Benvenuto Samson zum 90. Geburtstag [Reprint 2020 ed.] 9783112326527, 9783112326510

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Benvenuto Samson zum 90. Geburtstag [Reprint 2020 ed.]
 9783112326527, 9783112326510

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Benvenuto Samson zum Gruße
Benvenuto Samson zum 90. Geburtstag (11. Juni 1977)
Samson-Veröfientlichungen ab 1972
Teil I
I. Abhandlungen
Das Urheberrecht als letzte Hilfe bei nicht rechtsbeständigen Geschmacksmusterregistrierungen
Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts im internationalen Verkehr mit urheberrechtlich geschützten Werken
Immaterielle Wirtschaftsgüter im Steuerrecht unter Berücksichtigung des Urheber- und Verlagsrechts
Die Rechtsnatur des Vertrags der arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeiter geistiger Berufe
Zulässigkeit und Grenzen der wissenschaftlichen Kritik im außerwettbewerblichen Bereich
Zum Verhältnis von Persönlichkeitsschutz und Kunstfreiheit
Grundzüge der persönlichkeitsrechtlichen Theorie im sozialistischen Urheberrecht
Das Recht des Urhebers zur Abwehr von Importen und das Europäische Recht
Werk und Urheber in der schweizerischen Urheberrechtsreform
Urheberrecht und Kartellrecht Urheberrecht und Kartellrecht
Überlegungen zur Anwendung des GWB bei der Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten
Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken
Teil 2
I. Abhandlungen Urheberrecht und angewandte Kunst
Ein Beitrag zu der Thoma-Stühle-Entscheidung des Bundesgerichtshofes
Das Verhältnis der Regelung des Art. 14ter RBÜ über das Folgerecht zum deutschen Recht
Rechtsschutz der Computerprogramme
Zur erforderlichen Änderung der §§ 53, 54 des Urheberrechtsgesetzes (sog. Fotokopierrecht)
Kann für Allgemeine Geschäftsbedingungen Urheberrechtsschutz in Anspruch genommen werden?
Anhängige Probleme des Urheberrechts
Überlegungen für ein Urhebervertragsgesetz
Der Wettbewerbsgedanke im Urheberrecht
Dargestellt an Fragen der Werkfortsetzung, des Selbstplagiats und der Parodie
Gedanken zur Regelung des Rechts der Verwertungsgesellschaften in Österreich
Tarife und Gesamtverträge der Verwertungsgesellschaften
Umformung in einen anderen Werkstoff oder eine andere Dimension
Ein Beitrag zur Entstehung von Bearbeiter-Urheberrediten an Werken der bildenden Kunst
Ein Beitrag zur Entstehung von Bearbeiter-Urheberrediten an Werken der bildenden Kunst
Die Bildung des Urhebervertragsrechts
Funktionen der unbestimmten Rechtsbegriffe im Immaterialgüterrecht
Werberechtsreform und Verbraucherschutz

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Georg Roeber (Hrsg.) Benvenuto Samson zum 90. Geburtstag

Schriftenreihe der UFITA Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Herausgegeben von Dr. jur. Georg Roeber, München

Heft 59

Benvenuto Samson zum 90.Geburtstag Herausgegeben von

Dr.jur. Georg Roeber München im Zusammenwirken mit

Dr.jur. Ernst Windisch Karlsruhe

Dr.jur. Hans-Heinrich Schmieder München

1978

^ P J. Schweitzer Verlag • Berlin

Sonderdruck aus den Bänden 79 (S. 1—238, Teil I) und 80 (S. 1—240, Teil II) der UFITA, Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht

Zitiervorschlag: (Name des Autors) in: Benvenuto Samson, Teil • , Seite



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der Deutschen

Bibliothek

Benvenuto Samson zum 90. [neunzigsten] Geburtstag hrsg. von Georg Roeber im Zusammenwirken mit Ernst Windisch und Hans-Heinrich Schmieder. — Berlin: Schweitzer, 1977. (Schriftenreihe der UFITA; H. 59) ISBN 3-8059-0497-5 NE: Roeber, Georg [Hrsg.]; Samson, Benvenuto: Festschrift

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Obersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in Irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Satz und Druck: Neuzeit-Druck, 6385 Pilsting-Ganacker Buchbinder: Wübben, Berlin © 1977 by J. Schweitzer Verlag Berlin. - Printed in Germany.

Inhaltsverzeichnis Benvenuto Von Benvenuto Von

Samson zum Gruße. Dr. Georg Roeber, München Samson zum 90. Geburtstag (11. Juni 1977). Dr. Ernst Windisch, Karlsruhe

IX XI

Samson-Veröffentlichungen ab 1972

XIII

Teil I Beil, Dr. Hans: Das Urheberrecht als letzte Hilfe bei nicht rechtsbeständigen Geschmacksmusterregistrierungen Deutsch, Prof. Dr. Erwin: Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts im internationalen Verkehr mit urheberrechtlich geschützten Werken Götz von Olenhusen/Martens: Immaterielle Wirtschaftsgüter im Steuerrecht unter Berücksichtigung des Urheber- und Verlagsrechts . Hersdiel, Prof. Dr. Wilhelm: Die Rechtsnatur des Vertrags der arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeiter geistiger Berufe . . . Hubmann, Prof. Dr. Heinrich: Zulässigkeit und Grenzen der wissenschaftlichen Kritik im außerwettbewerblichen Bereich . . . Keller, Dr. Hans-Joachim: Zum Verhältnis von Persönlichkeitsschutz und Kunstfreiheit Knap, Dr. Karel: Grundzüge der persönlichkeitsrechtlichen Theorie im sozialistischen Urheberrecht Knöpfle, Prof. Dr. Robert: Das Recht des Urhebers zur Abwehr von Importen und das Europäische Recht Larese, Dr. Wolfgang: Werk und Urheber in der schweizerischen Urheberrechtsreform Loewenheim, Prof. Dr. Ulrich: Urheberrecht und Kartellrecht . . Movsessian, Vera: Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken

1 9 25 47 67 89 99 123 153 175 213

Teil II Nirk, Prof. Dr. Rudolf: Urheberrecht und angewandte Kunst. Ein Beitrag zu der Thoma-Stühle-Entscheidung des Bundesgerichtshofes

1

Nordemann, Prof. Dr. Wilhelm: Das Verhältnis der Regelung des Art. 14 ter RBU über das Folgerecht zum deutschen Recht

.

21

Pakuscher, Dr. Ernst Karl, LL.M: Rechtsschutz der Computerprogramme

35

Peter, Urheberrechtsgesetzes Franz Wilhelm: Zur erforderlichen Änderung der .§§ 53, (sog. Fotokopierrecht) . .54 .des

47

Rehbinder, Prof. Dr. Manfred: Kann für Allgemeine Geschäftsbedingungen Urheberrechtsschutz in Anspruch genommen werden? .

73

Reichardt, Dr. Ernst: Anhängige Probleme des Urheberrechts

81

.

.

VI Roeber, Dr. Georg: Überlegungen für ein Urhebervertragsgesetz .

.

105

Sdimieder, Dr. Hans-Heinrich: Der Wettbewerbsgedanke im Urheberrecht. Dargestellt an Fragen der Werkfortsetzung, des Selbstplagiats und der Parodie

127

Schönherr, Prof. Dr. Fritz: Gedanken zur Regelung des Rechts der Verwertungsgesellschaften in Österreich

143

Schulze, Prof. Dr. h. c. Erich: Tarife und Gesamtverträge der Verwertungsgesellschaften

151

Traub, Dr. Fritz: Umformung in einen anderen Werkstoff oder eine andere Dimension. Ein Beitrag zur Entstehung von Bearbeiter-Urheberrechten an Werken der bildenden Kunst

159

Troller, Prof. Dr. Dr. h. c. Alois: Die Bildung des Urhebervertragsrechts

173

Windisch, Dr. Ernst: Funktionen der unbestimmten Rechtsbegriffe im Immaterialgüterrecht

209

Wronka, Dr. Georg: Werberechtsreform und Verbraucherschutz

221

.

Benvenuto Samson zum Gruße Neunzig Jahre alt zu werden, ist eine Gnade des Lebens. Wir denken dabei an das bekannte Bibelwort. Wenn sich aber in der Person dessen, der auf neun Jahrzehnte seines Lebens zurückblicken kann, zusammen mit den Erfahrungen eines langen Lebens ungebrochene Aktivitäten und Interessen wie bei Benvenuto Samson verbinden und sich auf die Ebene des Wissenschaftlichen in so hervorragendem Maße projizieren, ist dies ein Phänomen. Man betrachte sein Bild, das diesem Band vorangestellt ist. Man wird den Eindruck haben, es ist das Bild eines vielleicht Endfünfzigers. Hier bewahrheitet sich, daß der Geist des unaufhörlichen Trainings bedarf, um den durch Arbeit und Erfolg erreichten Höhepunkt zu halten. Benvenuto Samson hat mit seinen Leistungen auch der jüngsten Zeit nicht nur den schon zuvor erreichten Höhepunkt gehalten, sondern ihn noch erheblich aufgestockt. Das Impressum seines „kommentierenden Lehrbuchs" zum Urheberrecht verzeichnet das Jahr 1973. Mit diesem Buch hat der Verfasser ein Lebensbekenntnis zum Urheberrecht abgelegt. Seine zwischenzeitlich erschienenen Beiträge bestätigen aufs neue die Vielfalt seiner Interessen und den wissenschaftlichen Rang in der Behandlung der von ihm in Aufsätzen und Schrifttumsbesprechungen aufgegriffenen Themen. Auch wo Urheberrecht von ihm behandelt wird, geschieht dies aus einer umfassenden Kenntnis des allgemeinen Rechts und der gesellschaftlichen Fakten. Er hielt Schritt mit der Entwicklung der Technik, und er vertiefte seine Betrachtungen gelegentlich durch rechtsphilosophische Erkenntnisse. So stehen in den Jahren zwischen der Vollendung seines 85. und seines 90. Lebensjahres Leistungen, die ihn mit den Rechtssystemen des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte ebenso verbinden wie mit den Problemen der Computerkunst und der Topik. Die UFITA weiß sich glücklich, wenn sie mit dem vorliegenden Band, der in enger Zusammenarbeit mit Dr. Ernst Windisch, Richter am Bundesgerichtshof, und Dr. Hans-Heinrich Schmieder, Richter am Bundespatentgericht, entstanden ist, dem Rechtsanwalt und

X

Honorarprofessor Benvenuto Samson zu seinem Geburtstag am 11. Juni 1977 eine Ehrengabe mit 25 Beiträgen von Kollegen, Freunden und Schülern überreicht. Diese Beiträge sind in Kenntnis seiner Persönlichkeit und seines wissenschaftlichen Schaffens für ihn niedergelegt worden. Jeder der Beitragsverfasser übermittelt in dieser Weise und die UFITA insgesamt dem Jubilar mit dem Ausdrude des Dankes die allerbesten Wünsche für sein Wohlergehen und sein weiteres Schaffen. Georg Roeber

Benvenuto Samson zum 90. Geburtstag (11. Juni 1977) Diese Festgabe soll die herzliche Zuneigung der Gratulanten, deren Zahl um ein Mehrfaches größer als die der Beitragsverfasser ist, zum Ausdruck bringen. Benvenuto Samson, den wir zum Eintritt in das zehnte Lebensjahrzehnt beglückwünschen, wird von vielen Menschen unterschiedlicher Generationen und Positionen gehört und geachtet. Sein Urteil wiegt ihnen schwer; es weckt die Lauen, hält die Heißsporne zurück und zwingt alle zum Nachdenken. Dies läßt sich nicht allein aus seinem erfolgreichen Lebensweg von Moskau über Dresden, Frankfurt und Europa in die Welt, nicht allein aus seinen Begegnungen mit bekannten Künstlern, Politikern, Industriellen und Juristen und auch nicht nur aus der Bevorzugung der Immaterialgüter erklären. Zwar sagen die Ereignisse und Daten, von denen in UFITA Bd. 49 (1967) und Bd. 64 (1972), in FILM UND RECHT Nr. 5/1967 und Nr. 5/1972 und in N J W 1972, 1179 die Rede war, sowie die Veröffentlichungen, die in dieser Festgabe genannt sind, Entscheidendes aus. Zwar hat die wechselvolle Geschichte Europas, mit der Samsons Schicksal durch schwere und befreiende Erlebnisse verflochten ist, die Kraft seines Urteils gefestigt. Das Besondere aber, das seine Worte und Gedanken in allen Zuhörern und Lesern weiterklingen läßt, ist etwas ganz Persönliches: Er hat sich dem Geschehen gewachsen gezeigt und dadurch Vertrauen erworben. Er ist jung geblieben, weil er auch die früheren Stufen seiner Lebenstreppe nicht vergessen hat und weil er bereit wäre, denselben Weg noch einmal zu gehen. Ohne den Frieden mit sich selbst hätte er nicht die Kraft, auch für andere zu wirken. Wenn wir ihn nach Erfahrungen aus und mit seinem Leben fragen, dann beschenkt er uns reich; wir hören dabei auch, daß er, wenn er noch einmal anzufangen hätte, wieder Jurist werden möchte und es wieder für richtig und wichtig halten würde, in allen Dingen Maß zu halten und nie etwas zu übertreiben. Hier zeigt er uns einen Schlüssel zu der von ihm praktizierten Lebenskunst, die ihn dem Kern der Dinge näher gebracht und ihn davor bewahrt hat, sich vom Wesentlichen zu entfernen und extrem und einseitig zu werden. Sein Stil — straff und konzentriert, unpathetisch, aber phantasiesprühend und spontan — läßt aufhorchen. Samson überschätzt und verachtet die Menschen nicht, er liebt sie und will ihnen helfen. Deshalb sind seine offenen und kritischen Bemerkungen nicht verletzend, sondern heilsam. Zu den Übertreibungen,

XII

die er immer gemieden hat, gehören die Abhängigkeit von Dogmen und von sachfremden Einflüssen, die Weitschweifigkeit und die Langeweile, die Lauheit und der Fanatismus, die Gewalttätigkeit, der Formalismus, die Autoritätsgläubigkeit, die Unfehlbarkeit und die Humorlosigkeit. Frei von Vorurteilen gegen das Jungsein, das er bei sich selber nie verdrängt und deshalb sich erhalten hat, gewinnt er Generation um Generation der Jugend; im aufgelockerten und elastischen Umgang mit seinen Kindern und seinen Schülern hat er sie dazu angestiftet, zwischen dem Bleibenden und dem Vergänglichen zu unterscheiden und der Hoffnung den Vorrang vor der Resignation zu geben. In einem Alter, in dem andere sich zur Ruhe setzen, begann er die Arbeit an der Frankfurter Universität; seitdem hat er mehr als ein Vierteljahrhundert lang in über 50 Semestern durch Vorlesungen, Seminare und Doktorandenbetreuung beispielhaft auf die Jugend eingewirkt. Es ist kein Zufall, daß hier keine laudatio einer Vergangenheit zustandekam, sondern gegenwärtige Ausstrahlungskraft bezeugt wird. Benvenuto Samson, dem Superlative maßlos erscheinen, hat Unübertreffliches erreicht. Wir wissen, daß er selbst alles ihm Gegebene als ein ganz seltenes Geschenk mit Dank annimmt und schließen uns diesem Dank mit vollem Herzen an. Dr. Ernst Windisch, Karlsruhe

Samson-Veröfientlichungen ab 1972 I. Schriften 1. Urheberrecht, ein kommentierendes Lehrbuch, 1973, Verlag Dokumentation München, UTB 24 (War in der Bibliographie 1972 schon angekündigt). II. Aufsätze 2. Die urheberrechtliche Regelung in Dienst- und Tarilverträgen in: UFITA Bd. 64 (1972) S. 181, Festschrift für Georg Roeber. 3. Die Entstellung urheberrechtlich geschützter Werke und gen in: Festschrift für den Verleger Ludwig Strecker. Verlag B. Schott's Söhne, Mainz, 1973, S. 372.

Leistun-

4. La nouvelle réglementation du droit de suite en République Fédérale d'Allemagne in: Revue Internationale du Droit d'Auteur (RIDA), Juli 1973 S. 39. 5. Der neue Schulbuchparagraph Heft 15 S. 23.

in: Blickpunkt Schulbuch 1973,

6. Anspruch auf die Schulbuchvergütung UFITA Bd. 71 (1974) S. 65. 7. Die Computerkunst S. 89.

und das Urheberrecht

hat nur der Urheber

in:

in: UFITA Bd. 72 (1975)

8. Die Topik im Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht. UFITA Bd. 74 (1975) S. 127 — Festschrift für Wilhelm Herschel. 9. Urhebervertragsgesetz oder Verzicht auf eine gesetzliche in: FILM UND RECHT Nr. 5/1973 S. 299. 10. Urheberrecht oder Leistungsschutzrecht GRUR 1976, 191.

Regelung

des Bühnenregisseurs

in:

beim Institut für Film- und Fern11. Bemerkungen zur Arbeitssitzung sehrecht am 28. Juni 1976 in: FILM UND RECHT Nr. 7/1976 S. 460 (Datenverarbeitungs-System JURIS). 12. Anmerkung zum Bremer OLG-Urteil vom 14. Juli 1976 in: FILM UND RECHT Nr. 9/1976 S. 611.

(Fotokopie)

13. Urheberrecht und Regie. Orientierungshilfe für die Arbeitssitzung beim Institut für Film- und Fernsehrecht am 5. November 1976, in: FILM UND RECHT Nr. 10/1976 S. 686.

XIV

III. Besprechungen Weitere Buchbesprechungen u. a. betr. Palandt, BGB - Kommentar, (1976) S. 353.

33. und

34. Aufl., in:

U F I T A Bd. 75

Mario M. Pedrazzini, Kunst und Recht in: U F I T A Bd. 77 (1976) S. 372. Ferdinand Wassner, Kunst, Geschmack und unlauterer Wettbewerb in: U F I T A Bd. 75 (1976) S. 373. Model und Creifelds, Staatsbürger-Taschenbuch, 14. Aufl., in: UFITA Bd. 75 (1976) S. 384. Erman, BGB - Kommentar, 6. Aufl., in U F I T A Bd. 78 (1977) S. 375.

Teil I

1

I. Abhandlungen Das Urheberrecht als letzte Hilfe bei nicht rechtsbeständigen Geschmacksmusterregistrierungen Von Dr. Hans Beil, Rechtsanwalt und Notar, Frankfurt am Main-Hödist*) Die gerichtliche Geltendmachung des Geschmacksmusterschutzes führt — insbesondere im Bereich des industriellen Designs — für die eingetragenen Schutzrechtsinhaber oft zu einem bösen Erwachen: Die formellen Vorschriften des Geschmacksmustergesetzes wurden bei der Anmeldung nicht beachtet, so daß die Anmeldung erst nach der Verbreitung des Musters erfolgte, oder es stellte sich bei der Vorbereitung des Prozesses oder auch erst im Prozeß selbst heraus, daß dem Geschmacksmuster die Neuheit fehlt. In beiden Fällen, in denen ein Geschmacksmusterschutz nicht zum Zuge kommen kann, versucht der so enttäuschte Schutzrechtsinhaber häufig und gerne, für den Gegenstand des Geschmacksmusters auch Schutz nach dem Urheberrecht in Anspruch zu nehmen und findet in diesen Überlegungen vielfach auch Gehör bei den Gerichten. Nicht erst in der Entscheidung des Reichsgerichts vom 12. Juni 19371) — „Möbelstoffmuster" — spielt diese Frage eine entscheidende Rolle, wenn auch dort in umfassender Form die Abgrenzung des Kunstschutzes gegenüber dem Geschmacksmusterschutz und die Frage, welchen Anforderungen gewerbliche Erzeugnisse genügen müssen, um Kunstschutz zu genießen, erörtert wurden. Diese Entscheidung hat die weitere Entwicklung entscheidend mitbestimmt und wird von den Gerichten aller Instanzen bei Prozessen, in denen es um den Urheberrechtsschutz für gewerbliche Erzeugnisse und um den Schutz von Design überhaupt geht, bis heute immer wieder bemüht. Dies — und nicht etwa nur die Tatsache, daß dieses Urteil in diesem Jahre gerade 40 Jahre alt wird — rechtfertigt eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Fragenkomplex. Vor einer näheren Beschäftigung sei eine kleine Abschweifung gestattet, die das Auge vielleicht für die Problematik und ihre Tragweite öffnen mag. Genauso wie das Geschmacksmuster ist das Gebrauchsmuster ein Registerrecht, dessen Eintragung ohne nähere Prü") Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. ») RGZ 155, 199.

2

Hans Beil:

fung der Schutzrechtsvoraussetzungen erfolgt. Wenn der Anmelder eines Gebrauchsmusters dieses verspätet anmeldet oder in einem Rechtsstreit festgestellt wird, daß ihm die Neuheit fehlt, so wird ihm das aus der Gebrauchsmustereintragung normalerweise resultierende Verbietungsrecht zu Recht versagt. Dem Schutzrechtsinhaber bleibt dann höchstens die Möglichkeit, etwaige Nachahmer wegen unlauteren Wettbewerbs in Anspruch zu nehmen. Nicht viel anders liegen auch die grundsätzlichen Verhältnisse bei Geschmacksmustern, nur daß hier als Hilfe nicht nur die Vorschriften des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, sondern zusätzlich die Vorschriften des Urheberrechts herangezogen werden. Die Folge ist, daß im Falle der Bejahung des Urheberschutzes an die Stelle einer höchstens 15j ährigen Schutzdauer des Geschmacksmusters, für das sich der Inhaber ursprünglich einmal entschieden hatte, die weit längere Schutzdauer nach dem Urheberrechtsgesetz tritt. Welche Zeiträume dann betroffen sein können, kann sich jedermann leicht ausrechnen, wenn man sich einmal vorstellt, daß das „Werk" von einem 25jährigen geschaffen wurde, der erst im Alter von 80 Jahren stirbt. Eine mehr oder weniger großzügige Zuerkennung des Urheberschutzes im Bereich des Designs kann zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Fortentwicklung einer bestimmten Gestaltung führen, während im Falle eines Geschmacksmusterschutzes die freie Verwertung nach einer bestimmten Zeit der Monopolstellung vom Gesetzgeber gewollt war. Die Zuerkennung eines Urheberrechtsschutzes anstelle eines Geschmacksmusterschutzes, der mangels rechtsbeständiger Eintragung nicht gewährt werden kann, führt zu einer ganz erheblichen Stärkung der Stellung des Schutzrechtsinhabers und sollte deshalb nur unter sehr strengen Kriterien erfolgen. Während in der Zeit bis zum Jahre 1907 für die Abgrenzung der Schutzobjekte der Gesetze über das Urheberrecht an Werken bildenden Künste vom 9. Januar 1876 und über den Schutz von Fotografien vom 10. Januar 1876 einerseits und des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz) vom 11. Januar 1876 andererseits das wesentliche Unterscheidungsmerkmal und die Trennungslinie der Gebrauchszweck war, ist es seit dem Kunstschutzgesetz vom 9. Januar 1907 unbestritten, daß derselbe Gegenstand sowohl nach dem Geschmacksmustergesetz wie nach dem Urheberrecht Schutz genießen kann. Schwierigkeiten bereitet immer nur die Frage, wann ein Gegenstand nicht nur als Geschmacksmuster schutzfähig ist, sondern auch als Kunstwerk betrachtet werden kann. Es kann nicht Gegenstand dieser Arbeit sein, den vielfältigen Ab-

Das Urheberrecht als letzte Hilfe

3

grenzungs- und Definitionsversuchen 2 ) einen weiteren — und sicherlich noch weniger überzeugenden — eigenen Versuch einer Grenzziehung hinzuzufügen. Das Ziel ist vielmehr lediglich, aus der Sicht eines mit diesen Problemen befaßten Anwalts eine warnende Stimme vor einer zu großzügigen Grenzziehung und Zuerkennung der Kunstwerkseigenschaft für Designleistungen zu erheben. Viele der für die Abgrenzung des Urheberrechtsschutzes vom Geschmacksmusterschutz einschlägigen Entscheidungen betreffen Möbel und insbesondere Stühle 3 ). Auf die Gründe dafür hat bereits Gerstenberg*) hingewiesen. Soweit in diesen Entscheidungen ein Urheberrechtsschutz bejaht wurde, sollten sie keiner nachträglichen Kritik unterzogen werden. Vom Ergebnis her mögen diese Urteile „richtig" sein und im Sinne einer wohlverstandenen Interessenabwägung den Umständen des Einzelfalles auch gerecht werden, so daß die Zubilligung des Urheberrechtsschutzes zur rechtlichen Absicherung der Entscheidung durch das erhaltene Ergebnis seine Rechtfertigung erfährt. Man sollte sich jedoch gerade auf dem schwierigen und unsicheren Gebiet der Definition von „Kunst" davor hüten, die Ergebnisse eines Einzelfalles verallgemeinern zu wollen. Wie problematisch eine solche Übertragung sein kann, zeigt beispielsweise die Tatsache, daß das Landgericht Frankfurt am Main in einem unveröffentlichten und nicht rechtskräftigen Urteil 6 ) unter Berufung auf die bisherige Rechtsprechung Büromöbel mit einer bestimmten klaren Linienführung als Kunstwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UG angesehen hat. Was für den Stuhl von Mart Stam 8 ) im Hinblick auf die besondere Gestaltung, das spezielle Design vom Laien noch akzeptiert werden kann, muß bei einem ganz von der Funktion bestimmten Büromöbel auf völliges Unverständnis stoßen, wenn das Gericht in dem genannten Fall ausführt: „Dem Schöpfer des Klagemodells ist es gelungen, dem . . . eine ästhetisch eigentümliche Prägung zu verleihen, die auf den Betrachter einen charakteristischen, sein eigenes tieferes Empfinden wesentlich anregenden Sinneseindruck ausübt. Das Klage2 ) Insoweit wird beispielsweise auf die umfassende Übersicht in F u r i e r , Geschmacksmustergesetz, 3. Aufl., 1966, 42 f. verwiesen. 3 ) RG GRUR 1932, 892 (Stahlrohrstuhl M. Stam); RG GRUR 1938, 137; BGH GRUR 1961, 635 = UFITA Bd. 34 (1961) S. 337 — „Stahlrohrstuhl"; OLG Düsseldorf GRUR 1971, 415 = UFITA Bd. 58 (1970) S. 321 — „Tütensessel"; BGH GRUR 1974, 740 = UFITA Bd. 72 (1975) S. 305 — „Sessel". 4 ) GRUR 1974, 707. 5 ) AZ 2/6 0 457/75 (der Autor hat an diesem Verfahren nicht mitgewirkt). ») RG GRUR 1932, 892; BGH GRUR 1961, 635 = UFITA Bd. 34 (1961) S. 337.

4

Hans Beil: muster läßt eine das Maß durchschnittlicher Möbelprogramme erheblich überragende Leistung eines schöpferischen Formempfindens erkennen. Gerade Möbel sind besonders dazu bestimmt und geeignet, bei der Gestaltung von Räumen formgebend zu wirken und auf diese Weise auf den Formen- oder Farbensinn des Beschauers einzuwirken. Diese Einwirkung braucht dabei keineswegs nur durch schmükkendes Beiwerk hervorgerufen werden, sondern kann auch einfach durch die klare Linienführung zum Ausdrude kommen (BGHZ 22, 209/216 = UFITA Bd. 23 (1957) S. 207/212 — Morgenpost). Maßgeblich für diesen vom Klagemodell ausgehenden Sinneseindruck ist das vom Schöpfer des . . . , soweit ersichtlich erstmals verwendete und bewußt als gestalterisches Mittel eingesetzte Spiel von stark miteinander kontrastierenden Linien und Flächen, das durch die Wechselbeziehung von dunkleren Gestellund helleren Korpusfarben erreicht wird und weiter dadurch besonders betont wird, daß die in helleren Tönen gehaltenen Arbeits- und Geräteplatten durch eine schwarze Umlauflinie deutlich eingegrenzt werden. Gerade diese Reduzierung der Linienführung auf eine dem Ergebnis angepaßte, elementare Form stellt eine besondere ästhetische Gestaltungsleistung des Schöpfers dieser Büromöbelkombination dar. Diese kontrastierende Wechselbeziehung, die an Kompositionen von Mondrian erinnert, stellt auch eine künstlerisch geistigschöpferische Leistung dar, die die Anforderungen, die das Geschmacksmustergesetz an einen Musterschutz stellt, bei weitem übersteigt. Ästhetische Gestaltungshöhe erhält das . . . daneben insbesondere durch seine prägnant und sachlich straff gegliederte, in die Büroarbeitswelt überdurchschnittlich gut zu integrierende Gesamtform, sowie durch den konstruktiven Formcharakter mit leicht abgerundeten Kanten und Ecken, der zwar nach außen hin für den Betrachter deutlich die Ordnungsfunktion des Programmes offenbart, aber dennoch einen übertrieben technischen und zu strengen Eindruck der Büromöbelkombination vermeidet. Trotz der funktionsgerechten und technisierten Anordnung des Programmes erzeugen Klarheit und Ruhe der verwendeten Gestaltungsformen ein harmonisches und durchaus arbeitsfreundliches Gesamtbild. Gerade in der Verwirklichung der klaren har-

Das Urheberrecht als letzte Hilfe

5

monischen Linienführung, die dem Gebrauchszweck angepaßt ist, kommt die künstlerische Gestaltungshöhe zum Ausdruck. Das . . . weist einen ihm eigentümlichen Stil funktioneller, jedoch nicht kalter, sondern ansprechender Sachlichkeit auf, was es deutlich von den übrigen Programmen der Wettbewerber unterscheidet. Jedes einzelne Teil der Büromöbelkombination, als auch die einzelnen Arbeitstische selbst, weisen über ihre Funktion hinaus eine ästhetische Ausgewogenheit auf und strahlen eine formgestalterische Qualität aus, die die Handschrift eines künstlerischen Designers oder Designerteams erkennen läßt. Zusammenfassend ist darüberhinaus zu sagen, daß die künstlerische Qualität der klägerischen Modelle eine Haltung offenbart, die den an diesen Büromöbelkombinationen arbeitenden Menschen nicht als schlichte Büroautomaten auffaßt. Die bedrängende Atmosphäre der Großraumbüros gewinnt durch die Modelle der Klägerin die kleine Chance einer menschenfreundlicheren Arbeitswelt. Da Kunst nicht Selbstzweck ist und sich nicht allein im ästhetisch-schöpferischen Formenspiel erschöpfen darf, ist diese wegweisende Richtung der klägerischen Modelle mit entscheidend für die Anerkennung der Kunstqualität." Eine allgemein gültige Definition des Begriffs „Kunstwerk" wird sicherlich ebenso unmöglich zu finden sein7) w i e eine für alle praktischen Fälle anwendbare Abgrenzung zu den Objekten, die noch nicht Kunst sind, will man nicht mit völlig nebelhaften und deshalb für die Praxis unbrauchbaren Begriffen arbeiten. Auf der anderen Seite sind auch die früher von der Rechtsprechung benutzten Abgrenzungskriterien 8 ) unbrauchbar, weil sie zur Erläuterung des Kunstbegriffes wiederum den Begriff der Kunst ( " . . . noch von Kunst gesprochen werden kann . . . " ) verwenden"). Auch der als Anregung zu zeitgemäßeren Definitionen gedachte Vorschlag von Gerstenberg10) leidet unter dem gleichen Mangel, als dort darauf abgestellt wird, ob die „Gestaltung . . . nicht nur geschmackliche Eigentümlichkeit, sondern künstlerische Gestaltungshöhe aufweist". Auch die vom OLG Mün?) OLG München GRUR 1974, 484 (485) = U F I T A Bd. 72 (1975) S. 330 (332). 8) RGZ 155, 199 (205); BGHZ 24, 63/64 = U F I T A Bd. 24 (1957) S. 232/233. ») OLG München, aaO. 10 ) GRUR 1974, 707 (716).

Hans Beil:

6

chen11) in Anlehnung an Jöstlein und Schramm verwendete Formulierung erscheint in der Praxis als echte und eindeutige Abgrenzungshilfe wenig brauchbar, wenn darauf abgestellt wird, ob „der Hörer oder Betrachter davon einen charakteristischen, sein eigenes tieferes Empfinden wesentlich anregenden Sinneseindruck: empfängt". Es bleibt also dem mit der Zubilligung des Urheberschutzes für ein bestimmtes Design befaßten Richter — ebenso wie im Vorfeld eines Rechtsstreits dem eine Partei beratenden Anwalt — gar nichts anderes übrig, als alle Umstände des Einzelfalles in seine Betrachtung einzubeziehen und im Endergebnis daraus in gewisser Abstraktion die Beurteilung der Frage der Kunstwerkseigenschaften eines Objekts abzuleiten. Gute Anhaltspunkte für diese Bewertung finden sich bei Schramm12): „Die schöpferische Leistung und deren rechtlich bedeutsamer Grad ist nach dem im Werk des künstlerischen Schaffens offenbarten und formgewordenen Phantasiegehalt zu messen und nicht nach der ästhetischen Wirkung, dem Kunstwert, der Begabung des Künstlers oder nach seinem persönlichen Einsatz bei der Schaffung eines Werkes. Bei dieser Bewertung sind alle Umstände zur Würdigung heranzuziehen, welche für eine schöpferische Leistung kennzeichnend sind (wie Individualität, Eigenart, Eigentümlichkeit, Stärke der Gefühlsansprache). Ein Minderwert des einen Merkmals kann durch einen Mehrwert eines anderen Merkmals ausgeglichen werden. Die Höhe des im Werk offenbarten und formgewordenen Phantasiegehalts kann an Hand von Beweisanzeigen festgestellt werden. Als solche kommen in Frage: Neuheit der Manier, Stilart, Eigenart, Eigentümlichkeit, Einfachheit der Linienführung u. a. m." Berücksichtigt man neben diesen Gesichtspunkten noch die weitreichenden Konsequenzen, die sich aus der Zubilligung der Kunstwerkseigenschaft für ein Objekt zwangsläufig ergeben, und wendet aus diesem Grund die Gedanken von Schramm mit der gebotenen Zurückhaltung und Vorsicht an, so dürften die Ergebnisse weit besser als manches Urteil der Vergangenheit dem Sinn und Zweck des Urheberrechtsgesetzes gerecht werden. Design ist zunächst einmal geschmacklich ansprechende Gestaltung, die nur in wenigen Ausnahme-

") Vgl. die Zitate bei OLG München, aaO. ) Die schöpferische Leistung, 212.

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Das Urheberrecht als letzte Hilfe

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fällen zugleich Kunst ist (auch wenn Designer dies vielleicht anders sehen oder gesehen haben wollen). Für diese wenigen Ausnahmefälle gibt das Urheberrecht einen deutlich über das Geschmacksmusterrecht hinausgehenden Schutz, der seine Rechtfertigung wiederum in der im Werk verkörperten eigenpersönlichen schöpferischen Leistung findet, während der „normalen" geschmacklichen eigentümlichen Schöpfung das Urheberrecht verschlossen bleiben muß und insbesondere nicht als letzte Auffangstation für „verunglückte" Geschmacksmuster dienen kann. Wer einen Geschmacksmusterschutz aus welchen Gründen auch immer, und wenn sie nur formaler Natur sind, nicht geltend machen kann, verdient keinen weitergehenden Schutz als etwa der Erfinder, dessen Patent wegen eigener neuheitsschädlicher Vorveröffentlichung vernichtet wird. Ihnen allen bleibt beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen immer noch der Schutz nach den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Solange neben dem Urheberrecht ein — wenn auch in vielen Belangen reformbedürftiges — Geschmacksmustergesetz besteht, muß davon ausgegangen werden, daß vom Gesetzgeber bewußt zwei in ihren Auswirkungen unterschiedliche Schutzrechtskategorien zur Verfügung gestellt werden, deren Anforderungen an das Schutzobjekt sich entsprechend — und wegen des Ausmaßes der Unterschiede in erheblichem Umfange — unterscheiden. Im Gegensatz zu den Anregungen von Gerstenberg13) ist deshalb zu fordern, daß die zwischen dem Urheberschutz und dem Musterschutz zu ziehende Grenze unter keinen Umständen zu niedrig gewählt werden darf. Nicht die Einbeziehung der sogenannten „kleinen Münze" in den Urheberrechtschutz, sondern die Befreiung des Urheberschutzes von diesem Ballast erscheint das anzustrebende Ziel. Wenn man dies bei seinen Überlegungen berücksichtigt und aus diesem Grunde die Anforderungen an die Kunstwerkseigenschaft eines Objekts hochschraubt, schadet man weder dem Designer, dessen „nur" geschmacklich eigentümliche Schöpfung dem Geschmacksmusterschutz vorbehalten bleiben muß, noch dem Urheberrecht selbst, dessen umfassender und langdauernder Schutz dann den wirklich großen eigenschöpferischen Leistungen vorbehalten bleibt. Man befreit das Urheberrecht aber zugleich von dem Ballast der „kleinen Münze", für die das Gesetz nicht geschaffen war und die zu einer Verwässerung des hauptsächlichen Schutzanliegens dieses Gesetzes führen könnte. aaO., 710. r. Sp.

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Beil: Das Urheberrecht als letzte Hilfe

Gegenüber dem von manchen vielleicht zu bedauernden Verlust, für Designleistungen in der Grauzone zwischen reinem Geschmacksmuster und reinem Kunstwerk einen Urheberrechtsschutz zu erlangen, erscheint diese Befreiung des Urheberrechts wegen der damit verbundenen Stärkung des Ansehens dieses Rechtsinstituts ein erstrebenswerter Gewinn. Resümee Anstelle der großzügigen Zubilligung des Urheberschutzes für Designleistungen, insbesondere in den Fällen, in denen ein Geschmacksmusterschutz aus formalen Gründen versagt, wird eine am Einzellall orientierte Beurteilung der möglichen Kunstwerkseigenschaft unter Anlegung strenger Maßstäbe für ihre Bejahung gefordert. Résumé Au lieu d'accorder de façon libérale la protection du droit d'auteur pour les prestations en matière de design, en particulier dans les cas où une protection au titre des dessins et modèles est refusée pour des raisons formelles, il est recommandé de procéder à une appréciation, en considération du cas particulier, de la possible qualité d'oeuvre artistique en posant des critères strictes pour sa reconnaissance. Fr. U. Summary The generous granting of copyright protection for works of design should not be maintained, particularly in cases where design protection fails for formal reasons. An evaluation in each individual case of the eventual quality of a work as a work of art and the application of strict standards, before this test is answered in the affirmative, are called for. v. W.

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Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts im internationalen Verkehr mit urheberrechtlich geschützten Werken Von Professor Dr. Erwin Deutsch, Göttingen*) Die Lehre von der Erschöpfung des Verbreitungsrechts, für die sich synonym die Begriffe Konsumtion oder Verbrauch finden, ist eine typische Erscheinung des Urheberrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes. Obwohl sie in diesen Rechtsgebieten seit etwa 70 Jahren — wenn auch in modifizierter Form — gewohnheitsrechtlich gilt, ist diese Lehre allein im Urheberrecht gesetzlich kodifiziert. Das Urheberrechtsgesetz aus dem Jahre 1965 (UG) enthält in § 17 Abs. 2 die erste und bislang einzige gesetzliche Regelung über die Erschöpfung des Verbreitungsrechts. Danach ist die Weiterverbreitung des Originals oder von Vervielfältigungsstücken eines urheberrechtlich geschützten Werkes dann zulässig, wenn es mit Zustimmung des zur Verbreitung im Geltungsbereich des UrhG Berechtigten im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden ist. Ein Buch, das im Inland berechtigterweise in den Handel gekommen ist, darf von jedermann weitervertrieben werden. Problematisch ist jedoch nach wie vor die in § 17 Abs. 2 UG nur unvollkommen behandelte 1 ) Frage, ob das nach § 17 Abs. 1 UG geschützte Verbreitungsrecht des Urhebers die Befugnis mit umfaßt, den Vertrieb solcher Vervielfältigungen im Inland zu untersagen, die bislang lediglich im Ausland mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Dürfen Büchergroßhändler z. B. Hildegard Knef's „The gift horse" in England aufkaufen und in Deutschland in englischer Sprache auf den Markt bringen? Ist es darüber hinaus sogar zulässig, in England Rück- bzw. Neuübersetzungen anzufertigen und diese dann auf dem deutschen Buchmarkt zu vertreiben? Zwei miteinander zusammenhängende Problemkreise tauchen hier offenkundig auf: Darf der Urheber räumlich abgegrenzte Märkte monopolartig beherrschen und infolgedessen unterschiedliche Nachfrageelastizitäten durch entsprechende Preisgestaltung wirtschaftlich nut*) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. ') OLG Hamburg in GRUR Int 1970, 377, 379 = UFITA Bd. 64 (1972) S. 315, 321 f.; J o h a n n e s in GRUR Int 1970, 222, 223/224; die amtliche Begründung BT-Drudcsadie IV/270, S. 48 = UFITA Bd. 45 (1965) S. 262 f. enthält zu dieser Frage keine Aussagen.

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zen? Oder muß sich auch der Buchhandel wie die durch Warenzeichenrechte geschützten Markenartikelhersteller 2 ) mit einer größeren Durchlässigkeit internationaler Märkte abfinden? Die Beantwortung dieser Fragen dürfte letztendlich von der Bewertung der beteiligten Interessen durch Gesetzgebung und Rechtsprechung abhängen. Daher ist zunächst erforderlich, den Geltungsgrund der Lehre von der Erschöpfung des Verbreitungsrechts im innerstaatlichen Bereich herauszuarbeiten. I. Der Verbrauch des Verbreitungsrechts nach § 17 Abs. 2 UG Das absolute Herrschaftsrecht des Urhebers umfaßt Persönlichkeitsrechte und Verwertungsrechte. Gem. § 15 UG zählen zu den Verwertungsrechten das Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht und das Ausstellungsrecht. Von diesen ist das Verbreitungsrecht die Befugnis, das Original oder Vervielfältigungsstücke des W e r k e s der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen (§ 17 Abs. 1 UG). Nach dieser Formulierung, die fast gleichlautend in den Parallelvorschriften des § 15 WzG und § 6 PatG enthalten ist, gäbe das Verbreitungsrecht dem Inhaber des Urheberrechts eine uneingeschränkte wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit. Er könnte, erführe § 17 Abs. 1 UG keine Einschränkung, Vertriebsweg und Endabnahmepreis des Werkstückes mit urheberrechtlichen Mitteln bestimmen. Denn die in den § § 4 5 bis 63 UG behandelten Schranken des Urheberrechts vermöchten ihn daran nicht zu hindern. 1.

Rechtfertigungsgiünde

Eine derart umfassende wirtschaftliche Kontrollbefugnis soll der Urheber aber offenbar nicht haben: § 17 Abs. 2 UG definiert eine dem Verbreitungsrecht immanente Schranke. Das Verbreitungsrecht schützt nur das erstmalige Inverkehrbringen des Werkes. Sein weiterer Absatz ist frei. Der Urheber kann mit Mitteln des Urheberrechts die Preisgestaltung des Zwischenhändlers nicht beeinflussen. Inhalt und Aufbau des Urheberrechtsgesetzes aus dem J a h r e 1965 — die Erschöpfungslehre ist gerade nicht in den § § 4 5 ff. UG geregelt worden — spiegeln ein frühzeitig einsetzendes Bemühen von Lehre und Rechtsprechung wider, zu verhindern, daß der Urheber Einfluß auf die Preisgestaltung des Handels nimmt. Schon Josef Koh2 ) Vgl. BGHZ 41, 84 ff. — Maja; BGHZ 60, 185 ff. — Cinzano; B e i e r in GRUR Int 1973, 565, für den mit dem Cinzano-Urteil die warenzeidienrechtliche Diskussion um die Parallelimporte zum Abschluß gekommen ist.

Erschöpfung des Verbreitungsrechts

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lei, der für das Patentrecht die Lehre von den Benutzungsarten entwickelte, arbeitete heraus, daß soweit der Schutz des Urhebers in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes nicht zu gehen braucht und also im Interesse des Handels nicht gehen darf3). Das Reichsgericht übernahm in abgewandelter Form die Kohler'sehen Ideen für den gesamten gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht. In seinem grundlegenden Urteil vom 19. Juni 19014) führt das Reichsgericht u. a. aus: Die ausschließliche Befugnis des Urhebers (Verlegers) in § 11 des Urheberrechtsgesetzes, das Werk gewerbsmäßig zu verbreiten, ist nichts anderes, als die ausschließliche Befugnis des Patentinhabers, den Gegenstand der Erfindung gewerbsmäßig in Verkehr zu bringen. Für beide Fälle muß grundsätzlich das gleiche gelten. Auch der Urheber (Verleger) hat kein ausschließliches Recht, solche Exemplare des Werkes gewerbsmäßig zu verbreiten, die von ihm oder einem anderen Berechtigten in den Verkehr gebracht und so Eigentum Dritter geworden sind. Er kann diesem Dritten weder die Veräußerung überhaupt, noch die gewerbsmäßige Veräußerung untersagen, noch dieses aus dem Eigentum folgende Recht des Dritten (§ 903 BGB) durch Bestimmung eines Preises, unter dem er nicht soll veräußern dürfen, beschränken (§ 137 Satz 1 BGB). Audi die Bestimmung des § 16 GWB, nach der im Buchhandel immer noch eine Preisbindung der zweiten Hand möglich ist, ändert nichts an diesem Ergebnis. Denn die Regelung des § 16 GWB steht grundsätzlich in keinem Zusammenhang mit der Frage, ob ein Urheberrecht besteht oder nicht: Auch nicht schutzfähige oder gemeinfrei gewordene Werke können preislich gebunden werden5). Auf § 16 2. R ä u m l i c h

abgegrenzte

Märkte

Schwieriger ist dagegen schon die Frage, ob der Urheber das Recht haben soll, räumlich abgegrenzte Märkte zu beherrschen. Gemäß § 31 UG darf er zunächst einzelne Nutzungsrechte vergeben. Gemäß § 32 UG darf er diese Nutzungsrechte auch räumlich beschränkt einräumen. Gebietslizenzen innerhalb Deutschlands sind also zulässig (vgl. 3) K o h l e r , Handbuch des Deutschen PatentR (1900), S. 452 ff. ; vgl. auch die Lizenztheorie O s t e r r i e t h s , Lehrbuch des gewerblichen Rechtsschutzes (1908), S. 101/102. 4) RGZ 63, 394, 398/399 unter Berufung auf RGZ 51, 139 — Mariani — und RGZ 50, 229, 231 — Kölnisch Wasser. 5) M ü l l e r / G r i e s / G i e s s l e r , Kommentar zum GWB, 3. Aufl. 1974, § 16 GWB Rdnr. 3.

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GWB wird jedoch in anderem Zusammenhang zurückzukommen sein, auch § 20 Abs. 1 GWB), das Recht zu ihrer Vergabe urheberrechtlich geschützt. Gleichwohl bieten sie eine nur höchst unvollkommene Möglichkeit zur Abschottung von Märkten. Denn die durch den Lizenznehmer zulässigerweise, d. h. mit Zustimmung des Rechtsinhabers in Verkehr gebrachten Werkstücke, dürfen hinfort frei im gesamten Gebiet der Bundesrepublik vertrieben werden. Die Erschöpfungslehre des § 17 Abs. 2 UG gilt auch für von Gebietslizenznehmern in Verkehr gebrachte Werkstücke. Denn diese sind ebenfalls mit Zustimmung des „im Geltungsbereich dieses Gesetzes Berechtigten" in Verkehr gebracht worden. Der Handel mit solchen Werkstücken unterliegt in der Bundesrepublik keinerlei Einschränkungen. Damit drängt sich aber gleich die nächste Frage auf. Ist diese Beziehung der Erschöpfungslehre auf das Staatsgebiet mehr zufällig und ohne innere Rechtfertigung aus dem Wesen des Urheberrechts, oder gehört es zur Natur der Sache, daß ein Werkstück für den Handel in der Bundesrepublik nur dann freiwerden kann, wenn es auch mit Zustimmung des Berechtigten auf deutschem Boden zum ersten Mal in Verkehr gebracht worden ist? II. Internationale Erschöpfung des Verbreitungsrechts? Urheberrechte werden wie die Institute des gewerblichen Rechtsschutzes nur national geschützt. Es gilt das international anerkannte Territorialitätsprinzip 6 ). Dieses Prinzip enthält in der Hauptsache eine international-privatrechtliche Kollisionsregel. Sie besagt, daß bei der Verletzung eines deutschen Urheberrechts in Deutschland stets nur inländisches Recht anzuwenden sei und eine Verweisung auf ausländische Sachnormen ausgeschlossen wird. Ebenso liegt es umgekehrt: Bei Auslandsverletzungen ausländischer Schutzrechte durch einen Inländer kommt in keinem Fall deutsches Recht zur Anwendung 7 ). 1. N a t i o n a 1 - 1 e r r i t o r i a 1 e B e s c h r ä n k u n g Erschöpfungsprinzips

des

Schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, als noch ein lebhafter Streit zwischen Verfechtern des Territorialitätsprinzips und des Uni') Vgl. die Berichte der Landesgruppen der AIPPI auf dem Kongreß in Venedig, Annuaire 1968, S. 301 ff. 7 ) D e u t s c h , Die Warenzeichenlizenz im Kollisionsrecht, in: Festschrift für Ulmer, 1963, S. 463, 471.

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versalitätsprinzips herrschte 8 ), stand im Grunde außer Frage, daß bei einem Sieg des Territorialitätsprinzips auch das Konsumtionsgebiet national-territorial sein müsse. Man hielt es für denknotwendig zwingend, daß sich ein nationales Recht auch nur durch ein Inverkehrbringen im Inland erschöpfen könne 9 ). Wenn der ausländische Staat das inländische Verbreitungsrecht auf seinem Hoheitsgebiet nicht schützt, dann können umgekehrt im Ausland vorgenommene Handlungen auch keinen Einfluß auf Umfang und Bestand des inländischen Verwertungsrechts haben. Das inländische Verbreitungsrecht wird nach dieser Auffassung infolge der Territorialität urheberrechtlicher Verwertungsrechte nicht verbraucht 10 ). Der Urheber soll den Import auch solcher Vervielfältigungsstücke mit urheberrechtlichen Mitteln untersagen können, die mit seiner Zustimmung im Ausland in Verkehr gebracht worden sind11). 2. R e s t r i k t i v e A u s l e g u n g

d e s § 17 A b s . 2 U G

Diese Auffassung herrscht bis heute in Rechtsprechung und Schrifttum vor. Der Bundesgerichtshof hat sich zwar zur Frage des internationalen Verbrauchs urheberrechtlich geschützter Werke bislang noch nicht geäußert. Er hat jedoch in seinen Entscheidungen zum Warenzeichenrecht 12 ) und zum Sortenschutzrecht 13 ) darauf hingewiesen, daß er für den Bereich des Patentrechts an dem Grundsatz festhalten wolle, daß nur ein Inverkehrbringen des Erzeugnisses im Inland das inländische Patentrecht erschöpfen könne 13a). Dieses patentrechtliche Prinzip der „Identität von Schutz- und Konsumtionsbereich" 14 ) rechtfertige sich aus dem Wesen des Patents, welches seine Entstehung in erster Linie einer schutzwürdigen geistigen Leistung des Rechts8 ) Vgl. etwa O s t e r r i e t h , aaO., S. 446 ff.; K o h 1 e r , Warenzeichenrecht (1910), S. 208; v. B a r , Theorie und Praxis des Internationalen Privatredits (1889), Bd. II, S. 242 ff. Wer den Akzent auf das persönlichkeitsrechtlidie Element des Urheberrechts legte, mußte im Sinne des Universalitätsprinzips argumentieren, wonach die Persönlichkeit und damit das Urheberrecht Wirkungen über die ganze Welt entfaltet-, wer das wirtschaftliche Element betonte, mußte das Schwergewicht auf territorial begrenzten Rechtsschutz legen (vgl. heute die §§ 12 bis 14 UG einerseits und § 15 ff. UG andererseits). 0) RGZ in GRUR 1932, 755, 757 — Fahrner Schnudcj v. B a r , aaO.; die RBÜ, die auch auf dem Standpunkt des Territorialitätsprinzips steht (vgl. Art. 4 RBÜ) nimmt zu diesem Problem nicht Stellung. 10 ) v. G a m m , Kommentar zum UG (1968), § 17 Anm. 11. n ) Vgl. zu der ähnlich gelagerten Problematik im Warenzeichenrecht D e u t s c h , Die Warenzeichenlizenz im Kollisionsrecht, in: Festschrift für Ulmer, 1963, S. 463, 477. 12 ) BGHZ 41, 84, 94 — Maja. 13 ) BGHZ 49, 331, 334 ff. — Voran. 13 *) Vgl. inzwischen BGH in GRUR Int 1976, 535 — Tylosin. 14 ) W i n d i s c h, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht im zwischenstaatlichen Bereich (1969), S. 199, vgl. auch D e u t s c h , aaO. (Fußn. 11).

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inhabers verdanke. Da der Gesichtspunkt des Schutzes geistiger Leistung auch das Urheberrecht beherrscht, kann für dieses insoweit nichts anderes gelten. Man darf daher davon ausgehen, daß der Bundesgerichtshof, sollte er mit einem solchen Fall befaßt werden, § 17 Abs. 2 UG restriktiv im Sinne urheberrechtlich bedingter Handelsschranken auslegt. Diese Konsequenz hat denn auch das Oberlandesgericht Hamburg in einer häufig kritisierten Entscheidung aus dem Jahre 1970 gezogen 15 ). Das Urheberrecht sei ebenso wie das Patentrecht Ausfluß des Gedankens, daß dem Schöpfer einer geistigen Leistung für ein bestimmtes Territorium weite Ausschließlichkeitsbefugnisse zustehen sollen. Daher gebiete das Territorialitätsprinzip in diesem Bereich, daß vorangegangene Veräußerungshandlungen im Ausland für die Auslegung des § 17 Abs. 2 UG außer Betracht zu bleiben hätten. § 17 Abs. 1 UG beinhalte folglich die Befugnis, Importe solcher Werke zu untersagen, die vom Inhaber des Urheberrechts selbst im Ausland in Verkehr gebracht worden sind16). 3. U n t e r l a s s u n g s a n s p r u c h

bei

Importen

Dies muß dann umsomehr für das international geteilt vergebene Verlagsrecht (§§ 31 Abs. 1 in Verb, mit 32 UG) gelten. Hat der Urheber in mehreren Ländern unterschiedlichen Berechtigten Verlagsrechte eingeräumt, so werden die von diesen Verlegern in Verkehr gebrachten Werkstücke nur in dem betreffenden Staatsgebiet frei. Gegen den Import eines Buches nach Deutschland, dessen Verlagsrechte ein Brite für das englische Hoheitsgebiet hält, kann der Urheber bzw. der deutsche Verleger Unterlassung begehren 17 ). Die Verbreitung im Inland ist Verletzung des inländischen Urheberrechts des Verfassers. Die Zustimmung zum Inverkehrbringen der Werkexemplare ist nach dieser Auffassung eben nicht von dem „im Geltungsbereich dieses Gesetzes" ( § 1 7 Abs. 2 UG) Berechtigten erteilt worden. Denn die betreffenden Verleger sind voneinander unabhängig. Regelmäßig stehen sie sich als wirtschaftliche Kontrahenten auf dem Buchmarkt sogar feindlich gegenüber. Ist aber bei einem geteilt vergebenen Verlagsrecht nach dieser Auffassung das jeweilige Verbreitungsrecht bzw. seine Erschöpfung 15 ) dazu 1971, 18 ) 17 )

OLG Hamburg GRUR Int 1970, 377, 379 = UFITA Bd. 64 (1972) S. 315, 321 f.; vgl. ablehnend J o h a n n e s in GRUR Int 1970, 222; K o p p e n s t e i n e r in A W D S. 357 und GRUR Int 1972, 413. A. A. auch H u b m a n n , Urheber- und VerlagsR, 3. Aufl. 1974, S. 137. H u b m a n n , aaO. ; U l m e t , Urheber- und VerlagsR, 2. Aufl. 1960, S. 339.

Erschöpfung des Verbreitungsrechts

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auf das entsprechende Staatsterritorium zu beziehen, dann muß der Import solcher Werkstücke, die im Ausland in die inländische Sprache übersetzt worden sind, erst recht gegen das inländische Urheberrecht verstoßen. Denn eine „Übersetzung", die mit dem inländischen Original übereinstimmt, ist im Grunde nichts anderes als ein Vervielfältigungsstück dieses Originals. Entstehen bei der Rückübersetzung jedoch sprachliche Abweidlungen, dann erwirbt der Übersetzer zwar ein Bearbeiterurheberrecht, jedoch ist auch dieses vom Recht am Originalwerk abhängig 18 ). Der Urheber kann die Veröffentlichung der Übersetzung im Ausland untersagen, weil sie gegen sein dortiges Urheberrecht verstößt: Die Übersetzung stellt eine Bearbeitung des Originals dar. Jede Form der Bearbeitung, die nicht ausschließlich privaten Zwecken dient, ist jedoch dem Urheber vorbehalten. Er darf bestimmen, ob es zulässig sein soll, sein Werk neu- bzw. rückzuübersetzen, um sodann im Ursprungsland oder in einem anderen Staat übersetzte Werkstücke zu vertreiben. Das Urheberrecht am Original ist also stärker als das Bearbeiterurheberrecht. Dieses muß zurücktreten, wo jenes gegen die Übersetzung geltend gemacht wird (vgl. § 23 UG). Hiervon geht denn auch Art. 8 der revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886 (RBÜ) aus, indem er bestimmt, daß die einem der Verbandsländer angehörigen Urheber in allen übrigen Verbandsländern während der ganzen Dauer ihres Rechts am Originalwerk das ausschließliche Recht genießen, ihre Werke zu übersetzen oder die Übersetzung zu gestatten. 4. H i n n a h m e

internationaler

Handelsschranken

Die lediglich mechanische Verknüpfung von Territorialitätsprinzip und Erschöpfungslehre 19 ) vermag das Problem der Handelsschranken durch Urheberrechte jedoch allein nicht überzeugend zu begründen. Wenn die über lange Jahre unangefochten gebliebene marktabriegelnde Wirkung nationalen Urheberrechts tatsächlich nur auf dieser zunächst oberflächlich erscheinenden Verknüpfung beruhen sollte, dann fehlt ihr die innere Rechtfertigung, so daß einer Entwicklung zu einer größeren Durchlässigkeit des internationalen Buchhandels letztendlich nichts mehr im Wege steht. a) Beim ersten Zusehen möchte man meinen, daß im Grunde nicht einzusehen sei, warum Staatsgrenzen aus urheberrechtlicher Sicht 18

) Vgl. H u b m a n n Urheber- und VerlagsR 17 II und § 27 I. ) D e u t s c h , aaO. S. 477.

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hinderlich sein sollen: Der Urheber hat seinen Verleger ermächtigt, das Werk zu vertreiben. Das Budi soll dem natürlichen Mitteilungsdrange des Urhebers entsprechend seinen Weg zum Leser finden. Wo und wie es diesen dann letztendlich erreicht, betrifft für den Urheber als Schöpfer einer geistigen Leistung zunächst nur irrelevante Vertriebsfragen des Handels. b) Jedoch erweist sich diese Überlegung als angreifbar. Der Urheber, der sich einmal entschlossen hat, sein Werk zu veröffentlichen, bedarf dazu der Hilfe eines Verlegers. In einer freien Marktwirtschaft kann eine größere Publikation und damit eine dem Wesen geistiger Leistung gerecht werdende Ausgestaltung des Verbreitungsrechts nur erfolgen, wenn der Verleger wirtschaftlich in die Lage versetzt wird, das Buch gewinnbringend abzusetzen. Das legt den Schluß nahe, bei dem Versuch, den Umfang des Verbreitungsrechts gem. § 17 Abs. 1 UG zu ermitteln, mehr auf den Verleger abzustellen als auf den Urheber. So ist es auch gerade der Verleger, der in aller Regel das Verbreitungsrecht hält. Er hat diesen Ausschnitt der urheberrechtlichen Verwertungsbefugnisse gemäß §§ 413, 398 BGB übertragen bekommen. Das durch Vertrag mit dem Urheber begründete Verlagsrecht des Verlegers ist nichts anderes als das ursprünglich dem Urheber zustehende Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht20). Seinen Umfang aus der Sicht des Verlegers zu bestimmen, gebietet das Interesse des Urhebers, der sich nur mit Hilfe eines Verlegers verwirklichen kann. Daß solche Überlegungen dem Gesetzgeber nicht fremd sind, zeigt sich an der Entstehungsgeschichte des eingangs bereits erwähnten § 16 GWB n. F. Der Bundestag hat sich bei der Beibehaltung der Preisbindung der zweiten Hand im Buchhandel von der Erwägung leiten lassen, daß den Verlagen um der Autoren willen dieses wirtschaftliche Machtmittel zu belassen sei. Der Gesetzgeber sah die Buchpreisbindung primär unter kulturpolitischen Gesichtspunkten, um dem Buchhandel die Führung eines breiteren Angebotes mit qualitativ hochstehender Literatur in geringer Auflage zu ermöglichen21). Ähnliche Erwägungen vermögen auch die Hinnahme von internationalen Handelsschranken beim geteilt vergebenen Verlagsrecht der §§ 31, 32 UG zu rechtfertigen. Der Erwerb eines für ein Staatsgebiet übertragenen, räumlich limitierten Verbreitungsrechts stellt für einen 2

») BGHZ 19, 113 = UFITA Bd. 21 (1956) S. 244; H u b m a n n, aaO. § 45 I. ) Vgl. M ü l l e r / G r i e s / G i e s s l e r , § 16 GWB, Anm. 1 und 2.

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Erschöpfung des Verbreitungsrechts

Verleger eine wirtschaftlich uneingeschränkt auswertbare und damit finanziell interessante Reciitsposition oftmals nur dann dar, wenn er Importe nicht zu fürchten braucht. Nun gibt es gerade im Buchhandel zwar eine natürliche Grenze in Form der Sprachbarrieren — auch von dieser wird noch die Rede sein —, doch ist auch diese Grenze heutzutage nicht mehr so unüberwindlich wie bisher. Sie vermag zum einen schon keinen Schutz vor Importen aus dem deutschsprachigen Ausland zu bewirken. Bei kostenintensiver Spezialliteratur — etwa die vielfach in englischer Sprache erscheinenden betriebswirtschaftlichen Lehrbücher — sind Sprachkenntnisse von vornherein vonnöten. Auf dem Schallplattenmarkt etwa, auf dem es um die Nutzung des dem Urheberrecht verwandten Leistungsschutzrechts an Tonträgern geht, spielt die Sprachgrenze eine immer geringer werdende Rolle. Man denke etwa an den Schlagermarkt: Französische Chansons und englische Beatmusik lassen sich oft genug in Deutschland besser vertreiben, wenn sie in der Originalsprache gesungen werden. 5. K o n g r u e n z v o n S p r a c h g e b i e t e n territorien

und

Schutz-

Gleichwohl dürfte im Urheberrecht die Kongruenz von Sprachgebieten und Schutzterritorien der eigentliche innere Grund für die Identität von Konsumtions- und Schutzgebiet sein 22 ). Staatsgrenzen pflegen in Europa regelmäßig auch Sprachgrenzen zu sein. Zum Wesen des schützenswerten Werks des Urhebers gehört die Formulierung seiner Gedanken und diese Formulierung kann nur in einer bestimmten Sprache erfolgen. a) Die Verbreitung seines Werkes in mehreren Sprachräumen kann der Urheber nur durch die Vergabe international geteilter Verlagsrechte erreichen. Wer sein erstmalig in deutscher Sprache erschienenes Werk einem ausländischen Publikum zugänglich machen will, muß sich schon aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus eines ortsansässigen Verlegers bedienen, der den jeweiligen Büchermarkt kennt und daher eine angemessene Verbreitung sicherstellen kann. Hat der ausländische Verleger bzw. umgekehrt das deutsche Verlagshaus das auf ihn abstrakt und nicht lediglich auf Grund eines schuldrechtlichen Überlassungsvertrages übergehende Verbreitungsrecht erst einmal gegen Bezahlung einer entsprechenden Vergütung erworben, dann 2 2 ) Im Warenzeichenrecht etwa sind der Markt als Absatzgebiet der Markenware und das Schutzterritorium in Einklang zu bringen, vgl. dazu D e u t s c h , aaO., S. 478 und Chr. v. B a r, Territorialität des Warenzeichens und Erschöpfung des Verbreitungsrechts im Gemeinsamen Markt (1977), S. 137 ff.

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bedarf er auch des Schutzes vor Importen aus dem Ausland. Denn dürften ausländische Berechtigte z. B. in die Bundesrepublik als dem Verbreitungsgebiet des Inhabers des hierher dinglich vergebenen Verlagsrechtes exportieren, wäre das deutsche Verwertungsrecht gefährdet. Die widerstreitenden Interessen der voneinander unabhängigen Verleger und Buchgroßhändler würden zu einem Streit um den inländischen Markt führen. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Position des inländischen Verlegers bedeutet jedoch zugleich eine Beschneidung der Rechte des Urhebers. Dieser könnte ein geteiltes Verlagsrecht nicht oder nur unter wirtschaftlich erschwerten Konditionen vergeben und damit sein Mitteilungsbedürfnis unter Umständen nicht angemessen befriedigen. Die Belieferung eines ausländischen Marktes ausschließlich vom Inland aus wird nämlich der Vielzahl der Verlage nicht möglich sein. b) Aus diesen Überlegungen folgt nun zweierlei: Die Zustimmung zu einer Übersetzung im Inland in die jeweilige ausländische Sprache zum Zweck des Exports (vgl. Art. 8 RBÜ) wird der Urheber nur dann erteilen, wenn er sicher sein darf, daß der mit ihm kontrahierende Verleger die wirtschaftliche Potenz zu angemessener Verbreitung der übersetzten Werkstücke im Ausland hat. Diese Sicherheit wird der Urheber aber nur bei solchen Verlagshäusern haben, die international tätig sind. Hierbei spielt keine Rolle, in welcher Rechtsform der Verleger den internationalen Vertrieb organisiert hat; ob er Tochtergesellschaften nach ausländischem Recht gegründet hat, oder ob er selber als Rechtspersönlichkeit im Ausland auftritt. Ist aber erst einmal das Verbreitungsrecht international gesehen wirtschaftlich in einer Hand, so mag es zwar sein, daß die einzelnen Verbreitungsrechte bzw. Verlagsrechte in Anwendung des Territorialitätsprinzips ausschließlich nach den jeweiligen Rechtsordnungen zu behandeln sind, jedoch besteht dann kein Anlaß mehr, eine Identität zwischen Staatsgebiet und Verbrauchsterritorium herzustellen. Denn wenn die Inhaber der jeweiligen nationalen Verlagsrechte identisch sind, dann bedürfen sie eines Schutzes der nationalen Märkte nicht mehr. Einerlei in welcher Sprache das Buch erscheint, es ist immer derselbe Verleger, der es als erster in Verkehr gebracht hat. Durch dieses erste Inverkehrbringen hat er eine angemessene Vergütung erhalten, sein Verlagsrecht ist folglich als erschöpft anzusehen. Der Verleger selber hat die natürliche Sprachbarriere durch seine eigene Vertriebsorganisation überwunden und sich damit ihres Schutzes begeben. Dem steht auch nicht entgegen, daß bei diesem Ergebnis in gewissen Grenzen die Regelung des § 16 GWB unterlaufen werden kann. Denn der

Erschöpfung des Verbreitungsrechts

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Verleger hat durch den Vertrieb der Ware im Ausland ja gerade gezeigt, daß der Absatz dort, wo eine Preisbindung unter Umständen nicht möglich ist, gleichwohl finanziell Erfolg verspricht. Und im Inland braucht er nicht zu besorgen, daß sein lückenloses Reverssystem, das einzuhalten er verpflichtet ist, Schaden nimmt. III. EWG — weite Erschöpfung des geteilten Verlagsrechts? Die soeben mit Blick auf den internationalen Handel erörterten Probleme bekommen noch größeres Gewicht im Bereich der Europäischen Gemeinschaften, und zwar unter dem Aspekt des Kartellrechts und unter dem Aspekt des freien Warenverkehrs. Im EWG-Vertrag vom 25. März 1957 haben sich die Gründerstaaten nämlich zum Ziel gesetzt, Wettbewerbsbeschränkungen ebensowenig zuzulassen, wie Einfuhrbeschränkungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu dulden (Art. 85, 86 bzw. 30, 36 EWG-V.). Da aber das nationale Urheberrecht absolute Herrschaftsrechte gewährt, und da der nach wie vor nationale Schutz bewirken kann, daß innerhalb der EG so viele Märkte entstehen, wie es Schutzrechtsterritorien gibt, entsteht ein Konflikt zwischen europäischem Recht und nationalem Urheberrecht, der wohl so lange unbefriedigend gelöst bleiben wird, wie nicht ein europäisches Urheberrecht mit EG-weitem Schutzgebiet geschaffen worden ist. 1. D i e R e c h t s p r e c h u n g

des

EuGH

a) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat bislang, erst in seiner Metro-Entscheidung vom 8. Juni 197123) zu Problemen nationalen Urheberrechts Stellung genommen. Zwar ging es genau genommen um die marktabriegelnde Wirkung deutscher Leistungsschutzrechte an Tonträgern (vgl. §§ 97, 85 UG), doch läßt diese Entscheidung auch Rückschlüsse auf die Behandlung von Urheberrechten durch den EuGH zu. Denn der Gerichtshof hat anklingen lassen, daß es dahinstehen könne, ob das Leistungsschutzrecht an Tonträgern dem Urheberrecht an Werken der Literatur gleichzustellen sei. Jedenfalls solle seine Entscheidung auch für diesen Fall gelten. b) Daß der Gerichtshof nicht häufiger zu Fragen nationalen Urheberrechts an Werken der Literatur hat Stellung nehmen müssen, 23 ) EuGHE XVII, S. 487 ff. = UFITA Bd. 63 (1972) S. 349 ff., vgl. dazu etwa: D. R e i m e r in GRUR Int 1972, 221, 231; M e s t m ä c k e r, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 437 ff.; S c h r ö t e r in WRP 1971, 356, 361 j E m m e r i c h in DB 1972, 1275, 1327; J o h a n n e s , Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in der EG (1973), S. 56 ff. u.v.a.m.

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liegt in der Natur der Sache. Noch bilden Sprachgrenzen in der Regel ausreichende natürliche Barrieren im internationalen Buchhandel. Den Import nichtautorisierter Ubersetzungen kann der Autor gem. §§ 97, 23 UG und gemäß Art. 8 des RBÜ untersagen. Schon heute ist jedoch abzusehen, daß angesichts des Zusammenrückens der Staaten der EG die Bedeutung der nationalen Sprachbarrieren nachlassen wird. c) Zum besseren Verständnis der Entscheidung sei noch einmal kurz der ihr zugrunde liegende Sachverhalt skizziert. Die Deutsche Grammophongesellsdiaft m.b.H. (DGG) unterhält in Frankreich eine rechtlich selbständige, aber wirtschaftlich völlig abhängige Tochtergesellschaft namens Polydor SA Paris. Die DGG vertrieb die von ihr produzierten Schallplatten in Deutschland infolge der im Jahre 1971 noch möglichen Preisbindung der zweiten Hand zu einem gebundenen Endverkaufspreis von 19,— DM. Der DGG als Tonträgerherstellerin stand gemäß den §§ 85, 86 UG ein eigenes Schutzrecht an den Platten zu. In Frankreich ist ein solches Leistungsschutzrecht unbekannt, und es bestand dort auch 1971 keine Möglichkeit zur Preisbindung. Die DGG hat ihrer französischen Tochtergesellschaft in einem Lizenzvertrag das Recht eingeräumt, die von ihr produzierten Schallplattenaufnahmen in Frankreich auf handelsüblichem Wege auszuwerten. Der Verkaufserlös der Platten lag in Frankreich erheblich unter dem in Deutschland durch die DGG erzielten. Diese ging nun im Wege der einstweiligen Verfügung gegen die Fa. MetroSB-Großmärkte GmbH & Co. KG vor, die über Drittfirmen in den Besitz von französischen Polydorplatten gekommen war und diese in Deutschland für 14,85 DM bzw. 13,50 DM vertrieb. Der EuGH legte seiner Entscheidung zum ersten Mal — wie in vergleichbaren Fällen auf dem Gebiet des Zeichen-24) und des Patentrechts25) bislang — nicht mehr das EG-Kartellrecht zugrunde, sondern wandte auf den Rechtsstreit den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Art. 3, 30, 36, 85 und 86 EWG-V. an, wonach sich auch Privatpersonen dem wesentlichen Ziel der Gemeinschaft, nämlich „dem Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt" 26 ) unterzuordnen hätten. Gem. Art. 36 Satz 2 EWG-V. stelle es hiernach eine willkürliche Diskriminierung bzw. verschleierte Beschränkung des Handels dar, wenn der Urheber den Import von Werkstücken mit der « ) EuGHE XII, S. 321 — Grundig-Constenj EuGHE XVII, S. 69 — Sirena. EuGHE XIV, S. 85 — Parke, Davis. 2«) EuGHE XVII, 487, 500.

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Erschöpfung des Verbreitungsrechts

alleinigen Begründung verbiete, daß diese zwar mit seiner Zustimmung, jedoch eben nur im Ausland in Verkehr gebracht worden seien 27 ). d) Legt man diese Definition für die europarechtliche Behandlung des geteilten Verlagsrechts der §§ 31, 32 UG zugrunde, so ergibt sich, daß nach der Auffassung des EuGH ein Werkstück immer dann frei ist, wenn es irgendwo in der EG vom Inhaber eines lediglich für ein Staatsgebiet vergebenen Verlagsrechtes in Verkehr gebracht worden ist. Das geteilt vergebene Verlagsrecht vermag also innerhalb der EG Handelsschranken nicht mehr zu bewirken. Zu diesem Ergebnis nötigt auch ein Blick auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH zum Patentrecht, das wie das Urheberrecht dem Schöpfer einer geistigen Leistung ein absolutes Herrschaftsrecht einräumt und insoweit dem Urheberrecht durchaus verwandt ist. In seinem Negram Ii-Urteil vom 31. Oktober 197428), in dem der Gerichtshof die Grundsätze des Metro-Urteils auf das Patentrecht anwendet, führt der EuGH nämlich aus, daß parallele Patente in der Hand desselben oder wirtschaftlich verflochtener Unternehmen nicht länger als Waffe gegen unerwünschte Importe benützt werden dürfen. Denn auch in einer solchen Verhaltensweise des nationalen Patentinhabers sei ein Verstoß gegen die Vorschriften des EWG-Vertrages über den freien Warenverkehr zu sehen.

2. K o n s e q u e n z e n EuGH

aus der R e c h t s p r e c h u n g

des

Für den Bereich der EG wird man der Rechtsprechung des EuGH zustimmen müssen, die dazu führt, daß ein absoluter Gebietsschutz mit Hilfe des geteilten Verlagsrechts nicht mehr möglich ist. Bei der Abwägung der Interessen des Urhebers an der wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes und dem Interesse der Staaten an einem Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem europäischen Binnenmarkt muß der Urheber zurückstehen. Zwar kann kein Zweifel daran bestehen, daß der EuGH die Verwertungsbefugnisse der Verleger nicht unerheblich einschränkt, wenn er mit dem Problem des geteilten Verlagsrechts konfrontiert werden sollte. Jedoch muß sich das einfache nationale Gesetzesrecht damit abfinden. Primäres europäisches Gemeinschaftsrecht geht einer innerstaatlichen Norm einfachen ") EuGH, aaO. 28 ) GRUR Int 1974, 454.

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Erwin Deutsch:

Redits vor 29 ). Die damit für den Verleger wie für den Urheber verbundene Reditseinbuße wiegt auch nicht so schwer, daß grundsätzliche Bedenken aus dem Wesen urheberrechtlichen Schutzes entgegenstünden und folglich verfassungsrechtliche Bedenken zu erheben wären 30 ). Das geteilt vergebene bzw. erworbene Verlagsrecht bleibt nach wie vor eine Rechtsposition, die im Hinblick auf die Institutionsgarantie des Art. 14 GG für geistiges Eigentum eine „der Natur und der sozialen Bedeutung des Urheberrechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung" sicherstellt 31 ). Denn die Zulässigkeit des Imports von Werkstücken in ausländischer Sprache läßt das vom Verleger erworbene Verbreitungsrecht nicht gegenstandslos werden. Sein inländischer Markt wird durch ausländische Werkstücke in der Originalsprache nie so gestört werden können, daß der Absatz des W e r k e s in deutscher Sprache nicht mehr in hinlänglichem Maße möglich ist. Der Export von Rückübersetzungen, deren Anfertigung der Urheber nicht gestattet hat, bleibt auch in der EG gem. Art. 8 (RBU) untersagt. IV. Ergebnis Im internationalen Verkehr mit urheberrechtlich geschützten Werken tritt nach alledem eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts nur dann nicht ein, wenn der Urheber geteilte Verlagsrechte an voneinander unabhängige Verleger vergeben und das exportierende Verlagshaus seinen Sitz in einem Staat außerhalb der EG hat. Das inländische Verbreitungsrecht ist jedoch dann als verbraucht anzusehen, wenn die Werkstücke mit Zustimmung des Urhebers durch einen von ihm autorisierten Verleger in einem beliebigen Staat der EG in Verkehr gebracht worden sind.

Resümee Die Regelung über die Erschöpfung des Verbreitungsrechts in § 17 Abs. 2 UG nimmt nur unvollkommen zu der Frage Stellung, in welchem Umfang der Inhaber des Urheberrechts Parallelimporte aus 29) EuGHE X, S. 1251, 1269 — Costa/E.N.E.L.; BVerfGE 22, 293, 296; 31, 145, 174; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht (1972), S. 277 ff.; Z u l e e g , Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, S. 162 ff. 30 ) So K r o i t s c h in BB 1972, 424 ff.; dagegen schon E m m e r i c h in DB 1972, 1275. « ) BVerfGE 31, 229, 241; vgl. auch R u p p in N J W 1976, 993, Chr. v, B ä r i n R1W/ A W D 1977, 94.

Erschöpfung des Verbreitungsrechts

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dem Ausland verhindern kann. Die traditionelle Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, wonach der Urheber räumlich abgegrenzte Märkte monopolartig beherrschen darf, weicht gegenwärtig der Auffassung, die zu einer größeren Durchlässigkeit des internationalen Buchhandels kommen will. Es ist nicht zu übersehen, daß die lediglich mechanische Verknüpfung von Territoriafitätsprinzip und Erschöpfungslehre eine innere Rechtfertigung für die marktabriegelnde Wirkung von Urheberrechten nicht enthält. Vielmehr dürfte die Kongruenz von Sprachgebieten und Schutzterritorien der eigentliche Grund für die Identität von Konsumtions- und Schutzgebiet sein. Daneben sind im Interesse der Urhebers die wirtschaftlichen Möglichkeiten seines Verlegers wertend mitzuberücksichtigen. Wo der Verleger natürliche Sprachbarrieren durch seine eigene internationale Vertriebsorganisation durchbricht, bedarf er des Schutzes für einzelne nationale Märkte nicht mehr. Innerhalb der EG ist ein absoluter Gebietsschutz mit Hilfe des geteilten Verlagsrechts überhaupt nicht mehr zu erreichen, da die Vorschriften des EWG-Vertrages über den freien Warenverkehr den Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Binnenmarkt gebieten. Daher kann der Urheber Importe nur noch dann verhindern, wenn er geteilte Verlagsrechte an voneinander unabhängige Verleger vergeben hat und das exportierende Verlagshaus seinen Sitz in einem Staat außerhalb der EG hat.

Résumé La disposition concernant l'épuisement du droit de mise en circulation, au § 17, alinéa 2 de la loi sur le droit d'auteur, ne prend qu'imparfaitement position sur la question de savoir dans quelle mesure le titulaire du droit d'auteur peut empêcher les importations parallèles provenant de l'étranger. L'opinion traditionnelle dans la jurisprudence et la doctrine, selon laquelle il est permis à l'auteur d'exercer un monopole sur des marchés d'étendue délimitée, fait actuellement place à une conception tendant à une plus grande perméabilité du commerce international du livre. Il faut bien constater que le lien purement mécanique établi entre le principe de la territorialité et la doctrine de l'épuisement ne comporte pas de justification inhérente de l'effet de verrouillage des marchés attaché aux droits d'auteur. En fait, c'est la coïncidence des domaines linguistiques et des territoires de protection qui devrait être la véritable cause de l'identité du domaine pour lequel il y a épuisement et du domaine de protection. En outre

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Deutsch: Erschöpfung des Verbreitungsrechts

il y a lieu, dans l'intérêt de l'auteur, de tenir compte des possibilités économiques de son éditeur. Là où l'éditeur renverse les barrières linguistiques naturelles par un réseau international de distribution, il n'a plus besoin d'une protection pour chacun des marchés nationaux. A l'intérieur de la Communauté européenne il n'est plus possible de constituer un domaine de protection absolue par la conclusion de différents contrats d'édition car les dispositions de la CEE, concernant la libre circulation des marchandises, imposent la réunion des marchés nationaux en un marché intérieur unique. L'auteur ne peut donc plus empêcher les importations qu'en concluant divers contrats d'édition avec des éditeurs indépendants et si la maison d'édition exportatrice a son siège dans un Etat situé hors de la CEE. Fr. U. Summary The protection oi § 17 subpara. 2 German Copyright Act on the exhaustion of the right of distribution deals only insufficiently with the question, to which extent the owner of the copyright can prevent parallel imports from abroad. The traditional view both of the courts according to which the author may monopolize and commentators, certain geographically limited markets, is at present giving ground to a view which wants to achieve an increased permeability of international book trade. It cannot be overlooked that the merely mechanical combination of the principle of territorial protection with the doctrine of exhaustion does not include an inherent justification of the effect of copyrights to be used as market barriers. Rather the congruity of linguistic areas and territorial protection could be the fundamental reason underlying the identity of the areas of exhaustion and protection. Additionally, the authors' interest in their publishers' economic powers must also be considered and evaluated. Where a publisher breaks through natural linguistic barriers by means of his own international distribution organisation, he no longer requires protection for individual national markets. Within the EC absolute territorial protection cannot be obtained any longer through a split publishers' copyright, because the provisons of the EEC Treaty concerning the free movement of goods demand the amalgamation of national markets to a homogenous market. Thus the author can publishers' no longer prevent imports, unless he has granted split rights to a number of independent publishers and these exporting publishers are domiciled in a non-EC member state. v. W.

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Immaterielle Wirtschaftsgüter im Steuerrecht unter Berücksichtigung des Urheber- und Verlagsrechts Von Rechtsanwalt Albrecht Götz von Olenhusen und Wiss. Assistentin Assessorin Elisabeth Martens, Freiburg*)

I. Einleitung Die steuerliche Behandlung immaterieller Wirtschaftsgüter wirft vielfältige Probleme auf, um deren Lösung sich Rechtslehre und Judikatur seit langem bemühen. Dabei handelt es sich auf der einen Seite um die begriffliche Frage nach dem Inhalt des steuerlichen Terminus „Wirtschaftsgut", auf der anderen Seite um die Frage, welche wirtschaftlichen Güter aus dem umfassenden und zunehmend an Bedeutung gewinnenden Bereich der immateriellen Wirtschaftsgüter unter diesem Sammelbegriff für Bewertungsobjekte im Sinne des Bewertungsgesetzes und des Einkommensteuergesetzes fallen. Eine Anzahl von Gerichtsentscheidungen aus jüngerer Zeit und verschiedene Stellungnahmen zu prinzipiellen und zu speziellen Fragen haben gezeigt, daß eine Reihe von Regelungssachverhalten, namentlich auch aus dem Bereich des Immaterialgüterrechts und des Verlagswesens, kontrovers beurteilt werden und wahrscheinlich noch der Ausdifferenzierung in der juristischen Kasuistik bedürfen 1 ). Der vorliegende Beitrag versucht, einen Überblick über den gegenwärtigen Stand von Literatur und Rechtsprechung zu geben, ohne allerdings den Anspruch zu erheben, sämtliche Probleme zu erfassen; es sollen außerdem einige Schwerpunkte der gegenwärtigen Diskussion aufgezeigt und, soweit angebracht, gerade für den Bereich des Urheber- und Verlagsrechts diskutiert werden. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen immaterielle Werte den Wirtschaftsgütern zuzuordnen sind, beurteilt sich nach der steuerlichen Bedeutung des Wirtschaftsguts. Der in zahlreichen steuerlichen Tatbeständen verwandte Begriff des Wirtschaftsguts ist durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs entwickelt und 1934 in die Steuergesetze übernommen worden (vgl. die Begründung zum EStG, *) Bereitgestellt zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres. ') Vgl. dazu S ö f f i n g, Aktuelle Fragen zur Einkommensteuer, in: Steuerkongreßreport 1976, S. 241; U e i n e r , Besteuerung immaterieller Wirtschaftsgüter, in: Steuerkongreßreport 1975, S. 95 bis 116 mit ausführlichen Nachweisen.

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Albrecht Götz von Olenhusen/Elisabeth Martens:

RGStBl. 1935, S. 33 ff., 37). Freilich fehlt eine gesetzliche Definition, die Begriffsbestimmung blieb Aufgabe der Finanzgerichte. Sie mußte auch ohne Rückgriff auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts vorgenommen werden, weil dieses den Begriff des Wirtschaftsguts nicht enthält. Für die Zwecke des Steuerrechts war außerdem eine Auslegung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geboten 2 ), die das bürgerliche Recht kaum hätte leisten können; heute findet sie allerdings eine interessante Parallele in der Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Ausweitung des Vermögensbegriffs mit Hilfe der Kommerzialisierungsthese 3 ) .

II. Immaterielle Wirtschaftsgüter in der Einheitsbewertung nach dem Bewertungsgesetz 1. Gesetzliche Regelung der Einheitsbewertung Die Einbeziehung immaterieller Werte in den Begriff des Wirtschaftsguts erfolgt am umfassendsten für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (derzeit in der Fassung vom 26. September 1974, BGBl. I, S. 2369, BStBl. I, S. 862). Diese dient als Bemessungsgrundlage für die Vermögenssteuer, hat aber auch Bedeutung für andere Steuerarten ( § 1 7 BewG) 4 ). Auf die Auswirkungen im außersteuerlichen Bereich — etwa auf die Beitragspflicht zur Industrie- und Handelskammer — hat Kottke in seinem Aufsatz über „Verlagsarchive in der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens" (DStR 1972, S. 444 ff.) hingewiesen. Gemäß §§ 95, Abs. 1, 98a BewG richtet sich der Einheitswert des Betriebsvermögens nach der Summe der dem gewerblichen Betrieb als Hauptzweck dienenden, dem Betriebsinhaber gehörenden Wirtschaftsgüter, vermindert um die Betriebsschulden und sonstigen gesetzlich zugelassenen Abzüge. Zum Betriebsvermögen gehören daher auch bewertungsfähige immaterielle Wirtschaftsgüter, wobei Rechte, die zum Betriebsvermögen gehören, nicht notwendig als steuerbares Vermögen anzusehen sein müssen5). 2) L i t t m a n n , Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl. (1974) RdZ. 329 zu §§ 4, 5 EStG. 3 ) Vgl. dazu etwa die „Urlaubsentsciieidung" des BGH vom 10. Okt. 1974, BGHZ 63, 98 = J Z 1975, 249 mit Anmerkung S t o 11, S. 252. 4 ) Im einzelnen hierzu R ö s s l e r / T r o l l / L a n g n e r , Bewertungsgesetz und Vermögenssteuergesetz, 10. Aufl. (1975) RdZ. 4 zu § 17. 6) G ü r s c h i n g / S t e n g e r , Kommentar zum genssteuergesetz, 6. Aufl. (1975) § 95 Anm. 60, 77.

Bewertungsgesetz

und

Vermö-

Immaterielle Wirtschaftsgüter im Steuerrecht

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2. Immaterielle Werte als Wirtschaftsgüter Daß immaterielle Werte zu den Wirtschaftsgütern zählen können, die der Einheitsbewertung unterliegen, ergibt sich bereits aus der Bestimmung des § 101 Ziff. 2 BewG, mit der im eigenen Betrieb entwickelte und ausgenützte Erfindungen, Urheberrechte und Diensterfindungen ausdrücklich von der Bewertung ausgenommen werden. Diensterfindungen gehören nur in dem Umfange zum Betriebsvermögen, in welchem sie in Lizenz vergeben oder sonst einem Dritten entgeltlich zur Ausnutzung überlassen werden (vgl. ferner § 110 Abs. 1 Nr. 5 BewG). Der Bundesfinanzhof bejaht die Bewertungsfähigkeit immaterieller Güter, sofern sie nur als geldwerte Realität in Erscheinung getreten sind. Diese Voraussetzung erfüllt in jedem Fall ein entgeltlicher Erwerb des immateriellen Gutes; es genügt aber auch, daß die selbständige Bewertungsfähigkeit durch Aufwendungen auf das Gut oder einfach durch die allgemeine Verkehrsauffassung anerkannt wird 6 ). 3. Besonderheiten des Gesdiältswerts Für den Geschäfts- und Firmenwert soll diese weitere Anerkennungsmöglichkeit freilich nicht gelten, weil er durch Schätzung ermittelt werden müßte und dabei nur im Wege einer Gesamtbewertung des Unternehmens erfaßbar sei, das Bewertungsgesetz für das gewerbliche Betriebsvermögen jedoch die Einzelbewertung zwingend vorschreibe 7 ). Aus diesem Grund verneinte der BFH die Bewertungsfähigkeit des Geschäftswerts eines Unternehmens, dessen Ertragslage eine ungewöhnlich hohe Verzinsung der aus anteiligen Urheber- und Verlagsrechten an einer Zeitschrift bestehenden Einlage seines stillen Gesellschafters ermöglichte; der Geschäftswert lasse sich nicht schon aufgrund einer allgemeinen Verkehrsanschauung darüber, daß bei einem bestimmten Unternehmen über die einzelnen Vermögenswerte hinaus auch ein Geschäftswert vorhanden sei, als immaterielles Wirtschaftsgut erfassen 8 ). Kritische Stimmen aus der Literatur sehen in dieser Rechtsprechung einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz 9 ). «) BFH, 9. Nov. 1973 III R 12/72, BFHE 110, 541, BStBl. 1974 II, S. 81; 8. Nov. 1974 III R 90/73, BFHE 114, 113, BStBl. 1975 II, S. 104; 17. Jan. 1975 III R 69/73, BFHE 114, 543, BStBl. 1975 II, S. 324. Vgl. ferner BFH, 27. Febr. 1976 III R 64/74, BStBl. 1976, S. 529 zur Beurteilung von Lizenzverträgen mit Budigemeinschaften als paditähnliche Dauerschuldverhältnisse, nicht als kaufähnliche Verträge. ?) BFH, 30. Mai 1974 III R 75/73, BFHE 113, 50, BStBl. 1974 II, S. 654; 8. Nov. 1974 III R 90/73; 17. Jan. 1975 III R 69/73. 8) Urteil v o m 17. Jan. 1975 III R 69/73. 9 ) So etwa T i p k e , Steuerredit, 3. Aufl. (1975), S. 315 f.; R ö s s 1 e r / T r o 11 / L a n g n e r , aaO., § 95, RdZ. 14 a. E„ S. 968.

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Der Bundesfinanzhof hält dem entgegen, daß mit der Erfassung des derivativen (entgeltlich erworbenen) Geschäftswerts einer scheinbaren Vermögensminderung aufgrund der Entäußerung von Vermögenswerten entgegengewirkt werden soll, die in Wirklichkeit zu einer Vermögensumschichtung geführt hat 10 ). Diese Begründung erklärt allerdings nicht die Ungleichbehandlung des originären (selbst geschaffenen) und des derivativen Geschäftswerts. Wenn der selbstgeschaffene Geschäftswert bei der Vermögensbewertung außer Ansatz bleibt, gewinnt die Frage nach der Abgrenzung immaterieller Wirtschaftsgüter vom Geschäftswert Bedeutung. Der BFH definiert den Geschäftswert als Mehrwert, der einem Unternehmen über die sonstigen aktivierten Wirtschaftsgüter (abzüglich der Schulden) hinaus innewohnt und dessen Bedeutung darin liegt, daß er aufgrund der in ihm enthaltenen Vorteile (Ruf des Unternehmens, Kundenkreis, Absatzorganisation usw.) die Erträge des Unternehmens höher oder zumindest gesicherter erscheinen läßt als bei einem anderen Unternehmen mit sonst gleichen Wirtschaftsgütern, bei denen diese Vorteile fehlen 11 ). Immaterielle Werte, die lediglich der Erhaltung und Erweiterung des Kundenstamms dienen, sind Teile des Geschäftswerts und als solche nur bewertungsfähig, falls sie entgeltlich erworben oder durch Aufwendungen konkretisiert wurden 12 ). Der Bundesfinanzhof hielt deshalb die immateriellen Vorteile eines Verlagsarchivs, denen er — anders als der bloßen Büchersammlung — an sich die Eigenschaft eines immateriellen Wirtschaftsguts zuerkannte, nicht für selbständig bewertbar, weil sie zum allgemeinen Geschäftswert gehörten; eine Konkretisierung dieses Geschäftswerts schied aus, denn entgeltlich erworben waren nur die körperlichen Gegenstände, die Aufwendungen für die Personal- und Sachkosten der Dokumentationsstelle ließen sich von den laufenden Betriebsausgaben nicht eindeutig abgrenzen 13 ). Vor dem Bundesfinanzhof hat übrigens schon das Finanzgericht Baden-Württemberg die Bewertungsfähigkeit originär entstandener Archive verneint 14 ). In diesem Zusammenhang ist noch die Entschei") BFH, 17. Jan. 1975 III R 69/73. ») BFH, 18. Jan. 1967 I 77/64, BFHE 88, 198, BStBl. 1967 III, S. 334; vgl. dazu auch G ü r s c h i n g / S t e n g e r , aaO., § 95 BewG Rn. 63 ff. m. Nachw. 12) BFH, 8. Nov. 1974 III R 90/73. 13 ) Urteil vom 8. Nov. 1974 III R 90/73. Vgl. zu dieser Entscheidung bereits G ö t z v o n O l e n h u s e n , Zur steuerrechtlichen Beurteilung von immateriellen Wirtschaftsgütern, Verlagsarchiv als Testfall, in: FILM UND RECHT Nr. 6/1975, S. 372 bis 375. Vgl. ferner R ö s s 1 e r in: BB 1972, S. 744 bis 749. 14 ) Außensenate Freiburg, nicht rechtskräftiges Urteil vom 28. März 1973 11 143/71, EFG 1973, 420, DStR 1974, 322 mit Anmerkung K o 11 k e, betr. Bild- und Textarchiv eines Zeitschriftenverlages.

Immaterielle Wirtschaftsgüter im Steuerrecht

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dung des Bundesfinanzhofs vom 6. März 197015) zur bewertungsrecht lichen Behandlung der Gewinnmöglichkeiten aus Belieferungsverträgen über Lesemappen erwähnenswert. Das Gericht hat solchen immateriellen Werten bereits die Bewertungsfähigkeit nach der Verkehrsanschauung abgesprochen, weil sie nicht genügend verkehrsfähig seien, da die Rechtsstellung aus schwebenden Verträgen dieser Art nämlich nur in besonderen Fällen gehandelt werde. Bedeutsamer ist die zweite, sehr allgemein gehaltene Begründung, daß die Behandlung der Gewinnmöglichkeiten aus schwebenden Geschäften als immaterielles Wirtschaftsgut lediglich aufgrund einer allgemeinen Verkehrsanschauung zu einer unzulässigen Erfassung des originären Geschäftswerts oder von Teilen desselben führen würde. Eine Konkretisierung dieses Geschäftswerts auf Grund der Zahlung von Werbeprovisionen für die Vermittlung der Belieferungsverträge wurde ebenfalls verneint; der entgeltliche Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts erfordere ebenso wie die Bewertungsfähigkeit begründende Aufwendungen auf das Gut eindeutige und klar abgrenzbare Aufwendungen, während es sich bei den Werbeprovisionen um laufende Ausgaben im Vertriebsbereich handele 16 ). (Vgl. ferner aus der jüngeren BFH-Rechtsprechung das Urteil des BFH vom 30. Mai 1974 III R 75/73, in dem die Frage, ob das mit einer originären Güterfernverkehrsgenehmigung verbundene immaterielle Wirtschaftsgut wegen seines firmenähnlichen Charakters bei der Einheitsbewertung außer Ansatz bleiben muß, unentschieden blieb; die Anerkennung einer selbständigen Bewertungsfähigkeit durch die allgemeine Verkehrsanschauung kam infolge der veränderten Rechtslage, welche die früher bestehende „wirtschaftliche" übertragbarkeit der an sich personengebundenen Genehmigungen stark einschränkte, ohnehin nicht mehr in Betracht). 4. Bewertungsfähige immaterielle Güter Die oben beschriebene Ausnahme von der Bewertungsfähigkeit immaterieller Güter betrifft nur den Geschäfts- oder Firmenwert. Grundsätzlich werden auch selbst geschaffene immaterielle Werte bei der Einheitsbewertung erfaßt, wenn sie nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertungsfähig sind. Gemäß den Vermögenssteuerrichtlinien der Bundesregierung (Abschnitt 53 VStR 1974, abgedruckt bei III R 20/66. BFHE 99, 50, BStBl. 1970 II, S. 489. ) Kritisch dazu G ü r s c h i n g / S t e n g e r , aaO., § 95 Anm. 67. In der Tat ist es dogmatisch fragwürdig, entgeltlich übernommene Geschäftsbeziehungen als abnutzbares immaterielles Einzelwirtschaftsgut anzusehen. 16

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Rössler/Troll/Langner, aaO., S. 958) sollen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH zur Bewertungsfähigkeit immaterieller Wirtschaftsgüter folgende immateriellen Rechte und Vorteile bewertungsrechtlich erfaßt werden: Patente, nicht geschützte Erfindungen, Urheberrechte und das Know-how, soweit sie nicht nach § 101 Nr. 2 BewG außer Ansatz bleiben, Warenzeichen, Brennrechte, Beteiligungsziffern am Zinnwarenmonopol, Verlagsrechte, Wassernutzungsrechte, Wettbewerbsverbote, Optionsrechte, Konzessionen für den Güterverkehr u. a. Für den Ansatz dieser immateriellen Wirtschaftsgüter soll es nicht darauf ankommen, ob sie auch in der Steuerbilanz zu aktivieren sind. III. Immaterielle Wirtschaftsgüter im Einkommensteuerrecht 1. Gesetzliche Regelung Während es bei der Einheitsbewertung für die Vermögenssteuer darum geht, die im Vermögen liegende potentielle Ertragskraft zu erfassen 17 ) ,kommt es bei der Einkommensteuer auf die tatsächliche subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an18). Die Einkommensteuer bemißt sich nach dem in § 4 Abs. 1 EStG definierten Gewinn, welcher durch Vergleich der Betriebsvermögen am Schluß der Wirtschaftsjahre unter Berücksichtigung der Entnahmen und Einlagen ermittelt wird. Kaufleute sind nach § 5 Abs. 1 EStG verpflichtet, das Betriebsvermögen, d. h. sämtliche Wirtschaftsgüter nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen und dementsprechend bei der Gewinnermittlung anzusetzen. Außer Betracht bleiben jedoch — hierin liegt der wesentliche Unterschied zur Behandlung immaterieller Güter in der Einheitsbewertung nach dem BewG — nicht entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Für sie besteht gemäß §§5 Abs. 2 EStG, 153 Abs. 3 AktG ein Aktivierungsverbot, d. h. Aufwendungen für solche selbstgeschaffenen immateriellen Werte sind sofort als Betriebsausgaben absetzbar. Die Bewertung der betrieblichen Wirtschaftsgüter erfolgt nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten; soweit sie zum Anlagevermögen gehören und der Abnützung unterliegen, wird der Betrag vermindert um die Absetzung für Abnutzung nach § 7 EStG, wobei für bewegliche Wirtschaftsgüter ") Tipke, aaO., S. 290. >8) Tipke, aaO., S. 133, 231.

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an Stelle der linearen die degressive Abschreibung zulässig ist (§ 7 Abs. 2 EStG). Wahlweise kann ein niedrigerer Teilwert in Ansatz gebracht werden (§ 6 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 3, Ziff. 2 Satz 2 EStG). 2. Das Wirtschaftsgut als greifbarer Wert Der Bundesfinanzhof hat den Begriff des Wirtschaftsguts auch für das Einkommensteuerrecht an sich weit gefaßt und hierunter selbst tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb verstanden, wenn sie durch Aufwendungen mit einem greifbaren Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erlangt wurden, nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Abgrenzung und bewertungsfähig sind, und wenn für sie ein gedachter Erwerber des Betriebs im Kaufpreis ein besonderes Entgelt ansetzen würde 19 ). Nach der bekanntlich sehr umstrittenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 18. Juni 197520) sind bei den sog. Redaktionskosten zur Herstellung von Druckvorlagen einer Zeitschrift diese Voraussetzungen für die Existenz eines Wirtschaftsguts nicht gegeben: Vor Fertigstellung der Druckvorlage könne von einem greifbaren Wert überhaupt nicht gesprochen werden; die Druckvorlage selbst gehe aber unmittelbar nach ihrer Fertigstellung in die Herstellung des Endprodukts „Zeitschrift" über und falle bei einer Veräußerung des Betriebs gegenüber den Ertragsaussichten des Unternehmens als Einzelwert nicht ins Gewicht. Ob das übrigens für alle Arten von Druckvorlagen Geltung beansprucht, kann recht zweifelhaft sein, wenn aus tatsächlichen Gründen ihnen im Einzelfall doch ein Einzelwert zukommen würde. Die Prüfung (und Verneinung) eines immateriellen Wirtschaftsguts hätte freilich nicht ausgereicht, um die Aktivierbarkeit jener in Vorlagen, Manuskripten oder druckfertigen Zeitschriften eingegangenen Kosten für das Sichten, Redigieren und Zusammenstellen der Texte, Fotos usw. zu verneinen. Es kam vielmehr in erster Linie darauf an, ob die redaktionell in Arbeit befindlichen oder zumindest die druckfertigen Zeitschriften unfertige Erzeugnisse, d. h. noch nicht im Sinne von § 9a EStDVO (in der Fassung vom 24. Januar 1975, BGBl. I, S. 369, BStBl. I, S. 129) fertiggestellte, aber im eigenen Betrieb beoder verarbeitete Erzeugnisse darstellen, auf denen bereits Löhne 19 ) BFH, 29. April 1965 IV 403/62 U, BStBl. 1965 III, S. 414; BFH, 3. Febr. 1969, Großer Senat, 2/68, BStBl. 1969 II, S. 291; vgl. dazu U e i n e r in: Steuerkongreßreport, S. 98. 20 ) I R 24/73, BFHE 116, 474, BStBl. 1975 II, S. 809. 21 ) H e r r m a n n / H e u e r , Kommentar zur Einkommensteuer und Körpersdiaftssteuer, 17. Aufl. (1975) Stand September 1976, Bd. III, § 5 Anm. 49a 3.

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und Gemeinkosten ruhen 21 ); als unfertige oder halbfertige Wirtschaftsgüter wären sie, wie sich aus § 151 Abs. 1 AktG entnehmen läßt, aktivierungspflichtig und mit dem bereits erwachsenen Herstellungsaufwand zu bewerten 22 ). Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs müssen jedoch unfertige Erzeugnisse teilweise schon mit dem Fertigprodukt identisch sein und sich ihm gegenüber lediglich als das „Weniger" darstellen; dies treffe selbst bei den fertigen Druckvorlagen im Verhältnis zu dem Endprodukt Zeitschrift noch nicht zu. Angesichts dieser Argumentation erscheint die für die Verneinung eines immateriellen Wirtschaftsguts gelieferte Begründung widersprüchlich. Vor allem ist das Urteil aber wegen der engen Interpretation des Begriffs des unfertigen Erzeugnisses auf Kritik gestoßen 23 ). Die Finanzverwaltung wurde vom Bundesfinanzministerium angewiesen, die Grundsätze der Entscheidung in anderen Fällen nicht anzuwenden (Schreiben vom 26. November 1975, DStR 1976, 31). In der Tat wird man entgegen dem BFH unfertige und fertige Druckvorlagen als Wirtschaftsgüter ansehen müssen. Der Begriff der „Greifbarkeit" kann kein Kriterium sein. Der Bundesfinanzhof setzt sich damit mit seiner eigenen Rechtsprechung in Widerspruch, weil der Begriff des Wirtschaftsguts traditionell weit gefaßt ist, Sachen wie Rechte und tatsächliche Möglichkeiten und Vorteile umfaßt, welche etwas kosten und nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung fähig sind. Auch für unfertige Druckvorlagen wird, worauf Söiiing24) hingewiesen hat, im Rahmen einer Betriebsveräußerung etwas bezahlt. Durch eine Druckvorlage entsteht im übrigen im allgemeinen auch ein Urheberrecht. Das Redaktionskosten-Urteil des 1. Senats steht im übrigen mit dem Bauplanungs-Urteil des 4. Senats des Bundesfinanzhofs im Widerspruch25). Würde man wie im Redaktionskosten-Urteil verfahren, würde eine Nichtaktivierung dazu führen, daß zunächst eine Gewinnminderung in Höhe der Redaktionskosten und im nächsten Wirtschaftsjahr eine entsprechende Gewinnerhöhung eintreten würde26). 22 ) L a d e m a n n / L e n s k i / B r o c k h o f f , Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Bd. I, Stand Juni 1976, § 6 RdZ. 137. 23 ) Ablehnend etwa L i t t m a n n , Urteilsanmerkung in DStR 1976, 39 sowie der Kommentar von L a d e m a n n / L e n s k i / B r o c k h o f f zum EStG, Bd. I, § 6 RdZ. 137. 24 ) S ö f f i n g, Aktuelle Fragen zur Einkommensteuer, in: Steuerkongreßreport 1976, S. 241. 25 ) BFH, 11. März 1976, IV R 176/72, BStBl. II, 1976, S. 614. 2 ') Vgl. dazu S ö f f i n g, Die Unvereinbarkeit des Redaktionskosten-Urteils mit dem Bauplanungs-Urteil, in: Finanz-Rundschau 1977, S. 34 bis 36.

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3. Wirtsdiaftsgutsbegriff und Bilanzierungsfähigkeit Das in § 5 Abs. 1 EStG enthaltene Gebot für Kaufleute, ihr Betriebsvermögen nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen, legt eine Einschränkung des Begriffs des Wirtschaftsguts nahe. Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Steuer- und Handelsbilanz und damit auch nach dem Verhältnis des steuerrechtlichen Begriffs des Wirtschaftsguts im Sinne der §§ 4 ff. EStG zu dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstandes im Sinne der §§ 38 — 40 HGB ist trotz des EStÄndG vom 16. Mai 1969 (BGBl. I, S. 421, BStBl. I, S. 320) streitig geblieben 27 ). § 6 Abs. 1 EStG a. F. sprach von der Bewertung derjenigen Wirtschaftsgüter, „die dem Betrieb dienen". Dieser Formulierung ließ sich möglicherweise zugleich das Gebot der Bilanzierung aller dem Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter entnehmen. Die Ausweisung von Wirtschaftsgütern in der Steuerbilanz hatte danach ohne Rücksicht auf die handelsrechtliche Bilanzierungspflicht zu erfolgen. Im Ergebnis vertrat diese Auffassung auch der Große Senat des Bundesfinanzhofs28). Nach der Neufassung des § 6 EStG, in der für den Ansatz der Wirtschaftsgüter ausdrücklich auf die §§ 4 und 5 EStG verwiesen wird, nahm die Zahl der Anhänger dieses weiten Wirtschaftsgutsbegriffs ab. Zu ihnen gehören heute noch Littmann29), der den in den §§ 4 ff. EStG verwandten Begriff des Wirtschaftsguts für autonom hält und sich überdies auf den Beschluß des Großen Senats vom 3. Februar 1969 beruft, sowie Herrmann/Heuer™). Die wohl herrschende Meinung31) geht heute von der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz aus. Auch Uelner hat in seinem Referat für den deutschen Steuerkongreß 1975 unter Hinweis auf die Vorschriften des § 5 EStG den sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz bejaht und hieraus interessante Folgerungen gezogen, insbesondere die Deckungsgleichheit der Begriffe „Wirtschaftsgut" und „Vermögensgegenstand" konstatiert. Seine Ausführungen gipfeln in der Forderung, das Handels- und Steuerrecht insoweit im Interesse der 2 7 ) Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei H e r r m a n n / H e tar zur Einkommensteuer und Körperschaftssteuer, Bd. II, § 4 Anm. L i t t m a n n , Einkommensteuerrecht, §§ 4, 5 RdZ. 56a ff. Vgl. ferner 1 i c k, Einkommensteuer, Körperschaftssteuer, 1976, § 5 EStG Rn. 23

uer, 16a ff. Bühl ff. m.

Kommensowie bei er/PauNachw.

2S ) BFH, 3. Febr. 1969, GrS 2/68, BStBl. 1969 II, S. 291 Vgl. ferner die Entscheidung v o m 2. März 1970, GrS 1/69, BStBl. 1970 II, S. 382. 29) L i t t m a n n , Einkommensteuerrecht §§ 4, 5 RdZ. 51g, 58b. 3 0 ) Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftssteuer Bd. II, Anm. 16g. 3 1 ) Nachweise bei H e r r m a n n / H e u e r , aaO., § 4 Anm. 16g. Siehe dazu auch D ö 11 e r e r, in: BB 1969, S. 501 ff., 505.

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Einheit der Rechtsordnung auch terminologisch anzugleichen (Steuerreport 1975, S. 95 ff., 99). Uelners Auffassung wird bestätigt durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 26. Februar 197532) zur Aktivierbarkeit von Bierlieferungsrechten, in der das Gericht die Neufassung der §§ 5, 6 EStG ausdrücklich als Beleg für die Abhängigkeit der Steuerbilanz von der Handelsbilanz wertet. Wörtlich heißt es dann: „Die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung sind danach maßgebend für die Frage, ob überhaupt ein Wirtschaftsgut vorliegt, wie auch für die Frage, ob die weiteren Voraussetzungen für die Aktivierung eines Wirtschaftsguts erfüllt sind. In der Frage der Aktivierbarkeit kann d a h e r . . . der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts (§§ 4, 5, 6 EStG) nicht weiter gehen als der handelsrechtliche Begriff des Vermögensgegenstandes (§§ 38, 39, 40 HGB), zumal auch das steuerrechtliche Wirtschaftsgut nach dem Wortlaut des Gesetzes zum Betriebsvermögen gehört und insofern ein .Vermögensgegenstand' ist." Der Bundesfinanzhof will jedoch auch den Begriff des Vermögensgegenstandes nicht zu eng verstanden wissen; er erfordere nicht die selbständige Verkehrsfähigkeit des betreffenden Gutes, wie sich aus der Bilanzierungsfähigkeit des (entgeltlich erworbenen) Geschäftswerts oder des Warenzeichenrechts (§§ 153 Abs. 5 bzw. 151 Abs. 1 AktG) ersehen lasse. Danach sei auch das Bierlieferungsrecht als Vermögensgegenstand bzw. Wirtschaftsgut anzusehen. Der für die Aktivierbarkeit nach den §§ 5 Abs. 2 EStG, 153 Abs. 3 AktG vorausgesetzte entgeltliche Erwerb war im konkreten Fall dadurch gegeben, daß die Brauerei den Gastwirten Zuschüsse bzw. minderverzinsliche Darlehen gegen die Übernahme der Bierbezugsverpflichtungen gewährt hatte. Für den Wirtschaftsgutsbegriff ist maßgeblich, ob das betreffende Recht als selbständiges Recht anzusehen ist und seiner Art nach zum Beispiel zusammen mit einem Betrieb veräußert werden kann. Das Recht wird nicht dadurch die Eigenschaft eines Vermögensgegenstandes verlieren, daß ein Abtretungsverbot besteht (z. B. nach § 399 BGB). Das ist zwar vom Bundesfinanzhof nicht abschließend geprüft und entschieden, dürfte aber zu bejahen sein (für das Urheberrecht gilt ja sogar von Gesetzes wegen die Nichtübertragbarkeit in bezug auf das Recht als solches). 32) I R 72/73, BFHE 115, 243, BStBl. 1976 II, S. 13.

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Das Merkmal der Bilanzierungsfähigkeit wird vom BFH für den Wirtschaftsgutsbegriff nur verlangt, soweit die Aktivierbarkeit, d. h. die Gewinnermittlung durch den Betriebsvermögensvergleich in Frage steht. Hinsichtlich der Entnahmen und Einlagen, die nach § § 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 EStG ebenfalls Wirtschaftsgüter zum Gegenstand haben, paßt dieser enge Wirtschaftsgutsbegriff nicht. In der Literatur findet sich freilich die nunmehr auch vom Finanzgericht Münster33) geteilte Ansicht, daß Entnahmen und Einlagen bilanzierungsfähig sein müßten. Die Gegenposition hat Rohner in einem kürzlich erschieenen Artikel (über „Wirtschaftsgüter" als Gegenstand von Entnahmen und Einlagen, in: DStR 1976, S. 595 bis 597) mit überzeugenden Argumenten vertreten. Für seine Auffassung spricht schon der Gesetzeswortlaut, denn § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG nennt im Zusammenhang mit dem Entnahmebegriff als Beispiele für Wirtschaftsgüter selbst Nutzungen und Leistungen. Heitmann/Heuer34) sehen in dieser Gesetzesstelle überhaupt den Beweis dafür, daß der im Einkommensteuerrecht verwandte Begriff des Wirtschaftsguts die Bilanzierungsfähigkeit nicht voraussetzt. 4. Das Aktivierungsverbot für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens Nach der Vorschrift von § 153 Abs. 3 des Aktiengesetzes 1965, die als Grundsatz ordnungsmäßiger Bilanzierung gemäß §§ 38 Abs. 1, 6 HGB auch für Kaufleute und Handelsgesellschaften gilt, sind immaterielle Anlagewerte nur aktivierbar, wenn sie entgeltlich erworben wurden; § 5 Abs. 2 EStG hat die Maßgeblichkeit dieses Grundsatzes ordnungsmäßiger Bilanzierung für die Steuerbilanz bestätigt 35 ). Das Aktivierungsverbot macht zunächst eine Unterscheidung zwischen immateriellen und anderen Wirtschaftsgütern erforderlich. Nach welchen Kriterien sie zu erfolgen hat, ist streitig. Verschiedentlich wird eine Abgrenzung innerhalb der unkörperlichen Wirtschaftsgüter gefordert, wobei die üblichen Gruppen der häufiger vorkommenden Wirtschaftsgüter 36 ) bzw. Wirtschaftsgüter, denen „aus38) 34 ) 35 ) Büh 3B )

Reditskräftiges Urteil v o m 30. Jan. 1975 I 789/74 E, EFG 175, 300. Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftssteuer, Bd. II, § 4 Anm. 16g. BFH, 26. Febr. 1975 I R 72/73, BFHE 115, 243, BStBl. 1976 II, S. 13. Vgl. ferner l e r / P a u l i c k , aaO., § 5 EStG Rn. 23, S. 51; D ö l l e r e r, in: BB 1969, S. 505. H e r r m a n n / H e u e r , Kommentar zum EStR und KStR, Bd. III, § 6 Anm. 96a.

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gesprochen, bürgerlich-rechtliche Situation zugrunde liegen" 32 ), von dem Begriff des immateriellen Wirtschaftsguts und damit von dem Aktivierungsverbot im Falle eines unentgeltlichen Erwerbs ausgenommen sein sollen. Ueiner38) hat diese enge Interpretation des Begriffs des immateriellen Wirtschaftsguts verworfen und in Anlehnung an die bürgerlich-rechtliche Terminologie als Abgrenzungsmerkmal allein die Körperlichkeit für maßgeblich erklärt. Der Wortsinn läßt in der Tat eine andere Begriffsbestimmung kaum zu, da die Wirtschaftsgutseigenschaft vorausgesetzt ist, das Merkmal des Immateriellen also eine hiervon unabhängige abgrenzende Funktion haben muß. Uelner führt aber zugunsten der weiten Fassung des Begriffs, die „jede nicht in einem körperlichen Vermögensgegenstand substanziell greifbare Besserstellung in der Vermögenssituation, d. h. neben Rechten auch alle rechtsähnlichen Werte und sonstigen Vorteile" decken soll, auch ein wichtiges teleologisches Argument an: Das hinter dem Aktivierungsverbot stehende Prinzip vorsichtiger Vermögensbilanzierung. Die kaufmännische Auffassung werde nur dann geneigt sein, einen Vermögensgegenstand auszuweisen, wenn ein in seinem Wert bestimmbarer, sicherer und verwertbarer Nutzen vorhanden ist; körperliche Vermögensgegenstände bildeten hierbei im Gegensatz zu den unkörperlichen Gütern schon wegen ihrer realen Substanz einen hinreichenden Anknüpfungspunkt. Bei immateriellen Wirtschaftsgütern sei mangels Substanz von vornherein kein eindeutiger Anknüpfungspunkt für den bilanziellen Ausweis gegeben. Dieser Unterschied rechtfertige die unterschiedlichen Anforderungen für den Ansatz materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter dem Grunde nach. Diese Argumentation bedarf der genaueren Überprüfung. Der wirtschaftliche Unterschied zwischen materiellen und immateriellen Gütern ist hierfür zunächst näher zu betrachten. Das soll für den uns hier besonders interessierenden Bereich des sog. geistigen Eigentums geschehen. Materielle Wirtschaftsgüter verbrauchen sich durch ihre Nutzung, ihre Nutzungsmöglichkeit ist also aus technisch-wirtschaftlichen Gründen zeitlich begrenzt; ein Teil des Erlöses muß zum Zwecke der Erhaltung in das materielle Wirtschaftsgut reinvestiert und schließlich muß dieses durch ein neues Wirtschaftsgut ersetzt werden 39 ). Bei immateriellen Wirtschaftsgütern ist die Situation komplizierter. Im Unterschied zum materiellen Wirtschaftsgut kann im) L i t t m a n n , EStR, §§ 4, 5 RdZ. 334. ) Steuerkongreßreport 1975, S. 100 f. 3 9 ) Dazu und zum folgenden P r o s i, ökonomische Theorie des Buches, 1971, S. 123 ff. 37 38

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materielles Eigentum nicht verbraucht, nicht abgenutzt werden. Desw e g e n ist es auch nicht notwendig, darauf Teile des Nutzungserlöses zu verwenden, sei es, um die Abnutzung auszugleichen oder um es vollständig zu ersetzen. Auch das zur Nutzung geistigen Eigentums zunächst produzierte Werk, das vervielfältigt und verbreitet wird, unterliegt als solches regelmäßig nicht der Abnutzung und kann beliebig oft zur Herstellung weiterer, zur Nutzung des geistigen Eigentums erforderlicher Kopien benutzt werden. Soweit das Recht hinsichtlich des speziellen immateriellen Wirtschaftsguts dem Inhaber eine rechtliche Monopolstellung einräumt, hat dieser den zusätzlichen Vorteil, daß nur er innerhalb der Schutzfrist in der Lage ist, die Nutzungen an der Rechtsstellung und an dem „produzierten Produktionsmittel" (Werkstück als Grundlage für Vervielfältigungen) auf dem Markt anzubieten. Beide Güterkategorien haben im übrigen gemeinsam, daß ihr W e r t sich nach der Nachfrage bestimmt. Während aber das materielle Wirtschaftsgut nicht ausschließt, daß andere Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr „Eigentümer der gleichen Güter sind und sich gegenseitig auf dem Markt für Nutzungen dieser Güter Konkurrenz machen" 40 ), entfällt diese spezifische Konkurrenzsituation beim sog. geistigen Eigentum. Insgesamt zeigt jedenfalls der V e r gleich zwischen immateriellen und materiellen Wirtschaftsgütern, daß es keineswegs die reale Substanz ist, welche ein geeignetes Kriterium abgibt, um danach einen etwaigen in seinem W e r t bestimmbaren, sicheren und verwertbaren Nutzen eines Vermögensgegenstandes zu bestimmen und dementsprechend nach dem kaufmännischen Prinzip vorsichtiger Bilanzierung den Vermögensgegenstand auszuweisen oder nicht. Der Mangel der körperlichen Substanz beim immateriellen Wirtschaftsgut ist für seine Wertbestimmung im Hinblick auf einen vorhandenen oder möglichen Nutzen nicht unbedingt ein Nachteil. Solange überhaupt Nachfrage nach einem immateriellen Wirtschaftsgut besteht, läßt sich auch sein Nutzen wertmäßig durchaus etwa so sicher bestimmen wie bei einem materiellen Gut. Angesichts der oftmals ungleich größeren ökonomischen Bedeutung v o n immateriellen Wirtschaftsgütern für ein Unternehmen und der kaum größeren oder geringeren Schwierigkeiten als bei materiellen Gütern, Wert und Nutzen einigermaßen sicher zu bestimmen, erscheint es als nicht gerechtfertigt, d e m G r u n d e n a c h unterschiedliche Anforderungen für den Ansatz aufzustellen und die materielle Substanz als Anknüpfungspunkt so sehr in den Vordergrund zu stellen, w i e dies Ueiner tut 41 ). 4

°) P r o s i, aaO., S. 125. ) U e 1 n e r, aaO., S. 101/102.

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Die hier zur Beurteilung stehenden Regelungssachverhalte sind aber dadurch noch komplizierter, daß die immateriellen Güter (z. B. Rechte, Lizenzen, aber auch rechtlich nicht absolut geschützte Vermögenspositionen) nicht durchweg direkt genutzt werden können, sondern erst, nachdem sie auf einer weiteren Produktionsstufe materialisiert worden sind. Erst die eigentümliche Verbindung von immateriellem Gut (z. B. Ausschließlichkeitsrecht an einem Werk), materiellem Gut (Vervielfältigungsgrundlage, z. B. Manuskript, Werkkopie usw.) als sog. produzierten Produktionsmittel und bestimmten weiteren Produktionsmittel (z. B. Verlag usw.) macht den jeweiligen Vermögensgegenstand in seinem Wert und Nutzen relativ sicher bestimmbar und verwertbar (wobei immer vorausgesetzt wird, daß überhaupt Nachfrage besteht). Eine vergleichbare Beurteilung ergibt sich beispielsweise für den Bereich der Speicherung und Verwertung der „Ware" Information. Auch in diesem Bereich kommt es zu unterschiedlichen Verbindungen immaterieller Güter, materieller Reproduktionsgrundlagen und weiterem, für die Verwertung erforderlichen Sachkapital. Dabei wird aber erst die spezifische Kombination von immateriellen Wirtschaftsgütern (mit Inhaberschaft an einem Ausschließlichkeitsrecht oder mit einer ähnlich relativ exklusiven Position), materiellen Wirtschaftsgütern (z. B. Datenträger) und materiellen Verwertungsmitteln (z. B. Datenübertragungsanlage) Wert und Nutzen des Vermögensgegenstandes relativ sicher bestimmen lassen. Die undifferenzierte Anknüpfung an der körperlichen Substanz für den bilanziellen Ausweis würde daher in einer Vielzahl von Fällen an der wirtschaftlichen Wirklichkeit vorbeigehen. Das zeigt sich sehr deutlich bei der umstrittenen Frage nach der steuerrechtlichen Beurteilung der Güter, die im Rahmen der automatischen Datenverarbeitung zunehmend eine bedeutende Rolle spielen. Gerade hier findet sich die „eigentümliche Verquidcung von materiellen und immateriellen Erscheinungen" 42 ). Im Prinzip ist es sicherlich relativ leicht zwischen sog. Hardware (Datenverarbeitungsanlagen usw.), also den materiellen Gütern, und der sog. Software (Computerprogramme usw.) zu unterscheiden. Es ist gewiß richtig, daß Software sich regelmäßig in ausführlichen Beschreibungen materialisiert, die als solche eine materielle Substanz aufweisen, also das Merkmal der „Körperlichkeit" besitzen und auch durchaus einen selbständig zu ermittelnden Wert und verwertbaren Nutzen haben können (dieser 42 ) K o l l e , Technik, Datenverarbeitung und Patentrecht, in: GRUR 1977, S. 58, 65. Diese Verquidcung materieller und immaterieller Erscheinungen ist im Bereich der neuen Informationstechnologien vielfach festzustellen. Vgl. L e n k : Breitbankkommunikation: ökonomische Bedingungen und die Chancen politischer Steuerung, in: Klaus Lenk (Hrsg.), Informationsrechte und Kommunikationspolitik. 1976, S. 1 ff.

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kann beispielsweise durch den Verkauf eines derartigen Programms am Markt realisiert werden). Andererseits ist hier die Materialisierung eines Programms in der Beschreibung im allgemeinen nicht das Primäre. Auch wenn Software rechtlich nicht durch ein Immaterialgüterrecht (Urheber- oder Patentrecht) geschützt oder schützbar ist, wird man sie gerade wegen der Ähnlichkeit mit Patenten, Fabrikationsverfahren usw. zu den immateriellen Wirtschaftsgütern zählen 43 ). Freericks hat in diesem Zusammenhang eine differenzierte Auffassung vertreten. Er hat die sog. Standardprogramme — auf Grund eines Vergleichs mit der Buchproduktion — als körperliche Wirtschaftsgüter betrachtet. Er hat andererseits problembezogene Programme, die auf die Eigenart des Betriebes, sei es im technischen oder im kaufmännischen Bereich, abgestellt sind und damit individuellen Charakter haben, als immaterielle Wirtschaftsgüter gewertet. Diese Auffassung hat er dann allerdings alsbald gerade hinsichtlich der Standardprogramme relativiert, weil der Vergleich von Büchern und Standardprogrammen in der Tat problematisch ist. Denn Bücher werden in großer Stückzahl für einen anonymen Markt produziert, Standardprobleme aber von EDV-Herstellern meist nur bei Bedarf für einen bestimmten Kunden vervielfältigt und oft auch erst durch zusätzliche Programmierungsarbeiten verwendungsfähig gemacht. Auch Freericks scheint daher dazu zu neigen, Standardprogramme eher mit Patentschriften zu vergleichen und dementsprechend den immateriellen Wirtschaftsgütern zuzurechnen 44 ). Die Grenzziehung dürfte im Einzelfall nicht immer einfach sein. Sie wird dort jedenfalls sehr schwierig werden, wo materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter (Software und Hardware) so eng miteinander verquickt sind (sie sind ja im Rahmen der modernen Informationstechnologie sogar innerhalb bestimmter Grenzen austauschbar), daß eine Trennung der Bestandteile des Systems in materielle und immaterielle Güter praktisch kaum noch möglich ist. Es wäre daher meines Erachtens verfehlt, insofern gerade für den Bereich der Informationstechnologie hier eine ein für allemal gültige Lösung anzubieten. Es wird wahrscheinlich je nach der technischen und wirtschaftlichen Ausgangslage jeweils sachgerecht zu differenzieren sein. Soweit derartige Programme als immaterielle Wirtschaftsgüter anzusehen sind und nicht entgeltlich erworben, sondern selbst geschaf43

) G ü r s c h i n g / S t e n g e r , aaO., § 95 Anm. 101. ) Dazu F r e e r i c k s , Bilanzierungsfähigkeit und Bilanzierungspflicht in der Handels- und Steuerbilanz, 1976, S. 205 ff., 134 ff.; DStR 1969, 691 ff., DStR 1970, S. 139. 44

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fen wurden und zum Anlagevermögen gehören, greift das Aktivierungsverbot der §§ 153 Abs. 3 AktG, 5 Abs. 2 EStG ein; wenn sie freilich nur zum Zwecke der Weiterveräußerung entwickelt werden und folglich zum Umlaufvermögen zählen, so dürften die Herstellungskosten wohl aktivierbar sein45). Fraglich ist weiterhin, ob auf das als unkörperliches Gut definiertes immaterielles Wirtschaftsgut die steuerrechtlichen Vorschriften über bewegliche Wirtschaftsgüter Anwendung finden, ob für immaterielle Wirtschaftsgüter also die Steuervergünstigungen nach dem Berlinförderungsgesetz46), dem Investitionszulagegesetz und vor allem auch nach § 7 Abs. 2 EStG (Zulässigkeit der degressiven Abschreibung bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens) in Betracht kommen. Uelnei meint, immaterielle Wirtschaftsgüter könnten rein begrifflich weder beweglich noch unbeweglich sein und verneint damit wohl die Frage 47 ). Doch wie wir oben gerade bei der steuerrechtlichen Behandlung von Computerprogrammen gesehen haben, ist im Einzelfall die Entscheidung schwierig, ob es sich um ein körperliches oder nicht körperliches Wirtschaftsgut handelt. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß der Bundesfinanzhof für den Bereich des Urheberrechts bzw. Leistungsschutzrechts und hier insbesondere für den Bereich des Spielfilms genaue Differenzierungen vorgenommen hat (zu § 19 BHG 1964). Nach dieser Rechtsprechung gehört ein Spielfilm nicht zu den körperlichen Wirtschaftsgütern. Das durch die Verfilmung eines Werkes im Regelfall entstehende neue Urheberrechtsgut, dem ein eigener Rechtsschutz zukommt, stellt hinsichtlich des einem Filmherstellungsunternehmen gehörenden Spielfilms das Wirtschaftsgut dar, gegenüber dessen Wert der Wert des bloßen Filmstreifens nicht ins Gewicht fällt. Das wesentliche Wirtschaftsgut bei dem einem Filmhersteller gehörenden Spielfilm ist das immaterielle Gut der an dem Film erwachsenden Rechte einschließlich der angrenzenden Schutzrechte. Die Filmstreifen, deren Werte an sich nicht ins Gewicht fallen, erhalten rechtlich und wirtschaftlich ihren Wert erst durch das Schutzrecht. Der Bundesfinanzhof hat diese 45 ) U e l n e r , in: Steuerkongreßreport 1975, S. 109; ebenso L i t t m a n n , EStR, §§ 4, 5 RdZ. 406a. « ) Vgl. dazu BFH, 20. Nov. 1970, IV R 64/69, BStBl. 1971 II, S. 186. 47 ) Ebenso etwa B l ü m i c h / F a l k / S t e i n b e r g / U e l n e r , Einkommensteuergesetz, 1. Bd., 10. Aufl. (1971) Anhang zu § 7 (§ 19 WHG), S. 1236; L a d e m a n n / L e n s k i / B r o c k h o f f , Kommentar zum EStG, Bd. II, 3. Aufl., Stand Juni 1976, § 7 Anm. 3 Ziff. 2. Anderer Ansicht z. B. L i t t m a n n , Zählen immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu den beweglichen Wirtschaftsgütern? in: Der Betrieb 1975, S. 373 bis 375; d e r s., Einkommensteuerrecht, § 7 RdZ. 213 mit weiteren Nachweisen; vgl. dazu auch G ö t z v o n O l e n h u s e n , in: FILM UND RECHT Nr. 6/1975, S. 372 bis 375.

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Beurteilung auch nach dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965 (UG) aufrechterhalten. Das Recht des Filmherstellers nach § 94 UG ist zwar lediglich ein Leistungsschutzrecht vermögensrechtlicher Natur auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage. Durch diese Rechtsgestaltung wird aber nach Auffassung des Bundesfinanzhofs der Filmstreifen in seiner Eigenschaft als körperlicher Gegenstand nicht etwa das zu bewertende Wirtschaftsgut. Dieses ist vielmehr das Recht des Filmherstellers aus § 94 UG. „Dieses Recht stellt den eigentlichen wirtschaftlichen Wert dar, der verwertet wird; ihm gegenüber tritt der Wert des Filmstreifens als körperlicher Gegenstand derartig in den Hintergrund, daß er bei der Bewertung außer Betracht bleiben kann bzw. in der Bewertung der gesamten Herstellungskosten aufgeht." Mit der Herstellung des Filmnegativs als Bildund Tonträger wird keine körperliche Konkretisierung der in Betracht kommenden Rechte vorgenommen. Das Recht aus § 94 UG bleibt das maßgebende Wirtschaftsgut48). 5. Entgeltlicher Erwerb immaterieller Wirtschaftsgüter Das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG soll verhindern, daß immaterielle Anlagewerte bilanziert werden, deren Wert noch nicht in einem entgeltlichen Rechtsgeschäft durch den Markt bestätigt worden ist49). Es gilt daher nicht im Falle eines entgeltlichen Erwerbs des Wirtschaftsguts. Der Begriff des entgeltlichen Erwerbs wirft gewisse Probleme auf. Das Prinzip der Bestätigung durch den Markt wäre prinzipiell einmal zu problematisieren. Der Frage kann hier allerdings nicht im einzelnen nachgegangen werden. Sie muß einer gesonderten Untersuchung und Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung vorbehalten bleiben. Soviel sei allerdings immerhin gesagt, daß ein entgeltliches Rechtsgeschäft nicht ohne weiteres ein gültiges Indiz für den Wert darstellt; ein bestimmter Wert ist auch ohne ein solches entgeltliches Rechtsgeschäft durchaus feststellbar; es gibt immaterielle Güter, für die es keinen Markt gibt, so daß der Wert gar nicht über eine Marktbestätigung erfolgen kann, obwohl niemand den Wert derartiger Güter bestreiten würde. Schwierigkeiten entstehen insbesondere bei der Feststellung eines entgeltlichen Erwebers des Geschäftswerts. Nach Uelnei50) ist diese 48) BFH, 20. Nov. 1970 VI R 44/69, BStBl. 1971, S. 186; zur steuerrechtlichen Beurteilung von Spielfilmen vgl. die Nadiw. bei H e r m a n n / H e u e r j 6 EStG Anm. 98 E 374. 49 ) U e l n e r , in: Steuerkongreßreport 1975, S. 106. Vgl. auch F r e e r i c k s , aaO., S. 206. 50 ) Steuerkongreßreport 1975, S. 103.

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Feststellung an die Veräußerung eines Unternehmens im ganzen gebunden, wobei der Gesamtkaufpreis nicht auf einzelne veräußerte Vermögensgegenstände entfallen darf. Diese Voraussetzungen waren in dem der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 5. August 197051) zugrunde liegenden Fall des Erwerbs eines Zeitschriftenverlags gegeben; der Geschäftswert wurde durch Abzug aller Wirtschaftsgüter, die von ihm abzugrenzen und einzeln zu aktivieren waren, ermittelt. Der Bundesfinanzhof hält die Konkretisierung des Geschäftswerts auch ohne Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises für möglich, stellt hierbei jedoch strenge Anforderungen an das Gegenleistungsverhältnis. So verneinte er die Aktivierbarkeit des Geschäftswerts eines in eine neu gegründete Gesellschaft einzubringenden Unternehmens, obgleich ausdrücklich ein bestimmtes Entgelt zum Ausgleich der stillen Reserven einschließlich eines Firmenwerts vereinbart worden war. Nach den richterlichen Feststellungen ließ sich im Hinblick auf die starke Verhandlungsposition des Mitgründers nicht mit Sicherheit ausschließen, daß noch andere Erwägungen als die Höhe der stillen Reserven und des Geschäftswerts zu der Festlegung des Entgelts geführt hatten. Der Bundesfinanzhof hielt deshalb die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Erwerb des Geschäftswerts nicht gegeben. Auch in dem oben (II 3) erwähnten Fall einer ungewöhnlich hohen Verzinsung der Einlage eines stillen Gesellschafters 52 ) lehnte der Bundesfinanzhof eine Konkretisierung des Geschäftswerts ab. Die Gewinnbeteiligung sei kein klar und eindeutig auf den Geschäftswert entfallendes Entgelt; in ihr drücke sich lediglich die allgemeine Ertragskraft des Unternehmens aus. Für den Fall einer unbeschränkten Inanspruchnahme einer Diensterfindung durch den Arbeitgeber des Erfinders unter laufender Zahlung einer Lizenzgebühr hat der Bundesfinanzhof einen „kaufähnlichen Vermögensübergang angenommen, weil sich der frühere Arbeitgeber (und jetzige Kommanditist der in eine KG umgewandelten Firma) seiner Erfindung „entäußert" habe, darin liege keine Überlassung des Wirtschaftsgutes52''). Problematisch ist weiterhin die Behandlung der Fälle, in denen immaterielle Wirtschaftsgüter von einem Dritten unentgeltlich erworben werden. Sofern solche Wirtschaftsgüter früher einmal Gegenstand eines entgeltlichen Erwerbs waren, ihr Wert also bereits Bestätigung durch den Markt gefunden hat, kann das Aktivierungsverbot seinem Sinn nach nicht mehr eingreifen 53 ). Handelt es sich 51) I R 180/66, BFHE 100, 891, BStBl. 1970 II, S. 804. 52 ) Urteil vom 17. Jan. 1975 III R 69/73, BFHE 114, 543, BStBl. 175 II, S. 324. 52') BFH, 28. Jan. 1976 I R 103/75, BStBl. II, S. 746. 53 ) U e l n c r , Steuerkongreßreport 1975, S. 107; ebenso L a d e m a n n / L e n s k i /

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allerdings um ein von dem Rechtsvorgänger selbst geschaffenes, noch nicht aktiviertes Wirtschaftsgut, so läßt sich das Aktivierungsverbot allenfalls mit Hilfe der Bewertungsvorschrift des § 7 Abs. 2 EStDVO (in der Fassung vom 24. Januar 1975, BGBl. I, S. 369, BStBl. I, S. 129) umgehen; nach dieser Bestimmung gilt bei unentgeltlicher Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter aus betrieblichem Anlaß für den Erwerber der Betrag als Anschaffungskosten, den er für das Gut im Zeitpunkt des Erwerbs hätte aufwenden müssen. Hertmann/Heuer51) meinen, daß § 5 Abs. 2 EStG als Bilanzierungsvorschrift der bloßen Bewertungsbestimmung vorgehe, zumal für eine Änderung des § 5 Abs. 2 EStG im Verordnungswege die Ermächtigungsgrundlage fehle. Dagegen hält Uelner55) eine Aktivierung unentgeltlich erworbener Wirtschaftsgüter auch ohne vorherige Aktivierung durch den Rechtsvorgänger unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 EStDVO für zulässig. Zugunsten der Aktivierbarkeit läßt sich anführen, daß die Unentgeltlichkeit eines solchen Erwerbs auf den verschiedensten Gründen beruhen kann, die Übertragung des Wirtschaftsguts aber jedenfalls dann einer Marktbestätigung gleichkommt, wenn die Veräußerung unter normalen Umständen nur gegen Entgelt erfolgt wäre. Der Begriff des Erwerbs wird von der überwiegenden Literatur weit gezogen und nicht auf den derivativen Erwerb eines bereits vorhandenen Wirtschaftsguts beschränkt 56 ). Auch der Bundesfinanzhof hält es für ausreichend, daß ein immaterielles Wirtschaftsgut erst durch ein Rechtsgeschäft mit einem Dritten entsteht. Deshalb hat er in der oben (III 3) erwähnten Entscheidung vom 26. Februar 1975 (I R 72/73) Zuschüsse einer Brauerei zur Erlangung von Bierlieferungsrechten als aktivierungspflichtige Anschaffungskosten der Bierlieferungsrechte behandelt und nur den originären Erwerb durch interne Aufwendungen (Herstellungskosten) von dem Begriff des entgeltlichen Erwerbs ausgenommen. Denn der Zweck der Vorschriften (§§ 153 Abs. 2 AktG, 5 Abs. 2 EStG) bestehe gerade darin, die Aktivierung immaterieller Anlagewerte wegen der ihnen eigenen Unsicherheit an die Voraussetzung zu knüpfen, daß der Markt in Gestalt von Anschaffungskosten eine Bestätigung für den Wert abgegeben habe, AufwendunB r o c k h o f f , Kommentar zum EStG, Bd. I, § 6 RdZ. 122. Anderer Ansicht aber H e r r m a n n / H e u e r , Kommentar zur Einkommensteuer und Körpersdiaftssteuer, Bd. III, § 6 Anm. 43 bis 45. M ) Kommentar zur Einkommensteuer und Körpersdiaftssteuer, Bd. III, § 6 Anm. 43 bis 45. 55 ) Steuerkongreßreport 1975, S. 107 f. 5e ) U e l n e r , Steuerkongreßreport 1975, S. 108; L a d e m a n n/L e n s k i/B r o c kh o f f , Kommentar zum EStG, Bd. I, §§ 4, 5 Anm. 89, S. 80/1; L i t t m a n n , in: DStR 1970, S. 391, 393; d e r s . , EStR, §§ 4, 5 RdZ. 408c.

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Albrecht Götz von Olenhusen/Elisabeth Martens:

gen zur Erhaltung von Rechten (hier: Aufwendungen für Baumaßnahmen) sind nach Auffassung des Bundesfinanzhofs als zusätzliche Anschaffungskosten auch zu aktivieren. Dagegen scheint eine weitere Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 26. Februar 197557) für die gegenteilige Auffassung zu sprechen; es heißt dort im Leitsatz, das Entgelt müsse auf den Vorgang des abgeleiteten Erwerbs des immateriellen Wirtschaftsguts als solchen bezogen sein. Der Entscheidung liegt allerdings ein Fall zugrunde, in dem ein Mieter an dem Mietobjekt für seine betrieblichen Zwecke Umbauten vornehmen ließ, die Vergütung also für Leistungen erfolgte, die dem Empfänger zwar ein (immaterielles) Wirtschaftsgut — in Form von Ansprüchen gegen den Vermieter auf Verwendungsersatz o. ä. bzw. von betrieblichen Vorteilen durch die verbesserten Nutzungsmöglichkeiten — verschaffen sollten, dieses Wirtschaftsgut selbst aber nicht darstellten. Die erwähnte Formulierung ist also mißverständlich. Sie besagt nur, daß das immaterielle Wirtschaftsgut selbst die Gegenleistung für die Vergütung bilden muß, ansonsten aber Aufwendungen zur Schaffung eines solchen Guts bloße Herstellungskosten sind, auch wenn hierbei Leistungen Dritter in Anspruch genommen werden.

Resümee Die steuerrechtliche Behandlung immaterieller Wirtschaftsgüter wirft im Grundsatz und in der Beurteilung der Einzelfälle eine Reihe von schwierigen Problemen auf, die in Rechtsprechung und Literatur nicht als endgültig gelöst angesehen werden können. Immaterielle Güter gehören zu den Wirtschaftsgütern, die der Einheitsbewertung nach dem Bewertungsgesetz unterliegen. Im Einzelfall ist die Abgrenzung immaterieller Güter vom Gesdiäftswert schwierig und umstritten, z. B. bei den immateriellen Vorteilen von Verlagsarchiven, Dokumentationsstellen usw. Nicht entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter unterliegen einem Aktivierungsverbot. Der Begriff des Wirtschaftsguts im Einkommensteuerrecht ist weit gefaßt. Umstritten ist, inwieweit ein „greifbarer" Wert vorliegen muß. Die Rechtsprechung des BFH — etwa im sog. Redaktionskosten-Urteil — ist problematisch. Zweifelsfragen ergeben sich auch bei der Beurteilung der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit des Erwerbs immaterieller Wirtschaftsgüter. Im Einzelfall kann die Abgrenzung materieller von immateriellen Wirtschaftsgütern problematisch sein. Dies ") I R 32/73, BStBl. 1975 II, S. 443.

Immaterielle Wirtschaftsgüter im Steuerrecht

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gilt insbesondere dort, wo im Rahmen der modernen Informationstechnologie Materielles und Immaterielles so eng miteinander verquickt ist, daß eine Trennung der Bestandteile des Systems schwer möglich erscheint. Résumé Le traitement applicable en droit iiscal aux biens économiques immatériels pose, dans ses principes et pour la solution des cas particuliers, une série de diiiiciles problèmes que l'on ne peut considérer comme définitivement résolus ni par la jurisprudence, ni par la doctrine. Les biens immatériels font partie des „biens économiques" qui donnent lieu à détermination d'une valeur uniforme („Einheitsbewertung") selon la loi concernant l'évaluation. Dans les cas particuliers, le partage entre biens immatériels et valeur de l'entreprise est difficile et donne lieu à discussion, par exemple pour les avantages immatériels des archives d'éditeurs, des services de documentation, etc. Il est interdit de porter à l'actif les biens économiques immatériels non acquis à titre onéreux. La notion de „bien économique", dans les dispositions concernant l'impôt sur le revenu, est largement entendue. Il est discuté de la mesure dans laquelle une valeur „saisissable' doit exister. La jurisprudence de la Cour fédérale compétente en matière de finances — par exemple dans l'arrêt concernant les frais de rédaction — est problématique. Des questions prêtant au doute surgissent également lorsque l'on doit décider du caractère gratuit ou non de l'acquisition de biens économiques immatériels. Dans les cas d'espèce, la délimitation des biens économiques matériels et immatériels peut susciter des problèmes. C'est en particulier le cas lorsque, dans le cadre de la technique moderne de l'information, le matériel et l'immatériel sont si étroitement imbriqués qu'il apparaît très difficile de séparer les éléments du système. Fr. U. Summary The tax treatment of immaterial property rights and copyrights raises a number of difficult problems in principle as well as in particular cases, which neither by jurisprudence nor by legal authors can be considered as solved. Immaterial property is part of that kind of property which is subject to uniform evaluation according to the Evaluation Act (Bewertungsgesetz). It is difficult in individual cases

46 Gôtz v. Olenhusen/Martens: Immatérielle Wirtsdiaftsgùter im Steuerredit

to distinguish betwen intangible assets and goodwill, e. g. if the intangible advantages oi publishers' archives, documentation systems etc. are concerned. Intangible assets acquired gratuitously may not be activated. The concept of assets in income tax law is a broad one. It is a matter of contention to what extent „tangibility" must be required. The judgments of the Federal Supreme Tax Court (Bundesfinanzhof) — e. g. the so-called Redaktionskosten decision — are of doubtful value. Further questions arise with regard to the acquisition of intangible assets against remuneration or gratuitously. In individual cases the distinction between tangible and intangible assets can be doubtful. This is particularly so, where modern information technology combines tangible and intangible matters so closely, that a separation of a system into distinct components seems hardly possible. v. W.

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Die Rechtsnatur des Vertrags der arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeiter geistiger Berufe Von Professor Dr. Wilhelm Herschel, Bonn/Köln*) Es ist ein erregendes Schauspiel, wie sich die einzelnen Völker in sich immer wieder gegliedert haben, mag man diese Gliederungen jeweils als Gruppen, Schichten, Stände, Klassen usw. bezeichnen. Und es ist unserer Beachtung wert, wie sich diese Gruppen aus bloß soziologischen Gegebenheiten heraus zu Gemeinschaften „von Personen mit besonderen Rechten und Pflichten" 1 ), ja zu Elementen entwickelt haben, die den Staat strukturieren, dann im Zeitalter des Individualismus zurückgefallen und weiterhin von totalitären Herrschern als staatliche Lenkungsinstrumente 2 ) (Reichsnährstand, Deutsche Arbeitsfront, Reichsgruppe Industrie usw.) denaturiert und mißbraucht worden sind. Auch heute noch ist im Zeichen einer freiheitlich-sozialen Ordnung unsere Gesellschaft in mannigfaltiger Weise gegliedert. Innerhalb dieser geschichtlichen Entwicklung läßt sich des weiteren beobachten, wie solche Gruppen sich immer wieder neu bilden, wie sie sich ausdehnen oder wie sie einschrumpfen, aber auch wie sie durch Spaltung rekreieren und sich differenzierend fortbilden. So sind die ursprünglichen Stände der Hirten, Jäger, Bauern und Priester von anderen abgelöst worden, von Berufsständen und Geburtsständen. Insbesondere entwickelten sich die Stände des Handels und des Handwerks, es kam in neuerer Zeit die Klasse der Proletarier hinzu, die sich alsbald unterteilte, namentlich in die Gruppe der Arbeiter und die der Angestellten, und von dieser letzteren schichteten sich jüngst die Leitenden Angestellten ab. Ein winziges Steindien in diesem gewaltigen Kaleidoskop ist die neue Gruppe der freien Mitarbeiter. Es geht uns nicht darum, wie weit diese Gruppe geeignet ist, „dem Menschen Ort und Stabilität in der zu konsolidierenden Gesellschaft zu sichern" 3 ); sie beschäftigt uns lediglich als Rechtstatsache. Den Verfasser bedrückt die Sorge, ob ein Thema aus diesem Komplex von Problemen würdig ist, zum Gegenstand eines Aufsatzes gemacht *) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlidi der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. ') Preußisches Allgemeines Landrecht, I 1 § 6. 2 ) M u s s o l i n i , Vom Kapitalismus zum kooperativen Staat, 1936. s ) G r u n d l a c h , Art. Stand im Staatslexikon, 6. Aufl., unter 2 a. E.

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Wilhelm Herschel:

zu werden, der eine so bedeutende Persönlichkeit wie Benvenuto Samson ehren soll. Unser Jubilar selbst pflegt bei ähnlichen Gelegenheiten hochzugreifen, etwa ein Thema aus dem Grenzgebiet von Kultur und Rechtsgeschichte zu wählen 4 ) oder seine Gedanken über Fragen der juristischen Methodik vorzulegen 6 ). Trotzdem bleibt die Hoffnung, der bescheidene Gelehrte werde auch die Arbeit an einem kleinen Thema als Ehrengabe annehmen. Nun ist über die freien Mitarbeiter schon viel geschrieben worden, auch nach Inkrafttreten des einen Teil von ihnen betreffenden § 12a TVG6). Vernachlässigt worden ist bisher die fundamentale Frage nach der dogmatischen Einordnung des Rechtsverhältnisses der freien Mitarbeiter, eine Frage die, wie wir noch sehen werden (unter III), auch zu rechtspolitischen Erwägungen Anlaß gibt. I. Ein Appell an die neuen Tarifvertragsparteien Dem engagierten Wissenschaftler ist darum zu tun, die Wahrheit zu erforschen. Dieses oft harte Bemühen trägt seinen Lohn in sich selbst. Wenn seine Arbeit mittelbar dazu führt, achtenswerte praktische Ergebnisse zu zeitigen, so genießt er um so mehr diese berechtigte Freude. Die Schriftsteller, die sich bisher mit Rechtsfragen der freien Mitarbeiter beschäftigt haben, können zusammen mit dem Gesetzgeber des § 12a TVG noch nicht darüber klagen, es sei ihnen ein Ubermaß praktischen Erfolges zuteil geworden. Das Setzen von Rechtsnormen bedeutet nämlich als solches noch keine Veränderung des gesellschaftlichen Seins. Die Normen vermögen nur dann eine derartige reformierende Wirkung auszulösen, wenn das vollziehende Handeln des Menschen hinzutritt. Das zeigt sich besonders deutlich an sozialpolitischen Vorschriften. Gerade in einer freiheitlichen gesellschaftlichen Rechtsordnung kommt es entscheidend darauf an, wie diejenigen, die von der Rechtsnorm angesprochen werden, auf sie reagieren. So gesehen, stellt das objektive Recht nichts anders als ein Instrument dar, mit dessen Hilfe der einzelne für sich eine auch tatsächlich günstigere Lage erringen kann. Soweit ein Gesetz unangewendet bleibt, wohnt ihm ein realer Wert nicht inne. Deshalb hat z. B. das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen vom 11. Januar 1952 (RGBl. I S. 17), das 4

) Benvenuto S a m s o n , ) Benvenuto S a m s o n , •) Siehe nur aus UFITA: h u s e n in Bd. 75 (1975) S. 5

in Festschrift für Walter Schmidt, 1959, S. 354 ff. in UFITA Bd. 74 (1975) S. 127 ff. K u n z e in Bd. 74 (1975), S. 19ff.; Götz v o n Olen25 ff. — beide mit vielen Hinweisen.

Arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter geistiger Berufe

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bis heute in keinem einzigen Falle betätigt worden ist, wenigstens bis auf weiteres keinen größeren Wert als Makulatur. Dem neuen § 12a TVG ist bislang ebenfalls fast jeder praktische Erfolg versagt geblieben. Er ist aber noch zu jung, als daß man sich ein endgültiges Urteil erlauben könnte. Gerade weil er noch nicht so recht praktiziert worden ist, muß ein Bedürfnis dafür anerkannt werden, sich mit ihm rechtswissenschaftlich zu beschäftigen und dadurch zur Erkenntnis der durch ihn geschaffenen Möglichkeiten beizutragen sowie der Praxis Anhaltspunkte zu bieten. Der Aufgabe dieser Zeitschrift entsprechend soll sich die Erörterung auf die Rechtsstellung der freien Mitarbeiter geistiger Berufe beschränken, wobei dieser Kreis weiter — und das ist sehr wichtig — dahin eingegrenzt wird, daß es sich um a r b e i t n e h m e r ä h n l i c h e Personen handelt, (§ 12a Abs. 1, Nr. 1 TVG); denn freie Mitarbeiter werden vom § 12a TVG nur erfaßt, wenn sie arbeitnehmerähnliche Personen sind; anderenfalls gehört ihre Rechtsstellung nicht zu unserem Thema. Alles Nachdenken über Rechtsfragen ist wie die Arbeit des Gesetzgebers, vom Standpunkt des sozialen Fortschritts aus gesehen, vergebens, wenn sie nicht zu Ergebnissen führt, die in der Praxis verwertbar sind und auch wirklich verwertet werden. Es soll kein Vorwurf sein, und es mag gute Gründe haben, daß der § 12a TVG bislang nicht zur Reformierung der Stellung der freien Mitarbeiter geführt hat. Das wird erst anders werden, wenn es den Tarifvertragsparteien, die durch § 12a TVG indirekt neu anerkannt worden sind, gelingt, dieses Instrument so zu handhaben, daß eine rechtliche Regelung ersteht, welche den bisherigen Mißständen wehrt. Verhalten die Beteiligten sich weiterhin so passiv wie bisher, so wäre das trotz der Eigenständigkeit intellektueller Arbeit zur Beflügelung wissenschaftlichen Interesses an dieser Materie gewiß nicht geeignet. In diesem Sinne muß man die neuen Tarifvertragsparteien zu stärkerer Aktivität aufrufen. Dabei mögen die Angesprochenen nicht unberüdcsichtig lassen, daß der § 12a TVG, wie bereits angedeutet, neben den freien Mitarbeitern auch den Koalitionen als solchen rechtliche Fortschritte gebracht hat. So gestattet es der Sinn des Gesetzes den Gewerkschaften, freie Mitarbeiter als Mitglieder aufzunehmen, ohne rechtlichen Sdiaden zu erleiden 7 ). Wichtig ist auch folgendes: obgleich die Tätig7 ) K u n z e w i e N. 6, S. 36 bei N 74; L i e b , in RdA 1974, S. 267, Linksspalte unten; R e i c h e l in DB 1975, S. 104.

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Wilhelm Hersdiel:

keit der freien Mitarbeiter zu den gewerblichen Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1, Nr. 1 GWB zählt 8 ), bewirkt § 12a TVG mittelbar, daß die Koalitionen der freien Mitarbeiter vom Kartellrecht ausgenommen sind, wie das auch bei den Koalitionen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer 9 ) und bei urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften (§ 102a GWB) der Fall ist. Alles das dürfte den Appell an die neuen Tarifvertragsparteien zumutbar und notwendig erscheinen lassen. II. Die Typen der Verträge freier Mitarbeiter 1. G e s c h u l d e t e T ä t i g k e i t Der folgenden Besinnung ist bewußt eine Grenze gesetzt. Sie soll nicht das Recht der Verträge der freien Mitarbeiter darstellen, sondern nur helfen, deren Verträge unter die Typen der benannten Kontrakte des BGB einzuordnen. Schon aus der Antwort auf diese Frage werden sich wichtige rechtspolitische Anregungen, insbesondere für die neuen Tarifvertragsparteien ergeben. Die Antwort auf die Frage vereinfacht sich dadurch, daß es sich offenbar nur um Modelle der „Schuldverhältnisse über geschuldete Tätigkeiten" 10 ) handelt. Aus dieser Gruppe sind aber, wie z. B. die Auslobung und die Geschäftsführung ohne Auftrag, alle „Tätigkeitsund Schuldverhältnisse" 11 ), die nicht in einem V e r t r a g ihren Grund haben, bei unserer Betrachtung auszusondern. Von den Vertragstypen, die noch übrig bleiben — das läßt sich ohne weiteres sagen —, kommen schließlich nur noch Dienst- und Werkvertrag in Betracht. Wegen der Verschiedenheit der Rechtsfolgen muß zwischen beiden differenziert werden. Die Unterscheidung hat ein ehrwürdiges Alter. Sie findet sich im Römischen Recht, wo sich die locatio conductio operis und operarum gegenüberstanden. Dabei wird nicht übersehen, daß ein Großteil der Verträge freier Mitarbeiter, weil sie höhere Dienstleistungen zum Gegenstand haben, von den römischen Juristen unter das mandatum, also nicht unter die locatio conductio subsumiert worden ist12). Trotzdem ist die erwähnte Unterscheidung der Römer für uns lehrreich. 8) E m m e r i c h in ZHR, Bd. 139, S. 503 bei N. 123. ) N i k i s c h , Arbeitsrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 5 8 II 3, S. 22 bei N. 18; H u e c k N i p p e r d e y , Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 2, 7. Aufl., § 6 III 1 c, S. 104. '«) F i k e n t s c h e r , Sdiuldredit, 3. Aufl., § 78, S. 455 ff. » ) F i k e n t s c h e r , w i e N. 10, S. 456. l! ) S ö l l n e r , Römische Reditsgesdiidite, 1971, § 17 II b, S. 144. 9

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Allerdings haben sich die Schwierigkeiten der Unterscheidung durch die Jahrtausende hingeschleppt. Sie beruhen heute z. T. schon darauf, daß der Gesetzgeber des BGB als Gesetzgeber einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung keinen Anlaß sah, die Modelle des Dienst- und Werkvertrages durch Normen zwingenden Rechts zu gestalten. Hier ist alles abdingbar, und so kann es leicht zu einer Typenvermischung kommen, die bei der systematischen Einordnung den Blick zu trüben geeignet ist. So kann im Dienstvertrag der Lohn nach Maßgabe des erzielten Ergebnisses und umgekehrt im Werkvertrag der Lohn nach Maßgabe der aufgewendeten Zeit gemessen werden. Das ändert aber an der typologischen Einordnung nichts, wie es auch — selbst nach Aufhebung des einschlägigen § 623 BGB — feststehenden Rechtes ist, daß sich die Unterscheidung zwischen Akkord- und Zeitlohnvertrag nicht mit der von Dienst- und Werkvertrag deckt13). Und da gerade vom Entgelt gesprochen wird, so kann dieses vertraglich sogar ausgeschlossen werden, ohne daß darum der Vertragstyp ohne weiteres gesprengt wird 14 ); der Vertrag kann sich dann freilich in einen Auftrag (§ 662 BGB) verwandeln. Diese Wandelbarkeit ihres Inhalts erschwert die Zuordnung der einzelnen Verträge zu einem der im BGB vorgeformten Typen. Sie führt allerdings nicht dazu, daß man mit Lotmai15) „das einzelne Glied in der Reihe unserer Typen z u g l e i c h für einen Dienstvertrag oder z u g l e i c h für einen Werkvertrag" erklärt. Betrachtet man die von Lotmai durch Verweisung angeführten Beispiele (Mäklervertrag, Verwahrungsvertrag), so erkennt man, daß sie nicht zugleich die Voraussetzungen zweier Verträge erfüllen, sondern gemischte Verträge darstellen. Das ist indessen etwas anderes als die von Lotmai behauptete Duplizität. Weitere Komplikationen können sich daraus ergeben, daß die Subsumtion von der Art der geschuldeten Tätigkeit unabhängig ist. Genau dasselbe menschliche Handeln kann sowohl Gegenstand eines Dienstvertrages wie eines Werkvertrages sein, was sich ja aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, indem das BGB beim Dienstvertrag die „versprochenen Dienste", und zwar „Dienste jeder Art" (§ 611 BGB), und beim Werkvertrag einen „durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführenden Erfolg" (§ 631 Abs. 3 BGB) als Gegenstand der geschuldeten Leistung des Beschäftigten fordert. Wenn jemand mit einem 13

) H u e c k / N i p p e r d e y , wie N. 9, Bd. 1, § 23 I 3, S. 139. " ) H e r s c h e l , Arbeitsrecht, 1976, S. 84, unter I 3. >5) L o t m a r , Der Arbeitsvertrag, Bd. 1, 1902, S. 326 oben.

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Taxiunternehmer vereinbart, daß er ihn von Frankfurt nach Stuttgart und zurück befördert, so ist d i e s e m Teil des Werkvertrages nichts für die Erkenntnis des Vertragstypus zu entnehmen; über sie muß nach anderen Merkmalen entschieden werden. So erklärt sich das Schwanken der Rechtsprechung bei der Qualifizierung des Architektenvertrages. Unter Preisgabe der langjährigen Judikatur des Reichsgerichts, die im Architektenvertrag einen Dienstvertrag erblickte, ist der Bundesgerichtshof 16 ) dazu übergegangen, ihn dem Werkvertragsrecht zu unterstellen. In der Sicht der gegenständlichen Schuldleistung sind jedenfalls beide Deutungen möglich; der Wandel der Rechtsprechung beruht auf anderen Erwägungen, nämlidi auf Erwägungen einer billigen Vertragsordung, z. B. hinsichtlich der Kündigung. Endlich sei darauf hingewiesen, daß es nur eine einzige absolut gültige Subsumtion des normaltypischen Vertrages der freien Mitarbeiter nicht geben kann. Dieser Vertragstypus ist nun einmal seinem W e s e n nach je nach der näheren Ausformung für mehr als eine einzige Einordnung offen. Insbesondere k a n n er Dienst- oder Werkvertrag sein. W a s er in casu ist, hängt von seinem konkreten Inhalt ab. Die nachstehende Aufführung der beiden Haupttypen des Vertrages der freien Mitarbeiter will somit als eine Nennung möglicher Vertragsgestaltungen verstanden werden. Darüber hinaus sind zahlreiche Kombinationen und Abweichungen denkbar. 2. D i e H a u p t t y p e n Mitarbeiter a) Der

der

Verträge

der

freien

Dienstvertrag

Schon von der Häufigkeit aus gesehen, erscheint es angebracht, an erster Stelle den Dienstvertrag zu nennen: Er verpflichtet denjenigen, „welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste . . . Gegenstand des Dienstvertrages können Dienste jeder Art sein" (§611 BGB). Mehr braucht an dieser Stelle zur Begriffsbestimmung selbst nicht gesagt zu werden. Hier entstehen Schwierigkeiten der Abgrenzung — nicht so sehr zum W e r k v e r t r a g als zum Arbeitsvertrag. Der Arbeitsvertrag ist eine Sonderart des Dienstvertrages, wie es neuerdings auch im Gesetz seinen Ausdruck gefunden hat, indem § 621 Abs. 1 BGB n. F. ein Dienstverhältnis meint, „das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist" und § 622 BGB n. F. ohne jede weitere begriffliche Erklärung „die Kündigungsfrist bei »•) BGHZ 31, 224 (227) = UFITA Bd. 31 (1960) S. 115 (117).

