Emder Synode 1571: Wesen und Wirkungen eines Grundtextes der Moderne [1 ed.] 9783666567261, 9783525567265

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Emder Synode 1571: Wesen und Wirkungen eines Grundtextes der Moderne [1 ed.]
 9783666567261, 9783525567265

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Matthias Freudenberg / Aleida Siller

Emder Synode 1571 Wesen und Wirkungen eines Grundtextes der Moderne

Matthias Freudenberg / Aleida Siller

Emder Synode 1571 Wesen und Wirkungen eines Grundtextes der Moderne

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Protokollband der Dürener Gemeinde mit Abschrift der Akten der Emder Synode 1571, S. 1, in: Stadt- und Kreisarchiv Düren, Depositum Evangelische Gemeinde zu Düren (45) A 1–4, Seite 1. Gestaltung Wort-Bild-Marke Emder Synode 450 Jahre auf der Umschlagrückseite: nesseins. Umschlaggestaltung: SchwabScantechnik, Göttingen Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-666-56726-1

Geleitwort

Wer Teil der Kirche ist, ist eingeladen, sie mitzugestalten. Dieses synodale Prinzip prägt unsere evangelische Kirche, in der Kirchenmitglieder auf allen Ebenen Leitungsaufgaben übernehmen. Es bildet die gestalterische Kraft einer Gemeinschaft ab, deren Mitglieder Verantwortung teilen. Dieser Anspruch wird im ersten Satz der Kirchenordnung, die auf der Emder Synode 1571 erarbeitet und beschlossen wurde, programmatisch formuliert: »Keine Gemeinde soll über andere Gemeinden, kein Pastor über andere Pastoren, kein Ältester über andere Älteste, kein Diakon über andere Diakone Vorrang haben oder Herrschaft beanspruchen. Sie sollen lieber dem geringsten Verdacht und jeder Gelegenheit dazu aus dem Weg gehen.« Das Presbyterium, Pfarrerinnen und Pfarrer und andere Amtsinhaber setzen sich nicht selbst in den Dienst, sie werden von der Gemeinde oder Landeskirche ausgewählt. So sind Ämter und Leitungsfunktionen in der evangelischen Kirche immer im Kontext eines Beziehungsgeschehens zu verstehen: Verantwortung und Macht werden Einzelnen durch Wahlen anvertraut. Somit sind die Verkündigung des Evangeliums sowie Entscheidungen und Zielbestimmungen für die Kirche von heute und morgen Aufgabe aller Christinnen und Christen. In den Worten Martin Luthers klingt dies folgendermaßen: »Denn weil wir alle gleich Priester sind, muss sich niemand selbst hervortun und sich unterstehen, ohne unser Bewilligen und Erwählen das zu tun, dessen wir alle gleich Macht haben. Denn was allgemein ist, darf niemand ohne der Gemeinde Wille und Befehl an sich nehmen.« (An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung [1520], WA 6, 408) Durch die Emder Synode von 1571 wurde die synodale Struktur, die weit über Luthers Vorstellungen hinausgeht, auch von Gemeinden in Deutschland rezipiert und in ihre Ordnungen aufgenommen. So wurde hier grundgelegt, was unsere evangelische Kirche heute zukunftsfähig macht: Jede und jeder ist dazu eingeladen, die beruflichen Kompetenzen und eigenen Lebenserfahrungen in die Gestaltung der Kirche einzubringen. So können sich Lebenskontexte und theologische Reflexion aufeinander beziehen und gegenwartssensibel sein.

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Geleitwort

Mit der Neuübersetzung der Beschlüsse der Emder Synode nebst einer historischen und theologischen Einordnung macht der vorliegende Band auf diesen wichtigen Teil reformierter und unierter Kirchengeschichte aufmerksam und weist anlässlich des 450. Jahrestages der Emder Synode auf ihren Wert zur Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft unserer evangelischen Kirche hin. Berlin, im Januar 2020

Dr. Irmgard Schwaetzer Präses der Synode der EKD

Inhalt

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Vorgeschichte – Themen – Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.1 Vorgeschichte und Verlauf der Emder Synode . . . . . . . . . . 15 1.2 Zum reformierten Verständnis der Kirche . . . . . . . . . . . . 24 1.3 Themen der Akten der Emder Synode . . . . . . . . . . . . . . 34 1.4 Folgen der Emder Synode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1.5 Text und Überlieferungen der Akten der Emder Synode . . . 48 1.6 Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.1 Das Einladungsschreiben zur Emder Synode . . . . . . . . . . 67 2.2 Die Akten der Emder Synode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Nachweis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Vorwort

Im ostfriesischen Emden tagte vom 4.–13. Oktober 1571 eine Synode im Exil. Abgesandte verfolgter Gemeinden in den damaligen Niederlanden sowie flämischer und wallonischer Flüchtlingsgemeinden, die sich am Niederrhein, in Ostfriesland und in der Pfalz angesiedelt hatten, waren in den äußersten Nordwesten Deutschlands gereist. Die niederländischen Untergrundgemeinden nannten sich »Gemeinden unter dem Kreuz«, weil sie der Unterdrückung und den Angriffen der spanischen Herrschaft ausgesetzt waren und wegen ihrer reformatorischen Gesinnung angefeindet und verfolgt wurden. Seit den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts entstand eine große Flüchtlingsbewegung. Vor allem die Gebiete am Niederrhein, in der Pfalz, in Ostfriesland und in England waren das Ziel jener Glaubensflüchtlinge. Dort wurden Flüchtlingsgemeinden gegründet – aufgebaut in der Hoffnung, dass man bald in die Heimat zurückkehren und dort in Frieden und Freiheit leben könne. Doch diese Hoffnung trog. Unter der Statthalterschaft des Herzogs von Alba und nach dem Beginn des niederländischen Aufstands 1568, der den Auftakt des Achtzigjährigen Niederländisch-Spanischen Krieges bildete, wuchs die Anzahl der Flüchtlinge erheblich und ging in die Zehntausende. Die Emder Synode, die im städtischen Zeughaus tagte, schuf die Grundlage dafür, dass die Flüchtlingsgemeinden und die »unter dem Kreuz« in den Niederlanden verbliebenen Gemeinden ihr kirchliches Leben selber organisieren konnten. Im Mittelpunkt stand die Notwendigkeit, die Einheit der Gemeinden sicherzustellen, Streitigkeiten zu schlichten und mit anderen protestantischen Kirchen in Europa in Kontakt zu kommen. Die große Leistung der Emder Synode bestand darin, dass sie einen gestuften Aufbau der Kirche von der Ortsgemeinde mit dem Konsistorium (Presbyterium) über die Classis mit ihrer Versammlung, die Provinzsynode bis hin zur Generalsynode eingeführt hat. Diese Ordnung wurde beispielgebend für andere reformierte Kirchen bis heute. Im Laufe der Geschichte haben sich auch andere Konfessionen die Überzeugung der Emder Synode zu Eigen gemacht, dass sich die Kirche von ihren Mitgliedern und Gemeinden her aufbaut. Die in Emden entwickelte Ordnung eines Zusammenwirkens unterschiedlicher Gremien zur gegenseitigen Unterstützung und Entlastung fand schon

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Vorwort

bald weit über die Kirche hinaus in Gesellschaft und Politik Beachtung. Man spricht vom Prinzip der Subsidiarität, der zufolge der übergeordneten Entscheidungsebene nur das vorgelegt wird, was vor Ort nicht entschieden werden kann. In diesem Band ist eine neue hochdeutsche Übersetzung des lateinischen Textes der Synodalakten und des Einladungsschreibens zur Synode abgedruckt. Eingeleitet wird die Textausgabe durch Erläuterungen zur Emder Synode, zu ihrer Stellung innerhalb des reformierten Verständnisses der Kirche, zu den Folgen der Synode, zu ihrem Charakter und zu den thematischen Schwerpunkten. Ferner werden Informationen zum Text, zur Überlieferung und zu Übersetzungen der Synodalakten samt Literatur gegeben. Für die Erlaubnis, Digitalisate von Dokumenten abzudrucken, danken wir dem Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Johannes  a Lasco Bibliothek Emden, der Evangelischen Gemeinde zu Düren und dem Stadt- und Kreisarchiv Düren, dem Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Wesel und dem Historischen Archiv der Stadt Köln. Dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht danken wir für die Aufnahme des Bandes in das Verlagsprogramm und die freundliche Begleitung bei seiner Herstellung. Die Herausgabe dieses Bandes wäre ohne die finanzielle Unterstützung der Evangelisch-reformierten Kirche, der Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland, des Reformierten Bundes in Deutschland und der Evangelischen Kirche im Rheinland nicht möglich gewesen. Auch dafür danken wir herzlich. Saarbrücken / Hannover, im Januar 2020

Matthias Freudenberg Aleida Siller

Abb. 1: Alte Stadthalle in Mittel-Faldern, im Erdgeschoss Versammlungsort der französischsprachigen niederländischen Flüchtlingsgemeinde und Tagungsort der Emder Synode von 1571 (erbaut 1569, im 2. Weltkrieg zerstört)

Abb. 2: Karte mit den Flüchtlingsgemeinden in Deutschland und den Gemeinden »unter dem Kreuz« in den Niederlanden sowie den Herkunftsorten der Teilnehmer der Synode

1. Vorgeschichte – Themen – Folgen

1.1

Vorgeschichte und Verlauf der Emder Synode

Die Emder Synode von 1571 war eine Versammlung niederländischer Pastoren und Presbyter und insofern eine niederländische Synode. Dass sie außerhalb der Niederlande zusammenkam, liegt in den politischen und kirchlichen Verhältnissen begründet. Die Siebzehn Provinzen, wie das Gebiet der Niederlande von der Nordsee bis einschließlich des heutigen Belgien und Teilen Nordfrankreichs bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts genannt wurde, waren Teil des Habsburgischen Reiches. Seit 1555/56 lag die Herrschaft in den Händen Philipps II., König von Spanien, der in Madrid residierte. Er war Sohn Karls V., der als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches abgedankt, seinem Bruder Ferdinand den österreichischen Teil des Reiches und das Kaiseramt überlassen hatte, den spanischen Teil aber seinem Sohn Philipp vererbte. Die Provinzen unterschieden sich in Sprache, Verfassung und Lebensweise. In den südlichen Provinzen wurde französisch gesprochen, in den mittleren und nördlichen niederländisch. Im Norden lebte man von Weidewirtschaft und Fischfang, im Süden war das verarbeitende Gewerbe verbreitet. In Flandern, Brabant und im Hennegau gab es einen grundbesitzenden Adel, in den Städten – einigen Handels- und Kunstmetropolen – ein selbstbewusstes Bürgertum. Seit den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts hatten reformatorische Schriften und Gedanken Ausbreitung gefunden. Sie wurden mit Bücherverbrennungen bekämpft. 1523 kam es zu einer ersten Hinrichtung, als zwei Augustinermönche aus Antwerpen, die der lutherischen Lehre anhingen, in Brüssel auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Während in deutschen Gebieten die Reformation mit Hilfe der Landesherren etabliert wurde, führte ihre Bekämpfung in den Niederlanden dazu, dass der Protestantismus weitgehend eine Untergrundbewegung blieb. Erst nach 1540 bildeten sich vornehmlich in den südlichen Provinzen – wegen der geografischen Nähe zu Genf und Straßburg von dort theologisch beeinflusst und gestärkt – erste Gemeinde- und Kirchenstrukturen. Die Beschlüsse des Augsburger Reichstags von 1555 mit dem dort ausgehandelten Religionsfrieden galten für die Niederlande nicht.

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Nach dem Regierungsantritt Philipps, der die Bekämpfung des Protestantismus fortsetzte, die schon sein Vater mit den Mitteln der Inquisition geführt hatte, kam es zur Zuspitzung des Konflikts mit dem selbstbewussten Adel. Dieser war nicht geneigt, sich dem zentralistischen Machtstreben und der streng katholischen Politik Philipps, die keine Zugeständnisse zuließ, zu unterwerfen. Wilhelm von Nassau-Dillenburg (1533–1584), der großen Besitz in Brabant hatte und durch Erbschaft zum Prinzen von Oranien geworden war, seit 1559 auch Statthalter in den Provinzen Holland, Zeeland und Utrecht, wurde zum Anführer einer Widerstandsbewegung gegen die spanische Herrschaft. Diese Bewegung entwickelte sich ab 1568 zum sogenannten »Achtzigjährigen Krieg«. Zunächst versuchte Wilhelm von Oranien noch, mit Margarethe von Parma, der Statthalterin über die übrigen Provinzen, zu einer die verschiedenen Gruppen und Interessen zusammenhaltenden Übereinkunft und zur Abschaffung der Inquisition zu kommen. Dies führte zu einem kurzen Aufschwung für die Protestanten, die Hoffnungen wurden aber zunichtegemacht. Als sich die Spannungen, die auch sozialer Art waren, 1566 in einigen Städten in Bilderstürmen entluden, wurde Margarethe von Philipp  II., ihrem Halbbruder, wegen zu hoher Nachgiebigkeit abgesetzt und 1567 durch den Herzog von Alba, ersetzt.1 Dieser richtete einen Sondergerichtshof ein, der wegen seiner vielen Todesurteile auch »Blutrat« genannt wurde. Lamorol van Egmond, ein Mitstreiter Wilhelms von Oranien, und der Graf von Hoorn wurden von diesem Gericht zum Tode verurteilt und im Juni 1568 auf dem Marktplatz in Brüssel hingerichtet. Wilhelm hatte das Land rechtzeitig verlassen und kehrte für einige Zeit an seinen Herkunftsort Dillenburg zurück, den er als Elfjähriger verlassen hatte, um am Hof Kaiser Karls V. erzogen zu werden. Schon seit den 40er Jahren hatte es wegen der Unterdrückung, die sich auch in wirtschaftlichen Drangsalierungen äußerte, mehrere Flüchtlingsbewegungen nach England und Deutschland gegeben. Niederländische Flüchtlingskolonien entstanden, so beispielsweise in London, Aachen, Wesel oder Emden. Seit der Ankunft Albas verstärkte sich diese Bewegung erneut. Etwa 5.000 Menschen sollen seit Mitte der 40er bis zur Mitte der 70er Jahre in mehreren Wellen nach Emden gekommen sein. Sie bildeten damals etwa die Hälfte der Emder Einwohnerschaft.2 Als sich Mitte der 70er Jahre in einigen nördlichen niederländischen Provinzen die Situation entspannte und 1581 die von der spanischen Krone unabhängig gewordene Republik der Sieben Vereinigten Provinzen entstand, kehrten viele, die von dort gekommen waren, wieder zurück. Andere, vor allem die aus den südlichen

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Provinzen, welche politisch eine andere Entwicklung nahmen und unter der Herrschaft Spaniens blieben, sind fortan in Emden geblieben und Bürger der Stadt geworden. Seit 1554 ist in Emden eine französischsprachige niederländische Gemeinde verzeichnet. Die Flüchtlinge waren zum Teil unter der Führung Johannes a Lascos aus London gekommen, nachdem Maria Tudor die Regentschaft übernommen hatte. Die Gemeinde bestand bis 1897, als sie mit der Ortsgemeinde zusammengelegt wurde. Die Einwanderer aus den nördlichen Provinzen der Niederlande wurden von Anfang an in die bestehende Ortsgemeinde eingegliedert, da es sprachlich keine großen Unterschiede zwischen den Einheimischen und ihnen gab. Zwar haben auch sie sich bemüht, eine eigenständige Gemeinde bilden zu dürfen, aber das wurde ihnen vom Kirchenrat verwehrt. Für ihre diakonische Arbeit jedoch wurde eine eigene Einrichtung geschaffen, die »Diakonie der Fremdlingen Armen«, eingerichtet in vier Gruppen, »natien« genannt: Flamen, Brabanter mit den Zeeländern, Westfriesen und Holländer. Dass in Emden und Umgebung so viele Menschen Zuflucht fanden, hatte nicht nur mit der geografischen Nähe zu den Niederlanden3 und mit dem Seehafen zu tun, sondern auch mit der wirtschaftlichen Lage der Stadt und des Umlandes. Es gab Erweiterungspotenzial, was sich bald in der Zunahme des Handels, einer regen Bautätigkeit und der Ausdehnung des Stadtgebietes auf die Faldern-Dörfer zeigte. Vorteilhaft für zuziehende Flüchtlinge war zudem, dass in Ostfriesland und in Emden zunächst noch keine festgefügte konfessionelle Situation bestand. Altgläubige, lutherisch, zwinglianisch und calvinisch Gesinnte und Täufer konnten in der Stadt und Umgebung leben. Ab etwa 1530 entwickelte sich auch eine aschkenasische jüdische Gemeinde. In dieser Situation der Verstreuung niederländischer Gemeinden in England und in deutschen Territorien auf der einen und der Untergrundexistenz reformatorisch gesinnter Gemeinden in den Provinzen auf der anderen Seite war der Wunsch nach Verbindung und Zusammenhalt untereinander naheliegend und notwendig. Um diesen Zusammenhalt zu organisieren, galt es, Menschen und Gruppen ganz unterschiedlicher Kultur, Prägung und konfessioneller Richtung zusammenzuführen. Standen die Südniederländer mit den Wallonen und Flamen eher unter dem Einfluss der von Genf geprägten französischen Protestanten, so hatten die Nordniederländer, Holländer und Friesen erst seit 1566 zu gemeindlicher Existenzform gefunden. Sie waren mit einem gewissen Vorbehalt ausgestattet gegen alles, worin sie eine Einschränkung ihrer Unabhängigkeit befürchteten. Ihnen wird nachgesagt, dass

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sie unter dem Einfluss Jean Baptiste Morellis standen; dieser Franzose trat für eine völlige Autonomie der einzelnen Kirchengemeinden ein, lehnte deshalb Synoden ab, wollte Entscheidungen wichtiger Fragen einer Vollversammlung aller Kirchenangehörigen übertragen und hatte mit seinen Ansichten schon die Synoden der Protestanten in Frankreich beschäftigt. Bei den Gemeinden im Exil war die Situation wieder eine andere; sie lebten im Rahmen der von den Gastländern und -territorien ermöglichten Strukturen. In England war das der Rahmen der anglikanischen Kirche, in der sie der Aufsicht des angli­ kanischen Superintendenten unterstanden. In der Pfalz mussten die dort angesiedelten Flüchtlinge wie etwa in Frankenthal, Schönau oder Lambrecht die Ordnung des pfälzischen Kirchenrates akzeptieren, die aber unter Kurfürst Friedrich III. wegen dessen Nähe zum reformierten Protestantismus keine großen Zugeständnisse forderte. Für die Flüchtlingsgemeinden in London und Emden ist der prägende Einfluss der Kirchenordnung Johannes a Lascos (1499–1560) geltend zu machen.4 Zu diesen unterschiedlichen Konditionen und Strömungen kamen noch grundsätzliche und heftige Streitigkeiten über Verfassungs- und Zeremonienfragen, die in den Jahren vor der Emder Synode besonders zwischen den Gemeinden in England ausgetragen wurden. Es liegt auf der Hand, dass es unter diesen Umständen eine große Herausforderung war, zu einem verlässlichen Miteinander zu kommen, das nicht autoritär verordnet, sondern unter der Mitwirkung aller Gemeinden transparent entwickelt wurde und deshalb alle zusammenhalten konnte. Ermutigt dazu wurden die niederländischen Gemeinden von den Protestanten in Frankreich, die ebenfalls ohne den Schutz einer ihnen gewogenen Obrigkeit zu einem kirchlichen Ordnungsgefüge gelangt waren, das in der Nationalsynode von Paris 1559 und der Kirchenordnung (Discipline ecclésiastique) ihren Ausdruck gefunden hatte.5 Im Süden der Niederlande, beeinflusst durch die Nähe zu den Gemeinden Frankreichs, gab es Ende der 1560er Jahre bereits erste Erfahrungen mit synodalen Zusammenkünften. Die von dort kommenden Exulanten nahmen diese von der Theologie Johannes Calvins geprägte Leitungsform an ihre neuen Lebensorte mit. Die Synode in Emden machte das in Frankreich bereits angewandte synodale Ordnungsprinzip für die niederländische Kirche fruchtbar. Im Jahr 1568, das als Beginn des niederländischen Freiheitskampfes von der spanischen Herrschaft angesehen wird, soll in Wesel eine Versammlung von 36 Personen niederländischer Herkunft stattgefunden haben, die als Weseler Konvent bekannt geworden ist. Es existiert ein mehrseitiges Schriftstück mit der Überschrift: »Einige bestimmte Kapitel oder Artikel, welche Diener

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im Dienst der niederländischen Kirche für diese Kirche teils als notwendig, teils als nützlich erachtet haben«.6 Darin finden sich Ansätze einer presbyterial-synodalen Gemeinde- und Kirchenordnung. Unter dem Dokument steht u. a. die Unterschrift von Philips van Marnix, Herr von St. Aldegonde7, ein in Genf studierter Theologe, Schriftsteller und Dichter, der mit Theodor Beza (1519–1605), dem Nachfolger Calvins in Genf, befreundet war. Er war von Albas Sondergerichtshof enteignet worden und hatte das Land verlassen müssen. So kam er als Flüchtling nach Deutschland, zunächst nach Bremen und Emden; dann nahm ihn der pfälzische Kurfürst Friedrich III. in seine Dienste. Anfang 1571 wechselte Philips van Marnix in den Dienst Wilhelms von Oranien und wurde sein enger Mitarbeiter. Als wichtiger Schritt auf dem Weg, »alle Gemeinden der Niederlande zu einem Leibe zu vereinigen«, gilt ein am 21. März 1570 von Philips van Marnix und Gaspar Heydanus, Pastor der niederländischen Gemeinde in Frankenthal, verfasstes Rundschreiben an die »ehrbaren und gottseligen Männer, die Prediger und Ältesten der niederländischen Gemeinden zu London, Zandwijck, Nordwijck, Emden etc.«.8 In diesem Schreiben wird um die Entsendung von ein oder zwei Personen aus jeder Gemeinde zu einer Zusammenkunft nach Frankfurt / M. gebeten. Der Termin dafür wird auf September 1570 anberaumt, die Zeit der Frankfurter Messe. Drei Beratungspunkte werden genannt: 1. die Ausbildung und Finanzierung der Pastoren, 2. die Korrespondenz zwischen den Gemeinden und 3. die Betreuung der durchreisenden Glaubensgenossen. Aus dem Schreiben geht hervor, dass sie »ooc eernstelick van die van Geneven« zu diesen Plänen ermahnt worden seien. Dieser Hinweis zeigt, wie man sich der Autorität Genfs und der französischen Kirche, die man auch bei anderen Gelegenheiten um Rat fragte, bediente, um die Bereitschaft bei den niederländischen Gemeinden für eine verlässliche und strukturierte Verbindung untereinander zu vergrößern. Obwohl dieses Rundschreiben nachweislich in einigen Gemeinden angekommen ist, gibt es über die Zusammenkunft kein Archivmaterial. Ein weiteres erhalten gebliebenes Dokument auf dem Weg zur Emder Synode ist das in diesem Band abgedruckte Einladungsschreiben aus Heidelberg (siehe Abb. 3). Das dreiseitige Schreiben, datiert vom 30. Juni 1571, erwähnt nicht Emden, sondern Köln als möglichen Versammlungsort. Es hält genau die dreimonatige Einladungsfrist ein, die in den Akten der Emder Synode als Frist für eine Einladung zu einer Provinz- bzw. Generalsynode genannt wird (Provinzsynode, Artikel 12). Unterzeichnet ist es von Petrus Dathenus, Johannes Taffinus und Petrus Colonius. Dathenus, einige Jahre einflussrei-

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cher Pastor der niederländischsprachigen Gemeinde in Frankenthal, war seit 1570 Hofprediger des pfälzischen Kurfürsten Friedrich  III. und Mitglied der Kirchenleitung, Taffinus war Pastor der französischsprachigen Gemeinde in Heidelberg und Colonius wird zu der Zeit als Pastor der Flüchtlingsgemeinde in Heidelberg bezeichnet. Sie versuchen in diesem Brief davon zu überzeugen, dass eine Synode ein großer Gewinn für die Kirche ist, da auf ihr die Einzelnen ihre Gaben und Fähigkeiten zusammenbringen. Zugleich treten sie dem möglichen Eindruck entgegen, mit ihrem Schreiben bevormunden zu wollen: »Wir wollen lediglich einen Weg aufzeigen, auf dem mit vereinten Sinnen und Herzen eine heilsame Ordnung unter uns aufgerichtet werden kann.« Der Brief ist ein Werbeschreiben an die Gemeinden, das Zusammenkommen einer Synode zu unterstützen. Dass ein solches Vorhaben nicht nur von der Unterstützung der einzelnen Gemeinden abhing, sondern auch unter schwierigen äußeren Bedingungen organisiert werden musste, wird am Ende des Briefes ausgesprochen. Nur wenige Tage nach dem Versand des Einladungsschreibens aus Heidelberg kam am 3. und 4. Juli 1571 in Bedburg, etwa 25 km westlich von Köln gelegen, eine Provinzsynode des Jülicher Landes zusammen. Diese war eine Zusammenkunft von Flüchtlingsgemeinden und einheimischen Gemeinden. Gast war auch Philips van Marnix, dessen Anwesenheit in Bedburg besondere Bedeutung zugemessen wurde. Er teilte der Synode mit, dass Wilhelm von Oranien »syn authoriteit daer over te willen interponeren«.9 Es wurde vereinbart, hinsichtlich Zeit und Ort für die allgemeine Synode mit den Glaubensgeschwistern in Emden beratschlagen zu wollen. Außerdem wurden noch Frankenthal und Siegen als Tagungsorte in Erwägung gezogen. Köln, im Einladungsschreiben aus Heidelberg genannt, ist nicht erwähnt. Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis das Einladungsschreiben und die kurz darauf stattfindende Synode in Bedburg zueinander stehen. Offensichtlich wurden nicht nur in der Pfalz ernsthafte Vorbereitungen für die Synode getroffen, sondern auch Zusammenkünfte in anderen Regionen dafür genutzt, das Vorhaben voranzubringen. Jedenfalls werden in Bedburg zwei Personen beauftragt – der Pastor Gerardus van Kuilenburg und der Drost Wilhelm van Zuylen van Nijevelt –, nach Emden zu reisen, um dort mit der Gemeinde über das Vorhaben einer Synode zu sprechen. Bei Zustimmung der Gemeinde sollen sie auch den Ort und die Zeit aushandeln und sodann die Gemeinden in England verlässlich informieren und einladen sowie alle Gemeinden »unter dem Kreuz« und alle übrigen niederländischen Gemeinden in Deutschland. Zusammen mit Philips van Marnix reisten sie zunächst

