Ius Humanitatis: Festschrift zum 90. Geburtstag von Alfred Verdross [1 ed.] 9783428445936, 9783428045938

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Ius Humanitatis: Festschrift zum 90. Geburtstag von Alfred Verdross [1 ed.]
 9783428445936, 9783428045938

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IUS HUMANITATIS Festschrift für Alfred Verdross

IUS HUMANITATIS Festschrift zum 90. Geburtstag von Alfred Verdross

herausgegeben von Herbert Miehsler, Erhard Mock Bruno Simma, llmar Tammelo

DUNCKER

&

HUMBLOT · BERLIN

Redaktion: Dorothea Mayer-Maly

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Obersetzung, für sämtliche Belträge vorbehalten @ 1980 Duncker & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1980 bei Derliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlln 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04593 9

ZUM GELEIT

Alfred Verdross ist ein Neunziger. Er hat seine wissenschaftliche Arbeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg begonnen und ist heute, über 65 Jahre später, ein ebenso fruchtbarer wie klarer Autor. Das Geheimnis der Ausstrahlungskraft unseres Jubilars liegt jedoch in seiner tiefen Menschlichkeit, die auf Dialog und niclJ.t auf polemische Auseinandersetzung gestimmt ist. Dieser Eigenschaft - oder Gnade? verdankt Verdross sicher einen guten Teil seiner wissenschaftlichen Anerkennung in aller Welt. Denn auf schroffe einseitige Positionen setzt er nicht ebenso kantige und übersteigerte Gegenäußerungen, sondern er beginnt mit der Analyse des oder der Opponenten und weist in Kritik und Antikritik, eben dialogisch, auf eine höhere Ebene des in Streit verfangenen Problems. Dieser dialogischen Natur von Alfred Verdross hat die Völkerrechtswissenschaft Entscheidendes zu verdanken. Der Jubilar hat in einem jahrzehntelangen Zwiegespräch mit den Hauptvertretern des Rechtspositivismus die Einheit des rechtlichen Weltbildes wiederentdeckt und das Konzept einer Verfassung der universellen Völkerrechtsgemeinschaft mit Inhalt erfüllt. Seine Gedanken haben auch die Staatenpraxis wie die moderne völkerrechtliche Kodifikationsbewegung nachhaltig beeinflußt. Als einer der letzten großen Generalisten seines Faches stellt Alfred Verdross immer zuerst die philosophische Frage nach dem Menschen, seiner Natur. Der Ertrag ist eine von statischen Einseitigkeiten befreite Naturrechtslehre, mit der uns der Jubilar zeigt, wie Wandelbares und Unwandelbares in der Natur des Menschen ein dynamisches Rechtsdenken bedingen, um sowohl den Einzelnen als auch die ihn bergenden GemeinsclJ.aften bis zur Völkerrechtsgemeinschaft hin zur Entfaltung zu bringen. Die dialogische Natur von Alfred Verdross, die der Intention seines Schaffens das Ringen um ein humanes Recht aufgab, ist es aber auch,

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Zum Geleit

die ihn als einen gütigen, aufgeschlossenen und hilfsbereiten Menschen auszeichnet. Vor allem der wissenschaftliche Nachwuchs durfte und darf diese Eigenschaften erfahren. Es ist daher kein Zufall, wenn mehrere Wissenschaftergenerationen in dieser Festschrift vertreten sind, die unserem Jubilar zum glücklichen neunzigsten Geburtstag dargebracht wird. Schüler und Freunde

INHALT

I. Leben und Werk von Alfred Verdross Ludwig Adamovich Alfred Verdross- ein Lebensbild

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Erhard Mock Die Erschließung d'61" matlertiiaJ.en RechtsphiLosophie dl.llrCh. Alfred Verdross . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bruno Siroma Der Beitrag von Alfred Verdross zur Entwicklung der Völkerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

D. Rechtsphilosophie Thomas Cornides Die Rechtspflicht, Unrecht zu ertragen

57

Michael W. Fischer Aufklärung? Zum Praxisgehalt eines politischen Zielbegriffes

67

Raimund Jakob Naturrecht oder Kulturrecht?

77

Heribert Franz Köck Der erste Staatszweck in einer pluralistischen Gesellschaft

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Friedrich Lachmayer Mythos und Staatsbewußtsein ...................................... 115 Gerhard Luf Zur Problematik des Wertbegriffes in der Rechtsphilosophie . . . . . . . . 127 Theo Mayer-Maly Error iuris ......................................................... 147

VIII

Inhalt

J ohannes Messner Wellt- und HeiJLshistorilsches in der Evolution des sitlllich-rechrtlLichen Bewußtseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Johann Mokre Positivität und Ethik . .. . . . .. . .. . .. .. . .. . . .. .. .. . . .. . . . .. . . . . . .. .. . 181 Herbert Schamheck Die Verfassung Spaniens 1978 ................................. . .... 187 Wolfgang Schild .. \)bjekt~v" und "Subjektiv" in der strafrechtswissenschaftlichen Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Helmut Schreiner i\nthropologie-- Ethik-- lConsens ................................. 235 Rudolf Stranzinger Recht und Moral: ihre Unterschiede und Zusammenhänge .......... 247 Ilmar Tammelo Über die Zeitdimension der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Ivanhoe Tebaldeschi Die Naturrechtslehre von i\ntonio Rosmini .......................... 273 Wolfgang Waldstein Ist das "Suum cuique" eine Leerformel? ............................ 285 Ota Weinherger über schwache Naturrechtslehren ................................... 321

m. Viilkerrecht Wabe H. Balekjian Die Relevanz des Europarechts für die Weiterentwicklung des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Felix Ermacora über die völkerrechtliche Verantwortlichkeit für Menschenrechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Peter Fischer Bemerkungen zur Lehre von i\lfred Verdross über den "quasi-völkerrechtlichen" Vertrag im Lichte der neuesten Entwicklung .......... 379

Inhalt

IX

Hans-Ernst Folz Die unmittelbaren Rechte der Staaten .............................. 403 Kurt Herndl Zur Problematik der Gerichtsbarkeit über fremde Staaten . . . . . . . . . . 421 Friedrich August Freiherr von der Heydte Großmächte und Staatenverbindungen in dem sich wandelnden Völkerrecht unserer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Waldemar Hummer Das "institutionelle Gleichgewicht" als Strukturdeterminante der europäischen Gemeinschaften ........................................... 459 Gerd Kaminski Neue Tendenzen der chinesischen Haltung zur Intervention ........ 487 Erich Kussbach Die Rechtsstellung nationaler Befreiungsbewegungen im humanitären Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Winfried Lang Haftung und Verantwortlichkeit im internationalen Umweltschutz .. 517 Franz Matscher Überlegungen über die Einführung der "lnterpretationsintervention" im Verflabren vor dem Eu:ropäi,schen Gerichtshof für MenschMirechte 533 Herbert Miehsler The European Social Charter and the Civil Servants' Right to Strike: The German Case . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 Hanspeter Neuhold Die Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen den Staaten: moralisches Postulat oder völkerrechtliche Norm? .............................. 575 James V. Rocca Superior Orders as a Qualified Defense in International Law . . . . . . . . 607 Manfred Rotter Art. 36 Abs. 2 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes . . . . . . . . 631 Ignaz Seidl-Hohenveldern Modernes Völkerrecht und der Schutz ausländischen Eigentums . . . . 653 Henn Jüri Uibopuu International Law and Municipal Law in Soviet Doctrine and Practice ................................................................ 661

X

Inhalt

Stephan Verosta Zur Anwendung der Regel "Volenti non fit injuria" im Völkerrecht .. 689 Franz Zehetner Beweislastprobleme im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umweltschutzes .................................. 701 Karl Zemanek Die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge .... 719

IV. Bibliographie und Mitarbeiterverzeichnis

Helene Scheuba Verzeichnis der wissenschaftlichen Veröffentlichungen .............. 741 Verzeichnis der Herausgeber und Mitarbeiter ................ . ......... 753

I. Lehen und Werk von Alfred Verdross

ALFRED VERDROSS -EIN LEBENSBILD Von Ludwig Adamovich Der Verfasser dieses Beitrages sieht sich vor ein kaum lösbares Dilemma gestellt. Soll er nüchtern Daten aneinanderreihen, die zahllosen Publikationen des Jubilars nennen, die unglaublich vielen hohen Ehrungen und Auszeichnungen registrieren, die ihm zuteil geworden sind? Soll er als fachlich kaum Kompetenter einfach wiederholen, was Berufenere schon früher• als treffende Würdigung des großen Gelehrten geschrieben haben? Das alles hätte offenbar wenig Sinn. So will ich versuchen, einen anderen Weg zu gehen und den Menschen Alfred Verdross in den Mittelpunkt zu stellen. Dies zu tun, heißt natürlich auch den Gelehrten zu würdigen; das Werk eines großen Mannes ist nun einmal mit seiner Persönlichkeit untrennbar verbunden. Die eben skizzierte Zielsetzung soll nur den Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen andeuten. Zu einer so akzentuierten Darstellung darf ich mich berufen fühlen, weil ich seit früher Jugend den Jubilar kenne. Er und mein Vater waren Freunde. Mein Vater- ein notorisch zurückhaltender und schweigsamer Mensch - hatte zwar einen großen Kreis von Bekannten, die ihm mit mehr oder weniger Respekt begegneten, aber nur ganz wenige Freunde. Alfred Verdross war einer von ihnen, und mein Vater pflegte zu sagen, Verdross sei wohl der Kollege, der ihm am nächsten stehe. Was sie verband, war die nahezu identische Weltanschauung, dazu der stets präsente Hauch des alten Österreich, schließlich derselbe Geburtsjahrgang und ein in vieler Hinsicht gemeinsamer Lebensweg. Im Temperament, in der Art, an Probleme heranzugehen, vielleicht auch in der Auffassung über juristische Methodenfragen, mögen sie sich nicht unbeträchtlich unterschieden haben. Es mag banal klingen, aber es muß gesagt werden: Alfred Verdross ist ein österreichischer Gelehrter von Weltruf. Die Öffnung zum Internationalen mag in der Natur seiner Fachgebiete begründet sein, aber 1 Vgl. St. Verosta, Alfred Verdross Leben und Werk, in: Völkerrecht und rechtliches Weltbild, Festschrift für Alfred Verdross, Wien 1960, S. 1 ff., H. Mosler, Übergabe der Internationalen Festschrift zum 80. Geburtstag von Alfred Verdross, JBI. 1971, S. 411 ff., sowie M. Lachs, Alfred Verdross zum 85. Geburtstag, OZöffR 1976, S. 1 ff.

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Ludwig Adamovich

das Ausmaß des Erfolges ist ausschließlich seinem persönlichen Wirken zuzuschreiben. Nicht weniger als sieben Ehrendoktorate sind ihm verliehen worden, darunter solche der ältesten und für die Rechtswissenschaft bedeutsamsten europäischen Universitäten. Ganz zu schweigen von der Mitgliedschaft und zeitweiligen Präsidentschaft bei internationalen Institutionen und Vereinigungen, nicht zu reden von höchsten Ordensauszeichnungen. Alfred Verdross ist in erster Linie Wissenschaftler; aber er hat Erfahrung in den verschiedensten juristischen Berufen, er war Diplomat, Ministerialbeamter, Richter auf internationaler und auf nationaler Ebene, er bekleidete höchste akademische Funktionen. Er war nie ausübender Politiker, wenngleich er ein sehr waches Sensorium für politische Fragen hat und wenngleich er mehr als einmal für wichtigste politische Ämter im Gespräch war. Die Vielseitigkeit seines äußerlichen beruflichen Wirkens hat eine Parallele in der seiner fachlichen Ausrichtung. Die Synthese von Völkerrecht und Rechtsphilosophie ist ja im akademischen Bereich nicht gerade selten. Sehr selten wird es aber vorkommen, daß eine Persönlichkeit auf beiden Gebieten zur absoluten wissenschaftlichen Spitze vordringt. Für den Völkerrechtler Alfred Verdross ist die Rechtsphilosophie nicht einfach ein Annex, der so nebenbei mitgetragen wird, sondern sie ist Fundament seines gesamten juristischen Wirkens. Er hat sich nicht darauf beschränkt, Vorgefundenes weiter zu entwickeln, sondern er hat seine eigene philosophische Position entscheidend geändert, der beste Beweis dafür, daß er sich ernst und intensiv mit Basisproblemen auseinandergesetzt hat. Verdross war ein ganz hervorragender akademischer Lehrer. So klar und transparent wie seine Schriften waren auch seine Vorlesungen. Er verstand es meisterhaft, in Problembereiche einzuführen, schwierige Fragen verständlich darzustellen, ohne zu simplifizieren. Er ist und war nie ein großer Rhetor; aber seine Vorlesungen waren so gehalten, daß jeder einzelne Hörer sich persönlich angesprochen fühlen konnte. Mehr als eine Generation von Juristen hat die Fundamente des juristischen Denkens in seiner Einführungsvorlesung in die Grundprobleme von Staat und Recht kennengelernt. Der Lebensweg von Alfred Verdross ist gekennzeichnet durch ein geradezu unglaubliches Maß von Fleiß und Arbeitskraft. Die Arbeit und sein stets waches Interesse an allen aktuellen Problemen haben ihn gesund und leistungsfähig erhalten. Er hat Erfolge erzielt und Ehrungen empfangen wie kaum ein zeitgenössischer österreichischer Rechtsgelehrter. Schwerste Schiksalsschläge aber haben ihn getroffen; nach dem frühen Tod seiner ersten Gattin mußte er auch den völlig unerwarteten

Alfred Verdross- ein Lebensbild

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Tod seiner zweiten Frau und den Tod einer seiner Töchter erleben. Er hat all das mit unglaublicher Gelassenheit ertragen, die ihre Wurzel nicht etwa in Gemütskälte sondern in einer tiefen und selbstverständlichen religiösen Gläubigkeit hat. Zwischen ihr und seinem wissenschaftlichen Werk gibt es keinen Gegensatz und keine Kluft; das ist vielleicht eines der hervorragendsten Merkmale seines Wesens. Nie aber ist oder war Alfred Verdross ein Zelot, ein Mensch ohne Toleranz. Im Gegenteil war er zeitlebens ein Humanist im besten Sinn des Wortes. Dies zeigt auch seine philosophische Grundhaltung. Unverkennbar geprägt von der aristotelisch-thomistischen Philosophie setzt er doch sehr persönliche Akzente, steht insbesondere der modernen Wertphilosophie sehr nahe. Er weiß nicht von vornherein für alles die richtige Lösung; er setzt sich in gewissenhaftester Weise mit jeder philosophischen Strömung auseinander. Seine frühere enge Zusammenarbeit mit Hans Kelsen hat ohne Zweifel seinen kritischen Blick geschärft, wenngleich er sich von Kelsens erkenntnistheoretischem Relativismus und Skeptizismus mit aller Deutlichkeit distanziert hat. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es Zeiten, da es sehr salonfähig war, vom Naturrecht zu reden. Aber Verdross hat das auch zu Zeiten getan, da mar, mit Erolchen Auffassungen wenig Beifall erwarten konnte. Auch das muß mit allem Nachdruck unterstrichen und hervorgehoben werden. Verdross war aber nie ein naiver oder engstirniger Naturrechtler, er ist sich der Grenzen naturrechtlicher Denkungsweise sehr wohl bewußt. Überhaupt neigt seine ganze Wesensart mehr zur Synthese als zur Konfrontation, was aber keineswegs bedeutet, daß er bestehende Unterschiede in den Positionen verwischen oder nicht als solche kennzeichnen würde.

*

Wer sich über den Lebensweg des Jubilars informieren möchte, tut gut daran, seine eigene Darstellung1 zu lesen, die zwar nur bis zum Jahr 1952 reicht, aber in unvergleichlicher Weise den Stil und die Wesensart von Alfred Verdross wiedergibt. Nüchtern, schlicht, ohne Pathos, aber mit großer Prägnanz werden die wesentlichen Stationen des äußeren und inneren Wirkens nachgezeichnet. Ich möchte nur einiges besonders unterstreichen: Die Herkunft als Sohn eines Kaiserjägeroffiziers, der in Tirol legendäre Berühmtheit erlangt hat; die Förderung durch Hans Kelsen, die besondere Beschäftigung mit den Zusammenhängen zwischen staatlichem Recht und Völkerrecht. Deutlich wird auch, daß der Jubilar bei aller katholischen Grundhaltung kein Anhänger des in Österreich 1933 bis 1938 etablierten autoritären Regimes 2 A. Verdross, in: N. Grass (Hrsg.) Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften der Gegenwart in Selbstdarstellungen, 1952, S. 201 ff.

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Ludwig Adamovich

gewesen ist, daß andererseits der Nationalsozialismus ihn nicht als Lehrer für Rechtsphilosophie geduldet hat. Natürlich gehört zum Lebenslauf des großen Gelehrten auch die Innehabung wichtigster Funktionen. Verdross war Rektor der Universität Wien, er war dort dreimal Dekan und während mehrerer Funktionsperioden Senator, er ist mit der Würde eines Ehrensenators ausgezeichnet worden. Er ist wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Ehrenmitglied des Institut du droit international, dessen Präsident er gewesen war. Aber auch die Österreichische Regierung konnte und wollte nicht auf die Unterstützung des Jubilars verzichten; sie entsandte ihn in alle internationalen Gremien, denen anzugehören eine besondere Ehre für jeden Vertreter seines Faches ist: in die International Law Commission, in den Ständigen Internationalen Schiedshof in Haag, in den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Als Vorsitzender der Österreichischen Delegation wurde er 1961 zum Präsidenten der in Wien abgehaltenen internationalen Konferenz zur Kodifikation des Rechtes der diplomatischen Beziehungen gewählt. Eine ausführliche Würdigung des wissenschaftlichen Werkes des Jubilars ist nicht Ziel der vorliegenden Darstellung. Das Wesentlichste aber sei herausgegriffen. Es wurde schon angedeutet, daß das rechtsphilosophische und das völkerrechtliche Werk von Alfred Verdross nicht beziehungslos nebeneinanderstehen; beide sind aufeinander angelegt. Äußerlich freilich können und sollen sie getrennt werden. Im Mittelpunkt des völkerrechtlichen Werkes stehen - abgesehen von der philosophischen Grundlegung - die Beziehung zwischen staatlichem Recht und Völkerrecht und damit die Einheit des rechtlichen Weltbildes sowie die Entwicklung und die Bedeutung der Staatengemeinschaft. Das bedeutsamste unter den vielen Büchern des Jubilars ist die systematische Darstellung des Völkerrechtes, die 1937 in erster Auflage erschien. Drei weitere Auflagen besorgte Verdross nach dem zweiten Weltkrieg selbst; die fünfte Auflage 1964 enthält selbständige Beiträge von Verosta und Zemanek. Von den früheren Werken sei die theoretisch besonders bedeutsame, 1923 erschienene Schrift "Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsverfassung" hervorgehoben. 1973, als der Jubilar das achtzigste Lebensjahr schon überschritten hatte, erschien sein Buch über die Quellen des universellen Völkerrechtes. Damit aber nicht genug: 1976 gaben Alfred Verdross und Bruno Simma gemeinsam ein umfassendes Handbuch mit dem Titel "Universelles VölkerrechtTheorie und Praxis" heraus, ein Buch, von dem es im Vorwort heißt,

Alfred Verdross- ein Lebensbild

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es se1 m Gemeinschaftsarbeit zwischen dem ältesten und einem der jüngsten deutschsprachigen Völkerrechtslehrer entstanden. Nicht minder eindrucksvoll ist das rechtsphilosophische Werk. Dem Umstand, daß der Jubilar während der nationalsozialistischen Ära an der Ausübung der Lehrbefugnis für Rechtsphilosophie gehindert war, verdankt man es, daß er eine systematische Darstellung der antiken Rechtsphilosophie vorbereiten konnte, die nach dem Krieg in zwei Auflagen erschienen ist. Sie bildete das Fundament für die gleichfalls in zwei Auflagen vorgelegte umfassende "Abendländische Rechtsphilosophie" (1958, 1963). Und auch auf diesem Gebiet ist der Jubilar im hohen Alter nicht untätig geblieben: 1971 erschien die Schrift "Statisches und dynamisches Naturrecht"; sie ist den Freunden und Schülern zugeeignet, die die Festschrift zum 80. Geburtstag gewidmet hatten. Als ein wichtiges Element im Gesamtwerk von Alfred Verdross ist das besondere Nahverhältnis zur spanischen Geisteswelt hervorzuheben; es wurde gebührend gewürdigt durch die Verleihung des Ehrendoktorates der Universität Salamanca und einer der höchsten Ordensauszeichnungen, die das spanische Königreich zu vergeben hat. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß der Jubilar die ständige Neutralität Österreichs in einer allgemein verständlichen Darstellung einer breiteren Öffentlichkeit nahegebracht hat. Aber zuletzt wollen wir, der Zielsetzung dieser knappen Darstellung entsprechend, wieder auf den Menschen Alfred Verdross zurückkommen, auf seine persönliche Liebenswürdigkeit, seine Weltoffenheit, seine Weisheit auch im alltäglichen Gespräch. Nicht nur ihm, uns allen ist zu wünschen, daß er uns so noch lange erhalten bleiben möge.

DIE ERSCHLIESSUNG DER MATERIALEN RECHTSPHILOSOPHIE DURCH ALFRED VERDROSS Von Erhard Mock I. Materiales und formales Rechtsdenken Vom 5. vorchristlichen ins 19. Jahrhundert bedeutete Rechtsphilosophie einfach dem Inhalt nach das, was die Menschennatur als Rechtens lehre. Die Inauguration der historischen Rechtsschule mit ihrer Forderung, dem "lebendig Positiven" zu dienen, war eine Erschütterung des materialen Denkens, die sich zur nahezu restlosen Verdrängung steigerte, als man von der Philosophie und erst recht von der Rechtsphilosophie lediglich die didaktische Ordnung der Einzelwissenschaften und Einzeldisziplinen verlangte. Die Rechtsphilosophie sank zu einer dürren Dogmatik ihrer Geschichte herab, sobald Positivismus und Psychologismus das Feld beherrschten. Zugleich entstand aber das Bedürfnis nach einer neuen, dem Rechtspositivismus angepaßten Rechtsphilosophie. Da nun aber dieser von der Annahme ausgeht, daß der Rechtsinhalt beliebig sei, konnte jeder neue Ansatz zu einer Rechtsphilosophie nur ein formaler sein1 • Alfred Verdross erlebt in seiner akademischen Jugend diese formale Prägung der Rechtsphilosophie. In einer lebenslangen Auseinandersetzung mit ihr erreichte er eine geläuterte, ihrer Voraussetzungen und Grenzen bewußte materielle Rechtsphilosophie. Die Hauptstationen dieser Auseinandersetzung und ihre Grundstruktur zu zeigen, ist Aufgabe dieses Beitrags. II. Völkerrecht und Rechtsphilosophie Das Werk unseres Jubilars Alfred Verdross sammelt sich um die beiden Brennpunkte Völkerrecht und Rechtsphilosophie. Zwar ist die Disziplin des Völkerrechts mit ihren Grund- und Grenzproblemen immer schon in einem höheren Grade "philosophisch" als andere Rechtsfächer gewesen. Alfred Verdross wurde von dieser Eigenschaft 1 Verdross, Die Erneuerung der materialen Rechtsphilosophie, Zeitschrift f. Schwz. Recht, 1957, 181 ff.; vgl. Erhard Mock, Rechtsphilosophie und Rechtsphilosophen an der Wiener Juristenfakultät, ÖZöR XX (1970), 373 ff., insbes.

391.

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Erhard Mock

des Völkerrechts besonders angezogen. Dennoch erscheint es müßig zu fragen, ob das Interesse für die Rechtsphilosophie oder für das Völkerrecht den Rang unseres Jubilars bewirkte. Vielmehr zeigen schon seine ersten Aufsätze die Verbindung von rechtlich-dogmatischem Denken mit theoretischen, methodischen und philosophischen Impulsen. Diese Verbindung tritt in fast allen Arbeiten des über 65 Jahre währenden Schaffens deutlich hervor. In ihr, dieser Verbindung, zeigt sich, daß Recht, und zwar positives Recht, weder gesetzt noch vollzogen und erst recht nicht gelehrt werden kann, ohne daß wenigstens unbewußt philosophische Voraussetzungen mitgedacht werden 2 • Dann aber demonstriert die Arbeit unseres Jubilars, daß allein ein bewußtes, thematischreflexesAufwerfen von grundsätzlichen Fragen, eben eine Verbindung von Rechtsphilosophie und Dogmatik, den jeweiligen Gegenstand entfalten kann. Eben gerade dadurch, daß Alfred Verdross stets seine Voraussetzungen mit zum Thema erhob, blieb er auch in den dogmatischen Darstellungen von einer kristallenen Klarheit. Will nun ein Versuch begonnen werden, die rechtsphilosophische Seite des Werkes zu umreißen, so muß zwingenderweise der völkerrechtliche Aspekt in den Hintergrund treten. Diesen hat Bruno Simma im Verein mit Michael Bock, J ennifer Clayton und J oachim Krauss in dieser Schrift gewürdigt. Hier soll nun diesen Beitrag voraussetzend die Struktur des Werkes von Alfred Verdross im Hinblick auf die Gesamtwirklichkeit des Rechts untersucht werden, wodurch mancher Zweig des Schaffens nur mitgedacht und nicht nachgezeichnet werden kann. Der Autor dieses Beitrags ist sich aber auch dessen bewußt, daß dadurch das Gebiet des bloßen Referats überschritten werden und die Interpretation einsetzen muß. 111. Der Weg zur Einheit des Rechts

Die ersten Anregungen zur wissenschaftlichen Arbeit erhielt Alfred Verdross schon als Student in Wien im rechtsgeschichtlichen Seminar von Hans von Voltelini, im völkerrechtlichen Seminar Leo Strisowers wie im nationalökonomischen Seminar Eugen von Böhm-Bawerks. Daneben härte er bei Moritz Wlassak römisches Recht, bei Max von Hussarek Kirchenrecht und bei J osef von Schey Privatrecht, bei Edmund Bernatzik und Adolf Menzel Staatslehre und Staatsrecht, bei Friedrich WieseT Nationalökonomie und in München härte er bei Lujo von Brentano und Dominik Ullmann. Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung des jungen Wissenschaftlers Verdross wurde aber seine Begegnung, Auseinandersetzung - und lebenslange Freund2 Vgl. Rene Marcic, Die Bedeutung der Rechtsphilosophie im Ganzen der Rechtswissenschaft, ÖJZ, Jg. 23, 169 f.

Die Erschließung der materialen Rechtsphilosophie durch A. Verdross

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schaft-mit dem damaligen Privatdozenten Hans Kelsen in den Jahren unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg. Im Privatseminar Kelsens, an denen unter anderen Adolf J. Merkl, Leonidas Pitamic und Fritz Sander teilnahmen, wurden vorwiegend rechtstheoretische Studien gepflegt. Zu diesem Kreis stießen nach dem Krieg u. a. Walter Heinrich, Josef L. Kunz, Felix Kaufmann, Fritz Schreier, Josef Dobretsberger und Eric Voegelin 3 • In diesen Diskussionsrunden, in denen auch die Grundsteine der späteren Wiener rechtstheoretischen Schule gelegt wurden, erprobte unser Jubilar in einer von Neukantianismus und Positivismus geprägten Umgebung seine ersten Thesen zum Verhältnis von Völkerrecht und Staatsrecht. Verdross' Originalität zeigte sich schon in diesen ersten Schritten: Er versuchte, die bloß staatsrechtliche Betrachtung, der Kelsen damals zugetan war, zu überwinden, um einen Weg zum Völkerrecht aufzuweisen'. Dennoch blieb diese Arbeit allzu sehr dem Souveränitätsdogma verhaftet und konnte gemäß der späteren Erkenntnis ihres Autors "zum wahren Wesen des Völkerrechts nicht vordringen"5. Obwohl diese Arbeit nicht auf der Linie seines Werkes liegt, zeigt sie bereits die Gabe unseres Jubilars, vorgefundene einseitige oder reduzierte Positionen zu überschreiten und auf anderen, höheren Ebenen zu einem abgerundeten Ergebnis zu gelangen. Verdross hatte es in der Folge nicht aufgegeben, nach dem rechtlichen Bande der Verbindung von Staats- und Völkerrecht zu forschen. In einem Exkurse seiner Habilitationsschrift, "Die völkerrechtswidrige Kriegshandlung und der Strafanspruch der Staaten" 8 , sowie in der Studie "Grundlagen und Grundlegungen des Völkerrechts" 7 hatte er dann eine Revision seiner ursprünglichen Position vollzogen. Er ließ die Verankerung des Völkerrechts im staatlichen Rechte fallen und vertrat umgekehrt die Einheit des Rechtssystems dergestalt, daß sich das Völkerrecht "wenigstens in seiner obersten Spitze" über den Staatsordnungen erhebea. Entscheidend für diese Revision waren Zweifel an seiner neukantianischen Haltung des "Konstruierens" des Gegenstandes Völkerrecht. Verdross räumte nunmehr gegenüber den ersten Versuchen ein, daß "in dem durch sie gebildeten Rechtssystem zwar nahezu alle, aber (eben) doch nicht alle Völkerrechtssätze ihren Platz finden". Dies sei 3 Verdross, in: Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hrsg. v. Nikolaus Grass, 1952, 201; Rudolf A. Metall, Hans Kelsen- Leben und Werk, 1969, 29. ' Verdross, Zur Konstruktion des Völkerrechts, Zeitschr. f. Völkerrecht, 1914, H. 8, 329 ff. s Vgl. Fn. 3, 202. 6 1920, 34 ff.: "Völkerrecht und staatliches Recht". 7 Niemeyers Zeitschrift f. internationales Recht, XXIX, 1921, 65 ff. 8 Verdross, Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf der Grundlage der Völkerrechtsverfassung, 1923, VI.

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z. B. insbesondere hinsichtlich der Nachfolge in Staatsverträge der Fall. Da nun aber Staatsverträge grundsätzlich revolutionäre Verfassungsänderungen überdauern, können diese nicht im Letzten von den Staatsverfassungen abhängen, sondern ihre Geltungsgrundlage in einem Bereich über diesen haben. Seiner eigenen Aussage nach bezog er diese Einsicht aus der selbstgesetzten Maxime, sich am positiven Recht zu orientieren9 • Fürs erste scheint dies wie eine Einschwörung auf das Programm des Rechtspositivismus. Sie bedeutet jedoch in Wahrheit eine Rückkehr zur Sache, zum Gegenstand des Völkerrechts und seiner Realität in erkenntnistheoretischem Sinne. Im Rückblick erscheint nämlich das Ringen um das zweite Buch von Alfred Verdross, "Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf der Grundlage der Völkerrechtsverfassung" (1923), von entscheidender Bedeutung für die rechtsphilosophische Position unseres Jubilars. Vorrangig ist dieses Werk zwar eine Auseinandersetzung mit der Souveränitätslehre und der Dogmatik des Verhältnisses von Völkerrecht und staatlichem Recht gewidmet, im Ansatz liegt es aber tiefer: Verdross begnügt sich nämlich nicht allein mit der Darstellung der zeitgenössischen Lehren, sondern er verfolgt die Problemstellungen in ihre Ideengeschichte zurück. Dabei gelingt es, nicht zuletzt aus der ältesten Völkerrechtswissenschaft, zahlreiche Schätze zu heben, die einem blinden Positivismus vom methodischen Zuschnitt seiner Realitätsauffassung eben verborgen blieben. So entnahm er dem Studium der Ideengeschichte des Völkerrechts die Leitidee eines einheitlichen Rechtssystems, wie es etwa Leibniz im Plane eines theatrum legale mundi vorgeschwebt ist10 • Deshalb zieht er recht deutlich die Grenze zwischen positiver Rechtswissenschaft und herrschendem Positivismus, wobei er letzterem zuschreibt, "das Gewebe des Rechts in so viele Bruchstücke zu zerreißen, als es Staaten gebe". Dadurch werde Recht nicht in "unverfälschtem Zustande" aufgefangen und wiedergegeben, sondern durch einen "metarechtlichen Staatswillen" entstellt 11 • Verdross' Vorstellung von einer positiven Rechtswissenschaft setzt mit der Erwägung ein, daß der damals vorherrschende "Positivismus" gerade im Völkerrecht durchaus "unpositiv" verfahre, weil er ohne Bezugnahme auf die Erfahrung, sich auf Vertrags- und Gewohnheitsrecht beschränke. Internationale Akte hingegen stützten sich seit jeher auf eine "internationale Gerechtigkeit", wie z. B. auf die Grundsätze der bona fides oder der res iudicata, die 8 Vgl. Verdross, Die völkerrechtliche Kriegshandlung und der Strafanspruch der Staaten, 1920, 41 f.; ferner Herbert Miehsler, Alfred Verdross' Theorie des gemäßigten Monismus und das Bundesverfassungsgesetz vom 4. März 1964, BGBI. Nr. 59, JBI. Jg. 87 (1965), 568 f. 10 Verdross, Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf der Grundlage der Völkerrechtsverfassung, 1923, VII. 11 Vgl. VIII.

Die Erschließung der materialen Rechtsphilosophie durch A. Verdross

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sich ihrem Ursprunge nach nicht als vertraglich oder gewohnheitsrechtliehe Völkerrechtssätze darstellten12 •

Verdross positive Rechtswissenschaft versteht sich somit als eine dem Gegenstande offene Disziplin, die die Fülle der Narrnativität einzufangen trachtet und gerade deshalb auch die Frage nach den Voraussetzungen stellt. Die Analyse der Völkerrechtssätze ließ Verdross nämlich zum Ergebnis kommen, daß Rechtssätze über den staatlichen Verfassungen bestehen, die diese in der Gemeinschaft der Völkerrechtssubjekte mitkonstituieren, wie es andererseits Rechtssätze gibt, die die Völkerrechtssubjekte bei der Herausbildung des Völkerrechts als geltend vorausgesetzt haben13• Derart fügt sich in der weiteren Darstellung durch Alfred Verdross ein einheitliches Rechtssystem zusammen. Widersprüche in diesem leugnet unser Jubilar keinesfalls. Er verweist vielmehr auf die insbesondere im innerstaatlichen Rechtssystem vorhandenen Regelungen zur Auflösung dieser Widersprüche, wie dies etwa in der Verfassungsgerichtsbarkeit geschieht. In einer dynamischen Durchbildung des gesamten Rechtssystems durch Verfahren erweisen sich Widersprüche als vorläufig. Wie ein verfassungswidriges Gesetz vorläufig bis zu seiner Aufhebung gelte, so seien auch völkerrechtswidrige Staatsakte vorläufig mit Rechtskraft ausgestattet - nämlich bis zu ihrer Vernichtung in einem völkerrechtlichen Verfahren. Entscheidend ist einzig und allein, daß es diese Verfahren gebe. Die Existenz solcher Verfahren indiziere und verbürge ein einheitliches Rechtssystemu. Der Aufweis der Einheit des rechtlichen Weltbildes ist zweifelsohne in der Auseinandersetzung um das Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht gebracht worden. Hinter der Darstellung der formalen Begründungsstruktur dieser Einheit zeichnet sich aber bereits die Intention Alfred Verdross' ab, zu zeigen, welchen materialen Bedingungen menschliche Narrnativität unterliegt. Da eine Einheit des rechtlichen Weltbildes zumindest an der Frage nach einer einheitlichen Struktur der Menschheit nicht vorbei kann, stellte Alfred Verdross im Vorwort zu dieser seiner Schrift trocken fest, daß er vor dem Verdachte "das alte Naturrecht wieder aufwärmen zu wollen", nicht zurückschrecken wolle, "sofern das Naturrecht im ursprünglichen Sinn verstanden wird". Dieses Naturrecht, oder besser gesagt diese Naturrechtslehre, habe ja "nur einige wenige Grundsätze" ermittelt, "alles andere aber der positiven Determinierung überlassen" 15 • Diese Sätze, 12 13

u ~,;;

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

120 f. 126 ff. 159 ff. VIII.

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aus einer völkerrechtlichen Auseinandersetzung entstanden, sollten das Leitmotiv der rechtsphilosophischen Bemühungen unseres Jubilars bleiben. IV. Kritischer Realismus als Grundlage Die von David Hume und Immanuel Kant angesichts der vom Kausalitätsprinzip getragenen Naturwissenschaften vollzogene Trennung der Welt des Seins von der des Sollens pervertierte der Naturalismus und Psychologismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts dergestalt, daß überhaupt nur mehr die angeblich allein reale Welt der Tatsachen den Gegenstand von Wissenschaft abgeben dürfe. Zu Recht erscholl der Ruf: Zurück zu Kant! Dabei kam allerdings der Metaphysiker vor dem Kritiker Kant zu kurz. Wenn man die vier von Kant der Philosophie gestellten Fragen ansieht: Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Was dürfen wir hoffen? und Was ist der Mensch?, so kann man mit einiger Berechtigung sagen, daß nur wenige sich mehr als die erste Frage zu stellen getrauten, um nicht als "unwissenschaftlich" disqualifiziert zu werden. Im übrigen herrschte eine Reduktion der sinnvernehmenden und sinndeutenden Vernunft auf den unmittelbar daseinsorientierten technisch-instrumentalen Verstand. Gerade in der Rechtswissenschaft fand diese Haltung nahezu restlose Resonanz. Zur Bibel dieser Orientierung wurde Karl Bergbohms Werk, "Jurisprudenz und Rechtsphilosophie" (1892). Eine der zentralen Stellen dieses Buches sagt mehr aus als alle Charakterisierungsversuche: "Es ist überhaupt keine objektive Wahrheit als Ergebnis philosophischen Denkens auf dem Rechtsgebiet, sondern eine unsichere Vorstellung als Niederschlag, wenn nicht künstlerischer Imagination, so doch subjektiven sittlichen Fühlens, vernünftigen Erwägens, politischen Trachtens usw. Höchstens gibt es die zeitweilige Anschauungs- und Empfindungsweise größerer Menschengruppen bezüglich einer idealen Ordnung des Gemeinlebens, irgendeine öffentliche Meinung wieder, mehr aber nicht. Das heißt, es kommt gar nicht darauf an, welchen Gedankengehalt man dem angeblichen nichtpositiven Recht gibt und welche Stellung man diesem Gehalt von irgendeinem Gesichtspunkt unter den ,Ideen' - worin ja die ganze Skala von den fixen Ideen geisteskranker bis zu den epochemachenden Ideen genialer Menschen, von den lächerlichen Einfällen eines politisierenden Weltverbesserers bis zu den Überzeugungen großer Nationen in betreff ihrer geschichtlichen Mission eingeschlossen ist -zuweist: Als Recht ist jedes Recht außer dem positiven schlechthin ein Nonsens18 ."

In solch einem geistigen Klima mußte auch der Ruf: Zurück zu Kant! verhallen. Zwar hat der Neukantianismus einen logischen Objektivismus postuliert, der über der Erfahrung stünde. Aber zu viel mehr als zu einem bloß vorausgesetzten Einheitsprinzip ist diese Richtung nicht 16 Kar! Bergbohm, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie, 1892, 479; dazu: Hans Welzel, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 4. Aufl. 1962, 183 f.

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vorgestoßen17 • Hans Kelsen mit seiner Lehre von einer "bloß möglichen" Voraussetzung einer Grundnorm blieb in seinem rechtstheoretischen Werk stets im Bannkreis des Neukantianismus 18 • Anders war dies bei seinem Schüler und Freund Alfred Verdross, der sich, wie oben gezeigt, durch den Gegenstand des Völkerrechts auf dessen erste lehrmäßige Darstellungen insbesondere durch Francisco Suarez und Hugo Grotius auf das Studium der aristotelisch-thomasischen Erkenntsnislehre wandte. Die Lektüre der Arbeiten von Joseph Geyser, Edmund Husserl und Nicolai Hartmann bestärkten ihn in seiner Abkehr vom Neukantianismusn. Der aristotelisch-thomasischen Tradition verdankt unser Jubilar zuallererst die Sicht für das Ganze, das Gesamt, die Einheit20 • Die Sicht der Einheit in der aristotelischthomasischen Tradition bereitet aber nicht eine bloß gedachte Voraussetzung, sondern die Wirklichkeit der Welt in allen ihren Erscheinungen. Die Dinge sind hier dem Denken vorgängige Erkenntnisobjekte, keine "Konstruktionen". Das erste und direkte Objekt menschlicher Erkenntnis ist nicht ein Bild von Erkenntnis, sondern das Ding selber, der Gegenstand. Erkenntnis komme dadurch zustande, daß eine Proportion, eine Hinordnung des Erkenntnissubjekts auf das Objekt besteht. Das Bild der Erkenntnis gleiche einer Vermittlung zwischen dem Ding und dem Erkennenden und dessen Bewußtsein21 • Neben dieser klaren Tradition des Realismus fand Verdross in Joseph Geysers 1922 erschienenen Erkenntnistheorie für seine Position wertvolle Unterstützung~ 2 • Geyser stellte das Seiende in sich selbst als 17

141.

Vgl. Hans Meyer, Abendländische Weltanschauung, Bd. V., 2. Aufl. 1966,

18 Vgl. Rene Marcic, Geschichte der Rechtsphilosophie, 1971, 120, 138, 295; Wolfgang Schild, Die Reinen Rechtslehren, 1975, 10 f.

n Verdross, Fn. 3, 204. Thomas, In duodecim libros Metaphysicorum Aristotelis, Lib. XI, lect. 3 n. 2198: Quia enim omnium entium fit reductio ad aliquid unum cormnune, contrarietates autem entium, quae sunt oppositae differentiae, per se consequuntur entia, necesse est quod contrarietates reducantur ad aliquam primam Contrarietatem quaecumque sit illa; sive pluralitas et unum, sive similitudo et dissimilitudo, sive quaecumque aliae sint primae differentiae entis. Et huismodi contrarietates debent considerari in scientia quae determinat de entibus. S. Th., I q. 11. u De Veritate, I, a. 1: Ad primum ergo dicitur, quod definitio illa Augustini datur de vero secundum id quod habet fundamenturn in re, et non secundum id quo veri ratio completur in adaequatione rei ad intellectum. a. a. 0.: Motus autem cognitivae virtutis terminstur ad animam: oportet enim ut cognitum sit in cognoscente per modum cognoscentis: sed motus appetitivae virtutis terminstur ad res; et inde est quod Philosophus in III de Anima (com. 54 et seq.) ponit circulum quemdam in actibus animae, secundum, scilicet, quod res quae est extra animam, movet intellectum, et res intellecta movet appetitum, et appetitus tune ducit ad hoc quod perveniat ad rem a qua motus incepit. •2 Verdross, Fn. 3, 204. 20

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sinnhaft dar. Im Erkennen ist dann die Sinnerfahrung wenigstens zum Teil mitgegeben23 • Der Zugang zur Erkenntnis von Finalität, nicht nur als regulatives Prinzip, sondern als konstitutives Prinzip der Wirklichkeit ist damit eröffnet. Edmund Husserls Phänomenologie, die die Gegenstände bloß als Gegenstände, als Korrelate des Bewußtseins darstellt, war ein weiterer Prüfstein für die Richtigkeit der Fragestellung unseres Jubilars nch der Wirklichkeit des Rechts". Vor allem aber dürfte das Beispiel Nicolai Hartmanns auf Verdross gewirkt haben. Dieser stand ursprünglich auch unter dem Einfluß des Neukantianismus und hatte die einseitige Sicht der vom erkennenden Subjekt zu konstruierenden Erkenntnis an der Fülle der Phänomene für unhaltbar erfahren. Nicht ein einziger evidenter Satz - so Hartmann - sondern eine möglichst breite Basis von Phänomenen soll die Grundlage der Untersuchungen bilden. Hartmann regte damit eine Rückkehr zu den Problemen, zu den Gegenständen an, was ohne erkenntnistheoretischen Realismus ein unhaltbares Unterfangen ist25 • In diesem Bemühen um einen festen philosophischen Ort hatte Alfred Verdross nie einzelne Positionen der ihn überzeugenden Denker und Traditionen übernommen, vielmehr entlieh er von ihnen den Standpunkt eines kritischen, sich seiner Voraussetzungen und Grenzen bewußten erkenntnistheoretischen Realismus. Die Welt und ihre Erscheinung und gerade die Welt des Sollens ist weder unerkennbar, noch aber gänzlich auszuloten. Die erste Folgerung dessen im eigenen Bereich des Forschers ist somit, neben dem Einbeziehen möglichst aller Phänomene, auch die Bereitschaft zum Disput, zur Erweiterung der Sicht, zur Zurücknahme, ja Revision,- nicht aber die allzu eilige Beschränkung des Gegenstandes oder demonstrative Skepsis.

V. Ursprung und Werte Für den Rechtsphilosophen ist die Frage nach dem Ursprung des rechtlichen Sollens sowohl die Eingangsfrage als auch die letzte Frage zugleich. Der naive Rechtspositivismus, etwa der eines Kar! Bergbohm, ließ diese Frage erst gar nicht aufkommen und schnitt sie beim Akt der sinnfälligen Setzung ab 28 • Durch diese Festlegung aber können die Anordnungen des positiven Rechts noch nicht als System von objektiv gültigen Normen begriffen werden. Dies vor allem deshalb, weil aus der 23 Joseph Geyser, Erkenntnistheorie, 1922, 18 ff., 121 ff., 147 ff.; vgl. Kurt Huber, Joseph Geysers Stellung in Logik und Erkenntnistheorie, in Philosophia Perennis, hrsg. v. Fritz Joachim Rintelen, Bd.II, 1930, 1156 f. 24 Vgl. Wolfgang Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, 6. Aufl., Bd. I, 1976, 78 f. 25 Vgl. 245. 20 Bergbohm, Fn. 16, 539, 549.

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Tatsächlichkeit der Setzung noch nicht auf Sollen geschlossen werden kann. Hans Kelsen suchte diese für ihn als Positivisten brennende Frage durch die Einführung des Begriffs der Grundnorm zu lösen. Er meint, die positiven Rechtsakte unter der Voraussetzung einer die oberste Rechtsautorität einsetzenden, überpositiven Grundnorm als objektiv gültige Normen zu begreifen. Alfred Verdross folgte Hans Kelsens Lehre von der Grundnorm insofern, als damit eine Grundlegung des positiven Rechts angestrebt wird 27 • Er lehnt es jedoch ab, die Grundnorm nur als wissenschaftliche Hypothese anzunehmen, wie er ebenso die spätere Verknüpfung der Grundnorm mit einem vorausgesetzten Willen durch Hans Kelsen ablehnen mußte18 • Eine wissenschaftliche Hypothese könne die objektive Geltung des Rechts nicht begründen. Eine solche ist ja nur dort angebracht, wo sie durch entsprechende Erfahrung entweder bestätigt oder verworfen werden könnte. Die subjektiven Geltungsansprüche der Rechtsakte können eine hypothetische Grundnorm niemals verifizieren, denn ihnen komme ja nur unter der Voraussetzung objektive Geltung zu, daß auch die Grundnorm objektiv gelte. Mit anderen Worten: Durch die Tatsache, daß eine Norm befolgt werde, könne niemals bewiesen werden, daß sie auch befolgt werden solle 28 • Andererseits schließt Hans Kelsen ein, daß sich der Inhalt der Grundnorm nach dem Materiale, das als positives Recht begriffen werden soll, wie nach der Fülle der empirisch gegebenen Akte, die mit dem Anspruch auftreten Rechtsakte zu sein, zu richten hätte. Eine solche Funktion und Fiktion der Grundnorm zugleich als ersten rechtserzeugenden Tatbestand weist Alfred Verdross zurück, weil sie keine Antwort geben könne, ob die oberste Gemeinschaftsautorität wirklich "zu Recht" bestehe30 • Hingegen kann er Hans Kelsen mit feiner Schärfe entgegenhalten, daß dieser mit seiner Vorstellung von der Grundnorm etwas einschließe, was ihn vom Postulate einer reinen Rechtslehre abbringe, nämlich einen Wert zu formulieren. Denn wenn alle widerspruchsloserfaßbaren positiven Rechtsakte als objektiv gültige Normen 17 Verdross, Die Rechtstheorie Hans Kelsens, Juristische Blätter, 59. Jg. 1930, 421- 423; wiederabgedruckt in: Die Wiener rechtstheoretische Schule, hrsg. v. Hans Klecatsky, Rene Marcic und Herbert Schambeck, 1968, Bd. I, 1301 - 1309; insbes. 1305 f. 18 Vgl. Hans Kelsen, Recht und Logik, Forum, 12. Jg. 1965, 421- 425, 495 - 500 u. 579. n Verdross, a. a. 0., 1308. Eine andere Frage ist, ob man in der Effektivität einen Hinweis auf eine Norm sehen will. Vgl. Leonidas Pitamic, Die Frage der rechtlichen Grundnorm, in: Völkerrecht und rechtliches Weltbild, 1960,211. 10 Vgl. 1306 u. 1308; vgl. Hans Kelsen, Die philosophische Grundlage der Naturrechtslehre und des Rechtspositivismus, 1928, 65; wiederabgedruckt in: Die Wiener rechtstheoretische Schule, I, 338 f.

2 Festschritt für Altred Verdross

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zu fassen sind, so geschieht dies aufgrund des Wertes der Rechtssicherheit, des Friedenswertes des Rechts. Eine Grundnorm, die jeden beliebigen positiven Rechtsinhalt mit objektiver Geltung ausstattet, erweist sich nicht als eine transzendentallogische Bedingung der Rechtserfahrung, sondern als nichts anderes als eine normative Formulierung jenes Wertes 31 • Wie am obersten Wert des Rechts, dem Friedenswert, aufgewiesen, konnte unser Jubilar mit vollem Recht der hypothetischen Grundnorm Hans Kelsens mit den Worten entgegentreten: "Soll demnach dem positiven Rechte objektive normative Geltung zukommen, dann muß es durch seine Grundnorm im objektiven Reich der Werte verankert werden32 ."

