Beschlagnahme nach Wesen, Arten und Wirkungen: Leipziger juristische Inauguraldissertation [Reprint 2022 ed.] 9783112668702, 9783112668696

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Beschlagnahme nach Wesen, Arten und Wirkungen: Leipziger juristische Inauguraldissertation [Reprint 2022 ed.]
 9783112668702, 9783112668696

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Erstes Hauptstück. Allgemeines
§ 1. Die Beschlagnahme im allgemeinen
§ 2. Die Ausdrucksweise der Gesetze
§ 3. Der Beschlagnahme ähnliche Maßregeln
§ 4. Verstrickbarkeit der einzelnen Gegenstände
§ 5. Umfang der Wirkung eines Beschlagnahmeaktes
§ 6. Der Beschlagnahmeinteressent
§ 7. Form, Beginn und Ende der Verstrickung im allgemeinen
Zweites Hauptstück. Die einzelnen Arten der Beschlagnahme
§ 8. I. Die civilprozessrechtlichen Beschlagnahmen
§ 9. I. Die Beschlagnahme beweglicher Sachen
§ 10. 2. Oie Beschlagnahme von Rechten
§ 11. 3. Die Beschlagnahme von Gegenständen des unbeweglichen Vermögens
§ 12. II. Die Beschlagnahme nach der Konkursordnung
§ 13- III. Die Beschlagnahme im Straf- und Disziplinarverfahren
§ 14. IV. Beschlagnahme in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
§ 15. V. Die Beschlagnahme im Verwaltungszwangsverfahren
§ 16. VI. Die staatsrechtliche und die völkerrechtliche Beschlagnahme
§ 17. Zusammentreffen mehrerer Verstrickungen
Drittes Hauptstück. Die Wirkungen der Beschlagnahme
§ 18. Rechtliche Wirkungen
§ 19. Wirkungen in Ansehung der tatsächlichen Verfügungsmacht
§ 20. Der Besitz an den verstrickten Sachen
§ 21. Schutz des Besitzes gegen Beschlagnahmen

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DIE

BESCHLAGNAHME NACH

W E S E N , A R T E N UND W I R K U N G E N LEIPZIGER JURISTISCHE INAUGURALDISSERTATION VON

DR. JUR. RUDOLF MOTHES

LEIPZIG VERLAG VON VEIT & COMP. 1903

Verlag von V E I T & COMP, in Leipzig.

SYSTEM DES

DEUTSCHEN BÜRGERLICHEN ÜBERGANGSRECHTS. Von

Dr. Friedrich Affolter, a. o. Professor der Rechte an der Universität Heidelberg.

Lex. 8. 1903. geh. 14

Jt.

DIE TRENNUNGSBEFUGNIS DES CIVILRICHTERS NACH

§ 145 DER CIVILPROZ ESSORDNUNG. Von

Dr. Gerhard Hübler. gr. 8.

1902.

gel«. 3 Jt.

DIE HAFTUNG DES VERKÄUFERS WEGEN MANGELS IM RECHTE. Von

Dr. Ernst Rabel, I'rivatdozcut au der Universität Leipzig.

Erster Teil. Geschichtliche Studien über den Haftungserfolg, gr. 8.

geh. 10 Jt.

DER EINFLUSS DES KONKURSES

AUF DIE SCHWEBENDEN PROZESSE DES GEMEINSCHULDNERS. Von

Dr. Walther Voigt. gr. 8.

1903.

geh. 0

Jt.

DIE

BESCHLAGNAHME NACH

W E S E N , ARTEN UND W I R K U N G E N LEIPZIGER JURISTISCHE INAUGURALDISSERTATION VON

DR. JÜR. RUDOLF MOTHES

LEIPZIG VERLAG VON VEIT & COMP. 1903

Druck von M e t z g e r & W i t t i g in Leipzig.

Vorwort. Als ich mich eingehender mit der Zwangsvollstreckung nach der Civilprozeßordnung zu beschäftigen hatte, wurde mein Augenmerk insbesondere auf die Beschlagnahme und ihre bürgerlichrechtlichen, vorzugsweise ihre possessorischen Wirkungen gelenkt. Ich gab der Anregung nach und befaßte mich zunächst mit der Rechtsnatur der Pfändung und Sequestration. Im Verlaufe der Arbeit sah ich aber ein, daß eine richtige Erkenntnis des Wesens der Beschlagnahme nur möglich sei, wenn man alle ihre Arten in den Kreis der Betrachtungen zöge. So bin ich denn auch den im Strafprozesse, in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dem Verwaltungs-, Staats- und Völkerrechte vorkommenden Beschlagnahmen nachgegangen und habe sie auf ihre civilrechtlichen Wirkungen hin untersucht. Ich hoffe, mit dieser Abhandlung wenigstens einen Beitrag zur Erläuterung des § 137 StGB, und des § 858 BGB. geliefert zu haben.

Der Verfasser.

Inhalt. Erstes

Hauptstück.

Allgemeines. § § § § § § §

1. Die Beschlagnahme im allgemeinen 2. Die Ausdrucksweise der Gesetze 3. Der Beschlagnahme ähnliche Maßregeln 4. Die Verstrickbai'keit der einzelnen Gegenstände 5. Umfang der Wirkung eines Besclilagnahmeaktes 6. Der Beschlagnahmeinteressent 7. Form, Beginn und Ende der Verstrickung im allgemeinen .

Seite

.

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Zweites Hauptstück. Die einzelnen Arten der Beschlagnahme. § 8. § 9. § 10. §11. §12. § 13. § 14. § 15. § 16. § 17.

I.

Die civilprozeßrechtlichen Beschlagnahmen 1. Die Beschlagnahme beweglicher Sachen 2. Die Beschlagnahme von Rechten 3. Die Beschlagnahme von Gegenständen des unbeweglichen Vermögens II. Die Beschlagnahme nach der Konkursordnung . . . . III. Die Beschlagnahme im Straf- und Disziplinarverfahren . IV. Die Beschlagnahme in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit V. Die Beschlagnahme im Verwaltungszwangsverfahren . . VI. Die staatsrechtliche und die völkerrechtliche Beschlagnahme Zusammentreffen mehrerer Verstrickungen

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Drittes Hauptstück. Die Wirkungen der Beschlagnahme. §18. §19. § 20. § 21.

Rechtliche Wirkungen Wirkungen in Ansehung der tatsächlichen Verfügungsmacht . Der Besitz an den verstrickten Sachen Schutz des Besitzes gegen Beschlagnahmen

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Erstes Hauptstück.

Allgemeines. § i. Die Beschlagnahme im allgemeinen.

Kraft seines Hoheitsrechtes steht dem Staate die Gewalt über die in seinem Gebiete befindlichen Personen und Gegenstände zu. Diese Gewalt ist im Rechtsstaate aber keine schrankenlose, sondern durch die Gesetze nach Art und Maß umgrenzt. Darüber hinaus sind Eingriffe in die Freiheit der Person und in die Privatrechtssphäre im Rechtsstaate nur insoweit zulässig, als sie von der Rechtsordnung gestattet werden. Und die Rechtsordnung muß dem Staate solche Eingriffe gestatten, wenn er anders befähigt sein soll, seine Aufgaben zu erfüllen. Die Fälle, in denen solche Eingriffe möglich sein müssen, sind überaus zahlreich; in gleicherweise sind die Formen mannigfaltig, unter denen sie stattfinden können. Gewisse eigentümliche Formen des staatlichen Eingriffes in die Privatrechtssphäre faßt man unter dem Ausdrucke Beschlagnahme zusammen. Ein einheitliches Rechtsinstitut der Beschlagnahme gibt es, wie WYSZOMIRSKI in GOLTD. Arch. von 1888 S. 4 zutreffend hervorhebt, im deutschen Rechte nicht. Es gibt nur eine Reihe von einzelnen Arten der Beschlagnahme. Deswegen enthält auch kein Reichs- oder Landesgesetz eine allgemeine Begriffsbestimmung derselben, wie es auch keine allgemeine Umschreibung der Wirkungen der Beschlagnahme als solcher geben kann. Alle Arten der Beschlagnahme weisen aber gewisse gemeinschaftliche Merkmale auf. Sie sind sämtlich Akte der staatlichen Autorität. Sie beruhen alle auf Normen sei es des gesetzten oder des ungesetzten Rechts. (WYSZOMIRSKI a.a.O. S. 4; MOTHES, Beschlagnahme.

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Erstes Hauptstück.

RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 9, S. 121; preußischer Kompetenzgerichtshof in der Deutschen Juristenz. 1902. S. 584). Sie bezwecken, wenn auch in verschiedenem Maße, die Verdrängung der privaten Verfügungsgewalt und stellen eine besondere Herrschaft der öffentlichen Gewalt her (Verein. Strafs. RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 24, S. 50 ff. Bd. 14, S. 286). Der durch sie geschaffene Zustand wird wenigstens, soweit körperliche Sachen in Betracht kommen, durch § 137 StGB, geschützt. § 2. Die Ausdrucksweise der Gesetze.

Da es eben kein einheitliches Rechtsinstitut der Beschlagnahme gibt, so ist auch die Ausdrucksweise der Gesetze keine einheitliche. Schon das Wort „Beschlagnahme" kommt in verschiedener Bedeutung vor. Es bezeichnet: 1) die Amtshandlung, wodurch die besondere Verfügungsgewalt über einen Gegenstand hergestellt wird. Dies ist seine häufigste Verwendung. In diesem Sinne wird es z. B. gebraucht in den §§ 94 Abs. 2, 98. 103 StPO., in den §§ 229 Abs. 2, 234. 235 Abs. 2 MStGO., in der Uberschrift zu dem Bundesgesetze vom 21. Juni 1869 betreffend die Beschlagnahme des Arbeitsund Dienstlohnes, in den §§ 23 ff. des Reichspreßgesetzes vom 7. Mai 1874, in § 14 des Vereinszollgesetzes vom 1. Juli 1869, in den §§17 und 22 des Reichsgesetzes zum Schutze der Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894, in Art. 9 der Pariser Union vom 20. März 1883, in den §§ 143 und 146 des Reichsgesetzes betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten vom 31. März 1873. in den §§ 392. 1121 ff., 1265 BGB., in den §§ 20 ff., 146 ff. des ZwVerstG., in den §§ 14, 15 des Reichsgesetzes zur Bekämpfung der gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878, ferner in § 8 des preußischen Gesetzes betreffend die Verwaltung erledigter katholischer Bistümer vom 20. Mai 1874, in Art. 3 des preußischen Gesetzes vom 21. Mai 1874 wegen Deklaration und Ergänzung des Gesetzes vom 11. Mai 1873 über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. — In § 94 Abs. 2 (vergl. § 109) StPO. und in § 229

Allgemeines.

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Abs. 2 (vergl. § 241) MStGO. wird mit dem Worte Beschlagnahme lediglich die wider den Willen des bisher Verfügungsberechtigten erfolgende Herstellung der staatlichen Herrschaft bezeichnet (vergl. hierüber HEBMANN SEUFFERT in von STENGELS Wörterbuch Bd. 1 S. 177. JOHN, StPO. Bd. I, Erlangen 1 8 8 4 , S. 7 4 4 ff.). In Rechtslehre und Rechtsprechung wird als Beschlagnahme die Amtshandlung bezeichnet ohne Rücksicht darauf, ob der bisher Verfügungsberechtigte mit ihrer Vornahme einverstanden ist oder nicht (vergl. OLSHAUSEN, Bern. 1 zu § 136, Bern. 3 zu § 137 StGB. LÖWE-HELLWEG, Bern. 1 zu § 9 4 StPO. Dr. ADOLF LENZ, Der strafrechtliche Schutz des Pfandrechtes S. 191). 2) die von der zuständigen Behörde ausgehende Anordnung, daß die besondere Verfügungsgewalt herzustellen sei, so z. B. in § 1 0 0 StPO. (vergl. dazu die bei LÖWE-HELL WEG in Bern. 1 zu § 9 4 StPO. mitgeteilte Stelle aus den Motiven). In gleichem Sinne ist das Wort Beschlagnahme auch in § 28 des Preßgesetzes zu verstehen; anderenfalls würde das dort ausgesprochene Verbot der Verbreitung von Druckschriften während der Dauer ihrer Beschlagnahme keinen Sinn haben. Solche Druckschriften, über die die besondere amtliche Verfügungsgewalt hergestellt ist, können nicht verbreitet werden, bevor sie der Verstrickung entzogen sind (§ 137 StGB.). § 28 des Preßgesetzes will aber auch die Verbreitung derjenigen Exemplare der Druckschrift verhindern, worauf die Behörde ihre Hand noch nicht gelegt hat. An manchen Stellen sprechen übrigens die Gesetze von der „Anordnung" oder der „Verfügung" der Beschlagnahme, so z. B. in § 98 StPO., in § 238 MStGO., in den §§ 23. 24 des Preßgesetzes, in § 13 des preußischen Gesetzes betreffend das Verwaltungsstrafverfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze und die sonstigen Vorschriften über indirekte Reichs- und Landesabgaben, sowie die Bestimmungen über die Schlacht- und die Wildpretsteuer vom 26. Juli 1897. In diesen Wendungen ist das Wort Beschlagnahme wieder in demselben Sinne wie zu 1 gemeint. 3) sowohl die behördliche Anordnung als deren Vollziehung. In diesem Sinne können die Uberschriften über den § 94 ff. StPO., den § 229 ff. MStGO. und den § 23 ff. des Preßgesetzes verstanden werden; doch ist die Terminologie dieser Gesetze in 1*

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Erstes Hauptstück.

dieser Beziehung ziemlich unbestimmt (vergl. JOHN, Bd.I S. 744ff.; auch VON SCHWABZE-APPELIUS, Das Reichspreßgesetz, 4. Aufl. S. 239).

4) den durch die Beschlagnahme als Amtshandlung geschaffenen Zustand. In diesem Sinne ist das Wort z. B. in § 272 des preußischen StGB, vom 14. April 1851 verwendet. Die gleiche Bedeutung kommt ihm zu in § 24 des Preßgesetzes, wo von der „Bestätigung der Beschlagnahme" die Rede ist, ferner in § 25 des Preßgesetzes, § 335 StPO. und § 14 des preußischen Gesetzes betreffend das Verwaltungsstrafverfahren u. s. w. vom 26. Juli 1897, die von der „Aufhebung der Beschlagnahme" handeln, schließlich auch in § 23 Abs. 4 des Preßgesetzes, wo von dem „Erlöschen" der Beschlagnahme gesprochen wird. In § 28 Abs. 1 des Preßgesetzes dagegen ist das Wort Beschlagnahme nicht notwendig auf den durch die Amtshandlung hergestellten Zustand zu beziehen; unter der „Dauer der Beschlagnahme" kann dort auch der Zeitraum verstanden werden, während dessen die behördliche Beschlagnahmeverfügung in Kraft steht. Im gleichen Sinne kann es in § 100 Abs. 2 StPO. verstanden werden. Das StGB, bezeichnet in § 137 den durch die Beschlagnahme geschaffenen Zustand als „Verstrickung". Dieser Ausdruck ist auch der dafür in der Wissenschaft, vorzugsweise in der strafrechtlichen Literatur, gebräuchliche (vergl. OLSHAUSEN, Bern. 3 zu § 1 3 7 StGB., LENZ, Der strafrechtliche Schutz des Pfandrechtes S. 2 0 9 , Obertribunal in GOLTD. Arch. 1 8 7 3 S. 2 8 6 , Verein. Strafs. RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 24 S. 52). Für gewisse Arten der Beschlagnahme sind besondere Bezeichnungen teils von der Gesetzgebung, teils von der Rechtswissenschaft eingeführt. „ P f ä n d u n g " bezeichnet die Beschlagnahme zur Sicherung einer Forderung, mag sie nun nach den Vorschriften der CPO. (§ 803) oder den landesrechtlichen Bestimmungen über die Beitreibung von Geldleistungen in Verwaltungssachen (sächsische Gesetze vom 7. März 1879 und vom 18. Juli 1902) erfolgen. „ A n s c h l u ß p f ä n d u n g " ist die erleichterte Form für die Pfändung einer bereits gepfändeten beweglichen Sache (§ 826 CPO., § 45 des sächsischen Gesetzes vom 18. Juli 1902). Der „ A r r e s t " (§ 9 1 6 CPO.), „ A r r e s t -

Allgemeines.

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s c h l a g " (§ 246 der preußischen MStGO. vom 3. April 1845) ist eine Beschlagnahme zur Sicherung einer künftigen Zwangsvollstreckung; „ S u p e r a r r e s t " ist die Arrestierung einer bereits mit Arrest bestrickten Sache. Verwandte Maßregeln sind die „Seq u e s t r a t i o n " (§ 938 Abs. 2 CPO., Art. 19 Abs. 2 der Verf. des norddeutschen Bundes) und die „ O b s e r v a t i o n " (RG. in Strafs. Bd. 1 S. 287). Dem Völkerrechte gehören an das E m b a r g o (§ 629 HGB.) und die P r i s e (Reichsgesetz vom 3. Mai 1884). Diesen besonderen Bezeichnungen gegenüber ist Beschlagnahme der allgemeinere Ausdruck (zu vergl. § 136 StGB., die Uberschrift zu dem Bundesgesetze vom 21. Juni 1869; ferner OLSHAUSEN, Bern. 1 zu § 136, Bern. 3 zu § 137 StGB.) An einzelnen Stellen wird eine Beschlagnahme als „einstweilige" (z. B. im § 6 des Zollkartells zwischen dem Deutschen Reiche und Österreich-Ungarn vom 6. Dezember 1891, in § 108 StPO. und in § 240 MStGO.) oder als „vorläufige" (z. B. in § 25 des Preßgesetzes, § 146 des Reichsbeamtengesetzes, § 138 des Vereinszollgesetzes und in den §§ 9, 10 des Reichsgesetzes betreifend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 1900) bezeichnet und in Gegensatz zu der bestätigten Beschlagnahme gesetzt (zu vergl. noch § 13 Abs. 3 des preußischen Gesetzes betreifend das Verwaltungsstrafverfahren u. s. w. vom 26. Juli 1897). Diese Unterscheidung deutet auf keine Wesensverschiedenheit hin. Auch die vorläufige und die einstweilige Beschlagnahme hat die volle Wirkung einer Verstrickung; nur hat noch eine andere als die beschlagnahmende Behörde darüber zu befinden, ob die Verstrickung fortdauern soll oder nicht. Bis zu dieser Bestätigung besteht nicht etwa ein Schwebezustand, obwohl auch Schwebezustände in Ansehung der Verstrickung denkbar sind und vorkommen können (LÖWE, Bern. 6a zu § 98 StPO., OLG. Dresden, Annalen Bd. 7 S. 309). Die Tätigkeit der Behörde wird bezeichnet mit „in Beschlag nehmen" in den §§ 136.137 StGB., den §§ 107.108.109.334 StPO., den §§ 237 Abs. 2, 240. 241 MStGO., dem § 7 des Sozialistengesetzes, dem § 629 HGB., den §§ 1121 ff. 1197 Abs. 2 BGB., dem § 156 des Vereinszollgesetzes, dem § 32 des Postgesetzes, dem § 13 Abs. 1 des preußischen Gesetzes vom 26. Juli 1897. Die Wendung „mit

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Erstes Hauptstück.

Beschlag belegen" findet sich z. B. in den §§ 93. 140 Abs. 3 StGB., den §§ 325. 326. 332 StPO., den §§ 360 ff. MStGO., dem § 1 des Lohnbeschlagnahmegesetzes, dem § 14 des Vereinszollgesetzes, dem § 13 Abs. 2 des preußischen Gesetzes vom 26. Juli 1897. In den §§ 9 und 10 des Reichsgesetzes betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 1900 kommt das Zeitwort „beschlagnehmen" vor. Alle drei Ausdrücke sind gleichbedeutend; dies erhellt schon daraus, daß sie — insbesondere die beiden ersten — bisweilen abwechselnd in einem und demselben Gesetze erscheinen. Außerdem kommen andere Ausdrücke vor, die zwar nicht so deutlich sind, aber nach der Art ihrer Verwendung keinen Zweifel darüber bestehen lassen, daß sie dasselbe besagen wollen. So schreibt' § 94 Abs. 1 StPO. und § 229 Abs. 1 MStGO. vor, daß Einziehungs- und Überführungsstücke „in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicher zu stellen" seien. Die demgemäß vorgenommene Verwahrung und Sicherstellung bringt nicht nur die Einziehungsstücke, wie J O H N in HOLTZENDORFFS Handbuch Bd. III S. 191 meint, sondern auch, wie die herrschende Meinung mit Recht annimmt, die bloßen Uberführungsstücke in den Zustand der Verstrickung. Eine ähnliche Ausdrucksweise findet sich übrigens auch in § 6 Abs. 2 des preußischen Gesetzes vom 20. Mai 1874 über die Verwaltung erledigter katholischer Bistümer, wo vorgeschrieben ist, daß der vom Minister der geistlichen Angelegenheiten ernannte Kommissarius das Vermögen des erledigten katholischen Bischofsstuhles „in Verwahrung und Verwaltung" nehmen solle. In § 8 desselben Gesetzes wird diese Maßnahme ausdrücklich als Beschlagnahme bezeichnet. Ganz entsprechend ist § 4 des preußischen Gesetzes vom 31. Mai 1875 betreffend die geistlichen Orden und ordensähnlichen Kongregationen der katholischen Kirche gefaßt; auch hier ist nicht zu zweifeln, daß die Maßregel eine Beschlagnahme bedeute (zu vergl. Obertribunal in GOLDT. Arch. von 1876 S. 561). Das gleiche gilt von den Kassen der sozialdemokratischen Vereine, die nach § 4 Ziffer 6 des Reichsgesetzes vom 21. Oktober 1878 „in Verwahrung und Verwaltung zu nehmen" waren. § 165 des Reichsgesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung knüpft an die Vollziehung der vom Vollstreckungsgerichte

Allgemeines.

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angeordneten „Bewachung und Verwahrung" des zu versteigernden Schiffes die Wirkungen der Beschlagnahme. Auch die vorrätigen Nachbildungen und die zur widerrechtlichen Vervielfältigung bestimmten Vorrichtungen, die nach § 14 des Keichsgesetzes vom 11. Januar 1876 betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen nach der Wahl des Eigentümers nicht ihrer gefährdenden Form entkleidet, sondern bis zum Ablaufe der Schutzfrist „amtlich aufbewahrt" werden, müssen als verstrickt angesehen werden. Das gleiche gilt von den Gegenständen des Nießbrauches oder der Nacherbschaft, deren „Verwaltung" vom Gerichte nach den §§ 1052. 2128 BGB. angeordnet worden ist (zu vergl. auch § 41 des sächsischen Gesetzes über Familienanwartschaften vom 7. Juli 1900). Für die Vollziehung einzelner Beschlagnahmeformen finden sich besondere Zeitworte, so: pfänden, sequestrieren, arrestieren, observieren. Vielfach bedienen sich die Gesetze auch ganz neutraler Ausdrücke, so daß es erst einer genaueren Untersuchungen bedarf, ob damit eine Beschlag nähme gemeint sei. Daß eine solche vorliege, dürfte kaum zweifelhaft sein, im Falle des § 14 des Vereinszollgesetzes, wonach die Zollbehörde Zollgüter „zurückbehalten" kann (vergl. BONNENBERG , Das Strafverfahren in Zoll- und Steuersachen, Berlin 1894, S. 37 Anm. 3), und im Falle des § 32 des Postgesetzes, wonach die Postbehörden und Postbeamten bei Entdeckung einer Defraudation die dabei vorgefundenen Sachen „zurückzuhalten" befugt sind (vergl. STENGLEIN, Nebengesetze, _ 3. Auflage S. 299); denn an beiden Gesetzesstellen wird die Zurückbehaltung neben die Beschlagnahme als eine demselben Zwecke dienende Maßregel hingestellt. Erheblichere Zweifel können aber bestehen, ob die nach § 27 des Vereinszollgesetzes „unter amtlichen Gewahrsam oder amtliche Bewachung genommenen" Gegenstände als verstrickt anzusehen seien. Minder zweifelhaft ist dagegen, daß die Hunde, die der Kawiller bei seinen Umgängen nach dem sächsischen Mandate wegen Einschränkung des Hundehaltens u. s. w. vom 2. April 1796 und nach § 20 der sächsischen Verordnung vom 30. Oktober 1900 zur Ausführung des Reichsgesetzes vom 23. Juni 1880 und 1. Mai 1894 die Abwehr und Unterdrückung

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Erstes Hauptstück.

der Viehseuchen betr. „einfängt", beschlagnahmt sind. (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 22 S. 364). Ob aber die Nahrungsmittelproben beschlagnahmt werden, die nach § 2 des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879, nach § 8 des Reichsgesetzes vom 15. Juni 1897 betr. den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln und nach § 10 des Reichsgesetzes vom 24. Mai 1901 betr. den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und wein ähnlichen Getränken die Beamten der Polizei „entnehmen", darüber können wieder Bedenken obwalten. §3. Der Beschlagnahme ähnliche Maßregeln.

Wie schon oben hervorgehoben worden ist, umfaßt die Bezeichnung Beschlagnahme nur eine Gruppe von Fällen, in denen dem Staate ein Eingriff in die Privatrechtssphäre zusteht. Und nicht jeder Eingriff in die Privatrechtssphäre ist eine Beschlagnahme. Insbesondere ist dies nicht die E n t e i g n u n g ; denn sie bringt die zu enteignende Sache nicht in den Zustand der Verstrickung. Auch die E n t m ü n d i g u n g enthält keine Beschlagnahme; das Vermögen des Entmündigten ist nicht verstrickt (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 14 S. 288; zu vergl. auch G o l t d . Arch. von 1873 S. 442). Zu unterscheiden von der Beschlagnahme ist auch der a m t l i c h e V e r s c h l u ß . Er kann ein Mittel der Beschlagnahme sein (§ 136 StGB.), aber nicht jede amtlich verschlossene Sache ist verstrickt. So liegt keine Beschlagnahme vor, wenn die zuständige Verwaltungsbehörde nach § 15 Abs. 2 GewO. die Fortsetzung eines genehmigungspflichtigen, aber nicht genehmigten Gewerbebetriebes dadurch verhindert, daß sie die Betriebsräume und Betriebsgegenstände verschließt (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 22 S. 5). Verstrickt ist auch nicht der Teil der Probe, den der Polizeibeamte nach § 2 Abs. 2 des Nahrungsmittelgesetzes dem Besitzer auf Verlangen unter amtlichem Verschlusse zurückläßt; das Gegenteil läßt sich auch nicht daraus entnehmen, daß der Besitzer nicht befugt ist, den amtlichen Verschluß eigenmächtig zu beseitigen (Stenglein, Nebengesetze, 3. Auflage S. 341). Jene Bestimmung gewährt dem Besitzer nur

Allgemeines.

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die Möglichkeit, sich ein Identitätsbeweismittel zu sichern, weiteren Zwecken soll der beim Besitzer zurückgelassene Probeteil nicht dienen, insbesondere keinen besonderen Staatszwecken. Auch der amtliche Verschluß nach den §§ 43. 64. 94. 111 Abs. 2, 151 des Vereinszollgesetzes, nach den §§ 9. 15 des Salzabgabengesetzes vom 12. Oktober 1867, nach § 64 des Branntweinsteuergesetzes vom 8. Juli 1868, nach § 5 Abs. 2 des Branntweinsteuergesetzes vom 24. Juni 1887, nach § 11 Abs. 2 des Brausteuergesetzes vom 31. Mai 1872 und nach § 27 des Zuckersteuergesetzes vom 31. Mai 1891 ist an sich keine Beschlagnahmemaßregel, ebensowenig die Aufbewahrung von Zollgütern in öffentlichen Niederlagen ( § 9 7 des Vereinszollgesetzes) oder in Privatlägern. Der Verschluß ist hier eine Maßregel der vorbeugenden Rechtspflege. Eine Unterwerfung der verschlossenen Sachen unter die besondere Verfügungsgewalt des Staates ist nicht beabsichtigt. Es steht dem Berechtigten frei, unter Beobachtung gewisser Vorschriften über die verschlossenen Sachen tatsächlich und rechtlich zu verfügen. In manchen Fällen schränkt der Staat durch ein bloßes Verbot die tatsächliche Verfügungsmacht des Berechtigten über seine Sachen ein. Aber auch hier liegt vielfach keine Beschlagnahme vor. Wenn z. B. nach den §§ 12 Abs. 2, 17 Abs. 2, 19 ff., 66 des Eeichsgesetzes betr. die Abwehr und Unterdrückung der Viehseuchen vom 23. Juni 1880 die Einsperrung seucheverdächtiger Tiere angeordnet, ihr Weidegang und ihre Benutzung in gewissen Beziehungen verboten wird, so liegt darin noch keine Beschlagnahme. Der Staat will hier zwar den Besitzer in seiner tatsächlichen Gewalt beschränken; er will aber nicht die eigene Gewalt an die Stelle von der des Besitzers setzen. Von Bedeutung ist insbesondere, daß es dem Besitzer unverboten bleibt, die verseuchten oder seucheverdächtigen Tiere zu töten. Allerdings kann die Polizeibehörde auch eine Beschlagnahme von Tieren und Kadavern vornehmen; aber ihr Beschlagnahmewille bedarf besonderer Erklärung, in der Anordnung der bloßen Einsperrung u. s.w. ist er nicht zu finden (vergl. WYSZOMIBSKI a. a. 0. S. 5 Anm. 10). Ähnlich ist die Sachlage, wenn die Gesundheitspolizei nach dem ßeichsgesetze vom 30. Juni 1900 betr. die Bekämpfung gemein-

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Erstes Hauptstück.

gefährlicher Krankheiten eine Desinfektion von Sachen anordnet, und nunmehr der Besitzer nach § 44 Ziffer 1 jenes Gesetzes in Strafe verfällt, wenn er die zu desinfizierenden Sachen in Gebrauch nimmt, an andere überläßt oder sonst in Verkehr bringt. Die polizeiliche Desinfektionsanordnung hat hier auch eine Beschränkung der Verfügungsmacht des Berechtigten zur Folge, aber es bewendet bei dieser. Der Staat setzt auch hier seine eigene Herrschaft nicht an die Stelle der von ihm verdrängten Verfügungsmacht des Besitzers. Auch hier verbietet keine Rechtsnorm dem Berechtigten, die Sachen an Stelle der Desinfektion der Vernichtung preiszugeben. Eine gewisse Verwandtschaft mit dem eben behandelten zeigt der Fall des § 28 des Preßgesetzes, der die Verbreitung einer Druckschrift während der Dauer ihrer Beschlagnahme verbietet. Die Beschlagnahmeanordnung ist hier in Ansehung der nicht verstrickten Exemplare als Verbreitungsverbot wirksam. Der Besitzer darf auf die Exemplare der von der Beschlagnahme betroffenen Druckschrift beliebig einwirken, nur verbreiten darf er sie nicht. Weiter ist von der Beschlagnahme die a m t l i c h e A u f b e w a h r u n g (§ 133 StGB.) zu unterscheiden. Es kann sich zwar eine beschlagnahmte Sache im amtlichen Gewahrsame befinden, aber notwendig ist das nicht. Andererseits ist nicht jede amtlich aufbewahrte Sache verstrickt. Verstrickt sind insbesondere nicht die zum Dienstgebrauche bestimmten Gegenstände, die bei einer Hinterlegungsstelle verwahrten Wertpapiere und Kostbarkeiten, die an die Polizeibehörde abgelieferten Fundsachen (§ 967 BGB.), die nach der Strandungsordnung an das Strandamt oder den Zollbeamten abgelieferten geborgenen Güter oder die nach dem Musterschutzgesetze vom 1.1. Januar 1876 beim Registergerichte niedergelegten Muster und Modelle. Beschlagnahmt sind auch nicht die Testamente und Erb vertrage, die zu der besonderen amtlichen Verwahrung gebracht worden sind (§§ 2246, 2277 BGB.). In allen diesen Fällen übt die Behörde den Gewahrsam in fremdem Interesse aus; sie betätigt nicht den Besitzwillen der öffentlichen Gewalt und will die Einwirkung des Berechtigten nicht von der Sache ausschließen. Aber selbst, wenn im Staatsinteresse für Staatszwecke Besitz ergriffen wird, liegt nicht not-

Allgemeines.

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wendig eine Beschlagnahme vor, ja man wird bisweilen nicht einmal von einem amtlichen Gewahrsame im Sinne des § 133 StGB, reden können. Das ist z. B. der Fall, wenn Quartierleistung für die bewaffnete Macht verlangt wird. Die Truppen nehmen dabei Räume und Geräte in Besitz, aber eine Verstrickung wird dadurch nicht bewirkt. Auch wenn ein Beamter für den Fiskus eine Privatpfändung (Art. 89 EG. zum BGB. §§ 488 ff. des sächsischen BGB.) vornimmt, beschlagnahmt er die gepfändete Sache nicht. Er vertritt den Staat als Rechtssubjekt des Privatrechts; er handelt nicht in Ausübung der obrigkeitlichen Gewalt. Durch die Schüttung schafft der Staat keinen anderen Rechtszustand, als jeder Untertan dadurch begründen würde (vergl. Obertribunal in GOLTD. Arch. von 1878 S. 511). Auch nicht jedes Y e r ä u ß e r u n g s v e r b o t hat eine Beschlagnahme zur Folge. Bei den von Gerichten in Kraft einstweiliger Verfügungen erlassenen Veräußerungsverboten ist es sogar Regel, daß sie keine Verstrickung der Gegenstände bewirken, worauf sie gelegt werden. (Entsch. d. RG. in Strafs. 20 S. 244, a. M. OLG. Königsberg in GOLTD. Arch. von 1891 S. 71; zu vergl. RG.-Rechtspr. Bd. 1 S. 81); ihre Bedeutung erschöpft sich in den Wirkungen, die ihnen § 136 BGB. (§§ 888 Abs. 2,892 BGB., §§ 938.941 CPO.) beilegt. Auch an das nach § 106 KO. erlassene bloße Veräußerungsverbot knüpfen sich noch nicht die Wirkungen einer Beschlagnahme. (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 20 S. 244), ebensowenig an das österreichische Verbot auf fahrende Güter (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 24 S. 10). Gewisse Arten gerichtlicher Verfügungsverbote sind freilich regelmäßig von einer Beschlagnahme begleitet, so dasjenige, das nach § 829 (§§ 846. 857) CPO. bei der Pfändung von Forderungen und anderen Vermögensrechten an den Schuldner erlassen wird. In gewissen Fällen sind nun, wie auch § 136 BGB. vorsieht, auch Verwaltungsbehörden zum Erlasse von Veräußerungsverboten zuständig. Aber auch von ihren Veräußerungsverboten ist zu sagen, daß sie nicht allgemein eine Beschlagnahme zur Folge haben. Nach positiver Vorschrift sind allerdings an das Verfügungsverbot nach § 14 des Vereinszollgesetzes die Wirkungen einer Verstrickung geknüpft. Auch polizeiliche Veräußerungsverbote werden häufig zu einer Verstrickung führen, doch ist

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Erstes Hauptstück.

im einzelnen Falle zu untersuchen, ob eine solche beabsichtigt ist. Wie schon im Eingange betont wurde, sind alle Arten der Beschlagnahme Akte der staatlichen Autorität. Sie müssen von ihr ausgehen und in ihrem Namen vorgenommen werden. Regelmäßig sind es Staatsbeamte, die sie verfügen und vollziehen. Es kann aber auch geschehen, daß ein Nichtbeamter, wie z. B. der Zwangsverwalter, der Sequester oder ein nicht öffentlich angestellter, aber mit speziellem Auftrage versehener Kawiller eine behördlich angeordnete Beschlagnahme vollstreckt. Weil sie nicht vom Staate ausgeht, ist die Besitznahme von Effekten der Schiffsleute durch den Schiffer nach § 78 der Seemannsordnung keine Beschlagnahme. Dem Schiffer ist Disziplinargewalt beigelegt wie den Eltern, Lehrherren und Lehrern; in ihrer Ausübung handelt er nicht als Obrigkeit (BINDING, Der Rechtszwang nach Wesen, Arten und Grenzen im Anhang zu den Normen Bd. I S. 503). Auch in anderen Fällen, wo das Gesetz einen eigenmächtigen Eingriff in eine fremde Rechtssphäre gestattet (§§ 229. 561. 859. 1373. 2205 BGB.), liegt keine Beschlagnahme vor. Schließlich ist hier noch kurz der Unterschied zwischen E i n z i e h u n g (Konfiskation) und Beschlagnahme zu berühren. Die Einziehung ist Entziehung von Vermögensgegenständen, sie ist teils Nebenstrafe am Vermögen, teils präventivpolizeiliche Maßregel (so BINDING, Grundriß, Teil I §§ 97. 97a). Die Beschlagnahme ist lediglich ein Mittel, ihre Durchführung zu sichern. Sie ist von Bedeutung insbesondere in den Fällen, wo die Einziehung nur verhängt werden kann, wenn die Einziehungsstücke dem Täter einer strafbaren Handlung oder dem Teilnehmer gehören. Sie verhindert dann, daß der Schuldige sich der einzuziehenden Sache entäußere und die Einziehung dadurch vereitele. Nach der . herrschenden Meinung erwirbt der Fiskus im Zeitpunkte der Rechtskraft des Einziehungserkenntnisses ohne Vornahme einer weiteren Erwerbshandlung das Eigentum an dem Einziehungsstück (OLSHAUSEN, Bern. 4 zu § 4 0 StGB., zu vergl. aber auch Bern. 15 daselbst, wo der Zeitpunkt der Urteilsfällung für maßgebend erachtet wird). Nur vereinzelt ist der Eigentumserwerb in den Zeitpunkt der Beschlagnahme gelegt, wie in § 156 des

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Vereinszollgesetzes (für das preußische Landrecht ist zu vergl. RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 21 S. 54). Daraus ist aber nicht zu folgern, daß Beschlagnahme und Einziehung identisch seien; auch hier ist die Beschlagnahme nur ein Mittel, zwar nicht zur Sicherung, wohl aber zur Bewirkung der Einziehung. Im übrigen ist auf das Verhältnis der Beschlagnahme zur Einziehung weiter unten näher einzugehen. § 4. Verstrickbarkeit der einzelnen Gegenstände.

