Beteiligung bei Fahrlässigkeit: Ein Beitrag zur Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln [1 ed.] 9783428520350, 9783428120352

Wie lassen sich Selbstverantwortung und Akzessorietät als Zurechnungsprinzip vereinbaren? Worin liegt der Zurechnungsgru

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Beteiligung bei Fahrlässigkeit: Ein Beitrag zur Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln [1 ed.]
 9783428520350, 9783428120352

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Schriften zum Strafrecht Heft 175

Beteiligung bei Fahrlässigkeit Ein Beitrag zur Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Von

Alex van Weezel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ALEX VAN WEEZEL

Beteiligung bei Fahrlässigkeit

Schriften zum Strafrecht Heft 175

Beteiligung bei Fahrlässigkeit Ein Beitrag zur Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Von

Alex van Weezel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D5 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-12035-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit hat der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Wintersemester 2004/05 als Dissertation vorgelegen. Der Eindruck, daß sie mit ihrem Ende beginnt und daß man am Ende auf den Anfang verwiesen wird, ist durchaus richtig. Trotzdem will ich meinen, daß es sich nicht um einen Zirkelschluß handelt: Zum einen weil dogmatische Überlegungen keine Plausibilitäts-, sondern m. E. rechtswissenschaftlich tragende Argumente darstellen, die auf rechtlicher Ebene eine echte Begründung liefern können. Zum anderen weil selbst die Analyse kleiner Verästelungen zur Erfassung des Ganzen beiträgt, wenn es um systematisches Denken geht. Vor allem im dritten Teil geht die Arbeit nämlich induktiv vor, so daß es den Anschein einer Topik hat, was in Wirklichkeit die unvollständige Anordnung der Bausteine eines hochkomplizierten Systems ist. Dieses System ist der Inbegriff der Grundsätze zur gesellschaftlich-verbindlichen Festlegung der Verhaltensbedeutungen im Strafrecht. Die These der Arbeit ist in diesem Zusammenhang sehr einfach: Zu dieser Festlegung gehört die Bestimmung, ob ein Verhalten dem Muster des Allein- oder aber des gemeinsamen Handelns zuzuordnen ist. Die nachfolgenden Überlegungen bieten eine mögliche Ausgestaltung weiterer Konkretisierungen, beanspruchen aber in erster Linie, auf die Tragfähigkeit einer normativierenden Strafrechtsdogmatik im Bereich der Beteiligungslehre hingewiesen zu haben. Zunächst danke ich meinem verehrten akademischen Lehrer Prof. Dr. Günther Jakobs für die Anregung des Themas und die zahlreichen Gespräche sowie für manch überraschenden Widerspruch, der mich im Denken weitergeführt hat. Besonders danke ich Herrn Prof. Dr. Rainer Zaczyk für die Erstellung des zweiten Gutachtens, für die Gastfreundschaft am Rechtsphilosophischen Seminar und für die unvergeßlichen Seminarstunden rund um kantische Texte. Dank schulde ich auch Frau Heidi Gerharz und meinen Kollegen am Rechtsphilosophischen Seminar, die für eine angenehme Arbeitsatmosphäre gesorgt haben, sowie Frau cand. iur. Hanna Wörmann, Herrn cand. iur. Holger Grefrath und insbesondere Frau cand. iur. Caroline Scherholz, die das Manuskript zum Teil oder ganz gelesen und zahlreiche Verbesserungen angeregt haben. Für viele Gespräche in der Entstehungsphase der Arbeit danke ich auch meinem Kollegen Herrn Marco L. Cerletti. Die Veröffentlichung der Arbeit in der vorliegenden Form habe ich der Leitung und den Mitarbeitern des Verlags, dem Deutschen Akademischen Aus-

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Vorwort

tauschdienst und der Dr.-Franz-Josef-Kreuels-Stiftung zu verdanken. Schließlich bedanke ich mich bei meinen Eltern und meinen Freunden, denen diese Arbeit gewidmet ist, für ihre ständige Unterstützung. Bonn, den 29. September 2005

Alex van Weezel

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einleitung Vorgaben, Gang der Untersuchung und Darstellung des Ausgangspunkts

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A. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten kraft Organisationszuständigkeit . . I. Tatherrschaft als Faktum: Die Übertragung des Einzeltäter-Paradigmas auf den Bereich des gemeinsamen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbleibende Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der gemeinsame Tatentschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Exzeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sukzessive Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Versuchsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Problem des Wachestehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Problem der Mitwirkung im Vorbereitungsstadium . . . . . . . . . . 2. Tatherrschaft als faktische Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Problem des gemeinsamen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinsamer Tatentschluß als Grundlage eines Kollektivs . . . . . . . . . . 2. Das Zurechnungsprinzip Gesamttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ein Gesamtsubjekt? Eine neue Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kollektive Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligung als Zurechnungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zurechenbarkeit der Tatbestandsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tatbestandsverwirklichung als Zurechnungsgegenstand . . . . . . . . . . d) Zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gestaltungsquanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich Kritische Darstellung des Diskussionsstandes

A. Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die sogenannte fahrlässige Beteiligung an vorsätzlicher Tat . . . . . . . . . . . . 1. Zur unterschiedlichen Entwicklung im Begehungs- und im Unterlassungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regreßverbot und subjektive Zurechnung in der Auffassung Roxins . . 3. Zwischenergebnis: Zum Einheitstäterbegriff im Fahrlässigkeitsbereich II. Die (verdeckte) vorsätzliche Beteiligung an fahrlässiger Tat . . . . . . . . . . . . 1. Die Normativierung der Grenzen zwischen mittelbarer (Allein-)Täterschaft und Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vervollständigung der Normativierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktionsbedingte Erheblichkeit der Kenntnisse (Unterscheidung zwischen Irrtum und Unwissenheit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reichweite des Vorwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Notwendige Normativierung und extensive Norminterpretation beim Kenntnisprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung auf die Problematik der gemeinsamen Zuständigkeit . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vermeidbarkeit: Ihr Gegenstand und ihre Funktion bei der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mitwirkung mehrerer fahrlässig handelnder bzw. unterlassender Personen 1. Das Dogma des Einheitstäterbegriffs und die sog. Einheitstäterlösung für das Problem der Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich . . . . . . . . a) Einheitstäterbegriff und Zurechnungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die sog. „Einheitstäterlösung“ auf kausaler Basis . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kausalität und Zurechnung qua Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kausale Zurechnung und Täterbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kausalität für die Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Statuierung einer Garantenpflicht und ihre verwandte Erscheinung, die Sorgfaltspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „Unterlassungslösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die „Jedermannssorgfaltspflicht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umdenken der Kausalitätslehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lösung durch kumulative Kausalität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die „Gesamtunterlassung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Gemeinschaftliche Gefahrbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Grundzüge der gegenwärtigen Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Inhaltsverzeichnis 1. Beiträge zu einem Gesamtereignis: erste Vereinfachung der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einheit der Gefahrbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verzicht auf die Einzelkausalität: zweite Vereinfachung der Zurechnung 4. Beteiligung an der Gefährdung und Beteiligung an der Tatbestandsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ergänzungen und Korrekturen: Die Entwicklung der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fahrlässiges notwendiges Zusammenwirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinsame „Steuerbarkeit“ des gefahrbegründenden Geschehens . . . 3. Von der Steuerbarkeit (bzw. Beherrschbarkeit) des Geschehens zur Verantwortung für die fehlerhafte Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Risikoverbundenheit in der Auffassung Exners . . . . . . . . . . . . . . b) Die Arbeitsteilung bei Stratenwerth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der „normative“ Lösungsweg Ottos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Autonomes Setzen der letzten Ursache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gleichartige Pflichtenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dritter Teil Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

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A. Individuelle Vermeidbarkeit und Beteiligungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Reine Vermeidbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mittäterschaft bei unterschiedlicher Art der individuellen Vermeidbarkeit 1. Die Trennung von „Wille“ und „Vorsatz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Was ist das Ganze? Wann ist vom gleichen Delikt die Rede? . . . . . . . . 4. Die Lehre der Gesamttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Strafbarkeit aufgrund desselben Delikts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mittäterschaft bei erfolgsqualifizierten Delikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Normative Gemeinsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beteiligung als gemeinsame Zuständigkeit für das tatbestandsmäßige Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kausalitätsprobleme und kausal orientierte Lösungsansätze . . . . . . . . . . a) Beteiligung und Überbedingtheit des Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Normativierung des Kausalitätserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Bedeutung der Gemeinsamkeit: Beteiligung als Zuständigkeit für dasselbe Risiko? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Normative Gemeinsamkeit im Unterlassungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Verkehrssicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit für das (erlaubte) „Sonderrisiko“ . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gemeinsame Inanspruchnahme eines Sonderrisikos . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinsame Verantwortung für die Verwaltung eines Sonderrisikos . . a) Vertrauensgrundsatz und Gemeinsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zum allgemeinen Inhalt des Vertrauensgrundsatzes . . . . . . . . . . bb) Zur Grenze zwischen alleiniger und gemeinschaftlicher Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befreiung von der Sicherungspflicht durch Überlassung der Gefahrenquelle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formen der Überlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Endgültige Veräußerung der Gefahrenquelle . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorübergehende Überlassung der Gefahrenquelle . . . . . . . . . . . . cc) Beauftragung mit der Verwaltung eines Risikos innerhalb des eigenen Organisationskreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Grund für die gemeinsame Zuständigkeit . . . . . . . . . . . (2) Verantwortungsaufteilung und Verantwortungsvervielfältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Entlastende Wirkungen der Verantwortungsaufteilung (insbesondere zum Einsatz von Sonderwissen) . . . . . . . . . . . . . . d) Handeln in fremder Organisation und Beteiligungsverhältnis am Beispiel der am Bau Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Funktion des § 14 StGB beim Handeln in fremder Organisation 2. Gemeinsame Verantwortung für den Mißbrauch sicherungspflichtiger Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kontextuale Bestimmung der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Zurechnungszusammenhang im Aufbau des Beteiligungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis: Funktion und Grenzen der Standardisierung des Beteiligungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinschaftliche Rettungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Retter und ein Sonderrisiko beanspruchender Geretteter . . . . . . . . . b) Deliktsermöglichendes oder -erleichterndes Nichtstun oder Weggehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis und Folgerungen für die Rechtsfindung . . . . . . . . . . a) Zum normativen Charakter der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgerungen für die Rechtsfindung: der Schachtfall . . . . . . . . . . . . . II. Gemeinsame Verantwortung der Mitglieder eines Gremiums . . . . . . . . . . . . 1. Die Lederspray-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Sachverhalt und die Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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b) Die Begründung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die gemeinsame Zuständigkeit der Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Probleme der Mitwirkung an einer Kollegialentscheidung . . . . . . . . b) Mitwirkung in trennender, hierarchisch verwirklichter Arbeitsteilung c) Mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mitwirkung in trennender, nicht hierarchisch verwirklichter Arbeitsteilung: „Neutrale“ Handlungen als Beihilfe? . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rückblickende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Normative Gemeinsamkeit beim Begehungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Folgen der Gleichstellung für die Beteiligungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeitsteilung als ambivalentes Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hierarchische Arbeitsteilung und Sonderwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Wissen, das zum verbindenden Kontext gehört . . . . . . . . . . . . . b) Hierarchie und Verantwortungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nicht hierarchisch verwirklichte Arbeitsteilung: normative Isolierung des gemeinschaftlich beanspruchten Sonderrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Normativ definierte Arbeitsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsame Zuständigkeit für ein Grundrisiko und kontextuelle Einbeziehung: erster Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kontextuelle Einbeziehung trotz unvereinbarer subjektiver Zielsetzungen: zweiter Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Folgerungen für die Rechtsfindung: Roxins „Patronenfall“ . . . . . . . . . . IV. Normative Gemeinsamkeit im Fall der Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Physische Beihilfe bedarf keiner Verabredung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen der Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zunehmende Normativierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Akzessorietät der Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Solidarisierungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Erfordernis eines Beistandspaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritik: Verselbständigung des Unrechts der Beihilfe . . . . . . . . . cc) Wechselseitige Solidarisierung bei der Mittäterschaft? . . . . . . . 2. Akzessorietät als objektive Sinnzusammengehörigkeit der Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Über den fördernden Sinn des Beitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Lösungsansatz Frischs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik an der Lösung Frischs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Der Sinn des „geförderten“ Beitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

269 271 277 277 280 282 282 285 286 286 288 292 292 295 296 297 299 300 302 304 306 307 307 307 310 312 312 313 316 317 318 320 322 325 326

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Inhaltsverzeichnis 3. Mitgestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens: Über die sog. „Kausalität der Beihilfe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Erfolgskausalitätserfordernis nach herkömmlicher Lehre . . . . . aa) Kausalität für die „Modalität der Handlung“ . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Risikoherhöhung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Bedeutung der Förderungsformel des RG . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verwirklichte Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einheitlichkeit des Risikos und hypothetische Kausalverläufe . cc) Ex-ante-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gestaltung als Sinnausdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Anwendung auf die Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rekapitulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Gestaltungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Begriff der Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Normativer Begriff der Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Straftat, an der die Akteure sich beteiligen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückblick: Die subjektive Seite des Beteiligungsverhältnisses . . . . . . . VI. Beteiligungsvorschriften und Strafbarkeit der Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erste Möglichkeit: § 25 Abs. 2 StGB erfaßt die fahrlässige Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweite Möglichkeit: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich ist nicht ausdrücklich normiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

328 329 330 331 332 335 339 339 343 343 344 349 352 352 354 354 356 360 363 363 366

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

Erster Teil

Einleitung Vorgaben, Gang der Untersuchung und Darstellung des Ausgangspunkts A. Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit soll die Entfaltung eines einzigen Grundgedankens darstellen: Das strafrechtliche System erkennt ein Zurechnungsmuster an, das einem normativ definierten gemeinsamen Handeln entspricht. Dieses Zurechnungsmuster unterscheidet sich grundsätzlich vom Einzeltäter-Paradigma, ergibt sich aus einer Spezifizierung der allgemeinen Zurechnungskriterien und bildet den Kern jenes Teils der strafrechtlichen Dogmatik, den man Beteiligungslehre nennt. Der Grundgedanke wird hauptsächlich an der heutzutage viel diskutierten Problematik der Beteiligung an fahrlässiger Straftat durchgespielt, insbesondere hinsichtlich der systematischen Eingliederung mittäterschaftlicher Verantwortung in das Corpus der Beteiligungslehre. Eine solche Eingliederung erfordert zum einen die Analyse der konstruktiv aufzustellenden Voraussetzungen subjektiver und objektiver Zurechnung bei gemeinsamem Handeln. Zum anderen muß auch der eigene Ansatz hinreichend (und auch gleichsam kontrastiv) ausdifferenziert werden, was im Verlauf der Untersuchung durch die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Ausgestaltungen des Einzeltäter-Paradigmas erfolgen soll. Als Mittel zur Kontrastbildung werden in diesem Zusammenhang sowohl die erfolgsorientierten Zurechnungslehren (von der Tatherrschaftslehre bis hin zum Zurechnungsprinzip Gesamttat) als auch die verschiedenartigen subjektiven Theorien herangezogen. Die nähere Betrachtung der richterlichen Entscheidungen nimmt dabei keinen gesonderten Raum ein, sondern wird im Rahmen der einschlägigen Diskussionen mit einbezogen. Die Arbeit befaßt sich nur am Rande mit der Frage, ob Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich konstruktiv möglich ist oder nicht. Daß die Möglichkeit einer solchen Konstruktion durchaus besteht, ist bereits mehrfach im Schrifttum dargelegt worden,1 vom Gedankengut der Tatherrschaftslehre her anerkannt2 und für die erfolgsqualifizierten Delikte sogar im Gesetz festgeschrieben3. Viel1 Zum Stand der Diskussion s. Kamm, S. 86 ff.; Kim Sung-Ryong, S. 65 ff.; NKSchild, Vor § 25 ff., Rn. 226 ff.; insb. aus der Perspektive der Kausalitätsproblematik

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1. Teil: Einleitung

mehr geht es hier um den Versuch, diese Figur systematisch zu ergründen und in die gegenwärtige Strafrechtslehre harmonisch zu integrieren, sowie um die Behandlung einiger besonders auffälliger Fragestellungen, die eine solche Eingliederung mit sich bringen muß.4 Daher beschäftigen sich die folgenden Überlegungen in erster Linie mit denjenigen Ansätzen, welche die Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich positiv zu begründen versuchen (s. zweiter Teil, B), aber auch mit denjenigen, die eine solche Figur für entbehrlich halten (s. zweiter Teil, A. III). Mittels einer kritischen Untersuchung dieser jeweils vielschichtigen Auffassungen kann m. E. der Ausgangspunkt zur Erklärung der mittäterschaftlichen Haftung im Fahrlässigkeitsbereich gewonnen werden.

Puppe, GA 2004, S. 129 ff.; zusammenfassend Pfeiffer, Jura 2004, S. 519 ff.; alle mit weiteren Literaturhinweisen. 2 Vgl. etwa Roxin, Täterschaft, S. 695 („Die Konstruktion einer fahrlässigen Mittäterschaft ist grundsätzlich möglich“); dens. AT II, 25/242; ausdrücklich anders noch in Chengchi Law Review, Vol. 50 (1994), S. 414; Bloy, GA 2000, S. 395 (Mittäterschaft beim Fahrlässigkeitsdelikt sei gegeben, wenn „die Beherrschbarkeit des Tatgeschehens . . . allen Beteiligten gemeinsam zukommt – Parallele zur funktionellen Tatherrschaft: funktionelle Tatbeherrschbarkeit)“. Die „begriffliche Möglichkeit“ einer fahrlässigen Mittäterschaft erkennt ebenfalls Puppe (Festschrift für Spinellis, S. 922) an; sie sei allerdings wegen der mangelnden Tatherrschaft bei Fahrlässigkeitsdelikten als Zurechnungsform unbrauchbar. 3 s. dritter Teil, A. III. 4 Die geläufigen Argumente gegen die Anerkennung der Mittäterschaft beim Fahrlässigkeitsdelikt dürfen also an dieser Stelle nur kurz erwähnt werden: a) Die Gesetzeslage, nämlich der Wortlaut des § 25 Abs. 2 StGB, welcher aufgrund des Ausdrucks „gemeinschaftlich“ nur die vorsätzliche Mittäterschaft erfasse: Wie dennoch einer mittäterschaftlichen Haftung beim Fahrlässigkeitsdelikt weder dieser Ausdruck noch die Definition der „rechtswidrigen Tat“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) im Wege stehen, beweisen u. a. Weißer (JZ 1998, S. 232 f.), Renzikowski (S. 288) und Otto (Jura 1990, S. 48); b) Fehlen eines gemeinsamen Tatentschlusses hinsichtlich des mißbilligten Erfolgs bzw. mangelnde Begründung einer Solidarhaftung: Der Einwand beruht entweder darauf, daß dem gemeinsamen Tatentschluß eine konstitutive Funktion zugeschrieben wird [s. erster Teil, B. I. 1. a)], oder darauf, daß gemeinsamer Tatentschluß und Vorsatz gleichgesetzt werden (vgl. Weißer JZ 1998, S. 232 und Kamm, S. 99 ff., sowie Dencker, Kausalität, S. 176: dazu s. dritter Teil, A. II); c) Verletzung des Prinzips in dubio pro reo in Fällen ungeklärter Einzelkausalität: Dabei wird jedoch vorausgesetzt, daß Mittäterschaft von vornherein nicht vorliegt (dazu Renzikowski, S. 284, 286 f.); d) Übermäßige Ausdehnung fahrlässiger Haftung: Diese Kritik läuft insofern ins Leere, als die Berücksichtigung des § 15 StGB eine Vorfrage jeder Fahrlässigkeitsstrafbarkeit bildet, die ihrerseits unabhängig von der Frage ist, ob Allein- oder Mittäterschaft in Frage kommt (hierzu Weißer, JZ 1998, S. 233); sie wäre jedoch durchaus berechtigt, wenn Beteiligung ohne gemeinsame Organisation angenommen bzw. mittels der Figur mittäterschaftlicher Haftung das Alleinhandeln als gemeinsames Handeln bloß umbenannt würde; e) Schließlich ist die Anerkennung der Figur nur bei bewußter Fahrlässigkeit – mit Hilfe einer vermeintlich durchführbaren Übertragung des Tatherrschaftsprinzips – inkonsequent, denn – wie Otto (Festschrift für Spendel, S. 282) bemerkt – selbst bei bewußter Fahrlässigkeit kommt eine finale Steuerung des Geschehens auf den Erfolg hin nicht in Frage.

A. Gang der Untersuchung

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Die vorliegende Arbeit will weder eine selbstständige Mittäterschaftslehre für den Fahrlässigkeitsbereich entwickeln, noch ist sie auf die Lösung bestimmter Kausalitätsprobleme zugeschnitten.5 Letzteres muß hervorgehoben werden, da die Erklärung einer Tat nach dem Muster des gemeinsamen Handelns oder des Alleinhandelns nicht davon abhängig sein kann, ob bestimmte Kausalitätsprobleme im konkreten Fall aufgetreten sind oder nicht.6 Inwieweit die Diskussion dennoch durch die Kausalitätsproblematik geprägt ist, zeigt sich bei der Behandlung des Regreßverbots (s. zweiter Teil, A. I) und der sog. Einheitstäterlösung (s. zweiter Teil, A. III. 1). Obwohl die Gründe für die Ablehnung einer selbstständigen Mittäterschaftslehre für die Fahrlässigkeitsdelikte bereits aus dem ersten Teil zu entnehmen sind, bietet die Behandlung der sog. vorsätzlichen Beteiligung an fahrlässiger Tat die Gelegenheit, näher darauf einzugehen (s. zweiter Teil, A. II). Sofern in der Lehre vorhanden, werden auch normative Ansätze berücksichtigt. Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei der Versuch, die Täterschaft jedes Beteiligten anhand einer „gleichartigen“ Pflichtenstellung zu begründen, was der Beweis der Einzelkausalität überflüssig machen sollte (s. zweiter Teil, A. III. 2), sowie einige Auffassungen, die zwar als Kausalitätslehren verstanden werden wollen, aber ohne eine weitgehende Normativierung nicht auskommen können (s. zweiter Teil, A. III. 3). Die konstruktive Entwicklung akzessorischer Verantwortung im Fahrlässigkeitsbereich wird auf der Ebene objektiver und subjektiver Zurechnung durchgeführt: Bei der Behandlung sog. vorsätzlicher Beteiligung an einer fahrlässigen Straftat (zweiter Teil, A. II) wird zunächst deutlich, daß die jeweiligen Erscheinungsformen individueller Vermeidbarkeit bei der Abgrenzung zwischen Alleintäterschaft (mittelbarer Täterschaft) und Beteiligung nicht ausschlaggebend sein können. Im Gegenteil: Bestand und strafrechtliche Bedeutung von Vorsatz und Fahrlässigkeit erschließen sich erst nach der Bestimmung, ob die Tat dem Muster des Alleinhandelns oder des gemeinsamen Handelns entspricht. Hängt nun die Konstitution des Beteiligungsverhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit

5 Wie etwa bei Otto, dem es vorwiegend darum geht, dem einzelnen Beteiligten die Berufung auf die fehlende Kausalität seines Beitrages wegen pflichtwidrigen Verhaltens anderer zu versagen (WiB 1995, S. 934); auch i. d. S. Kamm, S. 180 f.: Der „Tatsache, daß durch den Zusammenschluß mehrerer auch die Wahrscheinlichkeit von Fällen ungeklärter Kausalität erhöht wird“ müsse durch „eine kollektive Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge Rechnung getragen werden“) und Dencker (Kausalität, S. 174 ff.). 6 Mittäterschaft ist also keine subsidiäre Lösung für die Fälle, in denen es keine andere Zurechnungsmöglichkeit des Erfolgs gibt: Wenn A und B in verbindender Arbeitsteilung den C verprügeln, sind sie u. U. Mittäter, obwohl eine Einzelzurechnung ebenso „möglich“ wäre. I. d. S. auch Weißer, JZ 1998, 235; a. A. Kamm, S. 185, die mit Bottke (Gestaltungsherrschaft, S. 87) an die Tatherrschaftslehre anknüpfend, ein „Aufeinander-Angewiesensein“ der Mittäter verlangt.

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1. Teil: Einleitung

nicht ab, dann liegt es auf der Hand, daß es weder eine „vorsätzliche“ noch eine „fahrlässige“ Beteiligung geben kann. Der übliche Sprachgebrauch kann zwar aus praktischen Gründen beibehalten werden, aber das ändert nichts daran, daß das Beteiligungsverhältnis mit Hilfe der Kategorien von Vorsatz und Fahrlässigkeit weder gebildet noch erschlossen wird.7 Dies erklärt sich außerdem dadurch, daß sich diese Kategorien allein auf die Straftatbestände des Besonderen Teils beziehen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Straftat gemeinschaftlich oder in Alleintäterschaft verwirklicht wurde. Die Zurechnung der verwirklichten Tat zum Vorsatz oder zur Fahrlässigkeit des einzelnen hat demnach mit der Frage, ob gemeinsames Handeln vorliegt, schon auf rein nomologischer Ebene nichts zu tun. Der hier gewählte Ansatz führt also nicht etwa dazu, das Beteiligungsverhältnis auf Fahrlässigkeit statt auf Vorsatz zu begründen. Vielmehr soll klargestellt werden, daß nur die indviduell vermeidbare Tatbestandsverwirklichung in der Konstitution des Beteiligungsverhältnisses von Bedeutung ist, die Erscheinungsformen der individuellen Vermeidbarkeit hingegen zu den Elementen des individuellen Vorwurfs gehören. Die Auseinandersetzung mit dem Problem der Mittäterschaft trotz ungleichen Verschuldens und der Mittäterschaft beim erfolgsqualifizierten Delikt (s. dritter Teil, A. II und A. III) bestätigt diesen Befund. Eine konstruktive Antwort auf die Frage, unter welchen Bedingungen von der gemeinschaftlichen Begehung einer Straftat gesprochen werden kann, ist nach der hier gewählten Perspektive mit der Aufstellung eines normativen Begriffs der „Ausführung“ der Tat gleichbedeutend: Der hier zu entwickelnde Ansatz ist geprägt von einer normativen Auffassung des Beteiligungsverhältnisses, die dem ihr zugrundeliegenden Verständnis des Akzessorietätsprinzips entstammt. Ist das Verbrechen als typisierter Sinnausdruck gegen die Normgeltung zu verstehen, so drücken alle Beteiligten einen gemeinsamen, strafrechtlich erheblichen Sinn aus. Im strafrechtlichen System bestimmt sich jedoch die Erheblichkeit von Sinnausdrücken anhand normativer Kriterien, die in der Lehre von der objektiven Zurechnung zusammengefaßt worden sind. Die Erforschung der strafrechtlichen Bedeutung eines jeden Verhaltens bildet dementsprechend ein hermeneutisches Problem, denn durch die Kategorien objektiver Zurechnung wird die soziale Semantik und dadurch die Verfaßtheit einer konkreten Gesellschaft mit einbezogen. Die vorliegende Arbeit stellt die These auf, daß auch die Frage nach der Gemeinschaftlichkeit zur Bestimmung der Bedeutung eines Sinnausdrucks, d. h. zu dessen Zurechnung, gehört. Aus diesem Grund kann u. a. die Beteiligungsfrage auch nur mit

7 Eine Intuition, die bereits bei Dahm (S. 53) – wenngleich in einem anderen Begründungszusammenhang – zu finden ist: „Auch eine Gemeinschaft fahrlässig handelnder ist möglich. Das Vorliegen der Gemeinschaft bestimmt sich nicht nach dem Grade der formalen Schuld“.

A. Gang der Untersuchung

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dem Instrumentarium der Lehre von der objektiven Zurechnung beantwortet werden. Das zuvor Angeführte hat bedeutsame Folgen für die Behandlung der Beteiligungsproblematik. An erster Stelle werden traditionelle Kategorien, die zur Konturierung der Beteiligungsverhältnisse geläufig angewandt werden, beträchtlich relativiert. Sowohl der kausalen Verknüpfung der Teilakte (bzw. der sog. Risikoverbundenheit) als auch der Verabredung im Sinne eines gemeinsamen Tatentschlusses kommt aus dieser Perspektive nur eine indizielle Rolle zu, die weder unterschätzt noch verabsolutiert werden darf. Die negative Seite der Zurechnungsfrage wird von der Problematik des Nicht-Intendierten bzw. NichtVerursachten abgelöst, um sich auf das Nicht-Zufällige zu konzentrieren. Die Entscheidung, die Bestimmung der Gemeinschaftlichkeit in dem Bereich der objektiven Zurechnung anzusiedeln, bringt eine Modifizierung – genauer: eine Spezialisierung – der Zurechnungskategorien mit sich, die grundsätzlich auf das Einzeltäter-Paradigma zugeschnitten sind. Von ausschlaggebender Bedeutung ist in diesem Sinne die bei der Auseinandersetzung mit den normativierenden Ansätzen gewonnene Einsicht, nach der der Zurechnungsgegenstand bei gemeinsamem Handeln nicht der Einzelbeitrag, sondern allein die Tatbestandsverwirklichung ist. Dieser Befund, der an mehreren Stellen der Untersuchung erläutert wird, führt zu der weiteren Erkenntnis, daß die Ausführung der Tat nichts anderes als das Werk aller Beteiligten darstellt (s. dritter Teil, B. I. 2, B. II und C. V. 2). Der Einzelbeitrag ist m. a. W. aus der Perspektive des Beteiligungsverhältnisses nur deswegen mißbilligt, weil er Ausführung der tatbestandlichen Tat „bedeutet“. Dieser normative Begriff der Ausführung soll allerdings nicht dahingehend verstanden werden, daß er notwendig zur Herausbildung eines fiktiven Gesamtsubjekts, eines Kollektivs, führen muß. Die gemeinschaftlich begangene Tat bildet eine kollektive Pflichtverletzung, nicht aber eine Pflichtverletzung durch ein Kollektiv. Im Beteiligungsverhältnis gehen also die Personen nicht in einem Kollektiv auf; aber sie können auch nicht ohne den gegenseitigen Bezug erfaßt werden. Letzteres bedeutet einerseits, daß dem einzelnen die Gesamttat zugerechnet wird; andererseits führt diese Einsicht insbesondere zu der Erkenntnis, daß das Beteiligungsverhältnis – gleichzeitig significans und significatum eines gemeinsamen Sinnausdrucks – in der gemeinschaftlichen Zuständigkeit für das tatbestandsmäßige Verhalten besteht (s. dritter Teil, B. I und C. IV. 3). Die Frage, wie nun die normative Gemeinsamkeit mit Hilfe der Kriterien objektiver Zurechnung erschlossen werden soll, bildet das Thema des abschließenden, umfangreichsten Teils der Untersuchung, der das Kriterium der gemeinschaftlichen Inanspruchnahme eines Sonderrisikos anhand verschiedener Konstellationen auszuarbeiten versucht (dritter Teil, C). Die Konkretisierung dieses Leitgedankens bedarf nicht der Aufstellung neuartiger Zurechnungskriterien,

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1. Teil: Einleitung

sondern, in Übereinstimmung mit dem Ansatzpunkt, nur ihrer Spezialisierung auf das gemeinsame Handeln. Die in der Lehre bereits vorhandenen Entwicklungen hinsichtlich verschiedener Fallgruppen werden dementsprechend abstrahiert und von ihrer individualisierenden Ausrichtung gleichsam bereinigt, damit sie dem Zurechnungsmuster des gemeinsamen Handelns gerecht werden können. Auf diese Weise erklärt sich die Systematik des dritten Abschnitts (dritten Teils). Die darin getroffene Einteilung – Unterlassungsbereich, Gremienentscheidungen, Begehungsbereich und eine besondere Analyse der Beihilfe – entspricht nur dem Anliegen, die einschlägigen Kriterien für die Lösung einer einheitlichen Problematik – der Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln – dort zu suchen, wo Lehre und Rechtsprechung sie entwickelt haben. Die ausgedehnte Behandlung erdachter Beispielsfälle und richterlicher Entscheidungen ist aus zwei Gründen vonnöten. Zum einen bildet der ausgearbeitete Ansatz zwar bereits einen umrissenen Leitgedanken; daraus ergeben sich aber nicht unmittelbar einzelne Kriterien, die als fertige Regeln auf die unterschiedlichen Konstellationen angewandt werden könnten. Da zudem die Verhaltensbedeutung mit einem abstrakten Verweis auf eine allgemeine Formel nicht zu erschließen ist, bedarf es zur Konkretisierung des Ansatzes der Analyse zumindest einer Auswahl bedeutsamer Konstellationen. Zum anderen soll die Leistungsfähigkeit des vorgeschlagenen Ansatzes auf die Probe gestellt werden. Daher sind speziell diejenigen Fallgruppen ausgewählt worden, deren Behandlung der Beteiligungslehre besondere Schwierigkeiten im Bereich der Organisationszuständigkeit bereitet haben. Da überdies die Beteiligungsfrage nicht von den jeweiligen Erscheinungsformen individueller Vermeidbarkeit abhängt, werden auch Fragestellungen behandelt, die sowohl bei Vorsatz- als auch bei Fahrlässigkeitstaten problematisch sind. Die Untersuchung der Gemeinsamkeit im Unterlassungsbereich (dritter Teil, C. I) führt zunächst zur Analyse des maßgeblichen Begriffs des „Sonderrisikos“. Seine gesellschaftliche Prägung stellt die Weichen zum adäquaten Verständnis der Sicherungspflichten, worauf das Kriterium der (gemeinsamen) Verantwortung für die Verwaltung einer Gefahrenquelle aufbaut. In diesem Zusammenhang wird auch die Rolle des Vertrauensgrundsatzes bei der Konturierung der gemeinschaftlichen Verantwortung erläutert. Die dogmatische Entwicklung der Unterlassungsverantwortung erweist sich als besonders ergiebig in bezug auf die Aufstellung von Zurechnungsregeln, welche die Verantwortungsbereiche mehrerer Akteure verbinden oder trennen: Die Problematik der Delegierbarkeit von Sicherungspflichten durch Überlassung der Gefahrenquelle bietet beispielsweise die Möglichkeit, diese Kriterien aus der Perspektive der Beteiligungslehre zu vertiefen. Dem Problemkomplex der Beauftragung von Sicherheitsmaßnahmen als Unterfall des Handelns in fremder Organisation wird dabei, aufgrund seiner praktischen Bedeutung, eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Neben einem Exkurs über die Funktion des § 14 StGB im Hinblick auf die Betei-

A. Gang der Untersuchung

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ligungsfrage werden abschließend auch Schlußfolgerungen für die Rechtsfindung dargestellt, da der hier gewählte Ansatz sich nicht zuletzt auf eine adäquate Selektion der zutreffenden Fragen, d. h. der im Prozeß zu beweisenden Tatsachen, auswirken soll. Die Frage nach der gemeinschaftlichen Verantwortung der Mitglieder eines Gremiums im Unternehmensbereich (dritter Teil, C. II) bietet die Gelegenheit, den vorgeschlagenen Lösungsansatz an einer der bedeutendsten Entscheidungen der letzten Zeit zum Problem der Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich – der sog. Lederspray-Entscheidung8 – durchzuspielen. Im Dialog mit den Ausführungen des BGH wird die hier vertretene Position noch einmal ausgebreitet. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, ob sich eine gemeinschaftliche Verantwortung organisatorischer Art, die in bezug auf Kollegialentscheidungen privatrechtlicher Gremien besonders erheblich ist, begründen läßt. Der Abschnitt über das gemeinsame Handeln im Begehungsbereich (dritter Teil, C. III) widmet sich hauptsächlich der Arbeitsteilung in ihrer strafrechtlichen Dimension. Die Arbeitsteilung wird sich dabei als doppeldeutiges Phänomen erweisen, was für die Anwendung des Kriteriums der gemeinschaftlichen Inanspruchnahme eines Sonderrisikos von zentraler Bedeutung ist. Die Ausführungen befassen sich mit Fällen hierarchisch und nicht-hierarchisch verwirklichter Arbeitsteilung, sowie mit Konstellationen, die geläufig als „zufällige“ Mitwirkung bezeichnet werden. Die folgenreiche Unterscheidung zwischen trennender und verbindender Arbeitsteilung wird schließlich bei der Bestimmung der Pflicht zum Einsatz von Sonderwissen fruchtbar gemacht. Obwohl die Beihilfe aus der Perspektive der Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln keinen Sonderfall darstellt, werden einige mit ihr verbundene Fragestellungen in einem besonderen Abschnitt behandelt (dritter Teil, C. IV). Der Grund dafür liegt nicht nur darin, daß Beihilfe oft in einer Art polarer Beziehung zur Mittäterschaft betrachtet und begriffen wird, sondern vor allem in der Tatsache, daß manche wesentliche Aspekte des Beteiligungsverhältnisses gerade mit Bezug auf die Beihilfe im Schrifttum diskutiert werden. So wird die Analyse der Annahme, physische Beihilfe sei ohne Verabredung zwischen Täter und Gehilfe ohne weiteres möglich, zur Bestimmung des Inhalts der Akzessorietät einen bedeutenden Beitrag leisten. Die Vertiefung des Inhalts der Akzessorietät wird ihrerseits Licht auf die Tragweite der Sinnzusammengehörigkeit der Verhaltensweisen der Beteiligten werfen. Schließlich bietet eine nähere Betrachtung des Problemkreises „Kausalität der Beihilfe“ die Gelegenheit, die Beteiligungslehre als Problem der Verhaltenszurechnung eingehend darzustellen, wobei ein für die hier vertretene Position zentraler Begriff – das für die Zustän-

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BGHSt 37, 106.

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1. Teil: Einleitung

digkeitsbegründung unentbehrliche Gestaltungserfordernis – schärfer abgegrenzt werden kann. Gestaltungserfordernis, normativer Begriff der Ausführung und Bestimmung der Straftat, an der sich die Akteure beteiligen, bilden den Gegenstand einer Rekapitulation (dritter Teil, C. V), die eine Gesamtbetrachtung ohne ständigen Bezug auf konkrete Fälle, wie es in der unmittelbar vorangehenden Darstellung unvermeidlich war, gestattet. Die abschließenden Überlegungen thematisieren die Frage der Bedeutung der §§ 25–27 StGB für die Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich. Sie beschränken sich darauf, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung in Frage kommenden Auslegungsmöglichkeiten der Beteiligungsvorschriften aufzuzeigen.

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten kraft Organisationszuständigkeit Die folgenden Ausführungen enthalten eine Darlegung des hier eingenommenen Ausgangspunkts und eine Rekapitulation der grundlegenden dogmengeschichtlichen Entwicklungen, die zu seiner Herausbildung geführt haben.9 Eine nach diesem Ansatz vollständige und theoretisch abgesicherte Darstellung der Grundlagen der Beteiligungslehre wird dagegen aus verschiedenen Gründen nicht in Angriff genommen, nicht zuletzt aufgrund der Überlegung, daß eine Neugestaltung der Beteiligungslehre zwar aus einem umrissenen und einheitlichen Ansatz hervorgehen muß, aber nicht ohne vorherige Überprüfung dieses Ansatzes an den vielfältigen Verästelungen der Beteiligungsproblematik endgültig aufgestellt werden kann. In diesem Sinne sollte der in diesem ersten Teil darzustellende Ausgangspunkt noch als Hypothese betrachtet werden, wie auch die in den nachfolgenden Teilen erarbeitete, systematische Entwicklung der mittäterschaftlichen Haftung als ein hauptsächlich im Fahrlässigkeitsbereich angesiedelter Versuch über die Leistungsfähigkeit des Ansatzes bezeichnet werden kann.10 9 Die historische Perspektive bleibt jedoch nur im Hintergrund. Zur Mittäterschaft im 19. Jahrhundert s. Winter, S. 26 ff.; zu den maßgeblichen Tendenzen im 20. Jahrhundert s. die Skizze von v. Danwitz, S. 11 ff., 77 ff. 10 Kriminalpolitische Gesichtspunkte bleiben hier grundsätzlich ausgeklammert, da es sich um eine dogmatische Untersuchung der legis latae handelt, d. h. um die Ergründung der Möglichkeiten des geltenden Strafrechtssystems, an das die kriminalpolitischen Herausforderungen gestellt werden. Daß diese den Ausschlag für die hier interessierende Fragen nicht geben können, ergibt sich schon aus ihrer Mehrdeutigkeit, wie H. Jung (in: Eser/Huber/Cornils [Hrsg.], Einzelverantwortung, S. 195 f.) zu Recht hervorgehoben hat: „Die kriminalpolitischen Bewegungen sind teilweise antizyklisch. Auf der einen Seite wachsen dem Strafrecht immer neue Greifarme. Auf der anderen Seite geht dessen Zugriff vielfach ins Leere. Dem Zusammenwirken mehrerer haftet einerseits der Ruch potenzierter Gefährlichkeit an; zugleich aber beanspruchen wir,

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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Die herkömmlichen Schwierigkeiten bei der Begründung mittäterschaftlicher Verantwortung, die den methodischen Gang dieses ersten Teils prägen werden, sind grundsätzlich auf zwei Ursachen zurückzuführen: das Verkennen der Beteiligung als Problem objektiver Zurechnung11 und die ständig wiederkehrenden Versuche, das Einzeltäter-Paradigma auf den Bereich des gemeinsamen Handelns zu übertragen. Auf dem Weg zu einem Lösungsvorschlag ist deshalb zuerst der am meisten verbreitete individualisierende Ansatz zu betrachten, nämlich die Tatherrschaftslehre in ihrer klassischen Ausprägung als „funktionelle Tatherrschaft“12 (I). An zweiter Stelle werden jene Ansätze erwogen, die der Mittäterschaft als Problem des gemeinsamen Handelns gerecht zu werden versuchen, sei es nun durch die naturalistische Begründung eines Gesamtsubjektes (II. 1) oder durch die normative Konstruktion einer Gesamttat13 (II. 2). Aus den zuvor ausgeführten Aspekten ergibt sich eine neue Fragestellung (II. 3), die zugleich die Basis für die Darlegung der Mittäterschaft – und der Beteiligung überhaupt – als kollektive Pflichtverletzung in ihren zentralen Zügen bildet (II. 4). Das Ergebnis kann folgendermaßen zusammengefaßt werden: Mittäter sind diejenigen Beteiligten an einer Straftat, die, aufgrund des sozialen Gewichtes ihrer Beiträge zur Tatbestandsverwirklichung, mit der für den Einzeltäter vorgeschriebenen Strafe bestraft werden sollen. Mittäterschaft ist deshalb z. T. die Antwort darauf, in welchem Sinne eine Person als Täter betrachtet und behandelt werden darf, wenn der Tatbestand durch eine bestimmte Verflechtungsart von Verhaltensweisen mehrerer Akteure verwirklicht wird (III).

gestützt auf den nämlichen Gedanken der Arbeitsteilung, Entlastung, wenn mehrere agieren. Dem steht hinwiederum gegenüber, daß die strafrechtlichen Reibungsverluste bei der Erfassung organisierter Handlungsformen durch neue Figuren der Zurechnung, sprich partizipatorische und institutionelle Zurechnungsmuster eingefangen werden sollen“. 11 Dies zeigt sich u. a. daran, wie Silva Sánchez treffend bemerkt (in: Eser/Huber/ Cornils [Hrsg.], Einzelverantwortung, S. 205 f.), daß Konstellationen fahrlässigen Zusammenwirkens im Rahmen der objektiven Zurechnung, das vorsätzliche Zusammenwirken jedoch nach den Regeln der herkömmlichen Beteiligungslehre behandelt werden, „was den Eindruck der Existenz eines nicht leicht zu erklärenden Einflusses subjektiver Aspekte erweckt“. Dazu s. auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 242 f. 12 Roxin, Täterschaft, S. 275 ff., S. 684 ff. Die auf andere Weise individualisierenden Ansätze Schillings und Steins werden anläßlich einzelner Fragestellungen berücksichtigt. Zu den Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Auffassungen s. Küper, ZStW 105 (1993), S. 464 ff. und Stein selbst, S. 318 f. 13 In den nachfolgenden Abschnitten wird ebenfalls der Autonomiegedanke nach der Auffassung Schumanns (Selbstverantwortung, S. 51 ff.) berücksichtigt. Dieser Ansatz ist im Bereich der Beteiligungstheorie insb. von Renzikowski (S. 73 ff.) entwickelt worden.

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1. Teil: Einleitung

I. Tatherrschaft als Faktum: Die Übertragung des Einzeltäter-Paradigmas auf den Bereich des gemeinsamen Handelns Der wesentliche Inhalt der Roxinschen Lehre der funktionellen Tatherrschaft14 läßt sich wie folgt zusammenfassen: Das Verhalten des Mittäters müsse Merkmale aufweisen, die diesen zur Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens nach dem Täterschaftsleitgesichtspunkt machen. Mittäterschaft liege also vor, wenn mehrere nach dem Gesamtplan nur gemeinsam im Ausführungsstadium handeln können: Da jeder Akteur „das Schicksal der Gesamttat in der Hand hat“,15 liege die vollständige Tatherrschaft in der Hand mehrerer. Im einzelnen bestehe Mittäterschaft aus wechselseitiger Abhängigkeit der Mitwirkenden und gemeinsamem Tatentschluß. Mittäter sei demnach jeder, dessen im Ausführungsstadium geleisteten Beitrag als „unerläßlich“16 für die Verwirklichung des angestrebten Erfolges erscheine, wobei sich eine solche „Unerläßlichkeit“ aus einer richterlichen Beurteilung der Umstände ergebe.17 Dem Beitrag müsse jedenfalls eine selbständige Funktion im Rahmen des Tatplans so zukommen, daß der Beteiligte lediglich durch Nichtvornahme seiner Handlung die konkrete Gestalt der Tat erheblich verändern bzw. die geplante Tat verhindern könne.18 Gemeinschaftliche Begehung setze zudem einen gemeinsamen Tatentschluß voraus. Dieses Erfordernis hat u. a. zur Folge, daß die einseitige aktuelle Unkenntnis des Zusammenwirkens Mittäterschaft ausschließt.19 Eine echte sukzessive Mittäterschaft ist nach dieser Auffassung ebenfalls ausgeschlossen.20 Wie Roxin selbst hervorhebt, herrscht in der Wissenschaft eine grundsätzliche Übereinstimmung in der oben skizzierten Auffassung.21 Eine solche Einigkeit besteht nicht ohne Grund. Die bereits klassische Darstellung Roxins hat 14 Die Tatherrschaftslehre ist bekanntlich in mannigfaltigen Ausprägungen entwikkelt worden: s. dazu die ausführliche Darstellung in NK-Schild, Vor § 25 ff., Rn. 18 ff., 164 ff. Hier wird das Augenmerk auf deren am meisten verbreitete und gleichsam grundlegende Fassung gerichtet. 15 Täterschaft, S. 277. 16 Täterschaft, S. 280. Dafür sei nicht erforderlich, daß der Mittäter am Tatort anwesend sei (die Funktion als „Befehlzentrale“ reiche aus). 17 D.h. weder im Sinne der Notwendigkeitstheorie noch wie eine bloße „Ermöglichung“, die nicht nachträglich beurteilt werden kann: Die Tat dürfte auch möglich gewesen sein, aber als eine „andere“ Tat (Täterschaft, S. 282 ff.). Hierzu abweichend Bloy, GA 2000, S. 395. 18 Letzteres fordert stets Rudolphi, Festschrift für Bockelmann, S. 374, 394. Wenn jedoch der Schwerpunkt auf die konkrete Gestalt der Tat gelegt wird, so handelt es sich lediglich um einen graduellen Unterschied. 19 Obwohl u. U. eine mittelbare Täterschaft vorliegen könnte. 20 Täterschaft, S. 289 ff. 21 Täterschaft, S. 684 f., m. w. N.

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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nicht nur die Untauglichkeit der immer wiederkehrenden formal-objektiven Theorie zur Erfassung des Zusammenwirkens gezeigt,22 sondern auch die Konzeption der Mittäterschaft als eine Art mittelbarer Täterschaft23 konsequenterweise zurückgewiesen.24 Vor allem hat sie die auf die Motivationen, den Täterwillen und sonstige psychische Einflüsse abstellende Auffassung der Rechtsprechung endgültig widerlegt.25 1. Verbleibende Probleme Ungeachtet der soeben erwähnten Übereinstimmung bleiben im Bereich mittäterschaftlicher Haftung noch immer unbeantwortete Fragen, die an der Tragfähigkeit der funktionellen Tatherrschaft, schon aus dem Blickwinkel einer immanenten Kritik zweifeln lassen.26 Im folgenden werden nur die wichtigsten Probleme in bezug auf die zwei für die Tatherrschaftslehre wesentlichen Elemente der Mittäterschaft erwähnt, scil. den gemeinsamen Tatentschluß und das Tätigwerden im Ausführungsstadium. Um die Problematik des letzten Elements zu verdeutlichen, werden die – aus der Sicht der Tatherrschaftslehre gleichsam entgegengesetzten – Figuren des Bandenchefs und des Wachestehenden kurz thematisiert. a) Der gemeinsame Tatentschluß Nach herrschender Meinung erfordert Mittäterschaft „das gegenseitige, auf gemeinsamem Wollen beruhende Einverständnis, eine bestimmte Tat durch gemeinsames, arbeitsteiliges Handeln zu begehen“.27 Das Erfordernis des gemein22 Täterschaft, S. 37 f, 276 f., 323; s. auch die scharfe Kritik am Freunds Wiederbelebungsversuch der formal-objektiven Theorie (Freund, AT 10/35 ff.; bereits ders. in Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 112 ff.): In bezug auf die Mittäterschaft s. Täterschaft, S. 653 ff. 23 Vgl. nur Lange, S. 59 ff. (kritisch schon Welzel (ZStW 58 [1939], S. 550). In der Rechtsprechung RGSt 58, 279; 66, 236 (240). 24 Täterschaft, S. 276 f. Wenngleich (abgesehen vom Verantwortungsprinzip: dazu Bloy, Zurechnungstypus, S. 349 f.) nur auf der Ebene der Tatherrschaft als „Faktum“, nicht aber als Frage nach der vollen Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung. 25 Unter zahlreichen Stellen s. bezüglich der Mittäterschaft, Täterschaft, S. 281. 26 Vgl. in bezug auf die funktionelle Mittäterschaft im allgemeinen Schönke/Schröder-Cramer-Heine, Vorbem §§ 25 ff., Rn. 80 ff. Ferner Heinrich, S. 19 ff., 33 ff., der die Problematik der Mitwirkung im Vorbereitungsstadium und die Konstellationen sog. additiver Mittäterschaft thematisiert. Freilich bildet die Auffassung Heinrichs eine Art Mittelweg zwischen der Tatherrschaftslehre und der rein subjektiven Begründung des Beteiligungsverhältnisses; daher ist sie den Einwänden gegen beide Begründungsversuche ausgesetzt: dazu zweiter Teil, Anm. 348. 27 Lackner/Kühl, StGB, § 25, Rn. 10. Siehe auch BGHR StGB, § 25 Abs. 2, Mittäter, Nr. 29: es ist notwendig, daß „alle im bewußten und gewollten Zusammenwir-

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samen Tatentschlusses wird als eine selbstverständliche Folge des Tatherrschaftsgedankens dargestellt. So schreibt z. B. Roxin: „Da (. . .) die Mittäter wechselweise voneinander abhängig sind, müssen sie notwendig einig sein, um zusammen handeln zu können“.28 So selbstverständlich ist das allerdings nicht. Denn die Erforderlichkeit des gemeinsamen Tatentschlusses ergibt sich nicht „notwendig“ aus der objektiv wechselseitigen Abhängigkeit der Beteiligten. Eine solche objektive Abhängigkeit verschiedener Tatbeiträge kann auch bestehen, ohne daß sie von einigen der Beteiligten erkannt wird. Wenn beispielsweise die Babysitterin die ansonsten schwer gesicherte Haustür offen läßt, die sonst gut versteckten Juwelen auf das Bett hinlegt und den bewaffneten Besitzer ablenkt, damit ihr – in bezug auf ihre Hilfe ahnungsloser – Freund den von ihm geplanten Diebstahl begehen kann, ist zwar das Einverständnis zu verneinen, nicht aber die objektive Abhängigkeit der Tatbeiträge.29 Die objektive Abhängigkeit beruht weder auf dem Einverständnis der Mittäter, noch ist irgendein Einverständnis im Regelfall imstande, objektiv unabhängige Beiträge in abhängige zu verwandeln: Wenn zehn Gifttropfen für die todbringende Vergiftung ausreichen, aber A und B sich trotzdem bei vollem Einverständnis entschließen, jeder zehn Tropfen ins Glas zu gießen, damit der Erfolg gesichert wird, werden ihre Tatbeiträge nicht deswegen objektiv abhängig. Der gemeinsame Tatentschluß ist vielmehr ein zusätzliches Element der funktionellen Tatherrschaft, das auf eine selbständige Begründung angewiesen ist. Eine solche wird jedoch in der Lehre mehr postuliert als geliefert: Einerseits wird darauf hingewiesen, daß die in § 25 Abs. 2 StGB geforderte „Gemeinschaftlichkeit“ der Tatbegehung die Willensübereinstimmung der Mittäter voraussetzt.30 Andererseits wird aus den praktischen Vorteilen dieses Erfordernisses heraus argumentiert.31 So bilde nach überwiegender Lehre der gemeinsame Tatentschluß ein „unverzichtbares Moment“ der Mittäterschaft,32 weil es nur mit dessen Hilfe möglich sei, folgende Konstellationen richtig zu bewältigen: ken handeln“. Zum gemeinsamen Tatentschluß nach der h. M. siehe insb. SK-Hoyer, § 25, Rn. 121 ff. 28 Täterschaft, S. 285. 29 Zumindest nicht im Sinne Roxins (Täterschaft, S. 283): Die Tat wäre ohne die Mitwirkung „eine andere“ gewesen. 30 Roxin, AT II, 25/190. 31 Zur Behauptung, der Wortlaut des § 25 Abs. 2 StGB verlange ein solches Element, s. dritter Teil, C. IV. 1. a) und C. VI. Sie setzt jedenfalls voraus, was eben begründet werden sollte. 32 Vgl. Küpper, ZStW 105 (1993), S. 295 ff.; Roxin, Täterschaft, S. 215: „Jede Mitwirkungsform kann nur nach den konkreten Vorstellungen der Beteiligten ermittelt werden“. Neuerdings Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 650, der aber im gemeinsamen Tatentschluß den faktischen Grund für die wechselseitigen Erwartungen der Beteiligten sieht, und Puppe, Festschrift für Spinellis, S. 915 ff., die zur Erforderlichkeit des gemeinsamen Tatentschlusses (und zur Rechtfertigung der Zurechnungsform Mittäterschaft überhaupt) dadurch gelangt, daß sie die Mittäterschaft als „gegenseitige Anstiftung“ auffaßt. Am Rande: Die Lehre Puppes führt dazu, daß von

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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aa) Exzeß Umfang und Reichweite mittäterschaftlicher Haftung seien zunächst einmal durch den gemeinsamen Tatentschluß, d. h. durch das gemeinsame Wollen der Mittäter, begrenzt. Auf diese Weise wird der Exzeß eines Mittäters als Leistung außerhalb der Verabredung definiert. Demgemäß können die Grenzen des Tatentschlusses bei Irrtumsfällen nur folgendermaßen ermittelt werden: i) Nach den Vorstellungen der Mitwirkenden, was wiederum zu einer Subjektivierung der Beteiligungslehre führt;33 ii) Nach dem ausgemachten Tatplan, was auf den ersten Blick als befriedigende Lösung erscheinen mag. Sie leistet jedoch eine nur sehr beschränkte Hilfe: Selbst wenn es einen solchen bis auf die Einzelheiten ausgemachten Tatplan überhaupt gäbe, müßten die zwangsläufig verschachtelten Unterscheidungen in eine Sackgasse führen.34 Beide Möglichkeiten haben allerdings einen gemeinsamen Ausgangspunkt: Sie bilden den Versuch, den Willensinhalt der Beteiligten durch den Tatplan nachzuvollziehen.35 Eine solche Vorgehensweise führt aber nicht nur zu einer Vermengung objektiver und subjektiver Zurechnung (s. zweiter Teil, A. I und A. II), sondern auch zur Entleerung des Begriffs, denn der Inhalt des Tatentschlusses kann nur durch einen Vorsatzbegriff erfüllt werden: Erschießt einer der an einem Einbruch Beteiligten den störenden Nachtwächter, so hängt allein vom Begriff des Vorsatzes die Antwort auf die Frage ab, ob sich die ebenso bewaffneten anderen Beteiligten darauf berufen können, daß nur eine schwere Körperverletzung verabredet wurde.36 zwei an dem Entschluß beteiligten Tatgenossen derjenige, der etwa den Tatort ausgekundschaftet, Hindernisse ausgeräumt und die Tatmittel besorgt hat (kurz: nur im Vorbereitungsstadium tätig war), als Gehilfe bestraft wird, während der andere, der zum Erbringen seiner versprochenen Leistung im Ausführungsstadium aus zufälligen Gründen nicht gekommen ist, und deshalb untätig geblieben ist, als Anstifter (also gleich dem ausführenden Täter) bestraft werden soll (vgl. Puppe, Festschrift für Spinellis, S. 933). 33 So aber Roxin Täterschaft, S. 211 (und Anm. 111), angesichts einer abgewandelten Fassung des Falls Rose-Rosahl. 34 Das ist z. B. der Fall, wenn Roxin anläßlich der Entscheidung BGHSt 11, 268 meint: „Die Frage kann also nur sein, ob die Willensübereinstimmung sich auf die abstrakte Menschqualität des Opfers oder auf das konkret ins Auge gefaßte Handlungsobjekt ,Verfolger‘ beziehen muß“ (Täterschaft, S. 287). Ebenso dürfte man sagen, daß sich die Willensübereinstimmung eigentlich auf eine nachrennende, als Verfolger erscheinende Gestalt hätte beziehen können. 35 Das Kriterium der Verwirklichung des Tatplans führt daher nicht selten dazu, daß sich die Zurechnung zum anderen Akteur danach richten soll, welche Unrechtsverwirklichung seiner außertatbestandlichen Wunschvorstellungen am besten entspricht (Roxin, Festschrift für Spendel, S. 299) Zutreffend dagegen Jakobs AT 21/45; s. ferner unten Anm. 46. 36 Besonders deutlich in BGH bei Holtz, MDR 1986, S. 795 (zu § 226 StGB). Der Sache nach handelt es sich um eine weitgehend unumstrittene Frage. So heißt es beispielsweise bei Puppe (Festschrift für Spinellis, S. 926 f.), die bekanntlich am Erfordernis des gemeinsamen Tatplans festhält: „Wenn eine Gruppe von Hooligans sich verabredet, einen Ausländer oder einen Anhänger des rivalisierenden Fußballvereins

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Die Problematik wird – mit umgekehrtem Vorzeichen – bei den mehraktigen Delikten besonders deutlich: Eine Willensübereinstimung, die sich in der Mitbeherrschung der Tat nicht herauskristallisiert hat, müßte nach der Tatherrschaftslehre ohne Belang bleiben: Die Mitherrschaft über die konkrete Tat bildet die entscheidende intersubjektive Verbindung.37 Darüber hinaus vermag eine von einer spezifischen und objektivierten Tätigkeit des Beteiligten abgelöste – oder auch nur isoliert betrachtete – Willensübereinstimung zur Klärung des Sachverhaltes nichts beizutragen.38 Stellt hingegen das Einverständnis im Vorfeld eine psychische Beihilfe dar, dann handelt es sich um einen objektiven Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung, der aber nach der Tatherrschaftslehre immer als Teilnahme und eben nicht als Mittäterschaft zu erfassen ist. Einer begrenzenden Funktion des gemeinsamen Tatentschlusses bedarf es also zur Lösung der Problematik des Exzesses nicht. bb) Sukzessive Mittäterschaft Das Element des gemeinsamen Tatentschlusses ist ebensowenig imstande, eine Antwort auf die Frage nach der Zulässigkeit der sukzessiven Mittäterschaft zu liefern. Es könnte eine Frage der Kausalität, der wechselseitigen Abhängigkeit,39 der Zuständigkeit40 etc. sein. Aber die Behauptung, der gemeinsame Tatentschluß müsse von Anfang an vorhanden sein, so daß eine nachträgliche Billigung des bereits Verwirklichten diesbezüglich keine mittäterschaftliche Haftung begründen könne, läßt sich nicht ohne weiteres aus dem Begriff eines gemeinsamen Tatentschlusses herleiten. Vielmehr könnte man behaupten, daß, wenn es wirklich auf einen gemeinsamen Tatentschluß ankäme, auch das nachträgliche Einverständnis die erforderliche „Gemeinsamkeit“ herzustellen vermag.41 ,aufzumischen‘, so kann sich ein Beteiligter nicht darauf berufen, er habe Fußtritte oder weiteres Einschlagen auf das bereits am Boden liegende Opfer nicht mitgemeint. Daß bei der Ermittlung des Inhalts des gemeinsamen Tatplans auch die Tatumstände eine Rolle spielen, insbesondere die Frage, mit welchem Verhalten seiner Tatgenossen der einzelne unter den gegebenen Umständen zu rechnen hat, bedeutet noch keine Ausdehnung der Zurechnung auf die Fahrlässigkeit“ (Herv. nur hier): Bei der Frage des Exzesses kommt es also nur auf die Bestimmung des Vorsatzes bzw. der Fahrlässigkeit beim einzelnen an, die zur Erfolgszurechnung zum einzelnen gehört und deshalb nur eine durch die Verhaltenszurechnung vermittelte Rolle bei der Konstitution des Beteiligungsverhältnisses spielt. 37 Deren subjektive Zurechenbarkeit noch zu überprüfen ist. 38 Anders Küpper, ZStW 105 (1993), S. 304. 39 Roxin, Täterschaft, S. 290. 40 Jakobs, AT 21/60. 41 So z. B. Tröndle/Fischer, § 25, Rn. 9, m. w. N.; bereits BGHSt 2, 344 und aus der neueren Rechtsprechung BGH NStZ 1997, S. 272; BGH GA 1986, S. 229. Wie dieses Ergebnis auf der Seite des Vorsatzerfordernisses unschwer zu begründen ist,

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cc) Versuchsbeginn Nach der überwiegenden Ansicht der sog. Gesamtlösung liegt Versuchsbeginn für alle Mittäter vor, wenn einer von ihnen zur tatbestandsmäßigen Handlung ansetzt. Dem glauben einige Autoren42 entnehmen zu können, daß das jeweilige Maß an Beteiligung der (im formellen Sinn) Nicht-Ausführenden nur im Hinblick auf den Tatplan bzw. den Tatentschluß ermittelt werden könne, denn, wie etwa Küpper schreibt, bei ihnen sei „gar nichts ,Objektives‘ vorhanden, das Gegenstand einer Zurechnung sein könnte“.43 Träfe jedoch diese Aussage zu, dann gäbe es keine Zurechnungsmöglichkeit in bezug auf die einschlägige Tatbestandsverwirklichung. Solidarisierung ohne Mitwirkung begründet keine Beteiligung, selbst wenn es sich um einen Versuch handelt. Als Beispiel: Ein Ehepaar begibt sich zum Tatort in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen. Während der Mann mit dem Aufbrechen der Küchentür beschäftigt ist und die Frau, welche die Sachen mit wegnehmen soll, daneben steht, werden sie entdeckt.44 Wollte man die Verantwortung der Frau für den versuchten Diebstahl auf dem gemeinsamen Tatentschluß beruhen lassen,45 so bedeutete es die Wiederbelebung der subjektiven Theorie,46 oder man wäre gezwungen, die Grundlagen der zeigt auch Dencker (Kausalität, S. 251 f. entgegen SK-Samson, § 25, Rn. 124): „Der später Hinzutretende muß selbstverständlich wissen, daß er einen Beitrag zu einem gesamtprojektgemäßen Sachverhalt erbringt; das ist der ganz normale Vorsatz der Teiltat eines Mittäters. Dieser Vorsatz bezieht sich allerdings in solchen Fällen auf ein erst mit dem Beitritt neuenstandenes Gesamtprojekt. Sofern in diesem aber die bereits geleisteten Beiträge enthalten sind und der Hinzutretende sie erkennt, besteht im Hinblick auf den Vorsatz keine Besonderheit“. Die Frage, ob eine sukzessive Mittäterschaft überhaupt annehmbar wäre, kann vorerst offenbleiben. 42 Vgl. Küpper ZStW 105 (1993), S. 303; Roxin, Täterschaft, S. 453 ff. 43 Küpper, ZStW 105 (1993), S. 303. 44 RGSt 9, 3. 45 So z. B. Küper, JZ 1979, S. 784 ff.; früher auch Roxin, Täterschaft, S. 453 ff. 46 Die Idee, daß der Tatplan schon etwas „Objektives“ ist (so Roxin, Täterschaft, S. 455), kann nicht überzeugen, denn eine nur gedachte und gewollte „Tatherrschaft“ ist von einem „Täterwillen“ nicht zu unterscheiden (kritisch auch Bloy, Zurechnungstypus, S. 265, Anm. 84: „Als ein Gedachter ist jeder Bewußstseinsinhalt objektiv existent. Bei der objektiven Komponente der Tatherrschaft geht es jedoch um die jenseits der psychischen, also inneren Realitäten liegenden äußeren Gestaltungsfaktoren, die für die Tat bestimmend sind“). Insoweit hat das RG (RGSt 9, 3 [6 f.]) zu Recht nach einer objektiven Bedeutung des Verhaltens über den Tatplan hinaus verlangt. Ob das planmäßige Mitgehen schon die Täterstrafe begründen kann, ist eine andere Frage. Das Gegenstück zu dieser Entscheidung bildet das Urteil BGHSt 37, 289, in dem der Angeklagte als Mittäter eines Mordes verurteilt wurde, obwohl ihm nur nachgewiesen werden konnte, daß er sich lange vor der Tat eine Schußwaffe und Geld von seinem Komplizen geben ließ, aber am Tatort nur zufällig (unvermeidbar) anwesend war und keine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Handlung vorgenommen hatte. Kritisch hierzu mit Recht Puppe, NStZ 1991, S. 571 ff. (572); die Fehlentscheidung erklärt sich jedoch nicht dadurch, daß die Anforderungen an die Mittäterschaft ausgedünnt werden, sondern durch den subjektivierenden Ansatz des Gerichts: dazu Lesch, ZStW 105 (1993), S. 294, Anm. 100, der hinzufügt, daß aufgrund der Indentität der

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1. Teil: Einleitung

funktionellen Tatherrschaft aufzugeben,47 da diese zwangsläufig zur Annahme der Einzellösung beim Versuchsbeginn führen.48 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß eine selbständige Funktion des gemeinsamen Tatentschlusses zweifelhaft erscheint. Zum einen ist er mehrdeutig bei der Lösung der sukzessiven Mittäterschaft und seine Anwendung als Zurechnungsbasis beim Versuchsbeginn läuft den Grundlagen der Tatherrschaftslehre zuwider; zum anderen ist es nicht erkennbar, was der Tatentschluß über den Vorsatz hinaus zur Problematik des Exzesses und der mehraktigen Delikte beitragen könnte. Wenn der gemeinsame Tatentschluß als allgemeine Voraussetzung der Mittäterschaft neben dem Vorsatz gelten sollte, könnte er nur das Handeln bzw. Unterlassen als Objekt haben, sofern es gemeinsam und arbeitsteilig vollzogen wird,49 d. h., es ginge um das Bewußtsein des Zusammenwirkens beim tatbestandsmäßigen Geschehen. Aus dieser Perspektive erweist sich der Begriff für die Tatherrschaftslehre als problematisch, weil er entweder zu abstrakt oder aber zu konkret aufgefaßt werden muß: Im ersten Fall kann er die oben genannten Funktionen nicht erfüllen; im zweiten ist der Tatentschluß vom Tatvorsatz nicht mehr zu unterscheiden.50 Daran liegt es dann wohl auch, daß dem gemeinsamen Tatentschluß in der neueren Literatur eine konstitutive Funktion für die Mittäterschaft nur deswegen zugeschrieben wird, weil er durch Erzeugung wechselseitiger Solidarisierung zwischen den Mittätern eine „probabilistische Risikoerhöhung“ hinsichtlich des Erfolges bewirke.51 Ob diese (noch weitgehend ungeklärte52) kausal- und sozialpsychologische Beschreibung allen Konstellationen mittäterschaftlicher Haftung Rechnung tragen kann, ist fraglich. Jedenfalls handelt es sich um eine Auslegung des Gesetzes, die allzu voraussetzungsreich erscheint: Ein in § 25 Abs. 2 StGB nicht vorgesehenes Merkmal

Zurechnungsstrukturen bei Mittäterschaft und Beihilfe auch die Bestrafung nach § 27 StGB entfällt. 47 Vgl. Rudolphi, Festschrift für Bockelmann, S. 384 f. 48 Dazu insb. Bloy, Zurechnungstypus, S. 265 ff., der die Unvereinbarkeit der Gesamtlösung mit einer Tatherrschaftslehre beweist, die ihrerseits das Versuchsunrecht richtigerweise nicht vollends subjektivieren will. In diesem Sinne auch Rudolphi, Festschrift für Bockelmann, S. 383 ff. Vgl. aber Roxin, Täterschaft, S. 453, 685, Anm. 477; dens. AT II, 29/295 ff., der i. E. eine besondere Tatherrschaftslehre für die versuchte Tat entwickelt hat. Zur Kritik der Einzellösung grundlegend Küper, Versuchsbeginn, S. 48 ff. und ders. JZ 1979, S. 785 ff.; s. ferner Jakobs, AT 21/61. 49 Vgl. Dencker, Kausalität, S. 147 f. 50 Das ist u. a. deswegen von Belang, weil die geläufige Konzeption der „fahrlässigen Mittäterschaft“ gerade auf der Unterscheidung zwischen Vorsatz und Handlungsentschluß beruht. 51 Vgl. etwa Knauer, S. 149 ff.; Pfeiffer, Jura 2004, S. 523 f. 52 Bezüglich der mangelnden Einigkeit bei der Tatherrschaftslehre s. Valdágua, ZStW 98 (1986), S. 839 ff.; Hauf, NStZ 1994, S. 263; Ingelfinger, JZ 1995, S. 704 ff.; Kamm, S. 35 ff. Wie hier im Ergebnis Stein, S. 326 f.

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mittäterschaftlicher Haftung wird hier durch das ebenfalls ungeschriebene Erfordernis einer besonderen Risikosteigerung erklärt.53 b) Das Problem des Wachestehens Nach der Lehre der funktionellen Tatherrschaft kommt es bei der Zuschreibung mittäterschaftlicher Verantwortung darauf an, ob dem Wachestehenden eine erforderliche – d. h. nicht beiläufige oder entbehrliche – Funktion im Gesamtplan dergestalt zukommt, daß die Verwirklichung des Plans von seinem Tatbeitrag abhängt. Das ist mit dem Gesichtspunkt der Tatherrschaftslehre nur konsequent, und der häufig vorgebrachte Einwand, Grenzfälle könnten nicht ohne Schwierigkeiten gelöst werden, trifft auf diese Konzeption nicht stärker zu als auf jede andere. Läßt man aber die Fälle beiseite, in denen die Bereitschaftserklärung des Beteiligten, am Tatort Wache zu stehen, bereits eine erhebliche Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung darstellt – wenn beispielsweise erst diese Erklärung den Grund dafür bildet, daß sich die anderen an die Arbeit machen –, so ist der Ansatz auf eine andere Weise problematisch. Denn die Unerläßlichkeit des „Schmierestehens“ im konkreten Fall läßt sich ex ante oder ex post beurteilen. Wenn sie (richtigerweise54) ex ante beurteilt würde, d. h. wenn es bei der Tatbestandsverwirklichung auf diesen Beitrag nicht nur angekommen ist, sondern es auf ihn auch ankommen könnte, besteht keine aktuelle Herrschaft mehr, sondern eine „potentielle“, deren Ermittlung mit den Kriterien der Tatherrschaftslehere nicht durchzuführen ist.55 Wenn die Erforderlichkeit dagegen ex post zu beurteilen wäre, so hinge die Entscheidung vom Zufall ab, nämlich davon, ob eine konkrete Entdeckungsgefahr bei der Ausführung tatsächlich aufgetreten ist. Trotzdem kommt Roxin zu dem Ergebnis, daß der Wachestehende in der Regel Mittäter sei.56

53 Kritisch Bloy, GA 2000, S. 394 f., der zu Recht darauf hinweist, daß eine gesteigerte Gefährlichkeit keine Voraussetzung der Mittäterschaft ist. 54 Vgl. LK-Roxin, § 25, Rn. 154; Salamon, S. 159. 55 Auf eine aktuelle Herrschaft stellt Roxin ausdrücklich ab (s. etwa Chengchi Law Review, Vol. 50 [1994], S. 415). Man könnte einwenden, daß der Wachestehende die Tat auf jeden Fall mitbeherrscht hat, indem er – durch sein Mitgehen als Wachestehender – das für die anderen notwendige „Sicherheitsgefühl“ geliefert hat. Dieses Argument hilft aber nicht weiter: Demgemäß müßte er selbst dann Mittäter sein, wenn er nach dem Eintritt der Komplizen ins Haus, Gebäude etc. einfach einschläft oder sich vom Tatort entfernt (sein Beitrag wäre schon geleistet worden), was mit der Tatherrschaftslehre offensichtlich nicht zu vereinbaren ist, denn das würde eine Umformung der psychischen Beihilfe zur Mittäterschaft bedeuten. I. d. S. bereits Salamon, S. 159. 56 LK-Roxin, § 25, Rn. 154, 191. Zur eigenen Auffassung s. u. B. II. 4. e) (c).

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c) Das Problem der Mitwirkung im Vorbereitungsstadium Die Frage, ob mittäterschaftliche Haftung einer Mitwirkung im Ausführungsstadium bedarf, ist bekanntlich sehr umstritten. Nach Auffassung der Rechtsprechung ist sie jedoch längst „beantwortet“. Mit Hilfe einer „normativen Kombinationstheorie“ behandelt der BGH Tatbeiträge, die vor dem Ausführungsstadium geleistet wurden, als mittäterschaftliche Beteiligung.57 Die Konsequenzen dieser Auffassung für die Unterscheidung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe hat unlängst Roxin mit folgenden Worten beschrieben: „Die Abgrenzungsmaßstäbe sind uneinheitlich wie eh und je, und die Ergebnisse sind durch Einräumung eines richterlichen ,Beurteilungsspielraums‘ ebenso unvorhersehbar wie zu den Zeiten, da Täter- und Teilnehmerwille das einzige Abgrenzungsmerkmal abgaben“.58 Der Nachdruck, mit dem Roxin diese Auffassung zu widerlegen versucht, ist durchaus verständlich, und zwar aus zweierlei Gründen: (1) Auf der Ebene der Praxis läßt sich feststellen, daß die Rechtsprechung den Maßstab in manchen Fällen zu niedrig angelegt hat: Schon das „Bestärken“ des anderen durch bloße Anwesenheit in Tatortnähe sei für die Begründung einer mittäterschaftlichen Haftung ausreichend.59 (2) Theoretisch scheint die Auffassung Roxins60 auch strenger an der Tatherrschaftslehre orientiert zu sein. Denn für den Fall, daß die Mittäter die aktuelle Mitherrschaft der Tat i. S. objektiver (faktischer), wechselseitiger Abhängigkeit der Tatbeiträge innehaben sollen, ist es nicht ersichtlich, wie eine solche Mitherrschaft über die Tat vorhanden sein kann, ohne daß irgendeine Teilhabe am Ausführungsstadium, und somit nach Roxin in dem gesamten Zeitabschnitt zwischen Versuchsbeginn und materieller Beendigung der Tat,61 vorausgesetzt wird. Deswegen müssen m. E. diejenigen Ansätze scheitern, die eine auf der Tatherrschaftslehre beruhende Unterscheidung zwischen entscheidenden bzw. wesentlichen und unwesentlichen Vorbereitungsakten vorschlagen62. Insoweit 57 BGH NStZ-RR 2003, S. 265 ff., BGH NJW 2001, S. 380 ff. (381), 1289 ff. (1290), 2266 ff. (2268); BGH NStZ 2000, S. 95 ff.; BGH NStZ 1999, S. 556 f.; BGH NJW 1999, S. 2449 ff.; BGH NJW 1999, S. 3131 f. Weitere Entscheidungen bei Roxin, Täterschaft, S. 634. 58 Täterschaft, S. 635. 59 BGHSt 39, 381; als Gehilfe aber BGHSt 46, 107 (= NJW 2000, S. 3010); weitere Entscheidungen bei LK-Roxin, § 25 Rn. 179 und bei Kühl, AT, 20/113 (mit Vorbehalten: Die Entscheidung BGH NJW 1999, S. 3131 f., z. B., geht von einer objektiven Mitwirkung im Vorbereitungsstadium aus: Herstellung und Transport des Brandsatzes, sowie die Auswahl des Angriffsortes: s. S. 3132). 60 Ihm folgend inzwischen auch Bloy, Zurechnungstypus, S. 197 ff.; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 64 ff., Rudolphi, Festschrift für Bockelmann, S. 374 ff., Stein, S. 319 ff., unter anderen. Unter den Verfechtern der Tatherrschaftslehre mit mehr oder weniger Nuancen abweichend Welzel, Strafrecht, S. 110 f.; Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, 49/31; Seelmann, JuS 1980, S. 573; Stratenwerth, AT 12/93 f. 61 LK-Roxin, § 25, Rn. 182.

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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hat Roxin Recht, wenn er meint: „Auch wer die intensivsten Vorbereitungen trifft, muß, wenn er nichts als dies tut, das Geschehen aus der Hand geben“.63 Wenn man sich von der Perspektive der faktischen Herrschaft über die Ausführungshandlung lösen will, so hilft die Tatherrschaftslehre nicht weiter, weil „eine Methode für die Unterscheidung wichtiger und unwichtiger Vorbereitungshandlungen bisher nicht gefunden worden ist“.64 Dennoch erweist sich das Abstellen auf die Mitwirkung im Ausführungsstadium ebenfalls als problematisch, wie sich an dem Paradebeispiel für die Mitwirkung im Vorbereitungsstadium, der Beteiligung des Bandenchefs, zeigt: Nach der Lehre der funktionellen Tatherrschaft kann der Bandenchef nur dann Mittäter sein, wenn er bei der Ausführung tätig ist, d. h. mit den Worten Roxins, wenn er „die Durchführung der Taten – sei es nur aus der Ferne – leitet oder absichert“.65 Wenn er dagegen „seine Aktivität auf die Planung von Delikten beschränkt und die Durchführung anderen überläßt“,66 so bleibe er Teilnehmer. Das ist teilweise richtig: Wer sich nur auf die allgemeine Planung der Tat beschränkt, könnte auch Gehilfe sein. Wer aber die Komplizen engagiert und das Opfer, die Zeit, Ort, Mittel und Modalitäten der Tat bestimmt, bleibt nicht am Rande der Tat, selbst wenn er die letzte Handbewegung anderen arbeitsteilig überläßt.67 Im eklatanten Gegensatz zur Behandlung des Bandenchefs wird nach der Tatherrschaftslehre – wie bereits erwähnt – der Wachestehende zum Mittäter, wenn es auf seinen Beitrag zur Tat hätte ankommen können. Die Lehre der Tatherrschaft als Faktum sieht also den Grund für eine qualitative Abstufung in der Tatsache, daß der Beitrag im Ausführungsstadium geleistet wird, denn nur in diesem Fall könne die erforderliche wechselseitige Abhängigkeit der jeweiligen Handlungen bejaht werden. Wenn aber nach dieser Lehre das „Schmierestehen“ und das (gestaltende) Verhalten des Bandenchefs so behandelt werden, daß der erste in der Regel68 als Mittäter (einer potentiellen Herrschaft wegen) und der zweite als Teilnehmer (einer „antizipierten“ Herrschaft wegen) betrachtet werden, drängt sich die Frage auf, ob das gewählte Täterschaftskriterium – in bei62 So z. B. Kühl AT, 20/111 f. Vgl. die insofern treffenden Kritiken von Zieschang, ZStW 107 (1995), S.371 ff. Ferner Jakobs, AT 21/51: Ausdrücke wie „wesentlicher“ oder „erheblicher“ Beitrag bedeuten einen Rückgang zur alten materiell-objektiven Theorien (mit ihren Schwächen). 63 Täterschaft, S. 301. 64 Täterschaft, S. 302. 65 Täterschaft, S. 299. 66 Täterschaft, S. 299. 67 Vgl. Schönke/Schröder-Cramer-Heine, StGB, § 25, Rn. 66; Jescheck/Weigend, AT § 63 III 1. Zur Problematik des Bandenchefs s. bereits Welzel, SJZ 1947, Sp. 645 ff. 68 LK-Roxin, § 25, Rn. 154, 191. Anders aber Bloy, Zurechnungstypus, S. 282 f., 376: Es läge nicht einmal strafbare Beihilfe vor.

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1. Teil: Einleitung

den Fällen haben die Beteiligten keine tatbestandsmäßige Ausführungshandlung selbst verwirklicht – der Sache gerecht wird. Die postulierte Erforderlichkeit der Mitwirkung im Ausführungsstadium fällt hier denknotwendig mit dem Ausschluß einer akzessorischen Mittäterhaftung zusammen.69 Denn der Mittäter, der die tatbestandsmäßige Handlung nicht vollständig selbst vornimmt, hat die im Tatbestand beschriebene Handlung nicht verwirklicht. Seine täterschaftliche Haftung wird über die Verhaltensweisen des oder der anderen begründet und ist deshalb im weiten Sinne akzessorisch.70 Das ist auch so im Fall des Gehilfen, bei dem es gerade aus diesem Grund nach einhelliger Lehre gleichgültig ist, ob er im Vorbereitungs- oder im Ausführungsstadium mitgewirkt hat.71 Die entscheidende Frage lautet also, ob die schon mehrfach genannte wechselseitige (und faktische) Abhängigkeit im Ausführungsstadium einen qualitativen Unterschied zwischen Mittätern und Gehilfen ausmachen kann. Ist man geneigt, diese Frage zu verneinen oder zumindest die kategorische Bejahung der Tatherrschaftslehre zu relativieren, dann stellt sich die zusätzliche Frage, ob die dem Täter-/Teilnehmersystem zugrunde gelegte Trennung zwischen originärer und abgeleiteter Verantwortlichkeit weiterhin haltbar ist.72 2. Tatherrschaft als faktische Herrschaft Die Lehre der Tatherrschaft als Faktum73 stützt sich auf die Idee des Täters als Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens. Sie wird folgendermaßen 69 Roxin, Täterschaft, S. 290 f.; Zieschang, ZStW 107 (1995), S. 376. Dies wird insb. in den Ausführungen Bottkes (Gestaltungsherrschaft, S. 87 ff.) deutlich: Eine „Quasi-Alleintäterschaft“ und somit das Erfordernis einer eigenhändigen Mitwirkung im Ausführungsstadium ist nicht mit einer akzessorischen Zurechnung (die andererseits Bottke selbst der Sache nach anerkennen muß: Gestaltungsherrschaft, S. 94) zu vereinbaren. 70 Jakobs, Festschrift für Lampe, S. 571, m. w. N.; ders. schon in AT 21/61; Dencker, Kausalität, S. 137; Gallas, Beiträge, S. 105; Küper, Versuchsbeginn, S. 60 f. 71 Vgl. etwa LK-Roxin, § 27, Rn. 31; Lackner/Kühl, StGB, § 27, Rn. 3 und BGHSt 2, 344 ff. 72 I. d. S. auch die zutreffenden Bemerkungen Vogels (ZStW 114 [2002], S. 413 f.). Auf der einen Seite vermag ein Verantwortlichkeitsmangel beim sog. Haupttäter eine akzessorische Verantwortung der Nebenbeteiligten häufig nicht zu verhindern (Limitierung der Akzessorietät); solche Mängel können sogar (s. zweiter Teil, A. II) die abgeleitete in originäre Verantwortung umwandeln (mittelbare Täterschaft), wenn das Akzessorietätsprinzip die Türe zur Straflosigkeit des Nebenbeteiligten öffnen würde. Auf der anderen Seite wird, wie soeben ausgeführt, eine prinzipiell nicht-akzessorische Verantwortlichkeit wie die des tauglichen, vorsätzlichen und rechtswidrig handelnden Täters dennoch akzessorisch behandelt, wenn diesem ungeachtet seines der Sache nach „wesentlichen“, aber nur im Vorbereitungsstadium geleisteten Beitrags, die Tatbestandsverwirklichung durch Ableitung aus der Verantwortlichkeit des unmittelbar Ausführenden zugerechnet wird.

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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konstruiert: Dem Wortlaut des Gesetzes nach werden Täter, Anstifter und Gehilfe in bezug auf den Begriff „Begehen“ (nach der a. F. „Ausführen“) definiert und deshalb, so Roxin, könne „man die §§ 47–49 StGB [a. F.] nur in dem Sinne verstehen, daß der Gesetzgeber sich den Ausführenden als Mittelpunkt und Schlüsselfigur des Deliktsvorganges, den Bestimmenden und den Hilfeleistenden aber außerhalb des Zentrums um ihn herumgruppiert denkt“.74 Auf diese Weise wird die Verantwortung der Teilnehmer akzessorisch begründet, und zwar als Sich-Anlehnen an fremdes Unrecht, d. h. in der Form einer abgeleiteten Verantwortlichkeit.75 Bei der Mittäterschaft besteht aber nach der reinen Lehre der funktionellen Tatherrschaft eine solche Akzessorietät nicht. Obwohl der Mittäter die Ausführungshandlung nicht – oder zumindest nicht vollständig – vorzunehmen brauche, erwerbe er die Herrschaft über die Tat – werde also zur Zentralgestalt –, indem sein im Ausführungsstadium geleisteter Beitrag nach richterlicher Beurteilung als „unerläßlich“ für die Tatbestandsverwirklichung betrachtet werden könne. Damit wird deutlich,76 daß die funktionelle Tatherrschaft eine Übertragung der Alleintäterschaft auf den Bereich des gemeinsamen Handelns77 darstellt: „Die Tatherrschaft des Mittäters beruht darauf, daß er durch seinen Tatanteil gleichzeitig die Gesamttat beherrscht“.78 Nicht das von den Beteiligten gebildete „Kollektiv“ hat die Tatherrschaft inne, sondern jeder Beteiligte für sich: Wenn A das Opfer in Schach hält, während B es ausplündert, bilden A und B keine normative Einheit, der die Verwirklichung des Raubes (§ 249 StGB) zugerechnet wird, sondern anhand der wechselseitigen Abhängigkeit der Tatbeiträge wird die Wegnahme dem A und die Drohung dem B zugerechnet. Eine nähere Betrachtung der Mittäterschaft nach der Lehre der funktionellen Tatherrschaft läßt dann die Bedeutung der sog. wechselseitigen Abhängigkeit der Tatbeiträge deutlich hervortreten: Sie soll die Begründung dafür geben, warum die jeweiligen Tatbeiträge den Mittätern auch wechselseitig zugerechnet werden können – d. h. es geht um eine unmittelbare bzw. nicht akzessorische

73 Folgendes gilt auch für die Auffassung Bottkes, denn sie stellt auf eine Vermeidemacht (Gestaltungsherrschaft, S. 41) bzw. eine „faktisch-aktuelle Machthabe“ (Gestaltungsherrschaft, S. 12, 35 f., 38, 47, 152 etc.) ab. 74 Roxin, Täterschaft, S. 26 (in bezug auf den reformierten Wortlaut Täterschaft, S. 546 ff.). Ähnlich Bloy, Zurechnungstypus, S. 96 ff. 75 Wesentlich daran ist, daß die Verantwortung – im Gegensatz zum Einheitstäterbegriff – nicht originärer Natur ist. Sie ist also durch die primäre Verantwortung des „Haupttäters“, wie bei der von Roxin verfochtenen Lehre des „akzessorischen Rechtsgutsangriffs“ des Teilnehmers (vgl. LK-Roxin, Vor § 26, Rn. 7 ff.), mindestens mitbegründet. 76 Ungeachtet der entgegengesetzten Erklärung Roxins an anderer Stelle: LK-Roxin, § 25, Rn. 157. 77 So auch Dencker, Kausalität, S. 136 f. 78 LK-Roxin § 25, Rn. 154; schon in Täterschaft, S. 279 f.

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1. Teil: Einleitung

Verantwortung –, ohne die Beteiligten als eine normative Einheit anzusehen. Beruht jedoch die Verantwortung der Mittäter auf der Tatherrschaft, dann darf nicht verkannt werden, daß über die jeweilige tatbestandsmäßige Handlung nur der sie Ausführende die Herrschaft innehat (so wie der Nicht-Ausführende die Herrschaft über seinen eigenen, den Tatbestand im formellen Sinne nicht verwirklichenden Beitrag innehat), und keine wechselseitige Abhängigkeit der Tatbeiträge vermag diese (Allein-)Herrschaft aus der Welt zu schaffen. Denn jeder Mittäter hat zwar das Gelingen der Gesamttat in seinen Händen, indem er durch Nichtvornahme seiner Handlung die geplante Tat verhindern kann; das heißt allerdings noch nicht, daß er zugleich die Herrschaft über die Handlung der anderen hat.79 Wenn trotzdem eine durch den eigenen Beitrag vermittelte Herrschaft über die Gesamttat, und ggf. wiederum durch diese über die Ausführungshandlung, für die Mitherrschaft ausreichen soll,80 so kann man sich dem Einwand nicht entziehen, daß eine solche vermittelte Herrschaft doch auch dem Anstifter und sogar dem Gehilfen zukommt, ohne daß diese zu Mittätern werden. Deswegen muß eine konsequente Lehre der Tatherrschaft als Faktum immer darauf bestehen, daß die Beiträge im Ausführungsstadium geleistet werden müssen, wenn sie mittäterschaftliche Haftung begründen sollen. Die Unerläßlichkeit der Tatbeiträge und die Tatsache, daß sie im Ausführungsstadium plangemäß geleistet wurden, bilden auf diese Weise den qualitativen Sprung, der Täterschaft von Teilnahme nach dieser Auffassung unterscheidet.81 Aus dieser Perspektive erscheint die Lehre der funktionellen Tatherrschaft als eine „Mischtheorie“, die verbesserte Varianten der Gleichzeitigkeitstheorie und der Notwendigkeitstheorie zusammenführt, wobei die Verbesserungen auf zwei Punkte zu reduzieren sind: Eine so weit wie möglich saubere Abgrenzung des Ausführungsstadiums und eine Beschränkung auf die nach ex ante richterlicher Beur79 Deswegen ist schon der Leitgedanke der funktionellen Tatherrschaft verfehlt: Die Akteure sind Mittäter nicht etwa deswegen, weil sie nur gemeinsam handeln können, sondern eben trotzdem. Eine notwendige Aufteilung der Herrschaft über die Tat bedeutet eine notwendige Begrenzung der eigenen Herrschaft (s. u. B. II. 1; bereits Schröder in Schönke/Schröder, StGB, 18. Aufl., 1976, Vor § 25 Rn. 66). Insofern ist die Kritik von García Conlledo (S. 679 ff., 691 ff.) berechtigt, nach der derjenige, der die Tatbestandshandlung nicht selbst ausführt, nur eine „negative Herrschaft“ innehabe. Die Frage ist also, wie es möglich sein kann, daß aus einer durch die Tatsachen erzwungenen Teilherrschaft eine Herrschaft des einzelnen über das Ganze wächst. Die Antwort kann nur aus normativen Kriterien kommen, nämlich aus der Bestimmung der Zuständigkeit. Nur in dieser Hinsicht verhält es sich wie bei der mittelbaren Täterschaft: Die Tatherrschaft des Vordermannes steht der Tatherrschaft des Hintermannes nicht im Wege und trotzdem hat man unter Anwendung des Verantwortungsprinzips bisweilen nur einen Täter. Es kommt letzten Endes auf die Zuständigkeit einer Person für die Handbewegungen anderer an. 80 LK-Roxin § 25, Rn. 157. 81 So Roxin, Täterschaft, S. 290 f., 328. Dazu kritisch Lesch, Beihilfe, S. 198, 278 ff.; Dencker, Festschrift für Lüderssen, S. 533.

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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teilung wesentlichen Tatbeiträge.82 Werden diese Merkmale von einem Beitrag erfüllt, dann ist der Leistende Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens, allerdings grundsätzlich unabhängig davon, ob er alleine oder gemeinschaftlich mit anderen gehandelt hat. Denn für die Tatherrschaftslehre ist letzten Endes gleichgültig, ob es einen oder mehrere Beteiligte gibt.83 Die Beteiligung mehrerer spiegelt sich nur in der Erschwernis der Beurteilung über die Wesentlichkeit der Tatbeiträge wider, solange sie keine tatbestandsmäßige Handlung bilden. Beim Alleintäter besteht dagegen, abgesehen von der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch, diese Problematik nicht. Die Frage aber, ob eine aus der Alleintäterschaft übertragene Lösung im Bereich des gemeinsamen Handelns befriedigend sein kann, ist schon in der Lehre84 analysiert und negativ beantwortet worden. Die folgenden Überlegungen greifen einige Aspekte dieser kritischen Meinungen wieder auf.

II. Das Problem des gemeinsamen Handelns Wie bereits zu Beginn angeführt, läßt sich der Kern der Problematik auf zwei Grundgedanken zurückführen: (1) Zum einen auf die zutreffende Diagnose, die Welzel im Jahre 1939 folgendermaßen formuliert hat: „Alle Versuche, Mittäterschaft auf Alleintäterschaft zurückzuführen, sind ebenso verfehlt wie überflüssig. Denn Mittäterschaft ist mit der Alleintäterschaft gleich ursprünglich und genau so Täterschaft wie die Alleintäterschaft. Wie diese Täterschaft des Ganzen ist, so ist jene Täterschaft am Ganzen“.85 (2) Zum anderen bildet das Problem der Täterschaft ein spezifisch strafrechtliches Zurechnungsproblem. Daher geht es um eine normative Frage, die sich auf die Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung bezieht und auf der 82 Eine solche Beschränkung ist insofern möglich, als das Erfordernis der Mitwirkung in Ausführungsstadium keine eigenhändige Vornahme der Ausführungshandlung verlangt. Anders aber Lesch, Beihilfe, S. 122 f., der die Täterschaftslehre Rudolphis so versteht, daß jede Mitwirkung im Ausführungsstadium täterschaftsbegründend wirken sollte. 83 Das wird besonders deutlich beim Problem des Versuchsbeginns: Die Tatherrschaftslehre führt notwendigerweise zur Einzellösung: s. o. Anm. 48. 84 Vgl. Küper, ZStW 105 (1993), S. 445 ff., der nach einer umfassenden Kritik an der Beteiligungslehre Steins feststellt, daß „das Zusammenwirken mehrerer Personen bei einer Straftat offenbar zu Dimensionen des Unrechts führt, denen das ,EinzeltäterParadigma‘ einer individuellen Verhaltenspflichtverletzung des jeweiligen Beteiligten nicht gerecht wird“ (ZStW 105 [1993], S. 482); Lampe, ZStW 106 (1994), S. 683 ff., 718 ff.; Dencker, Kausalität, S. 135 f., bezüglich der Problematik des Versuchsbeginns, insb. S. 203 ff.; auch in Festschrift für Lüderssen, S. 525 ff.; Jakobs, Festschrift für Lampe, S. 561 ff.; Seelmann, Kollektive Verantwortung, S. 9. 85 ZStW 58 (1939), S. 550.

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1. Teil: Einleitung

Ebene der Verhaltensbedeutung beantwortet werden muß. Dies gilt nicht nur für das gemeinsame Handeln, sondern auch für die Alleintäterschaft, bei der nicht die faktische Herrschaft, sondern die Zurechnungsregel, welche Zuständigkeit für das eigene, unvermittelte Verhalten zuschreibt, die Grundlage der Zurechnung ausmacht.86 1. Gemeinsamer Tatentschluß als Grundlage eines Kollektivs Schon Welzel hat in der soeben zitierten Schrift die entscheidende Frage gestellt: „Wie kann jemand, der nur einen Teil verwirklicht, für das Ganze haften?“.87 Da es unverkennbar ist, daß keiner der Mittäter die Herrschaft über die ganze Tat hat, wie kann denn die Tat als Ganzes „die Tat aller zusammen“ sein? Die Antwort Welzels besteht aus zwei untrennbaren Gliedern: (i) Es muß ein gemeinsamer Tatentschluß bestehen, (ii) der sich im objektiven Geschehen äußert. Eine solche „Objektivierung“ soll immer dann vorliegen, wenn der Mittäter an der Ausführung teilnimmt. Wenn er sich dagegen nur an Unterstützungshandlungen (insbesondere Vorbereitungshandlungen) beteiligt, genüge es nicht, daß der objektiv nur Unterstützende mit der Ausführung der Tat sympathisiere, ja mit ihr einverstanden sei. Sein Täterwille müsse in der Gesamttat eine objektive Bedeutung haben, und „das hat er dann, wenn die Gesamttat auch in den Beiträgen der übrigen Beteiligten von dem gemeinsam gefaßten Tatentschluß getragen ist, so daß nicht nur die Vornahme der Unterstützungshandlung für den daran Beteiligten eine Teilausführung des gemeinsamen Tatentschlusses ist, sondern auch die Vornahme der Ausführungshandlungen für die Ausführenden zugleich die Mitverwirklichung des vom Unterstützenden mitgefaßten Tatentschlusses ist“. Welzel bezieht sich demnach nicht auf ein Solidaritätsgefühl – wie Roxin meint88 – oder auf eine damit vergleichbare subjektive Einstellung der Beteiligten, sondern auf den Sinn bzw. die Bedeutung der Verhaltensweisen (die freilich an den Vorstellungen der an der Tat beteiligten Individuen abzulesen sei): Für den Ausführenden solle die Vornahme seines Beitrags zugleich die Mitverwirklichung des gemeinsamen, auch vom Unterstützenden mitgefaßten Tatentschlusses sein, und umgekehrt, wobei nach Welzel die Rollenverteilung im Tatplan die beste „bildhafte Vorstellung“ (nicht weniger, aber auch nicht mehr) des gemeinsamen Entschlusses darstelle. Auf diese Weise habe zwar keiner der Mittäter die Tatherrschaft an der ganzen Tat, sondern isoliert genommen jeder nur an seinem Teilakt; „über den gemeinsamen Tatentschluß“ hinweg aber habe jeder auch die Tatherrschaft am Ganzen. 86

Vgl. Jakobs, Participación, S. 621; Seelmann, Kollektive Verantwortung, S. 9. Hier und im folgenden ZStW 58 (1939), S. 549 ff. Die spätere Entwicklung der Lehre Welzels – von einem nicht haltbaren Subjektivismus geprägt (vgl. Strafrecht, 7. Auflage, S. 98 ff.) – bleibt hier außer Betracht. 88 Täterschaft, S. 295. 87

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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Im Anschluß an Welzel oder durch einen eigenen Weg, wenngleich immer in den Bahnen der finalen Tatherrschaftslehre, haben auch andere Autoren im gemeinsamen Tatentschluß das konstitutive Moment des gemeinsamen Handelns angesehen.89 So schlägt Küper90 paradigmatisch ein von der Lehre Roxins und Rudolphis abweichendes Verständnis der Tatherrschaftslehre vor, bei dem gerade der gemeinsame Tatentschluß die Basis einer „Tätigkeitsanrechnung“ – d. h., daß „jedem Genossen auch die Tatbeiträge seiner Komplizen wie eigene Handlungen zugerechnet werden“91 – bilde: Die im gemeinsamen Entschluß verabredete Aufgabenverteilung und -koordinierung stelle den Zusammenhang zwischen den Tatbeiträgen der Komplizen her und begründe die doppelte Herrschaft (negative Hemmungsmacht über das ganze Unternehmen und positive Teilherrschaft über den eigenen Beitrag), welche die Mittäterschaft konstituiere. Es stellt sich nun die Frage, ob ein solches Verständnis der Mitherrschaft die individualisierende Perspektive der funktionellen Tatherrschaft aufheben kann, d. h., ob der gemeinsame Tatentschluß als Grundlage der wechselseitigen Abhängigkeit der Tatbeiträge eine kollektive Zurechnung ermöglicht. Je nach der Ausrichtung der jeweiligen Beteiligungslehre könnte nämlich der Tatentschluß die Basis für eine Zurechnung über ein Kollektiv oder über eine Gesamttat bilden, so daß eine weitergehende „Normativierung“ der Beteiligungslehre entbehrlich wäre. Einiges spricht in der Tat für diese Annahme: (1) Einerseits ist es durchaus richtig, daß eine gewisse – auch kausale! – Abhängigkeit zwischen den Beteiligten bestehen muß, wenn sie als Kollektiv betrachtet werden sollen. Aber die Tatherrschaftslehre, sowohl in ihrer ursprünglichen Auffassung als auch in ihrer Entwicklung durch die Tätigkeitsanrechnungslehre, betont, daß dieses faktische Verhältnis nicht allein aus dem kausalen Gesichtspunkt erfaßt werden könne.92 So wird z. B. die „Unerläßlichkeit“ der Tatbeiträge – im Gegensatz zu den Kausalitätsfeststellungen – ex ante beurteilt: Der Beitrag sei auch unerläßlich, wenn es auf ihn nach dem Tatplan (für die Tatbestandsverwirklichung) hätte ankommen können.93 Das sei beispielsweise der Fall bei der sog. additiven Mittäterschaft,94 die nach demselben Kriterium wie das Problem des „Schmierestehens“ zu lösen wäre.95 89 Vgl. etwa Gallas, Beiträge, S. 103 ff.; Küper, Versuchsbeginn, S. 54 ff.; im Ergebnis auch Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 61; Stratenwerth, AT 12/80, 81; Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, 49/43 ff. 90 JZ 1979, S. 786. 91 JZ 1979, S. 786. Dabei wird richtigerweise anerkannt, daß eine solche wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge auf eine entsprechende Begründung angewiesen ist. 92 Die gegenseitige Abhängigkeit der Tatbeiträge, die mit deren „Erheblichkeit“ für die Tatbestandsverwirklichung eng verbunden ist, soll durch eine richterliche Beurteilung ermittelt werden (vgl. Roxin, Täterschaft, S. 283), und zwar „unter Einbeziehung aller Umstände des konkreten Geschehenablaufes“ (LK-Roxin, § 25, Rn. 191). 93 Roxin, Täterschaft, S. 283.

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1. Teil: Einleitung

(2) Auf der anderen Seite könnte die Mitherrschaft so verstanden werden, daß sie keine durch die Realisierung des eigenen Beitrags vermittelte – und somit abgesonderte – Herrschaft über die Gesamttat verlangt. So meint Küper,96 die negative Herrschaft (Hemmungsmacht) sei „nicht an die Realisierung des jeweiligen Tatbeitrags gebunden“. Sie wachse dem Mittäter vielmehr „aufgrund der Rollenverteilung, die im gemeinsamen Deliktsplan getroffen wird“, zu. Was die positive Herrschaft („Ablaufsmacht“) betrifft, könnte darauf hingewiesen werden, daß keiner der Mittäter anhand der Rollenverteilung – d. h. eben nach der Struktur der Mittäterschaft – diese Macht für sich alleine hat: „Aufgabenteilung ist zugleich Herrschaftsteilung und damit für den einzelnen Herrschaftsbegrenzung“.97 Auf diese Weise wird das Gewicht der faktischen Herrschaft über die Tat so drastisch relativiert, daß die individualisierende Perspektive zugunsten einer einheitlichen Betrachtung der Beteiligten bzw. der Tat zurücktreten muß. Freilich wird diese einheitliche Betrachtung um einen allzu hohen Preis erkauft, nämlich die Subjektivierung des Beteiligungsverhältnisses. Daß eine solche Subjektivierung weder dogmatisch geboten noch systematisch leistungsfähig ist, soll noch im zweiten und im dritten Teil thematisiert werden.98 Deshalb sei an dieser Stelle nur die Problematik des Versuchsbeginns – in deren Rahmen sich die Überlegungen Küpers bewegen – zur Verdeutlichung herangezogen. Die subjektive Begründung des Beteiligungsverhältnisses läßt in dieser Hinsicht nur zwei Möglichkeiten zu: Ist der gemeinsame Tatentschluß die Grundlage des Kollektivs bzw. der Gesamttat, so muß man entweder die Einzellösung bei der Frage des Versuchsbeginns hinnehmen99 oder einräumen, daß die Voraussetzungen des Versuchsunrechts bei gemeinsamem Handeln zur Strafbarkeit bloß deliktischer Verabredungen als Mittäterschaft führen.100 Denn eine konstitutive Funktion des 94

Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 58. Das heißt aber, daß die richterlich beurteilte – aber immer noch faktische – Abhängigkeit der Tatbeiträge als Begründung der Mitbeherrschung zumindest in diesen Fällen ausscheidet, denn der negativen Herrschaft liegt nur eine potentielle, aus dem Tatplan heranwachsende und hergeleitete Herrschaft zugrunde. 96 JZ 1979, S. 786. 97 Küper, JZ 1979, S. 786. Eine solche Folge wird üblicherweise vermieden, indem man einen „wesentlichen“ Beitrag für das Vorliegen der Mittäterschaft verlangt. Dieses Erfordernis ist aber, wie schon dargelegt [s. o. A. I. 1. b)], weder mit der Tatherrschaftslehre noch mit der gleichzeitigen Anerkennung einer „konstitutiven“ Bedeutung des Tatentschlusses in Einklang zu bringen. 98 Kritisch eingehend auch Lesch, ZStW 105 (1993), S. 271 ff. 99 So Schilling, S. 75 ff., 90 ff. 100 Was schon mit § 30 Abs. 2 StGB nicht zu vereinbaren ist. Vgl. Jakobs, AT 25/ 1c und Schmidhäuser, AT 14/19. Der Einwand gilt auch der Auffassung Bindings (Abhandlungen, I, S. 278 f.), nach der Mittäterschaft des im Ausführungsstadium untätig Gebliebenen zu bejahen ist, allerdings nicht aufgrund der Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung, sondern wegen der Teilnahme am verbrecherischen Entschluß. 95

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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gemeinsamen Tatentschlusses hat zwangsläufig zur Folge, daß die zum Zeitpunkt des Versuchsbeginns völlig untätigen Komplizen als Mittäter zu bestrafen sind, solange sie eine Mittäterrolle im gemeinsamen Plan übernommen haben – dabei wird im Rahmen der Gesamtlösung vorausgesetzt, daß zumindest einer der Beteiligten zur Tat unmittelbar angesetzt hat. Nach der Auffassung Küpers hat dementsprechend das Prinzip der „Tätigkeitsanrechnung“, dessen Rückgrat der gemeinsame Tatentschluß bildet, eine „Modifikation des Versuchsunrechts“ zur Folge.101 Deshalb stimmt Küper mit der früheren Ansicht Roxins durchaus überein, nach der die bis zum Versuchsbeginn untätigen Komplizen, die ihre Funktion erst in einem späteren Zeitpunkt erfüllen sollen, das Geschehen in der Hand halten und die „Mitherrschaft auch ohne jede äußere Tätigkeit innehaben“.102 Das ist jedoch gerade das Kriterium eines bedeutenden Teils der Rechtsprechung,103 das aufgrund seines subjektivierenden Charakters von Roxin bereits kritisiert und hinreichend widerlegt worden ist.104 Wie noch im einzelnen zu betrachten sein wird, geht es hier weder darum, die strafrechtliche Verantwortung auf die objektive Zurechnung zu reduzieren (denn subjektive Zurechnung vermag zwar eine akzessorische Haftung nicht zu begründen, aber ihr Ausschluß führt stets zur Entlastung), noch um die Behauptung, der Tatentschluß hätte in der Beteiligungslehre überhaupt kein Gewicht. Die Zusammenlegung von Internbereichen der Beteiligten soll vielmehr berücksichtigt werden und mag auch wichtig für die Erschließung der objektiven Beziehungen zwischen den Beteiligten sein.105 Sie kann freilich den Schlüssel für die normative Zusammenfassung der Beteiligten nicht liefern. Wie es sich an der Problematik des Versuchsbeginns zeigt, kommt man durch die skizzierte Subjektivierung gerade zu der gegenteiligen, individualisierenden Position: Entweder muß eine Verselbständigung der Einzelleistungen (Einzellösung) angenommen werden, was zu einer Aufgabe des Kollektivgedankens führt, oder man wird gezwungen, die Beteiligungsform einseitig nach dem Inhalt des Zusammenschlusses zu bestimmen, womit die Orientierung an einer Gesamttat verloren geht.

101

Küper JZ 1979, S. 787. Täterschaft, S. 454. 103 Vgl. BGHSt 37, 289; eine subjektive Begründung der Mittäterschaft als Teilnahme an der Tatplanung oder als psychische Bestärkung liegt ebenfalls den Entscheidungen BGH NStZ 1995, S. 122; BGH NStZ 1995, S. 285; BGH StV 1997, S. 247 zugrunde, bei denen jedoch die Tatherrschaft aufgrund eines späteren (letztendlich nicht geleisteten) Beitrags nicht thematisiert wird. 104 AT II, 29/304 f.; freilich zielen die Ausführungen Roxins teilweise darauf ab, die Einzellösung aus der Perspektive der funktionellen Tatherrschaft zu untermauern. 105 Vgl. Jakobs, AT 25/1c, 30; Lesch, ZStW 105 (1993), S. 283; Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 637. 102

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1. Teil: Einleitung

2. Das Zurechnungsprinzip Gesamttat Nach einer ausführlichen Analyse der Zurechnungs- bzw. Kausalitätsprobleme beim gemeisamen Handeln gelangt auch Dencker zur Ansicht, daß es unabdingbar sei, nach „Verbindungsregeln“ zu suchen, die es „entweder erlauben, die Eingangsgröße (Handlungen der mehreren) oder die Ausgangsgröße (Ergebnisse dieser Handlungen) oder beides zu gedanklichen Einheiten zu verknüpfen“.106 Solche Regeln seien dem Regelungsbereich der Beteiligung zu entnehmen. Diese Verknüpfung zu einer notwendigen Einheit könnte aber auf zwei verschiedene Weisen durchgeführt werden: Die Verknüpfung der willensgesteuerten Körperbewegungen (als minimaler Inhalt des Handlungsbegriffs) über die Konstruktion eines „Gesamtsubjektes“ oder das Verbinden der jeweiligen Außenweltveränderungen (als minimaler Inhalt des Erfolgsbegriffs) zu einer „Gesamttat“.107 Die Frage, welcher der beiden Möglichkeiten den Vorzug zu geben sei, beantwortet Dencker mit einer Kritik an dem Begriff des Gesamtsubjekts. Seiner Meinung nach setzt bereits die Bildung eines Kollektivs den Begriff der Gesamttat voraus, denn die Haftung „des Gesamtsubjekts“ sei auf der Haftung der Mittäter „für das Gesamtsubjekt“ aufgebaut.108 Die Denkfigur des Gesamtsubjektes sei demnach zum einen nicht zweckmäßig, weil das bei der Zurechnung benötigte Gesamtsubjekt, dann bei der Bestrafung, bei der nur das Maß an individueller Schuld maßgebend ist, verschwinden müsse. Zum anderen müsse die Begründung der Zugehörigkeit zum Kollektiv durch das individuelle Handeln erfolgen, so daß die Kausalität dieses Handeln darüber entscheidet, ob versuchte oder vollendete Beteiligung vorliegt. Die Zusammenfassung zu einem „Gesamtsubjekt“ sei in diesem Sinne ein Umweg, denn sie erschwere oder überspiele die Antwort auf diese Fragen.109 Die Verbindung ist daher nach Dencker nicht beim Subjekt der Zurechnung, sondern bei ihrem Objekt zu suchen. Diese Verbindung habe als sachliche Grundlage ein Handlungsprojekt, das folgende negative und positive Eigenschaften aufweist: i) Es ist weder Tatbestandsmerkmal – denn es liegt vor der Tat – ii) noch subjektiver Tatentschluß, sondern ein objektivierter „Plan“, 106

Kausalität, S. 120 f. Schon die Formulierung dieser Alternative erweist sich jedoch als problematisch, da eine Trennung zwischen Handlung und Erfolg vorausgesetzt wird, deren Zusammengehörigkeit, wie Dencker selbst treffend bemerkt (Kausalität, S. 120 f.), nicht zu verkennen ist. Trotzdem entscheidet sich Dencker für die analytische Spaltung, weil sie ihm zweckmäßiger erscheint. Diese Entscheidung wird in der Konzeption Denckers zur Folge haben, daß die Begründung der Mittäterschaft im Rahmen der Gesamttat durch Kriterien der Erfolgszurechnung durchgeführt wird. Die Zurechnung des Verhaltens wird dagegen im Bereich der Teiltat angesiedelt. 108 Vgl. Kausalität, S. 123, Anm. 10. 109 Kausalität, S. 124: „Wenn in das Gesamtsubjekt also doch unumgänglich das Handeln des Individuums und dessen Ursächlichkeit für das ,Werk des Gesamtsubjekts‘ einzugehen hat, erscheint eine solche Denkfigur als Umweg“. 107

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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iii) dank dessen die Handlungen der Beteiligten als Verwirklichung eines gemeinsamen Unternehmens erscheinen.110 Das entspricht dem Gesamttatbestand, der als Analogon des § 25 Abs. 2 StGB gebildet wird: „Diejenigen, welche gemeinschaftlich (. . .) tun“. Das gemeinsame Handeln wird dementsprechend nicht von den Einzeltatbeständen des BT, sondern erst von der verallgemeinerungsfähigen111 Regel der Mittäterschaft erfaßt, der deshalb eine konstitutive Bedeutung zugesprochen werden soll.112 So wird die Teiltat jedes Beteiligten in einen gesamttatbestandsmäßigen Sachverhalt einbezogen, wobei die Ursächlichkeit dieser Teiltat für den Erfolg auf dessen Ursächlichkeit für den (Gesamt)Sachverhalt zurückgeführt wird. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der anregungsvollen Theorie Denckers wäre in diesem Rahmen nicht angemessen, denn sie geht über die Beteiligungsproblematik weit hinaus. Deshalb sei hier nur der Prüfstein der Versuchsbeginnproblematik noch einmal zur Verdeutlichung herangezogen. Bei der Darstellung des Zurechnungsprinzips Gesamttat wird davon ausgegangen, daß die Gesamtlösung nicht nur zutreffend ist, sondern sogar eine „zwingende“ Folge ihrer Anwendung. Dieses Ergebnis ist richtig, aber mit dem Verzicht auf eine Zusammenfassung der jeweiligen Handlungen schlichtweg unvereinbar. Wenn sich die Verknüpfung nicht auf die willensgesteuerten Körperbewegungen (bzw. Handlungen), sondern auf die jeweiligen Außenweltveränderungen (bzw. Erfolge) beziehen soll, dann ist es nicht mehr zu erklären, worin eine solche Verknüpfung beim Versuch liegen kann, ohne die (etwa vorbereitende) Leistung beim „Wissen um den Projektbezug“ in eine Art von Erfolg zu verwandeln. Die Voraussetzungen sowohl der Gesamttat als auch der Teiltat – das Vorliegen einer projektmäßigen, für das Zustandekommen des Versuchs ursächlichen Handlung – wären nämlich damit gegeben. Wenn man trotzdem die Strafbarkeit des Vorbereitenden als Mittäter von der die Straftat unmittelbar ansetzenden Handlung des Genossen abhängig machen will, erscheint dieses Erfordernis als eine bloße Strafbarkeitsbedingung, denn es ist nicht ersichtlich, wie der genannte Erfolg durch das fremde Ansetzen zur Straftat, d. h. unter Verzicht auf die Bildung eines Kollektivs, tatbestandsmäßig wird (es sei denn, man wäre einer rein kausalen Betrachtungsweise verhaftet). Deshalb muß auch Dencker behaupten, daß beim Versuch der Gesamttat „die Unterordnung unter das gemeinsame Handlungsprojekt (. . .) der rechtfertigende Grund für die Zusammenrechnung der individuellen Mittäterhandlungen“ sei.113 Das ist aber keine reine 110 Kausalität, S. 156, 160: (Gesamtprojekt ist) „ein intellektuelles Handlungsprojekt also, das Handlungen mehrerer Individuen koordiniert, und dessen so verbundene individuelle Handlungen dann zusammen eine Gesamttat ergeben“. 111 Sie ist eigentlich nur eine spezielle Umformung eines allgemeineren Zurechnungsprinzips: s. Kausalität, S. 142. I. d. S. bereits Nagler, Teilnahme am Sonderverbrechen, S. 76. 112 Kausalität, S. 164.

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1. Teil: Einleitung

Verknüpfung der Außenweltveränderungen, sondern eben die Verknüpfung der Handlungen zu einer kollektiven Leistung (bzw. zu einem Kollektiv, dessen Werk die Gesamttat ist) oder, wenn man es so will, die Zusammenfassung der Personen in bezug auf eine einzige Tat. Noch deutlicher zeigt sich diese Wende in der Position Denckers, wenn er schreibt: „Mit dem Haftungsprinzip Gesamttat und der Gesamtlösung ist vorgegeben, daß individuell auch für individuelles Tun anderer als ,Tat‘ dann gehaftet wird, wenn der ,Tat‘-Charakter sich nur aus der Verbindung individueller Handlungen ergibt“.114 Die Lehre der Gesamttat bedeutet daher keine Ablehnung des Kollektivgedankens; ganz im Gegenteil, ihr systematischer Vorschlag beruht wesentlich auf der Basis der Verknüpfung von Handlungen zu einer normativen Einheit. Dencker wendet sich aber zu Recht mit Nachdruck gegen eine durch die finale Handlungslehre vermittelte Verbindung von Handlungen, so wie sie von Gallas und Küper postuliert wurde.115 Wird hingegen eine solche Verknüpfung im Rahmen der objektiven Zurechnung durchgeführt, dann ist die Beteiligungsbegründung im Bereich der Verhaltenszurechnung anzusiedeln, da es letzten Endes darum geht, daß „der ,Tat‘-Charakter sich nur aus der Verbindung individueller Handlungen ergibt“.116 Die Schwäche der Auffassung Denckers liegt daher nur darin, daß die Ausarbeitung der Grundlagen der Handlungsverknüpfung zugunsten der Erfolgsverknüpfung (Kausalitätsfragen) vernachlässigt wird. Aus diesem Grund wird beispielsweise nicht einmal das nach Denckers Auffassung entscheidende Merkmal des „Wissens um den Projektbezug“ hinreichend erörtert (warum sollte z. B. ein Wissensollen u. U. nicht ausreichen?), während die Leistungsfähigkeit der Denkfigur des Kollektivs nicht ausgelotet und entsprechend eingegrenzt wird.117 3. Ein Gesamtsubjekt? Eine neue Fragestellung Das bisher Ausgeführte dürfte allerdings verdeutlicht haben, daß die Zusammenfassung der Handlungen zu einem Gesamtsubjekt – mit der nicht nur der finale Ansatz, sondern auch letztendlich das Prinzip Gesamttat arbeitet – auch hoch problematisch sein kann.118 Kindhäuser hat unlängst in diesem Sinne her113

Kausalität, S. 198. Zum Begriff des Handlungsprojekts s. o. bei Anm. 110. Kausalität, S. 211. Somit wird auch (allerdings entgegen Dencker: Kausalität, S. 123, Anm. 10) deutlich, daß der Begriff Gesamttat die Bildung eines Kollektivs voraussetzt, und nicht umgekehrt. 115 s. o. B. II. 1. 116 Kausalität, S. 211. 117 Dencker postuliert beispielsweise die Zusammenstellung eines Kollektivs aus bestimmten und unbestimmten Personen: s. u. B. II. 4. e) (i). 118 Freilich befinden sich die ansonsten schlagenden Argumente gegen diese Denkfigur häufig im Schrifttum mit naturalistischen Betrachtungsweisen (insb. bei Schil114

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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vorgehoben, daß sowohl die Betrachtung des Kollektivs als Normadressat wie die Übertragung der Verantwortung von einem Kollektiv auf die einzelnen Personen prinzipiell unzulässig sei.119 Zunächst einmal beruht die strafrechtliche Verantwortung auf der Zuschreibung von Schuldfähigkeit, die wiederum den Normadressaten Rechtstreue unterstellt. Daß diese einer Kollektivperson allenfalls metaphorisch zugeschrieben werden kann, bedarf keiner näheren Erläuterung.120 Aber selbst wenn die Begründung einer Art von „Schuld“ (sei es durch ein Zurechnungsmodell gestufter Intentionen, die Bildung eines Unrechtssystems oder den gemeinsamen Tatentschluß) gelingen würde, könnte die Verantwortung des Einzelnen für die Teilnahme am Kollektiv mit der Verantwortung für die Straftat nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden.121 In Anbetracht der Untauglichkeit des Einzeltäter-Paradigmas und der noch ungelösten Fragen, welche die Bildung eines Kollektivs zur Erklärung der Zurechnungsprobleme bei gemeinsamem Handeln aufwirft, bietet es sich an, die Fragestellung so zu formulieren, wie es Kindhäuser ansatzweise vorschlägt: „Jeder der Beteiligten muß durch sein Verhalten zugleich ein eigenes und ein fremdes ,Geschäft‘ besorgen, also zugleich ,eigen und fremdhändig‘ handeln“.122 Der Gedanke der wechselseitigen Repräsentanz, den Kindhäuser auf die mittäterschaftliche Haftung beschränkt, trifft den Kern der Sache, weil damit die „Gemeinsamkeit“ hervorgehoben wird. Denn die treffende Frage lautet, wie die Tatbestandsverwirklichung allen Beteiligten zugerechnet werden kann, d. h., unter welchen Voraussetzungen die Tatbestandsverwirklichung eigenes Werk jedes Beteiligten ist. Diese Fragestellung enthält bereits zwei bedeutsame Aussagen, die im nächsten Abschnitt näher erläutert werden. Zum einen wird aus dem geschlossenen Charakter der Zurechnungsfrage hergeleitet, daß es im Strafrecht eine Haftung (Zuständigkeit) für ein fremdes „Geschäft“ (Unrecht) nicht gibt. Kann das „Geschäft“ rechtlich als eigene Angelegenheit einer Person ling, S. 73 f.) oder mit schlicht unzutreffenden Argumenten vermischt (so beispielsweise bei Dencker, Kausalität, S. 123 f.; Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 631 f.). Kritisch schon Nagler, Teilnahme am Sonderverbrechen, S. 77: „Davon, daß ein ,Gesamtwille‘ als ein neues, über das Aggregat der Einzelwillen sich erhebendes, zu einem selbständigen Dasein berufenes Wesen zur Erscheinung komme, kann keine Rede sein. Eine solche Fiktion würde – konsequent durchgeführt – die weitere Fingierung einer ideellen, die Urheberschaft tragenden Personeinheit erzwingen“. Vgl. auch Derksen, GA 1993, S. 165 f. 119 Festschrift für Hollerbach, S. 630 f., 643 f. 120 Dazu kürzlich Jakobs, Festschrift für Lüderssen, S. 568 ff.: Ein Kollektiv als solches kann, selbst wenn es eine juristische Person wäre, mangels Identität nicht als rechtsuntreu oder überhaupt als schuldfähig bezeichnet werden. Vgl. auch Seelmann, Kollektive Verantwortung, S. 13 ff. 121 Vgl. Joerden, S. 79 f., der den Schluß von der Verantwortlichkeit des Kollektivs auf die volle Verantwortlichkeit jedes einzelnen Mitglieds als Postulat bezeichnet. 122 Festschrift für Hollerbach, S. 645, im Anschluß an Binding, Abhandlungen, I, S. 298 (der „von freier Stellvertretung bei der deliktischen Handlung“ spricht) und Nagler, Teilnahme am Sonderverbrechen, S. 78 f.

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1. Teil: Einleitung

gedeutet werden, so handelt es sich eben nicht um eine fremde Angelegenheit.123 Zum anderen wird der Zurechnungsgegenstand benannt: die durch den Tatbestand umrissene Tat. Daher geht es insbesondere bei der Mittäterschaft nicht um die Begründung einer „wechselseitigen Zurechnung“ der Tatbeiträge – das würde abermals zu einer Betrachtung aus dem Einzeltäter-Paradigma führen124 –, sondern um die Begründung einer gemeinsamen Zuständigkeit für das einzig zutreffende Objekt der Zurechnung, nämlich die Tatbestandsverwirklichung. 4. Kollektive Pflichtverletzung In den folgenden Ausführungen wird der Gedanke entfaltet, daß die Tatbestandsverwirklichung den einzig tauglichen Gegenstand einer einheitlichen Zurechnung bildet, die alle Beteiligten, d. h. alle für die Tatbestandsverwirklichung Zuständigen, gleichermaßen und unmittelbar – als eigenes Unrecht – betrifft. Die Grundlagen dieser Auffassung können wie folgt zusammengefaßt werden: Beteiligung bedeutet gemeinschaftliche Verantwortung für eine Straftat. Jedem Beteiligten ist, zusammen mit den anderen, die Tatbestandsverwirklichung objektiv und subjektiv zuzurechnen. Diese Zurechnung hat zum Gegenstand die tatbestandliche Tat und als Grundlagen die Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung sowie die Vermeidbarkeit des dazu beitragenden Verhaltens. Da die Mindestvoraussetzung der Beteiligung die Gestaltung der tatbestandlichen Tat seitens eines jeden Beteiligten ist,125 bildet sein Verhalten eine Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung, was eine Spezialisierung in der Bestimmung der Zuständigkeit und ggf. eine quantitative Abstufung der Beteiligten nach dem Maß an Gestaltung zur Folge hat. Demnach müssen die Bedingungen ermittelt werden, unter denen eine Gestaltung126 der Tatbestandsverwirklichung als erheblich und gemeinsamkeitsstiftend anzusehen ist. Nur unter diesen Bedin123 Tertium non datur. Auf die aus dieser Prämisse entstandene Auffassung Kindhäusers (Festschrift für Hollerbach, insb. S. 645 ff.) wird sogleich im Dialog mit der hier vorgeschlagenen Lösung eingegangen. 124 Vgl. Lampe, ZStW 106 (1994), S. 719 f.; Dencker, Kausalität, S. 250 mit Anm. 4. Die Einheitlichkeit der Zurechnung (auch in bezug auf die Teilnehmer) bejahend, freilich aus kausaler Sicht, bereits Binding, Grundriß, S. 147: „Es ist falsch, zu behaupten (. . .) daß jeder Mittäter (wie überhaupt jeder Teilnehmer) im Sinne des GBs nur eine vereinzelte Bedingung zum Erfolg setze (. . .) Er setzt vielmehr die ganze Ursache – zum Teil eigenhändig, zum andern Teil durch seinen Vertreter“. 125 Es verhält sich aber nicht so, wie Lesch meint – GA 1994, S. 118 –, daß der einzelne Mittäter „per definitionem“ weniger zu leisten hat als der Alleintäter zur Verwirklichung eines Tatbestands, und deshalb nicht mit dem Subjekt der Deliktsbeschreibungen des Besonderen Teils identifiziert werden kann. Es käme wohl in Betracht, daß mehrere Beteiligte alle tatbestandlichen Merkmale in sich erfüllen. Dies schließt jedoch die Zuständigkeit der jeweils anderen nicht aus. Es geht vielmehr um den gemeinsamen Sinn, der dabei ausgedrückt wird.

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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gungen kann die Tatbestandsverwirklichung als kollektive Fehlleistung bezeichnet werden,127 so daß von Beteiligung die Rede sein kann. Da die Gestaltung der Tat unter den Beteiligten aufgeteilt wird, bestehen auch verschiedene Gestaltungsquanten, deren Ermittlung es ermöglicht, jeweils von Tätern und Teilnehmern (i. S. der Strafzumessung) zu sprechen.128 Diese Grundzüge bringen sowohl die Betrachtungsperspektive als auch den hier gewählten Ansatz zur Lösung in groben Umrissen zum Ausdruck. Ihrer Erläuterung gelten folgende Ausführungen. a) Beteiligung als Zurechnungsfrage Stellt Beteiligung an einer Straftat ein Problem strafrechtlicher Zurechnung dar, so vermögen Kausalität, Herrschaft129 oder Wille130 als reine Fakta ein Beteiligungsverhältnis, d. h. die gemeinschaftliche Zuständigkeit mehrerer für die Tatbestandsverwirklichung, nicht zu begründen. In bezug auf die Herrschaft betont beispielsweise zutreffend Kindhäuser, daß „Herrschaft dort zurechnungsirrelevant [ist], wo der einschlägige Verantwortungsbereich endet: Der Täter wird durch die Tat – und das heißt: das zu Verantwortende – bestimmt“.131 Das Gleiche gilt für die Eigenhändigkeit der Ausführungshandlung, auch wenn es um 126 „Gestaltung der Tat“ wird hier mit Jakobs als „Festlegung des tatbestandsverwirklichenden Geschehens in seinem konkreten Verlauf, wie es sich von der Ausführungshandlung bis zur Vollendung (oder bis zu seinem Scheitern, beim Versuch) vollzieht“ verstanden (AT 21/49, Herv. vom Verf.). Gestaltung kann demnach sowohl durch aktives als auch durch passives (Unterlassen) Verhalten erfolgen. Zum Gestaltungserfordernis s. dritter Teil, C. IV. 3. Zum Begriff der „Tat“ s. Derksen, GA 1993, nur S. 170 f. 127 Das heißt u. a.: (i) daß es keinen einheitlichen Täterbegriff als Zurechnungsform gibt, weil die mit der Täterstrafe zu bestrafende Person bei Alleintäterschaft und bei gemeinsamem Handeln anders zu bestimmen ist. Deshalb ist es z. B. nur bei Alleintäterschaft richtig, daß der Selbstbegehende stets Täter ist; (ii) daß die Zurechnung keine „Doppeldeutigkeit“ aufweist: Die Verklammerung und Inbezugnahme beim Verhalten mehrerer deckt sich mit der „Filterfunktion“ zur Identifikation von Verantwortlichkeit (a. A. aber H. Jung, in: Eser/Huber/Cornils [Hrsg.], Einzelverantwortung, S. 189). 128 Um Mißverständnisse zu vermeiden: Tatbestandsverwirklichung ist im Zusammenhang der objektiven Zurechnung zu verstehen und deshalb nicht mit der „Herbeiführung des Erfolgs“ zu verwechseln. Die hier vorgeschlagene quantitative Unterscheidung der Beteiligungsformen löst sich daher von den „kausalitätsquantifizierenden“ Ansätzen ab (wie sie, z. B., bei Birkmeyer – Teilnahme am Verbrechen, S. 102 f. – in der Tradition des naturalistischen Positivismus dargestellt worden sind). Zur Funktion der „Mitgestaltung“ bei der Begründung des Beteiligungsverhältnisses s. dritter Teil, C. IV. 3 und C. V. 1. 129 Von Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 631, zutreffend als „qualifizierte Form von Kausalität“ gekennzeichnet. 130 Im Sinne eines Tatentschlusses: s. o. B. I. 1. a). 131 Festschrift für Hollerbach, S. 632.

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1. Teil: Einleitung

die sog. Herrschaftsdelikte geht. Sie wirkt weder per se zuständigkeitsbegründend in bezug auf die entsprechende Tatbestandsverwirklichung, noch ist sie für die Begründung der Zuständigkeit überhaupt erforderlich. Daß Eigenhändigkeit kein Erfordernis der strafrechtlichen Zurechnung (und auch nicht der Behandlung als Täter) bildet, ergibt sich schon aus den Konstellationen mittelbarer Täterschaft. Aber ebensowenig reicht das Selbstbegehen zur Zuständigkeitsbegründung aus: Der Chemiearbeiter, der unter genau definierten Bedingungen den Inhalt eines Kessels in einen Fluß ableiten muß, haftet nicht für Gewässerverunreinigung, wenn er seine Aufgabe erfüllt, und zwar auch dann nicht, wenn er zufällig erfahren hat, daß sich in einem bestimmten Kessel Stoffe befinden, deren Ableitung als Verunreinigung von Gewässer verboten ist, denn nach wie vor liegt die Zuständigkeit für die Qualität der Flüssigkeit bei den kompetenten Ingenieuren der Firma.132 Als erste Frage stellt sich deshalb nicht, wer Täter und wer Teilnehmer ist, sondern, wem die Tatbestandsverwirklichung zuzurechnen ist. Auf der objektiven Ebene handelt es sich dabei um die Frage, wer für die Tatbestandsverwirklichung überhaupt zuständig ist.133 b) Zurechenbarkeit der Tatbestandsverwirklichung Der Ausdruck „Beteiligter“ bezeichnet immer eine Person, der die Tatbestandsverwirklichung objektiv und subjektiv zuzurechnen ist. Subjektive Zurechenbarkeit heißt im Zusammenhang der Fragen, die hier von Interesse sind, daß es keine Beteiligung ohne schuldhafte Normverletzung i. S. von Handlungsunrecht und Zurechnung des Unrechts zur Schuld gibt. Das

132

Beispiel nach Jakobs, Participación, S. 622 f. Dazu eingehend dritter Teil, C.

III. 133 In diesem Sinne zutreffend Vogel (ZStW 114 [2002], S. 411): „Der dem Typenmodell inhärente Zwang zur Binnendifferenzierung – z. B. zwischen Täterschaft und Teilnahme – [führt] dazu, daß die praktisch weit bedeutsamere Frage der Außengrenzen individueller Verantwortlichkeit bei Zusammenwirken mehrerer – z. B. bei aufgeteilten Verantwortungsbereichen – tendenziell aus dem Blick gerät“ (Herv. vom Verf.). Dabei weist Vogel auf die Entscheidung BGH NStZ 2001, S. 364 hin, in der das Gericht die Diskussion darüber, ob (mittäterschaftliche) mittelbare Täterschaft oder Beihilfe der Angeklagten vorliegt, zugunsten der Bestimmung der Verantwortungsbereiche (und somit der Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung überhaupt) für unerheblich hält. Anders die ganz überwiegende Lehre, die an Beteiligungsformen i. S. von Zurechnungstypen festhält: s. etwa Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 264, der immerhin beide Fragen nicht bloß in eine verwandelt: „Neben (oder genauer: zusammen mit) der Frage nach der strafrechtlichen Mißbilligung der entsprechenden mittelbar gefährlichen Verhaltensweisen überhaupt stellt sich also – sofort – auch die Frage nach der genaueren Art solcher Mißbilligung bzw.: der genaueren Form, in der das mißbilligte Verhalten strafrechtlich erfaßt wird (Beihilfe, eigenes täterschaftliches Verhalten)“ (Herv. vom Verf.).

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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hat u. a. zur Folge, daß nur diejenigen Akteure als Beteiligte bezeichnet werden dürfen, die vermeidbar und schuldhaft zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen haben.134 Der „Einsatz von Natur“ begründet hingegen keine Gemeinsamkeit.135 Dementsprechend bilden Konstellationen von Exzeß und Irrtum eines Akteurs, die zur Unvermeidbarkeit eines Erfolgs bzw. eines Verhaltens führen, Fälle von Einsatz von Natur hinsichtlich der in fremdem Exzeß oder eigenem Irrtum (kausal mit-)vollzogenen Risikoschaffungen- bzw. realisierungen. Die Bestimmung mangelnder Vermeidbarkeit bei einem Beteiligten erfolgt nach den allgemeinen Regeln und bedarf keines Rückgriffs auf einen gemeinsamen Tatentschluß. Diese differenzierende Behandlung widerspricht dem Wortlaut des § 29 StGB nicht:136 Die Akteure sind insoweit Beteiligte, als sie schuldhaft einen gemeinsamen Sinn ausdrücken. Über die allseits bestehende Vermeidbarkeit hinaus ist aber jeder nach seiner Stellungnahme der Norm gegenüber zu bestrafen, ohne Rücksicht auf Umstände, welche die – ebenfalls bestehende – Schuld des bzw. der anderen beeinflussen können. Daraus ergibt sich folgendes: (a) Die subjektive Zurechenbarkeit der Tatbestandsverwirklichung erfordert, daß die Erkennbarkeit der objektiven Voraussetzungen für das Ausbleiben des Regreßverbots allen Beteiligten zugeschrieben wird.137 (b) Das Beteiligungsverhältnis beruht auf einer nach der üblichen Terminologie sog. extremen Akzessorietät. Das ist eine Folge der Einsicht, daß deliktisches Verhalten einen Sinnausdruck gegen die Normgeltung darstellt, so daß ein gemeinschaftliches deliktisches Verhalten nur in einem gemeinschaftlichen Sinnausdruck bestehen kann. Da also die Beteiligten in bezug auf das objektiv zurechenbare Verhalten vermeidbar handeln müssen, bildet die unter objektiven Bedingungen verbindender Arbeitsteilung erbrachte Leistung einen als gemeinschaftlich zu deutenden Normwiderspruch.138 134 Vgl. Jakobs, GA 1996, S. 253 ff.; dens., Handlungsbegriff, S. 44; dens. Festschrift für Welzel, S. 315; ferner Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 638, m. w. N. 135 Hierzu Jakobs, in: Neumann/Schulz (Hrsg.), Verantwortung in Recht und Moral, S. 69, mit Anm. 19. Das ist eine Folgerung der Erkenntnis, daß es im Strafrecht um Normgeltungsschutz geht. Aus der Perspektive des Prinzips Selbstverantwortung im Ergebnis ebenso Schumann, Selbstverantwortung, S. 103 ff. (106). 136 Allerdings widerspricht sie der Entstehungsgeschichte der Norm: vgl. LK-Roxin, § 28, Rn. 14. Zur Maßgeblichkeit der Wertentscheidungen des historischen Gesetzgebers in diesem Zusammenhang s. aber Stein, S. 52 ff., insb. bezüglich der Unterscheidung zwischen bindenden „Wertentscheidungen“ und nicht bindenden konkreten „Inhaltsvorstellungen“. Über die verbleibenden Auslegungsprobleme in bezug auf diese Vorschrift s. Jakobs, GA 1996, S. 254 f. (insb. Anm. 5). 137 Vgl. Jakobs, AT 8/44 und Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 57, 67, 94 ff., 480. Beim vorsätzlichen Delikt müssen zwar die Voraussetzungen der objektiven Zurechnung auch vom Vorsatz umfaßt sein. Dies betrifft aber, wie später aufgezeigt wird (vgl. zweiter Teil, A. II. 5 und dritter Teil, A. I), lediglich die Erfolgszurechnung zum einzelnen und nicht die Konstitution des Beteiligungsverhältnisses.

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1. Teil: Einleitung

(c) Da einer kollektiven Person Rechtstreue (Schuldfähigkeit) nicht zugeschrieben werden kann,139 ist ein Kollektiv kein taugliches Zurechnungssubjekt und deshalb weder „Beteiligter“ noch eine Zusammenfassung von Akteuren, der die Tat zugerechnet würde. Aufgrund des Beteiligungsverhältnisses wird die Tat allen Beteiligten, aber nicht der Gesamtheit der Beteiligten, zugerechnet: Die Denkfigur des „Gesamtsubjekts“ ist nur als Metapher von Nutzen. Beteiligung bedeutet dementsprechend kollektive Pflichtverletzung und nicht Pflichtverletzung durch eine kollektive Person. (d) Weil es um eine kollektive Pflichtverletzung geht, begeht keiner der Beteiligten eine sekundäre Pflichtverletzung bezüglich der einschlägigen Tatbestandsverwirklichung.140 Die Akzessorietät der Beteiligung ist demgemäß nicht als ein „Sich-Anlehnen an fremdes Unrecht“ zu deuten, sondern als Abhängigkeit einer Handlung von ihrer Anbahnung oder Fortführung durch andere,141 und zwar sowohl für die sog. Mittäter als auch für die sog. Teilnehmer. (e) Es ist deshalb zumindest mißverständlich, die Ausführungshandlungen als „fremde“ Tat in bezug auf die im Vorfeld der Ausführung tätigen Beteiligten zu bezeichnen. Diese Bezeichnung ergibt sich auch nicht aus den Teilnahmevorschriften (§§ 26 f. StGB),142 denn es steht ja außer Frage, daß die Straftat auch das Werk des Ausführenden sein muß. Das Gleiche gilt für die Tatbeiträge anderer Beteiligter überhaupt. Wenn die von anderen Beteiligten vollzogenen Tatbeiträge fremde Taten wären, dann wäre die Teilnahme entweder ein Delikt mit einer objektiven Strafbarkeitsbedingung, oder ein Erfolgsdelikt, wobei der Erfolg in der fremden Ausführung bestünde.143 Eine solche Umdeutung der Beteiligung i. S. der Verursachungstheorie ist schon deswegen unzulässig, weil sie unumgänglich zur Erklärung des Verhaltens im Vorfeld der Tatbestandsverwirklichung als Unrecht (mindestens als Handlungsunrecht) führt.144

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Zur Möglichkeit einer „einseitigen“ Beteiligung s. dritter Teil, C. IV. 2. s. o. B. II. 3. 140 A. A. Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 650. Der Gedanke der sekundären Pflichtverletzung bereits in Binding, GS 76 (1910), S. 1 ff., 33. Von dieser Auffassung müssen allerdings diejenigen unterschieden werden, die bei der Teilnahme auf einen Verstoß gegen eine selbständige Verhaltensnorm abstellen (Stein, S. 221 ff., 238 ff. – vgl. die Kritik von Küper, ZStW 105 [1993], S. 445 ff.), und die Auffassungen, welche die Beteiligungslehre zumindest ansatzweise als Problem der Verhaltenszurechnung betrachten (Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 41, 70 ff., 240 ff. und passim; Murmann, S. 154 ff.; Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 118 f., 235 ff.). 141 Vgl. Jakobs, AT 21/61, Anm. 131. 142 So aber Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 631. 143 Vgl. Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 652. Zur Beihilfe als „Erfolgsdelikt“ s. Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 63; Herzberg, Unterlassung, S. 114 ff.; vgl. ferner BayObLG NJW 1990, 1862 f. mit Bespr. Herzberg, NZV 1990, S. 375 ff. 139

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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Objektive Zurechenbarkeit der Tatbestandsverwirklichung heißt u. a., daß dem Sonderwissen keine zuständigkeitsbegründende Funktion zukommt.145 Insofern besteht als Kehrseite der strafrechtlichen Beteiligung ein Regreßverbot, das auf der Rollentrennung in einer freien Gesellschaft beruht. Das bedeutet allerdings nicht, daß diese Rollentrennung verabsolutiert werden kann: Die Rechtsordnung erkennt auch die Möglichkeit an, daß gewisse Zusammenhänge die spezifischen Rollen entkräften und die Rolle als schlichter Bürger in den Vordergrund treten lassen. Das ist gerade der Fall in bestimmten Situationen, in denen sich die Kehrseite der aus Notstandsprinzipien (§ 34 StGB) stammenden Befugnisse auswirkt.146 Wenn der Zusammenhang, in dem das Verhalten vollzogen wird, schon auf allgemein erkennbare Weise (ohne Zugriff auf Sonderwissen147) durch den Rollenbruch gekennzeichnet ist, kann das die Tatbestandsverwirklichung objektiv gestaltende Verhalten von dieser nicht distanziert werden. Zu diesen Konstellationen gehören also Verhaltensweisen, die nach Notstandsprinzipien (aber nur dort, wo das verantwortliche Verhalten Dritter erkennbar eine Rolle spielt) zugunsten des Rechtsgutsschutzes unterlassen werden müssen, weil 144 Vgl. etwa LK-Roxin, Vor § 26, Rn. 12–18 (versuchte Teilnahme ist als Alleinhandeln unter den in § 30 StGB bestimmten Bedingungen strafbar). 145 Vgl. Jakobs, Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 275 ff., S. 286. 146 Der an der Entstehung der Notstandslage gänzlich Unbeteiligte muß die Eingriffe zugunsten des Bedrohten dulden (hierzu Frisch, Festschrift für Lüderssen, S. 549 ff; zur gemeinsamen Verantwortung von Begünstigtem und Eingreifer s. dritter Teil, C. I. 3). Frisch erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Verletzung von Solidaritätspflichten nach §§ 138, 323c StGB. Daran ist nichts auszusetzen, solange man sich darüber im Klaren ist, daß, genau wie bei den den Notstandsprinzipien entstammenden Geboten bzw. Verboten (s. sogleich im Text), nicht diese Pflichtverletzung, sondern erst die Mitgestaltung der einschlägigen Tatbestandsverwirklichung das Beteiligungsverhältnis mitbegründet. Soll die Verhaltensweise, die eine Mißachtung der Solidaritätspflichten darstellt, ebenfalls Mitgestaltung der einschlägigen Tatbestandsverwirklichung bedeuten, so kommt ein Beteiligungsverhältnis in Betracht. An den Solidaritätspflichten läßt sich diese grundlegende Unterscheidung besonders deutlich erkennen, denn das Gesetz unterzieht die Verletzung von Solidaritätspflichten einer besonderen Behandlung, wie sich an der außerordentlichen Milde in bezug auf die Strafbarkeit zeigt: Da Solidaritätspflichten keine negative Pflichten sind, scheidet bereits auf dieser Ebene jegliche organisatorische Gemeinsamkeit aus. Dazu noch dritter Teil, C. IV. 2. 147 Zur Problematik von Rollen und Sonderwissen, s. Sancinetti, S. 245 f. (insb. Anm. 28). Seine Kritik an der Lösung Jakobs’ überzeugt allerdings nicht, denn sie beruht teilweise auf einer wesentlichen Veränderung der analysierten Konstellationen. Die Unterlassung, den geleisteten (isoliert betrachtet: sozialadäquaten) Beitrag zur fremden Organisation aufgrund eines nachträglich erworbenen Sonderwissens zurückzuziehen, ist mit der Ausnutzung des Sonderwissens als Baustein der eigenen deliktischen Organisation nicht gleichzusetzen. Der Unterschied liegt in erster Linie darin, daß Beteiligung eine Frage der Verhaltenszurechnung darstellt, weshalb nur der Zeitpunkt des Verhaltensvollzugs für die Beteiligungsfrage maßgeblich ist. Eine Einzelverantwortung ist damit nicht ausgeschlossen (aber auch nicht begründet). Jedenfalls handelt es sich im Text nicht um Sonderwissen, sondern um den allgemein erkennbaren Kontext der Handlung.

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1. Teil: Einleitung

sie wegen der Verdichtung der Rollenbrüche im konkreten Zusammenhang nicht mehr als ubiquitär oder sozialadäquat interpretiert werden können.148 Entgegen Frisch muß jedoch hervorgehoben werden, daß die gemeinschaftliche Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung des Erfolgsdelikts nicht auf der Verletzung des aus Notstandsprinzipien hergeleiteten Verbots bzw. Gebots beruht.149 Wenn die Handlungs- bzw. Unterlassungsfreiheit mit Rücksicht auf die Rechte anderer begrenzt wird, begründet die Überschreitung dieser Rechtsbegrenzungen prinzipiell nur eine Einzelzuständigkeit des Überschreitenden. Eine gemeinsame Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung des Erfolgsdelikts ergibt sich hingegen nur dann, wenn diese durch die Überschreitung mitgestaltet wird. Dies ist nicht nur einen Verweis auf das noch zu behandelnde Gestaltungserfordernis, sondern auch darauf, daß die Notstandslage auf allgemein erkennbare Weise durch das selbstverantwortliche Handeln bzw. Unterlassen anderer Akteure mitgeprägt sein muß.150 Diesen Verhaltensweisen schließt sich der Überschreitende mit seinem Verhalten an, und nur dadurch wird er in die Gemeinsamkeit der Beteiligten miteinbezogen: Wer den vor einer wütenden Menschenmenge Fliehenden von seinem Grundstück verjagt, beteiligt sich an den Prügeln, die dieser daraufhin erleiden muß.151 c) Tatbestandsverwirklichung als Zurechnungsgegenstand Pflichtverletzung in bezug auf die Normfunktion des entsprechenden Tatbestandes, um die es bei der Zurechnung qua Beteiligung geht, ist erst die Tatbestandsverwirklichung. Die im Vorfeld oder im Ausführungsstadium geleisteten einzelnen Beiträge sind demnach kein Zurechnungsgegenstand, sondern sie begründen unter bestimmten Umständen die gemeinschaftliche Zuständigkeit für die Pflichtverletzung, welche die Tatbestandsverwirklichung ausmacht.152 Die 148

Vgl. Jakobs, Festschrift für Lampe, S. 566. A. A. Lesch, Beihilfe, S. 283 f. A. A. Frisch, Festschrift für Lüderssen, S. 554, der in diesen Fällen von Beteiligung ohne deliktischen Sinn des Verhaltens spricht. 150 s. dazu dritter Teil, C. IV. 2. 151 Anders verhält es sich, wenn dem Verhalten des Gründstückseigentümers nicht die Bedeutung einer Mitgestaltung der Tat im Sinne der Tatbestandsverwirklichung zugeschrieben werden kann. Dies geschieht etwa dann, wenn er sich darauf beschränkt, die Gartentür zur gewohnten Zeit zu verschließen, was die Flucht des Verfolgten in den Garten verhindert. Dieses Verhalten kann u. U. die Bedeutung der Verletzung einer Solidaritätspflicht nach § 323c StGB haben, aber im Regelfall nicht den Sinn einer Einpassung in das tatbestandsverwirklichende Verhalten der Verfolger. Dabei kommt es nicht darauf an, daß im Eingangsfall der Verfolgte verjagt, während im zweiten ihm der Eintritt verwehrt wird. Entscheidend ist nur, daß im zweiten Fall die Leistung zufällig zu dem Vorhaben der Verfolger paßt, während sie im Eingangsfall in den deliktischen Prozeß, objektiv betrachtet, eingepaßt wird. 152 Die Pflichtverletzung ist m. a. W. als kollektive Pflichtverletzung zu deuten. Vgl. Jakobs, AT 21/3, 8a; ders., Participación, S. 627, 630 f. Der Einzelbeitrag kann als Obliegenheitsverletzung bezeichnet werden, die den Leistenden mit der späteren 149

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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einschlägigen Tatbestandsmerkmale umschreiben demnach den Bereich der Gemeinsamkeit: Andere möglicherweise im Vorfeld verwirklichte Tatbestände (wie etwa § 149 StGB), die nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz aufzulösen sind, verlangen eine selbständige – wenngleich meistens parallele – Analyse der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse.153 Daraus ergibt sich folgendes: (a) Die Richtigkeit der sog. Gesamtlösung beim Versuchsbeginn, und zwar nicht nur bezüglich des unmittelbaren Ansetzens zur tatbestandsmäßigen Handlung durch einen Mittäter, sondern auch durch einen beliebigen Beteiligten.154 Die Beteiligten begehen zusammen eine Tat, die sich einheitlich vollzieht. Deshalb liegt Versuch bei gemeinsamem Handeln vor, wenn die Tat, vollzöge ein Beteiligter alles allein, in das Versuchsstadium käme.155 Aus demselben Grund kommt es für die Zurechnung der Pflichtverletzung (zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung unterstellt) nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt die entsprechende Leistung erbracht wird. (b) Da die Einzelbeiträge nicht Gegenstand der Zurechnung sind, darf auch nicht das Verhalten des Beteiligten als „sein Erfolgsdelikt“ (dessen „Erfolg“ eben die Tatbestandsverwirklichung wäre) bezeichnet werden.156 Daß das Gleiche für die im Ausführungsstadium geleisteten Beiträge gilt, bedarf im Rahmen der Gesamtlösung keiner näheren Erläuterung. Dies hat allerdings nicht zu bedeuten, daß solche Beiträge nicht in anderweitigem Sinne mißbilligte Verhaltensweisen darstellen dürften: Hier ist nur die kollektive Pflichtverletzung gemeint, auf die sich die Überprüfung des Beteiligungsverhältnisses bezieht. (c) Die Frage, ob das Erbringen der Leistung eine Garantenstellung des Beteiligten aus Ingerenz in bezug auf die Tatbestandsverwirklichung begründet, muß einheitlich für die sog. Mittäter und die sog. Teilnehmer beantwortet werden, denn die Begründung der Zuständigkeit – nicht nur bei gemeinsamem Handeln, hier aber in besonders anschaulicher Weise – fällt mit der Begründung der Garantenstellung zusammen.157 Die gemeinsame Organisation erfolgt durch und aus diesem Grund gemeinsamen Pflichtverletzung verbindet: hierzu Jakobs, Festschrift für Lampe, S. 574 (insb. Anm. 38); ders. bereits in ZStW 89 (1977), S. 23 ff. A. A. Stein, S. 221 ff. 153 Hierzu gehören auch Fälle, in denen das Erbringen des Tatbeitrags eine Garantenstellung aus Ingerenz begründet, die sich auf sonstige Tatbestandsverwirklichungen durch Unterlassung bezieht. 154 Vgl. Dencker, Festschrift für Lüderssen, S. 529; i. d. S. bereits Jakobs, AT 22/19: „Der als Experte angeheuerte Glaser ritzt am Haus des Opfers ein Fenster an, damit seine Mitbeteiligten die Scheibe lautlos eindrücken, durch die Lücke eindringen und sodann aus dem Haus stehlen können“. Der Übergang von der Vorbereitung zum Versuch wird in diesem Fall von einem Gehilfen vollzogen. 155 Jakobs, AT 21/61. 156 So aber Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 652. 157 Ob die Unterlassung wiederum tatbestandsmäßig ist, ist eine andere Frage. A. A. Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 652, der im Falle des Teilnehmers keine

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1. Teil: Einleitung

eine Kette von Verhaltensweisen, wobei es gleichgültig ist, ob sie dem phänotypischen Muster der Begehung oder der Unterlassung entsprechen. Als Beispiel: Der Komplize A verschafft den Sprengstoff; der B gräbt die Grube im Hof, deren Kennzeichnung er selbstverständlich „unterläßt“; der Bauunternehmer C übersieht geflissentlich alles, obwohl es auf dem Grundstück und mit den Werkzeugen der Baustelle vollzogen wird usw. Es geht lediglich um die zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung des einheitlichen Gesamttatsverlaufes, sowohl von den Begehenden als auch von den organisationspflichtwidrig (institutionelle Pflichten bleiben ausgeklammert) Unterlassenden, was ihre i. d. S. zu verstehenden Garantenstellungen bezüglich der Gesamttat begründet.158 Anders ausgedrückt: Wer kein Garant in bezug auf die Tatbestandsverwirklichung ist, ist auch kein Beteiligter. Aus der Perspektive des zur Überprüfung der Beteiligungsverhältnisse herangezogenen Tatbestandes (der die Baustelle besichtigende Politiker wird beispielsweise durch den Sprenganschlag getötet), wirkt sich eine solche Unterlassungsbeteiligung gerade in demselben Maße aus, in dem sich auch die Begehungsbeteiligung auswirkt.159 Werden (auch) andere Tatbestände verwirklicht (die Assistentin des Politikers fällt in die von B gegrabene Grube hinein, was eine Körperverletzung zur Folge hat), dann müssen die jeweiligen Tatbeiträge im Hinblick auf diese Taten überprüft werden, um festzustellen, ob eine zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung und somit eine darauf bezogene Gemeinsamkeit auch in diesen Fällen vorliegt. Wenn eine Tatbestandsverwirklichung als Realisierung des gemeinsamen Unternehmens nicht mehr zu erklären ist, dann besteht keine Gemeinsamkeit und die Zurechnung der jeweiligen Leistungen muß nach den (isolierenden) Kriterien der Alleintäterschaft ermittelt werden. Die Frage der Garantenstellung aus Ingerenz betrifft demnach bei gemeinsamem Handeln entweder alle Beteiligten oder aber keinen. Erst wenn die Tatbestandsverwirklichung als kollektive Leistung nicht erklärt werden kann, kommt eine abgesonderte, auf Ingerenz beruhende Unterlassungstäterschaft des Akteurs in Frage, jedoch eben als Alleintäterschaft aufgrund einer Leistung, die nicht mehr ein „Tatbeitrag“ unter anderen ist.160 Garantenstellung aus Ingerenz – der mittelbaren Zuständigkeit für das unerlaubte Risiko wegen – anerkennt. 158 Vgl. Jakobs, AT 29/33 und dens. BGH-FG, S. 44 ff. Dabei wird vorausgesetzt, daß das Verhalten zumindest eines Beteiligten, das seine Garantenstellung begründet, zugleich die unmittelbare Gefahr der Tatbestandsverwirklichung (nach geläufiger Lehre, Voraussetzung des Versuchsbeginns bei Unterlassung: s. etwa Kühl, AT 18/48) herbeigeführt hat. Das „Sich-Garant-Machen“ ist als solches noch kein Versuchsbeginn des Unterlassungsdelikts. 159 Dies wird in bezug auf die Beihilfe weitgehend ausdrücklich anerkannt: Die häufig bestehende Erfolgsabwendungsmöglichkeit des Gehilfen kann nur die Verantwortung wegen Beihilfe und nicht zugleich eine Unterlassungstäterschaft bzw. eine zusätzliche Beteiligung durch Unterlassen begründen. I. d. S. Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 146; Welp, S. 331 ff.; Vogel, Norm und Pflicht, S. 279 ff.; Sánchez-Vera, S. 40 f. (insb. S. 41 mit Anm. 13), m. w. N.

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(d) Da Gegenstand der Zurechnung allein die Tatbestandsverwirklichung ist, müssen sich auch die Erfordernisse der subjektiven Zurechnung auf die jeweilige Tatbestandsverwirklichung beziehen. Deshalb ist beispielsweise der agent provocateur straffrei: Nicht etwa deswegen, weil ihm der Versuch objektiv nicht zugerechnet werden könnte, sondern weil die Voraussetzungen subjektiver Zurechnung des Versuchs (Vorsatz) – und das ist die Tatbestandsverwirklichung, worum es im Falle des Provokateurs geht – bei ihm nicht vorliegen. (e) Das bisher Angeführte mag bei den Konstellationen von error in persona erhellend wirken. Bei der abgewandelten Fassung des Rose-Rosahl Falls,161 in dem A den B beauftragt hat, den C zu erschießen, wobei B wegen eines error in persona den D umbringt, meint Binding, daß A nicht Anstifter (d. h. nicht Beteiligter an) dieser Tat ist.162 Das ergebe sich schon aus der Tatsache, daß, wenn B seinen Irrtum erkenne, auf den C warte und ihn erschieße, A nicht wegen zweifacher Anstiftung bestraft werden dürfe.163 Diese auf der Ermittlung der konkreten Vorstellungen der Beteiligten beruhende Lösung vermag jedoch, wie bereits dargelegt, kaum zu befriedigen, denn die jeweilige Konkretisierung des Handlungsobjekts kann nahezu beliebig ausfallen.164 Nach den vorangegangenen Überlegungen liegt der Fall wie folgt: Hinsichtlich des ersten Delikts besteht ein Irrtum (error in persona), der keine Rückwirkung auf das durch den Tatbestand umschriebene Unrecht hat. Demgemäß bleibt die Beteiligung des A an der verwirklichten Tötung des D dadurch unberührt.165 In bezug auf das

160 Als Beispiel: B hat einen Einbruch u. a. deswegen erfolgreich ausgeführt, weil A den Tatort ohne Zutun und Wissen des B mit offenem Feuer beleuchtet hat. Entsteht dabei ein Brand, so stellt sich die Frage, ob B das Feuer löschen muß, um nicht Beteiligter an einer Brandstiftung zu werden. Denn einerseits ist A unter Umständen Beteiligter; andererseits betrifft die Unterlassungshaftung aus Ingerenz entweder alle Beteiligten oder keinen. Die Frage muß negativ beantwortet werden. Denn der Gegenstand der Zurechnung, die einschlägige Tatbestandsverwirklichung, umschreibt die Gemeinsamkeit, so daß nicht jeder Beteiligte auch jede beliebige Gestaltung der anderen zu verantworten hat. Wenn ein Beteiligter ein Sonderrisiko auf eigene Faust schafft (A hätte auch eine Taschenlampe oder eine angezündete Fackel zur Verfügung stellen können), hat das mit dem gemeinsamen Unternehmen nichts zu tun. Nicht nur sonstige Tatbestandsverwirklichungen im Vorfeld der Tat, sondern auch parallele Tatbestandsverwirklichungen werden deshalb von der Gemeinsamkeit ausgeschlossen. Hierzu eingehend dritter Teil, C. IV. 2 und C. IV. 3. Vgl. auch Jakobs, AT 29/33, Anm. 67. 161 Preuß. OTr. vom 5. Mai 1859 (in: GA 7, S. 332 ff.). 162 Normen III, S. 213. Auch i. d. S. Roxin, Täterschaft, S. 215. 163 Roxin, Täterschaft, S. 215 (es geht also um das berühmte „Blutbadargument“). 164 s. o. B. I. 1. a) aa) und sogleich im Text. 165 Der bei der ersten Tat verfehlte Zweck spielt keine Rolle, solange der Zweck (und somit der Fehler) keine Rückwirkungen auf das Unrecht hat. Der error in persona vel objecto zeitigt nach einhelliger Lehre solche Rückwirkungen im Regelfall nicht: hierzu Jakobs, AT 21/45, Anm. 100. Vgl. ferner Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 23 ff.