VI. Hinwendung zur Teleologie Mit der Verankerung des positiven Rechts im objektiven Reich der Werte hatte Alfred Verdross zwar die Struktur des Verhältnisses des von ihm angestrebten "Naturrechts im ursprünglichen Sinne" erfaßt, nicht aber einen geeigneten Weg zu ihm erkundet. Zu einer objektiven Werterkenntnis vorzudringen, erschien ihm nicht möglich, so lange die philosophischen Entwürfe vom Wertbewußtsein oder Wertfühlen ausgingen. Zum anderen aber erkannte er den dichotomen und komplementären Charakter aller Wertphilosophie, die ein wertfreies Sein seinsfreien Werten, statt beider letzte Einheit zu entwickeln, gegenü herstell t 33• Wieder war es das Bemühen um die Grundlegung des Völkerrechts, das den Erkenntnisfortschritt im Bereich der Rechtsphilosophie vorantrieb. In der ersten Auflage seines Völkerrechts (1937) stellt Alfred Verdross klar, daß es einfach unzulässig sei, gegenüber Bemühungen wie er sie vertrete einzuwenden, daß aus dem Sein der Welt kein Sollen hergeleitet werden könne. Sein Begriff von Natur sei kein kausalwissenschaftlicher, vielmehr nenne er die Gesamtheit des Gegebenen, mithin auch die Kultur und mit ihr das Recht Natur einer Welt, die eine sinnvolle Ordnung bildet34 • Bei der Entfaltung des Naturrechts ist davon auszugehen, daß der reale Mensch seiner Idee nach ein soziales Wesen ist, das nur in Ver31 Verdross, a. a. 0., Fn. 27, 1307; vgl. Rudolf Bindschedler, Zum Problem der Grundnorm, in: Völkerrecht und rechtliches Weltbild, Fschr. f. A. Verdross, hrsg. v. Friedrich August v. d. Heydte u. a., 1960, 76. 32 Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft, 1926, 23; Hervorhebungen im Original. 33 Vgl. Max Scheler, Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik, 1913- 16, 4. Aufl. 1954; zur Kritik der Wertphilosophie: Robert Reiniger, Wertphilosophie und Ethik, 2. Aufl. 1939. 34 Verdross, Völkerrecht, 1. Aufl. 1937, 37.

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bindungmit anderen Menschen zur Entfaltung seiner körperlichen und seelischen Anlagen zu kommen vermag. Das Zusammenleben der Menschen ist daher, allen Individualismen zum Trotz, in der menschlichen Natur selbst angelegt. Die dazu notwendige Verbandsordnung und Verbandsgewalt findet jedoch am Willkürverbot und am Gemeinwohl ihre Schranken. Diese als primäre Sätze des Naturrechts zu verstehenden Erkenntnisse finden ihre konkreten historischen Ausprägungen in den verschiedenen Arten menschlicher Verbände. Das positive Recht kann sich erst auf der Grundlage dieser Rechtsgrundsätze entwickeln35. Mit den Worten unseres Jubilars: "Die allgemeinen Rechtsgrundsätze bilden somit gleichsam die Brücke zwischen dem reinen Naturrecht und dem reinen positiven Recht38 ." Mit der Betonung der Sozialnatur des Menschen und seiner Entfaltung fand Alfred Verdross zur Teleologie der aristotelisch-thomasischen Philosophie zurück, wonach die Ausrichtung eines Seienden in Struktur und Funktion auf ein Ziel hin, in dem das Seiende zu seiner wesensgemäßen Erfüllung und Vollendung seines Werdens kommen könne, grundgelegt ist37. Der Begriff der Natur des Menschen ist demgemäß ein eidetischer, auf Ziel und Vervollkommnung geprägter, mithin normativer Begriff. Vor dem Hintergrund der aristotelisch-thomasischen Philosophie den Menschen als factum nudum et brutum zu sehen, ist schier unmöglich. Das Ziel, die Norm, das Sollen gehören zum Menschen. Paradox formuliert, ist die Narrnativität des Menschen ein Faktum. Der geistvolle Einwand Hans Kelsens, daß der Mensch verschiedene, einander widersprechende Anlagen besitze und daher, wenn überhaupt, einander widersprechende Normen, niemals aber ein einheitliches Naturrecht hergeleitet werden könne, verblaßt angesichts dieses eidetischen Naturbegriffes 38 • Aristoteles verwendet nämlich einen anderen Natur- und Realitätsbegriff als Kelsen. Während dieser die ideale Natur nach Art der Wunschträume denkt, ist für den Stagiriten auch die ideale Natur eine reale Natur, nämlich jene, die wir im physisch, geistig und sittlich vollendeten Menschen vorfinden, während ihren Gegensatz die noch unentfaltete, nur potentiell vorhandene Natur bildet39• Auch dem Einwand des Theologisierens war unser Jubilar ausgesetzt. Vor allem Hans Kelsen behauptete, daß die teleologische Deutung bewußt oder unbewußt eine theologische Grundanschauung voraussetze40 • Alfred Verdross konnte guten Vgl. 38 f. Vgl. 39. 37 Vgl. Aristoteles, Metaphysik 1034 a; Thomas, Summa contra gentiles III, 1 - 9, 16- 24. 38 Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Auf!. 1960, 411 f. 38 Verdross, Statisches und dynamisches Naturrecht, 1971, 63. 40 Hans Kelsen, Die Grundlage der Naturrechtslehre, OZöR, XIII (1964), 35

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Gewissens einräumen, daß zwar die causa essendi eines objektiven Zweckes nur eine transzendente Autorität sein könne. Was hingegen die causa cognoscendi überpositiver Normen betreffe, so müsse zwischen Individualmoral einerseits und der sozialen Moral einschließlich des Naturrechts andererseits unterschieden werden. Die Normen der Individualmoral lassen sich schwer in der Erfahrungswelt nachweisen. Grundsätzlich anders steht es mit der sozialen Moral und dem Naturrecht. Diese haben ja nur die Aufgabe, das zwischenmenschliche Zuzusammenleben so zu ordnen, daß den Menschen ihr Leben in Würde ermöglicht werde, während die Individualmoral in letzter absoluter Verantwortlichkeit sich entfalte. Die Ziele der Gemeinschaft hingegen sind empirisch nachweisbar, was eine metaphysische Deutung nicht ausschließe 41 • Der dauernde Entzug der Lehrbefugnis aus Rechtsphilosophie und der Prüfungsbefugnis aus Völkerrecht wie das Abgeschnittensein von ausländischer völkerrechtlicher Literatur während der Zeit des Nationalsozialismus brachten Alfred Verdrosstrotz aller Demütigungen doch das wenig mehr an Muße, das er für das Studium vor allem der antiken Quellen der Rechtsphilosophie aufwenden wollte. Kurz nach Kriegsende erschien 1946 sein im großen und ganzen 1943 abgeschlossenes Buch "Antike Rechts- und Staatsphilosophie" in erster und schon 1948 in zweiter, erweiterter Ausgabe. Mit den weiteren Auflagen seines Völkerrechts, der Darstellung der gesamten Abendländischen Rechtsphilosophie in zwei Auflagen und vielen diese Bücher vorbereitenden und begleitenden Abhandlungen ging Alfred Verdross den ganzen langen Weg hinter Kant zurück, der ja in der Finalität kein konstitutives, sondern ein bloß regulatives Prinzip der forschenden und einheitssuchenden Urteilskraft zu sehen glaubte42 • Schon lange emeritiert, legte er die lange Wegstrecke der europäischen Geistesgeschichte des Rechtsdenkens erneut zurück und widmet seinen Freunden und Schülern, die ihm zum 80. Geburtstag eine Festschrift bereitet haben, den Ertrag dieser Mühe, das Buch "Statisches und dynamisches Naturrecht" (1971). VII. Dynamik des Rechts

Auch in seinen letzten Arbeiten ist Alfred Verdross Aristoteliker. Sein Begriff von Naturrecht umfaßt "alle rational erkennbaren sozialen Ordnungsprinzipien, die der Würde des Menschen entsprechen und für ihr Zusammenleben notwendig sind" 43 • Das Naturrecht ist für Alfred Verdross, Fn. 39, 61 f. Völkerrecht 1937, 1950, 1955, 1959 u. 1964; Antike Rechts- und Staatsphilosophie 1946 u. 1948; Abendländische Rechtsphilosophie. Ihre Grundlagen und Hauptprobleme in geschichtlicher Schau, 1958 u. 1963. 41

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Verdross also kein Recht im juristischen Sinne, es wird als solches in keiner empirischen Rechtsquelle vorgefunden und ist dem positiven Recht vorgegeben, hat aber die Tendenz, das positive Recht zu gestalten und sich in ihm zu verwirklichen". Verdross scheut keine Mühe, die Herleitung der primären Naturrechtsätze aus den menschlichen Zielen zu erweisen und zu verteidigen45 • Der Schwerpunkt seiner Ausführungen hat sich aber deutlich auf die Spannung und Dynamik zwischen primären und sekundären Naturrechtssätzen verlagert, indem er den Bedingungen für die Formulierung der letzteren eingehend nachgeht. So legt er dar, daß die naturrechtlich primäre Pflicht der Staaten, für ihre Bürger zu sorgen, bestehe. In einer Welt internationaler Verflechtungen und der Verknappung der Rohstoffe, könne dies aber im Hinblick auf die Bewältigung der Zukunft nur durch die Berücksichtigung des Wohles der gesamten Menschheit, auch künftiger Generationen, nämlich des bonum commune humanitatis, geschehen. Das schließe die Verpflichtung zu sogenannter Entwicklungshilfe als sekundäre Pflicht ein48 • Ähnlich argumentiert er z. B., daß zwar das Ziel guter Nachbarschaft der Staaten gleich geblieben sei, die Vorstellung eines bellum iustum zur Rechtsdurchsetzung angesichts der modernen Kriegstechnik jedoch als Mittel der Friedenssicherung absurd geworden sei. Gegen diese Beispiele, deren unser Jubilar unzählige beibringt, wende man nicht ein, daß die geforderten Änderungen nur durch positives Recht geschaffen werden könnten. Das ist sicher richtig. Alfred Verdross weist jedoch nach, daß ihnen naturrechtliche Erwägungen zugrunde liegen, da sie ja vom Bemühen geleitet wurden, bestimmte humane Ziele zu fördern, deren Verwirklichung von Sätzen des primären Naturrechts normativ aufgetragen werden47 • In einer intensiv kommunizierenden und sich rasch verändernden Welt kommen im Hinblick auf die primären Naturrechtssätze stets neue naturrechtliche Postulate hervor. Sie drängen geradezu auf Realisierung durch das positive Recht. Ein Recht auf reine Atemluft ist angesichts der Umweltverschmutzung sicher naturrechtlich herzuleiten. Gerade dieses Beispiel scheint besonders instruktiv, da es mehr als deutlich zeigt, daß die sekundären naturrechtliehen Postulate, wie Alfred Verdross sie versteht, keineswegs auf subjektiven Wertungen beruhen. Sie setzen vielmehr erstens die Erkenntnis erster mensch13 Verdross, Fn. 39, 13; vgl. dessen Abendländische Rechtsphilosophie, 2. Aufl. 1963, 251, wo das Schwergewicht auf das "friedliche Zusammenleben"

gelegt wird. 44

45

Verdross, Fn. 39, 13 f. Verdross, Abendländische Rechtsphilosophie, 2. Aufl. 1963, 273 ff.; ders.,

Statisches und dynamisches Naturrecht, 1971, 102 f. 110. 48 Vgl. Verdross, Fn. 39, 110 f. 47 Vgl. 113.

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lieber Ziele und die Erkenntnis der einzusetzenden Mittel voraus. Daß solche Mittel durchaus alternativ zu sehen sind, schmälert keineswegs die Überzeugungskraft der zugrundeliegenden Denkvorgänge, sie zeigt vielmehr die heuristische Fruchtbarkeit naturrechtliehen Denkens. Dies ruft uns auch die historische Tatsache ins Gedächtnis zurück, daß naturrechtliches Denken seit den Sophisten immer ein sowohl das positive Recht rechtfertigendes, als auch ein dieses bis zu den Legitimitätsgrundlagen hin korrigierendes und bekämpfendes war. Alfred Verdross nennt daher das Naturrecht in diesem Zusammenhang "das humane Gewissen des positiven Rechts" 48 • So streitet unser Jubilar für die Veränderbarkeil der Konkretisierungen des primären Naturrechts. Daher sind die im Laufe der Geschichte ermittelten konkreten Naturrechtsnormen notwendigerweise dynamisch, obgleich ihre obersten Grundsätze konstant bleiben48 • Die Spannung zwischen sekundären Naturrechtspostulaten, die zur Erfüllung der obersten, primären Naturrechtssätze erhoben werden, und dem positiven Recht kann so stark werden, daß sich auch für das Naturrecht, das über keinerlei Sanktion verfügt, in Streik, in Widerstand, in Umbrüchen, ja in Revolutionen eine Möglichkeit seiner Erzwingung eröffnet. Frieden durch rationales Erkennen der Menschennatur und ihrer möglichen Vollendung herzustellen, ist jedoch das erste Ziel jedes naturrechtliehen Bemühens als materialer Rechtsphilosophie50. Die Ziele, die uns die naturrechtliche Erkenntnis anzustreben empfiehlt, sind aber nicht präformiert, sie sind informative Größen. Sie wachsen nicht gleichsam aus mikroskopischen Dimensionen heraus, sondern sie dienen in einem Prozeß der Gestaltung und der Entwicklung. Die Freiheit, auch die Freiheit zum Scheitern, ist darin eingeschlossen. Dennoch scheint die Besinnung auf die Menschennatur und die Formulierung konkreter Postulate, die an das positive Recht herangetragen werden, ein Weg, wenn nicht gar der einzige, das ständig - und erst recht in der Welt des Hier und Heute - bedrohte Menschengeschlecht zu einer friedlichen Einheit in seiner Vielfalt zu führen. Denn die oft gescholtene Leerformelhaftigkeit des Naturrechts bedeutet Offenheit, aber auch die Verfassung des Wandels. Diese Verfassung des Menschengeschlechts ins Werk zu setzen und zu vollziehen fordert Alfred Verdross uns durch sein Werk auf.

48 (g 50

Vgl. 114. Vgl. 116. Vgl. Verdross, Abendländische Rechtsphilosophie, 2. Aufl. 1963, 251.

DER BEITRAG VON ALFRED VERDROSS ZUR ENTWICKLUNG DER VÖLKERRECHTSWISSENSCHAFT Von Bruno Simma in Zusammenarbeit mit Michael Bock, Jennifer Clayton und Joachim Krauß• Der Beitrag, den Alfred Verdross in den nunmehr 65 Jahren seines Gelehrtenlebens zur Entwicklung der Völkerrechtswissenschaft und der Rechtsphilosophie geleistet hat, ist schon zu wiederholten Malen umfassend dargestellt worden, am ausführlichsten von seinem Schüler und Nachfolger an der Wiener Fakultät, Stephan Verosta1, und zehn Jahre später durch den jetzigen Ric:hter am Internationalen Gerichtshof und Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Hermann Mosler1. Wenn die völkerrechtswissenschaftliche Leistung unseres Jubilars nun auch in der dritten, Österreichischen Festschrift gewürdigt werden soll, so geschieht dies vor allem, um die imposante Geschlossenheit und Tiefe seines Werks, diese wahrhafte "Einheit des rechtlichen Weltbildes", einer Disziplin vor Augen zu führen, deren jüngere Vertreter gewiß mehr durch die so rasante wie zweischneidige Entwicklung ihres Faches denn aus eigenem Verschulden - in Gefahr geraten sind, in eine Schar von Spezialisten zu zerfallen, die keine nennenswerte philosophisch-theoretische Plattform mehr gemeinsam haben. Ein neuerlicher Blick auf das Lebenswerk des großen "Generalisten" Alfred Verdross mag so zu einer Rückbesinnung auf die gemeinsame Basis aller Normen und Institutionen in der Verfassung der universellen • Die Verbindung mit der akademischen Jugend und mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs ist dem Jubilar immer ein Herzensanliegen gewesen. Daher haben wir für diesen Aufsatz die Form einer Gemeinschaftsarbeit zwischen einem Professor, zwei seiner Studenten und einem Assistenten gewählt, um unserem Vorbild und Freund Alfred Verdross zu zeigen, daß seine Gedanken auch in der jüngsten Juristengeneration Widerhall finden. 1 Verosta, Alfred Verdross- Leben und Werk, in: von der HeydtejSeidlHohenveldern/Verosta/Zemanek (Hrsg.), Völkerrecht und rechtliches Weltbild. Festschrift für Alfred Verdross zum 70. Geburtstag (1960), S.1 ff. 2 Mosler, Übergabe der Internationalen Festschrift zum 80. Geburtstag von Alfred Verdross, JBl 93 (1971), S. 411 ff.

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Völkerrechtsgemeinschaft beitragen, oder zumindest zur Reflexion über die gegenwärtigen Möglichkeiten einer solchen Fundierung anregen. Alle Gedanken des Jubilars nachzuzeichnen, die unsere Wissenschaft zur Diskussion angeregt und damit fortschreiten haben lassen, ist auf den folgenden knappen Seiten unmöglich. So werden wir drei Themen vertiefen, die Grundfragen des Völkerrechts betreffen, zu denen Alfred Verdross besonders markant und prägend Stellung bezogen hat, und seinen Weg zum gemäßigten Monismus, seinen Brückenschlag zwischen positivem und überpositivem Recht mittels der allgemeinen Rechtsgrundsätze und schließlich seine Konzeption eines völkerrechtlichen ius cogens aufzeigen. Unsere Darstellung wird sich dabei auf die Schriften konzentrieren, in denen Alfred Verdross seine Gedanken ursprünglich entwickelt hat, da wir deren zusammenfassende Formulierung in den völkerrechtlichen Lehrbüchern des Wiener Gelehrten als bekannt oder zumindest allgemein zugänglich voraussetzen.

I. Der Weg zum gemäßigten Monismus "Mich hat von allem Anfang an das Problem des Völkerrechts und sein Verhältnis zum staatlichen Rer.ht gefesselt", bekennt der Jubilar in seinen Erinnerungen an die Stunden im Privatseminar des damaligen Privatdozenten Hans Kelsen 3 • Zu jener Zeit erschloß die Beschäftigung mit diesen Fragen ein weites Arbeitsfeld, beklagte doch etwa Triepel: " ... eine Monographie über das Problem gibt es nicht; Abhandlungen, deren Titel den Anschein erweckt, als böten sie das Gesuchte, enttäuschen, sobald man sie aufschlägt" 4 • Gerade durch die Arbeiten Triepels auf die weitreichende theoretische und praktische Bedeutung aufmerksam geworden, die der Konstruktion des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und Landesrecht zukommt, hat sich die Völkerrechtswissenschaft dann jedoch in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts um einen allgemeingültigen Orientierungsrahmen und dessen dogmatische Fundierung bemüht. Die Vielfalt der theoretischen Ansätze spiegelte dabei nur die Unterschiedlichkeit der Meinungen wider, die über die nicht trennbaren Fragen5 nach dem Geltungsgrund von Völkerrecht und staatlichem Recht einerseits und nach der praktischen Bedeutung des Staatsbegriffs für das • In: Osterreichische Rechts- und Staatswissenschaften der Gegenwart in Selbstdarstellungen (herausgegeben von Nikolaus Grass 1952), S. 201. ' Triepel, Völkerrecht und Landesrecht (1899), S. 3 (Einleitung). s Vgl. Verdross, Die völkerrechtswidrige Kriegshandlung und der Strafanspruch der Staaten (1920), S. 36; derselbe, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft (1926), S. 34. Vgl. zum folgenden auch Miehsler, Alfred Verdross' Theorie des gemäßigten Monismus und das Bundesverfassungsgesetz vom 4. März 1964, BGBI. Nr. 59, JBl 87 (1965), S. 566 ff.

Der Beitrag von A. Verdross zur Völkerrechtswissenschaft

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Völkerrecht andererseits bestanden (und immer noch bestehen). Gleichwohl lassen sich in groben Zügen zwei grundsätzlich entgegengesetzte Auffassungen herausschälen: einerseits der dualistische oder pluralistische Ansatz, nach dem Völkerrecht und staatliches Recht zwei völlig getrennte Rechtsordnungen darstellen, andererseits die monistischen Theorien, die - teils vom Primat des Staatsrechts, teils vom Primat des Völkerrechts ausgehend - beide Bereiche als Teile einer einheitlichen Rechtsordnung ansehen. Aus der Fülle der Untersuchungen, die Alfred Verdross zur Klärung des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und Landesrecht angestellt hat 6 , bildete sich seine Theorie des gemäßigten Monismus, in folgerichtiger Fortführung der Gedanken Heinrich Triepels 7, anfänglich mit dem methodischen Rüstzeug des Neukantianismus, dann auf der Grundlage des kritischen Realismus 8 • Triepel war in seinen Überlegungen zu dem Ergebnis gelangt, daß Völkerrecht und staatliches Recht, da ihre Rechtsregeln getrennten Quellen entstammten und sich an verschiedene Adressaten richteten, zueinander im Verhältniszweier verschiedener Rechtsordnungen stünden, zwei Kreisen gleich, "die sich höchstens berühren, niemals schneiden"9. Konflikte zwischen beiden schieden somit aus, da Konflikte zwischen Rechtssätzen, die verschiedenen Rechtsordnungen angehören, nicht möglich seien10 • Anzilotti, der die Gedanken Triepels weiterentwickelte 11 , gestand zu, daß diese Rechtsordnungen trotz ihrer grundsätzlichen Trennung auf6 Vgl. vor allem: Zur Konstruktion des Völkerrechts, Zeitschrift für Völkerrecht 8 (1914), S. 329 ff.; Reichsrecht und internationales Recht, Deutsche Juristen-Zeitung 24 (1919), Sp. 291 ff. (dazu unten); Die völkerrechtswidrige Kriegshandlung (Anm. 5), S. 34 ff.; Staatliches Recht und Völkerrecht, Schweizerische Juristenzeitung 17 (1920), S. 246 ff.; Die Souveränität der Staaten und das Völkerrecht, Friedens-Warte 20 (1920); Grundlagen und Grundlegungen des Völkerrechts, Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht 29 (1921), S. 65 ff.; Völkerrecht und einheitliches Rechtssystem, Zeitschrift für Völkerrecht 12 (1923), S. 405 ff.; Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsverfassung (1923), S. 36 ff.; Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft (Anm. 5), S. 33 ff.; Le fondement du droit international, Recueil des Cours 16 (1927 I), S. 251 ff.; Droit international public et droit interne, Revue de droit international 32 (1954), S. 219 ff.; Die normative Verknüpfung von Völkerrecht und staatlichem Recht, Festschrift f. Adolf J. Merkl (1970), S. 425 ff.; Il collegamento normative del diritto internazianale col diritto interne e la procedura per la soluzione dei conflitti tra questi ordinamenti, Comunicazioni e studi 14 (1975, Festschrift f. G. Morelli), S. 981 ff. Ferner die einschlägigen Abschnitte in den verschiedenen Auflagen des "Völkerrecht" und in "Universelles Völkerrecht", S. 66 ff. 7 Vgl. Verdross, Verfassung (Anm. 5), S. VI. 8 Zu diesem Entwicklungsprozeß Verosta (Anm. 1), S. 13 ff. • Völkerrecht und Landesrecht (Anm. 4), S. 111. 10 Vgl. Anzilotti, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. I (1929), S. 42. II Ebd., s. 36 ff.

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einander einwirken können, und zwar dadurch, daß die eine auf Rechtssätze der anderen verweist. Anzilotti zögerte ferner nicht, das Völkerrecht als dem staatlichen Recht im Sinne einer rechtlichen Machtbegrenzung übergeordnet zu betrachten12 • Eine solche Überordnung hatte auch schon Triepel für denkbar gehalten13 , wenngleich er betonte, daß das Völkerrecht des staatlichen Rechts bedürfe, um seine Aufgabe erfüllen zu können, während es ohne dieses "in vieler Hinsicht ohnmächtig" seiu. Insgesamt müssen die folgenden Überlegungen Triepels als des bedeutendsten Vertreters der dualistischen Lehre aber doch einigermaßen überraschen: "Alles Recht hängt unter sich eng zusammen, kein Teil verträgt strenge Absonderung. Nur daß vielleicht die Zusammenhänge der Rechtszweige innerhalb des Gesamtbereiches der staatlichen Rechtsordnung offener zutage liegen als die oft nur feinen Fäden, die vom Landesrecht ins Völkerrecht hinüberführen. Aber sind diese auch fein, so sind sie gleichwohl fest. Und darum können sie wohl, aber dürfen sie nicht übersehen werden15 ." In Kenntnis dieses Standpunktes verwundert es andererseits nicht mehr, daß Verdross die der dualistischen Auffassung entgegengesetzte monistische Konstruktion schon bald als eine logische Weiterbildung der ersteren aufdeckte, da Triepel "Völkerrecht und staatliches Recht so nahe aneinandergerückt hat, daß es nur mehr weniger Schritte bedurfte, um das dualistische Gehäuse zu sprengen und zur Einsicht der Einheit von Völkerrecht und staatlichem Recht zu gelangen" 18 • Dessenungeachtet blieb die dualistische Lehre jedoch den Beweis dafür schuldig, daß die beiden Normenordnungen notwendig verschiedene sachliche Geltungsbereiche haben. Wir müssen aber berücksichtigen, daß Triepel den herrschenden Rechtsauffassungen seiner Zeit entsprechend vom Staatswillensdogma17 ausgehen mußte, da jede andere Grundlegung mit Sicherheit als naturrechtliche Argumentation und damit als unwissenschaftlich - weil nicht rechtspositivistisch - abqualifiziert worden wäre 18• Triepel mußte also dem Völkerrecht einen "anerkannten" Geltungsgrund verschaffen, wenn er es mit den herrschenden rechtsphilosophischen Anschauungen seiner Zeit in Einklang bringen wollte. Dem deutschen Gelehrten bleibt jedenfalls das große Verdienst, als erster Ebd., S. 38. (Anm. 4), S. 257 ff. 14 Ebd.271. 15 Völkerrecht und Landesrecht (Anm. 4), S. 2. ts Verfassung (Anm. 5), S. VI. 17 Dazu ausführlicher unten. 18 Vgl. auch Wagner, Monismus und Dualismus: Eine methodenkritische Betrachtung zum Theorienstreit, AöR 89 (1964), S. 231, Anm. 72. 12

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den erfahrungsmäßigen Zusammenhang von Völkerrecht und staatlichem Recht aufgedeckt zu habenu. Aber letztlich ist ihm "die theoretische Einsicht in den von ihm gehobenen Schatz verborgen geblieben"! 0 • Diesen Schatz nicht brachliegen zu lassen, bemühte sich der junge Verdross. In seinem ersten Aufsatz "Zur Konstruktion des Völkerrechts" 21 unternahm Verdross den Versuch, die ausschließlich staatsrechtliche Betrachtung, von der auch Kelsen damals ausging22, zu überwinden und einen Weg zum Völkerrecht aufzuzeigen. Kelsen hatte zwar die Einheit des staatlichen Rechtssystems herausgestellt, gleichzeitig aber die Trennung des Rechts in eine Reihe von staatlichen Rechtsordnungen aufrechterhalten. Verdross dagegen suchte nach einem rechtlichen Band, das Landesrecht und Völkerrecht miteinander verbindet und eine beide in einem einheitlichen System erfassende Konstruktion ermöglicht23 • Die monistische Konstruktion war für ihn die "Losung, um die Trennungsmauer zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht zu durchstoßen"u. Unter dem Eindruck des Souveränitätsdogmas der damals herrschenden Lehre ging aber auch er anfänglich noch vom Staatsrecht aus und vertrat die Verankerung des Völkerrechts im staatlichen Recht. Daher konnte er das Völkerrecht nur als äußeres Staatsrecht erfassen und "so zum wahren Wesen des Völkerrechts nicht vordringen" 25 • Als neunundzwanzigjähriger Legationssekretär an der Österreichischen Gesandtschaft in Berlin hat Verdross dann 1919 auf die Beratungen über die Regierungsvorlage der Weimarer Reichsverfassung hinsichtlich deren Haltung zum allgemeinen Völkerrecht im entscheidenden Augenblick eingewirkt: Seine kurze Stellungnahme in der Deutschen JuristenZeitung 1919 "Reichsrecht und internationales Recht. Eine Lanze für Artikel3 des Regierungsentwurfes der deutschen Verfassung" 28 zeigte in der 36. Sitzung des Verfassungsausschusses die beabsichtigte Wirkung: der Ausschußvorsitzende Haußmann gestand ein, durch diese "publizistische Auslassung" auf die verfehlte Formulierung des Art. 3 Vgl. Verdross, Kriegshandlung (Anm. 5), S. 110, Anm. 79. Verdross, Völkerrecht und einheitliches Rechtssystem (Anm. 6), S. 406. 21 Siehe Anm. 6. 22 Vgl. Kelsen, Über Staatsunrecht, Grünhuts Zeitschrift 40 (1913), S. 95 ff.; derselbe, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre (1910). 23 In seinem Aufsatz "Grundlagen und Grundlegungen des Völkerrechts" (Anm. 6), S. 67, macht Verdross Georg Jellinek den berechtigten Vorwurf: .,Diese rechtssatzmäßige Verknüpfung von Völkerrecht und Landesrecht hat aber G. Jellinek nicht einmal versucht." 2 ~ Verdmss, Weltbild (Anm. 6), S. 89. 25 So Verdross in seiner Selbstdarstellung (Anm. 3), S. 202. ~ 6 Anm. 6. 10

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durch den Verfassungsausschuß aufmerksam geworden zu sein27 , und setzte sich für di.t! Rückkehr zur Fassung des Regierungsentwurfs ein, die dann auch als Art. 4 der Weimarer Reichsverfassung Gültigkeit erlangte. Dem Beispiel des Art. 4 folgte wiederum eine Reihe weiterer Verfassungstexte, so insbesondere auch das Österreichische BundesVerfassungsgesetz 1920 in seinem Art. 9, dessen Redaktoren sich weitestgehend den Überlegungen ihrer deutschen Kollegen anschlossen, so daß Verdross also mittelbar auch auf die Gestaltung des Österreichischen Systems der innerstaatlichen Durchführung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts Einfluß ausgeübt hat. Im Exkurs "Völkerrecht und staatliches Recht" seiner Habilitationsschrift28, hat Verdross dann seinen ursprünglichen Standpunkt, das Völkerrecht vom Staatsrecht aus zu erfassen, einer Revision unterzogen, da er erkannte, daß in dieser Konstruktion "zwar nahezu alle, aber doch nicht alle Völkerrechtssätze ihren Platz finden" 2a. Er versuchte demgemäß einen Nachweis für den Vorrang des Völkerrechts zu erbringen, indem er das Völkerrecht "wenigstens in seiner obersten Spitze" 30 über die staatlichen Rechtsordnungen erhob, was er früher zwar auch angedeutet, aber nicht ausgeführt hatte. In seiner Abhandlung "Grundlagen und Grundlegungen des Völkerrechts"81, die noch ganz auf dem Boden des Neukantianismus steht32 , hat Verdross diese Gedanken fortgebildet und gefestigt: "Es gibt Völkerrechtsnormen, die sich ihrem Inhalte nach über die staatlichen Verfassungen erheben und die Verbindung zwischen zwei, durch keine staatsrechtliche Kontinuität verbundenen Verfassungen eines Staates herstellen33 ." Nunmehr war es wiederum Hans Kelsen, der in seinem Werk "Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts" (1920) in Abänderung seiner ursprünglichen Position an die von Verdross in dessen erstem Aufsatz entwickelte monistische Konstruktion anknüpfte34. Die von den Dualisten behauptete Quellenverschiedenheit bestritt er, da jede Rechtsquelle ihre Soll-Geltung einer Norm verdanke. Quelle ist für ihn der Grund-Satz, aus dem als aus seinem Ursprung ein System von Normen erzeugt wird. In dieser Grundnorm Vgl. das Sitzungsprotokoll der 36. Sitzung vom 3. Juni 1919, S. 12. Kriegshandlung (Anm. 5). 29 Ebd., S. 41; ferner Weltbild (Anm. 6), S. 88, 105 Anm. 1, 124. 3° Kriegshandlung (Anm. 5), S. 42 f. und Anm. 79. a1 Fundstelle in Anm. 6. 32 Verosta (Anm. 1), S. 14; Verdross, Selbstdarstellung (Anm. 3), S. 203. 33 (Anm. 6), S. 70. at Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts (2. Aufl. 1928), S. 151 ff. 27

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liege die Besonderheit einer Ordnung als eines Systems von Normen85 • Im Gegensatz zu Verdross behauptete Kelsen jedoch eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Primat des Völkerrechts und dem Primat des staatlichen Rechts. Es sei von einer Annahme des Betrachters abhängig, ob das Völkerrecht oder das staatliche Recht als höchste, nicht weiter ableitbare, also als souveräne Ordnung bestimmt wird. Eine subjektivistisch-imperialistische Weltanschauung werde sich für den Primat des Staatsrechts, eine objektivistisch-pazifistische hingegen für den Primat des Völkerrechts entscheiden35 • Die konkrete Wahl bestimmt sich also nach der politischen Weltanschauung des Betrachters und nicht nach der rechtlichen Verfassung. Zu diesem Ergebnis gelangt Kelsen, weil er meint, daß die Normsetzungskompetenz aus der Faktizität des historischen Vorgangs nicht zu erkennen sei 37 • Später rechtfertigt er die Wahlmöglichkeit auch damit, daß sich am Inhalt des Völkerrechts nichts ändere, ob man nun der einen oder der anderen Konstruktion folge 38 • Verdross nimmt zu dieser Auffassung bereits in seinem ersten großen Meisterwerk, der "Einheit des rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsverfassung" (1923) kritisch Stellung38 • In diesem Werk versucht er, den Nachweis zu erbringen, daß die Widersprüche zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht innerhalb der Einheit des Rechtssystems wieder aufgelöst werden können. Da damals der souveräne Staatswille im Mittelpunkt des Interesses der herrschenden Völkerrechtslehre stand 40 , richtete Verdross auf ihn sein Hauptaugenmerk. Dabei ging er von der Hegeischen Souveränitätstheorie aus. Für Hegel bedeutet die Souveränität des Staates, daß der Staatswille kein anderes Gesetz kennt, als den Zweck seines Ganzen41. Folglich könne auch das Völkerrecht nur in den besonderen souveEbd., S. 105. Ebd., S. 314 ff. s1 Ebd., S. 89, Anm. 1. as Kelsen, Reine Rechtslehre (2. Aufl. 1960), S. 343 ff. 38 Eine erste Kritik findet sich in der ebenfalls 1923 veröffentlichten Abhandlung "Völkerrecht und einheitliches Rechtssystem" (siehe oben Anm. 6). Diese Arbeit hat Verdross weitgehend in den kritischen Teil der "Einheit des rechtlichen Weltbildes" eingebaut. Auch in seinem Aufsatz "Johann Jakob Masers Programm einer Völkerrechtswissenschaft der Erfahrung" (Zeitschrift für Völkerrecht 3 [1922/23], S. 36 ff.; vor kurzem erweitert in: Multitudo legum- ius unum. Festschrift f. Wilhelm Wengier [1973], Bd. I, S. 685 ff.) hatte er sich gegen die Annahme einer Wahlmöglichkeit zwischen dem Primat des Staatsrechts und dem des Völkerrechts gewandt. In J. J. Maser sah Verdross den ersten Autor, der auf den rechtssatzmäßigen Zusammenhang zwischen Völkerrecht und Landesrecht hingewiesen hat. 'o So verankern auch Triepel und Anzilotti (a. a. 0.) das Völkerrecht in einem kollektiven Willen, der aus dem vereinigten Willen der einzelnen Staaten gebildet werde. 41 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821), § 278. Vgl. zum folgenden zuletzt Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht (1976), S. 36 f. 35 38

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ränen Willen der einzelnen Staaten seinen Sitz haben 42 • Die zeitgenössische Völkerrechtswissenschaft versuchte nun, die Existenz des Völkerrechts mit dem Willensdogma in Einklang zu bringen, indem sie in irgendeiner Form eine Selbstbindung des Staatswillens zu (oder: in) Völkerrecht annahm, gleichzeitig aber die völkerrechtlichen Verpflichtungen Änderungen dieses Staatswillens überdauern ließ 43 • Verdross decouvriert diesen Versuch als "Tantaloswerk" 44 • Er hält der herrschenden Lehre entgegen, daß, um einen bestimmten menschlichen Willensakt als Staatswillen qualifizieren zu können, bereits ein dahingehender Rechtssatz vorausgesetzt werden muß. Somit könne der Terminus "Staatswille" nichts anderes sein, als der zusammenfassende Ausdruck eines bestimmten Kreises rechtlicher Tatbestände45 • Das Verhältnis des staatlichen Rechts zum Völkerrecht stellt sich also als Problem der Beziehung zweier Rechtskreise. Die Frage ist nur, ob beide Rechtskreise innerhalb derselben hierarchischen Ordnung ihren Platz finden46 • Ausgehend von den Gedanken Hugo Krabbes 47 , die am herkömmlichen Staatsbegriff rührten, war die Wiener Schule schon früher zu der Erkenntnis gelangt, daß dem Staat eine dem Menschen vergleichbare Wesenheit fehle, die einen Willen hat und Träger von Rechten und Pflichten ist, daß der Staat vielmehr mit der staatlichen Rechtsordnung identisch sei 48 • Dieses Ergebnis ermöglichte Verdross den Blick über den Staat hinaus auf ein überstaatliches Recht 49 und schuf ihm die Basis, Adolf Merkls Lehre vom Stufenbau der Rechtsordnung 50 auf das Völkerrecht zu erstrecken, weil eine ähnliche Differenzierung der Rechtsnormen, wie sie im staatlichen Recht in dem hierarchischen Verhältnis zwischen delegierender und delegierter Norm besteht, auch im Verhältnis Völkerrecht und Landesrecht beobachtet werden kann51 • Verdross vertritt die Ansicht, daß die staatliche Rechtsordnung nicht im Verhältnis zur Völkerrechtsordnung, sondern nur in Relation zu Regel, a. a. 0., § 333. u Vgl. Verdross, Weltbild, S. 4 f. " Ebd., S. 7. 45 Ebd., S. 37 f. 48 Ebd., S. 52. 47 Krabbe, Die Lehre der Rechtssouveränität (1906) und insbesondere: De moderne staatsidee (1915). Krabbe griff wiederum auf Lehren der spanischen Spätscholastiker Vitoria und Suarez zurück; dazu Verdross/Simma (Anm. 41), s. 32 ff. 48 Vgl. Kelsen, Das Problem der Souveränität (Anm. 34), S. 22; Verdross, Kriegshandlung (Anm. 5), S. 35 ff., Weltbild (Anm. 6), S. 8. 48 Vgl. Weltbild, S. 70. 50 Merkl, Die Rechtseinheit des Österreichischen Staates, AöR 37 (1918), S. 56 ff.; derselbe, Die Lehre von der Rechtskraft (1923), S. 207 ff. 51 Vgl. Weltbild (Anm. 6), S. 129 ff. 42

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anderen Organen Souveränität besitzt, dem Völkerrecht aber untergeordnet ist 52 • Für ihn ist Souveränität gerade die besondere Kompetenz, welche die Staaten aufgrund des Völkerrechts besitzen. Staatliche Souveränität und unmittelbare Völkerrechtsunterworfenheit bedeuteten daher ein und dasselbe51 • Denn das Völkerrecht sei die gemeinsame Grundordnung der zivilisierten Welt, die dem einseitigen Verfügungsrechte eines Staates entrückt ist54 • So gebe es einen Völkerrechtssatz, der besagt, daß Staatsverträge auch dann weitergeHen, wenn in den gebundenen Staaten eine revolutionäre Verfassungsänderung eingetreten ist. Also wiesen die Verträge einen Rechtsgrund auf, der über den Staatsverfassungen steht. Folglich müsse es wenigstens einen einzigen Völkerrechtssatz geben, der sich über die Staatsverfassungen erhebt55 • Diesen überstaatlichen Rechtskreis nennt Verdross Völkerrechtsverfassung. Diese baue primär auf zwei koordinierten Verfahrensgattungen zur Aufstellung allgemeiner Völkerrechtssätze auf, nämlich dem Verfahren der Staatsverträge und dem Verfahren des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts. Subsidiär zieht die Staatenpraxis aber auch die "internationale Gerechtigkeit" als Rechtsquelle heran58 • Mit diesem Nachweis leitete Verdross seinen Kampf gegen den voluntaristischen Rechtspositivismus ein57 , auf den wir in der Folge zurückkommen werden. Seit dem Bestande der Völkerrechtsverfassung sind die Staaten dieser unterworfen, da sie sich nur innerhalb der vom Völkerrecht abgesteckten Kompetenzen rechtlich bewegen und entfalten können, wenngleich diese Kompetenz so weit gespannt ist, daß sie Souveränität genannt wird. Das Völkerrecht in seiner Gesamtheit stelle, meint Verdross in dieser frühen Schrift, weder ein unter den Staatsverfassungen, noch auch ein über denselben stehendes Recht dar. Daher sei sowohl der Primat des Völkerrechts wie auch der des staatlichen Rechts abzulehnen. Denn über die Staatsverfassungen erheben sich nur jene Rechtssätze, die als Völkerrechtsverfassung auszuzeichnen sind, während das übrige Völkerrecht in Verfahren entstehe, die auch von den Staatsverfassungen abhängen58 • Zwischen die Völkerrechtsverfassung und die übrigen Völkerrechtssätze schöben sich daher die Staatsverfassungen, da alle anderen Völkerrechtssätze als die Völkerrechtsverfassung nur in der Weise zustande kommen, daß die von den Staatsverfassungen eingesetzten s2

Weltbild, S. 15 f.

ss Ebd., S. 35.

Ebd., S. 101. Ebd., S. 104. 58 Ebd., S. 126. 67 Vgl. Selbstdarstellung, S. 204. ss Weltbild, S. 134. 54

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Organe in bestimmter Weise handeln. Daraus den Schluß ziehen zu wollen, daß das unter Mitwirkung der Staatsverfassungen gebildete Völkerrecht in derselben Weise aufgehoben oder abgeändert werden könne wie das staatliche Recht, wäre jedoch irrig. Denn die Völkerrechtsverfassung räumt den Staatsverfassungen nur in der Sphäre der inneren Angelegenheiten eine ausschließliche Zuständigkeit ein, während sie außerhalb dieser nur einvernehmlich mit anderen Staaten vorgehen können 5D. Insbesondere aufgrund dieses Gedankens hat Verdross später die Differenzierung zwischen der Völkerrechtsverfassung, der der Primat gegenüber dem staatlichen Recht zukommt, und dem übrigen Völkerrecht in bezug auf die Rangfolge aufgegeben und spricht in jüngeren Darstellungen generell vom "gemäßigten oder gegliederten Monismus auf der Grundlage des Primates des Völkerrechts" 80 , d. h. des gesamten Völkerrechts. Die "Einheit des rechtlichen Weltbildes" wird auch durch das Vorhandensein von staatlichem Recht, das dem Völkerrecht widerspricht, nicht gefährdet. Widersprüche in den staatlichen Rechtsordnungen können im System des staatlichen Rechts aufgelöst werden. So wird durch diese die Einheit der staatlichen Rechtsordnung nicht zerstörte'. Wenn nun Normen des staatlichen Rechts Widersprüche zu völkerrechtlichen Normen enthalten, so können auch diese Konflikteaufgrund der völkerrechtlichen Regeln über die internationale Streiterledigung sowie über das völkerrechtliche Unrecht und seine Rechtsfolgen, also in einem völkerrechtlichen Verfahren, gelöst werden. Verdross folgert daraus, daß die Existenz völkerrechtswidrigen Landesrechts, weil dieser Widerspruch nur vorläufiger Natur ist, weder bedeutet, daß das Völkerrecht dem Landesrecht nicht übergeordnet ist, noch die Einheit des Rechtssystems zerschlägt82 • Damit war das theoretische Gebäude des gemäßigten Monismus im Rohbau errichtet. In seinen späteren Schriften hat Verdross weitere Details herausgearbeitet und seine Konstruktion durch immer neue Belege aus der Rechtserfahrung gegen die Kritik seitens der Dualisten verteidigt, zuletzt in meisterhafter Form in der Festschrift für Adolf Merkl 63 • Auf die philosophische Grundlegung, die er seinem Rechtssystem gibt, werden wir im nächsten Abschnitt eingehen. Ebd., S. 135. Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 113 (Hervorhebungen im Original); Universelles Völkerrecht, S. 67. 61 Weltbild, S. 159; Verfassung (Anm. 5), S. 36 f. 62 Weltbild, S. 162. 81 Die normative Verknüpfung von Völkerrecht und staatlichem Recht (Anm. 6). 59

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In den letzten Jahrzehnten hat die Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der beiden Theorien an Schärfe verloren, wie sich überhaupt in der Völkerrechtswissenschaft eine gewisse Theoriemüdigkeit ausbreitete. Beim Fragenkomplex Völkerrecht und Landesrecht hat die Doktrin ihr Hauptaugenmerk den konkreten Methoden der innerstaatlichen Durchführung des Völkerrechts zugewandt. Die theoretische Position des Dualismus ist immer weiter entschärft und so dem gemäßigten Monismus derart angenähert worden, daß heute in beinahe allen praktischen Fragen weitgehend übereinstimmende Lösungen erzielt werden. Die Schaffung der Europäischen Gemeinschaften mit ihren beispiellosen Rechtsetzungsbefugnissen und der Geltungs- und Ranganspruch, mit dem dieses Gemeinschaftsrecht die Impermeabilität der mitgliedstaatliehen Rechtsordnungen aufsprengt, haben zu einer gewissen Wiederbelebung der theoretischen Diskussion geführt. Die intellektuelle Schärfe und philosophische Fundierung der großen Debatte der 20er und 30er Jahre suchen wir aber heute vergebens. Die Auseinandersetzung zwischen Monisten und Dualisten hat daneben auch ihre metajuristische, verfassungs- und völkerrechtspolitische Seite. Wie Hans Kelsen aufgezeigt hat 8', gedieh der dogmatische Dualismus auf der Basis einer subjektivistisch-imperialistischen Weltanschauung und individualistischen Völkerrechtskonzeption, während der - reflektierte - Monismus einer objektivistischen Grundhaltung und Universalistischen Auffassung vom Völkerrecht in stoisch-christlicher Tradition besser entspricht. Was die Entwicklung der Völkerrechtspraxis angeht, so hat diese heute eine Richtung eingeschlagen, die dem rechtspolitischen Anliegen des Monismus entgegenkommt, die dualistischen Bastionen der Epigonen Hegels aber stetig abträgt. Man denke nur an die entscheidende Reduzierung des einzelstaatlichen domaine reserve durch die Internationalisierung der Menschenrechte, an die immer intensivere und vielfäHigere Weise, in der internationale Organisationen, sei es durch "hard" oder durch "soft law", auf die nationalen Rechtsordnungen einwirken; und kommt es schließlich nicht einer entscheidenden positivrechtlichen Bestätigung des Monismus gleich, wenn der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seiner SimmenthaZ-Entscheidung vom 9. März 1978 ausführt, daß "nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane in ihrem Verhältnis zum internen Recht der Mitgliedstaaten nicht nur zur Folge [haben], daß allein durch ihr lokrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird, sonu Vgl. oben S. 00 3 Festschrift für Altred Verdross

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dern auch ... , daß ein wirksames Zustandekommen neuer staatlicher Gesetzgebungsakte insoweit verhindert wird, als diese mit Gemeinschaftsnormen unvereinbar wären" 85 ? Der Hinweis darauf, daß es Alfred Verdross war, der die Theorie vom monistischen Aufbau des Rechtssystems wieder in Beziehung zum positiven Recht gesetzt hat, ist demnach ungleich mehr als eine historische Reminiszenz. II. Die Sclllüsselrolle der allgemeinen Redltsgrundsätze

Im Laufe seiner Bemühungen um Einheit des rechtlichen Weltbildes änderte sich allmählich die philosophische Einstellung unseres Jubilars. Das nähere Studium der aristotelischen Erkenntnistheorie, sowie der christlichen Philosophie und der modernen Gegenstandsphilosophie (Geyser, Husserl, Nicolai Hartmann) brachte Verdross zur Überzeugung, daß die Grundpositionen des Neukantianismus unhaltbar sind 118 • Diese Wende schlug sich am deutlichsten in seinen Arbeiten über die allgemeinen Rechtsgrundsätze nieder 87 • Gemäß Art. 38 Abs. 1 lit c des Statuts des Internationalen Gerichtshofes (früherer Art. 38 Ziff. 3 des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofs) hat das Gericht neben dem Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht "die von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze" 88 anzuwenden. Da heute fast alle Staaten Der Europäische Gerichtshof fährt fort: "Aus alledem folgt, daß jeder im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene staatliche Richter verpflichtet ist, das Gemeinschaftsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es den einzelnen verleiht, zu schützen, indem er jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig, ob sie früher oder später als die Gemeinschaftsnorm ergangen ist, unangewendet läßt. Sanach wäre jede Bestimmung einer nationalen Rechtsordnung oder jede Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder Gerichtspraxis mit den in der Natur des Gemeinschaftsrechts liegenden Erfordernissen unvereinbar, die dadurch zu einer Abschwächung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts führen würde, daß dem für die Anwendung dieses Rechts zuständigen Gericht die Befugnis abgesprochen wird, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung alles zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auszuschalten, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Gemeinschaftsnormen bilden" (Neue Juristische Wochenschrift 1978, 8.1741 f.). Vgl. auch (ansonsten i. S. des Dualismus argumentierend) Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht (1975), S. 175, 273. 88 Selbstdarstellung, S. 204. 87 Vgl. darüber auch Verosta, Die allgemeinen Rechtsgrundsätze in der Staatenpraxis. (Zur Erneuerung der realistischen Lehre von den Völkerrechtsquellen durch Alfred Verdross-Droßberg), OJZ 5 (1950), S. 1 ff. 88 So die Übersetzung des authentischen Wortlauts "principes generaux de droit reconnus par les nations civilisees/general principles of law recognized by civilized nations" durch Verosta (Die Satzung der Vereinten Nationen und das Statut des Internationalen Gerichtshofs [1947], S. 60), wie sie 85

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der Erde den Vereinten Nationen angehören und damit auch Vertragsparteien des IGH-Statuts sind, kann die Verankerung der allgemeinen Rechtsgrundsätze im universellen Völkerrecht nicht mehr ernsthaft bestritten werden. In der Zwischenkriegszeit war die Sachlage noch ganz anders. Aber auch noch heute divergieren die Auslegungen der genannten Bestimmungen des IGH-Statuts und werden Wortlaut wie systematischer Zusammenhang mitunter arg strapaziert, so etwa bei dem Versuch der herrschenden marxistischen Völkerrechtstheorie, die allgemeinen Rechtsgrundsätze zu bloßem rechtslogischem, technischem und methodischem Handwerkszeug bei der Anwendung von Vertrags- und Gewohnheitsrecht zu degradieren88 • Demgegenüber hat Alfred Verdross geklärt, daß das Gerichtshofstatut die allgemeinen Rechtsgrundsätze "Grundsätze, die die Rechtsüberzeugung der Kulturstaaten als notwendige Grundbestandteile jeder Rechtsordnung betrachtet" 70 - keineswegs als bloße Hilfsmittel ansieht, sondern als selbständige Rechtsquelle rezipiert. Der Begründung dieser Position und deren Festigung durch Nachweis der internationalen Praxis hat er nicht weniger als 30 Untersuchungen gewidmee', in denen er zwischen seiner nunmehr naturrechtliehen Grundhaltung und einer realistischen Völkerrechtsbetrachtung eine immer tragfähigere Brücke schlug. In diesen Veröffentlichungen hat Verdross Lehren aufgenommen, deren philosophische Wurzeln älter sind als unser Völkerrecht. Diese Anschauungen hatten zu allen Zeiten starke Verfechter gefunden72 , so dann auch unter den Mitgliedern der Juristenkommission zur Vorbereitung des StiGH-Statuts73 • Die Verabschiedung des Wortlauts des für die amtliche Österreichische Fassung übernommen wurde. Die amtliche Übersetzung der Bundesrepublik Deutschland lautet dagegen: " . . . die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze" (BGBl. 1973 li 521).

eo So Tunkin, "General Principles of Law" in International Law, in: Marcic/Mosler/Suy/Zemanek (Hrsg.), Internationale Festschrift für Alfred Verdross zum 80. Geburtstag (1971), S. 523 ff., 529, 532. 70 Verfassung (Anm. 5), S. 57. 71 Die ersten 28 werden von Verosta (Anm. 67) in Anm. 1 aufgezählt. Im

Anschluß daran sind noch zu nennen: Zum Problem der völkerrechtlichen Grundnorm, in: Festschrift f. Wehberg (1956), S. 385 ff.; Les principes generaux de droit dans le systeme des sources du droit international public, in: Melanges Guggenheim (1968), S. 521 ff. Vgl. ferner die betreffenden Abschnitte in "Verfassung", "Völkerrecht", "Die Quellen des universellen Völkerrechts" und "Universelles Völkerrecht". 71 Vgl. die Nachweise in: Weltbild (Anm. 6), S. 42; ferner: Die allgemeinen Rechtsgrundsätze als Völkerrechtsquelle, Kelsen-Festschrift 1931, S. 358; Die Quellen des universellen Völkerrechts (1973), S. 120 f. 73 Vgl. z. B. Verfassung (Anm. 5), S. 60 ff.; Les principes generaux de droit comme source du droit des gens, Annuaire de l'Institut de Droit international 1932, S. 289 ff. Ferner Härle, Die allgemeinen Rechtsgrundsätze im Völkerrecht, Zeitschrift für öffentliches Recht 11 (1931), S. 208.

