Kleine Schriften: Zum siebzigsten Geburtstag
 9783110866612, 9783110084108

Table of contents :
Gratulation
Tabula Gratulatoria
Inhalt
Zur griechischen Wortbildung, Morphologie und Lautlehre
Griechische Determinativkomposita, Teil I - III
Griechische Komposita vom Typus μεσο-νύϰτιος und ὁμογάστριος
Zur Vorgeschichte der sigmatischen Aoriste im Griechischen
Zur Geschichte der griechischen Ethnika
Ein Gang durch die Geschichte der griechischen Ortsnamen
Zephyros
οὐϰ ἀϑεεί
A propos de l’origine des masculins grecs en -ᾱς
Remarques sur l’accent du grec ancien
Zur Geschichte der griechischen Dialekte
Altgriechische Dialektgeographie?
Die Gliederung der griechischen Dialekte in neuer Sicht
Das Attische im Rahmen der griechischen Dialekte
Il problema dell’unità linguistica greca
Historisch-vergleichende Sprachbetrachtung und Dialektgeographie. Neue und alte Methoden in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft
Die griechischen Dialekte im 2. vorchristlichen Jahrtausend
Griechische Dichtersprache
Sprachliche Bemerkungen zu Alkaios
Namensdeutungen und Worterklärungen bei den ältesten griechischen Dichtern
Die Sprache Alkmans
Der homerische Typus ίππότα Νέστωρ und μητίετα Ζεύς
Der göttliche Schlaf bei Sappho
Les traits non-homériques chez Homère
ϑρόνος, ϑρόνα und die Komposita vom Typus χρυσόϑρονος
Sprachliche Betrachtungen zum neuen Archilochos-Fragment
Mykenisch und Frühgriechisch
La position du dialecte mycénien
Caractères et position du dialecte mycénien
Mykenisch wo-wo ko-to-no
Un problème de morphologie grecque: L’accusatif pluriel des thèmes consonantiques en mycénien
L’interprétation de la série des tablettes caractérisées par le mot o-ka
Frühgeschichte der griechischen Sprache
Les différences dialectales dans le mycénien
Mykenisch seremokaraoi oder seremokaraore
Die mykenischen Einleitungsformeln
Die verschiedenen Partikeln δε im Griechischen
Die griechische Sprachwissenschaft nach der Entzifferung der mykenischen Schrift
La formation du mot po-ti-ni-ja-we-jo
Die Stoffadjektive auf -ejos im Mykenischen
Il miceneo nella storia della lingua greca
Les consonnes palatalisées dans le grec du Ile millénaire et dans les premiers siècles du Ier millénaire
Zur lateinischen Sprachgeschichte
Der Typus parturire im Lateinischen
Das älteste lateinische Wort für „Sohn“
Entlehnt oder urverwandt? Zum Problem der griechisch-lateinischen Beziehungen
Rund um eine pompejanische Wandinschrift
Das System der lateinischen Deklinationen
Die idg. Wurzel *reudh- im Lateinischen
Zur altlateinischen Gebetssprache
Zu anderen indogermanischen Einzelsprachen und zum Indogermanischen
Betrachtungen zu den indogermanischen Verwandtschaftsnamen
Zur lautlichen Struktur des Altpersischen
Zu den hethitischen Verben vom Typus teḫḫi
Die indogermanischen Verwandten von griechisch σάρϰες
Das indogermanische Wort für „hundert“
Avestisch Mazdā Ašāicā und Verwandtes
Zum Problem der thematischen Konjugation
Die Räter als sprachliches Problem
Zur Entstehung des hethitischen Verbalparadigmas
Betrachtungen zur indogermanischen Nominalflexion
Anhang
1. Technisches Nachwort der Herausgeber
2. Biographische Daten
3. Verzeichnis der Veröffentlichungen
4. Verzeichnis der von Ernst Risch betreuten Dissertationen und Lizentiatsarbeiten
5. Nachträge
6. Indices

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Ernst Risch Kleine Schriften

Ernst Risch

Kleine Schriften zum siebzigsten Geburtstag herausgegeben von Annemarie Etter und Marcel Looser

W DE

G Walter de Gruyter • Berlin · New York 1981

Die D r u c k l e g u n g wurde ermöglicht d u r c h Beiträge der G e m e i n d e Kilchberg, des Kulturkredits des K a n t o n s Z ü r i c h u n d der Casinelli-Vogel-Stiftung.

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der Deutschen

Bibliothek

Risch, Ernst : Kleine S c h r i f t e n / z u m siebzigsten Geburtstag hrsg. von A n n e m a r i e Etter u n d Marcel L o o s e r . Berlin, New York: de Gruyter, 1981.ISBN 3-11-008410-4

© 1981 by Walter de G r u y t e r & Co., vormals G. J. G ö s c h e n ' s c h e Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer • Veit & Comp., Berlin 30 Printed in Germany Alle R e c h t e , i n s b e s o n d e r e das der Ü b e r s e t z u n g in fremde Sprachen, vorbehalten. O h n e a u s d r ü c k l i c h e G e n e h m i g u n g des Verlages ist es a u c h nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf p h o t o m e c h a n i s c h e m Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz u n d D r u c k : Union-Presse Hass & Co., Berlin B u c h b i n d e r : Lüderitz & Bauer, Berlin

Σοί δ' επι μέν μορφή έπέων, ενι δέ φρένες έσθλαί Homer

Es gibt einen ,Sonderfall Zürich' im Bereich der altsprachlichen Studien nunmehr bereits in der dritten Generation: Vergleichende Indogermanische Sprachwissenschaft und Klassische Philologie sind hier in Forschung und Lehre zu einer Einheit verbunden. Nach Eduard Schwyzer und Manu Leumann ist diese Tradition in Ernst Risch verkörpert, der in Zürich vor 50 Jahren sein Studium begann und nun seit fast vier Jahrzehnten als Dozent und rund ein Vierteljahr hundert als Professor tätig ist. Irrig freilich wäre es, in ihm darum einfach den Erben und Enkel zu sehen. So sicher Ernst Risch in seiner Schweizerischen und vor allem in seiner Bündnerischen Heimat verwurzelt ist, so fern ist ihm autochthone Selbstgenügsamkeit. Sein Studium führte ihn alsbald nach München, wo Ferdinand Sommer, nach Manu Leumann, der zweite bestimmende Lehrer wurde. Die Verbindung mit den Kollegen in Deutschland, in Italien und insbesondere in Paris ist ihm immer selbstverständlich gewesen. In diesem weitgespannten Kraftfeld hat er ein Werk ganz eigener Prägung entwickelt. Entschiedener als seine Lehrer hat Ernst Risch das Griechische ins Zentrum gestellt. Nachdem Laut- und Flexionssystem der indogermanischen Sprachen in den Grundzügen festgestellt waren, trat die Wortbildung als eine noch zu leistende Aufgabe in den Vordergrund. Hier hat Ernst Risch auf bereits gebahnten Pfaden angesetzt und ist sogleich entscheidend vorangekommen in Richtung auf weitere Klärung und Verfeinerung. Die Dissertation über Homerische Wortbildung ist, zumal in zweiter Auflage, ebenso zu einem Standardwerk geworden wie die Habilitationsarbeit über Determinativkomposita; viele Einzelstudien sind dazugekommen, und zusätzliche Kapitel zur Wortbildung haben die meisten der von Ernst Risch betreuten Dissertationen beigesteuert. Daneben stand von Anfang an, nicht ohne Anregung durch die gerade an der Universität Zürich reich entfaltete Dialektforschung in schweizerdeutschen, rätoromanischen und italienischen Bereichen, das Studium der griechischen Dialekte mit der faszinierenden Perspektive, aus geographischer Abgrenzung und sukzessiver Differenzierung die geschichtliche Entwicklung der griechischen Stämme zu erfassen. Das Problem war

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bereits in Angriff genommen, als mit der Entzifferung von ,Linear B' im Jahre 1952 das mykenische Griechisch schlagartig auf den Plan trat. So konnte Ernst Risch alsbald mit der Arbeit hervortreten, die die weiteste Resonanz und Anerkennung fand, ,Die Gliederung der griechischen Dialekte in neuer Sicht' - im Druck erschienen 1955 - . Seither gehörte er auch zum inneren Kreis der ,Colloquia Mycenaea' ; das sechste Colloque Mycénien hat er dann im Jahr 1975 selbst organisiert, geleitet und ediert. Indem ihm der entscheidende Hinweis zur Lesung eines zunächst ungedeuteten Zeichens gelang, 90 = dwo, hat er selbst einen bleibenden Baustein ins Fundament der neuen Disziplin eingefügt. Daß alle diese Arbeiten zur griechischen Sprachgeschichte nicht nur in Schreibtischluft entstanden sind, sondern auf lebhafter Anschauung der geographischen und archäologischen Realitäten von Mykene und Pylos, von Kreta und Thera beruhen, wissen die zahlreichen Freunde und Schüler, die ihn als Griechenlandreisenden erlebt haben. Dabei haben seine Arbeiten nicht etwa nur den Früh- und Randbereichen des Griechischen gegolten. Zu zentralen dichterischen Texten, zu Sappho und zum neuen Archilochos liegen wichtige Studien vor. Zugleich blieb das Lateinische stets im Blick, und zwar im Kreis der verwandten italischen Sprachen einschließlich des Venetischen; wenn sich dabei Ausblicke aufs Rhätische und Lepontische und damit zur Bündner Heimat ergaben, war dies umso willkommener. Auf der anderen Seite hat Ernst Risch auf den Spuren Ferdinand Sommers auch jenen bedeutendsten Zuwachs der Indogermanistik in unserem Jahrhundert energisch in den Griff genommen, das Hethitische; der zweite Lehrauftrag, den er an der Universität Zürich wahrnahm, galt einer Einführung ins Hethitische, wobei Meinrad Scheller, Hansjakob Seiler und Heinrich Wagner zu seinen Schülern zählten. Daß im Hintergrund als solides Fundament neben dem Altiranischen das Altindische steht, ist schließlich schon fast selbstverständlich, weniger vielleicht, daß auch Altkirchenslavisch und Litauisch zu den von ihm beherrschten Studien gehören. Wie reich und stetig die wissenschaftliche Produktion von Ernst Risch in all diesen Jahren war, wird durch den vorliegenden Band zum ersten Mal in vollem Umfang sichtbar. Und doch spiegelt das gedruckte Wort nur die eine Seite einer ungewöhnlichen Forscher- und Lehrerpersönlichkeit. Was Ernst Risch besonders unverkennbar prägt, ist die enge Verbindung mit seinen Studenten und, über die Universität hinaus, mit den Schulen des Kantons Zürich. Nicht umsonst war er selbst zwei Jahrzehnte lang als Gymnasialllehrer tätig, während andererseits so gut wie alle Lehrer der alten Sprachen weitum sich als Schüler von Manu Leumann und Ernst Risch verstehen. Im kleinen Kreis des Seminars ist die

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Wirkung auf die Studenten besonders zu fühlen. Ernst Risch weiß seine Schüler anzusprechen, zu fordern, aber auch vielfältig zu fördern, und die Verbindung reißt nie wieder ab. So sind es auch seine Schüler, die den vorliegenden Band in die Wege geleitet und betreut haben. Mit ihnen verbinden sich alle Kollegen, Mitarbeiter und Studenten vom Indogermanischen und KlassischPhilologischen Seminar in dem Wunsch, daß für Ernst Risch sein otium cum dignitate, das für die Seminare einen heftig fühlbaren Einschnitt bringt, als neues Stadium eines reichen Lebens fruchtbar werde. Walter Burkert

Tabula Gratulatoria Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern, Hans HÜRLIMANN Der Stadtpräsident von Zürich, Sigmund WIDMER

Der Gemeinderat von Kilchberg Der Gemeindevorstand von Tschappina, Simon ALLEMANN

Pentti AALTO, Helsinki Francisco R. ADRADOS, Madrid R u d o l f von ALBERTINI, Paspels Paul Kent ANDERSEN, Bielefeld Carl ARBENZ, W i n t e r t h u r K u r t AREGGER, Luzern Dieter M. BACK, Freiburg i. Br. Michael BACK, Kirchzarten F r a n ç o i s e BADER, Paris Oskar BANDLE, Greifensee Klaus BARTELS, Kilchberg A n t o n i n BARTONËK, Brno Lydia BAUMBACH, R o n d e b o s c h Alfred BAUMGARTNER, Gröbenzell Johannes BECHERT, Bremen Götz BECK, Aachen Marcel BECK, W i n t e r t h u r R o b e r t S. P. BEEKES, Oegstgeest E m m e t t L. BENNETT, Jr., Madison Wi. J e a n BERANGER, L a u s a n n e Ludwig BERGER, Allschwil Margrith BERGHOFF, Feldmeilen Ottavio BESOMI, Zürich Ursula u n d Paul BIERI-OSWALD, Trimmis J o n Christian BILLIGMEIER, Baltimore Wolfgang BINDER, Zürich Norbert BISCHOF, Zürich Alfred BLOCH, Basel Hansjörg BLOESCH, W i n t e r t h u r Wolfgang BLÜMEL, K ö l n

Hans BÖGLI, Avenches Michael BÖHLER, Z ü r i c h Peter BOSSHARD, W i n t e r t h u r Peter BRANG, Zürich Rudolf BRAUN, Uetikon a. See Bela BROGYANYI, Freiburg i. Br. Jörg BÜCHLI, Wattwil Harald BURGER, Esslingen Hans BURGUNDER, Kilchberg Walter BURKERT, Uster Katharina BURKHARD, Zürich Hans Peter BÜTLER, Oberengstringen Ursula u n d Gian CADUFF, Zizers Claude CALAME, L a u s a n n e J o h n CHADWICK, Cambridge Georg CHRIST, Uitikon Anneliese CLERC, Zürich Hans CONRADIN, Adliswil G u y L . C O O P E R III, A s h e v i l l e

Warren COWGILL, New Haven Marco DANIELI, Wallisellen Georges DARMS, Schmitten Josef DELZ, Binningen Bruno DENZLER, Zürich Ernst DICKENMANN, Bern Yvonne und Urs DIERAUER-HAUSER,

Chur Angela DIETRICH, Zürich Albrecht DIHLE, Heidelberg Mario DORIA, Trieste José DÖRING, Grand-Lancy Wolfgang DRESSLER, Wien Jean DRUEY, Basel Yves DUHOUX, Court-Saint-Etienne Helmut DÜRBECK, Nürnberg T h e o d o r EBNETER, Zürich Hanspeter EBNÖTHER, W i n t e r t h u r

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Tabula Gratulatoria

Silvia und Ueli EGGENBERGER-RISCH, Rüti Jakob EGLI, Küsnacht Heiner EICHNER, Regensburg Rudolf ENGLER, Worb Hartmut ERBSE, Bonn Juliette ERNST, Paris Annemarie ETTER, Bürglen Karl FEHR, Frauenfeld Manuel FERNANDEZ-GALIANO, Madrid Kurt von FISCHER, Erlenbach I. F I S C H E R , B u k a r e s t

Hellmut FLASHAR, Bochum Daniela FLÜCKIGER-GUGGENHEIM,

Thalwil Lea FLURY, Zürich Peter FLURY, München Bernhard FORSSMAN, Marburg Roger FRANCILLON, Zürich Regula und Daniel FREI, Aarau Peter FREI, Winterthur Susanne FREI-KORSUNSKY, Winterthur Christine FREI-LÜTHI, Zollikon Ursula FREY-SCHLATTER, Zeist Heinrich FRIES, Zürich Udo FRIES, Küsnacht Kurt von FRITZ, München Peter GAEFFKE, Bala Cynwyd Pa. Konrad GAISER, Nehren b. Tübingen Carlo GALLAVOTTI, Roma Peter GALLMANN, Schaffhausen Thomas V. GAMKRELIDZE, Tbilisi Ernst GEGENSCHATZ, Uerikon Thomas GELZER, Bern Vladimir I. GEORGIEV, Sofia

Fritz GRAF, Zürich Fritz GSCHNITZER, Meckesheim Hansulrich GUHL-WIDMER, Frauenfeld Georges GÜNTERT, Zürich Roberto GUSMANI, Udine Alois HAAS, Zürich Claus HAEBLER, Münster Hans HAEFELE, Rüschlikon Heinz HAFFTER, Winterthur Fritz-Peter HAGER, Zollikon Eric P. HAMP, Chicago Raymond Berry HARLOW, Dunedin Christoph HAURI, Petrie Terrace Antoinette und Hans HAURI-KARRER, Baden-Dättwil Gerhard HEESE, AU (Zürich) Felix HEINIMANN, Basel Peter HEINTZ, Zürich Urs HERZOG, Zürich

Alfred HEUBECK, Nürnberg Rolf HIERSCHE, Wettenborg Stefan HILLER, Innsbruck Otto HILTBRUNNER, Münster Gerold HILTY, Oberrieden Robert HINDERLING, Bayreuth Henry M. HOENIGSWALD, Philadelphia Karl HOFFMANN, Erlangen Erich HOFMANN, Kiel Helmut HOLZHEY, Zürich J. T. H O O K E R , L o n d o n

Gerhard HUBER, Zürich Konrad HUBER, Meilen Erika HUBER-HUNZIKER, Mutschellen Johannes HUBSCHMID, Burgdorf Helmut HUMBACH, Mainz André HURST, Genève

Carrie GIGER-VAN DEN H E U V E L ,

Zürich Olof GIGON, Bern Adalberto GIOVANNINI, Grand-Lancy Hugo GLÄTTLI, Küsnacht Hans GLINZ, Wädenswil Louis GODART, Roma Robert GODEL, Genève Carsten GOEHRKE, Förch Fatima GOEPFERT-JINNAH, Zürich Jan GONDA, Utrecht Andreas GRAESER, Bern

Petar Hr. ILIEVSKI, Skopje M a x IMHOF, B e r n

Gerta und Hans von INAMA-STERNEGG, Innsbruck Margi und Fritz ISLER, Rüschlikon Hans Peter ISLER, Zürich Vreni und Tugg ISLER-von INS, Volketswil Ines und Hans JUCKER, Bern Marc-René JUNG, Zürich

Tabula Gratulatoria

Werner KÄGI, Zürich Erich KAISER, Wetzikon Annelies KAMMENHUBER, München Rudolf KASSEL, Köln Wolfgang KASTNER, Winterthur Luzius KELLER, Zürich Esther und Wilhelm KELLER, Rapperswil Geoffrey S. KIRK, Cambridge Rudolf KLEINER, Riedholz Gert KLINGENSCHMITT, Erlangen Theodor KNECHT, Winterthur Eva KNOBLAUCH-RÜEDI, Aarau Johann KNOBLOCH, B o n n

Huldrych M. KOELBING, Zürich Hermann KOLLER, Steinmaur Robert KRAMERS, Horgen Agnes KRIEBEL, Marly Hans KUHN, Canberra Franciscus B. J. KUIPER, Voorschooten Christoph KURT, Strengelbach Panos LAMPSIDES, Riehen Joachim LATACZ, Mainz-Ebersheim Winfred P. LEHMANN, Austin, Texas Ernst LEISI, Pfaffhausen Michel LEJEUNE, Paris Albin LESKY, Innsbruck Alex LEUKART, Genève Ernst P. LEUMANN, Zürich Peter LINDEGGER, Winterthur Margareta LINDGREN, Uppsala Fritz LOCHNER von HÜTTENBACH, Graz

Ernst LOCKER, Mauvezin Lorenz G. LÖFFLER, Zürich Marcel LOOSER, Dietlikon Bernhard LÖSCHHORN, Zürich Hermann LÜBBE, Einsiedeln Georg LUCK, Baltimore Georges LÜDI, Zürich Otto LUSCHNAT, Berlin Max LÜTHI, Zürich Max LÜTOLF, Zürich

Verena LÜTTEL, Siegen Franz Georg MAIER, Kreuzlingen Irene MANNHEIMER, Kilchberg Yolanda MARCHEV, Zürich Heinrich MARTI, Küsnacht Carlo Alberto MASTRELLI, Firenze

Gertrud MARXER, Kilchberg Emilia und Olivier MAS S ON, Paris Manfred MAYRHOFER, Wien Wolfgang MEID, Innsbruck Elisabeth MEIER, Kilchberg Maja und Paul MEIER, Kilchberg Werner D. MEIER, Zürich Michael MEIER-BRÜGGER, Zürich José L. MELENA, Tenerife Piero MERIGGI, Pavia Reinhold MERKELBACH, Höhr-Grenz hausen Weriand MERLINGEN, Wien Fritz MERZ, St. Gallen Hugo METZGER, St. Gallen Ingrid R. METZGER, Chur Hilde MEYER, Zürich Hermann MITTELBERGER, Graz Juan J. MORALEJO, Santiago A n n a MORPURGO DAVIES, O x f o r d

Ulrich MOSER, Zürich Hugo MÜHLESTEIN, Basel Richard MÜLLER, Erlenbach Robert MUTH, Innsbruck Max NANNY, Wetzikon Johanna NARTEN, Uttenreuth Hans-Peter NAUMANN, Wetzikon Erich NEU, Bochum H. Joachim NEUHAUS, Münster Ruth NEUKOMM, Zürich Günter NEUMANN, Würzburg Hans-Joachim NEWIGER, Konstanz Arnold NIEDERER, Zürich Markus NÖTHIGER, Mollis Norbert OETTINGER, München Heinrich OTTEN, Mainz Cornelius OUWEHAND, Zürich Leonard Robert PALMER, Sistrans Oswald PANAGL, Salzburg Harald PATZER, Frankfurt a. M Giovan Battista PELLEGRINI, Padova Martin PETERS, Wien Mihail PETRUSEVSKI, Skopje Henri PETTER, Zürich Hans Conrad PEYER, Zürich Bettina PFISTER, Zürich

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Tabula Gratulatoria

Raimund PFISTER, München Francesco PICCOLI, Räterschen Marcel PlÉRART, Avry-sur-Matran Massimo POETTO, Milano Edgar C. POLOMÉ, Austin Aldo Luigi PROSDOCIMI, Padova Mario PUELMA, Freiburg i. U e .

Jaan PUHVEL, LOS Angeles Manette und Andri PULFER, Riischlikon Vreni PULFER, Riischlikon Ernst PULGRAM. Ann Arbor Georges REDARD, Kirchlindach Ludwig REICHERT, Wiesbaden Annemarie REINMANN, Winterthur Benedikt REINERT, Winterthur Olivier REVERDIN, Genève Peter RINDERKNECHT, Zufikon Roland RIS, Herrenschwanden Alice RISCH, Zürich Ira RISCH, Zürich

Lotti RISCH, Ennetbaden Rosmarie und Christian RISCH, Bern Alice und Karl RISCH-HAGNAUER, Wattwil Vreni RISCH-ISLER, Kilchberg Helmut R i x , Regensburg Hans ROHR, Zürich Hans Rudolf ROHR, Zürich Haiim B. ROSÉN, Jerusalem Luigi Enrico R o s s i , Roma Liselotte und Walter RÜEGG, Belp Cornells Jord RUIJGH, Amsterdam Martin S. RuiPÉREZ, Madrid Theodor RÜSING, Zürich Bruno RUTISHAUSER, Zürich A n n a SACCONI GODART, R o m a Eva SALOMONSKI, Zürich

Claude SANDOZ, Neuchâtel Dina und Bruno SCANZI, Zürich Annemarie und Vincenzo SCANZI-RISCH, Kilchberg

Barbara und Piergiuseppe SCARDIGLI, F i r e n z e

Fritz SCHACHERMEYR, Wien Christoph SCHÄUBLIN, Basel Karl SCHEFOLD, Basel Bernfried SCHLERATH, Berlin

Hans SCHMEJA, Innsbruck Heinrich SCHMID, Zürich Pierre SCHMID, Lausanne Siegfried SCHMID, Zürich Wolfgang P. SCHMID, Göttingen Elsbeth und Ruedi SCHMID-ISLER, Förch Gernot SCHMIDT, Gönnersdorf Karl Horst SCHMIDT, Bonn Klaus T. SCHMIDT, SaarbrückenDudweiler Gerhard SCHMIDTCHEN, Feldmeilen Rüdiger SCHMITT, Saarbrücken Robert SCHMITT-BRANDT, Gaiberg Heinz SCHMITZ, Neftenbach Ludwig SCHMUGGE, Embrach André SCHNEIDER, Cortaillod Hugo SCHNEIDER, Watt Jean-Pierre SCHOBINGER, Zürich Georg SCHOECK, Zürich Ernest SCHÜLE, Crans-sur-Sierre Dietrich SCHWARZ, Zürich Erica und Wolfgang SCHWARZ-RISCH, Landau Regula und Hans-Jörg SCHWEIZERKELLER, Baden Hans-Rudolf SCHWYZER, Zürich Peter SEIDMANN, Zürich Hansjakob SEILER, Köln Markus SEILER, Fetan Hans Rudolf SENNHAUSER, Zurzach Max SILBERSCHMIDT, Z ü r i c h

Horst SITTA, Herrliberg Thekla SLAN-HOROVITZ, Zürich Renate SÖHNEN, Mainz Stefan SONDEREGGER, Zürich Federico SPIESS, Montagnola Walter SPOERRI, Saint-Blaise Albert STAHEL, Zollikon Emil STAIGER, Horgen Franz STOESSEL, Graz François S TOLL, Zürich Peter STOTZ. Bülach Anne-Marie STRAUB-BRASSEUR, Biel Inge STRAUCH, Zürich Heinrich STRAUMANN, Zürich Irene STREHLER-KÖNIG, Zürich Klaus STRUNK, München Alfred SUTER, Winterthur

Tabula Gratulatoria

Oswald SZEMERÉNYI, Freiburg i. Br. Thomas SZLEZÁK, Oberrieden Rolf TAROT, Bäretswil Helmut van THIEL, Köln Paul THIEME, Tübingen Klaus THOMAS, Saerbeck W. THOMAS, B a d H o m b u r g

Jeannette und Ueli THURNHEER, Zürich Johann TISCHLER, Salzburg Antonio TOVAR, Madrid Hermann TRÄNKLE, Greifensee Irene und Hans TROXLER-KELLER, Aarau Catherine TRÜMPY, Zürich Albertine Eugénie TRUTMANN, Zollikon Hansjakob URECH, Seon Jürgen UNTERMANN, Pulheim Detlev von USLAR, Zürich Denis VAN BERCHEM, Vandoevres Bartel Leendert VAN DER WAERDEN, Zürich Rémy VIREDAZ, Lausanne Ernst VOGT, München Eva-Maria VOIGT, Hamburg Rudolf WÄCHTER, Winterthur Heinrich WAGNER, Dublin

XIII

Paul WATHELET, Liège Calvert WATKINS, Cambridge Richard WATTS, Zürich Leo WEBER, Feldmeilen Fritz WEHRLI, Zürich Hans WEHRLI, Küsnacht Max WEHRLI, Zürich Victor WEIDTMANN, Königsdorf Heinz WENZEL, Berlin Rudolf WERNER, Frauenfeld Konrad WIDMER, Zürich Hans WILDBERGER, Zürich Max WILDI, Küsnacht Arnold WILLE, Wallisellen Albert-Joris VAN WINDEKENS, Leuven Werner WINTER, Kiel Oliva und Theo WIRTH, Zürich William F. WYATT, Providence Hans WYSLING, Uetikon a. See Bernhard WYSS, Basel Robert ZETT, Zürich Heinz ZIMMERMANN, Basel Walther Christoph ZIMMERLI, Braunschweig Ernst ZINN, Tübingen Annina ZOPPI, Zürich Richard ZÜRCHER, Zürich Walter ZWIMPFER, St. Gallen Renée ZwoLANEK, Zürich

Inhalt Gratulation Tabula Gratulatoria Inhalt

V IX XV

Zur griechischen Wortbildung, Morphologie und Lautlehre Griechische Determinativkomposita, Teil I - III Griechische Komposita vom Typus μεσονύκτιος und όμογάστριος Zur Vorgeschichte der sigmatischen Aoriste im Griechischen . . Zur Geschichte der griechischen Ethnika Ein Gang durch die Geschichte der griechischen Ortsnamen . . . Zephyros οΰκ άΰεεί A propos de l'origine des masculins grecs en -ας Remarques sur l'accent du grec ancien

1 112 125 133 145 158 167 176 187

Zur Geschichte der griechischen Dialekte Altgriechische Dialektgeographie? Die Gliederung der griechischen Dialekte in neuer Sicht . . . . Das Attische im Rahmen der griechischen Dialekte Il problema dell'unità linguistica greca Historisch-vergleichende Sprachbetrachtung und Dialektgeographie. Neue und alte Methoden in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft Die griechischen Dialekte im 2. vorchristlichen Jahrtausend . .

196 206 222 236

255 269

Griechische Dichtersprache Sprachliche Bemerkungen zu Alkaios 290 Namensdeutungen und Worterklärungen bei den ältesten griechischen Dichtern 294 Die Sprache Alkmans 314

XVI

Inhalt

Der homerische Typus ίππότα Νέστωρ und μητίετα Ζευς Der göttliche Schlaf bei Sappho Les traits non-homériques chez Homère ΰρόνος, ûpôva und die Komposita vom Typus χρυσόύρονος . . . Sprachliche Betrachtungen zum neuen Archilochos-Fragment.

332 341 346 354 363

Mykenisch und Frühgriechisch La position du dialecte mycénien Caractères et position du dialecte mycénien Mykenisch wo-wo ko-to-no Un problème de morphologie grecque: L'accusatif pluriel des thèmes consonantiques en mycénien L'interprétation de la série des tablettes caractérisées par le mot o-ka Frühgeschichte der griechischen Sprache Les différences dialectales dans le mycénien Mykenisch seremokaraoi oder seremokaraore Die mykenischen Einleitungsformeln Die verschiedenen Partikeln δε im Griechischen Die griechische Sprachwissenschaft nach der Entzifferung der mykenischen Schrift La formation du mot po-ti-ni-ja-we-jo Die Stoffadjektive auf -ejos im Mykenischen Il miceneo nella storia della lingua greca Les consonnes palatalisées dans le grec du Ile millénaire et dans les premiers siècles du 1er millénaire

Zur lateinischen

377 383 398 405 412 438 451 459 473 486 499 510 517 527 549

Sprachgeschichte

Der Typus parturire im Lateinischen 563 Das älteste lateinische Wort für „Sohn" 572 Entlehnt oder urverwandt? Zum Problem der griechisch-lateinischen Beziehungen 576 Rund um eine pompejanische Wandinschrift 591 Das System der lateinischen Deklinationen 599 Die idg. Wurzel *reudh- im Lateinischen 616 Zur altlateinischen Gebetssprache 633

Inhalt

XVII

Zu anderen indogermanischen Einzelsprachen und zum Indogermanischen Betrachtungen zu den indogermanischen Verwandtschaftsnamen Zur lautlichen Struktur des Altpersischen Zu den hethitischen Verben vom Typus tehhi Die indogermanischen Verwandten von griechisch σάρκες . . . Das indogermanische Wort für „hundert" Avestisch Mazdä Asäicä und Verwandtes Zum Problem der thematischen Konjugation Die Räter als sprachliches Problem Zur Entstehung des hethitischen Verbalparadigmas Betrachtungen zur indogermanischen Nominalflexion

647 655 661 671 677 690 702 710 718 730

Anhang 1. Technisches Nachwort der Herausgeber 2. Biographische Daten 3. Verzeichnis der Veröffentlichungen 4. Verzeichnis der von Ernst Risch betreuten Dissertationen und Lizentiatsarbeiten 5. Nachträge 6. Indices

741 744 745 759 762 767

Zur griechischen Wortbildung, Morphologie und Lautlehre

Griechische Determinativkomposita Indogermanische Forschungen 59,1 (1944), p. 1 - 6 1 Inhalts Übersicht. Einleitung. I. T e i l : B e s t a n d d e r D e t e r m i n a t i v k o m p o s i t a im ä l t e s t e n Griechisch. A. Übersicht über die in der ältesten Sprache bezeugten substantivischen Determinativkomposita. B. Die einzelnen Beispiele und Gruppen. 1. δεσπότης, δέσποινα. 2. Komposita mit -πεδον. 3. Verwandtschaftsbezeichnungen. 4. Komposita mit läge- oder rangbezeichnendpm Vorderglied. 5. Komposita mit ή μι-. 6. Typus δΰσμητερ. 7. Übrige substantivische Determinativkomposita. 8. Zusammenfassung. C. Adjektivische Determinativkomposita. 1. Homerische Beispiele. 2. Nachhomerische Entwicklung. 3. Gegenseitiger Einfluß der Adjektiva und der Substantiva. II. Teil: Grenzfälle. A. Schwierigkeit der Klassifizierung im Einzelfall. 1. Komposita mit -ξένος. 2. άγήνωρ und ähnliche Komptìsita. Β. Grenzfälle zwischen Determinativ- und verbalen Rektionskomposita. 1. Zusammensetzungen mit Nomina agentis. 2. Zusammengesetzte Verbalabstrakta. 3. Komposita mit verbalem Vorderglied. C. Grenzfälle zwischen Determinativ- und Possessivkomposita. 1. Dvigu und Ähnliches. 2. Pflanzenbezeichnungen. 3. Als Determinativkomposita verwendete Bahuvrihi. D. Mischungskomposita. I I I . Teil: W e i t e r e n t w i c k l u n g der

Determinativkomposita.

A. Prosa der klassischen Zeit. 1. Komposita mit Präposition als Vorderglied. 2. Bezeichnungen für Beamte und Handwerker. 3. Tier- und Pflanzenbezeichnungen. 4. Komposita mit ψευδό-. 5. Übrige Personenbezeichnungen der

2

Indogermanische Forschungen 59,1 (1944)

[2]

klassischen Zeit. 6. Komposita mit -πολις. 7. Andere geographische Eigennamen. 8. Sachbezeichnungen. B . Besonderheiten der chorlyrisch-tragischen Sprache. 1. Verwandtschaftsnamen und Ähnliches. 2. Komposita mit -μανπς. 3. Bildungen vom Typus γάμος άγαμος. 4. Komposita mit τριund Ähnliches. C. Besonderheiten der komischen Sprache. D. Neubildungen der hellenistischen und römischen Zeit. 1. Amtsbezeichnungen. 2. Wissenschaftliche Terminologie. 3. Umgekehrte Determinativkomposita. 4. Komposita von der Art παππκπίπαππος. S e h l u ß b et. ra eh tu ngen.

Vorbemerkungen. Meine Bejspielsammlungen stützen sich in erster Linie auf LiddellScott's Greek-English Lexicon (Oxford 1925ff.), dessen 10. Lieferung ich allerdings leider nicht mehr benutzen konnte. Daher habe ich auch die griechischen Autoren und Sammlungen grundsätzlich nach der dort angewandten Methode zitiert, die im 1. Teil des genannten Werkes S. X I V f f . ausfuhrlich verzeichnet und erklärt ist. Aus Konsequenz bin ich auch in denjenigen Füllen, wo bei uns andere Zitierweisen gebräuchlicher sind, diesem meisterhaften Wörterbuch g e f o l g t N u r bei einigen wenigen Autoren und Werken habe ich daneben noch eine zweite Stellenangabe beigefügt. Inschriften habe ich möglichst nach Schwyzer, Dialectorum Graecarum exempla epigraphica potiorn, Lipsiae 1923 ( = Schwyzer) zitiert. liin ,,L" oder ein ,,(anap.)" hinter einem Tragiker oder Komikerzitat gibt an, daß es sich um eine lyrische oder anapästische Stelle handelt. An allgemeinen Abkürzungen habe ich noch verwendet: att. = attisch, d. h. aus der klass. Zeit; Com. = Komiker, Komödie; ff. (hinter Autorenangaben) --- und spätere Autoren; hell. = hellenistisch(e Autoren); J h . = Jahrhundert : Inschr. = Inschrift(en); Pap. = Papyrustexte; sp. = spät, d. h. kaiserzeitlich ; Trag. = Tragiker, Tragödie. Im folgenden gebe ich noch diejenigen Abkürzungen bei den Angaben der modernen Literatur an, welche vielleicht nicht allgemein verständlich und gebräuchlich sind: *) So sind die griechischen Lyriker, wenn keine andere Angabe dabeisteht, nach Bergk, nicht nach Diehl, und Sophoklesfragmente ( = S. fr.) nach Pearson, Cambridge 1917, nicht nach Nauck 2 wie die andern Tragiker zitiert. Zu beachten ist auch, daß A. Stipp, die Hiketiden (supplices) des Aeschylus, A. Snppl. Mette aber das Supplementum Aeschyleum, ed. Η. I. Mette, Berlin 1939, bezeichnet.

Griechische Determinativkomposita

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Dickenmann, Nominalkomp. im Russ. ( = Untersuchungen über die Nominalkomposition im Russischen, 1. Leipzig 1934). Fick-Bechtel ( = Die griechischen Personennamen, nach ihrer Bildung erklärt und systematisch geordnet von A. Fick. 2. Aufl. mit Fr. Bechtel. Göttingen 1894). Meisterhans-Schwyzer ( = K. Meisterhans, Grammatik der attischen Inschriften. 3. Aufl. von Ed. Schwyzer. Berlin 1900). Gustav Meyer, Stilist. Verwendung ( = Die stilistische Verwendung der griech. Nominalkomposita. Diss. Basel 1923 [Philol. Suppl. 16. 3]). Psaltes, Gramm. ( = Grammatik d. byzantinischen Chroniken. Göttingen 1913). Sommer, Ahhijaväfr. u. Spr. ( = Ahhijaväfrage und Sprachwissenschaft. Abh. d. Bayr. Akad. d. Wiss. Philos.-hist. Abt. N. F. Heft 9, 1934). Verf., Wortbildung ( = Ernst Risch, Wortbildung der homerischen Sprache. Berlin 1937). Wackernagel, Spr. U. ( = Sprachliche Untersuchungen zu Homer. Göttingen 1916). Williger, Spr. Unters. ( = Sprachliche Untersuchungen zu den Komposita der griech. Dichter des 5. Jahrh. Göttingen 1928).

Einleitung. Überreich ist die Fülle der Nominalkomposita in der griechischen Sprache, zahlreich sind sie auch im Deutschen. Es ist aber eine bekannte, allerdings oft mißachtete Tatsache, daß sich die Regeln für die Bildung solcher Komposita in den beiden Sprachen nur selten entsprechen. Nur ausnahmsweise können wir daher ein griechisches Kompositum ohne weiteres durch ein entsprechend gebildetes deutsches wiedergeben. Wir müssen vielmehr daran festhalten, daß in diesen beiden Sprachen in vielen Fällen entgegengesetzte Regeln bei der Bildung der Nominalkomposita beachtet werden1). Im heutigen Deutschen sind fast alle Komposita Determinativkomposita mit determinierendem Vorderglied2), d. h. 1

) Im Altindischen sind die Möglichkeiten der Komposition bedeutend reicher. Das klassische Sanskrit umfaßt gleichsam die deutschen und die griechischen Regeln, vgl. auch die Schlußbetrachtungen. 2 ) Genauer „nicht mutierte Determinativkomposita" (Debrunner, Griech. Wortbildungslehre 44) oder „endozentrische Determinativkomposita" (Schwyzer, Gr. Gr. I 429). Nur in diesem engern Sinne verwenden wir hier und im folgenden das Wort Determinativkompositum (so auch Wackernagel, Ai. Gr. I I 1, 140ff.).

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es wird ein allgemeiner Ausdruck durch Verbindung mit einem Yorderglied genauer bestimmt (determiniert). Das Simplex bezeichnet also einen allgemeinen Gattungsbegriff, während das Kompositum eine Unterabteilung dieses Gattungsbegriffes benennt. Das Wort Pferd bezeichnet ζ. B. allgemein die Gattung. Um genauer zu klassifizieren, unterscheidet man Reit-, Renn-, Zug-, Karren-, Saum-, Wildpferd usw. Das gleiche gilt auch für die Adjektive: rot ist ζ. B. ein allgemeiner Begriff, während rosa-, hell-, dunkel-, braun-, ziegel-, weinrot besondere Färb töne ausdrücken 1 ). Neben den unendlich häufigen und produktiven Determinativkomposita treten im Deutschen die andern Kompositionstypen, soweit sie überhaupt noch vorhanden sind, völlig zurück. Die seltenen Bildungen vom Typus Rotkäppchen sind schließlich nur übertragen gebrauchte Determinativkomposita: „Da kommt das Rotkäppchen!" konnte man sagen, wenn man das auffällige Kleidungsstück dieses Mädchens schon von weitem sah, und damit eigentlich das Käppchen und uneigentlich, übertragen das Mädchen selbst bezeichnen. So ist auch Dickschädel ursprünglich gewöhnliches Determinativkompositum. „Er hat einen Dickschädel" können wir sagen. Gleichbedeutend ist aber die übertragene Ausdrucksweise : „Er ist ein Dickschädel." In gleicher Weise können wir neben „Er hat einen klugen Kopf" die Wendung „Er ist ein kluger Kopf" gebrauchen. Ähnliches läßt sich auch von den meisten andern deutschen sog. Bahuvrihi sagen. Dazu ist außerdem noch zu beachten, daß nicht wenige dieser Bildungen im Deutschen Lehnübersetzungen sind, so die Paradebeispiele Rotbart (it. Barbarossa), Blaubart (fr. Barbe-Bleue), Löwenherz (engl. Lionheart), Schwarzhemden (it. le Camicie Nere). Jedenfalls sind die deutschen Bahuvrihi nur bedingt als eigene Gruppe zu betrachten. Als wirklich selbständig bleibt neben den Determinativkomposita nicht viel mehr als der Typus der substantivierten Sätze Taugenichts, Tunichtgut, Vergißmeinnicht.

Ebenso wird z . B . das Verbum schreiben durch die Adverbien ein-, ab-, auf- usw. näher bestimmt. Doch will ich darauf nicht besonders eingehen, da bei solchen zusammengesetzten Verben das Griechische sich einigermaßen mit dem Deutschen deckt.

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Griechische Determinativkomposita

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Ein ganz anderes Bild ergibt die Gruppierung der griechischen Nominalkomposita1). Hier sind ausgerechnet die Determinativkomposita auffallend selten, es überwiegen die verbalen Rektionskomposita (im weitesten Sinn)2), die etwa 60% aller Nominalkomposita ausmachen, und die Possessivkomposita (Bahuvrihi), zu denen 25—30% der Komposita gehören. Der Rest verteilt sich fast ganz auf die präpositionalen Rektionskomposita (Hypostasen) und ähnliche Bildungen, ferner auf die adjektivischen und substantivischen Determinativkomposita. Dabei zeigen die Stichproben keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Texten verschiedener Zeitepochen und verschiedener Literaturgattungen 3 ). Bei den substantivischen Determinativkomposita ist wie im Deutschen meistens das Vorderglied bestimmend. Der umgekehrte Fall, daß nämlich das Vorderglied durch das Hinterglied bestimmt wird (Typus συαγρος = σδς άγριος „Wildschwein"), kommt nur äußerst selten vor und muß daher besonders erklärt werden, vgl. III D 3. Viel gebräuchlicher ist der normale Typus (ζ. Β. άγριέλαιος = αγρία έλαία „wilder Ölbäum"). Aber auch diese Determinativkomposita bilden innerhalb der großen Masse der griechischen Nominalkomposita, wie schon früher beobachtet wurde, nur eine kleine Gruppe 4 ). Es ist wichtig, daß wir uns diese Tatsache vor Augen halten. Dabei können wir feststellen, daß das Griechische in diesem Punkt mit dem ältesten Indisch zusammengeht, s. Wackernagel, Ai. Gr. II 1, 241 ff. Wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln, daß dieser auffallende Mangel an substantivischen Determinativkomposita in beiden Sprachen ererbt ist, zumal x

) Wir halten uns an das landläufige Einteilungsschema, wie es im wesentlichen ζ. B. Wackernagel, Ai. Gr. II 1,140ff. bietet. Vgl. auch S. 36. 2 ) Über die Abgrenzung zwischen verbalen Rektionskomposita und Determinativkomposita s. S. 41ff. 3 ) Verglichen wurden Homer, Xenophon (2 Bücher Anabasis), Paulus (1. und 2. Kor.) und Lukian (Somn., Anach.). Ferner habe ich sämtliche in der 1. und 6. Lieferung des Liddell-Scott'schen Wörterbuches aufgeführten Komposita gezählt. *) Vgl. ζ. B. Jacobsohn, Gnomon 2, 383ff. ; Frisk, IF. 52, 282ff. ; Schwyzer, Gr. Gr. I 453.

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da die andern ältern Schwestersprachen dieser Annahme nicht widersprechen 1 ). Die Aufgabe, welche wir uns mit dieser Arbeit stellen, ist zu untersuchen, welche Typen innerhalb der substantivischen Determinativkomposita im Griechischen gebräuchlich sind, welche etwa in einer bestimmten Epoche neu aufkommen und wie sich das Verhältnis dieser Komposita zu den andern Kompositionstypen entwickelt. Dabei wird es weder möglich noch wünschenswert sein, die gesamte Masse der Determinativkomposita, welche die griechische Sprache im Laufe ihrer Geschichte gebildet hat, zu erfassen und zu besprechen. Wir werden vielmehr unser Ziel, nämlich eine gewisse Ordnung und Klarheit in die immerhin zahlreichen Beispiele zu bringen, viel leichter erreichen, wenn wir nur für die älteste Sprache (bis gegen 500 v. Chr.) einigermaßen Vollständigkeit erstreben. Denn die Gruppen, welche wir bei dieser Betrachtung erhalten, bleiben auch für die folgende Sprachentwicklung der feste Rahmen, der im großen ganzen auch später beachtet wird. Wir werden uns daher für die folgenden Sprachepochen mit einzelnen besonders charakteristischen und interessanten Beispielen und Gruppen begnügen können. Vorerst müssen wir allerdings noch einige Begriffe klarstellen. Was wir in erster Linie behandeln wollen, sind echte Komposita oder Zusammensetzungen (σύνθετα, vgl. Debrunner, Griech. Wortbildungslehre 16ff.; Schwyzer, Gr. Gr. I 426f.), d. h. solche,bei denen man nicht, ohne jeden Sinn zu zerstören, die beiden Glieder in der Form, wie sie im Kompositum vorkommen, selbständig setzen darf. So ist ζ. B . bei μητροπάτωρ weder Vorderglied noch Hinterglied für sich allein überhaupt möglich. Bei ακρόπολις kann zwar πόλις, nicht aber άκρο selbständig gebraucht werden, und endlich können bei συνδουλος zwar beide Glieder auch für sich stehen, ergeben aber, einfach neben einander gestellt, keinen Sinn. Nur nebenbei werden wir die sog. unechten (oder werdenden) Komposita oder Zusammenrückungen (παράθετα) behandeln, deren Glieder S. außer der oben genannten Lit. etwa noch Jacobsohn, Χάριτες Leo 414ff., zusammenfassend 435f.

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Griechische Determinativkomposita

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nicht notwendig zusammen éin Wort bilden müssen, z.B. kann Διόσκουροι auch Διός κούροι gelesen werden, s. S. 11. Diese unechten Komposita, die vielfach eine Vorstufe zu echten darstellen, sind im Griechischen viel seltener als eigentlich zu erwarten wäre. Neben diesen gibt es, was viel zu wenig beachtet wird, aus zwei oder mehreren selbständigen Wörtern bestehende Wortgruppen, die einen einheitlichen Begriff ausdrücken ζ. Β. δ Άρειος πάγος, deutsch der große Rat. Sie sind zwar ihrerseits wieder zuweilen eine Vorstufe zu den unechten Komposita (ζ. Β. Νεάπολις, s. III A 6) und sind von ihnen nicht immer scharf zu trennen (ζ. B. gerade im Fall von Διόσκουροι). Aber im ganzen ist zu betonen, daß eine begriffliche Einheit noch lange keine formelle Einheit bewirken muß (Schwyzer drückt sich a. a. 0 . etwas unklar aus). So ist καλός κάγα8>ός begrifflich, nicht aber formell eine Einheit, ebenso wie im Deutschen Art und Weise. Wir werden solche im Griechischen übrigens häufigen Gruppen nur insofern heranziehen, als sie Anlaß zu wirklichen oder scheinbaren Komposita geben, ζ. Β. τα θ-εοξένια (s. S. 39), Μεγαλοπολίτης (s. I I I A 6), λιδ-αργύρεος (s. I I I D 3), Σαμ,οδ-ρηΐκη (s. I I I A 7) usw. I.Teil. Bestand der Determinativkomposita im ältesten Griechisch. A. Ü b e r s i c h t ü b e r die in der ä l t e s t e n S p r a c h e bezeugten substantivischen Determinativkomposita. Es scheint vorteilhaft zu sein, an den Anfang unserer Untersuchung eine Liste derjenigen substantivischen Determinativkomposita zu setzen, welche sich in der ältesten griechischen Literatur bezeugt finden. Als zeitliche Grenze nach unten setze ich etwa das Jahr 500 v. Chr. an. Es sind somit außer den homerischen Epen und Hymnen Hesiod und die älteren Lyriker berücksichtigt, nicht aber Pindar, Theognis, Simonides und Bakchylides, deren Wirkungszeit ganz oder teilweise schon ins 5. Jahrhundert fällt. Die Frage, weswegen ich gerade die am besten bekannten Vertreter der Lyrik aus diesem ersten Kreise ausschließe, beantworte ich mit dem Hinweis darauf, daß deren Sprache sich schon merklich von der frühe-

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ren unterscheidet und sich anderseits in mancher Beziehung mit der Sprache der chorlyrischen, ζ. T. auch der andern Partien der attischen Tragödie berührt. Daher werde ich im III. Teil über die Besonderheiten der chorlyrisch-tragischen Sprache auf diesem Gebiete sprechen. Prosa aus der Zeit vor 500 v. Chr. ist bekanntlich äußerst spärlich vorhanden. Zwar wurde sie grundsätzlich mitberücksichtigt; praktisch aber wirft sie nur ganz wenige für unsere Zwecke brauchbare Beispiele ab. 1. δεσπότης „Hausherr, Herr" Tyrt. 7; Archil. 3, 5; Sappho Supfl. D. 24,8 ( = Diehl 2 97,8); Hippon. 64 (-όζω h. Cer. 365, -όσυνος h. Cer. 144, Tyrt. 6, 2). — S. 12f. δέσποινα „Hausherrin" lOmal Od.; Sappho 118, 5; Anacr. 1, 3; Hippon. 72, 5 (?). — S. 12f. 2. μ,ητροπάτωρ „Vater der Mutter" Λ 224. — S. 17. πατροκασίγνητος „Bruder des Vaters" Φ 469, ζ 330, ν 342; Hes. Th. 501; h. Cer. 31 x ). — S. 17. αύτομήτωρ (?) „eigene Mutter" (?) Semon. 7, 12. — S. 18. 3. συνέρι&ος „Mitarbeiterin" ζ 32. — S. 21. συνέταιροι „Gefährten" Sappho Suppl. D. 20 a 5 ( = Diehl 2 55 a 5). — S. 21. Άμοπάων (eig. „Mitbegleiter") Θ 276. — S. 21. Οποδμιώς „Diener" δ 386 2 ). — S. 21. ύποδρηστηρες „Diener" o 330. — S. 21. ύφηνίοχος „Wagenlenkerdiener" Ζ 19. — S. 21. μιετάγγελος „Unterhändler" O 144(?), U" 199 ( ?); Hes. fr. 96, 18. — S. 22. έπιμάρτυρος ( ?) „Zeuge" Η 76, α 273; Hes. Sc. 20, fr. 21 b 17. — S. 21. έπιίστωρ „Mitwisser" φ 26. — S. 22. έπιποιμ,ένες ( ?) „Hüter" μ 131. — S. 21. έπιβώτωρ „Hirt" ν 222. — S. 22. έπιβουκόλος „Hirte" 6mal Od. — S. 21. 1

) Über αύτοκασίγνητος, das kein Determinativkompositum ist, aber als solches empfunden wurde, s. S. 17. 2 ) έτεοδμώς ist f. 1. π 305.

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Griechische Determinativkomposita

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4. δύσμητερ „böse Mutter" ψ 97. — S. 24. δυσαριστοτόκεια (VE) „unglückliche Heldenmutter" Σ 54. — S. 24. Δυσπαρις „schlechter Paris" Γ 39 = Ν 769; Alcm. 40. — S. 24. Αίνόπαρις „schrecklicher Paris" Alcm. 40. — S. 24. Τρος "Αϊρος „Nicht mehr Iros" σ 73. — S. 24. Κακοΐλιος „Unglücksilion" τ 260 = 597 = ψ 19. — S. 24. 5. ήμίονος „Maultier" häufig bei H m . u. ff. (αίμίονος Sappho Suppl. D. 20a 14 = Diehl 2 55 a 14). — S. 22f. ήμίδ-εος „ H a l b g o t t " Adj. u. Subst. M 23; Hes. Op. 160, fr. 96, 62; h. 30 (31), 19; h. 31 (32), 19; ήμίσιος Alcm. 23, 7; αΙμίό·εος Ale. Suppl. D. 8, 13 ( = Diehl 2 74,13). — S. 22f. Ήμίχυνες „Halbhunde" (Fabelvolk) Hes. fr. 62. — S. 23. ήμ,ίανδρος „unmännlich" Hippon. 114. — S. 23. ήμιπέλεκκον „ A x t mit einfacher Schneide" Ψ 851, 858, 883 (nur im Plur.). — S. 51. ήμιτάλαντον „ x / 2 T a l e n t " Ψ 751, 796. — S. 51. ήμψνήϊον „ % Mine" Inschr. Ephesus 6. J h . (Schwyzer 707 Β). — S. 52. ήμ[ιστα]τήρ ( ?) „ V2 Stater" Inschr. Thera 7. J h . (Schwyzer 218). — S. 51 ήμιίεκτον „ % έκτεύς" Inschr. Ephesus und Milet 6. J h . (Schwyzer 707 Β 5; 725,8, vgl. 10); Hippon. 14 b (Diehl). — S. 51. ήμ,ίκυπρον ,,y 2 κύπρον (Kornmaß)" Hippon. 24. — S. 51. 6. ώμογέρων „rüstiger (?) Greis" Ψ 791. — S. 26. δημογέρων „Gemeindeältester" Γ 149, A 372. — S. 26. ψευδάγγελος „Lügenbote" O 159 1 ). — S. 43. παμ,βασιλευς „König aller" Ale. 5, 4. — S. 27f. κνισοκόλαξ „Fettdampfschmeichler" Asius 2. — S. 27. 7. δάπεδον „Hausflur, Platz vor dem Megaron oder Flur im Megaron" Δ 2, 9mal Od.; h.Cer. 283; h. Apoll. 416.; Anacr. (?) 124. — S. 14. ζάπεδον dass. Xenoph. 1, 1; Weihepigramm aus Paros u m 500 (Schwyzer 771). — S. 14. 1

) εΰαγγέλιον „Lohn für einen guten Boten" ξ 152,166 eetzt εύάγγελος (A. Ag. 21, 262, 264, 646) voraus.

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οίνόπεδον „Weingarten" I 579, α 193, λ 193; h. Merc. 207. — S. 15. ίσόπεδον „Ebene" Ν 142. — S. 15. θ-ειλόπεδον (od. δ-'είλόπεδον)x) „Sonnenplatz, Trockenplatz" η 123. — S. 15. κραταίπεδον οδδας „harter Erdboden" ψ 46 (άπαξ λ.). — S. 15. ίστοπέδη „Mastfessel = Mastschuh" μ. 51 = 162 ~ 179; Ale. 18, 6. — S. 26. άλυκτοπέδαι „unentrinnbare Fesseln" Hes. Th. 521. — S. 26. άκρόπολις „Burg der Stadt" Β· 494, 504. — S. 20. πρόδομος „Vorraum" 2mal IL, 6mal Od. — S. 19. επαυλος „Beihof" (?)" ψ 358. — S. 20. μέσσαυλος „innerer Hof" Λ 548, Ρ 112, 657, Ω 29, κ 435. — S. 19f. δρσοδ-υρη „erhöhte Hintertüre (?)" χ 126, 132, 333; Semon. 17. — S. 20. κερκολυρα „eine Art Lyra" Alcm. 142. — S. 27. δίσκουρα „Diskuswurfentfernung" Ψ 523. — S. 11. άλοσύδνη „Meereswoge" (?) Γ 207, δ 404. — S. 11. μελίλωτος „Bockhornklee, Trigonella Graeca" Sappho S u f f i . D. 25,14 ( = Diehl 2 98,14). — S. 27. κοκκυμηλον „Pflaume" Archil. 173; Hippon. 81. — S. 27. κοδυμαλον „Quitte (?)" Alcm. 90 2 ). — S. 27. έλ(ε)ίχρυσος ( ?) „Goldblume" Alcm. 16; Ibyc. 6. — S. 55 ορείχαλκος „Messing" Hes. Sc. 122; h. 5 (6), 9; [Stesich. 88]; Ibyc. 3, 42 (Diehl). — S. 27. Unklar ¡ωλακρος „Mühlstein" Adj.? Alcm. 23,31. χυνάμυια „hundsfreche Fliege" Φ 394, 421. — S. 27. Παναχαιοί „alle Achäer zusammen" (VE) 8mal IL, α 239 = ξ 369 = ω 32. — S. 25.

·θειλόπεδον war im Altertum die gewöhnliche Lesart, wie AP. 6,169 ; 9, 586 und Grammatikerstellen beweisen. Vgl. für είλό- Bechtel, Lexil. s. v., für -θειλό- Sommer, Lautstudien 61f., s. auch Boisacq s. ν. θειλόπεδον. 2 ) Statt γλυκύμδλον ist bei Sappho 93 wohl noch γλυκύ μάλον zu lesen, vgl. S. 32 1 ;erst hellenistische Dichter gebrauchen sicher das Kompositum (Callim. Cer. 28, wohl auch Theocr. 11, 39).

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Πανέλληνες „alle Hellenen zusammen" Β 530; Hes. Op. 528; Archil. 52. — S. 25. Έτεόκρητες „Urkreter" τ 176 1 ). — S. 25. Παντοχάρυβδις so Bergk 1 , (überliefert Ποντο-) Hippon. 85, 1. — S. 27. 12. Καλλικολώνη („Schönhügel") V 53, 151. — s. I I I A 7. Δημήτηρ („Mutter E r d e " ?) von H m . an häufig. •— s. unten. Ελλήσποντος („Helle's Meer") von H m . an häufig. — s. unten und I I I A 7. Πελοπόννησος („Pelops' Insel") h. Apoll. 250 - 290, 419, 430, 432. — s. unten und I I I A 7. Unter diesen Komposita finden sich außer echten Zusammensetzungen auch einige Zusammenrückungen. Letztere sind ζ. T. alt und schon völlig verwachsen, wie δεσπότης (S. 12f.) und Δημήτηρ mit unklarem Vorderglied (dorisch δα bedeutet nach Angabe antiker Grammatiker γα, vgl. Schwyzer Gr. Gr. I 422 u.). Bei andern können wir das Zusammenwachsen der beiden Glieder noch beobachten, ζ. B. bei der Gruppe έπψ.άρτυρος (S. 21 f.). In einigen Fällen finden wir bei den ältesten Belegen noch deutlich zwei Wörter, und erst in späterer Zeit wird der Schritt zum Kompositum gemacht. Außer γλυκύ μαλον (s. S. 10 Anm. 2) gehört hierher &ει (bzw. αϊ) πάρδ-ενος Sappho 96, das Diehl ( 2 fr. 102) mit Recht getrennt schreibt, wohl auch άλι γείτων Horn. Epigr. 4, 6 (vgl. I I I A 5) und endlich Διός κούρους ¡χεγάλοιο h. 32 (33), 9. Wann Ελλήσποντος und Πελοπόννησος zusammengewachsen sind, läßt sich wohl nicht feststellen, vgl. auch I I I A 7. Die Form δίσκουρα Ψ 523, welche aus δίσκου οδρα Ψ 431 zusammengezogen worden ist, wird unter dem Zwange des Metrums an dieser einen Stelle gebildet worden sein. Ob άλοσυδνη Γ 207, δ 404 wirklich ursprünglich „Meereswoge" (*υδνη = lat. unda?) hieß, scheint mir nicht sicher. Möglich wäre auch die Deutung „die aus dem Wasser des Meeres Stammende" (-υδν-ος zu *όδν- neben υδωρ) oder dann „die aus dem (im) Wasser Springende" (aus *άλεσ-υδνια umgestaltet). Fernzuhalten sind Αευκοδ-έη ε 334, das überhaupt kein Kompositum ist (s. Bechtel Lexil. 23 f., Wacker1

) έτεοδμώς ist f. 1. π 305.

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nagel Gl. 14, 44ff.), und Πασιθ-έη Ξ 269, 276; Hes. Th. 246, dessen Hinterglied verbal ist („von allen bewundert", kühne Bildung zu θ-ηέομαι)1). Der Stadtname Άνεμώρεια Β 521 (und der Nerei'denname Λιρώρεια Σ 41) sind nach πρυμνωρείη Ξ 307 „Fuß des Berges" und dem gleichbedeutenden όπωρείη Τ 218 gebildet, welches wohl Feminina zu *πρυ[χνωρέΐος „am untern Teil des Berges befindlich" und *6πωρέϊος „unter dem Berge befindlich" sind, vgl. auch I I I D 3. Äußerst zweifelhaft scheint mir μεσόνυξ zu sein, das nach Choerob. I 82 ein von Stesichorus (fr. 87) erwähnter pythagoreischer Planetenname ist. Auf alle Fälle wird es wohl retrograd von μεσονύκτιος (ζ. Β. Pi. I . 7 (6), 5) abgeleitet sein. Nur der Vollständigkeit halber erwähne ich das wahrscheinlich verdorbene σαρκοκύων Hippon. 133 (aus Schol. Ar. Pax 482; Schneider: σαρκών κύων). Über έδ-ελόπορνοί Anacr. 21, 7, Άστυάναξ Hm. und ähnliche Bildungen s. S. 43, 47, über das adjektivische πολυπότνια (Δηώ) h. Cer. 211 s. S. 35. Β. D i e e i n z e l n e n B e i s p i e l e u n d

Gruppen.

1. δεσπότης, δέσποινα. Bei der Betrachtung der Beispiele, welche das älteste Griechisch bietet, fällt nicht nur auf, wie selten solche Determinativkomposita sind, sondern auch, wie eng sie noch auf wenige scharf umgrenzte Gruppen beschränkt sind. Wir haben da zunächst einige ererbte Beispiele und Typen, ζ. B. das Paar δεσπότης und δέσποινα. Wenn auch das Mask, zwar im Epos (aus metrischen und vielleicht auch aus andern Gründen) fehlt — die ältesten Belege sind Tyrt. 7 und Archil. 3, 5 —, so wird sein Alter, ganz abgesehen von δεσπόσυνος und δεσπόζω im h. Cer. 144, 365, schon durch die isolierte Stellung erwiesen. Allerdings handelt es sich bei diesem Wortpaar eigentlich gar nicht um ein echtes Kompositum, sondern um eine Zusammenrückung. Das erste Glied, δεσ-, ist dabei aus *dems entstanden, dem Gen. des Wurzelnomens *dem- „Haus" (schwundstufig δα- in δά-πεδον S. 14, vgl. δόμος, s. Schwyzer *) Άμφιθέη τ 416 ist als Variante zu άντίϋεος gebildet über Είδοθέη s. III D 3.

worden,

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Griechische Determinativkomposita

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Gr. Gr. I 358). Eine genau entsprechende Wendung ist, worauf mich Prof. M. Leumann aufmerksam macht, im RV. bezeugt, und zwar teils in zwei selbständigen Wörtern : pátir dán (u. ä.) „Hausherr", wobei dán nichts anderes als *dems (> *dams > *dans), also Gen. und nicht Lok. sein kann, teils als jüngere Zusammenrückung: dámpati- (älter wäre *damspati-)> s.Wackernagel Ai. Gr. III 243 f., ganz anders Benveniste, Origines I 66 f. Man darf also annehmen, daß in der idg. Grundsprache die Wendung *dems potis (bzw. potni») oder potis dems, noch nicht aber die Zusammenrückung bekannt war 1 ). Im Griech. ist dann die zu erwartende Form *δεσποτις durch δεσπότης ersetzt worden, weil jenes Wort offenbar wie ein Fem. klang (vgl. δ οινοπότης — ή οίνοπότις Anacr. 97 u. 1β2, άκοίτης — άκοιτις Horn.). Dadurch wurde der Zusammenhang mit dem lautgesetzlichen Simplex πόσις gelöst. Auch das Fem. ist verschieden behandelt worden: beim Simplex ist das suffixale i vokalisch geworden, πότνια, während es beim Kompositum konsonantisch geblieben ist, dafür aber die Vereinfachung der Konsonantengruppe veranlaßt hat: *δεσποτνΐα > *δεσπονια > δέσποινα (die Ansicht von Ed. Hermann, Gött. Nachr. 1918, 207f. ist abzulehnen). So hat sich das Paar δεσπότης / δέσποινα völlig von πόσις / πότνια getrennt und wurde nicht mehr als Kompositum empfunden. Es konnte daher auch kein Vorbild für neue Bildungen abgeben 2 ). Ein Beweis dafür, daß die Griechen sie als Simplicia empfanden, sind die in nachklassischer Zeit gebildeten Komposita οικοδεσπότης, -δέσποινα (zuerst Alexis Com. 225; attisch ist οίκίας δεσπότης, Pl. Lg. 954b, vgl. Xen. Mem. 2, 1, 32); vgl. III C. Ai. pátir dán, dámpati- und verschiedene andere Komposita mit

-pàli-, die offensichtlich Zusammenrückungen sind, s. Wackernagel, Ai. Gr. II 1, 246f., 262f., machen es wahrscheinlich, daß solche Bildungen wie ai. vié-páti-h „Hausherr, Gebieter" mit vié-pátnl „Hausherrin", lit. viëipatis „Herr" mit altlit. Fem. vieépatni, asl. goepodb „Herr", lat. hospes, hospit« *hosti-pot%·), got. bruf>faf>8 „Bräutigam", hutidafa^s ,,έκατόνταρχος" usw. als K o m p o s i t a doch nur éinzelsprachliche Neuerungen sind. *) In vorhistorischer Zeit wurden möglicherweise einige andere Komposita mit -πότης gebildet. Ein Rest hat sich vielleicht in ίππότα, -της < ·ϊππο-πότης( ?) erhalten, vgl. ai. (Uva-pati- (so Fay, Classical Quarterly S, 273 und IF. 29, 415 zustimmend Schwyzer, Gr. Gr. I 499 ·).

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2. K o m p o s i t a m i t -πεδον. Ein weiteres altertümliches Erbstück bilden die mit πέδον zusammengesetzten Wörter, vgl. ai. dru-padâ-m, „Holzpfahl", s. Wackernagel Ai. Gr. I I 1, 241 f. Das Grundwort selbst, πέδον „Ebene, Boden", das in heth. pedan η. „Stelle" und umbr. pefum „solum" seine genauen Entsprechungen hat, ist bei Homer nur in adverbiellen Verbindungen erhalten (πέδονδε „zu Boden, hinunter" Ν 796, λ 598 und πεδό&εν „von Grund auf (?)" ν 295 1 )); die andern Dichter (h. Cer. 455, vor allem Chorlyriker und Tragiker) kennen es auch als Substantiv. Lebendiger aber war seit Homer die Ableitung πεδίον. Unter den zahlreichen Komposita sind δάπεδον und κράσπεδον besonders altertümlich. Von diesen ist δάπεδον „Hausflur" gemeingriechisch (Hm., Lyr., Inschr., ion. und att. Prosa). D a das Vorderglied δα- ( < *dm-, zu *δεμ.- „Haus", vgl. δεσπότης S. 12 f.) für die Griechen unverständlich war, bildete ein Dichter, veranlagt durch das Nebeneinander von ζα-(τρεφής) und δα-(φοινός), ein ζάπεδον (Xenoph. 1, 1 und parisches Weihepigramm um 500 v. Chr., Schwyzer 771, 3), s. Solmsen I F . 31, 453 ff. 2 ). Bei κράσπεδον „Rand, Saum eines Kleides", übertragen „Flügel des Heeres", das allerdings erst im Attischen (S. fr. 602 [ = 545 Ν], E. Ar. X., auch Theocr. 2, 53) bezeugt ist, wird das hohe Alter durch die Form des Vordergliedes (κρασSchwundstufe zu κέρας, καρασ-ν- [in κάρη usw.] : das Vorderglied erscheint schwachstufig, vgl. δα- in δάπεδον, s. Schwyzer Gr. Gr. I 437 f.) und durch die Bedeutung erwiesen, welche zu πέδον „Ebene" nicht viel besser paßt als ai. dru-padâ-m „Holzsäule" zu idg. *pedom „Platz" 3 ). 1

) πεδόΰεν wird von W. Schulze, Qu. ep. 86 Aran. 1 angezweifelt. ) Zum Wechsel von δα- und ζα- wäre auch ζακρυόεις (θάνατος) Ale. Suffi. D. 12, 8 ( = Diehl 2 78, 8) heranzuziehen. Wenn (ό)κρυόεις I 64 und δακρυόεις E 737 = Θ 388, Ρ 512 Beiwort zu πόλεμος ist, konnte ein Dichter (Alkaios?) δακρυόεις als ein verstärktes κρυόεις auffassen und dazu ζακρυόεις bilden. 3 ) Prof. M. Leumann nimmt als Grundbedeutung von κράσπεδον ..Kopfstelle", d. h. nur ,,der obere Rand des Kleides, aus dem der Kopf herausschaut" an. 2

Griechische Determinativkomposita

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Homer kennt außer ΒάπεΒον noch folgende Komposita: οίνόπεΒον „Weingarten", Substantiv -oto (VE) I 579, in der Verbindung άλωης οίνοπέΒοιο (VE) α 193 ~ λ 193 ~ ft. Merc. 207 wahrscheinlich Adjektiv. Die wenigen spätem Belege sind offenbar von Horn, abhängig. ΙσόπεΒον „Ebene" Ν 142, auch X., Luc. Bei Hdt. (4, 201) ist es vielleicht, bei spätem Gelehrten sicher Adjektiv. Q-ειλόπεΒον (od. 0>'είλόπεΒον) „Trockenplatz" η 123, s. S. 10 Anm. 1. κραταίπέΒον οδΒας „harter Fußboden" ψ 46. Dazu kommt aus Pindar κοιλόπεΒον νάπος „tiefer Waldgrund" P . 5, 39. Auffallend ist der adjektivische Gebrauch teils schon bei Hm., teils erst später. Man erklärt diese Erscheinung wohl am besten damit, daß Komposita von solchem Bau, d. h. mit substantivischem oder adjektivischem Vorderglied und substantivischem Hinterglied, fast immer Bahuvrihi sind und als solche mit Vorliebe adjektivisch verwendet werden. Es entsprach also griechischem Sprachgefühl besser, wenn man derartige Komposita mit -πεΒον adjektivisch und nicht substantivisch verwendete. Übrigens konnte κραταίπέΒον schon vom Dichter als Bahuvrihi gebildet worden sein, wenn ihm dieser Unterschied überhaupt bewußt war1).Vgl. auchS. 23 und III A6. Der attischen Prosa gehören auch noch folgende Komposita an: στρατόπεΒον „Heerlager, Heer" (auch Hdt., Trag.), οίκόπεΒον „Platz, auf dem ein Haus erbaut ist oder wird, Gebäude", γήπεΒον „Platz, Boden" (dazu γάπεΒον A. Pr. 829, γεωπέΒιον Hdt. 7, 28), άλίπεΒον „Ebene am Meere" (auch Ar. fr. 233), όρχίπεΒα und λακκόπεΒον „Hoden" (Com., Gramm.). Merkwürdig ist das Adj. άπεΒος „eben" (Hdt. Th. X.), offenbar ein Bahuvrihi mit ά-copulativum; als Subst. -ov ist es bei Hdt. 4, 62 belegt. Unklar ist das bei Ath. 9, 461 E ) κραναήπεδος in h. Apoll. 72 ist sicher Bahuvrihi: „mit steinigem Boden", ferner βαθύπεδος (oder -πέδιος) Νεμέα Pi. Ν. 3, 18, ύψίπεδον Θεράπνας . . . εδος Pi. I. 1, 31, χαλκόπεδον θεών έ'δραν Pi. I. 7, 44, φοινικόπεδόν τ Ερυθράς Ιερόν χεΰμα "θαλάσσης Α. fr. 192 L. 1

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Indogermanische Forschungen 59,1 (1944)

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überlieferte Fg. des Komödiendichters und Iambographen Hermippos (fr. 4): σπληνόπεΒον (cj. σκληρό-, σπιλό-, σφηνό-)1). 3. V e r w a n d t s c h a f t s b e z e i c h n u n g e n . a) Ererbt ist auch der Typus mit προ- zusammengesetzter Verwandtschaftsbezeichnungen, vgl. lat. pro-avus „Urgroßvater", ai. prä-pitämaha- dass., asl. pra-dëch> dass, und lat. pronepös „Urenkel" 2 ), ai. prá-napát dass., russ. pra-vnuk dass., s. Wackernagel, Ai. Gr. I I 1, 256 f. Im Griech. werden solche Bildungen fast nur in der Umgangssprache gebraucht und von der Dichtung, wenn man von προπάτωρ und προμ,ατωρ absieht, gemieden. Daher fehlen Belege aus der älteren Zeit, wie sich auch im RV. kein Beispiel für eine mit prá- zusammengesetzte Verwandtschaftsbezeichnung findet. Die ältesten sind προπάτωρ „Stammvater" Pi., Hdt., Trag. (L), auch PI. ff., προπατήρ Pap. (vgl. lat. proprius < *prop(a)trios, Wackernagel Festgabe Kaegi 40), danach προμάτωρ „Stammutter" 3 ) A. Th. 140; E. Ph. 676, 828 (alle Stellen chorlyrisch), und προπάππος „Urgroßvater" attische Redner, PI. Dazu kommt προτή0·η „Urgroßmutter", das selbst allerdings erst spät bezeugt ist, aber wegen der komischen Bildung πρότη&υς Cratin. 438 („älter als Großmutter Tethys") sicher schon im 5. Jahrh. bekannt war. Aus späterer Zeit sind ferner noch überliefert προμάμμη „Urgroßmutter", πρόβειος „Großonkel", προπένθ·ερος „Vater des Schwiegervaters", προϋκονός „Urenkel" (lat.Einfluß?), προέγγονος (d. h. -έκγονος) dass., προεγγόνη „Urenkelin" 4 ). Neben solchen mit προ- gebildeten Komposita kommen auch Zusammensetzungen mit andern Präpositionen vor : άπέκγονος „Ururenkelin" Simon. 112, 3, das vielleicht ein idg. Aus späterer Zeit notiere ich noch άλήπεδον = Άλήϊον πεδίον Lyc. 681 ( !), μυχόπεδον „Abgrund" Phot., ferner όροπέδιον „Hochebene" Str. 2 ) Logisch wäre *post-nepös (oder ähnl.); aber auch im Deutschen sagt man Großsohn, nicht Kleinsohn (wie ndl. kleinzoon, fr. petit-füs), vgl. Kretschmer, Gl. 10,42f. 3 ) Nach Hesych „Vater der Mutter"! 4 ) Nicht hierher gehörig, sondern einfaches verbales Rektionskompositum ist πρόγονος „Vorfahr" Pi., Trag., Hdt., PI. usw. (dazu προγονή „abavia, privigna" Gloss, und künstlich gebildet προγεννήτορες E. Hipp. 1880 L, προγεννήτειρα Lyc. 183).

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Griechische Determinativkomposita

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Erbstück (vgl. ap. apa-nyäka „Ururgroßvater", lat. ab-avus dass.), vielleicht auch bloß eine verstärkende Kontamination von εκγονος (seit Hm.) und ά-όγονος (seit Hdt. und S.) ist. Mit Im- kennen wir έπιτη&ή ,,Ur(ur)großmutter" Theopomp. Com. 42 und aus späterer Zeit (meistens Gramm.) έπίπαππος „Ururgroßvater" ( = παππεπίπαππος Philonides fr. 15, s. III D 4), έπιπάτωρ „Stiefvater", mit ές- aus späterer Zeit εκπαππος „Ururgroßvater", ferner die präpositionalen Rektionskomposita έξάδελφος, -η „Vetter oder Neffe, Kusine", έξαδελφιδή „Großnichte", έςανέψιος „Vetter 2. Grades". • Verhältnismäßig alt scheint auch τριτοπάτωρ „Urgroßvater" (?) Poll. 3, 17 (aus Arist.) zu sein, vgl. darüber Kretschmer Gl. 10, 38ff. und 12, 214. Dazu gehört auch τρίτος πάππος „Ururgroßvater" Dion. Hal. 4, 47, ferner die spät bezeugten τριτέγγονος (d. h. -έκγονος) -η, τρίμαμμα, τρίπαππος, τρι-άτορες und δισεςαδελφος, δισέκγονοι, vgl. auch Poll. 3, 16ff. b) Außer diesen im Typus ererbten Verwandtschaftsbezeichnungen kennen wir aus der epischen Sprache μητροπάτωρ und πατροκασίγνητος. Letzteres wird bei Homer nur am Versanfang und nur von Poseidon gebraucht und geht offenbar auf αότοκασίγνητος zurück, welches auch nur am Versanfang steht (6 mal II., -η κ 137) und Ξ 156 von Poseidon, sonst von Menschen und Heroen gebraucht wird. Dieses aber ist ein verbales Rektionskompositum (etwa aus *αύτοτεκασί-γνητος „von derselben Mutter [*tekriti = jüngerem τεκουσα] geboren", s. Wackernagel KZ 33, 13 ff., Kretschmer Gl. 2, 204 ff., Boisacq 419, unwahrscheinlich Kuiper Gl. 21, 287 und Schwyzer Gr. Gr. I 270f.). Ob μητροπάτωρ, das bei Horn. Λ 224 und bei Hdt. mehrfach, ζ. Β. 1, 75, vorkommt, nach πατροκασίγνητος oder nach προπάτωρ gebildet ist, ist kaum zu entscheiden. An μητροπάτωρ und πατροκασίγνητος schließen sich in der Folgezeit an: πατραδελφεός Pi., Labyadeninschr. (Schwyzer 323) C 44, -φος att., ματραδελφεός Pi.; πατροπάτωρ und μάτρομάτωρ Pi.; μαμμοπάτωρ Inschr. in kypr. Alphabet (s. Hoffmann Gr. Dial. I, No. 159), πατρομήτωρ „Mutter des Vaters" Lyc. 5021). Dagegen verwendet Luc. Alex. 58 πατρομήτωρ in der Bedeutung „Vater der Mutter ( !)", offenbar weil bei ματροματωρ und πατροπάτωρ nicht zu entscheiden war, welches Glied regierte; vgl. auch III D 3.

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Unklar ist αότομήτωρ Semon. 7, 12. Eine künstliche Bildung mit abweichender Bedeutung ist ¡χατροκασιγνήτα „leibliche Schwester" A. Eu. 962. Aus später Zeit kennen wir άνδράδελφος, -η, γυναικάδελφος und παιδόπαις (Papyr. Inschr. u. a.). Über die andern, fast nur in chorlyrischer und tragischer Sprache gebildeten Verwandtschaftsnamen s. III Β 1, über die mit -¡χήτρα s. I I I A 5 1 ). c) Wenn wir von den im Typus ererbten Komposita mit προ- und vielleicht auch von άπέκγονος absehen, stellen diese zusammengesetzten Verwandtschaftsnamen eine beachtenswerte griechische Neuerung dar. Auch sonst haben die Griechen in der Terminologie der Familienglieder verhältnismäßig wenig Altes bewahrt. Zwar sind die Benennungen für die Verschwägerten (έκυρός usw.) im ganzen gut erhalten; dafür sind aber von den Ausdrücken für Blutsverwandte nur die Bezeichnungen für „Vater", „Mutter", „Tochter" und „Sohn" in der ursprünglichen Bedeutung und Verwendung geblieben, wobei im Wort für „Sohn" nicht das gewöhnliche *sünus, sondern die Nebenform *suius weiterlebt. Die alten Namen für die Kinder der Söhne (*nepot-), die Brüder oder Vettern, Schwestern oder Kusinen ( * b h r â t é r - , *suesör-) und (die Lallwörter?) für die Eltern der Mutter ( * a u o s , *auid) sind jedoch durch neue Wörter verdrängt worden; φρατηρ lebt nur als staatsrechtlicher Begriff weiter, während sich von den andern drei Erbwörtern nur kümmerliche Reste oder Ableitungen erhalten haben 2 ). Die neuen griechischen Bezeichnungen sind fast ausschließlich Lallwörter wie πάππος, patronymische Ableitungen wie υίωνός, άδελφιδέος usw. oder dann Komposita, ζ. B. deverbative wie εκγονος, κασίγνητος, „ableitende" wie άδελφεός ( = δμογάστριος) und Determinativkomposita wie die eben besprochenen, bei denen die mit einer Präposition oder einem Adverb zusammengesetzten im ganzen häufiger sind als die vom Typus ¡χητροπάτωρ. Kein Determinativkompositum ist άλλοφρήτωρ „Mitglied einer andern Phretre" IG. 14, 759, 11 (Neapel), das dem Sinne nach eine Ableitung v o n άλλη φρητρίη ist, vgl. έτερόπτολις „aus einer andern Stadt stammend" Erinna 5, 4, ferner auch Νεοπολίτης usw. s. I I I A 6. 2 ) Über *auos vergi, meinen, im Museum Helveticum demnächst erscheinenden Aufsatz (Bd. I, H e f t 2).

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Griechische Determinativkomposita

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4. K o m p o s i t a m i t läge- o d e r r a n g b e z e i c h n e n d e m Vorderglied. Wenn man vom relikthaften Paar δεσπότης / δέσποινα, den Komposita mit -πεδον, die als Typus ererbt sind, und den Verwandtschaftsbezeichnungen, von denen einige ebenfalls ererbt sind, absieht, findet man im ältesten Griechischen fast nur solche substantivische Determinativkomposita, die mit einem Adverb (Präposition) oder einem Adjektiv zusammengesetzt sind. Durch das Vorderglied wird dann meistens irgendwie die Lage bestimmt : bei Sachen ist es die Lage im ursprünglichen Sinne, ζ. Β. πρόδομος „Vorhaus, Vorraum", άκρόπολις „Hochburg", bei Personen die Lage im übertragenen Sinne, d. h. der Rang. Dabei gehören hieher natürlich außer den sozialen Rangbezeichnungen (wie ύφηνίοχος) auch die schon besprochenen genealogischen (wie προπάππος S. 16f.). Auch die Komposita mit ήμι-, ζ. Β. ή[λίΟ·εοι, können dazu gezählt werden. An sie schließen sich noch folgende Zusammensetzungen an, die gewissermaßen ein Werturteil angeben: δυσμητερ (u. Verwandtes) und die kleine Gruppe Έτεόκρητες und Παναχαιοί (vgl. Sommer, IF. 55, 196 Anm.). a) Ich behandle zuerst die S a c h b e z e i c h n u n g e n . Am häufigsten ist da πρόδομος „Vorraum", welches wahrscheinlich ebenfalls wie προπάππος (S. 16) einen ererbten Typus der Determinativkomposita darstellt: vgl. ai. prâ-pad-a- „Fußspitze", s. Wackernagel Ai. Gr. II 1, 256. Es ist allerdings auch möglich, daß πρόδομ,ος ein präpositionales Rektionskompositum ist („vor dem Hause befindlich", so Jacobsohn, Gnomon 2, 385), und eine saubere Scheidung ist hier wie in manchen andern Fällen nicht möglich1). Dagegen wird das bedeutungsähnliche προ'9-upov „Torraum", eig. „vor dem Tore befindliches", sicher präpositionales Rektionskompositum sein 2 ). Ebenso sind die sachlich nicht ganz klaren [λέσσαυλος „innerer *) Auch ai. prâ-pad-a- kann ursprünglich „vorne am Fuße befindlich" bedeutet haben. 2 ) Gegensatz zu πρόδομος ist att. οπισθόδομος (statt *όπισθέ-, s. Schwyzer, Gr. Gr. I 438 Anm. 1) „hinterer Teil des Hauses, speziell des Parthenons", s. III A 1. Eine späte Nachbildung ist άνδρόδομος ( = ανδρών) Gramm.

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Pferch" und επαυλος „Viehhof (Beihof?)" vielleicht ursprünglich Adjektiva („mitten im Hofe befindlich", seil. αύλη'[?], usw., vgl. επαυλις Hdt.ff.) 1 ). Ferner gehört hierher das mit Vorliebe zitierte άκρο'πολις „Hochburg", das streng genommen nachliomeriscli ist. In der Ilias nämlich heißt bekanntlich der oberste Teil der Stadt Troia mit dem Palaste und dem Haupttempel πο'λις άκρη (Ζ 88, 297, 317, Η 345, Χ 383) oder άκρη πόλις (Ζ 257), auch πόλις άκροτάτη (Γ 52, Χ 172) und Ιΐέργαμ,ος άκρη (Ε 460, Ζ 512). Nur im späten 8· steht, in derselben Bedeutung ακρόπολις (S· 494, 504), offenbar eine Kontamination von άκρη πόλις und άκρόπολος „hochragend (von Bergen)" ZU 7Zέλομαι2). Die andern Komposita mit -πολις werden im III. Teil (A 6) besprochen werden. In diesen Zusammenhang gehört auch das viel behandelte ¿ρσοδ-υρη „erhöhte Hintertüre ( ?)" oder nach Büchner, welcher Rh. Mus. N. F. 83 (1934) 97 ff. dieses Wort vor allem sachlich sehr ausführlich behandelt hat, „Vorsprungstüre, Balkon". Dieses Wort kommt nur χ 126, 132, 333 vor, d. h. nach Von der Mühll, Odyssee, in Pauly-Wissowa, Suppl. Bd. VII 758, in der jüngsten Schicht. Das Vorderglied ist allerdings unklar (s. W. Schulze Qu. ep. 506, vgl. zuletzt Specht KZ. 66, 199f.). Vielleicht ist auch δπώρη „Spätsommer, Herbst" (mit ¿πώρινος) X 27, λ 192 ~ μ. 76 ~ ζ 384, Alcm. 75 u. 76 (όπάρα?) zu diesen Beispielen zu stellen (als όπ-ώρη „Nachsommer", δπ- / έπ-ι), vgl. W. Schulze Qu. ep. 475, Boisacq s. v. Danach βόαυλος Theoer. 25, 108 (-ov A. R. 3, 1290). Andere Stallbezeichnungen sind verbal, z. Β. βούσταΟμον (Trag.), μη/ααυΟμός Lyc. 90 (erst ganz spät ist χοιρομάνδριον EM). In E. Ale. 549 wird μέσαυλος Φύρα im Sinne des sonst im Att. üblichen μέταυλος θύρα „Tür zwischen Hof und Hausinneren", eines präpositionalen Rektion3kompositums, gebraucht. In hom. εναυλος „Wildbach" wird αυλός „Röhre" stecken (etwa: „im Rohre, d. h. im Tobel fließend" ?). 2 ) Vielleicht gehört ακρόπολις zu den nach Wackernagel, Spr. U. 159 besonders zahlreichen Attizismen des θ . — Die vorgetragene Erklärung von ακρόπολις steht im Gegenaatz zu der von Frisk, IF. 52, 283. Wenn Frisk schreibt, άκρη πόλις sei deshalb zu ακρόπολις zusammengezogen worden, weil es eine „semantische Einheit" geworden war, so dürfen wir nicht vergessen, daß Νέα Πόλις, "Αρεως πάγος u. a., obwohl sie nur éinen Begriff ausdrücken, bis in späte Zeit zwei Wörter geblieben sind, vgl. S. 7.

