben in der Gemeinschaft benötigen. Ferner erfasst dieser Faktor das Ausmaß an Toleranz, das abweichenden Vorstellungen und Meinungen entgegengebracht wird. […] cc Umgang mit Diversität  Jede Gemeinschaft lebt von den unterschiedlichen Persönlichkeiten, Kompetenzen, Erfahrungen, Wissen und kulturellen Werten der Mitglieder. Die Ausprägung dieses Faktors zeigt an, wie gut es in der Gemeinschaft gelingt, diese Unterschiedlichkeiten als Ressourcen zu nutzen, anstatt sie als Probleme zu betrachten. Am Umgang mit Diversität werden die inneren Haltungen und die damit verbundenen Routinen und Automatismen im Verhalten gegenüber anderen Mitgliedern der Gemeinschaft sichtbar. […] cc Autonomie-Ausrichtung, Teilhabe  Dieser Faktor gibt Auskunft darüber, in welchem Umfang sich die einzelnen Mitglieder Ihres Teams eingeladen und ermutigt fühlen, ihre

9.3  Die Anwendung des WeQ-Tests

185

subjektiven Vorstellungen, Meinungen und Interessen zum Ausdruck bringen und in einem offenen und konstruktiven Dialog mit den anderen Mitgliedern gemeinsam nach tragfähigen Übereinkünften und Lösungen zu suchen. […] cc Gemeinsame Werteorientierung  Der Faktor ermöglicht eine Abschätzung, wie gut es in Ihrem Team gelungen ist, ein gemeinsames Anliegen, ein gemeinsam verfolgtes Ziel oder eine gemeinsame Orientierung an bestimmten Werten zu definieren. Diese gemeinsame Orientierung stärkt den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft und dient als Richtschnur an der sich das Zusammenleben und das gemeinsame Bemühen ausrichten. […] cc Kooperativität  Dieser Faktor zeigt das Maß der Kooperation der Mitglieder in Ihrem Team. Dazu gehört, dass das Konkurrenzverhalten gering ist, keine doppelbödige Umgangskultur auf der Kommunikations- und Beziehungsebene vorhanden ist. […] cc Offenheit für Veränderungen  Jede Gemeinschaft lebt von der Offenheit und der Prüfung und Erprobung neuer Ideen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, alte Überzeugungen, Werte und Grundhaltungen zu hinterfragen bzw. diese einer Prüfung zu unterziehen. Dieser Faktor gibt Auskunft darüber, wie offen das Team für Veränderungen ist. […] cc Fehlerkultur  Dieser Faktor streicht heraus, ob Fehler wirklich als Herausforderung der Gemeinschaft gesehen werden, oder ob auftretende Fehler eher einzelnen oder wenigen Mitgliedern zugeschrieben werden. […]

9.3

Die Anwendung des WeQ-Tests

Der WeQ-Test ist eine Intervention, die von Anfang an tief wirkt: Alle Mitglieder des Teams beantworten den Test individuell und vollkommen anonym. Dabei wird zu unterschiedlichsten beruflichen Szenarien jeweils nach den subjektiven Einschätzungen des gegenwärtigen und des erwünschten Zustandes der Zusammenarbeit in einem Team gefragt. Es werden alle Teilnehmer gebeten, sich auch in die anderen Mitglieder ihres Teams hineinzuversetzen und aus dieser Fremdperspektive eine Einschätzung abzugeben. Allein die Reflektion aller bedeutsamen Aspekte von Zusammenarbeit gibt den Teilnehmern „ganz nebenbei“ viele wertvolle Anregungen zu einer nachhaltigen und positiven Gestaltung von Zusammenarbeit. Durch diesen Perspektivwechsel wird außerdem der Grundstein für die Einnahme einer Metaperspektive auf das Geschehen im Team gelegt. So kann bereits die Durchführung ein Anstoß zur Veränderung der Zusammenarbeit sein.

186

9  Neues Tool – der WeQ-Test

Insgesamt werden im kompletten WeQ-Test sechs Themenfelder mit 42 Aussagen dargelegt. Die verschiedenen Themen werden mit einem Einführungstext begonnen und danach werden einige Aussagen zu diesem Thema vorgenommen. Beim Thema „Einführung“ sind bspw. die 1a oder die 2a eine Aussage, wie weiter unten ersichtlich. Außerdem ist beim Thema des „Integrationsprozesses“ bspw. die 3a eine Aussage. Für den interessierten Leser werden einzelne Aussagen noch genauer vorgestellt, um zur Anwendung des WeQ-­ Tests eine bessere Vorstellung zu bekommen. cc Einführung  Wenn ein neues Mitglied dem Team beitritt, gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein neues Mitglied willkommen zu heißen. Einige Teams begrüßen offen und aktiv ein neues Mitglied, welches viel Zeit und Aufmerksamkeit erfordert. Während andere weniger formell sind und es dem neuen Mitglied und den bestehenden Mitgliedern überlassen, frei zu interagieren. Dies sind zwei Beispiele für verschiedene Arten, ein neues Mitglied willkommen zu heißen, und sie können die Integration des neuen Mitglieds in das Team beeinflussen.  1a. In meinem Team wird die Aufnahme eines neuen Mitglieds aktiv gestaltet (z. B. durch Begrüßungsrituale), und es besteht Einigkeit darüber, dass diese sensible Phase der Integration eines neuen Mitglieds in das Team sowohl für die bestehenden Mitglieder als auch für das neue Mitglied eine intensive Phase ist. Daher glauben viele Teams, dass diese Anpassungsphase wichtig ist, und sie müssen neuen und bestehenden Mitgliedern ermöglichen, offen über mögliche Probleme und Konflikte zu diskutieren, die während der Integrationsphase auftreten könnten. 2a. Um mögliche Irritationen und Konflikte zu vermeiden, die während der Integrationsphase auftreten können, werden die „bestehenden“ und „neuen“ Mitglieder von Anfang an auf den Prozess und mögliche Probleme, Irritationen und Ängste aufmerksam gemacht, die während des Anpassungsprozesses auftreten könnten. 2b. Neue Mitglieder erhalten auf unterstützende Weise transparente Informationen über die sozialen Regeln und die Rolle in ihrem Team, damit sie keine Nachteile erleiden.

cc Integrationsprozess  Das Finden von Zielen und eines gemeinsamen Zieles in einem Team kann von allen Mitgliedern auf demokratische und engagierte Weise erfolgen. In einem Solchen Team wird jeder Beitrag und jede Meinung begrüßt, auch wenn sie nicht der Mehrheitsmeinung entspricht.  3a. Generell besteht in meinem Team ein Interesse daran, Meinungsverschiedenheiten zu akzeptieren und sie als Gelegenheit zu betrachten, verschiedene Perspektiven kennenzulernen. […] cc Umgang mit Konflikten und Unterschieden  Konflikte gehören in allen sozialen Gruppen und Teams zum Alltag und es ist wichtig, wirksame Bewältigungsmechanismen zu

9.3  Die Anwendung des WeQ-Tests

187

finden. Die Mitglieder müssen miteinander reden und eine Einigung mit anderen zu unterschiedlichen Meinungen und unterschiedlichen Persönlichkeiten erzielen. Je größer der Unterschied der Mitglieder in Bezug auf Persönlichkeit, Talente und Fähigkeiten ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit von Konflikten, die im Team auftreten können. Im heterogenen Team sind Teamfähigkeit und -entwicklung wichtige Ziele und führen zu einem hohen Erfolgs- und Überlebenspotenzial. Diese teams erkennen die Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedern an, respektieren sie und nutzen sie. Die Teilnehmer akzeptieren, dass unterschiedliche Perspektiven zu Konflikten führen können, sollten jedoch offen diskutiert und verhandelt werden.  9a. In meinem Team wird anerkannt, dass eine offene Diskussion Konflikte verstärken kann. Der Fokus liegt darauf, die notwendige Zeit, Energie und Ressourcen zu investieren, um eine Lösung und tragfähige Verhandlungsprozesse zu finden. […]

cc Mögliche Entwicklung und soziale Interaktion  Mitglieder sind oft vorsichtig und gehen zurückhaltend vor, wenn sie anderen Bewertungen und Rückmeldungen zu ihrem Verhalten geben. Mitglieder werden ermutigt, darüber nachzudenken, wie sich ihr Verhalten auf andere auswirken kann. Die Mitglieder verstehen, dass Spekulationen zu Missverständnissen führen und Schwierigkeiten im Umgang miteinander verursachen können. Ein echtes Verständnis dafür, wie ihr eigenes Verhalten von anderen wahrgenommen wird, ist schwer zu erreichen.  Um soziale Beziehungen weiterzuentwickeln, ist es wichtig, über ihr eigenes Verhalten nachzudenken, wie es von anderen wahrgenommen werden kann, und Feedback zu erhalten, wie sie ihr Verhalten mit Hilfe anderer regulieren können. 15a. Mitglieder erhalten zeitnahe, direkte und offene Vorschläge und Rückmeldungen zu ihrem Verhalten und wie es von anderen wahrgenommen werden kann, damit sie ihre sozialen Beziehungen verbessern und gut mit anderen zusammenarbeiten können. […] cc Umgang mit Veränderungen und neuen Ideen  Neue Ideen stehen häufig frühere Verhaltensmuster und -Praktiken in einem Team in Frage. Dies erfordert ein hohes Maß an Bereitschaft der Teammitglieder, Anpassungen im Team vorzunehmen. Da neue Ideen und Ansichten zuvor akzeptierte Überzeugungen in Frage stellen können, können sie von anderen Mitgliedern als potenzielle Bedrohung wahrgenommen und blockiert werden. Dies kann dazu führen, dass das Team lange an den alten, ungeeigneten Überzeugungen und Strategien festhält.  23a. Die Mitglieder ermutigen sich gegenseitig und bitten sich gegenseitig, die bestehenden Überzeugungen und Ideen in Frage zu stellen […]