Da die Beschlagnahme eine Amtshandlung, eine Betätigung des Besitzwillens der öffentlichen Gewalt ist, so ergibt sich von selbst, daß der Staat nur solche Gegenstände mit Beschlag belegen kann, die sich in seinem Gewaltbereiche befinden. Dieser Gewaltbereich beschränkt sich regelrecht auf das durch die Staatsgrenzen umschlossene Staatsgebiet. Die See gehört nur in Kanonenschußweite von der Küste zum Staatsgewaltbereiche. Den Ubergriff eines fremden Staates in sein Gebiet braucht kein Staat zu dulden; den Amtshandlungen, die einen solchen Übergriff darstellen, wird er die Anerkennung versagen, selbst wenn er in dem freundschaftlichsten Verhältnisse zu dem fremden Staate steht. Deshalb können die österreichischen Grenzbeamten in Deutschland keine gültige Beschlagnahme vornehmen, wenn sie auch nach dem Zollkartell vom 6. Dezember 1891 bei der Verfolgung der nach den Zollgesetzen strafbaren Handlungen die Grenze überschreiten dürfen und Unterstützung durch die deutschen Behörden beanspruchen können (BONNENBERG a. a. 0. S. 471 Anm. 1). Von selbst versteht sich, daß sich insbesondere während eines Krieges der Gewaltbereich eines Staates über seine Grenzen ausdehnen kann. Ob sich eine Sache im Gewaltbereiche eines Staates befindet, das ist bei körperlichen Gegenständen nach dem Orte zu entscheiden, wo sie sich befinden. Bei Forderungen wird man den Erfüllungsort für in erster Linie maßgebend halten müssen. Doch können auch im Auslande zahlbare Forderungen im Inlande wirksam gepfändet werden (vergl. PETERSEN-ANGEK, Bern. 1 zu § 828, Bern. 2 zu § 829 CPO.).

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Erstes Hauptstück.

Verstrickbar sind grundsätzlich alle Arten von Gegenständen. Notwendig ist freilich, daß die Gegenstände schon vorhanden sind. Eine res futura kann nicht verstrickt werden. Eine andere Frage ist, ob eine zukünftige Forderung gepfändet werden kann (HEITER in der deutschen Juristenz. 1903, S. 28). Es ist aber gleichgültig, ob die zu verstrickenden Gegenstände fähig sind, Rechtsobjekt zu sein oder nicht, wie Leichen und Leichenteile (OLSHAUSEN, Bern. 7 zu § 242 StGB.) oder wie die Stockflinten und Perkussionsstöcke nach einem seiner Geltung nach freilich bestrittenen Satze des sächsischen Rechtes (SCHMIDT, Vorlesungen Bd. 1 S. 87, 88). Gleichgültig ist auch, ob sie von Privaten besessen werden dürfen oder nicht, so wie z. B. die Sprengstoffe nach dem Reichsgesetze vom 9. Juni 1884 oder die Kanonen nach der sächsischen Verordnung vom 28. Juli 1856. Unerheblich für die Zulässigkeit einer Beschlagnahme ist auch die Verkehrsfähigkeit, die nach BGB. im Gegensatze zu den §§ 58. 288 des sächsischen BGB. von der Fähigkeit, Rechtsobjekt zu sein, verschieden ist. Es können sonach Sachen beschlagnahmt werden, deren Verkauf und Feilbietung (Inhaberpapiere mit Prämien nach den §§ 2. 3 des Reichsgesetzes vom 8. Juni 1871, ungeprüfte Handfeuerwaffen nach dem Reichsgesetze vom 19. Mai 1891 zu vergl. auch § 11 des Reichsgesetzes vom 15. Juni 1897 betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln, Art. 13 des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873), Verkauf (Dienstbücher nach § 110 der sächsischen Gesindeordnung), Ausgabe (Banknoten und unverzinsliche Inhaberpapiere nach § 55 des Bankgesetzes) oder Ausstellung (Inhaberpapiere nach § 145 a StGB.) oder Anfertigung (Reichsgesetz vom 26. Mai 1885 betreffend den Schutz des zur Anfertigung von Reichskassenscheinen verwendeten Papieres gegen unbefugte Nachahmungen) u. s. w. verboten ist. Gerade gewissen Beschlagnahmearten sind diese Sachen sogar vorzugsweise ausgesetzt, während sie mit anderen allerdings zu verschonen sind, wie z. B. mit der zivilprozessualen Pfändung (PETERSEN-ANGER, Bern. 16d zu § 811 CPO., sächsisches JMB1. 1899 S. 133). Gleichgültig ist im allgemeinen auch, ob die zu verstrickende Sache überhaupt in jemandes Eigentum oder Besitz steht (§ 157

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des Vereinszollgesetzes). Ohne Bedeutung für die Zulässigkeit einer Beschlagnahme ist ferner, wem das mit Beschlag zu belegende Recht zusteht oder die zu verstrickende Sache gehört. Es ist sogar möglich, daß der Staat eine fiskalische Sache oder ein Recht des Fiskus z. B. im Wege der Zwangsvollstreckung nach der CPO. mit einer Pfändung bestrickt (zu vergl. allerdings § 1 5 EG. zur CPO.). Ähnlich ist die Rechtslage, wenn die Zollbehörde eine von ihr beschlagnahmte und damit nach § 156 des Vereinszollgesetzes in das Eigentum des Landesfiskus übergegangene Sache bis zur Entscheidung über die Konfiskation in Verstrickung hält (vergl. RG.-Entsch. in Strafs., Bd. 14 S. 112, andererseits Rechtspr. Bd. 3 S. 174). Der letzte Fall der Verstrickung stellt sich bei näherer Betrachtung gar nicht so sonderbar dar, wie er auf den ersten Blick scheinen mag. Bis zur Rechtskraft des Einziehungserkenntnisses ist zweifelhaft, ob der Fiskus durch die Beschlagnahme Eigentum erworben hat. Wenn man nun auch Bedenken tragen sollte, mit dem Reichsgerichte anzunehmen, daß der fiskalische Eigentumserwerb durch die Beschlagnahme ein auflösend bedingter sei, so ist doch so viel richtig, daß sich später herausstellen kann, daß die Beschlagnahme der Zollgüter zu Unrecht erfolgt war, insbesondere, daß sie nicht der Konfiskation unterlagen. Sobald sich dies aber herausstellt, besteht kein Zweifel mehr darüber, daß die Beschlagnahme kein Eigentum für den Fiskus, auch kein auflösend bedingtes begründet hat. Denn nach § 156 des Vereinszollgesetzes erwirbt der Fiskus eben nur an Gegenständen, die der Konfiskation unterliegen, Eigentum; wenn in Ansehung einer beschlagnahmten Sache später festgestellt wird, daß sie nicht der Konfiskation unterliegt, so muß man den Eigeiftumserwerb des Fiskus ex tunc in Abrede stellen, man darf nicht einen Wegfall des Eigentums in Folge des Eintritts der auflösenden Bedingung annehmen. Das Ergebnis des Reichsgerichtes erweist sich unanwendbar, wenn ein rechtskräftiges Einziehungserkenntnis bereits vorliegt, ehe zur Beschlagnahme geschritten wird. Ergreift hier der Vollstreckungsbeamte falsche Sachen, nicht gerade die, die der Konfiskation unterliegen, so wird auch kein Eigentum für den Fiskus erworben, insbesondere kein auflösend bedingtes. Denn die auflösende Be-

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Erstes H a u p t s t ü c k .

dingung des Reichsgerichtes — die Rechtskraft des Einziehungserkenntnisses — ist schon eingetreten, ehe der angeblich bedingte Erwerbsakt stattgefunden hat. Im Ergebnisse ist aber dem Reichsgerichte beizustimmen. Auch in den Fällen, wo der Fiskus das Eigentum mit der Beschlagnahme erwirbt, ist eine Fortdauer der Verstrickung und zwar in der Regel mindestens bis zur Rechtskraft des Einziehungserkenntnisses anzunehmen. Der Grund der Fortdauer ist aber nicht die Möglichkeit des Eintritts einer auflösenden Bedingung, sondern der Umstand, daß der Sachverhalt nicht zweifellos feststeht; erst wenn die bestehende, tatsächliche Ungewißheit behoben ist, kann die Verstrickung aufhören. Ähnlich wie bei der Zollkonterbande liegt die Sache bei der Kriegskonterbande ; auch hier ist anzunehmen, daß der Staat mit der Beschlagnahme Eigentum erwirbt. Ob aber zu Recht beschlagnahmt worden ist, darüber hat das Prisengericht zu entscheiden. Bis zu seiner Entscheidung hat daher die Verstrickung fortzudauern. Keiner besonderen Hervorhebung bedarf, daß auch eine Sache, deren bloßer Besitzer der Fiskus ist, oder eine solche, die sich im amtlichem Gewahrsame befindet, beschlagnahmt werden kann. Unverstrickbar sind während des Friedenszustandes nur die Sachen fremder Staaten und ihrer Herrscher (vergl. D E O O P in GKUCHOTS Beiträgen Bd. 2 6 S. 2 8 9 ff'., S E U F F E B T S Arch. Bd. 5 0 Nr. 49). Von den Untertanen fremder Staaten geniessen nur die Exterritorialen diesen Vorzug ( H E F F T E B - G E F F C K E N , Völkerrecht, 8. Aufl. S. 103). Uber die Konsulatsarchive bestehen zwischen manchen Staaten besondere Vereinbarungen (vergl. H O L T Z E N D O K F F in seinem Handbuch des Strafprozeßrechtes Bd. 1 S. 317). Inwieweit im einzelnen Falle sonst Gegenstände einzelner Personen gewissen Beschlagnahmearten entzogen sind, und inwieweit aus Rücksicht auf gewisse Personen für die Verstrickung ihrer Vermögensgegenstände besondere Formen vorgeschrieben sind, davon ist bei der Betrachtung der einzelnen Beschlagnahmeformen zu handeln. Verstrickbar sind weiter sowohl körperliche als unkörperliche Gegenstände. Die Beschlagnahme kann verhängt werden über absolute Rechte wie Patentrechte (Patentgesetz § 6, RG.-

Allgemeines.

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Entsch. in Civils. Bd. 52 S. 230), Urheberrechte (§ 10 des Reichsgesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst vom 19. Juni 1901) und Miteigentumsbruchteile (§§ 857. 864 Abs. 2 CPO.), oder über relative Rechte (§§ 828 ff. CPO.). Körperliche Gegenstände können verstrickt werden, mögen sie nun zu den beweglichen oder unbeweglichen Sachen gehören. Gleich wie Grundstücke, so sind auch liegenschaftliche Gerechtigkeiten, wie das Erbbaurecht (§ 1017 BGB.) oder die Bergbauund Abbaurechte (Art. 67. 68 EG. zum BGB.) fähig, Gegenstand einer Beschlagnahme zu sein. Auch die Bestandteile, Zubehörungen und Erzeugnisse können verstrickt werden. Gleichgültig ist auch, ob eine Sache vertretbar oder verbrauchbar ist; verderbliche Sachen können eine besondere Behandlung erheischen (§§ 930. 816 Abs. 1 CPO., § 15 des preußischen Gesetzes betreffend das Verwaltungsstrafverfahren u. s. w. vom 26. Juli 1897). Uber die Ausnahmen, die in Ansehung gewisser Gegenstände bei einzelnen Arten der Beschlagnahme bestehen, ist weiter unten zu handeln. § 5. Umfang der Wirkung eines Beschlagnahmeaktes.

Die Zahl der Gegenstände, die durch einen Beschlagnahmeakt verstrickt werden, ist bei den einzelnen Beschlagnahmearten verschieden. Die Beschlagnahme kann einen einzelnen bestimmten Gegenstand treffen. Dies ist z. B. der Fall bei der Pfändung nach der CPO. und den Landesgesetzen über die Vollstreckung von Geldleistungen in Verwaltungssachen, bei der Beschlagnahme von Einziehungs- und Uberführungsstücken, von Gegenständen der Defraude und Konterbande. Es kann aber durch die Beschlagnahme ein ganzer Komplex von Gegenständen, eine Vermögensmasse verstrickt werden. Das geschieht z. B. im Zwangsversteigerungs- und im Zwangsverwaltungsverfahren; denn hier wird nicht nur das Grundstück oder die liegenschaftliche Berechtigung mit ihren wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen (§ 96 BGB.), sondern es werden auch alle diejenigen Gegenstände mit verstrickt, worauf sich die Hypothek erstreckt, z. B. Zubehör, Miet- und Pachtzinsen, Versicherungsforderungen. ÄhnMOTHES , B e s c h l a g n a h m e .

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Erstes Hauptstück.

liches gilt für eine nach § 938 Abs.2CP0. angeordnete Sequestration und eine nach § 1052 B G B . verhängte Verwaltung (zu vgl. § 41 des sächsischen Gesetzes über Familienanwartschaften vom 7. J u l i 1900). Im Falle des Konkurses über das Vermögen einer offenen Handelsgesellschaft oder über einen Nachlaß, im Falle der Nachlaßverwaltung (§ 1975 BGB.) und der gerichtlichen Verwaltung einer Nacherbschaft (§ 2128 BGB.) ist gleichfalls nur ein Komplex des Vermögens der Gesellschafter, des Erben bezw. des Vorerben verstrickt. Schließlich gibt es Fälle, wo das gesamte Vermögen einer Person beschlagnahmt werden kann, so nach den §§ 93, 140 Abs. 3 StGB., § 480 StPO., ferner nach den §§ 326, 332 ff. StPO. und nach den §§ 360 ff. MStGO. Eine Beschlagnahme des Vermögens von Bischofsstühlen, geistlichen Stellen, Orden und Kongregationen ließen die preußischen Gesetze vom 20. Mai 1874, vom 21. Mai 1874 und vom 31. Mai 1875 zu. Einen Beschlag auf gewisse Vereinsvermögen gestattete § 7 des Sozialistengesetzes. Eine Vermögensbeschlagnahme enthält auch die Konkurseröffnung, doch ist ihr nicht das gesamte Vermögen, sondern nur das passiv exekutionsfähige verfangen (§ 1 KO.); es bleiben sonach, wenigstens bei natürlichen Personen, Vermögensbestandteile unverstrickt. § 6. Der Beschlagnahmeinteressent. Das Eechtssubjekt, in dessen Interesse die Beschlagnahme erfolgt, ist vorzugsweise der Staat. E r bedient sich ihrer, um sich die Erfüllung seiner speziellen Aufgaben zu ermöglichen, so insbesondere im Interesse der Landesverteidigung, der Wohlfahrtspflege und der Strafrechtspflege; er beschlagnahmt auch kraft seiner Finanzgewalt, um sich die für seine Zwecke erforderlichen Mittel zu verschaffen. Insoweit der Staat seine Zwangsgewalt an ihm untergeordnete Rechtssubjekte, insbesondere an öffentlich rechtliche Korporationen, delegiert, steht diesen kraft jener Delegation auch die Befugnis zur Beschlagnahme im eigenen Interesse zu. Der Staat aber, der die Eigenmacht grundsätzlich verbietet, muß, soweit er dies tut, sein Zwangsrecht allgemein in den Dienst seiner Untertanen stellen, um ihnen die Verwirklichung ihrer

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Rechte zu ermöglichen (RINDING, Der Rechtszwang nach Wesen, Arten und Grenzen a. a. 0. S. 486; WACH, Handbuch S. 318 ff.). Er verpflichtet daher gewisse Behörden und Beamte, auf Ansuchen im Interesse Privater Beschlagnahmen vorzunehmen.

§ 7" Form, Beginn und Ende der Verstrickung im allgemeinen.

Wie schon im Eingange hervorgehoben worden ist, gibt es kein einheitliches Rechtsinstitut der Beschlagnahme, sondern nur eine Reihe von einzelnen Beschlagnahmearten, deren jede in ihrer besonderen Form hergestellt wird. In allen Fällen ist erforderlich, daß sie von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten ausgeht; sie ist öffentlichen Rechts. (Rechtspr. des RG. Bd. 5 S. 244; Bd. 7 S. 25; Bd. 9 S. 85). Eine Privatperson kann daher eine Verstrickung nicht herbeiführen, auch nicht der Konkursverwalter. Man mag zwar immerhin annehmen, daß er ein Amt bekleide; in diesem Sinne hat aber auch der Vormund oder der Testamentsvollstrecker ein Amt. Zu einer Beschlagnahme sind aber sämtliche nicht befugt. (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 19 S. 85); sie sind nicht öffentliche Beamte. Die Frage der Zuständigkeit läßt sich nicht allgemein, sondern nur für jede einzelne Beschlagnahmeart besonders auf grund der dafür maßgebenden Rechtsnormen, beantworten. Das gleiche gilt für die Vollzugsförmlichkeiten. Diese lassen sich jedoch folgendermaßen gruppieren: 1) Zur Bewirkung der Verstrickung genügt ein behördlicher Beschluß. Dieser braucht nicht besonders darauf Bezug zu nehmen, daß damit eine Verstrickung bewirkt werden solle, oder daß er eine Verstrickung zur Folge habe, wenn dies schon aus dem Gesetze erhellt. Dies ist z. B. bei der Konkurseröffnung und der Anordnung der Nachlaßverwaltung der Fall. Die Verstrickung tritt hier mit der Fassung und schriftlichen Absetzung des Eröffnungsbeschlusses bezw. des Anordnungsbeschlusses (vgl. PLANCK zu § 1984 BGB.) ohne weiteres ein. In ähnlicher Weise wird die Anschlußpfändung durch eine protokollarische Niederschrift des Gerichtsvollziehers vollzogen (§ 82« CPO.). Nach § 117 KO. 2*

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Erstes Hauptstück.

hat der Konkursverwalter das zur Masse gehörige Vermögen in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Diese Besitznahme ist eine Vollstreckung des Eröffnungsbeschlusses (OLG. Breslau in der Rechtspr. der OLG-. Bd. 4 S. 165). Die Verstrickung wird dadurch nicht erst herbeigeführt, sondern nur vervollkommnet. 2) In manchen Fällen ist außer dem Beschlüsse der zuständigen Behörde dessen Bekanntmachung erforderlich, so im Falle der Anordnung der Zwangsverwaltung und der Zwangsversteigerung (§ 22 ZwVerstGes.), ferner im Falle der Forderungspfändung (§ 829 CPO. zu vergl. auch die §§ 846. 857 CPO.) und der Beschlagnahme nach § 14 des Vereinszollgesetzes. Enthält der Beschluß ein Verfügungsverbot, so ist ein selbstverständliches Erfordernis für die Wirksamkeit der Beschlagnahme, daß der Adressat, an den es sich richtet, die Verfügungsgewalt zur Zeit der Bekanntmachung noch habe (EG.-Entsch. in Strafs. Bd. 18 S. 71; Rechtspr. Bd. 1 S. 81). 3) In zahlreichen Fällen ist Erfordernis einer gültigen Verstrickung die Besitznahme. Dabei genügt bisweilen: a) Die bloße Besitznahme, die sich irgendwie kundgeben kann. Dabei ist hervorzuheben, daß an sie nicht so große Anforderungen zu stellen sind, wie an den den Besitzerwerb durch Private (§ 854 BGB.). Denn es ist hier die öffentliche Gewalt, die ihren Besitzwillen durch Handlungen kundgibt; sie hat nicht nötig, so viel Kraft aufzuwenden, wie ein Privater. Denn der Widerstand wider sie ist strafbar; es stehen ihr auch unbegrenzte Machtmittel zu Gebote. Daher hat schon ihre bloße Willensäußerung ein anderes Gewicht. Die bloße Besitznahme genügt bei den meisten polizeilichen Beschlagnahmen. Auch die Zurückhaltung nach § 14 des Vereinszollgesetzes und nach § 32 des Postgesetzes können hierher gerechnet werden. b) Für manche Arten der Beschlagnahme ist außer der Besitznahme eine Ersichtlichmachung vorgeschrieben, z. B. in § 808 Abs. 2 CPO., ferner in § 29 Abs. 2 des sächsischen Gesetzes über die Zwangsvollstreckung wegen Geldleistungen in Verwaltungssachen vom 18. Juli 1902. c) In gewissen Fällen hat nach der Besitznahme eine besondere Verwahrung stattzufinden (§ 808 CPO., § 29 des sächsi-

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sehen Gesetzes vom 18. Juli 1902, §§ 150. 151. 165 des ZwVerstG-es.). Notwendig ist die Unterscheidung der wesentlichen und unwesentlichen Förmlichkeiten. Die Nichtbeobachtung wesentlicher Förmlichkeiten nimmt der Amtshandlung ihre Eigenschaft als Beschlagnahme. Die Verletzung unwesentlicher Formvorschriften kann eine Anfechtbarkeit der Verstrickung zur Folge haben, wie dies z. B. bei einer Pfändung vor der Zustellung des Schuldtitels (§ 750 CPO.) von manchen Gerichten angenommen wird (vergl. Peteesen-Angeb, Bern. 3 zu § 750 CPO.). Weiter gibt es auch Formvorschriften, deren Nichtbeobachtung zwar nicht die Wirksamkeit des Beschlagnahmeaktes beeinträchtigt, wohl aber eine civilrechtlicheHaftbarkeit des beschlagnahmendenBeamtenzur Folge haben kann wie z. B. die Vorschrift in § 762 CPO., wonach der Gerichtsvollzieher über jede Vollstreckungshandlung ein Protokoll aufzunehmen hat (Rechtspr. des RG. Bd. 10 S. 648), oder die in § 808 Abs. 3 CPO., nach der der Gerichtsvollzieher den Schuldner von der geschehenen Pfändung in Kenntnis zu setzen hat (zu vergl. auch § 763 CPO.). Schließlich gibt es für manche Beschlagnahm earten Vorschriften, deren Vernachlässigung nur eine Verantwortlichkeit des beschlagnehmenden Beamten gegenüber seiner vorgesetzten Behörde auf Grund des Dienstverhältnisses zur Folge hat; das ist z. B. der Fall, wenn der Beamte bei der Beschlagnahme nicht das vorgeschriebene Amtskleid trägt. Welche Bedeutung den einzelnen Formvorschriften zukommt, darüber gehen bisweilen sowohl in der Rechtslehre als in der Rechtsübung die Ansichten weit auseinander. Die Aufhebung jeder einzelnen Verstrickungsart geschieht nach den für sie bestehenden Vorschriften. Im allgemeinen sind zu unterscheiden: Die Entstrickung durch den zuständigen Beamten (Freigabe) und der Verstrickungsbruch. Auch dieser bewirkt ein Aufhören der Verstrickung bei allen Arten von Gegenständen, wo er begrifflich möglich ist (Obertrib. in Goltd. Arch. von 1878 S. 513 RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 8 S. 117, Bd. 19 S. 287). Auch die Enteignung von beschlagnahmten Grundstücken und die Inanspruchnahme von verstrickten Gegenständen als Leistung für die bewaffnete Macht können zu einer Entstrickung führen.

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Zweites Hauptstück.

Zweites H a u p t s t ü c k .

Die einzelnen Arten der Beschlagnahme. § 8. I. Die civilprozessrechtlichen

Beschlagnahmen.

Die civilprozessualen Beschlagnahmen sind sowohl hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und der Form ihrer Vollziehung und Aufhebung, als in Betreff der Gegenstände, die sie treffen können, am eingehendsten von allen Beschlagnahmearten geregelt. Sie dienen zwei verschiedenen Zwecken, einmal der Sicherung und zwar sowohl der Sicherung des Streitgegenstandes (§§ 935, 938 CPO.) als auch der Sicherung der Vermögensstücke des Schuldners, aus denen der Gläubiger künftig seine Befriedigung suchen will (§ 916 CPO.). Dann ist sie, und zwar vorzugsweise, eine auf die Befriedigung des Gläubigers abzielende Maßregel in der Form der Pfändung von Sachen und Rechten, der Anordnung der Zwangsversteigerung und der Zwangsverwaltung und in der Form der Wegnahme von Sachen. S a c h l i c h z u s t ä n d i g zur Verhängung der Beschlagnahme sind teils die Gerichte, und zwar vorzugsweise die Amtsgerichte, in beschränkterem Umfange das Gericht der Hauptsache bezw. das Arrestgericht, teils die Gerichtsvollzieher; nur die Zwangsvollstreckung gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Person des Soldatenstandes, ist, wenn sie in einer Kaserne, in einem militärischen Dienstgebäude oder auf einem Kriegsfahrzeuge erfolgen soll, auf Ersuchen des Vollstreckungsgerichtes, von der zuständigen Militärbehörde vorzunehmen (§ 790 CPO., dazu zu vergl. Bekanntmachung des Bundesrates im Centralblatt für das Deutsche Reich von 1880, S. 480). Die ö r t l i c h e Z u s t ä n d i g k e i t der einzelnen Behörden ist für die einzelnen Arten der civilprozeßrechtlichen Beschlagnahme besonders geregelt (§§ 764. 82S. 930 CPO., § 1 ZwVerstG.). Die Zuständigkeit ist eine ausschließliche (§ 802 CPO.). Sie ist eine wesentliche Voraussetzung für die Gültigkeit aller civilprozessualen Beschlagnahmen.

D i e e i n z e l n e n A r t e n der B e s c h l a g n a h m e .

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Eine weitere allgemeine wesentliche Voraussetzung ist das Vorhandensein eines vollstreckbaren Titels und — abgesehen von den Arrestbefehlen und einstweiligen Verfügungen — dessen Zustellung (§ 750 CPO.). Doch ist das letzte Erfordernis in seiner Bedeutung nicht unbestritten (vergl. G U T T M A N N in BÜSCHS Zeitschrift Bd. 29 S. 394 ff., P E T E R S E N - A N G E K , Bern. 3 zu § 750 CPO., G A U P P - S T E I N , Anm. I bei § 750 CPO., OLG. Colmar in der jurist. Zeitschr. für Els.-Lothr. Bd. 14 S. 502, OLG. Stuttgart in den Jahrbüchern der Württembergischen Rechtspflege, Bd. 14 S. 180). Die Vollstreckungsklausel muß nur in den Fällen des § 750 Abs. 2 CPO. vor Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt werden, ebenso die öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden, auf Grund deren sie erteilt worden ist. Ist die Geltendmachung des dem Gläubiger zuerkannten Anspruches von dem Eintritte eines Kalendertages abhängig, so wird zwar die Vollstreckungsklausel vor dem Fälligkeitstage erteilt, auch die Urteilszustellung kann vorher erfolgen, nur die Zwangsvollstreckung darf noch nicht beginnen (§ 751 Abs. 1 CPO.). Ist die Vollstreckung des Urteiles von einer von dem Gläubiger zu leistenden Sicherheit abhängig, so darf damit erst begonnen werden, wenn die Sicherheitsleistung durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen und eine Abschrift dieser Urkunde bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird (§ 751 Abs. 2 CPO.). Ist der Schuldner verurteilt, nur gegen eine ihm vom Gläubiger Zug um Zug zu gewährende Leistung zu erfüllen, so hat der Gläubiger weiter den im § 756 CPO. aufgestellten Erfordernissen der Zwangsvollstreckung zu genügen. Arrestbefehle und einstweilige Verfügungen brauchen bei dem Beginne ihrer Vollziehung noch nicht zugestellt zu sein; ihre Zustellung kann der Vollstreckung nachfolgen; für die Nachholung ist in § 929 CPO. eine Frist gesetzt, die eine Woche nach der Vollziehung beträgt, aber spätestens mit der zweiten Woche nach dem Erlasse des Arrestbefehles bezw. der einstweiligen Verfügung abläuft. Unterbleibt eine Titelszustellung innerhalb der geordneten Frist, so entfallt die Verstrickung nicht von selbst, sie wird vielmehr nur anfechtbar nach § 766 CPO. ( G A U P P - S T E I N , Anm. III zu § 929 CPO.). Wesentliche Voraussetzung ist schließlich auch, daß an das Ge-

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Zweites Hauptstück.

rieht der erforderliche Antrag gestellt, dem Gerichtsvollzieher der erforderliche Auftrag erteilt worden ist. Mangelt hier der vom Gesetze vorgeschriebene Auftrag, dort der Antrag, so ist die vorgenommene Beschlagnahme unwirksam (RG.-Rechtspr. Bd. 10 S. 157). Das Vorhandensein gewisser Voraussetzungen haben die Behörden nach pflichtmäßigem Ermessen zu prüfen, so z. B. die Frage, ob der Schuldner im Besitze einer wegzunehmenden oder zu pfändenden Sache ist (§§ 883. 808 CPO.), ob aus den Erklärungen und Handlungen eines Dritten seine Bereitschaft zur Herausgabe der zu pfändenden Sache zu entnehmen ist, ferner, ob eine zu pfändende Sache dem Schuldner entbehrlich ist oder nicht. Läuft den Vollstreckungsbehörden bei dieser Prüfung ein Irrtum unter, so ist die vollzogene Beschlagnahme nicht ohne weiteres unwirksam, sie kann vielmehr nur mit Erfolg angefochten werden. Die Vollziehung der civilprozessualen Beschlagnahme ist verschieden gestaltet j e nach der Art des zu verstrickenden Gegenstandes. § 9I. Die Beschlagnahme beweglicher Sachen. Bewegliche Sachen werden verstrickt: a) d u r c h P f ä n d u n g . Dafür ist im allgemeinen der Gerichtsvollzieher des Amtsgerichtes der Zwangsbereitschaft (§ 753 CPO.) nur im Falle des § 790 CPO. die Militärbehörde zuständig. Die Pfändung erfolgt zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers wegen einer Geldforderung oder zu seiner Sicherung wegen einer ebensolchen Forderung oder doch einer Forderung, die in eine Geldforderung übergehen kann. Der Pfändung zugänglich sind diejenigen Sachen, die sich im Alleingewahrsame des Schuldners (§ 808 CPO.), des Gläubigers oder eines zur Herausgabe bereiten Dritten befinden (§ 809 CPO.); das gleiche gilt von Sachen, die im Mitgewahrsame mehrerer dieser Personen stehen. Selbstverständlich können auch Sachen des Schuldners, die niemand besitzt, gepfändet werden. Nimmt der Gerichtsvollzieher auf Grund pflichtmäßiger Prüfung, aber irrtümlich schuldnerischen

Die einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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Gewahrsam oder Herausgabebereitschaft des Drittbesitzers an, so entbehrt die Pfändung nicht der Verstrickungswirkung (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 9 S. 403, Bd. 25 S. 108), wenn sie auch anfechtbar ist und ein Pfändungspfandrecht nicht begründet (RG.-Entsch. in Civils. Bd. 18 S. 389). Gewisse Sachen sind unpfändbar, so die in § 811 CPO. aufgezählten, ferner das liegenschaftliche und das Schiffszubehör (§ 865 Abs. 2 CPO.), das Inventar der Posthaltereien (§ 20 des Postgesetzes), die Fahrbetriebsmittel gewisser Eisenbahnen (Reichsgesetz vom 3. Mai 1886, zu vergl. auch Art. 23 des internationalen Ubereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890), Briefe (§ 5 des Postgesetzes), die Vergütungen für Arbeiten oder Dienste und zwar auch die ausgezahlten Vergütungen nach dem Lohnbeschlagnahmengesetze, ferner während dreier Monate nach ihrer Auszahlung die Dienstprämie der Unteroffiziere (Art. 18 des Reichsgesetzes vom 22. Mai 1893) und die Verstümmelungszulagen der Militärinvaliden. Einzelne der im allgemeinen unpfändbaren Sachen dürfen zur Beitreibung gewisser Forderungen gepfändet werden, so der Arbeitslohn nnd die Dienstprämie wegen der Unterhaltungsansprüche der Ehefrau, der ehelichen und in gewissem Umfange der unehelichen Kinder. Unzulässig ist ferner die Pfändung von Sachen deren Besitz, Verkauf oder Feilbietung verboten ist, wie einheimischer Singvögel, verdorbener Nahrungsmittel u. s. w. Nimmt der Gerichtsvollzieher nach pflichtmäßigem Ermessen an, daß eine Sache pfändbar sei, so beeinträchtigt ein ihm dabei etwa untergelaufener Irrtum in der Regel, besonders in den Fällen des § 811 CPO. keineswegs die öffentlich-rechtliche Wirkung seiner Amtshandlung. Diese hat vielmehr die Wirksamkeit einer Beschlagnahme (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 19 S. 164. Obertrib. in GOLTD. Arch. von 1873 S. 523); ein Pfandrecht begründet sie freilich nicht. Es ist Sache des Schuldners, die Unpfändbarkeit nach § 766 CPO. beim Vollstreckungsgerichte zu rügen; er kann im einzelnen Falle, wenigstens geht dahin die herrschende Meinung, auf die Geltendmachung des Mangels verzichten. Dann ist die Pfändung im vollen Umfange, auch in Ansehung des Pfandrechtes, wirksam. Der Gerichtsvollzieher vollzieht die Pfändung dadurch, daß er die zu verstrickende Sache „in Besitz nimmt", d. h. sich die

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Zweites Hauptstück.

tatsächliche Ge walt dar über verschafft (RG.-Entsch.in Strafs.Btl.5S.35). Das kaun in verschiedener Weise geschehen. In der Eegel wird, wie auch der Verfasser der amtlichen Formulare zu den Pfändungsprotokollen annimmt, die körperliche Berührung das einfachste und zweifelfreieste Mittel dazu sein. Es genügt aber auch schon ein Hindeuten auf eine dem Gerichtsvollzieher zugängliche Sache (RG.-Rechtspr. Bd. 7 S. 572). Das Hindeuten ist aber unzureichend, wenn der Gerichtsvollzieher nicht in der Lage ist, die tatsächliche Gewalt auszuüben, z. B. wenn die Sache, die er pfänden will, verschlossen, wenn auch sichtbar ist (RG.-Rechtspr. Bd. 8 S. 479). Ausgeschlossen ist eine sogenannte konsensuale Besitzübertragung im Sinne von § 854 Abs. 2 BGB.; das Inbesitznehmen des § 808 CPO. bedeutet einen okkupatorischen Besitzerwerb. Es geht daher nicht an, daß sich der Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner einige, daß der Besitz an einem Gespann Pferde, das auf einer Fahrt weit über Land begriffen ist, auf ihn übergehen solle (Annalen des OLG. Dresden, Bd. 23 S. 302, zu vergl. RG.-Rechtspr. Bd. 7 S. 264). Außer der Besitzergreifung durch den Gerichtsvollzieher ist weiter erforderlich, entweder, daß die Sachen aus ihrem bisherigen Gewahrsame fortgeschafft werden, oder daß die Pfändung ersichtlich gemacht wird. Grundsätzlich hat sich sowohl die Fortschaffung wie die Ersichtlichmachung unmittelbar an die Besitznahme anzuschließen. (RG.-Rechtspr. Bd. 7 S. 572, OLG. Jena in GOLTD. Arch. von 1892 S. 344). Daß dies geschehe, ist ein wesentliches Erfordernis für das Zustandekommen einer Verstrickung (a. M. RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 2 S. 230). Beschließt der Gerichtsvollzieher die Fortschaffung, so kann er die Pfänder entweder in den eigenen Gewahrsam nehmen (Pfandkammer) oder einem Dritten in Verwahrung geben. Beläßt er die Pfänder an ihrem bisherigen Orte, so kann er die vorgeschriebene Ersichtlichmachung dadurch bewirken, daß er an sichtbarer Stelle Siegel an sie legt oder sog. Siegelmarken an ihnen befestigt; er kann aber auch in ihrer unmittelbare Nähe an augenfälliger Stelle einen Anschlag anbringen, woraus die Pfändung zu ersehen ist. Bei Tieren wird es in der Regel genügen, wenn an ihrem gewöhnlichen Standorte eine derartige Pfändungsanzeige angebracht