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Buchstabens c bedeutete aber noch lange nicht die Durchsetzung der Konzeption der allgemeinen Rechtsgrundsätze als eigenständiger Völkerrechtsquelle. Die Bestimmung wurde vielmehr sofort zum Gegenstand einer heftigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung, da sich der voluntaristische Völkerrechtspositivismus bald der Herausforderung bewußt wurde, die ihm durch die Verdross'sche Verknüpfung von Naturrechtslehre und streng empirischer Quellentheorie erwuchs. Zu jener Zeit erkannte die herrschende positivistische Lehre nur Vertrags- und Gewohnheitsrecht (letzteres als stillschweigender Konsens verstanden74 ) als Quellen des Völkerrechts an, das, wie bereits bemerkt, ausschließlich auf den souveränen staatlichen Willen aufbauend begriffen wurde75 • In Konsequenz dessen erblickte Anzilotti in Art. 38 Ziff. 3 des StiGHStatuts zwar auch eine Durchbrechung des von den Staaten eifersüchtig gehüteten Prinzips, nur durch den eigenen Willen gebunden werden zu können78 • Er meinte aber, daß es sich bei Entscheidungen unter Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze gar nicht um Entscheidungen nach Völkerrecht, sondern um reines Richterrecht handle, denn die analoge Anwendung von Normen aus nationalen Rechtsordnungen stelle einen Rückgriff auf Quellen dar, die nicht der Völkerrechtsordnung angehören. Damit werde der Richter zum Gesetzgeber77 • Härle versuchte nachzuweisen, daß die allgemeinen Rechtsgrundsätze in ihrer jeweiligen individuellen Ausgestaltung78 gewohnheitsrechtlich entstandene Normen seien79 , wobei die Staaten durch die übereinstimmende Normierung bestimmter Lebens- und Verkehrssachverhalte stillschweigend ihren bejahenden Willen geäußert hätten80 • Kopelmanas sah - wie Anzilotti - den Richter bei der Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze gesetzgeberisch tätig werden81 • Wegen der grundlegenden Unterschiede in den sozialen Vorgegebenheiten des nationalen und des internationalen Rechtsbereichs hielt er diese Methode für unzulässig82 , ja sah darin gar ein "jugement en equite" 81 • Ein solches "jugement praeter legem" sei gleichbedeutend mit einem "juge74 Vgl. statt aller Anzilotti, Cours de droit international (1929), S. 73; Oppenheim, International Law (2. Auflage 1912), S. 22; Triepel (Anm. 4), S. 30. 75 Vgl. oben s. 00. 76 Anzilotti, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. I (1929), S. 84. 77 Ebd., S. 85 f.

(Anm. 73), S. 221. Ebd., s. 219. 80 Ebd., S. 218. 81 Quelques reflexions au sujet de l'article 38, 3 du Statut de la Cour Permanente de Justice Internationale, RGDIP 43 (1936), S. 285 ff., 296. 82 Ebd., S. 295. 83 Ebd., S. 304. 78 78

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ment contra legem" 8'. Den Charakter formeller Völkerrechtsquellen stritt auch Kopelmanas den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ausdrücklich ab 85 • Soweit die Versuche des Voluntarismus, die Existenz des Art. 38 Ziff. 3 StiGH-Statut mit den eigenen Maximen zu versöhnen. Gegenüber diesen Bemühungen besteht die Hauptstoßrichtung der Verdross'schen Argumentation in dem Nachweis, daß die Behauptung, positives Völkerrecht könne nur durch Staatenkonsens entstehen, von einem Vorurteil ausgeht 88 • Dieses liege darin begründet, daß - mit seiner Aufrechterhaltung des Staatswillendogmas - der "empirische Positivismus im Sinne einer Theorie der Erfahrung in einen metaphysischen Positivismus abgleite" 87 • Verdross zeigt auf, daß der voluntaristische Völkerrechtspositivismus schon der jahrhundertelangen Praxis der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nicht gerecht wurde, die in breiter Fülle von der Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze - "internationaler Gerechtigkeit"- zeugt 88 , ohne daß dabei ein historischer Bruch sichtbar würde. Auf philosophischer Ebene aber setzt er dem Wertpositivismus nunmehr seine naturrechtliche Wertphilosophie entgegen und führt die normative Geltung des positiven Völkerrechts auf die in Gott gegründete sittliche Idee zurück. Anfänglich hatte Verdross diese "Grundnorm" noch in der Regel "pacta sunt servanda" erblickt89 , die er bald zum Grundsatz der bona fides ausweitete 90 • In seiner ersten Raager Vorlesung 1927 bezeichnete er die universelle Moral als Grundlage des positiven Völkerrechts91 , der er später den Rechtswert der Würde des Menschen ausdrücklich einreihte92 • Die Notwendigkeit einer derartigen inhaltlichen Ausfüllung der völkerrechtlichen Grundnorm hat Verdross im Jahre 1931 mit folgenden eindrucksvollen Worten erhellt: "Zwischen den beiden Polen der Wertphilosophie und der Soziologie ist das positive Recht unentrinnbar eingespannt. Mit seinem Haupte weist es hinaus auf die Welt der Werte, aus der es erst seine normative Ebd., S. 306. Ebd., S. 307. 88 Kelsen-Festschrift (Anm. 72), S. 356 f. 87 Ebd., S. 357. 88 Vgl. Verdross, Weltbild (Anm. 6), S. 120 ff.; Verfassung (Anm. 5), S. 57 ff. Den aus der schiedsgerichtlichen Praxis stammenden Terminus "internationale Gerechtigkeit" verwendet auch Verdross in seinen frühen Schriften; vgl. oben S. 00. 89 Verfassung, S. 32. 90 Darüber: Die bona fides als Grundlage des Völkerrechts, JBl 73 (1952), S. 599 ff.; La banne foi comme fondement du droit international public, Revue hellenique de droit international 5 (1952), S. 17 ff.; Die bona fides als Grundlage des Völkerrechts, Laun-Festschrift 1953, S. 29 ff. 91 (Anm. 6), S. 251. 92 Die Wertgrundlagen des Völkerrechts, A VR 4 (1953), S. 136 f. 84

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Geltung herleiten kann, mit seinen Füßen steht es dagegen auf dem festen soziologischen Boden des tatsächlichen Verlaufes menschlicher Handlungen. Dies gilt auch für das positive Völkerrecht. Denn einerseits beruht seine normative Geltung auf der in Gott gegründeten sittlichen Idee der sich in eine Vielheit von Staaten zergliedernden einheitlichen Menschheit, andererseits aber kann sich diese Idee nur aktualisieren, wenn und soweit sie sich in den Handlungen der Staaten auswirkt. Daher sind auch die Idee der Völkerrechtsgemeinschaft und ihre schrittweise Realisierung im positiven Völkerrecht auseinanderzuhalten. Zur vollen Erfassung des positiven Völkerrechts ist es somit notwendig, sowohl die Ideen zu ergründen, die dem Faktum des Völkerrechts zugrunde liegen, als auch die Handlungen zu erforschen, in denen sich jene auswirken. Ohne diese Handlungen wären die Ideen lahm, ohne die Ideen aber die Handlungen blind. Erst durch ihre Synthese entsteht das positive Völkerrecht 93 ." Die allgemeinen Rechtsgrundsätze94 stellen die Ausprägung der Rechtsidee im positiven Recht dar. Wenn demnach eine völkerrechtliche Grundnorm formuliert werden soll, so kann sie auf dieser philosophischen Basis nur lauten, "daß sich die Völkerrechtssubjekte so verhalten sollen, wie es die allgemeinen Rechtsgrundsätze und die auf ihrer Grundlage erzeugten Normen des Vertragsrechts und des Gewohnheitsrechts vorschreiben" 15 • Richtiger wäre es nach Verdross aber, von einem Gefüge von Rechtsgrundsätzen, statt von einer Grundnorm zu sprechen96. Ohne diese normative Grundlage würde sich das positive Völkerrecht "in eine unendliche Mannigfaltigkeit von diplomatischen Noten, Staatsverträgen und Schiedssprüchen auflösen. Man hat die Teile in der Hand, es fehlt aber leider das geistige Band" 97 . Mit diesem Verständnis der allgemeinen Rechtsgrundsätze gibt Verdross dem formalen Gebäude des einheitlichen Rechtssystems eine inhaltliche Ausfüllung, die sein Lehrer und Freund Kelsen nur zur Wahl stellen, aber von seiner relativistischen Position aus für sich nicht akzeptieren konnte. Die konsequente Verfolgung der damit geschilderten Verbindung von Naturrechtsphilosophie, Rechtstheorie und juristischer Systematik ermöglicht ihm eine Darstellung auch des positiven Völkerrechtsstoffes von einzigartiger Geschlossenheit 98 und einer Tiefe, 93 Die allgemeinen Rechtsgrundsätze als Völkerrechtsquelle (Anm. 6), S. 358 (auch bei Verosta [Anm. 67], S. 4 f., zitiert). 94 Oder präziser: Ein Teil von ihnen. Vgl. unten. 95 Zum Problem der völkerrechtlichen Grundnorm, in: Festschrift f. Wehberg (1956), S. 394; ferner: Völkerrecht (5. Aufl. 1964), S. 24 f., wo von "fundamentalen Rechtsgrundsätzen" gesprochen wird, "die sich aus der sozialen Natur der menschlichen Verbände ergeben". ve Völkerrecht (ebd.), S. 25. 97 Ebd.

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gegenüber der sich die meisten anderen Lehrbücher merkwürdig flach, eindimensional, ausnehmen. Kehren wir noch einmal zu den Verdross'schen Lehren über Natur und Funktion der allgemeinen Rechtsgrundsätze zurück: In seinen Haager Vorlesungen 1935 verdeutlicht er seinen Kritikern, daß es sich bei der Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze auf zwischenstaatliche Sachverhalte nicht um die schlichte Übernahme staatlichen Rechts in das Völkerrecht handelt. Das in diesem Verfahren herangezogene innerstaatliche Recht ist vielmehr nur Indiz für dahinterstehende allgemeingültige Rechtsgedanken, denen selbständige Geltung im Völkerrecht zukommt88 • Von Anfang an wehrt sich Verdross gegen die Deutung der Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze als des Versuchs der Lückenfüllung im Völkerrecht. Der Grundsatz der Staatenfreiheit führt bei Fehlen von anwendbaren Rechtssätzen nie zu einem "non liquet", vielmehr zur Klagsabweisung100 • Der entscheidende Stellenwert, der unserer dritten formellen Völkerrechtsquelle im Verdross'schen Rechtssystem zukommt, verlangt schließlich nach einer genaueren Kategorisierung dieser Grundsätze, damit diejenigen herausgeschält werden können, welche die beschriebene Verbindungsfunktion zum überpositiven Recht innehaben. In diesem Sinne besteht eine erste Gruppe allgemeiner Rechtsgrundsätze aus Prinzipien, die den Rechtsordnungen immanent sind, ohne die deren Funktionieren nicht oder kaum denkbar wäre. Sie leiten sich, wie das Prinzip von Treu und Glauben, entweder unmittelbar aus der Idee des Rechts ab oder liegen nur bestimmten Rechtsbereichen, wie etwa dem Vertragsrecht, zugrunde 101 und werden vom Vertrags- und Gewohnheitsrecht vorausgesetzt. Daß Verdross diese Grundsätze nicht aus einem subjektiven Wertgebäude ableitet, sondern ihre Anwendung in der Schiedsrechtsprechung konkret nachweist, haben wir bereits betont. Zur zweiten Gruppe zählen diejenigen Rechtsgrundsätze, die im internen Recht (in foro domestico) der Kulturvölker übereinstimmend anerkannt sind10t und im Wege der Analogie auf das Völkerrecht übertragen werden, weil und solange sich noch keine auf zwischenstaatliche es Vgl. auch Mosler (Anm. 2), S. 412. Les principes generaux du droit dans la jurisprudence internationale, RdC 52 (1935 II), S. 205, 224; später z. B. Völkerrecht (5. Aufi. 1964}, S. 148; Die Quellen des universellen Völkerrechts (Anm. 72), S. 127; Universelles Völkerrecht, S. 309, 311. 100 Verfassung (Anm. 5), S. 69 ff., 74; Annuaire (Anm. 73), S. 296. 101 RdC (Anm. 99), S. 204; Völkerrecht (1937), S. 76. tot Vgl. z. B. RdC ebd.; Les principes generaux du droit applicables aux rapports internationaux, RGDIP 45 (1938), S. 49. 10

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Sachverhalte anwendbaren Vertrags- und völkergewohnheitsrechtliehen Normen herausgebildet haben. Der Terminus "Analogie" soll dabei lediglich die Methode der Rechtsfindung bezeichnen und nicht etwa den Quellencharakter solcher Rechtsgrundsätze widerlegen. Auch bei ihnen handelt es sich um allgemeine Rechtsgedanken und damit um einen Ausfluß aus der Rechtsidee103 .· Was die Frage des persönlichen Geltungsbereichs unserer Prinzipien betrifft, so erkennt Verdross durchaus die Möglichkeit partikulärer allgemeiner Rechtsgrundsätze an10\ in Entsprechung zu partikulärem Gewohnheitsrecht. Andererseits verlangt er selbst für universelle allgemeine Rechtsgrundsätze (der zweiten Gruppe, s.o.) nicht die Geltung im Recht aller Staaten, weil es als Beweis für die Existenz eines solchen Rechtsgrundsatzes genüge, daß dieser allgemein im positiven Rechtssystem der Staaten verankert seP 05 . Er unterstützt dies mit der Feststellung, daß das Juristenkomitee 1920 nicht die diversen Staaten nach dem Grad ihrer Zivilisiertheit unterscheiden wollte, sondern daß es nur darum ging, die StiGH-Richter an objektiv(iert)e Rechtssätze zu binden108. Spätestens seit die Vereinten Nationen und ihre Spezialorganisationen Universalität erlangt hätten, sei die Unterscheidung zwischen "Kultur-" und anderen Völkern ohnehin hinfällig geworden. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz sei somit nachgewiesen, wenn seine Geltung in den hauptsächlichen Rechtssystemen der Welt belegt werden kann 107 • Im übrigen hatte Verdross schon in seiner "Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft" festgehalten, daß die Art und Weise, in der diese Grundsätze "allgemein anerkannt" werden, gleichgültig ise 08 , m. a. W., daß ihre Verankerung in foro domestico nicht die einzig mögliche Art ihrer Objektivierung darstellt. Diese methodische Offenheit hat es ihm später ermöglicht, neue Rechtsentwicklungen ohne Bruch in sein System einzubeziehen. In diesem Sinne stellt er, anknüpfend an einen Gedanken seines Schülers Kar! Zemanek109 , fest, daß in den letzten Jahren allgemeine Rechtsgrundsätze außerhalb der nationalen Rechtsordnungen in der Weise entstanden sind, daß sich die Staaten in der UNGeneralversammlung durch inhaltlich übereinstimmende einseitige Erklärungen oder durch formlosen zwischenstaatlichen Konsens zu neuen 1oa RdC (Anm. 99), S. 205. 104 RGDIP (Anm. 102), S. 51. 1os RdC (Anm. 99), S. 205. 108 Melanges Guggenheim (Anm. 71), S. 523. 107 Dazu RdC (ebd.), S. 205; Völkerrecht (Anm. 99), S. 149; Universelles Völkerrecht, S. 309. 108 Verfassung (Anm. 5), S. 62; ferner: RdC (Anm. 99), S. 228. 100 Zemanek, The United Nations and the Law of Outer Space, Yearbook of World Affairs 19 (1965), S. 199 ff.

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Rechtsgrundsätzen bekennen, noch bevor diese in das Völkergewohnheits- oder Vertragsrecht eingehen110• Diese auf internationaler Ebene spontan entstandenen allgemeinen Rechtsgrundsätze gewinnen an Bedeutung, während die in foro domestico anerkannten Grundsätze für den Bereich des Völkerrechts als eigene Rechtsquellen immer weniger werden, da die meisten von ihnen inzwischen im Vertrags- oder Gewohnheitsrecht verankert sind. Wo neuartige, der Regelung bedürftige internationale Sachverhalte auftreten, bildet diese Gruppe aber auch heute noch die Verbindungslinie, durch die der höhere Entwicklungsstand der innerstaatlichen Rechtsordnungen für das Völkerrecht fruchtbar gemacht werden kann. Auch für die Bedeutung dieses zweiten Forschungsschwerpunkts unseres Jubilars bietet übrigens das Recht der Europäischen Gemeinschaften ein eindrückliches Beispiel, weil der Luxemburger Gerichtshof in ständiger Judikatur die den EG-Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Gewährleistung eines gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes heranzieht und damit die rechtspolitische Lücke schließt, die durch das Nichtvorhandensein eines Grundrechtskataloges in den Gemeinschaftsverträgen bedingt ist111 •

111. Unsittliche Verträge und zwingendes Völkerrecht (ius cogens) "Many authorities held firmly to the view that treaties could be considered as contra bonos mores and invalid by reason of a conflict or incompatibility with a rule of customary or general international law. Over twenty-five years ago, in an article entitled Forbidden Treaties in International Law, Mr. Verdross had already expressed a view which foreshadowed the solution embodied in article 13." Mit diesen Worten würdigte Abdul Tabibi (Afghanistan), Mitglied der UN-Völkerrechtskommission (ILC) in deren Beratungen über den späteren Artikel 53 der Wiener Vertragsrechtskonvention den frühen Beitrag seines Kommissionskollegen Alfred Verdross zur Durchsetzung des ius cogens-Gedankens in der völkerrechtlichen Doktrinm. 11° Kann die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Völkerrecht weiterbilden? ZaöRV 26 (1966), S. 694; Die Quellen des universellen Völkerrechts, S. 128; Universelles Völkerrecht, S. 312, 333. Die bloße Annahme einer Deklaration durch die Generalversammlung genügt dazu also noch nicht; vgl. Universelles Völkerrecht, S. 333. 1u Zu dieser Problematik statt aller Pescatore, Bestand und Bedeutung der Grundrechte in den Europäischen Gemeinschaften, EuGRZ 1978, S. 441 ff. m ILC-Yearbook 1963 I, S. 63, § 45. Angesprochen ist der Aufsatz "Forbidden Treaties in International Law", AJIL 31 (1937), S. 571 ff. Vgl. ferner: Heilige und unsittliche Staatsverträge, Völkerbund und Völkerrecht 2 (1935), S. 164 ff.; Anfechtbare und nichtige Staatsverträge, ZöR 15 (1935), S. 289 ff.; Der Grundsatz "pacta sunt servanda" und die Grenze der "guten Sitten" im

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Der Umstand, daß unser Jubilar der ILC zu der Zeit angehörte, als sie ihr bisher wohl wichtigstes, aber auch profundestes Werk, ihren Konventionsentwurf über das Recht der völkerrechtlichen Verträge, ausarbeitete, hat es Verdross dann ermöglicht, seinen philosophischrechtstheoretischen Überlegungen über die Grenzen der Vertragsfreiheit auch auf der Ebene der Staatenpraxis zum Durchbruch zu verhelfen. Das Grundkonzept eines völkerrechtlichen ius cogens nämlich, der Gedanke, daß (auch) im Völkerrecht Normen gelten, die dem Vertragswillen der Staaten Grenzen setzen, kann heute als anerkannt gelten, ungeachtet des Umstandes, daß sich die Wiener Konvention selbst noch nicht in Kraft befindet 113 • Es stand während der ILC-Vorarbeiten, in der Konferenzphase und auch danach im Mittelpunkt des Interesses und ist in Theorie und Praxis ganz überwiegend positiv aufgenommen worden. So wurde Art. 53 vom Plenum der Wiener Vertragsrechtskonferenz mit 87 gegen 8 Stimmen bei 12 Enthaltungen angenommen, die Konvention insgesamt mit 79 gegen 1 Stimme bei 19 Enthaltungen114. Im "vorkonventionellen" Schrifttum finden sich zwar vereinzelte Autoren, die sich aus grundsätzlichen Erwägungen gegen die Existenz eines ius cogens im Völkerrecht wandten115 ; angesichts des Ergebnisses der Kodifikation des Rechts der Verträge dreht sich die wissenschaftliche Diskussion aber heute im Grunde nicht mehr um die Möglichkeit zwingenden Völkerrechts, sondern um seinen rechtsphilosophischen Hintergrund, seine Bedeutung im völkerrechtlichen System und seine inhaltliche Bestimmung 118 • Vom Standpunkt der Verdross'schen Völkerrechtsauffassung und deren rechtsphilosophischen Grundlagen aus bietet sich die Aufnahme des ius cogens-Gedankens in die Wiener Konvention nicht als fortschrittliche Neuerung dar, vielmehr als bloße Anerkennung einer beVölkerrecht, ebd. 16 (1936), S. 79 ff.; Nichtige und strafbare Staatsakte im Völkerrecht, JBl 71 (1949), S. 57 ff.; Jus Dispositivum and Jus Cogens in International Law, AJIL 60 (1966), S. 55 ff.; zuletzt: Universelles Völkerrecht, S. 85 ff., s. 262 ff. m Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Beitrages Mitte 1979 lagen von den gemäß Art. 84 der Konvention erforderlichen 35 Ratifikations- oder Beitrittsurkunden immerhin 33 vor. 114 UN Conference on the Law of Treaties, Official Records, Second Session (UN Doc. A/CONF. 39/11/Add. 1), S. 107 und 207. Vorausgegangen war auf Druck der westlichen Staaten hin allerdings der Einbau einer gewichtigen prozeduralen Sicherung durch Begründung der obligatorischen Zuständigkeit des IGH zur Beilegung von Streitigkeiten über die Anwendung oder Auslegung der das ius cogens betreffenden Konventionsbestimmungen. Darüber Simma, Das Reziprozitätselement im Zustandekommen völkerrechtlicher Verträge (1972), S. 245 ff. m Vgl. die Angaben bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 85 f., Anm. 6 und 264, Anm. 8 in fine. ue Vgl. die Literaturangaben bei Verdross/Simma (ebd.), S. 263 f., Anm. 8; dazu seither Rozakis, The Concept of Jus Cogens in the Law of Treaties (1976).

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reits vorgegebenen Lage. Die Artikel 53 und 64 der Konvention117 fügen sich harmonisch in dieses Gebäude ein und bekräftigen seine Standfestigkeit mit dem Siegel der Praxis. Infolgedessen werden die Lehren unseres Jubilars über die Grenzen der Vertragsfreiheit eine wichtige Rolle bei der Anwendung und theoretischen .Fundierung der Konvention spielen. Diese Anschauungen seien im folgenden skizziert und in den Zusammenhang der allgemeinen ius cogens-Debatte gestellt. Dabei muß wegen der aktuellen Bedeutung des Themas und der besonderen Vielfalt der Meinungen in der Darstellung dieser Debatte etwas weiter ausgeholt werden als dies in den vorangegangenen Abschnitten bei der Beschreibung von Ausgangspunkten und Gegenpositionen geschehen ist. In der Diskussion um das völkerrechtliche ius cogens spielt die Frage nach dessen rechtsphilosophischem Hintergrund eine zentrale Rolle. Nach Sztucki ist das ganze Konzept "naturrechtlich vorbelastet", da bei der Behandlung des Problems der Ungültigkeit völkerrechtlicher Verträge wegen ihres Inhalts häufiger auf den Aspekt der Moral als auf den der Illegalität abgestellt werde, oder auf beide, ohne sie hinreichend scharf voneinander zu trennen118 • So spricht z. B. das ILCMitglied Yasseen von "a rule of international law ... deeply rooted in the international conscience", betont aber gleichzeitig deren positivrechtlichen Charakter111 • De Bresson (Frankreich) bemerkte auf der Wiener Konferenz, das Problem des völkerrechtlichen ius cogens sei "on the ill-defined borderline between morality and law" angesiedeW10 • Siotis schließlich glaubt feststellen zu müssen, daß auf einer Fachkonferenz "the discussions revealed some confusion between jus cogens and naturallaw"m. 117 Diese Bestimmungen haben folgenden Wortlaut: Art. 53: Treaties conflicting with a peremptory norm of generalinternational

law (jus cogens).

A treaty is void if, at the time of its conclusion, it conflicts with a peremptory norm of internationallaw. For the purposes of the present Convention, a peremptory norm of general internationallaw is a norm accepted and recognized by the international community of States as a whole as a norm from which no derogation is permitted and which can be modified only by a subsequent norm of general international law having the same character. Art. 64: Emergence of a new peremptory norm of general international law (jus cogens).

If a new peremptory norm of general international law emerges any

existing treaty which is in conflict with that norm becomes void and terminates. (Eine amtliche deutsche Übersetzung der Wiener Konvention lag z. Zt. der Abfassung dieses Beitrags noch nicht vor). 118 Sztucki, Jus Cogens and the Vienna Convention on the Law of Treaties. A Critical Appraisal (ÖZöR Suppl. 3, 1974), S. 59 f. 118 ILC-Yearbook 1963 I, S. 63, § 39; S. 73, § 76. 120 Official Records, First Session (A/CONF. 39/11), S. 309, § 28.

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Im rechtlichen Weltbild Alfred Verdross' herrscht diese Konfusion nicht: Recht und Moral sind darin notwendigerweise miteinander verknüpft, ohne daß sie sich aus diesem Grunde inhaltlich decken122 • Diejenigen einzelnen moralischen Normen, von denen das positive Recht abhängig ist, werden als Naturrecht bezeichnet123 • Dieses verleiht dem positiven Völkerrecht seinen geistigen Zusammenhaltm. Verdross' Bemühung, dem positiven Völkerrecht eine überpositive Grundlage zu geben125 , führt ihn, wie im vorigen Abschnitt geschildert, zu den von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen, in denen das übereinstimmende Rechtsbewußtsein der Staaten seinen Ausdruck findet. Diese Rechtsgrundsätze genießen gegenüber den übrigen formellen Völkerrechtsquellen historische, aber auch normative Priorität 126 • Durch ihre Aufnahme in den Art. 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs haben sie diesen ursprünglichen Rang nicht verloren, da sie nach wie vor teils die Grundlage des positiven Völkerrechts bilden, teils dort unmittelbar eingreifen, wo das positive Völkerrecht keine eigenen Normen herausgebildet hat127 • Damit aber sind Recht und Moral, positives Recht und Naturrecht in ein einheitliches System gefaßt und dogmatisch miteinander verknüpft128. Bei Ablehnung einer derartigen Verbindung wirft die ius cogensKonzeption auch der Wiener Vertragskonvention in der Tat überaus schwierige Probleme für die Systematik des Völkerrechts auf. Diese Konzeption beruht auf zwei Elementen: Zum einen handelt es sich bei ius cogens um Normen des allgemeinen Völkerrechts, denen durch Verträge nicht derogiert werden kann. Diese zwingenden Normen sind aber deswegen nicht unveränderlich, sie können durch andere Normen desselben (also ebenfalls zwingenden) Charakters ersetzt wer121 Lagonissi Conference on International Law, Papers and Proceedings II: The Concept of Jus Cogens in International Law (herausgegeben von Suy 1967), s. 109. m Verdross, Die systematische Verknüpfung von Recht und Moral, Forum der Rechtsphilosophie 1950, S. 9 ff.; hier zitiert nach Klecatsky/Marcic/Schambeck (Hrsg.), Die Wiener Rechtstheoretische Schule (1968), Bd. 1, S. 515 ff. (519). 123 Ebd., S. 517 und 519. Vgl. als jüngste Zusammenfassung "Statisches und dynamisches Naturrecht" (1971) sowie den Beitrag von Erhard Mock zu der vorliegenden Festschrift. 124 Vgl. das Zitat oben vor Anm. 97. 123 Zu seinen frühen Auffassungen vgl. auch oben S. 120 Genaueroben S. 127 Verdross, Zum Problem der völkerrechtlichen Grundnorm (oben Anm. 95), s. 128 Auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz faßte der Vertreter Ecuadors, Garcia-Ortiz, dieses Konzept in einer Kurzformel zusammen, indem er das Naturrecht als "point of departure", das ius cogens als "point of arrival" bezeichnete: Official Records, First Session (Anm. 120), S. 320, § 47.

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den. Zum anderen muß eine Norm, um als ius cogens zu gelten, von der Staatengemeinschaft als ganzer als zwingend angenommen und anerkannt sein. Der von der ILC 1966 vorgeschlagene Text enthielt nur das erste Element, also die klassische Definition der Wirkung einer zwingenden Norm. Das zweite Element wurde erst im Laufe der Wiener Konferenz hinzugefügt. Die endgültige Formulierung macht die Existenz einer zwingenden völkerrechtlichen Norm also von einem dahingehenden Konsens der Staatengemeinschaft abhängig. Während der ILC-Vorarbeiten hatten sich nur zwei Kommissionsmitglieder ausdrücklich für dieses "consensual concept" ausgesprochen, und zwar Tunkin: "Same of the rules created by agreement between States . . . were recognized by them as possessing the character of jus cogens. In other words, they were not rules imposed from above by the operation of some naturallaw" 128 ; und Bartos: "Far from being a metaphysician, he did not believe in the existence of an international legal order of abstract and absolute value which was imposed by the nature of things ..." 130 • Soweit sich die übrigen Mitglieder der ILC zu diesem Thema überhaupt äußerten, stritten sie das Bestehen objektiver, absoluter Werte nicht grundsätzlich ab. Yasseen erwähnte "pre-existing rules of law" 131 , und De Luna bekannte sich zur "existence of rules of international law which prevail over the will of States" und fügte hinzu: "Ever since 1932 he had been opposing the theory of State monopoly of international law ... " 132• Unser Jubilar hatte dazu schon 26 Jahre zuvor folgendes ausgeführt. "It is the quintessence of norms of this character that they prescribe a

certain, positive or negative behavior unconditionally; ... The existence of such norms in general international law is particularly contested by those authors who base the whole international law an the agreement of the wills of the states; consequently they know no other international law but treaty law. But1hey overlookthe fact that each treaty presupposes a nurober of norms necessary for the very coming into existence of an international treaty ... These principles concerning the conditions of the validity of treaties cannot be regarded as having been agreed upon by treaty; they must be regarded as valid independently of the will of the contracting parties. That is the reason why the possibility of norms of general international law, norms determining the Iimits of the freedom of the parties to conclude treaties, cannot be denied a priori133 ." ILC-Yearbook 1963 I, S. 69, § 26. Ebd., s. 76, § 33. 131 Ebd., S. 63, § 38 und 43. 182 Ebd., S. 71, §58. 188 Forbidden Treaties (Anm. 112), S. 571 f. Dabei konnte Verdross auf einer Untersuchung seines Schülers F. A. Frhr. von der Heydte aufbauen: Die Er128

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Nach Sztucki hätte eine derart den Konsens transzendierende Auffassung dem Selbstverständnis der Staaten auf der Konferenz widersprochen, so daß die Formulierung der ILcm durch das Merkmal der Annahme und Anerkennung seitens der gesamten Staatengemeinschaft ergänzt wurde1116 • Dieser Befund mag auf viele Staaten zutreffen, er ändert aber nichts daran, daß das Festhalten an der Möglichkeit eines rein konsensuellen ius cogens dem Versuch gleicht, sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf zu ziehen118 • Im innerstaatlichen Recht steht der Gesetzgeber nicht auf derselben Stufe wie die Vertragsparteien. Die Normenhierarchie Vertrag- zwingende Gesetzesnorm beruht auf der Hierarchie Vertragsparteien- Gesetzgeber, also auf der höheren Autorität des Gesetzgebers gegenüber den Vertragsparteien. Im Völkerrecht dagegen gibt es keine solche Hierarchie der Normgeber. Die Staaten als Erzeuger des Völkerrechts stehen zueinander im horizontalen Verhältnis der souveränen Gleichheit137• Die zentrale Frage ist damit die, wie auf dieser horizontalen Ebene ein vertikales (hierarchisches) Rechtssystem entstehen kann, auf welcher höheren Autorität das völkerrechtliche ius cogens also beruht. Die bloße Annahme eines dahingehenden Staatswillens138 genügt dazu nicht. Dies zeigt sich besonders deutlich am Versuch der Schaffung einer zwingenden Norm durch universellen völkerrechtlichen Vertrag, also auf reinem Konsenswege. Sztucki stellt hier die berechtigte Frage, warum und ab wann ein dahingehender Konsens unwiderruflich und warum ein widersprechender Akt derscheinungsformen des zwischenstaatlichen Rechts: ius cogens und ius dispositivum im Völkerrecht, Zeitschrift für Völkerrecht 16 (1932), S. 461 ff. Vgl. ferner Jurt, Zwingendes Völkerrecht (1933). tac "A treaty is void if it conflicts with a peremptory norm of general international law from which no derogation is permitted and which can be modified only by a subsequent norm of general international law having the same character" (Report of the ILC on the work of its 18th session, ILC-Yearbook 1966 II, S. 247). us (Anm. 118), S. 98. 188 Dies zeigt sich in dem Dilemma der türkischen Delegation auf der Wiener Konferenz. Für diese Delegation war clie Frage nach der Normenhierarchie von so zentraler Bedeutung und ihrer Meinung nach völlig ungeklärt geblieben, so daß sie bei der Schlußabstimmung über den späteren Art. 53 ein negatives Votum abgab; vgl. Official Records, Second Session, S. 107. Der türkische Vertreter Miras drückte seine Bedenken wie folgt aus: "The Intention was to establish a hierarchy of juridical norms. Such a hierarchy presupposed a hierarchy of sources in law; but the sources of international law were sovereign and equal States. Treaty rules came into being through the consent of States .... only a legislator having no need for the consent of subjects of law could decree that a rule was of the character of public policy and that its violation would entail nullity." Official Records, First Session, S. 299, § 6 und 7. ta7 So z. B. Rozakis (Anm. 116), S. 20. 138 Ebd., S. 23. Ähnlich der polnische Delegierte Nahlik: "a hierarchy of norms established by those States themselves"; Official Records, Second Session (Anm. 114), S. 99, § 67.

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selben Ordnung (ein späterer Vertrag) nichtig sein sollm. Wie das ILCMitglied Yasseen auf der Konferenz ausführte: "(N)ot all rules from which no derogation was possible bad the character of jus cogens. If a number of States agreed in a treaty to preclude the parties from contracting out of certain clauses, the Violation of that prohibition in a later treaty did not make the offending treaty void; it simply involved the responsibility of the State committing the breach140." Diese Erkenntnis legt den Schluß nahe, daß die Definition in Art. 53 der Wiener Konvention den vollen Gehalt des völkerrechtlichen ius cogens-Konzepts nicht ausschöpft. Dieser Schluß läßt sich aus der Entstehungsgeschichte der Konvention belegen. So stellte der israelische Delegierte Rosenne auf der Wiener Konferenz klar, daß "the Commission bad limited itself to indicating the major points of contact between the notion of jus cogens and the general law of treaties. It bad not tried to determine what was meant by a rule of jus cogens, since that was not necessary in the present context" 141 • Demnach beschränkt sich der Zweck des Artikels 53 darauf, die Wirkungen einer zwingenden Norm auf die Gültigkeit ihr widersprechender Verträge festzulegen, und erhebt nicht den Anspruch, eine generelle Definition von ius cogens bereitzustellen141 • Das ergibt sich aus dem Kommentar der Völkerrechtskommission zu dieser Bestimmung, in dem es heißt: "It is not the form of a general rule of international law but the particular nature of the subject-matter with which it deals that may, in the opinion of the Commission,give it the character of jus cogens 143." Eine solche Aussage muß auf den Widerstand der Voluntaristen stoßen, als deren jüngster Vertreter Rozakis zitiert sei: "This peculiar statement (die gerade genannte Aussage der ILC) which was, moreover, accompanied by the indeterminate text of article 50, could easily create the impression that States are not the sole determinant factors in the establishment of a rule as one of jus cogens, and that, as a result, considerations other than the will of the international community might interfere with such determination. In consequence, the reluctance of States to accept the draft of the Commission was not unfoundedu4 ." (Anm. 118), S. 75. Official Records, First Session, S. 296, § 23. Vgl. auch den Kommentar der ILC aus dem Jahre 1966 (Anm. 134), S. 247, § 2. 141 Official Records, First Session, S. 310, § 37. 141 Vgl. auch die ILC 1966 (Anm. 134), S. 248, § 3. Der ägyptische Völkerrechtler Abi-Saab führte auf der Konferenz von Lagonissi konsequent aus: ,.The concept of jus cogens itself remains elusive. Jus cogens rules are defined by their effect, but the effect is the consequence and not the cause of the quality of the rules": (Anm. 121), S. 15. 143 ILC-Yearbook 1966 II, S. 247, § 2. ut (Anm. 116), S. 53. tae 14'

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Tatsächlich drehte sich aber der Großteil der Diskussion nicht nur im Rahmen der ILC-Vorarbeiten, sondern auch auf der Konferenz um den materiellen Gehalt von zwingenden Normen. Viele Konferenzteilnehmer beklagten sogar die Tatsache, daß Artikel 53 keinerlei Anhaltspunkte für eine inhaltliche Bestimmung von ius cogens enthält, und hätten diesbezüglich eine Klärung im Konventionstext gewünscht 146 , so z. B. der britische Delegierte Sinclair, der auf der ersten Konferenzsession ausführte: "Article 50 did not provide a definition of peremptory norms, but instead laid down the legal sanctions for their violation." " ... his delegation ... hoped that the Conference would establish a means whereby its content could be determined" 148 • Wenn die Konferenz aus verschiedenen Gründen darauf verzichtet hat, Anhaltspunkte für eine solche inhaltliche Bestimmung zu geben, so kann daraus also nicht der Schluß gezogen werden, daß die Frage nach dem materiellen Gehalt einer völkerrechtlichen Norm iuris cogentis irrelevant ist. Es würde hier zu weit führen, die unzähligen Beispiele wiederzugeben147, die als mögliches ius cogens aufgeführt wurden. Eine Analyse der grundsätzlichen Aussagen zu diesem Thema deckt jedoch zwei Elemente auf, die ungeachtet aller sonstigen theoretischen Differenzen immer wieder zum Ausdruck kommen, nämlich der Gesichtspunkt der Erforderlichkeit im Interesse der gesamten Rechtsgemeinschaft sowie das Element der internationalen Moral 148 • Als Nachweis mögen folgende Aussagen dienen: - i n der ILC:

Yasseen: ,. ... (T)o have the character of jus cogens, a rule of international law must ... be found necessary to international life and deeply rooted in the international conscience" 149 • Rosenne (Fitzmaurice zitierend): "Jus cogens rules involve not only legal rules but considerations of morals and of international good order"l5° und: " ... the concept of jus cogens expressed some higher social need" 151 • Lachs: " ... the interests not only of third parties, but of the international community as a whole" 152 , Bartos: " ... the minimum rules of conduct necessary to make orderly international relations possible" 153• 14 5 Nach Sztucki (Anm. 118), S. 119, handelte es sich dabei um mindestens 20 Delegationen. ue Official Records, First Session, S. 304, §53 und 65. 14 7 Eine Zusammenstellung findet sich bei Sztucki (Anm. 118), S. 114 ff. 148

Vgl. auch Verdross, Die Quellen des universellen Völkerrechts, S. 26 f.

uo ILC-Yearbook 1963 I, S. 63, § 39. uo Ebd., S. 64, § 55. 151 Ebd., S. 73, § 4. 152 Ebd., S. 68, § 7. us Ebd., S. 76, § 33.

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Verdross: ,. ... the interests of the international community" 114 • De Luna: ,.Jus cogens was the indispensable minimum for the existence of the international community" 1M. -

auf der Wiener Konferenz:

Suarez (Mexico): ,. ... rules which derived from principles that the legal conscience of manking deemed absolutely necessary to coexistence in the international community" 11i8. Ogundere (Nigeria): ,.International morality had become accepted as a vital element of internationallaw" 157 • Jimenez de Arechaga (Uruguay): ,. ... certain principles which chimed with its essential interests and its fundamental moral ideas" 158• Sinclair (Großbritannien): ,. ... higher international morality" 158 • Jacovides (Zypern): ,. ... higher interests of the international community as a whole" 180 • De Bresson (Frankreich): ,.universal conscience" 111 • Bei dieser Sachlage stellt sich die Behauptung Rozakis, wonach ,.(b)y its inclusion in article 53, the consent of the States of the international community to the peremptory character of a rule becomes the sole criterion to be taken into account. All other considerations, such as the general nature of a rule, its moral, ethical, or constitutional status are insufficient to legitimize such rules as a jus cogens norm" 182 , also nicht nur, wie oben ausgeführt, als theoretisch unhaltbar heraus; sie kann sich auch auf keine communis opinio der ILC oder der Vertragsrechtskonferenz stützen. An dieser Stelle erscheint es angebracht, zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen zurückzukehren und, anknüpfend an die Gedanken unseres Jubilars über positives Recht, Moral und Naturrecht, den Kreis mit seiner Theorie über das völkerrechtliche ius cogens zu schließen. Dies kann am besten durch die Wiedergabe seiner Beurteilung unsittlicher Verträge geschehen - eines Problems, das Verdross auch aus historischen Gründen am Herzen gelegen ist. Bei dieser Beurteilung geht Verdross von der (bereits erwähnten) Erkenntnis aus, daß Recht und Moral notwendigerweise miteinander verknüpft sind, und daß die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die überall ILC-Yearbook 1966 I, Part 1, S. 37, § 9. Ebd., S. 39, § 34. 158 Official Records, First Session, S. 294, § 7. t57 Ebd., S. 298, § 48. us Ebd., S. 303, § 48. t5e Ebd., S. 304, § 60. 154

t:s:;

Ebd., s. 305, § 67. tu Ebd., S. 309, § 32. 182 Rozakis (Anm. 116), S. 76 (Hervorhebung im Original).

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4 Festschritt !ür Altred Verdross

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dort eingreifen, wo das positive Recht mangelhaft ist, den "wahren Mutterboden des Völkerrechts" bildenm. Auf dieser Grundlage ist der Nachweis, daß die Nichtigkeit unsittlicher Verträge nicht nur ein moralisches Erfordernis ist, sondern auch juristisch begründet werden kann, nicht schwer zu führen. Die Rechtsidee, an der sich jede Rechtswissenschaft orientieren muß, findet sich in ihren Ausstrahlungen in den von den Kulturvölkern übereinstimmend anerkannten Rechtsgrundsätzen184 • "Ein solcher Rechtsgrundsatz ist zweifellos die Norm, daß Verträge mit einem unsittlichen Inhalt nichtig sind 135 ." Verdross ist sogar überzeugt, daß kein anderer Rechtsgrundsatz so allgemein anerkannt ist wie dieser186 • Wenn man nun davon ausgeht, daß die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze völkerrechtliche Normen sind- und das wird von Verdross immer wieder betont-, so steht der Annahme, daß sie auch zwingender Natur sein können, kein prinzipielles Hindernis entgegen 167 • Dem Einwand, daß die allgemeinen Rechtsgrundsätze im Völkerrecht nur subsidiär zur Anwendung gelangten, hält Verdross entgegen, daß dies nicht ohne Ausnahme, sondern nur dort gelten könne, wo es sich nicht um einen zwingenden Grundsatz handle, denn sonst könnten gerade die wichtigsten und grundlegendsten Normen des Völkerrechts niemals Anwendung finden168. Als sittenwidrig sieht Verdross nach der übereinstimmenden Auffassung der Kulturvölker vor allem diejenigen Verträge an, welche die Freiheit der Persönlichkeit eines Vertragsteiles übermäßig oder in unwürdiger Weise beschränken oder seine wichtigsten Lebensgüter gefährden169. Da sich nun als von allen Gliedern der Staatengemeinschaft als ethisches Minimum anerkannte, von allen Staaten zu erfüllende Aufgaben Heilige und unsittliche Staatsverträge (Anm. 112), S. 165. Der Grundsatz "pacta sunt servanda" und die Grenze der "guten Sitten" im Völkerrecht (Fundstelle ebd.), S. 82. 1 65 Heilige und unsittliche Staatsverträge, S. 165; Vgl. auch: Der Grundsatz "pacta sunt servanda", S. 81; Anfechtbare und nichtige Staatsverträge (Fundstelle Anm. 112), S. 295; Forbidden Treaties (ebd.), S. 572; Jus Dispositivum and Jus Cogens (ebd.), S. 61. 16 8 Forbidden Treaties, S. 573; Jus Dispositivum and Jus Cogens, S. 61. 187 Forbidden Treaties, S. 573; s. a. oben S. 000. Rozakis (Anm. 116), S. 58, Anm. 25, meint dagegen: "The relevant phrase of article 53 requires that a jus cogens norm must be a norm of general international law. By definition, a general principle of law is not a norm. It is a general statement induced from or giving rise to a nurober of rules of law; but it is not itself a norm in the sense that it has no legally binding character as such. A general principle of law, therefore, cannot be a jus cogens norm." 1os Forbidden Treaties (Anm. 112), S. 573. tcu Der Grundsatz "pacta sunt servanda" (ebd.), S. 81. 163

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folgende aufzählen lassen: Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung im Staate, Verteidigung gegen Angriffe von außen, Sorge für das körperliche und geistige Wohl der Staatsbürger im Staatsgebiet und Schutz der Staatsbürger im Ausland, sind alle Verträge, die einen Staat an der Erfüllung einer dieser Aufgaben hindern, unsittlich und daher nichtig170. Ebenso verstieße ein auf Aufhebung oder Beschränkung der wesentlichen Menschenrechte zielender Vertrag contra bonos mores der modernen Völkerrechtsgemeinschaft171 • Im übrigen geht aber auch171 Verdross davon aus, daß die meisten Normen des universellen Völkerrechts - so auch die Mehrzahl der allgemeinen Rechtsgrundsätze nachgiebiger Natur sind173 • Umgekehrt kommen neben allgemeinen Rechtsgrundsätzen auch Völkergewohnheits- und Völkervertragsrecht als ius cogens in Betracht114 , wenn sie Verpflichtungen gegenüber und im Interesse der ganzen Staatengemeinschaft beinhalten175 • In summa: Der Völkerrechtspositivismus wird durch die Idee eines völkerrechtlichen ius cogens überfordert. Er ist, wie auch die jüngsten Äußerungen seiner Vertreter zeigen, nicht in der Lage, dieses Phänomen systemimmanent zu erklären. Dagegen verschafft die Gesamtschau von Recht und Moral, wie sie von Alfred Verdross entwickelt worden ist, dem ius cogens-Konzept im allgemeinen und seinem Niederschlag in der Wiener Vertragsrechtskonvention im besonderen eine lückenlose, überzeugende Grundlage. In den vergangeneu drei Abschnitten sind die Problemkreise beschrieben worden, zu deren theoretischer Durchdringung Alfred Verdross vielleicht am entscheidendsten beigetragen und einen Großteil seiner Arbeitskraft verwendet hat. Sie erschöpfen aber bei weitem nicht die Völkerrechtsfragen, mit denen sich unser Jubilar in origineller, die weitere wissenschaftliche Diskussion beeinflussender oder gar prägender Weise auseinandergesetzt hat. Man denke beispielsweise an seine meisterhafte theoretische Aufarbeitung der Beziehungen zwischen Staat und Raum anband der beiden Begriffe "territoriale Souveränität" und "Gebietshoheit", deren konsequente Anwendung eine juristisch befriedigende Klärung auch historisch-politisch kompliziertester TerritorialForbidden Treaties, S. 574. m Jusdispositivum and Jus Cogens (Anm. 108), S. 59; zuletzt: Universelles Völkerrecht, S. 265 f. 171 Vgl. den Kommentar der ILC zum Konventionsentwurf, Yearbook 1966 Ho

II, S. 247, § 2.

173 Die Quellen des universellen Völkerrechts S. 30; Universelles Völkerrecht, S. 266, 335 f. 174 Jus Dispositivum and Jus Cogens (Anm. 112), S. 61. 17 5 Jus Dispositivum and Jus Cogens (ebd.), S. 58 und 60; Die Quellen des universellen Völkerrechts, S. 29; Universelles Völkerrecht, S. 59, 85 f., 264.