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Griechische Determinativkomposita

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b) Bei den P e r s o n e n sind die Verwandtschaftsbezeichnungen vom Typus προπάππος, welche einen genealogischen Rang ausdrücken, S. 16f. behandelt worden. Untergeordnete soziale Stellung wird durch die Präposition 6xo- ausgedrückt: όποδμ,ώς,„Diener (einer, welcher unter einem andern dient)", υποδρηστηρες dass, und ύφηνίοχος ( = ηνίοχος 9·εράπων Θ 119) ,, wagenlenken der Diener" (bei X. Cyr. 6, 4, 4; 7, 1, 15 „Diener des Wagenlenkers"). Von diesem gehört όποδρηστηρες (o 330) sicher irgendwie zu υποδρκω (o 333), kann also verbal aufgefaßt werden (etwas anders Sommer, Ahhijaväfr. u. Spr. 26f.). Außer diesen rangbezeichnenden Zusammensetzungen sind, andere mit Präpositionen gebildete Personenbezeichnungen selten: sicher ist nur συνέρι&ος ζ 32 „Mitarbeiterin" (vgl. Schwyzer Gir. Gr. I 435), wozu auch συνέταιροι Sappho S u f f i . J). 20 a 5 ( = Diehl 2 55 a 5) 1 ) und der Personenname Άμ,οπάων Θ 276 gehören. Bei den andern Beispielen aus Homer ist es zweifelhaft, wie weit man schon von Zusammensetzungen sprechen darf. So ist in Η 76 ( = Hes. fr. 21 b 17) , und α 273 ( ~ Hes. Sc. 20)

Ζεός δ' επι μάρτυρος εστω / θ·εοι δ' επι μ,άρτυροι εστων /

die Präposition wohl getrennt zu schreiben. Nach diesen Wendungen ist μ. 131 gebildet: θ·εαι δ' επι ποιμένες (od. έπιποιμ,ένες) είσίν / 2 ). Es schließen sich a n : βοων έπιβουκόλος (kaum επι βουκόλος) άνήρ Is) (γ 422, υ 235 = φ 199, χ 268, 285, etwas anders χ 292), 1

) Die Verfasserschaft Sapphos ist strittig, vgl. Diehl 2 im krit. Apparat; — συνέταιρος sonst noch Hdt. 7, 193; συνεταιρίς Erinna 5,7. 2 ) Bei der alexandrinischen Akzentuierung επιποιμένες hat επι einen eigenen Akzent, weil eB eine „περισσή πρόθεσις" (d. h. eine überflüssige Präposition) ist, s. Laum, Das Alexandrinische Akzentuationsßystem S. 211f.; für uns ist damit nichts entschieden. 3 ) Schwyzer, Gr. Gr. I 435 8 schreibt auch επι βουκόλος getrennt. Weil der Gebrauch dieser Wendungen durchaus formelhaft ist und sie alle auf επι μάρτυρος zurückgehen, ist im Grunde eine Diskuseion, wie im einzelnen Falle zu schreiben iet, unnütz. Eine späte Nachbildung ist Orph. A. 294 έπικοίρανον είναι VE.

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Indogermanische Forschungen 59,1 (1944)

und endlich :

ν 222 φ

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έπιβώτορι μήλων /

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μεγάλων έπιίστορα έργων /

B e i diesem letzten Beispiele k o m m t eine getrennte Schreibung n i c h t mehr in F r a g e 1 ) . Ähnlich, verhält es sich bei μ,ετάγγελος: O 144 rIptv θ·1, ή τε 8>εοΐσι μ έ τ ' άγγελος άβανάτοισιν (unter den Göttern), danach Ψ 1 9 8 f .

ωκα δε ΤΙρις

άράο>ν άΐουσα μετάγγελος ήλθ·' άνέμοισιν (kaum μέτ' . . . ήλΕΐ-ε), und endlich H e s . fr.

96, 18

ουδέ τίνα μνηστηρα μετάγγελον άλλ[ον επεμψεν,

(μετάγγελος = Unterhändler). Diese Beispiele sind gerade deswegen reizvoll, weil wir an ihnen gut die E n t s t e h u n g von K o m posita

durch Zusammenrückung,

welchen Vorgang wir

bei

andern F ä l l e n in vorhistorische Zeit hinaufverlegen müssen, verfolgen k ö n n e n 2 ) . Freilich k a m e n diese Zusammenrückungen nur im Verse zustande. D a h e r erwiesen sich weder επι μάρτυρος noch

μετάγγελος später irgendwie

zu όποδμοίς und συνέρι&ος, deren

produktiv, im

Gegensatz

Weiterentwicklung

wir im

I I I . T e i l (A 1) b e t r a c h t e n werden. 5. K o m p o s i t a Komposita

mit

mit ήμι-,

ήμι-. wie ήμίδ-εος, ήμιονος, h a b e n

in andern S p r a c h e n Parallelen, ζ. B . lat. sêmi-vir aber scheint nur der T y p u s der verbalen

auch

u. a. E r e r b t

Rektionskomposita

zu sein, wie ήμίλουτος Cratin. 416, ήμιδαής Π 294, ήμιθ·νής Ar. Nu. 504, T h . , usw. D e n n auch das Ai. k e n n t m i t sämi gesetzte

P a r t i z i p i a auf -ta-,

ζ. Β . sämi-cita-

zusammen-

B r ä h m . „halb-

g e s c h i c h t e t " , s. W a c k e r n a g e l Ai. Gr. I I 1, 6 9 ( B a h u v r ï h i ist (a-)sämi-savas-

R V . „ m i t u n v e r b r a u c h t e r K r a f t " ) . D a z u passen

*) Vielleicht haben die Dichter bei έπιβουκόλος usw. auch an επίουρος (ζ. Β. ύών έ. in ν 405 = ο 39) zu επι δρομαι neben οδρος „Wächter" (ζ. Β. Θ 80 Νέστωρ οίος εμιμνε Γερήνιος οΰρος 'Αχαιών u. ä.) gedacht. Auch έπαμύντωρ π 263 zu έπαμυνω neben άμΰντωρ zu άμυνω könnte man heranziehen. Vgl. auch έπίφρουρος E. Or. 1575. 2 ) Ich halte es für wahrscheinlich, daß auch Komposita vom Typus προπάππος ursprünglich Zusammenrückungen sind, etwa *πάππος εστίν Α., 3tρό πάππος ήνΒ. (vorher war Β. der Großvater). Allerdings fällt dieser Vorgang noch in idg. Zeit. Anders ist die Deutung bei Schwyzer, Gr. Gr. I 435 u.

Griechische Determinativkomposita

[23]

23

im Germ, (besonders häufig im Ags.) die mit sämi-, säm- zusammengesetzten Partizipien und Adjektiva, z. B. ags. sämbœrned ,, semi-us tus", sâm-swœled dass., säm-workt „halb vollendet", säm-cwic = ahd. sämi-quek ,,semi-vivus", ahd. sämodaht ,,halbbedeckt" usw., und im Lat. mit sëm(i)- zusammengesetzte Partizipien und Adjektiva, z. B. sëmi-doctus, sêmi-êsus, sëmi-râsus, sëmi-vivus usw. (Bahuvrïhi sind sëmi-animis, sëmisomnus u. a.). Dagegen werden wir die substantivischen Determinativkomposita mit ήμι- als griechische Neuerung betrachten müssen1). Es ist bezeichnend, daß das einzige bei Hm. und den Spätem häufig gebrauchte Kompositum dieser Art mit einem Lehnwort zusammengesetzt ist: ήμίονος, offenbar ein Wort aus der Sprache des täglichen Lebens2). Außer ήμίονος finden wir bei Homer ήμίθ-εος, und zwar nur in M 23 ήρθ·έων γένος ανδρών / In gleicher adjektivischer Verwendung auch h. 30 (31), 19 und h. 31 (32), 19. Daß substantivische Determinativkomposita als Adjektive verwendet werden, ist eine verbreitete Erscheinung, s. S. 15. In diesem besondern Falle wird άντί8>εος und vielleicht schon ίσόθ·εος als Vorbild gewirkt haben. An ήμίονος und ήμίθ·εος schließen sich Ήμίκυνες (Fabelvolk) Hes. fr. 62 und ήμίανδρος an, welches nach Suidas von Hipponax gebraucht wurde (fr. 114). Auch später finden wir nur wenige Neubildungen: ήμ,ίδουλος E. Andr. 942, ήμιλάσταυρον Men. 1014 (zwischen ήμίγραφον und ήμιφυές ; λάσταυρος ist ein Schimpfwort), Ήμικρής Lyc. 150 („Halbkreter", vgl. Έτεόκρητες S. 25), ήμιγύναις λάτρις [Pseudo-JSimon. 179, 9 (aus hellenistischer Zeit) von einem Gallen, ήμί&ηλυς νΑττις x ) Ai. sämi-gandharvä- Maitr. S. „Halbgandharve", welches Schmidt, Nachträge zum Sanskritwörterbuch, erwähnt (und dabei sogar getrennt schreibt), wird ohne direkten Zusammenhang mit dem Griech. stehen. Die von den lat. Dichtern, vor allem Ovid, verwendeten Komposita wie

sëmi-vir, sëmi-bôs, semi-homo sind Nachbildungen nach dem Griech., während

sëmi-senex Plaut, wohl zu sëmi-vivus zu stellen ist. 2)

Während-mit dem Erbwort ίππος als Hinterglied Bahuvrïhi und verbale Rektionskomposita gebildet werden, ζ. Β. πολύϊππος, μελάνιππος, πλήξιππος, erscheint das Lehnwort δνος nur in diesem Determinativ kompositum.

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Anacreont. 11, 2 (vgl. μειξόΟ-ηλυς S. 49) und ήμ,ιάρρην v. 1. Ctes. fr. 29, 5 u. Theopomp. Hist. 101 ( = 111 M). Aus nachchristlicher Zeit noch ήμιάνθ-ρωπος, ήμίβροτος ίππος („Kentaur"), ήμίθ-ηρ1). Einen völlig andern Typus stellen die substantivierten Adjektive ήμ,ιτάλαντον, ήμιπέλεκκον, ήμιμ,νήϊον usw. dar, welche in einem andern Zusammenhange behandelt werden müssen, s. S. 51 f. 6. T y p u s δίίσμητερ. Zu den einen R a n g bezeichnenden oder einen Wert ausdrückenden Determinativkomposita kann man auch den Typus δυσμητερ zählen. Der Ausgangspunkt zu diesen in höchstem Grade affektgeladenen Ausdrücken scheint mir δυσάμ,μορος (ζ. Β. Χ 485 in Andromaches Totenklage u m Hektor), eine steigernde Kontamination von αμμ,ορος (vgl. Ζ 408) und δύσμορος (vgl. X 481), zu sein, s. Schwyzer, Sprachl. Hypercharakterisierung 9 6 (Abh. Preuß. Ak. Wiss. 1941, Phil.-hist. Kl., 9). Nach diesem Vorbilde wurde δυσαριστοτόκεια (VE) Σ 54 (Thetis von sich selbst) und / μ,ητερ έμ,ή δύσμητερ ψ 97 (Telemachos zu Penelope) gebildet. Ähnlich sind Γ 39 = Ν 769

Δυσπαρι, είδος άριστε, γυναψ,ανές, ήπεροπευτά!

(Hektor zu Paris), σ 73 η τάχα *Ιρος Άι'ρος έπίσπαστον κακόν εξει, und τ 260 = 597 = ψ 19 ώιχετ έποψό|ΐενος Κακοιλιον οόκ ονομαστή ν. Alle diese Beispiele machen innerhalb der homerischen Sprache einen durchaus jungen Eindruck. Sehr beachtenswert ist, daß bei Βύσμητερ das e, welches das einfache Wort bietet, im Gegensatz zur o-Abtönung etwa bei μητροπάτωρ erhalten bleibt. Die späteren Dichter bilden diesen Typus weiter: Alcm. 40

Δυσπαρις, ΑΙνόπαρις, κακόν Ελλάδι βωτιανείραι,

wobei αίνο- gegenüber δυσ- noch steigernd ist 2 ). In den ChorÄlter ist μειξόθηρες φώτες E. Ian 1161, vgl. Lyc. 650, s. S. 49. — Häufiger sind übrigens Adjektiva mit ήμι-, ζ. Β. ήμίκακος S. Ar. Alexis, ήμιμόχΰηρος Pl., ήμίχρηστος Arist. 2 ) Vgl. die Verbindung δΰσμορος αίνόμορον Χ 481. — Αίνόπαρις hat auch E. Hec. 945 L.

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liedern der Tragödien finden wir ώ πάτερ αίνόπατερ (A. Ch. 315), Δυσελένα (E. Or. 1388), verbal δυσευνάτορες δράκοντες (Α. Th. 293), ferner die später noch besonders zu besprechenden πόνοι δυσπονοι, γάμοι Büffya^ioiu.ähnl. (s.III Β 3). Gedichte (auch Grabepigramme) bieten noch folgende neue Bildungen δυστοκέες (s. I I I Β 3), δυσπάρΟ-ενος, δυσάγγελος (vgl. S. 43), ΑΙνελένη, αίνοτόκεια, αίνο τόκος, αΐνογόνος, αίνογίγας, αίνοπέλωρος, αίνοτίταν, αΐνοτυραννος, αΐνολέοιν, αίνόλυκος, αίνόφυτα. Dazu kommen aus Grammatikern etwa noch δύσπαις und αΐνεπίκουρος. Im ganzen haben auch die späten Nachbildungen die Intensität des Affektes, welche die homerischen Vorbilder auszeichnet, bewahrt 1 ). 7. Ü b r i g e s u b s t a n t i v i s c h e sita.

Determinativkompo-

a) Ein gewisses Werturteil liegt auch im zusammengesetzten Eigennamen Έτεόκρητες τ 176 „Kreter im eigentlichen Sinne, Urkreter", zu dem auch Έτεοκαρπάβιοι IG 1 2 212, 76 gehört (s. Sommer, Ahhijaväfr. u. Spr. 25 Anm.l). Vergleichbar ist Παναχαιοί „Achaier im weitern Sinne" mit dem nachgebildeten ΙΙανέλληνες Β 530 „Hellenen im weitern Sinne", ΙΙανελλάς Pi. Pae. 6, 62. Mit den adjektivischen Komposita wie παν-αίολος „ganz schillernd" oder παν-άποτμ,ος „ganz unselig" haben diese Völkernamen nur wenig zu tun. Späte Nachbildung ist Ποψ,βοιωτοί IG 7, 2712, 49 (1. Jh. n.) 2 ). Über παμβασιλευς s. S. 27f. b) Außer den besprochenen mit einer Präposition, mit ήμι-, δυσ- oder einem Adjektiv (άκρο-, μ,εσσο-, κακο-, έτεο-, παν-) zusammengesetzten Determinativkomposita finden wir im ältesten Griechischen fast nichts. Vor allem sind Bildungen mit substantivischem Vorderglied, wenn wir von den S. 14ff. besprochenen Komposita mit -πεδον absehen, sehr selten. Erwähnt sind schon πατροκασίγνητος und μητροπάτωρ (S. 17). x

) Über αίνοπάτηρ,' Κακοΐλιος usw. s. auch Frisk, IF. 52, 282. ) Bedeutend älter ist τα Παμβοιώτια (Fest) Plb. ff. ; es gehört zu den Adjektiven wie πανδήμιος σ 1 „das ganze Volk betreffend", substantiviert Πανιώνιον Hdt. „allen Joniern gemeinsames Heiligtum" usw., welche von πάς δήμος, πάντες "Ιωνες (Πανίωνες erst sp.) usw. abgeleitet sind. 2

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Es bleiben aus Homer nur noch δημογέρων Γ 149, Λ 372 ,,Gemeindeältester" neben ώμογέρων Ψ 791 „rüstiger ( ?) Greis" l ) (mit adjektivischem Vorderglied) und ίστοζέδη. Letzteres hat eine interessante Geschichte, welche Frisk, IF. 52, 284f., teilweise aufgeklärt hat. Nach ίστοδόκη A 434 ,,Maststütze", welches ein verbales Rektionskompositum ist 2 ), bildete der Dichter des Sirenenabenteuers zu πέδη, πεδάω ein ίστοπέδη μ 51 = 162 ~ 179 „Mastfessel, = Mastschuh" 3), ζ. B. v. 160ff. (Odysseus zu den Gefährten:) άλλά με δεσμωι δήσατ' έν ά ρ γ α λ έ ω ι , δφρ' εμπεδον αότόόι μίμ,νω, ορθ-òv εν ίστοπέδηι, έκ δ'αυτοΰ πείρατ' άνήφΟ·ω. Nach diesem Vorbild bildete Hesiod άλυκτοπέδαι, wobei ihm auch die Wendung πέδας . . . άρρηκτους άλυτους Ν 36 f. vorschwebte, s. Frisk a. a. 0 . : Th. 521 f. δησε δ' άλυκτοπέδηισι ΓΙρομηό-έα ποικιλόβουλον δ ε σ μ ο ΐ ς άργαλέοισι μέσον δια κίον' έλάσσας. Das Vorderglied dieses kühn gebildeten Kompositums ist schwerlich ein altertümliches, sonst im Griechischen verlorenes Partizip (nach W. Schulze, Kl. Sehr. 360 zu ai. ruj- „zerbrechen"), sondern viel eher eine Kontamination von άλυτους und άρρηκτους, wobei die Erinnerung an άλυσκω (Fut. άλυξω usw.) „entweichen" mitgespielt hat. Zu ίστοπέδη, das auch Ale. 18. 6 vorkommt, und άλυκτοπέδαι hat Pindar (P. 2, 41 ; von Ixion) έν άφυκτοισι γυιοπέδαις gebildet, das dann auch Aeschylus (Prom. 168 L) gebraucht. Bei den Dichtern der hellenistischen und römischen Zeit finden wir: άρθ-ροπέδη „Fessel", δεραιοπέδη „Halskette", λαιμοπέδα „Hundehalsband", ίμαντοπέδη „Lederschlinge", οίοπέδη „Wollx

) Doch vgl. ώμόν γήρας „vorzeitiges Altern" o 357 ~ Hes. Op. 705. ) Solche Komposita auf -η sind selten, aber nicht unerhört : zu vergleichen wären πυράγρη Σ 477, γ 434 „Feuerzange", οινοχόη Hes. Op. 744 „Schöpfkelle für Wein", in zweiter Linie τυμβοχόη(?)Φ 323 „Grabaufschüttung" und δειπνολόχη (γυνή) Hes. Op. 704 „beim Mahle liegend", das schon ganz an die weiblichen Eigennamen wie Ανδρομάχη erinnert. 3 ) Auch ζυγόδεσμον Ω 270 „Jochriemen" mag als Vorbild gewirkt haben. 2

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band", ίχνοπέδη „Falle", ορνώ-οπέδη „Vogelfalle", αυτοπέδη(?) „Fessel", ferner mit besonders deutlicher Beziehung auf πεδάω: ορχιπέδη „Impotenz", in später Prosa: άναγκοπέδη „Fessel", χειροπέδη „Handfessel", ίπποπέδη „Pferdefessel" (vgl. ίππόδεσμα E. Hipp. 1225), ξυλοπέδη „Marterpflock", σιδηροπέδη „eiserne Fessel", χαλκοπέδη „eherne Fessel", ναυσιπέδη „Anker", in Glossen σκελοπέδη (und σκελόδεσμον) „crurarium". c) Gegenüber der homerischen Sprache bieten die andern älteren Dichter in mehrfacher Hinsicht etwas Neues, indem sie einige weitere Determinativkomposita mit substantivischem Vorderglied aufweisen. Und zwar sind es erstens einige Bezeichnungen des praktischen Lebens: μελίλωτος Sappho 98, 14 D 2 „Bockhornklee, Trigonella Graeca", κοκκιίμηλον Hippon. 81, Archil. 173 (?) „Pflaume", wohl auch κοδΰμαλον Alcm. 90 „Quitte i?)" 1 ), ferner κερκολυρα Alcm. 142 „Art Lyra" und ορείχαλκος „Messing", bei dem die Form δρει- des Vordergliedes aus den verbalen Rektionskomposita (ζ. Β. όρειδρόμος Pi.) verschleppt ist, und das daher wie eine Zusammenrückung aussieht. Zweitens finden wir einige komisch wirkende Affektausdrücke: Παντοχάρυβδις Hippon. 85,1 (so Bergk 1 ; überliefert ist Ποντο-, vgl. Gustav Meyer, Stilist. Verwendung 113) „Allverschlingende" 2) und κνισοκόλαξ „Fettdampfschmeichler" im Distichonfragment des Asios von Samos (Bergk II, S. 23, vgl. Com. Adesp. 1041 Kock), dessen Zeit allerdings unbestimmt ist (6. Jh.? 5. Jh.?, s. Schmid-Stählin, Gesch. d. griech. Lit. I 1, 295). Beide Bildungen haben im Wortschatz der Komödie viele Parallelen und Nachahmungen, s. III C. Vergleichbar wäre aus Homer κυνάμυια Φ 394, 421 „hundsfreche Fliege". Doch ist dieses Wort kein eigentliches Determinativkompositum, viel eher ist es zu den Mischungskomposita zu zählen, welche S. 59 behandelt werden. Eine Neuerung stellt auch παμβασιλευς 1

) Über γλυκΰμαλον (besser γλυκύ μάλον) vgl. S. 10 Anm. 2. ) Unmittelbar darauf folgt bei Hippon. τήν έγγαστριμάχαιραν, das noch kein Kompositum ist, ja sogar noch kaum eine Zusammenrückung, wie Gustav Meyer, Stilist. Verwendung 114 sagt, sondern eher nur eine syntaktische Zusammenfassung dreier noch selbständiger Wörter. Unserem orthographischen Gefühl würde die Schreibweise έγ-γαστρι-μάχαιρα besser entsprechen (s. Schwyzer, Gr. Gr. I 449). 2

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Ale. 5, 4 „König aller" dar. Wahrscheinlich ist es im Anschluß an verbale Rektionskomposita wie πανΒαμάτωρ Ω 5 u. a. (vgl. auch παγκρατης Pi. Β. Trag.) gebildet worden, vielleicht aber nach dem Vorbild der Adjektiva πάμιπρωτος (Η 324 u. a.) u. ä. Jünger ist παμμήτειρα, παμμήτωρ. s. III Β 1. Zu παμβασιλεός bildet Ar. dasFemininumza^ßaaO^ia jVtt.357, 1150(s. H I B 1; das Abstraktum παμβασιλεία „absolute Monarchie" Arist.). Aus frühhellenistischer Zeit stammt ζάνΟ·εος „vollkommen Gott", s. Mayser Gramm, d. griech. Pap. I 3 2, S. 187. Vgl. auch πολυπότνια S. 35 und die Namen auf -άνα'ξ S. 43. 8. Z u s a m m e n f a s s u n g . Zusammenfassend können wir feststellen, daß bei den Determinativkomposita der altern Zeit das Hinterglied und damit auch das ganze Kompositum häufiger eine Person al? eine Sache bezeichnet. Das ist um so bemerkenswerter, als bei den Possessivkomposita (Bahuvrihi) Personenbezeichnungen im Hinterglied sehr selten sind. Bei Homer sind es καλλιγυναι'ξ, κυδιάνειρα ( ?) mit Καλλιάνειρα und Ίάνειρα ( ?), άκουρος, άφρήτωρ, δβριμοπάτρη, εύπατέρεια, Πολυξεινος, φιλόξεινος ( ?, s. S. 37), κακο'ξεινώτερος, *πολυκοίρανος (in πολυκοιρανίη, vgl. auch S. 35 Anni. 3), δλβιοδαίμων, ισό&εος (? vgl. III D 3), ζά&εος (?), ήγάθ·εος (?) ; dazu kommen aus Hes. noch άξεινος, ατεκνος, aus Tyrt. 15, 1 εύανδρος und aus dem späten h. 29 (30), 5 ευπαις hinzu. Im Verhältnis zur großen Menge der übrigen Possessivkomposita ist diese Zahl sicher bescheiden. Obwohl nun Bahuvrihi im ganzen viel häufiger sind als Determinativkomposita, finden wir unter denjenigen Zusammensetzungen, deren Vorderglied ein Nomen oder ein Adverb (auch Partikel) und deren Hinterglied ein personenbezeichnendes Substantiv ist, beide Arten etwa gleich zahlreich vertreten. Ja., die Possessivkomposita sind sogar etwas seltener als die Determinativkomposita. Es gibt vor Pindar kein Bahuvrihi mit -πάτ „edel geboren"), auf die wir aber hier in diesem Zusammenhange nicht näher eingehen können. Eindeutig Possessivkomposita sind folgende in den jüngern Partien Homers und bei Hesiod vorkommende Beispiele: κακοξεινώτερος υ 376 ( = κακωτέρους ξείνους εχων), [χηΒε πολυξεινον μ,ηδ' αξεινον καλέεσδ·αι Hes. Op. 715, Πολυξεινος Β 623. Besonders wichtig wurde für die spätere Entwicklung das Wort άξεινος. Denn die Griechen nannten ' bekanntlich das Meer, das heute noch das Schwarze heißt (ngr. Μαύρη Θάλασσα, russ. Córnoje Mofe usw.), ursprünglich Πόντος Άξεινος (ζ. Β. Pi. P . 4, 203). Wahrscheinlich steckt darin der Name, den *) Wenigstens scheint es mir am bequemsten, die verbalen Rektionskomposita mit φιλο- („liebend . . .") von φιλόξεινος herzuleiten, s. Verf., Wortbildung 175. Dafür spricht auch der Umstand, daß die Verbindung φίλοι(-ος) ξεΐνοι(-ος) bei Homer mehrfach belegt ist: α 313, Sing. Ζ 224, α 158, τ 191, 350, φ 40. Abwegig scheint mir die Erklärung von Stolz, Wiener Stud. 26, 169, welche die Billigung Schwyzers, Gr. Gr. I 442 3 , gefunden hat (φιλόξεινοι aus φίλοι ξείνοισι), denn eine derartige Kompositionsbildung ist im altern Griech. zum mindesten sehr auffällig, ganz, abgesehen davon, daß auch die Wendung φίλος ξείνοισι (-ωι) bei Horn, nicht vorkommt. Anders Specht, KZ. 59, 80 (verbal, zu *φίλω).

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ihm skythische, d. h. iranische Stämme beilegten: vgl. aw. axsaëna- „dunkelblau" 1 ). Die Griechen hörten aber in diesem Namen άξεινος und verstanden es etwa als „ungastlich". Aus Scheu vor dieser unheilvollen Bedeutung änderten sie ihn in Πόντος Εύξεινος (Hdt., Pi. Ν. 4, 49, ff., etwa „gastfreundlich"), was im Grunde nur eine volksetymologische Umdeutung eines fremden Namens ist. Jedenfalls ist das Kompositum ευξεινος, bei dem man schwanken wird, ob man es den Possessiv- oder den Determinativkomposita zuweisen soll, in diesem Namen zuerst entstanden. Seine sonstige Verwendung ist künstlich und sekundär (ζ. Β. άνδρωνας εόξένους δόμων A. Ch. 712). Ein anderes wichtiges spätestens am Anfang des 6. Jahrh. auftauchendes Kompositum ist πρόξενος (Pi., Hdt. usw., πρόξενοςIverkyra Anf. 6. Jahrh., Schwyzer 133,1.3). Ursprünglich ist es wohl präpositionales Rektionskompositum („statt eines Gastfreundes") 2 ). Daß dieses Wort aber später als Determinati vkompositum („ein ξένος, der statt eines wirklichen ξένος") aufgefaßt wurde, wird durch die Nachbildungen erwiesen: άστόξενος „Gast der Stadt" (A. Swpp. 356, άστυξενος Hesych), δορυξενος „Verbündeter" (trag.) und besonders ίδιόξενος „privater Gastfreund" (hell., vielleicht auch älter 3 )). Determinativkompositum ist auch πάγξενος „allen gegenüber gastfreundlich" (S. fr. 378 [ = 348 Ν], 1), das nach πασίφιλος, Λάμφιλος (Archil. 19, A. Eu. 536 L (?), vgl. S. 32) gebildet ist. Eine freiere Bildung ist δ-εμίξενος (άρετά) „die Gäste nach Recht behandelnd" Pi. Pae. 6, 131, wohl nach ευξεινος gex

) Diese geniale Deutung stammt von Vasmer, Osteuropäische Ortsnamen S. Iff. (Acta et commentationes Universitatis Dorpatensis Β I, 3) vgl. dazu auch Jacobsohn, KZ. 54, 254ff. 2

) Die Bedeutung πρό „statt" ist im Griech. nicht gerade häufig; doch vgl. Leg. Gort. (Schwyzer 179) 1 , 4 3 : ε αυτός ε ά(λ)λος πρό τοΰτδ, S. ΟΤ„ 10 πρό τώνδε φωνειν „im Namen dieser Leute sprechen". Sie geht (wie im Lat.) von der ältern Bedeutung „vor, zum Schutze von" aus (ζ. Β. Θ 57 μάχεσθαι . . . πρό τε παίδων και πρό γυναικών). "Wie πρόξενος ist auch πρύδουλος „als Sklave dienend"' A. Ag. 945 gebildet, das deutlich präpositionales Rektionskompositum ist. 3

) Zweifelhaft ist IG 9 (1), 333, l l f . ( = Schwyzer 363, l l f . ) έχθός προξένο και Γιδίο ξένο (kaum 5ιδιοξενο), Lokri 5. Jh.

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schaffen. Dagegen ist das bei den Trag. (ζ. Β. A. Ag. 1282) verwendete άπόξενος „fern von der Heimat" retrograd zu att. άποξενόω „verbannen" gebildet1), ebenso wohl auch έπίξενος (•έπιχθ-όνιος Hsch.) zu έπιξενόομαι „bin als Fremder im Lande" 2 ); παράξενος Ar. Ach. 518 ist dem unmittelbar vorangehenden παράσημος „gefälscht" nachgebildet. Poll, und andere Grammatiker zitieren noch das rhodische Wort ματρόξενος „Bastard", eigentlich wohl „der Mutter nach ein Fremder". In eine besondere Kategorie gehört τά Q-εοξένια, Name Ν verschiedener Feste zu Ehren des &εός ξένιος (ζ. Β. Pi. O. 3 tit., häufig auf Inschr.), das ein Ableitungskompositum ähnlich wie Δι(ι)σωτήρια (att. Inschr.) ist, vgl. Schwyzer, Gr. Gr. I 430. 6>εοξένιος als Monatsname und als Epithet auf Apollo ( = 8>εός ςένιος) sind sekundär und spät. 2. άγήνωρ u n d ä h n l i c h e K o m p o s i t a . Interessant sind einige Zusammensetzungen auf -ήνωρ, die von den ursprünglichen verbalen Rektionskomposita zu den Determinativ- und Possessivkomposita übergleiten. In diesem Fall sind jedoch die Neubildungen durchaus dichterisch. Der Ausgangspunkt ist άγήνωρ (bei Horn. 24 mal 9-υμ.ός άγήνωρ VE, dazu άγήνορι θυμώι VE Ω 42 und άγήνορα íkifxóv VE λ 562 ; sonst steht es vor der bukolischen Diärese, und zwar als Epitheton von Helden, besonders von Freiern [16mal]; außerdem ist es als Pn. verwendet). Dieses Wort ist ursprünglich wie zahlreiche andere Komposita auf -ήνωρ (ζ. Β. άγαπ-, ρηξ-, Δεισ-ήνωρ usw.) verbales Rektionskompositum, entweder nach Verf., Wortbildung 59 zu άγο>, also „Männer anführend, antreibend" (vgl. Άγέλαος)3), oder nach Sommer, IF. 55, 193 (zustimmend Schwyzer, Gr. Gr. I 433) zu άγαμαι, also „von In der Bedeutung „ungastlich" S. OT. 196 L kann es als freieres, nach άξεΛΌς gebildetes Bahuvrihi („die Gäste von sich stoßend") aufgefaßt werden. 2 ) Diese Erklärung scheint mir viel näher zu liegen als die von Hoffmann, Festschrift Bezzenberger 80, welche auch von Schwyzer, Gr. Gr. I 326 u. 568 anerkannt wird (zu έπί *ξένι = χθονί, mit ξ statt χθ). •3) Zu-θυμός άγήνωρ vgl. die Tatsache, daß θυμός häufig Subjekt von Verben des Antreibens ist. Wendungen wie αυτόν θυμός... άνώγει (ζ. Β. Ο 43) sind bei Horn, zahlreich.

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Männern bewundert" 1 ). Der Sinn verblaßte aber; das Vorderglied wurde als άγα- „sehr" empfunden und das Epitheton etwa als „sehr heldenhaft, kraftvoll ( ?), stolz (?)" verstanden. Da nun άγακλεής und άγάρροος fast synonym mit εδκλεής und έυρροος waren, war der Schritt von άγήνωρ zu εύήνοιρ nicht allzu kühn: δ 622 εόήνορα oTvov VE, ν 19 εόήνορα χαλκόν VE (etwa „kraftvoll" ?, anders Sommer, Ahhijaväfrage u. Spr. 45), Pn. in β 242, χ 294 2 ). Da ferner άκλεής den Gegensatz zu άγακλεής und εύκλεής ausdrückt, konnte zu άγήνωρ, εόήνωρ auch άνήνωρ „unmännlich, nicht mehr Mann" gebildet werden: κ 301 ( ~ κ 341) von der Kirke: μ.η σ' άπογυμ.νωθ·έντα κακόν και άνήνορα θ·ήηι. Hes. Op. 751 . . . , δ τ' άνέρ* άνήνορα ποιεί. Dieses Kompositum hat also schon eindeutig determinative Bedeutung. Vgl. auch άνανδρος (III A 5). Merkwürdig ist, daß in der Chorlyrik ευήνωρ und ähnliche Bildungen als Possessivkomposita gebraucht werden, was der ältern Dichtersprache (und Prosa) fremd war (vgl. S. 28f.) : εόάνωρ „mit tapfern Männern, tapfere Männer hervorbringend (von Städten, Landschaften)" Pi. 0.1, 24 u. a. (εύανδρος Σπάρτα Tyrt. 15, 1, εόανορίαι „Reichtum an tapfern Männern" Pi. O. 5, 20), πολυάνωρ A. Ag. 62 (anap.), E. IT. 1281 L, Ar. Av. 1313 L, auch μεγάνωρ πλούτος „die Männer groß machend" Pi. Ο. 1, 2 (mit freierer Bedeutung μ,εγαλάνωρ Pi. P . 1, 52, Ν. 11,44, fr. 109 „mutig, mannhaft?"), ferner δυσάνωρ γάμος A. Supp. 1064 L; mehr über εό-, πολυάνωρ bei Sommer, Ahhijaväfrage u. Spr. 43 ff., wo auch das Verhältnis von πολυάνωρ *) Passive Bedeutung ist trotz Sommer, IF. 55, 191 ff. vor dem 5. Jh. zum mindesten ungewöhnlich; άγαπήνωρ heißt nicht ,,νοη Männern geliebt", wie Sommer a. a. O. 193 übersetzt, sondern „die Mannen huldreich bewirtend" (άγαπάζω, ήγάπησα heißt bei Horn, „liebevoll aufnehmen"). 2 ) Ähnlich ist nach κλειτός, κλυτός neben άγακλειτός, άγακλυτός zu άγηνορίη (I 700, M 46, Χ 457), äol. άγανορέα von einem Dichter ανορέα (so Pi. Pae. 9, 45, falsch ionisiert ήνορέη Ζ 156 u. a.) gewagt worden, s. Wackernagel, Spr. U. 68, anders und unwahrscheinlich W. Schulze, Qu. ep. 147, Sommer, IF. 55, 219 Anm. 1.

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zu πολόανδρος besprochen ist, zur Bedeutung vgl. auch Williger, Spr. Unters. 19. Nicht ganz klar ist die Stellung von όπερηνωρ (Hes. Th. 995, fr. 94, 36, bei Horn, nur Ύπερήνωρ und όπερηνορέοντδς u. ä., meist von Freiern gebraucht). Ich möchte es eher zu den präpositionalen Rektionskomposita wie Άντήνωρ, άντιάνειρα (also „über den Männern stehend") als zu den Determinativkomposita vom Typus υφηνίοχος, s. S. 21 (also „Übermann", „Mann, welcher über den andern steht"), zählen. Die Bedeutung ist ja in beiden Fällen ungefähr gleich. Nach Ύπερήνωρ ist auch Ύψήνωρ gebildet worden. B. G r e n z f ä l l e z w i s c h e n D e t e r m i n a t i v - u n d v e r b a l e n Rektionskomposita. Aus der Erkenntnis heraus, daß wir zahlreiche Übergänge von den einen Kompositionstypen zu den andern beobachten können, wollen wir uns nun der Untersuchung besonders charakteristischer Beispiele und Gruppen zuwenden, welche zwischen den substantivischen Determinativkomposita und den beiden weitaus wichtigsten Gruppen der griechischen Komposita, nämlich den verbalen Rektionskomposita und den Bahuvrihi, bestehen. Anschließend daran werden wir noch einen Blick auf dasjenige Grenzgebiet werfen, welches ich als das der Mischungskomposita (Typus γόνανδρος „Mann-Weib") bezeichne. Die indischen Grammatiker zählen die verbalen Rektionskomposita zu den Determinativkomposita (Tatpurusa). Auch Schwyzer bezeichnet sie Gr. Gr. I 429 als Unterabteilung der Determinativkomposita (anders S. 453). Vom deutschen Sprachgefühl aus ist diese Zuteilung durchaus am Platze: Lastträger und Gemsjäger sind ganz ähnlich zu Träger und Jäger gebildet, wie Ziegenhirt zu Hirt. Ebenso ist ungewaschen eine Negierung von gewaschen wie unrein von rein. Im Griech. finden wir dagegen zwischen den beiden Typen im allgemeinen eine, scharfe Trennung: erstens ist nämlich der erste Typus (verbale Rektionskomposita) sehr häufig, der zweite (Deter minativkomposita im engern Sinne) aber, wie ich gezeigt habe,

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sehr selten, und zweitens kommen die verbalen Kompositionsglieder oft gar nicht oder wenigstens nicht in der gleichen Bedeutung als Simplizia vor. So gibt es ζ. B. neben γυναιμανής (Horn.) kein *μ.ανής, neben δφορβο'ς (Horn.) kein *φορβός, und τοξοφο'ρος ist nicht δ του τόξου φόρος, sondern δ το το'ξον φέρων, usw. Zu πρωιηρο'της und όψαρο'της (Hes. Op. 490) kennen -zwar Pi. und Hdt. ein einfaches άροτης; doch lautete sicher das Simplex ursprünglich άροτήρ (Horn. Hes. Hdt. usw.). S. auch Wackernagel, Ai. Gr. I I 1, 185, Verf., Wortbildung 25, 176, 179, 1811). Es drängt sich daher im Griech. eine scharfe Trennung zwischen den verbalen Rektionskomposita und den Determinationskomposita im engeren Sinne, die wir kurz nur Determinationskomposita nennen, auf. So auch Debrunner, Griech. Wortbildung 41 ff., Wackernagel, Ai. Gr. I I 1. 140 f. und 174 ff. Aber wenn wir auch im Griech. im allgemeinen eine scharfe Scheidung zwischen den verbalen Rektionskomposita und den Determinativkomposita vornehmen können, sind die Grenzfälle immerhin nicht ganz selten. Die halbverbalen adjektivischen Determinativkomposita habe ich schon S. 30 erwähnt. Bei den Substantiven kommen erstens Zusammensetzungen mit Nomina agentis oder ähnlichen Personenbezeichnungen im Hinterglied, zweitens zusammengesetzte Verbalabstrakta und drittens einige Komposita mit verbalem Vorderglied in Betracht. 1. Z u s a m m e n s e t z u n g e n m i t N o m i n a a g e n t i s . Neben dem einfachen άγωνιστής „Wettkämpfer, Schauspieler" (seit dem 5. Jh.) zu αγωνίζομαι treffen wir πρωταγωνιστής „erster Kämpfer, Schauspieler", Βευτεραγωνιστής und τριταγωνιστής (belegt seit D., Arist.). Ist nun πρωταγωνιστής direkt zum Verbum αγωνίζομαι gebildet, oder handelt es sich hier um •eine Zusammensetzung von πρώτο- und αγωνιστής? An sich sind sicher beide Auffassungen möglich. Da aber die Bildungen auf -της gerade in der Komposition häufig und ursprünglich vielleicht nur dort zuständig sind, und da πρώτο- in älterer x

) Dabei lasse ich die Komposita mit verbalem Vorderglied (Typus άγέ-λαος, σεισί-χθων), bei denen die Determinativkomposita überhaupt nichts Vergleichbares haben, jetzt absichtlich beiseite.

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Zeit sonst nicht bei Determinativkomposita, sondern nur bei verbalen Rektionskomposita vorkommt (ζ. Β. πρωτοτόκος Horn., προιτογονος Horn. Hes. ff.), werden wir diese Bildung den verbalen Rektionskomposita zuweisen. Ein ähnlicher Fall liegt in όρπανοδικασταί „Waisenrichter" aus dem gortynischen Gesetz (12, 23 ff.) vor, welches man entweder direkt auf δικάζω (im gortyn. Gesetz sehr häufig) beziehen kann oder dann auf δικαστής (Hdt. usw., -άς Gortyn. 1, 10 usw.), das Ersatz für älteres inschriftlich belegtes und bei δικαστηριον vorausgesetztes δικαστήρ ist (vgl. Schwyzer 328 a I A 7 Delphi; 362, 32 Locri; 686, 11 Pamphylia). Neben συνδικαστής (Ar.) „Richterkollege" haben wir im Att. das Verbuni συνδικάζω; aber anderseits trennt man dieses Wort nur ungern von den zahlreichen Determinativkomposita mit aw- wie συνέρι8·ος, συνέταιροι, s. S. 21, ferner III A 1. Das Verbum άνάσσω ist zwar von άναξ abgeleitet, für das griechische Sprachgefühl aber war wohl umgekehrt άνα'ξ das Nomen agentis zu άνάσσω. Jedenfalls ist Ίφιάνασσα I 145 = 287 als Ν ¡im e der Tochter des Mannes, δς vAp γεος Ιφι άνάσσει (vgl. Ζ 478 u. ä.) 1 ), zum Verbum gebildet und somit kein Determinativkompositum. Danach sind auch die Namen auf -άναξ verbal aufzufassen (hom. Άστυάναξ = δ άστεως άνάσσων, später sehr beliebt: Ίππωναξ, Σιμωνας,Πολυάναξ, Κλεάναξusw.)2). Ein ähnliches Paar wie άναξ / άνάσσω ist άγγελος / άγγέλλω. Dieses Verbum ist für die Griechen kaum noch sekundär, sondern wohl primär. Also ist άγγελος dann das Nomen agentis dazu; ψευδάγγελος O 159 und εύ άγγελο ς (εύαγγέλιον ξ 152, 166, ευάγγελος Α. Ag. 21, 262, 264, 646) bedeuten somit soviel wie ψευδεα bzw. άγαδ-ά άγγέλλων (vgl. ψευδολο'γος Ar. Ra. 1521 L) 3 ). Als ursprünglich verbale Rektionskomposita Daß der Name des Kindes ein Epitheton ist, das eigentlich dem Vater zukommt, finden wir auch sonst. Ich erwähne nur Τηλέμαχος ( = qui eminus pugnat), den Sohn dee Bogenschützen Odysseus, und Άστυάναξ, den Sohn des die Stadt beschirmenden Hektor (vgl. Ζ 402f.). s ) Vgl. auch παμβασιλεύς, das offenbar auch auf verbale Rektionskomposita zurückgeht, s. 27f. 3 ) Über μετάγγελος s. S. 22; aus der Tragödie kennen wir κακάγγελος , αύτάγγελος (auch Th.); έξάγγελος (Th. Pl. usw.) ist jünger als das schon bei Hom. bezeugte εξαγγέλλω. Zu αύτάγγελος vgl. αύτόμαρτυς A. Ag. 989 L.

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sind auch die Zusammensetzungen mit -φύλαξ aufzufassen, die im 5. Jahrh. sehr beliebt werden. Die ältesten Belege sind: οίκοφύλαξ (ν. Zeus) A. Supp. 26 (anap.), 8>eoì . . . γας τασδε χυργοφύλακες Α. Th. 168 L, ferner ναοφυλαξ S. fr. 143 (zu ναϋς), E. I T . 1284 (zu ναός, so auch Arist., während Glossen als attisch νεωφυλαξ angeben), ναυφυλαξ Ar. fr. 372, χρυσοφυλακες γρυπές H d t . 4. 13, χρυσοφυλαξ του &εοΰ Ε. Ion 54 x). Besonders zahlreich sind sie in Beamtentiteln, ζ. Β. δεσμοφύλακες in Elis (Th. δ, 47, 9), δροφύλακες in Chios (Schwyzer 688 A 15, 19, 5. Jh.), μετοικοφάλαξ in Athen (Χ.), δρφανοφυλακες in Athen (X.) usw. Äußerst häufig sind solche Komposita aus der nachklassischen Zeit in literarischen Quellen, Papyrusurkunden und Inschriften belegt (i. G. weit über 100 ; Beispiele s. auch Mayser, Gramm, d. griech. Pap. I 3 2, S. 157f.). Bei allen diesen Beispielen handelt es sich um Komposita, deren Hinterglied tatsächlich oder nur scheinbar ein Nomen agentis ist. Wenn wir solche Nomina agentis als gewöhnliche Substantiva behandeln, werden wir auch die Zusammensetzungen als Determinativkomposita betrachten müssen. Betonen wir hingegen mehr den partizipialen Charakter der Nomina agentis, so müssen wir sie zu den verbalen Rektionskomposita zählen. Für die älteren Beispiele trifft sicher diese Auffassung zu. Sie konnten aber Vorbild werden für Zusammensetzungen, welche eindeutig determinativ sind, s. I I I A 2. 2. Z u s a m m e n g e s e t z t e

Verbalabstrakta.

Bei den zusammengesetzten Verbalabstrakta 2 ) gibt es zwei Gruppen, bei denen man allenfalls zweifeln kann, ob man sie zu den verbalen Rektionskomposita oder zu den Determinativkomposita zählen soll. Zur ersten gehören die seltenen mit *) Da -φύλαξ kein Neutr. hat, bilden Tragödiendichter als Ersatz Zusammensetzungen mit, -φρουρος : γαίας μονόφρουρον ερκος Α. Ag. 257 L, ξίφος έπίφροιιρον δέρηι E. Or. 1575. 2 ) Die Bezeichnung „Verbalabstraktum" darf man jedenfalls für die ältere Zeit nicht zu eng nehmen. Was uns später als Abstraktum erscheint, war ursprünglich vielfach konkret. In unserem Falle schließen wir in der Bezeichnung der Verbalabstrakta auch die Nomina rei actae ein. ·— Über zusammengesetzte Verbalabstrakta vgl. auch Jacobsohn in Χάριτες Leo 413, 449 und Gnomon 2, 384 f.

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Griechische Determinativkomposita

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einem N o m e n zusammengesetzten V e r b a l a b s t r a k t a wie ιππόδρομος (zuerst Ψ 330), ναύσταϋ-μ,ον (att., später -ος), 'Ολύμπιονίκα (Β. 4, 17; Antipho Soph.; Πυδ·ιονίκη sp.). I c h betrachte solche Zusammensetzungen als jüngere Sondergruppe der verbalen Rektionskomposita, jedenfalls gehören sie nach ihrer Bildung sicher zu diesen, u n d es d ü r f t e schwer fallen, eine richtige Grenze zwischen k o n k r e t e n verbalen Rektionskomposita u n d V e r b a l a b s t r a k t e n zu ziehen. So wird m a n ζ. Β. οίνοχο'η „Schöpfkelle für W e i n " , das m a n ohne Bedenken als verbales Rektionskompositum b e t r a c h t e n darf (vgl. S. 26 Anm. 2), k a u m von τυμβοχο'η , , G r a b a u f s c h ü t t u n g " trennen können. Zu dieser Gruppe der zusammengesetzten A b s t r a k t a gehören auch etwa χαμευνν) (A. Ag. 1540, E . Rhes. 9 L, Ar. Av. 816) „Lager auf der E r d e " u n d χειρορλη (X., -ov sp.) „ H a n d m ü h l e " . Viel zahlreicher ist die 2. Gruppe, nämlich die m i t P r ä verbien zusammengesetzten V e r b a l a b s t r a k t a 1 ) . Diese sind aber im Grunde gar keine Komposita, sondern Ableitungen von zusammengesetzten Verben. So ist ζ. Β. παραπρεσβεία (att. Redner) nicht ein K o m p o s i t u m von παρά u n d πρεσβεία, sondern Abs t r a k t u m zu παραπρεσβεύω, -o[im ( a t t . Redner, Pl.). Diese Erscheinung ist so häufig, daß ich keine weitern Beispiele mehr anzugeben brauche u n d mich auf einige Besonderheiten beschränken k a n n . D a zum V e r b u m ΐέναι das A b s t r a k t u m zwar nicht formell, aber der B e d e u t u n g nach δδο'ς ist, sind έξοδος, πάροδος, περίοδος, παρέξοδος usw. zu έξ-, παρ-, περι-, παρεςιέναι gebildet worden u n d dürfen somit nicht als Determinativkomposita (έξ usw. + δδο'ς) a u f g e f a ß t werden. Vgl. Schwyzer, Syntaktische Archaismen 11 (Abh. d . P r e u ß . Ak. d.Wiss. 1940, Phil.-hist. Kl., 7) 2 ). Ähnliches läßt sich auch von ένέδρα, έξέδρα, 1

) Außer den Präverbien (Präpositionen) sind Adverbien als Vorderglieder zusammengesetzter Abstrakta selten: ich nenne etwa παλίωςις (M 71 u. a.), das nicht von προΐωξις (Hes. Sc. 154!) und andern mit Präverbien zusammengesetzten Verbalabstrakta auf -σις getrennt werden darf, εϋεστώ (Hdt. att.) und άειεστα) (Antipho Soph. 22). 2 ) Daß ein Abstraktum formell gar nicht vom Verbum abgeleitet ist, zu dem es der Bedeutung nach gehört, ist gar nicht so selten. Ich erinnere nur daran, daß im Deutschen zu schlafen und sterben die Abstrakta Schlaf und Tod gehören, während im Lat. umgekehrt neben • dormire und mori das Paar somnus und mors steht.

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έφέδρα, καθέδρα, προ έδρα usw. sagen, die nicht Komposita von εδρα sind, sondern nach der Bedeutung (und diesmal auch der Etymologie) zu den entsprechenden Zusammensetzungen von (καδ·)ϊζομιαι oder (καθ·)εζομ.αι gehören. Einige Abstrakta sind scheinbar mit dem ά-privativum zusammengesetzt, z. Β. άδ-εραπεία (Antipho 4, 3, 5 Th. = Te.tr. Γ γ 5 Blass) und άστρατεία (Ar. Pl. D. Lys. And.). In Wirklichkeit werden sie retrograde Ableitungen von άθ-εράπευτο? (X. ff.) und άστράτευτος (Ar. Lys. Aeschin.) sein. 3. K o m p o s i t a m i t v e r b a l e m V o r d e r g l i e d . Neben den verbalen Rektionskomposita mit verbalem Hinterglied (z. Β. κουρο-τροφος) kennt das Griechische auch solche mit verbalem Vorderglied (z. Β. τερψί-μβροτος). Diese Stellung ist zwar seltener als die erste, aber dennoch durchaus geläufig. Dagegen sind Determinativkomposita mit verbalem Vorderglied im Griechischen sehr selten, im Gegensatz etwa zum Deutschen, wo Komposita vom Typus Lese-buch, Laufbursche usw. ganz lebendig sind. Schon deswegen werden wir bei den wenigen Fällen, da im Griechischen derartige Bildungen vorzukommen scheinen oder tatsächlich vorkommen, zuerst en verdunkelte oder umgedeutete verbale Rektionskomposita mit verbalem Vorderglied denken. So müssen wir nach allem, was wir vom hom. und überhaupt älteren Griechisch wissen, μισγάγκεια Δ 453 nicht als „Mischschlucht", sondern etwa als „die Schluchten miteinander vermischendes Tal)" übersetzen1). Bei der weitaus häufigsten Gruppe derartiger Bildungen, nämlich bei den Komposita mit άρχι-, ist es ganz offenkundig, daß sie von eindeutigen verbalen Rektionskomposita wie άρχιέρεως „die Priester leitend" ausgehen und erst allmählich als Determinativkomposita empfunden werden, z. B. άρχιστράτηγος „oberster Feldherr". Da diese Entwicklung aber vor allem in hellenistische Zeit fällt, soll diese Gruppe erst später behandelt werden, s. III D l 2 ) . Bei den übrigen, viel seltener x

) Dazu als Nachbildung μειξοδίαι (μιξ-) αλός A. R. 4, 921 „Stelle, da die Wege zusammenkommen", μισγοδία Hsch. 2 ) Ein umgedeutetes verbales Rektionskompositum ist auch άγήνωρ, 8. S. 39 f.

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bezeugten Gruppen ist dieser Vorgang allerdings nicht so gut t zu verfolgen, und zwar vor allem deswegen, weil derartige auf verbale Rektionskomposita zurückgehende Bildungen wahrscheinlich in volkstümlicher Sprache etwas beliebter waren als in der Literatur und für uns daher nur schwer faßbar sind. Den erhaltenen Beispielen haftet unter diesen Umständen da* Charakter des Zufälligen an. Vor allem handelt es sich um drei Gruppen, nämlich um Zusammensetzungen mit έθ·ελο-, mit (χελλο- und mit μιειξο-. Von denKomposita mit έδ>ελο- sind mir aus vorklassischer und klassischer Zeit drei Beispiele bekannt, welche man als Determinativkomposita auffassen muß: έ&έλεχ&ρος Qratin. 407, D. 39, 36 (-έω Charond. ap. Stob.), èô-ελοπροξενος Th. 3, 70, έ9·ελοδουλος Pl. Β. 562 d (-εία Pl. Smp. 184c). Von diesen kann man έ&ελοδουλος am leichtesten an έθ·ελο'πονος und έ&ελουργός (beide allerdings erst bei X. bezeugt, werden aber bedeutend älter sein, s. auch unten) anknüpfen, welche φιλόπονος S. Pl. X. ff. nachgebildet sind. Sobald nämlich bei έθΐλουργο'ς nicht έδ·ελ-, sondern -ουργο'ς verbal aufgefaßt wurde (also nicht als δ τα εργα έδ-έλων, sondern als δ έ8·ελουσίως έργάζων) konnte ein έδ-ελο'δουλος im Sinne von δ έθ·ελουσίως δουλίύων, später wohl als δ έθ-ελούσιος δοϋλος empfunden, gebildet werden 1 ). Ein zweiter Ausgangspunkt scheint έδ·ελοκακος zu sein (-έω „absichtlich feige sein" H d t . Plb. u. ff., -ος zuerst bei D.H., App.), das ursprünglich sicher verbal war ( = κακά βέλων, so Hsch.). Danach werden έθ-έλεχβρος und έθ-ελοπρο'ξενος gebildet worden sein. Dagegen scheint es mir sehr unwahrscheinlich zu sein, daß man das bei Anacr. 21, 7 bezeugte έ&ελο'πορνος schon als έθ-ελουσία πο'ρνη (oder ähnl.) auffassen darf. Vielmehr dürfte hier έό-ελο- noch verbal sein (etwa ή πορνειίεσ&αι έθ·έλουσα), und vielleicht ist es sogar als Wortspiel zu έ&ελόπονος gebildet worden 2 ). Aus. nachchristlicher Zeit sind noch έ&ελοφιλο'σοφος ( = δ έ&έλων φ. είναι), 1

) Die andern etwa gleichzeitig bezeugten Determinativkomposita mit -δούλος β. III Β 4. *) Andere Komposita mit -πορνος 8. III C.

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èÔ-ελορήτωρ, adjektivisch (vgl. έδ·έλεχθ·ρος, έθ·ελο'κακος) έδ·ελάστειος, έδ-ελακριβη'ς, έθ·ελο'κωφος, έδ-ελοκαλος bekannt. Nach έ&ελοδουλεία wird noch έδ-ελο&ρησκεία NT Ερ. Col. 2, 23 (von Hsch. mit έ9·ελοσέβεια erklärt) gebildet. Die zweite Gruppe bilden Zusammensetzungen mit με λλο-. Bei den meisten ältern Belegen ist μελλο- deutlich regierendes verbales Vorderglied: μελλόγαμος ( = ή μέλλουσα γαμεΐσ&αι) S. Ant. 628 (anap.; v. 1.), mask. Theocr. 22, 140, μελλοΒειπνικόν μέλος Ar. Eccl. 1153 ,,zu Beginn des Mahles gesungenes Lied" und mit der andern Bedeutung von μέλλω ( = „zögern") *μελλονίκης, μελλονικιάω Ar. Av. 640 (Anspielung auf Nikias) 1 ). Nach dem Vorbild von μελλόγαμος wurden μελλόνυμφος S. Ant. 633, mask. Phryn. Com. 78 (-νυμφιος?) und μελλο'ποσις S. fr. 1068 ( = 965 Ν; Hsch. : μελλέποσις) gebildet 2 ). Diese Bildungen waren wohl ursprünglich als ή μέλλουσα νύμφη είναι, bzw. δ μέλλων πο'σις είναι gedacht, konnten aber als η μέλλουσα νύμφη und ó μέλλων πόσις aufgefaßt werden. Daran schließt sich μελλόγαμβρος Hsch. an. Weitere Nachbildungen sind die ausnahmslos erst spät bezeugten Alters- und Amtsbezeichnungen (1) μελλέφηβος, μελλείρην („elfjähriger Knabe in Sparta"; εϊρην „zwölfjähriger Knabe"), μελλόπαις und (2) μελλάρχων ( = άρχων designatus), μελλοπρυτανις, μελλοπρόεΒρος, μελλογυμνασίαρχος, μελλιέρη und μελλολέων (mithraïstischer Grad). Bei der letzten größeren Gruppe, den Komposita mit μειξο- 3) zeigt das -ξ- deutlich, daß es sich hier um ursprüngliche verbale Rektionskomposita handelt. Freilich ist hier das -o- statt des erwarteten -t- sehr merkwürdig, denn sonst ist -σοstatt -σι- in älterer Zeit äußerst selten (s. Schwyzer, Gr. Gr. I 442) : στρεψοδικέω Ar. Nu. 434, vgl. id. Av. 1468, wird φυγοδικέω att. zum Vorbild haben. Erst in später Zeit werden dergleichen Bildungen häufiger, ζ. Β. αυξόβιος (neben αυξίτροφος Wir würden eher μελλε- erwarten; vgl. über verbale Rektionskomposita mit -o- statt -ε- Schwyzer, Gr. Gr. I 442. 2 ) Eine Nachbildung ist auch das verbale Rektionskompositum μελλυμέναιος auf einer Inschr. aus Panticapaeum (IPE 2, 86, s. LiddellScott). 3 ) Unsere Überlieferung hat nur μιξο-, während Inschr. Μειξ- wenigstens für Eigennamen beweisen. Auch die allgemeinen Sprachregeln verlangen die Vollstufe.

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usw.), σεισοκέφαλος, σεισόφυλλος u. a., bis sie im Ngr. sogar herrschend werden, s. Andriotis Gl. 27, 120ff. Tatsächlich ist μειςι- in Eigennamen erhalten, ζ. Β. ΜειξίΒημος att. „sich mit dem Volke mischend" (vgl. Μισγόλας). Wir dürfen aber auch μειξέλληνες Hellanic. 71 (1) J., Inschr. Olbia 3. Jh. v. ebenso auffassen: μειξ(ι)-έλληνες „sich mit den Griechen mischend". Die Parallelbildung dazu, μειξοβάρβαρος E. Ph. 138, X., Pl. 1 ), wird also erst danach gebildet worden sein. Die an sich merkwürdige Tatsache, daß ¡j-ει'ξ- in ¡χειξελληνες schon im 5. Jahrh. als μειξο- gedeutet wurde, dürfte ein Hinweis darauf sein, daß damals schon ¡¿ειςέλληνες nicht mehr als verbales Rektionskompositum, sondern bereits als Determinativkompositum, bei denen -o- im Auslaut des Vordergliedes an sich geläufig war, aufgefaßt wurde, also als „(mit Barbaren) vermischte Griechen, Halbgriechen" (etwa Gegensatz zu έτεο-, s. S. .25)2). Jedenfalls hat das Paar μειξελληνες/μ-ειςοβάρβαροι verschiedene determinative Nachbildungen veranlaßt, nämlich [χειξάδ-ηρες φώτες E. Ion 1161 (später ημίδηρ s. S. 24), ¡χειξοπάρΟ-ενος Hdt. 4, 9 (von der Echidna), E. Ph. 1023 L (von ihrer Tochter, der Sphinx) und die Adjektive μειςολύδιος, μειξοφρύγιος (beides zuerst Xanth. 8) und μειξόμβροτος „nur teilweise menschlich" A. Supp. 568 L (βοτόν μ,ειςόμβροτον / τάν μ.έν βοός, τάν δ'αδ γυναικός). Aus hellenistischer und später Zeit sind mir noch μειξάν&ροιπος, μειξό&ηλυς, μιειξαρχαγέτας („Halbheros = Kastor"), μειξόχλωρος, μειξόλευκος und μιειξοπόλιος bekannt. Andere Determinativkomposita mit ähnlichen verbalen Vordergliedern sind nur vereinzelt bezeugt, so etwa αόξοσέληνον ΑΡ. 5, 270 (Maced.) „zunehmender Mond", etwa nach ) Oder ist μισοβάρβαρος Vorbild, vgl. besonders PI. Mx. 245 cd. ) Sehr merkwürdig ist allerdings., daß auch andere, mehr oder weniger eindeutige verbale Rektionskomposita μειξο- (bzw. μιξο-) und nicht μειξιhaben: μειξοβόας und μειξόθροος (beides bei Aeschylus) „mit Rufen vermischt", μειξόπυος Hp. „mit Eiter vermischt" und das merkwürdige μειξόνομος εριφος Simon. 172 „alles durcheinander fressend" (eigentl. „die Weide vermischend" ?, s. auch Williger Spr. Unters. 6 Anm. 2, vgl. auch μισγόνομος γη Hsch.). Ist aber bei diesen Wörtern die Überlieferung über' haupt zuverlässig ? Nicht entscheidend sind μείξοφρυς Cratin. 430 „einer, dessen Brauen sich berühren", μειξαίθρια Hp. und die kühne Bildung μειξεριφαρνογενής Philox. 2, 34. x

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αδξιφαής (oder αυξίφωτος) σελήνη1), und λειψοσέληνον sp. „Mondsichel", nach λειψιφαής σελήνη sp., dann δρυψογέρων und δρυψόπαις (beides Hsch.) „abgearbeiteter Greis, usw." (zu δρύπτω)2), etwa noch μ,ε&υσοχάρυβδις Com. Adesp. 1077 (neben {¿εθυσοκότταβος Ar. Ach. 525 „trunken vom Kottabosspiel" und ¡λέ&υσος „trunken" Ar. ff.), vgl. III C. Endlich gehört auch έρπάχανδ-α Ps.-Dsc. 3, 17 „Kriechdorn (?)", s. Liddell-Scott s. v., hieher, das aber natürlich die verschiedenen andern Determinativkomposita mit -άκανδ-α, s. S. 53, zum Vorbild hat. C. Grenzfälle zwischen D e t e r m i n a t i v - und Possessivkomposita. Determinativkomposita und Bahuvrihi bilden nach der Bedeutung zwei scharf getrennte Typen. Diese allgemeine Feststellung wird durch die Frage, ob die Bahuvrihi ursprünglich aus den Determinativkomposita hervorgegangen sind oder nicht, worüber ich noch in den Schlußbetrachtungen handeln werde, nicht berührt. Denn die Tatsache, daß die Bahuvrihi schon in spät-idg. Zeit als Typus ausgebildet sind, bleibt auf alle Fälle sicher. Bei dieser Sachlage scheint es merkwürdig, daß es überhaupt Grenzfälle zwischen diesen beiden Gruppen geben soll. Sie sind aber häufiger, als man vermutet. 1. Dvigu und ähnliches. Eine erste Gruppe können wir nach dem Vorbild der ai. Grammatiker Dvigu nennen. Es sind Kollektiva mit numeralem Vorderglied, ζ. B. ai. sad-gav-ám „Gespann mit sechs Rindern", lat. biduum „Zeitraum von zwei Tagen", vgl. Wackernagel, Ai. Gr. II 1, 305. Die Inder fassen diese Bildungen als Unterabteilungen der Tatpurusa, also der Determinativkomposita, während wir sie als substantivierte Bahuvrihi betrachten. Besonders die griechischen Beispiele sprechen entscheidend für diese Auffassung. Denn πεντάε&λον oder πένταθ-λον (seit Pi. und B. häufig) ist substantiviertes Neutrum zu πεν-άεδ-λος, das in der Wendung πεντάεδ-λος άνηρ aus Hdt. B. PI. ff. be1)

Oder bedeutet es „das den Mond wachsen Lassende", d. h. „die Zunahme des Mondes"? Über αύξο- statt αύξι- s. S. 48f. 2) Vgl. die andern Komposita mit -γέρων (III C) und mit -παις (III A 5, Β 1).

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kannt ist. Andere sportliche Ausdrücke sind διάολος (sc. δρομος), ζ. Β. Pi. O. 13, 37, vgl. adj. δίαυλος ίππος Hp. Vict. 2, 63, und τέ&ριππον Pi., Hdt., Damononinschr. 7 (Schwyzer 12, 7), u. ff., vgl. adj. τέβριππον άρμα (oder ζεύγος, δχος) Pi. Α. Ε. Ahnlich ist 2ξιπϊίον Com. adesp. 1281, Plb. 30, 25, 11. Als Gegensatz zu τέ&ριππον ist μ-ο'νιππος „Reitpferd" X. PI. gebildet: vgl. Inschr. aus Kyrene (Schwyzer 234): λοχαγοί τεθρίππων . . . λοχαγοί μιονίππων. Dieses Wort aber sieht schon wie ein gewöhnliches Determinativkompositum aus. Ein weiteres Kompositum dieser Art ist τρίοδος (sc. δδο'ς?), z. B. Theogn. 911, u. ff.1). Statt eines richtigen Zahlwortes kann auch im Vorderglied ήρ· stehen. So finden wir im Ψ der Ilias ήμιπέλεκκον und ήμ,ιτάλαντον. Diese Neutra sind im Gegensatz zu ήμίονος, ήμίθ-εος u. ä. keine eigentlichen Determinativkomposita, sondern substantivisch gebrauchte Adjektiva mit demselben o-Suffix, welches auch in έκατο'μπεδος Ψ 164, Tab. Heracl. 2, 24 (Schwyzer 63, 24) und έννεάμ,ηνος Hdt. 6, 69 vorliegt2). Ob man solche maßbezeichnenden Adjektiva allerdings als Bahuvrihi bezeichnen darf, scheint mir fraglich· Aber schon für den Dichter der áS-λα επί Πατρο'κλωι sind auf alle Fälle ήμιπέλεκκον und ήμιτάλαντον Determinativkomposita zu πέλεκυς und τάλαντ-α3). ήμιτάλαντον ist das älteste Beispiel für die in der Folgezeit äußerst zahlreichen Maß- und Münzbezeichnungen mit ήμιι-: z.B. ήμίεκτον Hippon. 14 b D 8, Schwyzer 707 Β, 5 und 725, 8 vgl. 10 (ion. Inschr. aus dem 6. Jh.), ήρκυπρον Hippon. 24 (κυπρον Kornmaß), ή[λέδιρον ( < ήμιμέδιμ,νον) Schwyzer 726, 36 (Milet ca. 450 v. Chr.), ήμίκλε&ρον Hdt. X. u. a.4). Ganz offenkundig substantivierte Adjektiva sind aber 1

) Offensichtliches Bahuvrihi ist τρίπος (sc. λέβης) z. Β. X164. Eine merkwürdige Nachbildung dazu ist χυτρόποςΗββ. Op.748 „Kessel mit Füßen' '. 2 ) Vgl. auch έννεόργυιος λ 312 und έπτορόγυιος Sappho 98. Dasselbe Suffix -o- zeigt z. B. auch πέλεκκον „das zur Axt gehörige", d. h. „der Axtstiel". a ) Vgl.Ψ 614 δύω χρυσοΐο τάλαντα mit v. 751 ήμιτάλαντον χρυσού; ferner v. 851 δέκα μέν πελέκεας, δέκα δ'ήμιπέλεκκα. 4 ) Weniger sicher sind ήμιχώνη Vaseninschr. in att. Alphabet (Kretschmer, Vaseninschriften 143) und ήμ[ιστα]τήρ Schwyzer 218 ( = IG 12 (3) Suppl. 1638, Thera 7. . Jh.). Bei beiden fehlt das sonst übliche neutrale Geschlecht und die Endung -ov.

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die Neutra auf -ιον, ζ. Β. ήμιμνήϊΰν Schwyzer 707 Β (Ephesus 6. Jh.), sonst ήμιμναϊον ζ. Β. Schwyzer 320, 7 (Delphi 430 ν. Chr.), ήμιλίτριον Epich. 9 und ήμιοόγκιον Epich. 8 (vgl. lat. semis, -issis „Halbass", semuncia „Halbunze"). Dieses Suffix -ιος liegt nämlich auch in hom. έκατόμβοιος „100 Rinder wert" (substantiviert έκατομβοιον Φ 79 „Wert von 100 Rindern, 100 Stück Rinder"), πανημέριος „den ganzen Tag lang" usw. vor und ist, wie ai. dáéa-másiah „10 Monate lang, alt" (s. Wackernagel, Ai. Gr. II 1, 106 f.) zeigt, offenbar für maß- und wertbezeichnende Komposita ererbt. Nach ήμιμνηΐον u. ä. sind die seit dem 5. Jahrh. zahlreich belegten Sachbezeichnungen gebildet, ζ. Β. ήμιάρτιον „Halblaib" Epich. 52, Sophr. 27 u. 28, ήμιδιχλοΐδων „weibl. Kleidungsstück" Ar. Eccl. 318, ήμιπλίνQ-iov „Halbziegel" Hdt. 1, 50, ήμικλήριον „halbes Erbe" bei att. Rednern, auch ήμιρρήνιον „Mittelding zwischen Lamm und Schaf (?)" Labyadeninschr. (Schwyzer 323 D 33) usw. 1 ). Jünger als die Gewichts- und Münzbezeichnungen mit ημιsind diejenigen, welche mit eigentlichen Zahlwörtern zusammengesetzt sind: διώβολον Ar. fr. 3 (hom. πεμπώβολα A 463 = γ 460 „Gabeln mit 5 Zinken" ist gewöhnliches Bahuvrïhi, ähnlich wie etwa τρίπος sc. λέβης), δίδραχμον IG l 2 79, 2 (ca. 430 v.Chi·.), τετράδραχμον IG 1 2 280, 91 "(422 v. Chr.), πεντώγκιον Epich. 9, δεκα-, πεντήκοντα-, έκατον-στάτηρον Leg. Gort. (Schwyzer 179) 2, 38; 9, 47ff., usw. Auch bei diesen Neutren handelt es sich um substantivierte Adjektiva, vgl. ζ. B. TCwVTOCδραχμος Hdt. 6, 89; διτάλαντος Hdt. 1, 50; 2, 96; τετρώβολος Ar. Pax 254; πεντώβολος Ar. Eq. 798. 2. P f l a n z e n b e z e i c h n u n g e n . Die zweite Gruppe, welche zwischen den determinativen und den possessiven Komposita liegt, besteht aus den Namen von Pflanzen und ähnlichen Wesen. Zwar sind Bildungen 2 ) wie 1

) ήμιτύβιον Sappho 116, etwa „Handtuch" hat wohl mit ή μι- nichts zu tun. Es ist nach Poll. 7, 71 ägyptisch. Vielleicht ist der Wortanfang volksetymologiech umgestaltet. — Um ein substantiviertes Adjektiv handelt es sich auch bei ήμίκραιρα Ar. Th. 227 u. a. Com., vgl. das hom. Adj. όρθόκραιρα. 2 ) Die folgenden Beispiele stammen, wenn kein anderer Autor angegeben ist, axis Theophrast. Dabei habe ich die Angaben aus Liddell-Scott

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ίπποσέλινον Arist., ονόπυξος, κυνόροδον, αίγίπυρος, μελάμπυρος, -ον, die ich I I I A 3 behandeln werde, eindeutige Determina tiva. Dagegen ist ζ. Β. πολυάκανδ·ος Possessivkompositum. Weniger deutlich ist aber die Stellung der andern Komposita. auf -άκανθας, -άκαν&α, ζ. Β. [ωάκαν&ος, τραγακαν&ος (ν. 1. -α), δξυάκανθ·ος (-α sp.), κυνάκανδ-α Arist., λευκάκανδ·α (-ος ν. 1. Gal.), πυράκανθε Nie., πυξάκανδ>α (sp., ν. 1. -ος)1). Da nämlich das seit Horn, belegte ακαν&α (ε 328) sowohl den einzelnen Dorn als auch den Dornbusch bezeichnet, können diese Komposita sowohl determinativ (ζ. B. „weißer Dornstrauch") als auch possessiv (ζ. B. „mit weißen Dornen", vgl. das Adj. φυλλάκανδ>ος „mit Dornen als Blättern, mit dornigen Blättern") aufgefaßt werden. Die Annahme, daß die Namen auf -ος eigentlich Possessiv- und die auf -« eigentlich Determinativkomposita sind, hilft uns deshalb nicht viel, weil die Überlieferung vielfach zwischen den beiden Formen schwankt. Dazu kommt, daß auch im Simplex neben dem allgemeinen ακανδ-α „Dorn" auch άκανθος als Bezeichnung einer bestimmten Pflanze vorkommt. Eine Scheidung zwischen den beiden Gruppen der Komposita scheint mir weder möglich noch nötig. Denn es handelt sich hier offenkundig um Bildungen, die zwischen den Possessiv- und den Determinativkomposita stehen, wobei wahrscheinlich die ersten Zusammensetzungen eher possessiv waren und dann später determinativ aufgefaßt wurden. Den Komposita mit ακανδ-α sind die mit -άνδ-εμι,ον(-ος), -avito] und -ανδ-ος ähnlich. Von diesen gehen die Zusammensetzungen mit -άνδ>εμ.ον (-ος) sicher auf Possessiva zurück: das älteste Beispiel ist das Adj. πολυάνθ-εμος Sappho Suppl. 25, 11, Anacr. 65, 3 u. a., welches eine Umbildung von hom. άνδ-εμόεις ist (άν&εμον Sappho 85; Semon. 7, 66 scheint sekundär zu sein; s. Verf., Wortbildung 141 f.). Ähnlich ist εύανδρος Pi. O. 1, 67 (vgl. εόανδής λ 320). Aber die Substantiva wie βοάνδ>εμιον Hp. (?), κρινάνδ>εμ.ον (κρίνον „Lilienart") Hp., λευκάνδ-ερν sp., ohne Nachprüfung der Texte übernommen. Da viele Namen zugleich mehrere verschiedene Pflanzen bezeichnen, habe ich darauf verzichtet, die deutsche oder •wissenschaftliche Benennung anzugeben, die für die sprachliche Betrachtung ja auch nicht besonders interessant sein dürfte. 1 ) Uber έρπάκανθα s. S. 50.

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χρυσάν&εμ,ον sp., κισσάνβεμον sp. und κηράνθ-εμο^ Dsc. werden wir eher determinativ („weiße Blume" usw.) denn possessiv („mit weißen Blumen") auffassen. Zwischendrin steht εόάνθ·εμον Hp. (?). Anders verhält es sich mit den Bildungen auf -άν8·η, wie οΐνάνδη „Blüte (abstr.) des Weinstockes" Pi. Ν. 5, 6; Ar. Ra. 1320 L; Thphr. (übertragen auf eine andere Pflanze: Cratin. 98, 5; Arist.), χαλκάν6·η „Kupfervitriol" Dsc., Orph. A. Diese sind, nämlich wohl ursprünglich verbal (zu άνδ·έω oder vielleicht zu der in hom. έν-, άν-ήνοδ·α belegten Wurzel άνδ·- : vgl. άνβη „Blüte" PI. Phdr. 230 b) 1 ), ebenso vielleicht auch ¡ο.ήναν0·ος, διόσανβος (vgl. S. 55) u. ä. In diese Gruppe gehören vor allem aber die bildhaften Pflanzennamen, die auch im Deutschen häufig sind. Wenn wir nun ζ. B. Backenbart und Schnurrbart als Determinativkomposita, Rotbart und Blaubart aber als Bahuvrïhi betrachten, wohin gehört dann der Pflanzenname Bocksbart oder der Pilzname Ziegenbart? Da im Deutschen die Determinativkomposita die Regel und die Bahuvrïhi dagegen selten sind, werden wir solche Bildungen, die sehr häufig sind, zu den ersteren zählen. Für das deutsche Sprachgefühl heißt eine Pflanze deshalb Bocksbart, weil sie gleichsam dem Aussehen nach der Bart eines Ziegenbockes ist, Eisenhut ist 'gleichsam ein eiserner Helm, Storchenschnabel der Schnabel eines Storches usw.2). Die Frage ist, ob wir auch im Griech. dasselbe voraussetzen dürfen. Wenn wir bedenken, daß Determinativkomposita in dieser Sprache im ganzen selten sind, und daß bei Namen — und darum handelt es sich hier — neben den verbalen Rektionskomposita gerade die Bahuvrïhi äußerst beliebt sind, werden wir geneigt sein anzunehmen, daß die Griechen die Pflanze τραγοπώγων (Thphr.) *) Vielleicht gehört auch άκανθα dazu (..Stachelblüher" ?), s. Verf., Wortbildung 160. 2 ) Freilich gibt es auch im Deutschen unter den bildhaften Pflanzennamen solche, die wir eindeutig zu den Bahuvrïhi zählen müssen: Wolfsmilch ist die Pflanze, welche einen giftig-milchigen Saft besitzt. Im Sprachbewußtsein aber gibt es keine Grenze zwischen determinativen und possessiven N a m e n . Das übergleiten von der einen Gruppe zu der andern mag folgende Reihe veranschaulichen: Seerose •—· Eisenhut — Storchenschnabel — Löwenzahn (nicht -zähne\) — Pfauenauge (Schmetterling) — Rotkehlchen (Vogel).

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nicht deshalb so nannten, weil sie gleichsam der Bart eines Ziegenbockes ist, sondern viel eher weil sie als Charakteristikum etwas von einem Bocksbart b e s i t z t . Denn es ist nicht gerade wahrscheinlich, daß sie τραγοπώγων etwa anders als die Adj. εύπώγων Arist. und μ,ακροπώγων Str. empfanden. Ebenso wird man die Pflanze βούφ&αλμον (als Mask. Fischname) und die nicht anders gebildeten Edelsteinnamen αίγόφδ-αλμιος und λευκόφδ-αλμος kaum von den Possessivkomposita wie μχλανόφ&αλμ,ος Hp. und (ΐεγαλόφ&κλμ.ο? Arist. trennen (vgl. auch hom. βοώπις, γλαυκδπις usw.). Wenn aber Meleager (AP. 4, 1, 52) δ[ψ.α βοός statt βουφό·αλμ.ον setzt, beweist er, daß er diese Bildung determinativ auffaßte. Tatsächlich sehen auch andere Namen eher wie Determinativkomposita aus, ζ. Β. διοσπώγων Ps.-Dsc., das wohl nach διοσβάλανος u. ä. gebildet ist. Ganz deutlich ist dies der Fall beim Pflanzennamen μυός ώτα Dsc., zu welchem die Sing, ρόσωτον ( !) und μυοσωτίς gebildet werden. Bei der großen Masse dieser bildhaften Namen, die ich nicht weiter sammeln will, ist aber eine Entscheidung unmöglich und sinnlos. Aus den oben angeführten Überlegungen heraus werden wir uns aber im Gegensatz zum deutschen Sprachgefühl im Zweifelsfalle eher für die possessive Auffassung entscheiden1). 3. Als D e t e r m i n a t i v k o m p o s i t a v e r w e n d e t e B a h u vrïhi. In diesem Zusammenhang muß ich auf die Fälle hinweisen, wo Dichter (meistens Tragiker) einzelne Bahuvrlhi in einer neuen Bedeutung als Determinativkomposita verwenden. So heißt καλλίπαις bei A. Ag. 762 L und auch sonst „schöne Kinder habend". Euripides aber verwendet dieses Wort im Sinne von „schönes Kind" : ΙΙερσέφασσα καλλίπαις θεά Or. 964 L. Ähnlich, aber weniger deutlich ist γέννα πεντηκοντάπαις A. Pr. 853 „aus 50 Kindern bestehendes Geschlecht", während derl

) Das älteste überlieferte Beispiel dürfte der Blumenname ελίχρυσος (έλει-?) Alcm. 16, Ibyc. 6, Cratin. 98, Theocr. 2, 78 sein. Doch ist hier das Vorderglied undurchsichtig, was auch eine exakte Beurteilung des Kompositums unmöglich macht. Falls έλείχρυσος zu lesen ist, wird man es am ehesten mit ορείχαλκος (s. S. 27) vergleichen dürfen. Wenn Thphr. statt dessen έλειόχρυσος sagt, wird es sich um eine bewußte etymologisch© Erklärung und Verdeutlichung handeln.

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selbe Dichter dieses Wort früher eindeutig als Bahuvrihi verwendet hat: Beiwort zu Αίγυπτος in Supp. 321. Da diese freie und ζ. T. sogar willkürliche Verwendung der Komposita eine Eigenart der tragischen Dichtkunst ist, werde ich noch in anderem Zusammenhang näher auf diese Erscheinung eingehen (s. I I I Β 1). Über κακο-, άγαδ-ο-δαίμιων s. I I I C. D. M i s c h u n g s k o m p o s i t a . Zum Abschluß unserer Betrachtung der Grenzfälle und Übergangsgebiete wollen wir noch eine kleinere Gruppe besprechen, die mit den Determinativkomposita verwandt scheinen, nämlich die Mischungskomposita. Diese dienen zur Bezeichnung von Mischwesen, die zwischen den im Vorderglied und im Hinterglied genannten Wesen stehen oder auch beides zugleich sind, ζ. Β. ανδρόγυνος, άνθ·ρωποδαίμ.ων. Wir dürfen diese Komposita nicht ohne weiteres den Determinativen zuzählen, denn beide Glieder sind an sich gleichwertig und können also vertauscht werden. Im Deutschen ist es bezeichnend, daß beim Vorderglied in der Regel die sonst übliche Erweiterung fehlt, vgl. Mannweib gegenüber Mannesmut, Gottmensch (Gott-Mensch) gegenüber Gottesreich. Im altern Griech. finden wir γυναικάνηρ, -ανδρέσσι Epich. 218 = γυνανδρος S. fr. 963 ( = 878 Ν) = ανδρόγυνος Hdt., Eup. 3 D, Pl. ff.1), dann άνθ-ρωπο-δαίμων „Halbgott" Ε. Eh. 971 und verschiedene Tierbezeichnungen, ζ. Β. μϋγαλη „Spitzmaus" Hdt. Arist. ff. und vor allem die Fabelwesen χηναλώπηξ Hdt. Ar. ff., άνδρο'σφιγξ „Sphinx, die im Vorderteil ein Mann, nicht wie sonst eine Jungfrau ist" Hdt., ίππαλεκτρυών Α. fr. 134, Ar. Ba. 932, τραγέλαφος Ar. Ra. 937, Pl. ff., γρυπαίετος (oder -άετος) Ar. Ra. 929, ίπποκένταυρος Pl. Χ., ίπποκάν&αρος „als Reitpferd verwendeter Mistkäfer" Ar. Pax 181 (dazu κυκνοκάνό-αρος Nicostr. Com. 10 für eine Schiffsart), χοιροπίθηκος Arist., ίππομυρμηξ (ν. 1.) Arist. Vielfach sind es komische Bildungen, so auch die Komödientitel Διονυσαλέξανδρος und μυρμηκάνβρωποι, wohl auch Άνθ-ρωφηρακλης, ferner die spottenden x

) Mit anderer Bedeutung λουτρά ανδρόγυνα Α Ρ . 9, 783 „Bäder für beide Geschlechter". Über das Dvandva άνδρόγυνον s. S. 58. — Ερμαφρόδιτος findet sich zuerst bei D.S. ; spät ist άνδρόθηλυς.

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Beinamen γρυπαλώπηξ Hp. Epid. 6, 8, 29 und κυναλώπηξ Ar. passim. Bemerkenswert ist στρουδ·οκάμ.ηλος „Strauß" (zuerst D.S.) statt des doppeldeutigen einfachen στρου&ός (Hdt. Ar. X. ff.). Namen für Mischvölker sind Αιβυφοίνικες Plb., Συροφοίνικε'ς ζ. Β. NT. Εν. Marc. 7, 26, Κελτοσκυ9>αι u. a. Str., vgl. Debrunner, Griech. Wortbildungslehre 46 f., Schwyzer, Gr. Gr. I 453. Zu den Mischungskomp osi ta gehören auch πτωχαλαζών „Bettler und Prahler zugleich" Phryn. Com. 4 und ίατρομαντις „Seher und Arzt zugleich" (von Apollon und Asklepios) A. Supp. 263, Ag. 1623, Eu. 62, dem sich in späten Inschriften ιατροφιλόσοφος, ίατροτομεύς „Arzt und Chirurg" u. ä. anschließen, Bildungen, die an den beliebten französischen Typus commis-voyageur1) erinnern. Auch ίπποτοξότης Hdt. Th. Ar. ff. ist wohl als „ιππότης und τοξότης zugleich" aufzufassen. Komische Monsterbildungen sind κυμινοπριστο-καρδαμιογλύφος Ar. V. 1357 „Kümmel zersägend und zugleich Kresse aushöhlend" und σκοροδο-πανδοκευτρι-αρτοπώλιδες Ar. Lys. 458 „Knoblauch und Brot verkaufende Gastwirtinnen" (s. Gustav Meyer, Stilist. Verwendung 150)2), vgl. I I I C. Einfacher ist ληιστοσαλπιγκτής Men. 1030. Solche Mischungskomposita beschränken sich nicht auf Menschen- und Tierbezeichnungen. Bekannt sind ja die Windnamen wie εύρο'-νοτος, λιβό-νοτος, λιβο-φοίνιξ Arist. ff., dann χερσόνησος (Hdt., χερρό- att.) eigentlich „Mittelding zwischen Festland und Insel". Bei Xanth. 3, Arist. ff. finden wir λιμνοθάλασσα „Lagune", bei Arist. δροσοπάχνη „Rauhreif". Abstrakt ist κλαυσίγελως „mit Weinen vermischtes Lachen" X. HG. 7, 2, 9., ff., das an γλυκύπικpov Sappho 40, s. S. 32 erinnert, ferner der Komödientitel κωμωιδοτραγωιΒία.. Waffen- und Werkzeugsbezeichnungen sind δορυδρέπανον Pl. ff., σφυροπέλεκυς IG 1 2 1

) Weitere Beispiele sind: le cardinal-ministre, le prince-président, le roi-prophète, s. Darmesteter, Traité de la formation des mots composés 120ff. Das, deutsche Wort Königinmutter (nicht „Mutter der Königin", sondern „Königin und zugleich Mutter des regierenden Könige") wird Lehnübersetzung von la reine-mère sein. 2 ) Oder ist es etwa ein Dvandva wie Τεισαμενο-φαίνιπποι, Γερητοΰεόδωςοι, s. S. 58?