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wird. (RG.-Rechtspr. Bd. 7 S. 2G4). Die Ersichtlichmachung hat übrigens auch zu erfolgen, wenn ein Pfand ursprünglich fortgeschafft worden war, dann aber in den Gewahrsam des Schuldners zurückgebracht wird (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 16 S. 273). Das gleiche wird man annehmen müssen, wenn der Gerichtsvollzieher beim herausgabebereiten Dritten pfändet und das Pfand in den Gewahrsam des Schuldners gibt. Welche Mittel zur Ersichtlichmachung erforderlich sind, ist eine Frage des einzelnen Falles; es läßt sich nicht allgemein bestimmen, wieviel Siegel oder Siegelmarken der Gerichtsvollzieher anlegen, wie groß die Pfändungsanzeige und ihre Schrift sein soll. Hervorzuheben ist jedoch, daß über die Zulänglichkeit der Ersichtlichmachung nicht das pflichtmäßige Ermessen des Gerichtsvollziehers entscheidet; hier sind vielmehr objektive Merkmale maßgebend. Jeder Dritte muß bei Beobachtung der im Verkehre erforderlichen Sorgfalt zu erkennen im stände sein, daß die Sache gepfändet ist; denn nur dann ist die Pfändung in Wahrheit „ersichtlich" gemacht. Die Pfändungsverstrickung endet, wenn der Gerichtsvollzieher außer dem Falle der Durchführung der Zwangsvollstreckung auf Anordnung des Gerichts oder zufolge eines Auftrages des Gläubigers das Pfand freigibt. Die Anordnung des Gerichts, auf Grund deren die Entstrickung durch den Gerichtsvollzieher zu erfolgen hat, kann von verschiedenem Inhalte sein (§§ 775. 776 CPO.) und aui Grund verschiedener Verfahren ergehen (Berufung, Revision, Einspruch, Beschwerde, Widerspruch im Falle des § 924 CPO., Restitutions-Nichtigkeitsklage, Einwendung nach § 732, nach § 766 CPO.; Klage nach den §§ 767, 768, 771 CPO.). Übrigens knüpft sich die Rechtsfolge der Entstrickung nicht schon an den Erlaß der in den §§ 776. 775 CPO. bezeichneten Entscheidungen; sie tritt vielmehr erst ein, wenn die Entscheidungen dem Gerichtsvollzieher vorgelegt werden und er daraufhin seine Vollstreckungsmaßregeln aufhebt. Bis dies geschieht, dauert die Verstrickung fort, wenn auch kein Pfändungspfandrecht mehr besteht (Bayr. ob. LG. in SEÜFFEBTS Arch. Bd. 40 S. 120). Dem Freigabeauftrage des Gläubigers hat der Gerichtsvollzieher wie dessen sonstigen zulässigen Weisungen zu entsprechen (PETERSEN - AN GEH, Bern. 1 zu § 7 5 3 CPO.). Die Freigabe erfolgt

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in der Regel durch Abnahme der Pfändungszeichen bezw. durch Herausgabe des Pfandes aus dem amtlichen Gewahrsame. Der Gerichtsvollzieher ist nicht befugt, eigenmächtig, d. h. ohne Anweisung von seiten des Gläubigers oder des Gerichts das Pfand freizugeben; tut er es gleichwohl, so bricht er die Verstrickung und kann sich strafbar machen (RG.-Entsch. in Civils. Bd. 18 S. 389). In gleicher Weise ist der Gläubiger behindert, ohne Mitwirkung des Gerichtsvollziehers die für ihn gepfändeten Sachen aus der Verstrickung zu lösen (RG.-Rechtspr. Bd. 1 S. 705). Hervorzuheben ist noch, daß durch Zufall die Wirkungen der Beschlagnahme nicht erlöschen. Insbesondere hat ein Abfallen der Pfändungszeichen oder ein sonstiges Abhandenkommen der Mittel der Ersichtlichmachung ein Aufhören der Verstrickung nicht zur Folge (RG.-Rechtspr. Bd. 10 S. 592). Eine Verstrickung, die nicht mehr ersichtlich ist, erscheint freilich in höherem Grade gefährdet; insbesondere wird nach § 59 StGB, ihre Verletzung in der Mehrzahl der Fälle nicht zu ahnden sein. Wird das Zwangsvollstreckungsverfahren vollständig durchgeführt, so endet die Verstrickung nicht schon mit dem Zuschlage an den Meistbietenden in der Versteigerung, sondern erst mit der Auslieferung der Sache an den Ersteher (RG.-Rechtspr. Bd. 3 S. 702 OLG. Dresden im Sachs. Arch. Bd. 7 S. 235, PETERSENA N G E E , Bern. 1 bei § 826 CPO., zu vergl. auch RG.-Entsch. in Civils. Bd. 35 S. 270). Denn bis zu diesem Zeitpunkte besteht immer noch die Möglichkeit, daß der Schuldner oder ein Dritter (§ 268 BGB.) die Sache löse, oder daß nach § 817 CPO. eine anderweite Versteigerung notwendig werde. Erst mit der Ubergabe der Sache erwirbt der Ersteher das Eigentum daran und erst mit diesem Zeitpunkte hört der Anlaß zu einer weiteren Verstrickung auf. In den Fällen, wo der Gerichtsvollzieher die Pfänder aus freier Hand verkauft (§§ 820. 821. 825 CPO.), endet die Verstrickung gleichfalls mit der Ubergabe der Sache an den Käufer. Uber gepfändetes Geld ist weiter unten zu handeln. b) d u r c h A n s c h l u ß p f ä n d u n g . Dies ist eine Pfändung einer bereits gepfändeten Sache; sie wird in wesentlich vereinfachter Form vollzogen; zu ihrer Bewirkung genügt eine protokollarische Erklärung des Gerichtsvollziehers. Wesentliches Er-

D i e einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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fordernis für sie ist aber, daß an der Pfandsache bereits eine gültige Pfändungsverstrickung besteht. Mangelt es an einer solchen, ist die Erstpfändung z. B. nicht vorschriftsmäßig ersichtlich gemacht worden, so führt die vom Gerichtsvollzieher in das Protokoll aufgenommene Erklärung nicht zu einer Verstrickung Dagegen ist es für die Fortdauer einer gültig zu stände gekommenen Anschlußpfändungsverstrickung ohne Belang, ob die Erstpfändungsverstrickung fortbesteht ( PETEKSEN - ANGER , Bern. 3 zu § 826 CPO.). Im übrigen gilt auch hier das zu a) Gesagte. c) durch bloße S e q u e s t r a t i o n . Die Sequestration ist im Gesetze nur grundsätzlich zugelassen, im einzelnen aber nicht ausgestaltet. Eine ins einzelne gehende Regelung war auch nicht nötig, weil das Gesetz ihre Leitung im Gegensatze zur Pfändung in die Hände des Gerichts gelegt hat. Sie kommt vor einmal als arrestatorische Maßregel, angeordnet durch eine einstweilige Verfügung (§ 938 CPO.; zu vergl. OLG. Hamburg in der Rechtspr. der OLG. Bd. 2 S. 313, HELLWIG, Anspruch und Klagrecht, S. 230); dann ist sie auch eine Form der Urteilsvollstreckung, und wird angeordnet durch einen Beschluß des Prozeßgerichts. Insbesondere dient sie als Ersatz der vom Nießbraucher oder dem Vorerben zu leistenden Sicherheit (§§ 1052. 2128 BGB.). Im Falle des § 41 des sächsischen Gesetzes über Familienanwartschaften vom 7. Juli 1900 ist sie ein Mittel zur Beseitigung des devastatorischen Gebahrens des Anwartschaftsbesitzers. Sie wird dadurch vollzogen, daß der Gerichtsvollzieher, der in der Regel auf Grund der gerichtlichen Anordnung vom Gläubiger damit zu beauftragen ist, die zu sequestrierende Sache in Besitz nimmt und selbst verwahrt oder der vom Gerichte bezeichneten Vertrauensperson (Sequester) übergibt (GAUPP-STEIN, Bern. I, II 2, bei § 938 CPO.). Die Sequestration ist in ihrem Wesen verschieden von der Zwangsverwaltung (PEISEK, Die Zwangsverwaltung von Grundstücken, Berlin 1900, S. 20). Freilich wird in der Rechtsübung in einstweiligen Verfügungen oft gesagt, daß eine Zwangsverwaltung angeordnet werde (zu vergl. z. B. RG.-Entsch. in der Beilage zur jur. Wochenschr. von 1902 S. 265 Nr. 194, Entsch. in Civils. Bd. 52 S. 139), aber der Ausdruck ist dann nicht in seinem eigentlichen, technischen Sinne zu verstehen. Die Zwangsverwaltung ist eine

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auf die Befriedigung des Gläubigers abzielende Vollstreckungsmaßregel. Nun kann zwar im Gegensatze zum Arrestbefehle eine einstweilige Verfügung auch eine Befriedigungsvollstreckung, nicht bloß eine Sicherungsvollstreckung im Gefolge haben, wie dies z. B. bei den einstweiligen Verfügungen nach § 627 CPO., soweit sie die Unterhaltsleistung während des Eheprozesses regeln, gewöhnlich der Fall ist. In solchen Fällen wird man dann trotz § 932 CPO. nicht umhin können, auch eine echte Zwangsverwaltung auf Grund der einstweiligen Verfügung zuzulassen. Denn § 932 CPO. ist nach § 936 auf die Vollziehung der einstweiligen Verfügung eben nur „entsprechend^ anzuwenden. Wenn aber die Formel der einstweiligen Verfügung ausdrücklich auf Anordnung der Zwangsverwaltung lautet, so wird man darunter in der Regel nicht eine echte Zwangsverwaltung, sondern eine Sequestration zu verstehen haben. Die Sequestration ist ferner verschieden von der Pfändung, nicht nur in Ansehung der Voraussetzungen und Vollzugsformen, sondern auch in den Wirkungen; sie begründet niemals ein Pfandrecht. Überdies sind der Sequestration nicht nur verkehrsfähige Sachen verfangen, auch Sachen, die der Vernichtung unterliegen, wie Formen, Platten, Steine und Stereotypen nach § 42 des Urheberrechtsgesetzes vom 19. Juni 1901, können zur Sicherung der Vollstreckung des auf Vernichtung lautenden Civilurteils (§ 46 des Gesetzes) sequestriert werden. An den Vollzug der Sequestration knüpfen sich aber ebenso wie an den der Zwangsverwaltung und der Pfändung die Wirkungen der Beschlagnahme. Denn dem bisher Verfügungsberechtigten wird die Verfügungsmacht genommen und durch die eines Organes der Staatsgewalt ersetzt. Die Sequestrationsverstrickung endet, wenn sie der Anordnung des Gerichts gemäß aufgehoben wird. Häufig wird es aber auch vorkommen, daß sie in eine andere Art der Verstrickung, insbesondere in eine Vollstreckungsverstrickung umgewandelt wird. Selbstverständlich kann auch die Sequestrationsverstrickungin gesetzwidriger Weisegebrochen werden. d) Auch die Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g zur E r w i r k u n g der H e r a u s g a b e u n d L e i s t u n g von S a c h e n führt zu einer Beschlagnahme. Wenn der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die herauszugebende oder zu leistende Sache weggenommen hat, so

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befindet sie sich im Zustande der Verstrickung. Zwar gilt nach § 897 CPO. im Sinne des Civilreehts die Übergabe in dem Zeitpunkte der Wegnahme durch den Gerichts Vollzieher als erfolgt, zwar wird angenommen, daß in demselben Zeitpunkte die Zwangsvollstreckung beendet sei (PETEHSEN-ANGEB, Bern. 9 c vor § 704 CPO.), trotzdem muß man dafür errachten, daß von dem Augenblicke der Wegnahme der Sache durch den Gerichtsvollzieher bis zu ihrer tatsächlichen Ablieferung an den Gläubiger sie sich im Zustande der Verstrickung belinde. Denn auch diese Art der Zwangsvollstreckung bedarf des strafrechtlichen Schutzes. Nun könnte es vielleicht auf den ersten Blick so scheinen, als genüge für die vorliegenden Fälle der Schutz des § 133 StGB. In der Tat wird dieser auch zumeist ausreichen. Denn man wird die herauszugebende oder zu leistende Sache in der Zeit von ihrer Wegnahme durch den Gerichtsvollzieher bis zu ihrer Ablieferung an den Gläubiger in den meisten Fällen unbedenklich zu den sonstigen Gegenständen rechnen können, die sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu bestimmten Orte befinden, oder welche einem Beamten oder einem Dritten amtlich übergeben worden sind. Doch sind auch Fälle denkbar, in denen die Anwendung des § 133 StGB, nicht ganz zweifelsfrei ist. So z. B. kann es fraglich erscheinen, ob § 133 eingreift, wenn der Gerichtsvollzieher herauszugebende Sachen auf einen Wagen geladen hat, um sie dem Gläubiger oder einem Aufbewahrungsorte zuzuführen; den Wagen wird man schwerlich für einen Aufbewahrungsort halten können. In solchen Fällen erlangt dann § 137 StGB, wesentliche Bedeutung. Eine Verstrickung der herauszugebenden oder zu leistenden Sachen anzunehmen, dürfte nicht bedenklich fallen. Denn durch die Wegnahme wird die Verfügungsgewalt des Schuldners beseitigt und durch die des Gerichtsvollziehers ersetzt. Was übrigens hier von der Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe und Leistung von Sachen gesagt ist, gilt im allgemeinen auch bei der Pfändung von Geld (§815 CPO.). Daß hier die Verstrickung bis zur Ablieferung des Geldes an den Gläubiger fortdauere, ist um so mehr anzunehmen, als bis zu dieser Ablieferung von einem Dritten bewirkt werden kann, daß das Geld hinterlegt wird.

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e) Die Beschlagnahme beweglicher Sachen kann ferner eine F o l g e der B e s c h l a g n a h m e von G e g e n s t ä n d e n des u n b e w e g l i c h e n V e r m ö g e n s sein. So ergreift die Beschlagnahme im Zwangsversteigerungsverfahren auch die beweglichen Zubehörungen, die noch mit dem Boden verbundenen Erzeugnisse und sonstigen Bestandteile des Grundstücks (§§ 20, 21 ZwVerstGes., § 1120 BGB.). Im Zwangsverwaltungsverfahren erstreckt sich die Beschlagnahme weiter noch auf solche bereits getrennte Erzeugnisse, die nicht Zubehör sind (§ 148 ZwYerstGes.). Entsprechendes gilt bei liegenschaftlichen Berechtigungen (§ 864 CPO. §§ 169h. 169 k des sächsischen Gesetzes vom 20. Juni 1898). Die Verstrickung der beweglichen Sachen beginnt gleichzeitig mit der des Grundstücks oder der Berechtigung, selbst wenn sie sich in dem entscheidenden Zeitpunkte nicht gerade dort befinden (Obertrib. in GOLTD. Arch. von 1874 S. 121; zu vergl. auch § 1121 Abs. 1 BGB.) Dasselbe wie bei der Zwangsverwaltung wird man in der Regel bei der Sequestration eines Grundstücks oder einer liegenschaftlichen Gerechtigkeit annehmen müssen. Die Verstrickung der mitbeschlagnahmten beweglichen Sachen ist aber in ihrer Dauer nicht notwendig abhängig von der der unbeweglichen Hauptsache. Sie können, vom Gläubiger getrennt, freigegeben werden; die Verstrickung endet dann mit dem Eingange der Freigabeerklärung beim Vollstreckungsgerichte (Motive zum Entwürfe eines Reichsgesetzes über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. Amtl. Ausgabe S. 144). Der Zwangsverwalter kann wirksam darüber verfügen. Auch er kann sie freigeben (zu vergl. GKÜTZMANN, Leitfaden S. 32). Das Vollstreckungsgericht kann im Zwangsversteigerungsverfahren ihre Sonderverwertung nach § 65 ZwVerstGes. anordnen. Da der Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren nach § 23 Abs. 1 Satz 2 ZwVerstGes. über einzelne bewegliche Sachen innerhalb der Genzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft (zu vergl. auch § 24 desselben Gesetzes) verfügen kann, so muß man annehmen, daß eine solche Verfügung die mitbeschlagnahmten Sachen aus der Verstrickung löse, wenn die Voraussetzungen des § 1121 Abs. 1 BGB. erfüllt sind. Schließlich besteht noch die Möglichkeit, daß die Verstrickung einer beweglichen Sache rechtswidrig gebrochen wird, während die der Hauptsache fortdauert.

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f) Nach § 952 BGB. erstreckt sich das Recht an einem Rechte, kraft dessen eine Leistung gefordert werden kann, auf die darüber ausgestellten Urkunden. Da nun durch die Pfändung von Forderungen und anderen Vermögensrechten ein Pfandrecht begründet wird, so erhebt sich die Frage, ob das Pfandrecht und die Pfändungsverstrickung sich auch auf die in § 952 BGB. bezeichneten Urkunden erstrecke. OLSHAUSEN verneint die Frage (Bern. 8 zu § 137 StGB.); auch PLANCKS Kommentar scheint mit seinem Hinweise auf § 836 Abs. 3 CPO. sich in verneinendem Sinne zu erklären (Erl. 2 b bei 952 BGB.). Seit dem Inkrafttreten des BGB. hat die Rechtsprechung zu der hier aufgeworfenen Frage noch nicht Stellung genommen. Früher hat das Reichsgericht, insbesondere für das preußische Recht, den Standpunkt vertreten, daß die Pfändung eines Rechts auch die Verstrickung der darüber ausgestellten Urkunde zur Folge habe (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 7 S 360, Bd. 24 S. 161, in Civils. Bd. 21 S. 360). Die Frage hat übrigens nur noch für die Schuldscheine über Forderungen erheblichere Bedeutung, während sie nach den §§ 830. 857 Abs. 6 CPO. für Briefhypotheken, Grundschulden und Rentenschulden deshalb nicht mehr von Belang ist, weil die Verstrickung des Briefes das Mittel zur Verstrickung des Rechtes ist. Nur für die Eigentümerbriefgrundschuld besteht in dieser Beziehung nach der herrschenden Meinung eine Ausnahme; diese fällt nämlich danach nicht unter § 857 Abs. 6 CPO., sondern unter Abs. 2. Sie gilt als bewirkt in dem Zeitpunkte der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Schuldner (PETERSENANGER, Bern. 5e zu § 857 CPO.; REINCKE, Bern. I b bei § 857 CPO.; G A U P P - S T E I N , Bern. II 6 bei § 857 CPO.; TURNAU-FÖESTER Liegenschaftsrecht Bd. I S. 690). Die Ubergabe des Briefes an den Gläubiger oder dessen Wegnahme durch den Gerichtsvollzieher ist kein Erfordernis für die Begründung des Pfändungspfandrechts. Folgt man in dieser Beziehung der herrschenden Meinung, so muß man, um den Pfändungspfandgläubiger vor einer Vereitelung seiner durch die Pfändung erworbenen Rechte zu schützen, annehmen, daß der Brief über die Eigentümergrundschuld durch die Pfändungsverstrickung, die die Zustellung des Pfändungsbeschlusses in Ansehung des Rechtes nach sich zieht, mit geMOTHES, B e s c h l a g n a h m e .

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troffen werde. Das gleiche muß dann auch bei der Sequestration einer Eigentümergrundschuld gelten. Hervorzuheben ist hier noch, daß die Pfändung eines Herausgabe- oder Leistungsanspruches nicht die Verstrickung der herauszugebenden oder zu leistenden Sache zur Folge hat. (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 7 S. 293, Bd. 24 S. 40 ff., S. 203). Diese tritt erst ein, wenn der nach § 847 CPO. vom Gläubiger beauftragte Gerichtsvollzieher die Sache vom Drittschuldner erhält oder sie ihm auf Grund des vom Gläubiger erwirkten Urteils wegnimmt. (Obertrib. in GOLTD. Arch. von 1877 S. 522). Wenn das Reichsgericht übrigens neuerdings gelegentlich sagt (RG.-Entsch. in Civils. Bd. 48 S. 295), daß die Anspruchspfändung den Leistungsgegenstand „ergreife", so kann es damit eine Verstrickung nicht gemeint haben. g) Besonderes gilt für die B e s c h l a g n a h m e von i n l ä n d i s c h e n S c h i f f e n , die in das Schiffsregister eingetragen sind, und von solchen ausländischen Schiffen, die in das Schiffsregister einzutragen sein würden, wenn sie deutsche wären (§ 171 ZwVerstGes.). Auch diese Schiffe sind grundsätzlich Gegenstände des beweglichen Vermögens. Gleichwohl findet die Befriedigungsvollstreckung darein nur im Wege der Zwangsversteigerung nach den für das unbewegliche Vermögen geltenden Vorschriften statt (§ 864 CPO.). Eine Zwangsverwaltung ist ausgeschlossen (§ 870 Abs. 2 CPO.). Wegen des Beginnes und des Endes der Verstrickung kann hier auf das über die Verstrickung unbeweglicher Sachen Gesagte verwiesen werden. Als Besonderheit ist nur hervorzuheben, daß die Beschlagnahme auch mit der Vollziehung der vom Vollstreckungsgerichte angeordneten Bewachung und Verwahrung wirksam wird (¿5 165 ZwVerstGes.). Im Gegensatze zu der Befriedigungsvollstreckung wird die Sicherungsvollstreckung, der Arrest, im Wege der Pfändung durch den Gerichtsvollzieher vollzogen (§ 931 CPO.). Die Pfändung erfolgt gewöhnlich dadurch, daß der Gerichtsvollzieher das Schiff an die Kette legt. Unzulässig ist sowohl die Zwangsversteigerung wie die Arrestierung eines Schiffes, wenn es zum Abgehen fertig ist, nach § 482 HGB. Obwohl die Zwangsverwaltung eines Schiffes nach § 870 Abs. 2 CPO. unzulässig ist, wird man eine Sequestration für zu-

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lässig halten müssen. Ihre Vollziehung wird nach den Vorschriften über die Arrestierung stattzufinden haben.

§ 10. 2. Oie Beschlagnahme von Rechten.

a) Pfändung. Die Beschlagnahme von Rechten im Wege der Pfändung erfordert den Erlaß eines gerichtlichen Pfändungsbeschlusses und dessen Zustellung. Der Pfändungsbeschluß wird von dem Amtsgerichte erlassen, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, oder in Ermangelung eines solchen Gerichts von dem Amtsgerichte, in dessen Bezirke sich Vermögen des Schuldners befindet (§ 828 Abs. 2 CPO.). Nur wenn es sich um die Forderungspfändung auf Grund eines Arrestbefehls handelt, ist nach § 930 Abs. 1 Satz 2 CPO. das Arrestgericht zuständig. Ein von einem unzuständigen Gerichte erlassener Pfändungsbeschluß ist absolut nichtig (RG.-Entsch. in Seuffert's Arch. Bd. 38 Nr. 196). Der Betrieb der Zustellung ist in die Hände des Gläubigers gelegt, an den der Pfändungsbeschluß formlos ausgehändigt wird. An ihren Erfolg sind die Wirkungen der Beschlagnahme geknüpft. Ist ein Drittschuldner vorhanden, so ist die Zustellung an ihn entscheidend (§ 829 Abs. 3 CPO.). Ist ein Drittschuldner nicht vorhanden, wie bei den absoluten Rechten, so ist die Pfändung mit der Zustellung des Verfügungsverbotes an den Schuldner bewirkt (§ 857 Abs. 2 CPO). Bei Briefhypotheken, Briefgrundschulden und Briefrentenschulden ist nach § 830 CPO. außer dem Erlasse des Pfändungsbeschlusses die Übergabe des Briefes an den Gläubiger oder seine Wegnahme durch den Gerichtsvollzieher erforderlich. Ist bei derlei Rechten die Erteilung des Briefes ausgeschlossen, so ist die Pfändung erst mit der Eintragung im Grundbuche bewirkt. Das gleiche gilt bei einer Reallast (§§ 830, 857 Abs. 6 CPO.). Orderpapiere, wie Wechsel, Lagerscheine, Konossemente, kaufmännische Anweisungen und Verpflichtungsscheine werden wie bewegliche Sachen gepfändet (§ 831 CPO.); die Verstrickung der darin verbrieften Forderungen tritt erst mit der Wegnahme der Papiere durch den Gerichtsvollzieher ein. Die Pfändungsverstrickung von Rechten endet mit 3*

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dem Erlasse eines auf Einwendung oder Beschwerde ergehenden gerichtlichen Aufhebungsbeschlusses, ferner durch Zustellung einer Verzichtserklärung des Gläubigers an den Schuldner gemäß § 843 CPO. Zulässig ist auch ein Aufhebungsvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner (PETERSEN-ANGEB, Bern. 2 zu § 843 CPO.). Selbstverständlich endet die Verstrickung auch, wenn dem Gläubiger die gepfändete Forderung nach § 835 CPO. an Zahlungsstatt überwiesen wird oder wenn er die ihm zur Einziehung überwiesene Forderung einzieht. Eine strafbare Entstrickung ist bei Forderungen nicht denkbar (RG.-Entsch. verein. Strafs. Bd. 24 S. 40 ff.). Forderungen aus Orderpapieren können wie bewegliche Sachen freigegeben, auch in strafbarer Weise aus der Verstrickung entzogen werden. b) Auch eine Sequestration von Rechten, insbesondere solchen auf fortlaufende Bezüge ist denkbar (zu vgl. insbesondere § 857 Abs. 4 CPO.). Die Vollziehung erfolgt nach Analogie der Pfändung (GAUPP-STEIN, Bern. II 2 bei § 938 CPO.). c) Die Beschlagnahme von Rechten kann auch eine Begleiterscheinung der Beschlagnahme von Gegenständen des unbeweglichen Vermögens sein. Selbstverständlich ist, daß Rechte, die nach § 96 BGB. als Bestandteile der unbeweglichen Sache gelten, von der Beschlagnahme mitergriffen werden (§ 1120 BGB., § 20 Abs. 2 ZwVerstGes.). Die Beschlagnahme im Zwangsversteigerungsverfahren erstreckt sich aber auch uoch auf die Forderung aus einer Versicherung von Zubehörungen und ungetrennten Bodenerzeugnissen (§1127 BGB., §§20, 21 ZwVerstGes.). Im Zwangsverwaltungsverfahren umfaßt die Beschlagnahme sämtliche Rechte, worauf sich die Hypothek erstreckt, also auch die Miet- und Pachtzinsforderungen, die Ansprüche aus den mit dem Eigentume verbundenen Rechten auf wiederkehrende Leistungen, auf die Versicherungsforderungen in dem in den §§ 1120 bis 1130 BGB. bezeichneten Umfange (§ 148 ZwVerstGes.). Die Verstrickung der mitbeschlagnahmten Rechte beginnt mit der des zu versteigernden oder zu verwaltenden Gegenstandes; nur der Drittschuldner einer Forderung genießt so lange Schutz, bis ihm die Beschlagnahme bekannt oder ein Zahlungsverbot vom Vollstreckungsgerichte zugestellt wird (§ 22 Abs. 2 ZwVerstGes.). Die Verstrickung endet

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ihrer Natur nach regelmäßig mit der Verstrickung der Hauptsache. Möglich ist jedoch eine getrennte Freigabe durch den Gläubiger oder den Zwangsverwalter (GBÜTZMANN, Leitfaden S. 32), ferner im Zwangsversteigerungsverfahren eine Sonderverwertung nach § 65 ZwVerstGes. und im Zwangsverwaltungsverfahren eine wirksameYerfügung durch den Zwangsverwalter (§ 152 ZwVerstGes.). § 11. 3. Die Beschlagnahme von Gegenständen des unbeweglichen Vermögens.

Zu dem unbeweglichen Vermögen gehören die Grundstücke, die liegenschaftlichen Berechtigungen wie das Erbbaurecht, die Bergbaurechte (§§ 48. 49 des sächsischen Gesetzes vom 18. März 1887, § 169h des sächsischen Gesetzes vom 20. Juni 1898) und die Abbaurechte (§ 16 des sächsischen Gesetzes vom 18. Juni 1898), aber auch die Anteile an Grundstücken und Berechtigungen. Im folgenden wird lediglich von der Beschlagnahme des Gegenstandes als Ganzen gehandelt. Sie kann sein: a) B e s c h l a g n a h m e i m Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g s verfahren. Sie setzt die gerichtliche Anordnung der Zwangsversteigerung voraus und tritt ein entweder im Zeitpunkte der Zustellung des Anordnungsbeschlusses an den Schuldner oder des Einganges des vollstreckungsgerichtlichen Ersuchens um Verlautbarung des Versteigerungsvermerkes beim Grundbuchamte, sofern daraufhin die Eintragung erfolgt (§ 22 Abs. 1 ZwVerstGes.). Unter diesen beiden Zeitpunkten ist der frühere maßgebend für den Beginn der Verstrickung. Ihr Ende tritt ein a) in dem Zeitpunkte, wo die Erklärung des Gläubigers bei dem Vollstreckungsgerichte eingeht, daß er seinen Versteigerungsantrag zurücknehme (JÄCKEL, Bern. 7 zu § 23, REINHABD, Bern. IV 1 a zu § 22, SCHÄFEB u n d FISCHEB, Bern. 6 zu § 23, Bern. 2 zu § 2 9

ZwVerstGes.). Zwar hat das Vollstreckungsgericht in diesem Falle nach den §§ 29, 32 noch einen Aufhebungsbeschluß zu erlassen und dem Gläubiger, sowie dem Schuldner zuzustellen oder es hat, falls die Versteigerung schon geschlossen ist, nach § 33

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Z w e i t e s Hauptstück.

ZwVerstGes. den Zuschlag zu versagen. Gleichwohl läßt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die Wirkungen der Beschlagnahme nicht erst mit der Zustellung oder der Rechtskraft der bezeichneten Beschlüsse aufhören (Entw. I § 42, Motive amtl. Ausgabe S. 144. Denkschrift H A H N - M U G D A N , Materialien Bd. V S. 42). Hier besteht sonach ein wesentlicher Unterschied zwischen der Versteigerungsverstrickung der unbeweglichen Sachen und der Pfändungsverstrickung der beweglichen Sachen. Diese kann der Gläubiger nicht durch einseitige Handlung beendigen wie jene ; vielmehr bedarf er dazu der Mitwirkung des Gerichtsvollziehers, der allerdings seinen Weisungen zu folgen verbunden ist. Übrigens ist die für die Grundstücke getroffene Regelung durchaus zweckmäßig. Auf diese Art erlangt der Schuldner sobald als möglich die freie Verfügung wieder. Der vom Gericht noch zu erlassende Aufhebungsbeschluß oder die von ihm ausgesprochene Versagung des Zuschlages kann zwar nach § 95 ZwVerstGes. in Verbindung mit § 793 CPO. mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Für den Schuldner wird aber kein Anlaß zur Beschwerde bestehen; auch für den Gläubiger, der die Aufhebung des Verfahrens wirklich gewollt hat, fehlt ein Beschwerdegrund. Nur, wenn sich der Gläubiger nicht ganz zweifelsfrei ausgedrückt hat, wenn er etwa nur eine Einstellung gewollt, sich aber im Ausdrucke vergriffen hat, wäre ein Erfolg der Beschwerde gegen den in Frage stehenden Aufhebungsbeschluß denkbar. Hier kann sich aber das Vollstreckungsgericht, wenn ihm Zweifel beikommen, stets dadurch helfen, daß es vorerst einstweilen einstellt und nur nach nochmaligem Gehör des Gläubigers seine endgültige Entschließung faßt. Was von der ausdrücklich erklärten Rücknahme des Versteigerungsantrages gilt, das wird auch von der Rücknahmefiktion der §§ 30 Abs. 1, 76 Ab. 2 ZwVerstGes. zu gelten haben (FISCHER und SCHÄFER, Bern. 6 zu § 23 ZwVerstGes.). ß) mit dem Erlasse des Aufhebungsbeschlusses außer dem Falle der Zurücknahme des Antrages. Hier ist hervorzuheben, daß in den Fällen, wo das Prozeßgericht nach § 771 CPO. eine Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung für unzulässig erklärt oder nach § 769 CPO. durch Beschluß oder nach § 770

Die einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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CPO. in einem Urteile ihre Aufhebung anordnet, das Verfahren nicht schon mit dem Erlasse der prozeßgerichtlichen Entscheidung sein Ende erreicht. Das Vollstreckungsgericht hat diese Entscheidung durch den Erlaß eines Aufhebungsbeschlusses auszuführen (REINHABD, Bern. I I bei § 32 ZwVerstGes.). Hierin besteht Übereinstimmung mit dem Verfahren bei der Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen (§§ 775, 776 CPO.). War der Aufhebungsbeschluß zu verkünden, wie z. B. im Falle des § 77 ZwVerstGes., so wird er wirksam mit der Verkündung, nicht erst mit der nach § 32 ZwVerstGes. noch erforderlichen Zustellung, auch nicht erst mit dem Eintritte seiner Recktskraft (JAECKEL und WOLFE bei § 3 2 ZwVerstGes.). Lag kein Fall vor, wo der Aufhebungsbeschluß zu verkünden war, so wird er wirksam mit der Zustellung. Diese hat nun nach § 32 ZwVerstGes. in jedem Falle an den Schuldner und an den Gläubiger zu erfolgen ; sie wird in den seltensten Fällen an beide in dem nämlichen Zeitpunkte geschehen. Es erhebt sich daher die Frage, in welchem Augenblicke die Verstrickung als beendet anzusehen ist. Man wird nicht die zuletzt erfolgende Zustellung für maßgebend erachten können, auch nicht ausschließlich die Zustellung an den Schuldner, die ja für den Beginn der Verstrickung von Bedeutung ist; ausschlaggebend ist vielmehr die erste der beiden Zustellungen. Denn damit tritt der Aufhebungsbeschluß in die Außenwelt (§ 577 Abs. 3 CPO.). Wenn der Schuldner davon Kenntnis erlangt, daß dem Gläubiger ein Aufhebungsbeschluß zugestellt worden ist, so kann er auch, bevor er selbst diesen Beschluß zugestellt erhalten hat, keinen Verstrickungsbruch mehr begehen. Dnß die Wirksamkeit des Aufhebungsbeschlusses nicht erst mit seiner Rechtskraft eintritt, hat er mit den anderen civilprozessualen Beschlüssen gemein ; es ist dies eine Folgerung aus den §§ 572, 794 Ziff. 3 CPO. Wird gegen den Aufhebungsbeschluß sofortige Beschwerde erhoben (§ 95 ZwVerstGes., § 793 CPO.), so kann es freilich dazu kommen, daß das Beschwerdegericht ihn kassiert. Das darf aber nicht an der Annahme der sofortigen Wirksamkeit des Aufhebungsbeschlusses hindern. Kommt es zur Kassation, so ist es so anzusehen, als sei die Aufhebung nicht erfolgt. Es besteht sonach bis zum Eintritte der Rechtskraft ein Schwebezustand und

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Zweites Hauptstück.

zwar in Ansehung des gesamten Verfahrens mit Einschluß der Verstrickung. Zerstört oder beseitigt der Schuldner nach Erlaß des Aufhebungsbeschlusses einzelne der Beschlagnahme verfangene Gegenstände und wird danach der Aufhebungsbeschluß in einen Fortstellungs- oder Einstellungsbeschluß abgeändert, so wird ihm in der Regel § 59 StGB, zu statten kommen, insbesondere wenn er die Handlung begangen hat, bevor die Beschwerde eingelegt worden ist oder bevor er von der Beschwerde Kenntnis erhalten hat. Hervorzuheben ist hier nur noch, daß in den Fällen, wo das Vollstreckungsgericht eine Erklärung des Gläubigers zu Unrecht für eine Rücknahme, einen Versteigerungs- bezw. Verwaltungsverzicht hält, und demgemäß das Verfahren aufhebt, im Gegensatze zum Falle a die Beendigung der Verstrickung erst mit dem Erlasse des Anfhebungsbeschlusses eintritt. Die gleiche Wirkung, wie die Aufhebung des Verfahrens hat die rechtskräftige Versagung des Zuschlages in den Fällen, wo die Fortsetzung des Verfahrens unzulässig ist (§ 33, 85 £f. ZwVerstGes.). Der Zeitpunkt der Beendigung der Verstrickung steht in diesem Falle außer Zweifel. Der Versagungsbeschluß ist nach § 87 ZwVerstGes. zu verkünden. Seine Rechtskraft, an die § 86 ZwVerstGes. die Aufhebungswirkung knüpft, tritt nach § 98 ZwVerstGes. (in Verbind, m. §§ 577, 793 CPO.) zwei Wochen nach dieser Verkündung ein, falls nicht vorher Beschwerde erhoben wird. Das Ende der Verstrickung läßt sich sonach bis auf die Sekunde bestimmen (§ 222 CPO. § 187 BGB.). y) mit der Durchführung des Verfahrens. Daß nach dem Zuschlage im Zwangsversteigerungsverfahren die Wirkungen der Beschlagnahme erlöschen müssen, darüber besteht kein Zweifel. Streit herrscht nur darüber, in welchem Zeitpunkte das Erlöschen eintritt. Während PEISEK (die Zwangsverwaltung von Grundstücken S. 198) den Zeitpunkt der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses für maßgebend erachtet, will REINHABD (Bern. IV l b bei § 22 ZwVerstGes.) die Verstrickung erst mit der Rechtskraft des Zuschlages enden lassen. Er stellt sich dabei in bewußten Gegensatz zu JÄCKEL (Bern. 7 zu § 2 3 ZwVerstGes.). Dieser vertritt eine Mittelmeinung; er will das Interesse des Erstehers wahrnehmen und die Wirkungen der Beschlagnahme so lange fort-

D i e einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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dauern lassen, bis der Schuldner aus dem Besitze gekommen sei. Die gleiche Ansicht findet sich bei SCHÄFER und FISCHER (Bern. Ö zu § 23 ZwVerstGes.); sie berufen sich auf eine Reichsgerichtsentscheidung (Entsch. in Strafs. Bd. 8 S. 116, 117), die unter der Herrschaft des vor dem preußischen Gesetze betr. die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen vom 13. Juli 1883 geltenden Rechte ergangen ist Gegen die Ansicht PEISERS läßt sich einwenden, daß im Augenblicke des Zuschlages noch nicht feststeht, ob der Ersteher wirklich Eigentum erworben hat. Gewiß wird dies erst, wenn der Zuschlag rechtskräftig geworden ist (§ 90 ZwVerstGes.); inzwischen besteht ein Schwebezustand. Wird Beschwerde wider den Zuschlagsbeschluß erhoben, so ist möglich, daß das Beschwerdegericht den Zuschlag einem anderen erteilt, als es das Vollstreckungsgericht getan hat; es ist auch denkbar, daß das Beschwerdegericht eine anderweite Versteigerung anordnet oder den Zuschlag, sei es nun mit der Wirkung der einstweiligen Einstellung oder der Aufhebung, versagt. In allen diesen Fällen ist ein neuer selbständiger Beschwerdegrund vorhanden, also auch noch eine weitere Beschwerde zulässig. Es erscheint hiernach nicht zweckmäßig, in allen Fällen die Wirkungen der Beschlagnahme schon mit der Verkündung des Zuschlages erlöschen zu lassen. Aber auch die REiNHARDSche Ansicht ist nicht in ihrem vollen Umfange annehmbar. Wenn der Ersteher am Tage des Zuschlages den Besitz des versteigerten Grundstückes vom Schuldner erlangt, so würde er doch während der Zeit bis zur Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses auch bei klarer und zweifelloser Rechtslage behindert sein, rechtliche und tatsächliche Verfügungen vorzunehmen. Man muß ihm dies aber gestatten. Es besteht in Ansehung der Verstrickung derselbe Schwebezustand wie in Ansehung des Eigentumes. Vollends zu weit geht die Ansicht, die von JÄCKEL, SCHÄFER und F I S C H E R vertreten wird. Sie traf zu für das Recht, was von dem preußischen Gesetze vom 13. Juli 1883 geschaffen worden war (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 31 S. 80). Danach hatte der Ersteher erst dann Anspruch auf den Besitz des versteigerten Grundstückes, wenn er die Kaufgelder vollständig bezahlt hatte. Das ist nach dem Reichsrechte nicht mehr der Fall. Der Ersteher kann sich vielmehr sofort eine vollstreckbare

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Zweites Hauptstiick.