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fragen ermöglichtm; an seine Durchsetzung der Regel, daß internationale Verträge im Lichte des allgemeinen Völkerrechts auszulegen sind, zuerst im Institut de Droit international, dann in der ILC und damit wohl auch in der Wiener Vertragsrechtskonvention177 ; an die Einbindung neuer Entwicklungen in das bestehende Völkerrechtssystem mittels der Rechtsfiguren des "quasi-völkerrechtlichen Vertrages'1178 und des "internen Staatengemeinschaftsrechts" 171 sowie seiner (von uns so genannten) "Drei-Schichten-Theorie" zur Frage der Bestimmung des staatlichen domaine reserve vor dem Hintergrund der UN-Praxis 180 ; an seine Entfaltung verschiedener Entstehungsmöglichkeiten des Völkergewohnheitsrechts181 und schließlich an Verdross' theoretische Grundlegung der Österreichischen dauernden Neutralität, die ja so etwas wie die offizielle Neutralitätsdoktrin der Republik geworden ist1BZ. Durch seine langjährige Mitarbeit in der International Law Commission der UNO konnte Alfred Verdross zahlreiche seiner Ideen und 178 Staatsgebiet, Staatengemeinschaftsgebiet und Staatengebiet, Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht 37 (1937), S. 293 ff.; Territoriale Souveränität und Gebietshoheit, Jus gentium 3 (1949), S. 247 ff. 177 Vgl. darüber Uibopuu, Interpretation of Treaties in the Light of International Law, Yearbook of the A. A. A. 40 (1970), S. 22 f. 178 Vor allem: The Status of Foreign Private Interests Stemming from Economic Development Agreements with Arbitration Clauses, OZöR 9 (1958), S. 449 ff.; Quasi-International Agreementsand International Economic Transactions, Yearbook of World Affairs 18 (1964), S. 230 ff.; Gibt es Verträge, die weder dem Völkerrecht noch dem innerstaatlichen Recht unterliegen?, Zeitschrift für Rechtsvergleichung 1965, S. 129 ff. 171 Regles generales du droit international de la paix, RdC 30 (1929 V), S. 311; Völkerrecht, z. B. 5. Auflage (1964), S. 4. 1Bo Vor allem: Die ausschließliche Zuständigkeit der Staaten nach der Satzung der Vereinten Nationen, Scritti di diritto internazianale in honore di T. Perassi (1957), Bd. II, S. 379 ff.; La competence nationale dans le cadre des Nations Unies et l'independance des Etats, RGDIP 69 (1965), S. 314 ff.; Les affaires qui relevent essentiellement de la competence nationale d'un Etat d'apres la Charte des Nations Unies, Gedächtnisschrift für P. Vallindas 1966, S. 44 ff.; The Plea of Domestic Jurisdiction before an International Tribunal and a Political Organ of the United Nations, ZaöRV 28 (1968), S. 33 ff.; Domestic Jurisdiction under International Law, University of Toledo Law Review 1971 (Gedächtnisheft f. Josef L. Kunz), S. 119 ff. 181 Entstehungsweisen und Geltungsgrund des universellen völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts, ZaöRV 29 (1969), S. 635 ff. 182 Vor allem: Die dauernde Neutralität Osterreichs und die Organisation der Vereinten Nationen, JBl 77 (1955), S. 345 ff.; Austria's Permanent Neutrality and the United Nations Organization, AJIL 50 (1956), S. 61 ff.; La neutraUte dans le cadre de l'ONU particulierement celle de la Republique d'Autriche, RGDIP 60 (1957), S. 177 ff.; Die immerwährende Neutralität der Republik Osterreich (1958, 2. Aufl. 1966, 3. Aufl. 1967); Die Österreichische Neutralität, ZaöRV 19 (1958), S. 512 ff.; Neutrality Within the Framewerk of the United Nations Organization, Symbolae Verzijl (1958), S. 410 ff.; Osterreichs Neutralität - ein Beitrag zum Frieden in der Welt, in: Klecatsky (Hrsg.), Die Republik Osterreich (1968), S. 279 ff.; Die immerwährende Neutralität Osterreichs (1977).

Der Beitrag von A. Verdross zur Völkerrechtswissenschaft

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rechtspolitischen Anliegen in den völkerrechtlichen Kodifikationsprozeß einbringen, als Richter am Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte den humanitären ordre public des demokratischen Westeuropa mitgestalten. Er hat die völkerrechtliche Diskussion um die analytische Schärfe der "Wiener Schule" bereichert, ohne beim Formalismus der "Reinen Rechtslehre" stehenzubleiben; an die Stelle von deren philosophischem Relativismus tritt bei Verdross die christliche Wertphilosophie. Diese enge Verbindung von Völkerrecht und Rechtsphilosophie ist wohl das augenfälligste Merkmal seines wissenschaftlichen Lebenswerks, ohne daß Verdross' naturrechtlicher Ausgangspunkt jemals jene Exaktheit in der Darstellung des positiven Völkerrechts beeinträchtigt hätte, die seine Lehrbücher zu Klassikern in allen Teilen der Welt gemacht hat. Diese Darstellung verliert nie den Überblick, sie versöhnt das unruhig Neue mit der Tradition und mißt die Entwicklung an jener Aufgabe, die Francisco Suarez vor 350 Jahren mit Worten bestimmt hat, die als völkerrechtsphilosophisches Credo unseres Jubilars gelten können183 : "Das Menschengeschlecht bildet, obgleich es in verschiedene Völker und Reiche gegliedert ist, doch eine gewisse, nicht nur biologische, sondern gleichsam auch politische und moralische Einheit, welche das natürliche Gebot der gegenseitigen Liebe und Hilfsbereitschaft anzeigt, das sich auf alle, auch auf die Fremden, erstreckt, welcher Nation sie auch angehören mögen. Zwar ist jeder selbständige Staat, jede Republik und jedes Königreich eine in sich vollständige, aus ihren Gliedern bestehende Gemeinschaft, jede dieser ist aber zugleich in gewisser Weise ein Glied jenes Universums, das die Menschheit umfaßt. Denn niemals genügen sich jene einzelnen Gemeinschaften so, daß sie nicht gegenseitiger Hilfe, des Zusammenlebens und der Zusammenarbeit bedürften, teils zur größeren Wohlfahrt und zum größeren Nutzen, teils auch aus moralischer Notwendigkeit und eigenem Ungenügen, wie es uns die Erfahrung zeigt. Aus diesem Grund benötigen sie eines Rechts, durch das sie in dieser Art des Zusammenlebens und der Geselligkeit gelenkt und richtig geordnet werden"1st. Die Notwendigkeit einer solchen Orientierung jeder völkerrechtlichen Arbeit auf das bonum commune humanitatis hin ist heute evidenter denn je. Möge es uns vergönnt sein, in Alfred Verdross noch lange ein Vorbild humanitär bestimmter Wissenschaft zu besitzen.

183 So schon Mosler (Anm. 2), S. 412. 184 De legibus, ac Deo legislatore (1612), li, cap. 19, 9.

II. Rechtsphilosophie

DIE RECHTSPFLICHT, UNRECHT ZU ERTRAGEN

Bemerkungen zu einer von A. Verdross dargestellten "Antinomie der Rechtstheorie" 1 Von Thomas Cornides

I. Die von Verdross dargestellte Antinomie Das Recht regelt seine eigene Erzeugung2 : Jede Rechtsordnung enthält Rechtsnormen, welche bestimmen, unter welchen Voraussetzungen das, was bestimmte Menschen anordnen, befolgt werden rechtens-soll. In seinem Aufsatz "Eine Antinomie der Rechtstheorie" behandelt Verdross die Frage, wer oder was darüber entscheide, ob die Adressaten einer bestimmten menschlichen Anordnung diese Anordnung befolgen rechtens-sollen, ob diese Anordnung :3omit ein Rechtsakt sei.

Verdross stellt zwei seines Erachtens denkmögliche Ansichten gegenüber, die einander widersprechen. Gemäß der ersten Ansicht regle das Recht seine eigene Erzeugung derart, daß nicht schlechthin jede Anordnung ein Rechtsakt sei, sondern nur diejenigen Anordnungen kompetenter Organe, die sich innerhalb der Schranken halten, welche die Rechtsnormen höherer Stufe abgesteckt haben. Alle anderen Akte, selbst wenn sie von Gemeinschaftsorganen gesetzt seien, seien demnach gar keine Rechtsakte, da sie den Rahmen überschreiten, den die Rechtsordnung der Rechtsanwendung gezogen habe, sofern sie nicht durch andere Vorschriften der Rechtsordnung saniert oder wenigstens vorläufig aufrechterhalten werden3 • 1 Juristische Blätter 72 (1951) 169 - 171. Wiederabgedruckt in und zitiert nach H. Klecatsky, R. Marcic, H. Schambeck (Hrsg.), Die Wiener Rechtstheoretische Schule, Ausgewählte Schriften von Hans Kelsen, Adolf Julius Merkl und Alfred Verdross, Salzburg-München 1968, S. 1375 - 1380. 2 H. Kelsen, Was ist ein Rechtsakt? Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht 4 (1951/52) 263- 274. Wiederabgedruckt und zitiert nach H. Klecatsky, R. Marcic, H. Schambeck (Hrsg.), Die Wiener Rechtstheoretische Schule, Ausgewählte Schriften von Hans Kelsen, Adolf Julius Merk! und Alfred Verdross, Salzburg-München 1968, S. 1381- 1393. Hier zitierte Stelle: S. 1382. Hier wie auch im folgenden könnten jeweils zahllose Belege für Kelsens Ansicht zitiert werden, insbesondere aus der "Reinen Rechtslehre". Ich werde im folgenden jedoch fast nur den hier erwähnten Aufsatz von Kelsen zitieren, da er die Antwort auf Verdross "Eine Antinomie der Rechtstheorie" ist und die hierzu relevanten AnsichtenKelsens treffend zusammenfaßt. 3 Verdross, Antinomie, S. 1375.

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Gemäß dieser ersten Ansicht könne jedermann, insbesondere auch der Rechtswissenschaftler, objektiv feststellen, ob ein angeblicher Rechtsakt wirklich ein Rechtsakt sei: Er brauchte den angeblichen Rechtsakt nur mit den Bedingungen vergleichen, die die Rechtsordnung für das Zustandekommen eines solchen Rechtsaktes aufgestellt hat. Diese erste Ansicht schreibt Verdross u. a. Adolf J. Merkl zu'. Eine zweite Ansicht, welche Verdross u. a. Fritz Sander und Hans Kelsen zuschreibt5 , gehe davon aus, daß "zur Auslegung der Rechtsordnung nicht die Rechtswissenschaft, sondern nur bestimmte, als Organe qualifizierte Menschen berufen seien" 6 • Selbstverständlich stehe es der Rechtswissenschaft wie überhaupt jedem Menschen frei, Vermutungen darüber zu äußern, ob z. B. ein bestimmtes Gesetz verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sei. Aber solche Vermutungen seien allenfalls Betrachtungen de .sententia ferenda 7 , mehr oder minder gut begründete Vorschläge, wie das einzig kompetente Organ entscheiden möge. Maßgebend sei nur die Entscheidung des kompetenten Organs, z. B. eines Gerichtes, welches (das fragliche Gesetz anwende oder nicht anwende und jedenfalls) ein Urteil fälle, in das seine (als einzige rechtserhebliche) Ansicht über die Gültigkeit des Gesetzes eingehe, ein Urteil, welches jedermann binde, gleichgültig, wie klug und wohlbegründet und logisch zwingend seine eigene, vielleicht abweichende Ansicht über jenes Gesetz auch sei. Die zweite Ansicht, stark vereinfacht, gehe also dahin, daß das Gesetz genau dann rechtmäßig sei, wenn es von kompetenten Organen angewendet bzw. für rechtmäßig erklärt werde 8 - unabhängig von der (unmaßgeblichen) Meinung einer von außen kommenden Rechtswissenschaft.

Verdross kommt zu dem Ergebnis, daß diese zweite Ansicht die richtige sei. Er illustriert seine Ansicht abschließend durch ein extremes Beispiel: Einige Herren gebärden sich als ein Senat des Obersten Gerichtshofes. Handeln sie rechtserheblich als ein Senat des OGH?- Nach 4 Verdross, Antinomie, S. 1375; vgl. auch die dort angeführten Arbeiten Merkls. 5 Verdross, Antinomie, S. 1375; vgl. auch die dort angeführte Literatur. 6 Verdross, Antinomie, S. 1375. 7 Verdross, Antinomie, S. 1378. 8 Es ist offensichtlich, daß das Ineinandergreifen verschiedener Kompetenzen und Verfahrensschritte in einer konkreten Rechtsordnung viel komplexer ist, als hier beschrieben: Gegen das Urteil des Gerichtes, welches eine vorläufig maßgebliche Rechtsansicht über die Rechtmäßigkeit des fragwürdigen Gesetzes enhält, mag ein Rechtsmittel offenstehen, wo die Hechtmäßigkeit jenes Gesetzes erneut in Frage gestellt werden könnte, etc. etc. Diese Komplexität spielt aber für das hier erörterte Problem keine wichtige Rolle, und es sei daher gestattet, stark zu vereinfachen.

Die Rechtspflicht, Unrecht zu ertragen

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Verdross hängt die richtige Antwort auf diese Frage davon ab, ob die Urteile dieses "Senats" von kompetenten Organen als solche akzeptiert werden, indem siez. B. von Vollzugsorganen vollstreckt werden9 • Verdross meint, daß diese erstaunliche Art, einen Senat des OGH zu bilden, nicht mit den Mitteln der von der Rechtsordnung ausgehenden Rechtswissenschaft, sondern nur durch die das tatsächliche soziale Geschehen betrachtende Gesellschaftslehre erkannt werden könne. Die Rechtstheorie könne zwischen jenen zwei vorgebrachten Ansichten überhaupt nicht entscheiden, die Soziologie entscheide zugunsten der zweiten Ansicht 10 • Verdross' kühnes und bedenkenswertes Beispiel erinnert uns daran, daß das Problem der Effektivität, welches man sonst für ein Kriterium entstehender und vergehender Rechtsordnungen, für eine gewiß wichtige, aber unalltägliche Grenzfrage hält, alltäglich und zentral auch beim scheinbar normalen Funktionieren jeder Rechtsordnung besteht. Nicht das sei im juristischen Sinn Wahrheit und Recht - so kann man Verdross' Darstellung auf eine Kurzformel bringen -was ein noch so kluger und objektiver Geist, sorgfältig von außen die tatsächlichen Ereignisse und die Rechtsordnung betrachtend, für wahr und rechtens hält, sondern einzig und allein das, was die kompetenten Organe als Tatsachen erkennen, als Recht anwenden und vollstrecken. Im Rechtssinn sei somit nicht derjenige ein Mörder, der "objektiv" den Tatbestand des Mordes erfüllt (den jedermann im Strafgesetz nachlesen kann), sondern der, der rechtskräftig wegen Mordes verurteilt ist. Wen es bedrückt, daß die von außen kommende, scheinbar objektive Betrachtungsweise im Prinzip unmaßgeblich sein soll, der könne nur Trost und Hoffnung in der Tatsache suchen, daß ein moderner Rechtsstaat viele Rechtsmittel (Institutionen zur Überprüfung von Organakten) bereitstellt und daß die "objektive" Sicht dadurch gute Chancen erhält, zur rechtens maßgeblichen Ansicht zu werden. Auch ein überzeugter Vertreter der Wiener rechtstheoretischen Schule brauchte ja nicht zu leugnen, daß in der Praxis die Organe sich meistens vollkommen pflichtgemäß am positiven Recht und an den mit gesundem Menschenverstand feststellbaren Tatsachen orientieren - auch wenn sie Recht setzen können, das all dem widerspricht.

Verdross bezieht sich in seiner Arbeit auf einen Standpunkt, den er Kelsen zuschreibt11 , und seine Lösung ist der Reinen Rechtstheorie nahe verwandt. 8

10 11

Verdross, Antinomie, S. 1379. Verdross, Antinomie, S. 1380. Verdross, Antinomie, S. 1375.

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Beide Gelehrten scheinen vor allem den Begriff des Rechtsaktes gemeinsam zu haben. Auch wenn Verdross es nirgends ausdrücklich erwähnt, so ist doch offensichtlich, daß in seiner Arbeit "Eine Antinomie der Rechtstheorie" der Begriff des Rechtsaktes mit dem Kelsenschen übereinstimmt. Ein Rechtsakt ist nach Kelsen ein Akt, mit dem eine Rechtsnorm gesetzt (bildlich gesprochen: erzeugt) oder angewendet wird ... und der den Normen entspricht, die innerhalb der Rechtsordnung die Erzeugung und Anwendung des Rechts regeln12 • Beidevon Verdross als zunächst einmal denkbar erkannten Ansichten gehen ja davon aus, daß sich nur jene Organakte als Rechtsanwendung darstellen, welche sich innerhalb der Schranken halten, die von der Rechtsordnung abgesteckt werden. Was Verdross zweifelhaft erscheint, ist lediglich, wer - die Rechtswissenschaft und somit eigentlich jeder Vernünftige, oder nur bestimmte kompetente Organe - darüber zu entscheiden habe, ob ein angeblicher Rechtsakt sich innerhalb jener Schranken halte und daher ein wirklicher Rechtsakt seP 3 • Weiterhin scheinen Kelsen und Verdross gemeinsam der Ansicht zu sein, daß ein Rechtsakt notwendigerweise seine eigenen Voraussetzungen legitimiere. Kelsen sagt: "Wenn ein Akt, der sich seinem subjektiven Sinn nach als Rechtsakt darstellt, in dem nachfolgenden Rechtsverfahren objektiv als Rechtsakt legitimiert wird ..." und meint damit "daß das Organ, das den Akt gesetzt hat, oder daß andere Organe eine auf Aufhebung oder Abänderung des Aktes gerichtete Prüfung und Entscheidung ablehnen, oder daß die an den Akt geknüpften Rechtsfolgen von den zuständigen Organen tatsächlich verwirklicht werden"". Damit liegt Kelsen im Grunde auf einer Linie mit Verdross, der es, wie oben erwähnt, für denkmöglich hält, daß Verhalten, die zunächst nur die Imitation eines OGH-Senats sind, "nachträglich die Qualität von Organakten dadurch erhalten, daß sie die Voraussetzung weiterer Etappen eines Rechtsverfahrens bilden, indem z. B. die von diesen Personen gefällten Erkenntnisse von den Vollzugsorganen vollstreckt werden" 15 • Mit dieser Theorie vom Rechtsakt weisen Verdross und Kelsen eindringlich auf ein zentrales Merkmal des positiven Rechtes hin: Nicht Lieschen Müller und nicht die Rechtswissenschaft, sondern einzig das jeweils kompetente Organ kann Rechtsakte setzen, die von ihren Adressaten befolgt werden rechtens-sollen. Und wenn es so ist oder so 12 13

14 tä

Kelsen, Was ist ein Rechtsakt?, S. 1382. Verdross, Antinomie, S. 1385 f. Kelsen, Was ist ein Rechtsakt?, S. 1387. Verdross, Antinomie, S. 1380.

Die Rechtspflicht, Unrecht zu ertragen

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scheint, daß jene kompetenten Organe Rechtsakte gesetzt haben, die sie nicht setzen hätten rechtens-dürfen, dann handelt es sich gleichwohl um Rechtsakte, und ihre Adressaten rechtens-sollen sie befolgen, und keine Rechtswissenschaft und kein Michael Kohlbaas kann dieses Rechtens-Sollen wegschaffen. Und selbst wenn - das ist der Spezialfall, der von Verdross diskutiert wird- ein kompetentes Organ einen Rechtsakt ß auf einen Rechtsakt a aufbaut, wobei a vielleicht, möglicherweise, angeblich (oder auch nach Ansicht aller Rechtsfakultäten) nicht einmal die Mindesterfordernisse eines rechtserheblichen Rechtsaktes erfüllt16 , so kann a dennoch ein Rechtsakt sein, den seine Adressaten befolgen rechtens-sollen. Es ist zu jeder Zeit verdienstvoll, darauf hinzuweisen, daß das Recht nur dann die Gewalt jedes gegen jeden beschränken und ein gewisses Maß an Frieden stiften kann, wenn klar ist, wer Rechtsakte setzen kann und wer nicht, und wenn auch klar ist, inwieweit (angeblich) fehlerhafte Rechtsakte im Rahmen der Rechtsordnung verbindlich sind und befolgt werden rechtens-sollen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die von Verdross vorgebrachte Theorie zu begrüßen. Gerade bei Verdross ist der Hinweis auf dieses notwendige Merkmal positiven Rechts besonders erfreulich: Bei einem so profilierten Vertreter des Naturrechts könnte sonst vielleicht das Mißverständnis aufkommen: Irgend jemand außer den jeweils kompetenten Organen sei befugt, über die Rechtserheblichkeit oder Rechtsmäßigkeit von (angeblichen) Rechtsakten rechtsverbindlich zu urteilen und damit neues Recht zu setzen. II. Kritische Würdigung Die Ansicht, wonach die Legitimation von Rechtsakten nachträglich mittels Bestätigung oder Vollstreckung durch die kompetenten Organe erfolgt, eröffnet interessante, wenn auch gewöhnungsbedürftige Perspektiven. Wenn es dermaßen auf die Effektivität ankommt, dann können auch Anordnungen zu Rechtsakten werden, deren Autoren seinerzeit vielleicht gar nicht bewußt an diese Möglichkeit dachten. Wir können ex post Lykurg oder Salon zu Vätern unserer Verfassung machen, wir können eine Islamische Republik schaffen, nicht nur "ex nunc", sondern sogar "ex tune" (was allfälligen Hinrichtungen eine einwandfreie Legitimität verliehe). Alle diese Anwendungen der von Verdross für richtig gehaltenen Theorie sind möglich, wenn die Entscheidungen der je kompetenten Organe (seien sie auch "fehlerhaft", wenn sie nur den rechtlichen Mindesterfordernissen entsprechen) nicht nur befolgt werden rechtens-sollen, sondern auch rückwirkend Rechts18 Wie sie von der Rechtsordnung, z. T. vielleicht über Gewohnheitsrecht statuiert werden.

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Thomas Cornides

akte schaffen: derart, daß alles, was sie als vorausgegangenen Rechtsakt voraussetzen, notwendigerweise auch zum vorausgegangenen Rechtsakt wird.

Verdross sieht richtig, daß irgendwann einmal von außen her festgestellt werden muß, wer in einem bestimmten Bereich kompetentes Organ ist. Sein Vorschlag, diese Frage durch soziologische Betrachtung zu lösen, ist einleuchtend, sofern man Einigkeit über einen soziologischen Begriff eines Rechts- und Staatsorgans und einer effektiven Rechtsordnung erzielen kann. Eine solche Einigkeit scheint erzielbar, wenn auch heute noch nicht gegeben. Der Hauptvorzug der von Verdross vorgezogenen Theorie: Rechtsakte seien die und nur die Anordnungen, die von kompetenten Organen als Rechtsakte akzeptiert werden, scheint darin zu liegen, daß er unsere Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit der Effektivität von Rechtsakten und auf Friedensfunktion der Rechtsordnung lenkt, die darin liegt, daß nicht jedermann, sondern nur bestimmte Organe zur Auslegung des Rechts berufen sind. Andererseits hat die Theorie auch befremdliche Konsequenzen. Wenn es der juristischen Weisheit letzter Schluß ist, daß alle die und nur die Anordnungen Rechtsakte seien, die von kompetenten Organen als Rechtsakte akzeptiert werden, und wenn also die von der Rechtsordnung ausgehende Rechtswissenschaft streng genommen hierzu gar nichts sagen kann, dann ist die Rechtsaktqualität einer Anordnung unbestimmt, solange nicht ein kompetentes Organ diese Anordnung als Rechtsakt akzeptiert oder verworfen hat. Auch bleibt dann notwendigerweise immer unbestimmt, ob der allerletzte Vollstreckungsakt ein Rechtsakt ist. Kehren wir zurück zu Verdross' Beispiel vom (fragwürdigen) OGHSenat: Es ist nach Verdross möglich, daß ein (unserem naiven Verständnis nach:) Nicht-OGH-Urteil zu einem OGH-Urteil wird. Folglich muß man es auch für möglich halten, daß ein (unserem naiven Verständnis nach:) OGH-Urteil zu einem Nicht-OGH-Urteil wird, weil die zuständigen Vollzugsorgane es nicht vollstrecken. Wenn es sich aber so verhielte, dann ließe sich Verdross' Annahme, es gebe "Akte", die schon ab initio aufgrund der Rechtsordnung als Organakte qualifiziert werden'n between international and municipal norms, although we met and meet them frequently in every-day practice25 • But still the latter theory finds some support in Soviet writings. It contains, so it is said, "a valuable rational nucleus" 26 or some "positive moments" 27 • Curiously enough, Soviet authors state that the dualistic school recognizes the sovereignty of States and reflects the general democratic character of international relations 28 (and why, the reader may ask, is this not also the case with the monistic school with a primacy of municipal law?). It is true that Soviet writers who regard state sovereignty as sacrosant may tend to accept dualism rather than any monistic school as a basis for discussion. But the second part of the a. m. argument, that dualism better reflects the actual character of international relations, is incomprehensible. 21 22

Korovin, Mezhdunarodnoe pravo [International Law], Moscow 1951, 10. Shchetinin, Problemy teorii sovetskogo gosudarstvennogo prava [Prob-

lems of Theory of Soviet State Law], Moscow 1969, 73; For other examples cf. e.g. Paust, International Law and Control of the Media, 53 Indiana Law Journal pp. 646 (1977- 78). 23 Mironov, op. cit., Fn. 9, 15; Tunkin, op. cit., Fn. 12, pp. 63; 2' On the lists cf. Verdross, Völkerrecht, 5th Ed., Wien 1964, pp. 111. 25 Kurs, op. cit., Fn. 10, Vol. I, 201. 28 Shurshalov, Osnovnye voprosy teorii mezhdunarodnogo dogovora [Basic Questions of the Theory of International Treaties], Moscow 1959, 305. 27 Blishchenko, op. cit., Fn. 8, 70. 28 e.g. ibid.

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2. The Soviet Approadl to the Interrelation of International and Municipal Law

If it is necessary to categorize Soviet doctrine an international and municipal law in traditional terms, it is dualism rather than monism which seems to have a greater influence 29 • International law and municipal law are, as a rule, described as independent, neither subordinate nor inferior, systems of law 30 • The difference lies in the fact that Soviet authors emphasize the dialectic interrelation of both systems 31 • They also declare that a comprehensive and scientific solution of all problems emanating from the relation between international and municipal law can only be found an the basis of marxist-leninist theoryaz and, that these problems have been analysed more deeply in Soviet, as opposed to bourgeoise, doctrine 33• But generalisations or simplifications have no particular value and, thus, such declarations seem hardly feasible 34 •

The actual fact of a mutual influence or interdependence of both systems of law is explained by Soviet authors only by referring to the marxist-leninist concept of mutual relations between the internal and foreign policy of a State35 , with special reference to Lenin's theory of the unity of internal and foreign polily. It seems that Art. 28 of the new Soviet Constitution reflects this theory by emphasizing that Soviet foreign policy is aimed at creating favourable conditions for the establishment of communism within the USSR. The Soviet conceptualization of the mutual influences of municipal and internationallaw can be demonstrated best by the alleged influence of Soviet law on the development of international law. The first international relevant act of the new Soviet government, the Decree an Peace38 is regarded by Soviet authors as a turningpoint in international relations and in the progressive development of international law 37 • 29 Meissner, Die Sowjetunion und Völkerrecht, Köln 1963, 74; Schweisfurth, op. cit., Fn. 11, 53; cf. also Margolis, Soviet Views an the Relationship between Nationaland International Law, IV ILCQ, pp. 116 (1955). 30 cf. e.g. Mironov, op. cit., Fn. 9, 7; Kurs, op. cit., Fn. 10, Vol. I, 207; Uustal,

op. cit., Fn. 13, 21. 31 Soviet authors till 1961 are discussed at Meissner, op. cit., Fn. 29, pp. 74; till 1966 at Schweisfurth, op. cit., Fn. 11, pp. 53; a list of more recent Soviet and other "socialist" writings an this topic is found in Kurs, op. cit., Fn. 10, pp. 207 and Tunkin, op. cit. 15, pp. 64. 32 Mironov, op. cit., Fn. 9, 15. 33 Kurs, op. cit., Fn. 10, Vol. I, 207. 34 For more detailed discussions, see Uibopuu, op. cit., Fn. 3, 44. 35

cf. Kurs, op. cit., Fn. 10, pp. 211.

Sbornik zakonov SSSR i ukazov prezidiuma verkhovnogo soveta SSSR 1938- 1967, Val. I, Moscow 1968, pp. 26. 36

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This Decree is said to have developed a new concept of war38 by prohibiting wars of aggression38 and declaring war to be the greatest crime against humanity 40 • These Soviet authors simply neglect the fact that the Decree on Peace only repeated appeals for peace of pacifistic western circles 41 and applied programmatic points of the Social-revolutionary party of Russia (Esery) 42 • Other Soviet legislative acts are characterized as having been very influential with regard to the development of international law as a law of peace. For example Article 49 of the 1936 Soviet Constitution allowed the presidium, between Sessions of the Supreme Soviet, to declare war in case of an aggressive attack on the Soviet Union or in compliance with international commitments with regard to collective defense. A Soviet manual describes it as a principle: ... in respect of which the State [Soviet] uses military force only in case of a military attack or in compliance with international obligations in the struggle with the aggressions 43 • The clearest example of a contribution of the USSR to the maintenance of peace and security, according to Soviet writers, is the formulation and affirmation of the principles of peaceful coexistence 44 • Although 37 cf. e.g. Aleksandrikov, Vliianie velikoi oktiabrskoi sotsialisticheskoi revoliutsii na razvitie i utverzhdenie printsipa ravenstva v mezhdunarodnom prave [The influence of the great October revolution on the development and affirmation of the principle of equality in international law] SEMP 1968, 109; Askerov, Mezhdunarodnoe znachenie obrashcheniia ko vsem trudiashchimsiia Musulmanam Rossii i Vostoka [The international impact of the appeal to all working Muslims of Russia and the East], SEMP 1968, 122; for more details see Uibopuu, op. cit., Fn. 3, pp. 45, in particular 47, Fn. 49 with further references; 38 Minasiian, Leninskoe uchenie o samoopredelenii natsii i mezhdunarodnoe pravo [The Lenin doctrine of selfdetermination of peoples and International Law], SEMP 1970, 30. 39 Levin, Razvitie printsipa zapreta primineniia sily i ugroza siloi [The development of the principle of prohibition of use of force], SEMP 1970, 71. 4° Kurs, op. cit., Fn. 10, 213. 41 Epstein, Instrumente der sowjetischen Außenpolitik in Geyer (Red.), Osteuropa-Handbuch: Sowjetunion, Außenpolitik 1917- 1955, Köln-Wien 1972, 102. 42 Rauch, Geschichte der Sowjetunion, 5th ed. Stuttgart 1969, 72. 43 Askerov, op. cit., Fn. 37, 124. u From the vast Soviet literature on this topic compare: Lukashuk, Otnosheniia mirnogo sosushchestvovaniia i mezhdunarodnoe pravo [Relations between peaceful coexistence and international law], Kiev 1974; Minasian, Sotsializm i mezhdunarodnoe pravo [Socialism and international law], Saratov 1975; Larin, Mezhdunarodnye otnosheniia i ideologicheskaiia bor'ba [International relations and ideological struggle], Moscow 1976; Kerimov (Red.), Mirnoe sosushestvovanie i social'no politicheskoe razvitie, ezhegodnik [Peaceful coexistence and social-political development], Yearbook, Moscow 1977; cf. also: Royen, Die sowjetische Koexistenzpolitik gegenüber Westeuropa, Baden-Baden 1978 with more references.

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the term "peaceful coexistence" is, unfortunately, frequently used in east-west relations also by western statesmen, it is still doubtful whether some of these alleged principles of international law acquired such a quality and whether such was due to Soviet effort, rather than to the general development of international relations. It is likewise dubious whether Soviet legislation 45 or decisions of the XXIV and XXV Congress of the CPSU 48 played any decisive role regardless of claims to the contrary by Soviet writers. One might also attribute such to the increasing influence of the USSR as a superpower. The simplified formula that progressive municipal law is echoed more easily within international law since it finds support in the progressive forces of the world47 , is not convincing. Far more realistic is another dieturn of the same authority on Soviet international law doctrine, Tunkin. He stated that the contemporary situation in the world and, above all, the success of the socialist world system and the increasing importance of all progressive forces in matters of peace combine to force a peaceful coexistence upon the imperialist states 48 • Already at the wake of the new Soviet constitution 49 , and shortly after its adoption 50 , Soviet authors had emphasized the influence that this document might have on the further development of international relations. Soviet writings also refer to many alleged principles of international law, which have been developed and consolidated by the Soviet Union. These are said to include the right to self-determination51 , the progressive content of the law of asylum52 , the right to nationalization53 and the right of foreign trade representatives to diplomatic immunity54 • 45 48

Mironov, op. cit., Fn. 9, pp. 107. Ushakov, Pobeda sovetskogo naroda v velikoi otechestvennoi voine i

mezhdunarodnoe pravo [The victory of the Soviet people in the great patriotic war and international law], SEMP 1975, 16. 4 7 Tunkin, op. cit., Fn. 15, 66. 48 Tunkin, Sovetskaiia programma mira i nekotorye problemy mezhdunarodnogo prava [The Soviet program of peace and some problems of Internationallaw], SEMP 1971, pp. 15. 49 Ignatenko/Malinin, Sovetskaiia vneshniaia politika i mezhdunarodnoe pravo [Soviet foreign policy and international law], Pravovedenie 1977/5,

125- 134. 50 Mironov, Konstitutsionnye principy vneshnei politiki SSSR [Constitutional principles of foreign policy of the USSR], SGP 1978/3, 13- 17. 51 cf. e.g. Mironov, op. cit., Fn. 9, 115, for a general refutation of Soviet 52 Lazarev, Mezhdunarodno-pravovaia terminologiia i vliianie na nee contributions cf. Paust, op. cit., Fn. 22, pp. 646.

Oktiabr'skoi revolutsii [International legal terminology and the influence of the October revolution on it], SEMP 1968, pp. 132; Mironov, op. cit., Fn. 9, pp. 121; on this topic compare Uibopuu, The Soviet Approach to the Right of Asylum, 9 (18) AWR-Bulletin, 152- 169 (1971). 53 Mironov, op. cit., Fn. 9, 133 and pp. 138.

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The latter "principle" may demonstrate that the alleged influence of Soviet legislation on the development of international law is quite exaggerated, since this "principle" is clearly not recognized. Indeed, in general expectation or practice the discussion in the International Law Commission on the Draft Vienna Convention on the diplomatic Privileges and Immunities has shown, that, at least in 1958, there was no consent to this approach5s and the Soviet delegate even declared, that this question has been regulated satisfactorily by bilateral treaties 56 • He, thus, did not refer to customary law, but to a Soviet practice that is totally inconsistent with the theory of immunity. It is necessary to point out, however, that some Soviet authors admit the possibility that a very restricted and diminished priority of international over municipal law can exist. One example has already been cited57 • Another is Tunkin, who, in his 1974 Manual wrote: A State is not entitled to refer to its municipal law in order to justify its denial to comply with an international Obligation. This is written in Art. 27 of the Vienna Convention on the Law of International Treaties of 1969

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In the case of a conflict of a norm on municipal law with provisions of international law, the State is obliged to guarantee the compliance with norms of international law 58 • This dictum, however, clearly contradicts the opinions of other Soviet scholars50 and, thus, may not serve as an example of the recognition by the Soviet Union of monism with a primacy of international law. Anyway, compliance with international commitments should at least have priority over internal politics according to this view. 3. Soviet Doctrine Concerning the Implemcntation of International Commitments

Soviet authors, with rare exceptions, emphasize that international commitments require an act under municipal law in order to be properly implemented within the USSR60 • This is especially underlined with regard to the implementation of international treaties 81 • For the das• Kurs, op. cit., Fn. 10, Mironov, op. cit., Fn. 9, 76. 5s 58 57

YB ILC 1958/1, 106. ibid 106; compare also Tunkin, op. cit., Fn. 15, pp. 366. supra at Fn. 13.

Tunkin, op. cit., Fn. 15, 67. Shchetinin, op. cit., Fn. 22, 73; compare supra I, 1. 60 cf. Meissner, op. cit., Fn. 29, pp. 74, Schweisfurth, op. cit., Fn. 11, pp. 52, Uibopuu, op. cit., Fn. 3, pp. 57. 58

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61 A very recent article by a young Soviet international lawyer gives a comprehensive survey of Soviet doctrine on this topic: Muellerson, Natsio-

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mestic application of a treaty-norm, an authorization within the system of Soviet law is necessary. That is why norms of international treaties only become binding in internal relations in the USSR, if, by virtue of a statute or any other legislative act they acquire the force of a norm of municipallaw62 •

Another Soviet author explains that an international treaty is only then applied directly within the state if this is done not by virtue of a provision of municipal, but by international law: ... "this would inevitably lead to a recognition of monism with a primacy of internationallaw ... "63 • From the Soviet position on state sovereignty, writers infer that an international treaty could not be applied directly within the sphere of municipal law and that norms of municipal law could not regulate relations between states84 • These explanations clearly demonstrate a state-oriented dualistic approach and they are somewhat hostile towards customary law, as lang as there is no provision of Soviet law comparable to Art. 25 of the Constitution of the Federal Republic of Germany or Art. 9 of the Austrian Constitution of 1920, providing that international law norms have internal force. The only socialist state explicitly incorporating international law is the GDR, which does so by virtue of Art. 8 of its Constitution. Such provisions have been strongly criticized by Soviet authors as legal justifications for the intervention into internal affairs of another State65 or as symptoms of unsoluable contradictions existing between capitalist States66 • However, the new Soviet Constitution has, in Art. 29, proclaimed a number of norms of international law as the basis of relations between the USSR and other States-obviously with the exception of States belanging to the world system of the socialist common-wealth which are treated separately in Art. 30. It could thus be argued that Art. 29 transforms norms of international law into norms of Soviet law nal'no-pravovaiia implementatsiia mezhdunarodnykh dogovorov v SSSR [The implementation of international treaties under municipal law in the USSR], Vestnik MGU 1978/5, pp. 64. 62 Mironov, op. cit., Fn. 9, 17. 63 Muellerson, op. cit., Fn. 61, 65. 6( ibid. 65 Shurshalov, Osnovnye voprosy teorii mezhdunarodnogo dogovora [Basic questions of the theory of international treaties], Moscow 1959, 320; 66 Mironov, Sootnoshenie mezhdunarodnogo dogovora i vnutrigosudarstvennogo zakona [Relationship between an international treaty and a municipal law], SEMP 1963, 154; much of this criticism was due to the fact, that these provisions were not understood by the Soviet writers: this was proved by Schweisfurth, op. cit., Fn. 11, 174.

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on a constitutional Ievel 61• Still, the argument that international Iaw has to be incorporated to be properly applied by a State organ is somewhat formalistic and departs from a very static concept of international law. The myth that international law as a complex of rules can be incorporated forever by legislative or other means into municipal law, does not reflect a dynamic reality concerning both legal processes, one that can be considered more adequately in terms of the actual processes of decision-making. State argans at all levels, and not only argans traditionally conducting foreign affairs, participate in these processes whether or not there is a formal recognition of their constitutionallegitimacy to do so8R. The position of an outsider, heavily criticized by her colleagues 6g in the Soviet Union, is found in T. P. Grevtsova's explanations that: ... the provision of a treaty to which the USSR is a party, is applied by Soviet courts and other institutions irrespective of reproduction by norms of municipal law ... Consequently a treaty to which the USSR is a party should be regarded as a source of Soviet law7o. It is, however, necessary to st~.te that the majority of Soviet writers regard techniques of incorporation whatsoever to be conditiones sine quibus non for the internal applicability of international obligations.

II. Soviet Practice with Regard to the lmplementation of International Obligations Soviet doctrine certainly plays an eminent role, both in reflecting in a semi-official manner the practice of the USSR and by providing a theoretical platform for Soviet foreign policy. Soviet doctrine and Soviet foreign policy have the same operational basis, historical and dialectical materialism71 • Still, to give a more comprehensive picture of the factual interrelation of international and municipal law in the USSR, it is necessary to take into account actual Soviet practice. The demonstration of how international obligations are applied in practice in the Soviet Union, and through which legal techniques their appli67 Uschakow, Außenpolitik, Außenwirtschaft, Verteidigung, 24 OsteuropaRecht, pp. 58 (1978). Gs For more detail cf. Uibopuu, op. cit., Fn. 3, pp. 59. 69 e.g. by Muellerson, op. cit., Fn. 61, pp. 64. 70 Grevtsova, Mezhdunarodnyi dogovor v sisteme istochnikov sovetskogo

prava [The international treaty in the system of sources of Soviet law], SEMP 1963, pp. 172; similar opinions are held by Meshera, cf. Schweisfurth, op. cit., Fn. 11, 170 and are contributed to Blishchenko, cf. Muellerson, op. cit., Fn. 61, 64. 71 Schweisfurth, op. cit., Fn. 11, 15.

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cation is made possible, will reflect at the same time the interrelation between international and municipallaw. 1. Organs of the USSR Relevant from the Point of View of International Law

International law as a rule does not determine which organ has the capacity to bind a State internationally, but leaves the determination of it to municipal law72 • It is thus necessary to show which argans of the USSR are competent to incorporate international obligations and to implement them.

a) Soviet State Organs of International Capacity International relations of the USSR belong, by virtue of Art. 73/10 of the Constitution of the USSR of 1977 to the jurisdiction of the Union. This includes the representation of the USSR in other States and international organizations, the determination of a general procedure for the international relations of the Union Republics73 , the coordination of these relations and all forms of foreign trade on the basis of State monopoly. The Constitution of the USSR furthermore determines the argans competent to commit the Soviet Union internationally. The Presidium of the Supreme Soviet is acting as a collective head of State and has jurisdiction to ratify and denunciate international treaties 74 , to denominate Soviet diplomatic representatives 75 , to receivc foreign diplomats 76 , to declare the state of war77 , and to declare the state of war between the sessions of the Supreme Soviet in case of an armed attack on the USSR or in compliance with international treaty Obligations for the collective defence against aggression78 • The Presidium is furthermore entitled to establish a Council of defence for the protection of the State 7 ~. The Presidium of the Supreme Soviet of the USSR is by virtue of Art. 11 of the 1978 Law on International Treaties80 entitled to ratify 72

Verdross, op. cit., Fn. 24, 15.

On the question of international relations of the Union Replublics cf. in detail Uibopuu, Die Völkerrechtssubjektivität der Unionsrepubliken der UdSSR, Wien-Berlin 1976; Uibopuu, The International Legal Personality of the Union Republics of the USSR, 24 ICLQ, 833- 844 (1975). 7 ~ Art. 121/6. 75 Art. 121/12. 73

76 77 78 79 80

Art. 121/13. Art. 121/15. Art. 121/17. Art. 121/14. cf. Fn. 1.

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international treaties. The following treaties are subject to ratification 81 : treaties on friendship, cooperation and mutual assistance, treaties on mutual denunciation of use of and threat with force, peace treaties, treaties on territorial delimitations of the USSR with other States, treaties amending current Soviet legislation and treaties providing for ratification. The Presidium of the Supreme Soviet is entitled to ratify also other treaties. Furthermore, the Presidium of the Supreme Soviet has the competence to denunciate those international treaties, which. were signed at its decision or have been concluded in its name, also ratified treaties to which. the USSR acceeded by virtue of a decision of the Presidium82 • The Supreme Soviet itself-the parliamentary organ of the USSRhas been only very rarely involved with the conclusion of treaties, e. g. with the ratification of the Stalin-Hitler Pact of 1939 and the Treaty of Alliance with Great Britain of May 26, 194283 • The right to preliminary examination by the Committees for Foreign Affairs of both Hauses of the Supreme Soviet as provided for by Art. 14 of the 1978 Law on International Treaties cannot be regarded as making the Supreme Soviet an organ of foreign authority, since it is again its Presidium which. decides upon the transfer of treaties to examination. Nevertheless, one Soviet writer emphatically tries to show that the Supreme Soviet of the USSR as supreme organ of State power, is also an organ of international capacity of the USSR. He refers to some cases, when, e. g. in 1956 a delegation of the Supreme Soviet of the USSR under the leadership of its Chairman concluded a treaty with Liberia at the occasion of a State visit 8'. The obviously most important organ of international capacity of the USSR is her government, the Council of Ministers85 , entitled by virtue of Art. 131 of the 1977 Soviet Constitution to decide upon all questions of administration. It is entitled to direct the economic, scientific-tech.nical and cultural cooperation with other States and to take measures for the implementation of international treaties of the Soviet Union80 • "' Art. 12 leg. cit. 82 Art. 28 leg. cit. 83 cf. Talalaev, Mezhdunarodnye dogovory v sovremennom mire [International treaties in the contemporary world], Moscow 1973, 57. 8' Butkevich, Sovetskoe pravo i mezhdunarodnyi dogevor [Soviet law and international treaty], Kiev 1977, 205; Tunkin/Muellerson, Zakon o mezhdunarodnykh dogovorakh SSSR [The law on international treaties of the USSR], SGP 1979/2, 26, however say, that neither the 1977 Constitution of the USSR nor the new law an international treaties exclude the possibility of ratification of treaties by the Supreme Soviet. 85 cf. Uschakow, op. cit., Fn. 67, 44. 80 Art. 131/6 Constitution of the USSR.

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This new constitutional provision is described by a Soviet author as reflection of the established practice of the USSR with regard to the realization of provisions of international treaties by the adoption of Special legal acts, such as transformation, reference to international treaties or mandate to implement an international treaty"7 • The competences of the Council of Ministers provided for by the new Soviet Law on International Treaties88 are: receipt of proposals for the conclusion of international treaties by the Minister of Foreign Affairs or other Ministries of the USSR8', the elaboration of a procedure for proposals for international inter-departmental agreements10, the proposal for the conclusion of international treaties amending current Soviet legislation (together with the Ministry of Justice)'t, the decision to conduct negotiations for treaties concluded in the name of the government of the USSR'1 , the powers to conduct negotiations and sign treaties concluded in the name of the government of the USSR15 , proposals concerning the approval and ratification of treaties of the USSR9\ submission of international treaties for ratification by the Presidium of the Supreme Soviet15 , the confirmation of international treaties not subject to ratification, which are concluded in the name of the govemment of the USSR and the accession to them", the ensurance of proper implementation of international treaties of the USSR87 , the receipt of proposals by USSR Ministers and other State organs with regard to countermeasures in case of a breach of international Obligations by other parties'8 (the breach of international obligations by the USSR is not envisaged by this law!), the receipt of proposals concerning the denunciation of international treaties88 and the denunciations of treaties, in respect of which the Council of Ministers has taken decisions or which were concluded in the name of the government of the USSR100• The powers of the Ministry of Foreign Affairs include: the proposal to conclude international treaties101 , the issuing of powers to 87

BR

Mironou, op. cit., Fn. 50, 20.

cf. Fn. 1.

Art. 3 - 4 leg. cit. Art. 5 leg. cit. 91 Art. 6 leg. cit. 82 Art. 8/3 leg. cit. 83 Art. 9/3 leg. cit. •• Art. 13 leg. cit. 95 Art. 15 leg. cit. 10 Art. 18/4 leg. cit. 87 Art. 20 leg. cit. 9R Art. 23 leg. cit. 99 Art. 27 leg. cit. 100 Art. 30 leg. cit. ~•

uo

43 Festschrift für Altred verdross

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conduct negotiations and sign international treaties 101, the right to conduct negotiations and sign international treaties103 , the exchange of instruments of ratification and the deposit of international treaties106 , the general supervision of the execution of international treaties105 , the submission to publication of the USSR's international treaties in the Vedomosti Verkhovnogo Soveta SSSR 101 and treaties concluded in the name of the government of the USSR in the Sobranie Postanovlenie Pravitel'stva SSSR 101 , the registrations of international treaties of the USSR108 and proposals concerning the denunciation of treaties 108 • Other Ministries, such as the Ministry of Foreign Trade, and other members of the Council of Ministers, such as the State committee of the USSR for Foreign Economic Ties and for Science and Technology are entitled to make proposals for the conclusion of treaties concerning their special field independently or jointly with the USSR Ministry of Foreign Affairs110, to conduct negotiations for interdepartmental agreements111 , to sign such agreementsm, to participate in proposals of the USSR Ministry of Foreign Affairs concerning the approval and ratification of international treaties of the USSR118 , to ensure the fulfillment of obligations under international treaties and the Supervision of the fulfillment of such obligations by other participants of the treatym, to submit proposals concerning measures to be taken in the event of the breach of the treaty by another party to it115 , to make proposals on amendments and additions to current Soviet legislation in fulfilling international Obligations of the USSR111 , and to make proposals concerning the denunciation of interdepartmental agreements117. International representatives of the USSR, whether diplomatic or attached to an international organization are entitled to exchange 101 102 tOS

10( 105 108 107 108 108 110 111 112

113 11( 115 118

117

Art. 3-4 leg. cit. Art. 9/1, 9/3. Art. 10 leg. cit. Art. 16 leg. cit. Art. 22 leg. cit. Art. 25/1. Art. 25/2 leg. cit. Art. 26 leg. cit. Art. 27 leg. cit. Art. 3-4 leg. cit. Art. 9/4 leg. cit. Art. 10/4 leg. cit. Art. 13 leg. cit. Art. 21leg. cit. Art. 23 leg. cit. Art. 24 leg. cit. Art. 27 leg. cit.

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instruments of ratification or hand them for registration on behalf of the USSR Ministry of Foreign Affairs118 • A special position with respect to international relations of the USSR was held for lang time by the Secretary General of the Communist Party of the Soviet Union. Whereas Stalin had signed international treaties only as Chairman of the Presidium of the Supreme Soviet (and thus entitled to do so), Khrushchev in 1958 signed a Ietter of agreement with the German Democratic Republic in his capacity as the First Secretary of the CPSU and Chairman of the Council of Ministers118• Brezhnev started in 1970 a serie of signatures of international instruments in his capacity as Party officer110 (but as such formally not entitled to commit the USSR). Western scholars, including the present author have tried to explain this practice by reference to some kind of acceptance of Brezhnev's powers to bind the USSR internationally by his western partners, since his position within the CPSU and, above all, the leading role of the Communist Party within the decision making process in the USSR were beyend any doubt with regard to the value of such commitments, entered into by him. The fact, that at first sight constitutionality was vic,lated by such a procedure, seemed to be of minor importance, because constant practice of the USSR was guarantee enough that the USSR, by the principle of estoppel, would be bound by such instruments. Alfred Verdross had, already in 1930, argued that the Soviet Union would be in any case responsible for acts of the CPSU, since Soviet government was effectively subordinate to the Central Committee of the CPSU. If this is the case, the Soviet Union is liable for acts of the 'proper government'. In international law this man or this formation of men is regarded as government who 'in fact disposes of supreme power' (qui actu regit)m.