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zweite Delikt liegt aber keine Beteiligung vor, da die mitgestaltete Tatbestandsverwirklichung schon vollzogen worden ist.166 Das Urteil des 4. Senats des BGH vom 23.1.1958167 bringt ebenfalls die Fragwürdigkeit einer auf den jeweiligen Vorstellungen der Beteiligten beruhenden Entscheidung zum Vorschein. Drei bewaffnete Einbrecher wurden beim nächtlichen Eindringen in ein Geschäft entdeckt und mußten fliehen. Nach ihrer Verabredung sollten sie die Pistolen erst dann gebrauchen, wenn die Gefahr einer Festnahme drohe. Bei der Flucht hörte M Schritte hinter sich und schoß in der irrigen Annahme, es handle sich um einen Verfolger, mit Tötungsvorsatz auf den Komplizen P, der dabei verletzt wurde. Der BGH hat entschieden, daß P, aufgrund der getroffenen Verabredung und der Tatsache, daß er die Umsetzung des Plans noch hätte verhindern können, Mittäter eines Mordesversuchs an seiner eigenen Person war. Roxin mißbilligt die Entscheidung u. a. mit dem Argument, daß eine genauere Bestimmung der Vorstellungen der Beteiligten vonnöten gewesen wäre.168 Daß dieser Ansatz jedoch nicht weiter helfen kann, weil er bestenfalls zur Auflösung der Beteiligungsfrage in einer Vorsatzbestimmung führt, wurde schon dargelegt.169 Vielmehr geht es hier um einen Fall, in dem der Irrtum eine Rückwirkung auf das Unrecht hat. Da Gegenstand der Zurechnung allein die Tatbestandsverwirklichung ist, schließen sich die Zurechnungsmodi Beteiligung und Zuständigkeit des Opfers bezüglich derselben Person gegenseitig aus: Bei einer Selbstverletzung kommt das Opfer als Beteiligter nicht einmal in Frage, weil ihm die einschlägige Tatbestandsverwirklichung „unzugänglich“ ist.170,171 166 Diese Lösung mag in den Fällen bestritten werden, in denen der Angestiftete gewisse Konkretisierungen bei der Ausführung vornehmen muß, bei denen er die Anweisungen des Anstifters nicht hinreichend beachtet. Die dadurch entstandenen Unterschiede können, selbst wenn sie sich nur in einem error in persona niederschlagen, der Annahme einer Anstiftung zu der vollendeten Tat im Wege stehen. Dabei handelt es sich allerdings um eine Frage der Erfolgszurechnung (zu dieser Problematik s. Puppe, zuletzt in Festschrift für Spinellis, S. 937 ff. und Roxin, Festschrift für Spendel, S. 289 ff.). 167 BGHSt 11, 268. 168 Täterschaft, S. 287. 169 s. o. B. I. 1. a) aa). 170 Das gilt auch für Konstellationen wie den Wettfahrtfall (BGHSt 7, 112) im Fahrlässigkeitsbereich. – A. A. jedoch Kamm, S. 77 mit Anm. 25: Der Annahme einer Mittäterschaft stehe eine Selbstverletzung nicht entgegen, denn es komme darauf an, „ob die (. . .) Voraussetzungen der gemeinschaftlichen Begehung nach § 25 Abs. 2 StGB erfüllt sind. Ist dies der Fall, hat die Tatsache, daß die Rechtsverletzung nicht bei einem fremden Dritten, sondern bei einem Beteiligten eingetreten ist, auf die Frage, ob mittäterschaftliches Verhalten vorliegt, keinen Einfluß“. Aber Beteiligung ist nicht mit Mitwirkung im naturalistischen Sinne zu verwechseln, denn von Beteiligung – d. i. Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung als gemeinschaftliches Werk aller Beteiligten – kann keine Rede sein, wenn dem anderen „Beteiligten“ die Tatbestandsverwirklichung überhaupt nicht zugerechnet werden kann (für den „Verfolgerfall“ – BGHSt 11, 268 – wie Kamm etwa Küper, Versuchsbeginn, S. 40; Günther, JuS 1988, S. 387;

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(f) Die Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) und ihre Abgrenzung zur Beihilfe zum Selbstmord haben der Beteiligungslehre nicht wenige Schwierigkeiten bereitet.172 Es sieht nämlich so aus, als setze bei § 216 StGB die Qualifikation als „Beteiligter“ eine Qualifikation als (Mit-)Täter voraus, denn, wenn es nur um eine Beihilfe ginge, dann gäbe es keine Tatbestandsverwirklichung. Man müßte also zuerst das Quantum der Gestaltung erschließen, um erst danach ggf. die Beteiligtenqualität bezüglich der Tatbestandsverwirklichung des § 216 StGB feststellen zu können. Dieser Gedankengang beruht allerdings auf einer falschen Prämisse. Denn zwar kann dem Opfer der Konflikt zugerechnet werden (etwa als Obliegenheitsverletzung), so daß seine Zuständigkeit die Zuständigkeit anderer sogar auszuschließen vermag. Aber hier handelt es sich um Instituta der objektiven Zurechnung, die in einem Fall konkurrieren können, sich allerdings nie überschneiden: Was dem Opfer zugerechnet wird, wird der anderen Person nicht zugerechnet. Es verhält sich wie in der Beziehung Beteiligung/Regreßverbot: Verbindende und trennende Arbeitsteilung können in einem Sachverhalt nebeneinander vorliegen, aber was vom Regreßverbot erfaßt wird, kann in bezug auf dieselben Personen nie ein Beteiligungsverhältnis begründen.173 Wenn dementsprechend A das ausdrückliche und ernste Verlangen des B in die Tat umsetzt, indem er ihn vom Leben zum Tode bringt, liegt keine gemeinsame Pflichtverletzung vor (und zwar sogar wenn B nicht nur die Anstifterrolle gespielt, sondern auch intensiv an der Tat mitgewirkt hat): Da sich die Erklärungsmodi Beteiligung und Selbstverantwortung des Opfers in bezug auf dieselbe Person ausschließen, scheidet Mittäterschaft zwischen Tötendem und Getötetem aus.174 Sofern aber A den Tod des B gestaltet hat, kommt Alleintäterschaft in Betracht, die von § 25 Abs. 1 StGB erfaßt wird und mithilfe der Walder, recht 1989, S. 59; ders. Festschrift für Spendel, S. 369 f.; richtig hingegen Rudolphi, Festschrift für Bockelmann, S. 380; Seelmann, JuS 1980, S. 572). 171 Nach demselben Prinzip ist die Lösung in den Fällen sog. notwendiger Teilnahme bei Begegnungsdelikten zu finden. Sofern die Tatbestandsverwirklichung für den „notwendigen Teilnehmer“ unzugänglich ist (wie z. B. bei §§ 174 ff., 180–181a, 216 StGB), scheidet seine Beteiligung aus. Darüber hinaus hängt die Entscheidung von der Auslegung der einzelnen Tatbestände ab (vgl. LK-Roxin, Vor § 26, Rn. 34, 38 ff.; Jakobs, AT 24/7 ff.). 172 Vgl. insb. den Meinungsstreit zwischen Herzberg (JuS 1975, S. 5 ff.; JuS 1988, S. 771 ff.) und Roxin (Täterschaft, S. 571 f. und NStZ 1987, S. 345 ff.). 173 Aus diesem Grund bleiben die Fälle von Zuständigkeit des Opfers in dieser Untersuchung grundsätzlich ausgeklammert. 174 I. d. S. auch Dencker, Kausalität, S. 246 f. und zuletzt deutlicher Herzberg, JuS 1988, S. 775; vgl. ferner Jakobs, Festschrift für Lackner, S. 54; a. A. Bloy, Zurechnungstypus, S. 109 f. und in bezug auf § 228 StGB insb. Arzt, JZ 2005, S. 104, der die Selbstverletzung des Einwilligungsgebers und die Fremdverletzung des Einwilligungsnehmers als „eine gemeinsame Tat“ betrachtet, „die quasi-mittäterschaftlich begangen wird“. Aber anders als in den Fällen, in denen die Strafbarkeit eines Akteurs erst aufgrund zusätzlicher Erfordernisse des Tatbestandes, die die Akzessorietät unberührt lassen (etwa einer bestimmten Vermeidbarkeitsform), ausscheidet, ist Beteiligung in den Fällen von Mitwirkung des selbstverantwortlichen Opfers bereits auf der Ebene

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1. Teil: Einleitung

Tatherrschaftskriterien – Zuständigkeit unterstellt – erschlossen werden könnte. Denn nur bei Alleintäterschaft ist richtig, daß der Selbstbegehende „stets“ Täter ist, weshalb die Entscheidung über die Täterschaft mit der Entscheidung über die Tatbestandsmäßigkeit stets zusammenfällt: Ungenügende Gestaltung bedeutet in diesem Falle objektiven Versuch und nicht Beihilfe. Beihilfe zum Selbstmord ist deshalb ein „Unbegriff“: Dort liegt nur ein phänotypisch gemeinsames Handeln vor, das jedoch keines im normativen Sinne ist. Die Abgrenzung zwischen Tötung auf Verlangen und Förderung eines Selbstmordes ist demnach keine Frage der Beteiligungslehre – d. h. weder Folge der Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs175 noch Ausprägung unterschiedlicher Strafwürdigkeit176 der Akteure –, sondern lediglich der Auslegung des „Selbstbegehens“ (was heißt „die Tötung ,selbst begehen‘“) bei Alleintäterschaft. 177 d) Zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung Es stellt sich nun die Frage, wie das mitgestaltende178 Verhalten des Beteiligten geartet sein soll, damit die Tatbestandsverwirklichung ihm zugerechnet werden kann, oder, mit anderen Worten, welche Verhaltensweisen sich in bezug auf die Tatbestandsverwirklichung zuständigkeitsbegründend auswirken. Aus dem zuvor Angeführten ergibt sich schon eine erste Antwort auf diese Frage: Das Verhalten muß als eine auf die Tatbestandsverwirklichung spezifisch bezogene Verhaltensweise erscheinen, was nach der in den Kriterien objektiver Zurechnung herauskristallisierten Semantik des sozialen Kontaktes zu bestimmen ist.179 Bei Delikten kraft Organisationszuständigkeit kommen grundsätzlich Verobjektiver Zurechnung, mangels Zurechnungsgegenstands hinsichtlich des Sichverletzenden, ausgeschlossen. 175 A. A. Roxin, Täterschaft, S. 570 f. 176 So aber Bloy, Zurechnungstypus, S. 110. 177 In diesem Zusammenhang s. Jakobs, AT 21/56 ff. und 29/56 m. w. N. In bezug auf § 228 StGB s. BGH JZ 2005, S. 100 f. (mit Anm. Arzt), wenngleich unter Anwendung des Herrschaftskriteriums. 178 Akzessorietät setzt Mitgestaltung voraus, denn auf ihr beruht die Möglichkeit, die Verhaltensweisen als eine normative Einheit zu betrachten, die einen im strafrechtlichen Sinn erheblichen Sinnausdruck bildet. Ohne Gestaltung der Tatbestandsverwirklichung kommt nur versuchte Beteiligung in Betracht: dazu dritter Teil, C. IV. 3. 179 Jakobs, Festschrift für Lampe, S. 567; ders. AT 22/15 (umgekehrt formuliert). Schon in diesem Sinne Hardwig, GA 1954, S. 353 ff. Eingehend Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 280 ff. Freilich spricht Frisch den deliktisch sinnbezogenen Verhaltensweisen an sich eine strafrechtliche Mißbilligung zu (vgl. auch Frisch, Festschrift für Lüderssen, S. 544 f.), die aber nicht notwendigerweise bestehen muß (zumindest nicht als Unrecht oder als unerlaubtes Risiko): Ihre Sozialinadäquanz kann auch, wie bereits erwähnt, als bloße Obliegenheitsverletzung bezeichnet werden (s. o. Anm. 152). Dabei muß auch berücksichtig werden, daß der Zugriff auf die soziale Adäquanz (wie Frisch selbst zu Recht hervorgehoben hat, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 114 mit Anm. 69, 236 f.) gerade bei denjenigen Gefährdungen irreführend ist,

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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haltensweisen in Betracht, deren Vornahme und Ausrichtung sich an der Tatbestandsverwirklichung orientieren.180 Das Verhalten wird demnach durch seine Einpassung in den tatbestandsverwirklichenden Vorgang derart definiert, daß es ohne Rücksicht auf seinen deliktischen Sinnbezug nicht sozial erklärt bzw. verstanden werden kann.181 Ein Beispiel:182 A erfährt ohne Zutun und Wissen der Verschwörer, daß sie den ihm benachbarten Staatsmann erschießen wollen und planen, durch seine Wohnung ins Haus des Politikers einzudringen. Daraufhin unterläßt er an dem entsprechenden Abend, seine Gartentür – die er ansonsten immer sorgfältig verriegelt hat – abzuschließen, um das Eindringen zu erleichtern. Wird die in diesem Zusammenhang offen gelassene Tür von den Verschwörern tatsächlich gebraucht, so haftet A als Beteiligter am Totschlag.183 Einen Unterfall dieser Konstellationen bilden Verhaltensweisen, denen der erkennbare Zusammenhang, in dem sie vollzogen werden, einen deliktischen Sinnbezug verleiht.184 Zum Beispiel:185 Der Kunde verlangt nach bestimmten Leistungen (etwa der Aufspaltung buchungstechnischer Vorgänge), die bekanntlich zur Geldwäsche taugen und die der Kunde in der Vergangenheit zu diesem deliktischen Zweck auch tatsächlich ausgenutzt hat. Wenn der Bankangestellte die Leistung erbringt, ohne daß es verläßliche Anhaltspunkte dafür gibt, daß sie die durch das Verhalten Dritter vermittelt sind; denn „es fehlt in Wahrheit regelmäßig an einer thematischen Berücksichtigung des Verhaltens Dritter bei der Vergabe des Prädikats ,sozialadäquat‘ usw.“. 180 Das gilt auch für die Anstiftung. Das Verhalten des Anstifters wirkt zwar zielsetzend; aber soweit es nicht die Verantwortlichkeit der anderen Beteiligten zu beseitigen vermag (insofern also keine mittelbare Täterschaft vorliegt), wirkt es sich nur mitgestaltend aus. Deswegen besteht auch im Prinzip kein qualitativer Unterschied zwischen Anstiftung und anderen Beteiligungsformen: Die Abhängigkeit (auf der Sinnebene) des Anstiftungsverhaltens von seiner Fortführung durch andere Verhaltensweisen, d. h. sein akzessorischer Charakter, liegt auf der Hand. 181 Zur objektiven Zweckhaftigkeit einer Handlung im Unrechtsbereich s. bereits Spendel, Festschrift für Oehler, S. 203 ff.: „Nicht aus dem Willen des Handelnden, sondern aus den Umständen des Sachverhalts und der objektiven Eigenschaft der Handlung ist (. . .) deren Verteidigungscharakter zu erschließen, da auch hier beim Angegriffenen das Recht primär auf das äußere Verhalten, nicht auf die innere Haltung des Täters (. . .) zu schauen hat“; s. ferner Oehler, Das objektive Zweckmoment in der rechtswidrigen Handlung, S. 11, 72, 111 ff., 117 und passim; Maihofer, Festschrift für Rittler, S. 147 ff.; dens. ZStW 70 (1958), S. 168 ff.; dens. Der Handlungsbegriff im Verbrechenssystem, S. 46; H. Mayer, AT, S. 104 f., 281; Lesch, ZStW 105 (1993), S. 282. 182 Nach Roxin, Täterschaft, S. 485 f. 183 Abgesehen von der hier eventuell konkurrierenden Einzelverantwortung nach §§ 138 und 323c StGB (über die drohende Straftat als Unglück i. S. des § 323c grundlegend SK-Rudolphi, § 323c, Rn 7, m. w. N.). Wie hier nur im Ergebnis Roxin, Täterschaft, S. 485 ff. A. A. Jakobs, AT 29/30 (nur Verletzung der Mindestsolidarität: § 323c StGB). Zu dieser Konstellation s. dritter Teil, C. IV. 2. 184 s. o. B. II. 4. b). 185 Nach Frisch, Festschrift für Lüderssen, S. 551, in Abwandlung des Falles BGH NStZ 2000, S. 34.

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1. Teil: Einleitung

in diesem Falle rechtmäßig verwendet werden, beteiligt er sich an der durch seine Leistung mitgestalteten Tatbestandsverwirklichung. Hierzu gehören (prinzipiell) auch Verhaltensweisen, die einen stereotypen deliktischen Sinn aufweisen, weil die rechtmäßige Verwertung der Leistung ohne strenge – im konkreten Fall fehlende – Vorkehrungen nicht gewährleistet werden kann. Dies bezieht sich in der Regel auf Leistungen, deren Erbringung schon wegen ihrer abstrakten Gefährlichkeit verboten ist, wie etwa die Überlassung von Waffen an Personen ohne Waffenschein.186 Wenn zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung allseits vorliegt, ist die Tatbestandsverwirklichung als kollektive Leistung der Beteiligten zu deuten, d. h. die Ausführung ist allen Beteiligten objektiv zuzurechnen.187 Darüber hinaus bedarf die Begründung der Gemeinsamkeit keiner anderen Deutungsschemata. Es ist nämlich nicht richtig, die Erfordernisse der subjektiven Zurechnung, die sich auf die tatbestandsmäßige Tat beziehen, auch auf den Grund der Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung ausdehnen zu wollen. Der deliktische Sinnbezug des vermeidbaren Verhaltens zur Zeit seines Vollzugs macht die im strafrechtlichen Sinne erhebliche Gemeinsamkeit aus, welche die Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung als gemeinschaftliche Fehlleistung begründet. Erst dann ist die entsprechende Vermeidbarkeitsart (Vorsatz, Fahrlässigkeit) in bezug auf jeden Mitgestaltenden zu überprüfen. Die Tatsache, daß bei den (im formellen Sinn) nicht-ausführenden Beteiligten sowohl die Voraussetzungen subjektiver Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung als auch das gemeinsamkeitsbegründende Verhalten zeitlich im Vorfeld liegen, heißt freilich nicht, beide normativen Momente dürften zusammengefaßt bzw. verwechselt werden. Ursprung der Gemeinsamkeit ist der objektive Sinnbezug des Verhaltens auf die Tatbestandsverwirklichung. Hat der einzelne diesen Bezug hinsichtlich seiner 186 Wobei die Tatsache, daß solche Verhaltensweisen von einer abstrakten Verbotsnorm erfaßt sind, nur einen indiziellen Wert in bezug auf die gemeinschaftliche Verantwortung hat. Hier kommt es wie auch sonst wesentlich auf den konkreten Sinnzusammenhang an (s. dritter Teil, C. I. 2). Hierzu treffend Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 278 f. 187 Die Problematik der Beteiligung an echten Sonderdelikten bleibt hier ausgeklammert. Nimmt man jedoch an, daß das Unrecht des Sonderdeliktes auch für den Extraneus „zugänglich“ ist (so etwa Roxin, Täterschaft, S. 352 ff. insb. S. 382.), so besteht kein Grund mehr dafür, seine zuständigkeitsbegründende Mitwirkung als Verletzung einer sekundären Pflicht zu betrachten. Aus diesem Grund ist die Unterscheidung zwischen positiven und negativen Pflichten insbesondere bei der Beteiligungslehre von ausschlaggebender Bedeutung. Es handelt sich nämlich um die Frage, ob man es mit einer anders gearteten Pflicht oder lediglich mit einem Tätermerkmal zu tun hat. Richtig ist bezüglich der echten Sonderdelikte die erste Alternative, was die Möglichkeit einer „gemischten“ Beteiligung grundsätzlich ausschließt (vgl. SánchezVera, insb. S. 174 ff., 206 ff.). Man kann jedoch bei Beteiligung mehrerer Sonderpflichtigen an einem echten Sonderdelikt auf das Kriterium der Hierarchie der Pflichtigen zugreifen, als Analogon zur Quantifizierung im Rahmen der Herrschaftsdelikte (so Jakobs, Participación, S. 630 f., 641 f.).

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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eigenen Leistung und der Leistungen anderer Beteiligter wahrnehmen sollen, dann ist für die Konstitution des Beteiligungsverhältnisses einerlei, ob er sie tatsächlich wahrgenommen hat.188 Eine zusätzliche, auf einem gemeinsamen Tatentschluß beruhende „Verbindlichkeit“ des Deutungsschemas braucht die Begründung der Gemeinsamkeit nicht.189 Wenn zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung nicht vorliegt, kommt versuchte Beteiligung in Betracht, die aber nur ausnahmsweise und eben nur nach dem Muster der Alleinverantwortung strafbar ist (§ 30 StGB). Konstellationen echter sukzessiver Mittäterschaft bilden Fälle des untauglichen und straffreien (§ 30 Abs. 1 StGB, contrario sensu) Beteiligungsversuchs, weil eine zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung im Hinblick auf ein fait accompli nicht mehr möglich ist.190 Dazu bedarf es auch in diesem Falle keines Zugriffs auf einen gemeinsamen Tatentschluß. Daß das Gesetz grundsätzlich auf eine zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung der Tat abstellt, wird an den Regelungen bezüglich des Rücktritts vom Versuch (§ 24 Abs. 2 StGB) besonders deutlich: Zur Straflosigkeit des Zurücktretenden genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Tat zu verhindern, wenn sie unabhängig von seinem früheren Verhalten begangen wird. Liegt dagegen zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung der verwirklichten Tat vor, so ist die Gemeinsamkeit bereits begründet und keine Aufgabe des gemeinsamen Plans bzw. Tatentschlusses ist in der Lage, die auf dem objektiven Beitrag beruhende Gemeinsamkeit zu beseitigen.191 Das gilt natürlich auch im Falle der Mittäterschaft, obwohl zu diesem Zeitpunkt ein auf dem gemeinsamen Tatentschluß beruhendes Deutungsschema seitens des Zurücktretenden nicht mehr „verbindlich“ ist.

188 Weniger noch bedarf es zur Begründung der Gemeinsamkeit, daß der einzelne die subjektive Einstellung der anderen (ob sie z. B. den spezifischen deliktischen Bezug der eigenen Leistung erkannt haben oder nicht) in bezug auf die Tatbestandsverwirklichung tatsächlich kennt. Dies zeigt sich beispielsweise an den Fällen sog. „paralleler Mittäterschaft“: Der Bandenchef lenkt seine Genossen derart, daß diese nur den Zweck – die Tatbestandsverwirklichung – vor Augen haben und weder die Anzahl noch die konkreten Leistungen anderer möglichen Genossen kennen (vgl. Dencker, Kausalität, S. 130 f.). Wird der Beitrag auf zuständigkeitsbegründende Weise geleistet, dann liegt Beteiligung vor, und zwar eine, die zur Mittäterschaft (d. i.: mehrere werden mit der Täterstrafe belegt) bei gleichgewichtiger Mitgestaltung der Tat führt. 189 A. A. Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 649 f. Aus den selben Gründen bedarf es auch keines Einpassungsentschlusses: so aber Derksen, GA 1993, S. 163 ff., Stein, S. 326 f. und früher Jakobs, AT 21/43. 190 s. dazu dritter Teil, C. IV. 3. 191 Bereits i. d. S. LK-Nagler, 6. Aufl., S. 300.

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1. Teil: Einleitung

e) Gestaltungsquanten Da die Verantwortung von allen Beteiligten nach Grund (zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung) und Gegenstand (Tatbestandsverwirklichung) identisch ist,192 besteht unter ihnen nur ein Unterschied nach Haftungsquoten, d. h. bei Delikten kraft Organisationszuständigkeit nach dem Maß an Gestaltung der Tatbestandsverwirklichung.193 Dementsprechend stellt sich die Frage, welches Gewicht jedem Beitrag im Vergleich zu den anderen gestaltenden Beiträgen zukommt:194 (a) Schon die Formulierung der Frage weist darauf hin, daß die Bestimmung der Gestaltungsquanten mit der Struktur der jeweiligen Tatbestände eng verbunden ist: Die Auswahl des konkreten Opfers kann z. B., je nach Tatbestand, grundsätzlich erheblich (§ 174 ff. StGB) oder unerheblich (§ 223 StGB) sein. In diesem Sinne ist es richtig, von einer „Tatbestandsbezogenheit“ des Täterbegriffs zu sprechen195 und auf die durch die Tatherrschaftslehre entwickelten Unterscheidungsmöglichkeiten zurückzugreifen. Denn Tatherrschaft vermag per se zwar keine Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung zu begründen196 (ein Unbeteiligter könnte auch eine negative Herrschaft über die Tat innehaben), aber die Kriterien zur Ermittlung der Tatherrschaft können bei der Feststellung des Umfangs der Gestaltung eine gewisse Hilfe leisten.197 (b) Das mit der Täterstrafe zu bestrafende Verhalten wird nicht hauptsächlich durch seine zeitliche oder räumliche Nähe (Unmittelbarkeit) zu den Ausführungshandlungen, oder durch die ihm innewohnende „Entscheidungsherrschaft“ über den Eintritt des Erfolgs bestimmt.198 Denn das Eigentümliche der Beteili192 Vgl. Lesch, Beihilfe, S. 284; dens. GA 1994, S. 121. Ansatzweise auch Arzt, JZ 2005, S. 104. Eine qualitative Unterscheidung zwischen Täter und Teilnehmer versucht Derksen (GA 1993, S. 174 f.), indem er auf eine identische Extension der Planung mehrerer Tatbeteiligter (Mittäter) abstellt. Doch das kann nur schwerlich richtig sein, denn auch aus der Perspektive eines Gehilfen bzw. eines Anstifters sind die „Beiträge des anderen in der Welt und damit verfügbare Ereignisse für die Realisierung einer dieser umfassenden Tat“ (Zuständigkeit dafür unterstellt). 193 Vgl. Lesch, GA 1994, S. 112, 119; dens. Beihilfe, S. 195 ff., 284 ff.; dens. JA 2000, S. 77. Insofern ist die zusammenfassende Darstellung Seelmanns (Kollektive Verantwortung, S. 9) ungenau: Nicht jeder Zuständige wird aufgrund seiner Zuständigkeit auch als Täter behandelt. 194 Jakobs (Participación, S. 630) fragt hingegen danach, wer das Charakteristikum (Täter) und wer das Beiwerk (Teilnehmer) gestaltet hat. Diese Unterscheidung rückt jedoch ins Qualitative, während die Entscheidung über Täter- oder Teilnehmerstrafe nur relative und quantitative Elemente berücksichtigt. 195 Anders Roxin, Täterschaft, S. 441 ff. und Rudolphi, Festschrift für Bockelmann, S. 369 ff., die den Begriff im Rahmen qualitativer Unterscheidungen anwenden. Hierzu Jakobs, AT 21/50 und Schmidhäuser, AT 14/156 f. und 14/22 mit Anm. 16. 196 s. o. B. II. 4. a). 197 Obwohl sie, wie schon dargelegt (s. o. B. I. 1), gerade bei der Problematik der Mittäterschaft kaum brauchbar sind.

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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gung liegt gerade darin, daß die besonders starke Manifestierung des Normbruchs – der Erfolgseintritt bei Erfolgsdelikten – allen Beteiligten als kollektive Leistung zugerechnet wird, wobei es einerlei ist, ob sie eigen- oder fremdhändig herbeigeführt wird.199 Die Gestaltungsquanten, die eine Abstufung der Haftung ermöglichen und die Strafzumessung vorbereiten, stellen vielmehr auf die jeweilige Fixierung des Tathergangs ab. Diese Fixierung mag zeitlich und räumlich entfernt von der formellen Ausführung liegen und zugleich (mitunter sogar gerade deswegen) zur Bestrafung mit der Täterstrafe führen. Das Erbringen von Ausführungshandlungen mag dagegen nur eine Teilnehmerstrafe begründen, wenn ihre Geringfügigkeit im Zusammenhang des Gesamtverhaltens und ihre beliebige Ersetzbarkeit200 ein ebenso geringes Maß an Gestaltung indizieren.201 (c) Während nach der Tatherrschaftslehre der Wachestehende in der Regel als Mittäter bestraft (wenn das Gelingen der Tat von seinem Beitrag hätte abhängen können) und der im Ausführungsstadium untätige Bandenchef, der jedoch im Vorfeld die Komplizen engagiert und das Opfer, die Zeit, Ort, Mittel und Modalitäten der Tat bestimmt hat, stets als Teilnehmer betrachtet wird,202 ist nach dem oben Ausgeführten anders zu entscheiden: Der Bandenchef wird mit Täterstrafe bestraft, sofern seine Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung hinreichend schwerwiegend ist. Die Tatortsicherung wird dagegen, auf198 So aber Lesch, Beihilfe, S. 285 ff. Daran ist richtig, daß die Nähe zur Ausführung die Begründung der Zuständigkeit erleichtert, weil diese von der Semantik des sozialen Kontaktes und dadurch vom konkreten Zusammenhang abhängt: Je näher ein Verhalten an der Tatbestandsverwirklichung liegt, umso schwerer fällt seine Distanzierung von der tatbestandlichen Tat. Daraus kann aber kein Schluß in bezug auf das Quantum der Beteiligung gezogen werden, denn der Unterschied zwischen Beteiligung und Nicht-Beteiligung ist nicht quantitativ, sondern eben qualitativ. Daß es beim unbeendeten Versuch nicht anders sein kann, erkennt auch Lesch (Beihilfe, S. 287). 199 Selbstverständlich vorausgesetzt, daß der Erfolg dem Gesamtverhalten zuzurechnen ist (vgl. Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 649). Beim Versuch werden deshalb die Gestaltungsquanten nach dem Maß an der bereits realisierten und nicht nach dem Maß an der planmäßig gesollten Gestaltung der Tat bestimmt. Bei unbeendetem Versuch mag z. B. dem Beteiligten eine spätere entscheidende Rolle zukommen. Dennoch haftet er als Gehilfe – wenn überhaupt –, wenn er die versuchte Tat bisher kaum mitgestaltet hat. So z. B. bei der in RGSt 9, 3 (s. o. B. I. 1. a) cc) und B. II. 1) entschiedenen Konstellation. 200 „Ersetzbarkeit“ des Beitrags bedeutet zwar nicht, daß die Täterstrafe auszuschließen ist, sie kann aber u. U. ein Indiz für ein geringeres Maß an Mitgestaltung liefern. 201 Vgl. Jakobs, AT 22/19. Vgl. BGH NStZ 1987, S. 224, 225, worauf Lampe (ZStW 106 [1994], S. 688 f.) bemerkt, wie die herrschende Auffassung, nach der derjenige, der mit seinem Beitrag den Tatbestand vollständig erfüllt habe, stets Täter sein müsse (OLG Stuttgart NJW 1978, S. 715), bereits vom BGH mit dem Vorbehalt versehen wurde, daß diese Annahme „nur die Vermutung der Richtigkeit für sich hat und daß in Ausnahmefällen eine andere Wertung Platz greifen kann“. Zur zunehmend praktischen Bedeutung dieser Konstellationen s. u. B. II. 4. e) (i). 202 s. o. B. I. 1. c).

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1. Teil: Einleitung

grund geringerer Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung, in der Regel nur die Teilnehmerstrafe begründen können. (d) Wenn man auf Gestaltungsquanten und nicht auf qualitative Unterscheidungen zwischen den Beteiligten achtet, wird auch die gemeinsame Basis der Auffassungen erkennbar, die die gesetzliche Regelung der Anstiftung unter Ausschluß der Schuldteilnahmetheorien zu begreifen versuchen.203 Daß beide Auffassungen jeweils zur Ablehnung und zur Bestätigung der Gleichbehandlung von Täter und Anstifter gelangen, ergibt sich nämlich aus Überlegungen, die auf unterschiedliche Vorstellungen über die Intensität der nach § 26 StGB erforderlichen Tatgestaltung zurückzuführen sind. Denn entweder besteht Anstiftung in einer durch die uneingeschränkte Eigenverantwortung des/der anderen Beteiligten vermittelten Zielsetzung,204 oder sie setzt eine „Bestimmung“ des Angestifteten zur Tat in einer Form voraus, durch die das Verhältnis in die Nähe der mittelbaren Täterschaft gerückt wird.205 Nach der ersten, wohl überwiegenden Auffassung wäre die Bestrafung des Anstifters mit der Täterstrafe nur dann angemessen, wenn er über die Zielsetzung hinaus die Tatbestandsverwirklichung näher mitgestaltet hätte (etwa Ort, Mittel, Zeit usw. bestimmt hätte: die sog. „dirigierende Anstiftung“).206 Die nach dem Gesetz in jedem Fall zwingende Bestrafung des Anstifters mit der Täterstrafe erscheint dementsprechend als Fehlgriff,207 die Bestrafung der versuchten Anstiftung wird zumindest fraglich (§ 30 Abs. 1 StGB).208 Nach der zweiten Auffassung handelt es sich ebenfalls um eine quantitative Abstufung, denn das Bestimmen zur Tat mag zwar den Sachverhalt in die Nähe der mittelbaren Täterschaft rücken, er bleibt aber ein 203 Über die Herkunft dieser Regelung berichtet Stein, S. 53 f., m. w. N. Sie scheint demnach der Schuldteilnahmetheorie zu entstammen. Dazu s. Less, ZStW 69 (1957), insb. S. 48 ff., der aber m. E. nicht bestreiten will, daß „der gemeinsame Angriff auf dasselbe Rechtsgut (. . .) den Unrechtscharakter von Täterschaft und Teilnahme [bestimmt]“ (ZStW 69 [1957], S. 43. Herv. nur hier). 204 Demgemäß ist Kommunikation zwischen Anstifter und Angestifteten über die „gesollten“ Handlungen zwar notwendig (vgl. Jakobs, AT 22/22 und Puppe, GA 1984, S.113), nicht aber, daß der Angestiftete seinen Entschluß in Abhängigkeit vom Willen des Anstifters durchhält (so aber Jakobs und Puppe). 205 Hierzu neuerdings Noltenius, S. 256 ff. 206 So z. B. im sog. Hoferbenfall, BGHSt 37, 214 ff. 207 Schon i. d. S. Mittermaier, Archiv des Criminalrechts n. F. 1839, S. 166 f.; Schroeder, S. 205 ff. und neuerdings Dencker, Festschrift für Lüderssen, S. 529. Zur älteren Literatur s. Bloy, Zurechnungstypus, S. 336, Anm. 191. Nach der geltenden Vorschrift ist u. a. gleichgültig, ob der Anstifter auch bei der Tat mitwirkt, den ganzen Tatablauf mitgestaltet oder sogar notfalls selbst ausführt. 208 Darüber hinaus sollten diese Strafbestimmungen die dogmatische Darstellung der Beteiligungslehre nicht allzu gewichtig beeinflussen. Denn der Versuch, motivationellen Vorgängen und Strafwürdigkeitserwägungen durch eine dazu passende Abgrenzung der Beteiligungsformen gerecht zu werden, ist ein Irrweg (vgl. Roxin, Täterschaft, S. 30 ff.), selbst wenn sie bei der gesetzlichen Strafbestimmung eine Rolle spielen.

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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Fall von Beteiligung und muß deshalb weiterhin nach dem Muster des gemeinsamen Handelns erklärt werden. Die gesetzlich zwingende Auferlegung der Täterstrafe wird dementsprechend nicht etwa deswegen für richtig gehalten, weil die qualitative Grenze zwischen Alleinhandeln und gemeinsamem Handeln überschritten wäre, sondern weil nach dieser Lehre § 26 StGB stets eine besonders intensive Tatgestaltung des Antifters verlangt. Geringere Mitgestaltung begründet hingegen u. U. nur die Beihilfestrafe. (e) Umfang der Beteiligung bedeutet Umfang der Gestaltung des tatbestandsverwirklichenden Geschehens. Es geht also nicht um das Quantum der Risikosteigerung in bezug auf die Tatbestandsverwirklichung: Risikosteigerungen, die sich nicht in der konkreten Gestalt der tatbestandsmäßigen Tat herauskristallisieren, bleiben aus der Perspektive der Beteiligung ohne Belang. Unter den i. d. S. mitgestaltenden Verhaltensweisen kommt es zur Bestimmung des jeweiligen Beteiligungsumfangs auf die Fixierung der Tatgestalt an. Die „Wesentlichkeit“ oder „Erheblichkeit“ der Beiträge wird deshalb an dieser konkreten Gestalt gemessen. So ist beispielsweise der Beitrag des sog. „notwendigen Gehilfen“ deswegen „wesentlich“, weil er die Tatgestalt ausgerichtet und nicht etwa, weil er die Tat überhaupt „ermöglicht“ hat: Die konkrete Gestalt einer Tat wird vielmehr von allen Beteiligten grundsätzlich gleichermaßen ermöglicht, sofern sie Beteiligte sind. Wenn beispielsweise der Büroangestellte die Safekombination aus Gefälligkeit ausplaudert und deshalb der Diebstahl auf eine bestimmte Weise möglich wird, hat er ein Mittel für die konkrete Tatbestandsverwirklichung gestaltet, was prinzipiell keine Täterstrafe zu begründen vermag.209 (f) Das Maß an Gestaltung wird auch nicht kausal oder nach anderen absoluten Maßstäben aufgefaßt, sondern immer relativ, d. h. es ist aus dem Kontext zu entnehmen. Dies bringt Lampe mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Steht das gesamte Tatgeschehen in einem Systemzusammenhang, dann verschlingen sich Ursachen und Verantwortungen zu einem ,Netz‘. Und das soziale Gewicht des einzelnen Tatbeitrags sowie der daraus folgenden individuellen Verantwortung kann dann nur noch im Zusammenhang des ,Netzes‘ bestimmt werden, das die Tatbeteiligten verknüpft“.210 Diese Einsicht kommt auf besondere Weise zum Vorschein in den Unterfällen der Alleintäterschaft, die als mittelbare Täterschaft 209 Beispiel nach Kindhäuser (Festschrift für Hollerbach, S. 652, der aber in dieser Konstellation ein unlösbares Problem für die hier vertretene Position sieht). So begründet in der Regel auch keine Täterstrafe die Schaffung der Voraussetzungen eines betrügerischen Manövers, wie im Urteil BGHSt 40, 299 (Anm. Kühne, NJW 1995, S. 934 und Joecks, wistra 1995, 58 f.) auf der Basis einer subjektiven Unrechtsbegründung irrig angenommen wurde: Ein Münzhändler war vom späteren Angeklagten überfallen und beraubt worden. Dabei nahm der Angeklagte an, er täusche im Einvernehmen mit dem Opfer einen Raubüberfall vor. Der Münzhändler meldete den Schadensfall alsbald seiner Versicherung. Der BGH bestätigte die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten mittäterschaftlichen Betruges zu Lasten der Versicherung (vgl. Dencker, Kausalität, S. 243 f.).

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1. Teil: Einleitung

bezeichnet werden. So ist beispielsweise die alte Diskussion in bezug auf die mittelbare Täterschaft, ob nämlich Verhaltensweisen, die, wäre eine Haupttat gegeben, als Beihilfe zu qualifizieren wären, beim Fehlen der Haupttat zur mittelbaren Täterschaft führen können, in diesem Sinne überholt.211 Aber nicht anders verhält es sich mit den Einzelbeiträgen in einem Beteiligungsverhältnis: Ihr soziales Gewicht kann nur anhand des Zusammenhanges, der Gesamttat, ermittelt werden. Man verfällt deshalb einem überflüssigen Trugschluß, wenn man aus der zutreffenden Aussage, daß nicht jede Mitverursachung des tatbestandsmäßigen Erfolges Täterschaft begründet, die Notwendigkeit eines „restriktiven Täterbegriffs“ im Sinne der herrschenden Lehre folgert, d. h. zu dem Ergebnis kommt, daß auch bei gemeinsamem Handeln nur die Vornahme der Ausführungshandlungen (im formellen Sinn) die Täterstrafe begründen kann.212 (g) Mit Hilfe der vorangegangenen Überlegungen ist es auch möglich, berechtigten Bemühungen der Rechtsprechung entgegenzukommen, die nach einer unterschiedlichen Behandlung der „Täter“ bei der Strafzumessung verlangen, ohne in vage Strafwürdigkeits- oder Täterwillenserwägungen bei der Abgrenzung der Beteiligungsformen zu geraten: Es geht um das Maß an Gestaltung. Denn es ist bei mächtigen Organisationen durchaus möglich, daß die Hinterleute die Tatbestandsverwirklichung derart gestalten, daß den austauschbaren und den Befehlen unterworfenen Exekutivkräften nur einen geringfügigen Spielraum übrigbleibt.213 Eine solche differenzierende Behandlung gelingt nach der heutzutage überwiegenden Lehre (konsequenterweise, d. h. ohne bloße Umetikettierung eines Täters zum Gehilfen) nur dann, wenn die anzuwendenden Regelungen des BT es erlauben, wie bei den Mauerschützen-Urteilen der Fall war.214 Die Entscheidung des BGH anläßlich des Staschinsky-Falls215 ist deshalb die Folge des falschen Verständnisses eines realen Problems: Die Behandlung als Gehilfe (des Maßes an Gestaltung wegen) erscheint hier so unangemessen wie die Bestrafung der Vordermänner mit der Strafe des Alleintäters bei manchen Konstellationen der Mauerschützen.216 210 ZStW 106 (1994), S. 686 f (s. auch S. 688 ff.); ferner ders. Gedächtnisschrift für Arm. Kaufmann, S. 197 ff. 211 Dazu Jakobs, GA 1997, S. 563 mit Anm. 28. Bekanntlich hat M. E. Mayer (Strafrecht, S. 377) in Anlehnung an Binding (GS 76 [1910], S. 102, Anm. 2) diese Möglichkeit verneint: „Wenn die Handlung bei Voraussetzung eines verantwortlichen Vermittlers Beihilfe wäre, ist sie keine Täterhandlung, kann also auch nicht in Folge der Unverantwortlichkeit des Vermittlers dazu werden“. Kritisch hierzu bereits Frank, StGB, I zu § 49 (S. 98), und heute auch Jescheck/Weigend, AT § 62 I 3; LK-Roxin, § 25, Rn. 775; ders. Täterschaft, S. 173, 636; Stratenwerth, AT 12/36: Wer bloße Naturereignisse unterstützt, ist auch Täter. 212 Vgl. Spendel, JuS 1974, S. 755. 213 Vgl. etwa die Mauerschützen-Urteile: u. a. BGHSt 39, 1, 168, 353. 214 Dabei stand nur § 212 StGB (und nicht § 211 StGB) zur Debatte, der einen Zugriff auf § 213 StGB gestattet. 215 BGHSt 18, 87.

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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(h) Aus dem oben Ausgeführten folgt außerdem, daß die Bestrafung eines Beteiligten mit der Täterstrafe auch dann möglich ist, wenn der die „Haupttat“ (in der geläufigen Terminologie) ausführende Beteiligte nur mit der Gehilfenstrafe belegt wird. Denn Täterschaft und Teilnahme bezeichnen quantitative Unterscheidungen innerhalb einer gemeinsamen, qualitativ begründeten Zuständigkeit, weshalb die Tatbestandsverwirklichung als eine kollektive Leistung der Beteiligten zu deuten ist. Wer beispielsweise eine Bombe gebastelt und an dem ausgesuchten Ort abgelegt hat, aber die Betätigung des Zünders einem anderen unter fest definierten Anweisungen überläßt, kann als Täter bestraft werden, während derjenige, der den Zünder durch Knopfdruck betätigt hat, mit der Gehilfenstrafe belegt werden soll, wenn er darüber hinaus die Tat in keiner Weise gestaltet hat. Wer den Zünder betätigt, ist sicherlich Beteiligter, aber die Tatsache, daß es seine Hand gewesen ist, die sich bewegt hat, um den Mechanismus in Gang zu setzen, verleiht ihm keinen besonderen Status. In diesem Sinne dürfte es auch hilfreich sein, die Alleintäterschaft als das normative Gegenstück strafrechtlicher Beteiligung zu betrachten (d. h.: das Gegenteil der gemeinschaftlichen Verantwortung ist nicht die Unverantwortlichkeit, sondern die Alleinverantwortung): Die Zuständigkeit des Alleintäters wird gleichermaßen normativ begründet (bei Herrschaftsdelikten als Organisationsanmaßung). Das Maß an Gestaltung aber, soweit die Tatbestandsverwirklichung zustande kommt, betrifft allenfalls die Unterscheidung zwischen Vollendung (bzw. Beendigung) und Versuch.217 (i) Teilnahme ohne Täterschaft (hier abermals in der hergebrachten Terminologie) ist – entgegen Dencker218 – in bezug auf die meisten Tatbestände sachlich nicht möglich. Der Grund dafür liegt jedoch nicht darin, daß die Akzessorietät (nach herkömmlichem Verständnis) einer solchen Konstruktion im Wege stünde, sondern darin, daß in den Fällen gemeinschaftlicher Zuständigkeit mehrerer für die Tatbestandsverwirklichung die Bezeichnungen „Täter“ und „Teilnehmer“ nur einen Unterschied nach Gestaltungsquanten zum Ausdruck bringen, der seinerseits immer relativ ausfällt. Aus diesem Grund gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder sind alle Beiträge relativ gleichgewichtig oder es bestehen zwischen ihnen erhebliche Unterschiede. Im ersten Fall können alle Beteiligte mit der Täterstrafe belegt werden; im zweiten kommt auch die gemilderte Gehilfenstrafe in Betracht. 216

Vgl. Dencker, Kausalität, S. 260 f.; dens. Festschrift für Lüderssen, S. 529. Das Ausbleiben des Erfolgs hat bei Alleintäterschaft keine Rückwirkung auf die Bestimmung der Täterschaft (vgl. Bloy, Zurechnungstypus, S. 265), doch aber mittelbar beim gemeinsamen Handeln: Wer bisher nur als Gehilfe mitgestaltet hat und dem eine intensivere Funktion im späten (nicht zustandegekommenen) Ablauf zukommt, haftet nur als Gehilfe, also nicht wegen versuchter Mittäterschaft: s. o. bei Anm. 192. 218 Festschrift für Lüderssen, S. 525 f. Dabei knüpft Dencker an die Position von Lüderssen in Festschrift für Miyazawa, S. 449 ff. an (vgl. ferner Lüderssen, Strafgrund, S. 189). 217

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1. Teil: Einleitung

Eine besondere Schwierigkeit bereiten in dieser Hinsicht die Tatbestände, die Tätermerkmale enthalten, ohne Pflichtdelikte zu statuieren. Denn es kann vorkommen, daß das einschlägige Tätermerkmal nur dem Beteiligten nachzuweisen ist, der die Tatbestandsverwirklichung in geringerem Maße gestaltet hat. In einem solchen Fall kann die Täterstrafe nach dem oben Ausgeführten nicht verhängt werden. Diese Position unterscheidet sich gleichermaßen von zwei Lösungswegen, die in der Literatur vielfach vorgeschlagen werden. Denn es ist zum einen nicht zulässig, die Tat in solchen Fällen durch das Muster des Alleinhandelns zu erklären, indem man das akzessorische Verhältnis auflöst und eine Alleinverantwortung des Qualifizierten zu begründen versucht.219 Zum anderen kann von einem kollektiven Täter – der Verankerungspunkt der Akzessorietät sein und somit die individuelle Zurechnung bei den anderen Beteiligten ermöglichen soll – keine Rede sein. Gerade an einem von Dencker angeführten Beispiel220 zeigt sich die Dürftigkeit dieser Konstruktion; denn es kann nicht angehen, angesichts der prozessualen Unmöglichkeit, die meisten Täter des Völkermordes im alten Jugoslawien namhaft zu machen, das Geschehen mittels der Zusammenstellung eines kollektiven Subjektes zu erklären, das von bestimmten und unbestimmten Personen gebildet wäre. Die Lösung hat vielmehr über eine Rekonstruktion der Zurechnung aus dem gemeinsamen Handeln zu erfolgen, solange das Beweismaterial es gestattet.221

219

s. dazu dritter Teil, C. V. 2. b). Festschrift für Lüderssen, S. 525 f., angesichts der Entscheidung BGH NJW 2001, S. 2732 ff. über Völkermord in Jugoslawien. 221 Wenn der Tatbestand, wie im Falle des Völkermordes (§ 6 VStGB), das Vorliegen einer besonderen Absicht oder eines besonderen Animus verlangt (es handelt sich also nicht um ein Pflichtdelikt), hat dieses Erfordernis folgenden Inhalt: i) Die Tatbestandsverwirklichung vollzieht sich nur dann, wenn mindestens einem der Beteiligten diese Absicht bzw. dieser Animus zugeschrieben werden kann; ii) Das hat aber nicht zu bedeuten, daß alle Beteiligte, bei denen dieses Merkmal vorliegt, als Täter bestraft werden müssen. Die Täterschaftsfrage ist, in den Fällen von gemeinsamem Handeln, unabhängig von der Frage nach der Verwirklichung des Tatbestandes überhaupt zu beantworten. Die besondere Absicht bildet aus der Perspektive der Beteiligungslehre ein zweites Erfordernis für die Bestrafung mit der Täterstrafe, die zu dem hinreichenden Maß an Gestaltung der Tat hinzukommt. Liegt eine Tatbestandsverwirklichung vor, so muß die gemeinschaftliche Zuständigkeit der Akteure überprüft werden, und zwar nach den skizzierten Kriterien: zuständigkeitsbegründende Gestaltung der Tatbestandsverwirklichung nach der Semantik des sozialen Kontaktes. Gleichzeitig müssen die Voraussetzungen subjektiver Zurechnung bei jedem Beteiligten überprüft werden. Aus dieser doppelten Feststellung ergibt sich auch das relative Maß der Gestaltung, was zur Unterscheidung zwischen Tätern und Teilnehmern im Sinne der Strafzumessung führt – eine Unterscheidung, die in diesem Fall durch das Tätermerkmal, das zusätzliche Erfordernis für die Bestrafung mit der Täterstrafe, bedingt ist. 220

B. Ausgangspunkt: Mittäterschaft bei Delikten

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III. Zusammenfassung und Ausblick Strafrechtliche Beteiligung ist Zuschreibung einer gemeinschaftlichen Verantwortung für die einschlägige Tatbestandsverwirklichung, wobei diese Zuschreibung in erster Linie eine Frage objektiver Zurechnung ist: Über ihr Vorliegen entscheidet nicht, wie die Beteiligten subjektiv zueinander stehen, sondern ob ihnen die Tatbestandsverwirklichung gemeinschaftlich zugerechnet werden kann. Wenn die Tatbestandsverwirklichung bei gemeinsamem Handeln als kollektive Pflichtverletzung begriffen wird, stellt die mittäterschaftliche Beteiligung kein besonderes Problem dar.222 Sie ist nämlich weder Ausdehnung223 noch Einschränkung224 strafrechtlicher Verantwortung, sondern lediglich gemeinsame Verantwortung. Die zuständigkeitsbegründende Mitgestaltung der tatbestandsmäßigen Tat bildet die erforderliche Gemeinsamkeit, weshalb eine wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge sich erübrigt. Gestalten mehrere Beteiligte in hinreichendem Maße die Tatbestandsverwirklichung mit, so könnte von Mittäterschaft i. S. der Vorbereitung auf die Strafzumessung die Rede sein. Da die Begründung der gemeinsamen Zuständigkeit eines bewußten und gewollten Zusammenwirkens nicht bedarf, sondern auf dem sozialen Sinngehalt der jeweiligen Verhaltensweisen beruht, steht einer fahrlässigen Beteiligung grundsätzlich nichts im Wege. Im Prinzip zutreffend225 schreibt daher Otto: „Wenn zwei Personen gemeinsam einen Balken aus einem Haus auf die Straße werfen, so haften sie – falls ein Dritter vom Balken tödlich getroffen wird – in gleicher Weise wegen fahrlässiger Tötung, als wenn sie bei der gemeinsamen Räumung des Dachstuhls jeweils nacheinander mehrere Balken auf die Straße werfen“.226 Aber auch wenn es an einer solchen Einigkeit der Beteiligten über ein Handlungsprojekt fehlt, ist die Gemeinsamkeit durch den Sinnbezug der jeweiligen Verhaltensweisen auf die Tatbestandsverwirklichung schon geleistet. Wenn etwa der Jäger seine geladene Schußwaffe in die Garderobe der Kneipe hängt und ein anderer Gast aus Leichtsinn mit der Waffe schießt, können beide unter noch zu präzisierenden Umständen Beteiligte an den daraus resultierenden Körperverletzungen werden. Daß auch in diesem Bereich eine quantitative Un222 Auch nicht in den Konstellationen sog. additiver und alternativer Mittäterschaft. Bei der ersten geht es, wie sonst immer, um die Bestimmung der Gestaltungsquanten: Sofern alle Beteiligten die Tat mitgestaltet haben – ansonsten gäbe es keine Beteiligung – trifft in der Regel die Täterstrafe nur diejenigen, die sich als Leitorgan eingesetzt haben (vgl. Jakobs, AT 21/55). In den Fällen alternativer Mittäterschaft geht es um die Begründung der Zuständigkeit für die realisierte Tatbestandsverwirklichung, die wiederum an der Gestaltung dieser (nicht der nur als alternativ geplanten) zu messen ist (vgl. auch Jakobs, AT 21/55a). 223 So aber u. a. Renzikowski, S. 100; Stratenwerth, AT 12/77; LK-Roxin, § 25, Rn. 157. 224 Im Sinne der Einheitstäterlehre bzw. eines extensiven Täterbegriffs. 225 Der Sachverhalt muß noch näher konkretisiert werden: s. dritter Teil, C. III. 226 Otto, Jura 1990, S. 49.

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1. Teil: Einleitung

terscheidung zwischen den Beteiligten geboten ist, ergibt sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen der Zurechnungstheorie; denn es gibt keinen gewichtigen Grund dafür, die Strafbarkeit einiger Beteiligter nur deswegen zu verschärfen,227 weil sie alle fahrlässig gehandelt haben.

227 So aber im Ergebnis LK-Roxin, § 25, Rn. 217. Vgl., im Sinne des Textes, Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 650, Anm. 70; vgl. auch Dencker, Festschrift für Lüderssen, S. 530, der die unumgänglichen Schwierigkeiten der entgegengesetzten Auffassung im Bereich der Erfolgszurechnung hervorhebt.

Zweiter Teil

Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich Kritische Darstellung des Diskussionsstandes A. Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich Der Problemkomplex Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich betrifft herkömmlicherweise drei unterschiedliche Fragestellungen, die jeweils unter den Stichworten Regreßverbot, mittelbare Täterschaft kraft Irrtums und fahrlässiges Zusammenwirken im Schrifttum diskutiert werden. Obwohl sich die vorliegende Arbeit hauptsächlich auf die letztgenannte Erscheinung beschränkt, sollen auch die anderen kurz erläutert werden: Erstens, weil es geboten scheint, der Zusammengehörigkeit dieser Fragen Rechnung zu tragen. Zweitens, weil sich aus dieser Zusammengehörigkeit wichtige Erkenntnisse in bezug auf die Beteiligungsverhältnisse bei allseits fahrlässigem Handeln ergeben.

I. Die sogenannte fahrlässige Beteiligung an vorsätzlicher Tat 1. Zur unterschiedlichen Entwicklung im Begehungs- und im Unterlassungsbereich Mit dem Ausdruck „fahrlässige Beteiligung an vorsätzlicher Tat“ ist die seit der Einführung des sog. restriktiven Täterbegriffs problematisch gewordene Konstellation gemeint, an der die alte Lehre des Regreßverbots1 und die stark vom Kausaldenken geprägte Lehre des RG zusammenstießen. Regreßverbot bedeutete, im Rahmen der damaligen Diskussion, daß der fahrlässig Ersthandelnde kein Täter der durch den vorsätzlich Zweithandelnden begangenen Tat, sondern nur strafloser Teilnehmer sein konnte. Das RG stellte dagegen auf den Adäquanzgedanken (d. h. Vorhersehbarkeit des Erfolges) und somit auf einen Einheitstäterbegriff ab, der aber eine Abstufung im Rahmen der Strafzumessung zuließ.2 Mit Larenz3 und H. Mayer4 richtete sich das Augenmerk auf das 1 Terminologie und grundlegende Ausformulierung bei Frank, StGB, § 1, Anm. III. Zur Kritik in bezug auf die hier interessierenden Probleme siehe u. a. Jakobs, AT 24/14. 2 Vgl. etwa RGSt 58, 366; 61, 318; 64, 370.

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

Problem der Beherrschbarkeit des Geschehens nach den Prinzipien der Hegelschen Zurechnungslehre, die, so wie sie damals gedeutet wurden, im Ergebnis besagen sollten, daß das vorsätzliche Tun eines anderen ohnehin nicht beherrschbar sei.5 Die in der Zwischenzeit zur herrschenden Meinung gewordenen Ablehnung des Einheitstäterbegriffs und die Entwicklung der Lehre von der objektiven Zurechnung führten zur Integration des Regreßverbots als Zurechnungsprinzip, nämlich als Kriterium zur Abgrenzung von Verantwortungssphären.6 Das Regreßverbot wurde nunmehr grundsätzlich normativ verstanden: Es ging nicht um eine naturalistische „Beherrschbarkeit“ des Geschehens, sondern um ein „Beherrschen-Sollen“.7 Diesem Verständnis entsprechend sollte die Lehre des Regreßverbots Licht auf die Problematik werfen, unter welchen Voraussetzungen man Handlungen ausnahmsweise unterlassen muß, die vorsätzliche Taten anderer fördern könnten. Diese Kernfrage bildet den Ausgangspunkt in der heutigen Diskussion über das Regreßverbot. Darüber hinaus gehen allerdings die verschiedenen Auffassungen der Lehre auseinander. Doch für die hier interessierenden Fragen ist die Mannigfaltigkeit der Auffassungen von geringerer Bedeutung als ihre weitgehende Übereinstimmung in der Behauptung, daß ein vorsätzliches Handeln die normativen Haftungseinschränkungen des Regreßverbots weitgehend unwirksam macht.8 Führt man sich zugleich vor Augen, daß Vorsatz und Fahrlässigkeit hauptsächlich nach der Vorstellung einer psychologisierenden Handlungs- und Unrechtslehre definiert werden, so kann man feststellen, daß die Diskussion in der Tat doch bei dem naturalistischen Begriff der Beherrschbarkeit stehen geblieben ist: „Wollte“ etwa der Ersthandelnde den eingetretenen Erfolg, so wird er zur Verantwortung 3

NJW 1955, S. 1011. AT, S. 131 ff. 5 Kritisch Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 134. 6 Zum Regreßverbot s. etwa H. Mayer, AT, S. 73 f.; Naucke, ZStW 76 (1964), S. 409 ff.; Jakobs ZStW 89 (1977), S. 1 ff.; Schumann, Selbstverantwortung, S. 54 ff.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 295 ff.; Roxin, AT II, 26/220 ff. Neuerdings Kudlich, Unterstützung fremder Straftaten, S. 373 ff. Ferner Hartmann, ZStW 116 (2004), S. 585 ff., der bezüglich der Beihilfe das Kriterium des „deliktischen Sinnbezugs“ verwirft und eine Rückkehr zur Risikoerhöhungslehre vorschlägt; dabei versteht er allerdings das genannte Kriterium so, daß die fragliche Leistung ausschließlich deliktisch, und zwar kontextunabhängig, verwertbar sein solle (Hartmann, ZStW 116 [2004], S. 590 f., 597). Dieses Verständnis wird jedoch m. E. den Ausführungen Roxins und Frischs nicht gerecht, denn bei ihnen geht es in erster Linie um eine Frage des deliktischen Kontexts. 7 Beachtlich ist in dieser Hinsicht die bereits 1930 veröffentlichte Darstellung von Exner (Frank-Festgabe, I, S. 569 ff., insb. S. 591 ff.), welche die beschriebene Entwicklung der Regreßverbotslehre teilweise vorweggenommen hat. 8 Besonders deutlich bei NK-Puppe, Vor § 13, Rn. 155 ff. Anderes gilt nur im Bereich der sogenannten Alltagshandlungen: dazu sogleich im Text. 4

A. Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

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gezogen, solange er die Erfolgsherbeiführung „kausal“ gefördert hat. Der Grund für eine andere Behandlung des fahrlässig Ersthandelnden findet sich deshalb nur darin, daß bei ihm ein bestimmter Willensinhalt bzw. ein hinreichendes Wissen nicht vorhanden war.9 Die erwünschte Normativierung des Regreßverbots, seine Integration als Kriterium einer normativ orientierten Zurechnungslehre, ist also meistens nicht zu Ende geführt.10 Die Unterlassungsdogmatik mußte dagegen von Anfang an auf das Kausaldogma verzichten und strenge normative Ansätze zur Verantwortungsabgrenzung entwickeln. Den Garanten betrifft unmittelbar das Gebot, das aus einem Garantenstellungsgrund hervorgeht, wobei die Zwischenschaltung eines dolosen Dritten unerheblich ist, solange die Erfolgsabwendungsmöglichkeit noch besteht. Da der Kreis der Pflichtträger bereits durch die Garantenstellungen abgegrenzt ist, ist ein Regreßverbot im Unterlassungsbereich prinzipiell überflüssig. Gerade aus diesem Grund bietet sich immer die Möglichkeit, die Unzulänglichkeiten einer nicht vollkommen normativierten Regreßverbotslehre durch die Anwendung der Garantenstellungentheorie auszubessern. Das soll durch die Konzentration auf das „Unterlassungsmoment“ der Fahrlässigkeit erfolgen, d. h. auf die Nichthinderung fremder Straftaten.11 Ein fahrlässig Ersthandelnder will den Erfolgseintritt nicht, weshalb eine Verbindung zwischen seinem Verhalten und der Erfolgsherbeiführung durch das Handeln eines vorsätzlichen und eigenverantwortlichen Drittens nicht hergestellt werden kann; er ist aber doch verantwortlich, und zwar als Unterlassungstäter (selbst wenn er die Tat fahrlässig aktiv fördert), wenn ihm eine Garantenstellung zukommt. Doch hier ändert sich wiederum die Perspektive, wenn der Akteur vorsätzlich handelt. In diesem Fall soll trotz der Garantenstellung eine Beihilfe zum Begehungsdelikt vorliegen, da (i) die ggf. auch bestehende Unterlassungstäterschaft subsidiär sei und (ii) Teilnahme gerade in einer Mitwirkung ohne Tatherrschaft 9 Freilich wird vielfach unterschieden, ob das Zweitverhalten leicht oder grob fahrlässig vollzogen wurde, wobei die grobe Fahrlässigkeit dem Vorsatz gleichgestellt wird (in diesem Sinne bereits Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S. 119: Ein grob fahrlässiges Verhalten sei derart dominant, daß eine zusätzliche Zurechnung des Erfolges von den Zwecken des Strafrechts her nicht mehr geboten erscheine). Diese Unterscheidung ist jedoch deshalb unbrauchbar, weil das zugrunde liegende Kriterium der Vorhersehbarkeit sowohl auf die leichte als auch auf die grobe Fahrlässigkeit anwendbar ist: Keiner der Akteure kann die Begehung von tatbestandlichen, nachfolgenden Taten ausschließen. 10 Vgl. Roxin, Festschrift für Tröndle, S. 177 ff., m. w. N. Zum selben Ergebnis gelangt man durch eine subjektive Auffassung des Selbstverantwortungsprinzips: Überlegenes Wissen oder Kompetenz setzen das restriktive Potential des Grundsatzes außer Kraft. So auch die Konstatierung von H. Jung, in: Eser/Huber/Cornils (Hrsg.), Einzelverantwortung, S. 192. 11 So Welp, S. 276 ff.; Wehrle, S. 83 ff.; vgl. auch Kudlich, Unterstützung fremder Straftaten, S. 60 ff., der aber die Zuweisung von „Verantwortlichkeitsräumen“ zur Verantwortungsbegrenzung berücksichtigt.

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

bestehe.12 Letzten Endes hinge es also von der subjektiven Zurechnung (genauer: von der Art individueller Vermeidbarkeit) ab, ob ein Mitwirkender als Täter eines fahrlässigen Delikts oder als Teilnehmer an einem vorsätzlichen Delikt zu behandeln ist. Zugespitzt formuliert: Wenn Vorsatz beim Ersthandelnden vorliegt, reicht dieser zur Begründung der Verantwortung für fremdes Tun aus. Liegt aber „nur“ Fahrlässigkeit vor, dann bedarf es einer „normativen“ Begründung, welche durch den Zugriff auf die Garantenstellungentheorie der Unterlassungsdogmatik durchzuführen ist. Die alte Diskussion wird auf diese Weise wieder aufgenommen, wenngleich nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der (ggf. „unterbrochenen“) Kausalität, sondern aus der Perspektive eines Kompromisses zwischen subjektiver Unrechtsbegründung und Lehre der objektiven Zurechnung. Dem ist nicht zuzustimmen.13 Zum einen – und abgesehen von der Zurückführung der Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich auf das Einzeltäter-Paradigma, deren Zulässigkeit eben genauer zu untersuchen wäre – ist die Trennung von Tun und Unterlassen auf der Ebene der Zurechnung extrem problematisch,14 denn sie knüpft an die äußere Beschaffenheit des Geschehensablaufs an, die mit der Struktur der strafrechtlichen Pflichten nichts zu tun hat.15 Zum anderen entspricht gerade diese Lehre dem, was Grünwald16 berechtigterweise als 12 Vgl. Bloy, Zurechnungstypus, S. 138 ff. Die Ergebnisse Bloys stimmen zum großen Teil mit der Darstellung Exners (Frank-Festgabe, I, S. 595 f.) überein. Das ist indes nicht überraschend, denn beide Autoren gehen von einem Ansatz aus, der Elemente der Lehre objektiver Zurechnung mit subjektiven Kriterien zu harmonisieren versucht. Dennoch geht Exner (Frank-Festgabe, I, S. 596) einen Schritt weiter, indem er bei einverständlichem Handeln und trotz „ungleichen Verschuldens“ die Möglichkeit der Mittäterschaft anerkennt. 13 Vgl. auch die Kritik von Roxin in Festschrift für Tröndle, S. 183 f., 198 ff. 14 Vgl. Jakobs, Tun und Unterlassen, insb. S. 36 ff. Schon in dieser Richtung Hardwig, Zurechnung, S. 138 ff., 152 ff. Hardwig bringt die Pflichtverletzung ins Zentrum des Delikts: Jedes Delikt ist unterlassenes Vermeiden einer vermeidbaren Pflichtverletzung, aber nicht etwa in dem Sinne, daß die fahrlässigen Begehungsdelikte zu Unterlassungsdelikten werden, sondern dergestalt, daß der Unterschied Tun/Unterlassen im Blick auf die Pflichtverletzung nicht erheblich ist. Freilich ginge es nach Hardwig jeweils um verschiedene Pflichten: Die allgemeine Pflicht, den mißbilligten Erfolg zu vermeiden, und die Sonderpflicht der Erfolgsabwendung; beide seien aber ebenso Rechtspflichten und der einzige Unterschied bestehe im jeweiligen Geltungsbereich bzw. in dem Kreis der Pflichtträger. Ferner wird die „Steuerung“ auf die Verletzung einer Steuerungspflicht zurückgeführt und die „Steuerbarkeit“ bei den Fahrlässigkeitsdelikten als objektive Vermeidbarkeit des Erfolges definiert. Kritisch zur Auffassung Hardwigs Bloy, Zurechnungstypus, S. 261: Die Kritik geht jedoch am Ziel vorbei, denn bei Hardwig ist die Rede von der allgemeinen Pflicht und die Argumentation Bloys richtet sich auf die Sonderpflicht bei Pflichtdelikten. Die Auffassung Hardwigs führt nämlich nicht dahin, die fahrlässigen Taten in Sonderdelikte zu verwandeln. 15 Abgesehen davon, daß die Unterscheidung zwischen Überwachungs- und Beschützergaranten in der Praxis nicht durchführbar ist, denn beide Kategorien sind in der Regel bezüglich identischer Aufgaben durchaus austauschbar. Dazu Jakobs, AT 29/27 und Roxin, Täterschaft, S. 703 f.

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„Aufrollung der Beteiligungslehre von der Unterlassungsdogmatik her“ beklagte. Es verhält sich nicht so, daß der Mangel an Vorsatz beim Ersthandelnden einen Zugriff auf die normative Begründung der Verantwortung durch eine Garantenstellung erforderlich bzw. angebracht macht, während er bei „vollständigem [d. h. vorsätzlichem] Unrecht“17 überflüssig wäre. Die Garantenstellungen – in einem Sinne, auf den im folgenden noch näher eingegangen wird – bestehen sowohl bei Unterlassungs- als auch bei Begehungsdelikten und ihr Bestand bzw. ihre Erforderlichkeit ist von der Art individueller Vermeidbarkeit (solange Vermeidbarkeit überhaupt vorliegt) durchaus unabhängig. Vor allem werden sie nicht durch den Vorsatz ersetzt: Selbst wenn der Akteur vorsätzlich handelt, heißt das noch nicht, er habe sich ohne weiteres für die Tatbestandsverwirklichung zuständig (d. h. zum Garanten) gemacht. Diese normative Konstitution des Unrechts ist bei Unterlassungsdelikten besonders auffällig und wohl deswegen ist in diesem Bereich die richtige Sicht überwiegend aufrechterhalten worden. 2. Regreßverbot und subjektive Zurechnung in der Auffassung Roxins Roxin will die Konstellationen unvorsätzlichen Ersthandelns als Problem der allgemeinen Zurechnungslehre behandeln.18 Der Kern der Sache befinde sich in der dem Vertrauensgrundsatz als Unterfall des erlaubten Risikos zugrundeliegenden Interessenabwägung. Nach einer zutreffenden Widerlegung des Auswegs durch die Garantenstellungstheorie, 19 schlägt Roxin statt dessen die „Förderung erkennbarer Tatgeneigtheit“ als Zurechnungskriterium für unvorsätzliches Ersthandeln vor. Dabei wird unter Berufung auf Jakobs ein normatives Verständnis der „Förderung“ zugrunde gelegt, nach dem es auf den objektiven Sinn des Verhaltens des Außenstehenden ankommt: Wenn etwa ein Richter trotz Drohungen von Terroristen, einen Politiker umbringen zu wollen, den Prozeß gegen eines seiner Bandenmitglieder weiterführt, so macht er sich nicht des daraufhin begangenen Mordes schuldig, obschon er die Tatgeneigtheit der Terroristen wohl erkannt hat. Die Erkennbarkeit der sog. „Tatgeneigtheit“ braucht sich andererseits nicht auf einen bestimmten potentiellen Vorsatztäter zu beziehen; wenn z. B. die Eltern ihre Tochter ohne Aufsicht durch einen nächtlichen Wald schicken, wo in der letzten Zeit mehrere unaufgeklärte Sexualverbrechen an 16

GA 1959, S. 114. So ausdrücklich Bloy, Zurechnungstypus, S. 234 f., 312. 18 Vgl. AT I, 24/21 ff., AT II, 26/218 ff. und Festschrift für Tröndle, S. 185 ff. Zur spezifischen Problematik s. ferner LK-Roxin, § 27, Rn. 16 ff., und dens. Festschrift für Stree-Wessels, S. 378 ff., Festschrift für Miyazawa, S. 512 ff. 19 Vgl. Festschrift für Tröndle, S. 183 f. (zur Auffassung von Wehrle, S. 83 ff.) und 198 ff. 17

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Kindern verübt worden sind, liegt nach Roxin ein Fall erkennbarer Tatgeneigtheit vor, was im Falle einer Vergewaltigung der Tochter zur Bestrafung der Eltern führen soll. Nach diesen Ausführungen wirkt umso mehr befremdlich, daß Roxin nach wie vor die Wirkung des Regreßverbots von der Art der Vermeidbarkeit des Ersthandelnden abhängig machen will: „Die hier favorisierte Konzeption“, schreibt neuerdings Roxin, „beruht auf der Unterscheidung zwischen den Fällen, in denen der Außenstehende den Deliktsentschluß des Täters kennt, und solchen, in denen er ohne spezielle Kenntnis mit deliktischen Absichten des Täters lediglich rechnet“.20 Verkenne der Ersthandelnde aus Unaufmerksamkeit die objektiv erkennbare Tatgeneigtheit des Täters oder handele er in dieser Hinsicht nur mit bedingtem Vorsatz, dann sei er straffrei. Handele er dagegen vorsätzlich, so werde er Gehilfe des Vorsatzdeliktes, wenn zudem der Beitrag einen deliktischen Sinnbezug aufweise, d. i. als Förderung im normativen Sinne zu deuten sei.21 Die Position Roxins wird besonders deutlich bei der Behandlung der sog. Alltagshandlungen: Bei sicherem Wissen des Ersthandelnden um den Zweck der geförderten Handlung reiche für die Begründung eines Beteiligungsverhältnisses der „deliktische Sinnbezug“ des Beitrags aus, der dann gegeben sei, wenn der Beitrag nach der individuellen Zielsetzung des Täters nur als Mittel der Deliktsbegehung sinnvoll bzw. nützlich sei. Handele der Außenstehende hingegen nur mit bedingtem Vorsatz, so komme Beteiligung nur dann in Betracht, wenn eine objektiv erkennbare Tatgeneigtheit des anderen vorliege, die durch den Beitrag gefördert werde. Denn ansonsten sei dem Ersthandelnden die Tatbestandsverwirklichung aufgrund des Vertrauensgrundsatzes im Regelfall nicht objektiv zuzurechnen, so daß es auf den subjektiven Tatbestand, d. h. auf das Vorliegen bedingten Vorsatzes, überhaupt nicht ankomme. Dies gelte auch für die Fälle von Fahrlässigkeit des Ersthandelnden, in denen eine fahrlässige Alleintäterschaft (im Fahrlässigkeitsbereich gilt nach Roxin der Einheitstäterbegriff) aus denselben Gründen ausscheiden solle. Die Auffassung Roxins enthält eine Vielfalt von Kriterien, die zum Teil durchaus brauchbar sind, zum Teil aber den verschiedenen Konstellationen in einer Weise angepaßt werden, daß sie als widersprüchlich erscheinen. Aus diesem Grund wird auch den begrifflichen Konturen mancher Zurechnungsinstitute nicht hinreichend Rechnung getragen. Die Anwendung des Vertrauensgrundsat-

20 AT II, 26/220. Auf den Intentionen beruht die Analyse in bezug auf den Täter: „Es hängt immer von der Intention des unmittelbar Handelnden ab, wozu er etwas benutzt“ (AT I, 24/29), oder: „Nur aus dem erkennbaren Kontext der Intentionen des potentiellen Vorsatztäters“ kann eine Ersthandlung als intolerabel gefährlich interpretiert werden (Festschrift für Tröndle, S. 190). 21 AT II, 26/222 ff., Festschrift für Tröndle, S. 187, 196 f.

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zes setzt beispielsweise voraus, daß alle Akteure für den guten Ausgang einer Risikolage zuständig sind. Nur unter dieser Voraussetzung ist nämlich zu erklären, daß das selbstverantwortliche Fehlverhalten Dritter den Handelnden in dem Sinne etwas angeht, daß er dieses Fehlverhalten in seiner Planung unter gewissen Bedingungen einkalkulieren muß. Weil der Handelnde Garant ist, kann auch sein Wissen um die Umstände des Sachverhaltes, die andere Akteure betreffen, sowie um die Zwecke, die diese verfolgen mögen, erheblich werden. Es verhält sich jedoch nicht umgekehrt. Das Wissen als Faktum begründet die Zuständigkeit nicht. Eben deshalb trifft die Feststellung Roxins zu: „Das ,Vertrauen‘ beim Vertrauensgrundsatz ist kein psychischer Befund, sondern ein normatives Prinzip, das die Zurechnung zum objektiven Tatbestand einschränkt“.22 Die Überprüfung der subjektiven Zurechnung hat deswegen im Strafrecht nur dann einen Sinn, wenn eine erhebliche Störung auf objektiver Ebene vorliegt. Daraus folgt, daß es in den Fällen, in denen der Vertrauensgrundsatz einschlägig ist, auf die Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit bzw. zwischen diesen und der Absicht nicht ankommen kann: Der Handelnde ist auf keinen Fall zuständig, so daß der Konflikt auf andere Weise erklärt werden muß.23 Dies gilt erst recht für das sog. Regreßverbot. Die Trennung der Verantwortungsbereiche vollzieht sich hier ebenfalls auf der objektiven Ebene, und zwar nach dem Inhalt der jeweiligen Pflichten der Akteure. Im Gegensatz zum Vertrauensgrundsatz wird hier nicht vorausgesetzt, daß die Akteure für den guten Ausgang der Risikolage zuständig sind. Deshalb muß zunächst der Grund für die Zuständigkeit ermittelt werden, um zu bestimmen, ob das Wissen bzw. die Unwissenheit des Handelnden überhaupt von Bedeutung ist. Die erste Frage ist also, ob der Handelnde etwas wissen sollte oder nicht. Erst die Bejahung dieser Frage gestattet die Auseinandersetzung mit der subjektiven Zurechnung und ihren Voraussetzungen. Trotz alledem müssen nach Roxin Regreßverbot und Vertrauensgrundsatz hinter das psychische Faktum des Wissens zurücktreten: „Wer etwas genau weiß, kann und darf logischerweise nicht auf das Gegenteil vertrauen“.24 In den Fällen etwa, in denen Steuerhinterziehungen durch anonyme Kapitaltransfers ins Ausland ermöglicht werden, begründe „schon das Wissen, daß der einzige Zweck der von einer Bank geforderten Leistung in der Ermöglichung einer Steuerhinterziehung besteht, (. . .) die Beihilfestrafbarkeit“.25 Die normativen Prinzipien zur Abgrenzung der Zuständigkeiten verwandeln sich auf diese Weise in eine zum Teil psychisch zu ermittelnde Zurechnungsregel, die

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AT II, 26/246, Anm. 328. Zur Funktion des Vertrauensgrundsatzes bei der Begründung des Beteiligungsverhältnisses nach der hier vertretenen Position s. dritter Teil, C. I. 1. a). 24 AT II, 26/244. 25 AT II, 26/234. 23

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auf dem „Fundamentalgebot“26 beruht, nach dem jede wissentliche Mitwirkung an einer Straftat zur strafrechtlichen Verantwortung führen soll. Man kann das Strafrechtssystem sicherlich so verstehen, aber ein solches Verständnis müßte konsequenterweise zu Ergebnissen führen, die Roxin wohl nicht annehmen würde. So ließe sich nämlich die von Roxin behauptete Unerheblichkeit der Unterscheidung zwischen dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit bei Eingreifen des Vertrauensgrundsatzes nicht mehr aufrechterhalten. Denn, wie einige Autoren Roxin – aus dieser Perspektive folgerichtig – entgegenhalten,27 wenn es auf die (psychisch verstandene) subjektive Zurechnung ankommt, dann handelt es sich doch um die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit und nicht um eine objektiv-normative Verantwortungsbegrenzung, so daß im letzten Fall nach der Begrifflichkeit Roxins die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Täterschaft nicht mehr ausgeschlossen werden könnte.28 Der Subjektivierung der objektiven Zurechnung wird auf diese Weise eine Psychologisierung der subjektiven Zurechnung hinzugefügt. Dies zeigt sich insbesondere bei der Analyse des Wissens, durch das der „alltägliche“ Charakter einer Handlung ausgeschlossen wird. Daß etwa der Bäcker, der beim Brötchenverkauf die deliktische Anwendung der Waren ahnen konnte, zur Verantwortung wegen Vergiftung nicht gezogen werden kann, wäre nach Roxin schon deswegen eindeutig, weil solche Fälle im realen Leben nicht vorkämen. Verfügt dagegen der Bäcker über ein Sonderwissen, dann könne von einer Alltagshandlung nicht mehr die Rede sein.29 Dabei läßt Roxin jedoch außer acht, daß es zwischen bloßer Unwissenheit und Sonderwissen eine Zwischenstufe gibt, nämlich die Erkennbarkeit des für jedermann zugänglichen Handlungszusammenhangs. Es geht nicht darum, was der Ersthandelnde in der Tat weiß, sondern darum, was er wissen soll. Und dies hängt von der Norm und vom Zusammenhang – scil. von der Rolle des Handelnden – ab.30 Daher kann ein wissender Außenste26

AT II, 26/238. Beckemper, Jura 2001, S. 168; Schall, Gedächtnisschrift für Meurer, S. 110 ff.; Amelung, Festschrift für Grünwald, S. 18 f. 28 Die Behauptung, in den Fällen von dolus eventualis erstrecke sich der Vorsatz des Außenstehenden nicht auf ein unerlaubtes Risiko, so daß es an einem Rechtsgutsangriff fehle (Roxin, AT II, 26/242), erscheint als Ausweg. Denn das kann für das berufstypische Verhalten gelten, bei dem es hauptsächlich um die Wahrnehmung der Berufstätigkeit geht, nicht aber für andere Alltagshandlungen, bei denen der dolus eventualis nach der subjektiven Perspektive den ursprünglichen Sinn der Handlung verdrängen soll. In diesem Sinne bereits Otto, Festschrift für Lenckner, S. 210, 214 f. 29 Festschrift für Tröndle, S. 197. 30 Vgl. Frisch, Festschrift für Lüderssen, S. 542 f., der darauf hinweist, daß es um eine Frage der Zuständigkeit geht. Selbst das „objektive“ Kriterium der Gefahrerhöhung bzw. Gefahrschaffung kann nur eine begrenzte Leitfunktion erfüllen; denn „Aussagen wie die, daß reduzierbare Risiken zu reduzieren seien und daher bei fehlender Risikoreduzierung eine mißbilligte Risikoschaffung vorliege“, beziehen sich auf „naturvermittelte Gefahren, und setzen (deshalb) stillschweigend voraus, daß die han27

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hender trotz seines Wissens nicht ohne weiteres zur Verantwortung für das vom Zweithandelnden verwirklichte Delikt gezogen werden (wie im Falle eines Wirtes, der den Gästen alkoholische Getränke weiter ausschenkt, obwohl er damit Trunkenheitsfahrten wissentlich fördert bzw. ermöglicht), wohingegen ein ahnungsloser Ersthandelnder, den aber eine Aufmerksamkeitspflicht hinsichtlich der Verhaltensweisen anderer betrifft, sich durch seinen fördernden Beitrag am nachfolgenden Delikt beteiligen kann (wie u. U. bei der Übergabe bzw. Nichtaufbewahrung sicherungspflichtiger Gegenstände31). Außerdem: Bei Beteiligung geht es nicht um die Förderung einer Tatgeneigtheit, sondern um die Förderung einer Tatbestandsverwirklichung. Die Tatgeneigtheit stellt dementsprechend höchstens ein Element des Zusammenhangs dar, nicht zuletzt, weil sie wiederum nur aus dem Kontext erschlossen werden kann. Diesem gesamten Zusammenhang, zu dem die Tatgeneigtheit u. U. gehören mag, kommt letztendlich die entscheidende Rolle bei der Beurteilung zu, ob der Ersthandelnde die Tatbestandsverwirklichung gefördert bzw. ein unerlaubtes Risiko gemeinschaftlich mit dem Zweithandelnden geschaffen hat oder nicht. 3. Zwischenergebnis: Zum Einheitstäterbegriff im Fahrlässigkeitsbereich Es läßt sich feststellen, daß das Thema „fahrlässige Beteiligung“ seit Franks Zeiten mit der Diskussion über Regreßverbot und Einheitstäterbegriff eng verbunden ist. Unter dem Stichwort Regreßverbot wurde der Einheitstäterbegriff zumindest im Bereich der Unterlassungs- und Fahrlässigkeitsdelikte in Erwägung gezogen.32 Da im zuletzt genannten Bereich der Wille zur Täterschaft keine Rolle spielen konnte, blieb nur die Verursachung des tatbestandlichen Erfolgs bei gleichzeitiger Vorhersehbarkeit desselben als Täterschaftskriterium übrig.33 Die Mängel einer solchen Auffassung wurden aber bald offensichtlich und fanden einen scharfen Prüfstein gerade in der Problematik der fahrlässigen Beteiligung an einer vorsätzlichen Tat. Bei diesen Konstellationen stellte sich eben die Frage, wie weit sich die Täterschaft (und somit nach h. A. die Strafbardelnde Person die entsprechende Gefahr zu vermeiden hat, insoweit verantwortlich oder zuständig ist“. Wird diese Voraussetzung zweifelhaft, wie in Fällen von sog. neutralen Handlungen, dann kann das Kriterium auch nicht weiterhelfen. 31 Dazu dritter Teil, C. I. 2. Roxin (AT I, 24/31) vertritt diesbezüglich insofern eine andere Auffassung, als er eine akzessorische Verantwortung von vornherein ausschließt. Legt man aber das Vorliegen einer objektiv erkennbaren Tatgeneigtheit so aus, daß damit ein verbindender Kontext gemeint ist, dann dürfte die Strafbarkeit des Ersthandelnden wegen des Erfolgsdelikts nur an dem Vorsatzerfordernis des § 27 StGB scheitern. Ob das Verhalten des Ersthandelnden aus diesem Grund in fahrlässige Alleintäterschaft umgedeutet werden kann, ist allerdings fraglich. 32 Vgl. Bloy, Zurechnungstypus, S. 149 f. 33 Dazu Schmoller, ÖJZ 1983, S. 337 ff., 379 ff.; Seier, JA 1990, S. 342 ff.

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keit) beim Fahrlässigkeitsdelikt ausstreckt. So wurde die Auseinandersetzung zwischen Regreßverbotslehre und kausalem Einheitstäterbegriff zum Schlachtfeld der Kontroverse über den Täterbegriff bei Fahrlässigkeitsdelikten. Die Bewertung sog. neutraler Handlungen als Beihilfe bildet in jüngster Zeit die Fortsetzung dieser Kontroverse. Dabei handelt es sich häufig um die Alternative zwischen vorsätzlicher Beihilfe und fahrlässiger Täterschaft, wobei die Art der Vermeidbarkeit beim Ersthandelnden als entscheidendes Kriterium für die Bestimmung der Art der Beteiligung herangezogen wird.34 Auf den Täterbegriff beim Fahrlässigkeitsdelikt wird im nachfolgenden Abschnitt noch eingegangen. Dennoch läßt sich bereits folgendes feststellen: Die Normativierung der Regreßverbotslehre hat mittlerweile zu einer weitgehenden Ablehnung des kausalen Einheitstäterbegriffs im Vorsatzbereich geführt. Sie ist jedoch in der Ausprägung der herrschenden Lehre bisher weder in der Lage, eine Ablehnung im Fahrlässigkeitsbereich zu begründen, noch eine normative Abgrenzung der Verantwortungssphären zu liefern. Deshalb spielen die subjektiven Einstellungen der Beteiligten eine konstitutive Rolle in der Behandlung des Beteiligten als Täter oder als Teilnehmer:35 Das Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei einem Beteiligten soll demnach den Ausschlag bei der Frage geben, ob er als Täter eines eigenen Delikts oder als Teilnehmer an einem fremden Delikts zu betrachten ist. Diese Auffassung liegt darin begründet, daß die herkömmliche Regreßverbotslehre auf einem naturalistischen Handlungsbegriff aufbaut, der auf einer ebenso naturalistisch verstandenen (finalen) Beherrschbarkeit des tatbestandsmäßigen Geschehens beruht. Geht man zudem mit der Tatherrschaftslehre davon aus, daß die Tatbestandsbeschreibung zugleich 34 Vgl. Kudlich, Unterstützung fremder Straftaten, S. 439 ff.; Roxin, AT II, 26/ 222 ff.; Amelung, Festschrift für Grünwald, S. 22 ff.; Otto, Festschrift für Lenckner, S. 214 f. 35 I. d. S. BGH NStZ 2000, S. 34 ff., im Anschluß an Roxin (LK, § 27, Rn. 19) bezüglich der neutralen Handlungen als Beihilfe: „Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu bewerten (. . .) Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird und hält er es lediglich für möglich, daß sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, daß er sich mit seiner Hilfeleistung ,die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein‘ ließ“. Vgl. auch BGH JZ 2000, S. 1175 ff. (mit Anm. Kudlich). Das RG und die frühere Rechtsprechung der Nachkriegszeit stellten in aller Regel noch auf die vorhersehbare Erfolgsherbeiführung ab (s. etwa RGSt 58, 368; OLG Braunschweig, SJZ 1949, Sp. 131). In bezug auf diese Auffassung bedeutet die gegenwärtige Lehre des BGH einen Fortschritt: Es sind keine gleichbedeutenden Aussagen, daß die Tatbestandsverwirklichung „vorhersehbar“ sein muß und, daß das erkennbare Risiko der Tatbestandsverwirklichung so erheblich sein muß, daß der Ersthandelnde die Förderung als dessen Angelegenheit sein läßt. Die letzte Formulierung ist normativer und wurde wohl zum ersten Mal von Exner (FrankFestgabe, I, S. 591 ff.) geprägt.

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die Beschreibung des Täters enthält,36 so ist nur folgerichtig, daß ein überlegenes Wissen bzw. Können (eine i. d. S. verstandene Entscheidungsmacht) das Eigentümliche der Täterschaft gegenüber der Teilnahme bilden soll. Der fließende, auf der subjektiven Einstellung beruhende Übergang von fahrlässiger Täterschaft zur Beihilfe am Vorsatzdelikt erklärt sich dadurch, daß in beiden Fällen eine finale Herrschaft über die Tat ausgeschlossen ist: Die fahrlässige Täterschaft sei höchstens „Möglichkeit der Tatherrschaft“,37 während die Beihilfe gerade eine Mitwirkung ohne Tatherrschaft darstelle. Aufgrund desselben objektiven Tatbeitrags wird der Leistende als Täter oder als Gehilfe nur im Hinblick auf seinen Willensinhalt bzw. sein Wissen eingestuft. Die Fragen, ob der Leistende dafür zuständig ist und ob überhaupt eine gemeinsame Zuständigkeit mit dem Vorsatztäter für die Tatbestandsverwirklichung vorliegt, finden bei dieser Konzeption nur eine minimale Beachtung, was in der Regel zu der Feststellung führt, daß §§ 26, 27 StGB nicht nur die Straflosigkeit nicht-täterschaftlicher Beteiligung, sondern auch deren systematischer Unmöglichkeit zur Folge haben. Deshalb gelangen fahrlässige Unterstützungshandlungen nur dadurch ins Blickfeld des Strafrechts, daß sie zur fahrlässigen Täterschaft aufgewertet werden. Hinter dieser Betrachtungsweise steht aber eine Zurechnungslehre, die die Preisgabe der Akzessorietät im Fahrlässigkeitsbereich bedeutet und zudem einen naturalistischen Einheitstäterbegriff zugrundelegt.

II. Die (verdeckte) vorsätzliche Beteiligung an fahrlässiger38 Tat Wenn man mit der ganz überwiegenden Lehre die Akzessorietät so begreift, daß Teilnahme in der Zurechnung fremden Unrechts besteht,39 dann sind sowohl die Mittäterschaftsregelung als auch die Teilnahmevorschriften des StGB als Haftungsausdehnungsgründe aufzufassen, während der Täterbegriff in dem Sinne restriktiv verstanden wird, daß er grundsätzlich nur den unmittelbaren Täter umfaßt. Mittelbare akzessorische Zurechnung setzt demnach eine Haupttat voraus, welche dem Täter durch das Herrschaftsprinzip unmittelbar zugerechnet wird und an die die Teilnahmehandlung anknüpft. Fordern die Teilnahmevorschriften (§§ 26, 27 StGB) zugleich eine vorsätzliche Tat als Anknüpfungspunkt, so gibt es keine strafbare Teilnahme an fremder unvorsätzlicher 36 Vgl. etwa Bloy, Zurechnungstypus, S. 115 ff., 152 f. und Welp, VOR 1972, S. 308 f. 37 So Bloy, Zurechnungstypus, S. 227 f. 38 Hier geht es stets um eine vermeidbare Tat. Mitwirkung mit unvermeidbar Handelnden ist aus normativer Sicht Umgang mit Natur, so daß sich die Beteiligungsfrage nicht stellt: dazu s. erster Teil, B. II. 4. b). 39 Vgl. insb. Bloy, Zurechnungstypus, S. 250 f., m. w. N. Zu den geläufigen Lehren zum Strafgrund der Teilnahme s. den Überblick bei Roxin, AT II, 26/11 ff.

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Tat.40 Für die herkömmliche Beteiligungslehre ist dies jedoch nicht allzu problematisch: Da einerseits Beteiligung durch das Einzeltäter-Paradigma gedeutet wird, was fließende Übergänge zwischen Beteiligung und Alleintäterschaft zuläßt, und, andererseits, Bestand und Umfang der Zuständigkeit durch das Binom Erfolgsverursachung/Wissens- bzw. Willensmoment im psychologischen Sinne bestimmt werden, bietet sich bei Fremdverletzungen eine ohne große Schwierigkeiten mögliche Umdeutung des Beteiligungsverhältnisses in eine (mittelbare) Alleintäterschaft des überlegenen Ersthandelnden an. Brisant wird diese Erklärung jedoch u. a.41 in denjenigen Fällen, in denen die für die mittelbare Täterschaft erforderliche Überlegenheit des Hintermannes psychologisch nicht feststellbar ist, etwa in den Konstellationen allseits übereinstimmender Kenntnis der Risikolage.42 1. Die Normativierung der Grenzen zwischen mittelbarer (Allein-)Täterschaft und Beteiligung Mittelbare Täterschaft stellt einen Grenzfall der Alleintäterschaft dar, bei dem die Abgrenzung zum gemeinsamen Handeln bisweilen schwerfallen mag. Da es sich um die Grenze zwischen Beteiligung und Alleintäterschaft handelt, sind Konstellationen sog. mittelbarer Täterschaft kraft Irrtums besonders geeignet, die Beziehungen zwischen Vermeidbarkeit und Beteiligung aufzuzeigen. Hinsichtlich der hier interessierenden Problematik geht es deshalb nicht darum, diese Konstellationen abschließend zu behandeln, sondern sie werden im folgenden zum Anlaß genommen, die Auffassung der Beteiligungsverhältnisse als eine Frage der objektiven Zurechnung zu vertiefen. 40 Was wörtlich genommen durchaus zutreffend ist. Nach der hier vertretenen Position ergibt sich allerdings diese Folgerung daraus, daß Beteiligung von der Art individueller Vermeidbarkeit nicht abhängt. Deshalb ist schon die Formulierung „vorsätzliche Beteiligung an fahrlässiger Tat“ irreführend. Zu diesem Ergebnis sollte in bezug auf die Mittäterschaft auch die h. L. kommen, nach der die mittäterschaftliche Haftung nicht akzessorisch (im herkömmlichen Sinne) ist, weshalb die Möglichkeit von Mittäterschaft unter vorsätzlich und fahrlässig Handelnden weitgehend anerkannt wird (vgl. Renzikowski, S. 289 mit Anm. 113, m. w. N). Daß diese Schlußfolgerung nicht gezogen wird, zeigt die Inkonsistenz einer Übertragung des Einzeltäter-Paradigmas auf das gemeinsame Handeln: dazu s. dritter Teil, A. II. 41 Abgesehen von den Pflichtdelikten und sonstigen Tatbeständen, wo die Täterschaft an persönliche Merkmale gebunden ist, welche beim Außenstehenden eben nicht vorliegen. 42 Zutreffend Roxin, Täterschaft, S. 190, der darüber hinaus die Möglichkeit der Beteiligung des Hintermannes an einer bewußt fahrlässigen Tat anerkennt, welche gegebenenfalls beim Außenstehenden „nach dem Strafrahmen des Vorsatzdelikts zu beurteilen ist“. Dennoch kommt Roxin (Täterschaft, S. 220 ff., 224) zu einer Lösung zugunsten der mittelbaren Täterschaft in den Fällen, in denen der Hintermann – bei gleichartiger Erkennbarkeit – die Erfolgschancen besser einschätzt (kausales Einwirken auf das Handeln des Vordermannes unterstellt). Der Hintermann sei hier dem Vordermann im Schuldmoment (!) überlegen.

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Während im Bereich der sog. „Herrschaft kraft Nötigung“ weitgehend das „Verantwortungsprinzip“ befolgt wird, sollte – so die überwiegende Lehre – im Bereich der sog. „Herrschaft kraft Irrtums“ das „Kenntnisprinzip“ ausschlaggebend sein: Das psychische Faktum des überlegenen Wissens beim Hintermann begründet, abgesehen von bloßen Motivirrtümern, seine mittelbare Täterschaft.43 Doch längst ist die dogmatische Entwicklung der mittelbaren Täterschaft durch das Eindringen normativer Gesichtspunkte gekennzeichnet. Bereits bei Roxin findet sich die Erkenntnis, daß die jeweiligen spezifischen Erscheinungsformen der Vermeidbarkeit (Vorsatz und Fahrlässigkeit) bei der Frage der Werkzeugseignung des Tatmittlers nicht maßgeblich sein können. Die Entscheidung über das Vorliegen von mittelbarer Täterschaft oder Teilnahme des Hintermannes ließe sich also theoretisch unabhängig davon beantworten, ob die Akteure ihrerseits wegen einer vorsätzlichen oder einer fahrlässigen Tat bestraft werden sollen. Bei Roxin geht es z. B. um eine tatgestaltende Finalität, welche u. U. auch bei bewußter Fahrlässigkeit besteht.44 Noch deutlicher ist die Stellungnahme Herzbergs,45 derzufolge ein vorsätzlich handelnder Täter einem ebenfalls dolosen Hintermann als Werkzeug dienen könne, denn „nicht die gesetztlich angeordnete Haftungsart ist entscheidend, sondern der spezifische Vorwurf, der erhoben wird. Zielt dieser auf bloße Nachlässigkeit, auf die Nichtausschöpfung von Erkenntnis- und Vermeidefähigkeiten, so kann der Ausführende trotz strafrechtlicher Verantwortlichkeit unfreies Werkzeug sein“. Damit richtet Herzberg das Augenmerk auf die normative Bewertung der Kenntnisse. Das bedeutet einerseits, daß ein Wissenkönnen und -sollen auch in Fällen von Nötigung die Verantwortung des Genötigten auslösen kann, wenn er sich nämlich die Notlage vermeidbar einbildet.46 Die aktuelle Unwissenheit des (vermeintlich) genötigten Tatmittlers beim Handlungsvollzug 43 Roxin, Täterschaft, S. 172; SK-Samson, § 25, Rn. 86: „das überlegene Wissen des Hintermanns (begründet) dessen Tatherrschaft“. Auch i. d. S. Stratenwerth, AT, 12/ 34; Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, 48/24; Jescheck/Weigend, AT § 62 II 2; Kühl, AT 20/ 41. Daran ändert sich nichts, wenn man mit Heinrich (S. 214 ff.) auf das Erfahren „normappellbedingter“ Hemmimpulse abstellt. Demgemäß soll die vom Hintermann bewirkte Täuschung den durch das Gesetz errichteten Schutzwall zwischen Vordermann und Rechtsgut aufgehoben haben, was dazu führe, daß das Geschehen die Umsetzung der tatbestandsgerichteten Entscheidung des Hintermannes sei. Abgesehen davon, daß das Abstellen auf das Erfahren von Hemmimpulsen näher zu betrachten wäre, bleibt dabei die entscheidende Frage unbeantwortet: Warum soll eine Person für das Bestehen von Hemmimpulsen bei einer anderen einstehen müssen? 44 Täterschaft, S. 189 ff., 220 f., allerdings nicht bei unbewußt fahrlässig handelndem Vordermann (Täterschaft, S. 178 f.), wo mittelbare Täterschaft immer anzunehmen sei. Somit setzt Roxin das Verantwortungsprinzip im Bereich der „Irrtumsherrschaft“ weitgehend außer Kraft. 45 Täterschaft und Teilnahme, S. 22. 46 A. A. Roxin, Täterschaft, S. 208 f.

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vermag also, je nach der Art des gesetzlichen Vorwurfs, eine Doppelhaftung zu begründen. Dabei handelt es sich beinahe um eine Selbstverständlichkeit: Das Defizit des Vordermannes schließt seine Zurechenbarkeit nicht aus, wenn er für dieses Defizit selbst einzustehen hat. Auf der anderen Seite begründe nicht jeder Irrtum beim Vordermann mittelbare Täterschaft des Hintermannes, selbst wenn der Hintermann über ein „überlegenes“ Wissen verfügt. Solange sich dieses „überlegene Erkennen“ auf konkrete Umstände beziehe, die „für den Unrechtstatbestand keine Rolle spielen“, könne „eine rechtserhebliche Tatherrschaft“47 des Hintermannes nicht begründet werden. Wenn etwa A, der die Gestalt seines Feindes Z im Gestrüpp erkannt hat, den B auf die halbverdeckte Gestalt zu schießen dadurch auffordert, daß er ihm vortäuscht, es handele sich um dessen Todesfeind Y, soll nach Herzberg – entgegen Roxin, der eine mittelbare Täterschaft des A annehmen will, denn nur A kenne den konkreten Sinn der Handlung48 – Anstiftung des A vorliegen.49 Auf diese Kontroverse kommt es jedoch hier noch nicht an. Wichtig ist nur, daß Roxin und Herzberg trotz aller Begründungsunterschiede zu einem grundsätzlich übereinstimmenden Ergebnis kommen: Daß der Täterschaft des Hintermannes die Täterschaft des Vordermannes nicht im Wege steht50 und, darüber hinaus, daß ein als vorsätzlich strafbares Verhalten zugleich begrifflich Beteiligung an unvorsätzlicher Tat darstellen könnte.51 Letzten Endes geht es um die Frage, unter welchen Bedingungen eine „rechtserhebliche Tatherrschaft“ vorliegt, wo auch immer die Grenze zur Teilnahme zu ziehen sei. Das führt zu der wichtigen Erkenntnis, daß bei der Frage der Grenzen mittelbarer Täterschaft ohne Belang ist, ob der irrende Vordermann als fahrlässiger oder als vorsätzlicher Täter bestraft wird, denn die Entscheidung darüber, ob eine Person als Werkzeug einer anderen zu betrachten ist, hängt nicht von der Frage ab, was die erste tatsächlich wußte. Ob Alleintäterschaft (mittelbare Täterschaft) oder gemeinsames Handeln (Beteiligung) vorliegt, soll mit anderen Worten prinzipiell unabhängig davon entschieden werden, mit welchen aktuellen Kenntnissen der Vordermann gehandelt hat: Unwissenheit aus belastenden Gründen läßt den Vordermann nicht zum Werkzeug werden und Kenntnisse außerhalb der sozialen Erwartungen heben die Werkzeugeigenschaft 47

Täterschaft und Teilnahme, S. 25 (Herv. dort). Täterschaft, S. 213 ff. 49 Die Diskussion braucht jedoch nicht weiter verfolgt zu werden: Auch Roxin (Täterschaft, S. 218 f.) schließt bei bestimmten Irrtümern des Vordermannes – namentlich den Motivirrtümern – die Möglichkeit aus, daß sie beim Hintermann täterschaftsbegründend wirken. 50 Die Frage, ob die Figur des Täters hinter dem Täter hier zur mittelbaren Täterschaft, zur Mittäterschaft oder ggf. zur Nebentäterschaft führen soll, kann vorerst offenbleiben. 51 Roxin, Täterschaft, S. 190, 552 ff.; Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 22, 41 ff. 48

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nicht auf.52 Beim Hintermann ist auch nicht an sich maßgebend, welche Kenntnisse er tatsächlich hatte.53 In Betracht gezogen werden nur diejenigen Kenntnisse, die nach gesetzlicher Bewertung erheblich sind. Betreffen sie rechtsunerhebliche Umstände der Tat, so gelten sie nicht im rechtlichen Sinne als überlegen: Kenntnisse begründen an sich keine Täterschaft. Eine gewisse Normativierung der Grenzen mittelbarer Täterschaft ist also in der Lehre bereits mehr oder weniger kohärent durchgeführt worden:54 Zum einen wird die Frage der Beteiligung von der Frage der Art der individuellen Vermeidbarkeit unabhängig gemacht; zum anderen wird auch bei der sog. Irrtumsherrschaft teilweise dem Verantwortungsprinzip gefolgt,55 sofern es dabei auf eine rechtserhebliche Herrschaft ankommt. 2. Vervollständigung der Normativierung Doch die Unzulänglichkeit dieser bereits bestehenden Normativierung wird schnell sichtbar. Im umstrittenen Beispiel Nowakowskis,56 in dem „eine kurzsichtige Untermieterin ihrem Kind ein Kopfwehpulver eingeben will und ihr der Vermieter auf ihren Wunsch hin ein Glas Wasser hierfür reicht, obwohl er bemerkt hat, daß die Frau die Mittel verwechselt hat und ein tödliches Gift einzuflößen im Begriffe steht“, sollte nach herrschender Auffassung (entgegen Nowakowski) mittelbare Täterschaft des Vermieters angenommen werden.57 Es stellt sich freilich die Frage, woraus in diesem Fall die rechtliche Erheblichkeit der Kenntnisse des Vermieters entnommen werden soll bzw. in welchem Sinne ihm die Willensherrschaft über die Tat der Mutter zukommen kann. Wenn, wie Roxin schreibt, nicht „jedes Kopfnicken oder Begleitwort den Vermieter zum Täter eines Totschlages machen muß“,58 dann bleibt als Erklärung für den Standpunkt der herrschenden Lehre nur die Addition von (überlegener) Kenntnis und physischer Erfolgskausalität übrig. Es wird also nach wie vor davon ausgegangen, daß die Setzung einer Erfolgsbedingung bei bestehender Kenntnis der Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung zuständigkeitsbegründend

52 Vgl. Jakobs, GA 1997, S. 556 ff. Neuerdings in Bernsmann/Ulsenheimer (Hrsg.), Festschrift für Geilen, S. 63 ff. (71 f.). Vgl. auch Jescheck/Weigend, AT § 62 I 2. 53 Vgl. Jakobs, GA 1997, S. 572. 54 Vgl. auch die Bilanz von Kindhäuser, Festschrift für Bemmann, S. 342 ff.; ferner Triffterer, S. 69; SK-Samson, § 25, Rn. 50 f. 55 Vgl. insb. Schumann, Selbstverantwortung, S. 106 f. 56 JZ 1956, S. 545 ff., 549. 57 Roxin, Täterschaft, S. 175 ff. Auch i. d. S. etwa Stratenwerth, AT, 12/36; Jescheck/Weigend, AT § 62 I 3. A. A. Schumann, Selbstverantwortung, S. 98 ff. und Jakobs, GA 1997, S. 563, Anm. 30. 58 Roxin, Täterschaft, S. 178.

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wirkt. Das ist jedoch bereits bei Alleintäterschaft aus dreierlei Gründen unzutreffend:59 a) Funktionsbedingte Erheblichkeit der Kenntnisse (Unterscheidung zwischen Irrtum und Unwissenheit) Strafrecht ist, sofern es Gesellschaft darstellt, ein kommunikatives Phänomen. Daher besteht es aus Sinnbehauptungen, welche nur dann zustande kommen können, wenn eine Selektion sinnhafter bzw. kommunikativ erheblicher Vorgänge durchgeführt worden ist (das System also ausdifferenziert ist). Die Selektion von strafrechtlich erheblichen Störungen erfolgt durch eine spezifische Zurechnung.60 Zurechenbare Ereignisse sind demnach sinnhafte Ereignisse innerhalb strafrechtlicher Kommunikation.61 Die dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Stand entsprechende Zurechnung soll das Schuldprinzip wahren, weshalb normativ relevante Störungen nur durch die Objektivierung einer falschen Haltung zur Norm gebildet werden.62 In diesem Sinne sind die strafrechtlichen Institutionen, und nicht zuletzt die individuelle Vermeidbarkeit, funktionell aufzufassen: Sie sollen nämlich dazu dienen, diese Objektivierungen nach der gesellschaftlichen Konstitution und den davon abgeleiteten Bedürfnissen strafrechtlicher Zurechnung zu umschreiben, sowie die Personalisierung der Zurechnung zu ermöglichen. Zielt das Strafrecht auf die Gewährleistung hinreichender Rechtstreue ab, so stellen Vorsatz und Fahrlässigkeit, als Modalitäten der Handlungssteuerung, Indizien für den Mangel an Normbefolgungsbereit59 Im folgenden wird die Problematik aus der Perspektive des Systems „Gesellschaft“ analysiert, was jedoch keinen Ausschluß eines ebenso möglichen Zugangs durch das Subjekt zu bedeuten hat. Zur gegenseitigen Abhängigkeit beider Perspektiven s. Jakobs, Festschrift für Hirsch, S. 51 f. 60 Inwieweit sie, nicht nur im strafrechtlichen Bereich, von der Kontingenz gesellschaftlicher und aktuell bestehender Zurechnungsverhältnisse abhängig ist, zeigt etwa W. Lübbe, S. 25 ff. 61 Zur objektiven Zurechnung als Lehre von der Verhaltensbedeutung s. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 9 ff., 33 ff. 62 Also interessieren hier weder Störungen des Rechtsgutsbestands (kausaler Handlungsbegriff) noch der Rechtsgutssicherheit (kausale Versuchstheorien) noch allein Rollen- oder Standardverletzungen (sozialer Handlungsbegriff): Vgl. Jakobs, AT 6/25. Der Inhalt des Schuldprinzips wird wiederum durch die gesellschaftliche Konstitution bestimmt, und zwar sowohl im Positiven als auch im Negativen: a) Sofern es sich um das Schuldprinzip einer entzauberten Welt handelt, läßt es entlastende Wirkungen für Wissensfehler zu: Durch die Vermeidbarkeit werden die Grenzen der Instrumentalisierung der Natur in die Zurechnung eingeführt (Jakobs, in: Neumann/Schulz [Hrsg.], Verantwortung in Recht und Moral, S. 67); b) Sofern es sich um das Schuldprinzip einer normativ „schwachen“ Gesellschaft (ihre Normen können nicht fugenlos begründet werden) handelt, muß es die normative Struktur der Gesellschaft durch Ablehnung einer Entlastung wegen Wollensfehler – d. h. durch Standardisierung der Normbefolgungsbereitschaft – gegen abweichende Entwürfe behaupten können (hierzu Jakobs, in: Neumann/Schulz [Hrsg.], Verantwortung in Recht und Moral, S. 68).

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schaft dar.63 Dies bedeutet, daß es bei der subjektiven Zurechnung auf das Vorhandensein einer gesellschaftlich standardisierten Antriebssteuerung64 ankommt, das durch die Modalitäten der Handlungssteuerung65 (u. a. die Erscheinungsformen individueller Vermeidbarkeit) indiziell erschlossen wird.66 Wenn demnach das Delikt als „individueller Sinnausdruck“ charakterisiert wird, dann insofern, als es einer Verständigung darüber, (1) was im strafrechtlichen Sinne ein Subjekt ist und (2) wann es für die Folgen seiner Organisation zuständig ist, entspricht: (1) Einen Teil des strafrechtlichen Verständnisses dessen, was ein Subjekt überhaupt ist, bildet die Anerkennung des Anspruchs auf Selbstverwaltung. Subjektive Zurechnung ist i. d. S. die strafrechtliche Spiegelung des Anspruchs auf Verhaltensfreiheit im sozialen Kontakt. Deshalb entsprechen die Kriterien subjektiver Zurechnung einer zugeschriebenen „Selbstverwaltung“,67 einem Modus „dezentraler Organisation“68 der Gesellschaft. Genau wie ein solcher, durch die gesellschaftliche Struktur anerkannter Anspruch nicht immer auf dem aktu63 Die Steuerungsmerkmale der Handlung werden unter dem Aspekt der Vermeidbarkeit ins Strafrecht eingeführt. Das heißt nicht etwa, daß eine Begriffsbestimmung von Vorsatz und Fahrlässigkeit anhand schlicht steuerungsrelevanter Faktoren nicht vollzogen werden könnte. Aber die Notwendigkeit, die strafrechtliche Verbindlichkeit einer solchen Begriffsbildung, ergibt sich erst aus dem Zweck der entsprechenden Verhaltensnorm (vgl. Jakobs, Festschrift für Welzel, S. 314 f.). Zielt die Norm z. B. nicht auf die Einstellung zum Erfolg ab, dann gehört diese auch nicht der Begriffsbestimmung an. Dasselbe gilt für die tatsächlich vorhandenen Kenntnisse: Wird diese Tatsache ohne weiteres als maßgebend betrachtet, dann sollen sich auch die dogmatischen Folgerungen darauf ausrichten. Das ist jedoch nicht der Fall, wie § 17 StGB beweist. 64 Insofern sind die Verhaltensnormen keine Motivationsnormen, sondern Bewertungsnormen: Sie „leiten nicht Verhalten, sondern deuten es als zu einer Ordnung gehörend oder nicht“ (Jakobs, NPG, S. 54). Das gilt jedoch m. E. nicht nur unter der Prämisse, daß sich Person und Gesellschaft gegenseitig konstruieren, sondern auch wenn man nur annimmt, daß die Rechtsordnung die individuelle Konstitution des ontologisch vorgegebenen Subjekts nicht thematisieren soll. 65 Sie werden nicht standardisiert, aber auch nicht – ihrer funktionsbedingten Definition wegen – psychologisiert. Kenntnis und Unkenntnis als subjektive psychische Facta sind i. d. S., wie übrigens die Kausalität, äußere – nach geltendem Schuldprinzip notwendige aber nicht alleinige – „Träger der [sozialen] Verhaltensbedeutung“ (Jakobs, in: Neumann/Schulz [Hrsg.], Verantwortung in Recht und Moral, S. 67). Die Lagebeurteilung bei der Verbrechensfrage (nicht etwa bei der Beurteilung der Notstandslage beim aggressiven Notstand) erfolgt beispielsweise immer aus der Perspektive des Täters, aber eben als Person und nicht als Individuum, weshalb z. B. abergläubische und andere von einer normalen Sozialisierung abweichende Vorstellungen ausgeklammert werden müssen: dazu Jakobs, Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, S. 277 ff.; ders., Festschrift für Hirsch, S. 57, ders. Handlungsbegriff, S. 39 f. 66 Vgl. Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 642: „Daß der Einzelne (. . .) ob er will oder nicht, als rechtstreue Person konstituiert wird, hat zur Folge, daß das strafrechtliche Zurechnungsmodell irreduzibel normativ ist“. 67 Jakobs in: Neumann/Schulz (Hrsg.), Verantwortung in Recht und Moral, S. 68. 68 Vgl. Jakobs, Handlungsbegriff, S. 38; Müssig, S. 177 ff. (180).

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ellen Wissen über alle Umstände des Verhaltensvollzugs beruht, hört auch die Anerkennung der Selbstverantwortung bei aktueller Unkenntnis nicht stets auf.69 Daraus folgt, daß sich die belastende Wirkung subjektiver Zurechnung auch auf das Nicht-aktuell-Bewußte (aber individuell erkennbar: sonst lebt die entlastende Wirkung wieder auf) erstreckt. (2) Ebenfalls beachtet werden soll der Aspekt der Ansprüche der Gesellschaft an die Person, um die gesellschaftliche Verständigung über die Zuschreibung von Zuständigkeit begreiflich zu machen. Die Aufteilung von Zuständigkeiten, wenngleich immer auf der Basis der Grundrolle des Bürgers, soll dazu dienen, die Institution der Handlungsfreiheit und Folgenverantwortung zu bewahren. Nicht weniger aber auch nicht mehr. Deshalb nimmt ein Strafrecht, das sich seiner Grenzen bewußt ist, nicht den Menschen in den Blick, sondern nur die Person nebst ihrer Fähigkeiten zur Handlungssteuerung, während die Antriebssteuerung ihr als ihre eigene Angelegenheit überlassen wird.70 Der Norminhalt muß dementsprechend weder internalisiert, noch muß ihm zugestimmt werden. Es kommt nur darauf an, daß das tatbestandlich zu vermeidende und zugleich individuell Vermeidbare in der Tat vermieden wird.71 Daher besteht u. a. keine Pflicht, sich bestimmte Kenntnisse anzueignen; entscheidend ist vielmehr, daß die Person eine hinreichende Motivation zur Rechtstreue aufweist, wobei das Erlangen von Kenntnissen eine Möglichkeit zur Vermeidung darstellen kann.72 Was auf diese Weise unterstellt wird, ist nämlich die Normbefolgungsbereitschaft, für deren Vorhandensein jeder kompetent ist, solange er einen Anspruch auf Selbstverwaltung erhebt. Subjektive Zurechnung ergibt sich also aus der Nichtvermeidung des individuell Vermeidbaren. Ob die zur Handlung gehörenden Bedingungen der Vermeidung als Erkenntnis des Verhaltensvollzugs und ggf. seiner Folgen (Vorsatz) oder als individuelle Erkennbarkeit (Fahrlässigkeit) erscheinen, ist bei der Konstitution des Unrechts eine untergeordnete Frage. Der Oberbegriff ist jedenfalls die individuell vermeidbare Tatbestandsverwirklichung. So heißt es bei Jakobs: „Die Fahrlässigkeit mit ihren positiven Merkmalen [ist] gegenüber dem Vorsatz der generellere Begriff (. . .) Vorsatz wie Fahrlässigkeit sind Formen der Vermeid69 Vgl. aber Köhler, AT, S. 172 f.; Zaczyk, S. 62. Dazu Jakobs, Festschrift für Hirsch, S. 48. Im Sinne des Textes Schumann, Selbstverantwortung, S. 94 f. 70 Das kann auch deswegen nicht anders sein, weil die Bereitschaft zur Normbefolgung nicht zugleich Inhalt der Norm sein kann, denn eine solche Bereitschaft bezieht sich schon auf die Norm (vgl. Jakobs, Festschrift für Welzel, S. 308, 313). Beim sog. Verbotsirrtum mag es sich wiederum anders verhalten, denn hier können die Anerkennung des Geltungsgrunds des positiven Rechts und die Unkenntnis seines gegenwärtigen Inhalts auseinander fallen. 71 Vgl. Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 640 f. 72 Hierzu Jakobs, Studien, S. 43: „Das Vermeidemotiv setzt keine Folgenkenntnis voraus, sondern ist selbst der Antrieb, Folgenkenntnis als psychische Voraussetzung der Folgenvermeidung zu erlangen“.

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barkeit; beide sind auch durch die Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung bestimmt; beim Vorsatz ist die Erkennbarkeit zur Kenntnis entfaltet, bei der Fahrlässigkeit nicht“.73 Daher ist auch „das Fehlen von Kenntnis bei der Fahrlässigkeit kein sachhaltiges, sondern nur ein abgrenzendes Merkmal“.74 Wenn Kenntnisse eine Rolle bei der Zurechnung spielen, dann im Rahmen einer funktionsbedingten und mithin normativen Bewertung ihrer Relevanz, wie die Regelung des § 17 StGB – des Verbotsirrtums, wo die Normativierung bereits weitgehend durchgeführt worden ist – erkennen läßt: Nicht die Unwissenheit, sondern der normativ definierte Irrtum entlastet.75 73 Jakobs, AT 9/4, 9/13, 6/27. Tatbestandsverwirklichungen sind demnach nicht hauptsächlich fahrlässig oder vorsätzlich, sondern in erster Linie vermeidbar (wobei Fahrlässigkeit als Genus und Vorsatz als Spezifikum die Vermeidbarkeitsformen darstellen). Das hat u. a. zur Folge, daß eine Verurteilung wegen einer fahrlässigen Tat durchaus möglich ist, wenn im Prozeß zwar nicht die Kenntnis, aber doch die Erkennbarkeit nachweisbar ist (ähnlich Puppe, AT 15/4, 21/1). Vgl. auch Binding, Normen IV, § 303 und Seebald, GA 1964, S. 168 f., der sich auf die Bedeutung der Beteiligungsformen im sozialen Leben des Alltags beruft, wobei Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht maßgeblich seien. Freilich ist es nach seiner Auffassung nur de lege ferenda möglich, nicht-täterschaftliche (straffreie) Beteiligungsformen im Fahrlässigkeitsbereich anzuerkennen. 74 Jakobs, AT 9/4. Eine dogmatische Erklärung der unterschiedlichen Strafrahmen für fahrlässige und vorsätzliche Straftaten gehört demnach dem Schuldvorwurf an, denn es mag sein, daß der vorsätzliche Täter der Vermeidung zwar näher ist als der fahrlässige Täter. Darauf kommt es aber bei der Konstitution des Erklärungswerts des Normbruchs – der Tatbestandsverwirklichung – nicht an, denn die Vermeidbarkeit stellt auf den Mangel an Rechtstreue ohne dessen motivatorischen Grund ab, weshalb Motivation und Gegenmotivation die Vermeidbarkeit weder steigern noch mindern können (hierzu Jakobs, Festschrift für Welzel, S. 321). Daß, auf der anderen Seite, meistens nur vorsätzliche Taten bestraft werden, läßt sich anhand des Zusammenhangs von Zweck der Strafe und Zurechnung zur Schuld erklären: Bei Fahrlässigkeit ist der Konflikt z. T. auf andere Weise erledigt (poena naturalis), d. h. das Recht kann sich gestatten, von diesen (ebenfalls vermeidbaren) Taten bereichsweise abzusehen. Das alles hat jedoch mit der Konstitution des Unrechts eher wenig zu tun; jedenfalls ergibt sich daraus nicht, daß Straftaten in fahrlässige und vorsätzliche Taten zu teilen seien, wie sie nicht in mehr oder weniger zumutbare Taten zu teilen sind. 75 Zum Unterschied zwischen entlastendem Irrtum und belastender Unwissenheit s. Jakobs, ZStW 114 (2002), S. 584 ff. Zur funktionsbedingten Definition des Irrtums s. auch dens., Schuldprinzip, S. 14, 17, 19 ff. Aus den soeben genannten Gründen werden die gesellschaftlichen Erwartungen weder bei Vorsatztaten noch bei Fahrlässigkeitstaten bloß kognitiv, sondern stets unter normativen Vermittlung gesichert. Der, wenn man es so will, nur „mittelbare“ Widerspruch der Norm bei ungerichteter (d. i. nicht auf Gleichgültigkeit beruhender) Fahrlässigkeit bleibt seinerseits auf der Ebene der Bedeutung der Strafe ein normativer Widerspruch (vgl. Jakobs, Staatliche Strafe, S. 26 ff. und passim). Die Strafe ist im Fahrlässigkeitsbereich nicht die Antwort auf die Mißachtung von Naturgesetzen, sondern die Antwort auf die Erklärung des Täters, er dürfe gefährdend organisieren, solange die ausgelösten Folgen ihm ganz oder teilweise unerkannt bleiben (zu dem Normbruch – Mißachtung der gesellschaftlichen Gestalt – bei ungerichteter Fahrlässigkeit s. Jakobs, in: Neumann/Schulz [Hrsg.], Verantwortung in Recht und Moral, S. 59 f.). Wenn also durch die Strafe bewirkt wird, daß der Täter die Naturgesetze beherzigt, dann erfolgt dies nur aufgrund ihrer Funktion als Anwendungsbedingungen der Norm, d. h. mittels der Norm, partizipatorischer Weise.

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b) Reichweite des Vorwurfs Die Begründung der Zuständigkeit mit Hilfe der Kenntnisbedingungen führt zu einer Verquickung zweier unterschiedlicher Zurechnungsebenen, deren Auswirkungen im Bereich der mittäterschaftlichen Haftung (insb. bezüglich des Versuchsbeginns) bereits im ersten Teil angesprochen worden sind: Wollte man die individuellen Kenntnisbedingungen in die Kriterien objektiver Zurechnung mit einbeziehen, so daß diese die Schranken der jeweiligen Risikozuständigkeiten u. U. überspringen könnten,76 dann gingen auch sämtliche Errungenschaften der objektiven Zurechnungslehre verloren. Die Frage nach der subjektiven Zurechnung tritt demgegenüber nur in Verbindung mit einer objektiv erheblichen Störung auf77 und darüber hinaus nur in bezug auf denjenigen, der für sie zuständig ist (bei Zuständigkeit des Opfers wird z. B. nach der subjektiven Seite des Tätersverhaltens nicht gefragt). Wer etwa einen Lichtschalter betätigt, mit dem ein Terrorist eine Höllenmaschine unerkennbar gekoppelt hat, bleibt am Attentat nicht etwa deswegen unbeteiligt, weil er sich irrt und der Hintermann über ein überlegenes Wissen verfügt, sondern weil die Betätigung des Lichtschalters unter normalen Bedingungen ein durchaus erlaubtes Verhalten darstellt.78 Erst im Zusammenhang einer objektiv erheblichen Störung rechtfertigt sich die Untersuchung der Bedingungen motivationeller Vorgänge. Letzteres ist die Folge eines am Schuldprinzip orientierten Strafrechts, das zur Personalisierung der Zurechnung führt. Eine vollständige Standardisierung Insofern kommt der Strafe auch eine kognitive Stabilisierungsfunktion zu: Die Strafe soll einerseits verhindern, daß der Täter selektiv lernt (hierzu Jakobs, ZStW 101 [1989], S. 531 ff.); andererseits muß sie der Erhaltung „wirklich orientierender Normgeltung“ dienen (s. dens., Staatliche Strafe, S. 31). Diese Funktion darf sich nur im Rahmen des von der Bedeutung der Strafe Erfaßten – der Reaktion auf die vom Täter zurechenbar hervorgerufene Gefährdung der Normgeltung – vollziehen. Handelt es sich um weitere sozialpsychische Folgen, welche die Normanwendungsbedingungen nicht betreffen, aber an die Strafe durchaus anknüpfen könnten (etwa abschreckende Wirkungen), dann geht es nicht mehr um Strafe, sondern evtl. um Maßnahmen. 76 Wie wenn man (etwa beim Imperativismus) die Normadressatsqualität unmittelbar von dem naturalistischen Kausalwerden und dem Wissen über die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung ableitet. 77 Die Externalisierung einer rationalen (d. h. nicht abergläubische oder auf sonst andere Weise dem allgemeinen Weltbild widersprechende) Vorstellung des Täters macht andererseits schon eine Objektivierung aus; darin liegt der Unterschied zwischen untauglichem Versuch und Wahndelikt: Beim Letzten fehlt es an jeglicher kommunikativer Relevanz des Verhaltens, so daß es vom Tatbestand nicht erfaßt wird (s. Jakobs, Gedächtnisschrift für Arm. Kaufmann, S. 287 mit Anm. 32, aber auch S. 274 f., 279 ff.). 78 A. A. Roxin (Täterschaft, S. 170), der in solchen Fällen auf die finale Überdetermination des Kausalverlaufs vom Hintermann abstellt; s. dazu Jakobs, GA 1997, S. 559. Weiß aber der Vordermann vorher um die Höllenmaschine und betätigt er aufgrund dieser Kenntnis (Einsatz eines Sonderwissens) den Schalter, dann verändert er den Kontext durch Einbringen von Sonderwissen. In diesem so neugestalteten Kontext ist ihm die Tat zuzurechnen, denn sein Verhalten wird als „Beitrag“ gedeutet.

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der Verantwortung durch Partialrollen würde nämlich nach heutigem Verständnis des Schuldprinzips nicht dem expressiven Gehalt der Strafe entsprechen.79 Denn bei einer personalisierenden Zurechnung soll die Strafe nicht nur eine Mißbilligung des Normbruchs in bezug auf eine bestimmte Rolle, sondern auch eine möglichst umfassende Distanzierung vom Täter zum Ausdruck bringen.80 Da also der Vorwurf, der sich aus der Feststellung des Mangels an objektiver Rechtstreue ergibt, nicht lediglich den Rollenträger betrifft, muß eine Rückführung dogmatischer Begriffe auf den strafrechtlichen Zweckzusammenhang (d. i. eine Normativierung) bei der subjektiven Zurechnung darauf abstellen, daß die Gesellschaft den Täter in seiner Grundrolle als (rechtstreuer) Bürger, als Person,81 bestrafen will. Die Mindestvoraussetzung für rollenübergreifende Zurechnung ist jedoch die individuelle Vermeidbarkeit. Denn das Recht muß auch den Bedingungen der Rechtstreue Rechnung tragen. Bei der Untersuchung motivationeller Vorgänge werden demnach keine Kenntnisse bzw. Fähigkeiten fingiert: Die Verbrechensfrage wird, bildlich gesprochen, aus der Sicht des Täters beantwortet.82 Aus diesem Grund ist das strafrechtlich spezifische Unrecht das individuell vermeidbare Unrecht83 und deshalb geht es bei der subjektiven Zurechnung eigentlich um zwei verschiedene Fragen: Zum einen wird nach einer objektiven (standardisierten) Normbefolgungsbereitschaft (der Wille zur Normbefolgung) gefragt, welche sowohl qualitativ (ihr Vorhandensein) als auch quantitativ (ihre Intensität) zu konstatieren ist. Da eine hinreichende Rechtstreue beim Bürger unterstellt wird, bildet jeder Mangel in diesem Bereich ein Defizit. Das ist die personale Seite subjektiver Zurechnung. Zum anderen wird danach gefragt, was aus dieser Rechtstreue werden kann, d. h. nach der Leistungskraft bei untersteller optimaler Rechtstreue. Da hier die Grenzen der Handlungssteuerung einbezogen werden, stellt nicht jeder Mangel ein Defizit dar. Vielmehr kommt dabei das 79 Abgesehen davon, daß ein Rollenwechsel im sozialen Leben geläufig vorkommt (Jakobs, ZStW 101 [1989], S. 519). 80 Jakobs, in: Witter (Hrsg.), Der psychiatrische Sachverständige, S. 275. 81 Vgl. Jakobs, in: Neumann/Schulz (Hrsg.), Verantwortung in Recht und Moral, S. 67. 82 Wobei jedoch das Wort „Sicht“ im beschränkten Sinne zu verstehen ist: Die Gesellschaft kann sich nur im Bereich der Wissensfehler eine solche Subjektivierung leisten: vgl. Jakobs, Schuldprinzip, S. 21, 23 ff. und dens. ZStW 101 (1989), S. 524 ff. 83 Hierzu Jakobs, Schuldprinzip, S. 14 und passim; ders. in: Witter (Hrsg.), Der psychiatrische Sachverständige, S. 274 f. Dabei ist für die hier aufgeworfenen Fragen m. E. nicht maßgebend, ob das Schuldprinzip auf einer vorrechtlichen Struktur (etwa Verhaltensfreiheit) beruht – dann wäre die Individualisierung das Ergebnis einer Analyse des geistigen Vermögens des Täters im konkreten Fall – oder dagegen nur einer gesellschaftlichen Funktion unterliegt (weil etwa das Beharren auf der Rollentrennung disfunktional für die Gesellschaft wäre) – dann wäre die Individualisierung die einzige Möglichkeit, einen rollenübergreifenden Vorwurf zu begründen. In beiden Fällen ist jedoch nicht der Rollenträger, sondern jeweils das Individuum oder die Person der Adressat des Vorwurfs.

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Individuelle (Fähigkeiten, Kenntnismöglichkeiten) negativ zum Tragen: Vermeidbarkeit schlechthin, d. i. Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung als vermeidbare Folge des Verhaltens,84 ist deshalb Voraussetzung subjektiver Zurechnung, wobei die konkreten Erscheinungsformen einer bestehenden Erkennbarkeit (Entfaltung der Erkennbarkeit zur Kenntnis oder nicht: Vorsatz oder Fahrlässigkeit) keine Voraussetzungen, sondern Indizien in bezug auf den Mangel an Rechtstreue bilden. Das ist die individuelle Seite subjektiver Zurechnung, die sog. individuelle Vermeidbarkeit. Aus dieser Perspektive (Rechtstreue nebst ihrer Voraussetzung, der individuellen Vermeidbarkeit) versteht sich auch, daß der subjektiven Zurechnung sowohl eine entlastende als auch eine belastende Funktion zukommt: (i) Der individuelle Aspekt subjektiver Zurechnung wirkt entlastend, wenn der Täter mangels individueller Fähigkeiten (etwa weil er sich in unvermeidbarem Irrtum befindet) den Anforderungen einer Rolle nicht nachkommen kann (und dann muß er ggf. auf die Übernahme dieser Rolle verzichten oder eine diesbezügliche Fremdverwaltung akzeptieren); (ii) Die personale Seite subjektiver Zurechnung wirkt dagegen nur belastend, denn das Pendant des Anspruchs auf Selbstverwaltung ist die standardisiert aufgefaßte Rechtstreue. Die belastende Wirkung personaler Zurechnung liegt darin begründet, daß das Recht die Rechtstreue unterstellt bzw. nicht thematisiert, solange die Anwendungsbedingungen der Norm vorhanden sind. Sofern also die individuelle Seite die subjektive Zurechenbarkeit nicht von vornherein ausschließt, findet subjektive Zurechnung statt, und zwar ohne Rücksicht auf die Motivationen zur Normbefolgung. Kurz: Wenn die Anwendungsbedingungen der Norm vorhanden sind (individuelle Seite), ist das deliktische Verhalten der Ausdruck eines Defizits, nämlich dergestalt, daß die als vorherrschend unterstellte und durch das Strafrecht zu gewährleistende Normbefolgungsbereitschaft nicht bzw. nicht hinreichend vorhanden ist. Die subjektive Zurechnung unterscheidet sich demnach von einer auf Rollen beschränkten (und insofern objektiven) Zurechnung auf zweierlei Weise: Zunächst einmal, indem sie eine Personalisierung der Zurechnung einführt. Während sich die objektive Zurechnung auf den Rollenträger bezieht, trifft die subjektive Zurechnung die Person. Wie Jakobs schreibt, schließt die subjektive Zu84 Hierzu Jakobs, Studien, S. 39: „Das die Vorsatzformen einigende Band ist nicht das Wollen – es findet sich als ausgezeichneter psychischer Befund nur bei der Absicht und auch dort nur bei extensiver Begriffsbildung – noch die Voraussicht allein – nicht jeder vorausgesehener Erfolg ist überhaupt vom Subjekt bedingbar und vermeidbar –, sondern die Kenntnis der Abhängigkeit des Erfolges vom eigenen Wollen. Kein Erfolg ist gesteuert, weil er gewollt ist, sondern weil er als gewollter Erfolg vermeidbar ist, und kein Erfolg ist bewußt steuerbar, weil er vorausgesehen wird, sondern weil er als vermeidbarer Erfolg vorausgesehen wird. Der Gegenstand der für den Vorsatz bedeutsamen Kenntnis ist also die Vermeidbarkeit des Erfolges“. Bei Fahrlässigkeit ist nur die Erkennbarkeit nicht zur Kenntnis entfaltet.

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rechnung die Möglichkeit aus, „das Versagen des Täters und seine rechtliche Abwertung auf den Bereich einer Rolle zu begrenzen; vielmehr hat der Täter in den Teilen versagt, die allen seinen Rollen gemeinsam sind, und dementsprechend wird er rollenübergreifend abgewertet“.85 In diesem Sinne ist der Vorwurf persönlicher Art. Auf der anderen Seite setzt subjektive Zurechnung eine Individualisierung voraus, was zu einem individuellen Vorwurf führt.86 Diese Voraussetzung subjektiver Zurechnung wird als Vermeidbarkeit bezeichnet und berücksichtigt die individuelle Möglichkeit der Normbefolgung bei unterstellter Normbefolgungsbereitschaft. Der Unterschied zwischen objektiver und subjektiver Zurechnungsebene tritt damit deutlich hervor: Während sich die Feststellung der Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung – was geht den Täter etwas an, welche Konstellationen kommen für die Zurechnung überhaupt in Betracht – auf der Ebene der durch Rollentrennung charakterisierten, objektiven Zurechnung bewegt, vollzieht sich der Vorwurf, welcher der subjektiven Zurechnung eigen ist, auf der Ebene einer rollenübergreifenden Abwertung.87 Da diese wiederum nur insofern durchzuführen ist, als individuelle Vermeidbarkeit gegeben ist, ist dieser Vorwurf nicht nur persönlicher, sondern speziell persönlicher, individueller Art.88 85 ZStW 101 (1989), S. 519. Vgl. auch Jakobs, Schuldprinzip, S. 21; ders. AT 6/ 24: Das „Versagen beruht bei individueller Vorwerfbarkeit nicht nur auf den Indentitätsmerkmalen eines Rollenträgers, sondern betrifft auch den Teil des Subjekts, der bei verschiedenen Rollen die Einheit des Täters stiftet, also die rollenunabhängigen Indentitätsmerkmale“. Ferner ders. in: Witter (Hrsg.), Der psychiatrische Sachverständige, S. 274 f., 284. 86 Dieser Ausdruck kann nur insofern mißverständlich sein, als der Ausdruck „subjektive Zurechnung“ mißverständlich ist. Es handelt sich nämlich nicht um eine Subjektivierung – die Geltung der Norm hängt nicht davon ab, daß sie vom Täter in seinem Selbstbezug anerkannt wird –, sondern um die Berücksichtigung der Grenzen der Instrumentalisierung von Natur. Deshalb geht es um eine „speziellere (zum Bürger konkretisierende) Personalisierung“ der Zurechnung (Jakobs, in: Neumann/Schulz [Hrsg.], Verantwortung in Recht und Moral, S. 68). 87 Wollte man etwa mit Küpper (Grenzen, S. 93) behaupten, daß die objektive Zurechnung schon ein Bestandteil des (finalen) Handlungsbegriffs in dem Sinne sein soll, daß die Zurechnungsregeln des Vorsatzdelikts gegenüber der objektiven Zurechnung vorrangig sein müssen, da nur auf diese Weise die Tat als („objektiv“ beherrschbares) Werk des Täters bezeichnet werden könne, dann ergeben sich Schwierigkeiten bereits in bezug auf die Bestimmung des Sonderwissens bzw., in der Terminologie von Hirsch, der nicht-nur-generellen-Vorstellung (LK-Hirsch, Vor § 32, Rn. 32). Nimmt man dabei eine Perspektive ein, die vom Wissenshorizont des Täters z. T. abweicht, dann dringt man in die Domäne der objektiven Zurechnung ein, selbst wenn sie als „objektive Beherrschbarkeit“ bezeichnet wird. Wie übrigens die Konstellationen von Regreßverbot (Ausschluß akzessorischer Verantwortung) und Handeln auf eigene Gefahr beweisen, ist der Verzicht auf normative Bestimmungen undurchführbar (dazu Jakobs, Festschrift für Hirsch, S. 53 f.). 88 Das wird spätestens bei der Analyse des untauglichen Versuchs unverkennbar: Wenn der Täter eine bestimmte Gefahr individuell erkennen kann und muß, belasten ihn seine kommunikativ relevanten, aber im konkreten Fall doch irrigen Vorstellungen, solange sie die Handlungsgestalt als unerlaubt riskant erscheinen lassen (vgl. Jakobs,

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Das Ergebnis ist also beinahe trivial: Aus einer individuellen Vermeidbarkeit entsteht nur ein ebenfalls individueller Vorwurf. c) Notwendige Normativierung und extensive Norminterpretation beim Kenntnisprinzip Das Abstellen auf die Kenntnisbedingungen bei der Zuständigkeitsbegründung kann außerdem – wie oben dargestellt – auf ein bestimmtes Maß an Normativierung nicht verzichten. Dennoch führt eine solche Halbnormativierung zu unbefriedigenden Ergebnissen. Am Beispiel Nowakowskis:89 Wenn das Verhalten des Vermieters aufgrund der Kausalverknüpfung mit dem Erfolg in Betracht gezogen wird und anhand des Kenntnisprinzips seine tatherrschaftsbegründende Wirkung bejaht werden muß, dann heißt das: (i) Wer, aus welchem Grund auch immer, über bestimmte, in bezug auf den unmittelbar Handelnden überlegene Kenntnisse verfügt, muß diese Kenntnisse zur Vermeidung mißbilligter Folgen einsetzen. Tut er es nicht, dann erwirbt er durch Setzung einer beliebigen Erfolgsbedingung die Tatherrschaft;90 (ii) Wenn der Akteur die Risikolage nicht vollständig erkannt hat, kann er durch die Statuierung der Pflicht, das Erkennbare erkennen zu müssen, ebenfalls zur Verantwortung gezogen werden (und zwar als fahrlässiger Täter: die Untermieterin).91 Kenntnisprinzip heißt also ebenfalls Setzung bestimmter normativer Maßstäbe. Es verhält sich allerdings so, daß das Abstellen des normativen Anspruchs auf Kenntnisse schlechthin, d. h. ohne normative Vermittlung, übermäßige Anforderungen stellt, die nur dadurch abgemildert werden, daß das Verhalten des Täters als kausal für den Erfolg betrachtet werden kann. Auf der anderen Seite wird dieser Gedankengang durch die überwiegende Auslegung der Gesetzlage untermauert. Wenn nur ein vorsätzlicher Beitrag zu einer ebenfalls vorsätzlichen Tat als Beteiligung in Frage kommt (wenn also der Mangel an ausdrücklicher Regulierung fahrlässiger Teilnahme zu dem Schluß führt, daß es eine akzessorische Verantwortung im Fahrlässigkeitsbereich überhaupt nicht gibt), dann kann der Hintermann nur unter der Bedingung bestraft werden, daß er als Alleintäter (d. i. als mittelbarer Täter, als verantwortlich ohne Akzessorietät etc.) betrachtet wird.92 Das Kenntnisprinzip ermöglicht also die strafrechtliHandlungsbegriff, S. 38). Solche Vorstellungen sind jedoch nicht in der Lage, ein Beteiligungsverhältnis herzustellen, wie sich aus der Behandlung des agent provocateur ergibt. 89 s. o. Anm. 56. 90 So Roxin, Täterschaft, S. 178. 91 Dadurch wird jedoch in bezug auf manche Konstellationen eine Art „objektiver“ Fahrlässigkeit dargetan, deren Funktion sich mit den Standards objektiver Zurechnung deckt: Sie wäre also bestenfalls überflüssig, wie übrigens auch ein „objektiver Vorsatz“ überflüssig wäre (vgl. Jakobs, AT 9/13).

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che Verantwortung. Dieses Ergebnis wird jedoch mit hohen Verlusten erkauft, nämlich durch die Annahme einer subjektiven Mitbegründung des Unrechts als Korrektiv einer zugrundeliegenden kausalen Unrechtsbegründung. Das Abheben auf das Kenntnispinzip setzt eine Interpretation der Norm voraus, nach der alles Vermeidbare von der Norm erfaßt wird. Wenn man z. B. den Fall dahingehend variiert, daß das Risiko nur aufgrund der hervorragenden Ausbildung des Vermieters im Bereich der Chemie erkannt wurde, dann hätte er ebenfalls das Hinreichen des Glases unterlassen müssen, um sich der Bestrafung als (mittelbarer) Täter eines Totschlages zu entziehen. Demgegenüber führt das Verantwortungsprinzip zu einer restriktiven Norminterpretation, deren Produkt auch die Beschreibung des unerlaubt Riskanten, des Regreßverbots, des Ausschlusses des Opferhandelns auf eigene Gefahr und des Unglücks des Opfers enthält.93 Die Kriterien, anhand derer eine solche Interpretation operativ durchgeführt wird, bilden die Lehre von der objektiven Zurechnung. Mit Hilfe dieser Regeln wird die Grenze zwischen sozialer Normalität und möglichem deliktischen Sinn94 gezogen. Das heißt jedoch noch nicht, daß die objektive Ebene dem Subjektiven vorzuschalten wäre. Es verhält sich, beim Verzicht auf das Urteil einer Maßstabsperson, sogar umgekehrt: Ohne Bezug auf die individuelle Erkennbarkeit ist das zu beurteilende Geschehen noch nicht hinreichend konkretisiert. Freilich gibt die Erkennbarkeit als Bedingung der Vermeidbarkeit bei bestehendem Vermeiden-Sollen und nicht die Kenntnis (geschweige denn das zufällige Erkannt-Haben) als psychisches Faktum den Ausschlag.

92 Freilich kann diese Umdeutung nicht zu Ende gedacht werden, wie Jakobs hervorgehoben hat (GA 1997, S. 557 mit Anm. 16 und S. 569 f. mit Anm. 43). Das sachliche Beteiligungsverhältnis wird nicht nur bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sein, sondern auch bei der Bestimmung des Versuchsbeginns: „Wer dem aus belastenden Gründen Unaufmerksamen eine waffenscheinpflichtige Pistole (besondere Zuständigkeit!) leiht und – anders als der Entleiher – bedenkt, daß es wohl zu einer Verletzung kommen wird, ist de lege lata mittelbarer Täter einer Verletzung (Beteiligung scheidet nach der lex lata nun einmal mangels Vorsatzes des Ausführenden aus), setzt zu dieser aber nicht mit der Übergabe an, sondern beteiligt sich am (vorsatzlosen!) Ansetzen des Entleihers“ (GA 1997, S. 557, Anm. 16). 93 Jakobs, Festschrift für Hirsch, S. 59, der auch in diesem Zusammenhang folgende Worte Welzels (ZStW 58 [1939], S. 516) in Erinnerung bringt: „Der Sinn des Rechts besteht nicht darin, daß es von den unverletzt gedachten Rechtsgütern alle verletzenden Einwirkungen abwehrt, sondern daß es von den unzähligen Funktionen, in denen das Rechtsgut wirkend und leidend darinsteht, die für ein sittlich-geordnetes Gemeinschaftsdasein Unverträglichen auswählt und verbietet“. 94 Jakobs, GA 1997, S. 555. Der deliktische Sinn ist nur eine Möglichkeit, denn über die objektive Zurechnung hinaus müssen die Voraussetzungen subjektiver Zurechnung überprüft werden. Außerdem kann das zu beurteilende Geschehen ohne die subjektive Tatseite nicht vollständig bestimmt werden (s. sogleich im Text: A. II. 5).

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3. Anwendung auf die Problematik der gemeinsamen Zuständigkeit Das soeben Ausgeführte gilt auch für den Bereich des gemeinsamen Handelns. Eine Begründung der Zuständigkeit mit Hilfe eigener und fremder Kenntnisbedingungen scheitert an der funktionellen Unterscheidung zwischen Irrtum und Unwissenheit, am personalen Charakter des mit der subjektiven Zurechenbarkeit verbundenen integralen Vorwurfs und, schließlich, an der Unangemessenheit der Anforderungen, die sich aus einer unvollständigen Normativierung der Vermeidbarkeit ergeben. Hinzu kommen aber noch Argumente, die mit der Eigenart des gemeinsamen Handelns zu tun haben und anhand des hier thematisierten Beispielsfalls dargestellt werden können. Die erste Frage, die es bei einer vollständigen Normativierung der Beteiligungsverhältnisse zu beantworten gilt, ist die Frage nach der Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung. In unserem Fall geht es also darum, den Grund dafür herauszufinden, weshalb der Vermieter für die Tötung des Kindes überhaupt zur Verantwortung gezogen werden könnte. Mit anderen Worten, warum sein Kausalbeitrag und seine Kenntnisse über die Gefahrlage im strafrechtlichen Sinne erheblich sind. Entgegen der herrschenden Auffassung wird hier eine solche Erheblichkeit nicht vorausgesetzt. Vielmehr bedarf sie einer besonderen Begründung, denn nicht jede individuell vermeidbare Setzung einer Erfolgsbedingung stellt zugleich die Setzung einer mißbilligten Gefahr dar. Eine solche Begründung ist jedoch davon abhängig, ob das in Frage kommende Verhalten dem Muster des Alleinhandelns oder dem Muster des gemeinsamen Handelns entspricht. Beim ersten muß bereits das Verhalten isoliert betrachtet eine tatbestandliche (zumindest i. S. des Versuchs) Risikoschaffung bilden. Beim zweiten muß dagegen die Gesamttat, die als gemeinschaftlich zu deutende Fehlleistung, eine tatbestandliche Risikoschaffung ausmachen, wobei die Einzelbeiträge nur den Grund dafür bilden, die jeweiligen Akteure in die Gemeinsamkeit der Zuständigen für die Tatbestandsverwirklichung einzubeziehen.95 Die Frage aber, ob gemeinsames Handeln vorliegt, entscheidet sich nicht mit Blick auf das Individuum und auf die Norm, sondern auf die Personen, d. i. auf spezifische Regeln einer Sozialität;96 denn – wie noch im einzelnen darzustellen sein wird – in der Gesellschaft besteht sowohl eine verbindende als auch eine trennende Arbeitsteilung, deren Vorhandensein im konkreten Fall der individuellen Sinngebung der Akteure nicht überlassen worden ist.97 Zu den Grün95 Dieser Aspekt wird eskamotiert, wenn man die Verhältnisse in diesen Konstellationen nach dem Muster des Alleinhandelns zu erklären versucht: So z. B. Kindhäuser, Festschrift für Bemmann, S. 342 ff. Richtig ist jedoch bei Kindhäuser (Festschrift für Bemmann, S. 341, 343), daß gemeinsames und alleiniges Handeln strukturell unvereinbar sind. 96 Jakobs, in: Neumann/Schulz (Hrsg.), Verantwortung in Recht und Moral, S. 66.

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den, aus denen die Erheblichkeit der individuellen Kenntnisse bei der Einzelzurechnung nicht vorausgesetzt werden kann, kommt also beim gemeinsamen Handeln noch ein Grund hinzu: In einer durch anonyme Kontakte geprägten Gesellschaft bildet die verbindende Arbeitsteilung eine Ausnahme, und selbst wenn diese vorliegt, vollzieht sie sich nur bereichsweise. Geht man in Nowakowskis Fall davon aus, daß sowohl die Untermieterin als auch der Vermieter die Tatbestandsverwirklichung vermeidbar mitgestaltet haben und bejaht man die Zuständigkeit der Mutter für die Eingabe des Giftes, dann ist noch die Zuständigkeit des Vermieters zu begründen, die aber – wenn sie überhaupt vorliegt – eine alleinige oder eine gemeinsame sein kann. Warum sollte nämlich der Vermieter seine zufälligen Kenntnisse einsetzen? Wäre es eine Frage der Mindestsolidarität, dann käme nur § 323c StGB in Betracht. Wäre er institutionell verpflichtet, weil er etwa auch der Hausarzt der Untermieterin ist, dann verließe man den Bereich der Haftung kraft Organisation. Will man die Zuständigkeit aus dem tatsächlichen und (in diesem Kontext) zufälligen Vorhandensein der Kenntnisse entnehmen, so hätte man eine ebenfalls zufällige Zurechnung. Die Grundlage einer gemeinsamen Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung ist bereits in groben Zügen dargelegt worden und besteht darin, daß der Beitrag als ein auf die Tatbestandsverwirklichung zugeschnittenes Verhalten nach der Semantik des sozialen Kontaktes zu deuten ist; dies geschieht im Regelfall, wenn der Akteur dafür sorgt, daß sein Beitrag zu den Verhaltensweisen anderer Akteure mit Blick auf eine bestimmte Tatbestandsverwirklichung paßt, aber auch, wenn das Verhalten des Beteiligten einen deliktischen Sinn in bezug auf die einschlägige Tatbestandsverwirklichung durch den Zusammenhang erhält. In manchen Fällen kann dieser Zusammenhang durch bestimmte Normen standardisiert werden; in diesen Fällen weisen die jeweiligen Verhaltensweisen stereotyp einen deliktischen Sinn auf, solange die Verletzung etwa einer Aufbewahrungspflicht feststeht.98 Was die subjektive Tatseite anbelangt, sind die Kenntnisse des Akteurs nicht zufälliger Art, wenn sie in den konkreten Zusammenhang des Verhaltensvollzugs gehören, das heißt, wenn sie jedermann zugänglich sind und deshalb kein Sonderwissen bilden. Liefern diese Jedermannskenntnisse ein Bild der Lage, das seinerseits eine notstandsähnliche Konstellation aufgrund der Verhaltensweisen anderer erkennen läßt, dann finden die rechtlichen Prinzipien des Notstandes Anwendung und die Rolle als Bürger tritt in den Vordergrund.99 Das hat zur Folge, daß manche ansonsten „neutrale“ Handlungen einen deliktischen Sinn in Verbindung mit den nachfolgenden Verhaltensweisen erwerben und zur Beteiligung werden. Die Fragen aber, wann es sich um Sonderwissen handelt oder unter welchen Bedingungen eine für die 97 98 99

s. insb. dritter Teil, C. III. Näheres dazu im dritten Teil, C. I. 2. s. erster Teil, B. II. 4. d).

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Beteiligungsbegründung erhebliche notstandsähnliche Lage gegeben ist usw. lassen sich nur durch eine Interpretation der gesellschaftlichen Konstitution beantworten. Wenn die Rede von einer rechtserheblichen Herrschaft ist, dann hat das nicht zu bedeuten, daß eine solche Erheblichkeit allein aus normtechnischen Erwägungen zur Interpretation des abstrakten Tatbestandes – d. h. aus einer abstrakten Rechtlichkeit – gewonnen werden kann, selbst wenn sie zu einer „objektiven“ und durch Kommunikation vermittelten Verständigung über die physischen und psychischen Elemente einer Tat führt. Normativierung bedeutet auch einen Verweis auf die konkrete Verfaßtheit der Gesellschaft, die sich in den rechtlichen Institutionen widerspiegelt: Der deliktische Sinn eines Verhaltens hängt vom Verständnis der sozialen Normalität ab.100 Ob der Vermieter das Kind im Sinne der § 212, 25 Abs. 1 StGB getötet, einen untergeordneten Beitrag zu einer fahrlässigen Tötung geleistet (straflos: § 222, 27 StGB) oder lediglich den Tatbestand des § 323c StGB verwirklicht hat, läßt sich nur unter Berücksichtigung dieses Verständnisses bestimmen. Auf der anderen Seite können diese Fragen nicht ohne Bezug auf das Verhalten anderer Akteure geklärt werden. Der sozial verbindliche Sinn eines Verhaltens als Beteiligung hängt nicht nur davon ab, wie der einzelne dieses Verhalten deutet bzw. versteht (sprich: von der Beziehung Individuum-Norm), sondern in erster Linie davon, was für eine Bedeutung es nach dem zu erkennenden Kontext erhält, welcher auch durch das Verhalten anderer geprägt sein mag. Die Verhaltensweisen anderer entfalten indes keine i. d. S. prägende Wirkung, wenn und soweit sein Verhalten keinen erheblichen Sinnausdruck ausmacht.101 Deshalb gehört auch zur Feststellung der objektiven Gemeinsamkeit die Überprüfung, ob sie nicht deswegen auszuschließen ist, weil einer der Akteure nicht strafrechtserheblich agiert, und ggf. ein anderer diese Unerheblichkeit des Agierens zu verantworten hat.102 Die endgültige Bejahung eines Beteiligungsverhältnis auf der objektiven Ebene erfolgt also mitunter erst nach dem Ausschluß einer vorherrschenden Zuständigkeit eines Beteiligten, welcher für die Unzuständigkeit anderer einzustehen hat. Die allgemeine Regel ist jedoch bekanntlich – Prinzip der Selbstverantwortung, Regreßverbot – die Unzuständigkeit des Ersthandelnden für das Verhalten des Vordermannes, selbst wenn dieser sich irrt,103 und deshalb ist die Zuständigkeit des Hintermannes, wenn man es so 100

Jakobs, GA 1997, S. 554. Das geschieht bekanntlich auf der Ebene der objektiven Zurechnung aufgrund des Mangels an Zuständigkeit; auf der Ebene subjektiver Zurechnung, aufgrund der Unvermeidbarkeit oder der Schuldlosigkeit. 102 Zutreffend Kindhäuser, Festschrift für Bemmann, S. 342 f.: „Nach den Regeln der mittelbaren Täterschaft werden verantwortungsfreie Räume dergestalt geschlossen, daß eine Deliktskonstituente von demjenigen, dem sie nicht zurechenbar ist, auf denjenigen übertragen wird, der für sie einzustehen hat“. Wenn es um die „Deliktskonstituente“ Vermeidbarkeit geht, müssen jedoch einige Präzisierungen eingeführt werden: s. dazu soeben und sogleich im Text. 101

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will, eine auf besondere Begründung angewiesene Ausnahme. Eine solche Begründung ist auf zweierlei104 Weise zu leisten: (1) Aufgrund der obengenannten gemeinsamen Zuständigkeit für die Gesamttat. Dafür ist jedoch erforderlich, daß der Vordermann zumindest einen Rest von Sinn zum Ausdruck bringt: Das Verhalten muß vermeidbar gewesen sein. Wenn der Hintermann auf diese Weise für die Gesamttat unmittelbar zuständig ist, ist er auch für die (irrtumsbedingte) Teiltat des Vordermannes zuständig.105 Allein schließt diese Zuständigkeit des Hintermannes die jeweilige Zuständigkeit des Vordermannes nicht aus.106 Genauer: Die Zuständigkeit des Vordermannes muß 103 Vgl. etwa Schumann, Selbstverantwortung, S. 73 ff., 101. Hier kommt auch in Betracht, was in bezug auf den Anspruch der Person auf Selbstverwaltung bemerkt wurde; denn aus der Unverantwortlichkeit des Interaktionspartners darf nicht ohne weiteres auf die Verantwortlichkeit des autonom Handelnden geschlossen werden. Die Gefahr des Mißverständnisses besteht immer im Umgang mit dem Prinzip der Selbstverantwortung und kommt z. B. bei H. Jung (in: Eser/Huber/Cornils [Hrsg.], Einzelverantwortung, S. 190) zum Ausdruck: Seiner Meinung nach schließt die Betonung des Freiheitsaspekts „natürlich“ ein, daß das Strafrecht dann gefordert sei, „wenn der Interaktionspartner keine autonome Entscheidung (mehr) treffen kann, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für autonome Entscheidungen zu gewährleisten“. Auf diese Weise entfaltet das Selbstverantwortungsprinzip eine gewaltige strafbarkeitsbegründende Kraft. I. d. S. auch die zutreffende Kritik Frischs, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 225: „Allerdings wäre es zu grobschlächtig, alle derartigen Fälle der Auslösung oder Ermöglichung einer defizitären Entscheidung und Handlung als tatbestandsmäßige Risikoschaffung zu bezeichnen und umgekehrt bei voller Verantwortlichkeit des Opfers die Risikoschaffung stets rundweg zu verneinen. Das exakte Bild ist differenzierter“. Das Prinzip der Selbstverantwortung besitzt keine Selbstständigkeit. Vgl. Silva Sánchez, in: Eser/Huber/Cornils (Hrsg.), Einzelverantwortung, S. 220 f. 104 Abgesehen von besonderen Pflichtenstellungen, wie etwa der Eltern gegenüber ihren Kindern, und Sonderfällen, wie beim Umgang mit seelisch Kranken. Dazu und zur allgemeinen Begründung s. Jakobs, GA 1997, S. 562 ff. 105 Ob sie ihm vorsätzlich zuzurechnen ist oder, um die Strafbarkeit zu ermöglichen, als mittelbare Täterschaft etikettiert werden muß, steht auf einem anderen Blatt. 106 Das heißt jedoch nicht, daß gemischte Formen von mittelbarer Täterschaft und Beteiligung bezüglich der selben Tatbestandsverwirklichung möglich sind, sondern nur, daß der Hintermann zwar zuständig für die Tatbestandsverwirklichung sein kann, zugleich aber in dem Maße eines Teilnehmers bestraft werden könnte: Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung bedeutet also nicht per se Täterstrafe, selbst wenn es um Konstellationen geht, die an der Grenze der Alleintäterschaft liegen. Wenn man zwischen Täterschaft und Teilnahme qualitativ unterschiede, stünde man folgerichtig vor zwei Alternativen: (Allein-)Täter ist entweder der Hintermann oder der Vordermann. Das ist allerdings nicht die einzige Möglichkeit. Gemeinsames Handeln führt zur gemeinsamen Zuständigkeit für die einschlägige Fehlleistung. Wenn es vorliegt, dann sind alle Mitwirkenden in der gemeinsamen Verantwortung eingeschlossen, unabhängig davon, ob jeder einzelne mit Täter- oder Teilnehmerstrafe bestraft wird. Dennoch bildet das gemeinsame Handeln immer eine auf einen bestimmten Bereich beschränkte Erscheinung, nämlich den Bereich der vermeidbaren Tatbestandsverwirklichung. Soweit ein Akteur bei der Tatbestandsverwirklichung unvermeidbar handelt, entsteht hinsichtlich dieser Person keine Gemeinsamkeit und das Geschehen muß ggf. nach dem Muster des Alleinhandelns erklärt werden. Soweit er jedoch vermeidbar handelt, wird er in die Gemeinsamkeit einbezogen und, je nach dem Maß seiner Mit-

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bestehen bleiben, wenn es zu einer gemeinsamen Zuständigkeit kommen soll. Wenn, im von Herzberg gebildeten Fall,107 eine Nebenbuhlerin aus Rachsucht der Ehefrau vorspiegelt, der kostbare Kandinsky ihres Mannes sei ein wertloses Geschmiere, so daß er sich gewiß freuen werde, wenn sie das Bild vernichte und durch einen „Hirsch im Morgengrauen“ ersetze, mögen mittelbare Täterschaft der „Hinterfrau“ und Täterschaft der Ehefrau beieinander liegen, wobei die Nebenbuhlerin als Teilnehmerin zu behandeln ist.108 Im Falle Nowakowskis ist also wohl eine gemeinsame Zuständigkeit anzunehmen: Vermeidbarkeit bei der Untermieterin vorausgesetzt, läßt sich das Verhalten des Vermieters als zuständigkeitsbegründender „Beitrag“ auffassen, da es auf die dadurch mitgestaltete Tatbestandsverwirklichung zugeschnitten wird.109

gestaltung der Tat, als Täter oder als Teilnehmer bestraft werden. Entsprechendes gilt für die Hintermänner: Sofern es um einen (mit dem Vordermann) gemeinsamen Sinnausdruck geht, sind sie lediglich Beteiligte: Ob sie mit der Täterstrafe oder der Teilnehmerstrafe bestraft werden, hängt von der quantitativen Gestaltung des tatbestandsverwirklichenden Geschehens ab. Wenn es also theoretisch dazu kommen könnte (die Gesetzeslage sei hier vorübergehend ausgeblendet), daß der Hintermann mit der Teilnehmerstrafe zu belegen wäre, dann wäre das die Folge der Analyse nach dem Muster des gemeinsamen Handelns. Im Falle eines fahrlässig handelnden Vordermannes liegt die Erklärung dafür weder in einem „graduellen Tatbestandsirrtum“ (Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 27) noch darin, daß der fahrlässige Vordermann nur einen (ggf. positivrechtlich) „reduzierten deliktischen Sinn“ produziert (Jakobs, GA 1997, S. 569). Denn Beteiligung beruht in subjektiver Hinsicht lediglich auf der allseits vorhandenen Vermeidbarkeit, wobei die Vermeidbarkeitsformen das Beteiligungsverhältnis weder begründen noch ausschließen können. A. A. Jakobs, AT 21/72: An den Ausführungen Jakobs’ ist zwar richtig, daß die Vermeidbarkeit des Vordermannes Beteiligung ermöglicht; ob der Hintermann als Teilnehmer oder als Täter bestraft werden soll, ist jedoch eine andere Frage. Bei Tatbeständen, die Unrechtssteigerungen vorhersehen, können mittelbare Täterschaft und Beteiligung des Hintermannes nebeneinander liegen, wenn der Vordermann bezüglich der entsprechenden Steigerung unvermeidbar handelt (und der Hintermann dies zu verantworten hat). Doch in diesen Fällen wäre noch zu begründen (was in diesem Zusammenhang erspart bleiben kann: s. dazu Kindhäuser, Festschrift für Bemmann, S. 345), daß es um dieselbe Tat geht: Ansonsten läge mittelbare Täterschaft nach der Beteiligung und nicht bei bzw. neben ihr vor (dazu s. sogleich im Text am Beispiel von Herzberg). 107 Täterschaft und Teilnahme, S. 27. 108 Herzberg (Täterschaft und Teilnahme, S. 27) spricht in diesem Zusammenhang von einem „graduellen Tatbestandsirrtum“: Diese Bezeichnung mag richtig sein, erklärt jedoch nicht die Beteiligungsverhältnisse, welche auf den jeweiligen Zuständigkeiten der Akteure für das (sei es irrtumsbedingte) tatbestandsverwirklichende Verhalten beruhen. Sicherlich falsch ist dagegen die Lösung von Roxin (Festschrift für Lange, S. 184 f.), der nur eine mittelbare Täterschaft der „Hinterfrau“ annehmen will, denn er geht davon aus, man müsse sich entweder für Täterschaft oder Teilnahme entscheiden (dem Begriff der Beteiligungsform als Zurechnungstypus entsprechend). So kommt er zur folgenden Formel: Wenn der Schaden nach der Vorstellung des Hintermannes mehr als doppelt so groß ist, als es der Ausführende weiß, liege mittelbare Täterschaft vor (kritisch Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 28). 109 A. A. Jakobs, GA 1997, S. 563, Anm. 30, der auf die Rollentrennung auch für diesen Fall abstellt.