Ausfertigung des Zuschlages erteilen lassen, um die Räumung des erstandenen Grundstücks zu erzwingen (§ 93 ZwVerstGes.); die Rechtskraft des Zuschlages braucht er nicht abzuwarten (§ 794 Ziff. 3 CPO.). Es liegt also kein Anlaß zu der Annahme vor, daß um seinetwillen die Verstrickung fortdauern müsse. Zurückzuweisen ist auch die Analogie mit der Versteigerung beweglicher Sachen. Dort hört die Verstrickung im Zeitpunkte der Übergabe der Sache an den Ersteher auf, nicht weil er den Besitz, sondern weil er dadurch das Eigentum erlangt. Es fehlt sonach an der Gleichheit des Grundes. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhange noch, daß die Anordnung der Zwangsversteigerung auf Antrag des Konkursverwalters als solche keine Verstrickung zur Folge hat (§ 173 ZwVerstGes.), ebensowenig diejenige zur Deckung von Nachlaßverbindlichkeiten (§ 176 ZwVerstGes.). Nur sehr modifiziert sind die Bestimmungen über die Beschlagnahme auf die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung einer Gemeinschaft anzuwenden (REINHARD, Bern. II 3 bei § 180 ZwVerstGes. Bd. II S. 327). b) D i e B e s c h l a g n a h m e i m Z w a n g s v e r w a l t u n g s ver fahren. Sie beginnt ihre Wirksamkeit in den entsprechenden Zeitpunkten wie die im Zwangsversteigerungsverfahren (§ 146 ZwVerstGes.), hat aber der Zwangsverwalter den Besitz des Grundstückes früher erlangt, so beginnt die Verstrickung bereits im Zeitpunkte der Besitzerlangung (§§ 150, 151 ZwVerstGes.). Sie endet mit dem Erlasse des Aufhebungsbeschlusses und zwar auch dann, wenn dieser infolge der Rücknahme des Verwaltungsantrages zu fassen ist. Denn die Rechtslage ist hier deshalb eine andere, weil der Verwalter im Besitze der Sache ist. Sein Amt und damit sein Besitz dauert bis zur Aufhebung der Verwaltung fort. Daher muß man auch ein Fortbestehen der Zwangsverwaltungsverstrickung annehmen. Die Sachlage gleicht hier in gewissen Beziehungen derjenigen, die durch die Pfändung beweglicher Sachen geschaffen wird. Hier hat der Gerichtsvollzieher die Sachen in Besitz genommen; sie werden nicht schon dadurch aus der Pfändungsverstrickung frei, daß der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher seinen Freigabe willen erklärt, sondern erst dadurch, daß der

Die einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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Gerichtsvollzieher durch seine Handlung die Verstrickung aufhebt. Bei der Zwangsverwaltung wird die Sache nur dadurch etwas modifiziert, daß das Staatsorgan, das über die Aufhebung beschließt, ein anderes ist als das, das die tatsächliche Gewalt ausübt. Ist neben der Zwangsverwaltung ein Zwangsversteigerungsverfahren einhergegangen, so endet die Verwaltungsverstrickung gleichfalls erst mit dem Erlasse des Aufhebungsbeschlusses (JÄCKEL, Bern. 1 g zu § 1 6 1 ZwVerstGes.), nicht schon, wie SCHÄFER und FISCHER (Bern. 2e zu § 161) wollen, mit dem Zuschlage. Die vielleicht wünschenswerte Abhängigkeit der beiden Verfahren voneinander ist eben in dieser Beziehung vom Gesetze nicht hergestellt worden. Einzelne von der Beschlagnahme ergriffene Gegenstände können durch Verfügungshandlungen des Zwangsverwalters in gesetzmäßiger Weise entstrickt werden (§ 152 ZwVerstGes.). Auch die von landschaftlichen Kreditanstalten nach dem preußischen Gesetze vom 3. August 1897 (zu vergl. Art. 167 EG. zum BGB., § 2 EG. zum ZwVerstGes.) angeordnete Zwangsverwaltung hat eine Verstrickung zur Folge (PEISER, Die Zwangsverwaltung S. 212). c) Eine eigentümliche Form der B e s c h l a g n a h m e ist die n a c h § 77 Z w V e r s t G e s . Hier kann ein Zwangsversteigerungsverfahren als Zwangsverwaltung fortgesetzt werden. § 77 sagt: „In einem solchen Falle bleiben die Wirkungen der für die Zwangsversteigerung erfolgten Beschlagnahme bestehen." Das soll heißen: trotz der grundsätzlichen Verschiedenheit beider Beschlagnahmearten endigt mit dem Erlasse des Fortsetzungsbeschlusses nicht die Versteigerungsverstrickung; es beginnt nicht eine neue Verwaltungsverstrickung. Die Versteigerungsverstrickung ändert vielmehr ihr Wesen; sie dehnt sich gewissermaßen aus, ergreift die bisher nicht mit verstrickten Gegenstände und entzieht dem Schuldner auch die Verfügungsmacht in den Grenzen einer ordentlichen Wirtschaft. Die Erweiterung der Verstrickung beginnt mit der Verkündung des Beschlusses, der die Fortsetzung des Verfahrens als Zwangsverwaltung anordnet. d) D i e g e r i c h t l i c h e V e r w a l t u n g n a c h § 94 Z w V e r s t G e s . Ob die gerichtliche Verwaltung nach § 94 ZwVerstGes. eine Verstrickung des Grundstückes zur Folge habe, oder nicht, das

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Zweites Hauptstück.

sagt das Gesetz nicht. Die Beantwortung der Frage ist aus dem Wesen, insbesondere dem Zwecke dieser Verwaltung zu entnehmen. Der Ersteher kann sich nach dem Reichsrechte den Besitz des versteigerten Grundstückes verschaffen, auch wenn er den bar zu zahlenden Teil des Meistgebotes noch nicht berichtigt hat. Im Interesse der Beteiligten, die aus dem Yersteigerungserlöse Befriedigung zu erwarten haben, ist die Möglichkeit dieser Verwaltung geschaffen worden. Daß dies der Fall ist, erhellt schon daraus, daß nur sie antragsberechtigt sind. Im preußischen Rechte diente die Verwaltung vorzugsweise den Interessen des Erstehers, der erst nach Erlegung der Kaufgelder in den Besitz des Grundstückes gelangen konnte (REINHARD, Bern. I zu § 94 ZwVerstGes.); sie gewährte ihm Schutz gegen beeinträchtigende Verfügungen des Schuldners (Obertrib. in GOLTD. Arch. von 1872 S. 525). Jetzt soll der Ersteher bis zur Befriedigung dessen, der die gerichtliche Verwaltung beantragt hat, von der Einwirkung auf das Grundstück und die mitversteigerten Gegenstände ausgeschlossen werden; das Grundstück wird auf diese Weise bis zur Befriedigung des Antragstellers oder bis zur Anordnung einer neuen Zwangsversteigerung oder einer neuen Zwangsverwaltung auf Grund des nach § 132 Abs. 2 ZwVerstGes. vollstreckbar ausgefertigten Zuschlagsbeschlusses in seiner Integrität erhalten. Dieser Sicherungszweck läßt die gerichtliche Verwaltung als eine Art von Sequestration erscheinen. Eine Zwangsverwaltung ist sie freilich nicht; denn sie bezielt nicht die Befriedigung des Antragstellers; sie soll nur vor einer Gefährdung seiner Befriedigung schützen. Deshalb enthält ihre Anordnung auch keine Beschlagnahme in dem besonderen Sinne des Zwangsversteigerungsgesetzes. Gleichwohl muß man annehmen, daß sie zu einer Verstrickung des Grundstückes und der von der Hypothek mitergriffenen Gegenstände führt, so wie dies bei einer Sequestration der Fall ist. Der Ersteher darf über die in gerichtliche Verwaltung genommenen Gegenstände weder rechtlich noch tatsächlich verfügen. Hierin ist REINHARD (Bern. I zu § 94 ZwVerstGes.) und FISCHEB und SCHÄFER (Bern. 4 zu § 9 4 ZwVerstGes.)

beizustimmen. Der gegenteiligen Ansicht von PEISEB (Die Zwangsverwaltung S. 197) kann dagegen nicht gefolgt werden. Die Ver-

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strickung beginnt in dem Zeitpunkte, wo der gerichtliche Verwalter den Besitz nach § 150 Abs. 2 ZwVerstGes. erlangt (FISCHER und SCHÄFER, Bern. 3 zu § 94 ZwVerstGes.). Hat bis zum Zuschlage eine Zwangsverwaltung bestanden, so kann diese in eine gerichtliche Verwaltung nach § 94 ZwVerstGes. übergeleitet werden. Wenn der Zwangsverwalter als Verwalter beibehalten wird und im Besitze bleibt, so verbleibt auch das Grundstück ohne Unterbrechung verstrickt. Die Verstrickung wird aber zu einer anderen. Sie dauert fort, bis sie durch Gerichtsbeschluß aufgehoben wird. e) Die S e q u e s t r a t i o n von Gegenständen des unbeweglichen Vermögens ist unter denselben Voraussetzungen zulässig wie die von beweglichen Sachen und Rechten. Die Verstrickung beginnt mit der Einweisung des Sequesters in den Besitz und endet, abgesehen von einem etwaigen Verstrickungsbruche, mit dem Erlasse eines gerichtlichen Aufhebungsbeschlusses. f) Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß vereinzelt die gesonderte Beschlagnahme von wesentlichen Bestandteilen eines Grundstückes zulässig ist. Gehören doch die vom Boden noch nicht getrennten Früchte, deren Pfändung § 810 CPO. unter gewissen Voraussetzungen gestattet, nach § 94 BGB zu den wesentlichen Grundstücksbestandteilen (zu vergl. aber RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 3 S. 174). Zu bemerken ist weiter, daß manche Grundstücke, sei es aus Rücksicht auf ihren Eigentümer und ihre Zweckbestimmung, sei es infolge ihrer besonderen rechtlichen Eigenschaft gewissen Arten der Beschlagnahme unzugänglich sind. So sind in Sachsen zwar nicht die Grundstücke des Fiskus, weder des Landes- noch des Reichsfiskus vom Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren ausgenommen (KBETZSCHMAR im Sächs. Arch. Bd. 12 S. 390), wohl aber nach den §§ 3 und 5 des sächsischen Gesetzes vom 20. Juni 1900 diejenigen Grundstücke der Gemeinden, Kirchen, geistlichen und Schullehne, die für die Erfüllung der öffentlichrechtlichen Aufgaben der Gemeinde und für den Kirchen- und Schuldienst unentbehrlich sind (EG. zu CPO. § 15 Ziff. 3). In diesem Zusammenhange ist auch zu erwähnen, daß nach § 23 des sächsischen Gesetzes vom 22. Mai 1872 in Verbindung mit § 35 des sächsischen Gesetzes vom 6. November 1843 (zu vergl.

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Zweites Hauptstiiok.

Artt. 60. 61 EG. zum BGB.) die Gläubiger unvollkommener Lehnshypotheken nicht berechtigt sind, auf die Subhastation des Lehna zu dringen. Nach § 23 des sächsischen Gesetzes über Familienanwartschaften vom 7. J u l i 1900 kann ein anwartschaftliches Grundstück nur in der Weise mit Grundschulden, Rentenschulden und Hypotheken belastet werden, daß der Gläubiger seine Befriedigung aus dem Grundstücke nur im Wege der Zwangsverwaltung zu suchen berechtigt ist. Die Zwangsversteigerung eines anwartschaftlichen Grundstückes ist jedoch unbeschränkt zulässig auf Grund einer Hypothek, die dem Anwartschaftsvermerke im Range vorgeht. Übrigens kann der Landesherr nach § 97 des Gesetzes über Familienanwartschaften auch die Belastung der Anwartschaft mit einer vollkommenen Hypothek gestatten. Die Eintragung einer Zwangshypothek hat ebensowenig die Wirkungen einer Beschlagnahme wie die Pfändung des Anspruches auf Eigentumsübertragung an einem Grundstücke. Im letzten Falle könnte eine Beschlagnahme erst in Betracht kommen, wenn das Grundstück an den vom Gericht nach § 848 CPO. bestellten Sequester herausgegeben worden ist. § 12. II. Die Beschlagnahme nach der Konkursordnung. 1. Die K o n k u r s e r ö f f n u n g hat die Wirkungen einer Beschlagnahme. Dies ist von der Rechtsprechung schon unter der Herrschaft der vor der Reichskonkursordnung geltenden Gesetze angenommen worden, so insbesondere für das nassauische Recht (GOLTD. Arch. von 1872 S. 562, von 1877 S. 453). Daß die Konkurseröffnung nach der Reichskonkursordnung eine Verstrickung des gesamten passiv exekutionsfähigen Vermögens des Gemeinschuldners herbeiführt, ist vom Reichsgericht in einer ausführlichen Entscheidung (Entsch. in Strafs. Bd. 14 S. 286 ff.) begründet worden. Ein Zweifel darüber kann füglich nicht mehr bestehen. Von der Beschlagnahme betroffen wird das gesamte zur Konkursmasse gehörige Vermögen des Gemeinschuldners ohne Rücksicht darauf, wo es sich befindet. Sachen, die der Gemeinschuldner zwar besitzt, die ihm aber nicht gehören, oder solche,

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die ihm zwar gehören, aber nicht passiv exekutionsfähig sind, trifft die Konkursverstrickung nicht (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 19 S. 85, anders nach früherem Rechte: Obertrib. in GOLTD. Arch. von 1877 S. 453). Die Verstrickung beginnt in dem Zeitpunkte, in dem der Konkursrichter den Eröffnungsbeschluß niedergeschrieben hat, und den er in dem Beschlüsse angeben soll (§§ 6, 108 der KO.). Der Zeitpunkt, in dem die Bekanntmachung als bewirkt gilt, ist nicht maßgebend (KOHLER, Konkursrecht S. 539, PETERSEN-KLEINFELLER, Bern. 1, SARWEY-BOSSERT, Bern. 2 zu § 1 0 8 KO.). Freilich kann der Konkursrichter, wie KOHLER (Konkursrecht S. 539, 540) mit Recht hervorhebt, seinen Beschluß widerrufen, solange als er noch nicht in die Außenwelt getreten ist. Wenn er aber in die Außenwelt tritt, so ist die Beschlagnahme als im Zeitpunkte seiner Fassung erfolgt anzusehen. Bis dahin besteht ein Schwebezustand. Hat das Amtsgericht die Konkurseröffnung abgelehnt und erhebt der Antragsteller deswegen sofortige Beschwerde, so würde nach § 74 KO. die dem Eröffnungsantrage stattgebende Entscheidung des Beschwerdegerichts erst mit ihrer Rechtskraft in Wirksamkeit treten. Das würde also gemäß § 76 KO. erst nach Ablauf von zwei Wochen sein, die mit dem Tage beginnen, mit dessen Ende die Bekanntmachung der Beschwerdeentscheidung als erfolgt gilt. Das Beschwerdegericht wird freilich in diesen Fällen nach § 74 Satz 2 KO. zweckmäßigerweise die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung anordnen. Ob darin lediglich, daß das Beschwerdegericht die vom Amtsgerichte abgelehnte Konkurseröffnung verfügt, immer eine Anordnung der sofortigen Wirksamkeit zu erblicken sein wird, das ist eine Frage vorwiegend des einzelnen Falles; sie ist aber doch wohl nicht mit JÄGER (Anm. 3 bei § 74 KO.) im allgemeinen zu bejahen. Ordnet das Beschwerdegericht die sofortige Wirksamkeit des von ihm erlassenen Eröffnungsbeschlusses an, so gilt für diesen dasselbe wie für den amtsgerichtlichen in Bezug auf den Beginn der durch ihn herbeigeführten Verstrickung. Zur Verstrickung der Masse ist ein weiteres außer dem Erlasse des Eröffnungsbeschlusses nicht erforderlich. Insbesondere ist es nicht notwendig, daß der Konkursverwalter die einzelnen Massegegenstände in Besitz nimmt. Verstrickt wird zunächst die

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Zweites Hauptstück.

gesamte im Zeitpunkte der Eröffnung vorhandene Masse. Ihr können während der Dauer des Konkurses noch weitere Gegenstände hinzutreten. Der Erwerb des Gantschuldners aus der Zeit nach der Eröffnung bleibt freilich nach § 1 KO. von der Konkursverstrickung unberührt. Aber diejenigen Gegenstände, die der Verwalter erwirbt, sowie Ansprüche, die aus unerlaubten Handlungen zum Nachteile der Masse herrühren, fallen mit ihrem Erwerbe bezw. mit ihrer Entstehung in die Masse und werden in demselben Zeitpunkte verstrickt. Die Aufhebung der Konkursverstrickung kann sowohl in Ansehung der ganzen Masse auf einmal, als auch in Ansehung einzelner Massegegenstände erfolgen. Die Entstrickung der gesamten Masse tritt ein, wenn der Eröffnungsbeschluß aufgehoben (§ 116 KO.), wenn das Konkursverfahren nach Abhaltung des Schlußtermins (§ 163 KO.) oder nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangs Vergleiches (§ 190 KO.) aufgehoben oder wenn es unter Zustimmung der Konkursgläubiger oder mangels Masse eingestellt wird (§§ 202 ff. KO.). Zu dem ersten Falle, der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses ist der Ansicht von JÄGER beizutreten (Anm. 1 zu § 74 KO.). Wenn das Beschwerdegericht den Eröffnungsbeschluß aufhebt, so ist die Sache nicht so anzusehen, als sei der Konkurs überhaupt niemals eröffnet gewesen. Vielmehr ist die Masse so lange verstrickt, bis der aufhebende Beschluß wirksam wird. Der Beschluß, durch den das Konkursverfahren nach Abhaltung des Schlußtermins oder nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsvergleiches aufgehoben wird, wird wirksam nicht schon mit seiner Fassung durch das Gericht, wie SARWEY-BOSSERT (Bern. 2 zu § 1 6 3 KO.) annimmt, sondern erst in dem Zeitpunkte, wo seine Bekanntmachung als erfolgt gilt. (JÄGER, Bern. I I , PETERSEN-KLEINFELLER, Bern. 4 zu § 1 6 3 (KO.). Eine Anfechtung dieses Beschlusses findet nach den §§ 163 Abs. 1 Satz 2, 190 Abs. 1 Satz 2 KO. nicht statt; mithin ist im Augenblicke der erfolgten Bekanntmachung die Masse endgültig und zweifelsfrei entstrickt. In denselben Zeitpunkt ist das Wirksamwerden des Einstellungsbeschlusses zu verlegen; hierin ist JÄGER (Anm. 4 zu den §§ 2 0 5 , 2 0 6 KO.) beizustimmen. Der Ansicht von SARWEY - BOSSERT (Bern. 1 zu § 2 0 5 KO.), daß der

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Einstellungsbeschluß schon mit seiner Fassung und Niederschrift die Beendigung des Verfahrens zur Folge habe, ist auch hier nicht beizutreten; die Analogie mit dem Eröffnungsbeschluß ist unzulässig. Andererseits geht aber PETERSEN - KLEINFELLER ZU weit, wenn er (Bern. 3 zu den §§ 205. 206 KO.) die Wirkungen der Konkurseröffnung erst im Zeitpunkt der Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses enden lassen will. Der Einstellungsbeschluß unterliegt zwar im Gegensatze zu dem Aufhebungsbeschlusse der sofortigen Beschwerde (§ 73 KO.). Die Beschwerde hat aber keine aufschiebende Wirkung. Hebt das Beschwerdegericht durch eine in Rechtskraft erwachsende Entscheidung den Einstellungsbeschluß auf, so ist es zwar so zu halten, als sei die Einstellung nicht erfolgt. Bis zum Eintritte der Rechtskraft der Entscheidung des Beschwerdegerichtes, die den Einstellungsbeschluß kassiert, besteht ein Schwebezustand. Die Lage ist ähnlich wie bei der Aufhebung der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung. Die Verstrickung überdauert das Ende des Konkursverfahrens niemals, auch nicht im Falle eines Zwangsvergleiches. Dieser kann nur eine dingliche oder obligatorische Sicherung der Konkursgläubiger vorsehen (SARWEY-BOSSERT, Bern. 1 zu § 192 KO.; zu vergl. auch KOHLEE, Konkursrecht S . 500. 501). Einzelne Vermögensstücke können dadurch aus der Konkursverstrickung gelöst werden, daß der Verwalter sie dem Kridar aus der Masse freigibt (PETERSEN-KLEINFELLER, Bern. 2 1 , SARWEYBOSSERT, Bern. 6 , J Ä G E R , Anmerkung 3 6 zu § 6 KO., KÖHLER, Konkursrecht S. 434). Eine Freigabe durch die Konkursgläubiger ist nicht statthaft. Die Wirkungen der Beschlagnahme erlöschen ferner, wenn der Konkursverwalter Massegegenstände veräußert. Dasselbe ist der Fall, wenn die Verstrickung gebrochen wird, insbesondere im Falle des geschützten gutgläubigen Erwerbs (KOHLER, Konkursrecht S . 1 0 4 ) . Keine Entstrickung liegt aber vor, wenn der Gemeinschuldner mit Erfolg durch eine Einwendung beim Konkursgerichte die Zugehörigkeit eines Gegenstandes zur Masse bestritten hat, oder wenn ein Aussonderungsberechtigter seinen Aussonderungsanspruch durchsetzt. Denn beide Male wird festgestellt, daß der aus der Masse auszuscheidende Gegenstand überhaupt nicht zu dieser gehört habe, mithin nie verstrickt gewesen sei. MOTIIBB, Beschlagnahme.

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Z w e i t e s Hauptatück.

2. Ist nach der rechtskräftigen Bestätigung eines Zwangsvergleiches das Konkursverfahren aufgehoben worden, so kann es gemäß § 198 KO. wieder aufgenommen werden. Da durch die Aufhebung die noch vorhandene Masse aus der Verstrickung gelöst worden war, so muß an den W i e d e r a u f n a h m e b e s c h l u ß die Wirkung einer erneuten Beschlagnahme geknüpft werden. Maßgebend ist auch hier der Zeitpunkt der Fassung und Niederschrift des Beschlusses; er steht dem Eröffnungsbeschlusse in dieser Beziehung gleich (§ 198 Abs. 2 KO.). Die Verstrickung erfaßt nicht nur das von der ersten Konkursbeschlagnahme betroffen gewesene Vermögen des Kridars, sondern auch sein seit dem Erlasse des ersten Eröffnungsbeschlusses erworbenes Vermögen, soweit es passiv exekutionsfähig ist. Dies ist eine notwendige Folgerung daraus, daß nach § 200 Abs. 2 KO. auch die neuen Gläubiger des Gemeinschuldners sich an dem wiederaufgenommenen Verfahren beteiligen können. War nach der Aufhebung, aber vor der Wiederaufnahme ein neuer Konkurs eröffnet worden, so kann sich das Vermögen des Gemeinschuldners zeitweilig in einer doppelten Konkursverstrickung belinden. J Ä G E R (Anm. 5 zu § 1 9 8 KO.) hält dies zwar nicht für zulässig. Es verdient jedoch vor seiner die Ansicht von PETERSEN - KLEINFELLER (Bern. 2 zu den §§ 1 9 8 — 2 0 1 KO.) und von SARWEY - BOSSERT (Anm. 1, 4 zu § 1 9 8 KO.) den Vorzug. Danach geht das wiederaufgenommene dem neuen Verfahren vor und entzieht diesem die Masse, so daß dieses nach § 204 KO. einzustellen ist (zu vergl. auch K O H L E R , Konkursrecht S . 5 0 1 Note 1, S. 600. 3. Schon vor der Konkurseröffnung kann das Konkursgericht nach § 106 KO. e i n s t w e i l i g e A n o r d n u n g e n zur Sicherung der Masse treffen. Denkbar ist, daß das Konkursgericht zu dem bezeichneten Zwecke eine Beschlagnahme, insbesondere in entsprechender Anwendung des § 938 C P O . (PETERSEN-KLEINFELLER, Bern. 8 zu § 106 KO.) eine Sequestration besonders wertvoller Vermögensstücke des Kridars anordnet. Von dieser Sequestration gilt dann das bei der civilprozeßrechtlichen Beschlagnahme Gesagte. In dem bloßen Veräußerungsverbote nach § 106 KO. ist jedoch, wie das Reichsgericht (Entsch. in Strafs. Bd. 20 S. 244)

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Die einzelnen Arten der Beschlagnahme.

zutreffend angenommen hat, noch keine Beschlagnahme enthalten. Hat eine Beschlagnahme stattgefunden, so gehen ihre Wirkungen im Falle der Konkurseröffnung in der Konkursverstrickung auf. Wird der Eröffnungsantrag abgewiesen, so sind auch die einstweiligen Anordnungen, also auch eine etwaige Beschlagnahme aufzuheben. Sie tritt nicht von selbst außer Wirksamkeit. Übrigens kann das Konkursgericht auch vor einer Wiederaufnahme des Konkursverfahrens und zwar schon vor der rechtskräftigen Verurteilung des Gemeinschuldners nach § 197 Abs. 2 KO. Sicherheitsmaßregeln anordnen, sonach kann es in diesem Falle auch eine Beschlagnahme verfügen. § 13III. Die Beschlagnahme im Straf- und Disziplinarverfahren. 1. D i e S i c h e r u n g von E i n z i e h u n g s - u n d U b e r f ü h r u n g s stücken. Nach § 94 StPO. und entsprechend nach § 229 MStGO. sind Einziehungs- und Uberführungsstücke zu beschlagnahmen. Die Ausdrucksweise der StPO. und der ihr folgenden MStGO. ist keine einheitlich durchgeführte. Wie schon im Eingange hervorgehoben wurde, versteht sie unter Beschlagnahme bald die Wegnahme der Sachen und zwar entweder die Wegnahme gegen den Willen des Verfügungsberechtigten oder die mit seinem Willen, bald die Anordnung dieser Wegnahme (zu vergl. hierüber JOHN, Strafprozeßordnung, Erlangen 1884, Bd. 1 S. 744fF.). Für dieZwecke der vorliegenden Abhandlung ist zunächst festzustellen, daß auch die nach § 94 Abs. 1 StPO. (§ 229 Abs. 1 MStGO.) in Verwahrung genommen oder sicher gestellten Sachen beschlagnahmt und zwar im Sinne von § 137 StGB, verstrickt sind. Hierüber besteht gegenwärtig kaum noch ein Zweifel. KELLEE (Strafprozeßordnung, Lahr 1882, Bern. 6 zu § 94) will zwischen den bloß in Verwahrung genommenen und den nach § 94 Abs. 2StPO. beschlagnahmten Sachen unterscheiden; diese will er dem § 137 StGB, unterstellen, jene nicht. Eine andere Unterscheidung beliebt JOHN (HOLTZENDOKETS Handbuch des Strafrechtes Bd. 3 S. 191); nach seiner Ansicht sollen zwar die in Verwahrung genommenen und beschlag4*

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Zweites Hauptstück.

nahmten Eiüziehungsstücke, nicht aber die bloßen Uberführungsstücke im Sinne des § 137 StGB, verstrickt sein. Beider Distinktionen haben aber keinen Anklang gefunden (zu vergl. H O L T Z E N D O K F F in seinem Handbuche des Strafprozeßrechtes Bd. 1 S. 315). Die Beschlagnahme nach der StPO. setzt den Erlaß einer Anordnung voraus. Diese hat in der Regel vom Richter auszugehen ; bei Gefahr im Verzuge steht sie auch der Staatsanwaltschaft und denjenigen Polizei- und Sicherheitsbeamten zu, die ihren Anordnungen als Hilfsbeamte Folge zu leisten haben (§ 98 StPO.). Druckschriften können nur in den von § 23 Ziff. 1—3 des Preßgesetzes hervorgehobenen Fällen ohne richterliche Anordnung beschlagnahmt werden. Briefe und Postsendungen, sowie Telegramme kann nur der Richter, bei Gefahr im Verzuge die Staatsanwaltschaft, nicht aber die gerichtliche Polizei beschlagnahmen (§ 100 StPO.) Einer Form bedarf die Beschlagnahmeanordnung nicht; sie kann der ausführenden Stelle mündlich oder schriftlich mitgeteilt werden ( H O L T Z E N D O E F F in seinem Handbuche des Strafprozeßrechtes Bd. 1 S. 318. 319). Wenn der anordnende und ausführende Beamte der nämliche ist, so kann die Anordnung lediglich durch die Ausführung bekundet werden. Ob Gefahr im Verzuge ist, hat die Staatsanwaltschaft und die gerichtliche Polizei nach pflichtmäßigem Ermessen zu prüfen. Läuft ihnen bei der Annahme einer die sofortige Beschlagnahme rechtfertigenden Gefahr ein Irrtum unter, so beeinträchtigt dies nicht die Wirksamkeit ihrer Amtshandlung (Annalen des OLG. Dresden, Bd. 7 S. 309). Die Anordnung der Beschlagnahme ist zu vollziehen. Erst durch die Vollziehung wird der Zustand der Verstrickung geschaffen. Zuständig zur Vollziehung sind zunächst' alle Beamten, denen die Anordnung zusteht. Der Amtsrichter, der Untersuchungsrichter, der Staatsanwalt, die Beamten der gerichtlichen Polizei können sowohl die je von ihnen selbst, als die von einem anderen zuständigen Beamten ausgehende Beschlagnahmeverfügung vollstrecken ( B E N N E C K E , Lehrbuch S. 254). Die Ausführung der Beschlagnahmeanordnung kann aber von den zur Anordnung zuständigen Personen auch anderen Personen übertragen werden und zwar auch solchen Personen, die nicht Hilfsbeamte der

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Staatsanwaltschaft sind. So kann unbedenklich der Richter einen Gerichtsvollzieher oder Gerichtsdiener mit der Vornahme der Beschlaglegung betrauen (VON KRIES, Lehrbuch S. 291. 292). Für die Vollziehung sind besondere Formen nicht vorgeschrieben (VON HOLTZENDOBFF in seinem Handbuche des Strafprozeßrechtes Bd. 1 S. 313). Es genügt jeder behördliche Ausführungsakt, wodurch der Beschlagnahmewille betätigt wird. Die nachdrücklichste und zweifelloseste Art der Äußerung dieses Willens ist die Wegnahme der Sache aus ihrem bisherigen Gewahrsame und ihre Verbringung in den des Gerichts. Das ist auch der sicherste, es ist aber nicht der einzig mögliche und immer gangbare Weg zur Vollziehung. Es genügt auch, wenn die Sache in ihrem bisherigen Gewahrsame belassen und als beschlagnahmt etwa durch Anlegung von Siegeln oder Siegelmarken gekennzeichnet wird. Als eine ausreichende Art des Vollzuges ist auch die amtliche Erklärung anzusehen, die Sache werde mit Beschlag belegt; es genügt ferner ein amtliches Verbot der Verfügung über die Sache oder der Veränderung der Sache an ihren Inhaber, dafern dadurch der amtliche Auftrag an den Inhaber ausgedrückt wird, daß er die Sache forthin für die beschlagnahmende Behörde zu bewahren und bereit zu halten habe (Obertrib. in GOLTD. Arch. von 1875 S. 435, RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 18 S. 71). In manchen Fällen wird sich die Wegnahme der Sache gar nicht durchführen lassen oder mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein, so wenn es sich um lebende Tiere handelt oder wenn Gebäudeteile z. B. eine mit Blutspuren bedeckte Wand als Beweismittel zu sichern sind. Die einmal hergestellte Verstrickung endet in der Regel nicht von selbst. Wenn § 98 Abs. 2 StPO. vorschreibt, daß in gewissen Fällen die Staatsanwaltschaft und die gerichtliche Polizei für die von ihnen verhängten Beschlagnahmen die richterliche Bestätigung binnen drei Tagen nachsuchen sollen, so ist damit nicht gesagt, daß bei Versäumung jener dreitätigen Frist die Sachen aufhörten, verstrickt zu sein. Ihre Verstrickung dauert vielmehr auch bei Nichteinholung der richterlichen Bestätigung fort (Annalen des O L G . Dresden, Bd. 7 S. 309, LÖWE, Bern. 6 a zu § 98 StPO.). Anders liegt es jedoch im Falle des § 100