188

9  Neues Tool – der WeQ-Test

cc Trennung und Abgang eines Mitglieds  Teams entwickeln unterschiedliche Regeln im Umgang miteinander und im Umgang mit „Störern“. Abweichendes Verhalten einzelner Mitglieder kann als wichtiger Beitrag zur Entwicklung eines Teams gewertet werden. Wenn jedoch im Einzelfall keine Vereinbarung oder Kooperation gefunden werden kann, muss eine Trennung vorgenommen und das Ausscheiden des Mitglieds beantragt werden. Wenn die Trennung nicht erfolgreich ist, kann dies zu Konflikten, Kämpfen und abwertenden Bewertungen führen, die zu „offenen Wunden“ führen. In einigen Teams brechen viele Beziehungen aufgrund von Konflikten und führen zu einer regelmäßigen Trennung der Teammitglieder.  26a. In meinem Team wird die Trennung und Abschied eines Mitglieds gut gehandhabt, damit keine „offenen Wunden“ entstehen und Konflikte bestehen bleiben. 26b. Die Trennung eines Mitglieds von meinem Team beginnt mit Konflikten und Scham und endet mit einer Trennung der Beziehung. […] Dies waren einige Beispiele aus 42 Aussagen im WeQ-Test. Wie bereits erwähnt, ist es wichtig, den Zusammenhang zwischen den Sätzen und der Bewertung jedes Satzes in vier Dimensionen zu skizzieren. Dieses Zusammenspiel von zwei inneren und zwei äußeren Perspektiven ist für ein menschliches Gehirn besonders stressig und erfordert viel geistige Energie. Jedoch wird zielgerichtet sichtbar, wo möglicherweise herausfordernde Themen verborgen liegen, die den Weiterentwicklungsprozess des Teams erschweren oder blockieren. Alle individuellen Perspektiven werden schließlich zusammengeführt. Für die Auswertung der Ergebnisse haben wir eigens eine Visualisierung entwickelt, die nicht einfach in der Schublade verschwindet, sondern insbesondere gezielt in z. B. Kultur-Workshops mit dem Team genutzt wird.

9.4

Die Auswertung des WeQ-Tests

Alle individuellen Perspektiven werden schließlich zusammengeführt. Für die Auswertung der Ergebnisse wurde eigens eine Visualisierung entwickelt, die nicht einfach in der Schublade verschwindet, sondern insbesondere gezielt in z. B. Kultur-Workshops mit dem Team genutzt wird. Es kann sichtbar gemacht werden, wie die Teilnehmer verschiedene Aspekte der Interaktion und Kommunikation im Team wahrnehmen. Mittels eines spezifisch entwickelten grafischen Analyse-Tools werden gezielt die besonderen Stärken und aktuellen Problemfelder des Teams beleuchtet (Abb. 9.1). cc

Die Gesamtleistung eines Teams ist umso besser, je mehr Verknüpfungen sie zwischen den Knotenpunkten herstellt! Die Einbeziehung aller Beteiligten und die Förderung des kreativen Zusammenspiels ist der Schlüssel. Auf die Synergie kommt es an!

9.5 Möglichkeiten in der Praxis

189

Abb. 9.1 Verknüpfungen zwischen Knotenpunkten. (Quelle: ©CultureWork, 2020)

Bei der Auswertung des WeQ-Test ist zu sagen, dass dieser Informationen über die Fähigkeit und Bereitschaft von Mitgliedern einer Gruppe zur Zusammenarbeit liefert. Der Zweck dieses WeQ-Tests ist es, ihnen zu helfen, als Team zusammenzuwachsen und die Potenziale jedes einzelnen Mitglieds und jeder Gruppe in Zukunft erfolgreicher und nachhaltiger zu machen. Die vorgestellten 42 Aussagen sind beschreibend und werden mit einer Likert-Skala in vier Dimensionen bewertet. Diese Aussagen werden in sechs Themen und neun Faktoren operationalisiert, wie am Anfang beschrieben. Es kann für jeden der neun Faktoren sowohl ein WeQ-Ergebnis als auch ein Gesamt-­ WeQ-­Ergebnis erzielt werden. Das WeQ-Ergebnis repräsentiert die Art der Beziehung auf einer Skala zwischen 0 und 100. Diese Art des Umgangs miteinander wird als „Subjektbeziehung“ (definiert als 100) gesehen und steht im Gegensatz zur „Objektbeziehung“ (definiert als „0“). Das heißt, der ermittelte WeQ-Wert zeigt an, wie gut in Ihrem Team die Potenzialentfaltung miteinander gelingt. Sie erkennen auf einen Blick, in welchem Maß die Ausbildung zu einer besseren und kooperativeren Kultur Ihres Teams verwirklicht wurde.

cc

Je höher der WeQ-Wert in Richtung 100 ausgeprägt ist, desto sicherer gelingen wahrscheinlich die Kommunikations- und Interaktionsmuster in ihrem Team – also die konkrete Beziehungsgestaltung der Mitglieder untereinander.

9.5

Möglichkeiten in der Praxis

Von einem kurzen Überblick und „Check“ Ihres Teams bis hin zu einer intensiven Unterstützung in Ihrem Veränderungsprozess. Der WeQ-Test bietet je nach Wunsch genau den richtigen Tiefengrad für Ihre Fragestellung in der Teamentwicklung. Dabei kann auf die drei folgenden Punkte näher eingegangen werden. • • • •

Kurzanalyse Expertenkonferenz mit Entscheidern Kulturworkshops mit Teams […]

190

9.6

9  Neues Tool – der WeQ-Test

Zusammenfassung

Der Zweck des WeQ-Tests ist es, ihnen zu helfen, als Team zusammenzuwachsen und die Potenziale jedes einzelnen Mitglieds und jeder Gruppe in Zukunft erfolgreicher und nachhaltiger zu machen. Der WeQ-Test wird am häufigsten in seinen ursprünglichen Disziplinen – nämlich der Sozialpsychologie  – angewendet und ist eine gemischte Methode, die die Vielfalt der Team-Interaktions-Analysen bereichert. Jedes Mitglied einer Gruppe oder auch jede Gruppe als Ganzes, hat eine Vielzahl von Möglichkeiten für seine eigene Entwicklung. Dieses Pozential wurde unter den Mitgliedern und in Lernräumen geschaffen. Die Qualität einer Gruppe wird durch den Erfolg und die Ergebnisse einzelner Gruppenmitglieder und der gesamten Gruppe bestimmt. Im Verlauf eines solchen potenziellen Entwicklungsprozesses führt dies zur Entwicklung von Fähigkeiten und Einstellungen, die noch nicht entwickelt wurden. Die verborgenen Potenziale werden in sehr greifbare, sichtbare und effektive Ressourcen umgewandelt. Der Fokus liegt dabei sowohl darauf, gemeinsam mit allen Beteiligten die besonderen Stärken des Teams zu erkennen und wertzuschätzen, als auch die Aufmerksamkeit auf die Bereiche aufzuzeigen, die besonderer Aufmerksamkeit in der Zusammenarbeit bedürfen. Wenn diese Themen offen, konstruktiv und wertschätzend auf den Tisch kommen, entstehen schnell wertvolle Impulse und Initiativen für eine gemeinsame Weiterentwicklung hin zu einer „Subjektkultur“. Die Fähigkeit, schnell zu lernen in einer Gruppe oder Organisation ist ein wesentlicher Aspekt für Entwicklung. Darüber hinaus könnte ein Selbstreflexionszyklus durch ein Wir-Gefühl eingeleitet werden. Allmählich werden dadurch Erfahrungen und neue Fähigkeiten gebildet, um (noch) unlösbare Herausforderungen zu lösen. Sobald sich die Mitglieder einer Gruppe als Subjekte sehen, um sich gegenseitig einzuladen, zu ermutigen und zu inspirieren, ist es unvermeidlich, die in diesen Mitgliedern und in der betreffenden Gruppe verborgenen Potenziale zu entfalten. cc

In der Zusammenarbeit mit anderen können Potenziale freigesetzt werden (Wir-Gefühl), die den Personen selbst nicht bewusst waren.

Martin Bubers (2009) „Das dialogische Prinzip“ zeigt, wer wir sind. Unsere einzigartige, unverwechselbare Persönlichkeit wird im Dialog zwischen uns und anderen konturiert. Seine Untersuchung bestätigt, dass Kreativität auch das Ergebnis menschlicher Zusammenarbeit ist. In jeder menschlichen Gruppe gibt es etwas, das die Mitglieder wie eine innere Bindung zusammenhält. Wir-Qualitäten wie Verantwortungsbewusstsein, Engagement oder kooperatives Verhalten können Beispiele davon sein. Ein lebensbezogenes und erfahrungsorientiertes Lernen stärkt die Erfahrung der Selbstwirksamkeit, die Begeisterung für lebenslanges Lernen und die persönliche/soziale Nutzbarkeit von allem, was gelernt wurde.

Literatur

191

Vergleichens gibt der IQ-Test Auskunft über die kognitiven Fähigkeiten des Einzelnen. Dies wurde im 20. Jahrhundert weltweit entwickelt und verbreitet, als die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen in erster Linie von den analytischen und kreativen Leistungen des Einzelnen bestimmt wurden. Heute stehen wir vor den zunehmenden Herausforderungen, der Komplexität und der vielfältigen gegenseitigen Beziehungen, auf die verstärkt in Kap. 6 eingegangen wird. cc

Innovative Entwicklungen werden zunehmend von der Qualität der Zusam­ menarbeit in Gruppen bestimmt.

Literatur Buber, M. (2009). Das Dialogische Prinzip. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.

10

Praxisbeispiele

Was wurde mit dem neuen Tool erreicht?