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nach Wesel, um den dortigen Kirchenrat der Flüchtlingsgemeinde für die Mitarbeit an der geplanten Synode zu gewinnen; gleiches geschah auch im Gebiet von Kleve. Ohne Philips van Marnix reisten van Kuilenburg und van Nijevelt dann weiter nach Emden. Hatte man in Bedburg die Anwesenheit von Philips van Marnix und die Unterstützungszusage Wilhelms von Oranien geschätzt, so war man doch zurückhaltend gegenüber den politischen Gesichtspunkten der damit verbundenen Pläne. Diese zielten darauf, sich mit den Gemeinden Augsburgischer Konfession zu einigen; in Nassau-Dillenburg, Hessen und auch Sachsen sollte eine Übereinkunft mit den Pastoren angestrebt werden. Hinter diesen Überlegungen Wilhelms von Oranien stand die Hoffnung, mit der Unterstützung der lutherischen Fürsten in Deutschland dem spanischen König Philipp II. einen Religionsfrieden für die Niederlande abtrotzen zu können. Dieser Weg erwies sich jedoch als Illusion und fand keine Unterstützung. Mehr Hoffnung setzte man auf die französischen Protestanten in Frankreich, die indes durch die Hugenottenkriege im eigenen Land beansprucht und gefährdet waren. In Bedburg wurde bereits deutlich, dass die Abgeordneten darum bemüht waren, sich nicht für politische Ziele instrumentalisieren zu lassen; sie wollten nicht in ein Fahrwasser geraten, das sie in eine zu enge Verbindung mit der Obrigkeit brachte. Zwar wollten sie eine Kirche, die mit dem Land verbunden war, aber sie sollte nicht abhängig von der Obrigkeit sein, sondern frei. Es gab noch andere Schwierigkeiten, die das Vorantreiben einer Synode in Frage stellten. Die Abgesandten trafen in Emden auf Vorbehalte besonders bei den Flüchtlingen aus der Provinz Holland. Möglicherweise waren sie von den Ideen Morellis beeinflusst, der die Autonomie der Gemeinden betonte und synodalen Verbindungen ablehnend gegenüberstand. Ferner haben die Holländer wohl ein zu starkes Übergewicht der Abgeordneten aus den südlichen Landesteilen befürchtet, die einen möglichst engen Anschluss an die französischen Protestanten suchten. Die Abgeordneten aus den nördlichen Landesteilen setzten dagegen ihre Hoffnungen mehr auf Wilhelm von Oranien mit seinen da noch bestehenden Plänen, mit den Lutheranern in Deutschland eine Verbesserung der Situation in den Niederlanden zu erreichen. Ferner hatten die aus dem Norden aufgrund ihrer leidvollen Erfahrungen mit religiösem Zwang ein tiefes Misstrauen gegen alles, was nach kirchlicher Disziplin und Kirchenordnung aussah. Die Vorbehalte waren so groß und gefährdeten das Vorhaben einer Synode so sehr, dass aus Köln Briefe geschrieben wurden, auch an Wilhelm von Oranien mit der Bitte, er

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möge die Holländer dazu bewegen, an der Synode teilzunehmen. In Emden wurde ein Kreis gebildet, bestehend aus den beiden Abgesandten van Kuilenburg und van Nijevelt, dem Pastor der französischsprachigen Gemeinde Johannes Polyander und dreier in Emden sich befindender Flüchtlinge, die sowohl die Gemeinden aus den nördlichen Provinzen als auch die aus den südlichen Provinzen repräsentieren konnten. In diesem Kreis wurden die Schwierigkeiten ausgeräumt; Emden wurde als Tagungsort bestimmt und der Beginn der Synode auf den 1. Oktober 1571 festgelegt. Am 24. Juli richteten die beiden Abgesandten ein Schreiben an den Kirchenrat der niederländischen Flüchtlingsgemeinde in London und luden über sie auch die anderen Gemeinden in England ein. Aus Briefen und Protokollnotizen ist bekannt, dass die Einladung in England – wenn auch offenbar mit Verspätung – ankam und aus der französischsprachigen Londoner Gemeinde ein Pastor und ein Ältester kommen wollten.10 Über den Ablauf der zehntägigen Synode ist kaum etwas bekannt. Eigentlich hätte sie am 1. Oktober 1571 beginnen sollen. Sie war so terminiert, dass sie gleichzeitig mit dem Herbstmarkt stattfand, um einen gewissen Schutz zu bieten, weil man so unauffälliger nach Emden reisen und sich dort versammeln konnte. Aus einem Brief von Heydanus, dem Präses der Synode, vom 4. Oktober 1571 an seine Gemeinde in Frankenthal wissen wir, dass er mit seinen Reisegefährten, zu denen auch Taffinus gehörte, rechtzeitig am 1. Oktober 1571 in Emden ankam. Die Delegierten aus Wesel, Aachen, Köln und Emmerich seien zur gleichen Zeit eingetroffen und die Abgeordneten aus Gent, Antwerpen und dem »Westquartier« bereits in der Stadt versammelt gewesen. Aber er schreibt weiter, dass die Dinge bei ihrer Ankunft noch so unvorbereitet waren, dass er und Taffinus drei Tage lang nichts anderes gemacht hätten, »als laufen, um die anderen zu bewegen, so dass wir es durch Gottes Gnade so weit gebracht haben, dass wir heute Nachmittag die erste Versammlung haben sollen«.11 Aus anderer Quelle ist bekannt, dass der verspätete Beginn der Synode auch mit dem Warten auf Delegierte aus England zusammenhing. Aber von dort traf niemand ein. Wahrscheinlich erhielten die Delegierten keine rechtzeitige Reiseerlaubnis von der englischen Krone, sodass die Synode ohne sie beginnen musste. Der Versammlungsraum der Synode befand sich in einem zwei Jahre zuvor erbauten Lagerhaus, ein mehrstöckiges Gebäude in Mittel-Faldern, das bis zum Bau des Rathauses auch die Rüstkammer der Stadt beherbergte (siehe Abb. 1). Das Erdgeschoss diente der französischsprachigen niederländischen Gemeinde als Versammlungs- und Predigtort. Wie die Synodensitzungen

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abliefen, wissen wir nicht. Die zur Beratung anstehenden Punkte, die den Gemeinden mit dem Einladungsschreiben zur Vorbereitung zugeschickt worden waren, sind ebenso wenig mehr vorhanden wie die von den Gemeinden eingereichten Fragen. Auch über die äußeren Umstände, Unterkunft und Versorgung der Synodalen wissen wir nichts. Nach zehn Tagen, am 13. Oktober 1571, endete die Synode. Als Ergebnis der Beratungen liegt ein dreiteiliges Beschlussdokument in lateinischer Sprache vor. Der erste Teil Generalia, datiert mit dem 12. Oktober 1571, enthält die grundlegenden Beschlüsse. Im zweiten Teil Particularia, datiert mit dem 13. Oktober 1571, sind die Antworten auf die Fragen aus den Gemeinden und besondere Anliegen enthalten. Der dritte Teil umfasst die Synodalordnung mit den Unterschriften der Teilnehmer. Unter dem Protokoll der Beschlüsse stehen 29 Unterschriften, in der Regel bestehend aus Vor- und Nachnamen, der Amtsbezeichnung und dem Herkunftsort bzw. der Provinz. Gegliedert sind die Unterschriften in die von 24 Pastoren und fünf Ältesten. Die Liste beginnt mit Gaspar Heydanus, der das Amt des Präses der Emder Synode innehatte und in dieser Funktion sowohl den ersten Teil des Protokolls (Generalia) als auch den zweiten Teil (Particularia) unterschrieben hat. Es folgt Johannes Taffinus, der als Assessor fungierte. Als Dritter folgt der Name des Protokollanten Polyander, der zusammen mit dem Präses den ersten und zweiten Teil der Beschlüsse unterschrieb. An der Besetzung des Amtes des Präses und des Assessors – beide kamen aus pfälzischen Gemeinden – wird deutlich, dass die Pfälzer nicht nur bei den Vorbereitungen der Synode, sondern auch bei der Durchführung maßgeblich beteiligt waren. Auch dass die Classis Pfalz, wie in Artikel 24 der Particularia festgehalten, die nächste Generalsynode vorbereiten sollte, ist ein Indiz dafür, wie sehr man dort willens war, das Vorhaben einer Synode aller niederländischen Gemeinden voranzubringen. An der Unterzeichnerliste ist erkennbar, dass abgesehen von England sowohl die Exilgemeinden vertreten waren als auch einige der in den niederländischen Provinzen noch bestehenden Gemeinden »unter dem Kreuz«. Einige der Teilnehmer, die mit diesen Gemeinden verbunden waren wie Johannes Arnoldi, Petrus Gabriel oder Clemens Martini, lebten zur Zeit der Synode als Flüchtlinge in Emden. Sie gingen sobald wie möglich in die Niederlande zurück. Nach den Namen der Pastoren folgen die Namen von fünf Ältesten. Die beiden ersten, Karl de Noude und Christoph Becanus, gehörten zur französischsprachigen Gemeinde in Emden. Es folgt Johannes de Roy (Jan de Roye),

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Ältester der niederländischen Flüchtlingsgemeinde in Köln. Er fertigte bald nach der Synode eine niederländische Übersetzung der Beschlüsse an.12 Ihm folgt Hermann Meranus aus Wesel, am Schluss steht ein Gabriel aus Antwerpen (siehe Abb. 2, Karte mit den Herkunftsorten der Teilnehmer sowie den Gemeinden in den Niederlanden und in Deutschland). Ob weitere Personen an der Synode teilnahmen, aber nicht unterschrieben haben, ist nicht bekannt.13 Auf den ersten Blick scheint es verwunderlich, dass niemand von der einheimischen Ortsgemeinde als Teilnehmer verzeichnet ist. Das ist jedoch deshalb nicht ungewöhnlich, weil die Emder Synode eine Versammlung niederländischer Gemeinden war und die Ortsgemeinde nicht zu ihren Adressaten gehörte. Bis auf eine Notiz vom 30. Januar 1572 im Protokollbuch der Emder Gemeinde gibt es bei ihr keinen Hinweis auf die Synode. Auch aus Sicherheitsgründen wird man in Emden darum bemüht gewesen sein, die Aufmerksamkeit nicht auf diese Zusammenkunft der Niederländer zu lenken. Hatte doch der Herzog von Alba nach der Schlacht bei Heiligerlee im Mai 1568 und der darauffolgenden im Juli 1568 bei Jemgum nahe Emden der Stadt mit Konsequenzen gedroht, sollten von ihrem Gebiet aus Widerstandskämpfer unterstützt werden.

1.2

Zum reformierten Verständnis der Kirche

Ein starkes Symbol für die Kirche ist das Schiff. Inmitten von Gefährdungen und Bedrohungen ist der dreieinige Gott mit seiner Gemeinde unterwegs und schenkt den Glaubenden seine Gegenwart. Die Schiffssymbolik findet sich vielfach in der Architektur evangelischer Kirchen, hier gelegentlich mit Anspielungen auf die Arche Noah (Gen  6–9) und Jesu Bewahrung seiner Jünger bei der Sturmstillung (Mk  4,35–41 parr). Sehr ausdrucksstark ist das Sandsteinrelief am Ost- bzw. Diakonenportal der Großen Kirche in Emden aus dem Jahr 1660, der heutigen Johannes  a Lasco Bibliothek. Es zeigt das ­Schepken Christi (Schifflein Christi) und ist mit der Umschrift versehen: »Godts Kerck vervolgt verdreven heft Godt hyr Trost gegeven« (Gottes Kirche, verfolgt, vertrieben, hat Gott hier Trost gegeben). Mit diesem Satz erinnerten die »Diakone der Fremdlingen Armen« an die Odyssee der unter Königin Maria Tudor vertriebenen Londoner Flüchtlingsgemeinde über die Nord- und Ostsee, bis sie 1554 endlich in Emden aufgenommen wurde. Durch das Schepken Christi kommt das Vertrauen auf die bleibende

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Bewahrung inmitten der die Kirche bedrohenden Anfeindungen zum Ausdruck. Die Kirche versteht sich als die von Jesus Christus versammelte, beschützte und erhaltene Gemeinde (Heidelberger Katechismus, Frage 54). Mit der Schiffssymbolik verbindet sich zudem das biblische Bild vom wandernden Gottesvolk (Hebr 13,14) als Erinnerung daran, dass die Kirche stets unterwegs ist – noch unvollendet und nicht am Ziel, sondern bisweilen unbehaust, gefährdet und im Aufbruch. Heute begegnet das Schepken Christi im Siegel der Evangelisch-reformierten Kirche. In ihren Anfängen war die reformatorische Bewegung geprägt durch die Entdeckung der Gemeinde als des Bereichs, in dem die Christen ihr Glaubensleben gestalten. Nach reformatorischer Überzeugung zeichnet sich die Kirche Jesu Christi nicht primär durch Riten, Ordnungen, Zeremonien, Grade der Frömmigkeit und moralische Leistungen ihrer Mitglieder aus. Sie ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass allein das, was Jesus Christus tut – zu versöhnen und die Predigt von Gottes Versöhnung der Welt ausrichten zu lassen – das Entscheidende in ihr ist. Durch die Kraft des Heiligen Geistes weckt Gott den Glauben und sammelt Menschen zur Gemeinschaft der Glaubenden. Zu dieser Erkenntnis sind die Reformatoren gekommen, indem sie aufmerksam die Bibel und ihre Aussagen über die Kirche gelesen haben. Im Sprachgebrauch des Neuen Testaments wird zwischen den Begriffen Kirche und Gemeinde nicht unterschieden. Kirche ist Gemeinde, Gemeinschaft der Heiligen. Kirche und Gemeinde werden mit dem einen griechischen Wort ekklesia bezeichnet. Jede einzelne Ortsgemeinde ist ekklesia Gottes. Hinzu tritt die reformatorische Kritik an dem durch Macht und Herrschaft orientierten Charakter der römischen Kirche, ihrer Ordnung und ihrer hierarchischen Struktur. Der Vorstellung, dass allein die römische Kirche die göttliche Gnade verwaltet und den Zugang zum Heil öffnet, begegneten die Reformatoren mit dem johanneischen Bild der Gemeinde Jesu Christi als einer Herde: Sie folgt diesem als ihrem Hirten und hört auf ihn (Joh 10,1–30). Als Gemeinschaft der Heiligen, die durch den Heiligen Geist versammelt wird, verweist die Kirche auf Jesus Christus als ihren Herrn. In seiner Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation (1520) äußerte Martin Luther (1483–1546) den Gedanken des allgemeinen Priestertums der Glaubenden bzw. Getauften und legte Wert darauf, dass es innerhalb des Christentums keine unterschiedlichen Ränge gibt.14 Vielmehr ist die Kirche eine Gemeinschaft und Gemeinde, die nicht durch den Klerus und seine Institutionen konstituiert ist, sondern durch die Predigt des Evangeliums

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und die Feier der Sakramente Taufe und Abendmahl. Daraus ergibt sich das Recht und die Pflicht der Gemeinde, die Lehre zu beurteilen. Hinzu tritt das mit dem allgemeinen Priestertum gesetzte Recht der Gemeindewahl der Lehrer und Prediger.15 Innerhalb gemeinsamer reformatorischer Grundüberzeugungen zum Wesen und zur Reform der Kirche gab es Akzentuierungen, welche die auf ­Huldrych Zwingli (1484–1531) und Johannes Calvin (1509–1564) zurückgehenden reformierten Kirchen gesetzt haben. In Zürich hielt Zwingli fest, dass Jesus Christus der eine Herr der Kirche und die Heilige Schrift die oberste Richtschnur für die kirchliche Verkündigung und die Kirche selber ist. Es bedarf keines anderen Mittlers außer Jesus Christus. Das als befreiende Botschaft wiederentdeckte Evangelium und die Einsicht in Jesu Christi rettendes und die Sünden vergebendes Handeln hatten Folgen für sein Verständnis der Kirche. Zwingli beschreibt die Kirche als Gemeinschaft derer, die an Jesus Christus glauben und den Heiligen Geist empfangen. In der Auslegung zu Artikel 8 der Schlussreden (1523) heißt es: »Jetzt kann jeder selbst herausfinden, ob er in der Kirche ist oder nicht. Gilt nämlich seine ganze Zuversicht und Hoffnung und sein ganzes Vertrauen Gott durch Christus Jesus, so ist er in der Kirche, d. h. in der Gemeinschaft aller rechtschaffenen Christen.«16 Die Kirche, die durch Wort und Sakramente lebendig existiert, ist einerseits universal und andererseits lokal. Hier begegnen die Zürcher Wurzeln des reformierten Gemeindeprinzips, dem zufolge die Kirche sich von den Gemeinden her aufbaut, um von da aus in weltumspannender Ökumenizität und Katholizität zu leben. An Zwingli anknüpfend durchzieht der Sinngehalt der ersten und zweiten Berner These (1528) das reformierte Kirchenverständnis wie ein roter Faden: »Die heilige christliche Kirche, deren einziges Haupt Christus ist, ist aus dem Worte Gottes geboren, bleibt in demselben und hört nicht die Stimme eines Fremden. Die Kirche Christi macht keine Gesetze und Gebote ohne Gottes Wort. Deshalb binden alle Menschensatzungen, die man Kirchengebote nennt, uns nicht weiter, als sie im göttlichen Wort begründet und geboten sind.«17 Vom Wort Gottes her empfängt die Kirche ihren Auftrag, ihren Weg und ihr Ziel. Folglich sind alle von Menschen gesprochenen Worte (Predigt) und vorgenommenen Handlungen (Feier der Sakramente, Kirchenleitung, Aufsicht und Diakonie) Dienste im Auftrag des einen Herrn Jesus Christus und Funktionen seines Redens und Handelns. Alles, was in der Kirche geredet und getan wird, ist ein Mitwirken am Dienst des Hauptes Jesus Christus und deshalb keine Ausübung von Macht, sondern ein Dienst. So versieht der

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Prediger bzw. Pastor einen Dienst am Wort Gottes, indem er das Evangelium verkündigt. Alles menschliche Wirken und Dienen in der Kirche kann nie an die Stelle von Jesu Christi eigener Wirksamkeit treten oder ihn vertreten, sondern bleibt ein Tun in seinem Auftrag und geschieht unter der Verheißung, dass er selber im Heiligen Geist gegenwärtig handelt. Diese Ansätze des reformierten Kirchenverständnisses nahm Calvin auf und systematisierte sie. Er stellte den Charakter der kirchlichen Ämter als Dienste in Verbindung mit einer biblisch begründeten Ämterstruktur ins Zentrum seiner kirchlichen Reformen. Dadurch markierte er eine signifikante Alternative zum landesherrlichen Kirchenregiment. Die Ämter bzw. Dienste beruhen auf der grundlegenden Einsicht, dass Jesus Christus als Haupt der Kirche ein dreifaches Amt als Prophet (er offenbart das Evangelium), als Priester (durch ihn versöhnt Gott die Welt) und König (er ist der Herr seiner Gemeinde)  ausübt. Gottes Geist bewirkt, dass die ganze Gemeinde an diesen Ämtern Christi teilhat, indem sie sich öffentlich zu ihrem Herrn bekennt, Selbsthingabe übt und den lebensfeindlichen Mächten entgegenwirkt.18 Auf diese Weise machte Calvin deutlich, dass die ganze Gemeinde und ihre Mitglieder mit ihren unterschiedlichen Geistesgaben zum Dienst beauftragt und gesandt sind. Dass ein Christsein ohne die Gemeinschaft mit anderen Glaubenden ein Selbstwiderspruch wäre, verdeutlicht Calvin mit den Worten: »Die Christen werden nach der Ordnung zur Gemeinschaft mit Christus versammelt, dass sie all die Wohltaten, die ihnen Gott gewährt, einander gegenseitig mitteilen.«19 An anderer Stelle heißt es in einem der Musik entlehnten Bild: Mit den unterschiedlichen Gaben ihrer Glieder kommt »die Einheit der Kirche zustande, so wie in der Musik vielfältige Töne eine wohlklingende Melodie zustande bringen«.20 Die Teilhabe an den Ämtern Jesu Christi ist für Calvin der Ausgangspunkt, um spezifische kirchliche Ämter im Sinne von Diensten zu beschreiben und eine entsprechende Kirchenordnung zu entwerfen. Er verstand die kirchlichen Ämter als Werkzeuge Jesu Christi, der allein in der Kirche regiert.21 Es ging nicht mehr allein darum, der klerikalen Hierarchie der Papstkirche das allgemeine Priestertum aller Glaubenden entgegenzusetzen. In Genf und unter dramatischen Vorzeichen in Frankreich und in den Niederlanden stand die Integrität der Gemeinden, ihres Lebens und ihrer Ordnung im Zentrum der Bemühungen. Das gilt vor allem für die verfolgten Gemeinden, deren Schicksal Calvin besonders am Herzen lag: Sie lebten zum Teil im Untergrund und mussten sich gegen Anfeindungen und Übergriffe auch dadurch behaupten, dass sie eine eigene, von der Obrigkeit unberührte

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Kirchenordnung und Gemeindestrukturen entwickelt haben. Wegen dieser Konstellation unterscheidet sich das Genfer Kirchenmodell deutlich vom staatskirchlichen Konzept der Zürcher Kirche. Um das Leben der Gemeinden und ihre Ordnung zu gewährleisten, bedarf es kirchlicher Ämter. In der Genfer Kirchenordnung von 1541/61 ­(Ordonnances ecclésiastiques) beschrieb Calvin eine in Eph 4,11 und 1. Kor 12 begründete Ämterstruktur, die auf irdische Weise die Herrschaft Jesu Christi abbilden sollte.22 Um den sichtbaren Zusammenhalt der Gemeinde zu fördern und die Kirche zu konsolidieren, richtete er die Ämter der Pastoren, der Doktoren, der Ältesten und der Diakone ein. Den Pastoren ist die Verkündigung des Wortes Gottes, die Sakramentsverwaltung und die kollegial mit den Ältesten wahrgenommene Gemeindeleitung aufgetragen. Die Doktoren sind mit der Schriftauslegung, der Ausbildung der Pastoren und dem Katechismusunterricht betraut. Den Ältesten obliegt die zusammen mit den Pastoren ausgeübte Gemeindeleitung und Kirchenzucht. Die Diakone haben die Aufgabe der Fürsorge für die Armen und Kranken sowie der Verwaltung des Armenguts. Die in diesen Ämtern vorgenommene kollegiale Leitung der Gemeinde im Konsistorium (Consistoire) bedeutet nicht Herrschaft von Amtsträgern über die Gemeinde, sondern ist ein Dienst an der Gemeinde, von der die Wahl und die Berufung in die Ämter ausgeht. Durch diese Kirchen- und Ämterstruktur, welche die reformierten Kirchen von nun an – freilich mit vielen Variationen – prägte, kamen drei grund­ legende Überzeugungen zum Ausdruck: erstens die Herrschaft Jesu Christi, der in seiner Kirche kraft des Heiligen Geistes durch sein Wort regiert; zweitens die zentrale Stellung des Dienstes an Wort und Sakrament; drittens die Aktivierung und Sendung der Gemeinde zum Dienst, der gemäß den Gaben und der Ausbildung ausgeübt wird. Die Kollegialität im gegliederten Amt nimmt einerseits die Geistesgaben (Charismen) ernst und ist andererseits ein Instrument gegen Machtmissbrauch. Die Kirche ist eine auf die Endzeit ausgerichtete Einrichtung Gottes. In ihr wird schon heute das geglaubt, gesagt, bezeugt und gelebt, was in Zukunft die Welt umfassend prägen wird: ungebrochene Liebe und Barmherzigkeit in Gottes Reich. Besonderen Wert legte Calvin darauf, dass die Verkündigung und Ordnung der Kirche schon in ihrer gegenwärtig sichtbaren und erfahrbaren Gestalt Gottes Zukunft bezeugt und auf diese vorausweist. Die geglaubte unsichtbare Kirche soll in der empirischen sichtbaren Kirche zur Darstellung und Entfaltung gebracht werden. So gesehen ist eine Kirchenordnung, die der Verkündigung der Hoffnung und dem christusgemäßen Leben

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Raum gibt, weit mehr als ein bloßes Regelungs- und Steuerungs­element, sondern hat geistlichen Charakter. Christliche Freiheit und kirchliches Gestalten vollziehen sich in einer verpflichtenden Ordnung. Das geschieht unter der Voraussetzung, dass nicht die Kirche selber das Reich Gottes ist und darum auch keine Kirchenordnung ewig ist. Vielmehr können Kirchenordnungen verändert oder sogar außer Kraft gesetzt werden. Wie die Kirche, so bezeugt auch ihre Ordnung das Kommen von Gottes Reich. Calvin und die von ihm inspirierten Kirchenordnungen bringen zum Ausdruck: In den hier umschriebenen Ordnungen und Lebensvollzügen wollen wir dem Evangelium von Jesus Christus entsprechen. Insofern haben Kirchenordnungen den Charakter von Zeugnissen, um den Herrn der Kirche im konkreten kirchlichen Leben zur Darstellung zu bringen und der Auferbauung der Gemeinde zu dienen. Die Kirche soll auch äußerlich als das erkannt werden, was sie ist: als Volk Gottes, Gemeinde des auferstandenen Jesus Christus, vom Heiligen Geist belebte Gemeinschaft, Stadt auf dem Berg, Salz der Erde und wanderndes Gottesvolk. Die Kirche hat eine erkennbare lebendige Gestalt. In Analogie zur von Gott geschaffenen Welt nennt Calvin die Kirche einen Ort seiner Güte. Auf irdische Weise bildet sie gemeinsam mit der Ordnung, die sie sich gibt, den Organismus von Gottes himmlischer Welt ab, in der seine Ehre unablässig erzählt und bekannt gemacht wird.23 Dazu schreibt Calvin: »Wie nun ein Mensch an seinem Gesicht erkannt wird, so muss man die Kirche in Christus anschauen. […] Lasst uns deshalb festhalten, dass die Kirche sichtbar ist, wo Christus erscheint und wo sein Wort gehört wird […].«24 Calvin geht es um die Entsprechung der empirischen Kirche zu ihrem Grund und Auftrag. Erwählt durch Gott, in der Gemeinschaft mit ihrem Herrn Jesus Christus und lebendig in der Wirkung des Heiligen Geistes: Das sind die Eckpfeiler eines Kirchenverständnisses, das für den reformierten Protestantismus charakteristisch ist. Die Kirche ist eine Einrichtung der gegenseitigen Achtung und Wertschätzung. Es gibt nicht nur vor Ort christliche Gemeinde, sondern auch mit anderen Gemeinden und Kirchen entsteht ökumenische Gemeinschaft, in der nach Einheit gesucht wird. Diesen ökumenischen Impuls beschreibt Calvin so: »Wie verschieden auch Gesichter und Geister sein mögen, diese von Gott bei uns gestiftete Einheit können wir nicht […] aufheben.«25 Von Calvin und anderen Reformatoren aus ist ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Ökumenizität der Kirche entstanden. Die andere Gemeinde und Kirche ist Teil des ganzen Leibes Jesu Christi und mit der eigenen Gemeinde und