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Abs. 2 StPO.; hier muß binnen dreier Tage nach dem Eingange der staatsanwaltschaftlichen Beschlagnahmeverfügung bei der Postanstalt dieser die richterliche Bestätigung mitgeteilt worden sein, wenn nicht die von der Post angehaltenen Sendungen aus der Verstrickung frei werden sollen (LÖWE, Bern. 6. 7 zu § 100 StPO.). Entsprechendes wird im Falle des § 24 Abs. 4 des Preßgesetzes zu gelten haben. Im übrigen wird die Beendigung der Verstrickung erst durch eine behördliche Aufhebungshandlung herbeigeführt. Handelt es sich um solche Uberführungsstücke, die nicht zugleich Einziehungsstücke sind, so hört die Verstrickung auf, wenn sie aus dem amtlichen Gewahrsame an den zurückgegeben werden, dem sie genommen worden waren, oder wenn dem Berechtigten von der zuständigen Stelle — das ist in der Regel die Staatsanwaltschaft (OLG. Braunschweig in der Deutschen Juristenz. 1903. S. 59) — eröffnet wird, daß die Sachen freigegeben werden. Auch mit der Hinausgabe an den Verletzten (§111 StPO., § 242 MStGO.) hören die Wirkungen der Beschlagnahme auf. Sachen, die der Einziehung unterliegen, bleiben beschlagnahmt, bis von der zuständigen Behörde über sie verfügt wird. Sie gehen zwar in der Regel mit der Rechtskraft des Einziehungserkenntnisses in das Eigentum des Fiskus über; deswegen braucht aber in diesem Zeitpunkte nicht ihre Verstrickung zu enden. Dies ist von Bedeutung insbesondere bei solchen Sachen, die nach ihrer Einziehung zu vernichten oder unbrauchbar zu machen sind. Waren diese nicht in amtlichen Gewahrsam genommen, sondern nach der Beschlagnahme bei ihrem bisherigen Besitzer belassen worden, so würden sie, wenn die Verstrickung mit der Rechtskraft des Einziehungsurteils endete, zwar unter dem Strafschutze der §§ 242. 246 StGB, stehen, andere Manipulationen damit außer dem Diebstahle und der Unterschlagung, insbesondere ein Beiseiteschaffen ohne Aneignungsabsicht würde nicht strafbar sein; denn der Täter schafft nicht Bestandteile seines Vermögens beiseite (§ 288 StGB.). Die Einziehungsstücke können in der verschiedensten Weise aus der Verstrickung gelöst werden, so dadurch, daß sie veräußert und wieder in Verkehr gebracht werden. Auch mit der Aufnahme in ein Kriminalmuseum endet die Verstrickung. Ein verbotwidrig gefangenes

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wildes Tier wird entstrickt durch die vorgeschriebene Freilassung, der Kadaver eines konterbandierten Tieres durch Vergraben. Im M i l i t ä r s t r a f p r o z e s s e steht die Anordnung der Beschlagnahme dem Gerichtsherrn, bei Gefahr im Verzuge dem Untersuchungsführer, d. h. dem mit der Führung des Ermittelungsverfahrens beauftragten Gerichtsoffizier oder Kriegsgerichtsrat zu (§ 238 MStGO.). Duldet die Beschlagnahme keinen Aufschub und ist sie erforderlich, um eine Verdunkelung der Sache zu verhüten, so sind nach § 153 MStGO. auch die Staatsanwaltschaften, die Amtsgerichte, die Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes, sowie der militärische Vorgesetzte befugt, eine Beschlagnahme anzuordnen. Soll die Beschlagnahme bei jemand stattfinden, der nicht zu den aktiven Militärpersonen gehört, so ordnet zwar die Militärbehörde sie an, kann aber ihre Vollziehung nicht unmittelbar ins Werk setzen, sondern hat sich dieserhalb an das Amtsgericht, in dringlichen Fällen auch an die Staatsanwaltschaft oder die gerichtliche Polizei zu wenden (§ 239 MStGO.). Für die ersuchten Behörden ist die StPO. maßgebend. Für Beginn und Dauer der Verstrickung gilt das oben Ausgeführte. Ob in den D i s z i p l i n a r p r o z e s s e n eine Beschlagnahme von Uberführungsstücken zulässig ist, läßt sich nicht allgemein, sondern nur für die einzelnen Arten des Disziplinarprozesses beantworten. Für das ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanwälte ist die Frage vom Reichsgerichte (Entsch. in Strafs. Bd. 10 S. 425) bejaht worden. Ob aber eine Beschlagnahme in dem Disziplinarverfahren gegen Reichsbeamte (Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873 §§ 80 ff.), gegen die Staatsdiener der Bundesstaaten (z. B. sächsisches Gesetz vom 3. Juni 1876, vom 20. März 1880) in dem ehrengerichtlichen Verfahren gegen Offiziere (kaiserliche Verordnung vom 2. Mai 1874), gegen Arzte (sächsisches Gesetz betr. die ärztlichen Bezirksvereine vom 23. März 1896), gegen Patentanwälte (Reichsgesetz vom 21. Mai 1900 §§ 8 ff.), gegen Börsenbesucher (Börsengesetz vom 22. Juni 1896 §§ 9 ff), in dem Verfahren vor den Seeämtern (Reichsgesetz vom 27. Juli 1877 § 16 Abs. 2) statthaft ist, kann im einzelnen Zweifeln begegnen. Wenn sich aber das Reichsgericht gelegentlich (Entsch. in Strafs. Bd. 10 S, 429) für eine Zulässigkeit der Beschlagnahme im Dis-

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Zweites Hauptstück.

ziplinarverfahren gegen Reichsbeamte ausspricht, so wird man für die übrigen Disziplinarprozesse zu demselben Ergebnisse gelangen können. Denn die einschlagenden Gesetze geben dafür zumeist nicht mehr Anhalt als das Reichsbeamtengesetz. Insoweit V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n als O r g a n e der S t r a f r e c h t s p f l e g e tätig werden, sind sie auch befugt, Einziehungsund Überführungsstücke zu beschlagnahmen. Als solche Behörden kommen hauptsächlich in Betracht die Polizeibehörden (§ 453 StPO. und für Sachsen § 1 des Gesetzes vom 8. März 1879, § 101 rev.StO.Yom 24. April 1873, Art. IV §§ 11. 12. 14 StO. für mittlere und kleine Städte vom 24. April 1873; §§ 73. 74. 76. 84 rev. Landgemeindeordnung vom 24. April 1873, §§ 6. 23 des Organisationsgesetzes vom 21. April 1873), die Zoll- und Steuerbehörden (§ 459 StPO., § 10 des sächsischen Gesetzes vom 8. März 1879) und die Postbehörden (§§ 34 ff. des Gesetzes über das Postwesen vom 28. Oktober 1871). Der Vollzug der von ihnen verfügten Beschlagnahme ist an keine Förmlichkeiten gebunden. Sie haben auch über die von ihnen verstrickten Sachen zu verfügen. 2. V o l l s t r e c k u n g e i n e r e r k a n n t e n E i n z i e h u n g . Ist ein Einziehungsstück vor der Rechtskraft des Einziehungserkenntnisses noch nicht beschlagnahmt gewesen, so bedarf es zwar für den Eigentumserwerb des Fiskus in der Regel nicht der Wegnahme (KOHLER, Patentrecht S. 590). Der Fiskus ist aber berechtigt, sich auf Grund des Einziehungserkenntnisses den Besitz zu verschaffen. Er tut dies, indem er jenes Erkenntnis vollstrecken läßt. Da die Einziehung zu den Vermögensstrafen im Sinne des § 495 StPO. zu rechnen ist (LÖWE, Bern. 1 zu § 495 StPO.; OLSHAUSEN, Bern. 2 zu § 4 0 StGB.), so hat im bürgerlichen Strafverfahren die Vollstreckung nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung zu erfolgen (§§ 883 ff.). Auf Einziehung lautende Urteile der Militärgerichte werden nach den landesgesetzlichen Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren vollzogen (§ 462 MStPO.). Von der Wegnahme durch den Gerichtsvollzieher oder Vollstreckungsbeamten an bis zur weiteren Verfügung der Vollstreckungsbehörde befindet sich das Einziehungsstück im Zustande der Verstrickung.

D i e einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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3. Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g wegen G e l d l e i s t u n g e n . a) G e l d s t r a f e n u n d B u ß e n sind nach § 495 der StPO. gemäß den Vorschriften über die Vollstreckung der Urteile der Civilgerichte beizutreiben. Es sind also die Vorschriften der CPO. über die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen maßgebend. In gleicher Weise sind die Kostenfestsetzungsbeschlüsse im Privatklageverfahren zu vollziehen. Nach § 462 MStGO. werden die von den Militärgerichten verhängten Geldstrafen im Verwaltungszwangsverfahren eingezogen. b) Die G e r i c h t s k o s t e n werden nach den Vorschriften über Geldleistungen in Verwaltungssachen beigetrieben (§ 1 des sächsischen Gesetzes über die Gerichtskosten vom 21. Juni 1900). Das Gleiche gilt von den in einem Disziplinarverfahren etwa zu erstattenden baren Auslagen (§ 124 Abs. 2 des Reichsbeamtengesetzes, § 30 des sächsischen Staatsdienergesetzes vom 3. Juni 1876). c) Während es sich zu a und b um Befriedigungsvollstreckungen handelt, gestattet § 325 StPO. auch eine S i c h e r u n g s v o l l s t r e c k u n g . Diese ist zulässig nach Erhebung der öffentlichen Klage; denn sie richtet sich gegen einen „Angeschuldigten" (§ 155 StPO.). Ihr Zweck ist, die Beitreibung der Geldstrafe und Kosten gegen den abwesenden Angeschuldigten sicherzustellen. Die Anordnung der Beschlagnahme erfolgt durch richterlichen Beschluß, der, wie KELLER (Bern. 3 zu § 325 StPO.) mit Recht annimmt, in der Regel nach § 40 StPO. bekannt zu machen ist. Der Beschluß hat die zu sichernde Geldsumme der Höhe nach anzugeben. Seine Vollziehung erfolgt nach den Vorschriften der CPO. über die Arrestvollstreckung; sie ist also schon zulässig, bevor der Anordnungsbeschluß als zugestellt gilt. Die durch eine etwaige Pfändung geschaffene Verstrickung wird nicht schon mit dem Wegfalle der Voraussetzungen für den Erlaß des Beschlusses hinfällig. Sie hört auch nicht schon auf mit der Aufhebung des Beschlagnahmebeschlusses. Es bedarf vielmehr einer besonderen Entstrickungshandlung. Weiter ist denkbar, daß die Arrestpfändung in einer Zwangsvollstreckung nach § 495 StPO. bezw. nach § 1 des sächsischen Gesetzes vom 21. Juni 1900 fortgesetzt

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Zweites Hauptstück.

werde. Dann endet die Verstrickung erst mit der Übergabe der Pfänder an den Ersteher, bei Forderungen mit der Überweisung an Zahlungsstatt oder mit deren Einziehung. 4. Die V e r m ö g e n s b e s c h l a g n a h m e . Die strafprozeßrechtliche Vermögensbeschiagnahme kann drei verschiedenen Zwecken dienen. Sie kann sein: a) eine arrestatorische Maßnahme mit dem Zwecke der Sicherung der Vollstreckung wegen Geldstrafe und Kosten (§ 326 StrO., § 140 Abs. 3 StGB, in Verbindung mit § 480 StPO.). b) ein Gestellungsmittel (§§ 332 ff. StPO., §§ 360 ff. MStGO.). c) eine Maßregel der vorbeugenden Rechtspflege (§ 93 StGB, in Verb, mit den §§ 480. 332 ff. StPO., § 56 MStGB.), mit dem Zwecke, dem Verbrecher bis zur rechtskräftigen Entscheidung die Verfügung über Mittel zu entziehen, die er möglicherweise in staatsgefährdender Weise verwenden kann (OLSHAUSEN, Bern. 1 zu § 93 StGB.). Allen drei Maßregeln ist gemeinsam, daß sie durch das Gericht angeordnet werden. Die Verstrickung beginnt mit der ersten Veröffentlichung des Anordnungsbeschlusses im Reiclisanzeiger (§§ 326 Abs. 2, 334 Abs. 1, 480 StPO., § 361 Abs. 1 MStGO.). Verstrickt wird nur das im Reiche befindliche Vermögen, aber auch das gesamte im Reiche befindliche Vermögen ohne Rücksicht darauf, ob es nach der CPO. oder sonstigen Gesetzen der Zwangsvollstreckung unterliegt. Das ist besonders gegenüber § 325 StPO. hervorzuheben. Da diese Vorschrift die Bestimmungen über die Arrestvollstreckung für anwendbar erklärt, so versteht sich von selbst, daß auch die Exekutionsprivilegien gelten und bei der Beschlagnahme nach § 325 StPO. passiv nicht exekutionsfähige Sachen nicht verstrickt werden dürfen. Ist aber eine Beschlagnahme nach § 325 StPO. nicht durchführbar und kommt es zur Beschlagnahme des Vermögens nach § 326 StPO., so wird das gesamte Vermögen des Angeschuldigten ohne Ausnahme vertrickt. Erwirbt der Beschuldigte erst nach der ersten Bekanntmachung des Anordnungsbeschlusses im Inlande Vermögensgegenstände, so treten sie im Zeitpunkte des Erwerbs in den Zustand der Verstrickung ein. Die Verstrickung des ge-

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samten Vermögens endet nicht schon, wenn die Voraussetzungen ihrer Anordnungen weggefallen sind, sondern erst wenn der Beschlagnahmebeschluß vom Gerichte aufgehoben worden ist (zust. DELIUS in GOLTD. Arch. von 1 8 8 9 S. 120). Eine Ausnahme ist jedoch für den Fall des Todes des Angeschuldigten in Ansehung der Beschlagnahme nach den §§ 332 ff. StPO. (§ 93 StGB., § § 3 6 0 ff. MStGO.) anzuerkennen (a. M . DELIÜS a. a. 0 . S. 129). Im Falle des § 326 StPO. aber endet die Beschlagnahme nicht mit dem Tode des Angeschuldigten; denn hier besteht die Möglichkeit, daß der Fiskus noch wegen der Geldstrafe (§ 30 StGB.) oder der Kosten (§ 497 Abs. 2 StPO.) aus dem beschlagnahmten Vermögen Befriedigung sucht. Die Verstrickung einzelner Vermögensgegenstände endet, wenn sie gültig veräußert werden, also insbesondere, wenn der etwa bestellte Güterpfleger darüber verfügt (SILBERSCHMIDT in KOHLERS Arch. Bd. 1 5 S. 136). Ein Bevollmächtigter des Angeschuldigten ist aber zur Verfügung über einzelne Vermögensgegenstände nicht berechtigt (OLG. Colmar in der Rechtspr. der OLG. Bd. 3 S. 250). Daß in den hier behandelten Fällen eine echte Verstrickung im Sinne von § 137 StGB, vorliegt, ist mit Grund nicht zu bezweifeln. Das ist nicht lediglich aus dem im Gesetze verwendeten Worte Beschlagnahme zu entnehmen. Es ergibt sich vielmehr aus dem Zwecke der Maßregeln. Im Falle des § 326 StPO. wird die Beschlagnahme nur verhängt, um die in § 325 StPO. zugelassenen Arrestpfändungen möglichst bald und sicher ausführen zu können. Die Beschlagnahme nach § 326 StPO. ist neben den Pfändungen nach § 325 StPO. nur eine aushilfliche Maßnahme; sie ist nur zu verhängen, wenn eine Arrestierung einzelner bestimmter Vermögensgegenstände nicht durchführbar ist. Hat eine Arrestierung ausreichender Vermögensstücke stattgefunden, so ist die Beschlagnahme nach § 326 StPO. wieder aufzuheben. Für die Zeit, bis dies geschehen, ist der Sicherungszweck jener Beschlagnahme nicht dadurch erfüllt, daß gemäß § 326 Abs. 2 StPO. die Verfügungen des Angeschuldigten der Staatskasse gegenüber unwirksam sind. Verfügt der Angeschuldigte trotzdem, so greifen nach § 135 Abs. 2 BGB. die Vorschriften zu Gunsten derjenigen ein, die ein Recht vom Nichtberechtigten

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Zweites Hauptstück.

herleiten. Die Verfügungen können also im Falle eines gutgläubigen Erwerbes auch dem Fiskus gegenüber wirksam sein; eine etwaige Anfechtungsklage nach dem Gesetze vom 21. Juli 1879 wird in einem solchen Falle kaum Erfolg haben. Um den vollen Zweck der Sicherung der Staatskasse zu erreichen, müssen der Angeschuldigte und seine Freunde davon abgehalten werden, eine gemäß § 325 StPO. vorzunehmende Arrestierung zu vereiteln. Ob § 288 StGB, hier eingreift, ist mindestens zweifelhaft, da es sich lediglich um eine Maßnahme zur Sicherung der künftigen Vollstreckung handelt (OLSHAUSEN, Bern. 3 a. E. bei § 288 StGB.). Der Zweck des § 326 StPO. fordert aber dringend, daß einer Zerstörung oder Verbringung von Vermögensstücken des Angeschuldigten vorgebeugt werde. Ein wirksamer Schutz liegt aber in der Anwendung des § 137 StGB. Auch die Vermögensverfestung nach § 332 StPO. (§ 360 MStGO.) und § 93 StGB. (§ 56 MStGB.) erheischt die Anwendung des § 137 StGB. Im ersten Falle sollen dem Angeschuldigten die Subsistenzmittel entzogen werden; er soll an den Ort, wo sie sich befinden, zurückkehren. Im zweiten Falle soll dem Beschuldigten verwehrt sein, sein Vermögen zum Nachteile des Reichs oder seiner Gliedstaaten zu gebrauchen. Beide Zwecke werden nicht allein durch die absolute Nichtigkeit der rechtlichen Verfügungshandlungen, die § 334 StPO. (§ 361 MStGO.) ausspricht, erreicht. Es muß auch den tatsächlichen Verfügungshandlungen, insbesondere einer Beiseiteschaffung von Sachen entgegengewirkt werden. Nun liegt freilich die Sache hier anders wie beim Konkurse. Dort ist die beschlagnahmende Behörde identisch mit der, die die Aufsicht über das verstrickte Vermögen führt. Dort kann man mit dem Reichsgerichte unbedenklich sagen, daß der Konkursrichter die Verfügungsgewalt über die Masse habe. Im vorliegenden Falle ist es insofern anders, als der Strafrichter nur Beginn und Ende der Verstrickung bestimmt. Nach Vollziehung der Beschlagnahme hat aber die für die Abwesenheitspflegschaft zuständige Behörde einen Güterpfleger zu bestellen. Dieser steht in keiner Beziehung unter der Oberleitung des Strafgerichts. Vielmehr führt das Vormundschaftsgericht über ihn die Aufsicht wie über einen anderen Pfleger (OLG. München

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in Strafs. Bd. 7 S. 416). Die Rechtslage scheint sonach äußerlich nicht anders zu sein, wie bei einer gewöhnlichen Pflegschaft; sie ähnelt vielleicht am meisten einer Zustandsvormundschaft, die nach dem Ausspruche der Entmündigung eingeleitet wird. Wie hier dem Mündel, so ist dort dem Angeschuldigten durch eine andere als die Vormundschaftsbehörde die Verfügung über sein Vermögen entzogen worden. Der Entmündigung kommen nun freilich die Wirkungen einer Beschlagnahme nicht zu (Obertrib. in Goltd. Arch. von 1873 S. 442), während sie mit der strafprozessualen Vermögensverfestung um ihres Zweckes willen verbunden sein müssen. Das Strafgericht äußert mit der Bekanntmachung des Beschlagnahmebeschlusses den Besitzwillen der öffentlichen Gewalt, entzieht damit das Vermögen des Angeschuldigten dem privaten Besitzstande und der privaten Verfügungsgewalt, indem es dasselbe gleichzeitig einer behördlichen Verfügungsgewalt unterwirft, über deren Dauer es zu bestimmen hat. Nur die Ausübung der besonderen behördlichen Verfügungsgewalt ist vom Gesetze für die Zwischenzeit zwischen Herstellung und Aufhebung dem Vormundschaftsgerichte übertragen worden, weil sie sich in dessen Geschäftskreis leichter einordnet, wie in den eines Strafgerichts. Die Güterpflege ändert mit dieser Unterstellung unter die Vormundschaftsbehörde nicht ihr Wesen als eine Maßregel zur Ausübung der besonderen Herrschaft der öffentlichen Gewalt. Das geht insbesondere auch daraus hervor, daß trotz einer bestehenden Güterpflege und neben ihr eine Abwesenheitspflegschaft für dieselbe Person bei demselben Vormundschaftsgerichte bestehen kann (so zutreffend Doknek, Bern. 7 c bei § 39 GFG.; a. M. anscheinend Silberschmtdt in Köhlers Arch. Bd. 15 S. 123. 149 ff.). Güterpflege und Abwesenheitspflegschaft sind in Bezug auf Einleitung und Dauer voneinander unabhängig, wenn es auch zweckmäßig sein mag, beide, solange sie nebeneinander bestehen, in derselben Person zu vereinigen.

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Zweites Hauptstück.

§ 14. IV.

Beschlagnahme in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

1. B e s c h l a g n a h m e e i n z e l n e r V e r m ö g e n s g e g e n s t ä n d e . In Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat die ßeichsgesetzgebung im allgemeinen wenige Bestimmungen über die zwangsweise Durchsetzung gerichtlicher Anordnungen getroffen. Einzelne Vorschriften finden sich z.B. im Registerrechte (§§ 14. 31 Abs. 2, 319. 325 Ziff. 9, 333 HGB., §§ 132ff. GFG.), im Vormundschaftsrechte (§ 1788. 1837. 1875 BGB., § 33 GFG.) und im Erbrechte (§ 2259 BGB., § 83 GFG.). Im übrigen ist das Zwangsverfahren in § 200 GFG. der Landesgesetzgebung zur Regelung überlassen worden. Sachsen hat es in den §§ 11. 12 des Gesetzes vom 15. Juni 1900 geordnet. a) Nach § 12 dieses Gesetzes ist die Anwendung unmittelbaren Zwanges zur Erwirkung der H e r a u s g a b e von S a c h e n zulässig. Mithin kann das Nachlaßgericht ein nach § 2259 BGB. abzulieferndes Testament, einen unrichtigen Erbschein (§ 2361 BGB.), ein unrichtiges Testamentvollstreckerzeugnis (§ 2368 Abs. 3 BGB.), das Vormundschaftsgericht die nach den §§ 1881 Abs. 2, 1893 Abs. 2 BGB. zurückzugebenden Bestallungen, die Anwartschaftsbehörde ein unrichtiges Zeugnis über die Nachfolge in eine Familienanwartschaft (§ 80 des sächsischen Gesetzes vom 7. Juli 1900) durch unmittelbaren Zwang dem Verpflichteten wegnehmen lassen. Man wird auch für statthaft erachten müssen, daß das Vormundschaftsgericht die Anordnung, wodurch es einen Vormund zur Sicherheitsleistung anhält (§ 1844 BGB.), nicht bloß nach § 54 GFG., sondern auch durch Pfändung von Geld, Wertpapieren oder beweglichen Sachen vollziehen lasse. Das Verfahren ist in § 12 Abs. 2 und 3 des angezogenen Gesetzes geregelt. Das Gericht bedient sich der Hilfe des Gerichtsvollziehers. Der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung an diesen bedarf es nur, wenn der Richter oder der vom Richter beauftragte Beamte bei der Vollziehung nicht anwesend sind. Auf die Vollziehung sind im übrigen die Bestimmungen des achten

Die einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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Buches der CPO. anzuwenden. Nach dem oben Ausgeführten ergiebt sich sonach, daß eine herauszugebende Urkunde oder andere Sache so lange im Zustande der Verstrickung ist, bis sie an die zuständige Stelle abgeliefert worden ist. Von diesem Zeitpunkte ab befindet sie sich lediglich in dem durch § 133 StGB, geschützten amtlichen Gewahrsame. b) Die B e i t r e i b u n g von O r d n u n g s s t r a f e n und Ger i c h t s k o s t e n erfolgt nach den Vorschriften über Geldleistungen in Verwaltungssachen (§ 1 des sächsischen Gesetzes vom 21. Juni 1900). c) K o s t e n f e s t s e t z u n g s b e s c h l ü s s e , die nach § 6 des sächsischen Gesetzes vom 15. Juni 1900 auch in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit erlassen werden können, werden nach den Vorschriften der CPO. vollstreckt (§ 801 CPO.). d) Zweifelhaft kann sein, ob zur N a c h l a ß s i c h e r u n g (§ 1960 BGB., § 6 des Reichsgesetzes vom 28. Mai 1901, § 74 GFG., § 78 des sächsischen Gesetzes vom 7. Juli 1900) eine Beschlagnahme vorgenommen werden kann. Die Anlegung von Siegeln schützt die versiegelten Sachen nach § 186 StGB., die amtliche Verwahrung die verwahrten nach § 133 StGB. Im Zweifel wird man in der bloßen Siegelung oder bloßen Verwahrung eine Beschlagnahme nicht zu erblicken haben. Denn das Amtsgericht will damit nur den Zugriff Dritter von den Erbschaftssachen abwehren; es wird in der Regel nicht eine eigene behördliche Verfügungsgewalt herstellen wollen. Denkbar ist aber, daß das Amtsgericht auf Grund von § 1960 BGB. auch eine Beschlagnahme vornimmt. Die Befugnis dazu ist ihm nicht abzusprechen; denn das Gesetz beschränkt es nicht in der Wahl der Sicherungsmittel. Anlaß zur Beschlagnahme wird das Gericht insbesondere dann haben, wenn es Nachlaßsachen, die sich im Gewahrsam dritter Personen befinden, durch schleunigen Zugriff vor einer Verschleppung sichern will. In einem solchen Falle stellt seine Maßregel eine Verdrängung privater Verfügungsmacht und eine Äußerung des Besitzwillens der öffentlichen Gewalt dar; sie weist eine gewisse Ähnlichkeit mit der Sequestration nach § 938 CPO. auf. Die Verstrickung beginnt in dem Zeitpunkte, wo die behörd-

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liehe Sachherrschaft als hergestellt anzusehen ist, und endet, wenn das Gericht die Sachen aus der Verstrickung entläßt. Wenn das Amtsgericht in den Fällen der §§ 432. 1217. 1281. 2039 BGB. gemäß § 165 GFG. einen Verwahrer ernannt hat und an diesen der Leistungsgegenstand oder das Pfand übergeben worden ist, so sind diese nicht verstrickt. Die Rechtslage ist keine andere, als wenn die Sachen hinterlegt wären, dafern sie sich zur Hinterlegung eigneten. 2. B e s c h l a g n a h m e e i n e r V e r m ö g e n s m a s s e . Nach § 1984 BGB. verliert der Erbe mit der Anordnung der N a c h l a ß v e r w a l t u n g die Befugnis, den Nachlaß zu verwalten und über ihn zu verfügen. Die Vorschriften der §§ 7. 8 KO. werden für anwendbar erklärt. Schon hieraus lässt sich folgern, daß die Anordnung der Nachlaßverwaltung eine Beschlagnahme enthält. Dazu kommt, daß die Nachlaßverwaltung mitbezweckt, einer Gefährdung der Nachlaßgläubiger durch das Verhalten oder die Vermögenslage des Erben vorzubeugen (§ 1981 Abs. 2 BGB.) und daß sie in gewissen Beziehungen dem Nachlaßkonkurse gleichgestellt ist (§§ 1975. 1984 Abs. 2, 1985 BGB., § 241 Abs. 2 CPO.). Es ist daher nicht einzusehen, warum die Gründe, die die Rechtsprechung und die Rechtslehre veranlaßt haben, im Falle des Konkurses eine Verstrickung des gemeinschuldnerischen Vermögens anzunehmen, im Falle einer Nachlaßverwaltung in Ansehung der Erbschaft nicht auch durchgreifen sollten. Die Verwaltungsverstrickung beginnt „mit der Anordnung", also in dem Zeitpunkte, wo der Nachlaßrichter den Anordnungsbeschluß schriftlich abgesetzt hat. Der Zeitpunkt der Bekanntmachung ist nicht maßgebend. Das BGB. schreibt nicht vor, daß im Anordnungsbeschlusse die Stunde der Anordnung anzugeben sei (§ 108 KO.); es ist aber PLANCK-RITGEN (Erl. 1 zu § 1984) und STEOHAL (Erbrecht S. 471) darin beizutreten, daß eine solche Zeitangabe zweckentsprechend ist (§ 7 Abs. 3 KO.). Die Verstrickung des Nachlasses als eines Ganzen dauert fort, bis die Nachlaßverwaltung aufgehoben wird. In dem Gesetze ist ein aufhebender Beschluß des Nachlaßgerichts zwar nicht ausdrücklich vorgesehen. Es ist aber davon auszugehen, daß in der

Die einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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Regel ein solcher zu erlassen ist. Das ergibt sich nicht nur aus § 1988 Abs. 2 BGB., sondern ist auch aus § 1975 zu entnehmen. Die Nachlaß Verwaltung ist eine Art der Nachlaßpflegschaft ( § 1 9 6 1 ) ; eine solche ist vom Nachlaßgerichte (§ 1962) aufzuheben, wenn der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist (§ 1919 BGB). Weggefallen ist der Grund für die Anordnung der Nachlaßverwaltung dann, wenn die bekannten Nachlaß Verbindlichkeiten berichtigt sind. Außer diesem allgemeinen Aufhebungsgrunde schafft § 1988 Abs. 2 BGB. noch einen besonderen, den Mangel einer den Verwaltungskosten entsprechenden Masse (§ 204 KO.). Die hier vertretene Ansicht ist zwar nicht unbestritten, wird aber von den Erläuterern des BGB. fast einhellig vertreten (PLANCKRITGEN, E r l . 2 zu § 1 9 8 8 ; HERZFELDER, E r l . 3 zu § 1986, E r l . 1

zu § 1 9 8 8 ; FBOMMHOLD, Bern. 3 zu § 1 9 8 8 BGB.; ebenso STROHAL, Erbrecht S. 478). Der aufhebende Beschluß wird wirksam mit seiner Bekanntmachung ( § 1 6 GFG.). Im Falle der Eröffnung des Nachlaßkonkurses endet die Nachlaßverwaltung von selbst; es tritt aber nunmehr die Konkursverstrickung ein (§ 1988 Abs. 1 BGB.). Während der Dauer der Verwaltung kann sich die verstrickte Vermögensmasse mehren, insbesondere durch Erwerbshandlungen des Nachlaßverwalters. Sachen, die zum Nachlasse geleistet werden, werden im Zeitpunkte ihrer Leistung verstrickt. Andererseits kann sich die verstrickte Vermögensmasse auch mindern. Einzelne Nachlaßgegenstände können durch Veräußerung seitens des Nachlaßverwalters aus der Verstrickung frei werden. Aus § 1984 Abs. 2 BGB., § 784 Abs. 2 CPO. läßt sich weiter folgern, daß zu Gunsten von Nachlaßgläubigern Zwangsvollstreckungen in den Nachlaß stattfinden können. Läßt ein Nachlaßgläubiger Nachlaßgegenstände pfänden, so befinden sich diese vorübergehend in einer doppelten Verstrickung. Im Falle einer Durchführung der Zwangsvollstreckung enden Verwaltungsverstrickung und Pfändungsverstrickung zu gleicher Zeit. Das gleiche gilt, wenn ein Nachlaßgläubiger eine Zwangsversteigerung betrieben hat. Weiter hört die Verstrickung einzelner Nachlaßgegenstände auf, wenn der Nachlaßverwalter sie dem Erben ausantwortet (§ 1986 BGB.). MOTHES,

Beschlagnahme.

5

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Zweites Hauptstück.

§ 15. V. Die Beschlagnahme im Verwaltungszwangsverfahren. Die Verwaltungsbehörden haben von alters her die Befugnis gehabt, ihre Anordnungen zwangsweise durchzuführen. Diese Befugnis ist als etwas Selbstverständliches angesehen worden. Mit der zunehmenden Trennung von Rechtspflege und Verwaltung, insbesondere nach der Übertragung eines großen Teiles des gerichtlichen Vollstreckungsverfahrens auf die Gerichtsvollzieher als selbständige Rechtspflegeorgane hat sich das gerichtliche Exekutionsverfahren immer weiter gesetzlich ausgestaltet, während das Verwaltungszwangsverfahren im ganzen ungesetzten Rechtens blieb und höchstens in einzelnen Beziehungen kodifiziert wurde (GNEIST in HOLTZENDORFFS Rechtslexikon, 3. Aufl. Bd. 3 S. 1106 ff. OTTO MAYER, D e u t s c h e s V e r w a l t u n g s r e c h t Bd. I S. 347). Man hielt

eben die Befugnis der Verwaltungsbehörden (die doch zugleich Träger der staatlichen Exekutivgewalt waren) zur Vollstreckung ihrer Anordnungen für etwas Gegebenes. Dem entspricht es auch, wenn in § 2 Ziff. 1 des sächsischen Gesetzes A vom 28. J a n u a r 1835 den Verwaltungsbehörden die Vollstreckungsgewalt nicht beigelegt wird, sondern es dort heißt: „den Verwaltungsbehörden b l e i b t ferner das Recht, innerhalb ihrer Kompetenz ihre Verfügungen mit Nachdruck durchzuführen." In gleicher Weise erklärt § 8 des sächsischen Gesetzes, das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen betreffend vom 8. März 1879: „Das Befugnis der Polizeibehörden, zur Durchführung einer für den einzelnen Fall getroffenen Verfügung Zwangsstrafen anzuordnen und zu vollstrecken . . . wird durch dieses Gesetz nicht berührt" (zu vergl. auch Art. IV § 14 StO. für mittlere und kleine Städte, § 76 LGO.). Bei dieser den Gesetzen zu Grunde liegenden Anschauung ist es denn auch verständlich, daß die Zwangsmittel, derer sich die Behörden zur Durchführung ihrer Anordnungen zu bedienen haben, meist nicht erschöpfend geregelt sind. Das preußische Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. J u l i 1883 zählt in § 132 drei Hauptzwangsmittel a u f : 1. Ersatzvornahme und Einziehung der Kosten, 2. Androhung und Beitreibung von Geldstrafen, 3. unmittelbaren Zwang. Dieselben führt GEORG

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Die einzelnen Arten der Beschlagnahme.

in seinem Lehrbuche (Bd. IS. 83) an. Die Beschlagnahme hat darunter keinen Platz. Sie ist überhaupt kein Hauptzwangsmittel, sondern nur ein Hilfszwangsmittel. Sie dient dazu, die ErsatzTornahme oder Gewaltanwendung vorzubereiten und zu sichern. Folgendes sind ihre Hauptanwendungsfälle: MEYEK

1. Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g wegen G e l d l e i s t u n g e n in V er w a l t u n g s Sachen. Diese Zwangsvollstreckung ist (in Sachsen in dem Gesetze vom 18. Juli 1902) nach dem Vorbilde der CPO. geregelt. Es besteht nur der Unterschied, daß gewisse Verrichtungen nicht den Gerichten und Gerichtsvollziehern, sondern den Vollstreckungsbehörden und Vollstreckungsbeamten übertragen sind. Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen erfolgt durch Pfändung. Für Beginn und Ende der Pfändungsverstrickung gilt dasselbe, was für die civilprozeßrechtliche Pfändungsverstrickung gesagt worden ist. Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ist in die Hände der Gerichte gelegt. Hervorzuheben ist hier, daß manchen öffentlichrechtlichen Geldansprüchen die aktive Vollstreckbarkeit in Grundstücke überhaupt abgeht (§ 1 Abs. 2 des sächsischen Gesetzes über die Gerichtskosten vom 21. Juni 1900) oder daß eine Grundstücksversteigerung ihretwegen nur mit Genehmigung der Landeszentralbehörde (Art. 14 des sächsischen Urkundenstempelgesetzes) oder des Schuldners (§15 Abs. 3 des Wechselstempelsteuergesetzes) betrieben werden darf. Das Verfahren unterscheidet sich von dem der CPO. hauptsächlich dadurch, daß es der vorgängigen Zustellung eines Schuldtitels nicht bedarf. Die Exekutionsprivilegien der CPO. gelten im allgemeinen auch hier, doch nicht ohne Ausnahme. Welche Ansprüche in diesem Verfahren beizutreiben sind, wird teils durch die Reichsgesetze (Postgesetz § 25, Reichsbeamtengesetz § 143, Krankenversicherungsgesetz

§

55,

Invaliden Versicherungsgesetz

§ 148, Unfallversicherungsgesetz § 103, Gewerbegerichtsgesetz § 73, MStGO. § 462) teils durch die Landesgesetze bestimmt (sächsisches Gerichtskostengesetz § 1, Kostenordnung für Rechtsanwälte und Notare § 32; zu vergl. RG.-Rechtspr. Bd. 9 S. 85, Entsch. in Strafs. Bd. 26 S. 287). 5*

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Zweites Hauptstück.