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313, 132, ξιφομάχαιρα Theopomp. Com. 7, 2 u. 25, ξιφοδρέπανον hell., δβελισκολύχνιον „als Leuchter verwendeter Spieß" Theopomp. Com. 7, 2, Arist., ferner wohl άσκο&υλακος „Ledersack" und άσκοπήρα „Art Felleisen" bei Ar. und andern Com.1). Nicht selten sind Ausdrücke für Stoffmischungen, besonders bei Speisen und Salben, ζ. Β. κηρόπισσος Hp. „Salbe aus Wachs und Pech", οίνογαλα Hp., δξύμελι ( = δξυμελίκρητον) Hp. Lys. Arist., δξάλμη „Essig- und Salzbrühe" Cratin. Ar. Arist., σκοροΜλμη „salzige Knoblauchbrühe" Cratin. Ar., βεμβραφυη (βεμβράς und άφυη sind kleine Fischarten) Aristonym. 2. Diese Beispiele könnten allerdings auch als Dvandva aufgefaßt werden. Nur ist zu beachten, daß solche im Altgriech. als Typus eigentlich noch nicht vorkommen. Komische Bildungen wie Τεισαμενο-φαίνιπποι, Γερητο-δ·εόδωροι Ar. Ach. 603 ff. beweisen noch nichts. Das ebenfalls von Aristophanes gebrauchte πλου&υγίεια Eq. 1091, V. 677, Av. 731 kann auch anders aufgefaßt werden („durch Reichtum bedingtes Wohlergehen", zu *πλουδ·υγιής). Das zuerst im NT belegte νυχ&ήμερον 2. Cor. 11, 25 ist substantiviertes Neutrum des Adj. νυχθ-ήμερος „24 Stunden dauernd" Scymnus Geogr. 957. άνδρογυνον, das in der aus dem Neugr. bekannten Bedeutung „Ehepaar" nach LiddellScott, Nachtr. zuerst in den βίβλοι κυρανίδες (1. od. 2. Jh. n.) vorkommt, ist ein umgedeutetes Mischungskompositum, s. S.56. Auch die paar andern Beispiele werden Mischungskomposita zum Vorbild haben (und nicht umgekehrt) : bei Pers. 6, 50 und sp. Inschr. finden wir άρτοκρεας „Brot und Fleisch", bei Strabo und späteren αόξομείωσις „Flut und Ebbe", auch „Zunahme und Abnahme des Mondes" (später auch das Verb αυξομειόω) ; ähnlich ist λημψαποδοσις und δοσοληψία „Einnahmen und Ausgaben" (sp.), ferner καρόκερκος „Kopf und Schwanz des Drachens (Name einer Konstellation)" astrol., eine ebenso künstliche und späte Bildung wie die bei späten Grammatikern gebrauchten Versbezeichnungen vom Typus ηρωίαμβος („Hexam. + iamb. Trim."), μολοσσίαμβος ( u -), σπονδειοπύρριχος ( — u υ). Adverbiell ist πλεοέλασσον Pap. 6. Jh. Vgl. Debru nner> Griech. Wortbildung 40f., Schwyzer, Gr. Gr. I 452 f. Über die 1

) Hellenistische Beispiele s. bei Mayser, Gramm, d. griech. Pap.

I 3 \ S. 156f. 159f.

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neugr. Dvandva s. etwa Andriotis Gl. 27, 113, vgl. auch die Schlußbetrachtungen. Übrigens machen die Dvandva auch im Ai. und Slav, einen jungen Eindruck, s. Wackernagel, Ai. Gr. I I 1, 149ff. und Dickenmann, Nominalkomp, im Russ. S. 69ff. Das Altgriechische, das noch keine eigentlichen Dvandva kennt, ist in diesem Punkte wie auch sonst in der Nominalkomposition besonders konservativ 1 ). Bei den Mischungskomposita wird häufig das eine Glied mit dem andern verglichen; ζ. B. bezeichnet γύνανΒρος ,,einen, der w i e ein Weib ist", ίπποκάν&αρος „einen als Reitpferd verwendeten Mistkäfer" und ¿βελισκολύχνιον „einen als Leuchter verwendeten Spieß". Noch deutlicher ist μητρόπολις Simon. 93, Hdt. Th. ff. „die Stadt, welche gleichsam die Mutter anderer Städte ist" (s. III A 6, ebenso μητροκολωνεία und μητροκωμ,ία in späten Inschr. aus dem Orient). Das älteste griechische Beispiel dieser Art ist hom. κυνάρια Φ 394, 421 „Fliege, die gleichsam (frech wie) ein Hund ist", also eine „hundsfreche Fliege", vgl. auch S. 27, zur Form κυνα- s. Schwyzer, Gr. Gr. I 440. Dazu gehört auch βούποας „Knabe, tolpatschig wie ein Rind" Ar. V. 1206, Eup. 402, ff. und άνΒροπαις άνήρ „Mann, der eigentlich noch Knabe ist, aber den Verstand eines Mannes hat" A. Th. 533, vgl. S. fr. 619 ( = 562 N), Ar. fr. 986. Erst später dient βου- einfach als Verstärkung: βουκορυζα „großer Schnupfen" Men. 1003, βουπρηόνες „große Abgründe" Hsch., βούσυκον „große Feige" Hsch., vgl. Varrò RR. 2, 5, 4, vielleicht auch βουμχλία „fraxinus excelsior" Thphr. 2 ). Ein weiteres 1

) Selten sind auch im Griech. Possessivkomposita, deren beide Glieder zusammen ein Paar bilden, z. Β. -θριαμβο-διθύραμβε Pratin. 1 , 1 6 Bergk, Beiwort des Bakchos, ίππόβροτοι ώδΐνες Lyc. 842 „Wehen bei der Geburt von Pegasus und Chrysaor" (!), στλεγγιδολήκυθος Poll. „Sklave, welcher στλεγγίς und λήκυθος trägt" (ähnl. ξυστρολήκυθος Hsch.), σιδηρόχαλκος Luc. „aus Eisen und Kupfer bestehend" (ähnl. χρυσελεφαντήλεκtooç AP. App. 330 Jacobs), vgl. auch άλφάβητον Schwyzer, Gr. Gr. 1141 3 . Ganz unsicher κρήγυος Schwyzer, Gl. 12, 18ff. Dagegen ist es nicht selten, daß bei einem Kompositum das Vorderglied, zuweilen auch das Hinterglied ein scheinbares Dvandva ist, z. Β. βατραχομυομαχία, άν-αλφάβητος Nieochares 2 Dem., s. Schwyzer, Gr. Gr. I 452f. 2 ) Att. βουλιμία (mit βουλιμιάω) ist eine Ableitung v o m Bahuvrihi βούλιμος „einen Rinderhunger besitzend, sehr hungrig" Alexis fr. 135,17.

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Beispiel, das man allerdings auch den einfachen Mischungskomposita zurechnen kann, ist λυκάν&ρωπος „Werwolf" Gal.1). Aus den modernen Sprachen kann ζ. B. deutsch Königstiger „Tiger, der gleichsam König unter den andern ist", Zwergelefant „Elefant, der im Verhältnis zu den andern ein Zwerg ist", fr. le roi-soleil „sonnengleicher König" und russ.Caf-kólokol etwa „Riesenglocke", eigentlich „Glocke, welche gleichsam der Zar der andern Glocken ist", Caf-púska etwa „Riesenkanone", s. Dickenmann, Nominalkomp, im Russ. S. 34, heranziehen. Nicht nur Substantiva, sondern auch Adjektiva können Mischungskomposita bilden. Zwar ist das älteste Beispiel γλυκύπικρον (-ος) wohl Zusammenrückung und kann bei Sappho 40 noch getrennt geschrieben werden, s. S. 32. Eine ähnliche Bildung ist auch δξυγλυκυς Α. fr. 363, als Subst. n. bei H p . Verhältnismäßig häufig sind seit Arist. Farbbezeichnungen, ζ. Β. λευκέρυ&ρος, λευκόπυρρος2), έρυδ>ρόχλωρος Hp., λευκομ,υο'χρους „weiß-grau" Pap. 3. Jh. v. Chr. (vgl. Mayser Gramm, d. griech. Pap. I 3 2 , 186), ξανδ-όλευκος Gal. u. a. 3 ). Ferner finden wir etwa noch θρασύδειλος Arist., ΒικαιάΒικος Philo, μεγαλομικρος Philo, μ,ωροσοφος Luc. u. ä. Endlich kann νεοπλοοτοπόνηρος Cratin. 208 „neureich und schlecht" (oder „schlecht wegen neuerworbenen Reichtums"; Gustav Meyer, Stilist. Verwendung 148), ein Wort, das schon durch seine Bildung zum Lachen reizte, und νεοχρόσεος (?) „neu und golden" Philodamus· Scarphaeus 123 hierher gezählt werden. An sich gehören Mischungskomposita zu den einfachsten Zusammensetzungen. Denn daß ein Begriff, der zwischen zwei bekannten steht und mit beiden einige Eigenschaften gemein Danach bildeten hellen. Dichter βούπεινα. βοΰλιμος im Sinne von βουλιμία findet sich erst spät ; unklar ist mir böot. ποΰλιμος. s. Schulze, Kl. Sehr. 399f., Schwyzer, Gr. Gr. I 434. Dazu κυνάνθρωπος νόσος Gal. 2 ) Bei Arist. scheint allerdings das Hauptgewicht auf dem Hinterglied zu liegen, also „weißlich-rot", vgl. Debrunner, Griech. Wortbildungslehre 40, s. auch Schwyzer, Gr. Gr. I 453. 3 ) Keine Mischung drückt λευκοφορΐνόχροος Philox. 2, 31 aus. — Das Wort für „Storch", πελαργός, ist wohl kein Mischungskompositumr 9. S. 33.

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hat, dadurch bezeichnet wird, daß die beiden bekannten Ausdrücke nebeneinander gestellt und dann zu einem neuen Wort verschmolzen werden, scheint ganz natürlich zu sein. Das Bedürfnis nach solchen Bildungen stellt sich auch in jenen Sprachen ein, welche sonst Zusammensetzungen gegenüber eher zurückhaltend sind, ζ. B. im Französischen, s. S. 57, 60. Gerade diese Sprache zeigt, daß wir die Mischungskomposita eigentlich nicht als Determinativkomposita auffassen dürfen, sondern sie als selbständige Gruppe betrachten müssen.

Griechische Determinativkomposita Indogermanische Forschungen 59,3 (1949), p. 245 - 294

Vorbemerkungen. Der I. und II.' Teil des Aufsatzes „Griechische Determinativkomposita", den ich im J a h r e -1942 fertiggestellt hatte, konnte 1944 in den I F . 59, 1—61 erscheinen. Das Manuskript des I I I . Teiles ging jedoch infolge kriegerischer Ereignisse verloren. So m u ß t e ich denn daran gehen, die Abschnitte über die Weiterentwicklung der Determinativkomposita in klassischer Und hellenistischer Zeit neu zu schreiben. Dabei entschloß ich mich, gegen meine ursprüngliche Absicht verschiedene Stellen anders zu fassen, auch die Zitierweise (s. S. 2), besonders bei den Lyrikern, zu verbessern. Da aber solchen Änderungen schon wegen der Disposition a m Anfang des I. Teiles (S. l f . ) und der verschiedenen Verweise in den schon gedruckten Abschnitten enge Grenzen gezogen waren, m u ß t e ich d a n n doch das eine oder andere gegen meine bessere Einsicht in der ursprünglichen Fassung stehen lassen. So präsentiert sich also die Fortsetzung nicht als Arbeit aus einem Guß, und ich möchte n u r hoffen, daß sich die heterogenen Elemente nicht allzu sehr stören. Von den verschiedenen Arbeiten und Aufsätzen, welche in der Zwischenzeit erschienen sind, konnte ich leider einige n u r teilweise, andere überhaupt nicht mehr berücksichtigen. Sehr wertvolle Ideen, die ich aber leider k a u m mehr verwerten konnte, scheint mir vor allem Hoenigswald, Παν-compounds in early Greek (Language 16,183ff.), zu bieten. Ich selbst m u ß gestehen, daß ich verschiedene Komposita, die freilich mit den Determinativkomposita nicht direkt zusammenhängen, heute anders auffasse, und daß ich diese Gedanken auch in einem Aufsatz „Griechische Komposita vom T y p u s μεσο-νύχτιος und όμο-γάστριος", Museum Helveticum 2 (1945) 15 ff. dargelegt habe. I n der vorliegenden Arbeit selbst k o n n t e ich freilich n u r gelegentlich darauf eingehen. I n der Zwischenzeit habe ich auch endlich die letzte Lieferung von Liddell-Scott's Greek-English Lexicon (erschienen 1940) erhalten. Soweit es ging, wurde sie selbstverständlich zu R a t e gezogen. Zuletzt möchte ich noch ein langersehntes Hilfsmittel nennen, d a s Rückläufige W ö r t e r b u c h der griechischen Sprache von P . Kretschmer u n d E . Locker (Göttingen 1944), das mir auch jetzt noch willkommene Dienste geleistet h a t . Z ü r i c h , F e b r u a r 1947.

Ernst

Risch.

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III. Teil. Weiterentwicklung der Determinativkomposita. Wenn wir nach der Betrachtung der Determinativkomposita im ältesten Griechisch ihre Weiterentwicklung verfolgen, so können wir feststellen, daß sich die griechische Sprache auch in der Folgezeit an die Regeln hält, welche wir schon in der ältesten Periode bei der Bildung der Determinativkomposita beobachten konnten. Freilich werden jetzt die Bildungsmöglichkeiten erweitert. Die Zahl der überlieferten Determinativkomposita bleibt zwar relativ, d. h. im Verhältnis zu den übrigen Komposita klein (vergi. S. 5). Da aber die Sprachdenkmäler jetzt viel zahlreicher werden, wird auch die Zahl dieser Komposita absolut genommen so groß, daß es nutzlos wäre, für diese Zeitepochen Vollständigkeit zu erstreben. Dabei erfreuen sich einzelne Gruppen, die aus der ältesten Zeit nur spärlich oder gar nicht belegt sind, besonderer Beliebtheit. Das hängt zum Teil, aber nur zum Teil, damit zusammen, daß aus der Zeit vor 500 v. Chr. sozusagen keine Prosa und nur sehr wenig komischvulgäre Texte überliefert sind. Andere Typen dagegen zeigen kein oder nur ganz geringes Wachstum. Es wird unser Bestreben sein, bei der Darstellung der Weiterentwicklung die produktiven Gruppen herauszugreifen. Anschließend werden die Eigentümlichkeiten der cb orlyrisch-tragischen und der komischen Sprache besprochen werden. Für die erstere Gruppe drängt sich eine Sonderbehandlung schon deshalb auf, weil sich die Sprache der jüngern Chorlyrik (vor allem Pi. und B.), welche sich — wie schon S. 7 f. erwähnt — merklich von der ältesten Dichtersprache unterscheidet, zusammen mit der noch extremeren Sprache der lyrischen, z. T. auch der übrigen Partien der Tragödie in mancher Hinsicht recht eigenwillig entwickelt. Bei der komischen Sprache werden uns hingegen zahlreiche scherzhafte Augenblicksbildungen, z. T. auch Wendungen der niedern Volksschichten begegnen. Auf diese Weise hoffe ich, ein einigermaßen erschöpfendes Bild von den wichtigeren Bildungen, die vor der Mitte des 4. Jahrh. v. Chr. belegt sind, geben zu können. Dagegen soll uns für die spätere Zeit, d. h. für die hellenistische und die römische Epoche, die

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Besprechung weniger besonders charakteristischer und produktiver Gruppen genügen. Wir beginnen also mit der Behandlung der Prosa der klassischen Zeit, wobei wir weder stilistisch, noch chronologisch eine strenge Grenze ziehen wollen. Vielmehr wird es sich öfters empfehlen, einerseits auch gleich die Bildungen der chorlyrisch-tragischen oder der komischen Sprache, zu besprechen, sofern sie von der gleichzeitigen Prosa nicht wesentlich abweichen, und anderseits in einigen Fällen (vor allem S. 253, 256f., 262ff.) auch schon die spätere Entwicklung in unsere Betrachtung mit einzubeziehen. A. P r o s a d e r k l a s s i s c h e n Zeit. 1. K o m p o s i t a m i t P r ä p o s i t i o n e n als V o r d e r g l i e d . Gegenüber der ältesten Sprache finden wir in der klassischen Zeit vor allem bei den Komposita mit Präpositionen als Vorderglied reichere Neubildungen. Besonders häufig werden ζ. B. seit dem 5. Jahrh. Determinativkomposita mit συν- (ξ υ ν-). Während uns in der ältesten Zeit nur συνέριθος ζ 32 und συνέταιροι Sappho(?) 55a,5 Diehl begegnen (vergi. S. 21), werden die Zeugnisse jetzt sehr zahlreich: Aeschylus hat συνίστωρ Ag. 1090 L mit Akk.-Obj., also deutlich verbal (ξυνίστωρ auch bei S., E. und in der Prosa), und ξυνήλικες Pers. 784 (eigentl. Adj. ; auch Eup. 181,5;ff.). Bei Panyassis finden wir 12,13 συνοπηδός (vergi. »Αμο-άων Horn., συνοπάων IG. 22 4728, Orph. H. 31, 5, συνοπαδός Pl., Telestes, A. R.) und bei Herodot σύνδουλος, συνέταιρος, συνάγγελος, συνίππαρχος. Mehrmals sind solche Komposita bei Sophokles und Euripides belegt: außer ξύνδουλος und ξυνίστωρ (s. o.) noch ξύμμαρτυς, ξυνεργάτης, συνναύτης, ξυμπολίτης, συγγείτων γαία, συγκασιγνήτη, ξυστράτηγος, ξυμφυγάς. Sehr häufig sind sie aber auch in der attischen Prosa (von Th. an, auch Inschr.) und in der Komödie, z. Β. συνδεσμώτης, συστρατιώτης, συμπρέσβεις, συγκηδεστής, συνέφηβος, συμπρύτανις, συνδικαστής (vergi. S. 43) usw. Ähnlich sind die selteneren Komposita mit όμο-; Schon das hom. όμήλιξ, welches ursprünglich als Ableitung zu όμός gleichberechtigt neben ήλιξ zu δς (aus *σ/ος) und τηλίκος zu τό- stand, konnte als Kompositum von όμο- und ήλιξ aufgefaßt werden

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(vergi, ξυνήλιξ S. 247). Aus klassischer Zeit hat manneben σύνδουλος auch όμόδουλος E. Hec. 60 (anap.), X., Pl. Der Unterschied, den Poll. 3, 82 bei der Bedeutung beider Wörter angibt (σύνδουλος „Sklave desselben Herrn", όμόδουλος „Mensch, der in gleicher Weise ein Sklave ist"), ist wohl nur das Ergebnis allzu exakter Grammatikerinterpretation. Bei Ar. Ra. 756 lesen wir όμομαστιγίας (Ζεύς). Dazu komm,en noch Verwandtschaftsnamen wie όμάδελφος, όμόγα.μβρος u. ä., ferner όμόπαις, s. S. 272. Weniger zahlreich werden Komposita mit andern Präpositionen gebildet. Von den Verwandtschaftsnamen mit προ-, έπι-, εξ- und άπο- haben wir schon S. 16f. gehandelt. Mit ύπο-, das schon in der ältesten Sprache gut vorgebildet ist (ζ. Β. ύποδμώς, s. S. 21), finden wir: υπηρέτης (-έω), das wohl ursprünglich verbal ist (A. Pr. 954 u. 983, S., E „ Hdt., Ar., Pl.), ύποζάκορος (Hdt.), ύπολόχαγος und υποστράτηγος (beides Χ.), ύπογραμματεύς (att. Inschr. u. Redner, Ar. Ra. 1084), υποδιδάσκαλος (Pl.), ύποπάρθενος (Ar .fr. 141), die Vogelbezeichnungen ύπάετος (etwa γυπάετος ?) und ύποτριόρχης (beides Arist., vergi. S. 256), außerdem zahlreiche aus späterer Zeit. Ausführlicher müssen die Komposita mit άντι- behandelt werden. Die meisten von ihnen sind, soweit sie nicht deverbativ sind, präpositionale Rektionskomposita. άντι- hat dabei entweder die Bedeutung „gegenüber" 1 ), z. B. hom. άντίθεος „Göttern gegenüber, göttergleich", wozu man auch( ?) άντί/θ-ων (γη) Arist. „gegenüberliegende Erde", dann άντίχειρος δάκτυλος „der Hand gegenüberhegender Finger, d. h. Daumen", άντίστερνον, άντικέφαλον sp. u. a. zählen wird, oder dann, was viel häufiger ist, „anstatt", z. B. bei Trag, άντίδουλος „wie ein Sklave", άντίπαις „fast wie ein Kind", άντίφερνος φ&ορά, später άντιταμίας „Proquaestor" usw. (s. S. 283). Dagegen sind Determinativkomposita verhältnismäßig selten. Bei den meisten bedeutet άντι- „gegen, contra". Da diese Bedeutung von άντί sonst nur bei den zusammengesetzten Verben, nicht aber bei der eigentlichen Präposition vorkommt, werden auch die Determinativ*) An sich können diese Komposit a ohne wesentliche Verschiebung der Bedeutung auch als Bahuvrihi aufgefaßt werden, z. Β. άντί θεός nicht nur „den Göttern gegenüber", sondern auch ,,die Götter sich gegenüber habend'', s. Verf., Wortbildung 171.

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komposita nach den Verben gebildet worden sein. Es handelt sich dabei meistens um Ausdrücke, welche die Rivalität im Wettkampf, in der Politik oder im Krieg bezeichnen. So ζ. B. ανταγωνίζομαι (bei Hdt., Th., X. usw. ganz geläufig) und άντεράω (Α., E., X.) mit den davon abgeleiteten ανταγωνιστής, άντεραστής (Ar., Pl., Arist.), άντέρως (Pl.). An diese Bildungen, welche wir als Ausgangspunkt betrachten können, schließen sich άντιχόρηγος neben άντιχορηγέω (beides And., D.) an. Hier ist aber das Substantiv retrograd zum zusammengesetzten Verbum gebildet worden. Ebenso steht neben άντιστασιάζω X. das retrograde άντίστασις, das erst bei Pl. R. 560 a belegt ist (στάσις καί άντίστασις και μάχη), aber wegen άντιστασιώτης schon für Hdt. und X: vorauszusetzen ist. Ähnlich ist άντιπολιτεία Plb. zu αντιπολιτεύομαι Arist. ff. In die militärische Welt gehört αντιστράτηγος Th. 7, 86 „Feldherr der Feinde" 1 ) neben άντιστρατεύομαι, z. Β. X. Gyr. 8, 8, 26. Viel später taucht άντιστρατιώτης „Soldat des Feindes" auf. Dagegen ist wohl statt άντιπολέμιοι „Feinde" bei Th. 3, 90 und Hdt. 4, 134 u. 140 die varia lectio άντιπόλεμοι zu lesen, vergi. Liddell-Scott s. v. An diese Substantive, welche neben den mit άντι- zusammengesetzten Verben stehen, schließen sich in hellenistischer Zeit oder noch später verschiedene ähnliche Ausdrücke an, welche ohne ein Verbum sind, z. Β. άντίπολις „Stadtrivalin" (jedoch Άντίπολις s. u.), άντενέδρα „Gegenhinterhalt", άντίκριος „Gegenwidder" (milit.), άντισφήν „Gegenkeil". Aus den römischen Bürgerkriegen kommen zu άντίστασις, άντιπολιτεία einige neue Bildungen: ή άντισύγκλητος „Marius' Gegensenat" (Plu.) und vor allem Caesars Schrift Άντικάτων. Diese oder ähnliche Ausdrücke waren wohl Vorbild für 'Αντίχριστος NT., das in den modernen Sprachen so viele Nachahmungen gefunden hat. Für sich steht άντιφάρμακον Arist. ff. „Gegengift" und aus später Zeit άντίκλεις „Nachschlüssel, sog. Dietrich" 2 ), άντενέχυρον „Gegenpfand". Dagegen sind Determinativkomposita mit der Bedeutung άντι- „gegenüber" sehr selten: Άντίπολις „gegen1

) Später ist άντιστράτηγος Übersetzung von pro constile oder pro praetore, also präpositionales Rektionskompositum wie άντιταμίας, s. S. 283. 2 ) Vergi, auch mit gleicher Bedeutung άνάκλεις.

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uberliegende S t a d t " (s. S. 263, dagegen άντίπολις „Stadtrivalin" S. 249), άνθέλιξ sp., άντιδάκτυλος sp. „Daumen" (vergi, άντίχειρος S. 248), eventuell άντίχθων (s. S. 248). Ahnlich liegen die Dinge auch bei den Zusammensetzungen mit παρ α-. Aus älterer Zeit sind mir nur solche Beispiele bekannt, die neben sich Verben haben, so πάροδος Th. ff. neben παριέναι (s. S. 45) oder das für die weitere Entwicklung wichtige παραπρεσβεία D., Aeschin. neben παραπρεσβεύω, -ομαι D., Aeschin., Pl., Isocr. Denn hier erhält παρα- fast die Bedeutung von ψευδό-, die wir auch bei verschiedenen s p ä t e m Beispielen beobachten können, ζ. Β. παρήλιος Arist. Mete. 372a 16 „Scheinsonne", παραταυτότης sp. „scheinbare I d e n t i t ä t " und wohl auch παρένθυρσος Theod. ap. Longin. 3,5 „falscher affektierter Stil( ?)" (*ενθυρσος ist nicht belegt). Ähnlich ist auch παρακυνάγχν) sp. „eine Art κυνάγχη". Andere Determinativkomposita mit παρα- gehen von den präpositionalen Rektionskomposita aus. So ist gegenüber παραθύρα „Seitentor", in Inschr. seit dem 3. J h . v. Chr. belegt, ή παράθυρος (sc. θύρα) offenbar das Ältere, wenn es auch wiederum erst im 3. J h . v. Chr. in Pap. bezeugt ist 1 ). Später werden in Scholien u n d bei Grammatikern Beispiele wie πάραθλον „Nebenwettkampf" bezeugt. Aus hellenistischer Zeit kennt man ferner Rangbezeichnungen wie παραπροστάτας, *παρέφηβοι (παρεφηβείη), παρεύτακτοι (εύτακτοι sind eine besondere Gruppe der έφηβοι, vergi. I G Rom.4,482, Pergam. 1. J h . v. Chr.), παριέρη „ehemalige Priesterin in Ephesus" (Plu.), παραφιλάγα-9-ος (unklarer religiöser Titel in Panticapeum). Von den Zusammensetzungen mit π ρ o - sind, wie wir schon im I. Teil gesehen haben, Verwandtschaftsnamen wie προπάτωρ (S. 16) und Bildungen wie πρόδομος (S. 19) sehr alt. Schon hom. ist auch πρόθυρον, das aber ursprünglich präpositionales Rektionskompositum ist (s. S. 19). An dieses schließt sich in klassischer Zeit τα πρόπυλα an, H d t . , S., E., Inschr. usw. (auch Sg.) 2 ). x

) Etwa gleichzeitig ist auch παραί>·υρίς „Seitenfenster". Das späte παρα-ύλιον IG 5( 1) 538, 18 ist wegen -ιον deutlich präpositionales Rektionskompositum. Übrigens gibt es auch ó παράθυρος (sc. λίθος). 2 ) Das gleichbedeutende und offenbar häufigere τά προπύλαια Hdt., Ar., Th., D., Inschr. usw. ist schon durch das Suffix deutlich als präpositionales Rektionskompositum gekennzeichnet, ebenso προ-

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Erst spät sind unmittelbar an πρόδομος erinnernde vereinzelte Bildungen wie πρόπολις (Gels.) = προάστιον, oder πρ άγλωσσο ν Ruf. „Zungenspitze" = προγλωσσίς Poll, (letzteres wie προμετωπίς, Προποντίς, also deutlich präpositionales Rektionskompositum). Andere Komposita mit προ- gehören aber zu Verben, ζ. Β. προφύλαξ Th., X. zu προφυλάσσω h. Αρ. 538, Hdt., Th. usw., προηγεμών D. 18, 260, Alciphr. 3, 36 zu προηγέομαι Hdt., Ar., X. usw., προαγών „dem Hauptagon vorangehender Agon" Pl., D., Inschr. neben προαγωνίζομαι Th. ff. 1 ), vergi, auch προέδρα S. 46. Für sich steht die spartanische Altersbezeichnung πρόπαις, s. S. 259. Eine kleinere Gruppe bilden die Komposita mit προ- im Sinne von „statt" (vergi, άντι-): außer πρόξενος, das schon S. 38 behandelt worden ist, etwa noch πρόδουλος A. Ag. 945 „als Sklave dienend", das wir also als präpositionales Rektionskompositum betrachten müssen (s. S. 38 Anm. 2), und πρόμαντις Α., S., E.; Hdt., Th. usw. „den Gott vertretender Prophet (z. B. Pythia)", das deutlich determinativ ist und sich an die andern Komposita mit -μαντις anschließt (s. S. 272f.). Auch προκύων „Hauptstern des kleinen Hundes" (Arat u. a.) kann hierher gezählt werden. Verhältnismäßig alt sind aber Gegensatzbildungen zu den Komposita mit προ-, nämlich die mit οπισθ-ο- (statt *όπισθεs. Schwyzer, Gr. Gr. I 438 Anm. 1). Das älteste Beispiel ist οπισθόδομος „hinterer Teil des Hauses, speziell des alten Athenetempels" (Ar., D., Inschr. usw.)2), Gegensatz zu πρόδομος Horn. ff. (S. 19). Dann finden wir bei Χ. οπισθ-οφύλαξ (-έω, -ία), vergi, προφύλαξ, ferner οπισθοσφενδόνη „Hinterteileines Ringes, Siegelring" (Ar. fr. 320, 4, vergi. E. Hipp. 862, Pl. R. 359e), όπισθοχειμώνες „Spätwinter" (Hp., Thphr.) u. a. Eine Präposition, die im Attischen außer vielleicht bei Verwandtschaftsnamen (s. S. 17) in solchen Zusammensetzungen άστιον Pi., S., E., Hdt., Th., Inschr. (4. Jahrh.), jrpovvjïov Hdt. (att. Inschr. πρόνεων [-ως ?], später πρόναον) usw. 1 ) προαγών heißt in Athen daneben auch „zeremonieller Aufzug vor dem dramatischen Wettkampf", was präp. Rektionskompositum ist. 2 ) Jünger ist die adjektivische Verwendung: οπισθόδομοι στήλαι Plb.

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selten, bei andern Dialekten aber recht häufig vorkommt, ist έπ ι-. Zu den hom. Beispielen : επαυλος (s. S. 20) und Zusammenrückungen vom Typus έπιμάρτυρος, έπιποιμένες usw. (s. S. 21 f.), die durch έπίμαρτυς Ar. Lys. 1287 L, έπίφρουρος E. Or. 1575 (s. S. 44 Anm. 1) und έπικοίρανος Orph. A. 294 erweitert werden, kommen jetzt verschiedene Beamtenbezeichnungen. In einigen dorischen Staaten gibt es einen έπιδαμιοργός (Inschr. 3.Jh.v.Chr., έπιδημιουργός Th. 1, 56), wahrscheinlich etwa „Oberdamiorgos" 1 ), aus hellenistischer Zeit stammen dann έπιστρατηγός (seit 200 v. Chr. in Ägypten) 2 ) und die militärischen Gradbezeichnungen έπιλοχαγός, έπϊλάρχης, έπιξεναγός, έπιθ-ήραρχος (Pap. 3. J h . v. Chr. und Militärschriftsteller) 3 ). Ganz anders ist επανδρος (seit Demades fr. 37 bezeugt) „männlich", das als Gegensatz zu ανανδρος (s. S. 260) gebildet sein wird. Vorbild dazu waren etwa άσημος — έπίσημος (ζ. Β. Hdt. 9, 41), άτιμος — επίτιμος. Die übrigen Komposita mit έπι- sind wohl, soweit sie nicht Bahuvrihi oder präpositionale Rektionskomposita sind, verbal aufzufassen. Zusammensetzungen mit andern Präpositionen sind viel seltener. Bei den meisten ist wiederum der Zusammenhang mit Verben offensichtlich, ζ. Β. έξάγγελος Th., Pl. ff. zu έξαγγέλλω Hom. ff. oder παλιναυτόμολος X.HG 7,3,10, παλιμπροδότης (heilenist.). Auch περίμετρον Hdt. ff. „Umfang" wird sich an die alten Verbalabstrakta περίπλοος und περίοδος (s. S. 45) anschließen. Es könnte allerdings auch substantiviertes Neutrum des seit Hom. belegten Bahuvrihis περίμετρος eig. „Maß ringsum habend" (dann „sehr groß") sein. Ein ähnliches Beispiel ist περίκηπος „Garten rings um das Haus", seit 3. Jh. v. Chr. in Pap. belegt, bei dem allerdings kein direkter Zusammenhang *) δαμιοργός, δαμιωργός, δημιουργός ist in vielen griech. Staaten ein hohes A m t . 2 ) Der Vorsteher eines ägypt. Gaues (νομός) hieß στρατηγός. N u n wurden verschiedene νομοί zu einer έπιστρατηγία zusammengefaßt. deren es im Ganzen drei gab. 3 ) Diese K o m p o s i t a können alle als präpositionale Rektionskomposita aufgefaßt werden, wie das έτηπρείγιστος Leg. Gortyn. 7, 20 „Zweitältester" sicher ist. — Anderer Art ist έπιτριήραρχος I G 2 2 1612, 136, das zu έπιτριηραρχεϊν D . „über den Termin hinaus τρ. sein 1 ' zu gehören scheint.

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mehr mit verbalen Bildungen besteht. Dagegen ist das bekannte άμφιθέατρον, seit dem 1. J h . v. Chr. belegt, nur Neutrum des gleichzeitig bezeugten Bahuvrlhi αμφιθέατρο ς (ζ. Β. στοά, ιππόδρομος) „auf beiden Seiten Zuschauerplätze habend". Über 'Αμφίπολης und άμφίδουλος s. S. 263 und 275. So erhalten wir in klassischer und noch mehr in nachklassischer Zeit eine stattliche Anzahl von Zusammensetzungen mit Präpositionen, welche wir mehr oder weniger sicher den Determinativkomposita zuweisen müssen. Aber wenn wir sie genauer betrachten, so erkennen wir, daß es sich um eng begrenzte Gruppen handelt. Am lebendigsten sind die mit συν(όμο-)ιηκί υπο-, die aber beide schon in der hom. Sprache ausgebildet sind (s. S. 21). Alle andern wichtigeren Gruppen sind in der klassischen Zeit teils noch verbale, teils präpositionale Rektionskomposita. Erst in hellenistischer Zeit entwickeln sich daraus ζ. T. richtige Determinativkomposita. Sehr bezeichnend ist dabei etwa die Entwicklung von παοαπρεσβεία (aus παραπρεσβεύω, -ομαι) D. zu παρήλιος Arist. und τ:αραταυτότης sp., ebenso von άνταγωνιστής (zu ανταγωνίζομαι), άντίστασις (aus άντιστασιάζω), beidesatt., zu άντίπολις hell.-sp., usw., oder dann der Ersatz des präpositionalen Rektionskompositums ή παράθ-υρος (sc. θύρα) durch παραθύρα hell., s. S. 250. Merkwürdig ist, daß wir zwischen den Dialekten Differenzen feststellen können. Vor allem gilt das für die offenbar dorischen Komposita vom Typus Ιπιδαμιοργός, s. S. 252. Aber auch ein Beispiel wie προσέταιρος „collega" in milesischen Inschr. seit dem 5. Jh., das im Attischen nichts Entsprechendes hat, wird ebenfalls dialektische Eigentümlichkeit sein.

2. B e z e i c h n u n g e n f ü r B e a m t e u n d H a n d w e r k e r . Schon bei der Betrachtung der archaischen Sprache haben wir einige Komposita kennen gelernt, deren Hinterglied den Wert eines Nomen agentis hat, z. Β. ψευδάγγελος, Άστυάναξ usw., s. S. 43. Sie gehören also ursprünglich zu den im Griech. außerordentlich weit verbreiteten verbalen Rektionskomposita. Im 5. Jh. werden nun solche Komposita sehr beliebt, da man sie gerne als Benennung der verschiedenen neu aufkommenden Äm-

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ter und Berufe verwendet. Am allerhäufigsten sind dabei die Bildungen mit -φύλαξ, welche wir schon besprochen haben (S. 43f.). Seltener sind Komposita mit andern Substantiven, die als Nomina agentis aufgefaßt werden konnten. Wie φύλαξ und άναξ für das griech. Sprachempfinden die Nomina agentis zu φυλάσσω und άνάσσω waren, war auch κήρυξ ein solches zu κηρύσσω. Also finden wir auch bei S. Ph. 1306 ψευδοκήρυξ und bei att. Rednern ίεροκήουξ und δρομοκήρυξ. wozu noch aus späterer Zeit δημοκήρυξ, θεοκήρυξ u. a. kommen. Mit διδάσκαλος (zu διδάσκω) gibt es: τραγωιδοδιδάσκαλος, κωμωιδοδιδάσκαλος, χοροδιδάσκαλος, διθυραμβοδιδάσκαλος, κύκλιο διδάσκαλος (alles bei Ar.), όρχηστοδιδάσκαλος Χ., dann γεροντοδιδάσκαλος Pl., τυραννοδιδάσκαλος Pl., δουλοδιδάσκαλος Pherecr., ferner aus späterer Zeit γραμματοδιδάσκαλος, έρωτοδιδάσκαλος, ίεροδιδάσκαλος („pontifex") u. a. Einer gewissen Beliebtheit erfreuen sich auch die Komposita mit κάπηλος, deren Vorbild die Zusammensetzungen mit -πώλης sind: neben προβατοπώλης Ar. Eq. 132 u. 138 steht gleichbedeutend προβατοκάπηλος Com. Adesp. 62. Weiter lesen wir όρνιθοκάπηλος Critias 70 (Diels-Kranz, Vorsokr. I I 399), παλιγκάπηλος Ar., D., später βιβλιοκάπηλος, έλαιοκάπηλος usw. Jünger sind die Komposita mit dem bedeutungsähnlichen έμπορος1), wie έριέμπορος, θρισσέμπορος (θρίσσα ,,ein Fisch"), beides Pap., usw. Eine weitere Gruppe bilden die Komposita mit άγγελος, wie αύτάγγελος, έξάγγελος usw., welche schon S. 43 mit Anm. 3 besprochen worden sind. Sehr merkwürdig ist dabei έσαγγελεύς. nach Hdt. 3, 84 ein bestimmter Beamter am Perserhofe, das natürlich zu έσαγγέλλω gehört. Bei den Amtsbezeichnungen ist auch Έλληνοταμίαι (ζ. Β. Th. 1, 96) zu erwähnen, das offenbar nach Έλλάνοδίκαι gebildet worden ist2). Aus späterer Zeit sind uns durch Inschr. ίεροταμίας, άργυροταμίας und *σιτοταμίας (nur -ιεύω) bekannt. Zu erwähnen ist noch, daß einige Hinterglieder ganz oder vorwiegend auf die Sprache der Tragödie beschränkt sind. Be1 ) Vergi, ψυχεμπορική (sc. τέχνη) Pl. , über μόνιππος s. S. 51), und wahrscheinlich άβελτεροκόκκυξ Pl. Com. 642). Den Namen auf -ίππος nachgebildet ist Κρόνιππος Ar. Nu. 1070 „Geck aus vorsintflutlicher Zeit". Auch Κρόνος allein ist schon Spottname ibid. 929 u. a. (,,dummer Alter'"). Ferner haben wir Κρονόληρος und Κρονοδαίμων Com. Adesp. 1 0 5 2 f f . Ausgangspunkt des letztern sind die zahlreichen Bahuvrihi mit -δαίμων wie ευδαίμων (Hes.ff.), ολβιοδαίμων (Horn.), έχθροδαίμων (Trag.) usw., woran sich in der Komödie τρυγοδαίμων Ar. Nu. 296, κοιλιοδαίμων Eup. \1l und σοροδαίμων Cam. Adesp. 1151 anschließen. Auch κακοδαίμων ist Bahuvrihi, so z. B. Ar. Nii. 104. Aber in Eq. 112 wird dieses gleiche Wort fast als Determinativkompositum verwendet : του δ α ί μ ο ν ο ς ' δέδοιχ' δπως μή τεύξομαι κακοδαίμονος 3 ). *) Über Zusammensetzungen mit Namen s. auch Gustav Meyer, Stilist. Verwendung 177f. 2 ) Unsicher όρθριοκόκκυξ (für den Hahn) Dipl), bei Eust. 1479,45. Schmeichelnd ist χρυσομηλολόνθιον „Goldkäferchen" Ar. V. 134Ì. Als Spottnamen kann man hier auch ζωμοτάριχος „Salzfisch in Sauce" Alex. 42 und ξυλοκύμβη „Holzbecher (oder Holzkopf)" Com. Adesp. 1091 anschließen. 3 ) Richtige Determinativkomposita mit -δαίμων finden sich in der Prosa erst spät: άγαθοδαίμων (statt άγαθός δαίμων) A. D. Pron. 60, 15, κακοδαίμων (statt κακός δαίμων) Val. Max. 1, 7, 7, νεκυ(ο)δαίμων, πλανοδαίμων u. ä. in Zaubertexten und bei Alchimisten. Älter sind natürlichMischungskompositawie άνθρωποδαίμων (E.Rh. 971, s. S.56). Über Komposita mit -δαίμων in der Komödie s. auch Gustav Meyer, Stilist. Verwendung 123f.

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Charakteristisch für die Sprache der Komödie sind endlich die verschiedenen Riesenkomposita. Bei diesen alle griechischen Sprachgesetze und jegliches Formgefühl verletzenden Bildungen ist es natürlich schwer, mit den üblichen Kategorien auszukommen 1 ). Immerhin lassen sich einige dieser Beispiele als Determinativkomposita betrachten, ζ. Β. Κολακοφωροκλείδης Hermipp. 38, Phryn. Com. 17 (auf Ίεροκλείδης), Πανουργιππαρχίδης Ar. Ach. 603, ψαμμακοσιογάργαρα (oder ψαμ.μο-) ibid. 3 (vergi, γάργαρα ανθρώπων Ale. Com. 19 „Haufen Menschen"). Auf Mischungskomposita wie κυμινοπριστο-καρδαμογλύφος Ar. V. 1357 und Dvandva wie Τεισαμενο-φαίνιπποι Ar. Ach. 603 sind wir schon S. 57 und 58 zu sprechen gekommen. Wie bei den übrigen Komposita sind aber auch bei den Monsterbildungen — soweit wir sie überhaupt klassifizieren können — die verbalen Rektionskomposita und die Bahuvrlhi viel häufiger, ζ. B. einerseits λαλο-βαρυ-παρα-μελο-ρυθμ.ο-[ΐάτης Pratin. 1, 132), ένδί-αερι-αυερι-νήχετος Ar. Pax 831, anderseits κομπο-φακελορρήμων Ar. Ra. 839, κωδωνο-φαλαρό-πωλος ibid. 963, u. a. Gerade bei diesen letzten Beispielen aber sehen wir, daß viele der komischen Riesenkomposita Parodien auf die kühnen Komposita der Tragödie sind. Überhaupt erklären sich fast alle Besonderheiten der Komödie teils als Übersteigerung der umgangssprachlichen Möglichkeiten, teils als Parodie auf die schwülstigen tragischen Wendungen. Beides soll die Zuhörer zum Lachen reizen.

D. N e u b i l d u n g e n der hellenistischen und römischen Zeit. Die großen politischen, wirtschaftlichen und geistigen Umwälzungen seit den Zügen Alexanders des Großen fanden auch in der Sprache selbst ihren Widerhall. Wenn wir also in der hellenistischen Zeit auf dein Gebiete der Wortbildung zahlreichen neuen Formen begegnen, so rührt das nicht nur davon her, daß wir aus dieser Zeit, wenn wir die Masse der Inschriften und Papyri Vergi. Gustav Meyer, Stilist. Verwendung 146ff. ) So oder ähnlich die Überlieferung: λαλοβαρυόπα παραμελορυθμοβάταν Bei'gk, λαλοβαρύοπα βραδυπαραμελορυθμοβάταν D i e h l ( v . 14). 2

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mitzählen, viel zahlreichere Sprachdenkmäler besitzen als aus den frühern Epochen. Die neue staatliche und wirtschaftliche Ordnung der hellenistischen Monarchien verlangte für eine große Zahl neuer Begriffe auch neue Bezeichnungen. Für viele orientalische Dinge und Verhältnisse wurden griechische Wörter benötigt. Technische Neuerungen, mögen sie auch im Verhältnis zum modernen Zeitalter recht bescheiden gewesen sein, verlangten ebenfalls sprachliche Neubildungen. Der Naturwissenschaftler, der sich schon ζ. B. bei der Klassifizierung der griechischen Tier- und Pflanzenwelt zu zahlreichen präzisierenden Neubenennungen veranlaßt gesehen hatte, mußte, wenn er bei der gewaltigen Erweiterung des geographischen Horizontes die zahlreichen neu bekannt gewordenen Tiere und Pflanzen beschreiben und einordnen wollte, sprachliche Neubildungen wagen. Dabei wurden die neuen Wörter im großen Ganzen nach den überlieferten Sprachregeln geschaffen. Vielleicht kann allerdings in bestimmten Fällen auch das Vorbild und der Sprachgeist des orientalischen Substrates mitgewirkt haben. Einzeluntersuchungen, die ich hier nicht ausführen kann, würden möglicherweise zu interessanten Ergebnissen führen. Im Wesentlichen sind aber die Neubildungen durchaus griechisch. Daß unter diesen Neubildungen Komposita zahlreich sind, ist zu erwarten. Unter letzteren nehmen die Determinativkomposita einen etwas größeren Raum ein als in früheren Sprachepochen. Die neuen Wörter wurden jetzt eben vielfach von Beamten oder Gelehrten geschaffen. Beide Berufsgruppen haben ein größeres Interesse an Einteilung und Einordnung als das gewöhnliche Volk. Daher paßten ihnen determinierende Komposita besonders gut. Doch ist auch jetzt noch der Anteil der Determinativkomposita gemessen an der Gesamtzahl bescheiden. Viele der neugebildeten Determinativkomposita passen ohne Schwierigkeit in die schon früher in der Sprache entwickelten Gruppen. Freilich werden dabei, wie wir schon mehrfach gesehen haben 1 ), die alten engen Grenzen öfters etwas erweitert. So vor allem bei den Komposita mit άντι- S. 249, παρα- S. 250, έπι- S. 252, auf-φύλαξ S. 44, -δούλος S. 275, -πολις S. 262ff., bei Tierund Pflanzennamen S. 256f.

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Daneben kommen aber auch Typen auf, die in der früheren Sprache kaum etwas Entsprechendes haben. Von diesen wollen wir einige besonders charakteristische und interessante im Folgenden näher besprechen. Vollständigkeit wird aber hier, wie ich schon S. 6 u. 246f. gesagt habe, keineswegs erstrebt.

1. A m t s b e z e i c h n u n g e n . Daß für die zahlreiche Beamtenschaft, die sich in den hellenistischen Staaten bildet, auch zahlreiche neue Benennungen nötig sind, versteht sich eigentlich von selbst. Außer den schon früher üblichen Beamtenbezeichnungen, ζ. B. mit -φύλαξ s. S. 44, werden jetzt vor allem folgende Typen wichtig : Erstens sind es Zusammensetzungen mit πρώτο- und dergl. Aus älterer Zeit gibt es mit πρώτο- nur wenige verbale Rektionskomposita ζ. Β. πρωτόγονος u. a. Horn., dann auf -της: πρωτοστάτης Th., Χ., πρωταγωνιστής Arist. ff. (neben δευτεραγωνιστής, τριταγωνιστής, s. S.42Í.) 1 ), ferner πρωτόμαντις,s. S.27ο. In späthellenistischer und römischer Zeit treten nun eigentliche Determinativkomposita auf: πρωτοστολιστής2), πρωτοψάλτης, πρωθιερεύς, πρωτοκλίναρ/ος, πρωτάρ/ων (dagegen verbal πρώταρχος ατη Α. Ag. 1192), πρωτελληνοδίκης, πρωτοδιάκονος usw., auch πρωτοκύων Α Ρ . 11, 154 (Lucili.) „der erste der Kyniker" 3 ). Vergi, auch πρατόπαις, πρδτοπάμπαις in Sparta S. 259. Ähnlich, aber i. G. jünger sind die Zusammensetzungen mit άριστο-: άριστογαλατίας (Erster der Provinz Galatia), άριστοπολίτης (und -πολιτευτής, ζ. Β. in Sparta), άριστοσαλπιγκτής, αριστοχειρουργός. Aus älterer Zeit vergi, άριστόμαντις S. 273. Mit den Titeln vom Typus πρωτοψάλτης berühren sich in der Bedeutung die Bildungen mit άρχι-. Der Ausgangspunkt Vielleicht auch πρωτ'ηρότης H e s . Op. 490, wo R z a c h u. a. πρωιηρότης schreiben, Gegensatz zu όψαρότης. 2 ) στολισταί sind in Ä g y p t e n Priester, welche die Götterbilder bekleiden, vergi, άρχισ-ολιστής S. 282. 3 ) Anders ist πρωτομύστας I G . 5 (1) 1390, 14 u n d 50 (Schwyzer74, Messenien Anf. 1. Jh. v . Chr..) : „eben Myste geworden", zu πρωτόγαμος, πρωτονύμφευτος u. ä.

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ist das ionische Wort άρχιέρεως (Hdt., auch PI. Lg. 947a), später άρχιερεύς „Haupt der Priester", das ebenso wie άρχέλαος „das Volk leitend" oder άρχέχορος „den Chor anführend" (beides Trag.) verbales Rektionskompositum ist, also ursprünglich „die Priester leitend" bedeutete 1 ). Eine erste Nachbildung mit fälschlich aus άρχιέρεως verschlepptem -i- ist das ebenfalls schon bei Hdt. bezeugte άρχιτέκτων „Baumeister" (auch att.). Nun breitet sich diese Form άρχι- statt άρχε- weiter aus: wir finden ζ. Β. άρχιθέωρος oder άρκιθέωρος (att., seit 4. Jh.) neben inschriftlich aus Delos belegten άρχεθέωρος, άρκεθέωρος (3. Jh.) „Haupt der Festgesandtschaft" 2 ). Seit Beginn der hellenistischen Zeit werden solche Zusammensetzungen sehr häufig. Besonders im Ptolemäerreich mit seiner titelstolzen Beamtenhierarchie werden zahlreiche Hof- und Staatsämter so benannt, ?.. Β. άρχιφυλακίτης, άρχισωματοφύλαξ, άρχικυνηγός, άρχικήπουρος, άρχιστολιστής (vergi, πρωτοστολιστής S. 281 mit Anm. 2), άρχιδικαστής, άρχιατρός3), usw. Aus Delos kennen wir aus dieser Zeit άρχι&ιασίτης, aus Thessalien άρχιπρουρέω (und -φρουρέω), άρχιττολιαρχέω und άρχιδαυχνοαρορέω (vergi. Schwyzer, Inschr. 600 Anm.; 613, 2; Í516, 4), beiPolybius lesen wir άρχιγραμματεύς 5, 54, 12 und in der ΙιΧΧάρχάγγελος usw. Zahlreiche weitere Belege kommen in der Kaiserzeit dazu. In der Bedeutung dieser Komposita hat sich im Laufe der Zeit das Verhältnis zwischen Vorder- und Hinterglied verschoben. Ursprünglich regierte, wie wir gesehen haben, das Vorderglied άρχι-, also war ζ. Β. άρχικήπουρος „der die Gärtner beaufsichtigt, kommandiert". Aber schon άρχιέρεως konnte anders auf gefaßt werden : es bezeichnete ja nicht einen „Laien, der die Priester leitet", sondern „den Priester, der den andern Priestern vorsteht". Der Titel konnte also als „oberster, erster Priester" empfunden werden. Bei den meisten sind beide Auffassungen bei gleicher Bedeutung mög1

) άρχηγέτης, άρχάγέτας „Fürst, Stammvater" (häufig Titel von Göttern, in Sparta der Könige) Pi., Hdt., Th. ff. gehört nicht hierher, da bei diesem Kompositum das Hinterglied verbal ist, etwa „den Auszug, Beginn (eines Unternehmens) leitend"( ?). 2 ) Wesentlich älter ist—jedenfalls in unserer Überlieferung — άρχι- in den Personenamen, ζ. Β. 'Αρχίλοχος, 'Αρχίδαμος statt hom. Άρχέλοχος, Άρχεπτόλεμος, s. Schwyzer, Gr. Gr. I 444. 3 ) Im ptolemäischen Ägypten waren auch die Ärzte Staatsbeamte.

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lieh: άρχιατρός ist „Oberhaupt der Ärzte" und „selber (oberster) Arzt" (für uns wäre „Chefarzt" beste Übersetzung). Doch heißt ζ. Β. άρχιστράτηγος LXX nur „oberster Feldherr". Anderseits bezeichnet άρχίγαλλος, ein von Kaiser Claudius geschaffenes Amt, nicht einen kastrierten Gallen, sondern einen römischen Bürger, dem die Leitung der Gallen übertragen ist. In römischer Zeit wurden für die verschiedenen römischen Ämter griechische Bezeichnungen nötig. Dabei ist bezeichnend, daß die Griechen nicht nur lateinische Komposita übersetzten, ζ. Β. δύανδρες „duumviri", δέκανδρος „decemvir", πεντεκαιδέκανδρος „quindeeimvir", μεσο βασιλεύς (auch άντιβασιλεύς) „interrex", sondern auch da Komposita schufen, wo die Römer sich mit aus zwei Wörtern bestehenden Ausdrücken beholfen hatten, vergi, die präpositionalen Rektionskomposita ανθύπατος Plb. ff. „pro consule", άντιστράτηγος desgl., άντιταμίας „pro quaestore" usw. (s. S. 248)unddieDeterminativkomposita (eigentl. Zusammenrückungen) wie δισύπατος „consul iterum". Hand in Hand mit diesen römischen Amtsbezeichnungen kommen ähnlich gebaute Benennungen einheimischer Ämter auf, ζ. Β. άντικοσμήτης, άντάρχων, άντιγυμνασιάρχης, άντεπιστάτης, τρισαρειοπαγίτης usw. auf 1 ). Endlich kann hier als Ubersetzung von „veteranus" παλαιστρατιώτης erwähnt werden.

2. W i s s e n s c h a f t l i c h e T e r m i n o l o g i e . Das zweite Gebiet, das wir hier, wenn auch kurz, betrachten wollen, ist das der wissenschaftlichen Terminologie. Auch hier ist für jede schöpferisch tätige Generation der Zwang zur Prägung neuer Ausdrücke sehr groß. Wie wir S. 280 erwähnt haben, werden dabei neben den suffixalen Ableitungen und den gebräuchlichsten Typen der Komposition auch zahlreiche Determinativkomposita gebildet. Allerdings ist diese Gruppe noch lange nicht so häufig, wie wir es etwa auf Grund unserer modernen Fremdwörter erwarten würden. Wenn wir ζ. B. Mikrokosmos sagen, setzten die griechischen Denker — freilich in 1

) Über die Verwandtschaftsnamen mit Sie-, τρι- usw. s. S. 17, über sonstige Determinativkomposita mit τρισ-, τρι- s. S. 275f.

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etwas anderer Bedeutung — μικρός κόσμος Democr. 341). Immerhin können wir auf diesem Gebiete verschiedene Determinativkomposita nennen. Einiges, was eigentlich hierher gehörte, haben wir übrigens schon früher erwähnt, vor allem etwa die Tier- und Pflanzennamen, S. 256 f. Eine charakteristische Gruppe sind die Komposita mit α ύ τ ο - vom Typus αύτόκακον „das Böse an sich". Plato braucht nämlich das Neutr. αυτό häufig im Sinne von „an sich", ζ. B. αύτό τό εν Prm. 143a, auch bei den Nichtneutren ζ. Β. αύτό δικαιοσύνη i?. 363a. Vergleichbar ist auch αύτόδεκα Th. 5, 20 „gerade 10" und das Adj. αύτοτραγικός πίθηκος D. 18, 242. Erst später wächst αύτο- auch mit dem Subst. zusammen : in unsern Aristotelestexten lesen wir ζ. Β. αύτοαγα&όν, αύτοάνθρωπος, αύτοζώιον, αύτόιππος, αύτοάλφα, αύτοβήτα, αύτογραμμή, αύτοτρίγωνον, αύτοεπιθυμία (od. αύτη επιθυμία), αύτόδοξα. Noch häufiger werden solche Bildungen bei den späteren Philosophen. Sie sind eigentlich gar keine Zusammensetzungen, sondern nur Zusammenrückungen. Freilich wurde ihre Bildung dadurch begünstigt, daß schon tatsächlich richtige Determinativkomposita mit αύτο- längst bekannt waren, z. B. die Verwandtschaftsnamen αύτοκασίγνητος,-τη (seit Horn.), αύτάδελφος, αύτανέψιος, αύτόπαις usw. (s. S. 17 u. 271) und die auf verbale Rektionskomposita zurückgehenden Ausdrücke αύτάγγελος oder αύτόμαρτυς (s. S. 43, Anm. 3), ferner πόλις αύτόπολις Th. (s. S. 262). An verbale Rektionskomposita wie αύτερέτης Th., αύτεπιτάκτης Pl. und an αυτοκράτωρ Th. ff., das eine Umbildung von αύτοκρατής ist (s. Schwyzer, Gr. Gr. I 531 Anm. 11), schließen sich ferner in hellenistischer Zeit αύτοδέσποτος (später αύτοδεσπότης), αύτοστράτηγος u. ä. an. Von den übrigen Fachausdrücken erwähne ich nur noch weniges. E t w a die mathematischen Bildungen wie κολουρόκωνος „abgestumpfter Kegel", κολουροπυραμίς „abgestumpfte Pyramide", dann δυναμοδύναμις „4. Potenz", δυναμόκυβος „5. Potenz", κυβόκυβος „6. Potenz" (Hero und spätere), die durchaus künstlich sind. Verschiedene Komposita sind uns aus der Metrik b e k a n n t : außer denen mit άντι- und πάλιν-, z. B. Soviel ich sehe, ist im Altgriech. weder μικρόκοσμος noch μακρόκοσμος belegt, microcosmus hat leid. orig. 3, 22, 2. * αύτοκασίγνητος,

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παλιμβάκχειος, άντιβάκχειος (— άντιδάκτυλος ^ _), die sich an die S. 248ff. besprochenen Komposita anschließen, finden wir vor allem Zusammensetzungen mit ίαμβος, wie έλεγ-, γαλλ-, μελ-, μειξ-, τραγ-, χωλ-ίαμβος, wobei alle Beispiele erst aus späterer Zeit überliefert sind 1 ). Ziemlich oft kommen bei den Medizinern Komposita mit μήλη Hp. „Probe" vor: άπυρηνομήλη (Hp.), λεπτό-, πλατύ-, σπαθο-μήλη (sp.), ferner, allerdings nur aus später Zeit, solche mit κήλη „Bruch (Hernia)": βρογχο-, έντερο-, έπιπλο-, έντερεπιπλο-, πωρο-, σαρκο-κήλη usw. Zu diesen Beispielen, die man natürlich noch erweitern könnte, füge ich endlich aus der Fachsprache der Architektur etwa noch -9-ερμοπερίπατος (Inschr.) und die hybride Bildung cryptoporticus (Plin. d. J.) bei. 3. U m g e k e h r t e D e t e r m i n a t i v k o m p o s i t a . Bei den griechischen Komposita ist im allgemeinen die Reihenfolge eindeutig bestimmt, so daß Vertauschung von Vorder- und Hinterglied ausgeschlossen ist. Jedenfalls gilt das im großen Ganzen für die Bahuvrihi, die Determinativkomposita und die präpositionalen Rektionskomposita. Nur bei den verbalen Rektionskomposita sind beide Typen, die mit verbalem Vorderglied und mit verbalem Hinterglied, nebeneinander gebräuchlich : vergi, etwa πλήξ-ιππος aber βου-πλήξ (beides Horn. ), φερε-σσακής aber σακεσ-φόρος, s. Debrunner, Griech. Wortbildungslehre 80. Bei den andern Arten der Komposita ist aber solches kaum möglich. Denn das Bahuvrihi ποδ-ώκης eig. „Schnelligkeit an den Füßen habend" stellt neben ώκύ-πος (-ποδος) „schnelle Füße habend" einen selbständigen Typus dar. Erst sekundär erscheint dieses Paar wie eine gegenseitige Umkehrung. Richtige Umtauschungen sind aber bei den Bahuvrihi äußerst selten: ποδήνεμος neben άελλό-πος ist gerade nach dem Vorbild von ποδ-ώκης: ώκύ-πος geschaffen worden, ebenso πόδ-αργος neben άργί-πος usw., s. S. 32f. Andere Beispiele sind zweifelhaft, so hom. -9-υμολέων ( = *λεοντό&υμος ? vergi. Αυκόφρων), s. Verf., Wortbildung 264f., oder νευρόπαχυς Hp. Oss. 15 „mit dicker, sehniger Haut( ?)" oder „dick wegen 1

) Das aus hellenist. Zeit belegte ήμιαμβείον gehört zu den häufigen Bildungen mit ήμι- und dem Suffix -ιον, s. S. 52.

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der Sehnen( ?)". Häufiger sind Umkehrungen nur bei den Personennamen, ζ. Β. Κλεοπάτρη nach Πατροκλέης oder Είδοθέη nach θεοειδής. Auch bei den Determinativkomposita sind Vertauschungen so selten, daß sie, wo sie auftreten, besonders erklärt werden müssen. Unter ihnen sind am häufigsten die Bildungen vom Typus σύαγρος = συς άγριος, die neben sich zwar viele Pflanzennamen mit άγριο- (ζ. Β. άγριέλαιος, -αία, s. S. -57), aber abgesehen von άγριόχοιρος und άγριομέλιττα (Gramm, u. ä.) keine Tiernamen mit άγριο- haben. Ihre Herkunft dürfte folgende sein1) : Die ältesten Komposita auf -αγρός (und -άγρα) waren verbale Rektionskomposita, ζ. Β. πάναγρος E 487 „alles fangend", σύαγρος S. fr. 154 Pearson ( = 158 Nauck 2 ) „Schweinejäger (Name eines Hundes)", μύαγρος Nie. Th. 490 „Mäusefänger (eine Schlangenart)", μυάγρα AP u. a. „Mäusefalle", -υράγρη Horn. „Feuerzange". Von solchen Komposita aus wurden nun schon früh Ableitungen auf -ιον gebildet: βοάγρια „das, was einem *βόαγρος, d. h. einem Wildstierjäger gehört, die Beute aus der Jagd auf wilde Rinder, d. h. ein Fell eines Wildrindes", ähnlich ζωάγρια „die Beute aus dem Fang eines lebendigen Menschen, d. h. Lösegeld", άνδράγρια „Waffenbeute", μοιχάγρια „Sühne für Ehebruch", s. Bechtel, Lexilogus 43 (alle 4 Beisp. aus Horn.). So konnten auch *όνάγρια „Beute einer Jagd auf Esel, d. h. Fell oder Fleisch eines Wildesels" und *συάγρια „Beute einer Jagd auf Wildschweine, d. h. Wildschweinbraten" gebildet werden. Da nun für die Bezeichnung des Felles oder des Fleisches sonst Stoffadjektive auf -εος, -ειος verwendet wurden, z. Β. βόειον δέρμα Horn., βόεα κρέα Hdt., Pl., σύεια(κρέα) Luc., lag es nahe, *όνάγρια in ονάγρεια Gloss. ( = asinina), *συάγρια in σύαγρεια (κρέα) Pap. 3. J h . ν. Chr. umzubilden 2 ). Solche Bildungen auf -ειον, -εια wurden dann aber als Ableitungen von Tierbezeichnungen aufgefaßt, also ονάγρεια von ονος άγριος (z. Β. Hdt. 7, 86),·συάγρεια von συς άγριος (z. Β. I 539), was nicht Vergi. Wackernagel, KZ 33, 43ff., abgelehnt von K. Meister, Festschrift Bezzenberger 107 Anm. 1. In großen Zügen folge ich —allerdings mit Abweichungen — Wackernagel. a ) Es ist möglich, aber unwahrscheinlich, daß dabei der äolische Wandel von ρι > ρε mitgespielt hat.

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nur der Bedeutung nach nahe lag, sondern auch den griechischen Regeln nach durchaus möglich war (vergi, τά θεοξένια S. 39 und 288, ausführlicher Verf., Mus. Helv. 2, 16ff.). Zuletzt bildete man die retrograden Ableitungen δναγρος, vielleicht Titel einer Komödie von Demophilos (nach Plaut. Prol. zu asin. v. 10), sicher LXX Ps. 103 (104), 11, Str. ff. 1 ) mit όνάγριον und ήμιονάγριον(beidesPap. 3. Jh. v. Chr.) undσύαγρος Antiph. 42, Dionys. Trag. 1,2 2) mit συαγρώδης Plb. An diese oder ähnliche Prototypen schließen sich βόαγρος Philostr. VA 6, 24 ( = βους άγριος Ärist.), ΐππαγρος Opp. C. 3, 252 (ίππος άγριος Hdt. 7, 86), αϊγαγρος Babr. 102, 8, Opp. C. 1, 71 (άγριος αΐξ Γ 24), προβατάγριον (Dimin.) Gloss, und (?) γαλέαγρος Gloss. „Frettchen" oder „Iltis" an, Spätere, ζ. T. nur in Gloss, bezeugte Weiterbildungen sind ίπποθ-ήλεια ( = equa) 3 ), όνοθ-ήλεια, βουθήλεια (jedoch θηλυχοίρα = ύαινα Sch., s. S. 256), ferner ιπποπόταμος Dsc., Gal. ff. ( = 'ίππος ποτάμιος Hdt. 2, 71) und κυνοπόταμος Cyran. 64 „Biber". Außer diesen Tierbezeichnungen sind Determinativkomposita mit determiniertem Vorderglied ausgesprochen selten. Nur bedingt ist όποβάλσαμον Thphr. „Saft des Balsambaumes" hierher zu rechnen, da βάλσαμον nicht nur den Baum (Thphr.), sondern auch den Saft (Arist.) bezeichnet: όποβάλσαμον bedeutet also ursprünglich wohl „βάλσαμον, und zwar der Saft (οπός)" 4 ), konnte aber als όπός βαλσάμου aufgefaßt werden. Danach οποκάρπασον ( = οπός καρπάσου) Dsc., Plin., όποκάλπασον Gal., όποκιννάμωμον f. 1. ( ?) Thphr. HP 4, 4, 14, u. ä. Gegensatzbildungen dazu sind ξυλοβάλσαμον Str. u. a., ξυλοκάρπασον Gal., ξυλοκιννάμωμον Dsc. u. a. Ferner kann man noch nennen άφρόνίτρον (und -λίτρον) Gal., von Phryn. 272 abgelehnt (=άφρός νίτρου, ζ. Β. Hp. Muí. 1, 75), σικυοπέπων Gal. = σίκυος πέπων (ζ. Β. Hp., Pl. Com. 64, 4, Arist., ff.) „Melonenart, die erst dann 1

) Vergi. Κ. Meister, Festschrift Bezzenberger 103ff. (ablehnend gegenüber Waekernagel), wo auch S. 106 όνάγριος auf einem palästinensischen Grabgemälde aus dem 3. Jh. v. Chr. genannt wird. 2 ) Phryn. 358 verwirft dieses Wort als unattisch. 3 ) Dagegen ί-ποθήλης „von einer Stute gesäugt" Arist. HA S77b 17. 4 ) Wie γήλοφος statt einfachem λόφος „Hügel", s. S. 268.

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gegessen wird, wenn sie ganz reif ist", ούρόγαλον spät. Aich. ,,Urin der γαλή", unklar σιλλικύπριον Hdt. 2, 94 = σέσελι κύπριον?, endlich οίκοβασιλικόν BCH 11,100 (Thyatira) = οίκος βασιλικός Inschr. Über das künstliche πατρομήτωρ ,,Vater der Mutter" bei Luc. s. S. 17 Anm. 1. Dagegen sind Ableitungen von zweigliedrigen Ausdrücken, bei denen das Substantiv vor dem Adjektiv steht, ziemlich häufig, ζ. Β. τά θεοξένια Pi. ff. zu θεός ξένιος (s. S. 39)1), άνδραγαθία, -ίη Hdt., Th. ff. zu άνδρα άγαθόν είναι (dazu später -ατραγαθία Plut.), Σαμοθρηΐκιος Hdt. ff. zu Σάμος Θρηϊκίη (s.S. 2oß), λιθαργύρεος (?) Stesich. 30 Bergk ( = 10° Diehl 2 ), -ινος Arist., -ος Achaeus Trag. 19 „aus λίθος άργύρεος (Bleiglätte) bestehend" 2 ), λεωσφέτερος Hdt. 9, 33 „einer vom eigenen Volke (λεώ σφετέρου)"3), σαρκελάφεια (sc. σΰκα) Ath. 3, 78a „Feigen, welche wie σαρξ έλαφεία schmecken". Zu den Determinativkomposita mit determiniertem Vorderglied kann man auch Bildungen wie άκρώμιον, -ία Hp., X., Arist. „Schulterspitze", άκροστήθιον Arist. „Brustbeinspitze", άκρώρεια X. „Gebirgsrand" 4 ) u. ä. zählen, die in hellenistischer Zeit sehr beliebt werden. Hier läßt sich noch recht deutlich die Herkunft zeigen: άκρώμιον ist substantiviertes Neutrum eines Adj. *άκρώμιος „an der Spitze der Schulter, έν ακρωι ώμωι (vergi. Ρ 598f.) befindlich". Dieses wäre genau gleich gebildet wie άκροκνέφαιος Hes. Op. 567 „zu Beginn der Nacht geschehend" oder μεσονύκτιος Pi. ff. „mitternächtlich", die von den adverbiellen Ausdrücken ακρωι σύν κνέφεϊ und περί μέσας νύκτας abgeleitet sind 5 ). Ebenso geht άκρόδρυα Hp., X., Pl. ff. „Baumfrüchte (meist Baumnüsse); Fruchtbäume" offenbar auf eine Wendung wie έν ακρωι δ ρ ut (oder ähnl., vergi, οζωι επ' άκροτάτωι Β 312) „zu oberst oder zu äußerst auf dem Baume" zurück. Merkwürdig ist, daß sich der in älterer Zeit häufigste Ver1

) Ähnlich τά θεοίνια [D.] 59, 78 mit retrogradem πάτερ θέοινε Α. fr. 382. 2 ) Retrograd ist das Subst. λιθάργυρος Nie. Al. 594, Gal. 3 ) Zweifelnd über dieses άπαξ λεγόμενον Wackernagel, KZ 33, 44. 4 ) Älter sind πρυμνωρείη Ξ 307 und ύπωρείη Y 218 „ F u ß des Berges", vergi. S. 12. 5 ) Vergi, über diese Bildungen Verf., Mus. Helv. 2, 15ff.

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treter dieses Typus nur schwer erklären läßt. Denn bei τά άκροθίνια „Erstlingsopfer", das seit Pi., Sim. und Hdt. belegt ist, fällt einmal die Form auf: Pi. O. 2, 4 u. 10, 57 hat τά άκρόθίνα und die Labyadeninschrift (Schwyzer 323 D 47, ca. 400 v. Chr.) τάν άκρόθινα. Außerdem aber verbietet die Bedeutung eine Herleitung von θ-ίς (als τά έν -ήt. άκραι θινί-οντα), denn dieses Wort bedeutet nur „Strand, Sandmasse", niemals aber einfach „Haufe". Deshalb scheint es mir ratsamer, τά άκρόθϊνα als Ableitung von άκρόθεν, das allerdings erst bei Arist. belegt ist, mit dem Suffix -ϊνος (vergi, άγχιστΐνος, s. Verf., Wortbildung 93) zu betrachten: „das von der Spitze Genommene". Erst durch grammatische Umdeutung wurde es vielleicht sekundär mit θίς verknüpft, und die Formenάκροθάνιον und ά άκρόθΐς dürften spätere Umgestaltungen sein1). Viel häufiger als die substantivischen sind die adjektivischen Determinativ komposita mit determinierendem Vorderglied, z . B . solche mit ίσο- (ΙσόθεοςHorn.), άπειρο- (άπ&ρομάχας Pi. Ν. 4, 30), άϊδρο- (άϊδροδίκας Pi. Ν. 1, 63), έμπειρο- (έμπειροπόλεμος hell., sp.), άξιο- (άξιόνικος Χ.), κενο- (κένανδρος trag.), όμοιο- (όμοιόκριθος Thphr.) usw. Sicher ist aber, daß diese Bildungen ζ. T. jedenfalls auf andere Kompositionstypen zurückgehen. So ist ίσόθεος entweder nach dem präpositionalen Rektionskompositum άντίθεος gebildet oder dann ursprünglich Bahuvrïhi („Götter als gleichberechtigte neben sich habend", vergi. Verf., Wortbildung 170, Sommer, I F 55, 195 Anm. 2) und άπειρομάχας dürfte nach άκαμαντομάχας Pi. P. 4, 171 eigentlich „unermüdlich kämpfend", dann „unermüdlich im Kampf" gebildet sein2). Doch kann ich hier diesen adjektivischen Typus nicht näher behandeln. 4. K o m p o s i t a von der A r t παππεπίπαπττος. Als letzte Gruppe mögen die eigenartigen Bildungen vom Typus παππεπίπαππος kurz besprochen sein. Seine Bezeugung 1 ) Weitere Beispiele mit άκρο- s. Andriotis, Gl. 27, neugr. Beispiele ibid. 129f. 2 ) Solehe bei Pindar beliebte Komposita auf -μάχας verbale Rektionskomposita, gehen aber letzten Endes auf (wahrscheinlich auf 'Ολυμπιονίκας „einen olympischen Sieg habend") zurück.

106, über sind also Bahuvrïhi gewonnen

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ist recht dürftig: außer παππεπίπαππος „Großvater des Großvaters ( = επίπαππος)" in einem Fragm. der alten Komödie (Nicopho 22 oder Philonid. 15) kenne ich nur noch δουλέκδουλος aus später Prosa (D.S., Ath.) und das Adjektiv φαυλεπιφαυλότατος (oder -τερος im späten Spottepigramm AP 11, 238 (wohl 6. J h . n. Chr., aber Demodocus zugeschrieben, jr. 5 Bergk — Diehl). An sich ist man gerne bereit, diese Beispiele als Hypostase aus πάππος έπί πάππωι usw. zu erklären (so ζ. B. Wackernagel, Dehnungsgesetz 33). Aber die Tatsache, daß solche Hypostasen auffallend selten sind 1 ), m a h n t doch zur Vorsicht. So glaube ich, daß παππεπίπαππος nur darum gebildet werden konnte, weil προπάππος „Urgroßvater", έπίπαππος „Ururgroßvater" u. ä. schon bestanden (s. S. 16f.), und weil in der Komödie ohnehin freiere Bildungen als sonst möglich waren. Auch δουλέκδουλος ist wohl nur dadurch zu erklären, daß Determinativkomposita mit -δούλος besonders seit heilenist. Zeit beliebt werden, vergi, ζ. Β. das gleichbedeutende παλαιόδουλος Ph., s. S. 275. Endlich ist φαυλεπίφαυλος eine kühne, in einem Spottgedicht verständliche Steigerung, welche die vorangehenden φαύλοι, φαυλότερος, φαυλότατος (Vers. 1 f.) noch übertreffen soll. Aber auch sie kann sich an verschiedene (meist spät bezeugte) Determinativkomposita mit -φαύλος anschließen, (ζ. B. υπό-, ήμί-, δοξό-φαυλος). So sind die paar Bildungen dieses Typus als harmlose Seitenentwicklung der griechischen Determinativkomposita zu betrachten und kaum als Zeugnisse weitgehender Kompositionsfreiheit zu werten.

Schlußbetrachtungen. D a wir uns bei der bisherigen Untersuchung notwendigerweise oft mit Einzelheiten befassen mußten und so Gefahr liefen, die Übersicht zu verlieren, dürfte es sich lohnen, jetzt am Schluß das Wichtigste zusammenzufassen. Wie wir gesehen haben, stellen die Determinativkomposita im Altgriechischen während der ganzen gut 1000jährigen Entwicklung nur eine relativ kleine Pronomina wie αλλοπρόσαλλος Horn, und Numeralien wie τριπλασιεπίπεμπτος ,,3V 6 -fach", δ'.πλασιεπιτριτέταρτος ,,2 3 / 4 -fach'' usw. liegen zu weit ab.

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Gruppe dar (vergi. S. 5). In der ältesten Sprache sind sie nur durch einige wenige markante Gruppen vertreten, von denen die wichtigsten offenbar ererbt sind (Typus δάπεδον S. 14ff. und Typus προπάτωρ S. 16f.). Bei andern können wir die Entstehung noch an Hand der alten Texte verfolgen (ζ. B. Zusammenrückungen- wie έπιβουκόλος S. 21Í.1), dann ίστοπέδη S. 26f., άκρόπολις S. 20). Dieser Bestand der ältesten Zeit wird später im Laufe der Sprachentwicklung bedeutend vergrößert, wobei das Wachstum der einzelnen Zweige auch heute noch im Allgemeinen deutlich faßbar ist. Die neüen Gruppen, die jetzt wichtig werden, lassen sich ζ. T. als Erweiterungen der altbezeugten erklären (ζ. B. Verwandtschaftsnamen S. 270ff., Typus γάμος άγαμος S. 273ff.). Häufiger leiten sie sich aber von andern Kompositionstypen her, und zwar weitaus am häufigsten von den verbalen Rektionskomposita (ζ. Β. οίκοφύλαξ usw. S. 43f.und253ff., -μαντις S. 272f., ψευδό- S. 257 f., vergi, auch S. 253), seltener von präpositionalen Rektionskomposita (S. 248ff.) oder von Bahuvrihi (ζ. Β. μόνιππος nach τέθριππον S. 51, άμφιθέατρον S. 253)2). Recht früh tritt übrigens der eigenartige Typus ώμοπλάται (S. 268 mit Anm. 2) auf. Dadurch werden also die Möglichkeiten, Determinativkomposita zu bilden, mit der Zeit bedeutend vergrößert. Aber auch jetzt sind Neubildungen nur in engem Rahmen möglich. Denn jedes neue Determinativkompositum geht auf ein oder mehrere schon bestehende Komposita zurück, die ihrerseits gar nicht immer Determinativkomposita zu sein brauchen. In vielen Fällen läßt sich das jeweilige Vorbild auch heute noch annähernd genau angeben 3 ). Es muß aber grundsätzlich auch dort gefordert werden, wo unsere dürftige Überlieferung nichts mehr bieten kann. *) Ferner -ανάττοτμος aus (πάμ)παν άποτμος (vergi, υ 140), s. Hoenigswald, Language 16, 185f. 2 ) Die Umdeutung von Bahuvrihi zu Determinativkomposita, ζ. Β. χαυλ'.όδων ,,mit hervorstehenden Zähnen" zu „Hauer" (S. 268) oder καλλί-αις ,,mit schönen Kindern" zu „schönes Kind" (S. 55f. u. 271) ist aber selten. 3 ) Absolute Sicherheit kann nicht einmal bei lebenden Sprachen immer erreicht werden.

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Griechische Determinativkomposita

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Nun müssen wir allerdings gestehen, daß in der ganzen Wortbildung und überhaupt fast überall in der Sprache jede Neuerung auf bestimmten schon vorhandenen — vielleicht mißverstandenen —Vorbildern beruht. Aber es ist ζ. B. im modernen Deutsch die Zahl der Vorbilder für die Determinativkomposita so ungeheuer groß geworden, daß man — von geringfügigen Einschränkungen abgesehen — praktisch jedes denkbare Determinati vkompositum neu bilden kann und dabei sicher ist, daß die andern es auch einigermaßen richtig verstehen. Dieser Zustand ist aber im Griechischen zu keiner Zeit auch nur annähernd erreicht. Determinativkomposita bleiben relativ selten1). Die auffallende Seltenheit der Determinativkomposita im Griechischen, besonders im frühen Griechischen dürfte sich am besten als ererbte Altertümlichkeit erklären. Auch in den andern altern idg. Sprachen scheinen sie ursprünglich sehr selten gewesen zu sein, wenn auch das Indische und einige andere Sprachen später zahlreiche Determinativkomposita dazu gebildet haben2). Für die idg. Grundsprache selbst lassen sich nur ganz wenige solcher Bildungen nachweisen, nämlich außer den Verwandtschaftsnamen mit *pro- (s. S. 16f.) und den Komposita mit *-pedom (s. S. 14), eventuell noch solche mit *-sor- ,,Frau"( z.B. in *t(r)i-sor-es „drei Frauen" > air. teoir, schwundstufig *t(r)i-sr- > ai. tisr-, aw. tiSr-, *sue-sor- „Schwester (*Frau der eigenen Sippe)", s. Wackernagel-Debrunner, Ai. Gr. III 349f., Über Mittelgriech. und Neugriech. vergi. Psaltes, Gramm, (der Byzantinischen Chroniken) 344ff. und Andriotis, Wechselnde Stellung von Kompositionsgliedern im Spät-, Mittel- u. Neugriech., Gl. 27, 92ff. Danach werden die Determinativkomposita zwar zahlreicher, aber sie scheinen auch jetzt noch nur innerhalb bestimmter Gruppen gebräuchlich zu sein, die sich öfters an altgriech. anschließen, z. B. mgr. βασιλεοπάτωρ Psaltes 349, ψευδόθεος u.ä. Psaltes 346, ngr. άκροδάχτυλο „Fingerspitze" u. ä. Andriotis 129. Auffallend sind die zusammengesetzten Namen wie Καλομαρία, Μακροϊωάννης, Μαυροθεόδωρος Psaltes 344f., Andriotis 117. 2 ) Vergi. S. 5f., ferner etwa Wackernagel, Ai. Gr. II 1, 241 ff., Jacobsohn, Gnomon 2, 383ff., Frisk, IF 52, 282ff. (über das Ai. S. 285ff., Idg. S. 288f., andere idg. Sprachen 289ff.), Hoenigswald, Reale Istituto Lombardo di Scienze e Lettere, Rendiconti Lettere, voi. 70 (1937), 267ff., Schwyzer, Gr. Gr. I 453, Verf., Mus. Helv. 2, 16 uid 26f.

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Lewis-Pedersen, A concise compar. Celtic grammar 188 1 ). Es stellt sich sogar die Frage, ob nicht auch diese wenigen idg. Determinativkomposita innerhalb der idg. Sprachentwicklung als relativ junge Neuerung zu betrachten sind2). Wenn das aber, wofür verschiedenes spricht, richtig ist, dann wird die beliebte und von modernen Sprachen (ζ. B. dt. Rotkehlchen, ital. Barbarossa, s. S. 4, russ. kozá zololyje rogá „Ziege (mit) goldene(n) Hörner(n)", s. Dickenmann, Nominalkomp. im Russ. 38ff.) empfohlene Erklärung des häufigen Typus der Bahuvrïhi als umgedeutete ursprüngliche Determinativkomposita fürs Indogermanische recht zweifelhaft3). Doch kehren wir von den Fragen indogermanischer und voridg. Zeit wieder zum Griechischen zurück. Hier ist die Zurückhaltung gegenüber der Bildung von Determinativkomposita jedenfalls ererbt. Es ist nun sehr bemerkenswert, wie das Griechische diese Beschränkung am längsten und zähsten bewahrt, obwohl es sonst bei der Komposition sehr reiche Bildungsmöglichkeiten bietet und auch bei den Determinativkomposita verschiedene Neuerungen entwickelt hat. Diese relative Seltenheit von Determinativkomposita ist nun nicht die einzige Altertümlichkeit der griech. Wortbildung. Auch die vor allem aus dem Ai. und dem Slav, bekannten Dvandva, deren einzelsprachliche Entstehung sich vor allem im Ai. noch gut fassen läßt (s. Wackërnagel, Ai. Gr. II 1, I49ff.), sind dem Griech. noch merkwürdig lange fremd geblieben, s. S. 58f. Erst im Spätgriech. erscheinen abseits der eigentlichen Literatur einige Zeugnisse für diesen Typus, ζ. Β. νυχθήμερον (eigentl. subst. Neutrum des Adjektivs), αύξομείωσις u. a., s. S. 58f. Zu ihnen können auch indirekte gezählt werden, wie die Tatsache, daß sowohl Hieronymus, als auch Wulfila κωμόπολις als Dvandva auffassen, s. S. 262 m. Anm. 1. Häufiger wird der Typus im Mittel- und Neugriech., ζ. B. mgr. χρυσάργυρος γυναικόπαιδα, είσοδοέξοδος, τοξοφάρετρον, σαββατοκυρίακον u. a. 1

) Heth. iëha-ëëar-aè „Herrin" neben iShâà ,,Herr" gehört aber nach Sommer, Hethiter u. Hethitisch (Stuttgart 1947), S. 86 nicht hierher. 2 ) Vergi, auch S. 22 Anm. 2 , ferner S. 13 Anm. 1. 3 ) S. auch Schwyzer, Gr. Gr. I 454.

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Griechische Determinativkomposita

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Psalt.es,· Gramm. 343f., ngr. Άπριλομάης od. Μαγιάπριλο Andriotis, Gl. 27, 113, ονοματεπώνυμον „Vor- und Geschlechtsname" (auf modern, amtlichen Formular). Day außerordentlich späte Auftreten der Dvandva im Griech. zeigt ein zweites Mal, wie konservativ diese Sprache hei aller Beweglichkeit und Freude an einzelnen Neuerungen gerade auf dem Gebiete der Wortbildung in den großen Linien geblieben ist.

Griechische Komposita vom Typus μεσο-νύκτιος und όμο-γάστριος Ferdinand Sommer zum 70. Geburtstag am 4. Mai 1945

Museum Helveticum 2,1 (1945), p. 1 5 - 2 7

Die Theorien der alten indischen Grammatiker haben bekanntlich auf die Entstehung und Entwicklung der modernen Sprachwissenschaft einen großen Einfluß ausgeübt. Besonders deutlich ist dieser bei der Lehre von den Nominalkomposita erkennbar, wo für gewisse Gruppen heute noch indische Bezeichnungen wie Bahuvrihi oder Dvandva gebräuchlich sind. Das indische Klassifikationssystem, das die Komposita nach ihrer Bedeutung einteilt, war nämlich von der jungen Indogermanistik einfach übernommen worden. Es hat sich denn auch bis heute gegenüber den verschiedenen neueren Einteilungsversuchen im ganzen als praktisch bewährt 1 ), obwohl es vom logisch-systematischen Standpunkte aus kaum ganz befriedigen kann. Allerdings sind mit der Zeit neue Kategorien zu den von der indischen Grammatik aufgestellten beigefügt worden. Vor allem wurde man auf die große Bedeutung der sogenannten verbalen Rektionskomposita aufmerksam (z.B. gr. πλήξ-ιππος «Pferde antreibend», τοξο-φόρος «Bogentragend», lat. prin-ceps eig. «den ersten Teil nehmend» usw.). Da ferner auch die sogenannten präpositionalen Rektionskomposita (ζ. B. gr. είν-άλιος «im Meere befindlich», lat. ë-gregius «aus der Herde herausragend») ausgeschieden wurden, erhielt man ein Schema mit folgenden hauptsächlichen Kompositionstypen 2 ): 1. Bahuvrihi oder Possessivkomposita (ζ. B. altind. bahu-vrïhi-s «viel Reis habend», gr. άργνρό-τοξος «einen silbernen Bogen besitzend», νπό-ρρηνος «ein Lamm unter sich habend, d. h. säugend», dt. Rot-haut «Mensch mit roter Haut» usw.). 2. Verbale Rektionskomposita (Beispiele s. oben). 3. Präpositionale Rektionskomposita (Beispiele s. oben). 4. Determinativkomposita oder Tatpurusa (ζ. B. gr. άκρό-πολις dt. Hoch-burg = ή άκρη πόλις, «die hohe Burg» usw.). 5. Kopulativkomposita oder Dvandva (ζ. B. altind. Mitravárunau «die Götter Mitra und Varuna», gr. (hellenist.) ανξο-μείωσις «Flut und Ebbe» oder «Zu- und Abnahme des Mondes», ngr. όνοματ-επώννμον «Vorname und Geschlechtsname» usw.). ') Vgl. etwa Schwyzer Gr. Gr. I, 425ff. (vor allem 428ff. und 452ff.) mit reicher Literaturangabe. 2 ) Etwa in Wackernagel, Altind. Gramm. II 1, 140ff., Verf., Wortbildung der homerischen Sprache 165ff.