An American diplomat who participated in the procedure of signing some of the treaties with the USSR has, in 1977, somewhat 'lifted the veil' by demonstrating that the Secretary General of the CPSU has produced full powers, signed by the constitutionally entitled organ of the USSR, the Chairman of the Presidium of the Supreme Soviet of the USSR, Podgorny, and countersigned by the Minister of Foreign Affairs, Gromyko 112• Art. 16. ue Schroeder, Supremacy of the Communist Party of the Soviet Union Recognized in International Law?, 70 AJIL, 323 (1976). 110 for more details see Uibopuu, op. cit., Fn. 3, pp. 54; cf. also Schroeder, op. cit., Fn. 119, pp. 322. 121 Verdross, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Sowjetunion für die Handlungen der russischen kommunistischen Partei und der dritten Internationale, IX Zeitschrift für öffentliches Recht 597 (1930). 118

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The lack of formal authority of L. I. Brezhnev was, finally, made up for by the ousting of Podgorny as Chairman of the Presidium of the Supreme Soviet of the USSR 123 and by election of Brezhnev to this post on June 16, 1977m.

b) Organs Competent for the Incorporation of International Obligations of the USSR As already mentioned, Soviet authors unanimously emphasize that international Obligations of the USSR require any municipal legal act whatever, in order to be applied domesticallyn5 • If a Soviet State body is confronted with a norm of international law or a provision of an ~nternational treaty, it is confronted with a norm of an alien legal system, being completely different from the Soviet legal order, and thus non applicable within the USSR. Soviet State organs competent to incorporate international obligations are, above all: organs of legislation in the widest sense-the adoption of general abstract norms of human behaviour. Although only the Supreme Soviet of the USSR (and of the Union and Autonomaus Republics for their respective legal systems) has the power to adopt laws128 in the formal sense, the term legislation in a wider sense is used both in Soviet practice 1111 and doctrine 128 • Thus, organs also competent for the adoption of general-abstract norms are the Presidium of the Supreme Soviet and the Council of Ministers, by their right to issue Decrees and Decisions. The same power is also vested in the Ministries of Foreign Affairs and of International Trade with regard to treaties concluded by them. All these State bodies are entitled to enact norms of municipal law, which could be regarded as the formal basis of implementation of international obligations of the USSR by any other State organ.

Forman, 71 AJIL pp. 130 (1977) with reproduction of these full powers. VVS SSSR 1977/25/384. m VVS SSSR 1977/25/385. us cf. supra I, 3. 12 8 Art. 114 USSR Constitution. 127 cf. Reichel, Die Legislative in der Sowjetunion, 18 Osteuropa-Recht, pp. 45, 48 (1972). 128 KirichenkofSamoshchenko (Red.), Stanovlenie osnov obshchesoiuznogo zakonodatel'stva [Edition of Basic laws of all-union legislation], Moscow 1972, 22. 122

123

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· c) Organs Competent for the Implementcttion of International Obligations of the USSR

International law does not provide for special State argans competent for the implementation of international obligations111 • Thus virtually all argans of the USSR could have capacity to execute such comniitment. ·Only in some very special cases particular argans are called upon to implement particular obligations, e. g. argans of USSR criminal, civil and administrative judiciary in the case of criminal, civil and administrative immunities of diplomatic representatives of foreign States by virtue of Art. 12/4 of the Decree an Diplomatie and Consular Representatives of Foreign States an the Territory of the USSR110• The new Soviet Law an International Treaties131 refers (not explicitly) to Art. 131/6 of the 1977 Constitution and empowers the Council of Ministers of the US~R with capacity to take all necessary steps for the execution of international treatiesm, whereas the Ministry of Foreign Affairs shall exercise general supervision over their implementation133• lf the adoption of a legal act, such as a law, an edict, decree or regulation, is necessary in order to properly implement an international treaty of the USSR, the Jnterested ministries, state committees and Q.epartments shall submit proposals concerning the adoption of such anact114 • ' Soviet authors have very .rarely touched upon the question of selfexecuting and non-self-executing treaties. Still without utilizing this terJl?.inology, a Soviet writer refers .to the subject called upon to execute a treaty 115 • In his opinion the transformation of treaty provisions into municipal law simply changes the subject (in the narrewer sense) of a treaty and is only .necessary for such treaties, which require an amendment in their subjects. Treaties of general-political character, binding the State as a whole .need not to be transformed, whereas treaties; which are not executed by the State "as such", but by one of its organs, require a transformation into domestic law.

m Kauris, Mezhdunarodnye pravonarusheniia i otvetstvennost' gosudarstva [International tort and liability of State], Vilnius 1973, 169; cf. also Verdross, op. cit., Fn. 24, 382. t3o VVS SSSR 1966/22/387. 131 cf. Fn. 1. 132 Art. 20 leg. cit. m Art. 22 leg. cit. m Art. 24 leg. cit. 135

Mironov, op. cit., Fn; 9, pp. 41.

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2. Tedlniques of lncorporation of International Obligations of tbe USSR It is unrealistic to think that the application of a norm of international law by a Soviet State organ is only precluded, because this norm has not been properly reproduced, transformed, adopted or received into Soviet Law138 • Heferences in Soviet publications to the duty of States to act in conformity with international Iaw show, that such obligations are regarded as legal obligations 187 • The desparate search for some norms of domestic law, originally rooted in international treaties or customary law, is nothing eise than the attempt to reduce or deny any tentative recognition of primacy of international law by referring to the alleged fact, that State argans can only be confronted with municipallaw.

Still it seems to be appropriate to start with the Soviet assumption, that any technique whatsoever is a prerequisite for the proper implementation of international obligations on the domestic Ievel, and to demoostrate all such techniques, which have so far been used in Soviet practice.

a) The Issue of Decrees of Ratification Soviet law requires the ratification of certain categories of treaties 181, whereas other treaties can be concluded simply by approval of the Presidium of the Supreme Soviet or Council of Ministers of the USSR110 • Such Decrees of approval, although not called ratifications, have the 'Same effect. Decrees of ratification are published in the Vedomosti Verkhovnogo Soveta SSSR, the Bulletin of the Supreme Soviet of the USSR. Decrees of approval are published in the Sobranie Postanovlenii pravitel'stva SSSR, the collection of Decrees of the Government of the USSR. Both types of publications have not been mentioned in the recently adopted Soviet Law on International Treaties140, which only refers to the publication of international treaties of the USSR which are in force 141 • Collections of Soviet Law often contain decrees on ratification of treaties whose text has not been published 141 and it is thus fair to con138 Soviet relevant terminology is far from uniform, this is also admitted by Soviet writers: cf. Kurs, op. cit., Fn. 10, 226; Mironov, op. cit., Fn. 9, pp. 38; Some authors differenciate between norms of transformation and reference'norms (Mironov, ibid, pp. 44 and 57) cf. Uibopuu, op. cit., Fn. 3, 60, Fn. 135. m Tunkin, op. cit., Fn. 7, 341. 138 cf. supra at Fn. 81. 138 Art. 17 Law on International Treaties op. cit., Fn. 1. 140 ibid. 141 Art. 25 leg. cit. 142 for examples cf. Uibopuu, Fn. 3, pp. 60, Fn. 139 - 140.

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clude, that the mere publication of the Decree of ratification can produce their validity on the domestic Ievel. Sometimes there is a timelag between the coming into force of a treaty by virtue of treaty-provisions and the publication of the text of that treatyu1 • Both International Covenants on Human Rights of the United Nations, which came into force early in 1976, were only published in the Soviet Bulletin in April 1976144 • This again is a corroboration of the assertion that the domestic force of a treaty in the USSR can emanate from the publication of its Decree of ratification. It is, however, not quite clear, whether the publication of Decrees of ratification of treaties not yet in force, can be the legal basis of their validity within the USSR. The UN-Covenants on Human Rights, which were ratified by the USSR on September 18, 1973, and their Decrees of ratification published subsequently145, came into force only in 1976, i. e. over three years after their ratification and the publication of their Ratification Decree. The solution should be, that such a Decree of Ratification is accessory in character, i. e. that the effect of the respective treaty within the USSR is postponed till the treaty itself comes into force 14' . This assertion is corroborated by the statement of Soviet writers, that the ratification is directly dependent upon the international treaty, which was ratified by that act:

... upon the fate of the treaty147 • . . . with the cessation of the validity of the treaty, also the act of ratification looses its legal force, since its object of regulation has dissappeared148 • b) The Publication of the Treaty

The most frequently used technique of incorporation of Obligations arising out of international treaties of the USSR is the publication of both Decree of Ratification and text of the treaty in the official bulletins148 • Art. 25 of the Soviet Law on International Treaties150 provides for such publication, but only on application of the Ministry of Foreign Affairsm. for examples cf. Uibopuu, op. cit., Fn. 3, 61, Fn. 141. tu VVS SSSR 1976/17/291. 145 VVS SSSR 1973/40/564 of October 3, 1973. 148 for more details cf. Uibopuu, op. cit., Fn. 3, 62. 147 Mironov, op. cit., Fn. 9, pp. 69; Butkevich, op. cit., Fn. 84, 49, however

143

emphasizes, that with the cessation of an international treaty the act of ratification does not automatically loose its force. 148 Mironov, Pravovoe regulirovanie vneshnikh snoshenii SSSR [Legal regulation of foreign relations of the USSR], Moscow 1971, 24. 149 VVS SSSR and Sobranie Postanovlenii Pravitel'stva SSS!t. 150 cf. Fn. 1;

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Still, Soviet writers as a rule, do not consider the publication of a treaty to be an act of transformation, since treaties of generalpolitical character do not require transformation151 • The publication of international treaties has never been regarded by Soviet legislation as a form of transformation of provisions of that treaty into municipallaws1113. Without going much into detail and trying to solve the dispute in Soviet writings, whether ratification or publication of a treaty represents an act of transformation, it is appropriate to conclude a fortiori that not later than after the publication of a treaty, an incorporation of its provisions within the USSR has occured15'. This assertion is further confirmed by the statement of a Soviet author, that international treaties are published in Soviet practice only after their coming-into-forcem.

c) The Adaption of Municipal Law to International Obligations In addition to the publication of Decrees of Ratification and treatytexts, Soviet practice shows also the adaption of individual Soviet laws or statutes to international obligations of the USSR arising out of treaties. This technique of incorporation is described by a Soviet author as a typical example of transformation, since here ... norms of international law are not simply reproduced, but remodelled and adapted with regard to the general system of municipal law118 • In this case the domestic validity of the respective norm does not depend on the validity or force of the international treaty157 • Some Soviet authors criticize the concept of transformation of norms of international law into municipal law because of the entirely different classcharacter of both legal systems 118 • It is further argued, that the norm of international law continues to regulate international relations and, 151 As weil as Art. 4 of the Procedure for the Publication and the Cominginto-force of Statutes of the USSR, VVS SSSR 1958/14/275. 151 Mironov, op. cit., Fn. 9, 41; Blishchenko, op. cit., Fn. 8, 199. 1 53 Mironov, op. cit., Fn. 9, 45. 154 Blishchenko, op. cit., Fn. 8, 177; Blishchenko, Deistvie mezhdunarodnykh dogovorov na territorii SSSR [Effectiveness of international treaties on the territory of the USSR], Pravovedenie 1968/6, 106. 155 Talalaev, op. cit., Fn. 83, 98. ue Mironov, op. cit., Fn. 9, 50. 157 fore more details cf. Uibopuu, op. cit., Fn. 3, pp. 63. 158 Litovchenko, Voprosy teorii mezhdunarodnykh dogovorov v svete praktiki ekonomicheskogo sotrudnichestva sotsialisticheskikh stran [Questions of theory of international treaties in the light of economic cooperation of socialist countries], Kand. Diss. Kiev 1970, 20, cited in accordance with Butkevitch, op. cit., Fn. 84, 45.

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that the misuse of the term "Transformation" could lead to the wrang deduction, that from the moment of transformation the norm of international law becomes part of municipal lawUt. This author emphasized, that the dieturn of the six volume Soviet Manual of International Law comes closest to truth by stating: ... [transformation should not be regarded as] ... conversion of one legal system into another, but as the legislation of executive and administrative acts in implementation of particular international obligations180 • As a relatively new example of adaptions in Soviet law, a Soviet author cites the Decree of the Presidium of the Supreme Soviet of the USSR on "Criminal liability for the suppression of Aircraft" 161 as the implementation of the Montreal Convention of 1971 by amendment of current Soviet criminallegislation182 •

d) Priority of Norms of International Law Created by Soviel Law The last teclmique of incorporation of international Obligations into Soviet law to be treated in this essay is the reference to such Obligations by provisions of Soviet statutes, laws or other normative acts without the mentioning of any pai'ticular international treaty. This practice is widely used in the USSR and such norms of reference are found in several Soviet statutes183 • Here the norm of international law (i. e. international treaty) preserves its character and does not turn into a norm of municipallaw. 150 Butkevitch, op. cit., Fn. 84, 46. teo Kurs, op. cit., Fn. 10, Vol. IV, 197.

VVS SSSR 1973/1/3. Muellerson, op. cit., Fn. 61, 68; for other examples, especially with regard to the abuse of such transformation-legislation to the detrement of Soviet citizens cf. Uibopuu, op. cit., Fn. 3, pp. 64. 163 A list of such Statutes is contained in Uibopuu, op. cit., Fn. 3, 66 (Fn.169), 68 (Fn. 178) and 69 (Fn. 180); Since 1974 some more Soviet laws containing such provisions have been adopted: Art. 51 of the : Osnovy zakonodatel'stva Soiuza SSR i Soiuznykh Respublik o nedrakh [Basic principles of the Legislation of the USSR and the Union Republics an Mineral Resources], VVS SSSR 1975/28/435 (the same in Art. 77 of the respective Statute of the RSFSR: VVS RSFSR 1977/28/895); Art. 51 of the Osnovy lesnogo zakonodotel'stva Soiuza SSR i Soiuznykh Respublik [Basic legislative Principles of the USSR and the Union Republics an Forests], VVS SSSR 1977/25/388; cf. also Art. 130 of the respective Code of the RSFSR: VVS RSFSR 1978/32/846; Art. 33 of the Zakon SSSR ob okhrane i ispol'zovanii pamiatnikov istorii i kul'tury [Statute of the USSR an the protection and exploitation of historical and cultural monuments], VVS SSSR 1976/44/628; this list does not pretend tobe exhaustive. Soviet Statutes do explicitly create priority, as Art. 129 of the Principles of Civil Law of the USSR and the Union Republics (VVS SSSR 1961/50/525); they could also simply refer to international agreements without the mentioning of priority as e.g. Art. 13 of the Statute on the Protection of State 111

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Again, Soviet scholars hold different opinions on this techniques. One author argues, that the relations between physical and juridical persons are still regulated by norms of municipal Iaw, now referring to a norm of international law184 • Another writer declares that the norm of municipal law transfers the regulation of concrete situations to norms of international law185 • Still, there is no necessity to decide upon this academic dispute. lt will be sufficient to demonstrate some late Soviet practices with regard to the application of treaty-norms by Soviet organs 188 • Until very recently Soviet sources never referred to Soviet Court decisions in which the Court has applied norms of international treaties rather than of Soviet law. A Soviet author once apodictically argued, that to Soviet Courts or other State argans the question, whether a norm of an international treaty should be applied, practically will not be posed187 • Neither published collections of decisions of Soviet courtsus nor writings of Soviet scholars have reported that international law has ever been applied there. It was only stated by one western author, that Soviet Foreign-Trade- and Sea-Arbitration Commissions jrom time to time and in a very restricted manner applied treatyprovisions with regard to Conflict of Lawm. There is, however, a microscopic reference to the application of norms of international treaties in a Commentary on the Code of Civil Procedure of the RSFSR. Here, in an interpretation of Art. 25 of that Code it is noted that by virtue of the Agreement on International Transport of Goods by Railroad, concluded by some members of the Warsaw Pact Treaty in Sofia 170 , claims arising from contracts for the Boundaries of the USSR (VVS SSSR 1960/34/324), for more examples cf. Uibopuu, op. cit., Fn. 3, 68, Note 178; again, reference is sometimes made both to international agreement and Soviet Law cumulatively: Art. 180 of the Statute for the Protection of State Boundaries of the USSR. For other examples cf. Uibopuu, op. cit., Fn. 3, 69, Note 180. m Butkevitch, op. cit., Fn. 84, 48. tu Mironov, op. cit,. Fn. 9, 58. us For a camprehenaive survey of Soviet practice cf. Uibopuu, op. cit., Fn. 3, pp. 65 - 70, here three different techniques of norms of reference are demonstrated, a) the creation of priority of treaty-norms, b) the simple reference to treaty-norms without special mentioning of their priority and c) cumulative reference to both norms of Soviet municipal law and international treaties 187 Shurshalov, op. cit., Fn. 26, 357. us e.g. Biulleten' Verkhovnogo suda [Bulletin of the Supreme Court], SSSR and RSFSR. 151 Waehler, Die Außenhandels- und See-Schiedsgerichtsbarkeit in der UdSSR, Berlin 1974, pp. 107.

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transport of goods by rail, irrespective of the amount of controversy, belong to the jurisdiction of the RSFSR, unless other solutions are provided for by international treaties171 • Soviet Courts have recently decided cases by virtue of that provision and-here we can even speak of a revolution in Soviet scholary writings-such decisions were reported by a Soviet authorm: By virtue of that provision [Art. 25 Code of Civil Procedure], Soviet courts were entitled to apply norms contained in international treaties, while deciding concrete cases. For example, the Sokol'nii District Court of the town of Moscow declared in its decision of November 10, 1977 in Promimporttorg173 v. Administration of International Communications of the Ministry of Communicationsm: "The replacement of the seal throughout the journey is indicative of access to the freight and thus liability for defect is upon the Railway by virtue of Art. 22 of the SMGS" 175• In its decision with regard to the claim of the Publishing and Printing Hause "Pravda" against the Administration of the Moscow Railroad of December 2, 1976, the same Court ruled by virtue of Art. 25 § 4/3 of the "Tariff for the Transport of Passengers, Luggage, Goods and Freight" 171 : the Railway is free from liability for transport damages, if these damages occured in connection with the loading by means of the sender. The Board of the Court for Civil Claims of the Moscow Town Court referred in its decision of November 26, 1977 also to the SMGS: "By virtue of Art. 23 § 1 SMGS with reference to goods, which by their special quality are subject to lass during the transport, the Railroad is liable .. ." 111 • The theoretical comments on the technique of norms of reference of this author merit their reproduction in this paper. He differentiates between two notions, which sometimes allegedly have been confused in Soviet writings: the system of law of a particular State and the law which is applied in that State. Muellerson correctly argues that these notions do not necessarily coincide, the second notion is wider. He then continues by stating that State organs, such as Courts or arbitration170 Muellerson, op. cit., Fn. 61, 68 speaks of 1952; the Commentary on the Code of Civil Procedure, Kommentarii k GPK RSFSR, Kallistratova/Lesnitskaiia/Puchinskii (Red.), Moscow 1976, 48 cites 1959 as the date of the conclusion of this treaty by Bulgaria, DDR, Hungary, Poland, Czechoslovakia, Romania and the USSR; 111 Kallistratova and others, op. cit., Fn. 170,48. 171 Muellerson, op. cit., Fn. 61, pp. 68. m a company for the import of industrial products. m Upravlenie mezhdunarodnykh soobshchenii MPS (Ministerstva Putei i Soobshcheniia). 175 Agreements on international transport of Goods, cf. Fn. 170. 178 This Tariff is, by virtue of Art. 5 of the Soviet-Finnish Agreement on Railway Communications, of Dec. 19, 1977, an annex to this Agreement, Muellerson, op. cit., Fn. 61. 117 Muellerson, op. cit., Fn. 61, pp. 68.

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commissions do not only apply their respective municipal law, buralso norms of foreign law, and also provisions of international treaties: But foreign Iaw, as weil as international treaties could only be applied with the sanction of a norm of municipal law, and the sole method of such sanctions is the norm of rejerence 178• This opinion shows a clear departure from the more traditional view, that in application of a norm of rejerence, such as the by Soviet scholars most frequently reported Art. 129 of the Basic Principles of Civil Legislation of the USSR and the Union Republics178 the Soviet court does in fact apply domestic law, whereas the relations between the States concerned are regulated by the respective international treaties180 • 111. Conclusions

Soviet doctrine concerning the different forms of incorporation of international obligations into Soviet law has many practical impli~ cations. Perhaps the most conspicuous is the impact of both Soviet doctrine and practice on the implementation of the USSR's inter~ national commitments in the field of human rights. The USSR has entered into many treaty obligations in this field by adhering to several international agreements on human rights 181 • Still, Soviet doctrine, and obviously also Soviet practice, denies that rights for the individual arise directly from these treaties. The individual has no international legal personality whatsoever in Soviet doctrine 182 • Thus, all international instruments on the protection of human rights, in the view of Soviet authors, only bind the State and the State is then obliged to grant all persans under its jurisdiction the 178

Muellerson, op. cit., Fn. 61, 69, italics mine.

m VVS SSSR 1961/50. 1~o

Butkevitch, op. cit., Fn. 84, 31.

On the international obligation of the USSR for the protection of human rights see of this author: The International legal status of Soviet Minorities today, 2 Rev. Soc. Law, 217 ~ 231 (1976); The International Leg11l Obligations of the USSR for the Protection of Individuals, 14 Coexistence, 181

26 ~ 296 (1977). 182 cf. Uibopuu, op. cit., Fn. 3, pp. 7i with further references in Fn. 190;

The most recent Soviet Manual on International Law (Fn. 7) reaffirms this assertion: Ignatenko/Suvorova op. cit., Fn. 7, pp. 104; One Soviet author, however, presents an interesting view: although he writes, that an individual cannot become a subject of international law, he still admits, that the indi~ vidual, under certain circumstances can be the subject of particular rights: "Under such circumstances the individual does not act qua its State, but in its own name, as bearer of rights and Obligations from concrete inter~ national agreements." Shurshalov, Mezhdunarodnye pravootnosheniia [In~ ternationallegal relations], Moscow 1971.

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rights guaranteed by the particular instruments; but the State must grant these rights under its municipal law. The granting of human rights remains its internal affair and according to the Soviet myth, other States are excluded from interference into this sphere of domaine reservee 183• Soviet negative attitude towards "internationalization" of the protection of Human rights is most blatant in their biased considerations of relatively efficient systems, such as the European Convention an Human Rights184 • If regional organizations above all are engaged in the examination of so-called individual complaints, their activities remain abortive and da not lead to any positive results185 •

The theory of the change in the subjects of a treaty1se clearly shows its practical implication here: it is the State rather than the individual who has rights and obligations arising out of such treaties. State is called upon to transform the treaty-obligations into municipal law in order to make them applicable for the individual. Individuals can only invoke human rights, which have been granted to them by the State, by virtue of municipal law exclusively187 • This attitude of hostility towards international law culminates in the following statement: ... until the State has fulfilled its Obligation for the granting of certain rights to individuals, the individual does not possess these rights. The State acts as the necessary authority for the transformation of its Obligations into individual rights 188 • The Soviet conceptualization is thus, that an international instrument an human rights merely obliges the State-the party to the instrument-to transform human rights provisions into municipal law. The individual is, according to this theory not entitled to any claim against the State, as lang as such an incorporation of treaty-provisions has not taken place. This construction gives the State a considerable degree of discretionary power. It depends an the State whether or not the treaty will be implemented at all and, thus, the individual actually becomes its beneficiary. From a policy oriented view, this approach is highly questionable. The possible delay or even complete refusal to comply For a list of Soviet authors cf. Uibopuu, op. cit., Fn. 3, 71, Fn. 192. On this topic in more detail: Uibopuu, Moskau entdeckt die Europäische Menschenrechtskommission, 4 EuGrZ 256/260, (1977). 186 Kartashkin, Regionalizm i prava cheloveka [Regionalism and Human Rights], SEMP 1976, 80. 18& Kurs, op. cit., Fn. 10, Val. I, 165. 187 cf. Brunner in Feldbrugge (Red.), Encyclopedia of Soviet Law, Leyden 1973, pp. 119; Przetacznik, L'attitude des ~tats Socialistes a l'egard de la protection des droits de l'homme, VII Human Rights Journal, 178 (1974). 18& Zakharova, Pod vidom obespecheniia prav cheloveka [Under the disguise of protecting human rights], Moscow 1971, 82. 183 184

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with the treaty-obligations places Soviet theory in jeopardy of being objectively thwarting of fundamental human rights. Another question, one that can be touched only very briefly, concerns the alleged implementation of human rights treaty provisions by proclaiming these rights in the Soviet Constitution. Soviet authors have on many occasions emphasized that the rights embodied in both Human Rights Covenants of the United Nations are already guaranteed by Soviet municipallaw 188 • This might be true-with some exceptions (such as, e.g., the rights of parents to religious education of their children in conformity with their convictions180 or the right to strike111 , none of which is provided for by Soviet lawm)-if the verbal reproduction of international commitments in municipal law already is an implementation. But the interrelation between Soviet citizen's rights and duties and the Soviet State is, under the 1977 Constitution, even more conspicuous than under the Stalin Constitution of 1936. Also, the interpretation of constitutional provisions could belang to the domaine reserve of a State, whereas the interpretation of its international commitments is certainly not of this nature. If we take into account also that international treaties on human rights create rights and obligations between the parties to it111 and not only vis ä vis the individual, it becomes obvious that the doctrine and the practice thereto-to regard international commitments only applicable on the domestic level, if they are properly transformed into municipal law-is detrimental to international cooperation. lt excludes one of the most important tasks of international treaties, to transfer matters otherwise belanging to the internal competence of a State into the sphere of international commitments. By overemphasizing souvereignty, the USSR determines the scope of her international Obligations and her scholars provide the theoretical basis for such a policy by the doctrine described above.

The three Articles of the new Soviet Constitution on international relations of the USSR deserve at least short attention. Art. 28 refers 18 • Blishchenko, Prava i svobody cheloveka [Rights and freedoms of men], Novyi mir 1974/2, 198. no Art. 13 (3) of the International Convention on Economic, Social and Cultural Rights and Art. 18 (4) of the Convention on Civil and Political Rights. 181 Art. 8 (1) d of the International Convention on Economic, Social and Cultural Rights of the UN. n 2 On these problems cf.: Uibopuu op. cit., Fn. 181 (Co-existence), 15 - 51. 193 On this question in detail cf. Simma, Bilaterale Durchsetzung vertraglich verankerter Menschenrechte, in Sehreuer (Red.), Autorität und internationale Ordnung, Berlin 1979, pp. 140.

International and Municipal Law in Soviet Doctrine and Practice

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to Lenin's peace-loving policy184 • In this article the ensuring of favourable conditions for the building of Communism ranks first, the protection of State's interests second, the strengthening of the position of world socialism third. This article obliges the USSR to support the struggle of peoples for liberation and embodies on the constitutional level the consequent implementation of the principle of peaceful coexistence. The duty to support national wars of liberation, however, is very likely to collide with another provision of this article, the prevention of w,ars of aggression105 • Art. 29 embraces the Ten Principles of International Law contained in the CSCE Final Act. The expression "Right of self-determination" is, however, reproduced as right of peoples to decide their destiny, curiously enough, since the Soviet Union was one of the most fervent partisans of this right within the United Nations 188 • Maybe the drafters of the new Soviet Constitution were reluctant to expressly refer to the right to self-determination in order to avoid embarassment, possibly caused by some peoples in the USSR who could claim, that this constitutional provision has not been properly applied with regard to many nations or nationalities within the Soviet Union. The wording used in Art. 29 is more neutral. Art. 30 is devoted to socialist internationalism as the gu~ding principle for the relations within the Communist Bloc. Comradly mutual assistance1117 plays an eminent role in the relations between socialist States and is even construed as exception from the prohibition of force in general internationallaw 188 • What practical effect have these Articles for Soviet practice on Municipal and International law? A Soviet author regards Art. 29 as an implementation of the Soviet commitments under the Helsinki Final Actue. This accordance, another Soviet writer says, is not accidental, but shows, that the USSR strictly fulfills its international obligations, and secondly, that nowadays it is impossible to ignore that the decisive role in the process of formulating general principles of internationallaw belongs to the Soviet Union200 • lf all States, signatory m Mironov, Konstitutsionnye printsipy vneshnei politiki SSSR [Constitutional Principles of Foreign Policy of the USSR], SGP 1978/3, 13; Shevtsov in: Shevtsov (Red.), Sovetskoe gosudarstvennoe pravo [Soviet State Law], Moscow 1978, 138. tts Uschakow, op. cit., Fn. 67, 47. 188 Meissner, Die neue Bundesverfassung der UdSSR, 27 Jb. d. öff. Rechts der Gegenwart 378 (1978). 187 cf. Schweisfurth, Sozialistisches Völkerrecht?, Berlin 1979. us Meissner, op. cit., Fn. 196, 380. 181 Shevtsov, op. cit., Fn. 194, 141. 200 Ignatenko/Malinin, Sovetskaia vneshniaia politika i mezhdunarodnoe pravo [Soviet Foreign Policy and International Law], Pravovedenie 1977/5, 133.

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powers to the Final Act would have produced their commitments in municipal (or better constitutional) law any violations of these provisions would not only constitute an infringement of international, but also of the respective municipal law! 01 , which obviously is regarded by the Soviet author as something even worse than an international delict. lf Art. 29 is this transformation of international law into Soviet municipal law, in order to be properly implemented, the inclusion of its provisions in the new Constitution can be regarded as positive!01 • But there still remain Art. 28 and 30 as emanation of the aims of Soviet foreign policy. They can influence Soviet practice of implementation of international commitments in as much, as they may serve as interpratory guide-Iines. Soviet obligations to grant the individual certain rights have thus to be judged, whether they can strengthen the positions of world socialism or ensure favourable conditions for the building of socialism. The territorial integrity of State's, members of the Socialist Commonwealth is still subject to the restrictions with regard to mutual assistance. The essence of the present analysis may be, that the inclusion of Arts. 28- 30 into the new Constitution does not wipe out the impression of hostility against international law which Soviet doctrine an the interrelation of international and municipal law has shown.

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Mironov, op. cit., Fn. 194, 15. Meissner, op. cit., Fn. 196, 379.

ZUR ANWENDUNG DER REGEL "VOLENTI NON FIT INJURIA" IM VÖLKERRECHT Von Stephan Verosta Die Regel "Volenti non fit injuria" ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz anzusehen, der in den Rechtsordnungen wohl fast aller Staaten enthalten ist. Wenn im Rahmen einer staatlichen Rechtsordnung ein Rechtssubjekt an sich rechtswidrigen Eingriffen anderer Rechtssubjekte in die Sphäre seiner Rechte vor Durchführung des Eingriffes seine Zustimmung erteilt, wird damit die Rechtswidrigkeit dieser Handlung ausgeschlossen. Im Rahmen des Privatrechts sind solche Abdingungen auf Grund der weitgehenden Vertragsfreiheit des einzelnen durchaus möglich und häufig, die Rechtssubjekte können die dispositiven Normen des Privatrechts unter sich durch Vertrag außer Kraft setzen oder auch nur suspendieren. Solche dem Privatrecht derogierenden Verträge, die an sich gegen ein subjektives Recht verstoßenden Handlungen die Rechtswidrigkeit nehmen, finden allerdings ihre Grenzen an zwigenden Normen und Rechtsgrundsätzen des Privatrechts. Im öffentlichen Recht eines Staates ist die Möglichkeit des Ausschlusses der Rechtswidrigkeit einer Handlung durch Vertrag oder durch vorhergehende Zustimmung des Betroffenen angesichts des zwingenden Charakters der meisten Normen des öffentlichen Rechtes gering. Von der vorhergehenden Zustimmung des Berechtigten zu einem Eingriff in seine Rechte ist sein Verhalten nach dem rechtswidrig erfolgten Eingriff in seine Rechte zu unterscheiden. Der Eingriff bleibt rechtswidrig und löst die Haftung des Rechtsverletzers aus. Der Berechtigte kann aber durch nachfolgenden Vertrag oder Verzicht, durch Nichtergreifung von Rechtsmitteln oder durch sonstige konkludente Handlungen und Unterlassungen von der Geltendmachung seiner Wiedergutmachungsansprüche gegen den Rechtsverletzer absehen. Die Regel "volenti non fit injuria" gilt auch im Völkerrecht und wird in den internationalen Beziehungen häufig angewendet. Existenz, Souveränität, politische Unabhängigkeit, territoriale Unversehrtheit und die gesamte Rechtsordnung der Staaten sind durch die Völkerrechtsordnung umschrieben und durch das Völkergewohnheitsrecht und zahlreiche multilaterale und bilaterale Verträge gesichert. Aufgrund u Festschrift für Alfred Verdross

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ihrer Souveränität und ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit steht den Staaten das Recht zu, Verträge abzuschließen, wie dies in der Wiener Konvention über das Recht der Verträge in Artikel6 kodifiziert ist. Die Staaten können nun in bilateralen und multilateralen Verträgen einzelne Normen des Völkergewohnheitsrechts in ihren gegenseitigen Beziehungen suspendieren oder außer Kraft setzen; jeder dispositiven Norm des Völkerrechts kann also im bilateralen oder auch im multilateralen Verhältnis derogiert werden. Dies ergibt sich aus der steten Praxis der Staaten und erscheint auch in der Wiener Konvention über das Recht der Verträge insoweit festgelegt, als diese Konvention nur eine Gruppe von Regeln des allgemeinen Völkerrechts als zwingende Normen eigens hervorhebt, die durch Vertrag nicht abgedungen werden können. Eine Definition der Normen zwingenden Charakters ist in Artikel 53 der Wiener Vertragskonvention gegeben. Wenn ein Völkerrechtssubjekt durch Vertrag oder sonstige Zustimmung in die Verletzung eines- oder mehrerer- seiner Rechte durch einen zur Achtung dieser Rechte verpflichteten Staat einwilligt, verliert die an sich rechtswidrige Handlung des verpflichteten Völkerrechtssubjekts ihre Völkerrechtswidrigkeit und löst daher auch keine Haftung des verpflichteten Völkerrechtssubjektes gegenüber dem berechtigten Völkerrechtssubjekt aus. Diese Rechtssätze ergeben sich aus dem Recht der völkerrechtlichen Verträge. Die Staaten haben dies durchwegs so gehandhabt und die Lehre ist hier der Staatenpraxis gefolgt. Bei der Regelung der Staatenhaftung haben sich dagegen in der Praxis der Staaten völkerrechtliche Regeln herausgebildet, nach denen bei Vorliegen bestimmter Umstände die Völkerrechtswidrigkeit einer an sich rechtswidrigen Handlung eines Staates ausgeschlossen wird. Als solche Umstände werden herkömmlicherweise die Ausübung von Repressalien oder kollektiven Zwangsmaßnahmen, höhere Gewalt oder Zufall, legitime Selbstverteidigung und Notstand genannt. Bisher hat weder die Praxis der Staaten noch die Lehre einen Umstand eigens hervorgehoben, der die Völkerrechtswidrigkeit einer Handlung eines Staates durch eine vorherige Zustimmung des berechtigten Staates ausschließt. Dies wohl deshalb, weil eine solche Zustimmung nie einseitig erklärt wird, sondern erst auf Ansuchen des Staates erfolgt, der - aus irgendwelchen Gründen - einen Eingriff in die Rechtssphäre eines Staates durchzuführen beabsichtigt, aber die Völkerrechtswidrigkeit der von ihm beabsichtigten Handlung ausschließen will. Damit liegt aber ein Vertrag vor und die Staatenpraxis und Lehre haben in derartigen Fällen das Zustandekommen eines Vertrages angenommen, der nach dem Recht der völkerrechtlichen Verträge zu beurteilen ist.

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Da ein solcher Vertrag aber zum Ziel hat, der Handlung eines Staates ihre sonst gegebene Völkerrechtswidrigkeit zu nehmen und demgemäß die Verantwortlichkeit dieses Staates samt ihren Folgen zu beseitigen, ergab sich die Frage, ob in einer Kodifikation der Normen über die völkerrechtliche Verantwortung der Staaten, wie sie derzeit von der International Law Commission der Vereinten Nationen (ILC) ausgearbeitet wird, dieser Fall eigens zu berücksichtigen ist. Der Berichterstatter der ILC in dieser Materie, Professor Roberto Aga, hat diese Frage bejaht und in seinem "Achten Bericht über die Verantwortlichkeit der Staaten" (UN-Dokument A/CN. 4/318 vom 24. Januar 1979) und insbesondere im 1. und 2. Nachtrag dazu (A/CN. 4/318/Add. 1 und A/CN. 4/318/Add. 2 vom 5. Februar 1979) ein V. Kapitel mit dem Titel "Umstände, welche die Völkerrechtswidrigkeit ausschließen" 1 vorgelegt. In diesem Kapitel formuliert der 1. Artikel, fortlaufend in der bisherigen Artikelreihe als Artikel29 bezeichnet, die "Zustimmung des verletzten Staates"; Artikel 30 behandelt die "Legitime Durchführung einer Sanktion". Weitere Artikel werden den Unrechtsausschließungsgründen der höheren Gewalt, dem Zufall, der legitimen Selbstverteidigung und dem Notstand gewidmet sein. Der Vorschlag lautet im französischen Original Professor Agas sind in französischer Sprache abgefaßt:

alle Berichte

Article 29 Consentement de l'Etat lese Le consentement donne par un Etat a la commission par un autre Etat d'un fait non conforme a ce que le premier aurait en vertu d'une obligation internationale, le droit d'exiger du second, exclut l'illiceite du fait en question. Cet effet ne se produit toutefois pas si l'obligation dont il s'agit decoule d'une regle imperative du droit international general. In deutscher Übersetzung klingt diese Formulierung noch umständlicher: Artikel 29 Zustimmung des verletzten Staates Die von einem Staat gegebene Zustimmung zur Setzung einer Handlung durch einen anderen Staat, die nicht in Übereinstimmung damit ist, was der erste Staat aufgrund einer völkerrechtlichen Verpflichtung vom zweiten Staat rechtlich fordern könnte, schließt die Rechtswidrigkeit der in Frage stehenden Handlung aus. Diese Wirkung tritt jedoch nicht ein, wenn die betreffende Verpflichtung auf einer zwingenden Norm des allgemeinen Völkerrechts beruht. Bevor in eine Erörterung dieses Vorschlages und eine Ergänzung des Berichts Professor Agas hinsichtlich der Präzedenzfälle der Staaten1 Die Übersetzungen aus den zitierten UN-Dokumenten ins Deutsche stammen vom Verfasser.

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praxis eingetreten wird, wäre die Definition der völkerrechtswidrigen Handlung in Erinnerung zu rufen, die in Artikel 3 des Entwurfes der ILC gegeben wird: Artikel 3 Elemente der völkerrechtswidrigen Handlung eines Staates Eine völkerrechtswidrige Handlung eines Staates liegt vor, wenn: a) ein Verhalten, bestehend in einer Handlung oder Unterlassung, dem Staat nach Völkerrecht zuredlenbar ist; und b) dieses Verhalten die Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung des Staates begründet. Die nachfolgenden Erörterungen seien in drei Abschnitte gegliedert. 1. Der zustimmende Staat ist in seinem Recht nicht verletzt.

Wenn man in Betracht zieht, daß das Kapitel5 der Artikelreihe über die Verantwortlichkeit der Staaten den Titel hat "Umstände, welche die Völkerrechtswidrigkeit ausschließen" und der vorgeschlagene Artikel29 den ersten "Umstand" behandeln soll, der die Völkerrechtswidrigkeit ausschließt, erheben sich sofort Bedenken gegen den Titel des vorgeschlagenen Artikel 29, der von der Zustimmung des verletzten Staates spricht. Wenn die Zustimmung eines Staates zur Setzung einer an sich völkerrechtswidrigen Handlung eines anderen Staates gegeben wird, ist der zuständige Staat in keinem seiner Rechte verletzt und der Titel entspricht nicht den Regeln, die formuliert werden sollen. Geht man den Bericht selbst aufmerksam durch, ist folgendes festzustellen. Der Berichterstatter spricht in seinem Kommentar in Punkt (P) 3 zweimal von der Zustimmung des verletzten Staates. In P 7 wird ausgeführt, daß die Staaten die Rechtmäßigkeit der Entsendung von Truppen durch einen Staat in das Gebiet eines zweiten Staates annehmen, wenn hiezu die Zustimmung des zweiten Staates vorliegt, "dessen Souveränität verletzt (?) worden ist". In P 11 spricht der Bericht von der Zustimmung des Subjekts, das "Inhaber des verletzten subjektiven Rechtes" ist und wiederholt den Ausdruck "verletztes Subjekt" (womit Völkerrechtssubjekt gemeint ist). Weiters kommt der Ausdruck "verletzter Staat" in P 12 zweimal vor. Dagegen spricht P 13 plötzlich von der Gültigkeit und dem Vorhandensein (existence) der Zustimmung des Etat dit lese das heißt des sogenannten verletzten Staates oder angeblich verletzten Staates; offenbar sind dem Berichterstatter im Zuge der Abfassung des Berichtes selbst Zweifel über die Angemessenheit des Ausdruckes "verletzter Staat" im Titel des Artikels 29 aufgestiegen. Es sei darauf hingewiesen, daß bezeichnenderweise die englische Übersetzung des Berichtes gezögert hat, den Ausdruck Etat dit lese des französischen Originals im Englischen etwa mit a State called injured oder the so called injured State wiederzu-

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geben; sie hat sich begnügt das Wort verletzt (injured) in Anführungszeichen - "injured" - zu setzen. Der Bericht verwendet danach in P 14 zwar nochmals den Terminus verletzter Staat, greift aber dann selbst zu dem Mittel, den Ausdruck verletzt als "lese" in Anführungszeichen zu setzen, wie dies die vor der Unschärfe des Originals unschlüssige englische Übersetzung in P 13 getan hatte. Dem Berichterstatter ist hier zweifellos ein Versehen unterlaufen, obwohl er selbst in P 13 klar ausführt: "Wir können daher ohne Furcht, auf Widerspruch zu stoßen, das Vorhandensein eines im Völkerrecht feststehenden Grundsatzes bekräftigen, wonach die Zustimmung des subjektiv berechtigten Staates, der ohne diese Zustimmung durch das Verhalten eines andereri Staates in widerreChtlicher Weise verletzt sein würde, eben ein Umstand ist, der die Völkerrechtswidrigkeit des betreffenden Verhaltens ausschließt." Der Ausdruck "verletzter Staat" sollte als unzutreffend und daher irreführend im Titel dieses Artikels nicht aufscheinen um so weniger, weil der Ausdruck im Text des vorgeschlagenen Artikels selbst überhaupt nicht vorkommt. Auch im abschließenden Bericht der ILC selbst sollten die Ausdrücke verletzter Staat oder sogenannter verletzter Staat nicht verwendet werden. 2. Die Zustimmung des berechtigten Staates erfolgt im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrages. Die Zustimmung des berechtigten Staates bildet ein Element eines Vertrages zwischen dem Staat, der um die Genehmigung seiner beabsichtigten Handlung durch den berechtigten Staat ersucht, und dem berechtigten Staat, der eine - oder mehrere - Normen des dispositiven Völkerrechts im Verhältnis zum ersuchenden Staat auf Grund seiner Vertragsfreiheit suspendiert oder außer Kraft setzt. Titel und Inhalt des vorgeschlagenen Artikel29 könnten dem Rechnung tragen, indem die regelmäßige Einbettung der Zustimmung des berechtigten Staates in einem Vertrag hervorgehoben wird. Denn der Berichterstatter selbst führt im zweiten Nachtrag zu seinem Bericht (A/CN. 4/318/Add. 2) in P 2 aus: "Wenn ein Staat ... zustimmt, daß ein anderer Staat ein Verhalten einnimmt, das sonst die Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung gegenüber dem ersteren Staat darstellt, führt die Zustimmung offensichtlich zur Bildung einer Übereinkunft (im Original: accord, englisch agreement) zwischen den zwei Völkerrechtssubjekten, einer Übereinkunft, die bewirkt, daß die völkerrechtliche Verpflichtung aufhört, zwischen den beiden Subjekten wirksam zu sein, oder daß sie zumindest in bezug auf den gegebenen Fall suspendiert wird. Da die Verpflichtung den

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letzteren Staat nicht mehr bindet, verstößt sein Verhalten nicht gegen irgendeine völkerrechtliche Verpflichtung und die Völkerrechtswidrigkeit seiner Handlung ist daher ausgeschlossen." Der Berichterstatter hätte also diesen Ausschließungsgrund der Völkerrechtswidrigkeit auch accord oder traite - Übereinkunft oder Vertrag - nennen können. Die Staatenpraxis kennt zahlreiche Fälle solcher Verträge, die der Berichterstatter nicht verwendet hat. So ist etwa die Gestattung des Durchmarsches oder Einmarsches fremder Truppen entweder in Übereinkünften von Fall zu Fall oder in Verträgen von längerer Dauer erfolgt. Als Beispiel seien die zahlreichen Übereinkommen zwischen der Donaumonarchie und dem Ottomanischen Reich von 1815 - 1878 angeführt. Dem kaiserlichen Österreich war 1797 das Gebiet der Republik Venedig einschließlich Dalmatiens zugefallen, was vom Wiener Kongreß im Jahre 1815 bestätigt wurde. Das dalmatinische Gebiet war aber nördlich und südlich des Gebietes von Ragusa-Dubrovnik durch zwei schmale ottomanische Landstreifen bei Metkovic und in der Sutorina unterbrochen. Diese schmalen Landstreifen, die nördlich nach Bosnien und südlich in die Herzegowina führten, teilten Dalmatien - zur venetianischen wie zur Österreichischen Zeit - in drei Teile, wiesen aber keine Häfen auf. Wenn nun die türkische Regierung Truppen schnell etwa aus Albanien nach Bosnien oder der Herzegowina bringen wollte, suchte sie immer wieder bei Österreich um die Erlaubnis zur Landung solcher Truppen in Österreichischen Häfen - etwa Metkovic im Norden und Hercegnovi im Süden - und zum Durchmarsch dieser Truppen aus den Häfen durch österreichisches Gebiet an. Mehrere dutzende Male hat die Österreichische Regierung auf Ansuchen der ottomanischen Regierung, die meist mit Verbalnote erfolgte, ihre Zustimmung ohne jede Gegenleistung, ebenfalls mit Verbalnote, erteilt. Diese von Fall zu Fall abgeschlossenen Verträge über die Benützung österreichischer Häfen und Österreichischen Gebietes durch osmanische Truppen hörte auf, als die Donaumonarchie aufgrund des Artikel XXV der Berliner Kongreßakte von 1878 und damit eines europäischen Mandats selbst die Verwaltung Bosniens und der Herzegowina übernahm. Die Regierung der Donaumonarchie hatte im Jahre 1848 die Revolutionen in Oberitalien, Prag und Wien niedergeworfen, nicht aber in Ungarn. Der 18jährige Kaiser Franz Joseph machte im Mai 1849 einen Besuch in St. Petersburg und ersuchte den Zar Nikolaus I. um Waffenhilfe. Der Zar gewährte diese, teils aus monarchisch-konservativer Solidarität, teils wohl auch aus der Sorge, eine erfolgreiche Revolution in Ungarn könnte zu Unruhen in Russisch-Polen führen. Er entsandte

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180 000 Mann nach Ungarn, denen sich schließlich die ungarischen Revolutionsarmeen bei Viiagas im Komitat Arad 1849 ergaben. Die russische Intervention beruhte auf einem Vertrag zwischen den Staatsoberhäuptern der Donaumonarchie und des Zarenreiches, der die Völkerrechtswidrigkeit des Einmarsches und der militärischen Operationen der Russen unter General Paskiewitsch in Ungarn ausschloß. Es bleibe nicht unerwähnt, daß in den angelsächsischen Ländern die ,Sympathien auf Seite der Ungarn waren, denen ein Anspruch auf Selbstbestimmung zugebilligt wurde. Die Kosten der russischen Intervention wurden zwischen den beiden Staaten ebenfalls auf diplomatischem Weg durch Vertrag geregelt. Beispiele für den Einmarsch und Aufenthalt fremder Truppen auf dem Staatsgebiet eines anderen Staates bieten die Allianzen und Bündnisverträge; letztere institutionalisieren die Anwesenheit fremder Truppen auf dem Gebiet verbündeter Staaten. Eine weitere Kategorie von solchen in die Hoheitsrechte des Empfangsstaates eingreifenden Verträgen waren jene zahlreichen Abkommen, die eine Gerichtsbarkeit der Konsulate über die Angehörigen des Entsendestaates im Empfangsstaat stipulierten. Diese Verträge gehören seit 1945 der Geschichte an. Aber gerade die Bündnisverträge modernen Stils greifen in das Jurisdiktionsmonopol der einzelnen Staaten ein. Die Gerichtsbarkeit über die Truppen des Verbündeten in einem bestimmten Staat steht meist nicht dem Empfangsstaat zu, sondern dem Befehlshaber der Truppen des Verbündeten. Die ausländische Gerichtsbarkeit über ausländische Truppen im Empfangsstaat ähnelt in vielem der Gerichtsbarkeit ausländischer Konsulate über deren Staatsangehörige im Empfangsstaat. Sie beruht auf Verträgen; meist ist sie nicht im Bündnisvertrag selbst vorgesehen, um den Eingriff in die Gebietshoheit nicht allzu sichtbar zu machen, sondern in Ausführungsverträgen zum Bündnisvertrag, von denen zur Schonung der Empfindlichkeit der Bevölkerung des verbündeten Empfangsstaates kaum die Rede ist. Weiters wären in diesem Zusammenhang die sogenannten reziproken Unverantwortlichkeits-Klauselnz zu nennen. Bei den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Lateinamerika häufig auftretenden Revolutionen und Bürgerkriegen kamen vielfach ausländische Staatsbürger zu Schaden. Hinsichtlich der Entschädigung dieser Ausländer ergaben sich zahlreiche Streitfälle zwischen lateinamerikanischen Staaten untereinander und zwischen lateinamerikanischen und euro2 Vgl. dazu Rapport de M. Emilio Brusa, im Annuaire de !'Institut de Droit International, 1898, vol. 17, 96- 137, sowie Nouvelles These presentees par MM. Emilio Brusa et Ludwig von Bar, Annuaire, vol. 18, 47- 4Q,