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(2) Aufgrund einer primären Zuständigkeit des Hintermannes für den Irrtum des Vordermannes. Sie ergibt sich indes nur aus einem Rechtsverhältnis zwischen den beiden, welches die Pflicht des Hintermannes begründet, den Vordermann durch seine Organisation nicht zum Irrtum zu verleiten oder, kraft institutioneller Zuständigkeit, ihn vor einem Irrtum zu schützen.110 Da der Begriff „Irrtum“ nicht psychologisch, sondern normativ zu verstehen ist, wirkt sich die vorherrschende Zuständigkeit des Hintermannes in diesen Konstellationen derart aus, daß keine gemeinsame Verantwortung entstehen kann. Das Rechtsverhältnis begründet eine scharfe Abgrenzung der Zuständigkeiten, so daß für den Irrtum entweder der Hintermann oder der Vordermann selbst zuständig ist.111 Unwissenheit als psychologischer Befund ist (noch) kein Irrtum im rechtlichen Sinne. Wenn ein solcher Irrtum vorkommt, wirkt er aber immer entlastend. Nachdem eine gemeinsame Zuständigkeit der Akteure begründet wurde, stellt sich die Frage nach der Stellung jedes Beteiligten im Blick auf die Strafzumessung: Wer wird als Täter (bzw. Anstifter) und wer als Gehilfe bestraft. Das ist mit der Feststellung der gemeinsamen Zuständigkeit deswegen nicht vorgegeben, weil die Zuständigkeitsfrage in dem Sinne qualitativ geschlossen ist, daß sie nur bejaht oder verneint werden kann. Täter- und Teilnehmerstrafe werden hingegen quantitativ, nach dem Maß an Gestaltung der Tat verhängt. Dies wurde bereits im ersten Teil [B. II. 4. e)] angeführt und wird noch näher zu erläutern sein. Deshalb sei hier nur in Erinnerung gerufen, daß die Bestimmung des Maßes an Gestaltung immer relativ ausfällt.112 Es gibt beispielsweise keine Beiträge, die „an sich“ nur Beihilfestrafe begründen könnten.113 Im hier besprochenen Falle wird die Entscheidung über die Stellung der Beteiligten dadurch erschwert, daß nach überwiegender Auslegung des geltenden Rechts der Hintermann entweder mit der Täterstrafe oder gar nicht bestraft werden kann. Dennoch stellt das Hinreichen des Glases nur eine untergeordnete Gestaltung der (seitens der Untermieterin: fahrlässigen) Tötung in diesem Falle dar. Das scheint geradezu geboten, wenn „nicht jedes Kopfnicken oder Begleitwort“ den Vermieter zum (Allein-)Täter eines Totschlages machen muß.114 Der Vermieter ist also der Sache nach Gehilfe zu einer fahrlässigen Tötung. Wenn diese Konstellation in mittelbare Täterschaft bzw. in fahrlässige unmittelbare

110 Bezüglich des Betruges, mit aufschlußreichen Folgen für die Begriffsbildung, s. Kindhäuser, Festschrift für Bemmann, S. 339, 342 ff., insb. S. 354 f. und Pawlik, S. 139 ff. 111 Freilich mag in der Praxis zu der Zuständigkeit für den Irrtum die Zuständigkeit für das Verhalten häufig hinzukommen, was wiederum zur Verantwortung des Hintermannes führen kann. 112 Jakobs, GA 1997, S. 563, Anm. 28. 113 s. erster Teil, B. II. 4. e). 114 Roxin, Täterschaft, S. 178.

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Täterschaft aus kriminalpolitischen Gründen umgedeutet werden soll, dann liegt das an der gesetzlichen Regelung bzw. an deren geläufiger Auslegung. 4. Ergebnis Die anfangs aufgeworfene Frage läßt sich nun exakter formulieren und auch vorläufig beantworten. Dabei geht es darum, ob die Beteiligungslehre an die Gestalt der individuellen Vermeidbarkeit anknüpfen soll, d. h. ob die Stellung jedes Beteiligten in bezug auf die Tatbestandsverwirklichung und die Beteiligungsverhältnisse insgesamt von der Art der Vermeidbarkeit des einzelnen und der jeweiligen anderen abhängig ist. Wir sind davon ausgegangen, daß Selbstverwaltung und Rechtstreue im sozialen Leben jedem Bürger unterstellt werden. Bei Arbeitsteilung verhält es sich ebenso, und zwar sowohl bei trennender als auch bei verbindender Arbeitsteilung. Diese Verständigung über Inhalt und Grenzen subjektiver Zurechnung besagt jedoch noch nichts über den deliktischen Sinn eines Verhaltens. Selbst über die Feststellung der vermeidbaren Setzung einer Erfolgsbedingung hinaus muß die Zuständigkeit der Person für das realisierte Risiko begründet werden. Denn eine Pflicht, für das vermeidbar Verursachte einstehen zu müssen, besteht nicht überall. Daß aus demselben Grund die gemeinsame Verantwortung für eine in Arbeitsteilung vollzogene, vermeidbare Verursachung ebenfalls einer Begründung bedarf, liegt auf der Hand: a) Abgesehen davon, daß eine Pflicht, sich über das Vorliegen von Ausnahmen stets vergewissern zu müssen, keinen Bestand als allgemeine Pflicht (wohl aber als institutionelle Pflicht) hat, liegt die Notwendigkeit einer Begründung der Gemeinsamkeit auf objektiver Ebene an der Struktur gesellschaftlicher Erwartungen: Unkenntnis entlastet schon nach geltendem Recht nicht immer (§ 17 StGB), denn die Gesellschaft in ihrer gegenwärtigen Konstitution kann sich eine stetige (d. h. die Gründe nicht berücksichtigende) Entlastung nicht leisten.115 Das heißt, daß Art und Umfang eigener (erst recht: fremder) Kenntnisse per se noch keine Bedeutung im Strafrecht haben: Es kommt auf den Inhalt der entsprechenden Pflichten an; nur anhand dieser Pflichten kann etwa ermittelt werden, ob die Unwissenheit bzw. ein umfassendes Wissen im konkreten Fall jeweils entlastend oder belastend wirkt. Die Feststellung einer solchen, das Regreßverbot aufhebenden Pflicht und deren Reichweite ist jedoch keine Frage subjektiver, sondern eben objektiver Zurechnung. b) Zum anderen ist eine Haftung für phänotypisch fremdes, durch Wissensbzw. Wollensfehler bedingtes Verhalten – und dadurch für die zumindest teilweise durch fremde Hand bewirkte Tatbestandsverwirklichung – auf eine gesonderte Begründung angewiesen. Denn selbst beim Zusammentreffen mehrerer 115

s. o. Anm. 62.

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unter Bedingungen von Arbeitsteilung entsteht in aller Regel nur eine „bereichsweise“ und keine totale Gemeinsamkeit. Auf dieser die anonymen Kontakte ermöglichenden Voraussetzung beruht das gegenwärtige Verständnis der alltäglichen personalen Interaktionen. Wie bereits ausgeführt betreffen Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit lediglich die Art der subjektiven Zurechnung beim einzelnen: Sie werden nicht durch Akzessorietät in die Gemeinsamkeit einbezogen.116 Vermeidbarkeit und Schuld allseits unterstellt, entscheidet sich deshalb die Frage der gemeinsamen Zuständigkeit nur auf der Ebene objektiver Zurechnung. Nur der absolute Mangel an individueller Vermeidbarkeit schließt – weil es Umgang mit Natur bedeutet – Beteiligung aus, was ggf. zur Deutung der Tat nach dem Muster der Alleintäterschaft führen kann. Wenn beispielsweise A in vermeintlich verbindender Arbeitsteilung mit dem unzurechnungsfähigen B handelt, den aber A irrig für einen vollen Verantwortlichen hält, dann liegt nur phänotypisch Beteiligung vor, genotypisch aber Alleintäterschaft. Nach diesem Muster muß die Tat gedeutet werden und in diesem Rahmen stellt sich die Frage nach der Art der individuellen Vermeidbarkeit bezüglich des Verhaltens des A (ob er das realisierte Risiko erkannt hat oder nicht). Dies hat allerdings mit der Begründung der Gemeinsamkeit nichts zu tun, sondern allein mit der Begründung subjektiver Zurechnung in bezug auf den nunmehr isoliert zu betrachtenden A. Dann werden nämlich die körperlichen Bewegungen des B als Kausalfaktoren (dementsprechend: als Verhaltensumstände für A) und nicht als Stücke eines gemeinsamen Sinnausdrucks behandelt.117 c) Trotz alledem könnte man in der Tat die Grenze zwischen Alleintäterschaft und Beteiligung mit Hilfe der Art der Vermeidbarkeit der jeweiligen Akteure ziehen, wie es etwa die Tatherrschaftslehre macht, und tatsächlich wäre an der Verwendung solcher Abstufungen der Handlungssteuerung als Ansatzpunkte nichts auszusetzen, solange diese Vorgehensweise hinreichend der gesellschaftlichen Verfaßtheit entspricht. Es kommt letztendlich darauf an, welche Funktion diesem Material nach dem Zweck der gesetzlichen Regulierung und der sozialen Verständigung über das gemeinsame Handeln zukommt. Eine vollkommene Aufklärung dieser Funktion mag zwar immer noch offenbleiben, aber es ist bereits durchaus möglich, drei wichtige Schlüsse aus der Diskussion über die sog. „vorsätzliche Beteiligung an unvorsätzlicher Tat“ für die Untersuchung zu ziehen, welche jedoch dem Stand der herrschenden Lehre nicht unbedingt entsprechen:

116 Einhellige Lehre, die jedoch die folgerichtigen Schlüsse bei der Begründung akzessorischer Verantwortung nicht vollständig zieht. 117 Mit Hilfe dieser Betrachtungen sind auch die Konstellationen des Irrtums über das Beteiligungsverhältnis zu lösen: Die Verantwortung eines Akteurs für Wissensbzw. Wollensfehler eines anderen kann nur darauf beruhen, daß eine objektive Gemeinsamkeit vorliegt. Ansonsten gilt das Regreßverbot.

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(1) Eine vollkommene Erklärung des Beteiligungsverhältnisses auf normativer Basis wird nie eine schematische Erklärung sein, denn die soziale Verständigung über die Voraussetzungen des gemeinsamen Handelns ist konstitutionell „beweglich“:118 Man denke an die Grenzen des Sonderwissens, welche in Wirklichkeit nicht von dem Wissen, sondern vielmehr von der Frage, wen die Risiken der Unwissenheit treffen, abhängig sind. (2) Wenn die tatsächlichen Kenntnisbedingungen der Akteure eine Rolle bei der Beteiligungsfrage spielen sollen, dann immer entsprechend der normativen Vermittlung ihrer Erheblichkeit, was ihren Wert als Ansatzpunkte für die Abstufung der Beteiligungsverhältnisse bestenfalls beträchtlich verringert; denn, was die Unwissenheit in bezug auf einen bestimmten Umstand zu bedeuten hat (etwa welches Wissen als überlegen gilt), das erklärt sich erst nach der Frage, ob es um ein nach dem Muster der Alleintäterschaft oder des gemeinsamen Handelns zu deutendes Verhalten geht. Das Wissen vom Umfang fremden Verhaltens ist nämlich nur dann relevant, wenn von einer gemeinsamen Pflichtverletzung die Rede ist. Es mag z. B. sein, daß das Verhalten des Alleintäters leichter zu vermeiden ist als das Verhalten eines Beteiligten, denn der erste muß nicht mit Entscheidungen Dritter rechnen. Doch hier ist die Beurteilung abermals davon abhängig, ob überhaupt gemeinsames Handeln vorliegt. Wollte man, um diese Frage zu beantworten, auf Art und Umfang der Vermeidbarkeit bei den jeweiligen Akteuren zurückgreifen, so wäre dies ein Zirkelschluß. In diesem Sinne kann behauptet werden: Nicht die Art der Vermeidbarkeit bestimmt das Beteiligungsverhältnis, sondern eben umgekehrt; je nach dem objektiven Muster, nach dem die Pflichtverletzung entweder als Alleinhandeln oder als gemeinsames Handeln zu deuten ist, erschließt sich die Relevanz der individuellen Kenntnislage. Am Beispiel Nowakowskis: Die tatsächlichen Kenntnisse des Vermieters sind nur dann erheblich, wenn er als Beteiligter anzusehen ist (erster Zurechnungsgrund), d. h., wenn er für die durch die Untermieterin bewirkte Tötung zuständig ist. Ist der Verhaltenszusammenhang nicht jedermann zugänglich (weshalb die objektive Verbindung entfällt), dann sind alle seine Kenntnisse (auch diejenigen, die zur Rettung des Kindes hätten führen können) in bezug auf die Tötung irrelevant. (3) Wo auch immer die Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu ziehen ist, bei der Beteiligungsfrage – sprich: ob mittelbare Täterschaft (d. h. Alleintäterschaft) oder Beteiligung vorliegt – kommt es auf diese Abgrenzung nicht an.119 Selbst wenn man die Auffassung vertritt, nach der die Täterschaft 118 Vgl. Jakobs, Festschrift für Welzel, S. 316. In diesem Sinne schreibt Jakobs, daß „die täterschaftsbegründenden Momente noch nicht unverschlüsselt benannt werden können“, wobei hinzuzufügen wäre, daß die Verschlüsselung ohnehin nicht aufzuheben ist. 119 Deshalb bedarf u. a. die Anerkennung mittäterschaftlicher Haftung im Fahrlässigkeitsbereich weder der Annahme (so Schumann, StV 1994, S. 106 ff., 111, Struen-

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mit Hilfe der tatsächlichen Kenntnislage der Akteure zu bestimmen ist, werden individuelle Vermeidbarkeit und Voraussetzungen der Mitverantwortung zumindest teilweise als unabhängige Elemente gesehen. 5. Vermeidbarkeit: Ihr Gegenstand und ihre Funktion bei der objektiven Zurechnung Abschließend soll noch auf eine Frage eingegangen werden, die sich aus dem bisher Ausgeführten ergibt. Während die Art der Vermeidbarkeit für das Beteiligungsverhältnis unerheblich ist, spielt das Vorliegen von Vermeidbarkeit überhaupt eine wichtige Rolle bei der Beteiligungsfrage. Worauf bezieht sich diese Vermeidbarkeit? Bei Alleintäterschaft besteht sie in einer Relation zwischen dem eigenen Verhalten und dem tatbestandsverwirklichenden Geschehen. Diese Relation wird unter dem Stichwort „Erkennbarkeit“ zusammengefaßt: Das Material jeglicher objektiver Differenzierung ist das dem Täter bei objektiv hinreichender Rechtstreue Erkennbare. Entsprechendes gilt für den Bereich des gemeinsamen Handelns: Falls Beteiligung vorliegt, müssen auch die Verhaltensweisen der anderen Beteiligten zum Erkennbaren gehören. Das heißt, die Erkennbarkeit des „verbindenden Kontexts“ (des Ausschlusses vom Regreßverbot) ist auch Bestandteil der subjektiven Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung, wie die Erkennbarkeit der Reichweite des eigenen Verhaltens Bestandteil der subjektiven Zurechnung beim Alleinhandeln ist.120 Es geht also nicht darum, neben der subjektiven Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung eine subjektive Zurechnung der „Beteiligung“ zu statuieren, sondern es geht um eine Spezifizierung der subjektiven Zurechnung, die parallel zur Spezifizierung der objektiven Zurechnung bei gemeinsamem Handeln vollzogen werden muß. In diesem Sinne bedarf Beteiligung einer Erkennbarkeit fremder Vermeidbarkeit, was aber wiederum nicht heißt (es sei hier abermals betont), daß Beteiligung die Erkennbarkeit der Art fremder Vermeidbarkeit voraussetze: Sie ist für das Beteiligungsverhältnis ebenso gleichgültig, wie es für die Konstitution des Handlungsunrechts irrelevant ist, ob sich die Erkennbarkeit see – JZ 1987, S. 53 ff. – beipflichtend) noch der Ablehnung (sich dieser Auffassung annähernd Roxin, AT I, 24/67 ff., Täterschaft, S. 695, was übrigens seiner Position in Täterschaft, S. 552 ff. und LK, § 25, Rn. 217 widerspricht) eines dem Vorsatz ähnlichen, subjektiven Tatbestandes beim Fahrlässigkeitsdelikt. Zutreffend hierzu Kamm, S. 183 f. 120 In dieser Richtung auch Lampe, ZStW 106 (1994), S. 692: „Subjektiv ist die Mittäterschaft der überindividuelle Wille, in funktionaler Systemverbundenheit zu handeln. Dieser Wille kann sich in straff organisierter gemeinsamer Tatausführung ausprägen; er kann aber auch zu gleichrangigen (,akephalen‘) Wir-Gemeinschaften führen; und er kann schließlich Gemeinschaften bilden, die lediglich auf dem Bewußtsein funktionaler Verbundenheit kraft gemeinsamer Verantwortung beruhen“ (Herv. nur hier).

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des verbindenden Kontexts bei dem Beteiligten zur Kenntnis entfaltet hat oder nicht. In diesen Zusammenhang gehört auch die Problematik, die hier jedoch nur angedeutet werden kann, ob es überhaupt richtig ist, vom vorsätzlichen bzw. fahrlässigen Handeln zu sprechen und nicht eher von einer normativ begründeten und daher funktionsbedingten Relation Täter/Erfolg. Der Gedanke, daß man zunächst fahrlässig handelt und erst dann, wenn es zum Schaden kommt, sich ein fahrlässiges Delikt verwirklicht hat, scheint eine nicht angemessene Lesart des § 15 StGB zu sein. Ein solcher Verhaltensbegriff, der sich als Ergebnis der Analyse des psychischen Steuerungsprozesses darstellt, führt u. a. dazu, daß er auf beliebig austauschbare Erfolge bezogen werden kann, wie z. B. bei den Konstellationen vom Irrtum über rechtfertigende Umstände zu sehen ist. Eine Unterscheidung zwischen der Handlungssteuerung bezüglich eines Erfolgs und der Handlungssteuerung bezüglich eines „Erfolgs außerhalb einer Rechtsfertigungslage“ wird aus psychischer Perspektive unmöglich oder ohnehin beliebig, weshalb unvermeidbare Tatbestands- und Verbotsirrtümer auf der Wertungsebene nivelliert werden müssen.121 Der Begriff der „Vermeidbarkeit“ bezieht demgegenüber von vornherein eine bestimmte Tatbestandsverwirklichung ein, ohne jedoch die Vermeidbarkeitsart zum Element der Tatbestandsverwirklichung zu machen. Letzteres wäre deswegen irreführend, weil Tatbestandsverwirklichungen nicht vorsätzlich oder fahrlässig sind, sondern einen Erklärungswert des Normbruchs bilden,122 der auf121 Wie bei der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen: dazu Roxin, AT I, 10/13 ff.; ferner Hirsch, Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, S. 278 ff. Vgl. auch Jakobs, Festschrift für Welzel, S. 317. Zur Lösung Welzels für die Fälle vermeidbaren Irrtums durch die Bildung eines negativen Tatbestandes der Rechtsfertigungsgründe s. dens., Strafrecht, S. 168. 122 Ein Normbruch liegt auch beim Versuch vor, wobei das unmittelbare Ansetzen zur tatbestandlichen Handlung dessen objektiven Erklärungswert bildet. Deswegen ist die Behauptung nicht richtig, die Bestrafung des Versuchs stelle auf das „vorsätzliche Handeln“ ab, weshalb der Zugriff auf eine allgemeine Vermeidbarkeit die Straflosigkeit des fahrlässigen Versuchs nicht erklären könne. Eben dank dessen zeigt sich in aller Deutlichkeit, daß die Straflosigkeit des Versuchs im Fahrlässigkeitsbereich eine gesetzliche Entscheidung darstellt, welche dogmatisch nicht geboten ist und bei den abstrakten Gefährdungsdelikten, materiell betrachtet, wieder aufgehoben wird. Daß es für die Haftung auf den Verlauf (welcher Tatbestand verwirklicht wird) ankommt, bedeutet keine „verschämte Zufallshaftung“ (Art. Kaufmann, S. 162 f.), sofern der Erfolg sich aus der fahrlässigen Handlung erklären läßt (hierzu Jakobs, AT 9/27). Es handelt sich jedenfalls um eine Option: Versuch eines fahrlässigen Delikts bedeutet eine Überlagerung von zwei Irrtümern mit jeweils umgekehrtem Sinn, was zu einer Art von Ausgleich führt. Je krasser die Vermeidbarkeit seitens der Fahrlässigkeit ist (und somit nähert sie sich dem Vorsatzvorwurf), desto unerheblicher wird die Tat seitens des Versuchs. Richtet man das Augenmerk eher auf den ersten Irrtum, so hat man einen fahrlässigen Versuch. Das Gegenteil führt zur gesetzlichen Regulierung: Eine außerordentliche Milderung der Versuchsstrafe (§ 23 Abs. 3 StGB). Vgl. i. d. S. Jakobs, Schuldprinzip, S. 23.

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grund der Vermeidbarkeit – welcher Art auch immer – dem einzelnen subjektiv zugerechnet werden kann.123 Die Bestimmung der Vermeidbarkeit setzt also eine normativ-objektive Auswahl voraus: Sie bezieht sich auf eine bestimmte objektive Tatbestandsverwirklichung, auf einen (nunmehr vermeidbaren) Normbruch. Nicht nur die äußerst kontroverse Behandlung der sog. „Automatismen“ und bestimmter Affekttaten zeigt dabei die systematische Notwendigkeit, den Bewertungsgegenstand auf einen Nenner zu bringen.124 Das kann insbesondere deshalb nicht anders sein, weil es im Strafrecht um sinnhaftes und intentionales125 Verhalten geht, das sich auch auf Objekte bezieht, die ihrerseits beschreibungsabhängig sind.126 Aus diesem Beschreibungsbedürfnis der Objekte ergibt sich, daß selbst Handlungszuschreibungen mit einem extensional identischen intentionalen Objekt durchaus verschiedene Bedeutungen haben können. Ohne Bezugnahme auf einen bestimmten strafrechtlich erheblichen Sinnzusammenhang, scil. eine bestimmte Tatbestandsverwirklichung, ist die Frage nach einer subjektiven Zurechnung hinfällig. Das gilt aber erst recht für die objektive Zurechnung: Was „Ausführung“ einer Tat ist, kann nur aus der Perpektive einer Norminterpretation beantwortet werden, welche, sofern sie die gesellschaftlichen Bestandsbedingungen mit einbezieht, durch die Kriterien objektiver Zurechnung erfolgt. Wenn man das verkennt, entstehen im Fahrlässigkeitsbereich nicht wenige Schwierigkeiten, wie z. B. die (immer noch erklärungsbedürftige) Notwendigkeit, nachträglich nach einem sog. Sorgfaltspflichtszusammenhang zu suchen. Wird eine naturalistische Betrachtungsweise auf die Beteiligungslehre angewandt, so wird auch das gemeinsame Handeln als gemeinschaftliche Verwirklichung des Tatbestandes im normativen Sinne nicht mehr nachvollziehbar. Wenn etwa die Tatherrschaftslehre davon ausgeht, daß der Täter die Tat konstituiere, versperrt sie den Weg zum normativen, strafrechtlich relevanten Sinn der Ausführung, denn es ist vielmehr die tatbestandsmäßige Tat, welche bei der Frage der Täterschaft bzw. der Beteiligung den Ausschlag gibt.127 Das alles hat, wie bereits festgestellt, nicht zu bedeuten, daß die objektive der subjektiven Zurechnung vorzuschalten sei: Ohne subjektive Zurechnung ist vielmehr das Bezugsobjekt der objektiven Zurechnung nicht hinreichend konkretisiert, denn erst die Ermittlung des individuell möglichen Wissenshorizonts 123

Vgl. Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 634. Hierzu Jakobs, Festschrift für Welzel, S. 310 ff., mit Anm. 15, wo auf die Versuche hingewiesen wird, diese Konstellationen dem Bereich der Handlung, des Übernahmeverschuldens bzw. der Lebensführungsschuld, der Zumutbarkeit und der Zurechnungsfähigkeit zuzuschreiben. 125 Zum Zusammenspiel beider Prädikate s. dritter Teil, A. I. 126 Vgl. Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 156 ff. und dens. in Festschrift für Hollerbach, S. 636. 127 s. dritter Teil, C. V. 2. 124

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des Täters gibt den Zusammenhang an, in dem das Geschehen zu beurteilen ist.128 Deshalb geht es nicht um Vor- bzw. Nachschaltungen, sondern um einen einheitlichen Prozeß, wobei jedoch, wie soeben dargestellt, die subjektive Zurechnung noch eine weitgehende Normativierung zu erfahren hat.

III. Mitwirkung mehrerer fahrlässig handelnder bzw. unterlassender Personen Das Zurechnungsproblem, das der mittäterschaftlichen Haftung zugrunde liegt, ist im Vorsatz- und im Fahrlässigkeitsbereich prinzipiell gleich: Wie läßt sich erklären, daß die Beteiligten dem Strafmaß des Alleintäters entsprechend bestraft werden, obwohl die Tatbestandsverwirklichung gerade durch die Mitwirkung aller und eben nicht als selbständige Leistung jedes einzelnen zustande gekommen ist? Diese Problematik ist beim Vorsatzdelikt bereits früher aufgefallen, denn sie bereitete der formal-objektiven Theorie von jeher beinahe unlösbare Schwierigkeiten. Das Kausaldogma konnte hingegen im Fahrlässigkeitsbereich noch länger aufrechterhalten werden: Eine scheinbare Erfolgsorientierung der entsprechenden Tatbestände129 und der Mangel an gesetzlichen Differenzierungen zwischen den Beteiligten führten zur Hintanstellung der Zurechnungsproblematik. Erst die Problematisierung von Konstellationen ungeklärter Erfolgskausalität, bei denen ein Freispruch als unbefriedigend empfunden wurde, löste im Schrifttum und in der Rechtsprechung die Kontroverse aus.

128 Denn das spezifische strafrechtliche Unrecht besteht darin, daß der Täter durch sein Verhalten erklärt, die Norm sei für die Tatsituation nicht maßgeblich. Der Weltenwurf des Täters (sein „besonderer Willen“: vgl. Hegel, Vorlesungen II, S. 357) kann aber nicht ohne Bezug auf den Wissenshorizont des Täters festgestellt werden. Hierzu Jakobs, Festschrift für Hirsch, S. 60, der jedoch in diesem Zusammenhang zur Vorschaltung der subjektiven Zurechnung neigt. Vgl. auch Lesch, ZStW 105 (1993), S. 272 ff. (274), 276 ff. Es geht also nicht um die Frage, ob das „Subjektive“ überhaupt von Belang ist, sondern um die Frage, was vom Subjektiven nach der Funktion strafrechtlicher Zurechnung für die Antwort der Verbrechensfrage aufgenommen wird. 129 Vgl. etwa Bottke, Gestaltungsherrschaft, S. 23 ff. und Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 73 f., 99 ff. Kritisch gegen eine auf die Kausierung fixierte Auslegung der Fahrlässigkeitstatbestände schon Goltdammer, GA 1867, 17; ferner Otto, Festschrift für Spendel, S. 275; Schumann, Selbstverantwortung, S. 111 f. und Lesch, GA 1994, S. 116 f., der geltend macht, daß auch im Vorsatzbereich viele Tatbestände dem Wortlaut nach extensiv bzw. als reine Erfolgsdelikte ohne Differenzierung des tatbestandsmäßigen Verhaltens in bezug auf die Beteiligungsformen abgefaßt sind.

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1. Das Dogma des Einheitstäterbegriffs und die sog. Einheitstäterlösung für das Problem der Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich a) Einheitstäterbegriff und Zurechnungslehre Der Einheitstäterbegriff in seinen wesentlichen Merkmalen darf nicht mit den historischen Erscheinungsformen der Lehre der Einheitstäterschaft verwechselt werden. Zum Einheitstäterbegriff gehört wesentlich nur eine elementare Aussage: Für eine Tatbestandsverwirklichung ist jeder einzelne Akteur verantwortlich, dem diese Tatbestandsverwirklichung nach den einschlägigen (je nach der vertretenen Zurechnungslehre) Kriterien zuzurechnen ist, ohne Rücksicht auf die Verantwortung anderer. Nach der prägnanten Formulierung Kienapfels: „Für die Fragen von Unrecht, Schuld und Strafe des Täters ist es prinzipiell ohne Belang, ob derselbe Erfolg auch die Verantwortlichkeit weiterer Personen begründet, und welcher Art diese ist. Die individuelle, autonome Verantwortlichkeit des einzelnen tritt an die Stelle der Mitverantwortlichkeit“.130 Obwohl diese Definition nicht als notwendige Folge eines bestimmten Unrechtsbegriffs betrachtet werden kann, hängt die historisch wichtigste Erscheinungsform der Einheitstäterschaft mit einem kausalen Unrechtsverständnis sowie mit einer auf Kausalität beruhenden Zurechnungslehre zusammen.131 Die Gründe dafür sind leicht ersichtlich: Die kausale Unrechts- und Zurechnungslehre eignet sich auf besondere Weise für die Entwicklung eines Einheitstäterbegriffs, denn auf der Ebene der Kausalität sind alle Beiträge qualitativ identisch, was dem Hauptmerkmal des Einheitstäterbegriffs, dem Ausschluß einer abgeleiteten Verantwortung, entspricht. Diese besondere Eignung des kausalen Modells zeigt sich negativ etwa an dem Scheitern aller Versuche (man denke etwa an die physisch bzw. psychisch vermittelten Kausalität bei Frank132 oder an das Kriterium der Unmittelbarkeit bei Feuerbach133), qualitative Unterschiede auf kausaler Ebene zu begründen: Ein bestimmtes Verhalten ist entweder kausal 130

Erscheinungsformen, S. 26. Das gilt selbstverständlich für die kausal orientierte „formale“ Einheitstäterlehre, nach der Terminologie von Kienapfel (Erscheinungsformen, S. 26 f., 34 f.), aber auch für die sog. „funktionale“ Einheitstäterlehre. Denn wenn nach dieser Auffassung beispielsweise die erfolglose Unterstützung ausgeklammert werden soll, ergibt sich dies streggenommen nicht daraus, daß es an dem entsprechenden Beteiligungstypus fehlt, sondern aus mangelnder Kausalität: Erfolglose Unterstützung ist keine Unterstützung. 132 StGB, Vorbem. II vor § 47. 133 Revision, Zweiter Theil, Achtes Kapitel, §§ 11 (S. 245), 22 (S. 262 ff.). Hier ist jedoch zu beachten, daß es Feuerbach darum ging, die Urheberschaft von der Beyhülfe zu unterscheiden. Gleichwohl bleibt es dabei, daß der frühe Feuerbach auf ein naturalistisches Datum abstellt: „Gehülfe“ sei derjenige, „bei welchem die Beförderung der auf die Rechtsverletzung unmittelbar gerichteten Handlung eines andern das unmittelbare Object der Wirksamkeit seiner Handlung, die Rechtsverletzung selbst also nur das mittelbare Object derselben ist“. 131

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oder nicht kausal für die Tatbestandsverwirklichung; eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Aus diesem Grund sind auch die Bemühungen der Vertreter des sog. extensiven Täterbegriffs gescheitert, ein grundsätzlich kausal orientiertes Einheitstätermodell so zu präsentieren, daß es in Einklang mit dem auf qualitative Unterschiede ausgerichteten Typusgedanken gebracht werden kann.134 Der Einheitstäterbegriff bildet gleichsam das ursprüngliche Verständnis der Zurechnung bei Mitwirkung mehrerer, wie Mommsen und Rein in bezug auf das römische Recht gezeigt haben.135 Ähnliches gilt für das germanisch-fränkische Recht und für das mittelalterliche deutsche Strafrecht, die eine deutliche Tendenz zur Verselbständigung der – in heutiger Terminologie – Teilnahmehandlungen aufweisen,136 was auf einen Einheitstäterbegriff (wie die moderne Lehre des Teilnehmerdelikts) hinausläuft. Diese einheitstäterschaftliche Ausrichtung, die auch bei den Postglossatoren zu erkennen ist,137 kommt nicht von ungefähr. Denn abgesehen von den jeweiligen geschichtlichen Zusammenhängen (evtl. Mangel an wissenschaftlichem Unterscheidungsvermögen, unklare Terminologie, Bildhaftigkeit und Formalismus usw.), ist eine der beiden Grundaussagen der Einheitstäterlehre durchaus zutreffend: Die Zurechnungsfrage ist eine geschlossene Frage, so daß man eine Tat einer Person entweder zurechnen oder eben nicht zurechnen kann. Die naturalistische Betrachtungsweise führte jedoch dazu, daß die gemeinschaftliche Verantwortung – die mit dem Begriff der gemeinschaftlichen Pflicht, d. h. einer Pflicht, die mehrere Individuen betrifft, untrennbar verbunden ist – nicht erfaßt werden konnte. Diese spezifische Problematik wurde jedoch nicht in Angriff genommen. Die spätere Lehre, die mit einem ebenfalls naturalistischen Instrumentarium arbeitete, konzentrierte sich hingegen auf die Lösung der praktischen Unannehmlichkeiten, die aus ei134 Die Einheitstäterlehre ist nur dann konsequent durchführbar, wenn sie keinen qualitativen Unterschied auf der Zurechnungsebene zuläßt. Sie wird dagegen unbrauchbar, wenn sie in einer Fassung vertreten wird, welche diese Unterschiede zwar anfangs doch vollzieht, um sie jedoch später wieder einzuebnen. Neben den Lehren des sog. extensiven Täterbegriff stellen die Versuche, die Strafbarkeit der „versuchten Teilnahme“ nach § 14 Abs. 2 OWiG auszuschließen, die Preisgabe des Einheitstäterbegriffs dar. Wenn z. B. Detzer (S. 186 f.) meint, daß in bestimmten Konstellationen (nämlich bei Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft) der Versuchsbeginn nicht nach dem Verhalten der Beteiligten, die im Hintergrund bleiben, bestimmt werden soll, dann verläßt er den Grundgedanken des kausalen Einheitstäterbegriffs, sprich die Idee, daß fremdes Handeln nur als Kausalfaktor betrachtet werden soll. Das Endergebnis der Überlegungen Detzers mag durchaus richtig sein, weil das Akzessorietätsprinzip einbezogen wird; es ist jedoch mit den Grundlagen des Einheitstäterbegriffs unverträglich und deshalb aus dieser Perspektive unbegründbar. 135 Mommsen, S. 99 ff.; Rein, S. 185 ff. 136 Hierzu Conrad, S. 173 f.; Schröder/v. Künßberg, S. 380; His, S. 23. Für eine Bewertung (die Bedeutung des Einzelbeitrags als Mitwirkung an einem Gesamtgeschehen geht verloren) s. Engelmann, Festschrift für Binding, II, S. 399 ff. 137 Dazu Engelmann, Festschrift für Binding, II, S. 452 ff., 476 ff. A. A. aber Heimberger, S. 36 ff.

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nem naturalistischen, auf Kausalität ruhendem Einheitstäterbegriff hervorgingen. Es handelte sich dabei insbesondere um seine Uferlosigkeit, und um die Einebnung von sachlichen Unterschieden zwischen den in Frage kommenden Verhaltensweisen, die nach allgemeiner Ansicht zumindest bei der Strafzumessung berücksichtigt werden sollten. Neben den im Bereich der Strafzumessung angesiedelten Entwicklungen entstand jedoch eine Strömung, die recht bald die Oberhand gewann und darauf abzielte, die vermißten Unterscheidungen auf der Ebene der Zurechnung selbst zu vollziehen. Vor allem unter dem Einfluß der Lehre Pufendorfs (ob sie richtig gedeutet wurde, ist eine andere Frage) gewann die Meinung an Boden, daß der Unterschied zwischen dem Täter bzw. dem Urheber und den anderen an der Tat beteiligten Personen (genauer: Individuen) qualitativer Art war.138 Im Rahmen der damaligen kausalistisch geprägten Lehre versuchten die Autoren, den qualitativen Unterschied durch die Ermittlung verschiedenartiger Kausalitätsbindungen zwischen der Handlung und dem Erfolg zu begründen. Nach Pufendorf sollte die von ihm sog. „causa libera“ der zentrale Begriff werden, dessen Ausformungen die Arten der Beteiligung ausmachten. Eine „causa libera“ konnte zudem nach den jeweiligen „Kausalitätsanteilen“ causa principalis und causa minus principalis sein. Dementsprechend waren die Beteiligungsformen als Verantwortungsbeiträge aufzufassen, so daß die Verbindung mit der Strafzumessung hergestellt werden konnte.139 Kress140 wandte Anfang des 18. Jahrhunderts die Unterscheidung zwischen causa principalis und causa minus principalis auf die Unterscheidung Täter/Gehilfe an (bezüglich der heutigen „Mittäterschaft“: auxilium proximum und remotum), wobei die (Nicht-) Vornahme der Ausführungshandlung den Ausschlag gab. Die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme erhielt damit wohl erstmals theoretische Bedeutung. Pufendorf hatte außerdem an der Unterscheidung zwischen actiones propriae und alienae festgehalten,141 dafür aber keine Unterscheidungskriterien angegeben. Das ließe sich eventuell dadurch erklären, daß das Entscheidende an der Beteiligung nach Pufendorf gerade darin lag, daß in einem Beteiligungsverhältnis actiones alienae als propriae zugerechnet werden konnten. Demgegenüber unterschied jedoch Ziegler142 zwischen physischer und moralischer Beteiligung, so daß die Definition der actiones propriae und alienae mit dem Begriff der causa principalis und minus principalis vermischt wurde, und beide zu 138 Dieser Bestimmung liegt nämlich die Annahme zugrunde, man könne nicht nur für eigene, sondern auch – unter der Voraussetzung einer durch Kausalität vermittelter Teilnahme – für fremde Taten verantwortlich gemacht werden: Pufendorf, De jure naturae et gentium, Lib. I, Cap. V, § 14. 139 Zu dieser Verbindung s. Maiwald, Festschrift für Bockelmann, S. 346 ff. 140 Commentatio, Art. 177, Anm. 2, Ziff. 4. 141 De jure naturae et gentium, Lib. I, Cap. V, § 14. 142 Disputatio, §§ 15, 16.

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der Frage nach der „(Un-)Mittelbarkeit“ der Erfolgsherbeiführung verschmolzen. Diese bereits im Ansatz undeutliche Auffassung Zieglers wurde von Boehmer unter Einbeziehung der Lehre Kress’ im Sinne des formal-objektiven Kriteriums ausgearbeitet,143 und so denn auch von Feuerbach rezipiert,144 der sie in das damals herrschende Modell von Urheberschaft und Beyhülfe einbaute. Auf diese Weise ging m. E. die wesentliche Leistung Pufendorfs, die Einheitlichkeit der Antwort auf die Zurechnungsfrage, verloren.145 Doch das Unterfangen, qualitative Unterschiede auf der Kausalitätsebene zu begründen, hat sich über Luden, Birkmeyer146 und andere Autoren mindestens bis Frank, d. h. bis in das 20. Jahrhundert hinein, lebendig erhalten. Eine parallele Entwicklung, die sich jedoch als fruchtbarer erweisen sollte, suchte den besagten Unterschied in einem anderen, wenngleich ebenfalls naturalistisch geprägten Zusammenhang. Die Geschichte dieser Entwicklung deckt sich mit der Entstehung des sogenannten Akzessorietätsprinzips in seiner heutigen Ausprägung. Elementare Ansätze fanden sich bereits in Begriffen, die aus der zivilrechtlichen Verantwortung im römischen Recht entlehnt worden waren.147 Die Unterscheidung zwischen der Haupttat mit ihrem Haupttäter und den übrigen Beteiligten vollzog sich im Zuge einer Pufendorf zugeschriebenen Richtung grundsätzlich nach subjektiven Kriterien, die zudem bald psychologisch gedeutet wurden. Die auf diese Weise entstandene subjektive Theorie ist jedoch nicht mit der subjektiven Theorie v. Buris und des – ebenfalls von ihm geprägten – RG zu verwechseln. Während diese von einem grundsätzlich extensiven Täterbegriff auf dem Boden der Äquivalenztheorie ausging,148 bildete jene gerade ihr Gegenstück, d. h., sie sollte die Begründung für einen – mit der heutigen Terminologie ausgedrückt – restriktiven Täterbegriff liefern. Die Hegelianer haben die Pufendorfsche Unterscheidung zwischen actiones propriae et 143 Meditationes, Art. 177, § II, Ziff. II und V. Dazu Schaffstein, Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, S. 198 f. 144 In den späteren Fassungen seiner Beteiligungslehre (s. nur Lehrbuch, 11. Aufl., § 44): Urheberschaft und Beyhülfe unterscheiden sich nur nach der „Verschiedenartigkeit der Causalität des Handelnden für den gesetzwidrigen Erfolg“. 145 Vgl. Bloy, Zurechnungstypus, S. 192. 146 Beide Autoren, voneinander zeitlich weit entfernt, haben jedoch Schwierigkeiten dabei, die Strafbarkeit des Teilnehmers wegen des Gesamterfolgs zu erklären, da er nur eine untergeordnete Ursache gesetzt hat. Bezeichnenderweise versuchen sie diese Schwierigkeit dadurch zu lösen, daß sie dem Teilnehmer eine „Aneignung“ des Entschlusses des Täters zuschreiben: s. Luden, S. 349 und Birkmeyer, Teilnahme, S. 126 ff. 147 So sehen beispielsweise einige Autoren im berühmten Satz des Bartolus – „mandans obligatur non ex mandato, sed ex delicto subsecuto propter mandatum“ (Commentaria in secundam Digesti Novi partem, Rub. De iniuriis et famosis libellis, Lex non solum, § Si mandato meo n. 9 [fol. 155], zit. nach Bloy, Zurechnungstypus, S. 56) – eine Vorahnung akzessorischer Verantwortung, was jedoch nicht unumstritten ist (s. dazu Bloy, Zurechnungstypus, S. 56 ff.). 148 Zur Beteiligungstheorie v. Buris, s. dens., GS 22 (1870), S. 2 ff.; spezifisch zur Mittäterschaft als „faktisches Verhältnis“ s. dens., Causalität, S. 50 f.

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alienae gerade aus dieser Perspektive aufgegriffen. Das bedeutete, daß nur bei der Täterschaft das handelnde Subjekt in seiner die Realität nach seinem Bilde prägenden Rolle betrachtet wird,149 wobei die akzessorische Verantwortung durch die Verfolgung eines fremden Zwecks (des Urhebers) im subjektiven Sinne definiert wurde.150 Eben diese Richtung wurde von Welzel fortgesetzt, während Roxin und Gallas eher auf objektive Kriterien abstellten. Die grundlegenden Varianten der Tatherrschaftslehre spiegeln also, wie bereits im ersten Teil angeführt wurde, nichts anderes wider als diese Spaltung. Die Subjektivierung der Beteiligungslehre durch die Hegelianer machte jedoch, im Vergleich zu den vorangegangenen Stadien der Dogmengeschichte, eine weitgehende Normativierung dieser Lehre erforderlich. Denn das Abheben auf die subjektive Sinngebung öffnete, anders als beim Kausalmodell, einer beträchtlichen Anzahl an „grauen Zonen“ die Tür, hinsichtlich derer nicht ohne weiteres behauptet werden konnte, die Außenwelt sei vom Subjekt nach seinem die Realität prägenden Bild gestaltet worden. Beispielsweise entzog sich, wie sich später noch deutlicher zeigen sollte, der gesamte Bereich der Fahrlässigkeit einer bloß naturalistischen Charakterisierung.151 Aus diesem Grund finden sich auch bei den Hegelianern, insb. bei Hälschner,152 wichtige Ansätze für eine normativierende Beteiligungslehre. Auf diese Weise wurde es insbesondere möglich, die Frage nach der Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Verantwortung zu stellen, was die kausale Zurechnungslehre von vornherein ausgeschlossen hatte. Ob und inwiefern die subjektivierende Betrachtungsweise der Herausforderung, die diese Frage enthielt, gewachsen war, ist umstritten.153 Wichtig ist in diesem Zusammenhang nur die auf den ersten Blick überraschende Feststellung, daß der subjektivierende Ansatz, geschichtlich betrachtet, sowohl zur Annahme als auch zur Ablehnung des Akzessorietätsprinzips verwendet worden ist. 149 Vgl. Bloy, Zurechnungstypus, S. 192. Wie sich zeigen wird, ist diese Annahme grundsätzlich unzutreffend, denn die gemeinschaftlich begangene Tat wird gerade von allen Beteiligten geprägt. Der traszendentale Subjektivismus der Hegelianer kam nach Bloy teilweise daher, daß sie ohne weiteres die Willensbildung mit der Willensverwirklichung indentifizierten, wobei die Widerstandskraft der Außenwelt (des Objektes) nicht wahrgenommen wurde. Der Täter identifiziert sich durch die Gestaltung mit dem Objekt, wobei diese Gestaltung als selbstverständlich verstanden wurde: Das Objekt setzte dem Willen keine Grenzen. 150 Köstlin, Neue Revision, S. 282 ff., 465 ff.; Berner, Lehrbuch, S. 161 ff.; ders. Theilnahme, S. 211; Hälschner, System, S. 324 ff. Zum Subjektivismus Köstlins in bezug auf die Mittäterschaft s. Lesch, ZStW 105 (1993), S. 275. 151 Insb. zur finalen Handlungslehre s. Bloy, ZStW 90 (1978), S. 640 ff. 152 Vgl. in bezug auf die Fahrlässigkeit etwa System, S. 149; in bezug auf die Mittäterschaft siehe z. B. die Unterscheidung zwischen „Gemeinschaft der Absicht“ und „Gemeinschaft des Zweckes bzw. Interesses“: GS 25 (1873), S. 112. 153 Vgl. die kurze Auseinandersetzung mit der Lehre der Tätigkeitsanrechnung oben erster Teil, B. II. 1.

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Das Täter-/Teilnehmersystem ist nämlich eine Folge der Behauptung, daß nur eine der an einer Straftat beteiligten Personen154 das Unrecht des fraglichen Tatbestandes verwirklicht, während den Übrigen nur eine abgeleitete Verantwortung für fremdes Unrecht zukommt.155 Die Anschaulichkeit dieser Behauptung ist nicht zu leugnen und findet wohl in der Tatherrschaftslehre den Höhepunkt ihrer dogmatischen Entwicklung. Sie bleibt jedoch aus wissenschaftlicher Sicht eine bloße Behauptung, wenn sie zu der suggestiven Kraft der Worte „Akzessorietät“ und „Tatherrschaft“ (etwa in der Form: „Mitwirkung ohne Tatherrschaft“; aber: was genau heißt „Mitwirken“?) keinen weiteren Begründungszusammenhang als die formal-objektive Theorie und den gesunden Menschenverstand hinzuzufügen vermag. Denn aus einer „personalen“, auf dem selbstverantwortlichen Handeln beruhenden Unrechts- und Zurechnungslehre ergibt sich nicht ohne weiteres eine Struktur Täter der Haupttat/Teilnehmer am fremden Unrecht; d. h., daß man von einem qualitativ unterschiedlichen Unrecht beim Selbstbegehenden und bei den übrigen Akteuren in dem Sinne ausgehen sollte, daß Letztere lediglich eine abgeleitete, im herkömmlichen Sinn „akzessorische“ Verantwortung betreffe. Wie die Darstellungen von Schilling156 und Stein157 beweisen, kann eine Lehre, die den Schwerpunkt auf das Handlungsunrecht legt, ebenfalls auf verschiedenartige Verhaltensnormen für die jeweiligen Beteiligten abstellen, so daß es für die Bestimmung des Unrechts und der Zurechnungsfrage eben nur auf das Einzelverhalten ankommt. So gelangt man aber zu einer Beteiligungslehre, die weitgehend dem Grundgedanken des Einheitstäterbegriffs entspricht: Für das Unrecht kommt es auf die Handlung des jeweils einzelnen, also auf seine eigene Verletzung der entsprechenden Verhaltensnorm an, nicht aber auf die Frage, ob weitere verantwortlich handelnde Personen beteiligt sind. Unabhängig davon, ob dem einzelnen fremde Handlungen als eigene zugerechnet werden, oder aber diese als Bedingungen des Erfolgseintritts nur Strafbarkeitsvoraussetzungen bilden, wird dem Akteur fremdes Unrecht nicht zugerechnet; er haftet als Alleintäter.158

154 Nicht nur beim kausalen Einheitstäterbegriff, sondern auch im akzessorisch-naturalistischen Modell muß also die Mittäterschaft ein Schattendasein führen. Im ersten Fall, weil der kausale Ansatz die Mitverantwortung per Definitionem ausschließt; im zweiten, weil die Mittäterschaft in aller Regel zur nicht-akzessorischen Beteiligung geschlagen wird. 155 Paradigmatisch Bloy, Zurechnungstypus, S. 250 f.: „Ihm [dem Teilnehmer] wird das schon unabhängig von seiner Person, nämlich durch die Person des Täters verwirklichte Unrecht über das Akzessorietätsprinzip zugerechnet (. . .) Der Teilnehmer ist verantwortlich für fremdes tatbestandliches Unrecht. Sein ,eigenes Unrecht‘ besteht darin, daß er etwas getan hat, das für diese Zurechnung die Grundlage schafft. Anknüpfungspunkt ist dabei der eigene Tatbeitrag des Teilnehmers“. 156 Schilling, S. 101 ff. 157 Stein, S. 223 ff.

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Zwischen dem subjektivierenden, auf die Verhaltensnormen abstellenden Ansatz und der traditionellen Ausprägung des Einheitstäterbegriffs besteht allerdings nicht nur eine episodische Übereinstimmung. Es handelt sich um eine grundsätzliche Gemeinsamkeit, die eben durch den Befund indiziert wird, daß beide das gemeinsame Handeln und das entsprechende Zurechnungsmuster der gemeinschaftlichen Verantwortung nicht erfassen können. Dies liegt hauptsächlich darin begründet, daß sie mit einer Zurechnungslehre operieren, die dem normativen Charakter der Zurechnungsfrage nicht gerecht werden kann. Weder eine imperativistische Normentheorie wie bei Welzel, Schilling oder Stein, noch eine auf naturalistischen Gegebenheiten – Kausalität, subjektive Sinngebung – beruhende Zurechnungslehre ist in der Lage, die durch und durch normative Erscheinung der gemeinschaftlichen Verantwortung zu erklären. Denn zum einen wird nur aus einer normativen Perspektive deutlich, daß die Antwort auf die Zurechnungsfrage keine qualitative Abstufungen zuläßt. Zum anderen kann auf der Ebene der Natur unter keinen Umständen eine gemeinschaftliche Verantwortung, eine Mitverantwortung im engen Sinn, begründet werden. Mitverantwortung gibt es in der Natur nicht; sie ist eine normative Kategorie, die eine normative Unrechts- und Zurechnungslehre voraussetzt, in deren Rahmen die soziale Bedeutung der Gegebenheiten der Außenwelt thematisiert wird.159 Aus diesem Grund konnte die herkömmliche Lehre nur Verwirrung stiften, als sie versuchte, die Uferlosigkeit und die nivellierende Wirkung des kausalen Einheitstäterbegriffs durch einen subjektivierenden Ansatz auszubessern: Zur Beseitigung dieses Fehlers wurde eine zweistufige, qualitativ unterschiedliche Zurechnung aufgebaut; aber damit wurde nicht nur das einzig Richtige am Einheitstäterbegriff aufgeopfert, sondern auch das eigentliche Ziel verfehlt. Denn das herkömmliche akzessorische Modell bildet nur eine Umformung des Einzeltäter-Paradigmas, wie sich am Beispiel der Mittäterschaft im ersten Teil gezeigt hat und bezüglich der Beihilfe noch im dritten Teil zeigen wird. Der Einheitstäterbegriff darf nach dem oben Ausgeführten nicht bloß als Produkt eines kausalen Unrechtsverständnisses begriffen werden: Zu einem Einheitstäterbegriff kann man vielmehr über verschiedene Unrechtsbegriffe gelangen.160 Er erscheint allerdings, geschichtlich gesehen, untrennbar mit einer na158 Zu der mit diesen Auffassungen einhergehenden Umdeutung der Teilnahme in ein reines Verursachungsdelikt vom Typus des Totschlags, der Sachbeschädigung etc. s. Küper, ZStW 105 (1993), S. 472 f. 159 Vgl. die oben zitierten Ausführungen Kienapfels (Erscheinungsformen, S. 26). Hier zeigt sich abermals, daß eine weitere Möglichkeit nicht gesehen wird: die Mitverantwortung für eigenes Unrecht. Sie kann aber nur normativ begründet werden, also nicht mit den Kriterien der historischen Erscheinungsformen der Einheitstäterschaft. 160 Vgl. Hamdorf, S. 35 ff. Das Teilnahmesystem läßt sich dagegen nur mit einer Zurechnungslehre (und somit mit einem Unrechtsbegriff) konsequent vereinbaren, die besagt, daß nur der Täter das tatbestandliche Unrecht verwirklicht, während die anderen Akteure für fremdes Unrecht haften. Nur dieses Modell läßt es zu, einen qualitati-

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turalistischen Betrachtungsweise verbunden. Aber dies gilt nicht nur in bezug auf die herkömmlichen Erscheinungsformen der Einheitstäterlehre, sondern auch für die entgegengesetzten Bestrebungen, die zum Akzessorietätsprinzip im traditionellen Sinn geführt haben. Beide Strömungen sind nämlich geprägt durch eine naturalistische Antwort auf die Pufendorfsche/Hegelsche Frage nach dem Unterschied zwischen actiones propriae et alienae, d. h. durch eine Antwort, die im Rahmen der letzteren Denkrichtung auf der Ebene der Zurechnung gesucht wurde, was zu der scheinbaren Beseitigung der Unzulänglichkeiten des Einheitstäterbegriffs um den Preis der Aufhebung des geschlossenen Charakters der Zurechnungsfrage führte. Diese Überlegung legt die Vermutung nahe, daß der auf der Zurechnungsebene an sich zutreffende Einheitstäterbegriff durch das Akzessorietätsprinzip nicht etwa ersetzt, sondern vielmehr ergänzt werden könnte. Ein solches Unternehmen müßte allerdings die einhergebrachten naturalistischen Grundlagen des Einheitstäterbegriffs verwerfen und an ihre Stelle eine normative Unrechts- und Zurechnungslehre treten lassen, eine Wandlung, die zu einem ebenfalls normativen Verständnis der Akzessorietät führen sollte. Nur auf diese Weise kann nicht nur die begriffliche Kohärenz bewahrt, sondern auch die für ein naturalistisches Einheitstätermodell unlösbare Schwierigkeiten der Sonder- und Absichtsdelikte bewältigt werden.161 In diesem Sinne lehrt eine gründliche Beobachtung der Dogmengeschichte, daß die Koexistenz von einem Modell einheitlicher Zurechnung der Tat zu allen Beteiligten und akzessorischer Verantwortlichkeit in bestimmten Epochen der dogmengeschichtlichen Entwicklung nicht ausgeschlossen werden kann,162 und, vor allem, daß die gegenseitige Abhängigkeit der Beiträge nicht immer im Sinne der subjektivierenden Lehre verstanden worden ist.163 ven Unterschied zwischen den Akteuren durchzuführen, so daß man die Unterscheidung zwischen eigenem und fremdem Unrecht überhaupt vollziehen kann. 161 Nur ein Beispiel sei hier angeführt: Stübel hat bekanntermaßen die erste durchdachte Einheitstäterlehre entwickelt, eine Lehre, die auf der Zurechnungskategorie Kausalität basierte. In seinem System kann jedoch nur der Qualifizierte Täter eines Sonderdeliktes werden, denn ansonsten gebe es einen Täter aber keine Tat (Ueber die Theilnahme, S. 85 ff.). Dennoch muß er die Urheberschaft des Extraneus am Sonderdelikt anerkennen (Ueber die Theilnahme, S. 88 f.), offensichtlich weil die Straflosigkeit in manchen Fällen, die heute zur mittelbaren Täterschaft geschlagen würden, als höchst unbefriedigend erschien. Diese Schwierigkeit eines jeden naturalistisch orientierten Einheitstäterbegriffs ist bis heute nicht überwunden. 162 Vgl. Bloy, Zurechnungstypus, S. 56 ff., 66 f., insbesondere bezüglich der Diskussion zur Zeit der Postglossatoren – die einen Einheitstäterbegriff weitgehend unterstellten – über die Behandlung der tat- und täterbezogenen Merkmalen des Delikts; Schaffstein, Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, S. 206, und die Hinweise in Anm. 188. 163 Selbst A. Bauer (Abhandlungen I, S. 460 f.) sieht im Zusammenhang der Teilnahme am Sonderdelikt (ansonsten schließt er sich zur Unterscheidung zwischen Urheberschaft und Beyhülfe den subjektiven Lehren an: Abhandlungen I, S. 419 f.) das

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Gegenstand des ersten Teils war die Frage, ob die herkömmlichen naturalistischen Ansätze dem gemeinsamen Handeln Rechnung tragen können. Dieser Frage wurde grundsätzlich aus der Perspektive des Täter-/Teilnehmersystems nachgegangen und sie soll im Verlauf der Arbeit im Dialog mit dieser Ansicht weiter vertieft werden. Folgende Überlegungen gelten der wohl am meisten verbreiteten und historisch wichtigsten Ausprägung der Einheitstäterlehre, der kausal orientierte Einheitstäterschaft, die im Fahrlässigkeitsbereich eine beträchtliche Anhängerschaft gefunden hat. b) Die sog. „Einheitstäterlösung“ auf kausaler Basis Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den kausal geprägten Einheitstäterlehren wird hier nicht unternommen.164 Im Rahmen der hier interessierenden Fragen kann man es vielmehr mit der näheren Betrachtung ihres Grundgedankens bewenden lassen. Zunächst muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß, soweit ersichtlich, der grundlegenden Struktur des kausalen Einheitstäterbegriffs keine innere Inkonsequenz nachzuweisen ist. Man könnte die Auswirkungen der Lehre als unangemessen empfinden oder ihre Erklärungskraft als unbefriedigend bewerten. Inkonsequent ist sie aber nicht. Deshalb ist der kausale Einheitstäterbegriff nur insofern widerlegbar, als man seinen Grundstein herausschlägt. Dieser Grundstein besteht in einer spezifischen Identifizierung von Kausalität und strafrechtlicher Zurechnung. Dem kausal geprägten Einheitstäterbegriff in seinen reinen Ausgestaltungen liegt eine bestimmte Zurechnungslehre zugrunde, die besagt, daß die objektive Zurechnung einer Tat von der (wie auch immer auf der naturalistischen Basis der Äquivalenztheorie zu bestimmenden) Kausalität zwischen Handlung und Erfolg abhängt. Dementsprechend begründet jeder kausale Beitrag zur Erfolgsherbeiführung Täterschaft im engen Sinne, und zwar auch bei Mitwirkung mehrerer, so daß in konsequenter Durchführung der Einheitstäterlehre von „Veranlassungs“- oder „Unterstützungstäterschaft“ in bezug auf die herkömmlichen Teilnahmeformen gesprochen wird.165 Diese Lehre wurde in moderner Zeit wohl zum ersten Mal von Stübel166 verfochten und ausgearbeitet, und sie bleibt in ihren Grundzügen bezüglich der Fahrlässigkeitstaten bis heute unberührt.167 Auf der Ebene der Beteiligungstheowesentliche Merkmal der Beihilfe darin, daß „die Theilnahme der Gehülfen nicht als eine für sich bestehende That, sondern in ihrem Verhältnisse zur That des Urhebers aufzufassen ist“. Insofern bringt er noch keine subjektive Verbindung ins Feld, um die Akzessorietät zu begründen. 164 Eingehend Bloy, Zurechnungstypus, S. 149 ff. 165 Daran zeigt sich auch die Verwandtschaft mit den Lehren des Teilnehmerdelikts: Kienapfel, Erscheinungsformen, S. 36; ders. Grundriß, AT, S. 189, Rn. 39 ff. 166 Ueber die Theilnahme, S. 11 ff. und passim. 167 Näher Renzikowski, S. 5 ff., 173 ff., m. w. N.

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rie bedeutet der Einheitstäterbegriff eine Absage an jegliche akzessorische Beteiligung. Demnach gibt es nur Einzeltäterschaft und, im Falle von Mitwirkung mehrerer, mehrfache Einzeltäterschaft. Ein gemeinsames Handeln ist, in Übereinstimmung mit dem naturalistischen Ausgangspunkt, schlechterdings undenkbar.168 Nach den stringenten Fassungen dieser Lehre sind nämlich die Handlungen anderer Akteure nur als Kausalfaktoren zu bewerten, die u. U. das Verhalten des Einzelnen mit dem Erfolg verknüpfen: Handeln über Natur und Handeln über andere werden auf diese Weise gleichgestellt. Diese Schlußfolgerung ist im Grunde, wie bereits erwähnt, bei jeder naturalistischen Betrachtungsweise ähnlich: So sind sich beispielsweise Beling169 und Schilling,170 der erste im Rahmen des Kausalismus und der zweite im Sinne der finalistischen Lehre der Verhaltensnormen, trotz aller Begründungsunterschiede über diese Feststellung einig. aa) Kausalität und Zurechnung qua Beteiligung Die Beziehungen zwischen strafrechtlicher Zurechnung und Kausalität sind in der strafrechtlichen Literatur des 20. Jahrhunderts mehrfach untersucht worden. Obwohl die Ergebnisse vielfältig sind und zum großen Teil voneinander abweichen, läßt sich der langjährigen Diskussion mindestens ein wichtiger Ertrag entnehmen: Eine Identifizierung von strafrechtlicher Zurechnung und Kausalität ist nicht durchführbar und in der Lehre auch nie mit vollkommener Folgerichtigkeit vertreten worden.171 Dabei geht es nicht bloß um die Uferlosigkeit einer auf der Kausalität ruhenden Zurechnungslehre,172 sondern vor allem um die Un168 Vgl. etwa W. Lübbe, S. 128 ff., die nach einer Analyse der individualistischen Handlungstheorie zu dem Schluß kommt, daß der kausale Ansatz zwischen Alleinhandeln und Beteiligung überhaupt nicht unterscheiden kann. Die relevanten Zurechnungsgesichtspunkte bei Beteiligung mehrerer seien nämlich nicht deshalb mit den an Einzelhandlungen entwickelbaren Gesichtspunkten identisch, „weil Handlungen mehrerer bereits ihrer kausalen Seite nach in Wirklichkeit nichts anderes als ungenau beschriebene Mengen von Handlungen einzelner wären. Der kausalen Seite nach gilt vielmehr, daß fast alle Handlungen einzelner in Wirklichkeit Handlungen mehrerer sind – genauer: wären, wenn sich die Verwendung des Handlungsbegriffs schlicht am Faktum der Kausalität (oder auch nur der vorhersehbaren Kausalität) orientieren würde“ (W. Lübbe, S. 137). Es kommt demnach eigentlich darauf an, nach welchen Kriterien dasjenige bei bestimmten Kausalketten ausgehoben wird, was noch als Zurechenbares – und dann, wem – zu betrachten ist. Vgl. auch Burgstaller, in: Eser/ Huber/Cornils (Hrsg.), Einzelverantwortung, S. 25. 169 Beling, S. 405 ff.; so auch paradigmatisch v. Buri, GS 22 (1870), S. 36. 170 Schilling, S. 101 ff. Dazu ferner Maiwald, ZStW 88 (1976), S. 745. Auch aus der Perspektive der Verhaltensnormen und mit kriminalpolitischen Erwägungen Bottke, Gestaltungsherrschaft, S. 23 f., 32 f.: Im Fahrlässigkeitsbereich soll „jeder, der unerlaubt wider den Schutzzweck der einschlägigen Norm eine tatbestandsmäßig relevante Gefahr für das geschützte Rechtsgut setzt, die sich in objektiv und subjektiv zurechenbarer Weise im Erfolg realisiert“, als (jeweils alleiniger) Tatzuständiger haften, und zwar ohne Differenzierung zwischen Täterschaft oder Teilnahme.

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durchführbarkeit der Einbeziehung der Kausalität als rein naturalistisches Datum in die strafrechtliche Zurechnung. Diese und andere Unzulänglichkeiten der kausalen Zurechnungslehren stehen jedoch nicht im Zentrum unserer Problematik. Von Interesse für die vorliegende Fragestellung ist dagegen die mit der Identifizierung Kausalität/Zurechnung grundsätzlich verbundene Annahme, daß es kein besonderes Zurechnungsmuster für das gemeinsame Handeln gebe bzw. daß jede Zurechnung auf die individuelle Zurechnung zurückzuführen sei. Was den Vorsatzbereich anbelangt, wurde dieser Ansatz anhand der Problematik des Versuchsbeginns widerlegt. Wenn man das Spezifikum des gemeinsamen Handelns verkennt, gerät man in die Einzellösung und wird dazu gezwungen, die einzelnen Tatbeiträge als Unrecht zu definieren. Diese Problematik besteht jedoch im Fahrlässigkeitsbereich nicht, denn auch wenn man eine Art von Versuch begrifflich fassen kann, würde sie in aller Regel keine Tatbestandsverwirklichung darstellen.173 Die Schwierigkeiten verlagern sich indes auf den Bereich der Erfolgsverursachung. Denn in den Fällen allseitig ungeklärter Erfolgskausalität will die Einheitstäterlösung auf eine psychisch vermittelte Kausalität abstellen. Die einzig nachvollziehbare kausale Verknüpfung des Täters mit dem Erfolg ist eine der psychischen Beihilfe vergleichbare Erscheinung: Ein Akteur soll den anderen mit seiner Mitwirkung bestärkt und dadurch den Erfolg verursacht haben.174 Gerade diesem Gedankengang schien Roxin im Felsbrockenfall175 zu folgen: A und B hatten aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses je einen Felsbrocken einen Abhang hinunter gerollt. C wurde getötet, aber es ließ sich nicht feststellen, durch welchen der beiden Steine. Das schweizerische Bundesgericht verurteilte beide Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung. Roxin billigte zwar im Ergebnis die Entscheidung, hielt aber – entgegen der Auffassung Ottos176 – die Konstruktion einer Mittäterschaft für überflüssig: „Denn wenn einer die durch das Handeln des anderen geschaffene Gefahr ,mitsetzt‘, hat er auch das Hinabrollen des Steines durch den anderen mitverursacht, so daß ihm auch ein dadurch herbeigeführter Todeserfolg zugerechnet werden kann“.177 Man fragt sich 171 Siehe die grundlegende Darstellung von Engisch, Kausalität als Merkmal, S. 21 ff. und für die Kritik am Adäquanzgedanken S. 41 ff. Vgl. auch W. Lübbe, S. 128 ff. 172 Obwohl dieser Mangel auch bei der Beteiligungslehre von großer Bedeutung ist: Gerade die Grenzenlosigkeit bzw. Konturenlosigkeit hat dazu geführt, daß die Einheitstäterlösung als Ersatz für die Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich ausgeschlossen wird: hierzu Weißer, JZ 1998, S. 235. 173 § 315c Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe f) StGB bildet eine Ausnahme. 174 In diesem Sinne insb. Günther, JuS 1988, S. 386 ff. 175 BGE 113 IV 58. 176 Jura 1990, S. 47 177 LK-Roxin, § 25, Rn. 221.

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indes mit Lampe,178 wann ein Beteiligter die durch den anderen geschaffene Gefahr „mitgesetzt“ hat.179 Dabei bleibt vor allem ungeklärt, was dem Einzelnen vorgeworfen wird; denn wenn die Erfolgskausalität eines Beitrags feststünde, müßte die Einheitstäterlösung die anderen Beteiligten genauso wegen psychischer Unterstützung bestrafen, und zwar als Einzeltäter bezüglich des durch den ersten hervorgerufenen Erfolgs.180 Ein solches Ergebnis könnte möglicherweise noch mit dem Einheitstäterbegriff vereinbar sein, macht aber deutlich, daß sich auf diese Weise die Zurechnungsproblematik nicht bewältigen läßt. Um beim Felsbrockenfall zu bleiben: Nach dem Sachverhalt ist eindeutig, daß von A und B jeweils ein Stein geworfen wurde, doch nur einer das Opfer getroffen hat. Stellt das ganze keine gemeinsame Organisation dar, dann gibt es zwei Taten und der Umstand, daß eine Tat auf die andere Einfluß nimmt, vermag diese normative Wirklichkeit nicht zu beseitigen. Selbst bei einer Einheitstäterlehre muß aber nun die Ursache von dem Verursachten unterschieden werden. Deshalb kann im Felsbrockenfall eine Tat nur Ursache für die andere Tat sein und erst dadurch für den Erfolgseintritt. Wenn aber nicht mehr zu unterscheiden ist, welche Tat für die andere ursächlich war, dann hat man keine feststellbare Kausalität mehr, sondern nur die alternative Zuschreibung einer Kausalität, was in der Regel – abgesehen von einer Wahlfeststellung – zum Freispruch führen muß. Denn es könnte wohl so gewesen sein, daß der eine gerade die Tat beeinflußt hat, welche für den Erfolg nicht unmittelbar ursächlich geworden ist. Das kann bei zwei Akteuren noch einleuchten, ab drei Personen aber hält das Kriterium nicht mehr stand. Wollte man behaupten, daß es hier um eine gegenseitige Einflußnahme geht, so daß jede Tat dadurch zugleich zur (geistigen) Ursache und Wirkung wird, dann nähert sich die Einheitstäterlehre einer Auffassung an, die das fremde Handeln nicht als bloßen Kausalfaktor betrachtet. Dies wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, daß es hier um eine psychische Einflußnahme geht, d. h. um eine geistige Kausalität, deren Begriff bereits stark von einer sozialen Interpretation geprägt ist.181 178

ZStW 106 (1994), S. 692 f. Abgesehen davon, daß es unzulässig ist, das Kausalitätserfordernis durch die Risikoerhöhung zu ersetzen. Dazu bereits Stratenwerth, Festschrift für Gallas, S. 229. 180 Vgl. Weißer, JZ 1998, S. 235. 181 Vgl. Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 27, Rn. 7. Auf die psychische Kausalität stellt auch Bindokat (JZ 1979, S. 434 ff.) mit seiner Lehre der „Kausalität der Willensverbindung“ ab, ohne jedoch an die Einheitstäterlehre anzuknüpfen. Bindokat wendet sich sowohl gegen eine auf bloßer Willensübereinstimmung beruhende Mittäterschaft als auch gegen das Erfordernis physischer Einzelkausalität der Tatbeiträge. Seiner Meinung nach muß vielmehr auf die Kausalität der Willensverbindung abgestellt werden. Das heißt, daß jeder Beitrag zumindest i. S. der psychisch vermittelten Kausalität ursächlich für den Erfolg sein müsse, wie es z. B. beim Komplott der Fall sei. In dieser Hinsicht gebe es keinen Unterschied zwischen fahrlässigen und vorsätzlichen Taten, wobei die Bezeichnung dieser solidarischen Haftung als Mittäterschaft nur eine termi179

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Hinzu kommt noch eine weitere Schwierigkeit: Psychische Beihilfe kommt jedenfalls nur dann in Betracht, wenn die Akteure nicht nur im Bewußtsein des Zusammenwirkens handeln, sondern darüber hinaus auch eine geistige Unterstützung durch den Gehilfen festzustellen ist. Fehlt es aber am Bewußtsein des Zusammenwirkens oder an einem solchen bestärkenden Einfluß, so wird eine kausale Haftungsbegründung geistiger Art unmöglich. So gesehen hätte die Einheitstäterlehre zu einem Freispruch im Ledersprayfall führen müssen.182 Schließlich kann, wie Renzikowski zu Recht bemerkt,183 die Einheitstäterlösung in denjenigen Fällen nicht zutreffend sein, in denen die Zurechnung über eine vorsätzliche Alleintäterschaft zwangsläufig versagen muß, nämlich bei der sogenannten „additiven“ und „alternativen“ Mittäterschaft. bb) Kausale Zurechnung und Täterbegriff Wenn die herrschende Lehre von einem Einheitstäterbegriff im Fahrlässigkeitsbereich spricht, ist dies aus zweierlei Gründen nicht in dem Sinne zu verstehen, daß sie die Grenzenlosigkeit der folgerichtigen Durchführung dieses Begriffs übernommen hätte. Erstens, weil nicht jede Mitwirkung an einem deliktischen Vorgang täterschaftsbegründend wirken darf, wie es sich im Hinblick auf die Problematik der sog. fahrlässigen Beteiligung am Vorsatzdelikt herausgestellt hat.184 Diese Feststellung erfolgte unabhängig von der Diskussion, ob fahrlässige aber nicht-täterschaftliche Mitwirkungsformen von der gesetzlichen Regulierung überhaupt (d. h. auch nur negativ) erfaßt werden. Zweitens, weil nach einhelliger Lehre die Verursachung im Sinne der Äquivalenztheorie bei Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts nicht ausreicht, um fahrlässige Haftung zu begründen. Die ursprüngliche Uferlosigkeit eines rein kausalen Einheitstäterbegriffs wird vielmehr dadurch eingegrenzt, daß man auch andere Erfordernisse für die fahrlässige Verantwortung aufstellt: Sorgfaltspflichtverletzung, Steuerbarkeit des Geschehens, Pflichtwidrigkeitszusammenhang usw. All diese Verantwortungseinschränkungen führen zu der Frage, was denn gemeint ist, wenn im Rahmen der herrschenden Lehre behauptet wird, im Fahrlässigkeitsbereich gelte ein Einheitstäterbegriff.185 Mit anderen Worten: Was hat die heutige Lehre vom Einheitstäterbegriff wirklich übernommen?

nologische Frage sei. Dieser Ansatz bedarf jedoch keiner abgesonderten Betrachtung, denn Bindokat arbeitet ebenfalls mit der Äquivalenztheorie und insofern wird die Willensverbindung von ihm als Kausalfaktor behandelt. Mittäterschaft ist nach Bindokat nur deswegen eine terminologische Frage, weil sie nach seiner Auffassung eine mehrfache Einzeltäterschaft darstellt. 182 Vgl. Weißer, JZ 1998, S. 235; Schneider, S. 281. 183 Renzikowski, S. 286 f. 184 s. o. A. I. 3.

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(1) In erster Linie handelt es sich um verwandte Zurechnungslehren.186 Wie bereits erwähnt, beruht der kausale Einheitstäterbegriff auf einer bestimmten Auffassung der strafrechtlichen Zurechnung, die auf die kausale Verknüpfung Verhalten/Erfolg (i. S. der Äquivalenztheorie) abstellt. Zur Haftungsbegründung müssen noch die Elemente subjektiver Zurechnung (i. d. R. der Vorhersehbarkeit) hinzukommen, auf objektiver Ebene gilt aber grundsätzlich – in die moderne Terminologie übertragen –, daß Verursachung Zuständigkeit für das Verursachte begründet. Wer sich kausal für den Erfolg macht, ist auch für diesen Erfolg ohne weiteres zuständig. Dieser Grundgedanke, in seiner Reinheit heute wohl durchaus überholt, ändert sich aber grundsätzlich nicht, wenn man auf dem Boden der Kausalität gewisse „normative Einschränkungen“ aufbaut: Man wird nämlich durch die Verursachung nicht „ohne weiteres“ aber doch prinzipiell zuständig.187 Eine nachfolgende normative Bewertung kann diese Feststellung bestätigen oder aufheben. Jedenfalls bildet sie die erste Voraussetzung, die den Rahmen der normativen Beurteilung bestimmen soll.188 Auf die Kritik an dieser Zurechnungslehre wird hier nicht eingegangen.189 Wichtig ist nur, daß das Kausaldenken zu einer individualisierenden Zurechnung führen muß. Die Kausalketten können so verschachtelt wie nur möglich erscheinen; doch kommt es dabei immer auf die Gefahrbegründung bzw. Erfolgsherbeiführung durch das Verhalten des Einzelnen an: Mitverursachung ist i. d. S. Verursachung durch das

185 LK-Roxin, § 25, Rn. 217 ff.; Stratenwerth, AT 15/78; Kühl, AT 20/10; Schönke/ Schröder-Cramer-Heine, Vor § 25 ff., Rn. 112, 113. 186 Vgl. etwa LK-Roxin, § 25, Rn. 217 ff. Ferner Bottke, Gestaltungsherrschaft, S. 23 f. Kritisch Lesch, GA 1994, S. 116 f. Im Sinne des Textes, freilich in einem anderen Begründungszusammenhang, Hruschka, ZStW 110 (1998), S. 593 f., 610: „Der Kontributionsdoktrine der Kausalität [Äquivalenztheorie] bleibt dann immer noch ein Refugium nämlich bei der Mittäterschaft – einschließlich verwandter Fallgestaltungen im Bereich der Fahrlässigkeit“. 187 Eindeutig Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 135 f., mit Anm. 68. 188 Paradigmatisch Roxin AT I, 24/5, was seiner allgemeinen Zurechnungslehre entspricht: s. dazu auch AT I, 11/1, 2, 39. So wird vielfach von einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs gesprochen, was die prinzipielle Bejahung einer bereits (kausal) begründeten Zurechnung voraussetzt. Wie Roxin im Grunde auch Kühl, AT 4/36 ff.; Dencker, Kausalität, S. 11 ff.; Otto, AT 6/43; Erb, S. 256 ff. unter vielen anderen. 189 Hierzu Jakobs, AT 29/15; dens. Festschrift für Miyazawa, S. 421; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 415 ff. (es handelt sich um die Begründung der Verantwortung und nicht um die Feststellung von Ausnahmen bezüglich einer auf der Kausalität beruhenden Verantwortung); Silva Sánchez, in: Eser/Huber/Cornils (Hrsg.), Einzelverantwortung, S. 212 ff.; Cerletti, in: Montealegre (Hrsg.), Funcionalismo, S. 247 ff., 259 ff., der zeigt, daß diese Auffassung höchst problematisch wird, wenn es um die sog. „Quasi-Kausalität“ bei Unterlassungen und um die Behandlung des Risikoerhöhungskriteriums geht. Bei der letzten wird immer eine nur scheinbar kausale (und doch normativ-intuitive) Auswahl unter den Tatbedingungen durchgeführt, denn eine „neutrale Auswahl“ ist eine contradictio in adjecto. Letzten Endes setzt jede „Kausalitätsfeststellung“ eine Zurechnungslehre voraus.

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isolierte Verhalten mehrerer Einzelhandelnder.190 Die jeweiligen Handlungen bzw. Unterlassungen vereinigen sich nur durch ihren Niederschlag im Erfolg. (2) Die auf diesen Grundlagen entwickelte Täterschaftslehre deckt sich demnach mit der Problematik der Risikorealisierung. So meint etwa Roxin, daß „der Tatbestand der fahrlässigen Delikte, soweit er nicht eine zusätzliche Verhaltensbeschreibung enthält, allein durch die Lehre von der objektiven Zurechnung ausgefüllt wird“.191 Diese Überlegung ist jedoch nur insofern zutreffend, als man: i) das Spezifikum des gemeinsamen Handelns ebenfalls in die objektive Zurechnungslehre aufnimmt und erläutert, und ii) das Erfordernis der individuellen Vermeidbarkeit nicht außer acht läßt, da sich vorsätzliche und fahrlässige Delikte nicht darin unterscheiden, daß bei den letzteren keine subjektive Zurechnung erforderlich wäre. Wenn jedoch Roxin das Erste unterläßt und das Zweite durch den Mangel an Gefahrverwirklichung abdecken bzw. ersetzen will,192 ergibt sich eine auf die Risikoschaffung bzw. -realisierung in Einzeltäterschaft fixierte – und deshalb eingeengte – Sicht der fahrlässigen Haftung.193 Aus dieser Perspektive ist Mittäterschaft (als Mehrtäterschaft) im Fahrlässigkeitsbereich entweder selbstverständlich oder überflüssig, je nach dem, ob beim Fahrlässigkeitsdelikt die Gefahrbegründung oder die Erfolgsverursachung für die Zurechnungsfeststellung als maßgeblich betrachtet wird. Im letzteren Fall wäre sie überflüssig, weil die Kausalität (sei es nur eine „psychische“) für den Erfolgseintritt trotzdem in bezug auf jeden einzelnen nachgewiesen werden müßte. Sie wäre dagegen selbstverständlich, wenn man annähme, daß die Kausalbrücke die Gefahrbegründung, d. h. nicht in erster Linie den Erfolgseintritt, mit dem Verhalten des einzelnen verknüpfen sollte. (3) Jede Art der Beteiligung bereitet der in Rede stehenden Auffassung zahlreiche Schwierigkeiten; denn die Vielschichtigkeit des gemeinsamen Handelns muß dem Zurechnungsmuster gemäß ins Prokrustesbett der Einzelverantwortung hineingezwängt werden. Die kausale Verknüpfung zwischen dem Verhalten jedes Einzelnen und dem Erfolg muß festgestellt werden, damit das erste, notwendige Erfordernis der objektiven Zurechnung erfüllt wird. Daß darüber hinaus weitere Erfordernisse erfüllt werden müssen, ändert daran nichts. Die Bemühungen der Lehre, aus diesem Muster eine Erklärung für die Zurechnungsproblematik des gemeinsamen Handelns zu finden, sind vielfältig: durch das 190 So etwa Binding, Normen IV, § 303, Anm. 2: „Es handelt sich gar nicht um ,Teilnahme‘, sondern an allererster Stelle um die Ausgestaltungen der Eintäterschaft“. Dazu unten Anm. 240 und dritter Teil, A. II. 1. 191 AT I, 24/10 ff. 192 AT I, 24/13. 193 So versteht sich auch, daß Roxin auf eine einheitliche Betrachtung von Sorgfaltspflichtverletzung und Erfolgszurechnung pocht, was wiederum nur richtig ist, solange man beide Elemente nicht auf unzulässige Weise einfach vermengt (vgl. Roxin, AT I, 24/12).

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Abstellen auf den sog. Täter- bzw. Teilnehmerwillen, durch qualifizierte Formen der Kausalität (Tatherrschaft), oder sogar durch den Verzicht darauf, das gemeinsame Handeln auf rechtlicher Ebene zu berücksichtigen. Es fehlt auch nicht an gemischten Paradigmen, wie z. B. die Zusammenführung von faktischer Tatherrschaft und Akzessorietätsprinzip, mit der aus dieser Sicht folgerichtigen Trennung zwischen denjenigen Beteiligten, die für eigenes Unrecht, und solchen, die für fremdes Unrecht zur Verantwortung gezogen werden. Wie im ersten Teil angeführt sind jedoch all diese Ansätze nicht in der Lage, die grundsätzliche Einzelverantwortungsbegründung aufzuheben. (4) Dementsprechend verhält es sich nicht so, daß jede zurechenbare Erfolgsverursachung im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte mit der Täterstrafe bestraft werden sollte, weil gesetzliche Abgrenzungsmerkmale für eine differenzierende Behandlung im Fahrlässigkeitsbereich nicht vorhanden sind.194 Es geht vielmehr darum, daß die thematisierte Zurechnungslehre das Muster des gemeinsamen Handelns nicht kennt. Die Gesetzlage spielt dabei nur eine sekundäre Rolle, indem sie durch die undifferenzierte Behandlung der Beteiligung eine Erklärung aus dem Einzeltätermuster besonders nahelegt. So meint z. B. Renzikowski, daß bei fahrlässigen Unterlassungen, in denen alle Akteure nur gemeinsam den Erfolg abwenden können, die Figur der Mittäterschaft überflüssig sei und sogar irreführend wirke, da die gesamte Risikorealisierung individuell erklärt werden könne bzw. auf die Untätigkeit jedes einzelnen zurückzuführen sei.195 (5) Deswegen ist es im Fahrlässigkeitsbereich unerheblich, wie die kausal orientierten Ansätze die Gestalt des Täters umreißen wollen bzw. welche Elemente täterschaftskonstituierend wirken sollen. Das Entscheidende ist, daß aus dieser wie auch immer gearteten Charakterisierung nur das Bild des Alleintäters hervorgebracht wird. Wenn also von der Sorgfaltspflichtverletzung,196 von der Verursachung des Taterfolgs,197 der Schaffung einer unerlaubten Gefahr,198 der Beherrschbarkeit der Gefahrensituation,199 der Verantwortlichkeit des Handelnden für das Geschehen,200 der Möglichkeit der Tatherrschaft201 und sogar von 194 Vgl. LK-Roxin, § 25, Rn. 217; Schönke/Schröder-Cramer-Heine, Vorbem §§ 25 ff., Rn. 112. 195 Renzikowski, S. 290. 196 Jescheck/Weigend, AT § 61 VI; s. auch NK-Puppe, Vor § 13, Rn. 163, die von diesem Element sogar die notwendige Anwendung des Einheitstäterbegriffs im Fahrlässigkeitsbereich ableitet (eine Unterscheidung zwischen Täterschaft und Beihilfe sei „weder deskriptiv möglich noch normativ legitim“). 197 Dazu Schmoller, ÖJZ 1983, S. 337 ff., 379 ff.; Seier, JA 1990, S. 342 ff. 198 Roxin, AT I, 24/8 ff. 199 Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 47/102 ff. 200 Otto, Jura 1990, S. 49; wohl auch Stratenwerth, AT 15/78. 201 Bloy, Zurechnungstypus, S. 227 f.

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der Tatzuständigkeit des einzelnen Beteiligten202 die Rede ist, geht es immer um dasselbe: die Übertragung des Einzeltäter-Paradigmas auf den Bereich des gemeinsamen Handelns, diesmal bei den Fahrlässigkeitsdelikten. cc) Kausalität für die Gefährdung Wenn auf der Basis dessen, was die heutige, auf den Fahrlässigkeitsbereich beschränkte Einheitstäterlehre von dem ursprünglichen, auch die Vorsatzdelikte umfassenden Einheitstäterbegriff übernommen hat, keine kollektive Verantwortung begründet werden kann, dann stellt sich die Frage, ob vielleicht aus dem, was sie nicht übernommen hat, doch eine kollektive Pflichtverletzung bei Fahrlässigkeitsdelikten hergeleitet werden kann. Da dem kausalen Zurechnungsmuster die Erfolgsorientierung zu eigen und die Einzelkausalität unabdingbar ist, kann eine solche gemeinsame Verantwortung nur dadurch begründet werden, daß das Bezugsobjekt der Einzelkausalität vom Erfolgseintritt auf die Gefahrbegründung im Fahrlässigkeitsbereich verlagert wird. Solange die Akteure die Gefahrlage durch ein „einheitliches Geschehen“ begründen, wäre eine „mittäterschaftliche Verantwortung“ (und somit eine kollektive Verantwortung) nicht nur möglich, sondern sogar selbstverständlich.203 Inwieweit diese Verlagerung folgerichtig ist, und, vor allem, wie das „einheitliche“ Geschehen zu definieren ist, wird in einem besonderen Abschnitt dieser Arbeit näher betrachtet werden.204 Denn diese Auffassung bildet den Kern der gegenwärtigen herrschenden Meinung unter den Autoren, die eben Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich annehmen wollen, so daß von einer die Mittäterschaft ersetzenden Einheitstäterlehre nicht mehr die Rede sein kann. dd) Zusammenfassung Zusammenfassend kann folgendes festgehalten werden: Die Brisanz des kausalen Einheitstäterbegriffs besteht darin, daß er die Eigenartigkeit des gemeinsamen Handelns verkennt, so daß jede Beteiligung auf die Einzeltäterschaft zurückgeführt werden muß.205 Dem Ausgangspunkt dieser Auffassung, der 202

Bottke, Gestaltungsherrschaft, S. 22 ff. I. d. S. schon u. a. Frank, StGB, Vor § 47, Anm. IV.2, § 47, Anm. III; Wuttig, S. 111 ff., 124 ff.; Binding, Grundriß, S. 147; Gerland, Lehrbuch, 195; Exner, FrankFestgabe, I, S. 573. 204 s. unten B. 205 Dies bezeugt z. B. der österreichische Meinungsstand in bezug auf die Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich. Der nach dem Gesetz zumindest ansatzweise maßgebliche Einheitstäterbegriff hat dazu geführt, daß sich die österreichische Lehre über die Anwendbarkeit der Täterschaftsregelung des § 12 öStGB auf den Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte einig ist (s. Fuchs, Österreichisches Strafrecht, AT I, S. 344 ff.). Es verhält sich jedoch so, daß zugleich die Erfüllung aller Voraussetzungen der Fahr203

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grundlegenden Identifizierung von Kausalität und objektiver Zurechnung, steht die Einführung einschränkender Kriterien (selbst normativer Art), oder die Unterscheidung von Täterschaftstypen (um die Ausklammerung gewisser Verhaltensweisen aus der Strafbarkeit zu ermöglichen) nicht entgegen, solange darauf keine akzessorische Verantwortung aufgebaut wird.206 Wenn man sich über diese grundlegende Unzulänglichkeit im Klaren ist, ist man aber auch imstande, einen wertvollen Verdienst des Einheitstäterbegriffs anzuerkennen, nämlich die Einsicht, daß auf der Zurechnungsebene keine qualitative Unterscheidung zwischen den Beteiligten durchzuführen ist. Da aber die kausal orientierte Einheitstäterlehre das Quantitative (Kausalitätsanteile) zum Qualitativen (Zuständigkeit) verkehrt, kann sie in einem zweiten Moment keinen Unterschied begründen. Diese Einsicht offenbart die wesentliche Inkongruenz des „extensiven“ Täterbegriffs: Wenn seine Verfechter die zugrundeliegende Einheitstäterlehre in Einklang mit den gesetzlichen Strafrahmen zu bringen versuchen, geraten sie zwangsläufig in Widersprüche.207

lässigkeitshaftung von jedem einzelnen verlangt wird. Somit kann letzten Endes nur von einer Nebentäterschaft die Rede sein (hierzu Burgstaller, in: Eser/Huber/Cornils [Hrsg.], Einzelverantwortung, S. 30 f.). Die Konstruktion der Rechtsprechung, nach der beispielsweise die faktischen Geschäftsführer eines Konkursschuldners wegen Beitragstäterschaft am Sonderdelikt der fahrlässigen Krida (§ 159 öStGB) doch zur Verantwortung gezogen werden, erscheint in diesem Zusammenhang als eine abwegige Notlösung. 206 Vgl. Bloy, Zurechnungstypus, S. 150. Über den § 15 Abs. 2 öStGB, der beim Versuch nur die Bestimmungstäterschaft und die unmittelbare Täterschaft unter Strafe stellt, während die Beitragstäterschaft straflos bleibt, s. Burgstaller, in: Eser/Huber/ Cornils (Hrsg.), Einzelverantwortung, S. 26 ff. 207 So will z. B. Eb. Schmidt (Frank-Festgabe, II, S. 116 f.) auf die „Sozialschädlichkeit von Rechtsgüterverletzungen“ ohne Rücksicht auf den Handlungsverlauf abheben. Wenn er jedoch behauptet, daß es darüber hinaus auf die Gefährlichkeit des Verhaltens für das Rechtsgut ankommen müsse, ist es nicht mehr zu erklären, wie nur im Falle der Beihilfe solche Gefährlichkeit objektiv geringer sein soll (vgl. auch die Kritik von Bloy, Zurechnungstypus, S. 119 ff. und Roxin, Täterschaft, 28 ff. Ein extensiver Täterbegriff unterstellt auch die sog. subjektive Täterlehre. Über ihre Mängel berichtet ausführlich Roxin in Täterschaft, S. 28 ff.). Auch Stübel forderte (aus der Perspektive eines prinzipiell strengen Einheitstäterbegriffs) die gesetzliche Anerkennung differenzierender Strafrahmen, und zwar nach dem Ausmaß des jeweiligen Tatbeitrags (Ueber die Theilnahme, S. 73, 98 ff., 105 ff.). Dabei wird indes deutlich, daß er auf diese Weise seinen eigenen Ausgangspunkt verließ, denn „mehr“ oder „weniger“ kausale Beiträge gibt es nicht. Einerseits ist es also richtig, daß einheitliche Strafrahmen nicht auf jeden Fall mit einer zugrundeliegenden Einheitstäterlehre gebunden sind. Andererseits aber führt jeder Einheitstäterbegriff zwangsläufig zu einheitlichen Strafrahmen unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung: hierzu Burgstaller, in: Eser/Huber/ Cornils [Hrsg.], Einzelverantwortung, S. 25 ff.

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2. Die Statuierung einer Garantenpflicht und ihre verwandte Erscheinung, die Sorgfaltspflichtverletzung a) Die „Unterlassungslösung“ In Fällen ungeklärter Kausalität, wo das Kriterium vorhersehbarer Erfolgsverursachung als unbefriedigend bzw. unanwendbar erscheint, hat die Rechtsprechung – anstatt der zweifelhaften Konstruktion einer gegenseitigen psychischen Beihilfe – die Möglichkeit einer (Einzel-)Unterlassungstäterschaft hingenommen208 oder zumindest in Erwägung gezogen.209 Diese Auffassung ist auch vereinzelt im Schrifttum vertreten worden.210 Das Hauptargument läßt sich wie folgt zusammenfassen: Aus der Mitwirkung an der Gefahrbegründung erwächst jedem Akteur eine rückwirkende Garantenstellung aus Ingerenz, die wiederum seine Verantwortung für die vor dem Begehen unterlassenen Maßnahmen zur Verhinderung der Gefahrrealisierung begründet. Diese Auffassung ist bereits auf zutreffende Weise in der Lehre abgelehnt worden,211 so daß sich eine nähere Auseinandersetzung erübrigt. In diesem Zusammenhang muß nur auf einen Aspekt hingewiesen werden: Die einschlägigen Garantenstellungen vermögen je nach dem sowohl Zuständigkeit des Einzelnen (und, bei Personenmehrheit, eine mehrfache Einzelzuständigkeit) als auch gemeinsame Zuständigkeit herzustellen. Was bedeutet z. B. die Behauptung, der Chemiekonzern habe zu verantworten, daß keine schädliche Produkte auf den Markt gebracht werden? Es geht hier um Sicherungspflichten, wofür entsprechende Instanzen innerhalb der Firma, welche die Entscheidungen über Herstellung und Vertrieb zu treffen haben, zuständig sind. Je nach der Struktur des Unternehmens kann eine solche Zuständigkeit Personen, Organe oder beide betreffen. Betrifft die Pflicht ein aus mehreren Personen bestehendes Organ, so liegt der Schluß nahe, es handle sich um eine gemeinsame Verantwortung der Mitglieder, d. h. um eine gemeinsame Zuständigkeit für den Rückruf des Produktes, wenn es schon dem Publikum zur Verfügung steht.212 Im Straßenverkehr verhält es sich jedoch anders. Die ge208

BayObLG NJW 1990, S. 3032. OLG Schleswig NStZ 1982, S. 116 f. 210 Vgl. Walder, recht 1989, S. 58; dens. Festschrift für Spendel, S. 369 f.; in dieser Richtung wohl auch Cramer-Heine in Schönke/Schröder, StGB, Vorbem § 25 ff., Rn. 116. 211 Vgl. Weißer, JZ 1998, S. 235 f.; Renzikowski, S. 139 ff., 291; Otto, JK 1991, StGB, § 13/16, jeweils m. w. N. I. d. S. bereits Bindokat, JZ 1979, S. 436: Ein hinzutretender Beteiligte habe keine Pflicht, einen früheren, in den anderen Tatgenossen fortwirkenden Tatbeitrag unschädlich zu machen. 212 Das heißt aber wiederum nicht, daß jedes Vorstandsmitglied dazu verpflichtet wäre, fehlerhafte Entscheidungen der anderen Mitglieder zu verhindern. Die Verantwortung trifft zwar das Gremium als Kollektiv; aber jedes Mitglied kommt seiner Pflicht nach, indem es durch seine Stimme zur richtigen Entscheidung beiträgt. Anders wäre es abermals, wenn z. B. der Vorsitzende ein Vetorecht innehätte. Selbst bei ge209

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meinschaftliche Verantwortung ist hier nicht formalisiert, so daß es immer auf das Vorliegen eines verbindenden Kontextes ankommt, der zudem nicht deshalb schon gegeben ist, weil alle Akteure auf den öffentlichen Straßen fahren. Da jeder Autofahrer prinzipiell (Allein-)Garant ist, bestimmt sich die gemeinschaftliche Verantwortung nach der entsprechenden Ausformung des Vertrauensgrundsatzes und seiner Kehrseite.213 Ist ein verbindender Kontext im konkreten Fall nicht nachzuweisen, so bleibt es bei der Alleinverantwortung eines jeden Autofahrers. Die Ingerenz allein reicht also nicht aus, um eine gemeinsame Verantwortung zu begründen, sogar dann nicht, wenn die Erfolgsverursachung durch einen Dritten vorhersehbar ist, denn ein zufälliges Wissen vermag nicht das Regreßverbot (und, wie sich zeigen wird, u. U. auch den Vertrauensgrundsatz, der gerade eine Trennung der Verantwortungsbereiche bei allseitig vorhandener Garantenstellung bewirkt) aufzuheben. Da also aus Garantenpflichten nicht ohne weiteres eine gemeinsame Verantwortung entsteht, die das pflichtwidrige Verhalten eines vollverantwortlichen Dritten einschließt, ist der Weg der „Unterlassungslösung“ nur unter Zuhilfenahme anderer Kriterien begehbar – bei Zusammenwirken fahrlässig handelnder Personen etwa durch die Tatsache der gemeinsamen „Gefahrbegründung“. Ansonsten ließe sich eine „gemeinsame“ Garantenstellung praktisch beliebig begründen, mit der Folge, daß keine Unterscheidung zwischen Nebentäterschaft und Beteiligung möglich wäre. Ohne ein zusätzliches Kriterium würde die „Unterlassungslösung“ den bedenklichen Figuren Tür und Tor öffnen, die in der modernen Dogmatik als „random collections“ und partizipatorische Zurechnung bezeichnet werden.214 Der Verzicht auf meinsamer Verantwortung kennt also die Zurechnung mögliche Abstufungen nach der Struktur der entsprechenden Arbeitsteilung. Dazu s. dritter Teil, C. II. 2 und C. II. 3. 213 So kann es insbesondere zu einer gemeinschaftlichen Verantwortung kommen, wenn es sich nicht lediglich um die allgemeinen Risiken des Straßenverkehrs, sondern um ein darüber hinausgehendes, gemeinschaftlich beanspruchtes Sonderrisiko handelt, wie etwa bei einer Wettfahrt mit Verletzung eines Dritten. In solchen Fällen kommt zwischen den Akteuren nicht (nur) die Kompensierungspflicht in Frage, sondern auch die für das gemeinsame Handeln typische Pflicht, schuldhafte Verhaltensweisen der anderen bis zur Grenze des gemeinschaftlich beanspruchten Risikos zu berücksichtigen 214 Wie etwa bei der Zurechnung des „kollektiven Aktionszusammenhangs“ zum einzelnen anhand des Vorsatzes bzw. der Absicht im Falle des Völkermords (§ 6 VStGB), bei der Statuierung von Aufsichtspflichten im Bereich der Unternehmenskriminalität usf. Damit werden aber nicht einmal die angestrebten Ziele erreicht. Insb. die Ausdehnung der Aufsichtspflichten im Zuge der sog. supervisionistischen Zurechnung wird häufig als Verstärkung des Rechtsgüterschutzes angesehen, was nicht unbedingt richtig ist, wenn auf diese Weise sogar entgegen einem sachlich konstruierbaren Beteiligungsverhältnis auf der Einzelverantwortung beharrt wird. Einzelverantwortung verlangt nämlich u. a., daß das Einzelverhalten bereits mißbilligt sein muß (was wiederum häufig entweder zum Scheitern der Zurechnung oder zu einer fälschlichen Lokkerung der Voraussetzungen der Mißbilligung führt), daß die Kausalität des Einzelbeitrages für den Erfolg abgesondert nachgewiesen werden muß (oder aber zur Lockerun-

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eine gemeinsame Organisation verwischt dabei die Grenze zwischen Einzelhandeln und gemeinsamem Handeln und führt sogar zu dem umgekehrten Phänomen, daß die Regeln der Zurechnung bei gemeinsamen Handeln auf Fälle von Einzeltäterschaft übertragen werden, wenn auf diese Weise die Anwendung der entsprechenden Tatbestände ermöglicht wird. Wie die Einheitstäterlösung in einem wesentlichen Aspekt durchaus zutreffend ist, weil sie keinen Unterschied zwischen den Beteiligten auf der Zurechnungsebene bildet, streift auch die Statuierung einer (auch) auf die Folgen fremder Verhaltensweisen bezogenen Garantenpflicht den Kern der Problematik, indem sie auf eine grundsätzlich normativ verstandene Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung zum Beteiligten gerichtet ist. Es geht demnach nicht um eine vermeintliche Ursächlichkeit für den Erfolg i. S. der Äquivalenz, sondern um die Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung. So heißt es beispielsweise bei Walder, daß in manchen Fällen fahrlässiger Mittäterschaft alle Akteure verpflichtet seien, „in Anbetracht der Gefährlichkeit von Teilen der gemeinsam übernommenen Aufgabe, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, jeder für sich und auch für den andern“.215 Nach der Perspektive der „Unterlassungslösung“ werden allerdings die Garantenstellungen auf jeden Einzelnen bezogen, was über das Bestehen eines Beteiligungsverhältnisses nichts besagt. Wird darüber hinaus die Begründung der Gemeinsamkeit durch die Begründung der Einzelgarantenstellung ersetzt, so handelt es sich entweder um eine petitio principii (die Frage ist eben, ob die Garantenpflicht eine gemeinsame ist) oder um eine Auflösung der Unterscheidung zwischen Beteiligung und Alleintäterschaft. b) Die „Jedermannssorgfaltspflicht“ Die Pflichtenstellung der Mitwirkenden kann jedoch dadurch abgeschwächt werden, daß anstatt einer Garantenstellung i. S. der Unterlassungsdogmatik nur eine Pflichtverletzung eigener Art, nämlich die Sorgfaltspflichtverletzung, als Element des objektiven Tatbestandes verlangt wird. Demnach ist dem Pflichtgen des Kausalitätserfordernisses), und daß der Einzelne sämtliche tatbestandliche Qualifikationen aufweisen muß, um überhaupt zur Verantwortung als Alleintäter gezogen werden zu können. Andererseits wird auf diese Weise der Versuchsbeginn konsequenterweise nach dem Einzelverhalten anzusetzen sein, mit der Folge, daß ein strafbefreiender Rücktritt nach spontanem Aufgeben des Beaufsichtigten nicht in Frage kommt, weil das Delikt des zur Aufsicht Verpflichteten mit dem Versäumnis der Aufsichtsmaßnahmen vollendet wäre. 215 Festschrift für Spendel, S. 368 (Herv. dort); zudem führt er aus: „Man kennt ,Gefahrengemeinschaften‘, welche bei Bedrohungen von außen Garantenstellungen für die Gemeinschaftsmitglieder, also Beschützerpflichten begründen. Es gibt aber auch ,gefährliche Gemeinschaften‘, welche Überwachungspflichten auslösen, um Risiken zu begegnen, die im Rahmen einer konkreten, gefährlichen Zielsetzung der betreffenden Gemeinschaft von einzelnen Mitgliedern ausgehen“ (Festschrift für Spendel, S. 369).

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verletzenden der Erfolg selbst im Falle fehlender Einzelkausalität zuzurechnen, wenn die Pflichtverletzung „gemeinschaftlich“ erfolgt.216 Auf die Folgen dieser Auffassung für die Beteiligungslehre wird im Rahmen der Analyse der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung eingegangen. An dieser Stelle soll zunächst die Richtigkeit ihrer Prämisse hinterfragt werden. Denn es ist nicht ohne weiteres einzusehen, daß beim Fahrlässigkeitsdelikt eine besondere Sorgfaltspflichtverletzung als Bestandteil des Unrechts erforderlich sein soll. Im Gegenteil: In der modernen Strafrechtsdogmatik erscheint vielmehr die Einsicht hinreichend begründet, daß das Verbot bei fahrlässigen Taten nicht anders beschaffen ist als bei vorsätzlichen Taten: „Verhalte dich so, daß sich deine Organisation keine fremde Organisation anmaßt“. Die Art der Vermeidbarkeit spielt dabei keine Rolle.217 Der Begriff der Sorgfaltspflichtverletzung ist m. E. nur aus der dogmatischen Entwicklung vor der objektiven Zurechnungslehre, d. h. aus einem historischen Hintergrund zu erklären. Man wollte die Uferlosigkeit der Unrechtsbestimmung nach dem kausalen Dogma vermeiden, was im Fahrlässigkeitsbereich durch die Tatsache erschwert wurde, daß die finale Handlungslehre keine befriedigende Lösung liefern konnte. Aus diesem Grund bot sich wiederum (wie bei der Entwicklung der Regreßverbotslehre) die Möglichkeit an, auf eine normative Begründung zurückzugreifen. Da aber die Konstruktion von (Sonder-)Garantenstellungen nicht möglich erschien – die Fahrlässigkeitsdelikte sollten Jedermannsdelikte bleiben –, entstand eine Jedermannspflicht eigener Art, um bestimmte Verursachungen aus dem Bereich des Unrechts auszuschließen.218 Ein solcher Ansatz konnte auch, wenngleich nicht ohne Schwierigkeiten (war die Sorgfaltspflichtverletzung nun Teil des Tatbestands oder der Rechtswidrigkeit, oder war sie z. T. sogar auch in der Schuld anzusiedeln?), in den damals vorherrschenden Verbrechensaufbau eingebettet werden: Nach der Feststellung einer vorhersehbaren Kausalität wurde der Kreis der prinzipiell Verantwortlichen dadurch beschränkt, daß eine zusätzliche Sorgfaltspflichtsverletzung verlangt wurde. Analysiert man jedoch den Inhalt der Sorgfaltspflicht, dann ergibt sich eine bunte Vielfalt an Zurechnungsregeln aller Art, welche von Kriterien zur Bestimmung des unerlaubten Risikos (Verkehrsnormen, Erfahrungssätze usw.) über den Vertrauensgrundsatz und das Prinzip der Selbstverantwortung bis hin zu den 216 Paradigmatisch und grundlegend zu dieser Auffassung Roxin, Täterschaft, 2. Aufl., S. 534 f., der jedoch die Problematik der ungeklärten Kausalität nur spärlich behandelt. 217 Vgl. Jakobs, AT 9/6; Roxin, Täterschaft, S. 697; Schmidhäuser, Festschrift für Schaffstein, S. 129 ff. 218 Vgl. Engisch, Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 277 f.; ihm beipflichtend Welzel, Strafrecht, S. 128 f., 131 ff.; Roxin, Täterschaft, 2. Aufl., S. 527.

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sog. „Sorgfaltstypen“ (gewissenhafte und besonnene Angehörige des betreffenden Verkehrskreises) reicht.219 Die Sorgfaltspflicht ist nichts anderes als eine mehr oder weniger glückliche Zusammenfassung der Kriterien objektiver Zurechnung.220 Deshalb meint Roxin zu Recht, daß das Merkmal der Sorgfaltspflichtverletzung „über die allgemeinen Zurechnungskriterien nicht hinausführt“.221 Unabhängig von der Frage, ob sämtliche Fahrlässigkeitsdelikte als Pflichtdelikte aufgefaßt werden können,222 kann demnach das Abstellen auf die Sorgfaltspflichtverletzung keine mittäterschaftliche Verantwortung mehrerer Beteiligter auf überzeugende Weise begründen. Erstens, weil der Begriff der Sorgfaltspflicht bereits fragwürdig ist bzw. sich in Kriterien allgemeiner objektiver Zurechnung auflöst. Zweitens: Selbst wenn man ihre Richtigkeit unterstellt, kann sie nach h.A. höchstens Einzeltäterschaft begründen, nämlich die Täterschaft all jener, die die Pflicht verletzt haben.223 Drittens: Will man von einer gemeinsamen Pflicht sprechen, so bleibt man die Erklärung schuldig, worauf eine solche Gemeinsamkeit beruhen soll; denn selbst bei einer typischen Arbeitsteilungslage muß zunächst unterschieden werden, ob es um eine verbindende oder um eine die Verantwortungsbereiche trennende Arbeitsteilung geht.224 Letzteres hat auch Roxin erkannt,225 daraus aber nicht den folgerichtigen Schluß gezogen, daß die Gemeinsamkeit weder in der Quelle noch im Objekt der Pflicht ihren Ursprung hat. Die „genauere Abgrenzung der gemeinsamen von den geteilten Pflichten“ – schreibt Roxin – soll „noch der wissenschaftlichen Klärung harren“.226 Doch gerade hier liegt die Antwort auf die Beteiligungsfrage. Daß jeder Beteiligte für die Tatbestandsverwirklichung zuständig sein muß, bedeutet nicht zugleich, daß alle gemeinsam dafür zuständig sind. Es verhält sich auch nicht so, daß man zunächst die Zuständigkeit des Einzelnen begründet und erst danach die Gemeinsamkeit: Vielmehr wird beim gemeinsamen Handeln von Anfang an eine gemeinsame Zuständigkeit hergestellt.

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Vgl. etwa Kühl, AT 17/22 ff. Vgl. Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S. 45 ff., 96 ff., 184 ff. 221 AT I, 24/12. Schon Jakobs, Studien, S. 61 ff. 222 Was übrigens heute einstimmig verneint wird: vgl. Jakobs, Studien, S. 67 f.; Roxin, AT I, 24/10 ff.; dens. Täterschaft, S. 697. 223 Sehr deutlich bei NK-Puppe, Vor § 13, Rn. 163: „Jeder, der sich sorgfaltswidrig verhält, setzt schon für sich allein eine unerlaubte Gefahr und begründet schon dadurch die Erfolgszurechnung, falls sich diese Gefahr ein einem Schadensprozeß realisiert“. 224 Zur verbindenden und trennenden Arbeitsteilung s. dritter Teil, C. III. 225 Täterschaft, 2. Aufl., S. 536 f., unter Berufung auf Stratenwerth, Festschrift für Eb. Schmidt, S. 383 ff. 226 Täterschaft, 2. Aufl., S. 538. 220

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3. Umdenken der Kausalitätslehren a) Lösung durch kumulative Kausalität? Im Ledersprayfall, in dem die Geschäftsführer eines Unternehmens ein gesundheitsschädliches Produkt nicht zurückgerufen hatten, hat der BGH eine gemeinsame Verantwortung der Geschäftsführer angenommen.227 Dementsprechend war es nur folgerichtig, die Verantwortung jedes Einzelnen für die entsprechenden Körperverletzungen ohne weiteres zu bejahen. Dies hat der BGH unter Verwendung des § 25 Abs. 2 StGB in bezug auf die vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichungen auch tatsächlich getan. Die Verfolgung der Einzelkausalität jedes Beitrags für den Erfolg interessiert den BGH nicht, denn, wenn Mittäterschaft eine Bedeutung habe, dann sei dies eben, daß sich jeder Mittäter „die Unterlassungsbeiträge aller anderen zurechnen lassen muß und mithin für das Unterbleiben des gebotenen Rückrufs insgesamt haftet“.228 Der Weg der Mittäterschaft scheint jedoch für den BGH dann nicht begehbar zu sein, wenn es um die fahrlässigen Körperverletzungen geht. Hier soll vielmehr die Einzelkausalität für den Erfolg überprüft werden, damit die entsprechende Einzelverantwortung jedes Geschäftsführers begründet werden kann. Allein ist diese gesonderte Kausalitätsfeststellung nicht möglich, wie gerade an der vorliegenden Konstellation deutlich zu sehen ist. Der Entscheidung zufolge ergebe sich die Einzelkausalität aus den allgemeinen Grundsätzen zur Beurteilung der Fälle, in denen sich der Erfolg nur aus dem Zusammentreffen der Verhaltensbeiträge mehrerer Akteure ergebe. Es sei demnach im Bereich der Handlungsverantwortlichkeit nicht zweifelhaft, daß, „wo mehrere Beteiligte unabhängig voneinander den tatbestandsmäßigen Erfolg erst durch die Gesamtheit ihrer Handlungsbeiträge herbeiführen, jeder einzelne Beitrag im haftungsbegründenden Sinne ursächlich ist“.229 Solche Überlegungen helfen jedoch bei der einschlägigen Unterlassungsverantwortlichkeit nicht weiter, weil das Gegenstück – im Unterlassungsbereich – der Fälle kumulativer Kausalität durch Begehung (alle Beteiligte müssen handeln, damit die Tatbestandsverwirklichung zustande kommt; wenn nur einer untätig bleibt, bleibt die Tatbestandsverwirklichung aus) nicht diejenigen sind, in denen der tatbestandliche Erfolg nur dadurch vermieden wird, daß alle ihren Pflichten nachkommen, sondern eben die Fälle, in denen die Pflichterfüllung eines Beteiligten ausreicht, 227

BGHSt 37, 106 (insb. 123 ff., 129). BGHSt 37, 129. Zu dieser Annahme im Schrifttum s. die eingehende Darstellung Schaals, S. 173 ff., 191 f. Auf den Begriff der Mittäterschaft bei unechten Unterlassungsdelikten, den der BGH hier zugrundelegt, wird nicht eingegangen. Bekanntlich dagegen aber Arm. Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 189 und Welzel, Strafrecht, S. 206. Die „Kausalität“ jedes Beitrags fordernd Puppe, JR 1992, S. 32; dies. Jura 1997, S. 414; NK-Puppe, Vor § 13, Rn. 109. Hierzu kritisch Binns, S. 32 f. 229 BGHSt 37, 131 (Herv. nur hier). 228

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um diesen Erfolg abzuwenden (wenn nur einer pflichtmäßig handelt, dann bleibt die Tatbestandsverwirklichung aus): Die Analyse muß sich immer auf die Pflichtverletzung und nicht einmal auf die Pflichtverletzung und ein anderes mal auf die Pflichterfüllung beziehen. Andernfalls würde eine unzulässige Umkehrung der Bedingungsverhältnisse vollzogen,230 da die Unterlassung jedes Akteurs in der Tat eine hinreichende aber nicht „notwendige“ Bedingung (wie sie bei der Begehung erforderlich war) des Erfolgseintritts ist. Kurzum: Der BGH verwechselt die Fälle von kumulativer Kausalität mit den Fällen von Mehrfachkausalität (überbedingten Erfolgen). Die Feststellung des BGH, daß in den Fällen, in denen die zur Schadensabwendung gebotene Maßnahme nur durch das Zusammenwirken mehrerer Beteiligten zustande kommen kann, jeder Unterlassende eine Ursache für den Erfolg setze, mag im Ergebnis richtig sein (eine andere Frage ist, ob sie alle für die Vollendung haften); sie wird jedoch durch die Argumentation anhand der kumulativen Kausalität nicht getragen.231 Wenn das Ergebnis, zu dem der BGH anhand dieser Begründung kommt, trotzdem richtig ist, so liegt das an Erwägungen, die mit der Kausalitätsfeststellung eher wenig zu tun haben. Sprich: Der BGH verurteilte jeden Beteiligten wegen fahrlässiger Körperverletzungen durch Unterlassung nicht etwa deswegen, weil alle Beteiligten nur gemeinsam den Erfolg abwenden konnten, sondern trotzdem. Denn aus der individualisierenden Perspektive hatte keiner der Akteure die Erfolgsabwendungsmöglichkeit in der Hand. Die Entscheidung ist also nur für richtig zu halten, solange darin vorher eine gemeinschaftliche Verantwortung, die auf einer gemeinsamen Pflicht ruht, festgestellt würde.232 Ob diese Feststellung auch im konkreten Fall richtig ist, mag vorerst dahingestellt bleiben. Wichtig ist an dieser Stelle nur, daß über den Aufbau isolierter Garantenstellungen bzw. der Feststellung gesonderter Kausalverläufe ein solches Ergebnis nicht zu begründen ist.233

230 Vgl. Dencker, Kausalität, S. 55 ff., 167 ff. Zur Unterscheidung zwischen hinreichender und notwendiger Bedingung s. Hruschka, ZStW 110 (1998), S. 590 f. Die Frage, ob der Ursachenbegriff der Äquivalenztheorie im Vergleich zu dem Begriff, der dem Frankschen Regreßverbot zugrunde liegt, ein „schwacher Begriff“ ist, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls handelt es sich um zwei verschiedene Konzepte, die weder voneinander abhängen noch sich gegenseitig ausschließen. 231 Die Entscheidung beruft sich in diesem Punkt auf die Lehre der Gesetzmäßigkeit von Engisch (Kausalität als Merkmal, S. 30 ff.), welche demselben Irrtum unterliegt. Dazu Dencker, Kausalität, S. 57 ff. und Schaal, S. 246, m. w. N. 232 BGHSt 37, 124 f. Dies dürften auch manche Ausdrücke bezeugen, die in die Kausalanalyse der Entscheidung eingeflossen sind (BGHSt 37, 131. Herv. nur hier): „so setzt jeder, der es trotz seiner Mitwirkungskompetenz unterläßt, seinen Beitrag dazu zu leisten, eine Ursache dafür, daß die gebotene Maßnahme unterbleibt; innerhalb dieses Rahmens haftet er für die sich daraus ergebenden tatbestandsmäßigen Folgen“. 233 I. d. S. Schaal, S. 245, und Dencker, Kausalität, S. 61, der auch zeigt, wie mangels hinreichender Einzelkausalität sogar die Garantenpflicht jedes Beteiligten in

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

Daran zeigt sich gerade das Zurechnungsproblem bei gemeinsamem Handeln, daß nämlich eine gesonderte Verantwortungsbegründung im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung nicht sinnvoll ist. Anhand der Zurechnung der Kausalität jedes einzelnen Verhaltens kann diese Problematik nur besonders anschaulich gemacht werden. b) Die „Gesamtunterlassung“ Aus der Perspektive der Kausalitätsproblematik stellt Dencker in diesem Zusammenhang die treffende Frage,234 nämlich unter welchen Bedingungen man von einem „gemeinsamen Unterlassen“ sprechen kann. Dem Leitfaden seiner Untersuchung folgend schlägt er den Weg über die Gesamttat (in diesem Fall die Gesamtunterlassung) vor: Die Kausalität jedes einzelnen Beitrags soll sich nicht auf den tatbestandsmäßigen Erfolg, sondern auf die Gesamtunterlassung beziehen. Zu Recht wird hervorgehoben, daß zunächst eine Pflicht zum gemeinsamen Handeln bestehen müsse, wobei das Vorliegen desselben Garantenstellungsgrunds bei allen Beteiligten nicht erforderlich sei. Dennoch setze diese Pflicht voraus, daß die Akteure „die Rettung nur gemeinsam vornehmen können“. Daraus ergebe sich ein „objektives gemeinsames Rettungsprojekt“, das die Rettungsteilhandlungen vorgebe. In Fällen (nach der faktischen Beschaffenheit der Lage) notwendiger „Rettungsmittäterschaft“ könne eine mittäterschaftliche Gesamtunterlassung konstruiert werden. Das Problem liegt aber darin, daß hier jeder Einzeltatbestand (jeder Teilakt) zwar nie eine notwendige, stets aber eine hinreichende Bedingung für den tatbestandsmäßigen Erfolg ist, da die Unterlassung jedes einzelnen Tatbeitrags bereits ausreicht, um ein gedachtes negatives Gesamtprojekt „Erfolgsverursachung“ zu verwirklichen. So könnte jeder bestraft werden, ohne daß die Pflicht überhaupt begründet wäre. Denn die Pflicht kann nur auf der Erfolgsabwendungsmöglichkeit beruhen und diese besteht eben dann nicht, wenn jeder Beteiligte isoliert betrachtet wird. So muß Dencker die gesamte Nichtvornahme der gebotenen Handlung(en) als Grundlage nehmen. Die Gesamtunterlassung bestehe also im Ausbleiben der insgesamt vorzunehmenden Handlungen. Deshalb: Kommen alle Akteure bis auf einen ihrer Pflicht nach, dann sei der Letzte zwar kein Mittäter einer Unterlassung, wohl aber „Täter einer mittäterschaftlichen Unterlassung“. Seine Handlung wäre notwendig im Hinblick auf das „Gesamtprojekt Erfolgsabwendung“. Die individuelle Tat sei demnach „das Unterlassen des Setzens einer notwendigen Bedingung zur Verwirklichung des gebotenen Gesamtsachverhalts gemeinsamer Erfolgsabwendung“.235 Frage gestellt werden kann (Kausalität, S. 169 ff.). Dazu auch Samson, StV 1991, S. 182 ff. 234 Hier und im folgenden, vgl. Kausalität, S. 172 ff.

B. Gemeinschaftliche Gefahrbegründung

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Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Es muß nur hervorgehoben werden, daß dieser Gedankengang keine Umformulierung der Kausalitätslehren darstellt, sondern einen normativen Ansatz. Die vorgenommene Zusammenfassung der Unterlassungen zu einem Sachverhalt ergibt sich nur aus einer normativen Betrachtung, die sich wiederum nicht einmal auf eine Tat im naturalistischen Sinne, sondern auf die einschlägige Tatbestandsverwirklichung bezieht. Die schon erwähnte Fixierung auf die Kausalitätsfragen bei Dencker führt allerdings auch in diesem Bereich dazu, daß der normativen Handlungsverknüpfung nicht hinreichende Beachtung geschenkt wird. Wie wäre es z. B., wenn es um zehn Unterlassende ginge, wobei jedoch die Mitwirkung von sechs für die Erfolgsabwendung hinreichen würde? Sind alle zehn auch Täter einer mittäterschaftlichen Unterlassung, falls keiner von den Vorhaben der anderen weiß? Oder nur sechs? Und wenn das so ist, welche sechs? Diese Fragen werden erst an anderer Stelle behandelt (s. dritter Teil, B. I. 1 und C. II. 3). Sie erwecken jedoch den Eindruck, daß es eigentlich nicht einmal auf die „Kausalität“ des einzelnen Beitrags für den tatbestandlichen Erfolg ankommt.236

B. Gemeinschaftliche Gefahrbegründung I. Grundzüge der gegenwärtigen Lehre Es hat sich bisher herausgestellt, daß die Begründung einer gemeinsamen Zuständigkeit der Beteiligten für die Tatbestandsverwirklichung nicht auf einer vorhersehbaren Verursachung ruhen kann. Aber auch die individualisierende Begründung von Garantenstellungen und die Umgehung der Zurechnungsproblematik durch eine Umformulierung des Kausalverhältnisses helfen nicht weiter. Übrig bleibt eine subjektive Begründung der Gemeinsamkeit, welche sich, solange sie mit mehr oder weniger objektiven Erfordernissen angereichert wird, dem Muster der funktionellen Tatherrschaft beim Vorsatzdelikt annähert. Der Gedanke, Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich sei nicht nur möglich, sondern auf der Basis einer gemeinschaftlichen Gefahrbegründung sogar selbstverständlich, hat eine lange Tradition. Schon Frank stellte am Beispiel der zwei Arbeiter, die zusammen einen Balken auf die Straße werfen, fest, daß das Einverständnis der Beteiligten sich nicht auf den Erfolg zu beziehen brauche.237 So 235

Kausalität, S. 173. Im Ergebnis, nach ausführlicher Analyse der kausal orientierten Lösungsvorschläge, ebenso Schaal, S. 91 ff., 161 ff. 237 StGB, § 47 III. Ähnlich A. Merkel, Lehrbuch, S. 143. Vgl. auch Hälschner (Das gemeine deutsche Strafrecht, I, S. 442, Anm. 2): „Allerdings ist die Theilnahme, die Mitthäterschaft (. . .) durch die Gemeinschaft der Absicht bedingt, aber diese fehlt auch bei den fahrlässig Handelnden nicht, nur daß ihre gemeinsame Absicht auf etwas Erlaubtes geht, und ihre gemeinsame Schuld darin liegt, daß sie den nicht beabsichtigten 236

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

heißt es auch bei Mezger, daß das Einverständnis „kein auf die ganze Tat bezügliches“ sei, „aber die körperliche Handlung selbst (. . .) kann sehr wohl gemeinsam gewollt und ausgeführt sein“.238 Der Gedanke findet sich verfeinert und gleichsam ausgearbeitet bei der klassischen Darstellung Exners239 gegen die subjektive Teilnahmelehre des Reichsgerichts, nach der ein animus auctoris bei allen Mittätern bestehen müsse: „Allein ein einverständliches, gemeinsames Handeln bei gleichzeitigem Wissenkönnen und -sollen, daß man auctor des Erfolges sein werde, ist derjenige Tatbestand in dem Gebiete der Fahrlässigkeit, welcher der vorsätzlichen Mittäterschaft völlig analog ist“.240 In bezug auf die Behandlung der Fälle ungeklärter Kausalität bei Exner faßt Roxin241 den Ansatz der alten, die fahrlässige Mittäterschaft bejahenden Lehre folgendermaßen zusammen: „Wer im einzelnen den Erfolg verursacht hat, wissen wir zwar nicht. Da es sich aber um eine gemeinschaftlich gewollte Aktion handelt und die Beteiligten wenigstens in ihrer Gesamtheit den Erfolg mit Sicherheit in vorhersehbarer Weise verursacht haben, sind sie alle Mittäter und haften wegen fahrlässiger Tat, auch wenn die Auswirkungen der Tatbeiträge im einzelnen nicht genau zu ermitteln sind“. Vergleicht man diese Position mit den heutigen Ansätzen, die Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich anerkennen, so ergibt sich eine anregungsvolle Ähnlichkeit.242 So ist z. B. bei Renzikowski243 Erfolg nicht vermieden haben“. Ferner Gerland (Lehrbuch, S. 196), der die Position Franks, wohl in Anlehnung an Binding, dadurch verdeutlicht, daß er die notwendige Trennung zwischen Vorsatz und „animus societatis“ ausspricht: „Auch hier [gemeint ist der Balkenfall] ist die Schuldvorstellung dieselbe wie sonst, die Vorstellung gemeinschaftlichen Handelns tritt hinzu“. Zum Balkenwurf auch Engisch, ZStW 66 (1954), S. 386. 238 Strafrecht, S. 422; s. ferner dens. Moderne Wege, S. 32 und LK (8. Aufl.) § 47, 5. 239 Frank-Festgabe, I, S. 573. 240 Über die herrschende Auffassung hinaus, daß Vorsatz und Handlungsentschluß nicht gleichzusetzen sind, gehen jedoch die Meinungen auseinander: (i) Auf der einen Seite finden sich die Ansätze, die den Willen zum gemeinschaftlichen Handeln vom Vorsatz unterscheiden, indem sie die Unrechtseinsicht als Bestandteil des Vorsatzes, nicht aber der Willensvereinigung betrachten (so etwa Binding, Grundriß, S. 152 und Gerland, Lehrbuch, S. 195 f.): Zur Kritik an dieser Auffassung s. dritter Teil, A. II. 1. (ii) Auf der anderen Seite findet man Autoren, welche diese Trennung dadurch vollziehen, daß sie das Bezugsobjekt subjektiver Zurechnung zur Handlung in der objektiv gefährdenden Handlung sehen (Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Bd. 1, S. 442; A. Merkel, Lehrbuch, S. 143). Dem schließen sich grundsätzlich die modernen Befürwörter der fahrlässigen Mittäterschaft (vgl. etwa Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 67 ff.; Renzikowski, S. 288 f.; Dencker, Kausalität, S. 148 ff.; Kim SungRyong, S. 289 ff.; Otto, Jura 1990, S. 48). Zur Kritik an diesen Auffassungen s. u. B. I. 4 und dritter Teil, A. II. 2. 241 Täterschaft, 2. Aufl., S. 534. 242 Zu den Vermittlern zwischen der alten und der neuen Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung können Franzheim (S. 38 ff.) und Seebald (GA 1964, S. 168 ff.) gezählt werden. Beide nehmen eine Modifizierung der Tatherrschaftslehre vor, um sie den Fahrlässigkeitsdelikten anzupassen: Seebald spricht von der „Möglichkeit der Beherrschung des Geschehens“ und Franzheim – allerdings nur bei den

B. Gemeinschaftliche Gefahrbegründung

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zu lesen: „Fahrlässige Mittäterschaft verlangt (. . .) zunächst ein gemeinsames Handlungsprojekt. Diese ,Gesamttat‘ muß sich objektiv als Setzung einer rechtlich mißbilligten Gefahr darstellen. Die Mittäter müssen weiterhin ihre nach dem gemeinsamen Plan vorgesehenen Beiträge erbracht haben, wobei eine kausale Verknüpfung zwischen dem Erfolg und dem jeweiligen Tatbeitrag nicht erforderlich ist“. Dabei sei auch nicht erforderlich, daß alle Beteiligten dieselbe Gefahrvorstellung haben,244 doch aber, daß jeder „die Gefährlichkeit des Gesamtprojektes erkennen konnte und mußte“.245 Eine insofern ähnliche subjektive Begründung der Gemeinsamkeit befindet sich bei Weißer.246 Im Gegensatz zur Lage bei der Vorsatztat wollen die fahrlässigen Mittäter den Erfolg nicht verursachen. „Dennoch müssen sie im Moment der gefahrbegründenden Handlung willentlich gemeinsam mit (einem) anderen agieren. Diese subjektive Verbindung der Fahrlässigkeitstäter unterscheidet sie von den nur objektiv gemeinsam handelnden Nebentätern“. Die Akteure handeln also gemeinschaftlich bei der Begründung einer mißbilligten Gefahr, indem sie damit einverstanden sind, die gefährliche Handlung zusammen vorzunehmen.247 Dabei ist auch wichtig, daß es hier um den Willen zum gemeinsabewußten Fahrlässigkeitsdelikten – von einer „potentiellen Herrschaft“. Ähnliches gilt für den Ansatz Eschenbachs (Jura 1992, insb. S. 643 f.), der darauf abstellt, ob ein „unmittelbar zum Erfolg führendes Handeln trotzdem wegen der Innehabung der objektiven Tatherrschaft eine täterschaftliche Haftung“ (und zwar durch eine von Eschenbach nicht näher erörterte wechselseitige Zurechnung der Beiträge) begründen kann. Diese Konstruktionen sind jedoch durch die modernen Auffassungen teils übernommen und teils korrigiert worden (s. insb. unten B. II. 2 bis B. II. 4), so daß sich hier eine gesonderte Analyse erübrigt. 243 Renzikowski, S. 288 f. 244 Bei diesen Auffassungen wird die Gemeinsamkeit subjektiv begründet, was freilich nicht heißt, daß die Fahrlässigkeit selbst als Bewußtseinsinhalt betrachtet wird. Bereits bei Exner geht es dabei um ein Wissenkönnen und -sollen. Somit sind also Fälle sog. unbewußter Fahrlässigkeit eingeschlossen. 245 Renzikowski, S. 288 f. Vgl. ferner S. 284: „Für die fahrlässig herbeigeführte Rechtsverletzung haftet derjenige als Fahrlässigkeitstäter, dem das gefährliche Verhalten zugerechnet werden kann. Fahrlässige Mittäterschaft erfordert demnach eine gemeinschaftliche Gefahrbegründung“. 246 JZ 1998, S. 237. 247 Eine sehr ähnliche Konstruktion hat neuerdings Pfeiffer (Jura 2004, S. 519 ff.) vorgeschlagen: „Fahrlässige Mittäterschaft setzt notwendig die Verabredung und Durchführung eines gefährlichen gemeinsamen Handlungsprojektes voraus, wobei bei jedem Beteiligten ein objektiv gleichwertiger Sorgfaltspflichtverstoß vorliegen muß“ (Jura 2004, S. 526). Pfeiffer führt jedoch in Anlehnung an Schaal (S. 226) die Präzisierung ein, daß der Gegenstand des gemeinsamen „Tatentschlusses“ die Umstände sein müssen, die den jeweiligen Sorgfaltspflichtverstoß ausmachen. Dieses Erfordernis wird am klassischen Beispiel der Ausräumung des Dachstuhls verdeutlicht. Dort sei nämlich nur bewußte Nebentäterschaft anzunehmen, es sei denn, daß die Arbeiter miteinander übereinkommen, „die Dachbalken aus Bequemlichkeit oder aber aus Zeitdruck auf die Straße zu werfen, da sie möglicherweise schon den ganzen Vormittag ,verbummelt‘ haben“ (Jura 2004, S. 525). Ob solche Beweggründe als „Umstände“,

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

men Handeln geht – und nicht um den Willen (oder das Bewußtsein), eine Gefahr durch das gemeinsame Handeln zu begründen. Das Einverständnis über das gemeinsame Handeln macht jedenfalls die sachliche Grundlage der Gemeinschaftlichkeit aus, wie auch bei Ransiek248 deutlich zum Ausdruck kommt: Wenn eine Person für das Verhalten eines anderen einstehen solle, so bedürfe es eines hinreichenden Grundes; dieser liegt nach Ransiek darin, „daß der eine will, daß der andere für ihn handelt und daß dieser andere auch für den einen handeln will“.249 Aus diesem Willen zur gegenseitigen „Vertretung“250 entstehe der Grund dafür, fremdes Verhalten wie eigenes zuzurechnen. „Insoweit muß also“ – fährt Ransiek fort – „eine Willensübereinstimmung und damit ein gemeinsamer Tatentschluß als erste Voraussetzung der Mittäterschaft bestehen“.251 Wie es bei den Befürwortern fahrlässiger Mittäterschaft üblich ist, bemerkt er sodann auch, daß der Entschluß nicht auf die Herbeiführung des Erfolges gerichtet zu sein brauche, denn es gehe um die Zurechnung fremden Handelns (bzw. Unterlassens) und dafür reiche bereits ein gemeinsamer Handlungsentschluß aus. All diese Auffassungen haben miteinander gemeinsam, daß die Verantwortung der Akteure durch die abgesprochene bzw. bewußte Mitwirkung an einem objektiv gefährlichen und unerlaubtem Vorgehen begründet wird, was von vornherein zu einer unmittelbaren Pflichtverletzung aller Mittäter führen soll. Im folgenden gilt es also die Grundzüge dieser Lehre näher zu betrachten: 1. Beiträge zu einem Gesamtereignis: erste Vereinfachung der Zurechnung Eine „gemeinschaftliche Gefahrbegründung“ kann nur dann vorliegen, wenn durch einzelne Tatbeiträge ein Gesamtereignis hervorgebracht wird. Dabei ist erforderlich, daß die Mittäter ihre Beiträge im Rahmen eines gemeinsamen „Handlungsprojektes“ erbracht haben,252 denn nur auf diese Weise kann behauptet werden, daß jeder Beteiligte die Gefahr durch seine Bestimmung des Geschehensablaufs mitbegründet hat.253 „Die Täter wirken – so Weißer – wildie die Pflichtverletzung ausmachen, betrachtet werden können, ist allerdings fraglich. In bezug auf das Erfordernis eines gleichwertigen Sorgfaltspflichtverstoßes s. u. die kritische Würdigung der Lehre Weißers (B. II. 5). 248 Unternehmensstrafrecht, S. 67 ff. Ähnlich MüKo-Joecks, § 25, Rn. 243. 249 Unternehmensstrafrecht, S. 70. 250 Unternehmensstrafrecht, S. 73. Diese Gegenseitigkeit des Willens zur Vertretung macht auch nach Ransiek den Unterschied zwischen Mittäterschaft und Teilnahmeformen aus. 251 Unternehmensstrafrecht, S. 70. 252 Renzikowski, S. 288. 253 Wobei es prinzipiell unerheblich ist, wer dafür zuständig ist. Gemeinsames Handeln heißt hier gemeinschaftliche Vornahme der Ausführungshandlung bzw. Unterlas-

B. Gemeinschaftliche Gefahrbegründung

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lentlich zusammen bei Vornahme der sorgfaltswidrigen Handlung/Unterlassung“.254 Dennoch soll nicht jede Mitwirkung ausreichen, um mittäterschaftliche Haftung zu begründen, selbst wenn sie „willentlich“ erfolgt. Vielmehr muß jedem Beitrag nach dem Tatplan eine gewissermaßen selbständige Funktion zukommen. So meint z. B. Renzikowski, daß bloße „fördernde Beiträge“ (die aus diesem Grund außerhalb des gemeinschaftlichen Handlungsprojektes liegen sollen) allenfalls straflose fahrlässige Beihilfe darstellen würden.255 Wenn aber „fördernde“ Beiträge keine Gefahrbegründung darstellen sollen, stellt sich die Frage, was für ein Unterscheidungskriterium an dieser Stelle angewandt wird. Wir wollen annehmen, es gehe um ein der „Unerläßlichkeit“ bei der funktionellen Tatherrschaft ähnliches Kriterium. Es liegt indes auf der Hand, daß der Begriff „Unerläßlichkeit“ des Tatbeitrags nur einen Sinn hat (und zwar letztendlich einen kausalen Sinn), indem er auf ein bestimmtes Ziel bezogen wird. Dieses Ziel kann im Fahrlässigkeitsbereich selbstverständlich nicht der „angestrebte Erfolg“ i. S. der Finalität sein, denn gerade dieser ist, wenn er überhaupt besteht, für die fahrlässige Tatbestandsverwirklichung unerheblich. Das Bezugsobjekt muß die Gefahrbegründung selbst sein, also die gemeinsam geplanten/vorgenommenen Handlungen bzw. Unterlassungen. Für das Gesamtereignis in seiner konkreten Gestalt sind jedoch alle Handlungen bzw. Tatbeiträge unerläßlich, denn solange das Bezugsobjekt des Handelns selbst ausgeklammert wird, bleibt auf der Ebene der Faktizität kein anderes Unterscheidungskriterium mehr übrig. Deshalb meint Bloy256 zu Recht, daß das Erfordernis der Unerläßlichkeit des Beitrags für den Erfolgseintritt im Fahrlässigkeitsbereich257 einfach wegfalle. Wenn von einer gewissen Selbstständigkeit des Beitrags im Rahmen des Tatplans die Rede ist, soll das vielmehr darauf hinweisen, daß ein koordiniertes Gemeinschaftswerk vorliegen müsse. Dabei können sich die Handlungen Mehrerer nur dann als Beiträge zu einem Gemeinschaftswerk vereinigen und dementsprechend an Bedeutung gewinnen, wenn ein gemeinschaftlicher Handlungsentschluß vorliege. Allem Anschein nach soll dann keine nach dem Tatplan objektive Unerläßlichkeit der einzelnen Tatbeiträge für den Erfolgseintritt, sondern nur eine für das Zustandekommen des Gesamtereignisses an sich bestehen, welche aber – bei Lichte betrachtet – jedem Beitrag zukommt. Es bleibt also bei der Feststellung Bloys: Das Kriterium der

sung und nicht die Anwendung eines Zurechnungsmusters eigener Art im Unterschied zur Alleintäterschaft. 254 JZ 1998, S. 239. 255 Renzikowski, S. 288 f., Anm. 111. 256 GA 2000, S. 395. Otto (Festschrift für Spendel, S. 282) weist nur auf die Arbeitsteilung hin, was aber nichts über die Unerläßlichkeit der Tatbeiträge besagt. 257 Nach Bloy auch bei vorsätzlicher Mittäterschaft, aufgrund der Zurechnungsregel des § 25 Abs. 2 StGB, die das Kriterium der (kausalen) „Wesentlichkeit“ der Tatbeiträge hinfällig macht (Zurechnungstypus, S. 372 f.).

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

Unerläßlichkeit des Beitrags fällt hier aus und wird durch sein bloßes „Dasein“ ersetzt. Deshalb ist die Frage, ob der Beteiligte durch seinen Beitrag die Gefahr objektiv mitbegründet hat, nur mit einem Verweis auf die Tatsache seiner Mitwirkung zu beantworten (erste Vereinfachung der Zurechnung). 2. Einheit der Gefahrbegründung Die Mitwirkung, das Erbringen der Leistung, muß jedoch im Rahmen „einer“ Gefahrbegründung erfolgen. Die Lehre der „gemeinschaftlichen Gefahrbegründung“ ist demnach darauf angewiesen, die Grenzen des gefahrbegründenden Gesamtereignisses abstecken zu können. Denn unabhängig von der Diskussion, ob im Fahrlässigkeitsbereich nur die täterschaftliche Beteiligung (nach einem restriktiven Täterbegriff) bestraft werden kann oder dagegen jede (hinreichende, s. o.) Mitwirkung die Täterstrafe nach sich zieht, dürfte davon ausgegangen werden, daß nicht jeder für den Erfolg kausale Beitrag einen hinreichenden Grund dafür bildet, den Leistenden in die Gemeinschaft der mittäterschaftlichen Gefahrbegründung einzubeziehen. Bloy weist deswegen darauf hin, daß es bei Mittäterschaft um die „Herbeiführung eines einheitlichen (unteilbaren) Gesamtereignis“ geht.258 Wie aber soll diese Einheit des Ereignisses zustande kommen? Die einheitliche Betrachtung bestimmter Risiken und deren Definition als maßgebliche Erklärung für das Zustandekommen einer Tatbestandsverwirklichung kann bekanntlich nicht aus der kausalen Perspektive erfolgen. Denn diese erschöpft sich in einer Aufzählung von unendlichen Bedingungskomplexen, die nicht nur auf naturalistischer Ebene keine Einheitlichkeit kennt, sondern auch auf kommunikativer Ebene keine Orientierung bieten kann. Die Frage, ob „eine“ Gefahrschaffung vorliegt, ist keine kausale, sondern eine normative Frage. Will man also nicht die zeitliche bzw. räumliche Nähe der Tatbeiträge als maßgebendes Kriterium erheben, so ergibt sich die Einheit des Ereignisses aus dem gemeinsamen Ziel, scil. der Durchführung des gefahrbegründenden Geschehens, in das die einzelnen Tatbeiträge aufgrund eines gemeinschaftlichen Handlungsentschlusses einmünden.259 Eine einheitliche kollektive Fehlleistung wird deshalb aufgrund eines gemeinschaftlichen Handlungsentschlusses als solche definiert. An die Stelle des gemeinsamen Tatentschlusses tritt also hier der Handlungsentschluß bzw. das Bewußtsein eines Handlungsprojekts. Daß dies jedoch nicht ohne weiteres die Begründungsproblematik lösen kann, wird am Kerzenfall,260 der nach dieser Lehre ein Paradebeispiel für eine gemeinschaftliche Gefahrbegründung bildet,261 besonders deutlich: Nach258 259 260 261

GA 2000, S. 395. So Bloy, GA 2000, S. 395. BayObLG NJW 1990, S. 3032. Vgl. Renzikowski, S. 289; Kim Sung-Ryong, S. 54, 312.

B. Gemeinschaftliche Gefahrbegründung

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dem sie verschiedene Lokale aufgesucht hatten, begaben sich die Angeklagten zu einem fremden, unbewohnten Wochenendhaus, um dort weiter zu feiern. Sie entzündeten im Wohnzimmer mehrere Kerzen und verließen später den Raum, um sich im Dachgeschoß umzusehen. Als sie einige Minuten später das Wohnzimmer wieder betraten, merkten sie, daß der Teppich bereits brannte. Sie hielten Löschversuche für vergeblich und flüchteten. Das Haus brannte ab; es konnte aber nicht ermittelt werden, wer das Feuer mit seiner Kerze verursacht hatte. Da in diesem Fall jede Kerze schon unmittelbar ein „unabhängiges“ Brandrisiko setzt (d. h. jedes Risiko ist in der Lage, den Erfolg herbeizuführen), stellt sich die Frage, wie bei einer solchen kausalen „Unabhängigkeit“ die Zusammenfassung der Risiken erfolgen soll. Denn es ist nicht zulässig, jemandem fremdes eigenverantwortliches Verhalten nur deswegen zuzurechnen, weil er die sich daraus ergebenden Risiken in Kauf genommen hat, geschweige denn weil er sie vorhersehen konnte. Daran ändert sich nichts, weil er selbst ein vom anderen im kausalen Sinn objektiv unabhängiges Risiko gesetzt hat. Deshalb muß diese Lehre über das Bild der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung hinaus darauf bestehen, daß der Beitrag im Ausführungsstadium erbracht wird,262 oder die Begründung der Gemeinsamkeit auf das subjektive Moment verlegen. Nach einigen Befürwortern der gemeinschaftlichen Gefahrschaffung soll es demnach (im Ergebnis: allein) auf den gemeinsamen Handlungsentschluß bzw. das Bewußtsein des Zusammenwirkens ankommen. Das ist denn auch die Lösung Renzikowskis für den Kerzenfall. Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte die Angeklagten nach § 309 StGB wegen fahrlässiger Brandstiftung verurteilt, und zwar anhand der Konstruktion einer Garantenpflicht zur Verhütung von Bränden – und damit grundsätzlich im Sinne der Unterlassungslösung.263 Eine solche Konstruktion ist nach Renzikowski nicht nur bedenklich, sondern auch überflüssig: Beide Angeklagten ließen sich mit der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung als Mittäter einer fahrlässigen Brandstiftung erfassen, „denn das Aufstellen der Kerzen beruht auf einem gemeinsamen Tatentschluß“.264 Die Befürworter dieser Lehre sind sich nicht darüber einig, ob schon das Bewußtsein des Zusammenwirkens ausreicht265 oder auch ein voluntatives Mo-

262

Vgl. Renzikowski, S. 103. Dazu unten B. II. 4. BayObLG, NJW 1990, S. 3032. 264 Renzikowski, S. 289. 265 Vgl. Otto, Festschrift für Spendel, S. 282: „Erforderlich im Fahrlässigkeitsbereich ist – entsprechend dem Tatplan im Vorsatzbereich – das Bewußtsein der Beteiligten über das arbeitsteilige, der gemeinsamen Steuerbarkeit unterliegende Vorgehen“; Dencker, Kausalität, S. 177: „Es muß ein Gesamthandlungsprojekt vorhanden sein, dessen Verwirklichung zu einem Gesamtverhalten führen würde, das – von einem Individuum vorgenommen – den Individualtatbestand verwirklichen würde“; Kamm, S. 199. 263

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

ment erforderlich ist.266 Der Streit, der allzu sehr an die Diskussionen über Wissen und Wollen beim Vorsatz erinnert, kann hier dahingestellt bleiben. Das Wesentliche ist, daß man hier von einer verdünnten Fassung des gemeinsamen Tatentschlusses ausgeht, damit es überhaupt möglich wird, von einer einheitlichen Tat zu sprechen.267 Nur die zu dieser einheitlichen Tat geleisteten Beiträge kommen für die mittäterschaftliche Haftung in Betracht. Dies wird allerdings in seiner ganzen Tragweite erst verständlich, wenn man sich gleichzeitig vor Augen führt, daß alle diese Beiträge objektiv „unerläßlich“ für das Gesamtereignis sind. Die Bedeutung des Handlungsentschlusses bzw. des Bewußtseins über das Zusammenwirken läge dann eigentlich darin, daß er eine wechselseitige Zurechnung der Handlungen begründen soll und mithin die Zurechnung des Erfolgs jedem aber auch allen Mitwirkenden ermöglicht. Das subjektive Moment wird also konstitutiv und ebnet den Weg zur Anwendung des § 25 Abs. 2 StGB, womit das Kausalitätserfordernis bezüglich der einzelnen Beiträge entbehrlich wird. Der Schluß, der sich daraus ergibt, ist dann eindeutig: Immer wenn zwei oder mehr Akteure derart fahrlässig handeln, daß jeder um das Mitwirken des (der) anderen weiß, sind sie auf einmal Mittäter und haften als solche für die Gesamttat, solange die Handlung eines von ihnen kausal für den Erfolg gewesen ist. Aus der Mittäterschaft wären deshalb nur diejenigen Fälle auszugrenzen (in den Bereich der Nebentäterschaft), in denen kein Handlungsentschluß bzw. Bewußtsein des Zusammenwirkens besteht, sowie diejenigen, in denen der entsprechende Tatbestand den Täter des fahrlässigen Deliktes ausnahmsweise näher charakterisiert, so daß nur dieser, und nicht jeder an der Tatausführung Beteiligte, als Täter zu betrachten ist. Von diesen Ausnahmefällen abgesehen, kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß prinzipiell jeder bewußt Mitwirkende zum Täter des fahrlässigen Deliktes wird.268 3. Verzicht auf die Einzelkausalität: zweite Vereinfachung der Zurechnung Somit wäre jedoch nur eins gewonnen: Die Konstruktion der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung ermöglicht den Verzicht auf den Beweis der einzelnen Kausalität.269 Sie untermauert aber gleichzeitig eine Auslegung des Gesetzes, 266 Bloy, GA 2000, S. 395; Renzikowski, S. 288 f.; Weißer, JZ 1998, S. 237, 239; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 70; Bindokat, JZ 1979, S. 436 f. 267 Was auch für den Grenzfall der sog. neutralen Handlungen gilt: s. o. A. I. 2. Hier käme es ebenfalls darauf an, was für Kenntnisse der Handelnde tatsächlich hat. 268 Vgl. Otto, Festschrift für Spendel, S. 273 f., 276 ff. (näher dazu unten B. II). 269 Sehr deutliche Vorgabe u. a. bei Kamm, S. 140, Anm. 241; vgl. auch Renzikowski, S. 285, 289; Otto, WiB 1995, S. 394 und die treffende Kritik Puppes, GA 2004, S. 135 ff.

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wonach die fehlende ausdrückliche Abstufung der Beteiligungsverhältnisse im Fahrlässigkeitsbereich in eine unhaltbare Strafbarkeitsausdehnung überschlägt. Wenn man nämlich Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich ohnehin ablehnt, kann man noch manche Akteure aus der Strafbarkeit ausschließen, bei denen keine Erfolgskausalität bzw. unmittelbare Begründung der mißbilligten Gefahr (bei bestehender Mitwirkung) nachgewiesen wurde. Mit dieser Auffassung ist dies nicht mehr möglich, da alle durch die subjektive Begründung des Beteiligungsverhältnisses zwangsläufig Mittäter sind: Sie haben bewußt, auf welche Weise auch immer, an der Tat mitgewirkt. Im Rahmen der besprochenen Konzeption ist die Zurechnungsfrage damit allerdings erledigt (zweite Vereinfachung der Zurechnung). Eine Diskussion um die Mitwirkungsformen, die im Fahrlässigkeitsbereich straflos bleiben sollen, wird auf diese Weise hinfällig. Das zeigt sich z. B. am Radfahrerfall nach der Besprechung Exners.270 Die Brüder A und B fahren nachts entlang einer Landstraße mit unbeleuchteten Fahrrädern. A fährt vorne und B hinter ihm. Der Radfahrer X, der ihnen entgegen kommt, sieht die Brüder nicht und stößt mit B zusammen. X wird infolgedessen tödlich verletzt. Obwohl nach Exners Meinung A nicht kausal für den Erfolg geworden ist, will er in diesem Falle beide Radfahrer als Mittäter einer fahrlässigen Tötung verurteilen, „denn sie haben die gefährliche Fahrt ,gemeinschaftlich ausgeführt‘, und jeder haftet für die gesamten voraussehbaren Folgen dieses gemeinschaftlichen Tuns“. Dem ist nicht zuzustimmen, denn, mit Worten Roxins ausgedrückt, wenn es so wäre, „müßte man bei jeder Unternehmung, an der mehrere Personen beteiligt sind, stets alle wegen fahrlässiger Mittäterschaft zur Verantwortung ziehen, sobald einer von ihnen durch Unachtsamkeit eine Rechtsgutverletzung herbeiführt“.271 4. Beteiligung an der Gefährdung und Beteiligung an der Tatbestandsverwirklichung Nur bei Alleintäterschaft trifft es zu, daß sich die Zuständigkeit für die unerlaubte Gefährdung und die Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung ohne weiteres decken. Bei gemeinsamem Handeln, bei dem auch die Zwischenschaltung von Handlungen/Unterlassungen anderer im Spiel ist, muß dagegen eine solche Zusammengehörigkeit der Kompetenzen erschlossen werden. Da in den Fällen von Beteiligung der Zurechnungsgegenstand die gemeinschaftlich hervorgebrachte Tatbestandsverwirklichung ist, wird dem Beteiligten primär diese und nicht sein Beitrag zugerechnet, selbst wenn sie unmittelbar durch fremde Hand erfolgt. Die eigene Handlung des Beteiligten stellt m. a. W. nur den Grund dafür dar, daß ihm die zum Teil fremdhändig hervorgebrachten Tat270 271

Frank-Festgabe, I, S. 585 ff. (vgl. RGSt 63, 392). Täterschaft, 2. Aufl., S. 533.

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bestandsverwirklichung zugerechnet werden kann. Demgemäß geht es auch nicht darum, den Tatbeitrag des einen auch dem/den anderen zuzurechnen, sondern es geht um die Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung zu allen Beteiligten. Wie bei den Vorsatzdelikten führt auch im Fahrlässigkeitsbereich die entgegengesetzte Meinung – die Übertragung des Einzeltäter-Paradigmas auf das gemeinsame Handeln – in die Irre. Darin liegt das grundsätzliche Problem der oben thematisierten Lehre des Pflichtdelikts,272 die entweder durch eine Begründung individueller Pflichtverletzungen dem gemeinsamen Handeln gerecht werden will oder – wie in der früheren Auffassung Roxins – die Gemeinschaftlichkeit mancher Pflichtenstellungen ohne weiteres voraussetzt. Der Übertragung des Einzeltäter-Paradigmas auf das gemeinsame Handeln verfällt auch die Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung, solange sie auf die wechselseitige Zurechnung der jeweiligen Tatbeiträge fixiert ist. Aus diesem Grund setzt sie sich dem Einwand aus, daß bei konsequenter Anwendung der Lehre die Fahrlässigkeitsdelikte in Gefährdungsdelikte verwandelt werden.273 Denn diese Konsequenz ist unvermeidbar, wenn einerseits die Gemeinsamkeit subjektiv begründet wird und, andererseits, der Erfolg aus dem Handlungsprojekt ausgeklammert werden muß. Verzichtet man außerdem auf den Beweis der Erfolgskausalität bezüglich der einzelnen Tatbeiträge, dann ist nicht zu verkennen, daß auf diese Weise eine Gefährdungsverantwortung statuiert wird. Diese ist zwar bei bestimmten fahrlässigen Tatbeständen mit dem Gesetz in Einklang zu bringen, liefert jedoch keine allgemein gültige Erklärung für die große Mehrheit der Fahrlässigkeitsdelikte. Diese Kritik wird auch nicht dadurch entkräftet, daß man die Erfordernisse subjektiver Zurechnung in bezug auf den Erfolgseintritt heranzieht, denn die Frage der Beteiligung entscheidet sich nicht an der subjektiven Einstellung der Akteure: Daß jeder den Erfolg vorhersehen konnte und mußte, besagt nichts über die Frage, ob sie gemeinsam gehandelt haben. Deshalb erscheint das folgende, von Bloy274 angeführte Beispiel nicht besonders aufschlußreich: „Wollen zwei Jäger ein Wildschwein schießen und wird statt dessen irrtümlich von beiden gemeinsam ein Mensch erschossen, so sind sie wegen fahrlässiger Tötung in Mittäterschaft zu bestrafen“. Dabei sei einerlei, ob nur einer der beiden Schüsse tödlich getroffen habe und wessen Schuß es gewesen sei. Zunächst einmal wäre jedoch zu erklären, warum der eine für 272

Paradigmatisch Roxin, Täterschaft, 2. Aufl., insb. S. 534 ff. Vgl. Roxin, Täterschaft, 2. Aufl., S. 533 f. und Puppe, Festschrift für Spinellis, S. 922 f., die auch zeigt, wie die Unterscheidung von Beteiligungsformen im Fahrlässigkeitsbereich mit der Tatherrschaftslehre unvereinbar ist: Eine bewußt ausgeübte Herrschaft über Eintritt und Ausbleiben des Erfolges liegt, so hoch der äußere Anteil des einzelnen an der (vorsätzlichen) Verletzung der Sorgfaltspflicht sein mag, nicht vor. 274 GA 2000, S. 395. 273

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die fremde Gefahrbegründung (bzw. für den durch den anderen verursachten Erfolg) einzustehen hat. Das kann nicht durch die Behauptung erfolgen, daß der Mensch „von beiden gemeinsam“ erschossen wurde, weil es gerade um die Frage der Gemeinsamkeit geht. Diese kann aber nur dadurch gelöst werden, daß man die jeweiligen Handlungen zu einem Kollektiv, einem Gesamtsubjekt, zusammenfaßt (s. erster Teil, B. II). Will man dabei mit Bloy auf das gemeinsam verfolgte Ziel abstellen, dann tritt die strafrechtlich unerhebliche Tötung eines Wildschweins in den Vordergrund und mithin sägt man den Ast ab, auf dem man sitzt. Auf diese Weise bleibt nur die allseits gewollte (und deshalb „gemeinschaftliche“) Gefährdung übrig, was der allgemeinen Struktur des Fahrlässigkeitsdelikts beileibe nicht gerecht wird. 5. Zwischenergebnis Aus Gründen, die auf eine naturalistisch-kausale Betrachtungsweise zurückzuführen sind, unterstellt die Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung eine Art faktischer Herrschaft über das gefahrbegründende Geschehen, die auf der zumindest bewußten Mitwirkung am gefährdenden Geschehen beruhen soll. Somit stellt sich die Frage nach den Grundlagen dieser einheitlichen Betrachtung des Ereignisses. Da der Erfolg in das Handlungsprojekt nicht einbezogen werden kann, d. h. die tatbestandsmäßige Tat beschnitten werden soll, muß sich die Einheit des Geschehens auf andere Weise konstruieren lassen. Das könnte nach naturalistischen Gesichtspunkten nur durch den Handlungsentschluß275 oder/und die zeitlich bzw. räumliche Nähe der Verhaltensweisen erfolgen.276 Doch weder die eine (Wildschweinbeispiel), noch die andere Möglichkeit (Exners Radfahrerfall), noch eine Kombination beider (Kerzenfall), können die erwünschte Einheit begründen und deswegen erweist sie sich einmal als zu weit und einmal als zu eng. Wenn zwei nebeneinander stehende „Spaßvögel“ jeweils einen Felsbrocken einen Abhang hinunterrollen, um die am Strand liegenden Leute zu erschrecken, werden sie nicht Mittäter einer durch einen Stein verursachten Körperverletzung, obwohl sie ihre Handlungen gleichzeitig und in unmittelbarer Nähe vollzogen haben und jeder die Handlung des anderen billigte. Das kann auch deswegen nicht anders sein, weil nicht ermittelt werden kann, welcher Felsbrocken die Verletzung verursacht hat. Es fällt andererseits relativ leicht, wahrzunehmen, daß die eben skizzierte Lösung in denjenigen Fällen äußerst problematisch wird, in denen die Gefahr zwar durch das Verhalten mehrerer Akteure hervorgerufen wird, das Einverständnis aber als Rückgrat der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung ohnehin nicht vorliegt: Ein Gastwirt stellt eine ungenügend gekennzeichnete Flasche mit 275 276

Bloy, GA 2000, S. 395; Renzikowski, S. 289 (anläßlich des Kerzenfalls). Sie wird meistens als stillschweigende Voraussetzung hinzugedacht.

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Insektenvertilgungsmittel im Kühlschrank ab und der Kellner serviert aus Unaufmerksamkeit daraus einem Gast, der verletzt wird.277 Die leicht festzustellende Kausalverknüpfung bei Fällen dieser Art vermag über das Problem nicht hinwegzutäuschen, daß der Ersthandelnde für (oder zumindest auch für) die Fahrlässigkeit eines anderen zur Verantwortung gezogen und mit der Täterstrafe belegt wird. Eine befriedigende Erklärung dafür wäre nur zu gewinnen, wenn beide Verhaltensweisen als Zusammenwirken gedeutet werden könnten.278 In diesen Konstellationen könnte nämlich durchaus von einem einheitlichen Geschehen die Rede sein, wobei die Einheit weniger auf naturalistischen Begebenheiten, als auf einem normativ (der Verflechtung der Pflichten entsprechend) umschriebenen Zusammenhang beruht. Zu kurz fällt auch die Abgrenzung des Gesamtereignisses in der dem Bandenchef entsprechenden Konstellation aus: Der große Organisator des leichtsinnigerweise veranstalteten Feuerwerks, der sich aber bei der Darbietung darauf beschränkt, sich die Schau anzusehen, ginge nach dieser Lehre offensichtlich straflos aus, da er nicht die erforderliche zeitliche und räumliche Nähe zum Geschehen aufweist bzw. nicht die letzte autonome Ursache setzt. Die Formel „gemeinschaftliche Gefahrbegründung“ vermag also bestenfalls die Konstellationen eindeutiger Risikoeinheit zu lösen. Und das ist nur möglich, weil in diesen Fällen der verbindende Zusammenhang der Verhaltensweisen (und der entsprechenden Pflichten) auf so eklatante Weise deutlich wird, daß die Formel überhaupt nicht mehr nötig ist: Die fahrlässige Mittäterschaft ist in diesen Fällen, wie im Schulfall des gemeinsamen Balkenwurfs, „selbstverständlich“.

II. Ergänzungen und Korrekturen: Die Entwicklung der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung Die soeben dargestellte Uferlosigkeit der fahrlässigen Mittäterschaft, die sich aus der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung ergibt, ist jedoch im neueren Schrifttum als problematisch zur Kenntnis genommen worden. In diesem Sinne zielen die unterschiedlichen Vorschläge darauf ab, einerseits die Einheit des gefährdenden Geschehens schärfer zu konturieren und, andererseits, die Zuständigkeit des Beteiligten (aber immer noch des Einzelnen, wie sich zeigen wird) für die Tatbestandsverwirklichung (und nicht nur für das vorverlagerte Gefährdungsmoment) zu begründen. Im Rahmen der vorherrschenden Lehre ist es von besonderer Bedeutung, die Grenzen mittäterschaftlicher Verantwortung 277 Nach Jakobs, GA 1996, S. 266; s. auch den sog. Schachtfall, RGSt 1, 373: dazu dritter Teil, C. I. 4. b). 278 Die Art und Weise, auf die für diese Konstellation nur vereinzelt eine Lösung gefunden wurde, wird unten B. II. 3 und im dritten Teil, C. III. 4. dieser Untersuchung thematisiert.