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Griechische Komposita vom Typus μεσο-νΰκτιος und όμο-γάστριος

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Zu diesem Schema ist aber folgendes zu bemerken: Die beiden ersten Gruppen, die Bahuvrihi und die verbalen Rektionskomposita, sind im Griechischen und im Altindischen sehr zahlreich, in verschiedenen andern indogermanischen Sprachen wenigstens gut vertreten, so daß wir sie unbedenklich auch f ü r die Grundsprache in Anspruch nehmen dürfen. Dagegen ist die 5. Gruppe im Griechischen äußerst selten: sie fehlt in vorklassischer und klassischer Zeit noch vollständig und kommt erst später auf. Auch in denjenigen Sprachen, wie im Altindischen und Sia vischen, wo sie besser bekannt ist, läßt sich zeigen, daß sie nur einzelsprachliche Neuerung ist3). Bndlich ist auch die im modernen Deutschen so überaus lebendige Gruppe der Determinativkomposita im Griechischen, wie ich in den IF. 59, 1 ff. ausführlich dargestellt habe, auffallend selten. Dabei setzt das Griechische offenbar nur die grundsprachlichen Verhältnisse fort. Jedenfalls läßt sich dieser Typus nicht als wirklich lebendige Kategorie des Indogermanischen nachweisen. Es bleiben also nur die drei ersten Klassen. Daneben weiß man, daß es einige Komposita gibt, die sich in keinen dieser Grundtypen einfügen lassen. Viele dieser Beispiele sind aber untereinander so ähnlich, daß man sie doch wohl zu einer eigenen Gruppe zusammenschließen darf. Es soll im folgenden gezeigt werden, daß solche Bildungen, die ich zuerst mit dem Beispiel μεσο-νύκτιος charakterisieren möchte, viel weiter reichen, als man zunächst annehmen könnte, und daß sie auch in formaler Beziehung weitgehend übereinstimmen.

Bei diesem Beispiele μεσονύκτιος ist klar, daß darin erstens μέσο- und zweitens ννκτ- steckt; eindeutig ist auch die Bedeutung «mitternächtlich, der Zeit um Mitternacht gehörig, um Mitternacht kommend». Während aber das deutsche Adjektiv vom zusammengesetzten (eig. zusammengerückten) Substantiv Mitternacht abgeleitet ist, kommt im Griechischen eine Herleitung von μεσόννξ gar nicht in Frage. Dieses Substantiv ist nämlich eine höchst künstliche, nur einmal bezeugte Bildung 4 ), die offenbar selbst vom Adjektiv μεσονύκτιος retrograd abgeleitet ist. Auch ist μεσονύκτιος nicht ein Kompositum von μέσος und νύκτιος, sondern es gehört, jedenfalls dem Sinne nach, eindeutig direkt zu μέσαι νύκτες oder noch eher zu Wendungen wie περί μέσας νύκτας (ζ. Β. Χ. An. 7, 8, 12). Man kann also sagen, daß zu diesem zweigliedrigen adverbiellen Ausdruck (περί) μέσας νύκτας «um Mitternacht» das Adjektiv μεσονύκτιος gebildet worden ist, eine Erscheinung, die man als Hypostase zu bezeichnen pflegt. Da dieser Ausdruck aber von den verschiedenen Forschern in recht vagem Sinne gebraucht wird und vor allem sein Bereich verschieden weit geht, wollen wir ihn 3 ) Fürs Altindische s. Wackernagel, Altind. Gramm. II 1, 149ff., fürs Slavische Dickenmann, Nominalkomposita im Russischen 69 ff. 4 ) Μεσόννξ · εϊς των επτά πλανητών παρά τοϊς Πυ&αγορείοις ονομάζεται · μέμνηται Στησίχορος (Stesich. 87 Bergk).

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Museum Helveticum 2,1 (1945)

besser überhaupt meiden. F ü r unsern Typus dürfte er jedenfalls, wie wir bald sehen werden, zu eng sein 5 ). I m Griechischen genügen also für den Begriff «Mitternacht» die zwei Wörter μέσαι νύκτες. Als man nun dazu ein Zugehörigkeitsadjektiv bilden wollte, nahm man das gewöhnliche Suffix -ιος, mußte aber gleichzeitig μέσαι und νύκτες zu einer Einheit zusammenfassen: μεσονύκτιος (zuerst Pi.). Wie neben bloßem νύξ das Adjektiv νύκτιος (viel häufiger allerdings νύκτερος und νυκτερινός) steht, so steht neben μέσαι νύκτες das Adjektiv μεσο-νύκτ-ιος. Mit der Ableitung werden also die beiden Wörter zusammengezogen, K o m p o s i t i o n u n d A b l e i t u n g erfolgen g l e i c h z e i t i g . Man kann daher von einem A b l e i t u n g s k o m p o s i t u m sprechen, besser wäre vielleicht k o m p o n i e r e n d e oder K o m p o s i t i o n s a b l e i t u n g 6 ) . Was wir im Falle von μεσονύκτιος festgestellt haben, können wir noch an zahlreichen andern Bildungen in ähnlicher Weise beobachten. Die Beispiele, die ich im folgenden geben werde, sind denn auch von einer Vollständigkeit weit entfernt. Vielmehr sollen sie nur eine Übersicht über die Möglichkeiten geben. Gegensatz zu μεσονύκτιος ist ζ. Β . μεσημβρινός,

dor. μεσάμβρινός

(aus * μεσ-άμρ-ινός,

zu

μέσον ήμαρ, etwa Φ 111). Hier wird also zur Ableitung nicht das Suffix -ιος verwendet, sondern das gerade bei Zeitausdrücken beliebte -ινός, das wir auch in ημερινός, νυκτερινός, εαρινός (Horn, mit

metrischer Dehnung είαρινός) usw.

treffen. Vereinzelt gibt es auch μεσήμβριος, während das substantivierte Femininum μεσημβρία wieder ganz geläufig ist. Weitere Bildungen mit μεσο- sind etwa μεσόγαιος, Hdt. Plb. (att. μεσόγεως, -γειος) «im Innern des Landes gelegen oder wohnend» (substantiviert ή μεσόγαια, -γεια), μεσοπόντιος «mitten im Meere wohnend» (Call. Fr. 16), μεσοποτάμιος mit ή Μεσοποταμία (sc. χώρα) «zwischen den Flüssen gelegen» usw. Mit bloßem -ος ist das vor allem in der Tragödie verwendete μεσόμφαλος «mitten im Nabel der Welt befindlich» (natürlich von Delphi). Nicht selten sind substantivierte Neutra auf -ιον, wie ζ. Β . μεσοπύργιον «Wall zwischen zwei Türmen», μεσογονάτιον «Zwischenraum zwischen zwei Gelenken» usw. Aber diese Bildungen mit μεσο- stehen keineswegs isoliert da : ähnlich und sogar etwas älter sind ζ. B . diejenigen mit άκρο-, ζ. Β . άκρο-κνέφαιος (Hes. Op. 567) «zu Beginn der Naclit», ebenso άκρ-εσπέριος, meistens άκρ-έσπερος (vgl. ακραι 6 ) Anderseits ist die Bezeichnung «Konzentration», die Schwyzer Gr. Gr. I 430 vorschlägt, zu weit. ") Um mögliche Mißverständnisse zu beseitigen, möchte ich betonen, daß man solche Wendungen wie μέσαι νύκτες, d. h. einheitliche Begriffe, die durch zwei Wörter ausgedrückt sind, nicht als Komposita bezeichnen darf, weil das Wort «Kompositum» nur eine formale, nicht eine inhaltliche Eigenschaft ausdrückt. Zwei- oder mehrwörtige Wendungen, die einen einheitlichen Begriff ausdrücken, sind in den verschiedenen Sprachen gar nicht so selten, wie man meistens annimmt. Bei gr. ο "Αρειος πάγος, lat. ager Gallicus, ins iurandum, res publica, dt. Rotes Kreuz, Großer Rat, Deutsches Reich, Vereinigte Staaten, Art und Weise und vielen andern Beispielen wird durch das Wortpaar jeweils ein einheitlicher Sinn ausgedrückt, formell aber bleiben beide Teile selbständig, d. h. sie werden selbständig dekliniert wie bei gewöhnlichen Verbindungen zweier Wörter. Eine Vereinheitlichung (Univerbierung) erfolgt erst dann, wenn eine Ableitung oder eine neue Zusammensetzung gebildet werden soll, ζ. Β. 'Αρεοπαγίτης (s. S. 23), Rotkreuzkolonne usw. Umgekehrt gibt es auch - vor allem im Deutschen - zahlreiche Komposita, die inhaltlich gar keinen einheitlichen Begriff ausdrücken, ζ. B. Nationalbankdirektor, Postbeamtenverband usw.

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Griechische Komposita vom Typus μεσο-νύκτιος und όμο-γάστριος

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συν έσπέράι Pi. P. 11. 10). Viel häufiger sind Substantive auf -ων oder -ία, die ursprünglich nur substantivierte Formen des Adjektivs waren, ζ. Β. άκρ-ώμιον « Schulterspitze », eig. «das an der Spitze der Schulter, ενακρωι ωμωι (vgl. P598f.), Befindliche», gleichbedeutend ή άκρωμία, ferner τά άκρο-κώλια «Extremitäten», άκρο-κιόνιον «Kapitell»} í? άκρο-λοφία « Berggipfel » usw. Eine Erweiterung dieses im späteren Griechisch sehr produktiven Typus sind die Feminina auf -ίς, -ίδος, wie άκρ-ωμίς f = άκρώμιον), άκρ-οβελίς «Spitze des Spießes» usw. Dahin gehört auch τα άκρό-δρνα (seit X., Pl.) eig. «das auf den höchsten und äußersten Zweigen Wachsende (vgl. δζωι επ άκροτάτοη Β 312, dazu Sappho 116 Diehl) », dann «Baumfrucht» und « Fruchtbaum». In diesen Zusammenhang stellen sich auch die beiden Substantive άκρ-ώρεια (X. HG. 7. 2. 10 u. a.) «Berggipfel» und êv πρνμνωρείηι (Ξ 307) «am Fuße des Berges», denen irgendwie die Adjektive *άκρ~, *πρυμν-ώρης (oder -έϊος, -ειος ?) «zu oberst, bzw. zu hinterst (d.h. zu Unterst) am Berge befindlich» zugrunde liegen müssen. Gleichbedeutend mit πρνμνωρείη ist bei Horn, ύπ-ωρείη (Akk. Plur. Y 218). Auch diese Bildung ist ganz ähnlich, nur daß jetzt das Yorderglied nicht ein Adjektiv, sondern eine Präposition ist. Man geht also nicht mehr von *(έν) πρυμνώι δρεϊ7), sondern von νπ δρεος aus. Beide Ausdrücke sind dem Sinne nach gleich, in beiden Fällen dient also als Grundlage eine aus zwei wichtigen Wörtern bestehende Wendung, die man adverbiell bezeichnen kann. Auch ein Adjektiv wie *νπ-ώρης (oder -έϊος, -ειος), das man als Grundlage zu ύπ-ωρείη annehmen muß, und das man nach dem gewöhnlichen Schema als p r ä p o s i t i o n a l e s R e k t i o n s k o m p o s i t u m bezeichnet, gehört also ebenfalls in die Gruppe der Ableitungskomposita. Mit andern Worten, die präpositionalen Rektionskomposita, d. h. der Typus υπ-ασπίδιος «unter dem Schilde befindlich», επι-χ&όνιος «auf der Erde wohnend», εφ-αλος «am Meere liegend» usw., sind nichts anderes als eine, allerdings sehr wichtige Unterabteilung der Ableitungskomposita. Tatsächlich besteht kein grundsätzlicher Unterschied zwischen μεσο-ποτάμιος «zwischen zwei Strömen gelegen» und παρα-ποτάμιος «am Strome gelegen», zwischen μεσονύκτιος, das zu (περί) μέσας νύκτας, und είν-άλιος, das zu hom. είν αλί (ζ. Β. α 162) gehört. Freilich sind die Bildungen mit Präpositionen schon bei Homer ganz geläufig, während diejenigen mit μεσο-, άκρο- u. ä. erst später aufkommen. Außer diesen beiden Unterabteilungen der Ableitungskomposita gibt es noch einige weitere. Neben μεσο-νύκτιος (1) und εν-νύχιος, εν-νυχος «zur Nachtzeit geschehend» (2) steht nämlich als drittes παν-νύχιος und πάν-ννχος «die ganze Nacht (πάσαν την νύκτα) dauernd». Parallel dazu ist παν-ημέριος «den ganzen Tag dauernd». Bei diesem Beispiel ist es besonders deutlich, daß der zugrunde liegende Ausdruck adverbiellcn Charakter hat, da παν-ήμαρ ν 31 «den ganzen Tag» wegen des kurzen ä schon als e i n Wort aufgefaßt werden muß. Ursprünglich aber waren es genau wie μέσον ήμαρ zwei Wörter, welche erst nachträglich zu einem Adverb erstarrt sind. In formeller Hinsicht schließt sich παν-ημέριος ') Vgl. bei Hom. M 446f. (λάας) εατήκει τιρόσ&ε, πρυμνός παχύς, αύτάρ ϋπερόεν οξύς εην.

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aber nicht an παν-ήμαρ an, zu dem es doch offensichtlich der Bedeutung nach gehört, sondern an ήμερα. Eine ähnliche Bildung ist ferner πολυ-χρόνιος (zuerst h. Mere. 125) «eine lange Zeit dauernd, alt». Bei diesem Beispiele sehen wir auch den Unterschied zwischen den Bahuvrihi (Possessivkomposita) und den Ableitungskomposita: ein Bahuvrihi wie πολν-χρνσος bedeutet «viel Gold besitzend», πολν-μηλος «viele Schafe besitzend» usw., während wir bei πολν-χρόνιος mit dieser Auffassung nicht weiter kommen («viel Zeit besitzend» ergibt hier keinen Sinn!), die Bedeutung ist vielmehr «eine lange Zeit (πολύν χρόνον) dauernd», allenfalls «schon eine lange Zeit bestehend, der alten Zeit angehörend». Es ist also offensichtlich eine adjektivische Ableitung von πολύν χρόνον (ζ. Β. Β 343). Aber auch formell ist ein deutlicher Unterschied festzustellen, da bei den Bahuvrihi das zweite Glied in der Regel unverändert übernommen, zuweilen auch durch -oerweitert wird, wie bei Πολν-νηος (•& 114) = 6 πολλάς νήας εχων, während wir bei πολυ-χρόνιος das Suffix -io- finden, das auch sonst bei den Ableitungskomposita sehr häufig ist. Auf diesen formellen Unterschied werden wir noch später zurückkommen müssen (s. 24 f.). Bei allen bisher besprochenen Beispielen handelt es sich also um Bildungen, die räumliche oder zeitliche Angaben enthalten. Damit ist aber der Bereich der Ableitungskomposita noch keineswegs erschöpft. Zu ihnen gehören nämlich als weitere Unterabteilung die zahlreichen Adjektiva, die als Vorderglied ein Zahlwort enthalten und ein Maß ausdrücken, etwa wie ζ. B. das hom. εννε-όργνιος (λ 312) «neun Klafter (εννέα όργνιάς) lang». Es handelt sich also wieder um ein Adjektiv, das von einem aus zwei Wörtern bestehenden Ausdruck abgeleitet ist. Weitere Beispiele aus Homer sind εννεά-(ένδεκά-, δνωκαιεικοσί-)πηχνς «neun (bzw. elf oder zweiundzwanzig) Ellen lang», εκατόμ-πεδος «hundert Fuß lang». Ganz ähnlich sind natürlich auch die Bezeichnungen des Wertes, wie τεσσαρά-βοιος oder έκατόμ-βοιος «vier, bzw. hundert Rinder wert», u. a. m. Auch hier können wir sehr deutlich den Unterschied zwischen den Ableitungskomposita und den Bahuvrihi erkennen: die wertbezeichnenden Adjektive zeigen alle die Form -βοιος (aus -*βοϊος)8) «so und soviele Rinder wert», also wieder mit dem Ableitungskomposita charakteristischen Suffix -io-. Dagegen lautet ein Bahuvrihi mit der Bedeutung «viele Rinder b e s i t z e n d » niemals *πολν-βοιος, sondern entweder πολν-βονς (dazu Kurzform Πόλυβος) oder πολν-βοντης (so im Epos, ζ. Β. 1154). Etwas ganz Ähnliches gilt auch für die Komposita, in deren Hinterglied das Wort für «Fuß» steckt. Einerseits haben wir die Bahuvrihi τρί-ποδ- «dreifüßig», als Substantiv «Dreifuß, d.h. Gegenstand, welcher drei Füße hat», πουλύ-ποδ- «Tier, 8 ) Bei Homer ist -βοι(ος) allerdings in 5 von 8 Fällen in der Hebung, kann also nicht mehr in -βόϊος aufgelöst werden. Aber diese Stellen finden sich alle in jungen Partien (Z 236, Ψ 703, 705, α 431, χ 57). Außerdem können sie sich auf das Vorbild der Feminina

auf -ßoia, die auf -*ßofja zurückgehen, stützen, ζ. Β. άλφεσί-ßoia (Versende), Περί-βοια, Εν-βοια usw. Für einen Dichter, der sowohl das ursprünglich dreisilbige -βοιος als auch das seit jeher zweisilbige -ßoia in der Umgangssprache in gleicher Weise zweisilbig sprach, lag es sicher sehr nahe, beide Arten von Komposita metrisch gleich zu verwenden.

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Griechische Komposita vom Typus μεσο-νύκτιος und όμο-γάστριος

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welches viele Füße h a t » usw., anderseits aber die Ableitungskomposita έξά-πεδος, εκατόμ-πεδος «sechs, bzw. hundert Fuß m e s s e n d » usw. Hier tritt allerdings an die Wurzel πεό- ¡ποδ- nicht -io-, sondern nur -o-. Ein solches Suffix ist nun zwar als selbständiges, Adjektive der Zugehörigkeit bildendes Suffix nicht mehr lebendig. Verschiedene Reste des Griechischen und anderer indogermanischer Sprachen zeigen jedoch, daß es einst produktiv gewesen sein muß, vgl. etwa αροτρον eig. «das zum άροτήρ Gehörige», πέλεκκον (aus *πέλεκυον) Ν 612 «Axtstiel», eig. «das zur Axt (πέλεκνς) Gehörige» usw., vgl. Verf., Wortbildung der hom. Sprache 10. Der Funktion nach ist kein großer Unterschied gegenüber -to- festzustellen. Da auch zum einfachen Worte *ped- «Fuß» in der Grundsprache ein Adjektiv *féd-o-s gebildet wurde 9 ), lag es nahe, dieses Suffix -o- auch beim Ableitungskompositum von der Bedeutung «so und soviel Fuß messend» zu verwenden. Wie wir später sehen werden, waren solche Komposita höchst wahrscheinlich schon in der Grundsprache gebräuchlich (s. S. 26). Im Griechischen ist die Form -πεδος mit ε allerdings ziemlich isoliert. Vor allem lag die Gefahr nahe, es nicht auf πους, sondern auf das Neutrum πέδον «Boden» zu beziehen. Es ist daher verständlich, daß sich an verschiedenen Stellen eine jüngere Form mit ο, -ποδος (ζ. Β. εκατόμ-ποδος neben -πεδος in Ψ164) als varia lectio eingeschlichen hat 10 ). Das Neutrum solcher maß- oder wertbezeichnender Adjektive wird oft substantiviert, ζ. Β. έκατόμβοιον Φ 79 «Besitz, der hundert Rinder wert ist, Besitz von hundert Rindern», δεκάπεδον (inschr.) «Distanz von zehn Fuß», dann sehr häufig Münzbezeichnungen wie τετράδραχμον «Vierdrachmenstück», διώβολον «Zweiobolenstück», zu τετρά-δραχμος «vier Drachmen wert» usw. Besonders zahlreich sind substantivierte Neutra mit ήμι-. So lesen wir im ÎFder Ilias ήμιτάλαντον «halbes Talent» (vgl. Ψ 269 mit v. 751), und eine Inschrift aus Ephesus (6. Jh., Schwyzer 707 B) hat ήμιμνήιον «halbe Mine», eig. «das, was eine halbe Mine schwer oder wert ist» (wofür später ήμιμναϊον). In der Folgezeit werden solche Bildungen sehr beliebt, ζ. Β. ήμιλίτριον «Halbpfund», ήμωύγκιον «halbe Unze» (beides bei Epicharm), ήμίπλε&ρον «halbes Plethron» usw. Dieser Typus, über den ich in den IF. 59. 51 f. gehandelt habe, zeigt eine sehr reiche Weiter9 ) Ein altes, schon in indogermanischer Zeit substantiviertes Neutrum dieses Adjektivs ist offenbar πέδον, heth. pedan «Stelle» = idg. *pédom «Boden, Platz, eig. Fußstelle». Ebenfalls eine Ableitung der Wurzel *ped- ist das hom. πηδόν «Ruderblatt», vgl. auch lit. pédà «Fußspur». 10 ) Die Form mit ε (-πεδος) wird gewöhnlich als westgriechisch betrachtet, s. Sommer IF. 58, 72. Soweit ich das Material anhand des Wörterbuchs von Liddell-Scott übersehen kann, sind Bildungen mit -πεδος inschriftlich gut aus dem Peloponnes (Epidaurus), Mittelgriechenland (Böotien, Delphi), Unteritalien und Sizilien bezeugt; literarisch finden wir sie bei Hom. (Ψ 164), Hdt. (jedoch τρίπονς «drei Fuß messend» 3. 60), hellenistischen und späten Schriftstellern, wobei die Handschriften an einigen Stellen die Variante -ποδος bieten (ζ. Β. ψ 164). Diese letzte Form wird aber, soviel ich sehen kann, durch Inschriften überhaupt nicht gestützt. Dagegen zeigen die attischen Inschriften, übereinstimmend mit Plato, Aristophanes und der einen Herodotstelle (3.60), Komposita mit -πους, also τετράπονς nicht nur in der allgemeingriechischen Bedeutung von «vierfüßig», was ein normales Bahuvrihi ist, sondern auch von «vier Fuß lang ( = τετράπεδος)». Freilich ist έκατόμπεδος auch attisch. Die alte urgriechische Form wird also -πεδος sein, s. auch S. 26; -ποδος dürfen wir dann als künstliche Kontamination von -πεδος und -πους betrachten.

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entwicklung: ich erwähne hier nur aus Horn. (Ψ) ήμιπέλεκκον «halbe Doppelaxt, d. h. einfache Axt» und aus späterer Zeit etwa ήμιπλίν&ιον « Halbziegel », ήμικνκλιον «Halbkreis» usw.11). *

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Bei allen diesen vier Gruppen, die wir bisher besprochen haben, beim Typus μεσο-νύκτιος, beim Typus έπι-χ&όνιος, beim Typus παν-ημέριος und beim Typus έννε-όργνως können wir als Gemeinsamkeit feststellen, daß sie Adjektivierungen von Ausdrücken sind, die man im weitern Sinne a d v e r b i e l l bezeichnen kann (μέσας νύκτας ; επίχ&ονί; *πάν ήμαρ; εννέα όργνιάς). Wir können sie also als eine Hauptgruppe zusammenfassen und dieser als zweite Hauptgruppe diejenigen Bildungen gègeniiberstellen, welche die Z u g e h ö r i g k e i t oder die Abs t a m m u n g ausdrücken. Eine erste Unterabteilung kann etwa durch παν-δήμιος (al, später πάνδημος) «dem ganzen Volke gehörig» oder Πανιώνιος «allen Ioniern gemeinsam» (dazu Πανιώνιον «allen Ioniern gemeinsames Heiligtum bei Mykale» und τά Πανιώνια «Fest aller Ionier», beides bei Hdt.) charakterisiert werden. Die Bildung dieser Adjektive ist offenkundig: wie wir neben dem einfachen δήμος die Ableitung δήμιος «dem Volke gehörig» haben, so steht neben (6) πας δήμος auch πανδήμιος «dem ganzen Volke gehörig». Die Zusammensetzung erfolgt also, wie bei den früheren Beispielen, gleichzeitig und als Folge der Ableitung. Ebenso gehört Πανιώνιος unmittelbar zu πάντες "Ιωνες und nicht, wie man zunächst denken könnte, zu Πανίωνες, das erst viel später und wahrscheinlich retrograd gebildet wird. Hier schließen sich natürlich auch τα Παναθήναια {sc. Ιερά) «das Fest aller Athener ( ?)» und zahlreiche andere ähnliche Bildungen an. Weitere Beispiele sind etwa άλλό-φνλος (seit dem 5. Jh.) «zu einem andern Volke gehörend» (oder ähnl.), όμο-ε&νής «zum selben Volke gehörend», ετερό-πτολις (Erinna 5 Diehl) «aus einer andern Stadt stammend» usw. Bei allen diesen Beispielen versagt die Auffassung als Bahuvrihi: man besitzt nicht ein anderes Volk, sondern man gehört im Gegenteil einem andern Volke. Der Bedeutung nach paßt auch άλλο-φρήτωρ aus Neapel (Schwyzer 792 g) hierher. Es ist deutlich Gegensatz zu φρήτηρ «Angehöriger der Phratria, της φ(ρ)ητρίας τις». Also ist άλλοφρήτωρ «άλλης φ(ρ)ητρίας τις, Angehöriger einer andern Phratria». Zu einer zweiten Unterabteilung gehören die Adjektive όμο-γάστριος (Horn.) «aus demselben Mutterleibe stammend», όμο-πάτριος (seit dem 5. Jh.) «vom selben Vater stammend» u. ä. Statt letzterem verwendet Homer δπατρος (Λ 257, M 371), n ) Der Bedeutung nach erinnern diese Wörter an die Determinativkomposita ήμί-ονος «Maultier, eig. halber Esel» oder ήμί-ΰεος «Halbgott». Tatsächlich wurden, sobald der Typus einmal feststand, Wörter wie ήμικνκλιον unmittelbar zu κύκλος gebildet. Das neutrale Geschlecht und die Erweiterung -ιον (oder -ov) zeigt aber, daß sie eigentlich auf substantierte Neutra der adjektivischen Ableitungskomposita wie ήμι-κνκλιος zurückgehen. Als solche Adjektive später ungebräuchlich wurden, konnte man von den Neutren auf -¡ov Adjektive auf -ιαίος ableiten, z.B. ήμιδακτνλιαίος « einen halben Finger lang » zu ήμιδακτνλιον, πενταμψιαϊος (= πεντάμηνος) «fünf Monate alt», πενταμοιριαίος «fünfteilig» usw.

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wobei o- wie in δτριχες Ιπποι (Β 765) soviel wie όμo- bedeutet (Äolismus?). Das Hinterglied -πατρός erklärt Wackernagel (Festgabe Kaegi 63ff.) als äolische Umgestaltung von -πάτριος (über -*πατojoç), was ich immer noch für die beste Erklärung halte 12 ). Das wichtigste Beispiel dieser Gruppe ist aber das Wort für den Bruder und die Schwester άδελφεός, άδελφεή (att. άδελφός, αδελφή). Daß im ersten Teil das sogenannte d-copulativum «eins, zusammen» und im zweiten Teile δελφνς «Gebärmutter» steckt, ist allgemein bekannt. Das Wort ist also nicht nur gleichbedeutend mit όμογάστριος, sondern auch gleich gebildet. Der einzige Unterschied besteht, wenn wir vom Akzent absehen13), darin, daß statt des gewöhnlichen Suffixes -to- diesmal das zur Bildung von Stoffadjektiven gebräuchliche Suffix -εο- steht. Gerade dieses Suffix wirkte aber befremdlich (vgl. ζ. B. Schwyzer Gr. Gr. I, 4682). Ein Vergleich mit zwei ganz ähnlichen lateinischen Bildungen, dem häufigen consanguineus «blutsverwandt» und dem seltenen couterlnus (Rufin. Orig. in -psalm. 49. 16) «aus demselben Mutterleib stammend, όμογάστριος», löst jedoch dieses Rätsel. Bei beiden lat·. Adjektiven steht ein Suffix (-eus, bzw. -tnus), das sonst zur Bildung von Stoffadjektiven dient: ein einfaches sanguineus «blutig» ist also durchaus in Ordnung. Weil nun die gewöhnliche Ableitung von sanguis eben sanguineus war, wurde dieses Suffix auch bei der Bildung des Ableitungskompositums consanguineus «cum (aliquo) sanguine (eodem) natus» verwendet. Ebenso haben wir einfaches uterinus (ungefähr gleichbedeutend mit dem Kompositum). Analog dürfen wir auch im Griechischen annehmen, daß ein Stoffadjektiv *δελφέος «aus δελφνς bestehend» bei der Bildung von άδελφεός vorschwebte 14 ). Eine besonders schöne und zahlreiche Gruppe bilden als dritte Unterabteilung die Ableitungen von zweigliedrigen Ortsnamen wie Νεο-πολίτης «Bürger von Νέη πόλις» usw. Solche mit πόλις gebildeten Ortsnamen behalten im Griechischen grundsätzlich beide Teile selbständig (s. Wackernagel Glotta 14, 36ff.); die Verschmelzung zu einem Worte erfolgt, wenn überhaupt, erst spät und wahrscheinlich ζ. T. unter lateinischem Einfluß. So heißt es Νέη πόλις ( Νέη ς πόλιος), Όλβίη πόλις, Μεγάλη (Μεγάλα) πόλις, Ήλιου πόλις, sogar noch Κωνσταντίνου πόλις usw. Sehr früh bestand dagegen schon das Bedürfnis, von solchen Städtenamen Ethnika zu bilden, also Νεοπολίτης (so noch im 4. Jh., jünger Νεαπολίτης), Όλβιοπολίτης (Hdt.), Μεγαλοπολίτης, Ήλιοπολίτης, Κωνσταντινοπολίτης usw. 15 ). Daß hier 12 ) Weniger leuchtet mir die Erklärung yon Sommer IF. 58, 72 ein: δπατρος zu πάτρη. - Über όμοπάτωρ s. S. 25. ls ) Den gleichen Akzent haben auch verschiedene andere Verwandtschaftsnamen, ζ. B. ανεψιάς, γαμβρός, πεν&ερός, εκνρός. Letzteres steht für idg. *swekuros, offenbar nach ίκνρά (idg. *swekrus) oxytoniert, vgl. Schwyzer Gr. Gr. I. 381 Mitte. 14 ) Das att. άάελφός wird man wohl als Verkürzung erklären dürfen, welche durch die kontrahierten Gen.- und Dat.-Formen erleichtert wurde (ursprünglich *άδελφονς, άόελφοϋ, άδελφώι, *άδελφοϋν usw. ?). Man kann aber auch daran denken, daß wir ja im Attischen statt hom. πανδημίας in ähnlicher Weise πάνδημος haben (s. S. 21, 25). 15 ) Die Stadtnamen Olbiopolis, Megalopolis usw. treten vor allem bei lateinischen Schriftstellern auf. Sie sind offenbar retrograd zu den Ethnika gebildet worden. Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß die Ethnika im allgemeinen häufiger gebraucht wurden als die Städtenamen, s. auch Wackernagel Glotta 14. 38.

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wiederum nicht das allgemeine Suffix -to- verwendet wird, sondern das besondere -ίτης, mit welchem auch vom bloßen πόλις das Wort πολίτης abgeleitet wird, erscheint uns durchaus verständlich. Ganz ähnliche Bildungen sind 'Αρεοπαγίτης zu "Αρείος πάγος (Άρεόπαγος ist ganz vereinzelt und spät), Ίππακρίτης (Plb.) zu "Ιππου ακρα (= "Ιππων bei Karthago) usw., ferner mit einem andern Ethnikonsuffix Νεοτειχεύς «Bürger von Νέον τείχος» oder Κυνσύριος (in Arkadien, Schwyzer 655.40) wohl zu Κυνός ουρά1β). Ein Ausdruck wie μικροπολίτης (Ar. Eq. 817, X. usw.) «Bürger einer kleinen Stadt» gehört natürlich ebenfalls hierher. In einer letzten Unterabteilung fasse ich die Ableitungen von zweigliedrigen Götternamen zusammen. Ähnlich wie bei den eben besprochenen Ethnika befand man sich auch hier in einer gewissen Zwangslage. Ein bekanntes Beispiel ist der athenische Festname τά Διισωτήρια, welche zu Ehren des Zeus Sôtër oder vielmehr dem Ad σωτήρι gefeiert wurden (vgl. Schwyzer Gr. Gr. 1,430). Ganz ähnlich ist τά Δΐπολίεια (oder Διιπολίεια) «Fest des Ζευς πολιεύς », ferner τα ϋ-εοξένια «Fest des ϋεός ξένιος oder der &εοι ξένιοι, d. h. je nach Landschaft des Apollo oder der Dioskuren» (ζ. B. Pi. 0 . 3 tit.), während ϋεοξένιος als Epitheton des Gottes selbst ganz spät ist (Paus.). Die Teilnehmer an einem solchen Feste sind die ϋεοξενιασταί, wobei wir als Zwischenglied ein Yerbum *&εοξενιάζω annehmen müssen (vgl. τά Διονύσια - Διονυσιάζω — Διονυσιασταί). Solche Bildungen sind recht zahlreich, ζ. Β. Διοσσωτηριασταί «Verehrer des Ζευς σωτήρα (wobei im Gegensatz zu Διισωτήρια usw. der Name Zeus im Gen. erscheint), Διοσξενιασταί «Verehrer zu Ζευς ξένιος», άγα&οδαιμονισταί «Gäste, welche nur f ü r den άγαϋός δαίμων (wir würden sagen, nur um anzustoßen) trinken», also «mäßige Trinker» (Arist.) usw. S|t

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Damit haben wir die wichtigsten Gruppen der Ableitungskomposita skizziert. Selbstverständlich war es mir dabei keineswegs darum zu tun, alle Erscheinungsformen erschöpfend zu behandeln. Vielmehr wollte ich anhand einiger Beispiele zeigen, wie weit ungefähr diese, bisher viel zu wenig beachtete Kategorie reicht. Das Gemeinsame aller dieser Beispiele, die uns diese Übersicht vermitteln sollten, ist einmal, daß sie Adjektiva, auch adjektivähnliche Substantiva, eventuell substantivierte Neutra sind, welche die Zugehörigkeit, zu einem durch mehrere (meistens zwei) Wörter gebildeten Begriff ausdrücken 17 ). Das eine dieser Wörter ist Substantiv (es steht in der Regel an zweiter Stelle), das andere ist eine PräpoIe

) Ebenso erklärt sich die merkwürdige Erscheinung, daß da^ Ethnikon der benachbar-

ten arkadischen Stadt Λυκοσονρα (IG. 5 (2) 444. 11) Λνκονράσιοι (IG. 5 (2) 515 C 1, 516. 10, 544. 4, alles kaiserzeitlich) lautet. Man empfand also den Ortsnamen (ob mit Recht oder nicht, bleibe dahingestellt) als Λυκός ουρά mit genetischem erstem Teil. Dazu bildete man unter Weglassung der Genetivendung Λυκ-ουρ-άσιοι, ganz ähnlich wie Kw-

ovgtoi neben Κυνοαούρα und Ίππ-ακρ-ίτης neben "Ιππου άκρα steht.

17 ) Beispiele mit drei Wörtern sind sehr selten, etwa das späte χρυσ-ελεφαντ-ήλεκτρος «aus Gold, Elfenbein und Elektron bestehend», das aber Bahuvrïhi sein kann. Beim Lateinischen wird man ans Beispiel suovetaurllia denken.

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sition, ein Adjektiv oder Zahlwort, seltener ein Substantiv (als Apposition wie bei Δ ιισωτήρια oder als Genetivattribut wie bei Ίππακρίτης). Aber auch f o r m e l l besteht eine nicht geringe Übereinstimmung. Sehr häufig zeigen nämlich diese Bildungen das gewöhnliche Adjektivsuffix der Zugehörigkeit, nämlich -io-. Dort, wo andere Suffixe bei der Ableitung vom einfachen Substantiv gebräuchlich sind, werden sie auch bei den Ableitungskomposita verwendet, ζ. B. -ivo- bei Zeitbestimmungen wie μεσημβρινός neben einfachem ήμερινός (s. S. 17 ), das Stoffsuffix -εο- in άδελφεός (s. S. 22 ) , -ίτης in den Ethnika wie Νεοπολίτης neben einfachem πολίτης (s. S. 22) usw. Daneben finden wir aber auch, wenn auch seltener, bloßes -o-, In einigen Fällen ist es noch deutlich suffixal, ζ. B. in ήμιπέλεκκον (s. S. 21) zu πέλεκνς, vgl. πέλεκκον (ÌV612) «Axtstiel», eigentlich «das zur Axt Gehörige» (s. S. 20), dann in εκατόμπεδος u. ä. (s. S. 19 f.) zu πεδ-Ιποδ- «Fuß», weniger deutlich in ημιτάλαντον (s. S. 20) zu τάλαντ-α pl. «Waage»18) u. a. Bei andern Beispielen gehört aber das -o- schon zum Stamm des Hintergliedes, ζ. B. bei αλλόφυλος (s. S. 21), διώβολον (s. S. 20) und verschiedenen andern. Ziemlich selten ist der Fall, daß konsonantische Stämme ohne Erweiterung durch -io- oder wenigstens -o- verwendet werden; solche Bildungen sind etwa εννεάπηχυς u. a. (s. S. 19), έτερόπτολις (s. S. 21) und vor allem -εσ- Stämme, wie δμοε&νής (s. S. 21), wozu noch Beispiele wie ίξέτη ς «sechs Jahre alt» beizufügen wären. Doch bilden alle diese letztgenannten Wörter gegenüber der großen Zahl mit erweiterndem Suffix offensichtlich nur eine kleine Minderheit. So stellt dieser allgemeine Typus der Ableitungskomposita sowohl der Bedeutung nach als auch formell eine verhältnismäßig geschlossene Gruppe dar. Natürlich bestehen einerseits mit den Determinativkomposita, anderseits mit den Bahuvrihi bestimmte Berührungsflächen. Daß ημιτάλαντον, ήμικνκλιον u. ä. an die Determinativkomposita ήμίονος und ημ'ώεος erinnern, haben wir schon gesehen (s. Anm. 11). Wichtiger sind die Grenzfälle gegenüber den Bahuvrihi. Bei den gewöhnlichen Beispielen ist freilich eine saubere Trennung zwischen den Ableitungskomposita und den Bahuvrihi, besonders wenn man diese Gruppe in ihrer ursprünglichen Bedeutung («das und das auf sich habend, besitzend, mit dem und dem ausgestattet») faßt, ohne Schwierigkeit möglich. Sogar bei formaler Gleichheit können wir leicht zwischen einem Bahuvrihi επ-ήρετμος (so in der Od. fünfmal als Beiwort von Schiffen) «Ruder auf sich habend, mit Rudern versehen» und dem präpositionalen Rektionskompositum, was nach unserer Darstellung aber nur eine Unterabteilung der Ableitungskomposita ist, επ-ήρετμος (β 403) «am Ruder sitzend» scheiden 19 ). Dennoch gibt es Fälle, wo sich beide Auffassungen recht nahe kommen. Das ist vor allem bei den Maßbezeichnungen zu beobachten. Ein Adjektiv wie τετράδραχμος «vier Drachmen wert» kann auch als Bahuvrihi («vier Drachmen in sich 18

) Der Sing, τάλαντο ν (& 393) ist sekundär, vgl. Schwyzer Gr. Gr. I 526, Anm. 1. Vgl. über dieses Beispiel Hoenigswald, Reale istituto lombardo di scienze e lettere, Rendiconti 70 (1937). 269 mit Anm. 7. 19

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enthaltend») betrachtet werden. Das gleiche läßt sich auch von den vielen ähnlichen Bildungen sagen. Gerade bei diesen Maßbezeichnungen ist auch die formelle Scheidung gegenüber den Bahuvrihi am wenigsten durchgeführt, was wohl nicht bloßer Zufall ist. Die Maßbezeichnungen εννεάπηχνς, διώβολον usw. sehen an sich ganz wie die Bahuvrihi λευκόπηχνς (Eur.) «weißarmig» und πεμπώβολον (Horn.) «fünfzinkige Gabel» aus. Beide Gruppen gehen hier also ineinander über. Das hat· zur Folge, daß die Grenze auch dort, wo eine Scheidung leicht durchführbar und sogar wünschenswert gewesen wäre, teilweise verwischt wird. Wir haben schon oben gesehen (s. Anm. 10), daß das Attische, vielleicht auch einige andere Dialekte, die gemeingriechische Unterscheidung zwischen (τρί)-πεδος «(drei) Fuß lang» und (τρί)-πους «(drei)-füßig» aufgegeben haben, indem das Bahuvrihi (τρί)-πους auch als Maßbezeichnung verwendet wurde. Etwas Ähnliches ist es auch, wenn das alte, homerische πανδήμιος mit deutlich suffixalem -ιος im Attischen durch πάνδημος, das nach außen hin ganz wie ein Bahuvrihi aussieht, ersetzt wird (s. S. 21). Vergleichbar ist auch folgender Fall : Statt des geläufigen und offenbar alten Ableitungskompositums δμοπάτριος (wiederum mit -ιος, s. S. 21 [ganz unten], vgl. Schwyzer Gr. Gr. I, 437, Anm. 2) treffen wir ganz vereinzelt, nämlich als Formulierung eines attischen Erbgesetzes όμοπάτωρ (Pl. Lg. 924e, Isaeus 11.1). Da diese Form ein genaues Gegenstück in altpersisch hamapitä hat, pflegt man sie als ererbt zu betrachten (s. Schwyzer Gr. Gr. I, 437). Doch macht diese Form, jedenfalls vom Griechischen aus betrachtet, einen relativ jungen, wenn nicht gar künstlichen Eindruck 20 ). So können wir an verschiedenen Beispielen sehen, wie besonders im Attischen und damit auch im spätem Griechischen eine gewisse Tendenz besteht, die Grenzen zwischen den Bahuvrihi und den Ableitungskomposita zu verwischen. Die grundsätzliche Trennung wird aber dabei nicht aufgehoben. Da wir gesehen haben, daß ein sehr häufiges Merkmal der Ableitungskomposita das Suffix -io- ist, können wir uns auch noch fragen, wie weit dieses Suffix bei den andern Kompositionstypen gebraucht wird. Daß es in erster Linie bei den präpositionalen Rektionskomposita, also einer Unterabteilung der Ableitungskomposita vorkommt, ist schon längst bekannt, ebenso, daß es bei den verbalen Rektionskomposita sehr selten ist. Aber auch bei den Bahuvrihi sind sie alles andere als häufig. Bei Homer, dem man doch aus metrischen Gründen eine reichere Verwendung dieses Suffixes zutraut (so Williger, Sprachl. Untersuchungen zu den Komposita der griech. Dichter des 5. Jh., S. 7f.), ist mir kein einziges sicheres Bei spiel bekannt. Was ich in meiner Wortbildung der hom. Sprache S. 203 noch dafür ausgegeben habe, sind entweder - soweit sie klar sind - Ableitungskomposita wie έννεάβοιος oder dann Bildungen wie πολνδίψιος (Δ 171), das als Verstärkung von δίψιος (Trag.) aufgefaßt werden darf. Das Suffix -to- ist also deutlich grund20 ) Ein Hinterglied -πάτωρ scheint ursprünglich nur im Determinativkompositum wie προπάτωρ möglich gewesen zu sein, was ich in den IF. 59.28 f. ausgeführt habe. Wenn Aeschylus statt ευπατρίδης «von einem edlen Vater stammend, adlig» εύπάτωρ (Pers. 970) setzt, so ist das eine durchaus künstliche Umbildung.

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sätzlich auf die Ableitungskomposita beschränkt. Aber auch eine Erweiterung durch bloßes -o- ist bei den verbalen Rektionskomposita und ursprünglich auch bei den Bahuvrihi nicht gebräuchlich, vgl. Sommer IF. 58, 72 f. So zeigen unsere Untersuchungen, daß die Bildungen, welche wir unter dem Namen Ableitungskomposita zusammengefaßt haben, eine sowohl semantisch als auch formell ziemlich einheitliche und sich im allgemeinen scharf gegenüber den andern Gruppen abhebende Sondergruppe darstellen. Meine Aufgabe war es, diesen besondern Typus aufzudecken und zu skizzieren. Ihn gründlicher zu untersuchen, mag späterer Zeit überlassen sein. Immerhin darf man jetzt schon die Frage stellen, ob wir auch der indogermanischen Grundsprache eine solche besondere Gruppe zuweisen dürfen. Dabei ist es uns klar, daß bloße semantische Übereinstimmung zwischen den Einzelsprachen für eine solche Annahme noch nicht genügt, sondern daß wir jetzt in erster Linie auf formelle Eigentümlichkeiten achten müssen. Wenn man nun in Wackernagels Altind. Gramm. II 1. 106 ff. die Beispiele für die Komposita anschaut, bei denen das Hinterglied die Erweiterung -ya- ( = gr. -to-) zeigt, ist man darüber überrascht, wie sehr sich solche Bildungen mit den griechischen Ableitungskomposita decken. Es sind dies erstens präpositionale Rektionskomposita, ζ. B. ádhi-gart-ya- «auf dem Wagensitze befindlich», dann Maßbezeichnungen wie ddsamäs-ya- «zehn Monate alt» und solche, die mit pana- «eine bestimmte Münze», sana- «ein bestimmtes Gewicht» und ähnlichen Wörtern zusammengesetzt sind, ferner drittens Komposita mit sa-, samäna- (im Sinne von gr. όμο-) ζ. Β. sá-garbhya- «aus demselben Leibe geboren», und endlich viertens Bildungen wie visvádev-ya- «auf alle Götter bezüglich». Im Veda gibt es allerdings auch einige richtige Bahuvrihi mit -ya-, doch ist diese Freiheit vielleicht nur dichterisch. Auf alle Fälle ist die Ähnlichkeit mit dem Griechischen auffallend. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, daß auch die Erweiterung durch -a- besonders häufig bei Maßangaben, ζ. B. tri-vats-ά- «dreijährig» (Wackernagel a. 0 . llOf.), und sog. kollektivistischen Komposita, z.B. sad-rc-ám «Hexade von Strophen» (S. 112f.) vorkommt, was an Bildungen wie ήμι-τάλαντ-ον (s.' S. 20 und 24) erinnert. Besonders einleuchtend ist dabei der Vergleich von awestisch ê-ri-padm «Länge von drei Fuß» mit gr. τρί-πεδος «drei Fuß messend» u. ä. (s. S. 19f., vgl. Sommer IF. 58. 72). Bei dieser weitgehenden Ähnlichkeit, die zwischen den griechischen und den indo-iranischen Ableitungskomposita besteht, dürfen wir wohl diesen Typus schon für die indogermanische Grundsprache in Anspruch nehmen. Freilich handelt es sich nicht eigentlich um einen Kompositionstypus, sondern, wie wir oben (S. 17) gesehen haben, um adjektivische Ableitungen, welche nur diese eine Besonderheit aufweisen, daß sie von Wortgruppen abgeleitet sind und damit notgedrungen das Aussehen von Zusammensetzungen erhalten. Die Suffixe -*ijound -*o- sind ja sonst auch bei gewöhnlichen Ableitungen gebraucht. Da sich außerdem die Dvanda, wenn überhaupt, erst einzelsprachlich entwickelt haben

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(Sanskrit, Mittel- u n d Neugriechisch, Slavisch) und auch die D e t e r m i n a t i v k o m p o sita sich i m Indogermanischen nicht als lebendiger T y p u s nachweisen lassen (vgl. oben S. 16), sehen wir wieder den Satz bestätigt, daß für die Grundsprache eigentlich nur die verbalen Rektionskomposita und die Bahuvrìhi übrig bleiben 2 1 ).

21 ) Siehe etwa Jacobsohn Gnomon 2. 383. - Man kann hier einen Schritt weitergehen und, einen alten Gedanken weiter ausführend (s. Schwyzer Gr. Gr. I 454), sagen, daß sowohl die verbalen Rektionskomposita als auch die Bahuvrìhi eigentlich dem Sinne nach Relativsätzen entsprechen, ζ. 6 . τοξο-φόρος = δς τόξον φέρει oder λεύκ-ασπις = ον ή άσπίς λευκή (εστίν). Die idg. Komposita wären also nicht nur teilweise, sondern grundsätzlich immer Ersatz f ü r (noch nicht vorhandene) Nebensätze. Auch die Tatsache, daß es zwei Kompositionstypen sind, wäre dann nicht zufällig : Sie wird eben dadurch begründet, daß das Indogermanische zwei Haupttypen von Sätzen kannte, nämlich den Verbalsatz und den Nominalsatz. Dem ersteren würden die verbalen Rektionskomposita, dem letzteren die Bahuvrìhi entsprechen.

Zur Vorgeschichte der sigmatischen Aoriste im Griechischen Festschrift Max Vasmer (1956), p. 4 2 4 - 4 3 1

Verschiedene indogermanische Sprachen kennen einen Aorist, dessen charakteristisches Merkmal ein Suffix -s- ist, ζ. B. ai. aväksam »ich fuhr« (zu vah-), gr. εδειξα (zu δείκνϋμι), lat. dîxï »ich sagte« (zu dïcô), asi. vësh »ich führte« (zu vedç). Diesen sog. sigmatischen Aorist hat das Griechische in einem ganz besondern Maße entwickelt, so daß er schon zu Beginn der schriftlichen Überlieferung als der regelmäßige Aorist schlechthin erscheint. Aber gegenüber dem, was wir von den andern Sprachen her erwarten müßten, zeigen sich hier freilich einige Besonderheiten. Erstens ist er in morphologischer Hinsicht umgestaltet, indem das σ überall dort, wo die folgende Endung konsonantisch anlautet, zu σα erweitert (-σα-ς, -σα-μεν, -σα-τε usw.), in der 3. Sg. Akt. aber durch -σε ersetzt wurde. Bloßes σ bleibt nur noch vor vokalisch anlautender Endung, so ζ. B. imKonj. -σ-ω, -σ-ομεν (att. -σ-ωμεν) usw. Da nun auf das σ immer ein Vokal folgt, werden also unbequeme Konsonantengruppen vermieden. Erst dadurch wird aber der sigmatische Aorist zu einem Typus, der ohne Schwierigkeiten bei fast allen Verben gebildet werden kann. Dieses charakteristische α stammt, wie schon längst bekannt, von denjenigen Formen, bei denen die Endung mit m oder η begann, also 1. Sg. Akt. -σα < *-sm, 3. PI. Akt. -σαν statt *σα(τ) < *-snt, wo man das ν als analog zu -ov -έες, vgl. bei Hdt. Αεκελέες (9, 73) zu Δεχελέη (9, 15. 73). Für diese Erklärung spricht der Umstand, daß solche Ethnika gerade außerhalb Attikas bezeugt sind. Im Sprachempfinden verhielt sich aber Άλεξανδρενς : 'Αλεξάνδρεια etwa wie βασιλεύς: βασίλεια, ' Οδυσσεύς : ' Οδύσσεια. 30 31

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diese böotische S t a d t deswegen von besonderer Bedeutung, weil hier sein Vater Philipp im J a h r e 338 über die Athener und Thebaner siegte und Alexander selbst sich als Führer der Reiterei auszeichnete, welche die entscheidende Attacke ritt. Wie jede andere Stadt verehrte auch sie natürlich einen Heros als Stadtgründer. Dieser hieß hier Χαίρων, der bereits in den Ehoien als Sohn Apollons genannt war (Hes. fr. 142 Hz.). Wenn nun Alexander die Stadt, die er am Nildelta anlegte, 'Αλεξάνδρεια mit dem Ethnikon Άλεξανδρεύς nannte, wollte er damit doch wohl nichts anderes sagen, als daß er selbst wie ζ. Β. Χαίρων der Sohn eines Gottes sei. In die gleiche Zeit fällt ja auch jener berühmte Zug zum Oasenorakel des Zeus Hammon, wo er von den Priestern als Sohn des Zeus begrüßt wurde. So verkündet schon der Name 'Αλεξάνδρεια selbst der griechischen Welt gegenüber dem, was Philipp geschaffen hatte, bewußt etwas Neues. Zugleich betont er im Gegensatz zu den vielen ägyptischen Städten mit Namen wie Ήλιου Πόλις den griechischen Charakter dieser Stadt. Der Gründung dieser ersten 'Αλεξάνδρεια folgten in den nächsten J a h r e n zahlreiche andere, vor allem im heutigen Afghanistan, Turkistan und Pakistan. Darunter befinden sich Städte wie Kandahar, Herat, Chodschent (heute Leninabad). Die Diadochen n a h m e n als Nachfolger und Nachahmer Alexanders diesen Typus auf. Zunächst gründeten auch sie einige Städte mit dem Namen 'Αλεξάνδρεια, so ζ. B. in der Troas. Meistens nannten sie aber die Städte nach sich selbst, ζ. Β. 'Αντιόχεια (Ethnikon Άντιοχενς), Άντιγόνεια (Άντιγονεύς), Λνσιμάχεια (Αυσιμαχενς), Νικομήδεια (Νικομηδεύς) usw. Gelegentlich ehrten sie damit auch ihre Gattinnen, Mütter oder Töchter, ζ. Β. Ααοδίκεια, Άρσινόεια, oder, mit geringer Abweichung vom H a u p t t y p u s , ohne -εια Θεσσαλονίκη (Ethnikon Θεσσαλονικεύς) und Νίκαια (Νικαιενς), von Kassander bzw. Lysimachos nach ihren damaligen Gattinnen benannt. Oft handelt es sich gar nicht um eigentliche Neugründungen, sondern nur u m Neubenennungen, welche vielleicht mit einer Neuorganisation verbunden waren. Daher wechselten die Städte sehr häufig den Namen, und nicht selten galt der neue Name nur so lange, als der betreffende Herrscher regierte. Der Typus 'Αλεξάνδρεια erfreute sich also u m 300 v. Chr. einer außerordentlichen Beliebtheit u n d blieb während der ganzen hellenistischen Zeit herrschend. Erst mit den R ö m e r n k o m m t ein neuer Namenstypus auf. Wirklich neu ist dieser keineswegs, vielmehr kehrte m a n wieder zum alten Typus der klassischen Zeit, nämlich zu Φιλίππου Πόλις zurück. Zwar wurden auch während der hellenistischen Zeit Namen mit πόλις gebildet, so 'Ιερά Πόλις (mehrfach in Kleinasien, mit Ίεροπολίτης, seit Augustus auch Ίεραπολίτης, Head, Hist, num. 2 675), dann mit Götternamen Δ ιονύσου Πόλις (Phrygien) oder Ούρανιδών Πόλις (Mazedonien, Head, Hist, num. 2 206; - bei Strabo 7, 331, fr. 35 Ούρανόπολις), mit Völkernamen etwa Σκυ&ών Πόλις (Palästina) 34 . Beliebt war ferner der bereits im 5. J a h r h u n d e r t be54

Unrichtig über Ούρανόπολις IF 59 (1949) 264. - Anderer Art ist ΙΙέρααι πόλις (später

Περαέπολις), s. J. Wackernagel, Glotta 14 (1925) 36ff. Dagegen ist für Ύάμπολις (seit

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Ein Gang durch die Geschichte der griechischen Ortsnamen

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zeugte Name Μητρόπολις (Thuk. 3, 107)35. Dagegen gibt es, soviel ich sehe, keine Bildungen mit Namen von Herrschern oder Feldherren. Gerade das wird jetzt wieder aktuell, wobei offenbar auch richtige Komposita gebildet werden. Pompeius Magnus gründete in Kleinasien mehrere Städte mit dem Namen Πομπηϊόπολις, und die Stadt, welche sein Gegner Mithridates Eupator in echt hellenistischer Weise als Ενπατόρεια gegründet hatte, baute er unter dem Namen Μαγνόπολις wieder auf (Strabo 12, 556). An diese Beispiele schließen sich nun zahlreiche weitere an, Ίονλιόπολις, Σεβαστόπολις (häufiger allerdings Σεβαστή = Augusta, Ethnikon Σεβαστηνός), Γερμανικόπολις, Κλαυδιόπολις, Φλαυιόπολις usw. Bereits Pompeius gründete zur Erinnerung an den Sieg über Mithridates am Lykos in Pontos Νικόπολις, und Augustus folgte diesem Beispiel mit der Gründung von Νικόπολις bei Aktion36. Wenn jetzt an Stelle von Namen mit deutlichem Genetiv, wie ζ. Β. Φιλίππου Πόλις, richtige Komposita treten, so wird man das am besten damit erklären, daß den Römern die korrekte Unterscheidung zwischen Φιλίππου Πόλις mit -ov, aber Φιλιππόπολις mit -o- offenbar Schwierigkeiten machte, wie sie ja auch Νέα Πόλις als Neapolis übernahmen und statt Μεγάλη Πόλις vom Ethnikon her Megalopolis bildeten (s. S. 200)37. Von diesem nun herrschend gewordenen Typus gibt es allerdings eine sehr bezeichnende Ausnahme, nämlich das ganz nach hellenistischem Vorbild gebildete Καισάρεια (mit Καισαρενς), welchen Namen vor allem Fürsten wie Herodes d. Gr. oder Juba II. ihren Städten zu Ehren von Augustus gaben. Es ist gleichsam die Huldigung der griechisch-orientalischen Welt an den neuen gottgleichen Herrscher. Einen besonderen Typus stellen die im Orient recht häufigen Namen wie Νεοκαισάρεια, Δ ιοκαισάρεια, Κλαυδιοκαισάρεια, Κλαυδιοσελεύκεια usw. dar. In einigen Fällen läßt sich zeigen, wie solche Namen als Varianten zu ältern gebildet wurden. So wurde Ίερά Κώμη in Lydien unter Tiberius in Ίεροκαισάρεια umbenannt (Head, Hist, num. 2 651), und Νεοκλανόιόπολις in Paphlagonien setzt ein älteres Νέα Πόλις fort (Head2 507). Man hat den Eindruck, daß sich hier römische Tradition, welcher Namen wie Colonia Augusta Raurica gemäß sind, in griechischem Gewände fortsetzt. Deutlich römisch gedacht sind Verbindungen wie Σεβαστή Μητρόπολις (Head2 507). Β 521) die Deutung als "Yav πάλιν höchst fraglich: das Ethnikon Ύαμπόλιος SIG 585, 290 (dazu Anra. 124), worauf mich Prof. Ernst Meyer, Zürich, freundlicherweise aufmerksam macht, spricht viel eher dafür, daß der Name ursprünglich nichts mit πόλις zu tun hat und ganz anderer Herkunft ist. 35 Als Appellativ ist μητρόπολ,ις seit Simon. 93 ( Bergk) und Pindar bezeugt : ' Stadt, welche gleichsam die Mutter anderer Städte ist'. Zu diesem Kompositionstypus vgl. Verf., IF 59 (1944/49) 59 und 261. 36 Diesen Namen scheint allerdings bereits Alexander d. Gr. seiner nach der Schlacht bei Issos gegründeten Stadt gegeben zu haben, also noch vor der Gründung von Alexandreia. Noch fehlen Zeugnisse, die älter als Strabo (16, 676) wären. Spätere 'Siegesstädte' nannte er Νίκαια, ζ. Β. nach dem Sieg über Poros in Indien. 37 Authentische Belege für Komposita sind mir allerdings erst aus der Kaiserzeit bekannt. Aus der Zeit von Pompeius selbst bieten die Münzen das Ethnikon Πομπηϊοπολιτων (Head, Hist, num.2 507 und 729), was natürlich nichts beweist. Bezeichnend ist aber, daß die frühesten Münzen Πομπηϊανών 'Pompeianorum' haben (Head2 729).

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Museum Helveticum 22,4 (1965)

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Am meisten Städte hat Kaiser Hadrian gegründet oder vielmehr sich zu Ehren umbenennen lassen. Am häufigsten ist dabei der Name Άδριανόπολις, daneben gibt es Άδριανη Γερμανικόπολις (Head, Hist, num. 2 721). Gelegentlich kommt auch 'Αδριάνεια, also Typus 'Αλεξάνδρεια, und als ganz singulärer Fall Άδριανοί vor (beides in Mysien, Head 2 528). Es ist bezeichnend für diesen archaistischen Neigungen huldigenden Kaiser, der von überall her Bemerkenswertes sammelte und in Italien ägyptische Sphinxe aufstellte, daß er auch den Typus Φίλιπποι ehrenvoll aus der Vergessenheit hervorgeholt hat. Doch sind das nur vereinzelte Beispiele gegenüber der große Masse der mit πόλις zusammengesetzten Namen, welche während der ganzen Kaiserzeit herrschend blieben. Sogar im lateinischen Westen wurden solche gebildet, ζ. B. Gratianopolis (4. Jhdt.), das heutige Grenoble. Es ist auch charakteristisch genug, daß diejenige Stadt, welche das alte Rom ablösen sollte, ebenfalls zu diesem Namenstypus gehört: Κωνσταντινόπολις oder in der klassizistischen Form Κωνσταντίνου Πόλις. Damit sind wir auf unserer Wanderung am Ende des Altertums angelangt. Auf die weitere Geschichte kann nicht mehr eingegangen werden. Nur so viel soll gesagt sein, daß im Mittelalter und in der Neuern Zeit die griechischen Ortsnamen eine wesentliche Umgestaltung erfahren haben. Die Einwanderung fremder Völker, vor allem der Slaven, später der Albanesen, hat auch in den Ortsnamen einen reichen Niederschlag gefunden. Die in bunter Folge einander ablösenden fremden Herren, die fränkischen Ritter, die Venezianer, die Türken, haben ebenfalls das Ihre beigetragen. Dazu kommen die vielen Neubildungen im Griechischen selbst. So erscheint ζ. Β. Κόρκνρα in byzantinischer Zeit wegen der markanten Felskuppen als Πόλις των Κορυφών 'Stadt der Gipfel', woraus über στους Κόρφους sich der italienische Name Corfú herleitet. Das ist aber eine Benennung, die im Grunde weit besser zu den Geländebezeichnungen der Frühzeit vom Typus 'Piov als zu den in späterer Zeit produktiven Typen paßt. Besonders zahlreich sind die nach den Hauptheiligen benannten Ortschaften, wie ζ. Β. "Αγιοι Θεόδωροι, 'Αγία Βαρβάρα, und natürlich die Berge, welche "Αγιος 'Ηλίας oder Προφήτης 'Ηλίας heißen. Die griechischen Ortsnamen haben also seit dem Ende des Altertums eine radikale Umgestaltung erfahren, und wenn heute an vielen Stellen wieder der antike Name erscheint, so nicht deswegen, weil er sich etwa aus dem Altertum erhalten hätte, sondern weil er in moderner Zeit wiederhergestellt worden ist. Diese starke Umschichtung der Namen ist um so auffallender, als es ein fester Satz der Ortsnamenforschung ist, daß die wichtigsten geographischen Namen bleiben, auch wenn die Sprache wechselt. Griechenland, dessen Sprache wir seit dem 2. vorchristlichen Jahrtausend in ihrer Entwicklung verfolgen können, paßt nur schlecht zu dieser allgemeinen Regel von der Konstanz der Ortsnamen.

Ein Gang durch die Geschichte der griechischen Ortsnamen

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Zephyros Ernst Meyer zum 70. Geburtstag

Museum Helveticum 25,4 (1968), p. 205 - 213

I Das AYort ζέφυρος ist als Windname seit Homer bezeugt: es findet sich 12mal in der Ilias, limai in der Odyssee, wozu noch in η 119 mit ungefähr gleicher Bedeutung ζεφυρίη kommt. Öfter wird ζέφυρος neben andern Winden genannt, so neben νότος in Λ 305, Φ 334 und μ 289, neben βορέης in I 5 und Ψ 195, 208 und neben εύρος in τ 206. Von allen vier Winden ist ε 295 und 331f. die Rede. Er ist 'bös wehend' (δνσαής: Ψ 200 ~ μ 289, ε 295), jagt über dem Meer die Wolken und läßt große Wellen entstehen (ζ. Β. Δ 276, 423), bringt Regen (αίεν εφυδρος : ξ 458) oder Schnee (τ 206). Mit ihm wird die Schnelligkeit göttlicher Pferde verglichen: er ist der Vater der beiden Pferde von Achill, Ξάνϋος und Βαλίος (77150 : τους ετεκε Ζεφύρωι άνέμωι "Αρπυια Ποδάργη, vgl. 7 , 400), und 71415 verspricht das Pferd Xanthos, es werde άμα πνονηι ζεφύροιο rennen. Von göttlicher Verehrung ist aber nur Ψ 195ff. die Rede, da Achill Boreas und Zephyros anfleht, das Feuer am Scheiterhaufen des Patroklos anzufachen, und ihnen dafür 'schöne Opfer' verspricht. Selten und erst in der Odyssee ist die gute Seite dieses Windes gesehen: als άκραής bringt er β 421 günstigen Fahrwind; ähnlich ist er κ 25 erwähnt (πνοιήν ζέφυρου προέηκεν άήναι). Im Ήλνσιον πεδίον, wo Winterstürme und Regengüsse fehlen, bringt er stets angenehme Kühlung (ó 567), und im Phäakenlande läßt die ζεφυρίη πνείουσα (mit metrisch langer erster Silbe) die Pflanzen wachsen und reifen (η 119). Im Sinne einer Himmelsrichtung ist er aber bei Homer nie gebraucht: er ist der 'Westwind', nicht der 'Westen'. Innerhalb des Verses wird das Wort in über der Hälfte aller Fälle (je 6mal Ilias und Odyssee) so verwendet, daß es vor die Zäsur Penthemimeres bzw. κατά τρίτον τροχαϊον zu stehen kommt, also υ υ - (υ). Der Rest verteilt sich gleichmäßig auf u υ - und υ υ - (υ). Für Hesiod bringt der άκραής ζέφυρος im Hochsommer angenehme Kühlung (Erga 594). Auffallend ist, daß er in der Theogonie 379 und 870 nur drei Winde νότος, βορέης und ζέφυρος kennt und daß an beiden Stellen ζέφυρος das Beiwort άογεστής hat, das bei Homer nur dem νότος zukommt (Λ 306, Φ 334). Erst im Hymnus an den pythischen Apollo und im Aphrodite-Hymnus ist deutlich auf die Himmelsrichtung Bezug genommen: so liegt Κρίση an dem gegen den Westwind gewandten Abhang des schneereichen Parnaß (προς ζέφυρον τετραμμένον h. Αρ. 283). Ferner weht v. 433 dieser Wind, damit das Schiff gut προς

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Zephyros

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ηώ τ' ήέλιόν τε fahren kann (vgl. zu dieser Wendung unten III). In ähnlicher Weise trägt der ζέφυρος die Göttin Aphrodite nach Kypern (h. Ven. 3). Die frühe Lyrik trägt nicht sehr viel Neues bei. Sappho erwähnt das Wehen des Westwindes (ζεφύρω πνεύμα), doch ist der Zusammenhang zerstört (90, 22 L.-P.). Für Alkaios ist Eros der Sohn der εύπέδιλος TΙρις und des χρνσοκόμας Ζέφυρος (327, 3 L.-P.). Hier dürfte die Vorstellung vom frühlinghaften Wind mitschwingen. Der Nordwind muß die ζέφυρου ... πνοάς αίψηράς beruhigen (Pi. fr. 94 b, 16), ενϋυπνόου ζεφόροιο πομπαί brachten den Aias nach Troia (Pi. Ν. 7, 29), und der Adler schwebt hoch in der Luft συν ζέφυρου πνοιάίσιν (Ba. 5, 28). Fruchtbarkeitbringend ist er in einem Bakchylides zugesprochenen Epigramm (2, 2). Verschiedene Vorgebirge heißen Ζεφύριον, vermutlich weil sie dem Westwind besonders ausgesetzt sind oder vor ihm schützen und deshalb ihm geweiht sind: so an der Nordküste von Kreta, in Kypern (bei Paphos) und ein besonders berühmtes in Unteritalien (Pi. fr. 140 b, 5). Danach bezeichnete man die zuerst dort und nachher rund 25 km weiter nördlich angesiedelten Lokrer, die sich selbst offiziell nur Λοκροί nannten (ζ. B. SEG X I 1211 c. adn. [5. Jh.], Head, Hist. num.2 lOlff.), als Λοκροί Ζεφνριοι, so Pindar (O. 10, 13 u. a.) oder als Λοκροί ol Έπιζεφύριοι, so Herodot und Thukydides. Wie weit dabei die Vorstellung 'westlich' mitspielt, die für die hellenistische Zeit gesichert ist, kann dahin gestellt bleiben1. Jedenfalls sind also Ableitungen von ζέφυρος auf -ιος, -ιον nachträglich geographische Namen geworden. Nichts spricht aber dafür, daß diesem Windnamen ein alter Ortsname zugrunde liegt. II Nun bieten aber die pylischen Tafeln in Linear Β mehrere Belege, die sich kaum von ζέφυρος trennen lassen. Es ist ze-pu2-ro, in Ea 56 Name eines ra-pte (ραπτήρ oder λαμτττήρ, vgl. A. Morpurgo, Mycenaeae Graecitatis lexicon 285, C. J . Ruijgh, Etudes sur la grammaire et le vocabulaire du grec mycénien 113 m. Anm. 72), was allgemein Ζέφυρος oder allenfalls Ζέφυρων gelesen wird2. In der Tat sind hier die Interpretationsmöglichkeiten ziemlich beschränkt: die größte Unsicherheit bietet -ro, das auch -λος, bzw. -λων gelesen werden kann. Die Aspirata φ scheint für pu2 gesichert. Daß z- auch stimmlos sein kann {κι, σσ = att. ττ) und bei den Vokalen die Quantität nicht bezeichnet wird, fällt in diesem Fall nicht sehr ins Gewicht, und daß ze- auch ζει-, ζερ-, ζελ-, ζεμ- gelesen werden kann, hat mehr theoretische als praktische Bedeutimg. Bei der lautlichen Gleichheit oder wenigstens weitgehenden Ähnlichkeit ist auch ein etymologischer Zusammenhang mit ζέφυρος zu vermuten. Daß aber ein Windname auch als Personenname verwendet wird, ist an und für sich höchst unwahrscheinlich3. 1 Die 'westlichen' Lokrer (in der Landschaft zwischen Amphissa und Naupaktos), meist von den anderen als Όζόλαι bezeichnet, nennen sich gerne Έσπέριοι gegenüber den 'östlichen'

Λοκροί 'Οπούντιοι oder Ύποκνημίδιοι (Έπικνημίδιοι). 2 3

In KN X 333 ist vielleicht ze-pu-[ro] zu ergänzen. Der in Thasos bezeugte Name ΖεψυρΙδης (IG X I I 8, 376 = Collitz-Bechtel 5484, 4) setzt

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Museum Helveticum 25,4 (1968)

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Außer diesem Personennamen findet man, und zwar ebenfalls in Pylos, die Bezeichnung einer Gruppe von Frauen ze-pu2-ra3 (Nom. Plur., Aa 61) und ze-fu^-ra-o (Gen. Plur., Ad 664). Im Wortausgang völlig parallel ist die Bezeichnung einer andern Gruppe, nämlich ku-te-ra3 (Nom. Plur., Aa 506, Ab 562) und ku-te-ra-o (Gen. Plur., Ad 390). Was für eine Bewandtnis es mit den verschiedenen Frauengruppen hat, die in den Serien Aa, Ab und Ad registriert werden, braucht uns jetzt nicht zu beschäftigen. Sicher ist, daß es darunter Ethnika gibt, ζ. B. ki-nidi-ja Κνίδιαι (Aa 792 u. a.), mi-ra-ti-ja Μιλάτιαι (Aa 798, zu Μίλατος in Kreta oder zum späteren Μίλητος), ra-mi-ni-ja Λάμνιαι = Λήμνιαι (Ab 186). Zahlreicher sind Standes- und Berufsbezeichnungen, ζ. B. a-pi-qo-ro άμφίπολοι (Aa 804, Ad 690), a-pu-ko-wo-ko άμπνκ(ο)-/οργοί (Ab 210, Ad 671)4, re-wo-to-ro-ko-wo λε/οτροχό/οι (oder -(σ)κό/οι ?) 'Badedienerinnen' (Aa 783 u. a.)5 und verschiedene Nomina agentis auf -τριαι, ζ. B. a-ke-ti-ri-ja (Aa 85 u. a.), me-re-ti-ri-ja (Aa 62 u. a.) usw. (s. unten). Andere sind aber vorläufig noch unklar. Wenn auch unter diesen Bezeichnungen verschiedene Ethnika vorkommen (mit Sicherheit drei oder vier), so stellen sie doch nur eine kleine Minderheit dar. Es ist daher keineswegs so, daß man bei ze-pu2-ra3 (Gen. ze-pu2-ra-o) und ku-te-ra3 (Gen. ku-te-ra-o) aus dem Zusammenhang heraus a priori Ethnika erwarten muß. Ziemlich allgemein wird nun ze-pu2-ra3, ze-pu2-ra-o als Ζεφύριαι, Ζεφνρ/άων gedeutet, wobei man offenbar an 'die Zephyrischen', d. h. wohl 'die Westlichen' denkt, ebenso ku-te-ra3, ku-te-ra-o als Κνϋήρ/αι, Κυϋηρίάων (oder ähnlich, zur Insel Κν&ηρα)6. Solange man die Zeichen ra, ra2 und ra3 als prinzipiell gleichwertig betrachten durfte und zudem wußte, daß ra2 mit ri-ja wechselt (ζ. B. a-ke-ti-ri-ja und a-ke-ti-ra2, s. unten), also rja oder Ija gelesen werden kann, war gegen diese Deutung nicht viel einzuwenden. Doch ist jetzt bekannt, daß nur für ra2 die Lesung rja (Ija) zutrifft, während ra3 den Wert rai oder lai hat (z. B. e-ra3-wo in PY Fr 1217, 1 u.a.: ελαιβον)7. Wenn nun die gleiche «Hand 4» ze-pu2-ra3 aber a-ke-ti-ri-ja Aa 85, me-re-ti-ri-ja Aa 62, ebenso die «Hand 1» ku-te-ra3 Aa 506, aber bei den Nomina agentis teils -ri-ja (ζ. B. a-ke-ti-ri-ja Aa 717) und teils -ra2 (ζ. B. a-ke-ti-ra2 Aa 815) schreibt, wenn ebenso die «Hand 21» ku-te-ra3 Ab 562, aber regelmäßig a-ke-ti-ra2 Ab 564, me-re-ti-ra2 Ab 789 usw. hat und die «Hand 23» neben ze-pu2-ra-o und ku-te-ra-o nur a-ke-ti-ra2-o, me-re-ti-ra2-o usw. kennt8, dann wohl einen (theophoren Î) Namen Ζεφνριος voraus, vgl. Άπολλωνίδης neben'Απολλώνιος, Διοννσίδης neben Διονύσιος, Bechtel, Hist. Personennamen 526ff. 533. 4 Vgl. Françoise Bader, Les composés grecs du type de demiourgos (Paris 1965) 33ff. 5 Horn, λοετροχόος Subst. ν 297, vgl. M. Ventris/J. Chadwick, Documents 160; A. Morpurgo, Mycenaeae Graecitatis lexicon 294; J. Chadwick/L. Baumbach, Glotta 41 (1963) 218f. * Vgl. ζ. Β. A. Morpurgo, Mycenaeae Graecitatis lexicon 372 (u. 174) ; J . Chadwick/L. Baumbach, Glotta 41 (1963) 199; M. Lejeune, Mémoires de philologie mycénienne I 106. 272; ders. in Proceedings of the Cambridge Colloquium on Mycenaean Studies 1965 (ersch. 1966) 147. 7 Vgl. zur Lesung von raa M. Lejeune, in Proceedings of the Cambridge Colloquium (s. Anm. 6) 138f. ; C. J. Ruijgh, Etudes sur la grammaire et le vocabulaire du grec mycénien 28. 8 Vgl. E. L. Bennett, in Etudes mycéniennes (Actes du Colloque International sur les texte mycéniens 1956) 121ff.; ders., Athenaeum N.S. 36 (1958) 328ff.

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Zephyros

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ist vom Schriftbild her nur ein Nom. Plur. ζεφνραι und ein Gen. Plur. ζεφυράων zulässig, ebenso Κυ&ηραι (oder ähnl.) und Κν&ηράων. Das betont neuerdings mit Recht C. J . Ruijgh, Etudes sur la grammaire et le vocabulaire du grec mycénien 366. Nur hält er immer noch daran fest, daß es sich um Ethnika handelt (zu Ζέφυρος und Κνθηρος oder Κν&ηρα). Eine solche Ableitung versucht er mit dem Hinweis auf das Adjektiv άσφοδελός (Horn, κατ' άσφοδελόν λειμώνα, λ 539 u. a), zum Pflanzennamen άσφόδελος (Hesiod Erga 41) zu stützen und akzentuiert daher Ζεφνραι, Κυ&ηραΡ. Aber dieses singulare homerische Beispiel (vgl. E. Schwyzer, Gr. Gr. I 420) eignet sich doch kaum dazu, adjektivische Oxytona als Ableitungen von substantivischen Barytona zu rechtfertigen. Außerdem fehlen, wie wir oben festgestellt haben, irgendwelche Indizien dafür, daß es einen alten Ortsnamen Ζέφυρος gegeben habe, von dem dann Adjektive oder Ethnika hätten abgeleitet werden können, und daß es sich bei den Frauengruppen um Ethnika handeln müsse 10 . Vielmehr wird man von dem, was uns das Mykenische liefert, ausgehend feststellen, daß hier erstens ein männlicher Personenname Ζέφυρος und außerdem ein Femininum ζεφνραι, ζεφυράων mit sehr großer Wahrscheinlichkeit bezeugt sind. Es ist sicher am einfachsten, beides als substantivierte Formen eines Adjektivs aufzufassen, das man dann wohl als *ζεφνρός -ά ansetzen wird. Daß aber dieses Adjektiv von einem Ortsnamen oder von einem Wort, das später als ζέφυρος 'Westwind' weiterlebt, abgeleitet ist, scheint an sich wenig glaubhaft. Viel eher wird man auch im Windnamen ein substantiviertes Adjektiv vermuten. Es fragt sich nun, ob wir ein solches Adjektiv *ζεφυρός vom Griechischen aus rechtfertigen können. III Ein Adjektiv *ζεφυρός wird man am ehesten mit dem Substantiv ζόφος 'Dunkel' zusammenbringen, mit dem man schon längst den Windnamen ζέφυρος verglichen hat. Es kommt bei Homer vorzugsweise in versschließenden Formeln wie υπό ζόφον ήερόεντα (Ψ 51, λ 57 ~ 155, ähnlich Φ 56, vgl. auch O 191 und υ 356) vor, und zwar von der Unterwelt. Daneben bezeichnet es M 240 und mehrfach in der Odyssee den Sonnenuntergang als Himmelsrichtung, nämlich :

9 Ähnlich, freilich nur unklar, schon O. Landau, Mykenisch-Griechische Personennamen 215. 220. Vgl. auch M. Ventris/J. Chadwick, Documents 148. 10 Der Name der Insel Κύ&ηοα ist ein Spezialfall: ein Ntr. Plur. statt der sonst üblichen singularischen Namen auf -ος (oder -η) ist überraschend, und rätselhaft ist mir, wie man den hom. Beinamen der Aphrodite Κν&έοεια mit ε in der 2. Silbe als Ableitung von Κύ&ηοα verstehen soll. Wenn späte Dichter im gleichen Sinn Formen wie Κυϋήρη u. ä. bilden, so berechtigt das meines Erachtens keineswegs, darin etwas Altes zu sehen. Als Ethnikon ist regelmäßig Κυ&ήριος gebraucht (ζ. B. Inschriften, SEG I X 2, 48. 52, Münzen, Head, Hist, num.1 436). Myk. ku-te-raz, ku-te-ra-o kann - im Gegensatz zu ze-pu2-ra3 - sehr verschieden gelesen werden : im Anlaut ist κ, χ oder γ (evtl. mit σ davor) denkbar, und der Dental der 2. Silbe kann τ, ϋ·, στ oder σ& gewesen sein. Ob ku-te-re-u-pi in P Y An 607.2 dazugehört, ist ganz unsicher (vgl. A. Morpurgo, Mycenaeae Oraecitatis lexicon 174).

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Museum Helveticum 25,4 (1968)

M 239 f.

ε'ίτ' επί δεξί' ϊωσι προς ήώ τ' ήέλιόν εϊτ' επ' άριστερά

[209] τε,

rot γε ποτί ζόφον

ήερόεντα,

ähnlich ν 240 f., dann ι 26: (Ithaka liegt) πρός ζόφον, ai δέ τ' ανενϋε

προς ήώ τ' ήέλιόν

τε,

ferner κ 190 fE. Als Zeitangabe wird der Sonnenuntergang in γ 335 erwähnt : •¡¡δη γαρ φάος οϊχεϋ' υπό ζόφον Hesiod bildet Th. 814 dazu ein Adjektiv ζοφερός

... (χάεος ζ-οϊο V E ) . Nachher wird

diese Wortgruppe von den Dichtern, seit Anaxagoras (fr. Β 4 und 15) auch in der wissenschaftlichen und zuletzt in der normalen Prosa verwendet. Wenn wir *ζεφυρός

mit ζόφος verbinden, müssen wir den Vokal der 1. Silbe

und vor allem das Suffix -νρός erklären. Wir untersuchen zuerst das Suffix. Adjektive auf -νρός (mit kurzem v) sind zwar nicht unerhört, aber im ganzen doch selten. In der Ilias findet man λιγυρός,

γλαφυρός,

κιννρός

und β/MO νρός.

Diese stehen regelmäßig nach der 2. Hebung, also υ υ - (υ), was auch beim Wort ζέφυρος γλαφυρός

bevorzugt wird (vgl. oben I). Nur bei dem am häufigsten vorkommenden findet sich vereinzelt auch eine andere Versstelle ( < j u - Β 516 = 680

= 733 ~ 602, Ω 83, υ υ ^ υ Θ 180, O 603, υ « Ausgesprochen poetisch ist βλοσυρός

υ Ω 731).

(-οΐσι προσώπασι

Η 212, -ήισιν υπ'

όφρνσιν

Ο 608), das nach der genialen Deutung von M. Leumann, Horn. Wörter 141ff. aus dem Kompositum βλοσυρώπις,

Beiwort der Γοργώ Λ 36, ursprünglich vielleicht

'geieräugig' (zu lat. voltur), dann etwa als 'mit schrecklichem Blick' verstanden, gewonnen worden ist. Völlig rätselhaft ist die Herkunft und Bedeutung von κιννρός in Ρ 5 (πρωτοτόκος

κιννρή von der Kuh, welche ihr Kalb beschützt). Später

ist es offenbar mit μινυρίζω,

μινυρός

(s. unten) zusammengebracht und als 'jam-

mernd' (oder ähnl.) aufgefaßt worden, s. M. Leumann, Horn. Wörter 241ff. Etymologisch und in der Bedeutung durchsichtig ist dagegen λιγυρός, das offenbar aus λιγυς (mit Adv. λίγα oder λιγέως)

'hell oder laut tönend, schrill' erweitert

ist. Gegenüber λιγυς ist λιγυρός aber seltener und in der Verwendung beschränkter. Wir finden von Winden E 526 πνοιήισιν λιγυρήι

(vgl. δ 402 πνοιήι ϋπο ζεφνροιο),

ορνιϋτ λιγυρήι. μ 44

λ.ιγυρήισι

, Ν 590 und Ψ 215 πνοιήι υπ ο

ferner Λ 532 μάστιγι

λιγνρήι

und Ξ 2S0

Dazu kommt in der Od)rssee mit abweichender Versstelle: άλλά τε Σειρήνες

λιγυρήι ϋέλγονσιν

άοιδήι

(~ μ 183).

Wie Μ. Leumann, Glotta 32 (1953) 223 Anm. 2 ( = Kl. Sehr. 249 Anm. 1) annimmt, ist hier das ρ wie in verschiedenen andern Adjektiven auf -υρός aus /. dissimiliert (also aus *λιγυλός).

Dann wäre es wohl ein Wort der normalen Sprache.

Doch scheint es mir nicht ausgeschlossen, daß λιγυρός

von einem Dichter in An-

lehnung an ζέφυρος aus λιγύς umgestaltet worden ist : etwa als Kreuzung aus einer Formel, wie sie in δ 402 (s. oben) vorliegt, und δ 567 ζεφυροιο λιγύ πνείοντος. vergleichen wäre auch die Wendung λιγέων Ξ 17 ~ Ο 620.

ανέμων

Zu

(u υ - υ υ -) Ν 334 ~ γ 289,

[210]

Zephyros

163

Etwas komplizierter ist γλαφυρός (< *γλαφυλόςί), das in klassischer Zeit die Bedeutung 'glatt poliert, elegant' hat (Ar. Av. 1272, Arist. u. a.). In der Ilias beschränkt sich die Verwendung auf folgende Verbindungen: Β 88 πέτρης εκ γλαφυρής (dazu ξ 533 πέτρηι νπο γλαφυρήι), Σ 402 εν σπήϊ γλαφυρώι, ähnl. Ω 83 (dazu β 20, ι 476, μ 210)11, formelhaft ist Β 454 u. a. εν νηυσί γλαφυρήισι (auch Od.), Ξ 367 u. a. νηυσίν επι γλαφυρήισι(ν), Γ 119 u. a. νήας επι (άνά) γλαφυρός, Β 516 u. a. γλαφνραΐ νέες εστίχοωντο V E (viermal im Schiffskatalog), ferner als Ortsname Β 712 Βοίβην και Γλαφύρας (in Thessalien). In der Odyssee ist der Gebrauch sowohl hinsichtlich Versstelle als auch Wortverbindimg etwas erweitert. Vor allem kommen noch etwa folgende Formeln und Verwendungen dazu: α 15 ( = t 30) u.a. εν σπέσσι γλαφυροίσι (ähnlich δ 403 υπό απ. γλ. VE), e 68, 226 περί (bezw. μυχώι) σπείους γλαφυροίo VE, ε 194 ΐξον δε σπεϊος γλαφυρόν12, ο 456 u.a. εν νηι γλαφυρήι (ähnlich κ 23, ν 71, μ 83 ~ 218, ξ 357 u.a.), ι 548 u.a. γλαφυρής εκ νηός, δ 356 γλαφυρή νηΰς VE, μ 305 ατήσαμεν εν λιμενι γλαφυρώι εύεργέα νήα, γ 144 u.a. φόρμιγγα(-ος) γλαφυρήν(-ής), in û 257 v.l. λιγυρήν, vgl. φόρμιγγι λιγείηι V E / 186 ~ Σ 569, ähnlich & 67 u.a. Als Bedeutung wird 'hohl, ausgehöhlt' angesetzt, und es wird angenommen, daß es von dem bei Hesiod Erga 533 bezeugten γλάφυ 'Höhle' (άπαξ λεγόμενον) abgeleitet ist, s. ζ. Β. H. Troxler, Sprache und Wortschatz Hesiods (Diss. Zürich 1964) 117. Dieses ist dann vermutlich das substantivierte Neutrum eines Adjektivs *γλαφύς. Das Verhältnis würde dem von λιγυρός zu λιγύς entsprechen (s. oben). Da jedoch die Hesiodstelle (και γλάφυ πετρήεν) stark an Vershälften wie Β 88 anklingt, ist es nicht ausgeschlossen, daß sie aus dieser oder einer ähnlichen umgebildet worden ist (vgl. H. Frisk, Gr. etym. Wb. I 311). Diesen Bildungen scheint das Verbum γλάφω 'aushöhlen' zugrunde zu liegen, das allerdings nur ganz selten bezeugt ist; vorklassisch in δ 438 (εύνάς δ' εν ψαμά&οισι διαγλάψασ' άλίψσιν von der Eidothea) und in der Aspis 431 (ποσσίν γλάφει, vom Löwen). Sicher ist, daß der Gebrauch sowohl bei λιγυρός wie bei γλαφυρός formelhaft ist und daß die beiden Adjektive sich gegenseitig beeinflußt haben. Bei keinem läßt sich nachweisen, daß es sich um eine alte Bildung handelt. 11 Hes. Th. 297 ist der Versanfang σπήϊ ivi γλαφυρώι überliefert, was in εν σπήϊ γλ. korrigiert wird (P. Mazon behält aber den überlieferten Text bei). 12 Über die Formen von απέος (σπείονς, σπήϊ, σπεΐος, σπέσσι) vgl. Α. Debrunner, IP 45 (1927) 176; R. Werner, η und ει vor Vokal bei Homer (Diss. Zürich 1948) 36ff.; P. Chantraine, Gramm, hom. I a 7. 11. 101.