Zusammenfassung

Aus kollaborativer Sicht verhalten sich Start-ups eher in einer Subjektkultur und arbeiten zusammen. Darüber hinaus scheinen die Teams in Start-ups eher bereit zu sein, miteinander zu kooperieren. In diesem Kapitel werden die Teamkulturen in Start-ups und in NGOs verglichen, es werden eine alte Behörde und eine moderne NGO vorgestellt sowie abschließend einige Maßnahmen und Achievements präsentiert, die im Alltag umgesetzt werden können. Somit ist in diesem Kapitel vor allem visuell ersichtlich, was mit dem WeQ-Test gespiegelt und erreicht wurde.

10.1 Vergleiche von Start-ups und NGOs Das Design des WeQ-Tests ist ein praktischer Zusammenhang zwischen Zusammenarbeit, kollaborativem Lernen und potenzieller Entwicklung von Teams. In Bezug auf die Verwendung des WeQ-Tests wurde eine empirische Studie entworfen (Schnitzler et al. 2020), an der vier NGOs und vier Start-ups mit unterschiedlichem Hintergrund für kollaboratives Lernen teilnahmen (konkret vier Unternehmen aus dem sozialen Sektor und vier aus dem Bildungssektor). Im ersten Schritt wurden die Geschäftsführer mit der Bitte um Teilnahme an einer Online-­Umfrage kontaktiert. Der zweite Schritt war das persönliche Einführungsgespräch © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_10

193

194

10 Praxisbeispiele

(60 Minuten) mit dem Geschäftsführer. In einem dritten Schritt wurden alle Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmens vom Geschäftsführer über den WeQ-Test informiert und zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Den Teilnehmern wurde Anonymität zugesichert. In einem vierten Schritt wurde nach Abschluss des WeQ-Tests allen Mitarbeitern ein Supervisionsgespräch von Angesicht zu Angesicht oder in Skype (60 Minuten) angeboten. Der Fragebogen selbst ist ein quantitativer, standardisierter Online-Fragebogen. Der WeQ-Test wendet eine gezielte Stichprobe an, die typischerweise 2 bis 11 Teilnehmer aus einer Gruppe umfasst, und durchläuft 6 Themenfelder. A. Einführung B. Integrationsprozess C. Umgang mit Konflikten und Unterschieden D. Potenzielle Entwicklung und soziale Interaktion E. Umgang mit Änderungen und neuen Ideen F. Trennung und Abgang eines Teammitgliedes Diese spiegelten sich in einem endgültigen Satz von 42 Aussagen wider. In Bezug auf die Feldarbeitszeit wurden die Daten von April bis November 2018 gesammelt. Jeder Teilnehmer hatte vier Wochen Zeit, um den WeQ-Test abzuschließen. Im Detail nahmen acht Unternehmen von April bis November 2018 an der WeQ-Umfrage teil. Die Gruppen waren hinsichtlich Alter, Dienstzeit für das Unternehmen, Sprache, beruflichem Hintergrund oder Einkommen sehr heterogen. Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Zusammenarbeit durch Beziehungen beeinflusst wird. Mit 42 teilnehmenden Personen war die Rücklaufquote bei fast 65,62 %. Sehr wertvoll war die Tatsache, dass alle Teilnehmer von Anfang an involviert waren und viel Erfahrung in die Beantwortung einbrachten. Das Kernelement des Tests, das sogenannte WeQ-Ergebnis, ist eine direkte Verbindung zum Kollaborationspotenzial innerhalb des Teams eines Unternehmens. Ein hohes WeQ-Ergebnis bezieht sich auf eine hohe Zusammenarbeit innerhalb dieses Teams und ist ein Beweis für eine Subjektkultur. Außerdem steht ein niedriges WeQ-Ergebnis für eine eher geringe Zusammenarbeit innerhalb des Teams und weist auf eine Objektkultur hin. Beim Vergleich der Ergebnisse wird deutlich, dass Start-up 1 mit 97 das höchste WeQ-Ergebnis aufweist, gefolgt von Start-up 2 mit einem WeQ-Wert von 94 und Start-up 3 (WeQ-Wert: 86). Auf der anderen Seite weist NGO 1 das niedrigste WeQ-Ergebnis von 46 auf, gefolgt von NGO 2 (WeQ-Wert: 51) und NGO 3 (WeQ-Wert: 50). Beim Vergleich der beiden Untergruppen wird deutlich, dass 58,25 der Durchschnitt des WeQ-Tests von NGOs ist, verglichen mit 86,5 als Durchschnitt bei Start-ups. Infolgedessen ist die Zusammenarbeit in NGOs relativ gering und die Zusammenarbeit in Start-­ ups relativ hoch. Dies zeigt einen Unterschied darin, wie Teammitglieder miteinander zusammenarbeiten und welche Art von Unternehmenskultur derzeit vorhanden ist (Objekt-/ Subjektkultur).

10.1  Vergleiche von Start-ups und NGOs

195

Darüber hinaus wurde die interne Sichtweise („eigene Perspektive“) der Teammitglieder analysiert. Dies wurde im Fragebogen durch die Frage der persönlichen Einschätzung („Wie viel trifft dies aus persönlicher Sicht auf Ihr Team zu?“) sowie dem eigenen Wunsch („Wie sehr möchten Sie dies persönlich auf Ihr Team anwenden?“). Die aktuelle Einschätzung der Situation („ist“) und der gewünschten Situation („beabsichtigt“) werden in den neun Faktoren dargestellt. Es zeigt die individuelle Betrachtung der verschiedenen Faktoren, wo die besonderen Stärken und auch die größten Handlungsfelder liegen: Je höher ein Wert ist, desto mehr wird bereits eine Subjektkultur für diesen Faktor gelebt. Die größte Herausforderung von NGOs ist Faktor (2), nämlich die sozial-emotionale Kommunikation. Aktuelle Probleme in der sozial-emotionalen Kommunikation werden in NGOs sichtbar (bspw. Aussage 22a). Ein Beispiel dazu zeigt Abb.  10.1. zur „teambezogenen Kommunikation“. Diese Aussage haben 14 Mitarbeiter einer NGO bewertet und dabei ist ersichtlich, dass der Ist-Zustand („die innere Linie und Punkte“) und der Soll-Zustand („die äußere Linie und Punkte“) abweichen. Die teambezogene Kommunikation ist in diesem Fall eher schwach. Es ist der starke Wunsch da, dass in einer Besprechung neben den Sachthemen auch immer Zeit bleibt, über soziale Themen zu reden, z. B. wer sich wenig wahrgenommen fühlt, wenig Wertschätzung erfahren hat oder ähnliche Aspekte, Soziale Konflikte und emotional aufgeladene Themen sind schwer zu artikulieren und zu lösen. In der Tat ist dies ein Kernthema, das von NGOs behandelt werden sollte. Darü-

Abb. 10.1 Teambezogene Kommunikation. (Quelle: ©CultureWork, 2020)

196

10 Praxisbeispiele

Abb. 10.2  Die eigene Sicht der Teammitglieder bei NGOs

ber hinaus ist der auffälligste Unterschied zwischen „ist“ und „beabsichtigt“ Faktor (4), der sachbezogene Kommunikationsfaktor. Das beste Ergebnis wurde mit Faktor (1), dem Teamunterstützungsfaktor, erzielt. Teammitglieder von NGOs sehen keine Schwierigkeiten bei der Integration neuer Mitglieder in ein bestehendes soziales System. Die Neuankömmlinge wurden stabil und wohlwollend aufgenommen. Insgesamt ist der Wunsch nach Veränderung insgesamt und in allen Bereichen sehr groß, wie in Abb. 10.2 ersichtlich. Dabei zeigen die Balken links die Ist-Situation in den NGOs und die Balken rechts die Soll-Situation. Die größte Herausforderung von Start-ups ist auch Faktor (2), nämlich die sozial-­ emotionale Kommunikation, wie in Abb. 10.3 zu sehen. Weitere Herausforderungen sind Faktor (9), die Fehlerkultur und Faktor (8), die Offenheit für Veränderungen. Bei einem direkten Vergleich von Start-ups und NGOs ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse in allen neun Faktoren bei Start-ups signifikant höher sind als bei NGOs. Aus kollaborativer Sicht verhalten sich Start-ups eher in einer Subjektkultur und arbeiten in höherem Maße miteinander zusammen. Somit ist zu sagen, dass gerade Start-ups der Beweis für die These ist: „Je heterogener, diverser und interdisziplinärer ein Team ist, desto wahrscheinlicher funktioniert es, weil alle sich als Subjekte mit Anerkennung, Toleranz und Respekt begegnen und damit ein hohes WeQ-Ergebnis erzielen.“

10.1  Vergleiche von Start-ups und NGOs

197

Abb. 10.3  Die eigene Sicht der Teammitglieder bei Start-ups

In einem nächsten Schritt wird die Fremdperspektive („die vermutete Sicht der anderen“) analysiert. Teammitglieder in NGOs wurden im Fragebogen gefragt: „Wie sehr glauben die anderen Mitglieder, dass dieser Vorschlag für Ihr Team gilt?“ sowie: „Wie sehr möchten die anderen Mitglieder, dass dies für Ihr Team gilt?“. Hier ging es darum, wie andere Mitglieder wahrscheinlich bewerten, was in Ihrem Team passiert. Größere Abweichungen von den Ergebnissen aus individueller Sicht lassen darauf schließen, dass jedes Teammitglied dem anderen eine andere, möglicherweise sogar verzerrte Sichtweise der Teamverhaltens zuschreibt. Die Herausforderungen von NGOs aus der vermuteten Sicht der anderen (siehe Abb.  10.4) sind Faktor (2), die sozial-emotionale Kommunikation, Faktor (6), der gemeinsame Wertefaktor; und Faktor (4), die sachbezogene Kommunikation. Die größte Herausforderung von Start-ups aus der vermuteten Sicht der anderen (siehe Abb.  10.5) ist ebenfalls Faktor (2), nämlich die sozial-emotionale Kommunikation. Weitere Herausforderungen sind Faktor (5), der Partizipationsfaktor und Faktor (9), die Fehlerkultur im Team. Das bedeutet, dass Start-ups in den neun Faktoren einen relativ geringen Abstand zwischen der tatsächlichen und der gewünschten Situation aufweisen. cc

Es ist beachtenswert zu skizzieren, dass die Ergebnisse in der Fremdperspektive höher sind als in der eigenen Perspektive.