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Arbeitsverträgen" regelt und damit in Gegensatz zur Kündigungsfrist bei sonstigen Dienstverhältnissen stellt. Fügt man hinzu, das Arbeitsverhältnis sei stärker als der Dienstvertrag Persönlichkeits- und betriebsbezogen, so stoßen wir in der Betriebsbezogenheit auf eine neue Wurzel von Verwirrung. Die Betriebsbezogenheit bietet uns als eines der Kriterien des Arbeitsverhältnisses die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb an. Nun war zwar die Eingliederungstheorie Arthur Nikischs insofern überzogen, als sie lehrte, schon durch die bloße Eingliederung komme ein Rechtsverhältnis zustande. Diese Ansicht vertritt heute niemand mehr; geblieben ist aber als dauernde arbeitsrechtliche Errungenschaft die Einsicht, daß zum Wesen des Arbeitsverhältnisses die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb gehört 17 ). Das wird auch von Alfred Hueck18), dem schärfsten Kritiker der Eingliederungstheorie Nikischs, anerkannt. Aus der Eingliederung des Arbeitnehmers ergibt sich, folgerichtig seine Gebundenheit an Weisungen des Arbeitgebers. Diese Erkenntnis kann leicht in die Irre führen, wenn man nicht differenziert. Zu unterscheiden sind nämlich fachliche Weisungen von anderen, namentlich organisatorischen Weisungen. Was die letzteren betrifft, so sind damit z. B. Anordnungen über Ort und Stunde der Arbeit, über Rauchen oder Singen im Betrieb, über Benutzung von werkseigenen Parkplätzen gemeint. Diesen Faktor darf man nicht überschätzen. Gerade heute lockert sich hier manches auf, wie das Beispiel der gleitenden Arbeitszeit zeigt. Höchst problematisch sind fachliche Weisungen: sie können (fast) ganz fehlen. In neuerer Zeit treten sie sogar in vielen Arbeitsverhältnissen stark zurück, weil die technische Entwicklung es mit sich gebracht hat, daß man — ob man will oder nicht — dem „Mann vor Ort" eine größere Selbständigkeit und Verantwortung belassen muß, auch wenn er seinen Beruf im Arbeitsverhältnis ausübt. Selbst freie Berufe vollziehen sich heute im Arbeitsverhältnis, und zwar, wie es nicht anders sein darf, unter sehr weiter oder gar gänzlicher Freiheit von fachlichen Weisungen, so beim angestellten Krankenhausarzt, Wirtschaftsprüfer, Prüfungsingenieur, Lehrer aller Kategorien, Apotheker, Kapitän. Man kann also bei der Feststellung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, nicht mehr auf f a c h l i c h e Weisungen abstellen. Umgekehrt unterliegt mitunter der Unterneh-

") N i k i s c h , w i e N. 9, Bd. 1, § 1 9 II 5, S. 167 f., § 1 9 IV 3, S. 175, § 1 9 IV 5, S. 177. »8) H u e c k / N i p p e r d e y , w i e N. 9, Bd. 1, 7. Aufl., § 21 II, S. 115 ff.

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W i l h e l m Herschel:

mer eines Werkvertrages vereinbarungsgemäß durchaus fachlichen Weisungen. Die Dinge sind also in Bewegung geraten, und wo das der Fall ist, gedeihen Verwirrung und Irrtümer. So auch hier. Man muß also die Unterscheidung stets sehr behutsam vollziehen, wenn es um die Weisungsgebundenheit geht 19 ). Soweit fachliche Weisungen in Rede stehen, ist also deren Fehlen keineswegs ein Indiz dafür, daß kein Arbeitsverhältnis vorliegt. Diese Feststellung ist besonders wichtig in einem Zeitpunkt, in dem, wie heute, die Schaffung des § 12a TVG eine Euphorie des freien Mitarbeitertums ausgelöst hat. Man glaubt aus gefühlsmäßigen Grunde, nun sei im Rechtsleben die große Zeit der freien Mitarbeiter angebrochen, und es sei eine zeitgerechte Aufgabe, so viele Menschen wie möglich zu freien Mitarbeitern zu erklären, damit ihnen die Segnungen des neuen Rechts zuteil werden. Freilich ist § 12a TVG als wertvoller sozialpolitischer Fortschritt zu begrüßen; aber seine Gaben sind nur denen zugedacht, die eines weitergehenden Schutzes entbehren. § 12a TVG wollte nur vorwärtshelfen, aber er wollte nie und nimmer irgend jemandem bereits vorhandene Rechtsgrundlagen nehmen. Deshalb würde man den § 12a TVG geradezu pervertieren, wenn man ihn zum Anlaß nähme, Rechtssubjekte, welche in die Reihe der Arbeitnehmer gehören, aus dieser herauszunehmen und in die Kategorie der freien Mitarbeiter einzureihen. Dies aber geschähe, wenn man die Grenzen des freien Mitarbeitertums über Gebühr auf Kosten des Bereichs des Arbeitsverhältnisses ausdehnte, mit anderen Worten, wenn man die Grenzen des Arbeitsverhältnisses vor dem Phänomen der freien Mitarbeiter zurücknähme 20 ). Denn unzweifelhaft ist die Rechtslage für den Arbeitnehmer erheblich günstiger als für den freien Mitarbeiter, auch wenn er arbeitnehmerähnlich ist. Zwar hat auch der letztere, sofern er arbeitnehmerähnliche Person ist, Zutritt zu den Arbeitsgerichten (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 ArbG). Am Koalitionsrecht nimmt er nunmehr im vollen Umfang teil. Er kann Beisitzer bei den Gerichten für Arbeitssachen und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sowie Organmitglied der Bundesanstalt für Arbeit werden. Diese Aufzählung ließe sich ergänzen. Dennoch bleibt es dabei, daß die freien Mitarbeiter in jedem Falle eine Reihe von Rechtsgrundlagen entbehren, die heute für den 19 ) Vgl. zu Eingliederung und Weisungsgebundenheit H e r s c h e l , Rechtsfragen der Technischen Überwachung, 1972, § 12, S. 84 ff. 20 ) H e r s c h e l , in FILM UND RECHT, Nr. 7/1975 S. 459 f., unter II 1.

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Arbeitnehmer nahezu selbstverständlich sind. So genießen sie nicht die privilegierten Kündigungsfristen des § 622 BGB n. F.; es fehlt ihnen jeglicher kollektive und individuelle Kündigungsschutz; sie darben des Anspruchs auf Lohnfortzahlung an Feiertagen und Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle sowie des Arbeitszeitschutzes — um einige wenige zu nennen, von der Sozialversicherung ganz zu schweigen. Deshalb ist es sowohl von rechtlicher wie von sozialer Bedeutung, an eine von Heussner21) aufgestellte materielle Auslagungsregel zu erinnern, die lautet: „Bei den sog. ständigen freien Mitarbeitern kann davon ausgegangen werden, daß sie sich ohne Rücksicht auf die formale Bezeichnung ihrer Stellung in einem Arbeitsverhältnis auf Zeit oder Dauer befinden und nur bei einer nicht durchgehenden Verfügungsgewalt des Arbeitgebers kein Arbeitsverhältnis vorliegt. Aber auch dann ist immer noch die Dauerrechtsbeziehung zu den Rundfunkanstalten arbeitnehmerähnlich zu beurteilen, wenn die Mitarbeiter von einer Anstalt oder der ARD wenigstens im Sinne des § 12a Abs. 1 TVG wirtschaftlich abhängig sind". In innerem Zusammenhang hiermit steht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Formmißbrauch bei der Tätigung von Verträgen freier Mitarbeiter. Sie verlangt, daß die Wahl der Vertragsform als freier Mitarbeiter sachlich gerechtfertigt ist. Das Bundesarbeitsgericht führt aus: „Die Beschäftigung eines Orchestermusikers als freier Mitarbeiter ist an sich zulässig; verschiedene Gründe können im Einzelfall für diese Vertragsform sprechen. Es ist jedoch zu bedenken, daß der freie Mitarbeiter nicht den Sozialschutz des Arbeitnehmers hat und insbesondere keinen Kündigungsschutz genießt. Deshalb können solche Verträge der Umgebung des Kündigungsschutzes dienen. Insofern gelten die gleichen Grundsätze wie bei befristeten Arbeitsverträgen (BAG 10, 65 [Großer Senat] = AP Nr. 16 zu § 620 BGB befristeter Arbeitsvertrag; seitdem ständige Rechtsprechung, vgl. AP Nr. 37 a.a.O. [zu II der Gründe]): Ein sachlicher Grund, etwa Rücksichten auf die Programmgestaltung, muß die Wahl dieser Vertragsform rechtfertigen. Dabei ist die üblichkeit im Arbeitsleben zu berücksichtigen; es kommt darauf an, ob ein verständiger, sozial verantwortungsbewußter Vertragspartner unter den gegebenen Umständen nur den Freien-Mitarbeiter-Vertrag angeboten hätte" 22 ). Das bisher Erörterte ist lediglich eine der Seiten der Abgrenzungsfrage. § 12a TVG ist ja nur bei arbeitnehmerähnlichen Personen an21 22

) H e u s s n e r , in DB., 1975, 788 Linksspalte vor B. ) Bundesarbeitsgeridit, AP Nr. 12 zu §611 BGB, Abhängigkeit unter III 3 a.

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Wilhelm Herschel:

wendbar. Andere Grenzen seiner Anwendbarkeit können hier außer Betracht bleiben, z. B. seine Unverwendbarkeit zur Regelung der Beziehungen der freien Mitarbeiter zu den urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften, die ja keine Gesamtarbeitgeber im Sinne des Tarifvertragsrechtes sind23). Deshalb muß nunmehr eine Grenze gezogen werden, welche innerhalb des Kreises der Personen mit freiem, d. h. nichtarbeitsvertraglichen Dienstvertrag, verläuft und in diesem Bereich die unter Dienstvertrag stehenden arbeitnehmerähnlichen Personen aussondert, weil nur sie vom § 12a TVG erfaßt werden. Auf die bisherige Entwicklung des Begriffs der arbeitnehmerähnlichen Person braucht nicht eingegangen zu werden, weil das Gesetz selbst sie durch Legaldefinition (§ 12a Abs. 1 Satz 1 TVG) dahin bestimmt, sie müßten „wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozialschutzbedürftig" sein. Das ist freilich eine recht flexible Aussage. Daher erscheint es nützlich, folgendes Zitat zu reproduzieren: „Was unter w i r t s c h a f t l i c h e r Unselbständigkeit zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. Auch die Entscheidungen sprechen sich nicht näher hierüber aus. Die V e r k e h r s a n s c h a u u n g hat daher zu entscheiden. Man wird hiernach unter wirtschaftlicher Abhängigkeit d a s j e n i g e M a ß v o n wirtschaftlicher U n s e l b s t ä n d i g k e i t zu v e r s t e h e n h a b e n , d a s b e i m a b h ä n g i g e n A r b e i t s v e r h ä l t n i s zu b e s t e h e n p f l e g t oder doch hier daran angenähert ist. Zum Ausdrude kommt es darin, daß die arbeitnehmerähnliche Person hinsichtlich des wirtschaftlichen Risikos ihrer Arbeitsleistung im wesentlichen von ihrem Auftraggeber abhängt, so daß die wirtschaftliche Grundlage ihrer Existenz im wesentlichen vom Fortbestand des Auftragsverhältnisses abhängt, sei es zu einem einzigen, sei es zu mehreren Auftraggebern" 24 ). Die Schwierigkeit liegt darin, daß der Begriff sinnvoll nur benutzt werden kann, wenn man als Bezugspunkt auf der Arbeitnehmerseite einen abstrakten, dem Normaltypus entsprechenden Arbeitnehmer verwendet. Ein Vergleich mit einem Arbeitnehmer, der ausnahmsweise, aus welchem Grund auch immer, sich in so günstiger ökonomischer Gesamtlage befindet, daß man ihn nicht als wirtschaftlich abhängig bezeichnen kann, entspräche nicht der Funktion des § 12a TVG. Eingeklemmt zwischen Arbeitnehmer und unabhängigen Dienstnehmer verbleibt für die Anwendung des § 12a TVG also nur ein 23 ) Zum Begriff des Gesamtarbeitgebers vgl. B ö t t i c h e r , Die gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, 1966, S. 13 ff. 21 ) D e r s c h / V o l k m a r , Arbeitsgerichtsgesetz, 6. Aufl., Bemerkung 77 zu § 5.

Arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter geistiger Berufe

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recht kleiner, aber schutzbedürftiger Kreis von Personen, die in Befolgung eines Dienstvertrages tätig sind. Auch nach dieser Seite hin ergeben sich wichtige Abgrenzungschwierigkeiten. Auf diese Frage soll hier nicht weiter eingegangen werden. Man wird beobachten müssen, wie die Rechtsprechung die Kasuistik bewältigt. Wohin sich die Judikatur bewegt, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie die Tarifvertragsparteien im Rahmen des § 12a TVG die Weichen stellen. Für die Praxis der Tarifvertragsparteien sind folglich gerade heute die angeschnittenen Fragen von allergrößter Bedeutung. Es ist ihre Aufgabe, von vornherein auf eine sachgerechte und sozialpolitisch wünschenswerte Abgrenzung hinzuwirken, wobei, wie gezeigt, große Vorsicht und eine genaue Besinnung auf die Tragweite der Probleme geboten ist. b) Der

Werkvertrag

Der Werkvertrag verpflichtet den „Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes" (§ 631 Abs. BGB). „Gegenstand des Werkvertrages kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein" (§ 631 Abs. 2 BGB). Die Ökonomie der geistigen Arbeit erfordert es, zu fragen, ob es eigentlich überhaupt nötig ist, sich in diesem Zusammenhang mit dem Werkvertrag zu beschäftigen. Es könnte nämlich scheinen, daß er vom Arbeitsvertrag strukturell so weit entfernt ist, daß er der Normierung durch einen Tarifvertrag nicht fähig ist und sich deshalb außerhalb des Wirkungskreises des ganzen Tarifvertragsgesetzes und damit des § 12a TVG bewegt. Das stimmt weitgehend, aber nicht lückenlos. Unterwirft man einen Werkvertrag den normativen Bestimmungen eines Tarifvertrages, so betritt man keineswegs völliges Neuland; denn Tarifverträge können schon längst für die „in Heimarbeit Beschäftigten oder Gleichgestellten" (§ 17 Abs. 1 HAG) abgeschlossen werden. Damit ist Tarifbindung zunächst für die Heimarbeiter ermöglicht (§ 1 Abs. 1 Buchst, a HAG). Hierbei haben wir es mit Personen zu tun, die gewerblich arbeiten, jedoch die Verwertung des Arbeitsergebnisses den unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlassen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 HAG). Alles dies schließt den Arbeitsvertrag aus. Hingegen weist das Rechtsverhältnis des Heimarbeiters mindestens stark werkvertragliche Züge auf 26 ). In Heimarbeit Beschäftigte sind ferner Hausgewerbetreibende (§ 1 Abs. S5 ) H e r s c h e l in Bundesarbeitsblatt, 2. Aufl., Bemerkung 21 zu § 2.

1951, S. 14; M a u s ,

Heimarbeitsgesetz,

58

W i l h e l m Hersdiel:

Budist. b HAG). Auch sie können also in den persönlichen Wirkungsbereich eines Tarifvertrages auf Beschäftigtenseite fallen. Sie stellen in eigener Arbeitsstätte im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern unter Hinzuziehung von Hilfskräften W a r e n her usw. und überlassen deren Verwendung „dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden" (§2 Abs. HAG). Die Hausgewerbetreibenden sind „Unternehmer kleinen und kleinsten Ausmaßes" 2 6 ). Bei ihnen ist die Rechtsform des Werkvertrages als Grundform die gegebene und deshalb die in der Praxis übliche. Auch im § 12a TVG müssen wie im Heimarbeitsgesetz bei sinnentsprechender Auslegung die Werkverträge (alternativ) mit erfaßt sein. Das ist im Gesetz sogar ausdrücklich gesagt (§ 12a Abs. 1 Nr. 2 TVG). Es muß angenommen werden, daß damit die Möglichkeit des Werkvertrages für alle in § 12a TVG geregelten Fälle als mögliches Normierungsobjekt anerkannt ist. Kann man somit am Thema Werkvertrag und § 12a TVG nicht vorbeigehen, so tut man gut, eine methodische Überlegung vorauszuschicken. Es ist eine in Schrifttum und Rechtsprechung verbreitete Übung, beim W e r k v e r t r a g als Abgrenzungkriterien gegenüber anderen Vertragstypen u. a. die Risikoverteilung, namentlich die Vergütungsgefahr und die Leistungsgefahr aufzuführen 2 7 ). Gegen diese schon früher von Rümelin, Riezler und Oeitmann vertretene Meinung hat bereits Otto von Gier/ce28) Stellung bezogen, und zwar mit dem einleuchtenden Argument: „Allein die Regel ist vertragsmäßig abänderlich und erschöpft keineswegs die Verschiedenheit der Wirkungen". In der Tat steht die rechtsgeschäftliche Variationsmöglichkeit der im Werkvertrag beschlossenen Rechtsfolgen deren Verwendung als Abgrenzungsmerkmal entgegen. Aber mehr als dies! Die hier kritisierte Lehre zäumt das Pferd mit dem Schwänze auf, indem sie die Merkmale den Rechtsfolgen der Erscheinung entnimmt, die doch erst beschrieben und eingegrenzt werden soll. Dieses Verfahren führt leicht zu Mißverständnissen. Gewiß ist es durchaus legitim, unter Verwertung der „eigenartigen rechtlichen Kausalität" 29 ) von der Rechtsfolge auf den Rechtsgrund, hier: auf die Natur des Rechtsgeschäftes zurückzuschließen. Das kann 2e

) M a u s , wie N. 25, Bemerkung 24 zu § 2. ) Soergel/Siebert/Ballerstedt, BGB, 10. Aufl., Bemerkung 3 ff. vor § 611. *8) Otto v o n G i e r k e , Deutsches Privatredit, Bd. 3, S. 591 N. 2. 2S ) v o n T u h r , Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 2/1, S. 4 oben. 27

Arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter geistiger Berufe

59

jedoch nur mit großer Vorsicht geschehen. So ginge es z. B. in die Irre, wollte man aus dem höchstpersönlichen Charakter einer Leistung ohne weiteres folgern, es läge ein Dienstvertrag, kein Werkvertrag vor. Große Vorsicht ist auch bei anderen Kriterien geboten, so wenn die Bundesregierung in ihrem Zweiten Bericht über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (Bundestagsdrucksache VII/5631 S. 7) als unechten Werkvertrag, d. h. im Klartext: überhaupt nicht als Werkvertrag, sondern in Wirklichkeit als Dienstvertrag, einen Vertrag bezeichnet, der von folgenden Merkmalen das eine oder das andere aufweist: „Ausschluß von Gewährleistungsansprüchen des Bestellers gegen den Unternehmer, Weisungsbefugnis des Bestellers gegenüber den entsandten Arbeitnehmern des Unternehmers, Berechnung des Werklohnes auf der Grundlage von Zeiteinheiten, Gleichartigkeit der Tätigkeit der Erfüllungsgehilfen des Unternehmers und der Tätigkeit der Dauerarbeitnehmer des Bestellers sowie Stellung von Material und Werkzeug durch den Besteller". Dieser Äußerung der Bundesregierung ist entgegenzuhalten, daß sie zu undifferenziert ist. Soweit die aufgeführten Merkmale überhaupt von allgemeinem Interesse sind, können sie freilich als Grundlage eines Verdachts dafür gewertet werden, daß hier ein Dienstvertrag als Werkvertrag verkleidet worden ist. Mehr als einen Verdacht geben sie aber in keinem Falle her. Es bedarf also jedesmal einer genauen Untersuchung darüber, welchen Vertragstyp die Parteien gewählt haben und ob die von ihnen vorgenommene Etikettierung richtig oder falsch ist. Die in Rede stehenden Kriterien fordern zu solcher Prüfung freilich heraus, aber nicht mehr; sie begründen also nicht einmal eine Vermutung. Richten wir nach diesen Vorbemerkungen unseren Blick auf den Werkvertrag, so bleibt nur übrig, etwas zum Begriff des W e r k e s zu sagen, das in der Tat ein entscheidendes Abgrenzungskriterium gegenüber dem Dienstvertrag liefert. Nun begegnet uns das Wort „Werk" in der Rechtsprache mit einem sehr unterschiedlichen Sinngehalt. Im Urheberrecht, dessen Erwähnung im Kontext mit den freien Mitarbeitern geistiger Berufe besonders naheliegt, ist dieser „den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und dem Wesen des geistigen Schaffens zu entnehmen. Danach . . . setzt das Werk einen geistigen Inhalt, eine Ausdrucksform und Individualität voraus" 30 ). Von diesen drei Merkmalen des Werkbegriffes kann beim Werkso

) H u b m a n n, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., § 12 2, S. 87.

Wilhelm Herschel:

60

vertrag des BGB jedes fehlen. Demgemäß ist der viel erörterte Werkbegriff des Urheberrechts für unsere Betrachtung nicht bloß unergiebig, sondern absolut untauglich. Für den Werkvertrag verlangt das Gesetz eine „durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführenden Erfolg" (§631 Abs. 3 BGB). Statt „Erfolg" kann man mit Esser31) „die i n e i n e m E r g e b n i s zu Tage tretende Arbeitsleistung" sagen; im Werkvertrag erfolge „ein Umsetzen von A r b e i t s e r g e b n i s s e n körperlicher oder nicht körperlicher Art in Geld". Dabei wird Arbeit „nicht als solche, sondern als Mittel für den herzustellenden Erfolg geschuldet"32). Mit anderen Worten: das Gesetz „stellt darauf ab, ob Gegenstand der Verpflichtung die A r b e i t o d er D i e n s t l e i s t u n g a l s s o l c h e ist — dann Dienstvertrag — oder d e r d u r c h s i e h e r b e i z u f ü h r e n d e E r f o l g — dann Werkvertrag" 33 ). Zieht man aus dem Gesagten die Quintessenz, so gewinnt man eine Erkenntnis, die nicht ohne weiteres auf der Hand liegt: auch der Werkvertrag ist eine für die Rechtsverhältnisse der freien Mitarbeiter geistiger Berufe geeignete Rechtsfigur, und zwar ohne Rücksicht auf urheberrechtliche Umstände, insbesondere auch im Sektor der Kunst. Ob die Vertragsparteien eine Rechtsgestaltung gewählt haben, welche den Voraussetzungen des Werkvertrages entspricht, muß der Prüfung des Einzelfalles überlassen bleiben. Dabei kommt es auf die von ihnen gebrauchte Vertragsbezeichnung nicht an. Sie kann allenfalls mit anderen Umständen zusammen als Indiz verwendet werden. Bei alldem ist Vorsicht geboten. Der Werkvertrag ist für den Beschäftigten — „Unternehmer" im Sinne des § 631 Abs. 1 BGB — in seinen Folgen so sehr ungünstiger als der Dienstvertrag, daß die Gerichte eines Sozialstaates vor seine Bejahung gründliche Abwägungen vornehmen sollten. Auch kann hier aus diesem Grund das Vorliegen eines Werkvertrages nicht vermutet werden, es sei denn, es bestände besonderer Anlaß für die Annahme des Gegenteils. c) Richterliche Beurteilung des Vertragstyps

von Amts

wegen

Die Beobachtung des Ablaufs praktischer Fälle ist ein Grund, an eine bewährte Prozeßrechtsmaxime zu erinnern, nämlich: iura novit curia. Im Zivilprozeß ist die Auffassung der Parteien von der Rechtslage selbst dann unmaßgeblich, wenn sie von diesen übereinstim) E s s e r , Schuldrecht, Bd. 2, 3. Aufl., § 79 I, S. 163. ) L a t e n z , Lehrbuch des Schuldredits, Bd. 2, 9. Aufl., § 49 I, S. 224. 3 ') L a r e n z , wie N. 32, § 48 I, S. 198.

31 32

Arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter geistiger Berufe

61

mend dem Gericht vorgetragen wird. „Das Gericht kann aus den festgestellten Tatsachen Schlüsse ziehen, welche die Parteien nicht gezogen haben . . ."34). Der Richter „hat das Recht und die Pflicht, das Vorbringen der Parteien unter jedem möglichen rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen .. ."35); er ist „verpflichtet, das Bestehen eines . . . Anspruchs unter allen in Frage kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Er kann, je nach den Erklärungen der rechtsuchenden Partei, nicht auf die Prüfung der einzelnen rechtlichen Gesichtspunkte beschränkt werden" 36 ). Wie das Bundesarbeitsgericht in dem zuletzt zitierten Urteil den Grundsatz auf die Frage angewendet hat, ob jemand Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person ist, so muß es hier auch für die Unterscheidung von Dienst- und Werkvertrag gelten. Da mihi factum — dabo tibi ius! d) Unterschiedliche

Rechtsfolgen

von Dienst- und

Werkvertrag

Der oben (unter II 2a und b) herausgestellte begriffliche Unterschied von Dienst- und Werkvertrag ist deshalb für die Praxis so wichtig, weil die Rechtsfolgen beider Vertragstypen erheblich differieren. Das soll im folgenden kurz an einigen markanten Beispielen gezeigt werden. aa) Beim Dienstvertrag hat der zur Leistung der Dienste Verpflichtete im Zweifel in Person leisten (§ 613 BGB). Dieser grundsätzliche höchst persönliche Charakter der Dienstleistungspflicht ist fast ganz unproblematisch. Umgekehrt ist es beim Werkvertrag die Regel, daß sich der Werkunternehmer zur Herbeiführung des von ihm geschuldeten Erfolges anderer Personen bedienen kann, bb) Während beim Kaufvertrag die Abnahme regelmäßig nur Nebenpflicht des Käufers ist (§ 433 Abs. 2 BGB), stellt der Werkvertrag die Abnahme sogar als eine der Hauptpflichten des Bestellers dar (§ 640 Abs. 1 BGB). Abnahme bedeutet hier sowohl körperliche Entgegennahme wie allgemeine Billigung, insbesondere mit der Folge, daß sich der Besteller auf Mängel, die ihm bei der Abnahme bekannt waren, nicht mehr berufen kann (§ 640 Abs. 2 BGB). Beim Dienstvertrag fehlt es an einer vergleichbaren Regelung. cc) Ist das gelieferte Werk fehlerhaft, so kann der Besteller des Werkvertrages „die Beseitigung des Mangels verlangen" (§ 633 34

) S t e i n / J o n a s, ZPO, 19. Aufl., Bemerkung IV 2 e vor § 128. ) R o s e n b e r g / S c h w a b , Zivilprozeßrecht, 11. Aufl., § 1 3 4 1 1 4 , M ) Bundesarbeitsgericht, AP Nr. 2 zu § 2 BUrlG unter 1 Absatz 1.

M

S. 713.

62

dd)

ee)

ff) gg)

Wilhelm Hersdiel: Abs. 2, Satz 1 BGB), also Nachbesserung fordern. Der Dienstherr kann Nachbesserung allenfalls während der künftigen Arbeitszeit, also praktisch auf seine eigenen Kosten verlangen. Ferner steht ihm, wenn die Schlechterfüllung s c h u l d h a f t ist, ggf. ein Anspruch auf Schadenersatz wegen positiver Forderungsverletzung — Verjährungsfrist: 30 Jahre — zu; außerdem kann er, wenn das Verhalten des Dienstpflichtigen einen wichtigen — auch unverschuldeten — Grund abgibt, außerordentlich kündigen, Für den Werkvertrag besteht ein dem Kauf entsprechendes Gewährleistungsrecht mit Wandlung und Minderung (§ 634 BGB). Es ist wichtig, daß damit eine kurze Verjährungsfrist — bei beweglichen Sachen 6 Monate — Platz greift. Dieses findet im Recht des Dienstvertrages keine Entsprechung, Der Unternehmer des Werkvertrages trägt die Gefahr seiner Arbeit bis zur Abnahme des Werkes nach näherer Maßgabe des § 644 BGB. Beim Dienstvertrag liegt die Gefahrtragung des Mißlingens beim Dienstherrn, Das gesetzliche Pfandrecht des Werkunternehmers an dem Werk (§ 647 BGB) ist dem Dienstvertragsrecht fremd, Der Besteller des Werkes kann bis zu dessen Vollendung jederzeit den Vertrag kündigen (§ 649 BGB); der Dienstherr des Dienstvertrages kann allenfalls unter den bekannten Voraussetzungen (wichtiger Grund) außerordentlich kündigen.

Diese Unterschiede sind auch bei Schaffung von Tarifverträgen aus § 12a TVG zu beachten (vgl. u. III). III. Rechtspolitisdie Folgerungen Auch wer diesem oder jenem der Gedanken, die im vorstehenden entwickelt worden sind, seine Zustimmung verweigert, wird sich trotzdem der Erkenntnis nicht verschließen, daß sich aus den so gewonnenen Resultaten rechtspolitische Notwendigkeiten geradezu aufdrängen. Dabei ist freilich nicht an die Schaffung neuer formeller Gesetze gedacht, sondern an tarifvertragliche Regelungen. Freilich ist auf diesem Felde behutsame Zurückhaltung geboten; denn der Sinn der Tarifautonomie besteht gerade auch darin, daß in ihr die berufenen Repräsentanten der Beteiligten normativ über deren berufliches Spezialrecht entscheiden. Aus der Mitte der Beteiligten heraus sollen neue rechtspolitische Gedanken an das Licht kommen und in die objektive Rechtsordnung eingeführt werden. Dazu will es nicht recht passen, wenn Dritte sich erdreisten, den Tarifvertrags-

Arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter geistiger Berufe

63

Parteien zu sagen, was sie wollen sollen. Nichts desto trotz gibt es doch Hinweise, die nicht unangebracht erscheinen, vorausgesetzt, daß sie sich, ohne aufdringlich zu werden, auf besonders Wichtiges beschränken. In diesem Sinne will die folgende Schlußbetrachtung verstanden werden. 1. D e r

Di e n s t v e r t r a g als

Grundtyp

Lassen wir die vorstehenden Ausführungen auf uns wirken, so liegt auf der Hand, daß das Recht des Werkvertrages bei Verträgen arbeitnehmerähnlicher freier Mitarbeiter geistiger Berufe nicht paßt. Mit seiner Anwendung ist weder den Interessen des Auftraggebers noch erst recht denen der freien Mitarbeiter gedient. Es wäre eine ungehörige Zumutung dem Leser gegenüber, dies im einzelnen darzulegen. Dafür liegt die Ansicht zu klar auf der Hand. Wenn also des Typus des Werkvertrages nicht paßt, so kann den Tarifvertragsparteien nur dringend empfohlen werden, mit aller nur möglichen Deutlichkeit im Tarifvertrag zum Ausdruck zu bringen, daß das Modell Werkvertrag abgelehnt wird. Dies kann allerdings nicht unmittelbar geschehen. Die Entscheidung darüber, ob ein bestimmter Vertrag dem Recht des Dienstvertrages oder des Werkvertrages untersteht, trifft ausschließlich das Gericht. Die Frage ist jeder Parteidisposition entzogen, also auch der Regelbefugnis der Tarifvertragsparteien. Es kommt nicht auf die Qualifikation durch den Vertrag, sondern vielmehr auf den „tatsächlichen Zuschnitt der beiderseitigen Beziehungen an"37) (vgl. o. unter II 2 c). Aber die Tarifvertragsparteien können durch die konkrete Einzelausgestaltung dieses Vertrages Daten setzen, die dem Richter nur noch eine einzige Subsumtion ermöglichen, hier: die unter den Dienstvertrag. Das will besagen, daß die Tarifvertragsparteien Elemente des Vertragsinhaltes so festlegen sollten, daß die Kriterien des Dienstvertrages eindeutig gegeben sind. Um der Entscheidung der Tarifvertragsparteien nicht vorzugreifen, soll mehr als diese Richtlinie hier nicht geboten werden. 2. A u f s t e l l u n g

von

Dienstvertragstypen

Die soeben (unter III 1) vorgetragene Anregung ist keineswegs so zu verstehen, daß den Tarifvertragsparteien nahegelegt wird, ein Einheitsmodell zu erarbeiten. 37

) Gamillscheg

in AcP., Bd. 176, S. 216 unter III 3.

Wilhelm Herschel:

64

Einerseits umfaßt der Typus des freien Mitarbeiters geistiger Berufe recht verschiedene Fälle mit sehr differenzierter Interessenlage. Zeitung, Zeitschrift, Buchverlag, Theater, Rundfunkanstalten — um nur einige wenige Beispiele zu nennen — sind je eine berufliche Welt für sich mit wechselnden Bedürfnissen, aucii in sozialer Hinsicht. Aber selbst innerhalb dieser Bereiche gibt es Sachverhalte, die sehr voneinander abweichen. So finden wir bei Rundfunkanstalten freie Mitarbeiter, welche die Sendung vorbereiten, z. B. Reporter, Ersteller von Manuskripten, Bauingenieure, Maler, und solche, denen es obliegt, bei den eigentlichen Sendungen mitzuwirken, z. B. Schauspieler, Musiker, Sprecher, Toningenieure. Das ganze stellt sich eben als eine buntscheckige Erscheinung dar. Es wird Sache der Tarifvertragsparteien sein, zu überlegen, ob eine Einheitsregelung überhaupt in Betracht kommt und wieweit differenziert und unterdifferenziert werden muß. Nur aus der besonderen Sachkunde der Tarifvertragsparteien heraus kann eine befriedigende Antwort gefunden werden. Andererseits bietet die Tarifautonomie nicht minder als die Privatautonomie genug Raum, allen Besonderheiten des jeweiligen Sachverhaltes gebührend Rechnung zu tragen. Die grundsätzlich abdingbare Regelung, die der Dienstvertrag im BGB gefunden hat, weist ein solches Maß von Flexibilität auf, daß nichts im Wege steht, die Tarifverträge, wenn es geboten erscheint, allen Eventualitäten der konkreten Fallgruppen anzupassen. Wollen die Tarifvertragsparteien eine gesunde Mitte zwischen Gleichmacherei und Zersplitterung einhalten, so empfiehlt es sich für sie, einzelne Typen von Dienstverträgen zu prägen, die alles das berücksichtigen, worauf es nach der jeweiligen Interessenlage ankommt. Gerade daran, ob es ihnen gelingt, in diesem Sinne eine typenbildende Kraft zu entfalten, wird man ihre rechtspolitische Tauglichkeit ablesen können. Dabei sollte es ein Anliegen der Tarifvertragsparteien sein, nicht nur die üblichen sozialen Interessen, wie etwa Gehalt, Arbeitszeit, Urlaub, Kündigung zu regeln, sondern sich auch mit spezifischen Fragen zu befassen, die mit der Eigenart geistiger Arbeit zusammenhängen. Als Beispiel seien genannt das Recht am Arbeitsergebnis 38 ), ferner ein zum Tarifvertrag erhobener Normalvertrag, der den Leistungsschutz 39 ) beinhaltet.

38 m

) Manfred R e h b i n d e r , in Festsdirift für Georg Roeber, 1973, S. 481 ff. ) Carl H a e n s e 1 , Leistungsschutz oder Normalvertrag, 1954.

Arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter geistiger Berufe

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Resümee Durch Änderung des Tarifvertragsgesetzes (§ 12a TVG) ist die Möglichkeit geschaffen worden, das Rechtsverhältnis der arbeitnehmerähnlichen Mitarbeiter geistiger Berufe tarifvertraglich zu regeln. Ob sich diese Neuerung bewährt, hängt in erster Linie davon ab, welchen Gebrauch die zuständigen Tarifvertragsparteien von ihr machen. Grundlegend ist hierbei, für welchen Typus von Vertrag sie sich entscheiden. Dabei werden sie es vermeiden müssen, Mitarbeiter, die bisher Arbeitnehmer sind, diesem Bereich zu entziehen; denn als Arbeitnehmer genießen sie weit mehr Rechtsschutz als ihnen der Status als arbeitnehmerähnliche Person zu bieten vermag. Auch werden die Tarifvertragsparteien zwischen den Modellen des Dienstvertrages und des Werkvertrages wählen müssen. Da die Rechtsfigur des Werkvertrages den Interessen der Beteiligten nicht dienlich ist, kommt es darauf an, die Tarifverträge so zu gestalten, daß die Rechtsverhältnisse der Mitarbeiter dem Typus des Dienstvertrages subsumiert werden können.

Résumé En raison de la modification de la loi sur les conventions collectives (§ 12a), il est désormais possible de régler par convention collective la situation juridique des collaborateurs, assimilables aux salariés, des professions intellectuelles. Le succès de cette nouvelle possibilité dépend essentiellement de l'usage qu'en feront les parties compétentes pour la conclusion des conventions collectives. Le type de contrat en faveur duquel elles se décideront est ici essentiel. Elles devront, ce faisant, éviter de faire perdre aux collaborateurs qui sont jusqu'ici salariés cette qualité; ils bénéficient en effet, en tant que salariés, d'une protection beaucoup plus large que celle que pourrait leur assurer le statut de personnes assimilables aux salariés. Les parties aux conventions collectives devront également choisir entre la formule du contrat de travail et celle du contrat d'entreprise. Le contrat d'entreprise n'étant pas favorable aux intérêts des parties, il s'agit d'aménager les conventions collectives de telle sorte que la situation juridique faite aux collaborateurs soit du type de celle créée par le contrat de travail. Fr. U.

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Herschel: Arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter geistiger Berufe

Summary According to the amendment oi the Wage Agreement Act (§ 12a German Tariivertragsgesetz) it has become possible to make collective agreements concerning the legal relationship between quasiemployed intellectual collaborators and their quasi-employers. Whether this new rule will stand the test depends primarily on how it will be used by the competent parties to collective wage agreements. The type of contract which the parties themselves choose will be of basic importance. They must avoid depriving proper employees of their present advantages, because as employees they are in a far more favourable legal position than that held by those with quasiemployee status. In addition, the parties to collective wage agreements must choose between the models of a contract for services and a contract for manufacture and production. As the statutory regulations concerning the latter type of contracts do not serve the concerned parties' interests, it is impotant to draft the collective wage agreements in a way which permits the application of the law of contracts regarding services to the legal relationship between the above mentioned collaborators and their employers. v. W.

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Zulässigkeit und Grenzen der wissenschaftlichen Kritik im außerwettbewerblichen Bereich Von Professor Dr. Heinrich Hubmann, Erlangen*)

I. Die Kritikfreiheit In seiner Abhandlung über die Grenzen der Kritik schreibt Fromm1), man könne getrost die Geschichte der Kritik eine Geschichte der Fehlurteile nennen; er bringt dafür zahlreiche Beweise aus Kunst und Literatur. Im wissenschaftlichen Bereich mögen sie seltener sein, doch sind sie auch hier nicht ausgeschlossen. Andererseits kennt die Geschichte von Wissenschaft und Kunst kaum einen stärkeren Ansporn zum ständigen Fortschritt als die Kritik. Aus diesem Spaiuiungsverhältnis von potentiellem Fehlurteil und Ansporn zum Fortschritt ergibt sich ein gut Teil ihrer rechtlichen Problematik. Unsere Rechtsordnung steht auf dem Standpunkt der Kritikfreiheit. Sie gehört zum Recht auf freie Meinungsäußerung, das in Art. 5 GG gewährleistet ist und vom Bundesverfassungsgericht 2 ) als eines der vornehmsten Menschenrechte bezeichnet wird. Es gilt nicht nur im Verhältnis zum Staat, sondern auch in den Beziehungen der einzelnen untereinander. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet es jedoch seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Bei einer herabsetzenden Kritik gerät das Recht auf freie Meinungsäußerung des Kritisierenden in Konflikt mit den Interessen des Kritisierten. Zur Entscheidung dieses Konflikts verweist das Bundesverfassungsgericht in der Lüth-Entscheidung 3 ) auf eine Güter- und Interessenabwägung. Es sprach aus, das Recht auf freie Meinungsäußerung werde nicht einseitig durch die „allgemeinen Gesetze" eingeschränkt, sondern es finde eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die „allgemeinen Gesetze" zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht *) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. ') F r o m m , Grenzen der Kritik, ein Beitrag zum allgemeinen Persönlidikeitsrecht der Künstler, Schriftenreihe der InterGU Bd. 27, 1962, S. 20; vgl. audi B o d e n , Persönlichkeitsrecht, Pressefreiheit, Kunstkritik, AnwBl. 1966, 285 ff. 2 ) BVerfGE 7, 198, 208; 12, 113, 125. 3 ) BVerfGE 7, 198, 209 ff.

68

Heinrich Hubmann:

Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich-demokratischen Staat ausgelegt und in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt würden. Die Meinungsäußerung als solche, d. h. in ihrer rein geistigen Wirkung, sei frei. Wenn aber durch sie ein gesetzlich geschütztes Rechtsgut eines anderen beeinträchtigt werde, dessen Schutz gegenüber der Meinungsfreiheit den Vorrang verdiene, so werde dieser Eingriff nicht dadurch erlaubt, daß er mittels einer Meinungsäußerung begangen werde. Es sei deshalb eine Güterabwägung erforderlich: Das Recht zur Meinungsäußerung müsse zurücktreten, wenn schutzwürdige Interessen eines anderen von höherem Rang durch die Betätigung der Meinungsfreiheit verletzt würden. Ob solche überwiegende Interessen vorlägen, sei auf Grund aller Umstände des Falles zu ermitteln. Der wissenschaftlichen Kritik sichert Art. 5 Abs. 3 GG einen noch größeren Freiheitsraum. Nach dieser Vorschrift sind Wissenschaft, Forschung und Lehre frei. Nur für die Lehrfreiheit wird die Treue zur Verfassung als Grenze genannt. Trotzdem ist auch die Wissenschaftsfreiheit nicht unbeschrankt. Schon im Reichstagsbrand-Urteil hat der Bundesgerichtshof4) die Ansicht, den Veröffentlichungen des Beklagten komme als wissenschaftlichen Leistungen auf Grund des Art. 5 Abs. 3 GG absoluter Schutz gegenüber negatorischen Ansprüchen zu, als Rechtsirrtum bezeichnet. Aus der Verbürgung der Freiheit von Wissenschaft und Forschung durch das Grundgesetz könne nicht hergeleitet werden, daß für wissenschaftliche Veröffentlichungen die Gebote des Rechts nicht gelten. Würde man das annehmen, so wäre in einem großen Bereich die Würde des Menschen und das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 1, 2 Abs. 2 GG) in untragbarer Weise schutzlos gestellt. Im Mephisto-Urteil hat dann der Bundesgerichtshof5), allerdings mit Bezug auf die in Art. 5 Abs. 3 GG ebenfalls erwähnte Kunstfreiheit, diese Ansicht näher begründet. Der allgemeine Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG sei hier nicht anwendbar. Daraus folge, daß Meinungsäußerungen, die in die Form eines Kunstwerkes gekleidet sind, einen größeren Freiheitsspielraum hätten als solche, die nicht den Rang eines Kunstwerks erreichen. Aber diese umfassende Gewährleistung könne nicht bedeuten, daß künstlerisches Schaffen schrankenlos ausgeübt werden dürfe. Es könne dahinstehen, ob die Grenzen unter Anwendung des Art. 2

4 5

) N J W 1966, 647, 648 = UFITA Bd. 47 (1966) S. 285, 290. ) N J W 1968, 1773, 1776 = UFITA Bd. 51 (1968) S. 337, 348.

Wissenschaftliche Kritik im außerwettbewerblichen Bereich

69

Abs. 1 GG in den Rechten anderer, der verfassungsmäßigen Ordnung und dem Sittengesatz zu suchen seien; denn jedenfalls erfahre das Recht zur freien künstlerischen Betätigung in gewissem Umfang eine immanente Begrenzung mit Rücksicht auf das gleichfalls verfassungsrechtlich garantierte Persönlichkeitsrecht. Das Bundesverfassungsgericht 6 ) hat in seinem Beschluß zum Mephisto-Fall die Ansicht des Bundesgerichtshof, daß Art. 5 Abs. 2 GG nicht anwendbar sei, bestätigt. Die systematische Trennung der Gewährleistungsbereiche in Art. 5 GG weise den Absatz 3 dieser Bestimmung gegenüber Absatz 1 als lex specialis aus und verbiete es deshalb, die Schranken des Absatzes 2 auch auf die in Absatz 3 genannten Bereiche anzuwenden. Ebensowenig wäre es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts angängig, aus dem Zusammenhang eines Werkes der erzählenden Kunst einzelne Teile herauszulösen und sie als Meinungsäußerungen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG anzusehen, auf die dann die Schranken des Abs. 2 Anwendung fänden. Abgelehnt wird vom Bundesverfassungsgericht auch die Ansicht, daß die Freiheit der Kunst gemäß Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 GG durch die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz beschränkt sei. Diese Ansicht sei unvereinbar mit dem vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung anerkannten Verhältnis der Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG zur Spezialität der Einzelfreiheitsrechte, das eine Erstreckung des Gemeinschaftsvorbehalts des Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 auf die durch besondere Grundrechte geschützten Lebensbereiche nicht zulasse. Andererseits sei aber das Freiheitsrecht nicht schrankenlos gewährt. Die Freiheitsverbürgung in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gehe wie alle Grundrechte vom Menschenbild des GG aus, d. h. vom Menschen als eigenverantwortlicher Persönlichkeit, die sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft frei entfaltet. Jedoch komme der Vorbehaltslosigkeit des Grundrechts die Bedeutung zu, daß die Grenzen der Kunstfreiheitsgarantie nur von der Verfassung selbst zu bestimmen seien. Ein im Rahmen der Kunstfreiheitsgarantie zu berücksichtigender Konflikt sei nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses grundlegenden Wertsystems durch Verfassungsauslegung zu lösen. Das Bundesverfassungsgericht fordert dann eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls für die Entscheidung eines Konflikts zwischen der Kunstfreiheit und dem durch Art. 1 und ? GG geschützten Persönlichkeitsbereich. «) BVerfGE 30, 173, 191 ff. = UFITA Bd. 62 (1971) S. 327, 339.

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Heinrich Hubmann:

Es bestehen keine Zweifel daran, daß diese Grundsätze auch auf die Wissenschaftsfreiheit anzuwenden sind7). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind also sowohl die Grenzen des Rechts der freien Meinungsäußerung wie auch die der Wissenschaftsfreiheit durch eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu suchen. Jedoch lassen die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts erkennen, daß der Wissenschaftsfreiheit im Vergleich zur Meinungsfreiheit bei der Abwägung ein größeres Gewicht, ein größerer Freiheitsraum zukommt. Die Meinungsfreiheit wird durch alle in den allgemeinen Gesetzen, durch die Gesetze zum Schutz der Jugend und durch das Recht der persönlichen Ehre geschützten Interessen begrenzt, während die Wissenschaftsfreiheit nur nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung, also nur durch die grundgesetzlich geschützten Interessen beschränkt ist; erstere schützt auch nur Werturteile, nicht dagegen Tatsachenbehauptungen — jedenfalls nach herrschender Meinung 8 ) —, letztere dagegen umfaßt nicht nur wissenschaftliche Theorien und Meinungen, sondern auch wissenschaftliche Tatsachenbehauptungen. Beide Grundrechte gewähren nicht nur eine Institutionsgarantie, sondern auch ein individuelles Freiheitsrecht 9 ), so daß sich ein Kritiker darauf berufen kann. Sie beziehen sich nicht nur auf die Äußerung, sondern auch auf ihre Wirkung, also auch auf die Verbreitung einer Kritik 10 ). Die Medien, die sie veröffentlichen, sind ebenfalls durch die Verfassung geschützt, nämlich durch die Freiheit von Presse, Berichterstattung, Rundfunk und Film (Art. 5 Abs. 1 Satz 2); soweit sie eine Kritik von wissenschaftlichem Rang verbreiten, können sie sich auch auf den weiteren Freiheitsspielraum der Wissenschafts7 ) Vgl. H a m a n n / L e n z , Das Grundgesetz, 3. Aufl. 1970, Art. 5 Anm. 15; v. G a m m , Persönlichkeits- und Ehrverletzungen durch Massenmedien, 1969, RdNr. 16. 8 ) v. G a m m (s. Fn. 7) RdNr. 11; a. A. v. K o l l e r , Meinungsfreiheit und unternehmensschädigende Äußerung, 1971, 145 ff.; R e h b i n d e r , Die öffentliche Aufgabe und rechtliche Verantwortlichkeit der Presse, 1962, 84; W e n z e l , Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 1967, 20. ») Für die Kunstfreiheit BVerfGE 30, 173, 188 = UFITA Bd. 62 (1971) S. 327, 337: Mephisto; für die Wissenschaftsfreiheit BVerfGE 3, 58, 151; 5, 85, 145; 15, 256, 263 f.; BGH N J W 1968, 1773, 1776 = UFITA Bd. 51 (1968) S. 337, 348: Mephisto; für die Meinungsfreiheit BVerfGE 10, 118, 121; 12, 205, 206, 260; 20, 162, 174, 175. 10 ) Für die Meinungsfreiheit sagt das Lüth-Urteil BVerfGE 7, 198, 210: „Eine Trennung zwischen (geschützter) Äußerung und (nicht geschützter) Wirkung der Äußerung wäre sinnwidrig." Für die Kunstfreiheitsgarantie sagt die Mephisto-Entscheidung BVerfGE 30, 173, 189 = UFITA Bd. 62 (1971) S. 327, 338: „Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft in gleicher W e i s e den .Werkbereich' und den .Wirkbereich' des künstlerischen Schaffens. Beide Bereiche bilden eine unlösbare Einheit." Ebenso für die Wissenschaftsfreiheit v. G a m m (s. Fn. 7) RdNr. 15; vgl. auch BVerfGE 5, 85, 145.

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freiheit berufen. Was das Bundesverfassungsgericht in dieser Hinsicht für die Kunstfreiheit gesagt hat 11 ), muß auch für die Wissenschaftsfreiheit gelten 12 ). Wegen der Unterschiede, die zwischen dem Umfang und der Begrenzung der Meinungsfreiheit einerseits, der Wissenschaftsfreiheit andererseits bestehen, kommt es bei der wissenschaftlichen Kritik darauf an, ob die einzelne Äußerung unter Absatz 1 oder Absatz 3 des Art. 5 GG fällt. Wie bereits erwähnt, ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Absatz 3 lex specialis zu Absatz 1, so daß für die einzelne Äußerung nicht beide Vorschriften nebeneinander anwendbar sind. Andererseits können aber für die wissenschaftliche Kritik als solche beide Bestimmungen in Betracht kommen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Kritik an einer wissenschaftlichen Leistung und der Kritik, die selbst eine wissenschaftliche Leistung darstellt. Wird zum Beispiel ein wissenschaftliches Werk in einem journalistischen Beitrag von einem Nichtwissenschaftier kritisiert, so unterfällt die Äußerung nur der Bestimmung des Art. 5 Abs. 1. Ist dagegen die Kritik selbst eine wissenschaftliche Leistung, erfolgt sie zum Beispiel in einem wissenschaftlichen Aufsatz oder Lehrbuch, so untersteht sie allein dem Art. 5 Abs. 3, und zwar auch insoweit, als sie bloße Meinungsäußerungen enthält, wie das Bundesverfassungsgericht in der Mephisto-Entscheidung 13 ) für die Meinungsäußerung in einem künstlerischen Werk dargelegt hat. Art. 5 Abs. 3 GG ist nicht nur dann anwendbar, wenn die Kritik eines Wissenschaftlers an einer wissenschaftlichen Leistung erfolgt, sondern auch, wenn sie sich auf Leistungen anderer Art, etwa gewerblicher Natur, erstreckt. Im Einzelfall mag die Frage, ob eine Äußerung selbst wissenschaftliche Leistung ist oder nicht, schwer zu entscheiden sein. Eine Auslegungsrichtlinie ergibt sich daraus, daß Art. 5 Abs. 3 Wissenschaft und Forschung in einem Atemzug erwähnt 14 ). Danach ist eine wissenschaftliche Leistung jedenfalls dann zu bejahen, wenn sie auf eigener Forschung beruht, aber auch dann, wenn sie die Forschung oder wenigstens die wissenschaftliche Diskussion fördert oder in Gang setzt. ") Im Mephisto-Beschluß BVerfGE 30, 173, 191 = UFITA Bd. 62 (1971) S. 327, 339 heißt es: „Art. 5 Abs. 3 Satz 1 garantiert die Freiheit der Betätigung im Kunstbereich umfassend. Soweit es daher zur Herstellung der Beziehungen zwischen Künstler und Publikum der publizistischen Medien bedarf, sind auch die Personen durch die Kunstfreiheit geschützt, die hier eine solche vermittelnde Tätigkeit ausüben." 12 ) Vgl. auch H e r r m a n n , Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 97. >3) BVerfGE 30, 173 ff. = UFITA Bd. 62 (1971) S. 327 ff. 14 ) Nach H a m a n n / L e n z (s. Fn. 7) Art. 5 Anm. 14 gehören Wissenschaft und Forschung zusammen.

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Diese Voraussetzungen können audi bei der angewandten Wissenschaft gegeben sein. Gleichgültig ist, ob die Äußerung im Rahmen eines wissenschaftlichen Werkes oder eines Diskussionsbeitrags oder einer vielleicht nur beiläufigen Bemerkung erfolgt. Danach dürften alle Äußerungen eines Wissenschaftlers auf seinem Fachgebiet durch die Wissenschaftsfreiheit gesichert sein. Dagegen wird sich eine populärwissenschaftliche Abhandlung, die nur über fremde wissenschaftliche Leistungen berichtet, nicht auf Art. 5 Abs. 3 GG berufen können, sondern, soweit sie Meinungsäußerungen enthält, nur auf Art. 5 Abs. 1 GG15). Für die wissenschaftliche Kritik, die zu Wettbewerbszwecken erfolgt, wird von der Rechtsprechung weder Art. 5 Abs. 1 GG16) noch Art. 5 Abs. 3 GG angewendet. Sie wird vielmehr auf Grund der Vorschriften des UWG recht engen Schranken unterworfen 17 ). Ob dies gerechtfertigt ist, bleibe hier dahingestellt, da die vorliegende Darstellung nur die wissenschaftliche Kritik im außerwettbewerblichen Bereich behandeln will. Die Rechtsprechung gewährt der wissenschaftlichen Kritik an gewerblichen Leistungen dadurch einen weiten Spielraum, daß sie in der Regel den Wettbewerbszweck verneint. Schon das Reichsgericht hat die Meinung vertreten, daß rein wissenschaftliche Aufsätze niemals Wettbewerbszwecken dienen; es wäre verhängnisvoll, die Freiheit der Wissenschaft durch leichtfertige Annahme eines Wettbewerbszwecks zu beeinträchtigen 18 ). Der Bundesgerichtshof 19 ) hat bei Äußerungen eines pensionierten Studienrats, der sich seit Jahren aus Liebhaberei und wissenschaftlichem Interesse mit der Erforschung von Erdstrahlen befaßte, eine Wettbewerbsabsicht und damit den Wettbewerbszweck verneint, weil bei ihm die wissenschaftlichen und nicht die wettbewerblichen Beweggründe im Vordergrund standen. Er hat es nicht einmal für schädlich gehalten, wenn die Äußerungen zugleich einem etwaigen eigenen Wettbewerb oder dem eines ande15 ) So hat der BGH in NJW 1966, 647, 648 = UFITA Bd. 47 (1966) S. 285, 290: Reichstagsbrand, die Ansicht des Berufungsgerichts, daß das Buch „Bis zum bitteren Ende" nicht den Charakter einer wissenschaftlichen Forschungsleistung hat, jedenfalls nicht mißbilligt. *•) Vgl. dazu v. K o l l e r (s. Fn. 8) S. 156 ff.; B u s s m a n n , Wissenschaftliche Arbeiten und Wissenschaftler im Wettbewerb, WRP 1956, 121; vgl. auch S c h r i k k e r , öffentliche Kritik an gewerblichen Erzeugnissen und beruflichen Leistungen, in AcP Bd. 172 (1972), 203 ff. 17 ) Z. B. werden Werbeaussagen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens nur dann zugelassen, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen, BGH in GRUR 1971, 153, 155: Tampax. »8) RG in GRUR 1935, 55, 59; RG in JW 1932, 870 f. «) BGH in GRUR 1957, 360, 361.

W i s s e n s c h a f t l i c h e Kritik i m a u ß e r w e t t b e w e r b l i c h e n B e r e i c h

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ren objektiv förderlich gewesen sein sollten. Strenger hat er20) allerdings die Äußerungen eines Facharztes und Wissenschaftlers auf orthopädischem Gebiet, der sich in einem Aufsatz kritisch und abfällig über eine bestimmte Schuheinlage und dessen Hersteller geäußert hat, beurteilt. Daraus, daß der Arzt selbst Lizenzen für Schuheinlagen vergab, folgerte der Bundesgerichtshof, daß voraussichtlich ein objektives Wettbewerbsverhältnis zu dem Hersteller der Schuheinlagen bestehe; dann aber spreche nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht; diese Vermutung könne nicht durch den Nachweis, daß die Abfassung des Aufsatzes auch wissenschaftlichen Zielen gedient habe, widerlegt werden. Dagegen hat das Oberlandesgericht Frankfurt 21 ) bei Äußerungen eines Facharztes für plastische Chirurgie, die eine Warnung vor Werbemethoden gewisser Ärzte, die ebenfalls plastische Chirurgie vornahmen, enthielten, trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung, die Wettbewerbsabsicht auf Grund der konkreten Umstände verneint, wobei es einen tatsächlichen Erfahrungssatz oder eine Vermutung, daß bei objektiven Wettbewerbshandlungen eine subjektive Wettbewerbsabsicht vorliege, für den vorliegenden Fall wissenschaftlicher Äußerungen verneint. Auch der Bundesgerichtshof hat im Höllenfeuer-Urteil 22 ) die Anwendung dieses Erfahrungssatzes bei Pressefehden abgelehnt, obwohl zwischen Presseorganen objektiv ein Wettbewerbsverhältnis besteht; denn Pressefehden lägen in der Regel nicht auf wettbewerblichem Gebiet, sondern auf dem Gebiet des Kampfes um die öffentliche Meinungsbildung, bei der die Presse eine führende Rolle spiele. Danach ist dieser Erfahrungssatz nicht anwendbar bei allen Äußerungen, die der wissenschaftlichen Diskussion und Meinungsbildung dienen; außerhalb des Wettbewerbs liegen also vor allem kritische Äußerungen in einem wissenschaftlichen Werk über eine andere wissenschaftliche Abhandlung, selbst wenn beide Veröffentlichungen denselben Gegenstand darstellen; aber auch sonstige wissenschaftliche Äußerungen, die der wissenschaftlichen Diskussion dienen, sind nicht als Wettbewerbshandlungen zu qualifizieren. Im außerwettbewerblichen Bereich ist also für die wissenschaftliche Kritik, wenn sie selbst eine wissenschaftliche Leistung darstellt, Art. 5 20 ) BGH in GRUR 1962, 34, 36, vgl. auch BGH in GRUR 1964, 389, 391: Fußbekleidung. 21) N J W 1971, 1900, 1901. 22 ) N J W 1966, 1617 = UFITA Bd. 49 (1967) S. 321; ebenso GRUR 1968, 314, 316 = UFITA Bd. 51 (1968) S. 329, 333: fix und clever; 1967, 113: Leberwurst; 1967, 540, 542 = UFITA Bd. 50 (1967) S. 988, 992: Die Nächte der Birgit Malmström.

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Abs. 3 GG, im übrigen, also wenn sie an einer wissenschaftlichen Leistung erfolgt, ohne selbst wissenschaftlich zu sein, Art. 5 Abs. 1 GG anzuwenden und zu beachten. II. Die Grenzen der Kritik In der Kollision mit anderen geschützten Interessen kommt es nun darauf an, die Grenzen der wissenschaftlichen Kritik zu bestimmen. Auf Grund der strengen Beurteilung kritischer Äußerungen durch das 1. Constanze-Urteil des Bundesgerichtshofs 23 ) hat v. Gamm2*) Grundsätze für die Zulässigkeit der wissenschaftlichen Kritik im außerwettbewerblichen Bereich aufgestellt, die auf dem Prinzip der Sachlichkeit aufbauen und strenge Maßstäbe an durch diesen Grundsatz nicht gedeckte Äußerungen anlegen. Im Constanze-Urteil hatte der Bundesgerichtshof ausgeführt, daß gewerbeschädigende Werturteile, die den Boden der sachlichen Kritik verlassen, nur dann der Widerrechtlichkeit entkleidet seien, wenn sie nach Inhalt, Form und Begleitumständen zur Wahrnehmung rechtlich geschützter Interessen objektiv erforderlich seien. Dabei sei das kleinste Rechtsübel, das schonendste Mittel zu wählen. Es sei ferner Voraussetzung der Rechtfertigung, daß der Täter auch subjektiv sorgfältig geprüft habe, ob die Rechtsverletzung nach Schwere und Ausmaß zur sachgemäßen Interessenwahrnehmung erforderlich sei. Der Bundesgerichtshof hat dann aber im Höllenfeuer-Urteil 25 ) auf Grund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 26 ) an kritische Äußerungen einen großzügigeren Beurteilungsmaßstab angelegt. Die Bedeutung des Art. 5 GG erfordere es, daß auch in der Art der Meinungsäußerung von Rechts wegen große Freiheit gewährt und in der Bejahung einer Beleidigungsabsicht oder einer rechtswidrigen Störung gewerblicher Belange Zurückhaltung geübt werde 27 ). Demgemäß ließ der Bundesgerichtshof eine harte und scharfe Kritik zu, gab jedoch zu erkennen, daß er eine böswillige oder gehässige Schmähkritik nicht billigen würde. Nun ist aber für die rechtliche Beurteilung damit, daß eine Kritik als Schmähkritik, als böswillig, gehässig, unsachlich, persönlich, ein23 ) BGHZ 3, 270, 280 ff.; das Urteil betrifft herabsetzende Äußerungen nichtwissenschaftlicher Natur über eine Illustrierte. 24 ) v. G a m m , Wissenschaftliche Kritik, WRP 1956, 321 ff. Zur wissenschaftlichen Kritik zu Wettbewerbszwedcen vgl. B u s s m a n n (s. Fn. 16). " ) N J W 1966, 1617, 1618 f. = UFITA Bd. 49 (1967) S. 321, 328 f. 2 «) BVerfG 12, 113 = UFITA Bd. 35 (1961) S. 82: Schmid. 27 ) Zu der Wandlung der Rechtsprechung vgl. auch K ü b 1 e r , öffentliche Kritik an gewerblichen Erzeugnissen und beruflichen Leistungen, AcP Bd. 172 (1972) S. 177 ff.

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seitig, entstellend, abfällig, abwertend oder ähnlich qualifiziert wird, wenig gewonnen. Es kommt vielmehr nach den oben behandelten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts darauf an, auf Grund einer Abwägung der Freiheit der Meinungsäußerung und der Freiheit der Wissenschaft mit dem kollidierenden geschützten Interesse zu entscheiden, ob die Kritik zulässig ist oder nicht. Dabei kann die Meinungsäußerungsfreiheit durch jedes in den allgemeinen Gesetzen geschützte Interesse eingeschränkt werden, ist also mit ihm abzuwägen. Das größere Gewicht der Wissenschaftsfreiheit dagegen äußert sich darin, daß es nur durch grundgesetzlich geschützte Interessen begrenzt werden kann und nur mit ihnen abzuwägen ist. Dem Abwägungsgebot würde man nicht gerecht, wollte man von vornherein der Meinungsfreiheit oder der Wissenschaftsfreiheit den Vorrang zusprechen, vielmehr ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles auf Grund rationaler Erwägungen festzustellen, welchem Interesse im Einzelfall das größere Gewicht zukommt. Dabei ist von den im Strafrecht und im Zivilrecht enthaltenen Tatbeständen von Rechtsverletzungen auszugehen, jedoch eine Auslegung im Lichte des Grundgesetzes vorzunehmen. Als kollidierende Rechte und Rechtsgüter kommen vor allem in Betracht: der wirtschaftliche Ruf, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und das Persönlichkeitsrecht. § 824 BGB schützt Kredit, Erwerb und Fortkommen, oder, wie häufig gesagt wird, den wirtschaftlichen Ruf28) gegen unwahre Tatsachenbehauptungen. Es mag zweifelhaft sein, ob der wirtschaftliche Ruf durch die grundgesetzliche Wertordnung geschützt ist und daher nach den oben dargelegten Grundsätzen als ein die Wissenschaftsfreiheit begrenzendes Rechtsgut in Betracht kommt. Aber auch für den Fall, daß man ihn durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG oder durch das Persönlichkeitsrecht des Art. 2 GG als mit erfaßt betrachtet, kommt in der Regel eine Anwendung des § 824 BGB nicht in Betracht, weil die Rechtsprechung wissenschaftliche Äußerungen fast durchwegs als Meinungsäußerungen, nicht als Tatsachenbehauptungen qualifiziert. Schon das Reichsgericht29) hat ausgesprochen, daß es sich bei der Vornahme fachwissenschaftlicher Untersuchungen, bei der Darstellung ihrer Ergebnisse, bei den aus ihnen gezogenen Schlußfolgerungen in der Regel nicht um Behauptungen rein tatsächlicher Art, sondern um subjektive Wahrnehmungen und Urteile handle. 28 ) Vgl. W e n z e l (s. Fn. 8) S. 112; BGH in N J W 1970, 187, 188: Hormoncreme; 1963, 1871; Elektronische Orgeln = UFITA Bd. 40 (1963) S. 201; 1954, 72. 29 ) RGZ 84, 294, 296 f.; ähnlich RG in J W 1928, 2090, 2091.

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Habe sich der Schriftsteller geirrt, sei es auch aus Mangel an Sorgfalt, aus Mangel an Kenntnissen, aus Mangel an Objektivität oder Urteilskraft, so könne seine Kundgebung doch nicht als Behauptung einer Tatsache im Sinne des § 824 BGB gewürdigt werden. Sie sei nicht mehr als die Kundgebung seiner subjektiven wissenschaftlichen Überzeugung. Eine unerlaubte Handlung im Sinne des BGB habe er mit ihr nicht begangen, mag er auch vor dem Forum der Wissenschaft damit nicht bestehen. Der Bundesgerichtshof 30 ) hat diese Tendenz zur Einschränkung des § 824 BGB fortgesetzt und auch bei fachlichen Äußerungen, wie sie bei einem vergleichenden Warentest vorliegen, eine bloße Meinungsäußerung angenommen. Allerdings kann ausnahmsweise eine wissenschaftliche Kritik Tatsachenbehauptungen enthalten, wie dies der Bundesgerichtshof 31 ) im „Tai-Ginseng-Fall", in dem ein Arzt in einer kritischen Abhandlung über die „Ginsengwerbung" versehentlich das Warenzeichen der Klägerin „Tai-Ginseng" herausgestellt hatte, angenommen hat. In einem solchen Fall, in dem sich der Wissenschaftler über Tatsachen geirrt hat, muß aber Absatz 2 des § 824 BGB angewendet werden; da er durch sein Bemühen um die wissenschaftliche Diskussion ein berechtigtes Interesse wahrgenommen hat 32 ). Da den Wissenschaftler in einem solchen Fall keine oder nur eine geringe Schuld trifft, muß die Wissenschaftsfreiheit dem wirtschaftlichen Ruf, dessen grundrechtliche Sicherung ohnehin zweifelhaft ist, dem aber jedenfalls von der Verfassung kein solches Gewicht eingeräumt wird wie der Wissenschaftsfreiheit, vorgehen. Neben der Verletzung des wirtschaftlichen Rufes wird von der Rechtsprechung bei unternehmenschädigenden Äußerungen in der Regel eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geprüft, wobei allerdings der Vorschrift des § 824 BGB der Vorrang eingeräumt und dem „Auffangtatbestand" des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nur Lücken ausfüllende Bedeutung zugesprochen wird 33 ). Da das Unternehmen grundgesetzlich durch Art. 14 GG geschützt ist34), kommt es als ein mit 30 ) N J W 1976, 620, 621: Stiftung Warentest. Schon in der Entscheidung Hormoncreme (NJW 1970, 187, 189) ist diese Tendenz zur Einschränkung des § 824 BGB zu erkennen. Anders das Constanze-Urteil BGHZ 3, 270, 273. 31) N J W 1966, 1857. 32 ) Der BGH, aaO., hatte offenbar keinen Anlaß, diese Frage zu prüfen. 33 ) BGH in N J W 1976, 620, 621: Stiftung Warentest. 34 ) Vgl. H a m a n n / L e n z (s. Fn. 7), Art. 14 B 1 b, S. 281; M a u n z / D ü r i g, Grundgesetz Art. 14 RdNr. 32; BGH in MDR 1961, 752; BGH in DVB1. 1963, 24; BGH in VerwRspr. 13, 833 f.; BVerfGE 13, 225, 229; 16, 147, 187.

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der Wissenschaftsfreiheit abzuwägendes Recht in Betracht. Die Rechtsprechung nimmt an, daß es nicht nur durch Tatsachenbehauptungen, und zwar wahre wie unwahre, verletzt werden kann 35 ). Das Constanze-Urteil des Bundesgerichtshofs 36 ) hatte ausgesprochen: „Audi Äußerungen, die nicht einen Beleidigungstatbestand erfüllen, aber die Verhältnisse des gewerblichen Unternehmens, seine Erzeugnisse oder sonstigen Leistungen herabsetzen und damit störend in die freie gewerbliche Entfaltung des Unternehmens eingreifen, können einen unmittelbaren Eingriff in das nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Recht an der Ausübung eines eingerichteten Gewerbebetriebs darstellen." In der Höllenfeuer-Entscheidung ist aber der Bundesgerichtshof37) von dieser Auffassung, daß jede unternehmenschädigende Kritik unrechtsindizierende Wirkung habe, abgerückt und hat festgestellt, daß bei dem von der Rechtsprechung herausgebildeten „Auffangtatbestand" der rechtswidrigen Beeinträchtigung der gewerblichen Tätigkeit die Rechtswidrigkeit erst aus der zu mißbilligenden Art der Schädigung abzuleiten sei, so daß es der Berufung des Täters auf einen besonderen Rechtfertigungsgrund jedenfalls nicht immer bedürfe. Unter Heranziehung des Art. 5 GG hat er dann sogar eine scharfe Kritik an dem Höllenfeuer-Artikel einer Zeitschrift nicht als tatbestandsmäßige Rechtsverletzung angesehen. Die wissenschaftliche Kritik ist aber in der Regel schon aus einem anderen Grund keine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Wenn der Wissenschaftler ein gewerbliches Erzeugnis oder eine wissenschaftliche Veröffentlichung kritisiert, so ist seine Äußerung in der Regel nicht betriebsbezogen 88 ). Die Eigenschaften des Erzeugnisses oder der Veröffentlichung stehen für ihn im Vordergrund, gleichgültig, aus welchem Betrieb diese stammen 30 ). Warnt zum Beispiel ein Mediziner vor den Gefahren der Zigaretten, den Nebenwirkungen eines Heilmittels, etwa des Contergans, den Gefahren einer medizinischen Behandlungsmethode, zum 35

) Vgl. neuestens BGH in N J W 1976, 620: Stiftung Warentest. ) BGHZ 3, 270, 278 f. 37) N J W 1966, 1617 = UFITA Bd. 49 (1967) S. 321; ebenso BGH in N J W 1976, 620, 621: Stiftung Warentest. 38 ) Dieses Erfordernis hat der BGH an Stelle der vom RG verlangten Unmittelbarkeit des Eingriffs aufgestellt. Vgl. BGHZ 29, 65: Stromkabel; BGH in N J W 1976, 620, 624: Stiftung Warentest. Schon nach Meinung des RG (RGZ 163, 164, 167) kann die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung nicht in der W e i s e beschränkt werden, daß sie gehindert wäre, ihre Ergebnisse auch dann mitzuteilen, wenn dies dem Hersteller eines bestimmten Erzeugnisses zum Schaden gereichen würde. 39 ) Dies ist beim vergleichenden Warentest anders, weil bei ihm gerade gleiche Waren bestimmter Hersteller gegenübergestellt werden. Hier kommt es also entscheidend darauf an, aus welchem Betrieb die Ware stammt. 36

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Beispiel der Frischzellentherapie, so geht es ihm nicht um eine Kritik an einem bestimmten Betrieb, sondern um den Gegenstand. Dies ist sogar dann anzunehmen, wenn dieser mit seinem Warenzeichen benannt wird, da der Wissenschaftler die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung eines Warenzeichens in der Regel nicht kennt und das Produkt häufig anders als mit seinem Warenzeichen gar nicht benannt werden könnte. Kritisiert ein Wissenschaftler eine bestimmte Veröffentlichung, so will er nicht den Verleger treffen, sondern den Inhalt der Veröffentlichung und dessen Autor. Nur wenn er seine Kritik auf den Betrieb als solchen ausdehnt, kommt ein Eingriff in diesen in Betracht40). Ob ein solcher vorliegt, ist dann aber erst nach den Grundsätzen der Höllenfeuer-Entscheidung 41 ) auf Grund einer tatbestandsbestimmenden Interessenabwägung festzustellen. Darauf soll jedoch erst weiter unten eingegangen werden. Besondere Bedeutung für die Begrenzung der wissenschaftlichen Kritik kommt dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zu. Nach den oben dargelegten Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts 42 ) ist es sowohl mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung abzuwägen, wenn zum Beispiel in einem journalistischen Beitrag eine wissenschaftliche Leistung herabsetzend besprochen wird, als auch — auf Grund seiner grundgesetzlichen Garantie in Artikel 1 und 2 GG — mit der Wissenschaftsfreiheit, wenn zum Beispiel in einem wissenschaftlichen Werk eine nicht gewerbliche Leistung kritisiert wird. Falls die Äußerung die Ehre verletzt und einen strafrechtlichen Tatbestand der Beleidigung erfüllt, ist der Rechtfertigungsgrund des §193 StGB zu beachten, wonach tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen nur insofern strafbar sind, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form oder den Umständen hervorgeht. Die Vorschrift gilt nicht nur zugunsten von Werturteilen, sondern auch von Tatsachenbehauptungen 43 ). Die Gerichte zeigen sich in der Zulassung scharfer Formulierungen recht großzügig. So wurden zum Beispiel nicht beanstandet die Ausdrucksweisen: Kurpfuscher 44 ), der Inhalt einer Zeitschrift entspreche der Pornographie 45 ), der Inhalt eines Artikels sei eine auf Dummenfang 40 ) Ebenso H e l l e , Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht, 1969, S. 140, Fn. 64. « ) BGH in N J W 1966, 1617 = UFITA Bd. 49 (1967) S. 321; ebenso BGH in N J W 1976, 620, 621: Stiftung Warentest. 42 ) Siehe oben unter I. 4S ) S c h ö n k e / S c h r ö d e r , Strafgesetzbuch, 18. Aufl. 1975, § 193 Anm. III 1. « ) RG in J W 1933, 2045. « ) BVerfGE 12, 113 = UFITA Bd. 35 (1961) S. 82: Schmid.

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abzielende Uberschrift 46 ). In diesen Fällen war jedoch die scharfe Formulierung durch das Verhalten des Betroffenen herausgefordert. Ohne eine solche Veranlassung sollten solche Ausdrücke in der wissenschaftlichen Kritik nicht zugelassen werden, da sie die wissenschaftliche Diskussion nicht fördern, sondern eher hemmen. Mit Recht hat der Bundesgerichtshof 47 ) ausgesprochen, es gehe über das Maß einer erlaubten Kritik hinaus, wenn es in einem Pressebericht von einer Fernsehansagerin hieß, sie passe in ein „zweitklassiges Tingeltangel auf der Reeperbahn", sie sehe aus wie eine „ausgemolkene Ziege" und bei ihrem Anblick werde den Zuschauern „die Milch sauer" 47 '). Die Ehre ist aber nicht nur durch Straftatbestände, sondern auch auf Grund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt 48 ). Dieses umfaßt ferner das Recht des einzelnen auf Wahrung seiner Identität 49 ), das gegen Verfälschung des Persönlichkeitsbildes schützt, und der Privat- und Geheimsphäre; auch diese Güter können durch die wissenschaftliche Kritik an einer persönlichen Leistung verletzt werden. Da es sich beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht ebenso wie beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb um einen „Auffangtatbestand" handelt, ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt der Tatbestand einer Rechtsverletzung vorliegt 50 ). Ist eine solche zu bejahen, so ist weiter zu fragen, ob und unter welchen Umständen eine Rechtfertigung in Betracht kommt. Wie die Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen hat, ist bei beiden Rechten die Entscheidung, ob eine Verletzung vorliegt, von einer Güter- und Interessenabwägung abhängig 51 ). Es ist also zunächst eine « ) BGH in N J W 1966, 1617 = UFITA Bd. 49 (1967) S. 321: Höllenfeuer. ) BGHZ 39, 124, 127 f. = UFITA Bd. 40 (1963) S. 152, 154: Fernsehansagerin. 47a ) Auch die Bezeichnung einer Zeitschrift als „rechtsradikales Hetzblatt" wurde für unzulässig erklärt; vgl. BVerfG in N J W 1976, 1677. Das BVerfG sagt mit Recht, daß die Form der Äußerung nicht denselben Schutz der Meinungsfreiheit genieße wie der Inhalt. 48 ) Vgl. H e l l e (s. Fn. 40), S. 71; H u b m a n n , Das Persönlichkeitsrecht, 1967, S. 290 ff.; BGHZ 30, 7 = UFITA Bd. 29 (1959) S. 98: Caterina Valente; 31, 308, 311 = UFITA Bd. 31 (1960) S. 242, 244 f.: Alt-Herren-Rundschreiben; 35, 363, 365 = UFITA Bd. 35 (1961) S. 364, 365: Ginseng; 39, 129 = UFITA Bd. 40 (1963) S. 155: Fernsehansagerin. 49 ) Vgl. dazu H u b m a n n , Das Recht auf Identität, in Gedächtnisschrift für Rudolf Schmid, 1966, 161; d e r s ., Das Persönlichkeitsrecht, S. 271. 5 ») Vgl. BGH in N J W 1966, 1617 = UFITA Bd. 49 (1967) S. 321: Höllenfeuer; 1971, 885, 886 = UFITA Bd. 60 (1971) S. 312, 315 f.: Petite Jacqueline; 1972, 1366, 1367 = UFITA Bd. 67 (1973) S. 197, 199 f.; 1976, 620: Stiftung Warentest. 61 ) Vgl. die Nachweise bei P a 1 a n d t , Bürgerliches Gesetzbuch, 35. Aufl. 1976 § 823 Anm. 6 g und 15 D. 47

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tatbestandsbestimmende Interessenabwägung vorzunehmen.52). Dafür ist ein normaler Sachverhalt zugrunde zu legen. Ausnahmefälle und -Situationen sind erst bei der Frage einer Rechtfertigung durch Wahrnehmung berechtigter Interessen zu berücksichtigen. Der normale Sachverhalt bei der wissenschaftlichen Kritik ist der, daß dem Achtungsanspruch der Persönlichkeit und dem geschützten Interesse am Gewerbebetrieb im Rahmen journalistischer Äußerungen das Recht des Kritikers, seine eigene Meinung zu äußern, im Rahmen von wissenschaftlichen Äußerungen das Recht des Wissenschaftlers, seine wissenschaftliche Ansicht darzulegen, gegenüberstehen. Es kann nicht grundsätzlich von einem Vorrang des einen Interesses vor dem anderen ausgegangen werden, sondern aus der Art der Handlung und den Umständen, insbesondere aus der Veranlassung und Vermeidbarkeit des Interessenkonflikts, aus dem Grad der Mißachtung fremder Interessen, der Schwere und Wahrscheinlichkeit der Verletzung und ihrer Folgen, der Bedeutung der Interessen für die Gemeinschaft53), ist die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Interessenverfolgung zu entnehmen64). Zur Tatbestandsbestimmung ist von dem Grundsatz auszugehen, daß jeder bei der Verfolgung seiner Interessen fremde geschützte Interessen zu achten hat. Er muß also nach Möglichkeit einen Weg suchen, der niemanden verletzt. Bei der Beurteilung kritischer Äußerungen ist jedoch zu berücksichtigen, daß diese in der Regel von dem Kritisierten veranlaßt wurden. Wer als einzelner oder als Betrieb seine Leistung einem andern zur Kenntnis bringt oder ihm anbietet, gibt diesem Anlaß zu einer Stellungnahme, zu einer zustimmenden oder ablehnenden, er fordert eine solche geradezu heraus. Die Kritik der Leistung ist also grundsätzlich keine Rechtsverletzung. Sie darf der Art der Veranlassung entsprechen und eine sachgerechte, adäquate Reaktion sein 55 ). Sie darf also in dem Kreise abgegeben werden, an den das Angebot gerichtet ist. Eine Leistung, die sich an die Öffentlichkeit wendet, kann daher ) Vgl. dazu H u b m a n n , Das Persönlichkeitsrecht, S. 159. ) Vgl. dazu H u b m a n n , Grundsätze der Interessenabwägung, in AcP Bd. 155 (1955), S. 85, und Die Methode der Abwägung, in Festschrift für Schnorr v. Carolsfeld, 1972, S. 173. 5t ) BVerfGE 7, 198, 220: Lüth, sagt dazu: „Da im Zusammenleben in einer großen Gemeinschaft sich notwendig ständig Interessen- und Rechtskollisionen zwischen den einzelnen ergeben, hat im sozialen Bereich ständig ein Ausgleich und eine Abwägung der einander entgegenstehenden Rechte nach dem Grade ihrer Sdiutzwürdigkeit stattzufinden." " ) BVerfGE 12, 113, 125 = UFITA Bd. 35 (1961) S. 82, 91: Schmid; 24, 278, 283: GEMA. 52

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in der Öffentlichkeit diskutiert und kritisiert werden56). Wer dagegen zum Beispiel als Wissenschaftler seine Ansicht nur in einem nichtöffentlichen Kreise, etwa vor den geladenen Mitgliedern einer wissenschaftlichen Vereinigung oder vor den Hörern seiner nichtöffentlichen Vorlesung") vorträgt, darf grundsätzlich nur in diesem Kreis kritisiert werden. Die Kritik darf sich mit der dargebotenen Leistung nach Inhalt und Form befassen, sie muß grundsätzlich sachlich sein. Soweit es die Stellungnahme zu diesem Gegenstand erfordert, dürfen aber auch andere Leistungen und persönliche Daten, die dem Kreis, in dem die kritische Stellungnahme erfolgt, ohnehin zugänglich sind, zum Beispiel Äußerungen in einer anderen Veröffentlichung, der berufliche Werdegang des Kritisierten, mit behandelt werden. Die Kritik darf auch der Art und Weise der dargebotenen Leistung entsprechen68). Auf eine scharfe und aggressive Herausforderung kann ebenso scharf und aggressiv geantwortet werden69). Das Urteil des Kritisierenden braucht nicht richtig zu sein. Nach Art. 5 GG darf jeder seine Ansicht äußern, ohne daß es auf Richtigkeit oder Unrichtigkeit ankommt60). Bei der Vielfalt der Meinungen in einer pluralistischen Gesellschaft kann derjenige, der durch seine Leistung zu einer Stellungnahme auffordert, ohnehin nicht erwarten, daß alle Stellungnahmen richtig sein werden. Gerade in der wissenschaftlichen Forschung bildet sich oft die richtige oder jedenfalls bessere Meinung erst durch Diskussion heraus. Daher braucht die kritische Äußerung auch nicht neutral, unparteiisch61), objektiv, wis5 ») BVerfGE in N J W 1961, 819; BGHZ 31, 308, 314; BGH in N J W 1965, 1476; 1966, 245: Literaturlexikon; BGH in GRUR 1957, 360, 362: Phylax-Apparate; OLG Frankfurt in GRUR 1964, 561. ") Dazu, daß Vorlesungen grundsätzlich nichtöffentlich sind, vgl. RGSt 36, 8; 48, 429; U l m e r , Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl. 1960, S. 154; H u b m a n n , Urheber* und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1974, S. 90. 58 ) Vgl. BGH in N J W 1967, 390: Maklerbetrieb; BGHZ 36, 77 = UFITA Bd. 36 (1962) S. 236: Waffenhändler; BGH in GRUR 1957 , 360, 362: Phylax-Apparate. überhaupt spielt der Anlaß der Kritik bei der Beurteilung eine Rolle. Vgl. BGH in N J W 1964, 1471 f. = UFITA Bd. 42 (1964) S. 338: Sittenrichter. BGH in GRUR 1965, 551 = UFITA Bd. 44 (1965) S. 194: Glanzlose Existenz; N J W 1965, 294, 295 = UFITA Bd. 44 (1965) S. 138, 140: Volkadler Madonna; N J W 1964, 29, 31 = UFITA Bd. 42 (1964) S. 160, 167 f.: Blinkfüer. 5 ») Vgl. BGH in N J W 1966, 1617, 1619 = UFITA Bd. 49 (1967) S. 321, 329: Höllenfeuer. 6 °) BGH in UFITA Bd. 73 (1975) S. 256, 259: Deutschlandstiftung; BGH in N J W 1966, 245 = UFITA Bd. 48 (1966) S. 248: Literaturlexikon; 1965, 294, 295 = UFITA Bd. 44 (1965) S. 138, 140: Volkadler Madonna; OLG Frankfurt in GRUR 1964, 561, 562: Plexiglas. 61 ) v. K o l l e r , Meinungsfreiheit und unternehmenssdiädigende Äußerung, 1971, 144; dagegen muß derjenige, der einen vergleichenden Warentest veröffentlicht, neutral und unparteiisch sein, weil er den Anschein der Neutralität und Unparteilichkeit erweckt; vgl. BGH in N J W 1976, 620, 622: Stiftung Warentest.

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senschaftlich vertretbar oder diskutabel 62 ) zu sein. Denn nach Art. 5 GG darf gerade die eigene Meinung geäußert werden. Es liegt in der Natur der wissenschaftlichen Stellungnahme, daß der Wissenschaftler seine Kritik immer an seinen eigenen Anschauungen, seinen eigenen Forschungen und seinen eigenen Kenntnissen orientiert. Der allgemeine Wissensstand ist ohnehin bekannt; nur dadurch, daß der Wissenschaftler seine subjektive Meinung äußert, kann die Wissenschaft gefördert werden 63 ). Soweit jedoch in der Kritik Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, sind diese, wenn sie sich überhaupt von der Meinungsäußerung trennen lassen, am Wahrheitsgrundsatz, ohne dessen Beachtung eine sinnvolle Information und Diskussion gar nicht möglich wäre, zu messen. Da aber Wahrheit gerade im wissenschaftlichen Bereich nicht in vollem Umfang erreichbar ist, muß das ehrliche Bemühen darum, das ohnehin Kennzeichen der Wissenschaftlichkeit ist, genügen. Dies gilt auch für den Journalisten, der zu wissenschaftlichen Leistungen Stellung bezieht 64 ). Welche Mühe und Sorgfalt der Kritiker bei der Prüfung der Wahrheit der behaupteten Tatsachen aufzuwenden hat, hängt von den Umständen ab. W e r sich in einer wissenschaftlichen Diskussion im Anschluß an einen Vortrag äußert, braucht, wenn er über Tatsachen referiert, nur seine subjektive Kenntnis davon darzulegen, da er gar keine Möglichkeit zu Nachforschungen hat. Kennt er allerdings Umstände, die einen anderen verletzen können, nicht genau, so muß er dies hinzufügen. W e r dagegen in einer schriftlichen Veröffentlichung verletzende Tatsachen mitteilt, muß mit der ihm möglichen Sorgfalt diese geprüft haben 65 ). Dies gilt insbesondere für die bei einer wissenschaftlichen Rezension manchmal erfolgende Mitteilung der fremden Äußerungen. Sie muß der Wahr• 2 ) Die Meinung Galiläis, daß sich die Erde um die Sonne dreht, erschien seinen Zeitgenossen weder wissenschaftlich vertretbar noch diskutabel, sondern absurd, w a r aber trotzdem richtig. Gerade der Prozeß Galiläis zeigt, wie verhängnisvoll es ist, wenn sich ein Gericht auf die Uberprüfung wissenschaftlicher Meinungen, selbst wenn es sich um Tatsachenbehauptungen handelt, einläßt. 6 3 ) Daher hat der Wissenschaftler oder derjenige, der sich zu wissenschaftlichen Leistungen äußert, nicht nur einen angemessenen Spielraum, den der BGH in N J W 1976, 620, 622 der Stiftung Warentest einräumt, sondern er darf überhaupt seine subjektive Meinung äußern. • 4 ) Das Erfordernis der Objektivität wird vom BGH in N J W 1976, 620, 622: Stiftung Warentest, dahin abgemildert, daß nicht objektive Richtigkeit im Vordergrund stehen muß, sondern das Bemühen um diese Richtigkeit. 6 5 ) Zur journalistischen Sorgfaltspflicht vgl. Wenzel (Fn. 8) S. 179; BGH in N J W 1970, 187: Hormoncreme, wo eine sorgfältige Prüfung verlangt wird, ob mit den Äußerungen der Boden sachlich gerechtfertigter Kritik nicht verlassen wird. Bei einer Kritik künstlerischer und wohl auch wissenschaftlicher Leistungen scheint der BGH aber eine geringere Sorgfaltspflicht zu verlangen. Vgl. BGH in GRUR 1967, 540, 542 = UFITA Bd. 50 (1967) S. 988, 992 f.: Die Nächte der Birgit Malmström.

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heit entsprechen, allerdings dürfen Kürzungen vorgenommen werden-, die sich daraus oft fast notwendig ergebenden Verzerrungen und Einseitigkeiten müssen hingenommen werden 68 ), zumal sich, jeder an Hand der rezensierten Schrift über deren Inhalt selbst informieren kann. Daher ist bei einer wissenschaftlichen Kritik die Wiedergabe der kritisierten Äußerungen, soweit diese jedermann zugänglich sind, überhaupt nicht nötig. Dem Erfordernis der Nachprüfbarkeit des kritischen Urteils ist durch die freie Zugänglichkeit der besprochenen Darstellung genügt 67 ). Jedoch wird der Kritiker mit seinem Namen für seine Äußerungen in der Öffentlichkeit einstehen müssen, damit die Angesprochenen seine Kompetenz beurteilen können 68 ). Wird in einer Rezension der Vorwurf des Plagiats erhoben, so muß die Prüfung um so sorgfältiger sein, je schwerer der Vorwurf ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Eingriffsintensität auch abhängt von der Größe des Kreises, in den die Kritik gelangt; ferner muß eine Begründung angegeben werden, damit die Angesprochenen den Vorwurf überprüfen können und der Betroffene dazu Stellung nehmen kann. überschreitet die wissenschaftliche Kritik diese Grenzen, die durch die Meinungsfreiheit, die Wissenschaftsfreiheit, den Grundsatz der Achtung des fremden geschützten Interessenbereichs und das Veranlassungsprinzip gezogen werden, so ist sie grundsätzlich rechtswidrig. Dies gilt insbesondere in folgenden Fällen, wobei eine erschöpfende Aufzählung nicht beabsichtigt ist. Das Recht an der Geheimsphäre oder Privatsphäre wird verletzt, wenn Umstände, die dem Geheim- oder Privatbereich zugehören, in der Öffentlichkeit kritisiert werden 69 ). Aber auch geheimgehaltene wissenschaftliche Entdeckungen oder Theorien, noch nicht veröffentlichte Manuskripte, nichtöffentliche akademische Vorlesungen dürfen grundsätzlich nicht öffentlich diskutiert werden 70 ). Eine Stellung«6) Vgl. BGH in N J W 1966, 245, 246 = UFITA Bd. 48 (1966) S. 248, 252 f.: Literaturlexikon. 67 ) Zur Bedeutung des Fehlens von Bezugspunkten für das abwertende Urteil vgl. BGH in UFITA Bd. 73 (1975) S. 256, 262: Deutschlandstiftung, BGH in ArdiPR 1976, 79; BGH in VersR 1974, 1084, 1085. 68 ) Vgl. dazu auch BGH in N J W 1966, 1213, 1215: Luxemburger Wort. e ») Vgl. BGHZ 24, 72: Gesundheitszeugnis! 24, 200, 208 = UFITA Bd. 25 (1958) S. 89, 92: Spätheimkehrer; 36, 77, 80 = UFITA Bd. 36 (1962) S. 236, 237: Waffenhändler; 39, 124, 128 = UFITA Bd. 40 (1963) S. 152, 155: Fernsehansagerin; BGH in N J W 1965, 685, 686 = UFITA Bd. 43 (1964) S. 358, 361: Exklusivinterview; BGH in GRUR 1966, 157 = UFITA Bd. 44 (1955) S. 362: W o ist mein Kind? 10 ) Bei nicht veröffentlichten Werken steht auch § 12 UG einer öffentlichen Inhaltsmitteilung durch einen anderen entgegen. Ferner darf daraus nach § 51 UG nicht zitiert werden. Vgl. auch RGSt 48, 429: Zitat aus einer akademischen Vorlesung.

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nähme in der Öffentlichkeit zu diesen Gegenständen wurde vom Kritisierten nicht veranlaßt. Dagegen kann sich ein Betrieb in der Regel nicht auf Verletzung seiner Privat- oder Intimsphäre gegenüber einer Kritik an seinem Geschäftsgebahren berufen, da er sich mit seinen Dienstleistungen an die Öffentlichkeit wendet71). Das Recht auf Identität, auf Schutz vor Verfälschung des Persönlichkeitsbildes wird verletzt 72 ), wenn unter Außerachtlassung der nach den Umständen möglichen und erforderlichen Nachforschungspflicht falsche Tatsachen über einen anderen behauptet werden, oder wenn Äußerungen des Kritisierten über die durch Kürzungen sich naturgemäß ergebenden Verzerrungen hinaus entstellt werden73). Dasselbe gilt, wenn durch eine bewußt einseitige Auswahl das Bild der Gesamtleistung absichtlich verfälscht wird74). Unter Verletzung der möglichen und erforderlichen Sorgfalt aufgestellte falsche oder die Wahrheit entstellende Behauptungen über ein Unternehmen verletzen das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Ehre wird verletzt, wenn falsche den Ruf oder das Ansehen mindernde Tatsachen behauptet werden, die nicht mit der erforderlichen und möglichen Sorgfalt nachgeprüft wurden oder die bewußt falsch sind, aber auch wenn herabsetzende Werturteile, die bewußt unrichtig sind, abgegeben werden75). Dasselbe gilt, wenn eine vorsätzliche. Kränkung, eine Schmähkritik76), gewollt ist, weil in diesem Fall die Ehre in besonders schwerem Maße verletzt wird, oder wenn eine schal fe übersteigerte Kritik nicht veranlaßt wurde oder wenn sie gehässig ist, weil in diesen Fällen das Zusammenleben in der Gemeinschaft untergraben wird77). Die Rechtswidrigkeit ist ferner zu be71) BGHZ 36, 77 = UFITA Bd. 36 (1962) S. 236: Waffenhändler; OLG Frakfurt in N J W 1974, 1568, 1569. « ) Vgl. dazu BGHZ 26, 52, 67 = UFITA Bd. 25 (1958) S. 337, 348: Sherlock Holmes; 31, 308, 316 = UFITA Bd. 31 (1960) S. 242, 248: Alt-Herren-Rundschreiben; 50, 133, 142 ff. = UFITA Bd. 51 (1968) S. 337, 345: Mephisto; BGH in N J W 1966, 245, 246 = UFITA Bd. 48 (1966) S. 248, 252 f.: Literaturlexikon; N J W 1965, 2395 = UFITA Bd. 47 (1966) S. 252: Mörder unter uns; BVerfGE 12, 113, 130 = UFITA Bd. 35 (1961) S. 82, 90 f.: Schmid. 7S ) Eine Entstellung kann audi eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts darstellen; vgl. § 14 UG. 7 4 ) Vgl. auch H e l l e (s. Fn. 40) S. 142, der aber in seinen Anforderungen an die wissenschaftliche Kritik wohl zu streng ist. Vgl. BGH in N J W 1976, 620, 622: Stiftung Warentest. '«) BGH in UFITA Bd. 73 (1975) S. 256, 261: Deutschlandstiftung; nach v. G a m m , W R P 1956, 322, haben herabsetzende und verunglimpfende Redewendungen in einer wissenschaftlichen Kritik nichts zu suchen. Dies ist wohl nur zutreffend, wenn eine vorsätzliche Ehrenminderung vorliegt oder wenn diese Redewendungen nicht herausgefordert wurden. " ) Vgl. dazu BGH in J Z 1975, 637, 638.

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jähen, wenn eine herabsetzende Kritik so dargeboten wird, daß das Urteil vom angesprochenen Kreis nicht nachgeprüft werden kann, weil die Bezugspunkte weder angegeben noch zugänglich sind; denn wer sich mit seiner Kritik an andere wendet, muß auch diesen die Möglichkeit der Stellungnahme und Nachprüfung geben. Eine nach diesen Grundsätzen rechtsverletzende wissenschaftliche Kritik kann aber ausnahmsweise durch Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt werden. Diesen Grundsatz hat die Rechtsprechung mit Recht aus dem StGB (§ 193 StGB) in das Zivilrecht übernommen78). Für Tatsachenbehauptungen ergibt er sich schon aus § 824 Abs. 2 BGB 79 ). Eine solche Wahrnehmung berechtigter Interessen kann insbesondere dann in Frage kommen, wenn der Kritiker über sein persönliches Äußerungsinteresse hinausgehende schutzwürdige Interessen wahrnimmt, vorausgesetzt, daß seine Äußerung ein geeignetes, wenn auch vielleicht nicht das schonendste Mittel dafür ist 80 ). Auch hier ist im einzelnen eine Interessenabwägung erforderlich. Dabei wird man wegen des besonderen Gewichts, das Art. 5 Abs. 3 GG der Wissenschaftsfreiheit einräumt, annehmen müssen, daß die Wahrnehmung des wissenschaftlichen Interesses allein ausreicht, um eine nicht allzuschwere Rechtsverletzung zu rechtfertigen, während das Interesse an der Meinungsäußerung rechtfertigende Wirkung nur entfalten kann, wenn es durch ein weiteres Interesse, zum Beispiel das der Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage 81 ), verstärkt wird. Eine Rechtfertigung ist zum Beispiel zu bejahen, wenn ein Wissenschaftler im Interesse der Volksgesundheit vor einem bestimmten Betrieb warnt, der für eine Arznei oder eine Heilmethode wirbt, die nach der subjektiven Meinung des Wissenschaftlers gesundheitsschädigend ist, auch wenn diese Meinung auf noch unsicheren Vermutungen über einen bestimmten Ursachenzusammenhang und auf BGHZ 3, 270, 281: Constanze. « ) Vgl. dazu BGH in N J W 1976, 620, 623; den Ausführungen des BGH, daß der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen bei Eingriffen in den Gewerbebetrieb nicht erforderlich sei, weil sich auf Grund der Berücksichtigung des Art. 5 die F r a g e der Haftungsbegrenzung bereits im Bereich der objektiven Verletzungshandlung stelle, kann nicht zugestimmt werden. Er übersieht, daß derjenige, der seine Meinung äußert, damit manchmal schutzwürdige Interessen wahrnimmt, die über sein eigenes Interesse an der Äußerung hinausgehen. 80) Das von der Constanze-Entscheidung (BGHZ 3, 270, 280 ff.) aufgestellte Prinzip des schonendsten Mittels wurde vom BGH auf Grund des Schmid-Urteils des BVerfG (BVerfGE 12, 113 = UFITA Bd. 35 [1961] S. 82) im Höllenfeuer-Urteil ( N J W 1966, 1617, 1618 = UFITA Bd. 49 [1967] S. 321, 328) aufgegeben; vgl. auch BGH in UFITA Bd. 73 (1975) S. 256, 259: Deutschlandstiftung. 8') Vgl. die Ausführungen von BVerfGE 7, 198, 209: Lüth.

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von ihm noch nicht hinreichend nachgeprüften Beobachtungen beruht 82 ) oder wenn er die von ihm für unzureichend gehaltenen Sicherheitsvorkehrungen eines Kernkraftwerks rügt, ohne sich genügend informiert zu haben. Aber auch die Befriedigung eines ernsthaften Informationsinteresses kann rechtfertigende Wirkung haben 83 ). Wer eine nichtöffentliche Vorlesung eines Hochschullehrers in der Öffentlichkeit kritisiert, kann gerechtfertigt sein, wenn er das Informationsinteresse daran, was an den Universitäten geschieht und gelehrt wird, wahrnimmt, falls er dadurch zur Diskussion in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage beiträgt. Dies dürfte allerdings nur in Ausnahmefällen zutreffen, weil sich die Öffentlichkeit normalerweise für den Inhalt akademischer Vorlesungen nicht interessiert. Der unwahre, im einzelnen nicht dargelegte Vorwurf des Plagiats kann wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt sein, wenn begründeter Anlaß für diesen Vorwurf besteht und der Kritiker ihn bei pflichtgemäßer Prüfung für wahr halten durfte 84 ). Dies gilt jedenfalls, wenn der Kritiker Rechte an dem Werk hat, aus dem die Entlehnungen vorgenommen wurden, aber auch, wenn er seine Äußerungen im Interesse der Wissenschaft gemacht hat. überhaupt kann das Interesse der Wissenschaft wegen des Gewichts, das ihr Art. 5 Abs. 3 zubilligt, schon für sich allein Rechtsverletzungen rechtfertigen. So kann der Wissenschaftler, der bei Darlegung seiner wissenschaftlichen Meinung fahrlässig falsche Tatsachenbehauptungen aufstellt, wie in dem oben erwähnten Tai-Ginseng-Fall 85 ), durch Art. 5 Abs. 3 gedeckt sein (vgl. auch §824 Abs. 2 BGB). Dasselbe gilt, wenn etwa die wissenschaftliche Kritik an einem Gewerbetrieb sich in der Öffentlichkeit mit betriebsinternen Vorgängen befaßt, z. B. die unzureichende Ausrüstung einer Privatklinik behandelt. Die vorstehenden Ausführungen wollen natürlich nicht alle Fälle zulässiger und unzulässiger wissenschaftlicher Kritik darstellen, aber 82 ) Vgl. BGH in GRUR 1957, 360, 362: w o eine scharfe Warnung vor einem Entstrahlungsgerät zur Aufklärung der Bevölkerung für zulässig erklärt wurde, und zwar wurde hier schon die Rechtswidrigkeit verneint, weil die scharfe Kritik durch das Verhalten des Verkäufers der Geräte veranlaßt war. OLG Frankfurt N J W 1971, 1900, 1901: w o kritische Äußerungen eines Arztes über die Werbung eines anderen für plastische chirurgische Operationen für zulässig erklärt wurden; die Äußerungen lägen auch im allgemeinen Interesse und stellten einen Beitrag zur Meinungsbildung über die in der Öffentlichkeit nicht unumstrittenen Schönheitsoperationen dar. 83) Vgl. BGH in N J W 1970, 187, 189: Hormoncreme. M ) BGH in UFITA Bd. 31 (1960) S. 325, 327: La Chatte. 85 ) N J W 1966, 1857.

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sie wollen einen Weg und eine Methode zeigen, wie die Prüfung der Zulässigkeit im Einzelfall vorgenommen werden sollte, um unter Vermeidung einer bloß gefühlsbetonten Qualifizierung von kritischen Äußerungen bei der erforderlichen Abwägung dem Prinzip der Rechtssicherheit zu entsprechen.

Resümee Die Abhandlung geht vom Grundsatz der Kritikfreiheit aus, der aus dem Recht aui freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) und, soweit die Kritik eine wissenschaftliche Leistung darstellt, aus Art. 5 Abs. 3 GG folgt. Das ersterwähnte Grundrecht gilt nach h. M. nur für kritische Werturteile, letzteres dagegen auch für Tatsachenbehauptungen. Die Kritikfreiheit ist allerdings nicht unbegrenzt. Dies trifft auch zu, soweit sie sich auf Art. 5 Abs. 3 GG stützt. Die Grenze ist auf Grund einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu ziehen, wobei der Wissenschaftsfreiheit größeres Gewicht zukommt als der Meinungsfreiheit. Dies gilt jedenfalls für die hier behandelte Kritik im außerwettbewerblichen Bereich. Im einzelnen wird dann untersucht, unter welchen Umständen der wissenschaftlichen Kritik bei Kollisionen mit dem durch § 824 BGB geschützten Kredit und den durch § 823 BGB geschützten Rechtsgütern, nämlich dem Gewerbebetrieb, der Ehre und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, Grenzen zu ziehen sind.

Résumé La présente étude part du principe de la liberté de la critique, résultant du droit d'exprimer librement ses opinions (art. 5, al. 1 de la loi fondamentale — GG) et, pour autant que la critique emprunte une forme scientifique, de l'art. 5, al. 3 GG. Le premier de ces droits fondamentaux concerne seulement, selon l'opinion ici défendue, les jugements de valeur critiques, le second concerne au contraire également les allégations de fait. La liberté de critique n'est cependant pas illimitée; ce qui est également vrai lorsqu'elle s'appuie sur l'art. 5, al. 3 GG. La limite doit en être tracée en considération de l'ensemble des circonstances de l'espèce, la liberté scientifique ayant ici un poids supérieur à la liberté d'opinion. Il en est en tout cas ainsi de la critique dont il est ici traité, dans le domaine extra-concurrentiel. Il est

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ensuite examiné dans quelles circonstances il y a lieu de poser des limites à la critique scientifique en cas de conflit avec le crédit protégé par le § 824 du Code civil et avec les biens protégés par le § 823 du Code civil, notamment l'établissement, l'honneur et le droit général de la personnalité. Fr. U. Summary This essay is based on the principle of criticism which comes from the right to freedom of expression of opinion. As far as the criticism is incorporated in a scholarly work, this freedom is granted by Article 5 (3) of the German Constitution. In the majority view, the previously mentioned basic right applies only to critical value judgments, whereas the latter (criticism in scholarly work) also includes statements of fact. The freedom to criticise, however, is not unlimited, even when based on Article 5 (3) of the German Constitution. The limits must be found by an evaluation of all the circumstances in the individual case; taking into regard that the freedom of science must be considered as more important than the freedom of expression of opinion. This concerns, in any case, criticism outside the field of economic competition. There follows, then, a detailled analysis of the circumstances which justify a limitation of scientific and scholarly criticism when in conflicts with commercial and professional reputation, as protected by § 824 BGB and when in conflict with rights, such as the right to one's business, of personal reputation and to general integrity of one's personality, all of which are protected by § 823 BGB. v.

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Zum Verhältnis von Persönlichkeitsschutz und Kunstfreiheit Von Dr. Hans-Joachim Keller, Rechtsanwalt in Frankfurt/M.*)

In seiner Divina Commedia läßt Dante zahlreiche namentlich genannte Personen seiner Zeit in die Hölle fahren, wohl das schlimmste Verdammungsurteil über einen Menschen, das sich damals denken ließ. Wäre dieses Werk seinerzeit nach der heutigen deutschen Rechtsprechung entsprechend den Entscheidungen von Mephisto bis Siemens—Delius 1 ) beurteilt worden, wäre ihm sicherlich mit einem Verbot der Eingang in die Weltliteratur verstellt worden. Mit der Berufung auf diese Entscheidungen wäre die Formel der vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung wahrscheinlich mit wenigen Worten Rechtfertigung genug gewesen, dem Schutz der in einem Kunstwerk namentlich angesprochenen oder doch erkennbaren Einzelpersonen vor der — wenn auch nach Art. 5 Abs. 3 GG umfassend verbürgten — Freiheit der Kunst den Vorrang einzuräumen. Hätte diese Rechtsprechung schon immer gegolten, dann hätten Thomas Manns Buddenbrooks, Zuckmayers Fröhlicher Weinberg. E. T. A. Hoffmanns Meister Floh und Swifts Guliver und viele andere Kunstwerke zu ihrer Zeit nicht erscheinen dürfen. Diese Konsequenz dürfte Anlaß genug sein, die angesprochene Rechtsprechung noch einmal zu überdenken, auch wenn die inzwischen nicht kleine Zahl der zu diesem Problem vorliegenden Urteile einen fürchten läßt, den Zug der Rechtsprechung von dem einmal eingefahrenen Gleis kaum abbringen zu können. Es läßt sich auch nicht ganz die Gefahr leugnen, daß eine Auflockerung dieser Rechtsprechung sdmellschreibenden Schmierfinken zum Schaden der jeweils betroffenen Einzelperson Tür und Tor öffnen kann. Es kommt noch hinzu, daß mancher Richter selbst fürchten muß, ebenfalls sich als literarisches Objekt eines sich als Künstler gebärdenden Ideologen oder Geschäftemachers auf dem Büchertisch wieder zu finden. ") Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. i) Mephisto BVerfG in N J W 1971, 1645 = UFITA Bd. 62 (1971) S. 327; Karikatur OLG München N J W 1971, 844; OLG Köln OLGZ 1973, 330; BGH (Ergänzung zu Mephisto) in N J W 1974, 1371 = UFITA Bd. 73 (1975) S. 248; OLG Hamburg in UFITA Bd. 70 (1974) S. 313; Siegfried März Verlag OLG München v. 13. Jan. 1975 (21 U 1249/ 74);Studiotheater BGH in N J W 1975, 1882 = UFITA Bd. 77 (1976) S. 252; SiemensDelius OLG Stuttgart in N J W 1976, 628.

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Hans-Joachim Keller

Die Unbesorgtheit und Selbstverständlichkeit jedoch, mit welcher die Formel von der Güter- und Interessenabwägung zu Gunsten des Schutzes der Einzelperson und zu Lasten der Freiheit der Kunst mehr oder weniger als bloße Leerformel ohne eingehende Begründung vielfach angewandt wird, verrät eine Einstellung zur Kunst, die nicht oder zumindest nicht in jedem Einzelfall dem Gewicht der unbeschränkten Freiheitsgarantie der Kunst entspricht. Im folgenden soll deshalb zunächst einmal der Frage nachgegangen werden, warum das Grundgesetz nach unserem heutigen Verständnis die Freiheit der Kunst gewährleistet, und zwar in einem weit stärkeren Maße als z. B. die Freiheit der Meinungsäußerung und Berichterstattung, die ja bekanntlich ihre Schranke in den allgemeinen Gesetzen, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre findet (Art. 5 Abs. 2 GG). Damit ist die Frage nach der Funktion der Kunst angesprochen. Die Antwort hierauf fällt zu jeder Zeit und an jedem Ort anders aus, entsprechend den jeweiligen gesellschaftlichen Zuständen und je nachdem, wie der Fragende die den Künstler umgebenden Verhältnisse sieht. So hat etwa die Forderung nach zweckfreier Kunst — l'art pour l'art — nicht zu allen Zeiten gegolten. Vielmehr wurde in früheren Jahrhunderten die Aufgabe der Kunst vor allem mit der Formel „docere et delectari" umschrieben, deren „Moral" sich aus religiösen und politischen Anschauungen ableitete. In der Antike z. B. ist das Theater ohne Bezug auf den religiösen Kult nicht denkbar. In gleicher Weise ist auch das Heldenepos keine zufällige zweckfreie Erscheinung, sondern entspricht den staatlichen oder religiösen Herrschaftsinteressen, dient also der Legitimierung, Durchsetzung oder Verbreitung bestimmter politischer oder religiöser Anschauungen. In der abendländischen Tradition verstand sich der Künstler seit jeher vor allem als dienende Person innerhalb der religiösen und staatlichen Institutionen und Anschauungen, sei es als deren Repräsentant, der seine eigene künstlerische Tätigkeit bewußt in den Dienst dieser Institutionen und Anschauungen stellte, sei es, daß er als Abhängiger die Aufträge seines „Gönners", „Mäzens" oder „Protektors" ausführte. Kunst und vor allem Literatur haben dabei besonders zwei konkrete Aufgaben zu erfüllen gehabt: Entweder erhöhend und verteidigend im Hinblick auf den Mäzen oder dessen Anschauungen oder satirisch und agressiv—kritisch im Hinblick auf den religiösen oder politischen Gegner. Schriftsteller richteten also z. B. übertriebene Widmungen an potentielle Gönner, um so ihre künstlerischen Pro-

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dukte „verkaufen" zu können. Fürsten halten sich eine Schauspieltruppe (z.B. die Truppe von Molière), bauen ihnen Theater oder stellen ihnen Räume zur Verfügung. Dome und Schlösser, Grabmale und Bilder entstehen zum Preise Gottes, der Kirche oder des Staates, eines Herrschers oder eines sonstigen Mäzens. Kritik am Gegner wird entweder unverblümt, auch durch Namensnennung, oder verschlüsselt zum Ausdruck gebracht, wobei der verschlüsselte Bezug auf die außerliterarische Wirklichkeit die unterschiedlichsten Stufen der Abstraktion erreichen kann. Die Idee vom Wert der „Kunst an sich", die Vorstellung, die künstlerische Tätigkeit könne sich selbst genügen und der Begriff der „künstlerischen Freiheit" realisieren sich erst in 19. Jahrhundert und sind gebunden an das autonome Bürgertum und dessen Gedankenwelt, einhergehend mit dem Fortfall des Mäzenatentums. Der Künstler verhält sich dem Bürgertum gegenüber meist kritisch und definiert sich als autonomes Subjekt, welches die Wahrheit der Humanität und des Humanismus gegen eine inhumane Gesellschaft zu verteidigen habe. Kunst wird „autonom". Der Begriff der Ästhetik erhält ein neues und nahezu alles bestimmendes Gewicht. Entsprechend dieser neuen Kunsteinschätzung erhalten die Kunst und der Künstler einen früher nie gekannten Freiraum, der als ein das Verständnis des Bürgertums kennzeichnender und erhöhender Spielraum verfassungsrechtlichen Schutz erhält. In neuerer Zeit erfahren Künstler diesen Freiraum jedoch zunehmend auch als bedrückend. Sie erleben und werden sich bewußt, daß ihr künstlerisches Tun meist unbewußt — überspitzt ausgedrückt: vergleichbar der Musik im Selbstbedienungsladen — vielfach einem besseren Funktionieren unseres wirtschaftlichen oder politischen Lebens und der Stabilisierung elitärer Vorstellungen und Gewohnheiten dient. Sie erfahren, daß der Traum von der Kunst um der Kunst willen zu Ende geträumt ist, daß Kunst vielmehr um der Gemeinschaft willen zu geschehen habe und deshalb über den ihr zugewiesenen Freiraum als einer „unschädlichen Spielweise" hinaus wirken müsse, indem sie an konkreten Personen bestimmte Anschauungen und Verhaltensweisen als phänotypische Erscheinungen exemplifiziere. Heute heißt die Devise deshalb nicht mehr l'art pour l'art. Vielmehr liegt die Betonung neben der ästhetischen Funktion, welche beim Rezipienten jenes Glückserlebnis, welches wir Schönheit nennen, bewirkt, vor allem auf der Erkenntnis- und Freiheit-schaffenden Funktion, worunter die Aufgabe gemeint ist, ein Stück Wirklichkeit in seiner Wahrheit zu erkennen und das als wahr Erkannte als Be-

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freiung zu erleben. Freiheit der Kunst wird so vor allem als eine auf die Gesellschaft bezogene Freiheit um der Freiheit der vielen Individuen willen verstanden, in dem Sinn: Keine Schranken der aufklärerischen und emanzipatorisdien, nicht an bestimmte Herrsdiaftsinteressen gebundenen Kunst! Die Formel von der Güter- und Interessenabwägung zwischen freier Entfaltung der Einzelperson und Freiheit der Kunst bedeutet deshalb nicht vordergründig eine Abwägung von Rechten jedes Individuums auf freie Entfaltung und dem Recht der Einzelpersönlichkeit eines Künstlers auf freie Entfaltung seines künstlerischen Wirkens, sondern läuft im Kern auf eine Abwägung zwischen den Rechten und Interessen einer Einzelperson und denen der Gemeinschaft hinaus. Eine so gesehene Güterabwägung muß aber nicht immer und fast automatisch zugunsten der Einzelperson ausfallen. Vielmehr ist es in unserer Rechtsordnung nichts Unbekanntes, Gemeinschaftsinteressen den Vorrang vor Individualinteressen zu geben. Das gilt nicht nur für das — allerdings nicht personenbezogene — Eigentum, so daß sich ein Eigentümer wegen der Sozialpflichtigkeit dieses Rechts heute zahlreiche Beschränkungen gefallen lassen muß. Vielmehr findet eine solche gemeinschaftsbezogene Beschränkung auch bei Persönlichkeitsrechten statt, wie etwa beim Recht am eigenen Bild gemäß §§ 22 bis 24 KUG, wonach z. B. Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte aus einem allgemeinen Informationsinteresse oder Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt wurden, aus einem „höheren Interesse der Kunst" verbreitet und zur Schau gestellt werden dürfen. Der gleiche Gedanke, daß persönlichkeitsrechtliche Belange hinter gemeinschaftsbezogenen Interessen zurückzustehen haben, kommt ferner auch in der Regelung der Zitierfreiheit gemäß § 51 UG und in der Institution der urheberrechtlichen und patentrechtlichen Zwangslizenz, §§ 61 UG, 15 PatG, I I a GbMG zur Anwendung. Diese Beispiele gesetzlicher Regelungen dürfen nun aber nicht zu dem voreiligen Schluß verführen, generell jedem Künstler wegen seiner grundsätzlich gemeinschaftsbezogenen Tätigkeit vollkommen freie Hand in seinem Tun zu lassen, so daß es einem Künstler auch erlaubt wäre, jede beliebige Person in das Rampenlicht der Öffentlichkeit zu ziehen. Dies hieße das Kind mit dem Bade ausschütten und würde vergessen lassen, daß auch Gemeinschaftsinteressen nur insoweit Schutz verdienen als diese die Würde jeder Einzelperson nicht aus den Augen verlieren. Es erscheint zwar äußerst wichtig, daß es in einem konkreten geschichtlichen Augenblick möglich sein muß, bestimmte Vorgänge und Personen unverfremdet darzustellen und „Roß

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und Reiter zu nennen", um den Leser aus der „nur literarischen Welt" in die konkrete Wirklichkeit zu stoßen, um ihn darüber hinaus eine „wirklichere" Wirklichkeit erleben zu lassen und um bestimmte Einsichten nicht abstrakt und verfremdet, sondern augenfällig und sozusagen „sinnlich" in der uns umgebenden Wirklichkeit wahrnehmbar zu machen, denn Kunst muß um ihrer Erkenntnis- und Freiheitsfunktion willen, um also in bestimmten Situationen überhaupt „Anstöße" geben zu können, auch gewohnte Kunstvorstellungen außer Acht lassen und so z. B. bestimmten Personen und nicht nur abstrakten Wesen hart zusetzen dürfen. Das künstlerische Mittel, autobiografisches Material einzusetzen, darf also z. B. nicht von vornherein tabu und verboten sein. Aber es erscheint ebenso wichtig, daß diejenigen Personen, die durch Nennung ihres Namens oder durch die Art der Darstellung erkennbar in das Rampenlicht der Öffentlichkeit gezogen werden, durch die Bedeutung ihrer Person oder ihrer sozialen Stellung oder sonstwie Veranlassung zu einer öffentlichen Darstellung gegeben haben, oder daß ihnen adäquate Verteidigungsmittel zu Gebote stehen. Wenn also z. B. Papst Pius XII. in Hochhuths Theaterstück „Stellvertreter" eine nicht gerade schmeichelhafte Darstellung erfährt, dann erfordert dies eine andere rechtliche Beurteilung, als wenn eine bestimmte „namenlose" Familie literarisch oder sonstwie künstlerisch in die Öffentlichkeit gezogen wird. So sehr auch die Abstraktheit und Anonymität unserer Umwelt die Erlebniswelt veröden läßt und Wahrnehmungen des Inhalts verhindert, daß hinter allen Ereignissen konkrete Menschen stehen und durch sie betroffen sind, und so sehr deshalb das künstlerische Aufbrechen dieser Abstraktheit und Anonymität durch beispielhafte Darstellung bestimmter konkreter Personen befreiend wirken kann, so kann dies doch auch wieder nicht in allen Fällen Begründung genug sein, bestimmte einzelne Individuen einer Diskussion in der Öffentlichkeit wehrlos auszusetzen. Andernfalls würden die Rollen, die nun einmal jedermann mehr oder minder spielt, und die — wie der Panzer einer Schildkröte — uns schützend ein Zusammenleben in unserer Gesellschaft erst ermöglichen, in einem Maße aufgebrochen werden, daß der gesamte ein Zusammenleben schützende gesellschaftliche Prozeß gesprengt würde. Für das Anliegen, ein Kunstwerk aus Gründen des Gemeinschaftsinteresses nicht zu verbieten, kann sich darüber hinaus eine weitere Schwierigkeit daraus ergeben, daß dem vom Künstler für sich in Anspruch genommenen Gemeinschaftsinteresse von der betroffenen Person ebenfalls ein Gemeinschaftsinteresse am Unterbleiben bestimmter künstlerischer Äußerungen entgegengehalten wird, so wenn

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z. B. der Bundespräsident oder andere Bundesorgane in einer Weise dargestellt werden, welche dem Ansehen der betroffenen Person nicht gerade zustatten kommt; oder wenn allgemein bestimmte künstlerische Aussagen der jeweiligen vom Staat oder der Öffentlichkeit propagierten Weltanschauung (oder wie immer das genannt werden mag) zuwiderlaufen. Das muß nicht immer soweit gehen, daß das betroffene Kunstwerk als „entartet" oder „antisozialistisch" etc. und deshalb als gemeinschädlich apostrophiert wird. Es sind auch Vorstufen denkbar, auf denen ein Berufen des Künstlers auf Gemeinschaftsinteresse für indiskutabel gehalten wird. Dabei wird es um so schwerer sein, das Gemeinschaftsinteresse der Kunst gegen sonstwie geartete Gemeinschaftsinteressen gegeneinander abzuwägen oder das vom Betroffenen vorgewiesene Gemeinwohlinteresse als Ausrede zu durchschauen, je weniger sich das Interesse des Betroffenen, an der Macht oder in der betreffenden Position zu bleiben, von dem von ihm vorgegebenen Gemeinwohlinteresse tatsächlich trennen läßt. Für eine rechtliche Beurteilung wird es deshalb keine generelle Lösung geben dürfen. Vielmehr wird es sehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommen. Besonderes Gewicht wird dabei der Frage zukommen, ob und inwieweit gerade diese oder jene bestimmte Person Anlaß zu einer öffentlichen Darstellung gegeben hat. Es wird auch nicht unbeachtet bleiben können, ob die Existenz der betroffenen Person durch die öffentliche Darstellung ernsthaft gefährdet ist, oder ob der betreffende Mensch sich durch andere Mittel zur Wehr setzen kann. Schließlich wird abzuwägen sein, ob die herausgehobene Stellung der betroffenen Person eine künstlerische Gestaltung, auch wenn sie nicht gerade vorteilhaft für sie ist, „verkraften" kann oder wegen ihrer öffentlichen Bedeutung verkraften können muß. Die Tatsache allein, daß jemand in die öffentliche Diskussion gerät oder geraten kann, dürfte als solche jedenfalls noch nicht ausreichen, eine Verletzung der Würde des betreffenden Menschen annehmen zu können. Hierzu bedarf es der Feststellung, daß das Maß des Erträglichen überschritten ist, und der Begründung, warum bei dieser oder jener Person die Grenzen für dieses Maß hier und nicht anders zu ziehen sind. Ebenso wie Einzelteile eines künstlerischen Werks zitiert werden und als Beispiel für eine bestimmte These des Zitierenden herangezogen werden dürfen, auch wenn sie den Autor des Zitats in einem möglicherweise nicht gerade schmeichelhaften Licht erscheinen läßt, so muß auch an konkreten lebenden oder verstorbenen Personen eine bestimmte Sicht des Künstlers von unserer Wirklichkeit exemplifiziert werden dürfen. Wer sich nun einmal in

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die Öffentlichkeit begibt und in ihr Einfluß zu nehmen sucht, kann sich nicht einfach auf ein Recht auf Anonymität berufen. Kurzum: Das Gemeinschaftsinteresse an konkreter Exemplifizierung bestimmter Personen ist bei sorgfältiger Abwägung aller einzelnen Umstände des jeweiligen Falles stärker als bisher zu beachten2). Auch wenn eine dieses Problem anders beurteilende Rechtsprechung nicht sogleich das Ende der Kunst schlechthin bedeuten muß, sei dennoch Reiner Kunze zitiert mit seinem Gedicht3):

Das Ende der Kunst Du darfst nicht, sagte die Eule zum Auerhahn. Du darfst nicht die Sonne besingen. Die Sonne ist nicht wichtig. Der Auerhahn nahm die Sonne aus einem Gedicht. Du bist ein Künstler, sagte die Eule zum Auerhahn. Und es war schön finster.

Resümee Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs (vgl. BVerfG in NJW 1971, 1645 = UFITA Bd. 62 [1971] S. 327) darf ein Künstler in einem Kunstwerk, wie z.B. in Klaus Manns Roman Mephisto, seine Anschauungen nicht an einer bestimmten, namentlich genannten oder doch erkennbaren, Person exemplifizieren. Vielmehr ist die künstlerische Gestaltung so zu verfremden, daß sich nicht ein erkennbarer Bezug auf eine bestimmte lebende oder noch nicht lange verstorbene Person aufdrängt. In der Literatur aber ist der namentliche oder doch erkennbare Bezug auf 2 ) In die gleiche Richtung zielen die abweichenden Meinungen von S t e i n und R u p p v . B r ü n n e c k zum Mephisto-Urteil in N J W 1971, 1648 ff. = U F I T A Bd. 62 (1971) S. 345 ff., ebenso S i e g e r in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29. Juli 1975; vgl. ferner H u b m a n n , der vor einer Uberspannung des Persönlichkeitsschutzes warnt, in FILM UND RECHT Nr. 11/1973 S. 558 und U F I T A Bd. 70 (1974) S. 75; vgl. auch BGH vom 5. Dez. 1958 in U F I T A Bd. 51 (1968) S. 291, BVerwG in U F I T A Bd. 52 (1969) S. 270. 3)

Aus: K u n z e , Sensible W e g e , Rowohlt Verlag.

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eine bestimmte konkrete Person seit jeher ein wesentlicher Inspirationsquell und eine immer wieder auftretende Erscheinung. Hätte die heutige Rechtsprechung also schon immer und überall gegolten, wären berühmte Kunstwerke, wie Dantes Divina Commedia oder Thomas Manns Buddenbrooks, wahrscheinlich mit der Begründung verboten worden, daß sie die freie Entfaltung der betroffenen Personen unzulässigerweise beeinträchtige, auch wenn das Grundgesetz die Freiheit der Kunst umfassend verbürge. Allein schon dieses Ergebnis muß stutzig machen. Die erwähnte Rechtsprechung wird aber auch dem Zweck der verfassungsmäßig garantierten Freiheit der Kunst nicht gerecht. Kunst wird nicht um ihrer selbst willen geschützt. Vielmehr hat Kunst wie seit jeher eine gesellschaftliche Aufgabe, sei es, daß sie, wie vornehmlich in früheren Zeiten, der Legitimierung und Verbreitung jeweils herrschender religiöser oder politischer Anschauungen zu dienen hat, sei es, daß ihr heute vor allem eine Erkenntnis und Freiheit schaffende Funktion beigemessen wird. Die Erfüllung dieser aufklärerischen und emanzipatorischen Aufgabe der Kunst aber ist gerade für unsere heutige Massengesellschaft eine überaus lebenswichtige Angelegenheit. Bei der Abwägung zwischen dem Schutz der Einzelpersönlichkeit und der Freiheit der Kunst muß deshalb dem Gemeinschaftsinteresse der Kunst ein weit größeres Gewicht als bisher zuerkannt werden. Dabei kann es Schwierigkeiten machen, das Gemeinschaftsinteresse der Kunst von einem anders gearteten Gemeinschaftsinteresse, etwa dem der Beachtung des Ansehens höchster staatlicher Organe gegeneinander abzuwägen. Daß dem Gemeinschaftsinteresse vor dem Individualinteresse einer Einzelperson der Vorrang gebührt, ist nichts Ungewöhnliches. Derartige Regelungen kennt das Gesetz nicht nur bei nicht personenbezogenen Rechten, wie dem Eigentum, sondern auch bei persönlichkeitsbezogenen Rechten, wie dem Recht am eigenen Bild (§§ 22 bis 24 KUG), der Zitierfreiheit (§51 UG) und der urheberrechtlichen und patentrechtlich Zwangslizenz (§§ 61 UG, 15 PatG, 11 a GBMG). Dies muß nicht generell dazu führen, daß jede Bezugnahme auf bestimmte Personen erlaubt ist. Vielmehr ist auf alle Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen. Dabei wird es aber insbesondere darauf ankommen, ob und inwieweit die betroffene Person Anlaß zu einer öffentlichen Darstellung gegeben hat, ob ihre Existenz ernsthaft gefährdet ist und ob ihr adäquate Verteidigungsmittel zu Gebote stehen.

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Résumé Selon la jurisprudence récente, il n'est pas permis à un artiste, dans une œuvre littéraire, de se référer pour les besoins de la démonstration de ses convictions à une personne déterminée, désignée par son nom ou au moins reconnaissable; les personnages doivent être en chaque cas rendus méconnaissables. Cette jurisprudence ne tient pas compte de la mission de la liberté de l'art garantie par la constitution, qui est de susciter la connaissance et la liberté; en effet, l'art n'est pas protégé pour lui-même, mais pour la société. Il doit donc être attaché un poids plus grand à cet intérêt de la société pour l'art lorsque l'on met en balance la protection de la personnalité de chacun et la protection de l'art, comme cela est admis par la loi notamment aussi pour le droit sur la propre image, la liberté de citation ou la licence obligatoire. Il y a donc lieu, beaucoup plus que jusqu'ici, de considérer si et dans quelle mesure la publique, personne concernée a donné l'occasion d'une description si son existence est sérieusement menacée par la création artistique et si elle dispose de moyens de défense adéquats. Fr. U.

Summary According to the more recent case law an artist may not exemplify his opinions with a distinctive and named or, at least, recognizable person. The characters concerned must be disguised. This case law does not do justice to the freedom of art granted by the constitution, the function of which is to bring perception and freedom, for art is not protected for it's own sake, but for society's sake. Therefore, this social interest in art must be given more weight when balancing the protection of the individual against the protection of art. This idea has already found acceptance in the right in one's portrait, in the freedom of quotation and in the law of compulsory licences. For that reason, more stress should be laid upon whether and to what extent the person concerned has given rise to a public representation, whether his existence is seriously threatened by the artistic or literary production, and whether adequate defenses are at his disposal, v. W .

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Grundzüge der persönlichkeitsrechtlichen Theorie im sozialistischen Urheberrecht Von Universitätsdozent JUDr. Karel Knap, Prag*) I. Objektive Bedingungen der urheberrechtlichen Auffassungen in der Gesellschaftsentwicklung Die Bemühungen um die Erforschung der rechtstheoretischen Grundlagen des Urheberrechts sind nicht Selbstzweck. Ihre Aufgabe ist, zur Herausbildung eines Systems des positiven Urheberrechts beizutragen, das geeignet wäre, die bestmögliche Erfüllung seiner Funktion zu gewährleisten. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, darf sich die Rechtswissenschaft nicht darauf beschränken, diese Grundlagen lediglich aus einer positivrechtlichen Regelung ableiten zu wollen, in der sich oft ein Ergebnis des Zusammenwirkens verschiedener Machtfaktoren widerspiegelt. Die Grundlagen der theoretischen Auffassungen sind durch die Natur und Gesellschaft objektiv gegeben. Sie können daher lediglich im Wesen der Rechtsobjekte und in den gesellschaftlich-ökonomischen Bedingungen eines Gesellschaftssystems gesucht werden. Eine ontologische Untersuchung der Wesenszüge des Werkes als eines Gegenstandes des Urheberschutzes führt zu dem Ergebnis, daß es zwei Wesenszüge gibt, die für die Herausbildung und Ausgestaltung des Urheberrechts von ausschlaggebender Bedeutung sind. Der erste gründet sich auf die Tatsache, daß das Werk Ergebnis einer individuellen, schöpferischen Urheberleistung ist. Durch das daraus zwischen dem Urheber und seinem Werk entstehende persönliche Band wird das Werk als Rechtsobjekt in einem entscheidenden Ausmaß bestimmt. Die Werkschöpfung ist jedoch gleichzeitig auch ein gesellschaftliches Phänomen, dies nicht nur deshalb, weil keine Urheberschöpfung von der Gesellschaft isoliert überhaupt denkbar ist 1 ), sondern vor allem deshalb, weil kein Urheber sein Werk schafft, *) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. Vortrefflich hat diesen Gedanken Georg R o e b e r in seiner Studie Urheberrecht oder geistiges Eigentum, Heft 1 der Schriftenreihe UFITA (1956) S. 25 zum Ausdruck gebracht: „Das urheberrechtliche Werkschaffen greift bewußt oder unbewußt auf die in Generationenfolge aufgespeicherten Substanzwerte der menschlichen Kultur zurück. In dieses unbegrenzte Reservoir des Geistes gehen die nachfolgenden Werke ein. Als Nimm und Gib vollzieht sich unaufhörlich der Austausch im geistigen Schaffen und der Austausch der kulturellen Werte zwischen den Zeiten und Völkern."

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um es für sich zu behalten, die gesellschaftliche Bestimmung ist dem Werk bereits wesensmäßig eingegeben. Dies ist der Wesenszug der gesellschaftlichen Verbundenheit des Werkes, der den an erster Stelle genannten ergänzt. Die Grundlagen der theoretischen Auffassungen des Urheberrechts sind jedoch gleichfalls in den gesellschaftlich-ökonomischen Bedingungen zu suchen, in welchen sich die eine Werknutzung in der Gesellschaft betreffenden Rechtsbeziehungen zu gestalten haben. Dabei sollte man nie aus dem Auge verlieren, daß diese Bedingungen nicht nur die Rechtsauffassung als ein Ganzes, sondern auch ihre einzelne Bausteine bestimmen, die insbesondere durch Rechtsbegriffe gebildet werden, zu welchen, sofern es um urheberrechtliche Auffassungen geht, in erster Reihe die Begriffe „Individuum" und „Gesellschaft" und ihr gegenseitiges Verhältnis gehören. Eine terminologische Übereinstimmung darf dabei nicht irreführen, der Inhalt der Begriffe ist oft in den einzelnen Gesellschaftssystemen unterschiedlich. Diese Tatsache ist bei der Prüfung einzelner theoretischer Auffassungen des Urheberrechts im Auge zu halten, dies sowohl aus der Sicht ihrer Entwicklung, als auch aus der Sicht der Gegenwart. Wie es auch die neueren Ergebnisse der rechtshistorischen Forschungsarbeiten beweisen, kann die Funktion des Urheberrechts in der mittels eines Systems der Rechtsinstitute realisierten Stimulierung der Schöpfung und gesellschaftlichen Nutzung von Werken gesehen werden. Die weitgehenden Umwälzungen, die als Auswirkungen der schnell fortschreitenden wissenschaftlich technischen Entwicklung insbesondere im Bereich der Werknutzung ständig erfolgen, lassen immer neue und immer schwerwiegendere Bedenken über die Funktionsfähigkeit des Urheberrechts im Zeitalter der Technik und der Massenmedien auftauchen. Mit Recht haben in der letzten Zeit zahlreiche Urheberrechtler aus der ganzen Welt ihre warnenden Stimmen erhoben. Warnend ist auch die Feststellung von Benvenuto Samson, dessen Ehrung dieser bescheidene Beitrag gewidmet ist, in dem Vorwort zu seinem kommentierenden Lehrbuch2). Mehr als je vorher ist es zu dieser Zeit Aufgabe der Rechtswissenschaft, sich mit der Erforschung rechtstheoretischer Grundlagen 2 ) „Von einzelnen prominenten Erscheinungen abgesehen, ist der Künstler in seiner wirtschaftlichen Situation von den Massenmedien und Großunternehmen abhängig, von den Rundfunk- und Fernsehanstalten, den Platten- und Filmherstellern, den staatlichen und städtischen Theatern und den großen Verlagen. Der freie Künstler hat dem künstlerischen Angestellten Platz gemacht. Aus dem Kampf um die Ideale der Kunst, l'art pour l'art, ist in zunehmendem Maße ein Kampf um die Existenz der Dichter und Denker geworden." (Benvenuto S a m s o n , Urheberrecht, Verlag Dokumentation 1973, S. 9 ff.)

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des Urheberrechts eingehend zu befassen und der Gesetzgebung ein theoretisches System bereitzustellen, das die geeignete Grundlage eines funktionsfähigen Urheberrechts bilden könnte. II. Gesellschaftlich-ökonomische Bedingungen der Funktion des Urheberrechts in der sozialistisdien Gesellschaft Die Grundlage des sozialistischen Gesellschaftssystems bildet die Sozialisierung der Produktionsmittel und der sich darauf stützende Grundsatz der gesamtgesellschaftlichen Planung, die sich auf alle Gebiete des Gesellschaftslebens einschließlich des Gebiets der Kultur erstreckt. Nicht nur die Massenmedien, sondern auch die Wahrnehmungsbetriebe, Verlage, professionelle Theater, Plattenhersteller und sonstige Werknutzungsbetriebe befinden sich in den Händen von sozialistischen Organisationen, die — obwohl juristische Personen mit eigener Rechtsfähigkeit und einer relativen wirtschaftlichen Selbständigkeit — der planmäßigen gesamtgesellschaftlichen Leitung unterliegen und somit einen untrennbaren Bestandteil der Gesamtwirtschaft des Landes bilden. Dies hat zunächst zu einer grundlegenden Veränderung in der Beziehung der Arbeit zum Kapital geführt. In einer entwickelten sozialistisdien Gesellschaft, in welcher im Einzelnen ein aktives Subjekt der gesellschaftlichen Prozesse zu sehen ist 3 ), erfährt eine grundlegende Veränderung auch die Beziehung des Einzelnen zu der Gesellschaft. Die Gesellschaft wird im gesamtgesellschaftlichen Sinne aufgefaßt. Die so verstandene Gesellschaft schafft Bedingungen für eine ständige Entfaltung der Persönlichkeit eines Einzelnen; durch die Entfaltung der Persönlichkeiten ihrer Mitglieder wird die Entfaltung der ganzen Gesellschaft gewährleistet. Daraus ergibt sich eine grundsätzliche Übereinstimmung der Interessen des Einzelnen mit denjenigen der Gesellschaft 4 ). Die Verwertung von Werken durch ihre Verbreitung ist in einem sozialistischen Land nur mittels sozialistischer Organisationen mög3 ) „Die Gesellschaft ist keinesfalls nur eine arithmetische Summe anonymer, lediglich passive Objekte der Gesellschaftsleitung bildender Einzelner, sondern das Resultat des Zusammenwirkens von individuellen Persönlichkeiten, deren natürliche Sendung es ist, aktive Subjekte gesellschaftlicher Prozesse zu bilden." (K. K n a p / J . S v e s t k a , Ochrana osobnosti v es. obeanskem prävu [Schutz der Persönlichkeit im tschechosl. Zivilrecht], Praha, Orbis 1969 S. 9.) 4 ) Diese Feststellung darf wohl nicht vereinfacht so verstanden werden, als ob in einer sozialistischen Gesellschaft auf dem Gebiet des Urheberrechts keine Konflikte mehr entstehen würden; sie entstehen wohl, ihr Charakter hat sich jedoch geändert. Das gesellschaftliche Interesse darf mit den Teilinteressen einzelner, wenn auch sozialistischer Unternehmen nicht verwechselt werden.

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lieh, in deren Aufgabenbereich die betreffende Tätigkeit gehört. Dies hat zunächst zur Folge, daß der Urheber nicht mehr die Möglichkeit besitzt, seine Werke im „Selbstverlag" herauszugeben, sofern dies auf eine Unternehmerart erfolgen sollte 5 ). Obwohl auch in der sozialistischen Gesellschaft auf dem gegenwärtigen Stand ihrer Entwicklung die Verwertung der Werke unter Ausnützung von Ware — Geld Beziehungen erfolgt, entstehen doch mit Rücksicht darauf, daß sich diese im Rahmen der planmäßigen Gesellschaftsleitung zu halten haben, Beziehungen, die sich von den auf dem Grundsatz der Privatwirtschaft aufgebauten in qualitativer Hinsicht weitgehend unterscheiden. Dies äußert sich insbesondere darin, daß die Verwertung von Werken aufhört, eine reine Frage der kommerziellen Zweckmäßigkeit zu sein. Die fortschreitende Arbeitseinteilung und der damit zusammenhängende Konzentrationsprozeß haben jedoch auch in der sozialistischen Gesellschaft zwangsläufig die Frage nach den rechtlichen Garantien der Realisierung der Urheberrechte eröffnet. Die Herausbildung von Rechtsinstituten, durch welche die Realisierung der Urheberrechte gewährleistet werden könnte, hat zu einem unvermeidlichen Bestandteil der Rechtsregelung zu werden6). Das Grundkriterium für die Festsetzung des Anteils eines Einzelnen an dem Nationaleinkommen bildet in der sozialistischen Gesellschaft der Wert der Leistung, welche der Einzelne erbracht hat. In diesem Rahmen macht sich der allgemeine Grundsatz der materiellen Interessiertheit an den Leistungsergebnissen geltend, der außer der moralischen Interessiertheit den Hauptansporn für alle Leistungen bildet. Dies schafft auch die theoretische Grundlage für die Beteiligung des Urhebers an den Ergebnissen der Gesamtverwertung seines Werkes, die im Rahmen der vorgesehenen Schutzdauer erfolgt. Die Sozialisierung hat in der sozialistischen Gesellschaft auch auf dem Gebiet der Kultur neue Möglichkeiten der materiellen Förderung der Schöpfung und gesellschaftlichen Nutzung von Werken eröffnet, die durch die Bildung von Kulturfonds keinesfalls erschöpft sind. Dies ermöglicht in einem bedeutenden Ausmaß, von den rein kommerziellen Überlegungen auf dem Gebiet der Kultur Abstand zu 5 ) Diese Tatsache wurde mehrmals von einigen Urheberrechtlern in nichtsozialistischen Staaten als ein Hindernis für die Ausübung des ausschließlichen Verfügungsrechts des Urhebers gewertet, m. E. mit Unrecht. Die Abgrenzung einer Unternehmertätigkeit liegt im Bereiche des Verwaltungsrechts (Gewerbeordnung), nicht des Urheberrechts und wird durch den Rahmen der Wirtschaftsordnung bestimmt. •} An diesbezüglichen Vorschlägen hat es in der Entwicklung der sozialistischen Theorie des Urheberrechts nicht gefehlt. Siehe K. K n a p , Zäkladni otäzky teorie socialistickeho präva autorskeho (Grundfragen der Theorie des sozialistischen Urheberrechts). Diss. (Habilitationsschrift), Juristische Fakultät der Karls-Universität Prag 1965, S. 14 ff.

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nehmen und unter Inanspruchnahme von Mitteln der sozialistischen Wirtschaft auch solche Probleme der Werkverwertung zu lösen, die mit den einer Privatschaft eigenen Mitteln nur äußerst schwierig zu lösen wären. III. Sozialistische persönlichkeitsrechtliche Theorie und ihre Auswirkungen auf die Lösung der Grundfragen des Urheberrechts 1. Herausbildung und Grundzüge der sozialistischen persönlidikeitsreditlichen Theorie des Urheberrechts Die Entwicklung der sozialistischen Theorie des Urheberrechts wurde durch den Prozeß des Kennenlernens von spezifischen Bedingungen des Urheberrechts in der sozialistischen Gesellschaft bestimmt. Ähnlich wie auf der Reihe anderer Rechtsgebiete ist es auch auf diesem Gebiet zunächst zur Entwicklung einer modifizierten Theorie des Rechts sui generis gekommen, in welcher die Auswirkungen einiger grundlegenden im Prozeß des Aufbaues einer sozialistischen Gesellschaft durchgeführten Änderungen der Gesellschaftsordnung ihren Reflex bereits gefunden haben 7 ). Einen äußerst begrenzten Widerhall hat im sozialistischen Urheberrecht eine modifizierte arbeitsrechtliche Theorie des Urheberrechts gefunden, die von einem Teil der Rechtslehre in der UdSSR in den Dreißiger und Vierziger Jahren vertreten wurde8), doch begegnet man ihrem Ausklingen in einigen sozialistischen Ländern auch noch später 9 ). Ungeachtet der erwähnten Auffassungen bildeten sich jedoch im Laufe des Prozesses der Entfaltung der sozialistischen Gesellschaftsbeziehungen auch einzelne Elemente einer spezifischen sozialistischen persönlichkeitsrechtlichen Theorie des Urheberrechts. Diese Theorie hat sich allmählich entwickelt; einige Ansätze dazu können ab Anfang der Fünfziger Jahren sowohl in der Rechtslehre 10 ) als auch in 7 ) Diese theoretische Auffassung bildet die Grundlage aller in der Etappe des Ubergangs zum sozialistischen System in einzelnen Ländern erlassenen UR Gesetze. 8 ) Insbesondere D. M. G e n k i n , Predmet trudovogo prava, Sovjetskoje gosudarstvo i pravo 2/1940; E. A. P a s e r s t n i k , Pravovyje voprosy voznograzdenija za trud rabocidi i sluzascich, Moskva 1949. 9 ) Vgl. V. C i z k o v s k ä , K nekterym aktudlnim otazkäm naseho autorskeho prava, Pravnik 2/1963, S. 129 ff.; gegen eine arbeitsrechtliche Auffassung: S. L u b y , Zakladne problemy budücej üpravy autorskoprävnych vztahov, Pravnik 9/1963, S. 689 ff., K. K n a p , Prävo na autorskou odmenu v socialistickem prävu autorsk£m, Pravnik 6/1963, S. 497 ff. 10 ) Vgl. insbesondere K. K n a p , Zum Problem der rechtstheoretischen Fundierung des Urheberrechts, in UFITA Bd. 26 (1958) S. 158 ff.; d e r s . Autorske prävo, Praha 1960; H. N a t h a n , Das Persönlichkeitsrecht, in Neue Justiz 1964, S. 744 ff.

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den Urheberrechtsgesetzen einzelner sozialistischer Länder aus dieser Zeit gefunden werden, wenn auch die Grundlage dieser Gesetze die bereits erwähnte modifizierte Theorie des Rechts sui generis gebildet hat. Der Kristallisierungsprozeß der sozialistischen Persönlichkeitsrechts-Theorie des Urheberrechts kann bisher keinesfalls als abgeschlossen betrachtet werden; es kann auch kaum von einer einheitlichen Theorie die Rede sein. Doch, wenn man auch alle Besonderheiten des Herantretens der Urheberrechtler einzelner sozialistischen Länder an die theoretischen Fragen des Urheberrechts restlos berücksichtigt, kann man bereits einige Hauptgrundsätze der Auffassung herausstellen, die allen diesen Ausführungen gemeinsam sind und die die Wirbelsäule einer spezifischen sozialistischen persönlichkeitsrechtlichen Theorie des Urheberrechts bilden. Eine tiefere systematische Durcharbeitung hat diese Theorie bisher in der CSSR11), DDR12) und Ungarn13) erfahren. In allen diesen Ländern bildet diese Theorie auch die theoretische Grundlage des geltenden Urheberrechts14). Die sozialistische persönlichkeitsrechtliche Theorie kann den rein individualistischen Auffassungen der älteren persönlichkeitsrechtlichen Theorien des Urheberrechts nicht gleichgestellt werden. Ihren Ausgangspunkt bildet die einem entwickelten Sozialismus entsprechende Auffassung der Persönlichkeit und ihrer Beziehung zu der Gesellschaft. Das Werk ist das Ergebnis einer schöpferischen Leistung Ji ) K. K l i p , Die neue tschechoslowakische Urheberrechtsgesetzgebung, in UFITA Bd. 44 (1965) S. 313; d e r s . Smluvni vztahy v autorskem prävu, Praha 1967 (mit Resümee in deutscher Sprache); d e r s . Socialistickä osobnostneprävni teorie autorskeho präva (Personality theory in Socialist Copyright, Kurzfassung in englischer Sprache), Aktuälni otäzky präva autorskeho, präv prümyslovych a präva soutezniho 1975/1976, S. 23 ff. Zu einigen Fragen S. L u b y , Autorske prävo, Bratislava 1962, ders. Spolocna teoretickä a praktickä problematika osobnomajetkovych präv in Osobnomajetkovä präva, Bratislava 1968, S. 13 ff. 12 ) Insbesondere Heinz P ü s c h e l u . a . , Urheberrecht der DDR, Berlin 1969; d e r s . Das subjektive Urheberrecht als sozialistisches Persönlichkeitsrecht, in Neue Justiz 1967, S. 335 ff.; d e r s . Zu einigen Grundfragen des neuen Urheberrechts der DDR, in GRUR 1968, 300 ff. 13 ) Insbesondere A. B e n a r d / G. B o y t h a , Socialist Copyright Law (zugleich auch in französischer und spanischer Fassung), in RIDA LXXXIX (1976), S. 44 f.; G. B o y t h a , Das Urheberrecht der Ungarischen Volksrepublik, Heft 49 der Schriftenreihe UFITA (1974). 14 ) In der CSSR und in der DDR wurde diese theoretische Grundlage in der Gesetzgebung ausdrücklich zum Ausdruck gebracht. Siehe für die CSSR den § 17 BGB von 1964 (auf dessen Grundlage das geltende UrhG erlassen wurde), der das Urheberrecht zu besonderen Persönlichkeitsrechten zählt, für die DDR den § 13 Satz 1 des geltenden UrhG („Das subjektive Urheberrecht ist ein sozialistisches Persönlichkeitsrecht"). Die deutschen Ubersetzungen der erwähnten Gesetze siehe: CSSR in UFITA Bd. 44 (1965) S. 342 ff., DDR in UFITA Bd. 46 (1966) S. 117 ff., Ungarn in G. B o y t h a , Das Urheberrecht der Ungarischen Volksrepublik, Heft 49 der Schriftenreihe der UFITA (1974), S. 99 ff.

P e r s ö n l i c h k e i t s r e c h t l i c h e T h e o r i e im s o z i a l i s t i s c h e n U r h e b e r r e c h t

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des Urhebers nicht nur mit seiner Persönlichkeit, sondern gleichfalls auch mit der Gesellschaft untrennbar verbunden, da es in den Bedingen der Gesellschaft entsteht und mittels seiner Auswirkungen an der Entfaltung der Gesellschaft teilnimmt und somit zur weiteren Entfaltung der Persönlichkeiten ihrer Mitglieder beiträgt. In dieser Auffassung bildet das Urheberrecht einen unmittelbaren Ausdruck des Interesses der Gesellschaft an der Schöpfung und gesellschaftlichen Nutzung von Werken. Nicht eine Werkschöpfung an sich, sondern erst die Nutzung der Werke in der Gesellschaft bildet die Grundlage des Interesses der Gesellschaft an dem urheberrechtlichen Schutz, dessen rechtspolitische Begründung eben in der Stimulierung der Schöpfung und gesellschaftlichen Nutzung voll Werken besteht. Beide Gebiete sind daher als ein untrennbares Ganzes zu betrachten15). Das subjektive Urheberrecht wird als ein einheitliches Recht aufgefaßt, aus welchem einzelne Teilbefugnisse des Urhebers erwachsen. Das subjektive Urheberrecht hat eine persönlichkeitsreditlidie Grundlage, in den einzelnen Teilbefugnissen kommen jedoch in einem verschiedlichen Ausmaß auch vermögensrechtliche Elemente zum Ausdrude. Die vermögensrechtliche Komponente des Urheberrechts wird daher von der sozialistischen persönlichkeitsrechtlichen Theorie weder verdrängt, noch unterschätzt. Die Verankerung des Urheberrechts in den persönlichkeitsrechtlichen Elementen ergibt sich jedoch logischerweise bereits aus der Tatsache, daß ein Werk selbst eine Emanation der Persönlichkeit des Urhebers ist; eine unvermeidliche Folge dieser Tatsache ist, daß diese persönlichkeitsrechtlichen Elemente den ganzen Inhalt des Urheberrechts durchdringen und ihm ihr spezifisches Siegel einprägen 16 ). In der vermögensrechtlichen Komponente des Urheberrechts kommt der allgemeine sozialistische 15 ) „Das Urheberrecht hat sich zu der Zeit entwickelt, zu welcher die Urheberschaft infolge der Entfaltung von Produktionskräften und technischen Möglichkeiten der Werkverbreitung ihre Bedeutung für das Leben der Gesellschaft erlangt hat. Damit ist die Urheberschaft zu einem Rechtsverhältnis geworden, ähnlich wie seinerzeit die Ehe und andere gesellschaftliche Verhältnisse. Wird das Familienrecht als ein System der rechtlichen Regelung der sich aus dem Rechtsverhältnis der Familie ergebenden Beziehungen bezeichnet, so kann das Urheberrecht als ein System der Rechtsnormen bezeichnet werden, welche die Beziehungen regeln, die sich aus dem Rechtsverhältnis der Urheberschaft ergeben." (K. K n a p , Autorske prävo, Praha 1960, S. 22.) 18 ) Vgl. auch Benvenuto S a m s o n , aaO., S. 61 ff.: „Die Bejahung des Bestehens eines Urheberpersönlichkeitsrechts ist zu begrüßen. Es ist das Grundrecht, die Grundlage aller Befugnisse, die dem Urheber zustehen, denn aus seinem Geistes- und Gefühlsleben entsteht das Werk und aus seiner Persönlichkeit und der eng mit ihm verbundenen Schöpfung ergeben sich höchst persönliche Beziehungen, die untrennbar und unauflösbar sind, ergibt sich eine Rechtssphäre, die materielle und immaterielle Rechte und Güter einschließt. Diese innige Zusammengehörigkeit zwischen Urheber und Werk, das nichts anderes als eine Emanation der Persönlichkeit ist, hat Rechtsfolgen, deren Ursprung und Inhalt man nicht besser als mit dem Begriff des Urheberpersönlichkeitsrechts bezeichnen kann."

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Karel Knap:

Grundsatz der materiellen Interessiertheit des Einzelnen an den Ergebnissen seiner Leistungen für die Gesellschaft zum Ausdruck. Aus der Sicht seiner gesellschaftlichen Funktion wird das Urheberrecht von dieser Theorie als ein harmonisches System der sowohl moralischen als auch materiellen Ansporne der Schöpfung und gesellschaftlichen Nutzung von Werken aufgefaßt. In den außervertraglichen Instituten der gesellschaftlichen Nutzung (freie Werknutzung, gesetzliche und Zwangslizenzen) sind nicht bloße Schranken des subjektiven Urheberrechts, sondern ein unmittelbarer Ausdruck einer interessenmäßig harmonisierten Regelung der gesellschaftlichen Beziehungen auf dem Gebiet der gesellschaftlichen Werknutzung zu sehen. Die Frage nach dem Verhältnis des Urheberpersönlichkeitsrechts zu dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist in der Weise zu beantworten, daß das Urheberpersönlichkeitsrecht den Charakter eines besonderen Persönlichkeitsrechts hat 17 ). 2. Grundfragen des Urheberrechts im Lichte der sozialistischen persönlidikeitsrechtlichen Theorie des Urheberrechts a) B e g r i f f d e s U r h e b e r w e r k e s Schutzobj ekts

als

des

Aus der Sicht der sozialistischen persönlichkeitsrechtlichen Theorie des Urheberrechts ist das Werk ein unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit. Als Ausdruck einer konkreten Persönlichkeit ist das Werk individuell. Das Wesensmerkmal des Ergebnisses einer schöpferischen Leistung wird daher von dieser Theorie im Sinne der Individualität des Ergebnisses, d. i. seiner Einmaligkeit und Nichtwiederholbarkeit aufgefaßt, die sich auf die Formgebung des Ideeninhalts erstreckt. Es geht um eine spezifische, urheberrechtliche Individualität 18 ). Ein bestimmtes Werk kann immer nur ein Ausdrude einer bestimmten Persönlichkeit sein 19 ). Jedes Werk ist immer ein neues Er1 7 ) In der CSSR hat diesen Standpunkt auch der Gesetzgeber im § 17 BGB ausdrücklich eingenommen. Die gleiche Ansicht vertritt auch S a m s o n , aaO., S. 63. Samson ist auch in der Art seiner Darstellung (dortselbst) beizupflichten, daß „selbst beim Fehlen eines ausdrücklich im Gesetz statuierten Urheberpersönlichkeitsrechts das Veröffentlichungsrecht, die Anerkennung der Urheberschaft und der Schutz gegen Entstellungen des W e r k e s durch die Anwendung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes begründet werden könnten und müßten". 1 8 ) Der Begriff der Individualität des W e r k e s hat sich in der letzten Zeit auf Grund der Lehre von Eugen U 1 m e r eingebürgert (siehe Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl., Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 105 ff.). 1 9 ) „Allein jenes Geisteswerk, das wesensmäßig nur von einer Person stammen kann, ist persönlich oder individuell im Sinne der urheberrechtlichen Bedeutung dieser Adjektive." (Alois T r o l l e r , Urheberrecht und Ontologie, in UFITA Bd. 50 [1967], S. 385 ff.)

Persönlidikeitsrechtliche T h e o r i e im sozialistischen Urheberrecht

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gebnis einer schöpferischen Leistung, wobei es sich um eine nicht nur subjektive, sondern bereits wesensmäßig um eine objektive Neuheit handelt20). So wie man die Persönlichkeit von der Gesellschaft nicht abstrahieren kann, kann aus der Sicht der sozialistischen persönlichkeitsrechtlichen Theorie auch das Werk als spezifischer Ausdruck der Persönlichkeit nicht von der Gesellschaft isoliert betrachtet werden. Wesensmerkmale eines Urheberwerkes sind daher nicht lediglich in dem Entstehungsakt des Werkes als eines Ausdrucks der Persönlichkeit, sondern gleichfalls auch in der objektiven Eignung seiner Wirkung in der Gesellschaft zu suchen. Ein Urheberwerk ist bereits wesensmäßig dazu bestimmt, von anderen Menschen sinnlich wahrgenommen zu werden. Nur unter der Bedingung, daß es in einer objektiven Form zum Ausdruck gebracht wurde, welche seine sinnliche Wahrnehmung durch Andere ermöglicht, wird ein Werk zum geeigneten Gegenstand von Rechtsbeziehungen. Zu den Wesensmerkmalen eines Urheberwerkes gehört auch, daß es um ein künstlerisches21) oder wissenschaftliches Werk geht. Audi dieses Merkmal ist nicht von der objektiven Eignung der Wirkung des Werkes in der Gesellschaft abgetrennt aufzufassen, da erst diese Wirkungseignung die Grundlage der rechtspolitischen Begründung des Urheberrechts bildet. Es ist daher auch die objektive Eignung des Werkes, im aufnehmenden Geist der das Werk wahrnehmenden Menschen die Vorstellung eines künstlerischen oder wissenschaftlichen Werkes hervorzurufen, in der das Kriterium zu suchen ist. Nicht ein subjektive Wertung durch einen einzelnen (sei es der Urheber selbst oder ein außenstehender Betrachter) soll entscheidend sein, sondern lediglich die objektive Eignung des Werkes die erwähnte Vorstellung des künstlerischen oder wissenschaftlichen Werkes (das imaginäre Bild im Kohlerschen Sinne) im aufnehmenden Geist der das Werk wahrnehmenden Menschen (wenn es auch nur ein beschränkter Umkreis von Menschen wäre) hervorzurufen22). Die Untrennbarkeit des Gebietes der Werkschöpfung von dem Gebiet der gesellschaftlichen Wirkung des Werkes kommt daher bereits in 20) Der ziemlich verbreiteten Ansicht, die einem Werk innewohnende Neuheit sei lediglich eine subjektive Neuheit, dies zum Unterschied von dem Erfinderrecht, wo eine objektive Neuheit eine der grundlegenden Schutzvoraussetzungen bildet (so z. B. H. D e s b o i s , Le Droit d'Auteur en France, Paris 1966, S. 5 ff.), kann nicht beigepflichtet werden. 21) Der Begriff „künstlerisch" wird hier im weiten Sinne des Wortes verwendet (einschließlich der literarisch-künstlerischen Werke). 22) K. K n a p , Künstlerisches und Wissenschaftliches Werk als Schutzobjekt des Urheberrechts, in Homo Creator, Festschrift für Alois Troller, Basel 1976, S. 132.

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Karel

Knap:

der Abgrenzung von Wesensmerkmalen des Urheberwerkes unmittelbar zum Ausdrude. Im Unterschied von den vermögensrechtlichen Theorien aller Prägungen wird ein Urheberwerk nach seinem objektiven Ausdruck nicht von der Persönlichkeit losgetrennt als ein Objekt von quasieigentumsrechtlichen Beziehungen, sondern in einer ständigen Verbindung mit der schöpferischen Manifestation der Persönlichkeit des Urhebers aufgefaßt28). b) O r i g i n ä r e s

Subjekt

des

Urheberrechts

Aus der Tatsache, daß das Werk ein Ausdruck der Persönlichkeit seines Schöpfers ist, folgt, daß ein originäres Urheberrecht nur in der Person desjenigen entstehen kann, dessen schöpferische Leistung zur Schöpfung des Werkes geführt hat. Dieses Subjekt kann immer nur eine physische Person sein, da nur bei einer physischen Person von einer Persönlichkeit die Rede sein kann und nur eine solche Person einer schöpferischen Leistung in dem erwähnten Sinne fähig ist. Die Folge dieser Tatsache ist insbesondere, daß eine juristische Person nie originäres Subjekt des Urheberrechts sein kann. Daher, sofern auch das positive Urheberrecht in einem bestimmten Falle das Urheberrecht zugunsten einer juristischen Person vorsehen sollte, wäre ein solches Recht nicht als ein originäres, sondern als ein vom Urheber abgeleitetes Recht (sog. cessio iuris) aufzufassen24). Neue Urheberrechtsgesetze sozialistischer Länder sehen von der Konstruktion eines Urheberrechts juristischer Personen völlig ab und ersetzen diese durch das Institut einer gesetzlichen Ermächtigung zur Rechtsausübung25) . Der oben erwähnte Grundsatz setzt sich im vollen Ausmaß auch bei den Werken durch, die in der Erfüllung von Aufgaben geschaffen wurden, die sich aus einer Arbeitsverpflichtung ergeben. Auch bei solchen Werken können die originären Urheberrechte nur in der Person des in Arbeitsverpflichtung schaffenden Urhebers entstehen; bei den Arbeitgebern können nur Werknutzungsrechte in Frage kommen. Diesem Grundsatz entspricht die gegenwärtige urheberrechtliche Gesetzgebung in allen sozialistischen Ländern26). 23 )

V g l . auch S a m s o n mit den in der Anm. 16 zitierten Ausführungen. So für das frühere UrhG der CSSR: S. L u b y , Autorske prävo, Bratislava 1962 S.138 ff.i K. K n a p , Autorske pravo, Praha 1960 S. 37 ff. Für das Urheberrecht der UdSSR: V . l . S e r e b r o v s k i j , Voprosy sovjetskoje avtorskogo prava, Moskva 1955, S. 91; I.Ja. Chejfec, Sovjetskoje grazdanskoje pravo, Moskva 1951, S. 340. 25 ) So z. B. § 4 Abs. 3 u. § 6 UrhG der CSSR, §§ 9 u. 10 Abs. 2 UrhG der DDR. 26 ) Art. 100 Abs. 2 der Grundsätze der Zivilgesetzgebung UdSSR, Art. 483 des ZGB RSFSRj § 17 UrhG CSSR; §20 UrhG DDR; § 14 UrhG Ungarns; Art. 16 UrhG Rumäniens; Art. 15 UrhG Bulgariens; § 12 UrhG Polens; Art. 20 bis 24 UrhG Jugoslawiens. 24 )

Persönlichkeitsrechtliche T h e o r i e im sozialistischen Urheberrecht

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Den vorausgehenden Ausführungen kann entnommen werden, daß für das Institut der Urheberschaft und für die mit diesem zusammenhängende Frage nach dem originären Subjekt des Urheberrechts der Wahrheitsgrundsatz gilt. Etwaige Fiktionen der Urheberschaft sind der persönlichkeitsrechtlichen Auffassung des Urheberrechts fremd. Das originäre Urheberrecht kann auf Grund keiner anderen Tatsache entstehen, als auf Grund des vom Urheber vorgenommenen Schöpfungsaktes. Insbesondere kann dieses Recht auch nicht auf Grund von Tatsachen entstehen, mit welchen das allgemeine Recht sonst einen originären Erwerb von Vermögensrechten verbindet. Dies gilt insbesondere für die Frage des Erwerbs des Urheberrechts durch Entscheidung eines Organes (Vermögenseinziehung, Zwangsvollstrekkung)27), sowie auch für die Frage der Entstehung eines originären Urheberrechts im Rahmen einer ehelichen Gütergemeinschaft28). c) W e s e n , I n h a l t Urheberrechts

und Ü b e r g a n g

des

subjektiven

Aus der Sicht der sozialistischen persönlichkeitsrechtlichen Theorie des Urheberrechts ist das subjektive Urheberrecht ein einheitliches Recht, in welchem die persönlichkeitsrechtliche Komponente, welche die Grundlage des Urheberrechts bildet, mit der vermögensrechtlichen Komponente untrennbar verbunden ist. Einzelne Rechte, die man als selbständige Urheberrechte zu bezeichnen pflegt, sind nicht als selbständige Rechte, sondern als einzelne, die Bestandteile des Inhalts eines einheitlichen Urheberrechts bildende Befugnisse zu betrachten. A n allen diesen Befugnissen beteiligt sich in einem verschiedlichen Ausmaß, zumindest potentionell, auch die vermögensrechtliche Komponente, deren Ausdrude von einer weiteren Rechtstatsache, die in der Übergabe des Werkes durch den Urheber zur gesellschaftlichen Nutzung besteht, abhängt. Jede Werknutzung greift jedoch in die Sphäre der Urheberpersönlichkeitsrechte ein29). Den Inhalt des subjektiven Urheberrechts bildet die ausschließ27 ) Vgl. K. K n a p , Die neue tsdiedioslowakisdie Urheberrechtsgesetzgebung, in UFITA Bd. 44 (1965) S. 318; d e r s . Smluvnl vztahy v autorskem prävu, Praha 1967 S. 97. 2e ) Mit der erwähnten Frage hat sich die Rechtslehre insbesondere in der UdSSR ( S e r e b r o v s k i j , G o r d o n , R e i c h e l c ) , in der CSSR ( K n a p , Luby) und in Ungarn ( N i z s a l o v s k y , P a l ä g y i ) eingehend beiaßt. In allen diesen Ländern hat sich auch die Rechtsprechung den Ausführungen der Rechtslehre angeschlossen. 28 ) Dies wird für Fälle von unerlaubten Werknutzungen ausdrücklich im § 10 UrhG Ungarns zum Ausdruck gebracht, eine solche Folgerung allgemeiner Art (auch für erlaubte Werknutzungen) kann jedoch auch anderen Urheberrechtsgesetzen sozialistischer Länder entnommen werden.