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Kirche verbunden. Die Früchte der ökumenischen Verbundenheit wurden besonders in den Gemeinden Frankreichs und der Niederlande geerntet, die unter obrigkeitlichem Druck standen und in ihrem Bestand gefährdet waren. Ökumenische Existenz wurde zum Überlebensprinzip der reformatorischen Kirchen. Die Kirche verwirklicht sich zunächst in Gestalt der Ortsgemeinde. Die Mehrzahl der reformierten Kirchen lässt es indes nicht bei einem partikularen kongregationalistischen Kirchenverständnis bewenden, sondern interessiert sich für das Zusammenwirken mit anderen Gemeinden in der Region und über sie hinaus. Mit der Synode schufen sie ein Instrument, das die Einheit der Kirche und die Gemeinschaft der Gemeinden untereinander gewährleisten soll. Die Synode setzt sich aus Abgeordneten der einzelnen Gemeinden einer Region zusammen, um über den Glauben, die Lehre und das christliche Leben zu beraten und zu entscheiden. Dabei wirken das presbyteriale (die Leitung der Ortsgemeinde betreffende) und das synodale (die Einheit der Kirche betreffende) Element zusammen. Calvin mahnt, dass man Christus in Stücke reißen würde, wenn man die eine Kirche in mehrere Kirchen trenne: »Wenn wir nicht mit allen übrigen Gliedern zusammen unter unserem Haupte, Christus, zu einer Einheit zusammengefügt sind, so bleibt uns keine Hoffnung auf das zukünftige Erbe. […] Man könnte nicht zwei oder drei Kirchen finden, ohne dass damit Christus in Stücke gerissen würde – und das kann doch nicht geschehen!«26 Ein Instrument, um den Zusammenhalt der Gemeinde zu gewährleisten, ist die Kirchenzucht. Sie muss auf dem Hintergrund der Frage gesehen werden, wie mit der Wirklichkeit der Sünde und dem einzelnen Sünder seelsorglich und im Interesse der Integrität der Gemeinde verfahren werden soll. Die Kirchenzucht ist vom Anliegen bestimmt, Glieder der Gemeinde zu einem besseren und verantwortlichen Leben anzuhalten und damit ernst zu machen, dass das Evangelium befreit und verbindet. Gegenüber der Individualisierung der Seelsorge in der mittelalterlichen Praxis mit der Ohrenbeichte wendet sich Calvin gegen eine Privatisierung der Seelsorge. Das Individuum ist der Gemeinschaft zugeordnet und muss durch Fürsorge und wechselseitige Achtsamkeit in die Gemeinschaft der Glaubenden eingegliedert werden. In Genf und anderen Gemeinden hatte das kollegial aus den Pastoren und Ältesten zusammengesetzte Konsistorium die Aufgabe, das Verhalten der Gemeindemitglieder zu beobachten und zu gewährleisten, dass jeder nicht nur der christlichen Lehre zustimmt, sondern auch christlich lebt. Es führte Verhöre durch, sprach Ermahnungen aus und veranlasste auch den – freilich

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selten praktizierten – Ausschluss vom Abendmahl und aus der Gemeinde. Letztlich sollte die Kirchenzucht zur Versöhnung und zum Frieden beitragen und ermöglichen, dass die Spielregeln des Zusammenlebens eingehalten werden. Insofern ist sie kein Machtmittel zur gegenseitigen Kontrolle, sondern »öffentliche Versöhnung«27, gegenseitige Ermunterung und praktizierte Seelsorge, der am Ernst der Nachfolge und an der Integrität der Gemeinde gelegen ist. Entgegen Calvins Intention gab es allerdings manche Auswüchse der Kirchenzucht. In einigen Milieus des Calvinismus hat sie einer rigiden Moralisierung des Lebens Vorschub geleistet, Machtmissbrauch gefördert, Sozialdisziplinierung bewirkt und das Anliegen der Besserung und Ermunterung zu einem dem Evangelium gemäßen Leben verfehlt. Angesichts der Mitwirkung der Obrigkeit war das Konsistorium nicht überall ein eigenständiges kirchliches Gremium, wie Calvin es sich ursprünglich vorgestellt hat und wie es in den Gemeinden »unter dem Kreuz« verwirklicht wurde. Heute wird die Kirchenzucht in reformierten Kirchen nicht mehr oder nur noch rudimentär praktiziert. Die protestantischen Gemeinden in Frankreich und den Niederlanden machten die Erfahrung, dass die Kirche unter Druck steht und Gemeinden in ihrer Existenz bedroht sind. Gerade hier waren Kirchenordnungen unverzichtbar. Das gilt besonders für die Kirchenordnung der niederländisch- und französischsprachigen Londoner Flüchtlingsgemeinden, die unter dem Titel Forma ac ratio tota ecclesiastici von Johannes a Lasco und Marten Micron verfasst und 1555 gedruckt wurde.28 Diese Kirchenordnung wirkte weit über London hinaus auch auf Deutschland, nachdem protestantische Flüchtlinge, die unter Königin Maria Tudor 1553–1558 vertrieben wurden, dort Zuflucht nahmen, wo bereits niederländische Protestanten ansässig waren. Zu den prominenten Kirchenordnungen, die ein Vorbild für die Akten der Emder Synode waren, gehört auch die Kirchenordnung der Kurpfalz von 1563, deren zentraler Bestandteil der Heidelberger Katechismus ist. Calvins Konzept einer kollegialen Leitung der Kirche in Verbindung mit einem synodalen Netzwerk der Gemeinden bestimmte durch den Einfluss seines Nachfolgers Theodor Beza die französische Kirche.29 Deren Kirchenordnung von 1559 (Discipline ecclésiastique), die auf der Pariser National­ synode beschlossen wurde, sah eine konsistoriale bzw. presbyteriale Leitung der Gemeinden mit entsprechenden Ämtern in Verbindung mit der Einrichtung von Provinz- und Generalsynoden vor.30 Jede Gemeinde sollte ihre Prediger, einen Presbyter und einen oder mehrere Diakone zu den Synoden entsenden. Eine Über- oder Unterordnung der einen über bzw. unter die

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anderen wird ausgeschlossen. Der Schluss der Kirchenordnung hält deren dynamischen Charakter fest: »Die hier vorgelegten, die Ordnung betreffenden Artikel sind unter uns nicht in der Weise festgelegt, dass sie nicht, wenn der Nutzen der Kirche dies erfordert, geändert werden könnten. Aber es soll nicht in der Macht der Teilkirchen stehen, dies zu tun ohne die Beratung und Zustimmung der Generalsynode.«31 Tatsächlich wurde die französische Kirchenordnung von 28 weiteren Nationalsynoden bis zur letzten Fassung von 1660 immer wieder verändert und zu einem detaillierten Regelwerk erweitert. Es steht freilich auf einem anderen Blatt, dass die synodalen Verbindungen unter den Gemeinden bis zum Edikt von Nantes (1598) und später unter König Ludwig XIV. äußerst bedroht waren. Laut der ebenfalls in Paris 1559 verabschiedeten und 1571 in La Rochelle bekräftigten Confessio Gallicana (Hugenottisches Bekenntnis) sollen die Ämter der Gemeinde sicherstellen, dass »die reine Lehre ihren Lauf nimmt, die Laster gebessert und unterdrückt werden und damit die Armen und alle anderen Angefochtenen in ihren Nöten unterstützt und die Versammlungen gehalten werden«.32 Ferner bildet die Regel, dass »niemand sich aus eigener Autorität eindrängen darf zur Gemeindeleitung« und dass alle Pastoren »dieselbe Autorität und die gleiche Macht haben unter einem einzigen Haupt […] Jesus Christus«, einen Grundzug späterer reformierter Kirchenordnungen.33 Auf deutschem Boden führten die Beschlüsse des Weseler Konvents von 156834 und die Artikel der Emder Synode von 1571 die presbyterial-synodale Ordnung ein. Im Verlauf der Auseinandersetzungen zwischen Habsburg und den Niederlanden sowie deren Rekatholisierung flüchteten zwischen 1568 und 1572 erneut viele niederländische Reformierte und fanden Aufnahme am Niederrhein, in der Pfalz, in Ostfriesland und in England. Anfang November 1568 trafen sich Pastoren, Älteste und weitere Mitglieder der niederländischen Flüchtlingsgemeinden am Niederrhein, in Ostfriesland und England zum Weseler Konvent. Sie entwarfen ihre Empfehlungen für den Aufbau einer presbyterial-synodalen Kirchen- und Gemeindeordnung und betonten das Zusammenwirken und die gegenseitige Beratung der Gemeinden. Das Ziel des Weseler Konvents war es, der Vereinzelung der Gemeinden entgegenzuwirken, Flüchtlingsgemeinden mit Gemeinden »unter dem Kreuz« zu verbinden und durch eine synodale Struktur von Versammlungen der Classes, Provinz­synoden und einer Generalsynode zusammenzuführen. Eine Innovation stellt die Einrichtung von Classes und Versammlungen der Classes als Beratungs- und Beschlussebene zwischen den Gemeinden und den Provinz­synoden dar. Ferner beschrieben die Beschlüsse des Weseler Kon-

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vents das Leben der Ortsgemeinden anhand der vier Ämter der calvinischen Kirchenordnung und der kollegialen Gemeindeleitung durch die Pastoren und Ältesten im Konsistorium. 1571 bestätigte in Emden die erste Synode der niederländischen Gemeinden unter dem Kreuz und der Flüchtlingsgemeinden faktisch die Beschlüsse von Wesel. Vor allem hat die Synode die vierstufige Ordnung von Orts­ gemeinden mit ihren Konsistorien (Presbyterien), Classes mit ihren Versammlungen35, Provinzen mit ihren Provinzsynoden36 und der Nation mit ihrer Generalsynode aufgenommen und ausdifferenziert. Die wichtigste Regel, die die Emder Synode formuliert hat, steht in Artikel 1: »Keine Gemeinde soll über andere Gemeinden, kein Pastor über andere Pastoren, kein Ältester über andere Älteste, kein Diakon über andere Diakone Vorrang haben oder Herrschaft beanspruchen. Sie sollen lieber dem geringsten Verdacht und jeder Gelegenheit dazu aus dem Weg gehen.« Die Versammlungen der Classes und Provinzsynoden sollen nur dann Entscheidungen in Angelegenheiten der Gemeinden treffen, wenn sich in den Konsistorien keine Einigung erzielen ließ: »Wenn in einer Gemeinde der Classis etwas geschieht, was durch ihr Konsistorium nicht beigelegt werden kann, wird das auf der Versammlung der Classis behandelt und entschieden. Sodann kann man bei der Provinzsynode Berufung einlegen.« (Versammlung der Classes, Artikel 3) Auf diese Weise schreibt die Emder Synode Grundsatzentscheidungen Calvins fort und sucht den Zusammenhalt der Gemeinden zu stärken. Dem kongregatio­ nalistischen Gedanken mit der einseitigen Betonung der Autarkie der Ortsgemeinde wird durch den synodalen Gedanken ein notwendiges Korrektiv gegeben. Die in Emden beschlossenen Artikel prägten nicht nur die Flüchtlingsgemeinden, sondern wurden auch von deutschen reformierten Gemeinden, zunächst am Niederrhein, aufgegriffen. Weitere Gemeinden und Kirchen machten sich die presbyterial-synodale Kirchenordnung zu eigen, schufen Konsistorien (Presbyterien) als Leitungsorgane und bildeten Synoden. Damit wurde ein antihierarchisches Element in die Leitung der Kirche implementiert, das dem Grundsatz Rechnung trägt, dass Jesus Christus der eine Herr der Kirche ist und es Über- und Unterordnungen in ihr nicht geben soll. Reformierte Kirche ist Gemeindekirche und baut sich von der Gemeinde her auf.

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1.3

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Themen der Akten der Emder Synode

Die Akten der Emder Synode sind ein Paradebeispiel dafür, dass Regeln und Ordnungen, welche der Kirche eine Struktur geben, auf theologischen Einsichten beruhen und ihnen Ausdruck verleihen. Ohne eine reflektierte und an die biblischen Grundlagen zurückgebundene Lehre von der Kirche (Ekklesiologie) lässt sich keine tragfähige kirchliche Ordnung entfalten, die dem Aufbau der Kirche Jesu Christi dient. Das wird bereits im Einladungsschreiben zur Synode deutlich. In ihm wer­ben die Pfälzer Pastoren darum, dass die angeschriebenen niederländischen Gemeinden Delegierte zur Synode entsenden, und begründen das biblisch-theologisch. Zunächst erinnern die Autoren des Schreibens an die alttestamentlichen Propheten, die das Volk zur gemeinsamen Gottesverehrung und zum Gottesdienst aufgerufen und um gegenseitige Unterstützung gebeten haben. Diese auf Israel zurückblickende Praxis bildet die argumentative Basis, um die Vertreter der niederländischen Gemeinden zur brüderlichen Unterredung auf einer Synode einzuladen. Dort sollen sie im Sinne der Propheten gemeinsam beraten und zum Wohl der Gemeinden Beschlüsse fassen. Zugleich versichern die Unterzeichner, dass sie aus der brennenden Leidenschaft für die Gemeinden und nicht aus Machtinteressen heraus die Einladung aussprechen. An die Seite der alttestamentlichen Begründung treten drei neutestamentliche Bezüge, die den Nutzen von Synoden zur gegenseitigen Verständigung belegen. Erstens wird auf Mt 18,20 verwiesen, wo Jesus erklärt, dass er schon bei der Versammlung von wenigen gegenwärtig ist. Umso mehr wird Jesu Gegenwart für eine zahlreich versammelte Synode gelten. Zweitens wird an die Bedeutung von Versammlungen und deren Einmütigkeit erinnert, indem auf die Nachwahl des Apostels Matthias (Apg 1,15–26), die Etablierung des Diakonenamts (Apg 6,1–7) und das Jerusalemer Apostelkonzil (Apg 15) im Horizont des antiochenischen Zwischenfalls (Gal 2,11–21) erinnert wird. Drittens bieten Versammlungen die Chance, dass die Anwesenden sich ihre jeweiligen Geistesgaben mitteilen und diese zum gegenseitigen Nutzen zusammenwirken. Im Hintergrund steht die paulinische Lehre von den Gnadengaben (Charismen) in 1. Kor 12,1–11. Die biblisch-theologische Argumentation des Einladungsschreibens zeigt eine klar konturierte Auffassung von der Kirche: Sie lebt in ihren Ordnungen und Strukturen von Partizipation, von gegenseitiger Beratung und von Entscheidungen, die das Wohl der

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Gemeinden und der in ihnen sich versammelnden Menschen zum Gestaltungsprinzip machen. Kirche ist Gemeinde Jesu Christi, die sich von ihren Gliedern her aufbaut. In ihr steht das Ringen um Gemeinsamkeit, einmütige Entscheidungen und die Kraft des Argumentes im Zentrum  – und keine angemaßte, autoritäre oder durch Weihe verliehene Macht. Partizipation, Gemeinschaft und Einmütigkeit dienen in besonderer Weise einer Kirche, die sich in der Defensive oder gar – wie damals in den Niederlanden – unter Überlebensdruck befindet. Die Akten der Synode gliedern sich in fünf Abschnitte. An der Spitze stehen 53 Artikel von grundlegendem Charakter, in denen folgende Themen angesprochen werden: –– Artikel 1–9: Grundlagen (kein Vorrang und keine Herrschaft; Bestimmungen zu Bekenntnissen und Katechismen; gegliederte Zuordnung von Konsistorium, Versammlung der Classis, Provinzsynode und Generalsynode) –– Artikel 10–18: Classes und Versammlungen der Classes der Flüchtlings­ gemeinden und der Gemeinden »unter dem Kreuz«; Pastoren-, Ältestenund Diakonenwahl –– Artikel 19–21: Praxis von Taufe und Abendmahl –– Artikel 22–24: Ehe –– Artikel 25–34: Kirchenzucht –– Artikel 35–52: Weitere Themen: Besetzung von Pfarrstellen; Ausbildung der Pastoren; Sammlung und Aufbau von Gemeinden; Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen; Martyriumsgeschichte der niederländischen Gemeinden –– Artikel 53: Schluss Es folgen 25 Artikel (»Besondere Vorfälle und Einzelfragen«, Particularia) mit Erläuterungen zu Anfragen aus den Gemeinden, die sich unter anderem auf die Hilfsleistungen für Gemeindemitglieder auf der Flucht und Durchreise, Bibelgebrauch und -übersetzung, besondere Vorkommnisse in den Gemeinden und Konsistorien sowie die nächste Generalsynode beziehen. Daran schließen sich die Beschreibungen der Gremien an, die neu eingerichtet wurden: 9 Artikel zu den Versammlungen der Classes, 16 Artikel zu den Provinzsynoden und ein Artikel zur Generalsynode. Eine Liste mit Unterschriften gibt Aufschluss über die an der Synode teilnehmenden Pastoren, künftigen Pastoren und Ältesten. Wer die insgesamt 104 Artikel der Emder Synode als ein kirchliches Dokument liest, wird zunächst feststellen, dass kein einziger Beschluss explizit

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durch einen biblischen Beleg begründet wird. Wie Artikel 2 der Anfragen zeigt, wurde offenbar auf der Synode darüber debattiert und entschieden, dass Aussagen nur dann durch die Bibel bekräftigt werden müssen, wenn es sich um entscheidende Glaubens- und Gewissensfragen handelt. Bei Ordnungsfragen hingegen kann eine biblische Begründung entfallen. Daraus sollte man aber nicht den Schluss ziehen, dass die Artikel ohne biblisch-theologischen Hintergrund formuliert sind – im Gegenteil. Sowohl die Beschreibung der Gremien Konsistorium, Versammlung der Classis, Provinzsynode und Gesamtsynode als auch die Einzelbestimmungen zur kirchlichen Praxis sowie der gesamte Horizont der Artikel verdanken sich einer grundlegenden theologischen Einsicht: Die Gemeinde Jesu Christi ist eine durch Gottes Geist begabte Gemeinde, die sich aus ihren Mitgliedern zusammensetzt und in der die Ehre Gottes und das Menschenwohl im Mittelpunkt stehen. Die paulinische Beschreibung der Kirche als Gemeinschaft der durch Gottes Geist Begabten bildet die unausgesprochene Grundierung der Akten der Emder Synode. Diese sind durch ein geistliches Verständnis der Kirche geprägt, dem zufolge auf allen kirchlichen Ebenen die Fülle der Geistesgaben zum Tragen kommen soll. In den Artikeln, die das Leben der Kirche und ihre Gremien ordnen sollen, begegnet an mehreren Stellen die Begrifflichkeit der Freiheit. Es wird den Gemeinden ausdrücklich freigestellt, bei den Amtszeiten der Ältesten und Diakone die Zeiträume nach Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit festzulegen. Bei der Gestaltung der Gottesdienste haben die Gemeinden die Freiheit, nach den vor Ort geltenden Gebräuchen zu verfahren: Ob während des Abendmahls Psalmen gesungen oder Bibeltexte verlesen werden, wird von der Synode nicht reglementiert. Die Konsistorien sind frei in der Wahl von Zeit und Ort ihrer Sitzungen. Ebenfalls sind die Gemeinden frei darin, Paten bei der Taufe vorzuschreiben oder darauf zu verzichten. Selbst bei der Wahl des Katechismus sind die Gemeinden insofern frei, dass sie auch einen anderen als die empfohlenen benutzen können, sofern dieser mit Gottes Wort übereinstimmt. Durch die Freiheitsterminologie in Fragen der kirchlichen und liturgischen Praxis unterstreicht die Synode das Anliegen, den Gemeinden eine größtmögliche Freiheit zu lassen, ihre eigenen Belange selber zu regeln. Im Rahmen klarer und strikter Beschlüsse zu Grundsatzfragen sind die Emder Artikel von Flexibilität und Dynamik geprägt. So gesehen bilden die Artikel eine Ordnung der Freiheit. Ausdrücklich werden wandlungsfähige Strukturen beschrieben, die gestaltet und mit Leben gefüllt werden müssen. Dass die Ordnung dem kirchlichen Leben dienen soll und nicht umgekehrt

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die kirchliche Praxis der Ordnung, ist eine Grundüberzeugung der Synodalen von Emden. Die bereits im Einladungsschreiben anklingende Dringlichkeit, in gegenseitigem Einvernehmen zu beraten und zu Beschlüssen zu gelangen, prägt die Artikel. Einige Beispiele mögen das verdeutlichen: Gemeinsam urteilen die Kollegen über die Predigt der Pastoren bei den Versammlungen der Classes. Deren Präses wird gemeinsam gewählt. Einmütig werden die Artikel von der Synode beraten und beschlossen. Schon aufgrund der prekären Situation der Flüchtlingsgemeinden und der Gemeinden »unter dem Kreuz« liegt es auf der Hand, dass nur ein hohes Maß an Gemeinsamkeit und Einmütigkeit dazu beitragen kann, den Bestand der Gemeinden zu bewahren. Angesichts des Drucks von außen und der Existenz in der Diaspora waren Eintracht, Verlässlichkeit und Loyalität ein unverzichtbares Überlebensprinzip. Schon das Einladungsschreiben warnt eindringlich vor mutwillig herbeigeführtem Streit, da dieser die Gefahr der Spaltung und Zersplitterung mit sich bringt. Stattdessen geht es um die Einheit des gemeinsamen kirchlichen Auftrags in den verschiedenen Ämtern und auf den unterschiedlichen Verantwortungsebenen. Die Artikel der Emder Synode zeichnen sich dadurch aus, dass sie die synodalen Institutionen von den Gemeinden aus entwickeln und überregionale Strukturen einrichten. In den Artikeln wird deutlich, dass im Interesse der Gemeinden zur Ausbildung von Pastoren, ihrer Berufung und zu den Aufgaben von Classis, Provinzsynode und Generalsynode Entscheidungen getroffen werden. Das Denken von den Gemeinden her gibt den Artikeln die Farben der Kontextualität und des Pragmatismus: Kontextualität darin, dass die Notsituation der Gemeinden in der Verfolgungssituation und im Exil deutlich angesprochen wird; Pragmatismus darin, dass die Artikel lösungsorientiert an der praktischen Verwirklichung des kirchlichen Lebens in den Gemeinden interessiert sind. Wiederum mögen einige Beispiele das verdeutlichen: Der Konkurrenz unter den Pastoren und der Gefahr, dass ein Pastor nicht schriftgemäß predigt, soll dadurch begegnet werden, dass sie in anderen Gemeinden nur mit deren Erlaubnis predigen dürfen. Bei Entscheidungen zu den besonderen Vorfällen und Einzelfragen befasst sich die Synode mit schwierigen Konfliktsituationen in der alltäglichen kirchlichen Praxis. Dazu zählt etwa die Wiederheirat bei einem nicht dokumentierten Tod des früheren Partners oder der Wunsch nach Ehe mit einem schwerer Sünden bezichtigten Partner. Die Entscheidungen sind nicht von Restriktion, sondern von einem pragmatischen Freiheitsverständnis bzw. Vergebungsbereitschaft

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geleitet. Ein solcher Pragmatismus, gepaart mit gegenseitiger Solidarität der Gemeinden, ist auch bei der sensiblen Frage erforderlich, wie man mit durchreisenden und auf Verpflegung angewiesenen Gemeindegliedern umgehen soll. Gewiss verlangt die christliche Nächstenliebe, diese nach Kräften zu unterstützen. Doch die Hilfe muss in einen Ausgleich gebracht werden mit der Gefahr, über Gebühr belastet oder gar ausgenutzt zu werden. Die Lösung dieser Frage geht einer Moralisierung oder Emotionalisierung aus dem Weg und empfiehlt stattdessen ein geordnetes diakonisches Vorgehen: Die Gemeinden sollen schriftlich über frühere Aufenthaltsorte und Verweildauer in Kenntnis gesetzt werden, damit die Hilfe organisiert werden kann. Auch bei weiteren Fragen werden von Pragmatismus und Lebensklugheit geprägte Lösungswege aufgezeigt. In wenigen Fällen wird keine Entscheidung getroffen, sondern diese vertagt oder delegiert. Schließlich legt die Synode großen Wert auf Transparenz und Verbindlich­ keit. Das gilt erstens für die Weitergabe der synodalen Entscheidungen. Hier entwickelt die Synode Wege, um die Beschlüsse an die nicht anwesenden Synodalen und ihre Gemeinden zu kommunizieren. Zweitens sind Transparenz und Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit zwischen den synodalen Gremien erforderlich, sofern das nächstgrößere Organ mit der Entscheidung einer Frage befasst werden soll. Drittens pocht die Synode darauf, dass das Leben in den Gemeinden von Transparenz gekennzeichnet ist. Ein Beispiel dafür sind die Abläufe bei der Kirchenzucht, zu der die Synode festlegt, wann und in welcher Form die Gemeinden über den Ausschluss vom Abendmahl oder aus der Gemeinde informiert werden. Die in den Artikeln zum Vorschein tretende Transparenz und Verbindlichkeit dient nicht nur der besseren Kommunikation und Einmütigkeit, sondern bildet ein Grundprinzip der reformatorischen Kirche ab: Alle Gläubigen bilden gemeinsam den Leib Christi und teilen nicht nur die Grundlagen ihres Glaubens, sondern setzen sich gegenseitig über die Ordnung und den Aufbau der Kirche ins Bild. Es ist und bleibt für die reformatorische Kirche charakteristisch, dass sie vom offenen Wort lebt und das offene Wort einander mitteilt. Wenn man sich die inhaltlichen Schwerpunkte der Artikel ansieht, fällt ihr antihierarchischer Charakter ins Auge. Am deutlichsten wird der Gedanke, dass es keine gegenseitige Dominanz geben soll, in Artikel 1 ausgesprochen: »Keine Gemeinde soll über andere Gemeinden, kein Pastor über andere Pastoren, kein Ältester über andere Älteste, kein Diakon über andere Diakone Vorrang haben oder Herrschaft beanspruchen.« In der Kirche gibt es kein Oben und kein Unten, sondern alle Gemeinden und Amtsträger wirken zu-