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Als neues Adjektiv auf -νρός kommt in der Odyssee άλμυρός dazu, und zwar stets am Versschluß άλμυρόν ϋδωρ mit der Bedeutung 'Salzwasser' in δ 511, μ 236 = 431 ~ 240, mit der Bedeutung 'Meer' in ε 100, ι 227 ~ 470, o 294 ( = h. Αρ. 435). Dazu haben Hesiod Th. 107 und 964 άλμυρός - ου πόντος VE, der Demeterhymnus v. 14 άλμυρόν οίδμα θαλάσσης VE. Es ist offenbar eine Ableitung von άλμη, das ebenfalls erst in der Odyssee vorkommt, bis auf ζ 219 und 225 am Versende: ζ 137, 219 ~ 225 (VA), ψ 237 'Salzkruste', ε 53, 322 'Salzwasser'. Die Bildung von άλμη ist eigenartig, die Adjektivableitung άλμυρός ziemlich singular, vgl. P. Chantraine, Formation des noms 148. 230f.; S. Laser im Lexikon d. frühgr. Epos 571. Sowohl άλμη als auch άλμυρός kommen später in der Prosa ('Salzkruste', bzw. 'salzig') wie in der Poesie (auch 'Meer' u. ä.) vor. Bei Hesiod findet sich der früheste Beleg für οχυρός 'fest' (-ώτατος Erga 429), ein Wort, das auch später in dieser Form oder als εχυρός (letzteres ist in den attischen Texten bevorzugt) oft in Poesie und Prosa gebraucht wird. Es wird mit aind. sdhuri- 'siegreich, stark' (RV öfter von Indra) verglichen, doch stimmt diese Form weder im Suffixausgang noch im Akzent zum griechischen Wort. Immerhin scheint hier eine alte Bildung vorzuliegen, vgl. H. Frisk, Gr. etym. Wb. I 60213. Was in der klassischen Zeit dazu kommt, ist erstens eine Gruppe lautmalender Wörter wie μινυρός 'wimmernd, winselnd' (Aesch., Phryn. Com. u. a.), ψί&υρός (überl. ψίϋνρος) 'flüsternd' (Pi., Soph., Ar. u. a., zum Teil substantivisch), ψεδυρός oder ψε&υρός dass. ( ? Aesch. Suppl. 1042 in einem Chorlied). Bereits homerisch ist das Verbum μιννρίζω VE (E 889, δ 719), seit Plato ist ψιϋυρίζω bezeugt, und in I 612 las Zenodot am Versende κινυρίζων statt και άχεύων. Offenbar wurde auch κιννρός (s. oben) so aufgefaßt, und λιγυρός konnte ebenfalls dazugezogen werden14. Andere Bildungen sind der Herkunft nach vermutlich derb, nämlich βδελυρός 'ekelhaft' (Ar., PI. u. a.), γλαμυρός 'triefäugig' (Hp., = γλάμων Ar. u.a., mit abweichender Bedeutung Soph. fr. 396), λαμυρός 'lüstern, gierig, gefräßig' (Xen. u. sp.), wohl auch φλεγυρός 'brennend' (Hp., Cratin., Ar. - vgl. jedoch unten Anm. 17). Da bei diesen jeweils schon im Wortstamm ein λ vorkommt, kann hier -υρός aus -υλός dissimiliert sein: vgl. M. Leumann, Glotta 32 (1953) 223 Anm. 2 ( = Kl. Sehr. 249 Anm. 1). Seit Epicharm 150 ist καπυρός 'getrocknet, spröde' bezeugt, das man zu hom. από ... καπνασαι 'aushauchen' (X 467), καπνός 'Rauch' stellen wird. Poetisch ist offenbar άήσυρος (mit diesem Akzent!) 'leicht wie Luft' (Aesch. Pr. 452 und hell. Dichter) zu άήτη nach πνοιή λιγυρή und ähnlichen Wendungen, nach H. Frisk, Gr. etym. Wb. I 26 allerdings alt. Einige wenige kommen bei Aristoteles und in der hellenistischen Zeit dazu, etwa fünf sind nur aus Hesych bekannt. Soviel ich sehe, ist kein einziges dieser Adjektive so, daß man es als Vorbild für das postulierte * ζέφυρος in Anspruch nehmen könnte. 18 Über die aind. Bildungen auf -um-, -ulà-, -uri-, -idi- vgl. J. Wackernagel/A. Debrunner, Aind. Gramm. II 2, 486ff. - Das alte Erbwort έκυρός 'Vater des Mannes' (*swékuros) hat natürlich mit den Adjektiven auf -νρός nichts zu tun. " Vgl. auch H. Frisk, Or. etym. Wb. I 856.

[212]

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Zephyros

IV Nun gibt es bei Homer außer ζέφυρος auch das Substantiv άργυρος 'Silber', das bereits im Mykenischen ( P Y Sa 287) bezeugt ist und aucli später ganz geläufig ist. Andere indogermanische Sprachen haben verwandte Wörter, ζ. B . lat. argentimi,

aind. rajatd-,

avest. drazata-. Von diesen weicht aber das griechische

Wort gerade durch das Suffix ab 15 . Gut bezeugt ist auch eine Wurzel arg- (idg. 92erg-) mit der Bedeutung 'weißglänzend', auch 'schnell'. Von ihr werden gebildet: 1. Adjektive auf -ró- (*92rg-ró),

erhalten in aind. rjrd-

'weissglänzend' und

gr. άργός (aus *άργρός dissimiliert) 'glänzend, schnell', ζ. Β . κύνες πόδας άργοί εποντο Σ 578, β 11, vgl. W. Schulze, K l . Sehr. 124f. 2. Stamm auf -i- {*d¿rgi-) in heth. harki-

'weiß, hell', als Vorderglied bei Kom-

posita in aind. rji-svan-

Eigenname (eigentlich 'mit einem hellen oder schnellen

Hund'), hom. άργίποδα:

κύνας Ω 211, άργιόδοντ-, Beiwort von Hunden Λ 292,

von Ebern / 539, & 60, άργικεραυνος, Beiwort von Zeus Τ 121, Y16, Χ 178, vgl. W. Schulze 1. c. 3. Neutrum auf -es- (*a2érges-

> árges-),

wovon hom. άργεστής, Beiwort des

νότος (s. oben I), und άργεννός, Beiwort von Schafen Γ 198, Ζ 424, ρ 472, von Stoffen Γ 141, abgeleitet sind und das im Kompositum εναργής 'sichtbar' (von Göttern und Träumen) Y 131, γ 420, δ 841 u. a. steckt. Dieses Nebeneinander von *άργρός - άργί-ποδ—

*αργεσ—

(έν)-αργής ist aber

ein typisches Beispiel für das System der sogenannten Calandschen Suffixe, vgl. Verf., Hom. Wortbildung 60ff. In diesem System kommen nun in genau gleicher Funktion wie die Adjektive auf -ρός auch solche auf -ύς vor. So finden wir parallel zur Reihe κνδρός - (κνδιστος) - κυδι-άνειρα - κϋδος - έρι-κυδής eine solche wie ϋρασνς (ρα < r) - Θερσί-λοχος,, &ερσι-επής (Ba. 13, 199) - &άρσος, älter und äol. ϋέρσος - Πολυ-ϋέρσης.

Bei verschiedenen Wurzeln kommen daher mit gleicher

Bedeutung sowohl Adjektive auf -(ε)ρός als auch auf -ύς vor. So hat Homer ζ. B . κρατερός und κρατύς neben ion. κρέσσων άργός)

ein Adjektiv *άργύς durchaus legitim.

Erhalten ist es in verschiedenen Ableitungen, nämlich in lat. arguere, aind.

drjuna-

'weiß, strahlend' und in hom. αργυφος (Beiwort von Schafen Ω 621, κ 85) mit άργύφεος (Beiwort zu φάρος ε 230 = κ 543, zu σπέος Σ 50), dessen Bildung allerdings unklar ist. Dann ist άργυρος offenbar nichts anderes als eine Kombination der beiden Adjektive άργ(ρ)ός und *άργύς. Wir erwarten aber am ehesten wieder ein Adjektiv mit Endbetonung, also * άργυρος 'weiß glänzend', dazu als Substantivierung mit Zurückziehung des Akzentes άργυρος 'das weißglänzende Metall' 18 . Messapisch argorian u. ä. ist doch wohl am ehesten Lehnwort aus dem Griechischen. So auch W. Schulze, Kl. Sehr. 124. - Auch λιγνρός kann in ähnlicher Weise als Variation zu λιγνς erklärt werden. 15 15

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Der dazu entgegengesetzte Begriff 'dunkel' wird bei Homer durch das Adjektiv δνοφερός (zu νδωρ 115 = Π 4, zu ννξ ν 269, o 50) und das Kompositum ίο-δνεφής 'dunkel wie Veilchen' (δ 135, t 426 Ιοδνεφες είρος έχουσα bzw. εχοντες) ausgedrückt. Als Substantiv würde m a n *δνέφος (oder *δνέφας, vgl. κνέφας mit ähnlicher Bedeutung) erwarten. Die Reihe entspricht also κυδρός - έρικυδής - κϋδος oder θαλερός 'blühend' - έρι&ηλής - ϋάλος. Der Vokal o in δνοφερός könnte, allerdings n u r auf Umwegen, als alter Ablaut erklärt werden. Viel eher liegt hier eine Beeinflussung durch das in F o r m und Bedeutung ähnliche W o r t ζόφος 'Dunkel, speziell vom Sonnenuntergang und von der Unterwelt' vor (s. oben I I I ) . D a ß sich die beiden Wörter später gegenseitig beeinflußt haben, ist evident. Einerseits gibt es seit Hesiod das Adjektiv ζοφερός (s. oben I I I ) und anderseits seit Simonides ein Substantiv δνόφος (κυανέωι δνόφωι 543, 12 P., dazu δνόφεόν τε κάλυμμα Ba. 16, 32, vgl. Aesch. Ch. 52 Lyr.). Vgl. auch H . Frisk, Gr. etym. AVb. I 403. D a m i t ist die Bildung von *ζεφνρός 'dunkel' als Gegensatz zu *άργνρός 'hell' neben εναργής usw. gegeben. Freilich wird uns ein Zwischenglied verloren gegangen sein, am ehesten entweder *δνεφυρός (neben Ιοδνεφής wie *άργυρός neben εναργής) oder *ζέφος, *-ζεφής (nach *δνέφος, ίοδνεφής). Da ζόφος speziell das Dunkel des Sonnenunterganges bezeichnete, ist auch bei *ζεφυρός diese besondere Beziehung vielleicht alt. Substantiviert entstand ζέφυρος 'der dunkle (oder westliche) Wind'. Die pylischen Frauen ze-pu2-ra3 ζεφυραι sind also zunächst nur die 'dunkeln', wobei wir offen lassen können, aus welchem Grunde sie so heißen. Denkbar, aber keineswegs besonders wahrscheinlich oder gar notwendig ist, daß damit doch die 'westlichen' gemeint sind 17 .

17

Zur Gruppe der Adjektive auf -νρός mit der Bedeutung 'hell' oder 'dunkel' gehört wohl noch ein weiteres Beispiel. Neben λαμπρό; wird *λαμπυρός durch λαμπνρίς 'Glühwürmchen' (seit Arist.) - wenigstens virtuell - vorausgesetzt. Auch ψ/.εγνρός ist vielleicht hierher zu stellen. Etwas abweichend darüber M. Leumann, Glotta 32 (1953) 223 Anni. 2 ( = Kl. Sehr. 249 Anm. 1).

ούκ άΟεεί Museum Helveticum 29 (1972), p. 65 - 73 Im 18. Gesang der Odyssee spricht der Freier Eurymachos folgende Worte über Odysseus : a 353

ονκ ά&εεί δδ' άνήρ Όδνσήϊον ές δόμον ϊκει. Ιμπης μοι δοκέει δαΐδων σέλας Ιμμεναι αντοϋ και κεφαλής, έπεί οϋ ο'ι évi τρίχες ονδ' ήβαιαί. 4καί codd., κάκ edd.)

Dieses Adverb (ονκ) ά&εεί begegnet uns an dieser einen Homerstelle und taucht erst wieder bei Autoren der Kaiserzeit auf. Die Bedeutung ist offenbar '(nicht) ohne einen Gott', d. h. '(nicht) ohne göttliche Begleitung' - tatsächlich ist ja Athene dabei - oder, was letztlich aufs Gleiche herauskommt, '(nicht) ohne göttlichen Beistand, (nicht) ohne Zutun eines Gottes' (so D. Matthes im L F E s. v.). Dass dieses Wort als Hohn gemeint ist, betont H. Humbach in seinem Aufsatz «ουκ ά&εεί bei Homer» 1 . Dort zeigt er auch, dass dieser, Homer keineswegs fremde Gedanke sonst anders ausgedrückt wird, nämlich ονκ ... ανεν&ε &εον (E 185), ov τοι άνεν &εον (β 372 u. a.). Der Bildung nach gehört ά&εεί irgendwie als Adverb zu α&εος, das aber erst vom 5. Jahrhundert an bezeugt ist, und zwar 'ohne Gott' d. h. 'von Gott verlassen' (ζ. B. Soph. OT 661), meist aber 'keinen Gott (keine Götter) anerkennend' (ζ. B. Pi. P. 4, 162, Plat. Αρ. 26c usw.). Unter den vergleichbaren anderen Bildungen kommt bei Homer άοπονδεί (bzw. -t, s. unten) weitaus am nächsten, das in einer Formel dreimal in der Ilias bezeugt ist: Θ 512 μη μάν άσπονδεί γε νεών έπιβαϊεν ëκηλoι Ο 476 μή μάν άσπονδεί γε δαμασσάμενοί περ ελοιεν Χ 304 μη μάν άσπονδεί γε και άκλειώς άπολοίμην, also 'nicht ohne grosse Anstrengung, ohne heftigen Kampf'. Dem Sinn nach nicht sehr verschieden ist blosses σπονδήι (9mal bei Homer, E 893 und γ 297 nach der Penthemimeres-Zäsur, an allen andern Stellen am Versanfang), ζ. B. Ν 687 γ 297 1

σπονδήι έπαΐσσοντα ("Εκτορα) νεών εχον, ονδε δνναντο al μεν άρ' εν&' ήλ&ον, σπονδήι δ' ήλνξαν δλε&ρον.

Corolla linguistica, Festschr. F. Sommer (Wiesbaden 1955) 92-96.

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'Ohne Anstrengung' heisst άτερ σπουδής in φ 409

ώς αρ' άτερ σπουδής τάννσεν μέγα τόξον 'Οδυσσεύς.

Ein Adjektiv ασπουδος kennt Homer nicht, und aus klassischer Zeit ist es nur aus Eupolis bekannt : fr. 234 άσπονδος δ' άνήρ σπουδαρχίδου (?) κακίων. Bei Bekk. An. 453,21, wo dieses Fragment überliefert ist, wird es mit ο μή σπουδαίος erklärt : die Bedeutung passt also jedenfalls nicht zum Adverb άσπουδεί (-/), das laut Angaben in Liddell-Scott erst wieder bei Autoren des 2. Jahrh. n. Chr. auftaucht. Was man bei Homer noch weiter heranziehen kann, sind einerseits die der Bedeutung nach mit άσπουδεί eng verwandten Adverbien auf -τεί oder -τί mit privativem ά(ν)- im Vorderglied 2 , nämlich άνιδρωτεί (O 228), άναιμωτεί (Ρ 363. 497, σ 149, ω 532) und άνουτητεί (Χ 371), welche mit Ausnahme von ω 532 (!) ebenfalls nur negiert verwendet werden, ζ. B. O Ρ Ρ σ Χ

228 363 497 149 371

χείρας εμάς, επεί ου κεν άνιδρωτεί γε τελέσ&η καΐ Δαναών · ούδ' οΐ γάρ άναιμωτεί γε μάχοντο νήπιοι, ούδ' αρ' ίμελλον άναιμωτεί γε νέεσϋαι ου γάρ άναιμωτεί γε διακρινέεσϋαι όιω "Εκτορος · ούδ' άρα οϊ τις άνουτητεί γε παρέστη.

Dazu kommen άμαχητί und άμογητί in Φ 437

(Poseidon zu Apollon) ... το μεν αϊσχιον, αϊ κ' άμαχητί ιομεν Οϋλυμπόνδε Διός ποτι χαλκοβατες δώ und Λ 637 ... Νέστωρ δ' δ γέρων άμογητί άειρεν (vgl. φ 409, s. oben). In der Bedeutung abweichend ist άνωϊστεί 'unvermutet' in δ 92

λά&ρηι, άνωϊστεί, δόλωι ούλομένης άλόχοιο.

Die Quantität der Endsilbe ist überall ausser bei άμαχητί, das am Versende steht, und άμογητί, bei dem Hiatkürzung vorliegen kann, als Länge gesichert. Mit Ausnahme von άναιμωτεί kommen diese Adverbien bei Homer nur je einmal vor. Einige haben Adjektive auf -τος neben sich. So steht mit gleicher Bedeutung und an gleicher Versstelle wie άνωϊστεί in Φ 39 das als Adverb gebrauchte Neutrum άνώϊστον, neben άνουτητεί - in etwas abweichender Form - άνοντατος (Δ 540). Neben άμαχητί hat Homer μ 119 ούδε μαχητόν (Versende, von der Charybdis), während in klassischer Zeit mehrfach άμάχητος bezeugt ist; άνίδρωτος kennt ζ. B. auch Xen. Cyr. 2,1, 29. Ein άμόγητος kommt dagegen, soviel ich sehe, nur 2

Diese Adverbien behandelt Françoise Bader ausführlich in ihrem Aufsatz : Neutres grecs en -ti: abaolutifs et privatifs verbaux, Bull. Soc. Ling. 65 (1970) 85-136 (reiches Material, aber in der Auswertung nicht restlos überzeugend).

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ούκ άβεεί

im späten Ares-Hymnus (Η. Horn. 8, 3) und *άναίμωτος überhaupt nicht vor, ein Verb αίμόω kennt nur Hesych. Da der Typus der mit á- zusammengesetzten Verbaladjektive auf -τος seit alters lebendig ist, ist es doch sehr auffällig, dass Adverbien und Adjektive hier nicht besser zusammengehen. Auf der andern Seite finden wir einige mit einem andern Vorderglied als ά(ν)zusammengesetzte Adverbien auf -ει (-i), nämlich τριστοιχεί 'in drei Reihen', Κ 471 473

ol ò' ένδον καμάτωι άδηκότες, εντεα δε σφιν καλά παρ' αντοϊσι χ&ονϊ κέκλιτο εδ κατά κόσμον τριστοιχεί· παρά δέ σφιν εκάστωι δίζνγες ίπποι,

μεταστοιχεί 'in einer Reihe nebeneinander ?)', Ψ 358 ( = 757) στάν δε μεταστοιχεί, σήμηνε δε τέρματ'

Άχιλλεύς,

und αντονυχεί 'in derselben Nacht', Θ 197

αντοννχεί νηών επιβησέμεν ώκειάων.

Neben τριστοιχεί, das an gleicher Versstelle auch Hes. Th. 727 vorkommt, findet sich μ 91 τρίστοιχοι οδόντες 'Zähne in drei Reihen' (Beschreibung der Skylla). Mit αντοννχεί lassen sich einerseits die Adjektive πάνννχος (neben -ιος) und ενννχος Λ 716 (neben -ιος), anderseits das adverbiell gebrauchte Neutrum αντόετες γ 322 (Versanfang) vergleichen. Zu beachten ist noch, dass die Dolonie ein völlig singuläres nicht zusammengesetztes Adverb auf -τεί (-τί) bietet, das evident vom Perfekt ¿γρήγορα aus gebildet ist 3 : Κ 181

ονδε μεν εϋδοντας φνλάκων ηγήτορας εύρον, άλλ' εγρηγορτει συν τεύχεσιν ήατο πάντες.

Nach Homer finden wir bei allen diesen Typen verschiedene weitere Bildungen, so vom Typus άσπονδεί: άμαχεί (Thuc., Xen. u. a., άμαχος seit Hdt., Pind. und Aesch.), άμωλεί 'ohne Durchführung eines Prozesses' (Collitz-Bechtel 4992a Col. IV 5 = M. Guarducci, Inscr. Cret. IV p. 174, n. 75 D 5, Gortyn, gegen Mitte 5. Jahrhundert), άσνλεί 'sicher vor Beschlagnahme' (vgl. ασϋλος), άσπονδεί 'ohne besonderen Vertragsabschluss' (beides Inschr. seit 5. Jahrhundert) u. a. m., vorwiegend also juristische Termini. Zum Typus άνιδρωτεί gehören ζ. Β. άπονητεί (Hdt. u.a.), άστενακτεί (z.B. Ar. Eccl. 464) u. a., dann vor allem der Fachausdruck aus der Sprache des Wettkampfes άκονϊτεί '(Sieg) ohne den Staub des Sportplatzes zu berühren' (s. unten). Zu αντοννχεί passt gelegentliches ανΰημερεί (neben normalem αυθημερόν Aesch., Thuc. u. a., αντημερόν Hdt.) 4 , ferner αντοβοεί ' Vgl. F. Bader a. 0. 89 und 92; - über die Adverbien auf -στί (mit kurzem i) 8. S. 68f. 4 Von den verschiedenen andern Formen, welche die Dialekte bieten (s. Liddell-Scott s. v.), ist αύταμεριν aus Gortyn (Collitz-Bechtel 4999 II 12 = M. Guarducci, Inscr. Cret. IV, p. 99, n. 42 Β 13) besonders auffallend, vgl. Schwyzer, Gr. Gr. I 631, Buck, Greek Dialects p. 105; vgl. auch Anm. 13.

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'sofort beim ersten Ruf' (Thuc.) u. ä. Ausserdem sind die Adverbien mit πανzu nennen wie πανδημεί (seit Aesch. und Hdt.), s. S. 71. Die Überlieferung der Handschriften schwankt zwischen -et und -t, wobei letzteres ausser in den Fällen, da ein Vokal unmittelbar vorangeht (ά&εεί, αντοβοεί u. ä.), im Ganzen überwiegt 5 . Dazu stimmen die Angaben der antiken Grammatiker, welche sich mit dieser Frage auseinandersetzen. In den Inschriften herrscht aber, jedenfalls in älterer Zeit, -tí vor. Doch zeigen sich spätestens seit Ende des 5. Jahrhunderts auch Schreibungen mit -t. So wird derselbe Sportsieg des Thasiers Theugenes (um 480) auf den allerdings aus späterer Zeit stammenden Inschriften an den verschiedenen Orten verschieden geschrieben: in Olympia im dorischen (oder elischen?) Dialekt [Πν&οι π]ύξ άκονιτεί (Syll.3 36 Β, der Schrift nach Ende 5. Jahrhundert?), in Delphi aber im ionischen oder attischen Dialekt Πν&οΐ πύξ άκονιτί (Syll.3 36 A, ca. 370/65)®. Alter ist eine in Olympia gefundene Weihinschrift auf einer Hantel mit einer eigenartigen offenbar lakonischen Form des Adverbs : Άκματίδας Λακεδαιμόνιος νικδν άνέϋ-εκε τα πέντε άσσκονικτεί (SEG X I 1227), also mit einem sog. 'mobilen' σ im Anlaut des Wortes für 'Staub' (vgl. ngr. ή σκόνη 'Staub, Pulver') und mit einer in den dorischen Dialekten weit verbreiteten gutturalen Stammbildung der Verben auf -ίζω : Aor. *κονίξαι usw. zu κονίζω {-εσ&αι Hesych) statt κονίω. In ähnlicher Weise wird die in Proxenie-Urkunden häufige Formel meist άσυλεί και άσπονδεί, so attisch aus der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts (IG I 2 58, 14 und 133, 9) und ionisch aus Erythrai um 357/55 (Syll.3 168, 8f. = Schwyzer, Dial. 703,8f.) u. a. m., in Rhodos αανλϊ κάί άσπονδί geschrieben (Syll. 3 110, 40, um 410)7. Dazu kommt metrisch gesichertes kurzes -l in άμισ&ί bei Archilochos fr. 41 Β ( = 47 D) αμισ&ί γάρ σε πάμπαν ού διάξομεν, während eine Inschrift aus Eleutherna (Kreta) aus dem 5. Jahrhundert άμισάεί hat (Collitz-Bechtel 4957 a 5 = M. Guarducci, Inscr. Cret. I I p. 150, η. X I I 9, 5)8'. Wir haben also ein Schwanken einerseits im Schriftbild zwischen -et und -t und anderseits in der Prosodie zwischen Länge (in der Uberlieferung -et oder -t) und Kürze (-ι, gelegentlich -ε«!). Das alles deutet darauf hin, dass verschiedene Bildungen sich gegenseitig beeinflusst haben, und zwar offenbar die zusammengesetzten Adverbien auf -et vom Typus ά&εεί/άσπονδεί und πανδημεί, vermutlich auch vom Typus άνιδρωτεί einerseits und die nicht zusammengesetzten Adverbien auf -ιστί, -αστί neben Verben auf -ίζω, -άζω. Bei diesen steht nämlich die Kürze seit Homer fest und ist die Schreibung -t inschriftlich gut gesichert 9 . Bei Homer ist 5

Vgl. F. Bader a. O. 93ff. Vgl. Dittenberger zur Stelle; die neuere Lit. s. SEG XVIII 168. 7 Vgl. Meisterhans-Schwyzer, Gram/m. d. ait. Insc.hr. 147 m. Anm. 1266. Auffallend ist άσνλέ και άσπονδέ Syll.» 219, 15f. (Olbia, 4. Jahrhundert). 9 Spätere Belege für metrisch gesichertes kurzes t bei F. Bader a. O. 87. 93ff. 9 Anders F. Bader a. O. 94ff., auch Schwyzer, Or. Or. I 623. Doch ist die Annahme, dass neben -(τ)εΙ und -τι auch -xt alt ist und dann als alter Instr. zu einem i-Stamm erklärt β

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ούκ άΰεεί

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dieser Typus freilich nur durch μελεϊστί 'gliederweise', wohl zu *μελεΐζω (im Sinne von nachklass. μελίζω, vgl. hom. κτερείζω κτερέϊξα und κτέρισα) vertreten : ι 291

τους δε δια μελεϊστί ταμών δπλίσσατο δόρπον (ähnlich Ω 409 und σ 339)10.

Später ist vor allem όνομαστί 'unter Nennung des Namens' wichtig, metrisch gesichert bei Kritias 4, 3 D (2, 3 B), inschriftlich ζ. B. IG I 2 57, 44 (att., 2. Hälfte 5. Jahrhundert), in der Form όνυμαστί S E G I X 72,115 (Kyrene, Ende 4. Jahrhundert) usw.11, dem sich in hellenistischer Zeit πατριστί oder πατριαστί, vereinzelt πατροφιστί SEG X X I I I 178, 6 (Kleonai, nach der Mitte des 3. Jahrhunderts), anschliessend Besonders produktiv werden aber die Adverbien vom Typus δωριστί 'auf dorische Weise, in dorischem Dialekt', ελληνιστί 'auf griechisch' usw., dessen frühster Vertreter, soviel ich sehe, μηιονιστί bei Hipponax 4 D (1 B) ist: Έρμη κννάγχα, μηιονιστί Κανδαϋλα. Solche Adverbien auf -ιστί, -αστί scheinen vor allem ausserhalb der Dichtung und höheren Literatur beliebt gewesen zu sein. Wie sie ursprünglich zu erklären sind, kann hier offen bleiben. Eine Beeinflussung der Adverbien auf -εί und besonders jener auf -τεί (vgl. άβοάτί mit kurzem ι Pi. Ν. 8, 9 usw.), lag jedenfalls nahe. Ich vermute, dass eine frühe Einbruchsteile άμυστί (πιεϊν) 'in einem Zuge (austrinken)' war, dessen eigentliche Bedeutung 'ohne die Augen oder die Lippen zu schliessen (μυώ)' kaum mehr empfunden wurde. In den uns erhaltenen Texten ist das Adverb freilich nur schlecht bezeugt: vor allem etwa Pherekrates 202 (aus Suda) und Anacreont. 8, 2. Doch ist es offenbar schon früh zu einem Substantiv umgebildet worden : άμνστιν προπιείν Anacr. 356 a, 2 Ρ u. ä., dazu αμνστις -ιδος seit Alkaios (58, 20 LP) 13 . Wenn beim Typus άστιονδεί das kurze ι zuerst bei άμισ&ί (Archil.) erscheint, dann vermutlich gerade deswegen, weil hier der Anklang an -ιστί besonders gross ist14. Dieses durch alte Inschriften, ζ. T. aber auch durch die Überlieferung gewerden müsste, m. E. vom Griechischen her unnötig, ganz abgesehen davon, dass es höchst zweifelhaft ist, ob wir in einer Vorstufe des Griechischen überhaupt mit solchen Instrumentalen rechnen dürfen. Vgl. auch Anm. 20. "Ausserdem μεγαλωστί in μέγας μεγαλωστί 77 776 ( ~ co 40), Σ 26, das als μεγάλως + enklit. τι erklärt wird, ζ. B. Schwyzer, Gr. Gr. I 624. Doch hat es zum mindesten den Akzent von Adverbien auf -στί. Seit dem 5. Jahrhundert ist νεωστί belegt. 11 Jünger ist ονομαστεί ζ. Β. in Ilion Syll.» 355,18 (um 300) und OGI 218, 27 (3. Jahrhundert). 12 Also zu einem Adverb (urspr. Instr.-Abl.) *ττατροφι, das auch in böot. έπιπατρόφιον (Schwyzer, Dial. 462 A 28, Tanagra 3. Jahrhundert) enthalten ist, s. Anna Morpurgo Davies, Glotta 47 (1969) 49f. 18 Der Wechsel άμυστί (πιεϊν) und άμνστιν (πιεϊν) erinnert (nur zufällig?) an den von att. αύ&ημερεί und kret. αύταμεριν (s. Anm. 4). Doch entziehen sich solche ausgesprochen v.nliterarieche Wörter oft einer genauen Analyse. 14 Diese Annahme scheint mir einfacher als die verbreitete Ansicht, dass hier ein zum Adverb erstarrtes Neutrum eines mit i erweiterten Kompositums vom Typus άναλκις, lat. imberbis zu barba usw. vorliegt, so Schwyzer, Gr. Gr. 1 6 2 3 m. Anm. 2 (Lit.), F. Bader a. O. 85 Anm. 2.

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sicherte -et ist nun offenbar nichts anderes als die erstarrte Lokativform auf *-ei zu o-stämmigen Adjektiven, welche sich dialektisch etwa in Adverbien wie τείδε 'hier' u. ä. erhalten hat, s. Schwyzer, Gr. Gr. I 549. Bei αντοννχεί ist ein Lokativ in temporaler Funktion ohne weiteres gegeben. Bei den andern Beispielen ist die Bedeutung eher komitativ (negiertes 'mit' = 'ohne'). Genau die gleichen Bildungen, sogar mit demselben Akzent, wie άϋεεί, άσπονδεί15, sind aber, wie H. Humbach im oben genannten Aufsatz gezeigt hat (s. Anm. 1), auch im Altindischen und im Avestischen bezeugt. Aus dem Rigveda nennt er u. a. askambhané RY 10, 149, 1 (e η, des formes telles que lXea>s(< ΐληος) et 77·όλ€ω?(< πόληος) apparurent en ionieh-attique. Quoique la voyelle de la finale devienne longue, l'accent reste sur l'antépénultième. Par analogie, cet accent fut reporté aussi à d'autres forhies du paradigme qui, originairement, avaient une finale longue, p.ex. gén. plur. πόλεων, gén. et dat. sing. îAeo), "Áetüí, etc. Dans une mesure très restreinte, cette accentuation influença aussi quelques autres mots : ύψίκερων κ 158, άκυρων Pl. Pit. 265 b, bvaepœç chez des poètes alexandrins (Call. Epigr. 41, 6 Pf., Théocr. 1, 85) 6 . Il faut cependant retenir que de telles déviations de la règle générale sont assez rares 7 . Quant aux autres dialectes, nous ne sommes que très peu orientés. La loi de limitation semble en principe être valable pour tous les dialectes. Pour le dorien, les grammairiens anciens donnent différentes déviations de l'accent usuel, d'une part pour certains mots (p.ex.yAauf ) et d'autre part pour des formes flexionnelles (p.ex. άγγελοι, γυναίκες) Ils pensaient sans doute à la poésie chorale dorienne et il est à supposer que leurs observations étaient exactes. Il est cependant douteux que les règles générales tirées des formes observées soient correctes. Les accents que nous trouvons dans les papyrus ne prouvent ces règles qu'en partie. Ainsi, on accentuait γεράιτάτοι (Alcmane, Parthéneion), èpoyXe6 7

Les autres classiques n'ont que des formes comme δυσ«ρωteç, etc. Ce qui est plus fréquent, ce sont les déplacements de l'accent sans que les règles

générales ne soient altérées, p. ex.έρημος > ίμημος (loi de Vendryes).

[475]

Remarques sur l'accent du grec ancien

191

mais la loi σωτήρα est en général respectée, p.ex. (vis-à-vis φερόισαις), άισα, αμιν etc., mais ε8ειξαν, ειμεν OU ημεν. Il est plus commode de supposer que les terminaisons -ai et -01 du nom. ρΙυΓ.,-ον, -αν, -εν de la 3e plur. et -εν, -μεν de l'infinitif sont considérées comme longues. Toutefois bien des questions restent dans l'obscurité 8 . Mais il y a une chose certaine, c'est que la loi de limitation existait aussi en dorien. φάροι,

μήσάμενοι,,

ενθοισα

Le seul dialecte dont nous savons que le système de l'accentuation dévie considérablement du grec commun, c'est le lesbien (éolien chez les grammairiens). Là aussi nous avons la loi de limitation. On notera que la voyelle longue de la finale a la valeur de deux syllabes et que la loi σωτήρα est valable. Mais, et c'est là une innovation importante, l'accent n'est plus libre, mais doit être reculé aussi loin que possible de la finale, p. ex.0O/xos·, αγαθός et Zevς (au lieu de Ζευς). Donc, comme en latin, l'accent dépend uniquement de la forme du mot. Des oppositions telles que τόμος-τομός, Γλανκος-γλαυκός sont exclues. Comme nous le montre le gén. plur. en -αν σα, ττ: «la nouvelle sifflante sourde, forte»), ebenso δι und γι zu d' > ζ («la nouvelle sifflante sonore, forte»)11. Die andern Übereinstimmungen, die ich noch nennen möchte, sind die, daß die Konjunktion «wenn» ion.-att. und ark. el sonst od heißt (Nr. 5)12, daß sowohl ion.-att. als auch ark. die Modalpartikel äv, äol. (ohne böot., aber auch kypr.) χε, κ' und dor.-nordwestgriech. und böot. κα (nach Ausweis metrisch gesicherter Stellen κά) κ' lautet (Nr. 6), daß die Temporaladverbien ion.-att. und ark.-kypr. auf -τε ausgehen (δτε, πότε usw.), während das Lesb. -τα (ora usw.) und das Dor.-Nordwestgriech. (einschließlich Böot.) -κα (δκα usw.) haben (Nr. 7) und, endlich, daß das Verbum «wollen» ion.-att. und ark.-kypr. im Stamm den Vokal o (βούλομαι, βόλομαι) gegenüber dem e der andern Dialekte zeigt (dor. δηλομαι, δείλομαι, böot. βείλομη, thess. βέλλομαι ; im Anlaut stand ursprünglich gV- [Nr. 8]). Relativ alt, aber vermutlich doch jünger als die meisten bisher besprochenen Erscheinungen ist noch die Vereinfachung der intervokalischen Konsonantengruppen σν, αμ, (alt) va, μα usw. (Typus *σελασνά, εσμι, εφανσα, εδεμσα), auf die wir bereits oben S. 64 hingewiesen haben: im Thess. und Lesb. (gelegentlich auch im Ark.) Doppelkonsonanz (σελάννα, εμμι usw.), während sonst Schwund des σ mit Ersatzdehnung des vorangehenden Vokals gilt (σελάνά, ήμί j είμί uaw. [Nr. 9])13. 10 Über dieses Zeichen '17' s. zuletzt H. Mühlestein, Olympia in Pylos (Basel Selbstverlag 1954) 11. A. Furumarks Deutung ta3 (ke-re-ta3 = Κρήτται [sic!]) ist in dieser Form unannehmbar, aber im Kern wohl richtig: Eranos 51 (1953) 112 und 52 (1954) 23. Unwahrscheinlich L. R. Palmer, Gnomon 1954, 67 (la) und P. Meriggi, Glotta 34 (1954) 16 (zi?). 11 Im Gegensatz zu rt blieb auch δι im Ion.-Ark. erhalten. Der ganze hier etwas vereinfacht dargestellte Sachverhalt steht am klarsten bei M. Lejeune, Traiti de phonétique grecque 87 ff., ausführlich bei E . Schwyzer, Or. Gr. I 317 ff. Meine Erklärung ist am nächsten der von H. Pedersen, Άντίδωρον J . Wackernagel 114f. 12 Kypern hat e, d. h. wohl f¡ (oder ή), und diese Konjunktion finden wir auch in Kreta (Gortyn) und Heraklea, wo sie allerdings im Gegensatz zu al temporale (urspr. lokale) Bedeutung hat: Bechtel, Die griech. Dial. I I 413. 761, Thumb-Kieckers I 2 101. 169. Ich sehe keinen zwingenden Grund, att. iäv auf ή äv zurückzuführen (so nach Frühern E . Schwyzer, Or. Or. II 685, Anm. 1, F. R. Adrados, La dialectología griega 32 und W. Porzig, I F 61 (1954), 156), s. M. Lejeune, Traité de phonétique grecque 295. 13 Vereinzelt kommt auch Schwund des a ohne Ersatzdehnung vor, z. B. hom. έμεναι (s. Schwyzer, Or. Or. I 283).

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Die Gliederung der griechischen Dialekte in neuer Sicht

213

Gegenüber diesen alten, d. h. noch aus dem 2. Jahrtausend stammenden Dialektmerkmalen gibt es nun eine ganze Reihe anderer, welche sicher jünger sind. Ich nenne hier erstens einmal die Behandlung des auslautenden -νς und des intervokalischen, nachträglich aus älterm -ντσ- (oder ähnlichem) entstandenen -va-, ζ. Β. acc. pl. τόνς τάνς, πάνσα, Part, vom Typus φέρονσα (*παντια *φεροντια), 3. pl. φέρονσι (*-οντή usw. Verschiedene Dialekte haben hier das ν wenigstens im Inlaut noch in historischer Zeit erhalten, nämlich Ostthess., Ark., Argos, Kreta. Bei den meisten ist es unter Ersatzdehnung geschwunden (τώς/τούς usw. πάσα, φερωσαΙ-ουσα usw.), während an mindestens drei verschiedenen Stellen, nämlich Lesbos mit Nordionien, Elis und Kyrene diphthongische Formen erscheinen, ζ. B. lesb. τοις ταίς, παϊσα, φέροισι usw. Daß es sich hier um einen jungen Lautwandel handelt, ergibt sich einmal aus der relativen Chronologie: πάνσα selbst geht ja auf noch älteres *παντια, ark. φέρονσι auf φέροντι zurück (s. oben), und ion.-att. πάσα ist jünger als der Wandel ä > η (s. S. 64). Dann spricht auch die geographische Verteilung, bei der einerseits engverwandte Dialekte verschiedene Wege gehen (ζ. B. Thera - Kyrene), anderseits aber sonst getrennte Nachbarn übereinstimmen (Lesbos - Nordionien), eindeutig dafür, daß es sich hier um eine junge Erscheinung handelt. Und endlich weisen selbst die literarischen Quellen in dieser Richtung, da ausgerechnet dieser Äolismus bei Homer vollständig fehlt (Nr. 14)14. Jung sind aber auch die normalen Vokalkontraktionen, da unkontrahierte Formen nicht nur bei Homer, sondern auch sonst noch aus historischer Zeit zahlreich belegt sind und da gerade auf diesem Gebiet zwischen sonst so nahen Dialekten wie dem Ionischen und dem Attischen die größten Unterschiede bestehen (ion. γένεος, γένευς - att. γένους). Auch muß, wie wir bereits gesehen haben, im Ion.-Att. die Kontraktion von αε zu ä (νίκαε > νικά) jünger sein als der Wandel von ä zu η (Nr. 15). Hier wäre auch etwa noch der Schwund des Digammas zu nennen, da selbst diejenigen Dialekte, welche diesen Laut in historischer Zeit nicht mehr kennen, eindeutige Indizien dafür bieten, daß er nicht viel früher noch vorhanden war, ζ. B. ion. (teilweise) καλός

».o pq

ι> o¿ οι o FH >—< r-H Cd

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Die Gliederung der griechischen Dialekte in neuer Sicht

221

sondern man wird jetzt die Verbindung eher - soweit es sich nicht um einfache Archaismen handelt - übers Altionische suchen müssen. Das 2. Beispiel betrifft die Dorer. Man nimmt gerne an, daß sie bis gegen Ende des 2. Jahrtausends im illyrischen Gebiet gesessen haben und erst dann nach Griechenland und zu den übrigen Griechen gestoßen sind. Beim dorischen Dialekt selbst spricht eigentlich nichts für diese These: das Dorische war um 1200 den andern für uns faßbaren Dialekten anscheinend noch so ähnlich, daß es kaum vorstellbar wäre, daß es sich fast ein Jahrtausend lang unabhängig von den andern griechischen Dialekten sollte entwickelt haben26. So sehen wir, daß die Probleme, die sich hier stellen, weit über den Rahmen und die Interessen der eigentlichen Dialektologie hinausreichen.

26 Mit dieser Feststellung ist natürlich nichts gegen die Möglichkeit, illyrische Lehnwörter in verschiedenen dorischen Dialekten nachweisen zu können, gesagt. Siehe verschiedene Aufsätze von H. Krähe, besonders etwa : Die Vorgeschichte des Griechentums nach dem, Zeugnis der Sprache. Die Antike 1939, 175-194, und Die Indogermanisierung Griechenlands und Italiens (Heidelberg 1949).

Das Attische im Rahmen der griechischen Dialekte* Museum Helveticum 21,1 (1964), p. 1 - 1 4

I F ü r unser E m p f i n d e n - und die gebildeten R ö m e r empfanden nicht viel anders - ist Griechisch und Attisch nahezu identisch. Viel zu leicht vergessen wir dabei, daß das Attische zunächst und noch längere Z e i t nur ein D i a l e k t neben vielen andenin war, bevor es nach und nach die Geltung als allgemeine Hochsprache erlangte. W i r sind daher nur zu leicht geneigt,die andern Dialekte v o m Standpunkt der attischen N o r m aus zu sehen, was aber der sprachlichen R e a l i t ä t keineswegs gerecht wird. So wollen wir heute umgekehrt das Attische als D i a l e k t v o n den andern lier betrachten, es also in den R a h m e n der griechischen D i a l e k t e stellen und untersuchen, wie es sich innerhalb dieses Rahmens entwickelt hat. A l s allgemein bekannt darf man voraussetzen, daß das Attische am nächsten m i t dem Ionischen v e r w a n d t ist, so daß man heute v o n einer relativ einheitlichen ionisch-attischen Gruppe spricht. Man könnte das Attische geradezu als Festlandionisch bezeichnen und hätte dabei das Zeugnis Solons als Stütze, der A t t i k a als ältestes L a n d Ioniens betrachtet, πρεσβντάτην...

γαϊαν Ίαονίας

(fr. 4 Diehl). Man

kann auch beifügen, daß an der einzigen Stelle, w o bei H o m e r v o n den Ioniern (Ίάονες)

die R e d e ist (/V C85), d a m i t o f f e n b a r die A t h e n e r gemeint sind. V o n den

verschiedenen gemeinsamen Merkmalen des Ionisch-Attischen 1 ist das markanteste ohne Z w e i f e l der W a n d e l v o n altem (d. h. ererbtem oder i m 2. Jahrtausend entstandenem) ü zu η, ζ. Β. μΰτηρ

> μήτηρ,

σελάνά >

σελήνη

usw. W i c h t i g sind

auch die erweiterten F o r m e n beim Plural des Personalpronomens, ζ . B . ion. ϋμέας ( > att. νμάς) gegenüber ϋμέ (äol. νμμε)

der andern Dialekte, dann bei der 3. Pers.

Plur. die sekundäre athematische Endung -σαν, ζ. Β . εβησαν, έγνωσαν

gegenüber

εβαν, εγνον, außerdem noch etwa die allgemeine Durchführung der zweisilbigen F o r m e n bei den Präpositionen ανά, κατά, apokopierten F o r m e n äv ( δ ν ) , κάτ,

παρά u. a. gegenüber den sogenannten

πάρ, wie wir sie o f t in den andern Dialekten

treffen, die Präposition πρόζ gegenüber πός, ποτί,

προτί/πορτί,

noi der andern, die

K o n j u n k t i o n εάν (bzw. kontrahiert ην, äv) und manches andere. I n den meisten Fällen handelt es sich dabei offensichtlich um Neuerungen, welche dieser ionisch-

* Umgearbeitete Wiedergabe eines im Dezember 1962 in Erlangen gehaltenen Vortrages. 1 Vgl. E. Sehwyzer, Gr. Gr. I 85ff. ; C. D. Buck, The Greek Dialects 141f. (und Chart I ) , A.Thumb-A. Scherer, Handbuch der griech. Dialekte I I 2 194 ff. ; L. R. Palmer, The language of Homer (in: A companion to Homer ed. bv A. J. B. Wace and F. H. Stubbings, London 1962) 85.

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Das Attische im Rahmen der griechischen Dialekte

223

attischen Gruppe, und nur dieser, gemeinsam sind, während sie allen ¡indem Dialekten fehlen2. Versuchen wir nun aber das Ionisch-Attische in einen weitern Rahmen zu stellen, so sind ohne Zweifel am auffälligsten die verschiedenen Übereinstimmungen, die es mit dem Arkadischen im Zentrum der Peloponnes, in etwas geringerem Maße auch mit dem Kyprischen teilt 3 : es sind das vor allem die atheniatisehen Infinitive auf -έναι oder -ναι (ζ. Β. levai) gegenüber solchen auf -μεναι im Lesbischen und auf -μεν bei den andern, also ζ. Β. '¿μεναι bzw. ϊμεν, die Temporaladverbien auf -τ ε (ζ. Β. τότε usw.) gegenüber solchen auf -τα im Lesbischen (tot«) und -κα im Dorischen und sogenannten Nordwestgriechischen (τόκα), dann auch das einfache σ in μέσος, τόσος ( δίδωσι. Dem Ionisch-Attischen und dem Arkadischen gemeinsam sind ferner die Modalpartikel äv (sonst κε oder κα) und die Konjunktion ει (sonst ai). Da das Ionisch-Attische, das Arkadische und das Kyprische im 1. Jahrtausend keinen engern Kontakt miteinander hatten, müssen diese Übereinstimmungen in eine Zeit zurückgehen, da sie räumlich noch nicht getrennt waren, also in die Zeit vor der sogenannten dorischen Wanderung. Heute wissen wir, daß auch das Mykemsche des 2. Jahrtausends in eben diesen dialektischen Rahmen hineingehört, den man mit W. Porzig als ostgriechisch oder nach meinem Vorschlag als südgriechisch bezeichnen kann. Dieser umfaßt also das Mykenische und von den Dialekten des 1. Jahrtausends das Arkadisch-Kyprische (das Kyprische allerdings nur mit Vorbehalt4) und das Ionisch-Attische5. Mit dieser Feststellung ist auch gesagt, daß sich das Attische gegenüber seinen Nachbarn auf dem Festlande, also gegenüber dem Böotischen und dem dorischen Dialekt von Megara, sehr deutlich abhebt. Wir haben hier eine Dialektgrenze von seltener Schärfe, was vor allem bei Megara sehr auffällt, da bekanntlich diese Stadt einen regen Marktverkehr mit dem rund 40 km entfernten Athen pflegte. Immerhin läßt, wie wir noch sehen werden, auch diese Grenze sprachliche Übergänge zu. Innerhalb des Ionisch-Attischen zeigt das Attische verschiedene charakteristische Züge6. Besonders bekannt sind seine auffälligen lautlichen Merkmale, vor 2 Auch der durchgehende Gebrauch der zweisilbigen Präpositionen auf -α darf gesamthaft schwerlich als eine Altertümlichkeit betrachtet werden. 3 Vgl. C. D. Buck a. O. und Thumb-Scherer a. O. (s. Note 1); ausführlicher W. Porzig, I F 61 (1954) 156ff. und E. Risch, Mus. Helv. 12 (1955) 61ff., bes. 70. 4 Das Kyprische, dessen genauere Erforschung erst durch die seit kurzem vorliegende Ausgabe der Inschriften von O. Masson (Les inscriptions chypriotes syllabiques. Recueil critique et commenté, Paris 1961) möglich geworden ist, hat evident gemeinsame Züge mit dem Arkadischen, vgl. C. D. Buck, Greek Dialects 144, Thumb-Scherer, Handbuch llOf. Es weicht aber in einigen Punkten auffallend davon ab, z. B. e (ή) statt fi, κε statt äv. 6 Vgl. aus letzter Zeit J. Chadwick, The prehistory of the Greek language (in: The Cambridge Ancient History I I ch. 39 [1963]) 9 u. 15f. - Abweichende Auffassung etwa bei V. Pisani, Storia della lingua greca (in: Enciclopedia Classica 5 [1959] 14f£.) und L. R. Palmer, The language of Homer 86ff. (s. Note 1). β Vgl. die in Note 1 genannten Werke.

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Museum Helveticum 21,1 (1964)

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allein, duß hinter ι, ε und ρ langes ä und nicht η erscheint, ζ. Β. νεάνίάς, χώρα, nicht, wie im eigentlichen Ionischen νεηνίης, χώρη7, dann τ τ gegenüber σσ (ψνλάττω - (Ar. Lys. 81 u. a.) επακδ, επακόω oder επακοε «Zeugen» (Schwyzer, Dial. 52), arkadisch τώ Δίδυμο), τοις Λιδύμοιυν, κράναινν (ebd. 664, 4. Jhdt. aus Orchomenos) u . a . (vgl. Thumb-Seherer, Handbuch 128), eleiseh κελοίσταν (d.h. -οΰην) rö καταστατο (Schwyzer, Dial. 418) u. a. 11 Einziger sicherer Rest bei den Lyrikern ist äμφοιν (Alk. Q 1, 6 Page). 12 Zum Beispiel im großen Gesetz von Gortyn δύο ΰτατεοανς (II 12), αντί μαιτνρδτ δνδν (I 40), εν τοίς η. Neuerdings setzt sich L. R. PALMER, Interpretation 64, mit m. E. wenig beweiskräftigen Argumenten für eine viel frühere Ansetzung dieses Lautwandels ein. (10) Vgl. M. LEJEUNE, Traité 17 und 110 ff., E. RISCH, « Mus. Helv. » 12 (1955) 68. (") Vgl. M. SCHELLER, «Festschrift A. Debrunner» 403 Fussn. 14.

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Il problema dell'unità linguistica greca

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lehnung aus dem Ionischen oder Attischen: δημόσιος zu δημότης). Gerade die eindeutigste Gruppe, nämlich das Ionisch-Attische, verliert nun weitaus das meiste von ihrer Eigenart, wenn wir sie ins 2. Jahrtausend zurücktransponieren (12). Es fragt sich sogar, ob überhaupt auch nur ein Merkmal ein solches Alter beanspruchen darf. Am ehsten kommt m.E. noch -σαν in der 3. Pers. Plur., z.B. εβησαν gegenüber εβαν, und der Nom. und Akk. der Pronomina ημείς ύμεΐς und ήμέας άμέας (att. ημάς υμάς) statt άμές όμές und άμε ύμέ dafür in Betracht ("). Damit wird es aber höchst zweifelhaft, ob wir überhaupt berechtigt sind, in der mykenischen Zeit mit einer besonderen ionischen Gruppe zu rechnen. Natürlich ist es auch denkbar, dass alte Merkmale völlig verblasst sind und uns nur noch die jüngern fassbar sind. Doch wäre das im Einzelfall erst zu beweisen und darf nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Ich möchte auch beifügen, dass der Name ΊάΡονες als solcher noch nichts beweist (14), weil wir über seinen frühern Bedeutungsumfang nichts wissen und nur sagen können, dass er sich später inhaltlich verengert hat, da in klassischer Zeit die Athener sich nicht mehr als Ionier betrachteten. Genau so wenig dürfen wir aus der Tatsache, das z.B. Caesar einen wichtigen Teil der Germanen Suébï nennt, den Schluss ziehen, dass es damals bereits einen besondern schwäbischen Dialekt gab! Einigermassen greifbar ist für die Zeit vor der dorischen Wanderung im Grunde nur ein Dialekt oder eine Dialektgruppe mit dem charakteristichen Lautwandel τι > at, also δίδωτι > δίδωσι, und andere, denen dieser Wandel fremd war. Zu δίδωσι passt τόσος μέσος < * τοτ]'ος * μεθ-joç gegenüber τόσσος μέσσος (1!) Dazu gehört auch der Wandel / « / zu / « / , der übrigens nicht einmal allgemeinionisch zu sein scheint, und der Schwund des Digammas. (") L. R. P A L M E R , Interpretation 61 f. nennt die Präpositionen ¡χίτά und προς gegenüber ark.-kypr. u.a. ireíá und ark.-kypr. wo'?, sonst meistens ποτί, selten πιοτί πορτί. In beiden Fällen scheint es sich aber um nachträgliche und nicht leicht datierbare Auswahl aus je zwei Möglichkeiten zu handeln (« elección » im Sinne von F. ADRADOS, La dialectología griega como fuente para el estudio de las migraciones indoeuropeas en Grecia), zumal da das Mykenische meta und peda mit getrennter Bedeutung hat und wir einen dem Nebeneinander von ion.- att. προς und ark.-kypr. πός parallelen Wechsel χροτί (πορτί)/ποτί im Dorischen und bei Homer finden (vergleichbar auch im Arischen ai .prati - aw., ap. pati-). Über ρα/α? gegen po'op unten S. 106. (") Vgl. W. BRANDENSTEIN, Bemerkungen zur Völkertafel der Genesis, « Festschrift A. Debrunner» 6 5 ff., dazu V. P I S A N I , Storia 2 6 Fussn. 1, F. CASSOLA, La Ionia nel mondo miceneo, 265 ff. Der Personenname (?) Ijawone (Dat. ?) in Knossos X 146 gibt nichts aus.

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(bezw. deren Vorstufe), d.h. abweichende Behandlung gegenüber gleicher Behandlung wie bei *xpexjcov * φυλάγω, vermutlich auch der Inf. ίέναι usw. (bezw. dessen Vorstufe) gegenüber sonstigem ι μεν oder ίμενα ι usw., das Temporaladverb οτε (myk. ote) gegenüber lesb. δτα und sonstigem δκα, eventuell noch einiges andere. Es sind das die wichtigsten gemeinsamen Merkmale des Ionisch-Attischen und des Arkadisch-Kyprischen, von denen jedenfalls das erste und das letzte im Mykenischen bezeugt sind (,s). Ausserhalb dieser Gruppe, die man in Süden lokalisieren darf, wird jedoch eine Differenzierung schon viel schwieriger. Das liegt vor allem an der Unsicherheit, wie man sich die offensichtlich in die Zeit vor der Ausbreitung des Dorischen zurückgehende äolische Gruppe, deren einzelne Zweige später ausserordentlich grosse Unterschiede zeigen, ursprünglich vorstellen muss. Da in historischer Zeit das Lesbische in wichtigen Punkten mit dem Ionischen (z.B. πλάσιον, ion.-att. πλησίον) und das Thessalische (und erst recht das Böotische) mit dem Nordwestgriechischen übereinstimmen (z.B. πλάτίος), ist es klar, dass hier Einflüsse von Nachbardialekten im Spiele sind. Die Frage ist nur, ob das Thessalische, genauer das Ostthessalische, oder das Lesbische das Altäolische besser bewahrt haben. Verschiedene Indizien, z.B. die homerischen Formen mit τι (z.B. βωτιάνειρα, προτι/ποτί)^ϊε man doch wohl als Äolismus erklären wird, und das τι von thess. κατίγνειτος (lesb. κασίγνητος), das schwerlich aus dem Dorischen oder Nordwestgriechischen entlehnt sein kann, da das Wort dort unbekannt ist, sprechen m.E. eindeutig zu Gunsten der Annahme, dass das Lesbische verschiedene Merkmale vom benachbarten Ionischen übernommen hat und sich damit bedeutend vom äolischen Typus antfernt hat ("). Wenn das aber der Fall ist, dürfte es nicht ganz leicht sein, wesentliche Unterschiede zwischen dem Dorischen und dem Äolischen bereits für diese frühe Zeit nachzuweisen oder wenigsten wahrscheinlich zu machen. Natürlich müssen wir aber mit der MögC5) Für diese Auffassung W. PORZIG und E. RISCH in der Fussn. 8 genannten Lit., dazu E. RISCH, La position du dialecte mycénien (« Études mycéniennes », 167 ff.), zuletzt J. CHADWICK, The prehistory of the Greek language (The Cambridge Ancient History II, ch. XXXIX), 8 ff., bes. 15 f. Vom archäologisch-historischen Standpunkt lehnt auch F. CASSOLA, La Ionia nel mondo miceneo (Napoli 1957) eine Unterscheidung von Ioniern und Mykenern im 2. Jährt, ab. Ähnlich V. PISANI, Storia 26 (« gli Ioni e i Micenei, strettamente connessi fra loro »). Ablehnend L. R. PALMER, Interpretation 60 ff. (mit Lit. S. 6 4 / 6 5 Fussn. 1). (") Vgl. auch W. PORZIG, « I F » 61 (1954), 153 f.

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lichkeit rechnen, dass verschiedene damals ausgeprägte Dialekte später — jedenfalls für uns — völlig verschwunden sind. Es ist also relativ leicht, die in klassischer und hellenisticher Zeit gesprochenen (und geschriebenen) Dialekte einigermassen sinnvoll zu gruppieren. Dagegen sind unsere Möglichkeiten, uns ein Bild von der Situation im 2. Jahrtausend zu machen, doch sehr beschränkt. Noch viel schwieriger dürfte es sein, noch weiter zurückzugehen, d.h. entscheiden zu wollen, welche später wirksamen Dialektunterschiede die einwandernden Indogermanen, deren Sprache sich später zur griechischen entwickeln sollte, bereits mitgebracht haben. Praktisch kommt das auf die Frage heraus, ob die griechischen Dialekte im Prinzip schon vor der Einwanderung da waren oder erst in Griechenland selbst enstanden sind. Ein sicher altes Merkmal, der Wandel von τι > σι, wird mit ähnlichen Erscheinungen im Hethitischen verglichen (zB. wekzi « er wünscht » < *wekti), die übrigens ebenfalls nicht allgemein anatolisch, sondern im wesentlichen aufs eigentliche Hethitisch beschränkt sind ("). Sofern man es nicht vorzieht, beides als unabhängige, phonetisch keinesweg ungewöhnliche Veränderungen aufzufassen, liegt es wohl am nächsten, an beiden Stellen an Wirkung eines verwandten Substrates zu denken. Da, wie das Mykenische zeigt, auch tk zu σι assibiliert wurde (z.B. έπι-κο,ούσιος zu κόρυς -υθος), während δι blieb, ist dieser Lautwandel jünger als der allgemeingriechische Wandel der stimmhaften Aspiraten (z.B. idg. dh) zu stimmlosen (z.B. th) ("). Schon aus diesem Grunde scheint es mir ratsam, die Assibilation von τι, th zu σι auf griechischen Boden zu verlegen. Ausdruck der gleichen assibilierenden Tendenz ist vermutlich auch der Wandel von * τοτ]ος > τόσος und μεθ-joç > μέσος. Das Alter der verschiedenen Infinitivbildungen — -(Ρ)έναι, -vat gegenüber -μεν oder - μεναι — ist schwer abzuschätzen, zumal da uns die mykenischen Texte in dieser Frage im Stich lassen ("). Sicher ist nur, dass Infinitive als solche nicht aus der indogermanischen Grundsprache ererbt sind. So sehe ich vorläufig kein einziges ( " ) V. PISANI, Die ägäische Linear Β Schrift und die griech. Dialekte (« Rh. Mus. » NF 98, 1955), 11 ff. und Storia 25 ff. ( " ) M . VENTRIS and J . CHADWICK, Documents

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und 3 7 4 , E .

RISCH, « M u s .

Helv. » 14 (1957), 71 mit Fussn. 23, zuletzt L. R. PALMER, Interpretation 42. (") L. R. PALMERS Deutung von to-me P Y Ep 617 als einen athematischen Infinitiv (Interpretation 63 und 206) scheint mir zum allermindesten ganz unsicher.

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Dialektmerkmal, das mit einiger Sicherheit in die Zeit vor der Einwanderung zurückgeführt werden müsste (M). Wenn wir in diesen Fragen nicht überhaupt resignieren wollen, dann werden wir m.E. neue Gesichtspunkte in den Vordergrund rücken müssen. Ein solcher ist zunächst die Frage, ob wir innerhalb des Griechischen eine konvergierende oder eine divergierende Entwicklung anzunehmen haben. Ganz sicher ist, dass in historischer Zeit die Entwicklung im Ganzen im Sinne einer Vereinheitlichung geht: die Dialekte werden einander ähnlicher, eine allgemeine Sprache breitet sich sowohl in den einzelnen Gebieten (z.B. dorische Koine) als auch im gesamten Raum (attische Koine oder Koine schlechthin) aus, und im Laufe der römischen Zeit verschwinden alle alten Dialekte zum mindesten aus dem schriftlichen Gebrauch. Wenn wir diese Entwicklungslinien rückwärts verlängern, kommen wir zur Annahme, dass ursprünglich die Unterchiede noch viel grösser gewesen seien und sich die verschiedenen Dialekte sukzessive angeglichen hätten. Man darf aber nicht vergessen, dass sogar während der hellenistischen und römischen Zeit, da die ganze Entwicklung auf weitgehende Vereinheitlichung in allen Lebensbereichen ausgerichtet war, trotzdem auch divergierende Tendenzen fassbar sind. Es ist sicher nicht zufällig, dass sie besonders deutlich im Lakonischen sind, z.B. älteres vtxàhctç « νικάσας), aber junglakonisch νικάα,ο. Ebenso lässt sich innerhalb des Lakonischen die Entwicklung χΗός > σιός > σίόρ verfolgen. Der in die klassische Zeit fallende böotische Lautwandel der Vokale, z.B. κ«ί >κή, ανέβηκε >άνέτ)·εαε, λέγε'.> λέγϊ, τοίς>τϋς usw., führt zunächst zu einer sehr markanten Differenzierung gegenüber den andern Dialekten, die erst viel später in dem Masse beseitigt wird, als sich diese Aussprache auch in andern Gegenden ausbreitet. Sogar innerhalb der Koine führt der Wandel η zu /¿/ zu einer Differenzierung, indem verschiedene Gebiete die alte Aussprache beibehalten und diese heute noch im Pontischen weiterlebt (z.B. νύφε < νύμφη). Und allgemein bekannt und anerkannt ist, dass die neugriechischen Dialekte jedenfalls zum grössten Teil ( :o ) Mit dieser Feststellung ist natürlich die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass verschiedenartige indogermanische Dialektgruppen in Griechenland einwanderten. Doch sieht es vielmehr so aus, als ob die andern höchstens in Lehnwörtern fassbare Spuren hinterlassen haben.

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aus nachträglicher Differenzierung innerhalb der Koine entstanden sind. Vollends ist es evident, dass unmittelbar vor der eigentlichen historischen Zeit Veränderungen stattgefunden haben, deren Wirkung differenzierend war. Hier ist vor allem der ionische (ionisch-attische) Lautwandel ά > η , auch /«/ > /«/ und dei Schwund des Digammas zu nennen. Divergierend wirkten sich die Kontraktionen und Ersatzdehnungen aus: statt eines einheitlichen ältern κόρFä. « Mädchen » hatte man in klassischer Zeit die Vielfalt κόρΡα κούρα κόρα κούρη κόρη, aus * Ρέτεΐιος « des Jahres » entstand Ρέτεος Ρέτιος ετεος ετευς έτους usw. Vergleiche ferner statt ursprünglichem tovç das spätere Nebeneinander von τόνς τοίς τούς τώς ~ίζ u.a.m. Endlich weisen die dialektischen Unterschiede in den geographischen und Götternamen auf eine divergierende Entwicklung: äol. Βελφοί — sonst Δελφοί, thess. Πετθ-αλός — böot. Φετταλός — att. Βετταλός — sonst Θεσσαλός, dor.-nordwestgr."Αρταμις - t r o c — sonst "Αρτεμις - ιδος oder - ιτος usw. (!1). Neben den konvergierenden sind also die divergierenden Tendenzen deutlich, und man kann sagen, dass zu gewissen Zeiten — und in gewissen Gegenden — die eine, zu andern Zeiten — und in andern Gegenden — die andere wirksamer ist, was weitgehend durch aussersprachliche Faktoren, d.h. die allgemeine politische und kulturelle Situation, bedingt ist. Jedenfalls dürfen wir von hier aus niemals a priori annehmen, dass die Unterschiede zwischen den griechischen Dialekten im 2. Jahrtausend grösser als etwa im 1. Jahrtausend waren. Wichtig ist aber, dass die griechischen Dialekte, ganz gleich, wie ähnlich oder wie unähnlich sie jeweils waren, immer Neuerungen gemeinsam durchgeführt haben, sich also weitgehend gemeinsam oder wenigstens parallel entwickelt haben. Von den vielen Beispielen, die man hier nennen kann, erwähne ich nur einige wenige. Die Ausbildung des bestimmten Artikels, der dem Mykenischen und im gewissen Sinn auch der epischen Sprache noch fremd ist, fällt in die ersten Jahrunderte des letzten vorchristlichen Jahrtausends. Diese bedeutsame, vermutlich vom Ionischen ausgehende Neuerung wird nun auch von so entlegenen Dialekten wie dem Kyprischen und — allerdings nur zurückhal( 21 ) Über die Labiovelare vgl. Fussnote 24, über "A;Ttu.i;/"AsTaut; s. unten, S. 106.

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tend — dem Pamphy li sehen angenommen. Ins 2. Jahrtausend gehen die' Anfänge der Modalpartikel zurück, die in historischer Zeit trotz der je nach Dialektgruppe verschiedenen Form (ark., ion.-att. α ν — thess., lesb., kypr. κ ε — sonst κα) überall funktionell einheitlich verwendet wurde und der griechischen Syntax ein charakteristisches Gepräge gab. Äusserst wichtige gemeinsame Neuerungen zeigt das Verbum, z.B. die Umbildung des idg. j-Aoristes zum griechischen σα-Aorist, für den das Mykenische bereits einige Proben (δέξατο, δάσατο) bietet, und die Entwicklung eines passiven Aorists auf -θ·ην. Auch das einfache griechische Kasussystem, das im My kenischen noch nicht fertig vorliegt, ist allen griechischen Dialekten des 1. Jahrtausends trotz formellen Differenzen im Einzelnen als Ganzes gemeinsam. Neben solchen Neuerungen, welche für die griechische Sprachstruktur wesentlich sind, gibt es noch zahlreiche andere. Sehr viele betreifen natürlich den Wortschatz. Ins Gebiet der Wortbildung gehört neben manchem andern die Entwicklung der Verben auf - ίζο) und - άζω, ferner die Entstehung und Ausbreitung der Nomina agentis auf -"äc (-της), die in historischer Zeit den ältern Typus auf - τήρ fast vollständig verdrängen (zB. διχαοτάς, bezw. - ~r¡c statt δικαστήρ) u.a.m. Bezeichnend ist nun, dass sehr oft trotz genereller Übereinstimmung die einzelnen Formen je nach Dialekt verschieden aussehen, z.B. die Pluralformen des Artikels allgemein ot at, in den meisten dorischen Dialekten aber zei ταί, die verschiedenen Formen der funktionell gleichen Modalpartikel (s. oben), die abweichende Tempusbildung der Verben auf - ίζω und - άζω (Aoriste auf - taa, - aoa oder auf - ιξα,-αξα) u.a.m. Die konsequente Durchführung der Formen - t£a, - αξα ist eine dorische Neuerung, deren Ausdehnung sich erstaunlich gut mit dem Bereich des peloponnesischen Bundes deckt, so dass man den Eindruck nicht los wird, dass sich hier ein bewusster politischer und kultureller Sonderwille äussert ("). Wenn wir das so richtig deuten, heisst das, dass hier und in andern Fällen neben der Bereitschaft, allgemeine Neuerungen anzunehmen, doch zugleich ein Widerstand gegen eine Gleichmacherei und der Wille, seine Eigenart zu betonen, zum Ausdruck kommt. So manifestiert sich darin aufs schönste eine Vielfalt in der Einheit. Π

Vgl. E. Risch, « M u s . Helv. » 12 (1955), 73 mit Fussn. 22 (Lit.).

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Nicht selten sind die Fälle, dass eine Neuerung zwar von den meisten, aber doch nicht von allen Dialekten übernommen wird. Z. B. lautet das im Mykenischen noch unbekannte (oder wenigstens nicht belegte) Wort für « und » sonst überall, selbst im Pampylischen καί — einzig in Mantinea und in Kypern heisst es statt dessen κάς. Da man nicht sagen kann, dass der Dialekt von Mantinea besonders eng zum Kyprischen gehört, wird man annehmen dürfen, dass κάς früher einmal auch im Arkadischen, eventuell auch sonst weiter verbreitet war und dann von v.at verdrängt wurde. Eine andere Neuerung ist -ται in der 3. Pers. des Mediums, welche die ältere im Mykenischen bezeugte Form - τοι überall ausser dem Arkadischen und dem Kyprischen verdrängt hat ("). Wenn auch allen griechischen Dialekten des 1. Jahrtausends die Beseitigung der Labiovelare gemeinsam ist, so sind sie doch im einzelnen bei der Stellung vor palatalem Vokal verschieden verfahren (M). Normalerweise erscheint hier que- (z.B. im Anlaut des Zahlwortes « 4 ») als '£-. Einzig im Äolischen haben wir πε- (böot., thess. χέτταρες, lesb. πέσυρες u.ä.) und im Arkadischen vereinzelt τζε- (zu τζετρακάτιαι der Xuthiasbronze und siç, oséoi u.ä. aus Mantinea kommt jetzt aus Nordarkadien oÇtç, SEG XI 1112 = C.D. Buck nr. 16), während die Zeugnisse aus dem Kyprischen widerspruchsvoll scheinen (einerseits σις, anderseits πείσει). Ein Wort, das fast das ganze griechische Sprachgebiet erobert hat, obwohl es bestenfalls nur dort bodenständig sein kann, wo der stimmhafte Labiovelar vor ε ein δ ergibt, ist άδελφεός, att. αδελφός mit dem entsprechenden Femininum. Nur im Norden und im äussersten Osten ist das offenbar ältere Wort thess. κατίγνειτος, lesb., kypr. κα^ίγνητο; lebendig geblieben. Bei diesen Beispielen fällt auf, wie die relikthaften Formen am ehsten in bestimmten Dialekten, vorzugs(") Dass - -roi die ältere Endung darstellt, wie M. S. RUIPÉREZ, « Emérita » 20 (1952), 8 fi. bereits vor dem Bekanntwerden des Mykenischen wahrscheinlich gemacht hat, ist heute ziemlich allgemein anerkannt, vgl. z.B. P. CHANTRAINE, Morphologie historique du grec* 293 f., (A. THUMB-) Α. SCHERER, Handbuch II, 110; zurückhaltend L. HEILMANN, Grammatica storica della lingua greca 250, eher ablehnend L. R. PALMER, Interpretation 62 f. Zu beachten ist, dass nun auch fürs Kyprische - -οι gesichert ist: ke-i-to-i, nicht ke-i-tu-i, O. MASSON, Les inscriptions chypriotes syllabizes nr. 11 ( = SCHWYZER, Dial. nr. 683, 6), unsicher, aber sprachhistorisch erwartet 1. Pers. ke-i-ma-i O. MASSON n. 213a. (") Über die Behandlung der Labiovelare in den verschiedenen Dialekten s. M. LEJEUNE, Traité de phonétique grecque 1 36 ff., über die Verhältnisse im Mykenischen ders., Mémoires de philologie mycénienne, 283 ff.

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weise im Kyprischen, im Arkadischen und im Thessalischen, anzutreffen sind. Damit kommen wir auf eine Erscheinung, welche aus der modernen Dialektologie gut bekannt ist, nämlich die Unterscheidung von neuerungsfreudigen und konservativen Dialekten, wobei man sich freilich bewusst sein muss, dass auch neuerungsfreudige Dialekte Altertümliches bieten können und umgekehrt. Bekannt ist der im allgemeinen konservative Charakter der marginalen, d.h. am Rande befindlichen Dialekte. Ihnen gleichgestellt sind überhaupt schwerer zugängliche und damit vom Verkehr abgelegenere Gebiete. Im griechischen Bereich gehören dazu also vor allem Ost-Thessalien, Arkadien und Kypern, im schwächern Masse Lesbos mit Umgebung, ferner auch (in älterer Zeit) Attika und innerhalb des dorischen Gebietes vor allem Argos und Kreta ("). Was man als gemeinsame Merkmale des Arkadisch-Kyprischen und des Äolischen anführt, lässt sich also meistens als (teilweise) bewahrte Altertümlichkeit deuten. Auf der andern Seite gibt es also Dialekte, welche den Neuerungen im Ganzen zugänglich sind und solche teils allein, teils gemeinsam mit andern durchführen. Dazu gehört im allgemeinen das Ionische, dessen charakteristische Neuerungen z.T. bereits genannt worden sind. Andere Neuerungen hat es, was uns zunächst überrascht, mit dem Dorischen gemeinsam. Von den eben genannten gehören dazu vor allem τε- aus que- und άδελφεός, auch — mit weiterer Ausdehnung — die 3. Pers. Medium -tat und wohl auch vm. Das evidenteste Beispiel ist wohl die Präposition « in » auf die Frage « wohin? ». In den meisten Gegenden des Mutterlandes gilt wie in Kypern έν, bezw. iv mit Akk., also genau so wie z.B. im Lateinischen oder im Deutschen. Nur ( a ) Dazu zähle ich ausser dem oben erwähnten κατίγνειτο; - κασίγττ.τ:; (ostthess., lesb., kypr. — Homer) und den noch gleich zur Sprache kommenden op/po gegenüber si ist: z.B. δίδωσι gegenüber SiSom „er gibt" der anderen Dialekte oder 3. Pers. Plur. auf -ονσι, -ουσι gegenüber sonstigem 9

) I.e. 88; ebenso L. Heilmann, Grammatica storica della lingua greca, 1963, 48, mit ausdrücklichem Hinweis auf M. Lejeune und E. Schwyzer, Gr. Gr. I 320f. 10 ) Vgl. R. Thurneysen, IF 39, 1921, 190ff. und H. Pedersen, Antidoron J. Wackernagel, 1923, 114ff.

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Kratylos 11 (1966)

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-οντι11). Wie das Mykenische, welches ebenfalls zu dieser Gruppe gehört, zeigt, wurde auch thi in gleicher Weise zu si assibiliert, z.B. epikorusijo(s) aus έπί und κόρυς, -υθος. Im späteren Griechisch sind davon nur ganz spärliche Reste erhalten, z.B. attisch Προβαλίσιος zu Προβάλινθος. Dagegen bleibt δι in allen Dialekten intakt. Es liegt wohl am nächsten, den Wandel von *totios > τόσος und *methios > μέσος in denselben Rahmen wie die Assibilation von ti und thi zu si zu stellen. In der südgriechischen Dialektgruppe wurden also schon früh — noch vor der 2. Hälfte des 2. Jahrtausends — die stimmlosen dentalen Verschlußlaute (τ und θ·) vor vokalischem und konsonantischem i assibiliert. Andere Dialekte wurden davon nicht betroffen. Im übrigen blieb das Jot zunächst überall, auch in den assibilierenden Dialekten erhalten, also das anlautende und intervokalische i, ferner in Verbindungen wie ki, gi, di, ri usw. Das Mykenische läßt diesen älteren Zustand wenigstens andeutungsweise noch einigermaßen erkennen. Wie die Assibilation vor vokalischem i aus morphologischen Gründen unterblieb, z.B. im Dat. Sing, der Dentalstämme, so war sie auch nicht wirksam, wenn zwischen Dental und i eine Morphemgrenze (und vielleicht damit auch eine Silbengrenze) lag: also in Fällen wie *έρέτιω, *μλιτιω, *κορυθιω, *κρετιω(ν), *Κρητια12). Da das i in anderen Verbindungen noch vorkam, war auch hier eine morphologisch deutliche Aussprache τι bzw. ih nicht allzu schwierig. Vergleichbar ist etwa, daß ku in *ek'uos „Pferd" als Labiovelar behandelt wird (allerdings gemildert) : myk. iqo, später ίππος, während bei einer Morphemgrenze im Mykenischen regelmäßig kw geschrieben wird: z.B. tetukowoha, d . h . τετυχ,Ρόά (Part. Perf. Akt. ntr.), odakuweta oder odakeweta, Neutrum Plur. eines Adjektivs auf -Γεντ- zu einem Gutturalstamm 13 ). Erst in einer späteren Phase wurde i als Phonem beseitigt, und zwar in allen Dialekten. Dabei wurden die Verbindungen Guttural + i und Dental + i (soweit noch oder wieder vorhanden) jedenfalls im Endeffekt gleich behandelt. Sie ergaben nämlich stimmlos σσ, bzw. ττ u. ä., stimmhaft ζ (in einigen Dialekten SS). Zunächst entstanden aber offenbar palatalisierte Konsonanten. Die z. T. recht unübersichtlichen Verhältnisse in einzelnen n ) Die lesbische Assibilation (z.B. -οισι < -ονσι) erklärt sich als Einfluß des Ionischen, s. W. Porzig, IF 61, 1954, 154f. ia ) Die meisten dieser Beispiele werden erst nachdem die Assibilation wirksam gewesen war, gebildet worden sein. Alt sieht vor allem *μλιτιω ( > att. βλίττω) aus, das im Grunde ein Paradigma μέλι, *μλιτ-ός (•βλιτός) voraussetzt. DaJ3 μέλισσα, -ττα auf *μελιτια zurückgeht, scheint mir nicht erwiesen, vielmehr ziehe ich E. Schwyzers, von ihm selbst freilich wieder aufgegebene Deutung (haplologisch gekürzt aus *μελι-λιχ-ια „Honigleckerin" wie ai. madhu-lih- „Honiglecker, d. h. Biene", Glotta 6, 84ff." dagegen Gr. Gr. I 320) vor, vgl. H. Frisk, Gr. etym. Wb. II 201. 13 ) Vgl. M. Lejeune, Mémoires de philologie mycénienne, 1958, 287—289.

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Historisch-vergleichende Sprachbetrachtung und Dialektgeographie

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Dialekten (vor allem in Zentralkreta) und die Diskrepanz zwischen so ähnlichen Dialekten wie Ionisch und Attisch machen es wahrscheinlich, daß dieser einfache Endzustand erst auf Umwegen und erst spät erreicht worden ist. Wir haben also :

1. Phase (1. Hälfte 2. Jährt.?)

2. Phase (2. Hälfte 2. Jährt.?)

südliche Gruppe (Myk., Ion.-Att., Ark., Kypr.)

übrige Dialekte (Äol., Dor., NW-Griech.)

Assibilation : τι, θι > σι τΐ, θϊ > σ(ί) sonstiges i erhalten erhalten od. wiederhergestellt auch in μλιτιω u. ä.

keine Assibilation i erhalten

allgemein i beseitigt (Palatalisation) : vorhandene τϊ, θί, κί, χί > σσ, bzw. ττ u. ä. Si, γΐ > ζ, bzw. δδ

Das zweite Beispiel, das ich nennen möchte, ist das Problem der Form der Zahlwörter für 20 und die Hunderter von 200 an. Die einen Dialekte, nämlich Ionisch-Attisch und Lesbisch, haben είκοσι (hom. έείκοσι, d. h. *ifíxοσι), διακόσιοι usw., also Formen mit οσι, bei „20" außerdem prothetischen Vokal, die anderen, nämlich Dorisch-NW-Griechisch mit Böotisch und Thessalisch f ίκατι, διακάτιοι usw., also Formen mit ατι, ohne prothetischen Vokal. Zwischenstufen sind auffallend selten. Vor allem fehlt sowohl *(έ).Ρΐκοτι, als auch *(l)fϊκασι ; immerhin > hat das Arkadische τριακάσιοι, aber είκοσι14). Bevor wir auf diese eigenartigen Formen und ihre ebenso eigenartige Verteilung näher eingehen, müssen wir festhalten, daß sich die Zahlwörter grundsätzlich in einer besonderen Situation befinden. Während alles andere beim natürlichen Lernen einer Sprache in Sätzen oder satzartigen Äußerungen (also „paroles") aufgenommen wird, müssen die Zahlen — wie die Namen der Wochentage und Monate — als Zählreihen und damit als Paradigma bewußt auswendig gelernt werden. Da das natürliche Zahlempfinden nicht über 5 oder 6 hinausgeht, können sie nämlich nur so aufgenommen werden. Einmal eingeprägt, wird eine Zählreihe oft selbst bei einem Dialekt- oder Sprachwechsel unverändert beibehalten. Damit erklärt sich, daß die Zahlwörter im ganzen ein sehr beharrliches Sprachelement darstellen. Andererseits aber sind die Zahlen häufig der Beeinflussung durch die unmittelbar vorangehenden und folgenden Zahlen ausgesetzt, und außerdem können feste Reihen, welche bewußt gelernt werden, viel leichter 14

) Herakleia hat neben Flu ατι auch fείκ ατι, das sich im Vokal an είκοσι anlehnt und vielleicht nur graphisch zu verstehen ist (ει = î?).

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Kratylos 11 (1966)

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von auswärts übernommen werden. Lautgesetzlich entwickelte Formen sind bei ihnen daher mit z.T. grotesk umgestalteten oder von anderswoher entlehnten gemischt16). Entlehnung aus anderen Dialekten ist bei den Zahlwörtern, die wir jetzt besprechen, evident. Wenn das Thessalische wie das Nordwestgriechische ίκατι, das Lesbische jedoch wie das Ionische είκοσι hat, dann ist es höchst unwahrscheinlich, daß in beiden Dialekten eine bodenständige Entwicklung vorliegt. Am einfachsten ist die Verteilung von τι und σι. Es handelt sich natürlich um normale Assibilation wie bei δίδωτι > δίδωσι usw. Tatsächlich deckt sich die Verbreitung von είκοσι, soweit wir feststellen können, vollkommen mit der sonstigen Verbreitung der Assibilation. Eigenartig ist aber, daß ein prothetischer Vokal teils fehlt, teils da ist. Ganz gleich, wie man ihn erklären will, ist es schlechterdings undenkbar, daß er bei einer natürlichen Sprachentwicklung gerade dort und nur dort sichtbar wird, wo diese Zahl auf -οσι ausgeht. Entlehnungen haben auf alle Fälle stattgefunden. Das eigentliche Problem ist jedoch die Vokaldifferenz α—o. Die landläufige Erklärung ist, daß o von den Zahlen τριάκοντα usw. übernommen worden ist, und zwar über die Ordinalzahlen auf -κοστός statt -καστός (z.B. Schwyzer, Gr. Gr. I 591). Daß Kardinalzahlen nach den bei höheren Zahlen ohnehin seltenen Ordinalien umgebildet werden und nicht umgekehrt, ist an sich schon sehr wenig wahrscheinlich. Auch ist die Beeinflussung von „300" usw. durch „30" usw. zum mindesten nicht das Nächstliegende. Nun ist aber o für verschiedene Dialekte gerade das, was wir erwarten, nämlich fürs Lesbische, das z.B. auch δέκοτος „10." hat, und fürs Arkadische mit δέκο, δέκοτος, έκοτόν. In diesen gesamthaft betrachtet altertümlichen Dialekten steht o offenbar als regelmäßige Vertretung vonm, außerdem in verschiedenen anderen Situationen, z.B. in po (oder op) für/·. Tatsächlich geht auch hier der Vokal, wie lit. deSimtas „10.", ëimtae „100" usw. zeigen, auf m zurück16). Im Lesbischen ist also είκοσι, διακόσιοι, δέκοτος genau so in Ordnung wie im Dorischen die Formen mit α, nämlich 5ίκατι, διακάτιοι, aber auch δέκα, δέκατος, εκατόν. Aus der Reihe fallt aber das Ionisch-Attische, indem es teils mit der einen, teils mit der anderen Gruppe geht. Obwohl dieser Dialekt oft im Gegensatz zum Dorischen steht, gibt es doch verschiedene Fälle, bei denen das Ionisch-Attische mit dem Dorischen gemeinsame Neuerungen hat. Die evidenteste unter ihnen ist die Präposition 15) Dieser Gesichtspunkt, daß bei den Zahlwörtern die feste Stellung in Zählreihen wichtig ist, wird auch im soeben erschienenen Aufsatz von H. Schmid, Zur Entwicklungsgeschichte der romanischen Zahlwörter, VoxRom 23, 1964, 186—238, betont. le ) Zu idg. *k,i]¡itóm „100" vgl. O. Szemerényi, Studies in the Indo-European system of numerals, bes. 138 ff., und meinen Aufsatz Das idg. Wort für „hundert", IF 67, 1962, 129—141.