198

10 Praxisbeispiele

Abb. 10.4  Die vermutete Sicht der anderen bei NGOs Die vermutete Sicht der anderen bei Start-ups (Fremdperspektive) 89,5

94

87

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Abb. 10.5  Die vermutete Sicht der anderen bei Start-ups

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92,5

10.2  Alte Behörde und moderne NGO

199

Es ist interessant, die Ergebnisse von vier NGOs und vier Start-ups zu vergleichen. Der Wechsel zwischen der eigenen Perspektive und der Perspektive anderer Teammitglieder bringt einige Erkenntnisse. Beim Vergleich von Start-ups und NGOs aus der vermuteten Sicht der anderen ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse in allen neun Faktoren bei Start-ups signifikant höher sind als bei NGOs. Auch aus kollaborativer Sicht verhalten sich Start-ups eher in einer Subjektkultur und arbeiten zusammen. Darüber hinaus scheinen die Teams in Start-ups eher bereit zu sein, miteinander zu kooperieren. Insgesamt unterscheidet sich die eigene Perspektive von der vermuteten Perspektive anderer Teammitglieder. In der Studie haben Zusammenarbeit und kollaboratives Lernen einen fruchtbaren Boden gefunden. Im Detail ist es unvermeidlich, die in den teilnehmenden Mitgliedern und im betreffenden Team verborgenen Potenziale zu entfalten, sobald die Mitglieder eines Teams beginnen, sich als Subjekte zu sehen, sich gegenseitig einzuladen, zu ermutigen und zu inspirieren. Genau wenn sich Menschen auf dem gleichen Niveau treffen, können sie in einem gemeinsamen Austausch eine stabile und tragfähige Basis für kollaboratives Lernen entwickeln. Aus der Bewertung des WeQ-Tests lassen sich drei Hauptergebnisse ableiten: (1) Start-­ ups verhalten sich kollaborativer als NGOs und entwickeln automatisch Potenzialentfaltungsprozesse; (2) Teammitglieder in NGOs und Start-ups, die aus der vermuteten Sicht der anderen („Perspektive anderer Teammitglieder“) bewerten, tun dies mit höheren Werten als aus interner Sicht („eigene Perspektive“); und (3) die größte Herausforderung für alle Teilnehmer ist die sozial-emotionale Kommunikation. Mit der vorliegenden WeQ-Studie bietet diese Arbeit einen explorativen Einblick in internes Partnering, wie sie in der unmittelbaren Umgebung von Start-ups und NGOs praktiziert wird.

Ko-Kreativität als gemeinsames Ziel? Vor dem Hintergrund mehrerer Krisen und Veränderungen müsste das tiefere Konzept der Ko-Kreativität mehr Aufmerksamkeit erhalten. Es ist wertvoll und empfehlenswert, sich auf Beziehungen und Potenziale innerhalb von Teams zu konzentrieren. Daher könnte eine Ko-Kreativität in Zukunft eine Schlüsselrolle spielen. Der z. T. disruptive Erfolg vieler Start-ups sollte uns Hinweis sein, auch in etablierten Unternehmen von ihnen zu lernen und dieselben Potenziale selbst mit den vorhandenen Mitarbeitern zu heben.

10.2 Alte Behörde und moderne NGO In diesem Abschnitt sollen eine alte Behörde und eine moderne NGO verglichen werden. Bei einem direkten Vergleich von der alten Behörde und der modernen NGO zeigt Abb. 10.6, dass die Ergebnisse in allen neun Faktoren bei der modernen NGO höher sind

200

10 Praxisbeispiele

Alte Behörde WeQ

Moderne NGO 46

WeQ

86

Unterstützung im Team

54

Unterstützung im Team

93

Sozial-emotionale Kommunikation

42

Sozial-emotionale Kommunikation

72

Umgang mit Diversität

53

Umgang mit Diversität

86

Sachbezogene Kommunikation

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Sachbezogene Kommunikation

86

Autonomie-Ausrichtung, Teilhabe

43

Autonomie-Ausrichtung, Teilhabe

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Gemeinsame Werteorientierung

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Gemeinsame Werteorientierung

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Kooperativität

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Kooperativität

96

Offenheit für Veränderungen

50

Offenheit für Veränderungen

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Fehlerkultur

50

Fehlerkultur

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Abb. 10.6  Alte Behörde und moderne NGO

als bei der alten Behörde. Aus kollaborativer Sicht verhalten sich Mitarbeiter dieser NGO eher in einer Subjektkultur und arbeiten in höherem Maße miteinander zusammen. Somit kann erahnt werden, dass Heterogenität, Diversität und Interdisziplinarität zu einem Miteinander in Teams beitragen können. Es fällt auf, dass gerade die sozial-emotionale Kommunikation, Teilhabe, die Kooperativität, Offenheit für Veränderungen sowie die Fehlerkultur in der alten Behörde eher niedrig ausgeprägt sind. In der modernen NGO fallen die hohen Werte bei der Unterstützung im Team, Teilhabe, gemeinsame Werteorientierung und Kooperativität positiv ins Gewicht. Viele „klassische“ Organisationen oder alte Behörden sind stark von eingefahrenen Strukturen, starken Hierarchien oder auch vom kurzfristigen monetären Erfolg getrieben. Das führt auch dazu, dass Quartalszahlen bei Entscheidungen einen höheren Stellenwert einnehmen als die nachhaltige Verbesserung der Teamqualität. Gleiches spiegelt sich ebenso bei der Optimierung der Organisation wieder. Als Herausforderungen in alten Behörden können Bereichsrivalitäten und -egoismen, strenge Hierarchien, eine Objekt-­ Kultur bzw. eine Angst- und Vermeidungskultur angeführt werden. MitarbeiterInnen folgen trotz besserem Wissens oft den Vorgaben von „oben“, da sie Bestrafung fürchten oder die MitarbeiterInnen machen das situativ richtige, arbeiten aber damit bewusst gegen die Vorgaben. Dieses Dilemma ist für alle MitarbeiterInnen in

10.3  Einige Maßnahmen und Achievements

201

einer Organisation hochemotional und bindet wertvolle Energien. Das hat die Auswirkung, dass Menschen langsam resignieren und damit die Eigenverantwortung und Teilhabe sinkt. Neben der Herausforderung, der Organisation ein anderes Menschenbild zugrunde zu legen kommt hinzu, dass eigenverantwortliche Mitarbeiter nicht über Vorgaben geführt werden können, sondern nur über ständige gemeinsame Reflexion und das Lernen von hilfreichen Verhaltensweisen. In diesem Sinne geht mit diesem zugrunde liegenden Menschenbild auch die Notwendigkeit an ein angepasstes Führungsverständnis einher. In diesem visuellen Beispiel zeigt die moderne NGO wie durch gemeinsame Problemlösungen, Teamorientierung, Kompetenzorientierung und Respekt, Toleranz und Wertschätzung eine positive Unternehmenskultur gelebt wird und ein Miteinander in der Zusammenarbeit wächst. Auch wenn eine alte Behörde und eine moderne NGO verglichen wurden, so sollten sich an dieser Stelle vielleicht auch große Unternehmen und Konzerne angesprochen fühlen, die oftmals auch über viele Jahrzehnte an der sog. „Unternehmenskultur“ festhalten, d. h. an behördenartigen Strukturen.

10.3 Einige Maßnahmen und Achievements Bevor in diesem Abschnitt einige Maßnahmen und Praxistipps vorgestellt werden, ist festzuhalten, dass eine neue Unternehmenskultur sich nicht anordnen lässt. Sie sollte in den Mitarbeitern wachsen, innerlich mitgetragen und gelebt werden. Verhaltensmuster entstehen in einem oft längeren Prozess. Maßnahmen, die gesetzt werden können, um eine positivere Unternehmen- oder Teamkultur anzuregen, könnten wie folgt sein: Raum und Zeit schaffen für sozial-emotionale Kommunikation (jeden Freitag bspw. um 13 Uhr) Management als Vorbild, bspw. durch das Eingestehen von Fehlern und Übernahme von Verantwortung Austausch verbessern Engagement der Mitarbeiter fördern und fordern, Ermutigung zur Teilhabe oder Entwicklung eines gemeinsamen Ziels Für Werte eintreten […]

Zusammenfassend und auch zur Erreichung von Achievements weisen die besten Beispiele in der Praxis folgende Eigenschaften auf: Wertschätzender Umgang miteinander, eine unterstützende Führungskultur, gemeinsame Werte und Ideale, Qualität und Innovation sowie eine hohe Kundenorientierung.

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10 Praxisbeispiele

Besonders wichtig sollte sein, dass die MitarbeiterInnen ermutigt werden, ihr eigenes Erleben und inneres Empfinden über die gemeinsame Zusammenarbeit offen anderen ­mitzuteilen.

Literatur Schnitzler, T., Hüther, G., & Dohne, K.-D. (2020). The power of collaboration – An evaluation of a new, innovative WeQ-test. International Journal of Collaborative Enterprise, 6(2), 134–149.

Internes Partnering – neu gedacht

11

Welche Rolle spielen Teamziele?