In manchen Fällen dient die Beschlagnahme nicht dazu, die Befriedigung unmittelbar herbeizuführen. Um diese zu erlangen, bedarf es eben stets der Pfändung oder des Antrages auf Zwangsversteigerung oder Zwangs Verwaltung. Die Beschlagnahme ist in diesen Fällen, ähnlich wie der Arrest, lediglich ein Mittel zur Sicherung der Exekutionsobjekte, so z. B. nach den §§ 14. 100 des Vereinszollgesetzes und § 146 des Reichsbeamtengesetzes. 2. Die Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g zur E i n w i r k u n g der H e r a u s gabe o d e r L e i s t u n g von S a c h e n wird bewirkt durch die Wegnahme der Sache und ihre Ablieferung an die zuständige Stelle. Vom Zeitpunkte der Wegnahme durch den Vollstreckungsbeamten bis zur Ablieferung ist die Sache im Zustande der Verstrickung. Ansprüche der hier bezeichneten Art sind die auf Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden, auf Rückgabe von Orden und Ehrenzeichen ( B B A U N im Arch. für öffentl. Recht Bd. 16 S. 573), auf Ablieferung von Pflichtexemplaren (§ 9 des Preßgesetzes), auf Ablieferung von Fundsachen (§ 967 BGB.), auf Herausgabe der Prüfungszeugnisse seitens bestrafter Schulamtskandidaten (§ 48 Abs. 6 der Ausführungsverordnung zum sächsischen Volksschulgesetze) u. a. m. Hierher gehört auch eine Beschlagnahme, die die Militärbehörde nach § 7 des Reichsgesetzes betreffend die freiwillige Gerichtsbarkeit und andere Rechtsangelegenheiten in Heer und Marine vom 28. Mai 1901 zur Sicherung von amtlichen Akten u. s. w. verfügt (zu vergl. auch § 20 des Reichsbeamtengesetzes). Ein eigenartiger Fall der Beschlagnahme kommt auch in dem Verfahren zur Zwangsversteigerung baufälliger, feuergefährlicher oder gesundheitswidriger Gebäude vor (§§ 30 ff. des sächsischen Gesetzes vom 18. Juni 1900). 3. Die r e i n p o l i z e i l i c h e B e s c h l a g n a h m e . In dem Umfange, wie die Polizeibehörde überhaupt zu Eingriffen in die Privatrechtssphäre ermächtigt ist, ist sie auch befugt, Beschlagnahmen zu verhängen. Die Abgrenzung der Zu-

D i e einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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ständigkeit der Polizei ist im einzelnen freilich schwierig. Für Preußen gibt vorzüglich § 10 II 17 ALR. die Norm (zu vergl. BIERMANN, Privatrecht und Polizei in Preußen, Berlin 1897). In Sachsen fehlt es an einer allgemeinen Umgrenzung der Polizeigewalt, nur die Zuständigkeit der Bürgermeister in mittleren und kleinen Städten (StO. Art. IV § 12) und der Landgemeindevorstände (LGO. § 74) ist gesetzlich festgelegt. Jedoch nimmt man in Sachsen im allgemeinen für die Polizeigewalt dieselben Schranken wie in Preußen als gegeben an. Vereinzelt ist den Polizeibehörden und ihren Organen die Befugnis zur Beschlagnahme auch in Reichsgesetzen zuerkannt, so z. B. in den §§ 9, 10 des Reichsgesetzes betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 1900, in § 2 des Nahrungsmittelgesetzes vom 14. Mai 1879, in § 10 des Reichsgesetzes betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken vom 24. Mai 1901. An anderen Stellen erklären die Reichsgesetze ausdrücklich, daß die Vorschriften der Landesgesetze über die Befugnisse der Polizei nicht berührt werden sollen, so z. B. in § 4 Abs. 2 des Nahrungsmittelgesetzes. Die Landesgesetze heben vereinzelt hervor, daß die Beschlagnahme gewisser Sachen zu erfolgen habe oder erfolgen könne, so z. B. § 14 des sächsischen Gesetzes betreffend die Einführung einer allgemeinen Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 1. Juni 1898, § 19 der dazu gehörigen Ausführungsverordnung vom 23. Juli 1899, § 2 der sächsischen Verordnung vom 20. Oktober 1900, das Arzneibuch für das Deutsche Reich, 4. Ausg. betreffend (FEILITZSCH, Landesstrafrecht Bd. 2 S. 8 Note g). Doch ist aus der ausdrücklichen Zulassung der Beschlagnahme in einzelnen Fällen nicht zu folgern, daß sie in anderen unstatthaft sei. Zahlreich sind die Fälle der polizeilichen Beschlagnahme besonders auf dem Gebiete der Gesundheits-, Veterinär- und Sicherheitspolizei. Übrigens wird eine präventivpolizeiliche Beschlagnahme nicht dadurch ausgeschlossen, daß zugleich eine strafprozessuale zulässig wäre. Es kann in einem solchen Falle auch ein Polizeibeamter, der nicht Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft ist, eine wirksame Verstrickung anlegen.

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Zweites Hauptstück.

Auch bei der polizeilichen Beschlagnahme kommt es auf die örtliche und sachliche Zuständigkeit an. Die örtliche Zuständigkeit ist gegeben, wenn der Beamte in seinem Amtsbezirke handelt. Eine außerhalb des Bezirkes vorgenommene Beschlagnahme entbehrt der Wirksamkeit, wenn dem Beamten nicht ein Ubergreifen über die Grenzen des Amtsbezirkes gestattet ist (RG.-Rechtspr. Bd. 5 S. 244). Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich danach, welcher Wirkungskreis dem ausführenden Beamten in den einschlagenden Gesetzen zugewiesen ist; sie ist ebenso wie die örtliche bei der Frage nach der Wirksamkeit der Beschlagnahme zu prüfen (RG.-Rechtspr. Bd. 7 S. 25). Die Form der Vollziehung ist ebensowenig als die der strafprozessualen geregelt. Auch hier genügt jede Handlung, die geeignet ist, den Besitzwillen der öffentlichen Gewalt auszudrücken, wenn keine äußeren Umstände der Herstellung der behördlichen Herrschaft über den zu beschlagnahmenden Gegenstand entgegenstehen (Obertrib. in GOLTD. Arch. von 1875 S. 435, RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 9 S. 121). Ein Verfügungsverbot an eine Person, die die zu verstrickende Sache nicht besitzt, ist also auch hier unzureichend. Die Behörde, die die Beschlagnahme verhängt hat, braucht sie nicht selbst zu vollziehen. Sie kann damit auch einen Nichtbeamten beauftragen, wie dies bei den Hundefängern die Regel ist. Diese sind zwar bisweilen amtlich angestellt (RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 22 S. 364), aber selbst, wenn dies nicht der Fall wäre, würden sich die ein gefangenen Hunde doch im Zustande der Verstrickung befinden, wenn der Kawiller im einzelnen Falle im Auftrage der zuständigen Behörde gehandelt hat. Dabei ist nicht notwendig, daß sich der Auftrag auf bestimmte, individuell bezeichnete Hunde richtete, es genügt, wenn er auf das Einfangen aller zu einer bestimmten Zeit ohne Maulkorb frei umherlaufender Hunde lautet. Die Frage, ob ein Widerstand gegen den nichtbeamteten Kawiller nach § 113 StGB, zu strafen sein würde, ist unabhängig von der nach der Gültigkeit der von ihm vollzogenen Beschlagnahme. Gegenständlich ist die polizeiliche Beschlagnahme nicht beschränkt. Ihrer Natur nach richtet sie sich jedoch vorzugsweise auf körperliche Gegenstände. Ein beneficium competentiae wie

Die einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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bei der Zwangsvollstreckung wegen Greldforderuiigen findet hier selbstverständlich nicht statt. Einen gewissen Schutz genießen die Preßerzeugnisse nach den §§ 23 ff. des Preßgesetzes. Die Sachen fremder Staaten, ihrer Souveräne und der Exterritorialen wird man hier im allgemeinen für unverstrickbar zu halten haben. Die Verstrickung beginnt mit der Herstellung der behördlichen Verfügungsgewalt; sie endet, wenn diese aufgegeben wird. Vereinzelt finden sich darüber Bestimmungen, wie lange der Zustand der Verstrickung zu dauern habe; so schreibt die sächsische Ausführungsverordnung zu dem Landesgesetze betr. die Einführung einer allgemeinen Schlachtvieh- und Fleischbeschau in § 19 vor: „Die Beschlagnahme, sofern sie nötig war, ist bis zur Untauglichmachung auszudehnen." In den Fällen, wo eine Vernichtung oder Beseitigung (z. B. des Zentrifugenschlamms und Zentrifugenspülwassers nach der sächsischen Verordnung vom 3. Mai 1898) vorgeschrieben ist, endet die Verstrickung mit derjenigen Handlang, mit der die Behörde die Vernichtung oder Beseitigung vornehmen wollte. Wer sich nach der Vornahme dieser Handlung die Sache aneignet, begeht weder einen Verstrickungsbruch noch einen Diebstahl oder eine Unterschlagung. In dieser Beziehung kann man dem Reichsgerichte (Entsch. in Strafs. Bd. 15 S. 388, Rechtspr. Bd. 3 S. 174) nur beistimmen. § 16. VI. Die staatsrechtliche und die völkerrechtliche Beschlagnahme.

Nach Art. 19 der Reichsverfassuug können Bundesglieder, die ihre verfassungsmäßigen Pflichten nicht erfüllen, dazu im Wege der Exekution angehalten werden. Die Exekution ist vom Bundesrate zu beschließen und vom Kaiser zu vollstrecken. In welcher Weise die Exekution durchzuführen ist, und welcher Mittel sich der Kaiser dabei bedienen darf, sagt die Verfassung nicht. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes ließ in Art. 19 Abs. 2 ausdrücklich eine Sequestration des betreffenden Landes und seiner Regierungsgewalt zu. Die Reichsverfassung erwähnt der Sequestration nicht mehr. Doch ist aus der Weglassung

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nicht ihre Unzulässigkeit zu folgern. Man wird vielmehr VON SEYDEL (Kommentar S. 190) darin rückhaltlos beistimmen können, daß die Art und Weise des Vollzuges der Bundesexekution gänzlich dem Belieben des Kaisers anheimgestellt ist. Der Kaiser kann mithin, wenn der Bundesrat die Exekution beschlossen hat, Zwangsmittel jeder Art anordnen. Zahlt z. B. ein Bundesstaat seine Matrikularbeiträge nicht, so kann er sich damit begnügen, die in den Kassen des Bundesstaates vorhandenen Geldvorräte beschlagnahmen zu lassen. Auch die Beschlagnahme der zum Dienstgebrauche der Landesbehörden, insbesondere der Zoll- und Steuerbehörden bestimmten Sachen wird zulässig sein. Alle nach Art. 19 der Reichsverfassung zu vollziehenden Beschlagnahmen setzen neben dem erforderlichen Bundesratsbeschlusse und einer kaiserlichen Anordnung die Herstellung der amtlichen Verfügungsgewalt der Organe des Reiches voraus. Sie bleiben wirksam, so lange als diese Verfügungsgewalt besteht. Die Anordnung ihrer Aufhebung steht dem Kaiser zu. Im Zustande des Unfriedens zwischen zwei Staaten sind nach dem Völkerrechte mannigfache Eingriffe in die Privatrechtssphäre der Untertanen, nicht nur der streitenden Staaten, sondern auch dritter Staaten gestattet. Diese Eingriffe können auch Beschlagnahmen sein. Solche kommen insbesondere vor als Repressalien (WACH, Der Arrestprozeß I. Teil S. 47, HEFFTEK-GEFFCKEN, Völkerrecht § 111); dabei kann der eine Staat Sachen und Rechte des anderen Staates oder seiner Untertanen mit Beschlag belegen. Ein Rechtsverlust tritt bei dem Betroffenen nicht ein. Eine Beschlagnahme enthält auch das Embargo (§ 629 HGB.) in seinen verschiedenen Formen (HEFFTER-GEFFCKEN §§112. 140). Während des offenen Kriegszustandes unterliegen gewisse Sachen dem Beuterechte, wie Kriegskassen, Waffen, Munitionsvorräte, Magazine und Transportmittel (HEFFTER-GEFFCKEN § 135). Andere Sachen außer diesen, insbesondere solche, die im Eigentume Privater stehen, sind dem Beuterechte im allgemeinen nicht verfangen, können aber unter Umständen mit Beschlag belegt werden (HEFFTER-GEFFCKEN §§ 131. 135). Sachen Neutraler kann eine kriegführende Partei beschlagnahmen, um sie für sich zu benützen (ius angariae, HEFFTER-GEFFCKEN § 150). Ferner darf die den

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Neutralen gehörige Kriegskonterbande mit Beschlag belegt und im Wege der Prisenjustiz eingezogen werden (Reichsgesetz vom 3. Mai 1884). Auch in den Fällen der völkerrechtlichen Beschlagnahme liegen echte Verstrickungen vor. Die beschlagnahmende Macht kann zwar ihren Gegner nicht wegen eines etwaigen Bruches der von ihr angelegten Verstrickung strafrechtlich zur Verantwortung ziehen. Die Untertanen der beschlagnahmenden Macht haben aber die von ihrer Obrigkeit verhängte Verstrickung zu achten. Sie dürfen die Verstrickung nicht brechen, insbesondere die beschlagnahmten Sachen nicht der Gegenpartei zuführen. Wenn die zuletzt bezeichnete Handlung einmal auch nicht Landesverrat (§§ 89. 91 StGB.) sein sollte, so würde sie doch immer einen Verstrickungsbruch (§137 StGB.) darstellen. Zuständig für die Anordnung der Beschlagnahme ist vor dem Ausbruche der Feindseligkeiten der Reichskanzler, nach deren Ausbruche auch die bewaffnete Macht aus eigener Entschließung. Die Vollziehung kann durch Beamte oder Mitglieder der bewaffneten Macht erfolgen. Vollzugsförmlichkeiten sind nicht zu beobachten. Jedenfalls wird aber bei einer Beschlagnahme außerhalb des Reichsgebiets ein größerer Kraftaufwand erforderlich sein als in demselben, und wieder ein größerer im Kriege als während des Friedens. Die Verstrickung dauert regelmäßig so lange, wie die tatsächliche Gewalt über die Sache. Ist die verstrickte Sache von dem beschlagnahmenden Staate zu Eigentum erworben worden, so wird die Verstrickung in der Regel im Zeitpunkte des Eigentumserwerbs beendet sein. § 17. Zusammentreffen mehrerer Verstrickungen.

Ein Zusammentreffen mehrerer Verstrickungen ist in der mannigfaltigsten Weise denkbar. Es ist bei mehrfacher Verstrickung desselben Gegenstandes zunächst zu untersuchen, ob die mehreren Verstrickungen überhaupt miteinander verträglich seien oder ob nicht die eine die Beseitigung der anderen erheische. Sind sie miteinander verträglich, so werden ihre Wirkungen während

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Zweites Hauptstück.

ihres gemeinschaftlichen Bestehens summiert; es erhebt sich aber weiter die Frage, welcher von ihnen der Vorzug vor den anderen gebührt. Zunächst ist denkbar, daß mehrere gleichartige Verstrickungen an einen und denselben Gegenstand gelegt werden. Eine Sache, die nach § 808 CPO. vom Gerichtsvollzieher mit einer Pfändung bestrickt worden ist, kann von demselben oder einem anderen Gerichtsvollzieher für eine andere Forderung desselben oder eines anderen Gläubigers abermals gepfändet werden. Diese zweite Pfändung kann entweder wieder in der Form des § 808 CPO. oder in der einfacheren Form des § 826 CPO. vollzogen werden. Wird der letzte Weg gewählt, so wird nur dann eine zweite Verstrickung an die Sache gelegt, wenn eine erste gültige, wenn auch anfechtbare bestand. W a r die Erstpfändung wegen des Mangels einer wesentlichen Voraussetzung nichtig, so ist es auch eine nach § 826 CPO. vollzogene Anschlußpfändung. Eine Sacliverstrickung kann dann nur nach § 808 CPO. erzielt werden (PETERSENANGER, Bern. 3 zu § 826 CPO.). Die Fortdauer der durch die Anschlußpfändung hergestellten Verstrickung ist von dem Weiterbestande der Erstpfändungsverstrickung unabhängig. Kommt es aber zur Versteigerung, so erlöschen sämtliche Verstrickungen mit der Ablieferung der Sache an den Ersteher. Verträglich miteinander sind die mehreren Sachpfändungen auch dann, wenn sie teils von Gerichtsvollziehern, teils von Verwaltungsvollstreckungsbeamten vorgenommen worden sind (§§ 45. 46 des sächsischen Gesetzes vom 18. Juli 1902). Es ist auch gleichgültig, ob eine der mehreren Pfändungen eine Arrestpfändung oder eine Befriedigungspfändung ist. Wenn sonach grundsätzlich auch mehrere Pfändungsverstrickungen an eine und dieselbe Sache gelegt werden können, so ist es doch denkbar, daß der später pfändende Gerichtsvollzieher oder Vollstreckungsbeamte eine früher hergestellte Verstrickung und zwar gerade durch seine Pfändung bricht (zu vergl. RG.-Entsch. in Strafs. Bd. 8 S. 256). Der Verstrickungsbruch ist aber hier keine Folge einer etwaigen Unvereinbarkeit der beiden Pfändungen, sondern eine Wirkung des vorschriftswidrigen Verfahrens des Beamten. — Auch bei Forderungen ist eine mehrfache Pfändung denkbar (§§ 853. 854

Die einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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CPO.). Allerdings gibt es hier keine vereinfachte Form für die Anschlußpfändung, sondern es muß für eine zweite Pfändung das gleiche Verfahren beobachtet werden wie für eine erste. Die mehreren hiernach erforderlichen Pfändungsbeschlüsse können auch von verschiedenen Gerichten erlassen werden, was insbesondere dann geschehen kann, wenn der Schuldner mehrere Wohnsitze hat oder zwischen dem Erlaß der einzelnen Beschlüsse seinen Wohnsitz wechselt. Die mehrfache Pfändung von Forderungen hat natürlich auch eine mehrfache Verstrickung der Urkunden zur Folge, auf die sich die Pfändung erstreckt. — Sowohl bei beweglichen Sachen wie bei Forderungen geht die ältere Verstrickung der jüngeren vor; mehrere gleichaltrige haben gleichen Rang (§ 804 CPO.). — Bei Grundstücken und grundstücksgleichen Berechtigungen kann sowohl im Zwangsversteigerungs- wie im Zwangsverwaltungsverfahren eine beliebige Häufung vorkommen. Die zweite und die folgenden Beschlagnahmen erfolgen in jedem dieser Verfahren durch Zulassung des Beitritts des weiteren Antragstellers (§ 27. 146 ZwVerstGes.). Die durch die Zulassung des Beitritts begründete weitere Verstrickung beginnt im Gegensatze zu der ersten stets mit der Zustellung des Beitrittsbeschlusses an den Schuldner (§ 27 Abs. 1 Satz 2 ZwVerstGes.). Ihre Fortdauer ist im allgemeinen von der Fortdauer der ersten Verstrickung unabhängig, nur im Falle einer Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens erlöschen alle Versteigerungsverstrickungen notwendigerweisa gleichzeitig. Auch die mehreren Zwangsversteigerungs- und die mehreren Zwangsverwaltungsverstrickungen haben untereinander ohne weiteres nicht gleichen Rang. Für ihr Rangverhältnis sind vielmehr die §§ 10. 11 ZwVerstGes. maßgebend. — Möglich ist ferner auch das Zusammentreffen mehrerer Konkursverstrickungen, doch sind diese nicht auf die Dauer miteinander verträglich. Ist bei mehreren zuständigen Gerichten die Konkurseröffnung beantragt worden und den Anträgen gemäß erfolgt, so schließt nach § 71 Abs. 2 KO. das Gericht, bei dem der erste Eröffnungsantrag gestellt worden ist, die übrigen aus. Wird ein nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsvergleiches aufgehobenes Konkursverfahren wieder aufgenommen (§ 198 KO.), nachdem von demselben oder —

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etwa im Falle des Wechsels des Ortes der gewerblichen Niederlassung oder des Wohnsitzes — von einem anderen Gerichte ein neues Konkursverfahren eröffnet worden war, so gebührt dem wiederaufgenommenen Verfahren der Vorzug (KOHLKK, Konkursrecht S. 501 Note 1, S. 600. 635). Dagegen ist es denkbar, daß zwei verschiedene Vermögensmassen derselben Personen gleichzeitig mit selbständigen Konkursverstrickungen belegt sind; so ist es z.B. denkbar, daß gleichzeitig über einen Nachlaß und über das übrige Vermögen des Erben Konkurse bestehen. War zuerst der Konkurs zum Vermögen des Erben eröffnet worden, so ist damit auch eine ihm vor dem Konkursausbruche angefallene Erbschaft verstrickt. Wird danach der Nachlaßkonkurs eröffnet, so löst sich die Erbschaft, wenn auch nicht gänzlich, aus der ersten allgemeinen Konkursverstrickung und tritt in eine besondere. Miteinander verträglich sind auch die Gant über das Vermögen einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft und über die Privatvermögen der persönlich haftenden Gesellschafter. Die nebeneinander stehenden Konkurse lassen einander nicht unberührt. Im Gesellschaftskonkurse können die Gesellschaftsgläubiger Befriedigung suchen; sie sind gewissermaßen zur abgesonderten Befriedigung aus dieser Vermögensmasse ihrer Schuldner berechtigt. Im Konkurse über das Privatvermögen der Gesellschafter können dje Gesellschaftsgläubiger sich nur mit dem Betrage beteiligen, mit dem sie im Gesellschaftskonkurse ausfallen (§ 212 KO.). Die Vergantung der Erbschaft gewährt den Nachlaßgläubigern ein Recht auf abgesonderte Befriedigung; jedoch können Nachlaßgläubiger sich mit einem etwaigen Ausfalle an dem Konkurse über das sonstige Vermögen des Erben nur beteiligen, wenn ihnen gegenüber der Erbe unbeschränkt haftet (§ 234 KO.). Möglich ist schließlich auch ein Zusammentreffen mehrerer strafprozessualer und mehrerer präventivpolizeilicher Beschlagnahmen. Doch werden beide Konkurrenzen kaum praktisch werden. Wenn eine Sache, sei es als Einziehungsstück oder als Beweismittel, sei es aus präventivpolizeilichen Gründen schon von einer Behörde wirksam gesichert ist, so wird eine andere oder dieselbe Behörde schwerlich Anlaß haben, nochmals Sicherungsmaßregeln zu treffen. Solche werden sich erst erforderlich machen, wenn die zuerst ge-

Die einzelnen Arten der Beschlagnahme.

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troffenen Maßregeln aus irgend welchem Grunde nicht weiter wirksam sein können. Möglich ist aber immerhin, daß mehrere Bundesstaaten aus verschiedenen Gründen eine und dieselbe Sache, z. B. als Einziehungsstück, beschlagnahmen. Dabei kann ein Bundesstaat dem anderen die tatsächliche Herrschaft vermitteln. Die amtliche Benutzung der Sache hat dann ein Staat dem anderen zu gestatten. Es fragt sich aber weiter, wer in Beziehung auf den Eigentumserwerb durch Einziehung bevorrechtigt sein wird. In den Fällen, wo der Eigentumserwerb in den Zeitpunkt der Beschlagnahme verlegt ist, wird man das Zuvorkommen mit der Beschlagnahme entscheiden lassen müssen. In jenen Fällen aber, wo der Eigentumserwerb im Zeitpunkte der Rechtskraft des Einziehungserkenntnisses eintritt, erwirbt derjenige Staat das Einziehungsstück, dessen Erkenntnis zuerst rechtskräftig wird; er wird es allerdings auch erwerben, wenn er keine Beschlagnahme verhängt hatte. Nicht ausgeschlossen erscheint es schließlich, daß von verschiedenen Gerichten gleichzeitig Vermögensbeschlagnahmen nach den §§ 332 ff. StPO. verfügt werden. Man wird die mehreren Vermögensverfestungen für verträglich miteinander erachten müssen. Da verschiedene Behörden über ihren Beginn und ihre Dauer zu befinden haben, so kann die eine aufhören, während die andere fortbesteht. Hieraus ergibt sich, daß der vom Vormundschaftsgerichte aus Anlaß der ersten Beschlagnahme bestellte Güterpfleger nicht von selbst auch Güterpfleger für die zweite hinzutretende Beschlagnahme ist. Es wird sich aber empfehlen, für alle Verfestungen desselben Vermögens nur eine und dieselbe Person zum Güterpfleger zu bestellen. Während im vorstehenden die Konkurrenz mehrerer gleichartiger Beschlagnahmen betrachtet worden ist, so handelt es sich im folgenden darum, zu untersuchen, inwieweit mehrere wesensungleiche Verstrickungen an eine und dieselbe Sache gelegt werden können. Eine erschöpfende Darstellung aller Konkurrenzfälle ist freilich kaum möglich, wird an dieser Stelle auch nicht beabsichtigt. In seinem Konkursrechte (S. 106) behandelt KÖHLER den Fall, daß ein Gemeinschuldner mit einer zur Konkursmasse ge-

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Zweites Hauptstück.

hörigen Sache ein Verbrechen begeht. Diese Sache ist mindestens als Uberführungsstück und als solches zweifellos der Beschlagnahme verfangen. Ob sie eingezogen werden kann, ist eine andere Frage, die mit KOHLER im allgemeinen zu verneinen sein wird (zu vergl. PETERSEN-KLEINFELLER, Bern. 3 zu § 7 KO.). Den Grund für die Verneinung wird man aus § 63 Ziff. 3 KO. entnehmen können. Kein Zweifel kann darüber obwalten, daß rein polizeiliche Beschlagnahmen, also insbesondere solche der Gesundheits-, Veterinär- und Sicherheitspolizei in die Konkursmasse vollstreckt werden können und dann auch dem Konkursverwalter gegenüber wirksam sind, von ihm also nicht gebrochen werden dürfen. Nach § 14 des Vereinszollgesetzes ist zwar eine zollrechtliche Verstrickung mit der Konkursverstrickung für verträglich zu halten, geht ihr aber vor. Es ist weiter denkbar, daß bereits in einer Zwangsvollstreckungsverstrickung befangene Gegenstände zur Zeit der Konkurseröffnung vorhanden sind. An diesen Verstrickungen ändert der Konkursausbruch allein nichts; sie bleiben neben der Konkursverstrickung bestehen. Auch der Verwalter hat sie zu achten (§§ 4. 13. 49 Ziff. 2, 127 KO.). Wenn nach § 14 KO. auch zu Gunsten einzelner Konkursgläubiger keine Arreste und Zwangsvollstreckungen in die Masse stattfinden, so ist doch damit nicht ausgeschlossen, daß Massegläubiger (§ 57 KO.) ihre Ansprüche klageweise gegen den Verwalter verfolgen und die Zwangsvollstreckung in die zur Masse gehörigen Gegenstände betreiben. Die durch die Massegläubiger mit Beschlag belegten Gegenstände befinden sich alsdann in doppelter Verstrickung, einmal in der allgemeinen Konkursverstrickung, dann in der besonderen Vollstreckungsverstrickung. Hervorzuheben ist noch, daß die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung auf den Antrag des Konkursverwalters (§ 126 KO.) keine besondere Versteigerungsbezw. Verwaltungsverstrickung zur Folge hat (§ 173 ZwVerstGes.); eine solche tritt aber ein, wenn ein zur abgesonderten Befriedigung aus dem Grundstücke berechtigter Gläubiger (§ 47 KO.) das Verfahren betreibt oder dem Verfahren beitritt. In diesem Falle darf der Verwalter auch über Bestandteile, Erzeugnisse und Zubehörungen des Grundstückes nicht mehr verfügen. Gegenstände, deren Aussonderung aus der Konkursmasse von dem dazu

Die einzelnen Arten dar Beschlagnahme.

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Berechtigten mit Erfolg betrieben wird, sind der Konkursverstrickung nicht verfangen und zwar auch dann nicht, wenn der Aussonderungsanspruch ein lediglich persönlicher ist (§ 43 KO.). Wenn also der Aussonderungsberechtigte ein gegen den Verwalter erstrittenes obsiegliches Urteil durch Wegnahme der Sachen vollstrecken läßt, so liegt nur eine Verstrickung, eben die mit der Besitznahme durch den Gerichtsvollzieher begründete vor. Verträglich ist weiter die Zwangsvollstreckung eines Nachlaßgläubigers in den Nachlaß (§ 1984 Abs. 2 BGB.) und die Nachlaßverwaltung. Strafprozessuale und präventiv-polizeiliche Beschlagnahmen können in den verwalteten Nachlaß ebenso wie in die Konkursmasse vollstreckt werden. Die Vermögensbeschlagnahme nach § 326 StPO. ist verträglich mit den Sicherungsmaßnalimen nach § 325 StPO. J a , es ist Zweck jener Vermögensbeschlagnahme, die Arrestierung nach § 325 StPO. zu ermöglichen. Deswegen erscheint es als selbstverständlich, daß die allgemeine Vermögensverstrickung und die besondere Arrestverstrickung zeitweilig und zwar bis genug Vermögensgegenstände mit Arrest bestrickt sind, nebeneinander bestehen. Da weder durch die Vermögensbeschlagnahme nach § 326 StPO., noch durch die nach §§ 332 ff. StPO. (§§ 360 ff. MStGO.) die Ansprüche Dritter auf Befriedigung aus den verstrickten Vermögen berührt werden (RG.-Entsch. in Civils. Bd. 11 S. 188; OLG. München in Strafs. Bd. 7 S. 416; STENGLEIN, Bern. 2 zu § 334 StPO.), so ist sowohl eine Spezialexekution in das beschlagnahmte Vermögen denkbar, wie eine Generalexekution. Im Falle einer Konkurseröffnung geht in Ansehung des zur Masse gehörigen Vermögens die Verfügungsmacht des Verwalters der des Güterpflegers (§ 334 StPO., § 361 MStGO.) vor. Insoweit ist die Konkursverstrickung stärker als die Vermögensverfestung. Das nicht zur Konkursmasse gehörige Vermögen verbleibt unter der alleinigen Verfügungsmacht des Güterpflegers. Übrigens ist es auch denkbar, daß während eines bestehenden Konkurses eine strafprozessuale Vermögensbeschlagnahme verhängt wird. Die Rechtslage ist dann dieselbe wie bei der oben betrachteten umgekehrten Zeitfolge der beiden Verstrickungen. Zusammentreffen und nebeneinander bestehen können auch eine strafprozessuale und eine präventivpolizeiliche

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Drittes Ilauptstück.

Beschlagnahme. Eine derartige Konkurrenz kann leicht vorkommen, wenn einem nach § 328 S t G B , erlassenen Einfuhrverbote zuwider Haustiere aus dem Auslande eingeführt werden, die seucheverdächtig sind. Diese Tiere können von den Zollbeamten als Konterbande, von den Gerichten, Staatsanwaltschaften, der gerichtlichen Polizei als Einziehurfgs- und Uberführungsstücke, von den Beamten der Seuchenpolizei zur Verhütung der Seuchenverbreitung beschlagnahmt werden. Eine Anzahl von Verstrickungen sind miteinander schlechthin unverträglich. So ist es gänzlich ausgeschlossen, daß Nachlaßverwaltung und Nachlaßkonkurs gleichzeitig bestehen. In dem Augenblicke, wo der Nachlaßkonkurs eröffnet wird, endet nach § 1988 Abs. 1 B G B . die Nachlaß Verwaltung. Die Erbschaft bleibt dabei auch nicht einen Augenblick unverstrickt. Während der Dauer des Konkursverfahrens finden zu Gunsten einzelner Konkursgläubiger ( § 1 4 KO.) weder Arreste noch Zwangsvollstreckungen in das von der Konkursverstrickung betroffene und das freie Vermögen des Gemeinschuldners statt. Andere als Nachlaßgläubiger dürfen Zwangsvollstreckungen in einen verwalteten Nachlaß nicht betreiben (§ 1984 Abs. 2 BGB.). Ist die Beschlagnahme eines Grundstückes oder eines grundstücksgleichen Rechtes im Wege der Zwangsvollstreckung ins unbewegliche Vermögen erfolgt, so dürfen außer den Zubehörungen auch die anderen Gegenstände, worauf sich die Hypothek erstreckt, nicht mehr gepfändet werden (§ 8 6 5 CPO.).

Drittes

Hauptstück.

Die Wirkungen der Beschlagnahme. § 18. Rechtliche Wirkungen. Da es kein einheitliches Rechtsinstitut der Beschlagnahme, sondern nur einzelne Beschlagnahmearten gibt, erscheint es fast selbstverständlich, daß die Wirkungen der Beschlagnahme nicht überall dieselben sind, daß vielmehr jede Beschlagnahmeart ihre

Die Wirkungen der Beschlagnahme.

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besonderen Wirkungen äußert. Zu betrachten sind hier übrigens nur die Wirkungen der Beschlagnahme in Bezug auf den einzelnen verstrickten Gegenstand. E s kann auch vorkommen, daß die Beschlagnahme eines bestimmten Gegenstandes auch für die nicht mitverstrickten Gegenstände derselben Art von Bedeutung ist; so verbietet z. B. § 28 des Preßgesetzes die Verbreitung der von der Beschlagnahme betroffenen Druckschrift. Von einer Wirkung der Beschlagnahme kann man hier nicht sprechen; denn die Exemplare der Druckschrift, die nicht mehr verbreitet werden dürfen, brauchen nicht beschlagnahmt zu sein, wenigstens nicht in dem Sinne, der mit dem Worte in dieser Abhandlung verbunden ist. Daher werden derartige Fälle hier ausgeschieden. J e d e Beschlagnahme enthält eine Beschränkung der Verfügungsmacht des bisher Verfügungsberechtigten. Der Umfang dieser Beschränkung ist aber j e nach den einzelnen Beschlagnahmearten durchaus verschieden. In manchen Fällen wird dem bisher Verfügungsberechtigten nur die tatsächliche Verfügung, in manchen die rechtliche Verfügung, in manchen sowohl diese wie jene entzogen; in allen Fällen kann das Maß der Entziehung ein verschiedenes sein. Rechtliche Wirkungen kann eine Beschlagnahme bei allen Arten von Gegenständen haben. Doch sind die rechtlichen Wirkungen unter Umständen nach der Art des Gegenstandes verschieden. Im einzelnen kommen vor: a) R e c h t s v e r l u s t a l s E i g e n t u m s v e r l u s t nach § 156 des Vereinszollgesetzes in Ansehung der Sachen, die der Einziehung unterliegen. Diese Wirkung kommt der Beschlagnahme aber nur zu, wenn sie bei einem Täter oder Teilnehmer des Zollvergehens oder bei dem erfolgt, der zur Zeit der Einschwärzung ihr Eigentümer ist (BONNENBERG, Anm. 5 S. 3 7 ; Anm. 16 S. 41). Gleichgültig ist aber, ob sie vor oder nach der Rechtskraft des Einziehungserkenntnisses geschieht. Im letzten Falle kann über den Eigentumsverlust des Betroffenen kein Zweifel bestehen (MANDBY-GEIB S. 366. 367). Im ersten Falle wird der Eigentumsverlust des Betroffenen durch das nachfolgende Einziehungserkenntnis erst außer Zweifel gestellt (RG.-Eutsch. in Strafs. Bd. 14 S. 112). Die Beschlagnahme nach § 14 des Vereinszollgesety.es hat keinen Einfluß auf die M O T H E S , BüsclilagnaUuiü.

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Drittes Hauptstück.