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Karel Knap:

liehe30) Möglichkeit des Urhebers sein Werk zum Zwecke der Geltendmachung seiner sowohl immateriellen als auch materiellen Interessen nach seinem eigenen Ermessen in den von der Rechtsordnung gesetzten Grenzen zu verwerten 31 ). Eine so breite Auffassung des Inhalts des subjektiven Urheberrechts ergibt sich eben bereits wesensmäßig aus der Tatsache, daß das Werk die Emanation der Persönlichkeit seines Schöpfers bildet. Dies führt zu dem Postulat an die Gesetzgebung, von der Methode der Aufzählung der Urheberbefugnisse abzusehen, da eine solche Methode nicht nur unvermeidlich zu äußerst schwierigen Problemen in der Rechtsanwendung führt (wie uns dafür insbesondere die Entstehung neuer Nutzungsarten zahlreiche Beweise bietet), sondern auch dem einheitlichen Charakter des Urheberrechts nicht gerecht ist. Dem erwähnten Postulat entspricht m. E. von den geltenden Urheberrechtsgesetzen sozialistischer Länder insbesondere das geltende Urheberrechtsgesetz der CSSR, das den Inhalt des Urheberrechts mittels drei Gesamtbegriffe festlegt: des Rechts auf den Schutz der Urheberschaft, des allgemeinen Verfügungsrechts und des Rechts auf Urheberhonorar 32 ). Bei dieser Festlegung wurde zunächst von einer dogmatischen Einteilung der Rechte in Persönlichkeitsrechte und Vermögensrechte völlig Abstand genommen, womit der oben dargelegte Charakter des subjektiven Urheberrechts vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht wurde. Der Gesamtbegriff des Rechts auf den Schutz der Urheberschaft umfaßt alle Befugnisse, die man als Urheberpersönlichkeitsrechte zu bezeichnen pflegt 33 ). Nicht nur das Verfügungsrecht, sondern auch das Recht auf Urheberhonorar weisen eine allgemeine Tragweite aus; eine Einschränkung erfahren sie lediglich durch die im Gesetze ausdrücklich festgelegte Ausnahmen. Eine besondere Aufmerksamkeit verdient dabei das gesetzlich ausdrücklich festgelegte allgemeine Recht auf Urheberhonorar 34 ). Dieses Recht, das dem Urheber für jede Benützung 30 ) Einen beachtungswerten Versudi, die Aussdiließlidikeit des Urheberredits von der persönlichkeitsrechtlichen Auffassung aus zu begründen, haben in der letzten Zeit B e n a r d und B o y t h a unternommen (aaO., S. 70 ff.). 31 ) Siehe insbesondere S e r e b r o v s k i j , aaO. S. 27 und L u b y , aaO., S. 40. 32 ) § 12 Abs. 1 lit. a), b), c), UrhG Nr. 35/1965 Slg. 33 ) Als solche Rechte werden in der Gesetzgebung, Rechtslehre und Rechtsprechung sozialistischer Länder insbesondere das Recht auf die Anerkennung der Urheberschaft, das Redit auf die Namensnennung, das Veröffentlichungsrecht und das Recht auf Unversehrtheit des Werkes anerkannt. In der Reditslehre der CSSR wird auch das Recht auf Zugang zu Werkstücken als begründet angesehen ( K n a p , L u b y ) . Ein Rüdcrufsrecht wegen gewandelter Uberzeugung (droit de repentir) wurde bisher nur in der ungarischen Rechtslehre (Benard/Boytha, aaO., S. 78) und Gesetzgebung (§11 UrhG) ausdrücklich anerkannt. 34 ) Außer im UrhG der CSSR wurde dieses Recht auch in der urheberrechtlichen Gesetzgebung der UdSSR verankert (Art. 98 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung der UdSSR, Art. 499 ZBG RSFSR, siehe in UFITA Bd. 37 (1962) S. 300 ff. und Bd. 43 [1964] S. 122 ff.).

Persönlichkeitsrechtliche Theorie im sozialistischen Urheberrecht

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seines Werkes zusteht, dies ohne Unterschied, ob die Werknutzung berechtigterweise oder rechtswidrig erfolgt hat (in dem an letzter Stelle angeführten Falle selbstverständlich neben den üblichen Ansprüchen aus unerlaubter Handlung), gewährleistet dem Urheber, daß er an jeder Nutzung seines Werkes in der Gesellschaft materiell beteiligt sein wird35). Eine dem System entsprechende Ergänzung dieses Rechtes bildet in dem Recht der CSSR das allgemeine Folgerecht (droit de suite) 36 ). Das gegenseitige Verhältnis der persönlichkeitsrechtlichen und der vermögensrechtlichen Komponente ist bei einzelnen, den Inhalt des subjektiven Urheberrechts bildenden Befugnisse verschieden. Damit erscheint die Schlußfolgerung begründet, daß der ganze Inhalt des subjektiven Urheberrechts eine kontinuierliche Reihe bildet, die mit Befugnissen anfängt, die lediglich einen potentiellen Vermögensreflex besitzen (sog. Urheberpersönlichkeitsrechte), über die Befugnisse weiter geht, bei welchen beide Komponenten im Grunde genommen im Gleichgewicht stehen (Verfügungsrecht) und mit Befugnissen endet, bei welchen die vermögensrechtliche Komponente so zum Vorschein tritt, daß die persönlichkeitsrechtliche Grundlage fast unkennbar bleibt (das Recht auf Urheberhonorar und das mit diesem zusammenhängende Folgerecht). Das gegenseitige Verhältnis der persönlichkeitsrechtlichen und der vermögensrechtlichen Komponente ändert sich jedoch nicht nur nach den einzelnen Befugnissen, sondern auch im Laufe der Zeit. Somit transformiert sich allmählich der ganze Inhalt des subjektiven Urheberrechts. Das subjektive Urheberrecht ist daher nicht statisch, sondern dynamisch aufzufassen. Die grundlegenden Marksteine in diesem Transformierungsprozeß bilden drei Rechtstatsachen: die Veröffentlichung des Werkes, das Ableben des Urhebers und der Ablauf der sog. Schutzdauer des Werkes 37 ). aa) Durch die Realisierung der Entscheidung des Urhebers über die Veröffentlichung seines Werkes (berechtigte Veröffentlichung) wird das zu den sog. Urheberpersönlichkeitsrechten gehörende Veröffentlichungsrecht des Urhebers verbraucht. Das hat für den Inhalt 3 5 ) Die Feststellung eines allgemeinen Rechts auf Urheberhonorar schließt völlig die Möglichkeit von Situationen aus, wo man feststellen müßte, daß „die Vergütungsansprüche gewissermaßen in der Luft schweben (vgl. Heinrich H u b m a n n , Urheber* und Verlagsrecht, 2. Aufl., München 1966, § 4 0 1 ; Samson, aaO., S. 132 ff.).

3») § 31 UrhG Nr. 35/1965 Slg. ) Diese Gedanken, die ich bereits auch in meinen früheren Schriften (zuletzt in der oben schon zitierten Studie „Socialistickä osobnostnepravni teorie autorskeho präva") zum Ausdruck gebracht habe, stimmen mit den Ausführungen in der zitierten Studie von B e n a r d / B o y t h a weitgehend überein. 37

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Karel Knap:

des subjektiven Urheberrechts eine grundlegende Bedeutung, da damit zum ersten Mal eine wesentliche Schwächung der persönlichkeits-rechtlichen und eine Stärkung der vermögensrechtlichen Komponente dieses Rechts erfolgt. Durch seine Veröffentlichung wird das Werk für die Wahrnehmung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, es wird dem Bereich der gesellschaftlichen Nutzung übergeben um einen Bestandteil des Fonds der Kultur zu bilden. Diese Folgen können auf keine Weise mehr aus der Welt weggeschafft werden. Ihren unmittelbaren Ausdruck bildet die Entstehung eines begründeten Interesses der Gesellschaft an der Nutzung des Werkes, dessen Befriedigung für bestimmte Fälle das Urheberrecht durch die Bildung der Institute der freien Werknutzung und der gesetzlichen und Zwangslizenzen, die durch die Veröffentlichung bedingt sind, unmittelbar gewährleistet. bb) Eine weitere, eine bedeutende Änderung im Inhalt des subjektiven Urheberrechts herbeiführende Tatsache bildet das Ableben des Urhebers. Mit dem Tode des Urhebers geht das subjektive Urheberrecht auf die Erben und zwar als ein Ganzes über 38 ). Wenn auch das Urheberrecht infolge seines einheitlichen Charakters auf die Erben als ein Ganzes übergeht, wird dabei sein Inhalt in einer bedeutenden Richtung transformiert. Diese Transformierung wird im geltenden UrhG der CSSR (§ 29 Abs. 1 zweiter Satz) in der Weise zum Ausdruck gebracht, daß die Bestimmungen des genannten Gesetzes über den Urheber nur insoweit auf Erben Anwendung finden können „als sich aus deren Natur nicht Anders ergibt". Bereits aus dem Wesen des Urheberrechts folgt, daß sich auf die Erben eben nicht diejenigen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes beziehen können, welche die in den Inhalt des Urheberrechts gehörenden Befugnisse des Urhebers in untrennbarer Verbindung mit der schöpferischen Leistung des Urhebers festlegen; solche persönlichkeitsrechtliche Befugnisse erlöschen bereits mit dem Tode des Urhebers, womit im Inhalt des subjektiven Urheberrechts eine weitere wesentliche Abschwächung der persönlichkeitsrechtlichen und Verstärkung der vermögensrechtlichen Komponente eintritt. Die erwähnte Transformierung betrifft insbesondere das Recht des Urhebers Bearbeitungen seines Werkes vorzunehmen. Dieses Recht bildet nicht ®8) Dies ist die Auffassung aller neuen Urheberrechtsgesetze sozialistisdier Länder (vgl. § 29 Abs. 1 UrhG der CSSR). Im Gegensatz dazu hat das früher geltende UrhG der CSSR (Ges. Nr. 115/1953, § 25 Abs. 1), das auf dem Grundsatz der Teilung des subjektiven Urheberrechts in Urheberpersönlichkeits- und Vermögensrechte aufgebaut war, bestimmt, daß auf die Erben lediglich die Vermögensrechte übergehen, während die Urheberpersönlichkeitsrechte mit dem Tode des Urhebers erloschen und für die im Gesetze genannten Subjekte neu entstanden.

Persönlichkeitsrechtliche Theorie im sozialistischen Urheberrecht

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Gegenstand des Übergangs auf den Erben, da es sicii bereits aus seiner Natur ergibt, daß es mit der Person des Urhebers untrennbar verbunden ist. Als Rechtsnachfolger des Urhebers ist der Erbe wohl befugt Einwilligungen zu Bearbeitungen des Werkes zu erteilen, nimmt er jedoch eine Bearbeitung selbst vor, geht es nicht mehr um die Ausübung des im Erbswege erworbenen Urheberrechts des Nachlassers, sondern um eine neue, originelle Urheberleistung, welche für ihn die Entstehung eines neuen, originären Urheberrechts an der Bearbeitung begründet. cc) Eine Tatsache, die in der erwähnten Hinsicht die größte Bedeutung hat, ist ohne Zweifel der Ablauf der Schutzdauer des Urheberrechts 39 ). Mit dem Ablauf der Schutzdauer erlöscht das Urheberrecht völlig in dem Teil seines Inhalts, der sich auf das Verfügungsrecht sowie auch auf das Recht auf Urheberhonorar bezieht. Die Angemessenheit der Schutzdauer ist im Rahmen der rechtspolitischen Gründe des Schutzes aus der Sicht der Funktion des Urheberrechts zu bestimmen. Mit dem Erlöschen der erwähnten Befugnisse erlöschen unvermeidlich auch einige Befugnisse persönlichkeitsrechtlicher Natur, die mit diesen unmittelbar verbunden sind (z. B. die Befugnis über die Veröffentlichung eines unveröffentlichten Werkes zu entscheiden). Hingegen erscheint es im Widerspruch mit der persönlichkeitsrechtlichen Grundlage des Urheberrechts zu sein, daß mit Ablauf der sog. Schutzdauer das Urheberrecht auch in dem Teil seines persönlichkeitsrechtlichen Inhalts erlöschen sollte, der mit dem Werk so verbunden ist, daß seine Verletzung unvermeidlich zum Untergang oder zu einer wesentlichen Deformierung des Werkes oder zu seinem Losreißen von der Person des Urhebers und somit auch zu einem Eingriff in den Fonds der Kultur führen müßte. Das Erlöschen des Inhalts des subjektiven Urheberrechts, das mit dem Ablauf der Schutzdauer eintritt, soll sich daher im vollen Umfang auf die vermögensrechtliche Komponente beziehen, auf die persönlichkeitsrechtliche jedoch nur zu einem Teil, wenn auch nicht einmal dieser Teil unbedeutend ist. Im geltenden Urheberrecht der CSSR kommt diese Auffassung in einer Bestimmung zum Ausdruck, wonach ein freies Werk nur mit Anführung des Urhebers und nur auf eine Weise benützt werden darf, die seinem Wert entspricht, wobei um die Einhaltung dieser Bedingungen die Urheberverbände und die Urheberschutzorganisationen Sorge zu tragen haben (§ 35, Abs. 2, zweiter und dritter Satz UrhG). 39 ) Dem Ablauf der Sdiutzdauer werden audi Fälle gleichgestellt, in welchen der Urheberschutz aus anderen Gründen aufhört, z. B. wenn kein Subjekt des Urheberrechts mehr vorhanden ist.

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Karel Knap:

Es ist daher unrichtig von einer Ewigkeit oder zeitlichen Unbegrenzung der Urheberpersönlichkeitsrechte zu sprechen. Wenn auch das UrhG der CSSR bestimmt, daß die Urheberpersönlichkeitsrechte zeitlich unbegrenzt sind (§ 33 Abs. 7), ist diese Bestimmung nur in der unmittelbaren Verbindung mit den bereits erwähnten weiteren Bestimmungen zu verstehen. In dem Umfang jedoch, in welchem die angeführten Pflichten der Benutzer weiter bestehen bleiben, geht es um ein Residuum des persönlichkeitsrechtlichen Inhalts des subjektiven Urheberrechts, das unmittelbar in der schöpferischen Natur des Werkes und seiner unlösbaren Verknüpfung mit der Person des Urhebers wurzelt. Es erscheint m. E. nicht angebracht in diesem Schutz lediglich einen neuen, vom Urheberrecht verschiedentlichen Schutz verwaltungsrechtlichen Charakters 39 ") zu sehen. Zu der Begründung solcher Auffassung genügt nicht allein der Hinweis darauf, daß dieser Schutz im wichtigen ganzgesellschaftlichen kulturellen Interesse liegt und daß für diesen Schutz die kulturellen Organisationen zu sorgen haben. Es kann nicht bestritten werden, daß die Gewährung von Urheberpersönlichkeitsrechten nicht nur den persönlichen Interessen des Urhebers, sondern gleichfalls auch den kulturellen Interessen der Gesellschaft zu dienen hat. Trotzdem werden diese Rechte nicht nur von dem Urheber, sondern auch von seinen Erben ausgeübt (die oft viel weniger geeignet sind nicht nur um die kulturellen Interessen der Gesellschaft, sondern auch um die ideellen Interessen des Urhebers zu sorgen, als die kulturellen Organisationen). Es kann daher an der Natur der Rechte nichts ändern, wenn diese nach Ablauf der Schutzdauer allein von den kulturellen Organisationen ausgeübt werden 40 ). Es könnte die Frage gestellt werden, warum hier auf den Charakter des erwähnten Schutzes so viel Wert gelegt wird, wenn über seinen Inhalt Einigkeit besteht. Die Antwort darauf ist einfach. Auch dieser Schutz hat sich nach den Grundsätzen des Zivilrechts zu richten. Der Verwaltungsweg eignet sich grundsätzlich nicht zur Durch39 *) In der Reditslehre der BRD wird dafür die Bezeichnung „Denkmalschutz" gepflegt (Eugen ü l m e i , aaO. S. 280, Adolf D i e t z , Das Droit moral des Urhebers im neuen französischen und deutschen Urheberrecht, München 1968, S. 191 ff.). 40 ) Auch in den sozialistischen Ländern sind die Meinungen in dieser Frage geteilt. Während die Rechtslehre in der CSSR die oben dargelegte Auffassung vertritt, wird der verwaltungsrechtliche Charakter des sog. gesellschaftlichen Schutzes von der Rechtslehre der DDR ( P ü s c h e 1 u. a., Urheberrecht der DDR, S. 216 ff.), die sich auf § 34 des UrhG der DDR stützt, vertreten. Dieser Auffassung scheint sich auch die Rechtslehre Ungarns (Benard/Boytha, Socialist Copyright Law, S. 90) zu nähern, obwohl im ungarischen UrhG (§ 12 Abs. 3, dessen Inhalt dem des § 35 Abs. 2 des UrhG der CSSR weitgehend ähnlich ist) ausdrücklich von dem Schutz der „der Person des Urhebers anhaftenden Rechte" die Rede ist, was eher die an erster Stelle erwähnte Auffassung begründen würde.

Persönlichkeitsrechtliche Theorie im sozialistischen Urheberrecht

115

Setzung des Schutzes, der im Urheberrecht verankert ist. Der urheberrechtliche Schutz bildet ein abgeschlossenes, auf persönlichkeitsrechtlicher Grundlage aufgebautes System, das auch den die Schutzdauer überbleibenden Schutz einschließt. Auch für die Durchsetzung dieses Schutzes bietet ein kontradiktorisches Gerichtsverfahren die verläßlichste Gewähr. d) N u t z u n g

der

Werke

in d e r

Gesellschaft

Die sozialistische persönlichkeitsrechtliche Theorie des Urheberrechts, die in den Bedingungen des sozialistischen Gesellschaftssystems wurzelt, geht von der Erkenntnis aus, daß das Urheberrecht, um seine soziale Funktion zu erfüllen, den Gesamtkomplex der Gesellschaftlichen Beziehungen zu regeln hat, die aus beiden grundlegenden Rechtstatsachen, d. i. aus der Schöpfung des Werkes und aus seiner Nutzung in der Gesellschaft entstehen. Die Beziehungen beider Kategorien sind in ihrer Einheit aufzufassen, wobei die Regelung von den berechtigten Interessen nicht nur der Urheber, sondern auch der Werknutzer und von den gesamtgesellschaftlichen Interessen an der Entfaltung der Gesellschaft auszugehen hat, deren grundsätzliche Übereinstimmung bereits durch die Grundbedingungen des sozialistischen Gesellschaftssystems gewährleistet sein soll. Diese Regelung macht sich insbesondere auf dem Gebiet der Nutzung der Werke in der Gesellschaft geltend. Den Ausgangspunkt der erwähnten Regelung soll der aus der persönlichkeitsrechtlichen Natur des Werkes abgeleitete Grundsatz bilden, daß der Urheber zwecks Sicherstellung seiner sowohl immateriellen als auch materiellen Interessen über die gesellschaftliche Nutzung seines Werkes, in welchem eine Emanation seiner Persönlichkeit zu sehen ist, grundsätzlich ausschließlich zu entscheiden und für jede Nutzung eine angemessene Vergütung zu beanspruchen hat. Daraus ergibt sich, daß die Grundlage der gesellschaftlichen Nutzung des Werkes in der Regel in dem Urhebervertragsrecht zu suchen ist. Dabei ist jedoch der oben erwähnten Auffassung des einheitlichen, in der persönlichkeitsrechtlichen Grundlage wurzelnden subjektiven Urheberrechts zu entnehmen, daß das Urheberrecht weder im Ganzen, noch in seinen Teilen übertragbar ist. Das einzige Rechtsgeschäft, das dieser Auffassung gerecht sein kann, ist daher die sog. konstitutive Übertragung, mittels welcher der Urheber seine Einwilligung zur Werknutzung erteilt, d. i. im Rahmen und kraft seines Rechts für den Werknutzer ein Werknutzungsrecht begründet. Rechtstheoretisch genommen kann in einem solchen Vertrag ein Lizenzvertrag

116

Karel Knap:

im breiten Sinne des Wortes gesehen werden 41 ). In konsequenter Ausführung des Grundsatzes der Nichtübertragbarkeit des Urheberrechts darf auch das dem Werknutzer vom Urheber gewährte Werknutzungsrecht ohne eine besondere Einwilligung des Urhebers nicht weiteriibertragen werden42). Zur Sicherstellung der mit diesem Grundsatz verfolgten Ziele dienen auch die Bestimmungen der Urheberrechtsgesetze (sog. Schutzklauseln), wonach die dem Urheber auf Grund des Gesetzes fließenden Befugnisse nicht einmal im Vertragswege ausgeschlossen oder gekürzt werden dürfen43). Außer auf die Einwilligung des Urhebers kann sich eine berechtigte Werknutzung auch auf gesetzlich vorgesehene freie Werknutzungen, gesetzliche und Zwangslizenzen gründen. Diese außervertraglichen Rechtsinstituten sollen die Befriedigung des gesellschaftlichen Interesses in den Fällen gewährleisten, für welche sich ein Vertragsweg nicht eignet oder ungenügend erscheint. Bei der Herausbildung solcher Institute ist jedoch sorgfältigst darauf zu achten, daß dadurch die Funktion des Urheberrechts, welche die Erhaltung der Integrität seiner persönlichkeitsrechtlichen Grundlage voraussetzt, nicht gefährdet wird. Diesbezüglich sind drei Grundbedingungen zu stellen. Als eine Ausnahme aus dem ausschließlichen subjektiven Urheberrecht kann die Herausbildung eines solchen außervertraglichen Rechtsinstituts zunächst nur unter der Bedingung gerechtfertigt erscheinen, daß an der Werknutzung ein wichtiges gesellschaftliches Interesse besteht, das im Vertragswege nicht befriedigt werden kann oder für dessen Befriedigung sich der Vertrag sonst nicht eignet. Von dem gesellschaftlichen Bedürfnis an einer Werknutzung aus gesehen kann wohl die Gewährung einer Zwangslizenz schon dadurch als gerechtfertigt betrachtet werden, daß das Subjekt des Urheberrechts seine Einwilligung zur Werknutzung ohne triftige Gründe verweigert 44 ). 41 ) Siehe K. K n a p , Lizenzvertrag als ein besonderer Vertragstypus, in Festschrift für Eugen Ulmer, GRUR Int. 6-7/1973 S. 225 ff. 42 ) So ausdrücklich § 19 Abs. 2 UrhG der CSSR und § 28 Abs. 2 UrhG Ungarns, teilweise auch § 44 Abs. 1 UrhG der DDR. 43 ) So ausdrücklich § 14 Abs. 3 UrhG der CSSR, § 26 Abs. 2 UrhG Ungarns, Art. 101 Abs. 3 der Grundlagen der Zivilgesetzgebung der UdSSR Art. 506 Abs. 2 ZGB RSFSR. 44 ) Die Frage der Herausbildung einer solchen allgemeinen Zwangslizenz hat in der sozialistischen Rechtslehre und Praxis heftige Diskussionen ausgelöst. Die CSSR hat eine solche Zwangslizenz bereits mit dem früher geltenden UrhG Nr. 115/1953 für veröffentlichte Werke tschechoslowakischer Staatsbürger eingeführt und in das geltende UrhG (§ 18 Abs. 1) übernommen. Eine ähnliche Zwangslizenz wurde auch im UrhG Ungarns eingeführt (§ 24 Abs. 1), im Unterschied von dem tschechoslowakischen Recht bezieht sich jedoch diese nur auf den Nachfolger des Urhebers, nicht auf den Urheber selbst. Die Gesetzgebung der DDR hat von der Einführung einer soldien Zwangslizenz abgesehen.

P e r s ö n l i c h k e i t s r e d i t l i c h e T h e o r i e im sozialistischen U r h e b e r r e c h t

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Die zweite Grundbedingung ist, daß auch im Falle der Benutzung des Werkes auf Grund der erwähnten außervertraglichen Rechtsinstitute die Urheberpersönlichkeitsrechte restlos zu achten sind. Dies bedeutet nicht nur, daß alle solche Rechtsinstitute lediglich, für bereits veröffentlichte Werke in Frage kommen können (was für selbstverständlich zu halten ist), sondern daß auch die Einhaltung sonstiger Urheberpersönlichkeitsrechte gefordert werden muß45). Auch ist bei der Herausbildung solcher Institute darauf zu achten, daß die Entscheidung über die Einhaltung der Bedingungen den Gerichten zugunsten eines Verwaltungsweges nicht entzogen wird46). Schließlich soll auch bei Werknutzungen, die auf Grund von außervertraglichen Rechtsinstituten erfolgen auch das Vergütungsrecht des Urhebers grundsätzlich aufrecht erhalten bleiben. Es ist im internationalen Ausmaß gewissermaßen zur Gewohnheit geworden die Unentgeltlichkeit einer Werknutzung nur mit der Begründung zu fordern, daß die Werknutzung im öffentlichen Interesse liegt. Dies kann wohl die Einführung einer Lizenz, jedoch nicht die Unentgeltlichkeit der Werknutzung gerechtfertigen. Die Befriedigung eines gesellschaftlichen Bedürfnisses hat nicht allein zu Lasten des Urhebers zu erfolgen. Soll die gesellschaftliche Funktion des Urheberrechts nicht ernsthaft gefährdet werden, so ist die Unentgeltlichkeit der Werknutzung auf Fälle zu beschränken, welche die normale Verwertung des Werkes nicht beeinträchtigen können47). Sofern die Zahlung einer Urhebervergütung durch den Werknutzer an den Urheber direkt aus welchen Gründen auch immer ungeeignet erscheint sind dafür andere Wege, gegebenenfalls unter Zugreifen auf ganzgesellschaftliche Fonds zu suchen (u. a. wäre auch die Möglichkeit der Ausbreitung des für die sog. kleinen Rechte herausgebildeten Regimes zu prüfen)48). Es liegt außer Zweifel daß in der sozialistischen Gesellschaft die erfolgte Sozialisierung der Wirtschaft, die Bildung von Kulturfonds und die ganzgesellschaftliche Planung die 45 ) Hierzu gehört auch die Stellungnahme der Rechtslehre in der CSSR (Loby, K n a p ), wonach in Bezug auf die erwähnte Zwangslizenz ein triftiger Grund zur Verweigerung der Einwilligung zur Werknutzung bereits dann vorliegt, wenn die Verweigerung in Ausübung eines Urheberpersönlichkeitsrechts erfolgt. 46 ) Die Begründung siehe oben unter c). In dieser Hinsicht scheint mir das ungarische UrhG konsequent zu sein, das die Gewährung der in Anm. 44 erwähnten Zwangslizenz, die nur auf den Rechtsnachfolger des Urhebers beschränkt ist (so daß das droit de repentir des Urhebers nicht berührt wird), durch das Gericht vorsieht (nach dem UrhG der CSSR wird diese vom Minister für Kultur gewährt). 47 ) Siehe dazu auch den im Art. 9 Abs. 2 RBU in Stockholmer und Pariser Fassung enthaltenen Grundsatz und Art. IVbis Abs. 2 W U A in Pariser Fassung. 48 ) Es geht dabei nicht nur um die Interessen der Urheber, sondern oft auch um die materiellen Interessen der Verleger u. a., w i e es die neue Entwicklung auf dem Gebiet der Technik beweist.

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Lösung solcher Fragen wesentlich erleichtern kann, auch hier genügen jedoch nicht die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten allein. IV. SdiluBwort Die dargelegte Auffassung wurde als eine sozialistische persönlichkeitsrechtliche Auffassung des Urheberrechts bezeichnet, da sie spezifische Züge aufweist, die an die sozialistischen Gesellschaftsbedingungen anknüpfen. In den diesbezüglichen Bestrebungen der sozialistischen Rechtslehre möge ein Beitrag zur Lösung allgemeiner Probleme des Urheberrechts gesehen werden. Die persönlichkeitsrechtliche Grundlage des Urheberrechts an sich wurzelt jedoch nicht in den Bedingungen eines bestimmten Gesellschaftssystems, sondern bereits in dem Wesen des Urheberwerkes. Das Werk ist international bezogen. Es ist nicht nur ein Paradox, sondern eine dringende Gefahr, daß Hand in Hand mit der schnell fortschreitenden Entfaltung von Massenmedien und sonstigen technischen Mitteln der Verbreitung der Werke in der ganzen Welt und mit der sich daraus in einem früher nie geahnten Ausmaß ergebenden ständigen Erweiterung ihres Wirkungskreises die Funktionsfähigkeit des Urheberrechts ständig abnimmt. In Anbetracht der grundlegenden Bedeutung der persönlichkeitsrechtlichen Wurzel für die Funktionsfähigkeit des Urheberrechts ist es zu einem allgemeinen, dringenden Anliegen geworden sich tiefer als je vorher mit der persönlichkeitsrechtlichen Grundlage des Urheberrechts zu befassen, wenn man nicht die Zeit erleben will, wo „weder Urheber die der Mühe wert wären gelesen zu werden, noch Werke verbleiben werden, die der Mühe wert wären vervielfältigt zu werden49).

Resümee Die Aufgabe der Bemühungen um die Erforschung der rechtstheoretischen Grundlagen des Urheberrechts ist, zur Herausbildung eines Systems des positiven Urheberrechts beizutragen, das geeignet wäre die bestmögliche Erfüllung seiner Funktion zu gewährleisten. Die Grundlagen der theoretischen Auffassungen sind objektiv gegeben und sind im Wesen der Rechtsobjekte und in den gesellschaftlichökonomischen Bedingungen zu suchen. 49 ) Barbara E i n g e r , Le droit d'auteur et l'avenir de la création intellectuelle, in DdA 6/1976 S. 158 ff.

Persönlichkeitsrechtliche Theorie im sozialistischen Urheberrecht

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Aus ontologischer Sicht gesehen sind zwei Wesenszüge des Werkes von ausschlaggebender Bedeutung: sein Persönlichkeitscharakter (Werk als Emenation der Persönlichkeit seines Urhebers) auf den sich das zwischen dem Urheber und seinem Werk entstehende persönliche Band gründet, und seine gesellschaftliche Bestimmung (Werk als gesellschaftliches Phänomen). Die Tatsache, daß sich die eine Werknutzung in der Gesellschaft betreffenden Rechtsbeziehungen in den gesellschaftlich-ökonomischen Bedingungen eines Gesellschaftssystems zu gestalten haben, zeigen die Bedeutung dieser Bedingungen für die Herausbildung der theoretischen Auffassungen des Urheberrechts. Die Funktion des Urheberrechts kann in der mittels eines Systems der Rechtsinstituten realisierten Stimulierung der Schöpfung und gesellschaftlichen Nutzung von Werken gesehen werden. Das sozialistische Gesellschaftssystem schafft sowohl für die Schöpfung der Werke als auch für ihre gesellschaftliche Nutzung einige spezifische Bedingungen. Die sozialistische persönlichkeitsrechtliche Theorie des Urheberrechts, die sich im Prozesse der Entfaltung des sozialistischen Gesellschaftssystems allmählich herausgebildet hat, gründet sich auf die einem entwickelten Sozialismus eigene Auffassung der Persönlichkeit und ihrer Beziehung zu der Gesellschaft. Das Werk ist als Ergebnis einer schöpferischen Leistung des Urhebers nicht nur mit der Persönlichkeit seines Schöpfers, sondern gleichfalls auch mit der Gesellschaft untrennbar verbunden. Die Gebiete der Werkschöpfung und der gesellschaftlichen Werknutzung werden als ein Ganzes betrachtet. So wie man die Persönlichkeit von der Gesellschaft nicht abstrahieren kann, kann auch das Werk als spezifischer Ausdruck der Persönlichkeit nicht von der Gesellschaft isoliert betrachtet werden. Wesensmerkmale eines Urheberwerkes sind daher nicht nur in dem Entstehungsakt des Werkes als eines Ausdrucks der Persönlichkeit, sondern gleichfalls auch in d e r objektiven Eignung seiner Wirkung in der Gesellschaft zu suchen. Das Kriterium eines künstlerischen oder wissenschaftlichen Werkes ist in der objektiven Eignung des Werkes zu sehen, im aufnehmenden Geist der das Werk wahrnehmenden Menschen die Vorstellung eines künstlerischen oder wissenschaftlichen Werkes hervorzurufen. Aus der persönlichkeitsrechtlidien Grundlage des Werkes folgt, daß ein originäres Urheberrecht lediglich in der Person seines Schöpfers entstehen kann. Die Vorstellung eines originären Urheberrechts anderer Rechtssubjekte sowie auch etwaige Fiktionen des originären Urheberrechts sind mit dieser Auffassung unvereinbar.

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Das subjektive Urheberrecht wird als ein einheitliches Recht aufgefaßt, dessen Wesensgrundlage persönlichkeitsrechtlicher Natur ist, in den einzelnen den Inhalt dieses Rechts bildenden Befugnissen kommt jedoch in einem verschiedlichen Ausmaß auch eine vermögensrechtliche Komponente zum Ausdruck. Das gegenseitige Verhältnis der persönlichkeitsrechtlichen und der vermögensrechtlichen Komponente im subjektiven Urheberrecht ändert sich auch im Laufe der Zeit, womit sich allmählich der ganze Inhalt dieses Rechts transformiert (eine dynamische Auffassung des subjektiven Urheberrechts). Die grundlegenden Marksteine in diesem Transformierungsprozeß bilden die Veröffentlichung des Werkes, das Ableben des Urhebers und der Ablauf der Schutzdauer des Werkes. Auch nach Ablauf der Schutzdauer bleibt der Überrest des persönlichen Bandes zwischen dem Urheber und seinem Werk weiter bestehen, der ein Residium des persönlichkeitsrechtlichen Inhalts des subjektiven Urheberrechts bildet. In dem diesbezüglichen Schutz ist daher ein Schutz urheberrechtlicher (d. i. zivilrechtlidier), nicht verwaltungsrechtlicher Natur zu sehen. In der persönlichkeitsrechtlichen Substanz des Werkes erscheint auch das ausschließliche Recht des Urhebers begründet, über die gesellschaftliche Nutzung eines Werkes zwecks Sicherstellung seiner sowohl immateriellen als auch materiellen Interessen zu entscheiden und für jede Nutzung in der Gesellschaft eine Vergütung zu beanspruchen. Die Grundlage der gesellschaftlichen Nutzung des Werkes hat in der Regel das Urhebervertragsrecht zu bilden, wobei — da das Urheberrecht in Bezug auf seine persönlichkeitsrechtliche Grundlage weder im Ganzen, noch in seinen Teilen übertragbar ist — dieser Auffassung lediglich die sog. konstitutive Übertragung gerecht erscheint. Sofern außervertragliche Rechtsinstitute vorzusehen sind, müssen dabei — falls die Funktionsfähigkeit des Urheberrechts nicht gefährdet werden soll — nicht nur die Urheberpersönlichkeitsrechte, sondern grundsätzlich auch das Urhebervergütungsrecht geachtet werden. In Anbetracht der mit der Entfaltung der Technik der Werkverbreitung ständig sinkenden Funktionsfähigkeit des Urheberrechts, für welche die persönlichkeitsrechtliche Wurzel des Urheberrechts von grundlegender Bedeutung ist, erscheint die Forderung, die Rechtslehre möge sich tiefer als je vorher mit der persönlichkeitsrechtlichen Grundlage des Urheberrechts befassen, restlos gerechtfertigt.

Persônlichkeitsrechtliciie Theorie im sozialistisdien Urheberreciit

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Résumé L'œuvre a, en tant qu'objet de la protection par le droit d'auteur, deux caractères qui lui sont propres: son caractère personnel (œuvre comme émanation de la personnalité de son auteur) et le fait qu'elle soit destinée à la société (œuvre comme phénomène social). Le système de société socialiste crée, aussi bien pour la réalisation de l'œuvre que pour son utilisation sociale un certain nombre de conditions spécifiques. Il résulte du iondement d'ordre personnel de l'œuvre qu'un droit d'auteur originaire ne peut naître que dans la personne du créateur. Le droit d'auteur subjectif est considéré comme un droit homogène dont l'essence est d'ordre personnel, cependant qu'une composante d'ordre patrimonial vient aussi à s'exprimer dans une mesure variable dans les attributs particuliers qui le constituent. Pour le droit d'auteur subjectif, la publication de l'œuvre, la mort de l'auteur et l'arrivée à son terme du délai de protection constituent les jalons du changement des rapports réciproques entre composantes d'ordre personnel et d'ordre patrimonial. Après l'écoulement du délai de protection, un reste de lien personnel entre l'auteur et son œuvre subsiste. La protection de ce reste se place sur le terrain de mesures de droit civil et non par exemple de droit administratif. Fr. U.

Summary A work of art as the subject of copyright protection possesses two characteristics, its personal character (the work as an emanation of the author's personality) and its social goal (the work as a social phenomenon). social order creates some specific conditions for The socialistic the creation of work as well as for their social exploitation. It ensues from the legal acceptance of the personal character of a work that an original copyright can only originate in the person of the author. The individual copyright is regarded as a uniform right, the basis of which is of a personal nature, with inherent powers of varying degrees but nevertheless possessing property right characteristics. Landmarks in the change of the mutual relationship between the two components of an individual copyright, the right in the work as an emanation of the author's personality on the one side and the

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Knap: Persönlidikeitsreditliche Theorie im sozialistischen UR

property right on the other, are the publication oi the work, the death of the author and the expiration of the period of protection. But even after the expiration of the period of protection a portion of the personal connection between the author and his work remains. The protectability of this remainder is a matter of civil rather than administrativ law. v. W .

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Das Recht des Urhebers zur Abwehr von Importen und das Europäische Recht Von Professor Dr. Robert Knöpfle, Regensburg*) I. Allgemeines Die einzelstaatlichen Vorschriften für das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte — was nachfolgend zu dem ersten gesagt wird, gilt auch für die zweiten — sind in der EWG noch nicht vereinheitlicht. Aus der Begrenzung des Schutzbereichs des Urheberrechts auf den Einzelstaat 1 ) (Territorialitätsprinzip) und aus den Unterschieden zwischen den einschlägigen einzelstaatlichen Regelungen können sich Hindernisse für den freien Warenverkehr und den freien Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes ergeben. Ferner können Urheberrechte marktbeherrschende Stellungen begründen und zum Gegenstand, Mittel oder Zweck von Kartellabsprachen gemacht werden. Hieraus ergeben sich u. a. dann Probleme, wenn auf Grund des Urheberrechts Importe aus anderen Mitgliedstaaten der EWG abgewehrt oder Verkäufe aus einem solchen Staat importierter Waren verhindert werden sollen; im folgenden wird darauf verzichtet, den zweiten Fall jeweils gesondert anzuführen. Diese Probleme 2 ) sollen nachfolgend erörtert werden. Vorweg sei bemerkt, daß sich die bezeichneten Probleme nur stellen, wenn es das nationale Urheberrecht erlaubt, den Import abzuwehren. Im deutschen Recht ist bekanntermaßen sehr umstritten, ob §12 Abs. 2 UG zur Anwendung kommt, wenn der Urheber, eine von ") Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. Hieran ändern die urheberrechtlichen internationalen Abkommen nichts. Der erwähnte Grundsatz wird umgekehrt bestätigt in Art. 5 Abs. 2 der revidierten Berner Ubereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Tonkunst (Stockholmer Fassung). Danach ist der Schutz, den ein Urheber außerhalb des Ursprungslandes über das in Art. 5 Abs. 1 festgelegte Prinzip der Inländerbehandlung genießt, unabhängig vom Bestehen des Schutzes im Ursprungsland des Werkes. Allgemein gilt, daß sich der Umfang des Schutzes sowie die dem Urheber zur Wahrung seiner Rechte zustehenden Rechtsbehelfe ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Landes richten, in dem der Schutz beansprucht wird. 2 ) Die Probleme wurden neben zahlreichen anderen Veröffentlichungen in verschiedenen Monographien behandelt; vgl. z . B . M ö s c h e l , Die rechtliche Behandlung der Paralleleinfuhr von Markenwaren innerhalb der EWG, 1968; R i e h l e , Markenrecht und Parallelimport, 1968; L o e w e n h e i m , Warenzeichen- und Wettbewerbsbeschränkung, 1970; J o h a n n e s , Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht im Europäischen Gemeinsdiaftsrecht, 1973; A n d e r m a n n , Territorialitätsprinzip und Gemeinsamer Markt, 1975.

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ihm beherrschte Tochtergesellschaft oder ein Lizenznehmer das Original oder die Vervielfältigungen, die importiert werden, in dem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht haben. Auf diese Frage soll hier nicht eingegangen werden; aus den späteren Ausführungen 3 ) wird sich indessen ergeben, daß die Auffassung, nach der in den bezeichneten Fällen keine Erschöpfung des Urheberrechts eintritt, den Vorzug verdient. Die Rechtslage ist danach eine andere, als sie nach den Urteilen des BGH vom 22. Januar 19644) und vom 2. Februar 19735) beim Warenzeichen besteht. Was das Verhältnis zwischen den nationalen Urheber- und Erfinderrechten und dem europäischen Recht betrifft, so kommt es in der Praxis, insbesondere in der Rechtsprechung der nationalen Gerichte, auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) an. Sie bietet die Grundlage für die folgende Erörterung. Die Entscheidungen des EuGH zum Patentrecht und zum Warenzeichenrecht sind auch für das Urheberrecht aufschlußreich 6 ), denn dieser stellt in den Entscheidungsgründen gewöhnlich für das „gewerbliche und kommerzielle Eigentum" Regeln auf, also Regeln, die für das Patent und das Warenzeichen, aber auch für das Urheberrecht gelten. Daß der EuGH dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte und damit auch das Urheberrecht selbst als ein solches Eigentum ansieht und nach den für dieses gültigen Regeln behandelt, ergibt sich klar aus dem Deutsche Grammophon-Urteil vom 8. Juni 19717). In den Ausführungen über das gewerbliche und kommerzielle Eigentum stellt der EuGH allerdings, wie noch zu zeigen ist, auf den Schutz des „spezifischen Gegenstandes" des Eigentums ab, der natürlich von 3

) Vgl. unten III 2. ) BGHZ 41, 84 (88 ff.) — Maya. Der BGH spricht hier aus, daß Parallelimporte von echten Markenwaren des Zeicheninhabers v o n Spanien nach Deutschland keine Warenzeichenverletzung dastellen, weil weder die Herkunfts- noch die Garantiefunktion der Marke berührt werde. Dagegen verneint der BGH in der Entscheidung v o m 29. Febr. 1968, BGHZ 49, 331 (334 ff.) „Voran" für das Sortenschutzrecht eine Erschöpfung in dem entsprechenden Fall. Er bringt in einem obiter dictum zum Ausdrude, daß für das Patentrecht wohl nichts anderes gelten kann. 5 ) BGHZ 60, 185 (192) „Cinzano". Der BGH stellt hier fest, daß Warenzeichenrechte nicht verletzt werden, w e n n Erzeugnisse eines verbundenen Unternehmens eines Landes in ein anderes Land eingeführt werden, in dem ein Unternehmen, das derselben Unternehmensgruppe gehört, das gleiche Produkt in einer unterschiedlichen, den nationalen Verbrauchergewohnheiten entsprechenden Geschmacksrichtung vertreibt. 6 ) Vgl. M e s t m ä c k e r , Europäisches Wettbewerbsrecht, 1974, S. 455. ') Rechtssache 78/70, EuGHE 1971, 487 ff. = UFITA Bd. 63 (1972) S. 349 ff. Das Urteil ist zusammenfassend dargestellt bei R o e b e r in FILM UND RECHT Nr. 11/1971 S. 349 ff. Daß die in diesem Urteil ausgesprochenen Grundsätze auf Schutzrechte im allgemeinen anwendbar sind, betont die Kommission in ihrem Wettbewerbsbericht 1972 (S. 24). Ebenso S c h r ö t e r in WRP 1971, 356 (363); E m m e r i c h in DB 1972, 1327; M e s t m ä c k e r , aaO. (Anm. 6), S. 461. 4

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Schutzrecht zu Schutzrecht verschieden ist. An den Ergebnissen, zu denen der EuGH kommt, ändert dies jedoch praktisch nichts. Der erwähnten Einheitlichkeit der rechtlichen Beurteilung steht nicht entgegen, daß zwischen den verschiedenen Schutzrechten erhebliche Unterschiede bestehen. So entsteht das Urheberrecht mit der Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes von selbst, während die gewerblichen Schutzrechte einem hierauf gerichteten staatlichen Akt ihre Entstehung verdanken. Das Warenzeichen, mit dem sich die Rechtsprechung des EuGH besonders befaßt, weist wiederum gegenüber den anderen Schutzrechten die Besonderheit auf, daß das Recht an ihm nicht die Belohnung für eine Leistung darstellt 8 ) und daß es an den Geschäftsbetrieb des Inhabers gebunden ist (was allerdings die Übertragung der Marke oder die Erteilung einer Lizenz an ihr nicht völlig ausschließt), daß es zeitlich nicht begrenzt ist und daß es dem Inhaber nicht das Recht gewährt, anderen die Herstellung einer bestimmten Ware zu verbieten, sondern nur die Befugnis begründet, die Benutzung einer bestimmten Bezeichnung oder eines bestimmten Zeichens zu verbieten, welche ein Erzeugnis individualisieren. Der Warenzeicheninhaber kann also andere Unternehmen nicht daran hindern, ihm mit einem gleichartigen Produkt unter einer anderen Marke Konkurrenz zu machen8"). Einen Unterschied zu den übrigen Schutzrechten will der EuGH wohl ansprechen, wenn er in dem Sirena-Urteil vom 11. Februar 19719) ausführt, die Ausübung des Warenzeichenrechts sei in besonderem Maße geeignet, zur Aufteilung der Märkte beizutragen und dadurch den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Es ist indessen nicht ersichtlich, weshalb die anderen Schutzrechte, insbesondere das Urheberrecht und das Patent, hierzu während der Dauer ihres Bestehens nicht ebenso gut geeignet sein sollten. In den folgenden Ausführungen wird, um Wiederholungen mit einem anderen Beitrag des Verfassers 10 ) zu vermeiden, auf die Grundrechtsproblematik nicht eingegangen 11 ); erwähnt sei nur, daß Art. 14 GG durch die Rechtsprechung des EuGH nicht verletzt wird. 8 ) Dies bedeutet nicht, daß es ein Recht minderen Ranges ist. Vgl. U l l r i c h in GRUR Int. 1975, 304 f. 8 ") Dies kann bei der Anwendung des Art. 85 EWG-V auf die Geltendmachung eines Warenzeichens bedeutsam sein für die Frage, ob der Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt hinreichend eingeschränkt wird. ») Rechtssache 40/70, EuGHE 1971, 82. 10 ) BB Int. (erscheint im Frühjahr 1977). " ) Ergänzend sei nur bemerkt: Mestmäcker, aaO. (Anm. 6), S. 460 weist mit Recht darauf hin, daß ganz unabhängig vom Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zu den Grundrechten daran festzuhalten sei, daß es sich nicht um eine entschädigungspflich-

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Robert Knöpfle: II. Das Kartellverbot

1. A l l g e m e i n e s a) Nach Art. 85 Abs. 1 EWG-V12) sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. In dem Parke, Davis-Urteil vom 29. Februar 196813) ist ausgeführt, die allgemeine Fassung des Art. 85 Abs. 1 kennzeichne zwar die Absicht, ohne Unterschied alle Formen der in dieser Vorschrift beschriebenen Kartelle zu erfassen, doch gestatte es gerade ihr restriktiver Charakter nicht, das Verbot über die drei abschließend aufgezählten Formen von Kartellen hinaus auszudehnen. Das Patent — in dem zu entscheidenden Falle ging es um ein Patent, doch gilt Gleiches für das Urheberrecht — sei als solches, wenn man davon absieht, daß es zum Gegenstand von Vereinbarungen gemacht werden kann, mit keiner dieser Kartellformen verwandt 14 ). Es sei vielmehr der Ausdruck einer gesetzlichen Rechtsposition, die ein Staat für Erzeugnisse vorsieht, die bestimmten Merkmalen genügen, und erfülle daher nicht die in Art. 85 Abs. 1 geforderten Voraussetzungen der vertraglichen Abmachung oder der Abstimmung. Dies verdient volle Zustimmung.

tige Enteignung handelt, wenn der EuGH aus dem Gemeinschaftsredit Rechtsfolgen ableitet, die der deutsche Gesetzgeber ohne Verstoß gegen Art. 14 GG durch einfaches Gesetz normieren könnte. Es sei bisher aber unstreitig gewesen, daß der deutsche Gesetzgeber Auslandssachverhalte im Bereich der Schutzrechte ohne Verstoß gegen Art. 14 GG regeln könne. Im übrigen führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 9. Juni 1971, EuR 1972, 51 mit Anm. von I p s e n zutreffend aus, Art. 24 Abs. 1 GG sage bei sachgerechter Auslegung nidit nur, daß die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen überhaupt zulässig sei, sondern auch, daß die Hoheitsakte ihrer Organe wie die Urteile des EuGH vom ursprünglich ausschließlichen Hoheitsträger anzuerkennen seien. Daraus folge die Verpflichtung der deutschen Gerichte, solche Rechtsvorschriften anzuwenden, die auf Grund ihrer Auslegung durch den EuGH im innerstaatlichen Raum unmittelbare Wirkung entfalteten und engegentehendes nationales Recht überlagerten und verdrängten. Einen Verstoß gegen Art. 14 GG nimmt vor allem an R u p p in N J W 1976, 993 ff. m. w. Nachw. 12 ) Artikel ohne weitere Bezeichnung sind in diesem Beitrag Artikel des EWG-Vertrages. 13 ) Rechtssache 24/67, Rspr. EuGH 1968, 85 ff. 14 ) Eine entsprechende Feststellung trifft der EuGH für das Warenzeichen in verschiedenen Entscheidungen, zuletzt in dem EMI-Records-Urteil vom 15. Juni 1976, Rechtssache 96/75, S. 70 des hektographierten Textes.

Abwehr von Importen und das Europäische Redit

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In den späteren Entscheidungen erklärt der EuGH wiederholt, die Ausübung eines gewerblichen Schutzrechtes könne immer dann unter Art. 85 EWG-V fallen, wenn sich herausstelle, daß sie „Gegenstand, Mittel oder Folge einer Kartellabsprache" sei15). Im Deutsche Grammophon-Urteil16) heißt es noch im Anschluß an diese Wendung: „ . . . die eine Aufteilung des Gemeinsamen Marktes bewirkt, indem sie Einfuhren von in anderen Mitgliedstaaten ordnungsgemäß in Verkehr gebrachten Waren aus diesen Staaten untersagt". b) Für den Fall, daß ein Kartell außer Kraft getreten ist, führt der EuGH in dem EMI-Records/CBS Schallplatten-Urteil aus17), es reiche für die Anwendbarkeit des Art. 85 Abs. 1 aus, daß über das formelle Außerkrafttreten hinaus die Kartellwirkungen fortbestehen18). Ein Kartell sei nur dann als fortwirkend anzusehen, wenn das Verhalten der Beteiligten auf das Fortbestehen der dem Kartell eigentümlichen Merkmale der Abstimmung und Koordinierung schließen läßt und wenn es zu den gleichen Zielen führt, wie sie das Kartell verfolgt. Das sei nicht der Fall, wenn diese Wirkungen nicht über diejenigen hinausgehen, die ohne weiteres mit der Ausübung der nationalen Warenzeichenredite verbunden sind. Dem letzten Satz ist entgegenzuhalten, daß im Falle einer Marktaufteilung nach Ländern die Ausübung des Schutzredites gegenüber Lieferungen aus einem Land in das andere dieselbe Wirkung hat wie das in dem Kartellvertrag vereinbarte Verbot, in dieses Land zu liefern. Dieses Verbot geht also nicht über die Wirkungen hinaus, die ohne weiteres mit der Ausübung des nationalen Schutzrechtes ver15 ) So etwa im Sirena-Urteil vom 11. Febr. 1971, Rechtssache 40/70, EuGHE 1971, 83, im Deutsche Grammophon-Urteil vom 8. Juni 1971, Rechtssache 78/70, EuGHE 1971, 499 = UFITA Bd. 63 (1972) S. 362 und im Terrapin-Urteil vom 21. Juni 1976, Rechtssache 119/75, S. 40 des hektographierten Textes. i«) Vgl. Anm. 1 . 17 ) S. 71 des hektographierten Textes. 18 ) Nur beiläufig sei bemerkt, daß es nicht ganz korrekt ist, von einem Fortbestehen der Kartellwirkungen zu sprechen, wie es der EuGH tut. Unter dem Aspekt des Wettbewerbs ist es nämlich keineswegs dasselbe, ob ein Verhalten auf Grund einer Vereinbarung oder freiwillig beobachtet wird; die wettbewerbsbeschränkende Wirkung ist in beiden Fällen verschieden. Im ersten Falle liegt die Wettbewerbsbeschränkung in der Freiheitsbeschränkung im wettbewerbsrelevanten Bereich. Im zweiten Falle fehlt es dagegen an einer Freiheitsbeschränkung. Jeder kann sein Verhalten ändern, wenn es ihm beliebt. Durch ein freiwillig beobachtetes Verhalten wird der Wettbewerb nur in besonderen Fällen beschränkt, insbesondere dann, wenn es an der Bereitschaft fehlt, die eigenen Chancen auch dann wahrzunehmen, wenn dadurch den Konkurrenten geschadet wird (vgl. BGHZ 49, 367, 377); dann sind die wettbewerblichen Risiken eingeschränkt. Der grundlegende Unterschied zwischen Wettbewerbsbeschränkung durch Freiheitsbeschränkung und ohne Freiheitsbeschränkung wird beispielsweise auch verkannt in der Kooperationsfibel des Bundeswirtschaftsministers von 1976, in der es auf S. 7 heißt, „das Abstimmungsverbot des § 2 Abs. 1 GWB unterscheidet sich vom Kartelltatbestand des § 1 GWB allein in der Form, nicht aber im Inhalt der unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung".

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bunden sind. Trotzdem verstößt die Geltendmachung der Abwehrrechte, wie noch zu zeigen ist19), nach Auffassung des EuGH gegen Art. 85 Abs. 1, wenn das Schutzrecht im Zusammenhang mit dem Kartellvertrag übertragen wurde. Für den Fall der Übertragung besteht also eine Abweichung von der bezeichneten Regel, die der EuGH aufstellt. c) Hinsichtlich der Grenzen der Anwendbarkeit des Art. 85 Abs. 1 heißt es in dem Sirena-Urteil 20 ): „Artikel 36 gehört zwar dem Kapitel über die mengenmäßigen Beschränkungen im Handel zwischen den Mitgliedstaaten an, er ist aber Ausfluß eines Grundsatzes, der im Wettbewerbsrecht in dem Sinne Anwendung finden kann, daß die von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaates anerkannten gewerblichen Schutzrechte zwar durch die Artikel 85 und 86 des Vertrages in ihrem Bestand nicht berührt werden, daß aber ihre Ausübung unter die in diesen Vorschriften ausgesprochenen Verbote fallen kann." Wo nach dieser Auffassung die Grenze für die Anwendbarkeit der Artikel 85 und 86 liegt, hängt davon ab, was man unter Bestand des Rechtes versteht. Hierauf soll hier nicht eingegangen werden, da die bezeichnete Abgrenzung 21 ) für Art. 85 Abs. 1 von geringer praktischer Bedeutung ist. Die Aussage des EuGH hat vor allem die Bedeutung einer Absage an die Lehre von der Bereichsausnahme 22 ), nach der gewerbliche Schutzrechte völlig außerhalb der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages stehen28). d) Besondere Probleme stellen sich, wenn Unternehmen der Gemeinschaft mit Unternehmen in Drittländern eine Vereinbarung getroffen haben. Zu diesem Fall führt der EuGH in dem EMI-RecordsUrteil aus 24 ), ein Kartell von Unternehmen innerhalb des Gemeinsamen Marktes mit Wettbewerbern in dritten Ländern, das zu einer Isolierung des Gemeinsamen Marktes führen und das Angebot von Erzeugnissen in ihm vermindern würde, die ihren Ursprung in Drittländern haben und gleichartig sind mit Erzeugnissen, die durch ein ) Vgl. unten II. 4. ) EuGHE 1971, 81 f. Dagegen hatte der EuGH in dem Grundig/Consten-Urteil vom 13. Juli 1966, verbundene Rechtssachen 56 und 58/64, EuGHE 1966, 394 festgestellt, Art. 36 EWG-V schränke den Anwendungsbereich der Vorschriften über den freien Warenverkehr, nicht aber den des Art. 85 EWG-V ein. 21 ) Vgl. unten Anm. 54. M a i l ä n d e r , Gem. Komm. 3. Aufl. 3. Lieferung 1972, S. 15, Art. 85 Anm. 43 nennt sie „mehr begrifflich verführerisch als sachlich ergiebig". 22 ) Vgl. zu dieser Lehre J o h a n n e s , aaO. (Anm. 2), S. 15, der ihr entgegentritt. 2S ) So u . a . K r a f t in GRUR Int. 1975, 284. 24 ) S. 70 f. des hektographierten Textes. 19

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Warenzeichen geschützt sind •— Gleiches muß für den Schutz durch ein Urheberrecht gelten —, könne geeignet sein, die Wettbewerbsbedingungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu beeinträchtigen. Nun verlangt aber Art. 85 Abs. 1 eine Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten. Der EuGH trägt dem Rechnung, indem er ausführt, insbesondere in dem Fall, daß der Inhaber des streitigen Warenzeichens in einem Drittland mehrere Tochtergesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft besitzt, die in der Lage sind, das betreffende Erzeugnis im Gemeinsamen Markt zu vertreiben, könne die bezeichnete Isolierung auch geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Damit wird die erwähnte Tatbestandsvoraussetzung des Art. 85 Abs. 1 in sehr weitem, aber noch vertretbarem Sinne ausgelegt. 2. V e r e i n b a r u n g e n Schutzrechten

zwischen

Inhabern

von

Die Ausübung der positiven Befugnis, die Gegenstand eines Schutzrechtes ist, kann sicherlich Gegenstand einer Kartellvereinbarung sein; so etwa, wenn mehrere Inhaber von Schutzrechten vereinbaren, von dieser Befugnis keinen oder nur einen bestimmten Gebrauch zu machen, also beispielsweise den geschützten Gegenstand nicht oder nur in begrenzter Stückzahl oder nur für bestimmte Verwendungszwecke herzustellen; hier gilt Entsprechendes wie beispielsweise für eine Abrede, nach der die Betriebsanlagen der beteiligten Unternehmen — also strenggenommen das Eigentum an ihnen •—• nur für eine bestimmte Produktion verwendet werden dürfen. In dem vorliegenden Beitrag geht es indessen um die Ausübung der Abwehrrechte gegenüber Importen. Es fragt sich, ob Absprachen zwischen Schutzrechtsinhabern, die hierzu verpflichten — sie dürften in der Praxis nur selten vorkommen — neben dem Bestehen der Abwehrrechte eine eigenständige Bedeutung haben können. Die Frage ist zu bejahen. Würden die Schutzrechtsinhaber ohne die Absprache ihre Abwehrrechte nicht in allen Fällen ausüben, in denen sie auf Grund der Absprache hierzu verpflichtet sind, so hat dies eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung. Sind die Kartellmitglieder verpflichtet, die Einfuhren an dem Kartell nicht Beteiligter in ihr Land zu unterbinden, so wird nicht die Konkurrenz zwischen ihnen, sondern die Konkurrenz zwischen den Kartellmitgliedern und Dritten eingeschränkt; doch genügt dies nach Auffassung des EuGH für die Annahme eines Kartells 25 ). 25

) Vgl. das Grundig/Consten-Urteil, EuGHE 1966, 289 f.

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Der Wettbewerb, der auf diese Weise eingeschränkt wird, beruht indessen darauf, daß unberechtigt in die Schutzrechte eingegriffen wird. Es kann wohl nicht angenommen werden, daß Art. 85 Abs. 1 auch einen Wettbewerb schützen soll, der auf einem Rechtsbruch beruht. Schutzgut des europäischen wie auch des nationalen Kartellrechts ist der rechtmäßige, nicht aber der unter Gesetzesverstoß betriebene Wettbewerb. Somit verstoßen Vereinbarungen der bezeichneten Art nicht gegen Art. 85 Abs. 1; die Geltendmachung der Abwehrrechte in Erfüllung der Vereinbarung bildet also keine — unzulässige — Folge einer Kartellvereinbarung. Dies dürfte auch die Auffassung des EuGH sein 26 ). Das Vorstehende gilt wohlgemerkt nur, wenn Beteiligte, die bereits Schutzrechte besitzen, eine Abrede treffen. Werden im Zusammenhang mit der Übertragung von Schutzrechten Abreden getroffen, so liegt ein anderer Fall vor, der später zu erörtern ist 27 ). Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß eine Abrede, nach der die Geltendmachung des Ausschlußrechtes nicht notwendig, sondern umgekehrt stets oder in bestimmten Fällen unzulässig ist, nicht zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führt. Schon aus diesem Grunde scheidet ein Kartell aus. 3. V e r e i n b a r u n g e n i m Z u s a m m e n h a n g Erteilung einer Lizenz

mit

der

Erteilt der Urheber eine Lizenz (Gebrauchsrecht), so bleibt er als Inhaber des Schutzrechtes berechtigt, Verletzungen abzuwehren. Es stellt sich die Frage, ob eine Abrede mit dem Lizenznehmer zur Folge haben kann, daß er dieses Recht verliert, wenn durch Importe in das Recht eingegriffen wird. Vorsorglich sei darauf hingewiesen, daß dies nichts zu tun hat mit dem Problem, ob die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz, also vor allem die Verpflichtung des Lizenzgebers, in dem betreffenden Gebiet niemand anderem eine Lizenz zu erteilen, kartellrechtlich zulässig ist. Die genannte Frage dürfte zu verneinen sein. Sicherlich können zahlreiche Vereinbarungen zwischen dem Lizenzgeber und dem Lizenznehmer gegen Art. 85 Abs. 1 verstoßen; dies gilt vor allem, wenn die Abrede über den Inhalt des Schutzrechtes hinausgeht (vgl. § 20 GWB), also beispielsweise dann, wenn der Lizenznehmer verpflichtet 2«) Vgl. oben II. 1. a). » ) Vgl. unten II. 4.

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ist, seinen Abnehmern Preisbindungen aufzuerlegen. Im vorliegenden Zusammenhang geht es aber, was vielfach durcheinandergebracht wird, um die Frage, ob der Lizenzgeber eine bestimmte Verpflichtung eingehen kann, ohne gegen Art. 85 Abs. 1 zu verstoßen 28 ), und zwar die Verpflichtung, Importe, durch die sein Recht verletzt wird, abzuwehren. Es ist nicht ersichtlich, daß diese Verpflichtung gegen das Kartellverbot verstoßen könnte 29 ). Dieses soll, wie erwähnt, den rechtmäßigen Wettbewerb, nicht aber den auf Rechtsverletzungen beruhenden Wettbewerb schützen. Beschränkungen des zweiten fallen nicht unter Art. 85 Abs. 1. Schon deshalb kann ein Verstoß gegen diese Bestimmung nicht angenommen werden. Die Abwehr von Rechtsverletzungen, die kartellrechtlich unbedenklich wäre, wenn der Urheber das Werk selbst ausnützt, kann schwerlich kartellrechtswidrig sein, wenn der Urheber diese Ausnützung einem Lizenzgeber überlassen und sich diesem gegenüber verpflichtet hat, Verletzungen abzuwehren. Dies gilt auch dann, wenn er in mehreren Ländern parallele Lizenzen vergeben hat und die Lizenznehmer gegeneinander schützt. Hat der Inhaber paralleler Schutzrechte keine Lizenzen vergeben und macht er ein Recht geltend, um Lieferungen aus dem einen in ein anderes Land zu verhindern, so liegt hierin auch kein Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1. Eine Ausnahme ist allerdings gegeben, wenn Schutzrechte übertragen wurden und diese Übertragung Teil eines Vertragssystems ist, das durch eine Marktaufteilung den Wettbewerb stört 30 ). Man könnte dem Vorstehenden entgegenhalten, wenn die bezeichnete Absprache zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer vorliege, sei die Ausübung der aus dem Schutzrecht resultierenden Abwehrrechte eine Folge oder Durchführung der Vereinbarung. Sei diese Vereinbarung nun Element einer Kartellabsprache, so verstoße die Ausübung der Abwehrrechte ebenfalls gegen Art. 85 Abs. 1. Es gelte hier Entsprechendes wie bei der Übertragung von Schutzrechten im Zusammenhang mit einer Kartellvereinbarung, die im nächsten Ab2 8 ) Es trifft daher nicht das Problem des Ausschlusses der Abwehrrechte, wenn der Grundsatz vertreten wird, daß solche Beschränkungen des Vertragspartners zulässig sind, die sich im Rahmen des Schutzrechtes halten, also über dessen Inhalt nicht hinausgehen (so beispielsweise Reimer, GRUR Int. 1972, 233), denn dieser Grundsatz betrifft Bindungen des Lizenznehmers. Im deutschen Recht ist fast allgemein anerkannt, daß § 20 G W B Bindungen des Lizenzgebers nicht betrifft; a. A . Ernst E. H i r s c h , UFITA Bd. 29, 394 und Frankfurter Kommentar, Tz. 3 zu § 15. 2 9 ) A. A. E m m e r i c h in DB 1972, 1326. Er nimmt an, in einer Lizenzerteilung liege eine Marktaufteilung, doch kommt dies allenfalls bei ausschließlichen Lizenzen in Betracht, bei denen beide Parteien verpflichtet sind, nicht in das Land der anderen Partei zu liefern. Auch dann gelten jedoch die im Text angeführten Gesichtspunkte. 3

°) Vgl. unten II. 4.

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schnitt (Nr. 4) zu behandeln ist. Doch liegt der vorliegende Fall anders. Hier wurde kein Recht übertragen. Macht der Lizenzgeber von seinen Abwehrrechten Gebrauch, so tut er nichts anderes, als was er im Normalfall auch dann getan hätte, wenn er die Lizenz nicht vergeben hätte. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, daß die Ausübung der Abwehrrechte gerade eine Folge oder Durchführung der mit dem Lizenznehmer getroffenen Vereinbarung ist. Ist es dem Lizenznehmer verboten, die Waren in einem anderen Land, in dem der Lizenzgeber ein Urheberrecht hat, in Verkehr zu bringen, so liegt in dieser Absprache nach richtiger Ansicht kein Kartell 31 ); schon aus diesem Grunde kann der Lizenzgeber mit Hilfe seines Rechtes die Lieferungen in dieses Land abwehren 31 '). Ist der Lizenznehmer verpflichtet, durch entsprechende Bindungen seine Abnehmer daran zu hindern, in das andere Land zu liefern, so verstößt es, wie noch zu zeigen ist, nach der Rechtsprechung des EuGH gegen die Vorschriften über den freien Warenverkehr, wenn der Lizenzgeber mit Hilfe seines Urheberrechtes Lieferungen der Abnehmer in das betreffende Land abwehrt; daher soll auf die kartellrechtliche Problematik dieses Falles nicht eingegangen werden. Aus diesem Grunde läßt auch der EuGH in dem Deutsche Grammophon-Urteil — in dem betreffenden Fall wurde das Urheberrecht der Deutschen Grammophon Gesellschaft dazu verwendet, um das in den Preisbindungsreversen enthaltene mittelbare Importverbot zu schützen — diese Problematik unerörtert 32 ). 4. V e r e i n b a r u n g e n i m Z u s a m m e n h a n g Ü b e r t r a g u n g von Schutzrechten

mit

der

In der Übertragung von Schutzrechten33) liegt normalerweise ebensowenig wie im originären Erwerb von Schutzrechten ein Verstoß gegen Art. 85 Abs. I 34 ). Doch kann ein solcher vorliegen, wenn be3 1 ) So auch die Bekanntmachung der Kommission über Patentlizenzverträge vom 24. Dez. 1962 (ABl. 1962, 2922) Nr. I. A 4 , b). W e g e n der späteren Praxis der Kommission vgl. M e s t m ä c k e r , aaO. (Anm. 6), S. 481. 3 1 a ) A . A. wohl M a i l ä n d e r , aaO. (Anm. 21) Art. 85 Anm. 46 aa). 3 2 ) Hierauf weisen Deringer/Sedemund, A W D 1971, 342 richtig hin. 3 3 ) Die Übertragung von Urheberrechten ist im deutschen Recht —• mit Ausnahme der Übertragung in Erfüllung einer Verfügung von Todes wegen oder einer Ubertragung an Miterben im W e g e der Erbauseinandersetzung — ausgeschlossen (§ 29 UG). Gleichwohl ist die Rechtsprechung zu den Fällen einer Übertragung von Schutzrediten in dieser Arbeit schon deshalb zu behandeln, weil auch das Recht der anderen Mitgliedstaaten von Bedeutung ist. S4) Vgl. statt vieler R ö 11 g e r in GRUR 1974, 576; K r a f t in GRUR Int. 1975, 285.

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sondere Umstände hinzukommen. Der EuGH führt hierzu in dem Sirena-Urteil vom 11. Februar 197 135) aus: „Wird das Zeichenrecht auf Grund von Übertragungen an Unternehmer in einem oder mehreren Mitgliedstaaten benutzt, so ist demnach in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese Ausübung den Verbotstatbestand des Artikels 85 erfüllt. Dies kann insbesondere zutreffen, wenn Zeicheninhaber oder Personen, die ihr Recht von ihnen ableiten, Vereinbarungen treffen, welche die Möglichkeit bieten, Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten zu verhindern. Bewirkt die gleichzeitige Übertragung nationaler, das gleiche Erzeugnis schützender Warenzeichen auf mehrere Benutzer die Wiederaufrichtung unüberwindlicher Schranken zwischen den Mitgliedstaaten, so kann eine solche Praxis den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen und den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt stören. Dem wäre anders bei Kartellabsprachen über die Benutzung nationaler Schutzredite für das gleiche Zeichen, die zur Vermeidung jeder Marktaufteilung so gefaßt würden, daß sie die allgemeine Ausübung der Zeichenrechte auf Gemeinschaftsebene mit der Einhaltung der Wettbewerbsbedingungen und der Erhaltung der Markteinheit in Einklang zu bringen vermöchten, die für den Gemeinsamen Markt so wesentlich sind, daß Artikel 85 sie durch die Sanktion der Nichtigkeit schützt. Artikel 85 ist daher auf den Fall, daß die Einfuhr aus anderen Mitgliedstaaten stammender, das gleiche Warenzeichen tragender Erzeugnisse unter Berufung auf das Zeichenrecht verhindert wird, anwendbar, wenn die Zeicheninhaber dieses Zeichen oder das Recht zu seiner Benutzung durch Vereinbarungen untereinander oder mit Dritten erworben haben. Der Anwendbarkeit von Artikel 85 steht nicht entgegen, daß das Warenzeichenrecht nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften seiner Entstehung nach von anderen rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen als den vorgenannten Vereinbarungen abhängt, so z. B. von der Eintragung des Warenzeichens oder seiner ungestörten Benutzung. Sind die Kartellabsprachen vor Inkrafttreten des Vertrages getroffen worden, so ist es erforderlich, aber auch ausreichend, daß ihre Wirkungen nach diesem Zeitpunkt fortdauern. Eine Kartellabsprache fällt nur dann unter Artikel 85 Absatz 1, wenn sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar beein»5) Rechtssache 40/70, EuGHE 1971, 83.

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trächtigt und den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt einschränkt. " Diese Ausführungen sind von besonderem Gewicht, weil sich, der EuGH in den späteren Urteilen nicht mehr mit dieser Problematik befaßt hat; sie bilden also bis jetzt das letzte Wort des EuGH zu ihr. Der Gerichtshof trägt dem Umstand Rechnung, daß in der Übertragung von Warenzeichenrecht ein wesentliches Mittel liegen kann, um Marktaufteilungen zu verfestigen. Doch sind seine Ausführungen — zumindest in ihrem ersten Teil — nicht ganz klar. Sie müssen wohl in dem Sinne verstanden werden, daß die Geltendmachung der Abwehrrechte gegenüber der Einfuhr aus anderen Ländern36) nur dann gegen Art. 85 Abs. 1 verstößt, wenn die Übertragungen von Warenzeichen, wie es in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall, Teil eines Vertragssystems ist, das durch eine Marktaufteilung den Wettbewerb stört37). Satz 2 Absatz 2 des Zitates, der nur von der gleichzeitigen Übertragung von Warenzeichen auf mehrere Benutzer spricht und hierin richtig eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels sieht, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß Art. 85 Abs. 1 eine Vereinbarung (oder ein abgestimmtes Verhalten) voraussetzt, was in dem vorhergehenden Satz zum Ausdruck kommt. Doch muß es auch genügen, wenn nur e i n e Vereinbarung vorliegt, beispielsweise eine Vereinbarung über einen absoluten Gebietsschutz, und die Übertragung des Schutzrechts nur dazu dient, ihre Einhaltung zu sichern38). In der in dem irreführenden Satz 2 Absatz 2 des Zitates 36 ) Der EuGH betrachtet nicht die Übertragung des Warenzeichens, also die Verfügung über dieses, unter den von ihm angeführten Voraussetzungen als Verstoß gegen Art. 85, sondern die Geltendmachung der Abwehrrechte in solcher Weise, daß der zwischenstaatliche Handel beeinträchtigt wird. Dies verkennen D e r i n g e r in AWD 1971, 180 und R u p p in N J W 1976, 996. Läge in der Übertragung des Rechts ein Verstoß gegen Art. 85 (dies nimmt M a i l ä n d e r , aaO. (Anm. 31a) Art. 85 EWG-V Anm. 46aa (3) für den Fall an, daß die Aufteilung der Patentrechte in den verschiedenen Einzelstaaten unter verschiedene Berechtigte eine Wettbewerbsstörung im zwischenstaatlichen Handel mit den patentgeschützten Waren bezweckt oder bewirkt), so wäre sie nichtig. Der Erwerber könnte das Recht also auch dann nicht geltend machen, wenn es nicht um Importe aus anderen Ländern geht, wenn also beispielsweise Ware inländischen Ursprungs mit dem geschützten Warenzeichen vertrieben wird — ein Vertrieb, dessen Verbot durch das nationale Recht das europäische Recht nicht berührt. " ) A . A . u . a . M e s t m ä c k e r , aaO. (Anm. 6) S. 455, der schreibt, aus dem Urteil sei der allgemeine Rechtsgrundsatz zu entnehmen, daß „Rechte auf Grund eines Warenzeichens, das ursprünglich demselben Rechtsinhaber zustand, nicht zur Verhinderung von Parallelimporten geltend gemacht werden können, wenn die Möglichkeit dieser Rechtsausübung auf einer Ubertragungsvereinbarung oder einem Lizenzvertrag beruht". 5S ) Dieser Fall war in der Rechtssache Grundig/Consten (EuGHE XII, 321 ff.) gegeben. Zu beachten ist im Zusammenhang mit Alleinvertriebsverträgen Art. 3 cit. b Nr. 1 der VO 67/67 (ABl 1967, 849), wonach die Gruppenfreistellung von Alleinvertriebsverträgen nicht für diejenigen Fälle gilt, in denen die Vertragspartner gewerbliche Schutzrechte ausüben, um Dritte daran zu hindern, in anderen Teilen des Gemeinsamen Marktes rechtmäßig gekennzeichnete oder rechtmäßig in Verkehr gebrachte Vertragswaren zu beziehen oder im Vertragsgebiet zu veräußern.

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angesprochenen gleichzeitigen Übertragung paralleler nationaler Schutzrechte allein kann indessen noch nicht ein Kartell gesehen werden 39 ). Zur Ermittlung, ob die Voraussetzungen des Art. 85 Abs. 1 erfüllt sind, müssen alle Verträge und Bindungen jeder Art berücksichtigt werden, die zwischen den Vertragsparteien bestehen, sowie ähnliche Verträge, soweit die Gesamtheit der Verträge den Wettbewerb beschränkt; ferner muß dem Zusammenhang Rechnung getragen werden, in dem sich die Verträge befinden 40 ). Die Bestimmung, ob ein Vertragssystem der bezeichneten Art vorliegt, kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten, denn in den Übertragungen können u. U. über die reine Übertragung hinausgehende Verträge gesehen werden. Die Schwierigkeiten steigen noch, wenn man konsequenterweise anstelle eines Vertragssystems entsprechende aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen — diese fallen ebenfalls unter Art. 85 Abs. 1 — genügen läßt 41 ). Das Café Hag-Urteil vom 3. Juli 197442) bringt eine wichtige Klärung, denn der EuGH verneint hier die Anwendbarkeit des Art. 85 mit der Begründung, es bestehe zwischen den Schutzrechtsinhabern keinerlei rechtliche, finanzielle, technische oder wirtschaftliche Verbindung 43 ). Damit stellt der EuGH eine Regel auf, die auch für andere Fälle gelten muß und nach der eine Bestimmung der Fälle, in denen ein Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 ausscheidet, mit einiger Sicherheit möglich ist. Liegt eine Vereinbarung vor, bilden aber die Partner eine wirtschaftliche Einheit — dies gilt vor allem bei einer Mutter- und einer Tochtergesellschaft, die keine wirkliche Selbständigkeit hat —, so 39 ) So die h. M., vgl. z. B. K r a f t in GRUR Int. 1975, 285. A.A. J o h a n n e s in GRUR Int. 1975, 117, der schon in der Übertragung eines Schutzrechtes eine Marktaufteilung sieht. Ein Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 verlangt jedoch eine Wettbewerbsbeschränkung; der Wettbewerb muß gegenüber dem Zustand ohne die Vereinbarung beschränkt sein. Im vorliegenden Falle kann es nur um eine Einschränkung des Wettbewerbs mit Waren, die mit der betreffenden Bezeichnung versehen sind, gehen. Dieser Wettbewerb wäre zwischen den betreffenden Unternehmen in den fraglichen Ländern schon vor der Übertragung des Warenzeichens nicht möglich gewesen, denn der Erwerber des Warenzeichens hätte dieses vor dem Erwerb nicht benützen dürfen; der Wettbewerb kann also durch die Übertragung des Warenzeichens nicht beschränkt werden. 40 ) Auf beides weist der Generalanwalt in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache Sirena, EuGHE 1971, 91 mit Recht hin. 41 ) Der EuGH behandelt in dem EMI Records-Urteil die Fälle, daß die Ausübung des Schutzrechtes Folge eines Kartells oder eines abgestimmten Verhaltens ist, gleich (S. 73 des hektographierten Textes). «) Rechtssache 192/73, EuGHE 1974, 731 ff. 43 ) Gegen die Notwendigkeit einer solchen Verbindung als Voraussetzung eines Verstoßes gegen Art. 85 Abs. 1 G r u n d e r t, Gewerbliche Schutzrechte und EWG-Kartellrecht, Heidelberger Diss. 1973, S. 116 ff.

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fehlt es an einem Kartell 43 *). Fällt die wirtschaftliche Einheit weg, so wird aus dem Vertrag ein Kartell. Ein Problem, das der EuGH unerwähnt läßt, besteht in folgendem: Es erscheint nicht unproblematisch, aber im Ergebnis richtig, wenn in der Ausübung des übertragenen Schutzrechts eine Durchsetzung der Wettbewerbsbeschränkung, die in der Kartellvereinbarung liegt, und damit ein Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 gesehen wird. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn das Schutzrecht gegen Dritte ausgeübt wird, die an der Vereinbarung nicht beteiligt sind, und wenn die Kartellvereinbarung nicht zu dieser Ausübung verpflichtet; es steht dann dem Schutzrechtsinhaber frei, ob er Importe Dritter in sein Land abwehren will. Die Ausübung des Schutzrechtes dient in diesem Falle nicht der Durchführung der Kartellvereinbarung. Es erscheint recht problematisch und bedürfte zumindest einer Begründung, wenn angenommen wird, daß auch in diesem Falle in der Ausübung des Schutzrechtes ein Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 vorliegt. 5. E r l a n g u n g v o n S c h u t z r e c h t e n Vereinbarung

auf Grund

einer

Normalerweise setzt die Erlangung eines Schutzrechtes keine Vereinbarung voraus, so daß ein Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1, der in dem Erwerb liegt, von vornherein ausscheidet. Ein Sonderfall liegt jedoch vor, wenn das Schutzrecht nur auf Grund einer Vereinbarung mit einem anderen Schutzrechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung erlangt werden kann. Fälle der bezeichneten Art kommen indessen beim Urheberrecht schwerlich in Betracht und sollen daher hier nicht weiter erörtert werden 44 ). « » ) In dem Centrafarm I-Urteil vom 31. Okt. 1971 (Rechtssache 15/74), EuGHE 1974, 1168 und in dem Centrafarm Ii-Urteil v o m 31. Okt. 1974 (Rechtssache 16/74), EuGHE 1971, 1198 f. heißt es gleichlautend: „Allerdings ist Artikel 85 nicht einschlägig bei Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen von Unternehmen, die als Mutter- beziehungsweise Tochtergesellschaft ein und demselben Konzern angehören, vorausgesetzt, daß die Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden, in deren Rahmen die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen kann, und ferner, daß diese Vereinbarungen oder Verhaltensweisen dem Zweck dienen, die interne Aufgabenverteilung zwischen den Unternehmen zu regeln." 4 4 ) Bemerkt sei nur: Ist die erwähnte Vereinbarung oder die ggf. im Zusammenhang mit der Zustimmung getroffene Vereinbarung auf eine Einschränkung des W e t t bewerbs — in Betracht kommt vor allem eine Marktaufteilung — gerichtet, so liegt in einem Gebrauch des Schutzrechtes, der diesem Zweck entspricht, ein Verstoß gegen das Kartellverbot; dies gilt auch dann, wenn der Schutzrechtsinhaber dem Zweck der Vereinbarung entsprechend ein Abwehrrecht geltend macht. Ein derartiger Fall lag der Grundig/Consten-Entscheidung des EuGH (Rspr. XII, 367 ff.) zugrunde. Der Gerichtshof stellte hier mit Recht fest, daß dem Zeichen nur eine Mittlerfunktion zukomme, um den mit der Vereinbarung erstrebten Erfolg der Marktaufteilung zu erreichen.

Abwehr von Importen und das Europäische Recht

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II. Die Bedeutung der Vorschriften über marktbeherrschende Unternehmen Art. 86 verbietet „die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen". In seinen Urteilen zu Schutzrechten befaßt sich der EuGH wiederholt mit dieser Bestimmung. Er befaßt sich vor allem mit der Frage, wann eine marktbeherrschende Stellung vorliegt — seine Ausführungen zu diesem Punkt sind überwiegend etwas schief — und ob in einer bestimmten Preisgestaltung ein mißbräuchliches Ausnützen der beherrschenden Stellung liegt. Doch geht es in dem vorliegenden Beitrag um die Frage, wann die Abwehr von Importen auf Grund eines Urheberrechts gegen das EWG-Recht verstößt, und es ist nicht ersichtlich, wann in dieser Abwehr, die das nationale Recht erlaubt, ein Mißbrauch der Stellung des Schutzrechtsinhabers liegen sollte, wie ihn Art. 86 verlangt 45 ).

III. Die Vorschriften des EWG-Vertrages über den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten 1. A l l g e m e i n e s a) Grundlage der Gemeinschaft ist ein gemeinsamer Markt, auf dem die Grenzhindernisse für Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital grundsätzlich beseitigt sind. Nach den Artikeln 12 ff., 30 ff. sind Zölle und mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen (Kontingente) grundsätzlich verboten. Das Verbot der Kontingente wäre allerdings weitgehend wirkungslos, wenn nicht auch Maßnahmen gleicher Wirkung wie Kontingente unzulässig wären. Daher werden auch sie durch Art. 30 verboten. Eine Ausnahme von dem Verbot von Kontingenten und Maßnahmen gleicher Wirkung statuiert jedoch Art. 36. Danach stehen „die Bestimmungen der Artikel 30 bis 34 . . . 4S ) In dem Parke, Davis-Urteil, EuGHE 1968, 113, heißt es recht mißverständlich: „Sonach kann, da über den Bestand des Patentrechts gegenwärtig allein die innerstaatliche Gesetzgebung entscheidet, nur die Ausübung dieses Rechts dem Gemeinschaftsrecht unterliegen, wenn sie zu einer beherrschenden Stellung beiträgt, deren mißbräuchliche Ausnützung dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen". Begründet das Schutzrecht eine beherrschende Stellung, so trägt die Abwehr v o n Rechtsverletzungen zu ihr bei; doch liegt in dem bezeichneten Falle selbstverständlich nicht in jeder Abwehr von Rechtsverletzungen ein Mißbrauch i. S. des Art. 86, w i e es nach dem Wortlaut der zitierten Ausführungen der Fall sein müßte. Andernfalls wäre das Recht in seinem Kernbestand aus den Angeln gehoben.

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Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die . . . zum Schutz . . . des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind". Nach Satz 2 des Artikels dürfen „diese Verbote oder Beschränkungen . . . jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen". Es fragt sich nun, welches das Verhältnis dieser Vorschriften zu den nationalen Urheberrechten ist. Vorweg sei bemerkt, daß eine Anwendung der ersten von vornherein ausscheidet, wenn der geschützte Gegenstand keine Verkörperung gefunden hat, denn in diesem Falle ist ein Warenverkehr mit ihm nicht möglich. b) Auf die Vorschriften über den freien Warenverkehr stellt der EuGH erstmals in dem Deutsche Grammophon-Urteil 46 ) ab. Er erklärt hier, es sei zuerst zu prüfen, ob die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des Art. 85 vorlägen; nur wenn das nicht der Fall sei, komme auch die Anwendbarkeit der Vorschriften über den freien Warenverkehr in Betracht. Für diese Reihenfolge der rechtlichen Prüfung ist indessen kein Grund ersichtlich47). Die Beurteilung des Falles nach den Regeln über den freien Warenverkehr ist, wenn man der Rechtsprechung des EuGH folgt, vielfach einfacher als die Beurteilung nach Art. 85; dann sprechen schon arbeitsökonomische Gesichtspunkte dafür, mit der ersten Prüfung zu beginnen. Wurde beispielsweise ein Schutzrecht übertragen und stellt sich die Frage, ob ein Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 vorliegt, so kann die rechtliche Beurteilung recht schwierig sein48). Dagegen läßt sich u. U. einfach feststellen, daß ursprungsgleiche Schutzrechte vorliegen und deshalb die Geltendmachung der aus dem einen von ihnen resultierenden Abwehrrechte, folgt man der nachfolgend zu erörternden Rechtsprechung des EuGH, gegen das Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen verstößt. Eine Prüfung, ob daneben ein Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 vorliegt, ist dann nicht mehr nötig. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß anderes gilt, wenn die Waren aus einem Drittland importiert werden sollen, denn in diesem Falle kann die Ausübung des Schutzrechts nicht gegen die Vorschriften über den freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft verstoßen. •">) EuGHE 1971, 499 ff. = UFITA Bd. 63 (1972) S. 362 ff. 47 ) J o h a n n e s , aaO., S. 61 ff.; d e r s . in GRUR Int. 1975, 116 nimmt sogar an, die Anwendung der Art. 30 bis 36 sei die logisch vorrangige Lösung vor der des Art. 85. 4f >) Vgl. oben II. 4.

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c) Der EuGH nimmt in ständiger Rechtsprechung an, daß die Einräumung der nationalen Schutzrechte oder ihre Geltendmachung zur Unterbindung von Importen aus anderen Gemeinschaftsländern 49 ) — die Urteile geben keinen klaren Aufschluß darüber, was der EuGH annimmt — Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen, ü b e r die Frage, ob wirklich derartige Maßnahmen vorliegen, kann man verschiedener Meinung sein. Dieser Punkt wird an anderer Stelle60) behandelt und soll hier aufgegriffen werden. d) Geht man von der Auffassung des EuGH aus, so stellt sich die Frage, ob die Ausnahmenorm des Art. 36 zum Zuge kommt. Der EuGH führt hierzu in dem Deutsche Grammophon-Urteil 51 ) aus: „Artikel 36 führt unter den von ihm zugelassenen Verboten oder Beschränkungen des freien Warenverkehrs diejenigen an, die durch das gewerbliche und kommerzielle Eigentum gerechtfertigt sind. Unterstellt man, daß ein dem Urheberrecht verwandtes Recht durch diese Bestimmungen erfaßt werden kann, so geht aus dem genannten Artikel doch hervor, daß der Vertrag zwar den Bestand der durch die nationale Gesetzgebung eines Mitgliedstaats eingeräumten gewerblichen Schutzrechte nicht berührt, die Ausübung dieser Rechte aber unter die Verbote des Vertrages fallen kann. Artikel 36 läßt zwar Verbote oder Beschränkungen des freien Warenverkehrs zu, die zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind, erlaubt aber solche Beschränkungen der Freiheit des Handels nur, soweit sie zur Wahrung der Rechte berechtigt sind, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums ausmachen. Wird ein dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht benützt, um in einem Mitgliedstaat den Vertrieb von Waren, die vom Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats in Verkehr gebracht worden sind, allein deshalb zu verbieten, weil dieses Inverkehrbringen nicht 49 ) Man könnte die Maßnahmen i. S. des Art. 30 auch in den die Abwehransprüche durchsetzenden richterlichen Akten sehen. Doch kann es für die Frage, ob ein Verstoß gegen Art. 30 vorliegt, schwerlich darauf ankommen, ob der Importeur schon auf eine Abmahnung des Schutzrechtsinhabers reagiert oder ob er es auf einen Rechtsstreit ankommen läßt. 50 ) BB Int. (erscheint im Frühjahr 1977). 51 ) EuGHE 1971, 498 ff. = UFITA Bd. 63 (1972) S. 362 f. In dem betreffenden Rechtsstreit ging es um die Frage, ob ein Schallplattenproduzent, der Platten an eine französische Tochtergesellschaft zum Weitervertrieb in Frankreich geliefert hatte, mit den Mitteln des Urheberrechts dagegen vorgehen kann, daß diese Platten über ein Schweizer Unternehmen auf den deutschen Markt gelangen und dort zu einem Preis verkauft werden, der wesentlich unter dem gebundenen Endverkaufspreis des Schallplattenherstellers liegt. In Frankreich bestand kein Schutzrecht für die Platten.

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Robert Knöpfle: im Inland erfolgt ist, so verstößt ein solches die Isolierung der nationalen Märkte aufrecht erhaltendes Verbot gegen das wesentliche Ziel des Vertrages, den Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt. Dieses Ziel wäre nicht zu erreichen, wenn Privatpersonen aufgrund der verschiedenen Rechtssysteme der Mitgliedstaaten die Möglichkeit hätten, den Markt aufzuteilen und willkürliche Diskriminierungen oder verschleierte Beschränkungen im Handel zwischen den Mitgliedstaaten herbeizuführen. Hiernach würde es gegen die Normen über den freien Warenverkehr im Gemeinsamen Markt verstoßen, wenn ein Hersteller von Tonträgern das ihm nach der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats zustehende ausschließliche Recht, die geschützten Gegenstände in Verkehr zu bringen, ausübte, um in diesem Mitgliedstaat den Vertrieb von Erzeugnissen, die von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung in einem anderen Mitgliedstaat verkauft worden sind, allein deshalb zu verbieten, weil dieses Inverkehrbringen nicht im Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaats erfolgt ist."

Damit wurde ein Recht der Deutschen Grammophon Gesellschaft, Reimporte ihrer Schallplatten zu unterbinden, verneint 52 ). In dieser Rechtsprechung liegt eine Einschränkung des nach nationalem Recht bestehenden Rechtes zur ausschließlichen Verbreitung des Werkes. Dagegen bleiben die übrigen Rechte des Urhebers, insbesondere das Recht zur Vervielfältigung und zur öffentlichen Wiedergabe seines Werkes durch Vortrag, Aufführung, Vorführung, Sendung u. dgl. (vgl. § 15 UG) durch die Rechtsprechung des EuGH zum freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft unberührt, da sie mit dem freien Warenverkehr in der Gemeinschaft nichts zu tun haben. Die späteren Urteile des EuGH zu den gewerblichen Schutzrechten weichen von den im Deutsche Grammophon-Urteil aufgeführten Regeln nicht ab; der EuGH vertritt also noch heute die vorstehend wiedergegebene Auffassung. Danach können — dies ist die wichtigste Konsequenz — nationale Schutzrechte nicht dazu verwendet werden, die Märkte mehrerer Mitgliedstaaten, auf denen ein und dasselbe Unternehmen anbietet, voneinander zu isolieren. Aus anderen Urteilen ergibt sich ergänzend, daß der EuGH die Abwehr von Impor5 2 ) Die Folge davon war, daß die Gesellschaft die Preisbindung für ihre Schallplatten aufgab.

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ten auch dann für unzulässig hält, wenn „das geltendgemachte Schutzrecht aus einer freiwilligen oder durch hoheitliche Zwangsmaßnahmen bewirkten Aufspaltung eines Schutzrechtes hervorgegangen ist, das ursprünglich ein und demselben Inhaber gehörte" 53 ). Diese Formulierung ist, nebenbei bemerkt, insofern nicht korrekt, als es nicht ein einheitliches Schutzrecht in mehreren Ländern, sondern nur einzelne Rechte in den verschiedenen Ländern gibt. Wichtig ist, daß der EuGH die Abwehransprüche des Schutzrechtsinhabers in den Fällen, in denen die Erzeugnisse nicht von dem Schutzrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung in dem anderen Land in Verkehr gebracht wurden und in denen die parallelen Schutzrechte nicht ursprungsgleich sind, für gegeben hält. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die betreffenden Erzeugnisse in dem anderen Lande rechtswidrig in Verkehr gebracht wurden, also unter Verletzung eines dort bestehenden Schutzrechtes53*), oder rechtmäßig, weil in dem Land kein Schutzrecht besteht oder weil es dem Handelnden gehört53"). Die wiedergegebene Begründung des EuGH in dem Deutsche Grammophon-Urteil ist recht dürftig 530 ). Sie besteht in einer Aneinanderreihung allgemeiner Feststellungen, ohne daß recht ersichtlich ist, weshalb sich aus ihnen das Resultat ergibt, zu dem der EuGH kommt. Die einzelnen Feststellungen entbehren ebenfalls weitgehend eines gedanklichen Zusammenhanges; sie sind auch teilweise wenig überzeugend. So ist nicht ersichtlich, weshalb aus Art. 36 hervorgehen soll, daß der Vertrag zwar den Bestand der durch die nationale Gesetzgebung eines Mitgliedstaates eingeräumten gewerblichen Schutzrechte nicht berühre, die Ausübung dieser Rechte aber unter die Verbote des Vertrages fallen könne 54 ). Was weiter den — durch5S ) So zuletzt in dem Terrapin-Urteil (S. 40 des hektographierten Textes) für das Warenzeichen. Gleiches muß dann für das Urheberrecht gelten, doch dürfte dieser Fall bei ihm nicht häufig sein. 53 ") Dies stellt das Café Hag-Urteil, EuGH 1974, 744, klar. 53b ) Diesen Fall spricht der EuGH in dem Terrapin-Urteil, S. 40 des hektographierten Textes, an. Eine Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH in dem Sinne, daß Einfuhren in dem letzten Falle nicht mehr abgewehrt werden können, war nach dem Café Hag-Urteil vielfach befürchtet worden. Vgl. z. B. M a r t i n o in MA 1974, 419 ff.; M a k in GRUR Int. 1975, 118 ff.; M a 1 a y in Neue Züricher Zeitung v. 28. Juli 1974; Gegen die Aushöhlung des Markenrechts, Resolution des Markenverbandes, MA 1974, 537. Dagegen betonte S c h w a b in GRUR Int. 1975, 75 mit Recht, der EuGH habe mit dem Café Hag-Urteil die äußerste Grenze der Einschränkung nationaler Schutzredite erreicht. 53 °) Kritisch zu dem Begründungsstil des EuGH u. a. auch M a r t i n o in MA 1974, 420; H e i s e k e in WRP 1974, 592 und M a i l ä n d e r , aaO. (Anm. 31a) Art. 85 Anm. 50. 54 ) Die Berechtigung der Unterscheidung zwischen Bestand und Ausübung des Rechtes ist umstritten. Vgl. z. B. K r a f t in GRUR Int. 1975, 189; U 11 r i c h in GRUR Int. 298 Anm. 75; R u p p in N J W 1976, 993 ff.

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aus richtigen •— Hinweis betrifft, daß das Verbot des Vertriebes von Waren in dem bezeichneten Falle die Isolierung der nationalen Märkte aufrechterhält und gegen das wesentliche Ziel des Vertrages, den Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt, verstößt, so ist er ohne Aussagewert, denn dies ist immer der Fall, wenn der Import von Waren oder der Vertrieb importierter Waren unter Berufung auf ein Schutzrecht verboten wird. Der EuGH hält ein solches Verbot aber nur in den bezeichneten Sonderfällen für unzulässig. Ein weiterer, besonders gravierender Mangel liegt darin, daß die Ausführungen des EuGH zu dem Schluß verleiten, er stütze sein Ergebnis auf den Verstoß gegen ein Vertragsziel (den Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt) und nicht gegen Sachnormen des Vertrages 55 ). In seinen späteren Urteilen, vor allem in dem Terrapin-Urteil 56 ) vom 22. Juni 1976, begründet der EuGH seinen Standpunkt vollständiger und besser. In diesem Urteil 57) führt er zu dem betreffenden Fall -— es ging um ein Warenzeichen, doch muß Gleiches für das Urheberrecht gelten — aus, die „Geltendmachung der Gebietsbezogenheit der zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums ergangenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften" führe „dazu, die Isolierung der nationalen Märkte zu vertiefen, ohne daß diese Abschottung innerhalb des Gemeinsamen Marktes zum Schutz eines berechtigten Interesses des Inhabers des Warenzeichens oder Handelsnamens gerechtfertigt wäre". Damit ist — vorausgesetzt, Maßnahmen gleicher Wirkung liegen tatsächlich vor — der entscheidende Gesichtspunkt zumindest angedeutet: Ob die Beschränkung der Einfuhr im Sinne des Art. 36 „gerechtfertigt" ist, hängt von einer Interessenabwägung ab58).

55 ) Richtig ist, daß der EuGH zur Begründung seiner Entscheidung Art. 36 Satz 2 nicht heranzieht. U l l r i c h in GRUR Int. 1975, 297 führt mit Recht aus, dieser Satz habe als Umgehungsverbot nur die Aufgabe, einer rein formalen Beurteilung der Rechtfertigungsgründe des Art. 36 Satz 1, einer tel-quel-Beriicksichtigung dessen, was das nationale Recht als gewerbliches Eigentum, Sidierheits- oder Gesundheitsschutz deklariert, vorzubeugen. Hieraus ergibt sich, daß Art. 36 Satz 2 Handelsbeschränkungen, die sich aus dem W e s e n und Inhalt der nationalen Schutzrechte ergeben, überhaupt nicht betrifft, worauf v. G a m m in GRUR Int. 1976, 189 hinweist. 5

«) Rechtssache 119/75. ) S. 40 des hektographierten Textes. 58 ) K r a f t in GRUR Int. 1975, 287 meint demgegenüber, Art. 36 enthalte eine einfache Verweisung auf die nationalen Bestimmungen zum Schutz des gewerblichen Eigentums. Dagegen nimmt die h. L. an, Art. 36 modifiziere die nationalen gewerblichen Schutzrechte. Vgl. statt vieler E h l e r m a n n in Groeben-Boeckh-Thiesing, Komm, zum EWG-Vertrag, 2. Aufl. 1974, Bd. 1, Art. 36 Anm. II (S. 292), der schreibt, es sei letztlich Aufgabe des EuGH, die gemeinschaftlichen Grenzen der gewerblichen Schutzrechte abzustecken. 57

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2. D i e b e i d e r A n w e n d u n g d e s A r t . 3 6 notwendige Inte re ssen abw ägun g a) Bei der Anwendung des Art. 36 ist das Gemeinschaftsinteresse an einem freien Warenverkehr abzuwägen gegen das Interesse des Schutzrechtsinhabers. Nimmt man diese Abwägung vor, so ist nicht ersichtlich, weshalb gerade dann, wenn die betreffenden Erzeugnisse von dem Schutzrechtsinhaber selbst oder mit seiner Zustimmung in dem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht wurden oder wenn das Urheberrecht aufgespalten wurde, das Interesse des Schutzrechtsinhabers daran, daß er durch den ungeschmälerten Schutz seines Rechtes den Lohn58) für seine Leistung — dieser Gesichtspunkt trifft nicht nur für das Urheberrecht, sondern auch für das Patent, nicht aber für das Warenzeichen zu — und ggf. auch eine Vergütung für seine Aufwendungen erhält, geringer oder das Gemeinschaftsinteresse an einem freien Warenverkehr größer sein sollte als in den übrigen Fällen von Importen geschützter Gegenstände. In diesen Fällen mißt der EuGH dem Interesse des Schutzrechtsinhabers das größere Gewicht bei. Er begründet nicht, weshalb die Bewertung eine andere sein soll, wenn eine der bezeichneten Voraussetzungen erfüllt ist. Es ist nicht einzusehen, weshalb sich dann das Gewicht der kollidierenden Interessen so verschieben sollte, daß nun das Gemeinschaftsinteresse das Übergewicht hat. Dies gilt auch dann, wenn man das — vom EuGH nicht erwähnte — Interesse der Allgemeinheit daran, daß der Schutzrechtsinhaber durch ein ungeschmälertes Schutzrecht den Lohn für seine Leistung erhält, mit in die Betrachtung einbezieht. b) Hinzu kommen Gesichtspunkte, die von der erwähnten Prämisse — das Gemeinschaftsinteresse hat das geringere Gewicht, wenn nicht einer der vom EuGH bezeichneten Fälle vorliegt — unabhängig sind: Hat der Schutzrechtsinhaber die betreffenden Erzeugnisse in einem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht oder dort eine Lizenz vergeben, so ist dies im Interesse des Wettbewerbs in der Gemeinschaft zu begrüßen und nicht etwa „strafwürdig"; eine „Bestrafung" hierfür 59 ) Daß es ein Leitgedanke nicht nur des Patentrechts, sondern auch des Urheberrechts ist, den Schutzrechtsinhaber dadurch zu belohnen, daß ihm die alleinige wirtschaftliche Verwertung seiner Erfindung bzw. seines Werkes ermöglicht wird, ist allgemein anerkannt. Vgl. z . B . BGHZ 11, 135 (143) = UFITA Bd. 18 (1954) S. 214 (221 f.) — Lautsprecherübertragung; 13, 115 (118) = UFITA Bd. 18 (1954) S. 206 (208) — Bühnenaufführungsvertrag; 17, 266 (282) = UFITA Bd. 20 (1955) S. 314 (325) — Grundig-Reporter; 36, 171 (179) = UFITA Bd. 36 (1962) S. 485 (492) — Rundfunkempfang im Hotelzimmer! K o p p e n s t e i n e r in A W D 1971, 363; R e i m e r in GRUR Int. 1972, 225, der in diesem Zusammenhang mit Recht auf die Entstehungsgeschichte des LitUG vom 19. Juni 1901 hinweist.

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durch das Abschneiden der Abwehrrechte erscheint nicht durch Gesichtspunkte der Billigkeit gerechtfertigt. Wird der Urheber vor die „alles oder nichts "-Alternative gestellt, entweder die geschützten Gegenstände in dem anderen Mitgliedstaat in Verkehr zu bringen oder seine Zustimmung hierzu zu geben und damit Gefahr zu laufen, daß sein Markt im Inland beeinträchtigt oder gar zerstört wird, oder hierauf ganz zu verzichten, so wird er vielfach das zweite wählen. Damit ist weder dem Wettbewerb noch dem Warenverkehr in der Gemeinschaft etwas gedient. Die bezeichnete Alternative entspricht daher schwerlich dem richtig verstandenen Gemeinschaftsinteresse. Der Schutzrechtsinhaber oder sein Lizenznehmer haben nicht selten im Inland durch einen erheblichen Aufwand an Arbeit und Kosten, insbesondere durch aufwendige Werbung, den geschützten Gegenstand erst bekanntgemacht und einen Markt für ihn geschaffen. Dann wäre es nicht einzusehen, weshalb Lieferanten von Waren, die in dem anderen Land von dem Schutzrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht wurden, durch ein Abschneiden der Abwehrrechte des Schutzrechtsinhabers Tür und Tor geöffnet werden sollte, um sich in das „gemachte Nest" zu setzen und von der Leistung des Schutzrechtsinhabers zu schmarotzen. Dadurch könnte eine Amortisierung der Ausgaben, die der letzte für den Absatz im Inland gemacht hat, gefährdet werden. Diese — an anderer Stelle 60 ) näher dargelegten — Gesichtspunkte gelten nicht nur für das Urheberrecht und diesem verwandte Schutzrechte61), sondern auch für das Patentrecht und teilweise auch für das Warenzeichenrecht62). Speziell für das Urheberrecht kommt hinzu, daß sich das Interesse des Urhebers nicht in der Erzielung wirtschaftlicher Vorteile er®°) BB Int. (erscheint im Frühjahr 1977). ) W a s das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht des Herstellers von Tonträgern nach § 85 UG betrifft, so ist zu berücksichtigen, daß mit ihm die Verwertungsmöglichkeit der Urheber- und Leistungsschutzrechte verknüpft ist, die ggf. hinter dem Tonträger stehen (Komponist, Interpreten usw.). Mit deren Rechten und dem Lohn, der ihnen gebührt, hat der Umstand, daß der Tonträger von dem Hersteller oder mit dessen Zustimmung in dem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht wurde, nichts zu tun. 61

62 ) Wegen Besonderheiten beim Warenzeichen vgl. K n ö p f l e , aaO. (Anm. 60). Bei ihm kann übrigens d a s Interesse des Zeicheninhabers noch zusätzlich dadurch verletzt werden, daß sich die mit dem gleichen Zeichen versehene, v o m Zeicheninhaber oder mit seiner Zustimmung im Ausland in Verkehr gebrachte W a r e erheblich von der unterscheidet, die er im Inland in Verkehr bringt. Nach deutschem Recht findet in diesem Falle eine Erschöpfung des Warenzeichens nicht statt (vgl. R e i m e r in GRUR Int. 1972, 223 f.), doch macht der EuGH nicht diese Einschränkung.

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schöpft. Er kann beispielsweise ein außerwirtschaftliches schützenswertes Interesse daran haben, daß eine billige Lizenzausgabe, die den Qualitätsanforderungen der inländischen Originalausgabe nicht entspricht, nicht in das Inland importiert wird 8 8 ). Ferner sei darauf hingewiesen, daß der Urheber im Interesse der gewinnbringenden Auswertung seines W e r k e s daran interessiert ist, daß der inländische Originalverleger, der auf der Grundlage einer bestimmten Auflagenhöhe kalkuliert, seine Investitionen amortisieren kann und daß sein Absatz nicht durch die meist billigeren Auslandserzeugnisse beeinträchtigt wird 8 4 ). c) Man könnte gegen das hier vertretene Ergebnis einwenden, das Interesse des Schutzrechtsinhabers an der Möglichkeit, Parallelimporte zu unterbinden, sei nicht schutzwürdig, denn durch das Inverkehrbringen in dem anderen Land durch ihn oder durch die in diesem erzielte Lizenzgebühr habe er den ihm gebührenden Lohn schon erhalten (Belohnungstheorie) 8 5 ). Der Schutzrechtsinhaber kann jedoch durch Einnahmen, die er im Ausland erzielt, schwerlich den Lohn erhalten, den ihm sein inländisches Schutzrecht gewähren soll; diese Einnahmen haben mit dem letzten, also mit dem Umstand, daß der betreffende Gegenstand im Inland Schutz genießt, nichts zu tun. Wollte man sich über diesen Gesichtspunkt hinwegsetzen, s o w ä r e zu bemerken:

•s) Vgl. R e i m e r in GRUR Int. 1972, 226. M ) Vgl. R e i m e r in GRUR Int. 1972, 226. Diese Theorie soll begründen, daß Schutzrechte nadi nationalem Recht erschöpft sind, wenn sie von dem Sdiutzrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung im Ausland in Verkehr gebracht wurden. Oft wird sie nur für Patente vertreten. Doch muß sie, wenn sie für diese gilt, auch für Urheberrechte gelten. Im Sinne der Belohnungstheorie z. B. K o c h / F r o s c h m a i e r in GRUR Int. 1965, 125 ff.; S c h u m a c h e r in W u W 1968, 495 f.; S c h a t z in GRUR Int. 1970, 209 f.; K o p p e n s t e i n e r in AWD BB 1971, 361; E m m e r i c h in DB 1972, 1279. Der letzte scheint anzunehmen, wenn der Patentinhaber Parallelimporte abwehren könne, bedeute dies, daß er für seine Erfindung so oft eine Belohnung erhalte, als die Ware zufälligerweise Sdiutzrechtsgrenzen überquert; der Schutzrechtsinhaber dürfe aber nur einmal belohnt werden. Es ist indessen nicht ersichtlich, weshalb dieser dadurch, daß er Einfuhren in sein Land abwehrt, in diesem Land nochmals belohnt wird. In Betracht käme allenfalls eine zweite Belohnung durch Schadenersatzansprüche, wenn die Erzeugnisse schon importiert sind, doch ist offen, ob eine richtige Schadensberechnung eine zweite Belohnung ergibt. Aus diesen Gründen kann auch K o c h / F r o s c h m a i e r in GRUR Int. 1965, 121 f. nicht gefolgt werden, welche die These vertreten, daß durch das Recht zur isolierten Ausbeutung einer Erfindung auf den verschiedenen nationalen Märkten dem Inhaber paralleler Patente soviele Belohnungsmöglichkeiten für ein und dasselbe Erzeugnis gewährt würden, wie er Schutzredite besitze. Gegen die Belohnungstheorie oder ihre zu einseitige Betonung wenden sich W a s in GRUR Int. 1965, 609; H e is e k e in GRUR Int. 1967, 62 f.; M o n n e t in GRUR Int. 1965, 303; D e r i n g e r in GRUR Int. 1968, 108; S a m b e r in GRUR Int. 1969, 4 f.; W i n d i s c h , Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht im zwischenstaatlichen Bereich, 1969, S. 196 f.; R e i m e r i n GRUR Int. 1972, 227 ff.

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Der Belohnungsgedanke kann nicht zum Tragen kommen, wenn der Schutzrechtsinhaber in dem anderen Land nicht ein paralleles Schutzrecht hat, denn dann kommt er in diesem Land nicht in den Genuß der spezifischen Vorteile eines derartigen Schutzrechts. Auch in der Literatur wird von niemand der Standpunkt vertreten, der Schutzrechtsinhaber erlange durch das Inverkehrbringen im schutzrechtslosen Ausland den Lohn für sein inländisches Schutzrecht. Besteht aber in dem anderen Land ein paralleles Schutzrecht, so ist zu bemerken: Es kann nicht als Regel davon ausgegangen werden, daß der Schutzrechtsinhaber durch Verkäufe in dem einen Lande ähnliche Vorteile erzielt, also einen ähnlichen Lohn erhält, wie bei Verkäufen in dem anderen Lande66). Das allgemeine Preisniveau, die Kaufkraft, die Konkurrenzverhältnisse 67 ), der Bekanntheitsgrad des Produktes — kurz alle Umstände, welche die Nachfrage nach diesem und ihre Elastizität und damit den Preis bestimmen, der (bei einer bestimmten Absatzmenge) erzielt werden kann, können in dem einen Land gänzlich anders sein als in dem anderen Land. Gleiches gilt für die Produktionskosten und die sonstigen Gegebenheiten, die den Gewinn beeinflussen, wobei auch Veränderungen des Wechselkurses eine Rolle spielen können. Zu den Unterschieden in den Rahmenbedingungen, denen sich der Schutzrechtsinhaber in den beiden Ländern gegenübersieht, können Unterschiede in seinem Marktverhalten, insbesondere in seinen Verkaufsbemühungen (Aufbau einer Verkaufsorganisation, Werbung u. a. m.), kommen. Es ist daher möglich, daß der Schutzrechtsinhaber in dem einen Land große Gewinne macht und in dem anderen wenig oder nichts verdient oder sogar mit Verlust verkauft, beispielsweise in der Phase der Einführung des Produktes. Dann müßte er es geradezu als Ironie empfinden, wenn ihm bedeutet würde, daß er durch den Verkauf der Erzeugnisse in dem zweiten Land den Lohn für sein in dem ersten Land erworbenes Schutzrecht erhalten habe und daß der „Entgeltsicherungszweck" dieses Schutzrechtes damit erfüllt sei. Bringt der Schutzrechtsinhaber die Erzeugnisse nicht selbst im Lande B in Verkehr, sondern vergibt er dort eine Lizenz, so ist wiederum völlig offen, ob die aus ihr erzielten Einnahmen (pro Einheit) denen entsprechen, die er durch die Vergabe einer entsprechenden Lizenz im Lande A erzielt oder erzielen könnte. Aus alledem folgt, «•) W i n d i s c h i n UFITA Bd. 66 (1973) S. 89. ) Die meisten Sdiutzrechte begründen nicht ein Monopol im Sinne einer marktbeherrschenden Stellung, bei welcher der Schutzrechtsinhaber einem wesentlichen Wettbewerb nicht ausgesetzt ist, was in der Literatur vielfach verkannt wird. 67

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daß der Wert des Schutzrechts von Land zu Land sehr verschieden sein kann. Mithin kann bei der erwähnten Interessenabwägung nicht davon ausgegangen werden, daß der Schutzrechtsinhaber dadurch, daß das geschützte Erzeugnis von ihm oder mit seiner Zustimmung in dem anderen Land in Verkehr gebracht wurde, den Lohn für seine Leistung schon erhalten hat. Einen anderen Gesichtspunkt führen Koch/Froschmaierss) an: „Wenn das nationale Patent in seiner Isolierung keine Gewinnmaximierung durch getrennte Ausbeutung regionaler Teilmärkte erlaubt, dann kann im Verhältnis paralleler Patente untereinander schon von der Zwecksetzung des Patentrechts her nichts anderes gelten". Auf derselben gedanklichen Linie liegt es, wenn Koppensteiner69) schreibt, wäre die aus dem Recht zur Abwehr von Paralleleinfuhren resultierende „zusätzliche Gewinnaussicht . . . tatsächlich Bestandteil des patent- und urheberrechtlichen Anreiz- und Belohnungsmedianismus, so müßte dies konsequenterweise nicht nur für internationale Sachverhalte, sondern auch für reine Inlandsfälle dergestalt gelten, daß dem Schutzberechtigten auch insoweit absolut wirkende Marktaufteilungsmaßnahmen ermöglicht werden". Für eine Argumentation im Sinne eines „wenn nicht — dann auch nicht" (Koch/Froschmaier) oder „wenn schon — denn schon" (Koppensteiner) fehlt es jedoch an einer geeigneten Grundlage. Es liegt im Ermessen des Gesetzgebers, welches Maß an Schutz er dem Schutzrechtsinhaber einräumt, in welchem Umfang er also diesem das Ausschlußrecht gewährt. Geht er hierbei von dem Gedanken aus, daß der Erfinder seinen Lohn im Geltungsbereich des Schutzrechts finden soll, das er und nicht ein anderer Gesetzgeber einräumt — dies mit der Folge, daß der Schutzrechtsinhaber Paralleleinfuhren abwehren kann —, so ist dieser Gedanke zumindest vertretbar70). Ein Widerspruch dieser Lösung des Gesetzgebers dazu, daß der Geltungsbereich des Schutzrechts, was die Erschöpfung des Rechtes betrifft, als Einheit angesehen wird, ist nicht ersichtlich. Dies gilt um so mehr, «8) GRUR Int. 1965, 121, 125. «») A W D 1971, 363. 70 ) W i n d i s c h, aaO. (Anm. 69) weist mit Recht darauf hin, daß sich der Erfinder infolge der territorial beschränkten Geltung der einzelnen Patentrechte in jedem einzelnen Land um die Erteilung eines Patentes bemühen müsse, wenn ihm an einem umfassenden Schutz der Erfindung gelegen sei. Die damit verbundenen besonderen Mühen und Kosten rechtfertigten es, daß der Berechtigte die Märkte der verschiedenen Länder gesondert ausnützen könne; der Schutzbereich bestimme den Konsumtionsbereich.

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als — wirtschaftlich gesehen — der Inlandsmarkt gewöhnlich für den Schutzrechtsinhaber ein einheitlicher Markt ist, innerhalb dessen es, was die Nachfrage nach dem betreffenden Produkt und die Produktionskosten betrifft, keinen sehr großen Unterschied gibt. Es fehlt daher gewöhnlich an einem Interesse des Schutzrechtsinhabers an Abschottungen innerhalb dieses Marktes. Anderes gilt für das Verhältnis Inlandsmarkt—Auslandsmarkt. Hier können, wie ausgeführt, große Unterschiede bestehen, so daß es den Belangen des Schutzrechtsinhabers oft in gravierender Weise zuwiderliefe, wenn ihm eine Abschottung verwehrt wäre. Schließlich weisen die genannten Fälle auch unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität erhebliche Unterschiede auf: die Isolierung von Teilmärkten innerhalb eines Landes ist nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich, Abschottungen zwischen verschiedenen Ländern bereiten dagegen keine vergleichbaren Schwierigkeiten. Aus dem Gesagten ergibt sich, nebenbei bemerkt, für das deutsche Recht, daß es nicht berechtigt wäre anzunehmen, das Urheberrecht im Sinne des § 17 Abs. 2 UG sei erschöpft, wenn das Werk oder Vervielfältigungsstücke vom Urheber oder mit seiner Zustimmung in einem anderen Land in Verkehr gebracht wurden71). d) Die vorstehenden Bemerkungen dürften zumindest erhebliche Bedenken gegen die Rechtsprechung des EuGH begründen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß dieser zu anderen Ergebnissen käme, wenn er die bei der Anwendung des Art. 36 EWG-V notwendige Abwägung der kollidierenden Belange in umfassender Weise vornehmen würde. Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, daß er das schon bisher getan hat, doch geht dies aus den Entscheidungsgründen seiner Urteile nicht hervor.

Resümee Will der Urheber auf Grund seines Urheberrechtes — für dem Urheberrecht verwandte Rechte gilt dasselbe wie für dieses — Importe aus anderen Mitgliedstaaten der EWG in sein Land oder die Verbreitung von Gegenständen, die aus einem solchen Staat importiert sind, in seinem Land verhindern, so kann dem das EWG-Recht ent") Vgl. oben I.

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gegenstehen. In Betracht kommt ein Verstoß gegen die Vorschriften über Kartelle, über marktbeherrschende Unternehmen und für den freien Warenverkehr. 1. Was zunächst das Kartellverbot des Art. 85 EWG-V betrifft, so erfüllt das Urheberrecht nicht die Voraussetzungen einer vertraglichen Abmachung oder Abstimmung. Doch liegt nach Auffassung des EuGH ein Verstoß gegen das Kartellverbot vor, wenn die Ausübung des Urheberrechtes „Gegenstand, Mittel oder Folge einer Kartellabsprache" ist. Der EuGH nimmt an, daß das Urheberrecht zwar durch Art. 85 in seinem Bestand nicht berührt werde, daß aber seine Anwendung unter diese Vorschrift fallen könne. Im einzelnen sind verschiedene Fälle zu unterscheiden. Vereinbarungen, durch die sich Urheber verpflichten, Verletzungen ihrer Rechte abzuwehren, beschränken zwar den Wettbewerb, doch ist dies ein mittels Gesetzesverstoß geführter, also nicht schutzwürdiger Wettbewerb. Die genannten Vereinbarungen fallen daher nicht unter das Kartellverbot. Hat der Urheber mit dem Lizenznehmer Abreden getroffen, so verstoßen diese, wenn sie den Lizenznehmer binden, in vielen Fällen gegen das Kartellverbot. Im vorliegenden Zusammenhang geht es jedoch, was vielfach durcheinandergebracht wird, um die Frage, ob es gegen das Kartellverbot verstößt, wenn sich der Urheber gegenüber dem Lizenznehmer verpflichtet, gegen Verletzungen seines Rechtes durch Importe vorzugehen. Diese Frage ist zu verneinen. Wird das Schutzrecht übertragen, so liegt hierin normalerweise ebensowenig wie in dem originären Erwerb ein Verstoß gegen Art. 85 EWG-V. Doch kann ein solcher vorliegen, wenn besondere Umstände hinzukommen. Die Geltendmachung der Abwehrrechte gegenüber der Einfuhr aus anderen Gemeinschaftsländern verstößt nach Auffassung des EuGH gegen das Kartellverbot, wenn die Übertragung Teil eines Vertragssystems ist, das durch eine Marktaufteilung den Wettbewerb stört. 2. Hat der Urheber eine marktbeherrschende Stellung, so wird diese nicht mißbraucht, wenn er Importe, die sein Recht verletzen, abwehrt. Ein Verstoß gegen Art. 85 EWG-V scheidet daher aus. 3. Der EuGH nimmt einen Verstoß gegen die Vorschriften über den freien Warenverkehr vor allem dann an, wenn die Gegenstände, deren Einfuhr er abwehrt, in dem anderen Mitgliedstaat von dem Urheber selbst oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht wurden. Er

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geht hierbei davon aus, daß in der Einräumung der Schutzrechte durch den nationalen Gesetzgeber oder in der Geltendmachung der Rechte zur Abwehr von Importen aus anderen Mitgliedstaaten — hierüber wird nicht Klarheit geschaffen — Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne der Art. 30 f f . EWG-V liegen, was sehr zweifelhaft erscheint. Folgt man in diesem Punkte dem EuGH, so kommt es darauf an, ob die Beschränkung der Einfuhr im Sinne des Art. 36 EWG-V „gerechtfertigt' ist. Dies ist im Wege einer Abwägung des Gemeinschaftsinteresses an einem freien Warenverkehr gegen das Interesse des Urhebers und der Allgemeinheit an einem ungeschmälerten Bestand des Urheberrechtes zu bestimmen. Diese Interessenabwägung führt in den Fällen, in denen der EuGH das Abwehrrecht des Urhebers für ausgeschlossen hält, zu keinem anderen Ergebnis als in den Fällen, in denen er es für gegeben ansieht. Hierin liegt der wesentliche Einwand gegen die Rechtsprechung des EuGH, auch soweit sie Patente betrifft.

Résumé Si l'auteur se fondant sur son droit d'auteur — ce qui vaut pour le droit d'auteur vaut aussi pour les droits voisins — veut empêcher dans son pays les importations en provenance d'autres Etats membres de la CEE ou la distribution d'objets qui sont importés d'un autre de ces pays, il peut se heurter au droit de la CEE. C'est à juste titre que la Cour de justice européenne considère qu'il n'est pas touché par l'interdiction des ententes au droit d'auteur dans son existence de l'article 85 du traité CEE, mais que son exercice pourrait tomber sous le coup de cette disposition. Il faut distinguer entre différents cas particuliers dont l'analyse conduira la plupart du temps à conclure qu'il n'y a pas atteinte à l'article 85 du traité CEE. Pour ce qui concerne les dispositions relatives aux entreprises occupant une position dominante (art. 86 du traité CEE), il n'apparaît pas quand l'allégation d'un droit d'auteur à ¡'encontre d'importations pourrait y porter atteinte. La Cour de justice européenne considère qu'il y a atteinte aux dispositions sur la libre circulation des marchandises (art. 30 et s. du traité CEE) lorsque les objets importés ont été mis dans le commerce dans un autre Etat membre par l'auteur lui- même ou avec son accord, ou lorsque le droit dont le titulaire est différent dans l'autre Etat a la même origine. Une mise en balance de l'intérêt du titulaire du droit d'auteur et de l'intérêt général à une libre cir-

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culation des marchandises, telle que la veut l'article 36 du traité CEE, ne conduit cependant pas dans ce cas à un autre résultat que dans les autres cas d'importations allant à rencontre du droit d'auteur national et dans lesquels, de l'avis de la Cour de justice européenne, il est permis au titulaire du droit de se défendre; dans les cas visés également c'est l'intérêt du titulaire du droit qui l'emporte; il n'est donc ni justifié, ni conséquent de refuser justement dans ces cas au titulaire du droit d'auteur le droit de se défendre. Fr. U.

Summary If by virtue of his copyright an author wants to prevent imports from other member states of the EEC into his country or the distribution of articles which are imported from such a state EEC law can be opposed. The same applies to related rights to copyright. The European Court rightly holds that the existence of the copyright cannot be affected by the prohibition of cartels in art. 85 EEC Treaty, but that its existence could be subject to this provision. Various cases must be examined in detail. This analysis ultimately shows that there is no violation of Art. 85 of the EEC Treaty. As to the provisions concerning enterprises with a dominant market position (art. 86 EEC Treaty), no violation through the exercise of a copyright against imports is given. The European Court held that a violation of the provisions governing the free movement of goods occures (art. 30 et seq. EEC Treaty), if the imported articles have been distributed in another member state directly by author, or with his consent, or if there exists in another member state an identical copyright having the some origin but belonging to another holder. However, in this case the balance of interest between the holder of the copyright and the interest of the community in the free distribution of goods, as required by art. 36 EEC Treaty, does not lead to a result different from that in other cases concerning imports running counter to national copyrights, where in the opinion of the European Court injunctions can be asked for. But even in the cases mentioned above the interest of the holder of the title is predominant. Thus, it is neither justified nor does it result in these cases in the denial of injunctive relief to the holder of the copyright. v. W.

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Werk und Urheber in der schweizerischen Urheberrechtsreform Von Dr. jur. Wolfgang Larese, Rechtsanwalt in Zürich*) 1. Das methodische Problem Eine wesentliche Richtung der heutigen Rechtsvergleichung, die sogenannte funktionale Rechtsvergleichung, findet Vergleichbares in zu vergleichenden Rechtsordnungen, indem sie ein konkretes Rechtsproblem als Ausgangspunkt nimmt 1 ). Das Rechtsproblem ist die Ursache, die jeweilige materiale rechtliche Ausgestaltung die Folge. Als Rechtsproblem kann dabei jener Lebenssachverhalt bezeichnet werden, der einer rechtlichen Regelung bedarf, weil ohne dieses ordnende Eingreifen Störungen des sozialen Lebens, um nicht zu sagen Ungerechtigkeiten, zu erwarten wären. Geht man aber in dieser Weise vom Problem aus, so folgt man zwangsläufig jenen Regeln, welche allgemein mit Topik bezeichnet werden. Das Problem bestimmt die Untersuchung; Abschweifungen werden mangels Problemgebundenheit denunziert; die gegebene (nationale) Systematik verliert ihren Absolutheitsanspruch. Theodor Viehweg hat diese Problemverpflichtung in einem kurzen und überaus anschaulichen Satz zusammengefaßt; „Man wird dauernd vom Problem gestört" 2 ). Hat man sich aber einmal an die Situation des dauernden Gestörtseins gewöhnt, so erliegt man zugleich der dieser eigenen Faszination, da die durch solches Vorgehen gewonnenen Ergebnisse erkenntnisreicher erscheinen als prämissenbedingt logische, einem herrschenden System verpflichtete Schlußfolgerungen. Bewährt sich eine Methode hinsichtlich mehrerer Rechtsordnungen, so liegt die Versuchung nahe, auf entsprechende Weise bei der Untersuchung einer einzelnen Rechtsordnung vorzugehen, und zwar nicht nur zum Zwecke der Rechtsanwendung, sondern vor allem auch auf der Stufe der Rechtssetzung. Denn gerade hier stellt sich mit aller Schärfe jene unausweichliche *) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. ') Am Anfang dieser funktionalen Rechtsvergleichung, zumindest was die Resonanz seiner Ausführungen betrifft, stand sicher Josef E s s e r mit seinem „Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts", 2., unveränderte Auflage, Tübingen 1964, w o er etwa den W e g der Rechtsvergleichung umschrieb: . . . . in gleichen Ordnungsaufgaben unter vergleichbaren gesellschaftlichen Zuständen die Gemeinsamkeit von Lösungen zu entdecken, die je von ihrer Entstehungsgeschichte her in ihrer Systembedingtheit dem gleichen Ordnungsziel dienen." 2 ) Topik und Jurisprudenz, 5., durchgesehene und erweiterte Auflage, München 1974, S. 39.

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Frage, was der Gesetzgeber vorkehren muß, um jene Lösung zu erzielen, welche er für ein gegebenes Problem als die beste erachtet. Es bedarf keiner besonderen Ausführungen, um auf die Gefahren hinzuweisen, welche eine vom Problem losgelöste und zu sehr traditionellen Denkweisen verbundene Anschauung in dieser wichtigen Phase hervorzurufen vermag. In der Folge sei deshalb versucht, unter dem Gesichtspunkt des besonderen, das Urheberrecht bedingenden Rechtsproblems einige Anmerkungen gegenüber der aktuellen schweizerischen Gesetzesrevision anzubringen. Angeregt wurde die Arbeit durch einen Aufsatz von Benvenuto Samson über Topik im Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, welcher vom Verfasser zur Ehrung von Professor Wilhelm Herschel anläßlich der Vollendung von dessen 80. Lebensjahre erstellt worden war. Benvenuto Samson hat eindrücklich darzustellen vermocht, w i e gerade die Materie des Urheberrechts einer ständigen Rückorientierung auf das zugrundeliegende Problem bedarf, sei es im Rahmen der Rechtsfindung, sei es auf der Stufe der Gesetzgebung 3 ). 2. Die schweizerischen Vorentwürfe zur Urheberrechtsreform Der Stand der schweizerischen Urheberrechtsreform sei hier kurz rekapituliert. Ein erster Vorentwurf (VE I) wurde von einer 1963 eingesetzten Expertenkommission verfaßt und zusammen mit den Erläuterungen (Erl. I) am 12. Juli 1971 in die Vernehmlassung geschickt4). Angesichts der zahlreichen Gegenvorschläge und Einwendungen wichtiger Organisationen wurde im August 1972 eine zweite Expertenkommission bestellt. Deren Vorentwurf (VE II) und Erläuterungen (Erl. II) datieren v o m 1. Mai 1974. 3. Bisheriges Grundschema des Urheberrechtsschutzes Das rechtstechnische Grundschema, welchem sowohl das geltende Recht als auch die beiden Vorentwürfe verpflichtet sind, erweist sich im Prinzip als einfach. A n einem W e r k , das sowohl Gegenstand als auch Voraussetzung des Schutzes ist, besteht ein Recht, welches einem einzelnen Berechtigten (dem Urheber) bzw. einer Mehrzahl von Berechtigten (den Miturhebern) zusteht. Es kompliziert sich erst, wenn man sich vor A u g e n hält, wie dieses Recht nach Auffassung der beiden Expertenkommissionen ausgestaltet sein soll. Es soll sich um ein subjektives, ausschließliches und gegenüber jedermann wirksames 3)

In UFITA Bd. 74 (1975) S. 127 ff. Vgl. den Wortlaut in UFITA Bd. 66 (1973) S. 173 bis 285; in der Folge wird nach diesem Abdruck zitiert. Vgl. audi W . L a r e s e , Unterwegs zu einem neuen schweizerischen Urheberrechtsgesetz, in UFITA Bd. 65 (1972) S. 21 bis 97. 4)

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Recht handeln, das dem Urheber (den Miturhebern) für eine bestimmte Zeit innerhalb der Schranken der Rechtsordnung eine absolute Herrschaft über sein Werk verleihen soll5). Um den Urheber „unauflöslich" mit seinem Werk zu verbinden, soll eine Übertragung zu Lebzeiten überdies ausgeschlossen sein6). Unter dieser Voraussetzung der „unauflöslichen" Zuordnung wird die Bedeutung der beiden das Grundschema bestimmenden Begriffe des Werkes und des Urhebers evident. Das Werk kann nicht irgendeine Erscheinungsform, Urheber nicht ein beliebiges Rechtssubjekt sein. Eine „unauflösliche" Zuordnung hat vielmehr eine fast schicksalshafte Dimension. Sie muß sich überzeugend rechtfertigen lassen. Das läßt sich schön am geltenden Recht nachweisen. Das Urheberrecht entsteht auf Grund des Realaktes der Werkschöpfung. Dieser Realakt ist auch einzige Grundlage des originären Rechtserwerbs. Sobald ein urheberrechtlich relevantes Werk vorliegt, ein Recht also entstanden ist, steht dieses nach einhelliger Auffassung dem Schöpfer dieses Werkes zu. Der Schöpfer ist Urheber und als solcher originär Inhaber des Urheberrechts. Es ist folgerichtig in jeder Beziehung ohne Belang, in welcher rechtlichen Stellung er sich befinden mag. Er mag beispielsweise in einem Arbeitsverhältnis gebunden sein, entscheidend bleibt allein die Tatsache der Schöpfung eines urheberrechtlich relevanten Werkes. Dieses Credo ist im schweizerischen Urheberrechtsdenken unbestritten 7 ), auch wenn dem Gesetzeswortlaut selber eine ähnlich überzeugende Formulierung nicht zu entnehmen ist. Doch auf Grund der Umschreibung der Miturheberschaft, wonach mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen haben müssen, um daran ein gemeinschaftliches Urheberrecht zu erwerben (Art. 7 Abs. 1 des URG von 1922/1955), ist der Schluß naheliegend, daß Werkschaffung und Rechtserwerb auch im Falle des einzelnen Urhebers in gesetzlich zwingendem Zusammenhang stehen müssen. Anders ließe sich in der Tat auch der herrschende Werkbegriff nicht erklären: Denn ergibt sich das Werk als origineller oder eigenpersönlicher Ausdruck einer Persönlichkeit, so bedarf die Rechtszuordnung an diejenige natürliche Person, welche das Werk geschaffen hat, keiner besonderen Rechtfertigung. Weil man persönlich gestaltet, fällt einem originär das Recht zu. Ein anderer originärer Erwerbsgrund als jener des Realaktes der Werkschöpfung, etwa ein Vertrag, 5 ) Erl. I, S. 205. «) Erl. I, S. 207. 7 ) Vgl. etwa BGE 74 II 112, worin von einem fundamentalen Prinzip der ganzen schweizerischen Urheberrechtsgesetzgebung gesprochen wird.

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ist unter dieser Perspektive undenkbar. Nur der Schöpfer kann Urheber sein. Sein Werk, und nicht ein beliebiges unpersönliches Objekt, steht schließlich in Frage. Schöpfer kann außerdem nur ein Mensch sein, nicht die juristische Person und ebensowenig die Maschine. Denn nur durch menschliche Vermittlung läßt sich schließlich die menschliche Persönlichkeit im Geschaffenen wiederfinden. Die Ausgestaltung des urheberrechtlichen Tatbestandes vollzieht sich im Rahmen der genannten Begriffe. Die Besonderheit des subjektiven Urheberrechts wirkt dabei in zweifacher Hinsicht präjudizierend: einerseits verlangt die Definition der Begriffe Werk und Urheber eine wertende Auswahl, andererseits muß sich diese wertende Auswahl durch die Besonderheit eines zugrundeliegenden Lebenssachverhaltes rechtfertigen lassen. Fehlt eine Rechtfertigung oder läßt sie sich nur in fiktiver Weise herstellen, so müßte das Urheberrecht als Sonderschutzrecht als solches in Frage gestellt werden. 4. Der gewandelte Werkbegriff Es war zu erwarten gewesen, daß sich die beiden Expertenkommissionen vor allem Gedanken über den Werkbegriff machen würden. Mit Max Kummers Vorschlag eines neuen Werkbegriffes ist tatsächlich ein Stein ins Rollen geraten, der so schnell in der schweizerischen Urheberrechtsdiskussion nicht wieder zum Stehen kommen wird. Ausgehend vom trotz aller Gefährdungen von Rechtsprechung und Lehre hochgehaltenen Begriff des Kunstwerkes hat Max Kummer in seinem zwischenzeitlich berühmt gewordenen Buch8) mittels einer Sammlung zeitgenössischer Kunsterzeugnisse bekanntlich überzeugend den Beweis erbracht, daß Kunst und Kunstwerk als Begriffe außerhalb des Rechts stehen müssen. Um dennoch Schützenswertes vom Schutzlosen unterscheiden zu können, habe die Rechtswissenschaft nach neuen, für die Rechtsfindung brauchbareren Werkeigenschaften zu suchen. Er selber fand sie unter anderen darin, daß eine wahrnehmbare Form individuell im Sinne einer statistischen Einmaligkeit sein und sich nach den Sachumständen als Werk der „Literatur und Kunst" präsentieren müsse9). Die Expertenkommission I hat sich der Faszination dieser Vorschläge nicht entziehen können. Insbesondere wurde sie in ihrer Absicht bestärkt, eine allgemeine Definition des Werkbegriffes zu versuchen. Im Vordergrund stand ) Das urheberrechtlich schützbare Werk, Bern 1968. ) M a x K u m m e r , aaO. S. 80; zur Diskussion über diese Vorschläge vgl. u. a. übersichtlich Elmar H e i m , Die statistische Einmaligkeit im Urheberrecht de lege lata und de lege ferenda, Diss. Fribourg, Buchdruckerei Oberwallis, Naters 1971. 8

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dabei die Erkenntnis, „daß sowohl die Spradiwerke wie auch Werke der Musik und Kunst tatsächlich nur selten das persönliche Gepräge ihres Urhebers aufweisen" 10 ). Die Expertenkommission I hat außerdem erkennen müssen, daß die Gegenwartskunst gelegentlich bewußt der Entpersönlichung verpflichtet ist, sie hat eingesehen, daß „die Erzeugnisse der modernen Kunst häufig das Ergebnis des Zufalls, des Experimentes, der spielerischen Kombination" sind11). Das veranlaßte sie, die bisher verwendeten Voraussetzungen der „eigenpersönlichen Schöpfung", des „persönlichen Gepräges des Urhebers", und wie sie alle von Rechtsprechung und Lehre zur Charakterisierung des Werkes entwickelt worden waren, zu ersetzen durch die Voraussetzung der „Individualität". So lautet Art. 1 Abs. 1 VE I: „Werke im Sinne dieses Gesetzes sind Sprachwerke, Werke der Musik, Werke der bildenden und andern Künste, ohne Rücksicht auf Wert oder Zweck, sofern sie eine individuelle Prägung aufweisen. " Um jedes Mißverständnis auszuschließen 12 ), wurde „individuell" verdeutlicht im französischen Wortlaut, der von „caractère original" spricht mit der Präzisierung „c'est-à-dire, qui se distinguent par leurs caractères propres". „Individuell wird allein auf das Werk bezogen, bedeutet also nach der Meinung der Expertenkommission I keineswegs „eigenpersönliches Gepräge" des Urhebers. Individuell geprägt sei ein Werk als wahrnehmbare Form immer dann, wenn es sich von den bestehenden oder potentiellen Werken abhebe. Es müsse einmalig sein, was in einem statistischen Sinn aufzufassen sei. Dieses Schutzkriterium sei ein Vergleichs- und keinesfalls ein Wertkriterium 13 ). Die Übernahme der Schlußfolgerungen Kummers ist evident. Die Expertenkommission I ist aber noch weitergegangen und hat im Grunde genommen auch das von Kummer postulierte Erfordernis der „Präsentation als Werk" übernommen, zwar nicht ausdrücklich, aber doch dem Sinne nach. Kummers Idee, daß sich eine Form nach den Sachumständen als Werk der Literatur und Kunst präsentieren müsse, kann wohl nicht anders verstanden werden als im Sinne einer Erklärung, daß mit dem Vorliegenden eine künstlerische Manifesta">) UFITA Bd. 66 (1973) S. 217. » ) UFITA Bd. 66 (1973) S. 217. 12 ) Eugen U 1 m e r etwa setzt für die Individualität voraus, daß bei der geistigen Leistung persönliche Züge zur Entfaltung kommen müssen; so in Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl., 1960, S. 116. 13 ) Vgl. dazu die Erl. I in UFITA Bd. 66 (1973) S. 217.

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tion vorliege, ein Erzeugnis also, das zu den vom Gesetz erfaßten urheberrechtlichen Kategorien gehöre. Die Expertenkommission I hat diese Kategorien in ihren Erläuterungen umschrieben als wahrnehmbar Ausgedrücktes „in Wörtern, Tönen, Linien, Formen und Farben oder durch Kombinationen dieser Mitteilungsmittel ,l14 ). Da der Richter mit dem ihm allein verbleibenden Maßstab der Unterscheidungskraft eines Gebildes kaum von sich aus wird entscheiden können, ob eine Reihe von Tönen, Wörtern oder eine Kombination von Linien und Formen als Kunstwerk gedacht ist oder nicht, bedarf es einer entsprechenden Erklärung. Anders kann meines Erachtens die Absicht der Expertenkommission I unter den gegebenen Umständen kaum verstanden werden. Die Einwände waren zu erwarten, daß durch den neuen Werkbegriff der Kreis der nach geltendem Recht geschützten Werke allzusehr erweitert würde 15 ). Es oblag der Expertenkommission II, diesen Bedenken Rechnung zu tragen. Art. 1 Abs. 1 VE II wurde deshalb neu formuliert: „Werke im Sinne dieses Gesetzes sind, ohne Rücksicht auf Wert oder Zwedc, Schöpfungen im Gebiet der Literatur und Kunst, sofern sie einen individuellen Charakter aufweisen." Aus den Erläuterungen II läßt sich zu diesen Änderungen folgendes entnehmen: — die Wendung „Prägung" sei durch „Charakter" ersetzt worden, weil unter Prägung ein von der Persönlichkeit des Urhebers geprägtes Werk verstanden werden könne, was weder in der Absicht der Expertenkommission I gelegen habe noch jene der Expertenkommission II sei. Notwendige und ausreichende Schutzvoraussetzung sei der individuelle Charakter des Werkes selber, und zwar unabhängig davon, ob es die persönliche Prägung des Urhebers trage. — Hinsichtlich der urheberrechtlichen Kategorien sei zum traditionellen Sprachgebrauch zurückgekehrt worden: Werke im Sinne des Gesetzes können nur S c h ö p f u n g e n im Gebiete der Lite1") UFITA Bd. 66 (1973) S. 218. ) Es sei an die grundsätzlichen Bedenken von D a v i d am schweizerischen Juristentag 1963 erinnert, den Schutzbereich zugunsten des Urhebers und zu Lasten der Allgemeinheit ständig auszudehnen: „Suche ich nach der Ursache dieses Zustandes, so glaube ich sie darin zu finden, daß über den Begehren der vielen interessierten Kreise in Vergessenheit zu geraten droht, warum und wozu das Urheberrecht (. . .) besteht. Urheberrecht (. . .) (soll) die Leistung, und zwar die besondere Leistung schützen, nicht nur die alltägliche Leistung oder die bloß bessere oder schlechtere Wiedergabe" (in: ZSR N.F. 1963, Bd. II, S. 507). 15

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ratur und Kunst sein. Schöpfung könne dabei keinesfalls verstanden werden als Produkt des Zufalls, des Experimentes oder der spielerischen Kombination, sondern einzig — und das wurde ausdrücklich betont — als konkretes Ergebnis einer schöpferischen, d. h. einer besonderen menschlichen Leistung. Rein maschinelle Erzeugnisse wie Computergraphik sollen deshalb nicht unter den Werkbegriff fallen bzw. nicht in das Gebiet der Literatur und Kunst. — „Individualität" müsse nicht näher präzisiert werden, wie es die Expertenkommission I mit dem französischen Wortlaut unternommen habe. Es sei Sache des Richters, von Fall zu Fall zu entscheiden. 5. Ergebnisse der Vorentwürfe zum Werkbegriff Wie es die beiden Expertenkommissionen auch formulieren, wie sie es auch begründen wollen, feststeht, daß beide überzeugt sind, im Werk in der Regel keinen persönlichen Ausdruck eines bestimmbaren schöpferischen Menschen mehr zu finden. So lassen sie folgerichtig das Werk für sich allein sprechen. Nicht der Schöpfer prägt das Werk; dieses liegt vielmehr vor, wenn es sich als Form von andern Formen unterscheiden läßt. Für die Qualifizierung als Werk wird die Form in ihrer spezifischen Wahrnehmbarkeit entscheidend, was notwendigerweise ihre besondere Herkunft, ihre besondere Herstellungsweise oder eine wie auch immer geartete menschliche Beeinflussung zur Irrelevanz verurteilen muß. Die Expertenkommission I hat diese Konsequenzen gezogen. Sie läßt die Frage nicht zu, ob individuelle Formen vom Menschen geschaffen oder bloße Produkte des Zufalls sind. Die Expertenkommission II hingegen ist auf halbem Weg stehen geblieben. Sie will bekanntlich der bloßen Aleatorik verpflichtete Erzeugnisse zugunsten von wirklichen menschlichen Schöpfungen vom Schutz ausgeschlossen wissen. Es fragt sich allerdings, ob sie damit Erfolg haben kann, ist doch die für sie damit notwendig werdende Unterscheidung aus der Individualität des Werkes allein nicht ersichtlich, welche letztere aber auch in der Konzeption der Expertenkommission II für die Werkqualität maßgebend sein soll. Der Widerspruch ist evident. Jedenfalls läßt sich schwer vorstellen, wie der Richter angesichts der allein geforderten Individualität der Erscheinungsform dieser zusätzlichen Voraussetzung eines spezifischen Schaffensprozesses gerecht werden soll16). So gewinnt Alois Trollers Prophezeiung an Gewicht, daß auch unter der Herrschaft einer im VE II enthaltenen Formulierung le)

V g l . zu diesen Schwierigkeiten oben im Text Note 8.

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nur die statistische Einmaligkeit des Werkes im umschriebenen Sinn Schutzkriterium sein wird17). Wir können deshalb als Ergebnis beider Vorentwürfe zum Werkbegriff getrost festhalten, daß das Werk für sich allein sprechen soll, da nach einhelliger Auffassung aller Experten ohne Kenntnis des Schöpfers dieser heute in den meisten Fällen aus dem Werk selber nicht erkennbar ist. 6. Folgen für das Zuordnungsproblem Solange das Werk definiert wird als eigenpersönliche Prägung seines Schöpfers, erscheint die Zuordnung des mit der Werkschaffung entstehenden unauflöslichen Rechtes an diesen Schöpfer als unvermeidlich. Sie läßt sich unter dieser Prämisse gar nicht anders vornehmen, da das Urheberrecht als Sonderschutzrecht jenes Rechtssubjekt in seinen Beziehungen zur Umwelt schützen muß, das bei Fehlen dieses Schutzes schwerwiegende Nachteile befürchten müßte. Bliebe der Schöpfer nicht Herr über die im Werk verkörperte und ihm zugeschriebene Aussage, so träfe beispielsweise jede von ihm nicht zu verhindernde Veränderung dieser Aussage nicht nur das Werk, sondern vor allem auch durch das Werk hindurch seine Person. In diesem Sinn hat das Urheberrecht eine eminent persönlichkeitsbezogene Bedeutung. Das erklärt auch die rechtliche „Unauflöslichkeit" der Werkbeziehung: das Persönlichkeitsrecht hat nicht zuletzt die Person vor sich selber zu schützen18). Auch bereitet — zumindest in der Logik der Rechtstechnik — die Zuordnung des Rechtes an den Schöpfer keine größeren Schwierigkeiten, da dieser (im Falle des Werkes mehrerer: diese) durch das von ihm geprägte Werk hindurch erkennbar ist. Ist man sich aber einig, und das wird bekanntlich hinsichtlich des künftigen Gesetzes nicht mehr grundsätzlich bestritten, daß nicht mehr die den Schöpfer bezeichnende eigenpersönliche Prägung der wahrnehmbaren Form, sondern die Individualität dieser Form selber im Sinne eines Vergleichsresultates ausschlaggebend sein soll für die Qualifikation als Werk, so bedeutet das nach dem Gesagten nichts weniger als eine unmißverständliche Abkehr von der traditionellen Prämisse. Folgen in der Struktur des urheberrechtlichen Grundtatbestandes erscheinen als unvermeidlich. Denn fehlt in der Regel eine eigenpersönliche Prägung des Werkes, ist dessen Eigenschaft 17 ) Im Kommentar zum Verlagsvertrag (Zürcher Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Teilband V 3a, 1. Lieferung, Zürich 1976), Einleitung N. 6. 18 ) Art. 27 ZGB.

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nur mehr durch blossen Objekts vergleich festzustellen, so entfällt die bisher akzeptierte Notwendigkeit, daß Urheber bzw. originär Berechtigter bzw. für ewig mit dem Werk verbundene Person ausschließlich der Schöpfer sein kann. Die Begründung ist naheliegend: kann der Schöpfer nicht mehr aus dem Werk selber erkannt werden, so kann er durch Verletzungen dieses Werkes auch nicht mehr in seiner Person getroffen werden. Nichts rechtfertigt es unter dieser neuen Prämisse, ihn rechtlich dennoch auf ewig mit dem Werk zu verkuppeln: kann die Person nicht verletzt werden, so bedarf sie auch keines gesetzlichen Sonderschutzes. Der Vermögenswert des Erzeugnisses allein vermag ihn jedenfalls kaum zu rechtfertigen, stehen doch heute schon bedeutend wertvollere und aufwendungsintensivere Erzeugnisse nichturheberrechtlicher Kategorien außerhalb jeden Sonderschutzes. Außerdem müßte es gerade unter vermögensrechtlichen Gesichtspunkten mehr als befremden, würde einem — vom Werk her gesehen bedeutungslosen — Hersteller eine derartige rechtliche Vorzugsstellung gegenüber dem mitunter ein großes finanzielles Risiko tragenden Nichtschöpfer eingeräumt. Die bisherige, zuungunsten des letzteren gestaltete Regelung ließ sich vor allem durch das persönliche Element im Werk rechtfertigen. Sein Dahinfallen entzieht auch der darauf begründeten Rechtfertigung die Grundlage. Soll das Urheberrecht beibehalten werden, welche Frage nicht zur Diskussion steht, so bedarf es immerhin in Zukunft einer andern, ebenso überzeugenden Begründung. Insbesondere erscheint als offensichtlich, daß der Realakt der Werkschaffung als einzige Art des originären Erwerbs seine Monopolstellung verlieren muß. Es ist nicht einzusehen, warum unpersönliche Erzeugnisse auf diese kompromißlose Art und Weise mit einem — möglicherweise zufälligen — Hersteller verbunden werden müssen. Wer A sagt, muß auch B sagen. Die Änderung des Werkbegriffes muß aus den genannten Gründen eine Änderung des Urheberbegriffs nach sich ziehen, will man nicht das Urheberrecht als solches in Frage stellen. Da es wenig hilft, vor dieser Evidenz den Kopf in den Sand zu stecken, muß man nach anderen brauchbaren Lösungen suchen. Sie lassen sich ohne Zweifel nur im Gefolge einer Rückbesinnung auf das der Urheberrechtsgesetzgebung zugrundeliegende Problem finden. 7. Die Individualität des Werkes als Zuordmmgsprinzip Der Ausgangspunkt ist gegeben und muß, mag man es persönlich bedauern oder nicht, akzeptiert werden; er beruht auf der Erkenntnis beider Expertenkommissionen, daß das Werk nur noch in den

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seltensten Fällen die persönliche Prägung seines Schöpfers trägt, und daß es deshalb für sich, als wahrnehmbare Form, individuell sein muß. Das bedeutet, daß man den Schöpfer nicht a priori kennt, sondern warten muß, bis sich eine Person als Schöpfer zu erkennen gibt. Das erscheint als logisch: ohne Kenntnis des Schöpfers weiß man nicht, wer das Werk geschaffen hat. Man ist auf die entsprechende Aussage bzw. auf ein konkludentes Verhalten eines Rechtssubjektes angewiesen. Dieser Tatsache trägt bereits das geltende Recht mit seiner Regelung über die Vermutung der Urheberschaft Rechnung: als Urheber gilt nach Art. 8, Abs. 1, Ziff. 1 URG bis zum Beweis des Gegenteils jene natürliche Person, deren bürgerlicher Name in der für die Bezeichnung des Urhebers üblichen Weise auf den Exemplaren des Werkes angegeben ist. Mehr kann das Recht nicht tun; es hat sich auf äußerlich feststellbare Momente zu stützen. Nach geltendem Recht ist der Gegenbeweis möglich, was konsequent ist: der wirkliche Schöpfer muß sein Werk, das Ausdruck seiner Persönlichkeit ist, jederzeit beanspruchen können. Er wird fragwürdig, wenn das Werk nicht mehr Ausdruck einer Persönlichkeit ist. Es läßt sich keine überzeugende Begründung dafür finden, warum ein Hersteller oder dessen Rechtsnachfolger zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt jenes Rechtssubjekt sollen bloßstellen können, das die ganze Zeit im Einverständnis des Herstellers im Sinne der gesetzlichen Vermutung als Urheber und damit als Schöpfer des Werkes gegolten hat. Sowenig das Publikum Anspruch auf Kenntnis des wirklichen Schöpfers hat, so wenig besteht ein schutzwürdiges Interesse des Herstellers, ein mit seiner Persönlichkeit in keiner Verbindung stehendes Erzeugnis zu einem beliebigen Zeitpunkt als sein Werk zu beanspruchen. Eines nämlich ist klar unter der neuen Prämisse: mangels eigenpersönlicher Prägung prägt nicht der Schöpfer das Werk, sondern prägt das Werk die damit als Schöpfer in Verbindung gebrachte Person. Diese wesentliche Klarstellung ist nötig: Denn wird das Werk als Schöpfung desjenigen betrachtet, der es als seine Schöpfung vorstellt, so ist naheliegend, daß dieser des besonderen urheberrechtlichen Schutzes bedarf, und zwar nicht nur, solange es dem möglicherweise vorhandenen wirklichen Schöpfer gefällt, sondern für die ganze Schutzdauer und im ganzen Umfang. Nur darin liegt schließlich die Rechtfertigung eines Sonderschutzes für Gebilde, die ohne jede persönliche Ausprägung rein auf Grund einer objektiv feststellbaren Individualität unterscheidbar und damit zuordenbar sind. Unabhängig davon, ob einer mehr oder weniger, besser oder

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schlechter leiste, es bedarf des Schutzes nur, wer als Schöpfer einer individuellen und damit zurechenbaren Erscheinungsform gilt und wer deshalb durch diese Erscheinungsform hindurch so und nicht anders qualifiziert wird. Weil urheberrechtliche Werke, d. h. Gebilde aus „Wörtern, Tönen, Linien, Formen und Farben" und Kombinationen davon völlig unabhängig von ihrem künstlerischen Wert, von ihrer schöpferischen Kraft, ja von ihrer Qualifikation als Kunst, als Antikunst oder Nichtkunst gar, ganz ausgezeichnet geeignet sind, in den Augen der Umwelt die damit als Schöpfer in Beziehung gebrachten Personen zu qualifizieren bzw. zu disqualifizieren, bedürfen gerade diese Personen eines Schutzes. Niemand soll beispielsweise die von ihnen gewählte bzw. ihnen zugerechnete Form gegen ihren Willen verändern können. Hier sieht man unter anderem auch, wie unsinnig schon immer Forderungen nach einer gewissen künstlerischen Qualität und dergleichen waren, kann doch überspitzt gesagt werden, je schwächer kunstkritisch ein Werk ist, desto mehr wird der damit in Beziehung gebrachte Schöpfer — wenn auch negativ — identifiziert. Die „entarteten Künstler" haben dies deutlich genug erfahren müssen. Prägt aber das für sich allein sprechende und in diesem Sinn unpersönliche Werk die damit in Beziehung gebrachte Person als Schöpfer, so drängt sich eine weitere Schlußfolgerung auf: die Herkunft des Werkes bzw. die Umstände seiner Entstehung müssen rechtlich ohne Belang bleiben. Ob eine Form in der Natur gefunden wird, ob sie ihre Existenz maschinellen Bewegungen oder menschlicher Handanlegung verdankt, ist sowohl aus der Form nicht ersichtlich als auch für die als verantwortlichen Schöpfer geltende Person irrelevant19). Sie muß sich in jedem Fall gegen Verwertungen wehren können, die sie nach ihrer Ansicht zu disqualifizieren imstande sind. Die von der Expertenkommission II aufgestellte Forderung, daß Werk nur sein könne, was von menschlicher Hand geformt worden sei, muß deshalb als mißglückter Versuch eines Zurückbuchstabierens bezeichnet werden. W i e soll vor allem der Richter, der die Form für sich zu prüfen hat, diesem zusätzlichen Erfordernis gerecht werden? Entweder kehrt man zum Kriterium der eigenpersönlichen Prägung zurück, was aber die meisten heutigen Werke schutzlos lassen müßte, oder man begnügt sich mit der Individualität, dem Anderssein einer konkreten Erscheinungsform, für die Schutz beansprucht wird. Verlangte man auch im letzteren Fall menschliche Gestaltung, so verlangte man schlechterdings das Unmögliche, da dies aus dem Werk ,9 )

Vgl. dazu anschaulich Max K u m m e r , zit. in Anm. 8, S. 77, Anm. 109.

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selber in den meisten Fällen eben nicht erkennbar sein soll. Schutzvoraussetzung wäre dann auch nicht mehr das individuelle Werk, sondern eine menschliche Betätigung, was schließlich einer Abkehr vom Werkschutzgedanken mit allen damit verknüpften Problemen der Rechtsunsicherheit gleichkäme. Der Realakt als einzige Erwerbsart des Urheberrechts bzw. die Reservierung des Begriffes des Urhebers als des originär Berechtigten und unlösbar mit dem Werk Verbundenen für die Person eines wirklichen Schöpfers wird unter diesen Voraussetzungen sehr problematisch. Geradezu unhaltbar aber scheint er zu werden, wenn noch ein weiteres bedacht wird. 8. Das urheberrechtliche Zuordnungsproblem der Sdiaffensgemeinschaft Bereits 1957, als das neue französische Urheberrechtsgesetz in Kraft trat, bemängelte René Savatier, daß die Regelung des Werkes mehrerer gegenüber jener des Werkes eines einzelnen zu kurz gekommen sei. Er bedauerte diesen Mangel namentlich deshalb, weil auf diese Weise zu gesetzlichen Ausnahmefällen gestempelt werde, was in der Wirklichkeit gerade umgekehrt mehr und mehr zur Regel werde und deshalb ganz besonders auf eine unzweideutige praktikable Regelung angewiesen sei. Die heute vor allem dominierende Kunst ist nach Savatier eine auf dem Team und einer gemeinsamen Ausrüstung beruhende Kollektivkunst 20 ). Das Werk ist vielfach das Produkt eines vielschichtigen Arbeitsprozesses außerhalb der Kontrolle und der Einflußnahme der einzelnen Beteiligten. Markt und Mode und der ihnen unterworfene finanzielle Risikoträger entfalten ihre eigene Gesetzlichkeit, welche die Wünsche und Hoffnungen allfällig beteiligter Autoren hinter die Notwendigkeit der frist- und publikumsgerechten Organisation zurücktreten lassen. So wie es im Rahmen technischer Entwicklungen, „in denen die Arbeit stufenmäßig erfolgt und bei denen der Beitrag des Einzelnen sich nicht oder nur ungenügend individualisieren läßt" 21 ), zu sogenannten Betriebserfindungen kommt, so wird es ohne Zweifel noch und noch zu „Betriebswerken" kommen, welche j a keine „eigenpersönliche Ausprägung" sein, sondern sich nur im Vergleich mit anderen Erzeugnissen unterscheiden lassen müssen. Die Vielzahl der mit der Werkschaffung be2 0 ) René S a v a t i e r in seiner Kommentierung des neuen französischen Urheberrechtsgesetzes von 1957 in: J.C.P. 1957. I. 1389. 2 1 ) So B l u m / P e d r a z z i n i , Das schweizerische Patentrecht, Bd. I., 2. A., Bern 1975, S. 300.