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päischen Staaten. Um diesen Auseinandersetzungen vorzubeugen, begannen zunächst lateinamerikanische Staaten untereinander in ihre Verträge eine Klausel aufzunehmen, welche gegenseitig die Ausübung des diplomatischen Schutzes der eigenen Staatsbürger und die Geltendmachung von deren Schadenersatzansprüchen durch ihre Heimatstaaten ausschlossen. Diese sogenannten reziproken UnverantwortlichkeitsKlauseln waren enthalten in den Verträgen zwischen Peru und Bolivien (1863), Peru und Kolumbien (1870), Peru und Argentinien (1874), Venezuela und San Salvador (1884), Honduras und Nicaragua (1894), Honduras und Guatemala (1895), Honduras und San Salvador (1896); aber auch einige europäische Staaten entschlossen sich, dem latein-amer1kanischen Drängen nachzugeben. Die genannte Klausel ist enthalten in den Verträgen zwischen Frankreich und Mexiko (1888), Frankreich und Kolumbien (1892), Spanien und Ecuador (1889), Spanien und Honduras (1894), Deutschland und Kolumbien (1892), Italien und Paraguay (1893) und Italien und Kolumbien (1894). Angesichts der Aktualität dieser Entschädigungsansprüche formulierte das Institut de Droit International auf seiner Tagung in Neuchätel am 10. September 1900 ein "Reglement über die Verantwortlichkeit der Staaten hinsichtlich der von Fremden im Falle von Aufruhr, Aufstand oder Bürgerkrieg erlittenen Schäden". Auf die ablehnende Haltung des Instituts gegen die vertraglich vereinbarten reziproken Unverantwortlichkeits-Klauseln werden wir noch zurückkommen. Der Berichterstatter Professor Ago hat in seinem Bericht über die Einbeziehung dieser reichen Staatenpraxis verzichtet. Dadurch tritt die vertragliche Grundlage der Ausschließung der Völkerrechtswidrigkeit sonst völkerrechtswidriger Handlungen anderer Staaten nicht deutlich hervor. Vielleicht hat ihn von der Verwendung des Terminus "Vertrag" abgehalten, daß ein Vertrag nur mit Mühe als "Umstand", der die Völkerrechtswidrigkeit ausschließt, bezeichnet werden kann. Er hat den nicht ganz eindeutigen Ausdruck "Zustimmung" verwendet, obwohl er in seinem Bericht keinen Zweifel bestehen läßt, daß es sich bei diesem Umstand um "Übereinkünfte" (accords), also um Verträge handelt. Die vorgeschlagene Formulierung des Artikel 29 "die von einem Staat gegebene Zustimmung zur Setzung einer Handlung durch einen anderen Staat" weist eindeutig darauf hin, daß die Zustimmung des berechtigten Staates - meist auf Grund eines Ansuchens des anderen Staates - vor der Setzung der Handlung zu erfolgen hat, um die Völkerrechtswidrigkeit und damit die Verantwortlichkeit auszuschließen. Erfolgt die Setzung der völkerrechtswidrigen Handlung vor der Zustimmung des berechtigten Staates, bleibt die Handlung völker-

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rechtswidrig, das Recht des berechtigten Staates ist verletzt worden. Seine nachträgliche Zustimmung kann nur mehr bedeuten, daß er auf die ihm zustehenden völkerrechtlichen Gegenmaßnahmen oder auf die Geltendmachung ihm zustehender Wiedergutmachungsansprüche verzichtet. Wenn etwa in dem obenangeführten Fall der russischen Intervention in Ungarn im Jahre 1849 Zar Nikolaus I. nicht das Ersuchen Kaiser Franz Josephs abgewartet hätte, sondern aus eigener Initiative mit Truppenmacht in Ungarn einmarschiert wäre, blieb das russische Vorgehen völkerrechtswidrig. Das allfällige russische Argument, die erfolgreiche Revolution in Ungarn könnte auf die polnischen Gebiete des Zarenreiches übergreifen und den Bestand des Vielvölkerstaates bedrohen, hätte wohl kaum als Unrechtsausschließungsgrund des Notstandes mit Erfolg geltend gemacht werden können. Ebensowenig aber hätte eine nachträgliche Zustimmung die einmal erfolgte Völkerrechtswidrigkeit der russischen militärischen Intervention beheben können, auch wenn Kaiser Franz Joseph eine solche russische Initiative noch so willkommen gewesen wäre, weil sie ihn des nicht eben glorreichen Ansuchens um fremde Waffenhilfe gegen eigene Untertanen enthoben hätte, das ihn in Ungarn nicht eben beliebt gemacht hat. Nachträglich hätte Kaiser Franz Joseph nur auf die Durchführung von Gegenmaßnahmen und auf die Geltendmachung von Wiedergutmachungsansprüchen verzichten können. 3. Zustimmung und die zwingenden Normen des Völkerrechts Mit der Verwendung des Ausdruckes "Zustimmung", hat sich der Berichterstatter die Möglichkeit genommen, hinsichtlich weiterer Bedingungen dieser "Zustimmung" einfach auf das Recht der völkerrechtlichen Verträge zu verweisen. Abgesehen von der Frage des Vorliegens und der Gültigkeit einer solchen Zustimmung war vor allem die Frage zu prüfen, ob ein Staat allen an sich völkerrechtswidrigen Handlungen eines Staates seine vorhergehende Zustimmung geben und damit deren Rechtswidrigkeit ausschließen kann. Ein Staat kann zwar auf Grund seiner Rechts- und Handlungsfähigkeit auf seine territoriale Unversehrtheit und politische Unabhängigkeit verzichten. Durch eine allfällige Eingliederung in einen anderen Staat hört er dann aber auf, ein souveräner Staat und Völkerrechtssubjekt zu sein. Souveräne Staaten können keineswegs allen völkerrechtswidrigen Handlungen anderer Staaten ihre Zustimmung geben; sie können nicht alle Normen des allgemeinen Völkerrechts im Verhältnis zu einem anderen Staat abdingen. Oben wurde auf die Klauseln der reziproken Unverantwortlichkeit hinsichtlich des Schutzes fremder Staatsbürger in zahlreichen Verträgen latein-amerikanischer Staaten untereinander und mit anderen Staaten hingewiesen. Es sei nun hervorgehoben, daß

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das Institut de Droit International dem oben zitierten Reglement von 1900 einen überaus bezeichnenden Wunsch (voeu) 3 hinzugefügt hat, der folgendermaßen lautet: "Das Institut de Droit International äußert den Wunsch, daß die Staaten es vermeiden, in ihre Verträge Klauseln der reziproken Unverantwortlichkeit aufzunehmen. Es vermeint, daß diese Klauseln das Unrecht beinhalten, die Staaten der Durchführung ihrer Schutzpflicht gegenüber ihren Staatsangehörigen im Ausland und ihrer Schutzpflicht gegenüber den Fremden auf ihrem Staatsgebiet zu entheben. Es vermeint, daß die Staaten, die infolge außerordentlicher Umstände sich nicht in der Lage sehen, den Schutz der Fremden auf ihrem Gebiet in hinreichend effektiver Weise sicherzustellen, sich den Folgen dieser Sachlage nur entziehen können, indem sie den Fremden zeitweilig den Zutritt zu ihrem Staatsgebiet untersagen." Das Institut hielt gegenüber der neuartigen Praxis einzelner Staaten (reziproke Unverantwortlichkeitsklausel) im Grunde bereits im Jahre 1900 die Pflicht jedes Staates, die Fremden auf seinem Staatsgebiet zu schützen und den eigenen Staatsbürgern im Ausland diplomatischen Schutz zu gewähren, für unabdingbar. Diese Haltung des Institut de Droit International hat wohl wesentlich dazu beigetragen, daß die sogenannten reziproken Unverantwortlichkeitsklauseln aus den bilateralen Verträgen wieder verschwanden. Heute würde kein Staat eine solche generelle Verzichtsklausel hinsichtlich des Schutzes der Fremden und des diplomatischen Schutzes der eigenen Staatsangehörigen in einem Vertrag formulieren oder akzeptieren. Dies ist ein instruktives Beispiel dafür, wie eine im partikulären Bereich (lateinamerikanische Staaten) zeitweilig in Frage gestellte zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts sich wieder befestigt und nach allgemeiner Auffassung von der Gemeinschaft der Staaten als Ganzem als eine Norm des zwingenden Völkerrechts anerkannt wird. Inzwischen hat die Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom Jahre 1969 wieder auf die Bedeutung der Normen des Jus Cogens hingewiesen. Da der Berichterstatter von der eindeutigen Qualifikation des gegenständlichen "Umstandes", der die Völkerrechtswidrigkeit ausschließt, als Vertrag Abstand genommen hat, mußte in Artikel29 für die "Zustimmung" die Einschränkung hinsichtlich der Normen des Jus Cogens eigens formuliert werden. Der letzte Satz des vorgeschlagenen Artikels 29 bestimmt daher mit Recht: "Die Wirkung des Ausschlusses der Rechtswidrigkeit tritt nicht ein, wenn die internationale Verpflichtung auf einer zwingenden Norm des allgemeinen Völkerrechts beruht". Sofern die ILC den Ausdruck "Zustimmung" als Unrechtsausschließungsgrund beibehält, wird sie zweifellos einen 3 Das Reglement des Institut samt Voeu ist abgedruckt im Annuaire de l'Institut de Droit International, vol. 18, S. 233 ff.

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Hinweis auf das Jus Cogens formulieren müssen. Denn die Staaten können weder durch Vertrag noch durch Zustimmung einer Handlung eines Staates, die gegen eine Norm des Jus Cogens verstößt, die Völkerrechtswidrigkeit nehmen.

BEWEISLASTPROBLEME IM VÖLKERRECHTLICHEN NACHBARRECHT DES GRENZÜBERSCHREITENDEN UMWELTSCHUTZES Von Franz Zehetner Im Anschluß an die Entscheidung des kanadisch-amerikanischen Schiedsgerichts im Fall Trail-Smeltert, die der Jubilar schon in der 1950 erschienenen 2. Auflage seines Lehrbuchs berücksichtigte2 , haben staatsgrenzenüberschreitende Umweltnutzungskonflikte, die bis dahin beinahe ausschließlich in der Form von Wassernutzungskonflikten auftraten, eine intensivere rechtswissenschaftliche Durchdringung erfahren3. Mittlerweile werfen die mit dem großen technologischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte verbundenen staatsgrenzenüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen4 wegen ihrer Häufigkeit und Intensität zunehmend schwerwiegendere Rechtsschutzprobleme spezifisch grenzüberschreitender Natur auf5 • Solche Rechtsschutzprobleme stellen sich nicht nur bei Beeinträchtigungen der Rechtssphäre von Privatrechtssubjekten in den Bereichen AJIL 35 (1941), S. 684 ff.; RIAA 3, S. 1911 ff. A. Verdross, Völkerrecht, 2. Aufl., 1950, S. 204. 3 Vgl. dazu H. Thalmann, Grundprinzipien des modernen zwischenstaatlichen Nachbarrechts, 1951. 4 Bestandsaufnahme grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen bei E. Klein, Umweltschutz im völkerrechtlichen Nachbarrecht, 1976, S. 27 ff., sowie L. Fröhler, F. Zehetner, Rechtschutzprobleme bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen, Band I, 1979, S. 27 ff. 5 Aus der jüngeren Literatur vgl. etwa I. Seidl-Hohenveldern, Die Regelung internationaler Umweltschutzprobleme im Falle des Salzburger Flughafens, Festschrift für Alex Meyer, 1975, S. 205 ff.; L. Wildhaber, Die 01destillerieanlage Sennwald und das Völkerrecht der grenzüberschreitenden Luftverschmutzung, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht 31 (1975), S. 97 ff.; J. Ballenegger, La pollution en droit international, 1975; Klein a. a. 0. [Anm. 4]; K. Küppers, Grenzüberschreitende Immissionen und internationales Nachbarrecht, ZRP 1976, S. 260 ff.; A. Rest, Abkommen über den Schadenersatz bei grenzüberschreitenden Umweltschäden, 1976; W. Lang, Grenzüberschreitende Umweltverschmutzung, unsere umwelt 4/1977, S. 22 f.; A. Rest, Internationaler Umweltschutz und Haftung - Verantwortlichkeit von Staat und Einzelperson bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen -, 1978; G. Handl, An International Legal Perspective an the Conduct of Abnormally Dangeraus Activities in Frontier Areas: The Case of Nuclear Power Plant Siting, Ecology Law Quarterly 7 (1978), S. 1 ff. 1

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eines grenzüberschreitenden verwaltungsrechtlichen, privatrechtliehen oder strafrechtlichen Rechtsschutzes 0 , sondern ja gerade auch im Bereich der zwischenstaatlichen Umweltbeziehungen: denn einerseits sind die völkerrechtlichen Rechtsschutzfragen meist vorleistend für die Bewältigung der grenzüberschreitenden Rechtsschutzprobleme in den anderen Rechtsbereichen, andererseits sind - wie diese Skizze zeigen soll- in den zwischenstaatlichen Umweltbeziehungen die auftretenden Rechtsschutzprobleme in noch verstärkterem Umfang Beweislastprobleme.

I. Die Bedeutung der Beweislast Um die Bedeutung der Beweislast7 im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umweltschutzes entsprechend zu würdigen, bedarf es einer einleitenden Auseinandersetzung mit einigen Mißverständnissen: Soweit nicht ohnehin im allgemeinen Völkerrecht die Ansicht vertreten wird, daß Fragen der Beweislast "praktisch keine sehr große Rolle" 8 spielen und neuere Ausführungen zu diesem Problemkreis daher fehlen, werden Beweislastprobleme überwiegend im Zusammenhang mit der Erörterung der verschiedenen Formen richterlicher Streitbeilegung behandelt'. Freilich ist gegen diese Betrachtungsweise grundsätzlich nichts einzuwenden, doch darf darüber nicht übersehen werden, daß erstens in der Praxis die Formen nichtrichterlicher friedlicher Streitbeilegung die der richterlichen zumindest in quantitativer Hinsicht bei weitem überwiegen10 und daß sich zweitens da wie dort im Prinzip dieselben Beweislastprobleme stellen. Wenn sich daher im allgemeinen Völkerrecht oder im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umwel tschu tzes Beweislastregeln nachweisen lassen, dann sind diese auch für nichtrichterliche Formen friedlicher Streitbeilegung, wie etwa diplomatische Verhandlungen, von unmittel6 Vgl. dazu demnächst L. Fröhler, F. Zehetner, Rechtsschutzprobleme bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen, Band II, 3. Teil, Verwaltungsrechtliche Rechtsschutzmöglichkeiten, und Band III, 4. Teil, Privatrechtliehe Rechtsschutzmöglichkeiten, 5. Teil, Strafrechtliche Rechtsschutzmöglichkeiten. Gliederungsübersicht der Bände II und III in Fröhler/Zehetner, a. a. 0. [Anm. 4] S. 11 ff. 7 Zu den für den völkerrechtlichen Rechtsschutz nicht weiter interessierenden terminologischen Problemen um materielle und formelle Beweislast vgl. die zusammenfassenden Ausführungen bei M. Nierhaus, Die Verteilung der Beweislast im Verwaltungsprozeß, BayVBI. 1978, S. 745 ff., S. 748 f. 8 W. Wengler, Völkerrecht, 1964, S. 745. 9 Ansätze dazu bei G. Dahm, Völkerrecht Bd. II, 1961, S. 529 ff.; Bd. 111, 1961, S. 231 f.; vgl. auch die einführenden Literaturhinweise in Bd. Il, S. 529. 10 Das gilt insbesondere für den Bereich der grenzüberschreitenden Umweltbeziehungen. Vgl. R. B. Bilder, The Settlement of Disputes in the Field of the International Law of Environment, RdC 144 (1975 1), S. 139 ff., S. 224 ff.

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barer Bedeutung, da sie die Verhandlungspositionen der Streitparteien determinieren. Mit einer solchen nur fallbezogenen und prozedural orientierten Betrachtungsweise11 könnte aber auch noch übersehen werden, daß die Existenz konkreter Beweislastregeln schon das Verhalten der Staaten im Vorfeld etwaiger Konflikte, also im Bereich der Streitverhütungn maßgeblich beeinflußt: Da nämlich die Beweislastregeln avisieren, wer in einer etwaigen Auseinandersetzung eine Tatsache oder gar eine Rechtsnorm zu beweisen hat, werden die Staaten ihr Verhalten entsprechend der vorgegebenen Beweislastsituation einrichten. Diese Zusammenhänge zwischen Beweislastregel und einem dazu korrespondierenden staatlichen Verhalten legen nun gerade für den Bereich des grenzüberschreitenden Umweltschutzes die Überlegung nahe, in welchem Ausmaß die im allgemeinen Völkerrecht und im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umweltschutzes de lege lata nachzuweisenden Beweislastregeln das Verhalten der Staaten in ihren grenzüberschreitenden Umweltbeziehungen bestimmen und inwieweit man mit Beweislastregeln de lege ferenda dieses Verhalten steuern (im Sinne von: verbessern) könnte (Beweislastverteilung als rechtspolitische Regelun2saufgabe 18). II. Beweislast bezüglich der Rechtswidrir;keit

Es ist eine Konsequenz der unterschiedlichen und unterschiedlich entwickelten Rechtsquellenstrukturen von Völkerrecht und innerstaatlichen Rechtsordnungen, daß im Völkerrecht selbst im Bereich der gerichtlichen Streitbeilegung der Grundsatz "iura novit curia" keineswegs unbeschränkt gilt 14 • Während in den innerstaatlichen Rechtsordnungen wegen ihrer weitgehenden Lückenlosigkeit und Perfektionierung allein Tatsachen im engeren Sinn zu beweisen sind, bietet die völkerrechtliche Judikatur Anhaltspunkte, daß Rechtsnormen unter bestimmten Voraussetzungen als Tatsachen gewertet werden und diesbezüglich auch Beweise verlangt werden. Das betrifft nicht nur 11 Wie etwa speziell im Hinblick auf Umweltprobleme J. Goldschmidt, Das Problem einer völkerrechtlichen Gefährdungshaftung unter Berücksichtigung des Atom- und Weltraumrechtes, 1978, S. 105 ff. 12 Zur Frage, ob es im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umweltschutzes neben der allgemeinen völkerrechtlichen Verpflichtung zur friedlichen Streitbeilegung noch eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Streitverhütung gibt, vgl. Fröhler/Zehetner, a. a. 0. [Anm. 4],

s. 96 ff.

13 In diesem Sinn für einen ganz anderen Bereich G. Reinecke, Die Beweislastverteilung im Bürgerlichen Recht und im Arbeitsrecht als rechtspolitische Regelungsaufgabe, 1976. 14 A. Verdross, Die Quellen des universellen Völkerrechts, 1973, S. 113 f.

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die für einen völkerrechtlichen Streitfall möglicherweise entscheidungserheblichen, aber hier nicht weiter interessierenden Rechtsnormen der innerstaatlichen Rechtsordnungen, sondern in erster Linie und nicht zu Unrecht auch partikuläres Völkergewohnheitsrecht15 : Denn gerade Völkergewohnheitsrecht weist mit seinen konstituierenden Elementen der langandauernden gleichartigen Übung und der opinio iuris vel necessitatis einen überaus starken Bezug zum Tatsächlichen auf18 • Soweit also die grenzüberschreitenden Umweltbeziehungen nicht von völkerrechtlichen Verträgen mit präzise umschriebenen Emissionsund/oder Immissionsstandards determiniert sind, hängen die Fragen, in welchem Umfang Nachbarstaaten die gemeinsame grenzüberschreitende Umwelt nutzen dürfen bzw. in welchem Umfang sie die damit verbundene Beeinträchtigung zu dulden haben, von partikulärem. meist sogar lokalem Völkergewohnheitsrecht17 ab. Schon für planerische Aktivitäten im grenzüberschreitenden Umweltbereich und nicht erst im Rahmen eines förmlichen richterlichen Streitbeilegungsverfahrens ist das Problem der Verteilung der Beweislast bezüglich der völkergewohnheitsrechtliehen Umweltnutzungsregelung von entscheidender Bedeutung. Denn schon der potentielle Umweltnutzer wird seine Aktivitäten im Planungsstadium je nachdem anders setzen, ob er die völkerrechtliche Zulässigkeit der beabsichtigten grenzüberschreitenden Umweltimtzungen nachzuweisen haben wird oder der potentiell beeinträchtigte Staat deren Unzulässigkeit; auch wird es von der konkreten Beweislastkonstellation abhängen, von welchem der beteiligten Staaten Initiativen in Richtung einer vertragsrechtlichen Gestaltung der Umweltbeziehungen ausgehen. In Anlehnung an die wegen ihrer Zweckmäßigkeit in den meisten innerstaatlichen Rechtsordnungen nachweisbare 18 und auch im allgemeinen Völkerrecht weitgehend anerkannte Beweislastregel, daß jede Partei die Tatsachen behaupten und beweisen muß, aus denen sie Rechte ableiten wilP', wäre demnach auch für den Bereich der grenz15 Asylum Case, ICJ Reports 1950, S. 266 ff., S. 276; bestätigt im Case concerning rights of nationals of the United States of America in Morocco, ICJ Reports 1952, S. 176 ff., S. 200. 16 In diesem Sinn Dahm, Bd. ll, a. a. 0. [Anm. 9], S. 529 f. 17 Judikatur zu Rechtsstreitigkeiten über lokales Völkergewohnheitsrecht bei Goldschmidt, a. a. 0. [Anm. 11], S. 106. 18 Vgl. die zusammenfassenden und zu rechtspolitischen Folgerungen Anlaß gebenden beweislastorientierten Hinweise in Report on liability for darnage caused to the environment, Council of Europe, Parliamentary Assembly, Doc. 3515, S.11. 18 Dahm, Bd.ll, a. a. 0. [Anm. 9], S. 533; vgl. dazu auch Minquiers and Ecrehos Case, ICJ Reports 1953, S. 46 ff., S. 52 " ... each Party has to prove its alleged title and the facts upon which it relies".

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überschreitenden Umweltbeziehungen davon auszugehen, daß derjenige Staat das Recht zu beweisen hat, in dem er verletzt zu sein behauptet. Projiziert man diese Beweislastregel auf die tatsächlichen Erscheinungsformen grenzüberschreitender Umweltnutzungen und der damit verbundenen -beeinträchtigungen, dann zeigt sich - von konstruierbaren Einzelfällen vielleicht abgesehen - eine für den Umweltbeeinträchtigten stets nachteilige Beweislastverteilung: Denn in der Regel würde der beeinträchtigte Staat behaupten (müssen), durch die vom Nachbarstaat selbst vorgenommene oder gestattete grenzüberschreitende Umweltnutzung in einem zu beweisenden Recht verletzt zu sein. Nach dieser allgemeinen Beweislastregel würde die Beweislast den umweltnutzenden Staat nur dann treffen, wenn sich aus der konkreten Fallkonstellation eine Beeinträchtigung seines nachzuweisenden Rechts ergibt, die gemeinsame Umwelt grenzüberschreitend zu nutzen. Beide Fallkonstellationen lassen sich an folgenden Beispielen illustrieren: Beispiel I: Staat A bewilligt im unmittelbaren Grenzgebiet zum Staat B die Inbetriebnahme eines Chemiewerkes. Wegen der am Standort der Betriebsanlage überwiegend gleichgerichteten Windströmungen genehmigt Staat A besonders gefährliche, weil giftige, Luftverunreinigungen, da eventuelle Schäden ohnehin nur im benachbarten Ausland auftreten. Soweit der beeinträchtigte Staat mit dieser grenzüberschreitenden Umweltnutzung nicht einverstanden ist, würde er ihre Rechtswidrigkeitnach der allgemeinen Beweislastregel nachzuweisen haben. Beispiel 2: Staat B gelingt es durch großen technischen Aufwand, die grenzüberschreitenden Strömungen des Umweltmediums Luft so zu stabilisieren, daß die Umweltschäden nicht im Staatsgebiet von B sondern schon in jenem von A eintreten. Will nun der Staat A in diesem ohnehin nur konstruierbaren Beispiel behaupten, er hätte ein Recht auf die grenzüberschreitende Umweltnutzung, die durch die Stabilisierung der Luftströmung verhindert werde, dann würde er nach der allgemeinen Beweislastregel dieses Recht zu beweisen haben. Berücksichtigt man nun die faktischen Schwierigkeiten, grenzüberschreitenden Umweltnutzungen entgegenzuwirken bzw. sie zu verhindern (wie verhindert man eine grenzüberschreitende Umweltnutzung, die sich in der Wasserverunreinigung eines grenzbildenden Gewässers äußert?), dann bestätigt sich die These, daß in grenzüberschreitenden Umweltkonflikten die allgemeine Beweislastregel den beeinträchtigten Staat insofern schlechter stellt, als stets er die Rechtswidrigkeit der Umweltbeeinträchtigung nachzuweisen hätte. 45 Festschritt für Altred Verdross

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So wie in den innerstaatlichen Rechtsordnungen durch Vermutungen die nach der allgemeinen Beweislastregel gegebenen Beweislastpositionen bestätigt oder umgekehrt (Beweislastumkehr) werden20 , ist auch im Völkerrecht die beweislastgestaltende Funktion von Vermutungen entsprechend zu berücksichtigen21 • Damit stellt sich die Frage, ob im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umweltschutzes eine einschlägige Rechtsvermutung nachzuweisen ist, der dann die Funktion einer der allgemeinen Beweislastregel derogierenden besonderen Beweislastregel zukommt. Ausgangspunkt der in diese Richtung gehenden Überlegungen ist, daß sich in den meisten der bisher aufgetretenen Umweltnutzungskonflikte beide Streitparteien auf das mit dem Recht der territorialen Souveränität verbundene Recht auf Ausübung der Gebietshoheit 22 berufen haben 23 : der Schädiger auf sein souveränes Recht, das eigene Territorium nach Belieben zu nutzenu; der Geschädigte auf sein ebenso souveränes Recht, allein und ausschließlich über sein Gebiet zu bestimmen25 • Dazu wurde anhand der Staatenpraxis überzeugend nachgewiesen28 , daß sich in den grenzüberschreitenden Umweltbeziehungen die damit angesprochenen Prinzipien der absoluten territorialen Souveränität und der absoluten territorialen Integrität 27 , die beide Ausprägung 20 Vgl. dazu den ausgezeichneten Überblick über die Beweislastproblematik im privatrechtliehen Umweltschutz in Osterreich bei P. Jaborneggf R. Strasser, Privatrecht und Umweltschutz Landesbericht Österreich, in: R. Strasser (Hrsg.), Privatrecht und Umweltschutz, 1976, S. 23 ff., S. 74 ff. 21 Dahm, Bd. II, a. a. 0. [Anm. 9], S. 534. 22 Zu der erstmals von Verdross vorgenommenen Unterscheidung von territorialer Souveränität und Gebietshoheit vgl. zusammenfassend A. Verdross/ B. Simma, Universelles Völkerrecht, 1976, S. 513, Vgl. dazu aber unten Anm.27. 23 In diesem Sinn J. Grawe, Probleme des Umweltschutzes im deutschfranzösischen Grenzgebiet, ZaöRV 34 (1974), S. 299 ff., S. 301. 24 Vgl. dazu die Ausführungen des Österreichers E. Bousek, Ein Beitrag zum internationalen Wasserrecht, Zeitschrift für Völkerrecht 7 (19131), S. 39 ff., zitiert bei W. Schaumann, Die Nutzung der Wasserkräfte an quergeteilten Gewässern, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht 15 (1958), s. 131 ff., s. 141 f. 25 Konkret dargestellt anband des Nuclear Test Case (Australia v. France und New Zealand v. France) bei G. Handl, Territorial Sovereignty and the Problem of Transnational Pollution, AJIL 69 (1975), S. 50 ff., S. 52. 28 Zusammenfassend Klein, a. a. 0. [Anm. 4], S. 240 ff. 27 Diese Begriffe dürften sich im Bereich der grenzüberschreitenden Umweltbeziehungen durchgesetzt haben, obwohl damit (vgl. oben Anm. 22) Fragen der Ausübung der Gebietshoheit angesprochen werden. Vgl. in diesem Sinn F. Berber, Die Rechtsquellen des internationalen Wassernutzungsrechts, 1955, S. 13 ff.; K. Dintelmann, Die Verunreinigung internationaler Binnengewässer insbesondere in Westeuropa aus der Sicht des Völkerrechts, 1965, S. 9 f.; J. Dräger, Die Wasserentnahme aus internationalen Binnengewässern,

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desselben Grundsatzes 28 sind, nämlich daß jeder Staat seine Hoheitsgewalt auf dem eigenen Territorium grundsätzlich frei (Souveränität) und ungestört (Integrität) ausübe, nicht durchsetzen konnten: So versteht sich das Prinzip der absoluten territorialen Souveränität im Hinblick auf grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen als Recht jedes Staates, das eigene Territorium ohne Rücksicht auf Umweltschädigungen jenseits der Staatsgrenze nach Belieben für seine Zwecke zu nutzen. Dazu komplementär und einen diametral entgegengesetzten Interessenstandpunkt reflektierend ist das Prinzip der absoluten territorialen Integrität, nach dem kein Staat auf seinem Territorium Aktivitäten setzen bzw. zulassen darf, die die Umwelt des Nachbarstaates nachteilig beeinflussen könnten. Die Prinzipien der absoluten territorialen Souveränität und der absoluten territorialen Integrität erscheinen uns damit als die Extrempositionen einer sliding scale, zwischen denen verschieden abgestufte Ausformungen eines Prinzips der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität möglich sind: denn jeweils der Teil der territorialen Souveränität, der nicht durch Rücksichtnahme auf die territoriale Integrität des Nachbarstaates beschränkt ist, korrespondiert den Beschränkungen, die der territorialen Integrität des Nachbarstaates auferlegt sindu. Im Hinblick auf unsere Fragestellung nach einer beweislastumkehrenden Rechtsvermutung sind beide Extrempositionen hinsichtlich ihrer begrifflichen und praktischen Konsequenzen gegeneinander abzuwägen: Dabei spricht gegen das Prinzip der absoluten territorialen Souveränität schon die Tatsache, daß es sich mit einer Mehrzahl aneinander angrenzender, ebenfalls souveräner Staaten unvereinbar erweist; eine so verstandene territoriale Souveränität schließt nämlich die territoriale Integrität, also das ebenfalls der Souveränität (als Oberbegriff) innewohnende Recht eines jeden Staates, allein und ausschließlich über sein Gebiet zu bestimmen, gänzlich aus. Anders verhält es sich mit dem Prinzip der absoluten territorialen Integrität: Es postuliert die Freiheit von Einwirkungen aus anderen Staaten auf das eigene Staatsgebiet und beschränkt nur die territoriale Souveränität, 1970, S. 23 ff.; Handl, Sovereignty a. a. 0. [Anm. 25], S. 50 ff.; Ballenegger, a. a. 0. [Anm. 5], S. 56 ff.; Klein, a. a. 0. [Anm. 4], S. 78 ff.; Handl, Perspective a. a. 0. [Anm. 5], S. 4 ff. 28 So ausdrücklich F. Florio, Sur l'utilisation des eaux non maritimes en droit international, Festschrift für Friedrich Berber, 1973, S. 151 ff., S. 152; Handl, Perspective a. a. 0. [Anm. 5], S. 4. 28 In diesem Sinn wohl Berber, a. a. 0. [Anm. 27], S. 14; unklar jedoch die Übernahme des Zitats bei Klein, a. a. 0. [Anm. 4], S. 79 f. 45 4

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schließt sie aber nicht aus. Bloße Beschränkung insofern, weil das Prinzip der territorialen Souveränität, gewissermaßen das aktive Element der staatlichen Souveränität, ausschließlich in dem Bereich ausgeschlossen wird, in dem es grenzüberschreitende Wirkung entfalten würde. Im Binnenbereich würde also trotz der Verwirklichung des Prinzips der absoluten territorialen Integrität die territoriale Souveränität erhalten bleiben30 • Versucht man das Verhältnis der beiden Prinzipien mit anderen Worten zu skizzieren, so schließt das Prinzip der absoluten territorialen Souveränität die territoriale Integrität aus. Das Prinzip der absoluten territorialen Integrität hingegen schließt die absolute territoriale Souveränität aber lediglich im grenzüberschreitenden Bereich aus. Daher führt gerade die Betonung der Souveränität und der grundsätzlich exklusiven Gebietshoheit (... das eigene Territorium grundsätzlich frei [Souveränität] und ungestört [Integrität] zu nützen ...)31 , da auch Nachbarstaaten in gleicher Weise souverän sind, "notwendigerweise zu einer Verneinung schrankenloser Freiheit des Handeins auf eigenem Staatsgebiet" 82 • In Kurzform: der Begriff der staatlichen Souveränität schließt das Prinzip C.er absoluten territorialen Souveränität (als Unterbegriff) aus. Hingegen sprechen gegen die Verwirklichung des Prinzips der absoluten territorialen Integrität zwar erhebliche aber lediglich praktische Überlegungen: eine konsequente Durchsetzung dieses Prinzips würde nämlich bedeuten, daß jeder Staat in seiner Umweltpolitik den Grenzgebieten absoluten Schutz einräumen müßte und umweltbeeinträchtigende Aktivitäten nur dort zulassen dürfte, wo eine grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigung ausgeschlossen werden kann33 • Je nach Art und Intensität der Beeinträchtigungen müßten sich die umweltrelevanten Aktivitäten dann mehr oder minder auf die territorialen Kernbereiche der Staaten beschränken. So verdeutlicht die Gegenüberstellung der beiden Extrempositionen, daß gegen das Prinzip der absoluten territorialen Souveränität nicht nur praktische, sondern auch begriffliche Überlegungen sprechen, während gegen das Prinzip der absoluten territorialen Integrität Beispiele bei Wengler, a. a. 0. [Anm. 8], S. 1000. Anm. des Verf. 32 A. RandelzhoferjB. Simma, Das Kernkraftwerk an der Grenze. Eine "ultra-hazardous activity" im Schnittpunkt von internationalem Nachbarrecht und Umweltschutz, Festschrift für Friedrich Berber, 1973, S. 389 ff., S. 396. 33 " ••• würde letztlich darauf hinauslaufen, den gesamten Grenzgürtel aller Staaten zur dauernden Grünzone zu machen." So treffend L. Wildhaber, Die Oldestillerieanlage Sennwald und das Völkerrecht der grenzüberschreitenden Luftverschmutzung, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht 31 (1975), s. 97 ff., s. 118. 30

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grundsätzlich keine begrifflichen Bedenken bestehen. Insofern ist bei der Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Prinzips der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität grundsätzlich vom Prinzip der territorialen Integrität auszugehen3•. Das bedeutet, daß grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen unzulässig sind, sofern und soweit nicht eine Norm des Völkerrechts existiert, die eine Beschränkung der territorialen Integrität vorsieht. Damit ist aus dem gegenüber der beschränkten territorialen Souveränität vorrangigen Prinzip der territorialen Integrität eine Vermutung für die völkerrechtliche Unzulässigkeit grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen abzuleiten. Diese Vermutung bedeutet weiter unter Beweislastgesichtspunkten, daß nicht der Geschädigte die .Existenz einer Verbotsnorm nachzuweisen hat. Will hingegen der umweltnutzende Staat die Vermutung der Rechtswidrigkeit widerlegen, so hat er eine Beschränkung der territorialen Integrität des geschädigten Staates nachzuweisen, die diesem eine Duldungspflicht auferlegt. Diese beweislastgestaltende Rechtsvermutung ist nicht nur im gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren von unmittelbarer Bedeutung: Da sich grenzüberschreitende Umweltnutzungen von vornherein mit der Vermutung ihrer völkerrechtlichen Unzulässigkeit konfrontiert sehen, werden potentielle Umweltnutzer schon im Planungsstadium ihrer grenzüberschreitend relevanten Aktivitäten entsprechende diplomatische Bemühungen vornehmen, um eine zwischenstaatliche Verständigung über die gemeinsamen Umweltprobleme zu erreichen. Für jedwede Konkretisierung des Prinzips der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität (Umschreibung der Nutzungsrechte und der entsprechenden Duldungspflichten) in den verschiedenen Rechtsquellen des Völkerrechts bedeutet die aus der staatlichen Souveränität de lege lata nachgewiesene Rechtsvermutung, daß die Duldungspflichten (und damit auch die dazu korrespondierenden Nutzungsrechte) im Zweifelsfall restriktiv zu interpretieren sind. Nicht so vorteilhaft stellt sich de lege lata die Frage der Beweislast für den Umweltbeeinträchtigten in den Bereichen der Kausalität und auch des Verschuldens, was Anlaß zu rechtspolitischen Überlegungen gibt:

ac So im Ergebnis auch Dintelmann, a. a. 0. [Anm. 27] ,S. 113 ff., F. Schröer, Der Gegenstand des internationalen Wasserrechts, Nederlands Tijdschrift voor International Recht 20 (1973), S. 147 ff.; Klein, a. a. 0. [Anm. 4], S. 200.

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111. Beweislast bezüglich der Kausalität

Zu den schwerwiegendsten Rechtsschutzproblemen im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umweltschutzes zählt - so wie in weiten Bereichen auch der innerstaatlichen Rechtsordnungen35 - die Beweislast bezüglich der Kausalität. Denn nach der allgemeinen Beweislastregel ist auch im Völkerrecht die Kausalität als Tatsache durch den Geschädigten, hier also den beeinträchtigten Staat nachzuweisen. So eindeutig sich also die Beweislastfrage selbst darstellt, so schwierig und unübersichtlich sind die Kausalitätsprobleme gerade in Angelegenheiten grenzü herschreitender Umweltbeeinträchtigungen118 : So zeigt sich etwa, daß die im Völkerrecht weitgehend anerkannte Kombination des Kausalzusammenhangs mit Haftungsbegrenzungen (Äquivalenztheorie und Adäquanztheorie/causa proxima) bei den sogenannten summierten Immissionen etwa dann versagt, wenn Umweltbeeinträchtigungen von verschiedenen Staaten ausgehen, wobei jede der Emissionen als conditio sine qua non entfällt, weil jede denselben Erfolg auch für sich allein nach sich gezogen hätte. Auch wenn es möglich wäre, bei dieser Fallkoastellation die Äquivalenztheorie durch die Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung zu korrigieren, so bliebe die Kausalitätsproblematik wiederum bei jener Art von summierten Immissionen ungeklärt, die jede für sich noch unschädlich wären, aber durch ihr Zusammenwirken Schäden verursachen. Mit diesem kurzen Hinweis auf die spezifischen Kausalitätsprobleme der grenzüberschreitenden Umweltbeziehungen soll lediglich angedeutet werden, in welch schwerwiegendem Umfang die Technologie aktueller Umweltbeeinträchtigungen die Gefahr eines Beweisnotstands für den beeinträchtigten Staat mit sich bringt. Vergleicht man diese Beweislastprobleme in den grenzüberschreitenden Umweltbeziehungen zwischen Völkerrechtssubjekten mit jenen zwischen Privatrechtssubjekten, die sich innerhalb einer einzigen nationalen Rechtsordnung gegenüberstehen87, dann zeigt sich, daß die strukturell gleiche Beweislastsituation in den grenzüberschreitenden Umweltbeziehungen für den Beweispflichtigen noch um eine Dimension schwieriger ist: Denn bei grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen handelt es sich schon ex definitione um sogenannte Distanzdelikte, bei denen zwischen Handlungsort und Erfolgsort zu differen35 Dazu mit praktischen Beispielen U. Diederichsen, Die Haftung für Umweltschäden, BB 1973, S. 485 ff., S. 486, S. 489 f.; vgl. auch R. Küchler, Haftpflichtrecht in H.-U. Müller/Stahel (Hrsg.), Schweizerisches Umweltschutzrecht, 1973, S. 430 ff., S. 440 ff.; I. Lorez/Wiegand, Haftung aus Gewässerverunreinigung, 1976, S. 73; Jabornegg/Strasser, a. a. 0. [Anm. 20], S. 75 ff. 88 Dazu detaillierter Fröhler/Zehetner, a. a. 0. [Anm. 4], S. 128 ff. 37 Vgl. dazu Jabornegg/Strasser, a. a. 0. [Anm. 20], S. 74 ff.

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zieren ist 38• Da über den Kausalzusammenhang herauszufinden und zu beweisen ist, wessen Handlung für welchen Erfolg in welchem Umfang ursächlich ist, bedarf es nicht allein der Information über den im Inland (des geschädigten Staates) eingetretenen "Erfolg", sondern auch der Information über die näheren Umstände an dem im ausländischen Hoheitsbereich gelegenen Handlungsart. Soweit daher der die grenzüberschreitende Umwelt unmittelbar oder mittelbar (Bewilligungen) nutzende Staat bezüglich der Aufklärung des Kausalitätszusammenhangs nicht aktiv mitwirkt, wird es für den beeinträchtigten Staat in einer Reihe von Fällen kaum möglich sein, den auftretenden Beweisnotstand zu überwinden. Relativ problemlos sind lediglich jene Fälle aus dem Bereich des Umweltmediums Wasser, in denen durch Wasserableitung im Ausland im Inland Bewässerungsprobleme auftreten 39 • Kaum lösbare Kausalitätsprobleme werfen aber - um bei demselben Umweltmedium zu bleiben - die verschiedenen Formen physikalischer, chemischer, biologischer, thermischer oder radioaktiver Wasserverunreinigung auf' 0 : Denn solange der beeinträchtigte Staat im Handlungsbereich des vermuteten Verursachers keine Nachforschungen anstellen kann, fehlen ihm die für die Zurechnungsproblematik so entscheidenden ersten Abschnitte des Kausalzusammenhangs. Der Staat, der demnach nur in der Lage ist, den Beweis zu erbringen, daß auf seinem Staatsgebiet ein Umweltschaden eingetreten ist, wird diese Schäden ohnmächtig selbst dann hinnehmen müssen, wenn völkerrechtlich außer Streit steht, daß die in Frage stehende grenzüberschreitende Umweltnutzung völkerrechtlich unzulässig ist. Vergleicht man nun die Beweislastprobleme der Kausalität mit der Beweislastproblematik im Bereich der Rechtswidrigkeit, dann zeigt sich für zahlreiche konkrete grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen, daß die de lege lata erarbeitete Rechtsvermutung ihrer grundsätzlichen völkerrechtlichen Unzulässigkeit dann nicht entscheidend zur Lösung der völkerrechtlichen Rechtsschutzprobleme beiträgt, wenn die Beweislastprobleme im Bereich der Kausalität liegen. Das mit diesem Zwischenergebnis verbundene Dilemma für den grenzüberschreitenden Umweltschutz besteht nun darin, daß sich trotz Beweislastumkehr im Bereich der Rechtswidrigkeit der die grenzüberschreitende Umwelt schon nutzende Staat nicht um eine Verständigung bezüglich der Nutzung der gemeinsamen Umwelt mit dem Nachbar38 Prägnant formuliert bei Küchler, a. a. 0. [Anm. 35], S. 442 f.: "Bei Umweltverschmutzungen liegen Ursache und Wirkung zeitlich und örtlich oft ziemlich weit auseinander." 39 Beispiele aus der Staatenpraxis bei Berber, a. a. 0. [Anm. 27], S. 39 ff.; Dintelmann, a. a. 0. [Anm. 27], S. 17 ff.; Dräger, a. a. 0. [Anm. 27], S. 34 ff. 40 Dazu dürfte für alle Arten von Wasserverunreinigungen das Stichwort .,Rhein" genügen.

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staat bemühen wird, solange ihm eine ungelöste Kausalitätsproblematik dafür keinen Anlaß gibt. Etwaige Anscheinsbeweise bezüglich der Kausalität, wie sie aus der innerstaatlichen Judikatur bekannt sind41 , könnten wegen der Fallbezogenheit und wegen der quantitativ geringeren Bedeutung der richterlichen Streitbeilegung gegenüber den sonstigen Formen friedlicher Streiterledigung im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umweltschutzes nur eine untergeordnete Rolle spielen; in den Bereichen der für den grenzüberschreitenden Umweltschutz so entscheidenden Streitverhütung und auch im Rahmen der friedlichen nichtrichterlichen Streitbeilegung bleibt jeder "Anscheinsbeweis" eine bloße Behauptung. Unter grenzüberschreitenden Gesichtspunkten, aber spezifisch bezogen auf die Rechtsbeziehungen zwischen Privatrechtssubjekten wurde in einem Abkommensentwurf über den Schadenersatz bei grenzüberschreitenden Umweltschäden42 eine beweislastumkehrende Kausalitätsvermutung vorgeschlagen: "Kann nach allgemeiner Lebenserfahrung unter Berücksichtigung des Standes der Technik davon ausgegangen werden, daß die Handlung oder der Zustand einer Anlage oder eines sonstigen Gegenstandes nach Art und Umfang der Einwirkung geeignet gewesen sein kann, den Schaden zu verursachen, so wird die Ursächlichkeit bis zum Beweis des Gegenteils vermutet 43 ." Diese Kausalitätsvermutung soll die Beweissituation des Geschädigten insofern verbessern, als er dann lediglich den Eintritt des Schadens nachzuweisen hat. Überträgt man dieses Konzept auf die zwischenstaatlichen Umweltbeziehungen, dann würde dem geschädigten Staat die Beweislast gerade in jenem räumlichen Bereich abgenommen, in dem ihm ohnehin keine Hoheitsbefugnisse zukommen. Für den vermuteten Verursacher hat diese Kausalitätsvermutung wiederum zur Konsequenz, daß er durch einen Direktbeweis die Nichtursächlichkeit seiner Handlung bzw. seines Unterlassens nachzuweisen hat. Dabei wird es anders als beim Gegenbeweis gegen die reine Anscheinsbeweisführung nicht ausreichen, daß der Schädiger die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, atypischen Geschehensablaufes wahrscheinlich macht44 ; vielmehr hat er zu beweisen, daß die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung dieses Erfahrungssatzes im konkreten Fall nicht vorliegen 45 • Projiziert man auch die Beweislast41 Judikaturhinweise bei Diederichsen, a. a. 0. [Anm. 35], S. 486. Vgl. dazu auch Jabornegg/Strasser, a. a. 0. [Anm. 20], S. 75. 42 Rest, Abkommen, a. a. 0. [Anm. 5]. 43 Art. 3 ebd., S. 189, kommentiert S. 215 f. 44 Jabornegg/Strasser, a. a. 0. [Anm. 20], S. 75 mit weiteren Nachweisen.

Beweislastprobleme im Nachbarrecht des Umweltschutzes

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situation des Umweltnutzers auf die spezifisch grenzüberschreitenden Probleme aneinander angrenzender staatlicher Hoheitsbereiche, dann zeigt sich wiederum in räumlicher Hinsicht, daß die Beweislast des Umweltnutzers in der Regel allein in seinem staatlichen Hoheitsbereich anfällt. Daraus erhellt unter rechtstechnischen Gesichtspunkten, daß das Konzept der beweislastumkehrenden Kausalitätsvermutung zwar auch in den zwischenstaatlichen Umweltbeziehungen grundsätzlich anwendbar wäre, doch stellt sich gleichzeitig die Frage, ob eine zwischen einer unbestimmbaren Vielzahl von Privatrechtssubjekten vielleicht funktionierende allgemeine Kausalitätsvermutung auch den Beziehungen zwischen (meist) zwei Völkerrechtssubjekten adäquat ist: Denn während die staatlichen Rechtsordnungen über zentrale Gesetzgeber verfügen, die gewissermaßen nach Bedarf Kausalitätsvermutungen für bestimmte Schadensfälle normieren••, kann eine Kausalitätsvermutung im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umweltschutzes allein durch Vereinbarung des potentiellen künftigen Umweltnutzers sowie des potentiellen künftigen Umweltbeeinträchtigten begründet werden. Insofern ist es notwendig, alle auftretenden Beweislastfragen in unmittelbarem Zusammenhang mit der jeweiligen völkergewohnheitsrechtlichen, vertragsrechtliehen oder staatenverbandliehen Konkretisierung des Prinzips der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität zu sehen: so ist es etwa auszuschließen, daß sich im Rahmen einer partikulären gewohnheitsrechtliehen Umweltnutzungsregelung auch eine beweislastumkehrende Kausalitätsvermutung nachweisen läßt. Soweit daher die Staaten ihre grenzüberschreitenden Umweltbeziehungen durch bi- oder multilaterale Verträge oder durch rechtsverbindliche Beschlüsse internationaler Organisationen normieren, welche konkrete Umweltnutzungsrechte und dazu korrespondierend Duldungspflichten umschreiben, ist es angezeigt, sich von vornherein in die nach dem letzten Stand der Naturwissenschaften verfügbaren Kausalzusammenhänge der in ihrem zulässigen Ausmaß konkretisierten Umweltnutzungsarten Einblick zu verschaffen und diese bei der vertragsrechtliehen oder staatenverbandliehen Konkretisierung entsprechend zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Gleichzeitig mit der zwischenstaatlichen Vereinbarung über die völkerrechtliche Zulässigkeit bestimmter grenzüberschreitender Umweltnutzungen sollte klargestellt werden, wem bezüglich der Kausalität die Beweislast zufällt, wenn der beeinträchtigte Staat einen Schaden 45 Rest, Abkommen a. a. 0. [Anm. 5], S. 216 im Anschluß an L. Rosenberg, K. H. Schwab, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl., 1974, zu § 114, Anm. 4, S. 595. 48 Beispiele aus dem Österreichischen Recht bei Jabornegg/Strasser, a. a. 0.

[Anm. 20], S. 75 f.

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reklamiert, der durch die Überschreitung der vereinbarten Emissionsoder Immissionsstandards verursacht worden sein soll. Dabei sollte es dem potentiell beeinträchtigten Staat gelingen, seine Zustimmung zur grenzüberschreitenden Umweltnutzung durch eine einschlägige Kausalitätsvermutung bezüglich der möglicherweise auftretenden Schäden zu kompensieren. Zusammenfassend zeigt sich daher, daß im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umweltschutzes eine beweislastumkehrende Kausalitätsvermutung allein de lege ferenda im Rahmen staatsvertraglicher oder staatenverhandlicher Konkretisierungen des Prinzips der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität realisierbar ist. Daher ist es für bereits bestehende grenzüberschreitende Umweltnutzungen weniger wahrscheinlich, daß die betreffenden Staaten bereit sind, pro futuro diese Kausalitätsvermutung zu akzeptieren. Dieser Befund wird vielleicht dadurch korrigiert, daß die Staaten in der Praxis wenn schon nicht mit den gleichen, so doch meist mit ähnlichen Umweltproblemen zu kämpfen habenn: das heißt, daß die Staaten in ihren grenzüberschreitenden Umweltbeziehungen in zahlreichen Fällen in gleichem Maß Umweltnutzer und Umweltbeeinträchtigter sind. Günstiger ist die Chance der Einführung einer beweislastumkehrenden Kausalitätsvermutung für künftige bzw. neue grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen. Plant etwa ein Staat an einem grenzbildenden Gewässer den Bau und Betrieb eines Kernkraftwerks, dann wird man unter zahlreichen Umweltgesichtspunkten dessen grundsätzliche völkerrechtliche Unzulässigkeit im unmittelbaren Grenzgebiet anzunehmen habenc 8 • Gestattet aber der Nachbarstaat im Rahmen einer vertragsrechtliehen Konkretisierung des Prinzips der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität den Betrieb des Kernkraftwerks, dann könnte der potentiell beeinträchtigte Staat diese seine Zustimmung von der vertraglichen Vereinbarung einer Kausalitätsvermutung abhängig machen, daß die Ursächlichkeit des Atomkraftwerks für auftretende Umweltschäden im Nachbarstaat bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung unter Berücksichtigung des Standes der Technik davon ausgegangen werden kann, daß der Betrieb des Kernkraftwerkes geeignet gewesen sein kann, den - vom geschädigten Staat nachzuweisenden - Schaden zu verursachen.