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möglichst eng abzustecken. Denn einerseits bedeutet bei ihr die Bejahung der Beteiligtenqualität im Fahrlässigkeitsbereich gleichzeitig eine Begründung der Täterschaft: Im Fahrlässigkeitsbereich gebe es keine Beteiligungstheorie, sondern nur eine Täterschaftslehre.279 Andererseits hat sich gezeigt, daß im Rahmen einer reinen Theorie der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung eine Differenzierung nicht nur zwischen strafbaren Tätern und sonstigen Beteiligten, sondern auch zwischen strafbaren und straflosen Verhaltensweisen bei allseitig bewußter Mitwirkung nicht konsequent durchzuführen ist. 1. Fahrlässiges notwendiges Zusammenwirken Eine besondere Betrachtung verdient an dieser Stelle der Ansatz Kamms, die im jüngsten Schrifttum als Befürworterin mittäterschaftlicher Haftung im Fahrlässigkeitsbereich bezeichnet wird.280 In Wirklichkeit hält sie die fahrlässige Mittäterschaft jedoch prinzipiell für inakzeptabel,281 es sei denn, daß Grundsätze vorsätzlicher Mittäterschaft auf bestimmte Fallgruppen im Fahrlässigkeitsbereich übertragen werden könnten.282 Der Grund für die wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge bei vorsätzlicher Mittäterschaft liegt nach ihrer Auffassung vor allem darin, daß die Abstimmung der Tatbeiträge aufeinander „eine Arbeitserleichterung (. . .) und damit auch eine erhöhte Gefährlichkeit für die geschützten Rechtsgüter mit sich bringt“.283 Eine solche erhöhte Gefährlichkeit sei im Fahrlässigkeitsbereich nicht etwa nur möglich, sondern auch „zwingend“ gegeben, wenn die Tat so geartet sei, daß der tatbestandliche Erfolg nur durch das Zusammenwirken mehrerer Beteiligter herbeigeführt bzw., bei Unterlassungen, abgewandt werden könne. Die Begehung der Tat dürfe also in Alleintäterschaft nicht möglich sein.284 Auf diese Weise kommt sie zu einer Auffassung, deren Voraussetzungen die des „Aufeinander-Angewiesenseins“ der funktionellen Tatherrschaft im Vorsatzbereich sogar übertreffen: Die Tatbeiträge von zumindest zwei Beteiligten müssen hier „unerläßlich“ für die Erfolgsherbeifüh279 Überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum: vgl. Otto, Festschrift für Spendel, S. 276; Jescheck/Weigend, AT § 54 IV, m. w. N. 280 Vgl. etwa Lackner/Kühl, StGB, § 25, Rn. 13; Roxin, Täterschaft, S. 694. 281 Über einen anderen Weg kommt sie also zu der (durchaus richtigen) Ansicht, daß die bloß verabredete (und i. d. S. „gemeinschaftliche“) Gefahrbegründung nicht zur mittäterschaftlichen Haftung im Fahrlässigkeitsbereich führen kann (wie übrigens auch nicht im Vorsatzbereich – s. bereits erster Teil, B. II. 1). 282 Kamm, S. 188. 283 Kamm, S. 179. Kamm geht davon aus, daß die die wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge bei vorsätzlicher Mittäterschaft auf dreierlei Gründen beruht: i) Erhöhung der Gefährlichkeit des Angriffs auf das Rechtsgut; ii) Zunahme der Wahrscheinlichkeit, ungeklärte Kausalitätsfragen auszulösen; iii) Psychische Einflüsse zwischen den Mittätern. Die zwei letzten kämen jedoch im Fahrlässigkeitsbereich nicht zum Tragen (S. 186). 284 Vgl. Kamm, S. 188 ff.; 135, Anm. 229; 202 ff.

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rung sein, und zwar i. S. der conditio-sine-qua-non-Formel. Die Verfasserin ist sich selbstverständlich dessen bewußt,285 daß im Rahmen ihrer Auffassung des Fahrlässigkeitsdelikts die Anerkennung einer mittäterschaftlichen Haftung bei solchen Konstellationen durchaus überflüssig wäre. Denn nach dieser Lehre ist die fahrlässige Alleintäterschaft jedes einzelnen bereits begründet, wenn der Akteur die Sorgfaltspflicht verletzt hat und dabei kausal für den Erfolg i. S. der Äquivalenzformel geworden ist. Mittäterschaftliche Zurechnung gewinne deshalb erst dann an Bedeutung, wenn eine größere als die zwingend notwendige Anzahl von Personen an der Tat beteiligt sei. In diesen Fällen, in denen der einzelne „nicht für den Taterfolg im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel ursächlich wurde“,286 könne u. U. auch mittäterschaftliche Haftung bejaht werden. Diese von der Verfasserin selbst bezeichnete „Erweiterung des Merkmals der Notwendigkeit des Zusammenwirkens“287 wird auf der Ebene des objektiven Tatbestandes durch Anwendung der sog. „Inus-Bedingung“ auf Konstellationen, die dem Muster des Problemkomplexes Mehrfachkausalität entsprechen, d. h. indem man mit hinreichenden statt mit notwendigen Bedingungen arbeitet,288 gerechtfertigt. Um ihren Ansatz zu verdeutlichen, wandelt Kamm den Felsbrokkenfall ab: Fahrlässige Mittäterschaft liege nur dann vor, wenn (sorgfaltswidriges Verhalten des Einzelnen unterstellt) beide Beteiligten nicht jeweils einen Stein, sondern gemeinsam einen nur von mehreren Personen zu bewegenden Stein den Berg hinuntergerollt hätten. Wenn aber „vier anstelle der zwei unbedingt erforderlichen Personen den Stein in Bewegung setzen (. . .) hat dennoch jeder einzelne Tatbeitrag mittäterschaftsbegründende Wirkung. Denn, denkt man bei der Prüfung der Strafbarkeit des einzelnen die Tatbeiträge jeweils zweier Personen weg, wäre dessen Tatbeitrag zusammen mit dem verbleibenden Tatbeitrag der anderen Person unabdingbar für den Eintritt des Erfolges gewesen“.289 Die Diskussion, ob auf diese Weise die Kausalität jedes Beitrags oder nur die Kausalität ihrer Gesamtheit für die Erfolgsherbeiführung festzustellen ist, mag dahingestellt bleiben. Wichtig ist hier nur, daß Kamm das Erste verneint,290 denn bei der Mittäterschaft werden die einzelnen Beiträge allen Beteiligten wechselseitig zugerechnet. Wenn aber letzten Endes der Beitrag des Einzelnen nicht kausal für den Erfolg (zumindest nicht in den Fällen, in denen die fahrlässige Mittäterschaft von Bedeutung ist) zu sein braucht, stellt sich die Frage nach dem eigentlichen Grund der wechselseitigen Zurechnung gerade in 285

Kamm, S. 191, Anm. 44. Kamm, S. 191 (Herv. von der Verf.). 287 Kamm, S. 205. 288 Vgl. S. 205 ff. Zwar gebraucht Kamm die Bezeichnung „Inus-Bedingung“ nicht; sie legt jedoch diesen Begriff zugrunde, wie sich an ihren Ausführungen und der Berufung auf Puppe (JR 1992, S. 32; ZStW 92 [1980], S. 863 ff.) erkennen läßt. 289 Kamm, S. 206, Anm. 94. 290 Kamm, S. 207 f. 286

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denjenigen Konstellationen, in denen sie unabdingbar wäre. Kamm behandelt diesen Grund in ihren Ausführungen allerdings nur am Rande. Er liegt ihrer Ansicht nach ganz offensichtlich in der Tatsache, daß sich „jeder einzelne an einem Geschehen beteiligt, welches im Ergebnis nur die Schädigung geschützter Rechtsgüter zur Folge hatte, weil mehrere Personen beteiligt waren. Die typischerweise gegebene Gefährlichkeit eines solchen Vorgangs zwingt dazu, alle Beteiligten in den Bereich der Strafbarkeit mit einzubeziehen“. 291 Diese Auffassung enthält m. E. wichtige Erkenntnisse. Zunächst einmal stellt Kamm die Entbehrlichkeit der Einzelkausalität (i. S. der Äquivalenz) für die mittäterschaftliche Haftung fest.292 Weiterhin hebt sie hervor, daß die Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung nur eine mangelhafte Lösung der Zurechnungsproblematik zu liefern vermag. Das „Sich-Beteiligen“ kann nämlich nicht auf eine sorgfaltswidrige Mitwirkung bei Bewußtsein der objektiven Umstände reduziert werden, denn (es sei hier mit einem unbefangenen Ausdruck gesagt) ansonsten wäre die Verantwortung des Einzelnen für das Ganze mangels Bestimmung des Ganzen nicht hinreichend begründet.293 Wo auch immer diese Begründung liegen mag, stellt doch die These der Notwendigkeit des Zusammenwirkens insofern auch eine weitere Erkenntnis dar, als eine solche Notwendigkeit ein wichtiges Indiz dafür liefert, daß ein gemeinschaftliches Handeln bzw. Unterlassen vorliegt, d. h. daß die Tatbestandsverwirklichung als kollektive Leistung gedeutet werden könnte. Die Lehre Kamms bildet deshalb einen beachtenswerten Versuch, die in der herrschenden Lehre mangelhafte Abgrenzung des gemeinschaftlich geschaffenen Risikos auszubessern. Dennoch sind dieser Konstruktion schwerwiegende Einwände entgegenzuhalten. Da sich einige dieser Einwände auf Kamms Auffassung der Mittäterschaft im allgemeinen beziehen, wird hier auf diese, sofern sie mit der Lehre der funktionellen Tatherrschaft übereinstimmen, nicht gesondert eingegangen.294 Die übrigen lassen sich wie folgt zusammenfassen: 291

Kamm, S. 207 (Herv. der Verf.). Kamm, S. 66 ff. (in Anlehnung an Dencker, Kausalität, S. 132 ff.; 217 ff.). 293 Das liegt nach Kamm vor allem daran, daß die Elemente, die im Vorsatzbereich die wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge begründen (s. o. Anm. 283), nicht ohne weiteres auf das Fahrlässigkeitsdelikt übertragen werden können. Was den Grund der „erhöhten Gefährlichkeit“ betrifft, so ist hier nur zu bemerken, daß diese nur eine Spiegelung der Abstimmung der Beiträge miteinander bildet. Der gemeinsame Tatentschluß ist nach ihrer Auffassung unverzichtbares Element mittäterschaftlicher Haftung im Vorsatzbereich (S. 35 ff.), weil er nicht nur die solidarische Haftung der Mittäter mitbegründet, sondern auch den Umfang dieser Haftung (d. h. des gemeinschaftlich geschaffenen Risikos) begrenzt. 294 s. erster Teil, B. I. Nur zur Erinnerung sei hier darauf hingewiesen, daß nach dieser Lehre die mittäterschaftliche Haftung auf der Basis der Alleintäterschaft aufgebaut wird. Aufgrund eines letztendlich kausalen „Aufeinander-Angewiesenseins“ und der Verabredung wolle jeder Beteiligte, daß die Handlungen der anderen auch für ihn wirken, infolgedessen jeder die Herrschaft über die gesamte Tat erwerbe. Darauf be292

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(1) Indem die Lehre Kamms auf das Kriterium der erhöhten Gefährlichkeit für das geschützte Rechtsgut, die jeder mittäterschaftliche Angriff mit sich bringen soll, abstellt, geht sie im Vergleich zur Lehre der funktionellen Tatherrschaft einen Schritt weiter (oder zurück, je nach dem Blickwinkel). Dieses Kriterium ist jedoch bereits für die Mittäterschaft beim Vorsatzdelikt unbrauchbar, da zwar jede Beteiligung in der Tat eine Erhöhung des Risikos bedeutet, die Beihilfe aber aus diesem Grund nicht zu Mittäterschaft wird. Eine erhöhte Gefährlichkeit des Angriffs ergibt sich auch nicht zwingend aus der Tatsache, daß mehrere an der Ausführung beteiligt sind. Denn für die Frage der Gefährlichkeit kommt es immer auf die Beschaffenheit des konkreten Falles an, was die Aufstellung einer allgemein gültigen Regel verbietet.295 Die Übertragung dieses Kriteriums auf das Fahrlässigkeitsdelikt intensiviert nur diese Mängel. Bei einer Konstellation wie dem Felsbrockenfall sei z. B. Mittäterschaft danach nur dann anzunehmen, wenn ein Stein nur durch die Mitwirkung mehrerer zu bewegen sei. Die erhöhte Gefährlichkeit ergäbe sich offensichtlich daraus, daß Steine, die nur zwei gemeinsam zu bewegen vermögen, größer und damit gefährlicher sind als diejenigen, die von einem Menschen hinuntergerollt werden können. Das leuchtet allerdings schon deswegen nicht ein, weil mehrere rollende Steine – selbst wenn sie kleiner sind – u. U. eine noch größere Gefahr für die am Strand liegenden Leute darstellen können. Auf diese Weise müßten aus der mittäterschaftlichen Haftung auch sämtliche Fälle ausscheiden, in denen der Erfolg genauso gut von einem Alleinhandelnden hätte herbeigeführt werden können. Der berühmte Balkenfall, in dem zwei Handwerker gemeinsam einen Balken auf die Straße werfen, wobei ein Passant verletzt wird, wäre demnach, je nach dem Gewicht des geworfenen Balkens, als Mittäterschaft oder als Nebentäterschaft anzusehen. (2) Das Kriterium der Notwendigkeit des Zusammenwirkens gerät außerdem bei unechten Unterlassungsdelikten in unlösbare Schwierigkeiten. Nach der Lehre des notwendigen Zusammenwirkens kommt fahrlässige Mittäterschaft nur dann in Betracht, wenn die Tat so geartet ist, daß der tatbestandliche Erfolg nur

ruhe die wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge und erst dadurch vollziehe sich die Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung. 295 Vieles spricht dafür, daß gemeinsames Handeln sowohl entlastende als auch belastende Auswirkungen in bezug auf den einzelnen haben kann. Auf die entlastenden Folgen hat Schumann (Selbstverantwortung, S. 21 ff.; 113 ff.) im Rahmen der Regreßverbotsproblematik hingewiesen (die Mitwirkung von selbstverantwortlichen Handelnden müsse zugunsten des Einzelnen berücksichtigt werden; vgl. auch Seelmann, GA 1989, S. 242; s. ferner zur Einschaltung von Hilfspersonen zur Verwaltung eines Sonderrisikos und zur Arbeitsteilung jeweils dritter Teil, C. I. 1 und C. III). Wenn es sich aber so verhält, daß sich das gemeinsame Handeln sowohl entlastend als auch belastend auswirken kann, dann liegt der Schluß sehr nahe, daß es sich eigentlich um ein anderes Zurechnungsmuster und nicht nur um eine Variante der Einzelzurechnung handelt.

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durch das Zusammenwirken mehrerer herbeigeführt bzw. abgewendet werden kann. Mindestens die Tatbeiträge zweier Beteiligter (welcher auch immer) müssen also unerläßlich für den Erfolgseintritt i. S. der conditio-sine-qua-non-Formel sein. Insofern ist dieses Erfordernis abstrakt aufzufassen: Es bezieht sich auf die Beschaffenheit der Tat, die es erlaubt, von einer erhöhten Gefährlichkeit des Angriffs zu sprechen. Bei den Unterlassungsdelikten kommt nach Kamm dieser Gedanke sogar noch stärker zur Geltung. Denn nur in denjenigen Fällen, in denen der Erfolg allein durch das Zusammenwirken aller Beteiligten vermieden werden könne, könne sich jeder Akteur darauf berufen, daß der Taterfolg möglicherweise unabhängig von der Erfüllung seiner Garantenpflicht eingetreten wäre. Diese Umkehrung der Bedingungsverhältnisse ist jedoch mit der Äquivalenztheorie unvereinbar, weil die der notwendigen Mitwirkung entsprechenden Konstellationen im Unterlassungsbereich nicht diejenigen sind, in denen der tatbestandliche Erfolg nur dadurch vermieden werden kann, daß alle Beteiligte ihren Pflichten nachkommen, sondern die Fälle, in denen die Pflichterfüllung eines Beteiligten für die Erfolgsabwendung ausreicht. Ein Beispiel:296 Der Theaterdirektor D ist dafür verantwortlich, daß die Löschanlage mit Wasser gefüllt ist. Der Feuerwehrmann F hat seinerseits die Aufgabe, die Anlage zu bedienen. Eines Tages bricht ein Brand aus, aber F ist betrunken und daher nicht imstande, die Anlage in Betrieb zu setzen. Bei dem Brand kommt X ums Leben. Später stellt sich heraus, daß der Brand durch Ingangsetzen der Anlage nicht verhindert worden wäre, weil diese am Tag des Brandes nicht mit Wasser gefüllt war. Hier wird davon ausgegangen, daß dem Feuerwehrmann keine institutionelle Pflicht, sondern eine Zuständigkeit kraft Organisation zukommt. Hier hätten D und F ihren Pflichten nachkommen müssen, damit der Erfolg abgewendet worden wäre: Unterläßt also nur einer, so kommt der Erfolg dennoch zustande. Die Unterlassung jedes Akteurs ist deshalb hinreichende aber nicht „notwendige“ Bedingung des Erfolgseintritts (wie es bei der Begehung erforderlich war). Die „Umkehrung“ der Bedingungen wird von Kamm im Grunde erkannt, wenn sie meint, es liege hier ein „Mehr“ im Vergleich zur vorsätzlichen Mittäterschaft vor.297 Auf diese Weise verbindet sie jedoch das Kriterium der erhöhten Gefährlichkeit nur mit einer verkehrten Fassung der conditio-sinequa-non-Formel. Es kann nämlich sehr wohl sein, daß Vorgänge, bei denen mehrere handeln müssen, damit der Erfolgseintritt verhindert wird, gefährlicher 296 Nach Otto, AT, 21/119. Im Gegensatz zu Kamm meint jedoch Otto nicht, daß dieses Kriterium bei Unterlassungen die Entsprechung des notwendigen Zusammenwirkens bei Begehung sei. Er stellt es vielmehr noch in Festschrift für Spendel, S. 283 f. als selbständiges Kriterium für den Unterlassungsbereich auf: s. dazu bereits oben A. III. 3. b) im Zusammenhang mit der Lehre Denckers über die Gesamtunterlassung. 297 Kamm, S. 191.

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sind als diejenigen, in denen dafür das pflichtmäßige Verhalten eines Einzelnen ausreicht. Das zeigt allerdings zugleich, daß das Kriterium der erhöhten Gefährlichkeit mit der conditio-sine-qua-non-Formel nur wenig zu tun hat und dadurch seine erwünschten Umrisse verliert. (3) Ebenso brisant ist bei Kamm der Begriff des „Sich-Beteiligens“. Sie lehnt zu Recht bei Mittäterschaft das Erfordernis der Einzelkausalitätsfeststellung ab. Bei Mitwirkung dreier oder mehrerer Beteiligter sei deshalb unerheblich, welche Tatbeiträge notwendig i. S. der Äquivalenz seien. Allein das „Sich-Beteiligen“ an einer durch das notwendige Zusammenwirken charakterisierten Tat mache die mittäterschaftliche Haftung aus. Wie aber kommt dieses „Sich-Beteiligen“ zustande? Kamm verweist für die Lösung dieser Frage auf die allgemeinen Voraussetzungen fahrlässiger Haftung, welche aber mit der subjektiven Spiegelung des objektiv notwendigen Zusammenwirkens angereichert werden müssen. Dabei folgt sie der Auffassung, die von einem sorgfaltspflichtsverletzenden Verhalten ausgeht298 und das Bewußtsein der objektiven Umstände (diejenigen, die das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis der einzelnen Tatbeiträge begründen, eingeschlossen) verlangt.299 Somit kommt man allerdings im Wesentlichen zur Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung zurück, deren Mängel in bezug auf die Zurechnungsproblematik im vorangegangenen Abschnitt dargelegt worden sind. Das Streben, die Basis mittäterschaftlicher Zurechnung genauer zu umreißen und sie der Uferlosigkeit der bloßen Gefahrbegründung zu entziehen, ist ohne Zweifel begrüßenswert. Eine solche Abgrenzung kann bekanntlich nicht nach dem Muster der bei Vorsatzdelikten überwiegenden Ansicht, d. h. durch die subjektive Sinngebung des tätigen, gemeinsamen Tatentschlusses, durchgeführt werden. Da Kamm diese Ansicht teilt, muß sie einen Ersatz für den fehlenden angestrebten Erfolg bei Konstellationen des fahrlässigen Handelns finden. Ansonsten würden die einzelnen Sinngebungen der Beteiligten hervortreten, die entweder strafrechtlich unerheblich sind oder keine Gemeinsamkeit zu begründen vermögen. Beispielsweise könnte man bei einer gemeinsamen Radfahrt selbst dann noch von Einzelleistungen statt von einer Gemeinschaftsleistung sprechen, wenn alle einen bestimmten Ort erreichen wollen. Das Merkmal des notwendigen Zusammenwirkens könnte sich dabei als brauchbares Kriterium anbieten, solange es nicht verabsolutiert bzw. überbewertet wird.

298 299

Kamm, S. 193. Kamm, S. 199 ff.

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2. Gemeinsame „Steuerbarkeit“ des gefahrbegründenden Geschehens Otto geht mit der ganz überwiegenden Lehre davon aus, daß Täterschaft, Beihilfe und Anstiftung eigene Zurechnungstypen darstellen und dementsprechend bereits auf der Ebene der Zurechnung qualitative Unterschiede aufweisen. Mittäterschaft sei gegeben, wenn der Zurechnungstypus Täterschaft zwei oder mehreren Beteiligten aufgrund eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens zugesprochen werden könne. Daher geht es ihm darum, (i) täterschaftliche von nicht täterschaftlicher Beteiligung zu unterscheiden und (ii) die Merkmale, welche die Arbeitsteilung ausmachen, so gut wie möglich zu konturieren. Die erste Aufgabe sei im Fahrlässigkeitsbereich dadurch erleichtert, daß hier der Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme nicht zum Tragen komme. Denn einerseits gebe es im Fahrlässigkeitsbereich keine weitere Abgrenzungskriterien und, andererseits, sei eine solche Abgrenzung wenig sinnvoll, sofern nach dem Gesetz nur die täterschaftliche Rechtsgutsverletzung strafbar sei: „Relevant sind in diesem Zusammenhang allein die Kriterien, nach denen sich die Täterschaft bestimmt“ bzw. nach denen ein Erfolg einem Subjekt als sein Werk zuzurechnen ist.300 Solche Kriterien umfassen einen faktischen und einen normativen Zusammenhang. Der erste enthält sowohl die physische Verbindung Handlung-Erfolg (die Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden) als auch den (psychischen) Motivationszusammenhang (Vorhersehbarkeit des Erfolges). Dennoch soll erst im normativen, als Steuerbarkeit des Geschehens bezeichnetem Zusammenhang, die Möglichkeit liegen, bloße Veranlassung bzw. Förderung von täterschaftlicher Erfolgsbewirkung („sein Werk“) zu trennen: „Danach wird ein Erfolg einer Person als ihr Werk zugerechnet, welche die Gefahr begründet oder erhöht hat, die sich im Erfolg realisiert hat“.301 Denn Gegenstand strafrechtlicher Verhaltensnormen sei nicht die Erfolgsherbeiführung, „sondern die Begründung oder Erhöhung der Gefahren, die sich im Erfolgseintritt realisieren können“.302 Da aber diese Begründung ebenso für die (Otto zufolge sogar qualitativ unterschiedlichen) „nicht täterschaftlichen Verhaltensweisen“ gilt, bedarf sie einer weiteren Konkretisierung, welche durch das (Selbst)Verantwortungsprinzip geliefert werden soll: Jeder ist nur für sein eigenes Verhalten verantwortlich. Das würde jedoch den Kreis der in Frage kommenden Mittäter wiederum allzu stark verengen, weshalb Otto ein weiteres Kriterium einführen muß: „Darüber hinaus ist jedoch auch die Verantwortung für jene Rechtsgutsverletzungen begründet, die sich erst durch ein anknüpfendes pflichtgemäßes oder pflichtwidriges Ver300 301 302

Festschrift für Spendel, S. 276 f. Festschrift für Spendel, S. 278. Festschrift für Spendel, S. 278.

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halten Dritter in der Rechtsgutsverletzung realisieren, die aber bereits in der Erstgefährdung mit angelegt waren“.303 Wenn also die Gefahr der realisierten Rechtsgutsverletzung im Verhalten des Ersthandelnden schon mit angelegt sei, könne noch von Steuerbarkeit in bezug auf den Ersthandelnden die Rede sein. Da aber die Realisierung der Gefährdung erst durch das selbstverantwortliche Verhalten Dritter erfolgt, wird der Begriff „Steuerbarkeit“ in einem sehr weiten Sinne angewandt, so daß „Steuerbarkeit des Geschehens“ und „Gefährdung des Rechtsguts“ im naturalistischen Sinne letzten Endes gleichgesetzt werden. Die obigen, auf die sog. fahrlässige Teilnahme an vorsätzlicher Tat bezogenen Ausführungen haben indes gezeigt, daß eine im kausalen Sinne verstandene Gefährdung des Rechtsguts für sich allein keine strafrechtliche Zurechnungsgrundlage bildet. Deshalb muß auch Otto hinzufügen, daß es eigentlich auf die „Differenzierung von Verantwortungsbereichen“304 ankommt. Das ist im Ergebnis durchaus zutreffend; allein hat es mit dem Begriff der Steuerbarkeit wenig zu tun. Es geht nämlich nicht einfach um die Steuerbarkeit des Geschehens, sondern um ein Steuern-Sollen, d. h. um die Pflicht, das Geschehen so zu lenken, daß es zu keinen Organisationsanmaßungen kommt. Dabei ist ein – sogar individuell zu bestimmendes – Steuern-Können nach aktuellem Verständnis des Schuldprinzips selbstverständliche Voraussetzung, aber keine Begründung für die entsprechende Pflicht. Der Umweg Ottos ist außerdem nicht unschädlich. Der Ausdruck „in der Erstgefährdung mit angelegt sein“ bedeutet gleichzeitig zu viel und zu wenig. Vor allem handelt es sich abermals um eine isolierende Betrachtungsweise. Es wird eine Verbindung zwischen dem Tatbeitrag des Beteiligten und dem Erfolg gesucht, und zwar so unmittelbar wie möglich: Dieses „Mitangelegtsein“ der Rechtsgutsverletzung im eigenen Verhalten soll die bei jedem Beteiligten erforderliche (kausale) Brücke zum Erfolg schlagen. Das gemeinsame Handeln bleibt auf diese Weise als solches außer Betracht. Das führt zu der mehrfach erwähnten Fehlperspektive, nach der der Gegenstand der Zurechnung nicht die Tatbestandsverwirklichung, sondern der eigene Beitrag ist. Daher meint Otto mit den Worten Lenckners,305 es komme letztendlich darauf an, ob „bereits die Schaffung der Gefahr“ (durch den Ersthandelnden) verboten sei. Nach dem soeben Ausgeführten ist eine auf dem Begriff der Steuerbarkeit ruhende Auffassung der Mittäterschaft schwer nachzuvollziehen. Otto versucht dennoch ihre Elemente auf folgende Weise herauszuarbeiten: Da die Steuerbarkeit des Geschehens, d. h. die Gefahrbegründung oder -erhöhung das Täterschaftskriterium bilde, sei Mittäterschaft die gemeinschaftliche Gefahrbegründung oder -erhöhung, die sich in der Rechtsgutsverletzung realisiert habe. 303 304 305

Festschrift für Spendel, S. 278 (Herv. hier). Festschrift für Spendel, S. 279. In Schönke/Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff., Rn. 95/96.

B. Gemeinschaftliche Gefahrbegründung

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Worin aber liegt das Gemeinschaftliche? Wie entsteht die Gemeinschaft der Beteiligten? Die Antwort Ottos greift auf objektive und subjektive Elemente zurück: i) Objektives, „arbeitsteiliges Zusammenwirken“ und ii) Bewußtsein über das Vorgehen, das der gemeinsamen (offensichtlich aufgrund der Arbeitsteilung) Steuerbarkeit unterliege, bei iii) Vorhersehbarkeit der Rechtsgutsverletzung.306 Da aber die Steuerbarkeit an sich keine Verantwortung begründen kann, vermögen die obengenannten Kriterien weder die Gemeinsamkeit zu konstituieren noch den Bereich des Gemeinschaftlichen abzugrenzen. Man fragt sich u. a., unter welchen Bedingungen das Zusammenwirken überhaupt zustande kommt. Nur wenn eine abgesprochene Arbeitsteilung vorliegt oder auch bzw. nur dann, wenn, wie z. B. Kamm (s. o. B. II. 1) meint, der Erfolg ausschließlich durch das Zusammenwirken aller Beteililigten herbeigeführt werden kann?307 Bedarf es einer zeitlichen, räumlichen oder sachlichen Nähebeziehung der Verhaltensweisen oder nur einer Gleichartigkeit der Sorgfaltspflicht, welche jedoch auch bei Nebentäterschaft bestehen könnte? Andererseits: Was heißt „Bewußtsein“ über das Vorgehen? Reicht ein Wissen-Sollen nicht aus, wie es übrigens nach Otto bei fahrlässiger mittelbarer Täterschaft der Fall ist?308 Vor allem wird durch die Ausführungen Ottos der Eindruck erweckt, daß alle Beteiligten zu Mittätern werden, da die bewußte und gemeinschaftliche Gefahrbegründung jeden Beteiligten betreffen kann. In eine ähnliche Richtung bewegen sich die bisher nur im Ansatz vorhandenen Ausführungen Bloys309 über Begründung und Abgrenzung des gemein306 Festschrift für Spendel, S. 278 f. In bezug auf die letzte Voraussetzung meint Otto, daß die Gefahr selbst nicht erkannt zu sein brauche; doch müsse ihre Realisierung in der Rechtsgutsverletzung vorhersehbar sein (!). 307 Das ist wohl nicht der Fall. Otto meint, Mittäterschaft sei im Unterlassungsbereich auch dann gegeben, wenn von einer gemeinschaftlicher Verantwortung gesprochen werden könne, d. h. wenn die Beteiligten dieser Verantwortung nur „quasiarbeitsteilig“ gerecht werden könnten (Festschrift für Spendel, S. 284) oder wenn es um eine „arbeitsteilig begründete Gefahrenlage“ (Strafbarkeit von Unternehmen, S. 13) gehe. Damit legt Otto einen Begriff der Arbeitsteilung zugrunde, der mit einem im kausalen Sinne notwendigen Zusammenwirken nicht gleichzusetzen ist. Eine arbeitsteilige Ausführung liegt vielmehr auch dann vor, wenn mehrere Personen die für die Durchführung des Vorhabens erforderlichen Tätigkeiten zum Zwecke der Arbeitserleichterung unter sich aufteilen, obwohl der einzelne ohne die Mitwirkung der anderen das Vorhaben ebensogut hätte durchführen können. Otto hat ein Erfordernis wie die Notwendigkeit des Zusammenwirkens nicht aufgestellt und es weder in seiner letzten Analyse der Lederspray-Entscheidung thematisiert (vgl. AT 21/121) noch in Verbindung mit Beispielsfällen (Felsbrockenfall, Balkenfall usw.) gebracht, bei denen die ausdrückliche Aufstellung einer solchen Bedingung sogar sehr nahe gelegen hätte. Die Auffassung Ottos ist deswegen in dem Sinne zu verstehen, daß in den Fällen von notwendigem Zusammenwirken zur Abwendung des Erfolges eine gemeinschaftliche Verantwortung prinzipiell besteht. Daß sie auch in Konstellationen „kontingenten Zusammenwirkens“ ebenso bestehen kann, ist freilich nicht ausgemacht. 308 Festschrift für Spendel, S. 288. 309 GA 2000, S. 392 ff.

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schaftlichen Begehens im Fahrlässigkeitsbereich. Bloy erkennt zunächst auf durchaus zutreffende Weise die Problematik: „Entscheidend ist also allein, daß sich die einzelnen Tatbeiträge zu einem Gemeinschaftswerk vereinigen und nicht etwa bloß mehrfache Einzelhandlungen darstellen“. Von einer gemeinschaftlichen Gefahrbegründung könnte jedoch erst die Rede sein, wenn die Struktur der funktionellen Tatherrschaft auf die fahrlässige Tat übertragen werden kann. Denn nach Bloy liegt der zentrale Handlungsunwert des Fahrlässigkeitsdelikts in der „Beherrschbarkeit des Tatgeschehens (bei aktueller Nichtbeherrschung)“. Dementsprechend bedürfe mittäterschaftliche Haftung einer Begründung dergestalt, „daß die Beherrschbarkeit des Tatgeschehens nicht in der Hand eines Einzelnen liegt, sondern allen Beteiligten gemeinsam zukommt (Parallele zur funktionellen Tatherrschaft: funktionelle Tatbeherrschbarkeit)“.310 Eine solche Koordinierung der einzelnen Tatbeiträge, die eine kollektive Fehlleistung ausmachen, könne nur aufgrund eines gemeinschaftlichen Handlungsentschlusses erfolgen. Sowohl die Grundlagen der Tatherrschaftslehre als auch die subjektive Begründung der Gemeinsamkeit im Fahrlässigkeitsbereich sind bereits analysiert worden. Hinzuzufügen ist Folgendes: i) Bloy geht davon aus, daß der zentrale Handlungsunwert des Fahrlässigkeitsdelikts durch die Beherrschbarkeit des Tatgeschehens (bei aktueller „Nichtbeherrschung“) begründet wird. Das ist aber ungenau: Das Unrecht liegt vielmehr in der positiven, fehlerhaften Beherrschung des Geschehens begründet. Die Fahrlässigkeitsdelikte sind nicht sämtlich Unterlasssungsdelikte, und sie enthalten auch kein Unterlassungsmoment, das dem Vorsatzdelikt fremd wäre (deshalb spricht Otto insofern richtig von Gefahrbegründung oder -erhöhung); ii) Will man trotzdem den entscheidenden Punkt beim fahrlässigen Unrecht in der Beherrschbarkeit sehen, so gerät man in eine aufgrund der Voraussetzungen der Tatherrschaftslehre hoch verschachtelte Konstruktion: Jeder fahrlässige Mittäter hätte dann eine potentielle Herrschaft über das Geschehen, die ihm wiederum die potentielle Herrschaft über den Anteil der anderen verschaffen würde. Damit hätte er letztlich eine potentielle Herrschaft über das Gesamtgeschehen inne. Die Tatherrschaftslehre begnügt sich tatsächlich in manchen Fällen (Wachestehender,311 additive Mittäterschaft) mit einer potentiellen Herrschaft. Nach dem Kriterium der Beherrschberkeit müßten also diese Konstellationen einer zweifach potentiellen Herrschaft unterliegen, womit man im Ergebnis eigentlich nur ein potentielles Unrecht hat. Als Beispiel: A soll darauf aufpassen, daß sich kein Polizist in der Nähe aufhält, damit B und C gefährliche Manöver mit dem Auto auf der Straße vollziehen können. Kommt es zur Verletzung eines Dritten, ohne daß ein Polizist in die

310

GA 2000, S. 395. I. d. S. auch Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 69 f. Diese Konstellation wird jedoch von Bloy als straflose Mitwirkung behandelt (Zurechnungstypus, S. 281 ff., 376). 311

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Nähe gekommen ist, dann soll A als Mittäter haften, denn 1. es hätte auf seinen Beitrag ankommen können, und 2. er hätte durch seinen Beitrag das Gesamtgeschehen so beherrschen können, daß es zu keinem Schaden gekommen wäre. Durch die Kriterien der Steuerbarkeit bzw. Beherrschbarkeit und des arbeitsteiligen Zusammenwirkens können also die Vorgaben Ottos (Unterscheidung täterschaftlicher von nicht täterschaftlichen Beteiligungsformen; Begründung und Abgrenzung der Gemeinsamkeit) nicht erfüllt werden. Das „Mitangelegtsein“ der Rechtsgutsverletzung beim ersten Verhalten erweist sich als ein unzulängliches (weil isolierendes) Kriterium, das außerdem wenig mit dem Begriff der Steuerbarkeit zu tun hat. Auf der anderen Seite ist der Zugriff auf ein arbeitsteiliges Zusammenwirken zu unspezifisch, so daß Grundlagen und Grenzen des Gemeinschaftlichen nur sehr vage bestimmt werden können. Dennoch enthält dieser Ansatz zumindest eine wertvolle Erkenntnis: Daß im Verhalten des Beteiligten (nicht nur des Täters) die Gefährdung mit angelegt war, könnte m. a. W. bedeuten, daß der Beteiligte die Tatbestandsverwirklichung auf zuständigkeitsbegründende Weise mitgestaltet hat. Das Kriterium wäre nur insofern verfehlt, als es i) aus der isolierenden Perspektive verstanden und angewendet wird, und ii) als Täterschaftskriterium benutzt wird. Der Begriff wäre dagegen durchaus sinnvoll, wenn man davon absähe und mit ihm in einer Weise arbeiten könnte, die auf das gemeinsame Handeln zugeschnitten ist. 3. Von der Steuerbarkeit (bzw. Beherrschbarkeit) des Geschehens zur Verantwortung für die fehlerhafte Steuerung Der Ansatz Ottos bleibt jedoch nicht bei einer bloßen Ausmalung der These der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung stehen. Vor allem sollte der Begriff des „Mitangelegtseins“ der Rechtsgutsverletzung nicht darüber hinwegtäuschen, daß Otto stets, insbesondere aber bei der Unterlassungsverantwortung, eine normative Vermittlung der Zurechnung zugrunde legt. Doch eine solche Modulation der naturalistischen Gefährdungslehren nach einer normativen Tonart ist in der Dogmengeschichte keineswegs neu. a) Die Risikoverbundenheit in der Auffassung Exners Zu den vermittelnden Positionen gehört z. B. die grundlegende Darstellung Exners312 in der Festgabe für Frank. Die hier interessierenden Fragen betreffen die von Exner behandelte Konstellation, in der B fahrlässig gehandelt hat, wobei A auch fahrlässig mitgewirkt bzw. die Tat fahrlässig veranlaßt oder ermöglicht hat.313 Je nach Sachlage gibt es hier nach Exner zwei Möglichkeiten: Ent312 313

Frank-Festgabe, I, S. 569 ff. Hier und im folgenden, Frank-Festgabe, I, S. 573 ff.

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

weder handeln beide einverständlich (die Position Exners stimmt diesbezüglich mit der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung völlig überein) oder es fehlt an jeglichem Einverständnis. Im letzten Falle ginge es um „selbständige“ fahrlässige Handlungen, deren Zusammenwirkung den Erfolg herbeigeführt hat. Das Fehlen einer subjektiven Grundlage der Gemeinsamkeit führt jedoch bei Exner nicht dazu, daß eine mittäterschaftliche Verantwortung von vornherein ausgeschlossen ist. Vielmehr wirft er die Frage auf, unter welchen Bedingungen jemand für die Fahrlässigkeit eines anderen zur Verantwortung gezogen werden könne. Den obigen Ausführungen entsprechend soll jedoch darauf hingewiesen werden, daß hier bereits die Frage falsch gestellt sein könnte. Denn durch diese Fragestellung wird das Problem des gemeinsamen Handelns nicht einmal berührt: Jede Handlung wird vielmehr isoliert betrachtet, was dazu führt, daß das eigentliche Problem der Beteiligung in den unmittelbar folgenden Ausführungen nicht vorkommt: Exner geht es um die Begründung der individuellen Verantwortung eines jeden Mitwirkenden. Das Beteiligungsverhältnis kommt damit gleichsam „automatisch“ zustande. Von Interesse für die Analyse der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung ist die Konstellation, in der die Handlungen von A und B gleichzeitig erfolgen bzw. in der die Handlung des A zur Debatte steht. Hier gibt es nach Exner abermals zwei Möglichkeiten: Zunächst einmal kann die Handlung des A voraussehbarweise ohne Hinzutreten des fahrlässigen Verhaltens eines anderen zum Erfolg führen. Dann sei der Erfolg dem A zuzurechnen, wenn (i) er voraussehbar gewesen sei und auch vorausgesehen werden sollte und (ii) der Kausalverlauf „innerhalb des Rahmens der gewöhnlichen Erfahrung“ (adäquate Kausalität) bleibe. Die zweite Konstellation betrifft die Fälle, in denen die Handlung des A nicht unmittelbar gefährlich ist, sondern nur dann, wenn eine fahrlässige Handlung eines anderen hinzukommt. Der Erfolg sei dem A in diesem Fall zuzurechnen, wenn (i) die fahrlässige Handlung des anderen voraussehbar gewesen sei und auch vorausgesehen werden sollte, und daher (ii) weder Regreßverbot noch Vertrauensgrundsatz314 anwendbar seien. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, wie Exner die Erheblichkeit einer Gefahr charakterisiert, denn erst in bezug auf erhebliche Gefahren besteht prinzipiell die Pflicht, sie vorauszusehen: „Die Führung des Autos durch einen geprüften Fahrer bedeutet eben eine Gefahr, die herbeizuführen für unseren Verkehr etwas durchaus Typisches ist, ein erlaubtes Risiko“. Oder negativ: „Der Eigentümer [der sein Wagen unbewacht mit laufendem Motor verlassen hat] hat eine Gefahr herbeigeführt, die, wie das Polizeiverbot zeigt, für unsere heu314 In bezug auf den Vertrauensgrundsatz schreibt auch Exner (Frank-Festgabe, I, S. 579 f.): „Das Wesen jeder Regelung, wenn sie nicht nur auf dem Papier steht sondern tatsächlich ,gilt‘, besteht gerade darin, daß sie nicht nur ein bestimmtes Verhalten der Menschen fordert, sondern auch ,die Berechenbarkeit‘ dieses Verhaltens erzeugt“. Das Prinzip wird also an die Schaffung normativer Erwartungen angeknüpft.

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tige Verkehrsauffassung atypisch ist, und er wird in aller Regel für die Folgen zu haften haben“. Bei Lichte betrachtet vollzieht Exner eine bedeutende Normativierung der subjektiven Zurechnung: Der Schwerpunkt wird auf die Erkenntnispflicht gelegt, wobei die Einbeziehung des Regreßverbots und des Vertrauensgrundsatzes eine differenzierende Behandlung des gemeinsamen Handelns ermöglicht. Bei der Charakterisierung der erheblichen Gefahren wird zugleich auf die Semantik des sozialen Kontaktes zurückgegriffen. Nur auf diese Weise können die Konstellationen identifiziert werden, in denen eine Verantwortung für fremdes Verhalten entstehen kann. Der normative Ansatz wird allerdings nicht zu Ende geführt, weil Exner sich darauf beschränkt, das Problem der eigenen Schuld (Fahrlässigkeit) jedes Beteiligten in bezug auf den tatbestandlichen Erfolg zu behandeln.315 Obwohl er die maßgebliche Frage, ob jemand Beteiligter ist oder nicht, richtig erkannt hat, geht er bei der Antwort noch immer davon aus, daß es sich um eine Frage der subjektiven Zurechnung (Schuld) – wenngleich weitgehend normativiert – handelt. So wird bei ihm die Problematik der „Unterbrechung des Schuldzusammenhangs“ folgendermaßen beschrieben: „Der schädliche Erfolg ist zwar durch eine pflichtwidrige, unvorsichtige Handlung des Täters verursacht worden, allein es haben dabei Umstände, die der Täter nicht zu vertreten hat, derart mitgewirkt, daß der Erfolg auch bei pflichtmäßigem Verhalten eingetreten wäre“.316 Infolgedessen scheidet nach Exner die „subjektive Zurechnung“ in bezug auf diesen Beteiligten aus. Das ist jedoch in der Begründung nicht richtig: Die treffende Feststellung, daß der Täter manche Umstände nicht zu vertreten hat (d. h. daß er dafür nicht zuständig ist), ist nämlich keine Frage der subjektiven, sondern der objektiven Zurechnung.317 Entfällt diese, dann gibt es keine Gemeinsamkeit und eine subjektive Zurechnung als Vorsatz oder Fahrlässigkeit kommt nicht einmal mehr in Betracht. b) Die Arbeitsteilung bei Stratenwerth So wie Exner bei der Begründung der mittäterschaftlichen Haftung im Fahrlässigkeitsbereich zu einer normativierenden Auffassung gelangt, kommt Stratenwerth318 auf der Suche nach ihrer Abgrenzung zu einer ähnlichen Sicht.

315 Abgesehen davon, daß Exner auf eine Erkenntnispflicht abstellt, die es im Regelfall nicht gibt: Kenntnis kann allenfalls eine Voraussetzung der Erfüllung der Vermeidepflicht sein. 316 Frank-Festgabe, I, S. 583. 317 Hier ist jedoch zu beachten, daß dieses Problem zur Zeit Exners als Unterbrechung des „Kausal“zusammenhangs behandelt wurde; wohl deshalb wollte Exner keine Verknüpfung zu einer objektiven – damals als kausal verstandenen – Zurechnung aufbauen.

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

Seine Darstellung verliert allerdings insofern an Klarheit, als er – wie noch heute Bloy – auf einer analogen Anwendung des Tatherrschaftsprinzips im Fahrlässigkeitsbereich beharrt. Gerade der Begriff der „Beherrschbarkeit“ (Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit) wurde von Stratenwerth als das für die fahrlässige Täterschaft kennzeichnende Element eingeführt. Die Beherrschbarkeit soll den primären Verantwortungsbereich abgrenzen und damit die Aufgabe erfüllen, die bei den Vorsatzdelikten vom Tatherrschaftsprinzip erfüllt werde. Die Verantwortung derjenigen, die außerhalb dieses Bereiches bleiben, könne durch den Verstoß gegen eine abgeleitete Sorgfaltspflicht begründet werden. Diese Sorgfaltspflicht bezieht sich jedoch nicht unmittelbar auf den tatbestandsmäßigen Erfolg, sondern auf die fremde Sorgfaltspflichtverletzung, und sie entsteht nicht aus der Vorhersehbarkeit, sondern nur aus einer anderweitigen Pflichtenstellung des Ersthandelnden, anhand derer er unter bestimmten Bedingungen für fremde Sorgfaltspflichtsverstöße zur Verantwortung gezogen werden kann. Es handelt sich also vielmehr um die Frage, „in welchen Grenzen überhaupt auf die Möglichkeit fremder Sorgfaltsmängel Rücksicht genommen werden muß“.319 Deshalb meint Roxin320 zu Recht, von einer Anwendung des Herrschaftsprinzips auf fahrlässige Taten könne bei Stratenwerth keine Rede sein, „denn die für ihn maßgebende Unterscheidung zwischen primären und sekundären Sorgfaltspflichten ist vom Herrschaftsgedanken unabhängig und wird durch ihn nur verwirrt“. Daß die Beherrschbarkeit aber andererseits dem Tatherrschaftsbegriff bei vorsätzlichen Delikten nicht entsprechen kann, ergibt sich schon aus dem Inhalt, den Stratenwerth jenem Begriff zuschreibt: Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit. Denn die Beherrschbarkeit muß sowohl die primären (täterschaftlichen) als auch die sekundären („teilnahmehaften“) Sorgfaltspflichtverletzungen umfassen. Ansonsten könnten auch unvorhersehbare bzw. unvermeidbare Erfolgsherbeiführungen bestraft werden, bei denen ein Verstoß gegen eine abgeleitete Sorgfaltspflicht jedoch nur schwerlich in Frage kommt. Wichtiger ist allerdings, daß, solange die Trennung zwischen primärer und sekundärer Verantwortung nicht auf Vorhersehbarkeit beruhen kann, sondern vielmehr in den normativen Erwartungen pflichtmäßigen Verhaltens zu suchen ist, auch die Grenzen mittäterschaftlicher Haftung nicht von der „Sachwelt“ (woran der Begriff der Beherrschbarkeit nach Stratenwerth321 selbst anknüpft) abzuleiten sind, sondern eben von der normativen Ebene der Zuschreibung von Verantwortungsbereichen.322 An die Überlegungen Stratenwerths in bezug auf die Arbeitsteilung bei medizinischen Heilbehandlungen knüpft gerade der Gedanke an, daß 318 Festschrift für Eb. Schmidt, S. 391 ff. Vgl. jedoch die heutige Position Stratenwerths in AT 16/76. 319 Festschrift für Eb. Schmidt, S. 391. 320 Täterschaft, 2. Aufl., S. 558. 321 Festschrift für Eb. Schmidt, S. 390. 322 So heute im Ergebnis auch Stratenwerth, AT 16/77.

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eine gemeinsame Verantwortung mehrerer weder aus einem bloß tatsächlichen Mitwirken noch aus den subjektiven Vorstellungen (Willens- bzw. Bewußtseinsinhalt) der Akteure entsteht. Auf diese Frage wird im Verlauf der Untersuchung im Zusammenhang der normativen Annäherung an die Problematik des gemeinsamen Handelns noch genauer eingegangen.323 c) Der „normative“ Lösungsweg Ottos Sowohl im Hinblick auf diese Fallgruppe als auch hinsichtlich der Unterlassung scheint dagegen Otto die Faktizität der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung zu verlassen und der Lösung eine normative Richtung zu geben.324 Wie sich an der Problematik der sog. fahrlässigen Beteiligung an vorsätzlicher Tat schon gezeigt hat, bildet längst die Unterlassungsdogmatik das Beispiel einer gleichsam bezwungenen Normativierung. Das ergibt sich aus zweierlei: Zum einen aus der in diesem Bereich unverkennbar normativen Begründung der Strafbarkeit überhaupt, wobei der Begriff strafrechtlicher Unterlassung erst durch normative Erwägungen entsteht. Zum anderen, und das ist bei Otto entscheidend, weil Konstellationen sogenannter „Mehrfachkausalität“ nach herkömmlichem Verständnis im Unterlassungsbereich nur lösbar sind, indem man die Einzelunterlassungen als eine Einheit betrachtet. So bemerkt er – entgegen Samson325 – in bezug auf die Lederspray-Entscheidung: „Der BGH rechnet (. . .) dem einzelnen Geschäftsführer nicht einen Taterfolg zu, obwohl es diesem jeweils unmöglich war, den Erfolg abzuwenden. Das wäre das Ergebnis einer Einzeltatbetrachtung. Der BGH versagt den einzelnen Beteiligten vielmehr die Berufung auf das pflichtwidrige Verhalten anderer Beteiligter, weil er das Verhalten aller Beteiligter als Einheit bewertet (. . .) Sie haften nämlich als Mittäter“. Das bedeute einen dogmatischen Schritt zu einer rein normativen Begründung der Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich, da dabei die Gemeinsamkeit der Unterlassung nicht von der Übereinkunft oder gar dem Bewußtsein der beteiligten Garanten, gemeinsam eine sie treffende Pflicht zu einem bestimmten Verhalten nicht zu erfüllen, abgeleitet werde, sondern von der alle Beteiligten betreffenden Verantwortung (Pflichtenstellung) für die Erfolgsabwendung.326 Diese begrüßenswerte Entwicklung habe, so heißt es abschließend bei Otto, keine Entsprechung im Vorsatzbereich.

323

s. dritter Teil, C. III. Hier und im folgenden, Festschrift für Spendel, S. 283 ff. 325 StV 1991, S. 185 f. 326 Später hat Otto diese Meinung aufgegeben: s. Strafbarkeit von Unternehmen, S. 12; darin fordert er zumindest das Vorliegen des Bewußtseins aller Mitwirkenden (Unterlassenden), ein bestimmtes Verhalten gemeinsam erbringen zu können. 324

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

Diese zu Recht als Pionierarbeit anerkannten Entwicklungen Ottos bleiben allerdings den Mängeln der sog. „Unterlassungslösung“ verhaftet. Bei Unterlassungsdelikten liegt es schon aufgrund der Dogmengeschichte näher, die Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeiten normativ zu ziehen. Auf diese Weise ist auch die erste Aufgabe, den Kreis der in Frage kommenden Beteiligten vorzuzeichnen, erfüllt. Aber damit ist noch nichts über die Gemeinsamkeit der Pflicht gesagt. Es ist zwar eindeutig, daß nur diejenigen als Mittäter haften können, denen die Pflicht zukommt, einen bestimmten Erfolg zu vermeiden. Das reicht jedoch nicht aus, da die jeweiligen Pflichten sehr wohl unabhängig voneinander bestehen können.327 Weder die Quelle noch das Objekt der Pflicht machen für sich genommen die Gemeinsamkeit aus, was auch für das umgekehrte Verhältnis gilt: Unterschiedliche Pflichten nach Quelle und Objekt schließen die Gemeinsamkeit nicht zwingend aus. Will man bei Unterlassungen die Gemeinsamkeit durch die tatsächliche Notwendigkeit des Zusammenwirkens begründen, so kommt man zu einem der oben besprochenen Auffassung Kamms (s. o. B. II. 1) ähnlichen Ansatz. Diese Begebenheit vermag höchstens ein gutes Indiz darzustellen; sie begründet allerdings die Gemeinsamkeit nicht. Daß Otto selbst dies erkannt hat, wurde bereits zuvor aufgezeigt.328 Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Konstruktion Ottos, soweit sie sich an die Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung anlehnt, die Mängel dieser Lehre nicht zu beheben vermag. Das Erklärungsmuster bleibt dem Einzeltäter-Paradigma und der naturalistischen Betrachtungsweise verhaftet. Wenn er dagegen die normativierende Perspektive übernimmt, zeigt seine Auffassung die Lücken der zugrunde gelegten Lehre der strafrechtlichen Pflichten. Beides spiegelt sich in der Lösung typischer Konstellationen wider: (1) Im Falle der Übergabe einer Waffe an eine Person ohne Waffenschein will Otto die Strafbarkeit des Verleihers davon abhängig machen, ob der Entleiher einen Dritten vorsätzlich oder nur fahrlässig erschießt. Das sei die Folge einer Konkretisierung des Schutzzwecks der Norm, welche die Übergabe von Waffen verbiete, damit keine Schäden aus Unaufmerksamkeit entstehen. (2) Bei einer fehlgeschlagenen Anstiftung, bei der der Angestiftete einen Dritten statt des geplanten Opfers tötet, soll der Anstifter, der Gefahrbegründung wegen, fahrlässiger Täter einer Tötung sein. (3) Wenn schließlich der A den B lebensgefährlich verletzt, der aber dann erst aufgrund einer fahrlässigen Handlung des Arztes im Krankenhaus stirbt, sei A Täter einer fahrlässigen Tötung, da die nachfolgenden Risiken zum ersten Risiko gehörten (darin also mitangelegt seien). Auf Konstellationen dieser Art wird im dritten Teil dieser Arbeit näher eingegangen. Dennoch läßt sich bereits an dieser Stelle Folgendes bemerken: Ob

327 328

Vgl. Dencker, Kausalität, S. 172. s. o. Anm. 307.

B. Gemeinschaftliche Gefahrbegründung

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der Verleiher (bei 1) und der Verletzende (bei 3) für das selbstverantwortliche Verhalten eines anderen gemeinsam mit diesem zur Verantwortung gezogen werden können, ist keine Frage der Gefährdung; denn die Gefahrbegründung ist im Gesetz nur ausnahmsweise unter Strafe gestellt. Wenn sie die Tatbestandsverwirklichung (fahrlässige Tötung) zu vertreten haben, so liegt das in der Regel nur daran, daß eine gemeinschaftliche Fehlleistung vorliegt. Will man dem Ersthandelnden nicht nur seinen eigenen Beitrag zurechnen, sondern eine Verantwortung für die Tatbestandsverwirklichung auf die Zurechnung des Drittverhaltens gründen, so scheitert die Konstruktion schon daran, daß niemand ohne gemeinsame Organisation für das Verhalten eines selbstverantwortlichen anderen einzustehen hat. Wenn der Verletzte nur aufgrund der nachlässigen Behandlung stirbt, kann ohne Gemeinsamkeit lediglich ein Einheitstäterbegriff bzw. eine wie auch immer begründete, den Ersthandelnden allein betreffende Sonderpflicht seine Verantwortung für die fahrlässige Tötung rechtfertigen. Wenn der unbefugte Entleiher der Waffe einen anderen tötet, ist das nur ihm zuzurechnen, es sei denn, das Leihverhältnis bezieht auch den Verleiher in den nachfolgenden Tatteil mit ein. Ist das der Fall, dann kommt es überhaupt nicht darauf an, ob der Entleiher vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Der entscheidende Punkt, nämlich die den Lösungen zugrundeliegende, gemeinsame (u. U. auch mittäterschaftliche) Verantwortung von Verleiher und Entleiher, von Verletzendem und Arzt, wird also bei Otto ohnehin nicht begründet. 4. Autonomes Setzen der letzten Ursache Renzikowski unternimmt eine Revision der Tatherrschaftslehre gerade aus der soeben erwähnten Perspektive des Autonomieprinzips. Sein Anliegen besteht darin, „die Tatherrschaftslehre zu reformulieren“,329 da sie bisher dem Prinzip der Verursachung (mit Tatherrschaft: Täterschaft; ohne Tatherrschaft: Teilnahme) verhaftet geblieben sei,330 während es bei der Unterscheidung Täterschaft/Teilnahme aber vielmehr um unterschiedliche Verhaltensnormen gehe.331 Die Täterschaftskriterien müßten aus diesem Grund sowohl für die vorsätzlichen als auch für die fahrlässigen Taten gelten, da Fahrlässigkeits- und Vorsatztäter dieselbe Verhaltensnorm verletzen: Vorsatz- und Fahrlässigkeitsunrecht differierten nämlich allein im subjektiven Tatbestand. Wenn also beim

329

Renzikowski, S. 34. Die Feststellung ist durchaus zutreffend: s. erster Teil, B. I und oben A. I und A. III. 1. Vgl. auch – wenngleich aus einer individualisierenden Perspektive – Heinrich, S. 33 ff.; Köhler, AT, S. 504; Herzberg, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, S. 41. 331 Was jedoch nicht richtig ist [s. erster Teil, B. II. 4. c)]: Täter und Teilnehmer verletzen dieselbe Verhaltensnorm, welche die Tatbestandsverwirklichung untersagt. Hierzu Küper, ZStW 105 (1993), S. 445 ff. 330

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

Vorsatzdelikt ein restriktiver Täterbegriff gelte, sei auch beim Fahrlässigkeitsdelikt ein extensiver Täterbegriff abzulehnen. Aus diesen zwei z. T. zutreffenden Feststellungen entfaltet sich die Täterschaftslehre Renzikowskis.332 Der Verursachung setzt Renzikowski die Autonomie entgegen. Restriktiver Täterbegriff bedeute demnach, daß die Rechtsgutverletzung nur demjenigen als sein Werk zugerechnet werden könne, der in der Kausalkette als letzter autonom gehandelt habe. Autonomes Handeln begründe also ein Regreßverbot. In diesem Zusammenhang stelle die Figur der Mittäterschaft eine Ausnahme dar: Die Regelung des § 25 Abs. 2 StGB wird als „Durchbrechung“ des Regreßverbots gedeutet und die sich daraus ergebenden Folgen als Erweiterung des Autonomieprinzips bezeichnet.333 Wenn z. B. A das Opfer im Schach hält, damit B es ausplündert, begehen A und B gemeinschaftlich (Zueignungsabsicht unterstellt) einen Raub und werden beide nach § 249 StGB als Täter bestraft, obwohl B autonom gehandelt hat, weswegen die Verantwortung des A prinzipiell aufgrund des Autonomieprinzips ausgeschlossen wäre. Auf diese Weise wird dem gemeinsamen Handeln ein Ausnahmestatus zugeschrieben, während die Alleintäterschaft die Regel – den „Ausgangsfall“ – bildet. Dieser Regel/AusnahmeKonstruktion – die später dazu führt, daß die Unterscheidung zwischen Mittäter und Teilnehmer nach den Kriterien der „Regel“, d. h. der Alleintäterschaft, durchgeführt wird, nämlich anhand der Teilhabe (bzw. Nichtteilhabe) an der Ausführungshandlung334 – ist jedoch in der Begründung nicht zuzustimmen. Denn Mittäterschaft und Beteiligung überhaupt beruhen gerade auf der Kehrseite des Autonomieprinzips, die bei Renzikowski aber außer Betracht bleibt. Gerade weil den Personen Autonomie und Eigenverantwortung zuerkannt werden, können sie ihre Organisationskreise miteinander verbinden, sie zu einem gemeinsamen Werk vereinigen und unter Bedingungen verbindender Arbeitsteilung eine als kollektive Leistung zu deutende Wohltat oder Pflichtverletzung erbringen.335 Die Durchbrechung des Autonomieprinzips soll also mit Hilfe des § 25 Abs. 2 StGB ermöglicht werden und aufgrund dieser Vorschrift ja sogar geboten sein. Dabei knüpft Renzikowski an die Ausführungen derjenigen Autoren an, die das gemeinsame Handeln durch die Bildung eines Kollektives erklären wollen.336 332 Eine weitgehend analoge Konzeption auf der Basis eines autonomiebezogenen „restriktiven Täterbegriffs“ entwickelt Schneider, insb. S. 233 ff. Folgende kritische Darstellung bezieht sich insofern auch auf seine Auffassung. 333 Renzikowski, S. 100. 334 Renzikowski, S. 102 f. 335 Vgl. Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 644 f., der auch zu Recht darauf aufmerksam macht, daß die Behauptung, die Gemeinsamkeit solle die Sperrwirkung des Autonomieprinzips nicht generell, sondern nur im Verhältnis von Nebenleuten zueinander aufheben, eine bloße petitio principii darstellt. 336 s. erster Teil, B. II. 1 (zur Auffassung Küpers).

B. Gemeinschaftliche Gefahrbegründung

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Er geht davon aus, daß Mittäterschaft „Tatherrschaft des Kollektives“ bedeutet und meint: „Wer sich an dieser Personengemeinschaft beteiligt, haftet für das Werk des Kollektivs, nicht dagegen für seinen eigenen Tatanteil, der unter Umständen ganz gering ausfallen kann“.337 Doch die Idee des Kollektivs, die Renzikowski dadurch in Verbindung mit der funktionellen Tatherrschaft bringen will, daß er eine eigenkörperliche Mitwirkung des Mittäters im Ausführungsstadium verlangt, bildet geradezu das Gegenstück nicht nur des Autonomiegedankens in der Form des Setzens der letzten Ursache, sondern auch des herkömmlichen Verständnisses der funktionellen Tatherrschaft, nach dem die Tatherrschaft am Ganzen durch die Herrschaft über den eigenen Tatbeitrag erworben wird, so daß jeder Beteiligte die Tatherrschaft für sich innehat.338 Aus diesem Grund krankt diese Auffassung an einem inneren Riß. Daß einerseits die Ausführungen Roxins, Bloys oder Rudolphis nicht ohne weiteres im Sinne der Lehre Küpers oder Gallas’ verstanden werden können, zeigt sich beispielsweise an der Problematik des Versuchsbeginns: Während Renzikowski nach dem Autonomieprinzip und in Übereinstimmung mit der Lehre der funktionellen Tatherrschaft auf der Einzellösung folgerichtig beharren sollte,339 führt der Gedanke des Kollektivs zur Annahme der Gesamtlösung.340 Renzikowski geht allerdings in seinen Ausführungen nicht darauf ein und läßt es mit der Behauptung bewenden, die Gesamtlösung beim Versuchsbeginn sei mit der funktionellen Tatherrschaft vereinbar. Andererseits wirkt gleichsam befremdlich, daß eine „Ausnahme“, eine „Durchbrechung“ des sonst maßgeblichen Autonomieprinzips so gewaltige Folgen hat, daß man dadurch mit einem Schlag von der scharfen Trennung der Verantwortungssphären in die gemeinschaftliche Haftung eines Kollektives, eines Gesamtsubjektes, versetzt wird. Liegt der Grund dafür nur darin, daß eine Vorschrift wie § 25 Abs. 2 StGB tatsächlich besteht, dann drängt sich die Frage auf, ob die negative Seite des Autonomieprinzips wirklich dem ganzen Beteiligungssystem zugrunde liegt. Wie aber kommt diese Ausnahmeerschienung der mittäterschaftlichen Haftung zustande? Wie wird das Kollektiv als Zurechnungssubjekt konstituiert? Die Antwort Renzikowskis scheint auf den ersten Blick der Antwort der herrschenden Lehre zu entsprechen: Aufgrund des gemeinsamen Tatplans und seiner Bestätigung durch einen Tatbeitrag im Ausführungsstadium. Allerdings lassen sich bei ihm einige Besonderheiten finden: Zunächst einmal führt Renzikowski die 337

Renzikowski, S. 101. s. erster Teil, B. I. 339 Renzikowski, S. 102 f. Nach der Lehre der funktionellen Tatherrschaft folgerichtig Bloy, Zurechnungstypus, S. 265 f. 340 Wie Küper, Versuchsbeginn, S. 17 ff. und passim zeigt. Vgl. auch Buser, S. 50 f., mit dem Vorbehalt, daß es sich nicht um die Zurechnung zu einem noch völlig „untätig gebliebenen Beteiligten“ handele, sondern zu dem im Ausführungsstadium Untätigen. Denn ohne Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung kommt es nicht zur Beteiligung. Der Sache nach aber ebenso Buser, S. 51. 338

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

„Präzisierung“ ein, daß „das Handeln in einem funktionalen Zusammenhang“ dazu ausreiche, einen gemeinsamen Tatplan zu bilden: „Die Kollektivperson kann so durch die Organisation konstituiert werden, der sich der einzelne eigenverantwortlich unterwirft“.341 Diese Auffassung ist im Ergebnis richtig, sie wurde aber gerade im Gegensatz zur Tatherrschaftslehre entwickelt, da es bei dieser hauptsächlich um ein „subjektives“ Element der Mittäterschaft geht, das sogar zur Ermittlung des Willensinhalts jedes Beteiligten taugen soll. Aus diesem Grund ist es nicht verständlich, wenn Renzikowski meint, daß „erst die Unrechtsvereinbarung die Gemeinschaftlichkeit des Handelns als gleichberechtigte Teilhaber an einer Kollektivperson her[stellt]“,342 weshalb z. B. ein einseitiger Einpassungsentschluß nicht hinreiche. Demnach kommt es bei Renzikowski weder auf den funktionalen Zusammenhang noch auf die Organisation an, sondern eigentlich auf das „Einverständnis“ i. S. der herkömmlichen Lehre, wobei nur keine ausdrückliche Vereinbarung erforderlich ist. Das ist aber keine neue Erkenntnis und führt wiederum nicht über die Begründungsdefizite der gegenwärtigen Lehre hinaus (man denke an den Ledersprayfall343). Wenn also bei dieser Lehre von einer Gesamttat die Rede ist, ist das in dem Sinne zu verstehen, daß ein gemeinsamer Entschluß vorliegt, welcher die jeweiligen Beiträge zusammenträgt.344 Die Möglichkeit aber, die Gemeinsamkeit auf einen gemeinsamen Entschluß zu gründen, wurde sowohl im Vorsatzbereich als auch bezüglich fahrlässiger Taten bereits in Frage gestellt (s. erster Teil, B. II. 1 und oben B. I). Die objektive Seite der Mittäterschaft, nämlich die Mitwirkung im Ausführungsstadium, wird von Renzikowski anhand des Autonomieprinzips begründet, indem er nämlich auf die Eigenschaften der Regelerscheinung, d. i. der Alleintäterschaft, zurückgreift. Hinsichtlich des objektiven Erfordernisses der Mittäterschaft gälten die Beteiligten nur insofern als Kollektiv oder Gesamtsubjekt, als sich jeder an der Ausführungshandlung beteilige. Jeder Beteiligte tritt also prinzipiell in seiner Individualität auf: „Der einzelne muß gerade an dieser tatbestandsmäßigen Handlung beteiligt sein“, denn „wer lediglich im Vorbereitungsstadium mitwirkt, überläßt die eigentliche Tatbestandsverwirklichung der alleinigen autonomen Entscheidung der anderen“.345 So wird in Anlehnung an die 341

Renzikowski, S. 101, Anm. 214. Renzikowski, S. 102 (Herv. hier). 343 Konsequenterweise verzichtet deshalb Knauer, S. 195 f., der diese Lehre auf die Gremienentscheidungen angewandt hat, auf die subjektive Seite der Gemeinsamkeit, wenn es sich um fahrlässige Taten handelt. 344 Angesichts des Kerzenfalls (BayObLG, NJW 1990, S. 3032) schreibt deshalb Renzikowski (S. 289) in einem bereits analysierten Zusammenhang: „Anstelle der zweifelhaften Unterlassungskonstruktion des Gerichts lassen sich nach der hier vertretenen Lösung beide Angeklagten unschwer als Mittäter einer fahrlässigen Brandstiftung erfassen, denn das Aufstellen der Kerzen beruht auf einem gemeinsamen Tatentschluß“. 345 Renzikowski, S. 103. 342

B. Gemeinschaftliche Gefahrbegründung

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Lehre der funktionellen Tatherrschaft der Kreis der mittäterschaftlichen Beteiligten umschrieben. Es kommt auf das „autonome Setzen der letzten Ursache“346 an, was eine Sperrwirkung in bezug auf die vorangegangenen Handlungen entfaltet. Damit ist aber nur gesagt, daß „Zugehörigkeit zum Kollektiv“ und „autonomes Setzen der letzten Ursache“ dieselbe Bedeutung haben.347 Die Lehre Renzikowskis kommt deshalb nicht um die mangelhafte Zurechnungsbegründung der Tatherrschaftslehre herum, denn nach wie vor beruht die wechselseitige Zurechnung der Tatbeiträge auf der Tatsache, daß das Individuum selbst (eigenkörperlich) im Ausführungsstadium tätig wird.348 346 Renzikowski, S. 103. Ähnlich die Formel Schneiders (S. 256 f.): Unmittelbare Täter ist der „erfolgsnächste Beteiligte“, der willentlich ein erfolgsursächliches Geschehen beherrscht hat. 347 Gegen die Auffassung der Täterschaft als (autonomes) Setzen der letzten Ursache, wenngleich aus der Perspektive der formal-objektiven Theorie, bereits Hälschner, GS 25 (1873), S. 113 f., 115: „Es ist (. . .) unzulässig als die dem Thäter als solchem zufallende Haupthandlung nur den letzten das Verbrechen der Vollendung zuführenden Act der strafbaren Thätigkeit anzusehen, und es ist andererseits ebenso unrichtig vorauszusetzen, daß dieser letzte Act in allen Fällen Haupthandlung sein müsse. A hat um B zu ermorden diesem Arsenik beigebracht, hat aber um dem Gifte seine tödtliche Wirkung zu sichern, den C dazu bestimmt, die dem erkrankten B verordneten Medikamente zu unterschlagen und ihm statt derselben andere wirkungslose zu reichen. Das Beibringen des Giftes ist und bleibt Haupthandlung, obwohl der Thäter noch auf eine der seinigen nachfolgende dolose Thätigkeit des Anderen rechnet, und die Thätigkeit des C bleibt die Nebenhandlung eines Gehilfen, obwohl sie ohne weitere Vermittelung durch die dolose Thätigkeit eines Dritten, das Verbrechen der Vollendung zuführen soll“. 348 Eine insofern sehr ähnliche Konzeption der Mittäterschaft vertritt Heinrich (insb. S. 285 ff.), der auf die Trägerschaft einer dem in der Norm enthaltenen Appell entgegengesetzten Entscheidung abstellen will (Heinrich, S. 149 ff.). Die Entscheidungsträgerschaft komme in den Fällen von Mittäterschaft dem Entscheidungsverbund (der Gesamtperson) der Mittäter zu. Der Entscheidungsverbund müsse jedoch vom einzelnen bis in die formelle Tatausführung hinein aufrechterhalten werden. Diese Aufrechterhaltung bedarf einer objektiven Manifestierung des einzelnen, die allerdings (im Gegensatz zur Tatherrschaftslehre) minimal ist: Die bloße Anwesenheit am Tatort (nach einer „normativ-wertenden Betrachtung“) reicht dazu aus (Heinrich, S. 290, 295). Der Grund dafür, daß eine solche Aufrechterhaltung des Entschlusses beim einzelnen (diesmal im Gegensatz zu den traditionellen subjektiven Begründungen) verlangt wird, liegt darin, daß der einzelne, wenn er die gemeinschaftliche Entscheidung umsetzen will, „nunmehr aktuell seinem ganzen Körper noch den Befehl dazu erteilen“ müsse. Er müsse „eine neue individuelle Entscheidung zur nunmehr konkret stattfindenden Umsetzung des geplanten Vorhabens treffen“ (Heinrich, S. 292). Nur diese „aktuelle, neue Entscheidung“ über die Tatausführung bilde die unmittelbare Grundlage des Geschehens, so daß eine „bereits Vergangenheit gewordene“ gemeinschaftliche Entscheidung im Vorfeld ihm nur „mittelbar – vermittelt eben durch jene dazwischengeschobene neue Entscheidung –“ (Heinrich, S. 293) eine Grundlage verleihe. Das Problem dieser Konstruktion liegt wie bei der Auffassung Renzikowskis in erster Linie darin, daß ihre beiden Glieder nicht recht zusammenpassen. Wenn nämlich ein Entscheidungsverbund, eine Gesamtperson, auf der Basis einer gemeinschaftlichen Entscheidung gegründet wird, dann kann es nicht darauf ankommen, ob die einzelnen Mitglieder in einem späteren Zeitpunkt tätig sind oder nicht: Steht der Verbund, so sind die Handlungen der Mitglieder, die im Sinne der gemeinschaftlichen Entscheidung ausgeführt werden, als das Werk des Verbunds anzusehen. Wenn dagegen die

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

Auf diese Weise wird nicht nur die Figur des Kollektivs zur floskelhaften Wendung ohne jegliche Auswirkungen, sondern gehen auch einige, durch die Tatherrschaftslehre errungene Konturen verloren: i) Zunächst einmal besteht bei der Tatherrschaftslehre kein Zweifel daran, daß der Mittäter keine (im formellen Sinn) tatbestandliche Handlung in eigener Person zu vollziehen braucht. Hier aber ist die Rede einmal von Beteiligung an der tatbestandsmäßigen Handlung,349 dann aber wieder nur von einem nicht näher charakterisierten Setzen der letzten Ursache;350 ii) Dogmengeschichtlich betrachtet hat jede Auffassung, die zur Unterscheidung zwischen Täterschaft und Beihilfe auf die Mitwirkung im Ausführungsstadium abgestellt hat, weitere Kriterien angeben müssen, um den ebenfalls im Ausführungsstadium mitwirkenden Gehilfen abzusondern: den Täterwillen bei manchen Varianten der subjektiven Theorie, die Vornahme der „Haupthandlung“ im Sinne der formal-objektiven Theorie, die Unerläßlichkeit des Beitrags für das Zustandekommen der geplanten Tatbestandsverwirklichung nach der Lehre der funktionellen Tatherrschaft usf. Wie auch immer dieses Erfordernis zu bestimmen ist, führt sein Fehlen bei Renzikowski dahin, daß jegliche Mitwirkung im Ausführungsstadium prinzipiell zur Annahme mittäterschaftlicher Haftung ausreichen könnte. Dies hat wiederum zur Folge, daß die mit dem Erfordernis der Mitwirkung im Ausführungsstadium angestrebte (sogar qualitative) Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme verloren geht. Die Behandlung dieser Problematik wird in den Ausführungen Renzikowskis auf eine Fußnote beschränkt, weil ihre Lösung mit dem Autonomieprinzip in keinem Zusammenhang stünde.351 letzten Entscheidungen der einzelnen im Ausführungsstadium erheblich sein sollen, weil nur sie die unmittelbare Grundlage des Geschehens bilden – sprich: ohne sie hat der Verbund keinen Bestand mehr –, dann kann von einem von vornherein bestehenden Verbund keine Rede sein, zumindest nicht in einem Sinne, der hinsichtlich der Zurechnung erheblich wäre: Der relevante Entscheidungsverbund bildet sich vielmehr erst durch die „aktuellen“, „neuen“ Entscheidungen der einzelnen, sich unmittelbar und eigenkörperlich am Geschehen zu beteiligen. Verhält es sich jedoch so, dann greifen die objektiven Erfordernisse zur Begründung mittäterschaftlicher Verantwortung, die Heinrich aufstellt, im Ergebnis einmal zu weit und einmal zu kurz: Wie bei der Tatherrschaftslehre ist der während der Ausführung untätige Bandenchef nie Mittäter, während der Wachestehende (hier noch weitergehend als bei der Tatherrschaftslehre) immer zum Mittäter wird. Dies trifft aber nicht nur den Wachestehenden: Selbst derjenige, der mitgegangen ist, aber, während seine Genossen die Ausführungshandlungen vornehmen, „die Hände in den Schoß legt“ (Heinrich, S. 290), leistet aufgrund seiner Teilhabe an dem bereits „Vergangenheit gewordenen“ Entschluß nicht psychische Beihilfe, sondern er ist Mittäter. Außerdem führt diese Auffassung in bezug auf den Versuchsbeginn zwangsläufig zur Einzellösung, was, wie sich gezeigt hat, eine Übertragung des Einzeltäter-Paradigmas auf das gemeinsame Handeln bedeutet. 349 Renzikowski, S. 103. 350 Renzikowski, S. 103. 351 Renzikowski, S. 103, Anm. 226. Schneiders Darstellung (S. 274) in bezug auf die fahrlässigen Taten liefert keine weiteren Kriterien: Als Mittäter komme nur der Beteiligte in Betracht, „dessen Tatbeitrag nach dem gemeinsamen Tatplan eine be-

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Obwohl die Frage nach der Begründung der Gemeinsamkeit im Rahmen dieser Auffassung offen bleibt,352 enthalten die Ausführungen Renzikowskis eine ausdrückliche Stellungnahme zur Problematik ihrer Abgrenzung im Fahrlässigkeitsbereich. Anknüpfungspunkt des gemeinschaftlichen Handelns sei das riskante Geschehen. Derjenige, dem das gefährliche Verhalten zuzurechnen sei, hafte als Fahrlässigkeitstäter. Fahrlässige Mittäterschaft sei also nichts anderes als gemeinschaftliche Gefahrbegründung.353 Die Voraussetzungen der fahrlässigen Mittäterschaft, die sich aus diesem Ausgangspunkt ergeben, sind bereits skizziert und kritisch gewürdigt worden.354 Deshalb sei nur daran erinnert, daß sich die Zusammenfassung der Tatbeiträge zu einer Gesamttat hier aus einer rein subjektiven Betrachtung ergibt. Es ist eindeutig, daß kein Verhalten im strafrechtlichen Sinne erheblich ist, solange es das erlaubte Risiko nicht überschreitet. Die bei der Mittäterschaft (bei der Beteiligung überhaupt) zu beantwortende Frage ist jedoch, unter welchen Bedingungen eine Gesamttat überhaupt vorliegt, oder, in der Terminologie Renzikowskis, wie ein Kollektiv entsteht, welches „die letzte Ursache“ autonom setzt. Es geht also um die Kriterien, nach denen der Kreis der Beteiligten von allen auf irgendeine Weise kausal Mitwirkenden abgegrenzt wird. Dabei kann die Schaffung eines unerlaubten Risikos durch jedes Einzelverhalten den Begründungsmangel der subjektiven Lehre (welche auf den gemeinsamen Tatentschluß abstellt) nicht beseitigen, es sei denn, man läßt die Bewertung des Einzelverhaltens beiseite und greift stattdessen auf die Notwendigkeit des Zusammenwirkens im Ausführungsstadium zurück.355 Aber selbst wenn man die bereits besprochenen Ungereimtheiten einer solchen Konstruktion ausklammert, vermag sie dem in Rede stehenden Ansatz nicht weiterzuhelfen, denn nach dieser Auffassung des Autonomieprinzips kann es bei der Zurechnungsfrage nicht darauf ankommen, wie sich andere verhalten. Wenn z. B. nach Renzikowski der Erfolg nur durch das Zusammenwirken mehrerer Garanten abgewendet werden kann, „reicht bereits

stimmte funktionelle Bedeutung für das Gesamtprojekt zukommt. Damit ist hier der reale Aspekt der Risikoherrschaft entscheidend“. 352 Vgl. auch die Kritik bei NK-Puppe, Vor § 13, Rn. 162. 353 Renzikowski, S. 284, in unverkennbarer Anlehnung an Otto, Festschrift für Spendel, S. 282. 354 s. o. B. I. Eine sehr ähnliche Auffassung vertreten Schaal, S. 226 ff. (in Anlehnung an Dencker und Otto) und Schneider, S. 272 ff., 292 f: „Als Mittäter eines fahrlässigen Erfolgsdeliktes haften somit mehrere Beteiligte unter den folgenden Voraussetzungen: Alle Mittäter müssen ein gemeinsam gewolltes Projekt vereinbaren, zu dem jeder einen nach der Vereinbarung mitbeherrschenden verabredungsgemäßen Tatbeitrag zu erbringen hat. Dieses Projekt muß sich einer Maßfigur aus dem Verkehrskreis des jeweiligen Mittäters auf der Basis der (mit dem Projekt verbundenen) Tatumstandskenntnisse als unerlaubt riskant darstellen. Das Risiko muß sich schließlich im Erfolg realisiert haben“. 355 Kohärent wurde dieser Ansatz von Dencker und Kamm entwickelt, deren Auffassungen bereits behandelt worden sind (s. jeweils oben A. III. 3. b) und B. II. 1).

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

die Untätigkeit einer Person aus, um den Erfolg vollständig zu erklären – und zwar ohne daß die Kausalität noch durch das Verhalten einer anderen vermittelt wird (. . .) Ebensowenig wie bei positivem Tun bedarf es hier also der Figur der Mittäterschaft, um eine Haftung zu begründen“.356 Dies bedeutet, daß in solchen Fällen das Zusammenwirken mehrerer durch das Einzeltäter-Paradigma erklärt werden soll, weil keine Kausalitätsprobleme vorhanden sind. Somit wird allerdings deutlich, daß diese Auffassung ein auf die Eigenart des gemeinsamen Handelns zugeschnittenes Zurechnungsmuster nicht kennt, sondern vielmehr in der Mitverantwortung die Lösung für bestimmte Schwierigkeiten der Alleinverantwortung ansieht. Das Autonomieprinzip, so wie es von Renzikowski ausgearbeitet wird, weist eindeutig individualisierende Züge auf, weshalb es mit seiner Hilfe schon prinzipiell nicht möglich ist, das Problem der gemeinschaftlichen Verantwortung bzw. der objektiven Begründung der Gemeinsamkeit zu erfassen. 5. Gleichartige Pflichtenstellung Daß die gemeinschaftliche Verantwortung mehrerer nicht auf die Zuschreibung einer jeweils eigenen Pflichtenstellung im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung reduziert werden kann, ist bereits dargelegt worden. Nun stellt sich die Frage, ob Qualität, Modalität und Umfang dieser Pflichtenstellung eine durch „gemeinschaftliche Gefahrbegründung“ bereits konstituierte Gemeinsamkeit begrenzen können. Diese Möglichkeit bejaht Weißer.357 Ihre Auffassung beruht darauf, daß im Kern eines jeden Fahrlässigkeitsdeliktes die Verletzung einer bestimmten Sorgfaltspflicht liege. Da eine mittäterschaftliche Haftung nur dann in Betracht komme, wenn alle Akteure für dasselbe Delikt zur Verantwortung gezogen werden könnten, sei es nur folgerichtig, daß die Mittäter dieselbe Sorgfaltspflichtsverletzung begangen haben müßten. Qualität, Modalität und Umfang der Sorgfaltspflicht würden auf diese Weise den Kreis der Mittäter abgrenzen, so daß zur Gefahrvermeidung Sonderverpflichtete (Weißer bezieht sich hier beispielhaft auf Sonderdelikte358) trotz ihrer Mitwirkung außerhalb der mittäterschaftlichen Gemeinsamkeit blieben, da sie allenfalls für ein anderes Delikt verantwortlich seien. Eine solche Gleichartigkeit der Pflichtenstellung bei den Akteuren läge demnach in den drei Fällen, mit denen Weißer in ihrer Darstellung arbeitet, vor: Brennende Streichhölzer nicht innerhalb eines dunklen Raums zu werfen,359 Passanten nicht durch Hinabrollen von Steinen in einen unübersichtlichen Abgrund zu gefährden,360 und bei objektiver Erkennbarkeit einer Gefahrensituation einen Produktrückruf zu bewirken.361 356 357 358 359

Renzikowski, S. 290. JZ 1998, S. 236 ff. JZ 1998, S. 239. Streichhölzerfall, OLG Schleswig, NStZ 1982, S. 116 f.

B. Gemeinschaftliche Gefahrbegründung

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Durch diese Konkretisierungen des Abgrenzungskriteriums wird jedoch m. E. seine Brauchbarkeit in Frage gestellt. Denn selbst wenn man mit Weißer davon ausgeht, daß dem Fahrlässigkeitsdelikt eine besondere, beim Vorsatzdelikt nicht bestehende Sorgfaltspflichtverletzung zugrunde liegt, sollte man auf der Hut sein, die entsprechende Sorgfaltspflicht derart zu gestalten, daß sämtliche Einzelheiten des Sachverhaltes mit einbezogen werden. Ansonsten deckt sich das Abgrenzungskriterium mit dem, was es zu begrenzen gilt, denn die Fahrlässigkeitsdelikte bleiben, auch bei Anerkennung einer Sorgfaltspflicht, in aller Regel Jedermannsdelikte. Wenn z. B. die Sorgfaltspflicht gebietet, brennende Streichhölzer nicht innerhalb eines dunklen Raums zu werfen, werden alle an dieser Handlung kausal beteiligten Akteure zu Mittätern. Es ist also im Regelfall nicht erkennbar, worin die erwünschte Begrenzung bestehen könnte. Auf der anderen Seite: Nachdem die Gemeinsamkeit durch willentliche Mitwirkung an der gefährdenden Tat begründet wurde, soll nach Weißer die Überprüfung der gleichartigen Pflichtenstellung dazu taugen, Sondergaranten von der Gemeinsamkeit abzulösen. Hatte z. B. der Nachtwächter des niedergebrannten Lokals auch brennende Streichhölzer auf den Boden geworfen, dann wäre er nach dieser Auffassung – selbst beim Vorliegen eines gemeinsamen Handlungsprojekts mit den Eindringlingen – kein Mittäter einer Brandstiftung, sondern Nebentäter. Dabei ist es durchaus zutreffend, daß die Mittäter mindestens einer Pflichtenstellung gleicher Art unterliegen müssen: Sie müssen nämlich für die Tatbestandsverwirklichung zuständig sein. Deshalb ist der Ansatz Weißers nicht in seinem Grundgedanken, sondern erst in seiner Entwicklung fehlerhaft; letzteres z. T. deshalb, weil er fälschlicherweise in die Struktur des Fahrlässigkeitsdeliktes eingegliedert wird: (1) Wie bereits angeführt (s. o. A. III. 2) stellt die sog. Sorgfaltspflicht eine zweifelhafte Konstruktion dar, weil sie als eine brisante Zusammenfassung vielfältiger Kriterien objektiver (und mitunter auch subjektiver) Zurechnung erscheint. Aus diesem Grund kann das Erfordernis, daß die Mittäter derselben Pflicht in gleicher Weise und in gleichem Unfang unterliegen sollen, kaum weiterhelfen. Der Ausdruck bedeutet in der Tat einen unbestimmten Verweis auf die gesamte Zurechnungslehre. Die Frage nach der Beteiligung ist gerade die Frage danach, unter welchen Voraussetzungen eine solche Gleichartigkeit der Pflichtenstellung vorliegt. Bereits bei Konstellationen, in denen es um Kollegialentscheidungen geht, wird das Kriterium zweifelhaft, wenn die einzelnen Mitglieder nicht mit exakt denselben Kompetenzen ausgestattet sind. Wie ist z. B. zu entscheiden, wenn einer der Abstimmenden ein Vetorecht hat, was einer Abstufung der Verantwortung innerhalb des Unternehmens entspricht? Unterliegt 360 361

Felsbrockenfall, BGE 113, IV, 58. Ledersprayfall, BGHSt 37, 106.

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2. Teil: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich

er derselben Pflicht? Führt das zur Nebentäterschaft, was wiederum den Beweis der Einzelkausalität erforderlich machen würde? (2) Gerade in Bereichen, in denen das Risiko eine normale Arbeitsbedingung darstellt, ist es geradezu üblich, daß mehrere Pflichten unterschiedlicher Personen miteinander verwoben sind. So kann einer dazu verpflichtet sein, eine Realisierungsform der Gefahr durch sein Eingreifen abzuwenden. Der andere kann nur der Pflicht unterliegen, diese Gefahr nicht weiter zu verschärfen bzw. sich in die Angelegenheit nicht einzumischen. Ein Dritter könnte dagegen dafür zuständig sein, die Gefahr erst überhaupt nicht entstehen zu lassen. Will man das Kriterium Weißers befolgen, so müßte man mittäterschaftliche Haftung wohl in den Fällen verneinen, in denen eine enge Abhängigkeit bzw. Verbundenheit unterschiedlicher Pflichten (ebenfalls nach dem Kriterium Weißers) besteht. Diese Ungereimtheit kommt daher, daß diese Auffassung Bestand und Inhalt der Pflicht vermengt. Die Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung ist indes nicht quantifizierbar. Der Akteur ist entweder zuständig (und dann ist er Beteiligter) oder eben nicht zuständig. Der Inhalt der jeweiligen Pflichten – und somit ihre Art und ihr Umfang – kann dagegen unterschiedlich sein, ohne daß dies einer gemeinschaftlichen Haftung im Wege steht. Das ist eben der Fall bei typischen Konstellationen von Arbeitsteilung, welche zwar nicht immer, aber doch nicht selten, im Bereich der mittäterschaftlichen Haftung anzusiedeln sind. Neben dem Unterliegen derselben Sorgfaltspflicht bei allen Beteiligten und dem willentlichen Zusammenwirken fordert Weißer das Bewußtsein des Einzelnen darüber, daß an die anderen Mitwirkenden dieselben Sorgfaltsanforderungen wie an ihn selbst gestellt werden, wobei offensichtlich ein Wissen-Sollen ausreichen soll.362 Dennoch gehen auch Individual- oder Nebentäter in der Regel von dieser Gleichartigkeit genauso aus, weshalb das Abgrenzungskriterium zur Mittäterschaft hier nicht zu finden sein kann.363 Außerdem vermag eine solche Einschränkung eher wenig beizutragen, wenn in der Auffassung Weißers einerseits das Bezugsobjekt dieses Bewußtseins hinfällig ist und, andererseits, ein willentliches Zusammenwirken bereits bei der Gefährdungshandlung gefordert wird. Das zeigt sich an der Analyse, der Weißer den Ledersprayfall unterzieht:364 Das Bewußtsein der grundsätzlich gemeinschaftlichen Gefährdungshandlung stammt vom Wissen der Geschäftsführer darum, daß sie sich die Verantwortung für die Unternehmenspolitik teilten. Reicht auch dazu ein WissenSollen aus, dann ist dieses Bewußtsein nur ein Widerschein der gemeinschaftlichen, objektiv bestehenden Verantwortung.

362 363 364

JZ 1998, S. 237. So die Kritik von Kamm, S. 136, Anm. 231. JZ 1998, S. 238.

Dritter Teil

Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln A. Individuelle Vermeidbarkeit und Beteiligungsverhältnis Die Analyse der sog. vorsätzlichen Beteiligung an fahrlässiger Tat hat gezeigt, daß die jeweiligen Erscheinungsformen individueller Vermeidbarkeit nicht den Ausschlag bei der Abgrenzung zwischen Alleintäterschaft (mittelbarer Täterschaft) und Beteiligung geben können. Im Gegenteil: Bestand und strafrechtliche Bedeutung von Vorsatz und Fahrlässigkeit erschließen sich erst nach der Bestimmung, ob die Tat nach dem Muster des Alleinhandelns oder des gemeinsamen Handelns zu deuten ist. Im vorliegenden Abschnitt gilt es auf diese Erkenntnis ein wenig näher einzugehen, um daraus einige Schlußfolgerungen für die Beteiligungslehre am Beispiel der mittäterschaftlichen Verantwortung zu ziehen.

I. Reine Vermeidbarkeit Im Strafrecht kommt es auf das in einem spezifischen Sinne zurechenbare Verhalten an.1 Die strafrechtliche Zurechnung stellt eine bestimmte Rationalität dar, welche mit sittlichen Beurteilungen nur mittelbar verknüpft werden kann. Aber schon auf der Ebene der Sittlichkeit läßt sich kein Urteil fällen, wenn es sich nur um intentionales, nicht aber um von außen rational nachvollziehbares Verhalten handelt. Intentionale aber nicht rationale Handlungen mögen durchaus verantwortlich und sogar sittlich verantwortlich sein;2 sie sind aber, wie Scheler gezeigt hat, nicht zurechenbar.3 Das Gerichtetsein auf Sachverhalte, das der In1

s. zweiter Teil, A. II. 2. Vgl. Spaemann, S. 424. 3 Formalismus, S. 478 ff. („Für alle beobachtende, beschreibende und erklärende Wissenschaft ist aber immer ein ganz bestimmter konkreter Sinnzusammenhang, sowie ein bestimmt organisierter Leib und Leibkörper vorausgesetzt. Es muß daher auch jede Beschreibung und Erklärung dieser Art bereits von der Voraussetzung ausgehen, daß eine Superposition von Sinn, Sinngesetzmäßigkeit und Assoziation und Assoziationsgesetzmäßigkeit im Gegenstande der Beobachtung enthalten ist“). Vgl. Rhonheimer, S. 56 ff., der zeigt, wie Intentionalität – im Gegensatz zur Zielgerichtetheit eines Tuns – „nicht beobachtbar“ ist. So heißt es auch bei Kant in der Einleitung in die 2

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

tentionalität eigen ist, stellt eine notwendige aber gleichzeitig nicht hinreichende Grundlage für die Beurteilung dar. Sofern keine nachvollziehbare Rationalität hinzukommt, kann das intentionale Verhalten überhaupt nicht verstanden werden; denn das rein intentionale Verhalten wird erst dann zugänglich, wenn man in die gleiche Richtung blickt wie der Handelnde. Fällt diese Handlung aus dem kommunikativen Zusammenhang heraus, dann käme vielleicht noch eine subjektive Annäherung an eine ebenfalls subjektive Sinngebung in Frage,4 nicht aber eine sozial verbindliche, d. h. normative Beurteilung.5 Dies gilt erst recht im Bereich strafrechtlicher Zurechnung: Die Verbrechensfrage entscheidet sich nicht auf der Ebene der Intentionalität, sondern auf der Ebene einer ihrerseits systemintern definierten Rationalität. Diese Rationalität wird in den Kategorien objektiver und subjektiver Zurechnung zusammengefaßt. Was die subjektive Zurechnung betrifft, handelt es sich um eine Personalisierung der Zurechnung, welche wiederum die Berücksichtigung des Individuellen als Voraussetzung hat und einer bestimmten sozialen Zielsetzung entspricht, die in dem Verständnis des Schuldprinzips zusammengefaßt wird. Aber selbst wenn die subjektive Zurechnung das Individuelle mit einbezieht, erfolgt das aus der Perspektive einer bestimmten Sozialität: Nicht nur die Berücksichtigung der individuellen Bedingungen überhaupt (über die das soziale Verständnis des Schuldprinzips entscheidet), sondern auch die Reichweite des (Un-)Vermeidbaren werden normativ vermittelt, wie am Beispiel der Tatsachenblindheit (dolus indirectus6) und der Regelung des Verbotsirrtums (§ 17 StGB) zu sehen ist. Es kommt also immer auf den Grund (genauer: auf die gesellschaftliche Bewertung dieses Grundes) dafür an, warum bestimmte Kenntnisse beim Subjekt vorhanden sind oder nicht. Mit anderen Worten: Unvermeidbarkeit wird nur dann angenommen, wenn der Sachverhalt nach sozialer Verständigung als Durchsetzung der Natur zu Ungunsten des sozial nachvollziehbaren Sinnes zu deuten ist. Metaphysik der Sitten (MdS, S. 26): „Tat heißt eine Handlung, sofern sie unter Gesetzen der Verbindlichkeit steht, folglich auch, sofern das Subjekt in derselben nach der Freiheit seiner Willkür betrachtet wird. Der Handelnde wird durch einen solchen Akt als Urheber der Wirkung betrachtet, und diese, zusamt der Handlung selbst, können ihm zugerechnet werden, wenn man vorher [Herv. nur hier] das Gesetz kennt, kraft welches auf ihnen eine [Herv. nur hier] Verbindlichkeit ruhet“. Dementsprechend wird Person als dasjenige Subjekt definiert, „dessen Handlungen einer [Herv. nur hier] Zurechnung fähig sind“ (MdS, S. 26). 4 Dies läßt m. E. Schmidhäuser außer acht, wenn er an die Lehre von der Intentionalität des Handelns anknüpfen will (Studienbuch, 10/5 ff.), jedoch nicht über die individuellen (psychologisch aufgefaßten) Zielsetzungen hinauskommt. Richtig an seinen Ausführungen ist jedenfalls, daß Intentionalität mit den rechtlichen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsbegriffen keineswegs zu identifizieren ist (Studienbuch, 5/7, 17). 5 I. d. S. spricht Kant von Handlung, wenn es um ein zurechenbares Verhalten geht: KrV, S. 501; MdS, S. 26 f. So auch noch radikaler Hegel: Es gebe keinen über die Handlung hinausgreifenden Willen (Propädeutik, § 175), weshalb „die Wahrheit der Absicht nur die Tat selbst [ist]“ (Phänomenologie, S. 130). 6 Hierzu Jakobs, ZStW 114 (2002), S. 584 ff.

A. Individuelle Vermeidbarkeit und Beteiligungsverhältnis

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Insofern zutreffend bezeichnet Hruschka7 die Zurechnungsregeln des Strafrechts als „zuschreibende Sprache“. Vorsatz und Fahrlässigkeit ergeben sich demnach weder aus beschreibenden noch aus vorschreibenden Normen. Sie sind vielmehr das Produkt einer Adskription, und aus diesem Grund kann die Zuschreibung von Vorsatz oder Fahrlässigkeit weder als „wahr“ oder „unwahr“ noch als „verbindlich“ oder „unverbindlich“, sondern nur als „berechtigt“ oder „unberechtigt“ bezeichnet werden.8 Entscheidend ist jedenfalls aus dieser Sicht das Bestehen einer Pflicht (bzw. einer Obliegenheit) zur Vermeidung, weshalb es prinzipiell unerheblich ist, ob die Zurechnung in der Terminologie der Naturrechtslehre „ordentlich“ – d. h. aus Vorsatz – oder „außerordentlich“ – d. h. aus dem Surrogat: Fahrlässigkeit – erfolgt.9 Wenn also in den vorliegenden Ausführungen Beteiligung als gemeinschaftliche Pflichtverletzung definiert wird, was gleichbedeutend ist mit einem gemeinsamen Sinnausdruck gegen die Normgeltung, begnügt sich das Beteiligungsverhältnis auf der subjektiven Ebene mit einer jedem Beteiligten zuzuschreibenden, konkret-abstrakten Vermeidbarkeit,10 namentlich mit der Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung (insofern konkret) als vermeidbare Folge des eigenen Verhaltens in objektiver Verbindung mit dem Verhalten des(r) anderen. Ob diese Erkennbarkeit sich in der Tat zur Kenntnis entfaltet hat (Vorsatz) oder nicht (Fahrlässigkeit), ist für das Beteiligungsverhältnis einerlei (insofern abstrakt). Aus einer anderen Perspektive betrachtet hat das zu bedeuten, daß die Sinnhaftigkeit des Verhaltens nicht mit der subjektiven Sinngebung der einzelnen zu verwechseln ist. Vermeidbarkeit unterstellt, ergibt sich der strafrechtlich relevante Sinn aus den die strafrechtliche Zurechnung konstituierenden gesellschaftlichen Strukturen, welche sich in den einschlägigen Normen und der zugrunde7

Strafrecht, S. 325 ff., 363 ff., 424 ff. Strafrecht, S. 426. 9 Strafrecht, S. 326 f., 334. Freilich arbeitet Hruschka stets mit der Pflicht, sich Kenntnisse zu verschaffen (Strafrecht, S. 328). Das trifft aber nicht zu: Die Norm bezieht sich nur auf die Vermeidung der Tatbestandsverwirklichung. Kenntnisse stellen nur eine Möglichkeit zur Normbefolgung dar. Den relativen Wert der Pflicht zur Kenntniserwerbung erkennt jedoch auch Hruschka an, wenn er unter den Ausnahmen, welche die Verbindlichkeit der Obliegenheit zuläßt, die Regeln objektiver Zurechnung thematisiert (Strafrecht, S. 329 f.). 10 Dieser Ausdruck soll weder als Erfindung einer dogmatischen Kategorie noch als unbestimmter Bestandteil des Schuldvorwurfs verstanden werden. Er entspricht nur dem Drang, das Minimum an subjektiver Zurechnung auf der Ebene des Beteiligungsverhältnisses auf irgendeine Weise bezeichnen zu können. In diesem Sinne handelt es sich gewissermaßen um das Gegenstück – im Bereich der subjektiven Verhaltenszurechnung – zu dem auf objektiver Ebene maßgeblichen Begriff „Gesamttat“ (in beiden Begriffen ist nämlich die Gemeinsamkeit einbezogen, so daß sie mit der Spezialisierung der Zurechnung bei gemeinsamem Handeln in Einklang stehen). Der Ausdruck „reine Vermeidbarkeit“ ist m. E. auch angebracht. 8

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

liegenden Rollentrennung bzw. -zuschreibung widerspiegeln. Wenn zum Beispiel der Bäcker die Brötchen verkauft, obwohl er zufällig weiß, daß sie vom Käufer zur Vergiftung seiner (des Käufers) Schwiegermutter gebraucht werden, macht sich der Bäcker höchstens einer unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Daß der Brötchenverkauf mit der Vergiftung der Brötchen ein Gesamtereignis im kausalen Sinne darstellt, ändert daran nichts. Nur wenn die alltägliche Handlung des Bäckers durch Prinzipien, welche die Rollentrennung durchbrechen und in der Rechtsordnung verankert sind, einen deliktischen Sinn erwirbt,11 könnte eine Beteiligung am Mord in Betracht gezogen werden. Weder das Wissen um fremde Vorhaben noch das Einverständnis mit einer fremden deliktischen Sinngebung sind in der Lage, diese normative Basis der gesellschaftlichen Verantwortungsabgrenzung zu ersetzen oder aufzuheben.12 Hängt die Konstitution des Beteiligungsverhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht ab, dann liegt es auf der Hand, daß es weder eine „vorsätzliche“ noch eine „fahrlässige“ Beteiligung gibt. In bezug auf die sog. „fahrlässige Mittäterschaft“ hat Bloy diese Erkenntnis prägnant formuliert: „Nicht die Mittäterschaft wird fahrlässig verwirklicht, sondern das Delikt, an welchem die mittäterschaftliche Beteiligung erfolgt. Vorsatz und Fahrlässigkeit sind Kategorien, die sich auf die Straftatbestände des Besonderen Teils beziehen. Hingegen können mit ihrer Hilfe keine Täterschaftsformen gebildet werden. Die Frage ist also nicht die, ob es neben der ,vorsätzlichen Mittäterschaft‘ eine ,fahrlässige Mittäterschaft‘ gibt. Vielmehr lautet sie, ob Mittäterschaft beim Vorsatzdelikt und beim Fahrlässigkeitsdelikt möglich ist“.13 Dabei geht es nicht um eine bloß terminologische Frage,14 sondern um eine inhaltliche Bestimmung: Daß das verwirklichte Delikt zum Vorsatz oder zur Fahrlässigkeit des einzelnen subjektiv zuzurechnen ist, ist für das Beteiligungsverhältnis gleichgültig. Beteiligung ist weder fahrlässig noch vorsätzlich, denn die Akzessorietät beinhaltet die Vermeidbarkeitsformen nicht. Darum verhält es sich nicht so, daß die hier vertretene Position das Beteiligungsverhältnis auf der Fahrlässigkeit statt auf dem Vorsatz ruhen läßt. Eine konkret-abstrakte Vermeidbarkeit muß zwar bei jedem einzelnen hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung vorliegen; aber die Art, in der die individuelle

11 s. erster Teil, unter objektiver Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung [B. II. 4, b)]. 12 Die entgegengesetzte Auffassung befindet sich paradigmatisch bei Arm. Kaufmann, Festschrift für Welzel, S. 403: „In konsequenter Durchführung des personalen Unrechtskonzepts (. . .) bestimmt allein der Sinn, den der Täter im Tatvorsatz seiner Tat gibt, das Wertungssubstrat des Normwidrigkeitsurteils“. 13 GA 2000, S. 395. 14 Deswegen kann man weiterhin die (strenggenommen zweideutige) Bezeichnung „fahrlässige Beteiligung“ gebrauchen, aber als Abkürzung für Beteiligung, die im Fahrlässigkeitsbereich erfolgt.

A. Individuelle Vermeidbarkeit und Beteiligungsverhältnis

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Vermeidbarkeit beim einzelnen vorliegt, d. h. als Vorsatz oder als Fahrlässigkeit, gehört weder zur objektiven noch zur subjektiven Zurechnung der Tat als gemeinschaftliche Leistung. Man erkennt dies an dem nicht-akzessorischen Charakter der Vermeidbarkeitsformen oder spätestens daran, daß sie, wie es sich bei der Analyse der sog. vorsätzlichen Beteiligung an fahrlässiger Tat gezeigt hat (s. zweiter Teil, A. II), nur dann einen brauchbaren Inhalt erwerben, wenn die Antwort auf die Frage der Gemeinsamkeit bereits vorliegt. Die Kategorie, an die das Beteiligungsverhältnis anknüpft und deren Zurechnungsgegenstand es bildet, ist also die individuell vermeidbare Tatbestandsverwirklichung: Das Prädikat vorsätzlich/fahrlässig ist durchweg unerheblich. Daraus ergibt sich auch, daß es eine „natürliche“ (vorrechtliche) Fahrlässigkeit nicht geben kann: Bestand und Grenzen der Vermeidbarkeit werden stets normativ definiert, denn es handelt sich immer um Zurechnung, d. h. um die Aufteilung der Risiken nach einer bestimmten gesellschaftlichen Verfaßtheit. Das heißt indes nicht, jede Fahrlässigkeit müsse zugleich tatbestandlich sein. Eine vermeidbare und trotzdem nicht vorsätzliche Sachbeschädigung ist z. B. durchaus vorstellbar, wenngleich heutzutage nicht strafbar. Dennoch reicht diese Vermeidbarkeit aus, um ggf. ein Beteiligungsverhältnis zu begründen, so daß gemeinsam herbeigeführte Schäden selbst dann nach dem Zurechnungsmuster des gemeinsamen Handelns erklärt werden müssen, wenn einige Akteure wegen des tatbestandlichen Vorsatzerfordernisses nicht bestraft werden dürfen.15 Anders ausgedrückt: Sachbeschädigungen sind strafrechtlich relevante Taten, Erklärungswerte eines Normbruchs, welche jedoch nur in bezug auf die vorsätzlichen Beteiligten unter Strafe gestellt sind. Das ist keine überraschende oder einmalige Erscheinung: Beim Versuch verhält es sich genauso.

II. Mittäterschaft bei unterschiedlicher Art der individuellen Vermeidbarkeit Unter der Problematik des Regreßverbots und der sog. vorsätzlichen Beteiligung an fahrlässiger Tat wurden vorwiegend diejenigen Konstellationen behandelt, in denen die Akteure Beiträge von jeweils unterschiedlichem Rang geleistet haben. Es wurde festgestellt, daß nach der herrschenden Auffassung das Beteiligungsverhältnis hauptsächlich der Art der individuellen Vermeidbarkeit folgen soll. Das heißt jeweils: Vorsätzliche Beihilfe oder fahrlässige Alleintäterschaft; mittelbare Täterschaft des Hintermannes oder, bei einem Mangel an 15 Ganz anders verhält es sich, wenn die tatbestandlichen Erfordernisse sich nicht auf Vermeidbarkeitsformen, sondern auf die Definition des unerlaubten Risikos beziehen, v. gr. bei der sog. Beteiligung am Selbstmord. Hier kommt ein gemeinsames Handeln deshalb nicht zustande, weil nach gesetzlicher Bewertung der Selbstmord bereits strafrechtlich unerheblich sein soll, so daß von Vermeidbarkeit nicht einmal die Rede sein kann.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

überlegenem Wissen, (straflose) Teilnahme. Inwieweit das Abheben auf die Art der individuellen Vermeidbarkeit bei der Feststellung des Beteiligungsverhältnisses entweder in die Irre führt oder keine hinreichende Zurechnungsgrundlage bietet, wurde schon dargelegt. In bezug auf Konstellationen, in denen die jeweiligen Tatbeiträge gewissermaßen als gleichrangig zu betrachten sind, verhält es sich grundsätzlich nicht anders. Freilich stellt sich hier die spezifische Frage, ob Mittäterschaft trotz „ungleichen Verschuldens“ zustande kommen kann. Wie bei der erstgenannten Fallgruppe die Frage nach der Teilnahme nur dann sinnvoll ist, wenn zumindest eine nicht täterschaftliche fahrlässige Beteiligung anerkannt wird, ist auch hier die entsprechende Frage nur verständlich, wenn man die Möglichkeit der fahrlässigen Mittäterschaft nicht von vornherein ausschließt. Es nimmt darum nicht Wunder, daß eine bejahende Position hinsichtlich der Mittäterschaft trotz ungleichen Verschuldens gerade in den Reihen der Autoren zu finden ist, die auch zu den Befürwortern der Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich gehören.16 Jedenfalls ist die Problematik von diesen Autoren richtig erkannt worden. Gäbe es keine Mittäterschaft bei unterschiedlicher Vermeidbarkeitsform der Akteure, so bliebe eine sachgerechte Entscheidung etwa in den Fällen aus, in denen nicht bei allen Gremiumsmitgliedern einheitlich Vorsatz oder Fahrlässigkeit im Blick auf die Tatbestandsverwirklichung nachgewiesen werden kann und eine Einzelzurechnung der Tatbestandsverwirklichung an der Unumgänglichkeit des Kausalitätserfordernisses scheitern muß.17 Wie Ransiek18 zutreffend bemerkt, kommt hierzu eine mittelbare Täterschaft in der Regel auch nicht in Betracht, und die Möglichkeit, die vorsätzlich handelnden Mitglieder wegen mittäterschaftlichen Versuchs zu bestrafen, überzeugt schon deshalb nicht, weil der Erfolg eben durch das Verhalten aller eingetreten ist.19 Fraglich ist nur, ob die bisher erarbeiteten Modelle in der Lage sind, eine kohärente Begründung der im Ergebnis durchaus richtigen Anerkennung von Mittäterschaft in diesen Fällen zu liefern.

16 So etwa Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Bd. 1, S. 444; Binding, Grundriß, S. 152; Dahm, S. 53; Frank, StGB, (S. 114 f.); A. Merkel, Lehrbuch, S. 143; Gerland, Lehrbuch, S. 195 f.; Wuttig, S. 118; Zimmerl, S. 107; und die Autoren der Lehre von der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung (s. zweiter Teil, B). In der Rechtsprechung s. BGH MDR 1986, S. 795; ablehnend aber bereits das RG in GA 1892, S. 159. 17 Vgl. etwa Kim Sung-Ryong, S. 291. 18 Unternehmensstrafrecht, S. 71. 19 Natürlich bleibt immer die Alternative übrig, die Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu manipulieren, so daß allen Mitgliedern Vorsatz aufgebürdet werden könnte. Siehe die Kritik an diesen Auffassungen bei Lampe, ZStW 106 (1994), S. 692, und Kim Sung-Ryong, S. 245 f., 261 f.

A. Individuelle Vermeidbarkeit und Beteiligungsverhältnis

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1. Die Trennung von „Wille“ und „Vorsatz“ Binding bereitete die Bejahung von Mittäterschaft in den in Rede stehenden Fällen keine besondere Schwierigkeit.20 Entgegen der Lehre Berners (die Binding als „pathetischen Unsinn“ bezeichnet), nach der die „Culpa“ nicht geeignet sei, „von Willen zu Willen eine Brücke zu schlagen“,21 will er an der Idee festhalten, daß „für eine Willenseinigung die rechtliche und moralische Natur der Einzelwillen vollständig gleichgültig [ist]“.22 Denn „sobald mehrere Personen kausal das Gleiche wollen, ist eine Willenseinigung und eine Ausführung dieses geeinten Willens möglich“.23 Deshalb dürfe unter Teilnahme stets „nur der Anteil an der Verursachung eines objektiven Deliktstatbestandes verstanden werden (. . .) Ob dieser Anteil zur Schuld zurechenbar ist und zu welcher – das interessiert nicht ganz, aber fast ausschließlich nur für die Beurteilung dessen, der ihn gesetzt hat“. In eine ähnliche Richtung bewegen sich die Ausführungen Exners: Wenn von zwei an der Tat mitwirkenden Tätern, der eine mit Vorsatz und der andere fahrlässig im Hinblick auf die Erfolgsherbeiführung seinen Beitrag leiste, liege Mittäterschaft vor, solange „beide einverständlich (wiewohl mit ungleichem Verschulden) die gemeinschaftliche Tat ausführen“.24 Die Argumentation besteht also aus zwei Teilen. Auf der einen Seite vermöge die Culpa doch eine Brücke von Willen zu Willen zu schlagen. Das geschehe tatsächlich, wenn die Akteure einverständlich (ungeachtet der unterschiedlichen Art der Vermeidbarkeit) agierten. Eine solche Willenseinigung, die jedoch eines gleichen Verschuldens nicht bedürfe, könne nur insofern bestehen, als das Bezugsobjekt des Einverständnisses, nämlich das kausal Gleiche, die Ausführung der Tat, um den tatbestandlichen Erfolg gestutzt werde. Dem ist nur teilweise zuzustimmen: (a) Das Beteiligungsverhältnis ist von der subjektiven Zurechnung nicht vollends unabhängig. Es ist nämlich nicht irrelevant, ob der Anteil an der Verursachung dem Akteur „zur Schuld“ zurechenbar ist oder nicht.25 Denn jedes Be20

Normen IV, S. 623 ff.; ders. Abhandlungen, S. 293 f.; ders. Grundriß, S. 152,

154. 21

Theilnahme, S. 173. Ebenso Birkmeyer, Teilnahme, S. 136 ff. (137). Hier und im folgenden, Normen IV, § 303, wo es auch bei der zweiten Anm. heißt: „Die Bezeichnung des ganzen Gegenstandes in Theorie wie in Gesetzgebung ist höchst unglücklich – eine Fülle von Mißverständnissen begünstigend (. . .) Stellt man dann gar die Frage auf von der ,Teilnahme an einem dolosen oder kulposen Delikt‘, so können daran natürlich nur dolose oder kulpose Mittäter Teil nehmen“. 23 Daran ist richtig, daß die der Mittäterschaft zugrundeliegende Einigung der Akteure jenseits des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit zu finden ist. Daß es sich um eine „Willens“einigung handeln muß, ist indes nicht ausgemacht (vgl. Grundriß, S. 147, 152). 24 Frank-Festgabe, I, S. 597. 25 Abgesehen davon, daß es beim gemeinsamen Handeln nicht um eine wechselseitige Zurechnung von Tatanteilen geht, sondern eben um die Zurechnung des Ganzen (der Tatbestandsverwirklichung) zu allen Beteiligten. 22

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

teiligungsverhältnis braucht mindestens zwei Beteiligte, wobei Beteiligter nur derjenige sein kann, der schuldhaft und vermeidbar in bezug auf die in Frage kommende Tatbestandsverwirklichung handelt. Ein mechanisches Verhältnis, der Umgang mit Natur, bringt keinen gemeinsamen Sinnausdruck zustande.26 Anders kann es nur dann sein, wenn man die Funktion des Strafrechts als Bewahrung von Rechtsgütern statt als Normgeltungsschutz auffaßt. (b) Der einzige Wille, der bei der strafrechtlichen Zurechnung von Belang ist, ist der Wille zur Normbefolgung. Dieser wird aber gerade vorausgesetzt, denn er bildet das Pendant zum Anspruch der Person auf Selbstverwaltung. Deswegen kommt es nicht darauf an, ob sich der Wille eines Beteiligten mit dem Willen eines anderen vereinigen läßt oder nicht, sondern nur darauf, daß der Wille zur Normbefolgung bei jedem Beteiligten als bestehend betrachtet werden kann.27 (c) Sowohl Binding als auch Exner gehen davon aus, daß Beteiligung auf einer Willensbeziehung zwischen den Akteuren beruht.28 Solange die Tatbestandsverwirklichung durch die einverständliche Mitwirkung mehrerer erfolge, ergebe sich eine gemeinsame Verantwortung zwischen den Mitwirkenden. Das ist aber nicht der Fall. Zwischen Alleintäterschaft bzw. Nebentäterschaft und Regreßverbot gibt es eine dritte Möglichkeit, nämlich die Zurechnung aufgrund gemeinsamen Handelns, dessen Vorhandensein durch das Einverständnis indiziert, aber nicht konstituiert wird. Wenn man diese Eigenart des gemeinsamen Handelns schon auf der Ebene objektiver Zurechnung außer acht läßt aber zugleich erkennt, daß eine subjektive Begründung der kollektiven Verantwortung ebenfalls unzulänglich ist, kommt man in den Grenzfällen zu der Argumentation Exners, daß nämlich jeder Beteiligte auch gegen eine nur ihn betreffende Pflicht verstoßen müsse.29 Damit kann man allerdings u. U. die Einzelverant-

26 Binding selbst hat diesen Aspekt teilweise erkannt als er meinte, es gebe straflose Täter, Anstifter und Gehilfen, aber keine handlungsunfähigen Täter, Anstifter und Gehilfen (Grundriß, S. 145 mit Anm. 3). 27 s. bereits zweiter Teil, A. II. 2. 28 Vgl. etwa Binding, Grundriß, S. 153 f., jedoch mit dem bisher nicht hinreichend beachteten Vorbehalt, daß Binding zwischen Vereinbarung und Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit u. a. deswegen scharf unterscheidet, weil er von einem Vorsatz mit Unrechtseinsicht ausgeht. Dementsprechend führt er weiter aus: „Da sich die Schuldarten gar nicht durch den rechtswidrigen Inhalt des Willens, sondern nur durch das Bewusstsein unterscheiden, welches diesen Inhalt bald als rechtswidrig erfasst, bald nicht, ist klar, dass alle Willensbeziehungen, die beim vorsätzlichen Delikte möglich sind, auch beim fahrlässigen existiren müssen“ (Grundriß, S. 152). Denn, wenn keiner der Mitwirkenden von der „Verbrecherischkeit“ (d. h. der Rechtswidrigkeit) des Entschlusses weiß, dann haben „alle einen Willen vergemeinschaftet, dessen rechtswidrigen Inhalt sie alle fahrlässig verkennen“ (Grundriß, S. 154). Da die Auffassung Bindings der Aufstellung einer culpa iuris nahe kommt, ist die Aufgabe einer Lehre, die nach dem heutigen Stand der Dogmatik die Unterscheidung zwischen Tatentschluß und Vorsatz beibehalten will, erheblich schwieriger.

A. Individuelle Vermeidbarkeit und Beteiligungsverhältnis

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wortung des Unaufmerksamen begründen, aber noch nicht eine gemeinsame Verantwortung.30 2. Die Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung An die Tradition von Binding und Exner knüpfen die Argumente an, die der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung entstammen. So ist z. B. bei Renzikowski zu lesen: „Da die gegenseitige Zurechnung vor allem ein gemeinsames Handlungsprojekt verlangt, ist es nicht erforderlich, daß alle Beteiligten über dieselbe Gefahrvorstellung verfügen. Mittäterschaft ist insbesondere auch zwischen vorsätzlich und fahrlässig handelnden Personen möglich“.31 Wie schon dargelegt (s. zweiter Teil, B), hat die dieser Lehre zugrundeliegende subjektive Unrechtsbegründung zu einer möglichst scharfen Trennung zwischen Vorsatz und gemeinsamem Tatentschluß gezwungen.32 Die Problematik stellt sich jedoch in der heutigen Dogmatik anders dar als zu Bindings Zeiten. Binding nahm an, daß der Vorsatz die Rechtswidrigkeit (d. h., im Verbrechensaufbau Bindings, die „Verbrecherischkeit des Entschlusses“ – modern ausgedrückt: die mißbilligte, tatbestandsverwirklichende Wirkung) des Verhaltens umfasse, und daß die Fahrlässigkeit im pflichtwidrigen Verkennen dieser erkennbaren Rechtswidrigkeit bestehe. Wie nun die Trennung trotz dieses entscheidenden Unterschieds aufrechterhalten werden soll, läßt sich in bezug auf die hier besprochenen Konstellationen an den Ausführungen Ransieks33 deutlich erkennen: (a) Primärer Gegenstand der Zurechnung sei das fremde Handeln, das jedem Mittäter als eigenes zugerechnet wird, und nicht die Deliktsverwirklichung bzw. die Herbeiführung des Erfolges. (b) Die wechselseitige Zurechnung fremden Verhaltens sei jedoch „immer schon dann möglich, wenn gegenseitig das fremde Verhalten als eigenes ge29 Frank-Festgabe, I, S. 582: Das geschehe z. B., wenn die Möglichkeit der Erfolgsherbeiführung durch anschließendes fremdes Handeln in dem Grade erkennbar sei, daß seine Nichtbeachtung als an sich pflichtwidrig erscheine. Eine ähnliche Argumentation findet man bei Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 248 ff., wie zu sehen sein wird. 30 Dies kommt auf eklatante Weise bei Binding zum Ausdruck, wenn er gerade in bezug auf die Problematik der Mittäterschaft trotz ungleichen Verschuldens schreibt, daß es sich nicht um Beteiligung, sondern um „Ausgestaltungen der Eintäterschaft“ handelt (Normen IV, § 303, Anm. 2). 31 Renzikowski, S. 289 (Herv. vom Verf.). 32 Man könnte sogar behaupten, daß die Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung gerade darin besteht, diese Trennung so folgerichtig wie möglich durchzuarbeiten, denn sie war, dogmengeschichtlich betrachtet, alles andere als selbstverständlich: s. etwa Berner, Lehrbuch, 4. Aufl. (1868), S. 181 und Birkmeyer, Teilnahme, S. 138 f., die von einem „dolus des Mittäters“ ausgingen. 33 Unternehmensstrafrecht, S. 70 f.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

wollt ist, also gemeinsam gehandelt werden soll“.34 Deshalb brauche der gemeinsame Entschluß sich nur auf das Handeln zu beziehen. (c) Aus diesem Grund sei der gemeinsame Handlungsentschluß nicht mit dem Tatvorsatz gleichzusetzen. Einige Unstimmigkeiten dieser Lehre sind bereits im zweiten Teil besprochen worden. Was die Problematik der Mittäterschaft bei ungleichem Verschulden spezifisch anbelangt, sei hier nur auf Folgendes hingewiesen: Die Kupierung des tatbestandlichen Erfolgs ist mit einer subjektiven Begründung des Unrechts eines Erfolgsdelikts nicht verträglich und die Erkenntnis, daß ein mit der Unrechtseinsicht angereicherter Wille kein Element des Vorsatzes ist, beseitigt diese Unvereinbarkeit nicht. Denn, wie könnten die Beteiligten das Gleiche kausal wollen bzw. einen „Anteil an der Verursachung“ eines objektiven Deliktstatbestandes „vermeidbar setzen“ (geschweige denn eine gemeinschaftliche Tat einverständlich ausführen), ehe nicht das jeweils „Gleiche“, der objektive Tatbestand oder die tatbestandsmäßige Tat, hinreichend umschrieben worden ist? Solange das Beteiligungsverhältnis zumindest der Willenseinigung bedarf, kann sein Bestand nicht ohne Bezug auf das zu realisierende Ziel bestimmt werden. Wenn man dieses Ziel ausklammern muß, weil es tatbestandlich irrelevant ist oder als das Gewollte nicht aufgefaßt werden kann, gelangt man zu der bereits besprochenen Unfähigkeit, das strafrechtliche Geschehen hinreichend abzugrenzen.35 Wollte man trotzdem dabei bleiben, dann würden sämtliche Fahrlässigkeitsdelikte in Gefährdungsdelikte umgedeutet. Auf diese Weise könnte man vielleicht von einer Tat sprechen (was, wie oben ausgeführt, schon zweifelhaft ist), aber nicht von einer Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB, denn Gefährdungen sind nur ausnahmsweise unter Strafe gestellt. Die angestrebte Trennung zwischen Wille und Vorsatz, oder, mit der Terminologie der in Rede stehenden Lehre, zwischen Handlungsentschluß und Vorsatz, mißlingt also weil der Begriff „Gefahrbegründung“ nicht tauglich ist, eine rechtswidrige Tat hinreichend zu konturieren. Gerade in bezug auf diesen Aspekt geht m. E. die Konstruktion des Zurechnungsprinzips Gesamttat kohärenter vor. Ungeachtet der unterschiedlichen Kriterien zur Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, schreibt Kim SungRyong, daß „die Anerkennung der Mittäterschaft zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstäter ohne Schwierigkeit möglich [ist], wenn man einen gemeinsamen Handlungsentschluß für die Grundlage der Zurechnung sowohl der Hauptfolge als auch der Nebenfolge hält. Es ist selbstverständlich, daß sowohl eine gemeinsame willentliche Tatbestandsverwirklichung als auch eine Nebenfolge, die durch die Verfolgung des (strafbaren oder straflosen) Hauptzieles herbeigeführt 34 35

Unternehmensstrafrecht, S. 70 f. s. zweiter Teil, B. I. 1 und B. I. 4.

A. Individuelle Vermeidbarkeit und Beteiligungsverhältnis

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wird, Gegenstand der mittäterschaftlichen Zurechnung ist“.36 Der Akzent wird also auf das gemeinsame Projekt hinsichtlich des „eigentlichen“ Zieles gesetzt, weshalb die Zurechnung der Nebenfolgen sich unabhängig davon vollzieht, ob dem einzelnen Beteiligten bezüglich der Nebenfolgen Vorsatz oder Fahrlässigkeit zuzuschreiben ist. Zum besseren Verständnis bedarf jedoch die kritische Darstellung dieses Ansatzes einer kurzen, vorher zu leistenden Erläuterung des einschlägigen Begründungszusammenhangs. 3. Was ist das Ganze? Wann ist vom gleichen Delikt die Rede? Laut § 25 Abs. 2 StGB kommt Mittäterschaft nur dann in Betracht, wenn mehrere die Straftat gemeinschaftlich begehen. Mindestvoraussetzung mittäterschaftlicher Haftung ist also das Begehen einer Tat, welche sich als Verwirklichung eines strafrechtlich gesetzlichen Tatbestandes darstellt (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Die Bestimmung der Tat, bezüglich derer eine gemeinschaftliche Verantwortung erfolgen kann, ist dementsprechend für jede mittäterschaftliche Haftung von ausschlaggebender Bedeutung. Die Diskussion darüber ist bekanntlich alt und betrifft vor allem die Tatbestände mit besonderen Absichtserfordernissen,37 wie das Verhältnis zwischen Mord und Totschlag38 und die Problematik der Tatbestände, die auf irgendeine Weise besondere Tätermerkmale beinhalten.39 Diese Konstellationen bereiten der Beteiligungslehre erhebliche Schwierigkeiten und verdienen eine besondere und differenzierende Betrachtung, da es so aussieht, als ob der Behandlung von verschiedenen Tatbeständen als „selbstständig“ oder auch nicht eine entscheidende Bedeutung für die Zurechnung zukäme. Dennoch kann diese Frage hier offen bleiben. Denn wichtig in diesem Zusammenhang ist nur, ob Fahrlässigkeits- und Vorsatzdelikte insoweit verschiedenartige Tatbestandsverwirklichungen bilden, daß ein gemeinschaftliches Begehen zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstätern von vornherein ausgeschlossen werden muß. Das ist jedoch nicht der Fall: (a) Wie in den obigen Ausführungen bereits dargelegt, kommt es bei der strafrechtlichen Zurechnung auf das intentionale Verhalten an sich nicht an, sondern auf die Bedeutung dieses Verhaltens aus normativer Sicht. Insofern bildet 36

Kim Sung-Ryong, S. 290. Vgl. die bekannte „Moos-raus“-Entscheidung, BGHSt 17, 87 (Zueignungsabsicht nur bei einem Mitwirkenden an der Wegnahme). Zu den Absichtsdelikten und zur Rückführung der Absicht auf den Vorsatz s. Jakobs, Festschrift für Roxin, S. 806 ff. mit Anm. 47., dens., Festschrift für Rudolphi, S. 114. 38 Vgl. BGHSt 36, 231 (Habgier nur bei einem Mitwirkenden an der Tötung), mit Anm. Timpe, JZ 1990, S. 97 und Beulke, NStZ 1990, S. 278 f. Dazu eingehend Müssig, S. 252 ff. 39 Hierzu Dencker, Kausalität, S. 255 ff. Zur Bestimmung der Straftat, an der die Akteure sich beteiligen, s. u. C. V. 2. b). 37

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

die tatbestandsmäßige Tat den Erklärungswert eines Normbruchs, welcher bei bestehender Vermeidbarkeit (sei sie nun als Vorsatz oder als Fahrlässigkeit zu bezeichnen) einer Person bzw. mehreren subjektiv zugerechnet werden kann. (b) Die Bedeutung der Tat hängt aber nicht von den individuellen Gefahrvorstellungen der Akteure ab. In diesem Sinne ist es richtig, wenn Renzikowski meint, die Beteiligten brauchten nicht über dieselbe Gefahrvorstellung zu verfügen. Das kommt jedoch nicht daher, daß sie bereits mit einer allgemeinen Gefahrbegründung einverstanden sind, sondern aus der Irrelevanz der individuellen Vorstellungen sowohl für die Konstitution des Erklärungswerts „Tatbestandsverwirklichung“ als auch für die subjektive Grundlage des Beteiligungsverhältnisses, die reine Vermeidbarkeit. In dieser geht es nämlich nur um das Erkennenkönnen und -müssen. Darüber hinaus erfolgt die Bestimmung der Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit auch nach der Funktion der Zurechnung und nicht aufgrund des psychischen (Nicht-)Vorhandenseins bestimmter Kenntnisse. (c) Bestandteil der Interpretation einer Tat und mithin Basis für die Bestimmung des indiziellen Wertes, der dem Wissenshorizont der Akteure zukommt, ist die Feststellung, ob Alleinhandeln oder gemeinsames Handeln vorliegt. Was als Vorsatz und Fahrlässigkeit bezüglich einer Tat betrachtet wird, d. h. inwiefern der Mangel an Rechtstreue durch die individuelle Vermeidbarkeit indiziert wird, ist also nicht unabhängig davon, ob es sich um einen Fall des Alleinhandelns oder des gemeinsamen Handelns handelt.40 Ebensowenig kann die Art der individuellen Vermeidbarkeit darüber entscheiden, ob es sich um „eine“ Tat handelt. Die Bestimmung der Zusammengehörigkeit verschiedener Verhaltensweisen ist nicht den einzelnen Subjekten überlassen. Vielmehr entspricht sie einer sozialen Bewertung, nämlich dem Urteil darüber, ob trennende oder verbindende Arbeitsteilung vorliegt. Deshalb ist die Frage, ob Mittäterschaft zwischen Vorsatztäter(n) und Fahrlässigkeitstäter(n) möglich ist, insofern falsch gestellt, als die Frage nach Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit bei dem Einzelnen vor der Feststellung dessen, ob allein oder gemeinsames Handeln vorliegt, falsch loziert ist. Über Inhalt und Erheblichkeit der Kenntnisse kann dagegen erst nach dieser Feststellung gesprochen werden. Der herkömmliche Gedanke, es gebe einerseits vorsätzliche und andererseits fahrlässige Tatbestandsverwirklichungen, stammt wohl in moderner Zeit aus einer vom Finalismus übernommenen imperativistischen Normentheorie, nach der in erster Linie nur das absichtliche Verhalten von der Norm erfaßt wird. Das führt konsequenterweise zu einer Trennung auf der Ebene der Zurechnung (ordentlich und außerordentlich) und mithin zur Betrachtung der Fahrlässigkeit als „Surrogat“ des Vorsatzes im Zuge einer außerordentlichen Zurechnung. Da 40

s. bereits zweiter Teil, A. II. 4 und A. II. 5.

A. Individuelle Vermeidbarkeit und Beteiligungsverhältnis

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andererseits die herrschende Beteiligungslehre auf diese Normentheorie zugeschnitten ist, muß sie bei der Behandlung von Tatkomplexen mit gemischten Vermeidbarkeitsformen zwangsläufig versagen.41 Dies geschieht vor allem aus zwei Gründen: (1) Wenn nämlich das Beteiligungsverhältnis von dem Täter und seiner subjektiven Sinngebung abhängig ist, so daß ein überlegenes Wissen oder sogar ein überlegenes Schuldmoment zur Täterschaft führen soll, dann kann ein „nur“ fahrlässig Mitwirkender nie (Mit-)Täter sein. Sprich: Bei einer Lehre, die das Unrecht subjektiv begründet, kann ein asymmetrisches Verschulden auf der Ebene der Beteiligung keine Mittäterschaft zulassen. (2) Zu der Annahme von Mittäterschaft kann es auch deswegen nicht kommen, weil nach der Tatherrschaftslehre die Tat, der Normbruch, vom Täter konstituiert wird.42 Wenn aber der Normbruch gleichzeitig zum Teil subjektiv definiert wird, dann liegt auf der Hand, daß in bezug auf eine bestimmte Tatbestandsverwirklichung nur eine Abart der Vermeidbarkeit in Betracht kommen kann. So führt der Unterschied zwischen den entsprechenden Willensinhalten zwangsläufig dazu, daß den Akteuren keineswegs derselbe Beteiligungstypus zugesprochen werden kann. Der nur fahrlässig Mitwirkende kann also bestenfalls selbst Täter eines anderen Delikts sein, nämlich eines Delikts, das sich aus einer außerordentlichen Zurechnung ergibt: eines fahrlässigen Delikts in Alleintäterschaft. Aus diesen Gründen kann die Anerkennung von Mittäterschaft trotz ungleichen Verschuldens nur abwegig anmuten, wenn sie einer Lehre entstammt, die von Beteiligungsformen als Zurechnungstypen ausgeht, einen qualitativen Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme zugrunde legt und mit einer imperativistischen Normentheorie arbeitet. Die einzig möglichen Auswege sind deshalb entweder die Entleerung der Fahrlässigkeitstatbestände durch ihre Umdeutung in Gefährdungsdelikte oder eine weitgehende Normativierung der Zurechnungsgrundlagen. 4. Die Lehre der Gesamttat Den letztgenannten Weg schlagen u. a. teilweise Dencker43 und Kim SungRyong44 ein. Ihr Verdienst besteht m. E. vor allem darin, daß sie nachgewiesen 41 Deswegen meint Roxin im Ergebnis durchaus zu Recht, daß die Tatherrschaftslehre keine Anwendung im Fahrlässigkeitsbereich finden könne (zur historischen Entwicklung sehr instruktiv Täterschaft, 2. Aufl., S. 551 ff.); vgl. auch dens. Festschrift für Tröndle, S. 183, LK § 25, Rn. 217 und Täterschaft, S. 695 (das Tatherrschaftsprinzip könne „bei Fahrlässigkeitsdelikten, bei denen die Einzeltäterschaft allein auf der objektiven Zurechnung beruht [!], nicht gelten“). 42 Hierzu Bloy, Zurechnungstypus, S. 183, 191 ff., 211 f., 250 ff., 316 ff. und passim.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

haben, warum eine rein psychologisierende Perspektive bei der Zurechnung von Nebenfolgen nicht kohärenterweise zu Ende geführt werden kann. Wenn nämlich Nebenfolgen im Vorsatzbereich allen Mittätern dadurch zugerechnet werden, daß man einen stillschweigend bzw. konkludent gefaßten gemeinsamen Plan im Hinblick auf deren Herbeiführung konstruiert, bedeutet dies nach Kim Sung-Ryong nichts anderes als eine mehr oder weniger berechtigte Zuschreibung.45 „Real“ (d. h. nicht normativ zugeschrieben) sei dagegen das Zusammenwirken an sich, das wiederum einen Handlungsentschluß voraussetze. Da dieser Entschluß aber nur auf das „eigentliche“ Ziel (die Hauptfolge) gerichtet zu sein brauche und dieses nicht mit der Tatbestandsverwirklichung identisch sein müsse (v. gr. beim dolus eventualis), bestehe kein Unterschied zwischen fahrlässigem und vorsätzlichem Zusammenwirken. Vorsatz oder Fahrlässigkeit in bezug auf den eingetretenen Erfolg würden lediglich jedem Einzelnen zugeschrieben, je nach den (normativen) Kriterien, derer man sich für diese Abgrenzung bedient. Auf diese Weise könnte sehr wohl ein Zusammenwirken, und mithin Mittäterschaft, zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstäter vorliegen. Dafür wäre nur das als psychischer Befund aufgefaßte Bewußtsein des gemeinsamen Vorgehens auf die (tatbestandliche oder nicht tatbestandliche) Hauptfolge hin notwendig. Diese Konstruktion enthält ohne Zweifel wertvolle Erkenntnisse. Sie bleibt jedoch m. E. an der Schwelle zur Normativierung stehen und krankt deshalb an einer gravierenden Inkonsequenz. Denn es ist nicht ersichtlich, warum Vorsatz und Fahrlässigkeit als normativ zugeschriebene Elemente behandelt werden, während das Bewußtsein des Zusammenwirkens psychisch gebunden bleiben soll. Das Bestehen von Zusammenwirken ist vielmehr, zumindest im selben Maße wie die Zuschreibung von Vorsatz oder Fahrlässigkeit, eine Zurechnungsfrage. Es ist zwar richtig, daß das Zurechnungsmuster des gemeinsamen Handelns eine subjektive Seite einschließt. Das heißt aber noch nicht, daß diese Seite als psychisches Faktum nachgewiesen werden müßte. Daß sie auch normativ zugeschrieben bzw. abgesprochen werden muß, zeigt sich spätestens an der Kehrseite der Beteiligung, dem Regreßverbot, das nicht einmal durch ein willentliches Mitwirken aufgehoben wird. Es geht also nicht um ein psychologisch zu ermittelndes Bewußtsein des Zusammenwirkens, sondern vielmehr um ein normativ zugeschriebene Erkennbarkeit des Nichteingreifens des Regreßver43

Kausalität, S. 176 f., 258 f., 271. Kim Sung-Ryong, S. 289 ff. 45 Kim Sung-Ryong, S. 245 f., 261 f. Hierzu Lampe, ZStW 106 (1994), S. 692, der festgestellt hat, wie die Rechtsprechung in manchen Fällen nur deswegen zum richtigen Ergebnis kommt, weil sie das Erfordernis eines „bewußten und gewollten Zusammenwirkens“ beim Vorsatzdelikt in der Tat preisgibt und es durch einen überindividuellen, auf schlüssigem Handeln beruhenden Gesamtplan ersetzt. So etwa bei RGSt 58, 279; BGH StV 1981, S. 275 und BGHSt 37, 289, 292. Vgl. auch Vest, ZStW 113 (2001), S. 492. 44

A. Individuelle Vermeidbarkeit und Beteiligungsverhältnis

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bots im konkreten Fall und in bezug auf eine bestimmte Tatbestandsverwirklichung. 5. Strafbarkeit aufgrund desselben Delikts? Das Ärgernis, daß Mittäterschaft zwischen Akteuren bestehen könnte, welche jedoch unterschiedlicher Strafbarkeit aufgrund der subjektiven Tatseite unterliegen, dürfte also nach den obigen Ausführungen hinfällig geworden sein. Da Tatbestandsverwirklichungen in erster Linie objektive Erklärungswerte eines Normbruchs darstellen, welche u. a. aufgrund der individuellen Vermeidbarkeit den einzelnen Beteiligten zum Vorsatz oder zur Fahrlässigkeit subjektiv zugerechnet werden, kann es sehr wohl vorkommen, daß einige Beteiligte mit Vorsatzstrafe, andere mit Fahrlässigkeitsstrafe, andere aber gar nicht bestraft werden. Diese Feststellung leuchtet aber erst dann ein, wenn man nur die konkretabstrakte Vermeidbarkeit als Element des Beteiligungsverhältnisses betrachtet, während man die Erscheinungsformen der Vermeidbarkeit bei ihrer Funktion in der speziellen Personalisierung der subjektiven Zurechnung beläßt. Das Delikt besteht demnach in einer vermeidbaren und schuldhaften Pflichtverletzung, die durch die Verwirklichung des Tatbestandes objektiviert wird. Daran ändert sich nichts, wenn das Gesetz die Strafbarkeit des Einzelnen von einer bestimmten Art der individuellen Vermeidbarkeit abhängig macht: Der Tatbestand wird ebenfalls gemeinschaftlich verwirklicht und die Tat, die den Tatbestand erfüllt, kann nur unter Berücksichtigung der Gemeinsamkeit sinnvoll erklärt werden. Dies sei am folgenden Beispiel verdeutlicht: Wenn ein Zimmermann (A) mit Hilfe zweier Lehrlinge (B und C) Balken aus der Dachkammer auf eine Straße wirft und infolgedessen das geparkte Auto eines Nachbarn beschädigt wird, kann das Geschehen nach dem Muster des gemeinsamen Handelns erklärt werden, einerlei, ob A die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung als vermeidbare Folge des Werfens erkannt hat (strafbar), B sie hätte nur erkennen können (straflos) oder schließlich C auch mit der Verletzung des im Auto sitzenden Nachbarn, den er gesehen hatte, gerechnet hat (weitergehende Kenntnisse). In bezug auf die Sachbeschädigung zählt nur die allseits zuzuschreibende Vermeidbarkeit. Der Irrtum des B und die weitergehenden Kenntnisse des C spielen bei der Konstitution des Beteiligungsverhältnisses keine Rolle, wie auch der Umstand, daß B mangels Vorsatzes straflos bleibt und C ggf. auch wegen versuchter Körperverletzung zu bestrafen ist. Bezüglich der Sachbeschädigung handelt es sich trotzdem um den sinnhaften, gemeinsamen Ausdruck einer kollektiven Pflichtverletzung. Anders wäre die Situation zu beurteilen, wenn A auch die Hilfe eines 10jährigen Kindes in Anspruch genommen hätte. Sofern das Kind nicht vermeidbar handelt, bildet sein Verhalten nur einen Kausalfaktor, der in die Gemeinsamkeit der Pflichtverletzung keineswegs mit einbezogen werden kann.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Hätte der Zimmermann nur mit Hilfe des Kindes agiert, so würde auch jegliche Beteiligung ausscheiden. Nur in diesem Sinne ist also richtig, daß dann keine Mittäterschaft bestehen kann, wenn einer der vermeintlichen Mittäter gar nicht bestraft werden soll. Denn Beteiligung bedarf mindestens zweier vermeidbar handelnder Personen, wobei der Ausdruck „Mittäterschaft“ nur dann sinnvoll ist, wenn zumindest zwei an derselben Tat beteiligte Personen mit der Täterstrafe bestraft werden sollen. Deshalb sind die Ausführungen von Ransiek46 teils ungenau und teils unzutreffend, wenn er meint, Mittäterschaft bestehe auch bei Schuldlosigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit eines „Mittäters“, d. h. wenn § 29 StGB Anwendung finde. Unzutreffend ist die Behauptung in bezug auf den „schuldlosen Mittäter“. Ungenau ist sie hinsichtlich des mit verminderter Schuldfähigkeit Handelnden: In diesem Fall könnte wohl neben der Mittäterschaft auch mittelbare Täterschaft vorliegen oder, wenn der Hintermann für das Verhalten bzw. den Irrtum des Vordermannes nicht zuständig ist, allenfalls Nebentäterschaft.

III. Mittäterschaft bei erfolgsqualifizierten Delikten Dem herkömmlichen Muster entsprechend wird Mittäterschaft an einem erfolgsqualifizierten Delikt folgendermaßen behandelt: Liegt Mittäterschaft in bezug auf das Grunddelikt vor (auf der subjektiven Seite heißt das: Vorsatz bei jedem Akteur plus gemeinsamer Tatentschluß), dann besteht auch Mittäterschaft am erfolgsqualifizierten Delikt, solange dem Einzelnen auch Fahrlässigkeit bezüglich der qualifizierenden Folge zur Last fällt.47 Wenn nicht das Ergebnis, hat doch die Begründung dieser Lösung spätestens seit Oehler einige Schwierigkeiten bereitet. Der Gedanke nämlich, daß es sich der Sache nach um vorsätzliche Mittäterschaft beim Grunddelikt und fahrlässige Nebentäterschaft in bezug auf die schwerere Folge handelt, welche allein durch den einschlägigen Tatbestand zu einer Einheit zusammengeschlossen werden, schien der Zurechnungsproblematik nicht angemessen.48 Es geht nämlich nach Oehler dabei vielmehr darum, daß „die gemeinsamen Täter (. . .) das ganze erfolgsqualifizierte Delikt in Mittäterschaft“ begangen haben. Denn, wenn „der Gesetzgeber durch § 47 StGB 46

Unternehmensstrafrecht, S. 73. Zusammenfassend Kudlich, JA 2000, S. 514; zur Rechtsprechung s. Sonnen, JA 1997, S. 362 f. (zu BGH NStZ 1997, S. 82); BGH MDR 1986, S. 795 und BGH bei Holtz, MDR 1995, S. 444. Freilich hat sich die Lehre in der Regel auf die „Teilnahme“ am erfolgsqualifizierten Delikt konzentriert, während die Frage der Mittäterschaft seit Oehler im Ergebnis meistens zugunsten der gemeinsamen Verantwortung beantwortet wird (hierzu Rengier, S. 249 ff., m. w. N. und Sonnen, JA 1997, S. 362 f.) Nach dem im ersten Teil Ausgeführten dürfte jedoch klar sein, daß die mittäterschaftliche auch eine akzessorische Haftung ist. 48 Grundlegend Oehler, GA 1954, S. 37; Seebald, GA 1964, S. 163. So auch Renzikowski, S. 295 f. 47

A. Individuelle Vermeidbarkeit und Beteiligungsverhältnis

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[a. F.] die Handlungen mehrerer zu einem Tatbestand, d. h. für uns zu dem ersten Tatbestandsteil der erfolgsqualifizierten Handlung“ zusammengeschlossen hat, „so kann er sie bezüglich des von beiden damit fahrlässig verursachten qualifizierten Erfolges nicht wieder auseinanderreißen“.49 Daß diese im Ergebnis durchaus zutreffende Feststellung ohne gleichzeitige Anerkennung der mittäterschaftlichen Haftung im Fahrlässigkeitsbereich nicht auskommen kann, hat wohl bereits Oehler selbst geahnt.50 An Oehler anknüpfend hat Seebald51 den Gedanken weitergeführt: Selbst bei einer subjektiven Begründung der Mittäterschaft durch den gemeinsamen Tatentschluß müsse zugegeben werden, daß die Stellung der Beteiligten mit der Gestaltung der Tat abgeschlossen sei,52 so daß ein hinzutretender Irrtum beim einzelnen (Fahrlässigkeit53 oder Versuch) in bezug auf die qualifizierenden Folgen diese Stellung im Beteiligungsverhältnis unberührt lasse. Inwiefern das Abstellen auf die Vermeidbarkeitsformen in die Irre führt, zeigt sich an der Diskussion um die Frage, ob mittäterschaftliche Haftung für das erfolgsqualifizierte Delikt auch dann besteht, wenn einer der Beteiligten die Nebenfolge absichtlich herbeiführt. Sowohl die Lehre als auch die Rechtsprechung54 haben die Möglichkeit einer mittäterschaftlichen Haftung in solchen Fällen bejaht, u. a. angesichts der Feststellung, daß ansonsten die Handlung des (in bezug auf die Nebenfolge) fahrlässigen Beteiligten vom besonderen Tatbestand dann nicht erfaßt würde, wenn der andere schwereres vorsätzliches Unrecht verwirklicht.55 49

Oehler, GA 1954, S. 37. Obwohl er sich dagegen wehrt: Mittäterschaft beim erfolgsqualifizierten Delikt sei von der Frage unabhängig, ob Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich möglich ist, denn die Handlung müsse vorsätzlich durchgeführt werden. 51 GA 1964, S. 163, 166, 170. 52 So bereits Oehler, GA 1954, S. 37: „Einer Mittäterschaft kann bei gemeinsam fahrlässig herbeigeführtem Erfolg nicht eine Nebentäterschaft aufgepfropft werden, weil die Täter alles zur Herbeiführung des Erfolges Nötige in technischer Mittäterschaft schon begangen haben und der beiderseitig fahrlässig verursachte Erfolg keine neue Handlung erfordert“. 53 Dazu Puppe, Festschrift für Spinellis, S. 938: Der im Hintergrund bleibende Mittäter (den sie „Hintermann“ nennt) hafte für den vom „Vordermann“ irrtümlich herbeigeführten Erfolg, weil beide Mittäter seien, und zwar ungeachtet des Irrtums des Vordermannes bei der Ausführung. Die Tatsache, daß die herbeigeführte Folge durch die Fahrlässigkeit (den vermeidbaren Irrtum) des Vordermannes zu erklären sei, ändere dann an der gemeinschaftlichen Verantwortung nichts. Diese Auffassung sollte konsequenterweise zur Annahme führen, daß (i) das Beteiligungsverhältnis eine Frage der Verhaltens- und nicht der Erfolgszurechnung darstellt, und dementsprechend (ii) von den Arten der individuellen Vermeidbarkeit bei der Erfolgsherbeiführung unabhängig ist. Diesen letzten Schluß zieht Puppe der Sache nach auch (Festschrift für Spinellis, S. 922); sie läßt ihn jedoch nicht zur Geltung kommen, weil sie den ersten nicht zieht, d. h. die Beteiligungsformen als an die faktische Herrschaft über den Erfolgseintritt untrennbar gebundene Kategorien betrachtet. 54 Vgl. etwa BGHSt 39, S. 100 ff.; BGH MDR, 1986, S. 795, zu § 226 StGB. 55 Dazu NK-Paeffgen § 18, Rn. 84 ff. und Renzikowski, S. 293 mit Anm. 293. 50

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Aber nicht nur in diesem Sinne ist die subjektive Begründung des Beteiligungsverhältnisses beim erfolgsqualifizierten Delikt unzulänglich. So stellt etwa Renzikowski auf dem Boden der ebenfalls subjektiven Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung fest, daß Raub etwas anderes als Totschlag ist, denn „die Vernichtung von Leben ist nicht bereits in der Beeinträchtigung des Vermögens und der Willensfreiheit enthalten“.56 Eine reine subjektive Begründung erklärt dementsprechend nicht die „Einheit“ des erfolgsqualifizierten Delikts mit ihrem erhöhten Strafrahmen und gerade deswegen wird nach einem besonderen, in aller Regel kausalen, Zusammenhang zwischen Grunddelikt und qualifizierender Folge gesucht.57 Die erfolgsqualifizierten Delikte sind demnach keine Addition von vorsätzlichem Grunddelikt und fahrlässig verursachter Nebenfolge: Der Eintritt der Nebenfolge muß vielmehr die Verwirklichung eines besonderen, vom Grunddelikt herrührenden Risikos darstellen. Wie nach den verschiedenen Meinungen dieser objektive Zusammenhang konstituiert werden soll, ist für die vorliegende Untersuchung ohne Belang.58 Wichtig ist nur, daß es sich um einen Zusammenhang handelt, der jenseits der subjektiven Einstellungen der Beteiligten liegt, und, daß erst durch die Feststellung dieses Zusammenhangs die Verantwortung für das erfolgsqualifizierte Delikt begründet wird. Die entscheidende Frage ist also, ob die Nebenfolge eine dem Risiko des Grunddelikts zuzuschreibende Auswirkung darstellt. Eine solche Zuschreibung von Wirkungen ist jedoch die Aufgabe der objektiven Zurechnung, was nicht nur für das Alleinhandeln, sondern auch für das gemeinsame Handeln gilt. Im letztgenannten Bereich muß eine Spezialisierung der Zurechnung vorgenommen werden.59 Aber die Frage, ob die gemeinschaftliche Leistung, die zur Verwirklichung des Grunddelikts geführt hat, ebenfalls den Eintritt der qualifizierenden Folge erklärt, bleibt dieselbe und wird nach denselben Grundsätze beantwortet: Solange jeder Beteiligte vermeidbar und innerhalb eines verbindenden Kontextes die Gesamttat mitgestaltet hat, ergibt sich ein Beteiligungsverhältnis eben im Hinblick auf die Gesamttat.60 Bei der Begründung dieser gemeinschaftlichen 56

Renzikowski, S. 294. Vgl. etwa Lackner/Kühl, StGB, § 18, Rn. 8, m. w. N. 58 Für eine zusammenfassende Darstellung s. Jakobs, AT 9/34 ff. Vgl. auch eingehend NK-Paeffgen, § 18, Rn. 23 ff. und die subjektivierende Position Rengiers, S. 149, 154 ff. 59 s. erster Teil, B. II. 4. 60 So ist eine Abwandlung des Streichholzfalls (NStZ 1982, S. 116), in dem die Streichhölzer zur Beleuchtung des Tatorts dienen sollten, durchaus vorstellbar: Wenn sich der schlafende Wächter tödliche Brandwunden zugezogen hätte und zudem nicht zu klären wäre, wessen Streichhölzer den Brand ausgelöst haben, steht man vor zwei Alternativen: Entweder verzichtet man auf die Verurteilung wegen Brandstiftung (und auch wegen fahrlässiger Tötung) angesichts des Grundsatzes in dubio pro reo, oder man verurteilt beide Akteure wegen fahrlässiger Brandstiftung (§ 306d StGB) und wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) in Mittäterschaft. In diesem Sinne hat Donatsch (SJZ 1989, S. 111) Recht, wenn er meint, die Anerkennung von Mittäterschaft im 57

A. Individuelle Vermeidbarkeit und Beteiligungsverhältnis

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Verantwortung spielen die jeweiligen Vermeidbarkeitsformen und der Umfang des jeweiligen Tatbeitrags keine Rolle. Letzteres wird erst dann (aber auch immer relativ) maßgeblich, wenn die Entscheidung über das Maß der Strafe (Täter- oder Teilnehmerstrafe) getroffen werden muß. Mit dem Erfordernis der Unmittelbarkeit bzw. des Schutzzweckzusammenhangs ist also im Bereich der Beteiligungslehre nichts anderes gemeint als die Erkenntnis, daß die objektive Begründung einer gemeinsamen Zuständigkeit für „die ganze“ Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist. Da sich dementsprechend das Beteiligungsverhältnis weder mit Hilfe der Vermeidbarkeitsformen noch anhand einer bloß kausalen Verknüpfung der Verhaltensweisen bestimmt, fallen die Begründung der gemeinsamen Verantwortung für das Grunddelikt und für die Nebenfolge stets zusammen, solange allseits reine Vermeidbarkeit (§ 18 StGB) vorliegt. Aus diesem Grund besitzen die im Gesetz vertypten erfolgsqualifizierenden Tatbestände keine Zurechnungsfunktion. Sie bilden nur eine Ausnahmeregelung in bezug auf die Strafzumessung. Dasselbe gilt für die Regelung des § 18 StGB, welche nur anhand historischer Aspekte zu erklären ist. Deswegen sind m. E. auch die erhöhten Strafrahmen der erfolgsqualifizierten Delikte als besondere Pönalisierung typisch vorkommender Fälle von Wissensfehlern zu erklären, und nicht als Entsprechung (auf der Ebene der Sanktionsnorm) einer eigenen Rechtsnatur.61 Der insofern unverkennbare Zugriff auf die Tradition des versari in re illicita bei der Auswahl der Konstellationen wird demnach durch die Umschreibung eines verbindenden Kontextes zugleich sachlich begründet und beschränkt. Fahrlässigkeitsbereich habe zur Folge (was er freilich für falsch hält), daß die Frage, ob im Hinblick auf das Grunddelikt Neben- oder Mittäterschaft vorliege, nicht mehr gestellt werden müsse. 61 Insofern zutreffend Rengier, S. 130 f. Nicht richtig scheint mir dagegen seine These, nach der bei den todeserfolgsqualifizierten Delikten der Grund der besonderen Regeln gegenüber der Idealkonkurrenz darin liege, daß das Gesetz auf diese Weise einem gesteigerten Unrechts- und Schuldgehalt Rechnung tragen wolle, denn es handelte sich um Fälle, in denen „die objektive Tötungsfahrlässigkeit des Tatbestandes und die subjektive Tötungsfahrlässigkeit der Schuld oberhalb der einfachen Fahrlässigkeit, aber noch unterhalb des Vorsatzes liegen. In derartigen Fällen ist ein ,besonderer‘ Strafrahmen gerechtfertigt“ (Rengier, S. 133 f.). Abgesehen davon, daß dies zur Trennung der Zurechnung bei gemeinsamem Handeln führen muß, ist diese Auffassung nicht in der Lage, das Erfordernis eines Risikozusammenhangs zwischen Grunddelikt und Nebenfolge hinreichend zu erklären (hierzu Jakobs, AT 9/33 mit Anm. 47). Die Begründung der besonderen Strafrahmen durch den Gefährdungsgehalt der Haupthandlung scheint ebenfalls mangelhaft zu sein (so etwa Gössel, Festschrift für Lange, S. 231), denn einerseits muß sich die Gefahr nach dem einschlägigen, erfolgsqualifizierenden Tatbestand realisiert haben, und andererseits gehört der Unwert der nicht realisierten Gefährdung bereits zum Unwert des Grunddelikts und wird in dessen Strafrahmen berücksichtigt. Schließlich kann die besondere Bestrafung des erfolgsqualifizierten Delikts nicht dadurch erklärt werden, daß die Nebenfolge vorhersehbar war. Das ist eben das Merkmal jeder fahrlässigen Verursachung, von der das erfolgsqualifizierte Delikt zu unterscheiden ist (vgl. Rengier, S. 131).

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Zu Beginn des zweiten Teils wurde die Behauptung aufgestellt, daß Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich nicht nur begrifflich möglich, sondern bei den erfolgsqualifizierten Delikten sogar im Gesetz festgeschrieben ist. Dies kann nun näher begründet werden.62 Wenn man an der herkömmlichen Auffassung festhalten wollte, nach der die Mittäterschaft am erfolgsqualifizierten Delikt nichts anderes ist als eine Kombination von „vorsätzlicher Mittäterschaft“ am Grunddelikt und „fahrlässiger Nebentäterschaft“ (also Alleintäterschaft) in bezug auf die schwerere Folge,63 dann wird die Zurechnung der Nebenfolge in Fällen ungeklärter Kausalität auf unzulässige Weise überspielt.64 Denn wie soll die Zurechnung der Nebenfolge aus der Gemeinsamkeit bei der Haupthandlung erfolgen, wenn nicht aufgrund eines bestehenden, auf die Gesamttat bezogenen gemeinsamen Handelns? Am Beispiel der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB): Wenn im konkreten Fall nicht ermittelbar ist, welcher der an der Körperverletzung Beteiligten den Tod verursacht hat, dann ist bei der isolierenden Betrachtung, die der Nebentäterschaft eigen ist, kein Täter vorhanden. Diese Ungereimtheit wurde bereits von Bindokat hervorgehoben, der auch hinzufügte: „Hält man dieses Ergebnis für unangemessen und betrachtet deshalb das individuelle Handeln in Zusammenhang mit dem der Tatgenossen, so hat man unter dem Namen der Nebentäterschaft die (. . .) Mittäterschaft anerkannt“.65 Dabei spielt es keine Rolle, daß die Akteure in bezug auf das Grunddelikt vorsätzlich gehandelt haben, da es eindeutig ist, daß die Zurechnung der Nebenfolge nicht durch die Zurechnung der Hauptfolge ersetzt werden darf. Wenn die Rechtsprechung aus dem gemeinsamen Tatentschluß beim Grunddelikt auf die Gemeinsamkeit bezüglich der Nebenfolge schließt, kommt sie zu durchaus richtigen Ergebnissen – etwa, daß die schwerere Folge nicht von jedem Beteiligten eigenhändig verursacht zu sein braucht.66 Allerdings führt die subjektive Begründung im Zusammenspiel mit der vorherrschenden Auffassung des Risikozusammenhangs67 gleichzeitig dazu, daß jede vorhersehbare Verursachung der schwereren Folge die Strafe des erfolgsqualifizierten Delikts mit sich bringen sollte,68 und zwar bezüglich aller Beteiligten an einem Tatentschluß,

62 Das Gleiche gilt erst recht für die sog. „eigentlichen“ Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen: dazu Schaal, S. 236 ff. 63 So etwa Welzel, Strafrecht, S. 122. 64 Deutlich bei Kudlich, JA 2000, S. 514; Sonnen, JA 1997, S. 363 f. 65 JZ 1979, S. 435 f. Vgl. auch Dencker, Kausalität, S. 178, Anm. 148. 66 Vgl. BGH NStZ 1997, S. 82 (=StV 1997, S. 581 mit Anm. Stein); BGH NStZ 1994, S. 339 (vgl. auch die eingehende Analyse dieser beiden Entscheidungen bei Schaal, S. 232 ff.); ferner BGH NStZ-RR 1997, S. 269; i. d. S. bereits RGSt 14, 121; 59, 156. 67 Hierzu Rengier, S. 209 ff.; a. A. Jakobs, AT 9/35. 68 Vgl. BGHSt 24, 213: Die vorsätzliche Begehung des Grunddelikts gelte schon als Sorgfaltspflichtverletzung.