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auftragten Arbeitnehmer und ihre unterschiedliche Zusammenarbeit, die verschiedenartigen Einflüsse allfälliger Vorgesetzter, ein möglicherweise häufiger Personalwechsel, eine längere Zeitspanne der Werkschaffung mit den unvermeidbaren Folgen wechselnder Intensität der Mitarbeit seien ohne Anspruch auf Vollständigkeit nur im Sinne von Indizien erwähnt. Auch darf nicht übersehen werden, daß die Maschine in diesem recht komplex gewordenen Herstellungsprozeß eine früher nicht auszudenkende Bedeutung gewonnen hat. Vor dieser unbestreitbaren Realität eines gewandelten Kulturbetriebes ergibt sich fast zwangsläufig die Frage nach der Angemessenheit der traditionellen Grundsätze. Diese beruhen bekanntlich in aller Folgerichtigkeit zum Werkbegriff darin, daß mehrere immer dann gemeinschaftlich das Recht am Werk erwerben, wenn sie dieses gemeinsam geschaffen haben (Miturheberschaft gemäß Art. 7 Abs. 1 URG). Wie beim Werk des einzelnen ist also auch beim Werk mehrerer der Realakt der Werkschaffung einziger Erwerbsgrund. Wann nun aber nach geltendem schweizerischen Recht die Voraussetzung des gemeinsamen Schaffens erfüllt sein soll, ist überaus schwer zu sagen, da mangels Gelegenheit weder Rechtsprechung noch Lehre eindeutig dazu Stellung genommen haben 22 ). Sicher ist nur die unverbindliche Feststellung, daß Miturheber nur sein kann, wer geistig-schöpferisch auf irgendeine Weise an der Werkschaffung beteiligt war. Vor jeder Qualifikation eines Werkes als miturheberrechtliches Werk muß daher untersucht werden, wie es zustandegekommen ist. Hält man sich nun die soeben geschilderte Realität vor Augen, so erweist sich dieses Unterfangen alles andere als einfach: — An erster Stelle ist zu bedenken, daß die Rekonstruktion der Vorgänge nicht die Vorgänge selber sind. Dem Zufall, dem Glück oder Unglück des von der Beweislast Betroffenen und anderen mehr oder weniger aleatorischen Momenten stehen im Grunde genommen Tür und Tor offen. — Hinzu kommt die Schwierigkeit, gerade in größeren Betrieben die geistig-schöpferische Mitarbeit von der „gewöhnlichen" Mitarbeit abzugrenzen. Sind zum Beispiel minutiöse Anweisungen des Arbeitgebers, welche nicht ohne Einfluß auf die Form des Erzeugnisses bleiben, geistig-schöpferisch oder nicht? — Ein ungutes Gefühl ergibt sich auch, wenn man sich überlegt, wie man die unterschiedliche Beteiligung an der Werkschaffung be22 ) Vgl. im einzelnen W. L a r e s e, Die Voraussetzung der Untrennbarkeit miturheberrechtlicher Werke nach schweizerischem Recht, in: UFITA Bd. 61 (1971) S. 9 ff.

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rücksichtigen soll, wenn doch nach Gesetz das Recht am Werk allen gemeinsam zustehen soll. Man kann zwar auf einen diese Frage beantwortenden Vertrag hoffen, darf aber doch nicht aus den Augen verlieren, daß ein solcher durchaus fehlen kann. — Nie besteht überdies eine absolute Gewißheit, daß alle Miturheber — gerade bei häufigem Personalwechsel — wirklich bekannt sind. Da das Miturheberrecht als Urheberrecht keiner Verjährung unterliegt, muß bis zum Ablauf der Schutzdauer, die anknüpft beim Tod des letzten Miturhebers und mangels dessen Kenntnis auch nicht definitiv berechnet werden kann, mit zusätzlichen Miturhebern gerechnet werden. — Die weitere Schwierigkeit, menschliches Erzeugnis von maschinellen zu trennen, sei hier bloß der Vollständigkeit halber noch einmal erwähnt. — Da an die Stelle verstorbener Miturheber ipso iure deren Erben treten, d. h. in den meisten Fällen eine vielgestaltige Erbengemeinschaft, die ihrerseits als Gesamtheit der Zustimmung aller für eine gültige Verfügung bedarf, erhöhte sich gerade bei der Beteiligung vieler Mitarbeiter die Anzahl der schließlich zu berücksichtigenden Verfügungsberechtigten ins Uferlose. — Die Frage, was im Falle eines seine Zustimmung zu einer Verfügung verweigernden Miturhebers geschehen soll, ist trotz aller Verweisungen auf den Grundsatz von Treu und Glauben am Platz. Solange das Urheberrecht eine persönlichkeitsrechtliche Komponente aufweist, erscheint hier jedenfalls eine gewisse Zurückhaltung als angebracht. Im Grunde genommen läßt sich die Entstehungsphase in den meisten Fällen heutiger Werkschaffung nur mit mehr oder weniger plausiblen Fiktionen rekonstruieren, was Manipulationen der Schutzdauer begünstigt und schließlich reiner, dem traditionellen Urheberrechtsdenken zuwiderlaufender, Willkür Vorschub leistet. Man wird außerdem, schon um das Urheberrecht praktikabel zu halten, zu Fiktionen greifen müssen, die sich von der Sache her gar nicht aufdrängen. Ein Einzelner, vielleicht ein zufälliger Vorgesetzter, würde als Schöpfer auftreten, indem er mit seinem Namen zeichnete, wie es Art. 8 URG verlangt, und damit das Urheberrecht erwerben. Keinesfalls wäre er aber jene natürliche Person, welche das Werk geschaffen hat. Im Prinzip könnte deshalb jeder irgendeinmal Beteiligte seine Miturheberschaft geltend machen, was vor allem angesichts des neuen Werkbegriffs grotesk wäre, als ja nicht eine eigen-

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persönliche Schöpfung, sondern ein unpersönliches, dafür statistisch einmaliges Erzeugnis einer Vielzahl einander zum Teil nicht einmal bekannter Mitarbeiter vorläge. Zusammenfassend darf gesagt werden, daß bereits beim geltenden Werkbegriff die in Kraft stehende Regelung des Werkes mehrerer unbrauchbar geworden ist. Es sei nur an das Fernsehwerk erinnert, an dessen Herstellung eine Vielzahl von verschiedenen Personen in den verschiedensten Funktionen beteiligt ist und wo interne Abmachungen in allen Schattierungen, wer nun als Urheber gelten darf und wer nicht, an der Tagesordnung sind. Die Flucht in eine Art Pararecht mit allen damit zusammenhängenden Folgen der Willkür und der Entscheidung zugunsten des jeweils Stärkeren läßt sich nicht mehr übersehen. Einem zeitgemäßen Urheberrechtsgesetz kommt deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt die wichtige Aufgabe zu, die Urheberschaft hinsichtlich solcher mehr und mehr zur Regel werdender Fälle auf eine vernünftige Weise neu zu konzipieren. Die beiden Expertenkommissionen haben verdienstvolle Vorarbeiten geleistet, indem sie mit der Übernahme eines neuen, von der Persönlichkeit losgelösten Werkbegriffes eine günstige Voraussetzung für diese Neukonzeption geschaffen haben. Ihren Vorschlägen hinsichtlich des Urheberbegriffes durfte deshalb nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt des Werkes mehrerer mit großem Interesse entgegengesehen werden. 9. Wandlungen im Grundschema des Urheberrechtsschutzes Etwas mußte in der Tat unternommen werden. Die Gründe sind bereits dargelegt worden, warum unter der Herrschaft eines neuen Werkbegriffes der Realakt der Werkschöpfung als einziger Rechtserwerbsgrund für viele Fälle unrealistisch, wenn nicht sogar hinderlich, geworden ist. Hinzu ist nun die weitere Erkenntnis getreten, daß dieser Erwerbsgrund im Regelfall des Werkes mehrerer, wenn man darunter jenes Werk verstehen will, woran mehrere mitgearbeitet haben, seine Brauchbarkeit schlechthin eingebüßt hat. Und ganz nebenbei ist auch klar geworden, daß im Grunde genommen nichts mehr das fundamentale Prinzip der schweizerischen Urheberrechtsordnung rechtfertigt, welches besagt, daß Urheber nur eine natürliche Person sein könne. Diese Einschränkung beruht im übrigen auf der fälschlicherweise übernommenen Vorstellung, der Schöpfer sei mit seinem Werk verbunden wie der Vater mit seinem Kind. Abgesehen davon, daß dieser Vergleich ein Unding ist, weil rechtlich Vater und Kind (und übrigens auch die Mutter) aus rein ordnungs-

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technischen Gründen in Beziehung gebracht werden (etwa wegen des Namens, der Unterhaltspflicht, der Erbberechtigung) und keinesfalls etwa unter Berücksichtigung allfälliger tiefenpsychologischer Erkenntnisse, läßt sich das rechtliche Verhältnis zwischen zwei Rechtssubjekten niemals übertragen auf das Verhältnis eines Rechtssubjektes zu einem Rechtsobjekt. Schließlich verdient auch hervorgehoben zu werden, daß die soeben zusammengefaßten Einsichten unter Berücksichtigung der immer wieder betonten persönlichkeitsrechtlichen Komponente des Urheberrechts gewonnen werden konnten, keinesfalls also unter jenem hier bewußt vernachlässigten, aber in Wirklichkeit nicht weniger wichtigen Gesichtspunkt der Verteilung des finanziellen Risikos und der Investitionen. 10. Standortbestimmung der Expertenarbeiten Um das Ergebnis der Expertenarbeiten gleich vorwegzunehmen, sei festgestellt: Die beiden Kommissionen sind in dieser Hinsicht trotz eines gewandelten Werkbegriffes keine neuen Wege gegangen, sondern haben im Gegenteil die bisher zum Teil noch ungeschriebenen traditionellen Grundsätze verdeutlicht. Urheber ist, und daran lassen beide Kommissionen gar keinen Zweifel, diejenige natürliche Person, welche das Werk geschaffen hat (Art. 9 VE I; Art. 9 VE II). Damit wird der Realakt der Werkschöpfung als Rechtserwerbsgrund expressis verbis verankert, die Regelung des Werkes mehrerer gleichsam schicksalshaft präjudiziert. Die Expertenkommission I unterscheidet nodi zwischen Miturhebern und Urhebern verbundener Werke (Art. 10 Art. 11 VE I). In beiden Fällen werden darunter aber jene natürlichen Personen verstanden, welche das Werk gemeinsam geschaffen haben. Der Unterschied liegt einzig in der Art der Beiträge bzw. in der Beschaffenheit des gemeinsamen Erzeugnisses: lassen sich die einzelnen Beiträge voneinander trennen, d. h. nach der Meinung der Kommission gesondert verwerten, so liegt ein verbundenes Werk vor, andernfalls ein miturheberrechtliches. Die Expertenkommission II ist in der Folge wieder — wie das geltende Recht — zum einzigen Artikel der Miturheberschaft zurückgekehrt, indem sie in Art. 10 Abs. 1 VE II formulierte: „Haben mehrere Urheber an der Schaffung eines Werkes mitgewirkt, so steht ihnen dieses gemeinschaftlich zu".

Werk und Urheber in der schweizerischen Urheberrechtsreform

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Der soeben geschilderten Vorstellung des verbundenen Werkes wird dabei in Abs. 4 Rechnung getragen, indem im Falle der Trennbarkeit des einzelnen Beitrages dessen Urheber unter Vorbehalt anderslautender Vereinbarung eine gesonderte Verwertung vornehmen darf, soweit er dadurch die Auswertung des Gesamtwerkes nicht beeinträchtigt. Die Voraussetzung der Untrennbarkeit der einzelnen Beiträge ist dadurch für das miturheberrechtliche Werk fallen gelassen worden. Ausschlaggebend soll nur noch eine bestimmte gemeinsame Art der Werkschaffung sein. Hinsichtlich der Verfügung über das Urheberrecht, welche der Zustimmung aller Miturheber bedarf, ist außerdem ergänzt worden, daß keiner der Miturheber diese Zustimmung gegen Treu und Glauben verweigern dürfe. In den Art. 48 ff. VE II besteht eine Sonderregelung über Filmund Fernsehwerke, welche allerdings nichts am Grundsatz des Art. 10 Abs. 1 VE II ändert, daß Miturheber immer diejenigen natürlichen Personen sind, welche geistig-schöpferisch an der Werkschaffung teilgenommen haben. Diese Sonderregelung kann deshalb für die vorliegende Fragestellung vernachlässigt werden. Ebenso vernachlässigt werden können die jeweiligen Erläuterungen der beiden Expertenkommissionen zu ihren vorgeschlagenen Artikeln, da sie im Grunde genommen keine zusätzliche Aussage enthalten. Die Möglichkeit eines andern Erwerbsgrundes als des Realaktes der Werkschöpfung ist nicht einmal im ablehnenden Sinn erwähnt worden! Eine gewisse Enttäuschung angesichts dieses Resultates einer langjährigen Expertenarbeit läßt sich schwer verbergen. 11. Anregungen für gesetzgeberische Schluflfolgerungen Ist man aber einmal bereit, die Fragwürdigkeit der Beschränkung des originären Urheberrechtserwerbs auf diese einzige Erwerbsart des schöpferischen Realaktes einzusehen — und dieser Einsicht kann man sich heute vernünftigerweise nicht mehr verschließen —, so ist es erlaubt, wenn nicht sogar geboten, nach zusätzlichen Erwerbsarten Umschau zu halten. Man darf dies umso besseren Gewissens tun, als selbst in Frankreich, der Hochburg der Urheberpersönlichkeit und der Herrschaft eines Werkbegriffes im Sinne einer persönlichen Schöpfung der natürlichen Person mit der Einführung des „ceuvre collective" im Gesetz von 1957 ein erster zaghafter Schritt in dieser Richtung getan worden ist23). Es läßt sich etwa an eine spezifische Gesetzesbestimmung oder auch — an den Vertrag denken. 23 ) Vgl. dazu W. L a r e s e, Die Unterscheidung der komplexen Werke im französischen Urheberrecht, in UFITA Bd. 75 (1976) S. 131 ff.

W o l f g a n g Larese:

Das Gesetz kann beispielsweise vorschreiben, daß das im Arbeitsverhältnis geschaffene W e r k originär vom Arbeitgeber — hier im Sinne des Vertragspartners und nicht etwa eines leitenden Angestellten — erworben werden soll. Dieser Arbeitgeber kann eine natürliche oder eine juristische Person sein. Damit wäre für eine Mehrheit der heute geschaffenen W e r k e eine vernünftige Lösung gefunden. Daneben soll es möglich sein — dies entspricht gutem arbeitsrechtlichen Denken — , zugunsten des Arbeitnehmers jederzeit von dieser Vorschrift abzuweichen. V o n Gesetzes w e g e n soll immer dann davon abgewichen werden, wenn der Arbeitgeber das W e r k unter dem Namen des Arbeitnehmers bekanntmacht. W e r zeichnet, ist Urheber: das soll die der urheberrechtlichen Wirklichkeit entsprechende Faustregel sein. Auf der andern Seite könnte analog etwa zum französisch-rechtlichen „ceuvre collective" ein originärer Erwerb zugunsten jener natürlichen oder juristischen Person vorgesehen sein, welche, ohne sich zwangsläufig alle Mitarbeiter arbeitsvertraglich verpflichtet zu haben, Herr des Unternehmens ist und das W e r k unter eigenem Namen bekanntmacht. Es lassen sich beliebig viele solcher Fälle aufzählen, in denen Aktiengesellschaften, Vereine oder andere juristische Personen Publikationen unter ihrem eigenen Namen verbreiten, ohne daß im geringsten erkennbar wäre, wer nun wirklich das W e r k geschaffen hat. Auf diese Kenntnis besteht übrigens auch kein Anspruch. Das Urheberrecht nennt solche W e r k e bekanntlich anonyme W e r k e und versieht sie mit oft recht komplizierten Regelungen. Der Realakt bleibt dort Erwerbsgrund, w o der einzelne Schöpfer ein W e r k schafft und dieses unter seinem Namen bekanntmacht. Der Werkschaffung gleichgestellt ist dabei die Werkbeschaffung (z. B. Auffinden der Form, Verwendung einer Maschine für die Herstellung der Form), da unter dem neuen Werkbegriff die A r t der Werkherstellung und der Ort der Herkunft außerhalb des Rechts bleiben müssen. V o r der Bekanntmachung, unter der auch jedes konkludente Verhalten zu verstehen ist, muß es der werkschaffenden bzw. werkbeschaffenden Person aber möglich sein, über das W e r k vollumfänglich zu entscheiden, z. B. vertraglich einen andern zu berechtigen, als Schöpfer aufzutreten. Da dieses Auftreten zu den bekannten Konsequenzen führt, bedarf der vertraglich bestimmte Schöpfer aller Rechte am Werk, mit andern Worten der umfassenden Rechtsstellung des Urhebers. A l s Grundlage des Vollerwerbs muß hier deshalb der Vertrag akzeptiert werden.

Werk und Urheber in der schweizerischen Urheberrechtsreform

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Was im Falle des einzelnen Schöpfers als vernünftig erscheint, ist dort notwendig, wo mehrere auf irgendeine Weise an einer Werkherstellung beteiligt waren. Wen sie als Urheber an die Öffentlichkeit treten zu lassen beschlossen, der i s t auch Urheber und zwar, dies entspricht bestem traditionellen Urheberrechtsdenken, definitiv24). Ist nur ein einzelner mit seinem Namen auf dem Werkexemplar oder im Zusammenhang mit der Bekanntmachung genannt25), so ist er Einzelurheber. Sind es mehrere, so mögen es Miturheber sein. Haben sie vertragliche Abmachungen hinsichtlich der Rechtsausübung, so sind diese maßgebend, soweit nicht zwingendes Urheberschutzrecht entgegensteht. Fehlen solche Abmachungen, so tritt ein — in den Vorentwürfen allerdings fehlendes — dispositives Urhebervertragsrecht des Gesetzes an deren Stelle. Mit diesen Anregungen seien die Ausführungen abgeschlossen. Sie werden unvollständig sein, Schwächen aufweisen, Widersprüchlichkeiten auch. Das muß in Kauf genommen werden, liegt doch ihr Sinn darin, noch vor der Schaffung des neuen Gesetzes ein grundsätzliches überdenken der Vorschläge vor allem angesichts der urheberrechtlichen Grundproblematik anzuregen. Die Neufassung des Werkbegriffes allein genügt offensichtlich nicht; vor allem dem Verzicht auf die eigenpersönliche Prägung wohnt eine gewisse Fragwürdigkeit inne, wenn zugleich die Urheberschaft auf die natürliche Person als Schöpfer reduziert bleibt. Irgendwie bedenklich aber wäre es, müßte man, um einem neuen Gesetz gerecht zu werden, in vielen Fällen zulasten der Realität und ohne von der Sache her dazu gezwungen zu sein, zu Fiktionen greifen. Denn weniger als anderswo wird auch in Zukunft den schweizerischen Gerichten die Möglichkeit offenstehen, hier korrigierend einzugreifen, was die Bedeutung eines neuen Gesetzes zweifellos noch unterstreicht. ResUmee

Werk und Urheber sind die konstituierenden Elemente heberrechtlichen Grundtatbestandes. Die Besonderheit des ven Urheberrechts, das im Prinzip unlösbar mit dem Urheber den ist, präjudiziert dabei die gegenseitige delinitorische

des ursubjektiverbunBedingt-

2 4 ) Ich übernehme hier übrigens eine Idee von René S a v a t i e r , für den deutschen Leser entwickelt in dessen Aufsatz „La distinction, en droit français, de l'œuvre collective et de l'œuvre de collaboration" in UFITA Bd. 64 (1972) S. 1 ff., von R. Savatier erstellt als Beitrag zur Festschrift für Georg Roeber. 2 5 ) So der brauchbare Wortlaut der von der Expertenkommission II vorgeschlagenen Regelung über die Urhebervermutung.

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Wolfgang Larese:

heit der beiden Begriffe. Versteht man wie das geltende schweizerische Urheberrecht das Werk als persönliche Ausprägung seines Schöpfers, so ist die Zuordnung des Rechts an diesen Schöpfer zwangsläufig; Urheber ist, wer das Werk geschaffen hat. Nach neuem Recht nun soll das Werk vom Schöpfungsvorgang losgelöst werden. Werk soll eine Form im Bereich der Literatur und Kunst sein, die für sich allein individuell, d. h. statistisch einmalig, ist. Die Prämisse wird damit gleichsam umgekehrt: nicht der Urheber prägt das Werk, sondern das Werk prägt den Urheber. Eine Neubesinnung hinsichtlich des Begriffes des letzteren ist unvermeidlich. Die vorliegende Arbeit ist dieser Neubesinnung verpflichtet. Auf dem Hintergrund der Expertenarbeiten wird nach dem Sinn des urheberrechtlichen Sonderschutzes gefragt. Unter Urheber wird nicht apriori der Schöpfer verstanden, sondern insbesondere jenes Rechtssubjekt, das des besonderen umfassenden Schutzes bedarf. Die Regelung des Werkes mehrerer dient dabei als Prüfstein der jeweiligen Hypothesen. Im Ergebnis wird zu zeigen sein, daß der Realakt der Werkschöpfung als einzige Möglichkeit des originären Rechtserwerbs in einem gewandelten Kulturbetrieb nicht mehr genügt, will man nicht das Urheberrecht als solches in Frage stellen. Résumé L'œuvre et l'auteur sont les éléments constitutifs du fait juridique fondamental du droit d'auteur. Le caractère particulier du droit d'auteur subjectif, qui est en principe lié de façon indissoluble à l'auteur, préjuge dans ce contexte de la relation réciproque établie entre ces deux notions sur le plan des définitions. Si, comme le droit d'auteur suisse en vigueur, on entend par œuvre l'expression personnelle de son créateur, le rattachement du droit au créateur est obligatoire; est auteur celui qui a créé l'œuvre. Or, selon le nouveau droit, l'œuvre doit être détachée du processus créateur. Sera œuvre une forme du domaine de la littérature et de l'art qui est en soi individuelle, c'est-à-dire statistiquement unique. La prémisse se trouve en même temps renversée: ce n'est pas l'auteur qui imprime sa marque à l'œuvre, mais l'œuvre qui a une influence sur l'auteur. Une nouvelle position doit être inévitablement adoptée au regard de la notion d'auteur et la présente étude lui est consacrée. Il est recherché, avec les travaux des experts en arrière-plan, quel est le sens de la protection spéciale assurée par le droit d'auteur. L'auteur n'est pas a priori considéré comme étant le créateur, mais

Larese: Werk u. Urheber in der schweizer. Urheberrechtsreform

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est en particulier auteur le sujet de droit qui a besoin de la large protection spéciale. La réglementation concernant l'œuvre de plusieurs sert ici de pierre de touche aux hypothèses en présence. Il reste eniin à montrer que l'acte juridique de création de l'œuvre en tant que seule possibilité d'acquisition à titre originaire du droit ne suffit plus dans un monde où les activités culturelles se sont transformées, si l'on ne veut pas mettre en question le droit d'auteur en tant que tel. Fr. U.

Summary The work and the author are the basic elements required by all substantive copyright. The particularity of personal copyright, the latter being in principle insolubly connected with the author, is prejudicial to the mutual limitation of both concepts by their respective definitions. The attachment of the copyright to the author of the copyrighted work is inevidable, if one regards — as does Swiss copyright law — the work as a personal pronouncement of its author. He, who has created it, is the author of a work. According to the new law, the work is to be detached from the creative process. A work is to be a formal phenomenon in the field of literature or fine arts and must be a single individual, i. e. statisticly singular. Therewith the premise is turned upside down: The work is not coined by the author, but the author is coined by the work. The concept of the author must inevidably be re-thought. This paper is dedicated to this rethinking. Against the background of the work of experts the question about the import of special copyright protection is being asked. The author is not a priori defined as the creator, but as someone who is in particular need of comprehensive legal protection. The rules concerning a multiplicity of authors serve as the test for the respective hypotheses. The result of this study proves, that with regard to the machinery of culture the factual act of the creation of a work cannot suffice any longer as the only way of acquiring an original copyright, unless copyright law itself is questioned. v. W.

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Urheberrecht und Kartellrecht Überlegungen zur Anwendung des GWB bei der Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten Von Professor Dr. Ulrich Loewenheim, Frankfurt a. M.*)

I. „So wichtig wie der Schutz der Persönlichkeit der Dichter, Komponisten, Maler und ausübenden Künstler ist, so wird das Urheberrecht doch auf einer anderen Ebene, nämlich im Kampf um die wirtschaftliche und rechtliche Stellung innerhalb des gesamten kommerzialisierten Kulturbetriebes verwirklicht" 1 ). Treffend kennzeichnet Benvenuto Samson damit im Vorwort seines Lehrbuches die Wandlungen, die das Urheberrecht durchgemacht hat. Im Brennpunkt heutigen Rechtsgeschehens steht nicht der „von Mäzenen geförderte Künstler" 2 ), sondern die Auseinandersetzung mit und zwischen Massenmedien und Großunternehmen, Rundfunk- und Fernsehanstalten, Schallplatten- und Filmproduzenten, großen Theatern und Verlagen sowie Verwertungsgesellschaften, deren Umsätze mehrere 100 Mio. DM erreichen. Die Schöpfung des Urhebers ist in weiten Bereichen Konsumartikel geworden. Samson weist mit Recht darauf hin, daß solche Feststellungen mit Vorwurf oder Kritik nicht verbunden sein können 3 ). Im System der freien Marktwirtschaft, in dem nicht Staat oder Mäzene für Künstler und Autoren sorgen, sondern ihnen die finanziellen Ergebnisse ihres Schaffens nur durch dessen Verwertung auf dem Markt mit der Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage zufließen können, ist eine solche Entwicklung notwendig. Sie ermöglicht es auch, daß nicht nur der berühmte, sondern auch die Vielzahl weniger bekannter Urheber eine angemessene Gegenleistung für ihr Schaffen erhalten, wozu auch eine soziale Sicherung gehört, die im wesentlichen durch die Verwertungsgesellschaften verwirklicht wird und sich tendenziell an der Sicherung der Arbeitnehmer orientiert. Mit dieser Entwicklung ist aber auch eine Einbindung des Urheberrechts in das gewerbliche Ge*) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. 1I S a m s o n , Urheberrecht, 1973, S. 9. 2) S a m s o n , aaO. 3) S a m s o n , aaO., S. 10.

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Ulrich Loewenheim:

schehen verbunden, die eine Reihe von Berührungspunkten mit Rechtsnormen aus dem Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs schafft. Berührungspunkte bestehen nicht nur mit dem Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, das unter bestimmten Voraussetzungen einen ergänzenden Rechtsschutz für die urheberrechtliche Leistung darstellt 4 ), sondern auch mit dem Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Solchen Berührungspunkten soll in diesem Beitrag nachgegangen werden. Dabei soll es nicht um die grundsätzliche Frage gehen, ob sich die Zuerkennung von Urheberrechten als solchen, also bereits die bloße Existenz dieser Ausschließlichkeitsrechte mit der Wettbewerbsordnung vereinbaren läßt. Diese Frage ist schon oft nicht nur für das Urheberrecht, sondern auch für gewerbliche Schutzrechte, namentlich das Patentrecht gestellt worden und läßt sich dahingehend beantworten, daß eine Gesellschaft, die auf ein Tätigwerden ihrer Mitglieder mit dem Ziel künstlerischer und erfinderischer Innovationen Wert legt, einen Leistungsschutz durch Zuerkennung von Ausschließlichkeitsrechten gewähren muß und daß der behauptete Konflikt zwischen künstlerischen bzw. gewerblichen Schutzrechten und Wettbewerbsfreiheit insofern fraglich erscheint, als die Ausübung von Schutzrechten auch neuen Wettbewerb eröffnet 5 ). Hier soll überlegt werden, welche kartellrechtlichen Probleme bei der Verwertung von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten im „kommerzialisierten Kulturbetrieb" auftreten (unten II) und welchen Einfluß die Tatsache, daß es sich um die Verwertung von Urheberrechten bzw. Leistungsschutzrechten handelt, auf die kartellrechtliche Beurteilung hat (unten III und IV). Der Bereich, in dem solche Probleme auftreten, ist das Urhebervertragsrecht, die vertraglichen Vereinbarungen also, die über die Nutzung von Urheber- und Leistungsschutzrechten zwischen Urheber und Nutzungsberechtigtem sowie auf nachfolgenden Marktstufen getroffen werden. Die Untersuchung bleibt auf das deutsche Kartellrecht beschränkt. Fragen des europäischen Kartellrechts werden an anderer Stelle dieser Festschrift behandelt.

II.

Unmittelbare geschäftliche Beziehungen zwischen Urheber und „Endverbraucher" bestehen nur noch in Teilbereichen kulturellen Schaffens, etwa auf dem Gebiet der bildenden Kunst, wenn Kunst) Vgl. statt vieler v. G a m m , Urheberrechtsgesetz, 1968, Einf., Anm. 137 ff. ) W e s t r i c k / L o e w e n h e i m , Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1977, § 20 Rdnr. 1. 4

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Urheberrecht und Kartellrecht

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werke direkt vom Künstler erworben werden6). Im allgemeinen erfolgt die Verwertung des Werkes über mehrere Marktstufen, auf denen unternehmerische Leistungen erbracht werden. Im Bereich der Literatur wird die Verwertung des Werkes vom Urheber meist einem Verlag als Produktionsstufe übertragen, der Vertrieb erfolgt dann über Grossisten und Einzelbuchhändler. Ähnliches gilt für Werke der Tonkunst, wenn die Verwertung über Schallplatten erfolgt. Bei der Herstellung von Filmwerken wird auf der Produktionsstufe gleich eine Vielzahl urheberrechtlicher Verwertungsrechte erworben (insbesondere die Rechte am Filmstoff bzw. Manuskript oder Drehbuch und der Filmmusik; hinzu kommen die Verträge mit den Filmschaffenden). Der Vertrieb erfolgt über den Verleih als Großhandelsstufe und die Filmtheater als Einzelshandelsstufe, wobei jeweils wieder Nutzungsrechte am Filmwerk eingeräumt werden. In die Beziehungen zwischen Urheber und Werknutzer können wiederum Verwertungsgesellschaften eingeschaltet sein, was bei Werken der Tonkunst regelmäßig, in anderen Bereichen in zunehmendem Maße geschieht. Die Beispiele brauchen nicht vermehrt zu werden. Sie zeigen bereits, daß bei der Verwertung urheberrechtlicher Befugnisse eine Vielzahl vertikaler und auch horizontaler Geschäftsbeziehungen entsteht, die Gegenstand kartellrechtlich relevanter Regelungen sein können. Dem soll im einzelnen nachgegangen werden. 1. Horizontale Vereinbarungen Horizontale Vereinbarungen, also Absprachen zwischen Angehörigen der gleichen Marktstufe zur Regelung des Wettbewerbs sind prinzipiell auf allen Marktstufen möglich. Sie werden grundsätzlich durch § 1 GWB erfaßt7). In der Praxis lassen sie sich — und das ist gewiß kein Zufall — am ehesten dort beobachten, wo die Verwertungsleistungen mehr durch unternehmerisch-gewerbliche als durch künstlerisch-schöpferische Tätigkeit gekennzeichnet sind. Zahlreiche solcher Absprachen dienen der einheitlichen Anwendung von Preisen oder Konditionen gegenüber Angehörigen anderer Marktstufen. So wurden von einer unter Beteiligung des Verbandes Deutscher Filmproduzenten gebildeten Arbeitsgruppe „allgemeine Bedingungen zur Herstellung von Wirtschaftsfilmen (Industriefilmen)" ausgearbeitet, ) Audi hier ist aber an eine Weiterveräußerung des Kunstwerks zu denken. ) Das rechtliche Abgrenzungskriterium für § 1 GWB gegenüber §§ 15 ff. GWB liegt allerdings im Merkmal des „gemeinsamen Zwecks". Im hier interessierenden Bereich dürften sich jedoch Horizontalverträge und Verträge zu einem gemeinsamen Zweck decken, so daß vom anschaulicheren Sachverhalt der Horizontalverträge ausgegangen werden kann. 6

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Ulrich L o e w e n h e i m :

die unter anderem Preis- bzw. preisbezogene Regelungen enthielten 8 ). Von Filmverleihen! sind wiederholt Absprachen über einheitliche Geschäftsbedingungen gegenüber ihren Abnehmern 9 ) oder über eine bestimmte Abspielfolge der Filme10) getroffen worden; demgegenüber ist von Filmtheatern versucht worden, Abschlußgemeinschaften zu bilden, um gegenüber den Verleihfirmen günstigere Abspieltermine und Konditionen durchzusetzen 11 ). Versuche, die einheitliche Anwendung von Preisen bzw. Konditionen durchzusetzen, hat das Bundeskartellamt ferner bei Bühnenverlagsverträgen 12 ), im Buchhandel18) und hinsichtlich der Überlassung von Noten und Texten für urheberrechtlich geschützte Musikwerke für Sendezwecke durch Musik- und Bühnenverleger 14 ) beanstandet. Gagenstoppabkommen, in denen sich Bühnen oder Filmproduzenten gegenseitig verpflichten, zur Verhinderung übertrieben hoher Gagen für Schauspieler bestimmte Höchstgagen nicht zu überschreiten, stellen zwar auch Preisabsprachen dar, fallen allerdings im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen Bühne bzw. Filmproduzent und Schauspieler regelmäßig nicht unter das GWB15). ü b e r horizontale wettbewerbsbeschränkende Absprachen zwischen Urhebern ist wenig berichtet worden 16 ). Als Gegengewicht gegenüber der Macht der Verwertungsgesellschaften wird jedoch die Zulässigkeit eines einheitlichen Auftretens der Urheber und damit die Möglichkeit von Vereinbarungen über die Festlegung von Mindesthonoraren und über den Inhalt allgemeiner Geschäftsbedingrungen zwischen Urheberverbänden und Verwertungsgesellschaften gefordert. Daß dem § 1 GWB entgegensteht, empfindet man als Benachteiligung der Urheber 17 ). Die einheitliche Anwendung von Preisen und Geschäftsbedingungen kann nicht nur in der Weise sichergestellt werden, daß sich die 8 ) Vgl. Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes, 1964, S. 45 (BT.-Drucks. IV/3752). Das Bundeskartellamt hat diese Regelungen nach § 1 GWB beanstandet. 8 ) Vgl. etwa das Konditionenkartell der amerikanischen Filmverleihfirmen in der BRD, UFITA Bd. 75 (1976) S. 178 f., dazu auch Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1975, S. 79 (BT.-Drucks. VII/5390); ferner Tätigkeitsbericht 1962, S. 59 (BT.Drucks. IV/1220) — Kulturfilmlizenzvertrag. 10) Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1966, S. 62 f. (BT.-Drucks. V/1950).

") Vgl. Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1967, S. 77 (BT.-Drudcs. V/2841); 1964, S. 45, 1960, S. 19 (BT.-Drucks. III/2734). 12 ) Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1962, S. 57. IS) aaO. (Fn. 12), S. 57 f. 14 ) aaO. (Fn. 12), S. 58. 15 ) Vgl. Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1962, S. 59; 1972, S. 83 (BT.Drucks. VII/986). 16 ) Vgl. etwa den Hinweis bei H u b m a n n in UFITA Bd. 74 (1975) S. 1 ff., 13. 17 ) H u b m a n n , aaO. (Fn. 16), S. 12 f. Hinsichtlich Allgemeiner Geschäftsbedingungen wäre jedoch ein Konditionenkartell nach § 2 GWB zulässig.

Urheberrecht und Kartellrecht

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Beteiligten zu dieser einheitlichen Anwendung verpflichten, sondern — sehr viel intensiver — auch dadurch, daß sich die Beteiligten zu einer Gesellschaft zusammenschließen und dieser Gesellschaft den Abschluß der entsprechenden Verträge übertragen. Im Kartellrecht gilt eine Zentralisierung des Einkaufs oder Vertriebs als eine der intensivsten Formen der Kartellierung. Im Urheberrecht erfolgt die zentralisierte Ausübung von Verwertungsrechten vor allem durch die Verwertungsgesellschaften 18 ), denen von den Urhebern Nutzungsbefugnisse am Werk zur treuhänderischen Wahrnehmung eingeräumt werden. Die früher sehr umstrittene Frage, ob es sich bei Verwertungsgesellschaften um Kartelle handelt 19 ), hat seit 1965 ihre Bedeutung durch § 102 a GWB verloren, der bestimmt, daß §§ 1 und 15 GWB auf die Bildung und Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften keine Anwendung finden, diese Gesellschaften aber der Mißbrauchsaufsicht des Bundeskartellamtes unterstellt 20 ). Aber auch abgesehen von den Verwertungsgesellschaften finden sich Zusammenschlüsse von Angehörigen der gleichen Marktstufe zum gemeinschaftlichen Einkauf oder Vertrieb urheberrechtlicher Werke 21 ). In anderen Fällen wurden vom Bundeskartellamt Absprachen zum gemeinschaftlichen Boykott geprüft. So war Gegenstand eines Verfahrens der Verdacht, daß Kunsthändler eine Vereinbarung getroffen hatten, Werke von Künstlern, die Mitglied der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst22) waren, nicht mehr zu handeln 23 ). Ein anderer Fall betrifft Absprachen zwischen Filmverleihfirmen über die Gewährung sog. Terminschutzes. Dabei handelt es sich um die Vereinbarung, die von einer Verleihfirma gegenüber einem Filmtheater zwangs-

1 8 ) Vor allem die GEMA, die Verwertungsgesellschaft W o r t , die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) und die von der GEMA der VG W o r t und der GVL gegründete Zentralstelle für private Uberspielungsrechte (ZPÜ). 1 9 ) Vgl. dazu namentlich Bundeskartellamt W u W / E BKartA 704 — Verwertungsgesellschaften ; M e s t m ä c k e r , Sind urheberrechtliche Verwertungsgesellschaften Kartelle? i960, W a w r e t z k o in UFITA Bd. 31 (1960) S. 287 ff. 2 °) Dazu näher S a n d b e r g e r / T r e e c k in UFITA Bd. 47 (1966) S. 165 ff. Unzutreffend ist allerdings die Annahme von Sandberger und Treedc, § 102 a G W B habe keinen praktischen Anwendungsbereich, da Verwertungsgesellschaften keine Kartelle seien. Selbst wenn man — was kaum zutreffen dürfte — die Kartelleigenschaft von Verwertungsgesellschaften verneinen wollte, so läge die Bedeutung von § 102 a GWB doch jedenfalls darin, daß die dort näher geregelte Mißbrauchsaufsicht des Bundeskartellamtes begründet wird. 2 1 ) Vgl. BKartA aaO. (Fn. 19), S. 715 f. (Zusammenschlüsse von Schallplattenherstellern zwecks Erwerb der mechanischen Vervielfältigungsrechte); Tätigkeitsbericht 1963, S. 56 (BT.-Drucks. IV/2370) — Gemeinschaftliche Beschaffung von Filmen durch Fernsehanstalten. 2 2 ) Aufgabe dieser Gesellschaft ist die Wahrnehmung des Folgerechts nadi § 26 Abs. 1 UG. 2 3 } Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1975, S. 79.

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weise erfolgte Festsetzung eines Aufführungstermins für einen bestimmten Film dadurch zu unterstützen, daß dem betroffenen Theater zu diesem Termin keine anderen Filme geliefert werden 24 ). Die Aufzählung ist keineswegs erschöpfend. Eine noch offene und für § 38 Abs. 1 Nr. 11 GWB relevante Frage ist, wieweit die zahlreichen vor allem von Verbänden aufgestellten Musterverträge als Empfehlungen wirken und gleichförmiges Marktverhalten zur Folge haben 25 ). 2. Vertikale Bindungen Die Praxis hat immer wieder gezeigt, daß über mehrere Marktstufen sich erstreckende Vertriebssysteme besonders anfällig für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen sind. Hersteller (oder Großhändler) versuchen, Preise und Konditionen auf den nachfolgenden Marktstufen zu beeinflussen, Verwendung oder Vertriebsweg der Ware bzw. der gewerblichen Leistung zu bestimmen oder die Kontrahierungsmöglichkeiten ihrer Partner mit Dritten einzuengen. Auch bei der Verwertung von Urheberrechten finden sich solche Erscheinungen. a) B i n d u n g v o n bedingungen

P r e i s e n und G e s c h ä f t s auf n a c h f o l g e n d e n Marktstufen

Verträge, die einen Vertragspartner in der Freiheit der inhaltlichen Gestaltung von Verträgen mit Dritten, nämlich der Gestaltung von Preisen und Geschäftsbedingungen beschränken, sind nach § 15 GWB prinzipiell nichtig. Versuche, solche Preisbindungen gleichwohl vorzunehmen, sind vor allem in Filmbestellverträgen beobachtet worden, die Filmverleiher mit Filmtheaterinhabern schließen. Das Bundeskartellamt hat wiederholt Klauseln beanstandet wie „das Theater verpflichtet sich, folgende Eintrittspreise zu erheben, die ohne Zustimmung des Verleihers nicht geändert werden dürfen" 26 ), „allgemeine Preisermäßigungen jeder Art bedürfen der besonderen Vereinbarung" oder „Eintrittspreise sind die in diesem Filmbestellvertrag festgesetzten" 27 ). Auch die Formulierung „die abzurechnenden Eintrittspreise sind die vom Besteller tatsächlich geforderten Preise, mindestens jedoch die in diesem Filmbestellvertrag festgelegten, oder, 2 4 ) Tätigkeitsbericht 1962, S. 59 ff. Ein weiteres Beispiel für Boykottabsprachen findet sich im Tätigkeitsbericht 1963, S. 56. 25) Vgl. den Fall im Tätigkeitsbericht 1963, S. 59 (Kalkulationsempfehlung für bestimmte Filme). 2 «) Vgl. Tätigkeitsbericht 1967, S. 77. 2?) Vgl. Tätigkeitsbericht 1965, S. 56 (BT.-Drucks. V / 5 3 0 ) ; dort auch weitere Beispiele.

Urheberrecht und Kartellrecht

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falls eine solche Festlegung nicht erfolgt sein sollte, die bei Unterzeichnung des Angebotes tatsächlich erhobenen Preise" 28 ) stellt eine Preisbindung dar29). Zwar wird zunächst auf die vom Theater tatsächlich geforderten Preise abgestellt, so daß der Theaterbesitzer in der Preisfestsetzung frei zu sein scheint. Gleichzeitig wird jedoch eine untere Preisgrenze festgelegt, was bereits den Tatbestand von § 15 erfüllt 30 ). Auch der Umstand, daß den Theaterbesitzer keine rechtliche Verpflichtung trifft, bestimmte Mindestpreise zu fordern, steht der Anwendung von § 15 nicht entgegen, da diese Vorschrift wirtschaftliche Bindungen ausreichen läßt31). Die wirtschaftliche Bindung liegt hier darin, daß der Theaterbesitzer, auch wenn er die im Bestellvertrag festgelegten Mindesteintrittspreise unterschreitet, gleichwohl nach diesen Mindesteintrittspreisen abrechnen muß, ihn also wirtschaftliche Nachteile treffen. Als Ausnahme von § 15 GWB ist die Preisbindung auf den nachfolgenden Marktstufen für Verlagserzeugnisse zulässig (§16 GWB). Der Gesetzgeber hatte diese Regelung in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Begründung aufgenommen, daß das System des festen Ladenpreises beim Buchhandel mit dem Gesamtsystem des buchhändlerischen Vertriebs- und Abrechnungsvorgangs, mit der Erhaltung eines gut ausgebildeten Sortimenterstandes fest verknüpft sei, so daß Eingriffe nicht ohne Schädigung für Autor, Verleger und Sortimenter bleiben würden32). Trotz mancher Kritik wurde die Preisbindung für Verlagserzeugnisse auch durch die zweite Novelle von 197333) nicht aufgehoben. Der Gesetzgeber betonte, daß das System der festen Ladenpreise im Buchhandel unter kulturpolitischen Gesichtspunkten hingenommen werden könne34). Als Ausnahmeregelung ist diese Vorschrift eng zu interpretieren. Mit Recht stellt daher die Rechtsprechung auf die vom Gesetzgeber hervorgehobenen kulturpolitischen Gesichtspunkte ab und beschränkt den Begriff des Verlagserzeugnisses auf solche Gegenstände des klassischen Buchhandels, bei denen Informations-, Lehr-, Bildungs-, Un28 ) So Ziff. II.4 der Bezugsbedingungen der Verleihfirmen, abgedruckt bei S c h u l z e , Urhebervertragsrecht, 2. Aufl. 1974, S. 408. 29 ) Ebenso K o p p e n s t e i n e r in ZHR Bd. 129 (1967), S. 256 ff., 264 mit Nachweisen auch zu abweichenden Ansichten. 3») WuW/E BGH 1168, 1171 — Blitzgeräte; WuW/E BKartA 1583, 1584 — Metro; W e s t r i c k / L o e w e n h e i m , aaO. (Fn. 5), § 15, Rdnr. 8. 3») WuW/E BGH 251, 255 f. — 4711; BKartA aaO. (Fn. 30); W e s t r i c k / L o e w e n h e i m , aaO., § 15, Rdnr. 7. 32 ) Begründung zum Regierungsentwurf des GWB, BT.-Drucks. 11/1158, Anl. 1, S. 36. 33 ) Durch die die Preisbindung für Markenartikel beseitigt wurde. 34 ) Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, BT.-Drucks. VII/765, S. 4.

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terhaltungs- oder Kunstzwecke im Vordergrund stehen 35 ). Damit sind Versuche zurückgewiesen worden, die Einflußnahme auf die Preisgestaltung auf nachfolgenden Marktstufen auf andere Erzeugnisse auszudehnen, etwa auf Schallplatten 36 ), Briefmarkenalben 37 ) oder bestimmte Lehr- und Lernmittel 38 ) 39). b) B e s c h r ä n k u n g e n des A b s c h l u s s e s

in d e r F r e i h e i t von V e r t r ä g e n mit

Dritten

Eine andere Gruppe vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen wird durch § 18 GWB erfaßt. Es handelt sich um vertragliche Bindungen, durch die der Gebundene nicht — wie bei § 15 — in der Freiheit der inhaltlichen Gestaltung von Verträgen, die er mit Dritten schließt, beschränkt wird, sondern in der Freiheit, Verträge mit Dritten überhaupt abzuschließen, indem nämlich Beschränkungen hinsichtlich der Verwendung, des Bezugs oder Absatzes von Waren oder gewerblichen Leistungen auferlegt werden 40 ). Verträge, die solche Beschränkungen enthalten, sind, anders als unter § 15 fallende Vereinbarungen, nicht nichtig, sondern unterliegen der Mißbrauchsaufsicht der Kartellbehörde, die sie unter bestimmten Voraussetzungen für unwirksam erklären und die Anwendung neuer, gleichartiger Bindungen verbieten kann. Auf dem Gebiet der Verwertung urheberrechtlicher oder urheberrechtsähnlicher Befugnisse sind einschlägige Sachverhalte vor allem wieder beim Vertrieb von Filmen bekannt geworden. In den Vereinbarungen zwischen Verleihunternehmen und Filmtheatern finden sich weitgehend sog. Vorspiel- und Karenzklauseln 41 ). Diese Klauseln werden im allgemeinen auf Betreiben der Filmtheater vereinbart und regeln eine bestimmte Abspielfolge der Filme. Vorspielklauseln » ) KG W u W / E OLG 1708, 1710 f. — Briefmarkenalben; vgl. auch W u W / E BGH 795 Schallplatten. M ) BGH, aaO. (Fn. 35). 3 7 ) KG, aaO. (Fn. 35). 3 8 ) Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1975, S. 78; 1973, S. 103 f. (BT.-Dracks. VII/2250). 3 9 ) Beachtung verdienen auch Versuche, der Preisbindung dadurch zu entgehen, daß Kunden Unterbeteiligungen an Buchhandlungen, vornehmlich in Form der Beteiligung an einer Kommanditeinlage (Buchbeteiligungszertifikate) erwerben können und dann am Gewinn der Buchhandlung teilnehmen, indem sie eine auf ihren Buchumsatz bezogene Gewinnausschüttung erhalten (vgl. dazu näher BGH in GRUR 1975, 203 — BVB — Buchbeteiligungszertifikate). Das Bundeskartellamt hat das von Verlagen gegenüber Buchhändlern ausgesprochene Verbot solcher umsatzbezogenen Gewinnausschüttungen für unzulässig erklärt ( W u W / E BKartA 1599); diese Entscheidung ist v o m Kammergericht (Urt. v. 20. Okt. 1976 — Kart 4/76) aufgehoben worden. Die Entscheidung des BGH steht noch aus. —

40 41

) Dazu näher W e s t r i c k / L o e w e n h e i m , aaO. (Fn. 5), § 1 8 , Rdnr. 1. ) Vgl. Ziff. VI.l der Bezugsbedingungen der Verleihfirmen, aaO. (Fn. 28), S. 414.

Urheberrecht u n d Kartellrecht

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sichern dem Filmtheater das Recht, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes und eines bestimmten Gebietes als einziges Theater den Film aufzuführen. Karenzklauseln erweitern dieses Recht zu Lasten der nachspielenden Theater: für einen bestimmten Zeitraum und innerhalb eines bestimmten Gebiets darf auch nach Ablauf der Vorführungszeit des Vorspielers der Film nicht eingesetzt werden. Solche Klauseln dienen in erster Linie dem Interesse der Filmtheater, den Wettbewerb anderer Theater auszuschließen; im Schrifttum wird teilweise auch ein gewisses Interesse des Verleihers angenommen, der eine bestimmte Abspielfolge einhalten will und an den Einnahmen der Theater prozentual beteiligt ist42). Namentlich in Verträgen mit Innenstadttheatern und Großkinos innerhalb von Filmtheaterketten blockieren derartige Klauseln zunehmend die Mitspiel- bzw. Nachspielmöglichkeiten der Konkurrenztheater. Das Bundeskartellamt berichtet, daß Theaterketten durch Prolongationsklauseln über die verlängerte Ur- oder Erstaufführung die gleichzeitige Mit- oder Nachauswertung geschäftsstarker Spielfilme für so lange Zeit sperren, daß durch Aktualitätseinbuße die Gewinnaussichten für Nachspieler auf ein Minimum verringert werden. Wirtschaftlich erschwerend komme hinzu, daß sich Ur- und Erstaufführer eine zeitlich unbefristete verlängerte Uraufführung für andere eigene Kinos ihrer Theaterkette unter Ausschluß Dritter vertraglich sicherten 43 ). Rechtlich sind Vorspiel- und Karenzklauseln als Ausschließlichkeitsbindungen des Verleihunternehmens (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB) zu qualifizieren 44 ). Das Bundeskartellamt hatte sie zunächst 45 ) als Form der Verwertung urheberrechtlicher Befugnisse in weitem Umfang für zulässig erachtet, später jedoch eine in zunehmendem Maße kritische Haltung eingenommen 46 ). Eine andere nach § 18 GWB relevante Beschränkung stellt das sog. Blockbuchen (Staffelvermietung) von Filmen dar. Dabei handelt es sich um eine Praxis, nach der Filmtheater nicht einzelne Filme, sondern nur ein ganzes Programm oder Teile eines Programms einer

42 ) Dazu näher B e r t h o l d / H a r t l i e b , Filmredit, 1957, S. 448 ff.; K o p p e n s t e i n e r , aaO. (Fn. 29), S. 297. « ) Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1974, S. 77 (BT.-Drudcs. VII/3791). 44 ) Damit ist allerdings über die Zulässigkeit dieser Klauseln noch nichts ausgesagt. Erst wenn die Eingriffsvoraussetzungen nach § 18 Abs. 1 Buchst, a bis c GWB erfüllt sind, kann die Kartellbehörde die Klauseln für unwirksam erklären. Das gilt gleichermaßen für die nachfolgend genannten unter § 18 fallenden Klauseln. 45 ) Tätigkeitsbericht 1959, S. 42 (BT.-Drudcs. III/1795). 46 ) Tätigkeitsbericht 1965, S. 55; 1966, S. 62; 1967, S. 77; 1974, S. 77; Verfügung des Bundeskartellamtes vom 24. Juni 1965, in UFITA Bd. 44 (1965) S. 240; vgl. auch K o p p e n s t e i n e r , aaO. (Fn. 29), S. 265 f.

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Ulrich Loewenheim:

Verleihfirma bestellen können 47 ). Das Bundeskartellamt berichtet von Fällen, in denen die Blocks zehn oder zwanzig Filme umfaßten 48 ), darunter solche, die noch in Produktion oder Vorbereitung waren (sog. Blindbuchen)49). Auswahl- oder Austauschmöglichkeiten sind ausgeschlossen, ein Verzicht auf den Block ist vielfach deshalb unmöglich, weil darin auch die wenigen allein interessierenden Erfolgsfilme enthalten sind, auf die von den Filmtheatern nicht verzichtet werden kann 50 ). Kartellrechtlich ist die Verpflichtung zum Blockbuchen als Koppelungsbindung zu qualifizieren, wenn die vom Theater nicht gewünschten Filme als sachlich oder handelsüblich nicht zugehörig zu den gewünschten Filmen anzusehen sind (§ 18 Abs. 1 Nr. 4). Bei der gegenwärtigen Praxis wird das in der Regel der Fall sein, zumal das Vorliegen einer dieser beiden Voraussetzungen ausreicht51). Bei der Feststellung der Handelsüblichkeit haben nach der Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes sowohl geschäftliche Mißbräuche außer Betracht zu bleiben (und zwar auch dann, wenn man sich an sie gewöhnt haben sollte) als auch Übungen, die die einseitigen Interessen einer Partei verfolgen und sich nur auf der Grundlage wirtschaftlicher Macht durchgesetzt haben 52 ). Beim Zusammenfügen von nach Gattung, Inhalt und Titeln verschiedenartigen, jeweils in sich abgeschlossenen abendfüllenden Spielfilmen ist die sachliche und handelsübliche Zugehörigkeit jedenfalls zu verneinen 53 ), auch bei der Koppelung von Spielfilm und Wochenschau hat das Bundeskartellamt entsprechende Bedenken geäußert 54 ). Anders dürfte es sich verhalten bei der Verpflichtung zur Gesamtbestellung eines Films, der aus mehreren jeweils abendfüllenden Teilen besteht. Daneben können Verpflichtungen zum Blockbuchen als ausschließliche Bezugsbindungen nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB zu qualifizieren sein 55 ). Die Verpflichtung zum Blockbuchen beinhaltet zwar keine ausdrückliche Verpflichtung, Filme nur beim bindenden Verleiher zu beziehen. § 18 Abs. 1 Nr. 2 ist jedoch auch dann anwendbar, wenn « ) Vgl. Tätigkeitsbericht 1959, S. 42; 1963, S. 58; 1964, S. 44; 1968, S. 78 (BT.Drucks. V/4236); 1970, S. 8 (BT.-Druck. VI/2380). « ) Tätigkeitsbericht 1964, S. 45; 1968, S. 78. 4 9 ) Tätigkeitsbericht 1959, S. 42. s °) Tätigkeitsbericht 1970, S. 83. 51) WuW/E BKartA 1199, 1206 — Kraftfahrzeugpflegemittel; W e s t r i c k / L o e w e n h e i m §18, Rdnr. 26; a. A. S c h w a r t z in: Gemeinschaftskommentar zum GWB, 3. Aufl. 1972, § 18 Anm. 56. « ) BKartA aaO. (Fn. 51). H ) Tätigkeitsbericht 1968, S. 78; 1970, S. 83. « ) Tätigkeitsbericht 1963, S. 58. » ) Tätigkeitsbericht 1963, S. 59; 1964, S. 44; 1968, S. 78; 1970, S. 83.

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die ausschließliche Bindung nicht Inhalt, sondern Wirkung des Vertrages ist56). In solchen Fällen kommt es darauf an, in welchem Umfang die Aufnahmekapazität des Gebundenen durch die Bindung erschöpft ist. Das Bundeskartellamt hat verschiedentlich festgestellt, daß nach Filmanzahl und Umfang der Abspielverpflichtungen die weiteren Abschlußmöglichkeiten der Theater so stark eingeengt waren, daß die Gefahr der Ausbuchung der Spieltermine bei nur wenigen gleichartigen Massenabschlüssen drohte 57 ). Vorspiel- und Karenzklauseln sowie Blockbuchen sind die wichtigsten, aber nicht die einzigen Wettbewerbsbeschränkungen in diesem Zusammenhang. Auch die Verpflichtung, den Film als einzigen Hauptfilm in sämtlichen Vorstellungen jedes Spieltages einzusetzen 58 ) stellt eine Ausschließlichkeitsbindung nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB dar59). Das Filmtheater wird dadurch in der Freiheit beschränkt, andere Filme von dritten Verleihern zu beziehen. Beanstandungen dieser Bindung scheint es allerdings noch nicht gegeben zu haben, da das Vorführen mehrerer Hauptfilme in einer Vorstellung im Gegensatz zu den USA bei uns nicht üblich ist. Eine weitere Beschränkung kann darin liegen, daß das Filmtheater durch den Verleih verpflichtet wird, Programmhefte des Verleihs zu bestellen und dabei nur eine bestimmte Firma zu berücksichtigen60). Außerhalb des Vertriebs von Filmen sind § 18 GWB unterfallende Wettbewerbsbeschränkungen nur in geringem Umfang bekannt geworden. Das Bundeskartellamt hat über Fälle berichtet, in denen Musikverleger versuchten, Schallplattenherstellern Herstellungsbeschränkungen hinsichtlich der Matritzen von Platten aufzuerlegen 61 ). 3. Mißbräuchliche Ausnutzung marktbeherrschender Stellungen Ein Marktverhalten kann wettbewerbsbeschränkende Qualität auch dadurch gewinnen, daß es von einem marktbeherrschenden Unternehmen praktiziert wird. Solche Fälle erfaßt § 22 GWB. Nach dieser Vorschrift kann die Kartellbehörde gegen ein Unternehmen vorgehen, wenn es eine marktbeherrschende Stellung besitzt und diese Stellung mißbräuchlich ausnutzt. Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, wenn 56 ) Vgl. W e s t r i c k / L o e w e n h e i m , aaO. (Fn. 5), §18, Rdnr. 12 mit Nachweisen. " ) Vgl. vor allem Tätigkeitsbericht 1970, S. 83. i8 ) Vgl. Ziff. VII.7 der Bezugsbedingungen der Verleihfirmen, aaO. (Fn. 28), S. 416. s ») Ebenso K o p p e n s t e i n e r , aaO. (Fn. 29), S. 263. 60 ) Vgl. dazu den Beridit von K o p p e n s t e i n e r , aaO., S. 263. 61 ) Tätigkeitsbericht 1963, S. 56.

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es auf einem bestimmten Markt ohne Wettbewerber oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 G W B ) oder wenn es eine überragende Marktstellung hat (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Im hier interessierenden Bereich haben vor allem urheberrechtliche Verwertungsgesellschaften eine solche Position. Sie ergibt sich bereits daraus, daß für die einzelnen Verwertungsbereiche jeweils nur eine Verwertungsgesellschaft existiert und diese somit keinem oder doch keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist. über die marktbeherrschende Stellung von Verwertungsgesellschaften besteht daher in Rechtsprechung und Schrifttum Einigkeit 62 ); die Anwendung von § 22 G W B ist auch nicht durch § 102 a G W B ausgeschlossen, der nur §§ 1 und 15 für nicht anwendbar erklärt. Eine beherrschende Stellung hat das Bundeskartellamt aber auch für das ZDF und die ARD-Anstalten auf dem Markt für das Angebot und die Nachfrage nach den für die Programmbeschaffung erforderlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechten bejaht 68 ). Kartellbehörde und Gerichte haben wiederholt Verhaltensweisen solcher marktbeherrschender Unternehmen als mißbräuchlich beurteilt. In Verträgen mit den Urhebern, also gewissermaßen auf der ersten Marktstufe, waren es in erster Linie Fälle, in denen sich Verwerter oder Verwertungsgesellschaften in zu weitgehendem Umfang Nutzungsrechte am W e r k einräumen ließen. Aufschlußreich ist v o r allem das von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften durchgeführte Verfahren gegen die GEMA 6 4 ). W e n n es hierbei auch nicht um die Anwendung von § 22 GWB, sondern von Art. 86 E W G V ging, so handelt es sich doch — beide Vorschriften richten sich gegen die mißbräuchliche Ausnutzung marktbeherrschender Stellungen — um Sachverhalte, die auch für § 22 G W B relevant sein dürften. V o n der EG-Kommission wurde es als mißbräuchlich angesehen, daß die G E M A die Übertragung der Urheberrechte für alle Verwertungsarten und für die ganze W e l t beanspruchte. Die Urheber müßten frei entscheiden können, ob sie ihre Rechte für Länder, in denen die G E M A « 2 ) Vgl. etwa WuW/E BGH 1069, 1070 — Tonbandgeräte; WuW/E BKartA 704 — Verwertungsgesellschaften; M e s t m ä c k e r , aaO. (Fn. 19), S. 37 ff.; v. G a m m , Urheberrechtsgesetz, Einf. Anm. 69; F r o m m / N o r d e m a n n , Urheberrecht, 3. Aufl. 1973, § 24 WahrnG, Anm. 2. Auch der Gesetzgeber ist von einer Monopolstellung der Verwertungsgesellschaften ausgegangen, vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zum Wahrnehmungsgesetz, in UFITA Bd. 46 (1966) S. 273. fl3) Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1974, S. 75. Hinsichtlich der Nachfrage nach Fernsehfilmen ist die Marktbeherrschung in einer allerdings länger zurückliegenden Prüfung verneint worden, vgl. Tätigkeitsbericht 1963, S. 55. e4 ) Entscheidung vom 2. Juni 1971 — IV/26. 760, in WuW/E EV 331 ff. = UFITA Bd. 65 (1972) S. 344 ff. mit Vorbemerkung von S c h u l z e .

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unmittelbar tätig ist65), insgesamt auf die GEMA übertragen oder nach Sparten auf mehrere Gesellschaften aufteilen wollten, ferner, ob sie die Verwaltung einzelner Sparten nach ordnungsgemäßer Kündigung zum Ende eines jeden Jahres der GEMA entziehen wollten, ohne dadurch die ordentliche Mitgliedschaft und die Leistungen aus dem Wertungsverfahren und der Sozialkasse zu verlieren 66 ). Im Verfahren gegen das Zweite Deutsche Fernsehen hat das Bundeskartellamt die Praxis des ZDF als mißbräuchlich beanstandet, sich für die Verwertung der Fernsehproduktion im Kassettenfernsehen ausschließliche anstatt einfacher Nutzungsrechte einräumen zu lassen 67 ). Auch im Schrifttum wird auf die Praxis hingewiesen, möglichst viele Rechte an sich zu ziehen 68 ). Verleger ließen sich vielfach nicht nur das Verlagsrecht einräumen, sondern auch die nach § 2 Abs. 2 VerlG dem Verfasser verbleibenden Befugnisse, außerdem eine Reihe von Nebenrechten 69 ). Rundfunkanstalten und Filmhersteller beschränkten sich nicht auf den in §§ 88 und 89 UG vorgesehenen Umfang der Rechtsübertragung 70 ). Vielmehr ließen sie sich auch die Kassettenrechte, die Rechte zur literarischen oder sonstigen künstlerischen Bearbeitung des Filmstoffs, die Schallplattenrechte und die Rechte zu sonstiger gewerblicher Verwertung (merchandising-Rechte) übertragen, und zwar meist ausschließlich und weder örtlich noch zeitlich beschränkt. Selbst Rechte, die Verleger, Rundfunkanstalten und Filmproduzenten gar nicht selbst ausüben können, seien davon betroffen. Soweit Rechte dem Urheber verbleiben, wird oft eine unangemessen lange Karenzzeit für die Nichtgeltendmachung verlangt 71 ). Beanstandet werden auch Versuche von Verwertungsgesellschaften, ihre Mitglieder (Urheber) übermäßig an sich zu binden. Das geschieht etwa dadurch, daß der Austritt aus der Gesellschaft oder die 95 ) Für Länder, in denen die GEMA nicht unmittelbar tätig ist, vgl. aaO. (Fn. 64), S. 333 = UFITA, aaO. S. 358. 66 ) aaO. (Fn. 64), S. 333 f. Die beanstandeten Bedingungen sind inzwischen geändert worden. — Vgl. ferner die Entscheidung des EuGH gegen die belgische Verwertungsgesellschaft SABAM v. 27. März 1974 — Rechtssache 127/73 in WuW/E EWG/MUV 311. Auch hier wurde die Abtretung sämtlicher gegenwärtiger und zukünftiger Urheberrechte, bei der nicht zwischen den einzelnen Verwertungsformen unterschieden wird, beanstandet, insbesondere für den Fall, daß sie für einen längeren Zeitraum nach dem Austritt des Urhebers aus der Verwertungsgesellschaft verlangt wird. «') Tätigkeitsbericht 1974, S. 75. «8) H u b m a n n , aaO. (Fn. 16), S. 3 ff. 69 ) Die Anwendung von § 22 GWB setzt natürlich Marktbeherrschung voraus. Im Hinblick auf das durch die Novelle 1973 eingeführte Merkmal der überragenden Marktstellung dürfte diese Voraussetzung jedoch für eine Reihe von Verlagen erfüllt sein, vgl. auch H u b m a n n , aaO., S. 12. 70 ) H u b m a n n , aaO., S. 3 unter Hinweis auf die einschlägigen Verträge. 71 ) Vgl. etwa Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1974, S. 76 — ZDF.

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Einräumung von Verwertungsrechten an andere Verwertungsgesellschaften mit Sanktionen belegt wird wie dem Verlust von Honoraransprüchen, Treueprämien und Sozialansprüchen 72 ). Hinzu kommen Klauseln, durch die für aus der Sozialkasse zu verteilende Gelder ein Rechtsanspruch und der Rechtsweg ausgeschlossen wird73), der Ausschluß des Rückrufrechts nach § 41 UG auf die längst zulässige Zeit ausgedehnt wird74) oder Urheber auf das Recht verzichten müssen, die Verwertung durch Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu behindern75). Oft ist es nicht die einzelne Klausel, sondern die Kumulierung von Beschränkungen, die solches Verhalten mißbräuchlich werden läßt. Mißbräuchliches Verhalten von Verwertungsgesellschaften gegenüber Verwertern auf nachfolgenden Marktstufen ist in geringerem Umfang bekannt geworden — wohl schon deswegen, weil den Verwertungsgesellschaften hier mächtigere Marktteilnehmer gegenüberstehen als es beim einzelnen Urheber der Fall ist. Ein Beispiel bildet der von der EG-Kommission beanstandete Versuch der GEMA, gegenüber Schallplattenherstellern die von ihr wahrgenommenen Urheberrechte vertraglich auf ungeschützte Werke auszudehnen 78 ) — ein Verhalten, das im Bereich gewerblicher Schutzrechte bereits bei nicht marktbeherrschenden Unternehmen einhellig als verbotene Wettbewerbsbeschränkungen qualifiziert wird. 4. Boykott und Diskriminierung Weitere Formen von Wettbewerbsbeschränkungen, über die im Zusammenhang mit der Verwertung von Urheberrechten berichtet worden ist, sind Boykott und Diskriminierung. Boykott wird durch § 26 Abs. 1 GWB erfaßt; danach ist es unzulässig, daß Unternehmen (bzw. Vereinigungen von Unternehmen) andere Unternehmen (bzw. Vereinigungen von Unternehmen) in der Absicht, bestimmte Wettbewerber unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefersperren oder Bezugssperren auffordern. Hier sind zunächst die Fälle der Vorspiel- und Karenzklauseln beim Vertrieb von Filmen zu nennen77). Werden solche Klauseln auf Veranlassung der Filmtheater 72 ) Vgl. dazu WuW/E EV 331 ff. = UFITA Bd. 65 (1972) S. 344 ff. und H u b m a n n , aaO., S. 4. 7S ) WuW/E EV 334 = UFITA, aaO. S. 359. ' 4 ) H u b m a n n , aaO., S. 4. " ) Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1974, S. 76 — ZDF. '«) WuW/E EV 337 = UFITA, aaO. S. 362. " ) Vgl. dazu oben 2 b.

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vereinbart oder ergeht auch nur eine entsprechende Aufforderung seitens der Filmtheater, so kann darin ein Boykottverhalten nach § 26 Abs. 1 GWB liegen. Bundeskartellamt und Rechtsprechung haben das verschiedentlich angenommen78). Unter § 26 Abs. 1 GWB können auch Sachverhalte fallen, in denen Filmtheater gleicher Interessenlage Abschlußgemeinschaften bilden, um gegenüber Verleihern günstigere Abspieltermine und Bedingungen auf Kosten bestimmter Konkurrenztheater durchzusetzen79). Anders als der Boykott ist die Diskriminierung nicht generell, sondern nur einem bestimmten Adressatenkreis verboten. Soweit es hier interessiert, wendet sich § 26 Abs. 2 GWB an marktbeherrschende Unternehmen, die Preise von Verlagserzeugnissen bindende Unternehmen und seit der Kartellgesetznovelle 1973 auch an solche Unternehmen, von denen Anbieter oder Nachfrager in besonderem Maße abhängig sind, weil ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. In der Rechtspraxis sind bislang nur Fälle bekannt geworden, die den alten Adressatenkreis betreffen, nämlich Verwertungsgesellschaften als marktbeherrschende und Verlage als preisbindende Unternehmen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß die Zentralstelle für private überspielungsrechte (ZPÜ) bei der Geltendmachung des Vergütungsanspruchs nach § 53 Abs. 5 UG von einem Tonbandgeräteimporteur keinen höheren Vergütungssatz verlangen darf als von deutschen Tonbandherstellern 80 ). Dabei hat der Bundesgerichtshof die Tatsache, daß andere Tonbandgeräteimporteure einen höheren Vergütungssatz zahlten, als unerheblich angesehen; entscheidend war bei der nach § 26 Abs. 2 GWB gebotenen Interessenabwägung die Tatsache, daß die Wettbewerbsposition des Importeurs auf dem deutschen Markt gegenüber seinen Mitbewerbern, die deutsche Tonbandgeräte vertrieben, beeinträchtigt war 81 ). Verfahren gegen preisbindende Unternehmen betrafen im wesentlichen Fälle der Nichtbelieferung von Buchhändlern82) und der Rabattpraxis gegenüber dem Buchhandel83). Für die Zukunft kann damit gerechnet werden, daß die Erweiterung des Adressatenkreises in § 26 Abs. 2 GWB dieser Vorschrift neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnet, und zwar in denjenigen Fällen, in denen ein Unternehmen, um seine Wett'8) OLG ?9) 80) «) 82 ) »)

Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1965, S. 55; 1967, S. 77; 1974, S. 77, Düsseldorf in UFITA Bd. 56 (1970) S. 332. Tätigkeitsbericht 1967, S. 77. WuW/E BGH 1069 = UFITA Bd. 61 (1971) S. 205 — Tonbandgeräte. BGH, aaO., S. 1073 = UFITA, aaO. S. 210. Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1974, S. 77; 1975, S. 78. Tätigkeitsbericht 1974, S. 76.

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bewerbsfähigkeit zu erhalten, auf den Vertrieb bestimmter Werke angewiesen ist. Das wird zwar weniger für Werke gelten, die über Verwertungsgesellschaften vertrieben werden, da sich hier die Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB bereits aus der Eigenschaft der Verwertungsgesellschaften als marktbeherrschende Unternehmen ergibt. Denkbar sind jedoch Fälle, in denen Buchhändler auf die Aufnahme bestimmter Bücher in ihr Sortiment oder Filmtheater auf die Aufführung bestimmter Filme angewiesen sind. III. Bei der Verwertung von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten gibt es also eine ganze Reihe von Sachverhalten, auf die Normen des Kartellrechts ihrem Wortlaut nach anwendbar sind. In allen diesen Fällen stellt sich die Frage, welchen Einfluß auf die kartellrechtliche Beurteilung die Tatsache hat, daß es sich um die Verwertung von Urheberrechten handelt. Im Schrifttum — die Rechtsprechung führt wenig weiter 84 ) — geht man nahezu einhellig davon aus, daß das Kartellrecht in das Urheberrecht nicht eingreift, daß ein bestimmtes Marktverhalten vielmehr erst dann der Anwendung des Kartellrechts unterliegt, wenn es von Inhalt und Umfang des Urheberrechts nicht mehr getragen wird 85 ). Das wird im allgemeinen mit Charakter und Zweck des Urheberrechts begründet, das die Persönlichkeit des Urhebers schützen und ihm die wirtschaftliche Verwertung seiner Werke ermöglichen 8 4 ) Die Rechtsprechung hatte für das Urheberrecht noch keinen Anlaß, sich grundsätzlich mit dem Verhältnis von Sdiutzrediten und Kartellrecht zu befassen. Für gewerbliche Schutzrechte hatte der BGH in der Metallspritzverfahren-Entscheidung sich dahin geäußert, daß das GWB davon ausgehe, daß der Bestand gewerblicher Schutzrechte in den durch die betreffenden besonderen Gesetze gezogenen Grenzen unangetastet bleiben solle, und Beschränkungen, die sich aus dem Inhalt gewerblicher Schutzrechte ergäben, nicht als solche im Sinne des Gesetzes (sc. gegen Wettbewerbsbeschränkungen) anzusehen seien (GRUR 1961, 627). Ob das in dieser Allgemeinheit noch heute gilt, mag füglich bezweifelt werden. — Das Bundeskartellamt hatte in seiner ersten Stellungnahme zu Vorspiel- und Karenzklauseln in Filmbestellverträgen den Standpunkt eingenommen, daß Inhaber von urheberrechtlichen Ausschlußrechten grundsätzlich befugt seien, ihren Lizenznehmern zeitlich und örtlich begrenzte Lizenzen zu erteilen. Das seien Auswirkungen des Urheberrechts (Tätigkeitsbericht 1959, 42). Diese Beurteilung der genannten Klauseln wurde aber nicht beibehalten, vgl. dazu oben II 2 b. 8 ä ) Vgl. etwa F i k e n t s c h e r , in: Die Warenzeichenlizenz, Festschrift für E. Ulmer zum 60. Geburtstag, 2. Aufl., 1966, S. 405, 429 ff.; v. G a m m , aaO. (Fn. 4), Einl., Anm. 69; K o p p e n s t e i n e r , aaO. (Fn. 29), S. 258, Fn. 5; S c h w a r t z in: Gemeinschaftskommentar zum GWB, 3. Aufl. 1972, § 15, Anm. 34; L a n g e n , Kommentar zum Kartellgesetz, 4. Aufl., Vorbem. 11 zu §§20, 21; B r u g g e r in UFITA Bd. 27 (1959) S. 189, 211 ff., bes. 218 ff.; M ö h r i n g / L i e b e r k n e c h t in UFITA Bd. 29 (1959) S. 269, 273 ff. bes. 313; H i r s c h in UFITA Bd. 29 (1959) S. 392, 395; L i e r m a n n in UFITA Bd. 29 (1959) S. 315 ff. Zur abweichenden Auffassung von E m m e r i c h , Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 1976, S. 121 f., der die neuere, für gewerbliche Schutzrechte entwickelte Funktionslehre auch auf Urheberrechte erstreckt, vgl. unten 2.

Urheberrecht und Kartellrecht

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soll. Gelegentlich wird auch der Rechtsgedanke des § 20 Abs. 1 Halbs. 1 GWB herangezogen, der Wettbewerbsbeschränkungen in Verträgen über den Erwerb oder die Benutzung bestimmter technischer Schutzrechte erst dann unzulässig sein läßt, wenn sie den Inhalt des Schutzrechts überschreiten 86 ). Soweit Inhalt und Umfang des Urheberrechts näher bestimmt werden, geht man, teilweise in bewußter Parallele zu § 20 Abs. 1 Halbs. 2 GWB 87 ), überwiegend vom „dinglich geschützten Bereich der Ausschlußrechte" 88 ) aus89). Das umfaßt nicht nur die sich aus §§ 12 ff. und 15 ff. UG ergebenden Verbietungsrechte, sondern auch die Übertragung von Nutzungsbefugnissen nach § § 3 1 ff. UG, soweit sie mit dinglicher Wirkung erfolgt 90 ). Zum anderen wird auch darauf abgestellt, ob das Gesetz die entsprechenden Verwertungsformen dem Urheber ausdrücklich gestattet 91 ). Gelegentlich wird daneben gefordert, daß die für eine sinnvolle wirtschaftliche Verwertung des Urheberrechts erforderlichen Vertriebsformen als durch das Schutzrecht gedeckt angesehen werden sollten 92 ). Soweit Wettbewerbsbeschränkungen von Inhalt und Umfang des Urheberrechts nicht gedeckt sind, sollen die Vorschriften des Kartellrechts mit Ausnahme der §§ 20, 21 GWB Anwendung finden93). Umstritten ist dabei, ob § 20 Abs. 2 Nr. 2 analog bzw. seinem Rechtsgedanken nach auf Urheberrechtsverträge Anwendung finden kann. Diese Vorschrift gestattet dem Lizenzgeber, den Verkaufspreis der vom Lizenznehmer nach dem Schutzrecht hergestellten Produkte zu «) Vgl. etwa F i k e n t s c h e r , aaO. (Fn. 85) bes. S. 436 ff. ) F i k e n t s c h e r , aaO., S. 435; L a n g e n , aaO. (Fn. 85); vgl. auch K o p p e n s t e i n e r , aaO. (Fn. 29), S. 292 ff. 88) B r u g g e r , aaO. (Fn. 85), S. 218. 8 9 ) Vgl. etwa B r u g g e r , aaO.; F i k e n t s c h e r , aaO., S. 429 ff.; S c h w a r t z , aaO. (Fn. 85); L a n g e n , aaO. (Fn. 85) unter weitgehender Heranziehung von § 20 GWB. 9 0 ) Dingliche Reditsnatur hat jedenfalls das ausschließliche Nutzungsrecht. Ob auch einfädle Nutzungsrechte mit dinglicher Wirkung erteilt werden können, ist im Urheberrecht umstritten (bei gewerblichen Schutzrechten wird die dingliche Natur der einfachen Lizenz verneint). Die Regierungsbegründung zum Urheberrechtsgesetz geht noch vom Grundsatz der lediglich schuldrechtlichen Wirkung des einfachen Nutzungsrechts aus (UFITA Bd. 45 [1965] S. 272 zu § 33); für bloß schuldrechtliche Wirkung auch Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 1970, § 3 1 , Anm. 8; Fromm/ N o r d e m a n n , aaO. (Fn. 62), §§ 31, 32, Anm. 1 a; S a m s o n , aaO. (Fn. 1), S. 135 f. Jedoch gewinnt eine neuere Auffassung an Boden, nach der das einfache Nutzungsrecht auch dingliche Wirkung haben kann, vgl. v. G a m m , aaO. (Fn. 4) § 3 1 , Anm. 11; H u b m a n n , Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1974, S. 192. 8

87

9 1 ) Vgl. etwa K o p p e n s t e i n e r , aaO. (Fn. 29), S. 266; H i r s c h , aaO. (Fn. 85); ähnlich M ö h r i n g / L i e b e r k n e c h t , aaO. (Fn. 85), nach denen das GWB auch insoweit nicht eingreift, als die wirtschaftliche Auswertung der urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsbefugnisse durch den Berechtigten reicht.

) K o p p e n s t e i n e r , aaO., S. 258. ) Vgl. etwa B r u g g e r , aaO. (Fn. 85), S. 218; F i k e n t s c h e r , S. 429 ff.; S c h w a r t z , aaO. (Fn. 85). 92 93

aaO. (Fn. 85),

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Ulrich Loewenheim:

binden. Entsprechend soll der Urheber berechtigt sein, den Verkaufspreis der unter Verwertung des Urheberrechts erbrachten Leistung oder hergestellten Ware zu bestimmen 94 ). Begründet wird das teils mit der angeblichen Gleichheit der Interessenlage, teils mit der Natur des Urheberrechts, das „auf Verwertung dränge" 95 ). 2. Methodische Überlegungen Versteht man die vom Schrifttum vertretene These, das Kartellrecht greife in Inhalt und Umfang des Urheberrechts nicht ein, dahin, daß es bestimmte der Anwendung des Kartellrechts entzogene Bereiche bei der Ausübung urheberrechtlicher Befugnisse gebe, so läßt sich dem kaum etwas entgegenhalten. Bereits die Existenz von Schutzrechten und die Zulässigkeit ihrer rechtsgeschäftlichen Verwertung beweist die Richtigkeit dieser These, und § 20 Abs. 1 1. Halbs. GWB bestätigt sie nur. Auch die zu Lasten der Schutzrechte sehr weitgehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Verhältnis von nationalen Schutzrechten und EWG-Vertrag hält einen bestimmten Bereich, nämlich den „Bestand" der Schutzrechte, von der Anwendung des Gemeinschaftsrechts frei96). Man muß sich allerdings im klaren darüber sein, daß die Unbestreitbarkeit dieser These nicht zuletzt auf der Unbestimmtheit beruht, wo die Grenzen des kartellrechtsfreien Bereichs verlaufen. Die eigentlichen Schwierigkeiten beginnen also bei der Frage, wie die Freiräume bei der Verwertung urheberrechtlicher Befugnisse zu bestimmen und zu begrenzen sind. Mit der herrschenden Meinung liegt es zunächst nahe, sich an den vom Gesetzgeber dem Urheber eingeräumten Befugnissen zu orientieren, zumal auch § 20 Abs. 1 GWB überwiegend in dieser Weise interpretiert wird. Das bedarf aber einer tragfähigen Begründung. Die bloße Tatsache, daß der Gesetzgeber dem Urheber bestimmte Verwertungsbefugnisse eingeräumt hat, stellt eine solche Begründung noch nicht dar. Da das Urheberrechtsgesetz von 1965, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 1957 stammt, könnte man zwar an den Grundsatz lex 94 ) F i k e n t s c h e r , aaO. (Fn. 85), S. 436; H u b m a n n , aaO. (Fn. 90), S. 68; E. U l m e r , Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl. 1960, S. 35; für den Vertrieb von Filmen K o p p e n s t e i n e r , aaO., S. 280 ff.; ablehnend v. G a m m , aaO. (Fn. 4) Einl., Anm. 69; S c h w a r t z , aaO. (Fn. 85), § 15, Anm. 41; M ö h r i n g / L i e b e r k n e c h t , aaO. (Fn. 85), S. 306 f. 95 ) So F i k e n t s c h e r , aaO. 9B ) Vgl. zuletzt (und zusammenfassend) die Entscheidung des EUGH vom 22. Juni 1976, GRUR Int. 1976, S. 402 — Terrapin/Terranovafür das Urheberrecht namentlich Entscheidung des EUGH vom 8. Juni 1971, GRUR Int. 1971, 450 = UFITA Bd. 63 (1972) S. 349 — Deutsche Grammophon/Metro.

Urheberrecht und Kartellrecht

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posterior derogat legi priori denken. Aber das GWB ist 1973 neu verkündet, beide Gesetze sind mehrfach geändert worden, mit weiteren Änderungen ist zu rechnen. Dem jeweilig jüngeren Gesetz jeweils den Vorrang zu geben, wäre kaum eine sachgerechte Lösung, überdies muß das Kartellrecht auch in sonst rechtlich anerkannte Befugnisse, etwa in die Vertragsfreiheit eingreifen können, um seine Aufgabe zu erfüllen. Aber auch unter der (zutreffenden) Prämisse, daß das Kartellrecht die gesetzlichen Schutzrechte respektiert, reicht der Hinweis auf die dem Schutzrechtsinhaber eingeräumten Befugnisse nicht aus. Zweifel ergeben sich schon hinsichtlich seiner inhaltlichen Bestimmbarkeit. Zwar sind die Verwertungsbefugnisse des Urhebers im Urheberrechtsgesetz sehr viel präziser und detaillierter geregelt als bei anderen Schutzrechten. Aber das enthebt einen nicht der Frage, ob der kartellrechtsfreie Bereich auf die ausdrücklich im Gesetz aufgeführten Verwertungsbefugnisse zu beschränken ist oder ob zwar nicht ausdrücklich geregelte, aber allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze einzubeziehen sind. Das gilt etwa für Einzelheiten der Weiterübertragung oder Unterlizenzierung von Nutzungsbefugnissen, die auch durch §§ 34 und 35 UG keine abschließende Regelung gefunden haben oder für die durch das Urheberrechtsgesetz nur partiell geregelte Frage, ob die §§ 31 ff. auch auf die Leistungsschutzrechte des Zweiten und Dritten Teils des UG Anwendung finden 97 ). Vor allem aber hat die allgemeine, d. h. sich auch auf gewerbliche Schutzrechte erstreckende Diskussion in zunehmendem Maß Zweifel aufkommen lassen, ob die Identität von Befugnissen des Schutzrechtsinhabers und zulässigen Wettbewerbsbeschränkungen eine sachgerechte Abgrenzung zwischen Schutzrechten und Kartellrecht darstellt. Namentlich im Warenzeichenrecht zeigte sich die Unzulänglichkeit der gesetzlichen Verwertungsbefugnisse als Abgrenzungskriterium zum Kartellrecht. Das Warenzeichen verleiht nach § 15 WZG seinem Inhaber das (ausschließliche) Recht, Waren mit dem Zeichen zu versehen, sie in Verkehr zu setzen und auf Ankündigungen usw. das Zeichen anzubringen. Probleme, die sich bei der Erteilung von Lizenzen stellen, etwa ob der Lizenzgeber den Lizenznehmer Qualitätsoder Bezugsbindungen unterwerfen kann, ob er ihm die Preise für unter der lizenzierten Marke vertriebene Produkte vorschreiben darf usw., lassen sich damit kaum sachgerecht beantworten. Im Patentrecht mehren sich die Stimmen, die die am gesetzlichen Schutzumfang orientierte Regelung des § 20 Abs. 1 GWB als nicht sachgerechte 9T

) Vgl. dazu unten 4 b.

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Ulridi Loewenheim:

Lösung ansehen 98 ). Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Verhältnis von Schutzrechten und Gemeinschaftsrecht mit ihren Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Bestand und Ausübung der Schutzrechte 99 ) und die Diskussion um den Verordnungsentwurf der EG-Kommission zu Patentlizenzabkommen 100 ) zeigen letzten Endes die Brüchigkeit der These, der Nichtanwendungsbereich des Kartellrechts werde durch den jeweils gesetzlich eingeräumten Schutzumfang bestimmt. Für gewerbliche Schutzrechte legt die neuere Diskussion bekanntlich auch einen anderen Ansatz zugrunde. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Diskussion, wieweit das Kartellrecht privatrechtlich vorgegebene Institute respektieren und wieweit es sie beeinflussen solle 101 ), geht man davon aus, daß Schutzrechte innerhalb der Rechtsordnung bestimmte Aufgaben und Funktionen zu erfüllen haben, die für die einzelnen Schutzrechte jeweils zu bestimmen sind und auch, als Ordnungsaufgabe des Schutzrechts bezeichnet werden. Diese Ordnungsaufgabe sei vom Kartellrecht zu respektieren, in diesem Sinne treffe die allgemein anerkannte These zu, daß das Kartellrecht die Schutzrechte nicht habe antasten wollen. Für den Bereich, in dem das Kartellrecht bei der Ausübung der Schutzrechte nicht eingreife, gelte daher das Kriterium, ob das fragliche Verhalten zur Erfüllung dieser Ordnungsaufgabe erforderlich sei oder nicht 102 ). 98 ) Vgl. die Nachweise in Fn. 102. " ) Vgl. die Nachweise in Fn. 96. 100) Vorentwurf einer Verordnung der EG-Kommission über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Patentlizenzvereinbarungen, RIW/ AWD 1976, S. 711. 101 ) Vgl. dazu bes. M e s t m ä c k e r in AcP Bd. 168 (1968), S. 235 ff. 102 ) Vgl. für das Warenzeichenrecht bes. L o e w e n h e i m , Warenzeichen und Wettbewerbsbeschränkung, 1970, S. 217 ff.; B u r g b a c h e r , Warenzeidienlizenzverträge im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen 1972, S. 58 ff.; für das Patentrecht vgl. den Überblick bei U 11 r i c h in ZHR 137 (1973), S. 70, 77 ff.; ferner etwa S c h u l t e , Lizenzaustauschverträge und Patentgemeinschaften im amerikanischen und deutschen Recht, 1971, S. 80 ff.; K a u f e r , Patente, Wettbewerb und technischer Fortschritt, 1970, S. 157 ff.; zu den entsprechenden Überlegungen im US-Recht Buxbaum, WuW 1966, S. 193 ff.; ansatzweise auch schon M a g e n , Lizenzverträge und Kartellrecht, 1963, S. 14 unter Hinweis auf L i e b e r k n e c h t , Patente, Lizenzverträge und Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen, 1953, S. 168 ff.; a. A. aber K r a f t , Patent und Wettbewerb in der BRD, 1972, S. 61 ff.; für eine Orientierung an der Ordnungsaufgabe bei allen Schutzrechten, also auch das Urheberrecht, E m m e r i c h , aaO. (Fn. 85). — Beim Warenzeichen besteht die Ordnungsaufgabe darin, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen (Herkunftsfunktion) und — nach freilich nicht unbestrittener Auffassung — damit dem Verbraucher einen Rückschluß auf die Qualität der Ware zu ermöglichen (Qualitätsfunktion). Die kartellrechtliche Beurteilung von warenzeichenrechtlichen Verträgen muß diese Funktionen gewährleisten und andere Wettbewerbsbeschränkungen verhindern ( M e s t m ä c k e r , Europäisches Wettbewerbsrecht, 1974, S. 472). Mit der Ordnungsaufgabe des Patentrechts befassen sich die sog. Patentrechtstheorien, vgl. dazu etwa S t r o h m , Wettbewerbsbeschränkungen in Patentlizenzverträgen, 1971, S. 39 ff. Die rechtspolitische Kritik des § 2 0 GWB basiert auf diesen Theorien.

Urheberrecht und Kartellrecht

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Als nicht nur auf formale, sondern auf inhaltliche Kriterien abstellende Methode zur Bestimmung des Verhältnisses von Schutzrecht und Kartellrecht hat dieser Weg bei gewerblichen Schutzrechten zu sachgerechten Ergebnissen geführt. Er soll hier auch für das Urheberrecht und für die Leistungsschutzrechte beschritten werden. Das heißt nicht, daß die den Schutzrechtsinhabem eingeräumten Verwertungsbefugnisse für die Abgrenzung zum Kartellrecht bedeutungslos würden. Sie sind aber daraufhin zu überprüfen, ob sich die aus ihnen ergebenden Beschränkungen im Rahmen der Ordnungsaufgabe des Schutzrechts halten. Diese Überprüfung hat für Urheberrechte und Leistungsschutzrechte angesichts ihres unterschiedlichen Charakters getrennt zu erfolgen. 3. Konsequenzen für das Urheberrecht a) U r h e b e r r e c h t l i c h e s

Beteiligungsprinzip

Nach der Regierungsbegründung zum Urheberrechtsgesetz ist es Aufgabe des Urheberrechts, den Urheber gegen eine unbefugte wirtschaftliche Auswertung seiner schöpferischen Leistung und gegen Verletzungen seiner ideellen Interessen am Werk zu schützen103). Das entspricht allgemeiner Auffassung. Kulturelles Schaffen liegt im Interesse der Allgemeinheit. Es ist daher einer der Leitgedanken des Urheberrechts, den Urheber, der die Allgemeinheit um seine Werke bereichert, tunlichst an dem wirtschaftlichen Nutzen zu beteiligen, der aus der Verwertung seiner Werke gezogen wird 104 ). Mit dieser Zielsetzung unterscheidet sich das Urheberrecht vom Warenzeichenrecht, das vornehmlich Markttransparenz hinsichtlich der Herkunft von Waren schaffen und sichern will und entspricht eher dem Patentrecht, das dem Erfinder als Belohnung für die Bereicherung der Technik ermöglichen will, seine Erfindung möglichst gewinnbringend zu verwerten. Unterschiede zum Patentrecht bestehen aber insofern, als das Patentrecht idealtypisch von einer Eigenverwertung durch den Patentinhaber, das Urheberrecht von einer Fremdverwertung ausgeht. Wie in der Begründung des Regierungsentwurfs mit Recht hervorgehoben wird, ist der Urheber weit mehr als die Inhaber gewerblicher Schutzrechte auf die Verwertung seines Werkes durch Dritte Vgl. UFITA Bd. 45 (1965) S. 240. ) Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGHZ 11, 135, 143 = UFITA Bd. 18 (1954) S. 214, 221 f. — Lautsprecherübertragung ; 13, 115, 118 = UFITA Bd. 18 (1954) S. 206, 208 — Bühnenaufführungsvertrag; 17, 266, 282 = UFITA Bd. 20 (1955) S. 314, 325 — Grundig-Reporter; 36, 171, 179 = UFITA Bd. 36 (1962) S. 485, 492 — Rundfunkempfang im Hotelzimmer. 104

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angewiesen, er ist „gerade an einer möglichst weiten Verbreitung seines Werkes, an der Nutzung durch möglichst viele Personen interessiert" 105 ). Das Urheberrecht muß also „in erster Linie dem Urheber die rechtliche Grundlage dafür geben, Art und Umfang der Nutzung seines Werkes zu überwachen und diese von der Zahlung einer Vergütung abhängig zu machen" 106 ). Das setzt in weit höherem Maße als bei der Verwertung gewerblicher Schutzrechte vertragliche Vereinbarungen voraus, und bei der wirtschaftlich regelmäßig schwachen Position des Urhebers, der oft bestehenden Ungewißheit über den wirtschaftlichen Wert seines Werkes zum Zeitpunkt der Verwertung und der Tatsache, daß er im allgemeinen das volle Risiko seines Schaffens trägt, ist es Aufgabe der Rechtsordnung, auch hinsichtlich der Ausgestaltung dieser vertraglichen Vereinbarungen die Voraussetzungen zu schaffen, die ihm die Früchte seiner Arbeit sichern. b) W e t t b e w e r b s b e s c h r ä n k e n d e W i r k u n g e n der urheberrechtlichen Nutzungsberechtigung Mit der Ausgestaltung der Verwertungsrechte trägt das Gesetz der Tatsache Rechnung, daß die wirtschaftliche Nutzung der Urheberrechte regelmäßig durch Einschaltung anderer, der Werkvermittler erfolgt. Der Urheber hat nach § 15 UG das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu nutzen und in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben. Dieses Recht ist grundsätzlich nicht übertragbar (§ 29 UG), läßt sich aber durch Einräumung von Nutzungsrechten verwerten. Der Gesetzgeber hat dieses Verwertungssystem — unter Berücksichtigung urheberrechtlicher Besonderheiten — in bewußter Parallelität zur Lizenzvergabe an gewerblichen Schutzrechten ausgestaltet 107 ). Hier wie dort kann die Lizenzerteilung zu Wettbewerbsbeschränkungen führen. Unter diesem Gesichtspunkt interessiert zunächst die Möglichkeit, die Werknutzung auf einzelne Nutzungsarten zu beschränken. Ferner kann der Urheber einem Werknutzer nicht nur einfache, sondern auch ausschließliche Nutzungsrechte einräumen (§ 31 Abs. 1 Satz 2 UG), d. h. andere Personen einschließlich seiner selbst von der Nutzung des Werks ausschließen (§ 31 Abs. 3). Vor allem aber ist er berechtigt, räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkte dingliche Nutzungsrechte zu erteilen (§ 32 UG)108). Auf diese Weise kann der Wettbewerb unter den Lizenznehmern ausgeschlossen wer«5) aaO. (Fn. 103), S. 241. loe ) Begründung zum Regierungsentwurf, aaO. 107 ) Begründung zum Regierungsentwurf, aaO. 108 ) Audi der Regelung des Verlagsgesetzes liegt die Zulässigkeit der Erteilung beschränkter Benutzungsbefugnisse am Urheberredit zugrunde.

Urheberrecht und Kartellrecht

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den und zwar dadurch, daß das Nutzungsrecht durch beschränkte Lizenzvergabe aufgespalten wird und diejenigen Verhaltensweisen, die dem Nutzungsberechtigten untersagt werden sollen, in den Umfang der Nutzungsberechtigung nicht mit aufgenommen werden. So können dem Nutzungsberechtigten gebietsmäßige Beschränkungen auferlegt werden, in denen das Nutzungsrecht örtlich beschränkt wird. Entsprechendes gilt für zeitliche Beschränkungen. Nach der Rechtsprechung ist es auch möglich, durch Beschränkung des Verbreitungsrechts bestimmte Absatzwege festzulegen oder auszuschließen, beispielsweise den Vertrieb über Buchgemeinschaften109). Auch die Begründung zum Regierungsentwurf geht davon aus, daß auf diese Weise etwa territoriale Beschränkungen, Mengenbeschränkungen und die Regelung des Absatzwegs zulässig sind110). Allerdings können nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Urheber bereits auf Grund seines Ausschließlichkeitsrechts fordern kann. Die beschränkte Übertragung von Nutzungsrechten darf nicht den Umfang des Urheberrechts insgesamt erweitern 111 ). So kann beispielsweise das Verbreitungsrecht nicht derart eingeschränkt übertragen werden, daß die Werkexemplare nicht unter einem bestimmten Preis oder nur in einer bestimmten Ausstattung vertrieben oder nur zum privaten Gebrauch benutzt werden dürften112). Solche Vereinbarungen haben allenfalls obligatorische Wirkung und unterliegen voll dem Kartellrecht. c) A n g e m e s s e n h e i t d e s Verwertungssystems

gesetzlichen

Dieses Verwertungssystem muß als angemessene Lösung angesehen werden. Wettbewerbsbeschränkungen, die in diesem Rahmen bleiben, sind grundsätzlich hinzunehmen. Sie lassen sich zwar nicht damit rechtfertigen, daß durch die Lizenzvergabe neuer Wettbewerb eröffnet werde und eine Wettbewerbsbeschränkung deshalb in Wahrheit gar nicht vorliege. Diese insbesondere für technische Schutzrechte oft vorgebrachte Behauptung kann als durch neuere Untersuchungen widerlegt angesehen werden 113 ). Die Wettbewerbsbeschränkungen entsprechen aber noch der Ordnungsaufgabe des Urheberrechts. Sie dienen dem Zweck, dem Urheber die wirtschaftlichen Ergebnisse seines Schaf"') hof. "O) nl) ,I2) 113 )

BGH in GRUR 1959, 200, 202 = UFITA Bd. 28 (1959) S. 201, 205 — Der HeiligenBegründung zu § 32, in UFITA Bd. 45 (1965) S. 271 f. Vgl. statt vieler H u b m a n n , aaO. (Fn. 90), S. 194. Beispiel von H u b m a n n , aaO., S. 195. Vgl. namentlich K a u f e r , aaO. (Fn. 102), S. 157 ff.

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fens zuzuordnen. Durch die Aufspaltung der Verwertungsrechte nach den verschiedenen Arten der Vermittlung des Werkes und im Hinblick auf die unterschiedlichen Verbraucherkreise wird es dem Urheber ermöglicht, die Nutzungsgebühr auf die jeweiligen Verbraucherkreise abzustellen und alle Verbraucher zu erfassen 114 ). Die Tatsache, daß in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem der Urheber von der wirtschaftlichen Verwertung seiner Werke leben muß und die Verwertung im allgemeinen nur durch die Einschaltung von Werkmittlern — eben der „Kulturindustrie" — erfolgen kann, muß hier den Ausschlag geben und läßt dieses Verwertungssystem als sachgerecht erscheinen. Im Interesse der Ordnungsaufgaben des Urheberrechts müssen die damit verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen hingenommen werden. d) Z u s ä t z l i c h e Schranken

wettbewerbsrechtliche

Gleichwohl schließt die grundsätzliche Anerkennung dieses Verwertungssystems durch das Kartellrecht nicht aus, daß es Grenzen gibt, von denen ab die Belange freien Wettbewerbs über die urheberrechtlichen Verwertungsinteressen dominieren. Durch eine — theoretisch zunächst einmal mögliche — immer differenziertere Aufspaltung der Verwertungsrechte und eine immer weitere Kreise erfassende Übertragung der Teilrechte können Multiplikatoreffekte erzielt werden, deren wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen durch das sich ja nicht unbegrenzt durchsetzende Verwertungsinteresse des Urhebers nicht mehr gedeckt sind115). Bedenken gegen eine immer differenzierter werdende Aufspaltung der Verwertungsrechte sind zwar noch nicht unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten, wohl aber aus Gründen der Rechtssicherheit erhoben worden. Die Aufspaltbarkeit soll dort ihre Grenze finden, wo die Aufspaltung zu unklaren und unübersichtlichen Rechtsverhältnissen führt. Die abgespaltenen Teilbefugnisse müßten eine selbständige Bedeutung haben, die aus dem Gesetz, der technischen oder 1 1 4 ) H u b m a n n , aaO., S. 194. 1 « ) Es handelt sich um die Erscheinungen, die U l l r i c h , aaO. (Fn. 102), S. 79 auf dem Gebiet des Patentrechts als vertragliche Vervielfachung der Rechte aus dem Patent bezeichnet. Der Patentinhaber benutze seine Patentbefugnisse nicht mehr zur Absicherung seiner Erzeugung, sondern verwerte sie als solche auf dem Lizenzmarkt und schaffe dabei zusätzliche Abschirmmöglichkeiten für dritte Teilnehmer auf dem Warenmarkt, den er so wiederum in der unterschiedlichsten Weise aufzuteilen versuchen könne zugunsten von „shared monopolies" zwischen ihm und den Lizenznehmern. Es treffe eben zumeist nicht mehr das idealtypische Bild zu, daß der Lizenznehmer im Umfang der lizenzierten Befugnisse nur an die Stelle des Patentinhabers trete.

Urheberrecht und Kartellrecht

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wirtschaftlichen Entwicklung oder der Verkehrsübung zu erschließen sei 116 ). Aus diesem Grunde wird beispielsweise die Aufspaltung von Verwertungsrechten nach Käuferkreisen oder des Verlagsrechts innerhalb eines einheitlichen Staatsgebietes als unzulässig angesehen 117 ). Das gleiche gilt für die dingliche Absicherung des Verbots, Bücher in Warenhäusern, im Umherziehen oder im Versandhandel zu verkaufen118) oder die Vereinbarung zwischen Filmproduzent oder Verleiher, daß dieser bei Abschluß der Filmvorführungsverträge mit den Theaterbesitzern eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten habe 119 ). Wird die Rechtssicherheit als ausreichender Grund angesehen, die urheberrechtlichen Verwertungsinteressen zu begrenzen, so sollte dies auch aus kartellrechtlichen Gründen möglich sein. Denkbar wäre etwa, daß weitgespannte und stark differenzierte Marktaufteilungsund Vertriebssysteme unter diesem Gesichtspunkt unter das Kartellrecht fallen. Bisher wohl noch nicht aufgeworfen ist die Frage, ob sich kartellrechtliche Konsequenzen daraus ergeben können, daß Nutzungsbefugnisse über mehrere Marktstufen hinweg weiterübertragen und Wettbewerbsbeschränkungen nicht vom Urheber120) veranlaßt werden, sondern erst auf einer der nachfolgenden Marktstufen, etwa indem erst dort das Verwertungsrecht (weiter) aufgespalten und mit Beschränkungen verbunden wird121). Man mag an den Fall denken, daß die Vorführungsrechte am Filmwerk von den Urhebern auf den Produzenten übergehen, von dort auf den Verleiher und daß dieser erst durch die Aufspaltung in beschränkte Nutzungsbefugnisse der nachfolgenden Marktstufe (den Filmtheatern) Beschränkungen auferlegt. Einerseits dienen auch auf nachfolgenden Marktstufen veranlaßte Wettbewerbsbeschränkungen dem Verwertungsinteresse der Urheber. l l e ) So namentlich D. R e i m e r , der sich wohl am ausführlichsten mit der Frage befaßt hat, in GRUR Int. 1962, 619, 626 und 1972, 221, 226 jeweils mit Nachweisen; U 1 m e r , Urheber- und Verlagsrecht, aaO. (Fn. 94), S. 339 und in GRUR Int. 1972, 415; ähnlich v. G a m m , aaO. (Fn. 4), §32, Anm. 4 ff.; M ö h r i n g / N i c o l i n i , aaO. (Fn. 90), §32, Anm. 4. Ii') Vgl. R e i m e r und U l i n e r , aaO. mit Nachweisen. 118 ) Vgl. die Nachweise bei R e i m e r in GRUR Int. 1972, 226. 119) Dazu R e i m e r in GRUR 1962, 626 ff. 120) Bzw. einer Vereinigung von Urhebern. 121) Dabei ist allerdings der Grundsatz der Erschöpfung des Urheberrechts (dazu etwa v. G a m m , Urheberrechtsgesetz § 17, Anm. 8 ff.) zu beachten, der freilich nach der Rechtsprechung nur für die Werkwiedergabe in körperlicher, nicht dagegen in unkörperlicher Form gilt, vgl. BGHZ 5, 116, 120 f. — Parkstraße 13; 33, 1, 15 = UFITA Bd. 32 (1960) S. 200, 213 — Künstlerlizenz bei öffentlicher Wiedergabe von Schallplatten,- 38, 356, 362 = UFITA Bd. 39 (1963) S. 104, 109 — öffentliche Fernsehwiedergabe von Sprachwerken; ebenso die h. M., vgl. statt vieler U l m e r , Urheber- und Verlagsrecht, S. 196 und H u b m a n n , Urheber- und Verlagsrecht, S. 138; a. A. v. G a m m , aaO., § 20, Anm. 17.

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Die Gewinn- und Absatzchancen der Werkvermittler wirken sich auf die Höhe der Vergütung aus, die die Werkmittler den Urhebern entrichten. Andererseits läßt sich nicht verkennen, daß die Interessen, die hier in Frage stehen, nur noch partiell solche der Urheber sind und daß es oft überwiegend um die Interessen industrieller Unternehmen geht, deren Schutz keineswegs das Anliegen des Urheberrechts ist. Das wirft die Frage auf, ob Wettbewerbsbeschränkungen, auch wenn sie sich formal als Konsequenz der beschränkten Erteilung von Nutzungsrechten einordnen lassen, noch in gleichem Maße ihre Rechtfertigung finden als wenn es ausschließlich oder vornehmlich um Interessen des Urhebers geht. Abschließend beantworten läßt sich die Frage auf dem hier zur Verfügung stehenden Raum nicht. Es spricht aber viel dafür, auch insoweit die kartellrechtsfreie Ausübung von Verwertungsrechten zu begrenzen 121 '). 4. Konsequenzen für Leistungsschutzrechte a) U n t e r s c h i e d e

zum

Urheberrecht

Stellt man die Frage nach der Ordnungsaufgabe der im Zweiten und Dritten Teil des Urheberrechtsgesetzes geregelten Leistungsschutzrechte, so stößt man auf fundamentale Unterschiede zum Urheberrecht. Die Leistungsschutzrechte schützen nicht wie das Urheberrecht die schöpferische Leistung. Während, wie Hubmann formuliert, bei schöpferischen Werken „der individuelle Geist sich selbst eine Ausdrucksform gibt und so einen neuen geistigen Gegenstand in der Außenwelt schafft, sind die bloßen Leistungen nur einem bereits vorhandenem geistigem Gut gewidmet, indem sie dieses entdecken, wiedergeben oder realisieren" 122 ). Nicht zu Unrecht hat man daher darauf hingewiesen, daß die im Urheberrechtsgesetz vorgenommene Einordnung der Leistungsschutzrechte als dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte ihrem sachlichen Gehalt widerspricht 123 ). Am deutlichsten sind die Unterschiede beim Schutz des Veranstalters (§ 81), des Herstellers von Tonträgern (§ 85), des Sendeunternehmens (§ 87) und des Filmherstellers (§§ 94, 95)124). Geschützt werden nicht schöpferische oder künstlerische Leistungen, sondern wirtZu einem solchen Fall vgl. unten IV 2 b. ) H u b m a n n , Urheber- und Verlagsrecht, S. 241. 123 ) v. G a m m , aaO. (Fn. 4), Einf. Anm. 31. 124 ) Das Verlagsrecht zählt dagegen nicht zu den Leistungsschutzrechten. Beim Verlagsrecht handelt es sich um einen Ausschnitt des Urheberrechts, nämlich um das dem Verleger eingeräumte ausschließliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht, vgl. statt vieler H u b m a n n , Urheber- und Verlagsrecht, S. 213. 1M

Urheberrecht und Kartellrecht

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schaftliche und technische Investitionen. Wie auch in der Begründung zum Regierungsentwurf hervorgehoben wird125), hat der Schutzrechtsinhaber bestimmte wirtschaftliche und technisch-organisatorische Aufwendungen erbracht, deren Auswertung und Ausnutzung ihm ungestört durch eine Leistungsübernahme durch Dritte ermöglicht werden soll126). Rechtssystematisch hat das mit Urheberschutz nichts zu tun. Es handelt sich eindeutig um Tatbestände des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb 127 ). Der Gesetzgeber ist von einer besonderen Verletzlichkeit dieser Leistungspositionen und einer Unzulänglichkeit des Schutzes durch das UWG ausgegangen 128 ); ob das mit Recht geschehen ist und ob es eines Sonderschutzes außerhalb des UWG bedurft hätte, läßt sich sehr bezweifeln 129 ). Auch beim Schutz der Ausgaben nachgelassener Werke (§71) werden lediglich wirtschaftlich-organisatorische Aufwendungen geschützt. Der Gesetzgeber hielt den mit der Ausgabe solcher Werke oft verbundenen erheblichen Arbeits- und Kostenaufwand für einen hinreichenden Anlaß, um dem Herausgeber für eine bestimmte Zeit das ausschließliche Verwertungsrecht zu gewähren 130 ). Gegenstand des Fotografieschutzes (§ 72) ist die „reine technische Leistung, die nicht einmal besondere Fähigkeiten voraussetzt" 131 .) Der Gesetzgeber empfand zwar die Gleichstellung mit dem Urheberrechtsschutz als „ungewöhnlich und mit der Ausgestaltung der anderen Leistungsschutzrechte nicht voll vereinbar" 132 ), glaubte jedoch angesichts der Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von bloßen Lichtbildern und unter Urheberrechtsschutz fallender Lichtbildwerke auf sie nicht verzichten zu können 133 ). Der Sache nach handelt es sich in beiden Fällen wieder um ein Problem unlauteren Wettbewerbs. 125 ) Die Begründung zum Regierungsentwurf stellt beim Schutz des Veranstalters auf dessen „wirtschaftliche Interessen" ab (Begr. zu § 91, in UFITA Bd. 45 [1965] S. 312) beim Schutz des Tonträgerherstellers auf die „Bereitstellung der erforderlichen technischen und wirtschaftlichen Mittel" (Begr. zu § 95, aaO., S. 314), beim Schutz des Sendeunternehmens auf den „kostspieligen technischen und wirtschaftlichen Aufwand" (Begr. zu § 97, aaO., S. 315) und beim Sdiutz des Filmherstellers auf die „erhebliche organisatorische und wirtschaftliche Leistung" (Begr. zu § 104, aaO., S.321). 12B ) v. G a m m , aaO., Einf. Anm. 37. 127 ) Vgl. bes. v. G a m m , aaO., Einf. Anm. 30 u. 37, §81, Anm. 1, § 8 5 , Anm. 1, § 8 7 , Anm. 1, §94, Anm. 1; M ö h r i n g / N i c o l i n i , aaO. (Fn. 90), §81, Anm. 2. 128 ) Begründung zum Regierungsentwurf, in UFITA aaO., S. 247 ff.; vgl. auch die Nachweise in Fn. 125. 129 ) Ebenso v. G a m m , aaO., Einf. Anm. 37. 130 ) Begründung zu § 81 des Regierungsentwurfs, in UFITA Bd. 45 (1965) S. 305. Zum W e s e n dieses Schutzrechts vgl. auch v. G a m m , aaO., §71, Anm. 1, der von einer „besondere Herausgeberleistung verlegerisch-wettbewerblicher Natur" spricht. 131 ) So die Formulierung in der Begründung zu § 82 des Regierungsentwurfs, aaO., S. 306. 132 ) Begründung zum Regierungsentwurf, aaO. 133 ) Begründung zum Regierungsentwurf, aaO.

202

Ulrich Loewenheim:

Bei den verbleibenden Leistungsschutzrechten stehen immerhin wissenschaftliche oder künstlerische Leistungen im Vordergrund. Beim Schutz wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70) soll die besondere wissenschaftliche Leistung geschützt werden, die in der wissenschaftlichen Bearbeitung bisher unbekannter Originaltexte liegt. Gegenstand des Schutzes der ausübenden Künstler (§§ 73 ff.) ist die in der Interpretation des Werkes liegende künstlerische Leistung. Hier geht es also nicht nur um Schutz gegen unlauteres Wettbewerbsverhalten, sondern es spielen persönlichkeitsrechtliche Elemente hinein. Beim Schutz der ausübenden Künstler dokumentiert sich das schon in der Regelung des § 83 UG. b) R e c h t l i c h e

Ausgestaltung

Ob die Verwertungsbefugnisse des Inhabers von Leistungsschutzrechten denen des Urhebers entsprechen, läßt sich dem Gesetz nicht in allen Fällen eindeutig entnehmen. Beim Schutz wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70 UG) und beim Fotografieschutz (§ 72 UG) sind zwar nach dem Gesetzeswortlaut die Vorschriften des Ersten Teils des Urheberrechtsgesetzes entsprechend bzw. sinngemäß anzuwenden, also auch die §§ 31 ff. UG. Die übrigen Leistungsschutzrechte sind aber weniger umfassend ausgestaltet, eine ausdrückliche auch §§ 31 ff. einbeziehende Verweisung auf die Vorschriften des ersten Teils fehlt. Im Schrifttum wird, soweit zu dieser Frage überhaupt Stellung genommen wird, die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 31 ff. bejaht 134 ). Aussagen über kartellrechtliche Implikationen sind damit jedoch nicht verbunden. c) V e r h ä l t n i s

zum

Kartellrecht

Die gegenüber dem Urheberrecht unterschiedliche Ordnungsaufgabe der Leistungsschutzrechte muß sich auch auf die kartellrechtliche Beurteilung von Wettbewerbsbeschränkungen auswirken, die mit ihrer Verwertung verbunden sind. Wo es nicht darum geht, einem Schutzrechtsinhaber die Früchte seiner Arbeit zuzuordnen, weil er die Allgemeinheit um schöpferische Leistungen bereichert hat, sondern wo nur ein Schutz bestimmter Investitionen gegen eine wettbewerblich unlautere Ausbeutung durch Dritte bezweckt wird, besteht kein Anlaß, den Anwendungsbereich des Kartellrechts einzuschränken. Kartellrechtliche Freiräume, wie sie für gewerbliche 1M ) v. G a m m , aaO. (Fn. 4), §71, Anm. 5, §78, Anm. 6, §81, Anm. 4, §85, Anm. 3, §87, Anm. 2, §94, Anm. 4; M ö h r i n g / N i c o l i n i , aaO. (Fn. 90), §71, Anm. 8, § 78, Anm. 2.

Urheberrecht und Kartellrecht

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Schutzrechte und das Urheberrecht existieren, gibt es für das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb nicht. Die Erteilung räumlich, sachlich oder inhaltlich beschränkter Nutzungsrechte, die zu Marktaufteilungen oder zur Lenkung des Vertriebswegs führt, ist vom Kartellrecht im Grundsatz zu respektieren, wenn sie dazu dient, die jeweiligen Verbraucherkreise individuell anzusprechen und dadurch eine möglichst umfassende Auswertung des Urheberrechts zu ermöglichen. Bei Leistungsschutzrechten, durch die ihr Inhaber gegen unlautere Ausbeutung des Leistungsergebnisses geschützt werden soll, kann die Einräumung beschränkter Lizenzen voll dem Kartellrecht unterliegen, ohne daß dieser Zweck gefährdet würde. In der Regel führt die Anwendung des Kartellrechts hier nur dazu, daß die entsprechenden Lizenzverträge der Mißbrauchsaufsicht nach § 18 GWB unterliegen; selbst wenn aber die Kartellbehörde diese Verträge für unwirksam erklärt 135 ), bedeutet das nicht, daß nunmehr eine unlautere Leistungsübernahme möglich wäre. Können z. B. der Schallplattenhersteller oder der Filmproduzent (bzw. der Verleih) nicht den Vertriebsweg auf Grund ihrer Leistungsschutzrechte regeln, so wird damit keineswegs das unbefugte Nachpressen der Platten oder das unbefugte Kopieren oder Aufführen der Filme ermöglicht, das zu verhindern Aufgabe der Leistungsschutzrechte ist. Das bedeutet, daß Leistungsschutzrechte, die lediglich die unlautere Ausnutzung bestimmter Investitionen verhindern sollen, keine kartellrechtlichen Freiräume begründen, wie es sie für das Urheberrecht gibt. Dabei handelt es sich um die Leistungsschutzrechte des Veranstalters (§ 81), des Herstellers von Tonträgern (§ 85), des Sendeunternehmens (§ 87) und des Filmproduzenten (§§ 94, 95); ferner des Herstellers nachgelassener Werke (§ 71) und des Lichtbildners (§ 72). Der Schutz wissenschaftlicher Ausgaben und der Schutz der ausübenden Künstler dient zwar weitergehenden Zwecken. Diese Leistungen sind jedoch nicht in gleichem Maße schutzwürdig wie eigenschöpferische Gestaltungen, sie stellen nur Leistungen an fremden Werken dar. Mit Recht wird deshalb darauf hingewiesen, daß der Grundsatz eines möglichst umfassenden und weitgehenden Schutzes, wie er dem Werkschöpfer zuteil wird, auf diese Rechte nicht ausgedehnt werden kann und daß diese Rechte als Ausnahmevorschriften eng auszulegen sind136). Der Gesichtspunkt urheberrechtlichen 13ä

) Oder wenn ein Vertrag unter § 15 GWB fällt. ) v. G a m m , aaO., §70, Anm. 2, §73, Anm. 2, Einf. Anm. 31; H u b m a n n , Urheber- und Verlagsrecht, S. 242; a. A. M ö h r i n g / N i c o 1 i n i , aaO. (Fn. 90), § 70, Anm. 1 b. 136

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Ulrich Loewenheim:

Schutzes, der für die Nichtanwendung des Kartellrechts maßgebend ist, trifft daher auf den Schutz wissenschaftlicher Ausgaben und der ausübenden Künstler nicht zu. Auch auf die Verwertung dieser Rechte ist deshalb das Kartellrecht voll anwendbar. Im übrigen ist kein Fall bekannt geworden und wohl auch schwer vorstellbar, in dem durch die Anwendung des Kartellrechts legitime Interessen der Inhaber dieser Rechte beeinträchtigt worden wären.

IV. Auf dieser Grundlage lassen sich nunmehr die eingangs dargestellten Wettbewerbsbeschränkungen beurteilen. 1. Urheberrechtliche Verwertungsverträge als Verträge zu einem gemeinsamen Zweck Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zu einem gemeinsamen Zweck (in der Regel also horizontale Wettbewerbsbeschränkungen) 137 ) unterliegen voll dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Die Verwertung von Urheberrechten ist unternehmerische Tätigkeit i. S. d. § 1 GWB, und zwar auch, soweit sie durch die Urheber selbst erfolgt 138 ). Es besteht heute Übereinstimmung darüber, daß jede selbständige, nicht rein private und außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit beim Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen ausreicht139). Die Rechtsübertragung bei der Verwertung von Urheberrechten ist auch als gewerbliche Leistung zu qualifizieren 140 ). Vereinbarungen nach § 1 fallen auch nicht in den hier skizzierten kartellrechtsfreien Bereich141). Die Ordnungsaufgabe des Urheber1 3 ')

V g l . oben Fn. 7. So mit Recht die ganz h. M „ vgl. WuW/E BKartA 704, 708 — Verwertungsgesellschaften; v. G a m m , aaO. (Fn. 4), Einf. Anm. 69; S c h w a r t z , aaO. (Fn. 85), § 1 Anm. 19; R i n c k , Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 1974, S. 237 f.; S a n d b e r g e r / Treeck, aaO. (Fn. 20), S. 190 f.; B r u g g e r , aaO. (Fn. 85), S. 229 ff.; a. A . Mestmäcker, aaO. (Fn. 19), S. 32; M ö h r i n g / L i e b e r k n e c h t , aaO. (Fn. 85), S. 282; S c h u l z e , aaO. (Fn. 28), S. 15. 139) V g l . statt vieler E m m e r i c h , Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 1976, S. 36 mit Nachweisen. l3S)

140 ) Ebenso etwa v. G a m m , aaO., Einf. Anm. 69; S a n d b e r g e r / T r e e c k , aaO., S. 185, B r u g g e r , aaO., S. 224 ff.; M e s t m ä c k e r , aaO., S. 37 f., jeweils mit weiteren Nachweisen; a. A . M ö h r i n g / L i e b e r k n e c h t , aaO., S. 302. 141 ) Man könnte die Frage diskutieren, ob die gegenseitige Erteilung ausschließlicher Nutzungsrechte (die ja nicht zwischen Urhebern zu erfolgen braucht, sondern auf einer der nachfolgenden Verwertungsstufen stattfinden kann) ähnlich wie im Patentkartellrecht (vgl. dazu W e s t r i c k / L o e w e n h e i m , aaO. [Fn. 5] § 20,

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rechts fordert nicht die Bildung von Kartellen, die über die Ausnahmetatbestände der §§ 2 bis 8 GWB hinausgehen142). Auf die oben zusammengestellten Fälle horizontaler Vereinbarungen zur Regelung von Preisen und Konditionen des gemeinschaftlichen Einkaufs oder Vertriebs usw. ist daher § 1 GWB mit Recht angewendet worden. Eine Ausnahme von der Anwendbarkeit des § 1 GWB besteht nur für Verwertungsgesellschaften (§ 102 a GWB). Die Tätigkeit dieser Gesellschaften unterliegt aber der Mißbrauchsaufsicht des Bundeskartellamtes, das im Benehmen mit der Fachaufsichtsbehörde (Bundespatentamt) Maßnahmen untersagen und Verträge und Beschlüsse für unwirksam erklären kann143). 2. Urheberrechtliche Verwertungsverträge als Austauschverträge Das Gebiet der „sonstigen Verträge" i. S. des Zweiten Abschnitts des GWB, also der Bereich der Individualverträge, ist es vor allem, in dem das hier skizzierte Verhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht die Anwendung des GWB beeinflußt. Soweit Beschränkungen notwendige Folge der dem Urheber eingeräumten Verwertungsbefugnisse sind, sind sie grundsätzlich von der Ordnungsaufgabe des Urheberrechts gedeckt und unterliegen nicht dem Kartellrecht. Das gilt aber nur für Urheberrechte, nicht dagegen für Leistungsschutzrechte144). Rdnr. 41) unter bestimmten Voraussetzungen nadi § 1 GWB zu beurteilen ist. Soweit ersichtlich, kommt aber nach der bisherigen Praxis dieser Frage höchstens akademische Bedeutung zu. 142 ) Soweit im Schrifttum auf die ungleiche Machtverteilung zwischen Urhebern und Verwertungsgesellschaften hingewiesen wird und das GWB als „eines der größten Hindernisse für Urheber" bezeichnet wird, „durch Zusammenschluß ein gewisses Gegengewicht gegen mächtige Verwerter zu bilden und durch Absprache mit ihnen angemessene Honorare und Vertragsbedingungen auszuhandeln" (vgl. oben Fn. 17), geht diese Kritik wettbewerbspolitisch in die falsche Richtung. Das Prinzip der countervailing power ist, namentlich im amerikanischen Schrifttum viel diskutiert worden (vgl. in der deutschen Literatur bes. A n d r e a e u.a., Das Gegengewichtsprinzip in der Wirtschaftsordnung, FlW-Schriftenreihe, Bd. 33/36). Das deutsche Kartellrecht hat es sich aber prinzipiell mit guten Gründen nicht zu eigen gemacht. Neben Zweifeln an seiner Effektivität besteht vor allem die Gefahr, daß sich durch die Entstehung neuer Machtblöcke der Konzentrationstrend in der Wirtschaft verstärkt. Bestehenden Machtblöcken sind daher nicht andere Machtblöcke gegenüberzustellen, sondern es ist ihnen im Wege der Mißbrauchsaufsicht die mißbräuchliche Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung zu untersagen. Im übrigen können Konditionenkartelle nach § 2 GWB gebildet werden; auch Empfehlungen von Urheberverbänden nach § 38 Abs. 2 Nr. 1 GWB dürfte nichts im Wege stehen. Schwierigkeiten dabei sind eher in organisatorisch-technischen Gründen, als in den Vorschriften des Kartellrechts zu suchen. 143 ) Mißbräuche der von H u b m a n n (vgl. Fn. 142) genannten Art sollen unter Anwendung dieser Vorschrift kontrolliert werden. 144 ) Vgl. oben III 4. Es gilt — ebenso wie bei gewerblichen Schutzrechten — auch nur, soweit es sich um Beschränkungen handelt, die dem Lizenznehmer vom Lizenzgeber auferlegt werden, nicht dagegen umgekehrt.

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a) B i n d u n g v o n P r e i s e n u n d G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n auf n a c h f o l g e n d e n M a r k t s t u f e n Die Bindung von Preisen und Konditionen auf nachfolgenden Marktstufen ist weder eine Konsequenz der dem Urheber eingeräumten Verwertungsrechte noch ist ihre Zulässigkeit von der Ordnungsaufgabe des Urheberrechts her zu fordern, zumal solche Bindungen mehr den Interessen der Verwertungsindustrie als denen des Urhebers dienen 145 ). Auch eine analoge Anwendung von § 20 Abs. 2 Nr. 2 GWB146) erscheint verfehlt. Die Vorschrift ist auf die in § 20 GWB genannten Schutzrechte zugeschnitten, vor allem auf Patente. Sie soll den Interessen des Lizenzgebers dienen, dem es bei eigener Herstellung der Lizenzprodukte und Erteilung beschränkter Lizenzen möglich sein soll, die Unterbietung seiner eigenen Preise durch die des Lizenznehmers zu verhindern 147 ). Diese Interessenlage besteht im Urheberrecht regelmäßig nicht. Der Verwertungsprozeß ist im Urheberrecht nicht dadurch gekennzeichnet, daß der Urheber sich in die Verwertung mit dem Lizenznehmer teilt, sondern daß er die Verwertung anderen ganz überläßt 148 ). Soweit — was auch für das Urheberrecht zutreffen kann — ein wirtschaftliches Interesse des Lizenznehmers daraus resultiert, daß die Höhe der Lizenzgebühr in Prozenten des Verkaufspreises der vom Lizenznehmer hergestellten Produkte bemessen ist, läßt sich diesem Interesse auch dadurch Rechnung tragen, daß eine angemessene Lizenzgebühr auf andere Weise festgesetzt wird, etwa in Form von Lizenzpauschal- und Mindestgebühren neben einer Berechnung von Stüdegebühren 149 ). Dieser rechtlichen Beurteilung entspricht es, wenn das Bundeskartellamt Preisbindungen in Filmbestellverträgen stets entgegen getreten ist150). Eine Preisbindung kann nur im Rahmen des § 16 GWB für Verlagserzeugnisse erfolgen. Auch die Begrenzung dieser Ausnahmevorschrift auf die darin genannten Tatbestände spricht dafür, daß Preis- und Konditionenbindungen im übrigen unzulässig sind.

145

) Zur Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes vgl. oben III 2. ) Zum Vorschlag, diese Vorschrift für das Urheberrecht heranzuziehen, oben III 1. " ' ) W e s t r i c k / L o e w e n h e i m , aaO. (Fn. 5), §20, Rdnr. 25. 148 ) Vgl. oben III 3 a. 149 ) Vgl. K r a f t , aaO. (Fn. 102), S. 68. Im übrigen werden gegen die Berechtigung von § 20 Abs. 2 Nr. 2 zunehmend Bedenken geltend gemacht (dazu W e s t r i c k / L o e w e n h e i m , aaO., §20, Rdnr. 25). In der Tat ist sie von bedenklicher Tragweite, da sie Preisbindungen schlechthin zuläßt und nicht auf ihre wirtschaftliche Notwendigkeit abstellt. 15«) Dazu oben II 2 a. 148

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b) B e s c h r ä n k u n g s k l a u s e l n i n F i l m v e r w e r t u n g s v e r t r ä g e n als A b s c h 1 u ß b i n d u n g e n Vereinbarungen, die den Gebundenen in der Freiheit beschränken, Verträge mit Dritten abzuschließen, also vornehmlich Bindungen hinsichtlich der Verwendung, des Bezugs oder des Absatzes von Waren oder gewerblichen Leistungen, stellen, soweit sie mit ausschließlichen bzw. beschränkten Nutzungsbefugnissen verbunden sind, weitgehend eine Folge der dem Urheber eingeräumten Verwertungsbefugnisse dar und sind dann grundsätzlich von der Ordnungsaufgabe des Urheberrechts gedeckt. Das trifft beispielsweise auf ausschließliche Lizenzen, Beschränkungen in der Zahl der Benutzungshandlungen, Gebietslizenzen usw. zu. § 18 GWB ist dann nicht anwendbar, die Frage nach der Mißbrauchsaufsicht der Kartellbehörde stellt sich nicht. Namentlich bei Gebietslizenzen ist aber zu beachten, daß die Aufspaltung der Verwertungsbefugnisse Grenzen unterliegt 151 ). Vorspiel- und Karenzklauseln sowie Blockbuchen beim Verleih von Filmen waren die wichtigsten Fälle in der Praxis der Kartellbehörden gewesen 152 ). Sie fallen nicht in den kartellrechtsfreien Bereich. Vorspielklauseln lassen sich zwar als zeitlich und örtlich beschränkte Übertragung von Nutzungsbefugnissen (nämlich des Vorführungsrechts) seitens der Filmverleihunternehmen an die Filmtheater konstruieren 153 ). Sie entsprächen in diesem Falle den in §§ 31 ff. UG aufgeführten Nutzungsbefugnissen. Jedoch scheint in der Praxis eine dingliche Rechtsübertragung nicht üblich zu sein154). Vor allem aber muß hier die Überlegung Platz greifen, daß Wettbewerbsbeschränkungen, auch wenn sie sich formal als Konsequenz der beschränkten Erteilung von Nutzungsrechten einordnen lassen, durch die Ordnungsaufgabe des Urheberrechts dann nicht mehr gedeckt sind, wenn sie nicht mehr den Interessen des Urhebers dienen 155 ). Gerade das 151

) Vgl. oben III 2. ) Vgl. II 2 b. 153 ) So ursprünglich das Bundeskartellamt, das im Tätigkeitsbericht 1959, S. 42 die Verleihfirmen als Inhaber von urheberrechtlichen Ausschlußrechten grundsätzlich als befugt angesehen hatte, den Theaterbesitzern zeitlich und örtlich begrenzte Vorführungsbewilligungen zu erteilen. Später hat das Bundeskartellamt diesen Gesichtspunkt jedoch mit Begründung fallen gelassen, daß die Initiative zu solchen Klauseln nicht vom Verleiher, sondern vom Filmtheater ausginge und urheberrechtliche Erwägungen nur für die freie Entschließung der Verleihunternehmen gälten (vgl. die Nachweise in Fn. 46). Auch K o p p e n s t e i n e r begründet die Zulässigkeit von Vorspielklauseln mit dem Argument der Exklusivlizenz, vgl. aaO. (Fn. 29), S. 298. 154 ) Vgl. dazu mit ausführlicher Begründung B e r t h o l d / H a r t l i e b , Filmrecht, 1957, S. 415 f. Vgl. oben III 3 d. 152

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ist hier der Fall. Wie das Bundeskartellamt festgestellt hat, werden Vorspielklauseln in erster Linie auf Initiative und im Interesse der Filmtheater vereinbart, die auf diese Weise den Wettbewerb durch benachbarte Theater ausschließen wollen 158 ). Karenzklauseln, also die Verpflichtung des Verleihunternehmens, den Film nach Ablauf der Vorführungszeit des Vorspielers für eine bestimmte Zeit und innerhalb eines bestimmten Gebiets nicht einzusetzen, lassen sich dagegen nicht als beschränkte Nutzungserteilung konstruieren. Die ursprünglich vom Bundeskartellamt geäußerte (inzwischen aber wohl aufgegebene) Ansicht, Karenzklauseln stellten sich als Vorführungsbewilligungen für einen bestimmten Zeitraum dar, in dem das begünstigte Filmtheater den Film aber nicht vorzuführen brauche 157 ), erscheint lebensfremd 158 ). Ebensowenig handelt es sich beim Blockbuchen, also bei der Verpflichtung, sachlich oder handelsüblich nicht zugehörige Filme abzunehmen, um einen Ausschluß urheberrechtlicher Verwertungsbefugnisse. Das bedeutet nicht, daß Vorspiel- und Karenzklauseln sowie Blockbuchen von vornherein unzulässig wären. Sie unterliegen nur der Mißbrauchsaufsicht nach § 18 GWB. Erst bei Vorliegen der dort genannten Eingriffsvoraussetzungen kann die Kartellbehörde sie für unwirksam erklären. Bei der dort gebotenen Interessenabwägung können auch vertriebspolitische Gesichtspunkte wie sie etwa von Koppensteiner 159 ) geltend gemacht werden, berücksichtigt werden. 3. Marktbeherrschung, Boykott und Diskriminierung Die mißbräuchliche Ausnutzung marktbeherrschender Stellungen (§ 22 GWB), Boykott (§ 26 Abs. 1 GWB) und Diskriminierung (§ 26 Abs. 2 GWB) sind durch die Ordnungsaufgabe des Urheberrechts nicht gedeckt 180 ). § 22 sowie § 26 Abs. 1 und 2 GWB sind also voll anwendbar. Das schließt allerdings die Berücksichtigung spezifisch urheberrechtlicher Gesichtspunkte nicht notwendig aus. Bei der Interessenabwägung, die im Rahmen der Mißbrauchsprüfung nach § 22 156) v g l . dazu die Nachweise in Fn. 46. Demgegenüber müssen auch die von K o p p e n s t e i n e r , aaO. (Fn. 29), S. 297 f. genannten Gesichtspunkte zurücktreten. 1 5 7 ) Tätigkeitsbericht 1959, S. 42. 158) Ebenso K o p p e n s t e i n e r , > 69 ) aaO., S. 297 ff.

aaO.,

S. 299, Fn. 138.

16 °) Bei den zu § 22 G W B bekannt gewordenen Fällen handelte es sich zudem überwiegend um Sachverhalte, in denen das mißbräuchliche Verhalten nicht vom Urheber ausging oder in Ausübung von ihm abgeleiteter Rechte erfolgte, sondern sich gerade gegen ihn richtete (nämlich beim Verhalten von Verwertungsgesellschaften gegenüber Urhebern).

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und der Unbilligkeitsprüfung nach § 26 Abs. 1 und 2 zu erfolgen hat, lassen sich auch die Besonderheiten des urheberrechtlichen Verwertungssystems berücksichtigen. So läßt sich in den Fällen, in denen sich marktbeherrschende Verwertungsunternehmen (namentlich Verwertungsgesellschaften) in zu weitgehendem Umfang Nutzungsrechte am Werk einräumen lassen oder den Urheber übermäßig an sich binden161), bei der Mißbrauchsprüfung die Frage stellen, ob der Umfang der Rechtseinräumung bzw. der Bindung noch vom Vertragszweck gedeckt ist162) — ein Kriterium, das auch der Vorschrift des § 31 Abs. 5 UG zugrunde liegt. Ein weiteres Beispiel: werden Vorspiel* und Karenzklauseln von marktbeherrschenden Filmtheatern veranlaßt, so können die von Koppensteiner geltend gemachten vertriebspolitischen Erfordernisse163) berücksichtigt werden. Hier gilt nichts anderes als für die Mißbrauchsprüfung nach § 18 GWB. In der Praxis hat sich bei dieser Abwägung deutlich die Schwierigkeit gezeigt, das Recht des Filmtheaters, sich um frühe und günstige Spieltermine auch gegenüber Konkurrenztheatern zu bemühen, vom Tatbestand des Machtmißbrauchs und der unbilligen Behinderung des Wettbewerbers abzugrenzen184).

Resümee Der gewerblich-industrielle Prozeß, in dem die Verwertung von mit dem Urheberrechten heute erfolgt, führt zu Berührungspunkten Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Die deutschen Kartellbehörden hatten sich bereits mit zahlreichen Fällen solcher Art zu befassen. Das wirft die Frage auf, ob urheberrechtliche Verwertungshandlungen voll dem Kartellrecht unterliegen oder ob es, ähnlich wie es für Patente gesetzlich bestimmt ist, bestimmte kartellrechtliche Freiräume für sie gibt. Um die Frage beantworten zu können, muß man von der Aufgabe des Urheberrechts innerhalb der Rechtsordnung ausgehen. Das Urheberrecht soll dem Urheber, der die Allgemeinheit um seine Werke bereichert, die wirtschaftlichen Ergebnisse seines >•>) Vgl. oben II 3. 162 ) Diesen Maßstab hat auch der EuGH in der SABAM-Entsdieidung angelegt, indem er festgestellt hat, daß eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 86 gegeben sein kann, wenn eine Urheberrechtsverwertungsgesellsdiaft mit einer solchen Stellung ihren Mitgliedern Verpflichtungen auferlegt, die für die Erreichung des Gesellschaftszwecks nicht unentbehrlich sind und die Freiheit des Mitgliedes, sein Urheberrecht auszuüben unbillig beeinträchtigen, vgl. aaO. (Fn. 66), S. 312. Ähnlich auch H u b m a n n , aaO. (Fn. 16), S. 3. " » ) Vgl. Fn. 159. i«4) Vgl. vor allem Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 1967, S. 77.

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Ulrich Loewenheim:

Schaffens zuordnen. Diese Aufgabe ist vom Kartellrecht zu respektieren. Die Verwertung durch Einräumung von ausschließlichen oder einfachen, beschränkten oder unbeschränkten Nutzungsrechten, wie sie in §§ 31 f f . UG vorgesehen ist, wird — von einigen Einschränkungen abgesehen — durch das Kartellrecht nicht berührt. Anders ist es bei den Leistungsschutzrechten des Zweiten und Dritten Teils des Urheberrechtsgesetzes. Die Leistungsschutzrechte dienen nicht dem Schutz schöpferischen Schaffens, sondern sollen in ihrer Mehrzahl bestimmte wirtschaftliche und technische Investitionen vor einer Ausbeutung durch Dritte schützen. Es sollen also bestimmte Formen unlauteren Wettbewerbs verhindert werden. Anders als beim Urheberrecht macht das eine partielle Nichtanwendung des Kartellrechts nicht erforderlich. Die Ausübung und Verwertung von Leistungsschutzrechten unterliegt also voll dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Résumé Le processus commercialo-industriel dans lequel a lieu aujourd'hui l'exploitation des droits d'auteur amène à des points de contact avec les dispositions édictées contre les restrictions à la concurrence. Les autorités allemandes en matière d'ententes ont déjà eu à s'occuper de nombreux cas de cette sorte. Cela pose la question de savoir si les actes d'exploitation du droit d'auteur sont complètement soumis au droit des ententes ou si, comme la loi le prévoit pour les brevets, il existe pour ces actes certains espaces libres échappant au droit des ententes. Pour pouvoir répondre à cette question, il faut considérer le but assigné au droit d'auteur à l'intérieur de l'ordre juridique. Le droit d'auteur doit rattacher à l'auteur, qui enrichit la communauté de ses œuvres, les résultats économiques de ses créations. Ce but doit être respecté par le droit des ententes. L'exploitation par la concession de droits d'utilisation exclusifs ou non exclusifs, limités ou illimités, telle qu'elle est prévue aux § 31 et s. de la loi sur le droit d'auteur, mises à part quelques limitations, n'est pas touchée par le droit des ententes. Il en va autrement pour les droits voisins de la seconde et de la troisième partie de la loi sur le droit d'auteur. Les droits voisins ne servent pas à la protection d'une activité créatrice, mais doivent dans leur majorité protéger certains investissements économiques et techniques contre leur exploitation par les tiers. Certaines formes de concurrence déloyale doivent donc être empêchées. Autrement que pour le droit d'auteur, cela ne rend pas

Urheberrecht und Kartellrecht

nécessaire une non application partielle du droit des ententes. cice et l'exploitation de droits voisins sont donc complètement à la loi contre les restrictions à la concurrence.

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L'exersoumis Fr. U.

Summary The commercial process, by which copyrights are exploited to-day leads to collisions with the law against restriction of competition. The German cartel authorities have already been occupied with numerous cases of this kind. The question is being raised, whether acts of exploitation are fully subject to cartel law, or whether there are certain areas untouched by cartel law similar to those provided for by statute in the case of patents. In order to answer this question one must start with the function of copyright within the legal system. Copyright reserves to the author, who enriches the public of his works, the economic results of his creativity. Cartel law must respect this function. Exploitation by exclusive or non-exclusive, qualified or unqualified licences as provided for in parag. 31 et. seq. German Copyright Act is, apart from a few exceptions, left untouched by cartel law. Different considerations apply to the neighbouring rights contained in parts 2 and 3 of the Copyright Act. The performance rights do not serve the protection of creative productions, but rather in general protect certain economic and technical investments against exploitation by others. Thus, certain forms of unfair competition shall be prevented. In contrast to copyright, a partial non-application of cartel law is not required. The exercise and exploitation of related rights is wholly subject to the law against restrictions of competition. v. W.

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Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken Von Rechtsanwältin Vera Movsessian, Berlin*)

Für die Urheberrechte und Leistungsschutzrechte, die im Zusammenhang mit der Herstellung und Auswertung von Filmwerken vom Filmproduzenten erworben werden müssen und die am Filmwerk entstehen, sind sämtliche Bestimmungen des Gesetzes über Urheberrechte und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965, nachstehend UG abgekürzt) einschlägig. Es bestehen aber unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Bedeutung den Besonderen Bestimmungen für Filme, den § 88 ff. UG im Zusammenhang mit der Beurteilung des Inhalts und Umfangs dieser Rechte zukommt. I. Die gesetzliche Filmrechtsregelung Die Besonderen Bestimmungen des Dritten Teils des Urheberrechtsgesetzes lassen sich in drei Gruppen unterteilen, nämlich Auslegungsregeln, die ihrer Natur nach dispositives Recht im weitesten Sinne sind1), dazu gehören die §§ 88, 89, 91 UG, ferner Rechtsbeschränkungen zugunsten einer erleichterten Filmauswertung, nämlich die Bestimmungen der §§ 90, 92, 93 UG, und das neue wettbewerbsrechtliche Leistungsschutzrecht vermögensrechtlicher Art für den Filmproduzenten entsprechend den Bestimmungen der §§94, 95 UG2). Im geltenden Urheberrechtsgesetz ist der Urheberrechtssdiutz allein der schöpferischen Leistung vorbehalten worden, während auf Grund der neugeschaffenen gesetzlichen Leistungsschutzrechte den Belangen der Künstler Rechnung getragen wurde, die nicht selbst schöpferisch tätig sind, sondern die Schöpfungen der Urheber wiedergeben. Das hat auch seinen Niederschlag im Dritten Teil, nämlich in den Besonderen Bestimmungen für Filme gefunden. ") Von der Verfasserin zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. Vgl. E n n e c c e r u s / N i p p e r d e y , Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., 1959, 1. Bd. § 49 II 1, S. 300. 2 ) v. G a m m , Urheberrechtsgesetz, Rdz. 1 zu § 88.

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Vera Movsessian:

Das Gesetz unterscheidet, wie dies bereits unter dem zuvor geltenden Recht der Fall war, zwischen dem Schutz vorbestehender Werke gegen Verfilmung und dem Schutz des F i l m w e r k s selbst 3 ). Im 1. Abschnitt des Dritten Teils des Urheberrechtsgesetzes wird zwischen dem Erwerb der Urheberrechte durch den Filmhersteller an vorbestehenden Werken der Literatur oder Musik, wie z. B. Roman, Drehbuch und Filmmusik (§ 88 UG) und dem Urheberrecht am Filmwerk selbst (§ 89 UG) sowie den Leistungsschutzrechten der Lichtbildner und ausübenden Künstler (§§91, 92 UG) unterschieden. Neu ist nur, daß das Gesetz dem Filmhersteller im zweiten Abschnitt des Dritten Teils des Gesetzes ein besonderes Leistungsschutzrecht (§ 94 UG) einräumt und dies Leistungsschutzrecht des Filmherstellers auf Laufbilder (§ 95 UG) ausdehnt, die aber dadurch den Film w e r k e n nicht etwa gleichgestellt sind. Die grundlegende Unterscheidung des Urheberrechtsgesetzes zwischen urheberrechtsschutzfähigen Filmwerken (§ 2 Abs. 1 Ziff. 6 UG) und bloßen Laufbildern, die als solche nicht urheberrechtsschutzfähig sind (§ 95 UG), ist auch hier im Dritten Teil des Gesetzes aufrechterhalten. Das zeigt sich daran, daß die aus wirtschaftlichen Rücksichten eingeführte Gleichbehandlung von Filmwerken und Laufbildern sich auf die §§ 88, 90, 91, 93 und 94 UG beschränkt, d. h. auf die Anwendung von Bestimmungen, bei denen es auf die Urheberrechtsschutzfähigkeit des geschaffenen Films nicht ankommt. Die entsprechende Anwendung einzelner Vorschriften der Besonderen Bestimmungen für Filmwerke auf Laufbilder trägt nur der gleichen wirtschaftlichen Ausgangslage wie bei der Filmherstellung Rechnung, gewährt den Laufbildern aber keinen unmittelbar eigenen Schutz4). Danach gilt zwar auch für die Laufbilder die Auslegungsregel des § 88 UG, und es gelten die §§ 90, 91, 93 und 94 UG entsprechend. Das soll aber nur der Erleichterung der Filmauswertung dienen und berücksichtigen, daß die Grenzen zwischen einem Filmwerk und Laufbildern fließend und nur schwer zu ziehen sind, denn bei der Herstellung eines Films wird nicht immer klar vorauszusehen sein, ob der Film Werkqualität erreichen oder mangels schöpferischer Gestaltung der Bilderfolge lediglich ein Laufbild bleiben wird5). Bei dem Schutz der Filmhersteller nach §§ 94, 95 UG handelt es sich um einen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz vermögensrecht) U l m e r , Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl. i960, S. 133. ) v. G a m m , aaO., Rdz. 2 zu § 95 UG. 5) S c h u l z e , Urheberrechtskommentar § 95 Anm. 3

4

Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken

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licher Natur 6 ), der dem vom Filmhersteller getragenen hohen wirtschaftlichen Risiko Rechnung trägt 7 ). Das erklärte Ziel des Gesetzgebers bei der Schaffung dieser besonderen Bestimmungen war es, dem Filmhersteller den Erwerb der Rechte am Filmwerk und die Verfügung über diese Rechte zu erleichtern 8 ). Der Gesetzgeber ist richtig davon ausgegangen, daß die Herstellung eines Films regelmäßig eine erhebliche organisatorische und wirtschaftliche Leistung darstellt, die nicht geringer zu bewerten ist als etwa die eines Tonträgerherstellers (§ 85 UG) oder des Sendeunternehmens (§ 87 UG). Deswegen sollte auch der Filmhersteller einen wirksamen Schutz seiner im Film s t r e i f e n , am Materialträger verkörperten Gesamtleistung, der Einheit des Filmwerkes entsprechend erhalten 7 ). In literarischen Beiträgen und Fachdiskussionen sind die Bestimmungen des Dritten Teils des Urheberrechtsgesetzes zum Teil überbewertet worden, obwohl dies weder nach der Entwicklung der Rechtsgrundsätze zum Filmrecht in Lehre und Rechtsprechung noch nach der Begründung zum Urheberrechtsgesetz und nach der späteren Literatur und Rechtsprechung dazu gerechtfertigt erscheint 9 ). Die inzwischen vorliegende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtfertigt die Überbewertung der besonderen Bestimmungen für Filme nicht. Inzwischen liegen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, wie „Kassettenfilm" 10 ) und „ Schmalfilmrechte " n ) vor, die über die angeblich mögliche Bedeutung dieser gesetzlichen Bestimmungen des Dritten Teils des Urheberrechtsgesetzes ausreichenden Aufschluß geben und erkennen lassen, daß es eine Verkennung der Gesetzes8

) v. G a m m , aaO. Einf., Rdz. 35 u. 132. ) Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz): BR-Drucksache 1/62, S. 100 = UFITA Bd. 45 (1965) S. 319 (zu § 100 des Entwurfs) u. S. 102 = UFITA Bd. 45 (1965) S. 320 f. zum Leistungssdiutzredit des Filmherstellers generell. ») BR-Drucksache 1/62 S. 98 = UFITA, aaO., S. 316 f. •) Vgl. statt vieler einerseits: B r u g g e r in UFITA Bd. 56 (1970) S. 1 ff., 7, 8; B r u g g e r / W e d e l , in UFITA Bd. 65 (1972) S. 159 ff., 164, 165, 171; D ü n n w a 1 d in GRUR 1973, 245 f., 246 bis 247; andererseits: F r o m m / N o r d e m a n n , Urheberrechtskommentar, 3. Aufl., Bern. 1, 2 zu §§88 UG v. G a m m , aaO., Rdz. 2, 3, 4 zu § 88 UG; M o v s e s s i a n in FILM UND RECHT Nr. 11/1972 S. 366 ff.; d i e s , in GRUR 1974, 371 ff., 373 und 376; R e i m e r in: Festschrift für Ulmer, GRUR Int. 1973, 315 ff., 323. 10 ) Urt. des BGH v. 26. April 1974 in GRUR 1974, 786 ff. = UFITA Bd. 72 (1975) S. 324 ff. » ) Urt. des BGH v. 30. Juni 1976 in FILM UND RECHT Nr. 11/1976 S. 793 ff. mit Einf. v. R o e b e r S. 790 ff. und in GRUR 1977, 42 ff. mit Anm. v. R e i m e r . 7

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intentionen wäre und der Tatsache, daß das Gesetzeswerk nicht willkürlich neue Rechte für den Filmproduzenten geschaffen hat, sondern die Ergebnisse der Lehre und Rechtsprechung zur Grundlage eines fortschrittlichen Urheberrechts gemacht hat, wollte man aus den Bestimmungen der §§88 ff. UG den Schluß rechtfertigen, der Filmproduzent würde nun stets ohne Rücksicht auf konkrete Vereinbarungen und ohne Anwendung der Zweckübertragungstheorie Rechte erwerben. Davon kann keine Rede sein. Die Zweckübertragungstheorie ist im Dritten Teil des Gesetzes nämlich nicht etwa eingeschränkt, sondern kodifiziert und konkret angewendet worden. 1. Der Reditssdiutz für Filme Das früher geltende Recht enthielt keine besondere Regelung für Filmwerke. Die Novelle von 1910 zum LUG brachte nur eine Klarstellung, daß die Verfilmung eines Sprachwerkes eine Bearbeitung desselben sei und dazu die Zustimmung des Verfassers erforderlich wäre (§12 Abs. 2 Nr. 6 LUG) sowie die Anerkennung eines besonderen Urheberrechts am Filmwerk (§ 15a KUG)12). Diese unvollkommene Regelung wurde durch die Rechtsprechung 18 ) und durch das Schrifttum im Wege der Entwicklung von urheberrechtlichen Grundsätzen im Sinne des heute geltenden Gesetzesrechts ergänzt, bis die hier in Rede stehenden gesetzlichen Vorschriften für Filme in Kraft traten, die aber bis auf das bereits erwähnte Unternehmerleistungsschutzrecht der §§ 94, 95 UG keine neuen Rechte begründet haben. a) U r h e b e r r e c h t l i c h e

Zuordnung

Der Begriff des Urheberrechts, wie er dem geltenden Recht zugrunde liegt, ist ein historisch gewachsener Begriff, dessen Inhalt und Umfang verschiedene Stadien der Beurteilung und Bewertung durchlaufen hat bis schließlich das Urheberrecht als ein umfassendes und einheitliches Immaterialgüterrecht Anerkennung gefunden hat 14 ). Als Immaterialgüterrecht ist es weder ein Vermögensrecht noch ein Persönlichkeitsrecht, vielmehr ein Recht eigener Art mit ineinander über12 ) BR-Drucksache 1/62, S. 98 = UFITA, aaO. S. 316; v. G a m m , aaO., Einf. Rdz. 9, Rdz. 23 zu § 2 u. Rdz. 1 zu § 8 8 UG; U l m e r , aaO. S. 133; U l m e r , Grundfragen des Filmrechts, in GRUR 1955, 518 ff.; R o e b e r , Urheberschaft am Film, in UFITA Bd. 22 (1956) S. 1 ff. S c h u l z e , aaO. § 88 UG Einf. ") v. G a m m , aaO. Einf. Rdz. 24; BR-Drucksache 1/62, S. 28/29 = BT-Drucksadie IV/270 = UFITA, aaO. S. 242 f.; U l m e r , aaO. S. 92 u. S. 104.

Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken

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greifenden verwertungs- und urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnissen 18 ). Auf dieses Urheberrecht finden die Besonderen Bestimmungen für Filme Anwendung, ohne es in seinen Inhalt und Umfang anzutasten oder etwa grundsätzlich die Bestimmungen des Ersten Teils des Gesetzes einzuschränken oder abzuändern. b) F i l m u r h e b e r s c h a f t Das Urheberrechtsgesetz hat sich entgegen verschiedenen Reformvorschlägen, wie oben bereits bemerkt, für die urheberschaftsrechtliche Lösung der Frage der Zuerkennung des Urheberrechts am Filmwerk entschieden: Allein der tatsächliche Schöpfer des Werks ist nämlich dessen Urheber, nur in seiner Person entsteht das Urheberrecht. Damit hat sich das Urheberschaftsprinzip im Gesetz durchgesetzt 18 ). Das Gesetz ist nicht den Anregungen gefolgt, dem Filmproduzenten originäre Rechte am Filmwerk zuzuerkennen, sondern ist bei dem Prinzip geblieben, daß sich die Urheberschaft stets auf die Werks c h ö p f u n g bezieht, die Schaffenstätigkeit des Werkschöpfers also ein Realakt ist, an den die Entstehung des Urheberrechts als Rechtsfolge geknüpft wird. Wer Filmurheber ist, ist lange sehr streitig gewesen und ist vom Gesetzgeber nicht entschieden worden. Entschieden ist nur der Streit darum, ob dem Filmproduzenten das Urheberrecht am Filmwerk — entgegen dem Urheberschaftsprinzip — zuerkannt werden könne. Der Widerstreit der Meinungen, der für den Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes zugunsten des Urheberschaftsprinzips und damit der geistigen Schöpfer entschieden ist, spiegelt sich in der Verschiedenheit der Regelungen in den einzelnen Ländern wider. Der britische Copyright Act von 1956 spricht z.B. dem Filmproduzenten das film-copyright zu, während das französische Gesetz von 1957 von dem Urheberrecht der geistigen Schöpfer ausgeht. Erstaunlich ist aber, daß — worauf Ulmer hinweist —• der Unterschied in der Beurteilung trotzdem geringer ist als eine oberflächliche Rechtsvergleichung ahnen läßt: Der Unterschied erklärt sich nämlich aus der verschiedenen Auffassung des Begriffs Film17). Die französische Regelung geht vom 15

) v. G a m m , aaO., Einf. Rdz. 25; U 1 m e r , aaO. S. 103; R o e b e r , aaO. S. 24. v. G a m m , aaO., Rdz. 1 zu § 88 UG; Rdz. 1 u. 3 zu § 7 UG; Rdz. 3 zu § 8 UG; S c h u l z e , aaO., Anm. 1 zu § 89 UG. ") U 1 m e r , aaO. S. 176.

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Filmwerk als einer geistigen Schöpfung aus, die englische dagegen vom Film i. S. des Film t r ä g e r s . Das dem englischen Filmproduzenten gewährte Recht ist auch kein echtes Urheberrecht, kein „Copyright in original works", sondern ähnelt dem angrenzenden Recht (droit voisin) im Sinne der kontinental-europäischen Terminologie und unserer heutigen in §§ 94, 95 UG getroffenen Regelung, die im übrigen auf den Vorschlag von Ulmer zurückzuführen ist17). c) A u s l e g u n g s r e g e l n

für

Filme

Das Gesetz berücksichtigt durch die Auslegungsregeln der §§ 88, 89 u. 91 UG, daß bekanntlich einerseits viele verschiedene Personen als Werkschöpfer des Filmwerks in Betracht kommen, daß es aber auf der anderen Seite wirtschaftlich unerläßlich ist, dem Filmproduzenten den Rechtserwerb am Filmwerk und die Verfügung über die erworbenen Rechte zu erleichtern, was letztlich der Ware „Film" im weitesten Sinne und damit auch volkswirtschaftlich zugute kommen soll. Zur Besonderheit des Filmwerks heißt es daher in der Begründung des Regierungsentwurfs zutreffend: „Ein Filmwerk unterscheidet sich von anderen Werkarten vor allem durch den großen Kreis der an seiner Herstellung beteiligten Personen. In der Regel erbringen viele dieser Personen schöpferische Beiträge und erwerben dadurch Urheberrechte am Filmwerk. Als solche Urheber des Filmwerkes kommen neben dem Regisseur namentlich der Kameramann und der Cutter in Betracht, der die einzelnen aufgenommenen Szenen des Films schneidet und zusammenfügt, sowie möglicherweise auch einzelne Filmdarsteller, sofern sie ausnahmsweise schöpferisch zur Gestaltung des Filmwerkes beitragen. Neben den Urhebern des Filmwerkes treten als weitere Berechtigte am Filmwerk noch hinzu die Urheber der zu seiner Herstellung benutzten Werke, wie z. B. der Autor eines dem Filmwerk als Vorlage dienenden Romans, sowie die leistungsschutzberechtigten ausübenden Künstler. Durch diese Vielzahl der Personen, die Rechte am Filmwerk geltend machen könnten, wird die einheitliche Auswertung des Filmwerks erschwert. Andererseits erfordern die Interessen des Filmherstellers gerade eine möglichst ungehinderte Verwertbarkeit, da Filmwerke in der Regel unter großem Kostenaufwand zum Zweck der gewerblichen Verwertung hergestellt werden. " ) Siehe S. 217.

Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken

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Das Kostenrisiko ist für den Filmhersteller nur tragbar, wenn er sicher ist, daß die Verwertung nicht durch Verbotsrechte der Mitwirkenden beeinträchtigt werden kann." 18 ) Das Gesetz hat also auf eine Sonderregelung der Urheberschaft am Filmwerk verzichtet, insbesondere darauf, zugunsten bestimmter Personen Vermutungen hinsichtlich der Urheberschaft anzustellen, es hat lediglich Auslegungsregeln zur Verfügung gestellt. Gerade die Befürworter einer Ausdehnung der Bedeutung der Auslegungsregeln übersehen m. E., daß sie sich für ihre Meinung nicht auf die Intentionen des Gesetzgebers oder auf die Begründung dazu stützen können. In der Begründung zu §§98 des RegEntw wird nämlich mehrfach die Grenze der Auslegungsregeln durch die Erwähnung der Zweckübertragungstheorie deutlich, wenn es z. B. heißt, daß der Filmproduzent u. a. daher das Recht haben müsse, „das Filmwerk entsprechend seiner Zweckbestimmung" öffentlich vorzuführen etc. und dann weiter gesagt wird, daß er „je nach der Zweckbestimmung des Filmwerks" das ausschließliche Vorführungsrecht oder das ausschließliche Senderecht erwerbe 18 *). An beiden zitierten Formulierungen wird deutlich, daß es entscheidend auf die bereits entstandenen und außerhalb der §§88 ff. UG nach den jeweils maßgebenden Vorschriften übertragenen Rechte ankommt, von denen auch die Besonderen Bestimmungen für Filme ausgehen. Weitere neue Rechte — außer dem Leistungsschutzrecht des Filmproduzenten — werden nicht begründet 19 ). 2. Die Zweckiibertragstheorie in Anwendung auf Filme Vor dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes wurde die 1927 von Goldbaum begründete Zweckübertragungstheorie 20 ) von der Rechtsprechung übernommen, weiterentwickelt und angewendet. Daher kann von einer Einschränkung der Zweckübertragungstheorie, die vor dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes nicht kodifiziert war, keine Rede sein. In Lehre und Rechtsprechung wurde im Gegenteil immer wieder die Anwendung des Grundsatzes betont, daß das Urheberrecht die Tendenz hat, im Zweifelsfall beim Urheber zu verbleiben. Daran hat sich durch das Urheberrechtsgesetz nichts geändert 21 ). ) BR-Drucksache 1/62 S. 98 = UFITA Bd. 45 (1965) S. 316. ) BR-Drucksache 1/62 S. 98 = UFITA, aaO. S. 317. 19 ) v. G a m m , aaO. Rdz. 3 zu § 88 UG. 2 °) G o l d b a u m , Urheber- und Urhebervertragsrecht, 2. Aufl. 1927, S. 75 ff., 163. 2 1 ) v. G a m m , aaO. Rdz. 19 zu § 31 UG. 18

18a

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Gerade nach der Kodifikation dieses Rechtsgrundsatzes in § 31 Abs. 5 UG ist nach der hier vertretenen Meinung die Anwendbarkeit der Zweckübertragungstheorie nicht eingeschränkt worden, auch nicht durch die Besonderen Bestimmungen des Dritten Teils des Urheberrechtsgesetzes. Es wäre sehr eigenartig, hätte man jetzt feststellen müssen, daß der Rechtsgrundsatz, das Urheberrecht habe im Zweifel die Tendenz, beim Urheber zu verbleiben, auf dem Höhepunkt seiner Anerkennung, nämlich in dem Augenblick, in dem es zum Gesetz erhoben worden ist, zugleich an Wert und an Gehalt eingebüßt hätte. Entwicklungsgeschichtlich, philosophisch, wäre eine solche Wende denkbar gewesen. Bedenkt man z. B., daß die übermäßige Beanspruchung von Rechten oft unmittelbar zu deren Beschränkung führt, so daß theoretisch auch der in Gesetzeskraft erwachsene Rechtsgrundsatz gerade damit seine eigene Begrenzung erfahren haben könnte. Das ist aber nicht der Fall, vielmehr hat die Zweckübertragungstheorie ihre ausdrückliche gesetzliche Festlegung nicht nur in § 31 Abs. 5 UG gefunden, sondern hat sich darüber hinaus auch in weiteren Bestimmungen wie §§ 37, 38, 44 Abs. 1, 88 und 89 UG für Sonderfälle niedergeschlagen 21 ). In der Rechtsprechung führt die Zweckübertragungstheorie immer wieder erneut dazu, bestehende Unklarheiten und verschwommene, oft zu weitgehende Formulierungen zu klären und zu konkretisieren. Entscheidend ist nach ständiger Rechtsprechung stets der mit der Rechtseinräumung verfolgte Zweck, das ist der — wie von Gamm deutlich sagt — der Rechtseinräumung zugrundeliegende wirtschaftliche Vertragszweck, der durch den zugrundeliegenden Vertrag die Verwertung des Urheberguts konkretisiert und zugleich damit den Umfang der Rechtseinräumung bestimmt 21 ) 22 ). Die allgemeinen Grundsätze der Zweckübertragungstheorie gehen in ihrem Anwendungsbereich weit über die §§ 31 ff. UG hinaus. Die Zweckübertragungstheorie gilt also durchaus nicht allein für den allgemeinen Teil des Urheberrechtsgesetzes, in dem sie jetzt 21 ) Siehe S. 219. 22) Vgl. statt vieler: RGZ 118, 282 (285); 123, 312 (317/318); 140, 255 (257/258); BGHZ 5, 116 (122) — „Parkstraße 13"; BGHZ 15, 249 (256) = UFITA Bd. 19 (1955) S. 353 (357) — „Cosima Wagner" ; 28, 234 (238) = UFITA Bd. 27 (1959) S. 58 (61) — „Verkehrskinderlied" ; BGH in GRUR 1966, 567 (570) = UFITA Bd. 50 (1967) S. 195 (201) — „GELU" ; BGH in N J W 1967, 2354 = UFITA Bd. 50 (1967) S. 994 — „Angélique" ; in letzter Zeit BGH-Urt. v. 26. April 1974 in GRUR 1974, 786 ff. = UFITA Bd. 72 (1975) S. 324 ff. — „Kassettenfilm" ; ferner BGH-Urt. v. 7. Nov. 1975 in FILM UND RECHT Nr. 7/1976 S. 497 (500) = GRUR 1976, 382 ff. (383) — „Es muß nidit immer Kaviar sein" u. BGH-Urt. v. 30. Juni 1976 in FILM UND RECHT Nr. 11/1976 S. 793 ff. = GRUR 1977, 42 ff. — „Sdimalfilmredite".

Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken

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abgedruckt nachzulesen ist, sondern findet ihre Konkretisierung und Anwendung gerade auch im Dritten Teil des Gesetzes. a) § 8 8

UG

§ 88 UG stellt für die Nutzungsrechtseinräumung an vorbestehenden Werken, also an selbständigen Werken lediglich Auslegungsregeln auf. Für die Auslegungsregeln des § 88 UG gilt die Zweckübertragungstheorie uneingeschränkt. Der Grundsatz des § 31 Abs. 5 UG regiert die der Filmherstellung vorangegangenen Verträge und ändert nichts an deren bisheriger Beurteilung 23 ). Es sind also keinesfalls neue Verwertungsrechte für den Filmproduzenten begründet worden. Die Bestimmung geht vielmehr von einem zugunsten des Werkschöpfers bestehenden und auf den Filmproduzenten übertragenen Recht zur Verfilmung aus, ohne ein solches Recht neu zu begründen 24 ). Entscheidend für den Inhalt und Umfang der dem Filmproduzenten danach eingeräumten Rechte sind nicht etwa die gesetzlichen Auslegungsregeln selbst, sondern zunächst einmal der Inhalt und Umfang der Rechtsübertragung auf den Filmproduzenten, mit der ihm die Verfilmung des Werks im Sinne von § 88 UG gestattet wurde. Diese Verträge werden so wie bisher ausgelegt und der Vertragszweck wird unter Berücksichtigung des Grundsatzes ermittelt, daß die Vertragspartner einen bestimmten Vertragszweck verfolgen und alle Rechte zur Erreichung dieses Vertragszwecks übertragen werden sollen 24 ). Das hat die Rechtssprechung nach Inkrafttreten der hier interessierenden Bestimmungen bestätigt, denkt man nur an zwei Entscheidungen, die auf den ersten Blick deswegen besonders bemerkenswert erscheinen, weil nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt — berücksichtigt man allein den Wortlaut der geschlossenen Verträge oder der unterzeichneten Dokumente — die Vertragspartner in beiden vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen solche pauschalen Wendungen benutzten, wie „alle Rechte an der Komposition" würden übertragen 25 ) oder die Rechte seien übertragen „für alle Rundfunk- . . . und Filmzwecke, auch soweit die Verwendungsart auf diesen Gebieten zur Zeit noch nicht bekannt oder erfunden ist"28).

» ) v. G a m m , aaO. Rdz. 3 zu § 88 UG. ) v. G a m m , a a O . Rdz. 4 zu § 8 8 UG; Schulze, a a O . Anm. 3, 4 zu § 88 UG. « ) BGH-Urt. v. 30. April 1971 in GRUR 1971, 480 — „ S d i w a r z w a l d f a h r t " . 2«) BGH-Urt. v. 26. April 1974 in GRUR 1974, 786 = UFITA Bd. 72 (1975) S. 324 ff. — „Kassettenfilm". 24

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Vera Movsessian:

In dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30. April 1971 zugrunde liegenden Fall „Schwarzwaldfahrt" hatte der beklagte Komponist ein Revers unterzeichnet, nach dem „die Musik und alle Rechte an ihr einschließlich des Copyright" alleiniges und absolutes Eigentum der Klägerin für jeden Zweck sein sollten und in dem es weiter hieß, daß er „hiermit die Musik und alle Rechte an ihr" mit Ausnahme der von ihm auf die GEMA übertragenen kleinen Aufführungsrechte vorbehaltlos an die Klägerin verkaufe und übertrage, sowie daß er damit einverstanden sei, keinerlei Rechte oder Ansprüche irgendwelcher Art an der Musik oder an den aus dieser erzielten Einnahmen zu beanspruchen. Er erhebe auch keinen Anspruch auf Grund seines Urheberpersönlichkeitsrechts — hieß es weiter — und sei damit einverstanden, daß die Musik geschnitten, arragiert, neu arrangiert, gekürzt oder erqänzt werde. Trotz dieser scheinbar so weitgehenden Rechtsübertragung stellte es sich im Verlauf des Prozesses heraus, daß der Vertragszweck, das Vertragsziel darin bestand, der Klägerin Aufnahmen für Fernsehzwecke zu ermöglichen und dabei die Stücke des Beklagten als Hintergrundmusik zu verwenden. Der Bundesgerichtshof hat deshalb u. a. wörtlich festgestellt: „Somit hat das BerG der Beweisaufnahme ohne Rechtsverstöße entnommen, der Beklagte habe der Klägerin nur diejenigen Rechte eingeräumt, die erforderlich seien, damit die Klägerin seine Musik in ihrer Produktion als Hintergrundmusik einsetzen und diese Produktionen weltweit verwenden könne. Hierzu sei jedoch weder das Notenrecht noch das Bühnenaufführungsrecht erforderlich; diese Rechte seien daher beim Beklagten verblieben." 25 ) Im zweiten Fall „Kassettenfilm" hatten die Parteien ebenfalls durch sehr weitgehende Formulierungen scheinbar die Übertragung sämtlicher Nutzungsrechte ins Auge gefaßt. In den zu dem Vertrag vereinbarten Allgemeinen Bedingungen hieß es u. a., daß der Urheberberechtigte der Produzentin „das ausschließliche Recht . . . zur Verwendung des Werks einschließlich des Werktitels für alle Rundfunk* . . . und Filmzwecke, auch soweit die Verwendungsart auf diesem Gebiet zur Zeit noch nicht bekannt oder erfunden" sei, übertragen würde. Auch hier ist es im Verlauf des Prozesses klar geworden, daß der Beklagte mit dem Vertrag über die Verwertung seines Manuskriptes für einen Fernsehfilm der Klägerin — der Produzentin — nicht auch das Recht zur Schmalfilmauswertung einzuräumen beab") Siehe S. 221.

Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken

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sichtigte, das hatte nämlich mit dem von den Parteien verfolgten Vertrags z w e c k nichts zu tun. So hat der Bundesgerichtshof zu den weiten Formulierungen der Parteien u. a. festgestellt: „Sind die einzelnen Nutzungsarten eines Nutzungsrechts nicht im einzelnen im Vertrag aufgeführt, so soll nach der bereits unter der Herrschaft des früheren Rechts entwickelten Zweckübertragungstheorie sich der Umfang der Rechtseinräumung nach dem mit ihr verfolgten Zweck richten." Im gleichen Urteil hat der Bundesgerichtshof dann weiter bestätigt, daß „selbst aus einer nach dem Vertrags Wortlaut uneingeschränkten Übertragung eines im Gesetz umschriebenen Verwertungsrechts, wie beispielsweise des Rechts der Vervielfältigung bzw. des Rechts zur Herstellung von Bild- und Tonträgern (als einer besonderen Vervielfältigungsart, vgl. § 16 Abs. 2 UG) oder des Verbreitungsrechtes, über den Umfang der Rechtsübertragung regelmäßig nichts abschließendes entnommen werden kann. Die pauschale Einräumung dieser Rechte ist vielmehr gegenständlich nach dem jeweiligen Vertragszweck zu beschränken." Damit ist kein Zweifel an der unveränderten Geltung der Zweckübertragungstheorie und daran zulässig, daß auch die Besonderen Bestimmungen für Filme, die §§ 88, 89 UG an der Auswirkung der Zweckübertragungstheorie nichts geändert haben. Die Auslegung eines Filmherstellungsvertrages richtet sich also weiterhin danach, ob ein sogenannter Kinofilm, ein Fernsehfilm oder ein sogenannter Kassettenfilm resp. ein Audiogramm 27 ) hergestellt werden sollte, also was Vertragsziel war. Die gesetzlichen Auslegungsregeln des § 88 UG greifen erst ein, wenn aus den der Verfilmung zugrunde liegenden Vereinbarungen, dem Verwertungsvertrag, Inhalt und Umfang der Rechtsübertragung nicht bestimmt werden können. Wenn in diesem Zusammenhang von unterschiedlichen Arten der Filmauswertung gesprochen worden ist, so sind damit folgende zur Zeit bekannten Arten der Filmauswertung gemeint: aa) Man unterscheidet den sogenannten K i n o f i l m , d. h. den für die öffentliche Vorführung in Lichtspieltheatern bestimmten bisher branchenüblich gewesenen Spielfilm, für dessen Auswertung im allgemeinen nicht viel mehr als ca. 80 Kopien benötigt werden. 27 ) Die Bezeichnung „Audiogramm" geht auf einen Vorschlag von Professor Ulmer für den Kassettenfilm zurück.

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Vera Movsessian:

Im Vordergrund der Auswertung dieses Kinofilms steht nicht die Vervielfältigung und Verbreitung von Werkstücken, sondern die Herstellung einer bestimmten durch den Zweck begrenzten Anzahl von Kopien, die für die öffentliche Vorführung des Films notwendig ist, um die öffentliche Vorführung in Lichtspieltheatern zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, daß die Anzahl der Vervielfältigungsexemplare sich nach dem mit der Nutzungsrechtseinräumung verfolgten Zweck bestimmt und insoweit die Zweckübertragungstheorie voll zur Anwendung kommt. Zulässig ist daher regelmäßig nur die Herstellung einer solchen Anzahl von Vervielfältigungsexemplaren, wie sie zur vertragsgemäßen Werknutzung erforderlich ist28). Auch wenn § 88 Abs. 1 Ziff. 3 u. 4 UG z. B. dem Nutzungsberechtigten das Vorführungsrecht nach § 19 Abs. 4 UG und das Senderecht nach § 20 UG zubilligen, stehen beide Fälle in echter Alternativität. J e nach dem konkreten Verwertungs z w e c k beschränkt sich die Nutzungsrechtseinräumung entweder auf das Vorführungs- oder das Senderecht. Nur bei einer doppelten Zweckbestimmung in der Werkverwertung kommen beide Auslegungsregeln kumulativ zur Anwendung 29 ). bb) Als F e r n s e h f i l m wird das für die Sendung bestimmte Filmwerk bezeichnet. Es erfordert keine körperliche Festlegung auf einem Bildträger. Entscheidend ist allein die filmische oder fotografieähnliche Herstellungsart, während die Art der Sichtbarmachung des unter Benutzung strahlender Energie erzeugten Bildes belanglos ist. Filmwerke können daher nicht nur die auf einem Filmband fixierten Bildfolgen sein, sondern gleichfalls die auf einem Magnetband oder einer sonstigen technischen Vorrichtung festgehaltenen beweglichen Bilder und auch die durch Fernsehaufnahmegeräte aufgenommenen nur den Bruchteil einer Sekunde elektrisch gespeicherten und dann ohne dauerhafte körperliche Festlegung unmittelbar ausgestrahlten beweglichen Bildfolge wie die Fernseh-Live-Sendung 30 ). Das für Sendezwecke bestimmte Filmwerk braucht somit keineswegs aufgezeichnet zu sein, wird es aber in der Regel, um Wiederholungen zu ermöglichen und eine weitere Auswertung zu gewährleisten sein. Auch in diesem Fall des sogenannten Fernsehfilms wer28

) v. Gamm, aaO. Rdz. 9 zu § 88 UG. ») v. Gamm, aaO. Rdz. 10 zu § 88 UG. ä») v. Gamm, aaO. Rdz. 2a zu § 88 UG. 2

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den also entweder gar keine oder sehr wenige Werkexemplare für die vertragsgemäße Werkauswertung benötigt. cc) Ganz anders als beim Kino- oder Fernsehfilm verhält es sich beim A u d i o g r a m m , dem bisher sogenannten Kassettenfilm oder AV-Film. Er erfordert in erster Linie eine der Zahl der Werkexemplare nach möglichst unbegrenzte Anfertigung von Kopien und deren Vertrieb. Bei der Auswertung des Films über das neue audiovisuelle Medium Audiogramm liegt also der Schwerpunkt der Verwertung in der nahezu unbeschränkten Vervielfältigung und Verbreitung der Filmkopien, während bei der bisherigen Filmauswertung nur eine begrenzte Anzahl von Werkexemplaren erforderlich war 31 ). Entscheidend bei der Auslegung der Verwertungsverträge ist es daher auch unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln des § 88 UG nach wie vor, welcher Vertragszweck durch den Verwertungsvertrag sichergestellt werden sollte. Im einzelnen ist es also immer wieder von erheblicher Bedeutung, für die Vertragsgestaltung und für die spätere Auslegung des Vertrages, welche Art der Filmauswertung Kinofilm, Fernsehfilm oder Audiogramm von den Vertragspartnern als Vertragsziel ins Auge gefaßt war. b) § 8 9

UG

Für die Nutzungsrechtseinräumung an dem a m F i l m w e r k erwachsenen Urheberrecht gibt § 89 UG gleichfalls Auslegungsregeln. Diese gelten aber nicht mehr für die selbständig verwertbaren vorbestehenden bei der Herstellung des Films verwendeten Werke. In dieser Bestimmung hat die Zweckübertragungstheorie selbst ihre Anwendung und Konkretisierung gefunden 32 ). Als Urheber des am Filmwerk erwachsenen Urheberrechts kommen bekanntlich verschiedene Personen in Betracht, besonders häufig der Filmregisseur, neben ihm auch der Kameramann und der Cutter, die eigenschöpferische urheberrechtlich relevante Leistung bei der Gestaltung der Bildfolge zu leisten pflegen. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es dazu u. a.: „Für das Urheberrecht am Filmwerk kommen nur die Personen in Frage, die bei der Herstellung des eigentlichen Filmwerks, also bei den Dreharbeiten, tätig geworden sind. Geht man von dem 31 ) Movsessian, Spielfilmauswertung-Zweckubertragungstheorie und neue audio-visuelle Medien, in GRUR 1974, 376; R e i m e r , in Festsdirift fur Ulmer, GRUR Int. 1973, 315 ff. 32 ) v. G a m m , aaO. Rdz. 19 zu § 31 UG.

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Vera Movsessian: Grundsatz des § 7 aus, daß Urheber eines Werkes dessen Schöpfer ist, so sind von diesen Personen alle diejenigen als Urheber des Filmwerks anzusehen, deren Beitrag eine persönliche geistige Schöpfung darstellt. Dies können je nach Lage des Einzelfalles sein: der Regisseur, der Kameramann, der Cutter u. a. Mitwirkende, möglicherweise auch der Filmhersteller selbst, wenn er die Gestaltung des Filmwerks schöpferisch mitbestimmt." 33 )

Was nun d i e s e Urheber des Filmwerks selbst angeht — und nur für sie gilt § 89 Abs. 1 UG — so hat der Gesetzgeber für sie die Zweckübertragungstheorie im ersten Absatz der Bestimmung dahin konkretisiert, daß der Filmproduzent „im Zweifel" das ausschließliche Recht eingeräumt erhält „das Film w e r k sowie Übersetzungen und andere filmische Bearbeitungen oder Umgestaltungen des Filmwerks auf alle bekannten Nutzungsarten zu nutzen". Daß das eben nur für die bei der Schöpfung des Filmwerks selbst — bei der Herstellung der eigenschöpferisch gestalteten Bildfolge — tätig gewordenen Urheber gilt, ist durch den Gesetzestext selbst in § 89 Abs. 3 UG klargestellt worden und wird durch die oben zitierte Begründung bestätigt. Sehr interessant ist, daß in der Praxis gerade diesbezügliche Rechtsstreitigkeiten — soweit der Verfasserin bekannt — nicht entstanden sind. Es gilt also nach wie vor, was auch im Regierungsentwurf angeführt ist33"}, daß es nämlich bisher in der Praxis nicht zu Streitfällen gekommen sit, weil der Filmhersteller sich nämlich vorsorglich die Rechte aller als Filmurheber in Betracht kommenden Personen im voraus vertraglich übertragen lassen wird. Das Gesetz ist also von dieser bekannten vorbestehenden Praxis ausgegangen. In § 89 UG ist die Entstehung eines urheberrechtsschutzfähigen W e r k s vorausgesetzt, und es kommt somit eine analoge Anwendung der Bestimmung auf Laufbilder, die eines Urheberrechtsschutzes nicht fähig sind, nicht in Betracht. Die Urheberschaft am Filmwerk wird aber nicht etwa durch § 89 UG „geregelt", sondern vorausgesetzt 34 ). Maßgebend ist also auch hier der allgemeine Teil mit seinen Regelungen der §§ 7, 8 UG zur Urheberschaft. Als Auslegungsregel begründet § 89 UG keine neuen Rechte, sondern geht von bereits vorhandenen Rechten aus. Grundsätzlich bleiben daher die zu den einschlägigen Verträgen bestehenden Nonnen und 33

) BR-Drucksadie 1/62 S. 99/100 = UFITA Bd. 45 (1965) S. 318. 3S») BR-Drucksache 1/62 S. 100 = UFITA Bd. 45 (1965) S. 318. 34 ) v. G a m m , aaO. Rdz. 3 zu § 89 UG.

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Auslegungsregeln unberührt 35 ). Von § 89 UG erfaßt werden alle bekannten Nutzungsarten, d. h. kumulativ alle Verwertungsmöglidikeiten. Sachlich geht diese Bestimmung demnach erheblich weiter, als die des § 88 UG für vorbestehende Werke. Die einzige sachliche Beschränkung ergibt sich aber auch hier aus dem Gegenstand der Verwertung, d. h., daß sich die Nutzungsrechtseinräumung s t e t s auf die Verwertung des k o n k r e t e n Films bezieht 35 ). Hier liegt auch wieder der Einstieg zu dem der Filmherstellung zugrundeliegenden Vertrag, der von den Regeln des allgemeinen Teils beherrscht wird. Es kann also sehr wohl vertraglich ausdrücklich oder konkludent etwas dem Sinn der Bestimmung Entgegengesetztes vereinbart sein, gilt doch die Auslegungsregel eben nur „im Zweifel". Audi hier kann deshalb nicht etwa von einem Ausschluß oder einer Einschränkung der Zwedcübertragungstheorie gesprochen werden, sondern gerade von ihrer gesetzlichen Konkretisierung. c) § 9 1 U G Audi § 91 UG stellt eine Auslegungsregel auf, und zwar für die Nutzungsrechtseinräumung an einem bei der Filmherstellung erwachsenden Leistungsschutzrecht. Deswegen kommt hier wie bei allen Leistungsschutzrechten nur eine entsprechende Anwendung der Auslegungsgrundsätze des Urheberrechts, wie zum Beispiel der Zweckübertragungstheorie, in Betracht36). Da § 91 UG auch keine „neuen" Rechte für den Filmproduzenten schafft, sondern eine Auslegungsregel aufstellt, unterscheidet sich diese Auslegungsregel in erster Linie von den vorangegangenen dadurch, daß sie sich auf ein bei der Filmherstellung erwachsenden Leistungsschutzrecht bezieht. Die nicht unbestrittene Beurteilung von § 91 UG als Auslegungsregel rechtfertigt sich durch folgendes: Das Urheberrechtsgesetz verwirklicht in vollem Umfang das Urheberschaftsprinzip. Analog zum Urheberrecht erwachsen dem Leistungsschutzberechtigten die verwandten Schutzrechte der §§70 ff. UG jeweils in der Person desjenigen, der die geschützte Leistung erbracht hat 37 ). Wichtig ist, sich in diesem Zusammenhang klarzumachen, daß der Wortlaut des § 91 UG mehrdeutig ist und sich nur scheinbar nidit in das System des Gesetzes einordnen läßt 37 ). Warum sollte gerade hier 35

) v. G a m m , aaO. Rdz. 4 zu § 89 UG. »•) v. G a m m , aaO. Rdz. 4 zu § 91 UG. 37 ) v. G a m m , aaO. Rdz. 1 zu § 91 UG.

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Vera Movsessian:

entgegen der sonstigen Gesetzessystematik und ohne daß hierfür eine wirtschaftliche Notwendigkeit erkennbar wäre, eine Sonderregelung für das Leistungsschutzrecht am Lichtbild unter Ausschluß von § 72 Abs. 2 UG getroffen worden sein? Zu Recht hat v. Gamm37) darauf hingewiesen, daß zu einer am Wortlaut der Bestimmung des § 91 UG haftenden Auslegung keine zwingende Veranlassung besteht, da die Annahme, das Gesetz räume dem Filmhersteller ein originäres Recht am Lichtbild ein, nach dem System des Gesetzes verfehlt ist37)38). Eine den Gesamtzusammenhang des Gesetzes außer acht lassende Betrachtungsweise übersieht, daß das Recht an dem einzelnen Lichtbild, das bei der Filmherstellung erwächst, nicht etwa auf Grund von § 91 UG in der Person des Filmproduzenten entsteht, sondern daß es unberührt von der Auslegungsregel des § 91 UG unmittelbar in der Person des Lichtbildners (§ 72 Abs. 2 UG) ebenso wie in der des Schöpfers eines Lichtbildwerks (§§7, 2 Abs. 1 Ziff. 5 UG) zur Entstehung gelangt. Aus der Terminologie des Gesetzes allein dürfen keine Rückschlüsse auf den sachlichen Gehalt der einzelnen Bestimmung gezogen werden. Eine sinnvolle Auslegung darf nicht am Wortlaut haften, sondern auf den systematischen und sachlichen Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden betroffenen Rechtsgebiet abstellen 39 ). § 91 UG findet somit unmittelbar auf das nach § 72 Abs. 2 UG erwachsende Recht am einzelnen Lichtbild, das bei der Filmherstellung entsteht, Anwendung, auf urheberrechtsschutzfähige Lichtbildwerke dagegen nur analog, sofern dem einzelnen bei der Filmherstellung entstandenen Bild eine eigenschöpferische Prägung zukommt 40 ). Audi der Schöpfer des Lichtbildwerkes hat das Werk für die f i l m i s c h e Verwertung hergestellt, genauso wie der Lichtbildner das einfache Lichtbild. Die Berücksichtigung des Vorstehenden läßt daher die analoge Anwendung des § 91 UG auf Lichtbildwerke insoweit gerechtfertigt erscheinen. Nach der hier abgelehnten am Wortlaut haftenden Auslegung der Bestimmung ist eine analoge Anwendung auf Lichtbildwerke nicht zu vertreten, da auf das urheberrechtsschutzfähige Lichtbildwerk be37) Siehe S. 227. ) Anders F r o m m / N o r d e m a n n , aaO. Anm. zu § 91 UG; S a m s o n , S. 94; nicht eindeutig dazu der Reg. Entw. zu § 101. 3») v. G a m m , aaO. Rdz. 2 zu § 88 UG. 4 °) v. G a m m , aaO. Rdz. 2 zu § 91 UG. S8

aaO.

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zogen ein systemwidriger originärer Rechtserwerb des Filmherstellers ausgeschlossen ist. Hier führt allerdings auch wieder die den Auslegungsregeln des Dritten Teils des Gesetzes zugrundeliegende Zweckübertragungstheorie einem befriedigenden Ergebnis entgegen 40 ). In § 91 UG wird nach der hier vertretenen Auffassung auch nur eine Auslegungsregel gegeben, wobei auch hier von einem Vertrag, nämlich einem Dienst- oder Werkvertrag oder einem Arbeitsvertrag ausgegangen wird, der ebenso wie in den Fällen der §§ 88, 89 UG auf einen bestimmten Vertragszweck bezogen ist. Deswegen sieht §91 UG vor, daß im Zweifel von einer Nutzungsrechtseinräumung zu Gunsten des Filmproduzenten auszugehen ist38). Die von § 91 UG betroffene Nutzungsrechtseinräumung erfaßt zwar jede filmische Verwertung des einzelnen Bildes, aber nur bezogen auf das k o n k r e t e Filmwerk. In Verbindung mit anderen Filmwerken unterliegt eine filmische Verwertung nicht der von § 91 UG betroffenen Nutzungsrechtseinräumung. Mithin wird auch § 91 UG durch die Zweckübertragungstheorie, die der Bestimmung zugrundeliegt, begrenzt 36 ). Dem Lichtbildner wie auch dem Schöpfer des Lichtbildwerks verbleibt also die Möglichkeit einer getrennten Verwertung der einzelnen Aufnahmen, weil ihm nach § 72 Abs. 2 UG die Verwertungsrechte für eine vom konkreten Filmwerk getrennte Verwertung zustehen. So wie die §§ 88, 89 UG Auslegungsregeln über den Umfang der Nutzungsrechtseinräumung für das Urheberrecht geben, gewährt § 91 UG eine Auslegungsregel für das Leistungsschutzrecht am Lichtbild41). d) E r g e b n i s Die Auslegungsregeln der §§ 88, 89 und 91 UG weichen also nicht von dem in der Zweckübertragungstheorie zum Ausdruck, gebrachten Prinzip ab, sie schränken sie auch nicht ein. Die Zweckübertragungstheorie liegt den Bestimmungen vielmehr zugrunde, die sie mit den hier dargestellten Differenzierungen zur Anwendung bringen, also konkretisieren. II. Rechtsbeschränkungen bei Filmen Die Bestimmungen des Dritten Teils des Gesetzes sollen der Erleichterung der Filmauswertung und damit der Filmwirtschaft dienen. 3«) Siehe S. 227. 4 °) Siehe S. 228. " ) v. G a m m , aaO. Rdz. 1 zu § 91 UG sowie Einf. Rdz. 30, 34.

Vera Movsessian:

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Deswegen hat sich der Gesetzgeber auch nicht mit den Auslegungsregeln der §§ 88, 89 u. 91 UG begnügt, sondern hat in den §§ 90, 92, 93 UG Rechtsbeschränkungen — bis hin zum vollständigen Rechtsausschluß — für die Urheber und ausübenden Künstler kodifiziert neben dem neuen Unternehmer-Leistungsschutzrecht des Filmherstellers in §§ 94, 95 UG. 1. Urheber und Künstler Wegen der vom Gesetzgeber erstrebten Rechtssicherheit für den Filmproduzenten enthalten die Bestimmungen der §§90 und 92 UG Beschränkungen verschiedener Ansprüche und Berechtigungen für die Urheber und ausübenden Künstler, sowie für beide Einschränkungen der eingeräumten persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse in § 93 UG. a) § 9 0

UG

Die Weiterübertragung der vom Nutzungsberechtigten erworbenen Rechte gemäß §§ 34, 35 UG bedarf nach § 90 UG entgegen der im Fünften Abschnitt des Ersten Teils getroffenen Regelung keiner Zustimmung der Urheber mehr. Deren Rechte sind insoweit vollständig ausgeschlossen worden. Ebenso vollständig ausgeschlossen ist das Rückrufsrecht der Urheber wegen Nichtausübung und wegen gewandelter Überzeugung (§§ 41, 42 UG). Von diesem Ausschluß sind die Urheber vorbestehender Werke, auf die § 88 Abs. 1 Ziff. 2 bis 5 UG Anwendung finden, ebenso wie die Urheber am Filmwerk selbst nach § 89 Abs. 1 UG betroffen. Für die zuletzt genannten ist auch § 36 UG ausgeschlossen worden, für die ersteren dagegen nicht. Der Rechtsausschluß nach § 90 UG hat nichts zu tun mit den Schranken des Urheberrechts gemäß §§ 45 ff. UG, die auf soziale Bindungen zurückführbar sind und besteht n e b e n den genannten Beschränkungen allein zur Erleichterung der Filmauswertung durch den Filmhersteller, der, wie mehrfach in der Begründung zum Urhebergesetz betont wird, ein hohes wirtschaftliches Risiko trägt 42 ). Diese Annahme des Gesetzgebers, die durch die seit Beginn der 50iger Jahre schwebende Filmwirtschaftskrise bestärkt wurde, trifft allerdings, wie es sich im Laufe der Jahre nach Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes immer mehr herausstellt, durchaus nicht mehr in 42 ) BR-Drucksache 1/62 S. 98, 100, 101, 102 = UFITA Bd. 45 (1965) S. 316, 319, 320, 321.

Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken

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allen Fällen d. h. für alle Filmhersteller zu. In der Filmbranche gibt es vielmehr Tendenzen, immer mehr vom Prinzip des unabhängigen eigenverantwortlichen Filmproduzenten abzurücken und sein Heil in staatlichen Subventionen und Zuschüssen zu erwarten, die von der Allgemeinheit aufgebracht werden müssen. Sind solche Mittel z. B. mit Hilfe der Filmförderungsanstalt erst einmal in diverse, Haftungsbeschränkungen unterworfene Gesellschaften der Filmhersteller eingebracht und verbraucht, hält sich das vom Gesetzgeber so hoch eingeschätzte Risiko des Filmproduzenten in engen Grenzen. Hinzu kommt, daß der Filmproduzent sich vielfach auch durch Aufträge der Rundfunkanstalten abzusichern weiß, die ihm eine Produktion mit einem sehr geringen eigenen Risiko gestatten 42 "). Damit soll weder Grundsätzliches gegen die Filmproduzenten, deren wirtschaftliche Bestrebungen verständlich sind, noch gegen die in Rede stehende gesetzlichen Beschränkungen gesagt sein. Es soll hier nur die Fragwürdigkeit gesetzgeberischer „Sonderzuwendungen" für einen Wirtschaftszweig unterstrichen, die Notwendigkeit der hier in Rede stehenden Rechtsausschlüsse angezweifelt werden42"). Die §§ 34, 35 UG sehen nämlich z. B. vor, daß im Verwertungsvertrag vom Zustimmungserfordernis abweichende Vereinbarungen getroffen werden können. Also konnte in der Praxis wie auch vor Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes im Einzelfall ohne weiteres vereinbart werden, daß der Filmhersteller ohne Zustimmung des Urhebers ein Nutzungsrecht weiter übertragen kann, oder als Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts einfache Nutzungsrechte vergeben kann. Da sich vor dem Gesetz in der Praxis Probleme im Sinne von § 90 UG nicht in erheblichem Umfang ergeben hatten, muß man die Notwendigkeit der getroffenen gesetzlichen Regelung zumindest in Zweifel ziehen dürfen. Ähnlich überflüssig erscheint der Rechtsausschluß des § 42 UG, schon weil ein Rückruf mit Rücksicht auf § 42 Abs. 3 UG vom Urheber kaum zu erwarten und gegebenenfalls noch ein „gutes Geschäft" für den Filmhersteller wäre, dem mindestens die Filmherstellungskosten wieder zufließen müßten. Nicht zu leugnen ist es allerdings in diesem Zusammenhang, daß die bestehende Regelung des § 90 UG der Rechtssicherheit der Film4 2 a ) Kleinere Produktionsfirmen versuchen z. B. die in ihrem Auftrag tätig gewordenen Urheber darauf zu verweisen, daß verbindliche Vereinbarungen mit ihnen das Vorliegen eines Produktions a u f t r a g e s einer Rundfunkanstalt voraussetzen würden. 4 2 b ) Auch kritisch zu § 90 UG, sowie weiteren Beschränkungen im Dritten Teil: Fromm/Nordemann, aaO. Anm. 2 zu § 90 UG.

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Vera Movsessian:

auswertung dient, weil sie mögliche Probleme eliminiert. Es versteht sich in diesem Zusammenhang von selbst, daß auch diese Bestimmung sich nur jeweils auf den k o n k r e t e n Film und dessen bestimmungsgemäße Verwertung bezieht. b) § 9 2

UG

aa) Zu den Leistungsschutzrechten der ausübenden Künstler ist vorweg zu bemerken, daß die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen der §§73 ff. UG nur aus der historischen Entwicklung zu erklären sind, und daß sie daher in Anlehnung an die urheberrechtliche Regelung geschaffen wurden 43 ). Die im Urhebergesetz erfolgte Einordnung der Leistungsschutzrechte als dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte entspricht nicht dem sachlichen Gehalt der Leistungsschutzrechte 44 ). Abgesehen vom Fotografieschutz geht es nicht einmal um die Leistung an einem eigenen Werk. Die als schutzwürdig erachtete Leistung bezieht sich vielmehr auf die Widergabe und Auswertung eines fremden Werkes 44 ). Ohne die bei der Werkwiedergabe erforderliche künstlerische Fähigkeit und Ausdruckskraft gering zu schätzen, handelt es sich nicht um eine urheberrechtlich relevante Leistung. Zu regeln waren daher nur: im Verhältnis zum Werkschöpfer urhebervertrags- und nutzungsrechtliche Fragen, im Verhältnis zu Dritten aber Wettbewerbs- und persönlichkeitsrechtliche Probleme sowie solche aus Werk- und Dienstvertragsrecht. Deswegen ist die Einordnung der Leistungsschutzrechte als verwandtes Schutzrecht im Verhältnis zum Urheberrecht nicht gerechtfertigt 44 ). Ungeachtet der erfolgten gemeinsamen Regelung in einem Gesetz und der Bezeichnung als „verwandte" Schutzrechte dürfen daher urheberrechtliche Normen und Grundsätze auf die Leistungsschutzrechte nicht entsprechend angewendet werden44)45). Eine Ausnahme gilt nur auf Grund der positivrechtlichen Ausgestaltung für den Fotografieschutz und den Schutz wissenschaftlicher Ausgaben und Ausgaben nachgelassener Werke, die dem urheberrechtlichen Schutz angenähert sind. Der Inhalt und Umfang der Leistungsschutzrechte ist jeweils getrennt nach dem sachlichen Gehalt, dem Schutzgegenstand und unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der konkret geschützten Personengruppen der Urheber und der Allgemeinheit zu bestimmen 46 ). Die für ein Lei*3) ) 45 ) ")

44

v. G a m m , aaO. Rdz. 2 zu § 73 UG. v. G a m m , aaO., Einf. Rdz. 31. BR-Drudcsache 1/62 S. 87 = UFITA Bd. 45 (1965) S. 304. v. G a m m , aaO., Einf. Rdz. 32.

Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken

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stungsschutzrecht gewonnenen Erkenntnisse dürfen nicht für ein anderes Leistungsschutzrecht unbesehen übernommen werden 46 ). Die im Gesetz abschließend aufgezählten Befugnisse des Leistungsschutzberechtigten können auch nicht erweitert werden. Das Leistungsschutzrecht des ausübenden Künstlers ist nur in begrenztem Umfang absolut, seine Befugnisse sind nicht umfassend, sondern abschließend aufgezählt. Die geschützten Ineressen liegen überwiegend auf persönlichkeitsrechtlichem Gebiet und sind vom Gesetzgeber mit einem Schutz vermögensrechtlicher Belange ausgestattet worden 47 ). Das Leistungsschutzrecht weist daher sowohl verwertungsrechtliche Berechtigungen und Ansprüche (§§ 74 bis 77 UG) auf als auch persönlichkeitsrechtliche (§ 83 UG). Die letzteren werden in § 93 UG eingeschränkt, die ersteren werden durch § 92 UG in dem aus der Bestimmung selbst ersichtlichen Umfang ausgeschlossen, nämlich das Vervielfältigungsrecht für Bild- und Tonträger (§ 75 S. 2 UG), das Senderecht des § 76 Abs. 1 UG, einschließlich des Vergütungsanspruchs (§ 76 Abs. 2 UG) und der Vergütungsanspruch aus der öffentlichen Wahrnehmbarmachung einer Funksendung (§ 77 UG). bb) Voraussetzung der Anwendung von § 92 UG ist die e r l a u b t e Benutzung der Leistung des ausübenden Künstlers. Grund der Regelung ist die für den Filmproduzenten geforderte Rechtssicherheit für die Filmauswertung und die regelmäßig gewährte angemessene Vergütung für den ausübenden Künstler für die Mitwirkung bei der Filmherstellung 48 ). Erfaßt von der zwingenden Bestimmung werden nur die Berechtigungen und Ansprüche aus den oben genannten Bestimmungen, soweit sie sich auf eine Verwertung des konkreten Filmwerkes beziehen 49 ). Eine von diesem konkreten Filmwerk getrennte Verwertung bleibt durch § 92 UG unberührt. Die Rechte der ausübenden Künstler bleiben insoweit erhalten 49 ). Im übrigen ist § 92 UG auf Laufbildem nicht — auch nicht entsprechend — anwendbar. Was das Leistungsschutzrecht der ausübenden Künstler anbetrifft, enthalten die Bestimmungen des Dritten Teil des Gesetzes für sie keine Auslegungsregeln, sondern nur diese Beschränkung ihrer Rechte.

«) Siehe S. 232. " ) v. G a m m , aaO., Einf. Rdz. 36 UG. 48 ) v. G a m m , aaO. Rdz. 1 zu § 92 UG; BR-Drucksadie 1/62 S. 101 = UFITA Bd. 45 (1965) S. 320. 49 ) v. G a m m , aaO. Rdz. 3 zu § 92 sowie Rdz. 6 zu § 78 UG; S c h u l z e , aaO. Anm. zu § 92 UG.

234 c) § 9 3

Vera Movsessian:

UG

Die Regelung des § 93 UG gilt für Urheber- und Leistungsschutzberechtigte gleichermaßen. Der für den Urheber geltende § 14 UG wird damit ebenso wie der für ausübende Künstler geltende § 83 UG auf gravierende Fälle unter Herausstellung des Gebots zur gegenseitigen Rücksichtnahme beschränkt. Damit ist — wie v. Gamm ausführt —- eine gesetzliche Festlegung der in der Rechtsprechung entwickelten Interessenabwägung erfolgt 50 ). Schulze61) weist darauf hin, daß § 93 UG keinesfalls zum Freibrief werden darf, den Schutz von Persönlichkeitsrechten auf diesem Gebiet aufzuheben. Als gröbliche Verletzung sollte daher jede Gefährdung des Rufs und Ansehens des Urhebers oder des ausübenden Künstlers angesehen werden. § 93 UG erfaßt allerdings urheberpersönlichkeitsrechtliche Berechtigungen auch nur in dem Umfang, in dem sie zur Zweckerreichung, d. h. zur bestimmungsgemäßen Filmverwertung erforderlich sind. Im übrigen bleiben die §§ 14, 83 UG ungeachtet der inmitteliegenden Nutzungsrechtseinräumungen an den Verwertungsrechten unberührt, weil sich § 93 UG nur auf die Ausübung der Berechtigung bezieht 52 ). Die Bestimmung, so kann man mit von Gamm sagen, stellt daher im Ergebnis nur eine Mindestregelung zu Gunsten der Betroffenen dar. Insoweit ist sie zwingend, aber zu Gunsten der Urheber und ausübenden Künstler im Einzelfall abdingbar 52 ). Die Bestimmung findet auf Laufbilder Anwendung. 2. Leistungsschutz des Filmherstellers (§ 94 UG) Der Filmproduzent, der im allgemeinen selbst am Filmwerk nicht schöpferisch tätig wird, ist darauf angewiesen, alle für die Herstellung und Auswertung des Filmwerks erforderlichen Nutzungsrechte zu erwerben. Bei der Schöpfung des Urheberrechtsgesetzes ist es abgelehnt worden, ihm ein originäres Recht am Filmwerk zuzuerkennen. Statt dessen hat sich das Urheberschaftsprinzip durchgesetzt und das Gesetz hat sich auf die Schaffung von Auslegungsregeln und Rechtseinschränkungen beschränkt, die dem Filmproduzenten die ungestörte Filmauswertung sichern. v. G a m m , Rdz. 1 u. 4 zu § 93 UG. ) S c h u l z e , aaO. Anm. zu § 93 UG. 52 ) v. G a m m , aaO. Rdz. 2 zu § 93 UG ; F r o m m / N o r d e m a n n , aaO. Anm. 4 zu § 93 UG. 5»)

51

Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken

235

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber zur Sicherung der Leistung des Filmproduzenten ein besonderes Leistungsschutzrecht geschaffen. Als schutzwürdig ist die organisatorische und wirtschaftliche Leistung des Filmherstellers erachtet worden, die im konkreten Films t r e i f e n verkörpert ist. Nur dessen Vervielfältigung, Verbreitung, Vorführung und Sendung wird von § 94 UG — also vom Leistungsschutz des Filmherstellers — erfaßt. Dagegen bleibt die Benutzung und Verwertung der auf dem Filmstreifen verkörperten Werkgestaltung als solchen von dem neuen Recht unberührt53). In § 94 UG handelt es sich um einen seinem Wesen nach wettbewerbsrechtlidien Schutz, ähnlich dem des Tonträgerherstellers und des Sendeunternehmens, der positivrechtlich als ein einheitliches, aber nicht umfassendes Leistungsschutzrecht vermögensrechtlicher Natur mit absoluten Berechtigungen und einem in Anlehnung an § 14 UG nachgebildeten Schutz gegen Entstellungen und Kürzungen ausgestaltet worden ist54). Das Leistungsschutzrecht des Filmproduzenten ist kein Immaterialgüterrecht, so daß eine Heranziehung der für Immaterialgüterrechte entwickelten allgemeinen Grundsätze nicht — auch nicht entsprechend — in Betracht kommt. Das gilt insbesondere für den urheberrechtlichen Grundsatz eines möglichst weitreichenden, umfassenden Schutzes. Eine Erweiterung der im Gesetz abschließend aufgezählten Berechtigungen des Filmherstellers ist nicht zulässig55). Berechtigter des Unternehmerleistungsschutzrechtes ist der Filmhersteller, d. h. derjenige, der das wirtschaftliche Risiko der Gesamtleistung trägt. Wird die Gesamtleistung der Filmherstellung in Auftrag gegeben — Auftragsproduktion — so ist in der Regel der Beauftragte der Filmhersteller im Sinne von § 94 UG. In seiner Person erwächst dann das in Rede stehende Leistungsschutzrecht. Bei Coproduktionsverträgen werden beide Coproduzenten Inhaber des Leistungsschutzrechts zur gesamten Hand56). Dem Recht aus § 94 UG ist zwar der besondere Schutz gegen Entstellung und Kürzung zugebilligt worden, aber nicht wegen eines persönlichkeitsrechtlichen Gehalts, sondern worauf v. Gamm55) zu Recht hinweist — um den Schutz der konkreten auf dem Filmstreifen festgelegten wirtschaftlichen Leistung sicherzustellen und mittelbar 53 ) § 94 54 ) 55 ) 58 )

v. G a m m , UG. v. G a m m , v. G a m m , v. G a m m ,

aaO. Rdz. 1 u. 6 zu §94 UG; S c h u l z e , aaO. Anm. 1 u. 2 zu aaO. Rdz. 6 zu § 94 UG. aaO. Rdz. 1 zu § 94 UG. aaO. Rdz. 3 zu § 94 UG.

236

Vera Movsessian:

um den (urheber-)persönlichkeitsrechtlicheii Schutz a l l e r erwachsenen und benutzten Urheber- und Leistungsschutzrechte zu gewährleisten, die der Filmproduzent nicht nur selbst achten, sondern auch gegen Dritte aus eigenem Recht verteidigen können muß 55 ). § 94 UG ist eine abschließende Spezialregelung. Weil der Schutzgegenstand der Bestimmung die besondere wettbewerbliche Leistung ist, die in dem konkreten vom Berechtigten hergestellten Filmstreifen ihren Ausdruck und Niederschlag gefunden hat, bezieht sich das Leistungsschutzrecht allein auf den Bildträger bzw. Bild- und Tonträger. Entscheidend ist also die Niederlegung und Verkörperung der Herstellerleistung im konkreten Filmstreifen, weil er erst das zu schützende Leistungs e r g e b n i s darstellt. Ein Leistungsschutz nach § 94 UG scheidet dagegen für ein live-gesendetes Fernsehfilmwerk aus 57 ). Das Leistungsschutzrecht kommt erst dann zum Zuge, wenn eine Werkverkörperung vorliegt. Es ist für den Schutz des Filmstreifens auch belanglos, ob es sich um einen urheberschutzfähigen Film, also ob es sich um ein Film w e r k handelt, oder um Laufbilder. Ferner ist es weiter belanglos, ob der Berechtigte die für die Verwertung erforderlichen Nutzungsrechte erworben hat 57 ). Das einheitliche, nicht umfassende Vermögensrecht des § 94 UG ist als Ganzes zu vollem Recht übertragbar und vererblich, § 94 Abs. 2 UG. Insoweit ist auch eine Nutzungsrechtseinräumung in entsprechender Anwendung der §§31 bis 33 und 35 UG sowie eine Prozeßstandschaft zulässig 58 ). In § 94 Abs. 4 UG ist ausdrücklich die Beschränkung des Leistungsschutzrechts des Filmherstellers durch eine entsprechende Heranziehung der Bestimmungen des Sechsten Abschnittes des Ersten Teils des Gesetzes (§§ 45 bis 60, 62, 63 UG) festgelegt. Die Schutzfristberechnung in § 94 Abs. 4 UG entspricht wörtlich der Regelung in § 82 UG und in § 85 Abs. 2 UG. Auch hat die Berechnung der Frist nach § 69 UG zu erfolgen 54 ). 3. Rechtsschutz für Laufbilder (§ 95 UG) Zu § 95 UG genügte es — soweit das Leistungsschutzrecht des Filmherstellers in Rede steht — auf das zu § 94 UG bereits Gesagte hinzuweisen. Das Gesetz differenziert zwischen Filmwerken und Lauf5«) 55 ) ") 58 )

Siehe S. 235. Siehe S. 235. v. G a m m , aaO. Rdz. 5 zu § 94 UG. v. G a m m , aaO. Rdz. 4 zu § 94 UG.

Urheberrechte und Leistungsschutzrechte an Filmwerken

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bildern. Beide werden aber nicht gleichgestellt. Deswegen bedurfte es auch der Bestimmung des § 95 UG. Filmwerke sind als Gesamtkunstwerke eigener Art anerkannt und müssen eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 6 UG darstellen, während die Laufbilder nicht urheberrechtsschutzfähige, nicht eigenschöpferisch gestaltete Bild- oder Bild-Tonfolgen erfassen. Für beide Begriffe ist es nicht etwa Voraussetzung, daß sie körperlich festgelegt werden. Dies ist dagegen für die Entstehung des Leistungsschutzrechts nach §§ 94, 95 UG unbedingt notwendig. An Laufbildern als Gesamtform erwächst kein Urheberrecht. Davon zu trennen sind aber die bei der Filmherstellung entstehenden e i n z e l n e n Lichtbilder mit dem jeweils daran erwachsenden Urheberrechten an Lichtbildwerken nach § 2 Abs. 1 Ziff. 5 UG59). Die für Laufbilder maßgebliche Vorschrift des § 95 UG bewirkt nicht etwa, daß die allgemeinen urheberrechtlichen Vorschriften des Ersten Teils auf sie anwendbar wären, sondern bezieht sich nur auf die einzelnen abschließend angeführten Vorschriften der Besonderen Bestimmungen für Filme. Diese für entsprechend anwendbar erklärten Bestimmungen betreffen die bereits erörterten Auslegungsregeln für die Nutzungsrechtseinräumung an für die Filmherstellung benutzten Werken und Leistungen und ferner die Einschränkungen der Rechte. III. Ergebnis Die Auslegungsregeln der §§ 88, 89, 91 UG schaffen — wie schon aus ihrer Qualifikation als Auslegungsregeln folgt — keine neuen Rechte zugunsten der Filmhersteller. Die Zweckübertragungstheorie wird durch sie nicht eingeschränkt. Sie beruhen vielmehr auf ihr und bringen sie zur Anwendung. Das Unternehmer-Leistungsschutzrecht der §§ 94, 95 UG gewährt dem Filmproduzenten auch kein neues Recht der Benutzung und Verwertung der auf dem konkreten Filmstreifen verkörperten Werkgestaltung, also des Filmwerks selbst. Es hat sich insoweit durch die Schaffung eines Leistungsschutzrechts des Filmproduzenten an der bisher erforderlich gewesenen Vertragsgestaltung der der Filmherstellung zugrunde liegenden und sie erst ermöglichenden Verträge und/oder an der Auslegung derselben unter Heranziehung der Zweckübertragungstheorie nichts geändert. Vielmehr ist nur die möglichst störungsfreie Auswertung des vertragsgemäß produzierten Films sichergestellt worden. 59

) v. G a m m , aaO. Rdz. 4 zu § 95 UG.

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Movsessiaa: Urheberrechte u. Leistungsschutzredite an Filmwerken

Résumé Les règles d'interprétation des § 88, 89, 91 de la loi sur le droit d'auteur (UG) — ainsi que cela résulte déjà de leur qualification de règles d'interprétation — ne créent pas de nouveaux droits au profit des producteurs de films. La théorie selon laquelle les droits d'usage sont concédés dans la mesure nécessaire à la réalisation du but visé au contrat ne se trouve pas limitée par elles. Elles reposent bien plus sur cette théorie et en font application. Le droit voisin au profit du producteur, des § 94 et 95 UG, ne donne pas non plus de droit nouveau au producteur de films pour l'usage et l'exploitation de la création matérialisée sur la bande du film, donc de l'œuvre cinématographique elle-même. Dans cette mesure, la création d'un droit voisin du producteur du film n'a donc rien changé à l'aménagement jusqu'à maintenant nécessaire des contrats se trouvant à la base de la réalisation du film et la rendant possible, et/ou à leur interprétation par référence à la théorie ci-dessus évoquée. En fait, seule a été assurée l'exploitation aussi peu troublée que possible du film produit selon un contrat. Fr. U.

Summary contained in paras. The rules of construction and interpretation 88, 89, 91 German Copyright Act do not give new rights to film producers, other than those already derived from their value as rules of construction and interpretation. The doctrin of assignment for certain purposes („Zweckiibertragungstheorie") is left unrestricted by them. Rather, it forms their basis, and induces their employment. The entrepreneur's related right as contained in paras. 94, 95 Copyright Act also does not grant the film producer a new right to use and exploit the individual, embodiment of the work as represented by the concrete film-strip, i. e. the film work itself. Insofar as the hitherto necessary drafting of contracts forming the legal basis for and enabling the production of films and/or the interpretation of these contracts in the light of the „Zweckiibertragungstheorie" are concerned, nothing has been changed by the introduction of the film producer's related right. Rather, the only possible interference with the free exploitation of the contractually produced films would be secured. v. W.

Teil 2

1

I. Abhandlungen Urheberrecht und angewandte Kunst Ein Beitrag zu der Thoma-Stühle-Entscheidung des Bundesgerichtshofes*) Von Professor Dr. Rudolf Nirk, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe/Heidelberg**) I. Geschichtliche Grundlagen Nach heutiger Auffassung ist es selbstverständlich, daß die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst ganz generell gesetzlichen Schutz für ihre Werke genießen. Der Schutz ist sowohl Persönlichkeits- als auch vermögensbezogen. Jener dient vor allem der Anerkennung der Urheberschaft und der Abwehr von Entstellungen des Werkes, während letzterer dem Urheber die ausschließliche Befugnis verleiht, das Werk gewerblich zu nutzen. Dem entspricht auch die gesetzliche Regelung im Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965. Sie stellt den (vorläufigen) Abschluß einer Entwicklung dar, deren Anfänge sich zwar weit zurückverfolgen lassen, die in dieser Form indessen erst vor noch nicht einmal 200 Jahren begonnen hat. Bis dahin erhielten bekanntlich einzelne Künstler, Verleger oder Buchdrucker im Einzelfall Privilegien seitens ihrer Landesherren oder des Kaisers, während ein dem Urheber selbst zukommendes Recht an seinem Werk als solches noch nicht bekannt oder gar anerkannt war 1 ). Das änderte sich erst unter dem Einfluß der Französischen Revolution. In Preußen gewährte das Gesetz zum Schutz des Eigentums an Werken der Wissenschaft und der Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung vom 11. Juni 1837 dem Urheber eines Werkes erstmals ausschließliche Rechte hieran 2 ). In der Folgezeit sind auch in anderen deutschen Ländern Urheberrechtsgesetze *) Urteil vom 30. Juni 1976, abgedruckt in GRUR 1976, S. 649 ff. = LM Nr. 1 zu § 53 Abs. 1 KunstUrhG = UFITA Bd. 78 (1977) S. 226 ff. •*) Verfaßt anläßlich der Vollendung des 90. Lebensjahres von Professor Dr. Benvenuto Samson. *) Vgl. hierzu G i e s e k e , Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts (1957), S. 42 ff. j P o h l m a n n , Die Frühgeschichte des musikalischen Urheberrechts (ca. 1400—1800), 1962, S. 26 ff., 235 ff.; B a p p e r t , Wege zum Urheberrecht, Die geschichtliche Entwicklung des Urheberrechtsgedankens (1962), S. 178 ff. 2 ) Zur Vorgeschichte dieses Gesetzes vgl. H i t z i g , Das Königlich Preußische Gesetz vom 11. Juni 1837 zum Schutz des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst (1838), S. 36 ff.

2

Rudolf Nirk:

nach diesem preußischen Vorbild und dem wenig später ergangenen Beschluß der Bundesversammlung von 1837 erlassen worden 3 ). Einheitlich für das damalige Reichsgebiet wurde das „Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken" durch das Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 11. Juni 1870 geregelt. Die ursprünglich weiter vorgesehene urheberrechtliche Erfassung des Kunst- und Fotografieschutzes ist aus diesem Literatururhebergesetz ausgeklammert worden und wurde erst Gegenstand der Gesetze vom 9. Januar 1876 — für Werke der bildenden Künste — und 10. Januar 1876 — für Werke der Fotografie gegen unbefugte Nachbildungen. Am 11. Januar 1876 kam das Gesetz über das Urheberrecht an gewerblichen Mustern und Modellen hinzu. Später folgten das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901 (LUG) und das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie vom 9. Januar 1907 (KUG)4).

II. Gesetzliche Regelungen für Erzeugnisse der Kunst 1. Getrennte Gesetze Das Urhebergesetz vom 9. September 1965 erstredet sich auf Werke der Literatur, der Wissenschaft und der Kunst j e d e r A r t . Demgegenüber kannten die früheren reichs- und bundesrechtlichen Regelungen eine solche Zusammenfassung nicht. Sie unterschieden vielmehr zwischen Werken der Literatur und der Wissenschaft auf der einen und denjenigen der Kunst und der Fotografie auf der anderen Seite. Dies beruhte darauf, daß die erste reichseinheitliche Regelung, die auf einen Entwurf für den Norddeutschen Bund zurückging, dessen Bestimmungen über die Kunst nicht übernommen hatte und nur das literarisch-musikalische Urheberrecht regelte, weil die Auffassung bestand, mit dem Schutz für die Werke der bildenden Künste 3 ) So z . B . in Bayern 1840, in Braunschweig 1842 und in Sachsen 1844. Vgl. Volkm a n n , Die Werke der Kunst in den deutschen Gesetzgebungen zum Schutze des Urheberrechts (1856), K l o s t e r m a n n , Das geistige Eigenthum an Schriftwerken, Kunstwerken und Erfindungen nach preußischem und internationalem Recht, Bd. I (1867), S. 113, 125; F r i e d l ä n d e r , Der einheimische und ausländische Rechtsschutz gegen Nachdruck und Nachbildung (1857); G i e s e k e , aaO., S. 145ff. 4 ) Nähere Einzelheiten über diese geschichtliche Entwicklung enthalten die Werke von K ö h l e r , Kunstwerkrecht (1908), S. 15 ff.; H e n s s l e r , Urheberschutz in der angewandten Kunst und Architektur nach deutschem, schweizer., franz., engl, und amerik. Recht (1950), Einleitung S. 7 ff.; v o n G a m m , Kommentar zum Urheberrechtsgesetz (1968), Einführung Randnummer 1 ff.; H u b m a n n , Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. (1974), §§3, 4; W ä c h t e r , Das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, Photographien und gewerblichen Mustern. Nach dem gemeinsamen deutschen Recht systematisch dargestellt, (1877), S. 4 ff.

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zugleich erschöpfende Normen für die Kunstindustrien aufstellen zu müssen und dies große Schwierigkeiten bot5). Deshalb wurden die Bestimmungen über die Kunstwerke aus dem Entwurf herausgelöst. Diese dienten zusammen mit neuen Entwürfen der Vorbereitung der Januar-Gesetze von 1876 als Ergänzung zum Urhebergesetz für Schriftwerke, Abbildungen, musikalische Kompositionen und dramatische Werke vom 11. Juni 1870, das 1871 Reichsgesetz wurde. 2. Die Kunstschutzgesetze von 1876 und 1907 Das KUG vom 10. Januar 1876 gab dem Schöpfer eines Werkes der bildenden Künste das ausschließliche Urheberrecht und gewährte ihm auch das ausschließliche Nachbildungsrecht6). Den gleichen Schutz enthielt auch das KUG vom 9. Januar 1907. Daß es dennoch zeitlich so schnell dem KUG von 1876 folgte, lag vor allem daran, daß man das KUG von 1876 von Anfang an als eine übereilte und vielfach verfehlte Arbeit ansah und mit ihm deshalb unzufrieden war7). Beanstandet wurde vor allen Dingen, daß darin weder ein Schutz der Baukunst noch — was im Rahmen dieses Beitrags besonders wesentlich ist — ein Schutz für das Kunstgewerbe geregelt worden war. Insoweit allerdings ging das KUG 1907 wesentlich weiter. Es bestimmte in § 2 Abs. 1 ausdrücklich, daß die Erzeugnisse des Kunstgewerbes zu den Werken der bildenden Künste ebenso zählen wie auch Bauwerke, soweit diese künstlerische Zwecke verfolgen. § 2 Abs. 2 wiederum ordnete die Entwürfe für Erzeugnisse des Kunstgewerbes und für Bauwerke gleichfalls den Werken der bildenden Künste zu. Dem entspricht heute der Werkbegriff des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UG. 3. Werke der bildenden und der angewandten Kunst Unter dem Begriff eines Werkes der bildenden Künste verstand das KUG von 1876 jedoch nur ein Werk der sog. „hohen" oder „reinen" Kunst, während solche der sog. angewandten Kunst (Kunstgewerbe) nach diesem Gesetz nicht geschützt waren. Diese Höherbewertung der „reinen Kunst" entsprach dem früher herrschenden und sich insoweit bis auf die Gesetzgebung auswirkenden Kunstideal 6 ) Vgl. hierzu D a m b a c h , Die Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken (1871), S. 4 ff.; L a u f k e , Der Deutsche Bund und die Zivilgesetzgebung, in Festschrift für N o t t a r p (1961), S. 4 ff.; M ü l l e r , E r n s t , Das deutsche Urheber- und Verlagsrecht, 2. Band (1907), S. 4 ff. e ) Nach Fertigstellung des Manuskripts erscheint die Abhandlung von W a d 1 e , Die Abrundung des deutschen Urheberrechts im Jahre 1876, in JuS 1976, S. 771 ff., 774, auf die zur Vertiefung hinzuweisen ist. 7 ) Statt anderer Nachweise H e n s s 1 e r , aaO., S. 15; M ü l l e r , aaO., S. 6.

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„l'art pour l'art" 8 ). Diese verschiedene Bewertung wirkte sich sogar dahin aus, daß der Urheber eines „reinen" Kunstwerks, d. h. eines Werkes der bildenden Künste im Sinne von § 1 KUG 1876, den Schutz dieses Gesetzes verlieren konnte. Zwar sah § 5 Nr. 3 die Nachbildung eines solchen Werkes an einem Werk der Baukunst, der Industrie, der Fabriken, Handwerker oder Manufakturen als eine verbotene Nachbildung an; hatte der Urheber des Werkes eine solche Nachbildung aber erlaubt, so stand ihm gemäß § 14 der Schutz gegen weitere Nachbildungen an Werken gleicher Art nicht mehr nach dem KUG 1876, sondern nur noch nach dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 11. Januar 1876, dem sog. Geschmacksmustergesetz, zu. Dessen § 1 entsprach hinsichtlich des Schutzumfangs zwar dem § 1 KUG 1876, unterschied sich von ihm aber entscheidend hinsichtlich des Schutzobjekts. Während sich § 1 des KUG 1876 auf Werke der bildenden Kunst bezog, schützte § 1 des Gesetzes vom 11. Januar 1876 die gewerblichen Muster oder Modelle. Diese wiederum mußten neu und eigentümlich sein (§ 1 Abs. 2) und bedurften zudem einer Eintragung in das Musterregister u n d der Niederlegung (§ 7). Mit dieser Regelung wurden Werke der bildenden (hohen oder reinen) Kunst, die mit Erlaubnis des Urhebers im Sinne von § 14 KUG gewerblich verwandt wurden, zu Werken der angewandten Kunst „herabgestuft" mit der Folge, daß der Urheber gegen weitere kunstgewerbliche Verwender nicht mehr nach dem KUG von 1876 vorgehen konnte, sondern nur noch nach dem Musterschutzgesetz, dem sog. Gesdimadcsmustergesetz. Erlaubte z. B. der Maler eines Bildes von hohem künstlerischem Rang, daß dieses als Dekor auf einem Porzellanservice verwendet wurde, so spalteten sich seine urheberrechtlichen Befugnisse auf: gegen unerlaubte Nachbildungen des Gemäldes war der Künstler nach dem KUG von 1876 geschützt, gegen weitere Nachbildungen an einem anderen Porzellanservice oder sonstigen gewerblichen Erzeugnissen — nur — nach dem sog. Musterschutzgesetz vom 11. Januar 1876. Der Unterschied war erheblich. So galt der urheberrechtliche Schutz bis 30 Jahre nach dem Tode des Urhebers (§9 Abs. 1 des KUG 1876), der musterrechtliche Schutz dagegen lief nur drei Jahre mit einer Verlängerungsmöglichkeit bis höchstens 15 Jahre (§ 8). Gerade diese unterschiedliche Behandlung aber war vom damaligen Gesetzgeber gewollt, wie sich aus den Motiven eindeutig ergibt 8 ). e

) Vgl. U l m e r , Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl. (1960), §25 I 1. ) Vgl. Drucksache Reichstag, II. Legislaturperiode, 3. Session, Aktenstück Nr. 24, S. 75; abgedruckt auch bei S c h e e l e , Das deutsche Urheberrecht (1892), S. 203; W ä c h t e r , aaO., S. 198, 202 ff. 9

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4. Einheitliches Gesetz für Werke beider Kunstgruppen Mit dieser unterschiedlichen Behandlung von Werken der bildenden gegenüber Werken der angewandten Kunst brach, wie bereits erwähnt, das KUG von 1907 und stellte es entgegen dem bisherigen Rechtszustand nicht mehr auf den Zweck des Werkes ab — reine oder angewandte Kunst —, sondern auf seine schöpferische Eigenart, wie sie in der jeweiligen konkreten Gestaltung objektiv ihren Ausdruck gefunden hat. Die Gründe für dieses Umdenken lassen sich recht gut den Motiven entnehmen, wenn es dort heißt: „Das geltende Kunstschutzgesetz hat die Beziehungen zwischen Kunst und Kunstindustrie in der Weise geregelt, daß die Nachbildung eines Werkes der bildenden Künste an einem Industrieerzeugnis ohne Genehmigung des Berechtigten verboten ist (§ 5 Ziffer 3), daß aber ein solches Werk, wenn es von dem Künstler oder mit seiner Genehmigung von einem anderen an einem Werke der Industrie nachgebildet wird, gegen weitere Nachbildungen auf diesem Gebiete den Schutz der hohen Kunst nicht mehr in Anspruch nehmen, sondern nur nach Maßgabe des Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen Schutz finden kann (§ 14). In Übereinstimmung mit den Anschauungen weiter Kreise hat der Entwurf von der Übernahme dieser Bestimmungen abgesehen. Während die Vorschrift des § 5 Ziffer 3 nach dem Standpunkte der heutigen Rechtswissenschaft und Rechtsprechung überhaupt entbehrlich ist, entspricht die Vorschrift des § 14 nicht mehr der Entwicklung und den Bedürfnissen der modernen Kunstindustrie. Seitdem die Kunst in steigendem Maße sich der Aufgabe zugewendet hat, auch die Gegenstände des täglichen Lebens zu veredeln und in ästhetisch wirksamen Formen sinnvoll auszubilden, läßt sich eine verschiedenartige Behandlung der Kunst, je nachdem sie sich dem Dienste der Gewerbe zugewendet hat oder nicht, nach der Auffassung des Entwurfs nicht länger aufrecht erhalten. Der Grundsatz der Gleichstellung von hoher Kunst und angewandter Kunst beherrscht auch die meisten Gesetze des Auslandes. ... Der Entwurf will daher die angewandte Kunst von den Beschränkungen des gegenwärtigen Rechts befreien und sie urheberrechtlich der hohen Kunst gleich behandeln. Diese Absicht wird durch Streichung des § 14 des Kunstschutzgesetzes erreicht. Einer ausdrücklichen Vorschrift, wie sie in einzelnen Gesetzen des Auslandes vorgesehen ist, daß das Kunstwerk ohne Rücksicht auf seine Bestimmung des Kunstschutzes teilhaftig ist, wird es nicht bedürfen. . . . Es versteht

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sich von selbst, daß nicht jede beliebige bildnerische Ausgestaltung oder Verzierung den Gegenstand in die Sphäre eines Werkes der bildenden Künste erhebt. Vielmehr wird hier, wie allgemein, der Gesichtspunkt maßgebend sein, ob eine eigenartige und individuelle künstlerische Leistung vorliegt . . ." 10 ). 5. Nachwirkungen Man sollte meinen, daß diese mit dem KUG 1876 zusammenhängenden Fragen heute nur noch Geschichte sind. Dem ist nicht so. Im Gegenteil hat diese Entwicklung — und noch eine weitere, auf die später einzugehen ist —, eine maßgebliche Rolle in einem Rechtsstreit gespielt, über den der Bundesgerichtshof in dem sog. ThomaStühle-Fall am 30. Juni 1976 zu befinden hatte. Ein willkommener Anlaß, zu Ehren des Jubilars einige Gedanken daran anzuknüpfen. m . Der prozessuale Streitfall 1. Thoma-Zeidinungen für Stuhllehnen Der bekannte Kunstmaler Professor Hans Thoma aus dem Schwarzwalddorf Bernau, der im November 1924 verstorben ist, schuf um die Jahrhundertwende 12 zeichnerische Entwürfe für holzgeschnitzte Stuhllehnen. Sie stellen vor allem Tiermotive und allegorische Figuren von besonders eigenartiger und geschmackvoller Prägung dar. Thoma betraute den damaligen Leiter der Schnitzereischule von Bernau mit der Herstellung der ersten Musterstuhllehnen; erlaubte ihm aber außerdem, Stühle mit holzgeschnitzten Lehnen nach den zeichnerischen Entwürfen auch in seiner Werkstatt zum eigenen Vertrieb und auf eigene Rechnung herzustellen. Kurz vor seinem Tode erlaubte er ein gleiches seinem entfernten Verwandten, der ebenfalls als Holzschnitzer tätig war und stellte ihm hierüber eine Bescheinigung aus, in der er ausdrücklich bemerkte, er habe bei der (ersten) Übergabe der Entwürfe keinen Vorbehalt dahin gemacht, daß die Schnitzerschule oder deren Leiter a u s s c h l i e ß l i c h berechtigt sein sollten, Stuhllehnen nach den Entwürfen herzustellen, so daß es ihm jederzeit freistehe, dieses Recht auch noch auf andere zu übertragen. Auf Grund dieser Bescheinigung und einer weiteren Erklärung der Erben des Hans Thoma vertrat der Urgroßneffe — Beklagter und Widerkläger — den Standpunkt, ihm allein stehe das ausschließliche Nutzungsrecht an den Entwürfen zu, die auch heute noch urheberJ0

) Abgedruckt bei M ü l l e r , aaO., S. 22 f.

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rechtlich geschützt seien. Demgegenüber waren die Kläger Erben bzw. Nachfolger der Gründer dieser von Hans Thoma stark geförderten — allerdings 1905 aufgelösten — ersten Schnitzereischule Bernau, die bis heute Stühle nach den Entwürfen Thomas herstellen, der Ansicht, daß auch sie nach diesen Entwürfen arbeiten dürften, der Beklagte also nicht allein Inhaber des Herstellungsrechts sei und deshalb seine dahingehende Werbung („Alleinherstellungsberechtigter von Original-Hans Thoma-Stühlen nach Entwürfen des Kunstmalers Hans Thoma") unterlassen müsse. 2. Die richterlichen Entscheidungen Das Landgericht gab dem Beklagten recht. Es wies die Klage ab und verurteilte die Kläger auf die Widerklage hin, ihrerseits die Herstellung und den Vertrieb von Stuhllehnen nach den Entwürfen von Hans Thoma und ebenso eine dahingehende Werbung zu unterlassen. Das Oberlandesgericht hingegen gab der Klage unter Abweisung der Widerklage statt. Der Bundesgerichtshof bestätigte im Ergebnis die Entscheidung des Berufungsgerichts. 3. Die Argumentation des Berufungsgerichts Beide Tatsacheninstanzen hatten festgestellt, daß die Zeichnungen von Hans Thoma, die als Schnitzvorlagen zur Anfertigung der streitigen Stuhllehnen dienen, persönliche geistige Schöpfungen (vgl. § 2 Abs. 2 UG) und deshalb heute als Werke der bildenden Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UG anzusehen sind. Das Berufungsgericht hatte einen Schutz nach dem Urheberrechtgesetz von 1965 dennoch verneint, weil dieser nach der Ubergangsregelung des § 129 Abs. 1 UG nur solchen Werken zukomme, die bei seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1976 noch urheberrechtlich geschützt waren. Das sei bei den Entwürfen von Thoma nicht der Fall gewesen, weil gemäß — dem bereits oben erörterten — § 14 KUG von 1876 diese Entwürfe einen Schutz nur noch nach dem Geschmacksmustergesetz genießen könnten (niedere Kunst!), nachdem Thoma sie nicht nur der Schnitzereischule Bernau, sondern auch dem damaligen Leiter dieser Schule zur handwerklichen Fertigung für eigene Rechnung überlassen hatte. Einen Schutz nach dem sog. Geschmacksmustergesetz vom 11. Januar 1876 habe Thoma aber mangels Anmeldung und Hinterlegung nie besessen. Der sonach entfallene Schutz sei durch das KUG von 1907 nicht wieder erneuert worden oder sonstwie „aufgelebt". Die Kläger dürften deshalb die Entwürfe gleichfalls zur handwerklichen Verwertung benutzen und seien hieran selbst bei einem auf dem Gebiet der hohen Kunst noch fortbestehenden Schutz nicht gehindert.

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4. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof konnte diesen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts nicht billigen, ist aber dennoch zu demselben Ergebnis gelangt. a) Entgegen dem Berufungsgericht hat der Bundesgerichtshof § 14 KUG 1876 zunächst schon deshalb nicht für anwendbar gehalten, weil die Zeichnungen von Hans Thoma nicht — wie es nach § 14 KUG 1876 nötig gewesen wäre — als Abbildungen auf den Stuhllehnen angebracht worden seien, d. h. an einem Werk des Handwerks, sondern als Schnitzvorlagen für deren Gestaltung selbst dienten. Der Bundesgerichtshof hat darüber hinaus aber auch einen urheberrechtlichen Schutz veraeint. b) Den fehlenden urheberrechtlichen Schutz für die Entwürfe von Thoma zur Zeit ihrer Entstehung leitet der Bundesgerichtshof aus dem Schutzzweck des KUG 1876 her, der nach den Vorarbeiten zu diesem Gesetz nur Werke der hohen oder reinen Kunst schützen sollte 11 ). Werke der Industrie oder des Handwerks dagegen seien schutzfähig nur nach dem Geschmacksmustergesetz gewesen. Für die Abgrenzung zwischen beiden Bereichen sollte davon ausgegangen werden, „daß Werke der Kunst vorwiegend dem Zwecke der ästhetischen Darstellung — im Gegensatz zu Gebrauchszwecken — dienen". Das ästhetische Gefühl sollte durch Anschauen angeregt werden 12 ). Die Zeichnungen von Thoma seien aber nicht um ihrer selbst willen geschaffen worden, sondern zweckbestimmte Schnitzvorlagen gewesen, um „einem Gebrauchsgegenstand ein ästhetisch ansprechendes Ansehen zu verschaffen". c) Diese Begründung ist meines Erachtens zutreffend und überzeugend. Die Zeichnungen von Thoma waren — worüber kein Streit zwischen den Parteien bestand — von Anfang an dazu bestimmt, als Vorlagen für die danach zu schnitzenden Stuhllehnen zu dienen. Nun ist zwar die Zweckbestimmung eines Werkes für seine urheberrechtliche Beurteilung grundsätzlich unerheblich. Dies gilt aber erst seit dem KUG von 1907, nach dessen § 2 ein etwaiger Gebrauchszweck des Werkes der Urheberrechtsschutzfähigkeit nicht entgegensteht 13 ). B i s d a h i n aber war es gerade anders, wie bereits oben unter II dargelegt wurde. Ob ein Werk der hohen oder der angewandten Kunst zuzurechnen war, entschied allein seine Zweckbestimmung: in jenem " ) Vgl. hierzu audi RGZ 71, 145, 147. " ) Vgl. z. B. RGZ 18, 107. 13 ) Vgl. v o n G a m m , aaO., § 2 Rdnr. 6.

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Fall galt es als Werk der bildenden Kunst und genoß Urheberschutz nach dem KUG 1876, in diesem dagegen als ein Werk der angewandten Kunst, dem — bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen — nur Musterschutz nadi dem Gesetz vom 11. Januar 1876 zukam. Audi wenn Hans Thoma die Stuhllehnen selbst geschnitzt hätte, wären sie nur musterschutzfähig gewesen und hätten als Werke der angewandten Kunst keinen Urheberschutz nach dem KUG 1876 gehabt. Das gleiche gilt aber auch für die Entwürfe, weil sie von Anfang an dazu bestimmt waren, gewerblichen Zwecken zu dienen, was ihre Zurechnung zu den Werken der bildenden (hohen) Kunst ausschloß. Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht auch, daß die Entwürfe als gewollte Vorstufe zu einem gewerblichen Erzeugnis keinen höheren Schutz erlangen konnten als dieses selbst; ihm aber kam als einem Werk der angewandten Kunst höchstens Geschmacksmusterschutz zu14). d) Die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung von § 14 KUG 1876 hat der Bundesgerichtshof nicht geprüft. Hierzu bestand nach dem Sachverhalt auch kein Anlaß, weil die Zeichnungen von Anfang an als Schnitzvorlagen für gewerbliche Erzeugnisse gedacht und deshalb keine Werke der bildenden Künste im Sinne von § 1 KUG 1876 waren. Ohne diese Eigenschaft, die Tatbestandsmerkmal des § 14 KUG 1876 ist, kam daher weder dessen unmittelbare noch auch dessen entsprechende Anwendung in Betracht. 5. Auswirkungen bei Unterstellung eines Urheberreditsschutzes der Thoma-Zeichnungen Dennoch stellt sich die Frage, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn die Zeichnungen von Hans Thoma Werke der bildenden Künste gewesen wären. Eine solche Fallgestaltung hätte vorgelegen, wenn Hans Thoma die Zeichnungen z u n ä c h s t um ihrer selbst willen schuf, um durch ihre Betrachtung Gefallen hervorzurufen und damit das ästhetische Gefühl durch Anschauen anzuregen. Dann wären sie Werke der bildenden Künste im Sinne von § 1 KUG 1876 gewesen. Geht man hiervon aus und unterstellt weiter, daß Hans Thoma zwei Jahre später erlaubt hätte, diese Zeichnungen auch als Vorlagen für danach zu schnitzende Stuhllehnen zu benutzen, entsteht die Frage, wie sich dies rechtlich ausgewirkt hätte. 14 ) Vgl. S c h e e l e , aaO., § 14 Anm. 1; Motive S. 10, abgedruckt ebenda bei § 1; W ä c h t e r , aaO., S. 203 f.

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a) Eine unmittelbare Anwendung von § 14 KUG 1876 kann in diesem Fall zweifelhaft sein. Diese Zweifel beruhen darauf, daß die Zeichnungen sich nicht a n einem Werk der Industrie usw. befinden, sondern als entsprechendes Schnitzwerk in ihm wiederfinden und damit identisch mit den Zeichnungen sind. Die unmittelbare Anwendbarkeit von § 14 KUG 1876 scheidet damit aus. b) Nach meiner Ansicht ist diese Vorschrift dann aber entsprechend anwendbar. Es besteht kein Anlaß, diesen Sachverhalt rechtlich anders zu beurteilen als den Fall der Übertragung (Vervielfältigung) eines Bildes auf ein Porzellanservice (vgl. oben). Eine solche Nachbildung, bei der das Werk der bildenden Künste mit dem betreffenden Werk der Industrie usw. so verbunden wird, daß die Nachbildung „als ein integrierender Teil desselben sich darstellen soll und wirklich darstellt"15), ist nach meiner Ansicht in tatsächlicher Hinsicht sogar ein Minus gegenüber einer Verwendung der Zeichnungen als Schnitzvorlagen für Stuhllehnen, wie Hans Thoma sie erlaubt hatte. Dies rechtfertigt die entsprechende Anwendung von § 14 KUG 1876 mit der Folge, daß Thoma gegen eine nicht genehmigte Vervielfältigung seiner Zeichnungen als Bilder nach wie vor auf Grund des KUG 1876 vorgehen konnte, hinsichtlich der gewerblichen Verwertung dieser Zeichnungen aber nichts unternehmen konnte, weil dies nur nach dem Geschmacksmustergesetz möglich gewesen wäre und er einen solchen Schutz mangels Anmeldung und Niederlegung nicht erworben hatte.

IV. Die Gesetzesregelung von 1907 1. Ablösung durch das KUG 1907 Wie bereits in Erinnerung gerufen, wurde das KUG 1876 durch das KUG 1907 abgelöst. Damit wurden auch die kunstgewerblichen Erzeugnisse den Werken der bildenden Künste zugeordnet und ihnen Urheberrechtsschutz gewährt. Während ein Werk von schöpferischer Eigenart bisher nur Urheberrechtsschutz (als Werk der bildenden Kunst) o d e r Geschmacksmusterschutz (gewerbliches Muster oder Modell) erhalten konnte, war es nunmehr möglich, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen sowohl Urheberschutzrechte als auch Geschmacksmusterschutzrechte für ein solches Werk zu erlangen. 15

) S c h e e l e , aaO., § 14 Anm. 4.

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2. Uberleitungsbestimmungen Das neue Gesetz trat am 1. Juli 1907 in Kraft. Gleichzeitig traten die Vorschriften des KUG 1876 — ausgenommen dessen §§ 17 bis 19 (§ 55 KUG 1907) außer Kraft. Die Aufrechterhaltung der genannten Vorschriften war nötig, weil vielleicht noch ältere landesgesetzlich begründete Rechte bestanden 16 ). Schwierigkeiten bereitete indessen die Überleitung des bisherigen auf den neugeschaffenen Rechtszustand, soweit es sich um schon vorhandene Werke handelte. Die dahingehenden Bestimmungen sind in den §§ 53 und 54 KUG 1907 enthalten und haben zu großen Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten geführt, vor allem gerade was die ausschließlichen Befugnisse des Urhebers eines am 1. Juli 1907 schon vorhandenen Werkes anlangt. Der Bundesgerichtshof hatte sich deshalb auch mit dieser Frage zu befassen. 3. Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung des KUG 1907 auf bereits vorhandene Schöpfungen § 53 Abs. 1 Satz 1 KUG 1907 hatte folgenden Wortlaut: „Die ausschließlichen Befugnisse des Urhebers eines Werkes, das zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes geschützt ist, bestimmen sich nach dessen Vorschriften." Diese Formulierung führte zu Meinungsverschiedenheiten über die grundsätzliche Frage, ob sich die Anwendung des neuen Gesetzes auf bereits vorhandene Schöpfungen (d. h. seine Rückwirkung, besser vielleicht Auswirkung) nur auf diejenigen Werke erstreckt, die beim Inkrafttreten bereits geschützt w a r e n , oder ob sich der Schutz auch auf solche Werke erstreckt, die nach dem bisherigen Recht nicht geschützt waren oder nur Musterschutz genossen haben, sofern sie nur nach dem neuen Gesetz schutzfähig sind17). a) Die Meinungen im Schrifttum waren und sind unterschiedlich. Osterrieth/Marwitz1*), Müller19), Kohler20) und Goldschmidt21) sind der Ansicht, daß § 53 KUG 1907 eine umfassende Rückwirkung des » ) M ü l l e r , aaO., § 55 Abs. 1. ") O s t e r r i e t h / M a r w i t z , Das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, 2. Aufl. (1929), § 53 II 1. 18 ) aaO., § 53 II 1 und zuvor sdion in der 1. Aufl. (1907), von O s t e r r i e t h , gleichfalls unter § 53 I 2. « ) aaO., § 5 3 Abs. 1. 2 ») Kunstwerkrecht, aaO. (1908), S. 135 f. 21 ) Abgedruckt in GRUR 1910, 378.

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Gesetzes angeordnet hat und deshalb alle bei seinem Inkrafttreten vorhandenen Werke ohne Rücksicht darauf erfassen wollte, ob sie am l.Juli 1907 bereits geschützt waren oder nicht, sofern sie nur nach den Bestimmungen des neuen KUG 1907 urheberrechtsschutzfähig waren. Demgegenüber vertraten Allfeld22), Runge23) und Voigtländerl Elster ¡Kleine2*) den Standpunkt, daß der Sdiutz des KUG von 1907 nur denjenigen Werken zukam, die bei dessen Inkrafttreten schon geschützt waren. Besonders eingehend begründet dies im einzelnen Allield. b) Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte entschied die strittige Frage nahezu einhellig dahin, daß die Vorschrift des §53 Abs. 1 Satz 1 KUG 1907 und damit die Rückwirkung dieses Gesetzes sich nur auf Werke bezog, die am l.Juli 1907 bereits geschützt waren25). Dabei setzte sich besonders das OLG Naumburg mit der entgegenstehenden Meinung im Schrifttum auseinander. Nur das OLG Dresden26) vertrat eine andere Auffassung. Das Reichsgericht ist derselben Auffassung gewesen, wie sie von den Oberlandesgerichten überwiegend vertreten worden war. In RGZ 71, S. 145, 146 wird betont, daß das KUG von 1907 nach §§ 53, 55 (hinsichtlich seiner Anwendbarkeit auf bei seinem Inkrafttreten schon vorhandene Werke) nur dann in Betracht kommt, wenn am l.Juli 1907 ein Schutz nach dem früheren Recht begründet gewesen ist. Warum das Reichsgericht diese Auffassung vertreten hat, läßt sich den veröffentlichten Urteilsgründen indessen nicht entnehmen. In zwei späteren Entscheidungen hat das Reichsgericht § 53 KUG 1907 zwar gleichfalls erwähnt, die oben als strittig bezeichnete Frage aber nicht zu entscheiden brauchen. Es hat vielmehr in RGZ 72, 149, 151 nur ausgesprochen, daß es für die Anwendung von § 53 KUG 1907 auf bereits vorhandene Werke genüge, daß sie in irgendeiner Weise überhaupt geschützt seien, ohne daß es auf die Art des Schutzes ankomme. Diesen Standpunkt hat es in RGZ 76, 339, 342 bestätigt; es heißt dort hinsichtlich des Werkes, über dessen Schutzfähigkeit zu entscheiden war, daß es des neuen Kunstschutzes (nach KUG 1907) teilhaftig sei ungeachtet des Umstandes, daß der bisherige Schutz nur Musterschutz war, sofern es sonst den 2 2 ) A 11 f e 1 d , Das Urheberrecht an W e r k e n der bildenden Künste und der Photographie (1908), § 53 I 2 A a . 2 3 ) Urheber- und Verlagsrecht (1948), S. 74 f. 2 4 ) Die Gesetze, betreffend das Urheberrecht an W e r k e n der Literatur und der Tonkunst sowie an W e r k e n der bildenden Kunst und der Photographie, 4. Aufl. (1952), S. 188 unter Anm. 3. 2 5 ) Vgl. Kammergericht in OLG 25, 367; OLG J e n a in GRUR 1912, 312; OLG Naumburg in GRUR 1914, 283. 2«) Sächsisches Archiv für Rechtspflege, Bd. 8, S. 416.

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Anforderungen von § 2 Abs. 1 KUG 1907 genüge. Unmißverständlich hat das Reichsgericht dagegen in der späteren Entscheidung von 193327) die Frage verneint, ob Werke, die am 1. Juli 1907 weder nach dem KUG 1876 noch nach dem Geschmacksmustergesetz geschützt waren, dennoch wegen der Vorschrift des § 53 KUG 1907 nunmehr als nach diesem Gesetz geschützt anzusehen seien. Es hat dies vor allem damit begründet, daß der Ausdrude „geschützte Werke" eindeutig und klar und es deshalb nicht möglich sei, ihn umzudeuten in „zwar bisher nicht geschützt, aber geschützt, wenn das neue Gesetz schon früher gegolten hätte". c) Dieser Auffassung des Reichsgerichts ist der Bundesgerichtshof gefolgt. Er hat die Ubergangsregelung in § 53 Abs. 1 Satz 1 KUG 1907 gleichfalls als eindeutig bezeichnet und ist deshalb zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Werk keinen Schutz nach dem neuen Gesetz genoß, sofern es bei dessen Inkrafttreten weder nach dem KUG 1876 noch nach dem Geschmacksmustergesetz vom 11. Januar 1876 geschützt war. Der Bundesgerichtshof hat weiter die Auffassung des Berufungsgerichts als zutreffend bezeichnet, daß sich das KUG 1876 bei seinem Inkrafttreten gegenüber dem vielfach ungenügenden Landesrecht auf einen größeren Kreis von Werken erstrecken sollte, während sich das KUG 1907 gegenüber dem in seinen Grundzügen ausreichenden KUG 1876 auf den Kreis der bei seinem Inkrafttreten geschützten Werke beschränkt hat. d) Die Streitfrage über den Umfang der Rückwirkung des § 53 KUG 1907 dürfte damit endgültig entschieden sein. Die Entscheidung ist meines Erachtens sowohl im Ergebnis als auch in ihrer Begründung wichtig. Zusätzlich läßt sich noch auf den Unterschied hinweisen, der zwischen den Übergangsvorschriften der beiden Gesetze besteht. Während nach § 18 KUG 1876 dieses Gesetz ausdrücklich auch auf alle vor seinem Inkrafttreten erschienenen Werke der bildenden Künste Anwendung fand, selbst wenn sie nach den bisherigen Landesgesetzgebungen keinen Schutz gegen Nachbildung genossen hatten, enthält § 53 Abs. 1 KUG 1907 keine solche entsprechende umfassende rückbezügliche Bestimmung. Sie aufzunehmen hätte um so näher gelegen — wenn der damalige Gesetzgeber eine solche Regelung gewollt hätte —, als § 55 Abs. 2 KUG 1907 die Vorschrift des § 1 8 KUG 1876 aufrechterhalten hat; der damalige Gesetzgeber war sich ihres Vorhandenseins und damit auch ihres Inhalts also durchaus bewußt. Daß § 53 KUG 1907 sich nur auf solche Werke beziehen sollte, RGZ 139, 327, 330 f.

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die beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits geschützt waren, läßt sich überdies der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift entnehmen. Sie war im Entwurf als § 42 enthalten. Dort aber ist gesagt: „Die ausschließlichen Befugnisse des Urhebers eines Werkes, das zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch geschützt ist, bestimmen sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes, auch wenn das Werk vor dessen Inkrafttreten entstanden ist . . ." 28 ). Daß die endgültige Gesetzesfassung das Wort „noch" des Entwurfes nicht mehr enthielt, läßt sich leicht aus sprachlichen Gründen erklären, gerade weil ein Werk, das bei Inkrafttreten eines Gesetzes geschützt ist, eben „noch" geschützt ist und dies nicht ausdrücklich betont werden muß; eine inhaltliche Änderung läßt sich daraus jedenfalls nicht herleiten. Dies gilt um so weniger, als der endgültige Wortlaut des § 53 Abs. 1 Satz 1 KUG 1907 gegenüber § 42 des Entwurfes hierzu noch eine weitere Kürzung feststellen läßt, die gleichfalls nur auf sprachlichen Gründen beruhen kann. Es handelt sich um den Wegfall des letzten Satzteils, „auch wenn das Werk vor dessen Inkrafttreten entstanden ist", der gleichfalls überflüssig war, weil Werke, die zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes überhaupt noch nicht entstanden waren, zu diesem Zeitpunkt auch noch keinerlei Schutz genießen konnten. 4. Rechtslage nach KUG 1907 bei Unterstellung eines bereits zuvor gegebenen Urheberrechtssdiutzes der Thoma-Zeidmungen Schließlich soll noch die Frage erörtert werden, wie sich § 53 Abs. 1 Satz 1 KUG 1907 ausgewirkt hätte, wenn Hans Thoma die Zeichnungen zunächst um ihrer selbst willen geschaffen, also urheberrechtlichen Schutz nach § 1 KUG 1876 für sie erhalten hätte und erst nach einiger Zeit auf Grund eines neuen Entschlusses mit ihrer Verwertung als Entwürfe für danach herzustellende holzgeschnitzte Stuhllehnen einverstanden gewesen wäre. a) Solange das KUG 1876 galt, waren die Zeichnungen im Bereich der hohen Kunst nach wie vor urheberrechtlich geschützt, im Bereich der angewandten Kunst wegen ihrer erlaubten gewerblichen Verwertung dagegen „herabgestuft" zu nur noch geschmacksmusterrechtlich geschützten Werken; einen solchen Schutz hatte Thoma aber wegen fehlender Anmeldung niemals erworben. Die Rechtslage jedenfalls war klar. 2S ) Vgl. O s t e r r i e t h , Bemerkungen zum Entwurf eines Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (1907), S. 23/.

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b) Die Frage, wie sich § 53 KUG 1907 auf einen solchen Sachverhalt ausgewirkt hat, ist höchstrichterlich bisher noch nicht entschieden worden. Die Urteile des Reichsgerichts29), in denen das Reichsgericht die Rückwirkung des § 53 KUG 1907 eintreten ließ ohne Rücksicht auf die Art des Schutzes, betrafen jeweils Fälle, in denen am 1. Juli 1907 Geschmacksmusterschutz bestand. Die dadurch geschützten Werke waren deshalb nunmehr auch urheberrechtlich geschützt, sofern sie die Voraussetzungen des § 2 KUG 1907 erfüllten, d. h. einen so hohen geistig-ästhetischen Gehalt aufwiesen, daß sie als urheberrechtsschutzfähige Werke der bildenden Kunst anzusehen waren. Bei dem hier unterstellten Sachverhalt dagegen bestand am 1. Juli 1907 kein Geschmacksmusterschutz, wohl aber Urheberrechtsschutz nach § 1 KUG 1876, womit § 53 KUG 1907 tatbestandlich erfüllt war. Indessen ist damit noch nicht entschieden, ob der hinsichtlich der erlaubten gewerblichen Verwertung der Zeichnungen verlorengegangene Urheberrechtsschutz f ü r d i e s e n B e r e i c h wieder aufleben konnte, nachdem er durch ausdrückliche gesetzliche Bestimmung (§ 14 KUG 1876) verlorengegangen war. Man wird die Frage aber wohl bejahen müssen. Wenn schon ein Werk, das am l . J u l i 1907 nur geschmacksmusterrechtlich geschützt war, von da an bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen den vollen Schutz des KUG 1907 genoß, so muß dies um so mehr gelten, wenn es zu diesem Zeitpunkt bereits urheberrechtlich geschützt war. Daß es diesen Schutz für ein Teilgebiet vor dem Inkrafttreten des KUG 1907 wieder verloren hatte, steht dem nicht entgegen, weil dieser Verlust nur auf der Aufspaltung der Schutzbestimmungen in solche für Werke der hohen und solche für Werke der angewandten Kunst beruht, die es vor dem l.Juli 1907 nicht zuließ, daß Werke der angewandten Kunst überhaupt urheberrechtlich geschützt werden konnten, selbst wenn sie einen besonders hohen ästhetischen Gehalt aufwiesen. Ein solches Werk wurde ab l.Juli 1907 auf Grund von §53 KUG nach dessen Vorschriften behandelt, erhielt also vollen Urheberschutz. Die Gewährung eines solchen v o l l e n Urheberschutzes muß dann aber auch für ein Werk gelten, das vor dem l.Juli 1907 bereits (beschränkt) Urheberrechtsschutz hatte. V. Schlußfolgerungen fUr die Rechtslage nach UG 1965 Die Fortführung der rechtlichen Beurteilung vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des KUG 1907 bis zur Gegenwart bietet keine Schwierig2B

) RGZ 72, 149; R G Z 76, 339.

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keiten. Seine Vorschriften wurden — mit Ausnahme von einigen hier nicht interessierenden Bestimmungen — durch § 141 Nr. 5 UG 1965 aufgehoben. Die Übergangsbestimmungen wiederum sehen in § 129 Abs. 1 UG vor, daß die Vorschriften des neuen Gesetzes auch auf die bei seinem Inkrafttreten geschaffenen Werke anzuwenden sind, sofern sie zu diesem Zeitpunkt urheberrechtlich geschützt waren. Da dies bei den Zeichnungen von Hans Thoma nicht der Fall war, scheidet auch die Anwendbarkeit von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UG aus. In gleichem Sinne hat der Bundesgerichtshof entschieden. VI. Zusammenfassung 1. Die Entwicklung zum Urheberrecht, wie wir es heute kennen, hat erst Anfang des 19. Jahrhunderts begonnen. Die erste einheitliche Regelung für das damalige Reichsgebiet erfolgte durch das Gesetz des Norddeutschen Bundes über das Urheberrecht an gewerblichen Mustern und Modellen vom 11. Juni 1870, das später in das Recht des Deutschen Reiches übergeleitet wurde. 2. Dieses Gesetz aber regelte nicht — wie ursprünglich gleichfalls beabsichtigt — das Urheberrecht an Werken der bildenden Kunst. Vielmehr geschah dies erst durch das Gesetz vom 9. Januar 1876 (KUG 1876), wobei als Werke der bildenden Kunst nur diejenigen der „reinen" oder „hohen" Kunst galten. Werke der „angewandten" Kunst waren nur nach dem Gesetz vom 11. Januar 1876 (Geschmacksmustergesetz) geschützt. Erst durch das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 wurden die Erzeugnisse des Kunstgewerbes den Werken der bildenden Kunst gleichgestellt. 3. Eine wesentliche Vorschrift des KUG 1876 bestand darin, daß Werke der „reinen" Kunst zu Werken der „angewandten" Kunst herabgestuft wurden, wenn der Urheber eine gewerbliche Verwertung erlaubt hatte. Dann konnte er gegen weitere gewerbliche Verwertungen nicht mehr nach dem KUG 1876 vorgehen. 4. Der Unterschied zwischen Werken der „reinen" und Werken der „angewandten" Kunst ist in jüngster Zeit Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes gewesen. Der bekannte Kunstmaler Professor Hans Thoma hatte um die Jahrhundertwende zeichnerische Entwürfe für holzgeschnitzte Stuhllehnen angefertigt, die nach heutigem Recht als Werke der bildenden Kunst anzusehen waren. Er hatte damals einem ihm bekannten Holzschnitzer erlaubt, Stühle mit

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Lehnen nach diesen Entwürfen gewerblich zu verwerten. Mehrere Holzschnitzer, die in den vergangenen Jahren Stühle nach diesen Entwürfen herstellten, stritten nun darüber, wer von ihnen hierzu berechtigt war. 5. Der Bundesgerichtshof entschied dahin, daß die Entwürfe nach ihrer Zweckbestimmung dazu dienen sollten, einem Gebrauchsgegenstand ein ästhetisch ansprechendes Aussehen zu geben. Deshalb seien sie nicht Werke der „reinen" Kunst im Sinne des KUG 1876, weshalb ihnen der urheberrechtliche Schutz dieses Gesetzes nicht zustehe. 6. Weiter entschied der Bundesgerichtshof, daß der nach dem KUG 1876 fehlende Schutz auch nachträglich nicht durch die Ubergangsbestimmung in § 53 des KUG 1907 an Zeichnungen verschafft wurde. In gleichem Sinne hatten zwar früher schon die meisten Oberlandesgerichte und das Reichsgericht entschieden; doch war die Frage im Schrifttum bis in die neuere Zeit umstritten. Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes dürfte sie nunmehr endgültig geklärt sein.

Resümee 1. Eine gesetzliche Regelung des Urheberrechts erfolgte erstmals am 11. Juni 1870. Werke der bildenden Kunst behandelte dieses Gesetz aber noch nicht. Dies geschah erst durch das Gesetz vom 9. Januar 1876 (KUG 1876), das aber nur Werke der „reinen', nicht dagegen solche der „angewandten" Kunst schützte. Erst das KUG vom 9. Januar 1907 stellte Werke des Kunstgewerbes solchen der bildenden Kunst gleich. 2. Nach KUG 1876 wurden Werke der „reinen" Kunst zu Werken der „angewandten" Kunst herabgestuit, wenn der Urheber ihre gewerbliche Verwertung erlaubt hatte. Der Unterschied zwischen Werken der „reinen" und Werken der „angewandten" Kunst war kürzlich Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Der Kunstmaler Hans Thoma hatte um 1900 Entwürfe für holzgeschnitzte Stuhllehnen angefertigt — die als Werke der bildenden Kunst anzusehen waren — und ihre gewerbliche Verwertung erlaubt. 3. Der Bundesgerichtshof entschied nun dahin, daß die Entwürfe nach ihrer Zweckbestimmung einen Gebrauchsgegenstand ästhetisch ansprechend gestalten sollten, deshalb nicht Werke der „reinen" Kunst nach KUG 1876 und damit nicht urheberrechtsschutzfähig wa-

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ren. Weiter entschied der Bundesgerichtshof, daß der nach dem KUG 1876 fehlende Schutz den Zeichnungen auch nicht nachträglich durch die Übergangsbestimmung in § 53 des KUG 1907 verschafft wurde.

Résumé 1. La loi du 11 juin 1870 a constitué la première réglementation légale du droit d'auteur. Mais cette loi ne concernait pas encore les œuvres d'art figuratif. Celles-ci n'ont été prises en considération que par la loi du 9 janvier 1876 (KUG 1876) par laquelle cependant seules les œuvres d'art „pur" étaient protégées, mais non les œuvres d'art „appliqué". Ce n'est que la loi du 9 janvier 1907 (KUG 1907) qui a assimilé les œuvres d'art appliqué aux œuvres d'art figuratif. 2. Selon la KUG 1876 les œuvres d'art „pur" étaient ramenées au rang d'œuvres d'art appliqué lorsque l'auteur avait permis qu'elles fassent l'objet d'une exploitation industrielle. La distinction entre œuvres d'art „pur" et œuvres d'art „appliqué" a fait récemment l'objet d'une décision de la Cour fédérale. Le Professeur Hans Thoma, artiste peintre, avait, vers 1900, dessiné des croquis pour des dossiers de chaises en bois sculpté, croquis qu'il y avait lieu de considérer comme œuvres d'art figuratif, et avait permis leur exploitation industrielle. 3. La Cour fédérale a décidé que les croquis, étant donné leur destination, devaient servir à donner à un objet utilitaire un aspect éveillant des sentiments esthétiques, qu'ils ne constituaient donc pas des œuvres d'art „pur" selon la KUG 1876 et ne pouvaient par conséquent jouir de la protection du droit d'auteur selon cette loi. De plus, la Cour fédérale a décidé que la protection que ne pouvait assurer à ces dessins la KUG 1876 ne pouvait non plus être trouvée postérieurement dans la disposition transitoire du § 53 de la KUG 1907. Fr. U.

Summary 1. Initial legislation concerning the law of copyright was the Act of June 11, 1870. Works of fine art were not yet dealt with in this statute. This did not occur until the passing of the Act of January 9, 1876 (KUG 1876), through which merely works of „pure" as opposed

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to works of „applied" art were protected. Finally, the KUG (Kunsturhebergesetz) of January 9, 1907 equalized works of applied art and works of fine art. 2. According to the KUG of 1876 works of „pure" art were degraded to works of „applied" art, if the author had agreed to their commercial exploitation. The difference between works of „pure" and works of „applied" art was recently the subject of a decision of the Federal Supreme Court (Bundesgerichtshof). Around the year 1900 the painter Hans Thoma had made designs for wood carved backs of chairs, which were to be regarded as works of fine art, permitting their commercial exploitation. 3. The Federal Supreme Court decided that the drawings, according to their purpose, were to be the aestheticly attractive designs of a useful article. Thus, they were not the works of „pure" art as defined in the KUG 1876 and unprotectable by copyright. Further, the Federal Supreme Court decided, that the protection of the drawings, wanting under the KUG 1876, had not been retroactively protected by the transitionary provision or para. 53 of the KUG 1907. v. W.

Das Verhältnis der Regelung des Art. 14 ter RBÜ über das Folgerecht zum deutschen Recht Von Professor Dr. Wilhelm Nordemann, Berlin*)

Zu den bevorzugten Arbeitsgebieten des Jubilars gehört im Bereich des Urheberrechts seit jeher das Folgerecht der bildenden Künstler (droit de suite). An seiner Durchsetzung hatte er nicht zuletzt dadurch Anteil, daß er die Gründung der Verwertungsgesellschaft BildKunst unterstützte und ihr in den ersten Jahren ihres Bestehens seine rechtliche Beratung zur Verfügung stellte. In dieser Zeit ist § 26 UG, der den bildenden Künstlern seit dem 1. Januar 1966 ein Folgerecht zubilligt, durch die Novelle vom 10. November 1972 so erheblich verbessert worden, daß die Realisierung der daraus fließenden Ansprüche praktisch möglich erscheint und inzwischen wohl auch unmittelbar bevorsteht. Gleichwohl wird um die damit zusammenhängenden Rechtsfragen noch immer gestritten. Die vorliegende Untersuchung will die Arbeiten des Jubilars weiterführen, indem sie die intemationalrechtliche Problematik des § 26 UG erörtert. Ausgangspunkt Das Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 10. November 1972 (BGBl. I S. 1972) — UG — gewährt Ansprüche zunächst nur Deutschen (§ 120 UG) und ihnen gleichgestellten Personengruppen (§§ 122, 123 UG). Ausländer sind geschützt, wenn die Bundesrepublik Ursprungsland des zu schützenden einzelnen Werkes ist (§ 121 Abs. 1 und 2 UG), im übrigen nach dem Inhalt der Staatsverträge (§ 121 Abs. 4 UG). Für das Folgerecht bestimmt § 121 Abs. 5 UG jedoch ausdrücklich: „Das Folgerecht (§ 26) steht ausländischen Staatsangehörigen nur zu, wenn der Staat, dem sie angehören, nach einer Bekanntmachung des Bundesministers der Justiz im Bundesgesetzblatt deutschen Staatsangehörigen ein entsprechendes Recht gewährt." Eine solche Bekanntmachung ist erstmals fast 10 Jahre nach dem Inkrafttreten des UG, am 8. November 1975, erfolgt: Danach besteht mit Frankreich Gegenseitigkeit (BGBl. I S. 2775). *) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt.

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Die Frage ist, ob diese Bekanntmachung (materielle) Anspruchsvoraussetzung für das Folgerecht von Franzosen ist, also ex nunc wirkt, oder lediglich die Funktion einer (formellen) Voraussetzung für die prozessuale Durchsetzung ihrer an sich bestehenden Ansprüche ist, also ex tunc von dem Zeitpunkt an wirkt, in dem die Gegenseitigkeit zwischen Frankreich und der Bundesrepublik materiell hergestellt war; das wäre der 1. Januar 1966, weil mit dem Inkrafttreten des UG das in Frankreich längst bestehende droit de suite auch bei uns eingeführt war. Denkbar ist auch, daß § 121 Abs. 5 UG Franzosen überhaupt nicht entgegengehalten werden kann. Die praktische Bedeutung der Antwort auf diese Frage ist offenkundig: Wirkt die Bekanntmachung ex nunc, so haben französische Künstler für einen Zeitraum von fast 10 Jahren keinen Folgerechtsanspruch in Deutschland. Wirkt sie ex tunc oder war sie für Franzosen von vornherein rechtlich bedeutungslos, müssen Kunsthändler und Versteigerer mit erheblichen Nachforderungen aus längst abgeschlossen geglaubten Veräußerungsfällen rechnen. Die Sdiutzprinzipien der RBÜ Frankreich und die Bundesrepublik sind Verbandsstaaten der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ). Art. 5 Absätze 1 bis 3 RBÜ (Pariser Fassung) lauten: „1. Die Urheber genießen für die Werke, für die sie durch diese Übereinkunft geschützt sind, in allen Verbandsländern mit Ausnahme des Ursprungslandes des Werkes die Rechte, die die einschlägigen Gesetze den inländischen Urhebern gegenwärtig gewähren oder in Zukunft gewähren werden, sowie die in dieser Übereinkunft besonders gewährten Rechte. 2. Der Genuß und die Ausübung dieser Rechte sind nicht an die Erfüllung irgendwelcher Förmlichkeiten gebunden; dieser Genuß und diese Ausübung sind unabhängig vom Bestehen des Schutzes im Ursprungsland des Werkes. Infolgedessen richten sich der Umfang des Schutzes sowie die dem Urheber zur Wahrung seiner Rechte zustehenden Rechtsbehelfe ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird, soweit diese Übereinkunft nichts anderes bestimmt. 3. Der Schutz im Ursprungsland richtet sich nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften. Gehört der Urheber eines aufgrund dieser Übereinkunft geschützten Werkes nicht dem Ursprungsland des Werkes an, so hat er in diesem Land die gleichen Rechte wie die inländischen Urheber."

Regelung des Art. 14 ler RBU über das Folgerecht

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Danach hat jeder Urheber, der einem Verbandsstaat der RBU angehört oder dessen Werk in einem Verbandsstaat erstveröffentlicht wurde (Verbandsurheber), in allen anderen Ländern der RBU die gleiche Rechtsstellung wie ein Inländer, ja er kann möglicherweise sogar noch mehr als diese sogenannte Inländerbehandlung fordern: Die durch die RBÜ „besonders gewährten Rechte", die sogenannten Mindestrechte, stehen ihm auf jeden Fall („mindestens") zu, auch wenn das nationale Recht des Schutzlandes sie überhaupt nicht kennen sollte; und wenn etwa das Inlandsrecht die Gewährung des Urheberschutzes von irgendwelchen Förmlichkeiten abhängig macht, so sind diese Vorschriften dem Verbandsurheber gegenüber unwirksam. Die Rechtsstellung des Ausländers kann also in jedem beliebigen RBU-Staat besser sein als die des Inländers (vgl. Art. 19 RBÜ sowie Corte Costituzione Italien, in GRUR Int. 1972, 428 f. mit Anm. Ulmei; Bappeit/W agner, Internationales Urheberrecht, 1956, Bern. 29 zu Art. 4 RBU; Hoiimann, Die revidierte Berner Übereinkunft, Berlin 1934, S. 16 f.). Die RBÜ nimmt das bewußt in Kauf, weil auf diese Weise die Angleichung der nationalen Rechte ihrer Mitglieder gefördert wird; denn kein Staat wird auf die Dauer Ausländem mehr Rechte zugestehen wollen als den eigenen Staatsangehörigen, und deshalb das nationale Recht alsbald dem Schutzniveau der RBU anpassen (Ulmer/Reimer in GRUR Int. 1967, 431, 437 Fußn. 17). Nur wenn das Schutzland zugleich das Ursprungsland des zu schützenden Werkes ist, ein Gemälde von Chagall also in Frankfurt erstveröffentlicht wurde (der Begriff der „Veröffentlichung", wie ihn Art. 3 Abs. 3 RBÜ verwendet, entspricht dem Begriff des „Erscheinens" in § 17 UG), gilt die Sonderstellung des Verbandsurhebers nicht: Chagall müßte sich in einem solchen Falle mit den Rechten zufriedengeben, die das deutsche Recht den Deutschen gewährt (Art. 5 Abs. 3 Satz 2 RBÜ). Das Prinzip der — um die Mindeslrechte gesteigerten — Inländerbehandlung ist in der RBÜ allerdings von einigen wenigen, genau umgrenzten Ausnahmen durchbrochen. Hier wird Inländerbehandlung nur insoweit gewährt, als materielle Gegenseitigkeit besteht. Hauptfall ist der sogenannte Schutzfristvergleich (Art. 7 Abs. 8 RBÜ); eine weitere Regelung dieser Art gibt es für die angewandte Kunst (Art. 2 Abs. 7 RBÜ). Danach bleibt das Schutzland zwar grundsätzlich zur Inländerbehandlung verpflichtet. Es braucht dem Ausländer aber keine weitergehenden Rechte zuzubilligen, als dieser im Ursprungsland des Werkes beanspruchen kann. Hat Chagall sein Bild in einer Schweizer Kunstzeitschrift erstveröffentlichen lassen, so hat er in der Bundesrepublik Deutschland nicht die hier geltende Schutzfrist

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von 70 Jahren post mortem auctoris, sondern nur die kürzere der Schweiz (50 Jahre p. m. a.). Eine Ausnahme von dem Verbot des Art. 5 Abs. 2, die Schutzgewährung an Verbandsurheber von irgendwelchen Förmlichkeiten abhängig zu machen, kennt die RBÜ allerdings nicht. Das Folgerest in der RBÜ Art. 14ter RBÜ lautet: „1. Hinsichtlich der Originale von Werken der bildenden Künste und der Original-Handschriften der Schriftsteller und Komponisten genießt der Urheber — oder nach seinem Tod die von den innerstaatlichen Rechtsvorschriften dazu berufenen Personen oder Institutionen — ein unveräußerliches Recht auf Beteiligung am Erlös aus Verkäufen eines solchen Werkstücks nach der ersten Veräußerung durch den Urheber. 2. Der im Absatz 1 vorgesehene Schutz kann in jedem Verbandsland nur beansprucht werden, sofern die Heimatgesetzgebung des Urhebers diesen Schutz anerkennt und soweit es die Rechtsvorschriften des Landes zulassen, in dem dieser Schutz beansprucht wird. 3. Das Verfahren und das Ausmaß der Beteiligung werden von den Rechtsvorschriften der einzelnen Länder bestimmt." Dieser Text ist unverändert aus Art. 14bis RBÜ (Brüsseler Fassung) übernommen worden. Letztere hatte die Bundesrepublik gleichzeitig mit dem Erlaß des neuen UG ratifiziert (BGBl. II 1213 vom 15. September 1965). Die Pariser Fassung ist für die Bundesrepublik (Copyright 1973, 214) ebenso wie für Frankreich (Copyright 1972, 199) am Tage ihres Inkrafttretens, dem 10. Oktober 1974 (Copyright 1974, 156), wirksam geworden. Art. 14ter RBÜ ist neben Art. 2bi5 Abs. 1 das letzte noch verbliebene Beispiel eines Mindestrechts im unstarren System (zu diesem Begriff näher Hoiimann, aaO. S. 12): Der Verbandsurheber kann das Recht aus Absatz 1 nur beanspruchen, wenn und soweit das Inlandsrecht des Schutzlandes es überhaupt kennt (Absatz 2). Eine Verpflichtung der Verbandsländer zur Einführung des Folgerechts besteht nicht (Bolla in DdA 1949, 25, 34; Baum in GRUR 1949, 1, 37; Bappert/Wagner, aaO. Bern. 4 zu Art. 14bis RBÜ; Tioller in GRUR 1950, 276, 280; Walter in Zeitschrift für Rechtsvergleichung 1973, 115 f.). Demgemäß ist auch die inhaltliche Ausgestaltung des Folgerechts dem Belieben der einzelnen Verbandsländer überlassen (Walter, aaO. S. 116).

Regelung des Art. 14ter RBÜ über das Folgerecht

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Zusätzlich ist der Anspruch des Verbandsurhebers durch die Einführung des Prinzips der materiellen Reziprozität in Absatz 2 relativiert. Er hat den Anspruch auf Gewährung desjenigen Folgerechts, das das Schutzland dem Inländer zugesteht, nur dann, wenn auch sein Heimatland das Folgerecht anerkennt. Dabei genügt es freilich, daß das Heimatland des Verbandsurhebers das Folgerecht grundsätzlich gewährt, ohne daß es auf die getroffene Regelung im Detail ankäme (Ulmer in GRUR 1974, 593, 600; Walter, aaO. S. 124 ff.). Allerdings kann von einer Gewährung nur dort gesprochen werden, wo die Möglichkeit tatsächlich gegeben ist, das Folgerecht durchzusetzen. Das ist etwa in Marokko, Luxemburg und der Türkei nicht der Fall, weil dort das Folgerecht zwar im Gesetz steht, die notwendigen Durchführungsnormen aber bisher nicht erlassen wurden. Materielle Gegenseitigkeit besteht demnach nur zwischen den folgenden Verbandsländern (vgl. Katzeriberger, Das Folgerecht im deutschen und ausländischen Urheberrecht, 1970, S. 35 bis 63): Belgien Brasilien Bundesrepublik Deutschland Chile Frankreich

Italien Philippinen Portugal Senegal Tunesien Uruguay

Mit der „Heimatgesetzgebung" des Urhebers (législation nationale de l'auteur) ist nicht diejenige des Staates gemeint, dessen Staatsangehörigkeit der Urheber besitzt, sondern die des Ursprungslandes des Werkes, wie sich aus Art. 5 Abs. 3 RBÜ ergibt. Die Materialien von Brüssel enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Konferenz von dem Anknüpfungspunkt des Ursprungslandes hätte abweichen wollen, der in der RBÜ sonst ausnahmslos gilt (zweifelnd Baum in GRUR Ausl. 1963, 351, 361). Der Streitpunkt An sich ist es nach alledem schon wenig genug, was Art. 14ter RBÜ bietet: Die demonstrative Entschlossenheit des Absatz 1 wird von Absatz 2 alsbald auf den Fall der Gegenseitigkeit reduziert, und Absatz 3 gar wiederholt nur Selbstverständliches (vgl. Art. 5 Abs. 2 Satz 2 RBÜ). Aber einige deutschsprachige Autoren wollen Art. 14ter RBU nicht einmal dieses beschränkte Gewicht zugestehen. Sie folgern aus der amtlichen deutschen Formulierung des Art. 14ter Abs. 2 RBÜ, daß der nationale Gesetzgeber völlig frei in der Entscheidung sei,

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ob er das Folgerecht, wenn er es schon einführe, Ausländem überhaupt gewähren wolle oder nicht. Materielle Gegenseitigkeit allein genüge nicht; es müsse, wie das kumulative „und" im Text des Absatz 2 zeige, die Zulassung des Ausländers durch das nationale Recht des Schutzlandes hinzukommen (so sinngemäß Bappert/Wagner, aaO. Bern. 14 zu Art. 14 bis RBÜ; Baum in GRUR 1949, 1, 37; Rust, Die Brüsseler Revisionskonferenz und das deutsche Urheberrecht, Gött. Diss. 1951 S. 196; Tiollei in GRUR 1950, 276, 281). Wäre das richtig, dann würde in der Tat nichts dagegen eingewendet werden können, daß der deutsche Gesetzgeber die Gewährung der Inländerbehandlung an Ausländer außer vom Bestehen materieller Gegenseitigkeit auch noch von einer formellen Bekanntmachung des Bundesjustizministers abhängig gemacht hat. Walter (aaO. S. 115 f.) und im Prinzip auch Ulmet (aaO. S. 601) stehen demgegenüber auf dem Standpunkt, daß, wenn materielle Gegenseitigkeit besteht, jeder Verbandsurheber einen unmittelbaren Anspruch aus Absatz 1 auf Gewährung des Folgerechts hat. Katzenberger, dem wir die einzige deutschsprachige Monographie zum Folgerecht verdanken (Das Folgerecht im deutschen und ausländischen Urheberrecht, 1970), vertritt in einem — noch unveröffentlichten — Gutachten (September 1976) die gleiche Auffassung (vgl. schon seine Stellungnahme in GRUR Int. 1973, 660, 667). Ich halte die letztere Auffassung allein für richtig. Für sie sprechen gewichtige Argumente: — Wären die Verbandsländer auch fremdenrechtlich frei, so wäre unverständlich, weshalb Art. 14 ter dann überhaupt in die RBU aufgenommen wurde. Um lediglich festzustellen, daß es im Belieben der Verbandsländer stehe, ob sie Ausländern das Folgerecht gewähren wollen oder nicht, braucht man keine Konvention. — Ebensowenig wäre verständlich, weshalb dann die Anerkennung des Folgerechts im Heimatland des Verbandsurhebers von Absatz 2 zur ersten der beiden dort kumulativ genannten Bedingungen gemacht wurde (darauf weist schon Ulmer hin). Wenn das Schutzland ohnehin frei ist, kann es diese oder andere Bedingungen auch selbst aufstellen. — Endlich wäre die Freiheit der Verbandsländer, Ausländern die den Inländern zustehenden Rechte zu verweigern, eine Abkehr vom Prinzip der Inländerbehandlung, wie sie in der Geschichte der RBU noch nie vorgekommen ist. Sie käme einer Revolution des internationalen Urheberschutzes gleich. Nun kann man freilich nicht ausschlie-

Regelung des Art. 14 t e r RBU über das Folgerecht

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ßen, daß dergleichen vorkommen könnte. Ich glaube aber annehmen zu dürfen, daß das während der Brüsseler Beratungen dann wenigstens ausdrücklich gesagt worden wäre, und daß es dann auch entschiedene Proteste der alten Kulturstaaten, vor allem Frankreichs, gegeben hätte. Ich halte vielmehr für sicher, daß die Einfügung des Folgerechts-Artikels in die Brüsseler Fassung der RBÜ in diesem Falle am Veto mehrerer Verbandsländer gescheitert wäre. — Die Brüsseler Konferenzdokumente (DCB) geben aber auch nicht den geringsten Anhaltspunkt in dieser Richtung. Sie machen stattdessen deutlich, daß die Konferenz mit Absatz 2 nichts weiter im Sinn hatte als die Einführung der materiellen Reziprozität. Der schließlich angenommene Text geht auf den Vorschlag einer Unterkommission zurück (vgl. DCB 367), die ihrerseits den Auftrag hatte, einen österreichischen Vorschlag in eine Konventionsnorm umzusetzen, der folgenden Wortlaut hatte (DCB 364; deutsche Übersetzung bei Ulmer, aaO. S. 599): „(1) Les Pays de l'Union qui accordent aux auteurs et à leurs héritiers ou leurs ayants cause une participation au produit des ventes successives des œuvres des arts figuratifs originales ou des manuscrits originaux ne sont pas tenus d'accorder aux auteurs ressortissant à l'un des autres Pays de l'Union et aux héritiers ou ayants cause desdits auteurs à cet égard une protection plus large que celle qui leurs est accordée dans le Pays de l'Union auquel l'auteur ressortit. (2) Les auteurs ne ressortissant pas à un Pays de l'Union ne peuvent pas réclamer le droit visé par l'alinéa prcédent." Dieser Vorschlag enthielt die Begrenzung der Inländerbehandlung durch die materielle Reziprozität, wie sie der Konferenz aus dem Schutzfristvergleich (Art. 7 Abs. 2 BrF) und der Regelung der angewandten Kirnst (Art. 2 Abs. 5 BrF) geläufig war, in so unmißverständlicher Form, daß eine Ausdehnung des Vorbehalts in Richtung auch einer fremdenrechtlichen Freiheit der Verbandsländer von allen Beteiligten nicht als minus, sondern als aliud empfunden worden wäre und die vorstehend erörterten Reaktionen hervorgerufen hätte. Statt dessen hat die Versammlung den erarbeiteten Textvorschlag ohne weiteres gebilligt. — übrigens scheint mir das Mißverständnis, dem bezeichnenderweise nur deutschsprachige Autoren erlegen sind, an der ungenauen Textfassung der deutschen Übersetzung der Brüsseler RBU zu liegen, die so formuliert:

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Wilhelm Nordemann:

„ . . . nur beansprucht werden, sofern die Heimatgesetzgebung des Urhebers diesen Schutz zugesteht und soweit es die Gesetzgebung des Landes zuläßt, wo dieser Schutz beansprucht wird." Dagegen lautet der maßgebende französische Text: „ . . . n'est exigible . . . que si la législation nationale de l'auteur admet cette protection et d a n s l a m e s u r e où le permet la législation du pays où cette protection est réclamée", was in genauer deutscher Ubersetzung heißt: „ . . . und i n d e m A u s m a ß , das die Gesetzgebung des Landes zuläßt Das bezieht sich unmißverständlich nur auf Art und Umfang des gewährten Rechts, nicht aber auf die Frage der Inländerbehandlung. § 121 Abs. 5 UG kollidiert also seinem Wortlaut nach mit Art. 14 ,er RBÜ, soweit es sich um Angehörige von RBU-Staaten handelt, mit denen materielle Gegenseitigkeit besteht. Kollision des § 121 Abs. 5 UG mit Art. 5 Abs. 3 RBÜ § 121 Abs. 5 UG steht übrigens auch im Widerspruch mit Art. 5 Abs. 3 RBU, wenn es heißt, „ausländischen Staatsangehörigen" schlechthin stehe das Folgerecht nur bei Vorliegen von Gegenseitigkeit und nach erfolgter Bekanntmachung zu. Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 RBÜ genießt der Verbandsurheber im Ursprungsland stets „die gleichen Rechte wie die inländischen Urheber". Für sein in Frankfurt erstveröffentlichtes Werk m u ß also Chagall wie ein Inländer behandelt werden. Insoweit wäre § 121 Abs. 5 UG auch konventionswidrig, wenn man im übrigen der Auffassung folgen wollte, der Folgerechts-Artikel der RBÜ lasse den Verbandsländern freie Hand. Man hätte formulieren sollen „Das Folgerecht (§ 26) steht ausländischen Staatsangehörigen, die nicht nach Absatz 1 geschützt sind, nur zu, w e n n . . . " . Rechtslage nach der Rom-Fassung der RBU von 1928 Die Rom-Fassung enthielt das Folgerecht nicht. Angesichts der Bedeutung des Assimilationsprinzips haben sich einige Autoren auf den Standpunkt gestellt, daß demgemäß in den noch an Rom gebundenen Verbandsländern volle Inländerbehandlung zu gewähren sei (Bappert/Wagner, aaO. Bern. 1 zu Art. 14bis RBÜ; Duchemin, Le droit de suite des artistes, Paris 1948, S. 267; Hoffmann, aaO. S. 87; Walter, aaO. S. 114). Das hätte zur Folge, daß mit der Ratifikation der Pari-

Regelung des Art. 1 4 ' " r b u über das Folgerecht

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ser Fassung etwa durch die CSSR, in der zur Zeit noch die Rom-Fassung gilt, ein Verbandsurheber aus der Schweiz, der bisher dort Inländerbehandlung beanspruchen konnte, plötzlich den Folgerechtsanspruch verlieren würde, weil mit der Schweiz die erst seit Brüssel geforderte materielle Gegenseitigkeit nicht besteht. Mit Ulmer (aaO. S. 598 f.) bin ich demgegenüber der Ansicht, daß das Folgerecht erst in Brüssel konventionsrechtlich als eine aus dem Urheberrecht fließende Befugnis anerkannt worden ist, während man es vorher entweder als verwandtes Schutzrecht oder als dingliches Recht am Original oder gar als Privatsteuer klassifiziert hatte (Katzenberger, Das Folgerecht, S. 64 ff.). Noch in Brüssel hatten sich mit ähnlicher Begründung die Niederlande gegen die Aufnahme des Folgerechts in die RBU gewehrt (DCB 366). Exkurs: Reditslage nach dem WUA Das Welturheberrechtsabkommen hat im Verhältnis der RBU-Staaten untereinander keine Bedeutung; die RBU geht vor (Art. XVII WUA). Im übrigen, d. h. im Verhältnis der Mitgliedsländer, die zugleich Verbandsstaaten der RBU sind, zu den anderen Mitgliedsländern des WUA, und im Verhältnis der letzteren untereinander reduziert sich die Bedeutung des WUA trotz seines Wortreichtums im wesentlichen auf die Art. II und III: Es gilt das Prinzip der Inländerbehandlung (Art. II), und etwaige national vorgeschriebene Förmlichkeiten gelten durch den Copyright-Vermerk als erfüllt (Art. III). Das Folgerecht ist nirgends ausdrücklich erwähnt. Eine dem Art. 14ter RBU zumindest in dem Sinne entsprechende Regelung, daß sie den unverbindlichen Wunsch nach weiterer Ausbreitung des Folgerechts enthalten hätte, scheiterte in Genf am Widerstand von nicht weniger als 12 Staaten (UNESCO Copyright Bull. Bd. IV — 1951 — S. 96, 106). Uberhaupt sagt das WUA noch heute wenig über die Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche des Urhebers (vgl. Art. IV bis und Art. V). In der Genfer Urfassung von 1952 war den Mitgliedern nur auferlegt, für einen „ausreichenden und wirksamen Schutz der Rechte der Urheber" zu sorgen (Art. I). Erst in Paris 1971 hat man durch die Einführung des Art. IV bis diese Forderung dahin konkretisiert, daß jedenfalls das Vervielfältigungs-, Aufführungs- und Senderecht gewährleistet sein müßten. An sich folgt ohne weiteres aus Art. II WUA, daß der Ausländer, der einem WUA-Staat angehört, auch beim Folgerecht Inländerbehandlung beanspruchen kann. Gleichwohl vertritt Ulmer (aaO. S. 599) die Ansicht, für das Folgerecht bestehe dieser Anspruch nicht (eben-

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Wilhelm Nordemann:

so Katzenberger in GRUR Int. 1973, 660, 667; Recht in UNESCO Bull. Bd. III — 1950 —, 61, 70; Sherman in 18 ASCAP Copr. L. Symp. 1970, 50, 86 f.; a. M. Hauser in 11 ASCAP Copr. L Symp. 1958, 1, 23; Schulder, 61 Nw. U. L. Rev. 1966, 19, 42 f.). Ulmer verweist darauf, daß angesichts der kontroversen Diskussion, die 4 Jahre vorher auf der Brüsseler Revisionskonferenz zur RBÜ zum Folgerecht stattgefunden hatte, bei näherer Erörterung des Themas in Genf 1952 mit Sicherheit wenigstens die materielle Reziprozität verlangt worden wäre. Die Nichterwähnung des Folgerechts lasse nur den Schluß zu, daß die Regelung des WUA auf die „klassischen Materien des Urheberrechts" beschränkt bleiben sollte. Katzenberger fügt den Gesichtspunkt hinzu, daß anderenfalls die Angehörigen von Nur-WUAStaaten besser stünden als die Verbandsurheber der RBU. In der Tat könnten Künstler aus Laos oder Andorra, deren Heimatländer zwar dem WUA angehören, aber nicht einmal ein Urheberrechtsgesetz haben, geschweige denn das Folgerecht anerkennen, nach dem Wortlaut des Art. II WUA in Frankreich oder der Bundesrepublik das Folgerecht beanspruchen, während Urheber aus RBU-Ländern trotz nationaler Urheberrechtsgesetze mit meist hohem Schutzniveau den gleichen Anspruch nadi Art. 14ter RBÜ nur bei Gegenseitigkeit hätten. Ich vermag mich der Ansicht von Ulmer und Katzenberger gleichwohl nicht anzuschließen. Daß das WUA die Staaten mit dem besser entwickelten Urheberrecht benachteiligt, kann von seinen Schöpfern schlechterdings nicht übersehen worden sein. Wenn sie mit Art. II den Grundsatz der Inländerbehandlung statuierten, ohne ihn auch nur im geringsten einzuschränken, nahmen sie damit in Kauf, daß der Laote oder Andorrener in den alten Kulturstaaten alle Rechte des Urhebers genoß, ohne daß deren Angehörige in Laos oder Andorra eine auch nur annähernd vergleichbare Gegenleistung erhielten. Art. II gewährt ferner etwa dem Sowjetrussen auch die Sendeund Zweitwiedergaberechte in Deutschland, die der Deutsche in der Sowjetunion nicht würde realisieren können, weil es sie dort nicht oder nur in stark abgeschwächter Form gibt. Der Beitritt zum WUA bedeutete deshalb schon 1952 für die Verbandsländer der RBU eine Art kultureller Entwicklungshilfe zugunsten der Staaten mit schwächerem Urheberrecht. Seit der Einfügung der Art. V bis bis Art. Vi u a t e r in Paris 1971 ist das erst recht offenkundig. Die Mutmaßung Ulmers, was man in Genf 1952 zum Folgerecht beschlossen haben würde, wenn seine ausdrückliche Erwähnung im Text durchgesetzt worden wäre, mag für diesen konkreten Fall we-

Regelung des Art. 14ter RBU über das Folgerecht

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gen der zeitlichen Nähe zu Brüssel 1948 zutreffen. Aber der Gesichtspunkt der „ergänzenden Vertragsauslegung" kommt nur dann zum Tragen, wenn der Vertragstext überhaupt auslegungsbedürftig und auslegungsfähig ist. Davon kann man angesichts der Klarheit der getroffenen Regelung wohl nicht sprechen. Katzenberger hat zusätzlich — in dem erwähnten Gutachten, S. 47 — aus der Weigerung von 12 Staaten in Genf, den Wunsch nach nationaler Verbreitung des Folgerechts im W U A zu verankern, gefolgert, also habe man für dieses Recht keine Inländerbehandlung verlangen wollen. Ich halte auch diesen Schluß nicht für zwingend. Man konnte durchaus gegen eine nationale Ausweitung des Folgerechts sein, ohne dort, wo es nun einmal bestand, den Anspruch auf Inländerbehandlung aufgeben zu wollen. Für die Feststellung eines einheitlichen, vom klaren Wortlaut des Art. II abweichenden Willens der Schöpfer des W U A in Genf 1952, der unter dem Gesichtspunkt der falsa demonstratio eine Abweichung vom Text zugunsten des wirklich Gemeinten erlauben könnte, reicht das vorliegende Material nicht aus. Ich halte die Überlegungen Ulmers und Katzenbergers auch mit Geist und Sinn des W U A nicht für vereinbar. Das Urheberrecht ist ständig in der Entwicklung. Neue Befugnisse entstehen und werden in den alten Kulturstaaten zuerst realisiert: Das „Licht-Werk" nach den Erfahrungen mit den sons et lumières in Frankreich, die Bibliothekstantieme in Skandinavien. Andere Länder kennen dergleichen noch nicht. Da jeder Staat die Tendenz hat, zunächst an seine eigenen Bürger zu denken und Ausländer jedenfalls nicht besser zu stellen als sie, liegt in solchen Fällen die Annahme stets auf der Hand, daß, würde darüber auf einer gerade stattfindenden Revisionskonferenz zum W U A diskutiert, die fortgeschrittenen Mitglieder auf materieller Gegenseitigkeit bestehen würden. Die Schöpfer des W U A wollten aber die bestehenden nationalen Unterschiede durchaus hinnehmen; das Ziel, überhaupt eine weltweite Regelung auf der Basis der Inländerbehandlung zu erreichen, hatte Vorrang. Man kann also der Mutmaßung Ulmers, wenn das Folgerecht in Genf überhaupt geregelt worden wäre, so hätte man zumindest Reziprozität eingeführt, mit gleichem Gewicht die Mutmaßung entgegensetzen, angesichts der — aufs Ganze gesehen — geringen Bedeutung des Folgerechts hätte daran niemand das W U A scheitern lassen oder auch nur durch Beschränkung des Assimilations- durch das Reziprozitätsprinzip einen gefährlichen Präzedenzfall für neue Nutzungsarten schaffen wollen; weder in Genf 1952 noch gar in Paris 1971.

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Wilhelm Nordemann:

Das Folgerecht, zur Zeit der Schaffung des WUA als urheberrechtliche Befugnis bereits anerkannt (durch Art. 14bis RBU BrF), muß also in der Bundesrepublik Deutschland jedem Angehörigen eines WUAStaates auch ohne Reziprozität zustehen. Art. II WUA ist insoweit nicht auslegungsfähig. Für eine ergänzende Auslegung im Sinne Ulmeis oder die Annahme einer falsa demonstratio fehlt auch eine sichere Basis. § 121 Abs. 5 UG kollidiert daher seinem Wortlaut nach mit Art. II WUA. In dem Formerfordemis der ministeriellen Bekanntmachung liegt zugleich eine Kollision mit Art. III WUA. A l l e vom nationalen Recht vorgesehenen Förmlichkeiten gelten durch den Copyright-Vermerk als erfüllt. Das schließt die Aufstellung neuer Formerfordernisse für Ausländer durch das nationale Recht aus. Rechtsfolgen der Kollision von RBU und WUA mit dem UG Die zwischen Frankreich und der Bundesrepublik geltenden Pariser Fassungen von RBU und WUA sind rund 8 Jahre nach der Verabschiedung des neuen UG ratifiziert worden. In solchen Fällen geht nach dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori das jüngere Konventionsrecht dem älteren nationalen Recht vor (BGHZ 11, 135, 138 = UFITA Bd. 18 [1954] S. 214, 218 — Schallplatten-Lautspredierübertragung). Die Anwendung dieses Grundsatzes ist in internationalrechtlichen Kollisionsfällen um so mehr geboten, als in aller Regel davon ausgegangen werden kann, daß der Staat, der einer Konvention beitritt, sich dabei konventionstreu verhält. Das etwa (noch) entgegenstehende nationale Recht ist in diesem Lichte zu sehen. Insoweit gilt das Prinzip der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Nationalredits (allgemeine Meinung, z. B. Baum in GRUR 1950, 437, 443 ff.; Hubmann, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., 1974, S. 80; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl., 1962, S. 81; Saengei, Das Verhältnis der Berner Übereinkunft zum innerstaatlichen Urheberrecht, Basel 1940, S. 36; Fedder, Das Verhältnis der RBU zum Landesrecht, Diss. Hamb. 1964, S. 17). Da die deutschen Ratifikationsgesetze zu den Pariser Fassungen von RBU und WUA keinen Vorbehalt zu § 121 Abs. 5 UG machen, ist diese Bestimmung zugunsten von Art. 14ter RBU und Art. II und III WUA verdrängt, soweit sich deren Anwendungsbereich erstreckt. Zusammenfassung Für Werke von Angehörigen eines RBÜ-Landes kann in der Bundesrepublik Deutschland stets dann ohne Rücksicht auf § 121 Abs. 5

Regelung des Art. 14ter RBU über das Folgerecht

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UG das Folgerecht beansprucht werden, wenn sie hier erstveröffentlicht sind. Im übrigen gilt im Verhältnis der Bundesrepublik zu den RBÜ-Verbandsländern, die noch der Rom-Fassung von 1928 angehören, § 121 Abs. 5 UG uneingeschränkt: Der Ausländer wäre erst nach entsprechender Bekanntmachung geschützt (Beispiel: CSSR). Dagegen gilt gegenüber den durch die Brüsseler oder Pariser Fassung gebundenen Staaten der Grundsatz der materiellen Reziprozität, ohne daß es auf Förmlichkeiten ankäme: Die etwa fehlende Bekanntmachung nach § 121 Abs. 5 UG kann, wenn Gegenseitigkeit besteht, solchen Ausländern nicht entgegengehalten werden. Die Staatsangehörigen aller 10 oben genannten Länder haben also seit dem 1. Januar 1966 in der Bundesrepublik Deutschland ohne weiteres Anspruch auf das Folgerecht. Angehörige von Nur-WUA-Staaten können seit dem 1. Januar 1966 das Folgerecht auch dann beanspruchen, wenn in ihrem Heimatland eine entsprechende Regelung völlig fehlt. Die ministerielle Bekanntmachung des § 121 Abs. 5 UG hat also Bedeutung nur für Angehörige — solcher RBU-Staaten, in denen noch die Romfassung gilt, — solcher Staaten, die weder einer Konvention angehören noch in bilateralen Staatsverträgen mit der Bundesrepublik Deutschland uneingeschränkte Inländerbehandlung vereinbart haben.

Résumé Pour les œuvres des ressortissants d'un pays de l'Union de Berne le droit de suite peut toujours être revendiqué dans la République fédérale d'Allemagne, sans égard au § 121, alinéa 5 de la loi sur le droit d'auteur (UG), lorsqu'elles y sont publiées pour la première Sois. Autrement, dans les rapports de la République fédérale avec les pays de l'Union de Berne qui sont encore liés par le texte de Rome de 1928, le § 121, alinéa 5 UG s'applique sans restriction: l'étranger ne sera protégé qu'après une déclaration correspondante (par exemple, Tchécoslovaquie). Au contraire, par rapport aux Etats liés par le texte de Bruxelles ou de Paris, le principe de la réciprocité matérielle s'applique sans que l'on s'attache à des formalités: par exemple, le manque de déclaration selon le § 121, alinéa 5 UG ne peut être opposé à de tels étrangers lorsque la réciprocité existe. Les ressortissants des 10 pays ci-dessus cités peuvent donc, depuis le 1er janvier 1966, revendiquer dans la République fédérale d'Allemagne le bénélice inconditionnel du droit de suite. Les ressortissants des Etats qui sont seulement signataires de la Con-

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Nordemann: Regelung des Art. 14ter RBU über das Folgerecht

vention universelle sur le droit d'auteur peuvent, depuis le 1er janvier 1966, revendiquer aussi le bénéfice du droit de suite en l'absence de toute réglementation correspondante dans leur pays d'origine. La déclaration ministérielle du § 121, alinéa 5 UG n'a donc d'importance que pour les nationaux — des Etats s'applique

membres de la Convention de Berne encore le texte révisé à Rome,

— des Etats qui ne sont parties à aucune convention non plus liés à la République fédérale d'Allemagne bilatéraux prévoyant l'application du traitement restriction.

dans

lesquels

et ne sont pas par des accords national sans Fr. U.

Summary In the Federal Republic of Germany, subjects of member states of the Berne Convention can, irrespective of para. 121 subpara. 5 German Copyright Act, claim the droit de suite, if their works were first published in Germany. Otherwise, in the relation between the Federal Republic and those member states of the Berne Convention, that still adhere to the Convention as revised at Rome in 1928, para. 121 subpara. 5 German Copyright Act applies without any qualifications. A foreigner would only be protected after an appropriate publication (e. g. subjects of Czechoslovakia). On the other side, the relations between states adhering to the Berne Convention as revised at Brussels or Paris are governed by the principle of reciprocity as to substantive law without any formalities being required. If publication according to para. 121 subpara. 5 German Copyright Act is missing this cannot serve as a defence against claimants who are subjects of the afore-mentioned states. Since January 1, 1966, the subjects of all the ten countries tioned above can clearly claim the droit de suite in the Federal of public of Germany. Also, since January 1, 1966, subjects that adhere only to the Universal Copyright Convention can the droit de suite, even if a relevant regulation is missing in domestic law. Thus, the ministerial announcement of para. 121 para. 5 German Copyright Act applies only to subjects

menRestates claim their sub-

— of such member states of the Berne Convention vention as revised at Rome is still in force.

Con-

where

the

— of such states, which neither adhere to a Convention nor have agreed upon unqualified national treatment in a bilateral treaty with the Federal Republic of Germany. v. W.

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Rechtsschutz der Computerprogramme Von Dr. iur. Ernst Karl Pakuscher, LL. M. Präsident des Bundespatentgerichts, München*) In seinem „Kommentierenden Lehrbuch" zum Urheberrecht, das im Jahr 1973 erschienen ist und allgemein große Anerkennung gefunden hat1), vertritt unser Jubilar Samson gegenüber einem rechtskräftigen Urteil des OLG Nürnberg2), das standesamtlichen Formularen einen urheberrechtlichen Schutz zugesprochen hatte, den Standpunkt, daß bei diesen Sprachwerken im Sinne des Urheberrechtsgesetzes8) „kein Urheberpersönlichkeitsrecht, z. B. keine Entstellung denkbar erscheint, was jedoch ein Merkmal der persönlichen geistigen Schöpfung ist"4). Diese Ausführungen und die kürzlich ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Patentfähigkeit der Computerprogramme geben Anlaß, die Frage zu untersuchen, ob diese Programme nach geltendem Recht hinreichend geschützt sind, insbesondere aber, ob ihnen ein urheberrechtlicher Schutz gewährt werden kann. 1. Bedeutung und Begriff der Computerprogramme Ein Computer war bisher eine relativ voluminöse und teure Einrichtung, die komplexe Aufgaben rationell lösen konnte. Die „Große Integration" bietet jetzt aus Kostengründen miniaturisierte Computersysteme — Mikrocomputer — an, die als Bausteine in das jeweilige Gerät direkt einsetzbar sind und ihm von der einfachen Ablaufsteigerung bis zur Regelung komplexer Prozesse erweiterte Einsatzmöglichkeiten bieten5). In wenigen Jahren wird die elektronische Datenverarbeitung zu den Schlüsselindustrien der Welt gehören. Unter diesen Umständen gewinnt der Schutz der Computerprogramme gegen mißbräuchliche Verwendung erhöhte Bedeutung. ") Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. ») Vgl. Verfasser in UFITA Bd. 70 (1974) S. 381. 2 ) GRUR 1972, 435 = UFITA Bd. 65 (1975) S. 299. ') Urheberrechtsgesetz vom 9. Sept. 1965 (BGBl. I 1273) nebst Änderungen, nachfolgend UG abgekürzt. ) 17 W (pat) 11/72. » ) So auch H u b m a n n , Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Aufl. 1974, § 8 II 2b), S. 75; allerdings wird der erwähnte Senat des BGH voraussichtlich Ende März 1977 weitere Entscheidungen auf diesem Gebiet erlassen. " ) Vertragsgesetz vom 21. Juni 1976 (BGBl. II 649 ff., 857/58).

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Ernst Karl Pakusdier:

darauf, daß es nicht angehe, „das menschliche Denken in seiner Gesamtheit dem Begriff der Technik" zuzuordnen 13 ). In den weiteren Entsdieidungsgründen heißt es sodann, „daß eine schöpferische Leistung in der Problemanalyse und Darstellung des Rechenprozesses liegt" 1 4 ). Unter diesen Umständen liegt es nahe, an einen urheberrechtlichen Schutz der Computerprogramme zu denken. Sind dessen Voraussetzungen erfüllt? Nach überwiegender Ansicht ist ein Urheberrechtsschutz der Computerprogramme grundsätzlich möglich 15 ). Die Grundlage dieses Schutzes bilden § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder 7 UG. Nach Samson1*) ist das Wichtigste bei der Erstellung eines Computerprogramms die Programmanalyse, durch die ein wissenschaftliches Sprachwerk entstehe. Unabhängig davon dürfte der Datenflußplan mit seiner graphischen Darstellung des Betriebs- und Informationsablaufs die Voraussetzungen der an zweiter Stelle vorstehend genannten Vorschrift des Urheberrechtsgesetzes erfüllen 17 ). Hierzu ist auf das Rechenschieberurteil des Bundesgerichtshofs vom 27. März 1963 18 ) hinzuweisen. In ihm wird ausdrücklich festgestellt, daß Schöpfungen zu praktischen Zwecken nicht von dem Sprachwerkschutz ausgeschlossen sind. Andererseits bezeichnet der Bundesgerichtshof den Rechenschieber als „mathematisches Arbeitsgerät" und die besondere Anordnung der Rechenskalen, insbesondere deren Reihenfolge, nicht als ausreichend, um das Gerät dem Schriftwerkschutz zugänglich zu machen. Es bleibt infolgedessen wegen des Fehlens dieser Begriffsvoraussetzung unerörtert, ob der Rechenschieber auf einer schöpferischen geistigen Leistung beruht. Diese letztgenannte Voraussetzung könnte auf den ersten Blick nach dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 1976 19 ) als gegeben angesehen werden. Obwohl § 2 Abs. 1 Nr. 7 UG zu den gesetzlich geschützten Werken ausdrücklich auch Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art zählt, greift der Schutz nach dieser » ) MDR 1977, 48. " ) aaO. 14 (Anm. 9). 15 ) U 1 nx e r , Heft 8 der Urheberrechtlichen Abhandlungen des Max-Planck-Instituts für ausl. u. intern. Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München 1968, S. 71 ff. und K ö h l e r in BB 1969, 1114 ff., 1116; v. G a m m in WRP 1969, 96 ff., 99; B r a u n in BB 1971, 1343 ff., 1346; W e i s s t h a n n e r , Urheberrechtliche Probleme Neuer Musik, Heft 14 der Urheberrechtlichen Abhandlungen des Max-Planck-Instituts, aaO. München 1974, S. 63; u. a. m. » ) aaO. S. 75 (vgl. Anm. 4). " ) v. G a m m , aaO. (Anm. 15) S. 97. 18 ) GRUR 1963, 633. 19 ) Siehe Anm. 9.

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Vorschrift nur ein, wenn sie eine individuelle geistige Leistung darstellen 20 ). Nordemann empfiehlt in diesem Zusammenhang aaO. einen strengen Maßstab. Seine Ansicht verdient Zustimmung. In dem an sich verständlichen Bestreben, nach Möglichkeit jeder geistigen Leistung den ihr gebührenden Schutz zu gewähren, darf das Urheberrecht nicht seiner grundlegenden Voraussetzungen beraubt werden. Sie bestehen in dem Schutz individueller geistiger Schöpfungen, die überwiegend auf den Gebieten der Kunst und Wissenschaft, nicht aber der kaufmännisch-organisatorischen Tätigkeit liegen. Auf dem Gebiet der Technik steht der Patentschutz den Erfindungen zu, die geeignet sind, den technischen Fortschritt zum Wohle der Allgemeinheit zu fördern. Das Gleiche gilt auf dem Gebiet des Urheberrechts mit dem Ziel, durch neue schöpferische Leistungen unsere Kultur zu bereichern. Davon kann bei Computerprogrammen kaum die Rede sein. Sie stellen vielmehr technische Hilfsmittel dar, um den Ablauf behördlicher oder kaufmännischer Organisationen zu erleichtern und menschliche Arbeitskräfte zu sparen. Soweit sie die äußerlichen Merkmale des Werkbegriffs im Sinne des § 2 UG erfüllen, steht nicht das Neue, Individuelle, sondern die gewiß anzuerkennende, aber von vorgegebenen Tatsachen und Begriffen abgeleitete Leistung im Vordergrund. Für sie ist, wie später auszuführen sein wird, allenfalls ein dem Urheberrecht angelehntes verwandtes Schutzrecht ein angemessener Normträger. Die Anlegung eines strengen Maßstabes bei der Gewährung des vollen Urheberrechtsschutzes erscheint auch im Hinblick auf die lange Schutzdauer des deutschen Urheberrechtsgesetzes — 70 Jahre post mortem auctoris: § 64 Abs. 1 — berechtigt. Unter diesen Umständen sollte ein Computerprogramm nur dann den Schutz des Urheberrechtsgesetzes erhalten, wenn die gestellte Aufgabe mehrere Lösungen zuläßt und die Auswahl des Programmes dem Programmierer einen weiten Spielraum läßt21). Selbst wenn aber ein Computerprogramm nach den vorstehenden Ausführungen den gesetzlichen Erfordernissen des Urheberrechtsschutzes genügen sollte, ist der allgemeine Grundsatz der Freiheit neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Wohle der Allgemeinheit zu beachten: Wissenschaft und Lehre müssen jedermann zugänglich sein. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse können von ihrer Verwertung nicht unter Berufung auf das Urheberrecht des Entdeckers 20 ) B e r n h a r d t , Lehrbuch des Patentrechts, 3. Aufl. 1973, § 6 1 1, S. 2 8 ; F r o m m / N o r d e m a n n , Urheberrecht, 3. Aufl. 1973, § 2 Rdn 16. 21 ) So auch M ö h r i n g in GRUR 1967, 269, 278; ö h l s c h l e g e l in GRUR 1965, 465; F r o m m / N o r d e m a n n , aaO. (Anm. 20).

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Ernst Karl Pakusdier:

oder Schöpfers ausgeschlossen werden, denn sie sind urheberrechtlich nicht schützbar22). Unter diesen Umständen wird ein urheberrechtlicher Schutz der Computerprogramme in vielen Fällen praktisch und rechtlich nicht in Betracht kommen. Diesem Ergebnis widerspricht nicht das Interesse der Programmierer an einem wirksamen Rechtsschutz ihrer Werke. Die Programmierer werden in der Regel in einem abhängigen Arbeits- oder Dienstvertrag stehen23). Für Erfindungen, die in einem derartigen Abhängigkeitsverhältnis gemacht werden, hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung zu Gunsten der angestellten Erfinder geschaffen 24 ). Sie ermöglicht einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Unternehmers (Arbeitgebers) an der Verwertung von Erfindungen, die von einem seiner Arbeitnehmer in den Räumen des Arbeitgebers mit dessen Hilfsmitteln gemacht worden sind, und den Interessen des Arbeitnehmers an einem gerechten Ausgleich seiner Leistungen, die nicht den Gegenstand seines Arbeits- oder Dienstvertrages bilden. Da der Arbeitslohn nur die tägliche im Arbeitsvertrag versprochene Leistung entgelten soll, bleibt Raum für eine besondere materielle und ideelle Anerkennung jeglicher erfinderischer Tätigkeit des Arbeitnehmers, der deswegen nach dem erwähnten Gesetz einen Anspruch auf angemessene Vergütung (ArbEG § 9) hat, während der Arbeitgeber das Recht erhält, die Erfindung für sich in Anspruch zu nehmen und zu verwerten (ArbEG § 6). Nach der obenerwähnten Rechtsprechung25) sind Computerprogramme keine Erfindungen im Sinne des Patentgesetzes. Eine Anwendung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen auf angestellte Programmierer entfällt daher. Für das Urheberrecht fehlt eine diesem Gesetz entsprechende Regelung. Statt dessen genießt ein Angestellter, der während seiner Dienstzeit eine Faschingsoper komponiert oder vielleicht sogar ein ernstes Werk im Sinne des § 2 UG schafft, den gleichen Rechtsschutz nach diesem Gesetz wie ein frei schaffender Autor. Sein Arbeitnehmer kann ihn an der Verwertung seines Werkes auch dann nicht hindern, wenn es während der Dienstzeit, vielleicht sogar mit Mitteln des Betriebes geschaffen worden ist; allenfalls stehen dem Arbeitgeber insoweit Schadensersatzansprüche zu. Für unser Thema ist damit die Problematik jedoch noch nicht erschöpfend behandelt. In seiner vor neun Jahren veröffentlichten Ab) *») 21 ) 2B) 22

U l m e r , aaO. S. 18; B r a u n , aaO. S. 1346 (beide in Anm. 15). K ö h l e r , aaO. (Anm. 6) S. 30/31. Gesetz über Arbeitnehmererfindungen vom 25. Juli 1957 (BGBl. I 756). Vgl. Anm. 9, 10 und 28.

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handlung „Der urheberrechtliche Schutz der Rechenprogramme11 hat Köhler, aaO.25*) lediglich den Rechtsschutz nach dem Ersten Teil des UG untersucht, den Zweiten Teil des Gesetzes, der sich mit den Verwandten Schutzrechten befaßt, dagegen unberücksichtigt gelassen. Dieser Teil des Gesetzes schützt in fünf Abschnitten bestimmte Ausgaben wissenschaftlicher und nachgelassener Werke (§§ 70, 71), Lichtbilder (§ 72), ausübende Künstler (§§ 73 bis 84), Hersteller von Tonträgem (§§ 85, 86) und Sendeunternehmen (§ 87). Vorschriften für den Schutz der Programmierer von Rechenprogrammen enthält das gegenwärtig maßgebliche Gesetz nicht. Infolgedessen brauchte sich auch Köhler in seiner auf das geltende Recht beschränkten Untersuchung nicht mit Fragen des Leistungsschutzes zu befassen. Diese Fragen drängen sich indessen auf, je größer die wirtschaftliche Bedeutung der Computerprogramme im täglichen Leben des 20. Jahrhunderts wird. Im Gegensatz zu dem Recht des Urhebers, das nach der Generalklausel des § 1 UG den gesetzlichen Schutz für alle denkbaren Werkarten gewährt26), werden nach dem Zweiten Teil des Gesetzes nur die ausdrücklich in ihm genannten Leistungen geschützt. Unter den gesetzlich aufgeführten Leistungen fehlen diejenigen der angestellten oder freischaffenden Programmierer. Demnach läßt sich ein Leistungsschutz nur in dem ausdrücklich vorgesehenen Umfang gewähren. Der Aufbau des UG gibt insoweit klar zu erkennen, daß in dem Gesetz nur in dem ausdrücklich vorgesehenen Umfang verwandte Schutzrechte begründet werden sollten. Für eine Erstreckung des Rechtsschutzes auf Computerprogramme im Sinne der weiten Gesetzesauslegung oder des Richterrechts fehlt deswegen jede Grundlage. c) S o n d e r s c h u t z r e c h t Die vorstehenden Ausführungen haben bewiesen, daß Computerprogramme nicht patentfähig sind27). Auch das Urheberrecht bietet in Gestalt des geltenden Urheberrechtsgesetzes keinen hinreichenden Rechtsschutz für diese geistigen Schöpfungen, die sich dogmatisch dem klassischen Urheberrecht nur mit großen Schwierigkeiten unterordnen lassen28). Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuwei25a

) Vgl. Anm. 6. ) F r o m m / N o r d e m a n n , aaO. (Anm. 20) vor § 70 Rdn 5. 27 ) K o 11 e in GRUR 1974, 7 ff., 19. 28 ) Vgl. hierzu neuerdings die noch nicht veröffentlichten Beschlüsse des 17. Senats des BPatG vom 21. Okt. 1976 — 17 W (pat) 49 und 82/74. M

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sen, daß die in § 64 Abs. 1 UG vorgesehene Schutzfrist von siebzig Jahren post mortem auctoris weit über die Schutznotwendigkeit eines Computerprogramms hinausgeht. Bei der rasdien Entwicklung unserer modernen Technik erscheint der dem Patentschutz von zukünftig zwanzig Jahren29) nahe kommende Schutz für Lichtbildwerke und für verwandte Schutzrechte im Sinne der §§ 68, 73 ff. UG von 25 Jahren nach dem Erscheinen eines Computerprogramms vollkommen ausreichend, wenn nicht sogar die Schutzfrist von zehn Jahren für wissenschaftliche Ausgaben im Sinne des § 70 Abs. 3 UG genügen sollte. Beier hat gegen einen Sonderrechtsschutz der Computerprogramme rechtliche Bedenken geäußert30). Er stützt sie im wesentlichen auf die Gefahren einer Zersplitterung des Schutzes der geistigen Schöpfungen. Die Anerkennung eines Sonderschutzrechts für Computerprogramme braucht indessen nicht zu einer Spaltung der ohnehin nicht einheitlichen Schutzrechte auf dem Gebiet der geistigen Schöpfungen zu führen, sofern es gelingt, diesen Sonderrechtsschutz in das geltende UG durch eine Novelle einzugliedern. Wie Kolle31) zu Recht betont, bedarf eine derartige Sonderregelung einer gründlichen Tatsachenforschung und vor allem einer internationalen Ubereinkunft, da die Verwertung der Computerprogramme nicht an den Grenzen des Heimatstaates seines Schöpfers endet32). Es empfiehlt sich somit eine international abgestimmte Regel, die den Programmierern ein Leistungsschutzrecht an Computerprogrammen für die Dauer von zehn Jahren seit erstem Erscheinen oder Gebrauch einräumt. d) S o n s t i g e r

Rechtsschutz

Sollte ein urheberrechtlicher Schutz der Computerprogramme über die Gewährung eines Leistungsschutzrechtes nicht möglich sein, bleiben die Schöpfer dieser Werke nicht schutzlos, denn ihnen steht aus den Normen über den Schutz des lauteren Wettbewerbs und schließlich nach allgemeinen Vorschriften des BGB ein erheblicher Schutz bereits jetzt zu. aa)

Weitbewerbsrecht

Ein wettbewerbswidriges Verhalten führt bekanntlich zu Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen gegen den Verletzer aus § 1 2 °) PatG § 10 idF des Vertragsgesetzes vom 21. Juni 1976, aaO. (Anm. 12) Art. IV Nr. 8. 30) GRUR 1972, 214, 218. 8i) aaO. (Anm. 27). '*) S c h w a i g e r und K o c k l e r , aaO. S. 367 (Anm. 6).

Rechtsschutz der Computerprogramme

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UWG. Bei der Anwendung dieser Norm wird in erster Reihe an die genaue Kopierung eines Computerprogramms (sklavischen Nachbau) zu denken sein. Dieses Vorgehen muß sich mit einem besonderen Vertrauensbruch verbinden33). Abgesehen von der in der Praxis schwer durchsetzbaren Strafsanktion des § 18 UWG (unbefugte Verwertung anvertrauter Vorlagen wie Zeichnungen, Modelle, Rezepte u. ä. m.), steht darüber hinaus §17 UWG bereit. Diese Vorschrift schützt gegen Verrat oder die Ausnutzung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen, zu denen in einem Unternehmen erstellte Computerprogramme zählen, was keiner näheren Begründung bedarf. Braun3*) untersucht in diesem Zusammenhang die interessante Frage, ob auch der Programmierer selbst Ansprüche aus dieser Vorschrift herleiten kann, was zu bejahen ist, wenn der Verletzer ohne eigene Zutaten das Computerprogramm benutzt und dafür nicht im Besitz einer Lizenz oder Erlaubnis ist. Der Schutz nach dem UWG kommt dem Patent- und Urheberrechtsschutz sehr nahe, da er auch gegenüber Dritten wirkt. bb)

Veitragsiedit

Femer ist zum Schutze der Interessen der Programmierer auf das Vertragsrecht hinzuweisen. Sie können sich durch Verträge mit den Unternehmern, soweit sie in abhängigen Diensten stehen, den Schutz ihrer Schöpfungen sichern, aber auch den Unternehmern selbst steht es frei, in den Verträgen mit ihren Abnehmern die notwendigen Sicherungen gegen einen Mißbrauch der vertriebenen Programme vorzusehen. Dieser Schutz hat den Vorteil, daß der Gläubiger im voraus vertraglich den Umfang seines Schutzes selbst festlegen und die Überlassung und Nutzung der Programme von einer entsprechenden Einigung abhängig machen kann. Demgegenüber ergeben sich Umfang und damit Schutz aus einem Patent und auch aus geistigen Schöpfungen im Sinne des UG erst im Verletzungsfall auf Grund der Auslegung der Gesetze durch die Verletzungsrichter. Unternehmer und Programmierer können durch eine entsprechende Gestaltung ihrer Verträge auch einen mittelbaren Schutz gegenüber Verletzungshandlungen Dritter erreichen und damit einen Nachteil wenigstens teilweise ausgleichen, der allgemein als Grund für die Notwendigkeit eines Patent- und/oder Urheberrechtsschutzes der Computerprogramme angeführt wird35). " ) B r a u n , aaO. (Anm. 15) S. 1345. **) B r a u n wie vorstehend Anm. 33). 35 ) S c h w a i g e r und K o c k l e r , aaO. (Anm. 6) S. 367.

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Ernst Karl Pakuscher:

cc) Ansprüche

aus unerlaubter

Handlung

Der Vollständigkeit halber ist schließlich auf die sich kraft Gesetzes ergebenden Schadenersatzansprüche im Sinne des BGB (§§ 823, 826, teilweise iVm § 1 UWG) bei unerlaubtem Gebrauch der Computerprogramme hinzuweisen. Nach diesen Vorschriften steht dem Berechtigten u. a. auch ein Anspruch auf Auskunftserteilung zu36), der gerade auf dem Gebiet des Handels mit Computerprogrammen große Bedeutung hat. In diesem Zusammenhang ist für die Programmierer der Schutz ihres Persönlichkeitsrechts wichtig, das als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB angesehen wird87). Ergebnis Die vorstehende Erörterung führt zu folgenden Ergebnissen: 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts sind Computerprogramme nicht patentfähig. Diese Rechtsprechung steht in Einklang mit dem europäischen Patentrecht und der Rechtsprechung anderer Länder. Die Schöpfer bzw. Rechtsträger der Computerprogramme können daher nach geltendem Patentrecht keinen Schutz dieser Werke erhalten. 2. a) Computerprogramme erfüllen grundsätzlich den Werkbegriff des § 2 UG, da auch Zeichen, die einen Gedankeninhalt verkörpern, Schriftwerke sind und auch Werkschöpfungen von geringer Individualität dem Urheberrechtsschutz unterliegen. b) Schwierigkeiten bereitet indessen die Frage, ob Computerprogramme besondere geistige Leistungen darstellen. Da das geltende Gesetz keinen hohen Maßstab anlegt, wird jedes Computerprogramm, das selbständig geschaffen worden ist und einen gewissen Umfang aufweist, schutzfähig sein. c) Von dem Schutz sind wissenschaftliche Werke ausgenommen, die Gemeingut bilden und beispielsweise in Bibliotheken der Öffentlichkeit zur Benutzung angeboten werden. 3. Angesichts der dogmatischen Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Computerprogramme zum klassischen Urheberrecht, insbesondere auch ihrer überwiegend abgeleiteten Entstehung und ihres Nutzens auf kaufmännisch-organisatorischem Gebiet, erscheint es 3t S7

) S c h w a i g e r und K o c k 1 e r , aaO. (Anm. 6) S. 371. ) P a 1 a n d t , BGB, 36. Aufl. 1977, § 823 Anm. 15.

Rechtsschutz der Computerprogramme

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sachgerechter, diese Werke einem international abgestimmten Sonderschutz zuzuführen. Hierfür bieten sich die in dem Zweiten Teil des UG beispielhaft aufgeführten Verwandten Schutzrechte an. 4. Computerprogramme genießen den Schutz nach den allgemeinen Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches, insbesondere des Vertragsrechts und des Rechts der unerlaubten Handlungen. Sie stehen schließlich unter dem Schutz des Wettbewerbsrechts.

Résumé La présente

étude conduit aux résultats

suivants:

1. Selon la jurisprudence de la Cour fédérale et du Tribunal fédéral des brevets, les programmes d'ordinateurs ne sont pas brevetables. Cette jurisprudence est en accord avec le droit européen des brevets et la jurisprudence d'autres pays. Les créateurs ou titulaires de droit sur des programmes d'ordinateurs ne peuvent donc, selon le droit des brevets en vigueur, obtenir aucune protection de ces œuvres. 2. a) Les programmes d'ordinateurs satisfont en principe à la notion d'oeuvre du § 2 de la loi sur le droit d'auteur car les signes qui matérialisent un donné intellectuel sont également des œuvres écrites et les créations ayant une minime individualité sont elles aussi soumises à la protection par le droit d'auteur. b) Par contre, la question de savoir si les programmes d'ordinateurs constituent des contributions intellectuelles particulières pose certaines difficultés. Etant donné que la loi en vigueur n'exige pas de niveau élevé, tout programme d'ordinateur qui a été créé de façon indépendante et présente une certaine ampleur est protégeable. c) De la protection sont exclues les œuvres tituent un bien commun et sont par exemple du public dans les bibliothèques.

scientifiques mises à la

qui consdisposition

3. Etant donné les difficultés dogmatiques rencontrées pour ranger les programmes d'ordinateurs dans le droit d'auteur classique, en particulier aussi leur création en majeure partie dérivée et leur utilisation dans le domaine commercial et de l'organisation, il paraît adéquat de soumettre ces œuvres à une protection particulière établie sur le plan international. Pour ce faire s'offrent les droits voisins énumérés de façon exemplaire dans la seconde partie de la loi sur le droit d'auteur.

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Pakuscher: Rechtsschutz der Computerprogramme

4. Les programmes d'ordinateurs jouissent de la protection selon les règles générales du Code civil, en particulier celles concernant les contrats et la responsabilité. Ils se trouvent enfin sous la protection du droit de la concurrence. Fr. U.