47 In diesem Sinn D. Rauschning, Umweltschutz als Problem des Völkerrechts, Europa-Archiv 27 (1972), S. 567 ff., S. 568. es Dazu ausführlicher Randelzhofer/Simma, a. a. 0. [Anm. 32], S. 414 ff.

Beweislastprobleme im Nachbarrecht des Umweltschutzes

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IV. Beweislast bezüglich des Verschuldeos Der im Völkerrecht allgemein feststellbare Trend, das bisher überwiegend anerkannte Prinzip der Verschuldenshaftung zu relativieren und über die .,culpa levissima" weitgehend einer Erfolgshaftung anzugleichen•0, zeigt sich besonders deutlich in den grenzüberschreitenden Umweltbeziehungen50 • So wird für besonders gefährliche Unternehmungen (.,ultra hazardous activities") überzeugend die Ansicht vertreten, daß der Grundsatz der objektiven Verantwortlichkeit für grenzüberschreitende Schäden heute bereits gewohnheitsrechtlich verankert sei51 • Im Hinblick auf die hier zu erörternde Problematik bedeutet jedwede gewohnheitsrechtliche oder vertragsrechtliche Verankerung der objektiven Verantwortlichkeit, daß Beweislastprobleme im Bereich des Verschuldens überhaupt entfallen. Insofern werden zumindest die potentiell grenzüberschreitend beeinträchtigten Staaten aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit gut beraten sein, bei den verschiedenen Formen der vertraglichen oder staatenverbandliehen Konkretisierung des Prinzips der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität ausdrücklich eine Erfolgshaftung bei Überschreiten der materiellrechtlichen Umweltstandards zu vereinbaren. Aber auch in jenen Bereichen, in denen der qualitative Umschlag von der culpa levissima zur objektiven Verantwortlichkeit nicht oder noch nicht stattgefunden hat, darf der Geschädigte im Rahmen einer gerichtlichen Beilegung des Umweltnutzungskonflikts damit rechnen, daß der Beweis des Verschuldens zumindest erleichtert wird: Denn grundsätzlich ist das Verschulden als Tatsache von dem Staat zu beweisen, der Rechte daraus ableiten will, doch arbeitet die völkerrechtliche Praxis dann auch mit dem für den geschädigten Staat günstigeren prima facie Beweis52 , wenn der Schaden unter Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen herbeigeführt wird und die Vermutung eines gewissen Verschuldens der Lebenserfahrung entspricht. Handelt es sich dabei etwa um staatsvertragliche Konkretisierungen des Prinzips der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität, also um ganz konkrete Emissions- oder Immissionsstandards für einen bestimm•o Ausgezeichnet skizziert bei I. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 3. Aufl., 1975, s. 197 f. 30 Dazu M. J. L. Hardy, International Protection Against Nuclear Risks, ICLQ 10 (1961), S. 739 ff., S. 747 ff.; Randelzhofer/Simma, a. a. 0. [Anm. 32], S. 422 ff.; Rest, Umweltschutz, a. a. 0. [Anm. 5], S. 33 f.; vgl. auch die Darstellung der Haftungsproblematik im Trail Smelter-Fall, a. a. 0. [Anm. 1], bei Goldschmidt, a. a. 0. [Anm. 11], S. 32 ff. 51 Randelzhofer{Simma, a. a. 0. [Anm. 32], S. 429. 52 Zum Beweis des ersten Anscheins im Völkerrecht knapp Dahm, Bd. li, a. a. 0. [Anm. 9], S. 533 f., sowie Bd. III, a. a. 0. [Anm. 9], S. 231 f.

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ten Bereich des gemeinsamen Grenzgebietes, dann indiziert deren Verletzung eine Sorgfaltsverletzung desjenigen Staates, dessen unmittelbares oder mittelbares Verhalten die Umweltbeeinträchtigung bewirkt hat. Je strikter die mit der völkerrechtlichen Umweltregelung verbundenen Sorgfaltspflichten sind, um so schwieriger wird für den umweltnutzenden Staat der Nachweis des Nichtverschuldens. V. Ergebnis Diese beweislastorientierte Skizze einiger Rechtsschutzprobleme im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umweltschutzes hat jedenfalls gezeigt, daß sich der von grenzüberschreitenden Umweltnutzungen betroffene Staat qualitativ unterschiedlichen Beweislastschwierigkeiten auf verschiedenen Ebenen konfrontiert sieht. Je nach der Art der konkreten Umweltbelastung wird dabei den ein-' zeinen Problemabschnitten der Rechtswidrigkeit, der Kausalität und dem Verschulden eine unterschiedliche Wertigkeit zukommen. So stehen im einen Fall Fragen der Rechtswidrigkeit, im anderen Kausalitätsprobleme und im dritten vielleicht Beweislastprobleme bezüglich eines Verschuldeos im Vordergrund. Unter Berücksichtigung des das Prinzip der beschränkten territorialen Souveränität und Integrität dominierenden Prinzips der territorialen Integrität ist de lege lata für den Bereich der Rechtswidrigkeit einer grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigung von einer (vom Umweltnutzer) widerlegbaren Rechtswidrigkeitsvermutung auszugehen. Für den Bereich der Kausalität sollte gezeigt werden, daß sich gerade im Umweltbereich die schwerwiegendsten Kausalitätsprobleme stellen und diesbezüglich nach der allgemeinen Beweislastregel der umweltbeeinträchtigte Staat die Beweislast trägt. Soweit sich die de lege lata nachgewiesene Rechtswidrigkeitsvermutung einer grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigung in Initiativen eines künftigen Umweltnutzers äußert, den Problembereich der grenzüberschreitenden Umweltnutzung einer staatsvertragliehen Regelung zuzuführen, empfiehlt sich de lege ferenda die Vereinbarung von Kausalitätsvermutungen bei bestimmten Formen grenzüberschreitender Umweltnutzung. Beweislastprobleme des Verschuldens stellen sich im völkerrechtlichen Nachbarrecht des grenzüberschreitenden Umweltschutzes nur noch in jenen Bereichen, in denen der Grundsatz der objektiven Verantwortlichkeit der Staaten weder vertragsrechtlich vereinbart noch völkergewohnheitsrechtlich verankert ist. Zwar hat dann auch der beeinträchtigte Staat grundsätzlich das Verschulden des umwelt-

Beweislastprobleme im Nachbarrecht des Umweltschutzes

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nutzenden Staates nachzuweisen, doch indizieren allgemeine Lebenserfahrung und objektive Rechtsverletzung in der Regel einen prima facie Beweis zugunsten des beeinträchtigten Staates.

DIE WIENER KONVENTION ÜBER DIE STAATENNACHFOLGE IN VERTRÄGE Von Karl Zemanek

I. Einleitung Während zehn Jahre seines Lebens 1 hat Alfred Verdross als Mitglied der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen aktiv an der fortschrittlichen Entwicklung und Kodifikation des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts mitgewirkt. In dieser Dekade behandelte die Kommission so bedeutende und erfolgreiche Entwürfe wie die zu den diplomatischen Beziehungen, zu den konsularischen Beziehungen, den Sondermissionen und zum Recht der Verträge, auf die Verdross einen großen Einfluß ausgeübt hat•. Auch war er 1961 Präsident der ersten in Wien abgehaltenen Kodifikationskonferenz der Vereinten Nationen, jener über diplomatische Beziehungen. Es liegt daher nahe, in einer Festgabe für ihn über das bisher letzte Kodifikationswerk der Vereinten Nationen zu berichten, die 1978 in Wien verabschiedete Konvention über die Staatennachfolge in Verträge.

II. Allgemeine Fragen 1. Der formale Ablauf

Die Wiener Konferenz über die Staatennachfolge in Verträge tagte im Frühjahr 1977 und, da sie ihre Arbeit nicht fertigstellen konnte, neuerlich im Sommer 1978. Als Grundlage ihrer Arbeit diente der Entwurf der Völkerrechtskommission (ILC) 3 und es ist bezeichnend Von 1957 bis 1966 einschließlich. Vgl. beispielsweise die literarischen Zeugnisse anderer Mitglieder der ILC: M. Bartos: L'influence d'Alfred Verdross sur l'elaboration de la Convention sur les missions speciales. Internationale Festschrift f. A. Verdross München/Salzburg 1971, S. 45-54. E. Castren: La Convention de Vienne sur le droit des traites. Ebenda, S. 71- 83; auf S. 78, Anm. 8 (Verdross' Einfluß auf das ius cogens-Konzept). 3 Report of the International Law Commission on the work of its 26th session (1974). General Assembly, Official Records, 29th session, Suppl. No. 10 (A/9610/Rev. 1). 1

2

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Karl Zemanek

für dessen Güte, daß von seinen 39 Artikeln nur 3 substantiell4 und

2 einschneidender in der Formulierung5 geändert, sowie ein Sechartikel hinzugefügt 8 wurden. Die Konvention7 wurde am 22. August 1978 mit 76 Stimmen ohne Gegenstimme, bei 4 Stimmenthaltungen8 ange-

nommen.

Sie wird, gern. ihrem Artikel 49 Abs.l, nach Hinterlegung der fünfzehnten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft treten. Die Zahl war bis zum Schluß umstritten. In dem, wie üblich, mit der Abfassung der Schlußklauseln beauftragten Redaktionsausschuß (Drafting Committee) hatte sich eine Mehrheit für zehn gefundeng, da die meisten aus der Entkolonisierung hervorgegangenen Staaten offenbar ein großes Interesse an einem baldigen Inkrafttreten haben. Die Zahl war absichtlich besonders niedrig gehalten, um noch Verhandlungsspielraum zu haben. Diese Verhandlungen führten aber zu keiner Einigung. Bei der Debatte im Plenum10 wurden dann mündlich vom Vereinigten Königreich 25, von Zypern 20 und von Irak und den Niederlanden 15 vorgeschlagen. Das Vereinigte Königreich verzichtete auf eine Abstimmung; der von Zypern zurückgezogene, von Japan wieder eingebrachte Antrag wurde mit 42 Stimmen gegen 28 und 8 Stimmenthaltungen verworfen; der :Antrag Iraks und der Niederlande mit 55 gegen 5 Stimmen und 15 Stimmenthaltungen angenommenu. Ob der Staatengemeinschaft dadurch ein Dienst erwiesen wurde, sei dahingestellt. Die Enttäuschung über das verzögerte Inkrafttreten mancher Kodifikationskonventionen sollte die ungeduldigen Staaten eher zur Einsicht führen, daß sie selbst es sind, die diese Verzögerung bewirken und somit auch beseitigen können. Nicht die Herabsetzung der zum lnkrafttreten notwendigen Zahl von Ratifikations- oder Beitrittsurkunden ist das Heilmittel, sondern der raschere Entschluß zur Beteiligung. Allerdings wird durch die geringe geforderte Zahl eine baldige Anwendung wenigstens unter den Vertragsparteien möglich11. 4 Artikel 7, 12, 34. Die Ziffern beziehen sich auf die Konvention, nicht den Entwurf. 5 Artikel 21, 29. 6 Artikel 13. 7 Deren Text liegt mir nur als Konferenzpapier A/CONF. 80/31 vor. 8 Frankreich, Italien, die Schweiz und Spanien. Spanien gab später die Erklärung ab, daß es seine Enthaltung in eine positive Stimme geändert habe. g A/CONF. 80/19; Artikel IV. 10 A/CONF. 80/SR. 13. 11 A/CONF. 80/SR. 14. tf Siehe Abschnitt II.3.

Die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge

721

2. Das Sukzessionskonzept der Konvention

Die völkerrechtliche Theorie der Staatensukzession ist weitgehend durch eine Dichotomie vorgefaßter Meinungen, nämlich "Universal· sukzessionen" einerseits und "clean slate" andererseiti gekennzeichnet. Da für die besonders in der deutschsprachigen Literatur beliebte Universalsukzessionstheorie Rechte und/oder Pflichten gleichsam be· griffsnotwendig automatisch auf den Nachfolger übergehen, wendet sie die Ausdrücke "Staatensukzession" oder "Staatennachfolge" unterschiedslos sowohl auf den Wechsel der Staatsgewalt als auch auf die sich aus diesem ergebenden Folgen an und fördert dadurch die Begriffsverwirrung13, die zuerst durchschaut werden muß, bevor man das positive Recht ohne ideologische Brille erkennen kann. Ich habe deshalb schon in meinen Raager Vorlesungen 19651' vorgeschlagen, zwischen der Staatensukzession als einem rechtserheblichen Akt, durch den die völkerrechtliche Verantwortlichkeit für ein bestimmtes Gebiet einer anderen als der bisherigen Staatsgewalt zuzurechnen ist, und den Folgen dieser Zurechnungsänderung zu unterscheiden15. Die Konvention verwertet dieses Konzept 15 und bestimmt in Artikel 2 Abs. llit. b: ,,'succession of States' means the replacement of one State by another in the responsibility for the international relations of territory;" und in Artikel!: "The present Convention applies to the effects of a succession of States ..." 17 Obwohl das Konzept, wie die Debatte im Plenarausschuß der Konferenz (Committee of the Whole) zeigt 18 , den Staatenvertretern doch einige Schwierigkeiten bereitete, löste es nur zwei Änderungsanträge 13 Bloß beispielsweise, wenngleich repräsentativ, sei hier G. Dahm: Völkerrecht, Band I, Stuttgart 1958, S. 101, zitiert: "Entstehung und Untergang der Staaten und territoriale Veränderungen haben zur Folge, daß jeweils die eine Staatsgewalt an die Stelle der anderen tritt, und daran pflegt sich die Übernahme gewisser Rechte und Pflichten zu knüpfen. In diesem Sinne (sie) spricht man von Staatennachfolge oder Staatensukzession, ein Ausdruck, der an die ,Universalsukzession' (sie) des bürgerlichen Rechts, namentlich des Erbrechts erinnert" (Hervorhebungen im Original). Kritisch dazu schon D. P. O'Connell: The law of state succession, Cambridge 1956, S. 3 - 4. 1' State succession after decolonization. Recueil des Cours 116 (1965, III), S.187- 300. 15 Ebenda, S. 189 - 190. 18 Vgl. den Bericht der ILC: a. a. 0. (Anm. 3), paras. 48- 50 und den Kommentar zu Artikel 2, paras. 3 und 4. 17 Hervorhebungen von mir. 18 A/CONF. 80/C. 1/SR. 2, 3 und 5.

46 Festschrift für Altred Verdross

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aus 19 , die eher ein Mißverstehen belegen und vor der Abstimmung zurückgezogen wurden. Der gesamte Artikel 2 wurde im Plenarausschuß schließlich mit 71 gegen 5 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung, im Plenum ohne Abstimmung angenommen. Zusätzlich und klärend bestimmt die Konvention in Artikel 6, daß ihre Regelungen nur auf die Folgen völkerrechtskonformer Staatensukzessionen Anwendung finden: "The present Convention applies only to the effects of a succession of States occurring in conformity with international law and, in particular, the principles of international law embodied in the Charter of the United Nations." Der Bestimmungssatz ("in particular") stellt einen offenkundigen Bezug zur Definition des Gewaltverbots in der "Deklaration der Grundsätze des Völkerrechts betreffend die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen Staaten gemäß der Charter der Vereinten Nationen" 20 her, in der es heißt: "No territorial acquisition resulting from the threat or use of force shall be recognized as legal." Die schon bei der Redaktion dieses Grundsatzes wegen seiner möglichen Rückwirkung aufgetretenen Bedenken bereiteten auch bei der Formulierung des Bezuges darauf in Artikel 6 einige Schwierigkeiten. Es wurden fünf Änderunganträge gestellt 21 , aber nicht erledigt, sondern zusammen mit dem von der ILC vorgeschlagenen Text und einigen anderen Artikeln22 einer informellen Verhandlungsgruppe unter Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden des Plenarausschusses, des schweizerischen Delegierten Ritter, zur Behandlung zugewiesen. Diese Verhandlungsgruppe empfahl schließlich die Annahme des ILC-Textes für Artikel 623 , was im Plenarausschuß und im Plenum auch ohne Abstimmung geschah. 19 Frankreich und Schweiz in A/CONF. 80/C. 1/L. 41/Rev. 1: " ... means the replacement of one State by another in the exercise ot competence for international relations in respect of a particular territory." Kuba in A/CONF. 80/ C. 1/L. 46: " ... means the replacement of one State by another in the rights and obligations deriving from the international relations of territory." (Hervorhebungen von mir). 20 Resolution 2625 (XXV), Annex. 21 Enthüllend der auf ein ganz anderes Anliegen gerichtete "Änderungsantrag" der Sowjetunion in A/CONF. 80/C. 1/L. 8: "Nothing in the present articles shall be considered as prejudicing in any respect any question relating to the validity of a succession of States as such." Also offenbar: Wenn die in der Konvention vorgesehenen Folgen einer Staatensukzession von einem Nachfolgestaat nicht eingehalten wurden (von der Sowjetunion bezüglich der baltischen Staaten?), so berührt das die Legalität der Staatensukzession nicht. Der Änderungsantrag wurde allerdings rasch zurückgezogen. 22 Artikel 7 und 12; später auch Artikel 30.

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3. Die zeitliche Anwendung der Konvention

Die ILC hatte in ihrem Entwurf zu Artikel 724 entsprechend dem allgemeinen Völkerrecht und Artikel 28 der Wiener Vertragsrechtskonvention die Anwendung der Konventionsbestimmungen, soweit es sich nicht um bereits geltendes Gewohnheitsrecht handelt, auf Staatensukzessionsfälle beschränkt, die nach Inkrafttreten der Konvention stattfinden würden, es sei denn, die Betroffenen vereinbarten etwas anderes. Zu diesem Entwurf wurden aber vier Änderungsanträge eingebracht, von denen drei eine Anwendung auch auf frühere StaatensukzessionsfäHe ermöglichen wollten25 • Um eine einvernehmliche Lösung in dieser wichtigen Frage zu erzielen, wurden der Text und die Änderungsanträge daher der informellen Verhandlungsgruppe28 zugewiesen, die ein entsprechendes Verfahren ausarbeitete 27 . Dieses Verfahren28 , das sowohl im Plenarausschuß wie im Plenum ohne Abstimmung angenommen wurde, sieht vor, daß ein Nachfolgestaat die Erklärung abgeben kann: ,. ... at the time of expressing its consent tobe bound by the present Convention or at any time thereafter, ... that it will apply the provisions of the Convention in respect of its own succassion of States which has occurred before the entry into force of the Conveniion in relation to any other contracting State or State party to the Convention which makes a declaration accepting the declaration of the successor State. Upon the entry into force of the Convention as between the States making the declarations or upon the making of the declaration of acceptance, whichever occurs later, the provisions of the Convention shall apply to the effects of the succession of States as from the date of that succession of States." Eine gleichartige Regelung ist in Absatz 3 für eine vorläufige Anwendung28 nach Unterzeichnung der Konvention getroffen. Die Debatten im Plenarausschuß 30 machen deutlich, daß von dem an sich auch im Völkerrecht unbestrittenen Prinzip der Nicht-Rückwirkung von Rechtsvorschriften aus den pragmatischen Gründen abgegangen wurde, daß einerseits Teil III der Konvention über "newly independent states" infolge des nahezu abgeschlossenen Entkolonisierungsprozesses sonst mehr oder weniger überflüssig gewesen wäre, 23 First Report of the Informal Consultation Group appointed by the Committee of the Whole, A/CONF. 80/C.1/L. 59. 24 Siehe Anmerkung 3. 25 Malaysia in A/CONF. 80/C. 1/L. 7; Kuba und Somalia in A/CONF. 80/C. 1/ L. 10/Rev. 2; Vereinigte Staaten in A/CONF. 80/C. 1/L. 16. 26 Siehe Text bei Anm. 22. 27 Siehe Anm. 23. 28 Jetzt Absatz 2 des Art. 7. 28 Diese ist in Art. 25 der Wiener Vertragsrechtskonvention geregelt. ao A/CONF. 80/C. 1/SR. 50 und 51.

46•

karl Zemane'k andererseits aber auch die Regelung der Vertragsverhältnisse dieser hüheren Fälle bei weitem nicht abgeschlossen sei, also ein starker nedarf nach einem geregelten und einheitlichen Verfahren bestünde. 4. Vbergangsverträge (devolution agreements) und -erklärungen

Artikel 8 der Konvention bestimmt: "1. The obligations or rights of a predecessor State under treaties in force in respect of a territory at the date of a succession of States do not become the Obligations or rights of the successor State towards other States parties to those treaties in consequence only of the fact that the predecessor State and the successor State have concluded an agreement providing that such Obligations shall devolve upon the successor State. 2. Notwithstanding the conclusion of such an agreement, the effects of that succession of States on treaties which, at the date of that succession of States, were in force in respect of the territory in question are governed by the present Convention."

Artikel 9 der Konvention regelt den Fall, "that the successor State has made a unilateral declaration providing for the continuance in force of the treaties in respect of its territory", in der gleichen Weise. Beide Bestimmungen sind nicht unerwartet, sondern entsprechen der Bedeutung, die Übergangsverträge und -erklärungen in der Staatenpraxis der sechziger Jahre erhalten hatten31 • Sie sind aber theoretisch interessant, weil eine bedeutende Richtung der modernen Staatensukzessionstheorie, vertreten vor allem von D. P. O'Connell, in den Devolutionsabkommen oder, später, in den einseitigen allgemeinen Sukzessionserklärungen der Nachfolgestaaten, das geeignete Instrument für den Übergang vertraglicher Rechte und Pflichten sieht32 • Dieser Auffassung ist durch die beiden Artikel der Boden entzogen. Es überrascht daher nicht, daß das Vereinigte Königreich, das die meisten Devolutionsabkommen abgeschlossen hat, bzw. dessen ehema31 Vgl. Zemanek: a. a. 0. (Anm. 14), Seite 213- 221 und den Kommentar der ILC zu Art. 8 und 9, a. a. 0. (Anm. 3). 32 Wobei auch bei O'Connell sich mit der Zeit und der Entwicklung der Staatenpraxis der Akzent verschob. Während in "Independence and succession to treaties", British Yearbook of international law 1962, S. 84- 180, auf Seite 118- 124 noch die Devolutionsabkommen im Vordergrund stehen, ist die Position dazu in "State succession in municipal law and international law", Vol.II, Garnbridge 1967, S. 365-366 schon kritisch; in dem von ihm verfaßten Bericht des Staatensukzessionskomitees der ILA (International Law Association. Report of the Fifty-Second Conference. Helsinki 1966, S. 577- 585) werden dann die einseitigen Erklärungen vorgestellt, denen in "Recent problems of state succession in relation to new States", Recueil des Cours 130 (1970, II), S. 170- 174 entschieden der Vorzug gegeben wird.

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lige Kolonien- vielfach auf Rat O'Connells oder seiner Mitarbeiter 83 die meisten allgemeinen Sukzessionserklärungen abgegeben haben, zu beiden Artikeln Änderungsanträge einbrachte. Der Antrag zu Artikel 834 wollte am Ende des Absatz 2 anfügen: " ... but whitout prejudice to any relevant rules of international law concerning rights or Obligations arising for a third State from a treaty." Dieser Antrag wurde mit 28 zu 23 Stimmen, bei 21 Stimmenthaltungen, abgelehnt. Daraufhin wurde der Änderungsantrag zu Artikel 935 , der in gleicher Weise Drittstaatenrechte und -pflichten aus den einseitigen Erklärungen schützen wollte, zurückgezogen. Artikel 8 und 9 wurden sodann sowohl im Plenarausschuß wie auch im Plenum ohne Abstimmung angenommen. 5. Die Systematik der Konvention und die Auswahl der hier behandelten Fragen

Das hervorstechendste Merkmal der Konvention ist die Differenzierung der Regelungen für Separationen und Zusammenschlüsse danach, ob sie "newly independent states" 38 oder andere Staaten37 betreffen. Die ILC rechtfertigte diese Differenzierung grundsätzlich mit dem Selbstbestimmungsrecht38 und der Behandlung abhängiger Gebiete" in der Satzung der Vereinten Nationen. Zieht man die mit großer Mehrheit ausgesprochene Streichung des dritten Absatzes von Artikel 3440 in Betracht, so kommen Zweifel, daß auch die Staatenvertreter auf der Konferenz, wenn sie dabei überhaupt von grundsätzlichen Erwägungen geleitet waren, von den gleichen ausgingen41 • Da ist wahrscheinlich die Annahme zutreffender, daß einerseits eine bestimmte Gewohnheit für im Entkolonisierungsprozeß entstandene neue Staaten, die sich pragmatisch gebildet hat42 , in der Konvention reflek33 O'Connell: Recueil des Cours, ebenda, S. 188: "Where the govemments of new States have been properly instructed on the wider implications of the matter, they tend, as in the case of Mauritius, to adopt the uniform expedient of a declaration of continuity" (Hervorhebungen von mir). 34 A/CONF. 80/C.1/L.ll. 35 A/CONF. 80/C. 1/L. 12. " Teil 111 der Konvention; siehe unten, Abschnitt IV. 37 Teil IV der Konvention; siehe unten, Abschnitt V. 38 Report, a. a. 0. (Anm. 3), paras 57- 60. ae Ebenda, para. 71. 40 Im Entwurf Artikel33; siehe unten, Abschnitt V. 41 Vgl. beispielsweise die zwar ebenfalls grundsätzlichen, aber durchaus andersgearteten, nämlich auf "res inter alios acta" gestützten Ausführungen des schweizerischen Delegierten Ritter in A/CONF. 80/C. 1/SR. 40. 42 Vgl. Zemanek, a. a. 0. (Anm. 14), S. 232 - 235, 244.

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tiert wird und andererseits taktisches Ungeschick ihre Anwendung auf nicht-koloniale Separationen verhinderte43 • Ausgenommen von dieser gespaltenen Regelung sind nur der Wechsel der Staatsgewalt über einen Gebietsteil (z. B. durch Zession44 ) sowie Grenz- und andere territoriale Regime 45 • Es bedarf keiner näheren Begründung dafür, daß es im Rahmen dieses Aufsatzes nicht möglich ist, alle Regelungen, ihre Entstehungsgeschichte und juristisch-politische Problematik im Detail zu untersuchen. In den folgenden Abschnitten sollen daher die großen Bereiche der Konvention, wie schon im Vorstehenden, nur in jenen ihrer Probleme dargestellt werden, die grundsätzliche Bedeutung, auch für die Theorie, haben. Dabei bin ich mir durchaus bewußt, daß bei ihrer Auswahl der Einfluß subjektiver Präferenzen nicht zu vermeiden ist.

m. Territoriales Regime Vorweg sei festgestellt, daß sich auch die ILC und die Staatenkonferenz mit der in der Theorie umstrittenen Frage der Verträge mit territorialem Bezug, also der sogenannten dispositiven Verträge, Realverträge, radizierten Verträge oder was ihnen von Autoren sonst noch für Namen gegeben wurden, nicht leicht getan hat. Wie Verdross/ Simma zutreffend bemerken, sind "... die Bezeichnungen ... (nämlich) nur bildhafte Ausdrücke für verschiedene räumliche Abgrenzungen oder Beschränkungen der territorialen Souveränität eines Staates, da alle völkerrechtlichen Rechte und Pflichten nur zwischen Völkerrechtssubjekten bestehen, nicht aber an einem Gebiet ,haften' können"". Die beschlossenen Formulierungen tragen dieser zwingenden Logik nur teilweise Rechnung. Überraschenderweise war es verhältnismäßig leicht, die Grenzen festzuschreiben. Artikel 11 der Konvention bestimmt: "A succession of States does not as such affect: (a) a boundary established by a treaty; or (b) Obligations and rights established by a treaty and relating to the regime of a boundary."

Obwohl die Debatte über diesen Artikel, insbesondere zwischen Äthiopien und Somalia47 , teilweise heftig war48 , wurde der Text im 43 Siehe Abschnitt V. " Artikel 15. u Artikel 11 - 13. n A. Verdross/B. Simma: Universelles Völkerrecht, Berlin 1976, S. 488 (Hervorhebun~ im Text).

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Plenarausschuß mit 55 Stimmen ohne Gegenstimme und nur 5 Enthaltungen, im Plenum in einer namentlichen Abstimmung mit 71 Stimmen gegen eine (Somalia) und 8 Enthaltungen (Afghanistan, Heiliger Stuhl, Demokratische Republik Jemen, Libyen, Marokko, Philippinen, Swaziland und Venezuela49 ) angenommen. Man kann diese überwältigende Zustimmung wohl als Beweis dafür werten, daß die koloniale Grenzziehung in Afrika, obwohl vielfach auf Zufall oder administrativer Nützlichkeit beruhend und daher von manchen als Quelle möglicher Konflikte angesehen, offenbar eine größere Rolle für die Entwicklung des Nationalbewußtseins der neuen Staaten spielt als vorkoloniale Traditionen50 • Sicherlich war aber auch allen die Gefahr bewußt, die aus der Zufälligkeit dieser Grenzziehungen entstünde, würde die Diskussion über sie allgemein wieder eröffnet. Auch juristisch ist der Artikel gelungen, weil seine Formulierung deutlich zwischen dem zugrunde liegenden Vertrag, der - beispielsweise als Zessions- oder Friedensvertrag - in den relevanten Bestimmungen durch Erfüllung außer Kraft getreten sein kann, und dem von ihm geschaffenen Rechtszustand, der Gegenstand des Überganges ist, unterscheidet. Ein solches Attest kann dem mit "other territorial regimes" überschriebenen Artikel 12 nicht ausgestellt werden. Er ist in seinen Absätzen 1 und 2 konzeptiv nicht gelungen, da der Übergang der Beschränkungen der territorialen Souveränität sprachlich anscheinend nicht anders als durch ihre ,Haftung' an dem Gebiet ausgedrückt werden konnte 51 • So bestimmt Absatz 1: "A succession of States does not as such affect: (a) obligations relating to the use of any territory, or to restrictions upon its use, established by a treaty for the benefit of any territory of a foreign State and considered as attaching to the territory in question; (b) rights established by a treaty for the benefit of any territory and relating to the use, or to restrictions upon the use, of any territory of a foreign State and considered as attaching to the territories in question." 52 47 Weil Somalia den 1954 zwischen Äthiopien und dem Vereinigten Königreich geschlossenen Vertrag über die Grenze zwischen dem früheren britischen Protektorat Somaliland und Äthiopien ablehnt; vgl. Zemanek, a. a. 0. (Anm. 14), S. 240. 48 A/CONF. 80/C.1/SR.17- 19; A/CONF. 80/SR. 5. 49 Mit Ausnahme des Hl. Stuhls wohl alle wegen eigener Anliegen. Vgl. z. B. für Afghanistan Zemanek, a. a. 0. (Anm. 14), S. 240. 50 Dafür zeugt auch die geringe Zahl von Zusammenschlüssen kolonial verschieden verwalteter historischer Staatswesen; vgl. Zemanek, ebenda, s. 211-212. 51 Siehe Kommentar der ILC zu Art. 12, a. a. 0. (Anm. 3), paras. 38-40, 47. 52 Hervorhebungen von mir.

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Absatz 2 verfügt in gleicher Weise über die Begünstigung einer Gruppe von Staaten oder aller Staaten, beispielsweise in Verträgen über internationale Flüsse oder Kanäle 53 • Von all den in der Theorie - wenn auch, wie schon gesagt, mißverständlich-angewandten Analogien, hat die der (Staats-)Servituten wohl den größten Einfluß auf die Formulierung ausgeübt. Artikel 12 verursachte auch - wenngleich nicht wegen dieser Formulierungen - politische Schwierigkeiten. Es wurden drei Ergänzungsanträge gestellt5', jedoch nicht erledigt, sondern zusammen mit dem Text der informellen Verhandlungsgruppe55 zugewiesen. Diese empfahl mit Konsensus, den Entwurf der ILC durch den gegenwärtigen Absatz 3 zu ergänzen56 , der lautet: "The provisions of the present article do not apply to treaty Obligations of the predecessor State providing for the establishment of foreign military bases on the territory to which the succession of States relates." Gleichzeitig und unter Betonung des politischen Zusammenhanges (package deal) empfahl die Verhandlungsgruppe mit Konsensus die Aufnahme eines neuen Artikel 12bis (jetzt 13) 57 mit dem folgenden Text: "Nothing in the present Convention shall affect the principles of international law affirming the permanent sovereignty of every people and every State over its natural wealth and resources." Die Verhandlungsgruppe mußte aber mitteilen, daß eines ihrer Mitglieder58 nachträglich seine Zustimmung zum Konsensus wieder zurückgezogen habe 59 • Angenommen wurden: Artikel 12bis (jetzt 13) im Plenarausschuß mit 74 Stimmen ohne Gegenstimme, aber 12 Stimmenthaltungen; im Plenum, in einer namentlichen Abstimmung, mit 73 gegen eine Stimme (USA) und 8 Enthaltungen (Belgien Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Israel, Japan, Kanada, Niederlande und Vereinigtes Königreich). 53 Die Beispiele stammen aus dem Kommentar der ILC, a. a. 0. (Anm. 3), para. 30. 54 Von Mexiko in A/CONF. 80/C. 1/L. 19; Kuba in A/CONF. 80/C. 1/L. 20; und Argentinien (zu Mexiko) in A/CONF. 80/C. 1/L. 27. 55 Siehe Text bei Anm. 22. 56 Second Report of the Informal Consultation Group, A/CONF. 80/C. 1/ L. 62. Der Vorschlag entspricht keinem der in Anmerkung 54 genannten Ergänzungsan träge vollständig. 57 Ebenda. n Die USA; siehe unten. 59 Siehe Anm. 56.

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Der neu vorgeschlagene Absatz 3 zu Artikel 12 im Plenarausschuß mit 84 Stimmen ohne Gegenstimme und einer Enthaltung; im Plenum fand keine gesonderte Abstimmung über Absatz 3 statt. Der gesamte Artikel 12 im Plenarausschuß mit 86 Stimmen ohne Gegenstimme und einer Enthaltung; im Plenum ohne Abstimmung. Die Hinzufügung des Absatzes 3 zu Artikel 12 stellt weder eine politische Überraschung dar, noch wirft sie besondere juristische Probleme auf. In der Literatur80 wurde auch schon früher darauf hingewiesen, daß bei Stützpunktverträgen nicht der sachliche, also ,dispositive' Charakter ausschlaggebend sei, sondern der persönliche und politische, weil Stützpunktverträge das Ergebnis einer ganz bestimmten Außen- und Sicherheitspolitik seien und deshalb für Zwecke der Staatensukzession nicht unter die territorialen Regime gerechnet werden könnten81 • Der neue Absatz enthält daher nur eine Klarstellung in diesem Sinn. Schwieriger ist die Beurteilung des neuen Artikel 13, der einen Vorbehalt des Grundsatzes der dauernden Souveränität über Naturschätze62 formuliert, weil die von westlicher Seite öffentlich geäußerten Bedenken11 vordergründig und formal sind. Aber auch spekulativ ermittelte Gründe bringen nicht viel mehr Licht in die Sache. Denn zum einen gibt es wohl kaum wirtschaftliche Konzessionen oder ähnliches in der Form von Staatsverträgen, was aber Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmungen auf sie wäre; zum anderen kann das Prinzip doch nur gegenüber jenen Staaten in Anspruch genommen werden, die es anerkennen und auch nur in dem Umfang, in dem sie es tun. Wer also in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Ablehnung oder Einschränkungen deponiert hat, ist in deren Ausmaß nicht gebunden. Vermutlich ist hier der Haken, denn gar nicht so selten wird eine neue Entwicklung zunächst belächelt und nicht einmal eines Widerspruches für würdig erachtet, bis es dann zu spät ist und die Tendenz längst zu einem rechtlichen Trend gewor80 Vgl. Zemanek: a. a. 0. (Anm.14), S. 239- 240; und O'Connell: Recueil des Cours, a. a. 0. (Anm. 32), S. 194 - 195. 81 Dieser Auffassung neigt implizit auch der Kommentar der ILC zu Artikel 12 zu. A. a. 0. (Anm. 3), para. 25. 62 Dieser Grundsatz wurde in einer Reihe von Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, insbesondere 1803 (XVI) und 2158 (XXI) erarbeitet. Zusätzlich relevant ist die Resolution 46 (III) der Dritten UNCTAD-Konferenz. Vgl. die Berichte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen A/7268 und E/5425. Das Prinzip fand Ausdruck auch in der ,Charter der wirschaftliehen Rechte und Pflichten der Staaten', Resolution 3281 (XXIX). 13 A/CONF. 80/C. 1/SR. 55 und A/CONF. 80/SR. 14.

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den ist. Die Haltung der westlichen Staaten ist daher wohl am ehesten als verspätetes Signal zu werten.

IV. Neue unabhängige Staaten (Entkolonisierung) Da, wie unter 11.5. dargelegt wurde, die Konvention eine Sonderregelung für neue unabhängige Staaten schafft, mußte dieser Begriff zur Abgrenzung definiert werden. Der Entwurf der ILC, von der Konferenz unverändert als Art. 2 Abs. llit. f übernommen, formuliert: .,'newly independent State' means a successor State the territory of which immediately before the date of the succession of States was a dependent territory for the international relations of which the predecessor State was responsible." Dieser Text wurde, nachdem alle Änderungsanträge zurückgezogen worden waren, im Plenarausschuß mit 71 gegen 5 Stimmen und einer Enthaltung, im Plenum dann ohne Abstimmung angenommen. Er beschreibt den zu isolierenden Tatbestand korrekt und stellt juristisch keine besonderen Probleme, mit Ausnahme vielleicht des Ausdrucks ,dependent territory', zu dessen Bestimmung Artikel 73 der Satzung der Vereinten Nationen und dessen Anwendungspraxis herangezogen werden müssen114 • Trotzdem ist diese Definition für das Konzept der Konvention befriedigender als die von Frankreich und der Schweiz in einem, später zurückgezogenen, Änderungsantrag85 vorgeschlagene: ., ... was a territory in respect of which competence for international relations was exercised either by a single predecessor State or by two or more predecessor States which have not been entirely absorbed by the successor State", weil der Ausdruck ,competence for international relations' auf den Rechtszustand, nicht aber auf die in vielen Fällen von Kolonialmächten entgegen diesem, und bloß tatsächlich, ausgeübte Macht 88 abstellte. Allerdings hätte dieser Änderungsantrag, wäre er angenommen worden, die verschiedene Behandlung von nicht-kolonialen Separationen beseitigt, weil der Begriff ,dependent' nicht unter den Definitionsmerkmalen aufscheint, was wohl in der Absicht der Antragsteller lagar. 84

6-8.

Vgl. dazu den Kommentar der ILC zu Art. 2, a. a. 0. (Anm. 3), paras.

A/CONF. 80/C. 1/L. 41/Rev. 1. Insbesondere in Protektoraten und Treuhandgebieten; vgl. Zemanek: a. a. 0. (Anm. 14), S. 195- 208. 87 Siehe unten, Abschnitt V, Artikel 34 (früher 33). 85 88

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Die Grundregel für neue unabhängige Staaten88 enthält Artikel 1688 , der bestimmt: "A newly independent State is not bound to maintain in force, or to become a party to any treaty by reason only of the fact that at the date of the succession of States the treaty was in force in respect of the territory to which the succession of States relates." Damit ist für ,newly independent States' das ,clean slate' Prinzip70 zu konventionellem Recht positiviert, doch wird diese grundsätzliche Entscheidung durch die nachfolgenden Bestimmungen über den Eintritt in multilaterale (Artikel17- 23) und bilaterale Verträge (Artikel24- 26) pragmatisch gemildert. 1. Multilaterale Verträge

Im wissenschaftlichen Schrifttum wurde schon vor der Konvention ein charakteristisches Verfahren für den Eintritt neuer Staaten in multilaterale Verträge diagnostiziert. In meinen Haager Vorlesungen zog ich 1965 aus der Staatenpraxis den Schluß, daß die Staatensukzession im Zuge der Entkolonisierung "creates the right to succeed by unilateral declaration to those multilateral law-making conventions which the predecessor state has applie:d to the territory'm. Der Special Rapporteur der ILC, Sir Humphrey Waldock und die ILC selbst haben sich nach eingehender Prüfung für diese Auffassung entschieden und sie zur Grundlage ihrer Arbeit in diesem Abschnitt des Entwurfs gemachf2 • In diesem Sinn formulierte die ILC in Artikel16 Abs. 1 (jetzt Art. 17 Abs. 1): "Subject to paragraphs 2 and 3, a newly independent State may, by a notification of succession73 , establish its status as a party to any multilateral treaty which at the date of the succession of States was in force in respect of the territory to which the succession of States relates." 88 Sie findet gern. Art. 30 Abs. 1 der Konvention auch Anwendung, wenn ein neuer unabhängiger Staat durch Zusammenschluß bisher abhängiger Gebiete entsteht, auch wenn die Gebietsvorgänger verschieden waren. 19 Die Annahme dieses Artikels bereitete keine Schwierigkeiten. Es wurden keine Änderungsanträge gestellt und der Text sowohl im Plenarausschuß wie im Plenum ohne Abstimmung angenommen. 70 Siehe oben, Abschnitt 11.2. 71 Zemanek: a. a. 0. (Anm. 14), S. 232. Kritisch dazu A. Gonr;alves Pereira: La succession d'etats en matiere de traite. Paris 1969, S. 169 - 173. 72 Vgl. den ,Third Report on succession in respect of treaties' des Special Rapporteurs, A/CN. 4/244 (1970): Kommentar zu Artikel 7, Anm. 61, die den Text bei Anm. 71 zitiert. Vgl. auch das Mitglied der ILC Castaneda: "lt is a matter for surprise that other scholars - except for Zemanek - should not have arrived at the same conclusion"; A/CN. 4/SR. 1071 (16 June 1970), para. 23. 73 Die Formalitäten dieser Notifikation sind in Artikel 22 der Konvention geregelt.

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Nach Absatz 2 ist die Anwendung der Regel dann ausgeschlossen, wenn eine Parteienstellung des neuen Staates entweder mit Ziel und Zweck eines Vertrages unvereinbar wäre oder die Bedingungen seiner Anwendung grundsätzlich änderte. Absatz 3 nimmt jene ,plurilateralen' Verträge74 von der Regelung aus, die wegen der begrenzten Zahl der Vertragsparteien und ihren Zweck und Ziel die Zustimmung aller bisherigen Vertragsparteien zur Beteiligung voraussetzten. Im Grunde genommen handelt es sich bei der Regelung also um ·ein durch Gewohnheit, bzw. nach Inkrafttreten der Konvention durch Vertrag, begründetes allgemeines (weil nicht in einem bestimmten Vertrag nur für diesen geschaffenes), im Verfahren aber vereinfachtes Beitrittsrecht. Gegenüber diesem stellt es die Kontinuität der Vertragsanwendung sicher, da die Sukzessionsnotifikation auf den Tag der Unabhängigkeit zurückwirkf 5 und somit keine zeitliche Lücke entstehen läßt, wie es ein Beitritt täte, der erst mit Abgabe der Erklärung wirksam werden könnte. Außerdem gilt sie auch gegenüber multilateralen Verträgen, die keine Beitritts-, sondern nur eine Ratifizierungsklausel enthalten, und auch für Verträge, bei denen die Beitrittsmöglichkeit etwa durch Zeitablauf erloschen ist. Der gesamte Artikel wurde sowohl im Plenarausschuß wie im Plenum ohne Abstimmung angenommen. Das ist um so überraschender, als zwei Änderungsanträge vorlagen, die die gegenteilige Auffassung zu verwirklichen suchten, nach der multilaterale Verträge automatisch weitergelten, vom Nachfolger allerdings mit Wirkung ex nunc aufgelöst werden können76 • Die Niederlande wollten einen diesbezüglichen Text77 denkwidrig an den vorliegenden Text des Artikel 17 anfügen. Die Sowjetunion schlug die Einfügung eines zusätzlichen Artikels vor, der die Weitergeltung auf ,treaties of universal character' beschränkt hätte 78 • Der niederländische Antrag wurde zurückgezogen; der sowjetische erst nachdem ein bulgarischer Antrag, über den Fragenkomplex zu Vgl. dazu Art. 20 Abs. 2 der Wiener Vertragsrechtskonvention. Artikel 23 der Konvention. 78 Vgl. O'Connell: Recueil des Cours, a. a. 0. (Anm. 32), 8.172 -174; 179-181. 77 A/CONF. 80/C. 1/L. 35: "A newly independent State shall be presumed to be desirous of being a party to any multilateral treaty .... The newly independent State may terminate a treaty ...." 78 A/CONF. 80/C. 1/L. 22: "1. Any treaty of universal character which at the date of a succession of States is in force in respect of the territory to which the succession of States relates shall be provisionally in force between the newly independent State and the other States parties until such time as the newly independent State gives notice of termination of the said treaty for that State." 74

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verhandeln, im Plenarausschuß mit 29 gegen 19 Stimmen und 31 Stimmenthaltungen unterlegen war79 • Juristisch interessant ist in diesem Zusammenhang noch die Bestimmung über Vorbehalte. Während Art. 20 in Abs.l festlegt, daß für einen durch Sukzessionsnotifikation eintretenden Staat die Vorbehalte seines Gebietsvorgängers weitergelten (und damit selbstverständlich auch die darauf bezüglichen Reaktionen der übrigen Vertragsparteien), soferne er sie nicht ausdrücklich aufgibt, was auch der Gebietsvorgänger hätte tun können, bestimmt Absatz 2: "When making a notification of succession establishing its status as a party or as a contracting State to a multilateral treaty ... a newly independent State may formulate a reservation unless the reservation is one the formulation of which would be excluded by the provisions of sub-paragraph (a), (b) or (c) of article 19 of the Vienna Convention on the law of treaties." Sosehr diese Regelung pragmatisch verständlich ist, da der Eintretende damit das gleiche Recht erhält, das sein Vorgänger bei Vertragsabschluß hatte 80 , so bedeutet sie doch einen Stilbruch im Konzept des Eintritts, nach dem der Nachfolger nicht mehr Rechte haben kann als der Vorgänger, der im Zeitpunkt des Eintritts des neuen Staates keinen neuen Vorbehalt mehr formulieren könntes 1• Ein diesbezüglicher österreichischer Änderungsantrags 2 ist aber mit großer Mehrheit unterlegenss. Der Artikel selbst wurde im Plenarausschuß mit 76 gegen keine Stimme, aber 6 Stimmenthaltungen, im Plenum ohne Abstimmung angenommen. 2. Bilaterale Verträge

Auch bezüglich bilateraler Verträge folgen die Bestimmungen der Konvention der schon vorher von der Forschung diagnostizierten, in Entwicklung befindlichen Gewohnheit84 • Artikel24 bestimmt: ,.1. A bilateral treaty which at the date of a succession of States was in force in respect of the territory to which the succession of States relates is considered as being in force between a newly independent State and the other State party when: 7 9 A/CONF. 80/C. 1/SR. 27. so Vgl. den Kommentar der ILC zu Art. 19: a. a. 0 (Anm. 3), para. 20. st Vgl. Zemanek: a. a. 0. (Anm. 14), S. 234- 235 und O'Connell: Recueil des Cours, a. a. 0. (Anm. 32), S. 185 - 186. st A/CONF. 80/C.l/L. 25. Vgl. dazu die Erklärungen des Österreichischen Delegierten Herndl im Plenarausschuß (A/CONF. 80/C. 1/SR. 27 und 28) und im Plenum (A/CONF. 80/SR. 5). ss Mit 39 gegen 4 Stimmen und 36 Enthaltungen. s4 Vgl. Zemanek: a. a. 0. (Anm. 14), S. 244.

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(a) they expressely so agree; or (b) by reason of their conduct they are tobe considered as having so agreed. 2. A treaty considered as being in force under paragraph 1 applies in the relations between the newly independent State and the other State party from the date of the succession of States, unless a different intention appears from their agreement or is otherwise established."

Über Absatz llit. b fand eine gesonderte Abstimmung statt, weil die Formulierung einigen Staaten dem Konzept des automatischen Übergangs zu nahe zu kommen schien; es wurde aber mit 56 gegen 6 Stimmen und 12 Stimmenthaltungen für die Beibehaltung entschieden. Danach wurde der Artikel im Plenarausschuß und im Plenum ohne Abstimmung angenommen. Das der Bestimmung zugrunde liegende juristische Modell ist die Novation, die sich von einem neuen Vertragsabschluß mit identischem Inhalt durch die Rückwirkung auf den Tag der Unabhängigkeit unterscheidet, also eine Lösung darstellt, der wir bei den multilateralen Verträgen schon begegnet sind. Die restlichen Bestimmungen dieses Abschnitts der Konvention ziehen die Konsequenz aus dem Konzept und ordnen an, daß durch d;.e Novation keine Vertragsbeziehung zwischen Gebietsvorgänger und -nachfolger, mit anderen Worten also: kein plurilateraler Vertrag, entstehe (Artikel 25) 85 und daß Änderungen im Vertrag zwischen den ursprünglichen Parteien oder dessen Endigung den durch Novation entstandenen Vertrag nicht berühren (Artikel 26).

V. ,Normale' Fälle In Abschnitt II.5 wurde darauf hingewiesen, daß in allen Fällen der Staatensukzession, die nicht zu "newly independent states" führen, andere Folgen als bei diesen eintreten. Die diesbezüglichen Vorschriften sind in Teil IV der Konvention (Artikel 31- 38) niedergelegt. Sie beruhen, kurz gesagt, auf dem Konzept der automatischen Nachfolge in alle Verträge. Entspricht diese Regelung, soweit es sich um Zusammenschlüsse handelt, sowohl der Staatenpraxis wie auch juristischer Logik, und läßt sich gleiches auch noch für Dismembrationen sagen, bei denen der bisherige Rechtsträger verschwindet, so kann das für Separationen nicht behauptet werden. Daß dennoch auch sie unter die Einheitsregelung fallen, ist zum Teil auf die nicht ganz glückliche Idee der ILC zurückzuführen, Dismembrationen und Separationen in einem Artikel 85 Erstaunlicherweise fand über diese bloß folgerichtige Bestimmung eine Abstimmung im Plenarausschuß statt, die 57 zu 8, bei 7 Stimmenthaltungen für die Beibehaltung ausfiel.