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sammen statt sich gegenseitig zu dominieren. Die Leitungsfunktionen nehmen in den Gemeinden die Konsistorien bzw. Presbyterien wahr und übergemeindlich die Versammlungen der Classes bzw. Synoden, die von einem gewählten Präses geleitet werden. Die Leitungsämter sind Ämter auf Zeit und verstehen sich als Dienste innerhalb des gemeinsamen kirchlichen Auftrags. Eine große Aufmerksamkeit wird der Frage zugemessen, wie Pastoren für die eigene und für andere Gemeinden ausgebildet, wie sie für den Dienst in den Gemeinden gewonnen und wie sie gewählt werden sollen. Dabei stellt sich die Besetzung von vakanten Pfarrstellen als große Herausforderung dar. Im Einzelnen legt die Synode ein Verfahren fest, nach dem die Pastoren einer Berufung Folge leisten, sie sowie Theologiestudenten Unterhalt bekommen, arme Gemeinden mit benachbarten Gemeinden eine Verbindung eingehen können und sich einen Pastor teilen und Gemeinden dann, wenn kein Pastor zur Verfügung steht, durch Lektoren, Älteste und Diakone beim Gemeindeaufbau unterstützt werden sollen. Ausführlich wird die Kirchenzucht erörtert. Für die unterschiedlichen Grade an Verfehlungen wird ein Vorgehen beschrieben, das sowohl der Besserung des Individuums als auch der Integrität der Gemeinde dienen soll. Darin kommt das Anliegen zum Tragen, dass nicht nur Lehre und Glaube, sondern auch das Leben Zeugnis von Gott ablegen und um Gottes willen integer sein soll. Dabei ist bemerkenswert, dass die Beschreibung unterschiedlicher Grade von Sanktionen dem sich Verfehlenden die Möglichkeit bietet, umzudenken und zu einem besseren Leben zu gelangen. Der Ausschluss vom Abendmahl und aus der Gemeinde ist erst eine allerletzte und in der Praxis selten praktizierte Maßnahme. Eine Kirche wie die niederländische Kirche im Exil und »unter dem Kreuz« brauchte theologische Orientierung und konfessionelle Einheit. Deshalb hat die Synode sich zur Bekenntnisgrundlage der Kirche und zu den Katechismen geäußert, die in den Gemeinden in Gebrauch sein sollen. Um die Übereinstimmung in der Lehre zu dokumentieren, erfolgt die Bindung an die Confessio Belgica, das Niederländische Bekenntnis von 1561.37 Zusätzlich wird auch die Confessio Gallicana, das Hugenottische Bekenntnis von 155938, unterschrieben, um die Verbundenheit mit den verfolgten Geschwistern in Frankreich zum Ausdruck zu bringen. Das geschieht in der Erwartung, dass umgekehrt die französischen Protestanten die Confessio Belgica unterzeichnen. Am Rande sei erwähnt, dass die Synode sich nicht dazu entschließen konnte, dem Ansinnen von Wilhelm von Oranien zu folgen und die Confessio Augustana, das Augsburgische Bekenntnis von 1530, in den Kanon der Bekenntnisgrundlagen aufzunehmen.39 Immerhin wurde durch die Aufnahme

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der Confessio Gallicana ein bemerkenswerter ökumenischer Akzent gesetzt. Bei der Wahl des Katechismus wird den Gemeinden gemäß den Sprachgegebenheiten zum einen Calvins Genfer Katechismus von 154240 für die französischen und der Heidelberger Katechismus von 1563 für die deutschen Gemeinden empfohlen.41 Ein weiteres Moment der Artikel ist die Partizipation. Die Artikel gehen von einer Kirche aus, in der es sowohl Repräsentanz als auch persönliche Verantwortung ihrer Mitglieder gibt: Repräsentanz insofern, dass die Gemeindeglieder vertreten werden und eine Wahl bzw. Delegierung in Gremien, beginnend beim Konsistorium, erfolgt; persönliche Verantwortung insofern, dass alle Mitglieder der Gemeinde am Gemeindeaufbau beteiligt sind und beispielsweise die Pastoren auf für den Glauben aufgeschlossene Menschen aufmerksam machen. Da die ganze Gemeinde als begabte Gemeinde angesprochen werden kann und ihre Mitglieder über unterschiedliche Geistesgaben verfügen, legen die Artikel der Synode das Augenmerk auf deren differenzierte Mitwirkung. Die Mitglieder der Gemeinden sind nicht Empfänger von kirchlichen Dienstleistungen, sondern verstehen sich als Subjekte, die am kirchlichen Leben und ihren Gremien beteiligt sind. Schließlich versuchen die Artikel, die Anliegen der Gemeinden vor Ort mit dem ökumenischen Charakter der Kirche in Einklang zu bringen. Auf der einen Seite werden die Zuständigkeiten der Gemeinden hervorgehoben und ihnen ein hohes Maß an Entscheidungskompetenz zugewiesen. Auf der anderen Seite werden die Zusammengehörigkeit und der Zusammenhalt der Gemeinden auf der Ebene der Classes, Provinzen und der Gesamtkirche betont. Gerade in ihrer bedrohten Lage bilden die Gemeinden und Classes ein Netzwerk, das vom Austausch der Informationen lebt. In diesem Sinne betont Artikel 43: »Sehr nützlich ist eine Verbindung der Gemeinden untereinander in der Art, dass sie sich durch häufigen Briefwechsel über das austauschen, was in den Gemeinden allgemein und in einigen auch im Besonderen zur Förderung ihres Bestandes und Wachstums beiträgt.« Kommunikation und Solidarität sind die beiden Säulen, auf denen der Zusammenhalt der Gemeinden ruht. Zu diesem Zusammenhalt soll im Übrigen auch das leider nicht verwirklichte Projekt beitragen, eine Martyriumsgeschichte der niederländischen Gemeinden schreiben zu lassen, um dadurch ein Glaubenszeugnis auch für andere Kirchen und Zeiten zu geben. Bei aller Anerkennung der Artikel und ihrer Strahlkraft sollen solche Entscheidungen nicht außer Acht gelassen werden, deren Konsequenz und Schlüssigkeit kritisch zu hinterfragen sind. Artikel 1 lehnt zwar die Herrschaft

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von Gemeinden übereinander und innerhalb der einzelnen Dienste ab, sug­ geriert aber in der Abfolge der Nennung von Pastoren, Ältesten und Diakonen, dass es so etwas wie eine Rangordnung der Dienste gibt. Laut Artikel 13 erfolgt die Wahl der Pastoren nicht durch die Gemeinde, sondern – unter Einbeziehung der Classis bzw. der Pastoren der Nachbargemeinden – durch das Presbyterium; die Gemeinde nimmt die Entscheidung lediglich schweigend zur Kenntnis oder legt, sollte sie der Wahl nicht zustimmen können, Einspruch ein. Allerdings wird die Wahl durch die Gemeinde vorerst dort geduldet, wo das bislang üblich ist. Weiter kennen die Kirchenzuchtmaßnahmen gegen Älteste und Diakone im Unterschied zu den Pastoren keine Berufungsmöglichkeit (Artikel 33). Die Seelsorge und das Ausstellen von Zeugnissen bei der Armenhilfe scheint den Pastoren zu obliegen (Artikel 45–47). Ferner begegnet der von Calvin in der Genfer Kirchenordnung vorgesehene Dienst des theologischen Lehrers in den Akten lediglich marginal an einer Stelle (Artikel 51).42 Sodann wird gemäß Artikel 2 der Präses der Versammlung der Classis nur von den Pastorenkollegen gewählt. Dass schließlich das kirchliche Instrumentarium der Kirchenzucht als solches kritisch reflektiert werden muss, versteht sich ebenso von selbst wie die Tatsache, dass die Amtsträger offenbar ausschließlich männlichen Geschlechts sind. In dieser Frage sind zumindest die evangelischen Kirchen heute deutlich weitergekommen. Trotz aller notwendigen Kritik aus heutiger Perspektive stellen die Entscheidungen der Emder Synode eine erhebliche Innovation von großer Tragweite dar. Das gilt zum einen bei der Etablierung von Gremien, die der Repräsentanz und gegenseitigen Verbindung der Gemeinden dienen, und zum anderen bei der Lösung von grundsätzlichen und kirchlich-praktischen Fragen. Über ihre Zeit hinaus bieten die Artikel der Emder Synode wichtige Hinweise für das Leben einer Kirche der Zukunft, das von Partizipation und Verantwortungsübernahme geprägt ist. In einer kulturellen Atmosphäre, in der das Christsein und die Kirchlichkeit nicht selbstverständlich sind, zeigen die Artikel Wege auf, wie die Gemeinden auch unter erschwerten äußeren Bedingungen lebens- und zukunftsfähig sind. Im Spannungsfeld von Flexibilität und Verbindlichkeit setzen die Artikel einen Rahmen, der geeignet ist, mit innerkirchlicher Plura­lität und Interessenskollisionen kreativ und produktiv umzugehen. Wesentliche Momente dieser Wege sind die Besinnung auf gemeinsame Überzeugungen und theologische Orientierungen, Transparenz, partizipative Strukturen und ökumenischer Zusammenhalt.

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1.4

Folgen der Emder Synode

Die Akten der Emder Synode wurden für zahlreiche reformierte Kirchen wegweisend und entfalteten ihre Wirkung auf deren Kirchenordnungen. Das gilt zunächst für die niederländische Kirche, in der auf die Emder Synode eine Reihe weiterer Synoden folgten, die deren Entscheidungen zustimmend aufgenommen haben. Von großer Bedeutung waren die erste Provinzsynode von Holland und Zeeland in Dordrecht vom 15.–28. Juni 1574 sowie die Generalsynoden der niederländischen Kirchen in Dordrecht vom 3.–18. Juni 1578, in Middelburg vom 30. Mai–21. Juni 1581, in ’s-Gravenhage vom 20. Juni–1. August 1586 und in Dordrecht vom 13. November 1618–20. Mai 1619. Auch auf reformierte Gemeinden in Deutschland wirkten sich die Akten der Emder Synode schon dadurch aus, dass in einigen Territorien alsbald nach der Emder Synode Versammlungen der Classes eingeführt wurden. Ein regionales Beispiel ist die Gründung der Bergischen Synode.43 Am 21. Juli 1589 fanden sich in Neviges Pfarrer und Abgeordnete von fünf Nachbargemeinden zusammen. Sie brachten in sechs Abschnitten ihre Übereinstimmung in der Lehre, in der Feier des Gottesdienstes und im Aufbau der Kirche zum Ausdruck. Ferner verständigten sie sich darauf, dass die Gemeindeleitung und Kirchenzucht kollegial von den Pfarrern und Ältesten wahrgenommen werden. Regelmäßig sollen Synoden tagen und Zusammenkünfte der Pfarrer stattfinden. Gemeinsam standen die Synodalen dafür ein, dass beides sein Recht bekommt: die Selbständigkeit der Gemeinden einerseits – das presbyteriale Element – und der Zusammenhalt der Gemeinden untereinander – das synodale Element. Die Gemeinden sollen sich gemäß den Bestimmungen der Synode gegenseitig stark machen, was auch dadurch geschah, dass sich schon im selben Jahr weitere Bergische Gemeinden der Synode angeschlossen haben. Einige Jahrzehnte später orientierten sich die reformierten Gemeinden im Herzogtum Jülich-Kleve-Berg in der Duisburger Generalsynode vom 7.–11.  September 1610 an den Emder Beschlüssen.44 Diese bestätigte die presbyterial-synodale Ordnung: Jede Gemeinde soll von einem Presbyterium geleitet werden. Aus diesem werden Vertreter in die Versammlung der Classis delegiert. Alle drei Jahre sollen auf einer Generalsynode die Angelegenheiten der gesamten Kirche beraten und Entscheidungen getroffen werden. Schon bald zeigte sich indes, dass in manchen Territorien – besonders am Niederrhein und in der Pfalz – die Obrigkeit auf das landesherrliche Kirchenregi-

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ment pochte und die Freiheit der Kirche vom Staat, die ursprünglich in der presbyterial-synodalen Ordnung vorgesehen war, bisweilen verblasste. So gab es in den Städten eine Mitwirkung der Obrigkeit bei der Pfarrwahl und eine Beteiligung des Stadtrates am Konsistorium. Weiter ist zu beobachten, dass etwa die Kirchenordnung der Christlich-Reformierten Gemeinden in den Ländern Jülich und Berg von 167145 an einer Stärkung der synodalen Instanzen gegenüber den Gemeinden interessiert war, so dass der Präses der Versammlung der Classis ein ständiges Aufsichtsamt über die Gemeinden ausübte. Für die Akten der Emder Synode ist neben dem antihierarchischen Akzent, den Artikel 1 programmatisch setzt, charakteristisch, dass die Zuständigkeiten der kirchlichen Ebenen geregelt wurden. Die Gemeinde ist für die eigenen Belange selber verantwortlich, und erst dann, wenn sie eine Aufgabe nicht selber bewältigen kann oder wenn mehrere Gemeinden von einer Angelegenheit betroffen sind, befassen sich die übergreifenden Institutionen mit einer zu klärenden Frage. Das dadurch etablierte Prinzip der Subsidiarität hatte über die Kirche hinaus einen erheblichen Einfluss auf Staat und Gesellschaft. Subsidiarität setzt auf die Selbstverantwortung des Einzelnen und begrenzt zugleich den öffentlichen Regulierungsanspruch zugunsten des eigenverantwortlichen Handelns. Im allgemeinen Recht bezeichnet Subsidiarität die Nachrangigkeit bei Rechtsnormen, Zuständigkeiten und Rechtsbehelfen. Im Sozialrecht bedeutet der Nachrang, dass Hilfsleistungen nur dann geleistet werden, wenn jemand sich nicht selbst helfen oder die Hilfe nicht von Dritten gewährt werden kann. Wenige Jahrzehnte nach der Emder Synode beschrieb der reformierte Jurist Johannes Althusius (1563–1638), der seit 1604 Stadtsyndicus von Emden war, ein staats- und gesellschaftstheoretisches Modell mit Subsidiaritätsverpflichtungen von der Familie über die Stände und Provinzen bis hin zum Staat (Politica Methodice Digesta, 1603). Mit seinem der Föderaltheologie (Bundestheologie) verpflichteten Ordnungskonzept hat er zugleich Impulse für die Entwicklung des Föderalismus gesetzt. Im Unterschied zum monar­ chisch-absolutistischen Staatsverständnis verfügen nach Althusius das Gemeinwesen bzw. das Volk über die Souveränität (Volkssouveränität). Auf dem Weg hin zum modernen Verfassungsstaat und zum neuzeitlichen Demokratieverständnis bildet der frühneuzeitliche Ansatz von Althusius eine wichtige Vorstufe. In der Neuzeit trägt das Subsidiaritätsprinzip dazu bei, die Balance zwischen dem Einzelnen und der staatlichen sozialen Fürsorge herzustellen und

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dabei Abhängigkeiten und Eigenverantwortlichkeit zu regulieren. Der Gedanke der Subsidiarität wurde prominent in der katholischen Soziallehre aufgegriffen und im Sinne einer gegliederten Gesellschaft (Individuum, Familie, Berufs- und Sozialgruppen) entfaltet: Die kleinere soziale Einheit hat Vorrang vor der nächstgrößeren, sofern diese die anstehenden Aufgaben erfüllen kann (Enzyklika Quadragesimo anno, 1931). In diesem Konzept ist vor allem die Ableitung der Subsidiarität von der Solidarität von Bedeutung, die bereits ein wesentlicher Akzent der Emder Synode gewesen ist. Heute beruhen eine Reihe von sozialpolitischen Maximen der Bundesrepublik Deutschland auf den Grundgedanken des Subsidiaritätsprinzips. Im Europarecht hat die Subsidiarität die Funktion, das Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedsstaaten zu regulieren. Im beginnenden 19. Jahrhundert setzte im Gefolge der Französischen Revolution der Wunsch der Regierten nach Teilhabe an der Regierung ein. Diesem Streben arbeiteten kirchliche Ordnungen insofern zu, dass sie Entscheidungsbefugnisse auf unterer und mittlerer Ebene vorsahen. Die unter anderem am Niederrhein und in Teilen Westfalens praktizierte presbyterial-synodale Ordnung erwies sich dadurch gleichsam als Motor für die Liberalisierung der Regierung. Umgekehrt trug diese Ordnung zu einer Liberalisierung in der Kirche bei, indem die Rechte der Gemeinden und ihrer Mitglieder gegenüber der Kirchenleitung klar beschrieben wurden. Zugleich bestand aber noch eine spannungsreiche Dualität zwischen der obrigkeitlichen konsistorialen Kirchenleitung und dem presbyterial-synodalen Kirchenmodell. Immerhin führte König Friedrich Wilhelm III. 1816 eine Ordnung mit Presbyterien und Synoden für ganz Preußen ein, die jedoch stark konsistorial geprägt war und daher auch auf Widerstand traf: Die Kirchenleitung, so der Protest einer Duisburger Pastorenversammlung von 1817, sollte bei den presbyterial-synodalen Organen und nicht bei den staatlichen Behörden liegen. Weiter wurde gefordert, dass die Synoden aus Pfarrern und Presbytern zusammengesetzt und die synodalen Leitungsämter zeitlich begrenzte Wahlämter sind. Und: Die Gemeinden sollten ihre Pfarrer selber wählen. Dieser Einspruch, der das presbyterial-synodale Element als Prinzip formuliert, atmet den Geist der Emder Beschlüsse. In diesem Zusammenhang ist an die Kirchentheorie von Friedrich D. E. Schleiermacher (1768–1834) zu erinnern, der daran interessiert war, den Einfluss des Konsistoriums – also der obrigkeitlichen Kirchenbehörde – auf die Kirche zu begrenzen. Zu diesem Zweck stellte er den Grundsatz auf: »Das Kirchenregiment muß sich immer mehr dem Zustand nähern, in dem es ist,

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wenn es sich frei aus der Gemeinde entwikkelt.«46 Mit seinem Verständnis der Kirche von der Gemeinde her knüpfte Schleiermacher sowohl an seine Erfahrungen in der Herrnhuter Gemeine als auch an die calvinischen Grundsätze an, wie sie sich in den Emder Akten widerspiegeln. Mit seiner Option für eine presbyteriale Kirchenverfassung und seiner Distanz zu episkopalen und konsistorialen Strukturen brachte er zum Ausdruck, dass es in der evangelischen Kirche keine Überordnungen der einen über die anderen geben soll. Vielmehr existiert die Kirche aus dem »Bewußtsein der wesentlichen Gleichheit aller Christen«.47 Dieses Prinzip der Mündigkeit und Selbstständigkeit aller Mitglieder der Gemeinde impliziert das Zusammenwirken dieser bei der Gestaltung des kirchlichen Lebens im Rahmen einer Ordnung, die dieses fördert. So hat Schleiermacher bereits 1808 einen Vorschlag zu einer neuen Verfassung der protestantischen Kirche für den Preußischen Staat entworfen, in dem die presbyteriale Selbstverwaltung in den Gemeinden in Analogie zur französischen Kirchenordnung geregelt werden sollte.48 Das entsprach dem Ansatz der Emder Akten, nach denen die Gemeinde ihre eigenen Angelegenheiten vor Ort entscheiden kann. Tatsächlich aber war Schleiermacher in Preußen mit einer Konsistorialverfassung konfrontiert, die den obrigkeitlichen Einfluss auf die Kirche nicht nur zuließ, sondern auch noch forciert hat und dabei presbyteriale und synodale Elemente abwehrte. Erst die Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung von 1835, die Schleiermacher nicht mehr erlebt hat, bescherte den beiden preußischen Westprovinzen eine presbyterial-synodale Ordnung. Freilich sah diese Ordnung weiterhin ein starkes konsistoriales Element vor, da ein vom König ernannter Generalsuperintendent obrigkeitliche Aufsichtsfunktionen wahrnehmen sollte. Auch wenn diese Ordnung ein Kompromiss blieb, trug sie dazu bei, dass das presbyterial-synodale Prinzip in den Teilen der Rheinprovinz und Westfalens Einzug gehalten hat, die dieses bislang nicht kannten. Der pres­byterial-synodale Gedanke war damit weit in den Protestantismus des 19. Jahrhunderts eingedrungen – mit Folgen für die evangelischen Kirchen bis heute. Synoden sind seither aus den Kirchenverfassungen nicht mehr wegzudenken. Da diese Ordnung auf eine breite Beteiligung der Gemeinden und ihrer Presbyterien an den Entscheidungen setzte, ließ sie auch in der Politik den verstärkten Wunsch nach Partizipation an der Regierung entstehen. Die Auflösung des landesherrlichen Kirchenregiments 1918 mit der Trennung von Kirche und Staat sorgte für eine weitere Veränderung. Nun war in Deutschland der Weg für eine eigenständige kirchliche Selbstorganisation gebahnt, in dessen Zuge viele presbyterial-synodale Elemente aufgenommen

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wurden. Indes machte sich eine konservative Scheu vor zu viel Erneuerung breit. Entgegen der eigentlichen Intention blieben konsistoriale Strukturen vorerst noch erhalten, so dass die tradierte Spannung von presbyterialsynoda­ler Ordnung und Obrigkeit zu einem Gegeneinander von Synode und Kirchenbehörde wurde und damit gleichsam ein Fremdkörper überlebte, der keinen eigentlichen Ort innerhalb des presbyterial-synodalen Prinzips hatte. Die von den Deutschen Christen herbeigeführten kirchenverfassungsrechtlichen Verirrungen in der Deutschen Evangelischen Kirche seit 1933 bedeuteten einen immensen Rückschritt in der Bemühung um antihierarchische Strukturen und Partizipation. Die Auflösung kirchlicher Rechtsverhältnisse, die Gleichschaltung von Landeskirchen und die Etablierung eines Reichsbischofsamtes konterkarierten das Anliegen der presbyterial-​synodalen Ordnung komplett. Auf der anderen Seite besann sich die Bekennende Kirche auf die in den Akten der Emder Synode entfalteten partizipativen Formen kirchlichen Lebens und berief Bekenntnissynoden ein. Die erste Freie reformierte Synode in Barmen vom 4. Januar 1934 war allein schon durch ihr Stattfinden eine Absage an die gleichgeschalteten Kirchen. Nicht die bisherigen verfassten Kirchenleitungen und die durch die Deutschen Christen beherrschten Synoden sollten beanspruchen, die Kirche Jesu Christi zu leiten. Vielmehr verstand sich die Freie reformierte Synode als Leitungsgremium für die reformierten Gemeinden. Unter der »Hoheit des einen Herrn der einen Kirche« hat die »Kirche […] ihren Ursprung und ihr Dasein ausschließlich aus der Offenbarung, aus der Vollmacht, aus dem Trost und aus der Leitung des Wortes Gottes«.49 Die Kirche nimmt in der Welt einen Dienst wahr. Dieses funktionale Verständnis der Kirche spiegelt sich in ihrem Auftrag, »durch Predigt und Sakrament die Botschaft von Gottes nahe herbei gekommenem Reich auszurichten« (235). Programmatischen Charakter hat schließlich die Bestimmung der Kirche als »vom Herrn selbst berufene[r] […] Gemeinde« (237) und ihre Einheit, die Absage an die Beliebigkeit der Gestalt der Kirche und die Aussage: »Die Gemeinden tragen einzeln und in ihrer Gesamtheit vor ihm [Jesus Christus] die Verantwortung dafür, dass der Dienst der Verkündigung, der Dienst der Aufsicht und die die Verkündigung begleitenden Dienste der Lehre und der Liebe in ihrer Mitte ihre berufenen Träger finde und von diesen recht ausgeübt werde.« (237) In einer kirchenpolitisch brisanten Situation bewährte sich die presbyterial-synodale Ordnung der Kirche auch darin, dass ein kirchliches Führeramt abgelehnt wurde. Die auf der Ersten Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche von reformierten, lutherischen und unierten Synodalen beschlossene

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Barmer Theologische Erklärung vom 31. Mai 1934 unterstrich das Wesen der Kirche als Gemeinde. In These 3 maß sie der kirchlichen Ordnung Zeugnischarakter zu: »Die christliche Kirche ist die Gemeinde von [Schwestern und] Brüdern, in der Jesus Christus in Wort und Sakrament durch den Heiligen Geist als der Herr gegenwärtig handelt. Sie hat mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung mitten in der Welt der Sünde als die Kirche der begnadigten Sünder zu bezeugen, dass sie allein sein Eigentum ist, allein von seinem Trost und von seiner Weisung in Erwartung seiner Erscheinung lebt und leben möchte.« (243) Die kirchlichen Ämter sind nicht hierarchisch geordnet, sondern Dienste der ganzen Gemeinde, wie These 4 betont: »Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes.« (244) Damit zogen die Barmer Thesen entscheidende Konsequenzen aus den Akten der Emder Synode für die Gestalt und Gestaltung der Kirche. Bedingt durch die Erfahrungen des Kirchenkampfes und der Bekenntnis­ synoden der Jahre 1934–1936 wuchs in der Evangelischen Kirche in Deutschland nach 1945 das Bewusstsein für die Tragfähigkeit einer presbyterial-synodalen Kirchenverfassung. Die kirchliche Neuordnung nach 1945 bezog sich auf das Verständnis der Bekenntnissynoden von kirchenleitendem Handeln als einer kirchlichen und biblisch-theologisch fundierten Aufgabe. Damit zog ein von obrigkeitlich-konsistorialen Elementen befreites presbyterial-synodales Prinzip in die landeskirchlichen Ordnungen der evangelischen Kirche ein. Das gilt nicht nur für die reformierten und unierten Kirchen, sondern auch für die bischöflich verfassten lutherischen Landeskirchen. Die Kirchen lassen sich ihre Ämter und Organe nicht von außen aufzwingen, sondern bilden sie in eigener Verantwortung selber. In diesem Sinne heißt es in der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland: »Die Landeskirche ordnet unter Wahrung der presbyterial-synodalen Ordnung Auftrag und Dienst der Kirchengemeinden und Kirchenkreise. Sie wacht darüber, dass die Kirchengemeinden, Kirchenkreise und Verbände ihren Auftrag und ihre Aufgaben erfüllen und gibt ihnen die notwendige Hilfestellung.«50 Zum Teil bis in die Formulierungen hinein gehen die Verfassungsgrundsätze der Evangelisch-reformierten Kirche auf die Akten der Emder Synode zurück: Gegründet allein auf Jesus Christus, den sie bezeugt, versteht sie sich als »Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern«.51 Als »bekennende evangelische Gemeindekirche« (§ 4) verneint die Ordnung eine Über- und Unterordnung der Gemeinden sowie unter den Mitgliedern einer Gemeinde,

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indem sie Artikel 1 der Emder Synode in einer Kurzfassung zitiert (§ 4 [1]). Die Leitung der Kirche geschieht durch Presbyterien und Synoden; die Wahl der Pastorinnen und Pastoren nimmt die Gemeinde vor. Schließlich wird das Subsidiaritätsprinzip bekräftigt: »Die Gemeinden ordnen ihre Angelegenheiten selbstständig. Den Synoden wird vorgelegt, was in der Gemeinde nicht hat entschieden werden können.« (§ 4 [4]). Einen ähnlichen Akzent setzt die Verfassung der Lippischen Landeskirche. Sie versteht sich ebenfalls als Kirche, die sich von den einzelnen Gemeinden her aufbaut, welche keinen »Vorrang oder Herrschaft« übereinander haben.52 Von der Leitung der Kirche heißt es, dass sie »durch die Kirchenvorstände und die Landessynode« erfolgt (Art. 2 [2]). Gemeinsam tragen die Gemeinden und die Landeskirche die Verantwortung für Wortverkündigung, Sakramentsverwaltung und alle weiteren kirchlichen Lebensäußerungen.