Summary 1. According to the „judge made" law of the Federal Supreme Court and the Federal Patent Court computer programms are not patentable. This case law conforms with the European patent law and the case law of other countries. Therefore the respective authors and owners of computer programms cannot be granted protection under the prevailing patent law. 2. a) Computer programms in principle fulfill the requirements of a work as defined in para. 2 Copyright Act, since even symbols which incorporate an idea, are literary works. Even works of limited individual character enjoy copyright protection. b) The question, wheter computer programms represent specific intellectual achievements, presents difficulties. Since the existing law does not apply a high standard, every computer programm that has been created independently and comprises a fixed length, can be protectable. c) Exempt from protection are scientific works which are public property and are e. g. offered for use of the public in libraries. 3. With regard to the conceptual difficulties in associating computer programms with classical copyright, and with particular regard to their predominantly deduced origin and their benefit in the commercial and organizing field, it seems more appropriate to provide special protection for these works through an international agreement. 4. Computer programms enjoy protection under the general provisions of the Civil Code, and by the law of contracts and torts in particular. Last but not least, they are protected by the law against unfair competition. v. W.

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Zur erforderlichen Änderung der §§ 53, 54 des Urheberrechtsgesetzes (sog. Fotokopierrecht) Von Franz Wilhelm Peter, Rechtsanwalt in Frankfurt/Main 1 ) I. Die Lage Die Entwicklung der verschiedenen modernen Vervielfältigungstechniken hat in den letzten Jahren zu einem explosionsartigen Ansteigen des Reprografierens in der Bundesrepublik und in allen anderen Industriestaaten geführt. Die technische Qualität der Geräte und damit der Kopien wird immer besser, die Handhabung der Geräte immer einfacher, die Zugangsmöglichkeiten zu solchen Geräten werden immer zahlreicher, und schließlich werden die Kopien im Gegensatz zu fast allen Verbrauchsgütern immer billiger. Zwar fehlen zuverlässige Zahlen über das Gesamtvolumen der hergestellten Reprografien und auch darüber, in welchem Umfang urheberrechtlich geschützte Werke oder Werkteile darin enthalten sind. Die folgenden, aus verschiedenen Veröffentlichungen entnommenen Zahlen vermitteln jedoch einen Eindruck über die Bedeutung des Problems: Nach Mitteilungen der Industrie rechnete man für 1976 mit der Herstellung von 12,7 Milliarden Papierkopien in der Bundesrepublik Deutschland 2 ). Dabei sind Vervielfältigungen im Kleinoffsetdruck, wie sie vor allem auch in Schulen hergestellt werden, nicht mitgerechnet. ü b e r den Umfang dieser Vervielfältigungen gibt es für die Bundesrepublik keine Anhaltspunkte, für die Niederlande ist jedoch in einer Untersuchung festgestellt worden, daß dort durch Klein*) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. — Aus der neueren Literatur seien folgende Abhandlungen zu der hier erörterten Problematik erwähnt: G ö t z e „Gefahren des schrankenlosen Fotokopierens" (Reprographie Reproduction), Frankfurt 1976; A r n t z „Reprographie und Urheberrecht", in UFITA Bd. 76 (1976) S. 75 ff.; d e r s . „Der Mißerfolg der Bemühungen um eine internationale, die Autoren schützende Empfehlung zur .reprographischen Kopie ", in UFITA Bd. 78 (1977) S. 31 bis 94; K a t z e n b e r g e r „Urheberrecht und Naturwissenschaften", in „Die Naturwissenschaften" 1975/555; K o l l e .Reprographie und Urheberrecht", in GRUR Int. 1975, 201; d e r s . „Urheberrecht und Dokumentation", in GRUR 1973, 629; d e r s . „Reprographische Vervielfältigung und Urheberrecht", in GRUR 1975, 468. Dabei ist es vor allem K a t z e n b e r g e r zu danken, in seinen Veröffentlichungen und Vorträgen das Spannungsverhältnis zwischen Kopierdiensten von Bibliotheken und Dokumentationszentren und der Erhaltung des Urheberrechtsschutzes herausgearbeitet zu haben. — Der Verfasser ist Justitiar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V. in Frankfurt/Main. 2

) »Blick durch die Wirtschaft" der FAZ vom 24. Sept. 1974.

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Franz Wilhelm Peter:

offset und durch Vervielfältigungen nach Matrizen mehr als doppelt so viel Kopien hergestellt wurden, als im Wege der Fotokopie oder Xerokopie 3 ). Würde man diese Zahlen auf unsere Verhältnisse übertragen, kämen zu den erwähnten 12,7 Milliarden Fotokopien weitere mehr als 25 Milliarden sonstige Vervielfältigungen hinzu. Einige weitere Zahlen zeigen die gleiche Entwicklung auf: 76 große Bibliotheken der Bundesrepublik (Staatsbibliotheken, Universitätsbibliotheken u. a.) produzierten schon 1974 allein 42 Millionen Papierkopien, wobei Kopien aus den dort stehenden Münzgeräten nicht einbezogen sind, desgleichen nicht Mikroaufnahmen und Vergrößerungen nach Mikroaufnahmen. Im Jahr vorher (1973) hatten 75 dieser Bibliotheken „nur" 30 Millionen Kopien hergestellt. In einem Jahr erfolgte also eine Steigerung der Reprografien um ca. 30% 4 ). Allein in der Technischen Informationsbibliothek (TIB) Hannover wurden 1975 ca. 4 Millionen Kopien angefertigt, und zusätzlich eine unbekannte Zahl mit 3 vom „Studentenblitz" im Lesesaalbereich aufgestellten Geräten 5 ). Zum Vervielfältigen in Schulen erschreckt die stolze Mitteilung der Gesamtschule Hannover Roderbruch über einen täglichen Kopienausstoß von 10 0006). Es wurde schon erwähnt, daß es bei uns auch keine Untersuchungen oder Unterlagen darüber gibt, inwieweit in diesen vielen Milliarden von Kopien urheberrechtlich relevantes Material enthalten ist. Auch hier vermögen jedoch die oben zitierten niederländischen Untersuchungen wertvolle Hinweise zu geben, weil man annehmen kann, daß die Verhältnisse dort ähnlich liegen wie in der Bundesrepublik. Die Untersuchungen haben ergeben, daß dort der Anteil der urheberrechtlich relevanten Kopien bei den Fotokopien 5,7% des Gesamtvolumens betrug, bei den sonstigen Vervielfältigungen (Offset und Matrizen) 2,37°/o3). Uberträgt man diese Zahlen auf die Bundesrepublik, so wären schon 1976 mehr als 700 Millionen urheberrechtlich relevante Fotokopien und Xerokopien und etwa die gleiche Zahl Vervielfältigungen im Kleinoffset und nach Matritzen hergestellt worden. Diese Zahlen zeigen, daß das Reprografieren jetzt einen Umfang angenommen hat, der bei Schaffung unseres geltenden Urheberrechtsgesetzes im Jahre 1965 noch nicht vorhergesehen wurde, vielleicht 3

) J e h o r a m in GRUR Int. 1975, 161 (Fußn. 4). ) Bibliotheksstatistiken des Vereins Deutscher Bibliothekare 1973 und 1974 (Teil D Kopierdienst). 5 ) Jahresbericht der TIB Hannover 1975. s ) Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 13. April 1976. 4

Erforderlidie Ä n d e r u n g der §§ 53, 54 des Urheberrechtsgesetzes

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auch nicht vorhergesehen werden konnte. Es muß also überlegt werden, ob unser geltendes Gesetz der technischen Entwicklung und der gegenwärtigen Praxis noch gerecht wird. Wenn nicht, muß nach Wegen für eine Änderung des Gesetzes gesucht werden, die, soweit wie möglich, den Interessen aller Beteiligten gerecht wird. II. Die Problematik Unser mit Recht als besonders fortschrittlich geltendes Urheberrechtsgesetz von 1965 (UG) mit der Novellierung aus dem Jahre 1972 hat zunächst einmal, wie die Urheberrechtsgesetze aller Länder, dem Urheber das ausschließliche Vervielfältigungsrecht für seine Werke zuerkannt, und dieses Recht dann in den § 45 ff. im Interesse des Gemeinwohls beschränkt, insbesondere durch die §§ 53, 54, die das Vervielfältigen zum persönlichen und sonstigem eigenen Gebrauch im bestimmten Umfang und unter bestimmten Voraussetzungen gestatten. Diese Grundsätze und diese Systematik darf man bei der Behandlung unseres Problems nicht aus den Augen verlieren. Daraus folgt nämlich, daß alle Ausnahmen eben wegen dieses Charakters eng auszulegen sind und daß im Zweifel den ausschließlichen Rechten des Urhebers der Vorzug einzuräumen ist7). Dies gilt auch für die künftige Gesetzgebung, nachdem lt. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts mit Recht alle Beschränkungen des Urheberrechts an der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zu messen sind8). Unser geltendes Gesetz von 1965 hat sich zweifellos bemüht, den in diesem Bereich bestehenden Konflikt zwischen dem ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers und dem Interesse der Allgemeinheit, insbes. auch von Wissenschaft und Forschung, an umfassender Information sachgerecht zu lösen. So hat es für Vervielfältigungen zu gewerblichen Zwecken eine Vergütungspflicht eingeführt, und es hat weiter klare Grenzen für das zulässige Reprografieren abzustecken versucht, aber heute, 11 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, muß man feststellen, daß das angestrebte Ziel eines vernünftigen Interessenausgleichs nicht erreicht worden ist. Das liegt zunächst einmal daran, daß die Bestimmungen zu kompliziert sind und von den Verbrauchern nicht verstanden werden, so insbesondere nicht der Unterschied zwischen persönlichem und son7 ) So die ständige Rechtsprechung u. a. BGHZ 28, 234 (243) = UFITA Bd. 27 (1959) S. 58 (64); BGHZ 50, 147 (152) = UFITA Bd. 52 (1969) S. 223 (226 f.) und weitere Hinweise bei Fromm/Nordemann „Urheberrecht" Vorbem. 3 vor § 45. 8 ) BVerfGE 31, 229 = UFITA Bd. 63 (1972) S. 279.

50

Franz Wilhelm Peter:

stigem eigenen Gebrauch. Viel entscheidender ist jedoch die oben dargelegte Entwicklung der Vervielfältigungstechniken, die zu dem erörterten Ansteigen der Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke auf jährlich vielleicht 1 Milliarde geführt hat. Vergegenwärtigt man sich in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß die Verwertungsgesellschaft Wissenschaft für die Vervielfältigungen zu gewerblichen Zwecken nach § 54 Abs. 2 jährlich weniger als 800 000,— DM einzieht, dann wird klar, daß eine Änderung der §§ 53, 54 unabweisbar ist. Das sieht auch die Bundesregierung, wenn sie erklärt hat, einen Entwurf zur Änderung der einschlägigen Vervielfältigungsbestimmungen erarbeiten zu wollen 8 ). Begründet wird das mit den durch die Verbreitung des Kopierens eingetretenen Nachteilen für Urheber und Verleger und mit der ernsthaften Bedrohung für bestimmte Literaturarten, insbesondere für wissenschaftliche und Fachzeitschriften. Mit Recht geht die Bundesregierung hinsichtlich der Folgen dieser Entwicklung von den geschilderten Nachteilen und Bedrohungen aus, denn ein Blick in Universitäten und Bibliotheken zeigt, daß dort, wie in anderen Bereichen, in erheblichem Umfang vervielfältigt wird, um die ungleich höheren Kosten der Anschaffung von Monografien und von Zeitschriften zu ersparen. Natürlich würde nicht ohne diese technischen Möglichkeiten jeder Kopierer das Buch oder die Zeitschrift kaufen, aber daß häufig das Kopieren den sonst notwendigen Kauf ersetzt, ist so offenkundig, daß es keiner konkreten Beweise dafür bedarf. Um so erstaunlicher ist es, daß die Verbände der Bibliothekare jede Schädigung von Urhebern und Verlegern zu bestreiten versuchen 10 ). Auch Statistiken über den Auflagenrückgang bei wissenschaftlichen Zeitschriften können keinen absolut schlüssigen Beweis über dessen Ursachen erbringen. Hier sei nur an die immer größer werdende Spezialisierung im Bereich der wissenschaftlichen Zeitschriften erinnert. Es ist verständlich, daß die Bibliothekare vor jeder Gesetzesänderung im Hinblick auf den von ihnen gewünschten „free flow of information" Sorge haben — darüber muß man sprechen, und, soweit irgend möglich, Abhilfe schaffen — aber sie sollten diese Sorgen nicht damit zu begründen versuchen, daß die neuen Vervielfältigungstechniken den Absatz gedruckter Werke nicht beein•) Schriftenreihe des Bundesministerium des Innern „Verbesserung der beruflichen und sozialen Lage der Künstler und Publizisten", Stuttgart 1976, S. 30/31 und Bulletin Nr. 68 der Bundesregierung vom 9. Juni 1976. 10 ) S i n o g o w i t z in Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 1977 S. 101; Schlitt/Sinogowitz/Vogt in „Bibliotheksdienst" 1977/39; Sinogow i t z in „Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie" XXIV/1977.

Erforderliche Änderung der §§ 53, 54 des Urheberrechtsgesetzes

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träditigten. Im übrigen kann es rechtlich nicht einmal darauf ankommen, ob Autoren und Verleger durch das Reprografieren Schaden erleiden. Selbst wenn das nicht der Fall wäre, hätten die Urheber Anspruch auf angemessene Vergütungen aus diesem „Sondermarkt" der Reprografien. Die neuen Techniken haben hier tatsächlich einen neuen Markt geschaffen, den man — natürlich hinken alle Vergleiche — etwa mit der Entwicklung des Taschenbuchmarkts vergleichen kann. Auch dort ging die Verbreitung der Taschenbücher in einem bestimmten Umfang zu Lasten der Originalausgaben, im übrigen wurden aber neue Käuferschichten erschlossen. Ähnlich muß man den durch die Reprografien entstandenen neuen Markt beurteilen, und dann gilt der auch ständig von der Rechtsprechung anerkannte Grundsatz des Urheberrechts, daß die Urheber an solchen erweiterten Nutzungen ihrer Werke angemessen zu beteiligen sind11). Soweit die Bibliothekare Behinderungen der Informationsvermittlung befürchten, etwa durch finanzielle Belastungen oder durch personelle Mehrarbeit, so sind diese Bedenken in der Tat außerordentlich ernst zu nehmen. Sie werden unten ausführlich behandelt. überraschend haben bei einer Veranstaltung der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Januar 1977 auch einige wissenschaftliche Autoren Bedenken gegen jede Änderung des bestehenden Gesetzes geäußert, weil sie Behinderungen ihrer Tätigkeit befürchten. Diese Furcht muß ihnen genommen werden, und sie müssen davon überzeugt werden, daß derzeit das wissenschaftliche Schrifttum noch die Basis für Forschung und Lehre darstellt und daß dessen Erhaltung darum auch gerade im wohlverstandenen Interesse der Autoren liegt. Besondere Akzente bekommt die vorgesehene Gesetzesänderung durch das 1975 veröffentlichte Programm der Bundesregierung zur Förderung der Information und Dokumentation (sog. IuD-Programm 12 ), das zumindest zunächst Tendenzen zur Vollspeicherung von wissenschaftlichen Aufsätzen enthielt. Inzwischen ist zwar erklärt worden, daß daran nicht gedacht werde, aber sicher bleibt Argwohn geboten, wenn sich unter Einsatz mehrerer hundert Millionen DM die geplanten Fachinformationszentren bilden. Schließlich sollte noch auf das im Auftrag der Bundesregierung erstattete 1 100 Seiten-Gutachten der „Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel" (zustän") So BGHZ 11, 135 (143) = UFITA Bd. 18 (1954) S. 214 (221 f.); BGHZ 13, 115 (118) = UFITA Bd. 18 (1954) S. 206 (288) und weitere Hinweise bei F r o m m / N o r d e m a n n , aaO. Vorbem. 4 vor § 45. 12 ) Programm der Bundesregierung zur Förderung der Information und Dokumentation 1974 bis 1977, herausgegeben vom Bundesminister für Forschung und Technologie, Bonn 1975.

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dig: Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Kosten: 13 Mio. DM) hingewiesen werden, das in seinem Kapitel V u. a. zu der lapidaren Feststellung kommt, das geltende Urheberrecht stehe „der einfachen Herstellung von Kopien gleich welcher Art im Wege", und: „Hier sind weniger behindernde Durdiführungsverfahren des Urheberschutzes erforderlich13)". Demgegenüber steuert die Bundesregierung wie oben dargelegt9), erfreulicherweise den entgegengesetzten Kurs an, indem sie Rechte der Urheber und Verleger verbessern und die derzeitige Bedrohung der wissenschaftlichen Fachzeitschriften beseitigen oder wenigstens mildern will. Allerdings hat die Bundesregierung gleichzeitig erklärt, sie beabsichtige nicht, die Rechte der Verbraucher in Bezug auf das Reprografieren einzuschränken, weil dadurch das Informationsbedürfnis der Allgemeinheit leiden könnte. Man muß prüfen, ob das überhaupt möglich ist, ob man also die Rechte der Urheber verbessern kann, ohne gleichzeitig gewisse Einschränkungen gegenüber dem geltenden Recht vorzunehmen. Völlig klar und unstreitig ist andererseits, daß jede gesetzliche Regelung, wie sie auch im einzelnen aussehen mag, den „free flow of information" nicht unbillig behindern darf. Zwischen den verschiedenen Interessen muß ein vernünftiger und für alle Belange vertretbarer Kompromiß gesucht und gefunden werden. III. Beschränkungen des Reprografieredits gegenüber dem geltenden Recht Man sollte an dem Grundsatz festhalten, daß jedermann berechtigt ist, kleine Teile von erschienenen Werken und einzelne Zeitungs- und Zeitschriftenaufsätze zum eigenen Gebrauch zu vervielfältigen, freilich, worauf noch einzugehen ist, gegen angemessene Vergütung. Die Unterscheidung zwischen persönlichem und sonstigem eigenen Gebrauch nach geltendem Recht sollte wegen erwiesener Unpraktikabilität entfallen. Nicht mehr zu vertreten ist das in § 53 Abs. 1 festgelegte Recht, einzelne Vervielfältigungsstücke ganzer Werke, also auch ganzer Bücher, zum persönlichen Gebrauch herzustellen. Da es heute ungleich billiger ist, etwa von einer wissenschaftlichen Monografie oder von einer Fachzeitschrift mit geringer Auflage eine durchaus brauch9

) Siehe S. 50. ) G r o s s m a n n in Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 1977, Heft 23, S. 72.

1S

Erforderliche Änderung der §§ 53, 54 des Urheberrechtsgesetzes

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bare Reprografie herzustellen, als das Original zu kaufen, droht hier eine totale Aushöhlung des dem Urheber zustehenden ausschließlichen Vervielfältigungsrechts. Bekanntlich stehen in den Universitäten Xerokopierautomaten, bei denen man für 0,10 DM eine DIN A 4 Seite vervielfältigen kann. Hat eine Monografie ein Format, das auf einer DIN A 4 Seite die Kopierung von 2 Buchseiten gestattet, so kostet die Vervielfältigung einer Monografie von 100 Seiten ganze 5,— DM, während das Originalexemplar vielleicht wegen der geringen Auflage 15,— DM oder mehr kostet. Es gibt auch keine durchschlagenden Gründe, die das Reprografieren ganzer auf dem Markt erhältlicher Bücher erforderlich machen. Soweit die Bücher vergriffen sind, muß die Vervielfältigung selbstverständlich zulässig sein, wie das auch schon bisher nach § 54 Abs. 1 Ziff. 4 b der Fall ist. Man sollte annehmen, daß hierüber ein allgemeiner Konsens möglich ist. Eine grundsätzliche Einschränkung des Vervielfältigungsrechts ist auch für Noten und sonstige grafische Aufzeichnungen von Musikwerken erforderlich, denn Noten sind durch die modernen Vervielfältigungstechniken besonders bedroht, was im Hinblick auf die außerordentlich hohen Herstellungskosten zu katastrophalen Folgen führen muß. Sänger, Chormitglieder und Orchestermitglieder können derzeit im Rahmen des persönlichen Gebrauchs ihre Stimmen nach entliehenen Originalnoten vervielfältigen und sich dadurch den Kauf von Noten ersparen. Das ist nicht zu vertreten. Eine weitere ungleich schwierigere Einschränkung der derzeitigen Befugnisse wird im Interesse der Urheber hinsichtlich der Bestellung von Fotokopien bei Bibliotheken und Dokumentationszentren und bei der unkörperlichen Übertragung erforderlich sein. Hierauf wird unten noch näher eingegangen. Im übrigen wird man es aber — abgesehen von geringen weiteren Modifikationen und Klarstellungen — bei der bisherigen Vervielfältigungsfreiheit der §§ 53, 54 belassen können. IV. Die Einführung einer allgemeinen Vergütungspflicht Die Entwicklung und der Gebrauch der modernen Vervielfältigungstechniken macht die Einführung einer allgemeinen Vergütungspflicht für alle zulässig hergestellten Vervielfältigungsexemplare erforderlich. Dafür hat sich auch, wie schon erwähnt, die Bundesregierung ausgeprochen9). Dagegen spricht zunächst einmal entgegen Sinogo») Siehe S. 50.

Franz Wilhelm Peter:

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witz10) nicht die Tatsache, daß damit auch das Reprografieren im privaten Bereich erfaßt würde, denn es gab und gibt keinen urheberrechtlichen Grundsatz des Inhalts, das Urheberrecht ende vor Eintritt in die Privatsphäre. Dem sind schon der Bundesgerichtshof 14 ), die amtliche Begründung zum Gesetz 1965 15 ) und im Ergebnis das Bundesverfassungsgericht 1 6 ) entgegen getreten. Die Einführung einer allgemeinen Vergütungspflicht ist nicht nur zulässig, sie ist angesicht der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG sogar geboten. Dies folgt aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in seiner grundlegenden Entscheidung vom 7. Juli 1971 zur Stellung des Urhebers im Rahmen der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG 8 ). Danach muß der Gesetzgeber die erforderlichen Grenzen zwischen den individuellen Berechtigungen und Befugnissen der Urheber gegenüber den Belangen der Allgemeinheit ziehen und hierfür gelten folgende Leitlinien: „Der Urheber hat nach dem Inhalt der Eigentumsgarantie grundsätzlich einen Anspruch darauf, daß ihm der wirtschaftliche Nutzen seiner Arbeit zugeordnet wird, soweit nicht Gründen des gemeinen Wohls der Vorrang vor den Belangen des Urhebers zukommt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es um das Ergebnis der geistigen und persönlichen Leistung des Urhebers geht, nicht aber etwa um einen unverdienten Vermögenszuwachs. Daher kann der Ausschluß eines Vergütungsanspruchs nicht durch j e d e Gemeinwohlerwägung gerechtfertigt werden; insbesondere reicht das Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten Zugang zu urheberrechtlich geschützten W e r k e n allein nicht aus. Im Hinblick auf die Intensität der Beschränkung der urheberrechtlichen Stellung muß ein gesteigertes öffentliches Interesse gegeben sein, damit eine solche Regelung vor der Verfassung Bestand h a t . . . " „Dem Interesse der Allgemeinheit, Zugang zu den Kulturgütern zu haben, ist mit dem Ausschluß des Verbotsrechts in dem erörterten Umfang Genüge getan; dieser Ausschluß konkretisiert die soziale Bindung des Urheberrechts für den hier maßgeblichen Bereich. Aus Art. 14 Abs. 2 GG kann dagegen nicht die Forderung hergeleitet werden, daß der Urheber in diesen Fällen seine geistige Leistung der Allgemeinheit unentgeltlich zur Verfügung stellen müßte." ) Siehe S. 49. ) Siehe S. 50. » ) BGHZ 17, 266 (280) = UFITA Bd. 20 (1955) S. 314 (324). lä) H a e r t e l / S c h i e f l e r „Urheberrechtsgesetz", Textausgabe mit sungen und Materialien, Köln 1967, S. 109 = UFITA Bd. 45 (1965) S. 245. >«) BVerfGE 31, 255 = UFITA Bd. 63 (1972) S. 292. 8

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Verwei-

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Eine ganz andere Frage ist die, auf welche Weise der Vergütungsansprudi in der Praxis zu realisieren ist. Hier muß in der Tat ein Weg gefunden werden, der auch die Interessen der Allgemeinheit, insbesondere diejenigen von Wissenschaft und Forschung, ausreichend wahrt. V. Die Realisierung des Vergfitungsansprudis Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Tonbandgeräteentscheidung16) die theoretischen Möglichkeiten aufgeführt, wie die Gebührenpflicht geregelt werden könnte. Diese Ausführungen sind auf entsprechende Gebühren bei den Vervielfältigungsgeräten ohne weiteres anwendbar: 1. Durch den Besitzer des Geräts Mit Recht stellt das Gericht hierzu fest, daß dann Kontrollmaßnahmen im persönlichen Bereich des Gerätebesitzers erforderlich wären. „Das wäre aber mit dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung unvereinbar" gewesen. Damit scheidet diese Möglichkeit aus. 2. Durch den Hersteller der Tonbänder, hier des Papiers Diese Lösung muß schon deshalb entfallen, weil bei den technisch hochqualifizierten Geräten jedes beliebige Papier zur Herstellung von Reprografien verwendet werden kann. Es müßte also die gesamte Papierindustrie zur Zahlung von Gebühren herangezogen werden, ein offensichtlich unmögliches Verfahren. 3. Durch den Hersteller oder Händler der Geräte Dies ist allein sachgerecht und praktikabel und darum hat der Gesetzgeber bei den Tonbandgeräten den Hersteller bzw. Importeur mit der Abgabe belastet, was vom Bundesverfassungsgericht für verfassungskonform erklärt worden ist. Ob man den Herstellern oder Verkäufern (Händlern) die Gebührenpflicht auferlegt, ist von der Sache her gleichgültig. Gründe der Praktikabilität sprechen jedoch für eine Abgabe des Herstellers bzw. Importeurs, weil deren Zahl ungleich geringer ist als die der Händler und weil sie deswegen einfacher zu kontrollieren sind. Natürlich müssen die für den Export bestimmten Geräte von der Gebühr befreit werden. Gegen eine solche Gerätegebühr sind auf den ersten Blick verständliche Bedenken geäußert worden, weil unzweifelhaft nicht jedes der>«) Siehe S. 54.

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Franz Wilhelm Peter:

artige Gerät zum Reprografieren urheberrechtlich geschützten Materials verwendet wird. Derselbe Einwand war von der Tonbandgeräteindustrie vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben worden. Dieses hat sich eingehend mit den Bedenken auseinandergesetzt, sie jedoch mit folgender Begründung verworfen: „§ 53 URG hat die Aufgabe, das Interesse des Bürgers, urheberrechtlich geschützte Werke zum persönlichen Gebrauch vervielfältigen zu können, mit den Interessen der Urheber in Einklang zu bringen. Dieser Interessenkonflikt entsteht nur dadurch, daß Vervielfältigungsgeräte hergestellt werden, die eine private überspielung erlauben. Wer solche Geräte produziert und in den Verkehr bringt, setzt den Erwerber eines solchen Gerätes in die Lage, Werkstücke selbst herzustellen, für die er normalerweise eine Vergütung zu zahlen hätte, wenn er sie käuflich erwerben müßte. Der Hersteller der Geräte ermöglicht somit einen Eingriff in den Verwertungsbereich des Urhebers und zieht aus dem Umstand, daß er solche Geräte auf den Markt bringt, wirtschaftlichen Gewinn. Es entspricht der Sachlogik, wenn der Gesetzgeber in dieser Situation die Gerätehersteller in den Ausgleich dieses mehrseitigen Interessenkonflikts einbezogen hat, um die Durchsetzung des als berechtigt anerkannten Vergütungsanspruchs des Urhebers in praktikabler Form sicherzustellen. Nur weil die Gerätehersteller an diesem in der Privatrechtsebene sich abspielenden Interessenkonflikt beteiligt sind, wird ihnen die Vergütungspflicht überbürdet . . . " Die Beschwerdeführerin hält die Uberbürdung der Vergütungspflicht auf die Hersteller der Tonbandgeräte zunächst deshalb für willkürlich, weil Tonbandgeräte in weit größerem Umfang urheberrechtsneutral verwendet würden, als der Gesetzgeber angenommen habe. Dem kann nicht gefolgt werden: Wie das Verhältnis von urheberrechtlich-neutraler Verwendung zur urheberrechtlich-relevanten Verwendung von Tonbandgeräten tatsächlich ist, läßt sich wahrscheinlich nicht zuverlässig aufklären. Sicherlich kann die Auffassung, bei der urheberrechtsneutralen Nutzung der Tonbandgeräte handele es sich nur „um wenige Ausnahmen", die in Kauf genommen werden könnten, im Hinblick auf die hohe Zahl der Geräte und die Lebenserfahrung Zweifeln begegnen. Es besteht aber keine Notwendigkeit, zu diesem Vortrag der Beschwerdeführerin weitere Feststellungen zu treffen. Selbst wenn die nach § 53 Abs. 5 URG vergütungspflichtigen Geräte in größerem Umfang als vom Gesetzgeber unterstellt, urheberrechtsneutral verwendet würden, könnte

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die unmittelbare Anknüpfung der Vergütungspflicht an die Herstellung der Geräte im Hinblick auf die Ausgestaltung der Norm nicht als willkürlich bezeichnet werden. Bei der Würdigung ihres Vortrages ist zunächst zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeführerin nach der gesetzlichen Regelung zwar unmittelbar zur Zahlung verpflichtet ist, die Urhebervergütung aber auf die Erwerber der Tonbandgeräte abwälzt, wie ihr .Datenbuch.' ergibt. Die Beschwerdeführerin hält sich damit an ein in der Praxis regelmäßig geübtes und vom Gesetz zugelassenes Verfahren. § 53 Abs. 5 URG fügt sich damit ein in das auch sonst im Urheberrecht verwirklichte ,Stufensystem zur mittelbaren Erfassung des Endverbrauchers', nach dem die Urhebervergütung für einen privaten Werkgenuß grundsätzlich durch einen unmittelbaren Anspruch gegen den Werkvermittler gewährleistet wird, dieser aber seinerseits die gezahlte Vergütung auf die Verbraucher umlegen kann. Als ein solcher Werkvermittler erscheint in einem gewissen Sinn auch der Produzent von Geräten, die zur Herstellung privater Werkvervielfältigungen geeignet sind. Bei dieser gesetzlichen Möglichkeit ist die im Ergebnis verbleibende Belastung der Hersteller, nämlich die Urhebervergütung einzuziehen und abzuführen, geringfügig." Nun wird man zwar zugeben müssen, daß die urheberrechtsneutrale Verwendung von Reprografiegeräten häufiger ist als bei den Tonbandgeräten. Diese unterschiedliche Verwendung im Bezug auf urheberrechtlich relevante Werke vermag aber m. E. an der Verfassungsmäßigkeit einer Geräteabgabe auch für Reprografiegeräte nichts zu ändern, weil, wie das Bundesverfassungsgericht überzeugend festgestellt hat, allein die Möglichkeit eines Eingriffs in den Verwertungsbereich des Urhebers ausreicht und weil der Hersteller aus dem Umstand, daß er solche Geräte auf den Markt bringt, wirtschaftlichen Gewinn zieht. Man braucht sich nur einmal die Werbung der Gerätehersteller anzusehen, um festzustellen, daß gerade die Kopierfähigkeit von Büchern und Zeitschriften besonders unterstrichen wird. Dies würde sicherlich nicht geschehen, wenn das Reprografieren in diesem Bereich uninteressant wäre. Andererseits gibt es einen Gesichtspunkt, der die Abgabe für Reprografiegeräte gerade auch gegenüber den Tonbandgeräten besonders rechtfertigt: Während nämlich das Uberspielen von Musik von Schallplatten und Radio auf Tonbänder in aller Regel dem rein privaten Genuß der Verbraucher dient, betrifft die Herstellung von Fotokopien einen Bereich, der in aller Regel die gewerbliche oder

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wenigstens berufliche Sphäre betrifft. Kaum jemand wird belletristisches Schrifttum außerhalb von Schulen vervielfältigen. Dagegen wird fotokopiert zu Erwerbszwecken, zu beruflichen Zwecken und zu Zwecken der Aus- und Fortbildung, also in einem Bereich, der über das rein private und persönliche hinausgeht. Die Geräteabgabe ist nach dem Gesagten zwingend für den privaten Bereich, weil dort alle Kontrollmöglichkeiten für die Rechtsinhaber in Bezug auf die Anfertigung von urheberrechtlich relevanten Kopien fehlen. Anders ist es bei den in der Öffentlichkeit aufgestellten Geräten und gerade dort — in Bibliotheken und Universitäten — wird vorwiegend urheberrechtlich geschütztes Material vervielfältigt. In diesen Bereichen wäre die Geräteabgabe entbehrlich, es könnten und müßten zwischen den zuständigen Verwertungsgesellschaften und den Aufstellern der Geräte Gesamtverträge mit angemessenen, einfachen und praktikablen Vergütungsregelungen abgeschlossen werden. Da aber eine Geräteabgabe nur für bestimmte Verbrauchergruppen nicht durchführbar ist — die Gerätehersteller kennen in vielen Fällen die Endabnehmer nicht — muß sie allgemein gelten und in bestimmten Bereichen der sog. Großkopierer durch Gesamtverträge ergänzt werden, wobei die Geräteabgabe auf die nach den Gesamtverträgen zu zahlenden Vergütungen anzurechnen ist. Im folgenden soll bei den einzelnen, in Betracht kommenden Kopierergruppen untersucht werden, wie sich die Vergütungen auswirken würden und ob dadurch tatsächlich der „free flow of Information" in nicht zu vertretender Weise beschränkt würde. 1. Im privaten Bereidi und bei den freien Berufen Hier kommt aus den oben dargelegten verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nur die Geräteabgabe in Betracht. Wenn diese von der Höhe her nicht prohibitiv ist — und das darf sie natürlich nicht sein — hält sich die Belastung der Privatpersonen in vertretbaren Grenzen, selbst für diejenigen Käufer solcher Geräte, die nur relativ selten urheberrechtlich relevantes Material reprografieren. DeT durchschnittliche Herstellerpreis — nicht zu verwechseln mit dem Händler-Abgabepreis — dürfte unter 1 000 DM liegen. Die Abgabe des Herstellers oder Importeurs betrüge bei einer 5°/oigen Abgabe im Schnitt weniger als 50,— DM, die voraussichtlich auf den Hersteller-Abgabepreis aufgeschlagen würden. Selbst wenn man nun berücksichtigt, daß die Belastung für den einzelnen Käufer wegen der ebenfalls steigenden Händlerspanne höher wird, liegt der Aufschlag immer noch in

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einem vertretbaren Rahmen. Audi bei der Tonband-Gerätegebühr hat es keinen Absatzrückgang gegeben. Die Industrie hat also keinen Nachteil gehabt, der Handel hatte wegen seiner höheren Spannen nur Vorteile, und für die Verbraucher spielte der höhere Preis offensichtlich auch keine entscheidende Rolle. Man sollte bei den freien Berufen großzügig sein und diese nicht mit zusätzlichen Abgaben, außer der Gerätegebühr, belasten. Wegen der Unterschiedlichkeit der Verhältnisse in Bezug auf die urheberrechtlich geschützten Vervielfältigungen würden gerechtere Lösungen wahrscheinlich einen nicht lohnenden Verwaltungsaufwand verursachen. Es ist danach festzustellen, daß die Einführung einer generellen Vergütungspflicht, hier durch die Geräteabgabe, das Informationsbedürfnis der Privatleute und der freien Berufe nicht beeinträchtigen wird. 2. Bei der gewerblidien Wirtschaft und bei Behörden In diesen Bereichen werden ganz sicher in erheblichem Umfang geschützte Vorlagen fotokopiert, und zwar auch in nicht unerheblichen Auflagen. Untersuchungen darüber bei der gewerblichen Wirtschaft fehlen völlig, für den Behördenbereich hat die Bundesregierung 1973 Erhebungen angestellt, um Grundlagen für den Abschluß von Verträgen mit den Verwertungsgesellschaften Wort und Wissenschaft zu bekommen. Die daraus bekannt gewordenen, allerdings nicht veröffentlichten Zahlen beziehen sich jedoch nur auf mehr als 7 Kopien von einer Vorlage, weil man einvernehmlich davon ausging, daß im Rahmen des § 54 7 Kopien von einzelnen Zeitschriftenaufsätzen vergütungsfrei hergestellt werden dürfen. Da Behörden nicht zu gewerblichen Zwecken im Sinne des § 54 Abs. 2 vervielfältigen, interessierten in diesem Zusammenhang nur die hergestellten Kopien über 7 hinaus. Wegen dieser begrenzten Feststellungen geben diese Erhebungen keinen Aufschluß über die tatsächlichen Reprografiergewohnheiten der Behörden, denn man muß annehmen, daß auch dort in der Regel weniger als 8 Kopien von einem urheberrechtlich geschützten Werk oder Werkteil produziert werden. Man wird solche Untersuchungen bei Behörden und möglichst auch bei der gewerblichen Wirtschaft machen müssen, weil sich nur dann feststellen läßt, ob man auch in diesen Bereichen allein mit einer bescheidenen Geräteabgabe auskommt. Ich halte das nicht für ausgeschlossen, wenn man sich etwa folgendes vor Augen führt: Ein mittleres Industrieunternehmen verfügt möglicherweise über 5 Reprografiegeräte. Da-

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von werden 4 auf Grund ihres Standorts nur hin und wieder zum Vervielfältigen urheberrechtlich relevanten Materials verwendet, mit dem in oder vor der Bibliothek stehenden Apparat werden jedoch überwiegend urheberrechtlich geschützte Vorlagen reprografiert. Würde man jetzt die verschiedenen Geräte je nach ihrer Verwendung für urheberrechtsrelevantes Material verschieden belasten, käme man möglicherweise unter dem Strich zu dem gleichen Ergebnis, wie wenn für alle 5 Geräte die gleiche pauschale Abgabe gezahlt würde. Bei den Behörden dürfte die Situation ähnlich sein. Letztlich läßt sich die Frage aber erst nach Durchführung von Untersuchungen klären, die die Verwertungsgesellschaften inzwischen begonnen haben. Jede einfache und globale Lösung verdient den Vorzug, selbst wenn es auf Kosten einer absoluten Gerechtigkeit geht. Zu berücksichtigen ist, daß in den Bereichen der gewerblichen Wirtschaft und der Behörden in erheblichem Umfang Miet- oder Leasinggeräte verwendet werden. Hier müßte die Abgabe natürlich an die an die Geräteaufsteller zu zahlenden Vergütungen gekoppelt werden. Unverzichtbar für die Urheber bleibt es, daß die Zahl der Vervielfältiguiigsstücke beschränkt bleibt. Würde man insoweit die Beschränkungen des geltenden Rechts aufheben (Gestattung e i n z e l n e r Vervielfältigungsstücke), wäre das wahrscheinlich noch unbefriedigender als die derzeitige gesetzliche Regelung. Auch das Verbreitungsverbot, das selbstverständlich bestehen bleiben muß, bildet hier kein ausreichendes Regulativ, weil z. B. ein Bundesministerium bei Wegfall der Beschränkungen Tausende von Vervielfältigungen für seinen gesamten Bereich herstellen könnte. Das wäre eine unerträgliche Aushöhlung des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts der Urheber, überlegenswert ist, ob man die Zahl der zulässigen Kopien im Gesetz verankert, da es kaum zumutbar ist, wie beim Fotokopieren in Schulen, jahrelang warten zu müssen, bis der Bundesgerichtshof den Schulbehörden sagt, was jedes Kind schon sprachlich richtig erfaßt, daß der Begriff „einzelne" Vervielfältigungsstücke eben nicht 30 Exemplare und mehr umfassen kann. Auch für den Bereich der Behörden und der gewerblichen Wirtschaft kann damit festgestellt werden, daß der erforderliche „free flow of information" durch die Einführung der Vergütungspflicht nicht leiden würde, da die gewerbliche Wirtschaft die geringen zusätzlichen Abgaben verkraften könnte. Für den Behördenbereich kämen natürlich gewisse Belastungen der öffentlichen Hand hinzu. Trotz aller Finanznöte müssen diese aber getragen werden, um den oben dargelegten Verfassungsgeboten gerecht zu werden.

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3. Bei den Schulen Wie Schulbehörden mit Urhebern umzuspringen pflegen, hat derjenige, der es nicht schon vorher wußte, aus dem Bremer Fotokopierprozeß gelernt, der zur Zeit beim Bundesgerichtshof schwebt17). Dabei sind sich die dort klagenden Verwertungsgesellschaften genau so wie die Urheber und Verleger darüber klar, daß ein moderner Unterricht ohne Fotokopien kaum noch möglich ist und daß die Schulen darum das Recht haben sollten, Vervielfältigungen bei entsprechendem Bedarf bis zur Klassenstärke herzustellen. Natürlich müssen dafür angemessene Vergütungen gezahlt werden. Schon vor Jahren saßen Verwertungsgesellschaften und Schulbuchverleger mit einem besonders gebildeten Ausschuß der ständigen Konferenz der Kultusminister an einem Tisch, um über praktikable Lösungen zu sprechen und entsprechende Gestattungsverträge abzuschließen. Die Verhandlungen scheiterten, als Juristen aus verschiedenen Kultusministerien zur Überraschung ihrer Gesprächspartner erklärten, es sei rechtlich überhaupt kein Raum für Vergütungsregelungen, da in den Schulen Vervielfältigungen nur in Klassenstärke angefertigt würden und das vergütungsfrei zulässig sei. Auch nachdem das Landgericht und das Oberlandesgericht Bremen die Haltlosigkeit dieser Argumentation bestätigt hatten, ist man bisher trotz weiterer Aufforderungen nicht bereit, sich wenigstens jetzt mit den Verwertungsgesellschaften wieder an den Tisch zu setzen. Statt dessen legte man, offenbar um weiter Zeit zu gewinnen, Revision zum Bundesgerichtshof ein, obwohl kaum ein ernsthafter Zweifel daran bestehen kann, daß der Bundesgerichtshof das Urteil der Vorinstanzen bestätigen wird. Samson weist mit Recht darauf hin, daß schon die Annahme von 7 vergütungsfrei herzustellenden Kopien kaum vertreten werden kann 18 ). Spätestens nach der BGH-Entscheidung oder nach einer Änderung des Gesetzes im Sinne dieser Vorschläge werden die Schulbehörden mit den Verwertungsgesellschaften über vernünftige und praktikable Regelungen sprechen müssen. In diesem Bereich tritt zweifellos eine nicht unerhebliche Belastung der öffentlichen Hand durch die Einführung einer generellen Vergütungspflicht ein, die jedoch im Rahmen der Aufwendungen für die Lernmittelfreiheit letztlich doch nicht entscheidend ins Gewicht fällt. Man wird aber davon ausgehen können, daß die Verwertungsgesellschaften hier den Bogen nicht überspannen. Sollte es nicht zu einer Einigung kommen, wird die Schieds" ) R o e b e r in FILM UND RECHT Nr. 9/1976 S. 649 und GRUR 1976, 202. 18 ) S a m s o n in FILM UND RECHT Nr. 9/1976 S. 611.

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stelle nach dem Wahrnehmungsgesetz angemessene Vergütungen festzusetzen haben. Von unserem Ausgangspunkt kann auch hier festgestellt werden, daß das Informationsbedürfnis keineswegs eingeschränkt werden soll. Urheber und Verleger sind im Gegenteil bereit, durch Gesamtverträge der Verwertungsgesellschaften den Schulen einen größeren Spielraum zu gewähren, als ihn das geltende Recht festlegt. 4. Bei den Bibliotheken Hier liegen die weitaus größten Schwierigkeiten, und darum betrachten die Bibliothekare auch verständlicherweise alle Vorschläge zur Änderung des Gesetzes mit besonderer Skepsis. Sie fürchten, daß sie dadurch finanziell oder arbeitsmäßig unzumutbar belastet werden könnten und daß die für Wissenschaft und Forschung notwendige Informationsfreiheit in einer nicht vertretbaren Weise eingeschränkt werden könnte. Vorab ist dazu festzustellen, daß niemand daran denkt, etwa den Bibliotheken die Erfassung aller einzelnen Kopiervorgänge aufzubürden. Es muß ein praktikables Verfahren gefunden werden, das die Belastungen in engen Grenzen hält. Entsprechend der derzeitigen Praxis sind verschiedene Fälle zu unterscheiden: a) Soweit Bibliothekenbenutzer selbst ihre Vorlagen vervielfältigen oder von Mitarbeitern der Bibliotheken nach einem dort vorliegenden Original vervielfältigen lassen, ist das nach geltendem Recht gestattet, da in aller Regel persönlicher oder wissenschaftlicher Gebrauch vorliegen wird und da normalerweise immer nur „einzelne Vervielfältigungsstücke" hergestellt werden. Diese Art der Reprografien muß auch künftig zulässig sein. Das Bedürfnis dafür liegt auf der Hand. Freilich müßten diese Reprografien, wie alle anderen Vervielfältigungen, vergütungspflichtig werden. Die Höhe der Vergütung sowie die Art ihrer Einziehung müßte in Gesamtverträgen zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Bibliotheksträgern geregelt werden. Soweit die Bibliotheken schon bisher Unkostenvergütungen von den einzelnen Benutzern eingenommen haben, könnten sie künftig für die Urhebervergütungen einen Aufschlag pro fotokopierter Seite berechnen und an die Verwertungsgesellschaft abführen. Soweit einzelne Bibliotheken bisher solche Kopien kostenlos abgegeben haben, wäre es deren Sache, zu entscheiden, ob sie daran festhalten wollen. Wenn ja, ginge die Vergütung zu ihren Lasten. Es muß an dieser Stelle auch gesagt werden, daß eine moralische oder politische Recht-

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fertigung für einen Null-Tarif in diesem Sektor nicht gegeben ist. Warum sollen die Benutzer nicht für Fotokopien von Aufsätzen eine angemessene Vergütung an die Urheber zahlen, nachdem die Urheber sogar für das Ausleihen eine angemessene Vergütung erhalten? Sie ersparen dann immer noch gegenüber dem Kauf der Monografien oder Zeitschriften erhebliche Beträge. Soll die öffentliche Hand nicht unzumutbar belastet werden und soll vor allem vermieden werden, daß die hier fälligen Gebühren zu Lasten des Bibliotheketats gehen, wird man um eine Abwälzung auf die Benutzer nicht herumkommen, so unpopulär das auch sein mag. b) Anders könnte die Rechtslage sein, wenn ein Benutzer einen Zeitschriftenaufsatz entleihen will, die Bibliothek ihm aber statt dessen eine Kopie zur Verfügung stellt, weil sie den betreffenden Zeitschriftenband präsent behalten möchte. Hier ist schon zweifelhaft, ob dieses viel praktizierte Verfahren nach geltendem Recht zulässig ist. Die Vervielfältigung erfolgt nämlich nicht zum eigenen Gebrauch der Bibliothek, und der Benutzer will zunächst keine Kopie, sondern das Original entleihen. Trotzdem muß auch diese Form des Reprografierens zulässig sein, weil die Motive der Bibliotheken, anstelle des Originals eine Kopie zu liefern, vernünftig sind. Für die Gebührenpflicht gilt das zu a) Gesagte. c) Problematisch sind die Fälle, bei denen ein Interessent bei einer Bibliothek oder Dokumentationsstelle schriftlich die Kopie eines bestimmten Zeitschriftenaufsatzes bestellt. Dem ist der Fall gleichzusetzen, daß die Bibliothek des Benutzers das entsprechende Werk nicht vorrätig hat und darum bei einer anderen Bibliothek bestellt. Nach geltendem Recht ist dieses Verfahren grundsätzlich zulässig. Bedenklich wäre jedoch die in den letzten Jahren eingeführte Praxis, daß Spezialbibliotheken oder Dokumentationszentren systematisch einen Kopierdienst für bestimmte Fachbereiche aufbauen und sich öffentlich erbieten, jedem Interessenten auf Anforderung Kopien zuzuschicken. Die §§ 53 und 54 enthalten nämlich ein Verbreitungsverbot der zulässigerweise hergestellten Kopien, und § 17 Abs. 1 definiert den Begriff des Verbreitens dahingehend, daß auch das Anbieten von Vervielfältigungsstücken gegenüber der Öffentlichkeit eine Verbreitungshandlung ist. Soweit also Bibliotheken oder andere Dienste Kopien der Öffentlichkeit anbieten, liegt schon eine Verletzung des geltenden Gesetzes vor. Diese Vorgänge erhalten durch neuere Entwicklungen im Bibliotheksbereich ganz neue Dimensionen, die zu der wohl größten Bedrohung des Urheberrechts auf diesem Sektor führen: Infolge der

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unzureichenden Bibliotheketats und der steigenden Preise für die immer umfangreicher werdende Primärliteratur sind nicht mehr alle Bibliotheken in der Lage, diejenigen Zeitschriften zu abonnieren und vorrätig zu halten, an denen ihre Benutzer interessiert sind. Das führt dazu, daß bestimmte Zeitschriften nur noch in einer oder in wenigen Spezialbibliotheken gehalten werden. Wünscht jetzt ein Bibliotheksbenutzer in Hamburg einen bestimmten Zeitschriftenaufsatz, der dort nicht vorhanden ist, wohl aber bei einer Spezialbibliothek in München, so bestellt die Hamburger Bibliothek bei der Münchener Spezialbibliothek den entsprechenden Aufsatz und händigt ihn dem Interssenten aus, häufig sogar ohne jede Vergütung, denn die Bibliothekare betrachten das Besorgen der bei ihnen nicht vorrätigen Literatur als nobile officium. Es gehört nicht viel Phantasie zu der Vorstellung, wo solche Entwicklungen enden können, ja enden müssen. Da die öffentliche Hand angesichts ihrer Finanzmisere bekanntlich immer glaubt, zunächst im Kulturbereich sparen zu können, muß sich diese Praxis immer mehr verbreiten. Die zwangsläufige Folge ist, daß die Zeitschriftenauflagen weiter zurückgehen, die Abonnementpreise weiter steigen, bis am Ende bestimmte wissenschaftliche Zeitschriften nur noch von einer einzigen oder ganz wenigen Spezialbibliotheken gehalten werden. Kein Zweifel, daß das das Ende unserer derzeitigen Primärliteratur in diesen Bereichen wäre. Von da ab bis zu Manuskriptbanken ist es nur noch ein kleiner Schritt. Zwar wird das von manchen angeblich Fortschrittlichen für durchaus wünschenswert gehalten, die dabei die gegenwärtige unverzichtbare Funktion der Zeitschriftenherausgeber und Verleger bei der Selektion und Anregung von Beiträgen nicht erkennen wollen. Derzeit ist jedenfalls die wissenschaftliche Monographie und die wissenschaftliche Zeitschrift noch die Grundlage für die Informationsvermittlung. Selbstverständlich muß andererseits jedem Wissenschaftler die Möglichkeit eingeräumt werden, die für seine Arbeit notwendigen Beiträge, die nicht in seiner Bibliothek vorhanden sind, schnellstens zu erhalten. Trotzdem — wegen der weitreichenden negativen Folgen — muß das bisher zulässige „Herstellenlassen 11 modifiziert werden. Wie schon erwähnt, ist es unproblematisch, auch künftig die Herstellung von Kopien nach Vorlagen zu gestatten, die in der betreffenden Bibliothek im Original vorhanden sind. Soweit das jedoch nicht der Fall ist, kann die Lösung des Problems wohl nur darin liegen, daß entweder von den Verlegern oder von den Bibliotheken im Auftrag der Verleger zentrale Kopierdienste geschaffen werden, die jedem Inter-

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essenten die gewünschten Zeitschriftenaufsätze zuleiten, dies aber gegen nicht unerhebliche Vergütungen, die in irgendeiner Form nach den Bezugsgebühren der einzelnen Zeitschriften zu differenzieren wären. Ein Interessent muß die Überlegung anstellen, ob es, wenn er von einer bestimmten Zeitschrift im Jahresdurchschnitt fünf Aufsätze benötigt, für ihn nicht doch wirtschaftlicher ist, wenn er die Zeitschrift abonniert, als wenn er Kopien der gewünschten Aufsätze bezieht. Ein solcher Dienst würde freilich viele organisatorische und praktische Probleme aufwerfen. Die Schwierigkeiten sollen keineswegs unterschätzt werden. Vielleicht müßte man den Dienst auf deutsche Zeitschriften beschränken, vielleicht auch nur auf solche, die innerhalb der letzten Jahre erschienen sind. Wenn die Verleger nicht selbst einen solchen Dienst aufbauen und organisieren können oder wollen, würde das am sinnvollsten durch bestimmte Spezialbibliotheken jeweils für ihren Bereich geschehen. Diese Bibliotheken würden dann von den Verlegern bzw. den Verwertungsgesellschaften eine Art Lizenz zur Herstellung und Verbreitung dieser Kopien erwerben, und in den betreffenden Verträgen wären die Abgabebedingungen in möglichst einfacher und praktikabler Weise festzulegen. Man wird, wenn man das Primärschrifttum erhalten will, also hier gewisse Einschränkungen der geltenden gesetzlichen Regelung vornehmen müssen. Die Geräteabgabe hätte hier nur eine untergeordnete Bedeutung, insoweit die gezahlte Abgabe auf die zu vereinbarenden Vergütungen anzurechnen wäre. In den Auswirkungen gleichgelagert und darum analog zu behandeln wäre die im Zuge neuer Informationstechniken praktizierte unkörperliche Übertragung urheberrechtlich geschützter Werke über Bildschirm-Terminals und Telekopie. Es ist in den Auswirkungen völlig gleich, ob ein Interessent sich von einer Bibliothek oder von einer Dokumentationszentrale die Kopie eines Zeitschriftenaufsatzes schicken läßt oder ob der Aufsatz auf seinem Bildschirm erscheint, wobei er die Möglichkeit hat, sich selbst davon eine körperliche Kopie herzustellen. Das geltende Recht kennt hier keine Beschränkungen, denn nach § 15 Abs. 2 ist die unkörperliche Wiedergabe nur dann von der Zustimmung des Urhebers abhängig, wenn sie öffentlich geschieht. Ob man in den Fällen der geschilderten Art, in denen das Werk zur gleichen Zeit nur für eine Person sichtbar gemacht wird, aber viele Personen, zeitlich versetzt, das gleiche Werk empfangen können, von einer öffentlichen Wiedergabe sprechen kann, mag zweifelhaft sein, darum müßte bei der Gesetzesnovellierung klar-

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gestellt werden, daß eine öffentliche Wiedergabe auch vorliegt, wenn eine Mehrzahl von Personen das Werk zu verschiedenen Zeiten wahrnimmt. Hierfür müßten die gleichen Beschränkungen eingeführt werden, wie beim Kopienversand auf Bestellung, d. h., uiikörperliche Wiedergabe darf ohne Zustimmung des Urhebers nur zulässig sein, wenn der Berechtigte nicht selbst körperliche Werkstücke durch zentrale Kopierdienste zur Verfügung stellt. Der größere Zeitaufwand müßte hierbei in Kauf genommen werden. In diesem Bereich wären also in der Tat Beschränkungen der Informationsvermittlung zur Wahrung des Urheberrechts notwendig. Wenn jedoch jeder Interessent kurzfristig an jedes Werk zu einem vertretbaren Kostenaufwand herankommen kann, erscheint diese Erschwerung nicht unzumutbar. Eine finanzielle Belastung der Bibliotheken dürfte hier nicht eintreten. Eine kostenlose Vermittlung von Zeitschriftenaufsätzen auf schriftliche Bestellung kann auch nicht als notwendig anerkannt werden. 5. Bei den Universitäten Auch in den Universitäten wird überwiegend urheberrechtlich geschütztes Material vervielfältigt, wobei die von den Benutzern zu zahlenden Gebühren außerordentlich unterschiedlich sind. Soweit dort nur „einzelne Vervielfältigungsstücke hergestellt werden, und dies zum persönlichen oder sonstigen eigenen Gebrauch, sind die Reprografien dieser Art nach geltendem Recht nicht zu beanstanden. Sie sollten, gegen angemessene Vergütungen, auch weiterhin zulässig sein. Wegen des Überwiegens des urheberrechtlich relevanten Schrifttums in diesem Bereich wird die allgemeine geringe Geräteabgabe nicht ausreichend sein. Die Verwertungsgesellschaften werden daher mit den Betreibern solcher Geräte Gesamtverträge abschließen. Da diese technisch hochentwickelten Geräte durchweg Zählwerke enthalten, läßt sich die Anzahl der gefertigten Kopien auch unschwer feststellen und danach die Urheberrechtsgebühr berechnen. Hier wird man zweifellos ein praktikables und einfaches Verfahren finden können. Unzulässig ist und unzulässig muß bleiben die Herstellung von mehr als „einzelnen Vervielfältigungsstücken". Will also ein Dozent für die Teilnehmer einer Übung 200 Exemplare eines Aufsatzes vervielfältigen, so bedarf er dazu weiterhin der Zustimmung des Rechtsinhabers.

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Die öffentliche Hand würde durch die Einführung der allgemeinen Vergütungspflicht finanziell überhaupt nicht und verwaltungsmäßig kaum belastet. Eine geringe Belastung der Benutzer dieser Geräte erscheint durchaus gerechtfertigt. Das berechtigte Informationsbedürfnis wird jedenfalls hierdurch nicht unzumutbar eingechränkt. 6. Bei gewerblichen Aufstellern von Reprografiegeräten Das letzte zu behandelnde Anwendungsgebiet für die Herstellung von Reprografien liegt bei den gewerblichen Aufstellern von Reprografieautomaten, in besonderen Einzelhandelsgeschäften, in Kaufhäusern, aber auch im Bereich von Bibliotheken und Universitäten. Generell wird man davon ausgehen können, daß hier die allgemeine Geräteabgabe ausreichen würde, weil etwa in Kaufhäusern und Einzelhandelsgeschäften weitgehend urheberrechtsneutrales Material vervielfältigt wird. Eine Differenzierung wird jedoch hinsichtlich solcher Geräte notwendig sein, die von gewerblichen Unternehmen in oder in der Nähe von Universitäten und Bibliotheken betrieben werden. Untersuchungen müssen zeigen, wie die Kopiergewohnheiten bei diesen Unternehmen sind, und nach dem Ergebnis dieser Untersuchungen muß sich richten, inwieweit zusätzlich zu der Geräteabgabe Vergütungsansprüche der Verwertungsgesellschaften im Gesetz verankert werden müssen und wie diese am praktikabelsten zu realisieren sind. Der „free flow of information" wird in diesen Bereichen jedenfalls durch Einführung der allgemeinen Vergütungspflicht nicht beeinträchtigt. VI. Sdilufibemerkungen 1. Die Entwicklung der modernen Vervielfältigungstechniken macht eine Änderung der §§ 53, 54 UG erforderlich, wenn das wissenschaftliche Schrifttum in seiner derzeitigen Vielfalt und seinen derzeitigen Formen erhalten werden soll. Vielleicht steuern wir langfristig auf eine Entwicklung zu, die den Druck von wissenschaftlichen Monografien und Zeitschriften durch in Manuskriptbanken lagernde Manuskripte ersetzt, bei denen die Interessenten, nachdem sie über Referatedienste entsprechende Informationen erhalten haben, Kopien der von ihnen gewünschten Manuskripte abrufen. Vorläufig ist das wissenschaftliche Schrifttum für Forschung und Lehre jedoch noch unentbehrlich und auch am benutzerfreundlichsten. Darum muß es erhalten werden, was nur durch eine Änderung des Urheberrechts-

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gesetzes möglich erscheint. Futorologen wie Arntz1B) wollen zwar schon heute einen Zustand suggerieren, wie er vielleicht einmal nach dem Jahre 2 000 bestehen wird, aber das ist im Augenblick genauso wirklichkeitsfern, wie etwa die audiovisiuelle Euphorie vor einigen Jahren, als man glaubte, in den Schulen von allen herkömmlichen Unterrichtsmitteln abgehen zu müssen. Man investierte Millionen DM in teure Anlagen und audiovisuelle Systeme. Inzwischen ist der Katzenjammer da: Auf der Didakta 1977 in Hannover stand das Buch wieder im Mittelpunkt aller Diskussionen 20 ). 2. Die Verherrlicher künftiger Informationsentwicklungen sind trotz mancher beruhigender Worte Gegner jedes Urheberrechts im wissenschaftlichen Bereich. Das wird deutlich, wenn man etwa bei Arntz21) liest: „Es ist die gegebene Situation des Forschers, daß er die Resultate anderer verwertet, um einen — meist winzigen — Fortschritt der menschlichen Erkenntnis zu erzielen. Dieses sein Ergebnis stellt er in gleicher Weise allen, die er zuvor geistig ausgeplündert hat, zur Verfügung, damit es als Grundlage weiteren Fortschritts ebenso ausgeplündert werde. In diesem Vorgang des ständigen Gebens und Nehmens liegt implizit der gegenseitige Verzicht auf Schutzrechte, weil bei fairer Handhabung niemand mehr gibt als nimmt." Dabei gilt das, was Arntz für die Wissenschaft feststellt, in ähnlicher Weise für jede andere Art von schöpferischer Tätigkeit. Auch der Schriftsteller und der bildende Künstler oder der Komponist schaffen ihre Werke nicht losgelöst von ihren Vorgängern. Auch sie sind Glieder einer Kette, die auf von anderen Gedachtem und Geschaffenem aufbauen. Darum kennt unser Urheberrecht nur begrenzte Schutzfristen, und wegen der sozialen Gebundenheit des Urheberrechts gestatten unsere Gesetze weitgehend den Gebrauch vorbestehender Werke. Die auch für das Urheberrecht vom Bundesverfassungsgericht angewendete Eigentumsgarantie unseres Grundgesetzes gestattet eben nicht das „Ausplündern" geistigen Eigentums, und darum muß an dem Urheberrecht als der Grundlage jeder geistig-schöpferischen Tätigkeit auch für den Bereich der Wissenschaften festgehalten werden. ") A r n t z „Reprographie und Urheberrecht", in UFITA Bd. 76 (1976) S. 75 (78). 20 ) Bernd E. H e p n e r , Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. März 1977. 21 ) A r n t z „Der Mißerfolg der Bemühungen um eine internationale, die Autoren schützende Empfehlung zur reprographisdien Kopie", in UFITA Bd. 78 (1977) S. 31 bis 94.

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3. Man muß sicii auch sehr ernsthafte Gedanken darüber machen, wie es denn mit der Freiheit und der Vielfalt von wissenschaftlichen Informationen aussehen wird, wenn statt der Verlage staatliche oder staatlich gelenkte Manuskriptbanken das Selektieren der Beiträge vornehmen. Hier steht in der Tat das Grundrecht von Art. 5 GG der freien Meinungsäußerung und der Freiheit von Kunst und Wissenschaft auf dem Spiel. 4. Würde es noch einen Zweifel an der Notwendigkeit der Gesetzesänderung geben, so wurde dieser durch die Einführung der Bibliotheksabgabe durch die Novelle von 1972 ausgeräumt. Wir haben derzeit die absurde Situation, daß der Urheber eine angemessene Vergütung erhält, wenn sein Werk von einer Bibliothek ausgeliehen wird. Er geht aber leer aus, wenn der Benutzer statt der Ausleihe des Originalwerks eine Fotokopie zum dauernden Besitz bezieht, obwohl im letzteren Falle der Eingriff in das Urheberrecht ungleich schwerer ist. 5. Viele Fragen mußten in dieser Abhandlung noch offengelassen werden: So wurde das Recht der Einspeicherung geschützter Werke in Computer ausgespart. Die Einspeicherung stellt eine dem Urheber vorbehaltene Vervielfältigung dar22). Daran muß festgehalten werden, da der Output nicht kontrollierbar ist. Nicht behandelt wurden auch das Problem der ausländischen Veröffentlichungen und die schwierigen Fragen der Verteilung der durch eine Gesetzesänderung anfallenden Einnahmen. Diese Verteilung ist von den Verwertungsgesellschaften, die allein gegenüber den Verbrauchern anspruchsberechtigt wären, vorzunehmen. Arntz versucht, hier einen massiven Interessengegensatz zwischen Autoren und Verlegern zu konstruieren. Die wissenschaftlichen Autoren mögen an der Honorierung ihrer Zeitschriftenaufsätze nur wenig interessiert sein, zumal diese Honorare als Motivation zum Schreiben schon immer zweitrangig waren. Wichtig sind ihnen jedoch Sonderdrucke ihrer Beiträge, und völlig anders sieht es bei den durchaus interessanten Honoraren für Bücher und bei Herausgeberhonoraren aus. Wenn es, wie dargelegt, darum geht, das wissenschaftliche Schrifttum zu erhalten, kann dies nur erreicht werden, wenn auch die Verleger an den Einnahmen partizipieren. Sonst erhielten die Urheber zwar auf begrenzte Zeit höhere Honorare, viele Monografien und Zeitschriften mit geringen Auflagen würden aber mittelfristig nicht mehr erscheinen, und das kann nicht im wohlverstandenen Interesse der Autoren liegen. 22

) U l m e r „Elektronische Datenbanken und Urheberrecht", München 1971.

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6. Bei allem bleibt festzuhalten, daß jede Gesetzesänderung den „free flow of information" nicht unbillig behindern darf. Niemand ist so naiv anzunehmen, man könne durch Restriktionen in einem Urheberrechtsgesetz für die Informationsvermittlung so segensreiche Fortschritte, wie sie die modernen Vervielfältigungstechniken darstellen, unterbinden. Es geht einzig und allein darum, die Urheber und Verleger an diesen Nutzungen ihrer Werke angemessen zu beteiligen.

Resümee Die Entwicklung der modeinen Vervielfältigungstechnik hat die geltende Regelung des Urheberrechtsgesetzes von 1965 obsolet werden lassen. Die Existenz vieler wissenschaftlicher Monografien und Zeitschriften ist bedroht, weil deren Auflagen immer geringer werden müssen. Darum ist das Gesetz an den Stand der heutigen Technik und an die übersehbaren künftigen Entwicklungen anzupassen. Hierbei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: 1. Der insbesondere für Wissenschaft und Forschung notwendige „free flow of information' muß, soweit irgend möglich, erhalten bleiben. 2. Das Reprografieren ist grundsätzlich einer Vergütungspflicht zu unterwerfen. Das folgt aus der auch für urheberrechtliche Nutzungsrechte geltenden Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. 3. Für die Vergütungspflicht müssen einfache und praktikable Regelungen gefunden werden. In vielen Bereichen ist das die für Tonbandgeräte bereits seit 1966 eingeführte Geräteabgabe, die sich bewährt hat. Eine solche Abgabe auf die Reprografiergeräte ist auch verfassungskonform, obwohl mit ihnen weit überwiegend urheberrechtsneutrales Material vervielfältigt wird. Von den Großkopierern urheberrechtlich geschützter Werke müssen mit den Verwertungsgesellschaften Gesamtverträge über zusätzliche Vergütungen abgeschlossen werden, auf die die Geräteabgabe anzurechnen ist. Der Verfasser versucht nachzuweisen, daß auf diese Weise ein vertretbarer und vernünftiger Kompromiß zwischen den Interessen der Allgemeinheit an umfassender Informationsvermittlung und den genauso berechtigten Interessen der Urheber und Verleger, an den Nutzungen ihrer Werke beteiligt zu werden, erreicht werden kann.

Erforderlidie Anderung der §§ 53, 54 des Urheberreditsgesetzes

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Résumé L'évolution de la technique de reproduction a rendu caduque la réglementation en vigueur de la loi sur le droit d'auteur de 1965. L'existence de maintes monographies scientifiques et revues est menacee car leur tirage va en s'amenuisant. C'est pourquoi il faut adapter la loi au stade actuel de la technique et à ses développements futurs prévisibles. II faut pour cela partir des principes suivants: 1. Il faut maintenir dans toute la mesure du possible le „free flow of information" nécessaire en particulier à la science et à la recherche. 2. La pratique de la reprographie doit être soumise en principe à 1obligation de payer une rémunération. Cela résulte de la garantie de la propriété de l'article 14 de la loi fondamentale, aussi applicable aux droits d'utilisation en matière de droit d'auteur. 3. 11 y a lieu de trouver, pour l'obligation de payer une rémunération, des réglementations simples et se prêtant à une bonne application. Dans de nombreux domaines la taxe sur les appareils, déjà introduite depuis 1966 pour les magnétophones, a fait ses preuves. Une telle taxe sur les appareils de reprographie est aussi compatible avec la constitution, bien qu'à l'aide de tels appareils on reproduise des documents qui sont dans leur majorité sans incidence en matière de droit d'auteur. Des contrats globaux doivent être conclus par ceux qui pratiquent la photocopie en grand nombre d'œuvres protégées par le droit d'auteur, avec les sociétés de perception, concernant des rémunérations supplémentaires dont doit être déduite la taxe sur les appareils. L'auteur essaie de prouver qu'il est possible d'arriver de cette façon à un compromis défendable et raisonnable entre l'intérêt du public à une large communication de l'information et l'intérêt tout aussi justifié des auteurs et des éditeurs à une participation aux utilisations de leurs œuvres. Fr. U. Summary The development of modem reproduction technics has turned obsolete the present regulation of the German Copyright Act of 1965. The existence of many scholarly monographs and periodicals is being threatened, because their number of subscriptions necessarily becomes increasingly smaller. Therefore, the statute must be abjusted to the present state of technology and to foreseeable future developments. Hence, the following principles should be followed:

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Peter: Erforderliche Anderung der §§ 53, 54 UG

1. The free flow of information, which is particularly important for research and scholarly work, should be preserved as far as possible. 2. Reprography should in principle be subject to a duty of royalty payment. This follows from the general protection of individual property as stated in Art. 14 German Constitution, which is also applicable to individual copyrights. 3. Simple and practicable rules have to be found for the duty of royalty payments. In many respects, the duty on each tape recorder, which has been introduced in 1966 and his since stood its test, can serve as an example. A duty on reprographic apparatusses is in conformity with the constitution though reprography concerns predominantly material outside copyright protection. Overall contractual agreements, on which the duties on reprography apparatusses are credited, should be concluded between the large-scale users of copiers and the performing right societies. The author endeavours to prove that thereby a reasonable compromise can be reached between the interests of the public in a complete supply of information and the equally legitimate interest of the authors and publishers, to receive a share of the yields of their works. v. W.

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Kann für Allgemeine Geschäftsbedingungen Urheberrechtsschutz in Anspruch genommen werden? Von Professor Dr. Manfred Rehbinder, Zürich/Freiburg (Br.)*) I. Das AGB-Gesetz und die Reditsnatur von AGB Am 1. April 1977 trat das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) in Kraft 1 ). Das Datum des Inkrafttretens scheint nicht ohne Tiefsinn gewählt zu sein, führt man sich vor Augen, daß der Gesetzgeber mit der Einführung der Verbandsklage gegen AGB unter den ernsthaft diskutierten Mitteln zur Gewährleistung eines Verbraucherschutzes ausgerechnet das geringstmögliche Mittel gewählt hat 2 ). Auf diese klägliche Weise sind rechtspolitische Bestrebungen zu einem vorläufigen Abschluß gebracht worden, die in den Zwanziger Jahren begannen, in der klassischen Monographie von Ludwig Raiser aus dem Jahre 1935 gipfelten und mit Abschluß der Phase des wirtschaftlichen Wiederaufschwungs nach dem 2. Weltkrieg verstärkt wieder einsetzten. Man hatte durchaus zutreffend erkannt, daß die Abdankung des staatlichen Gesetzgebers gegenüber den AGB als einem „selbstgeschaffenen Recht der Wirtschaft" mit dem Sozialstaatsprinzip unvereinbar ist, wenn Letztverbraucher dieser „Gesetzgebung ohne Gesetzgeber" unterworfen werden. Die übliche Rechtfertigung von AGB mit dem Prinzip der Vertragsfreiheit führt zur Ausbeutung des sozial Schwachen, Unerfahrenen oder Arglosen im Kleide des Rechts, wenn es der Staat versäumt, einen Mindeststandard von Rechtspositionen im Vertragsrecht zu garantieren. Denn in den AGB schützt das Prinzip der Vertragsfreiheit nicht die gegenseitig ausgehandelte Willensübereinstimmung, sondern einseitig aufgestellte, autoritäre Akte privater Gesetzgebung 3 ). Trotz der Einsicht in die sozialstaatswidrige Wirkung mancher AGB-Klauseln, die schließlich zum Erlaß des AGB-Gesetzes geführt hat, ist es der Wissenschaft nicht gelungen, die herrschende Auffassung zu erschüttern, daß es sich bei AGB-Klauseln nicht um Normen, sondern um Vertragsklauseln und damit im Falle ihrer Verwendung *) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. !) BGBl. I 1976, 3317. 2 ) Vgl. M. R e h b i n d e r : Allgemeine Geschäftsbedingungen und VerbraucherSchutz, i n SJZ 1977, S. 36 bis 41, 40 f.

s ) Vgl. M. R e h b i n d e r : Allgemeine Geschäftsbedingungen, in Evangelisches Staatslexikon, 2. Aufl. 1975, Sp. 27 bis 29.

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Manfred Rehbinder:

um Rechtsgeschäfte handelt 4 ). § 2 des AGB-Gesetzes mit seiner Verschärfung der Voraussetzungen für eine wirksame Einbeziehung von AGB in den Vertrag geht deshalb, wie in den Materialien ausdrücklich festgestellt wird, davon aus, daß die Aufstellung von AGB keine Gesetzgebung im materiellen Sinne ist, obwohl sie dem Verbraucher gegenüber in den meisten Fällen zweifellos wie Gesetzgebung wirkt. Sind die Klauselwerke aber keine Gesetzgebung, dann stellt sich die Frage, ob sie dem Schutz des Urheberrechts unterfallen. Die Verfasser und Verleger von Formularbüchern, Verbände und sonstige Interessengruppen, die AGB für ihre Mitglieder ausarbeiten, ja sogar einzelne Großunternehmen haben oft das Bedürfnis, ihre Bedingungswerke immaterialgüterrechtlich zu schützen. Als ich vor einigen Jahren eine Sammlung von AGB herausgab 5 ), erhielt ich von einem deutschen Großunternehmen von Weltruf die Abdruckserlaubnis für dessen jedermann erhältliche und für jedermann als Käufer gedachte AGB nur unter der Voraussetzung, daß ich diese Bedingungen nicht in meiner Publikation kritisch kommentieren würde. Ich stelle nun die Frage nach dem urheberrechtlichen Schutz von AGB nicht ohne Grund an dieser Stelle. Denn der Jubilar, dem diese Zeilen gewidmet sind, gehört zu den schärfsten Kritikern der deutschen Rechtsprechung über den urheberrechtlichen Schutz der sog. kleinen Münze6) und hat besonders ein Urteil des OLG Nürnberg als unrichtig bezeichnet, in dem 4 Formularen eines Privatverlages, die zum Gebrauch bei Standesämtern entworfen und gewerblich verbreitet wurden, ein urheberrechtlicher Schutz als Sprachwerk zuerkannt worden ist7). Im folgenden möchte ich daher einige Gesichtspunkte zusammenstellen, die mir für die urheberrechtliche Bewertung von AGB von Bedeutung zu sein scheinen. II. AGB-Klauseln als Spradiwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UG Ich gehe dabei von der Legaldefinition des Begriffes AGB aus, wie sie in § 1 des AGB-Gesetzes enthalten ist. Der wissenschaftliche Sprachgebrauch war bisher nicht einheitlich. Es ist aber anzunehmen, daß die Definition des AGB-Gesetzes sich in Zukunft über den Be4 ) Für den Normcharakter von AGB dagegen insbesondere Johann Georg H e l m : Grundlagen einer normativen Theorie allgemeiner Geschäftsbedingungen, in FS. Schnorr von Carolsfeld, 1975, S. 125 bis 146, und M. R e h b i n d e r : AGB und die Kontrolle ihres Inhalts, 1972, S. 11 bis 20. 5 ) M. R e h b i n d e r : Das Kaufrecht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der deutschen Wirtschaft, 1970. 6 ) Benvenuto S a m s o n : Urheberrecht, 1973, S. 86 bis 89. 7 ) GRUR 1972, 435 = UFITA Bd. 65 (1972) S. 299.

Urheberrechtsschutz für Allgemeine Geschäftsbedingungen?

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reich dieses Gesetzes hinaus allgemein durchsetzen wird. Danach sind AGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluß eines Vertrages stellt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AGB-Gesetz). Das Gesetz verzichtet bewußt auf das von der Rechtsprechung entwickelte weitergehende Erfordernis, daß die Bedingungen für eine unbestimmte Vielzahl von Verträgen aufgestellt sein müssen 8 ). Denn der Vertragspartner bedarf des Schutzes gegen unbillige Bedingungen in Kauf- oder Mietverträgen auch dann, wenn diese von vornherein für eine bestimmte Zahl von Kauf- oder Mietobjekten vorgesehen sind. Es genügt also, daß die Bedingungen für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt wurden. Unerheblich ist auch, wer die Bedingungen aufgestellt und in die Vertragsbeziehungen eingeführt hat. Auch wenn sie von einem Dritten (z. B. von einem Verband oder in Formularbüchem) empfohlen und für eine Vielzahl von Fällen gedacht waren, unterliegt ihre Verwendung dem AGB-Gesetz. Schließlich wird in § 1 Abs. 1 Satz 2 AGB-Gesetz ausdrücklich klargestellt, daß auch Formularverträge unter den Begriff der AGB fallen, d. h. vorformulierte Bedingungen, die nicht äußerlich gesondert sind, sondern in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden. Femer soll es auf den Umfang des Klauselwerkes und auf die Schriftart nicht ankommen. Es fallen also auch einzelne Klauseln darunter, die maschinenschriftlich oder gar handschriftlich in die Vertragsurkunde aufgenommen werden. Nur wenn die vorformulierten Bedingungen zwischen den Vertragspartnern einzeln ausgehandelt worden sind, sollen sie trotz ihrer „Vorformulierung" keine AGB mehr sein (§ 1 Abs. 2 AGB-Gesetz). Die Legaldefinition des AGB-Gesetzes ist also im Interesse des Verbraucherschutzes sehr weit gefaßt. Jedes Schild des Gastwirts mit der Aufschrift „Für Garderobe wird nicht gehaftet", jeder Aufdrude auf dem Bestellschein mit der Klausel „Eigentumsvorbehält bis zur vollständigen Bezahlung" fällt darunter. Von einem urheberrechtlichen Schutz dieser und ähnlicher Allerweltsklauseln kann natürlich keine Rede sein, und zwar auch dann nicht, wenn dem einen oder anderen Wirtschaftsjuristen noch eine abweichende Formulierung einfallen sollte. Sie können keine Sprachwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UG sein, selbst wenn man sich auf den verfehlten Standpunkt des Bundesgerichtshofs stellt, daß an das Maß geistiger Tätigkeit keine besonders hohen Anforderungen zu stellen seien, so daß auch ein Werk von geringem schöpferischen Wert (die sog. kleine 8) BGHZ 33, 216 (218).

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Manfred Rehbinder:

Münze) Schutz genießt 9 ). Denn kleine stilistische Abweichungen von gängigen Klauseln sind keine Formulierung, die die Eigenschaft als selbständiges Sprachwerk begründen könnte. Noch immer gilt, was die Rechtsprechung schon vor Erlaß des jetzigen Urheberrechtsgesetzes (UG) als Wesen des Schriftwerkes angesehen hat, nämlich daß hier „der Gedankengehalt einer geistigen Schöpfung durch das Mittel der Sprache ausgedrückt wird und so von den menschlichen Sinnen aufgenommen werden kann. Erforderlich ist demnach erstens ein Gedankeninhalt, hervorgebracht durch geistige Tätigkeit des Urhebers, und zweitens eine eigentümliche Formgestaltung durch das Mittel der Sprache, also durch Ausdrucksmittel, die jenen Inhalt sinnlich wahrnehmbar machen"10). Anders ist es aber, wenn inhaltlich neue Klauseln oder neuartige Formulierungen gefunden werden. Man denke an die Übertragung amerikanischer Vertragstypen wie Leasing oder Factoring in das deutsche Recht. Man denke an die Entwicklung neuer Vertragstypen wie den Automatenaufstellvertrag, den Tankstellenvertrag, den Kantinenpachtvertrag. Die Idee eines solchen Vertrages ist natürlich nicht geschützt. Aber die gestaltete Idee ist urheberrechtlich betrachtet durchaus ein Sprachwerk. Die auch vom UG noch verwendete alte Bezeichnung „ W e r k der Literatur" darf da nicht irreführen. Auch können hier W e r k e der Wissenschaft, nämlich Schöpfungen der Rechtswissenschaft vorliegen. Das Reichsgericht hat für den urheberrechtlichen Schutz von Formularen darauf abgestellt, „ob sich im Inhalt des Vordrucks oder Formblatts oder Urkunden-Musters ein ungewöhnlicher Grad geschäftlicher Erfahrung, Gewandtheit, Wirtschafts- oder Rechtskenntnis, oder in seiner Form eine eigentümliche, nicht von selbst gegebene Anordnung und Einteilung kundgibt" 11 ). Soweit es sich um Formblätter ohne besondere sprachliche Formulierungen handelt, in denen aber geschäftliche Erfahrung und Gewandtheit zum Ausdruck kommt, ist diese Formulierung sicherlich zu weit 12 ). Neuartige AGB sind aber stets Ausdruck von besonderen Rechtskenntnissen und daher W e r k e im Sinne des Urheberrechts. Aber nicht nur neuartige AGB haben Werkcharakter. Auch die eigenständige Zusammenstellung und Formulierung inhaltlich bekannter Vertragsbedingungen ist urheberrechtlich als W e r k zu betrachten. Das zeigt das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg über ») Vgl. BGH 10 ) RGZ 143, « ) RGZ 143, 12) V g l . die § 2 Nr. 16.

in U F I T A Bd. 51 (1969) S. 295 und 315. 412 bis 418 (413 f.). 412 (416), ebenso BGH in U F I T A Bd. 28 (1959) S. 208. Kritik bei F r o m m / N o r d e m a n n : Urheberrecht, 3. Aufl. 1973,

Urheberrechtsschutz für Allgemeine

Geschäftsbedingungen?

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den urheberrechtlichen Schutz von Formblättern für die Standesämter, an dem Samson so dezidierte Kritik geübt hat. Es handelte sich hier um gewerblich verbreitete Formulare zum Gebrauch bei Standesämtern, und zwar um die Formulare: „Belehrung vor Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft nach deutschem Recht", „Anerkennung der Vaterschaft durch einen Ausländer", „Belehrung vor Beurkundung einer Namenserteilung durch den Ehemann der Mutter oder den Vater des Kindes" sowie „Belehrung zur Aufgebotsverhandlung mit Ausländerbeteiligung". Das Gericht stellte dazu fest, daß es sich bei diesen Formularen nicht „lediglich um die Wiedergabe gesetzlicher Vorschriften handelt, vielmehr sind die jeweils einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, i n e i g e n s t ä n d i g e r W e i s e z u s a m m e n g e f a ß t und in e i g e n e r S p r a c h e g e o r d n e t , dem jeweiligen Zweck entsprechend wiedergegeben". Darin sah es eine eigene schöpferische geistige Leistung, die als Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UG zu qualifizieren sei 13 ). Samson betrachtet dies als eine „Verwässerung des Begriffes der persönlichen geistigen Schöpfung" und begründet die Unrichtigkeit des Ergebnisses mit „der Erwägung, daß bei diesem Sprachwerk . . . kein Urheberpersönlichkeitsrecht, z. B. keine Entstellung denkbar erscheint, was jedoch ein Merkmal der persönlichen geistigen Schöpfung ist" 14 ). Es ist Samson zuzugeben, daß hier eine „kleine Münze" geschützt wird und daß der Schutz des Verlegers mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts ausgereicht hätte. Welche Folgen aber hätte es, wollte man die eigenständige Zusammenfassung und sprachliche Umformulierung einschlägiger gesetzlicher Bestimmungen nicht mehr als urheberrechtliches Werk betrachten? Müßte man es dann nicht auch generell als urheberrechtlich irrelevant ansehen, wenn — wie das bei dem weitaus größten Teil juristischer Fachpublikationen der Fall ist — aus Rechtsprechung und Literatur die einschlägigen Gesichtspunkte zusammengesucht und in eigenen Worten dargestellt werden? Und kommen wir dann nicht, was doch allseits energisch abgelehnt wird, bei der Bestimmung des Werkcharakters zu einem Richten über den Neuheitswert wissenschaftlicher Gedanken? Ich sehe bei den standesamtlichen Formularen nur die Möglichkeit, den Werkcharakter mit der Begründung zu verneinen, daß im Einzelfall die Umstellung und sprachliche Umformulierung des Gesetzes nur geringfügig war. Eine „kleine Münze" ist nicht als Werk zu schützen. Dem Gesetz ist derartiges, hier hat Samson völlig recht, 1S )

OLG Nürnberg in GRUR 1972, 435 = UFITA Bd. 65 (1972) S. 299. » ) Fn. 6, S. 89.

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Manfred Rehbinder:

nicht zu entnehmen. Hingegen scheint es mir nicht richtig zu sein, daß an Formularen keine Entstellung denkbar ist. Werden nämlich z. B. bei einem Nachdruck durch Dritte einzelne Klauseln oder ganze Absätze weggelassen oder durch andere ersetzt, die inhaltlich oder sprachlich falsch oder unzureichend sind, dann liegt ein Eingriff in die Integrität des Ganzen vor, der als Entstellung zu werten ist. Das ist sowohl unter wissenschaftlichem als auch unter ästhetischem Blickwinkel der Fall. Warum soll der Verfasser eines Formulars nicht ähnlichen Urheberstolz haben dürfen wie der Verfasser eines Gedichtes? Zwar wird der Verfasser von Formularen in der Regel nicht als solcher benannt. Aber wie bei jedem anonymen Autor auch kann hier der Urheberschutz durch den Verlag geltend gemacht werden, der daran, sollte er im Nachdruck als Erstverlag genannt sein, im übrigen auch ein eigenes Interesse hat. III. AGB als Gesetz im Sinne von § 5 UG AGB, die also mehr sind als geringfügige Umformulierungen des Gesetzes, anderer AGB und dergl., sind demnach urheberrechtlich betrachtet Sprachwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UG. Nun nimmt jedoch das UG in § 5 einige dieser Sprachwerke vom Schutz des Urheberrechts aus, nämlich sog. amtliche Werke, insbesondere Gesetze und Verordnungen. Soweit also AGB die Qualität von Rechtsverordnungen haben wie z. B. die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen, ist urheberrechtlich kein Schutz gegeben. Fraglich ist hingegen schon, wie diejenigen AGB im Hinblick auf § 5 UG zu beurteilen sind, die amtlich genehmigt werden müssen wie z. B. die AGB im Bereiche der Privatversicherungen und Bausparkassen, der Hypothekenbanken und Kapitalanlagegesellschaften sowie der Personenbeförderung im Linienverkehr. Hier ist nur die Genehmigung, nicht aber die Aufstellung amtlich. Geklärt ist die Lage nur bei einem Klauselwerk, das in der Hierarchie der Rechtsnormen zwischen den Rechtsverordnungen und den AGB steht, nämlich beim Tarifvertrag. Das Bundesarbeitsgericht hatte im Jahre 1968 im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen zwei konkurrierenden Gewerkschaften die Frage zu entscheiden, ob die Partner eines Tarifvertrages die Veröffentlichung ihres Vertragswerks durch andere Koalitionen, für deren Mitglieder oder potentielle Mitglieder der Tarifvertrag von Bedeutung ist, nicht auf Grund eines „Quasi-Eigentums" (wie das Landesarbeitsgericht Tübingen in schönster Unkenntnis des Immaterialgüterrechts ausgeführt hatte) oder auf Grund urheberrechtlicher Vorschriften verbieten können. Es hat dazu ausgeführt, Tarifverträge seien „Gesetze im materiellen Sinne. Aus dem Gesamtzusammenhang

Urheberreditsschutz für Allgemeine Geschäftsbedingungen?

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des UG, insbesondere aus dessen § 5, ergibt sich, daß Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfaßte Leitsätze zu Entscheidungen keinen urheberrechtlichen Schutz genießen. Gleiches muß auch für Tarifverträge gelten. Das UG läßt bei seinem allgemein gehaltenen Gesetzesbegriff keinen Unterschied zwischen Gesetzen im formellen und im materiellen Sinne erkennen. Vor allem ist auch zu beachten, daß die Tarifverträge der Allgemeinverbindlicherklärung offenstehen und deswegen von vornherein potentiell von allgemeiner Bedeutung sind" 18 ). Nun sind AGB im Regelfall auch dann keine Gesetze im materiellen Sinne, wenn sie amtlich genehmigt sind. Denn sie bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Einbeziehung in den Einzelvertrag, haben also anders als Tarifverträge keine normative Wirkung. Auch ist das Institut der Allgemeinverbindlicherklärung von Vertragsmustern nur im Arbeitsrecht bekannt. Lediglich die Schweiz kennt die Allgemeinverbindlicherklärung auch für Mietverträge. Dennoch läßt sich ebenso für AGB sagen, daß sie „potentiell von allgemeiner Bedeutung sind". Wie das Bundesarbeitsgericht nämlich in seiner Entscheidung hervorhebt, finden die Tarifverträge auf dem Wege über den Einzelarbeitsvertrag auch auf diejenigen Arbeitnehmer Anwendung, die der vertragschließenden Gewerkschaft nicht angehören, da die Arbeitsvertragsparteien zur Regelung des Einzelarbeitsverhältnisses schon im Interesse der Gleichbehandlung auf den Inhalt von Tarifverträgen Bezug zu nehmen pflegen. Tarifverträge wirken also als Allgemeine Arbeitsbedingungen. Nicht nur wegen der normativen Wirkung, sondern auch aus diesem Grunde wird ein „Quasi-Eigentum" der Tarifpartner am Text des Tarifvertrages in Form des alleinigen Rechts zur Veröffentlichung vom Bundesarbeitsgericht nicht anerkannt 16 ). Mir scheint, dieser Gesichtspunkt muß auch bei den AGB Beachtung finden. Selbst wenn man der rechtstheoretischen Einordnung dieses Phänomens unter die Rechtsnormen nicht folgt, so kann man doch nicht bestreiten, daß AGB im soziologischen Sinne eine normative Wirkung haben, indem sie über den Kreis ihrer Aufsteller hinaus wirken. Das wird auch seit Ludwig Raisers eingehender Schilderung der Rechtswirklichkeit von AGB nicht mehr in Zweifel gezogen. Der gesetzgeberische Gedanke des § 5 UG, Normenmaterial mit potentieller Wirkung für jedermann vom Urheberrechtsschutz auszunehmen, muß daher auch hier zur Freistellung vom Monopolrecht des Werkschöpfers führen. Und zwar handelt es sich hier ") BAG in N J W 1969, 861 bis 863 (862). » ) BAG ebd. S. 861 f.

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Rehbinder: Urheberreditssdiutz für Allgemeine Geschäftsbedingungen?

nicht um amtliche W e r k e . Die chemische Reinigung, die m e i n e n A n zug bügelt, ist k e i n e Amtsstelle. Sie f ü h r t sich aber w i e ein Gesetzg e b e r auf, w e n n sie mir bei A b l i e f e r u n g des A n z u g s auf i h r e m „Bon" G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n auferlegt, die sie mit mir nicht a u s g e h a n d e l t hat. W a r u m sollte sie sich d a h e r urheberrechtlich nicht w i e ein Ges e t z g e b e r b e h a n d e l n lassen m ü s s e n ? Die im Titel gestellte F r a g e nach d e m urheberrechtlichen Schutz v o n AGB möchte ich d a h e r w i e folgt b e a n t w o r t e n : AGB sind, s o w e i t sie ü b e r h a u p t S p r a c h w e r k e im Sinne des U r h e b e r r e c h t s darstellen, in a n a l o g e r A n w e n d u n g des § 5 UG v o m urheberrechtlichen Schutz ausgenommen.

Resümee AGB haben nach herrschender Meinung zwar nicht rechtstheoretisch, wohl aber rechtssoziologisch den Charakter von Rechtsnormen. Sie können durch die Neuartigkeit ihres Inhalts oder die Art ihrer sprachlichen Gestaltung Werkcharakter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UG haben. Doch auch in diesem Falle sind sie in analoger Anwendung des § 5 UG wegen ihres „soziologischen" Normencharakters vom Urheberrechtsschutz ausgenommen.

Résumé Les conditions générales des contrats ont, selon l'opinion dominante, le caractère de normes juridiques, non pas sur le plan de la théorie juridique, mais sur celui de la sociologie juridique. Elles peuvent avoir le caractère d'oeuvre au sens du § 2, al. 1, n° 1 de la loi sur le droit d'auteur en raison de la nouveauté de leur contenu ou de la nature de la composition de leur texte. Cependant, dans ce cas également, elles sont exclues de la protection par le droit d'auteur en raison de leur caractère de normes „sociologiques", le § 5 de la loi sur le droit d'auteur s'appliquant par analogie. Fr. U.

Summary According to the prevailing opinion general conditions of sale are not by their nature rules of law as defined in legal theory, whereas in terms of legal sociology they are. By reasons of the novelty of their contents or the style of their language they can be works in the sense of para. 2 subpara. 1 no. 1 German Copyright Act. But analogous to para. 5 German Copyright Act, even these cases are exempt from copyright protection because of their nature as rules of law as defined in legal sociology. v. W.

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Anhängige Probleme des Urheberrechts Von Rechtsanwalt Dr. Ernst Reichardt, München*)

I. Urhebervergütung aus Kabelanlagen der Bundespost 1. Das Kabelfernsehnetz der Bundespost Die GEMA, Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, hat eine Klage gegen die Deutsche Bundespost anhängig gemacht, die beim Landgericht Hamburg unter Aktenzeichen 74 0. 94/76 zur Entscheidung ansteht. Anlaß zur Klageerhebung gab der Umstand, daß die Bundespost in Hamburg und Nürnberg posteigene Kabelfernsehanlagen unter Verwendung eines Breitbandkabelnetzes errichtet hat. Jeweils im Stadtkern ist auf einem der höchsten Gebäude eine Großantennenanlage installiert worden. Von dieser Empfangsanlage werden bestimmte Programme auf eine Kopfstation übertragen, wo die ankommenden Funksignale über Kanal- und Bandfilter von anderen Signalen getrennt werden. Die abgesonderten Signale werden auf drei Wege aufgeteilt, auf den Betriebsweg, auf den Ersatzweg und auf die automatische Umschalteinrichtung. Bei Ausfall des einen Weges schaltet sich automatisch der andere ein. Schwankungen der Empfangsenergie werden durch gesonderte Regelverstärker ausgeglichen. Die UHFKanäle 24, 42 und 56 werden außerdem in den Frequenzbereich unterhalb 300 MHz umgesetzt und die mit Richtantennen aufgenommenen UKW-Tonrundfunk-Programme über besondere Kanalselektoren aufbereitet und in den Frequenzbereich zwischen 100 und 104 MHz verlagert. ü b e r die Programmführungsleitung werden die Signale von der Kopfstation zur Sendestelle weitergeleitet, wo die Signale zunächst verstärkt und über Filter und Verteilerschaltungen voneinander getrennt werden. Die Fernsehsignale werden jeweils in die Zwischenfrequenzlage umgesetzt. Auf dieser Zwischenfrequenz liegt auch ein durch einen Testbildgeber erzeugtes Eigentestbild der Bundespost. Aus der Zwischenfrequenzlage werden die Signale dann in die zu den Teilnehmern der Kabelanlage führenden Kanäle eingespeist, über Filter und Weichen mit den verstärkten UKW-Signalen zusammen") Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt.

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Ernst Reinhardt:

geschaltet und auf den Ausgangsverstärker der Sendestelle gegeben. Zusätzlich werden in der Sendestelle noch Pilotfrequenzen für die Überwachung und Regelung der Verstärker des Verteilnetzes erzeugt und eingespeist. Von hier aus werden auch die Verstärker über Femspeisungseinrichtungen mit der benötigten Energie versorgt. Von der Sendestelle aus, die sich in Hamburg im Keller des Hochhauses in der Hamburger Straße und in Nürnberg im Gebäude der Fernsprechvermittlungsstelle St. Peter befindet, werden von den empfangenen und ausgewählten Programmen die einzelnen Programmsignale im Frequenzmultiplexverfahren auf die Kanäle der Kabelfernsehanlage umgesetzt und in das Verteilnetz eingespeist. Hierbei werden für Fernsehsignale nur Kanäle im VHF-Bereich belegt, auch wenn sie im UHF-Bereich empfangen werden, und mit den Rundfunkprogrammen in einem Breitbandkommunikationskabel zusammengefaßt, das innerhalb des Verteilnetzes die Signale mit Zwischenverstärkern den Teilnehmern zuführt. Die Übergabe findet entweder direkt im Haushalt des Empfangsteilnehmers oder an der Endstelle einer Hausanlage mit mehreren Teilnehmern statt. Die Sendestelle der Bundespost in Hamburg hat den Teilnehmern Anfang 1975 die folgenden Programme angeboten: I. Fernsehrundfunk, im VHF-Bereich, Kanal 2—12 1. 2. 3. 1. 2.

Programm Programm Programm Programm Programm

NDR, Kanal 2 ZDF, Kanal 8 NDR, Kanal 10 DFF (DDR), Kanal 6 DFF (DDR), Kanal 4

II. Tonrundfunk im UKW-Bereich, 87,5 und 104 MHz 1. Programm NDR, Kanal 4 2. Programm NDR, Kanal 6 3. Programm NDR, Kanal 8 Gastarbeiterprogramm NDR, Kanal 20 1. Programm Radio Bremen, Kanal 12 2. Programm Radio Bremen, Kanal 14 Deutschlandfunk BRD, Kanal 32 Britischer Soldatensender BFBS, Kanal 18 1. Programm Radio DDR, Kanal 24 2. Programm Radio DDR, Kanal 26 Deutschlandsender DDR, Kanal 28 Berliner Rundfunk DDR, Kanal 30.

Anhängige Probleme des Urheberrechts

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Den Anschlußteilnehmern in Nürnberg wurden die folgenden Programme angeboten: 1. Fernsehrundfunk im VHF-Bereidi 1. Programm Bayerischer Rundfunk 3. Programm Bayerischer Rundfunk 1. Programm Süddeutscher Rundfunk 3. Programm Süddeutscher Rundfunk 2. Programm ZDF II. Tonrundfunk im UKW-Bereich 1. Programm Bayerischer Rundfunk 2. Programm Bayerischer Rundfunk 3. Programm Bayerischer Rundfunk 1. Programm Süddeutscher Rundfunk 2. Programm Süddeutscher Rundfunk 3. Programm Süddeutscher Rundfunk Die Anschlußteilnehmer besitzen die Möglichkeit, unter diesen Programmangeboten durch Einschaltung des jeweiligen Kanals zu wählen und die angebotenen Programme störungsfrei und geläutert zu empfangen. Der ortsübliche Empfangsbereich wird hierdurch beträchtlich erweitert. In Hamburg ist vom Fernsehteilnehmer selbst unter Verwendung von Zusatzantennen das 2. Programm des DFF (DDR) kaum zu empfangen. Audi der Nürnberger Fernsehteilnehmer ist gewöhnlich nicht in der Lage, Teile des 1. Programms und das 3. Programm des Süddeutschen Rundfunks (Stuttgart) zu sehen. Für den Anschluß an das Kabelfernsehnetz erhebt die Bundespost eine einmalige Gebühr von 200,— DM, die vom Grundstückseigentümer zu entrichten ist. Als Vergütung für das Bereithalten der Kabelfernsehanlage und für die Weitergabe durch Breitbandübertragung werden laufende Grundgebühren in Rechnung gestellt. Sie betragen im Monat für eine Wohneinheit 10,— DM für 2—4 Wohneinheiten 20,— DM für 5—10 Wohneinheiten 25,— DM bei über 10 Wohneinheiten für jeweils 10 Wohneinheiten 15,— DM und sind vom jeweiligen Grundstückseigentümer zu entrichten, dem es seinerseits überlassen bleibt, diese Kosten auf seine Mieter abzuwälzen. Die Verpflichtung zur Zahlung von monatlichen Rundfunkund Fernsehgebühren durch den einzelnen Rundfunkteilnehmer, die von der Bundespost eingezogen werden, bleibt hierdurch unberührt.

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Ernst Reichardt:

2. Der Prozefistandpunkt der GEMA Die Klägerin vertritt den Standpunkt, daß mit diesen Kabelanlagen der Bundespost in das ihr vorbehaltene Senderecht, das ihr von den ihr angeschlossenen Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern durch Berechtigungsverträge und von ausländischen Wahrnehmungsgesellschaften durch Gegenseitigkeitsverträge übertragen worden sei, eingegriffen werde. Sie geht ferner davon aus, daß das den deutschen Rundfunkanstalten eingeräumte Senderecht nicht auch die Umsetzung empfangener Programmsignale auf andere Frequenzbereiche und deren Weitersendung in einem Breitbandkommunikationskabelumfasse. Sie ist der Meinung, daß hier ein selbständiger, neuer Sendevorgang stattfinde, der auch durch die angeschlossenen Kabelfernsehteilnehmer gesondert vergütet werde. Die Bundespost erwerbe auch keine Senderechte von den deutschen Rundfunkanstalten, die zur Weiterübertragung solcher Rechte an die Bundespost auch gar nicht befugt seien. Der durch Kabel ermöglichte zeitgleiche Empfang von Rundfunk- und Fernsehprogrammen sei auch nicht schon durch die Sendeverträge mit den Rundfunkanstalten abgegolten, weil hier ein besonderer Sendevorgang vorliege, der außerhalb der Einwirkungsmöglichkeiten der Sendeanstalten und teilweise auch außerhalb ihres Sendebereichs stattfinde. 3. Der Prozefistandpunkt der Bundespost Die beklagte Bundespost beruft sich demgegenüber im wesentlichen darauf, daß die von ihr errichteten Kabelfernsehanlagen nichts anderes seien als die gebräuchlichen Gemeinschaftsantennenanlagen; die technischen Voraussetzungen für die Weitergabe geläuterter und verstärkter Signalprogramme seien hier wie dort die gleichen. Die Kabelfernsehanlage gehöre daher zum Empfangsbereich ausgestrahlter Sendungen, stelle somit selbst keine Sendung dar. Außerdem sei die Bundespost vertraglich gegenüber den Rundfunkanstalten verpflichtet, die Empfangsmöglichkeit der gesendeten Programme im Bereich des jeweiligen Senders zu gewährleisten. Dazu gehöre nicht nur, sogenannte „Abschattungen" durch Hochhäuser im Kern der Großstädte zu überwinden, sondern auch topographischen Empfangsschwierigkeiten entgegenzutreten. Dies entspreche auch der der Bundespost obliegenden Daseinsvorsorge. Schließlich werde mit solchen Großantennenanlagen auch ästhetischen Gesichtspunkten Rechnung getragen, zumal heute schon Bauauflagen, die die Errichtung von Einzelantennen auf Wohnhäusern verbieten, an der Tagesordnung seien.

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Der Schutz urheberrechtlicher Belange könne nicht dazu führen, die Anwendung neuer technischer Errungenschaften im Bereich des Antennenbaus zu erschweren oder gar zu unterbinden. Tatsächlich entstehe den Urheberberechtigten auch kein Nachteil, da sämtliche Personen, die die Kabelfernsehanlage nutzen wollen, dies nur dadurch ermöglichen könnten, daß ihr Rundfunk- oder Fernsehgerät an diese Anlage angeschlossen wird. Bei Inbetriebnahme ihres Geräts aber seien sie zur Abführung der Rundfunkgebühr verpflichtet, die den Sendeanstalten zugutekomme, die ihrerseits einen Teil des Gebührenaufkommens als Urhebervergütung nach Maßgabe der Senderechtsverträge an die GEMA abzuführen hätten. 4. Zur Reditslage a) Die Entscheidung des Rechtsstreits wird zunächst von der Beantwortung der Frage abhängig sein, ob die Bundespost sich in Erfüllung ihrer Aufgaben überhaupt urheberrechtlicher Nutzungsrechte bedient. Sie wird indessen zu bejahen sein. Durch die Urheberrechtsnovelle vom 9. September 1965 hat das dem Urheber nach § 15 Abs. 2 Ziff. 2 UG vorbehaltene Senderecht in § 20 UG eine Legaldefinition erfahren. Danach umfaßt das Senderecht jede Übertragung von Zeichen, Tönen oder Bildern (Signalen), die durch elektromagnetische Wellen ausgesandt werden und an anderen Orten von einer beliebigen Zahl von Empfangsanlagen aufgefangen und wieder in Zeichen, Töne oder Bilder zurückverwandelt werden können. Dabei ist der „Drahtfunk oder ähnliche technische Einrichtungen" vom Gesetzgeber nur beispielhaft genannt worden. Nach der Begründung zu § 20 UG ist dabei jeder Vorgang gemeint, mit dem das Werk von einer Sendestelle zu einer Mehrzahl von Empfangsanlagen über Drahtleitungen (z. B. auch über das Telefonnetz wie bei der Schweizerischen Rundspruchsgesellschaft) zugeleitet wird. Dabei unterscheidet § 20 UG nicht zwischen einer Drahtfunk-Erstsendung und einer -Weitersendung, so daß es rechtlich bedeutungslos ist, ob die Drahtfunksendestelle unmittelbare Sendungen veranstaltet oder ob sie lediglich der technischen Verbesserung des Rundfunkempfangs dient und ggf. nicht einmal einen zusätzlichen, neuen Teilnehmerkreis eröffnet (vgl. v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, Rdn. 6 zu § 20 UG). Aus der Gleichstellung des Drahtfunks mit dem Rundfunk läßt sich zunächst die Feststellung ableiten, daß auch für die Frage der Weiterverbreitung von Rundfunk- oder Fernsehsendungen die technische Variante nicht entscheidend sein kann. Unmaßgeblich für die Qualifikation einer Einrichtung als Drahtfunkanlage ist deshalb auch,

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ob sie mit oder ohne Modulation bzw. Frequenzveränderung und ob sie im Nieder- oder Hochfrequenzbereich arbeitet. Als Drahtfunk ist auch eine Einrichtung anzusehen, die das Sendegut nur mit Hilfe von Wandlern, Leitungen und Verstärkern übermittelt. Aus urheberrechtlicher Sicht kann deshalb auch nicht ausschlaggebend sein, ob es sich bei den Einrichtungen der Beklagten um eine Weiterleitung der noch nicht demodulierten Signale im Hochfrequenzbereich — wie bei der Gemeinschaftsantenne — oder der bereist demodulierten, von der Trägerschwingung befreiten Informationsträger im Niederfrequenzbereich handelt, wie dies bei der klassischen Rundfunkvermittlungsanlage der Fall ist. Nun ist zwar im Urheberrecht allgemein anerkannt, daß nur die Sendung genehmigungspflichtig ist, während der Empfang — solange mit ihm keine öffentliche Wiedergabe verbunden ist — urheberrechtlich frei bleibt. Dieser Grundsatz besagt aber im Kern nur, daß es bei dieser Art der urheberrechtlichen Verwertung nicht auf den Werkgenuß selbst, sondern auf die Werkvermittlung ankommt. § 20 UG stellt daher auch nicht auf die „öffentliche Mitteilung" oder die „öffentliche Wiedergabe" eines Werkes ab, sondern spricht lediglich davon, daß das Werk durch Drahtfunk oder ähnliche Einrichtungen „der Öffentlichkeit zugänglich gemacht" wird. So betrachtet ist der Sendevorgang als ein Gesamtakt anzusehen, der sich bis zum privaten Werkgenuß hin erstreckt und damit auch solche Vorgänge umfaßt, die technisch gesehen als Rezeptionsmaßnahmen zu werten sind. Aus urheberrechtlicher Sicht gehört also zum Sendevorgang die Gesamtheit aller vermittelnden Maßnahmen, die das Werk dem Letztverbraucher zugänglich machen. Demnach muß hier — im Gegensatz zu Österreich, das mit § 17 öUrhG den besonderen geographischen Bedingungen des Landes Rechnung getragen hat — davon ausgegangen werden, daß grundsätzlich jede Art der Weiterleitung von Funksendungen dem Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers unterliegt, sofem sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird (vgl. dazu v. Gamm, aaO., Schulze in GRUR Int. 1973, 336 ff. ; Schulze/Voigt, Schriftenreihe der INTERGU, Bd. 54, Sonderdruck Seite 14 ff. ; Kupke in MDR 1963, 372 f.; Walter in UFITA Bd. 69 [1973] S. 95 ff.). Danach kommt es wesentlich darauf an, wie der Begriff der Öffentlichkeit bei der Weiterverbreitung einer Funksendung abgegrenzt wird. Insoweit darf in erster Linie auf Neufischer (UFITA Bd. 54 [1969] S. 67 ff.) verwiesen werden. Er hat unter Verwendung des öffentlich-

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keitsbegriffs, wie er beispielsweise im Zusammenhang mit dem Recht der öffentlichen Aufführung von der Rechtsprechung entwickelt worden ist, angenommen, daß ein Werk durch eine Gemeinschaftsantenne oder durch Drahtfunk erst dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht sei, wenn eine Teilnehmerzahl von über 100 Empfängern überschritten sei. Diese Abgrenzung, die bei Vereinsveranstaltungen, Betriebsfeiern, Tanzstundenbällen usw. als äußeres Kennzeichen für die Ablehnung einer inneren Verbundenheit der Veranstaltungsteilnehmer oder der Betriebsangehörigen gesehen wurde (vgl. Schulze, Rechtsprechung zum Urheberrecht, BGHZ Nr. 17 = UFITA Bd. 20 [1955] S. 340 — „Betriebsfeier", ferner BGHZ Nr. 23 = UFITA Bd. 21 [1956] S. 250 und 24 — „Vereinsveranstaltungen" sowie BGHZ Nr. 26 = UFITA Bd. 23 [1957] S. 121 — „ Tanzstundenball" und Nr. 66 = UFITA Bd. 31 [1960] S. 321 — „Absdilußball"), ist für das Kriterium einer öffentlichen Wahrnehmbarmachung eines Werks durch Drahtfunk sicherlich nicht der geeignete Abgrenzungsfaktor. Vielmehr kann es hier nur darauf ankommen, ob eine Vielzahl von Personen an die Drahtfunkanlagen angeschlossen sind, die ihrerseits nicht durch ein persönliches Band zum Einrichter der Drahtfunkanlage oder untereinander durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind. Schon hierdurch unterscheidet sich rechtlich die von der Beklagten betriebene Drahtfunkanlage von der Gemeinschaftsantenne eines Wohnhauses, so daß jedenfalls davon ausgegangen werden muß, daß mit den Kabelanlagen in Nürnberg und Hamburg eine Weitersendung per Drahtfunk für eine beliebige Anzahl von Empfängern stattfindet, mit der das nach § 20 UG geschützte Senderecht in Anspruch genommen wird. b) Die weiter zu beantwortende Frage geht dahin, ob die Sendung schon durch die Rundfunkgebühren, die der einzelne Teilnehmer zu entrichten hat, abgegolten ist. Daß eine zusätzliche Nutzung von urheberrechtlichen Befugnissen stattfindet, wird nach den obigen Ausführungen kaum noch bezweifelt werden können. Diese zusätzliche Nutzung wird dem Anschlußteilnehmer von der Bundespost nicht lediglich im Rahmen der Gewährleistung eines guten Empfangs gewährt. Es werden zusätzliche Leistungen erbracht, denn der nicht angeschlossene Rundfunk- und Fernsehteilnehmer kann selbst bei großem Aufwand für die Antennenanlage regelmäßig in Hamburg keine zwei Programme des DDR-Fernsehens und in Nürnberg das nicht im Bereich des ARD ausgestrahlte 1. und 3. Programm des Süddeutschen Rundfunks aus Stuttgart nicht empfangen.

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Die Bundespost hat demnach nicht nur den Empfang verbessert, sondern auch eine über den ortsüblichen Empfangsbereich hinausgehende Programmerweiterung geboten, die beispielsweise schon darin zu sehen ist, daß der Teilnehmer der Kabelanlage in Nürnberg einer Kanalüberschneidung zwischen dem Bayerischen und dem Süddeutschen Rundfunk nicht ausgesetzt ist. Die Bundespost hat also zusätzliche Programme ausgewählt und an den Fernsehteilnehmer herangetragen, dem sonst eine eigene Wahlmöglichkeit dieser Art verschlossen geblieben wäre. Es kann daher wohl auch nicht entscheidend auf die Frage ankommen, ob über Drahtfunk eigene oder fremde Programme weitergeleitet werden und ob dies zeitgleich oder zeitversetzt geschieht. Schenkt man schließlich dem Umstand Beachtung, daß die Bundespost beim Anschluß an die Kabelanlage nicht nur eine einmalige Anschlußgebühr sondern darüber hinaus eine laufende, monatlich zu entrichtende Grundgebühr erhebt, so wird vollends deutlich, daß hier eine Vermögenswerte Nutzung nicht erworbener urheberrechtlicher Nutzungsrechte stattfindet. Der Grundsatz, daß der Urheber an den Erträgnissen aus der Verwertung seiner Rechte tunlichst zu beteiligen sei, wird letztlich auch in diesem Rechtsstreit bestimmend für die noch zu erwartende gerichtliche Entscheidung sein. II. Urhebervergütung aus § 53 Abs. 5 UG 1. Uberspielungsredite (ZPU) Die ZPU, Zentralstelle für private Uberspielungsrechte, ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in der sich die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte), die GVL (Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten) und die Verwertungsgesellschaft Wort zusammengeschlossen haben. Sowohl der ZPU als auch ihren drei Gesellschafterinnen ist die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb einer Verwertungsgesellschaft gemäß § 2 UrhWG erteilt worden. Zweck des Zusammenschlusses in der ZPU ist die gemeinsame Durchsetzung der Vergütungsansprüche aus § 53 Abs. 5 UG, die gemeinschaftliche Einziehung dieser gesetzlich zugewiesenen Vergütung und deren Aufteilung nach einem vereinbarten Verteilungsschlüssel. Die drei Gesellschafterinnen der ZPU haben in verschiedenen Großstädten Deutschlands einige Importeure von Bildtonaufzeichnungs- und Wiedergabegeräten, die zumeist japanischer Herkunft

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sind, auf Auskunftserteilung über den Vertrieb bestimmter, von ihnen angebotener Gerätetypen und über den daraus erzielten Erlös in Anspruch genommen. Bei der Auswahl der Geräte, die von dem Klagebegehren erfaßt wurden, haben sich die Klägerinnen auf solche Bildtonaufzeichnungsgeräte beschränkt, die unter Einbeziehung etwa erforderlichen Zubehörs im Einzelhandel zu einem Preis von nicht viel mehr als 6 000,— DM angeboten werden. Der am weitesten fortgeschrittene Prozeß ist gegen die Firma SONY GmbH gerichtet und trägt das Aktenzeichen 5 0 116/76 des Landgerichts Köln, über ihn soll nachfolgend kurz berichtet werden. 2. Der Prozefistandpunkt der Verwertungsgesellschaften Die Klägerinnen machen geltend, daß die im Klageantrag näher bezeichneten, von der Beklagten vertriebenen Geräte sowohl zur Aufnahme von Fernsehsendungen auf einem Bildtonträger als auch zur Übertragung von einem auf einen anderen Bildtonträger geeignet seien und daß diese Benutzung der Geräte auch im privaten Bereich stattfinde. Obwohl heute bereits Hifi-Anlagen von privaten Erwerbern zum Preise von 10 000,— DM und mehr käuflich erworben zu werden pflegen, habe man sich bei der Auswahl der zum Gegenstand des Klagebegehrens gemachten Geräte einer preislichen Beschränkung, die bei etwa 6 000,— DM liegt, unterworfen, um dem Einwand zu begegnen, daß die teuersten Geräte schon aus preislichen Gründen für die Benutzung im häuslichen Bereich nicht in Betracht kämen. Nachdem im Verlaufe des Prozesses die technische Funktion und Typenbezeichnung einiger Geräte und deren Angebot auf dem deutschen Markt klargestellt werden konnte, geht es im wesentlichen nur noch um die Frage, ob die Geeignetheit der von der Klage erfaßten Geräte für die Nutzung im privaten Bereich in Abrede gestellt werden kann. Um diesem Einwand zu begegnen, haben sich die Klägerinnen auf die eigene Werbung der Beklagten berufen, die diese Geräte in ihren Prospekten selbst für Spiel, Sport, Unterhaltung und Hobby anpreist und deren einfache Handhabungsweise im häuslichen Bereich hervorhebt. 3. Der Prozeßstandpunkt der Beklagten (SONY) Die Beklagte, die zunächst die Aktivlegitimation der Klägerinnen in Zweifel gezogen hatte, wendet im wesentlichen ein, daß bei der Mehrzahl der von der Klage betroffenen Geräte nicht zu erwarten stünde, daß sie im häuslichen Bereich Verwendung fänden. Ein Pri-

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vatmann sei keinesfalls geneigt, mehr als 3 000,— DM für eine derartige Video-Anlage auszugeben; die von ihr angebotenen Geräte aber würden mit allen erforderlichen Zusatzgeräten (Tuner, Modulator) nicht unter 4 000,— DM veräußert werden. Bei den billigeren audiovisuellen Anlagen handele es sich zudem um Sdiwarz-WeißGeräte, für die private Ersteher schon deswegen, weil sie durch das Farbfernsehen verwöhnt seien, kein Interesse zeigen würden und die deshalb nur für wissenschaftliche oder sonstige Lehrzwecke, nicht aber für die private Uberspielung in Betracht kämen. Der Aufwand für den Erwerb eines Farbgeräts aber liege bei mindestens 5 000,— DM, also oberhalb einer Preisschwelle, die der private Kunde nicht mehr zu überschreiten bereit sei. Es fehle an einer wesentlichen gesetzlichen Voraussetzung für eine Inanspruchnahme der Beklagten aus § 53 Abs. 5 UG, denn die Geeignetheit der Geräte für die überspielung im privaten Bereich könnten die Klägerinnen nicht beweisen; tatsächlich seien es vorwiegend Firmen und andere Institutionen des öffentlichen Lebens, die zum Kundenkreis der Beklagten zu zählen seien. 4. Zur Reditslage Eine Entscheidung des angerufenen Gerichts wird zunächst von der Frage abhängen, ob in der Vorschrift des § 53 Abs. 5 UG eine Vermutung begründet ist, die zugunsten der Klägerinnen spricht. Erst wenn sie verneint wird, würde eine umfangreiche und kostspielige Beweiserhebung, die sich auch auf demoskopische Umfragen erstrekken dürfte, in Betracht zu ziehen sein. In der Tat würde man dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmung des § 53 Abs. 5 UG nicht gerecht, wenn man annimmt, es sei Sache der Klägerinnen, im einzelnen darzutun und unter Beweis zu stellen, wie viele der für die private Uberspielung angepriesenen Geräte nun auch tatsächlich für private Uberspielungszwedce genutzt werden. Nach dem Gesetz nämlich kommt es nicht darauf an, in welchem Umfange die fraglichen Geräte zur Anfertigung von unter § 53 UG fallenden Aufnahmen auf Bild- oder Tonträger benutzt werden. Der Gesetzgeber stellt vielmehr nur auf die objektive Eignung der Geräte für solche überspielungen ab. Diese objektive Eignung aber bestimmt sich maßgeblich auch nach der vom Hersteller bzw. der vom Importeur gegebenen und der Öffentlichkeit bekannt gegebenen Zweckbestimmung des Geräts. Sie stellt einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Beantwortung der Frage dar, ob das Gerät objektiv geeignet ist, eine Gefährdung der von den Klägerinnen verwalteten

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urheberrechtlichen und leistungsschutzrechtlichen Nutzungsrechte herbeizuführen. Schon die eigene Werbung der Beklagten also läßt erkennen, daß die von ihr vertriebenen Geräte zumindest a u c h zum Zwecke der Uberspielung im privaten Bereich angepriesen werden und demnach hierfür auch geeignet sind. Auf die Frage, in welchem Umfange nun auch die Benutzung der Geräte zur Aufnahme und Übertragung auf Bild- und Tonträger im privaten Bereich erfolgt, kann es nicht entscheidend ankommen, denn bei objektiv hierzu geeigneten Geräten wird eine solche Benutzung nunmehr kraft Gesetzes vermutet. Während die Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten der Urheberrechtsreform noch auf die Lebenserfahrung zurückgreifen mußte (vgl. Schulze, Rechtsprechung zum Urheberrecht, BGHZ Nr. 15 = UFITA Bd. 20 [1955] S. 314 — „GrundigReporter"; BGHZ Nr. 16 = UFITA Bd. 20 [1955] S. 335 — „Magnettonband I"; BGHZ Nr. 68 = UFITA Bd. 31 [1960] S. 335 — „Werbung für Tonbandgeräte"; BGHZ Nr. 107 = UFITA Bd. 40 [1963] S. 362 — „Tonbänderwerbung"; BGHZ Nr. 108 = UFITA Bd. 40 [1963] S. 371 — „Tonbandgeräte-Händler"; BGHZ Nr. 112 = UFITA Bd. 43 [1964] S. 134 — „Personalausweis"; BGHZ Nr. 115 = UFITA Bd. 44 [1965] S. 150 — „Magnettonband II"), begründet § 53 Abs. 5 Satz 3 eine widerlegliche Vermutung. Der Vergütungsanspruch entfällt nämlich, soweit nach den Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, daß die Geräte zur Vornahme der genannten Vervielfältigungen n i c h t benutzt werden. Diese negative Formulierung, die etwa mit dem terminus technicus „es sei denn . . . " vergleichbar ist, begründet also bei objektiver Geeignetheit der Geräte — wie schon aus der eigenen Werbung der Beklagten hervorgeht — eine Vermutung zugunsten der Klägerinnen, die allenfalls von demjenigen, der Einwände gegen den Vergütungsanspruch zu erheben trachtet, widerlegt werden kann. Das bedeutet, daß die Beklagte gehalten ist, ihrerseits darzulegen und unter Beweis zu stellen, daß die von ihr selbst als objektiv geeignet bezeichneten Geräte tatsächlich im privaten Bereich nicht für überspielungszwecke gebraucht werden können und daß deshalb ein Vergütungsanspruch entfällt. Hat die Beklagte daher nicht spezifiziert vorgetragen, was gegen die gesetzlich begründete Vermutung spricht und hierfür im einzelnen Beweis angeboten, wäre der Prozeß wohl im Sinne der Klageanträge entscheidungsreif. Andernfalls wäre den Beweisangeboten der Beklagten nachzugehen, sofern nicht schon aus der eigenen Werbung der Beklagten der Schluß gezogen werden muß, daß auch die Beklagte die von ihr angebotenen Geräte als geeignet ansieht, für

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private überspielungszwecke benutzt zu werden. Auf den tatsächlichen Umfang der Nutzung, der allein eines Beweises fähig wäre, kommt es danach nicht einmal entscheidend an. III. DifferenzvergUtung aus Schallplattenimporten 1. Schallplattenimportware Die GEMA, die auf Grund von Berechtigungsverträgen mit den ihr angeschlossenen Urheberberechtigten und von Gegenseitigkeitsverträgen mit ausländischen Wahrnehmungsgesellschaften die mechanischen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte am nahezu gesamten Weltrepertoire geschützter Musik vertritt, hat sich in mehreren Fällen veranlaßt gesehen, Schallplattenimporteure im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung und Zahlung in Anspruch zu nehmen. Anlaß für die anhängig gemachten Prozesse ist der Umstand, daß Schallplattenimporteure aus dem Ausland erhebliche Mengen von Tonträgern importieren, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland besonders preisgünstig abgesetzt werden. Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte sind weder von der GEMA noch von der Wahrnehmungsgesellschaft des Landes, aus dem die Tonträger exportiert worden sind, für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland lizenziert worden. Soweit bei der ausländischen Wahrnehmungsgesellschaft vom Hersteller Lizenzbeträge gezahlt werden, sind diese in aller Regel nur für die Verbreitung im Herstellungsland bestimmt. Die GEMA sieht sich insoweit auch nicht gehindert, die volle Lizenzvergütung für die Verbreitung im Inland nach den hier angewendeten Tarifsätzen zu verlangen. Besonderheiten ergeben sich lediglich bei Importen aus Mitgliedstaaten der EG, bei denen sich die GEMA auf die Differenz zwischen der im Herstellungsland für die dortige Verbreitung gezahtlen und der in der Bundesrepublik Deutschland festgesetzten Vergütung, die wegen der ungleich höheren Preise für Tonträger im Inland hier auch weit höher zu sein pflegt, beschränkt. Zu den in Anspruch genommenen Schallplatten-Importeuren gehört auch eine Firma K-tel International GmbH, die wegen der Einfuhr von 100 000 Langspielplatten aus Großbritannien auf Zahlung der Urhebervergütung unter Anrechnung der bereits von der Schwesterfirma der Beklagten in London gezahlten Lizenzbeträge verklagt wird. Der Prozeß ist beim Landgericht Frankfurt/Main unter dem Aktenzeichen 2/6 0 478/76 anhängig.

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2. Der Prozeßstandpunkt der GEMA Die Klägerin bezieht sich auf eine Mitteilung der britischen Wahrnehmungsgesellschaft MCPS, derzufolge eine Langspielplatte mit insgesamt 25 Titeln moderner Unterhaltungsmusik lediglich für Großbritannien lizenziert worden sei. 100 000 Exemplare seien von der Beklagten in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland importiert worden, ohne daß eine Nachlizenzierung durch. MCPS oder durch die GEMA in die Wege geleitet oder erfolgt wäre. Sie beruft sich darauf, daß die Vergütungsansprüche der Urheber innerhalb der einzelnen Staaten, auch innerhalb der EG-Länder, unterschiedlich bemessen seien, da sie sich im wesentlichen nach dem empfohlenen Endverbraucherrichtpreis für jede Schallplatte bemessen. Da die Preise für Tonträger in Deutschland relativ hoch lägen und jedenfalls weit höher seien als in Großbritannien, müsse die Differenz zwischen der in Großbritannien geleisteten und der hier üblichen Vergütung nachgezahlt werden. Die Klägerin führt weiter aus, daß die Verbreitungsrechte an den eingeführten Schallplatten nur auf Großbritannien beschränkt vergeben worden seien und weist dies auch durch Vorlegung eines auf Großbritannien beschränkten Genehmigungsbescheids der MCPS nach. In Ansehung der Entscheidung der EG-Kommission vom 2. Juni 1971 betreffend ein Verfahren nach Art. 86 des EWG-Vertrages (vgl. Schulze in UFITA Bd. 65 [1972] S. 343 ff., 363) sei die Klägerin daher berechtigt, die Differenzvergütung für das Inverkehrbringen der Schallplatten im Inlande zu verlangen. 3. Der Prozeßstandpunkt der Beklagten (K-tel International) Die Beklagte bestreitet nicht, 100 000 Langspielplatten aus Großbritannien importiert zu haben. Auch die Bemessung der von der Klägerin errechneten und mit der Klage geltend gemachten Differenzvergütung greift sie nicht an. Sie wendet jedoch ein, daß eine Verletzung der von der Klägerin wahrgenommenen Rechte nicht stattgefunden habe. Es könne kein Vertretungsrecht nach § 97 UG von der Klägerin geltend gemacht werden, da die urheberrechtlich geschützten Werke schon in Großbritannien mit Zustimmung der Urheberberechtigten in Verkehr gebracht worden seien. Die Beschränkung des Verbreitungsrechts auf das Herstellungsland oder auf einen bestimmten Mitgliedstaat der EG käme einer Isolierung nationaler Märkte innerhalb des EG-Bereichs gleich. Verbotsrechte verstießen

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daher gegen das wesentliche Ziel des EWG-Vertrages, den Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt zu bewirken. Insoweit stützt sich die Beklagte auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Deutsche Grammophon ./. Metro vom 8. Juni 1971 (NJW 1971, 1533 ff. = UFITA Bd. 63 [1972] S.349). Die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen käme der Inanspruchnahme von Verbotsrechten gleich, da die Basis des Vorgehens der Klägerin mangels eines vertraglichen Konsenses nur auf § 97 UG beruhe. Darüber hinaus berufe sich die Klägerin auf jene Entscheidung der Europäischen Kommission vom 2. Juni 1971 (UFITA Bd. 65 [1972] S. 344 mit Vorbem. Schulze), in der ausdrücklich hervorgehoben worden sei, daß zu der Frage, ob die Erschöpfung des Urheberrechts in einem Staat der EG auch für einen anderen Mitgliedstaat gilt, ausdrücklich ausgeklammert worden sei. Da die inländischen Gerichte nach Art. 5 Abs. 2 EWGV gehalten seien, das nationale Recht in Zweifelsfällen „gemeinschaftsfreundlich" auszulegen (Börner in NJW 1976, 2042), müsse im vorliegenden Falle davon ausgegangen werden, daß sich das Verbreitungsrecht an den in Großbritannien in den Verkehr gebrachten Vervielfältigungsstücken für den gesamten EGBereich erschöpft habe. 4. Zur Rechtslage Das angerufene Gericht wird sich zunächst vor Augen zu führen haben, daß die Klägerin keine Verbietungsrechte geltend macht. Die zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. Juni 1971 ist daher für den vorliegenden Fall ohne unmittelbare Bedeutung. Es wird auch keine Marktisolierung angestrebt, sondern ein marktgerechter Interessenausgleich, der solange gerechtfertigt erscheint, solange Tonträger auf den nationalen Märkten zu höchst unterschiedlichen Endverbraucherpreisen angeboten werden. Darüber hinaus setzt ein Vergütungsanspruch schon nach allgemeinen deutschen Rechtsgrundsätzen das Bestehen eines Verbietungsrechts nicht begriffsnotwendig voraus. Entscheidend aber ist vor allem, daß auch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs der B e s t a n d des national-deutschen Urheberrechts nicht angegriffen wird. Der EWG-Vertrag und seine nicht urheberrechtsspezifischen Normen beschränken lediglich die A u s ü b u n g nationalen Rechts insoweit, als dieses geeignet ist, eine dem wesentlichen Ziel des EWG-Vertrages zuwiderlaufende Isolierung nationaler Märkte auf-

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recht zu erhalten. Ist nun zwar die Ausübung des Vertretungsrechts geeignet, nationale Märkte gegeneinander abzuschotten, so trifft dies keineswegs für die Abschöpfung der Differenzvergütung, die die Klägerin beansprucht, zu. Das Verlangen der Klägerin führt daher sogar zu einer Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen, die sonst zugunsten der Importeure von Tonträgern entstünden, während die inländischen Hersteller von Tonträgern die Höhe der deutschen Urheberrechtsvergütung bei der Inlandsverbreitung ihrer Produktion entrichten müßten. Auch eine generelle Erschöpfung des Verbreitungsrechts für den gesamten EG-Bereich läßt sich nach der derzeitigen Rechtslage nicht begründen. Wird die urheberrechtliche Erlaubnis zur Vervielfältigung und Verbreitung nur für einen räumlich begrenzten Bereich vergeben, so tritt durch eine vom Urheber bzw. vom Nutzungsberechtigten gebilligte Verbreitung im Ausland eine urheberrechtlich gebilligte Verbreitung nicht auch im Inland ein. Dies entspricht der herrschenden Auffassung (v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, Rdz. 9 und 11 zu § 17; Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, Anm. 5 zu § 17; Hubmann, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 137; Ulmer in GRUR Int. 1972, 418; Reimer in GRUR Int. 1972, 226; OLG Hamburg in GRUR Int. 1970, 377 = UFITA Bd. 64 [1972] S. 314). Für diese herrschende Ansicht spricht u. a. auch, daß § 32 UG eine räumlich begrenzte Vergabe von Nutzungsrechten ausdrücklich anerkennt. Eine solche Aufspaltung von Nutzungsrechten nach einzelnen Nutzungsbereichen ließe sich aber praktisch gar nicht durchführen, wenn der Erstvertrieb in einem begrenzten Lizenzgebiet das Verbreitungsrecht insgesamt erschöpfen würde, eine Verbreitung im nicht lizenzierten Gebiete mithin nicht unterbunden werden könnte. Es ist auch nicht ersichtlich, daß auf Grund der herrschenden Erschöpfungslehre eine übermäßige und nicht vorgesehene Belohnung des Urhebers geschaffen würde. Mit der Zahlung von Lizenzen für ein bestimmtes Gebiet nämlich wird nur die Möglichkeit eröffnet, den in diesem Lizenzgebiet wohnenden Verbrauchern das Werk des Urhebers in der national gemäßigten Form — beispielsweise in der Sprache des Landes — zur Verfügung zu stellen. Im Verlagswesen und beim Film ist die Abgrenzung von Auswertungsgebieten an der Tagesordnung. Die auch im gesamten EG-Bereich mögliche und zulässige räumliche Beschränkung von Verbreitungsrechten widerspricht der Zielsetzung des EWG-Vertrages nicht, denn sie verhindert — gerade

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auf dem Gebiet des Tonträgervertriebs — eine Verwirrung des gemeinsamen Marktes unter einseitiger Belastung nationaler Märkte zum Nachteil der Urheber. Es gilt nämlich zu vermeiden, daß in Zukunft Tonträgerhersteller oder -importeure ohne Hinweis auf das eigentliche Bestimmungsland die Lizenz in Niedrigstpreisländern des EG-Bereichs, in denen entsprechend geringere Urhebervergütungen anfallen, lizenzieren lassen, um die Tonträger dann mit hohem Gewinn in Ländern zu vertreiben, in denen der Endabnehmer Höchstpreise zu zahlen gewöhnt und bereit ist. Die herrschende Erschöpfungslehre steht daher im Einklang mit dem EG-Recht und mit dem das Urheberrecht beherrschenden Grundsatz, daß der Werkschöpfer an dem Ertrag von Verwertungshandlungen angemessen zu beteiligen sei.

IV. Urheberrechtsschutz für US-Bürger in der Bundesrepublik 1. Der Verfilmungsfall Eine Berliner Filmproduktionsfirma hat durch Vertrag mit einem inländischen Verleger im Jahre 1972 die Rechte zur Verfilmung des Romans „Whitefang" (Wolfsblut) von Jack London erworben, um gemeinsam mit einer italienischen Produktionsfirma die Filmhandlung zu erarbeiten und sodann in Coproduktion mit diesem Partner den Film herzustellen. Schon bei deT Entwicklung des Filmstoffes ergaben sich Differenzen, die zu einer Auflösung der inzwischen angebahnten Vertragsbeziehungen führten. Der Berliner Filmproduzent zog die von ihm erworbenen Verfilmungsrechte zurück, wobei hier dahingestllt bleiben mag, ob sie in die Copartnerschaft eingebracht werden sollten oder wurden. Hierüber ist zwischen den Beteiligten kein Streit entstanden, so daß davon auszugehen ist, daß der Erwerber der Verfilmungsrechte sie in der Folgezeit allein nutzen konnte. Ungeachtet dessen hat die italienische Produktionsfirma den Romanstoff von Jack London ohne urheberrechtliche Autorisation verfilmt. Der Film wurde auch im Gebiet der Bundesrepublik ausgewertet. Die Berliner Filmproduktionsfirma hat Klage zum Landgericht München erhoben und sowohl den italienischen Filmhersteller als auch die deutsche Verleihfirma, die mit der Auswertung des Films befaßt war und ist, auf Schadenersatz in Anspruch genommen, nachdem ein auf ein Auswertungsverbot gerichtetes Verfügungsverfahren nach

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Sicherstellung eines namhaften Geldbetrages von Seiten des italienischen Filmherstellers einvernehmlich für erledigt erklärt worden war. Dem Verleger, von dem die Berliner Filmproduktion die Verfümungsrechte erworben hat, wurde der Streit verkündet. 2. Der Prozeßstandpunkt der Klägerin (Berliner Produktionsfirma) Die Klägerin macht geltend, daß in die von ihr erworbenen ausschließlichen Verfilmungsrechte eingegriffen worden sei. Sie beruft sich ferner darauf, daß ein auf ihre Veranlassung erarbeitetes und lediglich als Entwurf zur Erörterung gestelltes Drehbuch von dem italienischen Filmhersteller, der Beklagten zu 1), widerrechtlich für den Film benutzt worden sei. Die Beklagte zu 2), die deutsche Verleihfirma, habe sich in Kenntnis dieser Rechtslage zum Mittäter gemacht und habe ebenso wie die Beklagte zu 1) für die der Klägerin entstandenen Schäden einzustehen. Zur Darlegung der Verletzung wohlerworbener Rechte führt die Klägerin aus, daß der Roman „Whitefang" von Jade London zumindest in der Bundesrepublik Deutschland noch heute geschützt sei. Diese Konsequenz ergebe sich aus der Fortgeltung des bilateralen Ubereinkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Nordamerika und dem Deutschen Reich über den gegenseitigen Schutz der Urheberrechte vom 15. Januar 1892, dessen Fortdauer nach dem 1. Weltkrieg durch Gesetz vom 18. Mai 1922 (RGBl. II S. 129) und nach dem 2. Weltkrieg durch Notenwechsel zwischen den USA und der BRD (vgl. GRUR 1950, 414 f.) gewährleistet worden sei. Demnach genieße Jack London als Bürger der Vereinigten Staaten noch heute den vollen Urheberrechtsschutz, den ein Inländer in Deutschland für seine urheberrechtlich relevanten Leistungen besitze, auch für seinen Roman „Whitefang", der im Jahre 1905 in den USA erschienen ist. Dieser Urheberrechtsschutz erstrecke sich nach dem Prinzip der Inländerbehandlung auch auf die zunächst geltende Schutzfrist von 30 Jahren nach dem Tode des Urhebers, habe also auch an der Schutzfristverlängerung gemäß dem Gesetz zur Verlängerung von Schutzfristen im Urheberrecht vom 13. Dezember 1934 von 30 auf 50 Jahre teilgenommen. Auch die Schutzfristverlängerung der Urheberrechtsnovelle vom 9. September 1965 auf 70 Jahre post mortem auctoris sei dem Werk zugute gekommen, da Jack London im Jahre 1916 verstorben sei, das von ihm zu seinen Lebzeiten veröffentlichte Schaffen also Ende 1965 noch geschützt gewesen sei. Dieser Schutz dauere noch bis 1986 an. Er werde auch durch das Welturheberrechtsabkommen vom 6. September 1952, dem sowohl die USA

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als auch die BRD beigetreten seien, nicht eingeschränkt, da Art. XIX WUA ausdrücklich bestimme, daß die bestehenden bilateralen Abkommen der vertragschließenden Staaten unberührt bleiben sollen. 3. Der Prozeßstandpunkt der Beklagten (italienischer Coproduzent; deutsche Verleihfirma) Die Beklagten tragen demgegenüber vor, daß die Schutzfrist für den Roman von Jade London abgelaufen sei. Art. XIX WUA sehe zwar vor, daß frühere Abkommen vertragschließender Staaten in Kraft blieben. Dies gelte jedoch nicht, wenn die Bestimmungen eines solchen Abkommens von denen des WUA abweichen, wie ebenfalls ausdrücklich in Art. XIX S. 2 WUA normiert worden sei. Das WUA beruhe jedoch auf dem Schutzfristenvergleich, wie sich aus Art. IV Ziff. 4 ergebe. Danach sei kein vertragschließender Staat verpflichtet, einem Werk einen längeren Schutz zu gewähren als den, der für Werke der betreffenden Art in dem vertragschließenden Staat festgesetzt ist, in dem das Werk zuerst veröffentlicht worden ist. Von dieser durch das WUA eröffneten Möglichkeit des Schutzfristenvergleichs habe die BRD durch die gesetzliche Kodifizierung des § 140 UG Gebrauch gemacht. Da das Übereinkommen von 1892 zwischen den USA und dem Deutschen Reich keine ausdrückliche Regelung der Schutzfristen enthalten habe, könne sich die mit der Urheberrechtsreform in Kraft getretene Schutzfristenverlängerung auf 70 Jahre nicht mehr auf das Werk von Jade London erstrecken, zumal der Copyright-Schutz in den USA, der maximal 56 Jahre nach dem Erscheinen des Romans betrage, längst abgelaufen sei. Darüber hinaus haben die Beklagten geltend gemacht, daß auch keine Verletzung von Bearbeiterurheberrechten vorliege. Wenn sich Ubereinstimmungen zwischen dem Drehbuch der Klägerin und dem Film der Beklagten feststellen ließen, so wären diese ausschließlich auf den beiderseits benutzten und für Filmzwecke bearbeiteten Roman von Jade London zurückzuführen. 4. Zur Rechtslage Das Landgericht München I hat die Klage in Anlehnung an ein von den Beklagten vorgelegtes Gutachten von Professor Ulmer abgewiesen. Auch das Oberlandesgericht München hat sich der in der erstinstanzlichen Entscheidung niedergelegten Rechtsauffassung angeschlossen und die Berufung durch Urteil vom 28. Oktober 1976 — Ak-

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tenzeichen 6U 1140/76 — zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung ist Revision eingelegt worden. Mit der Annahme der Revision durch den 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ist zu rechnen, da die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist und eine unbestimmte Vielzahl gleichliegender Fälle berühren kann. Zum anderen ist von der Revisionsführerin geltend gemacht worden, daß das angefochtene Berufungsurteil, soweit die Verletzung von Drehbuch-Bearbeiterurheberrechten verfolgt worden sei, zu anderen Entscheidungen des BGH-Senats (GRUR 1959, 379/381 = UFITA Bd. 30 [1960] S. 193 — „Gasparone"; GRUR 1972, 143/144 = UFITA Bd. 64 [1972] S. 288 — „Biografie") in Widerspruch stehe. Der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird sich in erster Linie mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob die Bestimmungen des WUA dazu bestimmt und geeignet sein können, in vorbestehende zweiseitige oder mehrseitige Abkommen einzugreifen, die den Urhebern eine bessere Rechtsstellung geben, als dies durch die Bestimmungen des WUA geschieht. Vor allem Plinio Bolla (UNESCO Copyright Bulletin VIII Nr. 1 S. 20 ff.) vertritt unter Berücksichtigung der Motive und der Entstehungsgeschichte des WUA die Ansicht, daß die Priorität des WUA gegenüber „abweichenden" Bestimmungen in anderen bilateralen oder multilateralen Abkommen, wie sie in Art. XIX S. 2 WUA normiert worden sei, nur in jenen Fällen in Betracht komme, in denen das vorbestehende Abkommen den Urheber schlechter stelle als das WUA, das seinen Mitgliedstaaten nur die Mindestregelung auferlege. Der Bundesgerichtshof wird ferner zu prüfen haben, ob der im WUA niedergelegte Schutzfristenvergleich überhaupt geltendes Recht in der Bundesrepublik Deutschland geworden ist, denn § 140 UG erklärt im Hinbiidt auf die Dauer des Urheberrechtsschutzes für ausländische Staatsangehörige lediglich die Bestimmungen des Art. IV Ziff. 4 bis 6 WUA für anwendbar, obwohl dort nur eine mangelnde Verpflichtung, Ausländern einen weitergehenden Schutz zu gewähren als Inländern, niedergelegt worden ist. Zwar wird von deutschen Kommentatoren (v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, Anm. 2 zu § 140; Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, Anm. 1, 2 zu § 140) der Standpunkt eingenommen, aus Sinn und Zweck des § 140 UG ergebe sich, daß der im WUA vorgesehene Schutzfristenvergleich für die BRD verbindlich sein soll, obwohl der Wortlaut dieser Bestimmung durch die Weiterverweisung auf eine nicht zwingende Regelung des WUA nicht eindeutig sei. Die Frage jedoch, ob diese Regelung auch dann

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Platz greife, wenn früher auf Grund eines zweiseitigen Abkommens ein besserer Urheberschutz begründet war, hat bisher in der Literatur keine Erörterung gefunden. Desweiteren ergibt sich die Frage, ob die Schutzfristauswirkungen des Abkommens mit den USA aus dem Jahre 1892 nicht zu den wohlerworbenen Rechten im Sinne von Art. XIX S. 3 WUA gehören, deren Bestand durch das Inkrafttreten des WUA unberührt bleiben soll. Bappert/Wagner (Rdnr. 14 zu Art. XIX WUA) vertreten zwar die Ansicht, daß ein Urheber sein Urheberrecht nicht „erwirbt". Er hält diese Bestimmung offenbar nur für eine Schutzvorschrift zugunsten von Erwerbern urheberrechtlicher Nutzungsrechte. Dem steht jedoch schon der Wortlaut des Art. XIX S. 3 WUA entgegen. Wenn es dort heißt, daß Rechte unberührt bleiben, die auf Grund bestehender Abkommen erworben wurden, so kann es sich hier nur um die Rechtsbegründung auf Grund zwischenstaatlicher Verträge, nicht irgendwelcher Vereinbarungen zwischen Urheber und Verwertern handeln. Das bedeutet aber auch, daß a l l e Rechte auf Grund eines solchen Abkommens, auch die dem Urheber anderer Staatsangehörigkeit eingeräumten Rechte und Befugnisse, unberührt bleiben sollen. Hiervon scheint auch Ulmer (GRUR 1960, 57/64 r. Sp.) auszugehen, obwohl er in seinem im Prozeß vorgelegten Gutachten einen dem entgegenstehenden Standpunkt eingenommen hat. Muß demnach angenommen werden, daß das zweiseitige Abkommen des Jahres 1892 auch im Schutzfristbereich unverändert Bestand hat, so wird die Vorschrift des § 140 UG wohl dahin gedeutet werden müssen, daß die Berechnung der Dauer des Schutzes zugunsten ausländischer Urheber lediglich dann der Bestimmung des Art. IV Ziff. 4 bis 6 WUA unterworfen ist, wenn ausländische Staatsangehörige für ihre Werke n u r nach diesem Abkommen (WUA) Inländerschutz genießen. Schließlich wird der angerufene Senat des Bundesgerichtshofs auch der Frage nachzugehen haben, ob die Instanzgerichte aus eigener Sachkunde beurteilen konnten, ob eine Verletzung von Filmdrehbuchrechten vorliegt. Der Vergleich von Drehbüchern unterliegt wegen der schon eingeplanten optischen Umsetzung der literarischen Vorlage in das besondere Medium des Films sicher anderen Komponenten als der Vergleich abgeschlossener, im Handel erhältlicher literarischer Werke. Es wird für Streitfälle ähnlicher Art von Bedeutung sein, ob die Tatsacheninstanzen auch in der Zukunft in der Lage sein werden, Beweisangebote der klagenden Partei, beispielsweise auch das Angebot des Sachverständigenbeweises, zu übergehen und durch eigene Sachkunde zu ersetzen.

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V. Zusammenfassung Von der Rechtsprechung zum Urheberrecht ist von jeher erwartet worden, daß sie bestehende Normen der Urheberrechtsgesetzgebung mit Leben anfüllt und technischen Neuerungen ebenso Rechnung trägt wie bestehenden Staatsverträgen. Oft genug haben die mit Urheberrechtssachen befaßten Gerichte darüber zu entscheiden, ob der Zielsetzung internationaler Staatsverträge Genüge getan werden kann, ohne den einzelnen Urheber, der Angehöriger eines Mitgliedstaates ist, zu entrechten. Die dargelegten Beispiele von anhängigen Problemen des Urheberrechts zeigen dies mit Deutlichkeit. Das Landgericht Hamburg ist mit der Frage befaßt, ob die von der Bundespost in Hamburg und Nürnberg errichteten Verkabelungsanlagen als Eingriff in das dem Urheber vorbehaltene Senderecht zu werten sind oder ob sie lediglich der Erleichterung des Rundfunkempfangs dienen und daher frei von der Verpflichtung zur Entrichtung von Urhebervergütungen bleiben müssen. Das Landgericht Köln hat darüber zu befinden, ob neue Geräte des audiovisuellen Bereichs zur überspielung in der privaten Sphäre des Erwerbers geeignet sind und ob der Urheberberechtigte die neu kodifizierte Vergütungspflicht des Geräteherstellers bzw. -importeurs nach § 53 Abs. 5 UG in Anspruch nehmen kann. Das Landgericht Frankfurt/Main ist mit der Frage befaßt, ob der Urheberberechtigte vom Schallplattenimporteur, der Tonträger aus einem anderen Staat der Europäischen Gemeinschaft einführt, die Differenz zwischen der im Ausland gezahtlen, nach dem dortigen Inlandsvertrieb bemessenen Lizenzgebühr und der in Deutschland für den hiesigen Vertrieb festgelegten höheren Urhebervergütung verlangen kann. Dabei wird zu prüfen sein, ob das Inverkehrbringen von Tonträgern im Gebiet eines der EG-Mitgliedstaaten schon eine Erschöpfung des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts für den gesamten EG-Bereich mit sich bringt. Schließlich wird in einem in München anhängig gewesenen Prozeß nunmehr vom Bundesgerichtshof darüber zu befinden sein, ob die in einem zweiseitigen Urheberschutzabkommen zwischen den USA und Deutschland seit dem Jahre 1892 festgelegte Inländerbehandlung der Angehörigen des anderen Staates hinsichtlich der Schutzfristdauer seit dem Inkrafttreten des Welturheberrechtsabkommens der dort vorgesehenen Schutzfristvergleichung unterworfen ist. Die Folge wäre, daß trotz Fortdauer des zweiseitigen Abkommens der inländische Schutz des amerikanischen Urhebers an der Schutzfristverlängerung von 50 auf 70 Jahre keinen Anteil genommen hätte.

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Die kurze Darstellung einiger schwebender Verfahren und der im Prozeß verwendeten Argumente soll weder die Entscheidung vorwegnehmen, noch soll in irgendeiner Weise Einfluß auf den Ablauf des Rechtsstreits genommen werden. Dies gilt auch für jene Ausführungen, in denen der Verfasser eine eigene Rechtsmeinung angedeutet hat. Ziel dieses Berichts ist lediglich, dem interessierten Leser einen Teilaspekt aus der derzeitigen Rechtspraxis, die mit der Lösung anstehender Probleme des Urheberrechts befaßt ist, zu ermöglichen.

Résumé On a toujours attendu de la jurisprudence qu'elle insuffle la vie que comporte la législation sur le droit d'auteur aux dispositions et tienne compte aussi bien des innovations techniques que des conventions internationales existantes. Fréquemment les tribunaux s'occupant des problèmes du droit d'auteur doivent décider s'il est possible de servir les objectifs des conventions internationales sans priver de ses droits l'auteur pris individuellement, qui est ressortissant d'un Etat membre. Les exemples ici rapportés de problèmes actuels du droit d'auteur le montrent clairement. Au Landgericht de Hambourg se pose la question de savoir si les systèmes de câbles installés par l'administration fédérale des Postes à Hambourg et à Nuremberg doivent être considérés comme portant atteinte au droit de radiodiffusion réservé à l'auteur, ou s'ils servent seulement à faciliter la réception des émissions et doivent donc échapper à l'obligation de verser une rémunération à l'auteur. Le Landgericht de Cologne doit décider si les nouveaux appareils du domaine audio-visuel se prêtent à l'enregistrement dans la sphère privée de l'acquéreur, et si le titulaire du droit d'auteur peut revendiquer le bénéfice de la rémunération dont le paiement a été récemment imposé au fabricant ou à l'importateur d'appareils par le § 53, al. 5 de la loi sur le droit d'auteur. Le Landgericht de Francfort-sur-le-Main doit répondre à la question de savoir si le titulaire du droit d'auteur peut réclamer de l'importateur de disques, qui importe des supports de sons d'un autre Etat membre de la Communauté européenne, la différence entre la licence payée à l'étranger et établie en fonction de la distribution sur le territoire du pays en question et la rémunération plus élevée fixée en Allemagne pour la distribution dans ce pays. Il faudra à ce propos examiner si la mise dans le commerce de supports de sons sur le

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territoire d'un des Etats membres de la CEE a déjà pour effet d'épuiser pour ¡'ensemble du territoire de la CEE le droit de mise en circulation prévu par le droit d'auteur. Enfin, dans une affaire qui s'est déroulée à Munich, la Cour fédérale devra maintenant décider si le traitement national des ressortissants de l'autre Etat prévu depuis 1892 dans une convention bilatérale entre les Etats-Unis et l'Allemagne est, pour ce qui concerne la durée de protection, subordonné depuis l'entrée en vigueur de la Convention universelle sur le droit d'auteur à la comparaison des délais de protection qui y est prévue. La conséquence serait que, bien que la convention bilatérale continue à exister, la protection sur le territoire allemand de l'auteur américain n'aurait pas profité de la prolongation de la durée de protection de 50 à 70 ans. Le court exposé de quelques affaires pendantes et des arguments utilisés au cours des procès ne doit ni préjuger de la décision, ni exercer une quelconque influence sur le cours des litiges. C'est également le cas pour les développements dans lesquels l'auteur a laissé entrevoir une opinion qui lui est propre. Cette étude a seulement pour but de permettre au lecteur intéressé de s'informer de la pratique jurisprudentielle actuelle en ce qui concerne la solution de certains problèmes que pose le droit d'auteur. Fr. U.

Summary Copyright jurisdiction has always been expected to fill the rules of statutory copyright with life and to take into account technical innovations as well as international treaties. Quite often the courts concerned with copyright matters must decide whether the purposes of international treaties can be fulfilled without depriving the individual author, who is a subject of a member state, of his rights. The given examples of current problems in copyright law clearly show this. The Landgericht Hamburg has to deal with the question whether the cabling structure systems set up by the Bundespost in Hamburg and Nürnberg must be considered as an interference with the right of transmission reserved for the author, or whether they merely serve for facilitating radio reception and must therefore be kept free from the obligation to pay copyright royalties to authors. The Landgericht Köln has to decide whether new equipment in the audio-visual field is suitable for re-recording within the private sphere of the buyer, and whether the holder of the copyright can

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claim royalties under the newly codified duty of the manufacturer or importer of re-recording equipment as stated in para. 53 subpara. 5 German Copyright Act. The Landgericht Frankfurt/Main must deal with the problem whether, should phonograph records be imported from another member state of the European Community, the holder of the copyright can claim from the importer the difference between a royalty paid and taxed according to the domestic law there and a higher royalty according to German law. It will have to be examined whether the distribution of sound recordings in only one EEC member state exhausts further distribution rights in the rest of the EEC. Finally, the Federal Supreme Court (Bundesgerichtshof) will have to decide an appeal against a decision of the Munich appeal court concerning the question whether the principle of national treatment as stated in the bilateral treaty of 1892 between the USA and Germany has, as regards the period of protection, become subject to the comparison of protection periods as provided for in the Universal Copyright Convention. If this were so, the protection period for an American author in Germany would not have been extended from 50 to 70 years, regardless of the continuation of the bilateral treaty. This brief survey over some pending cases and the arguments brougth forth in the proceedings shall neither anticipate the decision nor in any way influence their course. This applies also to those statements of the author indicating his own legal opinion. The only purpose of this survey is to present to the interested reader some aspects of today's legal practice concerned with the solution of copyright problems. v. W.

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Überlegungen für ein Urhebervertragsgesetz Von Dr. jur. Georg Roeber, München*) I. Ausgangssituation 1. Gesetzgeberische Absichten bei Erlaß des UG Das Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (UG) und das parallel dazu ergangene Urheberwahrnehmungsgesetz (UrhWG), in den Entwürfen noch — und dies sachlich zutreffend — „Verwertungsgesellschaftengesetz" (VerwGG) genannt 1 ), sind seit mehr als 10 Jahren in Kraft. Es entsprach der Absicht des Gesetzgebers, die Urheberrechtsreform in zwei Etappen vorzunehmen: ein „umfassendes" Urhebervertragsgesetz sollte das neue Urheberrechtsgesetz „ergänzen", und dieses Gesetz sollte „für alle Vertragstypen auf dem Gebiet des Urheberrechts Vorschriften enthalten" 2 ). Im Hinblick auf diese Absichten wurde das Urhebervertragsrecht als solches aus dem Urheberrechtsgesetz herausgelassen 8 ). Der Gesetzgeber begnügte sich mit der Regelung vertragsrechtlicher Auswirkungen einiger der zuerkannten Rechte4), mit der Zulassung vertraglicher Abweichungen in mehreren Grundsatznormen 6 ) und mit der Aufnahme einer Reihe vertraglicher Auslegungsregeln 6 ). Das Verlagsgesetz als Ganzes blieb bestehen, nur einige änderungsbedürftige Bestimmungen dieses Gesetzes (§§ 3, 13 und 42 VerlG) wurden für das UG zur Neuregelung aufgegriffen (§§ 38, 39 UG) und vom UG aufgehoben (§ 141 Nr. 4 UG). Die von der Rechtsprechung entwickelte Zweckübertragungstheorie wurde als ein Kernstück der Auslegung urheberrechtlicher Verträge im Urheberrechtsgesetz verankert *) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. So: die Referentenentwürfe von 1954, die Ministerialentwürfe von 1959, die Regierungsentwürfe von 1963. 2 ) Begründung des RegEntw. zum UG in: UFITA Bd. 45 (1965) S. 241 und S. 271. 3 ) Siehe dazu auch in der regierungsamtlichen Schrift „Verbesserung der beruflichen und sozialen Lage der Künstler und Publizisten", Bd. 7 der Schriftenreihe des Bundesministeriums des Innern, 1976, S. 28: „Das Urheberrechtsgesetz enthält nur einige wenige allgemeine Regelungen urhebervertragsrechtlichen Charakters, die zwar in einzelnen besonders wichtigen Fragen die Rechtsstellung der Urheber und Inhaber verwandter Schutzrechte sichern, ihnen aber insgesamt keinen ausreichenden Schutz gegen unangemessene Vertragsbedingungen gewähren." 4 ) So: §§ 36 Abs. 3; 40 Abs. 2; 41 Abs. 4; 42 Abs. 2 UG. «) So: §§ 33; 34 Abs. 4; 35 Abs. 2; 39 Abs. 1 UG. «) So: §§ 37; 38; 44 Abs. 1; 88 Abs. 1 und Abs. 2; 89 Abs. 1 UG.

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(§ 31 Abs. 5 UG). Ein nachfolgendes Urhebervertragsgesetz wird diese Zusammenhänge mit dem UG sowohl gesetzestechnisch als auch für die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsnormen zu berücksichtigen haben. 2. Aufnahme der Vorarbeiten für ein Urhebervertragsgesetz Die Bundesregierung ließ im Jahre 1970 auf eine Anfrage im Bundestag erklären, sie habe die Absicht nicht aufgegeben, den Entwurf eines Urhebervertragsgesetzes vorzulegen7). Im Jahre 1974 gab der Bundesjustizminister bekannt, die Vorarbeiten für eine gesetzliche Regelung des Urhebervertragsrechts seien inzwischen aufgenommen worden8). Zur Vorbereitung einer Regelung des zunächst in Aussicht genommenen Gebiets der Sendeverträge wurde ein Gutachtenauftrag an Eugen Ulmei (München) erteilt; dieses Gutachten, mit dessen Vorlage das Bundesjustizministerium für etwa Mitte 1976 rechnete, soll dem Auftrag zufolge Vorschläge für eine gesetzliche Regelung enthalten9). Zuvor hatte das Bundesjustizministerium ein Vorgutachten von Wilhelm Nordemann (Berlin) eingeholt. Beide Gutachten sind bis jetzt noch10) der Kenntnis der Öffentlichkeit verschlossen. Das Gutachten Ulmet wird die Bahn für eine öffentliche Diskussion freigeben. Das Bundesjustizministerium beabsichtigt, dieses Gutachten — und im Zusammenhang mit ihm vermutlich auch das Vorgutachten Nordemann — zur allgemeinen Diskussion zu stellen. Unter diesen Umständen wäre es verfrüht, sich schon jetzt mit Detailfragen der inhaltlichen Ausgestaltung des geplanten Gesetzes zu befassen. Wohl aber erscheint es geboten, einige Grundfragen der Gesetzesgestaltung vorbereitend ins Gespräch zu bringen. Die Möglichkeit dazu geben mehrere Beiträge der letzten Zeit. Genannt seien im Anschluß an Heinrich Hubmanns UFITA-Aufsatz „Urhebervertragsrecht und Urheberschutz" (Bd. 74 [1975] S. 1 ff.) die Ausführungen der drei Referenten der vorjährigen Vortragsveranstaltung des Kölner Instituts für Rundfunkrecht, vom veranstaltenden Institut zu dem auf der Einladung und der nachfolgenden Druckschrift bewußt mit einem Fragezeichen versehenen Thema der Neuordnung des Urhebervertragsrechts: v. Gamm (Karlsruhe) „Die Bedeutung der Rechtsprechung zum Urhebervertragsrecht"; Robert Dittrich (Wien) „Rechts') Siehe R o e b e r , Urhebervertragsgesetz — Absichten, Tatbestände und Aufgaben, in: FILM UND RECHT Nr. 11/1974 S. 697 ff. 8 ) R o e b e r , aaO. ») Siehe die regierungsamtliche Schrift von 1976 (Fn. 3), S. 28. ">) April 1977. — Nach Auskünften des Bundesjustizministeriums ist eine Veröffentlichung des Vorgutachtens Nordemanns nicht beabsichtigt.

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politische Überlegungen zur Schaffung eines Urhebervertragsrechts aus österreichischer Sicht"; Eugen Ulmet (München) „Gedanken zur Weiterentwicklung des Urhebervertragsrechts" 11 ). Dazu tritt der Vortrag, den Gerhard Frotz (Wien) „Zur Reform des Urhebervertragsrechtes" anläßlich einer Sitzung der Schweizerischen Vereinigung für Urheberrecht am 12. März 1976 in Zürich gehalten hat12). Als jüngster Diskussionsbeitrag liegt ein breitgefächerter Aufsatz zur Alternative: Fortentwicklung durch Verträge oder durch Gesetz von Ferdinand Sieger vor18). Außer dem Kölner Institut für Rundfunkrecht war auch das Institut für Film- und Fernsehrecht (München) mit dem Thema des Urhebervertragsrechts in mehreren Arbeitssitzungen befaßt14). Benvenuto Samson, zu dessen Ehrung der vorliegende UFITA-Band erscheint, erwies sich in den Sitzungen des Instituts für Film- und Fernsehrecht als entschiedener Verfechter einer gesetzlichen Regelung auf breitfundierter Grundlage15). Erstaunlich war, daß sich in diesen Arbeitssitzungen Bedenken auf Seiten der Gewerkschaften erhoben, die zuvor zu den eifrigsten Befürwortern einer gesetzlichen Regelung gehörten. Diese Schwenkung in der grundsätzlichen Position mag sich daraus erklären, daß durch den neu geschaffenen § 12 a des Tarif vertragsgesetzes (TVG)16) mit dem Begriff der „arbeitnehmerähnlichen Personen" ein Großteil der sogenannten freien Mitarbeiter in das System der arbeitsrechtlichen Tarifverträge einbezogen wird. Auch war mit dem zwischen den Gewerkschaften und dem Südwestfunk (Baden-Baden) geschlossenen Tarifvertrag „zur Regelung der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte in Arbeitsverhältnissen" vom 1. Dezember 197117) ein arbeitsrechtliches Instrument und zugleich ein Regelungsmuster geschaffen worden, das zu weiteren Hoffnungen berechtigt. Unter Berücksichtigung auch der spezifiziert von Sieger 11 ) Neuordnung des Urhebervertragsrechts?, Bd. 21 der Schriftenreihe des Instituts für Rundfunkrecht an der Universität Köln. 1977. C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München. 12 ) Veröffentlicht in: Schweizerische Mitteilungen über Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Heft 1/1976. ls ) „Fortentwicklung des Urhebervertrags- und -sozialrecht durch Einzel- und Kollektivverträge oder durch Gesetz?", in: UFITA Bd. 77 (1976) S. 79 ff. ") Zur 1. Arbeitssitzung (25. Okt. 1974) siehe in FILM UND RECHT Nr. 11/1974 S. 712 f. und R o e b e r in: FILM UND RECHT Nr. 12/1974 S. 784 ff.-, zur 2. Arbeitssitzung (13. Dez. 1974) R o e b e r in: FILM UND RECHT Nr. 2/1975 S. 102 ff.; zur 3. Arbeitssitzung (18. April 1975) R o e b e r in: FILM UND RECHT Nr. 5/1975 S. 319 ff. » ) Siehe bei R o e b e r in: FILM UND RECHT Nr. 2/1975 S. 106 und S a m s o n , Urhebervertragsgesetz oder Verzicht auf eine gesetzliche Regelung?, in: FILM UND RECHT Nr. 5/1975 S. 299 ff. la ) Eingefügt durch Gesetz v o m 29. Okt. 1974 (BGBl. I S. 2879 [2884]). ") UFITA Bd. 63 (1972) S. 205 ff.