Zusammenfassung

Sind wir bereit, die eigenen inneren Haltungen und persönliche Handlungsmuster zu reflektieren, und schaffen wir es, dies wertschätzend in der Zusammenarbeit mit anderen zur Sprache zu bringen? Der WeQ-Test ist ein praxisorientiertes Tool, das genau dies unterstützt und mit bereits bestehenden Ansätzen und Instrumenten im beruflichen Alltag kombiniert werden könnte. In diesem Kapitel soll herausgestellt werden, welche Fragen auf dem Weg zu einer besseren Teamqualität gestellt werden können, welche bestehenden Ansätze mit dem WeQ-Test kombiniert werden könnten und welche Ansätze und Netzwerke bereits heute als Benchmark dienen, um das interne Partnering zu stärken. cc

Veränderung braucht immer Erfahrungslernen durch Versuch und Irrtum. Dies ist sehr wichtig, wenn sich ein Team neu aufstellen will, es sich aufgrund von Umstrukturierungen neu zusammensetzt, wenn Kommunikation und Zusam­ menarbeit im Team gelitten haben oder wenn sich eine destruktive bzw. lähmende Routine eingeschlichen hat.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_11

203

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11  Internes Partnering – neu gedacht

11.1 Der Weg ist das Ziel Ein Schlüssel liegt in der Forderung, dass wir mehr Gemeinschaften benötigen, deren Mitglieder einander einladen, ermutigen und inspirieren, über sich hinauswachsen. Dahinter steckt, dass Team-Mitglieder, die einander als Subjekte begegnen und sich nicht zum Objekt individueller Ziele machen, gemeinsam eine Kraft entwickeln, die das Team als Ganzes über sich hinauswachsen lässt. Der WeQ der Gruppe ist deutlich höher als die Summe der einzelnen Potenziale und Leistungsfähigkeiten. Wenn das Ziel der verbesserten Teamqualität erreicht werden soll, könnten einige Fragen am Wegesrand auftauchen, die wie folgt lauten: • • • •

Welche Rolle spielt die Teamqualität für Sie als Führungskraft oder als MitarbeiterIn? Wie laufen die Gespräche zu Zielvereinbarungen ab? Welche Konflikte gibt es in Zusammenhang mit den Zielvereinbarungen für ein Team? Welche Bedeutung haben die besprochenen Ziele im beruflichen Alltag? Wie wird dieser gestaltet? • Inwiefern tragen die vereinbarten Ziele zu den Unternehmenszielen oder individuellen Zielen bei? Wenn die Fragen in einem Team beantwortet werden, kommt es zu einer tragfähigen Wertebasis und ein Verständnis für die individuellen Herangehensweisen der Mitarbeiter entsteht.

11.2 Wo könnte der Test einfließen? Erstens, Teams könnten den WeQ-Test für die Team-Bildung und Weiterentwicklung nutzen. Dies könnte bei Strategietagen oder Jahresplanungen berücksichtigt werden. Zweitens, Mitarbeitergespräche sind auch ein guter Rahmen, um wesentliche Punkte dabei zu besprechen. Jedoch gibt es dabei ein paar Voraussetzungen. Dies sind eine offene, auf Vertrauen und Respekt basierende Kommunikationskultur. Die Erörterung des Tests könnte zur Vertrauensförderung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern dienen. Zudem könnte eine partnerschaftliche Zusammenarbeit und das Arbeitsklima gestärkt werden. Es kann auch eine aktive Mitwirkung und Mitgestaltung am Unternehmensgeschehen in Gang gesetzt sowie als Frühwarnsystem für Herausforderungen und Konflikte gesehen werden. Drittens, Performance-Management-Systeme und der WeQ-Test könnten kombiniert werden. Ziel und Zweck dabei ist es, die Teamfähigkeit und das Miteinander der Beschäftigten zu fördern und damit eine positive Unternehmenskultur zu kultivieren. Gleichzeitig zielt ein modernes Performance-Management darauf ab, Mitarbeitern Anreize zu geben. Dabei stellen lebenslanges Lernen und eine hohe Flexibilität Voraussetzungen für ein gutes Performance-Management dar.

11.3  Benchmarking in verschiedenen Netzwerken

205

Wenn der WeQ-Test integriert wird und er mitarbeiterzentriert im Unternehmensalltag umgesetzt werden kann, dient er als Hilfestellung zur gezielten Potenzialentfaltung des Mitarbeiters und des Teams. Ein proaktives und vor allem empathisches Performance-­ Management stärkt vor allem die Mitarbeiterbindung zum Unternehmen. Viertens, KPI-Vereinbarungen könnten den WeQ-Test nutzen. Neben individuellen Zielen für Mitarbeiter oder Unternehmensziele könnten Teamziele in einer KPI-Ver­ einbarung festgeschrieben werden. Dabei könnten bspw. die neun Faktoren des WeQ-­Test verwendet werden und ein Team könnte reflektieren, welche Werte Sie in einem Jahr bzw. in zwei Jahren erreicht haben möchte. Somit lässt sich der WeQ-Test in den folgenden Bereichen sehr gut integrieren und Ergebnisse bzw. Ziele könnten dabei besprochen werden: • • • • •

Teambuilding-Workshops jährliche Mitarbeitergespräche Personal-Performance-Analysen KPI-Vereinbarungen […]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in jedem Team etwas gibt, das die Mitglieder wie eine innere Bindung zusammenhält. Wir-Qualitäten wie Verantwortungsbewusstsein, Engagement oder kooperatives Verhalten können Beispiele davon sein. Ein lebensbezogenes und erfahrungsorientiertes Lernen stärkt die Erfahrung der Selbstwirksamkeit, die Begeisterung für lebenslanges Lernen und die persönliche und soziale Nutzbarkeit von allem, was gelernt wurde.

11.3 Benchmarking in verschiedenen Netzwerken Außerdem könnte von Dritten gelernt werden, die den WeQ-Test bereits durchgeführt haben oder noch durchführen wollen. Von anderen Teams bzw. Organisationen zu lernen, was diese gut machen oder was diese in ihrer Entwicklung blockiert hat, ist gewiss hilfreich. Ein Ansatz stellen Fokusgruppen dar. In diesen diskutieren Vertreter verschiedener Unternehmen über die Ergebnisse ihres WeQ-Tests z. B. in Montage-Teams oder Pflege-­ Teams. Die Teilnehmer dieser Fokusgruppen können einander Feedback geben und sprechen dabei dieselbe „Sprache“. Solche Gruppen stellen somit eine besonders persönliche Möglichkeit des voneinander Lernens dar. Es können Ideen und Herausforderungen erörtert werden, die ihr Team unter Umständen gar nicht auf dem Radar hatte, die jedoch für andere Teilnehmer wichtig sein könnten. Die Aussagen der einzelnen gehen oft mehr in die Tiefe, weil die Gruppe die Aspekte der Teamqualität von allen Seiten „beleuchtet“. Besonders wichtig ist, dass der unterschiedliche Background der Teilnehmer zur Offenlegung ein vielfältigen Gedankenwelt führt. Mit der Größe der Gruppe steigt die Meinungsvielfalt auf.

206

11  Internes Partnering – neu gedacht

Ein zweites Beispiel bilden Netzwerke, die sich regelmäßig treffen. FirstFriday in Berlin ist ein guter Benchmark. Hier treffen sich jeden ersten Freitag im Monat Gründer, Start-ups und Spezialisten aus den unterschiedlichsten Branchen, Disziplinen und Denkweisen. Eine große Mehrheit der teilnehmenden Start-ups ist multikulturell aufgestellt. Die Gründer kommen aus vielen Ländern, gehören vielen Kulturkreisen an und haben sehr oft völlig verschiedene Mentalitäten. Wie gelingt es ihnen, dies nicht als Hürden überwinden zu müssen, sondern als Stärke für sich nutzbar zu machen und eine gemeinsame Kraft zu entwickeln? Die Team-Mitglieder von so bunt gemischten Start-ups begegnen einander wie selbstverständlich gleichberechtigt, wertschätzend und freundschaftlich, also in Subjektbeziehungen. Innovation wird in diesem Netzwerk durch Vielfalt gelebt. Jeder darf seine Ideen, Produkte oder Dienstleistungen vorstellen und bringt sein Know-how mit ein. So entstehen neue Synergien und Bahn brechende Innovationen. Ist ein Raum für Inspiration, Freude und Effektivität vorhanden.

Aufforderung: Was können wir darüber hinaus tun?

12

Zusammenfassung

Eine weltumspannende Pandemie und die Folgen der daraus forcierten Digitalisierung unserer Kommunikation zeigen uns, dass realer zwischenmenschlicher Kontakt dennoch kaum ersetzbar ist, da das morphologische Feld fehlt. So wird es stark darauf ankommen, wie wir aus der Kombination der erweiterten Möglichkeiten neue Zentren des internen Partnerings gestalten  – sowohl im realen als auch im virtuellen Raum. Dieses Kapitel ist eine Aufforderung für ein neues Miteinander.

In einer Welt, in der so viele Menschen wie Getriebene umherhetzen, nichts verpassen und einander ständig überholen wollen, in der Leistung und Aufstieg zählen und jeder möglichst viel Besitztum haben möchte oder etwas erleben will, ist es nicht leicht, liebevoll zu sein – weder all diesen anderen gegenüber, noch zu sich selbst. Ein erster Schritt wäre gemacht, wenn wir erahnen oder zu verstehen beginnen, weshalb wir diese lieblose Art des Zusammenlebens auszuhalten oder gar mitzumachen bereit sind. Oder welche Möglichkeiten es gibt, es anders zu gestalten, sei es im Unternehmen, in einer Partnerschaft, im Kindergarten, in der Schule, an den Universitäten, usw. cc

Das Prinzip Ermutigung: „In jedem von uns steckt sehr viel mehr, als er selber weiß.“ (Robert Junk)

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_12

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12  Aufforderung: Was können wir darüber hinaus tun?