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Historisch-vergleichende Sprachbetrachtung und Dialektgeographie

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εις (ένς, ές) mit Akk. statt des älteren έν mit Akk., das die anderen Dialekte (mit Ausnahme des Lesbischen) erhalten haben. Dem Ionisch-Attischen und Dorischen gemeinsam ist auch der Wandel des Labiovelare vor e (z.B. im Zahlwort „4") zu einem gewöhnlichen Dental. Eine solche Gemeinsamkeit ist aber offenbar auch die Vertretung von m und f durch α und ρα (αρ) statt durch o und po (op). Nun kommt die Öffnung eines mittleren Vokals zu α im Dorischen auch sonst vor. Ich verweise vor allem auf "Αρταμις gegenüber "Άρτεμις (myk. Artemis und Artimis) und ίαρός gegenüber ιερός (myk. ijeros), aber auch die Partikenl κα und γα gegenüber κε und γε. Im Nordwestgriechischen scheint αρ statt ερ sogar regelmäßig gewesen zu sein, z.B. φάρω, ματάρα. Der Wandel zu α in den Vertretungen des silbischen m und r wird also vermutlich — vielleicht im Gegensatz zu anderen gemeinsamen ionisch-attischen und dorischen Neuerungen — vom Dorischen und Nordwestgriechischen ausgegangen sein. Er hat ja auch das Ionisch-Attische nur teilweise erreicht. Es heißt hier zwar δέκα, δέκατος, έκατόν, aber είκοσι, διακόσιοι usw. Sofort erhebt sich hier die Frage, warum nicht alle Zahlwörter gleich behandelt werden, sondern teils dem Einfluß des Dorischen unterliegen, teils ihm widerstehen. Nun unterscheiden sich diejenigen Zahlen, welche das α nicht angenommen haben, von den dorischen außerdem noch dadurch, daß sie σι statt τι haben. Sie wichen also bereits zu sehr von den dorischen ab, und eine Anpassung wäre schwieriger gewesen. Dagegen brauchte bei den Zahlen für „10" und „100" nur der Vokal geändert zu werden. Wir hätten also gleichsam „urionische" Formen δέκο, είκοσι, έκοτόν, διακόσιοι, wobei das o vermutlich offen, jedenfalls nicht so wie das altererbte o gesprochen wurde. Unter dorischem Einfluß wurde dieser Vokal meistens zu α. Nur vor σι blieb er als ο : είκοσι und διακόσιοι sind also Reliktformen. Einigermaßen intakt blieb das o im Lesbischen. Dagegen hat das Thessalische, das bei den unteren Zahlen sehr selbständig ist, von „10" an aufwärts, soweit wir feststellen können, die dorisch-nordwestgriechischen Formen übernommen. Das Arkadische hat das o, das hier sicher offener als das alte o klang, im allgemeinen bewahrt17). Nur bei den größten Zahlen, die auch sonst am ehesten fremdem Einfluß unterliegen, ist das α eingedrungen, z.B. τριακάσιοι. Mit diesen griechischen Beispielen, die ich freilich mehr nur skizzieren als ausführlich behandeln konnte, hoffe ich gezeigt zu haben, daß wir bei ") Altes o wird arkadisch im Auslaut zu υ (¿ίλλυ < *alj,od), während das aus ψ entstandene bleibt (δέκο < *dék,r¡it) ; i} und das im freien Auslaut offenbar sehr früh zu 1} gewordene ψ erscheinen als α (z.B. Akk. μήνα wie άδίκημα). Ein o, das auf η zurückgeht, kenne ich außerhalb des Mykenischen nur in δσιος, wenn aus *8ritioa ~ ai. satyá·; doch müßte man im Griechischen wohl eher prothetischen Vokal wie in έών, έασσα usw. erwarten. Falls aber diese Deutung von δσιος richtig ist, könnte hier ein Hyperarchaismus vorliegen. Andere Beispiele zeigen jedenfalls -ασιος, z.B. θαυμάσιος.

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Kratylos 11 (1966)

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dem Lösen mancher Probleme gut daran tun, die verschiedenen sprachwissenschaftlichen Methoden miteinander sinnvoll zu kombinieren. Das Griechische ist natürlich für die Heranziehung der dialektgeographischen Methode deswegen besonders geeignet, weil uns ein relativ reiches Dialektmaterial zur Verfügung steht. Ich habe aber, und damit möchte ich schließen, den bestimmten Eindruck, daß z.B. auch Fragen der lateinischen Lautlèhre, die mit der vergleichend-historischen Methode nicht befriedigend erklärt werden können, grundsätzlich auf gleiche Weise gelöst werden sollten.

Die griechischen Dialekte im 2. vorchristlichen Jahrtausend Studi Micenei ed Egeo-Anatolici 20 (1979), p. 91 - 111

I

Bekanntlich stehen uns für die Kenntnis der griechischen Dialekte des 1. vorchristlichen Jahrtausends verhältnismässig reiche Quellen zur Verfügung: zu den zahlreichen Inschriften, welche im Dialekt der betreffenden Landschaft verfasst sind (sog. epichorische Dialekte), kommen die literarischen Texte, ausserdem die Angaben der griechischen Grammatiker, die vor allem, wenn auch nicht ausschliesslich, die literarischen Dialekte im Auge haben. Das alles erlaubt uns trotz verschiedenen Lücken ein wesentlich umfassenderes Bild über die dialektale Gliederung zu gewinnen, als es bei andern Sprachen des Altertums möglich ist Die Griechen selbst rechneten vor allem mit zwei nicht nur in der Sprache, sondern auch in den Sitten, den politischen und kultischen Institutionen, ja in der ganzen Lebenshaltung deutlich geschiedenen Gruppen, den Ioniern, zu denen im weitern Sinn auch die Athener gehörten, und den Dorern; als dritte Gruppe nennen sie die Äoler, deren Dialekt nach ihrer Ansicht am reinsten auf der Insel Lesbos gesprochen wurde. Doch war unbestimmt, was alles zum Äolischen gehörte: vielfach wurden alle Dialekte dazu gezählt, die weder ionisch noch dorisch waren.

1

Die Dialektinschriften hören in den meisten Gegenden in der Kaiserzeit auf, in manchen sogar schon früher. Doch halten sie sich in abgelegenen Landschaften wie Lesbos, Lakonien, Kyrene, auch in Sizilien bis weit ins 2., zT sogar ins 3. Jahrh. n. Chr. Soviel ich sehe, sind christliche Inschriften jedoch nie im Ortsdialekte, sondern nur in Koiné geschrieben.

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Unbekannt war die Sonderstellung zweier eng untereinander verwandter Dialekte, des Arkadischen und des Kyprischen, obwohl beide das Interesse griechischer Grammatiker geweckt hatten; ferner, dass im Nordwesten des Peloponnes {vor allem in Elis) und in den westlicheren Teilen von Mittelund Nordgriechenland Dialekte gesprochen wurden, die unter sich sehr ähnlich waren, das sog. Nordwestgriechische. So werden heute, zunächst rein deskriptiv, folgende Gruppen unterschieden: 1. Ionisch-Attisch, 2. Arkadiseh-Kyprisch, 3. Äolisch (d.h. Ostäolisch oder Lesbisch, Thessalisch und Böotisch), 4. Dorisch, 5. Nordwestgriechisch (Elisch, Phokisch, Lokrisch u.a.). Über ihre wichtigsten Merkmale wird man die verschiedenen Handbücher konsultieren, so etwa die Zusammenstellung bei C.D. Buck auf Chart I und II 2 . Verschiedenes wird weiter unten zur Sprache kommen. Was die Einteilung in die fünf Gruppen betrifft, so ist zu bemerken, dass die drei als Äolisch zusammengefassten Dialekte nur sehr wenig Gemeinsamkeiten aufweisen, die ausschliesslich ihnen zukommen 3 . Anderseits gehören Dorisch und Nordwestgriechisch sehr eng zusammen, sodass sich eine Zusammenfassung als Westgriechisch (oder Dorisch im weitern Sinn) aufdrängt. Es war üblich, alle andern als « ostgriechisch » gegenüber zu stellen, was sich aber für die äolischen Dialekte kaum empfiehlt 4 . Viel besser fundiert scheint die Zusammenfassung von Ionisch-Attisch und Arkadisch-Kvprisch, wofür ich « südgriechisch » vorgeschlagen habe 5 . Andere verwenden im gleichen Sinn « ostgriechisch ». Soweit in aller Kürze über die Dialektgruppen, welche uns aus dem 1 .Jahrtausend bekannt sind. Die Frage, die uns gestellt ist und die die Leute immer wieder beschäftigte, ist aber: Wie sah es früher, zB im 2.Jahrtausend, aus?

2 So im Prinzip die Einteilung in den Handbüchern wie A. Thumb, Handbuch der griechischen Dialekte. 2. Aufl. 1. Teil von E. Kieckers (1932), 2. Teil von A. Scherer (1959), und C.D. Buck, The Greek Dialects (1955, 19653), aber auch bei E. Schwyzer, Dialectorum Graecarum exempla epigraphica potiora (1923, repr. 1960) und in seiner Griechischen Grammatik I 82-98. Zurückaltender F. Bechtel, Die griechischen Dialekte. 3 Bde (1921/24). — Eine Übersicht über die neuere Forschung etwa bei A. López Eire, Panorama actual de la dialectología griega. Estudios clásicos 54, 287-305. 3 S. unten Abschn. VII. 4 Neuerdings wieder aufgenommen von F.R. Adrados, Micènico, dialectos paramicénicos y aqueo épico. Emérita 44 (1976), 65-113. 5 Mus. Helv. 12 (1955), 70 f.

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II Die erste Antwort wird uns fast am Anfang der griechischen Literatur gegeben: Die drei Hauptgruppen waren immer da, denn sie stammen von Hellen, dem Sohne Deukalions (oder des Zeus, so Schol. Dindorf zu χ 2). So heisst es in den Hesiod zugeschriebenen Ehoien, Fr. 9 (Merkelbach-West): "Ελληνος δ' έγένοντο φιλοπτολέμου βασιληος Δώρός τε Ξοΰθός τε καί Αίολος ίππιοχάρμης.

Ξούθος ersetzt hier offensichtlich "Ιων, den Stammvater der Iomer. Denn weil dieser als Sohn Apollons galt, konnte er nur über seinen Stiefvater Ξούθος mit dem Stammbaum von "Ελλην verbunden werden. Diese Vorstellung hielt sich bis weit in die neuere Zeit. Man nahm gerne an, dass die drei Hauptdialekte Ionisch, Dorisch und Äolisch sich schon sehr früh, d.h. unmittelbar aus dem « Urgriechischen » entwickelt hätten. So stand es für P. Kretschmer fest, dass die drei Gruppen bereits da waren, noch bevor die Griechen in Griechenland einwanderten, und er nahm, in einer grossartigen Schau Sprachwissenschaft und Archäologie verbindend, an, dass zuerst (um 2000) die Ionier, dann im 17.Jahrh. die Äoler und in einer letzten Welle (nach 1200) die Dorer bzw. Westgriechen, eindrangen 6 . Die arkadisch-kyprische Gruppe, welche in diesem Schema keinen Platz hatte, verband man am liebsten als « achäisch » oder « südäolisch » mit dem ohnehin sehr heterogenen Äolisch. Trotz dieser Schwäche, und obwohl es evident ist, dass so und so viele Dialektmerkmale viel jünger sein müssen als Mitte oder gar Anfang des 2. Jahrtausends, brauchte es sehr viel, bis sich die Wissenschaft von dieser Vorstellung löste 7. Die äusserst zahlreichen Fälle, bei denen sich die Verteilung der verschiedenen Formen schlechterdings nicht mit den drei Hauptdialekten vereinbaren lässt, wie zB thess., ark., arg., kret. άγονσα, lesb., kyren. αγοισα, südl.dor., el., böot. άγωσα, nördl.dor. phok. usw., ion.-att. άγουσα, wurden einfach als Mischung erklärt 8 . Erst allmählich wurde es klar, dass man bei der Beurteilung der altgriechischen Dialekte die Erkenntnisse der modernen Dialektologie nicht unberücksichtigt lassen dürfe, wie sie vor allem an den romanischen und germanischen Dialekten entwickelt worden war. Diese lehrt uns, dass im Leben der Sprachen immer wieder Neuerungen aufkommen und sich ausbreiten, wobei nur gemeinsame Neuerungen, nicht aber Bewahrung von etwas

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Glotta 1 (1909), 9 ff. Doch nimmt F.R. Adrados, Emérita 44, 67f. (vgl. Anm. 4) an, dass verschiedene Dialektunterschiede sich bereits ausserhalb Griechenlands ausgebildet hätten ('es prácticamente seguro'). « So zB nach früheren F. Bechtel II 468, 532, 701 u.a., ähnlich Thumb-Kieckers I 112, 148. 172. 7

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Altem Gewicht hat. Es ging also vor allem darum, die Gemeinsamkeiten und die Divergenzen zwischen den griechischen Dialekten nicht nur festzustellen, sondern auch zu werten und zeitlich (relativ oder absolut) zu fixieren, um dann daraus Schlüsse auf frühere Gruppierungen zu ziehen 9 . Dabei darf man keineswegs davon ausgehen, dass gemeinsame Merkmale immer alt, Unterschiede immer jung sein müssen. Allgemeingriechisch, aber evident jung, nämlich nachmykenisch, ist zB der Wandel der Labiovelare zu Labialen, sofern sie nicht durch nachfolgende palatale Laute {e, i, j) beeinflusst sind, oder die Verwendung des Pronomens ó à τό als Artikel. Nun liegen die Dinge für solche Betrachtungen bei den griechischen Dialekten besonders günstig, weil hier durch Wanderungen verschiedener Art alte Zusammenhänge zerrissen und neue nachbarschaftliche Kontaktmöglichkeiten geschaffen wurden. Die dorische Wanderung am Ende des 2.Jahrtausends wird zwar neuerdings wieder in Frage gestellt (s. unten); nicht zu bestreiten sind aber die zahlreichen Koloniegründungen von der Mitte des 8 J a h r h . bis in die klassische Zeit. Schon die geographische Verteilung gewisser Spracherscheinungen (Isoglossen) erlaubt also einen Rückschluss auf ihr Alter. So müssen die charakteristischen Übereinstimmungen zwischen dem Kyprischen und dem Arkadischen wenigstens im Kern aus einer Zeit stammen, da der Kontakt dieser beiden, in historischer Zeit nahezu 1000 km voneinander entfernten Gruppen noch nicht durch Dorer unterbrochen war. Nun bestehen auch zwischen dem Arkadisch-Kvprischen und dem IonischAttischen auffallende Übereinstimmungen, vor allem: 1) die Assibilation (Wandel τι > σι), zB δίδωσι statt δίδωτι, 2 ) der Wandel von *t{h)j, *ts u.ä. zu einfachem σ·, zB μέσος, τόσος, Dat. Pl. ποσί usw., während sonst daraus eine Geminata entsteht, und zwar die gleiche wie aus *k{b)j u.a., meist σσ, böot., zT kret. τ τ , also μέσσος wie φυλάσσω, bzw. μέττος wie φυλάττω ,0,

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Zu n e n n e n sind einmal die Arbeiten von F.R. Adrados, vor allem: 'La dialectología griega como fuente para el estudio de las migraciones indoeuropeas en Grecia' (1952) mit der Unterscheidung der Dialektmerkmale in bewahrte Archaismen ('conservación'), Neuerung ('innovación') und Verallgemeinerung oder Auswahl ('elección'). Methodische Überlegungen in meinem Aufsatz 'Altgriechische Dialektgeographie?', Mus. Helv. 6 (1949), 19 ff. Ältere sprachgeographische Arbeiten behandeln meist nur einzelne Landschaften, so E. Kieckers, Die lokalen Verschiedenheiten im Dialekte Kretas (Diss. Marburg 1908), R. van der Velde, Thessalische Dialektgeographie (Diss. Nijmegen 1924), dieselbe, Boeotische Dialectgeographie. Donum Natalicium Schrijnen (1929), 660 ff Vgl. ferner Erika Kretschmer, Beiträge zur Wortgeographie der altgriechischen Dialekte, Glotta 18 (1930), 67 ff. 10 Ausführlicher bei M. Lejeune, Phonétique historique du mycénien et du grec ancien (1972), 100 ff., vgl. auch meine Ausführungen 'Les consonnes palatalisées dans le grec d u 2 e millénaire et des premiers siècles du 1 er millénaire' Colloquium Mycenaeum, Chaumont sur Neuchâtel, 7-13 sept. 1975 (ersch. 1979), 267 ff.

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3 ) ιερός (ion. zT auch έρός) gegenüber dor., NWgr., boot, ίαρός, 4 ) athematischer Infinitiv auf -ναι (Typus είναι, δούναι, διδάναι), 5 ) βούλομαι (ark.-kypr. βόλομαι) mit ο und nicht mit e (dor., NWgr. δήλομαι, δείλομαι, böot. βείλομη, thess. βέλλομαι), 6 ) Temporaladverbien auf -τε: δτε usw. (lesb. δτα, dor. usw. οκα). Dazu kommen Übereinstimmungen zwischen Ionisch-Attisch und dem Arkadischen unter Ausschluss des Kyprischen, wie 7) die Konjunktion ει (kypr. ë, sonst αί), 8) die Modalpartikel αν (sonst κε oder κα). Von diesen Merkmalen sind einige evident gemeinsame Neuerungen. Da später kein direkter Kontakt zwischen diesen Dialekten mehr möglich war, müssen auch sie ins 2.Jahrtausend zurückgehen". Mutatis mutandis gilt das auch für die äolischen Gemeinsamkeiten. Umgekehrt muss eine Neuerung wie die Präposition ένς ( > εις, ές) mit Akk. statt älterem έν mit Akk., welche nur in solchen Dialekten durchgeführt ist, die erst seit dem Ende des 2 Jahrtausends einen zusammenhängenden Raum einnehmen, nämlich Dorisch, Ionisch-Attisch und Lesbisch, ihre Ausdehnung frühstens damals erhalten haben. So gewinnt man schon durch Rückschlüsse aus dem, was das 1.Jahrtausend bietet, wichtige Einsichten in die Gliederung und Verteilung der Dialekte im 2.Jahrtausend. Im Peloponnes und überhaupt im südlichen Griechenland müssen wir für diese Zeit eine vordorische Dialektgruppe annehmen, von der das Arkadische und Kvprische, aber auch das Ionisch-Attische abstammen. Und wir können auch ihre wichtigsten Merkmale angeben: im Prinzip sind es die oben angegebenen gemeinsamen Merkmale dieser Dialekte, vor allem die Assibilation (τι > σι), ferner *t(h)j > σ 1 2 .

III Soweit waren die Forschungen gediehen, als 1952 M. Ventris die minoische Linearschrift Β entzifferte und damit einen griechischen Dialekt des 2.Jahrtausends ans Licht brachte, der an verschiedenen Stellen des südgriechischen Raumes (Kreta, Peloponnes) gebraucht wurde 13. Die dialektisch

11 Auch wenn die « dorische Wanderung » in dem Sinne wie bisher angenommen nicht stattgefunden haben sollte (s. Abschn. V), so bleibt doch, dass der direkte Kontakt seit Ende 2. Jahrtausends durch die Dorer unterbrochen war. ,2 Vgl. die beiden unabhängig voneinander entstandenen Arbeiten W. Porzig, Sprachgeographische Untersuchungen zu den altgriechischen Dialekten, IF 61 (1954), 147-169 und E. Risch, Die Gliederung der griechischen Dialekte in neuer Sicht, Mus. Helv. 12 (1955), 61-76. Ähnliche Feststellungen auch bei F.R. Adrados (s. Anm. 9). 13 Tafeln mit Linearschrift Β wurden in Theben erst 1964/65 gefunden: s. J. Chad-

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wichtigsten Merkmale dieses « Mykenischen » sind nun tatsächlich vor allem die Assibilation (zB do-so-si /dösonsi/, pa-si /phäsi/), das Temporaladverb o-te, dann i-je-ro und — wenn auch im Einzelnen nicht restlos klar — to-so (< *totjos), me-sa-to (< *methj-), Dat. PI. pi-we-ri-si neben Dat. Sg. pi-weri-di, aber xa-we-te < *kjäwetes), ka-zo-e 'schlechtere' ( < *kakjohes). Erwähnt zu werden verdient auch das enklitische Pronomen -mi ¡-mini, also wie im Ionischen, gegenüber dem dor. νιν, ferner dass der Dat. PI. der 3.Deklination regelmässig -si, nicht -essi hat. Doch geben uns die erhaltenen mykenischen Texte leider keine Auskunft darüber, wie die Kondizionalkonjunktion und die Modalpartikel lauteten. Das Fehlen eines Infinitivs etwa zu dö- (*dowenai wie im Kypr.?) ist vielleicht nur zufällig. Im ganzen kann man aber sagen, dass — grob betrachtet — das bestätigt wird, was man auch ohne Kenntnis des Mykenischen für den südgriechischen Raum des 2 Jahrtausends erschlossen hatte oder wenigstens hätte erschliessen können w. Es zeigte sich auch, dass dort, wo das Arkadisch-Kyprische und das Ionisch-Attische divergieren, das Mykenische in der Regel mit dem ersteren übereinstimmt, so mit ro/or aus r, zB qe-to-ro-po- /kwetro-po{d)-¡, to-pe-za /torpeza/ 'τράπεζα' vgl. ark τέτορτος, kypr. κορζια · καρδία, Πάφιοι Hsch. Dann etwa mit der Personalendung -toi (zB e-u-ke-to wie zB kypr. keitoi 'κείται'), mit der Präposition α-pu 'άπό'; auch po-si steht dem ark.-kypr. πάς näher als dem ion.-att. πράς. Doch gibt es auch den umgekehrten Fall, zB to-ro-qe-je-me-no /trokwejomenos/, also den Präsentien auf -έω und nicht auf -ημι entsprechend, po-se-da-o /Poseidäönf mit ei gegenüber ark. Ποσοιδάν, me-ta und ku-su /ksuti/, letzteres sonst nur im älteren Ionisch und Attisch (ξύν). Auch beim Dat. PI. der ä- und o- Stämme steht das Ionisch-Attische dem Mykenischen näher als das Arkadisch-Kyprische 13. Das Mykenische passt grundsätzlich imrper dann besser zum Ionisch-Attischen, wenn diese Dialektgruppe das Ältere besser bewahrt hat als das sonst eher konservative

wick, Minos 10 (1970), 115-137 und 'The Thebes Tablets II' (Suplementos a Minos, Núm. 4). 14 Die beiden in Anm. 12 zuerst genannten Aufsätze sind erst nach 1952 erschienen; es darf aber betont werden, dass sie mindestens in ihrer Grundstruktur vorher entstanden waren: Porzigs Manuskript war schon 1945 druckfertig, ging dann allerdings verloren (s. S. 149 Anm. 4 seines Aufsatzes), und meine eigenen Gedanken hatte ich zunächst noch ohne Kenntnis der Entzifferung am 22. Juni 1953 vorgetragen (s. S. 61 Anm. 1 meines Aufsatzes). 15 Die mykenischen Texte bieten uns keine 3. Plur. des Aorists etwa zu te-ke, do-ke (ion.-att. Typus ϊδεσαν, ark.-kypr. Typus ϊθεαν), ebenso natürlich keine Formen des eigentlichen Personalpronomens, zB Akk. Plur. (ark. άμέ wie in den andern Dialekten, ion.-att. Erweiterung um -ας, also ήμέας, bzw. -ας). Im ersteren Fall ist das Fehlen eher zufällig: man erwartet etwa *te-a-l oder *te-a (?).

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Arkadisch-Kyprische. Freilich darf man nicht vergessen, dass wir vom Arkadischen und vom Kyprischen nur wenig Zeugnisse besitzen, die älter als 5 Jahrhundert sind Bei näherer Prüfung zeigte es sich freilich, dass 1) das Mykenische, wie es uns bezeugt ist, nicht als unmittelbare Vorstufe des Arkadischen und Kyprischen (gleichsam als « urarkadokyprisch ») oder gar des Arkadisch-Kyprischen und des Ionisch-Attischen betrachtet werden darf und dass 2) das Mykenische der Tontafeln keineswegs einheitlich ist. Wir wollen auf den 1.Punkt vorerst nicht näher eingehen, sondern zunächst nur feststellen, dass man sich einigermassen einig ist, dass das Mykenische dieser supponierten gemeinsamen Vorstufe der « südgriechischen » Dialekte recht nahe zu stehen scheint Wichtiger ist für uns jetzt die Feststellung von dialektischen Differenzen innerhalb des My kenischen.

IV Vorausgeschickt sei, dass zwischen den einzelnen Orten Knossos, Pylos, Mykene und Theben nur wenige Unterschiede feststellbar sind, die man als dialektisch und nicht einfach als orthographisch bezeichnen kann. Immerhin ist aus dem Bereich des Wortschatzes zu nennen in KN i-qi-ja 'zweirädriger von Pferden gezogener Wagen' gegenüber PY wo-ka /wokhä/, von der Wortbildung KN a-no-wo-to aber PY a-no-we 'ohne « Ohren », d.h. Henkel'; die Stoffadjektive lauten in PY fast ausnahmslos auf -ejos aus, während in KN -e-jo, -e-o und -i-jo miteinander wechseln 1S. In MY sind Dative auf -i viel häufiger als sonst gebraucht, auch der allerdings unsicher erhaltene Dat. PI. tu-ka-ta-si (MY Oe 112.2) /thugatarsi/(?) statt des erwartenen *thugatorsi ist vielleicht als Besonderheit des Dialektes von Mykene zu werten. Theben bietet — vielleicht — mit o-*34-ta-o do-de 'ins Haus des 0-*34-tas' u.ä.

16 Vgl. E. Risch, La position du dialecte mycénien. Études mycéniennes, Gif-surYvette 3-7 avril 1956, 167-172, Caractères et position du dialecte mycénien, ebd. 249258 (besonders S. 258). 17 Aus der reichen Literatur darf etwa genannt werden: A. Bartoñek, Greek Dialectology after the Decipherment of Linear B. Studia Mycenaea, The Mycenaean Symposium Brno April 1966 (ersch. 1968), 37 ff., Dialectal Classification of the Mycenaean in the Opinion of Various Scholars, ebd. 155 ff., ders., Relevance of the Linear Β Linguistic Phenomena for the Classification of Mycenaean. Acta Mycenaea, Salamanca, 30 March - 3 April 1970 (ersch. 1972) II, 329 ff. und: The Brno Inquiry into the Problems of the Dialectal Classification of Mycenaean, ebd. 346 ff., ferner der in Anm. 4 genannte Aufsatz von F.R. Adrados (mit Bibl.). 18 Vgl. E. Risch, Die Stoffadjektive auf -ejos im Mykenischen. Studies in Greek, Italic, and Indo-European Linguistics (Festschrift L.R. Palmer 1976), 309 ff. (bes. 314).

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etwas Besonderes 19. Aber selbst wenn sich die Unterschiede zwischen den einzelnen Orten bei näherer Prüfung als etwas grösser erweisen, als es zunächst aussah, darf doch feststehen, dass die Sprache der Palastverwaltung in den verschiedenen Zentren überraschend einheitlich war. Viel mehr in die Augen springen die Unterschiede in Pylos selbst, die weitgehend durch Verschiedenheit der « Hände », d.h. der Schreiber bedingt sind. Seitdem E. L. Bennett in Gif darauf hingewiesen hat 20 , wurde dieses Problem immer wieder aufgegriffen. Eine Überprüfung, die ich am Colloquium in Cambridge vorgelegt habe 21 , ergab, dass neben dem gewöhnlichen Mykenisch, in dem die grosse Mehrzahl der Tafeln verfasst ist (« mycénien normal »), in einigen wenigen Tafeln ein davon abweichender Dialekt {« mycénien spécial ») bezeugt ist, über den sich allerdings bei der Knappheit des Materials nicht viel sagen lasse. Die entscheidenden Merkmale sind: 1 ) Dat. Sg. auf -i, zB po-se-da-o-ni gegenüber -e (d.h. -ei) im « mycénien normal », zB po-se-da-o-ne22, 2) im « mycénien spécial » in gewissen Wörtern a (nach einem Labial) und nicht o, zB. pe-ma gegenüber pe-mo /spermo/ « Getreide », 3 ) im « mycénien spécial » in gewissen Wörtern meist fremder Herkunft e (vor einem Labial oder Labiovelar) und nicht i, zB a-te-mi-to /Artemidos/ (Gen.) gegenüber a-ti-mi-te /Artimitei/ (Dat.), Ortsname te-mi-ti-ja /Themis tija/ gegenüber ti-mi-ti-ja u.a. Das « mycénien spécial » steht also den griechischen Dialekten des 1 Jahrtausends zum mindesten in diesen paar Punkten näher als das « mycénien normal ». Innerhalb der grossen Gruppe des « mycénien normal » lassen sich einige auf bestimmte Hände verteilte Differenzen feststellen, so etwa e-pi-qe to-me (Dat. des Pronomens to-, vgl. kret. δτιμι) bei Hand 1 gegenüber e-pi-qe to-e bei Hand 41, oder dass der Personenname o-pe-te-re-u /—treus/ (Hand 41,43) bei Hand 1 einen anaptyktischen Vokal bekommt: o-pe-to-re-u /—toreus/. Damitr vergleichbar ist die Liquidenmetathese to-pe-za /torpeza/, to-no /thornos/ gegenüber qe-to-ro-po- /k"etro-pod-/, to-ro-no- /throno-/ (dieses in KN) 23 .

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Siehe J. Chadwick, The Thebes Tablets II (s. Anm. 13), 88 f., zu do-de s. M. Lejeune, 5MEA 17 (1976), 79 ff. 20 Études mycéniennes, Gif-sur-Yvette 3-7 avril 1956, 121 ff. 21 Les différences dialectales dans le mycénien. Proceedings of the Cambridge Colloquium on Mycenaean Studies 1965 (ersch. 1966), 150 ff. 22 Die Stämme auf -Í(Í)- haben (ausser im Instr.) regelmässig -e-i, zB e-u-me-de-i (Hand 2), we-te-i-we-te-i (Hand 1). Grundsprachlich wird man im Dativ je nach Akzentund Ablautklasse -êi und _L-i ansetzen müssen: -ei setzt also evtl. direkt den alten Dativ fort (*-és-i) und muss nicht vom Lokativ übernommen sein. 23 In Knossos und Mykene haben sich bis jetzt keine so evidente auf verschiedene

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Solche Unterschiede bieten nichts, was den Rahmen der südgriechischen Dialektgruppe, aus der später das Arkadische, das Kyprische und das IonischAttische hervorgegangen sind, sprengen würde. Gerade die Liquidenmetathese ist auch in späteren griechischen Dialekten, aber auch in andern Sprachen häufig, zB Homer κραδίη und καρδίη, vgl. auch dtsch. Brunnen - Born. Für eine Dialektklassifizierung eignet sie sich nur selten, so im Slavischen, wo zB gród fürs Polnische, górod fürs Ostlavische und grad fürs Südslavische charakteristisch sind (alle aus gordü — got. gards usw.). Bei der Diskussion über Dialektunterschiede innerhalb des Mykenischen, vor allem innerhalb des Mykenischen von Pylos, spielt die Frage mit Recht eine wichtige Rolle, wie weit es Beispiele gibt, bei denen die Assibilation unterblieben ist. Am wertvollsten sind zwei Beispiele, bei denen sowohl si als auch (bei einer andern Hand) ti bezeugt ist: die Bezeichnung einer Frauengruppe ti-nwa-si-ja / ti-nwa-ti-ja und der Personenname tu-si-je-u / tu-ti-je-u. Dazu kommt ohne Gegenbeispiel mi-ra-ti-ja, Bezeichnung einer weitern Frauengruppe, prinzipiell = *Milasijai, Μιλήσιαι 24 , ferner verschiedene Personennamen, welche offenbar zum τερψίμβροτος-Typus gehören 2S : ein sicheres Beispiel mit si ist ma-na-si-we-ko /Mnäsiwergos/, ferner dürften die Kurznamen vom Typus Onaseus auf Vollnamen mit si zurückgehen (vgl. kypr. Onasiwoikos u.a.). Auf der andern Seite haben einige Namen überraschenderweise ti, so um die sichersten Beispiele zu nennen o-ti-na-wo /Ortinäwos/, ta-ti-qo-we-u /Stätigwoiveus/ (hier ist allerdings die Erweiterung mit -eus sehr auffällig), evtl. noch andere. Andere Beispiele für ti statt erwartetem si sind weniger sicher. Nun sind alle diese Beispiele Eigennamen 26 : die Träger oder deren Familien können aus Gegenden ohne Assibilation stammen, und Frauengruppen wie Milatijai stammen ohnehin von auswärts. Übrigens können solche Ethnika zu einer Zeit gebildet worden sein, als das Assibilationsgesetz nicht mehr produktiv war, vgl. zu δημότης die ältere Ableitung δημόσιος und die jüngere δημοτικός. Immerhin weisen diese Beispiele, besonders die Personen-

Hände verteilte Unterschiede nachweisen lassen, dafür aber auffallende Schwankungen bei einem und demselben Schreiber. So schreibt Hand 128 von Knossos zB bald wi-ri-ne-o, bald wi-ri-ni-jo, dazu zweimal wi-ri-ne-jo 'aus Leder'; in Mykene finden wir von gleicher Hand 57 auf der gleichen Tafel Ge 605 sowohl ko-ri-arda-na als auch ko-ri-ja-da-na usw. — Über die Sonderstellung des Dialektes von Mykene s. S. 97 und 101. 24 Ob diese Frauen aus Milätos = Μίλητος in Ionien kommen, wie man gerne annimmt, oder aus Μίλατος in Kreta (bei Homer Β 647 Μίλητος), kann offen bleiben. 25 Zu diesen Personennamen s. Christine Frei-Lüthy, Der Einfluss der griechischen Personennamen auf die Wortbildung (Beiträge zur Namenforschung, Beiheft 13 [ 1 9 7 8 ] ) , 16 f f . 26 Das Stoffadjektiv me-ri-ti-jo PY Wr 1360 (Hand?) gehört nicht dazu, weil hier -ijos offenbar erst nachträglich aus -ejos entstanden ist, s. Festschrift L.R. Palmer (Anm. 18), >16 ff.

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namen, darauf hin, dass wir innerhalb der pylischen Bevölkerung mit Griechen rechnen müssen, welche aus nicht assibilierenden Dialektgebieten stammen. Die revidierten Angaben über die verschiedenen Hände im 2. Teil der Edition von E.L. Bennett und J.-P. Olivier 27 ermöglichten es, die Verteilung der sprachlichen Merkmale noch etwas weiter zu verfolgen. Ausser den bereits genannten drei Hauptkriterien, nämlich dem Dat. Sg. der 3.Deklination, dem Wechsel zwischen a und o nach Labial (m, w, p) und dem zwischen e und i vor Labial oder Labiovelar (m, p, kw) wurden vor allem noch das Fehlen bzw. Vorhandensein einer Assibilation (4) und die Liquidenmetathese samt anaptyktischem Vokal zwischen Verschlusslaut und Liquida (5) einbezogen. Unter Weglassung verschiedener Sonderprobleme 28 lassen sich etwa folgende Gruppen unterscheiden (s. Tabelle): Gruppe A (normal) mit Dat. -ei; a-mo /armo/ usw., aber Ideogramm AREPA '&λειφα(ρ)'; tì-mi-to-, i-qo u.a.; Assibilation; Liquidenmetathese: Hand 2, wahrscheinlich auch Hand 6. Gruppe Β (normal), wie A, sogar a-re-po-zo-o 'Salbensieder', aber ohne Liquidenmetathese ku-su-to-ro-qa /ksuntrokwa/, o-pe-te-re-u (s. oben S. ...), jedoch wo-ze /worgjei/; ausserdem Dat. to-e zu to-: Hände 41, 43, evtl. 3 (u-pa-ra-ki-ri-ja /uprakrija/?). Gruppe C (normal), wie B, aber e-qe-o (falls zu i-qo})·, mi-ra-ti-ja, tu-ti-je-u aber ti-nwa-si-ja; u-po-ra-ki-ri-ja mit Sprossvokal: Hand 21. Gruppe D (normal), im ganzen wie A, B, C, aber a-re-pa-zo-o, a-re-pa-te (Instr.); neben ti-mi-t-, i-qo Frauenname e-pa-sa-na-ti; mi-ra-ti-ja aber ti-nwa-si-ja, tu-si-je-u; wo-ze, o-pe-to-re-u (s. oben), aber to-ro-qe-jo-me-no; ferner Dat. to-me zu to-: Hand 1. Gruppe E (spécial) mit Dat. -i; pe-ma, AREPA, a-re-pa-zo-o, a-re-ro\ (wohl Schreibfehler für a-re-pa), aber ko-wo 'κώ^ας'; te-mi-ti-ja/jo; Assibilation; keine Liquidenmetathese: Hand 24, Hand von 0 n 3 0 0 + , Acl278, wohl auch Hand 42 (aber i-qol), Un249. Gruppe F (zwischen normal und spécial): Hand 11 mit a-te-mi-to, sonst — soweit feststellbar — « normal »; Hand von Fn324: Dat. teils -i, teils -ei\ ti-nwa-si-ja.

27

The Pylos Tablets transcribed, Part II: Hands, Concordances, Indices (1976). Wie zB me-ri-da-ma-te / me-ri-du-ma-te, po-ru-da-ma-te / po-ro-du-ma-te, oder pa-da-je-u / pa-de-we-u u.a. 28

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Gruppe G: ohne Belege für Punkt 1, 2, 3, 5, aber mit ti-nwa-ti-ja, mi-ra-ti-ja, ausserdem einigen rätselhaften Besonderheiten (zB a-pu-ne-we gegenüber a-po-ne-we Hand 1): Hände 23, 13. Die Hände 4, 15 und 45 können zu A, B, C oder D gehören; die übrigen bieten nichts Signifikantes. — Mykene hat Züge des « mycénien spécial »: Dat. auf -i (daneben, zT von gleicher Hand -ei), a im unsichern tu-ka-tq-si (s. S.97); aber sowohl po-ro-po-i (Hand 63) wie po-po-i (Hand 64).

V Nun hat J. Chadwick vor kurzem die These vorgetragen, dass die Dorer nicht erst mit der « dorischen Wanderung » um 1100 nach Südgriechenland gekommen seien, sondern dass sie bereits zur Einwanderungswelle um 2000 gehören 29 . Er stützt sich ausser auf sprachliche auch auf historische und archäologische Argumente. Von den sprachlichen ist wichtig, dass die weitgehende Ubereinstimmung unter den griechischen Dialekten es sehr unwahrscheinlich mache, dass die um 2000 eingewanderten Nichtdorer (Südgriechen, bzw. Ostgriechen) und die erst nach 1200 einwandernden Dorer während 800 Jahren ohne gegenseitigen Kontakt gelebt hätten. Eine Einwanderung aus dem Balkan um 1200 werde damit ganz unwahrscheinlich, und im westlichen Nord- und Mittelgriechenland selbst sei nirgends genug Platz für den Ausgangspunkt einer so grossen Wanderbewegung. Er nimmt daher an, dass die Dorer von denjenigen bereits um 2000 eingewanderten griechischen Bevölkerungsteilen abstammen, die nicht im Süden zu herrschender Stellung emporstiegen und daher weit weniger dem kulturellen und sprachlichen Einfluss der Minoer ausgesetzt waren. Diese untere Schicht, die also sprachlich konservativer geblieben sei, sei erst nach 1200 zur Herrschaft gelangt. Die sprachlichen Spuren der mykenischen Dorer seien nicht nur eben diese Formen mit ti statt si, sondern überhaupt das « mycénien spécial » mit den Dativen auf -i, mit sperma, mit Themistija usw. Auch die tatsächlich erstaunlichen Übereinstimmungen zwischen dem Dorischen und dem Ionischen seien so zu erklären. Auf diese viele bisherige Ansichten in Frage stellende Theorie kann ich jetzt nicht näher eingehen, zumal ihr Urheber selbst eine umfassende Dar-

29

'Who were the Dorians?' La Parola del Passato, fase. 166 (1976), 103-177 (Vortrag in Rom 3. Juli 1975), dann: Der Beitrag der Sprachwissenschaft zur Rekonstruktion der griechischen Frühgeschichte. Anzeiger d. phil.-hist. Klasse d. österreichischer Akademie d. Wissenschaften Wien, 113. Jahrg. (1976), 6, 183-204.

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Stellung und Begründung in Aussicht stellt. Auch muss ich die Beurteilung der historischen und archäologischen Argumente andern überlassen. Doch ist es nicht zu umgehen, dass ich mich kurz zu den sprachlichen Argumenten äussere. Diese sind teils allgemeiner Natur, teils speziell mykenologisch. Das Argument, dass die relativ grosse Ähnlichkeit zwischen Dorisch und Vordorisch gegen die Annahme einer lange dauernden räumlichen Distanz spreche x , richtet sich wohl gegen die Theorie selbst: da die Übereinstimmung zwischen Dorisch und Nordwestgriechisch noch viel grösser ist und die Unterschiede höchst wahrscheinlich jung sind {s. unten Absch. V I I ) , scheint die Annahme, dass südliche Dorer während Jahrhunderten in engem Kontakt mit den mykenischen Herren lebten und während dieser Zeit die Sprache unverändert behielten wie die von der mykenischen Kultur kaum beeinflussten Nordwestgriechen, erst recht ganz unwahr-scheinlich. Dann zwingt gerade bei engbegrenztem Siedlungsraum jede Bevölkerungszunahme zur Auswanderung: zu vergleichen wäre die grosse Ausbreitung der sog. Walser über weite Gebiete Graubündens und Vorarlbergs bis Südbayern, und das innert einigen wenigen Jahrhunderten (12.-15.Jahrh.); diese ging nachweisbar von einem sehr eng begrenzten Raum, nämlich dem obern Wallis, aus. Was nun die mykenologischen Argumente betrifft, so ist festzuhalten, dass bewahrte nicht assibilierte Formen noch kein Beweis für Dorisch sind: es ist ohne weiteres denkbar, dass sich solche ältere Formen zunächst auch im Süden halten konnten. Weitere dorische Merkmale scheinen zu fehlen: so heisst es immer i-je-ro, nie *i-ja-ro {*i-a2-ro)31, nie *o-ka statt (allerdings nur einmal belegtem) o-te, auch nie *a-ta-mi- /Artamis/, sondern a-ti-mi-te und a-te-mi-to, nie *ta-(ra-)pe-za usw. Vor allem geht es m.E. nicht, ti-nwa-ti-ja einfach dem « mycénien special » zuzuweisen und dieses als Dorisch zu erklären. Denn die freilich wenig zahlreichen Tafeln, die man diesem Sonderdialekt zuweisen darf, zeigen kein enziges typisch dorisches Merkmal, vielmehr ra-wa-ke-si-jo (mit sil ) Er 312.3, po-se-da-o-ni (ie! ) Un 718.1, auch qe-to-ro-po-pi, pa-ro (Hand 42). Anderseits zeigt die Hand 23 (Gruppe G) mit ti-nwa-ti-ja zwar eine Reihe von Eigentümlichkeiten; doch sind diese zT wahrscheinlich nur orthographisch {ra 2 statt ri-ja, ra-u-ra-ti-jo statt ra-wara-ti-jo). Die andern betreffen Wörter, die für uns rätselhaft sind, so auch

Zwingend ist dieses Argument nicht unbedingt: trotz noch viel grösserer räumlicher Distanz während vieler Jahrhunderte sind die türkischen Idiome in Sibirien und in Kleinasien erstaunlich ähnlich geblieben. 31 Allenfalls wäre an pi-a ra P Y Tn 996.2 (isoliert in Klasse I I I ) gegenüber pi-je-ra} Y Ta 709 (Hand 2) zu denken; doch hat auch das spätere Griechisch φιάλη; daneben φιέλη, das, sonst kaum bezeugt, aber von den Attizisten getadelt, der Koiné anzuge· hören scheint. 30

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a-pu-ne-we statt a-po-ne-we, dessen apu gerade nicht zum Dorischen passt 3? . So fehlt vorläufig jede Evidenz für das Vorhandensein eines dorischen Dialektes im pylischen Raum, oder gar dafür, dass das « mycénien spécial » dorisch ist, während Spuren von Dialekten ohne Assibilation wenigstens in Eigennamen evident sind. Als vorläufiges, d.h. aus der Überprüfung der bisher vorgebrachten Argumente sich ergebendes Resultat scheint mir festzustehen, dass alle entscheidenden sprachlichen Fakten eindeutig dagegen sprechen, dass die dorischen Dialekte des 1 .Jahrtausends im wesentlichen von einer schon seit etwa 2000 v.Chr. im Peloponnes gesprochenen Form des Griechischen abstammen und nicht erst nach 1200 dorthin gelangt sind. Das schliesst nicht aus, dass schon vorher dorische (besser protodorische) Bevölkerungsgruppen nach dem Süden kamen. Doch bleibt offen, ob und wie lange sie sich sprachlich halten konnten.

VI Wir können jetzt versuchen, durch Verbindung der Rückschlüsse aus den Dialekten des 1 .Jahrtausends mit den direkten Zeugnissen aus mykenischer Zeit ein Bild von der sprachlichen Gliederung im 2.Jahrtausend zu gewinnen. Feste Aussagen sind nur in beschränktem Masse möglich, im Süden noch eher als im Norden, und zwar aus zwei Gründen: 1 ) Wir haben bisher nur im Süden direkte Zeugnisse; auch die Sprache des Palastes von Theben gehört offenbar zum Süden; 2) Rückschlüsse sind für den Süden bei den Übereinstimmungen zwischen Arkadisch, Kvprisch und Ionisch-Attisch viel leichter zu ziehen als im Norden, wo die speziell äolischen Gemeinsamkeiten weniger alt zu sein scheinen 33 und das Verhältnis zum Westgriechischen nicht eindeutig ist. Sicher haben wir im Süden ein Dialektgebiet mit Assibilation, mit τότε 'damals', wahrscheinlich auch mit οί/αί zu à/à u.a. 3 \ Es ist direkt vertreten durch das Mykenische und erschliessbar durch die arkadisch-kyprisch-ionischattischen Übereinstimmungen. Absolut einheitlich war es sicher nicht: die mykenischen Tafeln bezeugen vor allem bei Pylos Differenzen, die man als dialektisch bezeichnen wird, ferner eine Sonderstellung von Mykene. Die

32 Wie im übrigen Mykenischen steht auch hier die Präposition bzw. das Präverb pa-ro: Ad 686 o-u-pa-ro-ke-ne-\.to\. 33 Vgl. José L. García-Ramón, Les origines postmycéniennes du groupe dialectal éolien. Suplementos a Minos, Núm. 6 (1975). 34 Doch ist die Verteilung von oí, at und τοί, ταί in historischer Zeit irritierend, s. Anm. 48. Weitere Merkmale s. Abschn. II, S. 4.

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Unterschiede zwischen dem tatsächlich bezeugten My kenisch (besonders « mycénien spécial ») und der erschlossenen Vorstufe des Arkado-Kyprischen sind, soweit wir feststellen können, gering. Die markantesten vom Mykenischen abweichenden gemeinsamen Züge des späteren Arkadischen und Kyprischen sind wohl: Wandel von ε zu ι vor ν (tv usw.); Durchführung der apokopierten Formen, besonders πός statt ποσί; Verzicht auf μετά zugunsten von πεδά; Durchführung des Typus φίλημι bei den Verba vocalia; Zusammenfall von Instrumental und Dativ/Lokativ, wobei sich im Plural die Instrumentalform -οις durchsetzt (analog dazu -αις) 33 . Die meisten dieser Züge sind auch anderswo verbreitet, und keiner dürfte viel älter als die Trennung dieser beiden Dialekte sein. Dass man für die Zeit vor 1200 neben dem Mykenischen mit seinen verschiedenen Varianten noch einen davon merklich verschiedenen proto-arkado-kyprischen Dialekt annehmen muss, scheint mir sehr unwahrscheinlich 36. Schwieriger wird die Frage, wie weit die Besonderheiten des IonischAttischen die Annahme eines eigenen Protoionischen vor 1200 notwendig machen. Sicher sind die meisten von diesen teils selbständige jüngere Neuerungen, teils solche, die das Ionisch-Attische mit dem Dorischen teilt, zB ève ( > ές, εις) statt έν mit Akk. (s. oben). In einigen Fällen liegt Bewahrung des Alten vor, so bei μετά oder beim Typus φιλέω (letzteres auch dorisch) 37. Ein gewisses Alter beansprucht die Präposition πρός (wohl < *προσί < προτί) gegenüber myk. posi > ark.-kypr. r.ic 38. Auch pa < r (τράπεζα usw.) lässt sich vielleicht direkt mit dem Sonderdialekt von Mvkene verbinden (wegen tu-ka-ta-si ~ θυγατράσι s.S. 97 und 101). Wir haben also ein zwar keineswegs völlig einheitliches, aber soweit wir feststellen können, doch relativ homogenes Südgriechisch. Dass wenigstens bei Personennamen auch Zeugen für einen nichtassibilierenden Dialekt da sind, ist bereits festgestellt worden. Unsicher bleibt, wie weit überhaupt im 2.Jahrtausend in diesem südlichen Raum noch andere Dialekte gesprochen wurden, von denen sich uns keine greifbaren Spuren erhalten haben.

35 Die gemeinsamen Merkmale des Arkadisch-Kyprischen etwa bei Thumb-Scherer I I 110 und bei Buck 144. 36 Anders F.R. Adrados, der als Vorstufe dieser Dialekte ein besonderes « paramicénico » ansetzt: Emérita 44 (s. Anm. 4), bes. S. 70, 81 ff. 37 Über die Gemeinsamkeiten zwischen Dorisch und Ionisch-Attisch s. unten Abschn. V I I I . 34 Myk. po-si (nur in Serie Sd KN und in po-si-ke-te-re P Y An 6 1 0 . 6 ) könnte allerdings auch /porsi/ < * prosi gelesen werden. Eine Differenz zeigt auch die Präposition ion.-att. (auch westgr.) άπό gegenüber myk. apu (vor Vokal ap-, zB a-pe-o-te /apeontes/ u.a.), das auch im Thess. und Lesb. gilt. Ark. und kypr. άπύ kann sowohl apu, als auch apo fortsetzen, da hier auslautendes -o > -u wird, zB Medialendung -ετυ usw.

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VII Über die Situation weiter nördlich, d.h. in Mittel- und Nordgriechenland, sind wir viel schlechter unterrichtet. Attika gehörte so gut wie sicher dialektisch zum Südgriechischen; es mag offen bleiben, wie weit ihm bereits damals eine sprachliche Sonderstellung zukam. Sehr unsicher ist, ob die Sprache der Palastverwaltung in Theben für Böotien repräsentativ ist. Im Übrigen wird man in Mittel- und Nordgriechenland mit einiger Sicherheit eine Dialektgruppe annehmen, die im wesentlichen als Vorstufe der spätem westgriechischen und äolischen Dialekte gelten kann. Die gemeinsamen Merkmale dieser Dialekte sind oben aufgeführt (unter II). Es sind das: 1 ) Erhaltung von τι, zB δίδωτι, π(ρ)οτί, was aber als bewahrte Altertümlichkeit nicht viel beweist; 2) gleiche Behandlung von *totjos, *methjos wie *phulakjö u.a.; 4) athematischer Infinitiv auf -μεν (lesb. -μεναι); 5) δείλομαι, βέλλομαι usw. mit e statt βούλομαι mit o; 7) die Konjunktion al; 8) die Modalpartikel κε, bzw. κα {auch kyprisch). Bei (1) und (5) geht das Lesbische allerdings mit dem Südgriechischen, offenbar infolge ionischen Einflusses, der auch bei εις und sonst vorliegt. Anderseits scheint das Ionisch-Attische in einigen Fällen die westgriechischäolische Form übernommen zu haben: so zB die Medialendung -ται gegenüber myk.-ark.-kypr. -τοι und καί gegenüber ark.-kypr. κάς 39 , vielleicht auch westgriech. εκατόν u.a. gegenüber dem erhaltenen o in διακόσιοι usw. Als weiteres westgriechisch-äolisches Merkmal darf man den Dat. Plur. auf -εσσι nennen, gegenüber -σι sicher eine Neuerung. Freilich gilt -εσσι eigentlich nirgends unbestritten: im älteren Thessalischen und Lesbischen (Sappho, Alkaios) gibt es auch vereinzelt -σι, im Nordwestgriechischen setzt sich statt dessen immer mehr -οις durch, und im Dorischen trifft man -εσσι nur vereinzelt: in Kerkyra mit Kolonien und in Sizilien 40. Wenn auch jeder einzelne dieser Punkte für sich allein wenig beweist,

39

Vgl. Verena Liittel-Zeier, ΚΑΣ und KAI (Diss. Zürich, im Druck). Auch das Pamphylische hat -εσσι. Trotz der eigenartigen äussern Form muss dieser abgelegene Dialekt im Wesentlichen als Ableger der dorischen Gruppe betrachtet werden: Erhaltung des τι, zB φίκατι, &γωδι < Λγωντι, Ις = είς, Sxa, Ιαρός ύπάρ (vgl. F. Bechtel II 796 f., auch A. Scherer in Thumb-Scherer II 177 f. Zum Arkadisch-Kyprischen (« Achäischen ») passt von den wirklich entscheidenden Kriterien nur der Inf. (?) άφιιεναι (in unsicherem Zusammenhang). Zum Pamphylischen vgl. C. Brixhe, Le dialecte grec de Pamphylie. Documents et grammaire (Paris 1976): sehr ausführlich, aber dialektologisch eher ein Rückschritt. — Zu -εσοχ in Elis vgl. auch J.L. García-Ramón, Cuadernos de filología clásica 8 (1975), 277 ff. 40

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sprechen sie zusammengenommen doch eindeutig dafür, dass man im 2.Jahrtausend eine westgriechisch-äolische oder besser nordgriechische Dialektgruppe annehmen muss. Das bedeutet aber nicht, dass nicht noch andere Dialekte da waren; nur sind solche für uns nicht mehr fassbar. Weit weniger sicher können wir die Frage beantworten, wie weit man aus verschiedenen Indizien innerhalb dieser nordgriechischen Gruppe bereits fürs 2 Jahrtausend Differenzen rekonstruieren kann. Im 1 Jahrtausend sind die Unterschiede zwischen den Dialekten beträchtlich. Doch wird eine historische Betrachtung dadurch sehr beeinträchtigt, dass uns für viele Gebiete ältere Texte ganz oder fast ganz fehlen. Weitaus am kleinsten sind die Unterschiede zwischen dem Dorischen und dem Nordwestgriechischen. Es sind vor allem auf dorischer Seite die mit dem Ionisch-Attischen und Lesbischen gemeinsame Neuerung ένς (ές, εις) statt έν m. Akk. und auf nordwestgriechischer Seite die (übrigens nicht restlos durchgeführten) Neuerungen Dat. PI. auf -οις (Typus πάντοις) und der Wandel ε > α vor ρ {zB φάρω, πατάρα) zu nennen. Keine von diesen kann mit einiger Wahrscheinlichkeit der Zeit vor 1200 zugewiesen werden. Man darf also annehmen, dass vor der Abwanderung der Dorer nach Süden — ganz gleich, wie man sich diese im Einzelnen vorstellt — es nur ein (soweit für uns fassbar) einheitliches Westgriechisch gab. Heikler ist die Beurteilung des Alters der Gemeinsamkeiten und der Unterschiede innerhalb der äolischen Gruppe. Nach José L. García-Ramón sind die typisch äolischen Merkmale alle relativ jung (nach 1200) 41 . Vielleicht empfiehlt es sich überhaupt, die Annahme eines « Protoäolischen » aufzugeben. Gemeinsam allen drei äolischen Dialekten sind die Patronymika auf -ιος (meist -ειος), die aber nur eine erhaltene Altertümlichkeit sind, welche auch das Mykenische kennt. Wichtiger ist, dass hier, allerdings auch im Kyprischen, die Labiovelare vor e-Lauten nicht palatalisiert gesprochen wurden und sich daher mit jenen vor o, a und Konsonant zu Labialen entwickelten (zB böot., thess. πέτταρες, lesb. πέσυρες), während sie im Westgriechischen wie im Ionisch-Attischen als Dentale vertreten sind (westgr. τέτορες, ion.-att. τέσσαρες/τέτταρες), was eine palatalisierte Vorstufe voraussetzt, wie sie im altern Arkadischen noch bezeugt ist (τζ u.ä., z.T. auch besonderes Zeichen). Allen drei Dialekten gemeinsam ist die Neuerung, dass das Part. Perf. Akt. wie die übrigen Partizipien gebildet wird, also Typus έληλύθων -θοντος. Andere wichtige Besonderheiten des Äolischen finden sich, wenn man die sog. Äolismen der homerischen Sprache, die wir wegen ihrer zahlreichen Sonderprobleme bei unsern Betrachtungen bewusst ausgeklammert haben, nicht mitzählt, jeweils nur bei zwei der drei Dialekte 42 .

41

Vgl. J. L. García-Ramón. Les origines (s. Anm. 33), bes. S. 10 ff. Siehe zB C. D. Buck 148, Thumb-Scherer II ff., J. L. García-Ramón, loc. cit. 110/111. 42

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Das Westgriechische 43 hat in vielen Fällen α statt ε und statt o des Äolischen und anderer Dialekte: so α statt ε in ίαρός (nordwestgr. auch φάρω, κατάρα usw.), "Αρταμις, ferner bei κα (κα laut metrischem Zeugnis) und γα. Die Tendenz zur offenen Aussprache des ε ist also beim Nordwestgriechischen noch ausgeprägter als beim Dorischen, und im Falle von φάρω, πατάρα usw. ist sie sicher, bei "Αρταμι,ς so gut wie sicher und in den andern Fällen höchst wahrscheinlich eine Neuerung, welche, da sie beiden Dialekten gemeinsam ist, im Kern älter sein muss als die Abwanderung der Dorer. Statt o steht α vor allem dann, wenn silbische Nasale oder Liquiden zugrunde liegen, zB δέκατος gegenüber δέκοτος, στράτος gegenüber στρότος, ferner bei άν(ά) gegenüber ov44. Freilich geht das Böotische bei α statt ε oder o oft mit dem Dorischen und zeigt zB bei ρα/ρο ein Schwanken: στρότος, aber πέτρατος 'der 4 Λ Aber auch im westlichen Thessalischen findet sich öfter α; einzig das Lesbische hat immer ε bzw. o 45. Einen Unterschied zwischen westlichem und östlichem Nordgriechisch zeigt auch die Behandlung der alten Konsonantengruppe s + Nasal bzw. Liquida. Im Thessalischen und Lesbischen stehen Geminaten, was gerne, allerdings ohne wirklich zwingende Gründe, als Bewahrung eines älteren Zustandes betrachtet wird 4 6 ; sonst finden sich einfache Nasale oder Liquidem mit Ersatzdehnung des vorangehenden Vokals, zB εμμι, aber είμί/ήμί (< *esmt) usw. Auch hier geht das Böotische mit dem Westen. Ähnlich bei den Temporaladverbien: westgr. und böot. 8κα usw., aber lesb. α, wohl auch bei δέκατος (s. oben) und bei der palatalisierten Aussprache der Labiovelare vor e 48 .

Contracta gebildet werden, vielfach aber dort, wo man εο erwartet, ει ( < εε) steht, zB lokr., phok. καλείμενος u.a. (Beispiele bei J. J. Moralejo Alvarez, Gramática de las inscripciones délficas (1973), 229 f.), auch böot. (?), elisch -ήμενος, phok. vereinzelt auch ποεΐνται u.a. 48 Als wichtiges Merkmal des Westgriechischen gegenüber allen andern Dialekten (inklusiv Äolisch) gilt die Endung -μες der 1. Plur. gegenüber -μεν (so auch böot. und thess, vgl. J. L. García-Ramón, Les origines 55), auch wenn die Zeugnisse in einzelnen Gegenden äusserst dürftig sind und für die ältere Zeit ganz ausfallen. Doch hat eine neue Inschrift aus Alipheira in Westarkadien (3. Jahrh., 2. Hälfte), deren Sprache noch durchaus arkadisch ist, ώμόσαμες SEG 25, 447.16, was den bisher einzigen und sehr umstrittenen Beleg έδικάσαμες (-μεν ?) aus Mantinea (Schwyzer, Dial. 661.18) stützt und die bisher angenommene Verteilung der beiden Endungen völlig in Frage stellt. — Wie weit beim Pronomen zwischen Westgriechisch und Äolisch alte Unterschiede bestehen, ist schwer zu sagen: κείνος, κηνος gegenüber dor., phok. τήνος ist nicht nur im Böotischen und Lesbischen, sondern auch im Südostdorischen (Kreta, Dodekanes) gut bezeugt, was an die eigenartige Verteilung von τοί, τα( und oí, at erinnert: westgriech., diesmal auch böot. το£, ταί (als Archaismus auch bei Homer), aber ausser südgriech.,

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Doch sind alle Schlüsse, solange nicht weiteres Material, vor allem aus älterer Zeit dazukommt, recht unsicher. Völlig offen ist, ob nicht im Norden wie im Süden weitere Dialekte vorhanden waren, von denen für uns keine Spuren mehr greifbar sind.

VIII Bei Anerkennung all der Unsicherheitsfaktoren ergibt sich doch als wahrscheinlichstes Bild für das 2.Jahrtausend (bis etwa 1200), dass man in erster Linie mit einer Differenzierung zwischen Süden und Norden rechnen muss, dass man sich aber weder das Südgriechische noch das Nordgriechische als etwas völlig Einheitliches vorstellen darf. Wichtige Merkmale der Dialekte des 1 Jahrtausends sind jedoch teils jünger, teils kaum älter als etwa 1200. Beizufügen wäre noch, dass man mit Sicherkeit annehmen muss, dass die verschiedenen Dialekte, vielleicht sogar die dialektische Gliederung, sich im Laufe des 2 Jahrtausends merklich verändert haben. Direkt fassen können wir einige Veränderungen beim Mykenischen, wenn auch die Interpretation einzelner Erscheinungen zT. noch umstritten ist49. Verschiedenes musste in dieser notgedrungen knappen und vereinfachenden Darstellung nur angedeutet oder ganz weggelassen werden, was einer ausführlicheren Untersuchung vorbehalten bleibt. Doch soll am Schluss noch darauf hingewiesen werden, dass eine wesentliche Voraussetzung für die hier dargelegte Auffassung von der Gliederung der griechischen Dialekte im 2. Jahrtausend die Annahme ist, dass die unbestreitbaren Gemeinsamkeiten zwischen dem Ionisch-Attischen und dem Dorischen oder überhaupt dem Westgriechischen aus der Zeit etwa zwischen 1200 und dem Anfang des 1 Jahrtausends stammen. Auf einige von ihnen ist schon mehrfach hingewiesen worden. Neuerungen sind sicher ένς > ές, εις (ohne Nordwestgriechisch) und Dental aus Labiovelar vor e, wahrscheinlich auch pa aus r, δέκατος u.ä. (s. Anm. 44). Auch die Verallgemeinerung des an sich alten Typus φιλέω darf als Neuerung bezeichnet werden. Noch weiter verbreitet, aber ebenfalls Neuerungen, sind — jedenfalls im Ionisch-Attischen — και (s. Anm. 39) und die Medialendung -ται. In einigen Fällen wird der Ausgangspunkt beim Westgriechischen liegen, nämlich ρα < r usw., καί, -ται. Bei ένς scheint mir wahrscheinlicher, dass sich diese Neuerung vom Ionisch-Attischen aus einerseits zum Dorischen,

thess., lesb. auch in Kreta oí, at. Beim Personalpronomen lässt uns das Thessalische im Stich, das Böotische hat im ganzen ähnliche Formen wie das Westgriechische, während das Lesbische, von einigen Sonderformen (zB Gen. ϊμεδεν, natürlich auch Αμμες usw.) abgesehen, im ganzen dem Ionischen entspricht. 49 Vgl. dazu M. Lejeune, Pré-mycénien et proto-mycénien, BSL 71 (1976), 193 ff.

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anderseits zum Lesbischen ausgebreitet hat. Jedenfalls sprechen solche dem Dorischen und dem Ionisch-Attischen gemeinsame Neuerungen dafür, dass der Kontakt zwischen diesen beiden Gruppen zu einer gewissen Zeit recht eng war. Ich sehe keinen ernsthaften Grund dagegen, dies in die « dunkeln » Jahrhunderte unmittelbar nach dem Sturz der mykenischen Herrschaft zu verlegen, als sicherlich grössere Wanderungen und Verschiebungen, wahrscheinlich auch Vermischungen stattfanden und sich gerade sowohl die Ionier als auch die Dorer gewaltig ausgebreitet haben 50.

50 Angesichts dieser Übereinstimmung zwischen Dorisch und Ionisch-Attisch wäre zu erwägen, ob man die Dorer des 2. Jahrtausends nicht am ehsten im böotisch-phokischen Raum, wo sich ja auch die Landschaft Doris befindet, lokalisieren könnte.

[Ill]

Die griechischen Dialekte im 2. vorchristlichen Jahrtausend

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χ> Ε 48!») und fr. 42, 4 Diehl2 f-ς ττόλιν ι/Μην. ι'/Μι ϊν. i/Aihiv usw. hat auch Homer vorzugsweise am Versende (in fast 4-0",, der Kalle), und am sappli. Strophenende leseil wir es Sa. 1,8 χούσιυν ¡)"/Jhi und Sa. 2(>, 12 Diehl2 i t; ywir i)/.i)t. Zu letzterem vgl. den häufigen hom. Vers: (linài) ¿.iti πόαιυς και f-Λι/ΤΜο; f i tnov Ato (ζ. 15. .1 40!))

292

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Museum Helveticum 3,4 (1946)

homerische \'erssehlüsse wie ονδενι έΐκων Χ 4 5 9 : είκων, -ειν kommen bei H o m e r (iiiial (von lOiiial) ani Versende vor. Kine genauere Prüfung aller sapphischen Strophenschlüsse, die ich hier nicht in ihrer ganzen Breite darlegen möchte, zeigt, daß sich von den etwa 60 einigermaßen sicher erhaltenen F ä l l e n mindestens 40 deutlich an epische Versschlüsse anlehnen. Wenn wir nun zu unserem besondern F a l l ζακρυόεντος zurückkehren, finden wir, daß Adj. auf -εις (als -εντός, -ι usw., -εσσα usw.) bei H o m e r sehr oft a m Versende vorkommen (in 4 6 % der Fälle, s. Verf., Wortbildung d. hom. Sprache 139) und daß Bildungen auf -νόεντος usw. im ganzen 27mal (von 49) a m Versende gezählt werden. Die Wahrscheinlichkeit, daß auch dieser Ausdruck auf episches Vorbild zurückgeht, ist also sehr groß. A m nächsten stehen, wie m a n schon früher gesehen h a t , offenbar folgende homerische Beispiele: I 64

δς πολέμου

εραται επιδημίοο

κρνόεντος2

Ε 737 --- Θ 3 8 8 τεύχεσιν h πόλεμον ϋωρήσσετο Ρ 512

τηιδε γαρ έβρισαν πόλεμον κάτα

όακρνόεντα δακρυόεντα.

Obwohl δακρνόεις «tränenreich» zu δάκρυ und κρνόεις «schaurig» zu κρύος η. etymologisch nichts miteinander zu tun haben, kommen sie sich doch sowohl in der Verwendung als auch in der B e d e u t u n g so nahe, daß sie als zusammengehörig empfunden werden konnten. D a s Nebeneinander von φοινός Π 159 und δαφοινός lì 3 0 8 u . a . konnte nun dazu verleiten, auch δακρνόεις als verstärktes κρνόεις aufzufassen. Häufiger ist aber die Verstärkungspartikel ζα-:

während

δαψοινός ungefähr gleichbedeutend ψοινήεις steht, h a t κοτήεις «grollend»

neben ζάκοτος

zur Seite (alle Bcisp. aus Horn.); δα- und ζα- waren also für die epischen D i c h t e r gleichbedeutend und konnten nach metrischen Bedürfnissen abgewechselt werden. Sogar δάπεδον «Hausboden», dessen δα- die Schwundstufe zu *δεμ- ist und nichts mit der Verstärkungspartikel δα-, ζα-, welche man als Äolismus für διά erklärt, zu tun h a t , konnte daher von nachhonierischen Dichtern zu ζάπεδον variiert werden: X e n o p h . 1, 1 νΰν γαρ δη ζάπεδον καθαρό ν και χείρες απάντων, selles

Weihepigraiiini

um 5 0 0

(Sehwyzer dial. 771, 3) σεμνώι

εÌ'Ì

Pari-

ζαπέδωι3.

Metrisch begründet ist ζάπεδον nur im 2. Beispiel, n i c h t aber bei Xenophanes. Also wird er dieses Wort auch nicht als erster verwendet haben. Aus dieser in der hexametrischen Dichtung möglichen F r e i h e i t im Wechsel von δα- und ζα- erklärt sich nun auch am besten ζακρνόεντος: und variiert zugleich δακρνόεντος.

es verstärkt κρνόεντος

Das A d j e k t i v ist bei Alkaios E p i t h e t o n zu

ϋάνατος, während die homerischen Beispiele neben πόλεμος

stehen. Doch ist das,

wenn man bedenkt, daß «Krieg» und «Tod» sich begrifflich sehr nahe kommen, 2 S o überzeugend aus überliefertem tixomirvτος hergestellt, s. B e e h t e l , L e x i l o g u s 2 4 6 , zuletzt Ohantraine, ( ¡ l a m i n a i r e homérique 7 u. 4 5 . 3 Diese Deutung von . U T K W bei Solmsen Ith. Mus. N F 00, 5 0 0 f. u. 1 F ,'ì 1. 4 5 3 f f . Ü b e r den Wechsel von ' >>/ » /

τωι ο υ ό υ σ ε υ ς ονομ εστω επωνυμον. 19.405 ff. «Selber Autolykos suche den Namen, den du dem lieben Kindeskinde verleihst, das du so sehnlich erbeten. » 405 ihr erwiderte drauf Autolykos also und sagte: «Eidam und Tochter, gebt ihm den Namen, den ich euch sage. Komm ich doch hierher, verhaßt, verfeindet mit vielen Λ liinnern und auch Frauen weit auf der nährenden Erde. Daruni sei scia Name: Odysseus, der Zürner. Abgesehen vom Wortspiel Αύτόλυκος - αυτός «selbst» im Vers 405, wird liier also der übrigens vorgriechische Name Odysseus als όδυσσάμενος «verhaßt» (oder «grollend» ?) erklärt und u m ständlich begründet: AVeil der Großvater verhaßt ist, soll auch der Enkel so heißen. Das Kind wird in diesem Fall also nicht, wie wir es bei Astyanax gesehen haben (s. S. 80), nach dem Vater, sondern nach dem Großvater, und zwar merkwürdigerweise nach dem Vater der Mutter benannt. Etwas später erzählt Penelope ihren Traum. Doch sei es kein T rάλλ' a u m :ΰπαρ έσ&λόν, δ τοι τετελεσμένον εσται. τgewöhnlicher 547 ουκ οναρ, Herrliche Wahrheit ist's, kein Traum, und wird sich erfüllen. Wie uns Ε. 1 I m m u n i gelehrt hat (Gott. Nachr. 1918, S. 284ff.), kann ύτταρ nur als Gegensatzbildung zum alten Wort οναρ

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Eumusia, Festschrift Ernst Howald (1947)

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«Traum» verstanden werden. Sie war aber nur bei einem Dichter möglich, dem das äolische ov, ονά — ionisch-attisch άνά «hinauf» bekannt war. Da er nun in Övap dieses öv(a) hörte, bildete er zu υπό (ion.) oder ύπά (äol.) «hinunter, unten» für die dem bloßen Traum entgegengesetzte Realität das künstliche Wort ΰπαρ, was sicherlich ein gewisses sprachliches Interesse und eine Freude an etymologischen Deutungen verrät 1 . Dann wird weiter in den Versen 562ff. erzählt, daß es eben zweierlei Arten von Träumen gebe. Es seien nämlich zwei verschiedene Pforten, aus denen sie herausfliegen: τ 563ff. αί μεν γάρ κ ε ρ ά ε σ σ ι τετεύχαται, αί δ' έ λ έ φ α ν τ ι . των ot μεν κ' ελ&ωσι διά πριστού έ λ έ φ α ν τ ο ς , ο'ί ρ' έ λ ε φ α ί ρ ο ν τ α ι , επε' άκράαντα φέροντες οΐ δέ διά ξεστών κ ε ρ ά ω ν Ιλθ-ωσι θύραζε, ot ρ' ετυμα κραίνουσι, βροτών βτε κέν τις ΐδηται. 19.563ff. Eine ist aus Horn und elfenbeinern die andre. Jene Träume, die durch das Tor von Elfenbein treten, Sind nur täuschender Trug und reden nur nichtige Worte; Die aber aus dem Glanz des hellen Hornes hervorgehn, Finden ihre Erfüllung, wenn sterbliche Menschen sie schauten. In dieser sehr merkwürdigen Stelle wird also das Verbum κρααίνειν, κραίνειν «vollenden» mit dem Substantiv κέρας «Horn» zusammengebracht2 und das seltene έλεφαίρεσθαι «täuschen, schädigen» mit έλέφας «Elefant, Elfenbein». Aus dieser Verbindung der beiden Verben mit den Stoffbezeichnungen ergibt sich also dieses merkwürdige Märchen von den zwei Traumpforten. 1. Alle andern Stellen, in denen dieses Wort bei Homer (υ 90) und in der spätem Literatur vorkommt, sind offenbar von dieser einen abhängig. 2. Tatsächlich hangen beide Wörter zusammen, aber nur mittels des Zwischengliedes κάρη, κράατος «Haupt», s. Bechtel, Lexilogus 2 0 2 f . , Schwyzer, Griech. Gramm. I 583 und 7 2 4 f .

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Namensdeutungen und Worterklärungen bei den ältesten gr. Dichtern

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Aber solche komplizierte etymologische Überlegungen, wie sie hier dreimal kurz hintereinander vorkommen, stimmen nicht zum Ton der übrigen Teile dieses Epos'. Zwar ist die Verbindung des Namens Odysseus mit dem Verbum οδύσσασθαι «grollen, hassen» auch sonst nicht unbekannt, aber sie wird dann nur ganz vorsichtig angedeutet. Ζ. B. sagt Ino Leukothea zu Odysseus: ε 339 f. κάμμορε, τίπτε τοι ώδε Ποσειδάων ένοσίχ&ων ώ δ υ σ α τ ' έκπάγλως, οτι τοι κακά πολλά φυτεύει; «Unglücklicher, warum grollt der Umstürmer Poseidon Dir so entsetzlich und läßt dir soviel Leiden erwachsen ?» (ähnlich ε 423, τ 275 u. a.) Hier können wir aber kaum mehr von einer etymologischen Erklärung sprechen, sondern wir müssen es schon viel eher als Wortspiel bezeichnen. Gerade diese sind aber im Gegensatz zu den eigentlichen Deutungen bei Homer recht häufig. Der Name Odysseus selbst wird z.B. auch noch mit οδύρεσ-9-αι «klagen», οδύνη «Leid» zusammengebracht. So sagt Kalypso zu Odysseus: ε 160 κάμμορε, μή μοι ετ' έν&άδ' όδύρεο, «Unglückseliger, klage mir hier nicht länger.. . » (ähnlich ι 13, λ 214, ν 219 u. a.) Im ersten Buch der Odyssee erscheinen sogar beide Anspielungen nebeneinander. In einer berühmten Rede sagt nämlich Athene zu Zeus: a55ff. του (sc. "Ατλαντος) θυγάτηρ δύστηνον ό δ υ ρ ό μ ε ν ο ν κατερύκει, αίεί δέ μαλακοΐσι καί αίμυλίοισι λόγοισι θέλγει, δπως'Ιθάκης έπιλήσεται' α ύ τ ά ρ ' Ο δ υ σ σ ε ύ ς , ίέμενος και καπνον άπο&ρώσκοντα νοήσαι ής γαίης, θανέειν ίμείρεται. ουδέ νυ σοί περ 60 έντρέπεται φίλονήτορ,'Ολύμπιε; οΰ νύ τ ' Ό δ υ σ σ ε ύ ς Άργείων παρά νηυσί χαρίζετο ιερά ρέζων Τροίηι έν εύρείηι; τί νύ οί τόσον ώ δ ύ σ α ο , Ζευ; 1.55ff. Dessen (d. h. Atlas') Tochter hemmt den Klagenden, bitter Betrübten

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Immer kost sie ihn mit weichen, schmeichelnden Worten, Daß er betört der Heimat vergäße, aber Odysseus Sehnt sich nur, den Rauch von Ithaka steigen zu sehen, Und erfleht den Tod. Wird denn, Olympier, niemals 60 Dir das Herz gerührt ? Hat denn Odysseus nicht allzeit Fromm im Gefilde von Troia dir bei den Schiffen von Argos Heilige Opfer verrichtet ? Warum denn zürnst du ihm also ? Wie Odysseus hat auch Achilleus einen vorgriechischen Namen. Diesen verbindet der Dichter im 20. Gesang der Ilias mit άχλύς « Finsternis (vor den Augen) », ζ. Β. Y320ff. Ιξε δ' 6θ' Αινείας ήδ' δ κλυτος ήεν Ά χ ι λ λ ε ύ ς . αύτίκα τώι μέν επειτα κατ' οφθαλμών χέεν ά χ λ ύ ν , Πηλεΐδηι Ά χ ι λ ή ϊ . Bis er Aineias traf und den herrlichen Helden Achilleus. Drauf umgoß er gar schnell mit hüllendem Nebel die Augen Des Peliden Achilleus (ähnlich Τ 341 und 421 f.) Häufiger aber wird Achilleus mit άχος «Leid», άχέων «trauernd» u. ä. zusammengestellt, so ζ. Β. Β 694, Π 52, 55, Σ 62 usw. Da aber άχος außerdem an den Stammesnamen Αχαιοί «Achäer» anklingt, finden wird auch Wortspiele wie Κ 145 ( = Π 22) — τοΐον γάρ άχος βεβίηκεν ' Α χ α ι ο ύ ς . XVI. 22 so bitteres Leid befiel die Achaier. Derartige Spiele mit ähnlich lautenden Wörtern finden wir bei Homer nicht selten. Weil sie aber oft so fein sind, daß sie nicht sofort auffallen, ist es im Einzelfall nicht immer leicht zu entscheiden, Avas zufällige Ähnlichkeit und was bewußtes Spiel mit Anklängen ist. Wenn mein aber auch dem Zufall einen recht großen Bereich einräumt, so bleiben doch noch genug Beispiele berechneter Kunstübung, welche weder Anspielung auf etymolo-

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Namensdeutungen und Worterklärungen bei den ältesten gr. Dichtern

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gische Deutung, noch einfache Alliteration und sog. Figura etymologica (ζ. Β. αοιδός άεοδε α 525 «der Sänger sang» usw.) verschmäht. Doch wollen wir nicht auf einzelne schillernde Beispiele eingehen, da wir sonst Gefahr liefen, vom eigentlichen Thema abzuirren. Ein sicheres Beispiel für ein etymologisches Wortspiel ist aber etwa: Δ 353ff. βψεοα, ήν έθ-έληισΰ-α και ou κέν τοι τά μέμηληο, Τ η λ ε μ ά χ ο ι ο φίλου π α τ έ ρ α π ρ ο μ ά χ ο ι σ ι μιγέντα Τρώων ίπποδάμων. IV.553ff. Wirst du, sofern du magst und Lust hast, deutlich gewahren, Wie auch des Telemach Vater sich immer unter den ersten Stürzt auf die reisigen Troer. In einem Zusammenhang, da Tele mach nichts zu tun hat, nennt Odysseus sich selbst den Vater Tele mach's. Nun bedeutet aber Τηλέ-μαχος «aus der Ferne kämpfend», Gegensatz zu άγχέμαχος « i m Nahkampf kämpfend». Wie bei Astyanax (s.S. 80) sollte dieser Name eigentlich dem Vater, also Odysseus zukommen, der ja den Bogen so meisterhaft zu handhaben weiß. An dieser zitierten Iliasstelle ist n u n der Gegensatz zu Τηλέ-μαχος nicht άγχέ-μαχος, sondern πρό-μαχος «Vorkämpfer». Odysseus sagt also: «Obwohl mein Sohn Telemachos heißt, ich demnach eigentlich ein Fernkämpfer bin, will ich mich jetzt doch in die vorderste Linie werfen und mit den Ersten der Trojaner kämpf e n . » Es wird hier also mit der Bedeutung des Namens Telemachos gespielt 1 . Außer den eigentlichen Namen locken auch verschiedene Beiwörter (Epitheta) zu solchen spielerisch-andeutenden Etymologien. So wird das Beiwort des Schlafes λυσι-μελής, das ursprünglich sicher «die Glieder (μέλεα) lösend, d. h. ausschirrend» be1. Ähnlich ist auch Β 260 zu verstehen. Über den Bogenschützen Odysseus vergi. Howald, Der Mythus als Dichtung, S. 57.

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deutet (s. T. Knecht, Geschichte der griech. Komposita vom Typus τερψίμβροτος, Diss. Zürich 1946, S. 10), bei Homer als «Sorgen (μελεδήματα) lösend» gedeutet: υ 56f. ευτε τον ύπνος £μαρπτε, λ ύ ω ν μ ε λ ε δ ή μ α τ α θυμοΰ, λυ σι μ ε λ ή ς, άλοχος δ' άρ' έπέγρετο κεδνά ίδυΐα. 20.56f. Als ihn so Schlummer umfing und ihm den Kummer des Herzens Und die Glieder (!) ihm löste, erwachte die sorgende Gattin, (ähnlich ψ 342f.) Ein Beiwort von Helden, dessen Bedeutung weder im Altertum, noch heute sicher feststeht, ist δαΐ-φρων «auf Kampf sinnend ( ?) » oder «mit kundigem Sinn (?) » , s. einerseits Bechtel, Lexilogus 92, anderseits Schwyzer, Griech. Gramm. 1447 unten. Am Anfang der Odyssee wird aber noch eine weitere Etymologie angedeutet: α 48 άλλά μοι άμφ' Όδυσηϊ δ α ΐ φ ρ ο ν ι δ α ί ε τ α ι ήτορ. Aber mir bricht das Herz um den so klugen Odysseus. δαΐ-φρων ist also hier «Herz (ήτορ — φρένες) zerreißend (δαιόμενος)», was allerdings sicher falsch ist. Das merkwürdigste Wortspiel finden wir aber am Anfang der Patroklie (16. Gesang der Ilias). Patroklos macht dort Achilleus Vorwürfe, daß er nicht am Kampfe teilnimmt, und sagt, er sei νηλεής (V. 33). Dieses Adjektiv, das ungefähr «schrecklich» bedeutet, wird auch sonst Achilleus beigegeben (ζ. Β. I 497, 632, Π 204). Mit großem Scharfsinn hat W. Schulze ausgeführt, daß es eigentlich zwei verschiedene Adjektive νηλεής gäbe, eines mit der Bedeutung «mitleidlos» zu ελεος «Mitleid» und ein zweites, das ursprünglich *ναλε/ής lautete, zu άλέασθ-αι «entrinnen», άλεείνειν «zu entrinnen suchen, meiden» gehört, also «ohne Entrinnen», d. h. meistens «unentrinnbar» bedeutet (Qu. ep. 289 f. und Kl. Schriften 375). Ob diese Ausführungen W. Schulzes richtig sind, das zu untersuchen ist hier nicht der Ort. Aber mit Verwunderung stellt man fest, daß auch der Dichter dieser Verse an eine zweifache Bedeutung denkt:

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Namensdeutungen und Worterklärungen bei den ältesten gr. Dichtern

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Π 33 ff. νηλεές, ουκ άρα σοί γε πατήρ ήν ίππότα Πηλεύς, ουδέ Θέτις μήτηρ· γλαυκή δέ σε τίκτε θάλασσα πέτραι τ' ήλίβατοι, οτι τοι νόος έστίν άπηνής. 36 εί δέ τίνα φρεσί σήισι θ-εοπροπίην άλεείνει,ς, 38 άλλ' έμέ περ πρόες ώκα. XVI.33ff. Steinerner Mann I Dein Vater war nimmer der reisige Peleus Noch war Thetis die Mutter. Dich schufen dräuende Felsen Und das schimmernde Meer, weil hart und bitter dein Sinn ist. 36 Wenn nun aber nur dich ein Wink der Götter so fernhielt, 38 0 , so sende doch mich ! Die drei ersten Verse gehen sicher von der Bedeutung «ohne Mitleid » aus : « du hast ja kein menschliches, sondern ein steinernes Herz». Im Vers 36 aber kommt, mit δέ «aber» eingeleitet, etwas Neues, das offenbar an ein νηλεής «ohne Entrinnen» d.h. hier wohl «der doch nicht (dem Verhängnis) entrinnen kann», anknüpft: «wenn du aber einer Prophezeiung zu entrinnen trachtest, . . . ». Es wird hier also mit den beiden Bedeutungen des Wortes gespielt, ähnlich aber nur viel kühner, als wenn der Name Odysseus α 55ff. sowohl mit οδύρεσ&αι als auch mit οδύσσασθ-αι verbunden wird (s.S. 85) oder Hesiod die Titanen mit τιταίνω und mit τίσις erklärt (Theog. 207ff., s. S. 77). *

Namensdeutungen und Worterklärungen sind also nicht nur Hesiod, sondern auch Homer durchaus bekannt. Aber die beiden stehen dazu in einem ganz andern Verhältnis. Die homerischen Verse gleiten mit eleganter Leichtigkeit darüber hinweg; es ist ein selbstsicheres Spiel, das die überlegene Meisterschaft des ionischen Dichters verrät, der sehr vieles weiß, es aber nicht immer sagt. Mit Hesiod aber öffnet sich uns eine ganz andere, viel schwerere Welt. Die Rätsel, die sich vor ihm auftürmen, be-

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drücken ihn. Nichts ist selbstverständlich, alles m u ß mühselig erarbeitet werden, alles m u ß erst, oft in einer umständlichen und schwerfälligen Sprache gedeutet werden. Was Hesiod seinem Bruder Perses zuruft, gilt auch hier: Op. 289f. της δ' άρετης ιδρώτα θεοί προπάροιθεν εθηκαν άθάνατοι. Vor Verdienst aber setzten den Schweiß die unsterblichen Götter. Es ist etwas von der erdschweren Art der Festlandgriechen. Noch etwas trägt sicherlich dazu bei, diesen Unterschied zu vertiefen. Die homerische Sprache ist f ü r den Ionier jener Zeit trotz aller Künstlichkeit doch der eigene altionische Dialekt. Hesiod aber sprach mit seinen Nachbarn böotisch, mit seinem aus Kyme in Kleinasien stammenden Vater und dem bösen Bruder Perses vielleicht auch äolisch. Für ihn war also dieses homerische Ionisch eine Fremdsprache, die mühsam mit der Verskunst und der ganzen Mythologie erlernt werden mußte. U m so größer war daher sein Bedürfnis, dunkle Namen und Wörter zu deuten. Gerne würden wir wissen, was dabei Hesiods persönliche, durch die Herkunft bedingte Eigenart und was Ausdruck einer Schule ist. Denn zur Kunst der Musen gehörte auch sehr viel Handwerkmäßiges, welches in Dichterschulen gelehrt und geübt wurde. Sicher ist, daß z . B . unter den sog. homerischen Hymnen der f ü r den pythischen Apollo ganz ähnliche Namensdeutungen hat wie Hesiod. Der Gott hat verschiedene Beinamen : er ist ζ. Β. Τελφούσιος, der Telphusische, wegen seines Streites mit der arkadischen Quelle Telphusa (V. 204ff.) und Πύθιος, der Pythische, weil er die ungeheure Schlange Typhaon mit den Worten tötete : V. 185 ένταυθοϊ νυν π ύ θ ε υ . «Jetzt faule hier!» D e n n dieses Wort ging in Erfüllung, der Leichnam verfaulte an der Sonne. Seither heißt die Schlange Pytho (Πυθώ), Apollo selbst aber Pythios (V. 192ff.). Pytho wird aber auch die Stätte dieser Tat genannt. Geläufiger ist uns der andere Name des heiligen

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Namensdeutungen und Worterklärungen bei den ältesten gr. Dichtern

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Ortes, nämlich Delphi (Δελφοί)· Dieser wird V. 315ff. damit erklärt, daß Apollo den spätem Bewohnern zuerst in Gestalt eines Delphins (δελφίς) erschienen war. Dieser Hymnus an den pythischen Apollo, den wir uns am besten in Delphi selbst oder in dessen Nähe entstanden denken, steht nun in schärfstem Gegensatz zu dem an den delischen, d. h. auf der Insel Delos verehrten Apollo. Am Schlüsse dieses delischen Hymnus', dessen glattfließende Verse fast homerisch anmuten, stellt sich uns auch der Dichter selbst vor: er sei der blinde Mann von der Insel Chios. Der gleiche, z . T . geographisch bedingte Gegensatz, den wir zwischen Homer und Hesiod beobachtet haben, begegnet uns also hier wieder. Die Art, wie etymologische Deutungen behandelt werden, und vielleicht auch die eine oder andere Erklärung selbst werden wir daher bis zu einem gewissen Grade bestimmten Dichter- und Sängerschulen zuweisen dürfen. Diese übermittelten nicht nur die metrische Technik, die fremdartige Sprache und die Sagenstoffe, sondern es ist auch denkbar, daß sie z . T . vielleicht in katalogartiger Form neben den mythologischen Namenslisten auch einige dunklere Namen und Wörter erklärten. Jedenfalls machen verschiedene Hesiod zugeschriebene Fragmente einen solchen schulmäßigen Eindruck, ζ. B. Fragm. 191, das wir S. 78f. besprochen haben. Sicher ist übrigens, daß das Interesse f ü r etymologische Deutungen gerade in diesen mittelgriechischen Gebieten auch später groß war. Ich nenne n u r den Thebaner Pindar und ganz besonders den Athener Aischylos.