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in seinem genannten Aufsatz vorgetragenen Bedenken stellt sich hiernach als erste Grundfrage: Bedarf es überhaupt eines Gesetzes zur Regelung des Urhebervertragsrechts? IL Zur Methode einer gesetzlichen Regelung 1. Regierungsabsiditen und Gutaditenauftrag Wenn auch die Gutachten Ulmer und entsprechend das Vorgutachten Nordemann, weil noch unveröffentlicht, einer Betrachtung derzeit noch nicht zugänglich sind, ist doch bekannt geworden, daß beide Gutachten übereinstimmend die Absicht des Bundesjustizministeriums stützen, die vertragsrechtliche Gesamtregelung in der Form zeitlich und sachlich getrennter Einzelgesetze durchzuführen. Der Anfang soll mit den Sendeverträgen gemacht werden. Schon im Programmbericht von 1974 hatte der Bundesjustizminister die Absicht bekundet, als erstes das Gebiet der Sendeverträge zu regeln18). Diese Absicht wurde noch zur Zeit der 7. Legislaturperiode des Bundestages in der vom Bundesinnenminister herausgegebenen Regierungsbroschüre „Verbesserung der beruflichen und sozialen Lage der Künstler und Publizisten" wiederholt und wie folgt begründet: „Wegen der Unterschiedlichkeit der Verhältnisse in den einzelnen Bereichen der Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen soll das Reformvorhaben für die verschiedenen Bereiche schrittweise in Angriff genommen und durchgeführt werden. Dabei soll mit dem besonders bedeutsamen und noch völlig ungeregelten Recht der Sendeverträge begonnen werden."19) Damit ist die Absicht zumindest des federführenden Bundesjustizministeriums klar umschrieben: Kein einheitliches Gesetz zur Regelung der Vertragsmaterie, sondern Aufteilung der Gesamtmaterie auf einzelne Spezialgesetze. 2. Gutaditenauftrag Ulmer Ulmer hat sich in seinem Referat auf der Vortragsveranstaltung 1976 des Kölner Instituts für Rundfunkrecht auch mit der gesetzesle

) Siehe R o e b e r in: FILM UND RECHT Nr. 11/1974 S. 697. »•) Siehe Fn. 3, aaO. S. 28.

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methodischen Frage: Gesamtregelung oder Spezialregelung auseinandergesetzt 20 ). Seine Stellungnahme gipfelt in folgenden Überlegungen: „Eine solche Gesamtregelung wäre einfach, wenn man sich für die einzelnen Typen auf einige wenige Bestimmungen beschränken würde. Solche Regelungen gibt es in einzelnen Auslandsstaaten. Im Anschluß an die Regelung des Verlagsvertrages finden sich einige wenige Bestimmungen über Sendeverträge, Aufführungsverträge usw. Bei Sendeverträgen heißt es dabei beispielsweise, daß der Urheber durch den Vertrag dem Sendeunternehmen das Recht einräumt; angefügt wird noch möglicherweise die Bestimmung, daß das Recht als einfaches oder ausschließliches eingeräumt werden kann, und daß das Sendeunternehmen zur Herstellung von Wiedergabevorrichtungen berechtigt ist. Eine solche Regelung mag für den Systematiker etwas Beruhigendes haben; sie mag auch ein Anknüpfungspunkt für Kommentare sein. Aber sie ist praktisch wertlos. Will man Nägel mit Köpfen machen, so bedarf es eingehender Vorarbeiten, umfassender rechtstatsächlicher Untersuchungen und einer wohlüberlegten Abwägung der Interessen. Der Plan, eine solchen Anforderungen gerecht werdende Gesamtregelung des Urhebervertragsrechts zu schaffen, liefe auf eine Verschiebung ad calendas graecas hinaus." Ulmer folgert hieraus die Berechtigung zur Vorwegnahme des Rechts der Sendeverträge, „mit Ausstrahlungen, die davon insbesondere auch auf das Filmrecht ausgehen würden". Nach seinen Überlegungen käme anschließend eine Neuregelung des Verlagsrechts in Betracht, „nach Möglichkeit im Benehmen mit Österreich und der Schweiz". Als weitere Regelungsetappen nennt Ulmer: „Bühnenaufführungsverträge und andere Vertragstypen". Am Schluß („schließlich") steht für ihn die Möglichkeit, „auch einige allgemeine Bestimmungen für das Urhebervertragsrecht" zu treffen, er meint aber, solche Bestimmungen könnten angesichts der Verschiedenheit der Typen nicht viel mehr sagen, als bereits heute im Urheberrechtsgesetz steht. 3. Schweizer Expertenkommission Mit der Begründung, es wäre noch verfrüht, eine umfassende Gesetzgebung über die komplexe Materie des Urhebervertragsrechts zu 20

) Fn. 11, aaO. S. 40 f.

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erlassen, Lehre und Rechtsprechung hätten dieses Gebiet erst fragmentarisch ausgeleuchtet, und auch die Klauseln der Einzel- und Kollektivverträge vermöchten nicht über die unvollständige Dokumentation hinwegzuhelfen, hat die vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement im August 1962 bestellte II. Expertenkommission für die Vorbereitung eines neuen Urheberrechtsgesetzes der Schweiz mehrheitlich beschlossen, auf die Einführung einer Kodifizierung der verschiedenen Vertragstypen über die Urheberrechte zu verzichten. Die schweizerische Expertenkommission weist mit diesem Verzicht auch die Möglichkeit gesetzlicher Spezialregelungen zum Urhebervertragsrecht zurück: Der Verlagsvertrag soll im Obligationenrecht belassen und nur in den Schlußbestimmungen eines neuen Urheberrechtsgesetzes abgeändert werden21). Die selbe Meinung vertritt Alois Troller (Luzern), der Mitglied der II. Expertenkommission ist. In der Diskussion des Frofz-Referats in Zürich sprach er sich auch persönlich für den Vorschlag der II. Expertenkommission aus, die Probleme erst durch die Gerichte bearbeiten und lösen zu lassen; in den Prozessen kämen die besonderen Schwierigkeiten vorteilhaft zum Vorschein, da die beiden sich auseinandersetzenden Parteien alle wichtigen Details beibringen und die jeweilige Interessenlage beleuchten würden22). Troller hat seine zur Vorsicht und Zurückhaltung mahnende Ansicht in seinem Beitrag zur vorliedenden Ehrengabe Samson noch ausführlicher begründet und entsprechend erhärtet 28 ). 4. Aus österreichischer Sidit Frotz, in Wien zu Hause und lehrstuhlmäßig mit dem Immaterialgüter- und Obligationenrecht befaßt, sieht noch einen weiten Weg bis zu einer umfassenden Neukodifizierung des Urhebervertragsrechts, hat aber Bedenken, die Bearbeitung und Klärung der Probleme der Rechtsprechung zu überlassen. Er befürwortet statt dessen die Ausarbeitung eines Gesetzgebungsvorschlages durch Experten, zu dem sich die interessierten Kreise äußern könnten. Er sieht vier sachliche Gefahren, die dem Urheber- und dem Leistungsschutzberechtigten in der Praxis vor allem drohen: (1) Der Verwerter wolle möglichst viele Nebenrechte erwerben; (2) er wolle alle Rechte als ausschließliche und sie zudem örtlich und zeitlich unbeschränkt erwerben; (3) er wolle dies alles zu billig erwerben; (4) er wolle, so gerade im Hin21

) UFITA Bd. 72 (1975) S. 258 f. **) Fn. 12, aaO. S. 20. 23 ) T r o l l e r , oben S. 173 ff.

Überlegungen für ein Urhebervertragsgesetz

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blick auf die Nebenrechte, nicht verpflichtet sein, die erworbenen Rechte auch zu betreiben. Mit derartigen Fakten könne ein Legist schon durchaus etwas anfangen, er brauche sie bloß durchzugehen, um auf den harten Kern der Reformproblematik zu stoßen. Im Unterschied zur II. schweizerischen Expertenkommission vertritt Fiolz zur Abwägung zwischen dispositiven und zwingenden Bestimmungen die Meinung, auch dispositive Bestimmungen über den Inhalt von Werknutzungsverträgen seien von Nutzen, und zwingende Bestimmungen könnten nicht schon mit dem Hinweis auf Bevormundung abgelehnt werden, auch sei die Starrheit zwingender Normen kein durchschlagendes Argument gegen ihre Verwendung24). 5. Differenzierte Grundfrage Im Hinblick auf diese Stellungnahmen differenziert sich die zur Diskussion gestellte Grundfrage: Gesamtregelung oder Spezialregelung wie folgt: wenn schon keine Gesamtregelung — dann Spezialregelungen (Alternative 1) oder aber: weil keine Gesamtregelung — dann auch keine Teilregelungen (Alternative 2). Die unterschiedlichen Konsequenzen, die aus der Verneinung einer Gesamtregelung einerseits von Bundesregierung und Regierungsgutachter Ulmer, andererseits von der II. Expertenkommission der Schweiz gezogen werden, gilt es ebenso zu diskutieren wie die Ausgangsfrage selbst. III. Normierung von Leitgedanken 1. Gewinnung von Leitgedanken Das Urheberrechtsgesetz von 1965 beruht auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Einschränkungen ergeben sich aus rechtstheoretischen Erkenntnissen (so das Prinzip der Unveräußerlichkeit des Urheberrechts) und aus rechtspolitischen Fallerwägungen. Eine organische Verknüpfung im Gesamtsystem des Urheberrechts bedingt, daß auch für ein Urhebervertragsgesetz der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt, gleichwohl aber Einschränkungen, sofern sie begründet sind, vertretbar sind. Für die Nutzung von Werken und Leistungen liegt eine Fülle von Vertragsdokumenten mit Geltung für alle wesentlichen Nutzungsarten vor. Die Materialsammlung von Erich Schulze zum Urheber") Fn. 12.

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vertragsrecht gibt hinreichenden Aufschluß25). Ein Teil dieser Vertragsdokumente mag noch der Rechtssituation der beiden früheren Urheberrechtsgesetze (LUG und KUG) entsprechen. Differenzen zur jetzt gegebenen Rechtslage können unschwer festgestellt und für eine gesetzliche Neuregelung ausgeräumt werden. Auf solchen Erfahrungsgrundlagen der Vertragsgestaltung kann schon heute und muß auch weiterhin das Verständnis für eine gesetzliche Regelung des Urhebervertragsrechts aufbauen. Das praktische Leben hat das Material geliefert. Die Rechtsprechung ist tätig geworden. Aufgabe des Gesetzgebers wird es sein, an Hand dieses Materials aus Vertragspraxis und Rechtsprechung die Probleme einer gesetzlichen Regelung zu erkennen, aus dem Widerstreit der Interessen und Meinungen leitende Gesichtspunkte zu gewinnen und die Ergebnisse einer solchen Begriffs- und Tatsachenanalyse zu einem System der gesetzlichen Regelung zu koordinieren. Nicht die Materialfrage ist das Problem. Es sind die Leitgedanken der gesetzlichen Regelung, denen Ausdruck und Geltung zu verschaffen ist. Solche Leitgedanken müssen am Anfang und dürfen nicht am Schluß einer gesetzlichen Regelung stehen. Sie müssen in der Bedeutung von Grundsätzen die Vertragsgestaltung bestimmen und das Wesen der Gesamtregelung ausweisen. 2, Vertragliche Gesamtregelungen Es fragt sich, ob die Herausarbeitung und Praktizierung tragender Leitgedanken den beteiligten Fachkreisen überlassen werden kann. Da Individualverträge, um für die Vertragspartner wirtschaftliche und soziale Chancengleichheit zu ermöglichen, typisiert sein müssen, bieten sich Gesamtregelungen einerseits zwischen Berufsverbänden und andererseits zwischen Tarifvertragsparteien an. Grundsatz solcher Regelungen ist die Parität. Es muß sich um eine nach Erfahrungen und Erkenntnissen möglichst ausgewogene Parität handeln. Bisher noch einseitig aufgestellte und entsprechend praktizierte Gruppenverträge 28 ) müßten paritätisch fundierten Gesamtregelungen weichen. 25 ) Erschienen als Nummer 14 der Schriftenreihe der UFITA, 1. Aufl. I960; 2. Aufl. 1974 i 3. Aufl. in Vorbereitung. 26 ) So die in der Filmwirtschaft auf die Formulierungen des Produzentenverbandes zurückgehenden Vertragsmuster: für den Erwerb des Weltverfilmungsrechts an einem bereits erschienenen Werke (Verfilmungsvertrag) ; für Exposé und Treatment (Filmmanuskriptvertrag) ; für Rohdrehbuch und kurbelfertiges Drehbuch (Filmdrehbuchvertrag). Im Unterschied dazu: der im Vereinbarungswege zwischen dem (damaligen) Verband Deutscher Filmproduzenten e. V. und dem Deutschen Komponistenverband e. V. festgelegte Filmmusikvertrag, der auch auf der Zustimmung der GEMA beruht.

Überlegungen für ein Urhebervertragsgesetz

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Für diese Bereiche wird der Problematik der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine für das Urhebervertragsrecht bisher noch weitgehend unergründete Bedeutung zukommen26*). Solche von Berufsverbänden oder Tarifvertragsparteien getragenen Gesamtregelungen werden weitgehend durch Zweckmäßigkeit und Kompromiß bestimmt. Es wäre sicherlich eine zumindest unzulängliche Methode, derart zustande gekommene Regelungen grundsatzmäßig zu analysieren und das so post festum gewonnene Ergebnis als regulierendes Prinzip auf die Gesetzgebung zu übernehmen. Ebenso unzulänglich wäre es, die weitere Entwicklung einfach in die Hände von Berufsverbänden und Tarifvertragsparteien zu legen. Audi Berufsverbände und Tarifvertragsparteien braudien Leitgedanken, an denen sie sich für die Arbeiten der Praxis orientieren und ausrichten können. Weder aus dem Prinzip der Vertragsfreiheit noch dem der Tarifautonomie resultiert für Berufsverbände und Tarifvertragspartner die Verpflichtung, Grundsatzfragen überhaupt oder sie in einem bestimmten Sinne (Gesamtinteresse) aufzugreifen und zu regeln 27 ). Dies zu tun ist Aufgabe des Gesetzgebers. Bleibt es Berufsverbänden und Tarifvertragsparteien überlassen, zwar nach Interessen, nicht aber nach Erkenntnissen Gesamtregelungen zu treffen, so besteht die Gefahr, daß nach Zweck und Möglichkeit zwar praktikable Lösungen gefunden, richtungweisende Grundsätze jedoch vernachlässigt oder pervertiert werden. 3. Gesetzliche Regelung Schon aus diesen Gründen ist für die hier zur Erörterung gestellte Vertragsmaterie eine gesetzliche Regelung unerläßlich. Da es sich um Leitgedanken zu handeln hat, die dazu bestimmt sind, die weitere Entwicklung des Urheberrechts abzusichern und zu regulieren, müssen solche Leitgedanken wie die gesetzliche Regelung selbst auf die Gesamtmaterie des Urhebervertragsrechts abgestellt sein. Es gilt demgemäß für den Gesetzgeber, beziehungsgerechte Leitgedanken zu ermitteln und sie als Rechtsnormen zu formulieren. Daß dies mög26 *) Darauf wird in der regierungsamtlichen Schrift von 1976 (Fn. 3), wenn auch nur summarisch, mit dem Satz hingewiesen, daß das Gesetz zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen „zwar nicht speziell auf den Bereich des Urheberrechts ausgerichtet ist, aber auch hier gewisse Schutzwirkungen entfalten wird". 2 ') In diesem Sinne äußerte sich schon H e r s c h e l in Arbeitssitzungen des Instituts für Film- und Fernsehrecht unter besonderem Hinweis auf das Zustandekommen des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen, für das die Tarifvertragsparteien keine nennenswerten Initiativen entwickelt oder Hilfen geleistet haben. Siehe auch H e r s c h e l im Bericht über die 3. Arbeitssitzung des Instituts für Filmund Fernsehrecht, in: FILM UND RECHT Nr. 5/1975 S. 322.

Georg Roeber-,

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lieh ist, zeigt § 31 Abs. 5 UG mit der gesetzlichen Normierung der von der Rechtsprechung entwickelten Zweckübertragungstheorie als ein das gesamte Urheberrecht beherrschendes Prinzip der Vertragsauslegung. Der Gesetzgeber sollte für das hiernach erforderliche Urhebervertragsgesetz zu dessen Vorbereitung eine Grundsatzkommission berufen, die gesetzliche Leitgedanken mit einheitlicher Geltung für alle Arten der Nutzung von Werken und Leistungen erarbeitet. Auch das in Kommissionen und in jahrelanger Arbeit vorbereitete Bürgerliche Gesetzbuch wurde in sich harmonisiert und als Ganzes in Kraft gesetzt (Kodifikation). 4. Die Regelung durch Einzelgesetze Folgt man den jetzigen Überlegungen der Bundesregierung, abweichend von der ursprünglichen Absicht, ein einheitliches Urhebervertragsgesetz mit Geltung für alle Vertragstypen zu schaffen28), so wäre zu überlegen, ob der vorgeschlagenen Grundsatzkommission eine Kommission für die Bearbeitung der speziellen Anwendungsgebiete an die Seite zu stellen wäre. Zu welchen Ergebnissen man auch für die inhaltliche Ausgestaltung der Spezialbereiche kommen mag, erscheint es wichtig, sich nicht im Speziellen zu verlieren, sondern in Ausrichtung auf das Grundsätzliche folgendes zu beachten: 1. Keine gesetzliche Einzelregelung ohne Voranschickung allgemeiner Grundsätze. 2. Keine gesetzliche Einzelregelung ohne Berücksichtigung der gegenseitigen Zusammenhänge im System einer vorbedachten Gesamtregelung. 3. Unterbindung von Analogieschlüssen aus Bestimmungen von Einzelgesetzen und deren Anwendung auf Vorgänge aus einzelgesetzlich noch ungeregelten Gebieten. Der Richtsatz zu 3. ist nicht minder wichtig als die beiden anderen Richtsätze. Analogieschlüsse aus Geregeltem auf noch Ungeregeltes können für den Einzel- oder den Typenfall zu sachlich verfehlten Ergebnissen führen und die weitere Entwicklung in eine falsche Richtung lenken. Ein warnendes Beispiel hat sich beim aufkommenden Film gezeigt. Aus dem Verlagsrecht mit der Verpflichtung des Verlegers zur Vervielfältigung und Verbreitung wurde im Wege des 28

) Siehe Fn. 2.

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Analogieschlusses in Rechtsprechung29) und Schrifttum30) anfänglich der Verfilmungszwang bejaht, bis erkannt und höchstrichterlich entschieden wurde31), daß die Besonderheiten des Filmwesens eine selbständige Beurteilung erfordern32). Solche Gefahren deuten sich beim Übergang zur einzelgesetzlichen Regelung bereits mit dem Hinweis Ulmers an, daß von einer Vorwegnähme des Rechts der Sendeverträge „Ausstrahlungen insbesondere auch auf das Filmrecht" ausgehen würden33). Wie nachhaltig begriffsirrige Vorstellungen wirken, zeigt sich in der Tatsache, daß sich ein arriviertes Unternehmen fortschrittlich beurteilter Filmemacher noch immer als „Verlag" bezeichnet34). IV. Ausgestaltung der Leitsätze 1. Grundrechte der Vertragsgestaltung Man kann mit Ulmer der Meinung sein, daß es überflüssig, wenn nicht gar sinnlos wäre, Selbstverständlichkeiten der Vertragsgestaltung oder bloße Grundsätze in der Bedeutung von Absichtserklärungen gesetzlich niederzulegen. Leitsätze im hier verstandenen Sinne müßten dagegen Grundsätze von materiellrechtlicher und demgemäß verbindlicher Bedeutung sein, um ihre Weisungs- und Kontrollfunktionen mit Geltung für das gesamte Urhebervertragsrecht zu erfüllen. In dieser Bedeutung kennzeichnen sie sich als Grundrechte der Vertragsgestaltung. 2. Abgrenzungen Für die inhaltliche Ausgestaltung der Leitsätze sind Grenzen gesetzt. Das Urhebervertragsrecht beruht auf dem Urheberrechtsgesetz und auf dem ihm parallel geschalteten Urheberwahrnehmungsgesetz (Verwertungsgesellschaftengesetz). Es dient der Anwendung der in diesen beiden Gesetzen normierten Bestimmungen auf Vorgänge des Rechtsverkehrs. Ein Urhebervertragsgesetz hat sich in diesen Grenzen zu bewegen. Es kann weder neue Rechtsansprüche statuieren, *») So KG in J W 1922, 1457. So Wenzel G o l d b a u m in seinem Kommentar Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, 2. Aufl. 1927, S. 86: „Verträge über .drehreife Bücher' sind Verlagsverträge im Sinne des Verlagsgesetzes" und Alex. E l s t e r in seinem Grundriß Urheber- und Erfinder-, Warenzeichen- und Wettbewerbsrecht (Gewerblicher Rechtsschutz), 2. Aufl. 1928, S. 247 f. und in Dienstag/Elster, Handbuch des deutschen Theater*, Film-, Musik- und Artistenrechts, 1932, S. 130 ff. 31 ) RGZ 107, 62 ff.; BGHZ 27, 96 f. = UFITA Bd. 26 (1958) S. 94 f. S2) Siehe dazu U l m e r , Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl. 1960, S. 382; H u b m a n n , Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1974, S. 235. 3S) Fn. 11. Dort U l m e r , S. 41. M ) „Filmverlag der Autoren" in München. 30 )

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noch materielles Recht erweitem oder besdiränken. Dagegen hat es vielfache Möglichkeiten eines Interessenausgleichs. Ob Leitsätze in der Bedeutung von Grundrechten der Vertragsgestaltung zwingendes oder dispositives Recht zu statuieren haben, ist eine Frage der gegenständlichen Regelung, nicht dagegen eine Frage der Gestaltungskraft der Leitsätze. Der normierte Leitsatz, gleichviel ob er den Gegenstand dispositiv oder zwingend regelt, kann nicht anders als verbindlich sein. Andernfalls käme ihm nur der Wirkungsgrad einer Absichtserklärung oder Empfehlung zu. 3. Grundsatzfragen Wenn nachstehend der Versuch unternommen wird, einige Grundsatzfragen zu konkretisieren, soll dies nicht mehr als eine beispielhafte Illustrierung gegebener Möglichkeiten sein und als bloße Anregung verstanden werden. Um ein Beziehungssystem zu schaffen, wird man das Urhebervertragsrecht auf drei Grundvorgänge des Rechtsverkehrs zurückführen können: a) Urheber und Werknutzer b) Vorgänge der weiteren Werknutzung c) Urheber — Werknutzer — Verwertungsgesellschaften in ihren Beziehungen zueinander. a) U r h e b e r

und

Werknutzer

Originärer Rechtsträger ist der Urheber. Ihm werden von Gesetzes wegen Rechte zugesprochen. Als Inhaber solcher Rechte ist er in einer arbeits- und funktionsgeteilten Gesellschaft zumeist nicht in der Lage, das von ihm geschaffene Werk in eigener Zuständigkeit auszuwerten. Teilweise fehlen ihm auch die erforderlichen Voraussetzungen, ein ihm vom Ergebnis her zugeordnetes Werk überhaupt zu schaffen (so beim Filmurheber und bei Auftragsautoren). Der Urheber bedient sich zur Realisierung seines Werkes Dritter in der Stellung von Werknutzern. Der Gesetzgeber hat in Erkenntnis der Unveräußerlichkeit des Urheberrechts auch die aus dem Urheberrecht resultierenden Verwertungsrechte als unveräußerlich konstruiert 35 ). Er hat damit zum Aus35 ) Begründung zum RegEntw. in UFITA Bd. 45 (1965) S. 270: „Wegen der engen Verbundenheit des Urheberpersönlichkeitsrechts mit den Verwertungsrediten haben sich bei der Abgrenzung der dem Urheber verbleibenden Befugnisse von den übertragbaren Bestandteilen des Urheberrechts Schwierigkeiten ergeben. Der Entwurf schlägt deshalb eine vom geltenden Recht abweichende Regelung vor: Das Urheber-

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druck gebracht, daß der Urheber nicht nur in seinen persönlichkeitsrechtlichen Interessen (droit moral), sondern aucii für die Vorgänge der Verwertung mit seinem Werke verbunden bleibt. Um dennoch Rechtsübergänge für Zwecke der Verwertung des Werkes zu ermöglichen, bedient sich das Gesetz der Konstruktion der Nutzungsrechte. In den Nutzungsrechten konkretisieren sich die verschiedenen Formen der dem Urheber zugestandenen Verwertung des Werkes (Nutzungsarten). Im Unterschied zur urheberrechtlichen Substanz der Verwertungsrechte repräsentieren die Nutzungsrechte die urheberrechtliche Transportfunktion. Sie sind es, die den Gegenstand des Rechtsverkehrs bilden und den Inhalt der Verwertungsverträge bestimmen. Um den Unterschied zwischen den (unveräußerlichen) Verwertungsrechten (§§ 15 bis 24 UG) und den (veräußerlichen) Nutzungsrechten (§§ 31 ff. UG) auch terminologisch zum Ausdruck zu bringen, spricht das Gesetz für den Vorgang der erstmaligen Vergebung von Nutzungsrechten durch den Urheber von einer „Einräumung" solcher Rechte, für die Vorgänge der Weiterveräußerung dagegen von „Übertragung". Die Vorstellung, daß jedes Mehr an Rechten die Position des Urhebers verstärkt und verbessert, hat sich in der Praxis als formalrechtlicher Trugschluß erwiesen. Die realen Tatbestände sind stärker. Die wirtschaftliche Gewichtigkeit der Vertragspartner ist unterschiedlich. Als gravierendes Beispiel sei das Verlagswesen genannt. Verleger lassen sich regelmäßig mit dem Verlagsrecht (Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung) auch die dem Urheber im Laufe der Rechtsentwicklung durch Gesetz oder Judikatur zugewachsenen „Nebenrechte" einräumen. Dies gilt auch für jene Rechte, die, wie z.B. das Verfilmungsrecht, anderen Nutzungsarten zurechnen. Uber die sogenannten Nebenrechte weiten Verleger ihre Werknutzerstellung aus und verändern im Vorgang der Kumulierung solcher Rechte zum Teil ihre berufsspezifische Sozialfunktion. Aus Verlegern werden durch Vorgänge der Weiterveräußerung und Lizenzbestellung Händler von Rechten, durch Vermittlung von Vertragsabschlüssen für andere Nutzungsarten Makler und über die Einbringung solcher Rechte oder Ansprüche in Verwertungsgesellschaften Tantiemebezieher. Musikverleger haben das Notengeschäft weit hinter sich gelassen, redit soll grundsätzlich weder als Ganzes noch in seinen Teilen (z. B. Verwertungsrechte) übertragbar sein, der Urheber soll vielmehr einem anderen die Verwertung seines Werkes nur dadurch überlassen können, daß er ihm ein vom Urheberrecht abgeleitetes Nutzungsrecht einräumt, ähnlich wie die auf dem Gebiet des Patentrechts übliche Lizenz."

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ihr Hauptgeschäft ist der reguläre Tantiemenbezug, jeweils abgelesen an den Kontenständen der ihnen zugehenden Bankbelege. Der Drang zum allumfassenden Rechtserwerb geht soweit, daß die vom Gesetzgeber mit der Novelle vom 10. November 197236) den Urhebern, insbesondere den Schriftstellern, für deren Sozialzwecke zugesprochene Bibliothekstantieme (§ 27 UG)87) nicht nur über die gemeinsame Zugehörigkeit zur Verwertungsgesellschaft zwischen Urhebern und Verlegern intern aufgeteilt wird, sondern sich Verleger auch den Anspruch auf Bibliothekstantieme vom Urheber abtreten lassen und damit für die Einbringung in die Verwertungsgesellschaft zum Träger dieses Anspruchs werden 38 ). Ähnlich liegen die Verhältnisse auf anderen Nutzungsgebieten. Mit der Zweckübertragungstheorie 39 ) allein ist solchen Vorgängen eines kumulierten und auf andere Nutzungsgebiete übergreifenden Rechtserwerbs nicht beizukommen. Die Zweckübertragungstheorie ist eine Auslegungsregel und gilt nur für Zweifelsfälle 40 ). Es fehlt an einem Regulativ für Fälle einer vereinbarten Zweckentfremdung. Die Zweckübertragungstheorie kann nicht verhindern, daß durch eindeutige Vertragsabsprachen die Transportfunktion des Urheberrechts für den Urheber zu einer Funktion des Abtransports von Urheberrechten wird. Wenn der Gesetzgeber das Urhebervertragsrecht regeln will, wird er dafür Sorge zu tragen haben, daß die Transportfunktion des Urheberrechts nicht zu einer Ausweitung der berufsspezifischen Sozialfunktion des Werknutzers führt. Der Verleger muß Verleger bleiben; 36 ) BGBl. I S. 2081 = UFITA Bd. 67 (1973) S. 123. " ) Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses in UFITA Bd. 67 (1973) S. 140: „Dieser Bibliotheksgroschen, der besonders energisch von den im Verband deutscher Schriftsteller zusammengeschlossenen Schriftstellern gefordert wird, soll es den Urhebern ermöglichen, einen Sozialfonds zu gründen und dadurch für das Alter und für Notfälle Vorsorge zu treffen." 38 ) Zum Aufkommen aus der Bibliothekstantieme und dessen Aufteilung auf die vier partizipierenden Verwertungsgesellschaften (VG WORT; VG Wissenschaft; GEMA; VG Bild/Kunst) siehe M u n d t in: FILM UND RECHT Nr. 9/1976 S. 603 ff. — Veröffentlichung des Gesamtvertrages über die Erhebung der Bibliothekstantieme („Bibliotheksgroschen") vom 18. Dez. 1974 in: UFITA Bd. 75 (1976) S. 174 ff. — Zur Vorgeschichte der Bibliothekstantieme siehe K r e i l e in: INTERGU-Jahrbuch 1975, Bd. 3, S. 47 bis 53 und in: FILM UND RECHT Nr. 9/1976 S. 599 ff. 39 ) Warum eigentlich spricht man in Verkehrung der Beziehungsbegriffe von „Zweckübertragung", statt richtig vom „Ubertragungszweck"? Nicht der Vertragszweck wird übertragen, sondern der Vertragszweck bestimmt das Ausmaß der Rechtsübertragung. 40 ) Siehe auch F r o t z (Fn. 12, aaO. S. 17): „Auslegungsregeln sind sehr hilfreich, wenn sich zwei Unwissende vertraglich gegenüberstehen, die rudimentäre Regelungen treffen. Das ist aber, wie die Erfahrung lehrt, keineswegs das Problem, vor dem wir stehen, nämlich vor dem Problem, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte gesetzlich unschädlich zu machen."

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der Filmhersteller soll nicht in das Berufsgebiet des Schallplattenherstellers übergreifen; Sendeunternehmen sollen keine Verlagsgeschäfte machen. Hier müssen aus Gründen des Schutzeffekts gesetzliche Regelungen geschaffen werden. Das Arbeitsrecht bietet mit dem Grundsatz, daß von Tarifvertragsbestimmungen nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf, ein praktikables Muster für die Regelung des Urhebervertragsrechts. Der Gesetzgeber könnte — außer verbindlichen Einzelbestimmungen — für die Einräumung von Rechten und Ansprüchen in Verträgen des Urhebers mit dem Werknutzer unabdingbare Mindesterfordernisse festlegen. Er könnte — wenn vielleicht auch nur auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung — eine verbindliche Verkehrsordnung für erstmalige Vertragsabschlüsse zwischen Urheber und Werknutzer („Einräumung" von Rechten und Ansprüchen) schaffen. Für Fälle der hier behandelten Art ließe sich von Gesetzes wegen auf die berufsspezifische Sozialfunktion des Werknutzers in der Weise abstellen, daß der vertragschließende Werknutzer nur jene Rechte eingeräumt bekommt, die er zur Ausübung seiner Aufgaben für die Realisierung des ihm übertragenen Werkes braucht. Der Konzern oder zentral von ihm gelenkte Tochtergesellschaften sollten aus dem Vertragssystem des Urheberrechts als erstmalige Vertragspartner des Urhebers eliminiert werden. Alle demgegenüber zusätzlichen Nutzungsrechte hätten dem Urheber zu dessen nutzungsspezifischen Verfügung zu verbleiben. Dies braucht nicht auszuschließen, daß der Urheber dem erstmaligen Werknutzer gegenüber gewisse Anbietungsverpflichtungen übernimmt oder ihm Optionen auf solche Rechte unter genauer Festlegung der Ausübungsbedingungen einräumt. Der Zweckübertragungstheorie als einer bloßen, aber überaus bedeutsamen Auslegungsregel würde mit dem Kriterium der berufsspezifischen Sozialfunktion des (erstmaligen) Werknutzers ein brauchbares Instrument für die inhaltliche Ausgestaltung und zugleich Begrenzung von Verträgen zwischen Urhebern und Werknutzern an die Seite gestellt. Von hier aus wirkt die „Einräumung" von Rechten und Ansprüchen bestimmend und lenkend weiter auf das Gesamtsystem des Urhebervertragsrechts, weil der erstmalige Vertragspartner nur jene Rechte und Ansprüche weiterübertragen kann, die er vom Urheber „eingeräumt" bekommen hat. Mit dem Ziel, Zweifel von vornherein auszuschließen, bietet sich für urheberrechtliche Vertragsabschlüsse das Erfordernis der Schriftform an. Zwar können auch — und unter den derzeit gegebenen Ver-

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hältnissen erst recht — schriftliche Vereinbarungen Mißstände der gerügten Art auslösen. Durch das Erfordernis der Schriftform aber werden zumindest Zweifel und Widersprüche ausgeräumt, die sich mangels schriftlicher Festlegung fallweise ergeben können. Insoweit braucht nicht erst auf die Zweckübertragungstheorie helfend zurückgegriffen zu werden, und langwierige Beweisaufnahmen mit Aufwand von Zeit und Kosten entfallen. Das Urheberrechtsgesetz kennt das Erfordernis der Schriftform nur für Verträge über künftige Werke (§ 40 UG). Zur Begründung heißt es im Regierungsentwurf, daß für diesen Fall die Schriftform vorgeschrieben wurde, um den Urheber auf die Bedeutung des Vertrages hinzuweisen, auch liege die vorgeschriebene Schriftform im Interesse der Beweiserleichterung 41 ). Die Beweiserleichterung in Fällen der Schriftform wurde vorstehend bereits hervorgehoben; sie ist ein Gewinn für alle Verträge einer (erstmaligen) „Einräumung" von Rechten und Ansprüchen. Das Argument, der Urheber solle durch die Schriftform auf die Bedeutung des Vertrages hingewiesen werden, kann ebenfalls für alle Vertragsabschlüsse dieses Bereichs Geltung beanspruchen. Das Urheberrecht ist ein derart komplexes Gebilde, daß jeder Vertragsabschluß vom Urheber genau bedacht und aus Gründen der Rechtssicherheit (dingliche Wirkung von Urheberrechten mit Verbots- und Schadenersatzansprüchen) auch belegt werden sollte. Mündliche Absprachen reichen dafür im Stadium der technischen Fortentwicklung nicht mehr aus. b) V o r g ä n g e

der w e i t e r e n

Werknutzung

Um gleich an die Frage der Schriftform anzuknüpfen, gilt dieses Erfordernis aus den dargelegten Gründen nicht nur für das Verhältnis des Urhebers zum erstmaligen Werknutzer (Einräumung von Rechten und Ansprüchen), sondern auch für die nachfolgenden Vorgänge der Auswertung des Werkes (Formen der Weiterübertragung). Um auch hier ein sinnfälliges Beispiel zu nennen, sei auf die stufenweise Auswertung eines Films verwiesen: Der Produzent schließt urheberrechtlich bedeutsame Verträge mit Urhebern (Urheber filmisch benutzter Werke; potentielle Filmurheber). Er vergibt die Rechte des von ihm allein oder gegebenenfalls in Coproduktion hergestellten Films mit Geltung für das Inland (Verleih) und für das Ausland (Vertrieb). Diese Rechtsnachfolger wiederum schließen Verträge für die kinomäßige oder die sonstige Aus41

) UFITA Bd. 45 (1965) S. 275.

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wertung des übernommenen Films, darunter audi dessen Auswertung im Fernsehen. Der Einwand, schon jetzt würden für die Vorgänge einer solchen Stufenkette schriftliche Verträge geschlossen, spricht nicht gegen ein gesetzliches Schriftformerfordernis, sondern bestätigt nur, wie notwendig die Schriftform für alle Vorgänge einer weiteren Werknutzung ist. Gegenstand der Weiterübertragung können als Folge der Transportfunktion des Urheberrechts auch Rechte als solche sein, sei es, daß der erstmalige Werknutzer nicht selbst das übernommene Werk realisiert, sei es, daß das Werk erst durch einen Werknutzer geschaffen werden soll. Zwar hat das Urheberrechtsgesetz gewisse Regulative eingebaut, so das Rückrufsrecht wegen Nichtausübung (§ 41 UG), auf das im voraus nicht verzichtet und dessen Ausübung im voraus für mehr als fünf Jahre nicht ausgeschlossen werden kann. Gerade das Rückrufsrecht verdeutlicht, daß der Urheber mit dem Abschluß eines Nutzungsvertrages die Realisierung seines Werkes anstrebt. Sollte in Fällen einer Weiterübertragung bloßer Rechte, so insbesondere von Rechten, bei denen — wie bei Verfilmungsrechten — ein Ausübungszwang entfällt, nicht ebenfalls das Beteiligungsprinzip zugunsten des Urhebers wirksam werden? Dies führt zu der weiteren Überlegung, ob der von der Rechtsprechung entwickelte Leitgedanke, den Urheber möglichst weitgehend an der wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes zu beteiligen 42 ), analog der Zweckübertragungstheorie gesetzlich normiert und zum Grundsatz auch für alle Vorgänge einer Weiterübertragung von Urheberrechten erhoben werden sollte, selbst dann, wenn es sich um Rechtsübertragungen für (noch) unterbliebene Werke handelt. c) U r h e b e r — W e r k n u t z e r — V e r w e r t u n g s g e s e l l s c h a f t e n in i h r e n B e z i e h u n g e n zueinander In den bestehenden Verwertungsgesellschaften sind zusammen mit Urhebern auch Werknutzer vertreten 43 ). Damit verschiebt sich die 1 2 | In der Formulierung des Bundesgerichtshofs: .den Urheber tunlichst an dem wirtschaftlichen Nutzen zu beteiligen, der aus seinem W e r k gezogen wird" (BGHZ 11, 143 = UFITA Bd. 18 [1954] S. 222) und sodann in gedanklicher Anknüpfung an die Transportfunktion des Urheberrechts: „daß der Urheber, soweit er das W e r k nicht selbst auswertet, sich bei dem Abschluß von Verwertungsverträgen eine angemessene Beteiligung an dem wirtschaftlichen Nutzen, der aus seiner Schöpfung gezogen wird, ausbedingen kann" (BGHZ 13, 118 = UFITA Bd. 18 [1954] S. 208). 4 3 ) In der GEMA: Komponisten, Textdichter und Musikverlage-, in der VG W O R T : Urheber (Schriftsteller) und V e r l a g e ; in der VG Wissenschaft: Autoren und V e r l a g e : in der VG Bild/Kunst: Bildende Künstler (Berufsgruppe I) und Bildjournalisten, Grafik-Designer, Fotografen, Bildagenturen (Berufsgruppe II); in der G U F A : ausschließlich Unternehmer (Filmhersteller); in der GVL: Ausübende Künstler und Unternehmer (Tonträgerhersteller).

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Frontenstellung Urheber — Werknutzer. Zusammenschlüsse von Urhebern und Werknutzern in der Form von Verwertungsgesellschaften sind auf gemeinsame Ziele ausgerichtet. Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich auch hier um Partner mit unterschiedlichen Funktionen und Interessen handelt. Nur sind diese Unterschiede durch den gemeinsamen Gesellschaftszweck nach außen neutralisiert, können aber intern mit dem ganzen Schwergewicht der Gegensätze hervortreten. Solche Auseinandersetzungen haben in Sachen der GEMA zu Entscheidungen des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs 44 ) und der EG-Kommission 45 ) geführt. Der Bundesgerichtshof hat im Hinblick auf den gemeinsamen Gesellschaftszweck vom Erfordernis einer sachgerechten Abwägung widerstreitender Interessen gesprochen und in diesem Zusammenhang die Abhängigkeit bestimmter Verlage von Verwerterinteressen gerügt. Dagegen sieht der Bundesgerichtshof den Zusammenhang zwischen Urhebern und Verlegern in Verwertungsgesellschaften für vertretbar an, weil die den Werknutzern zuzurechnenden Verlegerinteressen mit den Urheberinteressen weitgehend im Einklang stehen und auch das finanzielle Verhältnis beider Gruppen vereinsintem geregelt wird46). Wenn Verleger jedoch in die Abhängigkeit multimedialer Großunternehmen (Konzerne) oder anderer Gruppierungen von Werknutzern, wie der Film- oder Schallplattenindustrie, gelangen oder ihre Verlage selbst solche Aufgaben übernehmen, ergibt sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Gefahr einer Unterwanderung des Gesellschaftszwecks durch Fremdinteressen und damit die Möglichkeit offener Interessenkollisionen zwischen den Urhebern und ihren wirtschaftlichen „Gegenspielern" 47 ). Ein solcher Fall beschäftigt zur Zeit die Aufsichtsinstanzen (Bundespatentamt und Bundeskartellamt) in der Frage der Angemessenheit der Tantiemenausschüttungen an Musikverleger bei der GEMA 48 ). " ) Urteil vom 3. März 1971 (KZR 5/70) in: UFITA Bd. 61 (1971) S. 221. « ) Entscheidung vom 2. Juni 1971 (IV/26.760 — „GEMA") in: UFITA Bd. 65 (1972) S. 344, mit den darin von der EG-Kommission u. a. getroffenen Mißbraudisfeststellungen bezüglich der Musikverleger und der Sdiallplattenhersteller (aaO. S. 362 f.). «•) UFITA Bd. 61 (1971) S. 229 f. « ) UFITA Bd. 61 (1971) S. 225. 49 ) Siehe die Anfrage im Bundestag und die dazu gegebene Regierungsantwort lt. Protokoll der 13. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. Febr. 1977 S. 601 mit Erläuterungsnotiz in FILM UND RECHT Nr. 3/1977 S. 190 f. sowie die Presseerörterungen in der Süddeutschen Zeitung: Nr. 68 vom 21. März 1977, S. 8 mit dem Artikel von Peter Jona K o r n („Wem nützt eine gespaltene GEMA?"), in Nr. 76 vom 1. April 1977, S. 10 mit dem Leserbrief von Reinhard O e h l s c h l ä g e l , Deutschlandfunk („Schutz der Urheber, nicht der Verleger") und in Nr. 89 vom 19. April 1977, S. 23 mit dem Erwiderungsartikel von Peter R u z i c k a („Reform, nicht Zerstörung der GEMA"), ferner in der Frankfurter Rundschau Nr. 48 vom 26. Februar 1977 mit dem Artikel von Reinhard O e h l s c h l ä g e l („Urheber und Wahrnehmer").

Überlegungen für ein Urhebervertragsgesetz

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Diese Überlegungen werden hier herangezogen, um ein Problem zu umreißen, das für eine gesetzliche Regelung des Urhebervertragsrechts Bedeutung hat. Es ist weder rechtssystematisch noch in den rechtlichen Konsequenzen gleichgültig, ob der Urheber oder ob der Werknutzer Rechte in eine Verwertungsgesellschaft einbringt. Die Rechte können von Verlegern in die Verwertungsgesellschaft eingebracht werden, wenn die Verleger sie sich vom Urheber einräumen lassen. Bringt sie der Urheber unmittelbar in die Verwertungsgesellschaft ein, so ist er auch für den nachfolgenden Tantiemenbezug als Rechtsträger legitimiert. Es liegt daher nahe, im W e g e eines rechtsverbindlichen Leitsatzes zu bestimmen, daß kollektiv gebundene Rechte nur vom Urheber selbst in eine Verwertungsgesellschaft einzubringen sind. Wenn gleichwohl durch vereinsinterne Beschlüsse Verleger ohne Rechte tantiemebeteiligt sind, so ist ihr Tantiemenbezug ausgewiesen als ein vereinsrechtlich begründeter Beteiligungsanspruch lediglich wirtschaftlicher Art im Unterschied zum gesetzlich begründeten Rechtsanspruch des Urhebers. W a s für die Verleger der vereinsrechtlich konstruierten GEMA zutrifft, gilt entsprechend für die in anderen Verwertungsgesellschaften in zum Teil anderen Rechtsformen (GmbH) mit Urhebern zusammengeschlossenen Gruppierungen von Werknutzern verschiedener Art. Für Verwertungsgesellschaften, die mit der Wahrnehmung und Vergebung von Leistungsschutzrechten befaßt sind, bleibt die Besonderheit des § 86 UG zu beachten, die sich darin zeigt, daß der Tonträgerhersteller zwar einen gesetzlichen Beteiligungsanspruch hat, daß sich dieser Anspruch aber — wie für den Urheber noch gefordert —- aus der Rechtsposition des ausübenden Künstlers ableitet, was besagt, daß der insoweit für die öffentliche Tonträger-Wiedergabe gegebene Anspruch auch für die Einbringung in die Verwertungsgesellschaft an die Person des ausübenden Künstlers gebunden ist und der Tonträgerhersteller nur seinen Anteilsanspruch gegenüber dem ausübenden Künstler mit in die Verwertungsgesellschaft einzubringen vermag. Soweit Verwertungsgesellschaften wie die GÜFA überhaupt nur aus Werknutzern bestehen, entfällt die aufgezeigte Problematik, weil es sich in solchen Fällen stets um die Einbringung abgeleiteter Rechte handelt und ein vertragsrechtlich ausgerichtetes Schutzbedürfnis für den Personenkreis der Unternehmer entfällt. V . Zusammenfassung Die eingangs gestellte Grundfrage, ob es eines Gesetzes zur Regelung des Urhebervertragsrechts bedarf, ist hiernach zu bejahen.

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Georg Roeber:

W i e dieses Gesetz inhaltlich auch ausgestaltet sein mag, wird es alle wesentlichen Nutzungsarten zu regeln haben. Dies bedingt ein einheitliches Gesetz (Kodifikation) mit der Ausrichtung auf verbindliche Leitsätze. Damit ist ausgesprochen, daß eine Regelung im W e g e des Erlasses von Einzelgesetzen nicht den gestellten Anforderungen entspricht. Auch ein einheitliches Gesetz wird sich in Spezialbestimmungen mit den einzelnen Nutzungsarten zu befassen haben. Aber es ist ein grundsätzlicher Unterschied, ob solche Regelungen Abschnitte eines gemeinsamen Gesetzes sind oder ob sie zeitlich und sachlich zu Einzelgesetzen verselbständigt werden. Auch ist es möglich, außer gesamtgesetzlich bezogenen Leitsätzen, den einzelnen Abschnitten eines gemeinsamen Gesetzes spezielle Leitsätze der Vertragsgestaltung beizugeben. Eine einheitliche Gesetzesregelung erfordert mit Bezug auf die Erstellung von Leitsätzen eine umfassende Begriffs- und Tatsachenanalyse. Dazu sind schon jetzt durch Lehre und Spruchpraxis hinreichende Voraussetzungen gegeben. Um die Arbeiten auch für die einzelnen Anwendungsgebiete zu beschleunigen, wird angeregt, die Bearbeitung der urheberrechtlichen Gesamtmaterie auf zwei einander parallel geschaltete Kommissionen zu verteilen, die unter sich Kontakt zu halten haben. Ohne Ermittlung von Leitsätzen würden die Beziehung zum Grundsätzlichen und der Zusammenhang der Anwendungsgebiete untereinander verlorengehen. Es steht außer Zweifel, daß die Arbeiten beider Kommissionen ihre Zeit brauchen. Dies kann aber kein Grund sein, die gesetzliche Regelung pragmatisch zu betreiben und von vornherein die sich daraus ergebenden Unzulänglichkeiten in Kauf zu nehmen. Wenn bisher mehr als zehn Jahre zur Ingangsetzung der Reformarbeiten für das Urhebervertragsrecht ungenutzt geblieben sind, dürfte zumindest im Verlaufe eines weiteren Jahrzehnts diese zweite Etappe der bundesdeutschen Urheberrechtsreform durch ein Kodifikationsgesetz sachgemäß abzuschließen sein.

Résumé La question fondamentale posée en commençant, et qui est de savoir s'il est besoin d'une loi réglementant le droit applicable aux contrats concernant le droit d'auteur, doit recevoir selon nous une réponse positive.

Überlegungen für ein Urhebervertragsgesetz

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Quel que soit le contenu donné à cette loi, elle devra réglementer tous les principaux modes d'utilisation. Cela suppose une loi unique (codification) et une orientation vers des dispositions générales obligatoires. 11 est indiqué de la sorte qu'une réglementation par voie d'adoption de lois partielles ne répond pas aux exigences posées. Une loi unique devra aussi s'occuper dans des dispositions spéciales des divers modes d'utilisation. Mais il y a une différence fondamentale selon que de telles réglementations constituent les parties d'une loi commune ou qu'elles reçoivent une existence propre dans le temps et quant à l'objet, sous forme de lois particulières. Il est aussi possible, en dehors de dispositions générales, de donner aux diverses parties d'une loi commune des dispositions générales particulières d'aménagement des contrats. Une réglementation légale unique nécessite, pour ce qui concerne l'établissement de dispositions générales, une analyse poussée des concepts et des faits. Les conditions en sont déjà suffisamment données par la doctrine et la jurisprudence. Pour accélérer les travaux aussi pour les domaines particuliers d'application, il est suggéré de répartir l'étude de l'ensemble des éléments concernant le droit d'auteur entre deux commissions réunies parallèlement et qui doivent rester en contact. A défaut de dégager des dispositions générales la relation avec le fondamental et les rapports entre les domaines d'application se perdraient. Il est hors de doute que les travaux des deux commissions demanderont leur temps. Cela ne peut cependant être une raison de mener la réglementation légale de façon pragmatique et de prendre dès l'abord son parti des défauts qui en résulteraient. Si jusqu'ici plus de dix années ont été perdues pour la mise en route des travaux de réforme pour le droit applicable aux contrats concernant le droit d'auteur, au cours d'une autre décennie il devrait être au moins possible de mener à son terme de façon convenable cette seconde étape de la réforme du droit d'auteur en Allemagne fédérale. Fr. U. Summary The basic question, whether statutory regulation in the law of copyright contracts is needed, must be answered in the affirmative. Irrespective of the substantive law contained in this statute, it will have to provide for all essential kinds of exploitation of a work (codification).

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Roeber: Überlegungen für ein Urhebervertragsgesetz

A statutory regulation by way of the passing of various statutes dealing with sectional problems would not meet the requirements. Though one single statute would also have to deal with the various kinds of exploitation utilizing specific regulations, there is a basic difference whether these regulations are contained in one joint enactment or whether, with regard to the time of their coming into operation or their subject matter, they are set up autonomously in different enactments. In addition to general guidelines contained in the opening sections of the statute, more specific guidelines could be given as introductions to the separate parts of the statute. With regard to the drafting of guidelines, joint statutory regulation requires an overall analysis of the terminology and of the factual material. Its prior conditions have been created by case law and academic research. In order to accelerate the work in the various separate fields of application of copyright contract law, two parallel commissions should distribute amongst themselves the work on other. the subject as a whole while maintaining contact with each Without elaborating guidelines, the connection between the respecand their relation to their mutual general tive fields of application principles would be lost. It is beyond doubt that the work of both commissions will take time, but this must not serve as a reason for hasty statutory regulation and advance acceptance of the resultant deficiencies. Until now, more than ten years needlessly expired without any action to reform the copyright contract law. At least, in the course of a further decade, this second stage of the reform of German copyright law should be terminated in a satisfactory manner. v. W.

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Der Wettbewerbsgedanke im Urheberrecht Dargestellt an Fragen der Werkfortsetzung, des Selbstplagiats und der Parodie Von Dr. Hans-Heinridi Schmieder, Richter am Bundespatentgericht, München*)

I.

Urheberrecht und Wettbewerbsrecht sind nach herkömmlicher, unbestrittener Auffassung getrennte Rechtsgebiete, die einander zwar häufig berühren und gelegentlich auch überlagern, in ihrer Grundtendenz jedoch deutlich zu unterscheiden sind: Auf der einen Seite sind Schutzobjekt die Vermögenswerte schöpferische Leistung im künstlerischen und wissenschaftlichen Bereich und die persönliche Beziehung des Autors zu seinem Werk, auf der anderen Seite geht es bei Ausklammerung des Kartellrechts im wesentlichen um die Sicherung der wirtschaftlichen Lauterkeit im Handel und im sonstigen Geschäftsleben 1 ). Auffallend ist nun aber, daß gerade die wettbewerbsrechtliche Generalklausel des § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des „sittenwidrigen Schmarotzens" an fremder Leistung nicht selten dazu dient, eine Art ergänzenden Leistungsschutz zu gewährleisten, wenn die Sonderschutzrechte wie Urheber- oder Geschmacksmusterrecht versagen. Man kann sogar feststellen, daß die Rechtsprechung zu § 1 UWG häufig die Funktion des Vorreiters übernimmt, bis der Gesetzgeber die gegenüber dem nachahmenden Wettbewerb als schutzwürdig erkannte Leistung als neues Schutzobjekt aufgreift und dafür spezielle Gesetzesbestimmungen normiert. Als Beispiele seien nur die dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte der ausübenden Künstler, wissenschaftlichen Herausgeber, Tonträgerhersteller, Veranstalter, Sendegesellschaften und Filmproduzenten genannt 2 ), und es gehört wenig Prophetengabe dazu, den Katalog dieser Leistungsschutzrechte z.B. für den Satzspiegelhersteller (sprich: *) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. *) S a m s o n spridit im Verhältnis zum Urheberrecht treffend von einem „benachbarten" Recht, vgl. sein kommentierendes Lehrbuch (UTB 24), S. 66, im Gegensatz zu den „verwandten Schutzrechten" der §§ 70 ff. UG, die freilich im internationalen Bereich auch „droits voisins" genannt werden. 2 ) Vgl. u. a. RGZ 73, 294 — Schallplatten; BGHZ 33, 20 = UFITA Bd. 32 (1960) S. 223 — Figaros Hochzeit; BGHZ 37, 1 = UFITA Bd. 37 (1962) S. 308 — Aki; BGHZ 39, 352 = UFITA Bd. 40 (1963) S. 192 — Vortragsabend (Werner Finck).

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Drucker)3) oder für die Sammlungs- und Ausstellungsleistungen von Bibliotheken und Museen in Zukunft und auf längere Sicht noch für durchaus erweiterungsfähig zu halten 4 ). Dieses wettbewerbsrechtliche Surrogat, das zumindest hinter manchen dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten steht, sowie die offenkundige Tatsache, daß Wissenschaft und Kunst auch als „Ware" gehandelt werden, daß somit auch der „echte" Urheber — notgedrungen — über seinen organisatorischen Werkmittler (z. B. über seinen Verleger) am geschäftlichen Wettbewerb teilnimmt, legt die Vermutung nahe, daß auch dem eigentlichen Urheberrecht im engeren Sinne eine wettbewerbliche Komponente zu eigen sein müßte. Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, daß der Wettbewerbsgedanke bei der Anwendung und Auslegung des Urheberrechtsgesetzes in der Tat eine wichtige, bislang häufig unterschätzte Rolle spielt und daß es zur Lösung urheberrechtlicher Probleme lohnend sein kann, diesen Gedanken aufzugreifen und zu vertiefen. II. Vorauszuschicken ist, daß vor einem halben Jahrhundert bereits Alexander Elster in seiner Theorie vom „Geistesgutwettbewerbsrecht" den Konkurrenzgedanken — wohl etwas überbetont und einseitig — für das Urheberrecht und den gewerblichen Rechtsschutz allgemein als grundlegend herangezogen und im Rahmen seines „trialistischen" Systems als dritte Komponente neben der Persönlichkeits- und vermögensrechtlichen Seite des Urheberrechts herausgestellt hat 5 ). Nach dieser Lehre entwickelt sich das den Kern des Urheberrechts bildende Persönlichkeitsrecht erst durch Hinzutreten des Wettbewerbs zum Vermögensrecht. Das verkehrsfähige Geistesgut entstehe erst dadurch, daß „an das zunächst neutrale Schaffen der Ring des Wettbewerbs gelegt" werde. Bereits in der Formgebung liege ein Wettbewerbsmoment, weil dabei der Wille auf die Schaffung eines Werkes gehe, das Geistesgutcharakter tragen solle oder könne. Das Werk müsse sich als Verkehrsgut eignen; dafür sei ein 3 ) Audi hier bisher nur Schutz gegen fotomedianisdien „Abklatsch" an sich gemeinfreier Werke über § 1 UWG denkbar, vgl. BGH in N J W 1969, 46 = UFITA Bd. 54 (1969) S. 284 — Reprint (je nach Einzelfall differenzierend): ähnlich Kantonsgericht Zürich, GRUR Int. 1970, 358 (nur, wenn Erstauflage noch nicht vergriffen). 4 ) Zu den denkbaren Parallelen und Querverbindungen vgl. m e i n e Darstellung in UFITA Bd. 73 (1975) S. 76 ff. 5 ) Urheber- und Erfinder-, Warenzeichen- und Wettbewerbsredit, 2. Aufl. (1928), S. 88 ff. u. passim.

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gewisser Wert und eine gewisse Kategorienzugehörigkeit erforderlich"). So richtig und fruchtbar dieser Teilaspekt für manche urheberrechtliche Frage, z. B. auch für die aktuelle Problematik der Werksqualität gewisser Zufallsemanationen moderner Kunst sein mag: Wir sind heute etwas skeptischer und vorsichtig gegenüber solch begrifflicher Dogmatik alten Stils, wenn allumfassende Definitionen gesucht werden, in die sich sämtliche Phänomene „ohne Rest" einfügen sollen. Elsters Theorie hat seinerzeit Anerkennung 7 ), später eine einschränkendere Auswertung 8 ) und in jüngerer Zeit audi herbe Kritik gefunden 9 ). Sie darf inzwischen als von der herrschenden monistischen Urheberrechtslehre überholt gelten 10 ), und es soll hier nicht der überflüssige Versuch gemacht werden, sie als dogmatisches System neu zu beleben. Mir geht es vielmehr darum, an den Wettbewerbsgedanken eher als „Topos", als nützliche Argumentationsfigur zu erinnern — etwa in dem Sinne, wie mein verehrter Lehrer Samson (dem dieser Beitrag gewidmet ist) dem topischen Rechtsdenken ausdrücklich auch für den gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht eine Lanze gebrochen hat 11 ).

III. Bei näherem Zusehen hat auch die Rechtsprechung seit jeher dem Wettbewerbsmoment im Urheberrecht auf vielfältige Weise Rechnung getragen, ohne dies freilich theoretisch besonders zu untermauern. So hat das OLG Dresden bereits im Jahre 1909 in einer damals vielbeachteten Entscheidung betreffend ein Variationenwerk „Kaleidoskop" des heute vergessenen Komponisten Heinrich G.Noren die Verwendung zweier Themen aus dem „Heldenleben" von Richard Strauß, gedacht als huldigendes Musikzitat, nicht als Urheberrechtsverletzung angesehen, u. a. mit der Begründung, es handele sich nicht um einen ausbeuterischen Fall der Entlehnung, weil eine wirt') So E 1 s t e r in Art. „Urheberrecht" des Handwörterbuchs der Rechtswissenschaft (1929), S.318. 7 ) Z.B. von H o f f m a n n , in: Schlegelberger, Reditsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht, Bd. 7 (1939) S. 50. e ) Eingehend bei Richard L i e n h a r d , Das Wettbewerbsmoment im Urheberrecht, Diss. Bern 1944. ») So von Eugen U 1 m e r , Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl. (1960) S. 24. 10 ) Vgl. statt vieler: Heinrich H u b m a n n , Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. (1974) S. 20. n ) UFITA Bd. 74 (1975) S. 127.

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schaftliche Schädigung des Inhabers der Urheberrechte objektiv ausgeschlossen sei12). Auch das Reichsgericht hat sich im Rahmen von Plagiatsvorwürfen nicht selten mit wettbewerbsreditlichen Augumenten auseinandergesetzt, so z. B. in dem Fall des Valentin-Sketches „Im Rundfunksenderaum", 13 ) wobei der Senat — übrigens ganz im Sinne der erwähnten Meinung von Elster — ausdrücklich anerkannte, daß ein Autor seine Leistung mehr oder weniger zu Wettbewerbszwecken erbringen könne, deswegen jedoch noch nicht ohne weiteres in fremde Rechte eingreife, wenn seine Arbeit sich nicht in einer unfreien Bearbeitung des Konkurrenzwerkes erschöpfe 14 ). Aus neuerer Zeit ist auf einige Entscheidungen des Bundesgerichtshofes hinzuweisen, in denen das Wettbewerbsargument verschiedentlich bei der Auslegung urheberrechtlicher Normen herangezogen wird, so in dem bekannten „Grundig-Reporter"-Fall, bei dem es um die Frage ging, ob die Vervielfältigungsfreiheit zum persönlichen Gebrauch nach dem früheren § 15 Abs. 2 LitUG auch die Aufnahme geschützter Werke auf Tonband umfaßte 15 ). Bekanntlich hat dies der Senat, wegweisend auch für die Urheberrechtsreform, damals verneint mit der Folge, daß zur praktikablen Abgeltung der privaten überspielungsrechte schließlich die Magnetton-Geräteabgabe des § 53 Abs. 5 UG eingeführt wurde. In diesem Urteil wird zur näheren Begründung für die notwendige einschränkende Auslegung der privaten Vervielfältigungsfreiheit hervorgehoben, daß bei Musikwerken zwar die vom Gesetz zugelassenen Notenabschriften wegen ihrer schlechten Lesbarkeit nicht ernsthaft mit Druckexemplaren in Wettbewerb treten konnten, daß aber das Magnettonband seiner Natur nach geeignet sei, mit den (mit einer Urhebergebühr belasteten) Schallplatten in ernstlichen Wettbewerb zu treten 19 ). Ähnlich hat der BGH in seiner nur wenig später ergangenen Entscheidung zur Zulässigkeit des Fotokopierens für Unternehmens interne Zwecke17) ausgeführt, das einzelne Vervielfältigungsstück sei zwar nicht in gleicher Weise verkehrsfähig wie das handelsübliche Druckexemplar, biete aber doch für den persönlichen Gebrauch in der Regel einen vollwertigen Ersatz. Der Senat deutet femer an — dies freilich nur 12

) GRUR 1909, 332. ) RGZ 121, 65. 14 ) aaO. S. 73. 15 ) BGHZ 17, 266 = UFITA Bd. 20 (1955) S. 314. ie ) aaO. S. 289. Ebenso hatte die Begründung zu § 50 des Ministerialentwurfs von 1959, S. 54, die damals vorgesehene Vergütungsfreiheit des ephemeren Mitschnitts von Rundfunksendungen in der Privatsphäre damit gerechtfertigt, daß mit dieser Regelung dem Schallplattenabsatz keine spürbare Konkurrenz erwachse. " ) BGHZ 18, 44 = UFITA Bd. 20 (1955) S. 346. 1S

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als „obiter dictum" —, daß Kopien für den Privatgebraudi insoweit nicht zulässig sein dürften, als durch sie umfangsmäßig ein Ersatz für das Druckexemplar geschaffen werden solle. Noch klarer wird der Wettbewerbsgedanke in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zitierfreiheit hervorgehoben. In seiner ,,Verkehrskinderlied"-Entscheidung18) betont der BGH, durch umfangreiche Zitate könnten die Absatzchancen des Werkes, aus dem entlehnt wird, gemindert werden; die Zitierfreiheit müsse deshalb berücksichtigen, wie weit es dem Urheber zuzumuten sei, sein Ausschließlichkeitsrecht zu beschränken. Wörtlich heißt es in dem — allerdings noch zu der alten Regelung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 LitUG ergangenen — Urteil wie folgt: „Die Anleihen bei dem Original dürfen deshalb nicht in einem solchen Umfang Kenntnis von dem Original oder dessen Kernstücken verschaffen, daß hierdurch ein gewisser Ersatz für den Erwerb eines Exemplars des vollständigen Werkes geboten und damit die dem Schöpfer dieses Werkes zustehenden Verwertungsmöglichkeiten geschmälert werden." 1 ') Im gleichen Sinne hat der BGH auch in der bekannten Sache Kandinsky/Buchheim20) das Wettbewerbsmoment in seine Entscheidung über die Grenzen der Zitierfreiheit einfließen lassen. Dort wird allerdings zur Auslegung des geltenden § 51 Nr. 1 UG (Großzitat) weiterführend gesagt, es dürfe nicht allein auf die etwaige Schmälerung der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des ursprünglichen Werkschaffens abgestellt werden, sondern es sei vielmehr auch das ideelle Interesse des Urhebers an seiner Entscheidungsfreiheit über Art und Rahmen der Veröffentlichung zu berücksichtigen21). IV. Nun scheint mir dieser Konkurrenzgedanke im Urheberrecht, wie er in Literatur und Rechtsprechung schon gelegentlich hervortritt, besonders für drei Grenzfälle urheberrechtlicher Verletzungstatbestände wichtig, deren Einordnung und Beurteilung immer wieder besondere Schwierigkeiten macht: für die Fortsetzung eines fremden Werkes, für das sogenannte „Selbstplagiat" und für die Parodie. Jede dieser ,s

) ) LGZ 20 ) 21 ) 19

BGHZ 28, 234 = UFITA Bd. 27 (1959) S. 58. aaO. S. 243; ebenso LG München I, in UFITA Bd. 52 (1969) S. 247 = Sdiulze 105. N J W 1968, 1875 = UFITA Bd. 52 (1969) S. 223. NJW, aaO. S. 1877 1. Sp. = UFITA, aaO. S. 227.

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gar nicht seltenen Erscheinungen unseres Kulturlebens wäre es für sich genommen wert, in ihren verschiedenen Gestaltungsformen eingehend und im einzelnen abgehandelt zu werden, wie dies z. T. auch schon geschehen ist 22 ). Hier kann und soll nur versucht werden, gewisse Gemeinsamkeiten dieser Problemfälle aufzuzeigen und sie anhand des Wettbewerbsgedankens einer vielleicht gegenüber dem bisherigen Meinungsstand einfacheren und eher einleuchtenden Lösung zuzuführen. 1. Die Fortsetzung eines fremden Werkes steht besonders deutlich zwischen Skylla und Charybdis einerseits des urheberrechtlichen Plagiatsvorwurfs, andererseits der Anschuldigung wettbewerblicher Unlauterkeit. Wie v. Gamm überzeugend nachgewiesen hat23), segelt sie aber dennoch meist unangefochten mitten hindurch, weil in der Regel weder eine Urheberrechtsverletzung durch eindeutige Übernahme geschützter Werkteile noch ein Wettbewerbsverstoß infolge besonderer sittenwidriger Umstände anzunehmen ist. Wann eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Anlehnung vorliegt, soll hier nicht näher untersucht werden. Zu denken ist dabei insbesondere an die Wahl eines verwechslungsfähigen Titels (§16 UWG) 24 ) oder an bezugnehmende Werbung unter Ausnutzung der Bekanntheit und breiten Einführung des fortgesetzten Werkes (§ 1 UWG) 25 ). Beschränkt man sich auf die Frage, wann und inwiefern die Fortsetzung eines fremden Werkes als Verletzung des U r h e b e r r e c h t s zu werten ist, wird man stets auf Grenzfälle stoßen, in denen zwar gewisse Motive, Figuren und Stilelemente aus dem fortgesetzten Werk übernommen sind (dies setzt eine „Fortsetzung" ja geradezu voraus), dennoch aber der Gesamtinhalt, z. B. die weitergesponnene Fabel eines literarischen Werkes, so viel neues, eigenes Gedankengut enthält, daß die Fortsetzung selbständige Bedeutung gewinnt und nicht mehr als bloße weiterführende Bearbeitung oder Umgestaltung „abqualifiziert" werden kann. Drei praktische Beispiele aus verschiedenen Gebieten des „Kulturschaffens" mögen dies verdeutlichen: 2 2 ) Vgl. v. G a m m , Fortsetzung eines fremden Werks, in Festschrift für Wilhelm Wendel (1969) S. 85 bis 88; Kai V i n c k , Parodie und Urheberschutz, in GRUR 1973, 251 bis 254; H e f t i , Länderberichte über die Parodiebehandlung in den einzelnen Rechtsordnungen, in FILM UND RECHT Nr. 8/1975, S. 539 (Schweiz), Nr. 12/1975 S. 825 (Frankreich), Nr. 3 / 1 9 7 6 S. 167 (Italien), Nr. 7 / 1 9 7 6 S. 435 (USA), Nr. 11/1976 S. 742 (BRD). 23)

aaO. S. 87, 88. Vgl. etwa OLG Dresden, in J W 1926, 1242, 1244 — Struwwelpeter! RGZ 104, 88, 92 — Trotzkopf; BGHZ 26, 52, 62 = UFITA Bd. 25 (1958) S. 337, 344 f. — Sherlock Holmes. 2 5 ) Hierzu vgl. etwa RG in M u W 1929, 275 f. — Königin Luise. 24)

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a) Häufig wird in der Filmbranche versucht, eine sich als publikumswirksam erweisende Thematik als Serie auszubauen, unter Einsatz derselben Schauspieler in gleicher räumlicher Umgebung und technischer Ausstattung26). Ähnliches gilt für die Produktion von Unterhaltungsromanen27). Soll nun der Außenseiter, das gute Geschäft witternd, hier „einbrechen" dürfen? Welchen „Abstand" muß er wahren? b) Schulbücher können je nach den Stoffplänen und Lehrmethoden sehr verschieden angelegt sein (und werden dank gestiegener Reformfreudigkeit heutzutage besonders rasch zu Makulatur I). Auch hier gibt es Serien, beispielsweise für den Fremdsprachenunterricht der verschiedenen Klassen, durch die sich häufig neben der gleichen äußeren Aufmachung und illustrativen Ausstattung wie ein roter Faden zumindest dasselbe didaktische Prinzip, häufig sogar ein thematischer Zusammenhang der Übungstexte verfolgen läßt. Darf ein anderer Verleger diese Serie für eine noch fehlende Jahrgangsstufe ergänzen oder darf auch nur derselbe Verleger einen anderen Autor damit beauftragen — vorausgesetzt, die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Originalverfasser sähen für diesen Fall keine eindeutige Bestimmung vor? c) Auch in der Kartographie führt die Übernahme von Datenmaterial und Gestaltungsmitteln aus bereits vorliegenden Landkarten oder Stadtplänen nicht selten zum Streit zwischen konkurrierenden Verlagen. Solche Prozesse gehören für die zuständigen Zivilkammern und -senate wohl zu den meistgefürchteten Urheberrechtsstreitigkeiten, zumal hier die freien, jedermann zugänglichen Sicht- und Meßergebnisse mit den schutzfähigen individuellen Zutaten des Kartographen in einer kaum zu entwirrenden Gemengelage erscheinen und daher alles auf die Besonderheiten des Einzelfalles ankommt. Der BGH hat zwar in einer richtungweisenden Entscheidung einige wichtige Grundsätze für die Frage der Schutzfähigkeit und des Schutzumfangs von kartographischen Werken aufgestellt28); jedoch handelte es sich in dem entschiedenen Fall um Pläne derselben Stadt, die in Ausschnitt und Maßstab weitgehend inhaltsgleich waren. Mag auch bei Kartenwerken die Übernahme der rein topographischen Gegeben26 ) Man denke an die alten Kurt-Hoffmann-Filme „Wirtshaus . . ." und „Spukschloß im Spessart" mit L. Pulver in der Hauptrolle oder an die Serien der „Tati"und „Pippi-Langstrumpf"-Filme. Daß der „Neuaufguß" selten die gleiche Qualität wie das Original erreicht, ist künstlerisch vielleicht zwingend, aber urheberrechtlich sicher ohne Belang. ! 7 ) W e r kennt nicht „Angelique und kein Ende", Jugendroman- und Krimi-Reihen meterweise und als Markenartikel! 28) BGH in N J W 1964, 2153 = U F I T A Bd. 43 (1964) S. 156 — Stadtplan.

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heiten für eine Karte desselben Gebietes mit einem neuen Verwendungszweck im Vordergrund möglicher Verletzungsfälle stehen, so sind doch gerade bei Stadtplänen und Wanderkarten auch Serienausgaben üblich, deren „Fortsetzung" für andere Ortschaften oder Landschaftsgebiete als lohnendes Verlagsobjekt in Frage kommt. Wieweit kann hier eine Anlehnung an bestimmte Eigenheiten des Kartenbildes wie Farben, Schraffuren, Markierungen und Symbole aus dem vom Urheber abgeleiteten Nutzungsrecht des Verlegers untersagt werden? 2. Ähnliche Probleme stellen sich beim sogenannten „Selbstplagiat", d. h. wenn der Urheber selbst aus seinem früheren Schaffen schutzfähige Werkteile in ein neues W e r k übernimmt. Besonders in der bildenden Kunst ist es üblich und ganz unvermeidlich, daß der Künstler ein ihn fesselndes Motiv immer wieder aufgreift, es abwandelt, aus neuer Sicht darstellt und dabei natürlich nicht darauf achtet, ob er sich von seinem bisher veröffentlichten Oeuvre im urheberrechtlichen Sinne freimacht, ob er dazu einen genügenden Abstand einhält. Sehr oft wird es so sein, daß — nach der für die urheberrechtlich zulässige „freie Benutzung" geltenden Definition des BGH29) — auch angesichts einer gewissen Eigenart des neuen Werkes die Züge des älteren keineswegs verblassen, sondern naturgemäß sogar recht deutlich hervortreten. Dies kann zum Konflikt führen, wenn z. B. im Kunstverlag das einem gewerblichen Verwerter übertragene Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht durch eine ähnliche Veröffentlichung desselben Autors beeinträchtigt wird. Dasselbe gilt mutatis mutandis beispielsweise auch für den Lehrbuchverfasser oder den Kartographen. Soll dem Erstverleger hier praktisch eine urheberrechtlich abgesicherte, zeitlich unbegrenzte Option auf alle in derselben Entwicklungslinie liegenden W e r k e desselben Autors zustehen, oder soll — umgekehrt betrachtet — der Urheber seinen gewerblichen Werkmittler nur dann wechseln dürfen, wenn er ganz andere Sujets, andere Themen in Angriff nimmt oder sich in seiner Darstellungsweise von Grund auf wandelt? Im Schrifttum wird besonders dem bildenden Künstler die Notwendigkeit eines größeren Freiraums für Repliken und Paraphrasen derselben Thematik zugestanden 3 0 ), und das niederländische Urheberrechtsgesetz hat sogar in Art. 13 die Freiheit des Autors zur Selbst29

) Vgl. z. B. BGHZ 26, 52, 57 = UFITA Bd. 25 (1958) S. 337, 341 — Sherlock Holmes. ) H u b m a n n , Urheber- und Verlagsredit, 3. Aufl., § 32 I 2d, S. 169; V o i g t l ä n d e r / E l s t e r / K l e i n e , Urheberrecht, 4. Aufl. (1952), §13, S. 98; M ö h r i n g / N i c o l i n i , Anm. 2 j dd zu § 24 UG; B a p p e r t / M a u n z , Rdz. 8 zu § 2 VerlG. 30

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Wiederholung für Gemälde ausdrücklich anerkannt 31 ). Wie läßt sich dies aber aus urheberrechtlicher Sicht allgemein rechtfertigen, und wo liegen die Grenzen? 3. Eine Sonderform des Fortsetzungswerkes ist die P a r o d i e in ihrer doppelten Bedeutung: Sie kann Züge des „Selbstplagiats" tragen wie im musikalischen Parodieverfahren der Barockzeit, also z. B. bei der Verwendung früher komponierter weltlicher Musik für neue geistliche Texte (bekannt etwa aus der Entstehungsgeschichte von Teilen des Weihnachtsoratoriums von Joh. Seb. Bach)32). „Parodie" meint heute aber im allgemeinen nicht die Verwertung des eigenen Werkschaffens für neue Zwecke und Anlässe, sondern vielmehr die gleichsam spielerisch-verfremdete Fortsetzung des Werkes eines anderen in kritischer Absicht und mit oft komischer Wirkung, besonders bei stark übertreibender und daher für den Kenner des Originalwerkes leicht erkennbarer Anlehnung an die Stilmittel des parodierten Autors. Unproblematisch ist dabei die eindeutig antithematische Behandlung mit Hilfe eines völlig neuen Stoffes, die lediglich bestimmte charakteristische, jedoch für sich genommen nicht urheberrechtsfähige Stileigenheiten parodistisch-karikierend aufgreift, so wie etwa Siegfried Ochs die Melodie des gemeinfreien Volksliedes „Kommt ein Vogel geflogen" quer durch die Musikgeschichte im Stile der bekanntesten Komponisten variiert hat 33 ). Schwieriger wird die Beurteilung, wenn die Parodie gegenständlich identifizierbare Teile des parodierten Werkes verwendet, die für sich allein bereits urheberrechtlichen Schutz genießen. So lag der Fall bei einer 1966 in der satirischen Zeitschrift „Pardon" erschienenen Comic-strip-Folge „in memoriam Walt Disney", die verschiedene bekannte Figuren des berühmten Zeichners, wie „Donald Duck" und „Mickey Mouse", leicht vereinfacht, aber deutlich erkennbar und wiederholt kopierte, und zwar im Rahmen einer die heile, uniforme Welt von Disneyland kritisierenden, inhaltlich ganz neuen Bildergeschichte. Der BGH34) bejahte das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung und hielt sich auch für die Beurteilung einer Parodie streng an den allgemeinen Grundsatz, daß geschützte fremde Werkteile nur für eine s e l b s t ä n 31

) Hinweis bei H i r s c h B a l l i n , in Festschrift Roeber, S. 195. ) Interessant auch die erst 1961 aufgetauchte „Parodie" Bachs auf ein Stabat Mater von Pergolesi, dessen Musik von Bach bearbeitet und dem neuen (nach dem 51. Psalm übersetzten) Text angepaßt wurde, vgl. Wolfgang S c h m i e d e r , Bach-Werke-Verzeichnis, revidierte Neuauflage (in Vorbereitung), neue BWV-Nr. 1083. 33 ) Besser und weit weniger bekannt ist das literarische Seitenstück dazu: Sebastianus S e g e l f a l t e r (= Richard Müller-Freienfels), Die Vögel der deutschen Dichter, 1947 (leider seit langem vergriffen). 34 ) N J W 1971, 2169 = UFITA Bd. 62 (1971) S. 265 — Disney-Parodie. 32

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d i g e Schöpfung frei benutzt werden dürfen, hinter deren neuer Eigenart die Züge des „ausgebeuteten" Werkes verblassen. Freilich lebt gerade die Parodie von der deutlichen Erkennbarkeit ihres parodistisch angegriffenen Vorbildes, und es ist schwer einzusehen, wie ein durch bestimmte Schlüsselfiguren bekannter Zeichner zeichnerisch parodiert werden kann, ohne daß seine Figuren erkennbar nachgezeichnet werden dürfen35). Nicht geprüft wurde in der Entscheidung die Möglichkeit einer im Ergebnis parodiefreundlicheren Lösung über die Ausnahmeregelung der Zitierfreiheit: Auch das häufigere „Anführen" der Disney-Figuren im Bildfolgentext hätte sich vielleicht mit einigem Wohlwollen als wiederholtes Kleinzitat über § 51 Nr. 2 UG in analoger Anwendung für illustrierte Sprachwerke nach Art der Comic-strips rechtfertigen lassen, wenn man die mehrfache Wiedergabe als „für den parodistischen Zweck geboten" angenommen hätte; eine genau wörtlich-identische Zitierweise wird vom Gesetz — das hier auf Lässigkeiten und ein unzulängliches Erinnerungsvermögen des Zitierenden Rücksicht nehmen muß — nicht unbedingt verlangt3®), allerdings unbeschadet etwaiger Genauigkeitsansprüche, die sich im Notfall mißverständlicher Beeinträchtigung des zitierten Werkes aus dem Urheberpersönlichkeitsrecht ergeben könnten. Im Schrifttum wird allgemein ein gewisser Freiraum für die Parodie gefordert und anerkannt, ohne daß freilich ein juristisch gangbarer Weg gewiesen würde, wie das parodistische Element als eine Art Rechtfertigungsgrund für den Eingriff in fremde Urheberrechte heranzuziehen wäre 37 ). Wo liegt vor allem die Grenze zwischen unzulänglicher „mißglückter Parodie" und versteckter Vorlagen-Freibeuterei? V. Der Wettbewerbsgedanke stellt nun gewiß kein Patentrezept dar, alle diese zu Fortsetzung, Selbstplagiat und Parodie aufgeworfenen Fragen einfach und zweifelsfrei zu beantworten. Mir scheint aber doch, daß es für die Parodie beispielsweise — wie beim Selbstplagiat schon mehrfach anerkannt 38 ) — sehr entscheidend ist, ob die zu beurteilende „ Verletzungsform" dem Originalwerk des parodier35 ) Kritisch auch S a m s o n , Urheberrecht, S. 103; V i n c k in GRUR 1973, 253¡ H e f t i in FILM UND RECHT Nr. 11/1976 S. 748. 3e ) M ö h r i n g / N i c o l i n i , Anm. 12 zu § 51 UrhG; a. A. Samson aaO. " ) Für das deutsche Recht vgl. neuerdings die eingehende Darstellung mit Einzelnachweisen von H e f t i in FILM UND RECHT Nr. 11/1976 S. 742. s s ) So von R u n g e , Urheber- und Verlagsrecht, S. 135; B a p p e r t / M a u n z , Rdnr. 8 zu § 2 VerlG; eingehend E l s t e r , Selbstplagiat und Motivschutz, in GRUR 1928, 362, 369.

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ten Autors in erheblicher Weise Konkurrenz macht oder nicht89). Dabei kann die Art und Weise der Veröffentlichung den denkbaren Wettbewerb weitgehend neutralisieren, indem sich die jeweils angesprochenen Leserkreise deutlich unterscheiden. Auch der Zeitfaktor spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Aktualität der konkreten Wettbewerbssituation festzustellen: Ein Werk, das gerade erst erschienen ist und im Mittelpunkt des Interesses steht, dürfte im allgemeinen verletzungsempfindlicher sein als weiter zurückliegende Publikationen, deren gegenwärtige Resonanz nur noch gering ist und die vielleicht erst durch die bezugnehmende „Zitierung" wieder ins Gedächtnis zurückgerufen werden, was für das benutzte Werk sogar einen Wettbewerbsvorteil bedeuten kann40). Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang auch der wettbewerbliche Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr: Was bei vernünftiger Betrachtung leicht als nicht vom selben Autor stammend erkennbar ist, kann im allgemeinen eher aus dem Schutzumfang des fortgesetzten oder parodierten Werkes herausgenommen werden, sofern nicht aus anderen Gründen ein ins Gewicht fallender geschäftlicher Wettbewerb gegeben ist. So entspricht der Doppelnatur des Urheberrechts auch eine teils Vermögens-, teils persönlichkeitsrechtliche Komponente auf der Wettbewerbsseite: Der wirtschaftlichen Konkurrenz, die meist vom organisatorischen Werkmittler mit dem Verlagsrecht oder sonstigen abgeleiteten Nutzungsrechten abgedeckt wird, steht die individuelle Rivalität und das Streben nach Selbstdarstellung der Autoren gegenüber, die eher gegen eine Störung ihrer persönlichen Beziehung zu ihrem Werk geschützt werden müssen. Daraus folgt, daß im Zweifel nicht nur der Verleger eine offensichtlich wirtschaftlich konkurrierende Fortsetzung eines seiner Verlagsobjekte durch Dritte unterbinden, sondern daß auch der Autor aus seinem (im Kern unübertragbaren!) Urheberpersönlichkeitsrecht eine Befugnis zur Fortsetzung seines eigenen Werkes herleiten kann, die einerseits jede Form des „Selbstplagiats" in milderem Lichte erscheinen läßt, andererseits aber auch ohne Rücksicht auf die Haltung des Verlegers41) eine Fortsetzung durch Dritte ausschließt42). UmgeM ) Ebenso H e f t i in FILM UND RECHT Nr. 11/1976 S. 750, der beklagt, daß bei uns im Gegensatz z. B. zu den angelsächsischen Ländern kaum geprüft werde, ob dem Originalwerk durch die Parodie wirtschaftliche Konkurrenz erwachse. 4 °) Ähnlich H i r s c h B a l l i n (oben Fußn. 31), S. 198; H e f t i , aaO. 41 ) B r e i t (GRUR 1928, 265) sagt auf S. 270 treffend, dem Verleger stehe kein Motivschutz zu. 42 ) Nach Treu und Glauben kann sich freilich ein Autor gegenüber seinem Verleger nicht beliebig lange das Recht auf Fortsetzung eines als Teil einer Serie kon-

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kehrt läßt sich daraus folgern, daß eine nicht geschäftsschädigende, vielleicht eher als Werbung nützliche „Fortsetzung" allenfalls noch dem persönlichen Wettstreit der beteiligten Verfasser unterliegt, daß dann aber im Falle einer Parodie bei verfassungskonformer Auslegung das Urheberrecht des Parodierten gegenüber dem kritischen Selbstdarstellungsrecht des Parodisten zurücktreten muß; denn das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst (Art. 5 GG) wiegen bei einer ehrlichen Parodie schwerer als die Selbstbestimmung des Urhebers über alle individuellen Teile seines Werkes, und zwar selbst dann, wenn die Parodie als mißglückt, als künstlerisch unzulänglich anzusehen wäre 43 ). Entsprechend müssen unter diesen Umständen auch wörtliche Zitate eher zulässig sein, als es die allzu starre Regelung des § 51 UG an sich zu erlauben scheint. Legt man aber die erwähnten wettbewerblichen Maßstäbe an, so könnte eine vorsichtige Analogie z. B. zugunsten von Werken der bildenden Kunst ohne ernste Beeinträchtigung der Urheberinteressen gewagt werden 44 ). Nur eine Benutzung, die in vermeidbarer Weise schon ihrem Umfang nach geeignet ist, dem Originalwerk Konkurrenz zu machen, und die das Selbstbestimmungsrecht des Autors über die Integrität seines Werkes empfindlich stört, wäre zweifellos nicht mehr als „durch den Zweck gebotenes" Zitat zu rechtfertigen. Auch bei der jüngst angesichts des Bremer „Schulbeispiels" wieder aufgeflammten Diskussion um die Vervielfältigung zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch 45 ) kommt dem Wettbewerbsgedanken eine sehr wichtige Rolle zu. Die Fotokopietechnik weckt einerseits zusätzlichen Bedarf und erweist sich zur Vermeidung mühevoller handschriftlicher Exzerpte als segensreiches Hilfsmittel; sie schafft andererseits eine weithin unsichtbare und unkontrollierbare Konkurrenz durch das Einsparen gedruckter Exemplare und läßt besonders die wissenschaftlichen Verlage mehr und mehr ausbluten. Hier wird auch die Auslegung des § 54 Abs. 1 UG zu der Frage, welche Anzahl nach Sinn und Zweck der Vorschrift noch unter den Begriff „einzelne Vervielfältigungsstücke" fällt, an einer Würdigung zipierten Werkes vorbehalten, wenn er zu einer Fortsetzung auf längere Sicht praktisch nicht mehr bereit oder in der Lage ist. 43 ) Ähnlich Valerio d e S a n c t i s , Lettre d'Italie, in DdA IX, 1960, 256, zit. bei H e f t i in FILM UND RECHT Nr. 3/1976 S. 170. «) Ganz ähnlich hat das KG in seinem Urteil v. 26. Nov. 1968 in UFITA Bd. 54 (1969) S. 296 = Schulze KGZ 48, S. 7 f. argumentiert und „kleine Großzitate" z. B. von Karikaturen zum Zwecke der politischen Auseinandersetzung gegen den Wortlaut des § 51 Ziff. 2 UG als zulässig angesehen. 45 ) LG Bremen in GRUR 1976, 202; LG Bremen und OLG Bremen in FILM UND RECHT Nr. 9/1976 S. 649 f. m. zust. Anm. von S a m s o n , ebd. S. 611 ff. und abl. Stellungnahme von E n g e 1 s in FILM UND RECHT Nr. 10/1976 S. 669 ff.

Der W e t t b e w e r b s g e d a n k e im Urheberrecht

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der wettbewerblichen Situation nicht vorbeigehen können. Mag sein, daß die Rechtsprechung nicht immer ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen dazu Stellung nimmt, zumal sie sich dabei eigentlich auf das schwer zugängliche Feld statistischer und soziologischer Faktenbegeben müßte. Unterschwellig und in der Beratung wird der Topos „Konkurrenzverhältnis: ja oder nein?" aber ganz sicher nicht unbeachtet bleiben, wie dies von Samson in dem bereits erwähnten Aufsatz46) so treffend und eindringlich dargestellt worden ist. In der Tat sind ja alle feingesponnene juristische Dogmatik und Systematik sowie die verschiedensten Topoi für den Richter nicht Selbstzweck, sondern sie dienen dem einzigen Ziel, einen gegebenen Sachverhalt nach allen irgendwie entscheidungsrelevanten Besonderheiten zu durchleuchten und die widerstreitenden Argumente möglichst vollständig zu sammeln und gegeneinander abzuwägen. In diesem Sinne scheint es mir notwendig, zur Bestimmung des Schutzumfangs und der Schranken des Urheberrechts gerade auch den Wettbewerbsgedanken nie ganz aus den Augen zu verlieren.

Resümee Der im urheberrechtlichen Schrifttum und in der einschlägigen Rechtsprechung früher schon gelegentlich herausgestellte Wettbewerbsgedanke verdient es, zur Bestimmung des Schutzumfangs und der Schranken des Urheberrechts in Zweifelsfällen häufiger als Hilfsargument und Begründungs-„Topos" herangezogen zu werden. Besonders für die Beurteilung der Fortsetzung eines fremden oder eigenen Werkes („Selbstplagiat") sowie für die Frage der Zulässigkeit einer Parodie kann es entscheidend darauf ankommen, ob die angegriffene Verletzungsform zu dem Originalwerk in ernstliche Konkurrenz tritt. Dabei sind beispielsweise wichtig die Art der angesprochenen Verkehrskreise, der zeitliche Abstand, die Verwechslungsgefahr. Das unübertragbare Urheberpersönlichkeitsrecht gibt grundsätzlich auch gegenüber dem Verleger eine Befugnis zur Fortsetzung des eigenen Werkes; dies begründet in der Regel die Zulässigkeit des Selbstplagiats, sofern nicht Wettbewerbsgesichtspunkte zwingend entgegenstehen. Die Parodie ist mangels geschäftlicher Konkurrenz und gestützt vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung im allgemeinen nicht als Urheberrechtsverletzung anzusehen. Die Grenzen der Zitatfreiheit können unter Beachtung des Wettbewerbsgedan" ) Oben Fußn. 11, S. 144 f.

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Hans-Heinridi Schmieder:

kens in vorsichtiger Analogie weiter gezogen werden, als es die allzu starre Regelung des deutschen Urheberrechtsgesetzes an sich vorschreibt. Résumé L'idée de concurrence, qui a déjà été dégagée occasionnellement dans la doctrine concernant le droit d'auteur et dans la jurisprudence en la matière, mérite d'être plus souvent prise en considération, dans les cas douteux, comme argument subsidiaire et „topos' de motivation, pour déterminer l'étendue de la protection et les limites du droit d'auteur. 11 peut être en particulier décisif pour juger de la continuation d'une œuvre étrangère ou propre („auto-plagiat"), ainsi que pour la question de la licéité d'une parodie, de savoir si la forme de contrefaçon reprochée entre en sérieuse concurrence avec l'œuvre originale. Sont ici notamment importants la nature du public auquel on s'adresse, l'écart dans le temps, le danger de confusion. Le droit moral de l'auteur, incessible, donne en principe à l'égard de l'éditeur aussi le droit de continuer sa propre œuvre; cela justifie en règle générale la licéité de l'auto-plagiat, pour autant que des considérations tirées de la concurrence ne s'y opposent pas de façon absolue. Il n'y a en général pas lieu de considérer la parodie comme une atteinte au droit d'auteur, faute de concurrence économique et dans la mesure où elle s'appuie sur le droit fondamental à la liberté d'expression. Les limites de la liberté de citation peuvent, en tenant compte de l'idée de concurrence, être repoussées par voie de prudente analogie au-delà de ce qui est prescrit par la réglementation par trop rigide de la loi allemande sur le droit d'auteur. Fr. U.

Summary The concept of economic competition, which had formerly been brought into focus occasionally in the copyright literature and by relevant case law, deserves to be referred to more frequently as an ancillary argument and a motivating „topos" serving as a reasoning tool to define the scope and the limits of copyright protection in doubtful cases. This is especially important in evaluating sequels of works by the original author (self-plagiarism) or of another author concerning the question of the permissibility of a parody, and whether the form of infringement charged is in serious economic competition with the original work. Important factors are the addres-

Der Wettbewerbsgedanke im Urheberredit

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sed section of the public, the chronological intervall, and the risk of confusion. In principle, the non-assignable moral right reserves to the author the right to continue the original work, even as concernes the publisher. It usually renders self-plagiarism admissible, unless competitive aspects are insurmountably opposed. In general, a parody, which does not aim at economic competition and which is supported by the basic right of free expression of opinion cannot be considered as a copyright infringement. The limits of the freedom of quotation as protected by the rigid provisions of the German Copyright Act can be extended through careful analogy to the competitive concept. v. W.

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Gedanken zur Regelung des Rechts der Verwertungsgesellschaften in Österreich Von Universitätsprofessor Dr. Fritz Sdiönherr, Rechtsanwalt in Wien*)

Gleichzeitig mit dem österreichischen Urheberrechtsgesetz, am 9. April 1936, ist als BGBl. Nr. 112 das „Bundesgesetz betreffend Unternehmen zur Nutzbarmachung von Vortrags-, Aufführungs- und Senderechten an Sprachwerken und an Werken der Tonkunst (Verwertungsgesellschaftengesetz)" erlassen worden. Nach einer durch die Rechtsvereinheitlichung mit dem „Altreich" bedingten Unterbrechung1) ist es Anfang 1947 wieder in Kraft gesetzt worden 2 ). Gewiß hat das Gesetz da und dort Mängel. Vor allem gab es Auseinandersetzungen über die Abgrenzung der „kleinen" von den „großen" Rechten 3 ). Auch die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen über die Schiedskommission (§§14 bis 24), ja sogar über die Gesamtverträge (§ 6)4), ist in Zweifel gezogen worden. Im wesentlichen hat sich aber das Gesetz bewährt. Trotzdem wurde Ende des Jahres 1975 vom österreichischen Bundesministerium für Justiz ein Entwurf für ein neues Verwertungsgesellschaftengesetz 5 ) versendet. Er ist zwar auf allgemeine Ablehnung gestoßen; es ist aber vielleicht von Interesse, einige der Gedanken, die im Zuge des Begutachtungsverfahrens gemacht worden sind und über den Anlaß hinaus möglicherweise von Bedeutung bleiben, im folgenden kurz darzulegen: *) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. ') Vgl. die „Verordnung über die Einführung des Gesetzes über die Vermittlung von Musikaufführungsrechten im Lande Österreich vom 11. Juni 1938, RGBl. I, 623. s ) Bundesgesetz vom 12. Dez. 1946, BGBl. Nr. 32/1947, über die Uberleitung der Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesellschaften-Uberleitungsgesetz). 3 ) B r e z i n a , Zur Verwertung der sogenannten „kleinen Urheberrechte" durch die Verwertungsgesellschaften, in JB1. 1969, 651 ; E d l b a c h e r , Verleger und Verwertungsgesellschaft, in OJZ 1970, 429; D i 11 r i c h , Zur Abgrenzung der „kleinen" und der „großen Rechte", in ÖB1. 1971, 1, F r i e d l / F r o t z / S c h ö n h e r r , Berühren Rundfunksendungen musikalisch-dramatischer Bühnenwerke unter Benützung von Schallträgern stets ein „kleines" Recht?, in OBI. 1971, 34. 4 ) O h l i n g e r , Verfassungsrechtliche Bemerkungen zu den Gesamtverträgen im Urheberrecht, in OBI. 1976, 89. 5 ) Im folgenden als „Entwurf" bezeichnet.

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Fritz Schönherr:

1. Grundgedanken der gesetzlichen Regelung Die gesetzliche Regelung des Rechts der Verwertungsgesellschaften wird von zwei — durchaus zu bejahenden — Grundgedanken beherrscht 6 ): a) Eine für alle Beteiligten möglichst ökonomische Verwertung von Urheber- und Leistungsschutzrechten setzt voraus, daß die betreffende Verwertungsgesellschaft zumindest faktisch eine M o n o p o l s t e l l u n g hat.7) b) Jede Monopolstellung birgt die Gefahr eines M i ß b r a u c h s . Daher bedarf es einer gesetzlichen Handhabe, um einem solchen Mißbrauch wirksam zu begegnen. Z u a ) : Die Monopolstellung kann einer Verwertungsgesellschaft sicherlich durch die im Gesetz vorgesehene Genehmigungspflicht eingeräumt werden. Sie könnte aber — mit weit weniger Verwaltungsaufwand — ebenso wirksam dadurch gesichert werden, daß dem zuständigen Ministerium rechtlich die Möglichkeit gegeben wird, einer anderen Verwertungsgesellschaft, die das faktische Monopol einer bereits bestehenden Verwertungsgesellschaft gefährdet, den Geschäftsbetrieb zu untersagen. Diese Regelung wäre einer nicht-reglementierten Wirtschaftsordnung angemessener und würde allen Beteiligten die Umständlichkeiten eines Genehmigungsverfahrens ersparen. Z u b): Nach den EB zum VerwGesG 19368) hat die Möglichkeit, daß die Monopolstellung der damals bestehenden Verwertungsgesellschaften mißbraucht werden könnte, „weite Kreise der Veranstalter konzertmäßiger Aufführungen beunruhigt und veranlaßt, ein Eingreifen der Staatsgewalt zu fordern". Die EB erwähnen, daß es dann, wenn sich die Verwertungsgesellschaft einerseits und die zuständige Veranstalterorganisation andererseits über die Höhe oder über die Art der Berechnung des Entgelts nicht einigen, „regelmäßig zu heftigen Kämpfen" komme. Um hier abzuhelfen, wurde die Möglichkeit geschaffen, den fehlenden Rahmen- oder Gesamtvertrag durch eine Satzung zu ersetzen, die von der S c h i e d s k o m m i s s i o n auf•) Vgl. die EB zum VerwGesG 1936 bei D i 11 r i c h , österreichisches und Internationales Urheberrecht (1974), 612 f., sowie die Amtliche Begründung zum deutschen VerwGesG bei H a e r t e l / S c h i e f l e r , Urheberrechtsgesetz und Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, Textausgabe mit Verweisungen und Materialien (1967), 409 f. = UFITA Bd. 46 (1966) S. 273. 7 ) Dazu M. W a l t e r , Zur Monopolstellung der urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften, in JB1. 1970, 601. 8 ) Bei D i 11 r i c h , 613.

Recht der Verwertungsgesellschaften in Österreich

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zustellen ist, also einem Gremium, das von den Parteien e i n v e r n e h m l i c h bestellt wird. Wegen der schon erwähnten verfassungsrechtlichen Bedenken wurden die Bestimmungen über die Schiedskommission in den Entwurf nicht übernommen. Anstatt dessen war vorgesehen, die S t a a t s a u f s i c h t a u s z u d e h n e n , was allerdings ein nur recht unvollkommenes Mittel wäre, um, wie es im Entwurf hieß, eine Verwertungsgesellschaft zu veranlassen, „den Benützern der von ihr verwalteten Verwertungsrechte die Erlangung der erforderlichen Werknutzungsbewilligung zu erleichtern". Es wäre zu überlegen, hier an § 46 des österreichischen KartG über die Mißbrauchsaufsicht 9 ) anzuknüpfen und „Benützern" von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten und Mitgliedern von Verwertungsgesellschaften ein Antragsrecht beim Kartellgericht einzuräumen. In diesem Fall müßten allerdings die Beisitzer aus dem Kreise der Urheber oder Leistungsschutzberechtigten einerseits und der „Benützer" andererseits bestellt werden. Eine solche bloße M i ß b r a u c h s r e g e l u n g hätte den Vorteil, daß staatliche Stellen erst in Anspruch genommen würden, wenn sich tatsächlich Mißbräuche oder die Gefahr von Mißbräuchen ergeben sollten, was ebenfalls weit ökonomischer wäre als die im Entwurf vorgesehene s t ä n d i g e v o r s o r g l i c h e Staatsaufsicht. Der Grundsatz „Nicht mehr Staat als notwendig" sollte auch für die Verwertungsgesellschaften gelten. 2. Bestehende Verwertungsgesellschaften Derzeit gibt es nur zwei staatlich genehmigte Verwertungsgesellschaften, beide Genossenschaften mit beschränkter Haftung: a) die staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (A.K.M.) registrierte Genossenschaft mit be9 ) „(1) Auf Antrag einer Partei hat das Kartellgericht den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu untersagen. Dieser Mißbrauch kann besonders in folgendem bestehen: 1. der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung unangemessener Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, 2. der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher, 3. der Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen, 4. der an die Vertragschließung geknüpften Bedingung, daß die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen."

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Fritz Schönherr:

sdiränkter Haftung; sie nimmt die „kleinen" Vortrags-, Aufführungsund Senderechte an Musikwerken wahr; b) die staatlich genehmigte literarische Verwertungsgesellschaft (L.V.G.) registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung; sie nimmt im wesentlichen die Vortrags- und Senderechte an Sprachwerken wahr. Daneben bestehen noch drei weitere Gesellschaften, die dem Verwertungsgesetz nicht unterliegen: c) die Austro-Mechana, Gesellschaft für mechanische Urheberrechte, Gesellschaft mbH, welche im wesentlichen die „kleinen" Vervielfältigungsrechte an Musikwerken mit und ohne Text wahrnimmt; d) die Literar-Mechana Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte Gesellschaft mbH; ihr obliegt, neben anderen Aufgaben, die treuhändige Wahrnehmung der Rechte zur Vervielfältigung von Sprachwerken auf Tonträgem; e) die LSG-Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten Gesellschaft mbH; sie verwaltet die Ansprüche der Schallplattenhersteller und Interpreten auf Vergütung für die Benützung handelsüblicher Schallträger zu Rundfunksendungen und zu öffentlicher Wiedergabe (§ 76 Abs. 3 öUrhG); f) die österreichische Interpretengesellschaft, ein Verein, der gewisse Rechte der ausübenden Künstler wahrnimmt. Nach dem Entwurf hätten nun auch die vier zuletzt erwähnten Gesellschaften der Konzessionspflicht und der staatlichen Kontrolle unterworfen werden sollen. Nun haben sich bei keiner der bisherigen Gesellschaften, mögen sie staatlich genehmigt sein oder nicht, Unzukömmlichkeiten ergeben. Es kann daher nicht gesagt werden, daß sich die Konzessionspflicht und die staatliche Aufsicht auf die Gebarung von Verwertungsgesellschaften positiv ausgewirkt und den damit verbundenen finanziellen und Verwaltungsaufwand (nicht nur beim Ministerium, sondern auch bei seinen Verwertungsgesellschaften) gerechtfertigt hätten. Daß Verwertungsgesellschaften eine staatliche Genehmigung und eine ständige staatliche Aufsicht erforderten, wurde in den Erläuterungen zum Entwurf b e h a u p t e t , aber nur recht unzulänglich begründet: Gewiß kann es wegen der unterschiedlichen Interessen der Beteiligten zu Reibungen kommen; das gehört zum Wesen einer pluralistischen Gesellschaft. Diese Reibungen jedoch durch eine ständige staatliche Aufsicht auszuschalten zu versuchen, wäre unreali-

Recht der Verwertungsgesellschaften in Osterreich

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stisch und unökonomisch. Es müßte vielmehr genügen, im Gesetz vorzusehen, daß eine objektive Stelle berechtigt und verpflichtet ist, Konflikte der Beteiligten, die sich nicht durch Verhandlungen lösen lassen, zu schlichten und gegebenenfalls verbindlich zu regeln. Nach dem Entwurf wären zwar die K o s t e n der Staatsaufsicht grundsätzlich von der Verwertungsgesellschaft zu tragen gewesen, hätten demnach jedenfalls die Beträge, die den Bezugsberechtigten ausgeschüttet werden können, gemindert; daß aber, davon abgesehen, das neue Gesetz „keine weitere Belastung des Bundeshaushaltes" gebracht hätte, wie es in den Erläuterungen hieß, dürfte zu optimistisch sein: Würden für die vier dem VerwGesG bisher nicht unterliegenden Gesellschaften und womöglich noch weitere Verwertungsgesellschaften Staatskommissäre samt Vertretern bestellt, die noch dazu „tunlichst an allen Sitzungen der Organe" (also sogar des Vorstandes!) teilzunehmen hätten (§ 14 Abs. 1 des Entwurfs), dann würde deren Arbeitskraft den eigentlichen Aufgaben, die sie als Staatsbeamte zu erfüllen haben, jedenfalls entzogen. Konsequenterweise hat die Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs eines VerwertungsgesellschaftenG in der BRD für die dort vorgesehene Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften eine zusätzliche Stelle des höheren Dienstes (A 14) sowie eine Stelle für eine Hilfskraft (Vergütungsgruppe VII) vorgesehen, deren Kosten (im Jahre 1961!) mit 30 800,— DM pro Jahr veranschlagt wurden10); dabei kennt das deutsche Gesetz keinen Staatskommissär und keine Teilnahme an Vorstandssitzungen der Verwertungsgesellschaften, sondern bloß das Recht der Aufsichtsbehörde, an den Mitgliederversammlungen und, sofern ein Aufsichtsrat oder Beirat besteht, an dessen Sitzungen durch einen Beauftragten teilzunehmen (§19 Abs. 3 VerwGesG).

3. Rechtsweg § 2 Abs. 2 Ziff. 4 des Entwurfs hatte vorgesehen, daß „jedem Bezugsberechtigten die unmittelbare Beschreitung des Rechtswegs ausdrücklich erlaubt" sein müsse. Damit wäre die generelle Übertragung von Streitigkeiten an ein Schiedsgericht verboten gewesen. Das halte ich nicht für glücklich: An sich ist ein sachverständig zusammengesetztes Gremium idR besser geeignet, Streitfragen zwischen Bezugsberechtigtem und Ver10

) Vgl. H a e r t e l / S c h i e f l e r , 419 = UFITA Bd. 46 (1966) S. 277.

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Fritz Schönherr:

Wertungsgesellschaft zu regeln, als ein durchschnittlicher Berufsrichter. Auch haben die Parteien gerade besonderes Vertrauen zu einem Gericht, dessen Zusammensetzung sie selbst mitbestimmen können. Es schießt daher übers Ziel, die Schiedsgerichtsbarkeit schlechthin auszuschließen. Um zu verhindern, daß der einzelne Bezugsberechtigte vom „Apparat" der Verwertungsgesellschaft an die Wand gedrückt wird, müßte es genügen, zwingend vorzusehen, daß allfällige Schiedsgerichtsvereinbarungen folgendes vorsehen: a) Der Bezugsberechtigte hat das Recht, die gleiche Anzahl von Schiedsrichtern zu ernennen wie die Verwertungsgesellschaft. b) Die von den Parteien ernannten Schiedsrichter wählen den Obmann. 4. Gesamtverträge Auch der Entwurf sah vor, daß die Verwertungsgesellschaften über den Inhalt der Verträge mit den einzelnen Benützern tunlichst Gesamtverträge zu schließen haben. Nun haben solche Gesamtverträge im allgemeinen nur für einen sehr beschränkten Personenkreis Bedeutung, und dieser wird dann stets von seinem Interessenverband informiert. Als Form der K u n d m a c h u n g müßte daher die Bekanntmachung in den einschlägigen Mitteilungsblättern genügen, zumal sich jeder Beteiligte über den Inhalt des Gesamtvertrages bei der zuständigen Stelle Aufschluß verschaffen kann. Die vorgesehene Kundmachung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung hat daher, nüchtern betrachtet, keinen praktischen Wert; denn diejenigen Außenseiter, die keinem einschlägigen Verband angehören, lesen sicherlich nicht regelmäßig die Wiener Zeitung. Auch die Erläuterungen betonen den „verhältnismäßig geringen Offenkundigkeitswert" solcher Verlautbarungen. Entbehrliche Kundmachungen im „Amtsblatt zur Wiener Zeitung" verursachen aber nicht nur überflüssigen Kosten- und Verwaltungsaufwand: sie sind sogar insoweit schädlich, als dadurch die wirklich wichtigen Bekanntmachungen (z. B. Eintragungen im Handelsregister, Insolvenzen, Gläubigeraufrufe, Kundmachungen der Nationalbank) überlagert werden und unterzugehen drohen, weil eben der Leser durch die Fülle gleichgültiger Informationen abgestumpft wird. Wie unreflektiert mitunter derartige Kundmachungen angeordnet werden, zeigt § 34 Abs. 4 des jüngsten österreichischen Kammergesetzes, des PatentanwaltsG BGBl. 1967/214: Danach sind die Ge-

Recht der Verwertungsgesellschaften in Österreich

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schäftsordnungen der Patentanwaltskammer und ihres Vorstandes, die Umlagenordnung, ja sogar der Jahresvoranschlag und der Rechnungsabschluß jeweils im „Amtsblatt zur Wiener Zeitung" zu veröffentlichen — obwohl diese rein internen Angelegenheiten der (rund 60) österreichischen Patentanwälte eine breite Öffentlichkeit bestimmt nicht interessieren und, wenn überhaupt, weit zweckmäßiger im „österreichischen Patentblatt" zu veröffentlichen wären. Daß die von den Verwertungsgesellschaften geschlossenen Gesamtverträge schon derzeit in der „Wiener Zeitung" zu verlautbaren sind (§ 8 Abs. 1 VerwGesG 1936), hätte es für sich allein gewiß nicht gerechtfertigt, diese Regelung beizubehalten. Sie sollte daher aus den vorerwähnten Gründen entfallen. 5. Würdigung im allgemeinen Der hier besprochene Entwurf hat mit vielen anderen Gesetzesvorhaben — nicht nur Österreichs — eines gemeinsam: die Tendenz, alles und jedes zu regeln, ohne hinreichende Rechtstatsachenforschung. und ohne nüchtern geprüft zu haben, ob der zu erwartende Geld- und Verwaltungsaufwand durch das Ergebnis gerechtfertigt ist. Resümee Nach Ansicht des Verfassers sollte aus Gründen der Verwaltungsökonomie das bisher in Österreich für zwei Verwertungsgesellschaften geltende Konzessionssystem nicht erweitert, sondern vielmehr durch die Möglichkeit ersetzt werden, einer neuen Verwertungsgesellschaft, die das faktische Monopol einer bestehenden gleichartigen Gesellschaft gefährdet, den Geschäftsbetrieb zu untersagen. Weiter sollte jeder die Möglichkeit haben, sich bei einer unabhängigen Stelle — etwa beim Kartellgericht — darüber zu beschweren, wenn eine Verwertungsgesellschaft ihr Monopol mißbrauchen sollte. Auch das wäre wirksamer und ökonomischer als eine ständige vorsorgliche Staatsaufsicht. Der im Januar 1976 veröffentlichte Ministerialentwurf eines neuen österreichischen Verwertungsgesellschaftengesetzes trägt diesen Vorstellungen nicht Rechnung und wird daher abgelehnt. Im einzelnen wird auch der vorgesehene Ausschluß der Schiedsgerichtsbarkeit und die Pflicht zur Veröffentlichung von Gesamtverträgen im „Amtsblatt zur Wiener Zeitung" als zu weitgehend kritisiert.

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Schönherr: Recht der Verwertungsgesellschaften in Österreich

Résumé Selon l'auteur de cette étude, le système de concession actuellement en vigueur en Autriche pour deux sociétés de perception devrait, pour des raisons d'économie dans l'administration, non pas être étendu, mais plutôt remplacé par la possibilité d'interdire de fonctionner à une nouvelle société de perception mettant en danger le monopole de fait d'une société de même nature déjà existante. De plus, chacun devrait avoir la possibilité de se plaindre auprès d'un organe indépendant — par exemple, auprès du Tribunal des ententes — si une société de perception venait à abuser de son monopole. Cela aussi serait plus efficace et plus économique qu'une surveillance permanente et préventive de l'Etat. Le projet ministériel, publié en janvier 1976, de nouvelle loi autrichienne sur les sociétés de perception ne tient pas compte de ces considérations et est donc ici repoussé. En particulier, l'exclusion prévue de l'arbitrage et l'obligation de publier les contrats globaux dans le „Amtsblatt zur Wiener Zeitung" sont critiquées comme excessives. Fr. U. Summary It is the author's contention that for reasons of economic administration the present licencing system operating in Austria, with regard to two performing right societies, should not be extended. Rather, it should be replaced by the power, to prohibit the activities of a new performing right society, that endangers the factual monopoly of an existing society of the same kind. Furthermore, everybody should be entitled to complain with an independent institution, e. g. the Cartel Court, if a performing right society misuses its monopoly. This, too, would be more efficient and economic than a permanent preventive state control. The new Austrian Performing Right Society Bill drafted by the Ministry and published in January 1976 does not take these concepts into account and must, therefore, be rejected. In detail, the planned exclusion of arbitration and the duty to publish collective agreements in the „Amtsblatt zur Wiener Zeitung' is criticized as too far-reaching. v. W.

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Tarife und Gesamtverträge der Verwertungsgesellschaften Von Professor Dr. jur. h. c. Eridi Schulze, München*) Die Aufstellung von Tarifen für die Verwerter und der Abschluß von Gesamtverträgen mit Vereinigungen, deren Mitglieder Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte nutzen, ist den Verwertungsgesellschaften zur Pflicht gemacht. I. Tarife Die Tarife werden von den Verwertungsgesellschaften selbst aufgestellt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWG). „Dadurch soll im Interesse der Allgemeinheit eine gleichmäßige Behandlung aller gleichgelagerten Fälle durch die Verwertungsgesellschaft sichergestellt, zugleich aber auch den Verwertungsgesellschaften in ihrem eigenen Interesse erspart werden, in jedem Einzelfall langwierige Verhandlungen über Art und Höhe der zu zahlenden Vergütung zu führen" (Amtliche Begründung bei Haertel/Schietler, Urheberrechtsgesetz und Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten. Textausgabe mit Verweisungen und Materialien, 1967, S. 439 = UFITA Bd. 46 [1966] S. 282). Es ist ausgeschlossen, daß jeder Tarif die jeweiligen besonderen Umstände berücksichtigt. Es genügt vielmehr, bestimmte Sachverhalte in ihren typischen Gegebenheiten schematisch zu erfassen (Schulze, Rechtsprechung zum Urheberrecht: BGHZ Nr. 205). Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die von den Verwertungsgesellschaften einseitig aufgestellten Tarife als verbindlich hinzunehmen sind. Das Patentamt als Aufsichtsbehörde (§ 18 Abs. 1 UrhWG) hat darauf zu achten, daß die Verwertungsgesellschaften ihren Verpflichtungen aus dem UrhWG ordnungsgemäß nachkommen (§ 19 Abs. 1 UrhWG). Die Aufstellung der Tarife wird danach kontrolliert, zumal von den VGes bei der Tarifgestaltung auf religiöse, kulturelle und soziale Belange — einschließlich der der Jugendpflege — angemessene Rücksicht genommen werden soll (§13 Abs. 3 UrhWG). Wie der Amtlichen Begründung zu entnehmen ist, wird die Rücksichtnahme bei der Tarifgestaltung den Verwertungsgesellschaften in Form einer *) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt.

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Erich Schulze:

Sollvorschrift nahegelegt (Haertel/Schiefler S. 439 = UFITA, aaO. S. 282). Diese Rücksichtnahme erscheine besonders deshalb geboten, weil durch das neue Urheberrechtsgesetz eine Reihe von Einschränkungen weggefallen seien, die nach der alten Gesetzgebung zugunsten der Allgemeinheit vorgesehen waren, wie die Aufführungsfreiheit bei Volksfest-, Wohltätigkeits- und Vereins Veranstaltungen. Zur Erleichterung der Kontrollfunktion müssen die Verwertungsgesellschaften das Patentamt über jeden Tarif und jede Tarifänderung unterrichten (§ 20 Nr. 2 UrhWG). Die Billigung der Tarife durch das Patentamt ist ein Indiz für deren Angemessenheit (Schulze: BGHZ Nr. 205 u. LGZ Nr. 108). Die richterliche Prüfung bleibt indessen nicht ausgeschlossen. Wie nämlich die Amtliche Begründung ergänzt, könne ein einzelner Verwerter, der den Tarif für unangemessen hoch halte, nach § 11 UrhWG (Abschlußzwang) die Verwertungsgesellschaften auf Einräumung der benötigten Rechte zu angemessenen Bedingungen verklagen und auf diese Weise eine gerichtliche Nachprüfung der Angemessenheit der Tarife herbeiführen Haertel/Schiefler S. 439 = UFITA, aaO. S. 282). Um zu verhindern, daß die Verwertungsgesellschaft sich dem Abschlußzwang entzieht, gelten die Rechte als eingeräumt, wenn der Verwerter die von der Verwertungsgesellschaft geforderte tarifliche Vergütung unter Vorbehalt an die Verwertungsgesellschaft gezahlt oder zu ihren Gunsten hinterlegt hat. Der Verwerter kann sich dagegen nicht auf die fiktive Einräumung der Rechte berufen, wenn er statt der von der Verwertungsgesellschaft verlangten tariflichen Vergütung eine geringere, von ihm für angemessen erachtete Vergütung zahlt oder hinterlegt; die Tarife sind so lange für die Rechtsbeziehungen zwischen Verwertungsgesellschaft und Verwerter maßgebend, wie ihre Unangemessenheit nicht gerichtlich festgestellt ist (Mestmäcker/Schulze, UrhKomm, 5. Lieferung, Anm. 3 zu § 11 UrhWG m. dort zit. Lit. u. Rspr.). Der einzelne nicht organisierte Verwerter kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Verwertungsgesellschaft mit einer Vereinigung von Verwertern einen Gesamtvertrag zu günstigeren Bedingungen geschlossen hat. Hierin liege kein Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller gleichgelagerten Fälle; denn mit dem Abschluß von Gesamtverträgen erziele die Verwertungsgesellschaft im Rahmen der Vertragshilfe eine Verringerung ihres Verwaltungs- und Kontrollaufwandes (Mestmäcker/Schulze, UrhKomm, 5. Lieferung, Anm. 1 zu § 13 UrhWG m. dort zit. Lit. u. Rspr.).

Tarife und Gesamtverträge der Verwertungsgesellschaften

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II. Gesamtverträge Soweit Gesamtverträge geschlossen werden, gelten die in diesen Verträgen vereinbarten Vergütungssätze als Tarife (§13 Abs. 1 Satz 2 UrhWG). Die Pflicht für die Verwertungsgesellschaften zum Abschluß von Gesamtverträgen mit Verwertervereinigungen ergibt sich aus §12 UrhWG. Wie aus der Amtlichen Begründung hierzu hervorgeht, hat für die Vorschrift die Praxis der GEMA als Modell gedient (Haertel/Schief 1er S. 438 = UFITA, aaO. S. 282). Es werde dadurch der Abschluß der Einzelverträge mit den Veranstaltern in hohem Maße erleichtert, weil der Inhalt dieser Verträge durch den Rahmenvertrag (Gesamtvertrag) im wesentlichen festgelegt sei und im Einzelvertrag nur noch die wenigen in Betracht kommenden Besonderheiten geregelt zu werden brauchten. Hier ist jedoch der Abschlußzwang insofern eingeschränkt, als die Verwertungsgesellschaft einen Gesamtvertrag nicht zu schließen braucht, wenn er ihr nicht zuzumuten ist, weil z. B. die Vereinigung eine zu geringe Mitgliederzahl hat. Die Unterrichtungspflicht der Verwertungsgesellschaften gegenüber dem Patentamt besteht audi bei Gesamtverträgen (§ 20 Nr. 3 UrhWG). Anders als bei den besprochenen Tarifen ist im Streitfalle über den Abschluß oder die Änderung eines Gesamtvertrages der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen (§ 14 Abs. 1 UrhWG). Zuständig ist vielmehr die beim Patentamt gebildete Schiedsstelle. Zwar ist auch der Abschluß eines Schiedsvertrages zulässig, über künftige Rechtsstreitigkeiten aber nur unter der Voraussetzung, daß jeder Beteiligte das Recht behält, im Einzelfalle statt der Entscheidung durch das Schiedsgericht eine Entscheidung durch die Schiedsstelle zu verlangen. Die Entscheidung der Schiedsstelle, von der der Inhalt der Verträge, im besonderen Art und Höhe der Vergütung, festgesetzt wird, kann von jedem Beteiligten innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim Oberlandesgericht München, dessen Entscheidung endgültig ist (§ 14 Abs. 5 u. § 15 Abs. 1 UrhWG), angefochten werden. III. Kritik Die Erfahrungen eines Jahrzehnts lassen eine Reform des UrhWG für die nächste Legislaturperiode des neuen Deutschen Bundestags wünschenswert erscheinen.

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Erich Schulze:

1. Der Verwerter, der den Tarif der Verwertungsgesellschaft für unangemessen hoch hält und deshalb den Betrag unter Vorbehalt zahlt oder hinterlegt, geht lediglich das Prozeßrisiko ein. Für die Verwertungsgesellschaften dagegen ist das Risiko unvergleichlich größer: Andere Verwerter warten die richterliche Entscheidung über die Angemessenheit der Vergütung ab und zahlen den geforderten Betrag ebenfalls nur unter Vorbehalt oder flüchten sich in die Hinterlegung. Zahlung unter Vorbehalt ermöglicht es der Verwertungsgesellschaft wenigstens, an ihre Mitglieder Vorschüsse zu zahlen. Die Hinterlegung dagegen ist völlig unzumutbar. Zahlung unter Vorbehalt oder Hinterlegung sollte bei einer Gesetzesreform auf den strittigen Betrag beschränkt werden. 2. Für die Gesamtverträge und die Verträge mit den Rundfunkanstalten wird wegen ihrer wirtschaftlichen Größenordnung vom Gesetzgeber eine andere Regelung gefunden werden müssen. Eine befriedigende Lösung wäre sicherlich darin zu sehen, daß im Kündigungsfalle bis zur rechtskräftigen Entscheidung die bisherigen Vergütungssätze aus dem alten Vertrag unter Vorbehalt weitergezahlt werden müssen. Soll ein Gesamtvertrag erstmalig abgeschlossen werden, müßte die Schiedsstelle die Befugnis haben, im Wege einer einstweiligen Anordnung die Höhe der zu leistenden Vorauszahlung festzusetzen. Resümee Die VGes sind zur Aufstellung von Tarifen über die Vergütungen, die sie aufgrund der von ihnen wahrgenommenen Rechte und Ansprüche von den Verwertern fordern (§ 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWG), und zum Abschluß von Gesamtverträgen mit Vereinigungen, deren Mitglieder Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte nutzen (§ 12 UrhWG) verpflichtet. Die Aufsicht des Patentamts (§ 18 UrhWG) erstreckt sich auf die Tarifgestaltung. Daher ist es über jeden Tarif und jede Tarifänderung zu unterrichten (§ 20 Nr. 2 UrhWG). Die Billigung der Tarife durch das Patentamt ist ein Indiz für deren Angemessenheit. Die richterliche Prüfung ist indessen nicht ausgeschlossen. Der Verwerter, der einen Tarif für unangemessen hoch hält, kann die VGes auf Einräumung der benötigten Rechte zu angemessenen Bedingungen verklagen. Um zu verhindern, daß sich die VGes dem in §11 Abs. 1 UrhWG festgelegten Abschlußzwang entzieht, gelten nach §11 Abs. 2 UrhWG die Rechte als eingeräumt, wenn der Verwerter die

Tarife und Gesamtverträge der Verwertungsgesellschaften

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von der VGes getorderte tarifliche Vergütung unter Vorbehalt zahlt oder zu ihren Gunsten hinterlegt. Soweit Gesamtverträge geschlossen werden, gelten die darin vereinbarten Vergütungssätze als Tarife (§ 13 Abs. 1 Satz 2 UrhWG), allerdings nur für die Mitglieder von Gesamtvertragspartnern, nicht für nichtorganisierte Einzelverwerter. Die Verpflichtung der VGes zum Abschluß von Gesamtverträgen mit Verwertervereinigungen ergibt sich aus §12 UrhWG. Dabei ist jedoch der Abschlußzwang insofern eingeschränkt, als die VGes einen Gesamtvertrag nicht zu schließen braucht, wenn er ihr — z. B. wegen zu geringer Mitgliederzahl der Vereinigung — nicht zuzumuten ist. Im Streitfall über Abschluß oder Änderung eines Gesamtvertrages ist der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen. Zuständig ist die beim Patentamt gebildete Schiedsstelle (§ 14 UrhWG). Die Entscheidung der Schiedsstelle, von der der Inhalt des Gesamtvertrages festgesetzt wird, kann von jedem Beteiligten beim Oberlandesgericht München, dessen Entscheidung endgültig ist, angefochten werden (§§ 14, 15 UrhWG). Eine Reform des UrhWG ist wünschenswert. Einmal bedarf §11 Abs. 2 UrhWG einer Neuregelung insofern, als Zahlung unter Vorbehalt und Hinterlegung jeweils auf den strittigen Betrag beschränkt werden sollten. Zum anderen sollte für Gesamtverträge und Verträge mit Rundfunkanstalten für die Zeit der Anhängigkeit eines Schiedsstellenverfahrens eine Regelung dahin gefunden werden, daß im Kündigungsfalle bis zur rechtskräftigen Entscheidung die Vergütungssätze aus dem alten Vertrag unter Vorbehalt weiter zu zahlen sind. Soweit die Festsetzung eines Vertrages erstmalig beantragt ist, sollte der Schiedsstelle die Befugnis eingeräumt werden, im Wege einer einstweiligen Anordnung die Höhe der zu leistenden Vorauszahlungen festzulegen. Résumé Les Sociétés de gérance sont tenues à établir des tarifs pour les rémunérations qu'elles exigent des usagers pour la concession des droits et des prérogatives qu'elles gèrent (Art. 13 alinéa 1, 1ère phrase, Loi sur la gestion des droits d'auteur et des droits apparentés — UrhWG —), et à conclure des contrats généraux avec les associations dont les membres exploitent des droits d'auteur ou apparentés (Art. 12 UrhWG). Les tarifs sont soumis au contrôle de l'Office des Brevets (Patentamt) (Art. 18 UrhWG). C'est pourquoi ce dernier doit être informé sur tous les tarifs ainsi que sur toute modification

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Erich Schulze:

(Ait. 20 No. 2 UrhWG). L'approbation de la part de VOitice des Brevets prouve l'équité des tarifs. Un examen judiciaire n'en est toutelois pas exclu. L'usager qui considère un tarif trop élevé peut citer les Sociétés de gérance en justice, en réclamant que ces Sociétés fassent valoir leurs droits à des conditions adéquates. Pour éviter que la Société de gérance se libère de son obligation de conclure selon l'Art. 11, alinéa 1 UrhWG, les droits sont considérés concédés selon l'Art. 11, alinéa 2 UrhWG, lorsque l'usager a payé sous réserve la rémunération exigée par la Société de gérance en vertu des tarifs, ou l'aura mis en dépôt en faveur de la Société. Lorsque des contrats généraux ont été conclus, les taux de rémunération convenus dans ces contrats tiennent lieu de tarifs (Art. 13, alinéa 1, 2ème phrase UrhWG), uniquement toutefois pour les membres des associations signataires, et non pas pour les usagers singuliers non adhérents. L'obligation des Sociétés de gérance de conclure des contrats généraux avec les associations d'usagers ressort de l'Art. 12 UrhWG. Cette obligation est toutefois limitée dans ce sens qu'une Société de gérance n'a pas à conclure un contrat général, lorsque pour une raison donnée, p. ex. le nombre limité des membres de l'association en question, une telle obligation ne saurait lui être imposée. Les cas contentieux concernant la conclusion ou la modification d'un contrat général ne peuvent être introduits devant les tribunaux, mais exclusivement devant la Commission d'Arbitrage constituée auprès de l'Office des Brevets (Art. 14 UrhWG). Il peut être appelé de la décision de cette Commission d'Arbitrage, qui décide du contenu du Contrat Général, auprès de l'Oberlandesgericht (Cour d'Appel régionale) de Munich qui décide en dernière instance (Art. 14 et 15 UrhWG). Une réforme de la loi UrhWG est à désirer. En premier lieu, il faudrait régler d'une manière nouvelle les stipulations de l'Art. 11 alinéa 2 pour que le payement sous réserve ou le dépôt ne puisse se référer qu'à la somme contestée. D'autre part, pour les contrats généraux et les contrats avec les organismes de radiodiffusion, on devrait trouver une réglementation afin que pour la durée de la procédure d'arbitrage et après la dissolution du contrat, les tarifs de l'ancien contrat restent en vigueur et que les versements continuent à être effectués, sous réserve, aux taux ainsi prévus, jusqu'à la décision définitive. Lorsque la demande de stipulation d'un contrat a été déposée pour la première fois, la Commission d'Arbitrage devrait avoir le pouvoir de décréter sous forme d'une ordonnance sur référé le montant des avances à verser.

Tarife und Gesamtverträge der Verwertungsgesellschaften

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Summary The copyright licensing bodies aie obliged to establish tariffs on the remunerations claimed by them from the users on account of the rights and claims entrusted to their administration (Art. 13 par. 1 sentence 1 Law on the Administration of Copyright and Neighbouring Rights - UrhWG) and to enter into global contracts with associations, the members of which exploit copyrights or neighbouring rights (Art. 12 UrhWG). The supervision by the Patent Office (Art. 18 UrhWG) extends also to the establishment of tariffs. Therefore the supervising authority must be notified of all tariffs and each change of tariffs (Art. 20 No. 2 UrhWG). The approval of the tariffs by the Patent Office can be regarded as an indication for their being reasonable. An examination by a court, however, is not excluded. The user who is of the opinion that a tariff is unreasonably high can bring action against a copyright licensing body requesting the granting of the rights needed under reasonable conditions. In order to avoid that the copyright licensing body evades the obligation of contracting according to Art. 11 par. 1 UrhWG, the rights in accordance with Art. 11 par. 2 UrhWG shall be deemed to have been granted if the remuneration claimed on the basis of the tariff by the copyright licensing body has been paid under reserve or has been deposited for the benefit of the copyright licensing body. As far as global contracts have been established, the remunerations fixed in such contracts are deemed tariffs (Art. 13 par. 1 sentence 2 UrhWG), however, only with regard to the members of the contracting parties to global contracts and not with regard to non-organized individual users. The obligation of the copyright licensing bodies to enter into global contracts with users' associations results from Art. 12 UrhWG. The obligation of contracting, however, is limited in so far as the copyright licensing body needs not enter into a global contract if such contract is to be regarded as an unreasonable demand — e.g. due to a very small membership of the association. In case of a dispute on the conclusion or modification of a global contract the ordinary juridical way is excluded. The competence is with the Arbitration Board constituted by the Patent Office (Art. 14 UrhWG). Against the decision of the Arbitration Board that stipulates the contents of a global contract each of the parties concerned can give notice of appeal to the "Oberlandesgericht" (Superior Court) in Munich. The decision of the court is definite (Art. 14 and 15 UrhWG).

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Schulze: Tarife und Gesamtverträge der Verwertungsgesellschaften

A reform of the UrhWG is to be desired. On the one hand, Art. 11 par. 2 UrhWG should be modified in so far as the payment under reserve or the deposit should be in each case limited to the amount in dispute. On the other hand, a regulation for global contracts and contracts with radio organisations under procedure before the Arbitration Board should be found in such a way that in case of notice having been given the remunerations under the previous contract should continue to be paid under reserve until the definite decision. In so far as the stipulation of a contract is requested for the first time, the Arbitration Board should be authorized to fix the amount of the advance to be paid by means of an interim injunction.

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Umformung in einen anderen Werkstoff oder eine andere Dimension Ein Beitrag zur Entstehung von Bearbeiter-Urheberrediten an Werken der bildenden Kunst Von Dr. Fritz Traub, Vorsitzender Riditer am Oberlandesgericht, Frankfurt a. M.*) 1. Der Praktiker verdankt die Anregungen zu einer theoretischen Betrachtung häufig den Akten, die ihm über den Tisch laufen. Wenn er sieht, daß die Entscheidung eines Falles die Beantwortung einer theoretischen Vorfrage voraussetzt, ist damit wohl die schönste Verbindung von Wissenschaft und Praxis verwirklicht. So will der Verfasser dieses Beitrags keineswegs verheimlichen, daß die Anregung für sein Thema auf einem Fall beruht, den das Oberlandesgericht in Frankfurt a. M. entschieden hat 1 ). Freilich ist die Entscheidung nicht veröffentlicht worden; denn das Problem der Entstehung von Bearbeiter-Urheberrechten an Werken der bildenden Kunst, wenn diese in einen anderen Werkstoff oder in eine andere Dimension übertragen werden, ist in der Entscheidung nur kurz angeklungen. Um so lehrreicher erscheint aber der Sachverhalt: An der Nürnberger Handelskammer befindet sich ein Wandbild, welches im Jahre 1910 von Georg Kellner geschaffen wurde und welches einen mittelalterlichen Kaufmannszug darstellt. Dieses Bild hat als „Nürnberger Kaufmannszug" eine gewisse Berühmtheit erlangt; es ziert die Deckel von Lebkuchendosen und es ist auf Klapp- und Postkarten im Handel erhältlich. Ein einfallsreicher Hersteller von Wandreliefs aus Kupfer und Zinn benutzte das Motiv des Nürnberger Kaufmannszuges, um die Malerei von Georg Kellner in eine halbplastische (reliefartige) Dimension zu übertragen und mit einem Kupfer- oder Zinnüberzug zu versehen. Diese Wandreliefs eignen sich vorzugsweise dazu, über Kaminen oder in rustikal gehaltenen Eßecken aufgehängt zu werden. Sie vermitteln eine gemütliche Atmosphäre und erzeugen den Eindruck von Gediegenheit und Solidität. Dementsprechend groß ist der Markterfolg. — Ein anderer Hersteller von Wandreliefs übernahm den dreidimensionalen „Nürnberger Kaufmannszug" teils maßstabsgetreu, teils in geringfügig abgewan*) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. >) Urteil vom 12. Juli 1976, 6 U 160/75.

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delter Form. Hiergegen wandte sich der ursprüngliche „Umformer", indem er für sich ein Bearbeiter-Urheberrecht an dem Werk von Georg Kellner in Anspruch nahm. Der Prozeß zwischen den beiden Herstellern der Wandreliefs setzte ausschließlich eine Befassung mit der Frage voraus, ob in der Person des ersten „Umformers" ein Bearbeiter-Urheberrecht entstanden war. Die Frage, ob das benutzte Werk von Georg Kellner gemeinfrei ist oder nicht, konnte dahingestellt bleiben2). Diese Frage war nicht einmal Gegenstand des Parteivortrags. Das OLG Frankfurt a. M. bejahte ein Bearbeiter-Urheberrecht, da es dem ersten „Umformer" gelungen war, durch Veränderungen des Gemäldes von Kellner eine andersartige ästhetische Wirkung zu erzeugen. Für die Frage, ob die bloße Umformung in die dritte Dimension und in einen metallischen Werkstoff an sich ein BearbeiterUrheberrecht ergeben kann, blieb daher wenig Raum. Es heißt hierzu in der Entscheidung nur: „Da bedeutende Gestaltungspunkte vorliegen, die über eine reine Übertragung eines Vorbildes von der zweiten in die dritte Dimension hinausgehen, kann es dahingestellt bleiben, ob eine derartige reine Übertragung für die Begründung eines Bearbeiterurheberrechts ausgereicht hätte. Der Senat neigt dazu, dies zu verneinen, da es sich dabei um eine rein technische, handwerkliche Übertragung gehandelt hätte. Im vorliegenden Fall hat der Bearbeiter jedoch über die Übertragung auf eine andere Dimension und über die Gestaltung in einem anderen Material hinaus Veränderungen durchgeführt, die sich nicht allein zwingend aus der anderen Dimension oder dem verwendeten Werkstoff ergeben, sondern die einen eigenen ästhetischen Überschuß enthalten und als schöpferische Weiterentwicklung des Vorbildes ein Bearbeiterurheberrecht nach § 3 UG begründen." Damit ist das Problem eigentlich nur beim Namen genannt; aber es existiert und hat gewiß auch sonst praktische Bedeutung. Man denke an die Übertragung von Dürers betenden Händen oder seines Häschens in eine reliefartige Dimension und einen metallischen Werkstoff. Diese Schmuckreliefs waren jahrelang sehr beliebt und wurden in zahlreichen Wohnungen aufgehängt. In allen diesen Fällen erhebt sich die Frage, ob ein Bearbeiter-Urheberrecht entsteht und Dritte daran hindert, das „umgeformte" Werk nachzuahmen. 2 ) Vgl. zur Unabhängigkeit des Bearbeiter-Urheberrechts von der Gemeinfreiheit des Vorbildes u. a. v. G a m m „Urheberrechtsgesetz" 1968 Rdnr. 3 zu § 3 UG.

Umformungen von Werken der bildenden Kunst

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2. Die Frage der „Umformung" in eine andere Dimension ist Gegenstand einer höchst umstrittenen gesetzlichen Regelung im Geschmacksmustergesetz 3 ). Dessen § 6 Nr. 2 stellt die gesetzliche Regel auf, daß als verbotene Nachbildung n i c h t anzusehen sei: „die Nachbildung von Mustern, welche für Flächenerzeugnisse bestimmt sind, durch plastische Erzeugnisse und umgekehrt." Die Vorschrift dekretiert also, daß die Nachbildung eines Flächenmusters durch Übertragung in die plastische Form frei ist, ebenso wie umgekehrt die Übertragung eines plastischen Modells in die Flächenform nicht als Nachbildung untersagt werden kann 4 ). Man kann aus dieser mißglückten und einmütig abgelehnten Gesetzesstelle aber nicht auf die gesetzgeberische Absicht rückschließen, daß die Übertragung in eine andere Dimension stets so etwas wie eine „freie Benutzung" des Vorbildes sei oder daß womöglich die (geschmacksmusterrechtliche) Gestaltungshöhe der Übertragung in die andere Dimension gesetzlich ausgeschlossen werde. Vielmehr handelt es sich um eine von Gesetzes wegen angeordnete Beschränkung des Schutzumfangs 5 ), man könnte auch sagen: um ein gesetzlich zugelassenes Plagiat. Der Grund liegt in der — ebenfalls unklaren und fast einmütig abgelehnten — Zweiteilung der Geschmacksmuster in (flächenhafte) M u s t e r und (plastische) M o d e l l e 6 ) . Die Regelung des Geschmacksmustergesetzes ist denn auch, obwohl sie zunächst auch im Bereich des Kunstschutzes galt (§ 6 Nr. 2 des KUG vom 9. Januar 1876), weder in das KUG vom 9. Januar 1907 übernommen worden noch hat sie einen Niederschlag im Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 gefunden. Sie gilt also im Rahmen des Kunstschutzes nicht. Immerhin hat die verfehlte Regelung des Geschmacksmustergesetzes dazu geführt, daß sich die Rechtsprechung mit der A b g r e n z u n g der Dimensionen befassen mußte 7 ). Entscheidend ist nach dieser Rechtsprechung im wesentlichen, ob das ästhetische Empfinden durch flächenhafte Elemente oder durch plastische Formen angesprochen wird 8 ). Diese Rechtsprechung läßt sich ohne weiteres auf den — hier allein interessierenden — Kunstschutz übertragen; nur bringt sie uns nicht weiter, wenn es gilt, die

') F u r i e r bemerkt in „Das Geschmacksmustergesetz" 3. Aufl. Rdnr. 4 zu § 6: „Das Geschmacksmustergesetz weist keine zweite Vorschrift auf, die so übereinstimmend abgelehnt wird." 4 ) Vgl. hierzu F u r i e r , aaO. Rdnr. 5 zu § 6; ferner v. G a m m, „Gesdimacksmustergesetz" 1966 Rdnr. 7 und 9 (am Ende) zu § 6. 5 ) d. h. des (negativen) Vertretungsrechts, vgl. v. G a m m , GesdimMGes., Rdnr. 7 zu § 6. 6 ) v. G a m m , GesdimMGes, Rdnr. 8 zu § 6 und Rdnr. 11 zu § 1. 7 ) Vgl. u. a. RGZ 4, 108; RGZ 14, 46, 49 f.; RGZ 61, 178. 8 ) Vgl. u.a. RGZ 61, 178, 181 und v. G a m m , GesdimMGes, Rdnr. 9 zu §6.

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Frage zu entscheiden, ob die Übertragung in die — auf diese Weise näher bestimmte — andere „Dimension" ein Bearbeiter-Urheberrecht ergibt oder nicht. Dagegen gibt die Rechtsprechung zum Geschmacksmustergesetz für die Frage des Schutzes der Umformung in einen anderen W e r k s t o f f einige Hinweise: Danach soll auch eine rein technische Umformung des Modells von einem Werkstoff in den anderen geschmacksmusterfähig sein, wenn nur irgendwie ein anderer ästhetischer Gesamteindruck hervorgerufen wird9). Für den Kunstschutz sind jedoch — soweit ersichtlich — einschlägige Entscheidungen nicht veröffentlicht worden10). Tatsächlich können wir auch für die hier zu erörternde Frage die Wertungen des Geschmacksmustergesetzes allenfalls nur hilfsweise heranziehen, weil man sich stets vor Augen halten muß, daß es sich im Geschmacksmusterrecht um einen Fall der „kleinen Münze" handelt. Denn nach allgemeiner Auffassung ist der Unterschied gradueller Natur11). Entscheidend ist der — im Kunstschutz vorausgesetzte — h ö h e r e ästhetische Gehalt; der „ästhetische Überschuß" muß erheblicher sein, einen höheren Grad aufweisen 12 ) als im Geschmacksmusterrecht, so daß dem Kunstschutz eben nicht recht ist, was der Geschmadesmusterfähigkeit billig wäre18). ») Vgl. RGZ 121, 388, 391, bestätigt in RG GRUR 1935, 561, 562. Die Entscheidung des OLG Köln GRUR 1956, 138, 139 — Heftpflasterspule — verneint dagegen die Entstehung von Geschmacksmusterschutz durch die Umformung von Blech in Kunststoff, weil die ästhetische Bereicherung „rein materialbedingt" sei. Die Entscheidung LG München I GRUR 1958, 100, 101 — Pinselstopfen — bestätigt die Entscheidung des OLG Köln; sie verneint ebenfalls für die — ästhetisch ansprechende — Umformung des Pinselstopfens aus Glas, Metall oder Holz in Kunststoff die Geschmacksmusterfähigkeit, weil es sich um eine „materialbedingte" Bereicherung des ästhetischen Formempfindens handele. — Für die Möglichkeit des Geschmacksmusterschutzes beim .Ubergang von Metall auf Kunststoff" aber v. G a m m , GeschmMGes, Rdnr. 39 zu § 1. 10 ) Auch in der Literatur habe ich eindeutige Stellungnahmen nicht aufgefunden. Die Bemerkung bei F r o m m / N o r d e m a n n „Urheberrecht" 3. Aufl. Anm. 3a zu § 3, wonach die „Schaffung einer Plastik nach einem Gemälde, eines Gemäldes nach einem Werk der Bau- oder Bildhauerkunst . . . stets als persönliche geistige Schöpfung des Bearbeiters geschützt" sei, ist wohl auf nachempfundene Werkschöpfungen gemünzt, nicht aber auf mechanisch-technische Umformungen in eine andere Dimension oder einen anderen Werkstoff. Ebenso wenig Aufschlüsse dürfte für das hier interessierende Problem die Bemerkung bei U l m e : „Urheber- und Verlagsrecht" 2. Aufl. S. 138 geben, wonach die „Umschaffung eines Gemäldes zu einem Holzschnitt" eine „künstlerische Schöpfung" sei. Schließlich besagt auch die Bemerkung bei L o c h e r „Das Recht der bildenden Kunst" 1970 S. 65 nichts Abschließendes, wenn es dort heißt: „Das Umsetzen in ein anderes Medium (Zeichnung in Radierung oder in Plastik) kann Bearbeitung sein." ») So schon RGZ 76, 339, 344. Vgl. hierzu u. a. RGZ 135, 385, 389; RGZ 155, 199, 202, 205; BGHZ 22, 209, 214 f. = UFITA Bd. 23 (1957) S. 207, 211 — „Europapost"; BGHZ 27, 351, 354 = UFITA Bd. 26 (1958) S. 235, 236 f. — Brotschriften. 13) Der BGH weist in BGHZ 27, 351, 359 = UFITA Bd. 26 (1958) S. 235, 240 — Brotschriften — darauf hin, daß die Grenze zwischen Geschmacksmusterfähigkeit und Kunstschutz „nicht zu niedrig abzustecken" sei. Ebenso BGHZ 22, 209, 216 = UFITA Bd. 23 (1957) S. 207, 212 — Europapost; BGH GRUR 1972, 38, 39 — Vasenleuchter;

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3. Die Entstehung eines Bearbeiter-Urheberrechts gemäß § 3 UG setzt nach dem Wortlaut des Gesetzes voraus, daß die „Bearbeitung eines Werkes" vorliegt, die eine „persönliche geistige Schöpfung des Bearbeiters" ist. Zunächst muß also eine „Bearbeitung" gegeben sein. Was hierunter zu verstehen ist, ist nicht ganz klar und durch das Urheberrechtsgesetz von 1965 noch komplizierter geworden; denn in § 23 UG werden „Bearbeitungen" und „andere Umgestaltungen" unterschieden, woraus zu entnehmen ist, daß die „Umgestaltungen" der Oberbegriff sein sollen14). Es gibt also Umgestaltungen, die nicht „Bearbeitungen" sind. Der Regierungsentwurf zum Urheberrechtsgesetz 1965 nennt als Beispiele das Plagiat und den vergeblichen Versuch, das fremde Werk zu einer eigenen Schöpfung frei zu benutzen16). Unabhängig von diesen — durch das Urheberrechtsgesetz neu hinzugekommenen — begrifflichen Schwierigkeiten kann es als gesicherte Erkenntnis gelten, daß jedenfalls nicht alle B e n u t z u n g s h a n d l u n g e n Bearbeitungen sind16), und indem man so (negativ) untersucht, welche Benutzungshandlungen nicht „Bearbeitungen" sind, gelangt man leichter zu einer Erkenntnis dessen, was — im positiven Sinne — eine „Bearbeitung" darstellt. K e i n e Bearbeitung ist zunächst die sog. „freie Benutzung" i. S. des § 24 UG (Nordemann nennt den Vorgang plastischer „Entlehnung"17); aber auch die Nachahmung (das „Plagiat") ist keine Bearbeitung18). — Eine freie Benutzung liegt vor, wenn das Originalwerk zum „Ausgangspunkt" oder zum „Gegenstand" eines neuen Werks gemacht wird19), sofern „die entlehnten eigenpersönlichen BGH GRUR 1974, 669, 671 — Tierfiguren; BGH GRUR 1974, 740, 742 = UFITA Bd. 72 (1975) S. 305, 309 — Sessel. Vgl. zur Entstehungsgeschichte der „Kleinen Münze", die nach dem KUG vom 9. Jan. 1876 a u s s c h l i e ß l i c h dem Geschmacksmusterrecht vorbehalten sein sollte, BGH GRUR 1976, 649, 650 = UFITA Bd. 78 (1977) S. 226, 230 — Hans Thoma-Stühle. 14 ) Vgl. B r u g g e r .Der Begriff der Bearbeitung und Verfilmung im neuen Urheberrechtsgesetz" UFITA Bd. 51 (1968) S. 89, 95. Vgl. audi B u ß m a n n „Änderung und Barbeitung im Urheberrecht" in Festschrift für Philipp Möhring 1965, w o als nodi weitergehender Begriff der der „Änderung" vorgeschlagen wird. Kritisch zu diesen Begriffsbildungen S a m s o n „Das neue Urheberrecht", Schriftenreihe der UFITA Heft 32 (1966), S. 32, und v. Gamm, UR, Rdnr. 8 zu § 23, während M ö h r i n g / N i c o l i n i „Urheberrechtsgesetz" 1970, Anm. 3a zu § 23, die neue gesetzliche Begriffsbildung verteidigen. 15 ) Bundestagsdrucksache IV/270, S. 27 ff., 51, abgedruckt in UFITA Bd. 45 (1965) S. 240 ff., 266. 16 ) So v. G a m m , UR, Rdnr. 8 zu § 23 und Rdnr. 2, 3 zu § 24. ") GRUR 1964, 117, 118. 18 ) Vgl. auch hierzu N o r d e m a n n GRUR 1964, 117, 118, ferner M ö h r i n g / N i c o 1 i n i, Anm. 3a zu § 23, w o das Plagiat als „verschleierte unfreie Benutzung" bezeichnet wird. 19 ) M ö h r i n g / N i c o l i n i , Anm. 2b und 2c zu § 24.

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Züge des geschützten Werks v e r b l a s s e n 2 0 ) . " Ein typisches Beispiel ist die Schaffung eines Gemäldes nach einer Photografie 21 ). — Ein Plagiat liegt vor, wenn sich jemand ein fremdes Werk als eigenes a n m a ß t 2 2 ) . — Die Begriffsbestimmungen sind im einzelnen umstritten. Der Regierungsentwurf zum Urheberrechtsgesetz von 1965 rückt den Zweck der Umgestaltung in den Vordergrund 23 ), andere Autoren, insbesondere v. Gamm, sehen in den Begriffen keinen Gegensatz, sondern halten sie für einzelne Arten der Umgestaltung, die fließende Übergänge aufweisen und eine „Abstufung der Benutzungshandlungen je nach ihrem Abstand vom benutzten Original" kennzeichnen 24 ). In dieser „Abstandslehre" dürfte — unabhängig davon, ob für einzelne Benutzungshandlungen, insbesondere das Plagiat, auch subjektive Momente heranzuziehen sind — der zutreffende Gedanke zum Ausdrude kommen, daß Plagiate den geringsten Abstand vom Original halten, die Benutzungshandlung sich also an das Original herantastet, so weit wie möglich; dagegen halten freie Benutzungen den größten Abstand vom Original, die Benutzungshandlung besteht nur darin, daß sich der Werkschöpfer auf eine fremde Idee stützt, ein fremdes Motiv entlehnt oder als Anregung aufgreift, das Werk aber eine „völlige eigenpersönliche Gestaltung" aufweist 25 ), so 20 ) So die ständige Rechtsprediung, wie sie bei M ö h r i n g / N i c o l i n i Anm. 2c zu § 24 wiedergegeben wird. Vgl. im einzelnen: BGH GRUR 1971, 588, 589 = UFITA Bd. 62 (1971) S. 265, 269 — Disney-Parodie; BGH GRUR 1965, 45, 47 = UFITA Bd. 43 (1964) S. 156, 160 — Stadtplan; BGH GRUR 1961, 631, 632 — Fernspredibild; BGH GRUR 1959, 379, 381 = UFITA Bd. 30 (1960) S. 193, 197 — Gasparone; BGH GRUR 1958, 500, 502 = UFITA Bd. 26 (1958) S. 220, 223 — Mecki-Igel; BGH GRUR 1958, 402, 404 = UFITA Bd. 25 (1958) S. 445, 449 — Lilli Marleen. Einen anschaulichen Fall der Abgrenzung von freier und unfreier Benutzung (freilich auf dem Gebiet der Literatur) bildet die Entscheidung LG Köln GRUR 1973, 88 — Kinder in Not. «) RGZ 169, 109, 117. 22 ) So u. a. S a m s o n „Das neue Urheberrecht", Schriftenreihe der UFITA Heft 32 (1966) S. 32; vgl. ferner RGZ 74, 359, 360; RG J W 1933, 1400, 1402. Ausführlich BGH GRUR 1960, 500, 503 = UFITA Bd. 31 (1960) S. 325, 329 — Plagiatsvorwurf —, wo ausdrücklich darauf abgestellt wird, „ob eine b e w u ß t e Entlehnung fremden Geistesguts gegeben ist". S t a e h 1 e GRUR 1975, 541 spricht von einer „lügenhaften Anmaßung". Gelegentlich wird allerdings unter einem Plagiat jede unerlaubte Benutzung, d. h. jede Urheberrechtsverletzung, verstanden; jedoch nimmt die weitaus h. M. unter dem Begriff „Plagiat" die (bösgläubige) „Anmaßung" fremder Urheberschaft an. Vgl. die Darstellung bei U 1 m e r, Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl. S. 221. 23 ) Die Begründung zum Regierungsentwurf spricht aaO. (UFITA Bd. 45 [1965] S.226) von einem Plagiat dann, „wenn der Verfasser der Umarbeitung nicht das Originalwerk zur Geltung bringen, sondern das Ergebnis seiner Arbeit als eigenes Werk ausgeben will." 24 ) v. G a m m , UR, Rdnr. 2 zu § 24. Ähnlich sprechen F r o m m / N o r d e m a n n , „Urheberrecht" 3. Aufl., Anm. 2 zu § 24, von „Stufen" oder dem „Grad der Zugrundelegung". Auch S a m s o n , Urheberrecht 1973, S. 99, erörtert Maßstäbe zur „Feststellung des Abstandes zwischen den fraglichen Werken. 25 ) S a m s o n , UR, S. 99. S c h r a m m spricht in „Die schöpferische Leistung" 1957 S. 43 treffend davon, daß bei der freien Benutzung das fremde Geistesgut „Rohstoff", wenn auch oft nur „Ausgangsstoff" sei. Vgl. zum Begriff der freien Benutzung" auch S t a e h 1 e GRUR 1975, 541, 542.

Umformungen v o n Werken der bildenden Kunst

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daß „angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen 26 )". Dazwischen liegt die Bearbeitung; die bekannte Formulierung lautet immer wieder, daß bei der Bearbeitung das Originalwerk „ d u r c h s c h i m m e r n " müsse. Besser erscheint mir die Definition Samsons, wonach das Original nicht nur durchschimmern, sondern „in der Substanz erhalten" bleiben muß27). Danach erscheint es unbestreitbar, daß die Übertragung eines Werkes der bildenden Kunst in einen anderen Werkstoff oder eine andere Dimension eine „Bearbeitung" im Sinne des § 3 UG ist. 4. Fraglich bleibt freilich trotz dieser Erkenntnis, ob die Umformung als Bearbeitung ein Bearbeiter-U r h e b e r r e c h t zur Folge hat. Dies setzt nach allgemeiner Auffassung eine eigenschöpferische Umgestaltung eines anderen Werkes voraus, welches in seinen eigentlichen Elementen benutzt wird28). Wir gelangen mithin immer wieder zu der Gretchenfrage, ob eine „eigenpersönliche, selbständige Schöpfung" 29 ) vorliegt oder nicht. Die Übertragung eines Werkes der bildenden Kunst in einen anderen Werkstoff oder eine andere Dimension läßt sich durch Begriffsbildungen, insbesondere die Klärung der Frage, was eine „Bearbeitung" sei, auf seine Urheberrechtsfähigkeit nicht näher erfassen. Auch der allgemeine Hinweis, wonach für die Bearbeitung ein geringerer Grad an eigenschöpferischer Leistung vorausgesetzt sei als für die Originalschöpfung 30 ), hilft nicht viel weiter. Vielmehr sind wir darauf angewiesen, die stets wertende Betrachtung anzustellen, ob es sich im Einzelfall um einen Vorgang handelt, der schöpferische Gestaltungshöhe besitzt oder nicht. Hierfür lassen 2») So wörtlich BGH GRUR 1965, 45, 47 = UFITA Bd. 43 (1964) S. 156, 159 — Stadtplan. 27 ) S a m s o n , UR, S. 90; ähnlich U l m e r aaO., S. 139, wonach entscheidend ist, daß „das Originalwerk in wesentlichen Zügen wiederkehrt" und Möhring-Nicolini, Anm. 2 zu § 3, wonach eine Bearbeitung die Umgestaltung eines Werkes ist, „die dessen äußere Form abwandelt, seinen Inhalt aber unverändert läßt". Vgl. in diesem Sinne schließlich auch H u b m a n n, „Urheber- und Verlagsrecht", Kurzlehrbuch, 3. Aufl. S. 105, wonach der Bearbeiter die „wesentlichen individuellen Züge des Originalwerkes" beibehalte. 28 ) So v. G a m m , UR, Rdnr. 4 zu § 3; ähnlich G e r s t e n b e r g „Die Urheberrechte" 1968, Anm. 2 zu § 3 UG; F r o m m / N o r d e m a n n aaO., Anm. 2c zu § 3; M ö h r i n g / N i c o l i n i , Anm. 3 zu § 3; BGH 5, 116, 119 — Parkstr. 13; BGHZ 27, 90, 96 = UFITA Bd. 26 (1958) S. 90, 94 — Die Privatsekretärin; BGH GRUR 1968, 321, 324 = UFITA Bd. 51 (1968) S. 295, 302 — Haselnuß („persönliche geistige Schöpfung"); BGH GRUR 1972, 143, 145 = UFITA Bd. 64 (1972) S. 288, 294 — Biographie: „Ein Spiel" („eigenschöpferische und damit dem Bearbeitungsschutz zugängliche Änderungen . . ."). 28 ) So RGZ 153, 71, 76. 30 ) Siehe hierzu u. a. RGZ 153, 71, 76; BGH GRUR 1968, 321, 324 = UFITA Bd. 51 (1968) S. 295, 302 f. — Haselnuß. Weitere Nachweise bei M ö h r i n g / N i c o l i n i , Anm. 3 zu § 3.

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sich aber nur Anhaltspunkte herausarbeiten; sie können Maßstäbe sein und Hinweise geben, worauf es ankommt. Bereits hierin mag ein nicht unbeträchtlicher Gewinn liegen. Auch die nähere Erfassung dieser erforderlichen Maßstäbe läßt sich erleichtern, indem man (negativ) abgrenzt, was keine „schöpferische Leistung" oder „individuelle geistige Schöpfung" ist 31 ). So gesehen dürfte es mehrere — untereinander allerdings verwandte — Einschränkungen der Urheberrechtsfähigkeit einer Leistung geben, mit der ein Werk der bildenden Kunst in eine andere Dimension oder in einen anderen Werkstoff übertragen wird: a) Die Übertragung muß stets eine ästhetische Leistung sein, die das Formgefühl anspricht. Ein Bearbeiter-Urheberrecht entsteht danach nicht, wenn die Übertragung in eine andere Dimension oder einen anderen Werkstoff lediglich eine technische Leistung darstellt 82 ). Alles, was aus den technischen Notwendigkeiten der Übertragung folgt, ist grundsätzlich nicht urheberschutzfähig, mag auch die Übertragung einen anderen ästhetischen Gesamteindruck hervorrufen. Eine Ausnahme wird aber für den Fall anzuerkennen sein, daß die Umformung in einen anderen Werkstoff oder in eine andere Dimension ü b e r r a s c h e n d e ästhetische Effekte hervorbringt. Ähnlich wie im Patentrecht ausnahmsweise die Erfindungshöhe darin liegen kann, daß die an sich bekannte technische Lehre auf einem anderen Gebiet einen überraschenden Erfolg erbringt, kann bei der Umformung eines Werkes der bildenden Kunst in einen anderen Werkstoff oder eine andere Dimension der Gedanke, eine solche Übertragung in d i e s e n W e r k s t o f f oder in d i e s e D i m e n s i o n durchzuführen, selbst schon ästhetische Gestaltungshöhe aufweisen. Es mag der Fall genannt sein, in welchem das gewählte Material deshalb einen unerwarteten, neuen ästhetischen Eindruck hervorruft, weil die Umformung aus einem metallischen Werkstoff in Glas durch die Einbeziehung von Lichteffekten ein neues Stilelement schöpferisch einführt. Das sollten aber Ausnahmen bleiben.