12.1 Ein liebevoller Umgang miteinander Das verbindende und unterstützende „liebevolle“ Element ist in einer Gemeinschaft sehr wichtig. Es hilft allen Menschen, die nicht nur bereit sind, sondern Lust darauf haben, sich mit ihrer Persönlichkeit für andere einzusetzen. Diese Bereitschaft fällt freilich nicht vom Himmel. Sie kann nur dann entstehen, wenn beispielsweise auch wirklich allen Mitarbeitern das Wohl ihres Unternehmens am Herzen liegt. Dass sie dort alle möglichst viel Geld verdienen wollen, weckt diese innere Bereitschaft nicht. Dass sie dann alle mehr zu sagen haben, auch nicht. Wenn die Mitarbeiter jedoch ein gemeinsames Anliegen finden, das jedem Mitglied gleichermaßen am Herzen liegt, das sich aber nur in der Gemeinschaft mit den Anderen verwirklichen lässt, werden auch alle bereit sein, sich mit aller Kraft, selbstgestaltend und selbstverantwortlich dafür einzusetzen. Dann gelingt es auch mühelos, die vielen unterschiedlichen persönlichen Absichten und Ziele zugunsten der Verwirklichung dieses gemeinsamen Anliegens zurückzustellen. Die Botschaft dieses Kapitels ist es, einfach etwas liebevoller mit sich selbst und anderen umzugehen. Im Kern ist das immer noch dasselbe, denn sobald sich jemand dazu entschließt, etwas liebevoller zu sich selbst zu sein und nichts mehr zu tun, was ihr oder ihm nicht gut tut, erlangt diese Person zumindest bei der Umsetzung dieses Bemühens wieder die Gestaltungshoheit über ihre eigenen Lebensführung zurück. Sie erlebt sich also wieder als selbstwirksames und selbstverantwortliches Subjekt.

12.2 Die Bedeutung des Moments Im Laufe unseres Lebens erleben wir unterschiedliche Momente: Es gibt schöne, positive Momente und es gibt weniger schöne Momente. Wir würden gerne immer nur die schönen Momente erleben. Allerdings zeigt sich aus der Hirnforschung, dass sich ein weniger schöner Moment auf ein Kind und seine Entwicklung nicht notwendigerweise negativ auswirkt. Es hat sich des Weitern gezeigt, dass ein Kind nur einen einzigen Menschen braucht – das kann jemand aus der Familie sein, ein Nachbar oder auch ein Freund, mit dem das Kind Kontakt hat – der an das Kind glaubt, der das Kind so annimmt, wie es ist, der dem Kind das Gefühl gibt, dass es gut ist, genauso wie es ist. Tatsächlich gehören die weniger schönen Momente zum Leben dazu, weil wir dadurch erst die schönen Momente zu schätzen wissen und sie einen Referenzrahmen liefern. Die LeserInnen werden eingeladen, im „Moment“ zu leben und mit den Gedanken nicht zu sehr in die Vergangenheit oder in die Zukunft abzuschweifen. Im Moment spüren wir uns selber am meisten, sind präsent und strahlen dies auch nach außen aus, so dass eine verbindendes internes Partnering entsteht.

12.4  Die Entscheidung für eine liebevolle Beziehung

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12.3 Was steckt hinter dem Wort Gelingen Gelingen ist ein besonderes Wort der deutschen Sprache. Es lässt sich nicht direkt in andere Sprachen übersetzen. Als Beispiel Englisch: Gelingen würde man im Englischen mit „success“ oder „achievement“ übersetzen, die Rückübersetzung wäre „Erfolg“ und bezieht sich auf etwas, das man durch eine eigene Anstrengung erreicht hat. Wir sind in unserer heutigen Gesellschaft sehr erfolgsorientiert, man muss ständig tun und machen und schuften und sich anstrengen, um etwas zu erreichen, um jemand zu sein. Das meint Gelingen nicht. Eine gute Möglichkeit, das Wort „Gelingen“ zu beschreiben, ist beim Kuchenbacken. Man mischt die Zutaten miteinander, entsprechend einem Rezept. Man gibt den Kuchen in eine Form, streicht alles glatt, richtet alles so ein, sodass man das Gefühl hat, dass es dann gut werden könnte. Man gibt den Kuchen in den Ofen, lässt ihn backen. Nach einer gewissen Zeit öffnet man die Ofentür, holt den Kuchen heraus, stellt ihn auf den Tisch und sagt (hoffentlich), er sei gut gelungen. Fragt man nun einen Englischsprachigen, wie er dazu sagt, würde er sagen „it’s well done“ – also, es ist gut gemacht. Das trifft nun noch immer nicht wirklich das Wort „Gelingen“. Gelingen meint vielmehr die Schaffung von Rahmenbedingungen, von denen man glaubt, dass sie zu einem gewünschten positiven Ergebnis führen, ohne dass man das Ergebnis selbst direkt herbeiführen kann. Sie könnten sich im Bezug auf ihre Arbeit hinterfragen, wie fühlte ich mich an meinem Arbeitsplatz? Ist es an Ort, an dem etwas gelingt? Was fehlt dazu? Wie ist dieser gestaltet? Was könnten Sie tun, um sich eine anregende Atmosphäre zu schaffen.

12.4 Die Entscheidung für eine liebevolle Beziehung Beziehung meint nicht nur eine partnerschaftliche Beziehung und das bereits weiter oben beschriebene interne Partnering, sondern einen Austausch zwischen zwei Menschen. Das kann zwischen zwei Freunden, in der Familie oder einfach auch mit einem Fremden sein. In unserer heutigen Zeit ist die Menschlichkeit leider ganz stark verloren gegangen. Jeder schaut nur auf sich – Ego – schaut, dass es ihm gut geht, egal ob es auf Kosten anderer geht. Die Menschen treten heute immer weniger in Beziehung zu einander, sondern behandeln sich gegenseitig als Objekte und schreiben öfters den Anderen dieses oder jenes zu. Tatsächlich kann sich jeder Mensch in jeder Sekunde seines Lebens entscheiden: Möchte ich mit einem anderen Menschen in Beziehung treten oder nicht? Als Beispiel: Wenn man in einem Hotel übernachtet und in der Früh im Frühstücksraum Platz nimmt um zu Frühstücken, kann es passieren, dass sich ein Fremder zu mir an den Tisch setzt. Jetzt kann ich mir selbst überlegen: Möchte ich mit diesem Menschen in Beziehung treten oder nicht? Und die Frage ist jetzt: Wenn ich mich dazu entscheide, mit dem anderen Menschen in Beziehung zu treten, wie kann ich dann mit diesem Menschen in Beziehung

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12  Aufforderung: Was können wir darüber hinaus tun?

treten? In dem man ihn in einem ersten Schritt einfach anlächelt, ganz einfach. Dann kann man vielleicht noch „Guten Morgen“ sagen, „wie geht es Ihnen, was machen Sie hier, etc.“ und es entsteht ein Gespräch, ein Austausch, der für Beide gut sein kann. Oder aber ich kann mich entscheiden, ich möchte nicht in Beziehung mit dem Fremden treten, man denkt sich dann vielleicht ‚Wieso muss sich der genau an meinen Tisch setzen?!‘, man spricht nicht, schaut sich nicht an und konzentriert sich nur auf sein Essen auf dem Teller vor ihm. Es ist für uns als Menschen sehr wichtig, mit anderen Menschen verbunden zu sein und gleichzeitig den Freiraum für die eigene Entwicklung zu haben. Das liegt darin begründet, dass wir neun Monate im Bauch der Mutter waren, und diese neun Monaten waren genau von diesen zwei Aspekten geprägt: 1. sich selbst in Freiheit weiterentwickeln – auch hier zeigt sich wieder, dass niemand anderer etwas für die Entwicklung tun muss, es müssen nur die Rahmenbedingungen geschaffen werden, und 2. ganz enge Verbindung, Nähe zu einem anderen Menschen. Sobald wir dann „geschlüpft“ sind, wollen wir unser ganzes Leben lang genau diese beiden Aspekte verfolgen – und sind letztlich unglücklich, wenn wir nicht so leben können. Damit sich ein Kind in Freiheit entwickeln kann und gleichzeitig diese enge Verbundenheit mit anderen Menschen spürt, muss eine Grundbedingung gegeben sein: die Eltern lieben das Kind bedingungslos. Das heißt, das Kind muss das Gefühl haben, dass es so wie es ist, gut ist. Dass es zu 100 % akzeptiert ist, dass es sich angenommen fühlt. Dass es unabhängig von Leistungen, von Erfolgen, von Dingen die man vorweisen kann, gut ist. Dass es sich auch mit all seinen Fehlern angenommen fühlt. Dies ist dann der Fall, wenn eine sogenannte Subjekt – Subjekt Beziehung besteht, d. h. jeder Mensch nimmt den anderen in seiner Größe, in seiner Besonderheit, mit all seinen Gaben und Talenten war. Was heute leider sehr oft passiert ist, dass man den anderen Menschen zum Objekt macht, zur Projektion seiner Erwartungen, Einstellungen, Beurteilungen. Dadurch nimmt man dem Menschen die Würde, die ihm innewohnt und die jeder Mensch automatisch hat ohne dass er dafür etwas tun oder leisten muss. Ein typisches Beispiel ist eine Mutter, die dem Kind befiehlt „Jetzt ziehst du dir sofort die Schuhe an“ (nicht weil es kalt ist, sondern weil sie es sich gerade einbildet). Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten, wie ein Kind darauf üblicherweise reagiert. Entweder es bückt sich hinunter, um sich die Schuhe zuzubinden und denkt sich „blöde Mama“. Oder es projiziert die Situation auf sich selbst und denkt sich „ich bin blöd“. Beide Fälle sind eine Strategie, wie man mit der Situation umgehen kann. Allerdings passiert in beiden Fällen ein Kontaktabbruch, in beiden Fällen geht die Beziehung zu einander verloren, genauso wie die Würde verloren geht. Die Menschen entfremden sich voneinander und letztlich auch von sich selbst. Und weil diese Verhaltensweise in unserer Gesellschaft so typisch ist und uns in diesem frühkindlichen Alter so prägt, wachsen wir mit dem Grundgedanken heran, dass eine Umgangsweise in dieser Form „normal“ sei. In diesem Muster gibt es keinen Raum für Entwicklung in Freiheit: der „Große“ drückt dem „Kleinen“ etwas aufs Auge. Er möchte, dass sich der „Kleine“ so entwickelt, wie er