B. Normative Gemeinsamkeit

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welcher sich nicht auf die letztlich verursachte Nebenfolge, sondern lediglich auf die Verwirklichung des Grunddelikts bezieht.69 Mit anderen Worten: Wenn die Rechtsprechung auf die soeben geschilderte Weise vorgeht, unterscheidet sie – genau wie die Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung – zwischen Vorsatz und gemeinsamem Tatentschluß. Letzterer bestehe also auch bezüglich der Nebenfolge, unabhängig davon, daß die Akteure sie fahrlässig herbeiführen. Ist diese Feststellung zutreffend – und eine andere Auffassung würde in diesen Fällen dahin führen, daß die Erfolgsqualifizierung praktisch nur bei Alleintäterschaft in Frage käme –, dann ist der richterliche Widerstand gegen die Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich wohl nur aufgrund der Mängel der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung zu erklären. Aus diesem Grund ist auch die Bemerkung Oehlers70 die Mittäterschaft bei erfolgsqualifizierten Delikten sei für die Begründung der Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich irrelevant, da das Grundverhalten ja „vorsätzlich“ sein müsse, unzutreffend.71

B. Normative Gemeinsamkeit Aus der Analyse der Mittäterschaft trotz ungleichen Verschuldens und der Mittäterschaft beim erfolgsqualifizierten Delikt kann eine wichtige Erkenntnis entnommen werden: Die gemeinschaftlich begangene Tat ist eine allseits vermeidbare Tatbestandsverwirklichung, wobei es gleichgültig ist, ob die Akteure jeweils als (mit der herkömmlichen Terminologie) Vorsatz- oder als Fahrlässigkeitstäter zu bestrafen sind. Das Beteiligungsverhältnis bezieht sich auf eine rechtswidrige Tat, einerlei, ob dem einzelnen Akteur Fahrlässigkeit oder Vorsatz zur Last fällt. Dieses Ergebnis ist, wie schon dargelegt, der Dogmatik des 19. Jahrhunderts nicht fremd, deren Fortführung die Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung bildet. Es stellt sich nun die Frage, unter welchen Bedingungen man von der gemeinschaftlichen Begehung einer Tat sprechen kann. Es gilt also nun, den normativen Begriff der „Ausführung“ zu vertiefen. Schon A. Merkel schilderte nicht ohne Perplexität einen Sachverhalt, der zur Einleitung in die zu untersuchende Problematik tauglich ist: „Es können parallel laufende Wirkungen verschiedener Handlungen unabhängig von einem gegen69 I. d. S. die zutreffenden Überlegungen Weißers, die aber auf die „sorgfaltswidrige Handlung/Unterlassung“ abstellt: JZ 1998, S. 233. Vgl. auch Schaal, S. 229 ff. 70 GA 1954, S. 37; ebenso Kamm, S. 161 f. 71 So hängt auch die Antwort auf die Frage nach der systematischen Bedeutung des § 11 Abs. 2 StGB von einem zugrundeliegenden Verständnisses der Beteiligungslehre, und nicht umgekehrt: Ob die Norm hinsichtlich der Beteiligungsfrage eine Bestätigung oder aber eine Durchbrechung der ansonsten maßgebenden Vorstellungen des Gesetzgebers darstellt, kann ohne eine dogmatische Stellungnahme zu der Beteiligungsproblematik nicht geklärt werden.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

seitigen Einverständnis derart in der Verwirklichung der Deliktsmerkmale zusammentreffen, daß keine dieser Handlungen ein näheres kausales Verhältnis zu diesem Erfolge hat, kraft dessen sie sich als Ausführungshandlung in einem Gegensatz zu den anderen als bloß vorbereitenden oder Beistand leistenden Handlungen oder als erfolglos gebliebenen Versuchen bringen ließe. Man setze, daß ein Eisenbahnunglück und im Zusammenhange damit mehrfache Körperverletzungen und Tötungen durch mehrere, voneinander unabhängige, fahrlässige Handlungen verschiedener Beamten herbeigeführt worden seien, und daß diese Handlungen entweder gleichzeitig begangen oder in ihren Wirkungen derart miteinander verknüpft seien, daß sich keine als die, den nächsten und relativ zureichenden Erklärungsgrund für jenen Erfolg enthaltende Ausführungshandlung den anderen gegenüberstellen ließe“.72 Merkel steht hier vor dem Dilemma, daß einerseits jede Handlung mangels Einverständnisses isoliert betrachtet werden soll (es gehe um „voneinander unabhängige Handlungen“), während, andererseits, keine von diesen isoliert betrachteten Handlungen als Ausführungshandlung bezeichnet werden kann. Inwieweit an dieser Fragestellung etwas nicht stimmt, zeigt sich schon daran, daß Merkel das Dilemma nicht einmal zu lösen versucht.73 Die Behandlung des normativen Begriffs der „Ausführung“ soll u. a. dazu führen, die Kriterien zum objektiven Aufbau des gemeinschaftlichen Begehens, und somit des Beteiligungsverhältnisses, herauszudifferenzieren. Aus der Perspektive der subjektiv geprägten Beteiligungslehren handelt es sich hier – zugespitzt formuliert – um die Frage nach den Möglichkeitsbedingungen einer objektiven Begründung überhaupt: Wie soll ein gemeinsames Handeln selbst dann zustande kommen, wenn es an jeglicher Verabredung fehlt, wenn die Beteiligten nicht einmal zusammenwirken „wollen“ bzw. ihnen nicht aktuell bewußt ist, daß sie zusammenwirken? Wie kann eine „gemeinschaftliche Begehung“ vorliegen, wenn die Beteiligten nicht einmal wissen (bei unbewußter Fahrlässigkeit), daß sie überhaupt etwas Deliktisches begehen? Wie in den obigen Ausführungen bereits mehrfach betont, folgt der hier gewählte Ansatz einer normativen Auffassung des Beteiligungsverhältnisses.74 Diese enthält wiederum ein normatives Verständnis der Akzessorietät, nach dem akzessorische Verantwortung nichts anderes zu bedeuten hat, als daß die Beteiligten einen gemeinsamen, strafrechtlich erheblichen Sinn zum Ausdruck bringen. Da aber sowohl die Erheblichkeit von Sinnausdrücken als auch ihre Ge72 Lehrbuch, S. 143. Es sei hier davon abgesehen, daß im Beispiel A. Merkels alle Akteure Beamte sind und aus diesem Grund einer institutionellen Pflicht unterliegen könnten. 73 Lehrbuch, S. 143, wobei Merkel wohl die fahrlässige Einzeltäterschaft jedes Beamten bejahen würde. 74 s. zweiter Teil, B. II. 3 zu den in diesem Sinne wegweisenden Beiträgen von Exner und Stratenwerth.

B. Normative Gemeinsamkeit

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meinschaftlichkeit nur dann zu erfassen sind, wenn die Semantik des sozialen Kontaktes durch das strafrechtliche Instrumentarium mit einbezogen wird, erhält die Akzessorietät einen nachvollziehbaren Inhalt nur unter Verwendung der Kriterien objektiver Zurechnung.75 Der Bereich des normativ Gemeinsamen deckt sich mit dem Bereich des Nicht-Zufälligen, d. h. mit dem, was nach sozialer Interpretation zum allgemeinen Inhalt der Tat gehört. Deswegen bildet Beteiligung eine Frage objektiver Zurechnung, die zwar mit Hilfe der kausalen Verknüpfung der Teilakte (was auch als Risikoverbundenheit bezeichnet werden kann) und der subjektiven Sinngebung der Handelnden (des gemeinsamen Handlungsentschlusses) erschlossen werden kann, aber von ihnen nicht unmittelbar (d. h. ohne normative Vermittlung) bestimmt wird.

I. Beteiligung als gemeinsame Zuständigkeit für das tatbestandsmäßige Verhalten Vor der Darstellung des hier gewählten Ansatzes müssen allerdings zwei Aspekte näher behandelt werden: die Aussagekraft kausal orienterter Gesichtspunkte und die Auffassung der Gemeinsamkeit als Zuständigkeit für dieselbe Risikorealisierung. Dadurch sollen die Grundlagen zum Verständnis des Beteiligungsverhältnisses als gemeinsame Zuständigkeit für das tatbestandsmäßige Verhalten geschaffen werden. 1. Kausalitätsprobleme und kausal orientierte Lösungsansätze Bei der Analyse der Beziehungen zwischen kausalem Zusammenhang und Beteiligung sind mit Blick auf die hier im Vordergrund stehende Problematik zwei verschiedene Konstellationen auseinanderzuhalten. 76 Sie lassen sich insbesondere an den Kausalitätsproblemen im Unterlassungsbereich verdeutlichen, einem Bereich, in dem sie auch für eine gewisse Verwirrung gesorgt haben: (1) Zunächst einmal gibt es Fälle, in denen mehrere Garanten unterlassen, wobei aber das pflichtgemäße Verhalten eines einzelnen den Erfolg abgewendet hätte: Bademeister und Kindermädchen sehen untätig zu, wie das dem Kindermädchen anvertraute Kind im vom Bademeister betreuten Schwimmbecken ertrinkt. Diese sind Fälle, in denen sich alle Akteure pflichtwidrig verhalten müs75 Zur Anerkennung der Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich ist es deshalb nicht notwendig, wie Roxin meint (Täterschaft, S. 695), das Fahrlässigkeitsunrecht um die subjektive Zurechnung zu stutzen, sondern nur eine angemessene – aber eben allgemeingültige – Charakterisierung der Beziehungen zwischen objektiver und subjektiver Zurechnung durchzuführen. 76 Zu den – weitgehend noch ungeklärten – Beziehungen zwischen Mittäterschaft und Kausalität s. Knauer, S. 133 ff.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

sen, damit der Erfolg eintritt. Deswegen entsprechen sie dem, was im Begehungsbereich als kumulative Kausalität bezeichnet wird. (2) Andererseits gibt es Konstellationen, in denen die Akteure quasiarbeitsteilig handeln müssen, damit der Erfolg ausbleibt. Der einzelne ist also nicht in der Lage, den Erfolg für sich alleine abzuwenden. Unterlassen in einem solchen Fall mehrere, so spricht man von einem „überbedingten Erfolg“, was nichts anderes zu bedeuten hat als daß das pflichtwidrige Verhalten eines einzelnen für den Erfolgseintritt ausreicht. Musterbeispiele hierfür sind die Konstellationen von Teamarbeit, etwa auf einer Rettungsstation. Im vorliegenden Zusammenhang interessieren nicht die dogmatischen Vorschläge, die zur Aufklärung der Erfolgszurechnung in diesen Fällen entwickelt worden sind. Wichtig ist nur die Betrachtung des kausalen Zusammenhangs aus der Perspektive der Begründung eines Beteiligungsverhältnisses. Faßt man die Beteiligung als eine Frage der Verhaltenszurechnung auf, so sind die in Rede stehenden Konstellationen nicht besonders aufschlußreich. Denn die treffende Frage lautet dann nicht, ob sich der Erfolg als Außenweltveränderung auf das Einzelverhalten eines Akteurs zurückführen läßt, sondern, ob der Pflichtverletzung eine gemeinschaftliche Pflicht zugrunde liegt. Dies wird durch den kausalen Zusammenhang bisweilen indiziert, aber nie endgültig bestimmt. Zum einen, weil selbst in der zweiten Konstellation, in der alle Akteure zur Erfolgsabwendung quasiarbeitsteilig handeln müssen, das Bestehen einer gemeinschaftlichen Pflicht allein durch diesen Umstand nicht hinreichend begründet ist: Das Nichtstattfinden von Kooperation bedeutet eben keine gemeinschaftliche Pflichtverletzung, wenn diese Kooperation unter Bedingungen trennender Arbeitsteilung geleistet werden soll. Die Fälle kumulativer (Quasi-)Kausalität werfen dementsprechend keine besondere Schwierigkeit aus der Perspektive der Beteiligungslehre auf. Aus dem bloß kausalen Zusammenhang läßt sich nicht entnehmen, ob es sich um eine gemeinschaftliche Pflicht handelt, oder aber, ob die jeweiligen Pflichten der Akteure einfach unabhängig voneinander bestehen und nur durch zeitliche und räumliche Nähe äußerlich in Verbindung gebracht werden. Zur Begründung eines Beteiligungsverhältnisses wäre an erster Stelle, wie sich später zeigen wird, die Frage zu beantworten, ob das fragliche Risiko von den jeweiligen Akteuren gemeinsam in Anspruch genommen wurde. In bezug auf die Konstellationen kumulativer Kausalität muß allerdings betont werden, daß sie eine gemeinschaftliche Verantwortung nicht ausschließen. Denn im Beispiel des Bademeisters und des Kindermädchens kann sehr wohl Beteiligung vorliegen, wenn sie eben das Risiko gemeinschaftlich beansprucht haben, etwa durch gegenseitige Anstiftung oder unzureichende, wechselseitige Übernahme der gesollten Aufgaben bezüglich des Kindes, was zu dessen Tod geführt hat. In einem solchen Fall liegt trotz der kausalen „Unabhängigkeit“ der Vorgänge (jeder verfügte über eine Erfolgsabwendungsmöglichkeit) nicht Alleintäterschaft vor, sondern

B. Normative Gemeinsamkeit

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Beteiligung. Die Tat erklärt sich nach dem Muster des gemeinsamen Handelns, obwohl sie nach der Logik der Rechtsgutsverletzung oder sonstiger naturalistischer Lehren auch als Alleintäterschaft zu erklären wäre, solange keine Kausalitätsunklarheit auftritt. Mittäterschaft ist keine „mehrfache Einzeltäterschaft“, und zwar selbst dann nicht, wenn die Kausalität der Zurechnung keine Schwierigkeiten bereitet. a) Beteiligung und Überbedingtheit des Erfolgs Die Fälle von Überbedingtheit des Erfolges verdienen hingegen eine nähere Betrachtung (s. bereits zweiter Teil, A. III. 3). Denn die Gegebenheit, daß der Erfolg nur dann abgewendet werden kann, wenn jeder in Frage kommenden Akteur seine Leistung erbringt, spielt bei der Konstitution des Beteiligungsverhältnisses eine indizierende Funktion, die nicht unterschätzt werden darf. Wie auch immer die Selektion der kausalen Erklärungsmöglichkeiten für eine Tatbestandsverwirklichung durchzuführen wäre, so läßt sich doch behaupten, daß eine gemeinsame Pflicht zum Handeln prinzipiell dann besteht, wenn die Akteure die Rettung nur quasiarbeitsteilig vornehmen können.77 Diese Gegebenheit deutet darauf hin, daß eine Pflicht zum gemeinsamen Handeln (also eine gemeinschaftliche Pflicht) bestehen könnte, so daß deren Verletzung eine gemeinschaftliche Verletzung dieser Pflicht bedeutete, d. h. Beteiligung. Im Zusammenhang der Beziehungen zwischen Beteiligungs- und Kausalitätsproblematik (insbesondere im Unterlassungsbereich) kann also die Frage gestellt werden, ob alle Fälle sog. überbedingter Erfolge zur Bejahung einer gemeinschaftlichen Verantwortung führen müssen, d. h. ob die Bedingungen einer im gesellschaftlichen Sinn verbindend-arbeitsteiligen Risikoverwaltung immer dann gegeben sind, wenn man vor einem Fall dieser Art steht, so daß die Beteiligungsfrage letzten Endes doch kausal bedingt wäre. Tatsächlich stammen aus diesem Bereich einige der eindrucksvollsten Beispiele, die für die Anerkennung einer fahrlässigen Mittäterschaft aus kausaler Sicht zu sprechen scheinen: (1) Bei starkem und lautem Wind nähern sich eine Lokomotive und ein vollbesetzter Omnibus einem unbeschrankten, an einer sehr unübersichtlichen Stelle gelegenen Bahnübergang. Der Lokomotivführer (L) ist nach den entsprechenden Vorschriften verpflichtet, von der Läute- und Pfeiftafel ab zu läuten und ein Signal mit der Dampfpfeife zu geben. Der Omnibusfahrer (O) ist seinerseits verpflichtet, auf diese Zeichen achtzugeben. Dazu kann auch gehören, daß er bei dem lauten Wind das Seitenfenster herunterdreht. Beide erfüllen ihre Pflichten nicht und so kommt es zu einem Zusammenstoß, bei dem mehrere Fahrgäste des Omnibusses getötet werden. Der Lokomotivführer und der Omnibus77

Vgl. Dencker, Kausalität, S. 172 ff.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

fahrer verteidigen sich mit dem Argument, daß die eigene Pflichterfüllung den Erfolg nicht abgewendet hätte, da der andere seiner Pflicht ebenfalls nicht nachgekommen war.78 (2) A soll vor der Ableitung von Abwässern eines Industriebetriebs den entsprechenden Schadstoffgehalt messen, damit die zulässigen Grenzwerte der öffentlichen Gewässer durch die neue Ableitung nicht überschritten werden. Als wieder einmal Wasser abgeleitet werden muß, nimmt A die Messung nicht vor, so daß die öffentlichen Gewässer stark in Mitleidenschaft gezogen werden. A beruft sich im Strafverfahren darauf, daß seine Messung keine Warnung ergeben hätte, weil B, der die jeweiligen Grenzwerte der öffentlichen Gewässer in das Meßgerät eingeben mußte, dieses bereits seit Tagen nicht getan hatte, so daß bei der Messung aufgrund falscher Vorgaben ein noch zulässiger Wert ermittelt worden wäre.79 Die Kausalität ist tatsächlich in diesen Fällen nur dann problematisch, wenn man von einer Alleinverantwortung der einzelnen Beteiligten ausgeht. Ist dagegen eine gemeinsame Verantwortung von L und O sowie von A und B begründet, so betrachtet man ihre Verhaltensweisen als eine Einheit und das Urteil kann lauten, ihr pflichtgemäßes Verhalten hätte zur Erfolgsabwendung geführt. Nicht von ungefähr kommt es also, daß diese Konstellation von Anfang an mit der Entwicklung der Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich eng verbunden ist. Sie ist jedoch in Wirklichkeit nicht besonders wichtig.80 Es gibt bereits genug Vorschläge im Schrifttum, um die Bestimmungs- bzw. Beweisschwierigkeiten der Kausalität in Fällen sog. überbedingter Erfolge zu überwinden und somit einen Verantwortlichen für die Vollendung ausfindig zu machen.81 Darauf kommt es aber hier nicht an. Denn die wie auch immer ermittelte kausale Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit der Verhaltensweisen ist nur ein Element eines weitergreifenden Kontexts, dessen Gewicht nicht überschätzt werden soll.82 Selbst bei einer engen kausalen Verbundenheit bleibt die Möglichkeit der

78 Nach Kahrs, S. 112 f. (in Anlehnung an BGH VRS 5, S. 284); dazu Otto, Festschrift für Maurach, S. 104 und Festschrift für Spendel, S. 283 f. 79 Nach Otto, Jura 1990, S. 50. 80 Dies zeigt sich schon daran, daß die Analyse der gleichen Fälle sowohl zur Begründung mittäterschaftlicher Verantwortung (s. Dencker, Kausalität, S. 167 ff. und insb. Kamm, S. 191 ff.), als auch zu einer kategorischen Ablehnung derselben in der Lehre geführt hat (neuerdings Puppe, GA 2004, 137 ff.). 81 Dazu insb. Jakobs, Festschrift für Lackner, S. 53 ff.; Puppe, Strafrecht, 2/68 ff.; dies. NK Vor § 13, Rn. 96; dies. GA 1994, S. 137 f. 82 Vgl. zahlreiche Entscheidungen, wie z. B. OLG Karlsruhe JZ 1960, S. 178 f.; BGHSt 3, 203; BGHSt 19, 152. Es mag also richtig sein, daß sich im Ledersprayfall die (Quasi-)Kausalität eines jeden Geschäftsführers begründen läßt, genauso wie in manch anderen Konstellationen überbedingter Erfolge die (Quasi-)Kausalität für die Vollendung unklar sein mag (jeder setzt eine hinreichende aber nicht notwendige Ursache für den Erfolg). Aber trotzdem kann in beiden Fällen Mittäterschaft vorliegen.

B. Normative Gemeinsamkeit

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trennenden Arbeitsteilung (d. h. der Anwendung des Regreßverbots bzw. des Vertrauensgrundsatzes). Bei Beteiligung handelt es sich m. a. W. um die Frage, unter welchen Bedingungen die Verhaltensweisen zweier oder mehrerer Personen zusammengehören, so daß sie ein einziges Risiko schaffen bzw. beanspruchen. Es geht mithin nicht darum, zu bestimmen, welches Risiko sich zuerst perfektioniert hat, oder ob das Einzelverhalten einen notwendigen Bestandteil einer für die Herbeiführung des Erfolges hinreichenden Bedingung ausmacht. Gewiß: Bei der Frage nach der Zusammengehörigkeit der Verhaltensweisen kann die Kausalitätsfrage eine Rolle spielen; wenn dies aber der Fall ist, dann sowohl zur Bejahung als auch zur Ablehnung einer normativen Gemeinsamkeit, je nach dem in Frage kommenden Kontext. Von einer gemeinschaftlichen Verantwortung kann wohl im ersten Beispiel gesprochen werden. Lokomotivführer und Busfahrer müssen quasiarbeitsteilig die Risiken einer gefährlichen, allseits als solcher erkennbaren Verkehrssituation verwalten, freilich nach den Regeln des Vertrauensgrundsatzes: Wenn sich zwei Fahrzeuge einem unbeschrankten, an unübersichtlicher Stelle gelegenen Bahnübergang aus verschiedenen Richtungen nähern, muß jeder Fahrer damit rechnen, daß der andere leicht unterlaufende Fehler begehen kann, d. h. keiner darf sein Verhalten an Idealbedingungen ausrichten. Nimmt der Busfahrer die sich (auf grundsätzlich erkennbare Weise: seine Zuständigkeit) annähernde Lokomotive unter anderem deswegen nicht wahr, weil der Lokomotivführer das gebotene Signal nicht rechtzeitig (etwa zu früh) gegeben hat (Zuständigkeit des Lokomotivführers), so verwirklicht sich ein Risiko, das von beiden Akteuren beansprucht und verwaltet wird, nämlich das Risiko einer heiklen Verkehrslage.83 Ist man also der Auffassung, daß die entlastende Seite des Vertrauensgrundsatzes in einem bestimmten Fall nicht eingreift, so können aufgrund des verbindenden Kontextes die jeweiligen Beiträge ihrer sozialen Bedeutung nach zusammengehören, voneinander abhängig sein.84 Das Risiko, das sich verwirklicht, wird in solchen Fällen von den Verkehrsteilnehmern kumulativ, und aufgrund des Kontextes wohl gemeinschaftlich verwaltet.

83

Vgl. Jakobs, AT 7/83. Als Beispiel (nach Jakobs, AT 7/83): „Ein Autofahrer verletzt die Vorfahrt; der Fahrer auf der bevorrechtigten Straße nähert sich in unerlaubt schnellem Tempo; bei seinem Bremsmanöver wegen der Vorfahrtsverletzung (Zuständigkeit des anderen) gerät er infolge seines überhöhten Tempos (seine Zuständigkeit) ins Schleudern und verletzt einen ein Passanten“. 84

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Anders verhält es sich im Beispiel der Ableitung von Abwässern. Denn die Aufteilung der Zuständigkeiten innerhalb eines Unternehmens dient gerade einer trennenden Arbeitsteilung, die aufgrund der Effizienz unerläßlich ist. Deshalb muß sich nicht jeder Angestellte vergewissern, daß alle andere ihre Arbeit ordnungsgemäß getan haben, bevor er seine Aufgabe erfüllt: Jeder ist prinzipiell für seine Leistung verantwortlich und nicht für den Kontext, in dem diese Leistung steht. Diese Trennung der Verantwortungsbereiche wird nur durch einen für jedermann erkennbaren, deliktisch geprägten Kontext entkräftet. Ansonsten handelt es sich jeweils um mehrere Pflichtverletzungen, die in einem Erfolg niederschlagen, und man kann nicht behaupten, das Risiko sei gemeinschaftlich zu verwalten gewesen. Dies hat in der Umkehrung zur Folge, daß der einzelne sich nicht auf die Pflichtverletzung anderer zur Entlastung berufen darf, aber auch, daß er nur nach dem Muster des Alleinhandelns zur Verantwortung gezogen werden kann. In beiden Beispielen geht es allerdings um Fälle überbedingter Erfolge: Jede Handlung bzw. Unterlassung ist in der Lage, den Erfolg zu bewirken, und beide liegen in der Tat vor. Daran zeigt sich also, daß manche auf der kausalen Ebene gleichgearteten Fälle doch verschiedenen Mustern in bezug auf die Frage des gemeinsamen Handelns zugeordnet werden können. b) Normativierung des Kausalitätserfordernisses Die Selektion von erheblichen Risiken bzw. Verläufen setzt m. a. W. stets eine normative Entscheidung voraus, die wiederum nicht getroffen werden kann, wenn man sich vorher nicht darüber im Klaren ist, ob es um Alleinhandeln oder um gemeinsames Handeln geht. Diese Entscheidung wird aber eben deshalb durch die kausale gegenseitige Abhängigkeit der Verhaltensweisen aus der Perspektive der Tatbestandsverwirklichung nicht bestimmt, sondern allenfalls angedeutet. Dies läßt sich abschließend am Beispiel der Auffassung Puppes,85 insbesondere an ihrer Behandlung der Problematik der (überbedingten) Gremienentscheidungen, kontrastiv darstellen. Die Konzeption Puppes setzt nämlich voraus, daß die fragliche Bedingung in der Erklärung des Erfolgseintritts vorkommt, d. h., daß sie „gesetzmäßig“ ist. Das ist durchaus richtig: Ansonsten wäre die Formel der hinreichenden Bedingung unbrauchbar,86 da nicht jede hinreichende Bedingung auch notwendig kausal für den Erfolg ist. Aber die Bestimmung der Gesetzmäßigkeit einer Bedingung setzt wiederum voraus, daß eine Entscheidung

85 86

GA 2004, S. 138 ff. Vgl. Schaal, S. 121 ff.

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darüber getroffen wird, die selbstverständlich nicht anhand der Kausalität getroffen werden kann. Es verhält sich insofern wie bei der Anwendung der ConditioFormel: Das Wegdenken einer Bedingung ist nur dann sinnvoll, wenn man vorher weiß, ob die weggedachte Bedingung den Erfolg bestimmen kann. Ebenso entspricht die Bildung einer Mindestbedingung, einer hinreichenden Bedingung usw. einer Selektion, die nicht kausaler Art ist. Wenn Puppe eine kausale Erklärung für den Erfolgseintritt auswählt, um daraus eine hinreichende Mindestbedingung herauszudestillieren, die auf ihre Kausalität hin in den Fällen sog. Mehrfachkausalität überprüft wird, vollzieht sie deshalb einen durch und durch normativen Prozeß, der nur anhand der – in ihren Ausführungen häufig angeführten – allgemeinen Gesetze, Erfahrungsregeln, Kausalgesetze, allgemeinen Sätze usw. nachvollzogen werden kann. Das ist ebenfalls richtig und es verhält sich immer so, wenn das Erfordernis einer notwendigen Bedingung durch das einer hinreichenden Bedingung ersetzt wird. Zu den Voraussetzungen dieser normativen Selektion gehört jedoch auch die Bestimmung, ob es sich im konkreten Fall um eine gemeinschaftliche Pflicht handelt, die alle Akteure betrifft. Denn ansonsten kann bei Gremienentscheidungen nicht begründet werden, ob beispielsweise die nicht abgegebenen Stimmen der Geschäftsführer, die bei der Sitzung nicht anwesend sind oder sich der Stimme enthalten, in der Erklärung des Erfolgs vorkommen bzw. in sie mit einbezogen werden sollen. Hätten z. B. die ersten anwesend sein müssen, dann soll je nach dem Sachverhalt diese Pflichtverletzung wohl berücksichtigt werden. Außerdem beschränkt die Vorgehensweise Puppes die Analyse auf die Sitzung, in der abgestimmt wurde, was nicht richtig ist: Weder bildet sie im Regelfall den Grund der Zuständigkeit der Geschäftsführer, noch ist sie Ausführung der Tat im formellen Sinne.87 Daß die Frage nach der Gemeinsamkeit der Frage der Erfolgszurechnung vorgelagert ist, zeigt sich auch besonders deutlich an den Fällen sog. alternativer Mittäterschaft (mehrere Akteure legen jeweils eine Bombe an einem Weg, den das Opfer möglicherweise passieren wird), bei denen Puppe auf die Einzelerfolgskausalität verzichten muß (vorausgesetzt, alle haben ihren Beitrag tatsächlich geleistet) und sie durch den Vorsatz ersetzen will: „Jeder (. . .) hat einen Beitrag geleistet, der nach seinem Wissen kausal für den Erfolg hätte werden können. Jeder von ihnen hat mit Bockelmann gesprochen die ,Feuerprobe der kritischen Situation‘ bestanden oder, mit dem BGH gesprochen, die ,Schwelle zum Jetzt-geht’s los‘ mit seinem Tatbeitrag überschritten“.88

87 88

s. hierzu unten C. II. 2; vgl. auch Dencker, Kausalität, S. 61. Festschrift für Spinellis, S. 930.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

2. Zur Bedeutung der Gemeinsamkeit: Beteiligung als Zuständigkeit für dasselbe Risiko? Das gemeinsame Handeln im hier vorgeschlagenen Sinne (s. erster Teil, B. II. 4) ist eine normative Kategorie, die einem spezialisierten Zurechnungsmuster entspricht: Ihre Funktion ist keine deskriptive, sondern eine Zurechnungsfunktion. Daher können die Konturen der Gemeinsamkeit nur aus der Perspektive der Zurechnungslehre – systemintern – umrissen werden. Als Gemeinsamkeit bzw. gemeinsames Handeln können dementsprechend nur diejenigen Verhältnisse bezeichnet werden, denen eine (1) allen Beteiligten zurechenbare, (2) kollektive Pflichtverletzung zugrunde liegt. (1) Die erste Voraussetzung wird insbesondere dann nicht erfüllt, wenn die fragliche Tatbestandsverwirklichung einem „Beteiligten“ aufgrund der gesellschaftlichen Verantwortungsaufteilung objektiv nicht zugerechnet werden kann: Es handelt sich um ein ihm erlaubtes Risiko, er kann sich auf den Vertrauensgrundsatz berufen usw.89 Nicht verträglich mit dem hier vorgeschlagenen Konzept ist daher jede Auffassung, nach der die Bejahung der Gemeinsamkeit über die Verantwortung der i. d. S. „gemeinschaftlich“ Handelnden nichts besagt, so daß Gemeinsamkeit ohne gemeinschaftliche Verantwortung vorliegen könnte.90 Löst man jedoch den Begriff der Gemeinsamkeit von seiner Zurechnungsfunktion ab, so stellt sich die Frage nach der strafrechtlichen Erheblichkeit einer solchen Begriffsbildung. (2) Die zweite Voraussetzung besagt, daß Beteiligung nicht eine mehrfache, sondern eine kollektive Pflichtverletzung darstellt. Diese Formulierung hebt das Element der Einheitlichkeit der Pflichtverletzung auf normativer Ebene hervor, 89 Davon sind insb. die Fälle zu unterscheiden, in denen ein Beteiligter die subjektive Seite eines gesetzlichen Tatbestandes nicht verwirklicht, etwa bei einer fahrlässigen Sachbeschädigung: Die Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung scheidet in diesen Fällen nicht aufgrund der gesellschaftlichen Verantwortungsaufteilung aus, sondern wegen eines subjektiven, im Gesetz vorgesehenen zusätzlichen Erfordernisses (Vorsatz). Anders verhält es sich wiederum in den Fällen von Selbstverletzung: Die Straflosigkeit der Mitwirkung entspricht dort der gesetzlich vorgesehenen Verantwortungsaufteilung, d. h. das Risiko der Selbstverletzung hat das „Opfer“ allein zu tragen. 90 Ist etwa einer von zwei Akteuren unzurechnungsfähig, dann mögen sie zwar gemeinsam organisieren (Gemeinsamkeit), es haftet aber nur einer (Alleintäterschaft i. S. mittelbarer Täterschaft). Oder: Wenn zwei Akteure gemeinsam einen Dritten mit Tötungsabsicht ins Wasser werfen, woraufhin einer von ihnen ins Wasser springt, um das Opfer zu retten, während der andere sich entfernt, dann hätten sie gemeinsam das Risiko zu verwalten (Gemeinsamkeit), aber nur der zweite wird wegen Versuchs zur Verantwortung gezogen, falls die Rettungsaktion des anderen gelingt (Alleintäterschaft). Das Gleiche gelte für die Fälle, in denen der Vertrauensgrundsatz bzw. ein anderes Institut objektiver Zurechnung eingreift: Zwei Autofahrer verwalten „gemeinschaftlich“ das Risiko einer Kollision an einer Straßenkreuzung (Gemeinsamkeit), aber nur einer von ihnen haftet, wenn der andere sich auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann (Alleintäterschaft).

B. Normative Gemeinsamkeit

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das den Unterschied zum Einzeltäter-Paradigma ausmacht. Denn Zurechnung qua Beteiligung besteht nicht darin, daß mehrere für eine (sei sie auch dieselbe i. S. der Erfolgszurechnung) Risikorealisierung zuständig sind (Gründe für die Zuständigkeit für ganz oder teilweise drittvermittelte Risikorealisierungen gibt es viele, von Aufsichtspflichten bis zur mittelbaren Täterschaft), sondern darin, daß sie gemeinschaftlich dafür einzustehen haben. Neben der gemeinschaftlichen Zuständigkeit gibt es eine bloß kumulative Zuständigkeit mehrerer für einen Verlauf, die zur Nebentäterschaft (etwa Unterlassungstäterschaft und fahrlässige Täterschaft) führt. Die Einheitlichkeit einer kollektiven Pflichtverletzung kann auf verschiedene Weise begründet werden. Der älteste Begründungsvorschlag ist wohl der Subjektivierende.91 Im hier vorgeschlagenen Sinne bedeutet Gemeinsamkeit die Verletzung einer gemeinschaftlichen Pflicht bzw. die strafbewehrte Nichterfüllung von Pflichten – dabei ist meistens von Verkehrssicherungspflichten die Rede – die ihrem Inhalt nach verflochten sind. In die Definition der Gemeinsamkeit müssen dementsprechend eine Reihe von Unterscheidungen und Pflichtenanalysen mit einbezogen werden, da Gemeinsamkeit, bildlich ausgedrückt, nur dort besteht, wo die „Schnittmenge“ der jeweiligen Pflichten liegt: Die Schnittmenge ist die gemeinschaftliche Pflicht. Geht man auf die Frage nach den Gründen für die Verflechtung von Pflichten ein, so ergibt sich ein Cluster von Kriterien, die bei den verschiedenen Fallgruppen unterschiedlich aussehen, aber grundsätzlich einem gemeinsamen Leitprinzip entsprechen. Dieses Prinzip besteht darin, daß die Bedeutung des Verhaltens des Akteurs gerade in einer Einpassung in den Prozeß liegt, der zur Tatbestandsverwirklichung führt. Daraus ergibt sich ein differenziertes Bild, dessen Einzelheiten nur anhand der unterschiedlichen Konstellationen zu gewinnen sind: Die Gemeinsamkeit ist dann konkret anders zu bestimmen, wenn es um die Aufbewahrung sicherungspflichtiger Gegenstände, um die Beauftragung bestimmter Sicherungsmaßnahmen im Rahmen eines gefährlichen Unternehmens, oder aber um Arbeitsteilung bzw. Teamarbeit mit Blick auf die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes etc. geht. Aus diesem Grund stellt die in den nachfolgenden Abschnitten vorgenommene Untersuchung verschiedener Fallgruppen nicht bloß eine Anwendung von bereits gewonnenen Regeln dar, sondern eine Entwicklung von Kriterien aus dem abstrakt ausgearbeiteten Leitprinzip.92 91 Wie bei den Hegelianern; in neuerer Zeit insb. Küper und Gallas: dazu s. erster Teil, B. II. 1. 92 Diese Kriterien sind das Thema des letzten Teils dieser Untersuchung: Tragweite der Befugnisse des Weggebenden zur Gestaltung der Risikolage (bei Überlassung einer Gefahrenquelle); Tragweite der Auswahl- und Ersatzpflicht (bei Beauftragung mit der Verwaltung des Risikos im eigenen Organisationsbereich); kontextual bestimmte Verletzung der Aufbewahrungspflicht (bei Umgang mit sicherungspflichtigen Gegenständen) bzw. der Aufsichtspflicht; Zuständigkeit für die Schwächung der Schutzeinrichtungen bzw. Mitgestaltung der den Eingriff rechtfertigenden Lage (bei Rettungs-

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Die Bestimmung einer „gemeinschaftlichen Pflicht“ kann allerdings nicht ohne weiteres durch die Bestimmung eines „einzigen Risikos“ im Sinne der Erfolgszurechnung ersetzt werden. Es ist zwar richtig, daß der Begriff „Risiko“ nach einer normativen Auffassung nur pflichtbezogen verstanden werden kann. Deswegen kann man zur Bestimmung der Zuständigkeit verschiedener Akteure bei der Analyse der fraglichen Risiken ansetzen (in der Untersuchung der Arbeitsteilung wird z. B. bei „den spezifischen Risiken“ der Arbeitsteilung angesetzt: s. dritter Teil, C. III). Allein ist dieses Verhältnis nicht symmetrisch. Die Frage, ob die Akteure ein und dasselbe Risiko verwalten bzw. zu verwalten haben, ist in Wirklichkeit eine Frage nach dem Inhalt der jeweiligen Pflichten, d. h. sie gehört primär zur Verhaltenszurechnung. Denn Risiken lassen sich aus der Zurechnungsperspektive nicht ohne Bezug auf die Pflichten der Akteure isolieren. Die Risiken einer Kollision im Straßenverkehr können beispielsweise aus der Perspektive des einzelnen allgemein oder individuell aufgefaßt werden: Das zu verwaltende Risiko kann zum einen darin bestehen, daß es nicht zu einer Kollision an einer Kreuzung kommt, was die Pflicht zur Berücksichtigung fremden (Fehl-)Verhaltens einschließt; oder zum anderen darin, daß es wegen „meines“ (des Einzelnen) Verhaltens nicht zu einer Kollision kommt. Ob die eine oder die andere Möglichkeit zutreffend ist, ist keine Frage des Umfangs bzw. der Tragweite eines Risikos, sondern eine Frage der Zuständigkeit für einen Verlauf, der durch die einschlägige Pflicht definiert wird: In diesem Fall durch den Inhalt des Vertrauensgrundsatzes und seiner Kehrseite. So verhält es sich auch bei einer chirurgischen Operation. Man kann das Augenmerk auf das Gesamtrisiko der Operation richten, und jeden Akteur – zumindest prinzipiell – für einen guten Ausgang verantwortlich machen. Aber man kann auch das Risiko des Hantierens mit dem Skalpell, der Herbeiführung der Anästhesie oder der Sterilisation der Instrumente betrachten. Ob man das Risiko auf diese Weise zerlegen darf – und vor allem: in bezug auf wessen Tätigkeit eine solche Zerlegung zulässig ist –, so daß unterschiedliche Verantwortungsbereiche und dementsprechend verschiedene Risiken umrissen werden können, ist eine Frage, die sich nur anhand des Inhalts und der Tragweite der jeweiligen Pflichten beantworten läßt. „Gemeinsamkeit“ ist dementsprechend zu verneinen, wenn die Pflichten eines Akteurs oder einiger Akteure nicht so weit reichen wie die der anderen, d. h. wenn einige Akteure für die fragliche Tatbestandsverwirklichung nicht haften oder letztendlich doch haften, aber unabhängig davon, daß Verhaltensweisen anderer (als solche, d. h. schuldhaft, und nicht als Kausalfaktoren) ebenfalls im pflichten); Zuständigkeit für die spezifischen Risiken der Arbeitsteilung (bei hierarchisch verwirklichter Arbeitsteilung); Zuständigkeit für ein Grundrisiko (bei nicht hierarchisch verwirklichter Arbeitsteilung). Ob diese Kriterien, über die Zurückführung auf das Leitprinzip hinaus, noch ausdifferenzierter darzustellen oder aber zusammenzufassen sind, ist eine offene Frage.

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Spiel sind.93 Will man diese Konstellationen als Fälle des Regreßverbots oder des Eingreifens des Vertrauensgrundsatzes bezeichnen, so ist dagegen nichts einzuwenden. Aber es geht darum, daß die materielle Grundlage dieser Institute schon die Entstehung der Gemeinsamkeit im normativen Sinne bedingt und kein nachträgliches Korrektiv bildet. So wird auch deutlich, daß Beteiligung in erster Linie eine Frage objektiver Verhaltenszurechnung ist. Darin besteht die Eigenart des Zurechnungsmusters des gemeinsamen Handelns, wodurch es sich grundsätzlich vom Einzeltäter-Paradigma unterscheidet. Es geht nicht darum, zu bestimmen, ob sich die Organisation des A und die Organisation des B in einem Erfolg niedergeschlagen haben, sondern darum, ob die Organisationssphären von A und B im normativen Sinne verbunden sind, und – bei der Erfolgszurechnung – ob sich aus diesen verbundenen Sphären ein tatbestandlicher Erfolg ergeben hat.

II. Der Lösungsansatz Der Leitgedanke der vorliegenden Überlegungen, der auch gewissermaßen als Hypothese verstanden werden kann, läßt sich wie folgt zusammenfassen: Das strafrechtliche System erkennt ein Zurechnungsmuster an, das einem normativ definierten gemeinsamen Handeln entspricht. Dieses Zurechnungsmuster ergibt sich aus einer Spezifizierung der allgemeinen Zurechnungskriterien, welche die strafrechtliche Dogmatik im Hinblick auf die Einzelverantwortung entwickelt hat. Die Ansätze zur Erfassung des gemeinsamen Handelns sind in der Lehre ebenfalls bereits vorhanden.94 An diese Ansätze, die freilich erhebliche Unterschiede aufweisen und mit unterschiedlicher Folgerichtigkeit vertreten werden, knüpfen die Konkretisierungen an, die in den nächsten Abschnitten vorgenommen werden. Der Leitgedanke geht auch dahin, daß Beteiligung eine Frage der Verhaltenszurechnung bildet, d. h., daß es um die Deutung des Einzelverhaltens als Gestaltung eines Gesamtverhaltens und um dessen Erfassung als tatbestandsmäßig geht. Gewiß: Das tatbestandsverwirklichende Geschehen schließt bei Erfolgsdelikten den Erfolg ein. Doch die Zusammenfassung der Akteure vollzieht sich auf der Ebene der Verhaltensweisen, die i. d. S. im Mittelpunkt der Betrachtung steht.95 Die Tatsache, daß die eigene Leistung gerade angesichts der schuldhaften Verhaltensweisen anderer einen deliktischen Sinn konstituiert, ist ebenfalls 93

Dazu unten C, bei der Analyse der verschiedenen Konstellationen. Vgl. insbesondere Welzel, ZStW 58 (1939), S. 550 ff.; Küper Versuchsbeginn, S. 11 ff. und passim.; dens., JZ 1979, S. 775 ff; dens., ZStW 105 (1993), S. 445 ff.; Jakobs, AT, insb. Abschnitte 21–24; dens., GA 1996, S. 253 ff.; dens., Festschrift für Lampe, S. 561 ff.; Lesch, Beihilfe, S. 263 ff. und passim.; Lampe, ZStW 106 (1994), S. 683 ff.; Dencker, Kausalität, S. 120 ff. und passim. 94

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

kennzeichnend. Es handelt sich nicht um beliebige Gefahrschaffungen, sondern um diejenigen, bei denen die schuldhaften Verhaltensweisen eines anderen, selbstverantwortlich Handelnden im Spiel sind. Die Zusammengehörigkeit von Verhaltensweisen ist eine Frage der Verhaltensbedeutung, die anhand eines normativ strukturierten Kontextes gesellschaftlich-verbindlich zum Zweck der Zurechnung ermittelt wird. Gemeinsamkeit stellen i. d. S. nur diejenigen Verhältnisse dar, denen eine allen Beteiligten zurechenbare, kollektive Pflichtverletzung zugrunde liegt. Beteiligung liegt dementsprechend vor, wenn die Pflichten der Akteure ihrem Inhalt nach verflochten sind, so daß die Leistung des einzelnen die Bedeutung einer Einpassung in einen auch von anderen schuldhaft mitgestalteten Vorgang hat, der zur Tatbestandsverwirklichung führt. Der wesentliche Inhalt dieses Gedankens läßt sich folgendermaßen ausführen: (1) Jeder Einzelbeitrag bedeutet Herstellung eines gemeinsam ausgedrückten deliktischen Sinnes. Die gemeinsame Zuständigkeit entsteht aus der Mitgestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens im Sinne der Tatbestandsverwirklichung; dort vollzieht sich die Akzessorietät als Abhängigkeit einer Handlung (zur Zeit ihres Vollzugs) von ihrer Anbahnung oder Fortführung durch eine andere (gleichsam wie die Anfertigung einer Schablone und deren Ausfüllung96). Nur wenn es sich so verhält, kann man behaupten, daß der Beitrag nicht bloß einen deliktischen Sinnbezug hat (wie eine Handlung einen Erfolg zur Folge hat), sondern vielmehr, daß er den deliktischen Sinnbezug erst herstellt bzw. konstituiert – genauer gesagt: daß er der deliktische Sinnbezug ist; ein „Beitrag“ ist, strafrechtlich gesprochen, nur Relation. Deshalb ist der Einzelbeitrag kein Zurechnungsgegenstand, sondern nur der Grund für die Einbeziehung des einzelnen in die Gemeinsamkeit der Beteiligten.

95 Es geht primär nicht um ein Problem der Folgenzurechnung, sondern – mit den Worten Frischs – darum, „ob man in den einschlägigen Fällen [Schaffung von Risiken, die sich vermittelt über Drittverhalten realisieren] überhaupt von einem tatbestandsmäßigen Verhalten i. S. der entsprechenden Erfolgsdelikte sprechen kann“ (Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 214, Herv. dort). Vgl. Naucke, ZStW 76 (1964), S. 434 f. Die Beteiligungsfrage entscheidet sich also nicht an der bloßen Gestaltung eines Erfolges; dies wurde bereits oben (B. I) ausgeführt und hat sich u. a. in der Auseinandersetzung mit der Problematik der Beteiligung am erfolgsqualifizierten Delikt bestätigt: s. o. A. III, insb. die Auffassungen von Oehler und Seebald, nach denen die „Beteiligungsform“ am Grunddelikt bestimmt werden soll. Aus denselben Gründen ist beispielsweise Beteiligung am Versuch durchaus möglich. 96 Vgl. Jakobs, Festschrift für Lampe, S. 569.

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(2) Einheitlichkeit der Pflichtverletzung nach der inhaltlichen Beschaffenheit der jeweiligen Pflichten. Der Ursprung der normativen Verflechtung der Verhaltensweisen besteht weder in der individuellen Sinngebung noch in einer bloß kausalen Verbundenheit.97 Er liegt vielmehr in der sozialen Bedeutung der Handlungen in ihrem Zusammenhang, wobei beide Elemente auch nur normativ vermittelt zum Tragen kommen. Wird die Tatbestandsverwirklichung durch ein selbstverantwortliches Drittverhalten mitgestaltet bzw. vermittelt – und erst dann stellt sich die Frage der Beteiligung98 –, so handelt es sich um gemeinsames Handeln, wenn sich die faktischen Voraussetzungen der Garantenstellung als Herstellung einer Verbindung mit dem Organisationskreis des anderen begreifen lassen, einem Organisationskreis, der seinerseits mit der Pflicht zur Kontrolle des in Anspruch genommenen Sonderrisikos, und zwar (zumindest auch) im Hinblick auf das selbstverantwortliche Verhalten anderer, belastet ist.99 Auf diese Weise wird deutlich, daß weder das Vorverhalten noch das Zweitverhalten mißbilligt im Sinne des verwirklichten Tatbestandes zu sein brauchen:100 Es gibt keine an sich, sondern nur in bezug auf einen bestimmten Tatbestand mißbilligte Verhaltensweisen und der Tatbestand, der hier in Frage kommt, ist der gemeinsam verwirklichte Tatbestand und nicht derjenige, den der einzelne mit seinem Beitrag erfüllt haben mag. Das bedeutet, daß die selbständige Normwidrigkeit des Einzelbeitrags hinsichtlich des Beteiligungsverhältnisses verloren gehen muß. Oder genauer ausgedrückt: Sie kann zwar durch-

97 Man denke an den Gastwirt, der den Gästen weiter Schnaps einschenkt, obwohl er damit die Verletzung eines Dritten bei einem Verkehrsunfall sehenden Auges fördert; wenn es tatsächlich dazu kommt, ist er auch nicht Beteiligter an der Körperverletzung. Vgl. hierzu BGHSt 19, 152; 26, 35; allgemeiner: BGHSt 3, 203. 98 Denn sonst kann, aufgrund des Akzessorietätserfordernisses, kein Beteiligungsverhältnis vorliegen: s. erster Teil, B. II. 4. b). 99 Selbständige Pflichten eines Akteurs (etwa des Besitzers einer Schußwaffe) dürften auch vorhanden sein; sie begründen aber an sich keine gemeinschaftliche Verantwortung, sondern nur unter Einbeziehung eines verbindenden Kontextes (a. A. SK-Rudolphi, § 13, Rn. 30, und Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 254. Siehe auch die dort angegebenen Entscheidungen: BGHSt 18, 359 (361 f.); BGH VRS 20, 282 und OLG Hamm NJW 1983, 2456 f.). Das ist etwa nicht der Fall im Bereich des Straßenverkehrs beim Eingreifen des Vertrauensgrundsatzes bezüglich der Kompensierungspflicht aus § 1 StVO s. u. C. I. 1. a) und C. I. 2). An dieser Struktur ändert sich nichts, wenn die jeweiligen Verhaltensweisen sogar als selbständige Delikte erfaßt werden könnten: Die Frage ist hier allein, ob der deliktische Sinn immer noch ein gemeinsamer ist (vgl. BGH NStZ 1985, 24: s. u. C. I. 3. b). Ähnliche Überlegungen wurden bereits in bezug auf die erfolgsqualifizierten Delikte bei ungleichem Verschulden der Mittäter ausgeführt: s. o. A. II). 100 Wie es sich an der Schaffung von geringen Risiken zeigt, die nur zusammen mit anderen ein erhebliches Risiko ausmachen: vgl. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 228 f. mit Anm. 11, obwohl es ihm um die Erhaltung von Rechtsgütern geht, die auch ohne deliktisches Zwischenverhalten zerstört werden können.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

aus bestehen; sie ist aber weder Bedingung noch Bestandteil der Normwidrigkeit der gemeinschaftlich begangenen Tat. (3) Gegenstand der Mißbilligung ist allein die normativ umrissene Gesamttat. Die normativen Grenzen einer Gesamttat sind zunächst in den Fällen zu bestimmen, in denen ein Ersthandelnder – trotz Absicht und kausaler Förderung des zweiten Verhaltens – sich an seine soziale Rolle hält, während sich der Zweithandelnde normwidrig verhält (Regreßverbot). Die Problematik der sog. neutralen Handlungen bietet hierfür ein aufschlußreiches Gegenbeispiel, da die Einzelleistung nur insofern für sozial inadäquat gehalten wird, als sie durch die Einpassung in den deliktischen Sinn der Gesamttat bezüglich einer bestimmten Tatbestandsverwirklichung geprägt ist.101 Wenn subjektive – und überdies tatbestandsmäßige: der Entschluß, ein Rechtsgut gemeinsam zu gefährden, ist in der Regel nicht tatbestandsmäßig – Verknüpfungsmöglichkeiten entfallen, wird es noch deutlicher, daß die Zusammengehörigkeit der Verhaltensweisen auf der objektiven Bedeutungsebene unter Einbeziehung der Gesamttat zu suchen ist: Die Handlung ist im Regelfall nur deswegen nicht neutral, weil sie in objektiver Verbindung mit anderen Verhaltensweisen einen deliktischen Sinn herstellt und gleichzeitig zum Ausdruck bringt. Schwieriger wird jedoch die Bestimmung, wenn bereits der Ersthandelnde normwidrig agiert. Denn seine Zuständigkeit für die durch den Zweithandelnden vermittelte Tatbestandsverwirklichung läßt sich nicht nur als Beteiligung erklären, sondern auch als eine neben der Täterschaft des Zweithandelnden stehende Alleintäterschaft (eines Fahrlässigkeitsdelikts, eines Unterlassungsdelikts). In solchen Konstellationen steht man in der Regel vor einer Alternative und es geht darum, die hermeneutisch plausiblere Erklärungsmöglichkeit herauszufinden. Zur Bejahung eines Beteiligungsverhältnisses bei allseitig normwidrigem Verhalten wird es dann kommen, wenn sich die Normwidrigkeit bezüglich der fraglichen Tatbestandsverwirklichung am sinnvollsten anhand der Gesamttat erfassen läßt; wenn also von „Beiträgen“ zu einer bestimmten Tatbestandsverwirklichung gerade mit Blick auf ihre Gesamtheit – und nicht als selbständige Taten – in sozialer Hinsicht gesprochen werden kann. (4) „Einpassung“ als Schlüsselbegriff. Ein erhellendes Wort ist deshalb „Einpassung“. Was Beteiligung ausmacht, ist die gegenseitige Einpassung der Verhaltensweisen, oder was Lesch im Hegelschen Sinne „Verhaltensabstimmung“ nennt.102 Sie ergibt sich aus dem objekti101 Vgl. BGH JR 2001, S. 381 ff. (mit Anm. Lesch): Der Bankangestellte „paßte sein berufliches Verhalten“ – durch die „ohne jeden sonstigen Anlaß“ durchgeführte Aufspaltung der Operation und durch die Anonymisierung der Kunden unter Verwendung eines vorhandenen Verschleierungssystems – „dem deliktischen Ziel der Kunden an“ (S. 382). 102 ZStW 105 (1993), S. 284.

B. Normative Gemeinsamkeit

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ven, normativ erheblichen, für jedermann erkennbaren Zusammenhang, dessen Bedeutung an der Tragweite der jeweiligen Pflichten der Akteure abzulesen ist. Einpassung bildet den Kern der Akzessorietät im hier vertretenen Sinn, weshalb die verschiedenen, im folgenden herauszuarbeitenden Kriterien eigentlich nur die Ausgestaltungen des Begriffs „Einpassung“ darstellen. (5) Grundformen der „Einpassung“. Bei Delikten kraft Organisationszuständigkeit können sich die Kriterien zur Erschließung einer gemeinsamen Verantwortung nur in einer Verflechtung der jeweiligen Organisationen befinden. Eine solche Verflechtung ist die Spiegelung eines verbindenden Kontextes nach der Semantik des sozialen Kontaktes mit Blick auf eine bestimmte Tatbestandsverwirklichung. Durch die Einpassung der eigenen Verhaltensweise in den Prozeß, der zur Tatbestandsverwirklichung führt, ist diese Verhaltensweise als Ausführung der Tat im normativen Sinne zu verstehen. Dies ist grundsätzlich dann der Fall,103 wenn das Verhalten in seiner Beschaffenheit zur Zeit seines Vollzugs auf den tatbestandsverwirklichenden, auch durch andere schuldhaft mitgestalteten Prozeß derart zugeschnitten ist, daß es ohne Bezug auf den deliktischen Sinn nicht sinnvoll erklärt werden kann. Häufig kommt es tatsächlich zur Einpassung, wenn zwischen den Akteuren eine ausdrückliche oder stillschweigende Verabredung im Hinblick auf die Arbeitsteilung besteht. Eine solche Verabredung ist jedoch weder unbedingt notwendig, noch an sich hinreichend.104 Eine Verflechtung der Verhaltensweisen in einer gemeinsamen Organisation liegt vielmehr auch in den Fällen vor, in denen der Beitrag aufgrund der deliktischen Dichte des jedem erkennbaren Kontexts angesichts der schuldhaften Verhaltensweisen andererer einen deliktischen Sinn herstellt, und zwar selbst dann, wenn der Beitrag isoliert betrachtet eine neutrale Handlung darstellen kann (oder auch nur in anderweitigem Sinne, bezüglich anderer Tatbestandsverwirklichungen, mißbilligt ist), d. h. selbst wenn eine vernünftige, kontextunabhängig nicht deliktische Interpretation auch möglich wäre. Aus denselben Gründen wird ein deliktischer Sinn auch dann hergestellt, wenn die Bedeutung des Verhaltens als Einpassung in einen deliktischen, kollektiven Zusammenhang formalisiert bzw. zentral definiert ist, d. h. wenn der Akteur einen Beitrag leistet, der stereotyp den Sinn hat, deliktische Prozesse – aber eben auch nur solchen, die vermittels selbstverantwortlicher Verhaltens103 Auf eine aprioristische Aufstellung ausdifferenzierter Zurechnungsregeln, die erst in Anbetracht der unterschiedlichen Konstellationen entwickelt werden können, muß indes verzichtet werden; jedenfalls handelt es sich, wie sich zeigen wird, um Ausgestaltungen eines einzigen Kriteriums. Insofern – nicht aber in bezug auf den individualisierenden Charakter der Feststellung – zutreffend Frisch (Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 268 mit Anm. 130): „Ganz offenbar gibt es überhaupt keine vorfindbaren Maßstäbe dafür, wann man derart mit der Begehung fremder Straftaten rechnen muß, daß man sein Verhalten hierauf einzurichten hat“ (Herv. vom Verf.). 104 Letzteres entspricht der einhelligen Lehre. Ersteres wurde bereits im zweiten Teil angedeutet und soll in diesem dritten Teil näher überprüft werden.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

weisen anderer zur Tatbestandsverwirklichung führen – in Gang zu setzen bzw. zu unterstützen. Es handelt sich also um Leistungen, die angesichts der Verhaltensweisen anderer nur unter bestimmten, und im konkreten Fall fehlenden, Bedingungen erlaubt sind. (6) Subjektive Seite des Beteiligungsverhältnisses. Beteiligung ist eine kollektive Stellungnahme gegenüber der Norm.105 Deshalb ist sie nur unter denjenigen Akteuren möglich, die eine Stellung gegenüber der Norm beziehen können, und nur solange sie diese Stellung bezogen haben (andernfalls liegt Umgang mit Natur vor, was ggf. zur Alleintäterschaft führt). Aus demselben Grund sind die schuldlosen bzw. unvermeidbaren Verhaltensweisen anderer höchstens Kausalfaktoren im eigenen Verhaltensvollzug. Sie sind also keine Beiträge, sondern Tatsachen. Die Einbeziehung der Verhaltensweisen in eine einheitliche Tat bedarf indes nicht des aktuellen Bewußstseins des Zusammenwirkens: Erforderlich ist vielmehr die Erkennbarkeit eines verbindenden Kontexts. Das ist nur eine Folge der Spezialisierung der Zurechnung bei gemeinsamem Handeln: Der einzelne muß nicht nur den Umfang seines Verhaltens, sondern auch den Umfang der Verhaltensweisen der anderen erkennen können (und sollen). So wie es für die Begründung subjektiver Zurechnung bei Alleintäterschaft nicht darauf ankommt, ob der Täter den Umfang seines Verhaltens aktuell erkennt, sondern nur darauf, daß er diesen erkennen kann und soll, ist im Bereich des gemeinsamen Handelns das Minimum an subjektiver Zurechnung bei entsprechendem Erkennensollen bereits vorhanden, auch ohne daß sich die Erkennbarkeit zur Kenntnis entfaltet hätte. (7) Einheitsbeteiligtenbegriff. Aus dem Ausgeführten ergibt sich schließlich, daß die vorliegende Auffassung der Beteiligungslehre zu einem normativen Einheitsbeteiligtenbegriff führen muß, der – im Gegensatz zu dem traditionellen Einheitstäterbegriff – durch und durch von einem ebenfalls normativen Verständnis der Akzessorietät (gegenseitige Sinnabhängigkeit der Beiträge hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung) geprägt ist. Dem Einheitsbeteiligtenbegriff, sowie dem ihm zugrunde liegenden Akzessorietätsverständnis gelten die folgenden Überlegungen. 105 Daher kann bildlich in bezug auf die Gemeinschaft der Beteiligten von einem Kollektiv bzw. von einem Gesamtsubjekt gesprochen werden. Jedenfalls ist es einerseits klar, daß eine Übertragung des Einzeltäter-Paradigmas auf die Zurechnung der gemeinschaftlich verwirklichten Tat (wie sie etwa bei Roxin oder Stein, bei allen Unterschieden im Begründungszusammenhang, zu finden ist) das Beteiligungsverhältnis nicht erklären kann (s. erster Teil, B. I. 2). Andererseits sind die Bemühungen, diese Zusammenfassung der Akteure durch Kausalitätslehren (z. T. Dencker) oder einen gemeinsamen Willen bzw. Plan (Küper) zu konstituieren, zu kurz geraten (s. erster Teil, B. II. 1 und B. II. 2), wie sich an den Schwierigkeiten zeigt, denen diese Lehren bei der Behandlung des Versuchsbeginns begegnen.

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen Im folgenden wird näher untersucht, unter welchen Bedingungen sich die Verschachtelung von Organisationskreisen vollzieht. Dabei wird sich herausstellen, daß viele bereits besprochene Ansätze wertvolle Indizien liefern, wenn man sie in den richtigen Zusammenhang einbaut. So wird z. B. der Ansatz von Kamm, der auf die Unteilbarkeit mancher Prozesse hindeutet, von Nutzen sein; aber auch Gesichtspunkte der Lehre von der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung werden zum Tragen kommen, wenn es um die Zusammengehörigkeit der einschlägigen Risiken geht. Nicht anders verhält es sich etwa mit der Lehre der Gleichartigkeit der Pflichtenstellung, so wie sie damals von Roxin und in letzter Zeit von Weißer erarbeitet worden ist, die bei einigen formalisierten Fällen von Mittäterschaft hilfreich sein kann. Diese Feststellung gilt schließlich erst recht für die Lehre der Gesamttat und für das systemtheoretisch orientierte Modell von Lampe. In diesem Sinne soll sich auch zeigen, daß es hier der Aufstellung überraschend neuartiger Konkretisierungen dieser Kriterien nicht bedarf. Die Lehre hat tatsächlich vielerlei Zurechnungsregeln zur Erfassung der Verbindung von Organisationssphären in bezug auf phänotypisch unterschiedlich geartete Konstellationen ausgearbeitet. Die Anknüpfung an diese Regeln erscheint deshalb nicht nur zweckmäßig, sondern angesichts ihrer – wenn auch begrenzten – Leistungsfähigkeit sogar geboten.

I. Normative Gemeinsamkeit im Unterlassungsbereich Was die Problematik der Beteiligung im Unterlassungsbereich zu einem Hindernislauf gemacht hat, ist die verbreitete Gleichstellung der sog. unechten Unterlassungsdelikte mit den Pflichtdelikten106 bzw. die Anwendung der Regeln der Beteiligung bei Pflichtdelikten auf die Garantenpflichten kraft Organisationszuständigkeit.107 Geht man irrigerweise davon aus, daß jedes Unterlassungs106 Grundlegend Arm. Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 291 ff. Im Ergebnis ebenso Roxin (Täterschaft, S. 459 ff.; ihm beipflichtend in letzter Zeit Heinrich, S. 9 ff.), der Pflichtdelikte, Sonderdelikte und Unterlassungsdelikte gleichermaßen behandelt (vgl. bezüglich der Mittäterschaft, Täterschaft, S. 469 f., wo Fälle institutioneller Zuständigkeit und Zuständigkeit kraft Organisation vermischt werden). Interessant ist jedenfalls bei Roxin die Erwähnung der gemeinsamen Pflichten (Täterschaft, S. 469) als Grundlage eines Beteiligungsverhältnisses. Sánchez-Vera (S. 160) bemerkt aber zu Recht, daß von Roxin die Existenz von gemeinsamen Pflichten mehr vorausgesetzt als begründet wird; in einer konsequenten Aufarbeitung der Pflichtdeliktenlehre kommt dagegen Sánchez-Vera zu dem Ergebnis, daß es gemeinsame positive Pflichten nicht gibt. 107 Vgl. u. a. Welzel, Strafrecht, S. 222; Stratenwerth, AT 13/20 ff.; Schönke/Schröder, StGB, 12. Aufl., Vorbem. § 47, Rn. 7, 24; Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 138 ff.; mit Ausnahme der von ihm sog. „verhaltensgebundenen Delikte“ ebenso Bloy, Zurechnungstypus, S. 216 ff.; Wehrle, S. 103. Kritisch Jakobs, AT 29/105.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

delikt zugleich ein Pflichtdelikt darstellt, und will man dementsprechend stets mit den Regeln der institutionellen Pflichten operieren, so ergeben sich in der Versuchs- und Beteiligungslehre unlösbare Schwierigkeiten.108 Während etwa das Hingeben einer sicherungspflichtigen Waffe zu einer Tat, die nicht einmal das Versuchsstadium erreicht, zu Recht als versuchte Beteiligung straffrei bleiben soll, muß das pflichtwidrige Nicht-Sichern derselben Waffe unter Anwendung der Regeln des Pflichtdelikts bereits einen täterschaftlichen Versuch, und zwar in bezug auf das einschlägige Erfolgsdelikt, darstellen. Auch jeder Beihilfe durch Tun könnte auf diese Weise eine täterschaftliche Unterlassungshaftung kraft Ingerenz aufgepfropft werden, was zur Außerachtlassung der Strafrahmenmilderung für die Beihilfe und somit zur mehrfach mit Recht verpönten Aufrollung der Beteiligungslehre von der Unterlassungsdogmatik her führen würde. Schließlich hat die Behandlung jeder Unterlassungshaftung als Pflichtdelikt zur Folge, daß die Pflicht, den Erfolg abzuwenden, als besonderes persönliches Merkmal aufgefaßt werden muß.109 Dies bedeutet etwa, daß ein „Extraneus“, der den Hundebesitzer dazu anstiftet, den dritte Personen aus eigenem Antrieb angreifenden Hund nicht zurückzupfeifen, nach dem obligatorisch gemilderten Strafrahmen von § 49 Abs. 1 StGB bestraft werden sollte (§ 28 Abs. 1 StGB), während derjenige, der zum Hetzen anstiftet, als Anstifter (also dem Täter gleich) zum einschlägigen Erfolgsdelikt behandelt wird. Demgegenüber ist daran festzuhalten, daß eine gemeinsame Unterlassungsverantwortung im hier untersuchten Bereich nur aus organisatorischer, gemeinsamer Zuständigkeit möglich ist. Sofern das Unterlassungsdelikt ein Pflichtdelikt darstellt, scheidet hinsichtlich der Verletzung der institutionellen Pflicht jegliches auf organisatorischer Basis zu bildende Beteiligungsverhältnis aus. Die zu entwickelnden Kriterien ruhen daher auf einer selbstverständlichen Folge der Aussage, es gebe Unterlassungsdelikte kraft Organisationszuständigkeit. Denn wenn es so ist, dann muß es auch einige Fälle geben, in denen es zu einem Beteiligungsverhältnis im Sinne der Organisationsdelikte kommt, und andere, in denen dies nicht geschieht.110 108 Vgl. Sánchez-Vera, S. 38 ff. und Jakobs, Tun und Unterlassen, ins. S. 36 ff. Zu den Pflichtdelikten, bei denen jeden Akteur eine eigene Pflicht betrifft s. SánchezVera, S. 147 ff. und in bezug auf die Mittäterschaft insb. S. 158 ff. m. w. N.: „Ob mehrere Verpflichtete die Pflicht – jeweils für sich – nicht erfüllen, ist für die Beteiligungsform unerheblich. Da jeder die Pflichtverletzung in seiner Person vollständig und unabhängig von dem anderen erfüllt, ist jeder für sich gesehen immer Alleintäter. Mittäterschaft scheidet infolge des persönlichen Statuts, d. h. infolge der unmittelbaren Beziehung des Beteiligten zum Gut, aus“. 109 So z. B. LK-Roxin, § 28, Rn. 64, 1; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, S. 397; Langer, Festschrift für Lange, S. 244, 262 und Anm. 12; Sowada, Jura 1986, S. 400; Hake, S. 109 f. 110 Nicht richtig ist insofern die Aussage, im Unterlassungsbereich führe eine gleichartige Pflichtenstellung (etwa dieselbe Garantenstellung) entweder immer zur objektiven Gemeinsamkeit (wie etwa bei Weißer, JZ 1998, S. 236 f.: Ob zudem die

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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Dementsprechend lautet die hier interessierende Frage, unter welchen Bedingungen eine gemeinsame Verantwortung kraft Organisationszuständigkeit entsteht, d. h. wann die Unterlassung (und, bei Beteiligung am Unterlassen, auch die Handlung) als Beitrag zu einer gemeinschaftlich organisierten Tatbestandsverwirklichung angesehen werden kann. Selbst wenn das in Frage kommende Verhalten die Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung kraft Organisation begründet, ist damit nicht ausgemacht, daß der Zuständige zugleich und ohne weiteres in die Gemeinsamkeit der Ausführenden eingegliedert werden soll. Dafür bedarf es immer eines besonderen Grundes, durch den die Organisationskreise der Akteure verknüpft werden.111 a) Die Verkehrssicherungspflichten Die Beschränkung auf die Unterlassungsdelikte kraft Organisationszuständigkeit bedeutet zunächst einmal, daß es sich nur um die Fälle handelt, in denen eine negative Pflicht verletzt wird.112 Im Bereich der Unterlassungshaftung werden geläufig diese Pflichten durch den Begriff der sog. Verkehrspflichten inhaltlich konkretisiert und insofern auch eingeschränkt.113 Dabei muß hervorgehoben

Voraussetzungen subjektiver Zurechnung vorliegen, ist eine andere Frage), oder eben nie, wie es der Fall wäre, wenn man das Unterlassungsdelikt als Pflichtdelikt betrachtete. 111 Insofern a. A. Lesch, ZStW 105 (1993), S. 286, der allein auf das Garantsein „unabhängig von einem zweckbezogenen Beitrag“ abstellt. Was also Lesch „nur-normative“ Gemeinsamkeit nennt (vgl. auch JA 2000, S. 78), beschränkt sich hier auf den Bereich der Pflichtdelikte. Sicherungspflichten beruhen dagegen stets auf einer organisatorischen Zuständigkeit für die Beanspruchung eines Sonderrisikos. Ferner Jakobs, BGH-FG, S. 46, in bezug auf das Abraten eines Garanten, Hilfe zu holen. 112 Hierzu eingehend Jakobs, Tun und Unterlassen, S. 19 ff.; Sánchez-Vera, S. 67 ff.; ferner Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 183 f.: „Eine Einschränkung der Haftungsfreiheit in der Form der Aufstellung eines Gefahrabwendungsgebots gerade auch aus dem spezifischen Sachgrund der besonderen Verantwortlichkeit für den Ursprung der Gefahr (. . .) ist nichts anderes als eine Konkretisierung des neminem laedere“. Ähnlich insofern auch Seelmann, GA 1989, S. 252, 255 f., der zwischen Pflichten aus Handlungsverantwortung und Pflichten in bezug auf die Bedingungen der Möglichkeit eines „an der Handlungsverantwortung des einzelnen orientierten Systems“ unterscheidet. Zur (zu eng gefaßten) „Handlungsverantwortung“ bei Seelmann s. sogleich. 113 Den Verkehrspflichten kommt die Funktion zu, das tatbestandsmäßige Verhalten eines Garanten zu umschreiben (wie es übrigens seit langem im Fahrlässigkeitsbereich praktiziert wird), denn nicht jeder Garant kraft Organisationszuständigkeit hat jede Risikorealisierung und unter jedem beliebigen Aufwand bis zur Aufopferung zu verantworten: Zum sozial begrenzten Inhalt der Verkehrspflichten bereits R. v. Hippel, Strafrecht, II, S. 164, mit Anm. 1 und RGSt 48, 319; 58, 132: Es besteht keine allgemeine (im Sinne von einer absoluten) Pflicht zur Erfolgsabwendung. Zur zurechnungsbegrenzenden Funktion der Verkehrspflichten s. Ch. v. Bar, JuS 1988, S. 170. Vgl. auch Jakobs, AT 29/29 ff. und insb. Gallas, Studien, S. 81. Zur Unterscheidung zwischen Begründung der Garantenstellung und tatbestandsmäßigem Verhalten s. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 162 ff., m. w. N. Kritisch (zu Recht) in bezug auf die

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

werden, daß solche Pflichten weder auf bloße Obliegenheiten im Sinne des Zivilrechts reduziert werden können,114 noch eine zivilrechtliche Begründung strafrechtrechtlicher Verantwortung bedeuten.115 Haftungsgrund ist vielmehr die Anerkennung der Zuständigkeit des Organisators für den eigenen Organisationsbereich unter Ausschluß der Zuständigkeit anderer. Der Organisator ist also sowohl zur Gestaltung des in Frage kommenden Organisationskreises als auch zum Ausschluß anderer Personen berechtigt116 – genauer ausgedrückt: Er erscheint als Berechtigter nach der Semantik des sozialen Kontaktes.117 Eine solche ausschließliche und ausschließende Zuständigkeit kann durch eine Handlung (Errichtung eines Hauses, Herstellung und Vertrieb von Produkten usw.), aber auch durch eine Unterlassung (Unterlassung, die Erbschaft auszuschlagen; Unterlassung, einen Vorschlag abzulehnen, wenn dies nach dem kommunikativen Kontext einer Zusage gleichkommt) erreicht werden. Es geht jedenfalls um ein Vorverhalten, wobei es einerlei ist, ob dieses phänotypisch als Handlung oder als Unterlassung zu erfassen ist.118 Das zuständigkeitsbegründende VorverBegründung der Garantenstellung als gleichzeitige Begründung der Erfolgszurechnung bereits A. Merkel, Lehrbuch, S. 114 f. 114 Die Verkehrssicherungspflicht hat ihren Ursprung in der Rechtsprechung des RG zum alten § 367 StGB, wie Ch. v. Bar nachgewiesen hat: JZ 1979, S. 333: „Historisch stammt der Begriff Verkehr in den Verkehrssicherungspflichten nicht etwa aus § 276 BGB, sondern aus der viel engeren Begriffsbestimmung des § 367 Nr. 12 StGB“. Vgl. ferner RGSt 14, 362 (363); 18, 73 ff. 115 Hierzu Ch. v. Bar, JZ 1979, S. 332 ff. und JuS 1988, S. 169 ff., vgl. ferner dens. Verkehrspflichten, S. 43 ff. Vgl. kritisch Stratenwerth, ZStW 68 (1956), S. 61 und die Antwort von Gallas, Verantwortlichkeit, S. 33 f. An den Ausführungen Stratenwerths (ZStW 68 [1956], S. 61) ist richtig, daß die zivilrechtlichen Sicherungspflichten eine strafrechtliche Verantwortung nicht begründen können. Dies schließt jedoch ihre Funktion bei der Konkretisierung der Verantwortungsbereiche nicht aus. 116 Vgl. Jakobs, AT 29/30, 31. Die Grenze des Organisationskreises kann mitunter schwer zu bestimmen sein; als Faustregel mag dabei helfen, daß der Organisationskreis so weit reicht, wie das „notfalls per Notrecht durchsetzbare Recht auf ungehinderte Gestaltung geht (. . .) Ein bloßer Anspruch, eine Gestaltungsmöglichkeit wieder einzuräumen, reicht nicht aus“ (Jakobs, AT 7/63, mit Anm. 108). So ist, im von Jakobs angeführten Beispiel nach v. Overbeck (GS 88, S. 319 ff., 327 f., 332), die briefliche Verbrechensanzeige mit dem Übergang in den Herrschaftsbereich der Post aus der Organisation ausgeschieden; das Herausangeln der Anzeige aus dem Briefkasten ist nicht eine nach § 138 StGB, sondern eine nach den Begehungs-Erfolgsdelikten zu beurteilende Handlung. Bleibt nach dieser Handlung noch die Möglichkeit einer Erfolgsabwendung, so richtet sich deren Beurteilung nach § 24 StGB. 117 Dazu unten C. I. 1. b) und c). 118 A. A. Seelmann, GA 1989, S. 241 ff. und ders. in NK § 13, Rn. 49, der eine Handlungspflicht nur dann für zulässig hält, wenn sie auf einem vorherigen Handeln beruht; denn ansonsten würden „Tugendpflichten“ (moralische Pflichten im Sinne Kants) in Rechtspflichten verwandelt. Auch i. d. S. Grünewald, S. 124 ff., 133 ff. (136). Kritisch Sánchez-Vera (S. 51 ff.) im Anschluß an Jakobs (s. etwa AT 28/14; 6/ 28; 6/31 ff.), der schon in empirischer Hinsicht auf die Austauschbarkeit von Tun und Unterlassen bei Automatisierungen hinweist (hierzu bereits Philipps, S. 140 ff.). Vgl. auch Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 193, mit Anm. 112. Wie hier im Ergebnis Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 247 ff., 253 f.: Die Begründung der

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halten – und mithin die jeweilige Konkretisierung der Verkehrspflicht – kann auch unterschiedliche Formen annehmen, je nach der Gestalt des entsprechenden Sachverhaltes. Beispiele hierzu bilden die in der Lehre ausgiebig erarbeiteten Figuren der Ingerenz119 und der Übernahme, die aus dieser Perspektive nur verschiedene Ausgestaltungen desselben Phänomens darstellen.120 Wenn das Augenmerk auf die Verletzung der negativen Pflicht gerichtet wird, wird auch die Unterscheidung zwischen Sicherungs- und Rettungspflichten bzw. zwischen Abwendung von Gefahren, die den eigenen Organisationsbereich zu verlassen drohen, und denjenigen, die diesen bereits verlassen haben, hinfällig: Wenn ein Hund ansetzt, eine Person zu beißen, kann der Halter das Tier nicht derelinquieren, und es ist dabei unerheblich, ob das Tier auf dem Gründstück des Halters oder bereits über ein fremdes Grundstück läuft.121 Wie bereits ausgeführt löst nicht jedes Zusammentreffen von Garantenpflichtigen in einem konkreten Sachverhalt eine gemeinsame Verantwortung aus. Die Anerkennung dieser nahezu selbstverständlichen Aussage wird jedoch im Unterlassungsbereich dadurch erschwert, daß für die Begründung der Garantenstellungen organisatorischer Art (insbesondere der Ingerenz) weitgehend ein rechtswidriges Vorverhalten verlangt wird.122 Diese ohnehin unzutreffende Voraussetzung – bei vielen Verhaltensweisen verhält es sich vielmehr so, daß sie nur deswegen rechtmäßig sind, weil sie mit der Last versehen sind, davon herrührende, schädigende Verläufe zu unterbinden123 – hat im Bereich des gemeinsamen Handelns zur Folge, daß dadurch die – bereits bei Begehungsdelikten beHaftung ist dieselbe (Organisationspflicht im Rechtsgüterschutzinteresse), einerlei, ob das Verhalten als Begehung oder als Unterlassung zu bezeichnen ist. 119 Zur Ingerenz als Erscheinungsform der Verletzung von Verkehrspflichten s. Ch. v. Bar, JZ 1979, S. 334 und dens. JuS 1988, S. 173. 120 Den gemeinsamen Haftungsgrund beider Formen verkennt Schünemann (Unterlassungsdelikte, S. 281 ff., 313 ff.; ZStW 96 [1984], S. 287 ff.), wenn er die Haftung qua Übernahme anerkennt und gleichzeitig die Ingerenz ausschließt. Aber: Wer z. B. einen Rettungsversuch zum Scheitern bringt, ist für die Verschlechterung der Rettungschancen genauso zuständig, wenn er es durch das Versprechen einer besseren Chance (Übernahme) tut oder aber durch gewalttätige Ausschaltung des zur Rettung Ansetzenden (Ingerenz). 121 Hierzu Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 182 f. mit seiner Kritik an der Lehre Schünemanns (Unterlassungsdelikte, S. 291) in Anm. 85. Vgl. Jakobs, BGHFG, S. 29 (S. 30 f.: Rettungspflicht ist der Sache nach Sicherung vor Weiterungen); dens. Tun und Unterlassen, S. 36, Anm. 77; anders noch in AT, 29/38 f. 122 In neuerer Zeit paradigmatisch Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 157 ff., 163 ff.; SK-Rudolphi, § 13, Rn. 39, 39b (s. aber: SK, 5. Aufl., 1991, § 13, Rn. 40a, b); Jescheck/Weigend, AT § 59 IV 4a; ferner Gallas, Studien, S. 88 ff.; Otto, WiB 1995, S. 933. Zur entgegengesetzten, zutreffenden Auffassung s. etwa Jakobs, BGHFG, S. 47 und passim; Roxin, AT II, 32/158; Herzberg, JZ 1986, S. 986; Seelmann, GA 1989, S. 255, der am Fall des aggressiven Notstandes zeigt, wie die kritisierte Auffassung auch von ihren Befürwortern nicht konsequent durchgehalten wird; ferner dens. NK, § 13, Rn. 49. Im Ergebnis ebenso bereits Mezger, Strafrecht, S. 147 im Anschluß an v. Hippel, Strafrecht, II, S. 163 ff.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

obachtete – Tendenz zu einer Fehlbestimmung des Zurechnungsgegenstandes verstärkt wird. Will man nämlich Rechtswidrigkeit beim Vorverhalten verlangen, so liegt es nahe, das mißbilligte Verhalten in dem Einzelbeitrag anzusehen, was wiederum dazu führt, das man die Perspektive des gemeinsamen Handelns verfehlt. Rechtswidriges Vorverhalten ist nur ein Unterfall, eine mögliche Ausgestaltung der Verletzung einer negativen Pflicht, die im Bereich des gemeinsamen Handelns höchstens einen indiziellen Wert besitzt. Entscheidend ist deswegen nur die Grunderscheinung bei organisatorischer Zuständigkeitsbegründung, nämlich die Inanspruchnahme eines Sonderrisikos.124 b) Zuständigkeit für das (erlaubte) „Sonderrisiko“ Die zunehmende Bedeutung des Begriffs „Sonderrisiko“ bei der Begründung der Verantwortung kraft Organisation im Unterlassungsbereich läßt sich der neueren Rechtsprechung des BGH entnehmen.125 Beim Ledersprayfall126 123 Bereits Gallas, Verantwortlichkeit, S. 34. Beispiel: Geht man mit einem Kind, das noch nicht alleine gehen kann, durch einen wenig tiefen Bergbach spazieren, so ist dieses Verhalten rechtmäßig, weil die Pflicht besteht, das Kind im Falle eines Sturzes hochzuheben. Das gilt aber auch für die Fälle, in denen die Rettungschancen nicht so hoch sind, aber das Verhalten trotzdem erlaubt ist: Dabei handelt es sich um die Inanspruchnahme eines „Sonderrisikos“ (dazu s. sogleich im Text). 124 Dazu Jakobs, AT 29/39: Die Schaffung einer Gefahr löst keine begehungsgleiche Abwendungspflicht aus, „wenn sie Folge des allgemeinen Bestandsrisikos ist“. Vielmehr handele es sich beim Vorverhalten um „einen besonderen Gebrauch der Freiheit, so daß der Aufwand zur Begrenzung der Folgen ihm eher anzulasten ist als dem potentiellen Opfer, in dessen Organisationskreis er mit dem Gebrauch der besonderen Freiheit einbricht“. Insbesondere beim erlaubten Vorverhalten sei „die Erlaubnis allein (. . .) kein Grund, den Destinatär der Freiheit vom Aufwand zur Begrenzung der Folgen zu entlasten und diesen Aufwand dem potentiellen Opfer aufzubürden, das sich seinerseits nicht im Rahmen besonderer Risiken bewegt hat“. Übereinstimmend NK-Seelmann, § 13, Rn. 49 und Otto NJW 1974, S. 534. In dieser Hinsicht ebenso Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 228 f., der z. B. in bezug auf mißbräuchliche Gegenstände betont, daß es Gefahren gibt, deren Quelle „gewissermaßen nicht zur ,Grundausstattung‘ eines sinnvollen Organisationskreises“ gehört. Diese Gefahren bilden insofern Sonderrisiken, und bezüglich dieser „ist es sehr wohl möglich, Gefahrenabwendungspflichten auch mit Blick auf das – insbesondere [aber eben nicht ausschließlich] deliktische – Verhalten verantwortlicher Personen zu rechtfertigen“. Ferner auch Köhler, AT, S. 219 ff.: Gefährliche Verhaltensweisen und Sachzustände sind „um der gemeinsamen Freiheitsentwicklung willen in gewissen Grenzen erlaubt“, aber darauf „beziehen sich Sorgfaltsnormen (zivilrechtlich: Verkehrssicherungspflichten) der möglichsten Gefahrenkontrolle: Wer einen anderen einer erlaubt-erhöhten Verletzungsgefahr aussetzt, bleibt permanent sicherungspflichtig“. Solche Sicherungspflichten könnten sich in eine Garantenpflicht umformen, falls es zu einer weiteren Konkretisierung der Gefahr komme, „denn mit dem erlaubten Risiko verbindet sich keine Eingriffsbefugnis, weshalb jede weitergehende konkrete Gutsgefährdung verboten ist“ (ebd.). 125 Jakobs, BGH-FG, S. 29 ff. 126 BGHSt 37, 106.

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konnte z. B. der Vertrieb der Produkte nach der gebotenen Beurteilung nicht ex ante als pflichtwidriges Verhalten bezeichnet werden,127 da die Gefährlichkeit des Produktes zum Zeitpunkt des Vertriebes nicht erkennbar war. Grund der Garantenstellung ist vielmehr die Inanspruchnahme einer besonderen Freiheitsentfaltung: Der Produzent nimmt sich in seinem eigenen Interesse etwas gegenüber den Konsumenten heraus und deshalb hat er dafür zu sorgen, daß, selbst wenn sein Verhalten erlaubt ist, mögliche schädliche Folgen seines Verhaltens minimiert bzw. verhindert werden. Nicht anders verhält es sich in bezug auf die Risiken des Autofahrens. Die Rechtsordnung behandelt auch (noch) das korrekte Autofahren als Beanspruchung eines Sonderrisikos, wie sich an der zivilrechtlichen Gefährdungshaftung und Pflichtversicherung erkennen läßt. Aus diesem Grund vermochte etwa in BGHSt 25, 218 nur die Leichtfertigkeit des Unfallsverursachers (des betrunkenen Fußgängers, der auf die Straße torkelte) die Garantenstellung des rechtmäßigen Fahrenden zu neutralisieren.128 Deutlich wird der maßgebliche Charakter der Zuständigkeit für die Beanspruchung eines Sonderrisikos auch, wenn man die Pflichten des Angegriffenen und des Eingreifenden jeweils bei Notwehr und aggressivem Notstand vergleicht. Obwohl beide rechtmäßig handeln, wird dem Angegriffenen bei Notwehr keine besondere Pflicht auferlegt (es bleibt bei der Jedermannspflicht gemäß § 323c StGB), sich um den niedergeschlagenen Angreifer zu kümmern129 (Erforderlichkeit der Abwehr vorausgesetzt), während der Eingreifende im Falle des § 34 StGB und § 904 BGB dazu verpflichtet ist, die schädlichen Folgen des Eingriffs möglichst abzuwenden bzw. zu minimieren, gerade um die Erforderlichkeit zu erhalten.130 Der Unterschied zwischen beiden Konstellationen liegt darin, daß im Falle der Notwehr der Konflikt vom Angreifer ausgeht: Der Angegriffene beansprucht ihm gegenüber kein Sonderrisiko. Anders verhält es sich in bezug auf das Eingriffsopfer, das nicht aus anderweitigen Gründen zur Duldung oder sogar selbst zur Rettung verpflichtet ist: Die Notwendigkeit zu einem Eingriff kann ihm nicht zugerechnet werden, es hat nichts zu verantworten, so daß ihm gegenüber ein Sonderrisiko beansprucht wird. Andererseits ist die Konkretisierung dessen, was als Sonderrisiko, als besondere Freiheit, als über die Grundausstattung eines sinnvollen Organisationskrei-

127 Hierzu Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 182, mit Anm. 82. Bereits Rudolphi (JR 1987, S. 164) hatte zu Recht darauf hingewiesen, daß sich die Entscheidung im Ledersprayfall unter Berufung auf ein rechtswidriges Vorverhalten nicht begründen läßt. 128 Zutreffend Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 238 f. mit Bezug auf die, aus dieser Perspektive fehlerhafte, Entscheidung BGHSt 11, 353. 129 So in BGHSt 23, 327 und BGH NStZ 1987, S. 171 f. Zur entgegengesetzten Auffassung s. Welp, S. 266 ff. und Herzberg, Unterlassung, S. 297 f. Sie lassen jedoch außer acht, daß die Norm des § 323c auch zum Schutz des Angreifers taugt. 130 Vgl. Jakobs, AT 29/43 f.

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ses Hinausgehende bzw. als sicherungspflichtige Freiheitsverwirklichung usw. gelten soll, nicht ohne Bezug auf die gesellschaftlichen Bestandsbedingungen zu bewerkstelligen.131 In diesem Sinne betont Jakobs,132 daß die LedersprayEntscheidung mit einem Entwicklungsstadium der Gesellschaft in Verbindung gebracht werden muß, in dem diese, was technische Produkte angeht, „saturiert ist“. Eine solche Gesellschaft „mag neue Produkte als eine Art Belästigung verstehen, die zwar nicht verboten ist, aber dem Publikum vom Produzenten zu dessen Nutzen aufgedrängt wird, und im Fall drohender Schäden muß demgemäß der Produzent, der das Sonderrisiko ,geschaffen‘ hat, für die Beseitigung der Gefahr sorgen“. Ende des 19. Jahrhunderts oder in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wäre die Entscheidung wohl anders ausgefallen. c) Gemeinsame Inanspruchnahme eines Sonderrisikos Hier geht es um die objektiven Voraussetzungen einer gemeinsamen Pflicht, die phänotypisch die Herbeiführung eines Verhaltens zum Gegenstand hat. Da es sich hier auch nur um Delikte kraft Organisationszuständigkeit handelt, ergibt sich die Gemeinsamkeit der Pflicht aus einer gemeinsamen Organisation. Die Garantenstellung jedes Akteurs entsteht aus diesem Grund als eine gemeinschaftliche Garantenstellung bezüglich einer bestimmten Tatbestandsverwirklichung (einerlei, ob diese Garantenstellung dieselbe dogmatische Bezeichnung erhält). Deshalb besteht die Aufgabe dieses dritten Teils der Untersuchung darin, zumindest ansatzweise zu bestimmen, unter welchen Bedingungen sich die Organisationskreise mehrerer verantwortlicher Unterlassenden hinsichtlich einer bestimmten Tatbestandsverwirklichung verbinden, so daß der einzelne nicht nur für sein Verhalten, sondern für die Gesamttat Garant, d. h. zuständig ist. 131 Der Sache nach übereinstimmend Seelmann, GA 1989, S. 255: „Auch die Gefahrschaffung und die Entziehung der Abwehrbereitschaft (oder die entsprechenden Übernahmehandlungen) bei den Unterlassungsdelikten müssen sich daran messen lassen, ob sie den üblichen Selbstschutz unterlaufen haben“ (Herv. vom Verf.). Vgl. bereits A. Merkel, Lehrbuch, S. 116: „Unser Urteil aber hält sich (. . .) nicht an das, was die Handlungen oder Worte isoliert für sich, sondern an das, was sie kraft ihrer zeitlichen Umgebung für die Interessen, Zwecke, Anforderungen bedeuten, mit welchen wir sie vergleichen“ (Herv. nur hier). Die Argumentation von Frisch (Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 240 ff.), die auf die Vermeidung von „unerträglichen Einschränkungen der Handlungsfreiheit“ abstellt, ist m. E. nur dann anzunehmen, wenn man sich darüber im Klaren ist, daß es nicht auf das faktisch Mögliche ankommt, sondern auf die zuerkannte und deshalb rechtlich zustehende Freiheit; wie Jakobs schreibt: „Die Grenze zwischen Pflicht und Freiheit läßt sich nicht mit dem Wert der Freiheit ermitteln, da sie diesen Wert erst bestimmt“ (Jakobs, AT 24/15, Anm. 18a). So ist der Verweis auf die gesellschaftlichen Bestandsbedingungen unvermeidlich, denn nur vor diesem Hintergrund läßt sich in bestimmten Fällen von einer „besonderen“ Freiheit sprechen. 132 BGH-FG, S. 43.

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Nach dem oben Ausgeführten dürfte es deutlich geworden sein, daß die Antwort auf diese Frage im Grunde nicht anders ausfallen kann als bei der Verflechtung der Organisationskreise zu einer gemeinsamen Pflicht, deren Gegenstand es phänotypisch ist, ein bestimmtes Verhalten nicht herbeizuführen. In beiden Fällen handelt es sich um die Verletzung einer negativen Pflicht und die Unterschiede sind nur äußerlicher Art. Das liegt auf der Hand in den Konstellationen sog. Beteiligung durch Unterlassen. Mit Jakobs ausgedrückt: „Die Anteile an dem schädlichen Verlauf, die diesen in den Organisationskreis des Unterlassungstäters einbinden, entsprechen einer Handlung, durch die solche Anteile am Verlauf produziert werden“.133 So wird beispielsweise u. U. derjenige, der einen sicherungspflichtigen Gegenstand nicht hinreichend aufbewahrt, auch noch als Gehilfe und nicht als Unterlassungstäter behandelt, wenn ein Unbefugter damit delinquiert.134 Aber bei der sog. Beteiligung am Unterlassen verhält es sich nicht anders, und zwar auch nicht, wenn eine Person sich am Unterlassen durch Unterlassen beteiligt. Denn tatbestandsmäßiges Unterlassen ist nicht nur das Fehlen eines Ereignisses, sondern vielmehr die Zuständigkeit für einen Verlauf. Bremst der Fahrschüler aus Unaufmerksamkeit vor spielenden Kindern nicht, während der Fahrlehrer durch ein Telefongespräch abgelenkt ist, so stünde einer Haftung beider qua Beteiligung nichts im Wege, wenn es zu einer Körperverletzung kommt (nicht anders liegt übrigens im Grunde der Sachverhalt beim Ledersprayfall). Wichtig ist, daß die Akteure der gemeinsamen Pflicht zur Herbeiführung eines Verhaltens nicht nachgekommen sind. Daraus ergibt sich, daß im Bereich der Delikte kraft Organisationszuständigkeit die Unterscheidung zwischen Beteiligung durch Unterlassen und Beteiligung am Unterlassen überflüssig und irreführend ist: Entscheidend ist nur die gemeinschaftliche Verletzung einer negativen Pflicht, was in den Fällen von Organisationszuständigkeit gleichbedeutend mit der allseitigen Verletzung einer gemeinsamen Pflicht ist.135 Die folgenden Ausführungen betreffen jedoch zum großen Teil Konstellationen bzw. Fallgruppen, in denen es um die gemeinsame Pflicht zur Handlung geht. Denn sie zielen darauf ab, die bereits in der Lehre unter dieser Rubrik entwickelten Zurechnungskriterien in den dieser Untersuchung zugrundeliegenden Begründungszusammenhang einzugliedern. Mit diesem Vorbehalt werden also im folgenden die jeweiligen Konstellationen behandelt. Das ist aber nicht die einzige Einschränkung. Die im Schrifttum entwickelten Kriterien zur Er133

AT 29/101 f. Vgl. Timpe, S. 203 ff. Im Ergebnis übereinstimmend Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 118 f., 234 f., der aber auf den Vorwurfsinhalt der Norm bezüglich der jeweiligen Beteiligungsformen, also auf einen qualitativen Unterschied zwischen den Beteiligungsformen, abstellt. 135 s. aber oben Anm. 113 (zur Unterscheidung zwischen Garantenstellungsbegründung und tatbestandsmäßigem Verhalten). 134

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

mittlung einer gemeinsamen Zuständigkeit im Unterlassungsbereich müssen gleichsam herausgefiltert werden, da sie teilweise auf die Bestimmung eines einzelnen, der für den tatbestandsmäßigen Erfolg zur Verantwortung gezogen werden könnte, zugeschnitten sind. Andere knüpfen – hinsichtlich der in den Vordergrund zu rückenden Verletzung einer negativen Pflicht – an äußerliche Gegebenheiten an, wie etwa die Tatsache, ob sich die Verantwortung des Sicherungspflichtigen aus dem unbefugten Gebrauch eines gefährlichen Gegenstandes oder aber aus sonstigen Beziehungen zum Verhalten eines anderen ergibt. Außerdem: Wie bereits im ersten Teil ausgeführt ergibt sich Beteiligung auf objektiver Ebene aus der Mitgestaltung des tatbestandsverwirklichenden Verhaltens. In diesem Sinne ist insbesondere die geläufige Unterscheidung zwischen unmittelbaren und drittvermittelten Gefahren bzw. zwischen unmittelbar güterbedrohenden Verhaltensweisen und über Drittverhalten vermittelten Risiken nicht sachgerecht.136 Sie ist sogar im Unterlassungsbereich besonders unglücklich, weil sie die Fixierung auf die Einzelverantwortung verstärkt. Der andere ist jedoch in den Fällen gemeinschaftlicher Verantwortung, wie bereits mehrfach betont, weder ein Dritter im engeren Sinne, noch wird die Tatbestandsverwirklichung durch ihn eher „vermittelt“ als durch den Ersthandelnden bzw. -unterlassenden; sie begehen und/oder unterlassen gemeinschaftlich, indem sie die Tatbestandsverwirklichung mitgestalten. Die Untersuchung beschränkt sich schließlich auf die allgemein bedeutendsten Konstellationen. Ausgeklammert bleiben etwa die Problematik der Zuständigkeit für unerlaubte Müllablagerungen,137 des Besitzers für von Dritten an seinen eigenen Sachen (z. B. am Kfz oder am Haus) angebrachten beleidigenden Parolen,138 die Strafbarkeit des Betriebsbeauftragten für den Gewässerschutz139 u. a.m. 1. Gemeinsame Verantwortung für die Verwaltung eines Sonderrisikos a) Vertrauensgrundsatz und Gemeinsamkeit Die negativen Pflichten, die sich aus der Inanspruchnahme eines Sonderrisikos ergeben, werden durch Verkehrspflichten konkretisiert und eingeschränkt. Die Bestimmung dieser Verkehrspflichten ist aber wiederum davon abhängig, 136 Die Unterscheidung geht wohl in neuerer Zeit auf Frisch zurück (s. Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 90 ff., 148 ff., 230 ff.). Ähnlich Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 159 f. 137 Vgl. Hohmann, NJW 1989, S. 1254 ff.; Iburg, NJW 1988, S. 2338 ff.; LG Koblenz NStZ 1987, S. 281 ff. 138 Hierzu Weber, Festschrift für Oehler, S. 83 ff. 139 Vgl. Kuhlen, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, S. 71 ff.; Rudolphi, Festschrift für Lackner, S. 863 ff., 875 ff.

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ob die entsprechende Risikolage durch einen oder durch mehrere Akteure gestaltet wird. Denn in denjenigen Konstellationen, in denen mehrere Akteure die Risikolage so gestalten, daß auch jedem die Inanspruchnahme eines Sonderrisikos zuzuschreiben ist (ob allein oder gemeinsam muß noch geklärt werden), muß auch berücksichtigt werden, daß es in jeder Situation ein Element gibt, auf das die Pflicht des einzelnen prinzipiell nicht zugeschnitten ist, nämlich das grob pflichtwidrige Verhalten selbstverantwortlicher Dritter.140 Insofern ist der ein Sonderrisiko beanspruchende Handelnde nicht dazu verpflichtet, selbst alles Erdenkliche zur Vermeidung von Risikorealisierungen zu tun, sondern vielmehr darf er (ggf. ergänzende) Vorkehrungen anderer Akteure in Rechnung stellen. Da diese Entlastung nur einen negativen Inhalt hat, ist freilich damit noch nicht gesagt, sie sei die Folge einer gemeinschaftlichen Verwaltung des Risikos, aber auch insbesondere nicht, daß auf diese Weise die Pflicht des Handelnden eingeschränkt wird, d. h. daß der Vertrauensgrundsatz eine (etwa auf kausaler Grundlage) bereits vorhandene Verantwortung für jede Risikorealisierung limitiert: Die Pflicht wird vielmehr anhand dieses kontextualen Elements, das der Vertrauensgrundsatz zum Ausdruck bringt, mitbegründet. aa) Zum allgemeinen Inhalt des Vertrauensgrundsatzes „Vertrauensgrundsatz“ ist die Abkürzung für den im erlaubten Risiko und Regreßverbot bereits angelegten Rechtssatz, daß eine Person organisieren darf, ohne grobe Verstöße anderer gegen deren Verkehrssicherungspflichten in ihrer Planung einkalkulieren zu müssen.141 Wenn sie ohne Rücksicht auf solche Pflichtverletzungen Dritter organisiert, und es aufgrund dieser Pflichtverletzungen zu einer Rechtsgüterbeeinträchtigung kommt, liegt bei ihr, ungeachtet ihrer Garantenstellung kraft Organisation, kein tatbestandsmäßiges Verhalten vor: Ihre Organisation gilt – wie sogleich zu sehen sein wird, gerade auch in der Beziehung zu Verhaltensweisen anderer – als pflichtgemäß, sie ist nicht mangelhaft im rechtlichen Sinn. Die Außerachtlassung zusätzlicher Vorkehrungen angesichts der Verhaltensweisen Dritter ist m. a. W. erlaubt: Solche Vorkehrungen gehören nicht zum Gesollten und sind mithin für das Strafrecht unerheblich. Aber der Vertrauensgrundsatz gestattet es nicht nur, das Einzelverhalten als rechtmäßig zu betrachten, was aus der Perspektive der Beteiligung ohnehin nicht viel besagt, da „das Verhalten“ – das pflichtwidrig sein muß – bei gemeinsamem Handeln die Gesamttat ist. Im Begründungszusammenhang der vorliegenden Untersuchung ergibt sich aus dem Vertrauensgrundsatz eine noch wich140 Der Grund dafür sei dahingestellt. Dazu, in der hier für zutreffend gehaltenen Richtung, Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 190 f., m. w. N. 141 Daß der Vertrauensgrundsatz sich auf grobe Verstöße („rollensprengendes Verhalten“) beschränkt, heben insb. Jakobs, AT 7/55 bb), und NK-Puppe, Vor § 13, Rn. 152, (m. w. N. aus der Rechtsprechung) zu Recht hervor.

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tigere Folge: Er trägt zur Festlegung der äußeren Grenze des gemeinsamen Handelns bei, indem er die einschlägige Ausgestaltung der verkürzten Arbeitsteilung bestimmt.142 In diesem Sinne ermöglicht die Anwendung des Vertrauensgrundsatzes, die in Frage kommenden Verhaltensweisen auf der strafrechtlichen Bedeutungsebene voneinander zu trennen. Ihre Zusammengehörigkeit im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung löst sich auf, selbst (i) bei aller kausalen Interdependenz bezüglich der Verursachung des mißbilligten Erfolges, und zwar (ii) ungeachtet dessen, daß jeder Akteur allgemein auch Garant für das Nichteintreten dieses Erfolges ist. Der Vertrauensgrundsatz spielt demnach eine wichtige Rolle bei der Definition des unerlaubten Risikos und somit bei der Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen den Garanten für das Nichteintreten eines Erfolges. Der Vertrauensgrundsatz ist zwar nicht in der Lage, Gemeinsamkeit oder gar Pflichten zu begründen – die Begründung ergibt sich vielmehr aus der Schaffung einer unerlaubten Gefahr oder aus der Beanspruchung eines Sonderrisikos, und letztendlich aus dem Synallagma Verhaltensfreiheit/Folgenverantwortung –, er trägt vielmehr zu der Bestimmung bei, wann in Fällen von Arbeitsteilung ein unerlaubtes Risiko vorliegt, besagt aber selbst nichts in bezug auf die Frage, ob das geschaffene unerlaubte Risiko allein oder gemeinschaftlich zu verantworten ist.143 Aber die Kehrseite des Vertrauensgrundsatzes hebt eine wichtige normative Bewertung hervor: Mit fehlerhaftem aber noch nicht rollensprengendem Verhalten anderer, also mit leicht unterlaufenden bzw. geringen Verstößen anderer gegen die sie betreffenden Verkehrspflichten, ist nach dem entsprechenden Kontext in der Regel doch zu rechnen.144 In diesem Sinne kann behauptet werden, daß der Vertrauensgrundsatz in bestimmten Konstellationen zum Vorschein bringt, auf welche Art und Weise eine bereits begründete Alleinverantwortung für einen Erfolg zu einer gemeinsamen Verantwortung für eine Tatbestandsverwirklichung (also einschließlich des tatbestandsmäßigen Verhaltens) werden kann. Die Einzelgarantenstellung jedes Akteurs kann unter Umständen, die die begrifflichen Merkmale der Kehrseite des Vertrauensgrundsatzes beschreiben, zu einer gemeinsamen Verantwortung der Beteiligten werden, wenn nämlich das schuldhafte Fehlverhalten anderer einkalkuliert werden muß. Während der Vertrauensgrundsatz in bezug auf die Bestimmung des Mißbilligtseins des Einzelverhaltens eine neben den spezifischen Verkehrspflichten die Verantwortung konkretisierende Rolle spielt (er erklärt, warum bestimmte Vorkehrungen, die hinsichtlich einer absoluten Rechts142 Und nicht des Prinzips Selbstverantwortung: Selbstverantwortung ist die Basis für jede Art von Arbeitsteilung. 143 Hierzu Jakobs, Gedächtnisschrift für Arm. Kaufmann, S. 285: Beteiligung ist eine Frage, die dem Vertrauensgrundsatz vorgelagert ist. 144 Zur Begründung s. Jakobs, AT 7/55; Kirschbaum, Vertrauensschutz, S. 177 ff.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 408 ff.; 423 ff.; s. auch sogleich im Text.

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gütererhaltung erfahrungsgemäß sinnvoll wären, dennoch prinzipiell unzweckmäßig und dementsprechend im rechtlichen Sinne nicht gesollt sind), kommt seiner Kehrseite in bezug auf das Phänomen des gemeinsamen Handelns die Bedeutung zu, die Entstehung einer gemeinsamen Verantwortung auf objektiver Ebene zu beschreiben und insoweit zu konturieren.145 Freilich werden beide Funktionen des Vertrauensgrundsatzes geläufig vermengt, zumal wenn es um die Einschränkungen seiner Anwendung geht. So können etwa erkennbare Eigenschaften des Opfers als Grund zur Nichtanwendung des Vertrauensgrundsatzes nicht auf ein Beteiligungsverhältnis hindeuten. Andere Einschränkungen jedoch, nimmt man sie aus der Perspektive des hier interessierenden Zwecks in Augenschein, weisen typischerweise auf das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein eines Beteiligungsverhältnisses zwischen den Garanten hin: das Vorliegen von als schuldhaft erkennbarem und bereits in Gang gesetztem Fehlverhalten anderer; die Aufsichtspflicht bei arbeitsteilig organisierten Mitwirkungsformen und, in der Umkehrung, die rechtliche Einrichtung von doppel- bzw. mehrfachgesicherten Risiken.146 Auf diese Weise kann die Aussagekraft des Vertrauensgrundsatzes in bezug auf die Konstitution eines Beteiligungsverhältnisses noch näher präzisiert werden. Bei Lichte besehen bedeutet zwar der Vertrauensgrundsatz, daß u. U. das Fehlverhalten anderer selbst dort, wo es eben nach der entsprechenden Norm nur auf ein schuldhaftes Verhalten ankommt, auch als Angelegenheit dieser anderen verarbeitet werden kann, und dies auch dann, wenn die Gefahrlage mitgestaltet wird. Aber solange der Akteur mit einem solchen Verhalten doch rechnen muß, und (zumindest auch) aus diesem Grund als Mitgestaltender für die Vermeidung der Tatbestandsverwirklichung zuständig ist, werden die vermeidbaren Fehler, mit denen man eben rechnen muß, zur eigenen Angelegenheit des Handelnden.147 145 Vgl. Jakobs, AT 7/52: „Problematisch ist nicht nur die potentielle Haftungsbefreiung des Vertrauenden trotz Voraussehbarkeit eines Fehlverhaltens anderer Beteiligter (die Haftungsbefreiung per Vertrauen), sondern problematisch ist auch schon die potentielle Haftung des Vertrauenden in einer Lage, die einzig andere Personen deliktisch gestalten (die mögliche Zurechnung fremder Fehler)“ (Herv. vom Verf.). 146 Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich vor allem mit den beiden zuerst genannten Konstellationen; zur Arbeitsteilung s. u. C. III. 2. 147 Mit welchen Fehlern nicht mehr zu rechnen ist, d. h. was als rollensprengendes Verhalten gilt, ist der Verfaßtheit der konkreten Gesellschaft überlassen und läßt sich nicht durch feste Regeln bis ins Detail definieren. Doch gewisse Standards sind für den Kernbereich sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung bereits erarbeitet worden. Nach BGHSt 6, 282 ist z. B. ein Klinikarzt verpflichtet, sich davon zu überzeugen, daß die Schwester seine Anordnungen in bezug auf eine medikamentöse Behandlung richtig verstanden und ausgeführt hat (vgl. auch BGHSt 3, 91); Kraftfahrer sollen an einem haltenden Omnibus mit einem Sicherheitsabstand von etwa 2 Meter oder mit Anhaltegeschwindigkeit vorbeifahren, um Fußgänger nicht zu gefährden, die verkehrswidrig hinter dem Bus hervortreten, um sich einen Überblick über die Fahrbahn zu verschaffen (vgl. BGHSt 13, 169; BGH VRS 35, 114); der Vertrauens-

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Es ist also festzuhalten: Die Kehrseite des Vertrauensgrundsatzes bringt das Gebot zum Ausdruck, mit fehlerhaften Verhaltensweisen anderer Garanten u. U. rechnen zu müssen. Ob die Nichtbeachtung dieses Gebotes zu einer gemeinsamen Verantwortung führt, bleibt jedoch offen: Es kommt auf das Vorliegen einer verbindenden oder einer trennenden Arbeitsteilung an, was wiederum nach dem jeweiligen Kontext zu bestimmen ist. bb) Zur Grenze zwischen alleiniger und gemeinschaftlicher Verantwortung Mit dem oben Gesagten ist jedoch die Frage, wann ein Fall von alleiniger und wann einer von gemeinschaftlicher Verantwortung vorliegt, nur ansatzweise beantwortet. Eine endgültige Antwort, soweit sie in abstracto überhaupt zu geben ist, kann nur nach einer Analyse unterschiedlicher Fallgruppen geliefert werden, da der Vertrauensgrundsatz je nach Regulierungsbereich verschiedene Ausgestaltungen übernimmt. So verlaufen die Grenzen zwischen gemeinschaftlicher Verantwortung (Beteiligung) und Alleinverantwortung etwa bei Aufsichtsbzw. Aufbewahrungspflichten, in den Fällen von Handeln in fremder Organisation bei Einschaltung von Hilfspersonen, bei formalisierten Gremienentscheidungen etc. nicht immer parallel. An dieser Stelle läßt sich aber bereits Folgendes behaupten: Das Gegenteil eines Beteiligungsverhältnisses ist nicht die Unverantwortlichkeit, sondern die Alleinverantwortung. Die Anwendung des Vertrauensgrundsatzes führt aber zur Alleinverantwortung, da Beteiligung nicht nur die Pflicht voraussetzt, den mißbilligten Erfolg zu vermeiden, sondern bedeutet in erster Linie die Bejahung der Zuständigkeit für das Verhalten des/der anderen Beteiligten, deren Ursprung in der gemeinschaftlichen Beanspruchung eines Sonderrisikos liegt. Diese Zuständigkeit bildet den Grund für die Erfolgszurechnung zum einzelnen über das Gesamtverhalten. Eine solche Zuständigkeit für das Verhalten des anderen wird in der Regel dadurch indiziert, daß die entsprechende Norm eine Ergänzung der jeweiligen Maßnahmen zur Vermeidung der Tatbestandsverwirklichung vorschreibt, so daß A seinen Organisationskreis nicht auf einen nur von ihm abhängigen Schutz des Rechtsguts vor einer Gefahr einzustellen hat, die mindestens auch von ihm in Anspruch genommen wurde (bei Anwendung des Vertrauensgrundsatzes ist z. B. das grob sorgfaltswidrige Verhalten eines anderen ein nur von diesem anderen beanspruchtes Risiko). A kann vielmehr damit rechnen, daß B das seine tun wird. Dafür ist wiederum nicht nötig, daß die Maßnahmen gemeinsam (im kausalen Sinne) ergriffen werden, damit die Tatbestandsver-

grundsatz gilt nicht für häufig vorkommende Verkehrsverstöße, wie die verspätete Anzeige einer Richtungsänderung (vgl. BGH VRS 31, 37) etc.

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wirklichung ausbleibt. Es reicht aus, wenn sie quasiarbeitsteilig – nach einer sinnvollen Aufgabenaufteilung – ergriffen werden sollen. Gleichwohl liefern die „Notwendigkeit des Zusammenwirkens“ zur Vermeidung der Tatbestandsverwirklichung (s. bereits zum Ansatz Kamms zweiter Teil, B. II. 1), ein kausales Aufeinanderangewiesensein oder die Notwendigkeit einer kumulativen Pflichtverletzung zur Erfolgsherbeiführung wichtige Anhaltspunkte für die Bejahung einer gemeinschaftlichen Pflicht. Das zeigt sich an einem von Roxin148 angeführten Beispiel: Zwei Aufseherinnen wurden zur Betreuung eines Kindes herangezogen; das Kind verletzt sich, weil beide keine Obacht gegeben haben. In einem solchen Fall beziehen sich die jeweiligen Pflichten auf denselben Gegenstand und die Pflichtverletzungen sind derart voneinander abhängig, daß beide zusammenkommen müssen, damit die Rechtsgutsverletzung eintritt. Da kann sich nach Roxin die eine Aufseherin nicht darauf berufen, sie sei mit etwas anderem beschäftigt gewesen und habe nicht damit rechnen können, daß ihre Kollegin nicht aufpassen werde. Selbst wenn die Pflichtverletzung der anderen „unvorhersehbar“ gewesen sei, bleibe die Verantwortung der einen bestehen. Die Vorhersehbarkeit, nach Roxin Vorbedingung jeder Sorgfaltspflichtverletzung,149 soll hier keine Rolle spielen. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen,150 denn der Kontext, der durch die Identität des Objektes der jeweiligen Pflichten maßgeblich geprägt ist, verlangt eine Entfaltung von sich-ergänzenden Verhaltensweisen der Aufseherinnen, die ohne Koordination und gegenseitige Absprache nicht erfolgen kann. Dadurch wird das Verhalten der einen zum Element des Kontextes im Verhaltensvollzug der anderen, so daß sich keine darauf berufen kann, das Verhalten der anderen gehe sie nichts an. Die Übernahme der Verantwortung für das Kind ist m. a. W. ohne Einbeziehung der Tätigkeit der anderen Aufseherin nicht möglich, weshalb die jeweiligen Garantenstellungen im oben erklärten (normativen) Sinne verflochten sind. Es verhält sich nur nicht so, wie Roxin schreibt, daß die Vorhersehbarkeit in diesem Fall keine Rolle spielt. Vielmehr werden die Grenzen der Gemeinsamkeit auf objektiver Ebene, und zwar nach dem Vertrauensgrundsatz, gezogen: Rollensprengende Pflichtverstöße müssen nicht in Rechnung gestellt werden, wobei eine vorübergehende Unaufmerksamkeit bzw. eine kurzweilige Abwesenheit nicht als solche betrachtet werden dürfte.

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Täterschaft, 2. Aufl., S. 535 f. Täterschaft, 2. Aufl., S. 530. 150 Entstehung einer Garantenstellung bei jeder Aufseherin vorausgesetzt: Wenn es sich etwa um zehn Aufseherinnen handelte, wäre bei den letzteren die Übernahme der Garantenrolle, die für die Begründung einer Garantenpflicht in diesen Fällen unentbehrlich ist, fraglich. 149

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

b) Befreiung von der Sicherungspflicht durch Überlassung der Gefahrenquelle? Es stellt sich nun die Frage, ob Verantwortungsaufteilung durch vollständige oder partielle Delegation der Sicherungspflichten überhaupt möglich ist. Das Vorhandensein einer solchen Delegation kann bekanntermaßen nur anhand eines Rechtsverhältnisses, also normativ, festgestellt werden: Die Zuordnung von Gefahrenquellen zu bestimmten Organisationskreisen knüpft in unserem Rechtssystem an Normen an, welche auch privaten Transaktionen in dieser Hinsicht Wirksamkeit verleihen.151 In diesem Sinne bilden Vereinbarungen oder zivilrechtliche Transaktionen über Risikoverteilungen eine durchaus plausible Basis für die Antwort auf die Frage, ob eine Delegation vorliegt. Indes ist die strafrechtliche Wirksamkeit der Aufteilung mit dem Vorliegen einer solchen Vereinbarung noch nicht ausgemacht.152 Es kommt vielmehr darauf an, ob die Vereinbarung den Ausdruck einer erkennbaren und in sozialem Sinne anzuerkennenden neuen Aufteilung der Risiken bildet.153 So ist beispielsweise für die Entstehung der Haftung qua Übernahme nicht nur erforderlich, daß der Übernehmende eine Leistung ausdrücklich oder konkludent zusagt; es muß zudem deutlich werden, daß die Preisgabe anderer vorhandener Schutzmaßnahmen aufgrund der Zusage erwartet wird, und daß diese Preisgabe tatsächlich erfolgt.154 Es muß also zu einer nach der Semantik des sozialen Kontaktes wirksamen Verbindung kommen, die einen besonderen Bezug des Übernehmenden zum Risiko begründet. Aus demselben Grund bedarf es der Wirksamkeit der Transaktion nach zivilrechtlichen Normen nicht, weshalb sogar nichtige Rechtsgeschäfte u. U. eine neue Aufteilung der Verwaltung der Risiken im strafrechtlichen Sinne schaffen können (wie etwa im Falle eines schwerwiegenden Formverstoßes).155 Freilich können die sachlichen Grundla-

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Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 189. In diesem Sinne bereits Binding, Normen II, S. 572 (mit dem bekannten Beispiel eines Schiffers, der von einem Dritten heimlich aber gegen eine Belohnung beauftragt wurde, auf die Teilnehmer an einem Wettschwimmen aufzupassen); ihm teilweise folgend Frank, StGB, § 1 IV (Binding forderte dabei eine „Vorhandlung“ des Täters, was nach Frank nicht unbedingt notwendig ist); ferner Mezger, Strafrecht, S. 144 f.; vgl. auch in diesem Zusammenhang Gallas, Studien, S. 79. 153 Vgl. Landscheidt, S. 24; Pfander, S. 179; Stree in: Schönke/Schröder, § 13, Rn. 28. 154 Hierzu Jakobs, AT 29/47 f. („Die Haftung aus Übernahme ist der Ausgleich einer Chancenverschlechterung“). 155 Da der Haftungsgrund in der Inanspruchnahme des von der Sache herrührenden Sonderrisikos liegt, steht dem Berechtigten in dieser Hinsicht derjenige gleich, der sich als Berechtigter ausgibt und faktisch andere von der Verfügungsgewalt ausschließt, wie z. B. der Dieb: Ihn betreffen die Verkehrssicherungspflichten des Eigentümers, denn er beansprucht nunmehr – indem er sich der Sache bemächtigt – unter Ausschluß des Berechtigten das Sonderrisiko. 152

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gen der Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts die strafrechtliche Aufteilung der Risiken beeinflussen: Im Falle eines noch minderjährigen Lehrlings können z. B. sein Mangel an Erfahrung und die damit verbundene, tatsächlich vorhandene oder nur mutmaßliche Ungewandtheit zu einer stärkeren Inpflichtnahme derjenigen führen, welche die einschlägigen Sicherungspflichten primär betreffen. Aber selbst das geschieht nur im Rahmen einer neuen Aufteilung der Risikoverwaltung, die durch das nichtige Rechtsgeschäft bereits geschaffen worden ist. c) Formen der Überlassung aa) Endgültige Veräußerung der Gefahrenquelle Das charakteristische Merkmal dieser Fälle, deren Musterbeispiel der Verkauf unter Übergabe der Sache bildet,156 ist ein Zuordnungswechsel des Sonderrisikos in der Form, daß der Veräußerer nicht mehr befugt ist, die Gefahrlage mitzugestalten. Damit entfällt der Grund seiner Haftung für die Risikorealisierung, nämlich die ausschließliche Zuständigkeit (bzw. die Befugnis) für die Gestaltung der durch das Sonderrisiko gekennzeichneten Lage. Freund157 will hier die Befreiung der Verantwortung beim Weggebenden davon abhängig machen, daß die „Bedingungen“ für die Weggabe der Gefahrenquelle eingehalten werden, da der Weggebende ansonsten einen besonderen Freiheitsraum beanspruche, der ihm nicht zustehe. Solche Bedingungen werden aber nicht genannt: Wenn damit die Wirksamkeitsbedingungen des entsprechenden Rechtsgeschäfts aus zivilrechtlicher Sicht gemeint sind, trifft das, wie soeben ausgeführt, nur teilweise zu. Die sachlichen Grundlagen der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts können ja sogar dazu führen, daß die Sonderverantwortung für den Gefahrenherd nicht nur den Abgebenden, sondern ihn gemeinsam mit dem Erwerber betrifft, etwa bei einem Scheingeschäft (bei dem die Simulationsabsicht u. U. zur völligen Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt: § 117 Abs. 1 BGB), bei dem beide Parteien für die soziale Desorientierung sehr wohl gemeinsam zuständig sein können. Freilich kann dem Weggebenden weiterhin eine (alleinige) Restverantwortung zukommen, wenn die Verfügungsgewalt über die Sache nicht hinreichend bestimmt ist. In diesem Sinne muß hervorgehoben werden, daß die Übertragung der Verfügungsgewalt über die gefährliche Sache ein wesentliches Erfordernis für die Befreiung von der Sonderverantwortung kraft Veräußerung der Sache darstellt, da der Haftungsgrund bei demjenigen vorliegt, der zur Mitgestaltung der Gefahrenlage berechtigt ist. Deswegen ist der Gläubiger in den Fällen von

156

Vgl. Herzberg, JZ 1986, S. 991 f. am Beispiel des Verkaufs eines bissigen Hun-

des. 157

Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 191.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Sicherungsübereignung, wie übrigens in der Regel bei jedem constitutum possessorium (§ 930 BGB), nicht als Sonderverantwortlicher anzusehen. Die Verantwortung folgt, zivilrechtlich gesprochen, dem unmittelbaren und nicht dem mittelbaren Besitz.158 Ähnliches gilt für den Kauf unter Eigentumsvorbehalt, denn hier steht unter normalen Umständen – trotz aufschiebend bedingter Übereignung bei unbedingt abgeschlossenem Kaufvertrag – die Verfügungsgewalt dem Vorbehaltskäufer zu. Die Lage des Vorbehaltskäufers ähnelt insofern (d. h. aus der hier interessierenden Perspektive), wenn der Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt worden ist, der des Eigentümers und nicht den Fällen von vorübergehender Überlassung der Gefahrenquelle. bb) Vorübergehende Überlassung der Gefahrenquelle159 Diese Fallgruppe (Miete, Überlassung eines Hundes zum Spaziergang usw.) hat den Bemühungen um die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche nicht wenige Schwierigkeiten bereitet. Dies liegt m. E. insbesondere daran, daß das Abheben auf das Kriterium der „Freiheitsentfaltung“ noch stärker als in der ersten Fallgruppe auf eine Bestimmung strafrechtlicher Verantwortung nach zivilrechtlichen Kategorien hinauszulaufen scheint. So meint beispielsweise Freund, diese Befürchtung gleichsam bestätigend, daß die vorübergehende Überlassung einer Sache keine Veräußerung derselben, sondern vielmehr ihren Gebrauch auf andere Weise darstelle (dies sei ganz deutlich bei der Miete); aus diesem Grund bleibe die Verantwortung für die Gefahren grundsätzlich weiter beim Überlassenden: „Auch die Gestattung des Umgangs mit unmittelbaren Gefahrenherden ist gefährliche Freiheitsentfaltung“.160 Die gewaltigen Folgen einer solchen Sicht will jedoch Freund vermeiden: Gegenteilige (privatrechtliche) Parteienvereinbarungen könnten eine andere Verantwortlichkeitsverteilung bewirken und deshalb – nimmt man eine „sachgerechte Wahrung der berechtigten Belange des Güterschutzes“ in den Blick – „ist insofern wohl nur die Sonderverantwortlichkeit des Mieters, Entleihers usw. einer Quelle unmittelbarer Gefahren vor158

Der Pfandgläubiger ist demnach als Sonderverantwortlicher zu betrachten, da die Bestellung des Pfandrechts die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an der Pfandsache auf den Gläubiger voraussetzt (§ 1205 BGB). 159 Es wird vielfach zwischen den Fällen unterschieden, in denen es um eine unmittelbar gefährliche Sache geht, und denjenigen, in denen die Gefahr erst durch das Verhalten Dritter zustande kommt (v. gr. das Autofahren). Aus der Perspektive der gemeinsamen Verwaltung eines Risikos ist jedoch diese Unterscheidung – wie bereits erwähnt – unerheblich, denn es handelt sich stets um die gemeinschaftliche Verwaltung eines Vorgangs, d. h. um Verhaltensweisen, und nicht bloß um das Gefährdungspotential einer Sache: Bei der Zurechnung qua Beteiligung geht es immer um Gefahren, die durch andere vermittelt werden, und sie können aus mittelbar oder von unmittelbar gefährlichen Sachen herrühren. 160 Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 192.

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schreibbar“.161 Was also nach dem Kriterium der Freiheitsentfaltung prinzipiell geboten schien, wird nach dem komplementären Kriterium des Güterschutzes wohl nicht vorschreibbar. Demgegenüber weist der hier vertretenen Gesichtspunkt auf einen anderen Lösungsweg hin, der bereits vom RG ansatzweise beschritten worden ist: Verantwortlich für die Risikorealisierungen sind diejenigen, denen die Gestaltungsbefugnis der Gefahrenlage zukommt. Die Normativität dieses Kriteriums besteht nicht darin, daß es nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen bestimmt wird, sondern vielmehr darin (wie sonst in Fällen von Übernahme), daß die Zuschreibung der Verfügungsgewalt nach sozialen Maßstäben anzuerkennen ist. Im Urteil vom 23. Februar 1882 ging es um die Verantwortung des Mitbenutzers einer Jauchegrube für den Tod eines Kindes, das in die (pflichtwidrig) unverdeckte Grube hineingefallen und ertrunken war. Zunächst einmal stellt das RG fest: „Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die (. . .) Nicht-Verdeckung oder Nicht-Verwahrung von Gruben kann nämlich auch unabhängig vom Eigentumsrecht den Verwalter oder Inhaber einer Grube treffen und kann letzteren Falles auch denjenigen treffen, welcher die Verwaltung oder Inhabung tatsächlich führt, ohne auch nur zur Verwaltung oder Inhabung an sich ein Recht zu haben“.162 Dennoch muß nach dem RG der Angeklagte freigesprochen werden, weil aus der Befugnis zur Mitbenutzung der Grube keine Befugnis zur Deckung bzw. Verwahrung derselben abzuleiten sei. War also der Angeklagte nicht befugt, die Gefahrenquelle mitzuverwalten, d. h. Entscheidungen in bezug auf ihre Verwaltung zu treffen und durchzuführen, so war er auch nicht als Sonderverantwortlicher für die einschlägigen Risikorealisierungen anzusehen. Bedeutsam ist es auch, daß das RG nicht nur auf eine polizeirechtliche Verpflichtung abstellen will, sondern auch auf das Vorhandensein einer „Befugnis zur Vornahme jener Deckung“, und zwar „nach den sonstigen Verhältnissen“. Die Möglichkeit einer – ggf. gemeinsamen – Verantwortung für die Risikorealisierungen wird also nicht endgültig ausgeschlossen: Sie kann sich vielmehr aus den sonstigen Verhältnissen zwischen den Eigentümern und Mitbenutzern der Grube ergeben; aber ohne Befugnis, ohne Verfügungsgewalt in bezug auf die Verwaltung der Risiken, entsteht keine Verantwortung, und erst recht keine gemeinsame. Noch deutlicher wird die Argumentation des RG in einem späteren „Grubenfall“.163 Angeklagter war der Eigentümer einer Kalksteingrube, deren Ausbeutung er aber einem Dritten (A.) überlassen hatte. Das Opfer war in die pflichtwidrig uneingefriedete Grube hineingefallen und tödlich verunglückt. Das Landgericht Münster hatte den Angeklagten als verantwortlich für den Tod erachtet, „weil derselbe Eigentümer der Grube, und ihm deren gefährliche Be161 162 163

Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 192 (Herv. nur hier). RGSt 6, 64. RGSt 15, 58.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

schaffenheit genau bekannt war“. Letzteres stößt auf Ablehnung des RG, weil „diese Kenntnis allein keine Verpflichtung zur Einfriedigung, keine Verantwortung für deren Unterlassung begründen kann“. Das Gericht stellt sich daraufhin die Frage, ob eine solche Verpflichtung und Verantwortung aus dem Eigentum folgen könne. Dies wird mit folgenden Ausführungen verneint: „Das Eigentum als solches, abgesehen von der Ausübung der in demselben enthaltenen Verfügungsgewalt, der Besitz- und Nutzungsrechte, ist ein rein privatrechtliches Verhältnis, aus dem an sich auch nur privatrechtliche Wirkungen entstehen können“. Trotz der falschen Prämisse – Eigentum als allgemeines Ausschlußrecht kann kein rein privates Verhältnis sein – gelangt das RG aufgrund des letztendlich maßgebenden Abhebens auf die Ausübung der Verfügungsgewalt zu dem zutreffenden Ergebnis, daß die Verhaltensweisen eines Eigentümers „strafrechtlich keiner anderen Beurteilung als die eines [mit Verfügungsbefugnissen ausgestatteten] Nichteigentümers“ unterliegen, es sei denn, daß die Handlungen „ihrer Natur nach nur von dem Eigentümer begangen werden könnten“ oder – im Falle der Unterlassungen – das Gesetz „gerade dem Eigentümer“ die entsprechende Handlungspflicht auferlegt habe. Da in dem Fall keine gesetzliche Sonderverpflichtung des Eigentümers allein aufgrund dieser Rechtsposition vorliege, fährt die Entscheidung fort, „wäre es Sache des ersten Richters gewesen, zu prüfen, ob der Angeklagte nach den thatsächlichen Umständen des Falles in der Lage war, die Einfriedigung zu bewirken oder den A. zu dieser anzuhalten“. Damit der Ausdruck „in der Lage sein“ nicht in einem bloß naturalistischen Sinne mißverstanden wird, fügt das Gericht hinzu: „Dazu hätte das rechtliche und thatsächliche Verhältnis des Angeklagten zu dem A. und zu der Grube näher festgestellt werden müssen“. Sieht man einmal davon ab, daß die Formulierung des RG noch einer Auffassung der Unterlassungsdelikte als Sonderdelikte verhaftet ist, so kann man erkennen, wo das entscheidende Kriterium des Urteils liegt: Es kommt auf die ausschließende Befugnis zur Verwaltung des Risikos an. Handlungen, die „ihrer Natur nach nur von dem Eigentümer begangen werden könnten“, sind eben Handlungen, zu denen nur der Eigentümer befugt ist. Andererseits verneint das RG eine mögliche Verantwortung des Angeklagten nicht prinzipiell: Aus seinem Verhältnis zum Kalkbrenner und zur Grube – das aber nicht nur anhand der zivilrechtlichen Vereinbarungen zu bestimmen ist – könne sich Verantwortung ergeben, und ggf. eine gemeinsame Verantwortung. Die Voraussetzungen dieser gemeinsamen Verantwortung sind nach dem Ausgeführten im Grundsatz nicht mehr schwer aufzustellen. Gemeinsame Verantwortung für ein Risiko liegt auf objektiver Ebene vor (ob dem Überlassenden auch Vermeidbarkeit in bezug auf den Erfolg anzulasten ist, steht auf einem anderen Blatt), wenn das Rechtsverhältnis zwischen Überlassendem und Übernehmendem eine Mitgestaltung der Gefahrenlage vorschreibt, und zwar gerade in den Grenzen der jeweiligen Gestaltungspflichten.164 Das ist insbesondere

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dann der Fall, wenn die einschlägigen Vorkehrungen der Beteiligten einander ergänzen sollen. Der Halter eines bissigen Hundes gestattet z. B. einem Spaziergänger den Umgang mit einem Tier, von dem ein Sonderrisiko herrührt; der Entleiher erweitert seine Handlungsmöglichkeiten, indem er das Angebot annimmt und sich der Sache vorübergehend bemächtigt. Gestattung und Annahme sind Bestandteile eines einzigen kommunikativen Prozesses, der insofern seiner Bedeutung nach die Organisationskreise (zumindest in bezug auf den Spaziergang: er wird gemeinsam organisiert) verbindet, und zwar nach der Tragweite der jeweiligen Sicherungspflichten. Legt der Eigentümer dem Hund den Maulkorb nicht an, bevor er das Tier dem Spaziergänger überläßt, dann haftet er gemeinsam mit dem Spaziergänger (Vermeidbarkeit unterstellt) für etwaige Verletzungen, die der Hund während des Spazierganges verursacht. Anders liegt es nur dann, wenn der Entleiher unzurechnungsfähig ist (keine Beteiligung möglich165), wenn der Spaziergänger die normalen Bedingungen der Überlassung grob mißachtet (er verwendet den Hund als Zugtier), oder wenn er auf eigene Faust anders geartete Risiken schafft (er hetzt den Hund auf kleine, spielende Kinder). Es ist also festzuhalten: Durch Überlassung und Annahme verbinden die Akteure ihre Organisationskreise zu einer nunmehr gemeinsamen Beanspruchung eines Sonderrisikos. Gemeinsamkeit besteht innerhalb der Grenzen des einschlägigen Tatbestandes, die durch die Tragweite der jeweiligen Verkehrssicherungspflichten konkretisiert werden. Zur Bestimmung dieser Tragweite ist darauf abzustellen, ob und inwiefern der Überlassende bzw. der Übernehmende zur Gestaltung der Risikolage befugt ist.166 Das heißt wiederum, daß die Gemeinsamkeit auf die gesollte Mitgestaltung der Risikolage beschränkt wird. Überlassung und Annahme (zu denen die entsprechenden – und hier fehlenden – Vorkehrungen im rechtlichen Sinne gehören167) bilden somit den Grund zur Einbeziehung des Einzelverhaltens in die gemeinsame Organisation, die zur Tatbestandsverwirklichung führt. Durch unzureichende Verwaltung der Risikolage wird das tatbestandsmäßig pflichtverletzende Verhalten mitgestaltet.

164 Denn verbindende und trennende Arbeitsteilung können nebeneinander bestehen: s. u. C. III. 3. 165 BGH NJW 1987, S. 201. 166 Was im Falle des Kaufes unter Übergabe der Sache prinzipiell nicht gegeben ist. Auch nicht, wie soeben angesichts der Entscheidung RGSt 6, 64 ausgeführt wurde, wenn es nur um ein Recht auf Mitbenutzung der gefährlichen fremden Sache geht. 167 A. Merkel, Lehrbuch, S. 112; ergänzend v. Hippel, Strafrecht, II, S. 163 ff.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

cc) Beauftragung mit der Verwaltung eines Risikos innerhalb des eigenen Organisationskreises Nun gilt es zu untersuchen, ob sich die Organisationskreise von Auftraggeber und Beauftragtem in einer verbindenden Arbeitsteilung dadurch verflechten lassen, daß der letztere in der Organisation des Auftraggebers handelt. Dies soll unabhängig davon geschehen, daß eine solche Verbindung in manchen Fällen auch hinsichtlich anderer Gründe, etwa des Umgangs mit gefährlichen Gegenständen nach den soeben skizzierten Prinzipien, hergestellt werden kann. Diese ist wohl die am schwierigsten zu lösende Konstellation, da bei der Einschaltung von Hilfspersonen das Rechtsverhältnis in einem Zusammenspiel von verbindender und trennender Arbeitsteilung besteht. Im Unterschied zur Übernahme wird hier der Gefahrenherd nicht – auch nicht teilweise – an einen Dritten veräußert. Es verhält sich vielmehr so, daß der Auftraggeber durchgehend dazu befugt ist, die Gefahrlage durch das Ergreifen von Maßnahmen zu gestalten. Diese Befugnis und die sich daraus ergebenden Folgen in bezug auf die Gestaltungsmacht des Auftraggebers scheinen Anhaltspunkte dafür zu liefern, daß in diesen Fällen eine gemeinsame Verantwortung ausscheiden soll. Hinzu kommt, daß der Auftraggeber – nehmen wir den Fall des Betriebsinhabers – kein Gestaltungsrecht in bezug auf das Verhalten seiner Mitarbeiter hat. Dementsprechend wären Handlungen im Rahmen des Betriebs zwar auch stets Handlungen im Organisationskreis des Inhabers; aber dieser haftete nicht für das Verhalten des anderen selbst, sondern allenfalls für die durch das fremde Verhalten bewirkte Ausgestaltung seines eigenen Organisationskreises. Es bliebe also bei der alleinigen Erfolgsverantwortung des Inhabers des Betriebs.168 Durch Handeln in fremder Organisation würde keine gemeinsame Verantwortung begründet, sondern nur der besondere Grund dafür geliefert, weshalb der Inhaber für drittvermittelte Risikorealisierungen einzustehen hat: seine Geschäfte werden organisiert.169 Es fragt sich aber, ob diese objektive Verbindung nicht doch ausreichen kann, um von einem gemeinsamen Handeln auf objektiver Ebene sprechen zu können. Knüpft man z. B. an den Gedanken der wechselseitigen Repräsentanz an, dessen Leistungsfähigkeit in letzter Zeit wiederentdeckt wird,170 so ist die Beurteilung der Lage nicht mehr eindeutig: Objektiv organisiert jeder Beteiligte auch das Geschäft des anderen; der Beauftragte organisiert für den Auftraggeber und dieser für den Beauftragten, was selbst dann gelten mag, wenn die Organisation mangelhaft ist. 168

So Jakobs, AT 29/36. Eine solche Alleinverantwortung des Geschäftsherrn liegt beispielsweise den Regelungen der §§ 278, 831 BGB in bezug auf die Haftung für Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen zugrunde. 170 Vgl. Kindhäuser, Festschrift für Hollerbach, S. 645. 169

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Dies sei zunächst einmal am Beispiel der Pflichterfüllung gezeigt. Wenn dem Betriebsinhaber eine Pflicht zur Desinfizierung bestimmter Materialien zukommt, mit deren Erfüllung er einen anderen beauftragt, wird diese Verpflichtung durch die Beauftragung mit der Pflichterfüllung grundsätzlich nicht aufgehoben. Vielmehr bildet die Beauftragung zunächst nur die Voraussetzung dafür, daß der Beauftragte bei der Pflichterfüllung in der Organisation des Auftraggebers handeln darf. Deshalb ist die Pflichterfüllung auch dem Auftraggeber zuzurechnen. Aber auf diese Weise erfüllt der Beauftragte auch seine Pflicht, wie sich aus dem entsprechenden Rechtsverhältnis ergibt.171 Der Beauftragte betreibt also nicht nur das Geschäft des Auftraggebers, sondern auch sein eigenes, was darauf hinweist, daß durch die angenommene Beauftragung die Pflicht zu einer gemeinsamen wird. Zeichen dafür ist, daß der Beauftragte in der Regel sein eigenes Handlungsvermögen, aber ansonsten die Mittel des Auftraggebers einsetzen (und somit auf dessen Kosten die Pflicht erfüllen) darf und muß. Das ist gerade eine Eigenschaft der verbindenden Arbeitsteilung, die im Unternehmensbereich trotz aller Verantwortungsaufteilung nicht selten vorzufinden ist: Wenn es z. B. um den Rückruf eines bereits ausgelieferten, schädlichen Produkts geht, dann erfüllen Betriebsinhaber und Geschäftsführer gemeinsam die gemeinschaftliche Pflicht, diesen Rückruf zu bewirken.172 Bei der Pflichtverletzung verhält es sich jedoch nicht anders. Es ist zwar eindeutig, daß von Schuldübertragungen keine Rede sein kann; darum geht es hier aber nicht, sondern um die Verbindung von Organisationskreisen auf objektiver Ebene. Organisieren die Akteure arbeitsteilig oder sind sie verpflichtet, quasiarbeitsteilig zu organisieren, dann sind ihre Organisationskreise verbunden, was eine gemeinsame Verantwortung für die entsprechenden Fehlleistungen entstehen lassen kann. Die Verpflichtung zur quasiarbeitsteiligen Organisation kann aber wiederum auch auf privatrechtliche, verantwortungsverteilende Vereinbarungen zurückzuführen sein, solange diese die einschlägige Erwartung nach der Semantik des sozialen Kontaktes begründet haben (was in der Regel dann geschieht, wenn von der gemeinschaftlichen Inanspruchnahme eines Sonderrisikos gesprochen werden kann: siehe sogleich unten). (1) Der Grund für die gemeinsame Zuständigkeit Handeln in fremder Organisation führt jedoch nicht immer zu einer gemeinsamen Verantwortung. Dafür bedarf es einer Verhaltensweise des Auftraggebers, welche seine Zuständigkeit für das tatbestandsmäßige Verhalten – und nicht 171 Was wiederum anders sein kann, wenn der Auftraggeber eine juristische Person ist: hierzu Jakobs, Festschrift für Lüderssen, S. 565. 172 Die Problematik der Strafbarkeit juristischer Personen bleibt hier ausgeklammert.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

bloß für den Erfolgseintritt: diese schafft für sich alleine noch nicht die Grundlage eines Beteiligungsverhältnisses – begründet. Diese Begründung liegt weder darin, daß er den Auftrag bloß gegeben hat (insofern mag eine trennende Arbeitsteilung bestehen), noch darin, daß das Handeln des Beauftragten auf den Organisationskreis des Auftraggebers Rückwirkungen zeitigt, welche diesen Organisationskreis verändern: Hier wäre der Auftraggeber wohl für diese Veränderungen, für den gefährlichen Zustand seines Organisationskreises verantwortlich, nicht aber für das Verhalten des Beauftragten.173 Denn einerseits muß eine Übertragung der Verantwortung für das Ergreifen der den Verkehrssicherungspflichten entsprechenden Maßnahmen möglich sein, wenn die Einschaltung von Hilfspersonen überhaupt sinnvoll bleiben soll. Tatsächlich wird eine solche in gewissen Grenzen verantwortungsbefreiende Übertragung längst anerkannt.174 Auf der anderen Seite darf für die Begründung der Zuständigkeit des Auftraggebers nicht verlangt werden, sein Verhalten müsse rechtswidrig sein (dies mag in der Regel hinzukommen, ist aber nach dem oben Ausgeführten keine Voraussetzung). Wenn jedoch die bloße Auftragsvergabe zu wenig, und die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Auftraggebers zu viel ist, wie soll dann das Verhalten des Auftraggebers beschaffen sein, damit er in die Gemeinsamkeit einbezogen werden kann? Nach dem oben Ausgeführten mag die Antwort nicht allzu schwer zu finden sein: Das Verhalten muß die Inanspruchnahme eines Sonderrisikos bedeuten, wobei es eine – für die hier interessierende Problematik: fehlerhafte – Mitgestaltung der Gefahrenlage darstellt. Zum Beispiel: Der Betriebsinhaber, der dem Angestellten das Ergreifen bestimmter Sicherheitsmaßnahmen anvertraut hat, unterließ es bei der Beauftragung, vollständige Anweisungen zu erteilen. Die mangelhaften Anweisungen hätten jedoch vom sachkundigen Angestellten ergänzt werden können. Wenn es zur Schädigung kommt, sind beide aufgrund des gemeinschaftlich beanspruchten Sonderrisikos gemeinsam verantwortlich, selbst wenn die mangelhaften Anweisungen keine Alleintäterschaft begründet hätten und der Angestellte sich darauf berufen könnte, er habe den Auftrag nur in der vorgegebenen Form durchgeführt.

173

Insofern zutreffend Jakobs, AT 29/36. So bereits RGSt 57, 148 (151): „Dem Betriebsleiter kann nicht zugemutet werden, alle Verrichtungen der Gehilfen unausgesetzt zu überwachen; es muß vielmehr in der Regel als genügend erachtet werden, wenn er bei der Auswahl der bestellten Personen die erforderliche Sorgfalt anwendet und sich durch Stichproben von ihrer andauernden Zuverlässigkeit überzeugt“. Vgl. auch RGSt 14, 362 (363 f.): Der Eigentümer ist verpflichtet, die Flure und Treppenaufgänge seines Hauses (unter der Bedingung, daß er vorher einen „Verkehr“ im Hause geschaffen hat) „bei eintretender Dunkelheit so lange zu beleuchten, als der regelmäßige Verkehr in dem Hause stattfindet. Ob der Hauseigentümer dieser Verpflichtung genügt, wenn er anderen Personen die Beleuchtung überträgt, und ob er alsdann für die unterlassene Beleuchtung nicht verantwortlich gemacht werden kann, steht hier nicht in Frage“. 174

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Inhalt der zurechenbaren Verhaltensweisen kann jedoch nur das Gesollte sein, und dies gilt auch für die rechtlich erheblichen Mitgestaltungen eines Geschehens. Der Auftraggeber kann demnach nur insofern in die Gemeinsamkeit einbezogen werden, als es um die gesollten Leistungen geht. Die Bestimmung des Gesollten in den Fällen von Handeln in fremder Organisation hängt indes nicht hauptsächlich – wie bisher und insbesondere bei der Aufbewahrung sicherungspflichtiger Gegenstände – von der Antwort auf die Frage ab, inwieweit der Auftraggeber noch befugt ist, einzugreifen und die Lage zu gestalten, sondern auch von der sinnvollen Aufteilung der Aufgaben.175 Denn der Organisator eines Unternehmens ist nicht für jedes Risiko, das davon herrührt, tatbestandsmäßig zuständig.176 Die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens wird auch hier inhaltlich durch Bestand und Umfang von Verkehrspflichten auf objektiver Ebene konkretisiert. Gewiß: Man kann an Fälle denken, wo ein Organisator für die Beseitigung der Gefahren überhaupt oder in jedem Fall zuständig ist; dies ist jedoch eine ganz besondere Ausnahme, die einer ebenfalls besonderen Begründung bedarf (etwa die hier ausgeklammerte institutionelle Verantwortung) und, vor allem, die nur zur Bejahung seiner organisatorischen Zuständigkeit für die Risikorealisierung, aber eben nicht für das Verhalten anderer führen kann. Diese Bestimmungen machen m. a. W. die Grenze zwischen verbindender und trennender Arbeitsteilung in diesen Fällen aus. Die Voraussetzungen einer Distanzierung des Auftraggebers bzw. die Argumente, auf die er sich zur Begründung einer partiell verkürzten Arbeitsteilung (d. h. einer Trennung der Zuständigkeiten trotz Mitgestaltung der Gefahrenlage) berufen kann, sind in der Lehre und in der Rechtsprechung bereits erarbeitet worden,177 denn es wurde nämlich relativ früh anerkannt, wie äußerst disfunktional es ist, dem Auftraggeber Pflichten in dem Maße aufzubürden, daß die Einstellung einer Hilfsperson nicht mehr sinnvoll wird: durch gewissenhafte Auswahl des Beauftragten – etwa nach Eignung; durch richtige Anweisungen; durch Erteilung der einschlägigen Auskünfte bzw. Ausbildung; durch zweckmäßige Überwachung usw. Diese Kriterien beruhen auf derselben Grundlage: Insoweit ist der Auftraggeber für die 175 Deswegen ist die Begründung durch ein „Autoritätsverhältnis“, die Landscheidt (Garantenpflichten, S. 112 ff.; ähnlich LK-Schünemann, § 14, Rn. 65) für die Zuständigkeit des Betriebsinhabers angibt, selbst für die Bestimmung einer Alleinverantwortung desselben unbefriedigend. Es geht vielmehr um die Bestimmung dessen, was zu seinem Organisationskreis gehört und dementsprechend um die Herstellung einer Verbindung von Organisationskreisen; nicht aber darum, wie weit das Direktionsrecht des Geschäftsherrn reicht. Kritisch auch Jakobs (AT 29/36, Anm. 77): Der Geschäftsherr könnte z. B. „das Verlassen des Betriebsgeländes während der Arbeitszeit verbieten und so Straftaten ,draußen‘ verhindern“. 176 Es ist also nicht richtig, wenn von einer „prinzipielle(n) Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn für Handlungen seiner Bediensteten“ (so aber Rogall, ZStW 98 [1986], S. 573 ff.; auch noch LK-Schünemann, § 14, Rn. 65) ausgegangen wird. 177 Vgl. etwa LK-Schünemann, § 14, Rn. 66, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; Roxin, AT II, 27/137 f. (mit weiteren Nachweisen und Entscheidungen).

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Mitgestaltung der Risikolage zuständig; insofern kann er auch andere von der Gestaltung ausschließen, und insofern tritt er mit dem Beauftragten (in bezug auf dessen Verhalten für sich genommen er kein Gestaltungsrecht hat) in eine gemeinsame Organisation ein. Es ist also festzuhalten: Aus der Beanspruchung eines Sonderrisikos in Arbeitsteilung zwischen Auftraggeber und Beauftragtem kann sich eine gemeinsame Verantwortung ergeben. Dies geschieht, wenn sich die gebotenen Maßnahmen angesichts des Kontextes zur Erfüllung der Verkehrspflichten ergänzen sollen. Eine solche gemeinsame Zuständigkeit erstreckt sich bis zum jeweiligen Gesollten. (2) Verantwortungsaufteilung und Verantwortungsvervielfältigung Die grundlegende Frage, die beantwortet werden muß, ist also folgende: Führt das Rechtsverhältnis zwischen Auftraggeber und Beauftragtem zu einer echten Aufteilung der Verantwortung oder hingegen nur zu ihrer Vervielfältigung? Im ersten Fall handelt es sich um verbindende Arbeitsteilung, die sachliche Grundlage eines Beteiligungsverhältnisses: Der Beauftragte handelt in der Organisation des Auftraggebers, so daß beide gemeinsam das Sonderrisiko beanspruchen und aus diesem Grund für die entsprechenden (ansonsten auch zurechenbaren) Risikorealisierungen prinzipiell zuständig sind, bis zum Inhalt der jeweiligen Pflichten. In der zweiten Alternative kommt dagegen nicht zu einer Aufteilung der Verwaltung der Risiken, sondern zu einer Vervielfachung: Durch den Auftrag erwirbt der Beauftragte eine individuelle Garantenstellung, die ihn zum Sonder(allein)verantwortlichen für die Risiken macht. Die Struktur beider Modelle – die bezüglich verschiedener Vorgänge bei komplexen Prozessen koexistieren können – läßt sich folgendermaßen erklären: Verantwortungsaufteilung bewirkt eine Veränderung des Inhalts der Pflichten. Die Pflichterfüllung wird auf diese Weise aufgeteilt, so daß jeder Beitrag die Bedeutung hat, die anderen Beiträge zu ergänzen und dadurch die anderen Verpflichteten zu entlasten. Die ursprüngliche und von der Verteilung unabhängig bestehende Pflicht (die Tatbestandsverwirklichung zu vermeiden) bleibt in ihrem Umfang unberührt. Sie wird aber durch die Aufteilung zu einer gemeinschaftlichen Pflicht, welche personale und materiale Elemente (Verhaltensweisen), die wiederum verschiedenen Subjekten zugeschrieben werden, in einem Pflichtssubjekt zusammenfaßt (also inhaltlich verändert); die Pflichterfüllung wird auf diese Weise von allen vollzogen und ist dementsprechend allen zuzurechnen. Anders liegt es bei der Verantwortungsvervielfältigung: Hier ändert sich der Inhalt der Pflicht des Auftraggebers nicht: Die Pflicht bleibt in ihrer ursprünglichen Form bestehen, so wie sie entstanden ist. Aber ihr Umfang wird durch die Einschaltung von Hilfspersonen äußerlich verändert. Der Auftraggeber wird in erster Linie nur eine sachgerechte Wahl treffen und eine sinnvolle

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Aufsicht leisten müssen; dennoch bleibt er nach wie vor für das Ganze verantwortlich, wie etwa bei der Einschaltung eines Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB. Dem steht nicht entgegen, daß durch den Auftrag eine Pflicht des Beauftragten entsteht, deren Vorhandensein dazu führt, die Pflicht des Auftraggebers durch Statuierung einer neuen Pflicht in ihrem äußerlichen Umfang zu beschränken. Da es sich beim Auftraggeber nur um eine quantitative Veränderung der Pflicht handelt, kann diese Pflicht u. U. ihren ursprünglichen Umfang wieder annehmen (und nicht „aufleben“: Sie war immer vorhanden). Eine Pflicht des Auftraggebers, für den Beauftragten notfalls einspringen zu müssen, läßt sich nur bei einer solchen quantitativen Veränderung der ursprünglichen, in ihrer Tragweite unberührt gebliebenen Verpflichtung begründen. Denn nur in diesem Fall bedeutet die Pflichterfüllung seitens des Beauftragten keine Entlastung des Auftraggebers, sondern lediglich eigene Pflichterfüllung bei trennender Arbeitsteilung. Von dieser Pflichterfüllung profitiert der Auftraggeber, aber nur soweit sie wirklich erfolgt. Die Pflichtverletzung des Beauftragten aber begründet seine Verantwortung nicht – sie macht die Verantwortung nur „fällig“ –, und insbesondere wird der Auftraggeber nicht für das Verhalten des Beauftragten verantwortlich, sondern für den dadurch veränderten Zustand seines eigenen Organisationskreises. In den Fällen von Verantwortungsvervielfältigung handelt demnach der Beauftragte in seiner eigenen Organisation. Er besorgt nicht das Geschäft des Auftraggebers, sondern sein eigenes Geschäft, weshalb der Weg zu einem Beteiligungsverhältnis aus diesem Grund versperrt ist. (3) Entlastende Wirkungen der Verantwortungsaufteilung (insbesondere zum Einsatz von Sonderwissen) Nach dem herkömmlichen Verständnis der Beteiligungslehre, das in den letzten Jahren durch das Abheben auf den sog. restriktiven Täterbegriff mit Betonung der Selbstverantwortung auf dem Boden einer prinzipiell subjektiven Unrechtsbegründung geprägt ist, bedeutet Arbeitsteilung – und Beteiligung überhaupt – grundsätzlich eine Belastung des einzelnen mit der Verantwortung für fremdhändig herbeigeführte Folgen.178 Andererseits wird zunehmend und im Ergebnis zutreffend anerkannt, daß Arbeitsteilung auch eine entlastende Wirkung entfaltet,179 was nur folgerichtig ist, wenn man sich die Entstehungsvor178 Gerade deshalb erscheinen im Rahmen dieser Auffassung die Konstellationen von mittelbarer Täterschaft und der sog. „fahrlässigen Beteiligung“ als besonders problematisch, was zu ihrer ausgiebigen Behandlung führt: Vgl. etwa Heinrich, S. 202 ff.; Schneider, S. 235 ff., 259 ff.; Renzikowski, S. 81 ff.; und ferner die Diskussion um die Organisationsherrschaft innerhalb organisatorischer Machtapparate (siehe v. gr. die Beiträge von Roxin und Herzberg in Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, S. 33 ff.). 179 Wie etwa Seelmann (Kollektive Verantwortung, S. 17 ff.) und H. Jung (in: Eser/Huber/Cornils [Hrsg.], Einzelverantwortung, S. 195) hervorgehoben haben. Vgl.

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aussetzungen der Arbeitsteilung in einer komplex organisierten Gesellschaft vergegenwärtigt. Es ist jedoch bisher nur vereinzelt gelungen, die dogmatischen Auswirkungen und Konkretisierungen eines solchen Gedankens aufzuzeigen und in das System strafrechtlicher Zurechnung zu integrieren. In der sog. „Verantwortungsliteratur“ wird beispielsweise in solchen Fällen auf eine moralische Verantwortung bzw. Verantwortungsminderung verwiesen, was einem Ausweichen auf das im Apellativen Verbleibende in den Bereichen gleichkommt, wo das juristische Instrumentarium nicht mehr geeignet erscheint, der Vielschichtigkeit der Arbeitsteilung Rechnung zu tragen.180 Demgegenüber wird hier behauptet, daß diese anscheinend entgegengesetzten Folgen der Arbeitsteilung sehr wohl harmonisiert werden können, wenn man das normative Differenzierungsvermögen hinreichend untersucht. Ausgangspunkt dieser Aufgabe ist die Einsicht, daß die Unzulänglichkeit der herrschenden Auffassung bereits in dem von ihr aufgestellten Täterbegriff wurzelt. Denn der sog. restriktive Täterbegriff knüpft an naturalistische Gegebenheiten an (Tatherrschaft, Risikoherrschaft, Entscheidungsträgerschaft usw.), statt auf die Ermittlung der Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung mit Hilfe der Kriterien objektiver Zurechnung abzustellen. Deshalb müssen die normativen Ergänzungen, die solche Konzeptionen zwangsläufig hinzufügen müssen (Verantwortungsprinzip im Bereich der Willensherrschaft, Verletzung derselben Sorgfaltspflicht bei fahrlässiger Beteiligung etc.), gewissermaßen als Fremdkörper erscheinen. Wie u. a. anläßlich der Behandlung des Regreßverbots ausgeführt wurde, führt insbesondere die Frage der jeweiligen Kenntnisse der Akteure zu einer beträchtlichen Verwirrung, die meistens zu Gunsten der individuellen Sinngebung und auf Kosten der Trennung der Verantwortungsbereiche behoben wird. Daß dies mit den Erfordernissen der Arbeitsteilung in einer modernen Gesellschaft nicht in Einklang gebracht werden kann, hat spätestens Stratenwerth 1961 gezeigt.181 In dieser Hinsicht bedeutet die hier vertretene Position, daß sich die Inanspruchnahme eines Sonderrisikos in trennender Arbeitsteilung sowohl auf die Definition des Sonderwissens, als auch auf die Pflicht zu dessen Einsatz auswirkt. Wenn die Einschaltung von Hilfspersonen, die in einer komplexen Gesellschaft unabdingbar ist, möglich bleiben soll, dann muß sie vor dem Bumerangeffekt beschützt werden, der entstehen würde, wenn eine zufällige Wahrnehmung die Verantwortungsaufteilung durch Aufgabenaufteilung zunichte machen könnte. Das, was im Bereich des Alleinhandelns ohnehin zu einer Erweiterung des jeweiligen Rollenzuschnitts führt,182 scil. die Inanspruchnahme auch Rotsch, wistra 1999, S. 231 ff. und 368 ff., der aufgrund der durch Neutralisation bewirkten Begrenzung strafrechtlicher Individualzurechnung den Rückzug des Strafrechts aus den Bereichen der Umwelt- und Unternehmensdelinquenz fordert. 180 Vgl. W. Lübbe, S. 155. 181 Festschrift für Eb. Schmidt, S. 383 ff. Dazu unten C. III.