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zu regeln. Artikel 33 Abs. 1 ihres Entwurfs (jetzt Art. 34 Abs. 1) formuliert daher: "When a part or parts of the territory of a State separate to form one or more States, whether or not the predecessor State continues to exist: (a) any treaty in force at the date of the succession of States in respect of the entire territory of the predecessor State continues in force in respect of each successor State so formed 8e; (b) any treaty in force at the date of the succession of States in respect only of that part of the territory of the predecessor State which has become a successor State continues in force in respect of that successor State alone." Die ILC hielt aber selbst fest 87 , daß die automatische Nachfolge im Falle nicht-kolonialer Separationen nicht auf eine einheitliche Staatenpraxis gestützt werden könne, sondern eher das Ergebnis ,fortschrittlicher Entwicklung' durch sie sei. Sie wollte die Situation dann auch wieder dadurch mildern, daß sie folgenden Absatz 3 formulierte: "Notwithstanding paragraph 1, if a part of the territory of a State separates from it and becomes a State in circumstances which are essentially of the same character as those existing in the case of the formation of a newly independent State, the successor State shall be regarded for the purposes of the present articles in all respects as a newly independent State." Mit diesem Absatz bekam die Konferenz Schwierigkeiten88 • Frankreich und die Schweiz hatten einen Änderungsantrag eingebracht8g, der die unterschiedliche Behandlung kolonialer und nicht-kolonialer Separationen dadurch beseitigen wollte, daß er in der Definition des "newly independent State" in Art. 2 Abs. 1lit. f die Bedingung der ,Abhängigkeit' vor Eintritt der Separation eliminierte90 , wodurch die in Abschnitt IV behandelte Regelung auch auf nicht-koloniale Separationen Anwendung gefunden hätte. Konsequenterweise forderte der französisch-schweizerische Änderungsantrag daher die Streichung des Absatzes 3 aus Artikel 33. Da es in Kodifikationskonferenzen aber üblich ist, Definitionsartikel erst am Schluß zu behandeln, kam der als Konsequenz gedachte Streichungsantrag zu Art. 33 Abs. 3 zuerst zur Abstimmung - und wurde 88 Ein französisch-schweizerischer Antrag in A/CONF. 80/C. 1/L. 41/Rev. 1 auf Streichung der lit. a scheiterte mit 69 Stimmen gegen 7, bei 9 Enthaltungen. 87 Siehe Kommentar zu Art. 33, a. a. 0. (Anm. 3), paras. 19- 31; sowie den Expert Consultant (und letzten Spezialberichterstatter der ILC im Gegenstand) Sir Francis Vallat, in A/CONF. 80/C. 1/SR. 48 und den schweizerischen Delegierten Ritter in A/CONF. 80/C. 1/SR. 40. 88 Vgl. die langen Debatten in A/CONF. 80/C. 1/SR. 40-42 und 47-49. 8g Siehe Anm. 86. go Siehe Text bei Anm. 65.

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in einer namentlichen Abstimmung mit 52 gegen g Stimmen und 22 Enthaltungen auch angenommen91 , Absatz 3 also gestrichen. Als aber drei Sitzungen später der Definitionsartikel behandelt wurde, wurde der französisch-schweizerische Änderungsantrag zu Abs. llit. f - ob wegen Aussichtslosigkeit oder wegen eines Denkfehlers, läßt sich nicht sagen- zurückgezogen92 • Es nützte den unglücklichen Autoren dann nichts mehr, daß sie bei der Behandlung des Artikel 33 im Plenum - das Problem war nunmehr offenkundig - eine Abstimmung verlangten und gegen ihr eigenes Werk stimmten; der Artikel wurde in der vorliegenden Form mit 68 gegen 5 Stimmen ohne Stimmenthaltungen angenommen93 • Die verschiedene Behandlung nicht-kolonialer Separationen war damit festgeschrieben. Durch diese taktische Ungeschicklichkeit wird die bisher auf das internationale Wirtschaftsrecht beschränkte Bevorzugung der aus der Entkolonisierung entstandenen Staaten (Entwicklungsländer) auf einen Bereich ausgedehnt, der bisher vom Prinzip der souveränen Gleichheit beherrscht war. Man kann diese verschiedene Behandlung nicht einmal mit einem Unterschied in der Interessenlage rechtfertigen, denn warum sollten die Separation Singapurs von Malaysia oder die Sezession Bangla Desch's von Pakistan wirklich anders behandelt werden als die Entstehung der Staaten, von denen sie sich lösten 9'? Überdies stellt die Regelung auch eine Belastung aller anderen Staaten dar, die nun verpflichtet sind, ihre bilateralen Verträge mit dem neuen Staat fortzusetzen, auch wenn das, etwa im Falle eines Auslieferungs- oder Niederlassungsvertrages, politisch oder wirtschaftlich gar nicht opportun ist.

VI. Die Vorschriften über die Streitbeilegung Zum Schluß noch einige Bemerkungen zu den Streitbeilegungsvorschriften. Nicht, weil sie etwas besonderes sind 94", sondern deshalb, 91 A/CONF. 80/C. 1/SR. 49. Der geänderte Artikel wurde daraufhin mit 73 gegen 4 Stimmen und 6 Enthaltungen angenommen; ebenda. 92 A/CONF. 80/C. 1/SR. 52. 93 A/CONF. 80/SR. 17. 94 Dazu der Delegierte von Sri Lanka, Breckenridge, in A/CONF. 80/C. 1/ SR. 48. Singapur stimmte auch gegen die Streichung des Absatzes 3; siehe Anm. 91. Bangla Desch nahm an der Konferenz nicht teil. 94 " Die anderslautenden Behauptungen von R. Lavalle V.: Dispute settlement under the Vienna Convention on Succession of States in respect of treaties. American Journal of International Law 73 (1979), S. 407-425 entspringen größtenteils der Phantasie des Autors und entsprechen nicht der realen Verhandlungssituation.

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weil sich aus ihnen die gegenwärtige Stimmung der Staatengemeinschaft in der Frage ablesen läßt. Obwohl der ILC bei ihrer Schlußberatung ein Vorschlag für Streitbeilegungsvorschriften vorlag, nahm sie solche aus praktischen Erwägungen nicht in ihren Entwurf auf 95 • Auf der Konferenz machten die Vereinigten Staaten einen diesbezüglichen Vorschlagv8 , zu dem die Niederlande einen Änderungsantragv7 einbrachten. Da sich rasch zeigte, daß auf ihrer Grundlage eine Einigung nicht werde erzielt werden können, aber doch ein weitverbreiteter Wunsch nach einer einschlägigen Regelung bestand98 , wurde eine Ad hoc Group on settlement of disputes' mit der Ausarbeitung entsprechender Vorschläge betrautn. Das Ergebnis ihrer Verhandlungen100 , der gegenwärtige Teil VI der Konvention (Art. 41- 45) und Annex, wurde im Plenarausschuß 101 und im Plenum10! ohne Abstimmung angenommen. Das Streitbeilegungsverfahren, das auf Vorschlägen des Vereinigten Königreichs und von Trinidad und Tobaga in der Ad-hoc-Gruppe beruht, geht schrittweise von Konsultationen und Verhandlungen (Art. 41) zu einem obligatorischen, einseitig einleitbaren Vergleichsverfahren (Art. 42 und Annex), das dem Verfahren der Wiener Vertragsrechtskonvention (Art. 66 lit. b und Annex) nachgebildet ist und mit einer Empfehlung der Vergleichskommission endet (Ziff. 6 des Annexes). Die Vertragsparteien können aber jederzeit (bei Unterzeichnung, Ratifikation, Beitritt oder auch später) erklären, daß sie für einen durch die vorhergehenden Verfahren nicht erledigten Streit die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofes, bzw. eines Schiedsgerichts, auf einseitigen Antrag anerkennen, vorausgesetzt, daß der Streitgegner eine gleichlautende Erklärung abgegeben hat (Art. 43). Außerdem steht es den Streitgegnern frei, ihren Streit einvernehmlich sofort einem Verfahren ihrer Wahl zu unterwerfen (Art. 44). Ein weiterer Artikel stellt fest, daß Streitbeilegungsverpflichtungen der ParVgl. den Bericht, a. a. 0. (Anm. 3), paras. 79- 81. A/CONF. 80/C. 1/L. 38; Art. 39bis. V7 A/CONF. 80/C. 1/L. 56. 98 Vgl. A/CONF. 80/C. 1/SR. 44- 46. n Bestehend aus: Brasilien, Bulgarien, CSSR, Guyana, Irak, Malaysia, Mali, Niederlande, Niger, Sri Lanka, Swaziland, Sowjetunion, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten und Venezuela, unter dem Vorsitz des Konferenzpräsidenten. Zusätzlich trat noch Trinidad und Tobaga hinzu. Die teilnehmenden Staaten waren von den regionalen Gruppen entsendet worden. 100 A/CONF. 80/C. 1/L. 60: Agreed text of the ad hoc Group on settlement of disputes. 1 01 A/CONF. 80/C. 1/SR. 52. 102 A/CONF. 80/SR. 14. 95

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i7 Festsehr1ft 1ür Alfred Verdross

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teien, die außerhalb der Konvention begründet sind, durch deren Bestimmungen nicht berührt werden (Art. 45). Der Kernpunkt der Verhandlungen betraf den gegenwärtigen Artikel 43 und hier die Frage, ob der Artikel eine Pflicht formulieren sollte, von der sich eine Vertragspartei durch Erklärung befreien könne (Arbeitspapier des Vereinigten Königreichs) oder ob umgekehrt, die Pflicht erst durch Erklärung begründet werden solle (Arbeitspapier von Trinidad und Tobago). Daß letztlich die zweite Methode den Vorzug erhielt kann als Indiz dafür gewertet werden, daß die Masse der Staaten, vor allem also die ,neuen unabhängigen Staaten', eine nicht notwendigerweise bewußte Scheu vor dem Verfahren des ,opting out' haben und das ,opting in' vorziehen. Eine Tendenz, die schließlich auch den sie betreffenden Sachteil der Konvention durchzieht.

IV. Bibliographie und Mitarbeiterverzeichnis

VERZEICHNIS DER WISSENSCHAFTLICHEN VERÖFFENTLICHUNGEN Zusammengestellt von Helene Scheuba

I. Selbständige Publikationen 1. Die völkerrechtswidrige Kriegshandlung und der Strafanspruch der Staaten. Berlin 1920, Engelmann. 2. Die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsverfassung. Tübingen 1923, Mohr. 3. Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft. Wien-Berlin 1926, Springer. 4. Die rechtliche Lage Deutsch-Südtirols. Schriften des Instituts für Statistik der Minderheitenvölker an der Universität Wien, 1926, Heft 5, II. 5. Rechtsfälle aus dem Völkerrecht, Wien 1931, Perles. 6. Völkerrecht. 1. Auflage, Berlin 1937, Springer. 7. Antike Rechts- und Staatsphilosophie. 1. Auflage, Wien 1946, Springer. 8. Antike Rechts- und Staatsphilosophie. 2. Auflage, Wien 1948, Springer. 9. Völkerrecht. 2. Auflage, Wien 1950, Springer. 10. Völkerrecht. 3. Auflage, Wien 1955, Springer. 11. Die immerwährende Neutralität der Republik Österreich. Osterreichischer Bundesverlag, Wien 1958. 2. Auflage 1966, 3. Auflage 1967. 12. Abendländische Rechtsphilosophie. Ihre Grundlagen und Hauptprobleme in geschichtlicher Schau. Wien 1958, Springer. 2. Auflage 1963. 13. Völkerrecht. 4. Auflage, Wien 1959, Springer. 5. Auflage 1964. 14. The Permanent Neutrality of the Republic of Austria, Wien 1968, Verlag f. Politik u. Geschichte. 15. Statisches und dynamisches Naturrecht, Freiburg i. Br. 1971, Rombach. 16. Die Quellen des universellen Völkerrechts, Freiburg i. Br. 1973, Rombach. 17. Die Würde des Menschen und ihr völkerrechtlicher Schutz, Wien 1975, Verlag Pressehaus St. Pölten. 18. Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis (in Verbindung mit B.Simma), Berlin 1976, Duncker u. Humblot. 19. Osterreichs immerwährende Neutralität, Wien 1978, Verlag f. Politik u. Geschichte. 20. Austria's Permanent Neutrality, Wien 1978, ibid. 21. NeutraUte permanente de l'Autriche, Wien 1978, ibid. 22. Die immerwährende Neutralität Österreichs, München 1978, Oldenbourg.

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Helene Scheuba II. Sonstige Publikationen

1. Das Problem des freien Ermessens und die Freirechtsbewegung. Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht, 1914, Heft I, Seite 616. 2. Zur Konstruktion des Völkerrechts. Zeitschrift für Völkerrecht, 1914, Heft 8, Seite 329. 3. Die Rechtskraft der kaiserlichen Verordnung vom 7. Juli 1915 über die zeitweilige Einstellung der Geschworenengerichte. Juristische Blätter, 1915, Heft 44, Seite 426. 4. Die Neuordnung der gemeinsamen Wappen und Fahnen in ihrer Bedeutung für die rechtliche Gestalt der österreichisch-ungarischen Monarchie. Juristische Blätter, 1916, Heft 45, Seite 121 und 134. 5. Zum Problem der Rechtsunterworfenheit des Gesetzgebers. Juristische Blätter, 1916, Heft 45, Seite 471 und 483. 6. Die bedingte Abolition und ihr Einfluß auf das Strafverfahren. Allgemeine Österreichische Gerichtszeitung, 1916, Heft 67, Seite 134 und 143. 7. Die Geltung der allgemeinen strafrechtlichen Nebengesetze für Militärpersonen und deren Anwendungsmöglichkeit durch die Militärgerichte. Allgemeine Österreichische Gerichtszeitung, 1916, Heft 67, Seite 335. 8. Das Verhältnis der verfassungsmäßigen Staatenverträge zum Österreichischen Gesetzesrecht, insbesondere zum Strafrecht. Ein Beitrag zur Anwendung der Haager Konvention von 1899, bzw. 1907 durch Gerichte. Juristische Blätter, 1917, Heft 46, Seite 541 und 553. 9. Reichsrecht und internationales Recht. Eine Lanze für Art. 3 des Regierungsentwurfes der deutschen Verfassung. Deutsche Juristenzeitung, 1919, Heft 24, Seite 291. 10. Die ideologischen Wurzeln des Rätesystems. Deutsche Politik, 1919, 4, Heft 27, Seite 18. 11. Gelten die zwischen Österreich-Ungarn und Deutschland abgeschlossenen Staatsverträge weiter im Verhältnis zwischen Deutschland und der Republik Österreich? Deutsche Juristenzeitung, 1920, Heft 25, Seite 601. 12. Staatliches Recht und Völkerrecht. Die Stellung der neuen deutschen und Österreichischen Verfassung zum Völkerrecht. Schweizerische Juristenzeitung, 1920, Heft 17, Seite 246. 13. Die Souveränität der Staaten und das Völkerrecht. Friedenswarte, 1920, Heft 20. 14. Grundlagen und Grundlegungen des Völkerrechts. Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht, 1921, Heft 29, Seite 65. 15. Der Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, 1921, Heft X, Seite 474. 16. Johann Jakob Masers Programm einer Völkerrechtswissenschaft der Erfahrung. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1922, Heft 3, Seite 96. 17. La cour constitutionelle d'Autriche et le problerne de la succession des etats. Bulletin de !'Institut Intermediaire Internationale, 1922, Heft 7, Seite 20. 18. Völkerrecht und einheitliches Rechtssystem. Kritische Studie zu den Völkerrechtstheorien von Max Wenzel, Hans Kelsen und Fritz Sanders. Zeitschrift für Völkerrecht, 1923, Heft 12, Seite 405.

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19. Zur Konfiskation ausländischen Privateigentums nach Friedensvölkerrecht. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1924, Heft 4, Seite 321. 20. Die Völkerrechtswidrigkeit der Enteignung ausländischer Grundstücke ohne volle Entschädigung. Juristische Wochenschrift, 1924. 21. Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie. Strupp, 1924, folgende Beiträge: Die Amnestieklausel in den Friedensverträgen, Heft I, Seite 38. Anerkennung von Staaten, Heft I, Seite 50. Organisation des Osterreichischen auswärtigen Amtes, Heft I, Seite 94. Bentinck, Versprechen an Genua, Heft I, Seite 128. de Löme-Fall, Heft I, Seite 225. Entstehung von Neustaaten und der Neustaaten nach dem Weltkrieg, Heft I, Seite 283. Genet-Fall, Heft I, Seite 376. Gleichberechtigung der Staaten, Heft I, Seite 423. Gore-Fall, Heft 1, Seite 429. Hagerty-Fall, Heft I, Seite 499. Kriegsverbrechen und Kriegsverbrecher, Heft I, Seite 775. Mc Ilvaine v. Coxens Lessee, Heft li, Seite 22. Völkerrechtliche Stellung des Staatseigentumes, Heft li, Seite 598. Staatsgewalt, Heft li, Seite 604. Staatsverträge, Heft li, Seite 655. Staatsverträge, Heft li, Seite 663. Stimmeneinhelligkeit, Stimmenverhältnis, Heft li, Seite 681. Untergang von Staaten, Heft II, Seite 769. Allgemeines und partikuläres Völkerrecht, Heft III, Seite 181. Begriff und Rechtsnatur des Völkerrechts, Heft III, Seite 183. Völkerrechtsquellen, Heft III, Seite 292. 22. Zur neuesten Lehre von den Staatenverbindungen. Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht, 1925, Heft 35, Seite 257. 23. Die gesellschaftswissenschaftliehen Grundlagen der Völkerrechtstheorie. Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, Heft 18, Seite 413. 24. Welche Bedeutung haben zwischenstaatliche Verträge für die innerstaatliche Gesetzgebung. Verhandlungsschrift des 2. deutschen Juristentages in der Tschechoslowakei. Brünn, 1925, Seite 232. 25. Deutsch-Südtirol und der Völkerbund. Friedenswarte, 1926, Heft 26. 26. Das Unrecht der Brenner Grenze und das Recht Deutsch-Südtirols. Deutsche Juristenzeitung, 1926, Heft 31, Seite 334. 27. Individualistische und Universalistische Völkerrechtsauffassung. Abendland, 1926, Heft I. 28. Le fondement du droit international. Recueil des Cours de l'Academie de Droit International, 1927, Heft 16, I, Seite 251. 29. Staatsgebiet, Staatengemeinschaftsgebiet und Staatengebiet. Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht, 1927, Heft 37, Seite 293. 30. Völkerrechtsgemeinschaft und Bundesstaat. Ein Beitrag zur Gliederung des einheitlichen Rechtssystems. Internationale Zeitschrift für Theorie des Rechts, 1927, Heft 2. 31. Die kirchenfeindliche Gesetzgebung in Mexico. Das neue Reich, 1928, Heft 11, Seite 153.

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32. Das Völkerrecht im System von Spinoza. Sonderheft der Zeitschrift für öffentliches Recht zum 70. Geburtstag Strisowers, 1928, Heft 7, Seite 100. 33. Die Verbindlichkeit der Entscheidungen internationaler Schiedsgerichte und Gerichte über ihre Zuständigkeit, unter besonderer Berücksichtigung des ungarisch-rumänischen Streitfalles über die Durchführung der Agrarreform in Siebenbürgen. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1928, Heft 7, Seite 439. 34. L'exces de pouvoir du juge arbitral dans le droit international public. Revue de droit international et de legislation comparee, 1928, Heft 9, Seite 225. 35. Eine neue Souveränitätslehre. Friedenswarte, 1928, Heft 28. 36. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze im Völkerrecht. Friedenswarte, 1928, Heft 28. 37. Les regles generales du droit international de la paix. Recueil des Cours de l'Academie de Droit International, 1929, Heft 30, V, Seite 275. 38. Die Generalakte der IX. Völkerbundversammlung. Friedenswarte, 1929, Heft 29, Seite 268. 39. Die Rechtstheorie Hans Kelsens. Juristische Blätter, 1930, Heft 59, Seite 423. 40. Die Ausnahmen vom Kriegsverbot des Kellogg-Paktes. Friedenswarte, 1930, Heft 30, Seite 65. 41. Die Quellen des Völkerrechts. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, 1930, Heft 10, Seite 81. 42. Die sittlichen Grundlagen des modernen Völkerrechts. Das neue Reich, 1930, Heft 13, Seite 225. 43. Les regles internationales concernant le traitement des etrangers. Recueil des Cours de l'Academie de Droit International, 1931, Heft 37, III, Seite 327. 44. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze im Völkerrecht, in: "Recht, Staat und Gesellschaft", Festschrift zum 50. Geburtstag Kelsens. Wien 1931, Springer, Seite 362. 45. Die Bedeutung Leo Strisowers für die Völkerrechtswissenschaft. Juristische Blätter, 1931, Heft 60, Seite 25. 46. Les principes generaux de droit comme source du droit des gens. Annuaire de !'Institut de Droit International, 1932, Heft 37, Seite 283 und 320. 47. Organisation des Friedens. Zeitschrift der Deutschen Liga für den Völkerbund, 1933, Heft 43 - 44. 48. Allgemeines und europäisches Völkerrecht. Paneuropa, 1933, Heft IX, Seite 56. 49. Vierhundert Jahre Völkerrechtswissenschaft. Stimmen der Zeit, 1933, Heft 125, Seite 36. 50. Les principes generaux de droit comme source du droit des gens. Annuaire de !'Institut de Droit International, 1934, Heft 38, Seite 490. 51. Durch das Christentum zum Wiederaufstieg Europas. Schönere Zukunft, IX, Nr. 15, 1934, Seite 343. 52. Staat und überstaatliche Gemeinschaft. Schönere Zukunft, 1934, IX, Nr. 36, Seite 919.

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53. Vseobecne Pravnf Zasady a Mezinärodnf Prävo. Stätni Tiskärna v Praze, 1934, Seite 450. 54. Les principes generaux du droit dans la jurisprudence internationale. Recueil des Cours de l'Academie de Droit International, 1935, Heft 52, II, Seite 195. 55. Anfechtbare und nichtige Staatsverträge. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1935, Heft 15, Seite 289. 56. L'idee du droit des gens dans la philosophie de Platon a Hege!. Melanges offerts a E. Mahaim, 1935, II, Seite 383. 57. Der Grundsatz "pacta sunt servanda" und die Grenze der guten Sitten im Völkerrecht. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1936, Heft 16, Seite 79. 58. Der Grundsatz der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung der Volksstämme auf Grund der Kollektivverträge über den Minderheitenschutz. Juristische Blätter, 1936, Heft 65, Seite 293. 59. Die Streitschlichtung im Völkerbund. Kritische Bemerkungen zu den Reformvorschlägen Hans Kelsens. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1937, Heft 17, Seite 583. 60. Forbidden Treaties in International Law. American Journal of International Law, 1937, Heft 31, Seite 571. 61. Les principes generaux de droit comme source du droit des gens. Annuaire de l'Institut de Droit Int,~rnational, 1937, Heft 40, Seite 183. 62. Das Verfahren des Art. 15 Abs. 4 der Völkerbundsatzung als Mittel der friedlichen Änderung unbefriedigender zwischenstaatlicher Zustände. Völkerbund und Völkerrecht, 1937, Heft 9, 4, Seite 505. 63. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze und das Völkerrecht. Festschrift für Dolenc, Krek, Kusej und Skerlj zu ihrem 60. Geburtstag, Ljubljana, 1937, Seite 1. 64. Prisenrecht im spanischen Bürgerkrieg? Völkerbund und Völkerrecht, 1937, Heft 11, 4, Seite 665. 65. Les principes generaux du droit applicables aux rapports internationaux. Revue generale de droit international public, 1938, Heft 45, Seite 44. 66. La loi de la formation des groupes juridiques et la notion de droit international public. Recueil d'Etudes en l'honneur d'Edouard Lampert, § 75, 1938, Seite 112. 67. Grundlagen und Grundsätze des Völkerrechts in christlicher Schau. Schönere Zukunft XIII, Nr. 16, 1938, Seite 385. 68. Das neue nordische Neutralitätsrecht. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1939, Heft 19, Seite 44. 69. Das neue italienische Kriegs- und Neutralitätsrecht. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1939, Heft 19, Seite 193. 70. Die einseitige Lossagung Frankreichs und Großbritanniens von den Pflichten der fakultativen Klausel. Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht, 1939, Heft 29, 6. 71. Die neuesten europäischen Kodifikationen des Neutralitätsrechts. Monatshefte für auswärtige Politik, 1939, 8. Heft. 72. Die Bestrafung von Kriegsgefangenen wegen Kriegsverbrechen. Zeitschrift für Wehrrecht, 1940, 2/4 Heft, V, Seite 168.

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73. Theorie der mittelbaren Staatenhaftung. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1941, Heft 21, Seite 283. 74. Die Rechtslehre Heraklits. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1942, Heft 22, Seite 498. 75. Die Anfänge der europäischen Rechts- und Staatslehre bei Hesiod. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1944, Heft 23, Seite 392. 76. Krieg, Frieden und Weltorganisation. Der Turm 1, 1945, Heft 3, Seite 54. 77. Völkerbundsatzung und Charter der Vereinten Nationen. Juristische Blätter, 1946, Heft 68, Seite 23. 78. Die internationale Anerkennung der Menschenrechte. Wort und Tat, 1946, Heft 3, Seite 7. 79. Ein Jahr UNO. Woge, 1946, Heft 14, Seite 1. 80. Eine dänische Völkerrechtstheorie. Juristische Blätter, 1947, Heft 69, Seite 501. 81. Le Nazioni unite e i terzi Stati. La Communita internazianale II, 1974, Nr.4. 82. Das wahre Völkerrecht und sein Begründer. Der Turm, 1947, Heft 5/6, II, Seite 213. 83. Die Völkerrechtssubjektivität der Gliedstaaten der Sowjetunion. Osterreichische Zeitschrift für öffentliches Recht 1, 1948, Seite 212. 84. Theorie der mittelbaren Staatenhaftung. Osterreichische Zeitschrift für öffentliches Recht 1, 1948. Seite 388. 85. Die internationale Anerkennung der Menschenrechte als Voraussetzung des Weltfriedens. Maser, Weltbild und Menschenbild, 1948, Seite 229. 86. Die Stellung der Schweiz in der Staatengemeinschaft. Schriftenreihe der Österreichischen UNESCO-Kommission 1, 1948, Heft 7, Seite 1. 87. Nichtige und strafbare Staatsakte im Völkerrecht. Juristische Blätter, 1949, Heft 71, Seite 57. 88. Die völkerrechtliche Abgrenzung der Staatsangehörigkeit. Juristische Blätter, 1949, Heft 71, Seite 197. 89. On the Concept of International Law. American Journal of International Law, 1949, Heft 43, Seite 435. 90. Void and Punishable Acts of State in International Law. The Western Political Quarterly, 1949, Heft II, Seite 183. 91. Souveränität, Völkerrecht und internationale Gemeinschaft. Politeia I, 1949, Fase. 3/4, Seite 264. 92. Kommentierung der §§ 33 - 38 (Internationales Privatrecht und Exterritorialität) in Klang's Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 1949, Heft I, Seite 265. 93. Die völkerrechtliche Abgrenzung der Staatsangehörigkeit. "Jus gentium" 1949, Heft 2, I, Seite 137. 94. Territoriale Souveränität und Gebietshoheit. "Jus gentium", 1949, Heft 3, I, Seite 247. 95. Die völkerrechtliche Identität von Staaten. Festschrift für Klang, Juristische Blätter, 1950, Heft 72, Seite 18. 96. Zur Klärung des Rechtsbegriffes. Juristische Blätter, 1950, Heft 72, Seite 97.

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97. Die systematische Verknüpfung von Recht und Moral. Forum der Rechtsphilosophie, 1950. 98. Die völkerrechtliche Stellung Deutschlands von 1945 bis zur Bildung der westdeutschen Regierung. Archiv des Völkerrechts, 1951, Heft 3, Seite 129. 99. Eine Antinomie der Rechtstheorie. Juristische Blätter, 1951, Heft 73, Seite 169. 100. Hans Kelsen zum 70. Geburtstag. Juristische Blätter, 1951, Heft 73, Seite 425. 101. Die bona fides als Grundlage des Völkerrechts. Juristische Blätter, 1951, Heft 73, Seite 559. 102. Der Weg zum Frieden. Wissenschaft und Weltbild, 1951, Heft 4, Seite 321. 103. Antikritische Bemerkungen zur vorstehenden Abhandlung von Paul Guggenheim. Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht, 1952, Heft 4, Seite 285. 104. Die Stellung des Apostolischen Stuhles in der Internationalen Gemeinschaft. österreichisches Archiv für Kirchenrecht, 1952, Heft 111, Seite 54. 105. La banne foi comme fondement du droit international public. Revue hellenique de droit international, 1952, Heft V, Seite 17. 106. Aufgaben und Grenzen des Völkerrechts. Inaugurationsrede vom 22. November 1951. Die feierliche Inaug:Jration des Rektors der Wiener Universität für das Studienjahr 1951/52, 1952, Seite 10. 107. La competence nationale des Etats. Annuaire de !'Institut de Droit International, 1952, Heft 44, I, Seite 176. 108. Völkerrecht und Wirtschaft, in: Lagler-Messner: Wirtschaftliche Entwicklung und soziale Ordnung. Festschrift für Degenfeld, 1952, Seite 115. 109. Idees directrices de !'Organisation des Nations Unies. Recueil des Cours de l'Academie de Droit International, 1953, Heft 83, II, Seite 7. 110. Die Wertgrundlagen des Völkerrechts. Archiv des Völkerrechts, 1953, Heft 4, Seite 129. 111. The Charter of the United Nations and General International Law, in Lipsky: Law and Politics in the World Community. Festschrift für Kelsen, Berkeley, 1953, Seite 153. 112. Die bona fides als Grundlage des Völkerrechts, in: Gegenwartsprobleme des internationalen Rechts und der Rechtsphilosophie. Festschrift für Laun, 1953, Seite 29. 113. Entwicklung und Grundsätze des globalen Völkerrechts. Universitas, 1953, Heft 5, 8, Seite 473. 114. Droit International Public et Droit Interne. Revue de Droit International, 1954, Heft 32, Seite 219. 115. Die Idee der menschlichen Grundrechte. Anzeiger der philosophischhistorischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1954, Heft 23, Seite 335. 116. General International Law and the United Nations Charter. International Affairs XXX, 1954, Heft 3, Seite 342. 117. Rechtswissenschaft und Weltanschauung. Mitteilungen der Wiener Katholischen Akademie, 1955. Heft 6, Folge 3, Seite 49.

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118. Die dauernde Neutralität Österreichs und die Organisation der Vereinten Nationen. Juristische Blätter, 1955, Heft 77, Seite 345. 119. Österreichs Recht auf politische Unabhängigkeit. Österreichische Monatshefte, 1955, Heft 11, Nr. 4, Seite 6. 120. Ludwig Adamovich, Nachruf. Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1956, Heft 105, Seite 347. 121. Gegenwartsströmungen der Rechtsphilosophie. Wissenschaft und Weltbild, 1956, Heft 9, Seite 161. 122. Austria's Permanent Neutrality and the United Nations Organization. American Journal of International Law, 1956, Heft 50, Seite 61. 123. Zum Problem der völkerrechtlichen Grundnorm, in: Rechtsfragen der internationalen Organisation. Festschrift für Wehberg zu seinem 70. Geburtstag, 1956, Seite 385. 124. Recht und Friede in der Lehre Pius XII. Der große Entschluß, 1956, Heft 11, Seite 404. 125. La neutraUte dans le cadre de l'ONU, particulierement celle de la Republique d'Autriche. Revue Generale de Droit International Public, 1957, Heft 60, Seite 177. 126. Die Erneuerung der materialen Rechtsphilosophie. Zeitschrift für Schweizerisches Recht, 1957, Heft 76, Seite 181. 127. Die Menschenrechte, ihre Gesehichte und Problematik, in: Gemeinschaft des Geistes. Schriftenreihe der Österreichischen Unesco-Kommission, 1957, Heft 14, Seite 47. 128. Los comienzos de la teoria europea del Derecho y del Estado en Hesiodo. Dianoia, Mexico City, 1957, Seite 221. 129. Neutralität und Neutralismus im Lichte des Naturrechts. Der große Entschluß, 1957, Heft 12, Seite 400. 130. Weltpolitik und Völkerrecht. Blätter für internationale Verständigung, 1957, 84.- 85. Folge. 131. Le domaine reserve des Etats en droit international, in: Aktuelle Probleme des Internationalen Rechts, I, Schriftenreihe der Deutschen Gruppe der AAA, 1957, Seite 25. 132. Die ausschließliche Zuständigkeit der Staaten nach der Satzung der Vereinten Nationen. Scritti di diritto internazianale in onore di T. Perassi, 1957, Seite 381. 133. Die völkerrechtliche Neutralität im Wandel der Geschichte. Veröffentlichungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaft, 1957, Heft 8, Seite 101. 134. Die Bedeutung der Philosophie für die Religion. Der große Entschluß, 1958, Heft 13, Seite 339. 135. Die Sicherung von ausländischen Privatrechten aus Abkommen z·..r wirtschaftlichen Entwicklung mit Schiedsklauseln. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1958, Heft 18, Seite 635. 136. Die Österreichische Neutralität. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1958, Heft 19, Seite 512. 137. Die völkerrechtliche Neutralität im Wandel der Zeiten. Estudios de Derecho Internacional, Homenaje al Professor Camilo Barcia Trelles, 1958, Seite 351.

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138. Neutrality within the Framework of the United Nations Organization. .,Symbolae Verzijl" 1958, Seite 410. 139. Der Friede in der internationalen Gemeinschaft nach der Lehre Pius XII. Der große Entschluß, 1959, Heft 14, Seite 253. 140. The Status of Foreign Private Interests Stemming from Economic Development Agreements with Arbitration Clauses. Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht, 1959, Heft 9, Seite 449. 141. Die Nationalisierung Niederländischer Unternehmungen in Indonesien im Lichte des Völkerrechts. Nederlands Tijdschrift voor International Recht, 1959, Heft VI, Seite 278. 142. Protection of Private Property under Quasi-International Agreements. Varia Juris Gentium, Festschrift für J. P. Francois. Nederlands Tijdschrift voor International Recht, 1959, Heft VI, Seite 355. 143. Les fondements de droit international de la neutralite permanente de la Republique Autrichienne. Archives Diplomatiques et Consulaires, 1959, Heft 24, Nr. 516, Seite 174. 144. Primäres Naturrecht, sekundäres Naturrecht und positives Recht in der christlichen Rechtsphilosophie. .,Jus et Lex", Festgabe zum 70. Geburtstag von Max Gutzwiller, 1959, Seite 447. 145. Der europäische Schutz der Menschenrechte. Österreichische Zeitschrift für Außenpolitik, 1960, Heft I, Seite 91 ff.

146. Österreich, die europäische Wirtscll.aftsintegration und das Völkerrecht. Europa-Archiv, 1960, Heft 15, Seite 442. 147. Begriff und Entwicklung des Völkerrechts. Propyläen-Weltgeschichte, 1960, Seite 673 ff. 148. Austria, Neutrality and United Nations. Indian Quarterly of International Law, 1960, Heft 16, Seite 24 ff. 149. Der zweite Wiener Kongreß. Der große Entschluß, 1961, Heft 16, Seite 466 ff. 150. Rechts- und Staatsphilosophie. Staatslexikon, 6. Auflage, Band 6, Seite 707 ff. 151. Naturrecht. Wörterbuch des Völkerrechts, Heft II, Seite 572. 152. Recht, Staat und Recht in der Dichtung Grillparzers, Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht, 1961, Heft 11, Seite 518 ff. 153. Eröffnungsrede bei der Wiener Diplomatenkonferenz 1961, dortselbst, Heft 12, Seite 552 ff. 154. Die Würde des Menschen in der abendländischen Rechtsphilosoph1e. Naturordnung in Gesellschaft, Staat, Wirtschaft. Festschrift für Johannes Messner, Seite 353 ff. 155. Das bonum commune humanitatis in der christlichen Rechtsphilosophie. Festschrift für F . Arnold, Seite 33 ff. 156. Das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht. The Japanese Annual of International Law, 1963, Heft 7, Seite 1 ff. 157. Der Einfluß der Naturrechtslehre auf Theorie und Praxis der internationalen Beziehungen. Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht, Heft 13, Seite 106 ff. 158. Die Erfahrungsgrundlagen der archaischen Rechtsphilosophie des Abendlandes. Festschrift für Frede Castberg, Oslo.

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159. Beständigkeit und Geschichtlichkeit im Recht. Wissenschaft und Weltbild, 1963, Seite 241 ff. 160. Quasi-international Agreements and International Economic Transactions, Yearbook of World Affairs, 1964, Heft 18, Seite 230 ff. 161. Die mehrfache Bedeutung des diplomatischen Schutzrechts. Juristische Blätter, Wien, 1964, Band 86, Seite 581 ff. 162. Jura novit curia? dortselbst, Seite 235 ff. 163. Le problerne de l'organisation internationale dans la doctrine chretienne,

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165. 166.

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169. 170.

envisage par F. Suarez et developpee par L. Taparelli d'Azeglio. Miscellanea Taparelli, Seite 529 ff. Die Rechtsphilosophie H. Henkels und die erneuerte aristotelisch-thomasische Rechtsphilosophie. Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht, 1965, Heft 15, Seite 18 ff. Dynamisches Naturrecht. Forum, 1965, Heft 12, Seite 223 ff. The Status of the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms in the Hierarchy of Rules of Law. The Indian Journal of International Law, 1965, Heft 5, Seite 455 ff. La competence nationale dans le cadre de l'ONU et l'independance des Etats. Revue generale de droit international public, 1965, Heft 69, Seite 314 ff. Ricorsi internazionali e protez:lone diplomatica per la realizzazione dei diritti dei privati. Festschrift für Rolando Quadri. Annuario di diritto internazionale, 1965, Seite 1 ff. Zwei Schweizer Schiedssprüche über quasi-völkerrechtliche Verträge. Schweizer Jahrbuch für internationales Recht, 1965, Band 21, Seite 15 ff. Le problerne d'une autorite politique mondiale. Comprendre, 1965, Heft

Nr.28. 171. Jus dispositivum and jus cogens in International Law. American Journal of International Law, 1966, Heft 60, Seite 55 ff.

172. Die geistigen Grundlagen des Lebenswerkes von Hans Wehberg. Friedenswarte, Heft 56, Seite 301 ff. 173. Gibt es Verträge, die weder dem innerstaatlichen Recht noch dem Völkerrecht unterliegen? Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Wien, 1966, Seite 129 ff. 174. Kann die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Völkerrecht weiterbilden? Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1966, Heft 26, p . 690 et ss. 175. Les affaires qui reH~vent essentiellement de la competence nationale d'un Etat d'apres laCharte des Nations Unies, en memoire de P. G. Vallindas. Universite de Tessalonique, 1966, p. 45 et ss. 176. Der Primat des Völkerrechts. Neues Forum, 1966, Heft XIII, Seite 580 ff. 177. Heinrich Lammasch. Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht, 1967, Heft XVII, Seite 214 ff. 178. Naturrecht im Disput. Wissenschaft und Weltbild, 1967, Heft 20, Seite 94 ff. 179. 11 "bonum commune humanitatis" nella dottrina del Suarez a Giovanni XXIII. Rivista internazianale di filosofia del diritto, XLIV, 1967, Seite 2 ff.

Verzeichnis der wissenschaftlichen Veröffentlichungen

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180. Die christliche Kriegsdoktrin im Wandel der Geschichte. Speculum juris et ecclesiarum (Festschrift für W. Plöchl), 1967, Seite 411 ff. 181. Unbewaffnete Neutralität? Neues Forum, 1968, Heft XV, Seite 123 f. 182. The Plea of Domestic Jurisdiction before an International Tribunal and a Political Organ of the United Nations. Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1968, Heft 28, Seite 33 ff. 183. Osterreichs Neutralität - ein Beitrag zum Frieden in der Welt, in: Die Republik Osterreich - Gestalt und Funktion ihrer Verfassung, herausgegeben von Hans Klecatsky, Verlag Herder, Wien, 1968. 184. Die Entstehung der christlichen Völkerrechtslehre und ihre Entfaltung durch die Päpste sowie durch das Zweite Vatikanische Konzil, in: Ruf und Antwort, Schriftenreihe des Kartellverbandes der katholischen Österreichischen Studentenverbindungen, des Kartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen und des schweizerischen Studentenvereines, Heft 8, 1969, Verlag Herder, Wien. 185. Les principes generaux de droit dans le systeme des sources de droit international, En hommage de Paul Guggenheim, 1968, Seite 521 ff. 186. La place de la Convention Europeenne des Droits de l'Homme dans la hierarchie des normes juridiques, dans: Les droits de l'homme en droit interne et en droit international, 1968, Colloque de Vienne. 187. Die klassische spanische Völkerrechtslehre und ihre Weiterbildung durch die letzten Päpste und dr.s 2. Vatikanische Konzil, Estudios de derecho internacional, homenaje a D. Antonio de Luna, 1968, Seite 465 ff. 188. Entstehungsweise und Geltungsgrund des universellen völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 29, 1969, Seite 635 ff. 189. Die Weiterbildung der klassischen Völkerrechtslehre durch das 2. Vatikanische Konzil, in: Osterr. Archiv f. Kirchenrecht 21, 1970, Seite 4 ff. 190. Die Entstehung der christlichen Völkerrechtslehre und ihre Entfaltung durch die Päpste, in: Der Einfluß des katholischen Denkens auf das positive Recht (hrsg. v. Tomandl), 1970, Seite 9 ff. 191. Die normative Verknüpfung von Völkerrecht und staatlichem Recht, in: Festschrift f. Adolf Merkl, 1970, Seite 425 ff. 192. Jules Basdevant (Nachruf), in: Almanach d. Osterr. Akademie d. Wissenschaften 120, 1970, Seite 376 ff. 193. Die Sozialutopie der Neuen Linken, in: Wissenschaft und Weltbild 23, 1970, Seite 163 ff. 194. Adolf Merkl (Nachruf), in: Almanach d. Osterr. Akademie d. Wissenschaften 121, 1971, Seite 388 ff. 195. Der Beitrag der christlichen Naturrechtslehre zum Primat des Völkerrechts, in: Festschrift f. Hans Kelsen zum 90. Geburtstag, Wien, 1971, Deuticke. 196. Domestic Jurisdiction under International Law, in: The University Toledo Law Review, 1971, (in memoriam Prof. Josef L. Kunz). 197. Deux theories de droit des gens apparues a l'epoque de la creation de l'Academie de droit international, in: Livre jubilaire 1923- 1973 dieser Akademie, 1973. 198. J. J. Masers Programm einer Völkerrechtswissenschaft der Erfahrung, in: Multitudo legum- ius unum, Festschrift für Wilhelm Wengler, 1973.

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Helene Scheuba

199. Hans Kelsen (Nachruf), in: Almanach d. österr. Akademie d. Wissenschaften 123, 1973, Seite 410 ff. 200. Vom Ursprung und Untergang der Rechtsordnungen im System der Verkünder des Logos, in: Dimensionen des Rechts, Gedächtnisschrift f, Rene Marcic, 1974, Seite 561 ff. 201. Due fondamenti empirici delle norme di diritto naturale, in: Rivista internazianale di filosofia del diritto 50, 1974, Seite 813 ff. 202. Hans Kelsen in memoriam, in: österr. Zeitschrift f. Öffentl. Recht 24, 1973, Seite 241 ff. 203. Le principe de la non intervention dans les affaires relevant de la competence nationale d'un Etat et l'Art. 2 (7) de la Charte des Nations Unies, in: Melanges offerts a Charles Rousseau: La communaute internationale, 1974, Seite 568 ff. 204. Begriff und Bedeutung des "bonum commune", in: San Tommaso e la filosofia oggi, Rom, 1974, Seite 279 ff. 205. Zwei empirische Begründungen naturrechtlicher Normen: Eine vergleichende Untersuchung der Ermittlung des Naturrechts durch Johannes Messner und der sozialen Moral durch Viktor Kraft, in: Ordnung im sozialen Wandel, Festschrift für J. Messner zum 85. Geburtstag, 1975. 206. 11 collegamento normativo del diritto internazianale col diritto interno e la procedura per la soluzione dei conflitti tra questi ordinamenti, in: Communicazione e Studi, Festschrift für G. Morelli, 1975. 207. Diritto internazianale e diritto interno secondo le constituzioni tedesche e austriache, in Rivista di diritto internazianale 59, 1976. 208. Die völkerrechtliche und politische Souveränität der Staaten, in: Um Recht und Freiheit, Festschrift für Fr. A. Frh. von der Heydte, 1977, Seite 703 ff. 209. Erneuerung und Entfaltung der klassischen Völkerrechtslehre durch Pius XII., in: Pius XII. zum Gedächtnis, herausg. v. H. Schambeck, 1977, Seite 613 ff. 210. Der Kampf um eine neue Weltordnung, in: Wissenschaft und Weltbild 30, 1978, Seite 215 ff. 211. La dignite de la personne humaine comme bas des droits de l'homme, Festschrift für Werner Kaegi, 1979. Zeitungsartikel und Buchbesprechungen wurden nicht berücksichtigt.

VERZEICHNIS DER HERAUSGEBER UND MITARBEITER

Adamovich, Ludwig, Dr., Hon.-Prof., Doz. für Staatsrecht, Verwaltungsrecht und Rechtsphilosophie, Sektionschef im Bundeskanzleramt, Wien Balekjian, Wabe H., DDr., Ph. D. (Manchester), Doz. an der Universität Salzburg, Vorstand der Abteilung für Europarecht an der Universität Glasgow Cornides, Thomas, Dr., Doz. für Rechtsphilosophie, Universität Graz Ermacora, Felix, Dr., Prof. für Staatslehre und österr. Verfassungsrecht, Verwaltungslehre und österr. Verwaltungsrecht, Universität Wien, Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat Fischer, Michael W., DDr., Doz. für Rechtsphilosophie und Politikwissenschaft, Universität Salzburg Fischer, Peter, Dr., Prof. für Völkerrecht und internationales Wirtschaftsrecht, Universität Wien, Prof. an der Wiener Diplomatischen Akademie Folz, Hans-Ernst, Dr., Prof. für Völkerrecht und internationale Beziehungen, Universität Linz Herndl, Kurt, Dr., ao. und bev. Botschafter, Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Wien von der Heydte, Friedrich August Freiherr, DDr., em. Prof. für Völkerrecht und Rechtsphilosophie der Universität Würzburg Hummer, Waldemar, DDDr., Doz. für Völkerrecht und Europarecht, Universität Linz Jakob, Raimund, Dr., Oberassistent am Institut für Rechtsphilosophie, Methodologie der Rechtswissenschaften und Allgemeine Staatslehre, Universität Salzburg Kaminski, Gerd, Dr., Doz. für Völkerrecht und internationale Beziehungen, Universität Wien, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für China- und Südostasienforschung, Wien Köck, Heribert Franz, Dr., M. C. L., Prof. für Völkerrecht, Universität Wien, Prof. an der Wiener Diplomatischen Akademie und an der Pontifica Accademia Ecclesiastica Rom Kussbach, Erich, Dr., Generalkonsul, österr. Delegation Berlin Lachmayer, Friedrich, Dr., Rat im Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, Wien Lang, Winfried, Dr., Botschaftsrat bei der ständigen Vertretung beim Büro der Vereinten Nationen in Genf

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Verzeichnis der Herausgeber und Mitarbeiter

Luf, Gerhard, Dr., Doz. für Rechtsphilosophie und Kirchenrecht, Universität Wien Matscher, Franz, DDr., Prof. für österr. zivilgerichtliches Verfahren und Prozeßrechtsvergleichung, Universität Salzburg, Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Mayer-Maly, Theo, Dr., Prof. für römisches und bürgerliches Recht, Universität Salzburg Messner, Johannes, DDDr., em. Prof. für Ethik und christliche Sozialwissenschaften, Universität Wien Miehsler, Herbert, Dr., Prof. für Völkerrecht, Universität Salzburg Mock, Erhard, Dr., Doz. für Rechtsphilosophie, Allgemeine Staatslehre und österreichisches Verfassungsrecht, Universität Salzburg Mokre, Johann, DDDr., em. Prof. für Rechtsphilosophie und Völkerrecht, Universität Graz Neuhold, Hanspeter, Dr., Prof. für Völkerrecht und internationale Beziehungen, Universität Wien Rocca, James V., Dr., Prof. für Völkerrecht, University of Las Vegas, New Mexico, U. S. A. Rotter, Manfred, Dr., Doz. für Völkerrecht und internationale Beziehungen, Universität Linz Schambeck, Herbert, Dr., Prof. für öffentliches Recht und politische Wissenschaften, Universität Linz; Stellvertretender Vorsitzender des Bundesrates der Republik Österreich Scheuba, Helene, Dr., Wien - Perchtoldsdorf Schild, Wolfgang, Dr., Prof. für Rechtsphilosophie und Strafrecht, Universität Bielefeld Schreiner, Helmut, Dr., Doz. für Rechtsphilosophie, Methodologie der Rechtswissenschaften, Allgemeine Staatslehre und Österreichischen Verfassungsrecht, Universität Salzburg; Obmann des Klubs der OVP-Abgeordneten im Salzburger Landtag Seidl-Hohenveldern, Ignaz, Dr., Prof. für Völkerrecht und Internationales Recht, Universität Köln Simma, Bruno, Dr., Prof. für Völkerrecht, Universität München Stranzinger, Rudolf, Dr., Mag., Assistent am Institut für Philosophie, Universität Salzburg Tammelo, Ilmar, M. A., LL.M., Dr., Prof. für Rechtsphilosophie, Methodologie der Rechtswissenschaften und Allgemeine Staatslehre, Universität Salzburg; Mitglied der Finnischen Akademie der Wissenschaften Tebaldeschi, Ivanhoe, Dr., Hon.-Prof., Doz. für Rechtsphilosophie, Universität Salzburg

Verzeichnis der Herausgeber und Mitarbeiter

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Uibopuu, Henn-Jüri, Dr., Prof. für Völkerrecht und Sowjetrecht, Universität Salzburg; Dipl. Dolmetsch für Russisch Verosta, Stephan, Dr., Prof. für Völkerrecht und Rechtsphilosophie, Universität Wien Waldstein, Wolfgang, Dr., Prof. für römisches Recht, Universität Salzburg Weinberger, Ota, DDr., Prof. für Rechtsphilosophie, Universität Graz Zehetner, Franz, Dr., Prof. für Völkerrecht, bes. Internationales Währungsund Wirtschaftsrecht, Universität Linz Zemanek, Karl, Dr., Prof. für Völkerrecht und Internationale Organisationen, Universität Wien