Eigentumsverhältnisse. Im Falle des § 156 des Vereinszollgesetzes entspricht übrigens dem Eigentumsverluste des bisherigen Eigentümers der Eigentumserwerb des Fiskus. Der Rechtserwerb ist aber kein derivativer, sondern ein originärer. Der Fiskus wird nicht Rechtsnachfolger des von der Einziehung Betroffenen. Eigentumsverlust des Schuldners und Eigentumserwerb des Gläubigers muß auch in den Fällen der §§ 815. 883. 897 CPO. angenommen werden als Wirkung der Beschlagnahme. Hier liegt aber eine Rechtsnachfolge vor. In den Fällen der rein polizeilichen Beschlagnahme, die zum Zwecke der Konfiskation erfolgt, ist der Regel nach gleichfalls davon auszugehen, daß der Fiskus oder die beschlagnahmende öffentlichrechtliche Korporation im Zeitpunkte der Beschlagnahme Eigentum und zwar ein originäres Eigentum erwirbt. Das muß selbst für verkehrsunfähige Sachen gelten. An Sachen, die überhaupt nicht im Eigentum stehen können, kann natürlich durch die Beschlagnahme kein Eigentum zum Erlöschen oder zur Entstehung gebracht werden; es müßte denn durch besondere Vorschrift ausschließlich dem Staate die Fähigkeit zuerkannt werden, Eigentümer gewisser Sachen zu sein. Sonstige Rechtsverlustwirkungen sind an keine Art der Beschlagnahme geknüpft. Die Uberweisung an Zahlungsstatt bewirkt freilich den Verlust der überwiesenen Forderung in der Person des Vollstreckungsschuldners und ihren Erwerb in der Person des Vollstreckungsgläubigers. Doch ist dies nicht eine Wirkung der Beschlagnahme; verstrickt ist die Forderung schon im Zeitpunkte ihrer Pfändung; durch diese verliert aber der Vollstreckungsschuldner sein Gläubigerrecht noch nicht. Der Verlust tritt erst durch die Uberweisung an Zahlungsstatt ein, die allerdings auch gleichzeitig mit der Pfändung erfolgen kann. b) Die Beschlagnahme begründet ein V o r z u g s r e c h t des Beschlagnahmeinteressenten in Bezug auf den verstrickten Gegenstand. Dies Vorzugsrecht kann sein: a) ein P f a n d r e c h t . Ein solches entsteht durch die vorschriftsmäßige Pfändung nach der CPO. und den Laudesgesetzen über die Zwangsvollstreckung wegen Geldleistungen in Verwaltungssachen an beweglichen Sachen und Rechten (§ 804 CPO., § 24 des sächsischen Gesetzes vom 18. Juli 1902). Auch die Arrestie-

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Die Wirkungen der Beschlagnahme.

rung eines registrierten Schiffes bringt ein Pfandrecht zur Entstehung (§ 931 CPO.). Das Pfändungspfandrecht steht im allgemeinen dem Vertragspfandrechte gleich, insbesondere berechtigt es zur abgesonderten Befriedigung im Konkurse (§ 49 Ziff. 2 KO.). Durfte der verstrickte Gegenstand nicht gepfändet werden, so entsteht durch die Pfändung kein Pfandrecht. Das gilt sowohl in Ansehung der Gegenstände, die durch ein besonderes Exekutionsprivileg von der Pfändung ausgenommen sind (KG.-Entsch. in Civils. Bd. 18 S. 389), wie in Ansehung von Sachen, die dem Vollstreckungsschuldner nicht gehören, oder die sich im Gewahrsame eines nicht herausgabebereiten Dritten befinden (SEUFFEBTR Arch. Bd. 41 S. 234). Nach einzelnen Partikularrechten nahm man früher an, daß auch ein gutgläubiger Erwerb des Vollstreckungspfandrechtes möglich sei, so nach hamburgischem Rechte (BENDIXEN in der Hanseatischen Gerichtszeitung Bd. 14 Beibl. S. 89 ff., OLG. Hamburg in SEUFFEBTS Arch. Bd. 47 S. 14). Aber schon nach französischem Civilrechte erkannte man den gutgläubigen Erwerb eines Vollstreckungspfandrechts nicht an (RG.-Entsch. in den Annalen der badisclien Gerichte Bd. 56 S. 315). Das BGB. kennt nur einen gutgläubigen Erwerb des rechtsgeschäftlichen Pfandrechts (RUBENSOHN im Arch. für civ. Pr. Bd. 90 S. 473 ff.). Das Pfändungspfandrecht erlischt aus denselben Gründen wie das Vertragspfandrecht, also gemäß § 1252 (§ 1273) BGB. infolge des Erlöschens der gesicherten Forderung, ferner nach § 1255 BGB. durch die Aufgabeerklärung des Pfändungspfandgläubigers (OLG. Königsberg in der Rechtspr. der OLG. Bd. 6 S. 275). An die Stelle der in § 1253 BGB. als Erlöschungsgrund bezeichneten Rückgabe tritt bei gepfändeten Sachen ihre Freigabe durch den Gerichtsvollzieher auf Anweisung des Gläubigers. Bei gepfändeten Rechten ist nach § 843 CPO. ein Verzicht durch Zustellung einer Verzichtserklärung an den Schuldner möglich. Ein besonderer Erlöschungsgrund für die Pfandungspfandrechte ist die Aufhebung des Vollstreckungstitels. Einen allgemeinen Rechtssatz dieses Inhalts enthält zwar die CPO. nicht, doch ist er aus den §§ 868. 932 abzuleiten (zu vergl. oberstes LG. München in SEUFFERTS Arch. Bd. 40 S. 120). Hervorzuheben ist hier aber, daß mit dem Erlöschen des Pfändungspfand6*

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Drittes Hauptstück.

rechts zeitlich nicht immer das Ende der Verstrickung zusammenfällt. Die Verstrickung kann das Pfändungspfandrecht überdauern. ß) ein b l o ß e s V o r z u g s r e c h t , das aber ausgestattet ist mit dem Ansprüche auf abgesonderte Befriedigung im Konkurse und auf vorzugsweise Befriedigung aus dem verstrickten Gegenstande außerhalb des Konkurses. Ein derartiges Vorzugsrecht wird begründet durch die Beschlagnahme nach § 14 des Vereinszollgesetzes. Diese bringt kein Pfandrecht zur Entstehung; das durch sie geschaffene Vorzugsrecht ist aber stärker wie ein Pfandrecht. Nach § 49 Ziff. 1 KO. berechtigt es zur abgesonderten Befriedigung im Konkurse und geht nach § 49 Abs. 2 KO. allen anderen Absonderungsrechten, auch früher begründeten, vor. Aber auch außerhalb des Konkurses kann aus den nach § 14 des Vereinszollgesetzes verstrickten zoll- und steuerpflichtigen Sachen an erster Stelle Befriedigung verlangt werden (Art. III des EG. zu dem Reichsgesetze betr. Änderungen der KO. vom 17. Mai 1898). Der Fiskus ist also auf Grund einer solchen Beschlagnahme berechtigt, mit einer Klage nach § 805 CPO. bezw. nach § 25 des sächsischen Gesetzes vom 18. Juli 1902 auf vorzugsweise Befriedigung zu dringen. In ähnlicher Weise begründet die Beschlagnahme im Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren für den betreibenden chirographarischen Gläubiger ein Vorzugsrecht (§13 KO., § 11 Abs. 2 ZwVerstGes.). Die vor der Konkurseröffnung erfolgte Beschlagnahme sichert ihm einen Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus dem Grundstücke (§§ 13. 47 KO.). Außerhalb des Konkurses ist er berechtigt, mit einem Range nach § 10 Ziff. 5 ZwVerstGes. (zu vergl. § 11 Abs. 2 desselben Ges.) Befriedigung aus dem Grundstücke zu verlangen. Nach der Beschlagnahme eingetragene Hypotheken sind — abgesehen von einem gutgläubigen Erwerbe — ihm gegenüber unwirksam und stehen seinem Ansprüche im Range nach. Dieser wird in vielen Beziehungen so behandelt, als sei er im Zeitpunkte der Beschlagnahme ins Grundbuch eingetragen worden. Kein Vorzugsrecht begründet die Vermögensbeschlagnahme nach § 332 StPO. (§ 360 MStGO.); denn sie ist Zwangsgestellungsmittel (PETEBSEN-KLEINEELLEH, Bern. 2 8 zu § 4 9 KO.). Die Vermögensbeschlagnahme nach § 320 StPO. begründet gleichfalls

Die Wirkungen der Beschlagnahme.

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kein Vorzugsrecht; sie soll vielmehr nur die künftige Pfändung ermöglichen. Das gleiche wird von der vorläufigen Beschlagnahme nach § 146 des Reichsbeamtengesetzes und von der Beschlagnahme der Transportmittel nach § 13 Abs. 2 des preußischen Gesetzes betr. das Yerwaltungsstrafverfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze u. s. w. vom 26. Juli 1897 zu gelten haben. Durch die Konkurseröffnung wird weder ein Pfandrecht, wie SEUFFEKT (Zur Geschichte und Dogmatik des deutschen Konkursrechtes, Nördlingen 1888 S. 81 ff.) will, noch ein diesem verwandtes Beschlagsrecht zur Entstehung gebracht, das KOHLER (Konkursrecht bes. S. 98 ff.) konstruiert. Allerdings haben ausschließlich die Konkursgläubiger einen Anspruch auf konkursmäßige Befriedigung aus der Masse (§ 3 KO.). Mit einigem Grunde könnte man auch sagen, daß den Gesellschaftsgläubigern ein Vorzugsrecht in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen, den Nachlaßgläubigern in Bezug auf den Nachlaß zustehe. Aber selbst, wenn man ein Vorzugsrecht annimmt, kann man nicht sagen, daß es durch die Beschlagnahme des Gesellschaftsvermögens oder des Nachlasses erst geschaffen würde. c) In einer Reihe von Fällen beeinflußt die Beschlagnahme die rechtliche Verfügungsmacht des Betroffenen. Das Maß dieser Beeinflussung der Verfügungsmacht ist je nach den verschiedenen Arten der Beschlagnahme verschieden. a) Die Beschlagnahme nach § 332 StPO. (und § 360 MStGO.) entzieht dem Angeschuldigten alle Verfügungsmacht unter Lebenden. Seine Verfügungshandlungen sind absolut nichtig (§ 334 StPO., § 361 MStGO.). Der vom Vormundschaftsgerichte bestellte Güterpfleger kann allerdings rechtswirksame Verfügungen vornehmen, nicht aber ein Bevollmächtigter des Angeschuldigten (OLG. Colmar in der Rechtsprechung der OLG. Bd. 3 S. 250). ß) In einer Anzahl von Fällen bedingt die Verstrickung nur eine relative Unwirksamkeit der Verfügungen des Betroffenen. Diese sind nur gewissen Personen gegenüber unwirksam. Nach §§ 135. 136 BGB. ist dies die regelmäßige Wirkung eines in der Beschlagnahme enthaltenen Veräußerungsverbotes. Hierher gehören die Verstrickung nach § 326 StPO., die Konkursverstrickung

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Drittes Hauptstück.

(§ 7 KO.), die Nachlaßverwaltungsverstrickung (§ 1984 BGB.), die Sequestrationsverstrickung, die Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverstrickung (§§ 23 ff. 146. 148 ZwVerstGes.). Auch ein etwa von einer Polizeibehörde zu Beschlagnahmezwecken erlassenes Yeräußerungsverbot wird hierher zu rechnen sein. Möglich ist nun, daß die Befugnis zu wirksamen Verfügungen auf eine behördlich zu bestellende Person übergeht, wie z. B. auf den Konkursverwalter, den Nachlaßverwalter oder den Zwangsverwalter; notwendig ist dies aber nicht. Der Umfang, in dem die Yerfügungsmacht entzogen wird, kann ein verschiedener sein. Dabei sind zwei Gestaltungen möglich: aa) Alle rechtlichen Verfügungen sind relativ unwirksam. Dies ist der Fall nach § 7 KO., § 1984 BGB., § 148 ZwVerstG., §'¿326 StPO. Es ist überhaupt nach den Vorschriften in den §§ 135. 136 BGB. die Regel. Hierher wird man auch den Fall des § 2129 BGB. zu rechnen haben. Es heißt zwar im Gesetze, daß der Vorerbe mit der Anordnung der Verwaltung das Recht, über Erbschaftsgegenstände zu verfügen, verliere. Da aber der Verlust der Verfügungsbefugnis sich an die Anordnung der Verwaltung knüpft, so wird man den § 136 BGB. für anwendbar erachten müssen (im Ergebnisse zustimmend KRETZSCHMAR Grundbuchrecht Bd. 2 S. 211). ßß) Nur diejenigen Verfügungen sind dem Beschlagnahmeinteressenten gegenüber unwirksam, die sich nicht in den Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft halten (§ 23 Abs. 1 Satz 2 ZwVerstGes., zu vergl. allerdings § 25). y) In einer Anzahl von Fällen verliert der von der Beschlagnahme Betroffene die Befugnis, verstrickte Rechte gerichtlich geltend zu machen, so der Gemeinschuldner, der Zwangsverwaltungsscliuldner u. s. w. (HELIAVIG, Anspruch und Klagrecht S. 228ff.) Alle diese Rechtsfolgen der Beschlagnahme treten nur ein, weil und insoweit sie das Gesetz für den einzelnen Fall statuiert. Soweit keine dieser Folgen durch Rechtssatz an eine Beschlagnahmeart geknüpft ist, tritt sie nicht ein. So ist insbesondere ein Schuldner nicht rechtlich gehindert, das Eigentum an einer Sache, die der Gerichtsvollzieher bei ihm gepfändet hat, auf

Die Wirkungen der Beschlagnahme.

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einen anderen zu übertragen. Diese Eigentumsübertragung ist (nach § 931 BGB.) auch ohne Verstrickungsbruch möglich. Sie steht aber dem Pfandverkaufe nicht entgegen. Der Erwerber erhält eben eine mit dem Vollstreckungspfandrechte belastete Sache. Nach § 936 BGB. bestellt allerdings auch die Möglichkeit, daß das Vollstreckungspfandrecht infolge der Veräußerung erlischt. Dies wird aber in den meisten Fällen einen Bruch der Verstrickung voraussetzen. Der Gläubiger einer gepfändeten Forderung, der Eigentümer eines Grundstückes, dessen Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung angeordnet worden ist, können zwar den verstrickten Vermögensgegenstand veräußern. Die Veräußerung ist aber den Vollstreckungsgläubigern gegenüber unwirksam (zu vergl. jedoch § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB., § 23 Abs. 2 ZwVerstGes.). Im Verhältnisse zwischen dem Vollstreckungsschuldner und dritten Personen kommt einer Veräußerung aber Bedeutung zu. So hindert eine Forderungspfändung den Vollstreckungsschuldner nicht, eine Feststellungsklage gegen den Drittschuldner zu erheben (PETERSEN-ANGEK Bd. II S. 485 Note 5). Hat der Schuldner die gepfändete Forderung aber nach der Pfändung abgetreten, so wird ihm der Drittschuldner die Aktivlegitimation bestreiten können, und zwar ohne Rücksicht darauf, daß die Abtretung dem Gläubiger gegenüber unwirksam ist. Dieser kann vielmehr trotz der erfolgten Abtretung nicht nur die Überweisung zur Einziehung, sondern auch an Zahlungsstatt nachsuchen. Wird die Forderung an Zahlungsstatt überwiesen, so muß der Gläubiger dem Zessionar des Schuldners vorgehen. § 19Wirkungen in Ansehung der tatsächlichen Verfügungsmacht.

Bei unkörperlichen Gegenständen können sich die Wirkungen der Beschlagnahme nur in der Nichtigkeit oder relativen Unwirksamkeit der rechtlichen Verfügungshandlungen des Betroffenen äußern. Über körperliche Gegenstände ist aber eine tatsächliche Herrschaft denkbar; auf sie kann von außen eingewirkt werden mit der Folge ihrer Zerstörung oder Beseitigung. Bei manchen körperlichen Gegenständen ist auch eine Entfernung aus ihrer

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Drittes Hauptstück.

bisherigen Lage möglich. Derartige von außen wirkende Handlungen laufen aber der Beschlagnahme zuwider, deren Zweck es j a ist, den verstrickten Gegenstand unversehrt zu erhalten. Deshalb hat das StGB, in § 137 die Zerstörung, Beiseiteschaffung, gänzliche oder teilweise Entziehung einer Sache aus der Verstrickung unter Strafe gestellt. Das Maß, in dem dem Betroffenen die tatsächliche Verfügungsmacht genommen wird, ist auch hier verschieden, je nach den Arten der Beschlagnahme und den Formen ihrer Vollziehung. Gleichgültig ist aber, ob die Beschlagnahme etwa anfechtbar, ob sie mit allen gerade dieser Beschlagnahmen gewöhnlichen .Rechtswirkungen ausgestattet ist. So hat der Vollstreckungsschuldner die Pfändung einer ihm unentbehrlichen Sache solange zu achten und sich der Einwirkung darauf zu enthalten, bis er beim Vollstreckungsgerichte einen die Pfändung aufhebenden Beschluß und beim Gerichtsvollzieher darnach die Freigabe erwirkt hat. Ohne Einfluß ist dabei der Umstand, daß durch die anfechtbare Pfändung ein Pfandrecht nicht begründet worden ist. Im einzelnen sind hier folgende Gestaltungen d e n k b a r : a) Dem Betroffenen wird die Möglichkeit jeder Einwirkung auf die verstrickte Sache genommen. Dieser Fall liegt vor, wenn die Sache in amtlichen Gewahrsam gebracht oder einer amtlich bestellten Person übergeben wird, also bei asservierten Beweisstücken, bei Pfändern in der Pfandkammer, bei Einweisung des Zwangsverwalters in den Grundstücksbesitz. b) Dem Betroffenen bleibt der Gewahrsam und die Benutzung der verstrickten Sache salva substantici. Dieser Fall liegt vor, wenn der Gerichtsvollzieher Pfänder nach der Ersichtlichmachung der Pfändung in dem Gewahrsame des Schuldners, Gläubigers oder herausgabebereiten Dritten beläßt, bei den Beweis- und Einziehungsstücken, die an ihrem bisherigen Aufbewahrungsorte verbleiben. Das gleiche gilt in Ansehung der Massegegenstände und Nachlaßgegenstände, deren Besitz der Konkurs- bezw. Nachlaßverwalter noch nicht ergriffen hat. E s gilt ferner für die Zwangsverwaltungsmasse vor der Besitzeinweisung des Zwangsverwalters.

Die Wirkungen der Beschlagnahme.

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c) Schließlich ist es möglich, daß dem Betroffenen die Verwaltung und Benutzung der verstrickten Sache in den Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft verbleibt. Dies ist allein bei der Zwangsversteigerung der Fall (§ 24 ZwYerstGes.), während durch die Beschlagnahme im Zwangsverwaltungsverfahren dem Schuldner auch die Verwaltung und Benutzung entzogen wird (§ 148 Abs. 2 ZwVerstGes.). Der Zwangsversteigerungschuldner ist also berechtigt, auch nach der Beschlagnahme Sand und Kies abzubauen, Wald zu schlagen, Getreide zu mähen, und von dem Grundstücke zu entfernen; er darf ferner die Zubehöreigenschaft einzelner Gegenstände dadurch aufheben, daß er ihre wirtschaftliche Zweckbestimmung oder ihr räumliches Verhältnis zur Hauptsache ändert. Er darf ferner Grundstückserzeugnisse, auch soweit sie Zubehör sind, verbrauchen, indem er sie als Viehiutter, Saatgut oder Dünger verwertet. Alle diese Befugnisse stehen dem Schuldner aber nur in den Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zu. Überschreitet er diese Grenzen, so begeht er einen Verstrickungsbruch.

§ 20. Der Besitz an den verstrickten

Sachen.

Da der Besitz nach § 854 BGB. durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben und nach § 856 BGB. durch den Verlust dieser tatsächlichen Gewalt beendigt wird, so leuchtet nach dem im vorhergehenden Gesagten von selbst ein, daß die Beschlagnahme auf bestehende Besitzverhältnisse von Einfluß sein muß. Und da die Beschlagnahme eine Kundgabe des Besitzwillens der öffentlichen Gewalt ist (RG.-Entsch. in Strafs. verein. Strafsen. Bd. 24 S. 52), so entsteht weiter die Frage, inwiefern die Beschlagnahme neue Besitzverhältnisse zu begründet geeignet ist. Die possessorischen Wirkungen der Beschlagnahme lassen sich in folgende Gruppen einteilen: a) Der Besitzer wird in der Sachherrschaft lediglich beschränkt, nicht gänzlich daraus verdrängt.

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Drittes Hauptstück.

b) Der Besitzer wird seines Besitzes gänzlich entsetzt und stellt nach der Vollziehung der Beschlagnahme in keinem possessorischen Verhältnisse zur Sache mehr. c) Der Besitzer wird aus der Stellung des unmittelbaren in die des mittelbaren Besitzers gedrängt. a) Die bloße B e s c h r ä n k u n g der S a c h h e r r s c h a f t . Darüber, daß jede Sachverstrickung mindestens eine Beschränkung der tatsächlichen Gewalt über die verstrickte Sache enthalte, kann angesichts des § 137 StGB, füglich kein Zweifel bestehen. Denn jener § 137 StGB, stellt gewisse Besitzhandlungen unter Strafe, die dem Besitzer vor der Beschlagnahme unbenommen waren. Wenn nun schon in der Rechtslehre und Rechtsprechung das von einem Privatmanne ausgehende Verbot von Besitzhandlungen als eine Besitzstörung betrachtet wird ( R A N D A S. 251, OLG. Braunschweig in der Rechtspr. der OLG. Bd. 4 S. 290), um wieviel mehr muß ein vom Staate ausgehendes Verbot gleicher Art diese Bedeutung haben, da doch die aktionsbereite Staatsgewalt hinter ihm steht. Von einer Besitzbeschränkung kann aber nur bei den Beschlagnahmen die Rede sein, die keine stärkeren possessorischen Wirkungen haben, deren Wirkungen sich vielmehr in dem Verbote gewisser Besitzhandlungen erschöpfen. Dieser Fall liegt vor zunächst im Zwangsversteigerungsverfahren. Hier bleibt der Schuldner, dafern er unmittelbarer Besitzer ist, in diesem Besitze. Ihm bleibt nach § 24 ZwVerstGes. — vorbehaltlich etwaiger Anordnungen nach § 25 — die Verwaltung und Benutzung des Grundstückes innerhalb der Grenzen einer ordentlichen Wirtschaft. In diesen Grenzen kann er Besitzhandlungen aller Art vornehmen. Er kann Erzeugnisse einernten und beliebig darüber verfügen, sie sogar veräußern und vom Grundstücke entfernen. Die Zwangsversteigerungsverstrickung will nur eine unwirtschaftliche Gebarung mit den verstrickten Sachen hintanhalten. In Bezug auf die durch eine ordnungsmäßige Wirtschaftsführung bedingten Besitzhandlungen stehen die beschlagnahmten Sachen unverstrickten gleich. Bei dieser Sach-

I)ie Wirkungen der Beschlagnahme.

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läge muß man annehmen, daß der Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren durch die Beschlagnahme nicht aus seiner possessorischen Stellung verdrängt wird. Er bleibt Besitzer. Er kann sich also verbotener Eigenmacht aus eigenem Rechte, nicht bloß nach § 860 BGB. erwehren. Wenn er von einem Dritten in seinem Besitze gestört oder seines Besitzes entsetzt wird, so steht ihm der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung (§ 862 BGB.) oder auf Wiedereinräumung des Besitzes (§ 861 BGB.) zu. Er ist passiv legitimiert für den Anspruch aus § 867 BGB. (§ 1005 BGB.). Die Leistung von Schadensersatz wegen Entziehung oder Beschädigung der mitverstrickten beweglichen Sachen, die an ihn erfolgt, befreit den Leistenden nach § 851 BGB. Daß die Ersitzung von Zubehörstücken, deren Eigenbesitzer der Schuldner ist, durch die Beschlagnahme nicht unterbrochen wird, ist keine Folge davon, daß der Schuldner auch nach der Beschlagnahme im Besitze bleibt, hat vielmehr seinen Grund darin, daß diese Zubehörstücke nach § 20 Abs. 2 ZwVerstGes. in Verbindung mit § 1120 BGB. nicht von der Beschlagnahme betroffen werden. Ist das beschlagnahmte Grundstück in Miet-, Pacht- oder Nießbrauchbesitz, so bleibt auch der Mieter, Pächter, Nießbraucher trotz der Beschlagnahme Besitzer. Insbesondere erwirbt der Pächter auch nach der Beschlagnahme des Grundstücks gemäß § 956 BGB. die Früchte mit der Trennung (§ 21 Abs. 3 ZwVerstGes.). Im Falle der Eröffnung des Konkurses und der Anordnung der Zwangsverwaltung ist in dem Zeitpunkte, wo die Beschlagnahme wirksam wird, der Verwalter nicht notwendig im Besitze der verstrickten Sache (OLSHAUSEN, Bern. 17c zu § 2 4 2 StGB.). Der Zwangsverwalter soll zwar nach § 150 Abs. 2 ZwVerstGes., der Konkursverwalter nach § 117 KO. sich alsbald den Besitz verschaffen. Dazu bedarf es der Vornahme einer äußeren Handlung, wodurch die tatsächliche Gewalt über die Sachen hergestellt wird. Solange das nicht geschehen ist, bleibt der Zwangsverwaltungsschuldner bezw. der Gantmann in seinem bisherigen Besitze. Beide sind darin allerdings in höherem Maße beschränkt als der Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren. Denn sie dürfen auch innerhalb der Grenzen einer ordentlichen Wirtschaft

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Drittes Hauptstück.

keine Besitzhandlungen vornehmen, die gegen den § 137 StGB, verstoßen. Das ist für den Zwangsverwaltungsschuldner in § 148 ZwVerstGes. ausdrücklich hervorgehoben; dies ist aber lediglich geschehen, um angesichts des § 146 ZwVerstGes. die entsprechende Anwendung der Vorschriften in den §§ 23 Abs. 1 Satz 2. 24 auszuschließen. Für den Gantschuldner war eine solche Hervorhebung an sich nicht nötig, für ihn ergibt sich aus der in § 6 KO. enthaltenen allgemeinen Vorschrift dasselbe. Wenn hiernach Zwangsverwaltungsschuldner und Kridar in der tatsächlichen Verfügungsmacht durch die Beschlagnahme noch mehr beschränkt werden als der Zwangsversteigerungsschuldner, so muß man sie gleichwohl als Besitzer betrachten. Die von ihnen über die Sache geübte tatsächliche Gewalt ist nach der Beschlagnahme nicht mehr sehr stark, immerhin ist es aber noch eine tatsächliche Gewalt von der Art, daß sie als Besitz bezeichnet werden muß. Es ist auch im Interesse der Konkursmasse und der Zwangsverwaltungsmasse nötig, dem Gemeinschuldner und dem Verwaltungsschuldner selbständigen possessorischen Schutz zuzuerkennen, solange nicht der Verwalter den Besitz ergriffen hat. Sind von der Konkurs- und der Zwangsverwaltungsverstrickung betroffene Sachen vermietet oder verpachtet und bereits vor der Beschlagnahme dem Mieter oder Pächter überlassen, so ist der Miet- oder Pachtvertrag auch dem Verwalter gegenüber wirksam (§21 KO., § 152 Abs. 2 ZwVerstGes.). In diesen Fällen erfährt der Mieter oder Pächter durch die Beschlagnahme eine geringere Beeinträchtigung als der Schuldner bezw. Kridar. b) B e s i t z v e r l u s t und E r w e r b . Die Besitzverlustwirkung der Beschlagnahme kann eintreten, ohne daß die beschlagnahmte Sache aus dem Machtbereiche des Betroffenen fortgeschafft wird, ferner ohne daß außer der Beschlagnahmeerklärung sonstige sachliche Vorkehrungen getroffen werden, um die Einwirkungen des bisherigen Besitzers von der Sache auszuschließen. Ein Privater könnte zwar auf solche Art in der Regel nicht Besitz ergreifen. Der Staatsgewalt ist es aber möglich. Sie kann sich durch ihre bloße Erklärung entweder selbst in den Besitz setzen oder einen anderen darein einführen

D i e W i r k u n g e n der B e s c h l a g n a h m e .

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Bc.sitzlelire S . 2 2 5 ) . Die so geschaffene Besitzerstellung ist vor Beeinträchtigung durch die von § 137 StGB, aufgerichteten Schranken geschützt. Wenn VON SCHKUTKARECHTENSTAMM (Freigebung Bd. II S. 7 0 ) sagt, daß der im Interesse des Exekutionszweckes geübte Besitz des Staates der Maßstäbe des Privatrechtes spotte und privatrechtlich nicht anders wirke als ein Elementarereignis, so kann ihm nicht rückhaltlos zugestimmt werden. Richtig ist zwar, daß ein Elementarereignis dem Besitzer die besessene Sache aus der tatsächlichen Gewalt entziehen kann, eine Wasserflut kann ihm Holzvorräte wegschwemmen, ein Sturm kann das Heu von seiner Wiese forttragen. Ein Elementarereignis begründet aber in der ßegel kein neues Herrschaftsverhältnis zur Sache. Solches geschieht aber bei der Beschlagnahme. Man könnte freilich mit von SCHEUTKARECHTENSTAMM einwenden, das durch die Beschlagnahme geschaffene neue Gewaltverhältnis sei öffentlich-rechtlicher Natur, sei nicht Besitz im Sinne des Privatrechts. An dieser Einwendung ist auch manches Richtige. So kann der Staat Sachen beschlagnahmen, deren Besitz überhaupt verboten, auch nicht dem Staate gestattet ist. An derartigen Sachen findet überhaupt kein Besitz im Sinne des bürgerlichen Rechtes statt. Hier muß man aber beachten, daß die Beschlagnahme eben zur Herstellung einer tatsächlichen Gewalt, die den Vorschriften des Besitzrechts entspricht, unter Umständen führen kann, aber nicht in allen Fällen führen muß. Denn auch bei der Ausübung der Staatsgewalt können, wie L A B A N D gelegentlich (Deutsche Juristenz. 1 9 0 3 S. 6 8 ) bemerkt, Verhältnisse entstehen, die nach den Regeln des Privatrechts zu beurteilen sind. Man kann sehr wohl, wie es auch das Reichsgericht zu tun scheint (Entsch. in Strafs. Bd. 2 S. 318; Rechtspr. Bd. 7 S. 25), die in der Beschlagnahme liegende Kundgebung des Besitzwillens der öffentlichen Gewalt und die damit geschaffene Sachherrschaft in ihrer öfi'entlichreehtlichen und ihrer privatrechtlichen Bedeutung unterscheiden. Man darf aber nicht gänzlich in Abrede stellen, daß durch eine Beschlagnahme für den Beschlagnahmeinteressenten privatrechtlicher Besitz begründet werden kann. Ein so begründeter Besitz ist sogar unter Umständen stärker wie ein durch private Okkupation oder in deriva(GOLDSCHMIDT,

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Drittes Hauptstück.

tiver Form erworbener Besitz. Übrigens hat das RG. (Entsch. in Strafs. Bd. 14 S. 112) angenommen, daß beschlagnahmte Sachen gestohlen werden können, es hat an ihnen mithin einen Besitz im Sinne des Strafrechts für möglich erachtet. Schließlich wird man auch zugeben müssen, daß Sachen, die zur Zeit der Beschlagnahme in niemandes Besitz sind (§ 157 des Vereinszollgesetzes), durch die Beschlagnahme in den Besitz des Beschlagnahmeinteressenten gelangen. Besitzverlust auf der einen und Besitzerwerb auf der anderen Seite ist Wirkung der Beschlagnahme besonders in folgenden Fällen: 1. Bei der Beschlagnahme von Einziehungsstücken und solchen Überführungsstücken, die nach § 111 StPO. (§ 242 MStGO.) dem Verletzten zurückzugeben sind. 2. Im Falle der Vollziehung von Leistungsansprüchen und gewissen Herausgabeansprüchen, sowie im Falle der Pfändung von Geld durch den Gerichtsvollzieher oder Vollstreckungsbeamten. 3. Im Falle der völkerrechtlichen Beschlagnahme, die zum Zwecke der Aneignung erfolgt. Nicht hierher gehört die durch Fortschaffung vollzogene Pfändung beim herausgabebereiten Dritten; denn hier tritt der Besitzverlust nicht so sehr als Folge der Beschlagnahme, als vielmehr als Folge der freiwilligen Aufgabe der tatsächlichen Gewalt durch den Dritten ein. Nur wenn der Gerichtsvollzieher irrig schuldnerischen Gewahrsam annahm und die Pfändung bei dem Dritten durch Wegschaffung vollzog, ist der Besitzverlust als eine Folge der "Beschlagnahme zu betrachten. Zu den einzelnen Fällen ist folgendes zu bemerken: Zu 1. Die Beschlagnahme von Einziehungsstücken, mag sie vollkzogen werden wie sie wolle, sei es durch Wegschaffung und amtliche Verwahrung oder nicht, setzt den bisherigen Besitzer aus seinem Besitze. Das folgt aus ihrem Zwecke, der eben auf Sicherung der Einziehung geht. Im Falle des § 156 des Vereinszollgesetzes und der präventivpolizeilichen Beschlagnahme erwirbt der Fiskus sofort Eigentum. Wie aber schon hervorgehoben wurde, hört damit der Zustand der Verstrickung nicht auf, das

Die Wirkungen der Beschlagnahme.

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besondere obrigkeitliche Gewaltverhältnis dauert fort (zu vergl. RG.Entsch. in Strafs. Bd. 2 S. 318, Bd. 14 S. 112). Dies hat darin seinen Grund, daß über die Einziehung unter Umständen noch ein besonderer behördlicher Ausspruch zu erfolgen hat, daß es also bis zu diesem Ausspruche in der Schwebe ist, ob die Beschlagnahme wirklich Eigentum für den Fiskus begründet hat oder nicht. Übrigens erscheint es nicht unstatthaft, den Fiskus schon vom Zeitpunkte der Beschlagnahme ab in den Fällen des § 156 des Vereinszollgesetzes und der präventivpolizeilichen Beschlagnahme als Eigenbesitzer zu betrachten. In den Fällen, wo der Fiskus das Eigentum erst mit der Rechtskraft des Einziehungserkenntnisses erlangt, ist die Beschlagnahme von noch höherer Bedeutung als in den soeben behandelten Fällen. Der Einziehung unterliegen in der Eegel (§ 40 StGB.) nur solche Sachen, die im Zeitpunkte der Rechtskraft einem Täter oder Teilnehmer gehören. Wenn nun diese die Gegenstände, die eingezogen werden sollen, vor dem ausschlaggebenden Zeitpunkte veräußern, so ist die Durchführung der Einziehung vereitelt. Die Beschlagnahme beugt einer solchen Veräußerung vor. Zwar enthält die Beschlagnahme für sich allein nicht notwendig ein Veräußerungsverbot. Es kann freilich ein solches mit ihr verbunden werden; alsdann greifen die §§ 135. 136 BGB. ein. Hierin liegt aber nicht die Hauptbedeutung der Beschlagnahme. Denn nicht jede Verstrickung wird unter Erlaß eines Veräußerungsverbotes hergestellt; insbesondere ist dies nicht bei der Beschlagnahme von Einziehungsstücken der Fall. Die Beschlagnahme hindert die Veräußerung der verstrickten beweglichen Sachen rein tatsächlich (a. M. anscheinend KÖHLER, Patentrecht S. 591). Durch die Beschlagnahme der Einziehungsstücke wird der Staat ihr Besitzer, und zwar ihr alleiniger und unmittelbarer Besitzer. Die Beamten sind lediglich seine Besitzdiener; sie sind niemals bürgerlichrechtliche Besitzer der verstrickten Sachen. Darum ist gegen sie auch eine Klage auf Herausgabe der beschlagnahmten Sachen nicht zu richten. Dafür ist vielmehr allein der Staatsfiskus passiv legitimiert (BONNENBERG, Anm. 14 S. 40; Anm. 17 S. 41). Die Eigentums Übertragung an beweglichen Sachen kann nur durch Einigung und Ubergabe oder Ubergabesurrogate

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Drittes Hauptstück.

erfolgen. Da nun der Delinquent, der ein Einziehungsstück veräußern will, es nach der Beschlagnahme nicht mehr besitzt, wenn er auch noch sein Eigentümer ist, so kann er es weder nach § 929 BGB. übergeben, noch kann er dem Erwerber nach § 930 BGB. den mittelbaren Besitz einräumen. Er steht zu dem Fiskus ferner nicht in dem Verhältnisse des mittelbaren zum unmittelbaren Besitzer. Zwischen dem Delinquenten und dem Staate besteht in Ansehung des Einziehungsstückes keines der in § 868 BGB. bezeichneten Verhältnisse; der Staat ist dem Delinquenten gegenüber nicht bloß auf Zeit zum Besitze der einzuziehenden Sache berechtigt. Weiter hat der Delinquent gegen den Staat auch keinen Herausgabeanspruch. Er ist zwar vor der Rechtskraft des Einziehungserkenntnisses noch Eigentümer der beschlagnahmten Sache. Auf den ersten Blick könnte man geneigt sein, ihm den Eigentumsanspruch zuzugestehen und gegen diesen dem Fiskus die Einrede der Beschlagnahme als Einziehungsstück zu geben (§ 986 BGB.). Dagegen ist aber einzuwenden, daß die Beschlagnahme des Einziehungsstückes bis auf den Rechtsübergang schon diejenige Lage schafft, die dem Einziehungserkenntnisse gemäß sein wird. Man darf daher nicht annehmen, daß der Delinquent gegen den Staat einen Herausgabeanspruch, auch nicht einen einredebehafteten habe. Spricht man aber dem Delinquenten den Herausgabeanspruch ab, so ist es ihm auch unmöglich, das beschlagnahmte Einziehungsstück nach § 931 BGB. zu veräußern. Aber selbst, wenn man der hier vertretenen Ansicht nicht folgt und dem Delinquenten einen, wenn auch einredebehafteten, Herausgabeanspruch gegen den Fiskus zuerkennt, so wird er doch gegenüber der Eigentumsklage des Erwerbers mit der Einrede der Beschlagnahme durchdringen (§ 986 Abs. 2 BGB.). Wollte man annehmen, daß dann, wenn die Beschlagnahme nicht durch Wegschaffung der Sachen aus dem Gewahrsame des Betroffenen vollzogen wird, ihm der Besitz mit den sich aus § 137 StGB, ergebenden Beschränkungen bleibe, so würde eine Veräußerung sowohl nach § 929 BGB., die auch ohne Ortsveränderung vor sich gehen kann, als auch nach § 930 BGB. möglich sein. Die Einziehung würde dem Fiskus vereitelt, oder, doch, dafern man mit P E T E K S E N - K L E I N E E L L E I I (Bern. 4 zu § 2 des Anfechtungs-

Die Wirkungen der Beschlagnahme.