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eines Sonderrisikos, weist bei Arbeitsteilung differenzierte Züge auf. Der Rollenzuschnitt des einzelnen wird bei Arbeitsteilung im Vergleich zu dem vom einzelnen beanspruchten Risikozuschnitt zwar erweitert, aber solange die Arbeitsteilung nicht nur eine Aufgaben-, sondern auch eine Verantwortungsaufteilung bewirkt, entfaltet sie – selbst in den Fällen, in denen die Eingangssituation durch die Alleinzuständigkeit eines jeden für die Vermeidung der Tatbestandsverwirklichung gekennzeichnet ist – verantwortungseinschränkende Wirkungen, und zwar gerade dann, wenn der andere versagt. Das Gegenstück der entlastenden Wirkungen ist jedoch die belastende Wirkung der Fehler, die sowohl auf das schuldhafte Verhalten des einen als auch auf die jeweiligen – vermeidbar nicht erfüllten – Pflichten (Aufgaben) des anderen zurückzuführen sind. Arbeitsteilung bedeutet daher einerseits zwar eine Erweiterung der natürlichen Verläufe, wofür der einzelne durch seine Zugehörigkeit zur Gemeinsamkeit der Beteiligten zuständig ist (verbindende Arbeitsteilung); andererseits bedeutet sie aber auch deren Einschränkung im Bereich dessen, was unter Bedingungen trennender Arbeitsteilung geleistet wird, d. h. wo eine gemeinsame Beanspruchung eines Sonderrisikos nicht vorliegt. Die Grenze zwischen den beiden bestimmt sich nach der Tragweite der jeweiligen Pflichten der Akteure, welche die Konturen des Vertrauensgrundsatzes bzw. des Regreßverbots in den Fällen von Arbeitsteilung bestimmen. Anders ausgedrückt: Eine u. U. bestehende Pflicht, aufgrund Sonderwissens für einen anderen einzuspringen, ist in bezug auf Vorgänge, die unter Bedingungen trennender Arbeitsteilung vonstatten gehen, durch den Tatbestand des entsprechenden Erfolgsdelikts nicht strafbewehrt. Solange die Verantwortungsaufteilung zulässig ist, bewirkt sie eine Modifizierung des Inhalts der ursprünglichen Pflichtenstellung, die dazu führt, den Rollenzuschnitt des einzelnen um die pflichtgemäß delegierten Aufgaben zu stutzen. Der Bereich des Sonderwissens ist m. a. W. in den Fällen, in denen der Vertrauensgrundsatz einschlägig ist, zwar enger als in den Fällen des Regreßverbots; aber er besteht weiterhin jenseits der aufgrund der Verantwortungsaufteilung inhaltlich modifizierten Pflichtenstellung des einzelnen. Dies hat zur Folge, daß Risiken, die durch die Verantwortungsaufteilung gedeckt sind, nicht alleinig zu verantworten sind (es sei denn in Form einer unterlassenen Hilfeleistung), sondern nur gemeinschaftlich bis zur Tragweite der jeweiligen Pflichten; Risiken, die außerhalb der Verantwortungsaufteilung bleiben – sei es weil sie über die Tragweite der jeweiligen Pflichten hinausgehen oder weil sich die Verantwortungsaufteilung nicht auf sie bezieht – sind hingegen nicht gemeinschaftlich, sondern alleinig zu verantworten. Dieses Ergebnis soll jetzt an einer konkreten Konstellation verdeutlicht werden. 182 Zum Alleinhandeln s. Jakobs, AT 7/50. Aber nur beim Alleinhandeln ist richtig, daß jede Beanspruchung eines Sonderrisikos zum Einsatz von Sonderwissen verpflichtet.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

d) Handeln in fremder Organisation und Beteiligungsverhältnis am Beispiel der am Bau Beteiligten Die grundlegende Funktion der Abgrenzung der Verantwortungsbereiche – d. h. der Antwort auf die Frage, ob es im konkreten Fall um verbindende oder aber um trennende Arbeitsteilung (in diesem Zusammenhang: um Verantwortungsaufteilung oder um Verantwortungsvervielfältigung) bzw. Pflichtenkonkurrenz geht –, zeigt sich auf besondere Weise im Bereich des Bauwesens, in dem es in vielen praktisch erheblichen Fällen der Auseinandersetzung mit einer zweifachen Beauftragung der Risikoverwaltung bedarf.183 In Betracht kommen nämlich neben dem Bauherrn der mit der Bauausführung beauftragte Bauunternehmer und der mit Aufsichts- und Anweisungsfunktionen ausgestattete, vom Bauherrn angestellte (Ober-)Bauleiter. Inwiefern die Anwendung eines Verantwortungsvervielfältigungsmodells auf den Bereich des Bauwesens ungereimt sein kann und, vor allem, gegen das Selbstverantwortungsprinzip und das Regreßverbot verstoßen mag, kann hier nicht näher erörtert werden.184 Nach dem in der vorliegenden Arbeit entwickel183 Die Problematik der strafrechtlichen Verantwortung der am Bau Beteiligten ist jedoch, was die Begründung der jeweiligen Garantenstellungen spezifisch anbelangt, wenig geklärt. Über die grundlegende Arbeit von Gallas (Verantwortlichkeit, 1963) hinaus ist im Schrifttum kaum eine Abhandlung über die Begründung der Garantenstellungen und deren gegenseitige Beziehungen aus strafrechtlich-dogmatischer Sicht zu finden. Zu den strafrechtlichen Aspekten des Bauwesens, insb. hinsichtlich der Baugefährdung, s. LK-Wolff, § 323, Rn. 2 ff.; Schünemann, ZfBR 1980, S. 114 ff. insb. in bezug auf die Problematik der Regeln der Technik, und ferner die monographischen Studien von Velten und Scherer. Zu vordergründig ist in dieser Hinsicht die Analyse von H. Landau, wistra 1999, S. 47 ff. 184 Hinsichtlich der Beziehungen zwischen Bauherrn und Bauunternehmer bedeutet sie im Ergebnis die Behandlung des letzteren als „Verrichtungsgehilfen“ des Bauherrn, und zwar ungeachtet dessen, daß dies im Regelfall schon mit der Regulierung des § 831 BGB nicht vereinbar ist, denn sie erstreckt sich bekanntlich nicht auf selbständige Unternehmer, die (wenn auch unter präzisen Vorgaben des Auftraggebers) ihren Arbeitsablauf selbstverantwortlich bestimmen. Instruktiv in bezug auf das Verhältnis zwischen Bauherrn und Oberbauleiter ist die Auseinandersetzung mit der Konzeption Gallas’, Verantwortlichkeit, insb. S. 38 ff. Besonders auffällig an seinen Ausführungen ist die Weise, in der zur Begründung der Verantwortung des Architekten (Oberbauleiters) auf die Garantenstellung des Bauherrn zurückgegriffen wird. Während bei der Aufzählung der Pflichten des Bauherrn ursprünglich eine Überwachungspflicht nicht vorkommt, taucht sie später als eine dem Architekten vom Bauherrn „delegierte“ Funktion auf (Verantwortlichkeit, S. 41). Das würde bedeuten, daß die Verantwortung für die Überwachung der Bauausführung nicht auf den Bauunternehmer übertragen wurde: Der Unternehmer trägt also diese, mit der Bauausführung einhergehenden Risiken nicht. Da aber wiederum der Architekt über Sachkenntnisse verfügt, die bei einer bloßen Delegation der Zuständigkeit des Bauherrn zum (unerheblichen) Sonderwissen würden, muß eine selbständige Verantwortung des Architekten qua Übernahme aufgebaut werden, die aber nach Gallas auf widerspruchsvolle Weise nichts anderes zu bedeuten habe, als daß der Architekt „auch in dieser Rolle (. . .) an Stelle des Bauherrn“ handele (Verantwortlichkeit, S. 42). Diese „Einschränkung“ ist in Gallas’ Konstruktion

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ten Gesichtspunkt handelt es sich jedenfalls nicht um die einzige Möglichkeit, die Verantwortung der am Bau Beteiligten für Erfolgsdelikte zu erfassen, die auf eine mangelhafte Bauausführung zurückzuführen sind.185 Eine angemessene, die gemeinschaftliche von der alleinigen Verantwortung im Zuge einer sinnvollen Aufgabenaufteilung scheidende Behandlung dieser Konstellationen ist durchaus möglich: Verbindende Arbeitsteilung zwischen Bauherrn, Bauunternehmer und Oberbauleiter besteht nur innerhalb der „Schnittmenge“ der jeweiligen Pflichten. Das heißt, daß der Bauherr nur insofern gemeinsam mit dem Bauunternehmer bzw. dem Oberbauleiter handelt, als er sie ausgewählt hat, und zwar in den Grenzen der Kriterien, die für eine solche Auswahl einschlägig sind. Insofern handelt nämlich der Unternehmer in der Organisation des Bauherrn, der ihn bestellt hat. Ob die Risiken, die über die Auswahl- und Ersatzpflicht hinausgehen oder aber deren Verhütung ohne Rücksicht auf die Schuld der Akteure gewährleistet werden soll, dem Geschäftsherrn als Alleinverantwortlichem nach dem Modell der Verantwortungsvervielfältigung zuzurechnen sind, ist eine andere Frage. Sie ist allerdings bei verschiedenen Regelungsbereichen riskanter Unternehmen anders zu beantworten: Es handelt sich dabei um die Erschließung sozialer Semantik und insofern auch um Funktionalität bzw. Zweckmäßigkeit in der gesellschaftlichen Risikoverteilung.186 Jedenfalls erfolgte eine solche Zurechnung nach dem Muster des Alleinhandelns, mit den deswegen notwendig, weil ansonsten die Pflichten des Architekten zu weit reichen würden: Von ihm soll nämlich prinzipiell nicht mehr als vom Bauherrn gefordert werden (Verantwortlichkeit, S. 43). Dennoch räumt Gallas ein, daß die Wahrnehmungsmöglichkeiten des Architekten „praktisch“ höher sind im Vergleich zum Bauherrn (Verantwortlichkeit, S. 43), so daß jener sich im Ergebnis, anders als dieser, durch fahrlässige Nichtwahrnehmung eines Mangels wegen fahrlässiger Tötung bzw. Körperverletzung doch strafbar machen kann (Verantwortlichkeit, S. 44). 185 Das Vergehen der Baugefährdung (§ 319 StGB) bleibt hier ausgeklammert. 186 Auswahl- und Ersatzpflicht können auf diese Weise unterschiedliche Bedeutungen aufweisen, je nach dem Regelungsbereich. Bei hoch riskanten Herstellungsvorgängen ist beispielsweise an die Anwendung des Verantwortungsvervielfältigungsmodells zu denken. Hier gäbe es also Raum für eine Vervielfachung durch Neugründung einer eigenständigen Verantwortung beim Übernehmenden, die eine Pflicht zum Eingreifen (Einspringen) des Auftraggebenden bestehen läßt und seine „kontingente Entlastung“ (wenn der Beauftragte die Pflicht erfüllt, dann profitiert davon der Auftraggeber) bewirkt, aber keine gegenseitige Belastung: Jeder bleibt bei seiner Pflicht in bezug auf das Ganze. So beispielsweise im Verhältnis zwischen Facharzt und Assistenzarzt. Der Facharzt muß u. U. die Arbeit des Assistenzarztes gerade deswegen überwachen, weil in diesem Bereich nur eine Aufgaben- und nicht eine Verantwortungsaufteilung zulässig ist (d. h. nur eine vorübergehende und rein äußerliche Änderung des Umfangs der jeweiligen Pflichten, die aber inhaltlich identisch bleiben). Dies liegt nicht zuletzt daran, daß – anders als beim Bauwesen – das Verhältnis zwischen den Akteuren auf der Ebene der Sachkunde gerade das umgekehrte ist, was sich auf die gesellschaftliche Verteilung der Risiken auswirkt. Hier zeigt sich also abermals, wie die Frage, ob Arbeitsteilung zugleich Verantwortungsaufteilung bedeutet – d. h. ob trennende oder verbindende Arbeitsteilung vorliegt –, nur anhand des jeweiligen Kontexts beantwortet werden kann.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

entsprechenden Folgen in bezug auf den Versuchsbeginn, die Behandlung persönlicher Merkmale, den Kausalitätsbeweis etc. Wird das Verantwortungsaufteilungsmodell auf den Bereich des Bauwesens angewandt, so darf der Bauherr einem Vorgang untätig zusehen, den er als vermutlich fehlerhaft betrachtet, der aber vom einwandfrei bestellten Bauunternehmer durchgeführt wird, und er wird dadurch nicht zum Alleintäter (Nebentäter) eines fahrlässigen Unterlassungsdelikts, sondern höchstens einer unterlassenen Hilfeleistung – wie übrigens jedermann –, wenn es aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Durchführung zu Körperverletzungen kommt. Insofern greift der Vertrauensgrundsatz in seiner spezifischen Ausgestaltung für die in Frage stehenden Konstellationen ein und insofern ist die Arbeitsteilung trennend, da sich die Pflichten des Bauherrn in einer adäquaten Auswahl erschöpfen. Hat er aber einen erkennbar unzuverlässigen Bauunternehmer bestellt, dann wird er zum Beteiligten an den entsprechenden Tatbestandsverwirklichungen. Sollen sich die Grundlagen der Auswahl ändern – sollte also der zuverlässige durch eine für jedermann erkennbar nachlässige Arbeit zum unzuverlässigen Unternehmer werden –, dann muß er den Unternehmer ersetzen oder einen überwachenden Fachmann bestellen. Nur in diesem Sinne ist richtig, daß dem Bauherrn eine durchgehende Zuständigkeit für die Bauausführung zukommt. Aber aus der Auswahlpflicht ergibt sich insbesondere nicht, daß dem Bauherrn stets eine Überwachungsrolle zukommt.187 Auf diesen Grundsätzen beruht auch eine sachgerechte Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen den anderen am Bau Beteiligten. Zwischen Bauunternehmer und Oberbauleiter besteht, soweit der letzte ein Organ der Bauüberwachung darstellt, eine trennende Arbeitsteilung, welche, da beide Garanten für eine den Verkehrssicherungspflichten entsprechende Bauausführung sind, in eine Verantwortungsvervielfältigung übergeht188 (wie im Beispielsfall 187 Wie BGHSt 19, 288 irrtümlicherweise annimmt. Andererseits kann es in Fällen von Alleinhandeln und Alleinzuständigkeit für das Sonderrisiko zwar richtig sein, den Garanten zum Einsatz von Sonderwissen zu verpflichten: Wenn eine Person bereits Garant ist, können u. U. zufällige Kenntnisse eine Handlungspflicht begründen, obwohl es ohne die zufällige Offenbarung an einem subjektiv zurechenbaren Verhalten gefehlt hätte. So muß etwa der Hauseigentümer sein Dach auch dann vor herabfallenden Ziegeln sichern, wenn sich ihm die Notwendigkeit hierzu nur zufällig zeigt; der Fahrer eines Autos, dessen Bremsen überraschend versagen, muß das Fahrzeug so lenken, daß es ausrollen kann, ohne Schaden anzurichten (Beispiele nach Jakobs, AT 29/30). Dies verhält sich aber bei Verantwortungsaufteilung anders. Soll der Bauunternehmer die Risiken der Bauausführung tragen, dann trägt auch nur er das Risiko von Zufallsmomenten. 188 Das soeben Ausgeführte hat bereits das RG auf den Punkt gebracht: „Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ansicht der Strafkammer begründet ist, daß es gleichgültig sei, wem gegenüber B. [der von der Bauherrin bestellte Bauführer] privatrechtlich haftbar war. Denn ausschlaggebend ist nur, wozu er sich verpflichtet hatte. Hatte er sich nun auch, wie die Strafkammer sagt, zur Überwachung der Bauarbeiten anstellen lassen, so müssen doch die dem Unternehmer und seinen Bauführern obliegenden und

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von Roxin, wo der eine etwas herzustellen und der andere die Qualitätskontrolle übernommen hat189). Zwischen mehreren Bauunternehmern, die jeweils verschiedene Bauabschnitte durchzuführen haben, kann jedoch verbindende Arbeitsteilung vorliegen. Das ist deswegen so (und nicht nur in bezug auf die Baugefährdung), weil jeder einzelne seinen Bauabschnitt als einen Beitrag zu dem Bau als Ganzes übernommen hat. Aus diesem Grund gehört auch zu seinen Pflichten, wie Gallas treffend bemerkt, „daß er bei seiner Leistung Rücksicht darauf nimmt, was andere Unternehmer vor ihm ausgeführt haben, neben ihm ausführen oder nach ihm ausführen werden“.190 Aus dem soeben Ausgeführten läßt sich also folgendes in bezug auf die Beteiligungsverhältnisse entnehmen: Bei der Beauftragung mit der Verwaltung eines Risikos innerhalb des eigenen Organisationskreises als Quelle einer gemeinsamen Verantwortung kommt es nicht auf die Frage an, inwieweit der Auftraggeber noch befugt ist, die Risikolage zu gestalten, nachdem er den Auftrag erteilt hat.191 Da eine sinnvolle Arbeitsteilung und damit die entsprechende Verantwortungsaufteilung möglich bleiben soll, bilden in diesem Zusammenhang nur die Bedingungen einer sinnvollen Arbeitsteilung den notwendigen Maßstab. In diesem Sinne kann nicht von einer durchgehend vorhandenen Allzuständigkeit des Auftraggebers, etwa des Betriebsinhabers, ausgegangen werden. Es kommt vielmehr darauf an, ob nicht nur der Umfang, sondern auch der Inhalt der Pflichten modifiziert wurde. Eine Pflicht des Auftraggebers, für den Beauftragten einspringen zu müssen, läßt sich nämlich nur bei Änderungen bezüglich des Umfangs der Pflichten begründen, d. h. beim Verantwortungsvervielfältigungsmodell. Wurden dagegen die Pflichten inhaltlich modifiziert – und das geschieht u. a. aufgrund einer verbindenden Arbeitsteilung in Form der Verantwortungsaufteilung, die zu sich ergänzenden und gegenseitig entlastenden, gesollten Leistungen führt –, dann kommt es innerhalb der Tragweite der je-

die den Bauführern der Bauherrin auferlegten Verpflichtungen scharf auseinandergehalten werden“ (RGSt 43, 328, Herv. nur hier). Dem ist nur hinzuzufügen, daß die Bestellung eines Oberbauleiters zu einer Mehrfachsicherung führt, so daß Bauunternehmer und Oberbauleiter für eine den Verkehrssicherungspflichten entsprechende Bauausführung kumulativ zuständig sind (zutreffend Gallas, Verantwortlichkeit, S. 56 mit Anm. 140). Ihre Beziehungen regeln sich nach dem Vertrauensgrundsatz. 189 Täterschaft, 2. Aufl., S. 536. 190 Verantwortlichkeit, S. 17 (Herv. vom Verf.). Daß hier eine verbindende Arbeitsteilung vorliegt, wird beispielsweise schon dadurch indiziert, daß der Unternehmer, der die Vorleistung erbracht hat, den nach ihm bauenden Unternehmer auf besondere Umstände seiner eigenen Leistung hinweisen muß, die dieser hinsichtlich der Sicherheit kennen soll, aber von sich aus nicht erkennen kann. 191 Dies macht den Unterschied zu den oben behandelten Fällen vorübergehender Überlassung einer Gefahrenquelle aus: Der Auftraggeber mag noch befugt sein, einzugreifen; er muß es aber nicht unter allen Umständen tun, selbst wenn es um den Umgang mit gefährlichen Gegenständen geht. Die gemeinschaftliche Inanspruchnahme des Sonderrisikos beschränkt sich auf das Gesollte.

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weiligen Pflichten zu einem Beteiligungsverhältnis, d. h. zu einer akzessorischen, gemeinsamen Verantwortung, bei der keine Pflicht des einzelnen „aufzuleben“ braucht, sondern das Einzelverhalten zu einem Beitrag (unter anderen) zur Tatbestandsverwirklichung wird („belastende“ Wirkung). Aber außerhalb der Tragweite der jeweiligen Pflichten besteht keine Gemeinsamkeit, und deshalb auch keine Pflicht zum Einsatz von Sonderwissen, wie auch in bezug auf das pflichtgemäß Beauftragte keine Alleinverantwortung besteht („entlastende“ Wirkung). Damit sind die Konturen des Vertrauensgrundsatzes in den Fällen von Einschaltung von Hilfspersonen im Bereich des Bauwesens umrissen. e) Die Funktion des § 14 StGB beim Handeln in fremder Organisation Das Problem, das der Regelung von § 14 StGB zugrunde liegt, läßt sich – soweit es hier interessiert – wie folgt zusammenfassen: Die Norm bezieht sich auf einige im StGB enthaltene Tatbestände,192 bei denen die in der Sanktionsnorm vorgesehene Täterstrafe nur demjenigen auferlegt werden darf, der ein bestimmtes Merkmal aufweist. Es handelt sich aber um Merkmale, die nicht „höchstpersönlich“ sind (keine institutionelle Pflichten oder Absichten), da Voraussetzung für die Anwendung des § 14 StGB nach üblichem Verständnis ist, daß die mit diesen Merkmalen einhergehenden Pflichten materiell übertragbar sind.193 Die Übertragung der Pflichtenstellung als Erfordernis der Anwendung der Norm bildet nämlich die materielle Berechtigung dazu, das Gesetz, welches diese Merkmale zur Erfüllung des Tatbestandes verlangt, so auslegen zu dürfen, daß es auch den im formellen Sinne „qualifikationslosen“ Beauftragten erfaßt. Eine solche materielle Begründung wird grundsätzlich deswegen gefordert, weil die Anwendung des § 14 StGB nach der herkömmlichen Beteiligungslehre als eine zur Verhinderung von Strafbarkeitslücken notwendige Ausdehnung der täterschaftlichen Verantwortung angesehen wird. Denn wenn man einerseits zwischen Täter und Teilnehmer qualitativ unterscheidet und, andererseits, nur derjenige als Täter in Betracht kommt, der im Ausführungsstadium zumindest (funktionelle Tatherrschaft) mitwirkt, dann kann der Qualifizierte, der aber bei der Ausführung nicht tätig ist, kein Täter sein. Da er aber kein Täter sein kann, 192 Wenige: §§ 283 ff., 288, 264 Abs. 1 Nr. 2, 266a StGB; die meisten gehören zum Nebenstrafrecht und sind in der Regel als Ordnungswidrigkeiten geahndet, so daß der § 14 StGB gleichlautende § 9 OWiG anwendbar ist. 193 Vgl. Roxin, AT II, 27/96; Köhler, AT, S. 554 f. Auch mit teleologischen Überlegungen LK-Schünemann, § 14, Rn. 1. Institutionelle Pflichten sind nicht übertragbar: Vertraut der Polizist den Festgenommenen einem Bürger vorübergehend an, so wird der Bürger nicht nach § 120 Abs. 1 und nicht nach § 120 Abs. 2 StGB bestraft, wenn er den Festgenommenen entweichen läßt. Das privatrechtliche Unternehmen, das eine Gefängnisanstalt verwaltet, erwirbt durch den entsprechenden Vertrag eine institutionelle Garantenstellung („als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter“), die neben der Garantenstellung des Staates besteht.

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kann der qualifikationslose Ausführende nach den Regeln der qualitativen Akzessorietät auch nicht Teilnehmer werden. Dementsprechend bleiben der herkömmlichen Lehre nur zwei Möglichkeiten, um diese „Strafbarkeitslücke“ zu schließen. Die erste besteht darin, Delikte mit solchen (übertragbaren) Tätermerkmalen als Pflichtdelikte zu behandeln, so daß es der Tatherrschaft als Grundlage der Täterschaft nicht mehr bedarf. Das ist aber nicht nur normentheoretisch fragwürdig, sondern auch angesichts des Wortlauts des bereits vorhandenen § 14 StGB unvertretbar: Der Außenstehende müßte dann eine gemilderte und nicht die volle Strafe verdienen, wie es die Vorschrift anordnet. Gerade darin besteht die Problematik für Roxin:194 Eine Überwälzung der ungeminderten Strafe auf den qualifikationslosen Ausführenden kann nur dadurch erklärt werden, daß die entsprechende Pflichtenstellung auf ihn übertragen wurde. Wenn es aber so wäre, dann lägen die Voraussetzungen der Täterstrafe bei dem (nunmehr) intraneus vor, was die Norm des § 14 StGB überflüssig machen würde.195 Die zweite Möglichkeit geht davon aus, daß die in Frage kommenden Tatbestände keine Pflichtdelikte seien, oder, wie bei Schünemann,196 daß die Annahme eines Pflichtdelikts kein Verzicht auf Herrschaftskriterien zu bedeuten habe. Das ist mit Sicherheit der Ausgangspunkt der in § 14 StGB enthaltenen Regelung; es ist aber auch alles andere als aufschlußreich. Wenn z. B. Schünemann meint, der Vertreter verwirkliche das materielle Unrecht des Garantensonderdelikts, aber zugleich könne er nur im Rahmen des § 14 StGB als Täter qualifiziert werden, weil ihm die Statusbezeichnung des tatbestandlichen Täters fehle,197 dann bildet die thematisierte Norm lediglich einen Machtspruch, der die (nach hergebrachter Lehre) „Ausdehnung“ der Strafbarkeit gar nicht begründen kann. In diesem Sinne können die Einschränkungen, welche die Norm insbesondere hinsichtlich anderer gewillkürter Vertretungsverhältnisse beinhaltet, entgegen der sog. faktischen Betrachtungsweise nur als begrüßenswert, jedoch nicht als begründbar, erscheinen. Die Norm erkläre also einfach den Nicht-Qualifizierten zum Täter, wenngleich nur in bestimmten, willkürlich ausgewählten Fällen. Es gilt jedoch als ausgemacht, daß die Verantwortung des Beauftragten die Verantwortung des Auftraggebenden nicht ausschließt.198 Das heißt, daß die Vertreterhaftung einerseits eine im strafrechtlichen Sinn wirksame (§ 14 Abs. 3 StGB) Übertragung der jeweiligen Pflichten voraussetzt, wie zutreffend betont wird;199 aber andererseits heißt es, daß dadurch die Pflichtenstellung, und somit 194 195 196 197 198 199

AT II, 27/96 ff. Vgl. auch Jakobs, AT 21/14. LK-Schünemann, § 14, Rn. 12 ff. LK-Schünemann, § 14, Rn. 12, 17. Jakobs, AT 21/10. Zur Rechtsprechung s. Roxin, AT II, 27/137, Anm. 187. s. o. Anm. 177 und 193.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

eine eventuelle Verantwortung des Übertragenden bestehen bleibt. Geht man im Sinne der hier vertretenen Lösung in manchen Fällen von Handeln in fremder Organisation von einem Beteiligungsverhältnis aus, dann kann auch ein wichtiger Teil der durch § 14 StGB erfaßten Konstellationen eine durchaus plausible Lösung im Wege der Beteiligung finden: Merkmale, die vom Gesetz für die Bestrafung als Täter verlangt werden, müssen nicht bei jedem Beteiligten vorliegen („Außenstehende“ dürfen nur als Täter nicht bestraft werden); ebensowenig braucht der als Täter zu bestrafende Beteiligte (hier: der Sonderpflichtige), wenn ein Beteiligungsverhältnis vorliegt, die tatbestandsmäßigen Handlungen eigenhändig zu verwirklichen (wie z. B. bei § 288 StGB nach wohl herrschender Meinung).200 In bezug auf diese Konstellationen hat demnach § 14 StGB keine strafausdehnende bzw. strafbegründende, sondern vielmehr eine strafschärfende Funktion: Die Norm schreibt vor, daß bestimmte Vertreter auch mit der Täterstrafe bestraft werden können, oder, anders ausgedrückt, daß das Gesetz so tun will, als ob das persönliche Merkmal des Auftraggebers bei hoch positionierten Beauftragten ebenfalls vorläge: Das Gesetz schreibt ihnen ein persönliches Merkmal zu, das bei Beteiligung nur eine strafschärfende Wirkung hat (Strafschärfung kraft Stellung im Betrieb). § 14 StGB würde demnach eine strafbarkeitsbegründende Wirkung nur in den Fällen entfalten, in denen trotz Handelns in fremder Organisation kein Beteiligungsverhältnis vorliegt, d. h. in den Fällen, (i) in denen die Pflichtenstellung eines jeden Akteurs prinzipiell selbständig ist, oder aber, (ii) in denen die Tatbestandsverwirklichung dem Sonderpflichtigen nicht zuzurechnen ist. Erstere (i) sind aber nur die Fälle von Verantwortungsvervielfältigung und von institutioneller Zuständigkeit. In solchen Fällen liegt eine Doppelzuständigkeit nach § 14 StGB nur dann vor, wenn entweder die Übertragung oder die Ausübung der beauftragten Tätigkeit eine selbstständige Garantenstellung des Beauftragten zu begründen vermag.201 Ansonsten verbleibt die Zuständigkeit ausschließlich beim Auftraggebenden. Aber diese Konstellationen sind gerade diejenigen, bei denen § 14 StGB nach wohl herrschendem Verständnis nicht einschlägig ist, d. h. wo die Pflicht nicht auf 200 Ein anderes Beispiel: Nach üblichem Verständnis gehört die Zueignungsabsicht zu denjenigen persönlichen Merkmalen, auf die sich die Sonderregelung des § 14 StGB nicht erstreckt. Sie muß also in der Person des Beauftragten selbst vorliegen. Handelt der Beauftragte im allgemeinen Rahmen des Auftrags – er soll beispielsweise den Betrieb zum Teil leiten (§ 14 Abs. 2 StGB) – und will er etwa eine weggenommene fremde Sache dem Betrieb zum vorübergehenden Gebrauch zuwenden, dann liegt kein Diebstahl (§ 242 StGB) vor, wenn die Sache später durch eine andere Abteilung verarbeitet oder veräußert wird, wobei der Betriebsinhaber nichts dagegen unternimmt. In Betracht kommt nur noch eine Unterschlagung durch den Betriebsinhaber (§ 246 StGB), es sei denn, man kann von Gemeinsamkeit zwischen Betriebsinhaber und Abteilungsleitern sprechen. 201 Man müßte zudem die anderen Voraussetzungen für die Anwendung des § 14 StGB berücksichtigen: Nur bestimmte Qualifikationen kommen in Betracht (etwa nicht Zueignungsabsicht), nur bei bestimmten Vertretungsverhältnissen und nur beim Handeln aufgrund des Auftrags.

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den Vertreter übertragen werden kann, so daß er nie aufgrund der Vertretung, sondern allenfalls aus einem selbstständigen Grund, als Täter behandelt werden könnte: Institutionelle Pflichten sind nämlich nicht mit verantwortungsbefreiender Wirkung übertragbar, und erst recht diejenigen Pflichten nicht, bei denen trotz organisatorischer Quelle auf eine mehrfache Sicherung ohne Rücksicht auf das schuldhafte Verhalten anderer abgezielt wird. Wenn es aber so ist, dann bleibt nur eine Fallgruppe, in der die Regulierung des § 14 StGB strafbarkeitsbegründend wirkt, und zwar die Konstellationen, in denen trotz Handelns in fremder Organisation deswegen kein Beteiligungsverhältnis vorliegt (ii), weil die Tatbestandsverwirklichung dem Qualifizierten organisatorisch nicht zuzurechnen ist (etwa weil der Vertrauensgrundsatz eingreift).202 Die übliche Annahme, die Bestrafung des Ausführenden als Täter lasse die Verantwortung des Qualifizierten unberührt, ist also nicht präzise genug: In Fällen von Beteiligung verhält es sich vielmehr so, daß die Strafbarkeit des Qualifizierten und die Strafbarkeit des Nicht-Qualifizierten – gemeinsames Handeln – sich bedingen und gegenseitig begründen. In allen anderen Fällen ist § 14 StGB erst dann erheblich, wenn der Qualifizierte eben nicht verantwortlich (oder eine juristische Person – diese Problematik bleibt hier ausgeklammert) ist.203 Dann schafft nämlich allein die Norm des § 14 StGB eine Sonderverpflichtung qua Stellung im Betrieb (bzw. nach der Art der Vertretung) beim ursprünglich nicht Verpflichteten. Die Legitimation dieser letzten Wirkung der Norm, die nicht nur die Behandlung des nicht-qualifizierten Beteiligten als Täter (Strafschärfung), sondern die Begründung der Strafbarkeit beim nicht-qualifizierten Alleintäter überhaupt zur Folge hat, ist mit dem Ausschluß der Zurechnung in bezug auf den Qualifizierten eng verbunden und nur aus dieser Perspektive zu leisten. Es muß sich um 202 Dies stimmt mit der aus anderen Gründen verbreiteten Annahme überein, § 14 StGB regele keinen Fall von Beteiligung: so etwa Roxin, AT II, 27/85. Im Ergebnis hat jedoch Roxin (AT II, 27/104 ff.) die Bedeutung des § 14 StGB als terminologische Frage abgetan: Es komme darauf an, ob der Gesetzgeber bestimmte (meistens zivilrechtliche) Statusbegriffe zur Kennzeichnung des Täters verwende. Gebrauche er stattdessen nur Handlungsbeschreibungen, so greife § 14 StGB nicht ein, weshalb alle gewillkürten Vertreter verantwortlich sein können. Das bedeutet, daß es auf das Bestehen einer materiellen Pflichtenstellung und dementsprechend auf ihre mögliche Übertragung eigentlich nicht ankommt. So liege z. B. das „Betreiben“ einer Anlage i. S. der §§ 325, 327 „nicht nur beim Adressaten der behördlichen Genehmigung, sondern ebenso bei dem vor, der die Anlage tatsächlich in Betrieb nimmt“ (AT II, 27/ 108). Dabei wird jedoch verkannt, daß das „tatsächliche Betreiben“ entweder auf einer Delegation beruht (die freilich nicht rechtswirksam zu sein braucht) – und dann sind die entsprechenden Pflichten übertragen (ggf. auch durch § 14 StGB unmittelbar geschaffen) worden – oder es stellt eine Anmaßung des Betreibers dar – und dann handelt er nicht als Adressat einer Genehmigung, sondern einfach „ohne Genehmigung“, was den Adressaten (Beteiligung ausgeklammert) nichts angeht. 203 Dem steht der Gesetzeswortlaut nicht entgegen: Die Norm regelt die Verantwortung des qualifikationslosen Ausführenden; über den Qualifizierten besagt sie nichts.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

einen Fall handeln, in dem die Übernahme von einem Garanten in einer Weise erfolgt, welche diesen von der Verantwortung – zumindest teilweise: etwa Verantwortungsaufteilung – befreit. Das ist bekanntlich bei institutionellen Pflichten und bei Konstellationen, in denen der Qualifizierte für die Beseitigung einer Gefahr überhaupt zuständig ist, nicht der Fall. In den hier interessierenden Sachverhalten geht es beispielsweise darum, daß der qualifizierte Betriebsinhaber zwar für die Eignung des Übernehmenden einzustehen hat, nicht aber für die Beseitigung der Gefahr überhaupt. Dann wird er durch eine gewissenhafte Auswahl befreit, selbst wenn der Übernehmende anschließend versagt. Ähnliches gilt für die Fälle, in denen die Pflicht zu einer sinnvollen Überwachung erfüllt ist. In diesen Fällen organisiert der Übernehmende nicht in dem Bereich, der ihm und dem Auftraggeber gemeinsam ist, sondern selbstständig, so daß einerseits eine gemeinsame Verantwortung ausscheidet, während dies durch eine Doppelzuständigkeit nicht ausgeglichen werden kann204 (sie beanspruchen insofern nicht gemeinschaftlich ein Sonderrisiko). Aus diesem Grund kann der Konflikt nur auf Kosten des selbstständig organisierend Übernehmenden erledigt werden. Genau dies ermöglicht die Norm des § 14 StGB. Mit dieser Begründung kommt auch der Sinn der in § 14 StGB vorgesehenen Einschränkungen zum Vorschein. Denn es ist keine einfache Aufgabe, zu bestimmen, ob die Übernahme mit verantwortungsbefreiender Wirkung für den Auftraggeber erfolgt ist. Die Vorschrift soll hierbei zu Hilfe kommen. So wird deutlich, daß in bezug auf Organe juristischer Personen und deren Mitglieder, oder auf vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft eine Verantwortung des Auftraggebers nicht in Frage kommt. Dasselbe gilt für Fälle gesetzlicher Vertretung, in denen der Grund für die vom Gesetz angeordnete Vertretung auf die strafrechtliche Unverantwortlichkeit des Vertretenen hinweist. Interessanter sind aber die in Abs. 2 enthaltenen Bestimmungen. Demgemäß reicht die Beauftragung mit der Leitung eines Betriebes oder eines Unternehmens (ganz oder zum Teil) prinzipiell aus, um eine trennende Arbeitsteilung zu begründen (unabhängig davon, daß sie wiederum durch Doppelsicherung überlagert wird). Wie oben ausgeführt wird allerdings diese Trennung wieder entkräftet, wenn durch mangelnde gesollte Mitgestaltung der Gefahrlage (Nichterfüllung von sinnvollen Aufsichtspflichten, unzureichende Anweisungen etc.) eine Distanzierung der Beiträge nicht mehr möglich ist. Ähnliches gilt für die ausdrückliche Beauftragung (es geht um eine Abgrenzung der Zuständigkeiten), in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des 204 Der Betriebsinhaber mag weiterhin für den Zustand seiner Organisation zuständig sein, und dadurch für den entsprechenden Erfolg, jedoch nicht für das Verhalten des Beauftragten. Der Ausschluß der Gemeinsamkeit mag also die Alleinverantwortung aufgrund der Rückwirkungen im eigenen Organisationskreis des Betriebsinhabers unberührt lassen; die Feststellung dieser Alleinverantwortung taugt aber nicht gleichzeitig dazu, die Verantwortung des Außenstehenden zu begründen.

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Betriebs oder des Unternehmens obliegen. Daß damit nicht alles gesagt ist, mag deutlich genug sein. Aber eine alle gewillkürten Vertretungsverhältnisse einschließende Regulierung würde dabei noch weniger helfen. 2. Gemeinsame Verantwortung für den Mißbrauch sicherungspflichtiger Gegenstände Eine oft an besonderer Stelle behandelte Konstellation bilden die Fälle, in denen die Verantwortung für eine Risikorealisierung darauf beruht, daß ein bestimmter Gegenstand, dessen allgemeine Verfügbarkeit ein unerlaubtes Risiko darstellt, aber dessen Besitz und Gebrauch unter bestimmten Vorkehrungen zulässig ist, deswegen in ungeeignete bzw. nicht befugte Hände geraten ist und sich auf diese Weise sein spezifisches Risiko realisiert hat, weil er nicht pflichtgemäß aufbewahrt wurde. Dabei handelt es sich vor allem um Waffen, Kraftfahrzeuge, Flugzeuge, Sprengstoffe, bestimmte Gifte und (mit Einschränkungen205) auch um Betäubungsmittel. Kennzeichnend für die mit dem erlaubten Besitz bzw. Gebrauch eines solchen Gegenstandes einhergehende Beanspruchung eines Sonderrisikos ist, daß die gesetzliche Regelung selbst auf mehr oder weniger emphatische Weise eine Aufbewahrungspflicht aufstellt, deren Verletzung an sich bereits mißbilligt und bisweilen auch strafbewehrt ist.206 Gerade aus diesem Grund muß von vornherein klargestellt werden, daß es hier nicht bloß um die Verletzung einer Aufbewahrungspflicht geht,207 sondern um die Verantwortung für die Risikorealisierung – genauer: ob, und ggf. unter welchen Bedingungen, eine gemeinsame Verantwortung zwischen dem Aufbewahrungspflichtigen und dem Mißbrauchenden für die von diesem unmittelbar bewirkte, tatbestandsmäßige Risikorealisierung entstehen kann. Diese Konstellationen unterscheiden sich also von den soeben behandelten (wie der vorübergehenden Überlassung einer Gefahrenquelle) unter normativen Gesichtspunkten 205

Hierzu Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 229, Anm. 14. Vgl. etwa § 15 BtMG (hierzu Körner, Kommentar zum BtMG, § 15, Rn. 1); §§ 5, 7 ff., 42 WaffenG; §§ 2 ff. KriegswaffenG; §§ 7 ff., 24 insb. Abs. 2 Nr. 4 SprengstoffG; §§ 3 ff. AtomG. Zu Fahrzeugen s. §§ 14, 35 StVO; § 38a StVZO (Pflicht zur Sicherung gegen Schwarzfahrer und unbefugte Benutzung). 207 Demnach bleibt hier die Frage außer Betracht, ob, falls eine gemeinsame Pflicht zur Aufbewahrung besteht (das Verhalten, das gemeinsam erbracht werden soll, ist das Ergreifen der entsprechenden Maßnahmen zur Aufbewahrung des Gegenstandes), eine gemeinsame Verantwortung für die Nicht-Aufbewahrung entsteht, wenn der Gegenstand in falsche (unbefugte) Hände gerät. Eine gemeinsame Zuständigkeit der Pflichtigen für das nachfolgende Erfolgsdelikt ist prinzipiell zu bejahen (fahrlässige Mittäterschaft), sofern sie gemeinsam das besondere Risiko, das von dem Gegenstand ausgeht, beansprucht, und sich mithin die entsprechenden Sicherungspflichten auferlegt haben (dabei können private Vereinbarungen über die Aufteilung der Risiken nur dann wirksam werden, wenn sie den einschlägigen Normen – WaffG, BtMG usw. – nicht widersprechen). 206

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

grundsätzlich nicht, und in diesem Sinne handelt es sich nur um Unterfälle, die durch den phänotypischen Unterschied gekennzeichnet sind, daß hier die Sache nicht überlassen, sondern nicht aufbewahrt wird.208 Aber auch in einem anderen Sinne bilden diese Konstellationen keine besondere Erscheinung: Auch hier geht es darum, zu bestimmen, ob der Gesamtkontext verbindend in bezug auf die jeweiligen Organisationskreise wirkt. Denn daß die Verantwortung desjenigen, zu dessen Organisationsbereich der sicherungspflichtige Gegenstand gehört – und ebenfalls, wie sich zeigen wird, seine gemeinsame Verantwortung mit dem Zweithandelnden – durchaus vom entsprechenden Kontext, und mithin von der Semantik des sozialen Kontakts abhängig ist, wird nicht dadurch entkräftet, daß die Erschließung des (ggf. gemeinsam ausgedrückten) deliktischen Sinnes bei sicherungspflichtigen Gegenständen durch die entsprechende Regelung erleichtert wird. Was die gesetzlichen Vorschriften über Aufbewahrung bestimmter Gegenstände (damit sie nicht in falsche Hände geraten) zum Ausdruck bringen, ist gerade die Feststellung, daß prinzipiell das Risiko eines Mißbrauchs seitens Dritter zum Besitz und Gebrauch solcher Gegenstände gehört. Von einer Begründung der (ggf. gemeinsamen) Verantwortung ohne Rücksicht auf den entsprechenden Kontext kann jedoch keine Rede sein. Positiv formuliert heißt das, daß ein gemeinschaftliches, tatbestandsmäßiges Verhalten nur dann anzunehmen ist, um mit den Worten Frischs zu sprechen, wenn „konkrete Anhaltspunkte für einen demnächst bevorstehenden Zugriff nicht entsprechend befähigter oder zu einem deliktischen Mißbrauch entschlossener Personen auf Sachen bestehen, die entsprechenden Organisationspflichten unterliegen“.209 Dieses kontextuale Element betrifft demnach die Beantwortung der Frage, ob die Aufbewahrungspflicht überhaupt in einer für die Beteiligungsfrage erheblichen Weise verletzt worden ist. Steht jedoch die Pflichtverletzung mit Einbeziehung des kontextualen Elements fest, dann wird dieses nicht weiter berücksichtigt, weil von diesem Augenblick an die Standardisierung – die zentrale Definition über die Zusammengehörigkeit der Risiken – auf der Ebene objektiver Zurechnung gilt.210 Im folgenden soll das Zusammenspiel beider Momente näher betrachtet werden. 208

Für eine Gleichstellung auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 248: Es handelt sich nämlich um dieselbe Verhaltensnorm. Siehe oben C. I. 1, insb. C. I. 1. c) bb). 209 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 249; s. ferner S. 255: „Solange es in der konkreten Situation an Anhaltspunkten für die entsprechende Entwicklung fehlt, läßt sich ein auch tatbestandsmäßiges Verhalten i. S. der einschlägigen Verletzungserfolgsdelikte (§§ 222, 230 [a. F.] StGB) nicht annehmen“. 210 Dies hat in der Umkehrung zur Folge, daß sich der Ausschluß der Verantwortung für das nachfolgende Erfolgsdelikt aufgrund des kontextualen Elements nicht nur auf die gemeinsame Verantwortung, sondern auch auf eine etwaige Alleinverantwortung für die Risikorealisierung erstreckt. Es bleibt also in diesen Fällen bei den Straffolgen der abstrakten Verletzung der Aufbewahrungspflicht, falls sie im Gesetz angeordnet sind.

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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a) Kontextuale Bestimmung der Pflichtverletzung Das erste Moment, die Verletzung der Aufbewahrungspflicht, läßt sich an der Regulierung des Umgangs mit Kfz verdeutlichen. Die Rechtsprechung hat vom einschlägigen Regelwerk die den Halter (und ggf. den Fahrer, dessen Pflicht von der Pflichtenstellung des Halters abgeleitet wird) betreffende Pflicht zur Sicherung des Kraftfahrzeugs gegen Benutzung durch unbefugte bzw. unqualifizierte Personen abgeleitet.211 Dementsprechend muß z. B. der Halter den Zündschlüssel vor einer räumlichen Entfernung vom Fahrzeug abziehen (solange dies nicht durch ständige Überwachung ersetzt wird), die Fahrt von Betrunkenen verhindern,212 sowie überprüfen, daß die Person, der das Kraftfahrzeug überlassen wird, einen Führerschein besitzt.213 Gleichwohl kann eine strafrechtliche Verantwortung für die einschlägigen Verletzungserfolgsdelikte (§§ 222, 229 StGB) allein auf der Basis dieser Pflichten noch nicht begründet werden. Das Verlangen nach Vorzeigen des Führerscheins ist z. B. bei der Vermietung von Fahrzeugen an unbekannte Personen geboten; aber etwas anderes mag gelten im Verhältnis zu Personen, die man seit langem kennt und an deren Zuverlässigkeit zu zweifeln kein Anlaß besteht.214 In diesem Zusammenhang thematisiert Freund eine interessante Entscheidung des OLG Düsseldorf.215 Die Entscheidung hebt insbesondere hervor, daß die Frage der kontextuellen Verletzung der Aufbewahrungspflicht nicht mit der Frage der Erfolgszurechnung zu verwechseln ist. Es verhält sich nämlich nicht so, daß jede Pflichtverletzung eine Verbindung mit dem Zweitverhalten herstellt, während die Erfolgszurechnung mangels verbindenden Kontextes ausbleiben mag. Das kontextuelle Element betrifft vielmehr bereits die Herstellung eines deliktischen Sinnbezugs auf der Verhaltensebene. Angeklagt war die Ehefrau eines „begeisterten“, aber keine Fahrerlaubnis besitzenden Autofahrers, wegen fährlässigen Zulassens des Führens eines Kfz ohne die dazu erforderliche Fahrerlaubnis gem. § 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StVG. Der Mann hatte am frühen Morgen nach dem Zündschlüssel des Wagens der zu dieser Zeit noch schlafenden Angeklagten gesucht und ihn in der Seitentasche ihres Wintermantels, der im Kleiderschrank hing, tatsächlich gefunden. Er fuhr mit dem Wagen zum Einkaufen und verursachte unterwegs einen Verkehrsunfall auf eisglatter Fahrbahn. Das OLG hat die Angeklagte freigespro211 BGHSt 17, 289 (er muß sogar die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch Personen verhindern, deren Qualifikation er nicht prüfen kann); BGHSt 18, 359; BGH VRS 14 (1958), S. 197 ff. 212 BGHSt 14, 24; 18, 6; 18, 359; OLG Karlsruhe in GA 1980, S. 429 ff.; OLG Hamm NJW 1983, S. 2456. 213 BGH VRS 27, S. 185 f. 214 Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 230. 215 StV 1987, S. 253 f. (= JZ 1987, S. 316).

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

chen, mit der Begründung, daß es verfehlt sei anzunehmen, „der Fahrzeughalter müsse allgemein verhindern, daß Personen, die nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sind, Zugang zu den Schlüsseln erhalten können“. Eine andere Ansicht müsse davon ausgehen, daß „allgemein befürchtet werden müßte, ein Dritter werde den Besitz des Zündschlüssels oder die Möglichkeit, einen solchen Besitz zu erlangen, dazu mißbrauchen, das Fahrzeug gegen den Willen des Fahrzeughalters eigenmächtig in Betrieb zu setzten. Eine solche Auffassung kann ernstlich nicht vertreten werden, weil sie im Ergebnis darauf hinausliefe, jeden, der nicht im Besitze einer Fahrerlaubnis ist, als potentiellen Straftäter anzusehen“. Die Pflicht des Halters, den Zugang zum Schlüssel durch besondere Maßnahmen zu verwehren, besteht also nur dann, wenn konkrete Umstände vorliegen, die befürchten lassen, der andere werde – ohne Erlaubnis oder sogar gegen den Willen des Halters – das Fahrzeug in Betrieb nehmen. Ähnliches gilt grundsätzlich auch für andere sicherungspflichtige Gegenstände.216,217 Diese Entscheidung ist jedoch nur insofern interessant, als sie einen wichtigen Beitrag zur Bestimmung der Aufbewahrungspflichten und ihrer Verletzung leistet. Sie bezieht sich jedoch nicht auf das zweite Moment, die Standardisierung der gemeinsamen Verantwortung für die Risikorealisierung, da die Verantwortung für den durch den Ehemann verursachten Unfall nicht zur Debatte stand. Es fragt sich also nun, ob der Pflichtige als Beteiligter an dem nachfolgenden Erfolgsdelikt behandelt werden kann bzw. ob sich die Nichtaufbewahrung zuständigkeitsbegründend in bezug auf die nachfolgende Tatbestandsverwirklichung auswirkt, wie es bei einer Übergabe des Gegenstandes der Fall wäre.218

216 In diesem Sinne auch BayObLG (Entscheidungen n. F., Bd.46 [1996], S. 42): Der Halter verletzt seine Sorgfaltspflicht nur beim Vorliegen konkreter Umstände, die einen Mißbrauch befürchten lassen, selbst wenn er, wie in diesem Fall, den Zündschlüssel stecken gelassen hat, während der Beifahrer, dem die Fahrerlaubnis entzogen worden war, im Fahrzeug wartete. 217 Zur Bestimmung der Pflichtverletzung liefert Frisch (Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 264) ein brauchbares Kriterium: Entscheidend sei, ob der Zweithandelnde sich des Gegenstandes durch Eingreifen in die Sphäre des Ersthandelnden bemächtigen müsse oder nicht. Dies muß aber – entgegen Frisch – einer Unterscheidung zwischen Änderung des eigenen Herrschaftsbereichs und Erweiterung fremder Macht nicht unbedingt entsprechen. Zum Ganzen Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 247 ff., 360 ff.; Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 168 f.; Jakobs, AT 29/34; Wehrle, S. 106 ff.; Welp, S. 288; Roxin, Festschrift für Tröndle, S. 194 f.; Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 229 ff. 218 Von einer gemeinsamen Verantwortung des Pflichtigen mit dem Ausführenden (wenn jener nichts unternimmt, um die Tatbestandsverwirklichung abzuwenden) kann übrigens auch dann die Rede sein, wenn der Pflichtige der abstrakten (aus der isolierenden Perspektive betrachteten) Aufbewahrungspflicht nachgekommen ist. Denn der Kontext kann im konkreten Fall mehr verlangen, d. h. dem Verhalten des Pflichtigen, das der abstrakten Norm entspricht, einen deliktischen Sinn in Verbindung mit den Verhaltensweisen des/der Dritten verleihen. Wie oben ausgeführt, braucht das Einzel-

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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b) Der Zurechnungszusammenhang im Aufbau des Beteiligungsverhältnisses Die Verantwortung des Aufbewahrungspflichtigen für das einschlägige Erfolgsdelikt ist in der Lehre vielfach thematisiert worden.219 Mit Hilfe des Garderobenfalls des RG220 und des seit Frank221 bekannt gewordenen Jägerbeispiels kann ein Überblick über diese Problematik gewonnen werden. Im Garderobenfall hatte der Beschwerdeführer „beim Besuch des Theaters seinen Überzieher, in dessen Tasche sich, wie er wußte, ein geladener und mit einer Sicherung nicht versehener Revolver befand, in der Garderobe abgegeben. Als die Garderobefrau gegen den Schluß der Vorstellung den Überzieher auf den Tisch legte, fiel der Revolver zur Erde. Der Logenschließer Kr. hat den Revolver, nachdem er ihn aufgehoben, auf die Brust des Kastellans M. angelegt und in der Meinung, daß er nicht geladen sei, abgedrückt. Der Schuß hat den M. in das Herz getroffen und dessen sofortigen Tod herbeigeführt“.222 Fälle dieser Art sind in der herkömmlichen Lehre grundsätzlich folgendermaßen behandelt worden. Im Zusammenhang der alten Regreßverbotslehre wird darauf abgehoben, ob der Zweithandelnde vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Der Schwerpunkt wird also auf die subjektive Zurechnung gelegt. In der ersten Variante soll das Regreßverbot im Sinne Franks „die Kausalität“ unterbrechen, mit der Folge, daß der fahrlässige Ersthandelnde von jeglicher Verantwortung für das Erfolgsdelikt befreit wird.223 Dieser, auf die subjektive Zurechnung abstellende Ansatz, ist bereits im zweiten Teil unter dem Stichwort „fahrlässige Beteiligung an vorsätzlicher Tat“ behandelt worden. In der zweiten Variante aber (der Ausführende handelt fahrlässig) soll eine fahrlässige Nebentäterschaft in Betracht kommen, da von der Unmöglichkeit einer (fahrlässigen) Beteiligung an fahrlässiger Tat ausgegangen wird. Die Zurechnung zum Erstverhalten bei gemeinsamem Handeln nicht an sich mißbilligt zu sein. Siehe ferner oben Anm. 100. 219 Für eine zusammenfassende Darstellung aus der hier im Grunde für richtig gehaltenen Perspektive s. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 247 ff., 360 ff. und Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 226 ff. 220 RGSt 34, 91; hierzu Welp, S. 314; Schumann, Selbstverantwortung, S. 93 ff.; P. W. Landau, S. 161. 221 StGB § 1. III, 2 (S. 14); hierzu Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 249, 254. Gegen die Strafbarkeit haben sich etwa M. E. Mayer (AT, S. 155) und R. v. Hippel (Strafrecht, II, S. 141 f.) ausgesprochen; a. A. Mezger (Strafrecht, S. 126) und RGSt 64, 374. 222 RGSt 34, 91 f. 223 StGB § 1, III, 2 (S. 14): „Auch ist der Jäger, der sein geladenes Gewehr unvorsichtigerweise in eine Wirtschaft mitgenommen hat, nicht haftbar, wenn es ein anderer benutzt, um schuldhaft und vorsätzlich einen Dritten zu töten (wohl aber, wenn der andere ein Geisteskranker ist oder wenn er zwar schuldhaft, aber nur fahrlässig handelt)“.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

handelnden hängt jedoch in diesem Fall davon ab, ob die Tatbestandsverwirklichung von ihm vorhersehbar war (Kausalität unterstellt). In moderneren Fassungen wird dieses Vorhersehbarkeitserfordernis durch den umfassenderen Begriff des Zurechnungszusammenhanges ersetzt. So kommt es dazu, daß der fahrlässiger Förderer eines vorsätzlichen Delikts gar nicht bestraft, während der fahrlässige Förderer eines Fahrlässigkeitsdelikts selbst zum Täter eines Fahrlässigkeitsdelikts gemacht wird. Die langjährige Diskussion um das Regreßverbot hat in bezug auf die in Rede stehenden Konstellationen nur eines bewirkt: Heute wird auch anerkannt, daß eine fahrlässige Täterschaft neben einer vorsätzlichen Täterschaft vorliegen kann. Das ist auch grundsätzlich die Lösung von Frisch,224 nach der außerdem zu unterscheiden sei, ob der Ersthandelnde seinen Organisationsstatus für das Rechtsgut nachteilig verändert (Begehung: Waffe während eines Streites in die Garderobe der Wirtschaft hängen) oder dagegen nichts unternommen habe, um die Tatbestandsverwirklichung abzuwenden (Unterlassung: früher aufgehängte Waffe während des Streites nicht zurückfordern). Die Bejahung der Alleinverantwortung des fahrlässigen Ersthandelnden entgegen der Regreßverbotslehre Franks ist bekanntlich keine Neuigkeit. Das RG hatte nämlich eine solche Verantwortung aus kausalen Gründen (Vorhersehbarkeit unterstellt) immer bejaht. Was später auch die Wissenschaft zu überzeugen vermochte, war wohl die Einführung von Argumenten, die den bloß kausalen Bereich zu verlassen schienen. Von ihnen – wie etwa der konkreten Vorhersehbarkeit, der Beherrschbarkeit im Sinne der Hegelianer usw. – ist bereits im zweiten Teil die Rede gewesen. An dieser Stelle scheint es angebracht, nur darauf hinzuweisen, daß der große Aufwand zur Begründung der Alleinverantwortung des fahrlässig Ersthandelnden ebenfalls vielfältige Möglichkeiten eröffnet hat, die normativen Kriterien für eine gemeinsame Verantwortung aufzustellen. Diese Kriterien sind nämlich diesbezüglich neutral, u. a. weil die moderne Lehre immer noch davon ausgeht, daß die Verbindung zwischen den Beteiligten grundsätzlich eine Frage der subjektiven Zurechnung, eines wie auch immer gearteten Einverständnisses ist. Dies zeigt sich daran, daß die Autoren, die in letzter Zeit wohl am gründlichsten die hier interessierenden Konstellationen erarbeitet haben, keine Schwierigkeiten damit haben, eine fahrlässige Beihilfe nur deswegen in fahrlässige Nebentäterschaft umzubenennen, weil die erstere nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht strafbar sei bzw. weil im Fahrlässigkeitsbereich ein Einheitstäterbegriff gelte.225

224

Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 249, 254. So schreibt etwa Frisch (Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 362) in bezug auf Fälle der Verletzung der Aufbewahrungspflicht: Wer diese Pflicht mißachtet, „handelt tatbestandsmäßig i. S. der durch die Gefahrendimension je bestimmten Erfolgsdelikte. Praktisch wird es sich dabei regelmäßig um Konstellationen der fahrlässigen Nebentä225

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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So begründet Freund die Zuständigkeit der Akteure mit dem Nutzen der Normeinhaltung für die berechtigten Belangen des Güterschutzes und mit der besonderen Verantwortung für ein schadensträchtiges Geschehen aufgrund der Inanspruchnahme einer besonderen Freiheitsentfaltung. Täterschaft oder Teilnahme sollen sich nach dem Vorwurf unterscheiden: Die Verantwortung „beschränkt sich freilich auf den Anteil am drohenden schadensträchtigen Geschehen, der gerade die Sondergefahr des eigenen Organisationskreises betrifft, die sich nicht güterschädigend oder -gefährdend auswirken soll“.226 Es komme also darauf an, ob dem Einzelnen „die sonderverantwortliche Nichtvermeidung des schadensträchtigen Geschehens insgesamt“ vorgeworfen werden kann, oder der Vorwurf sich „lediglich auf einen gewissen Anteil am drohenden schadensträchtigen Verlauf bezieht“.227 Dies bedeutet zunächst, daß der Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme anhand quantitativer Kriterien durchgeführt wird. Aber die Verantwortungsbegründung bezieht sich auf den einzelnen, so daß sie nicht akzessorisch ist: Jeder verletzt seine eigene Pflicht. Wenn es aber so ist, dann liegt ein perfekter Normbruch (zumindest in der Form des Versuchs) mit der Nichterfüllung der Aufbewahrungspflicht vor, was zur Einzellösung beim Versuchsbeginn führen sollte. Daß eine solche Folge jedoch nicht gezogen, also strafbare Beihilfe nur bei Versuchsbeginn des Ausführenden angenommen wird,228 erscheint nicht folgerichtig. In der Darstellung Freunds kommt also das diesen Auffassungen zugrunde gelegte Bild der Beteiligungslehre noch deutlicher zum Vorschein: Die Zurechnungskriterien vermögen gleichermaßen eine gemeinsame oder eine alleinige Verantwortung zu begründen. Das liegt daran, daß es nach dieser Konzeption ein Beteiligungsverhältnis im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung eigentlich nicht gibt. Den Teilnehmern wird nicht die Tat, sondern das Erbringen des eigenen Beitrags vorgeworfen, und sie werden deswegen als Teilnehmer bestraft, weil sie ein fremdes Unrecht durch ihren Beitrag mit herbeigeführt haben. Aus diesem Grund kommt das fremde Handeln in der Begründung der Verantwortung des Teilnehmers (wie es auch beim Täter der Fall ist) nur als äußerliche Bedingung für die Strafbarkeit vor.229 So schreibt Freund, daß Beteiterschaft handeln, doch sind bei Erfüllung entsprechender subjektiver Voraussetzungen auch Fälle der Beihilfe, u. U. sogar der mittelbaren Täterschaft, denkbar“. 226 Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 232. 227 Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 235 (Herv. nur hier): Im Jägerbeispiel also entgegen Frisch nur Beihilfe. 228 Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 235 f. 229 Freund, AT 10/14: „Das Verhalten des Haupttäters ist für den Teilnehmer lediglich eine Art Erfolgssachverhalt oder eine diesem gleichwertige Gegebenheit“. Diese Behauptung entspricht der grundsätzlichen Auffassung Freunds über den Strafgrund der Teilnahme: „Diese limitierte Akzessorietät der Teilnahme beruht auf dem Charakter der Straftat des Teilnehmers als selbständiger Straftat. Trotz der Anbindung an eine Haupttat muß das Teilnehmerdelikt [!] eigenständig die (. . .) allgemeinen und ggf.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

ligung beim fahrlässigen Aufbewahrungspflichtigen „nicht prinzipiell undurchführbar wäre“,230 aber sie scheide wegen der Fahrlässigkeit aus, da das Fahrlässigkeitsdelikt einem Einheitstäterbegriff unterliege. Die Verantwortung des Aufbewahrungspflichtigen für das Erfolgsdelikt ist also im Schrifttum, und der Terminologie nach sogar als Beteiligung, bereits erörtert worden. Aber die normative Beschaffenheit der im Gesetz vorgesehenen Überwachungs- bzw. Sicherungspflicht ist dabei nicht beachtet worden. Denn für die Begründung eines Beteiligungsverhältnisses ist nicht maßgebend, daß der Gegenstand an sich gefährlich ist (man geht mit seinem menschenscharfen Hund spazieren), sondern, daß die Norm (zumindest auch) auf eine bestimmte Gestalt der Gefahr bedacht ist, nämlich den deliktischen Mißbrauch des Gegenstandes seitens verantwortlicher Dritter.231 Ähnliches gilt für die Aufsichtspflichten.232 Insofern handelt es sich um eine akzessorische Verantwortung: Die Organisationskreise sind verbunden, weil einerseits der Organisationskreis des Aufbewahrungspflichtigen in standardisierten Weise mit der Pflicht (mit der spezifischen Aufgabe) belastet ist, angesichts schuldhaften Drittverhaltens bestimmte Vorkehrungen zu treffen, und, andererseits, der Zweithandelnde mit seinem Verhalten gerade an das Verhalten des die Aufbewahrungspflicht Versäumenden anknüpft. Die Zusammenfassung der Verhaltensweisen zu einer Gesamttat ist deswegen nicht nur naheliegend, sondern auch, wie es sich etwa an der Problematik des Versuchsbeginns zeigt, normativ geboten. Es ist bemerkenswert, daß die Suche nach einem Zurechnungszusammenhang in der heutigen Begründung der fahrlässigen Alleintäterschaft des Aufbewahrungspflichtigen den Weg zu dieser Lösung gebahnt hat. Während das Problem in der Regel in bezug auf das Kriterium des Sorgfaltspflichtwidrigkeitszusammenhangs analysiert und im Rahmen der Einzelverantwortung gelöst wird (jeauch etwaige besondere Strafvoraussetzungen erfüllen“ (Freund, AT 10/12, Herv. nur hier). 230 Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 236. 231 Dabei ist gleichgültig, ob der Pflichtige seinen Organisationsbereich in einem Zustand unter dem Organisationssoll beläßt oder ihn in den inadäquaten Zustand versetzt (Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 253). 232 Instruktiv in dieser Hinsicht BGH JZ 2004, S. 975 ff. (mit Anm. Saliger). Der BGH legt dem LG Potsdam die Möglichkeit nahe, die Strafbarkeit von Klinikärzten zu bejahen, die einem psychiatrisch behandelten Straftäter Ausgang gewähren, wenn dieser während des Ausgangs Tötungen und Körperverletzungen auf selbstverantwortliche Weise begeht. Die Ärzte seien nach dem BGH u. U. „fahrlässige Nebentäter“ neben dem „vorsätzlich handelnde[n] (Haupt-)Täter“ (BGH JZ 2004, S. 977). Die Bejahung einer Alleinzuständigkeit der Ärzte für die entsprechenden Erfolgsdelikte hat u. a. zur Folge, daß der Versuchsbeginn bei der Zulassung des Ausgangs anzusetzen ist: Ab diesem Zeitpunkt ist nur Rücktritt nach allgemeinen Regeln möglich. Die Lösung funktioniert also in diesem Fall nur deswegen, weil der fahrlässige Versuch nach dem Gesetz (bis auf eine Ausnahme – noch) nicht strafbar ist.

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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der verletzt die eigene Sorgfaltspflicht, jeder ist Alleintäter), wird hier von diesem Zusammenhang – der bezüglich der hier in Rede stehenden Konstellationen nichts anderes als eine verdeckte Beteiligungsbegründung bildet – eine gemeinschaftliche Pflicht abgeleitet. Nur auf diese Weise ist es möglich, die Verantwortung des Aufbewahrungspflichtigen für das Erfolgsdelikt und nicht nur für die Sorgfaltspflichtverletzung – mit den Worten Frischs: nicht nur für das Zurückbleiben hinter dem Organisationssoll – zu begründen. Der Zusammenhang besagt, daß die Verhaltensweisen zusammengehören, und zwar nicht nur im kausalen Sinne.233 Die Beanspruchung des Sonderrisikos wird zu einer gemeinschaftlichen aufgrund der kontextuellen Verflechtung der jeweiligen Verhaltensweisen und der die Akteure betreffenden Pflichtenstellung. c) Ergebnis: Funktion und Grenzen der Standardisierung des Beteiligungsverhältnisses Es sei hier noch einmal daran erinnert, daß die Gemeinsamkeit in den hier behandelten Konstellationen dem normativ strukturierten Kontext zu entnehmen ist. Daher handelt es sich um Normen, deren Funktion (zumindest auch) darin besteht, bestimmte Verhaltensweisen deswegen anzuordnen bzw. zu verbieten, weil sie nach allgemeiner Erfahrung als besonders – stereotyp – geeignet erscheinen, zu Bausteinen von Verhaltensweisen selbstverantwortlicher Dritter zu werden, die zu Tatbestandsverwirklichungen führen können. Darin liegt begründet, daß die Tatbestandsverwirklichung auch als Werk des Ersthandelnden (bzw. Unterlassenden) begriffen werden kann: Sein Verhalten hat, nachdem die Pflichtverletzung festgestellt wurde, den allgemeinen Sinn, vermittelst eines Drittverhaltens eine solche Tatbestandsverwirklichung zustande zu bringen. Was in bezug auf die in Rede stehenden Erfolgsdelikte strafrechtlich mißbilligt wird, ist nicht die Verletzung der abstrakten Aufbewahrungspflicht, sondern die Tatbestandsverwirklichung, die das Drittverhalten mit einbezieht. Aus diesem Grund liegt sowohl beim Garderobenfall als auch beim Jägerbeispiel Gemeinsamkeit im normativen Sinne vor. Dem Maß an Mitgestaltung der Tötung entsprechend handelt es sich aber hinsichtlich der Verletzung der Aufbewahrungspflicht im Regelfall um ein Verhalten, das nur eine Beihilfestrafe begründen könnte, wie es auch im Falle von Vorsatz die angebrachte Bewertung wäre. Eine gemeinsame Verantwortung im hier gemeinten Sinne kommt hingegen nicht in Betracht, wenn die Organisationskreise nicht stereotyp, sondern lediglich kontingenterweise verbunden sind, d. h. wenn die Pflicht des Ersthandelnden nicht darauf bedacht ist bzw. nicht so weit reicht, daß er mit schuldhaften 233 Wobei kausale Aspekte auch einen indizierenden Wert haben können. So konstatiert etwa Freund (Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 192, Anm. 108), daß das Kfz keine an sich gefährliche Sache ist, sondern erst durch drittvermittelten Betrieb dazu wird.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Verhaltensweisen Dritter, die zu Tatbestandsverwirklichungen führen können, zu rechnen bzw. für sie einzustehen hat. Zum Beispiel:234 Der Gastwirt hat aus Gefälligkeit durch Ansichnahme der Schlüssel die Aufgabe übernommen, dafür zu sorgen, daß der Gast nicht angetrunken nach Hause fährt; später aber legt er den Schlüssel so hin oder läßt ihn so herumliegen, daß der Gast sich in angetrunkenem Zustand doch ans Steuer setzt und bei dieser Trunkenheitsfahrt einen tödlichen Unfall verursacht. Frisch will hier den Gastwirt wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen qua Übernahme für verantwortlich halten.235 Dabei wird allerdings vorausgesetzt, daß es sich nicht um einen Fall von Beteiligung, sondern von Alleinverantwortung handelt. Aus diesem Grund bedürfte die Annahme Frischs noch einer zusätzlichen Erklärung dafür, daß der Gastwirt als Täter der fahrlässigen Tötung bestraft wird, obwohl der Unfall die Folge des selbstverantwortlichen Fahrens des berechtigten Halters gewesen ist. Denn der Halter hat allemal gegenüber dem Gastwirt eine bezüglich des Kfz vorrangige Organisationsgewalt inne.236 In bestimmten Konstellationen kann nämlich sowohl eine gemeinsame als auch eine alleinige Verantwortung in Frage kommen. Beide beruhen jedoch auf unterschiedlichen Voraussetzungen und beziehen sich auf verschiedene Ausschnitte des Geschehens, so daß es irreführend ist, die Einzelverantwortung mit Argumenten zu begründen, die lediglich eine akzessorische Verantwortung begründen können. Dies gilt auch umgekehrt: Eine akzessorische Verantwortung läßt sich nicht durch bloße Übertragung des Einzeltäter-Paradigmas dartun. Dieser dogmatisch grundlegende Unterschied kann an folgender Entscheidung verdeutlicht werden:237 H. hatte im Laufe von sieben Stunden in der Gastwirtschaft des Vaters des Angeklagten fünf Flaschen Bier getrunken und wurde dabei teilweise vom Angeklagten bedient. Auf Wunsch des H. übernahm es der Angeklagte aus Gefälligkeit, den H. mit dessen Lastwagen nach Hause zu fahren, weil H. sich selbst infolge des genossenen Alkohols fahruntüchtig fühlte. Unterwegs, an einer Brücke, erklärte der Angeklagte, austreten zu müssen, hielt den Wagen an und stieg aus. Bei dieser Gelegenheit äußerte H., daß er jetzt selbst weiter fahren wolle. Der Angeklagte ließ das widerspruchslos zu. Auf der Weiterfahrt fuhr H. eine Frau an, da er infolge des Alkoholgenusses das Fahrzeug nicht sicher beherrschte. Die Frau wurde auf der Stelle getötet. Der Angeklagte wurde durch die Große Strafkammer wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Die Revision führte zum Freispruch. Das Urteil des OLG beruht darauf, daß den Angeklagten keine Pflicht treffe, H. an der Weiterfahrt zu hindern, als dieser die Absicht äußerte, den Wagen wieder selbst zu übernehmen. 234 235 236 237

Nach Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 249. Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 249. Vgl. Jakobs, AT 29/34. OLG Karlsruhe JZ 1960, S. 178 f. (mit Anm. Welzel).

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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Über die im Grunde zutreffenden Ausführungen des OLG hinaus, ist in bezug auf die hier interessierende Fragestellung festzuhalten: Ein Beteiligungsverhältnis, d. h. hier eine akzessorische Verantwortung des Angeklagten, lag in diesem Fall nicht vor. Denn weder der Kellner als solcher noch derjenige, der aus Gefälligkeit den für das Kraftfahrzeug vorrangig Zuständigen eine Strecke gefahren hat, hat die Pflicht, den (noch zurechnungsfähigen) Befugten an dem Gebrauch des Wagens zu hindern.238 Wenn nämlich eine gemeinsame Verantwortung auf der normativen Grundlage beruht, den sicherungspflichtigen Gegenstand mit Blick auf Verhaltensweisen Dritter aufbewahren zu müssen, dann kommt sie nur dann zustande, wenn der Pflichtige eben dieser Pflicht nicht nachkommt. Die Norm sieht m. a. W. keine Umkehrung vor: Wird der Pflichtige selbst zum Mißbrauchenden des Gegenstandes, dann liegt keine auf dieser Basis ruhende normative Gemeinsamkeit mit anderen Akteuren vor. Wichtig ist auch, daß umgekehrt auch keine Alleinverantwortung des Kellners bzw. Gastwirts zu begründen ist, wie die Entscheidung des OLG zeigt. Denn eine Verantwortung des Kellners wäre dann nur akzessorisch zu begründen gewesen – das Urteil erwog am Ende die Möglichkeit einer Anstiftung, die zu Recht abgelehnt wurde –, d. h. durch eine organisatorische Gemeinsamkeit, die in dem Fall nicht vorlag. Im Beispiel von Frisch liegt dementsprechend gemeinschaftliche Verantwortung nicht vor, weil das mißbrauchende Verhalten des vorrangig Zuständigen keine Verletzung der Aufbewahrungspflicht bildet, so daß die Basis für die Einbeziehung Dritter in den tatbestandsverwirklichenden Prozeß aus diesem Grund entfällt. Die Verbindung der Organisationskreise ist also nur kontingenter Art; sie steht jenseits dessen, was im Bereich der Aufbewahrung sicherungspflichtiger Gegenstände gesollt ist. Gleichwohl – und im Gegensatz zu der soeben angesprochenen Entscheidung – mag sich der Gastwirt für eine fahrlässigen Tötung durch Übernahme verantwortlich gemacht haben; aber nur unter der Bedingung, daß ein Fall von Übernahme tatsächlich vorlag, d. h. daß die Zusage des Unterlassungstäters zur Ausschaltung der Selbstverantwortung des Gastes oder zu einer Lage geführt hat, in der die Gründe für die Beherzigung seiner vorrangigen Organisationsgewalt in bezug auf das Kfz entfielen. Ansonsten behält er stets das Recht, den Auftrag an den Gastwirt zu kündigen und die Verantwortung seiner Handlungen selbst zu tragen. Ist der Auftrag – explizit oder, wie es wohl im Regelfall sein wird, durch Taten – gekündigt worden, dann ist der Gastwirt wie jedermann verantwortlich, scil. im Rahmen der unterlassenen Hilfeleistung. In beiden Fällen bleibt es jedoch, und das ist das hier interessierende Fazit, bei einer Einzelverantwortung.

238 Zur Bedeutung von „befugt“ und „unbefugt“ in der StVO s. die Analyse Welzels, JZ 1960, S. 180.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Ähnliche Überlegungen gelten auch für verwandte Erscheinungen und Konstellationen. So etwa in den Fällen, in denen das vor Drittschädigungen schützende Sicherungspotential vorenthalten oder ausgeschaltet wird, auf dessen Bestand das Opfer einen Anspruch hat.239 Beispielsweise: Zum Spaß hindert jemand das Opfer daran, die Wohnungstür zu schließen, woraufhin fremde Dritte in die Wohnung eindringen; oder: Der Täter blockiert mit seinem Fahrzeug die Autobahn derart, daß es bei (auch mäßig fahrlässigem) Verhalten anderer Fahrer zu Unfällen kommen kann. Zu einer Verbindung der entsprechenden Organisationskreise kann es in diesen Fällen deswegen kommen, weil das durch die Norm vorgesehene Sicherungspotential auf stereotyp vorkommende Verhaltensweisen Dritter zugeschnitten ist, welche die Ausschaltung der Sicherung zur Tatbestandsverwirklichung in der Tat ausgenutzt haben, oder deren Verhalten erst aufgrund der Anbahnung durch den Ersthandelnden bzw. Unterlassenden zum tatbestandsverwirklichenden Verhalten geworden ist. Entsprechendes gilt auch für den Gastwirt und den Wohnungsinhaber in bezug auf Straftaten, die andere im Lokal bzw. in der Wohnung begehen. Sie sind für die Sicherheitsvorkehrungen verantwortlich, welche die Herstellung eines Verkehrs im Lokal oder in der Wohnung mit sich bringt.240 Ihnen kommt jedoch aus den in diesem Abschnitt behandelten Haftungsgründen – namentlich der Verwaltung eines sicherungspflichtigen Gegenstandes – keine Pflicht zu, sich um die Abwendung von Straftaten zu kümmern, die andere in den Räumlichkeiten der Wirtschaft oder der Wohnung begehen können und durch die eine gemeinsame Verantwortung mit den letzteren entstehen könnte.241 Einer gemeinsamen Verantwortung aus anderen Gründen, insbesondere aufgrund einer Einpassung des Verhaltens des Gastwirts bzw. des Wohnungsinhabers in das deliktische Geschehen,242 sowie einer Einzelverantwortung wegen des Zustandes des eigenen Organisationskreises (etwa wegen loser Dachziegel, die herunterzufallen drohen), steht das Gesagte nicht entgegen. 3. Gemeinschaftliche Rettungspflicht a) Retter und ein Sonderrisiko beanspruchender Geretteter Bei Notwehr und rechtfertigendem Notstand spielt die Verhältnismäßigkeit zwischen Angriff und Abwehr bzw. Rettungsaktion eine entscheidende Rolle. So ist es zwar richtig, daß im Falle von Notwehr das Sonderrisiko nicht vom 239

Hierzu Jakobs, AT 29/34. Zum Begriff der „Herstellung eines Verkehrs“ und den damit verbundenen Pflichten grundlegend RGSt 14, 362 (363). 241 Vgl. Lackner/Kühl, StGB, § 13, Rn. 15. 242 Hierzu, wenngleich auf die Begründung der Einzelverantwortung zugeschnitten, Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 239 ff. 240

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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Angegriffenen, sondern vom Angreifer beansprucht wird und insofern keine besonderen Rettungspflichten entstehen, die den Angegriffenen treffen könnten. Aber sie können doch entstehen, wenn dadurch die Erforderlichkeit der Reaktion gewahrt werden muß (der Angreifer etwa, der dem Angegriffenen keine freie Bahn läßt, wird gestoßen und droht, in einen Abgrund herunterzufallen). Ähnlich verhält es sich beim aggressiven Notstand: Der Eingreifer muß die Güter des Angriffsopfers auch insofern schonen, als das für die Wahrung der Erforderlichkeit notwendig ist. Dennoch wird im Falle des aggressiven Notstands, wie bereits ausgeführt, ein Sonderrisiko gegenüber dem Eingriffsopfer beansprucht, und zwar sowohl vom Eingreifenden als auch vom Begünstigten, in dessen Organisationskreis der erste handelt. Aus diesem Grund ist der Gerettete, auch der Unschuldige, in bezug auf den Eingreifenden sogar vorrangig zuständig für die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.243 An zweiter Stelle haftet der Eingreifer und evtl. auch das Eingriffsopfer, das gemäß § 323c StGB den Eingriff dulden oder sogar bei der Rettung mitwirken soll.244 An erster Stelle ist jedoch derjenige zuständig, der durch Inanspruchnahme eines Sonderrisikos (d. h. auch keines unerlaubten Risikos) die Gefahr veranlaßt hat, die durch die Notstandshandlung abgewendet wurde. Die Handlung, die die Gefahr veranlaßt, braucht also nicht rechtswidrig zu sein (actio illicita in causa245); es reicht damit aus, daß sie ein Sonderrisiko beansprucht. Zum Beispiel: Ein hoch betagter Passant läuft auf leichtfertige Weise vor einem Kinderwagen auf dem Bürgersteig, so daß die Mutter, die den Wagen schiebt, ein Ausweichmanöver vollziehen muß, um einen wohl schweren Unfall abzuwenden. Dabei stößt der Wagen auf einen anderen Fußgänger, der so unglücklich stürzt, daß er ohne Hilfe nicht aufstehen und weiter gehen kann. In einem solchen Fall ist der erste Passant vorrangig zuständig für die Rettungsaktionen.246 In diesem Beispiel ist der Gerettete mit dem ein Sonderrisiko Beanspruchenden identisch. Hier interessiert in erster Linie die Frage, ob er (der erste Passant) und die Mutter gemeinsam oder aber jeder für sich zur Rettung verpflichtet sind bzw. ist. Es fragt sich also, ob die Notstandslage in dieser Konstellation die Voraussetzungen einer verbindenden Arbeitsteilung schafft. Dies ist zu bejahen, wenn man annimmt, daß der Eingreifende im Organisationskreis des Be243

Hierzu und zum folgenden s. Jakobs, AT 29/44a. Denn in solchen Fällen führt der Eingreifer auch ein Geschäft des Eingriffsopfers und dementsprechend darf er ihm Maßnahmen zur Minimierung der schädlichen Folgen anvertrauen. Wer beispielsweise vom benachbarten Garten das Löschwasser zur Bekämpfung eines Brandes auf dem Gründstück eines Dritten holen muß, kann dem Nachbarn die Aufgabe anvertrauen, den eigenen Wasserhahn zu schließen. 245 Vgl. dazu nur Puppe, AT 28/1 ff., 29/9 f. 246 Der Fall unterscheidet sich von der Nichterfüllung der Kompensierungspflicht im Straßenverkehr grundsätzlich dadurch, daß das Autofahren bereits die Inanspruchnahme eines Sonderrisikos darstellt, was beim Schieben des Kinderwagens nicht der Fall ist. 244

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

günstigten handelt.247 Ist der Begünstigte überhaupt zur Rettung (zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit) verpflichtet – und das geschieht nur durch Zuschreibung des Eingriffs zu seinem eigenen Organisationskreis –, dann ist er gemeinsam mit demjenigen dazu verpflichtet, dessen Handeln als eigenes Geschäft des Begünstigten im rechtlichen Sinne zu betrachten ist, so daß von einer gemeinsamen Beanspruchung eines Sonderrisikos gesprochen werden kann: Die Voraussetzungen der Entstehung der Garantenstellungen sind derart verflochten, daß sie nicht mehr sinnvoll als getrennt betrachtet werden können. Die Pflichten der Akteure sind deshalb nicht bloß kumulativ, sondern sie ergänzen einander. Schließlich ist zwar die Abstufung der Zuständigkeiten – nach der an erster Stelle der Veranlassende des Eingriffs (durch Inanspruchnahme eines Sonderrisikos), dann der Begünstigte und an dritter Stelle der Eingreifer (u. U. abträglich der Zuständigkeit des Opfers selbst) zuständig sind – für die Konstitution des Beteiligungsverhältnis unerheblich. Da aber in diesen Fällen die Abstufung der Zuständigkeiten dem jeweiligen Maß an Gestaltung der Tat entspricht, sollte ceteris paribus nur der Veranlassende als Täter bestraft werden und, falls dieser mit dem Opfer identisch ist, nur der Begünstigte. Ist er seinerseits mit dem Opfer identisch, dann kommt der Eingreifer als mit der Täterstrafe zu ahndender Beteiligter in Betracht. Mittäterschaft ist demnach gegeben, wenn mehrere auf derselben Stufe zuständig sind, und – mangels anderer vorrangiger Zuständiger – sie alle mit der Täterstrafe bestraft werden sollen. Wie deutlich zu sehen ist, spielt hier der Zeitpunkt, in dem die jeweiligen Zuständigkeiten begründet werden, keine Rolle in bezug auf die Bestimmung von Täterschaft und Teilnahme, wie auch beim Begehungsdelikt der Umstand keine Rolle spielt, wann der Beteiligte handelt: Es kommt nur auf die Abstufung der Zuständigen nach dem jeweiligen Maß an Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung an. b) Deliktsermöglichendes oder -erleichterndes Nichtstun oder Weggehen Es handelt sich um eine Konstellation, die häufig in Verbindung mit der Verwaltung von sicherungspflichtigen Gegenständen vorkommen kann. Aufgrund der Pflicht zur Aufbewahrung gefährlicher Gegenstände entsteht hier eine kommunikativ relevante Verbindung von Organisationskreisen, wenn das oben erwähnte, dem Opfer gegenüber gesollte, schützende Sicherungspotential vor Drittschäden vorenthalten oder ausgeschaltet wird (s. o. C. I. 2).248 Dies begründet Beteiligung aber nur dann, wenn der Schutzgarant (in den hier interessierenden Fällen, durch Schaffung eines Sonderrisikos bzw. durch Übernahme) seine Pflicht derart versäumt, daß er dadurch in die Gemeinsamkeit mit einem ande247 248

Vgl. Jakobs, AT 29/36, 29/44a. Jakobs, AT 29/34; Lesch, ZStW 105 (1993), S. 287.

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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rem bzw. mit anderen bezüglich einer bestimmten Tatbestandsverwirklichung einbezogen wird: (1) Es versteht sich von selbst, daß nur eine Tötung in Alleintäterschaft in Frage kommt, wenn beispielsweise das niedergeschlagene und ohnmächtige Opfer verlassen wird und dadurch lediglich der Gefahr ausgesetzt wird, in einem Überschwemmungsgebiet zu ertrinken (ebenso wenn es nur um die Gefahr geht, daß das Opfer sich selbst verletzt).249 Wenn aber das aufgrund der Schläge ohnmächtig gewordene Opfer in der unmittelbaren, für jedermann erkennbaren Nähe einer Räuberbande verlassen wird, dann kann ein deliktischer Sinnbezug in Betracht gezogen werden, der die erforderliche Konkretisierung aufweist, um Beteiligung am Raub zu begründen. Die Frage der Täterschaft desjenigen, der das niedergeschlagene Opfer verläßt, ist in diesem Zusammenhang sekundär. Denn wenn gemeinsames Handeln vorliegt, wird die Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung durch die Einbeziehung in die Gemeinsamkeit und nicht durch die Erfüllung der täterschaftlichen Merkmale in eigener Person begründet.250 Das Verhalten des Weggehenden kann also zwecks Strafzumessung ohne Schwierigkeiten zumindest als Beihilfe zum Raub eingestuft werden251, ohne daß dies zu einem systematischen Bruch führen würde. (2) Ein Beispiel für diese Konstellationen bietet folgender Sachverhalt, der der Entscheidung des 3. Senats vom 12.9.1984 zugrunde liegt:252 Beide Angeklagten hatten das Opfer gemeinsam verprügelt. Einer von ihnen schloß aber unmittelbar danach weitere Verletzungen an, was der andere nicht verhinderte, 249 Hier geht es nur um die gemeinsame Verantwortung desjenigen, der die hilflose Lage geschaffen hat, mit demjenigen, der diese Lage zur Begehung eines Deliktes ausnutzt. Eine andere Frage ist, ob in den Fällen, in denen mehrere die hilflose Lage geschaffen haben, alle für die sich daraus ergebenden Schädigungen gemeinschaftlich verantwortlich sind. Diese Frage betrifft hauptsächlich die Konstellationen, die unten C. III. 3. behandelt werden. 250 s. erster Teil, B. II. 2. e) (i) und unten C. V. 2. b). Aus der Perspektive Frischs (Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 251) muß dagegen auf diese Frage eingegangen werden, da seiner Ansicht nach nur das täterschaftliche Verhalten den Tatbestand des einschlägigen Erfolgdelikts erfüllt. Dabei wird jedoch irrtümlicherweise vorausgesetzt: (i) daß nur täterschaftliche Unterlassungen tatbestandsmäßige Verhaltensweisen i. S. der Erfolgsdelikte seien; (ii) daß fahrlässige Mitwirkung nur zur Einzeltäterschaft führen könne, und vor allem, (iii) daß es immer um die Tatbestandsmäßigkeit des Einzelverhaltens gehe, was beim gemeinsamen Handeln eben nicht zutrifft. 251 Vgl. Gallas, JZ 1960, S. 686 f.; Ranft ZStW 94 (1982), S. 858 f. Zusammenfassung und Überblick über diese Problematik bei SK-Rudolphi, vor § 13, Rn. 36 ff. Dennoch ist die einschlägige Diskussion dadurch geprägt, daß die Garantenstellung des Unterlassenden immer als institutionelle Garantenstellung im hier verwendeten Sinn aufgefaßt wird. So bildet das Täterkriterium bei den selbständig begehbaren Unterlassungsdelikten, wie Rudolphi schreibt, „letztlich die sich aus der Garantenstellung ergebende Erfolgsabwendungspflicht. Das Nichthindern täterschaftlichen Begehungsunrechts Dritter durch einen Garanten begründet daher bei durch Unterlassungen selbständig begehbaren Delikten stets eine Unterlassungstäterschaft“ (SK-Rudolphi, vor § 13, Rn. 37; s. auch dort weitere Nachweise).

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

und tötete auf diese Weise das Opfer. Die Frage war, ob der andere sich am Totschlag durch Unterlassen beteiligt hat, d. h. ob die Tötung auch als Ausdruck eines gemeinsamen deliktischen Sinnes gelten kann. Entgegen einer verbreiteten, subjektiv geprägten Theorie des Exzesses – jeder ist allein verantwortlich, wenn er ohne Aufmunterung durch andere Beteiligten die erste Tat zum Anlaß einer Weiterung nimmt253 – bejaht der BGH die Zuständigkeit beider für den Totschlag u. a. mit der Begründung, daß eine solche Zuständigkeit für die Weiterung dann bestehe, wenn diese Angriffe die „zu erwarten[de] . . . Fortführung“254 der Vortat durch einen der Beteiligten bildeten, d. h. als zum Tattyp Gehörendes bezeichnet werden könnten: Wer mit anderen seine Aggressionen auslebt, beteiligt sich an einem Geschehen, dessen Grenzen nicht durch seine Willkür (wann er davon „genug“ hat), sondern durch die soziale Bedeutung seines Verhaltens im Zusammenhang der Verhaltensweisen der anderen abgesteckt werden. Maßgeblich für die Umschreibung des gemeinschaftlich ausgedrückten Sinns ist also die objektive Bedeutung des Beteiligungsverhaltens nach dem Typ des Geschehens – mit den Worten Jakobs’: welches unerlaubte Risiko der Vortatbeteiligte durch seine Beteiligung mitgesetzt hat255 – und nicht die an die Subjektivität des Beteiligten gerichtete Frage, wie weit sich sein Vorsatz erstreckte oder was von dem Geschehen noch durch den gemeinsamen Tatentschluß gedeckt war.256 (3) Einen bedeutenden Unterfall der hier besprochenen Konstellation bilden die Fälle der Übernahme von Sicherungs- Überwachungspflichten. So liegt eine akzessorische Haftung (Beteiligung) des Nachtwächters vor, der die Ausführung eines Diebstahls durch Dritte pflichtwidrig nicht verhindert.

252 BGH NStZ 1985, S. 24. Zur Bedeutung dieser Entscheidung und zum folgenden s. Jakobs, BGH-FG, S. 44 f.). Vgl. ferner in dieselbe Richtung BGH NStZ 2004, S. 89 ff. 253 Vgl. etwa Neumann, JR 1993, S. 162, m. w. N. 254 BGH NStZ 1985, S. 24. 255 GA 1996, S. 265 f. 256 Vgl. auch die Entscheidung BGH NStZ 1992, S. 31 f. mit Anmerkung Seelmann, StV 1992, S. 416 f.; Neumann JR 1993, S. 161 ff. Der Angeklagte und ein Mittäter haben das Opfer schwer mißhandelt und gepeinigt, „woraufhin der Mittäter zur Tötung des Opfers durch Erdrosseln überging. Der individuelle Sinn der Beteiligung des Angeklagten mag gelautet haben ,peinigen, aber nicht töten‘, und trotzdem kann sein Beitrag einem Gesamtgeschehen gegolten haben, das in objektiver Sicht ,peinigen und notfalls auch töten‘ bedeutete“ (Jakobs, BGH-FG, S. 45; s. insb. Anm. 78). Zu den Grenzen des zum Tattyp Gehörenden s. die Entscheidung BGH NStZ 1998, S. 83 f., in der die Beteiligung an der Weiterung deswegen abgelehnt wurde, weil sie aufgrund einer nicht erkennbaren „krankheitsbedingt gesteigerten Aggression“ des anderen erfolgte.

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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4. Zwischenergebnis und Folgerungen für die Rechtsfindung a) Zum normativen Charakter der Beteiligung Das soeben Ausgeführte bringt den hier hervorgehobenen normativen Charakter der Beteiligung folgendermaßen zum Ausdruck: (1) Beanspruchung eines „Sonderrisikos“. Zunächst einmal ist die normative Entscheidung zu treffen, ob die Inanspruchnahme eines Sonderrisikos vorliegt. Dies wird, wie oben ausgeführt, anhand der Bestandsbedingungen einer konkreten Gesellschaft grundsätzlich bestimmt. So gelten etwa Autofahren, Bauarbeiten, Schifführung usw. als erlaubte Verhaltensweisen, die dennoch die Bedeutung eines Sonderrisikos besitzen. Unterlassungsverantwortung kraft Organisationszuständigkeit entsteht durch Beanspruchung eines solchen Sonderrisikos. (2) Der Inhalt der jeweiligen Pflichten entscheidet über die Gemeinsamkeit. Ob die Teilnehmer an einem Unternehmen, das objektiv die Beanspruchung eines Sonderrisikos bedeutet, dieses Sonderrisiko wiederum gemeinsam beanspruchen, hängt von einer inhaltlichen Bestimmung ab. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf den Inhalt des Willens (des Tatentschlusses bzw. des Handlungsprojektes), sondern auf den Inhalt der jeweiligen Pflichten. Komplementäre Pflichten – im Gegensatz zu kumulativen Pflichten – begründen eine gemeinsame Zuständigkeit und somit Beteiligung auf objektiver Ebene. Grund und Grenze der Verantwortung ist somit die ausschließliche Zuständigkeit für die Gestaltung der Risikolage (beispielsweise in der Form einer ausschließenden Gestaltungsbefugnis), so daß die Verflechtung der jeweiligen Organisationskreise nach sozialem Verständnis nur so weit reicht, als Pflichten der jeweiligen Akteure zur Gestaltung der Risikolage bestehen. (3) Unerheblichkeit der äußerlichen Art des Haftungsgrunds. Die faktische Grundlage der Verantwortung für die Inanspruchnahme eines besonderen Risikos kann, wie es sich gezeigt hat, mannigfaltige phänotypische Erscheinungsformen aufweisen. Sie sind aus der Perspektive der Zurechnung grundsätzlich unerheblich, solange es sich um gemeinsame Verantwortung kraft Organisationszuständigkeit handelt. Ein Beteiligter kann durch Übernahme, der andere durch Ingerenz, der letzte ferner durch sonst eine Verkehrspflichtverletzung zuständig für den Ablauf werden. Entscheidend sind nur die Bedingungen verbindender Arbeitsteilung in bezug auf die Beanspruchung des Sonderrisikos, von denen eine gemeinschaftliche Verletzung der negativen Pflicht abgeleitet werden kann. Mittäterschaft ist außerdem zwischen Akteuren möglich, die jeweils Rettungspflichten und Sicherungspflichten zu erfüllen haben. Gemeinschaftliche Pflicht bedeutet also eine Pflicht, die auf organisatorischer Grundlage beruht und unter Bedingungen von (Quasi-)Arbeitsteilung erfüllt werden muß. (4) Notwendige Konkretisierung des Grundgedankens. Die Bedingungen verbindender Arbeitsteilung müssen, wie oben gezeigt, anhand der unterschiedli-

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

chen Fallkonstellationen ermittelt, und sogar innerhalb dieser spezifiziert werden. Dennoch lassen sich solche Bedingungen auf die Formulierungen des oben aufgestellten Leitgedankens zurückführen: Die in Frage kommenden Verhaltensweisen gehören zur Ausführung der Tatbestandsverwirklichung, wenn ein normativer Grund benannt werden kann, weshalb der Akteur in die Gemeinsamkeit der Beteiligten eingegliedert werden soll. In den bisher behandelten Konstellationen hängt dies davon ab, ob und inwieweit von einer gemeinsamen Inanspruchnahme eines Sonderrisikos die Rede sein kann. Die Antwort fällt hier anders aus, je nach dem, ob es sich um die gemeinsame Verwaltung eines Risikos – und hier auch wiederum anders bei Handeln in fremder Organisation, bei vorübergehender Überlassung der Gefahrenherde usw. –, um Umgang mit sicherungspflichtigen Gegenständen oder um gemeinschaftliche Rettungspflichten handelt. Was jedoch alle diese Unterscheidungen verbindet, ist die Frage, unter welchen Bedingungen die Verhaltensweisen nach sozialem Verständnis derart zusammengehören, daß man von einer gemeinschaftlichen Ausführung der Tatbestandsverwirklichung, von einer i. d. S. akzessorischen Verantwortung, sprechen kann. (5) Soziale Bedingtheit der Kriterien zur Verknüpfung von Verantwortungsbereichen. Die Frage der Zusammengehörigkeit von Verhaltensweisen ist eine Frage der Bedeutung solcher Verhaltensweisen für das Strafrechtssystem. Da dieses aber durch die gesellschaftliche Verfaßtheit konstitutiv bestimmt ist, kann aus einer abstrakten Rechtlichkeit kein sachgerechtes Ergebnis erzielt werden, was auch bedeutet, daß die Beteiligungsfrage in verschiedenen geschichtlichen Zeitabschnitten auf verschiedene Weise beantwortet werden kann. Deswegen bildet die Beteiligungslehre ein in bezug auf die Beachtung des sozialen Wandels „sensibles“ (Sub-)System.257 Das ergibt sich schon daraus, daß selbst der Begriff „Sonderrisiko“ nur in bezug auf die konkreten gesellschaftlichen Bestandsbedingungen erfaßt werden kann. Aber es kommt auch deutlich zum Vorschein, wenn man an das kontextuale Element beim Umgang mit stereotyp ge257 Vgl. Stein, S. 59 mit Anm. 17. Dies hat Jakobs (BGH-FG, S. 34 f.) am Beispiel der Meineidsbeihilfe durch Unterlassen, „eine Spezialität in Ehescheidungsverfahren alter Art“, veranschaulicht: Eine Prozeßpartei „leugnet wahrheitswidrig den Ehebruch mit einer dritten Person und hindert, wenn diese als Zeuge geladen wird, nicht deren Meineid (BGHSt 17, 321). Solange ein Ehebruch als Tat gegen eine maßgebliche Institution der bürgerlichen Welt verstanden werden und deshalb heimlich bleiben mußte, begründete er ein im Grundsatz verlogenes Dasein mit der Konsequenz, daß jeder Partner auch für die Lüge des anderen zuständig wurde, hatte man sich doch gemeinsam in die lügenhafte Welt begeben. Seitdem die Ehe als kündbares Verhältnis praktiziert wird, fehlt diese Bindung, und der außereheliche Partner kann für seine Aussage allein verantwortlich bleiben. So zeigt sich – wie schon im Produkthaftungsfall (weiteres wäre zu nennen, etwa die Bedeutung des Verabreichens von Alkohol an erwachsene Personen, heute ein weithin als sozialadäquat verstandener Akt) – die Ingerenz als Seismograph wirklicher oder vermuteter gesellschaftlicher Bestandsbedingungen“.

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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fährlichen Gegenständen (etwa Kraftfahrzeugen) denkt, an die Grenzen der „groben“ Mißachtung der Rolle bei Anwendung des Vertrauensgrundsatzes, an den Begriff „Schaffung eines Verkehrs“, an das zweckmäßige Ausmaß der Verpflichtungen, die denjenigen betreffen sollen, der Hilfspersonen bei gefährlichen Tätigkeiten einschaltet (hier: Verantwortungsaufteilung im Bauwesen) usw. b) Folgerungen für die Rechtsfindung: der Schachtfall Einige praktische Folgen der vorliegenden Konzeption für den Prozeß der Rechtsfindung lassen sich anhand der Entscheidung des RG im sog. Schachtfall darstellen.258 Zunächst sei das Ergebnis als Hypothese aufgestellt: Wenn die Analyse auf die Frage des anzuwendenden Zurechnungsmusters nicht eingeht, wird die Zurechnung allein im Hinblick auf das Bestehen von Einzelverantwortung überprüft. Liegt im konkreten Fall der Sache nach ein Beteiligungsverhältnis vor, so wird auf diese Weise nicht nur das einschlägige Zurechnungsmuster verfehlt, sondern der Weg zur richtigen Lösung ungangbar gemacht. Die Fragen nämlich, die zu einem sachgerechten Ergebnis führen könnten, werden nicht einmal gestellt, was im Fahrlässigkeitsbereich für gewöhnlich dazu führt, daß an ihre Stelle subjektive Gesichtspunkte (Vorhersehbarkeit) als Korrektiv einer kausalen Begründung der Alleinverantwortung treten. Frau B. nahm an einer im Saalbau eines Gasthauses abgehaltenen Vereinsfeier teil. Im Lauf der Feier ging sie vom Saalbau auf den Hof hinaus, um nach einem Abort zu suchen. Sie stürzte dort in einen unbedeckten Schacht und starb an den erlittenen Verletzungen. Das LG Frankfurt verurteilte die Angeklagten P. und D. wegen fahrlässiger Tötung. D. – der Sohn des Inhabers des Gasthauses P., der als Gewerbehilfe von diesem angestellt war – hatte nach den Feststellungen des LG am Tag vor der Feier den Schacht, den er für eine Arbeit hatte benutzen müssen, nicht zugedeckt und diese Unterlassung am nächsten Tag fortgesetzt. P. seinerseits duldete, und zwar als Leiter des Betriebes pflichtwidrig, daß an dem aufgrund polizeilicher Vorschrift vor dem Schacht angebrachten Schutzgitter das eine Türchen ständig offen stand, das andere ausgehängt wurde, und trotz dieser Duldung überzeugte er sich nicht, ob der Schacht außerhalb der Zeit der Benutzung dauernd geschlossen gehalten wurde. Nach den Feststellungen des Urteils kommt aber auch eine dritte Person in Frage, der Vereinsvorstand, dessen Verantwortung jedoch im Urteil nicht überprüft wird. Der Vorstand hatte nämlich die ursprünglich verschlossen gehaltene Tür des Saales zum Hof geöffnet, deren Schließung er der Mutter des D. (offensichtlich bei der Vermietung des Lokals) zugesagt hatte. Deswegen ist er nach dem Urteil sogar derjenige, der den „gefahrvollen Zustand“ durch das Öffnen der Tür erst „ausgelöst“ hat. 258

RGSt 57, 148.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Der Fall bietet die Möglichkeit, verschiedene Garantenstellungen qua Organisation zu beobachten und zu überprüfen: vorangegangenes Tun bzw. Ingerenz bei D.; Stellung im Betriebe bei P., Übernahme beim Vorstand. Für die hier interessierende Problematik ist in erster Linie von Bedeutung, daß sich das RG trotz seiner Erklärung, die Verantwortung der Angeklagten unabhängig von derjenigen des Vorstands untersuchen zu wollen,259 der Berücksichtigung der Gesamttat nicht entziehen kann. Das ist im Ergebnis richtig und kann nur begrüßt werden. Denn eine befriedigende Erklärung des Geschehens kann nicht geliefert werden, solange die bei Mitwirkung mehrerer zentrale Frage des gemeinsamen Handelns – Beteiligung oder Alleinhandeln?; hier: ob das Risiko des unbedeckten Schachts in Verbindung mit der Schaffung eines Verkehrs im Gasthaus von den Akteuren gemeinschaftlich beansprucht worden ist – nicht hinreichend berücksichtigt und beantwortet wird. So kreisen die Argumente zur Überprüfung der Verantwortung der Angeklagten um zwei Fragen: (1) Inwiefern die Vereinbarung über den Verschluß der Tür zum Hof D. und P. zuungunsten des Vereinsvorstands entlastet: „Im Hinblick auf dessen [des D.] Verteidigung ist zu untersuchen, ob der Angeklagte sich auf die ihm bekannte Vereinbarung über den Verschluß der Tür verlassen durfte“. Da aber nicht hinreichend nachgewiesen ist, ob der Verein durch diese Vereinbarung die Verantwortung übernommen hat, die fragliche Tür geschlossen zu halten (so daß es nunmehr seine Sache war – ausschließliche Zuständigkeit für die Verwaltung des Risikos –, die Risiken unter Kontrolle zu halten260), oder lediglich eine Ermächtigung hierzu im Interesse des Vereins (zur Sicherung der Bezahlung des Eintrittsgeldes) erhalten hat, „wird auch der Zweck des Verschlusses der Tür noch näher zu erforschen sein“.261 Dies ist jedoch nicht nur zur Begründung bzw. zum Ausschluß der Verantwortung in der Beziehung D./Vorstand, sondern auch bei der Überprüfung der Verantwortung von P. von Belang: Selbst wenn P. als Betriebsleiter verantwortlich sein sollte, „wäre immerhin noch zu prüfen, ob

259 Das RG will nur überprüfen, „ob die Angeklagten aber, was allein in Frage kommt, für das Offenstehen des Schachts nach der Öffnung des Zugangs zum Hof verantwortlich sind und schuldhaft dieses bestehen ließen, sonach eine Mitschuld am Tode der Frau B. getragen haben“ (RGSt 57, 149 f., Herv. nur hier). Dies hängt, meint zu Recht das RG, „von Erwägungen ab, welche die Strafkammer bisher nicht ausreichend getroffen hat“ (RGSt 57, 149 f.). M. a. W.: Die Behandlung eines Falles nach dem Muster der Alleinverantwortung bedeutet immer eine Stellungnahme zur Frage des gemeinsamen Handelns, nämlich seine Negation. Aber dann kann man schlecht von Mitschuld sprechen, oder die Verantwortung eines Angeklagten durch die Verneinung der Verantwortung des anderen begründen. 260 Ob der Vorstand beim Öffnen der Tür „schuldhaft“ gehandelt hätte, hängt nach dem RG davon ab, „ob die Tür, deren Schließung er zugesagt hatte, überhaupt öffnen durfte, ob er davon den Angeklagten Mitteilung machen mußte, ob ihm das Offenstehen und Vorhandensein des Schachts bekannt war“ (RGSt 57, 149). 261 RGSt 57, 150.

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er für den hier in Frage stehenden Unfall nicht durch die mit der Vereinsvorstandschaft getroffene Abrede über den Türverschluß entlastet wird“.262 (2) Die Verantwortung des P. soll jedoch nicht nur in bezug auf die Verantwortung des Vorstands, und somit anhand einer Auslegung der Vereinbarung über den Verschluß der Tür mit Blick auf eine mögliche Übernahme, bestimmt werden. Hier spielt auch das Handeln in fremder Organisation eine wichtige Rolle, denn „zur Leitung einer Wirtschaft gehört auch die Beaufsichtigung der Hilfskräfte hinsichtlich der für die Sicherheit der Gäste erforderlichen Maßnahmen“.263 Im Sinne der im vorigen Abschnitt dargestellten Grundsätze stellt das RG fest, daß von dem Betriebsleiter nicht verlangt werden könne, alle Verrichtungen der Gehilfen unausgesetzt zu überwachen: „Es muß vielmehr in der Regel als genügend erachtet werden, wenn er bei der Auswahl der bestellten Personen die erforderliche Sorgfalt anwendet und sich durch Stichproben von ihrer andauernden Zuverlässigkeit überzeugt“.264 Ist P. diesen Pflichten nachgekommen und hat er sich davon überzeugt, daß sein Sohn den Schacht nach Beendigung der Arbeiten „abzudecken pflegte“, so kommt eine Verantwortung des P. für eine „ausnahmsweise vorgekommene (. . .) Unterlassung der Abdeckung“ nicht in Betracht, selbst wenn das Gittertürchen gegen die polizeiliche Vorschrift fehlte, da eine solche Maßnahme im strafrechtlichen Sinne durch die Abdeckung der Schachts durchaus ersetzt werden kann.265 Mit anderen Worten: Eine gemeinschaftliche Verantwortung von P. und D. kommt erst dann in Frage, wenn behauptet werden kann, der letzte habe in der Organisation des ersten die fehlerhafte Leistung erbracht. Wie aber im vorhergehenden Abschnitt festgestellt wurde, ist diese Voraussetzung nur insofern gegeben, als P. seinen Verpflichtungen als Betriebsleiter, nämlich der Auswahlpflicht und den nach dem Kontext zu bestimmenden Überwachungspflichten nicht nachgekommen ist. Ob dies in unserem Fall geschehen ist oder nicht, kann nicht entschieden werden, denn die Feststellungen des LG begnügen sich mit der Konstatierung der Voraussehbarkeit des Erfolges.

262

RGSt 57, 151. RGSt 57, 151. 264 RGSt 57, 151. 265 RGSt 57, 151. Was den letzten Satz betrifft, führt das RG aus subjektiver Sicht aus: „So konnte er [P.] hierin einen ausreichenden Ersatz für die fehlende Gittertür erblicken, der die Voraussehbarkeit des tödlichen Unfalls ausschloß“. 263

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

II. Gemeinsame Verantwortung der Mitglieder eines Gremiums 1. Die Lederspray-Entscheidung Mit den Voraussetzungen einer kollektiven Verantwortung haben sich Lehre und Rechtsprechung angesichts des Beschlußproblems bei kollegial organisierten Gremien auf besondere Weise beschäftigt. Die Behandlung dieser Konstellation unterliegt keinen anderen Grundlagen als den oben erarbeiteten: Es handelt sich um die Beachtung von Verkehrssicherungspflichten, die quasiarbeitsteilig erfüllt werden sollen. Die Vorgabe dieses Abschnitts besteht in erster Linie darin, die Folgen des hier gewählten Ansatzes an dem im Verlauf der Untersuchung mehrfach angesprochenen Paradebeispiel für diese Problematik, dem Ledersprayfall,266 zu zeigen. Im Anschluß daran werden einige Aspekte der Problematik behandelt, die bei dieser Erscheinungsform des gemeinsamen Handelns in besonderer Weise auftreten. a) Der Sachverhalt und die Entscheidung Was das Thema der Untersuchung betrifft, handelt es sich um folgendes: Die Firma W. u. M. GmbH stellte Schuh- und Lederpflegeartikel her, unter anderem Ledersprays, die zum Teil durch die Tochterfirmen E.R. GmbH und S. GmbH vertrieben wurden. Ab dem Spätherbst 1980 gingen bei der Firmengruppe Schadensmeldungen ein, in denen berichtet wurde, daß Personen nach dem Gebrauch von Ledersprays der bezeichneten Marken gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten hatten. Nicht selten kamen die Betroffenen wegen ihres lebensbedrohlichen Zustands zunächst auf die Intensivstation. Es wurde regelmäßig ein Lungenödem diagnostiziert. Trotz einiger Rezepturänderungen, welche die Firma angesichts der Meldungen vornahm, setzten sich diese Vorfälle bis Mitte April 1981 fort. So kam es zu einem kurzfristigen Produktions- und Vertriebsstopp für bestimmte Sprays; nachdem Untersuchungen in der Chemieabteilung der Firma ohne Ergebnis geblieben waren, wurde jedoch diese Maßnahme wieder aufgehoben. Am 12. Mai 1981 fand eine Sondersitzung der Geschäftsführung statt, an der die Geschäftsführer der Firma W. u. M. GmbH – was hier interessiert: die Angeklagten S. und Dr. Sch. – teilgenommen haben. In dieser Sitzung hat Dr. B, Leiter des Zentrallabors der Firma, den Sachstand vorgetragen: Es sei kein Anhalt für toxische Eigenschaften des Sprays gegeben, weshalb keine Veranlassung zu einem Rückruf dieser Produkte bestehe. Er schlug vor, eine externe Institution mit weiteren Untersuchungen zu beauftragen und Warn-

266

BGHSt 37, 106 und, ergänzend, NJW 1990, S. 2568 ff.

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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hinweise auf allen Spraydosen anzubringen bzw. die vorhandenen zu verbessern. Diesem Vorschlag schloß sich die Geschäftsführung einstimmig an. Im Anschluß an diese Sitzung wurden die Angeklagten W. und D. umfassend informiert. W. war damals Geschäftsführer der Firma S. GmbH, D. bekleidete dieselbe Stellung in der Firma E.R. GmbH. Beide machten sich die in der Sitzung getroffene Entscheidung jeweils für ihren Verantwortungsbereich zu eigen. Trotz der Warnhinweise, die inzwischen ergänzt und verbessert wurden, kam es in der Folgezeit zu weiteren Gesundheitsschäden. Bei den neuerlichen Untersuchungen gelang es auch nicht, eine bestimmte Substanz als schädlich zu identifizieren. Erst am 20. September 1983 erfolgten nach Interventionen der zuständigen Behörden eine Rückrufaktion und ein Verkaufsstopp. Das LG Mainz verurteilte die Angeklagten S., Dr. Sch., W. und D.: a) wegen fahrlässiger Körperverletzung in vier Fällen, die eintraten, nachdem am 14. Februar 1981 der Schadensfall F. bekannt geworden war; b) wegen gefährlicher Körperverletzung in 38 Fällen, die sich nach der Geschäftsführersitzung vom 12. Mai 1981 ereigneten, wobei das LG insoweit das Verhalten jedes Angeklagten als eine einzige Tat wertete. Die Angeklagten hätten die körperlichen Schäden teils durch Unterlassung des rechtzeitigen Rückrufs der Produkte bei den Händlern, teils durch Fortsetzung der Produktion und des Vertriebs dieser Produkte verursacht. Der BGH hat die Entscheidung des LG Mainz, sofern es hier zunächst von Interesse ist, bestätigt und in derselben Richtung ergänzt. b) Die Begründung des BGH Aus der Perspektive der Beteiligungsproblematik bildet die im Ergebnis zutreffende Behauptung des BGH, es gehe grundsätzlich um eine gemeinschaftliche Verantwortung der Geschäftsführer, den erheblichsten Satz des Urteils. Die Begründung dafür läßt sich unter Ausklammerung der vom BGH zugrunde gelegten Unterscheidung zwischen den Vorsatz- und den Fahrlässigkeitstaten267 wie folgt rekonstruieren. Zunächst bezieht der BGH Stellung zu einem der heikelsten Aspekte der Problematik, nämlich inwiefern sich die strafrechtliche Zurechnung an die interne Aufteilung der Zuständigkeiten innerhalb eines Unternehmens halten dürfe oder 267 Dem BGH bereitet es im Grunde keine Schwierigkeiten, wenn es um die gefährlichen Körperverletzungen geht. Das Gericht wendet den § 25 Abs. 2 StGB an, um mögliche Einwände kausaler Art zu beseitigen: Die Angeklagten seien Mittäter, „so daß sich jeder von ihnen die Unterlassungsbeiträge aller anderen zurechnen lassen muß“ (BGHSt 37, 129). Da aber nach der Auffassung des BGH mittäterschaftliche Verantwortung im Fahrlässigkeitsbereich nicht möglich ist, versucht das Gericht die Alleinverantwortung jedes Angeklagten mit Hilfe der Lehre der kumulativen Kausalität zu begründen. Dabei vollzieht es aber eine Umkehrung der Bedingungsverhältnisse, die seine Argumentation hinfällig macht (dazu zweiter Teil, A. III. 3).

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müsse. Was die Zuständigkeit der Geschäftsführer der Muttergesellschaft (S. und Dr. Sch.) anbelangt, stellt das Gericht fest, daß jeder Angeklagte spezifische Funktionen in bestimmten Geschäftsbereichen hatte: S. war der Geschäftsführer für den Geschäftsbereich I (Chemie) und Dr. Sch. für den Geschäftsbereich III (Verwaltung). Aber eine solche Aufteilung, führt der BGH aus, bleibe „ohne Einfluß auf die Verantwortung jedes einzelnen für die Geschäftsführung insgesamt“.268 Diese Verantwortung wird also zunächst vom BGH gesellschaftsrechtlich begründet. Der Frage, ob dieser gesellschaftsrechtliche Grundsatz der allgemeinen Verantwortung der Geschäftsführer auch im strafrechtlichen Bereich maßgebend sein soll, brauche dem Urteil nach nicht nachgegangen zu werden, denn, obwohl dieser Zweifel im Regelfall berechtigt sein könne, treffe er in der vorliegenden Konstellation nicht zu. Hier greife nämlich der „Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit der Geschäftsführung“ ein. Ein solcher Grundsatz sei in den Fällen einschlägig, „wo – wie etwa in Krisen- und Ausnahmesituationen – aus besonderem Anlaß das Unternehmen als Ganzes betroffen ist; dann ist die Geschäftsführung insgesamt zum Handeln berufen“.269 Dieser Gedankengang wird vom BGH durch ein weiteres Argument verstärkt: Es handele sich hierbei um die Bewältigung eines „ressortüberschreitenden“ Problems: Dem Geschäftsbereich I habe sich die Frage gestellt, ob die Rezepturen zu ändern seien; dem Geschäftsbereich II, ob der Einkauf bestimmter zur Herstellung des Sprays verwendeten Stoffe fortgesetzt werden sollte etc.; „angesichts dieser ,Allgegenwart‘ des Problems kam eine ressortinterne, mit anderen Geschäftsbereichen nicht abgestimmte Lösung von vornherein nicht in Betracht“.270 Das Urteil enthält allerdings nur ein paar karge Bemerkungen über die Zuständigkeit der Geschäftsführer der Tochterfirmen, W. und D., die bei der Sitzung vom 12. Mai nicht anwesend waren. Der BGH überträgt die vorangegangene Argumentation auf diese Geschäftsführer und fügt dabei nur zur Klärung die Bemerkung hinzu, die untergeordnete Stellung von W. und D. in bezug auf die Geschäftsführer der Muttergesellschaft lasse ihre Verantwortung unberührt: „Auch eine unternehmensinterne Organisationsstruktur, die auf der Ebene der Geschäftsleitung gesellschaftsübergreifende Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnisse schafft, ändert grundsätzlich nichts an der mit der Geschäftsführerrolle verbundenen Verantwortung“.271

268 BGHSt 37, 123. Notabene: Der BGH bezieht sich hier noch auf die Verantwortung jedes einzelnen, was sich im Verlauf der Argumentation zugunsten einer „gemeinschaftlichen“ Verantwortung ändern wird: vgl. etwa BGHSt 37, 124 f. 269 BGHSt 37, 124. 270 BGHSt 37, 124. 271 BGHSt 37, 125.

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2. Die gemeinsame Zuständigkeit der Geschäftsführer Die skizzierte Lösung des BGH wirft viele Fragen auf; einige von ihnen werden abschließend noch kurz thematisiert. An erster Stelle muß jedoch die Begründung einer möglichen gemeinsamen Zuständigkeit der Geschäftsführer näher betrachtet werden, da sie durch die Ausführungen des BGH nur lückenhaft geliefert wird.272 Im Rechtssystem erhalten die Tatsachen einen Sinn durch die Norm, deren Funktion ist, die Position einer Tat gegenüber der Rechtsordnung zu bestimmen. Nach dem Leitgedanken dieser Untersuchung besteht ein Teil dieser Funktion gerade darin, zu definieren, ob bei phänotypischer Mitwirkung mehrerer an einer Tat aus Sicht der strafrechtlichen Zurechnung gemeinsames Handeln vorliegt. Das ist nur dann der Fall, wenn die Pflicht, deren Verletzung zur Tatbestandsverwirklichung führt, als gemeinschaftliche Pflicht der Akteure aufzufassen ist. Hinreichender Grund für den Bestand von Sicherungspflichten ist – wenngleich in manchen Konstellationen mit zusätzlichen Einschränkungen – das Gestaltungsrecht bezüglich der Risikolage unter Ausschluß anderer Personen.273 Wenn dieses Gestaltungsrecht mehreren zukommt, dann spricht vieles dafür, daß es sich um eine gemeinschaftliche Pflicht handelt. So ist es auch hier. Die Herstellung und der Vertrieb von Produkten, die ohne eigene Zuständigkeit der jeweiligen Opfer schädlich sein können, bedeutet die Inanspruchnahme eines Sonderrisikos,274 aus der sich Sicherungspflichten ergeben. Es mag zudem kein Zweifel daran bestehen, daß die Geschäftsführer durch ihre Entscheidungen sowohl die Herstellung als auch den Vertrieb des Produktes bewirkt haben. Sie haben diese Organisation, welche die Inanspruchnahme eines Sonderrisikos bedeutet, gestaltet. Aber weder die Schaffung des Sonderrisikos noch das Ergreifen von Maßnahmen zur Erfüllung der entsprechenden Verkehrssicherungspflichten sind in diesem Fall einer einzelnen Person anheimgestellt. Vielmehr ist das Gremium das Subjekt, das das Gestaltungsrecht in diesem Organisationsbereich innehat. Es ist dafür zuständig, daß die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, wie sich schon daraus ergibt, daß alle Mitglieder der Geschäfts272 s. o. Anm. 268. Die Begründung der Gemeinsamkeit der Pflicht unterläßt m. E. auch Weißer, JZ 1998, S. 238: Sie meint nur (aber in bezug auf die gemeinschaftliche Gefahrbegründung, nicht auf die Pflicht): „Die Einzel-Unterlassungen erfolgten objektiv gemeinsam, denn erst in ihrer Gesamtheit haben sie zum Ergebnis der Unterlassung einer Rückrufaktion geführt“. Auf die kausale Abhängigkeit kommt es jedoch nicht an, sondern auf die Tragweite der entsprechenden Pflicht. Wird diesbezüglich allein auf eine „gleichartige Pflichtenstellung“ der Akteure verwiesen, so stellt das nur eine Umformulierung der Frage dar. 273 s. o. C. I. a). Zu den Einschränkungen s. etwa C. I. 1. c) cc). 274 Zum Begriff und zur Unterscheidung vom „rechtswidrigen Vorverhalten“ s. o. C. I. a) und b).

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

führung zur gemeinschaftlichen Leitung (zumindest in bestimmten Situationen, zu denen die hier interessierende zählt) der Firma berufen sind. Mit den Worten des BGH: „Die Pflicht zum Rückruf oblag – jeweils zur gemeinschaftlichen Befolgung – den Geschäftsführern der drei Gesellschaften“.275 Aus diesem Grund ist nicht jedes Mitglied des Gremiums im hier interessierenden Sinne zuständig (eine darüber hinausgehende, eventuelle Einzelzuständigkeit ist für das Beteiligungsverhältnis unerheblich), sondern alle betrifft die Pflicht, gemeinsam zu organisieren, weshalb sie alle gemeinsam – und zwar gleichrangig276 – zuständig sind.277 Daraus folgt: a) Abgesehen von terminologischen Ungenauigkeiten und manchen fragwürdigen Argumenten278 ist der im Urteil enthaltenen Begründung der Zuständig275 BGHSt 37, 123. Ferner: „Innerhalb einer GmbH, die mehrere Geschäftsführer hat, [besteht] grundsätzlich Gesamtgeschäftsführung. Danach sind die Geschäftsführer nur gemeinschaftlich zu handeln befugt. Keiner von ihnen darf ohne Mitwirkung der anderen vorgehen. Maßnahmen der Geschäftsleitung sind von allen Geschäftsführer gemeinsam zu beschließen“ (BGHSt 37, 125); oder: „Von der Pflicht zum Rückruf, die allen Geschäftsführen gemeinsam oblag, war allerdings das den einzelnen Geschäftsführer treffende Handlungsgebot zu unterscheiden“ (BGHSt 37, 125). 276 BGHSt 37, 132. 277 Insofern meint H. Jung zu Recht (in: Eser/Huber/Cornils [Hrsg.], Einzelverantwortung, S. 181), die Entscheidungen kollegial organisierter Gremien stellten eine „extrem formalisierte Variante der Mittäterschaft“ dar. Ähnlich Schaal, S. 263: „ein Musterfall fahrlässiger Mittäterschaft“. Wie der Ledersprayfall lag insofern ein vom OLG Stuttgart entschiedener Fall (NStZ 1981, S. 27 f.), in dem der Angeklagte Mitglied der Redaktion einer Zeitschrift war, die einen beleidigenden (§ 185 StGB) Leserbrief veröffentlicht hat. Das OLG Stuttgart führt aus, daß „die Verantwortlichkeit i. S. einer alleinigen Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des strafbaren Inhalts“ weder dem Angeklagten noch einem anderen zukamen: „Vielmehr lag die Verfügungsbefugnis über Aufnahme bzw. Nichtaufnahme des Artikels ausschließlich beim Redaktionsgremium“. Das OLG befaßt sich nur mit der Frage, ob der im Impressum benannte „verantwortliche Redakteur“ (der zudem an der Entscheidung mitgewirkt hatte) als Täter bestraft werden soll. Um seine Verantwortung zu begründen, muß es allerdings auf das Vorliegen einer „Gesamtverantwortlichkeit“ der Gremienmitglieder zurückgreifen. Auf der Bejahung einer gemeinschaftlichen Verantwortung beruht ebenfalls die Behandlung der Kausalitätsfrage: Es sei „von der Tatsache auszugehen, daß die Veröffentlichung auf einer Kollektiventscheidung beruht, an der der Angekl. (. . .) mitgewirkt hat. Insofern aber kann es lediglich auf die Ursächlichkeit dieser Kollektiventscheidung für die spätere Veröffentlichung ankommen“. Obwohl die Entscheidung nicht hinreichend durchdacht ist (es wird z. B. auch teilweise auf eine „Entscheidungsmacht“ und teilweise auf den Willen, sich der Mehrheitsentscheidung zu unterwerfen, abgestellt – was zu manchen Ungereimtheiten führen muß: s. u. Anm. 286), enthält sie Ansätze zur Erfassung der gemeinschaftlichen Verantwortung bei Gremienentscheidungen, die später dem BGH zur Entscheidung des Ledersprayfalls von Nutzen sein werden. 278 Das Urteil verwendet z. B. eine Argumentation, die eher zur Begründung der Verantwortung der juristischen Person als solche geeignet wäre, aber auf die einzelnen Geschäftsführer bloß übertragen wird (BGHSt 37, 114); demgegenüber kommt es nicht auf die Stellung der Person in der Firma, sondern auf ihr Verhalten an, wie der BGH im selben Urteil erkennt, denn es handelt sich um Zuständigkeit kraft Organisation. Kritisch auch Dencker, Kausalität, S. 165 f.

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keit der Geschäftsführern der Muttergesellschaft (S. und Sch.) zuzustimmen.279 Das Gericht stellt grundsätzlich auf die Beschaffenheit der Pflicht ab, die alle Geschäftsführer gemeinsam betraf. Die Pflichtenstellungen sind nach den einschlägigen – auch gesellschaftsrechtlichen – Normen derart verflochten, daß man von einer gemeinsamen Pflicht sprechen kann. Dies entspricht auch der obigen Feststellung, die Geschäftsführer hätten das Sonderrisiko gemeinschaftlich in Anspruch genommen, indem sie gemeinschaftlich einen Beitrag geleistet haben (Herstellung des Produkts und Freigabe zum Vertrieb), der die Grundlagen für die Tatbestandsverwirklichung gelegt bzw. die Ausführungshandlungen angebahnt hat. b) Dieses Ergebnis ist unabhängig davon richtig, ob man die Ausführung im Vertrieb des Produkts, in der Unterlassung des Rückrufs oder in beiden Momenten sieht. Hier geht es also nicht, wie Seelmann schreibt, um Verantwortung aus „nicht wahrgenommener Zuständigkeit“,280 sondern um Zuständigkeit für einen Verlauf, der zur Tatbestandsverwirklichung führt. So kann die Beteiligungsfrage nur hinsichtlich eines bereits definierten Zurechnungsgegenstands (einer bestimmten Tatbestandsverwirklichung) beantwortet werden.281 Da es im vorliegenden Fall um den Tatbestand der Körperverletzung nach §§ 223, 229 StGB geht, ist es eindeutig, daß der Versuchsbeginn frühestens beim Anfang des Vertriebs angesetzt werden kann – genauer: beim Anfang der Durchführung betrieblicher Arbeiten und Maßnahmen, die darauf abzielen, daß die gefertigten Sprays auf den Markt gelangen und dort angeboten werden.282 Die Sitzung vom 12. Mai ist m. a. W. in dieser Hinsicht unerheblich. Was die Entscheidung angeht, das Produkt auf den Markt zu bringen, wurde sie nicht in der Sitzung des 12. Mai getroffen. Handelt es sich dagegen um die Entscheidung, das Produkt nicht zurückzurufen, dann kann diese Entscheidung auf jeden beliebigen Augenblick bis zum (ggf. spätesten) Versuchsbeginn datiert werden. Eine for-

279 Ob dies zu ihrer Bestrafung mit der Täterstrafe führen wird, steht auf einem anderen Blatt. Dabei muß auch folgendes berücksichtigt werden: Es verhält sich in aller Regel nicht so, daß sich die Mitglieder eines Gremiums darauf beschränken, einen Beschluß zu fassen, während die Umsetzung vollends anderen Instanzen überlassen wird. Über die Mitwirkung an der Abstimmung hinaus treffen sie oft in der Praxis persönlich Maßnahmen, die als Umsetzung des Beschlusses betrachtet werden können. 280 Kollektive Verantwortung, S. 9. 281 Vgl. Dencker, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, S. 63 ff. (s. bereits dens. Kausalität, S. 179 ff.). 282 Dementsprechend stellen sämtliche Entscheidungen und Operationen, die dem Vertrieb vorangehen, und insbesondere die Sitzung vom 12. Mai, nur Vorbereitungshandlungen (im herkömmlichen Sinne) dar. Das bedeutet ebenfalls, daß die Geschäftsführer der Tochterfirmen (W. und D.) diejenigen sind, welche die Tat im formellen Sinn ausführen. In bezug auf Geschäftsführer der Muttergesellschaft, die den Vertrieb nicht unmittelbar organisiert haben, ist die Frage nämlich, ob ihre Beiträge im Vorbereitungsstadium zuständigkeitsbegründend in bezug auf die einschlägigen Körperverletzungen wirken können. Vgl. Jakobs, Festschrift für Miyazawa, S. 419.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

melle Entscheidung innerhalb des Gremiums mit dem Inhalt, das Produkt nicht zurückzurufen, ist nicht erforderlich.283 Anderes gälte nur in bezug auf institutionelle Pflichten, etwa bezüglich kürzlich bestellter Geschäftsführer.284 c) Eine gemeinschaftliche Zuständigkeit der Geschäftsführer der Tochterfirmen untereinander und mit den Geschäftsführern der Muttergesellschaft läßt sich ebenfalls begründen. Das bedeutet, daß W. und D. nicht nur für das eigenhändig Organisierte zur Verantwortung gezogen werden können. Wie bereits erwähnt, verweilen die Ausführungen des BGH nur kurz bei diesem Problemkomplex, weshalb nicht genau zu ermitteln ist, wie sich die Beziehungen zwischen der Muttergesellschaft und den für den Vertrieb zuständigen Tochterfirmen gestalteten. Es ist nämlich nicht bekannt, ob die Geschäftsführer W. und D. über die Herstellung der Produkte samt ihrer Bedingungen und mithin über einen zentralen Aspekt der Risikoschaffung zu entscheiden hatten. Dieser Frage kommt deswegen eine wichtige Bedeutung zu, weil das Verhältnis zwischen Herstellern und Vertriebsfirmen lediglich eine trennende Arbeitsteilung darstellen kann, d. h. ein Verhältnis, das sich nur auf eine bestimmte Leistung bzw. einen bestimmten Leistungsaustausch beschränkt. Eine sachgerechte Lösung kann jedoch in diesem Falle erzielt werden: (1) Zum einen ist es möglich, die normative Gestalt dieses Verhältnisses trotz der mangelnden Feststellungen des Gerichts zu rekonstruieren. Denn der Vertrieb der Ledersprays erfolgte nicht nur durch die Tochterfirmen, sondern auch durch andere Unternehmen, die im Prozeß nicht angeklagt worden sind. Dies erklärt sich dadurch, daß den Geschäftsführern der Tochterfirmen eine besondere Rolle zukam, die mit bestimmten Rechten und Befugnissen verbunden war: Sie waren dazu berufen, über den Rückruf des Produkts zu entscheiden und somit die technischen Berichte der Sachverständigen zur Kenntnis zu nehmen, sie zu bewerten, ihre Ergänzung zu beantragen usw. Deswegen kann ihre Entscheidung für den Vertrieb in den Prozeß eingegliedert werden, der zur Tatbestandsverwirklichung führt. Wenn also eine gemeinschaftliche Zuständigkeit der Geschäftsführer der Tochterfirmen nicht auf denselben Grundlagen wie bei denjenigen der Muttergesellschaft – scil. auf der Entscheidung, das Produkt herzustellen und es für den Vertrieb freizugeben – begründet werden kann, kann sie doch auf der Berechtigung zur Gestaltung der Risikolage beruhen: Das Sonderrisiko wird auch von ihnen in Anspruch genommen, so daß sie nicht nur für ihre Leistungen (den Vertrieb), sondern auch für den Kontext, in dem diese stehen, verantwortlich sind.285 283 Zur Relativierung des Unterschieds zwischen Sicherungs- und Rettungspflichten s. o. bei Anm. 121. 284 s. u. C. II. 3. a). 285 Vgl. auch die Begründung in BGHSt 37, 130: Die Geschäftsführer der Tochterfirmen machten sich die Entscheidung jeweils für ihren Verantwortungsbereich zu eigen. Die Angeklagten übernahmen die Entscheidung und schloßen sich „dem einstim-

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(2) Da es sich um die gemeinsame Inanspruchnahme eines Sonderrisikos handelt, bedeutet das Verhalten von W. und D. – mit dem Vertrieb anzufangen, die Vertriebskette in Ausübung der eigenen Kompetenzen in Gang zu setzen – eine Einpassung in den tatbestandsverwirklichenden Vorgang. Der Vertrieb eines Produkts, dessen Gefährlichkeit nach mehreren Anhaltspunkten bestehen kann und durch kein Indiz hinreichend ausgeschlossen ist, bildet im geschilderten Zusammenhang eine partielle Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung einer Körperverletzung. Diese Einpassung des eigenen Verhaltens in die Planung der verbundenen Unternehmen begründet die gemeinsame Verantwortung für die Gesamttat. d) Wichtig ist hier insbesondere, daß diese gemeinsame Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung auf einer normativen Basis, und eben nicht auf einem wie auch immer gearteten gemeinsamen Tatentschluß bzw. Handlungsprojekt beruht:286 Die Tatbestandsverwirklichung bildet den Erklärungswert eines Normbruchs, der aufgrund der individuellen Vermeidbarkeit zu einer Person,

migen Votum derer an, die nicht nur in der Muttergesellschaft, sondern – neben ihnen selbst – sämtlich zugleich in den beiden Vertriebsgesellschaften Geschäftsführer waren. Auf diese Weise leisteten sie den notwendigen Beitrag dazu, daß auch im Kreise der Geschäftsführer beider Vertriebsgesellschaften ein – durch ihre Billigung ,komplettiertes‘ – Einverständnis darüber erzielt wurde, keine Rückrufaktion anzuordnen“. 286 So aber Schaal (S. 226 ff., 242 ff.) im Rahmen der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung, die er auf das Problem der Gremienentscheidungen anwendet: „Da die Abstimmung in einem Gremium stets als auf die Bildung einer Mehrheit angelegt ist und das einzelne Gremiumsmitglied sich dessen auch bewußt ist, beinhaltet jede Stimmabgabe für den Beschluß das Angebot an eine beliebige Anzahl anderer Gremiumsmitglieder sich zur Durchsetzung der eigenen Ziele zusammenzuschließen“ (Schaal, S. 228). Aber der Grund für die gemeinsame Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung liegt nicht in dem gemeinsamen Handlungsprojekt (geschweige denn in einer „in der Abstimmung liegende[n] Einwirkung auf die Entschlossenheit der anderen“: Schaal, S. 248 f.), sondern in der Beschaffenheit der Pflichten, welche durch die – in einem durch Gremien geleiteten Unternehmen: rechtlich-strukturell bedingte – gemeinsame Inanspruchnahme des Sonderrisikos entstehen. Deshalb besteht eine solche gemeinsame Zuständigkeit ebenfalls bei geheimer Abstimmung, ja auch – entgegen Schaal – wenn es zu keiner Abstimmung kommt, so daß der Beschluß ohne Absprache zwischen den Gremiumsmitgliedern ausbleibt. In diesen Fällen soll nach Schaal der Erfolg nicht zuzurechnen sein (vorbehaltlich einer konkludenten Willenseinigung, deren zuständigkeitsbegründende Wirkung – wieso muß der einzelne tätig werden? – unter Verzicht auf streng normative Überlegungen – Wahrnehmung von Verantwortung durch ein formalisiertes Gruppenverhalten und eben nicht Teilhabe an einem Unterlassungsprojekt – nicht erklärt werden kann: Schaal, S. 256 ff.), denn es fehle an der notwendigen Erfolgsabwendungsmöglichkeit beim einzelnen (Schaal, S. 251 ff.). Auf diese Weise wird deutlich, daß Schaal nicht auf eine objektiv bedingte, gemeinschaftliche Verantwortung, sondern auf eine grundsätzlich subjektive Begründung des Beteiligungsverhältnisses im Sinne der h. L. abstellt, die, wie bei der Analyse der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung gezeigt wurde, letzten Endes eine Rückkehr zu dem Muster der Einzelzurechnung bedeutet; allein kommt in diesen Fällen – wegen der Struktur der Gremienentscheidung – die Uferlosigkeit der Konstruktion nicht eindeutig zum Vorschein.

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oder ggf. zu mehreren Personen subjektiv zugerechnet werden kann. Ist aber Beteiligung nichts anderes als die gemeinschaftliche Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung, dann ist nicht ersichtlich, weshalb das Minimum an subjektiver Zurechnung, das zur Begründung des Beteiligungsverhältnisses vonnöten ist, nur an eine Form der individuellen Vermeidbarkeit, nämlich den Vorsatz, gebunden sein muß. Es reicht damit aus, daß jeder Akteur den Umfang der vermeidbaren Verhaltensweisen der anderen erkennen kann und soll. Ob darüber hinaus jedem einzelnen Kenntnisse zuzuschreiben sind, die Vorsatz in bezug auf die Tatbestandsverwirklichung begründen würden (oder nur Erkennbarkeit, dann Fahrlässigkeit bei Erkennensollen), ist eine Frage, welche nur die subjektive Zurechnung des Erfolgs zum einzelnen betrifft.287 Entscheidend sind die von der Rechtsordnung zuerkannten bzw. zugeschriebenen Rollen, d. h. das auf der Ebene der objektiven Zurechnung zu bestimmende Wissensollen. Eine auf das tatsächliche Wissen um die Gefährlichkeit des Produkts abstellende Auffassung wäre nicht in der Lage, zwischen den Zuständigkeiten der Tochterfirmen und denjenigen anderer Vertreibern zu unterscheiden, wie es übrigens bei jeder Auffassung der Fall ist, welche die zurechnungserheblichen Kenntnisse als psychischen Befund behandelt. Die Gefahren einer solchen Position wurden bereits anläßlich der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung erörtert. Hier sei nur daran erinnert, daß auf diese Weise beinahe jede beliebige Sequenz als Arbeitsteilung bezeichnet werden kann.288 Ähnliches gilt für den Versuch, eine Alleintäterschaft der Geschäftsführer für die Fahrlässigkeitstaten mit Hilfe von Kausalüberlegungen zu begründen. Der BGH vollzieht nämlich mit der Übertragung auf den Sachverhalt der Lösung für die Fälle kumulativer Kausalität eine Umkehrung der Bedingungen, die darauf hinaus läuft, das Erfordernis einer notwendigen durch das einer hinreichen287 Im übrigen ist auch die Beobachtung Ransieks (Unternehmensstrafrecht, S. 71) grundsätzlich zutreffend: „Zudem scheint es kaum realistisch zu sein, daß der gemeinsame Tatentschluß der Geschäftsleitung auf die gemeinsame, vorsätzliche Straftatverwirklichung gerichtet sein soll. Denn der strafrechtliche Vorsatz der einzelnen Geschäftsführer wird wohl kaum Gegenstand der Beratungen sein, sondern allein, ob und was getan werden soll. Ob das eine Straftat ist, ist für den gemeinsamen Entschluß zu handeln oder zu unterlassen ohne Bedeutung“. 288 So etwa bei Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 71 f. mit Anm. 286: „Erfaßt werden Konstellationen, bei denen Hersteller und Vertreiber nicht gemeinsam [im psychisch-empirischen Sinne] entscheiden. Bei Gutgläubigkeit des Vertreibers kann dem Hersteller dessen Verhalten bei entsprechendem Vorsatz über § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zugerechnet werden. Ist das nicht der Fall, kann das Verhalten des Vertreibers dem Hersteller über § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden: Der gemeinsame Tatentschluß ist auf das (arbeitsteilige) Herstellen und Inververkehrbringen gerichtet. Auch nach § 319 StGB [a. F.] ist das Herstellen gefährlicher Produkte bereits tatbestandsmäßig, obwohl Gefahren erst durch den Vertrieb entstehen können – dem Hersteller wird die Gefahr zugerechnet [!]“. Nebenbei bemerkt: Der letzte Satz ist ebenfalls nicht richtig, denn bei § 314 StGB handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, wo gerade die Zurechnung einer Gefahr kein Element des Tatbestandes ist.

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den Bedingung zu ersetzen. Wie schon ausgeführt bedeutet dieser „Ersatz“ eine normative Entscheidung, die durchaus zulässig sein mag, aber durch die kausalen Überlegungen des Gerichts anhand der sog. kumulativen Kausalität nicht getragen wird. Denn es geht vielmehr darum, zu bestimmen, weshalb das Einzelverhalten jedes Geschäftsführers überhaupt als Bestandteil des Prozesses, der zur Tatbestandsverwirklichung geführt hat, betrachtet werden soll. Der BGH verurteilt ja nicht die Geschäftsführer wegen einer bloßen kausalen Verknüpfung des Einzelverhaltens mit dem Erfolg; er setzt eine Pflicht zum Ergreifen von Sicherungsmaßnahmen bzw. zum Rückruf des Produktes voraus. Die Frage aber, ob diese Verpflichtung alle Geschäftsführer gemeinschaftlich betraf oder nicht, wird nicht einmal gestellt. Die Suche nach Einzelgarantenstellungen und die Verfolgung linearer Kausalverläufe ist die Folge der insofern voreiligen Annahme einer Pflichtenkonkurrenz, was angesichts der gleichzeitigen Anerkennung einer mittäterschaftlichen Verantwortung hinsichtlich der vorsätzlichen Taten als inkonsequent erscheint. 3. Einzelfragen a) Probleme der Mitwirkung an einer Kollegialentscheidung aa) Problematisch wird zunächst einmal die Abgabe einer inhaltlich adäquaten Stimme oder eine Stimmenthaltung in den Fällen, in denen sie die Tatbestandsverwirklichung deswegen kausal fördert, weil dadurch die Beschlußfähigkeit des Gremiums erst herstellt oder aufrechterhalten wird.289 Die Option für das Verfahren der Abstimmung ist allerdings noch keine Option für Rechtswidriges, denn die Gemeinsamkeit der Pflicht zur Vermeidung der Tatbestandsverwirklichung ergibt sich aus der normativen Beschaffenheit der jeweiligen Pflichten der Akteure, welche auch vorgibt (ggf. konkretisiert durch gesellschaftliche Regeln, interne Regeln des Unternehmens, Erfahrungssätze usw.), 289 Dieser „fördernde“ Charakter der Stimme hat beispielsweise Dencker und Gropp dazu bewogen, den gegen die fragliche Entscheidung Stimmenden oder sich Enthaltenden als verantwortlich für die sich daraus ergebenden Tatbestandsverwirklichungen zu betrachten: s. Dencker, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, S. 70, und Gropp, in: Eser/Huber/Cornils (Hrsg.), Einzelverantwortung, S. 243. Nach Gropp läge in diesen Fällen Beihilfe des Gremienmitglieds vor, weshalb es der Verantwortung für den Erfolg nur im Wege des Rücktritts gem. § 24 Abs. 2 StGB entgehen kann. Noch weiter geht die Entscheidung OLG Stuttgart NStZ 1981, S. 28, die eine Entlastung wegen Abstimmung gegen den Beschluß, selbst wenn die fragliche Stimme unerheblich für die Beschlußfähigkeit ist, nicht anerkennen will: „Denn es würde dem Wesen einer Unterwerfung unter die Kollektiventscheidung widersprechen, wenn man sich der damit übernommenen Mitverantwortung durch schlichtes Dagegenstimmen entziehen könnte“ (!); kurz darauf heißt es allerdings: „Ob diese immerhin entfallen könnte, wenn sich der Überstimmte ausdrücklich distanziert, kann hier dahinstehen“ (?). Dazu sogleich im Text.

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wie sie erfüllt werden sollen: Bei Gremienentscheidungen nämlich durch eine im Sinne der Rechtsordnung abgegebene Stimme, und nicht erst dann, wenn es dem Geschäftsführer gelungen ist, auch die anderen in diesem Sinne zu überreden.290 Wie bei den oben behandelten Konstellationen (insb. der Einschaltung von Hilfspersonen zur Verwaltung eines Sonderrisikos) erstreckt sich hier die Gemeinsamkeit nicht bis zur Grenze der Gestaltungsbefugnisse bzw. -möglichkeiten (hier: sich weigern, an der Abstimmung mitzuwirken), sondern bis zur inhaltlichen Grenze der jeweiligen Pflichten der Akteure, d. h. im Sinne der Rechtsordnung abzustimmen. Das Verhalten des Dissentierenden hat also nicht die Bedeutung, den Tatbestand zu verwirklichen,291 da die Frage nach dem Vorliegen einer gemeinschaftlichen Pflicht nicht mit der Frage verwechselt werden darf, unter welchen Bedingungen und in welcher Form diese Pflicht im konkreten Fall als erfüllt zu betrachten ist.292 Aus diesem Grund scheidet die Auslegung der bloßen Stimmabgabe als Einpassung in den zur Tatbestandsverwirklichung führenden Prozeß aus. Das gilt auch für die Fälle, in denen der Dissentierende um die Wirkung seiner Stimmabgabe weiß. Denn die Begründung der Zuständigkeit für einen Verlauf, die ja zur objektiven Zurechnung gehört, wird nicht durch eine Verdichtung des subjektiven Rahmens ersetzt.293 Aus den soeben genannten Gründen muß auch zwischen der Abgabe einer Gegenstimme und der Stimmenthaltung unterschieden werden. Denn das soeben Ausgeführte gilt nicht für die letztere, wenn die Verkehrssicherungspflicht aufgrund der Inanspruchnahme eines Sonderrisikos das Ergreifen von Maßnahmen gebietet. Aber dann ruht die Verantwortung des Geschäftsführers nicht darauf, daß er die Beschlußfähigkeit des Gremiums hergestellt oder aufrechterhalten hat, sondern darauf, daß er seiner Pflicht zum gemeinsamen Eingreifen nicht nachgekommen ist. bb) Damit ist die zweite Fragestellung angedeutet, welche die Verantwortung derjenigen betrifft, die erst gar nicht zur Sitzung kommen oder sich der Stimme enthalten. Der BGH hat diesbezüglich in der Lederspray-Entscheidung deutlich Stellung bezogen: „Jeder war (. . .) dazu verpflichtet, unter vollem Einsatz seiner 290 Eine andere Frage ist, ob im von Dencker geschilderten Fall eine individuelle Pflicht des zuletzt Aufgerufenen nach allgemeinen Regeln zu begründen wäre. Dazu sogleich im Text. 291 Vgl. Jakobs, Festschrift für Miyazawa, S. 429 f.: Der dissentierende Teilnehmer an einer Abstimmung muß „nach deren Durchführung akzeptieren, daß nunmehr ein Beschluß in der Welt ist, aber dadurch bekommt seine abweichende Stimme nicht die Bedeutung, er sei für die Mehrheit, wie immer diese aussehen möge“. 292 Dem nähert sich die Formulierung des BGH in der Lederspray-Entscheidung (BGHSt 37, 125) an: „Von der Pflicht zum Rückruf, die allen Geschäftsführern gemeinsam oblag, war allerdings das den einzelnen Geschäftsführer treffende Handlungsgebot zu unterscheiden“. 293 So aber Dencker, in: Amelung (Hrsg.), Individuelle Verantwortung, S. 70.

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Mitwirkungsrechte das ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um einen Beschluß der Gesamtgeschäftsführung über Anordnung und Vollzug des gebotenen Rückrufs zustandezubringen“.294 Die Konstruktion einer institutionellen Garantenpflicht qua Stellung im Betrieb der Geschäftsführer, die dieser Annahme des BGH zugrunde zu liegen scheint, würde bedeuten, daß jedes Mitglied eines Gremiums, das die Entscheidung über den Rückruf des Produkts zu treffen hat, aus diesem Grund Garant für das Zustandekommen der Anordnung und deren Vollzug wäre. Die institutionelle Verantwortung würde jeden Geschäftsführer unmittelbar zu einem positiven Verhalten verpflichten, damit bestimmte und sozial erwünschte Ziele erreicht werden.295 Ob in diesem Falle der Rechtsordnung nach eine solche Verpflichtung besteht, ist jedoch eine kontroverse Frage, die noch nicht endgültig beantwortet ist und die in diesem Zusammenhang auch nicht thematisiert werden kann. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung interessiert allein die Zuständigkeit der Geschäftsführer qua Organisation, und sie läßt sich auch, wie bereits ausgeführt, durchaus begründen: Die Geschäftsführer, die bei der fraglichen Sitzung nicht anwesend sind oder sich der Stimme enthalten, treffen sicherlich nicht die Entscheidung, den Rückruf zu unterlassen. Aber gerade diese Entscheidung ist für die Bestimmung der Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichungen, wie oben dargestellt, nicht maßgebend. Sie haben jedoch das mitorganisiert, worauf es ankommt: Die Herstellung und den Vertrieb des gefährlichen Produkts. Die Verkehrssicherungspflichten, die hier in Frage kommen, stammen gerade aus dieser Inanspruchnahme eines Sonderrisikos, und sie begründen die Verantwortung nicht qua Institution, sondern qua Organisation, aufgrund der Verletzung einer negativen Pflicht. Auch aus diesem Grund kommt den Geschäftsführern, die an diesen maßgebenden Entscheidungen nicht mitgewirkt, sondern sie nur vorgefunden haben, keine organisatorisch begrün294

BGHSt 37, 126. Darin liegt der fundamentale Unterschied zwischen dem Ledersprayfall und dem BGHSt 48, 77 (= JZ 2003, S. 575 mit Anm. Ranft) zugrundeliegenden Sachverhalt. Während im Ledersprayfall eine institutionelle Verantwortung der Geschäftsführer allenfalls diskutabel war, kam eine Verantwortung der Mitglieder des Politbüros der SED wegen der unterlassenen Abschaffung des Grenzregimes nur aus institutionellen Gründen in Betracht. Gleiches gilt für den sog. „Gemeinderatsfall“ (nach Nettesheim, BayVBl. 1989, S. 116 ff.): Der Gemeinderat einer bayerischen Gemeinde hatte dem ersten Bürgermeister eine ihm rechtlich nicht zustehende „Urlaubsabgeltung“ zuerkannt, und in einer weiteren Abstimmung verweigert, einer Aufforderung des Landratsamts zum Erlaß eines Rückforderungsbescheids wegen der Rechtswidrigkeit des Beschlusses nachzukommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen neun Gemeinderäte und den Bürgermeister wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB). Wenn U. Weber meint, Mittäterschaft komme nicht in Betracht, da jedes Gemeinderatsmitglied „letztlich eigenverantwortlich entscheide“ (BayVBl. 1989, S. 169), ist das richtig in dem Sinne, daß der Mißbrauchtatbestand aufgrund der jedes Mitglied betreffenden, institutionellen Vermögensbetreuungspflicht auch von jedem einzelnen durch die Stimmabgabe verwirklicht wird. 295

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

dete, gemeinsame Verantwortung für die einschlägigen Tatbestandsverwirklichungen zu, sondern ggf. lediglich eine Alleinverantwortung, und zwar wegen unterlassener Hilfeleistung und gerade nicht wegen der jeweiligen Erfolgsdelikte, falls keine institutionelle Sonderverpflichtung begründet werden kann. cc) Mit Hilfe dieser Kriterien ist auch die Frage zu beantworten, wie es mit der Verantwortung eines Geschäftsführers steht, der nach seiner Mitwirkung an der fraglichen Entscheidung ausscheidet, wobei jedoch die Beiträge (Stimmen) der anderen noch ausstehen.296 Für den hypothetischen Fall, daß seine Stimme noch wirksam bleibt, hat ein solcher Geschäftsführer bereits alles gestaltet, was er mitgestalten konnte und im Sinne der Rechtsordnung hätte gestalten sollen, so daß seine Zuständigkeit für die nachfolgenden Tatbestandsverwirklichungen bereits begründet ist. Da er kein Mitwirkungsrecht mehr hat, kommt eine Entlastung nur unter den Bedingungen des Rücktritts (§ 24 Abs. 2 StGB) in Betracht. b) Mitwirkung in trennender, hierarchisch verwirklichter Arbeitsteilung Wenn der Grund für die Zuständigkeit außerhalb der Sitzung liegt und, allgemein ausgedrückt, in der pflichtwidrigen Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung gesehen werden kann, dann drängt sich die Vermutung auf, daß nicht nur die Geschäftsführer, sondern auch eine Reihe von Mitgliedern der Organisation durch ihr Verhalten (u. U. auch durch unzulängliche Organisation) zum tatbestandsverwirklichenden Vorgang beigetragen haben. Der Lastwagenfahrer etwa, der in Kenntnis der bei der Firma eingegangenen Schadensmeldungen der Verbraucher die Produkte weiter liefert. Die intuitive Ablehnung der strafrechtlichen Verantwortung des LKW-Fahrers für die Körperverletzungen läßt sich dennoch begründen, ohne die Kausalitätstheorien und die Kategorien subjektiver Zurechnung verdrehen zu müssen. Die Erklärung liegt darin, daß die gesellschaftliche Organisation – und hier das Subsystem Unternehmen – auf einer Aufteilung der Zuständigkeiten beruht. Nur diese Aufteilung und ihr notwendiges Gegenstück, die entsprechende Aufteilung von Unzuständigkeiten, schaffen die Voraussetzungen dafür, daß solche komplexen Organisationen überhaupt entstehen können, wie es Heine plastisch dargelegt hat.297 Dies liegt nicht nur daran, daß niemand gewillt wäre, die damit verbundene Verantwortung auf sich zu laden. Es geht auch, und wohl in erster Linie, um eine Frage der Effizienz.298 Denn zur Effizienz sowohl in der Verfolgung ihrer nichtdeliktischen Ziele als auch in der Nebenwirkungskontrolle 296 297 298

Vgl. H. Jung, in: Eser/Huber/Cornils (Hrsg.), Einzelverantwortung, S. 194. Verantwortlichkeit, S. 35 ff. Vgl. zum folgenden W. Lübbe, S. 158 ff.

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selbst sind Organisationen nur imstande, indem sie getrennte Zuständigkeiten bilden. Deswegen kann es sich das Rechtssystem, und insbesondere auch das Strafrechtssystem, nicht leisten, solche Zuständigkeitsaufteilungen bei der Zurechnungsfrage zu ignorieren. Eine Regulierung, die dieser Trennung widerspräche, wäre bestenfalls undurchführbar: Das Recht darf nicht eine Erlahmung der Gesellschaft bewirken, indem es die allgemeine Pflicht statuiert, jeder müsse selbst überprüfen, ob alle Bedingungen des eigenen Verhaltens, die vom Verhalten anderer abhängen,299 erfüllt sind. Konkret: Die Frage danach, wann eine harmlose Normallage sich in eine gefährliche Situation verwandelt hat, die nach Maßnahmen zur Gegensteuerung verlangt, kann nur ausnahmsweise ohne weiteres beantwortet werden. Eine solche Antwort setzt in aller Regel viel Arbeit voraus: Überprüfung von Labortests, Statistikenanalyse, Abklärung möglicher Alternativursachen, Analyse der Rechtslage und der vorgeschriebenen Sicherheitsstandards, Bewertung bzw. Prognose der Wirksamkeit der getroffenen bzw. der zu treffenden Maßnahmen usw. Die Konstatierung einer außerordentlichen, die Ergreifung von Sondermaßnahmen fordernden Lage bedarf der Ingangsetzung vieler Prozesse der Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung, und dasselbe gilt für die Ergreifung solcher Maßnahmen und ihre Koordinierung. Genau diese Arbeit wird von dem LKW-Fahrer nicht in Angriff genommen; diese Arbeit muß er nicht auf sich nehmen, bevor er seinen täglichen Beitrag zum Betrieb der Firma weiter leisten kann,300 und darin liegt eben der Kern des Regreßverbots, der trennenden Arbeitsteilung im hier thematisierten Zusammenhang.301

299 Wichtig: Die vom Verhalten anderer abhängen. Wer dagegen bemerkt, daß die Bremsen seines Wagens defekt sein könnten, ungeachtet dessen fährt und dabei wegen der defekten Bremsen einen Unfall verursacht, kann sich nicht darauf berufen, daß er kein Automechaniker ist. Die Pflicht, nur mit einem technisch zuverlässigen Fahrzeug zu fahren, kommt dem Fahrer zu, und zwar ohne Rücksicht darauf, daß er zur Erfüllung dieser Pflicht einen Experten zu Rate ziehen muß. 300 Darin liegt der Unterschied zu den Geschäftsführern der Vertriebsgesellschaften: Sie waren dazu berufen, an der Entscheidung über den Rückruf des Produkts mitzuwirken. Aus diesem Grund hatten sie Zugang zu den technischen Gutachten, die zur Verfügung standen, mußten sie bewerten und waren ggf. befugt, ihre Ergänzung zu beantragen. Es war m. a. W. auch ihre Arbeit, sich die notwendige Information zur Konstatierung einer Ausnahmelage zu verschaffen. Im Falle des LKW-Fahrers kann dagegen von einer solchen Zuständigkeit keine Rede sein. 301 Anders verhält es sich wiederum dann, wenn das Vorliegen einer Ausnahmelage so eklatant ist, daß sie jedem (d. h. ohne Zugriff auf Sonderwissen) ins Auge fällt. Denn, wie bereits ausgeführt, die jedermann erkennbare deliktische Dichte eines Zusammenhangs kann einem Verhalten einen deliktischen Sinn verleihen, so daß die Person u. U. als Beteiligter an den entsprechenden Erfolgsdelikten und nicht bloß als Täter einer unterlassenen Hilfeleistung anzusehen ist.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

c) Mittelbare Täterschaft Die Analyse der Beziehung zwischen den Geschäftsführern und anderen Mitgliedern der Organisation (etwa den Lastwagenfahrern) führt zu einem weiteren Problemkomplex, der hier ebenfalls kurz besprochen werden soll. Es handelt sich um die wenig geklärte Frage, ob ein fahrlässig handelnder Hintermann als mittelbarer Täter betrachtet werden kann. Wie bereits ausgeführt bedarf es zur Begründung der mittelbaren Täterschaft neben der Unzuständigkeit des Vordermanns immer eines besonderen Grundes, der den Hintermann für die Tatbestandsverwirklichung zuständig macht. In dem in Rede stehenden Sachverhalt liegen diese Gründe für die Zuständigkeit der Geschäftsführer (und ggf. auch anderer Hintermänner, die über Herstellung und Vertrieb des Produktes zu entscheiden hatten) vor: Die Geschäftsführer sind für das irrtumsbedingte Verhalten der Angestellten und Mitarbeiter auf den verschiedenen Stufen des Herstellungs- und Vertriebsprozesses zuständig (die LKWs transportieren beispielsweise nur das, was „von oben“ angeordnet wurde), und sie sind auch für den entlastenden Irrtum selbst zuständig, da ausschließlich den Organen der Firma die Aufgabe (und somit die entsprechende Verantwortung) zukommt, für die Qualität und Unschädlichkeit der Produkte zu bürgen. Kurz: Selbst wenn keine der Verhaltensweisen der Geschäftsführer als Ausführungshandlung der Körperverletzungen im formellen Sinne, sondern nur als Tatvorbereitung betrachtet werden könnte, bleibt ihre Verantwortung unberührt; sie sind nämlich mittelbare Mittäter eines fahrlässigen Delikts.302 d) Mitwirkung in trennender, nicht hierarchisch verwirklichter Arbeitsteilung: „Neutrale“ Handlungen als Beihilfe? Das LG hatte auch Dr. B. wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung verurteilt, „weil er die Geschäftsführung am 12. Mai 1981 unzureichend informiert und beraten habe“.303 Dr. B. habe nämlich ein Hindernis für die Tatbestandsverwirklichung aus dem Weg geräumt, indem er den Beschluß der Geschäftsleitung mit dem Verzicht auf einen sofortigen Rückruf „zumindest erleichtert“ habe. Dies entspreche einer „strafrechtlich relevante[n] psychische[n] Beihilfe“. Zu einer ganz anderen Bewertung kommt der BGH anhand einer Argumentation, die, drückt man sie mit den in der vorliegenden Untersuchung entwickelten Kategorien aus, wie folgt zusammenzufassen ist: (1) Die Aufgabe, aus der technischen Tatsachendarstellung Schlußfolgerungen in der Gestalt von betrieblichen Beschlüssen (worauf es hier allein an302 Deswegen kann auch unberücksichtigt bleiben, ob es sich in diesem Fall nicht um Selbstverletzungen der Opfer handelte. 303 BGHSt 37, 110. Weitere Ausführungen des LG werden im Urteil des BGH (nur in NJW 1990, S. 2568) wiedergegeben.

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kommt) zu ziehen, insbesondere die Entscheidung über einen Rückruf des Produktes, oblag Dr. B. nicht. Mit den Worten des BGH: „Was anzuordnen war und was nicht, nachdem sich die Schadensfälle gehäuft hatten, ohne daß eine chemisch-toxikologische Ursache dafür benannt werden konnte, fiel nicht in seinen Verantwortungsbereich, sondern in den der Geschäftsleitung“.304 Die Zuständigkeit des Angeklagten als Leiter des Zentrallabors beschränkte sich auf die Vermeidung von Produktfehlern im Herstellungsbereich und die Übergabe zutreffender und vollständiger Auskünfte aus seinem Fachbereich an die Geschäftsleitung, soweit sie ihn dafür in Anspruch nahm. Beiden Pflichten ist er auch nachgekommen. Da er andererseits für die Inanspruchnahme des fraglichen Sonderrisikos nicht zuständig war, hatte er auch nicht die Sonderverantwortung305 dafür, die Erfüllung der mit dieser Inanspruchnahme einhergehenden Verkehrssicherungspflichten – sei es nur durch Rat – zu bewirken. Anders gewendet: Dr. B. wurde vom BGH nicht etwa deswegen freigesprochen, weil seine Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichungen „geringer“ als die der Geschäftsführer gewesen wäre (wie das LG mit der Verurteilung wegen Beihilfe anzunehmen scheint), sondern weil er dafür überhaupt nicht zuständig war. (2) Dr. B. hat also die von ihm zu erwartenden Leistungen im Sinne der Rechtsordnung erbracht und damit die seiner Zuständigkeit entsprechenden Pflichten erfüllt. Darin erschöpft sich denn auch der Sinn seiner Handlung, so daß sie vom deliktischen Vorgang abgesondert werden kann. Seine Leistung bildet insofern eine neutrale Handlung und deshalb kann sie nicht als Einpassung in den deliktischen Vorgang gedeutet werden. Dies wird auch nicht durch den Kontext entkräftet. Denn hier verhält es sich nicht so, daß das Verhalten in den zur Tatbestandsverwirklichung führenden Vorgang eingepaßt wird, sondern vielmehr so, daß es zu diesem Vorgang zufällig paßt. Nach den innerhalb der Firma von den Schadensmeldungen ausgelösten und durchgeführten Untersuchungen hatte sich tatsächlich keinen „Anhaltspunkt für toxische Eigenschaften und damit für eine besondere Gefährlichkeit der Ledersprays ergeben“,306 so daß Dr. B. – zugespitzt formuliert – nach gewissenhaft getaner Arbeit „keine andere Wahl hatte“, als diesen Sachverhalt vorzutragen und, was er auch tatsächlich getan hat, vorzuschlagen, eine externe Institution mit weiteren Untersuchungen zu beauftragen. Aus diesem Grund ist sein Verhalten nicht als Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung aufzufassen, und zwar selbst dann nicht, wenn es von der Absicht getragen gewesen wäre, diese zu befördern.

304 BGH NJW 1990, S. 2569, wo es auch heißt: „Insbesondere war er nicht für die Entscheidung verantwortlich, die von der Geschäftsleitung aufgrund seines Berichts getroffen wurde“. 305 Eine Jedermannspflicht im Sinne von § 323c StGB wäre diskutabel, aber wohl zu verneinen. Zum Kontext s. sogleich im Text. 306 BGH NJW 1990, S. 2568.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

(3) Anders verhielte es sich jedoch, wenn Dr. B. von einer Rückrufentscheidung abgeraten hätte und die Geschäftsführer dem gefolgt wären. Der BGH begibt sich in diese Hypothese und konzentriert sich auf die Ablehnung einer solchen Deutung des Verhaltens des Angeklagten.307 Interessanter für unsere Fragestellung sind aber die Gründe für eine Bejahung der Zuständigkeit im Falle des Abratens, die der BGH nicht angibt. Denn auch in einem solchen Fall verbliebe nach dem oben Gesagten die Zuständigkeit für die fragliche Entscheidung des Gremiums bei den Geschäftsführern. Gleichwohl hätte sich dabei der Sinn des Verhaltens von Dr. B. drastisch geändert. Eine solche Empfehlung hätte strenggenommen bedeutet, daß Dr. B. seine Kompetenzen überschritten und den Bereich des Fachwissens verlassen hätte, um sich in die Kompetenzen der Geschäftsführer einzumischen.308 Damit hätte er sein Verhalten in den tatbestandsverwirklichenden Prozeß eingepaßt (es hätte also nicht nur zufällig gepaßt, sondern es wäre von Dr. B. eingepaßt worden) und so die Tatbestandsverwirklichung durch Einwirken auf die Geschäftsführer in einer Weise angebahnt bzw. mitgestaltet, die u. U. (und nach herkömmlicher Terminologie) einer Anstiftung oder – der nach dem Sachverhalt nächstliegenden Möglichkeit – einer psychischen Beihilfe entsprochen hätte. Wichtig ist insbesondere, daß eine solche Bewertung des Beitrags des Angeklagten unabhängig von drei Gegebenheiten angemessen wäre: Zunächst einmal unabhängig davon, daß Dr. B. dabei vorsätzlich oder fahrlässig in bezug auf die Körperverletzungen gehandelt hätte. Denn, ob er seinen Beitrag eingepaßt hat oder nicht – ob er seine Zuständigkeit verlassen und sich in die der Geschäftsführer eingemischt hat –, wird ohne Rücksicht auf diese Frage festgestellt. Zweitens: Diese Bewertung hinge mit der Teilnahme von Dr. B. an der Sitzung vom 12. Mai nicht zusammen, da eine Einwirkung auf die Geschäftsführer hinsichtlich der intendierten Entscheidung auch in anderen Zusammenhängen durchaus möglich ist. Drittens: Eine mögliche Beteiligung durch Abraten von dem Rückruf kommt schließlich unabhängig davon in Frage, daß Dr. B. der Leiter des Zentrallabors der Firmengruppe war. Es hätte damit ausgereicht, daß er auf zuständigkeitsbegründende Weise den Beschluß der Geschäftsführer, das Produkt nicht zurückzurufen, veranlaßt oder verstärkt hätte, und dadurch die Tatbestandsverwirklichung mitgestaltet hätte. Auf die Rolle von Dr. B. als Chemiker und Leiter des Zentrallabors kommt es dabei nicht an. Diese Position in der Firma hätte nur die Feststellung der Effektivität der Einwirkung von Dr. B., d. h. seiner Mitgestaltung der Tat, u. U. erleichtert.