1.5

Text und Überlieferungen der Akten der Emder Synode

Die Akten der Emder Synode wurden in lateinischer Sprache verfasst. Die Überschrift gibt den Gegenstand des Dokuments, den Ort und das Datum der Verhandlungen an: »Acta synodi ecclesiarum Belgicarum, quae sub cruce sunt et per Germaniam et Phrisiam orientalem dispersae, habitae Embdae 4. die Octobris anno 1571«. Aus drei Teilen bestehen die Akten. Der erste Teil enthält die grundlegenden Beschlüsse, die Generalia. Sie sind in 53 Artikel unterteilt und mit dem Beschlussdatum »Embdae, 12. die Octobris anno 1571, a quarto die usque ad duodecimum« versehen und vom Präses der Synode Gaspar Heydanus sowie vom Protokollführer, dem Scriba Johannes Polyander, eigenhändig unterschrieben. Der zweite Teil, »Facta particularia seu quaestiones particulares« überschrieben sowie mit dem Datum »Embdae, 13. Octobris 1571« und den Namen des Präses und des Protokollführers versehen, enthält Beschlüsse zu besonderen Vorfällen und Antworten auf von den Gemeinden vorher eingereichte Fragen. Dieser Teil besteht aus 25 Artikeln. Der dritte Teil enthält die Synodalordnung, die sich zusammensetzt aus »De classicis conventibus« mit 9 Artikeln, »De provincialibus synodis« mit 16 Artikeln und »De generalibus synodis« mit einem Artikel. Es folgt die Liste mit den Namen und meist mit einer Ortsangabe verbundenen Amtsbezeichnung der Personen, die bei der Synode anwesend waren und das Protokoll unterschrieben haben.

Abb. 3: Einladungsschreiben aus Heidelberg vom 30. Juni 1571, S. 1 + 4

Abb. 4: Abschrift der Akten der Emder Synode im Protokollband der Weseler Gemeinde mit Durchnummerierung der Artikel von 1 bis 108, S. 29 (Von den Generalen Synoden)

Abb. 5: Niederländische Übersetzung der Akten der Emder Synode von Jan de Roye (1571), S. 1 (Den handel des synodums)

Abb. 6: Niederländische Übersetzung der Akten der Emder Synode von Jacob de Pottre (1574), S. 97 (Van den classischen bijeenkompsten)

Abb. 7: Abschrift der Akten der Emder Synode in einem Folianten mit Jülicher Synodalprotokollen im Stadtarchiv Köln, S. 1 (Acta synodi Ecclesiarum Belgicarum)

Abb. 8: Abschrift der Akten der Emder Synode im Protokollband der Dürener Gemeinde, S. 8 (Besondere Acta und Fragen)

Abb. 9: Abschrift der Akten der Emder Synode im Protokollband der Dürener Gemeinde, S. 13 (Von den Provinciall Synoden)

Abb. 10: Abschrift der Akten der Emder Synode im Protokollband der Dürener Gemeinde, S. 14 (Von den Generalen Synoden)

Text und Überlieferungen der Akten der Emder Synode 

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Die Reihenfolge des zweiten und dritten Teils weicht in den Handschriften voneinander ab. So stehen in einer 1575 in Alkmaar entstandenen Abschrift die Particularia am Schluss.53 Viel spricht für diese Abfolge, denn in den Artikeln 23–25 der Particularia, die sich mit der Einberufung der nächsten Synode befassen, scheint die Synodalordnung bereits vorausgesetzt zu sein. Die meisten Handschriften aber bringen die drei Teile in der oben dargestellten Ordnung. Da das Originalprotokoll seit Mitte des 17. Jahrhunderts verschollen ist, lässt sich die ursprüngliche Reihenfolge nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Als letzter Zeuge für die Existenz des authentischen Dokuments wird Jacobus Trigland genannt, ein Professor aus Leiden, der 1650 in seinen »Kerckelijcke Geschiedenissen« schrieb, dass die in lateinischer Sprache abgefassten und nicht nur vom Präses und vom Scriba, sondern von allen Teilnehmern unterschriebenen Akten bei einer Person »van treffelijcke qualiteyt« lagerten, die in Verbindung stünde zu einem, der nicht der Geringste auf der Versammlung gewesen sei.54 Wer diese nicht mit Namen bezeichnete Person war, ist unbekannt.55 Einiges spricht dafür, dass sie im Umkreis von Delft zu suchen ist, wohin die Originalakten aus Emden für die Generalsynode in Dordrecht 1578 übersandt worden sein sollen.56 Obwohl die originalen Akten schon seit mehr als 350 Jahren nicht mehr auffindbar sind, lässt sich mit einiger Sicherheit sagen, wie das ursprüngliche Dokument inhaltlich ausgesehen haben muss. Denn sehr bald wurden Abschriften angefertigt, die ersten mit hoher Wahrscheinlichkeit schon in Emden bei der Synode selbst. Wenn man sich dort an die eigenen Beschlüsse gehalten hat (Provinzsynode, Artikel 9), dann müssen allen Delegierten mit den Unterschriften des Präses und des Protokollführers beglaubigte Abschriften für die Gemeindeleitungen mitgegeben worden sein. Der Synodenteilnehmer Hermann Modet berichtet am 14. Oktober 1571 in einem Brief für die niederländischsprachigen Gemeinden in England von der Synode und hat die Beschlüsse offenbar beigelegt. Diesem Brief entnehmen wir auch, dass der Synodenteilnehmer Taffinus den Auftrag hatte, »tselve over te senden« an die französischsprachigen Gemeinden in England.57 Auch in zahlreiche Protokollbücher von Gemeinden, Classes und Synoden, nicht ausschließlich nur niederländischer Herkunft, wurden die Emder Beschlüsse eingetragen. In einigen Protokollbüchern stehen sie an erster Stelle, wie das Konsistorialbuch der Gemeinde Oberwinter von 1573 zeigt. Die Abschriften – und manchmal auch Abschriften von Abschriften – und die Übersetzungen in die Landessprachen zeigen eine große Vielfalt. Sie lagern in Archiven und Bibliotheken in den Niederlanden, Belgien und

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Deutschland und weisen manche Unterschiede auf. So enthalten einige Handschriften das in Artikel 9 der Particularia erwähnte Genfer Gutachten, das Theodor Beza für die Gemeinde in Norwich erstellt hat, als es in den englischen Gemeinden Uneinigkeiten wegen der Taufe gab.58 Manchmal wurden Artikel kommentiert, gelegentlich auch bewusst einige ausgelassen, um den örtlichen Umständen zu entsprechen, wie etwa im bereits erwähnten Konsistorialbuch der Gemeinde Oberwinter. In einer anderen im Gemeindearchiv Wesel lagernden Handschrift sind die Artikel ohne Rücksicht auf die drei Teile von 1 bis 108 durchnummeriert (siehe Abb. 4). Bei Handschriften aus dem linksrheinischen Bereich ist auffällig, dass der in den Synodenakten sonst gebräuchliche Begriff »Classis« für die regionale Versammlung häufig durch den des »Quartiers« ersetzt ist wie zum Beispiel im Protokollband der Jülicher Synoden.

Lateinische Handschriften

Die lateinischen Handschriften lassen sich ihrer Herkunft entsprechend weitgehend gruppieren in nordholländische, Utrechter, geldrische und niederrheinische Provenienz. Die älteste und wegen ihrer Herkunft Alkmaar59 interessanteste ist eine nicht mehr zugängliche Abschrift, die 1575 angefertigt wurde und vom Ältesten und Synodalen Mr. Jacob van Foreest stammte. Sie hatte die Reihenfolge Generalia, Synodalordnung, Particularia und enthielt die vollständige Teilnehmerliste. Eine andere ebenfalls frühe Handschrift wird in Utrecht aufbewahrt. Sie ist enthalten in einer Sammlung mit Stücken, die auf die niederländischen Flüchtlinge in England in den Jahren 1560–1571 weisen. Vermutlich gehören die Texte unmittelbar in die Zeit nach der Synode, wobei es sich aber nicht um eine jener Kopien handeln soll, die in Emden angefertigt wurden.60 Eine dritte Handschrift, die J. F. Gerhard Goeters wie die beiden zuvor genannten bei der Wiedergabe seines lateinischen Textes herangezogen hat, findet sich in den Protokollen der Provinzsynoden von Gelderland. Sie enthält die Teilnehmerliste, wobei der Name von Johannes Arnoldi fehlt, und den zu Artikel 9 Particularia gehörenden Text des Gutachtens von Theodor Beza. Die niederrheinische Gruppe wird abgeleitet von dem Text, der auf Beschluss der Synode von Birkesdorf am 7. Juli 1573 in ihr Synodalbuch eingetragen wurde. (92)

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Niederländische Handschriften

Bei den niederländischen Handschriften und Übersetzungen gibt es eine große Variabilität, was Goeters zu der Beobachtung führt: »Kaum eine bietet exakt denselben Wortlaut wie eine andere.« (96) Als »einen Abglanz der Synode und ihres Geistes« beurteilt er jedoch die Übersetzung des Kölner Presbyters und Emder Synodalen Jan de Roye. Sie wird bis zum 10. Dezember 1571 angefertigt worden sein, also nur wenige Wochen nach der Synode in Emden, denn an dem Tag quittierte de Roye einen Betrag von zwei Talern für seine »translatie van de acten des Synodus van Embden«. (97) Auch die Eintragung ins Konsistorialprotokollbuch der niederländischen Gemeinde in Köln stammt von de Roye (siehe Abb. 5). Gut zwei Jahre jünger ist die Übersetzung, die im Auftrag des Konsistoriums der Gemeinde Goch vom Ältesten Jacob de Pottre angefertigt wurde. Sie hat sprachlich einige Anklänge ans Niederdeutsche. Die Synodalordnung befindet sich hier zwischen Generalia und Particularia. Die Abschrift, ein Autograph, ist enthalten in einem Sammelband mit Synodalprotokollen, der im Landeskirchenarchiv der Evangelischen Kirche im Rheinland aufbewahrt wird (siehe Abb. 6).

Französische Handschriften

Hinsichtlich des französischen Textes ist die älteste Abschrift, die Middelburger Handschrift, im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Goeters beruft sich bei der Wiedergabe seines französischen Textes deshalb auf den ersten Band der Edition des Livre synodal der Wallonengemeinde in den Niederlanden von 1896. (9.101 f)

Deutsche Handschriften

Der deutsche Text wird auf ein einziges Dokument zurückgeführt, nämlich auf die am 29. April 1572 von Johannes Christianus für das Konsistorium der hochdeutschen Gemeinde in Köln beim Gerichtsschreiber von Randerath Carl von Wierdt angeforderte deutsche Übersetzung. Von Wierdt war Presbyter, 1572 auch Synodenprotokollant, und wird als der Übersetzer des lateinischen Textes ins Deutsche angesehen. 1573 wurden die Akten deutsch und lateinisch in das Originalsynodalbuch der Synode eingetragen.

Vorgeschichte – Themen – Folgen

60

Von diesem nicht mehr vorhandenen Synodalbuch können nach Goeters alle erhalten gebliebenen Abschriften abgeleitet werden. (102) Eine Spur der Zweisprachigkeit ist aber wohl nur in einem Protokollband der Jülicher ­Synoden erhalten geblieben (siehe Abb. 7). Dort folgt auf den lateinischen Text der Generalia eine deutsche Übersetzung von Artikel 1–16 Generalia, die dann ab Artikel 17 in Niederländisch fortgesetzt wird. (94.98.102) Als »extrahiert aus dem Original Synodal Buch, so anno Christi 1571 aufgerichtet« extra gekennzeichnet, entspricht der Protokollband der Dürener Gemeinde wahrscheinlich am genauesten der Anlage des Originalsynodalbuchs (siehe Abb. 8–10). Goeters hat den deutschen Text seiner Synopse nach dieser Abschrift abgedruckt, weil sie die »offensichtlich beste Textgestalt« hat. (105)

Hochdeutsche Übersetzungen

Im 20. Jahrhundert entstanden zwei neue Übersetzungen aus dem Lateinischen ins Hochdeutsche. 1949 erschien eine von Klugkist Hesse angefertigte Übersetzung, die in den reformierten Bekenntnisschriften abgedruckt wurde.61 Nur wenige Jahrzehnte später, zum 400. Jubiläum der Emder Synode 1971, wurde eine dem damaligen Sprachgefühl entsprechende Übersetzung des Einladungsschreibens und der Akten von Dieter Perlich erstellt; sie wurde abgedruckt im Jubiläumsband, den die Evangelisch-reformierte Kirche 1973 herausgab.62 Die in diesem Band abgedruckte Übersetzung des lateinischen Textes, die Matthias Freudenberg vorgenommen hat, greift an einigen Stellen auf die Übersetzung von 1973 dankbar zurück.

1.6

Quellen und Literatur

Lateinischer Text und alte Übersetzungen Acta van de Nederlandsche Synoden der zestiende eeuw, verzameld en uitgegeven door F(rederik) L. Rutgers (Werken der Marnix-Vereeniging ser. II. d. III), Utrecht 1889, 42–119. Bernardus van Meer, De Synode te Emden 1571, ’s-Gravenhage 1892, 229–261 (= Acta synodi ecclesiarum Belgicarum quae sub cruce sunt et per Germaniam et Phrisiam orientalem dispersae, habitae Embdae 4. die Octobris anno 1571, in: Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen der nach Gottes Wort reformierten Kirche, hg. v. Wilhelm Niesel, München 1938, 277–298).

Quellen und Literatur 

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Acta synodi ecclesiarum Belgicarum, quae sub cruce sunt et per Germaniam et ­Phrisiam orientalem dispersae, habitae Embdae 4. die Octobris anno 1571, in: Die Akten der Synode der Niederländischen Kirchen zu Emden vom 4.–13. Oktober 1571. Im lateinischen Grundtext mitsamt den alten niederländischen, französischen und deutschen Übersetzungen, hg. v. J. F.  Gerhard Goeters, Neu­k irchenVluyn 1971, 13–88. Die niederländische Übersetzung der Emder Akten des Kölner Ältesten Jan de Roye von 1571, in: Die Akten der Synode des Niederländischen Kirchen zu Emden vom 4.–13. Oktober 1571. Im lateinischen Grundtext mitsamt den alten niederländischen, französischen und deutschen Übersetzungen, hg. v. J. F. Gerhard Goeters, Neukirchen-Vluyn 1971, 107–129. Die niederländische Übersetzung der Emder Akten des Gocher Ältesten Jacob de Pottre von 1574, in: Die Akten der Synode der Niederländischen Kirchen zu Emden vom 4.–13. Oktober 1571. Im lateinischen Grundtext mitsamt den alten niederländischen, französischen und deutschen Übersetzungen, hg. v. J. F. Gerhard Goeters, Neukirchen-Vluyn 1971, 130–147. Weerda, Jan Remmers, Eine Einladung zur Emder Synode 1571, ZKG 60 (1941), ­469–474 (= ders., Nach Gottes Wort reformierte Kirche. Beiträge zu ihrer Geschichte und ihrem Recht, hg. v. Anneliese Sprengler-Ruppenthal [TB 23], München 1964, 68–75).

Hochdeutsche Übersetzungen Das Einladungsschreiben zur Synode von 1571. Übersetzung aus dem Lateinischen v. Dieter Perlich, in: Emder Synode 1571–1971. Beiträge zur Geschichte und zum 400jährigen Jubiläum, bearb. u. redigiert v. Elwin Lomberg, hg. v. der Evangelischreformierten Kirche in Nordwestdeutschland, Neukirchen-Vluyn 1973, 45–48. Emder Kirchenordnung von 1571, in: Reformierte Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen in deutscher Übersetzung, bearb. u. hg. v. Paul Jacobs, Neukirchen 1949, 249–266 (Bearbeiter: Klugkist Hesse). Die Akten der Synode der niederländischen Gemeinden, die unter dem Kreuz sind und in Deutschland und Ostfriesland verstreut sind, gehalten in Emden, den 4. Oktober 1571. Übersetzung aus dem Lateinischen v. Dieter Perlich, in: Emder Synode 1571–1971. Beiträge zur Geschichte und zum 400jährigen Jubiläum, bearb. u. redigiert v. Elwin Lomberg, hg. v. der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland, Neukirchen-Vluyn 1973, 49–66.

Quellen und Literatur zur Emder Synode Die Akten der Synode der Niederländischen Kirchen zu Emden vom 4.–13. Oktober 1571. Im lateinischen Grundtext mitsamt den alten niederländischen, französischen und deutschen Übersetzungen, hg. v. J. F.  Gerhard Goeters, Neukirchen-Vluyn 1971.

62

Vorgeschichte – Themen – Folgen

Becker, Judith, Gemeindeordnung und Kirchenzucht. Johannes  a Lascos Kirchenordnung für London (1555) und die reformierte Konfessionsbildung (SMRT 122), Leiden u. a. 2007. Becker, Judith, Reformierter Gemeindeaufbau in Westeuropa. Zur Verbreitung calvinischer Ekklesiologie, in: Calvin und Calvinismus. Europäische Perspektiven, hg. v. Irene Dingel / Herman J.  Selderhuis (VIEG.B 84), Göttingen 2011, 263–279. Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen der nach Gottes Wort reformierten Kirche, hg. v. Wilhelm Niesel, Zollikon / Zürich 1938. Die Beschlüsse des Weseler Konvents von 1568, hg. u. ins Deutsche übertragen v. J. F. Gerhard Goeters, Düsseldorf 1968. Dooren, Jan Pieter van, Der Weseler Konvent von 1568. Neuere Forschungsergebnisse, MEKGR 31 (1982), 41–55. Emder Synode 1571–1971. Beiträge zur Geschichte und zum 400jährigen Jubiläum, bearb. u. redigiert v. Elwin Lomberg, hg. v. der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland, Neukirchen-Vluyn 1973. Evangelische Bekenntnisse. Bekenntnisschriften der Reformation und neuere Theologische Erklärungen, hg. v. Rudolf Mau, Bd. 2, Bielefeld 1997, 197–205. Frost, Herbert, Der Konvent von Wesel im Jahre 1568 und sein Einfluß auf das Entstehen eines deutschen evangelischen Kirchenverfassungsrechts, in: ders., Ausgewählte Schriften zum Staats- und Kirchenrecht, hg. v. Manfred Baldus (Ius ecclesiasticum 65), Tübingen 2001, 63–115. Frost, Herbert, Gedanken über das reformierte Kirchenverfassungsrecht am Niederrhein zwischen Emden (1571) und Duisburg (1610), in: ders., Ausgewählte Schriften zum Staats- und Kirchenrecht, hg. v. Manfred Baldus (Ius ecclesiasticum 65), Tübingen 2001, 116–173. Goeters, J. F. Gerhard, Der Weseler Konvent niederländischer Flüchtlinge vom 3. November 1568, in: Weseler Konvent 1568–1968. Eine Jubiläumsschrift (SVRKG 29), Düsseldorf 1968, 88–114. Goeters, J. F. Gerhard, Studien zur niederrheinischen Reformationsgeschichte, hg. v. Dietrich Meyer (SVRKG 153), Köln 2002. Hollweg, Walter, Die Nachwirkungen der Weseler Konventsbeschlüsse von 1568, dargestellt bis zur Emder Synode 1571, in: Weseler Konvent 1568–1968. Eine Jubiläumsschrift (SVRKG 29), Düsseldorf 1968, 140–162. Jong, Otto J. de, Die Emder Generalsynode vor dem Hintergrund der westeuropäischen Reformationsgeschichte, JGNKG 68 (1970), 9–24. Meer, Bernardus van, De Synode te Emden 1571, ’s-Gravenhage 1892. Nauta, Doede / Dooren, Johan Pieter van / Jong, Otto J. de (Hg.), De Synode van Emden, oktober 1571. Een bundel opstellen ter gelegenheid van de vierhonderdjarige herdenking, Kampen 1971. Nijenhuis, Willem, The Synod of Emden 1571, in: Ecclesia reformata. Studies on the Reformation, Bd. 2 (Kerkhistorische bijdragen 16), Leiden u. a. 1994, 101–124. Pettegree, Andrew, Emden and the Dutch revolt. Exile and the development of reformed Protestantism, Oxford 1992. Reformierte Bekenntnisschriften, hg. im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutsch-

Quellen und Literatur 

63

land v. Eberhard Busch / Heiner Faulenbach / Andreas Mühling / Peter Opitz, Bd. 1/1– 2/2, Neukirchen-Vluyn 2002–2009 (= RBS). Reformierte Bekenntnisschriften. Eine Auswahl von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. v. Georg Plasger / Matthias Freudenberg, Göttingen 2005. Reformierte Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen in deutscher Übersetzung, hg. v. Paul Jacobs, Neukirchen 1949. Schilling, Heinz, Niederländische Exulanten im 16. Jahrhundert. Ihre Stellung im Sozialgefüge und im religiösen Leben deutscher und englischer Städte (SVRG 187), Gütersloh 1972. Schilling, Heinz, Die niederländischen Exulanten des 16. Jahrhunderts. Ein Beitrag zum Typus der frühneuzeitlichen Konfessionsmigration, GWU 43 (1992), 67–78. Spohnholz, Jesse, The Convent of Wesel. The Event that Never was and the Invention of Tradition, Cambridge u. a. 2017. 400 Jahre Bedburger Synode. Eine Festschrift, Bedburg-Niederaußem 1971. Weerda, Jan Remmers, Eine Einladung zur Emder Synode 1571, in: ders., Nach Gottes Wort reformierte Kirche. Beiträge zu ihrer Geschichte und ihrem Recht, hg. v. Anneliese Sprengler-Ruppenthal (TB 23), München 1964, 68–75. Zschoch, Hellmut, Die presbyterial-synodale Ordnung – Prinzip und Wandel, MEKGR 55 (2006), 199–217.

Weiterführende Literatur Beintker, Michael, Grund und Gestalt der Kirche im Denken Calvins und im Horizont der Barmer Theologischen Erklärung, KuD 56 (2010), 45–59. Beintker, Michael, Leitlinien reformatorischer Ekklesiologie. Das Beispiel Calvins, ZThK 114 (2017), 398–416. Beintker, Michael, Reformierte Akzente in der Kirchentheorie Friedrich Schleiermachers, in: Der reformierte Schleiermacher. Gespräche über das reformierte Erbe in seiner Theologie, hg. v. Anne Käfer, Berlin / Boston 2019, 101–121. Busch, Eberhard, Die Kirchenordnung als Bekenntnisfrage, US 51 (1996), 329–341. Freudenberg, Matthias, Calvins Einfluss auf die Entwicklung des reformierten Verständnisses der Kirche, in: Calvins Erbe. Beiträge zur Wirkungsgeschichte Johannes Calvins, hg. v. Marco Hofheinz / Wolfgang Lienemann / Martin Sallmann (RHT 9), Göttingen 2011, 19–44. Link, Christian, Die Kennzeichen der Kirche aus reformierter Sicht, in: ders., Prädestination und Erwählung. Calvin-Studien, Neukirchen-Vluyn 2009, 235–258. Mehlhausen, Joachim, Art. Presbyterial-synodale Kirchenverfassung, TRE XXVII, 1997, 331–340. Plasger, Georg, Die Dienste in der Gemeinde. Impulse aus der Ämterlehre Calvins für die gegenwärtige Diskussion um Amt und Ordination, EvTh 69 (2009), 133–141. Rauhaus, Martin, Das kirchenrechtliche Gemeindeprinzip und seine Auswirkungen auf die kirchliche Verfassungsgestaltung. Dargestellt am Beispiel der Verfassung der evangelisch-reformierten Kirche (Schriften zum Staatskirchenrecht 23), Frankfurt / M. 2005.