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gesetzes) eine Anfechtungsklage zwecks Durchführung des Einziehungserkenntnisses zuließe, wesentlich erschwert sein. Man könnte gegen die hier vertretene Ansicht über die Bedeutung der Beschlagnahme von Einziehungsstücken einwenden, daß es nicht erforderlich sei, der Beschlagnahme so weitgehende Folgen beizulegen, weil eine fraudulose Veräußerung von Einziehungsstücken schon nach § 288 StGB. strafbar sei (RG.-Entsch. in Strafs., Bd. 15 S. 164) und weil andererseits eine Sachveräußerung unter Verstrickungsbruch wirksam sein könne. Dem ist entgegenzuhalten, daß eben die Beschlagnahme allein einer Veräußerung des Einziehungsstückes vorbeugen soll. Es wird zunächst erwartet, daß die auf den Verstrickungsbruch und die fraudulose Veräußerung gesetzten Strafen ihre Wirkung tuen. Selbstverständlich ist, daß das hier Gesagte nur gilt, wenn es wirklich zu der Einziehung kommt. Kommt es nicht dazu, so ist der bisherige Besitzer so anzusehen, als sei er nicht gänzlich aus dem Besitze gedrängt worden. Während der Dauer der Verstrickung hat der Staat für ihn besessen. Der Staat war unmittelbarer, der Betroffene mittelbarer Besitzer. Freilich ist B O N N E N B E R G (S. 43) darin beizustimmen, daß ein Vertrag zwischen dem Staate und dem Betroffenen nicht zu stände gekommen ist. Der Staat hatte den Besitz kraft seines Hoheitsrechts ergriffen. Er ist aber kraft dieses Hoheitsrechts in den Fällen, wo es nicht zur Einziehung kommt, dem Eigentümer gegenüber nur auf Zeit zum Besitze berechtigt (§ 868 BGB.). Ob das der Fall ist, läßt sich in der Regel von vornherein nicht absehen. Es entscheidet sich erst im Laufe der Untersuchung. Insofern besteht bei der Beschlagnahme von Einziehungsstücken ein Schwebezustand. Ist dieser aber in dem Sinne behoben, daß nunmehr feststeht, eine Einziehung werde nicht erfolgen, so sind die Veräußerungsgeschäfte des Eigentümers als von vornherein gültig zu behandeln und zwar auch solche, die durch Abtretung des Herausgabeanspruchs erfolgt sind (im Ergebnisse ebenso K O H L E B , Patentrecht S. 591. 592). In den hier betrachteten Fällen unterbricht sonach die Beschlagnahme die Ersitzung nicht. Die Sache liegt ähnlich wie bei der Hinterlegung zum Zwecke der Schuldbefreiung (BEEK

S . 1 0 9 ff.).

MOTHES , B e s c h l a g n a h m e .

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Drittes Hauptstück.

Sind bloße Überführungsstücke beschlagnahmt, die dem durch die strafbare Handlung Verletzten entzogen worden waren und ihm nach § 111 StPO. (§ 242 MStGO.) zurückzugeben sind, so ist gleichfalls durch die Beschlagnahme der bisherige Besitzer seines Besitzes entsetzt worden. Erworben hat ihn die Staatsgewalt, die dem von der Beschlagnahme Betroffenen weder einen beschränkten Besitz belassen, noch ihm einen Besitz vermitteln will. Zweifel kann man höchstens darüber hegen, ob der Staat zu dem Verletzten, dem das Überführungsstück von dem Beschuldigten genommen worden war, im Verhältnisse eines unmittelbaren zum mittelbaren Besitzer steht. Man wird die Frage für diejenigen Fälle unbedenklich bejahen können, in denen es zur Hinausgabe der Sache an den Verletzten kommt. Durch diese Hinausgabe wird festgestellt, daß der Staat die Sache während der Dauer der Verstrickung für den Verletzten — also auf Zeit — innegehabt hat. Zu 2. Eine Besitzentsetzung des bisherigen Besitzers liegt auch vor, wenn der Gerichtsvollzieher oder Vollstreckungsbeamte Geld oder solche Geldsurrogate pfändet, die nach § 815 CPO. (§ 35 des sächsischen Gesetzes vom 18. Juli 1902) dem Gelde gleichgestellt werden. Nach § 815 Abs. 3 CPO. (§ 35 Abs. 3 jenes sächsischen Gesetzes) gilt die Wegnahme des Geldes als Zahlung, dafern es nicht zu einer Hinterlegung kommt. Wird in Verfolg der Pfändung jedoch das Geld von dem Gerichtsvollzieher oder Vollstreckungsbeamten an den Gläubiger abgeführt, so ist die Sache so anzusehen, als habe der Schuldner bereits im Augenblicke der Pfändung den Besitz verloren, der Gläubiger durch Vermittelung des Gerichtsvollziehers erworben (zu vergl. VON SCHRUTKA-RECHTENSTAMM, Freigebung Bd. II S. 71). Das gleiche gilt, wenn der Gerichtsvollzieher nach § 883 CPO. Sachen bei dem Schuldner wegnimmt, die dieser dem Gläubiger zu Eigentum übertragen soll (§ 897 CPO.), oder die der Schuldner bisher als unmittelbarer Besitzer des Gläubigers gehabt hat und nun diesem zurückgeben soll. Im letzten Falle wird stets Besitzverlust bei dem Schuldner eintreten; im ersten Falle ist denkbar, daß der Schuldner mittelbarer Besitzer bleibt (zu vergl. REGELSBERGER in JHERINGS Jahrb. Bd. 44 S. 393ff., bes. S. 422).

Die Wirkungen der Beschlagnahme.

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Möglich ist auch, daß ein mittelbarer Besitzer infolge der Vollstreckung des Herausgabeanspruches zum mittelbaren Besitzer eines entfernteren Grades wird. Durch die Herstellung einer Sequestrationsverstrickung wird der Sequester zum unmittelbaren Besitzer gemacht. Der bisherige unmittelbare Besitzer verliert seinen unmittelbaren Besitz. Wer mittelbarer Besitzer ist, das wird in der Regel erst die Streitentscheidung lehren. Aus dieser wird zu entnehmen sein, wem während der Sequestration der Besitz der Sache zukam. Es besteht sonach in Ansehung des mittelbaren Besitzes ein Schwebezustand. Die Entscheidung dieses Schwebezustandes kann insbesondere für den Fruchterwerb und die Ersitzung von Bedeutung sein. Zu 3. Bei der völkerrechtlichen Beschlagnahme, die zum Zwecke der Aneignung erfolgt, also insbesondere bei der Beschlagnahme der Waffen, Munition und Transportmittel des Feindes, bei der Beschlagnahme der Kriegskonterbande, tritt Besitzverlust bei dem bisherigen Besitzer in dem Augenblicke der Wegnahme der Sache ein. Das gilt auch dann, wenn noch eine Behörde, etwa ein Prisengericht über die Rechtmäßigkeit der Wegnahme zu entscheiden hat. Ob in den Fällen, wo lediglich eine Beschlagnahme zwecks Benutzung stattfindet, wie in manchen Fällen des Embargo, ferner ob in den Fällen des Repressalienarrestes ein gänzlicher Besitzverlust des bisherigen Besitzers oder seine Verdrängung aus der Rolle des unmittelbaren in die des mittelbaren angenommen werden muß, kann zweifelhaft erscheinen. Übrigens fand auch bei der Beschlagnahme des Vermögens von Bischofsstühlen, Orden und Kongregationen • sowie geistlichen Stellen nach den preußischen kirchenpolitischen Gesetzen eine Besitzentsetzung der bisherigen Besitzer und Erwerb des Besitzes durch den Staat statt (Preuß. Kompetenzgerichtshof in der Deutschen Juristenz. 1902 S. 584), was für den Erwerb der während der Dauer der Verstrickung gezogenen Früchte von erheblicher Bedeutung ist. c) V e r d r ä n g u n g des u n m i t t e l b a r e n in die R o l l e des mittelbaren Besitzers. Der Konkursverwalter, der Zwangsverwalter und der Nachlaßverwalter haben sich den Besitz der verstrickten Sachen zu rj *

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Drittes Hauptstiick.

verschaffen. Zu dem Ende müssen sie den Schuldner bezw. Erben aus dem Besitze verdrängen. Sie selbst werden unmittelbare Besitzer. Ob man den Gemeinschuldner, den Zwangsverwaltungsschuldner oder den Erben während der Besitzzeit des Verwalters als mittelbaren Besitzer ansprechen soll, kann zweifelhaft erscheinen; doch wird man nicht umhin können, dies zu tun. Denn der Verwalter ist ihnen gegenüber immer nur auf Zeit zum Besitze berechtigt und verpflichtet. Jede der drei in Betracht kommenden Verstrickungen kann zwar von längerer Dauer sein; die verstrickten Sachen werden aber nicht aus dem Vermögen des Schuldners bezw. Erben ausgeschieden (STKOHAL, Sachbesitz S. 21). Der wesentlichste hierher gehörige Fall ist der der Pfändung durch den Gerichts- und Verwaltungsvollzieher. Nach § 808 CPO. (§ 29 des sächsischen Gesetzes vom 18. Juli 1902) hat der Gerichtsvollzieher bewegliche Sachen zum Zwecke der Pfändung „in Besitz" zu nehmen. Diese Ausdrucksweise für sich allein nötigt nun freilich nicht zu der Annahme, daß der Gerichtsvollzieher durch seine „Besitznahme" die tatsächliche Gewalt im Sinne von § 854 BGB. erlange und damit Besitzer im Sinne des bürgerlichen Rechtes werde. Denn wie das Strafrecht seinen besonderen Besitzbegriff formuliert (BINDING, Lehrbuch 2. Auflage B d . 1 S. 2 4 3 . 2 8 6 ff.; OLSHAUSEN, Bern. 16 zu § 2 4 2 S t G B . ; LOBE,

Einfluß des BGB. S. 27 ; RICHABD SCHMIDT in der Deutschen Juristenz, von 1900 S. 149), so könnte es auch das Prozeßrecht tun. Verschiedene Gründe sprechen aber gegen eine solche Annahme und drängen zu der Uberzeugung, daß durch die Pfändung Besitz im Sinne des bürgerlichen Rechtes geschaffen wird. Einmal hat man das Pfändungspfandrecht nach dem Vorbilde des Faustpfandrechtes gestalten wollen (HAHN, Materialien Abt. I S. 450). Zu dessen Begründung gehört aber regelmäßig Besitzübertragung auf den Gläubiger oder seinen Vertreter (vergl. STBUCKMANN-KOCH, Bern. 2 zu § 808 CPO.). Die Besitzübertragung wird hier durch die Besitznahme ersetzt. Der Gerichtsvollzieher handelt dabei als Vertreter des Gläubigers; er gebraucht sein imperiiMn in dessen Interesse und begründet Rechtswirkungen in dessen Person (RG.-Entsch. in Civils. Bd. 16 S. 397, Bd. 39 S. 160, Bd. 43 S. 179). Es ist wahrer Pfandbesitz, den er ihm erwirbt (RG. in

D i e Wirkungen der Beschlagnahme.

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Beiträgen Bd. 3 0 S. 1 1 7 0 , OLG. Dresden Sachs. Arch. Bd. 7 S . 2 0 5 , Annalen Bd. 1 6 S. 4 2 7 ; ferner von GLASENAPP in GRUCHOTS Beiträgen Bd. 2 4 S. 2 4 8 ff.; FRANCKE in BÜSCHS Zeitschrift Bd. 5 S. 2 1 8 ; KAHN im Arch. für civilist. Praxis, Bd. 7 0 S. 4 3 5 ; PETERSEN-ANGER, Bern. 7 zu den §§ 8 0 8 . 8 0 9 C P O . ) . Von manchen wird freilich die hier vertretene Ansicht bestritten. So meint PLANCK (Lehrbuch des deutschen Civilpr. Bd. II S. 7 2 3 ff.), daß der Gerichtsvollzieher nicht juristischen Besitz im Sinne des gemeinen Rechts erlange, und daß der Schulder Besitzer bleibe (zu vergl. auch GOLTD. Arch. von 1 8 7 8 S . 5 1 2 ) . Derselben Meinung ist von SCHRUTKA- RECHTENSTAMM (Freigebung Bd. II S . 6 8 ) und Voss (in GRUCHOTS Beiträgen Bd. 2 5 S. 4 0 0 ) . Eine Mittelmeinung vertritt NESSEL (in GRUCHOTS Beiträgen Bd. 2 8 S. 95); er nimmt an, daß nach der Pfändung ein sequestrationsähnliches Verhältnis vorliege, ist aber der Ansicht, daß der Besitz des Schuldners nicht aufgehoben werde. Gegenüber den Rechtsanschauungen, die von der hier vertretenen abweichen, ist darauf hinzuweisen, daß sie zumeist unter der Herrschaft des gemeinen Rechts oder wenigstens unter dem Einflüsse der gemeinrechtlichen Wissenschaft aufgestellt worden sind. Nach dem jetzt geltenden Rechte kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Schuldner aufhört unmittelbarer Besitzer zu sein, wenn der Gerichtsvollzieher bei ihm eine Sache pfändet und fortschafft. Die Stellung des Gerichtsvollziehers und die Natur der Vollstreckungspfändung lassen den Gedanken gar nicht aufkommen, daß er dem Schuldner gegenüber nur unselbständiger Inhaber sei. Wenn freilich der Gerichtsvollzieher nach der Besitznahme die Sache im Gewahrsame des Schuldners beläßt und die Pfändung daran ersichtlich macht, so kann man Zweifel darüber hegen, ob er nicht durch seine Entfernung den unmittelbaren Besitz wieder zu Gunsten des Schuldners aufgibt Diese Zweifel hat das Oberlandesgericht Celle in einer Entscheidung vom 5. Dezember 1901 (Rechtspr. der OLG. Bd. 4 S. 148) wohl erkannt, aber nicht gelöst, wenn es von einer Besitzstörung bezw. Besitzentziehung durch Pfändung spricht. Die Rechtslage des Schuldners, in dessen Gewahrsam das Pfand belassen worden ist, scheint GRUCHOTS

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Drittes Hauptstück.

äußerlich der des Schuldners im Zwangsversteigerungsverfahren oder der des Kridars vor der Besitzergreifung durch den Verwalter zu gleichen. Es ist ihm unbenommen, die mit der Pfändung bestrickten Sachen in eigenem Interesse zu benutzen. E r darf sich auf den gepfändeten Stuhl setzen, an dem gepfändeten Schreibtische schreiben, mit den gepfändeten Pferden pflügen, die gepfändeten Rinder auf die Weide treiben ( O P P E N H O F I ' - D E L I U S , Bern. 32 zu § 137 StGB.). Gleichwohl ist er nicht unmittelbarer Besitzer, sondern nur unselbständiger Inhaber. E r übt die tatsächliche Gewalt zwar nicht im Interesse des Gerichtsvollziehers, sondern vielmehr in seinem eigenen Interesse aus. Dieser Umstand steht aber der Annahme einer unselbständigen Innehabung nicht entgegen (STKOHAL, Sachbesitz S. 1 1 ; PLANCK, Sachenrecht S. 37). Unselbständig ist die Innehabung des Vollstreckungsschuldners hauptsächlich deshalb, weil der Gerichtsvollzieher die Pfänder jederzeit bei ihm abholen kann. Diese Füglichkeit ergibt sich nicht aus dem imperium des Gerichtsvollziehers, nicht aus seiner obrigkeitlichen Befugnis, unter gewissen Voraussetzungen in die Privatrechtssphäre einzugreifen. Sie beruht auf der Pfändungsverstrickung, die der Gerichtsvollzieher an die Sache gelegt hat, und auf dem dadurch erlangten unmittelbaren Besitze. Für die hier vertretene Ansicht spricht auch, daß der Gerichtsvollzieher eine gültig gepfändete Sache, die zur Zeit der ersten Beschlagnahme dem Schuldner entbehrlich war, auch dann aus dessen Gewahrsam fortschaffen darf, wenn zur Zeit der Fortschaffung eine neue Pfändung der Sache deshalb unzulässig wäre, weil sie inzwischen etwa infolge des Wegfalles gleichwertiger, früher vorhanden gewesener Ersatzstücke dem Schuldner unentbehrlich geworden ist. Weiter spricht für die Richtigkeit der hier vertretenen Ansicht, daß die Anschlußpfändung einer Sache, deren Erstpfändung beim herausgabebereiten Dritten stattgefunden hat, nicht die Herausgabebereitschaft des Dritten zur Voraussetzung hat. Richtig ist ja, daß zwischen dem Schuldner und dem Gerichtsvollzieher kein eigentliches Abhängigkeitsverhältnis besteht; der Schuldner hat nicht den Weisungen des Gerichtsvollziehers in Beziehung auf die Sache Folge zu leisten. Wie aber STKOHAL (Sachbesitz S. 12) hervorhebt, ist

D i e W i r k u n g e n der Beschlagnahme.

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ein eigentliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen Inhaber und Besitzer nach § 855 BGB. nicht zu erfordern; es genügt vielmehr, daß jemand die tatsächliche Gewalt nur vorübergehend und innerhalb gewisser Schranken ausübt, unter der Aufsicht eines Besitzherrn, der die Schranken wahrt. Ob man dem Schuldner auch im strafrechtlichen Sinne die Eigenschaft eines Besitzers absprechen muß, davon wird weiter unten zu handeln sein. Der Gerichtsvollzieher erwirbt sonach selbst den unmittelbaren Besitz für sich, nicht für den Gläubiger. Dessen Verhältnis zu dem Gerichtsvollzieher bestimmt sich zwar in vielen Beziehungen nach den Bestimmungen über den Auftrag, oder richtiger, nach denen über den Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstande hat (§ 675 BGB.). Ein Beauftragter kann nun möglicherweise unselbständiger Inhaber für seinen Auftraggeber sein. Zwischen Gerichtsvollzieher und Gläubiger besteht aber kein solches Verhältnis, wie es nach § 855 BGB. Voraussetzung für eine unselbstständige Inhabung ist. Anders liegt es dagegen bei den strafprozessualen und zollrechtlichen Beschlagnahmen. Hier besteht zwischen den beschlagnahmenden Beamten und dem Staate ein öffentlichrechtliches Abhängigkeitsverhältnis. Deshalb darf man sagen, daß sie den unmittelbaren Besitz an den von ihnen verstrickten Sachen nicht sich, sondern dem Staate erwerben (SRTOHAL, Sachbesitz S. 6. 7). Der Gerichtsvollzieher erwirbt aber den Pfandbesitz nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse des Gläubigers. Das durch die Pfändung begründete Pfandrecht wird ein Recht des Gläubigers. Es liegt hier ein Fall des Besitzerwerbes durch Stellvertreter vor. Der Gerichtsvollzieher vermittelt dem Gläubiger den Pfandbesitz (STROHAL, Sachbesitz S. 18; RÜMELIN im Arch. für civilist. Praxis Bd. 93 S. 180 ff.; REGELSBERGER in JHERINGS Jahrb. Bd. 44 S. 422; PETERSEN-ANGER, Bern. 7 zu §§ 808. 809 CPO.). Auch der Schuldner ist mittelbarer Besitzer und zwar ein mittelbarer Besitzer zweiten Grades (§ 871 BGB.). Diese Stellung ist mit der eines unselbständigen Inhabers für durchaus verträglich zu erachten. Zu seinen Gunsten greift insbesondere die Rechtsvermutung des § 1006 BGB. ein.

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Drittes Hauptstück.

Wenn man dem Gerichtsvollzieher unmittelbaren Besitz auch in dem Falle zuspricht, wo er die Sache in dem Gewahrsame des Schuldners beläßt, so muß man ihm auch den possessorischen Schutz zuerkenne». P L A N C K (Lehrbuch des deutschen Civilprozeßrechts, Bd. II S. 728. 724) und Voss (in GJRUCHOTS Beiträgen Bd. 23 S. 245) wollen ihm einen solchen Schutz nicht gewähren. P L A N C K scheint der Ansicht zu sein, daß es an dem Bedürfnisse für den possessorischen Schutz des Gerichtsvollziehers fehle; er meint, die Folge eines unfreiwilligen Besitzverlustes sei für ihn die Unausführbarkeit der ihm vom Gesetz übertragenen ferneren obrigkeitlichen Handlungen. Die Ansicht von P L A N C K hat auch viel für sich; ein akutes eigenes Interesse hat der Gerichtsvollzieher an der weiteren Durchführung der Zwangsvollstreckung in der Tat nicht. Voss entnimmt die Gründe für seine Ansicht aus der Beamteneigenschaft des Gerichtsvollziehers; er scheint allerdings davon auszugehen, daß sich der Gerichtsvollzieher eine gepfändete Sache jederzeit und zwar auch durch einen Eingriff in fremden Besitz wieder verschaffen könne. Doch ist es mindestens zweifelhaft, ob man soweit gehen darf. Freilich wird nur in seltenen Fällen ein Bedürfnis nach possessorischem Schutz für den Gerichtsvollzieher bestehen. Er genießt reichlichen Strafrechtsschutz (§ 136. 137 StGB.), schon wenn er die Sachen im Gewahrsame des Schuldners beläßt. Hat er die Pfänder nach seiner Pfandkammer geschafft, so schirmen seinen Besitz deren feste Türen, sowie die §§ 133. 123 StGB. Ist sein Besitz lediglich dadurch beeinträchtigt worden, daß Ortsveränderungen innerhalb des Gewahrsams des Schuldners vorgenommen wurden, so ist der Gerichtsvollzieher in der Lage, seinen Besitz jederzeit zu reproduzieren. Ist die Sache aus dem Gewahrsam des Schuldners entfernt, die Verstrickung gebrochen worden, so entsteht die Frage, ob der Gerichtsvollzieher befugt ist, eigenmächtig seinen Besitz wieder herzustellen. Man wird sich zur Verneinung entschließen müssen. E s kann ein geschützter gutgläubiger Erwerb der entstrickten Sache stattgefunden haben (zu vergl. OLG. Köln im Rhein. Arch. Bd. 9 3 1 S. 113). Die Reproduktion des Gerichtsvollzieherbesitzes wird also nicht in allen Fällen statthaft sein. Für die in dieser Richtung vorzunehmende Prüfung ist der Gerichts-

Die Wirkungen der Beschlagnahme.

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Vollzieher nicht das geeignete Organ. Gerade für die Fälle, in denen dem Gerichtsvollzieher der Besitz entzogen wird und keiij gutgläubiger Erwerb der Pfandsache durch einen Dritten stattgefunden hat, kann eine Besitzklage des Gerichtsvollziehers von Bedeutung sein. Es kann unter Umständen sogar ein dringendes Bedürfnis dafür bestehen. Beauftragt z. B. ein in Königsberg wohnhafter Gläubiger einen Gerichtsvollzieher im Oberelsaß mit einer Vollstreckung und wird nun die von dem Gerichtsvollzieher auf die einzigen pfändbaren Sachen des Schuldners gelegte Verstrickung in einer Weise gebrochen, daß er sie nicht ohne weiteres selbst wieder herstellen kann, so wird das Verfahren, das dem Gläubiger zu seinem Rechte verhilft, ungemein langwierig, wenn man dem Gerichtsvollzieher die Legitimation zu einer Besitzklage abspricht. Gesteht man sie ihm zu, so wird er durch Erwirkung einer einstweiligen Verfügung sich rasch in die Lage setzen können, die Pfänder vor weiterer Verschleppung zu sichern. Für verpflichtet zu solchem Vorgehen wird man den Gerichtsvollzieher allerdings nicht erachten können. Hat die Pfändung bei einem herausgabebereiten Dritten stattgefunden, so hat dieser den Besitz verloren, auch wenn das Pfand in seinem Gewahrsame belassen wird. Das zeigt sich besonders dann, wenn ein Gläubiger desselben Schuldners den Anspruch auf Herausgabe des Pfandes pfänden läßt. Die stattgefundene Sachpfändung hat die Sache bereits aus dem Besitze des Dritten und in den Besitz des Gerichtsvollziehers gebracht. Der Dritte kann die Sache nicht mehr herausgeben; er ist nicht mehr ihr Besitzer (§ 985 BGB.). Das RG. (Entsch. in Civils. Bd. 13 S. 343) läßt die Lösung dieser Frage zwar dahingestellt. Es ist aber sowohl in dem Falle, wo der Gerichtsvollzieher die Sache aus dem Gewahrsame des Dritten nach der Pfandkammer schafft, als dann, wenn er sie beim Dritten läßt, kein anderes Ergebnis zu finden. Wird eine Sache des Schuldners beim Gläubiger gepfändet, so wird dieser mittelbarer Besitzer, der Gerichtsvollzieher unmittelbarer. Wenn der Gerichtsvollzieher die Sache aus dem Gewahrsame des Gläubigers nicht fortschafft, so wird dieser zugleich unselbständiger Inhaber. Der Schuldner, der schon vor

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Drittes Hauptstück.

der Pfändung mittelbarer Besitzer der Sache war, rückt durch die Pfändung im mittelbaren Besitze einen Grad weiter. Ist der Herausgabeanspruch des Schuldners gegen den Gläubiger von einem anderen gepfändet worden und hat der Gläubiger erst danach die Sache bei sich durch den Gerichtsvollzieher pfänden lassen, so kann der andere den ihm überwiesenen Herausgabeanspruch nicht mehr mit Erfolg geltend machen (RG. im Rhein. Arch. Bd. 75 II S. 5, Bd. 76 III S. 110; zu vergl. auch Kammergericht bei Pekl und Wbeschner, Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts Bd. 7 S. 47; ferner Mitteilungen aus der Rechtspflege im Gebiete des vormaligen Kurfürstentums Hessen Bd. 4 S. 41). Die anderen Gläubiger des Schuldners sind auf die Anschlußpfändung angewiesen, die nach der Erklärung der Herausgabebereitschaft, die der Drittbesitzer bei der ersten Pfändung abgegeben hat, beliebig zulässig ist. Wenn freilich die gepfändete Sache beim Dritten oder beim Gläubiger gelassen wird und diese unter Bruch der Verstrickung sich die Sache aneignen, so stehlen sie nicht, sie unterschlagen. Man kann hier entweder davon ausgehen, daß sie zwar nicht im civilrechtlichen, wohl aber im strafrechtlichen Sinne trotz der Pfändung Besitzer geblieben seien. Man kann aber auch annehmen, daß sie zuvörderst die Verstrickung brechen und dadurch zunächst wieder zu Besitzern werden, um alsdann zu unterschlagen. Der ersten Ansicht wird der Vorzug zu geben sein. § 21. Schutz des Besitzes gegen Beschlagnahmen.

Gegen eine rechtmäßige Beschlagnahme ist der Besitz nicht geschützt. Die Selbsthilfe dawider ist strafbar (§ 113. 114 StGB.). Eine Nachprüfung der Rechtmäßigkeit kann im allgemeinen bei jeder Beschlagnahme verlangt werden. Welche Rechtsbehelfe zulässig sind, ergibt sich aus den Vorschriften über das Verfahren, in dem die Beschlagnahme verhängt wurde. Im Civilprozesse kann nicht nur die Rechtmäßigkeit des Vollstreckungstitels angefochten, sondern auch das Verfahren des Gerichtsvollziehers mit der Einwendung nach § 766 CPO. beim Vollstreckungsgerichte

Die Wirkungen der Beschlagnahme.

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gerügt werden. Handelt es sich um gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung, so findet entweder gleichfalls die Remonstration nach § 766 CPO. oder die sofortige Beschwerde statt. Im Konkursverfahren kann die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßregeln (§ 106 KO.) mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (§ 73 KO.), gegen den Eröifnungsbeschluß steht nur dem Gemeinschuldner die Beschwerde zu (§ 109 KO.). Im Strafprozesse kann der von einer staatsanwaltschaftlichen oder polizeilichen Beschlagnahme Betroffene jederzeit auf gerichtliche Entscheidung antragen (§ 98 StPO.). Gegen die vom Gerichte ausgehende Beschlagnahmeverfügung oder Beschlagnahmebestätigung findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt (§ 347 StPO.). Gegen die Beschlagnahmeverfügungen der Verwaltungsbehörden steht den Betroffenen der Rekurs (§ 31 des sächsischen Gesetzes betreffend die Organisation der Behörden für die innere Verwaltung vom 21. April 1873) und danach die Anfechtungsklage (sächsisches Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 19. Juli 1900 § 73 Ziff. 1) zu. Im Falle der Unrechtmäßigkeit der Beschlagnahme ist gegen ihren Vollzug die Selbsthilfe dann denkbar, wenn es an wesentlichen Voraussetzungen gebricht, so insbesondere, wenn es dem vollziehenden Beamten an der örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit fehlt. Auch wenn ein Gerichtsvollzieher ohne Auftrag handelt oder wenn er seinen Auftrag bewußt überschreitet, wird man eine Selbsthilfe für statthaft erklären müssen (RANDA, Der Besitz 4. Aufl. S. 325 Note 20). Man wird die Abwehr einer unrechtmäßigen Beschlagnahme unbedenklich überall da für zulässig halten können, wo durch ihre Vornahme nicht der objektive Tatbestand der §§ 113. 114 StGB, erfüllt wird. Man muß aber die Fälle der zuletzt bezeichneten Art zusammenfallen lassen mit denen, wo ein Mangel der Amtshandlung es zu keiner gültigen Verstrickung kommen läßt. Tut man dies nicht, so gelangt man zu der unliebsamen Inkonzinität, daß in gewissen Fällen zwar eine Verteidigung gegen die vorzunehmende Beschlagnahme statthaft ist, die vorgenommene Beschlagnahme aber geachtet werden muß. Ausgeschlossen ist die Selbsthilfe gegen die Beschlagnahme

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Drittes Hauptatück.

insbesondere in den Fällen, wo das Vorliegen einzelner Voraussetzungen von dem vollziehenden Beamten nach pfiichtmäßigem Ermessen zu prüfen ist. Das gilt insbesondere in den Fällen, wo der Gerichtsvollzieher sich darüber schlüssig machen muß, ob der Schuldner als Besitzer zu betrachten, ob eine Sache entbehrlich sei, wo ferner die Beamten der gerichtlichen Polizei zu prüfen haben, ob der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt, ob Gefahr im Verzuge ist. Ein Irrtum, der den Beamten hierbei etwa unterläuft, kann ihre Amtshandlung zu einer anfechtbaren machen, aber er berechtigt nicht zur Selbsthilfe. Auch wenn die Forderung aus einem vollstreckbaren Schuldtitel schon getilgt ist, darf sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung in der Regel nicht mit Gewalt erwehren. Da, wie oben dargelegt worden ist, eine Beschlagnahme einen Eingriff in die tatsächliche Gewalt des Besitzers über die Sache enthält, so erhebt sich weiter die Frage, inwieweit eine Besitzklage um ihretwillen zulässig ist. Nach § 858 BGB. liegt verbotene Eigenmacht nicht vor, wenn das Gesetz die Störung oder Entziehung des Besitzes gestattet. Hieraus ergibt sich, daß eine rechtmäßige Beschlagnahme mit einer Besitzklage in ihren Wirkungen nicht beseitigt werden kann (STROHAL, Sachbesitz S . 49. 50). Anders liegt die Sache bei der nichtigen und anfechtbaren Beschlagnahme. Hier entsteht allerdings zunächst die Frage, ob der Charakter der Beschlagnahme als einer Amtshandlung überhaupt Raum für die Annahme läßt, daß verbotene Eigenmacht vorliegen könne. Doch ist daran nicht zu zweifeln. Die Rechtslehre (BRÜNS, Recht des Besitzes S. 208. 395, Die Besitzklagen S. 28. 30. 84. 253. 257. 258; RANDA, Der Besitz S. 324) und die Rechtsprechung (SEUFFERTS Arch. Bd. 5 Nr. 26, Bd. 7 Nr. 317, Bd. 9 Nr. 260, Bd. 14 Nr. 236. 249, Bd. 19 Nr. 46, Bd. 35 Nr. 3), letztere freilich nicht konsequent, haben kein Bedenken getragen, eine unrechtmäßige Beschlagnahme als verbotene Eigenmacht anzusehen. Hieran wird auch unter der Herrschaft des BGB. festzuhalten sein. Insbesondere wird man auch fürderhin die Widerspruchsklage in der Zwangsvollstreckung auf eine Verletzung des Besitzes stützen können, wie dies — allerdings nicht ohne Widerspruch — von alters her geschehen ist (zu vergl. von SCHRUTKA-

Die Wirkungen der Beschlagnahme.

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RECHTENSTAMM, Freigebung Bd. I S. 64; PETERSEN-ANGER, Bern. 6C zu § 771 CPO., andererseits Voss im Arch. für civilist. Praxis Bd. 66 S. 192) und auch unter der Herrschaft des BGB. bereits von den Gerichten für zulässig erachtet worden ist (OLG. Celle in der Rechtspr. der OLG. Bd. 4 S. 148; OLG. Stuttgart ebenda Bd. 4 S. 380). Allerdings hat die possessorische Exekutionsinterventionsklage ein gut Teil ihres Anwendungsgebietes eingebüßt. Früher wurde sie häufig vom juristischen Besitzer erhoben, wenn beim Detentor eine Pfändung stattgefunden hatte; die Pfändung beim Detentor war ein Eingriff in den juristischen Besitz des Dritten. Nach dem BGB. sind die Mehrzahl der früher als Detentoren zu behandelnden Personen zu Besitzern geworden. Eine Pfändung beim Pächter kann nach dem BGB. nicht mehr als Besitzstörung des Verpächters betrachtet werden. Zweifelhaft kann allerdings sein, gegen wen die Besitzklage zu richten ist. Die eigentliche Störungs- oder Entsetzungshandlung geht immer von einem Beamten aus. Inwieweit gegen diesen der Rechtsweg zulässig ist, in dem doch die Besitzklage erhoben werden muß, das richtet sich in Deutschland in erster Linie nach Partikularrecht ( § 1 3 GVG.). Aus diesem ist sonach zu entnehmen, ob eine Besitzklage schlechthin als ausgeschlossen anzusehen ist oder ob sie nur dann zuzulassen ist, wenn der Beamte die Grenzen seiner Befugnisse bezw. seinen Auftrag überschritten hat (für Österreich s. RANDA, Besitz S. 325, 326 und Noten 19. 20). Für Sachsen ist in dieser Beziehung maßgebend das Gesetz A vom 28. Januar 1835. Doch ist es nach diesem nicht unzweifelhaft, ob wegen eines Eingriffes in den Besitz eine Klage im ordentlichen Rechtswege gegen den Beamten stattfinde (NIPPOLD im Beilagehefte zum Sächs. Arch. Bd. 2 Si 14 Note 1, S. 20 Note 22, S. 42). Mag aber auch die Besitzklage ausgeschlossen sein, so ist die Beschlagnahme doch nach den besonderen Vorschriften anfechtbar, die für das jeweilige Verfahren, in dem sie angeordnet worden ist, gelten.

Auch wenn eine Besitzklage gegen den zu Unrecht beschlagnahmenden Beamten nicht statt hat, so darf doch in der Regel der Urheber der Beschlagnahme damit belangt werden. Hier gelten die allgemeinen Grundsätze über die mandierte Besitz-

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Drittes Hauptstück.

Die Wirkungen der Beschlagnahme.

Störung. Dem gestörten Besitzer steht es frei, den Auftraggeber zu belangen (RAUDA, Der Besitz S. 316 ff. 325 ff.). So kann also insbesondere der dritte Besitzer, in dessen Besitz der Gerichtsvollzieher eingegriffen hat, gegen den Gläubiger klagen. Sein Klagerecbt wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß er nach § 766 CPO. gegen das Verfahren des Gerichtsvollziehers remonstrieren kann (PETEBSEN - ANGEE, Bern. 4 a. E. bei den §§ 808. 809 CPO.).

Verlag von VEIT & COMP, in Leipzig. GESCHICHTE DES

INTERTEMPORALEN PRIVATRECHTS. Von

Dr. jur. Friedrich Affolter, a. o. Professor der Hechte an der Universität Heidelberg.

Lex. 8.

1902.

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