307

s. die (m. E. zutreffenden) Argumente hierfür in BGH NJW 1990, S. 2569. Vgl. BGH NJW 1990, S. 2569. Der Angeklagte äußerte nur, „daß die innerhalb seines Aufgabenbereichs gewonnenen Erkenntnisse keinen Produktfehler ergeben haben. Dieses Verständnis wird auch dadurch nahegelegt, daß sich der Angekl. nur so im Rahmen seines Aufgabenbereichs hielt“ (Herv. nur hier). 308

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4. Rückblickende Bemerkungen Im Anschluß an das soeben Ausgeführte kann noch zweierlei festgestellt werden. Es handelt sich dabei um mehrfach im Verlauf der Untersuchung betonte Aussagen, welche durch die Lederspray-Entscheidung noch einmal bestätigt werden. (1) Zum einen ist festzuhalten, daß die Begründung der Zuständigkeit für einen Verlauf, und insbesondere der gemeinsamen Zuständigkeit, ohne Rücksicht auf die Erscheinungsformen der individuellen Vermeidbarkeit der Beteiligten vollzogen werden soll. So geht beispielsweise der BGH in dieser Entscheidung vor, wenn er zunächst die Zuständigkeit von Dr. B. auf objektiver Ebene überprüft (ob sein Verhalten als Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichungen verstanden werden kann) und erst danach auf die Frage eingeht, ob Dr. B. Vorsatz oder Fahrlässigkeit hinsichtlich der einschlägigen Tatbestandsverwirklichungen zur Last fällt.309 Wie sich jedoch gezeigt hat, gilt dies nicht nur für die Frage der Beihilfe, sondern auch für die Bestimmung der Zuständigkeit der Geschäftsführer: Die Art ihrer individuellen Vermeidbarkeit spielt dabei keine Rolle. (2) Zum anderen ist es daran zu erinnern, daß im Ledersprayfall von einem notwendigen Zusammenwirken aller Geschäftsführer hinsichtlich der Abwendung der Tatbestandsverwirklichung keine Rede sein kann. Trotzdem liegt ein Beteiligungsverhältnis vor, bei dem angesichts des gleichrangigen Gestaltungsquantums der beteiligten Geschäftsführer jeder mit der Täterstrafe belegt werden kann: Mittäterschaft im hier vorgeschlagenen Sinne. Denn es kommt nicht auf eine kausale Abhängigkeit der Tatbeiträge an, sondern auf das Vorliegen einer gemeinschaftlichen Pflicht, auf die eine solche Abhängigkeit in gewissen Grenzen hindeuten kann. Es geht mit anderen Worten vielmehr darum, daß zum Rückruf des Produkts alle Geschäftsführer gemeinsam berechtigt und berufen waren. Aus diesem Grund spielt die „Überbedingtheit“ des Erfolges bei bestimmten Konstellationen keine entscheidende Rolle, wenn es um die Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln geht: Dabei handelt es sich nämlich um ein einziges Risiko, das der Gemeinsamkeit der Beteiligten und insoweit jedem einzelnen zuzurechnen ist, so daß durch die Betrachtung hypothetischer Kausalverläufe keine Erklärungsmöglichkeiten des Konflikts (hier insbesondere: Zurechnung zu einem Dritten) verlorengehen.310 309 Dabei gebraucht der BGH die Konstruktion des „Gehilfenvorsatzes“ (Bewußtsein des Gehilfen, mit seinem Verhalten die Haupttat zu fördern), die zu seiner Argumentation besser paßt, aber bekanntlich nichts anderes als einen Auslassungssatz bildet. 310 Deshalb ist jede bloß kausale Approximation an die hier interessierende Problematik unzulänglich: vgl. insb. den Gesichtspunkt Samsons, StV 1991, S. 184 f.; neuerdings auch Puppe, GA 2004, S. 138 ff.: dazu oben, B. I. 1.

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III. Normative Gemeinsamkeit beim Begehungsdelikt Die Entwicklung des hier zugrunde gelegten Gedankens, daß es zwischen Tun und Unterlassen keinen erheblichen Unterschied auf der Ebene der Zurechnung gibt, ist mit dem wissenschaftlichen Befund eng verbunden, nach dem sich nicht jede vermeidbare Verursachung verantwortungsbegründend auswirkt. Diese Erkenntnis, deren Aufstellung und Systematisierung den Kern der Lehre von der objektiven Zurechnung bildet, bedeutet seinerseits die positive, ausdrückliche und systematische Anerkennung einer – neben Verursachung und Vermeidbarkeit – umfassenderen Kategorie strafrechtlicher Zurechnung, die Zuständigkeit des Täters für das Ausbleiben der Tatbestandsverwirklichung, der die Aufgabe zukommt, die Grenzen des im strafrechtlichen Sinne erheblichen Kausalwerdens abzustecken, in deren Rahmen es gerechtfertigt ist, nach den konstitutiven Elementen subjektiver Zurechnung (Vermeidbarkeit) bei der einzelnen Person zu fragen. 1. Folgen der Gleichstellung für die Beteiligungslehre Eine Vertiefung dieser umfassenderen Kategorie und ihrer dogmengeschichtlichen Entwicklung bezüglich der Problematik der Gleichstellung von Tun und Unterlassen wird hier nicht unternommen. Dennoch scheint es an dieser Stelle angebracht, daran zu erinnern, daß sie nicht nur anhand der Automatisierung von Vorgängen, die sich einer Systematik nach Einsatz bzw. Nicht-Einsatz physischer Energie offensichtlich widersetzen, entwickelt worden ist. In der Mehrzahl der praktisch relevanten Fällen ist nämlich der naturalistische Schluß – Einsatz von Energie gleich Zuständigkeit für die Folgen – im Ergebnis durchaus zutreffend. Vielmehr wurde relativ früh anerkannt, daß eine solche Identität oft richtig sein konnte, aber nicht normativ-grundsätzlicher, sondern zufälliger Art war.311 Anstoß zu einer tieferen Auseinandersetzung gaben die Konstellationen des sog. Rücktritts vom Rettungsversuch bzw. der Beseitigung (eigener und fremder) rettender Kausalverläufe (etwa die Veränderung von Bedingungen im eigenen Organisationsbereich, die zur Beseitigung von reflexartigen Vergünstigungen für fremde Rechtsgüter führte), sowie von deliktsförderndem Weggehen einer Person,312 die bereits Engisch aus der Perspektive der Kausalität behandelt 311 Bereits Geilen, JZ 1974, S. 151 (Die Verantwortung kann nicht von der Konstruktion der Herz-Lungen-Maschine abhängen; ob Handeln oder Unterlassen vorliegt, ist zufällig). Ein Beispiel von Jakobs (Gedächtnisschrift für Arm. Kaufmann, S. 272): Man soll kein Arsen in eine Suppe schütten, die für den Verzehr eines anderen bestimmt ist, oder: man muß die vergiftete Suppe aus dem Verkehr ziehen, wenn man sie salzen wollte, aber Salz mit Arsen verwechselt hat und dies erkennt. Vgl. Herzberg, Unterlassung, S. 169 ff. und insb. 172 ff. (aus der subjektiven Perspektive gesehen: das Vermeidbare nicht vermeiden; aber es kommt auf eine normative Gleichstellung an, die auf den Grund für die Vermeidung bzw. Nicht-Vermeidung abstellt).

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hatte.313 Aus seiner Analyse ist u. a. zu entnehmen, daß eine faktische Herrschaft über die Gefahrenlage allenfalls als äußerste Grenze der Verantwortung zu betrachten ist.314 Um es mit einem viel zitierten Beispielsfall Jakobs’ zu verdeutlichen: Die Blumen auf einem tiefer gelegenen Grundstück verdorren, wenn der Grundstücksnachbar die Berieselungsanlage, deren Sickerwasser dem Tieferen zugute kommt, abschaltet.315 Da der Bestand nicht rechtlich garantiert ist, ergibt sich keine Haftung des Grundstücksnachbarn wegen Sachbeschädigung (§ 303 StGB), und zwar ungeachtet dessen, daß eine vermeidbare Verursachung durch Handlung vorliegt. An diesen – wenn man so will, eher ausnahmsweise vorkommenden – Konstellationen hat die Lehre erkannt, daß Begehungsdelikte nicht weniger als Unterlassungsdelikte der Begründung einer Garantenstellung bedürfen, wenn es um die Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung zu einer bzw. mehreren Personen geht.316 Dieser Gedanke ist auch längst in die Beteiligungslehre aufgenommen worden.317 Er wurde nur durch die Tatherrschaftslehre in breiten Berei312 Vgl. hierzu Jakobs, AT 7/56 ff.; dens. Gedächtnisschrift für Arm. Kaufmann, S. 248 f.; dens. GA 1996, S. 259 mit Anm. 14; ferner Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 132 ff., 250 ff., 262; Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 68 ff.; Silva Sánchez, in: Eser/Huber/Cornils (Hrsg.), Einzelverantwortung, S. 208 f.; Kratzsch, Festschrift für Oehler, S. 65 ff., 69 ff. Zum deliktsfördernden Weggehen s. bereits oben C. I. 3. b). 313 Kausalität als Merkmal, insb. S. 28 ff.; ders., Langenbecks Archiv 288 (1958), S. 573 ff.; ders., Langenbecks Archiv 297 (1961), S. 236 ff. 314 Zur Zufälligkeit der Verantwortungsabgrenzung nach der faktischen Herrschaftsmacht s. etwa Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 169, 189; in diesem Sinne bereits Herzberg, Unterlassung, S. 320 (Herrschaft als „äußerste Grenze“). 315 AT 7/61. 316 Vgl. etwa Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 138 ff. Nicht folgerichtig in dieser Hinsicht erscheint jedoch die Auffassung Frischs, wenn er meint, die Anerkennung einer Garantenstellung kraft Organisationszuständigkeit sei ein „terminologisches Problem“ (Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 133, Anm. 134). Daß es sich dagegen um eine inhaltliche Frage handelt – Begehungsdelikte bedürfen einer Garantenstellung wie Unterlassungsdelikte –, wird jedoch von Frisch selbst an anderer Stelle eingeräumt (Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 133, Anm. 135): Die Zuordnung beinhalte wichtige Wertungen, denen naturalistische Kriterien nicht gerecht werden, wie eben die Fälle des Abbruchs rettender Kausalverläufe zeigen. Der Grund für diese Sichtweise liegt wohl darin, daß Frisch einen grundsätzlichen, für die Zurechnung maßgeblichen Unterschied zwischen Tun und Unterlassen beibehalten will. 317 Besondere Aussagekraft für den Fall der Beteiligung besitzt eine von Frisch behandelte Konstellation (Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 262 mit Anm. 115): Selbst bei nicht mehr revidierbaren Taterleichterungen bedarf es einer Garantenstellung, die nicht auf der bloßen Nicht-Revidierbarkeit der Taterleichterung beruht. Nur mit diesem Hintergrund sind auch folgende Ausführungen von Freund (Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 118 f.) überhaupt verständlich: „Beispielsweise ist die Lieferung der Tatwaffe zu einem Tötungsdelikt nach wohl einhelliger Auffassung als Beihilfe dazu strafrechtlich erfaßt. Als tauglicher Vorwurfsgegenstand läßt sich ein einem solchen Fall nach den im bisherigen gewonnenen Einsichten die (verbotswidrige) sonderverantwortliche Nichtvermeidung der Verwendung der gelieferten Tatwaffe im Rahmen

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

chen318 verhüllt: Wenn es um Herrschaftsdelikte geht, soll die Herrschaft als Faktum die Zuständigkeit begründen. Daß dies auf die Unterlassungsdelikte offenkundig nicht angewandt werden kann, verliert als Einwand gegen die Tatherrschaftslehre dadurch an Bedeutung, daß die Unterlassungsdelikte als Sonderdelikte im Sinne von Pflichtdelikten aufgefaßt werden, so daß der Tatherrschaftsgedanke in diesem Bereich – weil nicht einschlägig – ausgeschaltet wird. Erkennt man jedoch, daß es auch Unterlassungsdelikte gibt, die auf einer Zuständigkeit kraft Organisation beruhen (und hier sind etwa sämtliche Fälle von Ingerenz zu nennen), dann bleibt in diesen Fällen nur die Möglichkeit übrig, wieder auf den Herrschaftsgedanken zurückzugreifen. Dann würde sich jedoch offenbaren, daß die faktische Abwendungsmöglichkeit (Herrschaft über die Abwendung) als Zurechnungskriterium unzulänglich ist: Im Begehungsbereich muß, genau wie bei den Unterlassungsdelikten, ein Grund benannt werden, weshalb der Handelnde für den Verlauf überhaupt zuständig ist. Da die Feststellung eines solchen Grundes Aufgabe der Lehre von der objektiven Zurechnung ist, hat das soeben Ausgeführte in der Beteiligungslehre zur Folge, daß die normativen Kriterien zur Begründung einer gemeinsamen Organisationszuständigkeit, die für die Unterlassungsdelikte entwickelt worden sind, ebenfalls für die Begehungsdelikte kraft Organisationszuständigkeit gelten können: Aus der Zurechnungsperspektive handelt es sich nicht um ein aliud, weshalb eine Übertragung dieser Kriterien auf die Begehungsdelikte nicht nur möglich, sondern – will man ein kohärentes Zurechnungssystem aufbauen – geradezu unumgänglich ist. 2. Arbeitsteilung als ambivalentes Phänomen Die Parallelen zwischen der Beschreibung der (gemeinsamen) Zuständigkeit bei gemeinsamem Handeln und der Beschreibung der (gemeinsamen) Organisationszuständigkeit kraft Ingerenz und Verkehrspflichten beim Unterlassungsdelikt zeigen sich wohl am deutlichsten in den Fällen von Arbeitsteilung. Denn hier kommt auf besondere Weise zum Vorschein, daß es sich um eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche (Zuständigkeitsbereiche) handelt, das heißt u. a. darum, in welchen Fällen der Mitverursacher auch für die Tatbestandsverwirklichung einzustehen hat oder aber von der Zurechnung ausgeschlossen werden kann.319 Organisationsfreiheit schließt die Möglichkeit der Arbeitsteilung eines an sich von einem anderen zu verantwortenden schadensträchtigen Geschehen aufweisen“. Das fragliche Verhalten, das einen Grund für die Einbeziehung der Leistenden in die Gemeinsamkeit der Beteiligten liefert, kann sowohl als Handlung als auch als Unterlassung erfaßt werden. Für die Zurechnungsfrage ist das einerlei. 318 Bis auf die Arbeitsteilung: dazu sogleich im Text. 319 Zur verbindenden und trennenden Arbeitsteilung s. bereits Jakobs, AT 24/17-19 (s. insb. Rn. 17, m. w. N. aus der Rechtsprechung); dens. Festschrift für Lampe, S. 563 ff. Vgl. auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 280 ff.; 333 ff.; 295 ff.; ferner Schumann, Selbstverantwortung, S. 62 ff.

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ein; diese ist ihre gesellschaftlich anerkannte und notwendige Folge. Aus der Perspektive der strafrechtlichen Zurechnung handelt es sich jedoch um ein ambivalentes Phänomen, da Arbeitsteilung sowohl Gemeinsamkeit als auch Trennung der Verantwortungsbereiche begründet. Wenn man das Phänomen der Arbeitsteilung und die daraus resultierende Aufgabenaufteilung aus dem Blickwinkel der strafrechtlichen Verantwortung betrachtet, ergibt sich ein Bild, bei dem zwei Seiten differenziert werden müssen. Dabei handelt es sich jedoch – und dies muß hinreichend hervorgehoben werden – eben um eine Differenzierung, und keineswegs um eine Trennung. Das proprium der Arbeitsteilung – im Gegensatz zur zufälligen mehrfachen Einwirkung auf einen Gegenstand oder gar zur selbständigen Erfüllung von Aufgaben – liegt darin, daß die einzelnen Leistungen im Hinblick auf einen bestimmten Zweck abgestimmt sind. In der Arbeitsteilung vollzieht sich deshalb immer eine gewisse „Sinnteilung“ bzw. eine „Sinnvermittlung“: Die einzelnen Leistungen sind durch den Zweck des Ganzen mitgeprägt, oder, bildlich ausgedrückt, in jeder Leistung steckt ein „Sinnstück“, das diese Leistung mit der gesamten Unternehmung in Verbindung bringt. Dies läßt sich zunächst mit Hilfe eines Gegenbeispiels verdeutlichen. Wenn eine Person als zehnte den Aufzug besteigt, der nur neun Personen zuläßt, bewirkt sie nicht mit den anderen den Sturz des Aufzuges, da die Benutzung des Lifts für jeden Akteur einen von den Verhaltensweisen der anderen völlig unabhängigen Handlungssinn hat320 (wie übrigens im bekannten Radfahrerfall: von einer gemeinsamen Fahrt kann – entgegen Exner – keine Rede sein). In solchen Fällen muß man zwar auf die Situation reagieren, wie man sie vorfindet: Man darf also nicht so handeln, als ob zuvor kein anderer oder doch alle korrekt gehandelt hätten. Aber man ist nicht verpflichtet, die voraussehbar schädigenden Folgen des Verhaltens eines nachkommenden Akteurs zu neutralisieren. Selbst wenn die erste Person vorausgesehen hat, daß durch das Hereindrängen der eiligsten Person, die ganz hinten steht, die Traglast des Aufzugs überschritten wird, muß sie nicht zurücktreten. Das liegt u. a. daran, daß andernfalls die Verhinderungsverantwortlichkeit des letzten immer durch die des ersten ersetzt würde. Diese Möglichkeit der Distanzierung ist indes im Falle von Arbeitsteilung nicht einschlägig, weil es hier um einen teilweise gemeinsamen Sinn geht, so daß die Beiträge der ersten Person ohne die Beiträge der letzteren (mindestens) zum Teil hinfällig würden. Aus diesem Grund könnte sich jeder, der nicht Letzthandelnder ist, darauf berufen, seine Leistung wäre ohne den letzten sozialadäquat geblieben. Dies würde darauf hinauslaufen, daß die Verhinderungspflicht immer den letzten wissenden Beitragenden (den Tatnächsten) träfe.

320

Zu diesem Beispiel s. W. Lübbe, S. 156 ff.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Aber genau wie diese jeder Arbeitsteilung eigentümliche Sinnvermittlung nicht verkannt werden darf, wäre es irreführend, aus dem arbeitsteiligen Zusammenwirken stets eine gemeinsame Verantwortung herleiten zu wollen. Dies wäre der Fall, wenn man die zweite der oben genannten Seiten der Arbeitsteilung außer acht ließe. Denn die Organisationsfreiheit schließt ebenfalls die Möglichkeit einer trennenden Arbeitsteilung ein, die durch Aufteilung der Zuständigkeiten vollzogen wird. Es muß also bei Arbeitsteilung immer zusätzlich entschieden werden, inwieweit die Sinnteilung auch verbindend ist. Dies sei an einem oben bereits angeführten Beispiel verdeutlicht, wobei jedoch darauf hingewiesen werden muß, daß sich in diesem Bereich nur spärliche allgemeine Faustregeln treffen lassen; es kommt vielfach auf den Kontext an, so daß die Kriterien mit Blick auf die verschiedenen Fallgruppen entwickelt werden sollen. Als Beispiel: Ein Techniker, der eine Schleuse zur Ableitung von Abwässern unter fest definierten Anweisungen zu öffnen hat, begeht keine Gewässerverschmutzung, wenn er es tut und dadurch unzulässige Chemikalien in den Fluß fließen, weil die Kontrolle des Abwassers nicht zu seiner Rolle gehört.321 Da seine Aufgabe nicht darin besteht (und auch unter normalen Umständen nicht darin bestehen kann), sich die Kenntnisse zur Kontrolle des Abwassers zu verschaffen, bedeutet sein Beitrag – und zwar unabhängig von zufällig vorhandenen Kenntnissen: ob der Sinn geteilt ist, was Arbeitsteilung ist und was nicht, hängt nicht von den Vorstellungen der Akteure ab – nur die Erfüllung einer beschränkten, eben nur anweisungsgemäß durchzuführenden Aufgabe im Betrieb. Dies zeigt sich noch deutlicher, wenn man mit Jakobs eine aus der herkömmlichen Unterlassungsdogmatik entlehnte Argumentation ins Feld führt: „Würde ein Techniker, dessen Aufgabenbereich sich auf die Schleusemechanik beschränkt, die Chemikalien – ohne zu handeln – dienstplangemäß hinausfließen lassen, könnte ja auch niemand gerade ihn zum Garanten für die Qualität des Abwassers stilisieren“.322 Sinnvermittlung gehört also immer zur Arbeitsteilung dazu. Sie ist aber darüber hinaus nur für diejenigen verbindend, welche die Tatbestandsverwirklichung durch Mitgestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens organisieren, oder m. a. W., die das Sonderrisiko der Arbeitsteilung gemeinschaftlich in Anspruch genommen haben. Beim Fahrlässigkeitsdelikt heißt es, daß die erbrachte Leistung zu einem Vorgang, der aus der Perspektive der Tatbestandsverwirklichung einen deliktischen Sinn aufweist, folgendermaßen eingepaßt wird: Aus dem beanspruchten Sonderrisiko erwachsen Verkehrssicherungspflichten, die, gerade weil das Risiko in Arbeitsteilung beansprucht wird, alle Akteure betreffen. Ein Teil dieser Risiken wird auch gemeinschaftlich beansprucht: die Risiken, die mit der Arbeitsteilung als solcher einhergehen. Genau wie bei Arbeitsteilung zu einem guten Werk das Gelingen die Leistung aller, aber auch jedes 321 322

Jakobs, GA 1996, S. 259, Anm. 14; vgl. auch Lesch, Beihilfe, S. 266 f. Jakobs, GA 1996, S. 259, Anm. 14.

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einzelnen ist – und deshalb geht jede Einzelleistung nicht so in das gemeinsame Werk über, daß der einzelne nur aufgrund des Gemeinsamen gelobt wird –, werden die Einzelleistungen einer zur Tatbestandsverwirklichung führenden Arbeitsteilung nicht aus der Welt geschafft. Aus diesem Grund gibt es einige Risikozuschnitte, die gemeinsam beansprucht, und andere, die nur durch die eigene Leistung in Anspruch genommen werden. Die verbindende Arbeitsteilung bezieht sich auf die ersten: Da die Akteure ihre Leistungen in den arbeitsteilig durchgeführten Vorgang eingepaßt haben, haben sie sie auch in den Vorgang eingepaßt, der zur Realisierung der Risiken der Arbeitsteilung geführt hat. Verkürzte Arbeitsteilung heißt dementsprechend, daß ein Akteur nur das Risiko seiner eigenen Leistung beansprucht hat, nicht aber die Risiken der Arbeitsteilung. Weder das Gelingen noch das Scheitern der gesamten Unternehmung gehen ihn etwas an, sondern nur die Tauglichkeit der eigenen Leistung. Es ist zwar richtig, daß – aufgrund der Sinnvermittlung, die jeder Arbeitsteilung eigentümlich ist – keine Leistung einen in sich abgeschlossenen Sinn hat: Jede Leistung muß dazu taugen, die anderen Leistungen zu ergänzen (und dafür muß der Leistende mitunter über das Ganze unterrichtet sein). Aber trennende Arbeitsteilung bedeutet, daß von bestimmten Akteuren die Risiken der Arbeitsteilung als solche nicht übernommen werden. Sie sind für eine passende Leistung unabhängig davon zuständig, in welchem Kontext diese Leistung steht.323 Sie haben m. a. W. keine umfassende Gestaltungsbefugnis inne, was den Inhalt ihrer Sicherungspflichten und somit die Bedeutung ihrer Verhaltensweisen in bezug auf die Tatbestandsverwirklichung bestimmt: Da sie für den Kontext nicht zuständig und mit Gestaltungsbefugnissen in bezug auf den Gesamtvorgang nicht ausgestattet sind, müssen sie sich nur darauf beschränken, die passende Leistung unter den vorher – und vor allem: von anderen – definierten Bedingungen zu erbringen.324 Bleiben sie in dieser Rolle, so kann die Bedeutung ihrer Leistungen von der Bedeutung des Gesamtvorgangs trotzt der partiellen Sinnvermittlung abgetrennt werden. Dies wird nur dann entkräftet, wenn der vorgefundene Kontext – zur Zeit des Erbringens der Leistung – in einer für jedermann erkennbaren Weise derart deliktisch geprägt ist, daß eine solche Distanzierung nicht mehr möglich ist. In solchen Fällen löst sich nämlich die Rollentrennung auf: Der Leistende kann sich nicht mehr darauf berufen, daß er in seiner Rolle geblieben ist.325 323 Vgl. Jakobs, Gedächtnisschrift für Arm. Kaufmann, S. 284 f., wo es auch heißt: „Wer nur den Teilbereich organisiert, wird nicht allein deshalb schon für die Organisation des Zusammenhangs zuständig“. 324 Hätten sie aber doch eine selbständige, umfassendere Gestaltungspflicht, dann könnten sie trotz alledem zur Verantwortung gezogen werden, aber eben nach dem Muster der Alleinverantwortung. Fälle von Mehrfachsicherung sind nämlich auch oft Fälle, in denen dem einzelnen die Zuständigkeit für das Ganze aufgedrängt wird. 325 Da es auf den für jedermann erkennbaren Kontext ankommt, spielt es in solchen Fällen keine Rolle, ob dem Leistenden Vorsatz oder Fahrlässigkeit in bezug auf die Tatbestandsverwirklichung zur Last fällt.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

3. Hierarchische Arbeitsteilung und Sonderwissen Bekanntlich hat der grundlegende Beitrag von Stratenwerth über „Arbeitsteilung und ärztliche Sorgfaltspflicht“ die Weichen für die spätere dogmatische Entwicklung im Bereich der Arbeitsteilung gestellt.326 Zunächst einmal hebt Stratenwerth die Ambivalenz der Arbeitsteilung aus empirischer Sicht hervor: Sie ermögliche besondere Leistungen aber schaffe zugleich besondere Gefahren, die sich aus der Koordination der Einzelakte, aus dem Irrtum über die Befähigung der anderen Akteure, aus möglichen Verständigungsfehlern und der Schwierigkeit für den Leiter der Unternehmung, die Gesamtheit zu überblicken, ergeben. Hinzu komme jedoch eine juristisch „selbstgemachte“ Schwierigkeit: „Die Grundsätze strafrechtlicher Fahrlässigkeitshaftung sind im wesentlichen am Modell des isoliert handelnden Einzelnen entwickelt worden. Werden sie mehr oder minder unverändert auf das Gebiet arbeitsteiligen Zusammenwirkens übertragen, so ist die vielfach gerügte Überspannung der (. . .) Sorgfaltspflichten beinahe unvermeidlich. Denn die Mitwirkung an dem von einer Gruppe getragenen Arbeitsprozeß unterliegt durchaus anderen Maßstäben als solitäres Handeln“.327 Diesen zutreffenden Aussagen folgt die Stratenwerthsche (heute von ihm grundsätzlich aufgegebene328) Unterscheidung zwischen primären und sekundären Sorgfaltspflichten, deren Leistungsfähigkeit und Mängel bereits oben analysiert worden sind.329 Wesentlich in diesem Zusammenhang ist aber nur eine Schlußfolgerung, die später in der Lehre mehrfach aufgegriffen worden ist: Eine Gemeinsamkeit der entsprechenden Pflichten ist bei Arbeitsteilung nicht ohne weiteres mitgegeben.330 Dieser Satz beinhaltet eine Bestätigung des ambivalenten Charakters der Arbeitsteilung, diesmal aber nicht bloß aus der Perspektive von Gefährlichkeitserwägungen, sondern aus normativer Sicht: Es gibt – in bezug auf eine bestimmte Tatbestandsverwirklichung – sowohl eine verbindende als auch eine trennende Arbeitsteilung. a) Das Wissen, das zum verbindenden Kontext gehört Im Anschluß an Stratenwerth stellt auch Otto fest, daß Verantwortungsbereiche bei Begehungsdelikten dort klare Konturen erhielten, „wo organisatorisch festgelegt ist, welche Arbeiten arbeitsteilig in unterschiedlichen Funktionen zu

326

In Festschrift für Eb. Schmidt, S. 383 ff. Stratenwerth, Festschrift für Eb. Schmidt, S. 384. 328 Vgl. AT 16/78. 329 Festschrift für Eb. Schmidt, S. 390 ff. Zur Kritik an der Lösung Stratenwerths, die in diesem Beitrag noch einer naturalistisch verstandenen „Beherrschbarkeit“ des Geschehens verhaftet bleibt, s. zweiter Teil, B. II. 3. 330 Vgl. Roxin, Täterschaft, 2. Aufl., S. 537, der von gemeinsamen Unternehmungen spricht. Aber gerade das ist die Frage: Inwieweit ist eine Unternehmung gemeinsam. 327

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erfüllen sind“.331 Dies lasse sich mit einem Beispiel aus dem für Stratenwerth im Vordergrund stehenden medizinischen Bereich verdeutlichen: Eine Krankenschwester, die während einer Operation eine Spritze aufzieht, wobei sie mit fatalen Konsequenzen das Medikament verwechselt, soll als Täterin einer fahrlässigen Tötung haften, selbst wenn der Arzt seiner Kontrollpflicht nicht nachgekommen ist (und deshalb nach Stratenwerth zum Nebentäter wird). Wenn aber der Arzt das Medikament bei der Anweisung verwechsele, dann hafte die Krankenschwester nicht, und zwar auch dann nicht, wenn sie aufgrund Sonderwissens („besonderer Vorkenntnisse“) die Todesgefahr hätte erkennen können. Denn sie betreffe keine Kontrollpflicht hinsichtlich der Anweisungen des Chirurgen, sondern lediglich eine Pflicht zur sorgfältigen Ausführung.332 Dieses Beispiel ist jedoch, so gut es die Problematik zu zeigen vermag, alles andere als aufschlußreich. Denn die von Otto als richtig angesehene Lösung setzt Annahmen voraus, die nach einer näheren Begründung verlangen. Die Schwierigkeiten treten schon bei der abschließenden Bemerkung Ottos an der soeben zitierten Stelle auf: „Erst positive Kenntnis der Gefahr [bei der die fehlerhaften Anweisungen des Chirurgen ausführenden Krankenschwester] würde hier die Verantwortungssituation ändern“.333 Um diesem Beispiel gerecht zu werden, muß daher zunächst einiges auseinander gehalten werden: An erster Stelle ist daran zu erinnern, daß das Vorliegen einer gemeinschaftlichen Verantwortung nicht mit der Art der individuellen Vermeidbarkeit bei den einzelnen in Zusammenhang steht. Deswegen ergibt sich kein erheblicher Unterschied daraus, daß die Krankenschwester den Sachverhalt durchschaut bzw. positive Kenntnis der Gefahr hat, oder aber diese Kenntnisse ihr nur möglich sind. Denn aktualisierbares Wissen begründet auch strafrechtliche Verantwortung, wenn dieses Wissen aktualisiert werden soll. Da aber ein Wissenkönnen der Krankenschwester in beiden Varianten vorausgesetzt wird, braucht das Wissen nur aus der Perspektive objektiver Zurechnung analysiert zu werden, d. h. es geht um die Unterscheidung zwischen Jedermanns- und Sonderwissen.334 Durch Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung bei Jedermannswissen um die deliktische Dichte des Kontexts wird eine Person in der Regel zum Beteiligten an einer solchen Tatbestandsverwirklichung. Ist für jedermann erkennbar, daß die in die Spritze aufgezogene Flüssigkeit giftig ist, dann sind alle 331

Festschrift für Spendel, S. 280 f. Vgl. Stratenwerth, AT 16/77 und Otto, Festschrift für Spendel, S. 281. Im Ergebnis wohl auch so Roxin, Täterschaft, 2. Aufl., S. 537 f. 333 Festschrift für Spendel, S. 281. 334 Jedermannswissen ist das Wissen, das zur Rolle der handelnden Person gehört. Sonderwissen ist hingegen dasjenige, das von der in der jeweiligen Rolle handelnden Person nicht erwartet wird, weil es u. a. zufälliger Art ist und damit zu einer zufälligen Zurechnung führen würde: s. insb. Jakobs, Gedächtnisschrift für Arm. Kaufmann, S. 283 ff. und passim. 332

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

mitgestaltend mitwirkende Personen für die Tötung zuständig, und zwar unabhängig davon, auf welche Weise die Tötung für jede einzelne Person vermeidbar war (Vorsatz, Fahrlässigkeit). Die für jedermann erkennbare Dichte des Zusammenhangs löst die Rollentrennung in bezug auf die Mitgestaltenden auf, so daß auch eine womöglich im Ansatz trennende Arbeitsteilung einen einheitlichen – und damit verbindenden – deliktischen Sinn erhält. Differenzierter ist jedoch das Bild, wenn es um Sonderwissen geht. Denn das Sonderwissen ergibt sich nicht per se aus dem Kontext, sondern muß in den Kontext hineingefügt werden. Abgesehen von den Fällen, wo der Handelnde erst aufgrund seines Sonderwissens in einer bestimmten Weise tätig wird, gehören hierhin die Konstellationen, in denen jener ein Sonderrisiko beansprucht, so daß er es auch unter Verwendung von Sonderwissen unter Kontrolle halten muß. Die Arbeitsteilung verhält sich jedoch auf zweierlei Weise zu diesen Konstellationen, wie bereits anläßlich der Einschaltung von Hilfspersonen zur Verwaltung eines Sonderrisikos ausgeführt wurde. Denn trennende Arbeitsteilung bedeutet u. a. keine gemeinsame Beanspruchung des Sonderrisikos, so daß sich die Pflicht zum Einsatz von Sonderwissen auf den eigenen Verantwortungsbereich beschränkt. Eine Pflicht zum Einspringen für die anderen Akteure aufgrund Sonderwissens ist nicht im Sinne des entsprechenden Erfolgsdelikts strafbewehrt. Nur unter Bedingungen verbindender Arbeitsteilung kommt es zu einer gemeinsamen Pflicht zur Kontrolle des gemeinschaftlich beanspruchten Risikos, die jeden Beteiligten zum Einsatz von Sonderwissen verpflichtet. Aus diesen Gründen: „Positive Kenntnis der Gefahr würde hier [die Krankenschwester folgt der Anweisung des Arztes mit tödlichen Folgen] die Verantwortungssituation“ nur dann ändern und zur Verantwortung der Krankenschwester wegen fahrlässiger Tötung führen, wenn diese Kenntnisse entweder Jedermannskenntnisse oder Sonderwissen bei gemeinsamer Inanspruchnahme des Sonderrisikos wären. Werden die Kenntnisse der Krankenschwester als Sonderwissen eingestuft, dann hängt ihre Verantwortung davon ab, ob sie in eine Gemeinsamkeit verbindender Arbeitsteilung mit dem Arzt zumindest bezüglich des fraglichen Vorgangs mit einbezogen werden kann. Gerade auf diese Frage gehen jedoch die oben zitierten Autoren nicht hinreichend ein. Dies liegt wohl daran, daß hier eine Garantenstellung jedes an der Operation Beteiligten für einen guten Ausgang derselben stillschweigend vorausgesetzt wird. Eine solche Einzelgarantenstellung jedes Akteurs kann zwar unter den Umständen, die durch die Kehrseite des Vertrauensgrundsatzes beschrieben werden, d. h. wenn das Fehlverhalten anderer in der eigenen Planung einkalkuliert werden muß, zu einer gemeinsamen Verantwortung der Beteiligten führen, so daß derjenige, der eine Erfolgsabwendungsmöglichkeit bei „positiver Kenntnis der Gefahr“ (Gefahr, die durch das Fehlverhalten des anderen geschaffen wurde) versäumt, mitverantwortlich für die von ihm mitgestalteten Tatbe-

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standsverwirklichung wird. Aber dieser Gedankengang läßt außer acht, daß weder der Vertrauensgrundsatz noch seine Kehrseite in der Lage sind, eine Pflicht zur Berücksichtigung fremder Fehler zu statuieren.335 Wenn man etwa annimmt (was sehr nahe liegt und sowohl Otto als auch Stratenwerth ebenfalls annehmen), daß sich die Krankenschwester auf die Ausführung der Anweisungen des Chirurgen zu beschränken hat, dann belastet das Risiko der sorgfältigen Ausführung seiner Anweisungen nur den Arzt. Eine gemeinsame Inanspruchnahme des Sonderrisikos besteht also in dieser Hinsicht nicht, weil die Krankenschwester nur einen begrenzten Teil der Organisation des Chirurgen übernimmt, während der Arzt für den Kontext, in den dieser Teil sich einfügt, selbst zuständig bleibt. Dementsprechend ist die Krankenschwester – der in dieser Hinsicht trennenden Arbeitsteilung wegen – zum Einsatz von Sonderwissen nicht verpflichtet. Sie ist also nicht wegen fahrlässiger Tötung zur Verantwortung zu ziehen, und zwar auch dann nicht, wenn sie dank ihres Sonderwissens über eine „positive Kenntnis der Gefahr“ verfügt. Die Frage nach der verbindenden Arbeitsteilung ist also der nach dem Vertrauensgrundsatz vorgelagert. Diese Überlegungen bringen auch zum Vorschein, daß eine chirurgische Operation nicht immer pauschal als verbindende Arbeitsteilung aller Akteure betrachtet werden soll. Es scheint vielmehr so zu sein, daß innerhalb einer Operation verschiedene Vorgänge stattfinden, die weder eingeebnet werden können, noch sämtlich zu symmetrischen Verhältnissen zwischen den Akteuren führen. Dies zeigt auch die Beziehung zwischen Chirurgen und Anästhesisten, die auf einer scharfen Trennung der Verantwortungsbereiche gerade aufgrund der Arbeitsteilung beruht. b) Hierarchie und Verantwortungsbereiche Die Grenzen der Gemeinsamkeit werden bei hierarchischer Arbeitsteilung grundsätzlich wie bei den oben behandelten Konstellationen der Einschaltung von Hilfspersonen zur Verwaltung eines Sonderrisikos abgesteckt. Dies setzt in einer hierarchisch organisierten Arbeitsteilung voraus, daß einer Person (oder ggf. mehreren) – derjenigen, die das Team koordiniert und leitet – eine vorrangige Zuständigkeit für die Verwaltung der Risiken der Arbeitsteilung zukommt. Die Gemeinsamkeit zwischen dieser Person und den Hilfspersonen erstreckt sich in solchen Fällen auf die von diesen erbrachten Fehlleistungen, sofern ihre die Tatbestandsverwirklichung mitgestaltende Verwendung (nicht bloß ihre Fehlerhaftigkeit) durch die unzulängliche (wenngleich nicht notwendigerweise im Sinne des Erfolgsdelikts mißbilligte) Erfüllung der Pflichten des Teamchefs bedingt ist (Auswahl der Mitglieder nach Eignung, Erteilung der erforderlichen Weisungen bzw. Übertragung wesentlicher Auskünfte, Erfüllung der Koordinierungsaufgaben). 335

s. o. C. I. 1. a).

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

In bezug auf den soeben behandelten Beispielsfall bedeutet dies, wenn man von den Fällen absieht, in denen die deliktische Dichte des Kontexts für jedermann erkennbar ist, und die Bedingungen subjektiver Zurechnung unterstellt, folgendes: Wird dem Patienten die tödliche Substanz injiziert, so haften Arzt und Krankenschwester nur dann gemeinschaftlich für die Tötung, wenn der tödliche Vorgang das Ergebnis organisatorischer Mängel in der hierarchischen Beziehung darstellt: Die Krankenschwester ist aufgrund ihrer Ausbildung bzw. Erfahrung nicht geeignet; die Anweisungen waren mißverständlich, aber die Krankenschwester konnte und mußte dies erkennen und berichtigen; die Umstände hatten sich schnell aber in erkennbarer Weise verändert, doch die Anweisung wurde nicht ausdrücklich an die neue Lage angepaßt und konnte für gültig gehalten werden usw. Nur dieses (Grund-)Risiko, das sich aus den spezifischen Erfordernissen einer hierarchischen Arbeitsteilung ergibt, wird gemeinschaftlich in Anspruch genommen. In diesen riskanten Prozeß haben die Beteiligten ihre Leistungen eingepaßt, so daß sie die Tatbestandsverwirklichung – welche die Realisierung dieser Risiken umfaßt – mitgestaltet haben. Die spezifischen Risiken der Arbeitsteilung haben sich verwirklicht und die Beteiligten haben das tatbestandsmäßige Verhalten, das zu dieser Risikorealisierung geführt hat, auf zuständigkeitsbegründende Weise mitgestaltet. Andere, auf eigene Faust geschaffene Risiken – selbständige Leistungen der Krankenschwester oder des Arztes, die von den spezifischen Risiken der Arbeitsteilung isoliert werden können – bleiben Angelegenheiten des einzelnen, sei es auch in der Form einer Kontrollpflicht bei Mehrfachsicherung. Wenn es um das gemeinschaftlich beanspruchte Risiko geht (das Risiko der Arbeitsteilung an sich), ist einerseits gleichgültig, wer die tödliche Substanz verwechselt und wer sie dem Patienten injiziert hat. Andererseits ist das Sonderwissen jedes Beteiligten erheblich, so daß es als Bestandteil des Kontexts betrachtet wird: Der einzelne muß das aufgrund Sonderwissens als fehlerhaft erkannte Verhalten anderer Beteiligter in seine Planung einkalkulieren.336 c) Fazit Hier wird verständlicherweise nicht versucht, sämtliche Beteiligungsverhältnisse innerhalb eines Operationsteams zu erschließen, u. a. weil dies nur unter Berücksichtigung eines konkreten Falles erfolgen kann. Zudem wäre auf diese Weise für das Ziel dieser Untersuchung nicht viel gewonnen. Was in diesem Zusammenhang interessiert und aus dem Beispiel Stratenwerths entnommen 336 Wobei aber auch bedacht werden muß, daß die Pflicht zum Einsatz eines Sonderwissens aufgrund der Inanspruchnahme eines Sonderrisikos (oder anderer Garantenstellung) nicht zur Berücksichtigung schlechthin jeden Sonderwissens zu Gunsten jeden Opfers führen muß, sondern Differenzierungen zuläßt (vgl. Jakobs, Gedächtnisschrift für Arm. Kaufmann, S. 285, Anm. 30).

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werden kann, ist folgendes: (i) Daß Arbeitsteilung sowohl zum Beteiligungsverhältnis als auch zu getrennten Verantwortungsbereichen führen kann; (ii) daß Formen verbindender und trennender Arbeitsteilung in bestimmten Konstellationen nebeneinander bestehen können, und (iii) daß das gemeinschaftlich beanspruchte Sonderrisiko sich in Fällen von Arbeitsteilung prinzipiell auf die spezifischen Risiken der Arbeitsteilung beschränkt: in diesen Geschehensabschnitt haben die Beteiligten ihre Leistungen eingepaßt. Daraus ergibt sich auch, daß das Kriterium zur Bestimmung der Grenzen der Gemeinsamkeit in den Fällen, in denen die deliktische Dichte des Kontexts nicht bereits jeder Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung einen deliktischen Sinn verleiht, weder zu abstrakt noch zu konkret ausfällt: Es geht darum, zu bestimmen, worin die Risiken der Arbeitsteilung bei einer bestimmten Tätigkeit bestehen, da nur innerhalb dieses Rahmens gemeinsame Verantwortung bei zweideutigem Kontext in Frage kommt. Ob sich diese Risiken oder aber andere, die sich aus der selbständigen, ihnen in trennender Arbeitsteilung aufgetragenen Tätigkeit der Akteure ergeben, verwirklicht haben, kann nur anhand der Umstände des konkreten Falles ermittelt werden.337 4. Nicht hierarchisch verwirklichte Arbeitsteilung: normative Isolierung des gemeinschaftlich beanspruchten Sonderrisikos Das Sonderrisiko, das in Fällen von Arbeitsteilung gemeinschaftlich beansprucht wird, ist also das Grundrisiko, das mit der Aufteilung von Verantwortungsbereichen einhergeht. Das soeben Ausgeführte gilt insbesondere für Vorgänge, in denen sich die Arbeitsteilung auch tatsächlich hierarchisch verwirklicht. Wie verhält es sich jedoch in den Fällen, in denen nicht die hierarchische Struktur (möge sie bestehen oder nicht), sondern nur die Arbeitsteilung im Vordergrund steht? Inwieweit und für wen ist etwa in folgendem Fall die Arbeitsteilung trennend oder verbindend?: Der Gastwirt, der sich um die Bereitstellung der Lebensmittel in der Gaststätte kümmert, stellt vorübergehend giftige Pilze in den Küchenschrank, ohne die Gefahr zu bedenken; der Koch nimmt später aus Unaufmerksamkeit einige davon und mischt sie in den Salat, der für den 337 Das kann auch im Sinne der Stratenwerthschen Unterscheidung zwischen primären und sekundären Sorgfaltspflichten formuliert werden: Das Grundrisiko der Arbeitsteilung wäre nämlich der Gegenstand der sekundären Sorgfaltspflichten. Gleichwohl muß vorher bestimmt werden, um welches Risiko es sich handelt, was die Position Stratenwerths nur begrenzt zu klären vermag. Auf der anderen Seite stellt seine Auffassung auf eine die Sorgfaltspflicht fundierende Vorhersehbarkeit besonderer Gefahren ab, was nicht richtig ist: Zunächst einmal muß ermittelt werden, ob jemand überhaupt verpflichtet ist, etwas vorherzusehen. Und dieser Grund liegt nicht in der Zuständigkeit für den eigenen Teilbereich, sondern in der Zuständigkeit für die Risiken, die sich aus der Arbeitsteilung ergeben.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Verzehr eines Gastes bestimmt ist; der Kellner serviert dem Gast den Salat, obwohl er die Pilze, aufgrund seiner besonderen botanischen Kenntnisse, zufällig als giftig erkennt. Infolgedessen erleidet der Gast eine schwere Vergiftung. An der Situation des Kellners zeigt sich sehr deutlich, daß sich die Gemeinsamkeit nur auf das Gesollte erstrecken kann. Denn solange die Verantwortung des Kellners für die Vergiftung überhaupt in Betracht gezogen wird, kann diese Annahme nur auf zweierlei Weise begründet werden: Entweder hat er als Alleintäter aufgrund des Sonderwissens gehandelt, oder ihm wird eine Beteiligtenrolle zugeschrieben (Ausführender), so daß er infolge der gemeinschaftlichen Inanspruchnahme eines Sonderrisikos zum Einsatz von Sonderwissen verpflichtet wird. Beide Möglichkeiten erweisen sich jedoch als unbrauchbar, wenn man davon ausgeht, daß der Kellner für die Risiken der Bewirtschaftung (wie denn auch für ein vorzügliches Essen) prinzipiell nicht zuständig ist. Es handelt sich bei ihm um trennende Arbeitsteilung: Seine Leistung ist auf das Servieren verkürzt, so daß er nicht für den Kontext zuständig ist, in dem diese Leistung steht. In bezug auf die Risiken der Bewirtschaftung, die zur Vergiftung führen, trägt er keine Verantwortung und dementsprechend verhält er sich isoliert: Seine Leistung kann von der Tatbestandsverwirklichung abgetrennt werden.338 Das Problem beschränkt sich also auf die Beziehung Gastwirt/Koch. Nimmt man an, daß das Risiko der Bewirtschaftung von Gastwirt und Koch verwaltet wird (letzterer nämlich in der Organisation des ersten handelnd), dann muß zur Bestimmung einer möglichen gemeinsamen Zuständigkeit für die Vergiftung ermittelt werden, ob die Vergiftung die Realisierung der spezifischen Risiken der Arbeitsteilung bildet, oder stattdessen nur die Realisierung der Risiken, die zur selbständigen Tätigkeit der Akteure auf der trennenden Seite der Arbeitsteilung gehören. Natürlich handelt es sich dabei um einen graduellen Wert, um die Bestimmung der vorwiegenden Erklärungsmöglichkeit. Die Bereitstellung geeigneter Lebensmittel seitens des Wirtes und deren ordnungsgemäße Zubereitung seitens des Kochs verlangen mit Blick auf das Freihalten von schädlichen Outputs im Rahmen des beanspruchten Sonderrisikos „Bewirtschaftung“ eine quasiarbeitsteilige Vorgehensweise, die Aufmerksamkeitspflichten gerade aufgrund der Arbeitsteilung entstehen läßt. Die Arbeitsteilung bestimmt hier einen Kontext, der es nicht zuläßt, die Leistung eines 338 Der Fall liegt insofern wie folgende, von Jakobs (AT 7/50) angeführte Beispielfälle: „Ein Ingenieur, der einen Gebrauchtwagen erwerben will und bei der Probefahrt aufgrund seiner besonderen technischen Kenntnisse bemerkt, daß die Bremsen des Fahrzeugs demnächst versagen werden, begeht keine Tötung oder Sachbeschädigung, wenn er in Kenntnis der Folgen das Auto zurückgibt (Tun!), ohne den Schaden anzuzeigen. – Ein bei einem Bauunternehmen aushilfsweise beschäftigter Student einer technischen Hochschule haftet nicht für die Folgen, wenn er anweisungsgemäß eine Betonmischung in eine Verschalung schüttet, wobei er erkennt, daß die Tragfähigkeit falsch berechnet ist“.

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Akteurs von der Tatbestandsverwirklichung zu distanzieren, weil dieser Kontext auch durch die Verwaltung der Risiken der Arbeitsteilung definiert ist, so daß jeder Beteiligte nicht nur für seine eigene Leistung, sondern auch für den Kontext, in dem sie steht, einzustehen hat. Das läßt sich mit Hilfe eines Gegenbeispiels verdeutlichen: Hätte z. B. der Koch pflichtwidrig einige Pilze nach Hause mitgenommen und damit seine eigenen Gäste mit ähnlichen Folgen bewirtet, dann hätte sich nicht das gemeinsam beanspruchte Risiko – die Risiken der Bewirtschaftung in Arbeitsteilung – realisiert, sondern ein vom Koch auf eigene Faust geschaffenes Risiko, so daß der Gastwirt dafür nicht mehr gemeinschaftlich mit dem Koch zur Verantwortung gezogen werden könnte, obschon sein Verhalten genauso kausal für den Erfolg gewesen wäre und sich an seiner subjektiven Einstellung nichts geändert hätte. Er hätte also lediglich den Erfolg als Außenweltveränderung aber nicht die Realisierung der Risiken der Arbeitsteilung und mithin nicht das tatbestandsmäßige Verhalten mitgestaltet. Das reicht jedoch nicht aus, um ein Beteiligungsverhältnis zu begründen. Denn dort hätte der verbindende Kontext gefehlt, den man auch Zurechnungszusammenhang genannt hat. Das Fehlen eines Zurechnungszusammenhangs hätte im Regelfall dazu geführt, aus der Perspektive des Alleinhandelns (die einzige, die im Fahrlässigkeitsbereich nach herrschender Meinung in Frage kommt) die Einzelverantwortung des Gastwirts auszuschließen.339 Was hier ans Licht gebracht wird, ist gerade die Begründung dafür, warum es in bestimmten Konstellationen so ist: Ein wesentliches Element dieses Zurechnungszusammenhanges besteht nämlich in der Definition des Charakters des Geschehens als Alleinhandeln oder als gemeinsames Handeln. 5. Normativ definierte Arbeitsteilung Die gemeinschaftliche Inanspruchnahme eines Sonderrisikos, die zu der gemeinschaftlichen Pflicht führt, dieses Risiko unter Kontrolle zu halten, damit es nicht in fremde Organisationsbereiche auf tatbestandsverwirklichende Weise eindringt, beschränkt sich nach dem soeben Ausgeführten nicht nur auf diejenigen Fälle, die dem traditionellen Muster der Arbeitsteilung entsprechen: Zum einen wird der Umfang eines Sonderrisikos weder durch das Einverständnis der Akteure noch durch kausale Erwägungen bestimmt. Was ein Sonderrisiko ist und welchen Umfang es hat, ergibt sich vielmehr aus dem Kontext und den jeweiligen gesellschaftlichen Bestandsbedingungen. Diese zu erschließen ist, wie mehrfach betont, die Aufgabe der Kriterien objektiver Zurechnung. Zum 339 Zumindest im Regelfall. Gleichwohl kann man auch an Fälle denken, in denen eine Verantwortung des Ersthandelnden nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden kann, vor allem wenn es sich um die unvermeidbare Selbstverletzung des Opfers handelt. Aber in solchen Fällen geht es, aufgrund der mangelnden kontextualen Sinnvermittlung, ceteris paribus stets um Alleinverantwortung.

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anderen ist es nicht der leistungserbringenden Person überlassen, zu bestimmen, inwieweit sie sich aufgrund dieser Leistung für die Folgen verantwortlich macht. Sie darf sich zwar fern halten, indem sie ihre Leistung nicht erbringt. Aber über die objektive Bedeutung der erbrachten Leistung entscheidet nicht sie selbst, sondern die Rechtsordnung. a) Gemeinsame Zuständigkeit für ein Grundrisiko und kontextuelle Einbeziehung: erster Beispielsfall Die Extension des Begriffs der (soweit es hier interessiert: verbindenden) Arbeitsteilung ist dementsprechend um die Fälle zu ergänzen, in denen, betrachtet man das Geschehen aus der Perspektive der Tatbestandsverwirklichung, durch die Gesamtheit der Leistungen ein Grundrisiko beansprucht wurde, das sich in der Tatbestandsverwirklichung auch realisiert hat. Die normative Verbindung der Leistungen (ihre Deutung als „Beiträge“) wird in diesen Fällen durch den Kontext bewirkt, in dem die Leistungen stehen und auf den sich der einzelne durch seine die Tatbestandsverwirklichung mitgestaltende Leistung eingelassen hat. Zum Beispiel:340 Eine Kegelgesellschaft veranstaltete eine Vereinsfeier in einer Gaststätte. Einige Mitglieder, die während der Feier neben den übrigen Gästen saßen, waren mit Knallkörpern ausgestattet, um sie als Spaß im Verlaufe der Abendsveranstaltung herumzuwerfen. Nachdem einer von ihnen damit angefangen hatte, schlossen sich die anderen an, so daß ein ungeheuerlicher Krach in dem auf der ersten Etage der Wirtschaft gelegenen Saal entstand. Durch die Knallkörper wurde niemand in erheblicher Weise getroffen. Doch eine ältere Dame, die sich dem Lärm entziehen wollte und sich vor den Knallern fürchtete, verließ hastig den Saal in Richtung des Untergeschosses, wobei sie im Treppenhaus über ihre eigenen Füße stolperte, die Treppe herunterfiel und sich infolgedessen schwer verletzte. Betrachtet man diesen Fall aus der Perspektive der geläufigen einschlägigen Ansätze, dann ergeben sich zwei Möglichkeiten zur Behandlung der Frage nach der strafrechtlichen Verantwortung für die Verletzungen der Frau. Die eine besteht darin, die Verletzungen auf die Selbstverantwortung des Opfers zurückzuführen. Die Frau hätte dann auf eigene Gefahr den Saal verlassen und zu hastig versucht, die Treppe herunterzulaufen. Die im Saal veranstaltete Knallerei spielte also entweder eine untergeordnete Rolle oder sie hätte nur die wohl unverhältnismäßige Reaktion der Frau ausgelöst, jedoch ohne daß ein hinreichender Zurechnungszusammenhang zwischen beiden Vorgängen hergestellt werden könnte. Hält man diese Erklärung für unzulänglich, dann bleibt nur die Möglichkeit übrig, die Einzelverantwortung eines jeden der Mitglieder, welche Knaller im Saal herumgeworfen haben, zu begründen. Sollte dies gelingen, 340

In Anlehnung an RGZ 58, 357.

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wäre jeder einzelne Nebentäter der fraglichen Körperverletzungen. Dieser letzte Weg wäre sogar mit Hilfe mancher Kausalansätze gangbar. So könnte man etwa mit Puppe behaupten, daß die unerlaubte Gefahr nur einen „mehr oder weniger großen Ausschnitt aus dem Kausalprozeß“ bildet, und „jeder, der diesen unerlaubt mitverursacht, schon für sich allein eine unerlaubte Gefahr [setzt], die sich dann im Erfolg realisiert, wenn sie als Kausalfaktor in seiner Erklärung vorkommt“.341 Dieser Gedankengang führt jedoch zwangsläufig dazu (wie übrigens jede Erklärung aus einer einseitigen Kausalperspektive zum Einheitstäterbegriff führen muß), die Einzelleistung nebst dem Erfolg als Unrecht einstufen zu müssen. Das Werfen eines Knallers würde die Zurechnung der Tat als fahrlässige Körperverletzung begründen, wenn es die hastige Flucht der alten Dame mit den besagten Folgen (sei es nur: mit-)ausgelöst hätte. Der einzige Ausweg bestünde darin, zu behaupten, daß nur eine bestimmte Menge an Knallkörpern die Reaktion der Frau ausgelöst habe, so daß man eine hinreichende Mindestbedingung bilden müßte, bei der nur so viele Würfe erwähnt werden müßten, wie es für die Verursachung der Flucht vonnöten wäre.342 Daß sich eine solche Bestimmung schwerlich treffen läßt und an Willkürlichkeit grenzt, liegt auf der Hand. Das hier vertretene Konzept bietet eine dritte Erklärungsmöglichkeit an, die davon ausgeht, daß die Knallerei nicht das Werk des einzelnen, sondern eben das Werk aller ist. Durch das Erbringen der jeweiligen Leistung passen die Akteure ihr Verhalten in den Prozeß ein, der zur Tatbestandsverwirklichung führt. Sie beanspruchen damit ein Sonderrisiko (unabhängig davon, wie viele Risiken im naturalistischen Sinne zu unterscheiden sind), das anhand des Kontexts gemeinschaftlich in Anspruch genommen wird. Jedes am Werfen der Knallkörper beteiligte Vereinsmitglied hat sich durch seine Leistung auf den daraus resultierenden Kontext eingelassen. Seine einzelne Leistung reicht jedoch nicht hin, um ihm die nachfolgende Körperverletzung zuzurechnen; sie bildet nur den Grund dafür, ihn in die Gemeinsamkeit der am tatbestandsmäßigen Verhalten Beteiligten einbeziehen zu dürfen. Erst die Gesamtheit der Leistungen entwickelt sich zur Inanspruchnahme eines Sonderrisikos, die sich in der Tatbestandsverwirklichung – unbeschadet der Mitverantwortung, die das Opfer selbst tragen könnte – realisiert. Deswegen beschränkt sich die gemeinsame Zuständigkeit auf das Grundrisiko, das gemeinschaftlich beansprucht wurde: Gemeinschaftlich beansprucht ist das Risiko, das von der gesamten Inszenierung ausgeht und das Opfer zum Fliehen gebracht hat, was zu den Schäden führte. Wirft ein Gesellschaftsmitglied einen Knaller in die unmittelbare Nähe eines Gastes und wird dadurch der Gast an einem Auge verletzt, dann handelt sich nicht um die Rea-

341

NK-Puppe, Vor § 13, Rn. 163 (s. auch Rn. 226). Vgl. die Lösung von Puppe (GA 2004, S. 137 ff.) für die Fälle sog. überbedingter Erfolge. 342

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lisierung des Grundrisikos, sondern um eine Angelegenheit, die nur den leichtfertig Werfenden betrifft.343 b) Kontextuelle Einbeziehung trotz unvereinbarer subjektiver Zielsetzungen: zweiter Beispielsfall Die Begründung des Beteiligungsverhältnisses beruht auf der Erkennbarkeit des verbindenden Kontexts und der normativen Verbindung der Organisationskreise aufgrund der Inanspruchnahme eines (von der Tatbestandsverwirklichung her betrachtet) Sonderrisikos. Deshalb kann Beteiligung auch dort vorliegen, wo nicht nur kein gemeinsamer Handlungsentschluß oder gar kein gemeinsames Handlungsprojekt erkennbar ist, sondern darüber hinaus die Beteiligten jeweils unvereinbare Ziele verfolgen. Als Beispiel: Das Gerücht kursiert, ein berühmter Schauspieler sei in verfänglicher Lage in einem bestimmten Urlaubsort zu ertappen. Zahlreiche Skandalreporter verschiedener Zeitungen wollen die günstige Gelegenheit nicht verpassen und fahren unabhängig voneinander dorthin, jeder mit der Absicht, als erster die begehrten Aufnahmen an seine Zeitung verschikken zu können. Vor dem Garten des Ferienhauses treffen alle, vom Schauspieler beobachtet, aufeinander. Dieser entschließt sich, unverzüglich vor den Fotografen zu fliehen. Er steigt in sein Auto und fährt mit hoher Geschwindigkeit weg. Die Paparazzi verfolgen ihn auf zunehmend drängende Weise über einige Kilometer auf der Landstraße, bis der Schauspieler ein ungeschicktes Manöver vollzieht, das den tödlichen Aufprall seines Wagens auf einen Baum zur Folge hat. Zur Klärung der Verantwortung der Fotografen bieten sich hier abermals die zwei vorher erwähnten Wege an. Man kann den Tod auf die Selbstverantwortung des Opfers zurückführen, oder man versucht, die Einzelverantwortung jedes Fotografen zu begründen. Die zweite Möglichkeit erscheint jedoch auf den ersten Blick in diesem Fall plausibler als im vorigen Beispiel. Denn hier ergibt sich aus einer Analyse der hypothetischen Verläufe, daß die Verfolgung durch einen Fotografen den Tod des Schauspielers auf grundsätzlich identische Weise hätte mitverursachen können. Man flieht nicht vor einem Knaller, sondern höchstens vor einer Knallerei, aber man kann einen Fahrfehler wohl unabhängig davon begehen, ob man von einem oder von mehreren Fahrzeugen verfolgt wird. Dieser Gedankengang ist allerdings irreführend, weil der Fall tatsächlich nicht so lag, und im Bereich der hypothetischen Kausalverläufe bekanntlich bei343 Mit Hilfe derselben Kriterien ist der Fall einer Wettfahrt mit Verletzung eines Dritten (zur Verletzung eines Teilnehmers an der Wettfahrt s. erster Teil, Anm. 170) zu lösen. Das gemeinschaftlich beanspruchte Risiko erstreckt sich auf das, was zum Grundrisiko einer Wettfahrt (unter Berücksichtigung des jeweiligen Kontexts: etwa innerhalb einer Stadt) gehört. Leichtsinnige Manöver bzw. grobe Fahrfehler eines Teilnehmers, unerlaubt riskantes Verhalten des Opfers usw. sind nur dem einzelnen bzw. dem Opfer zuzurechnen.

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nahe alles vertretbar ist, bevor man die strafrechtliche Erheblichkeit des fraglichen Verhaltens nicht überprüft hat. Wäre z. B. der Schauspieler das Risiko einer wilden Flucht überhaupt eingegangen, wenn nur ein Fotograf vor dem Garten gestanden hätte? Der Zugriff auf hypothetische Kausalverläufe besitzt deshalb den Charakter eines Hilfskriteriums, das zudem nur dann einschlägig ist, wenn es sich um ein einziges Risiko handelt. Geht man hingegen davon aus, daß das Verhalten jedes Fotografen ein selbständiges Risiko darstellt, und versucht man mit Hilfe der hypothetischen Kausalverläufe zu überprüfen, ob sich dieses Risiko im Tod des Schauspielers auch realisiert hat, dann holt man nur das heraus, was man schon vorher hineininterpretiert hatte. Denn zur Anwendung des Kriteriums kommt es erst dann, wenn die zentrale Frage – welches Risiko hat sich realisiert? – bereits entschieden ist. Beantwortet man die Fragen in der umgekehrten Reihenfolge, so gehen auf diese Weise andere Erklärungsmöglichkeiten verloren. Der einzige erhebliche Unterschied zwischen dem Knaller- und dem Fotografenbeispiel liegt vielmehr darin, daß im letzteren bereits jede Verfolgungsaktion ein unerlaubtes Risiko darstellt, während im ersten ein einziger Wurf nur schwerlich als allgemein unerlaubt anzusehen ist. Aber daraus ergeben sich auch in diesen Fällen keine Folgen für die Konstitution des Beteiligungsverhältnisses, da es hier nicht um Beteiligung an einer Gefährdung, sondern um Beteiligung an der Tatbestandsverwirklichung der fahrlässigen Tötung bzw. Körperverletzung geht. Die Lösung für das Fotografenbeispiel fällt also grundsätzlich wie beim Knallerbeispiel aus. Die Fotografen passen ihre Verhaltensweisen in den Vorgang ein, der in die Tatbestandsverwirklichung mündet. Aufgrund des erkennbaren Kontexts, in dem die Verhaltensweisen der einzelnen stehen und auf den sich die Fotografen durch ihr Verhalten eingelassen haben, wird das Einzelverhalten zu einem Grund für die Einbeziehung des einzelnen in die Gemeinsamkeit der Beteiligten. Da aber auf diese Weise das Geschehen als das Werk aller Beteiligter angesehen wird, stellt das Risiko von Flucht und Verfolgung aus der Perspektive der Zurechnung ein einziges, nicht ohne Willkür teilbares Sonderrisiko dar, das von allen Beteiligten in Anspruch genommen wird. Somit werden auch die Grenzen des Beteiligungsverhältnisses abgesteckt. Wie im Knallerbeispiel beschränkt es sich auf das Grundrisiko von Flucht und Verfolgung: Das Risiko, das gemeinschaftlich beansprucht wird, ist das Risiko, das zur Selbstgefährdung und -verletzung des Opfers geführt hat. Nur bis zu dieser Grenze kann man behaupten, daß die einzelnen Verhaltensweisen erst in ihrer Gesamtheit das tatbestandsmäßige Verhalten im Sinne des einschlägigen Tatbestandes bilden,344 344 Mögen sie auch für sich alleine unerlaubt riskant sein, aber dann nur im Sinne der Alleinverantwortung, bei der u. a. die Erfolgskausalität des Einzelverhaltens nachgewiesen werden muß. Das Problem wird aus der individualisierenden Perspektive unter der Rubrik „Unterbrechung der Unmittelbarkeit“ im Rahmen der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) diskutiert. Insbes. zu den hochriskanten Fluchtversuchen

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

so daß man auch der Gemeinsamkeit der Beteiligten den tatbestandsmäßigen Erfolg zurechnen könnte. Andere, von einem Fotografen auf eigene Faust geschaffene Gefahren (Drängeln, Blockaden usw.) bleiben außerhalb des gemeinschaftlich beanspruchten Risikos und müssen deshalb individuell verantwortet werden. 6. Folgerungen für die Rechtsfindung: Roxins „Patronenfall“ Herauszufinden unter welchen Bedingungen eine Mitgestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens vorliegt, ist gerade die Aufgabe der Kriterien objektiver Zurechnung, die, was die in diesem Abschnitt besprochenen Konstellationen betrifft, unter dem Stichwort „gemeinsame Inanspruchnahme eines Sonder(grund)risikos“ zusammengefaßt werden können. Diese Kriterien lassen es einerseits zu, die Gemeinsamkeit auf ein sogenanntes Grundrisiko einzuschränken; auf der anderen Seite verdeutlichen sie, daß es gleichgültig ist, ob die Beteiligten Fahrlässigkeit oder Vorsatz in bezug auf den Erfolgseintritt aufweisen, ob sie mit vereinten Kräften auf den Erfolg hin agieren wollten (Knallerbeispiel), ob sie sich irgendeine Gemeinsamkeit bezüglich der Bewirkung des Erfolges vergegenwärtigt hatten (Giftpilzbeispiel), ob sie die realisierte Gefahr nur gemeinsam schaffen konnten (Fotografenbeispiel) usw. Der hier gewählte Ansatz hat auch in diesem Bereich Folgen in bezug auf die Rechtsfindung. Denn wie bei den oben behandelten Konstellationen von Handeln in fremder Organisation am Schachtfall des RG gezeigt wurde,345 kann hier eine Antwort auf die Verantwortungsfrage nur dann gefunden werden, wenn vorher die treffenden Fragen gestellt und die zu beweisenden Tatsachen im Prozeß demgemäß bestimmt worden sind. Ein von Roxin angeführtes Beispiel kann diese Folgen verdeutlichen.346 Das Beispiel steht im Zusammenhang mit einer zutreffenden Kritik Roxins an der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung im weiten Sinne, d. h. an einer Lehre, die auf die Herrschaft über das gefährdende Geschehen beim gemeinsamen Willen zur Handlung abstellt: „Fünf junge Leute wollen sich einen Spaß machen, indem sie in regelmäßigen Abständen je eine Patrone auf den Fußweg legen. Sie hoffen, daß Fußgänger darauftreten und sich über den Knall erschrecken. Dabei bedenken sie leichtsinnigerweise nicht, daß die explodierende Patrone auch Verletzungen hervorrufen kann. Ein Passant tritt prompt auf die Patrone und trägt einen Schaden in Panik und Todesangst s. Schönke/Schröder-Stree, StGB, § 227, Rn. 5; Tröndle/Fischer, StGB, § 227, Rn. 5, und aus der Rechtsprechung BGH NJW 1992, S. 1708 sowie BGH NJW 2003, S. 150 ff. 345 s. o. C. I. 4. b) die Ausführungen zum Schachtfall. 346 Täterschaft, 2. Aufl., S. 533.

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am Fuß davon. Es kann nicht ermittelt werden, wer die Patrone gelegt hatte, die den Unfall herbeigeführt hat. Sind nun alle fünf als fahrlässige Mittäter einer Körperverletzung zu bestrafen? Oder müssen alle freigesprochen werden, weil keinem einzelnen nachgewiesen werden kann, daß seine Handlung den Erfolg bewirkt hat?“. Roxin tritt für den Freispruch ein, weil nach seiner Auffassung von einer gemeinsamen Pflichtverletzung trotz der vorhandenen Willensübereinstimmung keine Rede sein kann.347 Die Bejahung einer mittäterschaftlichen Verantwortung käme einer Bejahung der Mittäterschaft in den Fällen gleich, in denen 100 Leute an einem Raufhandel teilnehmen und wo alle als Täter einer fahrlässigen Tötung bestraft werden sollten, nur weil einer unvorsichtigerweise den Tod eines anderen verursacht hat – „ein Ergebnis, das eine unerträgliche Haftungsüberdehnung bedeuten (. . .) würde“. Diese Lösung ist wohl richtig; sie läßt sich jedoch durch die Ausführungen Roxins nicht begründen, da Fahrlässigkeitsdelikte nicht allesamt Pflichtdelikte sind. Für die Fahrlässigkeitsdelikte kraft Organisationszuständigkeit kommt dagegen nur eine organisatorische Gemeinsamkeit in Betracht, welche durch das Einverständnis der Akteure über die Gestalt des Geschehens sehr wohl indiziert werden kann. Ein solches Einverständnis reicht jedoch, wie mehrfach betont wurde, nicht aus, um die gemeinsame Zuständigkeit zu begründen,348 und ebensowenig schließt sein Fehlen eine solche Gemeinsamkeit unbedingt aus. Das Wesentliche ist, daß der Beteiligte durch das Erbringen seiner Leistung die Zuständigkeit für den Kontext erwirbt, in dem diese Leistung steht. Aber gerade auf die Begründung dieser Zuständigkeit wird in der Behandlung des Beispiels nicht näher eingegangen. Denn zu einer Tat, wie sie vonstatten gegangen ist und die hier nur in ihrem letzten Abschnitt hinreichend beschrieben ist, kommt es in aller Regel nicht von ungefähr. Jemand muß die Patronen besorgen, jemand muß den Anstoß zur Tat geben, der passende Ort und die günstige Zeit müssen ausgesucht werden usw. Das alles mag in bestimmten Konstellationen unerheblich sein; wenn es aber um die Frage der Gestaltung der Tatbestandsverwirklichung geht, muß die Entscheidung darüber explizit getroffen und nicht einfach vorausgesetzt werden. Dies beweisen u. a. die Fälle alternativer Mittäterschaft. Zum Beispiel:349 Zwei Wilderer erfahren während eines gemeinsamen Besuchs beim örtlichen Krug, in welcher Nacht man am besten Böcke, die nicht weit vom Dorf auf der Weide sind, abschießen kann (§ 292 StGB); einer versucht sein Glück an einer bestimmten Stelle, der andere ist ein paar Kilometer entfernt erfolgreich. Betrachtet man das Geschehen nur im Moment der Ausfüh347

Täterschaft, 2. Aufl., S, 534 f. So aber in bezug auf dieses Beispiel ausdrücklich Bindokat, JZ 1979, S. 436, der allerdings nicht das bloße Einverständnis, sondern eine „Kausalität der Willensverbindung“ fordert. 349 Nach Jakobs, AT 21/55a. 348

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

rung (Schießen auf den Bock), dann bestehen zunächst keine Anhaltspunkte für die Begründung eines Beteiligungsverhältnisses. Aus der Tatsache, daß sich die Wilderer an unterschiedlichen Orten postieren, kann allenfalls eine gewisse Koordination entnommen werden, die allerdings die Voraussetzungen der Beihilfe kaum erfüllen würde. Aber wenn beide gemeinsam die günstige Zeit erkundet, oder ihre Waffen eingestellt, die Standplätze zusammen sorgfältig gesucht bzw. die Flucht arbeitsteilig arrangiert haben, dann sind sie Beteiligte: Sie haften gemeinschaftlich für das Gesamtgeschehen, das zwei Taten (versuchte und vollendete Wilderei) in Konkurrenz mit umfaßt. Mit anderen Worten: Die Angabe in der Beschreibung des Sachverhaltes, daß die Patronen „in regelmäßigen Abständen“ gelegt worden sind, mag ein Indiz dafür bilden, daß alle fünf Jugendlichen das Ganze, und nicht lediglich jeder seine Leistung, mitgestaltet haben. Dieses Indiz erscheint jedoch als unzureichend, so wie es für die Begründung eines Beteiligungsverhältnisses unzureichend ist, daß zwei „Spaßvögel“ jeweils einen Felsbrocken einen – und eben denselben – Hang hinunterrollen, um die am Strand liegenden Badegäste zu erschrecken.

IV. Normative Gemeinsamkeit im Fall der Beihilfe Die Beihilfe ist kein Sonderfall in der Beteiligungslehre. Die Begründungszusammenhänge, die für die Beteiligung überhaupt gelten, gelten auch für sie. Eine abgesonderte Behandlung wird hier nur deswegen unternommen, weil sie der systematischen Darstellung der hier vertretenen Konzeption zugute kommt. Die Auseinandersetzung mit einigen Fragestellungen der Literatur bezüglich der Beihilfe soll nämlich die Gelegenheit bieten, bestimmte Aspekte des vorliegenden Konzepts zu vertiefen und genauer zu konturieren. Es handelt sich zunächst einmal um den Inhalt der Akzessorietät (IV.1), die anhand der allgemein angenommenen „Beihilfe ohne Verabredung“ dargestellt wird. An zweiter Stelle wird gezeigt, daß diese Annahme eine Sinnzusammengehörigkeit der Verhaltensweisen auf objektiver Ebene aber keine Gegenseitigkeit des Beteiligungsverhältnisses erfordert (IV.2). Schließlich soll die Auseinandersetzung mit der Problematik der sog. „Kausalität der Beihilfe“ einen Beitrag zur Präzisierung des Gestaltungserfordernisses in der Beteiligungslehre leisten (IV.3). Da die Erscheinungsformen der individuellen Vermeidbarkeit nach dem hier vorgeschlagenen Verständnis für die Konstitution des Beteiligungsverhältnisses unerheblich sind, werden im folgenden Problemkomplexe behandelt, die sowohl bei Vorsatz als auch bei Fahrlässigkeit der einzelnen Akteure vorkommen können. Hier geht es nur um den Inhalt der Akzessorietät und ihre Voraussetzungen.

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1. Physische Beihilfe bedarf keiner Verabredung Im Verlauf der Untersuchung ist auf eine Besonderheit der dogmatischen Behandlung der Beihilfe hingewiesen worden, die es an dieser Stelle ein wenig näher zu betrachten gilt. Es handelt sich um die im Schrifttum nahezu einstimmige Annahme, daß eine psychische Beziehung zwischen Täter und Gehilfen keine Voraussetzung der physischen Beihilfe sei.350 Was die hier interessierende Fragestellung betrifft, bedeutet diese Annahme, daß der Täter um die Mitwirkung des Gehilfen nicht einmal zu wissen braucht. Sofern die sonstigen Merkmale der Beihilfe – wie auch immer sie geartet sein mögen – erfüllt sind, liegt strafbare Beihilfe vor, selbst bei Unkenntnis des Täters von der ihm zugeflossenen Hilfeleistung. Wer den Polizisten festhält, der im Begriff ist, den Dieb auf frischer Tat festzunehmen, ist Gehilfe, auch wenn der Dieb weder die drohende Festnahme noch das Eingreifen des Helfers bemerkt.351 Die Begründung dafür liegt nach der herrschenden Meinung nicht – wie es auf den ersten Blick scheinen mag – in der Struktur des Täter/Teilnehmer-Systems,352 sondern in der Lehre über den Strafgrund der Teilnahme, mit der dieses System ergänzt wird und welche die Voraussetzungen für die Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung als fremdes Unrecht bestimmt. a) Voraussetzungen der Akzessorietät aa) Zunehmende Normativierung Mit Ausnahme der Lehren des Teilnehmerdelikts in ihren verschiedenen Ausprägungen wird im Schrifttum weitgehend davon ausgegangen, daß die Aufgabe der Teilnahmelehre darin besteht, die Bedingungen aufzustellen, unter denen das Werk des Täters auch dem Teilnehmer zugerechnet werden kann. Der Inbegriff dieser Bedingungen wird als Akzessorietätsprinzip bezeichnet. Diese Vorstellung bildet gerade die Grundlage des modernen restriktiven Täterbegriffs

350 Vgl. etwa Köstlin, System, 1. Abt., AT, S. 280 f.; Schütze, Lehrbuch., S. 145; Binding, Grundriß, S. 163; Liszt-Schmidt, Strafrecht, S. 327; Welzel, Strafrecht, S. 119; Jakobs, AT 22/42; Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, 52/7 f.; Schönke/Schröder-CramerHeine, § 27, Rn. 14; Blei, AT § 80 II 3; Roxin, Festschrift für Miyazawa, S. 510 f.; dens. AT II, 26/216; Bloy, Zurechnungstypus, S. 366 f.; Lesch, GA 1994, S. 121; Lackner/Kühl, StGB, § 27, Rn. 4; Geppert, Jura 1999, S. 268; H. Jung, in: Eser/Huber/Cornils (Hrsg.), Einzelverantwortung, S. 186 f.; Hartmann, ZStW 106 (2004), S. 587. Vgl. auch BGH StV 81, S. 73, m. w. N. aus der Rechtsprechung. 351 Vgl. auch BGHSt 6, 248. 352 Obwohl sie durch die ihm zugrunde liegende qualitative Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme nicht wenig beeinflußt wird. Wenn zudem der Strafgrund der Teilnahme in der Solidarisierung mit dem Täter gesehen wird, gelangt man jedoch zur einer Auffassung, nach der Beihilfe nur dann anzunehmen ist, wenn der Täter von dieser Solidarisierung erfährt. Dazu sogleich im Text.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

und der ihm entsprechenden Auffassung der Teilnahmevorschriften als Ausdehnungsgründe der Strafbarkeit.353 Die Aussage, strafbare Beihilfe liege auch dann vor, wenn der Täter um die Hilfeleistung nicht wisse, bedeutet also zweierlei in bezug auf den Inhalt der Akzessorietät. Zum einen bringt diese Behauptung eine Absage an die Vorstellung mit sich, daß eine strafrechtlich relevante Beziehung zwischen zwei Personen – gerade in der Form eines Beteiligungsverhältnisses – eine Art konspirativen Bundes verlangt. Zum anderen wird auf diese Weise die alte Diskussion über die physisch bzw. psychisch vermittelte Kausalität des Teilnehmerbeitrags354 zugunsten einer bestimmten Art von Akzessorietät entschieden, die besagt, daß die Zurechnung fremden Unrechts keine motivationelle Einwirkung auf den Täter, etwa im Sinne einer Verstärkung seines Tatentschlusses, verlangt. Von dem, was durch diese Auffassung der Akzessorietät ausgeschlossen wird, kann nun die Aufmerksamkeit auf die positive Begründung des akzessorischen Verhältnisses gelenkt werden. Daß dieses Verhältnis nicht auf dem sog. Gehilfenvorsatz beruhen kann, wurde schon dargestellt: Der Vorsatz des Gehilfen begründet zum Teil die subjektive Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung, aber er erhält erst dann Bestimmtheit, wenn der Gegenstand der Zurechnung objektiv festgelegt ist. Zu dieser Bestimmung gehört u. a. die Antwort auf die Frage, ob gemeinsames Handeln vorliegt. Gerade die in Rede stehenden Konstellationen bringen aus einer anderen Perspektive zum Vorschein, daß die Verbindung zwischen den Verhaltensweisen von Täter und Teilnehmer vielmehr in einer objektiven Wirklichkeit besteht. Freilich wird diese Verbindung herkömmlicherweise kausal aufgefaßt: Die Gehilfentätigkeit müsse – so die geläufige Formulierung – „kausal“ für den Erfolg der Haupttat geworden sein. Wie aber 353 Dem Gesagten entzieht sich die Lehre Roxins nicht, nach der die Teilnahme einen „akzessorischen Rechtsgutsangriff“ bildet (vgl. insb. Roxin, Festschrift für Stree/ Wessels, S. 365 ff.). Sofern sich das Teilnahmeunrecht nach Roxin zumindest teilweise aus dem Täterunrecht ergibt, wird der Teilnehmer ebenfalls teilweise wegen fremden Unrechts zur Verantwortung gezogen. 354 Im Rahmen der alten Diskussion über das Regreßverbot vertrat Frank (StGB, Vorbem. II vor § 47) eine Auffassung über die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme, die auf der Art der Verursachung des Erfolges beruhte: Während Täterschaft durch physisch vermittelte Bewirkung der Erfolges gekennzeichnet sei, soll die psychisch vermittelte Kausalität die Teilnahme charakterisieren. Dieser Gedanke wurde bekanntlich bald zu Recht verworfen (zur Kritik s. nur Engisch, Kausalität als Merkmal, S. 78): Daß nämlich das StGB Figuren kennt, die dieser Zuordnung nicht entsprechen, war in der Lehre längst bekannt. So beispielsweise bereits Arnold Horn: Wenn der Diener die Tür offen läßt, um dem Dieb, der die Erleichterung gar nicht bemerkt, zu helfen, liegt Beihilfe und nicht Täterschaft vor, und zwar ohne daß der Beitrag auf Motivationsvorgänge beim Täter eingewirkt hätte (GS, Bd. 54 [1897] S. 373). Die Schlußfolgerung war deutlich: Das Eigentümliche der Teilnahme liegt nicht in einer bestimmten Art der Verursachung (zum Ganzen s. Bloy, Zurechnungstypus, S. 130 ff). Auch Feuerbach stellte auf die „(Un-)Mittelbarkeit“ der Kausalität ab (Lehrbuch, [ab der 5. Aufl.], § 44). Vgl. ferner Wuttig, S. 98; Zimmerl, S. 91; Perten, S. 94.

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bei genauerer Analyse der sog. „Kausalität der Beihilfe“ festzustellen ist, begnügt sich die herrschende Meinung mit einer Kausalität, die nicht mehr im Sinne der Conditio-Formel konzipiert wird, sondern sich mit einer Erhöhung der Chancen der Tatbestandsverwirklichung zufrieden gibt.355 Vor allem angesichts der Problematik der sog. Alltagshandlungen wurde jedoch offensichtlich, daß die Risikoerhöhungslehre ohne normative Kriterien nicht auszukommen vermochte. Einerseits konnte der Unrechtsgehalt bestimmter Handlungen durch das Kriterium der Risikosteigerung nicht erklärt werden, während andererseits manche Handlungen als Beihilfe eingestuft werden mußten, deren Mißbilligung äußerst fragwürdig erschien. Dabei wirkte sich nur der entscheidende Mangel der Risikoerhöhungslehre weiter aus, der darin besteht, daß sie unter den oft unendlich vielen in Betracht zu ziehenden hypothetischen Kausalverläufen die für die Zurechnung erheblichen nicht heraussuchen kann. Aus diesem Grund wird zunehmend von einer „rechtlich mißbilligten“ Risikosteigerung gesprochen, die zwar noch immer im besagten Sinne „kausal“ sein muß, aber in einen Zusammenhang rückt, in dem das normative Kriterium die Oberhand gewinnt. So schreibt etwa Roxin, daß ein psychischer Kontakt zwischen Gehilfen und Täter dann nicht erforderlich sei, „wenn der Beihilfecharakter eines Tuns (oder auch Unterlassens) aus den Umständen objektiv erkennbar ist“,356 oder, daß der heimliche Helfer, dessen Leistung der Tatbestandsverwirklichung zugute kommt, Gehilfe sei, denn sein Beitrag „bedeutet (. . .) für den Täter eine kausale Chancenerhöhung“.357 Diese notwendige Entwicklung, die die Frage nach der Bedeutung des Verhaltens in den Fokus der Beteiligungslehre stellen sollte, und die – trotz der prinzipiellen Übereinstimmung im Grundsatz – außerhalb der Problematik der Alltagshandlungen kaum aufzufinden ist, bildet die Grundlage der hier vertretenen Position: Die Verbindung der Verhaltensweisen vollzieht sich auf der objektiven Ebene, aber nicht als Kausalität (und zwar weder im Sinne der Conditio-Formel noch in dem einer naturalistischen Risikoerhöhungslehre), sondern als Sinnzusammengehörigkeit nach normativen Maßstäben. Eine Handlung bzw. Unterlassung verhält sich demnach akzessorisch in bezug auf eine andere, wenn sie den Sinn hat, deren Anbahnung bzw. Fortführung aus der Perspektive der Tatbestandsverwirklichung zu sein. Die Voraussetzungen dieser Zusammengehörigkeit (u. a. das unabdingbare Gestaltungserfordernis) werden in selbständigen Abschnitten dieser Arbeit behandelt.

355 356 357

Dazu sogleich unten C. IV. 3. LK-Roxin, § 27, Rn. 9 (Herv. nur hier). AT II, 26/216 (Herv. nur hier).

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

bb) Akzessorietät der Mittäterschaft Doch drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, wonach denn Mittäter und Gehilfe nach dem oben Gesagten zu unterscheiden sind. Wenn es nämlich bei der Akzessorietät auf die Sinnzusammengehörigkeit der Verhaltensweisen aus der Perspektive der Tatbestandsverwirklichung ankommt, dann sind die Beiträge der Mittäter und die der Gehilfen gleichermaßen akzessorisch. Dem entspricht die Ablehnung einer qualitativen Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme.358 Dabei handelt es sich nicht um eine Wiederbelebung des Topos, mittäterschaftliche Beiträge seien von Gehilfenbeiträgen in bestimmten Konstellationen so schwer zu unterscheiden, daß man am besten auf jeglichen Unterscheidungsversuch verzichten solle.359 Es geht vielmehr darum, daß eine qualitative Unterscheidung prinzipiell unmöglich ist. Denn es geht nicht an zu behaupten, daß Täter und Teilnehmer gegen ein und dieselbe Verhaltensnorm verstoßen, d. h. das Akzessorietätsprinzip unverfälscht beibehalten zu wollen, während zugleich angenommen wird, daß dem Teilnehmer diese Pflichtverletzung als fremdes Unrecht, mittelbar, zugerechnet werden soll.360 Die phänotypisch unterschiedliche Art der Beteiligungsform macht keinen qualitativen, sondern nur einen quantitativen Unterschied aus der Perspektive der Zurechnung 358 Zur Begründung eines „qualitativen Sprungs“ anhand der Mitwirkung im Ausführungsstadium s. erster Teil, B. I. 1. c) und B. I. 2. 359 Hierzu Bloy, Zurechnungstypus, S. 368 f. Zu dem (fehlenden) Ertrag der konkreten „Inhaltsvorstellungen“ des Gesetzgebers in bezug auf die qualitative Unterscheidung zwischen Beteiligungsformen s. ferner Stein, S. 53 f., m. w. N. aus den einschlägigen Niederschriften. 360 Zur herrschenden Auffassung s. statt vieler Bloy, Zurechnungstypus, S. 252 ff. (insb. S. 255 f.), der der Problematik folgendermaßen beizukommen versucht: Der Teilnehmer vollziehe zwar einen eigenen Rechtsgutsangriff, er werde aber stets durch den Täter als Person vermittelt. Aus diesem Grund sei der Angriff des Teilnehmers nur in dem Sinne eigen, als „er in eigener Person eine Handlung vollzieht, die gegen ein Rechtsgut gerichtet ist, das gegenüber dem Handelnden einen Anspruch auf Achtung erhebt“. Daß diese Überlegungen das Problem weiterhin bestehen lassen, zeigt sich deutlich an den folgenden Ausführungen, bei denen die später in der Lehre bedeutsam gewordene Unterscheidung zwischen Angriff gegen ein Rechtsgut und Verstoß gegen eine Verhaltensnorm noch nicht hinreichend berücksichtigt wird: „Für die Verwirklichung des tatbestandlichen Unrechts kann nur derjenige verantwortlich sein, in bezug auf dessen Person es sich überhaupt als Unrecht darstellt. Das gilt auch für die Zurechnung dieses Unrechts als fremdes, denn immerhin steckt darin eine Beurteilung des Teilnehmerverhaltens, der die Verbotsnorm des Tätertatbestands zugrunde liegt“ (Zurechnungstypus, S. 256, Herv. nur hier). Die abschließende Bemerkung Bloys erscheint deshalb mehr als eine Behauptung denn als eine Schlußfolgerung: „Eine allein auf das Akzessorietätsprinzip gestützte Teilnahmelehre schließt das Erfordernis eines eigenen Rechtsgutsangriffs des Teilnehmers nicht aus, sondern ein“ (Zurechnungstypus, S. 256). Angesichts dieser Begründungsweise nimmt es nicht wunder, daß Stein (S. 221 ff., 238 ff.), Rudolphi (Festschrift für Jescheck, S. 570 f.) und andere Autoren eine Art sekundärer Teilnehmerverhaltensnormen postulieren. Zur Kritik s. erster Teil, B. II. 4. c); Bloy, Zurechnungstypus, S. 172 ff. und Küper, ZStW 105 (1993), S. 470 ff.

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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aus, weil die Frage, ob jemand für eine bestimmte Tatbestandsverwirklichung zusammen mit anderen zuständig ist, keine qualitativen Abstufungen zuläßt: Sie kann nämlich nur bejaht oder verneint werden. Aus diesem Grund muß jeder Versuch scheitern, einen qualitativen Sprung zu begründen, durch den der Gehilfe zum Mittäter wird. Der Begründungsversuch der Tatherrschaftslehre bietet hierfür ein aufschlußreiches Beispiel: Das Kriterium der Mitwirkung im Ausführungsstadium löst sich, wie bereits dargelegt, in einer Kombination der Notwendigkeits- und der Gleichzeitigkeitstheorie auf. Noch weniger macht die Tatsache, daß nur einer der Beteiligten in unmittelbaren physischen oder psychischen Kontakt mit dem Opfer tritt, einen Unterschied qualitativer Art aus, wie es die längst widerlegten Ansichten über die Unterscheidung zwischen Täter und Teilnehmer wollten, sei es anhand der physisch bzw. psychisch vermittelten Kausalität bei Frank361 oder des Kriteriums der Unmittelbarkeit bei Feuerbach.362 Dieser Befund – ein qualitativer Unterschied zwischen den mehreren für die Tatbestandsverwirklichung Zuständigen läßt sich auf der Zurechnungsebene nicht dartun – bildet nur eine Manifestation dessen, daß das auf das gemeinsame Handeln anzuwendende Zurechnungsmuster eine normative Konstruktion eigener Art darstellt. Darin wurzelt ebenfalls der hier vorgeschlagene Begriff der Akzessorietät, nach dem die Tatbestandsverwirklichung allen Beteiligten zugerechnet wird, und zwar gleichermaßen als eigenes Unrecht. Ist die Verantwortung der Mittäter genauso akzessorisch wie die der Teilnehmer, dann ergibt sich daraus, daß die Begründung bzw. Verneinung der Zusammengehörigkeit der Verhaltensweisen hinsichtlich der Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung grundsätzlich nach denselben Kriterien zu erfolgen hat. Das allein führt jedoch noch nicht zu der Annahme, Mittäterschaft setze kein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken voraus. Denn die auch ohnehin akzessorische Verantwortung des Anstifters beruht auf einer gewissen motivationellen Einwirkung auf den Angestifteten, die von diesem als solche wahrgenommen werden muß. Aber die gegenteilige Behauptung, daß nämlich ein gemeinsamer Tatentschluß für die Mittäterschaft konstitutiv sei, weil es ansonsten an der faktischen Objektivierung der wechselseitigen Erwartungen der Beteiligten fehlen würde,363 ist genauso unbegründet. Denn das oben Ausgeführte zeigt, daß das Hervorrufen des Tatentschlusses bzw. die Verstärkung des Täters in seinem Entschluß mit der Konstitution der Akzessorietät nichts zu tun haben. 361

StGB, Vorbem. II vor § 47. Revision, Zweiter Theil, Achtes Kapitel, §§ 11 (S. 245), 22 (S. 262 ff.). Hier ist jedoch zu beachten, daß es Feuerbach darum ging, die Urheberschaft von der Beyhülfe zu unterscheiden. Gleichwohl bleibt es dabei, daß er auf ein naturalistisches Datum abstellt: „Gehülfe“ sei derjenige, „bei welchem die Beförderung der auf die Rechtsverletzung unmittelbar gerichteten Handlung eines andern das unmittelbare Object der Wirksamkeit seiner Handlung, die Rechtsverletzung selbst also nur das mittelbare Object derselben ist“ (§ 11, S. 245). 363 In der Formulierung Kindhäusers, Festschrift für Hollerbach, S. 650. 362

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Die Objektivierung der Erwartungen vollzieht sich demnach erst durch eine normativ zu beurteilende Verhaltensabstimmung, d. h. durch das einzige Element, das bei der Begründung der Akzessorietät eine konstitutive Rolle spielt. Eine darüber hinausgehende Willensübereinstimmung im gemeinsamen Tatentschluß ist, wie bei der Anstiftung die motivationelle Einwirkung auf den Angestifteten, ein zusätzliches Erfordernis, das nicht zu den Voraussetzungen für die akzessorische Verbindung der Verhaltensweisen im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung gehört. Deswegen können die Angemessenheit und Folgerichtigkeit dieses Erfordernisses nur anhand eines Spezifikums der Mittäterschaft beurteilt werden. Gibt es jedoch, wie die vorliegende Untersuchung nahegelegt hat, ein solches Spezifikum nicht, dann bildet das Erfordernis eines bewußten und gewollten Zusammenwirkens ein mehr oder weniger begründetes Desiderat, das in die Norm des § 25 Abs. 2 StGB gerne hineingelesen wird, aber keine systematisch zwingende Auslegung des „gemeinschaftlichen Begehens“ darstellt. b) Die Solidarisierungstheorien aa) Das Erfordernis eines Beistandspaktes Von der vorliegenden Auffassung weichen die Solidarisierungstheorien über die Beihilfe am stärksten ab. Was den grundsätzlichen Inhalt der Akzessorietät betrifft, ist die Tragfähigkeit dieser Lehren im Schrifttum mehrfach kritisch gewürdigt worden, weshalb es hier keiner Wiederholung dieser Kritik bedarf.364 Da sie aber mit der herrschenden Meinung über die Funktion der Akzessorietät weitgehend übereinstimmen, scheint es angemessen, auf diesen Aspekt zur Kontrastbildung kurz einzugehen. Auf die Ansätze, welche die Akzessorietät als Zurechnungsprinzip fremder Taten aus einer „objektiven“ Perspektive betrachten, wird im nächsten Abschnitt eingegangen. Hier soll zunächst gezeigt werden, daß die Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung als fremdes Unrecht in ihrer subjektivierenden Ausprägung – d. h. anhand eines Beistandspaktes – entweder unschlüssig ist oder der Heranziehung zusätzlicher Kriterien bedarf, die nolens volens darauf hinauslaufen, das Unrecht der Beihilfe zu verselbständigen. Das kann an den dem Unrecht von Beihilfe und Anstiftung gewidmeten Überlegungen Heghmanns’ – dem neuesten subjektivierenden Begründungsversuch anhand eines Beistandspaktes – verdeutlicht werden.365 Die Position Heghmanns’ beruht auf der Tatherrschaftslehre und der ihr entsprechenden qualitativen Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme. Dem wird eine Lehre 364 Zur Lehre Schumanns (Selbstverantwortung, S. 49 ff.) s. etwa Roxin, AT II, 26/ 22 ff.; Stein, S. 162 ff. Spezifisch zur Auffassung der Beihilfe bei Schild-Trappe (Harmlose Gehilfenschaft?, S. 97 und passim) vgl. ebenfalls Roxin, AT II, 26/194 ff. 365 GA 2000, S. 473 ff. Die Analyse beschränkt sich hier auf die Beihilfe.

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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über den „Sollensgrund“ der Strafbarkeit der Beihilfe hinzugefügt, nach der die Tatbestandsverwirklichung dem Gehilfen als fremdes Unrecht zugerechnet (der Gehilfe verletzt das Rechtsgut der Haupttat „im eigentlichen Sinne“ nicht366) und der „Handlungserfolg“ (scil. der Erfolg) der Beihilfe auf eine besondere Weise umschrieben wird. Dieser zeichne sich nämlich erst „beim Blick auf die Verhaltensnormen“ ab: Durch die Erstreckung der Haupttatstrafandrohung auf potentielle Gehilfen solle „dem Täter schon im Vornhinein klar gemacht werden, daß sein Vorhaben überhaupt sinnlos bleibt, weil [!] er auf keinerlei Unterstützung durch Helfer zählen darf“.367 Daraus folge, daß dem Gehilfen „nicht der Diebstahl, sondern die Unterstützung des Diebes beim Diebstahl“ verboten sei.368 Die Norm verlangt von ihm nur, daß er den Täter beim Diebstahl allein läßt. „Unmittelbares und gemeinsames Zwischenrechtsgut (. . .) ist für alle Beihilfeformen folglich die gesellschaftliche Ächtung und Isolierung potentieller und aktueller Angreifer auf Strafrechtsgüter zum letztendlichen Zweck ihres Schutzes“. Daraus will Heghmanns das Erfordernis eines „mindestens konkludenten Beistandspaktes“ zwischen Gehilfen und Täter herleiten. Wie er selbst bemerkt folgt dieses Erfordernis „zwar nicht unmittelbar aus dem Bedürfnis nach Isolierung des Täters, wohl aber aus dem damit verfolgten Zweck, ihn bereits im Vorfeld von seiner Tat abzuhalten“. Auf diese Weise kommt er zu der Ansicht, daß der Erfolg der Beihilfe darin bestehe, daß der Gehilfe „den Tatentschluß des Täters erleichtert bzw. stärkt“. Die Unterstützungshandlung, die vom Täter wahr- und angenommen werde, lasse nämlich „in seinen Augen die Tat(-fortsetzung bis zur Beendigung) als attraktiver, durchführbarer oder risikoärmer erscheinen“. Versuchte Beihilfe liegt demnach dann vor, wenn „die intendierte Hilfe die Täterpsyche mangels Wahrnehmung oder Akzeptanz nicht erreicht“. Die Folge dieser Auffassung in bezug auf den Begriff der Beihilfe ist eindeutig: „Jede Beihilfe ist damit (auch, wenngleich nicht stets nur) psychische Beihilfe, deren Kausalität für die Tat sich in der Förderung des alsdann durchgeführten Täterentschlusses verwirklicht“. bb) Kritik: Verselbständigung des Unrechts der Beihilfe Das Problem einer solchen Auffassung liegt darin, daß sie die Verbindung mit dem Schicksal der Haupttat nicht begründen kann, was einer Aufhebung der Akzessorietät gleichkommt. Durch ihre ausgeprägte Subjektivierung des Unrechts der Beihilfe bildet daher die Position Heghmanns’ ein paradigmatisches Beispiel dafür, daß die Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung als 366 367 368

GA 2000, S. 476. GA 2000, S. 477 (Herv. nur hier). Hier und im folgenden GA 2000, S. 477 ff.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

fremdes Unrecht nicht ohne Rückgriff auf Kriterien begründet werden kann, die, will man sich der Gefahr einer Verselbständigung des Unrechts der Beihilfe entziehen, zur Aufgabe des eingenommenen Ausgangspunkts zwingen. So sieht Heghmanns einerseits den „Erfolg“ der Beihilfe in der Stärkung des Tatentschlusses des Täters.369 Auf der anderen Seite soll jedoch die Haupttat durch das Akzessorietätsprinzip das Unrecht der Beihilfe zugleich „konstituieren“ und „dokumentieren“: „Ohne Haupttat fehlt es an einer Rechtsgutsgefährdung, deren Intensivierung dem Gehilfen vorgeworfen werden könnte. Zudem vermag nur die Begehung der Haupttat unter Förderung durch den Gehilfen hinreichend sicher zu belegen, daß dessen Solidarisierung mit dem Täter die Rechtsgutsgefährdung gesteigert hat“. Daraus könnte konsequenterweise nur folgen, daß das, was „dem Gehilfen vorgeworfen werden könnte“, letztendlich in der Intensivierung der Rechtsgutsgefährdung liegt. Auf diese Weise würde sich diese Lehre als eine Variante der Risikoerhöhungstheorie entpuppen, die aber nur eine bestimmte Art und Weise, dieses Risiko zu erhöhen, für erheblich hält, nämlich die Stärkung des Täterentschlusses durch den Beistandspakt. Das kann aber nicht richtig sein, da diese Stärkung nach Heghmanns bereits den Erfolg der Beihilfe bildet, so daß die tatsächliche Begehung der Tat durch den Täter – die wiederum den Verstoß gegen eine Norm darstellt, welche nur den Täter zum Adressaten hat – nicht in der Lage sein kann, dem Unrecht der Beihilfe etwas hinzuzufügen, geschweige denn dieses Unrecht zu konstituieren. Es bliebe also allein bei der Dokumentationsrolle der Akzessorietät, die jedoch ihrerseits nicht nur deswegen fragwürdig wird, weil Akzessorietät als Beleg eines Unrechts mit dem Begriff der Akzessorietät, von dem der Autor selbst ausgeht, nichts mehr zu tun hat, sondern auch deshalb, weil Heghmanns ohne weiteres auch den umgekehrten Begründungsweg einschlägt: In den Konstellationen von „kontraproduktiver Beihilfe“ (Taterschwerung) liege nämlich trotz der Stärkung des Tatentschlusses keine Beihilfe vor, weil der Stärkung des Tatentschlusses „nur die Rolle einer Dokumentation gesteigerter Gefährlichkeit zukommt“, so daß sie durch eine Reduzierung der Haupttatchancen problemlos wettgemacht werden könne. Daß diese Argumentation mit der Definition des Unrechts der Beihilfe als Durchbrechung der Isolierung des Täters durch Stärkung seines Tatentschlusses nicht in Einklang gebracht werden kann, weil sie zwangsläufig zur Verselbständigung des Unrechts der Beihilfe führt, zeigt sich an der im Anschluß an die „kontraproduktive Beihilfe“ behandelten Konstellation von „untauglicher Hilfe“. In den Fällen von untauglicher, aber nicht hinderlicher Hilfeleistung, solle die Hilfe als „unkompensierter psychischer Beistand strafbar“ bleiben. Der Beistandspakt habe also eine Stärkung des Tatentschlusses bewirkt, welche die 369 „Dieser Erfolg [liegt] in der Stärkung des Tatentschlusses des Täters“ (GA 2000, S. 480).

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Rechtsgutsgefährdung intensiviert habe. Kraft des Beistandspaktes müßte also derjenige, der dem Einbrecher einen Nachschlüssel mitgegeben hat, der aber im Schloß abgebrochen ist, wegen Beihilfe zum vollendeten Diebstahl verurteilt werden, und zwar unabhängig davon, ob die Tat vom Täter daraufhin vollendet wurde oder im Versuchsstadium geblieben ist. Denn weder das eine noch das andere ändern etwas an der „unkompensierten“ und bereits „dokumentierten“ Risikosteigerung durch Beistand. Deutlicher noch werden die Folgen dieser Auffassung bei der Problematik der sog. sozialadäquaten Handlungen. Wer einem anderen einen Schraubenzieher im Werkzeugladen verkauft, wobei er weiß, daß der Käufer damit einen Einbruch begehen will, ist dann Gehilfe, wenn der Käufer ebenfalls weiß, daß der Verkäufer ihm das Werkzeug in Kenntnis seines Vorhabens verkauft hat.370 Benutzt er das Werkzeug beim Einbruch letztendlich nicht, so stünde dies der Verantwortung des Verkäufers als Gehilfe durch psychischen Beistand nicht entgegen, da in diesem Fall sowohl die Durchbrechung der Isolierung durch Stärkung des Entschlusses als auch deren Dokumentierung durch die Verwirklichung des Einbruchs zweifelsohne vorlägen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Anliegen Heghmanns’ nur zu verständlich ist. Wenn die Tatbestandsverwirklichung dem Gehilfen als fremdes Unrecht zugerechnet werden muß, eröffnen sich grundsätzlich zwei Alternativen. Zum einen kann man die Verbindung zwischen Täter und Teilnehmer in der Kausalität des Beitrags des Gehilfen für den Erfolg der Haupttat suchen. Dieser Weg scheint Heghmanns nicht gangbar, wie an seiner Kritik an den üblichen Auffassungen zum Strafgrund der Teilnahme zu erkennen ist. Die zweite Möglichkeit besteht darin, nach einer subjektiven Verbindung zu suchen, was Heghmanns macht, indem er auf die Stärkung des Täterentschlusses abstellt. Damit kommt man jedoch vom Regen in die Traufe, da diese Auffassung zwangsläufig zur Verselbständigung des Unrechts der Beihilfe führt, was nur dadurch zu überwinden ist, daß man das zusätzliche Kriterium der Intensivierung der Rechtsgutsgefährdung heranzieht. Da aber dieses Erfordernis mit der Definition der Beihilfe als Durchbrechung der Isolierung des Täters in keiner immanenten Beziehung steht – und sich zudem mit der Risikoerhöhungslehre deckt, die ebenfalls die Verbindung der Gehilfentätigkeit mit dem Schicksal der Haupttat nicht zu begründen vermag –, muß sich der innere Riß der Konstruktion bei der Lösung der verschiedenen Konstellationen notwendigerweise manifestieren. Welches Kriterium dabei die Oberhand gewinnt, ist schon gezeigt worden: Letzten Endes wird ausschließlich auf die psychische Stärkung des Täters abgestellt, selbst wenn die von ihm begangene Tat lediglich durch diese psychische Komponente in Verbindung mit dem Verhalten des Gehilfen gebracht werden kann. 370

GA 2000, S. 480 f.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

cc) Wechselseitige Solidarisierung bei der Mittäterschaft? Im Anschluß an den Gedanken der gesteigerten Gefährlichkeit aufgrund Solidarisierung371 versucht Knauer die Begründung einer „kausalitätsersetzenden“ Zurechnungsfigur Mittäterschaft.372 Das Erbringen des (in bezug auf die anderen: gleichrangigen) Einzelbeitrags im Rahmen eines gemeinsamen Tatplans bewirke einen wechselseitigen Solidarisierungseffekt bei den Tätern und dadurch eine probabilistisch zu bestimmende Risikoerhöhung. So lasse sich eine ex ante Betrachtung nach dem Tatplan mit einer ex post Betrachtung nach Risikoerwägungen in Einklang bringen, mit der Folge, daß auf das Erfordernis der Kausalität des Einzelbeitrags (nach herkömmlichem Verständnis) für den Deliktserfolg verzichtet werden könne.373 Aus diesem Grund sei beispielsweise der nicht in Anspruch genommene Wachestehende Mittäter. Mit Hilfe dieses Kriteriums seien auch die Fälle sog. additiver und alternativer Mittäterschaft sowie die Konstellationen von Mehrfachkausalität, etwa bei Gremienentscheidungen, ohne Schwierigkeiten zu lösen. Daran ist richtig, daß die Bedeutung bzw. die „Wesentlichkeit“ der Einzelleistung nicht ohne Bezug auf die anderen bestimmt werden kann, und daß diese Bestimmung nach einer Perspektive ex ante getroffen werden muß. Aber Knauer ersetzt dabei lediglich die Erfolgskausalität der Einzelleistung durch ihre risikoerhöhende Wirkung aufgrund des gemeinsamen Tatentschlusses. Die im Grunde zutreffende Aussage, § 25 Abs. 2 StGB sei eine „kollektivkausal formulierte Norm“,374 wird also dahingehend umgesetzt, daß dem einzelnen eine Risikosteigerung im Sinne einer durch den Solidarisierungseffekt („wenn die mitmachen, kann ich dies ebenfalls!‘, oder auch: ,gemeinsam sind wir stark!‘“375) gesteigerten Gefährlichkeit vorgeworfen wird. Auf diese Weise stellt sich diese Lehre als eine auf die Mittäterschaft zugeschnittene Solidarisierungstheorie376 dar, die an Bindokats Lehre der „Kausalität der Willensverbindung“ erinnert 371 Bereits Herzberg, JuS 1975, S. 37; Dencker, Kausalität, S. 224 f. (auch probabilistisch orientiert); Kamm, S. 37 f., 179 f. 372 Knauer, S. 133 ff. Ähnlich Mitsch, JuS 2001, S. 105, 109. Nahe auch SKHoyer, § 25, Rn. 154, der auf die „Motivationskraft“ der gegenseitigen Zusage von wesentlichen Tatbeiträgen abstellt, weshalb es gar nicht darauf ankomme, „wessen Beitrag für den Erfolgseintritt tatsächlich ursächlich geworden ist“. 373 Knauer, insb. S. 137 ff.; s. auch S. 176: „Ein ,gemeinschaftliches‘ vorsätzliches Handeln mehrerer [erfordert] auch ein kommunikatives, intrapsychologisches [?], damit gänzlich subjektives Element, welches gerade der Grund für die wechselseitige Zurechnung, die Verbindung zwischen den Beteiligten ist. Damit ist aber der gemeinsame Tatplan letztlich ein starker Grund für den Verzicht auf einen ex post zu erbringenden Kausalnachweis des Einzelbeitrages bei der vorsätzlichen Mittäterschaft“. 374 Knauer, S. 151 f. 375 Knauer, S. 156. 376 Die, wie soeben ausgeführt, schon bei der Begründung des Beihilfeunrechts nicht zu überzeugen vermag.

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und somit erhebliche Parallelen zu den Komplottlehren aufweist.377 Diese Einschätzung wird nur bestätigt, wenn Knauer auf die den einzelnen „entlastende“, die Gefährlichkeit steigernde Wirkung des Zusammenschlusses in dem Sinne hinweist, daß infolgedessen der einzelne weniger zu leisten habe, damit der Erfolg eintrete. Der Unterschied zu einer verabredeten Beihilfe läge dann nur darin, daß der Gehilfe keinen „gleichrangigen“ Tatbeitrag erbringt. Mittäterschaft und verabredete Beihilfe würden sich lediglich quantitativ unterscheiden, ein aus der Perspektive Knauers erstaunliches Ergebnis, weil nach seiner Auffassung für die Beihilfe ein ganz anderes Zurechnungsmuster zu gelten hat, nämlich eines, das gerade die Erfolgskausalität der Einzelleistung verlangt.378 Andererseits taugt eine solche Begründung im Fahrlässigkeitsbereich nicht.379 Dennoch will Knauer fahrlässige Mittäterschaft in denjenigen Fällen sehen, in denen „sich die durch mehrere gemeinschaftlich geschaffene unerlaubte Gefahr im Erfolg realisiert hat“.380 Auf die Frage, unter welchen Bedingungen eine „gemeinschaftlich geschaffene Gefahr“ anzunehmen ist, antwortet Knauer mit einem knappen Verweis auf „Arbeitsteilung“,381 wobei weder ein bewußtes noch ein notwendiges Zusammenwirken erforderlich sei. Daß aber die zu lösende Problematik gerade darin besteht, zu bestimmen, unter welchen Bedingungen und vor allem inwieweit eine arbeitsteilig geschaffene Gefahr vorliegt, ist evident. 2. Akzessorietät als objektive Sinnzusammengehörigkeit der Verhaltensweisen Nach dem oben Ausgeführten, aber auch angesichts der herrschenden Auffassung der Akzessorietät als objektives Verhältnis, kann es nur überraschend anmuten, daß die Lösung Roxins zu dem mittlerweile klassisch gewordenen Attentäterbeispiel auf grundsätzliche Ablehnung gestoßen ist.382 Der umstrittene Beispielsfall bietet die Möglichkeit, den akzessorischen Charakter der Beteiligung näher zu untersuchen und ein wesentliches Merkmal dieser Beziehung hervorzuheben, nämlich die Zusammengehörigkeit der Verhaltensweisen auf der Bedeutungsebene. Es empfiehlt sich dabei, Roxins plastische Schilderung des Beispiels wörtlich wiederzugeben: 377

s. Bindokat, JZ 1979, S. 434 ff.: dazu zweiter Teil, Anm. 181. Knauer, S. 169. 379 Knauer, S. 184. 380 Knauer, S. 196, dem Grundgedanken Ottos (AT 21/117) beipflichtend (s. dazu zweiter Teil, B. II. 3). 381 Knauer, S. 195. 382 Roxin, Täterschaft, S. 485 ff. Kritisch etwa Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 255 ff.; Schumann, Selbstverantwortung, S. 65 ff.; Ranft, ZStW 97 (1985), S. 288 ff.; Lüderssen, Strafgrund, S. 179 ff.; SK-Rudolphi, Vor § 13, Rn. 43; Herzberg, Unterlassung, S. 280; Busse, S. 110 ff. 378

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

„In politisch unruhigen Zeiten wird ein Attentat auf einen Staatsmann geplant. Da dessen Haus von der Polizei gut bewacht wird, beschließen die Attentäter, sich nach Einbruch der Dunkelheit mit Nachschlüsseln und notfalls mit Brechwerkzeugen Zugang zum Nachbarhaus zu verschaffen, und von dort aus über den Hinterhof in die Wohnung des Opfers einzudringen. Dabei sind sie sich bewußt, daß das Risiko, schon beim Einbruch ins Nachbarhaus von der Polizei gefaßt zu werden, nicht gering ist. Doch hoffen sie, unentdeckt zu bleiben und schlimmstenfalls wegen versuchten Einbruchs zur Verantwortung gezogen zu werden. – Am Mittag des für das Attentat vorgesehenen Tages wird der ganze Plan durch irgendwelche Umstände ohne Zutun und Wissen der Verschwörer von dem Nachbarn entdeckt. Dieser ist ein persönlicher Feind des Staatsmannes und wünscht dem Anschlag von Herzen gutes Gelingen. Er läßt deshalb am Abend die Haustür, obwohl er sie sonst stets verriegelt, unverschlossen, damit die Attentäter, ohne Verdacht zu erregen, eintreten und in den Hinterhof gelangen können. So geschieht es, und der Staatsmann stirbt unter den Dolchen der Verschwörer“. Die Lösung von Roxin ist bekannt: Der Nachbar hat sich einer Beihilfe zum Mord durch Unterlassen schuldig gemacht, denn er hat durch das Nichtverschließen der Tür die Tat erleichtert. Aus diesem Grund (i) bedürfe es keiner Garantenstellung, wobei (ii) Täterschaft mangels Tatherrschaft nicht in Betracht käme. Wie im vorangegangenen Abschnitt ausgeführt, geht Roxin und mit ihm die ganz überwiegende Lehre davon aus, daß das Wissen um die Hilfeleistung seitens des Täters keine Voraussetzung der akzessorischen Verantwortung des Gehilfen sei. Es reicht also mit der „mißbilligten Kausalität der Beihilfe“ nebst den Voraussetzungen subjektiver Zurechnung aus, was im hier zu besprechenden Beispiel zumindest prinzipiell zur Bestrafung wegen Beihilfe führen soll. Die Lösung Roxins scheint also nur folgerichtig zu sein. Doch sie wird in der Tat, wie eingangs erwähnt, entschieden bestritten, und zwar von Autoren, die von denselben Prämissen über Inhalt und Funktion der Akzessorietät ausgehen. Im folgenden werden die Gründe für diese Ablehnung untersucht. Dabei wird den Ausführungen Frischs besondere Aufmerksamkeit geschenkt, und zwar nicht nur weil sie eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Beispiel enthalten, sondern vor allem, weil bei ihnen der hier kritisierte Standpunkt derart zum Vorschein kommt, daß sie, wie sich zeigen wird, sowohl die besagte Ablehnung der Beihilfe als auch die Strafbarkeit des Nachbarn als Gehilfe begründen können. aa) Über den fördernden Sinn des Beitrags Die Ablehnung einer Beihilfe, d. h. einer akzessorischen Verantwortung des Nachbarn (A), läßt sich zunächst einmal durch ein Argument erklären, dessen Überzeugungskraft in einem Rest naturalistischer Betrachtungsweise wurzelt.

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Gegen die Erfassung des Verhaltens als Grund für seine Einbeziehung in die Gemeinsamkeit der Beteiligten spricht die intuitive Vorstellung, es handelte sich hier um eine Strafbarkeit, welche voraussetzen würde, daß eine „bloße Unterlassung“ auf zweifache Weise zum Zurechnungsgrund avancieren müßte. Einerseits habe A die Tat nicht durch aktives Tun gefördert; auf der anderen Seite bestehe diese Förderung, falls sie überhaupt als solche bezeichnet werden könnte, gerade in dem Nicht-Schaffen einer Taterschwerung. Lehnt man zudem eine Garantenstellung des A im Sinne der individualisierenden Sicht konsequenterweise ab, dann läßt sich tatsächlich keine Verantwortung begründen.383 Aber nicht nur das: Nach dieser Argumentation, die vor allem von Frisch ins Feld geführt wird, würde eine solche Bestrafung ein unzulässiges Eindringen in das Private darstellen. Denn keinem, der nicht aus besonderen Gründen für das Leben des Opfers Garant sei, dürfe prinzipiell die Freiheit abgesprochen werden, die eigene Haustür verschlossen oder unverschlossen lassen zu dürfen, nur weil andere eine dieser Möglichkeiten ins Deliktische umbiegen könnten.384 Der Zugang zum zweiten Schritt der richtigen Lösung, der Erfassung der Tat als ein Fall gemeinsamen Handelns, kann sich deswegen nur dann eröffnen, wenn man den Unterschied Tun/Unterlassen auf der Zurechnungsebene aufgibt, und an einem normativen Gesichtspunkt festhält. Auf diese Weise wird deutlich, daß die „Unterlassung“ des A, die Tat zu erschweren, einer Förderung der Tat im normativen Sinne gleichkommt. Denn zur Verwirklichung des Tatbestandes ist nicht nur vonnöten, wie Roxin mit Recht betont,385 daß sich bestimmte Umstände verwirklichen, sondern auch, daß andere, welche der Tat im Wege stehen, ausbleiben. Eben aus diesem Grund ist genauso derjenige Beteiligter, der jene Umstände setzt, wie derjenige, der diese beseitigt: Wer dem Dieb die Tür öffnet, beteiligt sich in aller Regel an dem Diebstahl, obwohl er nur ein – je nach dem Sachverhalt auch sehr geringfügiges: der Dieb war etwa gerade dabei, die Tür mit einem Dietrich aufzuschließen – Hindernis beseitigt hat. Durch die Diskussion, ob die „Aufgabe“ eines vermeintlichen Entschlusses, die Tür im Einzelfall nicht zu verriegeln, eine Veränderung der dem Täter zugeordneten Güterwelt oder lediglich die Nichterstellung eines für die Güter Dritter günstigen Zustandes sei,386 wird das Problem nur verdunkelt. Denn einerseits kann 383 So ganz deutlich in der Analyse des Beispiels bei Schumann, Selbstverantwortung, S. 65 ff., der eine strafbare Beihilfe durch Unterlassen „ohne Garantenstellung“ entgegen Roxin nicht annehmen will. 384 So insb. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 256 ff.: „Das bloße Unterlassen der verbrechenshemmenden Veränderung des eigenen Organisationsbereichs taugt außerhalb des (. . .) Kreises speziell sicherungspflichtiger Gegenstände nicht zur Begründung der Strafbarkeit aus einem echten Unterlassungsdelikt“ (S. 256, Herv. hier). Vgl. ferner Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 240 mit Anm. 62, ebenfalls von dem individualisierenden Standpunkt ausgehend. 385 Täterschaft, S. 487. 386 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 258 f.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

von einem Entschluß, die Tür künftig jeden Abend zu verschließen, keine Rede sein. Auf der anderen Seite sind die Zustände, die verglichen werden sollen, in dieser Überlegung falsch gewählt. Die Frage ist nämlich nicht, ob sich die während des Tages offen stehende Tür auch am Abend in demselben Zustand befindet oder nicht, sondern ob die abends immer verriegelte Tür gerade am Abend des Attentats offen ist bzw. gelassen wurde; in diesem Sinne handelt es sich sehr wohl um eine „Veränderung“. Daß die Entriegelung am selben Morgen keine Pflichtverletzung darstellt, spielt dabei keine Rolle. Denn es geht nicht darum, zu bestimmen, ob das Öffnen der Tür morgens rechtmäßig war oder nicht, sondern ob sich der Zustand „offene Tür an dem entscheidenden Abend“, für den der Nachbar ja ausschließlich zuständig ist, als Förderung der Tatbestandsverwirklichung begreifen läßt.387 bb) Der Lösungsansatz Frischs Ist man sich darüber im Klaren, daß der phänotypisch „doppelte Unterlassungscharakter“ des Beitrags des A dem Vorliegen einer die Tatbestandsverwirklichung fördernden Veränderung des eigenen Organisationsbereichs nicht entgegensteht, so läßt sich das Problem der Bedeutung des Verhaltens untersuchen. Eine erste Möglichkeit besteht darin, das Verhalten des A dem Muster des Alleinhandelns zuzuordnen und dementsprechend nach der Begründung einer Einzelverantwortung, etwa in der Form der (Allein-)Unterlassungshaftung, zu suchen. Frisch schlägt, genau wie Roxin, eben diesen Weg ein, kommt aber zu Recht zum umgekehrten Ergebnis.388 Die Begründung dafür, daß das Verhalten des Nachbarn keine mißbilligte Risikoschaffung im Sinne des Erfolgsdelikts bildet, ist für seinen Ausgangspunkt sehr kennzeichnend. Denn das entscheidende Argument liegt nicht darin, daß der fragliche Zustand des Organisationsbereichs rechtmäßig geschaffen werden darf, weil erleichternde Veränderungen, die in Unkenntnis oder unter Nichternstnahme des Bevorstehens deliktischer Handlungen Dritter nicht als mißbilligt anzusehen sind. Eine solche Begründung könnte nämlich entfallen, wenn im ersten Fall Kenntnis bevorstehender Straftaten tatsächlich vorliegt, oder, im zweiten, wenn glaubhafte Kenntnis der Gefahr durch die Norm gefordert würde, was nur dazu führen würde, daß Verantwortung wegen eines Erfolgsdelikts unter ähnlichen Voraussetzungen wie die unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB) zu bejahen wäre.

387 Deshalb handelt es sich dabei grundsätzlich nicht (wohl aber in der Formulierung Roxins) um eine Wiederbelebung des Interferenzstandpunktes, wie Ranft meint (ZStW 97 [1985], S. 290): Wenn nämlich in diesem Fall Beteiligung vorliegt, beruht sie nicht auf der Beseitigung von Hindernissen durch bloße Aufgabe des eigenen Tatentschlusses, sondern auf der Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung. 388 Hier und im Folgenden: Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 259 ff.

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Es handelt sich nach Frisch vielmehr darum, daß „der, der in seinem eigenen Organisationsbereich Veränderungen vornimmt, regelmäßig ohne weiteres in der Lage ist, diese Veränderungen wieder aufzuheben, und: daß er, soweit das Recht den Jedermann überhaupt glaubt in die Pflicht nehmen zu können, hierzu auch verpflichtet [nämlich über die Solidaritätspflichten] bleibt“. Da also eine solche Solidaritätspflicht weiter bestehe, die zudem ohne Mühe erfüllt werden könne, bestehe „kein Anlaß, schon die Veränderung als mißbilligte Risikoschaffung auszuweisen. Ein Verbot der Veränderung bzw. eine Mißbilligung solchen Verhaltens wäre auch eine nicht legitimierbare, weil im Rechtsgüterschutzinteresse nicht erforderliche Freiheitseinschränkung“. Angesichts dieses Arguments versteht sich die Erheblichkeit, die für Frisch die Frage besitzt, ob die Taterleichterung revidierbar ist, oder hingegen zu einer Verschüttung oder nachhaltigen Reduzierung der Hilfsmöglichkeiten des Verändernden führt. Aber selbst in den letztgenannten Fällen will Frisch prinzipiell nur eine Verletzung der Solidaritätspflichten sehen. Das entscheidende Kriterium hierzu ist folgendes: Wenn das nicht mehr revidierbare bzw. zur Verschüttung oder nachhaltigen Reduzierung der Hilfsmöglichkeiten führende Verhalten sich auf die Veränderung eines Bereiches beschränke, der dem Handelnden eigen sei, dann müsse der Täter in diesen fremden Bereich eindringen, um sich der ihm vorteilhaften Veränderung zu bedienen. In solchen Fällen sei die Mißbilligung der Veränderung nur die Kehrseite der Verletzung von Solidaritätspflichten, und könne deswegen keine Verantwortung für das Erfolgsdelikt begründen. Anders verhalte es sich aber, wenn die Umorganisation des eigenen Bereichs „den Charakter einer echten Erweiterung der zur Deliktsbegehung einsetzbaren Macht des deliktisch entschlossenen Dritten beinhaltet“. Der Dritte brauche sich diesen Vorteil also nicht durch „illegitime Überspielung“ eines fremden Organisationsbereichs zu verschaffen, sondern ihm werde dieser Vorteil zugestanden: Der Handelnde weist auf die Veränderung hin, dem Dritten werden bestimmte Hilfeleistungen zugesagt, oder bestimmte Gegenstände des eigenen Organisationsbereichs werden „nicht nur im eigenen, vom Dritten noch zu überwindenden Organisationsbereich, heimlich verändert, sondern dem Dritten zugespielt“. Auf unser Beispiel angewandt heißt das konkret: „Selbst wenn erst bei Anschleichen der Attentäter entriegelt wird, besteht regelmäßig doch noch die Möglichkeit einer Verriegelung im Anschluß daran“. Aus diesem Grund geht es nach Frisch in einem solchen Fall nur um Nichterfüllung der Hilfspflicht, falls A die Tür tatsächlich nicht wieder verschließt. Wenn er aber „geradezu den schon vor der Tür Lauernden“ öffne, dann handele es sich um eine Pflichtverletzung im Sinne des Erfolgsdelikts.

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cc) Kritik an der Lösung Frischs Das soeben Ausgeführte zeigt, daß die Position Frischs darauf zugeschnitten ist, die Alleinverantwortung des Nachbarn zu begründen bzw. zu verneinen: Es geht darum, zu bestimmen, ob „die Veränderung“ des eigenen Organisationsbereichs bereits „als mißbilligte Risikoschaffung auszuweisen“ ist. Wenn man diesen Gedanken auf das gemeinsame Handeln übertragen will, ergibt sich jedoch eine Beteiligungslehre, die entweder Solidaritätspflichten letztendlich doch zu Pflichtverletzungen im Sinne der Erfolgsdelikte macht, oder lediglich eine subjektive Begründung der Beteiligung liefern würde, in Anlehnung an die Komplottlehren, welche die Akzessorietät im Bereich der Mittäterschaft durch einen – ggf. nur konkludenten – gemeinsamen Entschluß ersetzen. Dieses – wenn man so will, überrraschende – Ergebnis kann an den von Frisch eingeführten Kriterien zur Unterscheidung zwischen Verhaltensweisen mit und ohne deliktischen Sinn verdeutlicht werden.389 (1) Nach Frisch ist das Einzelverhalten zunächst einmal als mißbilligt zu betrachten, wenn es sich um eine Objektivierung der Leistung als zugedachte Förderung bzw. Veranlassung im Rahmen einer kommunikativen Beziehung Täter/ Teilnehmer handele. Andere Verhaltensweisen, die keinen deliktischen Sinn aufweisen, seien dagegen als mißbilligte Risikoschaffung nur dann zu erfassen, wenn sie – trotz des mangelnden deliktischen Sinnbezugs – mit Pflichten oder Rechtsbegrenzungen im Interesse der einschlägigen, durch die Haupttat bedrohten Güter unvereinbar seien. Solche Rechtsbegrenzungen werden nach den Notstandsprinzipien umschrieben und legitimiert. Was die Verhaltensweisen mit deliktischem Sinn betrifft, handele es sich um Vorgänge, die durch eine „kommunikative Beziehung“ zwischen Täter und Teilnehmer geprägt seien. Sieht man aber auf das oben Ausgeführte und auf die Beispiele, die Frisch selbst anführt,390 so läßt sich die Schlußfolgerung nicht vermeiden, daß diese Auffassung dem Erfordernis eines (zumindest konkludenten) „Beistandspaktes“ zur

389 Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 280 ff.; Festschrift für Lüderssen, S. 547 ff. Diese Unterscheidung leuchtet jedoch nicht ein und gerade darin ist m. E. der Grund zu sehen, weshalb diese Lehre das gemeinsame Handeln und mithin das Beteiligungsverhältnis nur stückweise erfassen kann bzw. warum bei ihr der Ausdruck „deliktischer Sinnbezug“ mißverständlich ist. Wenn eine auf Notstandsprinzipien beruhende Unterlassungspflicht besteht, welche sich in den hier interessierenden Fällen auf die Handlung eines Dritten bezieht, bedeutet die Verletzung dieser Pflicht entweder eine Einpassung in das Verhalten des Dritten (bei Naturereignissen würde sie dagegen allenfalls Alleintäterschaft darstellen) oder nur die (wenn man so will, qualifizierte) Verletzung von Solidaritätspflichten. Aus diesem Grund wird die von Frisch vorgenommene Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Beiträgen (Festschrift für Lüderssen, S. 555) bei Anwendung der Notstandsprinzipien hinfällig; denn in diesem Fall trifft auch das Argument zu, daß es sich allemal um deliktisch sinnbezogene Beiträge handelt (Festschrift für Lüderssen, S. 555, Anm. 65). 390 Vgl. insb. Festschrift für Lüderssen, S. 545 f.

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Begründung des deliktischen Sinnbezugs letzten Endes sehr nahe kommt. Wenn nämlich das Öffnen der Tür beim Anschleichen der Attentäter lediglich eine Verletzung der Hilfspflicht bildet, während dieselbe Handlung zur Pflichtverletzung im Sinne des Erfolgsdelikts wird, falls die Attentäter schon vor der Tür lauern, so wird im Ergebnis dem Dritten gerade dann eine Machterweiterung zugestanden (eine Hilfeleistung zugesagt, ein Gegenstand zugespielt usw.), wenn er weiß, daß er sich den fremden Organisationsbereich nicht anzumaßen braucht, sondern vielmehr dieser Organisationssphäre ihm zur Verfügung gestellt worden ist. Ein solcher deliktischer Bund ist jedoch, wie oben dargelegt, kein Erfordernis der akzessorischen Verantwortung, und zwar nicht nur im hier vorgeschlagenen Sinne, sondern auch in dem der herrschenden Meinung. Die Lehre Frischs nähert sich somit in dieser Fallgruppe allenfalls der Problematik der Unterlassungstäterschaft nach der herkömmlichen Auffassung an; sie besagt deshalb nichts über den Inhalt der Akzessorietät, so daß aus dieser Perspektive die Bestrafung wegen Beihilfe im Roxinschen Fall nicht beurteilt werden kann. (2) Dies trifft auch in bezug auf die Verhaltensweisen „ohne deliktischen Sinn“ zu. Denn in diesen Fällen kommt man mit dem individualisierenden Muster um eine Umdeutung von Solidaritätspflichtverletzungen in Verantwortung für das Erfolgsdelikt nicht herum. Die Mißbilligung des Einzelverhaltens wird nämlich in diesen Konstellationen folgendermaßen begründet: „Das hier interessierende Verhalten, das geeignet ist, etwaige fremde Straftaten und die sie beinhaltenden Güterbeeinträchtigungen zu fördern, muß in den Grenzen als verboten angesehen werden, in denen potentiell Bedrohte nach den Maßstäben des Notstands die Freiheit des Handelnden beanspruchen dürfen“.391 Auf diese Weise wird die Mißbilligung des Verhaltens abermals ohne Rücksicht auf die Beziehung des Handelnden zu den Verhaltensweisen anderer Akteure begründet. Der Handelnde tritt vielmehr durch die Konfliktsituation in ein Verhältnis zum Opfer, das die Unterlassung der Veränderung im Bereich des Handelnden beanspruchen darf, wenn dies im Interesse des Rechtsgüterschutzes nach Notstandsprinzipien angemessen ist. Die Tatsache, daß die Konfliktsituation auf die Verhaltensweisen anderer, und nicht etwa auf eine Naturkatastrophe zurückzuführen ist, ist nach Frisch für die Begründung der Mißbilligung des fraglichen Verhaltens unerheblich.392 Wenn aber die Verantwortung des Handelnden nicht auf der Akzessorietät (d. h. unter Einbeziehung der Verhaltensweisen anderer), sondern auf einer Freiheitsbegrenzung beruht, welche aus dem Verhältnis Han391

Festschrift für Lüderssen, S. 551. Festschrift für Lüderssen, S. 554: „Unerheblich ist insbesondere, daß die hier interessierenden Rechtsbegrenzungen in – weitere Personen einbeziehenden – Erwägungen des Notstands wurzeln. Das macht nur den Ableitungszusammenhang der Rechtsbegrenzung schwieriger als in den Fällen, in denen das Verhalten Dritter keine Rolle spielt und es nur um die Harmonisierung direkt kollidierender Freiheiten und Interessen und die sich daraus ergebenden Grenzen geht“ (Herv. nur hier). 392

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delnder/Opfer in einer von Dritten zu verantwortenden Konfliktsituation stammt, dann handelt es sich nicht um akzessorische Haftung, scil. Beteiligung, sondern entweder um eine – in unserem Fall nicht anzunehmende – Alleintäterschaft oder, wie Frisch doch letzten Endes annimmt, um Verletzung von Solidaritätspflichten.393 Mit einer solchen Begründung kommt Frisch sogar zur Strafbarkeit des Nachbarn im Attentäterbeispiel. Denn daß ein solcher qualifizierter Verstoß gegen Solidaritätspflichten durchaus strafbar sein kann (nach §§ 138, 323c StGB), steht außer Zweifel. Er läßt sich aber entgegen Frisch nicht, weil er nicht akzessorisch ist, als Beteiligung (hier: als Beihilfe) erfassen. Er bildet, mit anderen Worten, zwar eine Freiheitsüberschreitung, die u. U. zur strafrechtlichen Verantwortung führen kann. Aber für die Tatbestandsverwirklichung des einschlägigen Erfolgsdelikts kann der Handelnde nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn ihm zudem das Gesamtverhalten (einschließlich der Teilbeiträge der anderen) zugerechnet werden kann. Denn für die Konfliktsituation ist er ohnehin nicht zuständig, es sei denn, er tritt durch seine Leistung in die Gemeinsamkeit der Beteiligten ein. Wenn es sich aber so verhält, dann ist seine Leistung nicht mehr deswegen mißbilligt, weil für ihn die Freiheit, an sich neutrale Verhaltensweisen vorzunehmen, eingeschränkt wurde und er sich dem widersetzt, sondern weil er sich zusammen mit anderen eine fremde Organisation im Sinne der Tatbestandsverwirklichung angemaßt hat.394,395

393

Festschrift für Lüderssen, S. 553 f. Eben aus diesem Grund wird in der Rechtfertigungslehre anerkannt, daß derjenige, der eine Duldungspflicht etwa im Falle des Notstands unterläuft, und auf diese Weise einen anderen dem Angriff Dritter aussetzt, für das entsprechende Erfolgsdelikt (etwa Körperverletzung) zur Verantwortung gezogen werden kann. 395 Aus dieser Perspektive wird deutlich, daß der Notstandsgedanke – entgegen Frisch (Festschrift für Lüderssen, S. 554 f.) – die Grenzen der Strafbarkeit der Beihilfe nicht hinreichend abstecken kann. Frisch führt beispielsweise an, daß die Beschränkung der Beihilfe auf „wesentliche Beiträge“ durch den Notstandsgedanken zu erklären sei. Bloß unwesentliche Taterleichterungen, etwa ubiquitär zu findende Leistungen, seien also der strafbaren Beihilfe deswegen entzogen, weil die Mißbilligung der Handlung in solchen Fällen die in den Notstandsprinzipien enthaltene Verhältnismäßigkeit unterliefe: Die Inpflichtnahme führe nämlich zu einem relativ nutzlosen Opfer der Freiheit. Dabei wird jedoch verkannt, daß die „Wesentlichkeit“ bzw. „Unwesentlichkeit“ eines Beitrags nur an zwei Maßstäben, wenn überhaupt, gemessen werden kann, nämlich dem einschlägigen Tatbestand und den Beiträgen der anderen Beteiligten. Ohne diese Größen schwebt jegliche Überlegung hierüber in der Luft. Die Heranziehung des letztgenannten Maßstabs zur Bestimmung der Verantwortung des einzelnen ist aber nur zu rechtfertigen, wenn diese Beiträge den einzelnen etwas angehen, so daß seine Verantwortung davon abhängig gemacht werden kann. Dies setzt indes wiederum voraus, daß eine solche Zusammengehörigkeit bereits festgestellt worden ist, und eben dies kann mit Hilfe der Notstandsprinzipien nicht bewerkstelligt werden. 394

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dd) Ergebnis Trotz alledem ist die Kritik an der Lösung Roxins im Grunde durchaus richtig: Roxin glaubt, eine Verantwortung des Nachbarn für den Mord ohne eine Garantenstellung begründen zu können, und das ist nicht möglich. Es kann nämlich nicht angehen, eine vermeintliche Verantwortlichkeit für die innere Aufgabe eines fiktiven Entschlusses durch den „Auffangcharakter“ der Teilnahmevorschriften erfassen zu wollen, damit ein Nichtgarant im Sinne der Unterlassungstäterschaft, was in der Lehre Roxins die Verletzung einer Sonderpflicht voraussetzt, doch zur Verantwortung für das Erfolgsdelikt gezogen werden kann. Unter den bekannten Garantenstellungen, die nach herkömmlicher Lehre die Unterlassungstäterschaft mitbegründen, findet sich tatsächlich keine, die das Verhalten des Nachbarn in den Bereich des Mißbilligten rücken läßt: Er ist kein institutioneller Garant und auch nicht Alleingarant durch Ingerenz. Mit anderen Worten: Es scheint so zu sein, daß das Opfer keinerlei Anspruch darauf hat, daß der Nachbar die Haustür um seiner (des Opfers) Sicherheit willen verriegelt. Das Verhalten ist nicht als Einzelverhalten mißbilligt, weil es, isoliert betrachtet, kein Sonderrisiko beansprucht hat: Dem Nachbar muß aus der isolierenden Perspektive nach wie vor die Freiheit zuerkannt werden, seine Haustür zu verriegeln oder aber unverschlossen zu lassen, weshalb von einer Anmaßung fremder Organisation in diesem Sinne keine Rede sein kann.396 Aber auf diese Weise sind, wie oben gezeigt, nur die Weichen falsch gestellt. Denn es geht nicht um Alleinverantwortung und dementsprechend nicht um die Begründung der Mißbilligung des Einzelverhaltens anhand einer den Nachbarn allein betreffenden Garantenstellung. Das aufgrund des Wissens (ggf. Sonderwissens: „irgendwelche Umstände“) vollzogene Einzelverhalten des Nachbarn gliedert sich vielmehr in ein Gesamtverhalten ein, das durch den deliktischen Kontext bestimmt wird. Das Verhalten wird also in das bevorstehende deliktische Verhalten Dritter eingepaßt, so daß es sich nicht mehr ohne Bezug auf dessen Fortführung durch andere sinnvoll erklären läßt.397 Aus diesem Grund erhält es die Qualität einer Beteiligung: Es hat das tatbestandsverwirklichende Verhalten mitgestaltet.398

396

So Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 239 f. Für den Fall, daß der Nachbar die Gartentür immer offen läßt und am Tag des Attentates auch, s. erster Teil, Anm. 151. 398 Roxins (Täterschaft, S. 489) Intuition, daß bei Konstellationen wie dem Attentäterbeispiel „die Unterlassung wirklich eine echte Förderung der Tat und deshalb weder an die Möglichkeit noch an die abstrakte [hier wäre „individuelle“ hinzuzufügen] Pflicht zur Erfolgsabwendung gebunden [ist]“, ist durchaus richtig; sie kann aber nur durch die Bejahung einer gemeinsamen Zuständigkeit aufgrund Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung und nicht durch das von ihm angewandte Einzeltäter-Paradigma begründet werden. Diese Ungereimtheit liegt der Kritik von Ranft (ZStW 97 [1985] insb. S. 290 f.) an der Position Roxins zugrunde: Während Roxin die bloß tat397

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

ee) Der Sinn des „geförderten“ Beitrags Damit die Leistung eines Ersthandelnden zum Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung wird, muß diese Leistung einen deliktischen Sinn im Hinblick auf die auch von anderen schuldhaft mitgestaltete Tat haben. Das hat sie nur dann, wenn sie in den tatbestandsverwirklichenden Prozeß eingegliedert wird. In der Regel vollzieht sich diese Eingliederung durch Annahme der Leistung i. S. ihrer Verwertung bzw. Ausnutzung, so daß der Zweithandelnde sein eigenes Verhalten in die vorher erbrachte Leistung einpaßt. In solchen Fällen ist das Beteiligungsverhältnis auf der Sinnebene gegenseitig. Allerdings ist nicht jede Relation gegenseitig. Die Erklärung, durch die ein gemeinsamer Sinn ausgedrückt wird, kann auch einseitig abgegeben werden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Zweithandelnde die ihm zugeflossene Hilfeleistung unvermeidbar als solche oder überhaupt verkennt, d. h. in vielen Fällen heimilicher Unterstützung. Wie bereits ausgeführt bereiten diese Fälle keine Schwierigkeit, wenn es um die Bejahung von Beihilfe geht. Sollen sich aber Beihilfe und Mittäterschaft nur quantitativ unterscheiden, dann ist die Beteiligungslösung auch auf die Fälle zu übertragen, in denen die Akteure in relativ gleichem Maß die Tat gestalten und deshalb beiden die Täterstrafe aufgehängt werden kann. In solchen Fällen entsteht ein einseitiges Beteiligungsverhältnis, das auf der Gestaltung der Tat im Sinne der Tatbestandsverwirklichung beruht. Es handelt sich dabei um einen extremen Fall der Beteiligung: Der Ersthandelnde beteiligt sich an der Tat eines Alleintäters, indem er durch sein mitgestaltendes Verhalten die Erklärung abgibt, die Tat sei auch die seinige. In unserem Fall gibt es also zwei Möglichkeiten, je nach dem, ob die Attentäter das mitgestaltende Verhalten des Nachbarn als solches erkennen konnten oder nicht. Im ersten Fall haben die Attentäter ihren eigenen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung in die vorangegangene Gestaltung eingepaßt, indem sie von

erleichternde Unterlassung eines „Nichtgaranten“ als Beihilfe bestrafen will, behauptet er entgegen der Rechtsprechung, daß die Unterlassung eines „Garanten“ straffrei bleiben müsse, wenn er keine Erfolgsabwendungsmöglichkeit besitze. Im ersten Fall aber handelt es sich eben um eine Erleichterung der Tat und nicht um eine Ermöglichung, so daß die Erfolgsabwendungsmöglichkeit ebenfalls fehlt. Auf diese Weise kommt man zu dem seltsamen Ergebnis, daß in zwei Fällen fehlender Erfolgsabwendungsmöglichkeit der Nichtgarant Gehilfe ist, während der Garant straflos ausgeht. Der Kritik wird jedoch der Boden entzogen, wenn man bedenkt, daß im ersten Fall doch eine Garantenstellung vorliegt, die freilich organisatorischer Art ist. Dies ist auch insofern erheblich, als nach der hier vertretenen Auffassung die Beihilfe durch Unterlassung keine Auffangfigur ist, sondern das Produkt einer quantitativen Unterscheidung; deswegen besteht der Zwang nicht, von vornherein eine bestimmte Mitwirkung als Täteroder Beihilfehandlung zu definieren, auch nicht bei Unterlassungsdelikten, so daß eine Gestaltung der Tatbestandsverwirklichung selbst bei fehlender Erfolgsabwendungsmöglichkeit die Zuständigkeit begründen kann, ohne die Frage nach der Täterschaft bzw. Teilnahme nur anhand dieses Kriteriums entscheiden zu müssen.

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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der eröffneten Zugangsmöglichkeit Gebrauch gemacht haben. Hier kann die oben erwähnte Unterscheidung von Frisch – freilich ohne die subjektive Komponente – eine Rolle spielen: Die Verschwörer haben sich den Zugang zum benachbarten Grundstück nicht erkämpfen müssen, sondern ihnen wurden die Handlungsmöglichkeiten erweitert. Es handelt sich daher nicht um eine bloße Änderung des eigenen Herrschaftsbereichs seitens des Nachbarn, sondern um eine Änderung, welche die Bedeutung einer Erweiterung fremder, deliktsbezogener Macht hat. Ein möglicher Einwand wäre hier, daß den Verschwörern, die von der Hilfeleistung nichts wissen, die Erleichterung als zufällig erscheinen mag. Sie ist jedoch, und darauf kommt es an, nicht zufälliger Art: Was für einen Eindruck die offen gelassene Tür auf sie gemacht hat, ist unerheblich, solange sie diese als solche erkennbare Leistung zum Baustein der eigenen Tätigkeit machen. Durch Ausnutzung der Leistung haben die Verschwörer ihr Verhalten in die Leistung des Nachbarn (deren Sinn in der Anbahnung des Verhaltens der Verschwörer bestand) eingepaßt, so daß es nunmehr als ihre Fortführung erscheint.399 War die Leistung hingegen nicht als solche oder überhaupt erkennbar, sollte die also unvermeidbar für Natur gehalten werden, dann liegt seitens der Attentäter keine Beteiligung in bezug auf den Nachbarn vor. Dieser aber hat durch sein gestaltendes Verhalten erklärt, die Ausführung sei auch seine Sache, so daß ihm nicht die Verletzung einer Solidaritätspflicht als Alleintäter, sondern die Tötung als Beteiligter zugerechnet wird.400 Natürlich wird hier, wie auch sonst, das Beteiligungsverhältnis durch die einschlägige Tatbestandsverwirklichung umschrieben. Anderweitige Tatbestands399 Dem entspricht die Anerkennung einer akzessorischen Verantwortung bei mehraktigen Delikten selbst in den Fällen sukzessiver Beteiligung (Beihilfe; Mittäterschaft scheidet in der Regel aus, weil diese Tatbestände für gewöhnlich Tätermerkmale beinhalten). Vgl. Schönke/Schröder-Cramer-Heine, StGB, § 27, Rn. 17; Lackner/Kühl, StGB, § 27, Rn. 3; beide m. w. N. In der Rechtsprechung s. BGH MDR (D) 1969, S. 533. A. A. Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 153 f., der aber als Begründung für seine Ablehnung nur darauf hinweist, daß ansonsten § 27 StGB „gegen den elementaren Gerechtigkeitssatz verstieße, daß jedermann nur für seine eigenen Taten einzustehen hat“. Das ist aber gerade die Frage – was sind die „eigenen Taten“ – die beantwortet werden muß und deren Antwort ganz anders ausfällt, wenn Alleinverantwortung oder aber gemeinsames Handeln vorliegt. 400 Eine andere Frage ist, ob man die akzessorische Verantwortung in Fällen dieser Art durch zusätzliche Erfordernisse einschränken will, etwa durch eine gesetzliche Regelung, welche die Strafbarkeit in Fällen geringerer Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung durch das zusätzliche Erfordernis der Vorsatzes beschränkte. Wenn der Nachbar, der um die geplante Tat weiß, die Tür zu verriegeln einfach vergißt, hat er das tatbestandsverwirklichende Verhalten mitgestaltet. Er wäre jedoch mangels Vorsatz wegen seiner geringen Gestaltung nicht strafbar. Eine solche Einschränkung ist jedoch nur dann denkbar, wenn man eine straflose Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung im Fahrlässigkeitsbereich anerkennt, was wiederum voraussetzt, daß, in der herkömmlichen Terminologie ausgedrückt, eine (straffreie) fahrlässige Teilnahme systematisch anerkannt wird.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

verwirklichungen müssen also selbständig im Hinblick auf die Beteiligung überprüft werden: Wenn sich der Nachbar nicht darauf beschränkt hätte, die Tür offen zu lassen, sondern zudem den Diener des Politikers erschlagen hätte, so wäre nicht ohne weiteres eine gemeinsame Zuständigkeit der Verschwörer dafür gegeben.401 Zusammenfassend: Die Mißbilligung des Verhaltens des Nachbarn läßt sich nur durch eine Perspektive erklären, welche die Verhaltensweisen anderer mit einbezieht. Nur aufgrund der Akzessorietät verwandelt sich die allgemeine Solidaritätspflicht in gemeinschaftliche Sonderverantwortung für die Tatbestandsverwirklichung, scil. in Beteiligung. 3. Mitgestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens: Über die sog. „Kausalität der Beihilfe“ Der in der vorliegenden Arbeit entwickelte Ansatz hat auch, wie im ersten Teil bereits angedeutet, erhebliche Folgen für das Problem der sogenannten Kausalität der Beihilfe. Denn die Behandlung dieses Problemkomplexes hängt grundsätzlich von der Frage ab, wofür die Gehilfentätigkeit kausal sein soll. Die Auseinandersetzung mit dieser Problematik soll die Gelegenheit bieten, den für den Aufbau des vorliegenden Vorschlags zentralen Begriff der Gestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens näher zu erläutern. Nimmt man im Anschluß an das bereits Ausgeführte an, daß das Strafrecht ein Zurechnungsmuster für das gemeinsame Handeln anerkennt, dann ergibt sich daraus ein Begriff der Tatbestandsverwirklichung, nach dem sie als gemeinschaftliche Pflichtverletzung aufzufassen ist. Das tatbestandsmäßige Verhalten, zu dem der tatbestandliche Erfolg zugerechnet wird, wird dementsprechend erst durch die Gesamtheit der Einzelleistungen – die aufgrund dieser Beziehung zu Beiträgen werden – konstituiert. Genau wie in bezug auf die Erscheinungsformen der individuellen Vermeidbarkeit festzustellen war, kann die Frage der Kausalität der Beihilfe nur dann angemessen gestellt und beantwortet werden, wenn man sich bereits darüber im Klaren ist, ob der in Frage kommende Sachverhalt dem Muster des Alleinhandelns oder des gemeinsamen Handelns zugeordnet werden soll. Nur wenn kein gemeinsames Handeln in Betracht kommt, d. h. wenn jede Leistung isoliert aus der Perspektive der Tatbestandsverwirklichung betrachtet werden muß, ist die Frage berechtigt, ob sie – ebenfalls isoliert betrachtet – kausal für den tatbestandlichen Erfolg gewesen ist. Gliedert hingegen die Leistung den Leistenden in die Gemeinsamkeit der gemeinschaftlich Handelnden ein, dann ist die Frage nach der Erfolgskausalität der Einzelleistung fehl am Platz, da die Einzelleistung nicht das tatbestandsmäßige Verhalten darstellt, zu dem der Erfolg zugerechnet werden soll.

401

s. erster Teil, B. II. 4. c), bei Anm. 160.

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a) Das Erfolgskausalitätserfordernis nach herkömmlicher Lehre Gleichwohl wird im Schrifttum energisch hervorgehoben, daß die Gehilfentätigkeit für den Erfolg kausal sein müsse, wenn es sich nicht lediglich um eine straffreie versuchte Beihilfe handeln soll. Arbeitet man dabei mit einem stringenten, auf der Conditio-Formel ruhenden Kausalbegriff,402 so führt diese Betrachtungsweise meistens entweder zu den verschiedenen Formen der Lehre des Teilnehmerdelikts403 und damit zur Preisgabe der Akzessorietät (Verursachungstheorien zum Strafgrund der Teilnahme, Lehre der Beihilfe als Gefährdungsdelikt), oder sie zwingt zu einer Manipulierung der Kausalitätstheorien mittels normativer Ansätze,404 die jedoch nicht hinreichend offengelegt werden (man denke an die Lehren, die mit den Kategorien der sog. Inus-Bedingung arbeiten) oder versuchen, durch das Zurechnungsmodell der Alleinverantwortung eine gemeinsame Verantwortung zu begründen. Freilich kann man die Erfolgskausalität der Beihilfe auch aus anderen Gründen verlangen, die an eine Übertragung des Einzeltäter-Paradigma nicht unbedingt gebunden sind. So leitet Bloy das Kausalitätserfordernis vom Akzessorietätsprinzip ab. Die Kausalität der Gehilfentätigkeit sei das Rückgrat des personalen Verhältnisses zwischen Täter und Teilnehmer, d. h. die Sicherstellung dessen, „daß die personalen Beziehungselemente sich auch hinreichend objektiviert haben“.405 Zur Bedeutung dieser Aussage wird noch zurückzukommen sein. Wichtig ist vorerst nur, daß Bloy gleichzeitig auf einen stringenten Kausalbegriff im Sinne der Conditio-Formel abstellt, weshalb beispielsweise der Wachestehende kein Beteiligter sei, wenn die Tat ungestört durchgeführt worden ist.406 In einem solchen Fall fehle es „an jeglicher Kausalität dieses dem Haupttäter erwiesenen Dienstes in bezug auf die Haupttat“.407 Schon dieses Beispiel zeigt, daß dieses Verständnis der Kausalität der Beihilfe408 – ob zu Recht oder nicht: darauf wird im folgenden eingegangen – in der Lehre nicht maßgeblich geworden ist. Der nicht in Anspruch genommene Wachestehende 402

So etwa Bloy, Zurechnungstypus, S. 264 ff.; E. A. Wolff, S. 15 ff. Zur Kritik s. erster Teil, B. II. 4. c). Vgl. auch nur Bloy, Zurechnungstypus, S. 172 ff. 404 Oder sie verschieben nur die Problematik auf den Erfolgsbegriff, wie bei E. A. Wolff, S. 22 ff. Hierzu kritisch Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 42 ff. und Salamon, S. 159 ff., der deswegen dem Kriterium der Risikoerhöhung den Vorzug gibt (insoweit wie Salamon bereits Schaffstein, Festschrift für Honig, S. 180 ff.). 405 Zurechnungstypus, S. 191 f., 282 ff. Die Funktion der Kausalität habe also „bei der Teilnahme nur insoweit Bedeutung, als sich dies aus dem Akzessorietätsprinzip ergibt“ (Zurechnungstypus, S. 282, Anm. 170). 406 Zurechnungstypus, S. 281 ff. In diesem Sinne auch Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 196 und Spendel, Festschrift für Dreher, S. 180, der aber eine versuchte Strafvereitelung annimmt. 407 Zurechnungstypus, S. 275. 403

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

wird bekanntlich nach überwiegender Auffassung als Beteiligter, und im Rahmen der Tatherrschaftslehre sogar regelmäßig als Mittäter betrachtet. aa) Kausalität für die „Modalität der Handlung“ Eine solche Entwicklung bei gleichzeitigem Abheben auf die Erfolgskausalität der Beihilfe ist nur deswegen möglich gewesen, weil diese Erfolgskausalität weitgehend auf eine ganz bestimmte Art und Weise verstanden worden ist, nämlich auf eine, die einen Verzicht auf die Stringenz der Beurteilung ex post nach der Conditio-Formel bedeutet. Dieses Verständnis wird besonders deutlich in den Ausführungen Roxins, die darauf hindeuten, daß das Problem zum großen Teil nur terminologischer Art sein mag: Es wird einerseits auf die Kausalität für den Erfolg bestanden, aber andererseits sei diese immer gegeben, wenn, wie Roxin schreibt, ohne den Gehilfen die „Art und Weise“ der Ausführung „etwas anders verlaufen wäre“.409 Diese abgeschwächte Form, die Erfolgskausalität der Beihilfe zu begreifen, hat eine lange Tradition. Schon Mezger hatte in seinem Lehrbuch410 auf die Kausalität für „die Modalität (Art und Weise im besonderen Fall) der Handlung“ abgestellt.411 Mezger kritisierte dabei die sog. „Förderungsformel“ des RG,412 die zwischen „Verursachung“ des Erfolges und „Förderung“ der tatbestandsverwirklichenden Handlung unterschied. Die Unterscheidung sei aber nicht so sehr deswegen fehlerhaft, weil sie zu falschen Ergebnissen geführt hätte, sondern weil sie das RG dazu verleitet habe, das Kausalitätserfordernis in Fällen zu leugnen, in denen seine Anwendung für die richtige Entscheidung keineswegs hinderlich gewesen wäre: „Was nämlich die Modalität (Art und Weise im besonderen Fall) der Handlung mitbeeinflußt hat“ – schrieb damals Mezger –, „ist in Wahrheit auch kausal für den Erfolg. Denn auf den Erfolg in seiner ganz konkreten Gestalt kommt es entscheidend an“. Mezger verdeutlicht seine Lehre durch mehrere Entscheidungen des RG, an denen zahlreiche Parallelen zur heutigen Konsensposition zu erkennen sind. Fast jede Handlung, die das Bild der Tat mitgeformt hat, ist demnach als kausal für den Erfolg zu betrachten. So etwa in einem aus der Rechtsprechung des RG entnommenen Fall:413 Der Angeklagte hatte dem Täter, der sich zur erleichterten Begehung der Mißhandlung unkenntlich machen wollte, „zur Mißhandlung“ 408 So kohärent es mit dem Täter-/Teilnehmersystem und mit der qualitativen Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme sein mag (Bloy, Zurechnungstypus, S. 183, 191 f.): dazu noch sogleich im Text. 409 AT II, 26/184. 410 Später ist er zur Lehre der Modifizierung des Tatbildes übergegangen. Dazu sogleich. 411 Strafrecht, S. 413. 412 RGSt 58, 113. 413 RGSt 8, 267.

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eines Dritten ein blaues Staubhemd geliehen, welches der Täter über seine Kleidung anzog, worauf er dem Opfer auflauerte und dieses körperlich mißhandelte; hier, bemerkt Mezger, „hat die Beihilfehandlung bei der konkreten Ausführung tatsächlich mitgewirkt, an der Kausalität für den Erfolg besteht keinerlei Zweifel“.414 Mezger hat jedoch dabei außer acht gelassen, daß eine Lockerung des Kausalitätserfordernisses als Basis der Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung (tatbestandlicher Erfolg eingeschlossen) nur dann richtig erfolgen kann, wenn man die Bestimmtheitslücken, die auf diese Weise entstehen, mit Hilfe anderer Kriterien wieder schließt. Da er diese Lücken anscheinend nicht bemerkt und infolgedessen nicht gefüllt hat, gelangte er später zur Lehre der Modifizierung des Tatbildes,415 die mit Recht scharf kritisiert wurde, da sie völlig auf die Kausalität der Beihilfehandlung für den Erfolg verzichtet, ohne ein weiteres Kriterium für die Unterscheidung zwischen erheblichen und unerheblichen (ggf. auch taterschwerenden) Modifizierungen des Tatbildes anzugeben. Nach Mezger ist beispielsweise Gehilfe eines Diebstahls, wer dem Täter einen Nachschlüssel mitgegeben hat, den er aber nicht benutzt und dessen Übergabe keine psychische Beihilfe dargestellt hat: „Die Tatsache der Möglichkeit der Verwendung des Schlüssels modifiziert das Bild der konkreten Tat, wenn sie auch für ihre entscheidenden Merkmale bedeutungslos gewesen ist“.416 bb) Risikoherhöhung? Gegen die Lehre Mezgers wendet sich zu Recht Samson:417 Das Kriterium sei in bezug auf die Strafbarkeit neutral und führe dazu, jede Handlung in zeitlicher und räumlicher Nähe zur Haupttat als Beihilfe zu betrachten. Wenn die Ergebnisse dabei noch in manchen Fällen plausibel blieben, liege das nur daran, daß in diesen Fällen die Handlungen des „Gehilfen“ dem Haupttäter „erwünscht“ gewesen seien. Mit dieser Kritik – Neutralität des Kriteriums in bezug auf die Strafbarkeit – ist der Kern der Sache angesprochen. Wie sich 414 Strafrecht, S. 413. Die Begründung setzt sich folgendermaßen fort: „Daß die mit der Modalität der Tat bezweckte weitere Wirkung (erschwerte Entdeckung und Bestrafung) sich auf die Zeit nach Vollendung bezieht, ändert nicht das geringste daran, daß schon die Tat selbst in anderer Weise sich vollzogen hat, als sie dies ohne die Unterstützung des Gehilfen getan hätte. Auch ganz abgesehen von der psychischen Unterstützung ist daher Mit-Verursachung zu bejahen“. Diese Lösung wird bekanntlich von der Risikoerhöhungslehre abgelehnt, denn hier wird nicht das Risiko der Rechtsgutsverletzung erhöht, sondern das Risiko, wegen der Tat bestraft zu werden, verringert: s. LK-Roxin, § 27, Rn. 12; SK-Samson, § 258, Rn. 41; Salamon, S. 161; Schaffstein, Festschrift für Honig, S. 182; Spendel, Festschrift für Dreher, S. 175 ff. 415 LK, 8. Aufl., § 49, Anm. 2, S. 273. 416 LK, 8. Aufl., § 49, Anm. 2, S. 273. 417 Hypothetische Kausalverläufe, S. 61 ff.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

später mit Hilfe der Lehre von der objektiven Zurechnung herausgestellt hat, trifft eine solche Kritik nicht nur die abgeschwächte Kausalformel Mezgers, sondern auch die Kausalität als Zurechnungskriterium überhaupt. Das eigentliche Problem lag vielmehr auf der Wertungsebene. Es ging darum, Kriterien zu finden, nach denen ein bestimmtes Verhalten als tatbestandsverwirklichend „gedeutet“ werden konnte. Dieser Aufgabe war jedoch die nächste Erscheinung in der dogmengeschichtlichen Entwicklung dieser Problematik ebenfalls nicht gewachsen. Die Lockerung des Erfolgskausalitätserfordernisses im Bereich der Beihilfe mündete nämlich später in die sog. Risikoerhöhungslehre und ihre verschiedenen Ausgestaltungen.418 Das non liquet dieser Lehre bestand jedoch abermals darin, daß die Frage nach dem Umfang, in dem hypothetische Kausalverläufe zugunsten des Gehilfen zu berücksichtigen sind, durch das Kriterium der Risikoerhöhung keineswegs entschieden werden kann. Dies zeigt sich schon an den unterschiedlichen Vorschlägen ihrer Vertreter, von dem berühmten Leiterfall Schaffsteins419 über das „Intensivierungsprinzip“ Samsons420 bis zur Position Jeschecks, nach der hypothetische Kausalverläufe – abgesehen von den Fällen der Risikoverringerung – für unerheblich gehalten werden müssen.421 Die Risikoerhöhungslehre lockert also das Kausalitätserfordernis, ohne aber – wie es denn auch bei Mezger der Fall war – ein halbwegs zuverlässiges, alternatives Kriterium zur Bestimmung der tatbestandlichen Erheblichkeit des in Frage kommenden Verhaltens angeben zu können. b) Die eigene Ansicht Angesichts dieser Entwicklung der Problematik bietet es sich an, zum Kausalitätserfordernis zurückzukehren, und zwar aus einer Perspektive, nach der, anders als bei den verschiedenen Varianten der Lehre des Teilnehmerdelikts, dieses Erfordernis mit dem Akzessorietätsprinzip in Einklang gebracht werden kann. Wie soeben erwähnt ist dieser Weg in neuerer Zeit von Bloy eingeschlagen worden. Das Problem seiner Auffassung liegt jedoch darin, daß sie dem angestrebten Ziel, die Bedeutung der Kausalität aus dem Akzessorietätsprinzip zu entnehmen, letzten Endes nicht entspricht. Der Beteiligungslehre Bloys zufolge wird der Erfolg dem Teilnehmer als fremdes, durch den Tatherrn vermitteltes (Teil-)Unrecht zugerechnet. Aus diesem Grund sollte die Erfolgszurech418 Zusammenfassend Roxin, AT II, 26/210 ff. und Hartmann, ZStW 106 (2004), S. 585 ff. 419 Festschrift für Honig, S. 182: Wenn jemand einem Einsteigedieb die Leiter zum Tatort trägt, obwohl der Täter das sonst auch selbst getan hätte, soll – mangels Risikoerhöhung – keine Beihilfe vorliegen. 420 Hypothetische Kausalverläufe, S. 163 ff. Zur Konvergenz dieses Prinzips mit der Risikoerhöhungslehre s. Bloy, Zurechnungstypus, S. 280 f. 421 Strafrecht, 4. Aufl., S. 253, 628.