64

Vorgeschichte – Themen – Folgen

Anmerkungen 1 Fernando Álvarez de Toledo y Pimentel, Herzog von Alba (1507–1582), spanischer Adliger, Feldherr und Staatsmann im Dienst Karls V. und seines Sohnes, des spanischen Königs Philipp  II . Wegen seiner grausamen Bekämpfung der Protestanten wurde er auch der »eiserne Herzog« genannt. 2 Vgl. Schilling, Niederländische Exulanten, 66.177. 3 Der Grenzverlauf zwischen Ostfriesland und den Niederlanden war in der Zeit noch nicht überall klar definiert. 4 Johannes a Lasco war ein polnischer Theologe, der 1542 von der ostfriesischen Gräfin Anna als Superintendent nach Ostfriesland geholt wurde. Er war maßgeblich an der Kirchenordnung für Ostfriesland beteiligt und prägte durch seinen Aufenthalt in London die dortigen Flüchtlingsgemeinden. 5 Evangelische Bekenntnisse, 197–205 (= RBS 2/1, 57–83). 6 Beschlüsse des Weseler Konvents, 88. Ob diese Zusammenkunft zu diesem Zeitpunkt in Wesel stattfand, wird in Frage gestellt von van Dooren, Weseler Konvent, 41–55; vgl. auch Spohnholz, The Convent of Wesel. 7 Philips van Marnix (1538/40–1598), Herr von Mont Saint Aldegonde, studierte u. a. in Genf bei Johannes Calvin; er war niederländischer Dichter, Psalmenübersetzer und Politiker sowie Berater Wilhelms von Oranien. 8 Vgl. Elwin Lomberg, Ursachen, Vorgeschichte, Verlauf und Auswirkungen der Emder Synode von 1571, in: Emder Synode 1571–1971, 17 f. Ein Original dieses Rundschreibens befindet sich im Archiv der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden. 9 Vgl. Hollweg, Nachwirkungen, 147. 10 Vgl. van Dooren, Voorbereiding en Deelnemers, 80. 11 Van Meer, De Synode te Emden, 136–141. 12 Vgl. Kapitel 1.5. 13 Vgl. van Dooren, Voorbereiding en Deelnemers, 81. 14 Martin Luther, Ausgewählte Schriften, hg. v. Karin Bornkamm / Gerhard Ebeling, Bd. 1, Frankfurt / M. 1982, 155–161. 15 Martin Luther, Daß eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, die Lehre zu beurteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen, Grund und Ursach aus der Schrift (1523), in: ders., Ausgewählte Schriften, Bd. 5, Frankfurt / M. 1982, 7–18. 16 Huldrych Zwingli, Auslegen und Gründe der Schlußreden (1523), in: Huldrych Zwingli Schriften, im Auftrag des Zwinglivereins hg. v. Thomas Brunnschweiler / Samuel Lutz, Bd.  II, Zürich 1995, 70. 17 Reformierte Bekenntnisschriften, 24 (= RBS 1/1, 203). 18 Johannes Calvin, Unterricht in der christlichen Religion, nach der letzten Ausgabe von 1559 übers. u. bearb. v. Otto Weber, bearb. u. neu hg. v. Matthias Freudenberg, Neukirchen-Vluyn 2008, 263–268 (Inst. II,15,1–6). 19 Ebd., 566 (Inst. IV,1,3). 20 Johannes Calvin, Kommentar zu Eph 4,11–14, in: Auslegung der Heiligen Schrift. Neue Reihe, hg. v. Otto Weber, Bd. 17, Neukirchen 1963, 163. 21 Calvin, Unterricht, 589 f (Inst. IV,3,1).

Anmerkungen 

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22 Calvin-Studienausgabe, hg. v. Eberhard Busch u. a., Bd. 2, Neukirchen-Vluyn 1997, ­238–259 (= RBS 1/2, 246–260). 23 Johannes Calvin, Vorrede zum Psalmenkommentar (1557), in: Calvin-Studienausgabe, Bd. 6, Neukirchen-Vluyn 2008, 23. 24 Johannes Calvin, Streitschrift gegen die Artikel der Sorbonne (1544), in: Calvin-Studienausgabe, Bd. 3, Neukirchen-Vluyn 1999, 73.75. 25 Johannes Calvin, Predigt über die Seligpreisungen (1560), in: Johannes Calvin. Diener am Wort Gottes. Eine Auswahl seiner Predigten, hg. v. Erwin Mülhaupt, Göttingen 1934, 178. 26 Calvin, Unterricht, 566 (Inst. IV,1,2). 27 Ebd., 579 (Inst. IV,1,22). 28 Joannis a Lasco Opera Omnia, hg. v. Abraham Kuyper, Bd. II, Amsterdam 1866, 1–274. 29 Vgl. Judith Becker, Reformierter Gemeindeaufbau, 263–279. 30 Evangelische Bekenntnisse, 197–205 (= RBS 2/1, 57–83). 31 Ebd., 205 (= RBS 2/1, 83). 32 Artikel 29, in: Reformierte Bekenntnisschriften, 119 (= RBS 2/1, 26). 33 Artikel 31, in: Reformierte Bekenntnisschriften, 120 (= RBS 2/1, 26). 34 Vgl. Kapitel 1.1 mit Anm. 6. 35 Lat.: conventus classici, früher mit »Classicalversammlungen« übersetzt. Der lat. Begriff classis bezeichnet einen Bezirk bzw. Kirchenkreis, für den ein Konvent einberufen werden soll. 36 Lat.: synodus provincialis, früher mit »Provinzialsynode« übersetzt. 37 Reformierte Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen, 155–174 (= RBS 2/1, 319–370). 38 Reformierte Bekenntnisschriften, 107–123 (= RBS 2/1, 1–30). 39 BSELK, 65–225. 40 Calvin-Studienausgabe, Bd. 2, 1–135 (= RBS 1/2, 279–362). 41 Reformierte Bekenntnisschriften, 151–186 (= RBS 2/2, 167–211). 42 Calvin-Studienausgabe, Bd. 2, 252 f (= RBS 1/2, 255 f). 43 400 Jahre Bergische Synode, hg. v. Ev. Kirchenkreis Niederberg, Velbert 1989. 44 Die Akten der Generalsynoden von Jülich, Kleve, Berg und Mark 1610–1793, 1. Teil, hg. v. Albert Rosenkranz, Düsseldorf 1966; vgl. Zschoch, Die presbyterial-synodale Ordnung, 199–217. 45 Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen, 298–325. 46 Friedrich Schleiermacher, Die praktische Theologie nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt. Aus Schleiermachers handschriftlichem Nachlasse und nach geschriebenen Vorlesungen, hg. v. Jacob Frerichs, Berlin 1850, 540; vgl. Michael Beintker, Reformierte Akzente, 110–121. 47 Friedrich Schleiermacher, Die christliche Sitte nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt (1843), neu hg. v. Wolfgang E. Müller, Teil 2, Waltrop 1999, 519. 48 Friedrich Schleiermacher, Vorschlag zu einer neuen Verfassung der protestantischen Kirche für den Preußischen Staat, in: ders., Kirchenpolitische Schriften, hg. v. Günter Meckenstock (KGA I/9), Berlin / New York 2000, 1–18.

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Vorgeschichte – Themen – Folgen

49 Reformierte Bekenntnisschriften, 233. 50 Verfassung der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 10.1.2003 i. d. F. v. 10.01.2019, Art. 126 (3). 51 Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche vom 9.6.1988 i. d. F. v. 29.4.2017, § 2 (2). 52 Verfassung der Lippischen Landeskirche vom 17.2.1931 i. d. F. v. 27.11.2018, Art. 2 (1). 53 Vgl. Akten, 90; ein weiteres Beispiel ist die Übersetzung von Jacob de Pottre, in: Akten, 130–147. 54 Ebd., 89 f. 55 J. F. Gerhard Goeters vermutet, dass man sich »im Umkreis des Delfter Predigers Henricus Arnoldi (gest. 1638), vielleicht mit dem Emder Synodalen Johannes Arnoldi (gest. 1573) verwandt, und des Leideners Petrus Cabeljau (gest. 1668), der des ersteren Nachlaß sicherte und mit Trigland und seiner Arbeit in naher Beziehung stand, umzusehen« habe (Akten, 90). Jan Pieter van Dooren hält für wahrscheinlich, dass Trigland den Enkelsohn von Polyander, ein Herr van Heenvliet und Sohn des Leidener Professors Johannes Polyander à Kerckhoven, gemeint habe (Voorbereiding en Deelnemers, 82). 56 Akten, 89. 57 Van Meer, De Synode te Emden, 262–265. 58 Ein Beispiel für eine solche Abschrift mit dem beigefügten Gutachten findet sich im Protokollbuch der Provinzsynoden von Gelderland; ein weiteres Beispiel befindet sich in einem Folioband mit Texten bis zum Jahr 1582, das im Historischen Archiv der Stadt Köln aufbewahrt wird. 59 Alkmaar war eine der in Art. 11 Generalia und Art. 25 Particularia aufgeführten Gemeinden »unter dem Kreuz« und von 1572 bis zu seinem Tod 1573 Wirkungsort des Emder Synodalen Johannes Arnoldi. 60 Akten, 92. 61 Reformierte Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen, 249–266. 62 Emder Synode 1571–1971, 45–66.

2. Übersetzung

2.1

Das Einladungsschreiben zur Emder Synode

Den frommen und gläubigen Brüdern in Christus, dem Pastor und den Ältes­ ten der französischen Gemeinde in Emden.1 Gnade und Friede von unserem Herrn! Die Propheten verkünden die Zukunft unter der Herrschaft Christi, einzelne nehmen ihre Brüder bei der Hand und rufen sie zur reinen Gottesverehrung auf und spornen sie dazu an2, dass sie Schulter an Schulter dem lebendigen Gott dienen3 und sich in gegenseitigem Einvernehmen bemühen, einander zu unterstützen. Darum, ehrenwerte Brüder, halten wir es für vollkommen vereinbar mit unserem Amt, uns brüderlich mit Euch zu besprechen. Denn wir sind überzeugt, dass dringend etwas im Interesse und zum Nutzen unserer niederländischen Gemeinden geschehen muss. Keiner soll dieses Vorhaben falsch verstehen, als ob wir uns irgendein Recht oder eine Autorität über die Gemeinden Christi anmaßen oder uns gar heimlich in sie einschleichen. Auch wenn im Hintergrund unseres Schreibens die leidenschaftliche Gesinnung zugunsten der Gemeinden Christi steht, wollen wir nicht selbstherrlich auftreten und Vorschriften machen. Wir wollen lediglich einen Weg aufzeigen, auf dem mit vereinten Sinnen und Herzen eine heilsame Ordnung unter uns aufgerichtet werden kann. Lasst uns einmal sehr ernsthaft die Veranstaltung gemeinsamer Synoden erwägen! Auf diesen kann über die vielfältigen Aufgaben, die dem Gemeindeaufbau dienen, gründlich und gemeinsam beraten, nachgedacht und verhandelt werden. Um in solche Überlegungen beherzt einzusteigen, scheinen uns neben anderen Gesichtspunkten, die uns zu Recht bewegen müssen, die folgenden von großer Bedeutung zu sein. Erstens sollen diese Versammlungen von Gläubigen, die man Synodale oder auch anders nennen kann, den Herrn Christus als Urheber und Prüfungsinstanz haben, da er uns seinen besonderen und gegenwärtigen Segen und Gnade versprochen hat. Er nimmt die Gemeinschaft, die Einmütigkeit und das Gebet schon von zweien oder dreien so an, dass sie nicht vergeblich

68

Übersetzung

sein werden, wenn sie sich nur in seinem Namen versammeln.4 Umso mehr ist das doch der Fall, wenn nicht einige wenige, sondern die Frommen und Gläubigen in großer Zahl zusammenkommen, einer Meinung sind und beten. Es kommt zweitens die Praxis der Apostel hinzu, zu der sie nach dem Zeugnis der Schrift bei solchen Versammlungen häufig gegriffen und durch die sie ihre großartigsten Erfolge gemeinsam erzielt haben. Denn was hat der Kirche den Matthias, den heiligen Apostel Gottes, beschert?5 Waren das etwa nicht die Versammlung, die Einmütigkeit und das gemeinsame Gebet der übrigen Apostel? Und was sonst hat für das wahrlich sehr nützliche und absolut notwendige Amt der Diakone gesorgt, wenn nicht die heilige Ein­berufung und fromme Einmütigkeit der Apostel und der Gemeinde? Mit einem großartigen Ergebnis! Seit dieser Zeit wuchs die Zahl der Jünger in Jerusalem stark an, und es hörte eine große Schar von Priestern auf die Verkündigung des Glaubens.6 Es liegt vollkommen auf der Hand, dass nur die fromme Versammlung und Einmütigkeit der Apostel und Ältesten von Jerusalem den gefährlichen Streit der Gemeinde von Antiochia beilegen konnte, in dem es um die Gerechtigkeit aus dem Glauben und die Werke des Gesetzes ging.7 Wenn wir das, was Paulus im 2. Kapitel an die Galater8 schreibt, sorgfältig bedenken, dann stoßen wir darin auf das brüderliche Gespräch und die Gemeinschaft zwischen ihm und den übrigen Aposteln. Nachdem unter ihnen Einmütigkeit über die Lehre hergestellt war, folgte als Ergebnis, dass allen Verleumdern das Maul gestopft wurde, die Paulus vorwarfen, eine von den Aposteln abweichende Lehre zu vertreten, und seinen Dienst als verdächtig und sinnlos hinzustellen versuchten. Jetzt war für Paulus’ Dienst das Tor weit aufgestoßen. Aus allen diesen Beispielen geht klar hervor, wie notwendig und nützlich solche Synoden für die Gemeinden Christi sind. Durch sie können die Reinheit der Lehre gefördert und die Einheit bewahrt werden. Andererseits können, wie wir sehen, die Verführung durch Irrlehre und falsche Lehrmeinungen aufgedeckt und diese gründlich widerlegt, Rechtgläubige in der reinen Lehre bestärkt, Abweichende auf den rechten Weg zurückgeführt werden, treue Pastoren sich um ihre Gemeinden kümmern, Meinungsverschiedenheiten in der Gemeinde beigelegt, Zerwürfnisse beseitigt werden und die Armenfürsorge geschehen. Diesen Gedanken fügen wir drittens etwas an, das nicht nur die Erfahrung selbst, sondern auch das Wort des Herrn uns lehrt: Gott hat seine Gaben den Menschen so zugeteilt, dass er einzelnen nicht die ganze Fülle, sondern nur ein ganz bestimmtes Maß und Anteil dieser Gaben gegeben hat.9 Dadurch sind sie untereinander vereint und verbunden und bereichern

Das Einladungsschreiben zur Emder Synode 

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sich gegen­seitig. Sie sind Werkzeuge füreinander und gleichsam Kanäle für Gottes Güte und Barmherzigkeit, was durch das Zusammenwirken und die gegenseitige Mitteilung ihrer Gaben bewirkt wird. Daraus folgt: Je größer die Zahl der Gläubigen ist, die untereinander in Verbindung stehen, umso reicher ist die Fülle der Gnade, die sich von dort auf alle ergießt. Wenn sie jedoch zersplittert sind, miteinander im Streit liegen und sich gegenseitig die herrlichsten Gottesgaben rauben, was gemäß dem gerechten Urteil Gottes nicht nur vielen Pastoren, sondern unserer Ansicht nach sogar ganzen Gemeinden widerfahren ist: dann bleiben sie, wenn sie keine Gemeinschaft oder Verbindung untereinander halten, auf schlimme Weise zersplittert und miteinander im Streit. So werfen sie ihre hervorragendsten Einsichten, die ihnen gut zu Gesicht stehende Ordnung und Zucht sowie andere Gottesgaben fort. Wenn nun besonders schwere Probleme auftreten, die den gemeinsamen Zustand der Gemeinden betreffen und deswegen nicht von wenigen Männern angemessen behandelt und entschieden werden können, liegt es auf der Hand, dass man eine große Versammlung frommer Männer braucht. Diese können ihre Gaben der Allgemeinheit zur Verfügung stellen und aus ihrem Reichtum etwas für die Kirche Christi Heilsames beraten und beschließen. Im Übrigen meinen wir, bei einer so heiligen, nützlichen und offensichtlich notwendigen Angelegenheit Euch gegenüber nicht noch mehr Argumente anführen zu müssen. Schließlich wollen wir nicht den Anschein erwecken, in Glaubensfragen anders als Ihr zu denken. Um in dieser Sache einen Anfang zu machen, halten wir es für klug, dass wir möglichst vor dem nächsten Winter einmal zusammenkommen, und zwar, falls Ihr damit einverstanden seid, am 1. Oktober in Köln.10 Wir möchten Euch über die ganze Angelegenheit gründlich befragen: Was denkt Ihr über eine Versammlung überhaupt, was über Ort und Zeit? Wollt Ihr Leute entsenden? Gebt uns sobald wie möglich darüber eine Nachricht. Dasselbe erbitten wir schriftlich von den Gemeinden in Schönau, Frankenthal, Lambrecht11, von beiden Gemeinden in Frankfurt12, von den Gemeinden in Aachen, Köln und Wesel und von den Gemeinden, die unter der Gewaltherrschaft Albas13 seufzen. Wir hoffen, dass sie unserer Bitte nachkommen. Damit die einzelnen Vertreter möglichst gut unterrichtet dorthin kommen, scheint es uns nützlich, die wichtigsten Tagesordnungspunkte beizufügen.14 Denn wenn die Synode die Vorstellungen der einzelnen Gemeinden kennt, kann sie leichter zu guten Entscheidungen kommen. Wir zweifeln aber nicht daran, dass Ihr selbst hinreichend einschätzen könnt, mit welcher Umsicht die ganze Angelegenheit durchgeführt und mit welchem Still-

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schweigen sie behandelt werden muss, so dass eine Ermahnung unsererseits überflüssig ist. Deswegen bitten wir den gnädigen und allmächtigen Gott15 und himmlischen Vater durch seinen geliebten Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, dass er Euch, unsere allerbesten Brüder, zu dieser Aufgabe heilsame Einsicht schenkt und mit dem Segen des Heiligen Geistes reichlich ausrüstet und erfüllt. Heidelberg, den 30. Juni 1571 Eure Brüder in Christus Petrus Dathenus16 Johannes Taffinus17 Petrus Colonius18

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2.2 Die Akten der Emder Synode Die Akten der Synode der niederländischen Gemeinden, die unter dem Kreuz sind und die in Deutschland und Ostfriesland verstreut sind, gehalten in Emden am 4. Oktober 1571 1. Keine Gemeinde soll über andere Gemeinden, kein Pastor über andere Pastoren, kein Ältester über andere Älteste, kein Diakon über andere Diakone Vorrang haben oder Herrschaft beanspruchen. Sie sollen lieber dem geringsten Verdacht und jeder Gelegenheit dazu aus dem Weg gehen.19 2. Es erschien den Brüdern richtig, das Bekenntnis der niederländischen Gemeinden20 zu unterschreiben, um die Übereinstimmung in der Lehre zu erklären, die unter den niederländischen Gemeinden besteht. Um die Übereinstimmung und Gemeinschaft dieser Gemeinden mit den Gemeinden Frankreichs zu erklären, erschien es ihnen richtig, das Glaubensbekenntnis jenes Reiches21 ebenso zu unterschreiben. Das taten sie im festen Vertrauen darauf, dass die Pastoren dieser Gemeinden das Glaubensbekenntnis der niederländischen Gemeinden ebenfalls unterschreiben werden, um ihre gegenseitige Übereinstimmung zum Ausdruck zu bringen. 3. Petrus Dathenus und Johannes Taffinus wurden gewählt, um diesen Beschluss auf der nächsten Synode in Frankreich den Pastoren mitzuteilen und über ihre Antwort bei der nächsten Versammlung der Brüder zu berichten.22 4. Es sollen auch diejenigen niederländischen Pastoren zur Unterschrift aufgefordert werden, die bei dieser Versammlung nicht anwesend sind. Ebenso soll auch von all denen eine Unterschrift geleistet werden, die künftig zum Dienst am Wort berufen werden, und zwar vor Antritt ihres Dienstes. 5. Die Brüder sind der Ansicht, dass in den französischen Gemeinden der Genfer Katechismus23 und in den deutschen Gemeinden der Heidelberger Katechismus24 benutzt werden soll. Wenn jedoch Gemeinden einen anderen mit Gottes Wort übereinstimmenden Katechismus25 benutzen, sind sie zu keinem Wechsel verpflichtet. 6. In den einzelnen Gemeinden sollen Sitzungen oder Konsistorien der Pastoren, Ältesten und Diakone stattfinden. Das geschieht mindestens einmal in der Woche zu der Zeit und an dem Ort, die den einzelnen Gemeinden am geeignetsten erscheinen.

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7. Außer diesen Sitzungen sollen alle drei oder sechs Monate auch Versammlungen der Classes26 einiger benachbarter Gemeinden stattfinden, so wie es ihnen zweckmäßig und notwendig erscheint. 8. Ferner soll einmal im Jahr je für sich eine Versammlung aller Flüchtlingsgemeinden in Deutschland und Ostfriesland tagen, ebenso eine Versammlung der Gemeinden in England und der Gemeinden, die unter dem Kreuz sind.27 9. Schließlich soll auch alle zwei Jahre eine Versammlung aller niederländischen Gemeinden tagen.28

Die Classes der niederländischen Flüchtlingsgemeinden in Deutschland und Ostfriesland 10. Eine Versammlung der Classis bilden: beide Gemeinden in Frankfurt, die Gemeinde in Schönau, die französische Gemeinde in Heidelberg, die Gemeinden in Frankenthal und Lambrecht; eine weitere beide Gemeinden in Köln, beide Gemeinden in Aachen, die Gemeinden in Maastricht, Limbourg, Neuss und die Gemeinden im Herzogtum Jülich; eine weitere die Gemeinden in Wesel, Emmerich, Goch, Rees, Gennep und im Herzogtum Kleve; eine weitere die Gemeinde in Emden mit den eingewanderten Pastoren und Ältesten aus Brabant, Holland und Westfriesland.

Die Classes der Gemeinden unter dem Kreuz 11. Eine Versammlung der Classis bilden: beide Gemeinden in Antwerpen, die Gemeinden in ’s-Hertogenbosch, Breda, Brüssel und alle anderen Gemeinden in Brabant; eine weitere die Gemeinden in Gent, Mortier29, Ronse, Oudenaarde, Wervik, Comines und die übrigen Gemeinden, die in beiden Teilen Flanderns liegen; eine weitere die Gemeinden in Tournai, Lille, Arras, Douai, Armentières und Valenciennes und die übrigen französischsprachigen Gemeinden; eine weitere die Gemeinden in Amsterdam, Delft und die übrigen Gemeinden in Holland, Overijssel und Westfriesland. 12. Die Brüder in England30 sollen aufgefordert werden, ihre Gemeinden auf Classes zu verteilen.

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13. Die Pastoren sollen vom Konsistorium mit Zustimmung der Versammlung der Classis oder zweier oder dreier benachbarter Pastoren gewählt werden. Die Gewählten werden dann der Gemeinde vorgestellt, die sie entweder mit schweigender Zustimmung akzeptiert oder innerhalb von ungefähr 14 Tagen Einspruch einlegt, wenn sie aus irgendeinem Grund der Wahl nicht recht zustimmen mag. Wenn aber Gemeinden den bei ihnen bestehenden Brauch einer Wahl durch die Gemeinde nicht ändern wollen, wird das geduldet, bis eine Generalsynode anders beschließt. 14. Das gleiche Verfahren ist bei der Wahl von Ältesten und Diakonen zu beachten. Dabei muss keine Zustimmung bei der Versammlung der Classis oder bei den benachbarten Pastoren eingeholt werden. 15. Jedes Jahr scheidet die Hälfte der Ältesten und Diakone aus. An ihre Stelle treten andere, die ebenfalls zwei Jahre lang Dienst tun.31 Dabei haben besonders die Gemeinden unter dem Kreuz nun die Freiheit, einen längeren oder kürzeren Zeitraum zu bestimmen, wenn ihnen das zweckmäßig und notwendig erscheint. 16. Die Pastoren werden von denen geprüft, die sie gewählt haben. Wenn ihre Lehre und ihr Leben gebilligt werden, sollen sie in ihrem Dienst mit feierlichem Gebet und Handauflegung bestätigt werden. Dabei darf nicht der Eindruck eines abergläubischen oder mit Zwang durchgeführten Ritus entstehen. 17. Kein Pastor darf in einer fremden Gemeinde ohne Zustimmung ihres Pastors und ihres Konsistoriums oder – bei Abwesenheit des Pastors – ohne Zustimmung des Konsistoriums predigen. 18. Wer sich an Orten, an denen der Dienst des Pastors schon besteht, in dieses Amt einschleichen will, wird vom Konsistorium verwarnt. Sollte er trotzdem hartnäckig bleiben, müssen sofort drei oder vier oder möglichst noch mehr benachbarte Pastoren aus der betreffenden Classis zusammengerufen werden, um diese Person zum Gemeindespalter32 zu erklären. Gegen solche, die sich über alle Ermahnungen beharrlich hinwegsetzen und dem jetzt zum Gemeindespalter Erklärten weiter zuhören, geht das Konsistorium nach den Vorschriften der Kirchenzucht vor.

Zur Praxis der Taufe33 19. Es ist unwesentlich, ob man bei der Taufe einmal oder dreimal mit Wasser benetzt wird. Daher stellen wir den Gemeinden frei, nach dem bei

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ihnen geltenden Brauch zu verfahren, bis die nächste Generalsynode anders entscheidet. 20. Ob man Paten zur Taufe hinzuzieht oder nicht, ist ebenfalls eine Frage der Gewohnheit. Daher sind die Gemeinden frei darin, an dem bei ihnen geltenden Brauch festzuhalten, bis eine Generalsynode anders entscheidet.