) So RGSt 43, 329, 330 unter Bezugnahme auf die zivilrechtliche Rechtsprechung. ) Auch der BGH stellt in der Entscheidung BGHZ 27, 3 5 1 , 3 5 8 = UFITA Bd. 26 (1958) S. 235, 239 —• Brotschriften — für das Urheberrecht an einer Schriftform darauf ab, ob die Buchstabenformen „gewissermaßen technisch bedingt" seien. Auch die bereits erwähnte Entscheidung OLG Köln in GRUR 1956, 138, 140 bemerkt f ü r d e n B e r e i c h d e s G e s c h m a c k s m u s t e r g e s e t z e s , daß ein Schutz nicht gegeben sei, weil in dem zu entscheidenden Fall die Veränderung des ästhetischen Gehalts „weitgehend v o m Technischen her" bestimmt sei: „Dieses Ergebnis, das zwar, wie gesagt, einen geschmacklichen Fortschritt im Bereich der Pflasterspulenerzeugung darstellt, ist mit dem Ubergang zu Kunststoff so gut wie zwangsläufig und ohne Aufwendung wirklich schöpferischer Leistung zu erreichen gewesen." sl

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Mit Recht hat Nordemann in anderem Zusammenhang 83 ) darauf hingewiesen, wie nachteilig es wäre, aus längst gemeinfreien Werken durch kleine Veränderungen, z. B. neue Instrumentierungen eines Musikstücks oder durch die Umsetzung von klassischen Opernarien in den Walzertakt, tantiemepflichtige Bearbeitungen zu machen. Nichts anderes hat für technisch bedingte Veränderungen des ästhetischen Gesamteindrucks bei der Umformung in einen anderen Werkstoff oder eine andere Dimension zu gelten. Wenn mithin im Bereich der bildenden Kunst der neue Werkstoff Auslassungen erforderlich macht, weil die Übertragung sonst technisch nicht möglich ist (die Holzschnitzerei wird in einen Betonguß übertragen), dann reichen die veränderten ästhetischen Wirkungen des Werkes, die sich aus der Umformung ergeben, für ein Bearbeiter-Urheberrecht grundsätzlich nicht aus. b) Ein Bearbeiter-Urheberrecht entsteht auch dann nicht, wenn die Umformung lediglich handwerklich geschieht 34 ), wenn sich also der Umgestaltende von dem Vorbild nicht entfernt, sondern gleichsam sklavisch bemüht ist, dessen schöpferische Elemente nachzuzeichnen und in dem neuen Werkstoff oder der anderen Dimension wiederzugeben. Dann gilt nichts anderes, als wenn ein moderner Künstler sich in die Lage versetzen kann, historische Stilelemente so naturgetreu nachzuempfinden, daß er z. B. neue barocke Werke der bildenden Kunst produziert. Auch in diesem Fall entsteht ein Urheberrecht nicht, wenn der Künstler gleichsam „sklavisch" den vorgegebenen Formenschatz anwendet und Werke hervorbringt, die von den historischen Vorbildern ununterscheidbar sind 38 ). Nur die bewußte, aus ästhetischen Gründen vollzogene Trennung von den Formelementen des Vorbildes kann hier ein Bearbeiter-Urheberrecht ermöglichen. Auch diese Erkenntnis sollte — wie im Straßenverkehr das gelbe Licht — ) Nämlich bei Werken der Tonkunst in GRUR 1964, 117 t. ) S a m s o n , UR, S. 90 stellt im Zusammenhang mit der Urheberrechtsfähigkeit von Ubersetzungen ebenfalls darauf ab, ob sie sich in einer bloß „handwerklichen" (formalen) Wortübertragung erschöpfen; ebenso G e r s t e n b e r g , aaO., Anm. 3 zu § 3 am Ende: „Auch die Übertragung eines Werkes in eine andere Darstellungsform, die lediglich handwerkliche Geschicklichkeit und technische Kenntnisse erfordert, spricht gegen ein eigenes Urheberrecht des .Bearbeiters'"; ähnlich F r o m m / N o r d e m a n n , aaO., Anm. 2c zu § 3 am Ende und L o c h e r , aaO., S. 65; er bemerkt dort zu dem Verhältnis zwischen dem Urheber des Entwurfs und dem Stecher oder Drucker, daß eine persönliche geistige Schöpfung des Bearbeiters beim bloßen „Ausnützen handwerklichtechnischer Möglichkeiten" nicht entstehe. '5) Vgl. hierzu den Fall OLG Koblenz GRUR 1967, 262 = UFITA Bd. 50 (1967) S. 1033 — Barockputten; grundsätzlich hiermit übereinstimmend auch BGHZ 44, 288, 293 = UFITA Bd. 47 (1966) S. 258, 261 — Apfelmadonna. Mit Recht stellt H u b m a n n, aaO., S. 106 in diesem Zusammenhang fest, daß „mechanische und routinemäßige Kopien und Wiedergaben" kein Bearbeiter-Urheberrecht ergeben. 3S

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Vorsicht gebieten und dazu führen, mit der Zubilligung von Bearbeiter-Urheberrechten bei bloßen „Umformungen" zurückhaltend zu sein. c) Ein Bearbeiter-Urheberrecht sollte ferner dann verneint werden, wenn es sich um eine bloße „Verschlechterung" handelt. Darunter ist der Fall zu verstehen, in welchem aus Gründen der rationelleren Herstellung umgeformter Werke Formelemente weggelassen werden, die das Vorbild trägt35"). Auch dies muß gelten, selbst wenn durch die Weglassungen ein anderer ästhetischer Gesamteindruck entsteht und obwohl der künstlerische Wert an sich kein Maßstab für die Entstehung eines (Bearbeiter)-Urheberrechts ist86). 5. Das Ergebnis der negativen Abgrenzung besteht darin, daß technisch bedingte, handwerkliche und aus Gründen rationellerer Herstellung erforderlich werdende Veränderungen der übernommenen konkreten Stilelemente bei der Übertragung in eine andere Dimension oder in einen anderen Werkstoff unbeachtlich bleiben, selbst wenn — materialbedingt oder „dimensionsbedingt" — ein anderer ästhetischer Gesamteindruck entsteht. In diesen Fällen erwächst nur ausnahmsweise ein Bearbeiter-Urheberrecht, wenn überraschende ästhetische (materialbedingte oder „dimensionsbedingte") Effekte hervorgebracht werden. Damit ein Bearbeiter-Urheberrecht auf Grund der „Umformung" entstehen kann, ist vielmehr vorauszusetzen, daß der „Umformer" sich bewußt von seinem Vorbild löst und das Werk in seinen charakteristischen (eigenschöpferischen) Stilelementen verändert, ohne durch die Technik zu dieser Veränderung gezwungen zu sein37). Wann dies im Einzelfall zu bejahen ist, mag schwierige Abgrenzungsfragen mit sich bringen, die dem Anwalt und dem Richter — auch in prozessualer Hinsicht, d. h. bei der Tatsachenfeststellung — Kopfzerbrechen bereiten werden. Dies läßt sich aber bei urheberrechtlichen Wertungen kaum vermeiden. Immerhin mag die Richtlinie, die mit dem vorliegenden Beitrag gegeben werden soll, nämlich das Abstellen auf die „technische Bedingtheit" des veränderten ästhetischen Gesamteindrucks, eine Erleichterung für die Fallentscheidung liefern.

35 *) Audi der BGH hat in anderem Zusammenhang, nämlich für die Entstehung eines Bearbeiter-Urheberrechts bei kartographischen Leistungen, betont, daß „Weglassungen und Vergröberungen" kein Bearbeiter-Urheberrecht ergeben können (GRUR 1965, 45, 48 = UFITA Bd. 43 (1964) S. 156, 162 — Stadtplan). 36 ) Siehe hierzu v. G a m m , UR, Rdnr. 8 zu § 3 S. 220 unter „Der künstlerische Wert"i ferner F r o m m / N o r d e m a n n , aaO., Anm. 2c zu § 3. 37 ) F r o m m / N o r d e m a n n , aaO., Anm. 2c zu § 3 sprechen davon, daß man die „Handschrift" des Bearbeiters spüren müsse, daß sich seine „Persönlichkeit" als „geistiger Nachschöpfer" kundtun müsse.

Umformungen von W e r k e n der bildenden Kunst

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Mit den vorgeschlagenen Abgrenzungskriterien ist im übrigen nichts darüber gesagt, ob und unter welchen Voraussetzungen bei einer unmittelbaren Leistungsübernahme des umgeformten Werkes ein sog. „Schmarotzen" vorliegt, welches gegen § 1 UWG verstößt 88 ). Nur bestünde dann die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 1 UWG stets darin, daß das Erzeugnis w e t t b e w e r b l i c h e Eigenart besitzen muß und sich der Aufwand an Mühe und Kosten für die Umformung nicht schon durch den Markterfolg ausgezahlt hat 89 ). Wenn also die bekannten, in Metall reliefartig gestalteten Hände Dürers oder sein Häschen ohne nachschaffende eigene Arbeit unmittelbar übernommen und nachgebaut werden, mag unabhängig von dem — gewiß zu verneinenden — Bearbeiter-Urheberrecht ein möglicherweise zeitlich beschränkter 40 ) Schutz aus § 1 UWG in Betracht kommen. Resümee Bei der Übertragung eines Werkes der bildenden Kunst in eine andere Dimension oder einen anderen Werkstoff kann ein BearbeiterUrheberrecht (ohne Rücksicht darauf, ob das umgeformte Werk selbst gemeinfrei ist oder nicht) entstehen. Voraussetzung ist hierfür eine eigenschöpferische Umformung eines Werkes, dessen eigentümliche Elemente benutzt, aber bewußt so abgewandelt werden, daß ein neuer 38 ) Vgl. zu diesen Fällen BGHZ 28, 388, 394 — Nelkenstecklinge; BGHZ 33, 20, 28 = UFITA Bd. 32 (1960) S. 223, 229 — Figaros Hochzeit; BGHZ 37, 1, 19 = UFITA Bd. 37 (1962) S. 308, 321 — AKI; BGHZ 39, 352, 356 = UFITA Bd. 40 (1963) S. 192, 196 — Vortragsabend; BGHZ 51, 41, 46 = UFITA Bd. 54 (1969) S. 284, 287 f. — Reprint; BGH GRUR 1960, 627, 630 = UFITA 32 (1960) S. 243, 250 — Künstlerlizenz; BGH GRUR 1969, 618, 620 — Kunststoffzähne; BGH GRUR 1970, 244, 246 — Spritzgußengel; BGH GRUR 1972, 127, 128 — Formulare; zuletzt BGH WRP 1976, 370, 371 — Puderdose. Vgl. zur unmittelbaren Leistungsübernahme und zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz auch T t a u b in GRUR 1973, 186, 189 f. Mit Recht verweist S a m s o n , UR, S. 89 im Zusammenhang mit dem Bearbeiterurheberrecht auf den Gedanken „eines durchaus möglichen wettbewerbsrechtlichen Schutzes".

Vgl. zur wettbewerblichen Eigenart u. a. BGH GRUR 1962, 144, 149 = UFITA Bd. 36 (1962) S. 369, 376 f. — Buntstreifensatin und BGH WRP 1976, 370, 372 — Puderdose; zum „Lukrieren" des Arbeitsergebnisses: BGHZ 51, 41, 47 = UFITA Bd. 54 (1969) S. 284, 288 — Reprint; BGHZ 60, 168, 171 = UFITA Bd. 71 (1974) S. 131, 133 f. — Modeneuheit; BGH GRUR 1966, 617, 620 — Saxophon; BGH GRUR 1969, 618, 620 — Kunststoffzähne; BGH GRUR 1972, 127, 128 — Formulare. Ansatzpunkte zu dieser Rechtsprechung finden sich schon früher, vgl. RGZ 73, 294, 298 und RG GRUR 1927, 132. 40 ) Vgl. hierzu die m. E. grundlegenden Ausführungen bei S c h r a m m „Grundlagenforschung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts" 1954 S. 229 f. und S c h r a m m in WuW 1956, 199, 204; ferner BGHZ 60, 168, 171 = UFITA Bd. 71 (1974) S. 131, 133 — Modeneuheit, wo erstmals ein zeitlich begrenzter Leistungsschutz auf Grund des § 1 UWG für wettbewerbliche Arbeitsergebnisse gewährt wird. Vgl. in diesem Zusammenhang auch K o 1 m s e e „Der wettbewerbsrechtliche Schutz von Computer-Programmen", Frankfurter Dissertation 1975, S. 84 f.

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ästhetischer Gesamteindruck entsteht. Die Veränderung des ästhetischen Gesamteindrucks genügt nicht, wenn sie die Folge einer „technisch bedingten" Veränderung anläßlich der Übertragung in den anderen Werkstoff oder die andere Dimension ist, wenn die Übertragung sich rein „handwerklich" vollzieht, d. h. sklavisch die Stilelemente des Vorbildes nachzeichnet, und wenn es sich um eine bloße „Verschlechterung" handelt, d. h. die ästhetische Gesamtwirkung nur dadurch verändert wird, daß aus Gründen rationellerer Herstellung eigentümliche Stilelemente weggelassen werden. Eine Ausnahme kann sich wiederum ergeben, ein Bearbeiter-Urheberrecht also gleichwohl gegeben sein, wenn die Umformung einen überraschenden ästhetischen Effekt hervorbringt, die eigenschöpferische Leistung also darin liegt, die Entstehung des andersartigen ästhetischen Eindrucks durch die Übertragung in einen anderen Werkstoff oder eine andere Dimension überhaupt erst aufgefunden zu haben.

Résumé

Lorsque l'on transpose une œuvre des arts figuratifs dans une autre dimension ou dans une autre matière, un droit d'auteur peut naître à titre d'adaptateur (sans qu'importe si l'œuvre transposée était elle même libre ou non). La condition en est une transposition créatrice d'une œuvre dont les éléments originaux sont utilisés mais transformés consciemment de telle façon qu'en résulte une nouvelle impression esthétique d'ensemble. La modification de l'impression esthétique d'ensemble ne suffit pas si elle est la conséquence d'une modification „dépendant de la technique" à l'occasion de la transposition dans une autre matière ou dans une autre dimension, lorsque la transposition s'effectue de façon purement „artisanale", c'est-à-dire reprend de façon servile les éléments stylistiques du modèle et lorsqu'il s'agit d'une simple „altération", c'est-à-dire que l'impression d'ensemble esthétique n'est modifiée que du fait que des éléments stylistiques originaux sont abandonnés pour des raisons de fabrication plus rationnelle. Il peut cependant y avoir une exception, un droit d'auteur à titre d'adaptateur peut donc exister, lorsque la modification provoque un effet esthétique surprenant, et que l'apport créateur consiste à avoir révélé une impression esthétique différente par la transposition dans une autre matière ou dans une autre dimension. Fr. U.

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Summary With the transformation oi a work ot tine art into another dimension or into another material an adapter's copyright can result (regardless oi whether the adapted work itseli has fallen into the public domain or not). The prerequisite is a genuine creative transformation of a work, with its individual elements being used, but intentionally modified in such a way, that a new aesthetic overall impression is created. An alternation of the aesthetic overall impression is insufficient, if it is an alternative occasioned by „technical aspects" of the transformation into another material or dimension; if the transformation is affected in a pure medianical nature", i.e. a slavish copying of the stylistic elements of the original; or if it is merely a „bad copy", i.e. the aesthetic overall impression is changed only by the elimination of distincive stylistic elements for reasons of a more rational manufacture. In exceptional cases an adapter's copyright may nevertheless exist, if the transformation produces an unexpected aesthetic effect. The real creative achievement is the production of a different aesthetic impression by the transformation into another material or dimension. v. W.

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Die Bildung des Urhebervertragsrechts Von Professor Dr. Dr. h. c. Alois Troller, Luzern*)

I. Fragen und Zweifel Das Urheberrecht ist in allen Ländern, die der RBÜ oder dem WUA angehören, gesetzlich geregelt. Das Urhebervertragsrecht ist hingegen nur teilweise in Gesetzen anzutreffen. Dabei ergeben sich wesentliche Unterschiede in den nationalen Rechten. Am umfassendsten ist in einzelnen Ländern der Verlagsvertrag kodifiziert und als selbständiges Gesetz (BRD) erlassen oder in das Recht der Verträge hineingenommen (Schweiz) oder dem allgemeinen bürgerlichen Recht eingegliedert (Österreich) oder im URG untergebracht (z. B. DDR, Frankreich, Italien). Die Bildung der andern urheberrechtlichen Verträge ist nur durch einzelne Regeln erfaßt, die in Urheberrechtsgesetzen untergebracht sind und vor allem Rechtsvermutungen enthalten. Am Urheberrecht interessierte Personen und Verbände verlangen in der BRD, in Österreich und der Schweiz eine umfassende gesetzliche Regelung des Urhebervertragsrechts 1 ). Mit der Gesetzgebung befaßte Behörden und Kommissionen haben diese Wünsche entgegengenommen, aber die Arbeit an solchen Gesetzeswerken noch nicht begonnen. So haben die zwei Expertenkommissionen für die Revision des schweizerischen URG das Urhebervertragsrecht nicht in das URG einbezogen; sie vertraten mehrheitlich die Ansicht, eine umfassende Regelung sei verfrüht, solange die Rechtstatsachen dem Gesetzgeber nicht besser bekannt seien 2 ). Die schweizerischen Urheberrechtsgesellschaften waren hingegen davon überzeugt, daß das Urhebervertragsrecht sich mit dem Entwurf der Expertenkommission verbinden lasse und haben entsprechende als Gesetzestext ausgearbeitete Vorschläge und Anregungen dem eidg. Amt für geistiges •) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. ') Dazu G. F r o t z , Zur Reform des Urhebervertragsrechtes, Schweizerische Mitteilungen über Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht 1976, S. 3 ff. 2 ) Vorentwurf der Expertenkommission I in UFITA Bd. 66 (1973) S. 208 f.; Vorentwurf der Expertenkommission II in UFITA Bd. 72 (1975) S. 258 ff.

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Eigentum zugereicht3). Professor Gerhard Frotz bezeichnet sie im Hinblick auf die Rechtslage in der BRD, Österreich und der Schweiz als „die legistisch wohl am weitesten" gediehenen4). Ernst Hefti schrieb im Nachtrag zum Aufsatz von Frotz, der Entwurf der Urheberrechtsgesellschaften „dürfte angesichts der Tatsache, daß die Expertenkommission mit wenig überzeugenden Argumenten auf die Arbeit an dem ihrer Meinung nach nicht realisierbaren Urhebervertragsrecht nicht eingetreten" sei „eine gewisse Ratlosigkeit erzeugen"8). Der Entwurf der Urheberrechtsgesellschaften ist eine gute Vorlage, um zu überlegen, ob er für die gesetzliche Regelung des Urhebervertragsrechts ein taugliches und nützliches Fundament bilde, und ob die Gesetzgeber sich unverzüglich ans Werk machen sollten. Eine gut begründete Antwort läßt sich jedoch erst dann finden, wenn zuvor wesentliche Elemente des Problems bedacht sind.

II. Abgrenzung von Urheber- und Urhebervertragsredit 1. Die Grenzziehung Das Urheberrecht bestimmt, welche Befugnisse dem Urheber an seinem Werk zustehen und ob und in welchem Ausmaß er über sie verfügen kann. Das Urhebervertragsrecht regelt Vereinbarungen betreffend die Übertragung von urheberrechtlichen Befugnissen oder die Einräumung von Verwendungsbefugnissen am Werk. Das Urheberrecht bestimmt, was Vertragsgegenstand sein kann; das Vertragsrecht regelt den Inhalt von Verfügungen über den Vertragsgegenstand, deren Form und Grenzen. Die beiden Rechtsbezirke sind klar zu trennen. Das ist vor allem wegen der intemational-privatrechtlichen Wirkung wichtig, wie nachstehend dargetan wird. In den ken der zuteilen. treffend

Grenzbereichen kann der Gesetzgeber insbesondere SchranVerfügungsfähigkeit dem einen oder dem anderen Gebiet So bestimmt z. B. Art. 22 VE II (Schweiz. Bundesgesetz bedas Urheberrecht, Vorentwurf der II. Expertenkommission

3 ) Siehe Anhang, oben S. 188 ff. *) G. F r o t z , aaO., S. 4. 5 ) Obige Fußnote 1, aaO., S. 21.

Die Bildung des Urhebervertragsrechts

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vom 4. Mai 1974 = UFITA Bd. 72 [1975] S. 229) in Absatz 3 im Zusammenhang mit der Einräumung von Verwendungsbefugnissen: „Vereinbarungen über noch nicht bekannte Verwendungsarten sind ungültig". Diese Regel ist vertragsrechtlich und damit ein Fremdkörper in Art. 22, der im übrigen urheberrechtlich gefaßt ist. Absatz 3 sollte angeglichen werden und im Anschluß an Absatz 2, der die Einräumung von ausschließlichen oder nicht ausschließlichen Verwendungsbefugnissen regelt, heißen: „Befugnisse können nur für Verwendungsarten eingeräumt werden, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt sind." Reditsvermutungen können Urheber- oder vertragsrechtlich sein. Vermutungen über die Urheberschaft (Anbringen des Namens auf dem Werbeexemplar) oder über die Befugnis zur Ausübung des Urheberrechts (Herausgeber oder Verleger, wenn der Urheber nicht genannt ist): VE II Art. 11 sind urheberrechtlich. Vermutungen über die Tragweite der Einräumung von Befugnissen (Zweckübertragungstheorie) sind vertragsrechtlich. Vertragsrechtlich, weil die Auslegung der Vereinbarung betreffend, ist auch VE II Art. 25 Abs. 3: „Die Übertragung des Eigentums am Werkexemplar begründet keine urheberrechtlichen Befugnisse."

2. International-privatrechtlidie Überlegungen Dem Gesetzgeber geht es darum, die Rechtslage in seinem Einflußbereich, d. h. vor allem innerhalb der Landesgrenzen zu beeinflussen und teilweise zwingend zu regeln. Die Urheber und ihre Verbände verlangen gesetzgeberische Tätigkeit zum Schutze ihrer Interessen gegenüber erfahrenen und wirtschaftlich mächtigen Vertragspartnern. Der Gesetzgeber hat sich zu überlegen, wie und in welchem Umfange er die Anwendung der von ihm geschaffenen Regeln auf dem Landesgebiet bewirken kann. Dabei ergibt sich die zuvor erwähnte wichtige Unterscheidung von urheberrechtlichen und vertragsrechtlichen Bestimmungen. Das Urheberrecht wird vom Territorialitätsprinzip beherrscht. Entstehen, Inhalt und Erlöschen der Befugnisse eines Urhebers an seinem Werk wird von den Gesetzen jenes Landes geregelt, für dessen Gebiet der Berechtigte den Schutz beansprucht. Ob das Urheberrecht übertragbar ist, welche Befugnisse für die Verwendung des Werkes eingeräumt werden können, wird vom Recht des Schutzlandes be-

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stimmt. Insoweit kann der Gesetzgeber den von ihm geplanten Schutz des Urhebers zwingend durchsetzen. Entstehung, Form, Inhalt, Dauer, Beendigung von Vereinbarungen über die Übertragung der nach Urheberrecht übertragbaren Rechte oder über die Einräumung von Befugnissen unterstehen dem Recht, das nach den Grundsätzen des nationalen IPR auf solche Vorgänge anwendbar ist. Das trifft auch für die auf den Vertrag bezogenen Rechtsvermutungen zu. Das nationale Urhebervertragsrecht erfaßt daher nur einen Teil der von den Urhebern abgeschlossenen Vereinbarungen. Sind z. B. ausländische Verleger Partner, so ist mangels abweichender Parteivereinbarung das an ihrem Sitz geltende Vertragsrecht anzuwenden. Zudem ist der Grundsatz der Parteiautonomie für die Bestimmung des anwendbaren Rechts allgemein anerkannt. Auch zwingende urhebervertragsrechtliche Normen können nicht unter Berufung auf den ordre public gegenüber dem freien Vertragsstatut zwangsweise durchgesetzt werden 6 ). Ist das nationale Urhebervertragsrecht zu sehr bemüht, die Interessen der Urheber zwingend zu schützen, werden die ausländischen Vertragspartner, wenn das inländische Recht anwendbar wäre, es durch Regeln ersetzen, die für sie günstiger sind, oft in Verbindung "mit der Wahl des Gerichtsstandes. J e kleiner das Landesgebiet ist, um so weniger werden urheberrechtliche Verträge abgeschlossen, bei denen beide Parteien Landesangehörige sind und daher in der Regel das Vertragsstatut dem nationalen Recht untersteht. III. Einordnung des Urhebervertragsrechts Das Urhebervertragsrecht ist wie das Urheberrecht Privatrecht. Es ist daher zu prüfen, wie seine Regelung im privatrechtlichen Bereich einzuordnen ist. Drei Möglichkeiten können sinnvoll sein: Spezialgesetz, Einfügen in das Urheberrecht und Eingliedern in das Recht der Schuldverhältnisse (Obligationenrecht). Das Urhebervertragsrecht ist einerseits mit dem Urheberrecht und anderseits mit dem allgemeinen Vertragsrecht eng verknüpft. Alle Rechtsprobleme, die es zum Lösen aufgibt, sind von diesen beiden Rechtsdomänen aus zu erfassen. Es weist keine zusätzlichen Besonderheiten auf, die Überlegungen erfordern, deren Grundlage weder im 6 ) R. P l a i s a n t , L'exploitation du droit d'auteur et les conflits des lois. Revue Internationale du Droit d'Auteur X X X V , 1962, S. 101.

Die Bildung des Urhebervertragsrechts

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Urheber- noch im Vertragsrecht zu finden ist. Der Erlaß eines Spezialgesetzes ist daher vom Inhalt her nicht notwendig. Er würde auch dem wohlbegründeten Bemühen widersprechen, das Gesetzesrecht möglichst zu konzentrieren und das Aufteilen in eine große Zahl von Spezialgesetzen zu vermeiden. Zu erwägen ist somit das Zuteilen zum Urheber- oder zum Sdiuldrecht. Der Entscheid hängt davon ab, mit welchem der beiden Bereiche die Problemlösungen enger verbunden sind. Damit ist danach gefragt, ob beim Gestalten der Urheberrechtsverträge und bei Meinungsverschiedenheiten über ihren Inhalt mehr das vom Urheberrecht bestimmte Vertragsobjekt, das Werk der Literatur und Kunst und die an ihm bestehenden Rechte und Befugnisse, oder mehr die Vereinbarung über diese Rechte und Befugnisse nach ihrem Entstehen, Gehalt und Erlöschen zu bedenken ist. Die Erfahrung zeigt, daß bei urhebervertragsrechtlichen Diskussionen, betreffen sie die Formung oder die Auslegung der Verträge, das urheberrechtlich bestimmte Vertragsobjekt nur selten zu Meinungsverschiedenheiten führt. Die Parteien setzen den Bestand der urheberrechtlich schützbaren Werke und der Rechte und Befugnisse voraus. Nicht das Vertragsobjekt als solches, sondern die Vereinbarung darüber, was mit ihm zu geschehen habe oder geschehen sei, läßt die Meinungen auseinandergehen. Diese Probleme können allgemein vertragsrechtlich oder spezifisch urhebervertragsrechtlich sein. Zu ersteren gehören z. B. Offerte, Abschluß, Willensmängel, mangelhafte Erfüllung und ihre Folgen, Verzug, Rücktritt usw. Spezifisch sind z. B. die vom Vertragsobjekt geprägte besondere Interessenlage, die dem Werk eigenen Verwendungsmöglichkeiten und deren Auswahl, die soziale und wirtschaftliche Stellung der Parteien und damit die Frage nach der Schutzbedürftigkeit des Urhebers. Doch sind die Probleme, die sich daraus ergeben, nicht mit urheberrechtlichen, sondern mit vertragsrechtlichen Überlegungen zu lösen: Anpassung des Wortlautes des Vertrages und dessen Auslegung an das Vertragsobjekt, Interessenabwägung, Einschränkung der Vertragsfreiheit wegen der Schutzbedürftigkeit einer Partei. Solche Überlegungen ergeben sich bei der Beschäftigung mit jeglichem Vertragstypus. Sie sind nur im konkreten Gehalt, aber nicht der Art nach urheberrechtsspezifisch. Die Problemlösungen sind daher enger mit dem Schuld- als mit dem Urheberrecht verbunden. Das führt zur Erkenntnis, daß das Urhebervertragsrecht neben den anderen gesetzlich geregelten Ver-

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tragstypen im Schuldrecht unterzubringen ist7). Gegen diese gesetzessystematisch begründete Einordnung kann ein Einwand geltend gemacht werden, der die Information insbesondere von ausländischen Rechtsuchenden bedenkt. Wer im Bereich des Urheberrechts sich mit Verträgen beschäftigt, muß auch das URG zur Hand nehmen, um zu erfahren, welche Rechte und Befugnisse der Urheber hat und wie weit er darüber verfügen kann. Wer sich nur gerade um das Urhebervertragsrecht kümmert, würde gerne die Auskunft über Urheberund Urhebervertragsrecht zusammengefaßt im gleichen Gesetz vorfinden. Doch würde er damit nur eine Teilinformation erhalten, weil er sie doch durch den allgemeinen Teil des Schuldrechts ergänzen müßte. Zudem würde ein Urhebervertragsrecht, das nicht nur einige Grundsätze enthielte, sondern eine Anleitung für die Abfassung von Verträgen geben möchte, worüber nachher mehr zu sagen ist, den klaren Aufbau des Urheberrechts stören und damit dessen Erfassen erschweren. Darin unterscheidet sich das Urhebervertragsrecht von der jeweils kurzen Regelung von Patentlizenzverträgen in einigen Patentgesetzen. IV. Gegenstand des Urhebervertragsrechts 1. Werk und Werknutzung Urheberrechtliche Verträge haben die Verwendung eines Werkes der Literatur und Kunst zum Gegenstand. Rechtstechnisch überträgt der Urheber oder sein Rechtsnachfolger ihm zustehende Rechte am Werk oder er räumt an diesem Verwendungsbefugnisse ein. Rechte und Befugnisse beziehen sich auf die geistige Sache und nicht auf Werkexemplare, die bloß Materialisationsformen des geistigen Werkes sind. Die Werkverwendung, sei sie Gegenstand von übertragenen Rechten oder von Verwendungsbefugnissen, hat jedoch stets die Materialisation der geistigen Werke zur Folge. 2. Vielfalt der Werkverwendungsarten Ein Werk der Literatur und Kunst kann auf mannigfaltige Weise materialisiert werden. Die Möglichkeiten, ein geistiges Werk phy7 ) Dieselbe Ansicht habe ich für den Verlagsvertrag vertreten in Schönenberg e r / T r o l l e r , Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, B a n d V . Das Obligationenrecht. Teilband V 3a, 1. Lieferung (Zürich 1976), S. 18 entgegen meiner früheren Ansicht: Troller, Immaterialgüterrecht, 2. Aufl., Bd. 2, Basel 1971, S. 898 und Brennpunkt der schweizerischen Urheberrechtsrevision, Zeitschrift für schweizerisches Recht, 82, 1963, II, 19 f.

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sisch wahrnehmbar zu machen, sind je nach der Art des Werkes verschieden. Ein Werk der bildenden Kunst ist für die Wahrnehmung durch die Augen bestimmt. Die Wiedergabe kann daher nur in der Gestaltung von Werkexemplaren erfolgen. Diese müssen nicht mit jenem übereinstimmen, in dem der Urheber sein Werk physisch wahrnehmbar gemacht hat. Plastiken, Bilder, graphische Werke können kopiert, originalgetreu wiedergegeben oder photographiert oder auch in Bearbeitungen so verändert werden, daß sie zwar neue Eindrücke vermitteln, daß das Original aber immer noch zu erkennen ist. Den Bearbeitungen sind Grenzen gesetzt, weil auch bei ihnen Formen und eventuell Farben des Originals erscheinen müssen. Die Mitteilung des Gehaltes ist von der ganzen oder teilweisen Übernahme der physisch unmittelbar wahrnehmbaren Schicht des Werkes abhängig. Bei Werken der bildenden Kunst ist daher die Variationsmöglichkeit der Werkverwendung an die augenscheinliche Wiederholung des Originals oder von dessen Teilen gebunden. Werke der Musik können in Noten visuell wahrnehmbar gemacht oder in Klängen zu Ohr gebracht werden. Beide Materialisationsformen sind möglich. Dabei kann die zum Erklingen bestimmte Materialisation physikalisch auf Schallträgern festgehalten sein. Die gleichen Möglichkeiten ergeben sich bei Bearbeitungen. Die Materialisation kann in Werkexemplaren (Noten, Schallträgern) fixiert oder in Aufführungen nur zum jeweiligen Hören bestimmt sein. Die Variationsmöglichkeit der Werkverwendung ist gegenüber den Werken der bildenden Kunst beträchtlich erweitert. Die Verwendungsmöglichkeit von Werken der Literatur (Sprachwerken) entspricht jener von Werken der Musik (schriftliche Fixierung oder akustische Wiedergabe im Sprechen, Festhalten auf Schallträgern). Wenn literarische Werke einen Inhalt vorweisen, der im Bewußtsein des Lesers oder Hörers bildlich präzis vorstellbar erscheint (Ablauf von Handlungen), ist die Verwendungsmöglichkeit bei Bearbeitungen erweitert. Wird die Handlung in einer Bearbeitung im Bewußtsein gesehen, ist ein Teil des Werkes verwendet. Dabei kann sogar der Mitteilungsträger der Art nach ausgewechselt werden (Wiedergabe der Handlung eines Romans oder Bühnenstückes in den Bildfolgen eines Filmes).

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V. Übereinstimmende und unterschiedliche Elemente urheberrechtlicher Verträge Die Frage nach der Ubereinstimmung der Merkmale urheberrechtlicher Verträge ist auf die Feststellung eines Vertragstypus gerichtet, der im Wesen in allen Variationen gleichbleibt. Gleich bleibt der Urheber oder sein Rechtsnachfolger, der an einem Werke Rechte überträgt oder Verwendungsbefugnisse einräumt einerseits und der Werkverwender, der die Rechte oder Befugnisse erwirbt andrerseits. Stets ist die Frage zu beantworten, welche Rechte übertragen oder welche Befugnisse eingeräumt sind und ob dies entgeltlich oder unentgeltlich geschehen ist. Damit sind die Elemente, die allen urheberrechtlichen Verträgen gemeinsam sind, und die spezifisch urheberrechtlich und nicht allgemein vertragsrechtlich sind, erwähnt. Mit ihnen läßt sich kein urheberrechtlicher Vertragstypus bilden. Hingegen gibt es urheberrechtliche Vertragsgruppen, die übereinstimmende und wesentliche Merkmale aufweisen, die sie als Vertragstypen erfassen und ordnen lassen. Sie sind gekennzeichnet durch die unterschiedlichen Verwendungsarten. Diese sind zur Hauptsache: a) Herstellung und Inverkehrbringen von Werkexemplaren (z. B. Buch-, Kunst-, Schallträgerverlag). b) Materialisation des Werkes im jeweils einmaligen Hör- oder Sichtbarmachen des Werkes ohne Anfertigung von Werkexemplaren. Die Auf- oder Vorführung kann einmalig sein oder wiederholt stattfinden. c) Verwendung des Werkes zum Schaffen eines Werkes zweiter Hand (z. B. Übersetzung, Verfilmung, Umwandlung einer Erzählung in ein Bühnenwerk). d) Verwendung des Werkes zum Zwecke des Sichtbar- oder Hörbarmachens mittels des Fernsehens oder Rundfunks mit oder ohne vorheriger oder gleichzeitiger Anfertigung von Werkexemplaren. e) Schaffung eines Werkes mit dem Zweck, einer Person alle oder einzelne Befugnisse zur Verwendung des Werkes unwiderruflich und ausschließlich einzuräumen bzw. die entsprechenden Teilrechte zu übertragen (im Arbeits- oder Bestellvertrag). Bei jeder dieser Gruppen ergeben sich besondere Interessenlagen. So hängt z. B. bei Verlagsverträgen der Erlolg des Werkes nicht nur von dessen Qualität, sondern auch von der Tätigkeit des Verlegers ab. Verlagsverträge sind Dauerschuldverhältnisse. Der Verleger über-

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nimmt beachtliche finanzielle Risiken. Nach Beendigung des Vertrages stehen das Urheberrecht am Werk und das Eigentum an den Werkexemplaren in Konkurrenz. Der Schutz der ideellen Interessen des Urhebers bringt nur ausnahmsweise Probleme, weil das Werk in der Regel ungeändert wiederzugeben ist. Wird das Werk zum Hör- oder Sichtbarmachen in Auf- oder Vorführungen verwendet, so entsteht in den meisten Fällen keine engere und länger dauernde Verbindung zwischen Urheber und Werkverwender. Weitaus die größte Zahl der Werkverwendungen ist dem Urheber nicht bekannt. Die meisten Verträge werden durch Verwertungsgesellschaften abgeschlossen. Bei der Benutzung eines Werkes zum Hör- und Sichtbarmachen auf der Bühne ergibt sich eine besondere Interessenlage. Das Werk wird erst in der Aufführung als Bühnenwerk zu Ende geformt. Wie das geschehen soll, läßt sich nicht zum vornherein in den Einzelheiten festlegen. Die Interessengemeinschaft vom Urheber, Regisseur und Bühnenbildner, eventuell auch von an der Gestaltung mitwirkenden Schauspielern gibt diesem Verhältnis seine Eigenart, die es von den andern Auf- und Vorführungsverträgen grundsätzlich trennt. Erlaubt ein Urheber, sein Werk zum Schaffen eines Werkes zweiter Hand zu benutzen, so verzichtet er auf die Integrität seines Werkes. Sein Hauptinteresse gilt der Abwehr von Umformungen, die seine Urheberehre oder seine persönliche Ehre gefährden. Die typischen Merkmale dieser Beziehung sind in keiner andern anzutreffen. Fernseh- und Rundfunkorganisationen müssen nicht die Beziehung von Werkbenutzung und daraus sich ergebenden Einkünften beachten. Sie können Werke vor- oder aufführen, für die weite Kreise noch kein Verständnis haben, obgleich deren Wünsche nicht völlig bedeutungslos sind. Besondere Probleme bringen die Werkfixierungen zum Zwecke der Sendung und der Programmaustausch. Auch dieses Verhältnis weicht von den andern Beziehungen so wesentlich ab, daß kein anderer Vertragstypus anwendbar ist. Schafft ein Urheber ein Werk in einem Arbeitsverhältnis oder auf Bestellung, so gehört der Vertrag zu diesen Typen (Arbeits-, Werkvertrag, ev. Auftrag). Es ist somit nicht möglich, einen Grandtypus für alle oder auch nur mehrere Gruppen von Werkverwendungen zu schaffen, um ihn dann variiert anzupassen. Für jede Gruppe ist ein besonderes Modell zu entwerfen.

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VI. Gesetzgebung, Privatautonomie und Rechtsprechung 1. Das Verhältnis von Gesetzgebung, Privatautonomie und Rechtsprechung Die Antwort auf die Frage, ob und in welchem Umfange das Urhebervertragsrecht gesetzlich zu regeln sei, setzt die Überlegung voraus, welche Aufgabe im Bereich des Urhebervertragsrecht der Gesetzgebung, der Privatautonomie und der Rechtsprechung zukomme. Der Bescheid darüber hängt von der grundsätzlichen Kompetenzzuteilung beim Formen der Rechtsordnung ab. In den sozialistischen Ländern wird die Gestaltung der Rechtsordnung theoretisch ausschließlich dem Gesetzgeber aufgetragen. Der Richter soll nur die Gesetze vollziehen und nicht das Recht weiterbilden8). In der Praxis ließ sich das noch nicht verwirklichen und wird auch in der Zukunft nicht gelingen. Dem Gesetz kommt aber in der Rechtsgestaltung die unbestrittene Priorität zu. Somit hat der Gesetzgeber auch das Urhebervertragsrecht zu regeln. In jenen Ländern, in denen keit zuerkannt ist, in seinem heit an der Gestaltung der Kompetenzzuteilung von Fall

dem Einzelnen grundsätzlich die FähigInteresse und in jenem der AllgemeinRechtsordnung mitzuwirken, muß die zu Fall erwogen werden.

Niemand zweifelt mehr daran, daß Gesetze unerläßlich sein können. Viele sind aber besorgt darüber, daß zu viele Gesetze und zu spezialisierte fabriziert werden. Trotzdem wird die täglich, stündlich, ja jede Minute in ungezählten Rechtsgeschäften vollzogene und für eine lebendige Rechtsordnung unerläßliche Mitwirkung der Einzelnen, seien sie physische oder juristische Personen, auch in der westlichen Welt juristisch-theoretisch so sehr übergangen, daß oft Rechtsordnung, Recht und Gesetzesrecht gleichgestellt werden. Wer die Rechtsordnung, ihr jeweiliges Werden und Verändern unvoreingenommen betrachtet, wird jedoch feststellen, daß in jenen Belangen, die vor allem die Interessen der Einzelnen erfassen, das aus der Interessenlage heraus gewachsene Bilden von Verhaltensmodellen und die Überzeugung von deren Richtigkeit die beste Grundlage für eine gerechte Ordnung ist. Die Rechtsprechung ergänzt die so gebildeten Verhaltensmodelle auf Grund der von den Parteien dem Richter geschilderten Beziehungen und Interessenkonflikte. 8)V. Peschka, 1974, S. 185 f.

Grundprobleme

der modernen

Rechtsphilosophie,

Budapest,

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Im Hinblick auf die derart entstandene Rechtsüberzeugung kann dann der Gesetzgeber eingreifen. Er kann Mißstände, die wegen Machtpositionen von Partnern das Gleichgewicht gestört haben, beseitigen und dispositive Verhaltensmodelle als Vorbild zur Verfügung stellen. Ausnahmsweise muß der Gesetzgeber von sich aus Ordnungsmodelle entwerfen, wenn völlig neue und regelungsbedürftige Situationen sich ergeben haben. Er wird aber bedächtig vorgehen, wenn er das Tun, Nichttun, Haben und Nichthaben der Parteien, aus dem die Verhandlungsmodelle gebildet sind, nicht aus der eigenen Erfahrung oder durch zuverlässige Berichte kennt, sondern es in seiner tatbeständlichen Phantasie vorwegnehmend erschauen muß. 2. Die Bedeutung der Zugehörigkeit des Urheberrechts zum Privatredit Der Verlauf der Grenze zwischen öffentlichem Recht und Privatredit ist schwer bestimmbar. Ohne Zweifel gehört aber das Urheberrecht ganz dem Privatrecht an. Sein Kern ist die Kompetenz des Urhebers, in den Schranken der Rechtsordnung darüber zu bestimmen, was mit seinem Werk geschehen darf. Er hat daran das ausschließliche und gegen alle wirkende Recht als subjektives Recht. Das bedeutet, daß er allein Geltungserklärungen über das Schicksal seines Werkes abgeben und es somit insbesondere vertraglich regeln kann. Dem Urheber ist damit nicht nur eine Verfügungsmacht zugestanden, sondern zugleich der Auftrag erteilt, im Zusammenhang mit seinem Werk an der Gestaltung der Rechtsordnung mitzuwirken. Diese Parzelle des Rechtsraumes ist ihm zur Verwaltung und Pflege anvertraut; die Entscheidung darüber hat der Gesetzgeber im Urheberrecht getroffen. Die Konsequenz davon ist, daß der Gesetzgeber dem Urheber im Gestalten der Beziehungen zum Werk möglichst freie Hand läßt und nur dort eingreift, wo er ihm nützliche Anleitungen geben kann (dispositives Vertragsrecht als empfehlenswerte Handlungsmodelle), oder wo er ihn vor seiner eigenen Schwäche und deren Ausnützung durch die Verhandlungspartner schützen muß. 3. Schutzbedürfnis der Urheber und Möglichkeit der Schutzgewährung Das Schaffen von Werken und das Verhandeln über die Nutzung des Werkes gehören zu völlig getrennten Denk- und Empfindungsbereichen. Die Vorbereitung und der Abschluß von Verträgen bilden mit dem Werkschaffen nicht eine Einheit wie bei der Gütererzeugung von Industriellen oder dem Warenankauf und -verkauf bei Kaufleu-

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ten. Manche Urheber — nicht alle, es gibt deutliche Ausnahmen — sind nicht nur geschäftsunerfahren und dazu untüchtig; sie haben eine Abneigung sich um Verträge zu kümmern. Die Schutzbedürftigkeit ist grundsätzlich zu bejahen, um so mehr als die Urheber in der Regel mit erfahrenen und tüchtigen Partnern in Verbindung kommen, die bei allem Verständnis und kultureller Opferbereitschaft ihre eigenen Unternehmensinteressen wahrnehmen. Der Gesetzgeber darf jedoch nicht nur die Schutzbedürftigkeit erwägen; er muß auch die Schutzmöglichkeit bedenken. Schutzbedürftigkeit und -möglichkeit sind bei den erwähnten Werkverwendungsgruppen verschieden. Beim Verlagsvertrag können junge Urheber gegen zu einseitige Bindungen an lange dauernde Verträge und gegen die Überlassung künftiger Werke geschützt werden. Wenn jedoch dem Verleger das Risiko zu groß und nicht durch eine spätere Gewinnchance als ausgeglichen erscheint, wird er das Werk eines unbekannten Urhebers ablehnen. Ebenso verhält es sich mit der Übernahme von Bühnenwerken, wobei Theaterunternehmen zum Teil wegen der Subventionen nicht ebenso genau Gewinn und Verlust kalkulieren müssen wie private Verleger. Bei den Aufführungen von Musikwerken außerhalb von Theatern wahren die Verwertungsgesellschaften als zum mindesten ebenbürtige Parteien die Interessen der Urheber. Wie der Gesetzgeber bei Sendeverträgen dem Urheber durch zwingende Bestimmungen helfen könnte, müßte in einer umfassenden Analyse erforscht werden. Wirksamer als der Gesetzgeber können Urheberverbände die Interessen ihrer Mitglieder wahren. Ihre Aufgabe ist es, dem Gesetzgeber Vorschläge zu machen, wie er dort eingreifen kann, wo sie selber nicht mehr zurecht kommen. 4. Kenntnis des Sachverhalts und Abwägung der Interessen Innerhalb der erwähnten fünf Vertragstypen variieren Sachverhalte und Interessen beträchtlich. Nur wer in dieser Vielfalt bewandert ist, vermag nützliche Ratschläge zu erteilen und darf Ordnungsmodelle entwerfen. Den Personen, die an der Gesetzgebung beteiligt sind, müssen die Beziehungen und die Interessen der Beteiligten im einzelnen vorgelegt werden. Wesentliches Anschauungs- und Informationsmaterial sind Verträge und Gerichtsentscheide. Reichen sie

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nicht aus, so sollten die Urheber und die Werkverwender ihre Interessen dartun und sich bemühen, für jede der fünf verschiedenen Werkverwendungsgruppen ein zentrales typisches Handlungsmodell zu entwerfen und dem Gesetzgeber hinzureichen.

VII. Folgerungen Im letzten Absatz von I wurde gesagt, daß der Entwurf der schweizerischen Urheberrechtsgesellschaften eine gute Vorlage sei um zu überlegen, ob er für die gesetzliche Regelung des Urhebervertragsrechts eine taugliche Grundlage bilde und daß eine gut begründete Antwort sich erst dann finden lasse, wenn zuvor wesentliche Elemente bedacht seien. Die Ergebnisse der in großen Zügen durchgeführten Sachverhaltsanalyse sind nun den Vorschlägen der Urheberrechtsgesellschaften gegenüberzustellen. Es geht nicht darum, letztere im einzelnen heranzuziehen oder gar sie nach Form und Inhalt kritisch zu behandeln. Die Frage lautet nicht, ob die einzelnen Regeln zutreffend seien, sondern ob das Urhebervertragsrecht nach einem derartigen Schema durchgeführt und im Urheberrecht untergebracht werden soll. 1. Typus eines allgemeinen urheberrechtlichen Vertrages Ein Modell, das den Parteien als dispositives Recht zur Gestaltung der Verträge über die einzelnen Verwendungsarten zur Verfügung stünde, enthalten die Vorschläge nicht. Sie haben auch nicht allen Verwendungsarten gemeinsame Bestimmungen herausgegriffen und den auf die einzelnen Verwendungsarten bezogenen vorangestellt. Art. 17 sagt, wozu ein Urhebervertrag abgeschlossen wird; er enthält keine Regel, die in einen Vertrag übernommen werden könnte. Art. 18 Abs. 1 bis 3 betreffen die Möglichkeit des Urhebers, ausschließliche oder einfache Verwendungsbefugnisse einzuräumen und regeln die damit verbundene Rechtsstellung des Urhebers und des Werkverwenders. Diese Bestimmungen sind Urheber- und nicht vertragsrechtlich. Die Vorschläge tun somit dar, daß es nicht möglich ist, einen allgemeinen Urheberrechtsvertrag gesetzlich zu regeln, so wie der Gesetzgeber Modelle für Kauf-, Miet-, Pacht-, Werk-, Arbeits-, Auftragsverhältnisse usw. ausgearbeitet hat.

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2. Typen von Verträgen für die einzelnen Verwendungsgruppen Würde das Urhebervertragsrecht gesetzlich geregelt, so erwarten die Interessierten, daß sie vom Gesetzgeber bei der Formung von Verträgen geleitet werden, oder daß sie wenigstens nützliche Anregungen dazu erhalten. Der Verlagsvertrag im schweizerischen OR oder das deutsche Verlagsvertragsgesetz dienen dazu. Ein Schriftsteller oder Verleger hätte aber große Mühe, aus den Vorschlägen das Grundmodell eines tauglichen Verlagsvertrages herauszuschälen. Zwar sind die meisten Regeln auf das Vertragsverhältnis bezogen, so Art. 20 Ziffer la bis e; Art. 22 Abs. 1 bis 5; Art. 27 Abs. 2; Art. 28 Nr. 1, 2; Art. 30 Abs. 3, 5, 6; Art. 32; 33, 34. Sie ergeben aber kein geschlossenes Bild des Verlagsverhältnisses, wie dieses dem geltenden Recht trotz seiner Mängel zu entnehmen ist. Die Autoren der Vorschläge hatten wohl richtig erkannt, daß ein umfassendes Modell des Verlagsvertrages zu umfangreich wäre, um in das Urheberrechtsgesetz zu passen, und daß es die rudimentäre Regelung der andern Verwendungsarten augenfällig dartäte. Wer einen Sende-, Bühnenaufführungs-, Verfilmungs-, Musikaufführungsvertrag abfassen möchte, bleibt hilflos. Nur einzelne Rechtsvermutungen sind vorhanden, die sich zum Teil aus dem umfassenden Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers und der damit verbundenen Verlegung der Beweislast ergeben (Art. 19 Abs. 1, Art. 21, 26, 27). Der eine Zweck eines gesetzlich geregelten Urhebervertragsrechts, nützliche dispositive Bestimmungen anzubieten, wird somit nicht erreicht. Würden die Vorschläge ungeändert oder leicht modifiziert Gesetz, so fiele sogar der im OR besser erfaßte Verlagsvertrag weg.

3. Schutz der Urheber Soweit die Bestimmungen Rechtsvermutungen oder Präzisierungen (z. B. daß die Befugnis zur Radiosendung nicht zur Fernsehsendung berechtigt, Art. 20 Ziff. 2) betreffen, sind sie nicht eigentliche Schutzbestimmungen. Die Werkverwender müssen und werden sie bei der Vertragsabfassung beachten und den Vertragstext entsprechend erweitem. Die einzige zwingende Norm findet sich in Art. 30 Abs. 6: Anspruch des Urhebers auf angemessene Beteiligung an den Einnahmen des Werkverwenders, wenn die vereinbarte Vergütung zu den Einnahmen

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in einem groben Mißverhältnis steht. Diese Bestimmung kann nur bei Verlagsverträgen Bedeutung haben. Zu überlegen wäre nodi ihre Anwendung bei Verfilmungs- und Bühnenverträgen. Doch wirken dort so viele Elemente beim Erfolg mit, und sind die Kostenberechnungen derart kompliziert, daß ein Mißverhältnis kaum je nachzuweisen ist. Zu ergänzen wäre der Verlags vertrag. Zuerst wäre jedoch zu erfragen, welchen Erfolg ähnliche Bestimmungen in ausländischen Gesetzen gebracht haben. Auch der zweite wesentliche Zweck einer Urhebervertragsgesetzgebung, der Schutz des Urhebers durch zwingende Bestimmungen, ist von den Vorschlägen nicht erreicht. (Es folgt in synoptischer Gegenüberstellung der A n h a n g Seiten 188 bis 205)

auf den

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Anhang Vorentwurf der Expertenkommission II (UFITA Bd. 72 [1975] S. 220 ff.) Fünfter Abschnitt: Einräumung von Verwendungsbefugnissen

Art. 22 1. Unübertragbar- Unter Lebenden ist das Urheberrecht nicht übertragbar. keit unter Le- Der Urheber kann einem anderen die ausschließliche oder benden; Einräu- nicht ausschließliche Befugnis einräumen, das Werk zu mung von Ver- verwenden. wendungsbefugVereinbarungen über noch nicht bekannte Verwendungsnissen arten sind ungültig. a) RechtsstelAuch nach der Einräumung einer ausschließlichen Befuglung des Ur- nis kann der Urheber sein Recht gegenüber Dritten gelhebers tend machen. Eine vertragliche Verpflichtung des Inhabers einer Verwendungsbefugnis, Werkexemplare nur innerhalb eines bestimmten Territoriums in Verkehr zu bringen, kann Dritten nicht entgegengehalten werden. siehe Art. 24

b) Die ausschließliche Verwendungsbefugnis

Art. 23 Der Inhaber einer ausschließlichen Befugnis darf das Werk unter Ausschluß aller anderen Personen, auch des Urhebers, verwenden; Dritten bereits eingeräumte Befugnisse gehen vor.

Er kann Dritten die Verwendung des Werkes nur mit Zustimmung des Urhebers erlauben. Die Einräumung einer ausschließlichen Befugnis bedarf der Schriftform. Wurde im Rahmen einer ausschließlichen Befugnis eine bestimmte Frist nicht vereinbart und ist die Befugnis in einer den Umständen entsprechenden Frist nicht ausgeübt

Die Bildung des Urhebervertragsrechts

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Vorschläge und Anregungen der schweizerischen Urheberreditsgesellschaften IV. Vertraglidie Einräumung von Verwendungsbefugnissen

1. Vertragsinhalt

Art. 17 Mit dem Urhebervertrag räumt der Urheber dem Werknutzer die Befugnis zu einer bestimmten Verwendung des Werkes ein. Art. 18

2. Art der Befugnis

Die Befugnis kann eine einfache oder eine ausschließliche sein.

siehe Art. 19

siehe Art. 36 Räumt der Urheber eine einfache Befugnis ein, so verbleibt ihm das Recht, Dritten eine beliebige Verwendung desselben Werkes zu erlauben. Die ausschließliche Befugnis des Urhebers verschafft dem Werknutzer das Recht, das Werk unter Ausschluß aller anderen Personen — auch des Urhebers — zu verwenden. Dritten bereits eingeräumte Befugnisse gehen vor. Wurde über die Art der Befugnis nichts vereinbart, so gilt die Befugnis, Werkexemplare herzustellen, als ausschließliche, jede andere als einfache. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die Zwangslizenzen. siehe Art. 29

siehe Art. 31

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Alois Troller: Vorentwurf der Expertenkommission II worden, so kann der Urheber nach Ansetzung einer angemessenen Nachfrist die Befugnis entziehen; auf dieses Recht kann der Urheber nicht im voraus verzichten.

c) Die nicht ausschließliche Verwendungsbefugnis 2. Tragweite der Verträge a) Im allgemeinen

Art. 24 Der Inhaber einer nicht ausschließlichen Befugnis darf das Werk neben dem Urheber und anderen Berechtigten verwenden. Artikel 23, Absatz 2 ist entsprechend anwendbar. A r t 25 Im Zweifel beschränkt sich die Einräumung einer Befugnis auf die Art und Dauer der Verwendung, die zur Erfüllung des Vertrages unerläßlich ist.

siehe Art. 22 Es wird vermutet, daß die Befugnis, das Werk auf die in Artikel 14, Absatz 2, Ziffer 4 und 5 genannte Art zu verwenden, sich im Zweifel auf eine einmalige und nicht ausschließliche Verwendung beschränkt. Die Übertragung des Eigentums am Werkexemplar begründet keine urheberrechtlichen Befugnisse.

siehe Art. 386, Abs. 1 OR

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Vorsdiläge und Anregungen der schweizerischen Urheberrectatsgesellsdiaften

siehe Art. 18

3. Umfang der Befugnis a) Im allgemeinen

Art. 19 Die Befugnis bezieht sich auf die im Urhebervertrag genannte Verwendung des Werkes. Fehlen Vertragsbestimmungen über die erlaubte Verwendung des Werkes, so ist zu vermuten, der Urheber habe die Befugnis nur zu jener Verwendung eingeräumt, von der er bei Abschluß des Vertrages Kenntnis hatte oder auf die er nach den Umständen schließen mußte. Vertragsbestimmungen über unbekannte Verwendungen sind ungültig. siehe Art. 18

Die Übertragung des Eigentums am Werkexemplar begründet keine urheberrechtlichen Befugnisse. Art. 20 b) Abgrenzung einzelner Verwendungen

Haben Urheber und Werknutzer die einzelnen Verwendungen nicht näher umschrieben, so gelten sie als wie folgt abgegrenzt: 1. H e r s t e l l u n g

von

W e r k e x em p 1 a r e n

a) Die Befugnis, Papierausgaben herzustellen, berechtigt nicht dazu, Ton- oder Bildträger anzufertigen, noch umgekehrt. b) Werkexemplare dürfen ohne räumliche Einschränkung angeboten, verkauft, verliehen oder sonstwie in Verkehr gebracht werden. c) Die Herstellung von Werkexemplaren von mehreren einzelnen Werken eines Urhebers berechtigt nicht zu Gesamtausgaben noch umgekehrt.

Alois Troller: Vorentwurf der Expertenkommission II

siehe Art. 382, Abs. 2 OR

siehe Art. 382, Abs. 3 OR

siehe Art. 389, Abs. 3 OR

siehe Art. 37

siehe Art. 38

Die Bildung des Urhebervertragsrechts

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Vorschläge und Anregungen der schweizerischen Urheberrechtsgesellschaften d) Zeitungsartikel und einzelne kleinere Aufsätze in Zeitschriften darf der Urheber jederzeit weiter veröffentlichen. Beiträge an Sammelwerke oder größere Beiträge an Zeitschriften darf der Urheber dagegen erst drei Monate nach der mit dem Werknutzer vereinbarten Verwendung des Werkes weiter veröffentlichen. e) Dem Urheber steht die übliche Zahl von Freiexemplaren zu. f) Die Befugnis zur Verfilmung gilt für eine einzige Filmherstellung. 2. S e n d u n g a) Die Befugnis zur Radiosendung berechtigt nicht zur Fernsehsendung noch umgekehrt. b) Die Befugnis berechtigt zu einer einmaligen Sendung. c) Zum Zweck der Sendung kann das Werk auf Tonoder Bildträger festgehalten werden. Der Werknutzer darf diese Träger nicht anbieten, verkaufen, verleihen oder sonstwie in Verkehr bringen. 3. A u f f ü h r u n g u n d

Vorführung

a) Vorbehaltlich anderer Übung bezieht sich die Befugnis nur auf eine einzige Aufführung oder Vorführung. b) Die Aufführung oder Vorführung berechtigt nicht zur Sendung des Werkes. c) Der Werknutzer kann für die Aufführung oder Vorführung Werkexemplare herstellen, soweit diese nicht im Handel erhältlich sind. Die selber hergestellten Werkexemplare darf der Werknutzer weder anbieten, verkaufen, verleihen noch sonstwie in Verkehr bringen. d) Der Werknutzer darf eigene Textausgaben zu Musikwerken an die Besucher der Aufführung oder Vorführung abgeben. Davon ausgenommen sind Bühnenwerke, Oratorien und Werke von ähnlichem Umfange.

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Alois Troller: Vorentwurf der Expertenkommission II

b) Änderungen

3. Rechte an Werken, die in Erfüllung eines Vertrages geschaffen wurden

4. ZwangsvollStreckung

Art. 26 Der Inhaber einer Verwendungsbefugnis darf die zur Verwendung des Werkes notwendigen und dem Urheber zumutbaren Änderungen am Werk vornehmen, soweit sie die Integrität des Werkes nicht beeinträchtigen. Art. 27 Schafft der Urheber ein Werk in Erfüllung eines Vertrages, insbesondere eines Auftrages oder Arbeitsvertrages, so ist die andere Vertragspartei, wenn nichts anderes vereinbart ist, befugt, das Werk zu verwenden, aber nur soweit, als es der Vertragszweck erfordert. Absatz 1 gilt auch für dem öffentlichen Recht unterstehende ähnliche Verhältnisse. Art. 28 Der Zwangsvollstreckung unterliegen die in Artikel 14, Absatz 2, Ziffer 2 bis 5 genannten Rechte, sofern der Urheber sie bereits ausgeübt und das Werk bekanntgemacht hat. Bei der Zwangsvollstreckung gegen den Inhaber einer Verwendungsbefugnis darf der Urheber seine Zustimmung zur Zwangsverwertung nicht verweigern, wenn seine persönlichen Interessen gewahrt werden und die Erfüllung des Vertrages sichergestellt ist.

Die Bildung des Urhebervertragsredits

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Vorschlage und Anregungen der schweizerischen Urheberrechtsgesells chatten Art. 21 c) Änderung, Die Befugnis des Urhebers schließt, wenn er mit dem Ubersetzung, Werknutzer nichts anderes vereinbart hat, keine ErmächBearbeitung tigung mit ein, das Werk zu ändern, zu übersetzen oder zu bearbeiten.

siehe Art. 56

Art. 22 4. Pflichten des Der Urheber ist verpflichtet, dem Werknutzer rechtzeitig Urhebers das Werk auszuhändigen. Diese Verpflichtung entfällt, a) Aushändigen s °weit Werkexemplare im Handel erhältlich sind, die des Werkes für die vereinbarte Verwendung des Werkes eignen. Werke, die bei Vertragsabschluß bereits fertig vorliegen, hat der Urheber dem Werknutzer mangels anderer Abrede innerhalb eines Monats auszuhändigen. Muß das Werk nach Vertragsabschluß erst noch geschaffen werden und wird kein fester Zeitpunkt für die Fertigstellung vereinbart, so kann der Werknutzer, wenn ihm das Werk nach zwei Jahren noch nicht ausgehändigt worden ist, dem Urheber eine angemessene Frist für die Fertigstellung ansetzen und nach Ablauf dieser ungenützten Frist vom Vertrag zurücktreten.

Alois Troller: Vorentwurf der Expertenkommission II

siehe Art. 385, Abs. 1 OR

siehe Art. 390, Abs. 2 OR

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Vorschläge und Anregungen der schweizerischen UrheberreditsgeselLsdialten Der Urheber darf Berichtigungen und Änderungen seines Werkes vornehmen, soweit und solange die Vorbereitungen zur vereinbarten Verwendung des Werkes dadurch nicht übermäßig erschwert oder verteuert werden. Geht das Werkexemplar in den Händen des Werknutzers vor dem Ende der vereinbarten Verwendung durch Zufall unter und kann dieser kein anderes Exemplar im Handel beschaffen, so ist der Urheber verpflichtet, mit einem vorhandenen oder mit leichter Mühe herzustellenden zweiten Werkexemplar auszuhelfen. Hierfür hat ihn der Werknutzer angemessen zu entschädigen. Manuskripte, Pläne, Skizzen und Entwürfe von Werken, die der Urheber im Dienste oder im Auftrag des Werknutzers geschaffen hat, gehen, soweit nichts anderes vereinbart wird, ins Eigentum des Werknutzers über. In allen anderen Fällen bleiben sie mangels anderer Abrede Eigentum des Urhebers. Art. 23 b) Gewährleistung der Urheberschaft

Der Urheber steht dem Werknutzer dafür ein, daß er das Werk selber geschaffen hat. Bezieht sich der Urhebervertrag auf ein Werk, an dessen Schaffung mehrere Urheber beteiligt waren, so leistet der vertragschließende Urheber dem Werknutzer für die Befugnis der anderen Urheber insoweit Gewähr, als diese auf dem Werkexemplar, dessen sich der Werknutzer bedient, nicht bezeichnet sind, oder dem Werknutzer bei Vertragsabschluß nicht genannt worden sind. Art. 24

GewährIm Falle einer ausschließlichen Befugnis leistet der Urleistung der heber dem Werknutzer dafür Gewähr, daß er die verAusschließ- einbarte Verwendung des Werkes noch niemand andelichkeit rem erlaubt hat, daß er sie während der Dauer des Vertrages niemand anderem erlauben wird und sich auch selbst einer solchen Verwendung enthält. Von dieser Gewähr ausgenommen sind gleiche Verwendungen desselben Werkes durch Dritte, die der Urheber dem Werknutzer beim Vertragsabschluß namentlich bezeichnet hat.

Alois Troller: Vorentwuri der Expertenkommission II

siehe Art. 383, Abs. 2 OR siebe Art. 384, Abs. 2 OR

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Vorsdiläge und Anregungen der sdiwelzerlsdien Urheberrechtsgesellschaften Art. 25 5. Rechte und Der Werknutzer ist nur zu jener Verwendung des WerPfliditen des kes verpflichtet, die er dem Urheber zugesichert hat. Werknutzers a) Pflicht zur Verwendung des Werkes Art. 26 b) Nennung des Urhebers

Sofern der Urheber nicht ausdrücklich darauf verzichtet hat, ist der Werknutzer verpflichtet, bei jeder Verwendung des Werkes den Namen des Urhebers zu nennen. Der Urheber kann bestimmen, daß an Stelle des Namens ein Pseudonym zu nennen ist. Art. 27

c) Wahrung der Der Werknutzer hat dafür einzustehen, daß die VerwenWerkintedung des Werkes nicht dazu führt, dieses zu entstellen, grität zu verstümmeln oder sonstwie schwer zu beeinträchtigen. Schriftwerke, Werke der Musik und der bildenden Kunst können vom Werknutzer ohne die ausdrückliche Zustimmung der Urheber nur insoweit miteinander verbunden werden, als es sich um Werke ähnlichen Charakters handelt und deren Aussage und Sinngehalt durch die Verbindung nicht beeinträchtigt wird. Art. 28 d) Umfang der Befugnis

Wenn er mit dem Urheber nichts anderes vereinbart hat, bestimmt der Werknutzer: 1. die Anzahl der von ihm herzustellenden Werkexemplare und deren Ausstattung; 2. die Kosten und Preise im Zusammenhang mit der erlaubten Verwendung des Werks; 3. Ort und Tag der Sendung, Aufführung oder Vorführung,4. die anderen Werke, die mit dem Werk des Urhebers zusammen auf einem Werkexemplar enthalten sind oder im gleichen Programm gesendet, aufgeführt oder vorgeführt werden; 5. die mitwirkenden ausübenden Künstler.

Alois Trollet: Vorentwurf der Expertenkommission II

siehe Art. 389, Abs. 1 OR

siehe Art. 390, Abs. 1 OR

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Vorschläge und Anregungen der schweizerischen Urheberrechtsgesellschaften Art. 29 e) Verwendung Die einfache Befugnis berechtigt den Werknutzer nicht des Werkes dazu, Dritten die Verwendung desi Werkes zu gestatten, durch Dritte i m Falle der ausschließlichen Befugnis darf der Werknutzer Dritte insoweit in seine Tätigkeit einschließen, als dies für die vereinbarte Verwendung des Werkes üblich ist. Geht der gesamte Geschäftsbetrieb eines Werknutzers auf einen Dritten über, so kann sich der Urheber, wenn nichts anderes vereinbart ist, der Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Urhebervertrag auf diesen Dritten nicht widersetzen, sofern die Werknutzung durch diesen Dritten für den Urheber zumutbar ist und er dieselbe Gewähr für die Erfüllung seiner Pflichten bietet. Art. 30 f) Vergütung

Enthält der Vertrag keine Angaben über die Art und Höhe der Vergütung, so gilt eine solche als geschuldet, soweit sie üblich ist. Die Vergütung an den Urheber wird mangels anderer Vereinbarung zur Zahlung fällig, sobald ihre Höhe bestimmbar ist. Geht das Werk nach seiner Aushändigung an den Werknutzer durch Zufall unter, so bleibt dieser gleichwohl zur Zahlung der Vergütung an den Urheber verpflichtet. Der Urheber beteiligt sich an den Kosten der Werknutzung nur, soweit er dies im Vertrag mit dem Werknutzer ausdrücklich zusichert. Richtet sich die Vergütung nach den Einnahmen, dem Umsatz, dem Gewinn oder sonstwie nach dem Ausmaß der Verwendung des Werkes durch den Werknutzer, so ist dieser verpflichtet, dem Urheber auf Verlangen die nötigen Aufschlüsse zu geben und ihm Einsicht in die Geschäftsbücher zu gewähren, soweit dies zur Nachprüfung erforderlich ist. Steht die vereinbarte Vergütung an den Urheber in einem groben Mißverhältnis zu den Einnahmen des Werknutzers aus der Verwendung des Werkes, so ist dieser auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach angemessene Beteiligung an den Einnahmen gewährt wird.

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Alois Troller: Vorentwurf der Expertenkommission II

siehe Art. 392, Abs. 3 OR

siehe Art. 392, Abs. 1 und 2 OR

Die Bildung des Urhebervertragsrechts

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Vorschläge und Anregungen der schweizerischen Urheberrechtsgesellschaften Der Anspruch verjährt in zwei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Urheber von den Umständen, aus denen sich der Anspruch ergibt, Kenntnis erhält, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren. Auf diesen Anspruch kann der Urheber im voraus nicht verzichten. Art. 31 6. Erlöschen des Vertrages a) Rücktritt des Urhebers bei ausbleibender Verwendung des Werkes

Wenn der Werknutzer während der dem VertragsabSchluß folgenden zwei Jahre von der erlaubten Verwendung des Werkes keinen Gebrauch macht, kann ihm der Urheber, vorbehaltlich anderer Abrede, eine angemess e n e Frist für diese Verwendung ansetzen und nach Anl a u f der ungenützten Frist vom Vertrag zurücktreten, Hängt die Verwendimg des Werkes vom Eintritt einer Bedingung ab, so berechnet sich die Zeitspanne von zwei Jahren vom Zeitpunkt des Bedingungseintrittes an. Das gleiche Recht zur Ansetzung einer Frist steht dem Urheber zu, wenn der Werknutzer, der zu mehreren Auflagen berechtigt ist, einer vergriffenen Auflage nicht innert Jahresfrist eine neue folgen läßt. Art. 32

b) Konkurs des Fällt der Werknutzer in Konkurs, so kann der Urheber Werknutzers frei über die Verwendung seines Werkes verfügen, wenn ihm nicht für die Erfüllung der zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht erbrachten Verbindlichkeiten Sicherheit geleistet wird. Art. 33 c) Tod des Urhebers

Der Vertrag erlischt, wenn der Urheber vor der Vollendung des Werkes stirbt oder unfähig oder ohne sein Verschulden verhindert wird, es zu vollenden. Ausnahmsweise kann der Richter, wenn die ganze oder teilweise Fortsetzung des Vertragsverhältnisses möglich oder billig erscheint, sie bewilligen und das Nötige anordnen.

d) Nachwirkungen

Nach dem Erlöschen des Vertrages behält der Werknutzer das Recht, die während der Vertragsdauer von ihm hergestellten Werkexemplare weiter zu verbreiten. Er bleibt auch verpflichtet, dem Urheber die für diese Verbreitung allenfalls noch geschuldete Vergütung zu entrichten.

Art. 34

Alois Troller: Vorentwurf der Expertenkommission II

siehe Art. 21

Die Bildung des Urhebervertragsrechts

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Vorschläge und Anregungen der schweizerisdien Urheberreditsgesellschaften V. Rechtsnachfolge von Todes wegen Art. 35 Das Urheberrecht ist vererblich. Es kann auf Grund einer Verfügung von Todes wegen oder durch Erbgang an die Erben übergehen. Der Rechtsnachfolger von Todes wegen hat die dem Urheber zustehenden Rechte.

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A l o i s Troller:

Resümee Die von Frotz als legistisch am weitesten gediehenen Vorschläge sind kein taugliches Vorbild einer Urhebervertragsgesetzgebung. Ob und wie neben dem Verlagsvertrag gesetzliche Modelle zu bilden sind, muß im Hinblick auf jede einzelne Verwendungsart von Grund auf neu bedacht werden. Erst dann, wenn für sie brauchbare und umfassende Modelle entworfen sind, läßt sich prüfen, ob ihnen entgegen der hier vorläufig vertretenen Ansicht Elemente eines allgemeinen Urhebervertrages zu entnehmen sind, um ein solches Modell voranzustellen. Bei jedem dieser Modelle läßt sich die Tauglichkeit daran erkennen, ob es eine Anleitung zur Aufnahme der wesentlichen Elemente in einen Verwendungsvertrag bereit hält und zudem den Urheber besser schützt als die urheberrechtlichen Bestimmunden des URG. Diese Arbeit ist von den Gesetzgebern und der Wissenschaft, vor allem aber von den Urheberverbänden noch zu leisten.

Résumé Les propositions de Frotz, les plus avancées sur la voie d'une législation, ne constituent pas un modèle praticable de loi sur les contrats concernant le droit d'auteur. Le problème de savoir si et comment on doit élaborer des modèles légaux à côté du contrat d'édition doit être totalement repensé par rapport à chaque mode d'utilisation particulier. Ce n'est que lorsque des modèles utilisables et complets seront mis au point pour ceux-ci qu'il sera possible d'examiner si, à l'encontre de l'opinion ici provisoirement soutenue, les éléments d'un contrat général portant sur le droit d'auteur peuvent en être tirés pour présenter un tel modèle. Le caractère approprié de chacun de ces modèles sera ieconnaissable à ce qu'il offrira un guide pour la reprise des éléments essentiels dans un contrat d'exploitation et en même temps protégera mieux l'auteur que les dispositions de la loi sur le droit d'auteur. Cependant un tel travail doit encore être effectué par les législateurs et la doctrine, et surtout par les syndicats d'auteurs. Fr. U.

Die Bildung des Urhebervertragsrechts

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Summary Fiolz's proposals for a law of copyright contracts, though drafted more elaborately than all other proposals, cannot be considered as a practicable model. It has to be considered afresh for each individual kind of use whether and how statutory models can be formed in addition to the publisher's contract. Only when workable and general models have been drafted one can explore if, contrary to the opinion provisionally expressed above, elements of a general copyright contract can be derived from them, so that such an abstract model could head the more specific rules. The practicability of each of these models can be found out by testing whether it provides for an instruction of how to include into a licensing agreement all the essential elements and whether it gives better protection for the author than the present rules of the URG concerned with copyright law. This task must be performed by legislators and above all by the author's associations.

as well as scholars, v. W.

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Funktionen der unbestimmten Rechtsbegriffe im Immaterialgüterrecht Von Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernst Windisdi, Karlsruhe*) Zu den Themen, die Benvenuto Samson immer bewegt haben, gehört das Spannungsverhältnis zwischen Dogmatik und Individualgerechtigkeit. Sein Name ist besonders mit dem Urheberrecht verbunden, einem Bereich, in dem die Begegnung der schöpferischen Phantasie mit den nüchternen Maßstäben der Normen solche Spannung erwarten läßt. Ist es Zufall, daß sich ein Jurist dem Immaterialgüterrecht zuwendet? I. Immaterialgttterrechtliche Tatbestände 1. Werkänderung als Tatbestandsmerkmal Die Antwort auf diese Frage wird hinter den Eigentümlichkeiten dieses Rechtsgebiets verborgen liegen, die es vom Recht der Materialgüter unterscheiden. Aus der Fülle der besonderen Aspekte des Immaterialgüterrechts greife ich einen heraus, der eng mit der Aufgabe, Konflikte zwischen Dogmatik und Individualgerechtigkeit zu vermeiden und zu beseitigen, verbunden ist. Ein Konflikt kann z. B. entstehen, wenn das dem Urheberrecht immanente Gebot, dem Urheber die Bestimmung zu überlassen, „in welcher Gestalt sein geistiges Kind an die Öffentlichkeit treten soll" (BGH in GRUR 1971, 35, 37 = UFITA Bd. 60 [1971] S. 247, 251 — Maske in Blau), auf ein Änderungsbedürfnis stößt, beispielsweise bei der „Umsetzung eines Schriftwerkes in die Bühnenform" (BGH, aaO.). § 39 UG normiert mit wenigen Worten den Grundsatz (Abs. 1: Änderungsverbot) und die Ausnahme (Abs. 2: Zumutbare Änderungen) für ein weites künstlerisches Betätigungsfeld. Im Normtatbestand wird für eine Zulassung einer Werkänderung auf Treu und Glauben abgestellt. Ob das Werk geändert worden ist, entnimmt die Rechtsprechung dem — alle Einzelheiten und den Gesamtinhalt ausschöpfenden — Vergleich des geschützten Werkes mit der Neufassung. Eine Werkänderung kann bei einer Operette „auch darin liegen, daß eine Szene ohne Änderung des Textes oder der Musik in einer Art wiedergegeben wird, die den Charak") Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt.

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Ernst Windisch:

ter der auftretenden Figuren in einer Weise verändert, die mit dem Wesensgehalt des Stückes nicht vereinbar ist" (BGH, aaO. GRUR S.38; UFITA, aaO. S. 253 f.); auch eine Streichung kann ein Werk ändern (BGH, aaO.: Streichung der Musik „Walzer in Blau" in der Ballettszene; zur Streichung als Bearbeitung: BGH in GRUR 1972, 143, 145 f. = UFITA Bd. 64 [1972] S. 288, 295 ff. — Biografie: „Ein Spiel"). Der Urheber kann nach Treu und Glauben seine Einwilligung zu Änderungen nicht versagen, die innerhalb des dem Regisseur einzuräumenden Modernisierungsspielraums bleiben, denn der Wandel des Publikumsgeschmack ist zu berücksichtigen (BGH — Maske in Blau; vgl. auch OLG Frankfurt in GRUR 1976, 199 ff. = UFITA Bd. 77 [1976] S. 267 ff. — Götterdämmerung). 2. Formulierungsprobleme bei Tatbeständen Die vorstehend wiedergegebenen Gedanken zu einem Tatbestand des Immaterialgüterrechts zeigen beispielhaft, daß der Gesetzgeber der — jedenfalls für den Juristen — unerschöpflichen außerrechtlichen Welt der Kunst, der Technik und der Kennzeichnungen (z. B. Marken) mit einem sehr sparsamen Einsatz von Normen und Tatbestandsmerkmalen begegnet. Diese Welt immaterieller Güter besteht aus einer Fülle von Tatsachen und Vorgängen, deren Erkenntnis und Kenntnis besonderer Sachkunde und Erfahrung bedürfen. Der Gesetzgeber konnte diesen Bereich nicht von der Normierung ausnehmen, schon deshalb nicht, weil geistige Güter mehr als körperliche Gegenstände auf Rechtsschutz angewiesen sind. Der Gesetzgeber hätte versuchen können, die Immaterialgüter in konkreten Tatbeständen zu erfassen; er war zu weise, dies zu tun. Je konkreter die Vorschriften formuliert werden, desto eher können Konflikte zwischen dem verordneten und dem im Einzelfall wünschenswerten Ergebnis auftreten. Solche Konflikte liegen nahe, wenn in den Normtatbeständen Merkmale genannt werden, die nicht den vollen vielschichtigen und mehrdimensionalen Sachverhalt, sondern nur dessen Oberfläche erreichen. Aus der Befassung mit dem Fall „Maske in Blau" heraus äußert der BGH (aaO. GRUR S. 37; UFITA S. 251): „Starre, allgemeingültige Richtlinien, welche Änderungen nach Treu und Glauben zu gestatten sind, lassen sich nicht aufstellen" (vgl. Krüger/Nieland in Festschrift für Georg Roeber S. 297 ff., 309). Der Versuch perfektionistischer Konkretisierung der Normtatbestände müßte zur Erstarrung, zu unzulässigen Verkürzungen und verzerrenden Vereinfachungen immaterieller Sachverhalte führen. Sachverhalte, bei denen Gedanken, Aussagen, Formen, Zeichenbedeutungen aufeinander auf-

Unbestimmte Rechtsbegriffe im Immaterialgüterrecht

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bauen, kollidieren, sich entwickeln, machen die Grenzen der Gesetzessprache deutlich. Eine Sprache, die darauf angelegt ist, zu systematisieren, zu methodisieren, zu gliedern, kann nicht auch die Sprache der Kunst, der Technik, der Kennzeichnungen sein. Jedes Medium, also auch jede spezielle Ausdrucksweise, spricht den Bereich an, für den es geschaffen worden ist. Die ständige Aufgabe für Juristen, Sachverhalte in einem sachfremden Medium wiederzugeben, das heißt, Außerrechtliches in Normtatbeständen zu fassen, kann nicht nach einem einheitlichen Rezept gelöst werden. Der Umgang mit körperlichen Gegenständen kann — in normgerechter Abstrahierung — unmittelbar im Tatbestand dargestellt werden. Auf dem Gebiet der Immaterialsachverhalte dagegen ist die Aufgabe, will man nicht auf Individualgerechtigkeit verzichten, nicht zu lösen durch Hineinpressen komplizierter Sachverhalte in Tatbestandsschemata, durch „übersetzen" oder durch „Umsetzen", etwa wie beim Umsetzen eines Bühnenwerkes als eines Schriftwerkes in die Bühnenform zum Zwecke der bühnenmäßigen Aufführung, wobei das Schriftwerk „von der begrifflichen in die sinnlich faßbare Sphäre" umgesetzt wird (BGH, aaO.). Derartige Lösungsversuche sind für die hier gestellte Aufgabe ungeeignet, weil sie die Gewichte zugunsten der Rechtssprache auf Kosten der für die Bewertung von Immaterialsachverhalten gebotenen Werk- oder Detailtreue verschieben. Der Sachverhalt muß möglichst original im Tatbestand erhalten bleiben. Hat diese Erkenntnis den Gesetzgeber auf eine bestimmte begriffliche Erfassung, auf einen hohen Konkretisierungsgrad verzichten lassen, so mußte er gleichwohl die Normierung der Sachverhalte sicherstellen. Statt einer konkreteren Beschreibung des Gegenstandes wählte er eine zusammenfassende Angabe. II. Gesetzgeberische Lösung der Tatbestandsprobleme 1. Unbestimmte Rechtsbegriffe Der Gesetzgeber bedient sich eines Instruments, das nicht allein für diesen Zweck geschaffen worden ist, des „unbestimmten Rechtsbegriffs". Diese Bezeichnung besagt nicht mehr, als daß die übliche Bestimmtheit fehlt, jene Bestimmtheit, die — gegebenenfalls nach Auslegung — bei der Subsumtion eines Sachverhalts die Feststellung ermöglicht, daß das Tatbestandsmerkmal verwirklicht sei. Es gehört wohl zu einer solchen Bezeichnung, daß die Bestimmung ihres Inhalts uneinheitlich ist und oft erst an Hand von Beispielen deutlicher wird.

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Ernst Windisch:

Hier sind zu nennen: Erfindung, Warenzeichen, Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst, Bearbeitung, Werkentstellung, Werkänderung, warenzeichenmäßiger Gebrauch, gleichartige Waren, Gefahr einer Verwechslung im Verkehr, Erfinder, Werkschöpfer, gemeinsames Erfinden, gemeinsames Schaffen eines Werkes. 2. Vermittlungsfunktion Zumindest im Rahmen dieser kurzen Betrachtung erscheint es geboten, die genannten unbestimmten Rechtsbegriffe im Auge zu behalten und Verallgemeinerungen zu vermeiden. Die genannten Worte liefern dem Gesetzesanwender Sdilüssel zu den tatbestandlich nicht konkret faßbaren und auch nicht allein durch gesteigerte Abstrahierung einzufangenden komplexen Vorgängen. Diese Schlüsselworte spielen für ihn etwa die Rolle, die in anderen Bereichen Symbolen zugedacht ist; der Rechts weit soll die Gegenwart von Andersartigem vermittelt werden. Mit den Schlüsselworten erteilt der Gesetzgeber den Auftrag, den jeweils damit abgerufenen Sachverhalt entsprechend den für diesen Bereich maßgeblichen Erkenntnissen und Vorstellungen einzuordnen. Die Erfüllung dieses Auftrages setzt voraus, daß die Gesetzesanwender in der Lage sind, eine gesetzes- und verfassungskonforme Methode zur Erschließung des Sachverhalts zu entwickeln und zu verwenden. Dabei stehen u. a. die Fachkunde der Sachverständigen, die typologische Methode, die der entgegengesetzten definitorischen Methode hier überlegen ist (vgl. Herschel in Festschrift für Georg Roeber, S. 161 ff., 169) und die Topik als Technik des Problemdenkens (vgl. Samson in UFITA Bd. 74 [1975] S. 127 ff.) zur Verfügung. 3. Variabilität des Begriffsinhalts Eine derartige Schlüsseltechnik bewirkt, daß nicht eine überholte Fixierung früherer Vorstellungen mit den gegenwärtigen sachgesetzlichen Erfordernissen kollidiert und daß der zeitbedingte Wandel nicht zur Gesetzesänderung, sondern nur zur Inhaltsänderung des Schlüsselwortes zwingt: Beim Kunstwerk ersetzt die „erforderliche Gestaltungshöhe" den „ästhetischen Überschuß" (Gerstenberg in GRUR 1974, tungshöhe" den „ästhetischenÜberschuß" (Gerstenberg in GRUR 1974, 707 ff., 708; OLG Düsseldorf in GRUR 1971, 415, 416 = UFITA Bd. 58 [1970] S. 321,325 — Studio 2000 (Tütensessel), für das Vorliegen einer Erfindung sind nicht mehr nur physikalische und chemische Mittel, sondern — dem heutigen Stande naturwissenschaftlicher Erkenntnisse ent-

Unbestimmte Rechtsbegriffe im Immaterialgüterrecht

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sprechend — auch biologische Kräfte und Erscheinungen erheblich. (BGH in GRUR 1969, 672, 673 — Rote Taube). Der Gesetzgeber nimmt dabei in Kauf, daß ein voraussehbarer, einheitlicher, zeitlich und sachlich allgemeiner Maßstab für die Ausfüllung solcher Tatbestandselemente fehlt und daß die Rechtsprechung stattdessen variable Grundregeln entwikkelt, zu denen er nachträglich Stellung nehmen kann. Insgesamt erscheint diese Gesetzestechnik hier als die einzig mögliche und unentbehrliche Lösung. Sie schafft Raum für Information und Wertung und deren ständige Ergänzungen und Berichtigungen, wenn man ihr nicht mit falschen Erwartungen begegnet. Weder die Freude an abstrakten Definitionen noch die Suche nach einer Zauberformel wie „Sesam öffne dich" findet hier das ersehnte Ziel, demgegenüber ist der Weg vom unbestimmten Rechtsbegriff zum voll erschlossenen Sachverhalt unbequemer, aber auch befriedigender. Der aufgezeigten Funktion dieser Art unbestimmter Rechtsbegriffe würde es widersprechen, wollte man einmal gefundene Ausfüllungsregeln als Nonnersatz und damit als invariabel betrachten. Dies bedeutet, daß ein Streichen von Ästhetik und Schönheit bei den Voraussetzungen für Kunst und ein Hinzufügen der Voraussetzung „mehr als kleine Münze" (Samson: Urheberrecht S. 73, 87 ff.) im Rahmen der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes „Werk der Kunst" liegen würde und ein „Abschied vom allgemeinen Erfindungsgedanken" (Spengler GRUR 1967, 390 ff.) mit dem Begriff der Erfindung vereinbar wäre. 4. Kein „Absdiied vom unbestimmten Rechtsbegriff" Für einen „Abschied vom unbestimmten Rechtsbegriff" (Schmidt NJW 1975, 1753 ff.), wie er im Verwaltungsrecht vorausgesagt wird, ist allerdings im Immaterialgüterrecht und damit auch im besonderen Verwaltungsrecht der Erteilungs-, Nichtigkeits-, Eintragungs- und Löschungsverfahren bei Patenten, Warenzeichen und Gebrauchsmustern kein Anlaß und kein Raum; ein Abschied vom unbestimmten Rechtsbegriff schlechthin ist nicht zu erwarten, weil darin eine unzulässige Verallgemeinerung einer verwaltungsrechtlichen Spezialproblematik läge. Zudem liegt die Zuständigkeit für die Abschaffung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nicht bei Lehre oder Rechtsprechung, sondern beim Gesetzgeber. Eine Sonderentwicklung im Verwaltungsrecht müßte auf die Beibehaltung der bisherigen terminologischen Einheitlichkeit im gesamten Recht achten. Die von Günther in der Festschrift für Gunther Hartmann (1976, S. 123 ff.) befürwortete Art der „Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe des GWB" enthält jedenfalls keine Verabschiedung.

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Ernst Windisch:

III. Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe 1. In der Rechtsprechung Sache der Rechtsprechung bleibt es, zunächst zu ermitteln, ob ein unbestimmter Rechtsbegriff gegeben ist und welche Funktion ihm im Normzusammenhang zukommt. Der Entscheidungsspielraum bei der Anwendung der hier genannten Schlüsselworte umfaßt nicht den Ermessensgebrauch.. Dies ist unabhängig vom Umfang der Nachprüfbarkeit. Es kann beim konkreten Fall nicht ausbleiben, daß unterschiedliche Meinungen über die rechtliche Erheblichkeit außerrechtlicher Tatsachen bestehen und in abändernden und aufhebenden Urteilen zum Ausdrude kommen. Immer wird in der Revisionsinstanz eine Abgrenzung zwischen tatrichterlicher Würdigung (z. B. die Beurteilung, ob Änderungen eines Bühnenwerkes eine persönliche geistige Schöpfung von einer für den Bearbeitungsschutz hinreichenden Höhe sind: BGH in GRUR 1972, 143, 145 IV 1 = UFITA Bd. 64 [1972] S. 293 f. — Biografie: „Ein Spiel") und den nachprüfbaren Rechtsfragen (z. B.: Wird die Prüfung nach dem schöpferischen Gehalt der in die Buchausgabe übernommenen Änderungen dem Rechtsbegriff der schutzfähigen Bearbeitung gerecht?: BGH, aaO.) vorgenommen und dazu führen können, daß außerrechtliche Fachaussagen unverändert in die Entscheidungsgrundlagen integriert werden (BGH in GRUR 1974, 740, 742 = UFITA Bd. 72 [1975] S. 305, 309 f. — Sessel, dazu Gerstenberg in GRUR 1974, 707, 709). Zwar hängt diese revisionstechnisdie Beschränkung der Nachprüfbarkeit nicht davon ab, ob der Tatbestand einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält, es sind aber bei der Ausschöpfung unbestimmter Rechtsbegriffe mehr Tatsachen zu verarbeiten und mehr irrevisible tatrichterliche Würdigungen vorzunehmen (vgl. Nastelski in GRUR 1968, 545 ff.). 2. Doppelfunktion für Rechtsanwendung und Immaterialgut Die unbestimmten Rechtsbegriffe im Immaterialgüterrecht haben eine doppelte Integrationswirkung, sie machen z. B. das Kunstwerk zu einem Rechtsgegenstand und das Recht zu einem Aspekt des Kunstwerkes. Dies könnte zu unterschiedlichen Perspektiven führen: Vom Juristenhause aus könnte das Wort Kunst wie ein Schlüssel zu einer Tür wirken, hinter der die Kunst als Hausgärtchen gesehen wird, und die Künstler könnten umgekehrt von ihren Gärten der Kunst aus den unbestimmten Rechtsbegriff als Zugang zu einem Gartenhäuschen des Rechts sehen. Beide Betrachtungsweisen verkürzen die Bedeutung des jeweils fachfremden Gebiets; der Jurist sollte nicht

Unbestimmte Reditsbegriffe im Immaterialgüterrecht

215

die dienende Rolle seiner „Kunst", der Künstler nicht das beschützende Wirken der rechtsgelehrten Laien übersehen; der unbestimmte Rechtsbegriff verhilft beiden aufeinander Angewiesenen zur wechselseitigen Ergänzung. 3. Unterschied zwischen Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz Verfahrensmäßig vollzieht sidi diese Ergänzung im Urheberrecht unmittelbarer als im Patent- und Warenzeichenrecht, weil nur die letztgenannten Normen arbeitsteilig in zwei voneinander getrennten Verfahren angewandt werden, einerseits in justizförmigen Verwaltungsverfahren und besonderen Verwaltungsgerichtsverfahren vor dem Patentamt und dem Bundespatentgericht, andererseits in Zivilprozessen; bereits im Erteilungsverfahren wird der unbestimmte Rechtsbegriff „Erfindung" von den auch technisch fachkundigen Normanwendern bindend ausgefüllt, so daß es im Patentverletzungsprozeß dieser Ausfüllung innerhalb der Reichweite der Bindung nicht bedarf; im urheberrechtlichen Prozeß dagegen setzt sich das Gericht unmittelbar z. B. mit dem Zentralbegriff „Kunstwerk" oder mit den Begriffen „Bearbeitung, Veränderung, Entstellung" auseinander und greift dabei auf die Inhalte der jeweils erheblichen Werktexte oder sonstigen Gestaltungen zurück. Die mit der Arbeitsteilung im Patentrecht verbundene Gefahr einer Bindung an eine überholte Entscheidung scheidet beim Urheberrecht aus. IV. Nonnimmanente Topik Den unbestimmten Rechtsbegriffen im Immaterialgüterrecht hat der Gesetzgeber die Aufforderung zum topischen Problemdenken mitgegeben (vgl. Samson in UFITA Bd. 74 [1975] S. 127 ff.). Das Ergebnis dieser normimmanenten Topik muß von der richterlichen Zielsetzung und Überzeugung getragen sein, daß es auf der richtigen, d. h. objektiven Bewertung aller zugänglichen und zugelassenen Informationen beruht. Dies unterscheidet es von dem Ergebnis der Zielsetzung, einen von mehreren richtigen Wegen zu wählen, d. h. nach Ermessen zu entscheiden. Allerdings kann die Überzeugung von der Richtigkeit des Ergebnisses nicht weiter gehen, als es das Wissen um die Vielfalt der Meinungen erlaubt. Dabei sind nur die Meinungsverschiedenheiten gemeint, die nicht auf Unterschieden in der Kenntnis des zu entscheidenden Falles beruhen. Die Meinungen können auch dann auseinandergehen, wenn ihnen ein Charakteristikum der Überzeugungskraft, die Detailtreue, gemeinsam ist. Detailtreue wird beson-

216

Ernst Windisch:

ders im Urheberrecht durch die ausschöpfungsbedürftigen Schlüsselbegriffe veranlaßt oder gefördert. So finden sich in Urteilsgründen Angaben zum Inhalt der Werktexte, die auf sorgfältiger Lektüre und Durchdringung aufbauen und die Sprache der Kunst in der Urteilssprache verständlich machen. Die eingehende Auseinandersetzung mit dem Gehalt des Begriffs „schutzfähige Bearbeitung" in Urteilen des Kammergerichts und des Bundesgerichtshofs mit gegenteiligen Ergebnissen zum Fall „Biografié: ,Ein Spiel'" ermöglicht auch einen Zugang zum Werk von Max Frisch (BGH in GRUR 1972, 143 ff. = UFITA Bd. 64 [1972] S. 288 ff.). Die Möglichkeiten von Meinungsunterschieden an irgendeinem Punkte und damit häufig auch beim Ergebnis des topischen Weges sind bei der Ausfüllung von unbestimmten Rechtsbegriffen zahlreicher als bei weniger konkretisierungsbedürftigen Tatbestandsmerkmalen. Oft entsprechen Widersprüche und Zweifel der Lebenswirklichkeit, zumindest führen sie näher an die vom Autor Max Frisch für Bühne und Buch dargestellte „Biografié" heran, deren Träger Kürmann im Rückblick meint, daß seine Lebensgeschichte nicht seine einzig mögliche war. V. Wirkungen Auch an dieser Stelle meiner Betrachtung begegnet uns Benvenuto Samson, diesmal als Rezensent des Urteils „Götterdämmerung" des Oberlandesgerichts Frankfurt (GRUR 1976, 191 f., 199 ff. = UFITA Bd. 77 [1976] S. 267 ff.), das Möglichkeiten und Grenzen einer Werkänderung betrifft. In dieser Rezension stellt er am Rande die kritische Frage, ob wirklich -— wie der Bundesgerichtshof zu „Biografié: ,Ein Spiel'" aaO. meint — die Schutzfähigkeit der Bearbeitung eines Bühnenwerkes durch einen Regisseur von dem Grade der Eigenprägung des bearbeiteten Werkes abhängt (vgl. S c h m i e d e r in N J W 1976, 81, 82), und wiederholt seine Kritik an der gerichtlichen Bewertung der „kleinen Münze" als Kunstwerk (vgl. Samson: Urheberrecht S. 87 ff. und in UFITA Bd. 74 [1975] S. 142). Die Auseinandersetzungen in und mit den Entscheidungen zu Immaterialgütern spiegeln den Raum wider, den unbestimmte Rechtsbegriffe allen sachbezogenen Argumenten geben. Daraus wächst die Bestimmtheit des Ergebnisses. Eine Entscheidung gewinnt auch in den Augen eines Opponenten dadurch an Befriedungskraft, daß ihr keine „pauschalen, nicht auf die Besonderheiten des Einzelfalles zugeschnittenen Lösungen" (Krüger/Nieland in Festschrift für Georg Roeber, S. 297 ff., 307) des Gesetzgebers, sondern die Einzelheiten des

Unbestimmte Reditsbegriffe im Immaterialgüterrecht

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Sachverhalts zugrundegelegt werden. Der richtige Umgang mit den unbestimmten Rechtsbegriffen fördert eine für die Fallgerechtigkeit fruchtbare Diskussion, die durch Entscheidungen nicht beendet, sondern angeregt wird und einheitliche Grundlinien entwickelt, die einer schematischen, durch Normen erzwungenen Einheitlichkeit vorzuziehen sind. Hinter der Zuwendung zu dieser Tätigkeit — damit komme ich auf die eingangs gestellte Frage zurück — steht mehr als ein Zufall; bei Benvenuto Samson ist es Zuneigung zum Recht und zu den geistigen Gütern und Freude an der sinnvollen Auseinandersetzung. Er hat eine besondere Schaffenskraft, weil zu seinen Maximen auch diese gehört: Wenn Juristen miteinander um die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen, Wertungen und Ergebnisse ringen, „So glaube jeder sicher seinen Ring Den echten. . . . Es strebe . . . jeder um die Wette, Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag Zu legen! . . . " , wissend, daß nur „Ein weisrer Mann . . . " den echten weiß.

(Lessing: Nathan der Weise, III 7). Resümee

In immaterialgüterrechtlichen Tatbeständen decken oft wenige Worte weite künstlerische oder technische Betätigungsfelder, z. B. „Änderungen des Werkes", deren Inhalt in der Rechtsprechung ausgebreitet wird (BGH in GRUR 1971, 35 = UFITA Bd. 60 [1971] S. 247 — Masice in Blau; OLG Frankfurt in GRUR 1976, 199 = UFITA Bd. 77 [1976/ S. 267 — Götterdämmerung). Derartige Angaben weichen von den üblichen Tatbestandsmerkmalen ab. Ihre Bezeichnung als „unbestimmte Rechtsbegriffe" beschreibt sie nur unvollständig. Es handelt sich um Schlüsselworte mit der Aufgabe, komplexe Sachverhalte unverfälscht an den Gesetzesanwender heranzutragen und damit mehr zu leisten, als dies eine Übersetzung aus den Sprachen der Kunst oder der Technik in die andersartige Sprache des Rechts vermag. Diese Gesetzestechnik setzt die Fähigkeit der Normanwender aus, Methoden zur Ausschöpfung solcher Begriffe zu entwickeln sich außerrechtlicher Fachkunde und Erfahrung zu bedienen.

vorund

218

Ernst Windisch:

Der Gesetzgeber erreicht durch den Einsatz dieses bei Immaterialgütern unentbehrlichen Mittels die dem zeitbedingten Anschauungswandel entsprechende Variabilität der Begriffsinhalte. Zu den Ausschöpfungsmethoden immanent.

gehört die Topik; sie ist hier

norm-

Die im unbestimmten Rechtsbegriff liegende gesetzgeberische Ermächtigung, eine bestimmte Entscheidung auf einer vollständigen Auseinandersetzung mit allen erheblichen Aspekten des Sachverhalts aufzubauen, ermöglicht Individualgereditigkeit und kann nicht durch starre, sdiematische konkrete Tatbestände ersetzt werden. Die zur inhaltlichen Ausfüllung der Begriffe erforderliche Detailtreue (BGH in GRUR 1972, 143 = UFITA Bd. 64 [1972] S. 288 — Biografie: „Ein Spiel") hat mehr Befriedungskraft und vereinheitlichende Wirkung als durch Tatbestandsschemata erzwungene Voraussehbarkeit und Einheitlichkeit. Der für das Verwaltungsrecht angekündigte „Abschied vom unbestimmten Rechtsbegriff" (Schmidt in NJW 1975, 1753 f f . ) scheidet nach alledem jedenfalls für die zivil- und verwaltungsrechtliche Normierung der Immaterialgüter aus. Die um die Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe geführte und weiter zu führende Diskussion dient, ohne zu entscheiden, wer Recht hat, allen Beteiligten und dem gemeinsamen Anliegen.

Résumé Lorsqu'il s'agit des faits juridiques intéressant le droit des biens immatériels, un petit nombre de termes recouvre souvent de larges champs d'activités artistiques ou techniques, par exemple l'expression „modifications de l'œuvre" dont le contenu a fait l'objet d'une jurisprudence extensive (BGH in G RUR 1971, 35 = UFITA vol. 60 [1971] p. 247 — Maske in Blau; OLG Francfort in GRUR 1976, 199 = UFITA vol. 77 [1976] p. 267 — Götterdämmerung). De telles indications se distinguent des définitions habituelles des faits juridiques. Leur qualification en tant que „concepts juridiques non définis" ne les décrit que de façon incomplète. 11 s'agit de mots-clefs ayant pour but de présenter à celui qui applique la loi, sans les falsifier, des faits complexes et de la sorte de faire mieux que ne le pourrait une traduction des langages de l'art et de la technique dans le langage d'une autre nature du droit.

Unbestimmte Rechtsbegriffe im Immaterialgiiterrecht

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Cette technique législative suppose la capacité pour ceux qui iont application des normes de développer des méthodes pour faire une application optimale de tels concepts et de faire appel à des compétences et des expériences extra-juridiques. Le législateur parvient, en recourant à ce moyen indispensable en matière de biens immatériels, à une variabilité du contenu des concepts correspondant aux changements des idées selon les époques. Parmi les méthodes permettant une application la topique; elle est ici immanente à la norme.

optimale

se

trouve

Le pouvoir que donne le législateur, et qui se trouve dans le concept juridique non défini, de construire une décision particulière sur une analyse complète de tous les aspects importants de l'espèce permet une justice individuelle et ne peut être remplacé par des faits juridiques définis de façon rigide, schématisée et concrète. La fidélité aux détails nécessaire pour donner tout leur contenu aux concepts (BGH in GRUR 1972, 143 = UFITA vol. 64 [1972] p. 288 — Biografie: „Ein Spiel") a plus de pouvoir de résolution des conflits et d'effet unificateur que le caractère prévisible et l'uniformité imposés par les faits juridiques schématisés. Des „adieux au concept juridique non défini", annoncés pour le droit administratif (Schmidt in NJW 1975, 1753 et s.), sont de la sorte en tout cas exclus pour l'adoption de dispositions concernant les biens immatériels sur le plan civil et administratif. La discussion qui a lieu et doit se poursuivre quant au contenu à donner aux concepts juridiques non définis sert, sans décider qui a raison, tous les participants ainsi que leurs intérêts communs. Fr. U. Summary In statutory regulations concerning intagible property, it is often that few words, e. g. „alterations of the work", cover wide fields of artistic or technical activities. The meaning of such words is unfolded by adjudication. Wordings of this kind deviate from the usual language of statutes. Denoting them as „indistinct legal terms" is but an incomplete description. They are key words with the function of transmitting complex factual circumstances to the user of the law and thereby achieving more than what could be accomplished by a simple translation from the languages of art and technical science into the different language of law.

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Windisdi: Unbestimmte Rechtsbegriffe im Immaterialguterrecht

This legal technique is based on the presumption of the user of the law being able to develop methods ¡or the full interpretation of such terms and to avail himself of extralegal knowledge and experience. By the use of this means which is indispensable in connection with intangible property rights, the legislator achieves a variability of conceptual meanings which correlates with the change of ideas in the course of time. One of the methods of interpretation concerns the arrangement material, which in the present context is inherent in the rules.

of

The indistinct legal term contains an authorization by the legislator, to base a certain decision on a complete evaluation of all relevant factual aspects of a case. Individual justice is rendered and cannot be replaced by rigid, schematic and more concrete statutory regulations. The accuracy in factual details required for the conceptual interpretation of the terms is more satisfactory and effects greater legal uniformity than the forced predictability and uniformity by schematic statutory regulation. The „departure from the indistinct legal term" as announced with regard to administrative law consequently does not apply to the regulation of intangible property in civil and administrative law. The discussion about the interpretation of indistinct legal terms must be continued. Even without a decision as to who is right or wrong, discussion is useful for all participants and serves the common interests. v. W.

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Werberechtsreform und Verbraucherschutz Von Rechtsanwalt Dr. Georg Wronka, Bonn*)

I. Einführung In den vergangenen beiden Jahren häuften sich in bisher nie gekanntem Ausmaß die Anregungen, Empfehlungen und Forderungen, die sich erklärtermaßen auf die Stärkung der Stellung des Verbrauchers kaprizierten. Einen maßgeblichen Anteil haben dabei die Vorschläge, die der Verbraucherschaft eine stärkere Position gegenüber irreführender Werbung verschaffen wollen. Die Initiativen, die sich — das ist allen gemein—mit den Möglichkeiten g e s e t z l i c h e r Verankerungen von „Verbraucherrechten" befassen — sei es durch die Kodifizierung bewährten überkommenen Richterrechts, sei es durch die Ummodelung seit Jahrzehnten bestehender Wettbewerbsrechtsund Zivilrechtsinstitute, sei es durch die Einführung völlig neuer, selbständiger Rechtssysteme — sind unterschiedlicher Provenienz. So hat man sich um den Verbraucher bei den Parteien „Sorgen" gemacht1), die Gewerkschaften meldeten sich zu Wort 2 ), die Verbraucherinstitutionen •— namentlich durch Empfehlungen des Verbraucherbeirats beim Bundesministerium für Wirtschaft 3 ) sowie durch ein „Positionspapier Werbung" der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher4) — legten Zeugnis ab von der Geschäftigkeit, und neuerdings hat sich die „Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel" in ihrem voluminösen Gutachten 5 ) des Konsumenten angenommen. •) Vom Verfasser zur Ehrung von Professor Dr. Benvenuto Samson anläßlich der Vollendung seines 90. Lebensjahres erstellt. 1 ) Vgl. die Vorlage der Arbeitsgruppe Verbraucherpolitik und des Arbeitskreises Wirtschaftspolitik der SPD-Bundestagsfraktion „Zielvorstellungen und Forderungen zur Wirtschaftswerbung" vom Juni 1975 (abgedruckt in: Diskussionspapier zur Werberechtspolitik, hrsg. vom Zentralausschuß der Werbewirtschaft, 1975, S. 150 ff.) sowie das Konzept des SPD-Parteivorstandes „SPD — Politik für die Verbraucher" vom Mai 1976 (Kurzfassung abgedruckt in: ZAW-basisdienst Nr. 26, Juni 1976); „Die UNION — Anwalt des Verbrauchers. Verbraucherpolitische Grundsätze der CDU" vom Juli 1976 (abgedruckt in: ZAW-basisdienst Nr. 38 vom 28. Juli 1976); „Verbraucherpolitisdie Ziele der F.D.P." vom Juli 1976 (abgedruckt in: freie demokratische korrespondenz — fdk — vom 28. Juli 1976). 2 ) Vgl. Protokolle des 10. Ordentlichen Bundeskongresses des DGB in Hamburg vom 23. bis 31. Mai 1975. 8 ) „Empfehlungen des Verbraucherbeirats zur Verbesserung des Schutzes der Verbraucher gegenüber unlauterem Wettbewerb" vom Juni 1975 (abgedruckt in: Diskussionspapier, S. 148 f.). 4 ) Vom Juni 1976 (abgedruckt in: Verbraucher politische korrespondenz — vpk —• vom 22. Juni 1976). 5 ) Vom Januar 1977.

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Maßgeblich bestimmt worden sind die Avancen jedoch durch die Arbeiten eines vom Bundesminister der Justiz eingesetzten Expertenkreises, der „Kommission zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität — Reform des Wirtschaftsstrafrechts", der sich besonders intensiv und differenziert mit den — angeblichen — Anliegen der Verbraucher beschäftigte und mit seinen sog., von Schricker als „bedeutsam" apostrophierten 6 ) „Westerländer Beschlüssen" 7 ) Lösungsmöglichkeiten für eine mutmaßliche Besserstellung des Verbrauchers vorstellte. In ihren von ungewohnter Sachlichkeit gekennzeichneten Kernforderungen weisen die einzelnen in kurzer zeitlicher Abfolge bekannt gewordenen „Reform"-Vorschläge inhaltlich eine weitgehende Kongruenz auf. Sie unterscheiden sich lediglich im Ausmaß der angepeilten gesetzlichen Änderungen — was bisweilen auf eine entsprechende mehr oder weniger tiefgehende rechtstatsächliche und rechtsdogmatische Durchdringung der Materie zu schließen nahe legt — sowie durch zahlreiche Akzidentien, traditionell mitgeschleppte verbraucherrechtliche Randmaterien, die inzwischen nicht nur an Brisanz, sondern auch an Bedeutung schlechthin verloren haben 8 ). In der Wissenschaft wird mit unterschiedlichen Argumenten für und wider die Durchsetzung dieser Vorschläge auf dem Gesetzgebungsweg gestritten, wobei von den Befürwortern keineswegs selten mehr mit spekulativem Wunschdenken denn mit nüchtern-dogmatisch abgesicherten Argumenten plädiert wird. Dies hat seinen guten Grund: Bislang nämlich existieren noch keinerlei empirische Untersuchungen, die darüber Aufschluß geben könnten, ob und inwieweit der Verbraucher die postulierten Gesetzesänderungen überhaupt benötigt, die ihm über die bestehenden Rechte hinaus zusätzliche Befugnisse einräumen sollen 9 ). Der erste „Schwung" der von den „We«) GRUR Int. 1976, 315 (317). ) Vom April 1975 (abgedruckt in: Diskussionspapier, S. 143 ff.). e ) Als Hauptthemen der Diskussion sind anzuführen: Vergleichende Werbung; Umkehr der Beweislast; Verminderung des Haftungsrisikos bei Klagen von Verbraucherverbändeni Verschärfung des Werbestrafrechts; Schaffung eines Redits zur Vertragsauflösung bei irreführenden Werbemaßnahmen; weitergehende Veröffentlichungsbefugnis von Urteilen in Wettbewerbsprozessen; Berichtigungs Werbung; Schadenersatzansprüche für einzelne Verbraucher bei unlauteren und irreführenden Werbemaßnahmen und kollektive Geltendmachung dieser Ansprüche durch Verbraucherverbände. 7

") Vgl. auch S c h r i c k e r , RabelsZ 36 (1972), 315 (316): „Hinter dem Nachdruck, mit dem die Forderung nach Verbraucherschutz erhoben wird, bleibt die Basis von Erfahrungen und verläßlichen Daten weit zurück . . . Solange Arbeiten von geeigneter Zielsetzung fehlen und die Kommunikation zwischen den Disziplinen mangelt, wird die Diskussion um den Konsumentenschutz spekulative Züge tragen; sie läuft Gefahr, mehr von emotionalen als von realistischen Argumenten genährt zu werden."

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sterländer Beschlüssen" — die nachfolgend im Vordergrund der Betrachtung stehen sollen — ausging, ist denn auch zunächst einmal abgefangen: Das Justizministerium hat das Rechtstatsachendefizit erkannt und im vergangenen Jahr Gutachtenaufträge vergeben mit dem Ziel festzustellen, ob und an welcher Stelle ein rechtspolitisches Bedürfnis nach einer Verbesserung des Verbraucherschutzes besteht10). über das weitere Procedere wird also — sieht man von den bereits in Aussicht gestellten ministeriellen Entwürfen zur Änderung des Werbestrafrechts ab — erst in einiger Zeit entschieden werden. Gleichwohl stehen Novellen vornehmlich im Zivilrecht — dem hier das besondere Augenmerk gelten soll — zu erwarten: Der politische Druck ist unaufhaltsam11). Es hat sich gezeigt, daß Verbraudierpolitik eine Reizvokabel ist, mit der sich nicht nur in Wahlkämpfen gut operieren läßt, sondern daß ein absolutes Sperren gegen jeglichen Vorschlag noch nicht kalkulierbare Risiken für die Polit-Szene mit sich bringt — gleichgültig, welche Partei sich auf ihr bewegt. Nur selten haben sich SPD, FDP und CDU so einmütig gezeigt wie bei ihren Absichtserklärungen, Verbraucherpolitik durch Werberechtsänderungen zu betreiben 12 ), und es ist lediglich offen, in welchem Ausmaß sich der Reformeifer auswirkt. Zwei Fragen stehen im Vordergrund: Soll dem Verbraucher ein Recht zur Vertragsauflösung bei irreführender Werbung auch bei Nichtidentität von Werbungtreibendem und Vertragspartner eingeräumt werden? (II) Soll der Verbraucher einen Schadenersatzanspruch bei irreführender Werbung erhalten, der als Kollektivanspruch nur von Verbraucherverbänden geltend gemacht werden kann? (III) II. Vertragsauflösungsredit Ihre Besonderheit erhält die Diskussion um das Vertragslösungsrecht dadurch, daß sich der zum Kauf — Regelfall der angesprochenen Vertragsgestaltung — veranlaßte Verbraucher auch dann an seinen Vertragspartner, d. h. den Einzelhändler, halten können soll, wenn nicht dieser, sondern ein anderer — etwa der Hersteller — eine irreführende Werbeaussage gemacht hat, die seinen Kaufentscheid bestimmte. Unter Berücksichtigung, daß der Käufer de lege lata an den »») d e W i t h , GRUR Int. 1976, 337 (338 f.). n ) Vgl. d e W i t h , Sozialdemokratischer Pressedienst vom 2. Dez. 1976, S. la. 12 ) Vgl. W r o n k a, Vor überstürzten Reformen wird gewarnt, Das Parlament vom 27. Nov. 1976.

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außenstehenden Dritten nur selten „herankommen" werde 13 ), verbindet sich mit der Konzeption einer effizienteren Schutzbewehrung, den Verbraucher auf den zu verweisen, der ihm am nächsten steht und der ihm überdies das Malheur „eingebrockt" hat: den Verkäufer eines Gegenstandes, welcher nicht die angepriesenen Qualitäten besitzt. Es liege weniger im Sinn des Verbrauchers, gegen die Werbeaussage zu Felde zu ziehen als daß es ihm darum gehe, das ihn enttäuschende Produkt gegen Rückerstattung des Kaufpreises dort wieder abzuliefern, wo er es erstanden und bezahlt habe. In der Tat stehen ihm zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, den Verkäufer zu belangen. Man sollte ihnen in verstärkterem Maß, als es bisher geschehen ist, ein Augenmerk schenken, weil sich u. U. durch eine sachgerechte Interpretation der bereits vorhandenen Normen eine Einengung der vorgeblichen Schutzlücke bewerkstelligen ließe. Lediglich hinsichtlich des dann noch nicht abgedeckten Bereichs — die ausstehende empirische Forschung müßte dies plausibel machen — wäre zu erwägen, auf welchem dogmatisch vertretbaren Weg ein Ausgleich erfolgen könnte. 1. Gewährleistungsansprüche Als Fehler eines Gegenstandes i. S. des § 459 Abs. 1 BGB kommen Quantitäts- ebenso wie Qualitätsmängel in Betracht; Wert und Preis einer Sache begründen keine Fehlereigenschaft. Der Gewährleistungsanspruch steht dann zur Disposition, wenn der Sache die nach dem Vertrag vorausgesetzten Eigenschaften fehlen. Hier könnten auch Werbe- und werbeähnliche Aussagen eine Rolle spielen, allerdings unter der Voraussetzung, daß sie nicht allgemein sind, sondern eine konkrete Beziehung zum abgeschlossenen Vertrag aufweisen, damit ihr Inhalt Vertragsbestandteil wird. Generelle Anpreisungen, d. h. Angaben, welche allgemein gehalten sind und keine bestimmten oder hinreichend bestimmbaren Eigenschaften zum Gegenstand haben, fallen nicht unter das Merkmal „nach dem Vertrag vorausgesetzter Gebrauch". Bedeutsamer ist in diesem Zusammenhang § 459 Abs. 2 BGB. Die Rechtsprechung ist bislang sehr zurückhaltend bei der Anerkennung von Werbeaussagen als „zugesicherte Eigenschaften" im Sinn des § 459 Abs. 2 BGB. Bloße Anpreisungen sollen ihrzufolge regelmäßig nicht als Zusicherungen von Eigenschaften gewertet werden 14 ). Im 1S

) Vgl. die Anspruchsprüfung bei T r i n k n e r, BB 1975, 1493 (1494). ") Vgl. P a l a n d t / P u t z o , § 459 Anm. 7; BGHZ 51, 90 (100); BGHZ 48, 118; BGH N J W 1968, 2238; BGH N J W 1974, 1503; w. Nadiw. bei T r i n k n e r, BB 1975, 1493 (Fußn. 8).

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Gebraucht- und Neuwagenhandel sind allerdings zugesicherte Eigenschaften des öfteren angenommen worden, und zwar häufig wegen der Intensität einer Werbeaussage 15 ). Außerhalb des Kraftfahrzeughandels wurde eine Werbung als Eigenschaftszusicherung angesehen, mit der ein Anleitungsbuch für das Abfassen von Nottestamenten angepriesen wurde 16 ). In dem Trevira-Urteil hat der Bundesgerichtshof ein begleitendes Warenzeichen als zugesicherte Eigenschaft betrachtet. Er hatte entschieden, daß der Weiterverarbeiter eines Trevira-Erzeugnisses seinen Abnehmern nach § 459 Abs. 2 BGB hafte, weil der Trevira-Produzent damit werbe, daß Trevira nach seinen Richtlinien weiterverarbeitet werde und infolge dieser Weiterverarbeitung bestimmte Eigenschaften (Knitterarmut) aufweise 17 ). Dieses Urteil ist zu Recht auf Widerspruch gestoßen. Der Bundesgerichtshof rechnete dem Vertragspartner des Abnehmers, nämlich dem Händler, die Werbeaussage des Produzenten zu, obwohl es an den Voraussetzungen einer zugesicherten Eigenschaft fehlte: Zum einen wollte der Verkäufer die Werbeaussage des Herstellers nicht als seine ausgeben 18 ), und zum anderen faßt auch der Käufer die Herstellerwerbung nicht als eine Erklärung des Verkäufers auf 19 ). Es leuchtet nicht ein, wenn ein Verkäufer für die Werbung und Werbegestaltung des Herstellers eintreten soll, obwohl er im Regelfall überhaupt keinen Einfluß auf sie hat 20 ). Er ist noch nicht einmal in der Lage, angesichts der zunehmenden Artikelzahl eines Sortiments, der Heterogenität der Waren und der komplizierten Eigenarten der Einzelartikel (z. B. in technischer, chemischer oder physikalischer Hinsicht) nachzuprüfen, ob und inwieweit ein Produkt den Angaben in der Herstellerwerbung in allen Einzelheiten entspricht. Die Masse der kleineren und mittleren Handelsunternehmen würde bei der Zumutung einer Prüfungspflicht, die sich in der Regel auf mehrere tausend Artikel erstredete, in eine ausweglose Lage geraten 21 ). Es erscheint geradezu grob unbillig, wenn ein Einzelhändler auch für solche Werbeangaben eines ") Vgl. R e i c h / T o n n e r , JuS 1976, 576 (577 m. w. Nachw.)i R e i c h / T o n n e r / W e g e n e r , Verbraucher und Recht, 1976, S. 148 ff. (m. w. Nachw.). i«) BGH NJW 1973, 843. ») BGHZ 48, 118. 18 ) Vgl. T r e s c h e r , BB 1976, 523 (526): „§ 480 Abs. 2 BGB findet seine Rechtfertigung darin, daß der Verkäufer es selbst war, der eine Eigenschaft zugesichert hat." 9 > ) T e i c h m a n n, JuS 1968, 320. 20 ) T r e s c h e r , BB 1976, 523 (524); vgl. auch die Stellungnahme des Rates des Deutschen Handels zu den Empfehlungen der Sachverständigenkommission (S. 7), die sich eingehend mit den Auswirkungen eines Vertragslösungsrechts der vorgestellten Art auf den Handel und letztlich auf den Verbraucher auseinandersetzt. 21 ) T r e s c h e r , BB 1976, 523 (524). Auf den gefährdeten Mittelstandsschutz weist auch Bartl, ZRP 1976, 13 (17) hin.

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Herstellers, dessen Produkte er vertreibt, einstehen müßte, vcm denen er überhaupt nichts erfährt, etwa weil der Hersteller nur lokal, regional oder in bestimmten Medien wirbt. In vielen Fällen würde deshalb die Zurechnung der Herstellerwerbung zu einer Art Gefährdungshaftung führen. Letztlich liefe das auf die Feststellung hinaus, daß bereits die Eröffnung eines Einzelshandelsgeschäfts die Begründung eines gefährlichen Zustandes schaffe — eine absurde Annahme. Gleichwohl sind Versuche gemacht worden, eine derartige Zurechnung zu begründen. Trinkner hat vorgeschlagen, den Verkäufer für Werbeaussagen des Herstellers „in einer Absatzkette" einstehen zu lassen; ein Ausgleich innerhalb der Absatzkette sollte entsprechend der Ausgleichspflicht unter Gesamtschuldnern (§ 426 BGB) unter entsprechender Anwendung von § 254 BGB erfolgen. Er hat deshalb de lege ferenda eine Änderung der kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln des BGB vorgeschlagen: Um sicherzustellen, daß die Haftung gemäß § 463 BGB auch Werbung umfaßt, soll an § 459 Abs. 2 BGB ein zweiter Satz mit folgendem Wortlaut angefügt werden: „Als Zusicherung gelten auch Werbeangaben über die Beschaffenheit der Sache."22). Auf dem Boden des geltenden Rechts bewegen sich Reich/Tonner, die indes mit allzu knapper Begründung für eine Ausweitung des Sinninhalts der „zugesicherten Eigenschaften" eintreten. Ihnenzufolge habe die Werbung heute vielfach die Funktion der Einzelhändler-Beratung eingenommen. Nur wenn jedoch Beratung stattfinde, könne es typischerweise zum Zusichern von Eigenschaften kommen. Durch den Fortfall der Beratungsfunktion und die Verkümmerung des Einzelhandels zu einer bloßen Warenverteilung falle auch in entsprechendem Umfang die Möglichkeit für den Verbraucher fort, Gewährleistungsansprüche wegen fehlender zugesicherter Eigenschaften geltend zu machen 23 ): „ökonomisch sind an die Stelle der Beratung durch den Händler Verpackungsaufschriften, Prospekte oder Verkaufsschilder getreten. Diese sind mehr als bloße Kennzeichnung der Ware, vielmehr infolge ihres Funktionsersatzes für die weggefallene Händlerberatung grundsätzlich geeignet, eine zugesicherte !! ) T r i n t n e r , BB 1975,1493 (1495). Dementsprechend sollte § 463 BGB um folgende Sätze erweitert werden: „Wird die Sache im geschäftlichen Verkehr vertrieben, so hat der Verkäufer auch diejenigen Werbeangaben über die Beschaffenheit der Sache zu vertreten, die ohne sein Zutun in einer Absatzkette erfolgen. Die Glieder der Absatzkette haften für die in Satz 3 gemachten Angaben dem Käufer gegenüber als Gesamtschuldner. Für den Ausgleich unter den Gesamtschuldnern gilt § 254 entsprechend." 23 ) R e i c h / T o n n e r, JuS 1976, 576 (578); vgl. auch R e i c h , ZRP 1974, 187 (192).

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Eigenschaft zu sein" 24 ). Eine gewisse „Begradigung" wollen Reich/ Tonner nur insoweit vornehmen, als im Einzelfall eine Interessenabwägung durchgeführt werden soll. Der Gedanke der Funktionsänderung des Handels läßt sich nach den Erfahrungen der Praxis wohl nur für geringerwertige Güter durchspielen; sobald einem Kaufobjekt ein höherer Preis anhängt, pflegt auch heutzutage ein Kunde nicht auf individuelle Beratung zu verzichten. Dabei ist es leicht, dem Verkäufer eine Bestätigung der Werbeangaben und damit eine Zusicherung abzuverlangen. Selbst wenn man im übrigen dieser These mit einigen Einschränkungen zustimmen würde — eine gewisse Berechtigung mag sie bei den sogenannten Verbrauchermärkten (C & CMärkten) haben — so rechtfertigte sich daraus noch nicht die ausufernde und nicht kalkulierbare einseitige Belastung des Einzelhändlers, der selbst nicht werbend hervorgetreten ist. Die Überlegungen sollten gleichwohl Anlaß zu Ermittlungen geben, ob nicht doch im Einzelfall auf irgendeine Weise der Verkäufer „Eigeninitiative" entfaltet hat und damit tauglicher Zurechnungsadressat wurde. Gerade die Fälle zum Gebraucht- und Neuwagenhandel mögen hier die Richtung aufzeigen: Dort, wo der Händler sich mit Werbeaussagen auf konkrete einzelne Produkte bezieht (Speziessachen), indem er etwa ein entsprechendes Verkaufsschild aufstellt und auf die betreffende Ware hinweist, wird man erwägen müssen, inwieweit sich nicht der Begriff der zugesicherten Eigenschaften ausweiten läßt. Auch dann, wenn er seine Werbeaussage räumlich von dem Verkaufsobjekt trennt — etwa durch eine Zeitungsanzeige, mit der für ein bestimmtes einzelnes (gebrauchtes) Automobil geworben wird — wird zu untersuchen sein, ob die gemachten Angaben nicht Zusicherungen bedeuten können. Entsprechendes gilt bei Verpakkungsaufschriften, die auf jeder einzelnen Packung abgedruckt sind. Dies hat insbesondere Bedeutung für Angaben über die Menge des Inhalts, die nach dem Gesetz (Fertigpackungsverordnung, Eichgesetz) zwingend vorgeschrieben sind. Das oft zitierte Beispiel der unterfüllten Packung ließe sich damit durchaus lösen: Dort, wo der tatsächliche Inhalt einer Fertigpackung nicht mit den aufgedruckten Angaben übereinstimmt, kann der Verkäufer herangezogen werden. Dies nicht deshalb, weil er die Differenz im Sinn eines Verschuldens zu „vertreten" hat, vielmehr weil er nicht nur die konkrete Packung anbietet, sondern zugleich auch die dort aufgedruckte Information — durch die Bereitstellung der Ware — vermittelt. Die Annahme eines 21 ) Reich/Tonner, S. 152.

JuS 1976, 576 (579);

Reich/Tonner/Wegener,

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derartigen objektiven Leistungsversprechen mag zudem deswegen angehen, weil die Angabe auf ihre Richtigkeit relativ unproblematisch überprüft werden kann und den Händler ohne größere Schwierigkeiten befähigt, gegebenenfalls in der Absatzkette, d. h. in erster Linie beim Großhändler, Regreß zu nehmen. Eine solche Packungsaufschrift bedeutet allerdings strenggenommen auch nicht Werbung im „klassischen", sondern eher in einem erweiterten Sinn, da die dort gemachten Angaben nicht losgelöst von einer konkreten KäuferKaufobjektbeziehung an die Öffentlichkeit gerichtet sind25), sondern Formen einer individualisierten bzw. individualisierbaren Verkaufsförderung darstellen. 2. Anfechtungsrecht In den Überlegungen, bei nachgewiesenen Schutzlücken dem einzelnen Verbraucher zusätzliche rechtliche Handhaben einzuräumen, wenn er durch irreführende Werbeaussagen zum Kauf „verleitet" und dann enttäuscht wurde, sollte die Möglichkeiten des Anfechtungsrechts noch eingehender analysiert werden. So scheinen die Möglichkeiten, die § 123 BGB bietet, noch nicht ausreichend ausgelotet zu sein: Wer durch Täuschung zu einem Vertragsschluß veranlaßt wurde, kann nach § 123 BGB seine Willenserklärung anfechten, wenn der Vertragspartner selbst arglistig handelte oder er die Täuschung durch einen Dritten kannte oder kennen mußte26). Eine besondere Bedeutung dürfte dem Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB zukommen, wenn beispielsweise Fehlvorstellungen über den Wert einer Ware erzeugt werden und zum Abschluß eines Vertrages führen. Der Wert einer Sache wird allerdings von Lehre und Rechtsprechung regelmäßig nicht als eine ihrer Eigenschaften angesehen, sondern als ein außerhalb liegender Umstand; ein Irrtum über ihn oder den Marktpreis begründet hiernach keine Anfechtung des Vertrages nach § 119 Abs. 2 BGB 27 ). Anders verhält es sich hingegen mit den wertbildenden Faktoren wie etwa Stoff, Herkunft, Echtheit, Alter 28 ); sie sind ebenso „Eigenschaften" im Sinn der § 119 Abs. 2 BGB wie die übrigen in § 3 UWG ) Vgl. W e h r m a n n , Handlexikon des Werberedits, 1971, 278 „Werbung". ) Vgl. zuletzt BGH DB 1976, 2392; ferner R e i c h / T o n n e r / W e g e n e r , S. 245 f.; S a c k , Unlauterer Wettbewerb und Folgeverträge, 1974, S. 16; K r e t S c h m e r , Afp 1976, 71 (72); L o h r , DB 1976, 565; Diskussionspapier, S. 64 f.; T r i n k n e r, BB 1975, 1493 f. 27 ) L a r e n z, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 2. Aufl., S. 385; S t a u d i n g e r / C o i n g , 11. Aufl., § 119 Rdn. 29; E r m a n / W e s t e r m a n n , 4. Aufl., § 119 Anm. 10; S c h r i c k e r, RabelsZ 36 (1972), 315 (318). 28) E r m a n / W e s t e r m a n n , § 119 Anm. 10. 25 26

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aufgeführten Begriffsinhalte. Ursprung, Herstellungsart, Preisbemessung, Preislisten, Bezugsart und -quelle, Vorratsmenge sind darüber hinaus auch „verkehrswesentliche" Eigenschaften. Gerade wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung verbietet das Gesetz über sie irreführende Angaben im Geschäftsverkehr. Dem Verbraucher ist es unbenommen, bei einer Werbemaßnahme, die ihn über diese Umstände in einen Irrtum versetzt (irreführt), sein Anfechtungsrecht geltend zu machen. Unbeschränkt kann dies bis zum Übergang der Gefahr geschehen; danach scheidet die Inanspruchnahme des Vertragspartners auf diesem Weg jedoch insoweit aus, als der Irrtum einen Sachmangel i. S. des § 459 BGB betrifft 29 ). In den verbleibenden Fällen sieht sich der anfechtende Käufer zwar zunächst der Schadensersatzverpflichtung nach § 122 Abs. 1 BGB ausgesetzt. Von dieser Pflicht wird er jedoch frei, wenn der Anfechtungsgegner (Verkäufer) weiß oder infolge Fahrlässigkeit nicht weiß, d. h. wissen mußte, daß er beim Konsumenten den Irrtum erregte. Mit einer solchen Einschränkung ist dem irregeführten Käufer oft nicht gedient. Betreibt der Verkäufer selbst Werbung für ein bestimmtes Produkt und legt er dabei die Angaben zugrunde, die ihm der Hersteller zur Verfügung stellt, dann ist ein Vorwurf (i. S. des § 122 Abs. 2 BGB) oftmals nicht zu erheben. Der Einzelhändler katin nicht stets die Eigenschaften der von ihm vertriebenen Waren kennen und muß sich auf die Informationen verlassen, die er vom Hersteller erhält. Aus dem gleichen Grund kann ihm auch die Herstellerwerbung nicht vorgeworfen werden, gleichgültig, ob er von ihr Kenntnis hat oder ob er von ihr gar nichts erfährt. § 122 Abs. 2 BGB wird bei enger Textinterpretation nur die wenigen Fälle treffen, in denen ein Gewerbetreibender für Eigenerzeugnisse oder -leistungen im lokalen Bereich vorwerfbar irreführend wirbt. Zu Recht ist bereits das Reichsgericht30) einen Schritt weiter gegangen und hat die Möglichkeit aufgezeigt, den Ersatzanspruch entfallen zu lassen, wenn der Anfechtungsgegner den Irrtum verursacht hat. Er hat damit konsequent das § 122 Abs. 1 BGB zugrundeliegende Veranlassungsprinzip auf Abs. 2 erstreckt, eine nicht nur dogmatisch saubere, sondern auch billige Lösung. Sie kann übertragen werden auf solche Sachverhalte, bei denen der Verkäufer selbst werbend hervorgetreten ist: Gibt er Anzeigen auf, in denen für seine Waren geworben wird, enthalten die Inserate irreführende Angaben i. S. 2») h. M. S o e r g e l / S i e b e r t / B a l l e r s t e d t , 10. Aufl., Vor § 459 Rdn. 28; E r m a n / W e s t e r m a n n , § 119 Anm. 12. 3 °) RGZ 81, 395 (398)! vgl. auch BGH NJW 1969, 1380.

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des § 3 UWG und veranlassen einen Verbraucher zum Kauf, so kann dieser anfechten, ohne zwangsläufig Ersatz leisten zu müssen. Schaufensterdekorationen, Display-Material, das Verteilen von Werbematerial (Handzetteln, Wurfsendungen), Plakatanschlag: sobald ein Gewerbetreibender selbst tätig wird und irreführende (möglicherweise sogar vom Hersteller bewußt veranlaßte) Angaben macht, dann läuft er Gefahr, seinen Anspruch aus § 122 Abs. 1 BGB zu verlieren. Anknüpfungspunkt für das Freiwerden des Anfechtenden ist lediglich die durch den Verkäufer v e r u r s a c h t e Irrtumserregung durch seine Werbebotschaft. Einer Werbeaussage muß dabei keineswegs ein solcher Wert beigemessen werden, daß sie die Natur einer verbindlichen Willenserklärung erhält31); entscheidend ist allein die Handlung des Händlers, der mit bestimmten Äußerungen — gleichgültig, ob sie inhaltlich ausschließlich von ihm herrühren oder vom Hersteller vorgegeben sind — Einfluß auf das Publikum nehmen will (Absatzförderung) und dabei mit s e i n e n Angaben den Käufer irreführt. Schließlich ist der Händler auch den Unterlassungsansprüchen der Mitbewerber, Wirtschaftsverbände oder Verbraucherorganisationen (§§ 3, 13 Abs. 1 la UWG) ausgesetzt, wenn er irreführende Werbeangaben macht, ohne daß es auf die geistige Autorenschaft dieser Angaben ankommt. Die latente Haftungslage besteht also immer dann, wenn der Händler selbst als Werbungtreibender in Erscheinung tritt; er geht mit seinem Versuch der Käuferbeeinflussung das Risiko des „sich-Vergreifens" bei werblichen Aussagen und damit auch das wirtschaftliche Risiko einer entschädigungslosen Vertragsauflösung ein. 3. Schadenersatz aus culpa in contrahendo (c. i. c.) Die c. i. c. beruht auf dem Vertrauensprinzip: Im Rechtsverkehr besteht die Pflicht gegenseitiger Rücksichtnahme. Schuldhafte Verletzungen von Schutz-, Verkehrssicherungs-, Sorgfalts-, Mitteilungsund Aufklärungspflichten 32 ) ziehen Ersatzansprüche desjenigen nach sich, der sich im Vertrauen auf die Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit dem — potentiellen — Vertragspartner befaßt. Das Vertrauensprinzip greift indes nur ein, wenn sich schädigende Handlungen in der vorvertraglichen Sphäre ereignen, jedoch erst nach der Kontaktaufnahme zwischen den Kontrahenten. Es muß eine wie auch immer geartete Berührung bereits stattgefunden ha«) Vgl. D i e d e r i c h s e n , Die Haftung des Warenherstellers, 1967, S. 173. 32 ) Vgl. BGH NJW 1962, 31; BGH NJW 1967, 1805.

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ben, um die Rechtsfolgen der culpa in contrahendo zu bedingen. Dabei reicht es aus, wenn dieses Verhältnis nur sehr schwach ausgeformt ist, wenn ein „sozialer Kontakt" 33 ) geschaffen wurde. Nicht jedoch genügt die A n b a h n u n g des „sozialen Kontakts": In einem derartigen Fall würde eine noch weitere Vorverlagerung quasi-vertraglidier Schutzpflichten erfolgen, die vom geltenden zivilrechtlichen Haftungssystem nicht mehr gedeckt würde. Deshalb ist es zwar möglich, davon zu sprechen, daß durch Werbeaussagen, durch werbliche Maßnahmen jeglicher Art ein „sozialer Kontakt" eingeleitet, nicht jedoch, daß er hierdurch bereits hergestellt wird. Infolgedessen können irreführende Werbemaßnahmen, die typischerweise im Bereich der vorvertraglichen Beziehungen zwischen den künftigen Vertragspartnern angelegt sind, in das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo nicht eingelagert werden 34 ). 4. Deliktisdie Ansprüche § 823 Abs. 1 BGB (Schadenersatz in Gestalt einer Vertragsauflösung mit Rückabwicklung) wird bei irreführenden Werbeangaben, die möglicherweise ursächlich für einen Verbraucherschaden wurden, nicht eingreifen, weil grundsätzlich kein durch diese Bestimmung geschütztes absolutes Recht verletzt wird. Das Vermögen erfährt nämlich durch sie keinen Deliktsschutz, und eine Persönlichkeitsverletzung, an die hier allenfalls zu denken wäre, liegt wegen der rein kommerziellen Ausrichtung nicht vor 35 ). Eingehende Stellungnahmen erfolgten indes zu der Frage, ob § 823 Abs. 2 BGB nicht dem Verbraucher die gewünschten Rechte vermitteln könnte; dabei dominierte die Problematik, ob § 3 UWG als Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommen könnte. Nach dem insoweit negativen Prüfzeichen-Urteil des Bundesgerichtshofs38), das in der Literatur wegen seiner in manchen Punkten nicht ganz überzeugenden Begründung mancherlei Anfeindungen erfahren hat 37 ), scheint es indes angebracht, bis zu einer eventuellen Entscheidung des Gesetzgebers von der „normativen Kraft des Faktischen" auszugehen. Mag die Kritik teilweise ihre Berechtigung haben, so Vgl. S a c k , Unlauterer Wettbewerb, S. 24 ff. ) T r i n k n e r , BB 1975, 1493 (1494), prüft zudem noch Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung. »5) Vgl. zur Unterscheidung W r o n k a , WRP 1974, 187 (188 f.); d e r s . , WRP 1975, 333 (334). 3«) BB 1974, 998 = N J W 1974, 1503 = GRUR 1975, 150. »'} Vgl. S a c k , BB 1974, 1369 ff.; d e r s . N J W 1975, 1303 ff.; S c h r i c k e r , GRUR 1975, 111 ff.; vgl. auch F r i c k e, GRUR 1976, 680 (683), L i n d a c h e r , BB 1975, 1311 (1312). 31

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nutzt es dem durch eine irreführende Werbung geschädigten Konsumenten wenig, daß ihm in theoretischen Erörterungen zwar Recht gegeben, die Durchsetzung von Ansprüchen aber von Gerichts wegen versagt wird 38 ). Näherliegend ist es, auf § 826 BGB zu verweisen. Einzelnen Formen der Werbung — Auswüchse lassen sich auch beim schärfsten Werberecht und bei striktester Beobachtung durch staatliche oder private Organisationen nicht vermeiden — können bisweilen sittenwidrige Handlungen gemäß § 826 BGB bedeuten 39 ). Allerdings ist zu beachten, daß irreführende Werbeangaben im Sinn des § 3 UWG grundsätzlich nicht als sittenwidrig zu kennzeichnen sind40), so daß nur für solche Werbemaßnahmen, die unter § 1 UWG zu subsumieren sind, § 826 BGB geöffnet werden kann. Auf Grund der „Einheit der Rechtsordnung" 41 ) ist zu folgern, daß das, was nach § 1 UWG sittenwidrig ist, auch nach § 826 BGB als sittenwidrig zu bewerten ist. Auszugehen ist von der Identität der Tatbestandsmerkmale „sittenwidrig" in § 1 UWG und § 826 BGB, wobei nicht begriffsjuristisch zu argumentieren 42 ) ist, sondern „wertungsjuristisch aus der durch die Einheit der Rechtsmoral gebotenen Einheit der sittlichen Wertung auf die Einheit der Begriffe" geschlossen werden muß43). Der Anspruch greift nur bei Vorsatz ein, was im Regelfall jedoch ausreicht. Hält man sich die von Schricker angeführten Fälle unlauterer Werbung vor Augen, die unter § 1 UWG einzuordnen sind — unsachliches Anlocken und psychologischer Kaufzwang —, so ist auszuschließen, daß diese Handlungen fahrlässig geschehen. „Anlocken" und „psychologischer Zwang" werden regelmäßig geplant und ereignen sich nicht zufällig oder vom Anwender unbedacht. Wird aber in solchen Fällen die Werbemaßnahme vorsätzlich betrieben, so erstreckt sich der Vorsatz auch auf die Schädigungshandlung des § 82644). Es sollte nicht verkannt werden, daß § 826 BGB dem einzelnen Verbraucher durchaus wirksame Rechtsgrundlagen anhand gegen kann, 38

) T r i n k n e r , BB 1975, 1493 (1495). ») S a c k , N J W 1975, 1303 (1304 f.) R e b e , Verbraucherschutz, in: Kritik-Recht im sozialen Rechtsstaat, 1973, S. 74. 40 ) B a u m b a c h / H e f e r m e h l , 11. Aufl., Einl. UWG Rdn. 118. 41 ) So der Titel einer grundlegenden Schrift von E n g i s c h aus dem Jahr 1935. 42 ) Daß „Sittenwidrigkeit" im gesamten Recht auf Grund begriffsjuristischer Gleichsetzung dasselbe bedeutet, wird allgemein abgelehnt, vgl. S c h r i c k e r , GRUR 1974, 579 (580 Fußn. 8). 43 ) S a c k , N J W 1975, 1303 (1304) und Unlauterer Wettbewerb, S. 33 ff. hat dies im einzelnen dargelegt. 44 ) S a c k , Unlauterer Wettbewerb, S. 33. 3

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mit der im Einzelfall Ersatz für eventuelle Schäden zu erlangen vermag, wobei der Ersatzanspruch eben gerade die Freistellung von eingegangenen Vertragspflichten zum Inhalt haben kann. 5. Kausalität Unabhängig von der dogmatischen Fragestellung, auf welche Weise dem Käufer die Möglichkeit verschafft wird, einen Wandlungs-, Minderungs- oder Schadenersatzanspruch durchzusetzen, steht das Problem im Raum, den Kausalitätsnachweis zu erbringen: Die irreführende Werbeaussage muß ursächlich für den Kaufentscheid gewesen sein. Der Konsument läßt sich bei seiner Entscheidung keineswegs selten, wenn nicht gar im Regelfall, von einem Bündel an Vorstellungen, Erwartungen und Wünschen leiten, die nicht voneinander zu trennen sind. Zudem wird gerade für Markenartikel in zahlreichen Medien und mit unterschiedlichen Werbeaussagen geworben: Sofern sie sich überlappen, läßt sich wohl nie einwandfrei feststellen, von welcher Werbeaussage in welchem Medium der Käufer maßgeblich zu seiner Entscheidung geführt wurde 45 ). Wollte man davon absehen, einen solchen Kausalitätsnachweis vom Käufer zu verlangen, so führte das ihm zuzubilligende Recht letztlich zu einer Art Reurecht, wie es etwa — allerdings nicht zu Unrecht — im Widerrufsrecht beim Abzahlungsgeschäft begründet wurde und auf die Haustürgeschäfte erweitert werden soll. Die Behauptung, ein Kaufentschluß gründe auf einer irreführenden Werbung, eignet sich zur wirksamen Tarnung ganz anders gelagerter Motive der Kaufreue 46 ). 6. Auswirkungen auf Handel und Verbraucher Zeigte die Übersicht, daß dem Verbraucher mehrere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, im Fall einer durch irreführende Werbung fehlgeleiteten Kaufentscheidung vorzugehen, so soll damit keineswegs abgestritten werden, daß noch Schutzlücken bestehen können. Es ist jedoch angebracht, die angekündigten Forschungsergebnisse abzuwarten, ehe man sich an eine Lückenausfüllung begibt. Besonders sorgsam wird man die wirtschaftspolitischen Konsequenzen bedenken müssen, die daraus resultieren, daß der Handel für fremde Werbung haften soll. Will sich der Einzelhändler, der aus Gründen der Gerechtigkeit nicht auf seinem Schaden sitzen bleiben dürfte, die Rückgriffsmöglichkeit gegenüber seinem Vorlieferanten bewahren, dann stellt sich « ) W r o n k a , WRP 1975, 561 (565); d e r s . , MA 1976, 41 (45). 46) L o h r , DB 1976, 565.

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die Frage, ob er sich bei der Fragwürdigkeit einer Werbeaussage immer auf einen Prozeß einlassen und gegebenenfalls bis in die letzte Instanz gehen muß. Ein erstinstanzliches Urteil könnte unter Umständen dazu führen, daß sich der Großhändler bei der Abwicklung sträubt, weil seiner Ansicht nach keine irreführende Werbeaussage gemacht wurde. Dies würde er vielleicht etwa dann tun, wenn beispielsweise von einem anderen Instanzgericht die betreffende Werbeaussage als nicht irreführend eingestuft wurde. Die Auseinandersetzung mit dem Vorlieferanten führte zu höchst unerfreulichen Auseinandersetzungen und Störungen des Geschäftsablaufs. Die Übernahme des Prozeßrisikos dürfte dabei nur ein weiteres Moment sein, auf das man Bedacht nehmen sollte 47 ). Schließlich darf nicht übersehen werden, daß jegliche Rechtsänderung auf diesem Gebiet, die zugunsten des Verbrauchers eingeführt wird, auch eine Belastung für diesen mit sich bringt. Im Wirtschaftsbereich wird man nach Auswegen suchen, um die entstehenden wirtschaftlichen Risiken abzusichern. Ausgleichsfonds oder Versicherungsprämien schlagen sich zwangsläufig auf die Verbraucherpreise nieder. Der Verbraucher bezahlt also seinen Schutz im Ergebnis selbst. III. Kollektiver Schadenersatzanspruch Die Einräumung einer Klagemöglichkeit für Verbände, Schäden von Verbrauchern geltend zu machen, die diese infolge irreführender Werbemaßnahmen erlitten haben, setzt als Prämisse, daß die Verbraucher erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. „Die durch irreführende Werbung beeinträchtigte Markt- und Produktübersicht kostet die Verbraucher Jahr für Jahr Milliarden-Summen, zum Teil, ohne daß ihnen das bewußt wird" 48 ). Mit einer solchen „Feststellung" wird, gelinde gesagt, Stimmungsmache betrieben. Bislang existiert kein Forschungsergebnis, das die These von „volkswirtschaftlich erheblichen Schäden" durch irreführende Wettbewerbsmaßnahmen rechtfertigte. Es ist nicht eine Umfrage zur Höhe der Verbraucherschäden, die infolge unlauterer oder irreführender Werbeaktionen aufgetreten wären, angestellt worden, vielmehr „behilft" man sich mit willkürlichen Ableitungen der Schadensquoten aus dem Mitteleinsatz der Haushalte4»). « ) K r e t s c h m e r , AfP 1976, 71 (72); ausführlich T r e s c h e r , BB 1976, 523 (524 ff.). 48 ) Irreführende Werbung kostet die Verbraucher Milliarden, in: „Verbraucher politische korrespondenz" Nr. 12/1975 (vom 25. März 1975). 4») M e r t e n s , ZHR 1975, S. 438 (439). Aus dem kritischen Schrifttum vgl. Lohr, DB 1976, 565 (566 f.); K r e t s c h m e r , AfP 1976, 71 f.; W r o n k a , WRP 1975,

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Die Einrichtung eines Kollektivanspruchs unter Ubergehung des einzelnen Verbrauchers wird mit der Begründung gerechtfertigt, daß der einzelne sich zur Geltendmachung eines Individual-Anspruchs nicht entschließen würde, da der Schaden für ihn zu gering sei. Die Kommission verspricht sich von dem Kollektivanspruch eine Stärkung der Effektivität von Verbraucherverbänden und eine Zunahme der Einzelmitgliedschaft. Daneben steht jedoch das Konzept, daß die Verbände allenfalls von einer bestimmten Höhe an erstrittene Geldbeträge an die Mitglieder auskehren, im übrigen jedoch die Mittel beim Verband verbleiben sollten. Man fragt sich, wie sich derartige Vorstellungen miteinander vereinbaren lassen. Welcher Verbraucher wird sich zu einer — mit Kosten verbundenen — Mitgliedschaft in einer Verbraucherinstitution gerade deswegen bereit erklären können, weil diese Organisation möglicherweise Schadenersatzklagen durchführt, von denen allenfalls die Organisation selbst, nicht jedoch das einzelne Mitglied etwas hat? Wenn der Verbraucherbeirat seine Vorstellungen präzisiert, daß „eine verfahrensmäßig vereinfachte, pauschalierte Schadensliquidation durch die Verbände als Mittel der Verbandsfinanzierung" eingesetzt werden solle, dann wird schwerlich ein Verbraucher bereit sein, allein zur Stärkung der Verbände seinen Beitritt zu erklären; vor allem wird es dann fraglich sein, wenn er dadurch etwa noch eigener, individueller Ansprüche verlustig gehen sollte. Es scheint, als ob man eine falsche Vokabel gewählt hätte: Es geht nicht um die Verbesserung der Stellung des Verbrauchers, sondern um die Verbesserung der Position ihrer Verbände. Das Abschöpfen ungerechtfertigter Untemehmergewinne zum eigenen Vorteil bedeutet nicht nur ein Ignorieren des individuellen Verbraucherwillens, sondern überdies noch die Einrichtung pönaler Sanktionsgewalt für Verbraucherorganisationen. Die Hinzuziehung der Verbraucherverbände als „beliehener Unternehmer", die sich im Wege der Selbsthilfe die für ihre Verbandszwecke erforderlichen Mittel selbst beschafften, verkörperte eine Delegation von Kontrollbefugnissen, die angesichts der derzeitigen Verfassung der Verbraucherverbände höchst fragwürdig ist50). Nicht nur, daß die Gefahr besteht, daß die Verbraucherverbände auf Grund der ihnen zuwachsenden Macht willkürlich und eigenherrlich in das Marktgeschehen eingreifen und sich dort störend profilieren, auch auf Grund ihres ausgeprägten 361 ff.; d e r s . , MA 1976, 41 (46 f.); S t e p p e i e r , Sparkasse 1976, S. 21 (25 f.); N i c k e l , Paragraphen contra Kreativität, manager magazin 4/1976; D i t t m a n n , Eine Sozialisierung des Sdiadenersatzrechts?, HB vom 10. Dez. 1975. 60 ) Vgl. z. B. B r i n k m a n n , Die Verbraucherorganisation in der Bundesrepublik Deutschland und ihre Tätigkeit bei der überbetrieblichen Normung, 1976, S. 7 ff. (betr. AGV); S i m i t i s , Verbraucherschutz — Schlagwort oder Rechtsprinzip, 1976, S. 211 ff.

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Konkurrenzdenkens und ihrer Abhängigkeit von politischen Instanzen51) scheint die Einrichtung eines derartigen kollektiven Anspruchs nicht akzeptabel. So ist beispielsweise in der vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen „Metaenquete über die Entwicklung der den Verbraucher dienenden Institutionen" der METAPLANGesellschaft vom Februar 1975 nachzulesen: „Die Verbraucherinstitutionen sind miteinander verknäuelt. Sie entstammen unterschiedlichen Ursprüngen; sie verfolgen im Prinzip dieselben Ziele. Sie verhalten sich aber wie die Mitglieder einer verfehdeten Familie: Intern achten sie peinlich darauf, ihre spezifischen Eigenheiten zu betonen und sich von anderen zu distanzieren; nach außen versuchen sie, einheitlich aufzutreten" 52 ). Sicherlich ist das im Entwurf der Bundesregierung zu einer „Konzeption für die Verbraucherinformation und -beratung" vom Juli 1975 niedergelegte Bemühen zu begrüßen, die Verbraucherorganisatiionen zu ordnen und zu festigen, damit sie ihren sozialen Funktionen gerecht werden können. Die Sicherstellung dieses Ziels erscheint aber auch als eine der wesentlichen Voraussetzungen überhaupt für die weiteren Überlegungen, ob den Verbraucherorganisationen zusätzlich Rechte irgendwelcher Art zugestanden werden sollen 53 ). Bei der Ermittlung der Schadenshöhe, die Grundlage für einen eventuellen zu schaffenden kollektiven Schadenersatzanspruch bilden soll, treten erste, im Jetztzeitpunkt noch unauflösbare Schwierigkeiten auf. Die Kommission hatte vorgeschlagen, Differenzschäden anhand eines hypothetischen Marktwertes zu ermitteln. Inwieweit dies angesichts der inzwischen aufgehobenen Preisbindung überhaupt möglich ist, erscheint sehr fraglich. In dem Organ der Stiftung Warentest, der Zeitschrift „test", werden die unterschiedlichen Preisgestaltungen im Einzelhandel — an ihn wird wohl in erster Linie bei der Verbraucherschädigung gedacht — sehr deutlich vorgeführt. Preisabweichungen von 50 bis 60% sind demzufolge keine Seltenheit. Inwieweit man den hypothetischen Marktwert noch weiter „hochrechnet", indem man sich mit der Ermittlung eines „durchschnittlichen Marktpreises" oder sogenannten „Medianwertes" abmüht, ist nicht geklärt worden 54 ). Zu bedenken ist der Fall, daß einem bestimmten Produkt auf irreführende Weise eine Eigenschaft beigelegt wird, die auch kein son51 ) H e m m e r , Verbraudiersdiutz — eine kritische Bestandsaufnahme (Heft 30 der Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik des Instituts der deutschen Wirtschaft), 1976, S. 53. 52 ) aaO., S. 4. 53) Ebenso F r i c k e, GRUR 1976, 680 (688). 54) W r o n k a , WRP 1975, 561 (565).

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stiges sich auf dem Markt befindliches Konkurrenzprodukt derselben Preislage besitzt — möglicherweise deshalb, weil der Stand der technischen Entwicklung objektiv eine solche Qualität (noch) nicht zuläßt, z. B. der „geräuschlose Heizlüfter". Es fehlt in einem solchen Fall an einer wesentlichen Voraussetzung für die Bewertung, nämlich der Vergleichbarkeit; eine Schadensermittlung wird so unmöglich. Bei den Überlegungen zu diesem rechtspolitischen Problem wurde offenbar auch das Verkäuferverhalten nicht ausreichend gewürdigt. Um irgendwelche Schadensdifferenzen ermitteln zu können, wäre es zumindest erforderlich, daß die Käufer den Preis nennen könnten, zu dem sie bestimmte Produkte erworben haben. Eine Untersuchung hat indes ergeben, daß es mit dieser „Erinnerungsfähigkeit" nicht zum besten bestellt ist. So wurden im Auftrag der „LebensmittelZeitung" von einem Hamburger Marktforschungsinstitut 750 Hausfrauen, die in zwei Supermärkten und zwei Verbrauchermärkten in einer westfälischen Stadt gerade ihre Einkaufskörbe gefüllt hatten, nach den Preisen von jeweils 8 bekannten Markenartikeln befragt. Nur 13% der Käuferinnen hatten den richtigen Preis (bis auf 3 Pfennig genau) im Kopf. Die Fehleinschätzungen lagen durchschnittlich 20% vom tatsächlichen Preis entfernt, wobei überwiegend eher zu niedrige als zu hohe Preise in der Erinnerung haften blieben 55 ). Eine Schadensberechnung erscheint dann nicht möglich, wenn Werbeangaben verwandt werden, die sich nicht unmittelbar auf die Beschaffenheit oder den Preis des Produkts beziehen, sondern auf solche Umstände, die mit Qualität und Quantität der Ware nichts zu tun haben. So entsteht dem Verbraucher wohl kaum ein Schaden, wenn ein Unternehmen, das sich irreführend als „Großhandel" bezeichnet — Täuschung „über sonstige geschäftliche Verhältnisse" im Sinn des § 3 UWG — tatsächlich zu echten Großhandelspreisen oder gar darunter die Waren verkauft 56 ). Entsprechendes ist für Werbeaussagen anzunehmen, die eine subjektive Färbung aufweisen. Das Hinweisen auf den Genußcharakter (Süßigkeiten), auf entspannende Wirkungen und Erhöhung der Lebensfreude (Bücher, Schallplatten) oder gefühlansprechende Wirkungen (Blumen, Schmuck) erscheint im Sinn einer objektiven Sdiadensermittlung nicht greifbar. Für eine Schadenberechnung eignen sich nicht Umsatz und Gewinn des Werbungtreibenden, da mit ausreichender Gewißheit und Eindeutigkeit nicht gesagt werden kann, ob der dem Wettbewerbs55 56

) Vgl. „test" Nr. 3/1976, S. 125. ) Vgl. BGH GRUR 1968, 595 (598).

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verletzer zugeflossene Vorteil auf Kosten der Verbraucher oder auf Kosten der Mitbewerber zustandegekommen ist57). Es sind zudem Fälle denkbar, daß der einzelne Verbraucher infolge seiner Entscheidung, beim Wettbewerbsverletzer zu kaufen, günstiger gestellt wurde, als wenn er sich ein Erzeugnis des Mitbewerbers angeschafft hätte. Das wettbewerbswidrige Hinüberziehen eines Käufermarktes wirkt sich insoweit lediglich infolge der Wettbewerbsverzerrung bei den Konkurrenten aus. Die Schwierigkeiten gehen weiter: Neben der Erfassung des Schadens müßte noch der Kausalzusammenhang zwischen der irreführenden Werbemaßnahme und dem eingetretenen Schaden festgestellt werden. Wie dies auf praktikable Weise mit Hilfe von demoskopischen und statistischen Erhebungen — wie von der Kommission vorgeschlagen — erreicht werden kann, ist nicht ganz erkennbar. Das betrifft nicht nur die Festsetzung der Quote derjenigen Verbraucher, die angeben, durch eine bestimmte irreführende Werbemaßnahme geschädigt worden zu sein: kaum zu lösen wäre auch der Fall, wenn sich im Hinblick auf ein beworbenes Produkt mehrere Werbemaßnahmen in verschiedenen Formen (Medien) mit unterschiedlichen Aussagen überschneiden. Ist aus diesem Spektrum nur eine Maßnahme anfechtbar, vermochten aber alle oder mehrere von ihnen auf den Verbraucher Einfluß zu nehmen, so ist die Ermittlung kaum möglich, inwieweit seine Konsumentscheidung gerade auf die unlautere Maßnahme zurückzuführen ist. Ungelöst bleibt das Problem, wie man bei der Vielzahl der Verbraucherverbände und Institutionen, die parallel oder sukzessiv klagen würden, eine gerechte Schadenersatzzuteilung erreichen könnte. Schließlich wäre in rechtspolitischer Hinsicht die Einführung einer kollektiven Schadenersatzklage unerquicklich. Im Marktgeschehen würde sich die latente Haftungslage der Werbungtreibenden in nicht wenigen Beziehungen nachteilig auswirken. Sie hätten sicherlich nicht nur keine Scheu, ihr Risiko über den Produktpreis auf den Verbraucher abzuwälzen, zu befürchten wäre auch, daß die Einführung einer Schadenersatzklage das Unterlassungsverfahren umständlicher und komplizierter werden ließe. Es müßte einkalkuliert werden, daß ein beklagter Werbungtreibender zum Nachgeben weniger bereit wäre, weil er seinen Rechtsstandpunkt bereits im Unterlassungsverfahren „auszureizen" versuchte, um den Boden für eine drohende Schadenersatzklage zu präparieren. Wenn man bedenkt, wie erfolgreich bereits vorprozessuale Unterlassungsbegehren von Einzelunternehmen, ") W r o n k a , WRP 1975, S. 561 (565)j F r i c k e , GRUR 1976, 680 (689).

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von Wirtsdiafts- und Verbraucherverbänden sind 5 8 ) dann ist ernsthaft zu fragen, ob mit Schadenersatzklagen über eine Kompensierung derartiger Nachteile hinaus eine wirkliche Besserstellung der Verbraucher insgesamt eintreten wird. Dabei m a g noch offenbleiben, inwieweit nicht die Werbungtreibenden Risiken dadurch ausschalten, daß sie sich auf eine Verallgemeinerung ihrer W e r b e a n g a b e n zurückziehen. Im Zweifel entscheidet sich der Hersteller oder der werbungtreibende Einzelhändler für eine blasse, wenig inhaltsreiche A u s s a g e , die zu einer besseren Information d e s Verbrauchers nicht beiträgt — eine wenig erwünschte Konsequenz, die aber durchaus aus Gründen des „Selbstschutzes" verständlich wäre.

Resümee Unter dem Motto „Verbraucherschutz" ist in der Bundesrepublik Deutschland eine breit aufgefächerte Diskussion um die Reform des Werberechts angelaufen. Politische Parteien, Gewerkschaften, Verbraucherorganisationen und Wissenschaft sind um eine Verbesserung der Rechtsposition des einzelnen Verbrauchers gegenüber irreführender Werbung bemüht. Als entscheidendes Manko empfindet man dabei das Fehlen empirischer Forschungsergebnisse: Art und Umfang etwaiger Verbraucher schaden sind noch weitgehend unbekannt, so daß die Vorschläge zu Gesetzesänderungen im Bereich der Spekulation verharren. Es gilt den Gefahren voreiliger Reformen vorzubeugen, die möglicherweise dem Verbraucher letztlich nichts nutzen, den Wettbewerbsmarkt aber empfindlich zu stören vermögen. Im Zivilrecht erweisen sich die Konzepte für ein Vertragslösungsrecht zugunsten des einzelnen auch dann, wenn Werbungtreibender und Vertragspartner auseinander fallen sowie für einen kollektiven Schadenersatzanspruch zugunsten von Verbraucherverbänden als wenig sachgerecht. Stattdessen empfiehlt sich eine stärkere Beschäftigung mit den zahlreichen Rechtsbehelfen, die dem Verbraucher im Fall einer durch irreführende Werbung erfolgten Schädigung zur Verfügung stehen.

Résumé Sous la devise „protection des consommateurs' une discussion très diversifiée s'est engagée dans la République fédérale d'Allemagne, concernant la réforme du droit de la publicité. Les partis 58

) Vgl. S c h r i c k e r , GRUR Int. 1973, 694 (699).

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Wronka: Werbereditsreform und Verbraucherschutz

politiques, les syndicats, les organisations de consommateurs et la doctrine s'eiforcent d'améliorer la position juridique du consommateur particulier face à la publicité trompeuse. On ressent ici comme une lacune de première importance l'absence de données résultant d'une recherche empirique. La nature et la portée éventuelle des dommages subis par les consommateurs sont encore largement inconnues de sorte que les propositions de moditications de la loi restent du domaine de la spéculation. 11 convient d'éviter les dangers découlant de réformes précipitées qui éventuellement ne serviront de rien au consommateur mais sont susceptibles de troubler de façon sensible le marché sur lequel s'exerce la concurrence. En droit civil les concepts paraissent peu adaptés à la matière pour un droit de résolution du contrat au profit du particulier, également lorsque l'annonceur et le partenaire contractuel sont distincts, de même que pour un droit collectif de réclamer des dommages et intérêts au profit des syndicats de consommateurs. Au lieu de cela il est recommandable de se pencher davantage sur les nombreux moyens de droit qui sont à la disposition du consommateur en cas de dommages résultant d'une publicité trompeuse. Fr. U.

Summary Under the motto of „consumer protection" broad discussions are taking place in the Federal Republic of Germany concerning the reformation of the law of advertising. Political parties, trade unions, consumer associations and scholars endeavour to improve the legal position of the individual consumer as concerns misleading advertising. The lack of empirical research results is being felt as a crucial deficiency. The character and extent of eventual damages to consumers are still largely unknown, so that the proposals for a law reform remain speculative. Premature reforms are to be prevented. In the end, premature reforms would probably be of no real value to the consumer, but could seriously disturb a market based on competition. The civil law concepts providing for a right of dissolution of a contract for the individual even if the advertiser and the other contracting party are not identical or which provide for a collective claim for damages by consumer associations are hardly appropriate. Instead, a more intense occupation with the numerous legal remedies, which are at the consumer's disposal in cases of damage caused by misleading advertising, should be recommended. v. W.