Die Sprache Alkmans Museum Helveticum 11,1 (1954), p. 2 0 - 3 7 I. Von den W e r k e n des D i c h t e r s A l k m a n ist neben zahlreichen, allerdings meistens sehr k u r z e n Z i t a t e n , die sich bei s p ä t e r e n Schriftstellern finden, nur dei· P a p y r u s mit d e m großen P a r t h e n e i o n f r a g m e n t (fr. 1) e r h a l t e n , den kürzlich Page mit reic h e m K o m m e n t a r versehen neu herausgegeben hat 1 . Dieser wahrscheinlich a u s d e m I. nachchristlichen J a h r h u n d e r t s t a m m e n d e P a p y r u s zeigt alle Merkmale einer sorgfältigen B u c h a u s g a b e : E r ist sauber geschrieben, mit Akzenten und ä h n lichen Lesezeichen versehen (ζ. Β. πάντων

ν . 13, ä ν. 58, ψϊλυλλά

ν. 7Γ>. άγίόόι

ν. ΧΟ usw., s. P a g e 2f.) u n d h a t a u ß e r d e m Scholien, die allerdings an einer Stelle ( v. (>0f.) zu zeigen scheinen, d a ß bei diesem Gedicht schon d a m a l s m a n c h e s inhaltlich d u n k e l war. Es b e s t e h t a b e r kein Zweifel, d a ß wir hier im ganzen den Text so vor uns haben, wie ihn a n t i k e Philologen f ü r richtig hielten. Z u m Bild der Sprache, d a s wir a u s dieser T e x t g e s t a l t u n g gewinnen, passen im allgemeinen a u c h die Z i t a t f r a g m e n t e , vor allem, wenn sie v o n G r a m m a t i k e r n überliefert sind 2 . D a ß hier freilich im einzelnen große Vorsicht geboten ist, sieht man schon a n d e n p a a r Versen oder Versteilen des P a r t h e n e i o n s , welche u n s zufällig auch auf a n d e r e m Wege erhalten geblieben s i n d : v. 2. 6. 49. (54f. 71. Abgesehen von d e n n i c h t unerheblichen Abweichungen des T e x t e s ist zu beachten, d a ß n u r die. Verse ö u n d (54f. richtig A l k m a n zugeschrieben werden 3 . Die drei a n d e r n Stellen segeln e n t w e d e r u n t e r falschem N a m e n oder sind a n o n y m . Wie auch P a g e 1031'. b e t o n t , werden wir also bei der B e t r a c h t u n g der Sprache in erster Linie vom P a p y r u s a u s g e h e n müssen. Dabei soll es u n s z u n ä c h s t gleichgültig sein, o b die a n t i k e n Philologen den A l k m a n t e x t richtig hergestellt h a b e n , vielmehr

soll

v o r d e r h a n d n u r die S p r a c h f o r m b e t r a c h t e t werden, welche sie als die richtige a n s a h e n . E r s t d a n n wird m a n sich fragen k ö n n e n , wie weit diese S p r a c h f o r m wirkN

1 Denys L. Page, Airman, The l'artheneion (Oxford 1951), wo auch dio wichtigste Literatur verzeichnet ist. Durch diese Ausgabe wird die von Diehl (2 1942) gebotene Textform an manchen Stellen berichtigt. Die übrigen Fragmente werden auch weiterhin, wenn nichts anderes angegeben ist, nach der Diehlschen Zählung zitiert; Zitate nach der Ausgabe von Bergk ( 4 1882) sind durch «Bgk.» kenntlich gemacht. 2 Größere Abweichungen finden wir in der Behandlung von ευ und /> (s. ,S. 2f> u. 2!l) und vor allem in der Akzentuierung (s. S. 26 Anm. 29). Daß der Text der Zitatfragmente im übrigen öfters modernisiert, d. h. dem Attischen angeglichen ist, ist evident, s. v. Wilamowitz. Te.xtgesch. d. gr. Lyr. 54ff., dessen Urteil «ganz und gar verwahrlost» mir allerdings zu weit zu gehen scheint. 3 Dazu kommen die einzelnen Wörter ΙΙύηκος ν. 19 (aus Hesych) und φάηο; ν. 61 (aus Herodian). beide Male richtig Alkman zugeschrieben.

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Die Sprache Alkmans

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lieh Alkman zugeschrieben werden darf und wie allfällige Änderungen erklärt werden können 4 . Im Wortschatz und in den Wendungen ist nun diese Sprache voll von Anlehnungen an Homer. Besonders deutlich sind sie dort, wo der Rhythmus daktylisch wird, etwa νύκτα δι' άμβροσίαν 1, 62 oder Ελλάδι βωτιανείράι 73 usw. Da Diehl diese Anklänge an Homer sorgfältig im kritischen Apparat vermerkt und auch Page ausführlich davon handelt (157 ff.), will ich jetzt nicht näher darauf eingehen5. Immerhin weise ich darauf hin, daß auch die Gestalten der «einheimischen» Sagen teilweise Namen führen, welche sie nur aus der epischen Tradition gewonnen haben können. Besonders evident ist das bei Ένάρσφορος 1, 3 der Fall®. Aber auch Πωλνδενκης 1, 1 (wohl auch 2, 3) verdankt das ω der ersten Silbe letzten Endes metrischer Dehnung 7 . Dagegen zeigt diese Sprache im Lautbestand und zum Teil auch in den Formen ein durchaus eigenartiges Gepräge, das nicht nur von der epischen Dichtersprache, sondern auch von den andern literarischen Dialekten deutlich abweicht. Diese Sprache Alkmans soll nun im folgenden in ihren Hauptzügen etwas genauer betrachtet werden8.

II. Da ist zunächst festzuhalten, daß Alkmans Sprache keineswegs einheitlich ist. Ahnlich wie bei Homer lautet die Modalpartikel bald κ' 1, 85. 49, 2. evtl. 79 (wenn von Alkman), was entweder äolisch und homerisch (κε) oder dorisch (κα) ist 9 , bald aber äv 81 und 116, was fürs Ionisch-Attische und Arkadische charakteristisch ist (vgl. Page 152). Wie bei Homer finden wir neben den normalgriechischen Dat. Plur. der 3. Dekl. auf -σι(ν) in χεοσί 37, 5, -σίν 60, 4, καμονσιν 1, 2, πασι in Πασιχάρηα 95, σάλεσσι (α = ϋ, also &άλεσ + ν, αμιν, άμίν und ähnlichen, vor allem etwa εγών 1, 2. 39. 87, εγώνγα 25, dann 2. Sing, τίν 24, 1 (Dat.), τέ 113 und τεί 74 (beides Akk.) und andere mehr (s. Page 148f.) 3 2 . 2 8 Das gleiche wiederholt sich aber auch bei den hellenistischen Dichtern: von Kallimachos bietet ζ. B . eip Papyrus (fr. 228 Pf.) κείρονσιν ν. 60 aber κλαίοντι v. 74, ferner οπότε v. 52, während/im 5. Hymnus ποκα (v. 57, 59) mit ποτ ε (ν. 5, 38, 70) wechselt, und bei Theokrit lesen wir ζ. Β . νεικείονσ' 1, 35 neben μοχΰίζοντι 1, 38 usw. 2 9 Die Zitatfragmente werden jedoch in der Ueberlieferung (auch bei Gramm.!) und in den modernen Ausgaben normalattisch akzentuiert. Notgedrungen müssen auch wir bei unsern Zitaten diese Inkonsequenz in Kauf nehmen. 3 0 Wenn = όρήις, wie Diehl und Page (doch s. S. 135 Anm. 1) schreiben. Die überlieferte Form ορης paßt aber zum lesb. Paradigma δρημι, *δρης (vgl. λύπης), s. Bechtel I 83, Gallavotti, La lingua dei poeti eolici 107. 3 1 Wahrscheinlich aus ή αρα kontrahiert, s. Boisacq s.v. 3 2 Unsicher ist die Autorschaft Alkmans bei τν 26 (Nom.) und τν 5 (Akk.).

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Die Sprache AJkmans

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Beim Verbum lautet die Endung der 1. Plur. Akt. -μες: παρήσομες 1, 12. νμνέωμες 68 (liberi, -μας), was ein wichtiges Kennzeichen des Dorischen ist (Page 148). Dorisch sind auch die belegten Formen des Verbums «sein»: εντί (s. S. 23). ής (s. S. 25 Anm. 24), Inf. ε'ίμεν oder ήμεν (s. S. 22 und 25) und Part, εντ- in παρέντοη· 111 (s. Bechtel I I 349, Page 123), ebenso der Aorist άρμόξατo 51. Beim Futurum gibt der Papyrus bei φάσεις 1, 73 durch die Akzente an, daß man diese Form als «dorisches» Futurum lesen muß. Die andern Beispiele zeigen aber normalgriechische Bildung, ζ. Β . δώσω 49, 1, παρήσομες 1, 12, άείσομαι 9. 40, 2. Doch kommen solche Futura vereinzelt auch in dorischen Dialekten vor, und in Herakleia, einer Enkelkolonie Spartas, ist sogar innerhalb des Paradigmas ein Wechsel bezeugt: εσσήται aber εσσονται usw. (s. Bechtel I I 353. 407f., Thumb-Kieckers I 2 99, Page 123ff.). Hieher gehört vermutlich auch γ statt β in ποτιγλέποι 1, 75, ερογλεφάροι 1, 21 und Ιανογλεφάρων 1, 69 (s. S. 25 Anm. 26), ebenso bei Pindar γλέφαρον O. 3, 12 usw. (s. Page 146). Es handelt sich hier wohl um Ferndissimilation des Labials oder Labiovelars (*g™-) gegen das folgende π und φ, doch ist die Etymologie unsicher (vgl. Bechtel I I 328). Andere Merkmale gehen über das Dorische hinaus. So ist die Erhaltung des langen ä, das im Papyrus konsequent und korrekt, in den Zitatfragmenten ordentlich durchgeführt ist, ζ. Β . βιατάν 1, 4, αμιν 1, 60 usw. (s. Page 137f.) allen Dialekten außer dem Ionisch-Attischen eigen 33 . Die Konjunktion al «wenn» (ζ. B . 1, 46, Page 140) ist nicht nur dorisch, sondern auch äolisch und aus Homer als Äolismus bekannt. Weit verbreitet sind auch die apokopierten Formen der Präpositionen, ζ. Β . κατάν (κατά τάν) 28, 2, καβαίνων 36, 2 (s. Page 116f.), ebenso die Präposition πεδά 1, 58 und 49, 5, die in verschiedenen Dialekten erst allmählich durch das im Ionisch-Attischen seit jeher herrschende μετά verdrängt wurde (s. Page 117f.). Nicht sehr ergiebig für die Klassifizierung des Dialektes ist auch die Behandlung des Digammas, die Page ausführlich bespricht (S. 104 ff.). In der uns überlieferten Form des Alkmantextes findet es sich zwar nur ganz selten: im Papyrus Γάναξ 1, 6, ferner von Grammatikern ausdrücklich bezeugt τά fà κάδεα 115 und (wenn von Alkman) Γελέναν 75. Verschrieben ist es wohl ρώτ( ?) statt F ώτ' 1, 41 und y' αναξ statt Γάναξ 32, 2. Doch spricht Verschiedenes dafür, daß Alkman selbst anlautendes Γ noch regelmäßig setzte, nämlich Positionsbildung in Κνπρώος εκατι (-υ-υ-υ) 101, 1, wohl auch δς εϋεν 45 und Hiat in το είδος 1, 58, ähnlich 1, 76; 25; 56, 3. Abgesehen von einigen schlecht überlieferten Stellen, die zudem durch einfache Konjekturen emendiert werden können (53, 2; 102, 1), kann auch sonst das anlautende F überall eingesetzt werden. Wirkliche Ausnahmen sind nur τις ποκα ράι (besser ρά, < *βρ&α, s. Verf. Mus. Helv. 3, 253) 81 ( - o u - ) , ες οίκον 104 (ο—), wo aber die Autorschaft Alkmans unsicher ist, 3 3 Sichere Fälle von Hyperdorismen sind mir nicht bekannt. Doch hat vielleicht χάη «Todesgöttin » (xäna 88, 2) altes η.

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und ουχ όρη ς (-ήις ? s. S. 26, Aiim. 30) 1, 50, das aber ausgezeichnet zu nähiv hogfjv φανερά im lakonischen Weihepigramm des Arexippos (IG 5, 1, 255 = Schwyzer, Dial. 16) paßt 34 . Schlimmer steht es mit dem intervokalischen f. Zwar schreibt der Papyrus ανειρομέναι 1, 63 (mit kurzer erster Silbe), und Priscian bezeugt ôàfiov 57 35 . Auf der andern Seite sind aber sogar kontrahierte Formen nicht selten : nicht nur παις 1,19 usw., wo die Kontraktion besonders früh erfolgt zu sein scheint, sondern a u c h αλυον 1, 4 1 , φως 1, 4 0 , πολνφανος 3 7 , 2 (s. S . 2 2 u n d 26), κλεννά 1, 4 4 (s. S . 2 2 ) u n d κλείτει 104, Ήρακλέης

9 0 (s. S . 25) gegen Κλεησισήρα

12, d a n n είδον 3 1 ( < *εΓώον),

σιειδής

1, 72, Κλεησίππω

(?)

1, 7 1 , was n u r als H y p -

härese von *ϋιοειδής erklärbar ist 36 , gegen το είδος (s. S. 27) und anderes mehr. In anderen Wörtern bleibt allerdings der Hiat, ζ. Β. άείδω, αοιδός 1, 39. 97 u. a., άεϋλοφόρος 1, 48, εειξε 106 usw. - Auch in der Verbindung λ/, ρΓ, vF finden wir unterschiedliche Resultate: καλόν 14. 18, -ώς 100, κόρα 69, aber δονρϊ 77, γοννατα 46, ava 1, 8 3 ( =

άννσις)37.

Wenn also die antiken Philologen und Grammatiker Alknr.an immer wieder als Zeugen fürs Dorische nennen, so ist das im ganzen sicher berechtigt. Daneben gilt er auch als 'συνεχώς αίολίζων39. Dieses Urteil wird sich vor allem auf Beispiele wie φεροισα (s. S. 23), κλεννά (s. S. 22) stützen, vielleicht auch auf die Dat. Plur. auf -εσσι (s. S. 21), das Pronomen εϋεν 45 ( ? ), Stoffadjektive auf -ιος (s. S. 25), die Präposition πεδά (s. S. 27). Wichtiges, aber unberechtigtes Kriterium war für die antiken Gelehrten das Digamma (s. S. 27f.). Auch sonst wurden sie durch orthographische Eigentümlichkeiten an das Äolische erinnert, ζ. Β. λίγηα und ähnliches (s. S. 25 Anm. 24) und die Wiedergabe des inlautenden ζ durch σδ, wie das auch in den Texten der lesbischen Lyriker und bei Theokrit üblich ist, ζ. Β . παίσδει αζομαι

(v.l. παις δη) 3 6 , 1, τραπέσδαι

5 5 , 1 usw., j e d o c h επίαζε

47 u n d m i t s c h w a n k e n d e r U b e r l i e f e r u n g κιϋαρίζειν,

-ίσδειν, -ίδδειν,

28,

2,

-ίδειν

100 (aus Plutarch) 39 , s. Page 143 ff. Dazu όρώ 1, 40, ορέων 72, 3. Prise. Inst. 1, 21 (mit der irrigen Annahme, daß fiaF zwei kurze und nicht eine lange Silbe bilde, was vermuten läßt, daß daneben auch die Schreibung δαϋιον bekannt war), und 1, 22. Ganz unsicher ψανος 153 Bgk. (statt φαϋος φάίος ?), s. Kodzu, On the dialect of Alemán (Tokyo 1937) 15. Zur Schreibung αν statt af vgl. auch άυάτα Ale. 43, 12; 123, 7, fr. mei. adesp. 13, Pi. P. 2, 28; 3, 24, ανελλαι ( ?) · άέλλαι, παρά Άλκαίφ ( ?) fr. 125 Bgk. (aus Hesych). 38 Lautgesetzlich unmöglich v. Wilamowitz, Textgesch. d. gr. Lyr. 55, Page 107 ( < *όεβειόής), da in solcher Stellung ε nicht zu ι wird, vgl. S. 25 Anm. 26. 37 Vgl. auch Page 108f. 129. - Unsicher ist φάρος 1, 61 (so Pap., metrisch ist Länge oder Kürze möglich). Derii Zusammenhang nach paßt die Bedeutung «Gewand» (hom. φάρος, att. φάρος: *φάρΓος). Doch wird dieses Wort im Pap. selbst und bei Gramm, als αροτρον erklärt, was auch Page 78 f. akzeptiert. Da aber die Scholien zeigen, daß ihnen die Stelle unklar war, ist für uns diese Deutung unverbindlich. 3 9 Apoll. Dysc. De pron. 136bc p . 107 Sehn., vgl. Prise. Inst. 1, 22, s. auch Page 155ff. 3 9 Die Schreibung ôô(ô) ist - von χαριζόμεν[ος] IG 5, 1, 238 (metrisch, 5. Jhdt.) abgesehen - in lakon. Inschriften seit jeher üblich : όηιδόμενος IG 5, 1, 919 (Schwyzer, Dial. 38 ; 5. Jhdt.), μιχιχιδδόμένος oft vom 2. Jahrhundert an, ζ. B. Schwyzer, Dial. 26. 29 usw., ebenso in Aristoph. Lysistr., ζ. Β. μνσιδδε (= μύ&ιζε) v. 94 u. a. Vgl. Bechtel I I 323, Bourguet, Le dialecte laconien 59, Thumb-Kieckers I 2 85f. 34

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Die Sprache Alkmans

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IV. Ein Dorisch schlechthin gibt es aber nicht, und wenn man Alkmans dorischen Dialekt genauer lokalisieren will, denkt man natürlich an die Sprache von Sparta, ans Lakonische. Das war sowohl im Altertum als auch bei Modernen der Fall40. Tatsächlich finden wir in unserem Papyrus als typischen Lakonismus die Schreibung σ statt & (s. Page 142f.), ζ. Β. σιός v. 36. 82, ήμισίων v. 7 usw. (vgl. S. 25), πάσον v. 35, παρσένος v. 86, Λΰκαισος v. 2 (vgl. Bechtel, Namensstvdien 33), Κλεησισήρa v. 72, eventuell Σέβρος v. 3 (s. Page 27 Anm. 9), Σνλακίς v. 72 (s. Page 64 Anm. 5). Dagegen bleibt •& erhalten hinter σ: ποτήσ&ω v. 16, μωμέσ&αι v. 44, δέξασ&ε v. 83, hinter ν: έπανϋεΐ v. 53, εν&οϊσα v. 73, Ίαν&εμίς ν. 76, Ξάν&ω ν. 100, ξανΰάι ν. 101, vor λ: άε&λοφόρον ν. 48, und vor ρ: ΰράνω ν. 86, δρ&ρίαι ν. 61 (-υ-) 4 1 , was phonetisch durchaus verständlich ist. Wirkliche Ausnahme ist nur ϋωστήρια ν. 81, ein Glossenwort, das späteren Zeiten nicht mehr bekannt war (Page 79 f.) ; doch hat man schon im Altertum auch dafür eine Regel gefunden 42 . Die Zitatfragmente sind jedoch in dieser Hinsicht inkonsequent: σωϊσι 89 aber ϋεοϊσι 37, 2, παρσένος 7, 3, aber παρ&ένων 102, 2, Σεράπνας 7, 4, Άσαναία 27( ?), σαλασσομέδοισα 39, σάλεσσι 11, σάλλει 56, 4, εσηκε τρεϊς ϋέρος.. 56, 1 (-ς &- wie aû i vgl. 25. 40, 1 und 64 u. a.), aber ϋνγατερ 67, 1 usw. Auch die lakonischen Partien bei Thukydides (5, 77) und Aristophanes (Lysistrate) zeigen dieses a. Dagegen schreiben die älteren Inschriften regelmäßig •& : άνέϋεκε, Ά&αναία, &ιός usw. Das älteste Zeugnis für σ bietet IG 5, 1, 255 (Schwyzer, Dial. 16) aus dem Anfang des 4. Jahrhunderts: άνέσηκε (neben Ρωρ&είαύ), dann IG 5, 1, 1317 (Schwyzer, Dial. 54) um 300: άνέσηκε, am. Häufiger werden die Beispiele erst im 1. Jahrhundert v. Chr., aber noch im 2. Jahrhundert n. Chr. findet sich in echt lakonischen Inschriften daneben auch ϋ43. Für die Zeit Alkmans kommt also nur & in Frage. Dieser typische Lakonismus σ statt & muß daher - und das wollen wir festhalten - auf nachträglicher Modernisierung beruhen, weshalb Page in seiner Ausgabe überall # wiederherstellt. Lakonisch ist auch κάρρων 78 < *κάρσσων, *κράσσων ( Gortyn κάρτων, ionisch κρέσσων, attisch κρείττων < *κρέτιων), vgl. auch κάρρονες Plut. Lyc. 21, 3; 40 Plut. Lyc. 21, 6, Paus. 3, 15, 2, EM p. 116, 22 u. a. - Bechtel II 293f., Bourguet, Le dialecte laconien 9 n. 3, 140ff., Schmid-Stählin I 457f., Page passim, bee. S. 153ff., vorsichtiger Thumb-Kieckers I 2 78f. 41 Diese Schreibung des Pap. ist zu halten, s. Page 76ff. Denn eine Göttin Όρ&ία, die die meisten Herausgeber (Bergk, Diehl) den Scholien folgend in den Text einsetzen, war Alkman unter diesem Namen noch völlig unbekannt. Siehe über diese Göttin zuletzt Altheim, Gesch. d. lat. Sprache 47 und vor allem Page 71 ff., über den Namen, der in ältester Zeit Ρορ&ασία (7/6. Jhdt.), dann Foo&aia (zunächst wohl Fogdata, zum Schwund des intervokal. σ s. S. 30) und ΐορ&εία (schon 6. Jhdt.? über -ata > -εία. Bechtel II 303f.) mit Varianten wie Fgo&aaía, Fgo&aia lautete, s. Page 77 (m. Lit.). Später schrieben die Spar-

taner in Dialektinschriften Foig&eía, Fom&éa, Βοιρ&έα, Βωρσέα, sonst konsequent 'Oofteía. 42 Anecd. Ox. ed. Cram. 1, 197, 7 (Λάκωνες το & μόνον εις σ τρέπουσιν, εί μη ή έξης συλλαβή αρχοιτο άπο τον σ) s. Kodzu, On the dialect of Aloman 18. 43 Was für ein Zischlaut mit dem Buchstaben a bezeichnet werden sollte, ist damit nicht gesagt. Das Tsakonische hat richtiges s: to sére «Erntezeit» (τό ϋέρος), silikó «weiblich» (άηλνκός) usw. Vgl. auch Bechtel II 302f., Bourguet, Le dialecte laconien 75ff.

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doch findet sich diese Form auch bei Epicharm und Sophron, s. Page 146f., während der Alkmantext anderseits χερσόνδε 7, 5, auch Ένάρσφορος 1, 3 (s. S. 21), dazu auslautendes ρς in μάκαρς 11 (s. Page 127) hat 44 . Nur ganz vereinzelt findet sich ôô statt ζ: κι&αρίδδειν v.l. in 100 (s. S. 28), und,um die Aussprache u von ν anzugeben, φούκεσσι 7, 5 (ed. ψύχεσαι). Zum Lakonischen paßt auch io statt εο (s. S. 25f.), doch ist es im Alkmantext nicht konsequent durchgeführt, anderseits im Dorischen ziemlich weit verbreitet. Dagegen fehlt bei Alkman ein sehr typischer Zug des Lakonischen, nämlich die Schwächung des intervokalischen σ zu h, ζ. Β. ενίκαΑε IG 5, 1, 213, 6 usw. (Schwyzer, Dial. 12, 6; s. Page 14245). Auch passen die charakteristischen Partizipien vom Typus φέροισα (s. S. 23) in keiner Weise zu dem, was wir vom Lakonischen wissen (vgl. ενΚεβδΗαι = ένηβώσαι ibid. ν. 15 u. a.), und von kurzvokalischen Akk. Plur. der 1. und 2. Dekl. ist uns aus Sparta nichts bekannt. Die genannte Inschrift bietet auch κέλεξ ν. 30 u. a. «Rennpferd», während Alkman κέλης 1, 50 hat (s. Page 143). Bei Alkman erscheint vi), vt statt λ&, λτ in ένϋοϊσα 1, 73 und laut Eust. II. 756, 30, der die άντίϋεσις von λ in ν als dorisch auffaßt, κέντο (κέλετο) fr. 141 Bgk.46. Diese Erscheinung ist aus verschiedenen Gegenden bekannt, vor allem aus Süditalien und Sizilien (ζ. Β. Φίντων, Φιντίας usw., φίντατος Epich. usw.), aber auch Arkadien, Delphi und anderen Orten (s. Page 145f., über Kyrene s. S. 31). Doch fehlen gerade für Lakonien sichere Zeugnisse. Erwähnenswert scheint mir auch, daß das Digamma im Alkmantext nur ganz selten geschrieben ist (s. S. 27), während das Lakonische diesen Laut sehr zäh, sogar bis heute bewahrt hat (tsakon. vanni = ίαρνίον). Trotz einigen lakonischen Zügen sieht also die Sprache Alkmans in der uns überlieferten Form - und nur von dieser sprechen wir jetzt - keineswegs lakonisch aus, etwa so wie die Sprache Korinnas böotisch und diejenige von Alkaios und Sappho lesbisch ist. Y. Wenn nicht nach Sparta, wohin gehört sie dann ? Soviel ich sehe, gibt es nur einen dorischen Dialekt, der tatsächlich frappante Ubereinstimmung mit dem 44 Höchst unsicher ist κάρραν 28, 2, wo die Herausgeber meistens κάραν schreiben, Page κόρραν = κόρσαν vermutet (S. 147). 46 Erstes Zeugnis bietet wohl Fogôata < Fogüaaia, s. S. 29 Anm. 41. 46 An κέντο erinnert εγεντο (= έγένετο) 1, 89. Ob das für Alkman eine poetische, d. h. letzten Endes durch Umdeutung von hom. γέντο «er packte» (ζ. Β. Ν 241) entstandene Verbalform ist oder/eine lebendige Bildung darstellt, wage ich nicht zu entscheiden. Fürs letztere spricht außer κέντο vielleicht auch εγεντο in einer Inschrift des 6. Jahrhunderts aus Mykene (IG 4, 492 = Schwyzer, Dial. 97), bei der wir aber eventuell mit bloßen Schreibfehlern rechnen müssen, fürs erstere der Umstand, daß dieses εγεντο zuerst bei Hes. Th. 705 vorkommt und auch später - abgesehen von jener Inschrift - nur von Dichtern verwendet wird (s. Wackernagel KZ 33, 50). Zu beachten ist, daß bei Alkman das unmittelbar vorangehende Wort ίάτωρ ( = hom. Ιητήρ, poet, ίατήρ, hom., ion. Ιητρός, att. ιατρός) durchaus poetisch aussieht. Außer dieser Stelle findet man nur noch ίήτωρ in einem späten Grahopigramm (IG 9, 2, 317 Thess.) und ίατορία Β. 1, 149, S. Tr. 1001 (lyr.) Vgl. Benveniste. Sums d'agent 46, Page 95.

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Die Sprache Alkmans

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Alkmans aufweist, nämlich das Kyrenäische, über das wir durch die in den zwanziger Jahren erfolgten Ausgrabungen jetzt ziemlich gut unterrichtet sind47. Abgesehen von allgemein dorischen Zügen hat der Dialekt von Kyrene vor allem : 1. die thematischen Infinitive mit kurzem Vokal: Όνεν 72, 5, άνελέν 72, 29, τεκέν 72, 100, sogar ευτυχέν 3, 8, σιγεν 72, 136, πλέν 3, 37, καταρρεν 3, 48 usw. Ebenso im Medium δωρέα&αι 4, 38, ώνέσ&αι 4, 47 u. a., 2. kurzvokalische Akk. Plur. wie τα ς κολοσός 72, 121, auch το ς ίαρες 4, 31, dann Nom. Sing, der Partizipien : κοιμαϋές 72,11, πωληϋές 72, 69, sogar Gen. Sing, τα ς λεχός 72, 109, Nom. Plur. ol ίαρές 5, 16, 3. Formen wie εκοϊσα 72, 89 u. a., auch καϋάραισα 72, 87, τοϊς πλέοισι 3, 50 usw., 4. ν statt λ in ενϋηι 72, 17 u. a. und τένται (< *τέλται < τέλεται.) 72, 18 «wird sein». 5. Von kleineren Merkmalen nenne ich noch etwa, daß sekundäres o und e in der Regel als ω und η erscheinen (ζ. B. Gen. Sing, auf -ω, δήληται 72, 12 u. a. = «mild dorisch» δείληται, attisch βονληται) und daß vom Digamma keine Spur mehr erhalten ist, was aber zum Teil mit dem jungen Alter der wichtigeren Inschriften (vom 4. Jahrhundert an) erklärt werden kann. Eine Diskrepanz, die ins Gewicht fällt, ist - abgesehen natürlich von der Bewahrung des ϋ - , daß εο bleibt (also ϋεός 3, 1 usw.), eventuell zu ευ kontrahiert wird, wie bei τέλενν 72, 105 u. a., ferner daß der Artikel oí, ai lautet und das sogenannte dorische Futurum überall durchgeführt ist. Sonst aber ist die Übereinstimmung der Sprache von Kyrene mit der Alkmans in den wichtigern Punkten fast vollkommen48. Es stellt sich uns also die Frage, wie wir diese Ähnlichkeit zu erklären haben. Nehmen wir an, daß unser Alkmantext - von a statt & (s. S. 29) abgesehen authentisch ist, so müssen wir, wenn wir nicht an bloßen Zufall glauben wollen, entweder annehmen, daß diese Übereinstimmung auf besonders enger genetischer Verwandtschaft zwischen dem Lakonischen und dem Dialekt von Kyrene beruht oder dann, daß die Sprache Alkmans irgendwie für die offizielle, vielleicht sogar private Sprache in Kyrene vorbildlich war, etwa so wie die Sprache Homers auf die verschiedenen Dialekte gewirkt hat 49 . Doch läßt sich ein solcher Einfluß in der Regel doch nur für bestimmte Wörter nachweisen. Gerade auf dem Gebiet des 47 Im folgenden nach Suppl. Epigr. Qr. 9 (1938) zitiert, wo" diese Inschriften bequem beisammen sind. Die wichtigsten wurden erstmals von Ferri in den Abh. Ak. Berlin 1925, 5, 3ff. und im Notiziario Archeologico 4 (1927) 91ff. (vgl. v. Wilamowitz SB Ak. Berlin 1927, 155ff.) publiziert. Über den Dialekt vergi. C. D. Buck, The Dialect ofCyrene, Cl. Ph. 41, 1946, 129-134. 48 Gewisse Aehnlichkeiten, vor allem die Partizipien auf -oiau, sind bald aufgefallen, s. Schwyzer Or. Or. I 110. 288 (m. Lit.), Page 133f. 49 Über den Einfluß Homers auf die einzelnen Dialekte s. Leumann, Horn. Wörter 262ff. Danach läßt er sich besonders gut am Rande der griechischen Welt, in Kreta und in Kypern, feststellen.

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Wortschatzes sind mir aber keine besonderen Übereinstimmungen aufgefallen50. Somit muß diese Möglichkeit wohl ausscheiden. Dagegen spricht zugunsten der erstgenannten Möglichkeit die Tatsache, daß Kyrene eine Kolonie von Thera ist, Thera selbst aber vielleicht früher einmal von Lakonien besiedelt worden war. Aus modernen Dialekten ist hinreichend bekannt, daß Randdialekte konservativ bleiben können. Wie ζ. B. das Sardische noch heute die Aussprache kentu « centum» und das Walliserdeutsch die althochdeutschen Vokalqualitäten auch in unbetonten Silben bewahrt hat (ζ. B. er salbot, -ut), so konnten sich auch im fernen Kyrene alte Züge, die in Lakonien noch zur Zeit Alkmans gehört wurden, erhalten haben51. Doch kann auch diese Ansicht in unserem Falle nicht richtig sein. Denn gerade die auffallendsten Charakteristika des Kyrenäischen dürfen kein hohes Alter beanspruchen. Ganz gleich, ob die Infinitive αγεν oder αγην (bzw. -ειν) älter sind, müssen die Infinitive auf -εν bei kontrahierten Verben (Alkman επαινέν usw. [S. 23], Kyrene εντνχέν usw. [S. 31]) jüngere Kürzungen sein. Besonders evident ist es bei πλέν und ähnlichem der Fall, das man auf *πλέίεν zurückführen muß. Nach Schwund des f , welcher keineswegs in «urlakonischer» Zeit erfolgt sein kann, und späterer Beseitigung des Hiates kam man kaum zu einer anderen Form als zu πλην (oder πλεϊν)02. Diese durch Kontraktion entstandene Länge ist also nachträglich entweder lautgesetzlich oder dann analog gekürzt worden. Da alte Längen intakt bleiben, ziehe ich das letztere vor und nehme an, daß früher einmal in Kyrene αγεν und αγην, βαλέν und βαλην nebeneinander gebräuchlich waren. Analog dazu sagte man neben οΐκήν auch οΐκέν, neben πλην auch πλεν. Als später allein άγεν, βαλέν blieben, behielt man auch nur οΐκέν, πλέν. Mit einem Schwanken zwischen αγεν und αγην muß man für die ältere Zeit ohnehin rechnen. Alkman selbst hat beides (s. S. 22f.). Sparta, das sonst nur -ην(-ειν) kennt (s. .Bechtel 11 355, Thumb-Kieckers I 2 88), hat in der ältesten Inschrift im ionischen Alphabet, die allerdings metrisch, zudem nicht immer echtlakonisch ist, λαβέν (CollitzBechtel 4418, s. Bourguet, Le dial, laconien 78ff.), und seine Enkelkolonie Herakleia gebraucht nur εχεν usw. (Bechtel I I 411, Thumb-Kieckers I 2 99). Die athematischen Infinitive (ή)μην in Gortyn, (εϊ)μειν in Rhodos erklären sich am einfachsten, wenn man annimmt, daß sie zu gemeindorisch -μεν in Analogie zu αγην(-ειν) neben αγεν geschaffen wurden. Gerade Rhodos, das αγειν hat, liegt am Rande des inseldorischen Gebietes mit αγεν, ήμεν'3. Ein älteres Schwanken zwischen -ην und -εν dürfen wir auch in Arkadien annehmen, wenn dort in histori50 Außer etwa βοτόν «Rind, Kuh» (kaum allgemein «Weidetier», s. Page 85) Alkman 1, 47, und Suppl. Èpigr. Gr. 9, 72, 31 u. a. Doch findet sich dieses Wort schon bei Homer und folgenden Dichtern, dazu inschriftlich in Erythrai (von Opfertieren wie in Kyrene, s.v. Wilamowitz SB Ak. Berlin 1927, 160). 51 Dies scheint die Ansicht von v. Wilamowitz, Kyrene 10 und Schwyzer, Or. Or. I 95 u. 110 zu sein, ähnlich auch Page 133f. 52 So heißt es ζ. B. in Gortyn αγεν, βαλέν aber καλήν (s. Bechtel II 758, Thumb-Kieckers 12 167), in Delphi αγεν aber ϋρψείν (s. Bechtel II 138, Thumb-Kieckers I 2 277f., unrichtig Page 122). 53 Vgl. Günther IF 32, 382ff.

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scher Zeit die einen Orte -ψ (Orchomenos u. a.), andere -εν (Tegea) bilden, (s. Bechtel I 371). Gerade im südgriechischen Raum, zu dem Kyrene gehört, ist also solches Nebeneinander verhältnismäßig gut beglaubigt. Die Durchführung der kurzen Formen ist aber jung. Ähnliches läßt sich auch über die Akkusative auf -ας, -ος und ähnliche Formen sagen. Wir haben schon S. 24 gesehen, daß sich bei ursprünglich auf -νς endigenden Wörtern schon früh Doppelformen entwickelten, indem ζ. B . im Akk. Plur. -ανς, -ονς nur vor Vokal und -ας, -ος nur vor Konsonant gebraucht wurden. Als das ν später lautgesetzlich schwand, entstanden je nach Dialekt die Doppelformen -ως/-ος oder -ους/-ος oder -oiçj-oç. Daß auch hier der Ausgleich nach der einen oder andern Seite verhältnismäßig spät erfolgte, macht - abgesehen von der teilweisen Erhaltung des alten Zustandes in Gortyn (s. S. 24) - unter anderem die Tatsache wahrscheinlich, daß in sonst recht einheitlichen Dialektgebieten auf engem Räume beide Formen nebeneinander herrschen, ζ. Β . -ονς in Argos, aber -ος in der übrigen Argolis, -ονς in Rhodos, aber -ος auf den übrigen dorischen Inseln. Auch das Schwanken bei Alkman könnte als ein solcher Rest aufgefaßt werden (s. jedoch S. 36f.). Im allgemeinen setzte sich bei denjenigen dorischen Dialekten, welche die kurzen Infinitive auf -εν haben, auch hier die kürzere Form durch. So hat Kyrene, wie Thera, -ας, -ος, aber auch Akk. Plur. Ιαρές, daneben sogar Nom. Plur. ίαρές (statt -ες < -ε'/ες), Gen. Sing, λεχός (statt -ος, -όος), (s. S. 31). Wie die Infinitive vom Typus εντνχέν, πλεν erklären sich auch diese Formen wiederum am einfachsten damit, daß wegen des ursprünglichen Schwankens zwischen τα ς und τάς, τδς und τος, Akk. ίαρές und ίαρές auch zum Gen. λεχδς ein λεχός, zum Nom. ίαρες ein ίαρές gebildet wurde und später überall die kürzeren Formen verallgemeinert wurden. Auch bei der Beurteilung der Formen wie φέροισα usw. ist zu beachten, daß es sich hier ja um die Entwicklung aus sekundär entstandenem -(ο)νσ- handelt 54 , das in verschiedenen Dialektgebieten (Kreta, Argos, Arkadien, Thessalien) noch in historischer Zeit erhalten geblieben ist. Wenn sonst eng verwandte Dialekte in der Behandlung dieser Lautgruppe eigene Wege gehen (s. S. 23f.), so ist das wiederum ein Indiz dafür, daß es sich um jüngere Lautentwicklung handelt 55 . Nicht unwesentlich für die Beurteilung des Alters von kyrenäisch -οισα ist die Frage, wie die entsprechenden Formen in Thera lauten. Wir besitzen von dieser Insel zwar sehr alte und für die Geschichte des Alphabets äußerst wichtige Kritzeleien, jedoch keine größeren Inschriften aus älterer Zeit 56 . So ist gerade diese Frage nicht einfach zu beantworten. I m allgemeinen scheint dieser Dialekt kaum von demjenigen von Kyrene verschieden gewesen zu sein, während die Unterschiede gegenüber dem Lakonischen beträchtlich sind. Doch finden wir gerade in unserem 54

Altes -va- wird bekanntlich ganz anders behandelt: *εμεναα > lesb., thess. εμεννα, sonst

εμεινα (bzw. εμηνα), vgl. S. 22. 56 56

Vgl. Verf. Mus. Helv. 6, 22ff. Die große Inschrift mit dem Testament der Epikteta stammt aus der Zeit um 200 v. Chr.

(IG 12, 3, 330 = Schwyzer, Dial. 227).

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Falle π&σι IG 12, 3, 320, 12 (3. Jhdt.), ύγιαινονσάι Epikteta-Test. Β 5 usw.57 und erst aus der Kaiserzeit βιώσαισαν IG 12, 3, 874, 4, Παισιφάνειαν IG 12, 3 882,1 (jedoch πάσας άρετάς ενεκα I G 12, 3, 873, 3). Nun pflegt man als Beispiel für älteres Theräisch aber auch das δρκιον των οίκιστ ήροη· auf einer Stele in Kyrene zu betrachten, das die theräischen Gründer von Kyrene angeblich geschworen haben, ebenso den in indirekter Rede anschließenden Fluch (Suppl. Epigr. Gr. 9, 3. 24-52) 58 . Hier finden sich tatsächlich άποστελλοίσας, παισεϊται «wird leiden», έμμένοισιν, πλέοισι. Doch ist dieser Eid in seinem überlieferten Wortlaut sicher nicht authentisch, sondern gehört seinem Stil nach etwa ins 4. Jahrhundert, also in die Zeit der Abfassung der gesamten Inschrift, keineswegs aber ins 7. Jahrhundert 59 . Die Frage ist höchstens, ob es sich um zeitgenössischen theräischen oder kyrenäischen Dialekt handelt. Da die Inschrift einen Beschluß von Kyrene darstellt und der Eid gleichsam als Gründungsurkunde des eigenen Staates gegeben ist, scheint es mir an sich unwahrscheinlich, daß hier mit Absicht ein fremder Dialekt verwendet wird. Die wenigen Abweichungen vom normalen Dialekt von Kyrene (Θηραίους, τους neben τός u. ä., αντοϋ) passen, von den Gen. auf -ov abgesehen, gerade nicht zu Thera (s. S. 33). Sie sind viel eher Anlehnungen an die Literatursprache, die hier wohl als feierlich empfunden wurde. Allenfalls könnte -ους (< -ονς) in Kyrene archaische Nebenform gewesen sein. Somit fehlen alte Zeugnisse für -oiaa in Thera, vielmehr spricht alles dafür, daß diese Lautform in Kyrene eine jüngere Entwicklung darstellt 60 . Noch viel weniger bieten Sparta oder seine Kolonien Tarent und Herakleia etwas, das herangezogen werden könnte. Auch beim Wandel von λ zu ν in r¡vdoi>, κέιτο, τέντα ι (s. S. 30f.) wird es sich um einen jungen Lautwandel handeln. Denn ηλϋον erklärt sich wohl am einfachsten aus hom. ηλυϋον, dem schwundstufigen Aor. zum hom. Perf. είλήλονϋα (ει metr. Dehnung) und ελενϋ- in έλεναομαι, das außerdem eine anständige idg. Etymologie hat, während ελϋ- sonst sowohl im Griechischen wie im Indogermanischen isoliert wäre 61 . *τέλται als Grundform von τένται ist wohl jüngere Kürzung von τέλεται, das in Kreta in der Bedeutung «wird sein» tatsächlich bezeugt ist (Bechtel I I 792f., Thumb-Kieckers I 165) und formell dem hom. (äol.) πέλεται, ai. cúrate (meist -ali) «er bewegt sich» genau entspricht. Ähnlich ist κέντο zu beurteilen. Auch die (Kurz-)Namen Φίλτυ>ν, Φιλτίας und ähnliche, aus denen sich Φίντων, Φιντίας (bes. in Sizilien, s. S. 30) entwickelt haben, sind schwerlich alt. Dieser Lautwandel λ > ν vor ϋ oder τ, der in vielen südgriechischen Gebieten ganz ohne Rücksicht auf alte Dialektgrenzen anzutreffen ist, muß also noch jünger sein als die Bildung von ήλϋον, *τέλται, Φίλτων usw. 67

Die ältesten Inschriften bieten nur Unsicheres: T/u mta[i1] κάλος IG 12, 3, 549, - ν Schwyzer, Gr. Gr. I 213.

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VI. Wenn also diese charakteristischen Züge des Kyrenäischen nicht als bewahrte Altertümlichkeiten betrachtet werden können, so fällt auch die Möglichkeit, die Übereinstimmung zwischen Kyrene und dem Alkmantext als altlakonisch, also als urverwandt zu erklären, dahin. Da aber auch die weitgehende Beeinflussung der offiziellen Sprache von Kyrene durch Alkman, wie wir S. 31 f. gesehen haben, kaum in Frage kommt, bleibt als einziger Ausweg nur noch die Annahme, daß der uns vorliegende Alkmantext in verschiedenen Punkten nicht authentisch ist, sondern nachträglich an den Dialekt von Kyrene angepaßt wurde. Wenn man bedenkt , daß Kyrene für Alexandrien schließlich die nächste dorische Stadt war und daß kein geringerer als Kallimachos aus dieser Stadt stammte, wird man die Möglichkeit, daß die alexandrinischen Gelehrten sich bei der Bereinigung des Alkmantextes bis zu einem gewissen Grade nach dem Vorbild des kyrenäischen Dialektes richteten, nicht von vornherein verneinen dürfen. Daß es übrigens keine vollständige Anpassung war, da ζ. B. Formen wie σιός deutlich lakonisch, genauer junglakonisch sind, haben wir schon gesehen (s. S. 29). Doch müssen wir jetzt fragen, warum diese teilweise Anpassung erfolgte, und ferner, wie denn der ursprüngliche Alkmantext aussah. Zunächst denkt man vielleicht, daß bestimmte durch kyrenäische Schreib- und Sprechgewohnheiten entstellte Alkmanhandschriften bei der alexandrinischen Redaktion allzu sehr berücksichtigt wurden. Da wir jedoch darüber nichts Bestimmtes sagen können, tun wir gut daran, diese Möglichkeit, zu der wir uns weder positiv noch negativ äußern können, nicht weiter in Rechnung zu setzen. Naheliegend scheint auch die Annahme, daß die alexandrinischen Philologen aus Unkenntnis dessen, was tatsächlich in Sparta üblich war, und in der Vorstellung, Kyrenäisch sei das Dorische schlechthin, den Text in vielen Punkten kyrenäisch gestalteten. Doch kann das nicht der wirkliche Grund gewesen sein. Denn gerade die Ausgaben von Korinna und die von Alkaios und Sappho zeigen, daß man durchaus im Stande war, das Böotische und das Lesbische, wie sie damals gesprochen wurden, genau zu studieren. Daß man das Lakonische ebenso beobachten konnte, ist aus den lakonischen Partien bei Thukydides und Aristophanes ersichtlich. Wenn man es unterließ, dem Alkmantext ein wirklich lakonisches Aussehen zu geben und ihn statt dessen kyrenäisch färbte, muß das seinen Grund darin haben, daß schon der überlieferte Text allzu sehr vom Lakonischen abwich und auf der andern Seite offenbar in manchem an die Sprache von Kyrene erinnerte. Damit kommen wir aber zur Frage, wie der alte, voralexandrinische Alkmantext denn aussah. Sicher ist, daß einige dieser dem Lakonischen fremden Eigentümlichkeiten metrisch gesichert und damit echt sind, nämlich à in τροπάς 49, 5 und Αϊας 77 (s. S. 24)62. Dagegen steht an keiner einzigen erhaltenen Stelle die Kürze 82 Ebenso ές 1, 16. 73; evtl. 104 gegenüber dem in spätem lakon. und messen. Inschriften herrschenden εις. Doch zeigt die älteste Inschrift Ditt., Sylt 1069 = Schwyzer, Dial. 19 (4. Jhdt.) v. 8 έλ Λακεδαίμονα (< ές Λ. oder εν Λ.), sicher ές haben Herakleia und die lakon. Texte bei Thuk. und Aristoph., s. Bechtel II 361 f.

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beim I n f i n i t i v -εν oder -εν metrisch fest, u n d a n einer Stelle verlangt das Metrum sogar eine Länge (φαίνεν 1, 43; s. S. 23). Die übrigen Eigentümlichkeiten sind ihrem Wesen nach metrisch indifferent (ζ. Β. φέροισα oder -ωσα). Doch m a c h t es der U m s t a n d , d a ß die nachfolgenden chorlyrischen Dichter ζ. T. die gleichen Merkmale zeigen, wahrscheinlich, d a ß hier alte Tradition vorliegt, die in dieser G a t t u n g gerade auf A l k m a n zurückgehen wird. W e n n Ibykos, P i n d a r u n d Bakchylides teils ausschließlich, teils gelegentlich F o r m e n wie λαχοΐσα, ϋαλέϋοιαιν (3. Plur.), allerdings auch Molaa gegenüber Μώαα bei Alkman (s. S. 25f.), die beiden letzteren auch Infinitive auf -er kennen 6 3 , Stesichoros παγας 4, 2 b r a u c h t u n d der P i n d a r t e x t mehrere Akk. Plur. auf -ος aufweist, so ist das ein Indiz d a f ü r , d a ß solches auch bei Alkman alt sein k a n n , u n d zwar selbst d a n n , wenn es metrisch nicht gesichert ist. Freilich müssen wir hier bei der unsicheren Quellenlage darauf verzichten, den ursprünglichen U m f a n g dieser Erscheinungen festlegen zu wollen. Gerade diese F o r m e n wie φέροισα erinnerten aber - wir können sagen zufällig ans Kyrenäische. Durch die genannten kurzvokalischen u n d vielleicht einige andere F o r m e n wurde dieser E i n d r u c k v e r s t ä r k t , so d a ß die Meinung a u f k o m m e n konnte, m a n könne den A l k m a n t e x t nach dem Vorbild des Kyrenäischen in Ordn u n g bringen. D a h e r wurde auch in επαινέν, νπαυλέν, μωμέσϋαι (s. S. 23) das in K y r e n e übliche ε gesetzt, welches metrisch nicht gesichert u n d sprachgeschichtlich sekundär ist (s. S. 32)64. Wie weit auch sonst angeglichen wurde, läßt sich k a u m entscheiden. So scheint es mir unsicher, ob ενϋοϊσα, das später auch Theokrit u n d Kallimachos anwenden (s. Page 146), s t a t t ελϋοΐσα als solche Angleichung erklärt werden muß, f ü r welchen Wandel in Lakonien selbst keine Zeugnisse vorliegen u n d den auch die übrigen Chorlyriker nicht kennen (s. S. 30)65. Jedenfalls wurde aber, da die Sprache Alkmans in der H a u p t s a c h e ohnehin dorisch und das Kyrenäische ebenfalls ein dorischer Dialekt (und zwar mit η, o> s t a t t unechtem ει, συ) ist, schon durch verhältnismäßig geringfügige Änderungen eine weitgehende Angleichung des Alkmantextes an die in K y r e n e gesprochene Sprache erreicht. N a c h d e m wir u n s n u n vom überlieferten alexandrinisehen Text ausgehend den W e g zum ursprünglichen A l k m a n t e x t vorgetastet haben, bleibt uns zum Schlüsse die Frage, wToher denn Alkman selbst jene metrisch gesicherten -ας νοηΑιας, τροπάς u n d jene andern, weniger sichern Merkmale wie άείδεν u n d φέροισα h a t . Infinitive u n d Akkusative mit kurzem Vokal können altlakonisch gewesen sein (s. S. 32f.). Doch ist zu beachten, d a ß sie seit Hesiod literarisch gebraucht werden 6 6 . Von den 63 Vgl. Page 122 Anm. 2. Dagegen fehlen Beispiele für -έν bei Verba contracta. Hier bietet ζ. B. Ibykos νμνήν 3, 12 (Pap.). 64 Vergleichbar ist auch das ε von κλεννά (doch s. S. 22). Zu beachten ist, daß die alten Alkmanhandschriften, wenn sie noch in epichorischem Alphabet geschrieben waren, keinen Unterschied zwischen ε und η machen konnten. 65 Außer ήν&ομεν fr. mei. chor. adesp. 1 Β. 1. - Beim Wandel & > n im j üngern Lakon. bleibt v&, s. S. 29, während λ& zu λσ wird : ελσηι, ελσοιμι Ar. Lys. 105. 118, s. Page 146. Wenn also die Einführung von a im Alkmantext älter als die Anpassung ans Kyrenäische ist, dann ist έν&alt. Nimmt man aber an, daß ένϋ- statt è/.ê- als solche Anpassung zu erklären ist, so muß man folgern, daß die Einführung von σ statt & noch jünger, also sicher alexandrinisch sein muß. 68 Beispiele für -ας s. Page 132f., Inf. auf -εν bei Hesiod nur άποόρέπεν op. 611.

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beiden sicheren Beispielen ist Αίας ein epischer Name und τροπάς schon in dieser Form bei Hesiod bezeugt (oj>. 564. 663). Literarischer Einfluß, worauf auch die Übernahme von εναρσφόρος als Heroennamen aus der hesiodeischen Schule hinweist (s. S. 21 mit Anm. 6), ist hier also mindestens ebenso wahrscheinlich. Am ehesten wird man dabei an Tyrtaios, in dessen Fragmenten immerhin einige Akk. Plur. auf -ας vorkommen (s. Page 132), als Vermittler denken. Beim Typus φέροισα spricht, wie wir S. 34 gesehen haben, nichts dafür, daß solche Formen altlakonisch waren. Es wäre auch sehr seltsam, wenn diese Lautform bei natjirlicher Entwicklung auf die femininen Part, auf -οισα und eventuell die 3. Pers. Plur. auf -οισιν, die ohnehin nicht dorisch sein kann (s. S. 23), beschränkt geblieben wäre. Die alte Annahme, daß diese Formen für Alkman nur literarisch sind, bleibt also immer noch außerordentlich wahrscheinlich 67 . Dann aber kommt nur das Lesbische als Quelle in Frage, doch müssen diese Formen nicht unbedingt aus der Lyrik stammen - man denkt natürlich an Terpander - , sondern können auch aus einer bestimmten Sonderform der epischen Sprache entlehnt sein, deren Niederschlag sich im Hexameter der Duris-Schale: Mouτά μοι α.(μ)φί Σκάμανδρον έν(ρ)ρων αρχομ' άεί(ν)δεν (Kretschmer, Vaseninschr. 104 ff. = Stesich.[ ?] fr. 26) erhalten hat. Doch bleibt natürlich rätselhaft, warum gerade das Wort Μοΐσα Alkman unbekannt ist 68 . VII. Wenn wir die Ergebnisse unserer Untersuchung zusammenfassen, so können wir folgendes feststellen : 1. Die Sprache Alkmans ist im ganzen dorisch, läßt sich aber nicht näher lokalisieren und zeigt auf jeden Fall starken Einfluß der homerischen, höchst wahrscheinlich auch der lesbischen Dichtersprache und auch des epischen Sonderzweiges, der uns vor allem durch Hesiod bekannt ist (s. oben, ferner S. 21 ff.). 2. Der Text ist nachträglich korrigiert worden, und zwar vor allem a) durch Einführung von σ statt ϋ (σιός) im Sinne einer Anpassung ans zeitgenössische Lakonische (S. 29f.)69 und b) durch Angleichung an die Sprache von Kyrene, sicher bei επαινέν, μωμέσϋαι ii. ä., während sich im übrigen der Umfang dieser Angleichung nicht mehr genau feststellen läßt (S. 36). Ebenso ist noch unklar, welche der beiden Angleichungen früher erfolgte (S. 36 Anm. 65). Eine Trennung in die einzelnen Schichten (echt dorisch - literarisch - nachträgliche Anpassung an Sparta oder an Kyrene) läßt sich nicht in jedem Einzelfall mit Sicherheit durchführen. 67 So auch Thumb-Kieckers I 2 79, anders Schwyzer, Gr. Gr. I 95. 110 und Page, der jeden fremden Einfluß außer dem homerischen leugnet (bes. S. 155ff.). Wieder anders H. Kodzu, On the dialect of Alemán 1 (Alkmans Vater könnte äolischer Herkunft gewesen sein). 88 Andere Aeolismen, ζ. Β. κλεννά, Φαέννα, ebenso ζάτραφα 136 Β Bgk., können - wenigstens im Prinzip - homerisch sein (s. S. 22, vgl. hom. ζατρεφής). Rein orthographisch und sicher jung ist σδ statt ζ (s. S. 28). 68 Hierher gehört vielleicht auch die Ersetzung εο durch to, die sich - abgesehen von den anders erklärbaren Stoffadjektiven auf -ιος (s. S. 25) - nur beim Wort σιός mit Sicherheit feststellen läßt.

Der homerische Typus ίππότα Νέστωρ und μητίετα Ζευς Festschrift Albert Debrunner (1954), p. 389 - 397

Bekanntlich bietet Homer etwa ein Dutzend verschiedener Maskulina mit Nom. Sg. auf -α, nämlich erstens Bildungen mit anscheinend suffixalem -τα: μητίετα (auch Vok.), νεφεληγερέτα, στεροπηγερέτα, ίππηλάτα, ίππότα, ήπύτα, αίχμητά, άκάκητα, Θυέστ'(α), ferner κυανοχαΐτα (auch Vok.) und endlich εύρύοπα (auch Akk. und Vok.). Mit Ausnahme von Θυέστα sind es Epitheta von Göttern und Heroen, welche fast immer unmittelbar vor dem Eigennamen stehen: das -α steht also mitten in der Wortgruppe drin 1 . Die andern epischen Dichter fügen diesen homerischen Beispielen noch einige weitere hinzu: ήχέτα Hes. (s. S. 393), δασπλητα Call. fr. 30 Pf (Akk. bei Simon. 8 D), ίυκτά Theocr. 8. 30, χρυσοχαΐτα Pi. P. 2. 16, βαθυμήτα Pi. Ν. 3. 53. Teilweise verwenden sie solche Formen auch in andern Kasus, z.B. Dat. κυανοχαΐτα bei Antim. 272. Von diesen dürfte εύρύοπα durch Albert Debrunner, dem dieser Aufsatz gewidmet ist, hinreichend geklärt sein: εύρύοπα, das als einziges aller homerischen Beispiele auch im Akk. und dabei erst noch dreimal vor dem altertümlichen Akk. Ζην vorkommt, ist - wie er evident nachgewiesen hat - ursprünglich Akk. eines normal gebildeten Possessivkompositums *εύρύ-οψ «mit weitem Blick» (vgl. Αίθίοψ), und erst nach dem Akk. εύρύοπα Ζην VE Θ 206, Ξ 265, Ω 331, den man gleichsam als feste Gruppe nahm, ist der Nom. εύρύοπα Ζεύς und der Vok. εύρύοπα Ζεΰ gebildet worden 3 . Auch κυανοχαΐτα stellt keine allzu großen Probleme. AlsPossessivkompositum aus κύανος und χαίτη erwarten wir κυανοχαίτης «mit dunkler Mähne», was bei 1

E i n Appellativ folgt bei ήπύτα κήρυξ (s. S. 393), und nur bei 'Ερμείας άκάκητα (s. S. 395) geht der Eigenname voraus. 2 Vgl. R I S C H , Wortb. hom. Spr. 3 3 f . ; S C H W Y Z E R , Gr.Gramm. I, 5 6 0 ; C H A N T R A I N E , Gramm.hom. I, 1 9 9 , ders. Morph, hist. gr. 4 0 ; zu φιλήτα (Dat.?) bei Arch. 3 6 D s. M A S S O N , Gnomon 2 4 , 3 1 4 . - Ob die inschr. bezeugten Mask, auf -α in Böotien und Elis kurzes oder langes α haben, ist ebenso unsicher wie die Frage, ob sie überhaupt in irgendwelcher Beziehung z u m hom. T y p u s stehen. 3 IF 45, 1 8 8 f f . , vgl. C H A N T R A I N E , Gramm.hom. I, S. 200, L E U M A N N , Hom. Wörter 24. Bedauerlich scheint mir, daß einige bei εύρύοπα immer noch m i t einem Suffix -d rechnen: S P E C H T , Urspr. idg.Dekl. 314; unklar S C H W Y Z E R , Gr.Gramm. I, 560 m. Anm. 2.

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Der homerische Typus ίππότα Νέστωρ und μητίετα Ζεύς

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Homer tatsächlich die gewöhnliche Form ist. Sie steht immer am Versende und ist mit Ausnahme von Y 224 (s. S. 396) Beiwort von Poseidon 4 . Hierzu lautet der Vok. regelmäßig auf -α (bei Homer dreimal), z.B. ι 528 κλυθ-ι Ποσείδαον γαιήοχε κυανοχαΐτα, was dann ι 536 wieder aufgenommen wird: ώς εφατ' ευχόμενος, του S' εκλύε κυανοχαίτης. Wenn nun zweimal (Ν 563, Ξ 390) am Versanfang der Nom. κυανοχαΐτα Ποσειδάων steht, wird man diesen am einfachsten als Umbildung zu einer Anrede *κυανοχαΐτα Ποσείδαον auffassen: s. Schwyzer, Gr. Gramm. I, 560. Dagegen blieben die andern Bildungen auf -τα i. G. dunkel. Sicher ist, daß sie eng mit den viel häufigeren Maskulina auf -της zusammengehören 5 . Nicht nur ist die Funktion beider Bildungen gleich, sondern es wechselt -τα und -της öfters beim gleichen Wort, ohne daß man einen Bedeutungsunterschied feststellen könnte. Außer dem eben erwähnten κυανοχαίτης/-χαΐτα finden wir bei Homer neben einmaligem αίχμητά und Θυέστ'(α) häufigeres αίχμητής und Θυέστης. Bei andern t r i t t die Form mit -της später auf: Ιππότης, -ας (seit Pi., Α. und Hdt.). ίππλάτης bzw. -ας neben βοηλάτάς, στρατηλάτας (seit Pi., Prat., Α.). Über die Ähnlichkeit von νεφεληγερέτα mit ύψφρεμέτης werden wir noch zu sprechen haben (S. 396). Jedenfalls müssen wir rein deskriptiv feststellen, daß -τα kein selbständiges Suffix neben -τα- ist, sondern nur eine epische Sonderform des Nom. -της ist. Wie erklärt sie sich aber? Früher deutete man sie gerne wie κυανοχαΐτα (s. o.) als ursprünglichen Vokativ, und diese besonders von Brugmann (MU 2, 1991, s. Brugmann-Thumb, Gr. Gramm.* 258) vertretene Ansicht wird von Chantraine, Gramm, hom. I, 199 (etwas zurückhaltender Morph, hist. gr. 40, ähnlich Meillet-Vendryes, Traité gramm. comp* 445, ferner Gersche witsch, StIFCl 15, 161) aufgenommen. Demgegenüber betrachtet Ernst Fraenkel Gesch. Nom. ag., II, 185ff. gerade den Nom. auf -α als uralt, nämlich als Fortsetzung einer idg. Endung -a, und diese Auffassung hat den Beifall n a m h a f t e r Forscher gefunden, s. Schwyzer, Gr. Gramm. I, 560 (m. Lit.). Eine Nachprüfung dürfte daher am Platze sein. Man hat, um die Annahme eines idg. Nom. auf -a zu stützen, auf einige Erscheinungen des Ai., wie räjdni RV 10, 49, 4 (angeblich Nom.) und die merkwürdigen Bildungen auf -tari, z.B. dhartdri usw., hingewiesen, welche anscheinend als Nom. Ntr., eventuell aber auch als Nom. Mask, oder als Lok. gebraucht werden, s. Wackernagel-Debrunner, Ai.Gr. III, 31.205.271. Aber räjdni ist doch wohl Lok. eines *räjan- = aw. räzart-, razar- «Satzung», das vielleicht zu lat. lex gehört: Meillet, MSL 14, 392, Vendryes ib. 20, 267. Die Bildungen auf -tari sind dagegen nach Benveniste, Origines, 106 f. eigentlich eine Art Infinitive mit partikelhaftem -i. 4 5

Auf Hades übertragen h. Cer. 347 "Αιδη κυανοχαΐτα (VA). Vgl. R I S C H , Wortb. hom. Spr. 28ff., S C H W Y Z E R , Gr.Gramm. I, 499f.

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Festschrift Albert Debrunner (1954)

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Anderseits vergleicht man seit W. Schulze, Kl.Schr. 118 1 das i von ai. (RV) svitici- «hell», màrïci- «Lichtstrahl», in dessen -ic- idg. *ok"- = gr. όπ- «Auge» steckt, mit dem -α von εύρύοπα und seit Johansson, KZ 30, 426 verschiedene ai. Maskulina auf -ti-, besonders auf -ati- mit -τα, bzw. -ετα. Doch spricht, soviel ich sehe, nichts dafür, daß dieses i auf idg. a und nicht auf idg. i zurückgeht. Denn erstens flektieren diese Wörter - im Gegensatz zum Typus go-sdi),i- «Rinder gewinnend » mit i = idg. a 6 - wie gewöhnliche ί-Stämme. Zweitens ist bei Komposita wie mùrici- ein altes Suffix -i- auch sonst bezeugt, z.B. ai. su-gdndh-i« wohlriechend», gr. αναλκις, lat. imberbis usw., s. Wackernagel, Ai.Gr. II 1,105, Schwyzer, Gr.Gramm. I, 450. Daß ferner von den Maskulina auf -ti- jedenfalls die meisten altes í haben, legt schon Fraenkel, Gesch.Nom.ag. II, 194ff. ausführlich dar. Es sind dies neben einem Erbwort wie pàti- «Herr, Gatte» ( = gr. πόσος, lat. potis, lit. pàts usw.) auch Bildungen wie dhüti- «Erschütterer» (Beiwort der Windgötter), welche man nicht von den gleichgebildeten Verbalabstrakta (z.B. dhuti- f. «Erschütterung») trennen darf, vgl. Renou, Gramm.sanscr. 1, 221. Aber auch patti- (seit AV) «Fußknecht» = ap. pastis «Fußsoldat» (zu pad-) kann man, wenn man an deutsche Beispiele, wie die Schildwache oder die Ordonnanz, denkt, als ursprüngliches Abstraktum auffassen. Von den Bildungen auf -ati- ist arati-, Beiwort von Agni, in der Struktur und Bedeutung viel zu unsicher; arámati- RV 2, 38, 4, Beiwort von Savitar, etwa «unermüdlich»,wird älter sein als rdmati- (seit AV) «gerne bleibend, anhänglich» und kann dann als Possessivkompositum von a- und ramati- «*Ruhe» (AV 6.73.2: «Ort des angenehmen Aufenthaltes»), also als eine Bildung wie ά-ksiti- «ohne Vergehen, unvergänglich» aufgefaßt werden 7 . Außerdem nennt man noch khalati- (Brahm.) «kahlköpfig» und vrkdti- RV 4,41,-1 «Räuber»?, «großer Wolf»? 8 . Von diesen ist ersteres sowohl nach der Bedeutung als auch wegen des kh als sogenanntes mot populaire zu betrachten und ist etymologisch unklar (vgl. auch Specht, Idg.Dekl. 256), und vrkdti-, das in der Bedeutung nicht genau bestimmbar und in der Bildung singulär ist, müßte c statt k haben, wenn es eine direkte Fortsetzung eines indogermanischen Maskulinums auf -eta wäre 9 . Es bleibt also vom Altindischen aus betrachtet nichts übrig, 6

Der Gen. lautet hier go-$a?}-ah; es handelt sich umKomposita mit sogenannten zweisilbigen, d.h. auf a endigenden Verbalwurzeln, s. K U I P E R , Notes on Vedic noun-inflexion, 7 1 ff., W A C K E R N A G E L - D E B R U N N E R , Ai.Gr. I I 2 , 3 1 . 7 Der Akzent ist gerade bei solchen Bildungen nicht einheitlich, s. W A C K E R N A G E L , Ai.Gr. I I 1, 293. - Gegenüber dem korrekten Abstraktum ráti- (*rmti-) zur Wurzel ram- «verweilen, sich freuen» ist ramáli- eine Verdeutlichung, ähnlich wie nach Laroche (Histoire de la racine NEM- en grec ancien, 55) νέμεσις statt *νατις (zu νεμ- «zuteilen») steht. 8 Vgl. S C H W Y Z E R , Gr.Gramm. 1 , 5 0 1 3 . Ist es etwa durch das unmittelbar folgende dabhlti-, das sonst nur als Eigenname bezeugt ist, beeinflußt? Über die Bildung des letzteren s. F R A E N K E L , Gesch. Nom. ag. I I , 1 8 5 . 9 Zweifelhaft ist ámati- RV 10, 39, 6 im Sinne von «arm, bedürftig» (von einer

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Der homerische Typus ίππότα Νέστωρ und μητίετα Ζευς

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was die Annahme eines aus der Grundsprache ererbten Typus von Maskulina mit Nom. auf -a, speziell -{e)id empfehlen oder gar sichern würde. Somit steht einem Versuch, die Nom. auf -τα, -ετα vom Griechischen aus zu erklären, nichts im Wege. Bei diesen Nomina auf -τα lassen sich nach der Bedeutung und der rhythmischen Struktur vor allem zwei Typen unterscheiden: erstens Epitheta von Helden, diese schließen daktylisch, z.B. ίππότα (Νέστωρ); und zweitens Epitheta von Zeus mit anapästischem Ausgang, ζ. Β. μητίετα Ζεύς. Andere Bildungen sind außerordentlich selten. Wir besprechen zuerst die Epitheta von Helden. Weitaus am häufigsten ist ίππότα, das meistens als Ableitung von 'ίππος gilt, von Fay aber als haplologische Verkürzung von *ίππο-ποτα- wie ai. rísva-pati« Rosseherr» erklärt wird (ClQuart 3, 273 und IF 29, 4152, zustimmend Schwyzer, Gr.Gramm. 1,499 6 ). An allen 36 Stellen, an denen es bei Homer vorkommt, steht es im 5. Fuß. In 30 Fällen lautet der Versschluß: Γερήνιος ίππότα Νέστωρ, wozu noch I 52 μετεφώνεεν ί. Ν. kommt. Dem Charakter dieses greisen Helden entsprechend, leiten diese Verse in der Regel eine direkte Rede ein: τοΐσι δέ και μετέειπε Γ. ί. Ν. (Β 336 ~ Η 170, vgl. Κ 168). Besonders häufig antwortet Nestor: τον δ' ήμείβετ' επειτα Γ. ί. Ν. (Δ 317 u.a., i.G. l i m a i , vgl. auch Θ 112 = Λ 516). Seltener spricht er als erster: τοις άρα (oder τοΐσι δέ) μύθων ήρχε Γ. ί. Ν. (Β 433 = Κ 203 = γ 68 = γ 417 = γ 474, vgl. Κ 543). Nur vereinzelt findet sich ίππότα bei andern Helden, welche ausnahmslos frühern Generationen angehören: ίππότα ΓΙηλεύς Π 33, Ψ89, ί. Τυδεύς Ε 126, ί. Οίνεύς Ξ 117, ί. Φυλεύς Β 628, was anscheinend sekundäre Verwendung ist 10 . Seltener ist ίππηλάτα «Pferde treibend, mit Pferden fahrend», das ganz wie gewöhnliche Komposita a u f - τ η ς , z . B . πυλ-άρτης «das Tor hütend», συ-βώτης «Schweine weidend» usw., gebildet ist. In der Verwendung ähnelt es auffallend der Wendung Γερήνιος ίππότα Νέστωρ: regelmäßig steht auch ίππηλάτα im 5. Fuß, und immer folgt ein zweisilbiger Eigenname. An 10 (von 11) Stellen geht γέρων unmittelbar voraus. Am häufigsten ist dabei γέρων ίππηλάτα Πηλεύς Η125, 1438, Λ 772, Σ 331, dann γ. (θ·') ί. Φοίνιξ 1432, Π 196, Τ 311, γ. ί. Νέστωρ γ 436 444, γ. ί. Οίνεύς I 581, dazu ενθ' ούδέ ξεΐνός περ έών ίππηλάτα Τυδεύς Δ 387 und ίδών δ' ίππηλάτα Κήυξ Hes. fr. 156 Rz 11 . Frau) neben dem Abstraktum ámati- f. «Armut, Dürftigkeit», das man zu am« schädigen, drängen» stellt, F R A E N K E L , Gesch. Nom. ag. II, 195 m. Anm. 1. Denn da es parallel mit án-api- «ohne Freunde», á-jña- «ohne Angehörige» und a-sajályá- «ohne Verwandte» steht, erwartet man eigentlich ein Possessivkompositum (á-mati- «ohne Fürsorge»?). 10 Ferner hat Horn. Ίπποτάδης κ 2, 36. Aus «Hes.» kennen wir nochmals Γερήνιος ίππότα Νέστωρ fr. 15, 2 Rz und ίππότα Περσεύς SC. 216 (beide Mal VE). 11 In gleicher metrischer Verwendung steht (νήσος) ούχ ίππήλατός έστιν ν 242, im 4. Fuß ίππήλατος δ 607, ebenso ίππηλασίη όδός ε'ίη Η 340 = 439: «mit Pferdewagen fahrbar».

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Festschrift Albert Debrunner (1954)

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Es handelt sich also weitgehend um die gleichen Helden wie bei ίππότα, vielfach auch um die gleiche Situation (ζ. Β. Π 33 und Σ 331). Wenn Nestor hier nur zweimal und nur in der Telemachie vorkommt, so ist das deswegen nicht verwunderlich, weil γέρων ίππηλάτα Νέστωρ metrisch völlig gleichwertig mit Γερήνιος ίππότα Νέστωρ ist. Es ist aber beachtenswert, daß Η 125 (Πηλεύς) von Nestor gesprochen ist und daß er Τ 311 ebenfalls genannt ist: Νέστωρ 'Ιδομενεύς τε γέρων θ ' ίππηλάτα Φοίνιξ. Auch die beiden andern Phoinix-Stellen klingen deutlich an Wendungen mit Nestor an: I 432 όψε δε δή μετέειπε γέρων ίππηλάτα Φοίνιξ wie Β 336 = Η 170 τοΐσι δέ και μετέειπε Γερήνιος ίππότα Νέστωρ (vgl. Κ 168) und Π 196 της δε τετάρτης ήρχε ( = «führte an») γέρων ί. Φοίνιξ wie Β 433 (u. a., s. S. 392) τοις αρα μύθ-ων ήρχε ( = «begann») Γερήνιος ί. Ν. vgl. auch Β 601 = γ 386. Von den restlichen Stellen kommen übrigens 1438 (Πηλεύς) und I 581 (Οίνεύς) in der Phoinix-Rede vor. Die beiden Epitheta ίππότα und ίππηλάτα gehören also aufs engste zusammen, so daß man annehmen muß, daß die einzelnen Wendungen voneinander abhängig sind. Das heißt aber, daß sie alle letzten Endes auf ein einziges Vorbild zurückgehen 12 . Welches nun die ursprüngliche Wendung ist, wird sich kaum mit absoluter Sicherheit feststellen lassen. Auf Grund des homerischen Gebrauches scheint mir aber Γερήνιος ίππότα Νέστωρ die älteste erhaltene Form zu sein und γέρων ίππηλάτα Φοίνιξ (oder Πηλεύς usw.) die metrisch gleichwertige Umbildung zu sein, die bei der Übertragung auf andere Helden nötig wurde. Dagegen bietet γέρων ίππηλάτα Νέστωρ weder metrisch noch inhaltlich etwas Neues und dürfte die jüngste Phase repräsentieren. Γερήνιος ί. Ν. selbst mag aber aus dem NestorEpos stammen, s. auch S. 39713. Evident ist, daß sich folgende drei Wendungen daran anschließen: Erstens E 197 ή μέν μοι μάλα πολλά γ έ ρ ω ν α ί χ μ η τ ά Λυκάων / έρχομένωι έ π έ τ ε λ λ ε ... nach Stellen wie I 179 τοΐσι δέ πολλ' έ π έ τ ε λ λ ε Γερήνιος ί. Ν. und ... γέρων ίππηλάτα (Φοίνιξ) statt des gewöhnlichen αίχμητής. Zweitens Η 382f. αύτάρ ó τοΐσι I στάς έν μέσσοισιν μετεφώνεεν ήπύτα κήρυξ nach I 52 τοΐσι δ' άνιστάμενος μετεφώνεεν ίππότα Νέστωρ (zu ήπύειν «laut rufen»), mit der Weiterbildung Ρ 324 κήρυκ' Ήπυτίδηι VA, an gleicher Versstelle wie Ίπποτάδης κ 2. An ήπύτα κήρυξ schließt sich aber drittens ήχέτα τέττιξ Hes. op. 582 und sc. 393 an (zu ήχέειν «tönen»). Unter den Epitheta von Zeus hat die reichste Verwendung μητίετα: 18mal 12

Allenfalls sind sie durch Kreuzung zweier Vorbilder entstanden. Über dieses Nestorepos, mit dem man allgemein als einer sichern Tatsache rechnet, s. zuletzt P. VON DER MÜHLL, Kritisches Hypomnema zur Ilias, 1952, S. 200. Von archäologischer und historischer Seite über Nestor vgl. R. HAMPE in Vermächtnis der antiken Kunst (Gastvorträge zur Jahrhundertfeier d. Archäol. Sammlung d. Univ. Heidelberg, hrsg. v. R. Herbig 1950) S. 11 ff. und ERNST MEYER, 13

MusHelv

8 ( 1 9 5 1 ) 119 IT.

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Der homerische Typus ίππότα Νέστωρ und μητίετα Ζεύς

s t e h t der Nom. μητίετα Ζεύς, einmal A 508 der Vok. μητίετα Ζεϋ, stets VE. E t y mologisch steckt offensichtlich μήτις drin; aber die Bildung dieses Wortes ist reichlich unklar und auch der Sinn nicht ganz eindeutig 1 4 . An allen Stellen außer Ζ 198 erscheint Zeus als der mächtige Gott, der fördernd oder strafend ins Leben der Menschen eingreift und zu dem die Menschen daher oft beten. So sagt auch Thetis A 508: άλλά σύ πέρ μιν ( Ά χ ι λ λ η α ) τ ε ΐ σ ο ν , ' Ο λ ύ μ π ι ε μητίετα Ζεΰ. Die Erhörung eines Gebetes wird aber so ausgedrückt: Π 249 ( = Ω 314 = υ 102) ως εφατ' εύχόμενος· του δ' εκλύε μητίετα Ζεύς (vgl. ι536, s. S. 390), oder aber: O 377 ώς εφατ' εύχόμενος, μέγα δ' Ικτυπε μ. Ζ., Donner ertönt auch Θ 170 und Η 478, vgl. ξ 243; ein anderes Zeichen ist Β 324 g e n a n n t : ήμΐν μεν τόδ' εφηνε τέρας μέγα μ. Ζ. E s wird also wie bei εύρύοπα Ζην und *κυανοχαΐτα Ποσείδαον (s. S. 389f.) der ganze metrisch gebundene Ausdruck als Einheit genommen, was durch das Nebeneinander von μητίετα Ζεϋ und εύρύοπα Ζην erleichtert wird. Wesentlich eintöniger ist die Verwendung des häufigen νεφεληγερέτα Ζεύς 30mal, stets VE, mit der Variation Διός νεφεληγερέταο 6 mal, stets VE, und des einmaligen στεροπηγερέταΖεύς Π 298, ebenfalls VE. Beides sind natürlich K o m posita, und zwar nach gewöhnlicher Auffassung zu άγείρω, also «Wolken, bzw. Blitze sammelnd», so auch Leumann, Hom.Wörter 184, nach Fraenkel, Gesch. Nom. ag. I, 32 1 aber ursprünglich zu έγείρω, also «Wolken, bzw. Blitze erregend ». Weder bei der einen noch bei der andern D e u t u n g k a n n das ε zur Verbalwurzel gehören. Wie m a n das Hinterglied auch auffassen will, so erwarten wir jedenfalls diese Beiwörter dann, wenn Zeus als W e t t e r g o t t a u f t r i t t . Das ist tatsächlich bei στεροπηγερέτα Ζεύς Π 298, ferner bei νεφεληγερέτα Ζεύς ι 67, ähnlich μ 313 der Fall. Sonst aber scheint die Verwendung von νεφεληγερέτα Ζεύς weniger sinnvoll. Auf die Bitte der Thetis A 503 ff. (mit μητίετα Ζεϋ v. 508) f ä h r t der Dichter v. 511 so f o r t : ως φάτο" την δ' ου τ ι προσέφη ν. Ζ. / άλλ' άκέων δήν ήστο ..., und erst als Thetis ihn ein zweites Mal b i t t e t (v. 514-16), a n t w o r t e t er v. 517: την δε μέγ' όχθήσας προσέφη ν. Ζ. ( = Δ 30) und nickt dann mit seinen dunkeln Brauen (v. 528ff.). E s handelt sich hier u m ein Gespräch zwischen Göttern, das der Situation des Gebetes noch recht n a h e k o m m t . In der folgenden recht menschlichen Auseinandersetzung zwischen Zeus und Hera heißt v. 560: την δ' άπαμειβόμενος προσέφη ν. Ζ. Dieser Vers findet sich i.G. 15mal ( z . T . m i t τον s t a t t τήν). Dazu kommen 7 weitere auf προσέφη ν. Ζ. endigende Verse, die n a t u r g e m ä ß 14

Gesch. Nom. ag. II,

1 8 6 1 , SCHWYZER

Gr. Gramm. I,

5003

gehen d i r e k t v o n μήτις a u s : μητίετα s t a t t *μητϊτα ( w i e πολίτης) in A n l e h n u n g a n a n d e r e E p i t h e t a . W . S C H U L Z E , Quaest. ep. 3 4 8 , L E U M A N N , Horn. Wörter 1 8 4 d e u t e n es als A b l e i t u n g v o n μητίομαι (Präs. n a c h h o m . !). B e i d e E r k l ä r u n g e n s e t z e n v o r a u s , d a ß μητίετα e i n e j u n g e B i l d u n g ist, w a s n i c h t z u m h o m . G e b r a u c h p a ß t (s. S. 3 9 5 ) ; g e g e n die erste E r k l ä r u n g s p r i c h t a u ß e r d e m , d a ß bei H o m . d e r T y p u s πολίτη; n o c h auf g a n z w e n i g e B e i s p i e l e b e s c h r ä n k t ist, s. R E D A R D , Noms en -της 11. FRAENKEL,

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Festschrift Albert Debrunner (1954)

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ebenfalls in Götterszenen stehen, ζ. Β. E 888 τον δ' άρ' ύπόδρα ίδών π . ν. Ζ. oder Θ 38 τήν δ' έπιμειδήσας π . ν. Ζ. Alt scheint diese V e r w e n d u n g nicht zu sein. D e n n wenn νεφεληγέρετα Ζεύς a n t w o r t e t , e r w a r t e n wir, daß er v o r h e r als *νεφεληγερέτα Ζεΰ angesprochen w u r d e . Dazu k o m m t , d a ß Gespräche u n t e r G ö t t e r n an sich wohl s e k u n d ä r sind 1 5 . Älter d ü r f t e die Situation sein, daß Menschen z u m G o t t beten und er sie e r h ö r t . Diese Situation ist bei κυανοχαΐτα ι 528 - κυανοχαίτης ι 536, s. S. 390, deutlich u n d bei μητίετα Ζεϋ A 508 - μητίετα Ζεύς Π 249, s. S. 394, wenigstens a n d e u tungsweise e r h a l t e n , nicht a b e r bei νεφεληγερέτα Ζεύς. Wir müssen also e n t weder a n n e h m e n , daß der Vok. *νεφεληγερέτα Ζεϋ n u r zufällig fehlt, was mir aber deswegen n i c h t sehr wahrscheinlich d ü n k t , weil ja der N o m . νεφεληγερέτη Ζεύς meistens in Dialogpartien, also gerade d o r t v o r k o m m t , wo auch Vok. zu e r w a r t e n sind. Oder d a n n ist νεφεληγερέτα Ζεύς nachträglich als m e trisch b e q u e m e Variation zu μητίετα Ζεύς geschaffen w o r d e n . Diese zweite Möglichkeit k ö n n e n wir noch genauer s t ü t z e n : W e n n μητίετα Ζεϋ (A 508) angerufen ist, e r w a r t e n wir bei einem gewöhnlichen Gebet e t w a : ως εφατ' εύχομένη (-ος)' της (τοΰ) δ' εκλύε μ. Ζ. (vgl. Π 249, s. oben). W e n n a b e r eine Gottheit bittet, m u ß m a n etwas ä n d e r n , etwa in: ώς φάτο" τήν (τον) δ' ου τι προσέφη ν ε φ ε λ η γ ε ρ έ τ α Ζεύς (Α 511) ! 1β D a m i t e r k l ä r t sich aber a u c h , w a r u m νεφεληγερέτα im Gegensatz zu μητίετα so einheitlich g e b r a u c h t wird, nämlich a n 22 (von 30) Stellen d a n n s t e h t , wenn Zeus v o r h e r von einer a n d e r n G o t t h e i t angesprochen worden ist. D a ß es als Variation zu μητίετα dient, zeigt a u c h der Vergleich von Β 197 τιμή δ' έκ Διός έστι, φιλεΐ δέ έ μ. Ζ. m i t Η 280 = Κ 552 άμφοτέρω γάρ σφώϊ φιλεΐ ν. Ζ. E s bleiben als einzige Maskulina auf -τα noch άκάκητα u n d Θυέστα übrig. E r s t e r e s ist ein E p i t h e t o n von H e r m e s in Π 185 αύτίκα δ' εις ύπερώι' άναβάς παρελέξατο λάθρηι (sc. Πολυμήληι) / ' Ε ρ μ ε ί α ς άκάκητα (in einer ehoienartigen Katalogstelle) u n d ω 10 ήρχε δ'αρα σφιν (Seelen der Freier) / ' Ερμείας άκάκητα 1 7 . Man b e t r a c h t e t es als poetische E r w e i t e r u n g von άκάκας «harmlos»? (von chthonischen Mächten), das A. Pers. 855 (Lyr.) u n d in einer späten metrischen Inschrift aus Megara (IG 7.117, 3) bezeugt ist, s. C h a n t r a i n e , Formation des noms 28, Schwyzer, Gr. Gramm. I, 500 (nach ä l t e r n ) ; doch ist άκάκας selbst der Bildung n a c h isoliert. A u c h ist n i c h t klar, n a c h welchem Vorbild oder in welcher U m g e b u n g diese U m g e s t a l t u n g erfolgte. A m ehesten d e n k t m a n vielleicht an Ζ 198 15

Nach V O N D E R M Ü H L L , Kritisches Hypomnema, S . 4 u. a. stammen sie vom Dichter B, dem er übrigens, wenn ich recht sehe, sämtliche Verse mit νεφεληγερέτα, -ταο mit Ausnahme von ι 67 zuweist. 16 Dabei wird die Erinnerung an Stellen, da μητίετα Ζεύς als Wettergott auftritt (H 478, Θ 170, M 279), mitgewirkt haben. Vgl. auch die andere von 'Ολύμπιε μητίετα Ζεϋ ausgehende Neubildung: (Ζεύς). . .'Ολύμπιος άστεροπητής (VE) A 580 u.a. 17 Dazu bei Hes. fr. 23 Rz Έρμάων άκάκητα VE und th. 614 άκάκητα Προμηθεύς VE.