[Zur Praxis] des Abendmahls34 21. In den Gemeinden, bei deren Einrichtung wir Freiheit haben, soll bei der Austeilung des Abendmahls gewöhnliches Brot verwendet und gebrochen werden. Ob man das Abendmahl im Gehen, Stehen oder Sitzen feiert, halten wir für gleichgültig. Daher können die Gemeinden so verfahren, wie es ihnen am zweckmäßigsten erscheint. Es wird den Gemeinden freigestellt, während des Abendmahls Psalmen zu singen oder die Heilige Schrift zu verlesen, ebenso Worte Christi oder des Paulus bei der Darreichung von Brot und Wein zu verwenden.35 Man hüte sich aber, durch das Aussprechen von Worten den Anschein oder Eindruck einer Weihe der Elemente [Brot und Wein] zu erwecken.36

Die Ehe 22. Niemand, der unter der Gewalt seiner Eltern oder ihrer Vertreter steht, darf ohne ihre Zustimmung eine Ehe schließen. Ohne ihre Zustimmung ist ein Eheversprechen ungültig. Wenn jedoch Eltern sich dabei störrisch und unzugänglich erweisen, dass sie unter keinen Umständen ihre Zu­ stimmung geben wollen  – was manchmal aus Abneigung gegenüber der Religion oder aus anderen Gründen geschieht –, dann entscheidet das Konsistorium darüber, ob der Grund, diese heilige Einrichtung zu verhindern, stichhaltig ist. 23. Eine rechtmäßig geschlossene Ehe kann auch dann nicht aufgehoben werden, wenn beide Seiten dem zustimmen. Es ist darauf zu achten, dass ein Pastor oder ein Ältester der Gemeinde beim Eheversprechen anwesend ist. So kann er vor dem gegenseitigen Versprechen feststellen, ob beide Partner den reinen Glauben haben, ob die Eltern zustimmen und ob – falls einer von ihnen oder beide vorher schon verheiratet waren – über den Tod des früheren Gatten ein ordentlicher Nachweis vorliegt.

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24. Die Namen derer, die die Ehe eingehen wollen, werden an drei Sonntagen oder ansonsten dreimal in angemessenen Abständen vor der versammelten Gemeinde bekanntgegeben.

Die Kirchenzucht 25. Wir meinen, dass in den einzelnen Gemeinden die Kirchenzucht ausgeübt werden muss. Die Aufgabe der Pastoren besteht nicht nur darin, öffentlich zu lehren, zu ermahnen und zurechtzuweisen, sondern auch privat einen jeden an seine Pflicht zu erinnern. Dafür sollen auch die Ältesten Sorge tragen. 26. Wenn nun jemand von der reinen Lehre abgewichen ist oder in seinem Lebenswandel gesündigt hat, so muss die von Christus in Matthäus 18 eindeutig gegebene Regel angewandt werden.37 Voraussetzung ist, dass der Vorfall verborgen geblieben ist und keinen öffentlichen Anstoß erregt hat. 27. Verborgen gebliebene Sünden also, die der Sünder bei sich selber oder nach Ermahnung vor ein, zwei oder drei Zeugen bereut hat, werden nicht vor das Konsistorium gebracht. Wenn solche Sünden jedoch dem Gemeinwesen oder der Kirche schweren Schaden zufügen – zum Beispiel Verrat oder Verführung der Seelen –, sollen sie dem Pastor gemeldet werden, um nach seinem Rat zu erwägen, was in dieser Angelegenheit zu tun ist. 28. Wenn jemand bei verborgenen Sünden nicht auf die Ermahnung zweier oder dreier Brüder hört oder es zur öffentlichen Sünde kommen lässt, wird das vor das Konsistorium gebracht. 29. Für Sünden, die ihrer Natur nach öffentlich sind oder wegen Missachtung der Ermahnungen der Gemeinde in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind, muss eine öffentliche Wiedergutmachung erfolgen. Das geschieht nicht nach dem Urteil des einen oder anderen Bruders, sondern des gesamten Konsistoriums. Über Art und Weise der Maßnahme entscheidet die jeweilige Gemeinde nach dem Maßstab, der ihr zu ihrem Aufbau am zweckmäßigsten erscheint. 30. Wer hartnäckig die Ermahnungen des Konsistoriums abweist, wird vom Abendmahl ausgeschlossen. Wenn der so Ausgeschlossene nach wiederholten Ermahnungen kein Zeichen der Reue erkennen lässt, dann muss man den Ausschluss aus der Gemeinde38 vollziehen. 31. Der Pastor soll den hartnäckigen Sünder öffentlich von der Kanzel aus ermahnen. Er legt dessen Verfehlung dar und erklärt, wie er selber bei der Zurechtweisung, beim Ausschluss vom Abendmahl und schließlich bei der

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gewissenhaften Ermahnung seine Pflicht getan hat. Er hält die Gemeinde dazu an, für den nicht zur Umkehr bereiten Sünder fleißig zu beten, bevor sie sich gezwungen sieht, zum letzten Mittel – dem Ausschluss aus der Gemeinde – zu greifen. So geschehen also drei Mahnungen. Bei der ersten wird der Sünder nicht genannt, um ihn dadurch noch zu schonen. Bei der zweiten wird sein Name bekanntgegeben. Bei der dritten wird der Gemeinde angekündigt, dass er – sollte er sich nicht ändern – ausgeschlossen werden muss, um ihn dann, wenn er hartnäckig bleibt, unter schweigender Zustimmung der Gemeinde tatsächlich von ihr auszuschließen. Die Zeitspanne zwischen den einzelnen Ermahnungen liegt im Ermessen des Konsistoriums. Wenn ein derart hartnäckiger Sünder sich nicht einmal durch diese Maßnahmen ändert, wird vor der Gemeinde sein Ausschluss und seine Trennung vom Leib der Kirche verkündet. Der Pastor erklärt diese Maßnahme und den Zweck des Ausschlusses ausführlich und ermahnt die Glaubenden, keinen engen und unnötigen Kontakt mit dem Ausgeschlossenen zu pflegen, sondern die Gesellschaft mit ihm zu meiden. Sie sollen das vor allem unter dem Gesichtspunkt tun, dass der Ausgeschlossene aus Scham und mit vollem Ernst sich ändert. 32. Wer schwere Sünden begangen hat, die die Gemeinde in Misskredit bringen und von der Obrigkeit geahndet werden müssen, bleibt von der Abendmahlsgemeinschaft ausgeschlossen, auch wenn er Reue zeigt. Wie lange er ausgeschlossen bleibt, liegt im Ermessen des Konsistoriums. 33. Wenn Pastoren, Älteste und Diakone eine öffentliche Verfehlung begangen haben, die der Gemeinde schadet und von der Obrigkeit geahndet werden muss, sollen Älteste und Diakone unverzüglich auf Weisung des Konsistoriums abgesetzt, die Pastoren aber von der Ausübung ihres Dienstes entbunden werden. Ob sie von ihrem Dienst abgesetzt werden, muss die Versammlung der Classis entscheiden. Sind sie mit deren Entscheidung nicht zufrieden, können sie bei der Provinzsynode39 Berufung einlegen. 34. Die Frage, ob bereits abgesetzte Pastoren, Älteste und Diakone, die der Gemeinde durch Reue Genüge getan haben, nach erneuter Wahl wieder zum Dienst zugelassen werden dürfen, muss für Älteste und Diakone das Konsistorium, für Pastoren aber die Versammlung der Classis entscheiden. 35. Die aus den Niederlanden stammenden Pastoren, die sich zum Dienst in auswärtigen Gemeinden verpflichtet haben, sollen, wenn sie von niederländischen Gemeinden zurückgerufen werden, alles daransetzen, dieser Berufung nachzukommen. Dabei legen ihre Gemeinden eine angemessene Frist fest, in der sie sich nach anderen Pastoren umsehen können. Wenn aber

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die auswärtigen Gemeinden sie nicht freigeben wollen, erfolgt eine Berufung in eine andere, unbeteiligte Gemeinde. Diejenigen aber, die sich noch nicht fest verpflichtet haben, werden ermahnt, sich die Freiheit zur Annahme einer Berufung zu bewahren. 36. Auch sollen die Gemeindeglieder, die die Dienste eines noch freien Pastors in Anspruch genommen haben, für dessen Unterhalt sorgen, wenn es erforderlich ist. 37. Diejenigen, die sich infolge ihrer Flucht an einem Ort gesammelt haben, sollen einigen Studenten Unterhalt anbieten und sie an sich binden. Wenn sie aber auf ihren Dienst nicht mehr angewiesen sind und zulassen, dass eine andere Gemeinde die Studenten ganz an sich bindet, können sie die gemachten Aufwendungen zurückfordern. Anders aber steht es, wenn sie die Studenten der anderen Gemeinde nur für eine gewisse Zeit überlassen. 38. Es gibt ein Verzeichnis der zurzeit nicht im Dienst stehenden und anderer zum Dienst am Wort geeigneter Pastoren. Einige hier anwesende Pastoren der einzelnen Classes sind dazu bestimmt worden, im Namen dieser Synode den Pastoren ihrer Classis einen Auftrag zu geben. Sie sollen sorgfältig nachforschen, ob es in ihren Classes Gemeinden gibt, die ohne Pastoren dastehen, und sie auffordern, einen Pastor zu berufen, und ihnen einige aus dem Verzeichnis vorschlagen, damit jemand im gegenseitigen Einvernehmen berufen wird. 39. Für Emden sind gewählt: Dominicus Julius, Cornelius Rhetius, Johannes Arnoldi; für Wesel: Johannes Lippius, Petrus Rickius, Michael Jordanis.40 An diese Männer sollen die niederländisch-deutschen Gemeinden, die keine Pastoren haben, schreiben. Sie nennen ihnen Pastoren, die sich bei ihnen oder in der Umgebung aufhalten. 40. Ist eine Gemeinde so arm, dass sie den berufenen Pastor nicht ernähren kann, so soll die Classis erwägen, ob zunächst mehrere Nachbargemeinden miteinander verbunden werden können. Außerdem werden die Pastoren der Flüchtlingsgemeinden aufgefordert, ihre Gemeindemitglieder um Hilfe zu bitten. Besonders sollen sie diejenigen zur Hilfe bewegen, die zu der Provinz gehören, in der die arme Gemeinde liegt. Auch die Pastoren selber sollen hierin den anderen ein gutes Beispiel geben. 41. An den Orten, an denen der Dienst am Wort nicht eingerichtet werden kann, setzen die Pastoren der Classis Lektoren, Älteste und Diakone ein, damit die Gemeinden sich so versammeln können. 42. Die Pastoren und Ältesten der Classes unter dem Kreuz sollen in allen Städten und Dörfern ihrer und der benachbarten Classes sorgfältig nach

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denjenigen suchen, die für den wahren Glauben aufgeschlossen sind, und sie an ihre Pflicht erinnern. Sie sollen sich also bemühen, Gemeinden oder wenigstens deren Anfänge zu sammeln. Zur besseren Durchführung teilen diese Classes sich in die benachbarten Städte und Dörfer auf, damit kein Ort übersehen wird. Die gleiche Sorgfalt sollen die Flüchtlingsgemeinden für die Städte und für die anderen benachbarten Orte aufwenden, was besonders für die gilt, die weit von den Classes entfernt liegen. Die geflohenen Gläubigen unterstützen die Pastoren aus den Classes unter dem Kreuz dadurch, dass sie ihnen umsichtig die Namen derer nennen, die nach ihrer Meinung dort für den Glauben aufgeschlossen gewesen sind, von wo sie vertrieben oder ausgewandert sind. 43. Sehr nützlich ist eine Verbindung der Gemeinden untereinander in der Art, dass sie sich durch häufigen Briefwechsel über das austauschen, was in den Gemeinden allgemein und in einigen auch im Besonderen zur Förderung ihres Bestandes und Wachstums beiträgt. Sie sollen auch Irrlehrer, Gemeindespalter, Leute, die sich für Geld kaufen lassen, Laufburschen und andere derart schädliche Gestalten beim Namen nennen, damit die Gemeinden sich vor ihnen in Acht nehmen können. 44. Es muss auch der schweren Belastung der Gemeinden begegnet werden, die täglich durch die Leichtfertigkeit derer zunimmt, die allzu schnell ihren Wohnsitz wechseln, und anderer, die unter dem Vorwand ihrer Armut und ihres Glaubens die Almosen an sich reißen, welche für die einheimischen Gläubigen notwendig sind und ihnen zustehen. In den einzelnen Gemeinden soll öffentlich darauf hingewiesen werden, dass diejenigen, die wegziehen, künftig in anderen Gemeinden nur dann wie Einheimische unterstützt werden, wenn sie ein von ihrer früheren Gemeinde ausgestelltes Zeugnis über ihr Leben und ihren Glauben vorlegen. 45. Die Pastoren sollen diejenigen, die sie um ein Zeugnis bitten, sorgfältig befragen, weshalb sie wegziehen wollen. Sie sollen ihnen strikt das Zeugnis verweigern, wenn sie feststellen, dass kein triftiger Grund für ihren Wegzug vorliegt. Pastoren und Diakone sollen sich hüten, allzu leichtfertig ihre Gemeinden von den Armen zu entlasten und andere Gemeinden ohne Notwendigkeit mit ihnen zu belasten. Bei denen, welchen sie ein Zeugnis geben können, nennen sie: Name, Vorname, Geburtsort, Beruf, Grund des Wegzugs, Dauer des Aufenthalts in der Gemeinde, Lebensführung, Zeitpunkt der Abreise, Ziel der Reise und Ähnliches. 46. Den Wegziehenden soll so viel mitgegeben werden, wie sie bis zur nächsten Gemeinde, die sie erreichen, brauchen. Die Summe wird im Zeug-

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nisbrief notiert. Dasselbe sollen die anderen Gemeinden tun, durch die sie ziehen, und zwar jede Gemeinde nach ihren Möglichkeiten. Wenn der überreichte Zeugnisbrief und alles andere in Ordnung ist, sollen sie ihnen so viel geben, wie nach ihrer Meinung bis zur nächsten Gemeinde notwendig ist. Das tragen sie im Zeugnisbrief gemeinsam mit dem Tag der Abreise ein. So sollen auch die anderen Gemeinden verfahren, bis jene am Zielort angekommen sind, wo das Zeugnis vernichtet wird. 47. Wer nach dem kommenden November seine Gemeinde ohne Zeugnis oder mit einem Schreiben, das nicht dieser Ordnung entspricht, verlässt, gilt nicht als Glaubensgenosse, dem man nach der Weisung des Paulus am meisten Gutes tun soll.41 Wenn trotzdem jemand aus den Gemeinden unter dem Kreuz kommt oder von Orten, an denen kein Predigtdienst besteht, soll man ihn prüfen, ob er beten, Rechenschaft über seinen Glauben ablegen, den Grund für seine Reise angeben kann und Ähnliches. Die Diakone werden klug genug einschätzen, wieweit man ihnen so helfen muss. 48. Im Namen dieser Synode wird Herr von St. Aldegonde gebeten, eine geschichtliche Darstellung über alles zu verfassen, was sich seit einigen Jahren in den Niederlanden zugetragen hat.42 Dabei geht es besonders um die Errichtung von Gemeinden, ihre Verfolgung, die Beseitigung und Wiederherstellung des Götzendienstes, die Standhaftigkeit der Märtyrer, die furchtbaren Gerichte Gottes über die Verfolger, die politischen Umwälzungen und Ähnliches. 49. Die Pastoren der einzelnen Gemeinden und alle anderen, die durch ihre Arbeit zu diesem Vorhaben beitragen können, sollen alles sorgfältig in Erfahrung bringen, was damit im Zusammenhang steht. Das teilen sie einem von den dazu Ausgewählten schriftlich mit. Diese tragen Sorge dafür, dass das später zuverlässig an Herrn von St. Aldegonde weitergegeben wird. 50. Gewählt sind für Emden: Christoph Becanus und Cornelius Rhetius; für Wesel: Petrus Rickius und Carolus Niellius; für Köln: Adrian Koningsloe und Johannes de Roy; für Aachen: Johannes Christianus und Johannes Hueckelom; für Frankfurt: Herr de Balieu und Sebastian Matte; für Heidelberg: Petrus Dathenus und Johannes Taffinus; für Frankenthal: Gaspar Heydanus und Petrus Anthonius; für Schönau: Franziscus Junius; für Lambrecht: Niko­ laus Schoubroeck.43 51. Niemand darf ein eigenes oder von anderen verfasstes Buch über Glaubensfragen drucken oder auf andere Weise verbreiten lassen, wenn es nicht von den Pastoren der Classis oder anerkannten Theologieprofessoren unseres Bekenntnisses geprüft und gebilligt wurde.44

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52. In den größeren Gemeinden sollen eigene Seminare abgehalten werden, in denen sich diejenigen im Predigen üben, bei denen begründete Hoffnung besteht, dass sie einmal der Gemeinde mit dem Wort dienen können. Um die Ordnung zu wahren, führt ein Pastor dabei den Vorsitz.

Schluss 53. Diese Artikel, die auf die rechtmäßige Ordnung der Kirche abzielen, wurden einmütig beschlossen. Wenn im Interesse der Gemeinden eine Änderung erforderlich ist, können und müssen sie verändert, vermehrt oder vermindert werden. Das zu tun ist aber keiner einzelnen Gemeinde gestattet. Vielmehr sollen sich alle an die Bestimmungen halten, bis eine Synode anders beschließt. Emden, den 12. Oktober 1571, vom 4. bis zum 12. Oktober Gaspar Heydanus, Präses45 Eigenhändig hat unterschrieben Johannes Polyander, Schriftführer46

Besondere Vorfälle und Einzelfragen 1. Aufgrund der Beschwerde und Bitte beider Emder Gemeinden47 versprechen die Brüder der Synode, sofort nach ihrer Rückkehr den Gemeinden ihrer Classes mitzuteilen: Die Diakone der Emder Gemeinde werden durchreisenden Glaubensgenossen nach dem Beispiel anderer Gemeinden, durch die sie ziehen, ebenso wie Einheimischen Hilfe leisten, sofern sie ein rechtmäßiges Zeugnis ihrer Heimatgemeinde über ihren Lebenswandel und Glauben vorlegen. Wenn sie jedoch, wie es manchmal geschieht, viele Tage oder einige Monate bleiben, um guten Wind zur Fahrt nach England abzuwarten, können sie in Zukunft nicht mehr für sie aufkommen. Es soll ja niemand in blindem Vertrauen seinen Wohnsitz leichtsinnig wechseln. 2. Auf die erste Frage der Kölner, ob alles durch die Heilige Schrift bekräftigt werden muss, antworten die Brüder: Gewissensfragen müssen durch Gottes Wort bestätigt werden. Aber bei Ordnungsfragen und Angelegen­ heiten, die letztlich nicht entscheidend sind48, ist das nicht notwendig.

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3. Die zweite Frage nach der richtigen Übersetzung der Bibel ins Niederländische verweisen die Brüder an die Generalsynode. 4. Die dritte und vierte Frage wurde in den Artikeln 51 (»Niemand darf ein eigenes oder von anderen verfasstes Buch über Glaubensfragen drucken lassen …«) und 52 (»In den größeren Gemeinden …«) beantwortet. 5. Die fünfte Frage nach den Akten der Synode von La Rochelle in Frankreich49 übertragen die Brüder an Petrus Dathenus und Johannes Taffinus zur Erledigung. 6. Auf die sechste Frage wegen der Berufung der Pastoren antwortet Artikel 38 (»Es gibt ein Verzeichnis …«). 7. Zur siebenten Frage lautet die Antwort: Man darf im Konsistorium Zeugen hinzuziehen und anhören. Wenn sie aber nicht anwesend sind, darf man bei einer wichtigen Sache einen Eid fordern oder anbieten, aber nicht befehlen – das darf nur die Obrigkeit –, sondern nur eindringlich dazu ermahnen. Man darf auch die bei der Obrigkeit gebräuchliche feierliche Form des Eides verwenden, doch ist es besser, sie zu vermeiden. Stattdessen soll man mit ganzem Ernst die Strafe Gottes gegen Meineidige vor Augen halten und eindringlich darum bitten, die Wahrheit zu sagen. Man ist aber am besten beraten, wenn man möglichst selten Zeugen hinzuzieht und einen Eid fordert. 8. Auf die Frage der Kölner wegen eines Mannes, dem seine Frau nicht folgen will, lautet die Antwort: Eine Anrufung der obrigkeitlichen Behörde ist erforderlich. Deshalb kann sich der Mann in die Stadt begeben, in der die Obrigkeit ihre Hilfe und Autorität dafür einsetzen will. 9. Auf die zehnte Frage der Kölner Brüder, ob man das Kind eines Papisten50 taufen darf, der den Taufritus in den reformierten Gemeinden für besser hält als den, der in der römischen Kirche praktiziert wird: Wer das näher in Erfahrung bringen will, soll eine Abschrift des Gutachtens zur Hand nehmen, das die Genfer Brüder zu dieser Frage verfasst haben.51 10. Auf die elfte Frage der Kölner, ob man diejenigen als Paten zulassen kann, die zwar den reinen Glauben angenommen haben, aber sich keiner Gemeinde anschließen wollen, lautet die Antwort: Die Brüder sprechen sich dafür aus, den Gemeinden die Heranziehung von Paten bei der Taufe freizustellen. Wo sie nur Taufzeugen sind, können die Betreffenden zugelassen werden. Übernehmen sie aber auch die Sorge für die Erziehung der Kinder, müssen sie Mitglieder der Gemeinde sein. 11. Die Brüder aus Aachen und Köln fragen, ob ein gottlos lebender Bruder nach vielen vergeblichen Ermahnungen aus der Gemeinde ausgeschlossen

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werden muss oder ob sein Ausschluss für eine gewisse Zeit aufgeschoben werden soll, wenn er der Gemeinde mit Zerstörung droht. Die Antwort lautet: Wer nach dem Wort Gottes ohnehin ausgeschlossen werden muss, der muss auch dann ausgeschlossen werden, wenn er der Gemeinde Zerstörung androht. Allerdings liegt der Zeitpunkt der öffentlichen Ermahnungen und der Bekanntgabe des Ausschlusses im Ermessen des Konsistoriums. Daher kann der Zeitpunkt der Ermahnungen und des Ausschlusses so gelegt werden, dass einerseits auf den Bestand der Gemeinde Rücksicht genommen und andererseits der notwendige Ausschluss vollzogen wird. 12. Auf die Frage der Brüder aus Antwerpen nach den Pastoren, die nicht im Dienst sind, sich aber weigern, einer Berufung anderswohin zu folgen, lautet die Antwort: Die Versammlung der Classis entscheidet, ob Pastoren, die ohne Amt sind und die von einer Gemeinde berufen werden, dies aber ablehnen, zum Gehorsam gezwungen werden sollen. 13. Auf die Frage, ob eine gläubige Frau, die mit einem ungläubigen Mann verheiratet ist, ihr Kind gegen den Willen ihres Mannes zur Taufe bringen darf, lautet die Antwort: Sie darf und muss es sogar tun. Aber weil ein solcher Entschluss vielleicht nicht immer einfach ist, soll man im Hinblick auf die Lage der Gemeinde in einer derart schwierigen Angelegenheit den Rat des Konsistoriums einholen. Dieses wird klug genug sein, weder den Ängstlichen die Zügel schießen zu lassen noch die Gewissen der Leute durch allzu große Strenge zu beschweren. 14. Einige Gemeinden fragen, ob es den Brüdern erlaubt ist, mit dem Geld anderer Fürsten Handel zu treiben, es einzuschmelzen oder dafür zu sorgen, dass es eingeschmolzen wird und an Wert verliert. Die Antwort lautet: Geld zu sammeln, um es in schlechtere Münze einzuschmelzen, es irgendwie umzuprägen oder umprägen zu lassen, so dass dem Staat daraus ein Schaden entsteht, ist auch dann, wenn es die Obrigkeit eines Ortes übersieht, mit Gerechtigkeit und Liebe unvereinbar und den Bekennern des reinen Glaubens nicht erlaubt. 15. Auf die Frage der Brüder aus Gent und Antwerpen wird geantwortet: Das Konsistorium muss auf die Schwere einer Schuld und das Ausmaß eines Ärgernisses, auf die Häufigkeit und Wiederholung eines Fehltritts sowie auf den Ort und andere Begleitumstände achten. Dann entscheidet es nach reiflicher Überlegung, ob in den Gemeinden unter dem Kreuz jemand nicht nur vom Abendmahl, sondern auch aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen werden muss. Wenn noch weitere Auskünfte erforderlich sind, wendet man sich an die Versammlung der Classis.