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nung qua Kausalität bei der Begründung des personalen Verhältnisses Täter/ Teilnehmer prinzipiell keine Rolle spielen. Da aber dies wiederum (wie übrigens, vom entgegengesetzten Begründungszusammenhang ausgehend, bei der subjektivierenden Lehre des Beistandspaktes) zu einer Verselbständigung des Unrechts der Beihilfe mit den sich daraus zwangsläufig ergebenden Schwierigkeiten für die Erfolgszurechnung (Beihilfe zur vollendeten und zur versuchten Tat wären nicht mehr zu unterscheiden) führen würde, will Bloy die Erfolgskausalität der Gehilfentätigkeit als Objektivierung der personalen Beziehung Täter/ Teilnehmer betrachten. Das muß jedoch dazu führen, daß eine lineare Kausalsequenz (im Sinne der Äquivalenz) zwischen der Einzelleistung des Gehilfen und dem tatbestandlichen Erfolg hergestellt werden soll, nicht aber, wie es bei den Lehren des Teilnehmerdelikts der Fall war, um die Erfolgszurechung zu begründen, sondern eben um die personale Beziehung Täter/Teilnehmer bejahen zu können. Da aber demnach eine personale Beziehung ohne kausale Objektivierung gar nicht existieren kann, kommt es auf diese Weise dazu, daß das personale Element der Teilnahme doch vom Kausalen bestimmt wird. Zur richtigen Lösung gelangt man nur durch die umgekehrte Vorgehensweise. Akzessorietät heißt, daß der Sinn eines Verhaltens darin besteht, Anbahnung oder Fortführung einer anderen Verhaltensweise aus der Perspektive einer bestimmten Tatbestandsverwirklichung zu sein. Diese Sinnteilhabe, worin die Akzessorietät besteht, wird nicht anhand kausaler oder bloß subjektiver Überlegungen, sondern mit Hilfe normativ-gesellschaftlicher Maßstäbe erschlossen. Sie hat aber vor allem mit der Erfolgszurechnung noch nichts zu tun; es handelt sich nämlich in erster Linie um eine Frage der Verhaltensbedeutung. Die Bestimmung, ob die Mitwirkung mehrerer an einem Geschehen als Sinneinheit in bezug auf eine bestimmte Verhaltensnorm zu deuten ist, ist deshalb die erste Entscheidung, welche zur Überprüfung der Zurechnung in einem konkreten Fall getroffen werden muß. Steht die Akzessorietät – diese Sinnzusammengehörigkeit der Verhaltensweisen bezüglich der Tatbestandsverwirklichung – fest, dann kann sich die Frage der Erfolgskausalität nicht mehr auf die einzelnen Leistungen beziehen.422 Daraus ergibt sich die Antwort auf die in diesem Zusammenhang wesentliche Frage, nämlich wofür die Einzelleistung (des Gehilfen) kausal werden muß: Sie muß kausal für die Gestalt des konkreten, tatbestandsverwirklichenden Gesamtverhaltens geworden sein. Da aber von Beteiligung nur dann die Rede sein kann, wenn mehrere auf diese Weise „kausal“ geworden sind, kann dies mit dem Ausdruck „Mitgestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens“ abgekürzt 422 Aus diesem Grund gibt es weder einen Erfolg der Beihilfe, der tatbestandserheblich sein kann, noch ist der in der Tatbestandsverwirklichung enthaltene Erfolg dem Gehilfen nur mittelbar bzw. durch den Täter zuzurechnen. Die Tatbestandsverwirklichung ist eben eine gemeinschaftliche Leistung, weshalb sie der Gemeinsamkeit der Beteiligten und somit jedem einzelnen zugerechnet wird.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

werden.423 Diese Perspektive bestimmt folgerichtigerweise auch die Art des Urteils, das für die Feststellung dieser „Kausalität“ der Einzelleistung für das gemeinschaftliche Verhalten einschlägig ist: Da es um die Zurechnung des Verhaltens als Sinnausdruck geht, muß im Ergebnis die „Kausalität“ ex ante und nicht ex post beurteilt werden. Maßgeblich ist also allein das Urteil, daß zur Zeit des Verhaltensvollzugs ebenfalls maßgeblich sein kann. Auf diese Weise kommt der Zurechnungsgrund bei gemeinsamem Handeln deutlich zum Vorschein: Gestaltung begründet nur dann Zuständigkeit für die mitgestaltete Tatbestandsverwirklichung, wenn die mitgestaltende Leistung zugleich als Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung gedeutet werden kann, d. h., wenn sie ihrem Sinn nach einen Grund dafür liefert, den Leistenden in die Gemeinsamkeit der Beteiligten einzubeziehen: Bei aller „kausalen“ Gestaltung des tatbestandsverwirklichenden Geschehens kommt hingegen kein Beteiligungsverhältnis zustande, wenn die Leistung trotzdem von diesem Geschehen nach normativ-gesellschaftlichen Maßstäben distanziert werden kann und muß. Beteiligung ist eine Frage nach dem Sinn eines Verhaltens. Die Leistung des Gehilfen muß also die Bedeutung haben, das tatbestandsverwirklichende Geschehen zu fördern, und dafür muß sie u. a. durch tatsächliche Gestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens als Bestandteil desselben betrachtet werden können. Versuchte Beihilfe ist dementsprechend der Versuch, dieses Verhalten im Sinne der Tatbestandsverwirklichung zu gestalten. Ist dagegen der Akteur lediglich für den Erfolg (als Außenweltveränderung) kausal, dann kann er nur Alleintäter werden oder u. U. straflos ausgehen, selbst wenn er fremde Verhaltensweisen tatsächlich gefördert hat, die zur Tatbestandsverwirklichung geführt haben, allerdings auf eine Art und Weise, die ihn mit diesen Verhaltensweisen nur auf der Kausalebene, aber nicht auf der Bedeutungsebene verbindet, so daß es nicht zu einem gemeinschaftlichen Sinnausdruck kommt. Auf diese Weise ist sowohl die Lücke in der Konstruktion Mezgers bzw. in der Risikoerhöhungslehre geschlossen, als auch das Bedürfnis nach Objektivierung der personalen Beziehung bei Bloy erfüllt worden, wenngleich in einer Form, die eine pauschale Beurteilung nicht zuläßt. Die Unterscheidung zwischen tatbestandserheblichen und tatbestandsunerheblichen Leistungen beim (im formellen Sinne) Nichtausführenden kann weder durch die strenge, noch durch eine abgeschwächte Erfolgskausalität geliefert werden. Sie wird nur dann sichtbar, wenn man auf den Sinn der Leistung nach normativen Maßstäben achtet. Beispiele hierfür bilden die Fälle sog. neutraler bzw. berufstypischer Handlun423 Ob man weiterhin von Kausalität der Beihilfehandlung – aber jetzt in bezug auf die Gestalt des Verhaltens – sprechen wird, ist diskutabel. Vorzugswürdiger erscheint es jedoch, das Wort „Kausalität“ nur im Rahmen der Erfolgszurechnung zu gebrauchen. Denn die Kausalitätslehren sind, wie die vorige Skizze verdeutlicht haben mag, grundsätzlich auf das Zurechnungsmuster des Alleinhandelns zugeschnitten.

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gen, das Handeln in fremder Organisation in bezug auf die nicht gemeinschaftlich beanspruchten Risiken und sämtliche Fälle trennender Arbeitsteilung (vermeidbare Förderung einer Tat, für deren Kontext man aber nicht zuständig oder nur allein zuständig ist). c) Die Bedeutung der Förderungsformel des RG Das Vorstehende kann ein neues Licht auf eine in der Literatur hoch umstrittene Entscheidung des RG werfen.424 Die Entscheidung ist an mancher Stelle mißverständlich und sie wurde, wie zu sehen sein wird, in der nachfolgenden Zeit auch tatsächlich mißverstanden. Die folgenden Überlegungen dürften jedoch zeigen, das ihr Grundgedanke richtig und durchaus brauchbar ist. Zu Fehldeutungen kommt es nur dann, wenn darauf verzichtet wird, das Geschehen in seiner Gesamtheit aus einer bestimmten Tatbestandsverwirklichung zu rekonstruieren, um stattdessen nach der Begründung der Einzelverantwortung (bzw. der Akzessorietät im Sinne Bloys) durch Feststellung der Erfolgskausalität der Einzelleistungen zu suchen. Der vom RG gewählte Ansatz, der verlangt, bei Mitwirkung mehrerer die Frage nach einer möglichen Gemeinsamkeit des Handelns den Vorsatz- und Kausalitätsfragen vorzuziehen, erweist sich hingegen als sachgerechter. Im hier thematisierten Urteil wirkte er sich sogar in einer Weise aus, die die richtige Entscheidung vor einem Fehlgriff in der Begründung zu bewahren vermochte.425 Die Mitangeklagte M. hatte, nachdem ihr von ihrem Liebhaber erklärt worden war, er werde für das zu erwartende Kind keine Unterhaltungsbeiträge entrichten, den festen Entschluß gefaßt, das ungeborene Kind abzutreiben. Der Angeklagte Sch. verkaufte an den Liebhaber, mit Wissen um das Vorhaben, ein Pessar – ein zur Abtreibung taugliches Mittel – und gab M. genaue Anweisung, wie sie das Pessar anwenden und wie sie sich nach dessen Einführung verhalten sollte. M. traute sich aber nicht, das Pessar anzuwenden. Später ließ sich M. durch die Angeklagte G. einen Mutterspiegel kaufen, dessen Anwendung G. 424 RGSt 58, 113. Das Urteil ist auf die Ablehnung der h. M. gestoßen: dazu Roxin, AT II, 29/186 ff. und unten Anm. 432. Gleichwohl hat es der Sache nach, wenngleich mit den unterschiedlichsten Begründungen, Zustimmung gefunden: vgl. Binding, Abhandlungen, S. 311; R. v. Hippel, Strafrecht, II, S. 462; H. Mayer, AT, S. 323; v. Weber, Grundriß, S. 72; Blei, AT, § 80 II 2 b; i. E. Wessels/Beulke, AT, Rn. 582. 425 Das Urteil nimmt auf eine unveröffentlichte Entscheidung Bezug, in der eine Beihilfe darin gesehen worden ist, daß der Angeklagte dem Dieb zur Begehung eines Einbruchsdiebstahls eine Zange übergeben hatte, die dieser zu dem gewollten Zweck auch entgegengenommen, dann aber bei der Tatausführung nicht benutzt hatte. Wohl aus diesem Grund unterstellt Roxin (AT II, 26/190) dem RG die Meinung, Beihilfe zur vollendeten Abtreibung für begründet zu halten, wenn der Akteur einer Schwangeren Abtreibungsgeräte liefere, die diese in Benutzungsabsicht annehme, dann aber doch nicht verwende. Die Lehre des RG ist jedoch differenzierter (s. sogleich im Text).

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

selbst zur Erleichterung der Einführung des Pessars empfohlen hatte. M. traute sich aber auch nicht, den Mutterspiegel zu benutzen. Sie hat schließlich durch eine Lohnarbeiterin mittels Einführung eines Katheters mit Kautschukröhren die Abtreibung praktizieren lassen. Das RG stellt zunächst einmal eine These auf, die zur Bejahung der Gehilfenschaft von Sch. und G. zu führen scheint: „Daß der Erfolg der Haupttat durch die Gehilfentätigkeit ursächlich mitbewirkt, gefördert oder erleichtert wird, ist (. . .) nicht erforderlich“.426 Wie ist es dann zu erklären, daß das RG trotzdem zum Freispruch kommt? Gerade weil die schiere Erfolgskausalität der Einzelleistung über die Beteiligtenqualität nicht entscheiden kann. Das RG wendet sich nicht gegen die Äquivalenzformel, sondern gegen ihre voreilige Anwendung zur Überprüfung der Erfolgskausalität der Einzelleistung in Fällen, die dem Muster des gemeinsamen Handelns entsprechen können. Aus diesem Grund will sich das Gericht auf die Überprüfung einer linearen Kausalkette zwischen Einzelleistung und Deliktserfolg nicht ohne weiteres einlassen. Das Urteil erkennt zugleich, daß „die bloße Absicht des Gehilfen, durch seine Hilfeleistung die Haupttat zu unterstützen und zu fördern“ zur Annahme einer strafbaren Beihilfe nicht ausreicht: „Es muß hinzukommen, daß die den Verbrechenstatbestand verwirklichende Handlung, bevor sie zum Abschluß gekommen ist, zu irgend einem Zeitpunkt durch das Tätigwerden des Gehilfen tatsächlich gefördert worden ist“.427 Daraus schließt das RG mit Recht, und darin besteht m. E. die wesentliche Leistung des Urteils, daß die Entscheidung über die Gehilfenschaft von Sch. und G. davon abhängt, „welches die den Verbrechenstatbestand verwirklichende Handlung ist“.428 Das Urteil setzt sodann dieses Kriterium in die Frage um, ob die Übergabe und Annahme der Werkzeuge mit der späteren von der Lohnarbeiterin vorgenommenen Abtreibung eine „einheitliche natürliche Handlung“ bildet. Eine Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung durch Sch. und G., welche ihre Zuständigkeit für die Abtreibung begründen würde, käme also m. a. W. nur dann in Betracht, wenn ihre Leistungen das tatbestandsverwirklichende Verhalten mitgestaltet hätten. Erst – aber auch nur – die Mitgestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens im Sinne der Tatbestandsverwirklichung bildete den Grund dafür, sie in die Gemeinsamkeit der Beteiligten mit einzubeziehen. Handelte es sich dagegen um trennbare Vorgänge, dann bliebe es bei einer straflosen versuchten Beihilfe. Denn die in Betracht kommenden Tätigkeiten würden sich in objektiver Hinsicht nur auf die noch nicht einmal bis zum Versuch der Abtreibung gediehene Übergabe und Annahme des Pessars und des Mutterspiegels beschränken.429 426 427 428 429

RGSt 58, 114. RGSt 58, 115 (Herv. dort). RGSt 58, 115. Vgl. RGSt 58, 117.

C. Normative Gemeinsamkeit nach Fallgruppen

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Ob es richtig ist, das Kriterium der Zusammengehörigkeit der Verhaltensweisen in die Frage umzuformulieren, ob sie eine „einheitliche natürliche Handlung“ bilden, ist zweifelhaft. Der Schwerpunkt wird jedoch im Urteil selbst auf eine normative Wertung gelegt, indem es das Kriterium sowohl von der subjektiven Zielsetzung der Akteure als auch von einer bloßen kausalen Abhängigkeit der Leistungen in bezug auf den Erfolg ablöst: „Einheitlichkeit des Ziels und ein einziger Entschluß, es – gleichviel mit welchen Mitteln – zu erreichen, können zuweilen die Annahme eines fortgesetzten Handelns im Sinne der Rechtsprechung des Reichsgerichts begründen, wenn im übrigen die Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Eine hiervon zu unterscheidende natürliche Handlungseinheit erfordert aber einen solchen unmittelbaren Zusammenhang, daß sich das gesamte Tätigwerden an sich (objektiv) auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun bei natürlicher Betrachtungsweise erkennbar macht“.430 Damit sind die Grundlagen für die richtige Lösung der Problematik geschaffen. Diese Auffassung der Rechtsprechung, die keine Erfolgskausalität der Gehilfentätigkeit i. S. der Conditio-Formel verlangt, aber doch meint, die „den Verbrechenstatbestand verwirklichende Handlung“ müsse, „bevor sie zum Abschluß gekommen ist, zu irgendeinem Zeitpunkt durch das Tätigwerden des Gehilfen tatsächlich gefördert worden“ sein,431 ist bekanntlich vielfach kritisiert worden. Das womöglich stärkste Argument läßt sich wie folgt zusammenfassen: Das Kriterium der sog. „Förderungs-Formel“ löse die Tatbestandlichkeit auf, da sich eine den „Verbrechenstatbestand verwirklichende Handlung“ anders als durch Erfolgskausalität zu „irgendeinem Zeitpunkt“ nur dann fördern lasse, wenn man von der exakten Bezeichnung der Ausführung des Verbrechens absehe und sich statt dessen mit einem vagen Gesamtgeschehen begnüge.432 Die Kritik schlägt jedoch angesichts der vorangegangenen Überlegungen nicht durch. Zum einen gibt es keinen „exakten“ Begriff der Ausführung, zumindest seit man sich über die beschränkte Leistungsfähigkeit der formell-objektiven Theorie im Klaren ist. Um dies zu erkennen braucht man nicht einmal auf die eindeutigen Fälle mittelbarer Täterschaft zurückzugreifen; es reicht schon die Betrachtung vieler Fälle von Mittäterschaft, in denen einer der Mittäter keine im Tatbestand ausdrücklich beschriebene Handlung vornimmt. Zum anderen läßt sich der (normative) Begriff der Ausführung nicht bestimmen, wie oben ausgeführt, ohne vorher darüber entschieden zu haben, ob man vor einer 430

RGSt 58, 116 (Herv. nur hier). RGSt 58, 113. Ähnlich BGH StV 1981, S. 72 f.: „Diese Hilfeleistung braucht zwar für den Erfolg der Haupttat nicht ursächlich zu sein, muß aber die den Straftatbestand verwirklichende Handlung des Täters in irgendeiner Weise erleichtert oder gefördert haben“. 432 Jakobs, AT 22/35; s. zur Kritik der Entscheidung insb. Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 55 ff.; ferner Bloy, Zurechnungstypus, S. 281 f. 431

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Konstellation gemeinsamen Handelns oder Alleinhandelns steht. Schließlich darf die Zurechnung des Verhaltens mit der Zurechnung des Erfolges nicht verwechselt werden; was der Gehilfe – wenn man so will: kausal – mitgestaltet haben muß ist „die den Verbrechenstatbestand verwirklichende Handlung“, da Beteiligung eine Frage der Verhaltens- und erst dadurch eine der Erfolgszurechnung ist.433 Freilich ist die zitierte Formel des RG scharf von anderen ähnlich klingenden – und mitunter auch für gleichbedeutend gehaltenen434 – Formulierungen der Rechtsprechung zu unterscheiden. Es reicht beispielsweise zur Zurechnungsbegründung nicht aus, wie der BGH meint, „daß die Gehilfentätigkeit die Handlung des Haupttäters erleichtert oder fördert“,435 da es nicht um irgendeine Handlung zu einem beliebigen Zeitpunkt geht, sondern um die tatbestandsverwirklichende Handlung, bevor sie abgeschlossen wird. Nur durch diese Bestimmungen wird die Unterscheidung zwischen Beihilfe, Beihilfe zum Versuch und strafloser versuchter Beihilfe möglich, welche unabdingbar ist, wenn man die Akzessorietät nicht preisgeben will, um zur Lehre des Teilnehmerdelikts zurückzukehren. Aus demselben Grund ist die Formulierung im Urteil RGSt 27, 157, in dem es heißt, Beihilfe sei „jede Handlung, welche darauf abzielt, die Ausführung der Tat zu fördern“, äußerst unglücklich. Dies mag in manchen Fällen die subjektive Seite der Beihilfe beschreiben, bringt aber ihren objektiven Gehalt (Hilfeleistung) nicht im Geringsten zum Ausdruck. Fehlgriffe dieser Art sind jedoch nicht mit der Lehre des hier besprochenen Urteils zu begründen.436 Sie sind vielmehr deswegen verfehlt, weil sie von ihr abweichen.

433 Natürlich kann man behaupten, der Beteiligte sei durch Gestaltung des Verhaltens auch für den Erfolg kausal; dies führt jedoch regelmäßig in die Irre, nicht nur weil die Kausalitätslehren auf den Einzeltäter zugeschnitten sind, sondern auch, weil mit dieser Abkürzung die analytische Unterscheidung zwischen Verhaltens- und Erfolgszurechnung (mit dem entsprechenden Verlust an Unterscheidungsvermögen) verloren geht. In diesem Sinne ist die auf den ersten Blick überraschende Aussage des RG zu verstehen, nach der „der Tatbestand der einmal geleisteten Beihilfe nicht dadurch beseitigt [wird], daß die Gehilfentätigkeit für den mit ihr beabsichtigten und tatsächlich eingetretenen Erfolg einflußlos gewesen ist“. Das RG sieht, daß eine auf die Erfolgskausalität der Einzelleistung abstellende, isolierende Begrifflichkeit, zu einem Fall von gemeinsamem Handeln von vornherein nicht paßt. Das Abheben auf ein Gesamtverhalten samt der Ablehnung des Kausalitätserfordernisses in bezug auf die Gehilfentätigkeit entspricht im Urteil daher dem Versuch, diesen Mangel der Kausalitätslehren zu umgehen. 434 So etwa bei Roxin, AT II, 26/186 ff. 435 BGH MDR (D) 1972, S. 16. 436 So aber Roxin, AT II, 26/190.

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d) Folgerungen Entscheidend ist also, daß die „den Verbrechenstatbestand verwirklichende Handlung“ durch das Tätigwerden des Gehilfen tatsächlich gefördert worden ist. Die Formel weist auf diese Weise den Weg zu einer Betrachtung der Zusammengehörigkeit der Verhaltensweisen aus objektiver Sicht, die nur dann ihr Ziel erreichen kann, wenn sie einerseits mit Blick auf einen bestimmten, in Frage kommenden „Verbrechenstatbestand“ durchgeführt wird, und, andererseits, den „Förderungscharakter“ der Gehilfentätigkeit nicht aus den Augen verliert. Die normativen Kriterien, anhand derer überprüft werden soll, ob es zu einer Förderung der Tatbestandsverwirklichung gekommen ist, die den Fördernden mit den anderen Akteuren im strafrechtlichen Sinne verbindet, bilden den größten Teil der Zurechnungslehre bei gemeinsamem Handeln, und sie sind in den vorangegangenen Abschnitten dieses dritten Teils der Arbeit bereits skizziert worden. Im folgenden werden nur einige Aspekte hervorgehoben, die im Zusammenhang mit der Beihilfe diskutiert werden und das hier vorgeschlagene Konzept auf besondere Weise verdeutlichen. aa) Verwirklichte Gestaltung (1) Wer dem Dieb zur Begehung eines Einbruchsdiebstahls eine Zange übergibt, die dieser zu dem gewollten Zweck auch entgegennimmt, dann aber bei der Tatausführung nicht benutzt, ist an dem ohne Gebrauch der Zange begangenen Diebstahl nicht beteiligt, wenn keine hinzukommende psychische Beihilfe nachzuweisen ist. Die Schaffung der bloßen Möglichkeit, die Zange beim Einbruch zu benutzen, und der damit verbundenen Erweiterung des Organisationskreises des Täters, mögen eine fördernde Bedeutung haben. Diese ist aber nicht erheblich im Sinne der Beteiligungslehre. Denn in einem solchen Fall ist es nicht zu einer Verbindung der Organisationskreise gekommen, die sich, um Beteiligung zu begründen, nur in der den fraglichen Tatbestand verwirklichenden Handlung vollziehen kann.437

437 Die fördernde Bedeutung der Tätigkeit, die auch mit der Terminologie der herkömmlichen Lehre benannt werden kann – versuchte Beihilfe –, könnte sogar de lege ferenda tatbestandlich mißbilligt werden, aber nach den hier erarbeiteten Grundlagen eben nie als Beteiligung, sondern nur als selbständiges Delikt. Beteiligung kommt nur dann in Frage, wenn die Leistungen auf der Ebene des Verhaltensvollzugs und nicht nur aufgrund irgendeiner Tatplanung, abgestimmt werden. Deswegen bringt ein einseitiges Angebot, das aber nicht tatsächlich angenommen wird, so daß der Zweithandelnde sein eigenes Verhalten in die Vorleistung nicht einpaßt, ein Beteiligungsverhältnis nicht zustande. In diesem Fall fehlt es also an der erforderlichen Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung, denn auf das tatbestandsverwirklichende Verhalten hat sich die durch die Zange eröffnete Möglichkeit nicht ausgewirkt.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

(2) Anders liegt es aber, wenn der Täter von dem mitgegebenen Werkzeug Gebrauch macht, dieses sich jedoch als untauglich erweist, so daß er die Tat auf andere Weise vollendet. Diese Konstellation entspricht dem bekannten Nachschlüsselfall des RG,438 in dem die Angeklagte wegen Beihilfe zum vollendeten Diebstahl verurteilt wurde. Die Angeklagte hatte nämlich dem Täter einen Nachschlüssel mitgegeben, der aber im Schloß abgebrochen war, so daß der Täter auf andere Weise in das Haus eingedrungen war. Daß es zu einer Verhaltensabstimmung durch Gestaltung der Tat gekommen ist, kann in diesem Fall nicht zweifelhaft sein. Die Frage ist nun, in bezug auf welche Tatbestandsverwirklichung sich diese Verhaltensabstimmung vollzogen hat, oder: welche Tatbestandsverwirklichung sowohl vom Erst- als auch vom Zweithandelnden mitgestaltet wurde. Im Schrifttum wird bekanntlich die Entscheidung des RG weitgehend abgelehnt und stattdessen Beihilfe zum Versuch bejaht.439 Das ist auch die richtige Lösung. Sie ist in der Lehre nur deswegen problematisiert worden, weil sich diese Annahme mit dem gleichzeitig behaupteten Erfordernis der Erfolgskausalität der Gehilfentätigkeit im Sinne der Risikoerhöhungslehre nicht in Einklang bringen läßt.440 Nur wenn die Problematik vom Dogma der Erfolgskausalität der Beihilfe befreit und somit der Versuch – diesmal folgerichtig – als taugliche Haupttat angesehen wird, eröffnet sich die richtige Perspektive für die Analyse. Ungeachtet der scheinbaren Konkurrenz kommen hier zwei Tatbestandsverwirklichungen in Betracht, anhand derer die möglichen Beteiligungsverhältnisse geprüft werden müssen, nämlich versuchter und vollendeter Diebstahl (jeweils: § 244 Abs. 1 Nr. 3, § 22 und § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Greift man nun auf das Kriterium der Mitgestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens im Sinne der Tatbestandsverwirklichung zurück, dann ergibt sich ohne Schwierigkeiten, daß die Tatbestandsverwirklichung, die der Gehilfe in diesem Fall mitgestaltet hat, eben diejenige des versuchten Diebstahls ist. Auf die Vollendung hat derjenige, der dem Dieb den Nachschlüssel mitgegeben hat, keinen Einfluß genommen, wenn zudem das Ausbleiben einer psychischen Beihilfe in bezug auf die vollendete Tat feststeht. Hieran zeigt sich auch, daß der hier gewählte Ansatz nicht darauf hinaus läuft, Beihilfe zur vollendeten Tat immer annehmen zu müssen, wenn die vom unmittelbar Ausführenden durchgeführte Tat vollendet wird, sowie Beihilfe zum Versuch, wenn diese eben im 438 RGSt 6, 169. Der Fall enthält jedoch ein zusätzliches Element, das hier ausgeblendet wird: Die „Gehilfin“ war eigentlich an erster Stelle eine „Anstifterin“. Was abwegig erscheint ist also nicht die Bestrafung wegen Vollendung, sondern die wegen Beihilfe. 439 Roxin, AT II, 26/189; Mezger, Strafrecht, S. 413; Welzel, Strafrecht, S. 119; Class, Festschrift für Stock, S. 119; Seebald, GA 1969, S. 208; Dreher, MDR 1972, S. 555. 440 Hardwig, Zurechnung, S. 146 f.; Bloy, Zurechnungstypus, S. 268 f. So auch Salamon, S. 102 f. Der Grund für das Fortbestehen dieser Ungereimtheit liegt wohl in der gängigen Vermengung zwischen den Begriffen von versuchter und vollendeter Beihilfe einerseits, und Beihilfe zur versuchten und zur vollendeten Tat andererseits.

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Versuchsstadium steckenbleibt. Es kommt vielmehr darauf an, ob die vom unmittelbar Ausführenden durchgeführte Tat auch die Tat des Ersthandelnden ist, und das ist nur dann der Fall, wenn der Ersthandelnde die in Frage kommende Tatbestandsverwirklichung im oben erklärten Sinne mitgestaltet hat. Nur dann führt die Vollendung durch den Ausführenden zur Annahme einer Beteiligung (etwa Beihilfe) des Ersthandelnden an vollendeter Tat. Das ist nichts anderes als eine selbstverständliche Folge der Akzessorietät nach dem hier vorgeschlagenen Verständnis.441 (3) Aufschlußreich sind auch die Fälle, in denen der Täter die Leistung bereits erbracht hat – sei es nun eigenhändig oder durch einen Tatmittler (unzurechenbare Leistung) –, der „Gehilfe“ aber später diese Leistung durch einen aus der Risikoperspektive gleichwertigen Beitrag ersetzt. Beispiel 1: Der „Gehilfe“ ersetzt das vergiftete Getränk durch ein anderes, das er als erfolgsversprechender einschätzt, ohne jedoch damit das Ausmaß des eingangs geschaffenen Risikos tatsächlich zu verändern. Beispiel 2: Der „Gehilfe“ nimmt dem ahnungslosen Boten den Brief mit der vom Täter gebastelten Höllenmaschine ab und bringt ihn selbst zum Empfänger. Das erste Beispiel läßt sich mit Hilfe des Gestaltungserfordernisses ohne Schwierigkeiten lösen. Der Zweithandelnde hat in diesem Fall die Leistung des Ersthandelnden beseitigt (vorausgesetzt, daß keine andere Vorbereitungshandlungen vorgenommen worden sind), weshalb die Basis der Akzessorietät und somit eines Beteiligungsverhältnisses entfällt. Es handelt sich um zwei Taten, so daß die Strafbarkeit des Ersthandelnden davon abhängt, ob man das Bereitstellen des giftigen Getränks als versuchten Totschlag betrachten kann. Im zweiten Beispiel liegt es dagegen nahe, eine Mit441 Schaffstein (Festschrift für Honig, S. 181) will auf diesen Fall die FörderungsFormel des RG der Sache nach anwenden: Es komme darauf an, ob zwischen dem ersten vergeblichen Versuch, die Tür mit dem Nachschlüssel zu öffnen, und dem zweiten auf andere Weise erfolgreichen Vorgang Handlungseinheit vorliege. Bei einer positiven Antwort auf diese Frage liege Beihilfe zur Vollendung vor; andernfalls nur Beihilfe zum Versuch. Diese Argumentation ist jedoch in diesem Fall nicht einschlägig und somit nicht im Sinne des RG. Das liegt indes nicht etwa daran, daß mit dem ersten Tatkomplex bereits eine Tatbestandsverwirklichung (die des Versuchs) gegeben ist: Das Beteiligungsverhältnis bezüglich einer Tatbestandsverwirklichung wird nicht durch das Hinzukommen anderweitiger Tatbestandsverwirklichungen aufgehoben. Es geht vielmehr darum, daß Beteiligung auf der Gestaltung eines tatbestandsmäßigen Verhaltens beruht. Wirkt sich ein Beitrag auf das einen bestimmten Tatbestand verwirklichende Verhalten nicht aus, so bleiben Gestaltungen im Vorfeld bezüglich der Zurechnung dieser Tatbestandsverwirklichung ohne Belang. Durch die Argumentation Schaffsteins ist es m. a. W. nicht zu erklären, warum – selbst wenn man die Handlungseinheit begründen könnte – eine Beihilfe zur Vollendung anzunehmen ist, denn es ist eindeutig, daß die Gehilfentätigkeit zu dem Verhalten, das zur Vollendung geführt hat, erst recht nichts beigetragen hat. Die Formel des RG ist also nur in bezug auf die Fälle einschlägig, in denen die Leistung des Beteiligten das Gesamtverhalten, das zur fraglichen Tatbestandsverwirklichung führt, gestaltet hat. Aus diesem Grund kann sie ein Beteiligungsverhältnis auch dann begründen, wenn sich diese Gestaltung im tatbestandlichen Erfolg nach der Äquivalenzformel nicht ausgewirkt hat.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

gestaltung der Tatbestandsverwirklichung anzunehmen.442 Die Art ihrer objektiven Zurechenbarkeit als gemeinsames Werk hängt in diesem Fall davon ab, ob der Ersthandelnde mit dem vermeidbaren (ob vorsätzlich oder fahrlässig, ist einerlei – man denke an den Garderobenfall, in dem hinsichtlich jedes Akteurs Fahrlässigkeit bejaht wird) Eingriff eines Dritten rechnen konnte und sollte, da nur in einem solchen Fall von einer gegenseitigen Verhaltensabstimmung gesprochen werden kann. Geht man etwa davon aus, daß der Täter den Brief bei der Post abgegeben hat, dann ist mit einem vermeidbaren Dritteingriff in aller Regel nicht zu rechnen.443 Für den Ersthandelnden ist die Tat nicht gemeinschaftlich begangen worden, da von einer Einpassung seines Verhaltens in die nachfolgenden Leistungen keine Rede sein kann – Der Eingriff des Dritten enthält jedoch die Erklärung, die Tat des Ersthandelnden sei auch die seinige. Aus diesem Grund muß die Verantwortung des Ersthandelnden nach dem Muster des Alleinhandelns überprüft werden,444 die des Zweithandelnden aber nach dem Beteiligungsmuster.445

442 Für die Strafbarkeit als Gehilfe tritt Roxin (AT II, 26/217) – entgegen Samson (Hypothetische Kausalverläufe, S. 171), der Straflosigkeit annimmt, weil der ahnungslose Bote rechtmäßig gehandelt hätte – ein. Ebenfalls für Beihilfe Vogler, Festschrift für Heinitz, S. 312 mit Anm. 91. 443 An dieser Konstellation ist das Zusammenspiel zwischen objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Beteiligungsverhältnisses besonders deutlich zu erkennen: Zurechnung qua Beteiligung ist auf der subjektiven Seite nur dann möglich, wenn die Akteure erkennen können und sollen, daß die Voraussetzungen des Regreßverbots nicht vorliegen, was wiederum heißt, daß eine Pflicht bestehen muß, auf die schuldhaften Verhaltensweisen anderer zu achten. Läßt sich diese Pflicht nicht begründen, so entfällt die Zurechenbarkeit der Tatbestandsverwirklichung nach dem Muster der Beteiligung, und zwar sowohl auf objektiver als auch auf subjektiver Ebene. 444 Dies führt zur Frage der Erheblichkeit der Abweichungen im Kausalverlauf bei der Bestimmung der Erfolgszurechnung im Bereich des Alleinhandelns. 445 Zur einseitigen Beteiligung s. o. C. IV. 2. ee). Dieses Beispiel wird von Jakobs (AT 22/37) in einer von der hier vertretenen Position abweichenden Richtung thematisiert: Wer einen nicht zurechenbaren Beitrag ersetze, sei Gehilfe, aber nicht für den Erfolg zuständig, denn der dauernde Verlust des Guts sei ihm nicht anzulasten (der Erfolg wäre trotzdem eingetreten). Sein Verhalten ähnele einer abstrakten Gefährdung (bei Kenntnis der Ersetzbarkeit) oder einem Beihilfeversuch (bei Unkenntnis), was eine Strafmilderung zur Folge habe. Das ist jedoch nicht richtig. Auf der einen Seite kann es zu einer versuchten Beihilfe nur durch mangelnde Gestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens und nicht durch mangelnde Erfolgszurechnung kommen; andererseits wäre die Annahme einer der abstrakten Gefährdung ähnlichen Erscheinung nur bei einer möglichen Variante des Falles richtig, nämlich wenn der Erfolg dem Gesamtverhalten nicht (oder nicht vollständig) zuzurechnen ist.

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bb) Einheitlichkeit des Risikos und hypothetische Kausalverläufe Die Mitgestaltung des Gesamtverhaltens im Sinne der Tatbestandsverwirklichung gliedert den Mitgestaltenden in die Gemeinsamkeit der Beteiligten ein. Aus diesem Grund werden die Einzelleistungen aus der Zurechnungsperspektive zu einem Risiko, so daß die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe hinfällig wird. Trägt jemand einem Einsteigedieb die Leiter zum Tatort, obwohl der Haupttäter es auch selbst getan hätte, wenn er dafür niemanden gefunden hätte, so ändert der letzte Umstand nichts daran, daß der Hilfeleistende das Verhalten im Sinne der Tatbestandsverwirklichung mitgestaltet hat.446 Das gilt sowohl für hypothetische Verläufe, die in der Hand des Täters selbst sind, als auch für den Fall von Bandenmitgliedern, die bereit sind, sich gegenseitig zu ersetzen. Die Lösung wird abermals nur dann zweifelhaft, wenn man irrtümlicherweise auf die Erfolgskausalität der Gehilfentätigkeit im Sinne der Äquivalenz bzw. der Risikoerhöhungslehre abstellt. cc) Ex-ante-Urteil Da Beteiligung eine Frage der Verhaltenszurechnung darstellt, muß das Urteil über den mitgestaltenden Charakter einer Leistung aus der einzigen Perspektive gefällt werden, die für den Verhaltensvollzug von Bedeutung ist, d. h. aus einer Perspektive ex ante. Deswegen steht dem mitgestaltenden und ggf. zuständigkeitsbegründenden Charakter einer Leistung für das Gesamtverhalten nicht entgegen, daß sich diese Leistung nach einem Urteil ex post als überflüssig bezüglich der Erfolgsbewirkung erweist. So ist die Zuständigkeit des Wachestehenden für das Gesamtverhalten auch dann zu begründen, wenn die Tat ungestört durchgeführt wird, so daß er keine Warnaktionen vornehmen muß. Solange er mitkommt und an seiner Stelle bleibt, gestaltet er das Verhalten, das zur Tatbestandsverwirklichung führt. Seine Zuständigkeit ergibt sich also weder aus der ihm zugefallene Funktion im Tatplan, noch aus einer vermeintlichen Kausalität seines Verhaltens für den Erfolg, die nur anhand einer starken Lockerung des Kausalitätserfordernisses im Sinne der Risikoerhöhungslehre (und dann auch nur mit erheblichen Einschränkungen) zu begründen wäre.

446 Wie bei anderen Konstellationen läßt sich die richtige Lösung auch mit anderweitigen Argumenten aus der allgemeinen Zurechnungslehre begründen. Hier, beispielsweise, durch das Kriterium, nach dem eine Pflicht für den Verpflichteten nicht deswegen verfällt, weil auch andere bereit sind, sie zu mißachten. Vgl. Jakobs, AT 7/ 92 ff., 22/37 dd): Normative Garantien, auch in Form von Obliegenheiten zum Selbstschutz, werden dem Gut nie genommen.

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dd) Gestaltung als Sinnausdruck (1) Beteiligung ist, wie mehrfach betont, in erster Linie eine Frage nach dem Sinn eines Verhaltens in bezug auf andere, eine Frage, die sich aus der Perspektive einer bestimmten Tatbestandsverwirklichung stellt. Die Leistung des Gehilfen muß daher nach gesellschaftlich-normativen Maßstäben den Sinn haben, das tatbestandsverwirklichende Geschehen zu fördern, das auch von anderen schuldhaft mitgestaltet wird. Das Mitgestaltungserfordernis leitet sich lediglich von diesem normativen Erfordernis ab: Erst durch Gestaltung des tatbestandsmäßigen Verhaltens kann der Beitrag als Bestandteil desselben betrachtet werden, weil es sich im Strafrecht um Sinnausdrücke handelt, so daß sich jede Stellungnahme gegenüber der Norm – wenn sie strafrechtlich erheblich sein soll – auf eine nach der Rechtsordnung erkennbare (und i. d. S. beobachtbare) Weise ausdrücken muß. Fälle trennender Arbeitsteilung zeigen in besonderer Weise dieses begriffliche Verhältnis: Erst aus dem gesellschaftlichen Sinn des Geschehens ergibt sich die Tragweite der gestaltenden Qualität des Verhaltens. Daraus folgt, daß eine bloß kausale Mitgestaltung, selbst wenn sie die Tatbestandsverwirklichung tatsächlich fördert, für die Konstitution eines Beteiligungsverhältnisses nicht ausreichen kann. Wenn man dies nicht hinreichend berücksichtigt, stellen die sog. Fälle von „Beihilfe“ durch Taterschwerung, Risikoverringerung oder gar – aus der Perspektive der Tatbestandsverwirklichung – unerheblicher Tatgestaltung ein heikles Problem dar. Die Schwierigkeiten sind grundsätzlich auf zwei Quellen zurückzuführen: Auf der einen Seite kann eine naturalistisch verstandene Risikoerhöhungslehre nicht zur Zurechnung kommen, wenn das schon vorhandene Risiko für das Rechtsgut durch die fragliche Tätigkeit tatsächlich vermindert oder nur nicht modifiziert wird. Ersetzt jemand das vom Täter bereitgestellte Gift durch ein Brechmittel, so kann von einer Erhöhung des Risikos, das das Opfer bedroht, keine Rede sein. Auf der anderen Seite spielt auch die Absicht, was der „Gehilfe“ erreichen will, in der herkömmlichen Lehre eine entscheidende Rolle. Über die Fälle rechtfertigenden Notstands hinaus erscheint es aus dieser Perspektive nicht angemessen, dem Ersthandelnden in den Konstellationen von Risikoverringerung die Tatbestandsverwirklichung zuzurechnen: Der Ersthandelnde will in gewisser Weise das Gute, was die Zurechnung des Bösen, das er schafft, abschwächen soll. Dem wird auch mit dem Argument abgeholfen, daß in diesen Fällen der Ersthandelnde die Organisation des Täters nicht erweitere, sondern vielmehr verenge. Betrachtet man hingegen diese Fälle unter dem hier vorgeschlagenen Gesichtspunkt, so ergibt sich folgendes Bild: Die zutreffende Frage lautet, ob die Leistung des Ersthandelnden das tatbestandsverwirklichende Verhalten im Sinne der zur Überprüfung des Beteiligungsverhältnisses in Betracht gezogenen Tatbestandsverwirklichung mitgestaltet hat. Ist das der Fall, dann handelt es sich um

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eine Leistung, die eine Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung begründet. Erwägungen, die sich auf eine eventuelle Risikoverminderung beziehen, finden bei dieser Analyse keinen Platz, da es sich um hypothetische Kausalverläufe handeln würde. Die Erfolgszurechnung mag letztendlich an fehlender individueller Vermeidbarkeit scheitern, wie die Verhaltenszurechnung u. a. auch an einem rechtfertigenden Notstand scheitern würde; aber ein Beteiligungsverhältnis liegt in diesen Fällen prinzipiell vor. Dies gilt für die Fälle, in denen der Akteur ein zusätzliches Risiko schafft, das vom Täter übernommen wird, aber es gilt auch für bloß mindernde Variationen des identischen, bereits vorhandenen Risikos. Solange aus der Perspektive der Tatbestandsverwirklichung von einer Mitgestaltung des tatbestandsverwirklichenden Verhaltens gesprochen werden kann, liegt prinzipiell (d. h. unbeschadet eines rechtfertigenden Notstands) Beteiligung vor. Wer ein gefährliches Gift durch ein (im Vergleich dazu harmloses) Brechmittel ersetzt, ist Gehilfe in bezug auf die (ggf. fahrlässige) Körperverletzung, genau wie derjenige, der das Gift bis hin zu einer harmlosen Brechreiz auslösenden Wirkung verdünnt.447 (2) Von einem sehr unterschiedlichen Ansatz her, der – wie oben erwähnt – zur Straflosigkeit des während der Ausführung nicht in Anspruch genommenen Wachestehenden führt, nähert sich auch Samson dieser Sicht, wenn er die Fälle von „Beihilfe“ durch Taterschwerung betrachtet.448 Wenn jemand einem Einbrecher die elektrische Bohrmaschine wegnimmt, und ihm statt dessen eine viel mühsamer zu bedienende Handbohrmaschine gibt,449 käme man mit dem auf die Äquivalenzformel hinauslaufenden Übernahmeprinzip450 um die Annahme von Beihilfe nicht herum. Da Samson dieses Ergebnis für unbefriedigend hält, versucht er eine Korrektur für die Fälle der Beteiligung, die den Kern der Problematik trifft. So heißt es bei ihm: „Die Gehilfenhaftung ist nicht damit zu rechtfertigen, daß der Gehilfe für den Erfolg kausal wurde; entscheidend ist

447 A. A. Jakobs, AT 22/37, der in den Fällen von erfolgsmindernder Variation eines identischen Risikos für das Ausbleiben der Beihilfe eintritt. Das ist jedoch deswegen nicht richtig, weil sich der fördernde Sinn einer Leistung nur anhand der Tatbestandsverwirklichung erschließen läßt. In diesem Fall kommen zwei Tatbestandsverwirklichungen in Betracht, der versuchte Totschlag und die vollendete Körperverletzung. In bezug auf den versuchten Totschlag kommt keine Beteiligung in Frage, denn der Sinn der Leistung des „Gehilfen“ ist es eben nicht, diesen Tatbestand zu verwirklichen. Die Körperverletzung hat er jedoch im Sinne der Tatbestandsverwirklichung mitgestaltet: Er ist also Beteiligter. Freilich mag in diesem Fall die Strafbarkeit an einem Rechtfertigungsgrund oder an den für die Erfolgszurechnung erforderlichen Voraussetzungen subjektiver Zurechnung scheitern (schon bei Fahrlässigkeit handelte es sich um fahrlässige Beteiligung an fahrlässiger Tat). 448 Hypothetische Kausalverläufe, S. 174 ff. 449 Es wird vorausgesetzt, daß der Einbrecher keinen Anspruch auf die Maschine hat. Andernfalls wäre die Situation u. U. vom Regreßverbot gedeckt. 450 Zumindest in den hier interessierenden Fällen mit Ersatztäterplänen: s. Hypothetische Kausalverläufe, S. 146.

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vielmehr, daß der Haupttäter aufgrund des Gehilfenbeitrages nunmehr eine geringere Leistung zu entfalten hatte“.451 Dem fügt Samson folgende Bemerkung hinzu: „Freilich liegt der Grund der Zurechnung nicht darin, daß der Haupttäter eine geringere Leistung zu erbringen hat. Die Erfolgszurechnung wird vielmehr durch die Tatsache gerechtfertigt, daß der Gehilfe selbst einen Teil der Leistung erbracht hat, die Voraussetzung des Erfolgseintritts ist“.452 Auf diese Weise wird die Fragestellung zutreffend im Bereich der Verhaltensgestaltung angesiedelt. Freilich zieht Samson daraus eine Folge, die sich mit dem Grundgedanken nicht vereinbaren läßt. Es ist nämlich nicht zu verkennen, daß eine Handbohrmaschine weniger als ein elektrisches Gerät in der Lage ist, die Tat zu fördern, und in diesem Sinne mag von einer Taterschwerung die Rede sein. Aber es ist nicht richtig, hypothetische Verläufe als Maßstab zu setzten. Der einzige gültige Maßstab ist die Tatbestandsverwirklichung, und sie wurde durch die Übergabe der Handbohrmaschine im fördernden Sinne durchaus mitgestaltet. Mit der Begrifflichkeit Samsons ausgedrückt: Der Täter hat aufgrund des Gehilfenbeitrages nunmehr eine geringere Leistung zu entfalten; er braucht sich nämlich nicht auf eine andere Weise eine Bohrmaschine zu verschaffen oder gar auf ihren Gebrauch zu verzichten.453 (3) Aus demselben Grund (es ist auf die Mitgestaltung des tatbestandsverwirklichenden Verhaltens abzuheben) kommt es nicht zur Beteiligung, wenn der Akteur „das Böse will aber das Gute schafft“, oder lediglich Leistungen erbringt, die aus der Perspektive der einschlägigen Tatbestandsverwirklichung nicht erheblich sind. Dies kann an einem von Samson angeführten Beispiel verdeutlicht werden.454 Von dem Filmregisseur Jacopetti wurde behauptet, er habe in einem Lager afrikanischer Aufständischer rechtswidrige Hinrichtungen beeinflußt, um sich bessere Aufnahmebedingungen zu verschaffen. Läßt man die Möglichkeit einer psychischen Beihilfe beiseite, so stellt sich die Frage, ob er für die Tötungen zur Verantwortung gezogen werden kann, weil diese zwar ohne sein Eingreifen, aber nicht an der bestimmten Stelle und bei den extra ausgesuchten Lichtverhältnissen stattgefunden hätten. Der Antwort Samsons ist beizupflichten: Der Regisseur mag die Opfer zum Gegenstand von Manipulatio451

Hypothetische Kausalverläufe, S. 174 ff. Hypothetische Kausalverläufe, S. 178 (Herv. nur hier). 453 Die abweichende Schlußfolgerung Samsons erklärt sich dadurch, daß er die Antwort auf die Frage, ob ein Beitrag einen fördernden Sinn hat, nicht an der Tatbestandsverwirklichung, sondern am Tatplan des Täters ablesen will (Hypothetische Kausalverläufe, S. 178). Daß dies nicht richtig sein kann, ist bereits mehrfach dargelegt worden. Hier sei nur daran erinnert, daß weder der Täter einen Tatplan haben muß, noch der Gehilfe (falls es einen solchen Plan gibt) ihn zu kennen braucht. Es kommt auf die Verhaltensabstimmung hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung an, was nach den Kriterien objektiver Zurechnung zu erschließen ist. 454 Hypothetische Kausalverläufe, S. 167 (die Entscheidung, auf die er Bezug nimmt, war mir allerdings unauffindbar). 452

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nen gemacht haben (was ggf. den Tatbestand der Nötigung erfüllen kann), aber dieser Unwertgehalt wird von dem Tatbestand, bezüglich dessen das Beteiligungsverhältnis überprüft wird, nicht erfaßt. Es bedarf einer Handlung, die in einem Sinnbezug zur einschlägigen Tatbestandsverwirklichung steht. Freilich faßt Samson dieses Erfordernis abermals in kausaler Form auf – es komme auf eine Verschlechterung der Lage des im Tatbestand in Bezug genommenen Rechtsguts an –, was ihn daran hindert, diesen Fall von einer äußerlich ähnlichen Konstellation zu unterscheiden,455 der aber ganz andere Zusammenhänge zugrunde liegen, so daß sie gleichsam das Gegenstück des soeben besprochenen Beispiels bildet: Der Obergefreite S. hatte sich am 2.5.1945 von seiner Truppe entfernt, um sich der drohenden russischen Kriegsgefangenschaft zu entziehen. Einige Tage später wurde er von Soldaten seiner eigenen Batterie erwischt und festgenommen. Nachdem der Kriegsrichter entschieden hatte, es sei vorläufig nichts mit S. zu unternehmen, veranlaßte der Batteriechef eine Abstimmung der Soldaten über die Frage, was mit S. zu geschehen habe, und schlug in einer Ansprache vor, ihn als Deserteur zu erschießen. Die Mehrheit schloß sich dieser Ansicht an. Der Angekl. A. war bei der Abstimmung nicht zugegen, doch er erhielt später vom Leutnant D. den Befehl, sich dem Erschießungskommando als Wachtmeister anzuschließen. Das Kommando bestand aus zwei Wachtmeistern und demjenigen, J., der den Schuß abgeben sollte. Am Abend rückte das Kommando aus der Unterkunft ab und brachte das Opfer an den Exekutionsplatz. Der Leutnant D. eröffnete S. den Erschießungsbefehl und stellte ihn dem J. gegenüber auf. Nachdem A. und der andere Wachtmeister zur Seite getreten waren, feuerte J. auf Befehl des D. den tödlichen Schuß auf S. ab. Das Schwurgericht verurteilte A. wegen Beihilfe zum Totschlag und das OLG Freiburg bestätigte diese Entscheidung.456 Dem ist – entgegen Samson – im Ergebnis zuzustimmen. Denn durch seine dienstliche Mitwirkung im Wachtmeisterrang hat der zweite Unteroffizier A. das tatbestandsverwirklichende Verhalten mitgestaltet, und zwar in einem Sinne und mit einer Bedeutung, die sich von dem zur Tatbestandsverwirklichung führenden Vorgang, beurteilt man die Lage vom Tatbestand des Totschlages her, nicht mehr distanzieren läßt. „Es gehört zum Wesen eines Erschießungskommandos“ – führt das Urteil aus –, „daß es sich aus mehreren Personen zusammensetzt, die verschiedene Funktionen ausüben“.457 Sollten nicht alle an der Erschießung beteiligt sein – wäre hier noch hinzuzufügen –, dann erstreckte sich die strafrechtliche Verantwortung in den Fällen von rechtswidrigen Hin455

Hypothetische Kausalverläufe, S. 63 f. JZ 1951, S. 85 f. mit (aus ganz anderen Gründen: Kausalität werde bei Willensübereinstimmung bedeutungslos) zustimmender Anmerkung v. Weber, JZ 1951, S. 86. 457 JZ 1951, S. 85. 456

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richtungen nur auf denjenigen, der nach dem entsprechenden Befehl den tödlichen Schuß abzugeben hat. Aus diesen Gründen leuchtet es ein, daß die dienstliche Mitwirkung eines Soldaten in einem Erschießungskommando auch dann als Förderung der Erschießung anzusehen ist, wenn der betreffende Soldat selbst – weil dies nicht seine Funktion war – nicht geschossen hat. Denn er hat gleichwohl das tatbestandsmäßige Verhalten durch seine Mitwirkung auf eine Weise mitgestaltet, die ihn mit der gesamten tatbestandsverwirklichenden Handlung in Verbindung setzt, weil sich die Bedeutung dieser Mitwirkung nach objektiven Maßstäben – Vervollständigung des Kommandos durch dienstlich bedingte Anwesenheit – nur als Förderung der Tatbestandsverwirklichung sinnvoll erklären läßt. Freilich vermischt das Gericht die richtige Argumentation mit anderen Gesichtspunkten, die hier noch einmal zur Schattierung der eigenen Position kurz thematisiert werden sollen. Zum einen legt das OLG ein Verständnis der „Förderungs-Formel“ des RG zugrunde, das ihr nicht gerecht wird.458 Denn in diesem Fall ergibt sich die Verantwortung des Angeklagten eben nicht aus der Kausalität für den Erfolg (weil etwa Mitverursachung der Handlung zugleich Mitverursachung des Erfolges sei459), sondern aus einer Mitgestaltung des Verhaltens, die sich nur anhand normativer Erwägungen als Gestaltung im Sinne der Tatbestandsverwirklichung begründen läßt. Das Gestaltungserfordernis ist nämlich nur eine Folge dessen, daß Beteiligung sich nur durch einen Sinnausdruck konstituiert. Deswegen bemerkt v. Weber zu Recht, der Auffassung des OLG gelinge es nicht „das Wesen dieser ,Förderung oder Erleichterung‘ wirklich klarzustellen“; sie bleibe vielmehr „dem Einwand ausgesetzt, daß in ihr doch das geleugnete Erfordernis der Kausalität enthalten sei“.460 Zum anderen führt das Gericht eine Argumentation aus, die den nach dem Tatbestand des Totschlages (bezüglich dessen das Beteiligungsverhältnis geprüft wird) erheblichen Umständen nicht entspricht, nämlich, daß der Angeklagte durch sein Hinzutreten zum Erschießungskommando in der Batterie und in der Bevölkerung den Eindruck einer rechtmäßigen Hinrichtung gefördert habe. Dies mag ein erheblicher Umstand in bezug auf die Straftaten im Amt sein; für den zur Debatte stehenden Totschlag ist er jedoch ohne Belang. Dieser Fehler wird schließlich nur vertieft, indem das Gericht die Erheblichkeit dieses Umstands davon ableitet, daß die Mitwirkung des Angeklagten „von dem Leutnant als notwendig angesehen wurde, um die Tat gegenüber der Batterie und der Öffentlichkeit als Strafvollstreckung erscheinen zu lassen“.461 Denn ob ein Umstand und dessen 458 Das Urteil beruft sich ausdrücklich auf die oben [C. IV. 3. c)] besprochene Entscheidung RGSt 58, 113 und auf die Lehre Mezgers, in diesem Fall ohne zwischen den beiden Phasen ihrer Entwicklung zu unterscheiden. 459 Das Urteil unterliegt insofern demselben Fehler wie die Mezgerschen Lehre der Modifizierung des Tatbildes. 460 JZ 1951, S. 86.

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Gestaltung im Sinne des Tatbestandes erheblich ist oder nicht, mißt sich nicht am Tatplan, geschweige denn an den Vorstellungen eines einzelnen Beteiligten. Beihilfe besteht also in einer Gestaltung des tatbestandsverwirklichenden Verhaltens. Zu ihr gehört das Erbringen einer Leistung, deren Sinn die Förderung der Tatbestandsverwirklichung ist. „Kausal“ braucht sie nur für das Zustandekommen des Gesamtverhaltes zu werden. In diesem normativen Sinne kann mit Jakobs behauptet werden, daß es richtiger ist, die Erheblichkeit eines Beitrags „nicht auf das Gelingen der Tat, sondern auf die Beeinflussung ihres [tatbestandserhebliches] ,Aussehens‘ zu beziehen“.462 Das hatte das RG bereits gesehen, und diese Einsicht ist womöglich inzwischen deswegen verloren gegangen, weil man (mit einem nicht geringen Beitrag von Mezger) die Förderungsformel bloß kausal mißverstanden hat. Gestaltung ohne deliktischen Sinn bezüglich der Tatbestandsverwirklichung ist genauso unerheblich wie eine böswillig erbrachte Leistung, die aber das tatbestandsverwirklichende Verhalten nicht beeinflußt. ee) Anwendung auf die Mittäterschaft Das oben Ausgeführte kann nun auf die hier im Vordergrund stehende mittäterschaftliche Verantwortung übertragen werden. Nach der Methode dieses dritten Teils soll dies anhand eines konkreten Falls erfolgen: S. hatte J. bei ihr zu Hause aufgesucht, um ihr eine „gründliche Abreibung zu verpassen“. Während eines gewalttätigen Streites schlug S. sie zu Boden und versetzte ihr 16 Messerstiche. Schließlich hielt S. das Opfer für tot, lief nach Hause und berichtete ihrem Freund W. über das Geschehen. Beide gingen daraufhin zum Tatort, um die Spuren zu beseitigen, aber nur W. drang in das Haus ein. Als er bemerkte, daß das Opfer noch lebte, schlug er mit einer beidhändig gehaltenen Wasserflasche auf seinen Kopf ein, so daß J. das Stirnbein zersplitterte. Nach den Feststellungen hatten jedoch die Schläge mit der Wasserflasche den Tod des Opfers nicht einmal beschleunigt. Der BGH hat S. wegen eines vollendeten und W. wegen eines versuchten Tötungsdelikts verurteilt.463 Die Ausführungen des BGH zielen merkwürdigerweise darauf ab, die „Ursächlichkeit“ der Handlungen von S. für den Tod des Opfers zu begründen. Der Grund für die Auswahl dieser Perspektive liegt darin, daß das Urteil des LG Bonn gerade diese Ursächlichkeit verneint hatte, so daß es S. nur wegen eines versuchten Tötungsdelikts verurteilt hat. Interessant ist aber, daß sich der BGH nicht nur darauf beschränkt hat, aus der fehlenden Kausalität der Handlungen 461

JZ 1951, S. 85. AT 21/51. 463 BGH NStZ 2001, S. 29 ff. Die Problematik der Mordmerkmale bleibt hier ausgeklammert. 462

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des W. die Kausalität des Verhaltens der S. herzuleiten, sondern darüber hinaus versucht hat, eine allgemeine Regel aufzustellen, die in den Ausführungen folgendermaßen zum Ausdruck kommt: „Ursächlich bleibt das Täterhandeln selbst dann, wenn ein später handelnder Dritter durch ein auf den selben Erfolg gerichtetes Tun vorsätzlich zu dessen Herbeiführung beiträgt, sofern er nur dabei an das Handeln des Täters anknüpft, dieses also die Bedingung seines eigenes Eingreifens ist“.464 Die Folgen dieser Auffassung hat der BGH nicht gescheut: „Demgemäß ist wegen vollendeten Tötungsverbrechens auch zu bestrafen, wer jemanden mit Tötungsvorsatz niedergeschossen und dadurch einen Dritten dazu veranlaßt hat, dem Verletzten den ,Gnadenschuß‘ zu geben“.465 Dieses gewaltige – isoliert betrachtet durchaus unzulässige – Ergebnis kann nur durch eine Annahme gerechtfertigt werden, die aber der BGH nicht ausspricht: Der Täter eines Versuchs kann für die durch einen anderen Akteur bewirkte Vollendung zur Verantwortung gezogen werden, wenn ihm das Gesamtgeschehen und mithin das selbstverantwortliche Verhalten des Zweithandelnden zugerechnet werden kann, d. h. wenn es um gemeinsames Handeln im Hinblick auf die fragliche Tatbestandsverwirklichung geht. Die Begründung einer solchen Zuständigkeit will der BGH darin sehen, daß dieser an das Handeln des ersten anknüpft, so daß insofern das Verhalten des Ersthandelnden die Bedingung des Eingreifens des Zweithandelnden ist. Auf den konkreten Fall angewandt bedeutet dies, daß S. durch ihre Messerstiche eine Bedingung für den Tod des Opfers in einem ganz bestimmten Sinn gesetzt hat: „Denn ohne diese, ihr von der Angeklagten beigebrachten Verletzungen wäre es nicht dazu gekommen, daß der Angeklagte eingriff und – an das Handeln seiner Freundin anknüpfend – J. mit der Wasserflasche auf den Kopf schlug, um das von der Angeklagten begonnene Tötungswerk zu vollenden“.466 In dieser Argumentation läßt allerdings der BGH außer acht, daß den Handlungen des W. keinerlei Auswirkungen in bezug auf den Tod des Opfers nachgewiesen worden sind, wie das Gericht in demselben Urteil betont: Die Schläge haben den Tod nicht einmal beschleunigt, so daß von einer „Vollendung des Tötungswerkes“, von einem Beitrag zur Herbeiführung des Erfolges oder davon, daß W. mit seiner Leistung die Kausalität des ersten Verhaltens „abgeholt hat“ gar keine Rede sein kann. Die Ausführungen des BGH467 führen deshalb vielmehr zu einer anderen Fragestellung, die im Urteil nicht thematisiert wird: Wenn das Verhalten des W. an das vorangegangene Verhalten der S. derart anknüpft, das dieses eine Bedingung für sein Eingreifen bildet, dann stellt sich die 464

BGH NStZ 2001, S. 30. BGH NStZ 2001, S. 30 unter Berufung auf OGHSt 2, 354 f.; BGH bei Dallinger MDR 1956, S. 526; LK-Jähnke, 10. Aufl., § 212, Rn. 3. 466 BGH NStZ 2001, S. 30. 467 BGH NStZ 2001, S. 31. 465

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Frage, ob W. nicht nur wegen Versuchs, sondern für die letztendlich verwirklichte Tötung zur Verantwortung gezogen werden könnte. Sind nämlich S. die Handlungen des W. nach der Ansicht des BGH zuzurechnen, so könnten W. die Handlungen der S. erst recht zugerechnet werden: Sein Verhalten kann nach der Sicht des BGH nur als Fortführung des Erstverhaltens begriffen werden. Die Lösung des Falles ist nach der hier gewählten Perspektive nicht schwierig. Trotz aller Bedingtheit des Verhaltens des W. durch die Handlungen der S. bleibt es dabei, daß das tatbestandsverwirklichende Verhalten in bezug auf das Tötungsdelikt allein in den Handlungen von S. besteht. Denn nach den richterlichen Feststellungen ergibt sich nicht nur, daß die Handlungen des W. lediglich Begleitumstände geschaffen, welche die Herbeiführung des Erfolgs nicht im Geringsten beeinflußt haben. Diesen Feststellungen ist insbesondere zu entnehmen, daß der Eingriff des W. erst dann stattfindet, wenn das tatbestandsmäßige Verhalten abgeschlossen ist. Verwendet man also nach dem hier erarbeiteten Vorschlag das Gestaltungserfordernis in bezug auf das tatbestandsverwirklichende Verhalten, so kann das Verhalten des W. nur zu einer straffreien468 versuchten Beteiligung an der Tat der S. führen, die in Konkurrenz mit der Alleinverantwortung für ein versuchtes Tötungsdelikt vorliegt. Denn zur Begründung eines Beteiligungsverhältnisses reicht es nicht aus, daß das erste Verhalten eine „Bedingung für das zweite gesetzt hat“ (was dieser Ausdruck auch immer bedeuten mag), sondern es bedarf einer Mitgestaltung des tatbestandsverwirklichenden Verhaltens, so daß die Leistung im oben erklärten Sinne „kausal“ für dieses Verhalten sein muß. Hier ist aber das tatbestandsverwirklichende Verhalten, das Verhalten der S., zur Zeit des Verhaltensvollzugs des W. bereits ausgeführt worden, so daß es nunmehr nur zu einer Nebentäterschaft mit den oben gesagten Folgen kommen kann. An alledem (abgesehen von der Versuchsproblematik bzw. der Erfolgszurechnung) würde sich nichts ändern, wenn das Verhalten des W. den Erfolg doch mitverursacht hätte. Denn die Tatsache, daß es ohne die „von der Angeklagten beigebrachten Verletzungen nicht (. . .) dazu gekommen [wäre], daß der Angeklagte eingriff“, begründet an sich keine Gemeinsamkeit. Die Begründung der Gemeinsamkeit bedarf noch eines Kontextes, nach dem sich die Leistungen als akzessorisch darstellen. Dieser verbindende Kontext ist jedoch nicht schon durch eine zeitliche und räumliche Nähe der Verhaltensweisen gegeben, und, da es um Verhaltenszurechnung geht, auch nicht dadurch, daß der Erfolg zur Zeit des zweiten Verhaltens noch nicht eingetreten ist. Wie bereits oben ausgeführt bedarf es vielmehr einer Einpassung der Verhaltensweisen (Beiträge), so daß sie sich erst anhand ihrer Zusammengehörigkeit sinnvoll erklären lassen. Eine Ein-

468 Versuchte Mittäterschaft wird nur in der Form der Verbrechensverabredung in § 30 StGB unter Strafe gestellt.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

passung mag bei den Leistungen des W. vorliegen, nicht aber bei den Handlungen der S., denn dafür ist der Kontext wiederum mehrdeutig. Sie hat keine Leistung erbracht, welche angesichts des Kontexts eine zur Zeit des Verhaltensvollzugs bestehende Pflicht begründet hätte, mögliche Fortführungen ihrer Tat seitens Dritter einzukalkulieren. Von einer Einpassung ihres Verhaltens in die Fortführung kann also – gerade im normativen Sinne; anderes mag für eine kausale Abhängigkeit gelten – nicht gesprochen werden. Auf diese Weise wird eine normative Zusammenfassung der fraglichen Verhaltensweisen (nicht weniger als die Annahme einer „natürlichen Handlungseinheit“) ausgeschlossen. Was das Tötungsdelikt betrifft, erschöpft sich deshalb das S. Zurechenbare in der eigenhändigen Tätigkeit, die abgeschlossen wurde, als sie dem Opfer den letzten Messerstich versetzte. Und Leistungen, die erst nach dem Abschluß des tatbestandsmäßigen Verhaltens ihre erste Wirkung zeitigen, haben dieses Verhalten nicht mitgestaltet, weshalb die Akzessorietät entfällt. Die richtige Lösung ist daher in dieser Variante469 keineswegs Beteiligung, sondern u. U. (Allein-) Nebentäterschaft. Die Frage, unter welchen Bedingungen jeweils der Versuch oder die Vollendung zugerechnet werden muß, gehört zur Problematik der Erfolgszurechnung bei Alleinhandeln.

V. Rekapitulation Nach der Analyse der normativen Gemeinsamkeit bei den Konstellationen, die Gegenstand der verschiedenen Abschnitte dieses dritten Teils gewesen sind, können an dieser Stelle zwei Aspekte hervorgehoben werden, denen ein besonderer systematischer Stellenwert im Rahmen der hier vertretenen Konzeption zukommt: Die Bedeutung des sog. Gestaltungserfordernisses und der normative Begriff der Ausführung, der außerdem zur Bestimmung der Tat führt, an der die Akteure sich beteiligen. Diese Aspekte werden im folgenden zusammenfassend dargestellt, um die notwendigen Akzente im Hinblick auf den systematischen Ertrag des oben Ausgeführten zu setzen. 1. Das Gestaltungserfordernis Die vorangegangenen Ausführungen haben zunächst einmal gezeigt, daß der Beitrag eines Beteiligten die Tatbestandsverwirklichung in verschiedenster Weise mitgestalten kann. Da aber Beteiligung eine Frage der Verhaltenszurechnung bildet, bestimmt sich die Beteiligtenqualität anhand eines Gestaltungser469 Wie auch im vom BGH ausgeführten Beispiel des „Gnadenschusses“: Eine Verantwortung des Täters des Versuchs für die vollendete Tat kommt nur dann in Betracht, wenn die Gemeinschaftlichkeit des Begehens anhand eines verbindenden Kontexts – und darin, durch Mitgestaltung der Gesamttat – bereits begründet worden ist.

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fordernisses, das sich auf das tatbestandsverwirklichende Verhalten bezieht. Aus diesem Grund ist die Frage, ob der Beitrag des einzelnen auch für den tatbestandlichen Erfolg ursächlich ist, für die Frage nach dem Beteiligungsverhältnis grundsätzlich unerheblich. Für die Zurechnung eines Erfolgs zu einer Person bedarf es nämlich der Feststellung, daß dieser Erfolg dem Verhalten, das wiederum dieser Person zugerechnet wurde, zugerechnet werden kann. Bei gemeinsamem Handeln verhält es sich so, daß das tatbestandsverwirklichende Verhalten mehreren zugerechnet wird. Deshalb lautet die Frage nicht, ob der Erfolg dem Einzelverhalten jedes Akteurs (seinem Beitrag) zugerechnet werden kann, sondern, ob dem Verhalten aller – dem i. d. S. durch die gemeinschaftliche Pflichtverletzung zustande gekommenen Gesamtverhalten – der Erfolg zuzurechnen ist. Voraussetzung der Verhaltenszurechnung ist die Gestaltung des tatbestandsverwirklichenden Verhaltens. Ansonsten kommt nur versuchte Beteiligung in Frage, die wiederum nur unter den Voraussetzungen des § 30 StGB, d. h. eben nicht als Beteiligung, strafbar sein kann. Die Einbeziehung des einzelnen in die Gemeinsamkeit der Beteiligten erfolgt m. a. W. nur durch eine nach der tatbestandlichen Beschreibung für erheblich zu haltende Fixierung des Aussehens der Tat – genauer: des tatbestandsmäßigen Verhaltens. Trotz aller kontextuellen Verbindungen liegt kein Beteiligungsverhältnis vor, wenn der Beitrag die Tat (das Gesamtverhalten) nicht mitgestaltet hat.470 Daher sind auch Intensivierungen, die nicht tatbestandsmäßig sind, unerheblich. Das Gestaltungserfordernis ist jedoch nur eine Folge dessen, daß Beteiligung in einem gemeinschaftlichen Sinnausdruck gegen die Normgeltung besteht. Gestaltung ist m. a. W. deswegen erforderlich, weil eine nach strafrechtlichen Maßstäben hinreichende Externalisierung des Mangels an Rechtstreue unabdingbare Voraussetzung jeglicher strafrechtlicher Verantwortung ist. Aus diesem Grund handelt es sich immer nur um eine sinnhafte Gestaltung, eben um eine, die den Sinn hat, Bestandteil einer kollektiven Pflichtverletzung zu sein. Insofern gilt für das Gestaltungserfordernis in bezug auf dessen Kausalität für die Fixierung des Aussehens der Tat das Gleiche, das für die Bestimmung der Funktion der Kausalität im Rahmen der allgemeinen Zurechnungslehre gilt: Kausalität kann einen Sinn erhalten, aber sie begründet für sich keinen Sinnzusammenhang.

470

Vgl. BGH NStZ 2001, S. 29.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

2. Der Begriff der Ausführung a) Normativer Begriff der Ausführung Schwerwiegend sind die Folgen des Vorhergehenden für den Begriff der „Ausführung“ und den mit ihm herkömmlicherweise verbundenen (nach herrschender Auffassung: restriktiven) „Täterbegriff“. Das normative, auf dem Inhalt der Pflichten ruhende Verständnis der Akzessorietät als ein Verhältnis, in dem ein Verhalten zur Zeit seines Vollzugs den Sinn hat, Anbahnung oder Fortführung des Verhaltens eines anderen zu sein, führt ebenfalls zu einer Normativierung des Begriffs der Ausführung. Sie wird auf diese Weise zu einem durch Zuständigkeit für das tatbestandsverwirklichende Verhalten definierten Begriff, nach dem die Mitwirkung im Vorfeld der formellen Tatbestandsverwirklichung u. U. gleichsteht.471 Bei gemeinsamem Handeln kommt es nämlich auf die Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung an, deren Begründung von einer eigenhändigen Ausführung des einzelnen unabhängig ist. Diese Unabhängigkeit ist jedoch nicht in dem Sinne zu verstehen, daß ein Nichtausführender auch zuständig für die Tatbestandsverwirklichung sein kann, sondern absolut. Wenn es sich um Beteiligung handelt, ist der Ausführende nicht aufgrund dessen zuständig, daß er die Tat im formellen Sinne ausgeführt hat, sondern lediglich weil er das tatbestandsmäßige Verhalten im Sinne der Tatbestandsverwirklichung mitgestaltet hat. Die Ausführung mag per se einen Grund bilden, um ihn als Alleinverantwortlichen zu betrachten; aber eine gemeinschaftliche Verantwortung kommt nur dann in Betracht, wenn sein Verhalten den Sinn der Anbahnung oder Fortführung der Verhaltensweisen anderer hat. Diese Normativierung des Begriffs der Ausführung führt zu dem Ergebnis, daß in diesem Sinn alle gemeinsam Zuständigen, scil. alle Beteiligten, ausführen. Es gibt keine Tat eines Täters, die für den Teilnehmer eine fremde Tat wäre, sondern eine einzige Tat, die allen Beteiligten als gemeinschaftliche, eigene Leistung zugerechnet wird. Deswegen wurde bereits bei der Aufstellung des hier gewählten Lösungsansatzes vorgeschlagen, den restriktiven Täterbegriff durch einen Einheitsbeteiligtenbegriff zu ersetzen. Durch die gemeinsame Zuständigkeit wird die Tatbestandsverwirklichung als gemeinschaftliche Leistung kommuniziert, so daß sowohl die Tat als auch die Zurechnung der Tat für alle in die Gemeinsamkeit der Beteiligten einbezogenen Akteure identisch sind. Die Tatbestandsverwirklichung ist nämlich „keine Geschehensmasse, die auf die Beteiligten zerstückelt aufzuteilen sei“.472 Das Delikt ist vielmehr ein kommunikativer Akt, so daß es nicht einmal „im Namen“ aller Beteiligten ausgeführt wird,

471 Vgl. Jakobs, Festschrift für Lampe, S. 571, 573, der aber auf die Zuständigkeit „für die Folgen“ abstellt. 472 Jakobs, Festschrift für Lampe, S. 571, Anm. 31.

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sondern als von allen Beteiligten abgegebene Erklärung eines Normbruchs zu deuten ist. Gerade die Auseinandersetzung mit den Fällen, die von der herrschenden Lehre als Beihilfe behandelt werden, hat gezeigt, daß die Aufgabe des restriktiven Täterbegriffs keinen Verlust bedeutet. Bekannt sind die von erheblichen Schwierigkeiten geprägten und im Ergebnis erfolglosen Bemühungen, einen qualitativen Unterschied zwischen Beihilfe und Mittäterschaft zu begründen.473 Daß sich ein qualitativer Unterschied sowohl aus normentheoretischen als auch anhand empirischer Erwägungen nicht bewerkstelligen läßt, wurde schon dargestellt. Was dann übrig bleibt sind entweder subjektive, auf den Täterwillen abstellende Gesichtspunkte, die durch die Tatherrschaftslehre bereits abgetan worden sind, oder die Kriterien objektiver Zurechnung. Da aber auf der Zurechnungsebene deutlich wird, daß das Strafrechtssystem binär kodiert ist, bleibt kein Raum für qualitative Unterscheidungen zwischen den Zuständigen: Die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme steht jenseits der Tatbestandslehre,474 was gerade eine Folge dessen ist, daß der dem restriktiven Täterbegriff zugrunde liegende Begriff der Ausführung für die Begründung der gemeinsamen Zuständigkeit nicht maßgeblich ist. Dieser Befund wird nur bestätigt, wenn man bedenkt, daß die Kriterien objektiver Zurechnung ohne Spezialisierung auf das gemeinsame Handeln nur eine unangemessene Übertragung des Einzeltäter-Paradigmas zur Folge haben können.475 Aus diesen Gründen kann mit Lesch behauptet werden, daß „nicht der Täterbegriff, sondern der Tatbestands- und Unrechtsbegriff sowie die Zurechnungslehre restriktiv formuliert werden [müssen]“.476 Die Hauptfrage besteht darin, zu bestimmen, welche Akteure bei phänotypisch vorkommendem Zusammenwirken für eine bestimmte Tatbestandsverwirklichung gemeinschaftlich zuständig sind. Ob der einzelne zudem als Täter oder als Teilnehmer bestraft wird, ist sekundär. Die Teilnahmevorschriften zielen grundsätzlich auf die Bestimmung der Strafe ab; sie beschreiben folglich keine Zurechnungstypen, sondern bilden vertypte Strafzumessungsgründe nach Haftungsquoten, welche die Strafrechtsfolgen normieren, die dem bereits durch andere Kriterien als für die Tat gemeinsam mit anderen für zuständig Erklärten aufzuerlegen sind.477 473 Vgl. etwa Bloy, Zurechnungstypus, S. 369, nach dem es hier um den berühmten dialektischen Sprung gehe, durch den die Quantität in eine neue Qualität umschlägt; dabei sei es der gemeinsame Tatentschluß der Mittäter, der diesen Sprung ermögliche; ferner auch Frisch, Festschrift für Lüderssen, S. 539 ff., dessen Auffassung darauf hinausläuft, bei den sog. neutralen Handlungen die Verletzung einer Solidaritätspflicht in Beteiligung an dem Erfolgsdelikt zu verwandeln. 474 Lesch, GA 1994, S. 119. 475 Insb. zur Lehre Frischs s. o. C. IV. 2. bb) und cc). 476 GA 1994, S. 119. Lesch (GA 1994, S. 118, Anm. 14, m. w. N.) hat ebenfalls gezeigt, daß für den Reformgesetzgeber der restriktiver Täterbegriff nur auf die Alleintäterschaft limitiert ist.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

b) Die Straftat, an der die Akteure sich beteiligen Diese Entleerung des Begriffs der Ausführung aus der Perspektive der Begründung des Beteiligungsverhältnisses, die mit der Aufstellung eines Einheitsbeteiligtenbegriffs im oben dargestellten Sinn zusammengehört, soll jedoch gleichzeitig dazu beitragen, eine andere Funktion des Begriffs der Ausführung in den Vordergrund treten zu lassen. Die Ausführung ist nämlich nicht deswegen von Bedeutung, weil man zur Feststellung der Beteiligung darauf angewiesen wäre, zu bestimmen, wer die tatbestandliche Tat im formellen Sinn ausgeführt hat. Sie ist vielmehr in einem anderen, wesentlicheren Sinn erheblich. Denn zur Begründung des Beteiligungsverhältnisses gehört die Feststellung, daß eine tatbestandsmäßige Tat überhaupt vorliegt. Die Ausführung ist m. a. W. wesentlicher Bestandteil der Zurechnung qua Beteiligung, wenn damit der Versuchsbeginn gemeint ist, wobei es wiederum unerheblich ist, wer von den Beteiligten den Schritt vom Vorbereitungs- zum Ausführungsstadium vollzogen hat. Nicht das Einzelverhalten, nicht einmal der Beitrag, sondern allein die Tatbestandsverwirklichung bildet das strafrechtliche Unrecht, und eine Tatbestandsverwirklichung liegt erst dann vor, wenn das Geschehen zumindest das Versuchsstadium erreicht hat. Dann aber sind alle, die diese Tatbestandsverwirklichung auf eine Weise mitgestaltet haben, die Gemeinsamkeit begründet, für sie zuständig. Das Verkennen dieser Folge des gemeinsamen Handelns hat seit jeher für Verwirrung in der Beteiligungslehre gesorgt, vor allem in bezug auf die Problematik der „Ausführung durch einen Qualifikationslosen“. Die Schwierigkeiten stammen insbesondere aus zwei Quellen, die im Verlauf der Untersuchung bereits behandelt worden sind. Zum einen wird nicht hinreichend berücksichtigt, daß nicht jede im entsprechenden Tatbestand vertypte Qualifikation des Täters das Delikt in ein Pflichtdelikt (Sonderdelikt im engeren Sinne) verwandelt. Will man nämlich die Regelungen der Pflichtdelikte (§ 28 Abs. 1 StGB) auf alle Sonderdelikte anwenden, so müssen zwangsläufig „Strafbarkeitslücken“ entstehen. So müßten beispielsweise bei Einschaltung eines qualifikationslosen dolosen Vordermannes (der allein die Tatherrschaft innehat) Intraneus und Extraneus straflos ausgehen.478 Solche „Lücken“ können, wenn man sie für unbefriedigend hält, nur unter Zuhilfenahme von Konstruktionen ad hoc geschlossen werden. So kann beispielsweise die Aufstellung einer Kategorie von gemischten 477 Da alle Beteiligten im normativen Sinn ausführen, gibt es keine an sich wesentliche oder unwesentliche Gestaltungen der Tat bzw. keinen Unterschied zwischen „Gestaltung des Deliktskerns“ und „Gestaltung der Begleitumstände“ bei einer bestimmten Tatbestandsverwirklichung: s. bereits erster Teil, B. II. 4. e) (f). Eine Abstufung des Maßes an Mitgestaltung kann nur relativ ausfallen, d. h. in ihrer Beziehung zu dem Maß an Gestaltung, das den Verhaltensweisen der anderen Beteiligten beizumessen ist. 478 Vgl. Bloy, Zurechnungstypus, S. 241.

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Pflicht- und Herrschaftsdelikten zur Verantwortung führen, wenn man der Akzessorietät als „Zurechnungsprinzip“ die Aufgabe zuschreibt, in diesen Fällen die Tatherrschaft, die Sonderpflichtverletzung, oder sogar beide, hinsichtlich der Zurechnung des tatbestandlichen Unrechts zu ersetzen.479 Eine solche Konstruktion scheitert jedoch nicht nur daran, daß die erwähnte Kategorie von gemischten Pflicht- und Herrschaftsdelikten hoch fragwürdig ist,480 sondern auch daran, daß die Tatherrschaft nach der Tatherrschaftslehre gerade der Grund für die Zurechnung von Handlungen (auch Dritter) ist, so daß sie nicht selbst zugerechnet werden kann.481 Die andere Quelle der oben erwähnten Schwierigkeiten besteht in der Anwendung der Kategorien der Beteiligungslehre auf Fälle, in denen ein Beteiligungsverhältnis nicht vorliegt bzw. nicht vorliegen kann. Diese Vorgehensweise führt in der Regel nicht zu unannehmbaren Ergebnissen, weil, wie bereits dargestellt, die Beteiligungslehre weitgehend nach dem Muster des EinzeltäterParadigmas entwickelt wird. Auf theoretischer Ebene wirkt sie sich jedoch verwirrend aus. Typisch hierfür sind die Konstellationen von Beteiligung an einer verantwortlichen Selbstverletzung482 und die Fälle mittelbarer Täterschaft, in denen der Tatmittler die vom Tatbestand geforderte Qualifikation nicht aufweist. Eine echte Schwierigkeit bieten hingegen die Tatbestände, die besondere Tätermerkmale enthalten, d. h. bestimmte „Qualifikationen“ verlangen ohne deshalb Pflichtdelikte zu statuieren. Solange aber reine Tätermerkmale, deren 479 Bloy, Zurechnungstypus, S. 243, 317 (Teilnahme weise die Züge des Typus Täterschaft mit umgekehrtem Vorzeichen auf). 480 Kritik bei Sánchez-Vera, S. 137 ff. 481 Hierzu Bloy, Zurechnungstypus, S. 197, 239. Noch abwegiger in diesem Zusammenhang ist der Vorschlag, die Qualifikation als Anteil der Tatherrschaft zu betrachten (so aber Gallas, Beiträge, S. 97, 139). Nach Jescheck/Weigend AT § 62 II 7 läßt sich die „Tatherrschaft“ hier „nur normativ begründen“. Mit dieser Auffassung ist wohl auch der Begriff der sozialen Tatherrschaft von Welzel (ZStW 58 [1939], S. 543) verwandt. Vgl. die Kritik von Roxin, Täterschaft, S. 256 und zum Ganzen SánchezVera, S. 147 ff. sowie Bloy, Zurechnungstypus, S. 212 f. 482 So wird beispielsweise diesbezüglich behauptet, daß ein Beteiligungsverhältnis deswegen nicht in Frage komme, weil der Ausführende keinen Tatbestand verwirkliche, weshalb die quantitative Akzessorietät entfiele. Dieses Ergebnis ist zwar richtig, die angegebene Begründung aber irreführend. Es geht vielmehr darum, daß das Opfer bei einer Selbstverletzung als Beteiligter niemals in Betracht kommt, weil sich die Erklärungsmodi Beteiligung und Selbstverantwortung des Opfers in bezug auf dieselbe Person gegenseitig ausschließen. Deswegen kann das Verhalten des Hintermannes nur als Alleintäterschaft (was seine Beziehung zum Opfer betrifft) betrachtet werden, so daß es auf eine „Ausführung“ durch das Opfer nicht ankommen kann. In dieser Hinsicht ist das Verhalten des Opfers allenfalls ein weiterer Kausalfaktor, und die Frage ist, ob er dem Hintermann als Alleintäter noch zuzurechnen ist. Aus diesem Grund gibt es strenggenommen keine Beihilfe zum Selbstmord: Es handelt sich um Alleintäterschaft des Fördernden, die entweder als Tötung auf Verlangen oder als Totschlag (wenngleich mit Beihilfestrafe) zu bestrafen ist.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

Funktion nicht in der Begründung des fraglichen Unrechts besteht, als zusätzliche Erfordernisse für die Verhängung der Täterstrafe gedeutet werden können, kommt ihnen keine Rolle bei der Begründung des Beteiligungsverhältnisses zu. In bezug auf diese Merkmale verhält es sich der Behandlung der Arten individueller Vermeidbarkeit analog, wie bereits anläßlich der Problematik der Mittäterschaft bei „ungleichem Verschulden“ dargestellt worden ist.483 Für solche Tatbestände gelten insofern dieselben Kriterien wie für diejenigen, die reine Tätermerkmale nicht enthalten. In diesem Sinne geht es nicht nur darum, daß das Verständnis der Tatbestandsverwirklichung als gemeinsames Werk das Erfordernis der Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale in der Person eines jeden Beteiligten hinfällig macht,484 sondern auch um eine Definition dessen, worin die „Straftat“ besteht, an der die Akteure sich beteiligen.485 Der Schlüssel für die Lösung dieser Problematik findet sich in § 28 Abs. 2 StGB. Denn maßgeblich hierfür ist die Antwort auf die Frage, worin der Gegenstand der Zurechnung besteht. Diese Norm sieht nämlich die Möglichkeit vor, daß die Beteiligten an einer Tat (die kein Pflichtdelikt darstellt486) nach unterschiedlichen Strafrahmen bestraft werden. In manchen Fällen vollzieht sich dies innerhalb der im Anschluß an ein und denselben Tatbestand vorgeschriebenen Sanktionsnorm (etwa das Anvertrautsein der Sache bei § 246 StGB); in anderen verlangt jedoch diese differenzierende Behandlung den Zugriff auf einen insofern „verwandten“ Tatbestand nebst seiner Sanktionsnorm. Dies wäre z. B. der Fall, wenn der Eigentümer (A) eines gepfändeten Pkw und sein von diesem Eigentum nichts wissender Tatgenosse (B) dem Pfandgläubiger das Fahrzeug gemeinschaftlich wegnehmen, wobei man an Fälle denken kann, in denen eine wechselseitige Handlungszurechnung nach dem individualisierenden Muster nicht möglich ist (parallele Mittäterschaft, Befehlslage usw.). Jedenfalls werden 483

Dritter Teil, A. II; s. auch zweiter Teil, A. II. 5 (bei Anm. 121). Hierzu Lesch, Beihilfe, S. 315 ff., der etwa in bezug auf die mehraktigen Delikte ausführt: „Wenn auch nur ein Beteiligter die Aktfolge beim ersten Akt antizipiert und damit einen bestimmten Planzusammenhang hergestellt hat, dann liegt die Tat (der Deliktstypus) bereits fest“. 485 Im Zusammenhang seiner Kritik an § 25 Abs. 2 StGB als Zurechnungsnorm hat Dencker diesen Weg bereits beschritten (Kausalität, S. 253 ff.). Nach Dencker soll es möglich sein, von einer gemeinschaftlich begangenen Tat auch dann zu sprechen, wenn einige der Mitwirkenden nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale aufweisen; dies werde jedoch durch die Norm insofern unmöglich gemacht, als sie nur auf die Fälle zugeschnitten sei, in denen alle Mitwirkenden als Täter bezeichnet werden können. Erkennt man dagegen, daß das Zurechnungsmuster „gemeinsames Handeln“ nicht nur das gemeinschaftliche Begehen im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB, sondern jede akzessorische Verantwortung umfaßt, dann beschränkt sich die Problematik auf die Rechtsfolgen. Ob auch in dieser Hinsicht das gesetzliche Erfordernis zur Anwendung der Täterstrafe unangemessen ist, kann hier dahingestellt bleiben. 486 Denn nur dann findet § 28 Abs. 2 StGB Anwendung. In bezug auf die Pflichtdelikte ist hingegen der Abs. 1 des § 28 StGB einschlägig (vgl. Sánchez-Vera, S. 195 ff. und offensichtlich ihm folgend NK-Puppe, §§ 28, 29, Rn. 32 ff.). 484

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A und B jeweils gem. § 289 und § 242 StGB bestraft, was aber der Bejahung eines Beteiligungsverhältnisses nicht im Wege steht.487 Im Gegenteil: Je nach der Lage des Sachverhaltes ist die Zurechnung der Tat nur unter der Bedingung möglich, daß ein Beteiligungsverhältnis überhaupt bejaht werden kann. Damit wird deutlich, daß besondere Tätermerkmale – d. h. Merkmale, die ein zusätzliches Erfordernis für die Verhängung der Täterstrafe bilden – nichts mit der Frage zu tun haben, ob eine bestimmte Tat als das Werk einer oder mehrerer Personen betrachtet werden kann. Darauf weist außerdem der Wortlaut des § 28 StGB hin: Während der allein auf die Pflichtdelikte zugeschnittene Abs. 1 auf die Unterscheidung zwischen Tätern und Teilnehmern Bezug nimmt, regelt Abs. 2 die Rechtsfolgen ohne Rücksicht auf diese Unterscheidung: Die persönlichen Merkmale stehen jenseits des Beteiligungsverhältnisses, auf das sie sich weder begründend noch ausschließend auswirken.488 Das Beteiligungsverhältnis kann also nur in bezug auf eine bestimmte Tatbestandsverwirklichung überprüft werden; ohne diesen konkreten Bezug ergibt die Beteiligungsfrage keinen Sinn. Aber zum Begriff der Tatbestandsverwirklichung gehören nicht die Tätermerkmale, welche die Strafe eines Beteiligten bloß schärfen, weil sie – wie die Regelung des § 28 Abs. 2 StGB zeigt – keine Voraussetzung der Akzessorietät, sondern entweder selbst akzessorisch sind (wie bei manchen mehraktigen Delikten) oder jenseits der Akzessorietät stehen (wie in den Fällen, wo § 28 Abs. 2 StGB einschlägig ist).489 Im letzteren Fall gehö-

487 Ein anderes Beispiel bildet etwa die Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 260 StGB (Hehlerei) oder beim besonders schweren Fall des Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB. 488 Ein Beispiel, das sich auf eine andere Art von persönlichem Merkmal bezieht: Eine „Haupttat“ im Sinne des § 315c StGB kann in einem Fall vorliegen, in dem nur der Anstifter – nicht aber der Fahrer – rücksichtslos handelt, weil das Merkmal der Rücksichtslosigkeit nicht psychologisch verstanden werden muß, sondern nach dem Kontext zu bestimmen ist, ein Kontext, der – spricht man von Anstiftung – bereits als verbindend angesehen wird. Rücksichtslosigkeit ist m. a. W. die Bezeichnung für die Wertung eines Sachverhaltes, wobei es gleichgültig ist, wie die Beteiligten ihre Verhaltensweisen selbst bewerten (hierzu Lackner/Kühl, StGB, § 315c, Rn. 19). Aus diesem Grund ist dieses Prädikat akzessorisch: Die Akteure beteiligen sich an einer Tat, die Rücksichtslosigkeit an den Tag legt (vgl. auch NK-Puppe, § 28, 29, Rn. 24: es geht um ein „rücksichtsloses Verhalten“ und nicht um eine rücksichtslose Gesinnung). Alles andere ist eine Frage des Vorsatzes bzw. der individuellen Vermeidbarkeit, und zum Vorsatz genügt die Kenntnis der Umstände, die diese Wertung begründen (BayObLG NJW 1969, S. 565; BayObLG JZ 1983, S. 401). Stein (S. 38 f.) will dagegen die Rücksichtslosigkeit als reines Schuldmerkmal betrachten. Das kann jedoch nicht richtig sein, da Schuldmerkmale nach dem Tatschuldprinzip nie strafbegründend wirken können (vgl. NK-Puppe, § 28, 29, Rn. 19 ff.). 489 Daher ist, wie oben erwähnt (A. II. 3), eine differenzierende Behandlung der Tätermerkmale angezeigt. Für eine solche auch Stein, S. 44 ff. Aus einer anderen Perspektive kommt auch Stein (S. 24) zur Feststellung, daß die „rechtswidrige Tat“ nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB die Tätermerkmale „subjektiver Art“ nicht unbedingt einschließt.

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

ren diese Merkmale nicht zum Normbruch, den die Tatbestandsverwirklichung zum Ausdruck bringt. Beteiligung ist aber nur als gemeinschaftliche Erklärung eines Normbruchs zu verstehen, so daß strafschärfende, individuelle Tätermerkmale – die insofern mit den Erscheinungsformen der individuellen Vermeidbarkeit zu vergleichen sind – notwendigerweise außerhalb der Konstitution des Gemeinschaftlichen bleiben müssen.490 Deswegen kann auch dann akzessorische Verantwortung vorliegen, wenn mehrere Tatbestände herangezogen werden sollen, weil einer bestimmte Tätermerkmale vorsieht, die zur Bestrafung der Akteure nach unterschiedlichen Strafrahmen – aber eben wegen ihrer Beteiligung an einer Straftat – führt. Ebensowenig ist die Frage, aus welchem Tatbestand jeder Beteiligte aufgrund dieser Tätermerkmale schuldig gesprochen werden soll, mit dem Vorliegen eines akzessorischen Verhältnisses im hier vorgeschlagenen Sinn verbunden. 3. Rückblick: Die subjektive Seite des Beteiligungsverhältnisses Die Fragen objektiver Zurechnung sind in den vorangegangen Abschnitten erörtert worden. Die Ergebnisse lassen sich mit den Stichworten Akzessorietät und Einheitsbeteiligtenbegriff sowie mit der Einsicht, daß die Tat von allen Beteiligten ausgeführt wird, zusammenfassen. Die Analyse der objektiven Zurechnung mündet auf diese Weise in einen normativen Begriff der Ausführung, nach dem es nicht darauf ankommt, „wer die Hand als Letzter bewegt“, sondern darauf, wer dafür zuständig ist, wessen Werk die Tatbestandsverwirklichung ist. Eine Unterscheidung nach Vornahme/Nichtvornahme der Ausführungshandlung im formellen Sinn ist daher nur aus der Perspektive der Bestimmung des Versuchsbeginns von Bedeutung. Was die subjektive Tatseite anbelangt, hat es sich zunächst einmal gezeigt, daß die Pflichtverletzungen, welche die Straftaten bilden, in erster Linie vermeidbare Pflichtverletzungen sind, und daß allein diese Eigenschaft die Konstitution eines Beteiligungsverhältnisses auf subjektiver Ebene erklärt.491 Die Erscheinungsformen der individuellen Vermeidbarkeit – Vorsatz und Fahrlässig490 Dies gilt allerdings ebenfalls für strafbegründende Merkmale (Pflichtdelikte ausgeklammert). Selbst wenn der Tatbestand besondere Tätermerkmale beinhaltet, sofern es nicht um ein Pflichtdelikt geht, müssen diese Qualifikationen nicht unbedingt beim Ausführenden vorliegen; der Schuldner verwirklicht beispielsweise den Tatbestand des § 288 StGB, auch wenn er Bestandteile seines Vermögens nicht eigenhändig beiseite schafft (vgl. Jakobs, Festschrift für Lampe, S. 571 mit Anm. 28); Lampe, ZStW, 106 (1994), S. 688 f. A. A. unter anderen Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 33 f., der in diesen Fällen eine Strafbarkeitslücke sieht. 491 Schuldhaftes Verhalten eines jeden Akteurs vorausgesetzt: Wenn der andere Akteur etwa unzurechnungsfähig ist, handelt es sich immer um Alleintäterschaft, und zwar auch dann, wenn der zurechnungsfähige Akteur den Unzurechnungsfähigen für einen voll verantwortlichen Genossen gehalten hat.

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keit – betreffen lediglich die subjektive Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung zum einzelnen. Sie bilden dagegen keine Voraussetzung der Akzessorietät: Ein Beteiligungsverhältnis besteht auch dann, wenn bei den einzelnen Akteuren verschiedene Arten der individuellen Vermeidbarkeit vorliegen, wie u. a. an dem insofern extremen Fall der Beteiligung an erfolgsqualifizierten Delikten dargelegt wurde. Die Beziehung zwischen den Erscheinungsformen individueller Vermeidbarkeit und Beteiligung ist vielmehr die umgekehrte: Das Vorliegen von Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit kann nur dann ermittelt werden, wenn vorher geklärt worden ist, ob es sich um eine gemeinschaftlich begangene Tat oder aber um (ggf. mehrfache) Alleintäterschaft handelt. Insofern ist die Trennung allein/gemeinsam der Unterscheidung vorsätzlich/fahrlässig vorgelagert. Daraus folgt: (1) Das Beteiligungsverhältnis wird nicht durch die jeweiligen Vermeidbarkeitsformen der Beteiligten (mit)konstituiert oder nach ihnen modifiziert, so daß beispielsweise mangels Vorsatzes des einen Akteurs der andere zum Täter würde: Alle begehen in objektiver Gemeinsamkeit eine Pflichtverletzung, die jeweils beim einzelnen zum Vorsatz oder zur Fahrlässigkeit zugerechnet wird. Aus diesem Grund sind auch alle vermeidbaren Irrtümer für die Erschließung eines Beteiligungsverhältnisses und die Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung zur Gemeinsamkeit der Beteiligten unerheblich, solange bei allen Beteiligten reine Vermeidbarkeit in bezug auf die in Frage kommende Tatbestandsverwirklichung vorliegt. (2) Die Arten der individuellen Vermeidbarkeit führen insbesondere nicht zu qualitativ unterschiedlichen Zurechnungstypen: Die Täter- bzw. Gehilfen- bzw. Anstifterstrafe ist bei der Begründung der Gemeinsamkeit, d. i. durch den mitgestaltenden Beitrag im Sinne der Tatbestandsverwirklichung bereits objektiv, aber auch nur quantitativ fixiert. Wenn nämlich die Ausführung normativ, als Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung, definiert wird, dann handelt es sich im Bereich des gemeinsamen Handelns um die Bestimmung einer gemeinschaftlichen Zuständigkeit. Ist sie zu bejahen, dann finden weitere qualitative Unterscheidungen zwischen den Beteiligten keinen Platz, da es zwischen der Zuständigkeit und der Unzuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung keine dritte Möglichkeit gibt. Aus diesem Grund entsprechen die in der herkömmlichen Terminologie sogenannten Beteiligungsformen nicht Zurechnungstypen, sondern typisierten Strafzumessungsgründen, die sich auf quantitative Unterschiede, Gestaltungsquanten, beziehen. Die Fixierung dieser Quanten erfolgt, wie erwähnt, bei der Begründung der Gemeinsamkeit, und zwar immer relativ, d. h. hinsichtlich der Gestaltung der anderen Beteiligten. (3) Die Unerheblichkeit der dem einzelnen zuzuschreibenden Vermeidbarkeitsform für die Beteiligungsfrage erklärt sich dementsprechend auf zwei Ebenen: (i) Da das Minimum an subjektiver Zurechnung für die Begründung eines Beteiligungsverhältnisses die Unterscheidung zwischen den Vermeidbarkeitsfor-

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3. Teil: Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln

men bei den einzelnen Akteuren nicht beinhaltet, ist die Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung zu mehreren gemeinschaftlich Handelnden beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht nach anderen Kriterien als bei den Vorsatzdelikten zu ermitteln.492 (ii) Wenn das Minimum an subjektiver Zurechnung bei jedem Akteur festgestellt ist, ist die Bestimmung einer akzessorischen Verantwortung kein Moment der subjektiven, sondern der objektiven Zurechnung; da aber die objektive Zurechnung bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten grundsätzlich identisch ist,493 besteht auch kein erheblicher Unterschied in der Bestimmung der Beteiligungsverhältnisse. (4) Da jeder Beteiligte im normativen Sinne ausführt, gibt es nicht zwei subjektive Momente der Zurechnung (etwa beim Erbringen der Leistung und in bezug auf die Tatbestandsverwirklichung), sondern nur eines, das infolge der Spezialisierung der subjektiven Zurechnung bei gemeinsamem Handeln zwei Bestandteile, wie Kopf und Zahl derselben Münze, aufweist: i) Vermeidbarkeit der Tatbestandsverwirklichung und ii) Erkennbarkeit der Voraussetzungen für das Nichteingreifen des Regreßverbots (oder positiv gewendet: Erkennbarkeit der Voraussetzungen objektiver Gemeinsamkeit). Beide Bestandteile dieses einzigen Moments vollziehen sich einheitlich beim Erbringen der Leistung (sei sie auch die Vornahme der tatbestandlichen Handlung im formellen Sinn).494 (5) Deshalb ist strenggenommen schon der Ausdruck „fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt“ verfehlt: Beteiligung bezieht sich auf eine Tatbestandsverwirklichung, die nur bezüglich des einzelnen entweder fahrlässig oder vorsätzlich zuzurechnen ist. Es kann also dazu kommen, daß einige Beteiligte ein vorsätzliches, die anderen aber ein fahrlässiges Delikt „gemeinschaftlich begehen“.495 Die Vermeidbarkeitsformen sind insofern höchstpersönlich. Trotz ungleichen Verschuldens geht es um eine kollektive Pflichtverletzung, weil ver492 A. A. Renzikowski, S. 284, m. w. N. Wie Renzikowski auch Otto, Festschrift für Spendel, S. 281 (ders. bereits in Jura 1990, S. 48); Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 146; Kamm, S. 181 ff. 493 Jakobs AT 7/1 ff.; Lesch, GA 1994, S. 121; Reyes, ZStW 105 (1993), S. 125, Stratenwerth, deutlicher in der 3. Auflage (1981) seines AT, Rn. 344 ff. (in der 4. Auflage [2000], 8/25 ff. werden hingegen die Kriterien objektiver Zurechnung hauptsächlich als Frage der Erfolgszurechnung behandelt). Aus der älteren Literatur s. Binding, Normen II/1, S. 313 f. und Normen IV, S. 451 f., 581 sowie Welzel, Das deutsche Strafrecht in seinen Grundzügen, S. 33 ff., 81. Zur Parallelität von Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt auf der Ebene der objektiven Zurechnung s. bereits Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 84 ff., 118 ff., 138 ff., und dens. Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 40 (Anm. 155). 494 Die Arten der individuellen Vermeidbarkeit können hingegen im Einzelfall Veränderungen erfahren. Wer beispielsweise eine Waffe aus Unaufmerksamkeit nicht aufbewahrt, aber den Mord, der mit ihr begangen wird, durch Warnung des Opfers verhindern kann, haftet als vorsätzlicher Gehilfe eines Mordes, wenn er die Warnung vorsätzlich unterläßt. 495 s. o. A. II. 5. Ferner: Jakobs AT 21/45; so auch Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 71; Kim Sung-Ryong, S. 28; Renzikowski, S. 289, m. w. N. Aus der älteren

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meidbare Pflichtverletzung sinnhafte Pflichtverletzung ist, einerlei, ob sie fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt.

VI. Beteiligungsvorschriften und Strafbarkeit der Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich Im Rahmen des hier vorgeschlagenen Ansatzes bieten sich zwei Möglichkeiten zur Auslegung der Beteiligungsvorschriften in bezug auf die Frage der Strafbarkeit der Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich. Die erste Möglichkeit ist im Verlauf der Untersuchung mehrfach thematisiert worden, da das zentrale Anliegen der Befürworter der „fahrlässigen Mittäterschaft“ darin besteht, zu zeigen, daß § 25 Abs. 2 StGB auf den Fahrlässigkeitsbereich anwendbar ist – genauer: daß der Anwendung der Norm auf Fahrlässigkeitstaten nichts Grundsätzliches im Wege steht. Die andere Möglichkeit geht davon aus, daß die Beteiligung bei Fahrlässigkeit im StGB nicht ausdrücklich geregelt ist. 1. Erste Möglichkeit: § 25 Abs. 2 StGB erfaßt die fahrlässige Mittäterschaft Ausführungen in dem Sinne, daß der Wortlaut des § 25 Abs. 2 die Annahme von Mittäterschaft beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht verbietet, sind in der Literatur der letzten Jahren vorhanden und auf diese kann hier verwiesen werden.496 Nach dem oben Ausgeführten ist ebenfalls festzuhalten, daß sich das Vorsatzerfordernis und die Notwendigkeit eines gemeinsamen Tatentschlusses nicht aus dem Wortlaut ergeben, sondern aus einem bestimmten Begriff der Mittäterschaft, demzufolge beide Erfordernisse in die Norm hineingelesen werden sollen. Die systematische Auslegung der §§ 25–27 StGB schließt ihrerseits ein Argument a fortiori aus: Daß strafbare Anstiftung und Beihilfe (d. i. strafbare Teilnahme) nach herrschender Auffassung vorsätzlich sein müssen, bedeutet noch nicht, die „höhere“ Beteiligungsstufe der Mittäterschaft setze ebenfalls Vorsatz voraus.497 Aus der Diskussion über die Beihilfe ohne Verabredung kann vielmehr entnommen werden, daß das positive Vorsatzerfordernis für die TeilnahLiteratur s. etwa Binding, Normen IV, S. 623 ff.; dens. Abhandlungen, S. 293 f.; Exner, Frank-Festgabe, I, S. 596. 496 Vgl. insb. Weißer, JZ 1998, S. 232 f. und Renzikowski, S. 261 ff. Ferner Roxin, Täterschaft, S. 557 ff., Dencker, Kausalität, S. 174 ff.; Kamm, S. 175 ff.; Pfeiffer, Jura 2004, S. 522 ff. 497 Entschieden dagegen Seebald (GA 1964, S. 172): Die systematische Einheit des Gesetzes verbiete eine abgesonderte Behandlung der Mittäterschaft, d. h. deren Erfassung durch § 47 StGB a. F., denn es bestehe „in keiner Weise Anlaß oder ein vernünftiger Grund, von allen fahrlässigen Beteiligungsformen lediglich und gerade die Mittäterschaft herauszugreifen und gesetzlich besonders – anders – zu regeln“. Aber Grund und Anlaß können sehr wohl bestehen: Das Gesetz kann im Fahrlässigkeitsbe-

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meformen in bestimmten Konstellationen zwar materiell zu rechtfertigen sein kann, aber gleichzeitig ein zusätzliches Erfordernis bildet, das nicht zum Inhalt der Akzessorietät gehört. Aus diesem Grund ist die Ausdehnung dieser Voraussetzung auf § 25 Abs. 2 StGB, der sie expressis verbis nicht vorsieht, allenfalls eine interpretatorische „Ergänzung“ der Norm.498 Wenn man aber davon ausgeht, daß Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich von §§ 25 ff. StGB erfaßt wird, dann darf man die übrigen Folgen, die sich daraus ergeben, nicht übersehen. Denn auf diese Weise wären kraft ausdrücklicher Verfügung der Teilnahmevorschriften die Bestimmung und die Hilfeleistung zu einer Straftat nur unter der Voraussetzung strafbar, daß der Teilnehmer dabei vorsätzlich handelt. Dieses Ergebnis ist unter der genannten Prämisse unreich nur denjenigen bestrafen wollen, der die Tatbestandsverwirklichung in hinreichendem Maß gestaltet hat. 498 Bottke (GA 2001, S. 463 ff.) hat unlängst die These vertreten, die Anwendung des § 25 Abs. 2 StGB auf fahrlässige Straftaten stelle eine strafbegründende Analogie dar, weshalb sie gegen Art. 103 GG verstoße. Seine Auffassung will er grundsätzlich auf zwei Überlegungen stützen: (i) Zunächst einmal sei das Wort „begehen“ nur im Sinne von vorgesetztem (vorsätzlichem) Bewirken zu verstehen, denn „das Präfix ,be-‘ vor einem Stammtätigkeitswort deutet auf vorgesetzes Tun hin“ (GA 2001, S. 468); „man be-tastet, be-fühlt, etc. nur etwas, von dem man sich vorsetzt, es zu tasten, zu fühlen, etc. allgemein: zu verwalten“ (GA 2001, S. 474). Da dementsprechend eine „Straftat“ nur von jemandem begangen werde, der „die erwirkte Straftat so erwirkt, wie er es sich beim Erwirkungsakt vorsetzt“ (GA 2001, S. 468), können nach dieser Auffassung fahrlässige Straftaten übehaupt nicht begangen, sondern nur „erwirkt“ werden. Jenseits der Diskussion, ob der Gesetzgeber eine sprachliche Akribie zeigt, die Schlußfolgerungen allein aus dem Sprachgebrauch zu ziehen gestattet, scheint das Gesetz in diesem Fall der Auslegung Bottkes nicht zu folgen. So wird beispielsweise das Wort „Begehung“ ohne die von ihm unterstellte semantische Belastung bei § 16 Abs. 1 Satz 2 angewendet, was Bottke durch die sprachliche Parallelkonstruktion zum ersten Satz erklären will. Aber auch § 13 StGB gebraucht das Wort „Begehen“, ohne daß man daraus schließen könnte, Begehung durch Unterlassung könne nur vorsätzlich vorliegen (Bottke erklärt dies dadurch, daß der Unterlassungs(mit)täter nicht selbst (im engen Sinne) zu „begehen“ brauche, aber „in einer Menge von Taterwirkern“ sein müsse, „die die Straftat gemeinschaftlich begehen“: GA 2001, S. 475); (ii) Auf der anderen Seite geht Bottke davon aus, daß ein Handeln in aktueller Straftat-Gemeinschaft (gemeinschaftliches Begehen) nur dann vorliegen kann, wenn die Akteure auf der Basis eines gemeinsamen Tatentschlusses („straftatspezifischen Konsenses“) durch Gebrauch abgestimmt gleichgeordneter Gestaltungsherrschaft die Straftat bewirken. Auf eine Begründung dieser Behauptung wird jedoch nur spärlich eingegangen, und zwar folgendermaßen: „In Gemeinschaft gerät man nicht (. . .) aktionslos, kenntnislos oder zufällig/schicksalhaft. Gemeinschaft ist ein Verbund von Wesen, der konsensuell gebildet und erhalten wird“ (GA 2001, S. 471). Damit setzt allerdings Bottke ganz verschiedene Größen gleich. Denn es ist zwar richtig, daß strafrechtliche Zurechnung nie zufällig erfolgen soll; aber „aktionslose“ und „kenntnislose“ Zurechnung gibt es im Strafrecht zweifelsohne, wenn man diese Begriffe (im Sinne Bottkes) naturalistisch versteht. Das Gegenteil des Zufälligen ist im Strafrecht nicht das Beabsichtigte bzw. das Konsensuelle, sondern das Zurechenbare. Trifft dies zu, so wird auch die Unterscheidung zwischen dem Gemeinsamen und dem Gemeinschaftlichen unbrauchbar, da Bottke sie nur anhand des Vorliegens eines gemeinsamen Tatentschlusses vornimmt (GA 2001, S. 472 f.).

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bestritten und unbestreitbar. Auf diesen Aspekt hat Spendel499 aufmerksam gemacht. Sein Gedankengang, der sich allerdings in seinen übrigen, hier nicht interessierenden Einzelheiten nur mit einem „unreinen“ Einheitstäterbegriff vereinbaren läßt, ist im Grunde sehr einfach: Wenn der Gesetzgeber neben der vorsätzlichen auch die fahrlässige Teilnahme erfassen wollte, dann hätte er es aussprechen müssen.500 Das bedeutet nach der vorliegenden Konzeption zweierlei: Zum einen geht es um Mitwirkungsformen, welche die Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung überhaupt begründen, denn ansonsten stellte sich die Frage nach einer möglichen Ausgrenzung nicht. Zum anderen aber muß sie auf der quantitativrelativen Ebene der Gestaltungsquanten vollzogen werden, da eine Abstufung der Verhaltensweisen auf der Ebene der Zurechnung unmöglich ist. Dementsprechend gäbe es zuständigkeitsbegründende Verhaltensweisen, die nach der Systematik des Gesetzes die Schwelle der Strafbarkeit im Fahrlässigkeitsbereich nur deswegen nicht überschreiten, weil sie ein gewisses Maß an Gestaltung der Tatbestandsverwirklichung nicht erreicht haben. Das wäre z. B. der Fall bei der fahrlässigen Nichtaufbewahrung eines sicherungspflichtigen Gegenstandes: Sowohl im Jägerfall als auch im Garderobenfall kann ein akzessorisches, zu einer gemeinschaftlichen Verantwortung führendes Verhältnis begründet werden. Der Mitwirkende wäre jedoch als Beteiligter nicht strafbar,501 da der seine Sicherungspflicht Versäumende die Tatbestandsverwirklichung nicht in hinreichendem Maße mitgestaltet hat, wie sich schon aus der Analogie zu den ansonsten gleich gelagerten, aber vorsätzlichen Fällen entnehmen läßt.502 Diese systematisch unweigerliche Folge wird in der Lehre in bezug auf Tatbestände gezogen, die besondere Tätermerkmale enthalten.503 Wenn etwa der 499

JuS 1974, S. 755 f. JuS 1974, S. 756. Seebald (GA 1964, S. 173), der von der begrifflichen Möglichkeit einer fahrlässigen Teilnahme ausgeht, hat das Problem ebenfalls gesehen. Er gelangt jedoch zu dem Ergebnis, daß eine analoge Anwendung der Teilnahmevorschriften zugunsten des Täters nicht statthaft sei, „weil aus dem Schweigen des Gesetzgebers auf einen entgegengesetzten Willen geschlossen werden muß. Es kann keinesfalls angenommen werden, daß der Gesetzgeber eine so grundsätzliche Regelung übersehen haben könnte“. Der Gesetzgeber hat jedoch diese Bestimmung entweder getroffen (nur die vorsätzliche Teilnahme ist nach §§ 26, 27 StGB strafbewehrt) oder die Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich als Ganzes nicht ausdrücklich geregelt. 501 Eine Alleinverantwortung kommt nur in Fällen von Doppelsicherung in Betracht. 502 Das Gleiche gilt für das von Spendel (JuS 1974, S. 752) angeführte Beispiel: Die Krankenschwester, die aus Unaufmerksamkeit dem Kranken zu viele Schlaftabletten überlassen hat, so daß der körperlich leidende, aber bei klarem Verstand befindliche Patient seinem Leben ein Ende setzen kann, ist nur fahrlässige Teilnehmerin und hat keine Strafe verwirkt. 503 Obwohl die Rechtsprechung es nicht gescheut hat, bei den Aussagedelikten einen Einheitstäterbegriff anzuwenden: RGSt 13, 52 (§ 271 StGB); BGHSt 21, 116 (§ 160 StGB). Dazu kritisch Hruschka, JZ 1967, S. 210 (freilich zielen die Ausführun500

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Nicht-Qualifizierte zur Erinnerungstäuschung des fahrlässig Falscheid schwörenden Zeugen (§ 163 StGB) fahrlässig beiträgt, kann er nicht als Täter bestraft werden; ihm kann aber die Teilnehmerstrafe – wie im Falle von Vorsatz – auch nicht auferlegt werden, weil sein Verhalten die im Gesetz vorgesehene Schwelle zur Strafbarkeit nicht überschritten hat.504 Diese Position ist gut vertretbar, stößt allerdings auf Schwierigkeiten in bezug auf sämtliche Tatbestände, die zur Verhängung der Täterstrafe das Vorliegen eines besonderen Merkmals verlangen (man denke etwa an § 316 StGB: das Fahrzeug selbst fahren). Denn dort steht zwar der Bejahung der Beteiligtenqualität nicht im Wege, daß der einzelne das besondere Merkmal in eigener Person nicht erfüllt. Aber die Norm verbietet allemal die Behandlung solcher Beteiligten als Täter, weshalb sie, sollen quantitativ geringere Mitgestaltungen der Tatbestandsverwirklichung im Fahrlässigkeitsbereich nicht geahndet werden, straflos ausgehen müssen. Die Plausibilität einer solchen Strafbarkeitseinschränkung müßte jedenfalls anhand einer ausführlichen Analyse der einschlägigen Tatbestände nachgewiesen werden. 2. Zweite Möglichkeit: Beteiligung im Fahrlässigkeitsbereich ist nicht ausdrücklich normiert Die zweite Auslegungsmöglichkeit verneint die Anwendung der Beteiligungsvorschriften auf den Fahrlässigkeitsbereich. Der Gesetzgeber hätte nur die vorsätzliche Beteiligung regeln wollen, u. a. weil im Fahrlässigkeitsbereich eine solche Regulierung überflüssig wäre: Die Beteiligungsvorschriften, die sich ohnehin auf die Vorbereitung der Strafzumessung beschränken, brächten einen einzigen Ertrag, nämlich eine obligatorische Strafmilderung im Fall der Beihilfe. Aber gerade das wäre im Fahrlässigkeitsbereich durch § 46 StGB bzw. durch analoge Anwendung der §§ 27, 49 StGB ohne weiteres erzielbar. Es hat sich gezeigt, daß das akzessorische Verhältnis, das sowohl bei Teilnahme als auch bei Mittäterschaft vorliegt, objektiver Art ist und dementsprechend durch die Erscheinungsformen der individuellen Vermeidbarkeit weder begründet noch ausgeschlossen wird. Dies hat zunächst zur Folge, daß man bestimmte Fälle fahrlässiger Mitwirkung durch die Figur der Mittäterschaft erfassen kann. Zum anderen aber, daß andere Fälle fahrlässiger Mitwirkung, die ebenfalls ein akzessorisches Verhältnis begründen, der geringeren Mitgestaltung der Straftat wegen nicht mit der Täterstrafe zu ahnden sind. Auf diese Weise wird die sog. fahrlässige Teilnahme ins System der Beteiligung integriert, was gen von Hruschka darauf ab, Täterschaft von Teilnahme zu unterscheiden. Da er aber stets an die Alleintäterschaft denkt, gelten sie insofern auch für die Gegenüberstellung Allein-/gemeinsames Handeln). 504 Vgl. Stratenwerth, AT 16/80.

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die Aufwertung dieser Verhaltensweisen als (Allein-)Täterschaft durch das Einzeltäter-Paradigma unmöglich macht. Nur durch Anerkennung des akzessorischen Charakters mancher fahrlässiger Mitwirkungen kommt man zur Straflosigkeit bzw. zur milderen Bestrafung der Verhaltensweisen, welche die Schwelle zur Strafbarkeit nach gesetzlicher Bewertung nicht überschreiten oder bezüglich derer die Täterstrafe als unangemessen erscheint.

Zusammenfassung 1. Harrt die systematische Stellung mittäterschaftlicher Verantwortung im Fahrlässigkeitsbereich noch der wissenschaftlichen Klärung, so liegt das nicht am Wortlaut des § 25 Abs. 2 StGB, sondern vielmehr an den unbeantworteten Fragen bezüglich der mittäterschaftlichen Verantwortung überhaupt. Das gilt insbesondere für die Frage, ob Mittäterschaft und Teilnahme nach unterschiedlichen Zurechnungsprinzipen zu ermitteln sind bzw. ob die Mittäterschaft entsprechend dem Muster der Einzelverantwortung erklärt werden kann. 2. Die Untersuchung der Grundlagen mittäterschaftlicher Verantwortung nach der Lehre der funktionellen Tatherrschaft führt zu dem Ergebnis, daß diese Lehre eine Übertragung des Einzeltäter-Paradigmas auf das gemeinsame Handeln darstellt, weshalb sie u. a. zwei systematisch bedeutsamen Problemkreisen nicht gerecht wird: der Behandlung des Wachestehenden im Gegensatz zu der des Bandenchefs und der Problematik des Versuchsbeginns. Während die Tatherrschaftslehre im ersten Fall zu einem Wertungswiderspruch führt, führt sie im zweiten bei konsequenter Anwendung der Einzellösung zu einer Verselbständigung des Unrechtscharakters des Einzelbeitrags. Ähnliches läßt sich mutatis mutandis in bezug auf die verschiedenen Ausgestaltungen der Tatherrschaftslehre (gegenseitige Anstiftung, Solidarisierung, Mittäterschaft als Zurechnungsbund usw.) mit Ausnahme der Lehre der Tätigkeitsanrechnung feststellen. Das Problem des Bandenchefs führt zu der Erkenntnis, daß es sich bei Beteiligung um eine Zurechnungsfrage handelt: Verschiedenartige Leistungen werden in das zuzurechnende Gesamtgeschehen einbezogen, wobei das relative Gewicht jeder einzelnen letztlich eine sekundäre Frage darstellt. Wesentlich ist nur, ob die Leistung die Zuständigkeit für die fragliche Tatbestandsverwirklichung begründet oder nicht. Auf der anderen Seite läßt das Problem des Versuchsbeginns die Einheitlichkeit der Pflichtverletzung bei Beteiligung deutlich erkennbar hervortreten: Zurechnungsgegenstand ist allein die Tatbestandsverwirklichung, nicht der Einzelbeitrag. Deswegen geht es nicht nur um die Frage, ob die Leistung des einzelnen seine Zuständigkeit für eine Tatbestandsverwirklichung begründet, sondern darum, ob sie einen „Beitrag“ zur gemeinschaftlich vollzogenen Pflichtverletzung darstellt. 3. Damit sind bereits die zwei Schlüsselbegriffe der Untersuchung angedeutet: (i) der Einheitsbeteiligtenbegriff (wobei Akzessorietät als Abhängigkeit eines Verhaltens von seiner Anbahnung oder Fortführung durch ein anderes, selbstverantwortliches Verhalten zu definieren ist) und (ii) die Tatbestandsverwirklichung

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als einzig tauglicher Zurechnungsgegenstand. Beide Begriffe münden in den Ansatz, daß Beteiligung eine kollektive Pflichtverletzung bedeutet, d. h. eine einheitliche Pflichtverletzung, die mehreren Personen zuzurechnen ist. Die Grundgedanken dabei sind sehr einfach: (i) Die Zurechnungsfrage ist geschlossen, d.h. sie kann nur bejaht oder verneint werden, und (ii) es gibt bei Beteiligung nur einen Zurechnungsgegenstand, die Tatbestandsverwirklichung, die (iii) als Werk aller Beteiligten zu deuten ist. Sind diese Ansatzpunkte zutreffend, so gelten sie nicht nur für die sog. Mittäterschaft, sondern für jede „Beteiligungsform“. Damit wird der Bereich der Untersuchung in dem Sinne erweitert, daß die Problematik der Mittäterschaft in den übergreifenden Begründungszusammenhang der Verhaltenszurechnung bei gemeinsamem Handeln eingegliedert wird. 4. Eine Analyse der herkömmlichen Beteiligungslehren zeigt, daß dort die Kategorien subjektiver Zurechnung, und insbesondere die Vermeidbarkeitsformen, eine maßgebliche Rolle bei der Bestimmung der Beteiligungsverhältnisse spielen. Im Bereich der mittäterschaftlichen Haftung soll auch der subjektiven Tatseite eine zusätzliche Funktion zukommen, nämlich die (Mit-)Begründung der Einheit des Zurechnungssubjektes (subjektive Begründung eines Kollektivs) bzw. des Gesamtgeschehens (funktionelle Tatherrschaft) durch den sog. gemeinsamen Tatentschluß. Auf dieser Basis ist eine Beteiligungslehre bei Fahrlässigkeit ausgeschlossen, was auch die Erklärung dafür liefert, daß in diesem Bereich weitgehend auf einen Einheitstäterbegriff abgestellt wird. Eine nähere Untersuchung des sog. restriktiven Täterbegriffs und der dadurch vollzogenen qualitativen Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme mit Hilfe einer subjektiven Begründung der Zuständigkeit für ein Gesamtgeschehen hat allerdings gezeigt, daß selbst eine so angereicherte Übertragung des EinzeltäterParadigmas auf das gemeinsame Handeln der Beteiligungsproblematik bzw. der Eigenart des gemeinsamen Handelns nicht gerecht wird: 5. Die Bedeutung der subjektiven Zurechnung beim Aufbau der Beteiligungs„formen“- bzw. verhältnisse nach der herrschenden Auffassung läßt sich an den Konstellationen besonders deutlich erkennen, in denen die Vermeidbarkeitsformen der Akteure jeweils unterschiedlich sind. Die grobschlächtige Anwendung des Einzeltäter-Paradigmas auf Konstellationen gemeinsamen Handelns führt in Verbindung mit der subjektiven Unrechtsbegründung bei der sog. vorsätzlichen Beteiligung an fahrlässiger Tat und bei der sog. fahrlässigen Beteiligung an vorsätzlichen Tat häufig zur Auflösung eines sachlich bestehenden Beteiligungsverhältnisses: Es handelte sich nämlich jeweils um mittelbare Täterschaft und um fahrlässige Einzeltäterschaft, was u. a. eine gewaltige Vorverlagerung der Strafbarkeit durch allzu frühes Ansetzen des Versuchsbeginns und eine Aufwertung (wenn man nicht für die Straflosigkeit aus systematischen Gründen eintritt) untergeordneter, fahrlässig erbrachter Leistungen zur Folge hat. In bezug auf die beiden oben genannten Schlüsselbegriffe bedeutet es nämlich (i) die Behauptung eines qualitativen Unterschieds zwischen Täterschaft

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und Teilnahme (die Zurechnung erfolge also ursprünglich entweder „täterschaftlich“ oder „teilnahmehaft“), die subjektiv mitbegründet wird, was u. a. fließende Übergänge zwischen Neben- und Mittäterschaft zuläßt, und (ii) die Auffassung der gemeinschaftlichen Verantwortung als gegenseitige Zurechnung der jeweiligen Tatbeiträge. Dieser Begründungszusammenhang mündet im Rahmen der Bemühungen um die Anerkennung einer fahrlässigen Mittäterschaft in die Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung. Die Untersuchung zeigt, daß diese aufgrund ihrer Unfähigkeit, die Einheit des Geschehens durch Elemente der subjektiven Zurechnung zu umreißen (was wiederum zu einer weitgehenden Ausdehnung strafrechtlicher Verantwortung führt) und der mit ihr einhergehenden Umdeutung der Fahrlässigkeitsdelikte in Gefährdungsdelikte allenfalls eine erste, bereits von Binding und Exner angedeutete Annäherung an die Lösung der Problematik bedeutet. Daß den Vermeidbarkeitsformen nur eine indizielle Rolle bei der Bestimmung der Beteiligungsverhältnisse zukommt, zeigt sich schließlich an der Problematik der Beteiligung am erfolgsqualifizierten Delikt, da die Zerlegung des Sachverhaltes in Mittäterschaft am Grunddelikt und Nebentäterschaft in bezug auf das durch die schwerere Folge verwirklichte Fahrlässigkeitsdelikt den materiellen Erfordernissen der Strafschärfung nicht gerecht wird. 6. Neben der Lehre der gemeinschaftlichen Gefahrbegründung bestehen – teils als Alternative teils als Ergänzung – zwei weitere Möglichkeiten zur Erfassung des Zusammentreffens mehrerer bei einem Fahrlässigkeitsdelikt: Die sog. Einheitstäterlösung und die Lösung mittels Abstellens auf eine (gleichartige) Sorgfaltspflicht. Beide Lehren haben jeweils einen wichtigen Aspekt der Problematik erkannt: Die Lehre vom Einheitstäterbegriff den geschlossenen Charakter der Zurechnungsfrage, und die Sorgfaltspflichtslehre den normativen Gesichtspunkt, der das Abheben auf eine faktische Herrschaft verwirft. Die Möglichkeit, die gemeinschaftliche Verantwortung auf gleichartige Garantenpflichten zu gründen, erweist sich allerdings als unzureichend, solange sie nicht auf die Begründung einer gemeinschaftlichen Verantwortung eingeht. Die Untersuchung des Einheitstäterbegriffs hebt ihrerseits nicht nur die Einheitlichkeit der Antwort auf die Zurechnungsfrage hervor, sondern sie bringt auch kontrastiv die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen den verschiedenen Beteiligungsquanten im Fahrlässigkeitsbereich zum Vorschein. Ein Modell einheitlicher Zurechnung der Tat zu allen Beteiligten mit akzessorischer Verantwortlichkeit erweist sich zudem als theoretisch und dogmengeschichtlich vertretbar, wenn die naturalistische Basis des herkömmlichen Einheitstäterbegriffs durch eine normative, für gemeinschaftliche Verantwortung offene Grundlage ersetzt wird. 7. Die Auseinandersetzung mit den kausal orientierten Ansätzen der Risikoverbundenheit und mit denjenigen, die die Zusammengehörigkeit der Verhaltensweisen anhand der subjektiven Sinngebung der Akteure begründen, zeigt, daß naturalistische Gesichtspunkte das Spezifikum des gemeinsamen Handelns

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nicht erfassen können: Eine bloß faktische Mitgestaltung der Gesamttat (selbst wenn sie „notwendig“ für die Tatbestandsverwirklichung im Sinne der Äquivalenz ist) ist genau so unerheblich wie ein gemeinsamer Entschluß zur Gestaltung. Eine normative Beteiligungslehre, d. h. eine Lehre, die auf die gemeinsame Zuständigkeit für die Tatbestandsverwirklichung abstellt und somit Beteiligung als kollektive Pflichtverletzung auffaßt, muß dementsprechend den Ursprung der Zusammengehörigkeit der Verhaltensweisen (d. h. der Akzessorietät) hinsichtlich einer bestimmten Tatbestandsverwirklichung in der Bedeutung des mitgestaltenden und des mitgestalteten Verhaltens suchen, die anhand des entsprechenden Kontextes und somit der jeweiligen Pflichten der Akteure zu erschließen ist. Die Semantik des sozialen Kontaktes und kontextuelle Bedingungen werden auf diese Weise zu Elementen für die Beantwortung der Frage, ob die jeweiligen Pflichten der Akteure als verbunden zu verstehen sind, so daß sie in eine gemeinschaftliche Pflicht übergehen oder, gleichbedeutend damit, das Verhalten des einzelnen dadurch in eine – normativ verstandene – akzessorische Beziehung zu den Verhaltensweisen der anderen gebracht wird. 8. Eine nähere Betrachtung der Gemeinsamkeit als gemeinschaftliche Pflichtverletzung bestätigt die Erkenntnis, daß sich Beteiligung auf der Ebene des tatbestandsmäßigen Verhaltens vollzieht, d. h., daß sie eine Frage der Verhaltenszurechnung darstellt. Die Entpsychologisierung der Beteiligung kann daher nur dann einen Gewinn mit sich bringen, wenn sie in Verbindung gebracht wird mit dem Abstellen auf die inhaltliche Bestimmung einer gemeinschaftlichen Pflicht. Nur auf diese Weise ist es möglich, die Bedingungen festzustellen, unter denen die Akteure auch für das Verhalten der anderen und nicht bloß für den tatbestandsmäßigen Erfolg zuständig sind. 9. „Gemeinsamkeit“ stellen diejenigen Verhältnisse dar, denen eine allen Akteuren zurechenbare, kollektive Pflichtverletzung zugrunde liegt. Beteiligung liegt dementsprechend vor, wenn die Pflichten der Akteure ihrem Inhalt nach verflochten sind, so daß die Leistung des einzelnen die Bedeutung einer Einpassung in einen auch von anderen schuldhaft mitgestalteten Vorgang hat, der zur Tatbestandsverwirklichung führt. Diese Bedeutung der Leistung als Gestaltung des tatbestandsverwirklichenden Verhaltens kann nur anhand der gesellschaftlichen Semantik erschlossen werden, die grundsätzlich an der inhaltlichen Beschaffenheit der rechtlichen Pflichten bzw. am normativ strukturierten Kontext abzulesen ist. 10. Da es auf die Feststellung eines normativ strukturierten verbindenden Kontextes ankommt, hängen die Kriterien zur Bestimmung der inhaltlichen Beschaffenheit der Pflichten in ihrer konkreten Ausgestaltung von den unterschiedlichen Konstellationen ab. So ist insbesondere auf folgende Kriterien abzustellen: Tragweite der Befugnisse des Weggebenden zur Gestaltung der Risikolage (bei Überlassung einer Gefahrenquelle); Tragweite der Auswahl- und

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Ersatzpflicht (bei Beauftragung mit der Verwaltung des Risikos im eigenen Organisationsbereich); kontextual bestimmte Verletzung der Aufbewahrungspflicht (bei Umgang mit sicherungspflichtigen Gegenständen) bzw. der Aufsichtspflicht; Zuständigkeit für die Schwächung der Schutzeinrichtungen bzw. Mitgestaltung der den Eingriff rechtfertigenden Lage (bei Rettungspflichten); Zuständigkeit für die spezifischen Risiken der Arbeitsteilung (bei hierarchisch verwirklichter Arbeitsteilung); Zuständigkeit für ein Grundrisiko (bei nichthierarchisch verwirklichter Arbeitsteilung). 11. Die Untersuchung der unterschiedlichen Konstellationen hat auch zur Verdeutlichung einzelner Aspekte des Leitgedankens geführt. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Folgenden: a) Da es sich bei Beteiligung um eine Frage der Bedeutung der Verhaltensweisen für das Strafrechtssystem handelt, dieses aber von den gesellschaftlichen Bedingungen konstitutiv bestimmt ist, sind die Kriterien zur Verknüpfung von Verantwortungsbereichen durch die Verfaßtheit einer konkreten Gesellschaft geprägt. Dies zeigt sich bereits am Begriff des Sonderrisikos. Aber auch das kontextuale Element beim Umgang mit stereotyp gefährlichen Gegenständen (etwa Kraftfahrzeugen), die Grenzen der „groben“ Mißachtung der Rolle bei Anwendung des Vertrauensgrundsatzes, der Begriff „Schaffung eines Verkehrs“, das zweckmäßige Ausmaß der Verpflichtungen, die denjenigen betreffen, der Hilfspersonen bei gefährlichen Tätigkeiten einschaltet (wie etwa hinsichtlich der Verantwortungsaufteilung im Bauwesen gezeigt wurde) usw. weisen auf die jeweiligen gesellschaftlichen Bestandsbedingungen hin. b) Arbeitsteilung bedeutet zwar eine Erweiterung der natürlichen Verläufe, für die der einzelne aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gemeinsamkeit der Beteiligten zuständig ist (verbindende Arbeitsteilung). Aber sie bedeutet auch deren Einschränkung im Bereich dessen, was unter Bedingungen trennender Arbeitsteilung geleistet wird, d. h. wo keine gemeinsame Inanspruchnahme eines Sonderrisikos vorliegt. Die Grenze bestimmt sich hierbei nach der Tragweite der jeweiligen Pflichten der Akteure, welche die Konturen des Vertrauensgrundsatzes bzw. des Regreßverbots in den Fällen von Arbeitsteilung bestimmen. Eine u. U. bestehende Pflicht zum Einsatz von Sonderwissen ist in bezug auf Vorgänge, die unter Bedingungen trennender Arbeitsteilung vonstatten gehen, nicht durch den Tatbestand des entsprechenden Erfolgsdelikts strafbewehrt. Damit ist die systematische Stellung der in der Lehre zunehmend hervorgehobenen entlastenden Auswirkungen der Arbeitsteilung aufgezeigt. 12. Die Analyse des Beteiligungsverhältnisses im Fall der Beihilfe führt zur Bestätigung und zu einer genaueren Konturierung der vorangegangenen Ergebnisse: a) Zunächst folgt aus der Annahme, physische Beihilfe bedürfe keiner Verabredung, daß eine bestimmte individuelle Sinngebung im Sinne der Vermeidbar-

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keitsform oder eines gemeinsamen Tatentschlusses nicht zum Inhalt der Akzessorietät gehört. Die Objektivierung der gegenseitigen Erwartungen vollzieht sich demnach erst durch eine normativ zu beurteilende Verhaltensabstimmung. Eine darüber hinausgehende Willensübereinstimmung im gemeinsamen Tatentschluß oder in einer Art „Unrechtspaktes“ wäre ein zusätzliches Erfordernis, das nicht zu den Voraussetzungen für die akzessorische Verbindung der Verhaltensweisen im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung gehört. b) Damit der Beitrag des Ersthandelnden zur Mitgestaltung der Tat wird, muß dieser Beitrag nicht nur einen deliktischen Sinn im Hinblick auf die auch von anderen schuldhaft mitgestaltete Tatbestandsverwirklichung haben. Er muß auch tatsächlich in den tatbestandsverwirklichenden Prozeß eingegliedert werden, was in der Regel dann geschieht, wenn der Beitrag von den übrigen Beteiligten angenommen wird. Neben diesem, auf der Sinnebene gegenseitigen Beteiligungsverhältnis besteht ein einseitiges Sich-Beteiligen, wenn das die Tatbestandsverwirklichung erheblich gestaltende aber von den anderen Akteuren unvermeidbar verkannte Verhalten als eine Erklärung des Beitragenden gedeutet werden kann, die Ausführung im formellen Sinne sei auch seine Angelegenheit. c) Das Gestaltungserfordernis ist nur eine Folge dessen, daß Beteiligung in einem gemeinschaftlichen Sinnausdruck gegen die Normgeltung besteht. Gestaltung ist also deswegen erforderlich, weil eine nach strafrechtlichen Maßstäben hinreichende Externalisierung des Mangels an Rechtstreue unabdingbare Voraussetzung jeglicher strafrechtlicher Verantwortung ist. Aus diesem Grund handelt es sich immer nur um eine sinnhafte Gestaltung, d. h. um eine Gestaltung, die den Sinn hat, Bestandteil einer kollektiven Pflichtverletzung zu sein. 13. Die Behandlung der Beteiligungsfrage als Problem objektiver Verhaltenszurechnung macht es auch möglich, den Begriff der Ausführung der Tat normativ zu definieren, und zwar im Sinne der Zuständigkeit für die zur Überprüfung der Beteiligungsverhältnisse herangezogene Tatbestandsverwirklichung. Diese Definition führt wiederum dazu, die eigentliche Bedeutung der Ausführung im formellen Sinne hervorzuheben, so daß die versuchte Tat folgerichtig als tauglicher Zurechnungsgegenstand anerkannt werden kann. Durch diese Normativierung des Ausführungsbegriffs wird auch deutlich, daß die Tat, an der die Akteure sich beteiligen, die vermeidbare Pflichtverletzung als Erklärungswert eines Normbruchs ist. Damit ist nicht nur den Weg zur Lösung der Problematik der besonderen Tätermerkmale, die keine institutionelle Pflichtenstellung voraussetzen (etwa den Fragenkomplex der „Ausführung durch einen Qualifikationslosen“) im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB angedeutet, sondern die Bedeutung der Akzessorietät und des Einheitsbeteiligtenbegriffs im hier vorgeschlagenen Sinne genauer umrissen worden. 14. Im Verlauf der Untersuchung wurde gezeigt, daß die Anerkennung einer akzessorischen Verantwortung im Fahrlässigkeitsbereich unabhängig davon be-

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deutsam ist, ob das Gesetz in bestimmten Fällen eine konkrete Vermeidbarkeitsform für die Bestrafung quantitativ geringerer Mitgestaltung der Tatbestandsverwirklichung verlangt. Das zeigt sich etwa an der Problematik des Versuchsbeginns bei mittelbarer Täterschaft kraft Irrtums, die ohne die begriffliche Anerkennung einer akzessorischen Verantwortung im Fahrlässigkeitsbereich nicht auf befriedigende Weise gelöst werden kann. Ähnliches gilt für die Problematik des Versuchsbeginns bei gemeinsamem Handeln überhaupt (und für jede Konstellation, in der die Verselbständigung des Einzelbeitrags durch das Einzeltäter-Paradigma zu unannehmbaren Ergebnissen führt), für die Verantwortung bei Handeln in fremder Organisation (insb. hinsichtlich der Tätermerkmale etwa in § 14 StGB) und für die Fälle, in denen die Verfolgung einer linearen Erfolgskausalität des Einzelbeitrags versagt. Insbesondere kann aber die Straflosigkeit der fahrlässigen Beihilfe und Anstiftung bzw. die mildere Bestrafung fahrlässiger Beihilfe nur dann Bestand haben, wenn ihre Existenz systematisch anerkannt wird anstatt sie in fahrlässige Alleintäterschaft umzudeuten. 15. Wie in der Einleitung ausgeführt stellt die vorliegende Untersuchung einen im Fahrlässigkeitsbereich angesiedelten Versuch dar, die Kohärenz und Leistungsfähigkeit einer normativierenden Beteiligungslehre aufzuzeigen. Sie beschränkt sich verständlicherweise auf einige, hauptsächlich im Zusammenhang mit der Mittäterschaft stehende Problemkomplexe, so daß zahlreiche Fragestellungen offen bleiben. Dazu gehören beispielsweise die Kriterien zur differenzierenden Behandlung der persönlichen Merkmale und die Frage, ob die konkreten Kriterien zur Bestimmung der inhaltlichen Beschaffenheit der Pflichten hinsichtlich der Beteiligungsfrage (über ihre Rückführung auf das Leitprinzip hinaus) noch weiter ausdifferenziert darzustellen sind. Teilweise offen bleibt auch die Frage, ob die Anstiftung Spezifika aufweist, die in die hier vertretene Auffassung der Akzessorietät und mithin in den vorgeschlagenen Einheitsbeteiligtenbegriff aufgenommen werden müßten. Insbesondere bleibt allerdings offen, ob und ggf. inwieweit eine gemeinschaftliche Verantwortung im Bereich der Pflichtdelikte (der Delikte kraft institutioneller Zuständigkeit) begründbar ist, d. h. ob die institutionelle Verantwortung die Berücksichtigung quantitativer Abstufungen zuläßt.

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Sachregister Abstimmungsverhalten 125, 199, 280 Adressat der Norm 43, 88, 314 agent provocateur 53, 92 Akzessorietät 33, 47–48, 56, 79, 101, 114–115, 174, 192, 204, 207–208, 314, 317, 322–323, 328, 333, 342, 354, 361, 368, 371, 373 – der Mittäterschaft 32, 312 Alleintäterschaft 36, 45, 52, 56, 65, 77, 80, 82, 84, 103, 112, 141, 162, 164, 178, 183, 240, 245, 254 Anstiftung 34, 53–54, 57, 62, 160, 210, 312, 363 Äquivalenztheorie 110, 115, 119–120, 127, 131, 149, 199, 330, 333 Arbeitsteilung 15, 21, 55, 94, 101, 151, 153, 220, 222, 238, 246, 291, 297, 372 – trennende 129, 198, 220, 235–236, 240, 291, 297, 372 – verbindende 47, 234, 241, 263, 290, 297, 300, 372 Attentäterbeispiel 317–318, 328 Aufbewahrungspflicht 95, 222, 250, 257, 372 Aufsichtspflichten 221, 372 Ausführung 17, 36, 58, 61, 105, 177, 199, 207, 273, 337, 355, 361, 373 – durch einen Qualifikationslosen 360 Ausführungsstadium 22, 30–31, 33–34, 139, 163 – Mitwirkung im Ausführungsstadium 30–32, 35, 164, 166, 311 außerordentliche Zurechnung 173, 182 Auswahl- und Ersatzpflicht 239–240, 372 Autonomie 162, 165

– Mindest- 199, 301 – notwendige 149 – Umkehrung der Bedingungsverhältnisse 131, 149 Begegnungsdelikte 55 Beherrschbarkeit 70, 78, 91, 154–155, 158 Beihilfe 52, 55, 115, 137, 166, 210, 253, 306–307, 324, 331, 333, 349, 363, 366, 372 – Kausalität der 309, 318, 328–329, 331, 334 – notwendige 63 – ohne Verabredung 307 – psychische 26, 29, 117, 119, 313 – sukzessive 327 – u. Mittäterschaft 30 – versuchte 329, 334, 338–339 – zum Selbstmord 56, 357 – zum Versuch 338, 340–341 Beistandspakt 314, 322 Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung s. Leistung (u. Beitrag) berufsbedingtes Verhalten 76 besondere persönliche Merkmale 80, 242, s. auch Tätermerkmale Beteiligungsform 39, 45–46, 109, 310, 361 Beteiligungsverhältnis 23, 26, 38, 45, 47–48, 59, 96, 104, 109, 176, 183, 188, 206, 221–222, 231, 234, 242, 254, 302, 326–327, 334, 359, 361, 373 Beteiligungsvorschriften 122, 363, 366

Bandenchef 31, 59, 61, 144, 368 Bedingung 131–132, 198–199, 253, 257

causa libera 109 Conditio-Formel s. Äquivalenztheorie

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Sachregister

deliktischer Sinnbezug 59, 67, 70, 74, 198, 204, 249, 261, 323 dolus eventualis 74–76, 184 dolus indirectus 172 Doppelsicherung 241, 246, 291, 296 Eigenhändigkeit 45, 190, 244 Einheitsbeteiligtenbegriff 208, 354, 368 Einheitstäterbegriff 33, 77, 115–116, 118–120, 123–124, 208, 252, 254, 369–370 Einheitstäterlösung im Fahrlässigkeitsbereich 127, 370, 119 Einpassung 57, 201, 204, 206–207, 275, 278, 342, 352, 371 Einschaltung von Hilfspersonen s. Handeln in fremder Organisation einseitige Beteiligung 326, 373 Einzellösung 28, 35, 38–39, 117, 163, 253, 368 Einzeltäter-Paradigma 21, 35, 44, 72, 80, 118, 123, 168, 203, 325, 368 Erfahrungssätze 128, 277 erfolgsqualifiziertes Delikt 191, 370 Erfolgszurechnung 140, 199, 249, 276, 345, 352 erlaubtes Risiko 73, 156, 167, 214, 219, 263, s. auch Sonderrisiko error in persona 53–54 ex-ante Perspektive 334, 343 Exzeß eines Mittäters 25, 47 fahrlässige Beteiligung an vorsätzlicher Tat 69, 152, 251 fahrlässige Mittäterschaft 28, 123, 133– 134, 145, 148, 159, 174, 190, 196, 317, 363 Fahrlässigkeit 58, 71–72, 87, 92, 102, 173–175, 179, 182, 276 Felsbrockenfall 117–118, 127, 148, 169 Finalismus 182 Förderungsformel (RG) 330, 349 Freiheit 172, 214–216, 288, 323–325 funktionelle Tatherrschaft 22–23, 33, 154, 242, 368

Garantenpflicht 52, 71, 73, 126–127, 131, 216, 220, 223, 246, 279 Garantenstellung 51–52, 71, 73, 125, 205, 215–216, 219, 223, 244, 287, 319, 326 Garderobenfall 251, 255 Gefährlichkeit 20, 29, 58, 124, 145, 147–149, 215, 314, 316 gemeinsame Inanspruchnahme eines Sonderrisikos 216, 263–264, 275, 290, 295, 298, 301–302, 304, 372 gemeinsame Organisation 51, 118, 127, 207, 216, 229, 234, 288 gemeinsamer Tatentschluß 22, 24, 26, 28, 36, 39, 138, 140, 150, 179, 186, 191, 311, 316, 363, 373 Gemeinsamkeit 59, 67, 96, 204, 255, 263, 353, 371 – Grenzen der 223, 229, 242, 278, 295, 298 gemeinschaftliche Gefahrbegründung 144, 147, 152, 154, 156, 167, 179, 188, 275, 370 Gesamtlösung 27–28, 39, 41, 51, 163 Gesamtsubjekt 17, 33, 37, 40, 42, 48, 143, 163–164, 208 Gesamttat 36, 38–39, 42, 94, 135, 167, 180, 206, 219 Gesamtunterlassung 132, 149 Gestaltung der Tatbestandsverwirklichung 45, 204, 218, 275, 293, 304, 325–326, 333–334, 343–344, 348–349, 353, 371, 373 – Gestaltung der Risikolage 229, 232, 234, 246, 263, 274, s. auch Gestaltungszuständigkeit bzw. -befugnis – Gestaltungserfordernis 50, 341, 344, 348, 351, 353, 373, 65 Gestaltungszuständigkeit bzw. -befugnis 225, 227–228, 230, 263, 274, 278, 291, 371 Gleichstellung von Tun und Unterlassen 45, 72, 212, 248, 286, 319 Gremienentscheidungen s. Abstimmungsverhalten

Sachregister Haftung 61, 100, 163, 230 – mittäterschaftliche 20, 28 Handeln 70, 104–105, 108, 118, 162, 212 – Allein- 63, 103, 116, 240, 352 – gemeinsames 37, 41, 45, 65, 94, 102– 103, 129, 175, 178, 200, 203, 205, 221, 266, 308, 328, 361 – in fremder Organisation 222, 230– 231, 233, 244, 267 Handeln auf eigene Gefahr 91 Handeln in fremder Organisation 230, 236, 259, 372 Handlung 40, 57, 85–86, 112, 172, 212 – Handlungsbegriff 78, 84 – Handlungseinheit 337, 341 – tatbestandliche 27, 32, 51, 166, 362 Handlungsverantwortung (u. Unterlassung) 211 Haupttat 65, 79, 110, 308, 313, 322, 331, 340 Herrschaft 38, 45, 60, 79, 83, 96, 143, 147, 154, 163, 287–288, 370, s. auch Tatherrschaft als Faktum – aktuelle 29 – potentielle 31 Herrschaftsdelikte 46, 58, 207, 288 Imperativentheorie 88, 182 individuelle Verantwortung 65, 220, 222, 230, 252, 265–266, 291, 299, 322 individuelle Vermeidbarkeit 84, 89–91, 103, 175, 345, s. auch Vermeidbarkeit Individuum 85, 89, 94 Ingerenz 51–53, 125–126, 210, 213, 263, 288 Intensivierungsprinzip 332 Irrtumsherrschaft 80–81, 83 Jägerbeispiel 251, 253, 255 Kausalität 40, 45, 107, 109, 114, 132, 140, 353, s. auch Beihilfe, Kausalität der

395

– alternative 67, 118 – Beteiligung und 123, 198 – hypothetische 285, 302, 309, 332, 343, 345–346 – kumulative 130, 194, 269 – Mehrfachkausalität 131, 146, 159, 199 – Normativierung der 199 – psychische 117–118, 282, 350 – Quasi-(Kausalität) 194 Kenntnisprinzip (u. Verantwortungsprinzip) 81, 92 Kenntnisse 96, 172–173, 236, 240, 290, 294 Kerzenfall 138, 143, 164 Kollegialentscheidungen s. Abstimmungsverhalten Kollektiv s. Gesamtsubjekt kollektive Pflichtverletzung 17, 21, 48, 51, 67, 200, 204, 362, 369, 371 Komplottlehren 118, 317, 322 Kontext 49, 63, 77, 88, 95–96, 198, 212, 222, 250, 274, 290–291, 293– 294, 296–297, 299–301, 325 – normativ strukturiert 204, 255, 371 – verbindend 77, 103–104, 126, 188, 197, 205, 207–208, 248–249, 302, 351, 371 kriminalpolitische Perspektive 20 Lederspray-Entscheidung 130, 159, 169, 216, 268, 278, 285 Leistung, kollektive 42, 52, 58, 61, 65, 162, 354 Leistung (u. Beitrag) 25, 41, 47, 53, 88, 203–204, 234, 242, 283, 289, 300, 326–328, 334, 343, 344, 349, 371 mißbilligtes Verhalten 17, 205, 207, 247, 251, 322–324 Mittäterschaft 15, 22–24, 33, 37, 40, 44, 67, 108, 138, 181, 186, 195, 260, 263, 285, 311 – additive 37, 154 – als wechselseitige Solidarisierung 317

396

Sachregister

– alternative 67, 199, 305 – fahrlässige s. fahrlässige Mittäterschaft – parallele 59 – sukzessive 22, 26–27, 59 – versuchte 65, 351 mittelbare Täterschaft 22, 34, 46, 63, 80–81, 83, 97–98, 108, 114, 282, 357 – kraft Irrtums 80–81, s. auch Irrtumsherrschaft Nebentäterschaft 82, 124, 126, 135, 148, 153, 178, 186, 201, 206, 251–252, 351–352 negative Pflichten 49, 211 neminem laede 211 neutrale Handlungen 76–78, 206 Normentheorie 113, 182–183 Normgeltung 16, 47, 88, 173, 353, 373 Notstand 49, 258, 324 – aggressiver 215, 259 – Notstandsprinzipien 323 Notwehr 215, 258 objektive Zurechnung 16, 21, 70, 72, 80, 90–91, 93, 100–101, 188, 276, 286, 288, 304, 332, 355, 362 Opfer 54–55, 118, 200, 214, 221, 258, 271, 301, 323, 357 – Selbstverantwortung des 55 ordentliche Zurechnung 173, 182 Organisation 49, 85, 118, 128, 164, 203, 219 – Organisationsherrschaft 235 – Organisationskreis 205, 212, 222, 230, 232, 235, 246, 254 Patronenfall 306 Person 85–86, 89–90, 94, 97, 108, 172, 178, 366 Pflichtdelikt 209–210, 356, 358–359 Pflichtenkonkurrenz 263 Pflichtenstellung 127, 158–159, 168, 237, 242–243, 245 – gleichartige 169, 210, 370 positive Pflichten 209, 279

Quantum der Beteiligung 55, 60–61, 63–66, 99, 255, 260, 285, 361, 366 quasiarbeitsteilige Pflichterfüllung 153, 194–195, 223, 231, 268 Radfahrerfall 141, 143, 289 Rechtsgüterschutz 84, 93, 124, 145, 148, 195, 252, 314 Regreßverbot 49, 55, 69–71, 75, 96, 103, 126, 131, 162, 178, 206, 219, 238, 251–252, 372 Reichweite der Pflichten, inhaltliche Bestimmung 211, 233–234, 237, 239, 241, 371–372 restriktiver Täterbegriff s. Täterbegriff Rettungspflichten 213, 259, 263–264, 372 Risiko 197, 233, 247, 285, 296, 343 – der Arbeitsteilung 290–291, 295–297 – Isolierung eines 202 – Mitangelegtsein eines Risikos 152, 155 – Risikoerhöhung 28, 63, 118, 315–316, 329, 332 – Risikoschaffung 76, 94, 121, 322 – Zuständigkeit für dasselbe Risiko 202 Rolle 49, 76, 86, 89–90, 95, 189, 206, 236, 265, 276, 290–291, 293, 333, 372 Rücktritt vom Versuch 59, 254 Schachtfall 265 Schuld 40, 43, 46, 87, 239 Schuldteilnahmetheorie 62 Selbstverantwortung 86, 96, 151, 220, 235, 257, 357 Selbstverletzung 54–55, 200, 299, 357 Semantik des sozialen Kontaktes 16, 56, 61, 95, 157, 193, 207, 212, 224, 239, 248, 371 Sinnausdruck – Beteiligung als gemeinsamer 47, 173, 353, 373 – Delikt als 16, 47, 85, 96, 334, 344

Sachregister

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Solidarisierung mit fremdem Unrecht 312 Solidaritätspflichten 320, 322, 324, 328 Sonderdelikte 58, 114, 356 Sonderrisiko 214, 219, 263–264, 271, 299, 301, s. auch Risiko der Arbeitsteilung und gem. Inanspruchnahme eines Sonderrisikos Sonderwissen 49, 76, 88, 95, 236, 240, 242, 298, 372 Sorgfaltspflicht bzw. Sorgfaltspflichtverletzung 127–128, 142, 146, 153, 158, 168–169, 250, 255 Steuerbarkeit 72, 151–152, 155 Strafgrund der Teilnahme 79, 253, 307– 308, 315, 329 Strafzumessung 45, 61, 64, 67, 93, 99, 109, 189, 261, 366, s. auch Quantum der Beteiligung – Strafzumessungsgründe 355, 361 Streichhölzerfall 168 Subjekt 40, 84–85, 111 subjektive Tatseite 93, 95, 360, 369 subjektive Unrechtsbegründung 63, 72, 179, 235, 369 subjektive Zurechnung 25, 39, 53, 58, 71, 75, 85, 92, 106, 157, 179, 276, 362, 369 sukzessive Beihilfe 327 sukzessive Mittäterschaft 22, 26–27, 59

Tätermerkmale 58, 66, 357, 359 Täterschaft und Teilnahme – qualitative Unterscheidung 166, 183, 312, 369–370 – quantitative Unterscheidung 65, 253, 260, 310, 355 Täterschafts-/Teilnahmesystem 32, 112, 115 Tatgeneigtheit (erkennbare) 73–74, 77 Tatherrschaft 34, 36, 60, 79, 82, 92, 122, 236 – als Faktum 23, 31–32, 34, 38, 45, 288 – funktionelle 22–23, 33, 133, 154, 242, 368 – potentielle 29, 38, 154 Tatherrschaftslehre 35, 37, 60–61, 105, 111, 134, 142, 164, 166, 183, 287, 311, 368 Tätigkeitsanrechnung (Lehre der) 37, 39, 368 Teilnahme 26, 34, 48, 65, 71, 79, 108, 114, 161, 177, 253, 363 – an fahrlässiger Tat 80, 251, 345 – notwendige 55 – Strafgrund der 79, 253, 307–308, 315, 329 – versuchte 49, 329 Teilnehmerdelikt (Lehre des) 48, 253, 338 Teiltat 27, 40–41, 97

tatbestandsmäßiges Verhalten 203–204, 217, 220, 229, 233, 303–304, 328 Tatbestandsverwirklichung als Zurechnungsgegenstand 17, 141, 175, 356, 368–369, 373 Tatentschluß s. gemeinsamer Tatentschluß Täter hinter dem Täter 82 Täterbegriff 45, 78, 108, 354 – extensiver 110, 124 – restriktiver 79, 110, 162, 235, 307, 355 – Tatbestandsbezogenheit des 56, 60

Überbedingtheit des Erfolgs 131, 194, 198, 285, s. auch Mehrfachkausalität Übernahme 194, 213, 223–224, 227, 246, 257, 262–263 Unrechtsbewußtsein 134, 178, 180 Unrechtspakt 373 Unterbrechung des Kausalzusammenhangs 72, 120, 157 Unterlassen 23, 132 – Beteiligung am 211, 217 – Beteiligung durch 52, 217 unterlassene Hilfeleistung 174, 237, 240, 257, 280–281, 320

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Sachregister

Unterlassungsdelikt 210–211 Unterlassungslösung (im Fahrlässigkeitsbereich) 126–127, 139 Urheberschaft 107, 109

Vorsatz 27, 47, 53, 58, 72–73, 76, 87, 102, 134, 173–174, 179, 191, 199– 200, 276, 308, 327, 363, 366 Vorverhalten, rechtswidriges 213, 215

Verantwortungsbereiche 46, 75, 126, 129, 198, 202, 212, 220, 236, 238, 240, 288, 292 Verantwortungsprinzip 23, 81, 83, 93, 236 Verbotsirrtum 86–87 Verhaltensabstimmung 206, 312, 340, 342, 373 Verhaltensnorm 48, 50, 85, 112, 161, 248, 310, 333 – sekundäre Norm 48 Verhaltenszurechnung 26, 42, 48–49, 194, 202–203, 285, 343, 352, 369, 371, 373 Verkehrspflichten 201, 211–213, 218– 220, 224, 229, 232–234, 240–241, 268, 271, 279, 290 verkürzte Arbeitsteilung s. trennende Arbeitsteilung Vermeidbarkeit 47, 85, 87, 89–91, 93– 94, 103–104, 173–175, 345, 362 – reine 173, 182, 189, 361 – Vermeidbarkeitsformen 58, 72, 74, 80–81, 87, 174–176, 183, 187, 189, 285, 328, 360–362, 369, 373 Vermeidepflicht 157, 173 Versuch 27, 41, 51, 56, 61, 65, 104, 117, 204, 210, 340 – untauglicher 88 – Versuchsbeginn 27, 30, 39, 51–52, 93, 108, 163, 253–254, 356, 368 versuchte Beihilfe 338 versuchte Beteiligung 56, 59, 210, 351, 353 Vertrauensgrundsatz 73, 75, 126, 156, 200, 219–223, 237, 240–242, 295, 372 Verursachungstheorie 48 Vorbereitungsstadium 26, 354 Vorhersehbarkeit 69, 71, 77, 119–120, 151, 153, 158, 223, 265

Wachestehen 29, 31, 61, 154, 343, 345, 368 Wahndelikt 88 Werkzeug 81–82 Wettfahrtfall – mit Verletzung eines Dritten 126, 302 – mit Verletzung eines Teilnehmers 54 Wissen 41, 71, 74–75, 86, 174, 276, 293 – überlegenes 71, 79, 81–83, 92 Zentralgestalt des Geschehens 22, 32, 35 zivilrechtliche Zuordnung von Zuständigkeiten 212, 224–226, 231 Zufall 29, 46, 50, 126, 240, 327 Zurechnung – Beziehung objektive/subjektive 106, 172, 286 – Zurechnungsgegenstand 40, 308, s. auch Tatbestandsverwirklichung als Zurechnungsgegenstand – Zurechnungsgrund 199, 319, 334 – Zurechnungskriterien 88, 105, 193, 201, 203, 217, 253, 304 – Zurechnungsregeln 36 Zusammenwirken 21, 24, 35, 126, 131, 144–145, 149–150, 153, 184, 285, 290, 317, 355 Zuständigkeit 34 – gemeinsame 44–45, 50, 67, 95, 97, 101, 125, 129, 133, 189, 204, 231, 234, 263, 275, 285, 301, 325, 328, 354–355, 371 – institutionelle 373 – Organisationszuständigkeit 56, 60, 95, 207, 209, 211, 216–217, 230, 246, 263, 287–288, 305