12.4  Die Entscheidung für eine liebevolle Beziehung

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selbst es möchte. Ebenso geht die Verbindung zu dem anderen Menschen verloren. Damit sind beide Grundbedürfnisse eines Menschen nicht mehr erfüllt. Diese Kinder werden irgendwann erwachsen und werden z.  B.  Lehrer oder Firmenchefs, und drehen die angelernte Verhaltensweise um: Sie behandeln als Lehrer die Schüler „von oben herab“, als Firmenchefs bestimmen sie über ihre Mitarbeiter und schreien sie an wenn sie etwas falsch gemacht haben. Letztendlich macht man dem „Kleinen“ in beiden Konstellationen Druck. Die Hirnforschung hat allerdings gezeigt, dass sich unter Druck ein Mensch nicht entfalten kann, nicht sein volles Potenzial, seine Talente leben kann. Im übertragenen Sinne passiert folgendes: Stellen wir uns vor, ein Mensch hat in seinem Gehirn 20 Schubladen. Wenn er eine Aufgabenstellung vorgesetzt bekommt und gleichzeitig unter Druck gesetzt wird diese zu bearbeiten und zu lösen, macht er nur drei Schubladen auf, um die Aufgabenstellung zu bearbeiten und verwendet nur die Inhalte dieser drei Schubladen. Wenn er allerdings das Gefühl hat, dass er nicht unter Druck gesetzt wird, dass er sich frei entwickeln kann und sich gleichzeitig angenommen und zugehörig fühlt, kann er alle 20 Schubladen öffnen und alle Inhalte mit einander verknüpfen, in neue Perspektiven setzen und aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Dann entstehen bahnbrechende Innovationen, komplett neue, noch nie da gewesene Erkenntnisse, wie z. B. die Relativitätstheorie von Albert Einstein. Die Frage, die sich nun stellt, ist: Wenn man zum Objekt gemacht wird, wie kann man mit einer derartigen Situation gut umgehen, damit man letztlich seine Würde bewahrt, nicht in das Opfer-Täter Programm einsteigt und stattdessen bei sich selbst bleibt? Die Antwort lautet: Den anderen darauf aufmerksam machen, dass mich seine Verhaltensweise verletzt hat und anbieten eine andere Möglichkeit zu finden, das Thema zu besprechen. Als Beispiel: In der Schule sitzen Sie als Elternteil mit Ihrem Kind beim Lehrer in der Sprechstunde. Der Lehrer schimpft in einer Tour über das Kind „und das hat er schlecht gemacht, und das hat er verbockt, und Mathematik kann er überhaupt nicht, und er ist sowieso für alles zu blöd …“ Und Sie bemerken, wie Ihr Kind neben Ihnen kleiner und kleiner wird. Eine Möglichkeit darauf zu reagieren und die Würde aller beizubehalten wäre: „Das mag wohl alles stimmen was Sie sagen, aber die Art und Weise wie Sie das sagen hat mich jetzt verletzt. Gibt es wohl eine andere Möglichkeit, mir das zu sagen was Sie mir sagen wollen, ohne dass ich mich verletzt fühle?“ Damit gebe ich dem Gegenüber die Möglichkeit, etwas aus der Situation zu lernen und aus dem Opfer-Täter Programm auszusteigen. Er wiederum kann sich entscheiden, was er aus der Situation lernen möchte. Theoretisch kann passieren, dass er Sie aus dem Zimmer hinausschmeißt, vielleicht denkt er aber dennoch darüber nach, was passiert ist. In der Regel zeigt sich allerdings eine ganz andere Verhaltensweise: Das Gegenüber entschuldigt sich und gibt von sich, dass es ihm gar nicht bewusst war, dass er Sie verletzt hat. Damit bleibt man in der Beziehung zu dem anderen Mensch. Wenn ich diese Haltung verinnerlicht habe, kann mir kein Mensch meine Würde wegnehmen. Und ich werde alle Menschen mit Würde behandeln und sie nicht hinunterdrücken. Dann kann mir selbst mein Chef eine – wie ich erachte – sinnlose Aufgabe geben,

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12  Aufforderung: Was können wir darüber hinaus tun?

und ich reagiere darauf mit „na wenn ihm das so wichtig ist, mache ich das halt“. Aber es macht mich nicht klein, ich bleibe in meiner Größe. Die meisten von uns werden die Herausforderung haben, dass sie nicht wissen, wie sie diese Aufforderungen umsetzen können. Vielleicht sind wir zu sehr in Routinen gefangen, vielleicht leben wir in lieblosen Umfeldern, vielleicht leben wir zu sehr in der Vergangenheit oder in der Zukunft, vielleicht möchten wir alles selber machen und schaffen nicht einen Rahmen, indem etwas gelingt oder vielleicht sind wir auf vielfältige Weise so blockiert, dass wir den Weg zur Veränderung nicht finden können. Dabei beginnt persönliche Veränderung oft mit einfachen und kleinen Schritten. Es sind dabei oft die kleinen Schritte, die schwierig sind anzugehen. cc

Praxis-Tipp:  Was Sie tun können, damit internes Partnering gelingt Beginnen Sie jeden Morgen mit einem konkreten liebevollen Ziel, auf das Sie sich freuen können. Alles, was dabei guttut, bereitet Freude, wenn nicht sogar Begeisterung. Handeln und Bewusstsein bilden eine Einheit. Bestimmen Sie selbst über Ihre Zeiteinteilung. Nehmen Sie sich Zeit für Reflexion und Entspannung. Und finden Sie heraus, was Sie für gelingende Beziehungen brauchen und wie Sie liebevolle Beziehungen gestalten möchten.

Wissenschaftliches

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Anregungen zur Vertiefung!

Zusammenfassung

Jedes Mitglied einer Gemeinschaft oder eines Teams hat ein reichhaltiges Spektrum an Möglichkeiten für die eigene Weiterentwicklung. Dieses Potenzial ist in den Mitgliedern und in der Gemeinschaft angelegt. Die noch verborgenen Potenziale können sich in handfeste, sichtbare und wirkungsvolle Ressourcen verwandeln. Dieses Kapitel gibt kurz zusammengefasst die wesentlichen wissenschaftlichen Aspekte und Quellen zur Zusammenarbeit wieder. Des Weiteren wird ein Einschub zu aktuellen neurobiologischen Erkenntnissen gemacht. Der interessierte Leser ist herzlich eingeladen, sich vertieft mit diesen Punkten zu befassen.

13.1 Zusammenarbeit – das Konzept Nach dem McMillan-Wörterbuch (2019) ist Zusammenarbeit definiert als „der Prozess der Zusammenarbeit mit jemandem, um etwas zu gestalten.“ Salignac et al. (2019) sammelt auch einige Definitionen: • eine Bühne auf einem Kontinuum inter-organisatorischer Verbindungen (Hrelja et al. 2016); • eine sektor-übergreifende Arbeitsvereinbarung (Guarneros-Meza et al. 2018);

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6_13

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13 Wissenschaftliches

• und ein relationales System, in dem Stakeholder Ressourcen bündeln, um Ziele zu erreichen, die sie allein nicht erreichen können (Stout et al. 2018).“ Sie argumentieren, dass die Zusammenarbeit heutzutage für öffentliche oder private Institutionen von wesentlicher Bedeutung ist. Akademiker und Nicht-Akademiker in verschiedenen Bildungseinrichtungen verwenden seit langem kollaborative Ansätze, um Menschen zu unterrichten und zu bewerten (Dillenbourg 1999; Franz et al. 2012; Hmelo-Silver 2013). In den letzten Jahren haben Pädagogen und politische Entscheidungsträger, insbesondere im Bereich des Klimawandels, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit als eigenständiges wichtiges Ergebnis und nicht nur als Mittel zum Zweck identifiziert. Roschelle und ­Teasley definieren die Zusammenarbeit genauer, indem sie angeben, dass es sich um ein „gegenseitiges Engagement der Teilnehmer bei koordinierten Bemühungen zur gemeinsamen Lösung eines Problems“ handelt (wie in Dillenbourg et al. 1996, S. 2 zitiert). Schnitzler (2019) erwähnte, dass es wichtig ist, eine Atmosphäre der Zusammenarbeit aufzubauen, das heißt ausreichend Zeit für Zusammenarbeit, Aktion, Reflexion und Integration, oder einen Untersuchungsprozess zu verfolgen, der von den Bedürfnissen, Fragen und Zielen der Lernenden bestimmt wird. Kollaboratives Lernen ist definiert als „eine Situation, in der zwei oder mehr Menschen gemeinsam etwas lernen oder versuchen, etwas zu lernen“ (Dillenbourg 1999, S. 1) und im Detail als gemeinsame Problemlösung (Akhilesh 2017). Darüber hinaus erwähnt Dillenbourg die Schwierigkeit, sich auf eine Definition des kollaborativen Lernens zu einigen. Mehrdeutigkeiten im Sinne des kollaborativen Lernens kommen aus mehreren Quellen. • Erstens kann das Ausmaß solcher Interaktionen zwischen zwei und Tausenden liegen, wobei unterschiedliche theoretische Werkzeuge erforderlich sind, um Interaktionen auf verschiedenen Ebenen zu analysieren. • Zweitens ist die Frage, was Lernen ausmacht, eine Quelle der Unsicherheit (Akhilesh 2017). Wie Dillenbourg (1999) hervorhebt, verwenden Forscher „Lernen“, um sich auf Aktivitäten zu beziehen, wie beispielsweise „Lernen aus kollaborativer Arbeit, die sich auf den lebenslangen Erwerb von Fachwissen innerhalb einer Berufsgemeinschaft bezieht.“ Kollaboratives Lernen bedeutet daher, dass Schüler oder Mitarbeiter gemeinsam lernen. Was speziell in dieser Situation passiert – was bedeutet, dass Schüler oder Mitarbeiter gemeinsam in kleinen Gruppen lernen – ist, dass sie Wissen teilen und ihre eigenen Fähigkeiten weiterentwickeln können (Levi 2017). Darüber hinaus können sie ihr Wissen, ihre Einstellungen und Überzeugungen hinterfragen und diskutieren, um die Lerneffekte zu maximieren (Cörvers et al. 2016; Klarsfeld et al. 2016).