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16. Ein Bruder aus Gent fragt, ob folgende Sünden als öffentliche oder als heimliche zu betrachten sind: insgeheim Ablass annehmen, sich papistisch52 trauen lassen, sein Kind von einem Priester taufen lassen, in einem Privathaus vor einem Ratsherrn oder irgendeinem Beamten Christus verleugnen, bei den Heiligen schwören. Weil es zu dieser Frage unterschiedliche Meinungen gibt, wird sie auf die nächste Zusammenkunft vertagt. 17. Die Frage der Aachener wegen eines jungen Mannes und einer jungen Frau verweisen die Brüder an deren Konsistorium zur sorgfältigen Prüfung aller Begleitumstände dieses Falls zurück. Danach erstattet es der Versammlung der Classis Bericht. 18. Die französische Gemeinde in Antwerpen fragt, wie man mit einer Frau verfahren soll, die behauptet, vor vier oder fünf Jahren ihren Mann im Krieg verloren zu haben, aber keinen sicheren Beweis für seinen Tod liefern kann. Die Antwort lautet: Sie soll einen öffentlichen Aufruf durch die Autorität der Obrigkeit ergehen lassen. Wenn sie das nicht erreichen kann, soll sie die Obrigkeit bitten, ihr einen Termin zu setzen, bis zu dem sie warten muss. Kann sie beides nicht erreichen, rät man ihr, in eine Stadt zu ziehen, in der die Obrigkeit ihr hilft und ihren Einfluss geltend macht. 19. Auf eine weitere Frage derselben Gemeinde wegen der Witwen, die ein oder zwei Monate nach dem Tod ihres Mannes wieder heiraten wollen, lautet die Antwort: Das Konsistorium kann und darf keine Frist setzen, da Paulus den Witwen die Wiederheirat ohne Zeitvorgabe erlaubt.53 Allerdings fordert es der Anstand, nicht vor Ablauf von vier oder fünf Monaten eine neue Ehe einzugehen. Im Fall einer Schwangerschaft sind es etwa zwei Monate nach der Geburt. 20. Drittens fragt dieselbe Gemeinde wegen eines Mannes, der wegen einer schweren Sünde vom Abendmahl ausgeschlossen ist und eine Frau in der Gemeinde heiraten will, obwohl er zuvor seine Sünde noch nicht öffentlich bekannt hat. Die Antwort lautet: Man muss mit ihm gemäß der Kirchenzucht verfahren. Wenn er sich ändert, darf er wieder zum Abendmahl zugelassen werden. Andernfalls soll man der Frau von der Ehe mit einem Mann abraten, der durch eine schwere und offen zu Tage liegende Sünde belastet ist, die Gemeinde verachtet sowie vom Abendmahl verwiesen und ausgeschlossen ist. 21. Es liegt die Frage vor, bei welchem Grad der Blutsverwandtschaft die Ehe verboten ist. Die Antwort lautet: Es ist am besten – besonders dort, wo die Obrigkeit ungläubig ist54 –, die Gesetze und Gewohnheiten des Ortes zu beachten, soweit das ohne Verletzung der Ehre Gottes geschehen kann. Auf diese Weise kann man vermeiden, dass eine gegen diese Bestimmungen ge-

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schlossene Ehe von der Obrigkeit für nichtig und die Kinder für unehelich erklärt werden und dass die Erbschaft auf einen anderen übertragen wird, ihm zufällt und andere derart schlimme Dinge eintreten. 22. Auf die Frage der Brüder aus Aachen wegen eines Pastors, der eine Irrlehrerin zur Frau hat, lautet die Antwort: Da der Betreffende bereits in den Dienst eingesetzt ist, soll das Konsistorium sorgfältig prüfen, welche Mühe und Anstrengung er auf sich genommen hat, um durch eine fromme Lebensführung und beständige Ermahnungen aus Gottes Wort seine Frau für Christus zu gewinnen. Falls er dabei früher und heute zu nachlässig gewesen ist und Tadel verdient, wird er durch Urteilsspruch und Autorität des Konsistoriums in Verbindung mit der Classis aus seinem Dienst entfernt. Sollte das Konsistorium zu nachlässig damit umgehen, kann man wegen der Nachlässigkeit oder des Urteils des Konsistoriums mit dem Rat einiger Brüder der Gemeinde bei der Classis Berufung einlegen. 23. Die Generalsynode soll für das nächste Frühjahr einberufen werden. Es besteht der große Wunsch, dass die englischen Gemeinden zusagen, einige Delegierte entsenden zu wollen und zu können, selbst wenn nicht alle darin einwilligen. Andernfalls wird die Generalsynode auf das folgende Frühjahr 1573 vertagt.55 24. Die Classis Pfalz ist zur Einberufung der Generalsynode ausgewählt worden. 25. An folgende Gemeinden in den einzelnen Classes soll geschrieben werden: Emden, Wesel, Köln, Heidelberg, Antwerpen, Gent, Tournai und Alkmaar in Holland. Emden, den 13. Oktober 1571 Gaspar Heydanus, Präses Johannes Polyander, Schriftführer

Die Versammlungen der Classes 1. Bei den Versammlungen der Classes soll einer der Pastoren in der Gemeinde eine Predigt halten. Über diese urteilen die übrigen Kollegen gemeinsam und sagen, wenn etwas verbessert werden muss. So verfahren auch die anderen Pastoren der Reihe nach bei den nächsten Versammlungen der Classes.

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2. Danach wird der Präses gemeinsam von den Kollegen gewählt. Nach einem Gebet soll er die Einzelnen fragen: Tagen in Euren Gemeinden die Konsistorien? Führt Ihr die Kirchenzucht durch? Habt Ihr einen Streit mit Irrlehrern oder habt Ihr Zweifel bei einem Lehrstück? Kümmert man sich um die Armen und die Schulen? Braucht Ihr zur Leitung der Gemeinde Rat, Hilfe und weitere derartige Unterstützung der Kollegen? 3. Wenn in einer Gemeinde der Classis etwas geschieht, was durch ihr Konsistorium nicht beigelegt werden kann, wird das auf der Versammlung der Classis behandelt und entschieden. Sodann kann man bei der Provinzsynode Berufung einlegen. 4. Im Übrigen werden auf den Versammlungen der Classes solche Fragen behandelt, die die Gemeinden der betreffenden Classis angehen. 5. Anschließend legt der Präses die eine oder andere Frage zu Lehrstücken des Glaubens vor, die zwischen uns, den Papisten und anderen strittig ist. Auf diese Weise belehren die Anwesenden sich gegenseitig und regen sich zum Studium an. 6. Auf der letzten Versammlung der Classis vor einer Provinzsynode werden diejenigen gewählt, die im Namen der Classis dorthin entsandt werden sollen. 7. Aus den einzelnen Classes werden zwei Pastoren und ebenso viele Älteste oder Diakone oder mindestens ein Pastor mit einem Ältesten oder einem Diakon entsandt.56 8. Bevor man die auf der Provinzsynode zu behandelnden Punkte schriftlich festlegt, werden die Protokolle und Beschlüsse vorangegangener Synoden sorgfältig verlesen. Den Provinz- und besonders Generalsynoden soll man nicht erneut Fragen vorlegen, die schon früher behandelt und gemeinsam entschieden worden sind – es sei denn, es besteht ein Anlass, einen Beschluss in Frage zu stellen. 9. Zuletzt werden Ort und Zeit der nächsten Versammlung festgelegt. Der Präses dankt Gott durch ein Gebet.

Die Provinzsynoden 1. Wer zur Provinzsynode entsandt wird, soll ein Bestätigungsschreiben und die vorzulegenden Fragen in schriftlicher Form mitbringen. Dabei wird nur das aufgeschrieben, was in den Konsistorien und Versammlungen der Classes nicht entschieden werden konnte oder was alle Gemeinden der

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Provinz angeht. Die Provinzsynode soll nicht durch unnötige Fragen aufgehalten werden. 2. Bei der Zusammenkunft soll der Pastor des Ortes oder, wenn ein solcher nicht da ist, der Präses der vorangegangenen Versammlung ein Gebet zur Wahl des Präses, des Beisitzers und des Schriftführers sprechen. 3. Der gewählte Präses soll ein für die gesamte Tagung passendes Gebet sprechen. Sodann schreibt er die Namen der Anwesenden auf und lässt die der Abwesenden festhalten, um den Grund für ihr Fehlen zu notieren. Dann fordert er die Bestätigungsschreiben und Vollmachten an und lässt die in schriftlicher Form zusammengestellten Anweisungen und Aufträge der Einzelnen der Reihe nach verlesen. Schließlich bringt er das Urteil der ganzen Synode in Erfahrung, stellt die Stimmenzahl fest und erläutert die Entscheidung der Mehrheit und die der Einsichtigeren57. Die Entscheidung hält der Schriftführer fest und liest sie sorgfältig vor, damit sie von allen gebilligt wird. 4. Zuerst sollen Fragen der Lehre, dann Fragen der Kirchenzucht vor­ gelesen und schriftlich genau festgehalten werden, zuletzt Einzelfragen. 5. Der Präses hat die Pflicht dafür zu sorgen, dass jeder der Reihe nach spricht. Die allzu Aufbrausenden und Streitsüchtigen hat er zur Ruhe zu mahnen und sie, wenn sie nicht still sind, zum Verlassen der Versammlung aufzufordern. Ihnen wird aus dem Munde der Brüder eine angemessene Rüge ausgesprochen. 6. Das Amt des Präses endet mit der Tagung. Es steht der nächsten Provinzsynode frei, denselben oder einen anderen zu wählen. 7. Die zu diesen Synoden entsandten Ältesten und Diakone haben bei allen Sitzungen zusammen mit den Pastoren ihrer Gemeinden Stimmrecht. Von den Ältesten des Tagungsortes haben nur zwei Stimmrecht; den übrigen Ältesten wird die Teilnahme und das Rederecht zugestanden. 8. Der Präses beginnt alle Sitzungen mit einem Gebet und schließt sie mit einer Danksagung. 9. Alle Beschlüsse werden schriftlich niedergelegt und noch einmal verlesen, damit alle sie billigen und unterschreiben. Jeder nimmt ein vom Präses und vom Schriftführer unterschriebenes Exemplar mit nach Hause, damit es in den Konsistorien der einzelnen Gemeinden verlesen wird. 10. Mit Zustimmung der ganzen Provinzsynode wird die Gemeinde bestimmt, die in Absprache mit den anderen Pastoren ihrer Classis das Recht und die Aufgabe erhält, Ort und Zeit der nächsten Provinzsynode festzulegen. 11. Dieser Gemeinde soll alles sorgfältig und frühzeitig mitgeteilt werden, was in anderen Gemeinden an Schwierigkeiten auftritt oder was in den Kon-

Die Akten der Emder Synode 

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sistorien und bei den Versammlungen der Classes nicht entschieden werden kann, oder schwierige Fragen, die die ganze Provinz betreffen. 12. Diese Gemeinde soll den übrigen Gemeinden Ort und Zeit der nächsten Provinzsynode drei Monate vorher mitteilen und mit gleichem Schreiben ein Exemplar aller bei ihr eingegangenen Themen und Artikel zusenden. Über diese macht sich jede Gemeinde rechtzeitig Gedanken und trägt ihr Urteil auf der Versammlung der Classis vor, damit die Abgeordneten der Classis etwas präsentieren können, was schon vorher beraten und von allen Gemeinden der Classis besprochen worden ist. 13. Jedoch soll die Gemeinde, die mit der Verantwortung für Ort und Zeit der nächsten Provinzsynode betraut ist, mit dem Schreiben von Briefen an die einzelnen Gemeinden aller Classes in der Provinz nicht über Gebühr belastet werden. Daher wird in jeder Classis eine Gemeinde gewählt, an die sie schreibt, und diese teilt dann den Inhalt den Pastoren ihrer Classis mit. 14. Die Kosten der Teilnehmer an der Synode tragen die jeweiligen Classes. 15. Nachdem die Synode ihre Arbeit beendet hat, feiern die zur Synode versammelten Pastoren und Ältesten Abendmahl, und das je nach Möglichkeit zusammen mit der Gemeinde des Tagungsortes. 16. Der Gemeinde, in der die Synode stattfindet, fällt die Aufgabe zu, die Protokolle und Beschlüsse dieser Synode zur nächsten mitzubringen oder ihr zuzuschicken.

Die Generalsynoden Die gleichen Bestimmungen gelten für die Generalsynoden. An ihnen nehmen Pastoren und Älteste teil, die nicht von den Classes, sondern von den Provinzen entsandt werden. Sie bringen Vollmachten mit und Anfragen zur Lehre, zur Kirchenzucht und zu einzelnen Themen, die auf den Provinzsynoden nicht entschieden werden konnten oder alle Gemeinden angehen.

Bei dieser Versammlung waren folgende Pastoren anwesend und haben unterschrieben: Gaspar Heydanus58 Johannes Taffinus59 Polyander60

Pastor der Gemeinde in Frankenthal Pastor der französischen Gemeinde in Heidelberg Pastor der französischen Gemeinde in Emden

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Übersetzung

Hermann Modet61 Carolus Niellius62 Pastor der französischen Gemeinde in Wesel Sybert Loo63 Pastor der Gemeinde in Köln Johannes Hueckelom64 Pastor der Gemeinde in Aachen Johannes Lippius65 Pastor in Wesel Henrik Holtenus66 Pastor der Gemeinde in Emmerich Johannes Woudanus67 Pastor der Gemeinde in Antwerpen Valerius Pauli Tophusanus68 Pastor in Gent Franziscus Pauli69 Pastor in Flandern Johannes Arnoldi70 Pastor der Gemeinde in Amsterdam Petrus Gabriel71 Pastor der Gemeinde in Amsterdam Gisbert Zythopaeus72 Pastor der Gemeinde in Schagen Andreas Cornelii73 Pastor in Brielle Clemens Martini74 Pastor in Hoorn Andreas Theodor Castricomius75 Pastor in Westfriesland Cornelius Johannis76 Pastor in Twisk Cornelius Christiani77 zukünftiger Pastor Henricus Michaelis78 zukünftiger Pastor Gaspar Bigardus79 zukünftiger Pastor Johannes Cocus80 ehemals Pastor in Flandern Johannes Ilstanus81 ehemals Pastor in Friesland Älteste: Karl de Noude82 Ältester der französischen Gemeinde in Emden Christoph Becanus83 Ältester der französischen Gemeinde in Emden Johannes de Roy84 aus Köln Hermann Meranus85 aus Wesel Gabriel86 aus Antwerpen

Anmerkungen 

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Anmerkungen 1 Die Anschrift an die Emder französischsprachige Gemeinde ist auf der Rückseite des Briefes notiert. 2 Einfügung am Briefrand: Jes 2[,3–5]. 3 Einfügung am Briefrand: Weish 3,9. 4 Einfügung am Briefrand: Mt 18[,20]. 5 Vgl. Apg 1,15–26. 6 Vgl. Apg 6,1–7. 7 Beim sog. antiochenischen Zwischenfall zwischen Paulus und Petrus, der in Apg 15 und Gal 2 unterschiedlich dargestellt wird, ging es um die Frage der Verbindlichkeit der Tora und die Aufkündigung der Tischgemeinschaft zwischen Judenchristen und Heidenchristen. Laut Apg 15 konnte der Konflikt zwischen Paulus und Petrus beim Jerusalemer Apostelkonzil im Jahr 48/49 n. Chr. durch Beschlüsse und Vereinbarungen gelöst werden. 8 Gal 2,1–10. 9 Vgl. Röm 12,3–8; 1. Kor 12,1–11. 10 Tatsächlich wurde Emden als Tagungsort bestimmt. 11 Im Einladungsschreiben und in den Synodalakten steht der historische Name St. Lambert. 12 Es handelt sich um die flämische und die wallonische Gemeinde in Frankfurt / M. 13 Gemeint sind die Gemeinden »unter dem Kreuz«. Das Herzogtum Alba steht für die spanische Gewaltherrschaft über die Niederlande, repräsentiert durch das Schreckensregiment des Herzogs von Alba; vgl. Kapitel 1.1, Anm. 1. 14 Die Tagesordnung konnte bisher nicht gefunden werden. 15 Deus Optimus Maximus (Akronym: DOM) ist ein lat. Ausdruck, der häufig auf Gräbern und Sakralbauten der frühen Neuzeit zu finden ist. 16 Petrus Dathenus (1531/32–1588), einflussreicher Theologe in der Kurpfalz und Pastor in Frankenthal, zuvor seit 1555 u. a. Pastor der flämischen Flüchtlingsgemeinde in Frankfurt / M., 1578 Pastor in Gent und schließlich Tätigkeit als Arzt in Norddeutschland, Danzig und Elbing. Dathenus, der beim Weseler Konvent von 1568 als Präses fungierte, fehlt in der Liste der Unterzeichner, da ihm die Teilnahme an der Emder Synode von der pfälzischen Regierung untersagt wurde. 17 Johannes Taffinus (1529/30–1602), Pastor der Flüchtlingsgemeinde in Heidelberg und Beisitzer (Assessor) der Emder Synode. Nachdem er seit 1560/61 Pastor in Metz war, wirkte er später in Antwerpen, Heidelberg, als Hofprediger von Wilhelm I. von Oranien, in Emden, Haarlem und Amsterdam. 18 Petrus Colonius (um 1530–1571), Pastor in Metz seit 1559 und später in Heidelberg. Wie Dathenus wurde auch ihm die Teilnahme an der Emder Synode untersagt. 19 Vgl. Französische Kirchenordnung (Discipline ecclésiastique)  von 1559, Art. 1, in: RBS 2/1, 57–83, hier 74; Hugenottisches Bekenntnis (Confessio Gallicana) von 1559, Art. 30, in: RBS 2/1, 1–30, hier 26. 20 Niederländisches Bekenntnis (Confessio Belgica) von 1561, in: RBS 2/1, 319–370. 21 Hugenottisches Bekenntnis (Confessio Gallicana) von 1559, in: RBS 2/1, 1–30.

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Übersetzung

22 Das Niederländische Bekenntnis (Confessio Belgica) wurde von der französischen Synode von Figeac 1579 anerkannt. Welche Gemeinden eine Versammlung der Classis bilden sollen, wird in den Artikeln 10–12 erklärt. 23 Genfer Katechismus von 1542, in: RBS 1/2, 279–362. 24 Heidelberger Katechismus von 1563, in: RBS 2/2, 167–211. 25 Ein Beispiel ist der Kleine Emder Katechismus von 1554, in: RBS 1/3, 295–328. 26 Lat.: conventus classici, früher mit »Classicalversammlungen« übersetzt. Der lat. Begriff classis bezeichnet einen Bezirk bzw. Kirchenkreis, für den ein Konvent einberufen werden soll. 27 Die erste Provinzsynode von Holland und Zeeland tagte vom 15.–28. Juni 1574 in Dordrecht. 28 Die Generalsynode der niederländischen Kirchen fand erst vom 3.–18. Juni 1578 in Dordrecht statt. 29 Vermutlich handelt es sich um Mortier bei Lüttich; in den übrigen Übersetzungen fehlt der Ortsname. 30 Flüchtlingsgemeinden u. a. in London, Norwich, Glastonbury und Sandwich. 31 Vgl. Französische Kirchenordnung (Discipline ecclésiastique) von 1559, Art. 21, in: RBS 2/1, 79. 32 Lat.: schismaticus = Schismatiker. 33 Lat.: De adiaphoris in baptismo. Als Adiaphora werden die sog. Mitteldinge bezeichnet, deren Entscheidung in die eine oder andere Richtung nicht für das Heil oder den Glauben relevant ist und bei denen eine von Freiheit bestimmte pragmatische Handhabung ratsam ist. 34 Lat.: In coena. Analog zur Taufe geht es in Artikel 21 um die Abendmahlspraxis. 35 Vgl. Mt 26,26–28 parr; 1. Kor 11,23–26. 36 Lat.: consecratio = Weihe, zugleich die eucharistische Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi in der römisch-katholischen Kirche. 37 Vgl. Mt 18,15–17: »Sündigt aber dein Bruder, so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch zweier oder dreier Zeugen Mund bestätigt werde. Hört er auf die nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und Zöllner«. 38 = Exkommunikation. 39 Lat.: synodus provincialis, früher mit »Provinzialsynode« übersetzt. 40 Zu den Unterzeichnern der Akten der Emder Synode gehören nur Lippius und Arnoldi. 41 Vgl. Gal 6,10; 1. Tim 5,8. 42 Philips van Marnix (1538/40–1598), Herr von Mont Saint Aldegonde, studierte in Genf bei Johannes Calvin und war mit Theodor Beza befreundet; er war niederländischer Dichter, Psalmenübersetzer und Politiker sowie Berater Wilhelms von Oranien. Den Auftrag, eine Geschichte der niederländischen Gemeinden zu verfassen, hat er indes nicht erfüllt. 43 Die Liste der Gemeinden entspricht den im Einladungsschreiben vom 30. Juni 1571 genannten Gemeinden.

Anmerkungen 

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44 Zur Buchzensur vgl. die Französische Kirchenordnung (Discipline ecclésiastique) von 1559, Art. 26, in: RBS 2/1, 80. 45 Gaspar Heydanus (van der Heyden, 1530–1586), Pastor der Gemeinde in Frankenthal und Präses der Emder Synode. Nachdem er seit Ende 1551 Pastor in Antwerpen war, wirkte er später in Frankfurt / M., Heidelberg, Frankenthal und Middelburg. 46 Johannes Polyander (Kerckhoven, 1535–1598), seit 1570 Pastor der französischsprachigen Gemeinde in Emden und Scriba (Schriftführer) der Emder Synode. Zuvor war er Prediger in Lothringen sowie Pastor in Metz und in der Pfalz. Sein gleichnamiger Sohn (1568–1646) war ein bekannter Theologe in den Niederlanden und mehrfach Präses der niederländischen Synode. 47 Gemeint sind die Gemeinde der Einheimischen, die die flämischsprachigen Niederländer aufgenommen hat, und die französischsprachige Gemeinde für die wallonischen Glaubensflüchtlinge. Die jeweilige Armenfürsorge der beiden Emder Gemeinden kümmerte sich auch um Glaubensflüchtlinge, die über Emden nach England ausreisen wollten. 48 Lat.: indifferentia. Gemeint sind Dinge, deren Entscheidung nicht von letztgültiger, sondern nur von praktischer Bedeutung ist und nicht der Unterscheidung zwischen Gut noch Böse unterliegen. 49 Die siebente Nationalsynode von La Rochelle, die vom 2.–11. April 1571 tagte, nahm die Confession de La Rochelle an, eine überarbeitete Fassung der Confessio Gallicana von 1559; Abdruck: RBS 2/1, 1–30. 50 Polemischer Ausdruck für die Mitglieder der römisch-katholischen Kirche. 51 Das Gutachten, das für die Gemeinde in Norwich verfasst wurde, findet sich in der von Johannes de Roy (Jan de Roye) 1571 erstellten niederländischen Übersetzung der Synodalakten; Abdruck: Akten, 120 f. 52 Siehe Anm. 50. 53 Vgl. 1. Tim 5,14; 1. Kor 7,9. 54 Gemeint ist eine römisch-katholische Obrigkeit, die sich in dieser Frage am strengeren Kanonischen Recht orientiert. 55 Siehe Anm. 28. 56 Vgl. Französische Kirchenordnung (Discipline ecclésiastique)  von 1559, Art. 3, in: RBS 2/1, 75. 57 Lat.: pars maior / pars sanior; Begriffe und Verfahren des mittelalterlichen Rechts, in dem zwischen der zahlenmäßig größeren Partei (pars maior) und der Partei mit der besseren Einsicht in den göttlichen Willen (pars sanior) unterschieden wurde. 58 Siehe Anm. 45. 59 Siehe Anm. 17. 60 Siehe Anm. 46. 61 Hermann Modet (Moded, Strycker, um 1520–1603), seit 1567 Pastor der niederländischen Gemeinde in Norwich. Später war er Pastor in Zierikzee, Gent, Antwerpen, Utrecht und Middelburg. 62 Charles de Nielles (um 1534–1604), 1570–1598 Pastor der französischen Gemeinde in Wesel. Zuvor war er Pastor in Antwerpen und später in Heidelberg und Hanau. 63 Sybert Loo (Lohn, * um 1535), Pastor der Gemeinde in Köln.

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Übersetzung

64 Johannes Hueckelom († 1606), seit 1568 Pastor der Gemeinde in Aachen. Nach 1589 wurde er Pastor in Nijland und Middelharnis. 65 Johannes Lippius, Pastor in Wesel 1567–1572, später Pastor in Dordrecht und Hulst. 66 Henrik Holtenus († 1574), Pastor der Gemeinde in Emmerich. 67 Johannes Woudanus († um 1577), Pastor der Gemeinde in Antwerpen bis 1573, anschließend Presbyter (Ältester) der niederländischen Gemeinde in London. 68 Valerius Pauli Tophusanus († um 1585/86), Pastor in Gent. 69 Franziscus Pauli, Pastor in Flandern. 70 Johannes Arnoldi (Jan Arendsz, † 1573), seit 1566 Pastor der Gemeinde in Amsterdam, von wo er 1567 nach Emden emigrierte. 71 Petrus Gabriel († 1573), seit 1566 Pastor der Gemeinde in Amsterdam, von wo er 1567 nach Emden emigrierte. 72 Gisbert Zythopaeus († 1578), Pastor der Gemeinde in Schagen / Nordholland. 73 Andreas Cornelii († 1578), Pastor in Brielle / Südholland. 74 Clemens Martini († 1599), Pastor in Hoorn / Nordholland, flüchtete 1567 nach Emden und war seit 1572 Pastor in Hoorn. 75 Andreas Theodor Castricomius († 1598), Pastor in Westfriesland, flüchtete 1567 nach Emden und war 1572–1598 Pastor in Enkhuizen / Nordholland. 76 Cornelius Johannis, Pastor in Twisk / Nordholland. 77 Korstensz of Corssen († 1582), zukünftiger Pastor, war 1574–1582 Pastor in Delfshaven / Rotterdam. 78 Henricus Michaelis, zukünftiger Pastor, zuvor 1565 Presbyter (Ältester) der französischsprachigen Gemeinde in Emden. 79 Gaspar van Bygaerden, zukünftiger Pastor, seit 1582 Pastor in Brouwershaven / Zeeland. 80 Johannes Cocus, ehemals Pastor in Flandern. 81 Johannes Ilstanus († 1592), ehemals Pastor in Friesland, um 1574 Pastor in Bovenkarspel / Nordholland. 82 Karl de Noude, Ältester der französischsprachigen Gemeinde in Emden. 83 Christoph Becanus, Ältester der französischsprachigen Gemeinde in Emden, emigrierte aus Flandern nach Emden. 84 Johannes de Roy (Jan de Roye), Presbyter (Ältester) der niederländischen Gemeinde in Köln. Er fertigte für diese Gemeinde eine Abschrift der Akten der Emder Synode an. 85 Hermann Meranus, vermutlich Presbyter (Ältester) der Gemeinde in Wesel, zuvor Kaufmann und Presbyter (Ältester) in Antwerpen und später seit 1572 in Gennep. 86 Gabriel, über den außer dem Ort Antwerpen nichts bekannt ist.

3. Nachweis der Abbildungen

Buchcover: Protokollband der Dürener Gemeinde mit Abschrift der Akten der Emder Synode 1571, S. 1, in: Stadt- und Kreisarchiv Düren, Depositum Evangelische Gemeinde zu Düren (45) A 1–4, Seite 1 Abb. 1: Bildarchiv der Johannes a Lasco Bibliothek Emden, Nr. 0084: Sammlung Gisa Majert 03, Bild 12 Abb. 2: Crimi Design Abb. 3: Archiv der Johannes a Lasco Bibliothek Emden, Nellner Rep. 320 D, Nr. 5, Blatt 1v + 1r Abb. 4: Archiv der Ev. Kirchengemeinde Wesel, Gefach 12, Nr. 4, Seite 29 Abb. 5: Historisches Archiv der Stadt Köln, Best._295_H_235 Geistliche Abt., Seite 1 Abb. 6: Archiv der Ev. Kirche im Rheinland (AEKR), Bestand 1 OB 020 (Provinzialkirchenarchiv), A I I a 1 Abb. 7: Historisches Archiv der Stadt Köln, Best._295_H_239 Geistliche Abt., Seite 1 Abb. 8: Stadt- und Kreisarchiv Düren, Depositum Evangelische Gemeinde zu Düren (45) A 1–4, Seite 8 Abb. 9: Stadt- und Kreisarchiv Düren, Depositum Evangelische Gemeinde zu Düren (45) A 1–4, Seite 13 Abb. 10: Stadt- und Kreisarchiv Düren, Depositum Evangelische Gemeinde zu Düren (45) A 1–4, Seite 14