13.1  Zusammenarbeit – das Konzept

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Mit dieser Ermutigung wird Lernen als dynamischer und motivierender Prozess wahrgenommen. Mitglieder von Teams „synthetisieren, kommunizieren und diskutieren Ideen auf eine Weise, die das konzeptionelle Verständnis fördert“ (Slavich und Zimbardo 2012, S. 571). Kollaboratives Lernen unterstreicht daher die Kompetenzentwicklung als soziale Aktivität. Es beinhaltet „gemeinsame Lernprozesse mit Partizipation und Empathie als kritischen Faktoren“ (Barth et al. 2016, S. 93). Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass der Unterschied zum kooperativen Lernen betont werden muss, wenn die Lernenden Aufgaben aufteilen und separat daran arbeiten. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit baut auf gemeinsamen Lernzielen und der Wertschätzung unterschiedlicher Meinungen oder Ansätze auf (Barth et  al. 2016; Hmelo-Silver 2013; Vidyasagar und Hatti 2018). Daher kann der neue, innovative WeQ-Test als Instrument zur Bewertung der Fähigkeiten zur Zusammenarbeit angesehen werden. Nur wenn sich Menschen auf derselben Ebene treffen, können sie im gemeinsamen Austausch eine stabile und tragfähige Basis für gemeinsame Werte entwickeln. Daher ist es für die Qualität der betreffenden Gruppe entscheidend, inwiefern sich Mitglieder einer Gruppe als selbstbestimmte, kreative und verantwortungsbewusste Subjekte gegenüberstehen. Diese Art des Umgangs miteinander wird „Subjektkultur genannt“ und steht im Kontrast zur „Objektkultur“. Der WeQ-Test wurde entwickelt, um messbar zu machen, wie stark eine Gruppe noch in einer Objektkultur ist oder wie gut es einer Gruppe bereits gelungen ist, die für die Potenzialentfaltungsprozesse notwendige Subjektkultur zu entwickeln. Das kreative Potenzial, das entsteht, wenn verschiedene Menschen ihre einzigartigen Erfahrungen, ihr jeweiliges Wissen und ihre spezifischen Fähigkeiten innerhalb einer Gruppe teilen und zu einer gemeinsamen Kraft verschmelzen, kann derzeit nur erahnt werden (Brief 2008; Hüther 2017; Klarsfeld et  al. 2016; Redlich et  al. 2019). Ziel der vorgestellten Studie ist es, dieses Potenzial durch die Anwendung des WeQ-Tests gezielt zu erkunden und durch praktische Umsetzungsprojekte in kollaborativen Lernräumen aufzuzeigen. Zwei oder mehr Menschen entwickeln langfristig einen internen Rahmen, der dem des menschlichen Gehirns in vielerlei Hinsicht sehr nahekommt (Darling-Hammond et al. 2020; Hüther 2012). In Abhängigkeit von den Erfahrungen wachsen die Fähigkeiten des Gehirns und des Menschen über den Ansatz des gesamten Entwicklungskontinuums und über das Entwicklungsspektrum (physisch, kognitiv, affektiv) auf interaktive Weise. Im Detail können Emotionen das Lernen auslösen oder blockieren (Darling-Hammond et al. 2020). Sozusagen arbeiten alle nicht eingeschränkten, miteinander verbundenen, lebensfähigen Gruppen auf die gleiche Weise wie zeitfähige Gehirne: Sie lernen durch Versuch und Irrtum, sie entwickeln stark vernetzte Strukturen, sammeln Erfahrungen und eine innere Organisation passt sich ständig an (Riemer et al. 2019; Schmid 2014). Für menschliche Gruppen bedeutet dies, dass sie auf die Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen Gruppen angewiesen sind, um ihre Potenziale zu entfalten und sich weiterzuentwickeln (Levi 2017).

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13.2 Erkenntnisse der Neurobiologie Die Erkenntnisse der Neurobiologen belegen, dass sich Menschen zeitlebens verändern. Meist folgen sie dabei allerdings ihren bereits vorher erworbenen Mustern, so dass dieser Anteil, den wir Persönlichkeit oder Charakter nennen, weitgehend änderungsresistent erscheint (Hüther 2012). Deshalb dürfen wir uns hier nicht am Durchschnitt und der Norm orientieren, sondern müssen uns die sog. Ausnahmen genauer anschauen. Diese sog. Musterbrecher sind leider selten, aber sie zeigen, dass es möglich ist und auch wie es funktionieren kann: Es gelingt nämlich, wenn eine Person Anteile in sich wiederentdeckt und weiterentwickelt, die im alten Betriebsmodus verdrängt, unterdrückt oder abgespalten waren. Dazu kann man nicht von außen überredet, überzeugt, angeleitet oder unterrichtet werden. Wer andere Menschen auf einen solchen Weg bringen will, müsste in der Lage sein, sie zu ermutigen oder – wenn er das vermag – zu inspirieren, eine neue Erfahrung mit sich selbst, mit anderen, in der Schule oder der Ausbildung, im Beruf, in seiner eigenen Lebensgestaltung machen zu wollen (Hauser und Hüther 2012) Damit ein Mensch in die Lage versetzt wird und den Mut findet, seine im Lauf des Lebens angeeigneten, sowohl individuell als auch kollektiv erfolgsgebahnten Ideen und Vorstellungen loszulassen, müsste er also die Gelegenheit geboten bekommen, etwas wiederzufinden, was er verloren hat: Seine Fähigkeit, die Welt wieder mit den Augen des Kindes zu betrachten, das er ja selbst einmal war – so offen, so vorurteilsfrei und so neugierig, wie das noch immer als frühe Erfahrung in den damals herausgeformten und inzwischen „nach unten abgesackten“ und von anderen Erfahrungen überlagerten Schichten seines Gehirns verankert – und deshalb auch jederzeit wieder aktivierbar – ist. Als Quintessenz dieses Einschubs ist erkennbar, dass wir uns einander mehr Mut machen und uns gegenseitig besser unterstützen müssten (Hosang und Hüther 2012). Wer sich also weiterentwickeln will, müsste in Beziehungen denken und in Beziehungsfähigkeit investieren. Das ist das Geheimnis der Kunst des miteinander und aneinander Wachsens. Erreichen lässt sich dieses Kunststück durch Respekt, Toleranz und Wertschätzung des jeweils anderen als einzigartige Persönlichkeit, als Quelle von Wissen und Erfahrungen sowie durch die Einführung einer Lern- und Fehlerkultur im gelebten Miteinander, einer Kultur, in der Fehler als Lernchancen begriffen werden und in der Menschen dazu ermutigt werden, die in ihren jeweiligen Lebenswelten gemachten Erfahrungen auszutauschen und auf diese Weise gemeinsam über sich hinauszuwachsen (Hüther 2011).

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Nachwort

Wir hoffen sehr, dass Sie die Lektüre dieses Buches als nützlich empfunden haben. Sicher haben Sie es nicht wie einen Krimi von der ersten bis zur letzten Seite verschlungen, denn es galt ja auch nicht, einen Bösewicht dingfest zu machen und ein Happy-End zu erleben. Auch wenn wir teilweise versucht haben, anekdotisch und mit Beispielen „aus dem richtigen Leben“ die Thematik etwas aufzulockern, so handelt es sich doch um ein Kompendium von gesammelten Erfahrungen und abgeleiteten Methoden. Verstehen Sie dieses Buch also nicht als Schlüssel zum erfolgreichen „Partner Management“, sondern vielmehr als Anregung, eigene Wege zu gehen und die eigenen Erfahrungen in Methoden umzusetzen. Lediglich die Ermahnung, stets auf die faire Verteilung des Erfolges zu achten und für „Win-Win“ zwischen allen Beteiligten zu sorgen, möchten wir Ihnen eindringlich als Ankerpunkt Ihres eigenen Handelns mitgeben. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und Freude mit Ihren Partnern! Zudem möchten die Autoren die LeserInnen, mit Bezug auf die Praxisbeispiele, einladen: –– Die Offenheit zu entdecken, wie vielfältig und inspirierend Ansätze zum Partnering sind, die bereits erforscht und umgesetzt werden. –– Die Motivation zu erhalten, selbst im eigenen Umfeld etwas zu verändern und eigene Denkmuster zu hinterfragen. –– Den Mut zu finden, um den Schritt vom Denken ins Handeln zu wagen und gemeinsam mit anderen neue Wege entstehen zu lassen, indem man sie geht. Herzlichst, Klaus Krause & Tobias Schnitzler

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 K. Krause, T. Schnitzler, Business Partner Management, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32997-6

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