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Der homerische Typus ίππότα Νέστωρ und μητίετα Ζευς

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Ααοδαμείηι, μεν παρελέξατο μητίετα Ζεύς und Υ 224 (Boreas verliebt sich in die Stuten des Erichthonios:) ίππωι δ' είσάμενος (/!) παρελέξατο κυανοχαίτηι, was vielleicht ein älteres *παρελέξατο κυανοχαΐτα (od. -ης) variiert 18 . - Das völlig alleinstehende Θυέστ'(α)ίη der berühmten Szepterbeschreibung Β 107 scheint eine einmalige, durch metrischen Zwang erfolgte Umgestaltung des Eigennamens zu sein. Von den Maskulina auf -τα bleibt also wenig, was höheres Alter beanspruchen darf: erstens ein Heldenepitheton mit der Bedeutung «mit Pferden fahrend (oder ähnl.)», und zwar eher ίππότα als ίππηλάτα, und zweitens eines von den drei Zeus-Epitheta μητίετα, νεφεληγερέτα und στεροπηγερέτα, sehr wahrscheinlich das erste. Die übrigen Beispiele lassen sich mit ziemlicher Sicherheit von diesen beiden Prototypen, eventuell von κυανοχαΐτα herleiten. Wie wir gesehen haben, werden die Epitheta von Zeus meistens dann gebraucht, wenn er unmittelbar vorher angerufen oder angesprochen worden ist. Nun ist bei Götternamen die Anrede ohnehin sehr wichtig. Es ist längst bekannt, daß sich hier nicht nur alte Formen erhalten, auch wenn sonst der Vok. durch den Nom. ersetzt wird, z.B. russ. boze oder hom. Ζευ ανα Γ 351 u.a. (während sonst der Nom. αναξ auch als Vok. dient, s. Leumann, Hom. Wörter 39f.), sondern auch, daß zuweilen gerade der Vok. den Nom. verdrängt, wie das bei lat. Iuppiter der Fall ist. Aber auch Superlative wie Iuppiter Optimus Maximus werden im Gebet und damit in vokativischer Form entstanden sein, vgl. Ζεϋ κύδιστε μέγιστε (ζ. Β. Β 412, Γ 276 U. a.). So dürfen wir sowohl aus diesen allgemeinen Beobachtungen als auch ganz besonders auf Grund des homerischen Gebrauchs der Epitheta auf -ετα annehmen, daß auch der Typus μητίετα Ζεύς vom Vok. ausgeht 19 . Damit gehören aber diese Bildungen zur größeren Gruppe der Götterepitheta auf -έτης, nämlich Ζεύς ύψιβρεμέτης VA (mit dem sekundären Gen. Ζηνός έριβρεμέτεω VA Ν 624), θεών (-οΐς) αίειγενετάων (-ηισιν) VE, βορέης αίθ-ρηγενέτης ε 296, έκατηβελέταο ανακτος V E Α 75 (Apollon), wozu auch Σατνι,όεντος έυρρείταο παρ' οχθας V E Ζ 34, ähnl. ξ 257, und - w w εύμενέτηισι ζ 185 gehören. Tatsächlich zeigen sie nicht nur ähnliche Bedeutung, sondern auch gleichen R h y t h m u s wie μητίετα Ζεύς oder νεφεληγερέτα Ζεύς. Bei einigen gehört das ε zur Verbalwurzel, nicht aber bei (ύψι)βρεμέτης, εύμενέτης, (νεφεληγερέτα, und hier ist es offenbar aus Beispielen mit wurzelhaftem ε verschleppt 20 . 18 Ist der Anklang an den Versanfang o 319 Έρμείαο εκητι nur zufällig? Zu beachten ist, daß auch andere Epitheta von Hermes Schwierigkeiten bieten, vor allem έριούνης, -ιος und άργεϊφόντης. Vgl. über letzteren J A C Q U E L I N E C H I T T E N D E N , A J Arch 52 (1948) 24 fï. 19 Der Einwand F R A E N K E L S Gesch. Nom. ag. II, 190ff., daß Attribute ursprünglich im Nom. und nicht im Vok. standen, könnte nur für Adjektive gelten, nicht aber für solche evident substantivische Epitheta: auch bei Ζεϋ ανα (s. o.) stehen beide Wörter im Vok. 20 Der oder ein Ausgangspunkt ist offenbar αίειγενέτης, s. R I S C H , Worth, hom. Spr. 2 8 , L E U M A N N , Hom. Wörter 1 8 4 . Eine genaue Nachprüfung dürfte sich lohnen.

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Wenn nun aber die Epitheta von Zeus auf -ετα höchstwahrscheinlich auf Vok. zurückgehen, fragt man sich, ob nicht auch die Gruppe ίππότα auf gleiche Art erklärt werden kann. Leider erlaubt uns das Material keine ebenso sichern Schlüsse. Wir haben aber gesehen, daß die älteste Wendung wahrscheinlich Γερήνιος ίππότα Νέστωρ ist, s. S. 392f. Gerade diese findet sich aber mit Vorliebe in Dialogpartien, und zwar häufig gerade dann, wenn Nestor nicht als erster spricht. So sehe ich keine Schwierigkeit, anzunehmen, daß im 'Nestor-Epos', aus dem diese Wendung wahrscheinlich stammt (s. S. 393), eine Anrede voranging, vielleicht gerade in der irreführenden Form "Τερήνιος ίππότα Νέστορ, mit einem altertümlichen Nom. des attributiven Adjektivs, s. Schwyzer, Gr. Gramm. II, 63. Fassen wir das Ergebnis unserer Untersuchungen zusammen: Die Maskulina auf -τα sind durchaus poetisch, es sind Epitheta von Göttern und Heroen und sind an bestimmte Versstellen gebunden. Die vorhandenen Beispiele lassen sich auf zwei Prototypen zurückführen. Eines davon, ein Epitheton von Zeus (wahrscheinlich μητίετα) erklärt sich am einfachsten als ursprünglicher Vok. Für den andern Prototyp, ίππότα (?), ist diese Herleitung weniger sicher, vorläufig aber immer noch die beste. Jedenfalls empfehlen uns weder die griech. Maskulina auf -τα noch die herangezogenen ai. Erscheinungen eine indogermanische Nominativendung -a anzunehmen. Die alte Theorie hat sich also bei neuer Nachprüfung, was manchen vielleicht rückständig scheint, als gut erwiesen.

Der göttliche Schlaf bei Sappho Bemerkungen zum Ostrakon der Medea Norsa* Museum Helveticum 19,4 (1962), p. 197 - 201

Eines der eigenartigsten und aufregendsten literarischen Fragmente ist oline Zweifel das von Medea Norsa veröffentlichte Ostrakon aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. mit den vier sapphischen Strophen 1 . Denn dieses Gedicht zeigt, auf einer Tonscherbe, also dem billigsten Schreibstoff liederlich aufgeschrieben, so ziemlich alle denkbaren Fehler, welche bei einem Diktat möglich sind, wenn der Schreibende das, was er hört, inhaltlich nicht versteht. Vor allem ist fast alles, was vom normalen Griechisch abweicht, falsch geschrieben, übrigens - wie πες für lesb. παις = att. usw. πάς in V. 6 zeigt - auch schon falsch diktiert. Dazu kommt aber, daß zwei von den vier auf dem Ostrakon gelesenen Strophen durch antike Zitate aus Sappho wenigstens teilweise bereits bekannt waren. Sie wurden bisher als zwei selbständige Fragmente, bei Bergli Nr. 4 (aus Hermogenes 77. Ιδεών 2,4 p. 331 Eabe) und 5 (aus Athenaios 11,463 e), bzw. 5 und 6 bei Diehl, in einer an manchen Stellen vom Ostrakon abweichenden Textform aufgeführt. Daß daher nach dem Bekanntwerden des Ostrakons sogleich eine rege Diskussion über die Wiederherstellung und Deutung dieses Gedichtes einsetzte, ist selbstverständlich. Leider sind aber die Buchstaben auf dem Ostrakon selbst zum Teil so schlecht lesbar, daß in vielen Fällen nicht mehr festgestellt werden kann, was eigentlich geschrieben war. Besonders umstritten ist der Schluß der 2. Strophe, der auch aus Hermogenes bekannt ist. Dort lautet er (V. 7/8): αί&νσσομένων δε ψύλλων / κώμα καταρρεϊ «von den rauschenden Blättern fließt Schlaf hernieder». Unter dem starken Eindruck dieser unmittelbar ansprechenden Fassung stehen fast alle spätem Deutungen 2 , obwohl das letzte Wort καταρρεϊ (oder mit lesbischer Betonung κατάρρει, * Fritz Wehrli, der mich zuerst in die griechische Lyrik eingeführt hat, in herzlicher Dankbarkeit zum 60. Geburtstag überreicht. 1 Medea Norsa, Annali della R. Scuola normale superiore di Pisa (Lettere, storia e filosofia), ser. 2, vol. β (1937) 8-15. Von den zahlreichen bald darauf einsetzenden Editionen und Interpretationen nenne ich R. Pfeiffer, Phil. 92 (1937) 117-125; A. Vogliano, Papiri della R. Università di Milano I (1937) 271ff.; W. Schubart, Hermes 73 (1938) 297-303; E. Diehl, Anthol. lyr., Suppl. (1942) 30-35 (fr. 5/6). Als repräsentativ darf heute die Textedition von E. Lobel und D. Page, Poetarum Lesbiorum fragmenta (1955) fr. 2 gelten, nach der auch alle andern Stellen zitiert werden. Von neueren Interpretationen erwähne ich W. Schadewaldt, Sappho (1950) 78-80; M. Treu, Von Homer zur Lyrik (1955) 210f.; D. Page, Sappho and Alcaeus (1955) 3 4 ^ 4 . 2 z. B. «Von den schaukelnden Blättern kommt tiefe Ruhe herab» (Pfeiffer 120), «und von den bebenden Blättern fließt Schlummer nieder» (Schadewaldt 78), «and from the quivering leaves comes slumber down» (Page 34), «und von zitternden Blättern tropft Schlaf ab» (A. Lesky, Geschichte d. gr. Literatur [1957] 139), «und von zitternden Blättern nieder rieselt der Schlummer» (E. Staiger, Oriech. Lyrik [1961] 40).

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so Diehl) nicht dialektecht sein kann und auch nicht zum Text des Ostrakons paßt. Daher hatte H. L. Ahrens schon 1839 dafür καρρέει gesetzt (fr. 4) und J. Sitzler, Philol. Wochenschrift 1927, 995 κατέρρει konjiziert. Das Ostrakon aber bietet nach der Editio princeps (der sich auch Pfeiffer anschließt) κατιρρον, nach Schubart καταιριον, nach Diehl κατειρρον und nach Lobel-Page κατ αγρών. Die Endung -ov paßt aber, da man ein Verbum erwartet, nicht in den Zusammenhang 3 . Vor allem ist es metrisch unmöglich, wenn davor ein -t- gelesen werden muß. Jedoch ist -ιόν als umgekehrte Schreibung für ein gehörtes -i (d. h. -ει, gesprochen -I) durchaus verständlich, da Schreibungen wie αργυριν statt άργνριον, απέναντι statt άπενάντwv, ενοπι statt ενώπιον seit dem 3. Jahrhundert bekannt sind, s. E. Mayser, Gramm, d. gr. Papyri I 1 1, 242. 260; I 2 2, 16 und E. Schwyzer Gr. Gr. I 472. Auf ein gesprochenes langes t deuten dabei die Beispiele wie παιδειν — παιδίον (kleinasiatisch, Schwyzer a.O.). Der Schreiber hörte also etwa leatagri (oder kateriì katairi ?), was er aber nicht verstand, und dachte an όνάγριον und ähnliches, das er onagrin oder onagri zu sprechen gewohnt war4. So stellt sich die Frage, was mit κατάγρει oder κατ αίρει (letzteres vielleicht für κατέρρει, vgl. umgekehrt πες für παις V. 6) eigentlich gemeint ist, welches dem geschriebenen καταγρων oder καταιριον zugrunde liegt. Bevor wir uns jedoch dieser Frage zuwenden, empfiehlt es sich, das seltene Wort κώμα genauer zu fassen, das sowohl das Ostrakon als auch die Handschriften des Hermogenes (dort allerdings mit der ν. 1. κϋμα) überliefern. Homer kennt es nur an zwei ganz ähnlich gebauten Stellen, Ξ 359 und a 201 μαλακόν περί κώμα κάλυψα (σ 201 έκάλυψεν), wobei κώμα das erste Mal Objekt, das zweite Mal Subjekt ist. Dazu paßt auch Hesiod Th. 798 κακόν δέ έ κώμα καλύπτει. An allen diesen Stellen steht κώμα also im 5. Fuß. Da nun der letzte Vers einer sapphischen Strophe, der Adoneus, metrisch mit dem Hexameterschluß übereinstimmt, finden sich sowohl bei Alkaios als auch bei Sappho gerade in solcher Stellung häufig Anklänge an epische Formeln 5 . Auch unser κώμα κατάγρει (oder καταίρει, bzw. κατέρρει) ist im Grunde nichts anderes als eine Variation von homerisch κώμα κάλυψα (-εν, Hesiod καλύπτει). Was nun die Bedeutung von κώμα betrifft, so hat Page S. 37 das Wichtigste dazu gesagt. Es ist ein poetisches Wort und bedeutet nicht einfach « Schlaf», auch nicht «tiefer Schlaf», sondern bezeichnet einen durch göttliches Eingreifen erzeugten, übernatürlichen Schlaf. So ist Ξ 359 Zeus durch Hypnos selbst in einen Zauberschlaf versenkt worden, damit die απάτη durchgeführt werden kann. Pallas Athene läßt Penelope in einen Schlaf sinken, um sie verjüngen zu können (σ 201). Die Stelle aus Ξ oder eine ähnliche hatte wohl Pindar vor Augen, wenn er beim Preis auf die ψόρμιγξ in P. 1, 12 sagt, daß unter ihrer Herrschaft nicht nur der Adler des Zeus schläft, sondern auch βιάτάς "Αρης ... Ιαίνει καρδίαν κώματι. Wenn dann 3

Ein Partizip statt Verbum finitum (so Pfeiffer 120 nach A. Rehm) befriedigt kaum. Die Vermutung Schubarts (300, vgl. Page 38), -ov sei eine Art Vorwegnahme des folgenden έν, erübrigt sich also. 5 Vgl. E. Risch, Mus. Helv. 3 (1946) 254f. 4

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die Mediziner dieses ausgesprochen poetische Wort aufgreifen, dann verwenden auch sie es im Sinne eines ungewöhnlichen, für sie also krankhaften Schlafes, ζ. B. Hp. Epid. 3, 6 κατείχε ... κώμα συνεχές, ονχ νπνώδες. Als Verbum selbst wird ziemlich allgemein nach dem Vorbild von Sitzler (s. o.) κατέρρει gelesen (ζ. B . Schubart, Diehl, Treu, auch - allerdings mit Fragezeichen E.-M. Hamm, Gramm, zu Alkaios u. Sappho, 199) und dann meistens als «kommt herab» verstanden, während Schubart S. 300f. es als «geht weg» deutet. Gestützt wird κατέρρει durch Erinna fr. 3, 2 (Bergk) σιγαι δ' εν νεκνεσσιν ' το δε σκότος δσσε κατέρρει6. Sonst ist aber ein solches Verbum unbekannt. Das einfache ερρω (inklus. απ-, έξ-) bedeutet aber vor allem «weggehen, verschwinden» und wird vorzugsweise Imperativisch verwendet (seit Horn, ερρε, -ετε, -έτω, lokrisch Γερρέτδ, auch ουκ ες κόρακας έρρήσετε; Ar. Pax 500 u. ä.). Aber auch ohne einen solchen Zusatz ist die Vorstellung «ins Unglück gehen ('zum Teufel gehen'), umkommen» oder «vernichtet sein» ziemlich verbreitet. Dem entsprechend ist das Wort vor allem aus der Komödie, daneben allerdings auch aus der Tragödie bekannt. Als juristischer Terminus (im Sinne von att. φεύγω) ist es in Lokri (βερρετδ C. D. Buck, The Greek Dialects, Nr. 59 A 12) und Elis (βαρρεν Buck 61 [ = Schwyzer Dial. 409], 2, βερεν Buck 63 [ = Schwyzer 415], 5) bezeugt. Eine abweichende, möglicherweise ältere Bedeutung zeigt bei Homer das Partizip : έν&άδε ερρων (Versende) Θ 2 3 9 , 1 3 6 4 , αύτάρ ό ερρων / πλησίον Σ 421 (von Hephaistos, also etwa «humpelnd») und οιωι ερροντι δ 367 («allein wandernd», die Vorstellung eines beschwerlichen Gehens schwingt offenbar auch hier mit). Im Lesbischen aber ist dieses Verbum nicht belegt 7 . Aber auch abgesehen davon, paßt ein angebliches κατέρρειν «niedersteigen, herabfließen» schlechterdings nicht zur sonstigen Verwendung von ερρειν, während umgekehrt Schubarts Deutung S. 300f. «der Schlaf, die Schläfrigkeit des Mittags, geht weg» sich kaum mit der Bedeutung von κώμα verträgt 8 . Da das anlautende β sowohl durch die Inschriften als auch durch Homer gesichert ist, müßte man übrigens echtäolisch eher *κανέρρει erwarten (vgl. Hes. Erga 666. 693 κανάξαις aus *κατβάξαις). Statt κατέρρει empfiehlt Page S. 38 κατ αίρει «descends», also mit der aus dem Attischen bekannten intransitiven Bedeutung. Aber im Lesbischen erscheint das Verbum άείρω/αΐρω regelmäßig in der Form άέρρω, Aor. άέρραι: so in den Papyri επάερρον Ale. 296 (b) 11, όναέρραι Ale. 116, 6, in Zitatfragmenten κάδ δ' αερρε ? Ale. 346, 2, άέρρει Ale. 363, 2, σνναέρραισ' Sa. 81 (b) 2, άέρρετε oder άέρρατε Sa. I l l , 3 9 . Auch ist die Bedeutung, soweit man feststellen kann, transitiv. * Aus Stob. Flor. 118, 4 ( = IV 51,4 Hense). - Vorbild für diesen Vers war die homerische Formel τον δε σκότος δσσε κάλνψεν (ζ. Β. Δ 461). ' Über die Bedeutung des für Alkaios bezeugten Adverbs ερρεντί (fr. 407 L P = 130 B) läßt sieh nichts Sicheres sagen. 8 Vgl. auch M. Treu, Von Homer zur Lyrik 211, Anm. 1. 9 Sa. 95,10 έπαρΰ' (in weitgehend zerstörtem Zusammenhange) sagt, auch wenn es wirklich zu unserm Verbum gehört, nichts über die Bildung des Praesens (und Aor. Act.) aus. Anders E . Lobel, Άλκ. μέλη, p. X L β.

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Andererseits spricht für die Lesung κατάγρει « ergreift, packt » (zu lesb. κατάγρημι), daß dieses Verbum auch sonst aus der lesbischen Lyrik bekannt ist: κατάγρει Ale. 48, 9; 124, 4, Sa. 149 10 . An allen drei Stellen steht es übrigens am Versende, bei der erstgenannten sogar in einem Adoneus, bei Sappho in einem Hexameter. Leider sind die beiden Alkaiosfragmente arg zerstört, so daß sie über den Zusammenhang nichts aussagen. Aber bei Sappho ist πάνννχος Subjekt (ora πάνννχος ασφι κατάγρει), was inhaltlich der im Ostrakon beschriebenen Situation sehr nahe kommt. Das dem lesb. κατάγρημι entsprechende Verbum lautet ion.-att. κα&αιρέω. Gerade mit diesem Wort wird bei Homer geschildert, welche Wirkung der köstliche Wein, den der Apollopriester Maron dem Odysseus gegeben hatte, auf den Kyklopen hat: ι 372f. κάδ δέ μιν ϋπνος/ήιρει πανδαμάτωρ. Sapphos κώμα κατάγρει klingt also wie eine Weiterbildung dieser berühmten Homerstelle. Gleichzeitig ist es, wie wir gesehen haben, eine Variation zum Hexameterschluß κώμα κάλυψα, -εν. Die Entscheidung dürfte aber Theokrit bringen, dessen Verbundenheit mit den lesbiachen Lyrikern ja bekannt ist. Der Schlußvers seines 3. Epigramms lautet nämlich (V. 6): φενγε μεάείς νπνον κώμα καταγρόμενον. Die Bedeutung von κώμα ist hier gegenüber den altern Belegen abgeschwächt11. Auch ist καταγρόμενον nicht ganz sicher, sondern nur sehr wahrscheinlich (statt unmöglichem καταγόμενον). Da aber im Lesbischen die Verben auf -ημι und die auf -co in der 3. Pers. Sing, zusammenfallen (φίλει wie φέρει), konnte von einem Dichter, der die 1. Pers. Sing, κατάγρημι nicht kannte, zu κατάγρει ohne weiteres ein mediales Partizip καταγρόμενος gebildet werden. Mit dieser künstlich geschaffenen Form gewann er aber die Möglichkeit, aus dem Hexameterschluß oder Adoneus κώμα κατάγρει die 2. Pentameterhälfte κώμα καταγρόμενον zu bilden. So setzt diese Theokritstelle geradezu ein lesbisches κώμα κατάγρει voraus. Damit schließt sich der Ring: Die Schreibung des Ostrakons (am ehesten καταγριον) führt mit größter Wahrscheinlichkeit auf κατάγρει. Auch das καταρρεΐ bei Hermogenes läßt sich am leichtesten an κατάγρει anknüpfen. Außerdem spricht die poetische Tradition von Homer (einerseits S 359, σ 201, andererseits ι 372f.) bis Theokrit für diese Lesung. Es verdient ausdrücklich hervorgehoben zu werden, daß Th. Bergk in seiner meisterhaften Ausgabe im Apparat, nachdem er die Ahrenssche Konjektur καρρέει abgelehnt hat, schreibt: «si quid mutandum, malim κατάγρει» (III p. 91)12. Es bleibt die Frage, wie wir dieses κώμα κατάγρει inhaltlich zu fassen haben. Gegenüber dem homerischen καλύψαι «hüllen» ist «ergreifen», das aber bereits Homer in 1372f. kennt, das übrigens auch anHippokratesEpid. 3,6κατείχε ...κώμα anklingt, stärker und unmittelbarer. Im Gegensatz zu den homerischen Stellen Dazu inschriftlich Imper. κατάγρεντον (Buck nr. 26, 15 = Schwyzer nr. 620, 15). Siehe Page 37, der auf diese Stelle hinweist, ohne aber daraus die Folgerungen zu ziehen. 12 Auch bei Erinna 3, 2 bemerkt er: «fort(asse) καταγρεϊ», und diese Konjektur drängt sich für überliefertes κατέρρει tatsächlich auf. Sie ist auch von Hense in seiner Ausgabe yon Stobaeus aufgenommen worden. 10

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und wohl auch zu Sapphos πάνννχος .. κατάγρει fehlt aber hier ein Objekt. Das ist gerade der Grund, warum Page κατάγρει, obwohl er S. 37 κατάγριον als die wahrscheinlichere Lesung bezeichnet, doch ablehnt und καταίρει vorzieht13. Aber was für ein Objekt dürfen wir eigentlich erwarten? Der von Aphrodite gesandte Schlaf packt «einen», d. h. jeden, der in ihrem Hain die Parusie der Göttin erlebt. Jeder Hinweis auf eine bestimmte Person müßte den Ausdruck nur abschwächen. Das, was Sappho ausspricht, ist also viel elementarer, als was wir in romantischem Naturempfinden mit dem herabfließenden Schlummer anzunehmen geneigt waren. Auch das gehört zu Sapphos Größe.

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Diese Ablehnung von κατάγρει bereits bei E. Lobel, Σαπφούς μέλη, p. 52.

Les traits non-homériques chez Homère Mélanges Pierre Chantraine (1972), p. 191 - 198

Avant 1952, c'est-à-dire avant le déchiffrement du linéaire B, la langue et la littérature grecques commençaient chez Homère. Il est vrai que les inscriptions dialectales nous présentent parfois des formes plus archaïques que celles qui sont attestées dans l'épopée homérique, et l'on peut discuter si certaines parties de 1 Odyssée, voire même de Γ Iliade, sont postérieures à Hésiode ou à Archi loque. Mais il était hors de doute que, somme toute, les poèmes homériques étaient les monuments les plus anciens de la langue grecque. Beaucoup de mots et de formes y sont encore plus ou moins vivants qui, dans le grec posthomérique, sont entièrement inconnus ou, à la rigueur, apparaissent comme vestiges pétrifiés. D'autre part, bien des innovations linguistiques sont encore inconnues à Homère ou bien elles ne se trouvent que dans quelques parties dites récentes, par exemple le futur du passif μιγήσεσθαι Κ 3 6 5 , δεΐ I 3 3 7 , aor. δήσεν (δέησεν?) Σ 100, μηδέν Σ 500, e t c . ) 1 .

Le déchiffrement du linéaire Β a rendu possible la lecture des textes grecs écrits à Cnossos, à Pylos, à Mycènes et à Thèbes, cinq ou six siècles avant Homère. De prime abord, on a pensé que le dialecte de ces tablettes était tout proche de la langue homérique, mais en les examinant de plus près, on a pu reconnaître des différences de plus en plus évidentes. M. Chantraine lui-même a signalé déjà en 1958 les faits qui séparent la langue des tablettes mycéniennes de celle des poèmes homériques 2 . La distance n'est pas seulement chronologique, mais aussi dialectale : le mycénien appartient à la branche méridionale du grec ; parmi les dialectes du premier millénaire, ce sont l'arcadien et le chypriote qui s'en rapprochent le plus, tandis que les éolismes les plus évidents dans la langue homérique ne peuvent pas être expliqués comme mycénismes, mais doivent être localisés dans les parlers septentrionaux 3 . 1 . Voir P . C H A N T R A I N E , « Remarques critiques et grammaticales sur le chant Κ de l'Iliade », Mélanges Desrousseaux, 1937, p. 59-68. 2. P. C H A N T R A I N E , « Conséquences du déchiffrement du mycénien pour la philologie homérique », Atti del 2° colloquio internazionale di studi minoico-micenei, Pavia, 1-5, I X , 1958, p. 20-33 ( = Athenaeum 46, n. s. 36, 1958, p. 314-327). 3. Voir en dernier lieu C. GALLAνοττι, « La poesia epica e la sua formazione »,

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Les traits non-homériques chez Homère

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En outre, il y a une différence d'ordre stylistique. Chez Homère, on a affaire à une langue poétique traditionnelle, voire artificielle, alors que dans les tablettes mycéniennes, la langue est celle de la vie journalière, en particulier celle des fonctionnaires administratifs des palais royaux. Par conséquent, l'on y trouve beaucoup de mots inconnus à la langue homérique, attestés dans des textes posthomériques. Il n'est pas étonnant que ce soit le cas pour les noms de métier, comme par exemple a-to-po-qo / artopokwos\ « boulanger » (άρτοκόπος Hdt., Pl., etc.), ka-na-pe-u « foulon » (κναφεύς inscr. attique du vi e siècle, Hdt., Α., Ar., etc.) : Homère ne parle que très rarement du travail de tels artisans 4 . De même, il est tout naturel que les épices comme ku-mi-no (κύμινον Hp., Ar.), sa-sa-ma plur. (σήσαμον Hippon., etc.), ko-ri-ja-do-no, plur. ko-ri-ja-da-na, ko-ri-a2da-na ¡koriadnon -aj (κορίαννον Anacr., Ar., etc.), ka-na-ko (κνήκος Hp., etc.), ka-da-mi-ja (κάρδαμον Ar., X., etc.), ma-ra-tu-wo ¡marathwonl (μάραθον D., etc., chez Homère Μαραθών η 80) ne soient pas mentionnées chez Homère 5 . La même remarque doit être faite à propos du nom de matière di-pte-ra (διφθέρη -p« Hdt., etc.). Il est plus étonnant que le mot άνδριάς -άντος (attesté depuis Pindare et Hérodote) soit déjà mycénien : a-di-ri-ja-te instr. sing., a-di-ri-ja-pi instr. plur. Quelques autres mots méritent d'être tout particulièrement signalés. La forme normale pour l'amphore est άμφορεύς (Pi., Hdt., Ar., etc.), issue par haplologie de άμφιφορεύς, qui est attesté deux fois dans le chant Ψ de Y Iliade et sept fois dans Y Odyssée. Les tablettes prouvent que la forme normale était déjà usuelle au x i n e siècle (a-po-re-we duel MY Ue 611, 1), tandis que la forme plus ancienne a-pi-po-re-we plur. est attestée à Cnossos (Uc 160 v. 1). A l'époque homérique, la forme usuelle était sans doute άμφορεύς. Mais les aèdes Accademia Nazionale dei Lincei, 1970, quaderno 139, P. 79-89; P. WATHELET, Les traits éoliens dans la langue de l'épopée grecque. Incunabula Graeca 37, Rome, 1970, surtout p. 365 sq. 4. Les exceptions les plus remarquables sont χαλκεύς attesté s i x fois (auquel il faut ajouter χαλκεών-α θ 273 et le verbe χάλκευον, Σ 400) — en mycénien ka-ke-u, plur. ka-ke-we, etc. (environ 60 fois), δρυτόμος, Λ 86, Ψ 315, plur. Π 633 — en mycénien du-ru-to-mo P Y Yn 10, 1, κεραμεύς Σ 601 — en mycénien ke-ra-me-u (4 fois à Pylos). En outre, on peut citer γυνή •·· άλετρίς υ 105, le seul exemple d'un nom d'agent féminin en -τρίς chez Homère, cf. M. LE JE UNE, « Les noms d'agent féminins en grec », Revue de philologie, X X I V (1950), p. 24 sq. 5. Entre les noms désignant des épices, attestés à Mycènes dans les inventaires Ge 602, 603, 604, 605, 606, 608, on n'en trouve que deux qui soient employés par Homère : se-ri-no (σέλινον Β 776, ε 72) et ko-no, ko-i-no (σχοΐνος [?] ε 463, toponyme Σχοϊνος Β 497).

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Mélanges Pierre Chantraine (1972)

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employaient la forme άμφιφορεύς, qui se prête beaucoup mieux à l'hexamètre, soit comme archaïsme, soit comme restitution étymologique Dans le grec posthomérique, le mot δοϋλος (avec ου n o t a n t ô secondaire, cf. δόλος dans la Loi de Gortyne 1, 1) est très commun. E n mycénien, ce même mot était, sous la forme trisyllabique plus ancienne doelos, un terme usuel : do-e-ro, fém. do-e-ra. On a donc une concordance entre le mycénien et le grec posthomérique. Dans les poèmes homériques, les mots usuels pour « domestique » sont δμώς (Τ 333 et 33 fois dans Y Odyssée) avec le féminin δμωιαί (11 fois dans Y Iliade, 47 fois dans Y Odyssée), θεράπων (58 fois dans Y Iliade, 12 fois dans Y Odyssée, puis le verbe θεράπευον ν 265) et le féminin άμφίπολος (13 fois dans Y Iliade, 61 fois dans Y Odyssée). On y ajoutera οίκεύς (E 413, Ζ 366 et 5 fois dans YOdyssée). Mais le mot signifiant proprement « esclave », δούλος, ne se trouve pas chez Homère. Il est impossible qu'il f û t inconnu aux aèdes et à leurs contemporains. Mais, dans les poèmes épiques, il est évité. Toutefois, il est très remarquable que le féminin δούλη soit attesté deux fois : Γ 409 et δ 12 (dans ces deux passages il est question d'Hélène) et que — contrairement aux autres mots (δμώς, θεράπων, άμφίπολος, etc.) — l'on trouve un adjectif δούλιος (δούλων ήμαρ Ζ 463, ξ 340, ρ 323), un autre adjectif

δούλειος (ούδέ τι . . . δούλειον ω 2 5 2 ) e t le n o m

abstrait

δούλοσύνη

(χ 423, où l'aède parle de δμωιαί). Les deux termes qui s'opposent par le sens à δοϋλος sont d'une p a r t ελεύθερος et d'autre p a r t δεσπότης, tous les deux remontant à l'époque indo-européenne. L'adjectif έλεύθερος (i.-e. Heudheros, cf. lat. liber, etc.) est très bien attesté en mycénien (e-re-u-te-ro, avec ie verbe en -όω e-re-u-te-ro-se ελευθέρωσε ou -ώσει), de même que dans le grec classique, mais il est extrêmement rare chez Homère : on y a trois fois la formule terminant un vers ελεύθερον ήμαρ άπούρας ( Ζ 4 5 5 , Π 8 3 1 , Τ 193) e t u n e fois κρητηρα στήσασθαι έλεύθερον ( Ζ

528).

Dans ces passages, il ne s'oppose pas à δοϋλος, mais à δούλιον(ήμαρ), cf. Ζ 463, etc. : le sens n'est pas « libre », mais « (jour, etc.) de la libération ». — Le mot δεσπότης est un ancien juxtaposé de *dems (gén. de *dom- « maison ») et *potis « maître », cf. sanskr. dâm-patih et pâtir dán (< *dâms)7. Ce mot, t o u t familier au grec posthomérique, 6. Voir P. 1. Voir J .

étymologique, s. y. άμφορεύς. Altindische Grammatik, t. I L L , p. 2 4 3 sq. ; M. MAYRHOFER, Kurzgefasstes etymologisches Wörterbuch des Altindischen, I I , p. 20 ; P. C H A N T R A I N E , Dictionnaire étymologique, s. ν. δεσπότης. CHANTRAINE,

Dictionnaire

WACKERNAGEL

und

A.

DEBRUNNER,

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Les traits non-homériques chez Homère

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est inconnu à Homère, mais le féminin δέσποινα ( < *dems potnya) est attesté dix fois dans VOdyssée6. Dans la plupart des passages, il s'oppose à δμώες ou δμωιαί, par exemple ξ 9 = 451, 127, o 374, 377. L'absence du masculin ne s'explique guère par des raisons métriques : le voc. δέσποτα et le nom. plur. δεσπόται seraient très commodes ; Tyrtée a l'ace, plur. δεσπότας, fr. 5, 4 (avec α bref), et remplace le dat. plur. par δεσποσύνοισι, fr. 5, 2, dans l'hymne à Démétèr, on trouve l'adjectif δεσπόσυνος vers 144 et le verbe δεσπόζω vers 366 (fut. -όσσεις). Ce sont plutôt des raisons stylistiques qui ne permettent pas l'usage de termes indiquant la position juridique et sociale comme δοϋλος et δεσπότης dans la langue traditionnelle homérique 9 . On remarquera que les mots signifiants «travailleur à gages »sont, eux aussi, très rares : έριθοι Σ 550 et 560, συνέριθος (fém.) ζ 32, θήτές τε δμώές τε δ 644. Là aussi, c'est le verbe dérivé de θής qui est mieux attesté : θητεύσαμεν Φ 444 (de Poseidon et Apollon), θητευέμεν λ 489 (réponse très célèbre d'Achille à Ulysse) et σ 357. Un autre terme comparable, (Γ)εργάτης « travailleur », surtout « laboureur », est attesté à Cnossos ((ve-ka-ta, accompagné de l'idéogramme BOS m ) et dans le grec posthomérique, par exemple Archil, (βοϋς... έργάτης, fr. 48), Hdt., Ar., cf. ΓεργαΓ.Ιία, Loi de Gortyne 8, 44, έργασίη hymne à Hermès 486. Homère évite ce mot prosaïque, mais il connaît le verbe dérivé έργάζεσθαι (Σ 469, Ω 733, 7 fois dans VOdyssée). Parmi les termes désignant la position juridique, on peut citer l'adjectif πάτριος, hérité de l'indo-européen (sanskr. pitrya-, lat. patrius) et tout à fait commun au grec posthomérique, mais évité par Homère qui ne connaît que la forme féminine πατρίς, employée surtout dans les formules très fréquentes comme φίλην ές πατρίδα γαΐαν ( Β 1 4 0 , etc.), φίλη ι έν πατρίδι γαίηι (Γ 2 4 4 , etc.), φίλης άπό πατρίδος αΐης ( Β 1 6 2 = 1 7 8 , etc.), puis πατρίς άρουρα (α 4 0 7 , etc.). 8. On a supposé que la forme correspondante mycénienne est do-po-ta, nom d'un dieu PY Tn 316, 5. Mais le vocalisme de la première syllabe reste énigmatique (doms-? do- < *dm-?) ; cf. C. J. RUIJGH, Études sur la grammaire et le vocabulaire du grec mycénien, Amsterdam, 1967, p. 62, n. 72. 9. Un autre terme désignant «esclave », άνδράποδα (plur.), n'est attesté qu'une seule fois, H 475 (άνδραπόδεσσι), dans un vers condamné par Zénodote ; cf. J. WACKERNAGEL, Sprachliche Untersuchungen zu Homer, Göttingen, 1916, p. 154 sq., qui pense que ce mot appartient au dialecte attique. Pourtant, il est remarquable que le composé qui lui a servi de modèle, à savoir τετράποδα, se retrouve en mycénien (qe-to-ro-po-pi instr. plur.), de même que dans le grec classique (Hdt., Pl., etc.), tandis qu'il est évité par Homère. — A propos de l'origine indo-européenne de τετράποδ-, sanskr. cdtuçpad-, lat. quadrupês, voir RÜDIGER SCHMITT, Dichtung und Dichtersprache in indogermanischer Zeit, Wiesbaden, 1967, p. 210 sq.

350

Mélanges Pierre Chantraine (1972)

[195]

On constate donc que des mots appartenant à un groupe sémantique déterminé, très fréquents aux époques postérieures, sont évités par Homère, mais doivent avoir été connus dans la langue contemporaine. Ceci pour les raisons suivantes : 1 0 Ils sont attestés déjà en mycénien (δούλος, έργάτης, — έλευθερόω). 2 o L'étymologie prouve leur origine indo-européenne (δεσπότης, πάτριος).

3° Homère lui-même emploie parfois des formes dérivées de ces mots (fém. δούλη, δέσποινα, πατρίς — adj. δούλιος, δούλειος, — δουλοσύνη — verbes έργάζεσθαι, θητεύειν). L'usage de ces formes dérivées se borne,

en général, à Y Odyssée et à certaines parties de Ylliade (surtout Z, 2). 11 semble que, pour les aèdes, ces mots dérivés étaient moins prosaïques que les mots de base. Quelques mots appartenant à ce groupe sémantique sont employés une ou deux fois dans YOdyssée ou dans le cbant 1 de Ylliade. Ci-dessous nous donnons un tableau synoptique des mots en question : a v a n t Homère

Homère

myc. do-e-ro

i.-e. *dems potis i.-e. *pdtrios i.-e. *leudheros myc. e-re-u-te-ro myc. we-ka-ta



mots dérivés attestés chez Homère δούλη (2), δούλιον ήμαρ (3) δούλειόν τι (1), δουλοσύνη (1) δέσποινα (10) πατρίς (env. 130)

usage fréquent après Homère δούλος, etc.

δεσπότης, etc. πάτριος, etc.

έλεύθερον ήμαρ, etc. (4)

έλεύθερος, etc.

έργάζεσθαι (9) θητες δ 644 θητεύειν (3) 8ριθοςΣ550, συνέριθος ζ 32 560

έργάτης, etc. θής, θηττα, etc. ϊριθος

(Les chiffres indiquent combien de fois le mot est attesté chez Homère.)

Ce n'est rien de nouveau qu'Homère évite des mots appartenant à certains groupes sémantiques ou couches stylistiques. On sait que, par exemple, les mots obscènes et les diminutifs ne concordent pas avec le style épique 10 . Mais il est évident que de tels groupes de mots « non homériques » sont beaucoup plus nombreux. Il vaut la peine 10.

Voir J .

WACKERNAGEL,

Sprachliche Untersuchungen

zu Homer,

P.

224

sq.

[196]

Les traits non-homériques chez Homère

351

de les soumettre à un examen plus détaillé. Grâce au mycénien l'on peut s'en faire, dans quelques cas, une idée plus précise. Parmi les diminutifs, il y a un groupe ancien en -ίλος. En mycénien, on a environ une douzaine d'anthroponymes en -i-ro, par exemple ke-ti-ro à côté de l'anthroponyme ke-to, pi-ja-si-ro à côté de pi-ja-se-me, wa-ra-pi-si-ro ¡Wrapsilos /. Un *Wrapseus n'est pas attesté, mais on connaît beaucoup d'autres anthroponymes en -seus, par exemple a-re-ke-se-u ¡Alekseus/n. Chez Homère, on ne trouve qu'un seul exemple, Τρωΐλος Ω 257, à côté de Τρώς, employé comme anthroponyme Y 463, mais attesté déjà à Pylos (to-ro-o gén., commandant d'une o-ka An 519, 1). Du mot ναυτίλος (Hdt., etc., terme devenu poétique dans ]a tragédie) Homère n'emploie que les dérivés ναυτιλίη θ 253 et ναυτίλλεσθαι S 672, ξ 246. Les deux adjectifs en -ίλος, ποικίλος (en mycénien po-ki-ro- dans Po-ki-ro-qo IPoikilôqs / et poki-ro-nu-ka jpoiküönukha/?), dérivé de *ποικος (cf. Frisk, s. ν. ποικίλος), et κοίλος (en mycénien ko-wi-ro-wo-ko ¡kowiloworgoi /, cf. F. Bader, Composés du type Demiourgos, p. 35 s.), dérivé de *κόΓος (cf. H ¡¡ch. κόοί ' τά χάσματα της γης, και τά κοιλώματα) IîC ί:0 lit plus Considérés c o m m e

diminutifs12.

En examinant les masculins en -της, l'on constate, outre l'absence de δεσπότης mentionnée plus haut, celle de αγύρτης (Soph., Pl., etc.) : mais le verbe άγυρτάζειν se trouve τ 284. De même, on a οίνοποτάζειν Τ 84, ζ 309, υ 262, mais le mot de base οίνοπότης (Anacr., etc.) était probablement trop vulgaire. Le poète du chant θ de l'Odyssée l'a remplacé par la formation pseudo-archaïque οίνοποτηρες, vers 456, qui paraissait sans doute plus poétique 13 . Déjà en mycénien les dénominatifs en -ατας, employés surtout comme anthroponymes, semblent être bien nombreux. Il est vrai que leur interprétation phonétique est souvent incertaine. Par exemple, ta-ra-ma-ta et diwi-ja-ta, en général interprétés comme Thalamätäs et Diwijätai, peuvent être lus, à la rigueur, Thalam-artäs, Diwi-artai comme πυλάρτης (Θ 367, etc.). Mais d'autres restent incontestables, par exemple e-ko-me-na-ta PY An 218, 11, et 661, 9 /Erkhomenätäs /, dérivé du toponyme e-ko-me-no PY Cn 40, 5.6, etc. (Έρχομενός), qui semble être un précurseur des ethniques du type Τεγεαται, Άπολλωνιαται 1 4 . 11. Cf. A. H E U B E C K , I. F. 64, 1959, p. 119 ss., qui pense à un hypocoristique de *fpa ion. σήμερον, att. τήμερον), et l'adjectif pe-ru-si-nu-wo /perusinwos/. L'adverbe πέρυσι (dor. πέρυτι) doit remonter à l'indo-européen, cf. sanskr. pdrut (même sens) ; -ut est le degré faible de *wet- « an ». Dans ce cas, l'absence de ces deux adverbes dans les poèmes homériques est peut-être fortuite (pour σήτες on aurait *σήετες). Cependant, on doit signaler que σήμερον est rare et que χθές n'existe que dans l'adjectif χθιζός.

θρόνος ΰρόνα und die Komposita vom Typus χρυσόόρονος Studii Ciasice 14 (1972), p. 17 - 24

I Es gibt im Griechischen erstens ein seit ältester Zeit bekanntes Maskulinum θρόνος mit der Bedeutung '(kunstvoller) Stuhl', später speziell '•Stuhl als Zeichen von Amt und Würde, „Thron'- '. I m Mykenischen ist das Wort in den pylischen Inventarlisten der berühmten Ta-Serie in der F o r m to-no (d.h. thornos, mit Metathese aus thronos) f ü n f m a l bezeugt 1 . Es handelt sich um kostbare Prunksessel, welche in der Regel aus dunklem κύτ'.σος-ΗοΙζ hergestellt (Stoff-Adj. ku-te-se-jo) und mit Gold (ku-ru-so), Elfenbein (e-re-pa-te, Instr.) oder κύανος (ku-wa-no) verziert waren und f ü r unsere Begriffe ausgesprochen bunt gewirkt haben müssen. An vier Stellen gehört noch je ein ta-ra-nu (thränus, Horn, θρήνυς), also ein 'Schemel' dazu, der in ähnlicher Weise gearbeitet ist. Bezeichnend ist, daß die Zahl dieser thomoi 'bedeutend kleiner ist als die der registrierten 'Tische' (to-pe-za ¡torpeza], τράπεζα) und 'Schemel' (ta-ra-nu, s. oben) u n d daß das einzelne Stück im Durchschnitt ausführlicher beschrieben ist. Es ist kein Zweifel, daß diese thomoi zu den allerwertvollsten Möbeln gehören. Dazu p a ß t auch, daß nur von thornos, bzw. thronos eine besondere Berufsbezeichnung gebildet wird : K N As 1517, 11 to-ro-no-wo-Jco /throno-worgos j, während * to-pe-za-wo-ko und * ta-ra-n uwo-ko unbekannt sind. Außerdem steckt das Wort to-no noch im eigenartigen Kompositum to-no-e-ke-te-ri-jo (PY F r 1222). Auf einer andern Tafel derselben Serie F r kommt re-ke-to-ro-te-ri-jo (Fr 343) vor, auf einer weitern, von einer andern H a n d stammenden re-ke-e-to-ro-te-ri-jo (Fr 1217). Wenn auch in dieser Serie aus Pylos vieles unklar und kontrovers bleibt, so ist 1 P Y Ta 707.1, 2, 708.1, 2, 714.1. Dazu kommen einige stark zerstörte Fragmente aus Knossos, welche dieses Wort enthalten k ö n n e n . Die Form ohne Metathese to-ro-no llhronos/ ist im Kompositum to-ro-no-wo-ko enthalten (s. unten).

[18]

θρόνος ftp ó ν α und die Komposita vom Typus χρυσόόρονος

355

doch soviel klar, daß liier verschiedene Öle verzeichnet sind, die in allen einigermaßen eindeutigen Fällen Göttern dargebracht werden, vor allem Poseidon (po-se-da-o-ne, Dat.) und Potnia (ρυ-ti-ni-ja), einmal auch der 'Göttermutter' (ma-te-re te-i-ja, Dat.). Daß re-ke-to-ro-te-ri-jo als ¡lekhc(s)ströterijo-l aufzufassen ist und an lat. lectistemium erinnert, darf als communis opin io gelten 2 , ebenso daß man bei to-no-e-ke-te-ri-ju an eine Zeremonie denken muß, in deren Mittelpunkt ein „ T h r o n " steht. Das Hinterglied kann freilich verschieden gedeutet werden : am einfachsten dürfte -hektërijon (zu έ'χω) sein, also etwa 'Thronhaltefest' oder ähnlich 3 . Jedenfalls ist eine sakrale Bedeutung f ü r diese beiden Wörter so gut wie sicher. In der Ilias ist θρόνος 14 mal belegt, in der Mehrzahl der Fälle in der 4. Senkung ; doch kann man nicht von einer eigentlich formelhaften Verwendung sprechen. Zeus setzt sich etwa έπΐ θρόνον (Θ 442) oder επί θρόνου (A 536), ebenso H e r a und andere Götter oder Göttinnen. Seltener sind Sterbliche genannt : beim Erscheinen des Gastes erheben sich Nestor (Λ 645) und Achilleus (Ω 515) àr.ò θρόνου, letzterer um Pilamos aufzufordern, darauf Platz zu nehmen (Ω 522, vgl. 553). Beiwörter sind relativ .selten. Am ausführlichsten wird ein θρόνος beschrieben in Σ 389

τήν μεν (Θέτιν) επείτα κ α θ ε ΐ σ ε ν έπί θρόνου άργυροήλου καλοΰ δαιδαλέου* ύπό 81 θρηνυς ττοσίν ήεν

(sprachlich jung wegen der Gen. auf -ου) und Ξ 238

δώρα δέ t o i ( = Ύ π ν ω ι ) δωσω καλόν θρονον, οίφθιτον χίει, χρύσεον. "Ηφαιστος δέ κ' έμος πάϊς άμφιγυήεις -,εύξει' άσκήσας, ύπό δέ θρήνυν ποσίν ήσει.

I n beiden Stellen gehört also — wie in Pylos — zum θρόνος auch ein θρήνυς. Sonst k o m m t χρύσειος noch Θ 442 voi', außerdem in Λ 645 und Σ 422 φαεινός. Reicher ist die Bezeugung in der Odyssee (39 mal). Der Yersschluß θρόνου (-ov) άργυροήλου (-ov) findet sich viermal ; verschiedene weitere Epitheta kommen zu den bereits bekannten dazu, ζ. Β. υψηλός (θ 422), εύποίητος (υ 150) u.a. Wenn hier der θρόνος fast ausschließlich den Menschen dient, wird das durch den Stoff der Odyssee bedingt sein. I m Gegensatz zur Ilias kommt jetzt auch der Plural vor. I m Palast des Phäakenkönigs stehen genau wie bei Nestor und im Hause des Odysseus genügend θρόνοι bereit. Im nachhomerischen Sprachgebrauch bezeichnet θρόνος den Ehiensitz einer würdevollen Person, vorzugsweise des Königs (ζ. Β. βασ'.λήϊος θρ. H d t . 1, 14, 3), eventuell auch eines Gottes (ζ. B. IG I 2 78). Die Ver2 Gewisse Schwierigkeiten bereitet die Schreibung re-ke-e-to-ro-tc-ri-jo. Möglich ist, daß bei re-ke-lo-ro-lc-ri-jo im "Vordcrglied der S t a m m erscheint {lekhes-), im andern Fall aber eine Kasusform, s. C.J. Ruijgh, É ludi s sur la grammaire et le vocabulaire du grec mycénien, S. 114f. m. A n m . 77 und Monique Gérard-Rousseau, Les mentions religieuses dans les tablettes mycéniennes, S. 201ff. D o c h m ü ß t e man beim Dat.-Lok. die Form re-ke-i ertwarten. M. E. ist es am einfachsten, den Unterschied rein graphisch zu deuten : Ickhesstrdtètijon (lekhes-ströterijon) wurde v o m Schreiber „ H a n d 2 1 " als lekh-esstrôtêrijon verstanden und daher mit -e- geschrieben, vergleichbar der — hier allerdings etymologisch korrekten — Trennung v o n Vorder- und Hinterglied bei re-u-ko-ro-o-pu^ru Λευκ(ρ) verglichen werden (mediales σπένδομαι kennt Homer nicht). 12. Bei Homer (nur Od.) nur Plur. χρήματα (15 mal); der Sing, findet sich bei A r c hilochos auch fr. 168,2 χρήμα...γελοίοι, ferner bei Hes.Op.344, 402 und h.Merc.332. 13. Ähnlich v.27 ή κ[ύωι>, etwa "die sprichwörtlich bekannte Hündin". Zur Artikellosigkeit bei Archilochos vgl. A. Scherer (Anm.3) 98. 14. Weitere metrisch bedingte geringfügige Differenzen sind etwa: διπλόη V.24 gegenüber διττλψ Κ 134, τ 226 (aber διπλόος Δ 133, Τ 415), Adv. ήττίως ν. 32 gegenüber Adj. ήπιος ήπια usw. bei Horn.

368

Grazer Beiträge 4 (1975)

[224]

speziellen Bedeutung " ( b e s t i m m t e r ) Mantel" spricht nicht dagegen' 5 . Sicher poetisch ist in v.29 τηλβύάεααι, Beiwort zu àvôeoL. Die drei ersten Buchstaben sind zwar nicht erhalten, aber eine andere Ergänzung k o m m t kaum in Frage. O f f e n b a r ist es - was die Herausgeber nicht erkannt haben — ein ganz seltener "Dat.Plur. eines Adjektives auf εις, dessen poetischen Charakter wir bereits oben bei eùpàicooa b e t o n t haben Gegenüber der Häufigkeit der Adjektive auf -όεις und -ηεις. -âeiç ist -àeiç mit kurzem α nur sehr spärlich bezeugt. Homer hat einzig als Lesung des Zenodot Β 581, δ 1 καιβτάεοσα (so auch Callim. fr.639Pf. — κητώεαοα Aristarchi). Hinige Beispiele hat Aischylos. nämlich Supp. 1019 yamevreç (Lyr.), fr.44 άπ· eùvàevroç ούμανοϋ (v.l. ebvàovroç, Nauck 1 βύνατήρυς). Bei Ale.58,19 ìXXóem ϋνμωι (iXKaév TÍ' ) ist die Quantität nicht bestimmt, ebenso bei Wörtern aus Grammatikern oder Lexikographen. Manche sind ganz unsicher oder beruhen auf einer falschen Lesung, so angebliches yripaeooa in Ale.33 (b),5: nach Lobel-Page |..σκεγήρά([σ]1ϋ | (mit durchgestrichenem σ). Etwas besser steht es mit den Femmina auf -φαβαοα wie iibpwpaeaoa h.Horn.31,2 u.4 (Mutter des Helios), πασιφάεσσα F^pigramm bei Arist. Mir.843 b 29, πλησιφάβοσα in astrologischer Dichtung: alles künstliche Bildungen zu Komposita mit -φαής, also statt korrektem -0aeta. Auffallend ist der Wechsel von Adjektiv und einem metrisch gleichwertigen Partizip, evtl. auch anderen Verbalformen. Dem yavâevTeç bei Aischylos entspricht bei Homer γ α ^ ό ω ^ τ ε ς (Ν 265, -όωσαι Τ 359, η 128, so auch bei Aisch. konjiziert). Beim anderen Beispiel dieses Tragikers ist sowohl ebvàevroç als auch e ù m o f r o ç überliefert (s.oben): wir erwarten eher das letztere, vgl. ν 109 υδατ' àevàovTa (Lust, aie-) und H e s . 0 p . 5 5 0 ποταμών άπο

15. Zu diesen Bildungen auf -όλάς όλις ausführlich f H. Schwyzer, Mus. Hclv.3 (1946),49 ff. Kr nimmt allerdings an, dass sie ursprünglich prosaisch waren. 16. Wenn man vom Dual absieht, ist der Dat.Plur. (sowohl mask.-neutr., als auch fem.) der einzige Kasus im Paradigma dieser Adjektive, der bei Homer nicht belegt ist.

[225]

Zum neuen Archilochos-Fragment ι

369

*7

άΐ€ναόντων zu νάω (!) ' . Bei Hesych liest man sicher aus einer Dichtung - δριάεντα χ λ ω ρ ά und δριάουααν ΰάλλουσαν. Vergleichbares begegnet bereits bei Homer: neben μητώωντες μητώωσα usw. (im ganzen 7mal Part., stets Versende, dazu 3.Plur. μητώωοι Κ 208 = 409, μητιάασϋβ Χ 174. μητιόωντο Μ 17, συμμητιάασϋαι Κ 197), und zwar von Göttern oder Menschen, steht einmal, nämlich δ 227 φάρμακα μητιόβντα (Versende). Anderseits findet sich ausser ò/cpióem α (Versende Δ 518, Θ 327, vor der Hauptzäsur M 380, II 735, ι 499) in o 33 am Versende όκρώωντο "sie wurden 'spitz' ". Ähnlich gibt es neben häufigem oKLÒevra ( 1 5mal, ausser A 157 und M 157 stets Versende) in der Odyssee den Formelvers δύσετό τ' ήέλιος υκώωντό re πάσαι àyviai, ζΒ β 388 (im ganzen 7mal) und μ 436 κατβσκίαον δέ Χάρυβδιν. Doch sind Verbiim und Adjektiv in der Bedeutung deutlich geschieden. Fine Verwechslung, die durch das Nebeneinander von unkontrahierten, kontrahierten und zerdehnten Formen veranlasst ist und daher der Dichtersprache angehört, begegnet uns erst später: hierher kann man vielleicht μητώεντος (Versende) als Beiwort von Zeus in h.Ap.344 (ähnlich h.Horn.24,5) zählen, wo vermutlich der Anklang an μητίετα Ζβι)ς mitgespielt hat. In diesen Zusammenhang gehört offenbar auch τηλtdàeoai: es ist nichts anderes als eine erstaunlich frühe Variation zu homerisch τηλε&όωντα -όωσα άοντας àov u.ä. (im ganzen 9mal, immer nur Partizip), ζΒ Ζ 148 άλλα δβ ϋ ύλη / τηλεΰόωσα φύβι oder ν 196 πέτραι τ' ήλιβατοι και δένδρβα τηλβϋόωντα (ähnlich η 114, β 63, auch η 116 = λ 590). Die Verbindung mit àvdeai trifft man im Hymnus auf Dionysos, h.Horn.7,41 κισσός / àv&eoi τηλεΰάων. Ein drittes poetisches Wort dürfte das leider nur im Anfang erhaltene ποτ?[~ - ] am Schluss des 15. Verses sein, offenbar Beiwort zu κ]ήπους. Die Herausgeber ergänzen es zu ποηφόρους oder ποητρόφους: das erstere ist m.W. nirgends belegt, wäre aber mit

17. Zu

äevaovra

mit à é f a o ç

(aie ) Hes.Op.595

(auch bei Pi., Sim., Ba., u.a.,

ganz unsicher Sa.44,6)vgl. H. Seilerim Lexikon des frühgriech. Epos s . w . Zu vergleichen wäre auch e w w j ç B.l ,75 u. 9 , 4 2 , aus späterer Zeit 78,5.

àewaèeaai

Nic.fr.

Grazer Beiträge 4 (1975)

370

ουροφόρος,

πυρηφόρος

zu vergleichen, das bei Homer Beiwort von

neÔiov und άρουρα ist ; ποιητρόφος aia Variation ποβσιτρόφος μηλοτρόφος

[226]

aia

als Beiwort

kennt Opp.C. 1,460 (mit der

3 , 1 8 9 !). Archilochos selbst hat fr.227 zu

Άοίη,

was an κουροτροφος

(von

lthaka) in ι 27 erinnert. Auf alle Fälle wäre es höchstwahrscheinlich eine poetische Bildung. In der Prosa scheint einzig ποηφάγος •γέω gebräuchlich gewesen zu sein (seit Hdt., dann vor allem bei Arist.). Schwer zu deuten ist v.33 έττήΧυοιν in einem teilweise zerstörten Zusammenhang. Der Form nach ist ein Dat.Plur. zu έπηλυς ήλυδος

"hinzukommend"

am

wahrscheinlichsten,

das in der

Tragödie, aber auch bei Hdt., Thuk. und Plato bezeugt ist. Wie hom. νέηλυς βϊλήλουϋα

ist es ein Wurzelkompositium zu έλυϋ-

έλβύοομαι) mit

(ήλνύον

Frsatz von ϋ durch δ, vgl. Verf.,

Wortbildung d.hom. Sprache " 1 9 5 . Wenn es sich bei Archilochos, wie die Herausgeber vermuten, auf \epou> ν.32 bezieht, dann wird ιχ die Verwendung neu sein . Fin weiteres bei Homer nicht belegtes Wort ist

παράβνήως

v. 18, offensichtlich der frühste Beleg für das im Ionischen lebendige

Suffixkonglomerat

άνϋρωπήϊος

-ήϊος,

zB

ανδρήϊος

(vor allem bei Hdt.); παρύενήϊος

yvvqucrjioç

selbst ist mehrmals

bei Pindar bezeugt. Bei Homer ist -ήϊυς fast ausschließlich auf Ableitungen von -βύς der hom.Sprache"

ήος u.ä. beschränkt, s.Verf., Wortbildung

127 f., P. Chantraine, La formation des noms

en grec ancien 52. Damit ist freilich nicht gesagt, dass Bildungen wie napdev Auch

das

ήϊος auch tatsächlich jünger als Homer sein müssen. Mykenische kennt einige auffallende Adjektive

auf

-êwijos, zB di-pi-si-je-wi-jo PY Fr 1 2 1 8 , 2 zu di-pi-si-jo(ri) (Name eines Festes oder eines Heiligtums ? ) u.^. Sicher umgangssprachlich ist v.21 ές] κόρακας 18.

Der andere Vorschlag, in

άπβχε mit

έπήλυσιν den Akk. eines Verbalabstraktums

zu sehen, ist syntaktisch ebenfalls nicht ganz einfach. Auch ist ein solches Subst. sonst erst spät bezeugt (Opp.H. 4 , 2 2 8 , AP 5, 2 6 7 , 3 [Paul.Sil.]) gegen-

èjτηλυσίη h . C c r . 2 2 8 , h.Merc.37. Immerhin hat Hdt. mehrmals έξήλυσις. πίστις), während έιτηλυοίη zu *έπη7 Μετίδοιον (Schwyzer, Dial., n° 664.6), et que le mycénien a peut-être trace de πεδά (avec un sens distinct de celui de μετά) dans pe-da wa-tu K N X 1 1 4 s'il f a u t entendre, avec J . Kerschensteiner ( J K 1 , p. 62), πεδά f â c v j . 2. L'analogie de Ζεώς/Ζην a provoqué la création d'un accus, ϊερην de ιερεύς, e t cet accusatif, à son tour, a provoqué (conjointement avec l'action du t y p e ευμενές) la création d'un nomin. ίερης. 3. S u r la xoivrj créto-mycénienne (voir ci-dessus, Section II).

[259]

Caractères et position du dialecte mycénien

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de ces altérations reparaissent à date hellénistique ou byzantine ; d'où l'on doit inférer que le créto-mycénien est une forme à la fois très ancienne et déjà très évoluée du grec, sans successeur direct à l'époque historique, et devançant souvent de mille ans ou plus l'évolution que connaîtront, finalement, les parlers grecs historiques. D ' a u t r e part, le créto-mycénien, à en juger par divers indices (dont le plus manifeste est le t r a i t e m e n t des sonantes voyelles) est une langue composite, qui nous présente, côte à côte, des traits dialectalement divers : c'est une •/.stνή, comme celle qui, mille ans plus t a r d , se superposera a u x parlers grecs historiques. Enfin nous saisissons cette langue commune sous un état moins évolué dans le Péloponnèse de la fin du x i n e s. que dans la Crète de la fin du x v e s. L E J E U N E . — A t o r t ou à raison, personne ne paraît pouvoir suivre Georgiev dans ses conclusions sur le premier point. On lui accordera qu'il existait certaines assimilations de consonnes ; j'ai été des premiers à demander que qe-to-ro-po-pi soit rendu en grec par -ποπφι et non par -ποδφι ; mais t o u t le monde hésitera à admettre que tonten les consonnes non initiales de syllabes qui ne sont pas notées aient été victimes de la phonétique plutôt que de l'orthographe ; l'argument de do-so-mo me semble non décisif, et susceptible d'interprétations diverses (par exemple prononciation δοσ/σμ,ός). De même on hésitera à croire que toutes les consonnes finales aient été à peu près abolies dans la prononciation ; les doublets τίκτω(ν)/τέκτων allégués par Georgiev et Risch plaident, manifestement, pour Risch et contre Georgiev : d'abord parce que le lien de ce mot, dans nos textes, avec le verbe qui suit n'est pas un de ces groupements étroits et permanents où eût pu se préserver une consonne finale en quelque sorte fossile (comme on l'a supposé, à tort ou à raison, pour ποδ-απός, ούτιδ-ανός) ; ensuite parce que la finale de nominatif -ων est précisément une de celles, comme Georgiev l'a lui-même indiqué, où la nasale finale (cf. lat. -δ) avait le plus de chances de disparaître d'abord. Enfin, il continue à me paraître que des deux thèses (orthographe phonétiquement gauche, orthographe phonétiquement correcte) c'est, a priori, la seconde qui exige d'être prouvée, s'agissant d ' u n e écriture syllabique du second millénaire et d ' u n e écriture adaptée au grec et non créée pour le grec. J e crois, en t o u t cas, que la discussion sur ce problème n'amènerait pas de modification dans les deux positions qui ont été soutenues, et je suggère que le débat porte essentiellement sur les composants dialectaux et la position du mycénien. J ' a j o u t e cependant une remarque de méthode. Sans être d'accord sur tous les détails, nous pratiquons de façons substantiellement pareilles la translitération du mycénien en lettres latines, en conservant aux mots leur décomposition syllabique mycénienne. Mais dès que nous essayons de rendre en grec nos textes mycéniens, nous nous heurtons à des difficultés bien plus considérables, à cause de l'ambiguité de la graphie. Nous avons alors tendance, de façon consciente ou non, mais de façon impérative, d ' u n e p a r t à choisir, des diverses lectures que p e r m e t t e n t a priori les règles orthographiques du linéaire B, la lecture qui nous

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livrera une forme connue par le grec postérieur ; d'autre part, si nous avons ainsi le choix entre plusieurs formes du grec postérieur, à choisir, de ces formes, la plus archaïque (p. ex. ε^ονσι pour la 3 e pl. thématique), Il n'y a sans doute rien de mieux à faire (et la translitération grecque du mycénien n'est pas à notre ordre du jour). Mais il faut, quand on a à apprécier l'archaïsme et la position dialectale du mycénien, ne jamais perdre de vue la part d'interprétation, non contrôlable, qui s'introduit là, et ne pas raisonner, disons, sur εχονσι, mais bien sur e-ko-si. R U I P É R E Z . — La langue présente des flottements, non point entre lieux et temps différents, mais sur un même site et dans des textes rigoureusement contemporains ; πεδά et μετα- coexistent à Cnogsos (μετά se retrouvant à Pylos) ; σπέρμα et στέρμο coexistent à Pylos (σπέρμο trouvant appui à Pylos dans *άρμο postulé par a-mo-te-jo-na-de, σπέρμα se retrouvant d'autre part à Cnossos ; mais Cnossos connaît o pour *n dans la pénultième de a-no-wo-to = άνούατος). Etc. — Ces flottements eux-mêmes sont de plusieurs types, du point de vue de l'interprétation. Pour ά et o issus de *n, il s'agit de traitements concurrents. Un second cas est celui que j'ai signalé dans l'appendice II de ma communication écrite 1 ; à Pylos, *-r,Fyx paraît représenté soit par ...e-wi-ja (toponymes du type E-sa-re-wi-ja) soit par ...e-wa (toponymes du type A-kere-wa), soit même (je l'ajoute aujourd'hui) par ...e-ja (anthroponyme i-do-me-ne-ja, appellatif ί-je-re-ja) ; ici, le flottement dialectal se complique de deux autres aspects, l'un géographique (chaque toponyme a une forme constante, et il importerait de pouvoir étudier la distribution des deux traitements en fonction des localisations), l'autre chronologique (puisque...e-wi-ja représente un stade d'évolution plus ancien que... e-wa ou ...e-ja). Un troisième cas, encore mal élucidé, est celui des flottements graphiques entre e et i ; il pourrait s'expliquer par le fait qu'une écriture distinguant i, e, a, o, u était mal adaptée au système phonologique à partir du moment où dans ce système des e longs fermés se sont opposés à des e longs ouverts (ce qui pose la question de la façon dont nous devons interpréter a-ke-ra-te, issu de *άγέρσαντες ou *άγγέλσαντες, mais à un stade où -ρσ- et -λσ- étaient déjà altérés). — Troisième remarque : l'explication de cet état composite de la langue reste à préciser ; il semble, en tout cas, que, si le caractère prédominant du mycénien est de type arcado-cypriote, il y ait aussi des éléments ioniens en jeu (notamment pour l'opposition phonologique ë/ë; se rappeler aussi l'argument tiré par Risch de to-ro-qe-jo-me-no ; on évoquera, à cet égard, les témoignages antiques sur la présence d'Ioniens à Pylos. Mais s'agit-il de variations individuelles ? S'agit-il de variations sociales, entre une classe ionienne peut-être dominée (ce qui expliquerait, par exemple, l'absence de patronymes en -îâ-) et une classe arcado-cypriote peut-être dominante ? M Ü H L E S T E I N . — Je pense que les scribes mycéniens appartenaient à des couches sociales diverses. 1. Voir ci-dessus, Section II.

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L E J E U N E . — Il faut songer aux conditions dans lesquelles l'écriture Β a été créée et diffusée, et reconnaître que nous les ignorons. La création d'un système graphique n'est pas un événement collectif inconscient, mais implique le travail réfléchi d'un individu ou d'une équipe autour d'un chef d'équipe. Pour le linéaire B, nous ne savons si cet événement a eu lieu en Crète ou sur le continent, et s'il est ou non sensiblement antérieur (il peut l'être) aux plus anciens textes présentement connus (tablettes cnossiennes de 1400). Il faut se demander, de plus, si cette écriture était ou non (comme elle paraît l'être) une technique de chancellerie et d'intendance, exclue de certains domaines (textes religieux ou littéraires, etc.) et, d'autre part, ignorée de la masse. Si telle était la situation, la diffusion et la transmission de cette technique ont du relever d'un assez petit nombre d'« écoles », ce qui favorise à priori une unité assez grande dans la graphie, et même dans la langue. Mais les origines dialectales diverses des scribes pouvaient transparaître sous forme de menues particularités individuelles. Et ceci m'amène à une question qui me paraît capitale et n'a pas encore été posée ; seul Bennett pourrait éventuellement y répondre ; un même scribe emploie-t-il indifféremment, et alternativement, pe-ma et pe-mo ? B E N N E T T . — Les tablettes E- de Pylos ont été écrites par cinq ou six scribes, dont j'ai reconnu les mains. La série Er tout entière est due à l'un de ces scribes, qui n'en a pas écrit d'autres dans la catégorie E- ; lui seul emploie pe-ma, à l'exclusion de pe-mo ; tous les autres emploient pe-mo à l'exclusion de pe-ma. L E J E U N E . — Cette réponse fait sensation. Elle souligne l'importance extrême d'une étude paléographique systématique. Λ en juger par cet exemple (mais il en faudrait d'autres) les variations sont individuelles. P A L M E R . — Le datif ko-re-te-ri de P Y On 300 est une forme aberrante, et remarquable ; j'ai demandé à Bennett de la situer paléographiquement. B E N N E T T . — Le scribe de On 300 n'a écrit que cette seule tablette. L E J E U N E . — On peut imaginer, pour ne parler que de Pylos, qu'une étude paléographique exhaustive, non seulement nous renseignera sur la chancellerie de Nestor (nombre minimum des scribes, répartition des « bureaux »), mais fera avancer l'étude de la langue même, s'il se confirme que les flottements ont lieu de scribe à scribe et non dans l'usage d'un même scribe : on déterminerait ainsi deux catégories (au moins) d'individus, relevant de zones dialectales différentes à l'intérieur du monde mycénien, dont l'unité linguistique était très grande, mais non totale. Il se pourrait alors qu'une de ces zones fût celle du mycénien pré-ionien, l'autre celle du mycénien pré-arcadien. V E N T R I S . — L'alternance eji s'éclairerait peut-être par là. B E N N E T T . — En tout cas il y a à Pylos, du point de vue de la forme des lettres, deux écoles ; les jambages obliques de ti, e, pi sont rectilignes dans l'une, convexes vers le dehors dans l'autre, et un grand nombre de lettres (a, so, do, ra, etc.) ont des tracés différents selon que le scribe appartient à une école ou à l'autre. C H A N T R A I N E . — Je situerais volontiers les divergences de langue,

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non au niveau des individus, mais au niveau des groupes ou écoles de scribes qu'on pourrait ainsi définir. Quant à la tonalité dialectale du dialecte, dans son ensemble, elle m'apparaît beaucoup plus proche de l'arcado-cypriote que de l'ionien, ceci étant vérifié là où il n'y a pas divergence, et même par la fréquence respective des formes divergentes (pema beaucoup plus rare que pe-mo). Dans le même sens va l'observation que le mycénien n'a pas de dérivés patronymiques. RUIPÉREZ. —

I l y en a quelques-uns, en

-yo·.

LEJEUNE. — Une question incidente sur Hésychius. La recherche des équivalents grecs possibles d'un mot mycénien, dans Liddell-Scott, oriente plus d'une fois vers une glose d'Hésychius, en général sans attribution d'origine. Dans la mesure où cette impression se confirmerait, il y aurait à se demander par quelles voies des termes mycéniens auraient pu parvenir aux sources lointaines d'Hésychius (survivance dans les substrats dialectaux de l'époque historique, et, par là, accession à des textes littéraires qui ne nous sont pas conservés ?). CHANTRAINE. — En dehors de rencontres de hasard, je doute que le problème se pose. Beaucoup de gloses sont d'authenticité douteuse. D'autres n'autorisent guère les rapprochements auxquels on pourrait songer ; ainsi a-ka-na-jo ( P Y Cn 328) et άγναίος· καθαρός (Hés.). Je note d'ailleurs qu'il y a des gloses avec indication Κρητες chez Hésychius, et que Evidence suggérait un rapport entre mycénien et crétois, mais que Chadwick est à présent beaucoup plus réservé sur cette question. CHADWICK. — A l'expérience, j'ai été amené à beaucoup de prudence sur l'utilisation de telles gloses, et sur l'identification au mycénien du substrat prédorien de Crète (lequel, d'ailleurs, se manifeste ailleurs qu'à Cnossos). BENVENISTE. — J'ai été, à l'occasion, frappé, comme Lejeune, de la survivance possible de termes mycéniens au millénaire suivant ; la langue homérique constitue-t-elle la somme unique du passé achéen (comme nous l'avons cru jusqu'ici) ou bien y aurait-il eu, à côté de la tradition littéraire, une tradition en quelque sorte technique (termes d'inventaires, etc.) qui se serait maintenue de l'âge mycénien à l'âge historique ? C'est une hypothèse invérifiable, mais envisageable. D'autre part, comme vient de le souligner Chantraine, l'aspect arcadocypriote du mycénien, s'il n'est pas exclusif, apparaît de plus en plus nettement comme primordial. J'ajouterai une observation qui va dans le même sens. On a interprété jusqu'ici do-ke ( P Y Un 443.3) comme un prétérit Iii,·,; il y a une autre interprétation possible, celle d'un présent δώχει, d'apparence barbare au regard du grec classique, mais prenant appui sur le cypriote. On a, à Edalion, un optatif όώκοι, d'emploi strictement parallèle à l'optatif Su/avoi. Si le contexte, pour do-ke, autorise ou recommande un présent, on aurait là une nouvelle référence à l'arcadocypriote. LEJEUNE. — Cette observation suggère, pour do-ke, une seconde interprétation, et ouvre la possibilité d'un choix entre présent et prétérit, ce choix devant être commandé par le contexte particulier et le contexte

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C a r a c t è r e s et position du dialecte m y c é n i e n

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général (usages du formulaire pylien en matière de temps). Il est vrai que les formes verbales sont ambiguës bien souvent entre présent et imparfait (e-ke : ε-/ει ou εχε ? ; di-do-to : SÎSSTSI OU SÎSCTS ? ; etc.) ; de plus, en Un 443, ]do-ke peut-être, mais n'est pas nécessairement, un mot complet, deux ou trois signes étant perdus au début de la ligne, avec diverses restitutions possibles, toutes incertaines, dont [a-pe-]do-ke (cf. Ρ Y Gn 1184.1). B E N V E N I S T E . — Pour en venir au problème plus général d'un dialecte « méridional », hypothèse qui a les préférences du rapporteur, la seule coïncidence vraiment remarquable entre sa branche arcadocypriote et sa branche ionienne à date historique est l'assibilation --L > -at, que présente déjà le mycénien. Mais, à poser le problème en termes de chronologie absolue, entre nos derniers textes mycéniens et nos premiers textes dialectaux alphabétiques (abstraction faite des poèmes homériques), il s'écoule environ six cents ans. 11 faudrait admettre, durant cette période, dans l'hypothèse soutenue par Risch, une remarquable conservation du mycénien dans sa lignée arcado-cypriote, une profonde évolution du mycénien dans sa lignée ionienne. N'est-il pas plus plausible de supposer qu'à l'époque de nos tablettes, l'ionien (qui n'y est pas représenté) était déjà plus ou moins largement différencié ? L E J E U N E . — Au premier millénaire, nous avons une vue très variée, et qu'on peut estimer sulTisamnient complète, des dialectes et des parlers locaux. Pour le second millénaire, les tessons inscrits de Tirynthe, de Thèbes et d'Eleusis ne nous apportent quasiment rien d'autre qu'un témoignage de l'extension du linéaire B. Nous opérons sur les documents provenant seulement de trois sites ; et, si voisins qu'ils se trouvent être par la langue, il est peut-être imprudent d'oublier les énormes lacunes de notre information ; qu'ils se soient écrits ou non, des parlers grecs différents du mycénien ont pu exister dans l'IIellade à l'époque qui nous intéresse. V E N T R I S . — Il serait utile de relever systématiquement les divergences qui se manifestent entre Cnossos et Pylos (ainsi, instrumental pluriel thématique en ...o-pi à Cnossos, en ...o à Pylos, etc.). Mais elles ne portent que sur des détails de langue et peut-être parfois sur des détails d'orthographe. LEJEUNE. Les communications et la discussion sur le dialecte ont contribué à éclairer les données d'un problème difficile ; les progrès dans cette voie, tributaires des progrès mêmes de l'interprétation des mots et des textes, pourraient être accélérés par des études détaillées et exhaustives des questions phonétiques et morphologiques.

Mykenisch wo-wo ko-to-no Minos 5,1 (1957), p. 28 - 34 In den mykenischen Texten kommt ein W o r t wo-wo mehrfach vor. Das bisher publizierte Material zeigt es 2Ömal in Pylos 1 und zweimal in Knossos 2 . A n allen Stellen mit Ausnahme von zweien wird es «regelmässig», d. h. mit den beiden nach rechts schauenden Zeichen wo hintereinander geschrieben; nur in P Y Eb338.2 und E0278 ist das zweite Zeichen symmetrisch zum ersten, da der kleine oben angefügte horizontale Strich mit dem vertikalen Haken nicht wie üblich nach rechts, sondern nach links gerichtet ist und die beiden Zeichen also gegeneinander schauen. Ich transkribiere eine solche Schreibweise provisorisch mit wo:wo (statt wo-ζυό). A b g e s e h e n von diesen beiden Beispielen begegnet uns wo:wo, soviel ich sehe, nur noch K N X 3 6 0 ma-si-wo\wo und P Y Ep539-I2 wi-wo:wo-i-jo, während sonst immer zwei gleiche nach rechts schauende wo neben einander geschrieben werden 3 . A b e r auch in andern Fällen, da zwei gleiche asymmetrische Silbenzeichen hinter einander geschrieben werden, schauen beide jeweilen in der gleichen Richtung, z. B. in der häufig belegten Silbenfolge -jo-jo, in we-we-si-jo (und ähnl.), in K N F p l . 3 , Fs 32, -723 da-da-re-jo-de, in P Y E0224.7 ta-ta-ro, in P Y Cnö55.20 ta-ta-ke-u, in P Y F n l l 9 2 . l i-po-po-qo-i-qe und in P Y Na228.l o-o-pe-ro-si. Die symmetrische Schreibung wo:wo ist also auf alle Fälle etwas Eigenartiges. Betrachten wir nun die V e r w e n d u n g und Bedeutung von wo-wo, bezw. s'.vo:wo, so finden wir wiederum etwas Merkwürdiges. Fast im-

1 PY A11424.3 -615.15 0140.1,2,3,4 -437-2 "453 -599-1,6 -600.1,2,3,4,5,6,9,10 -1063.1,2 -1097 EÒ338.2 E0278 ^Iaio5 -571 Xa525. 3 K N D k i o 7 i und D w 5228 [-)- X 5571]: beide Stellen gehören eng zusammen. 3 K N Vi043.1 da-i-wo-wo (so Bennett's Index und The Knossos Tablets, während die Abbildung iti SM II nur da-i-wo hat), PY La635 mo-ro-ko-wo-wo-pi, Naio53 ru-ke-wo-wo-wi-ja. Laut freundlicher Mitteilung von E. L. Bennett ist Ep 539 nicht vom selben Schreiber wie Eb338 und E0278 geschrieben: es kann sich bei worwo also nicht einfach um eine individuelle Gewohnheit handeln.

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Mykenisch wo-wo ko-to-no

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mer steht nämlich wo-wo an zweiter Stelle, und zwar hinter einem Wort im Genetiv, das man als Eigennamen deuten muss: Ρ Υ Αη424·3 ke-ra-ti-jo-jo wo-wo (Gen. Sg.) P Y Cn40.i,2,3,4,-599.1,6 wa-no-jo wo-wo (Gen. Sg.) P Y Cn453-j-856 ka-pe-se-wa-o wo-wo (Gen. Sg. od. PI.) P Y Na57i me-ka-o wo-wo (Gen. Sg. od. PI.) P Y CnöOO.1,2,3,4,5 o-re-e-wo wo-wo (Gen. Sg. od. PI.) P Y Cn6oo.6,9,io re-pa%-se-wo wo-wo (Gen. Sg. od. PI.) P Y Nai05' u-po-di-jo-no wo-wo (Gen. Sg. od. PI.) Abgebrochen ist das vorangehende Wort in P Y A n 6 l 5 . l 5 , Cn437.2, -1063.1,2, -1097 und Xa525. Diese aus Gen. und wo-wo bestehenden Wortgruppen dienen ohne Zweifel als Ortsangabe. Ähnlich gebildete Ortsnamen liegen offenbar auch in P Y Mn456-3 ko-ro-jo-wowi-ja und Nal053 ru-ke-wo-wo-wi-ja vor, nur dass hier statt wo-wo die Form wo-wi-ja gebraucht und das Ganze als ein Wort geschrieben wird. In KN DICI071 DW5228 steht wo-wo ohne Gen. am Anfang der Tafel, und ist anscheinend Personenname. M. Ventris und J. Chadwick interpretieren wo-wo als F0pF0ç, also «Grenze, Grenzfurche» 1 , und diese Deutung ist auch heute im Allgemeinen anerkannt, wenn auch gelegentlich mit gewissen Bedenken 2 . Sie ist möglich, aber weder vom Zusammenhang her noch wegen der Etymologie zwingend. Denn erstens ist «Grenze (oder Grenzfurche) von dem und dem» als Ortsname sicher denkbar, aber kaum das Nächstliegende, und zweitens zeigen weder Homer 3 noch die griechischen Dialekte bei diesem Worte (hom.-ion. οδρος, att. όρος usw.) irgendwelche Spur eines anlautenden Digammas, da alle bezeugten Formen nur auf ^όρρος zurückführen, was tatsächlich in Korkyra erhalten ist. Ein Ansatz *FÔpFOç wird vielmehr höchstens durch die Gleichsetzung mit lat. (amb)urväre (= aratro definire, circumdare) und osk. uruvü «Grenze (?)» empfohlen 4 . Eine Modifikation zu dieser Erklärung schlägt G. Pugliese Carratelli5 vor, indem er wo-wo FÓpFOV zu hom. οδρον «spazio di terra» 1 Evidence S. ιοί, ebenso Documents in Mycenaean Qreek, Cambridge 1956, S. 412. 2 Z. B. bei P. Chantraine, Rev. Phil. 29, 1955, S. 22; vgl. auch V. Georgiev, Lexique, s. v. 3 Vor allem M 421 (άμφ' ουροισι) und Φ 4°S (Ιμ-μ-ενάι οδρον). 4 Zweifel an der Herleitung von SpFOC aus FÔpFoç auch bei Schwyzer, Griech. Gramm. I, S. 306. 5 La parola del passato 35, 1954, S. 100.

Minos 5,1 (1957)

400

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stellt; doch ist dieses Wort nach seiner Bezeugung bei Homer zu schliessen (K 351, θ 124 «Fläche, welche Maultiere pflügen», Ψ 431, 523 «Entfernung eines Diskuswurfes») vermutlich eine jüngere Sonderentwicklung aus οδρος «Grenze, Grenzfurche». Eine ganz andere Erklärung versucht L. R. Palmer 1 : wo-wo wäre fôXfoç «(Vieh)hürde», das wie hom. είλαρ (aus *ρέλκαρ) «Schutz(wehr)» zu είλέω (ursprünglich *FeXveu|U, Wurzel *wel-u- «zusammendrängen, bedecken») gehören würde. Aber auch diese Bedeutung wäre bei Ortsangaben kaum wirklich überzeugend, und formell wäre zwar das anlautende Digamma in Ordnung, aber das Wort in seiner ganzen Bildung nicht ohne Weiteres einleuchtend. So wird man wohl die Interpretation von wo-wo als κόρκος und von wo-wi-ja als FÓpFia (kollektiver Plural, = xà opta) mangels einer bessern beibehalten dürfen. Anders liegen aber die beiden Stellen mit wo:wo. Hier steht nämlich das fragliche Wort mitten im Satz, offenbar als Akkusativobjekt, und unmittelbar vor- oder nachher steht ko-to-no: P Y E0278 ti-pa^-jo po-me e-ke-qe wo:wo ko-to-no f r u m e n t u m 8[ und Eb338 ka-pa-ti-ja ka-ra-wi-po-\ro .\ja-pi e-ke-qe to-so-de pe-mo fru[mentum ke-ke-me-no ko-to-\no\ wo:wo o-pe-ro-sa-de wo-zo-e o-wo-ze. Da gerade in den Ε-Tafeln ein Femininum ko-to-na (in KN U f 9 8 l , - I O 3 1 , ev. - I O 2 2 ko-to-i-na geschrieben) κτοίνα etwa «Landgut» sehr gut bezeugt ist und dieses meistens ein Partizipium ki-time-na κτcμέvα «in Privateigentum befindlich» oder ke-ke-me-na «dem Staate gehörend» neben sich hat2, liegt es sicher am nächsten, auch in ko-to-uo eine Kasusform dieses Wortes κτοίνα -zu suchen. Schon M. Ventris und J . Chadwick vermuteten einen Gen. Dual κτοίνοιν (?)8. Aber die attische Endung -oiv, die beim Artikel auch fürs Femininum gilt (ζ. Β. τοΐν χεροΐν), geht auf zweisilbiges bei Homer noch erhaltenes -οιϊν zurück. Auch das Arkadische und das Elische zeigen zwar abwei1

Trans. Phil. Soc. 1954 (1955), S. 49 .f. Vgl. zuletzt die meisternafte ausführliche Untersuchung von E. L. Bennett, «The Landholders of Pylos», Amer. Journal of Arckaeol. 60, 1956, S. 1032

'33·

3

Evidence S. ιοί, ebenso Chadwick, Trans. Phil. Soc. 1954 (1955), S. io. Unwahrscheinlich scheint mir daher die schon von M. Ventris und J. Chadwick erwogene, aber zu Gunsten von κτοίνοιν aufgegebene Deutung χθονός. Wäre dann übrigens nicht *ko-to-mo (wie e-me = évi) zu erwarten?

401

Mykenisch wo-wo ko-to-no

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chende, aber jedenfalls zweisilbige Endungen1. Da aber das Myken i s c h e d i e in d e n einzelnen D i a l e k t e n d u r c h g e f ü h r t e n V o k a l k o n t r a k tionen noch

nicht k e n n t , s c h e i n t e s mir h ö c h s t

d a s s ko-to-no

als κτοίνοιν, g e l e s e n w e r d e n darf.

unwahrscheinlich,

A b e r a u c h d e r S i n n w ä r e a u f f a l l e n d : κτοίνα ist e t w a s , das b e s i t z t (e-ke εχει), e s kann e i n e r a u c h o-na-to -μ,ένας κτοίνας

oder

o-na-ta

(pl.)

ke-ke-tne-na

ko-to-na

ko-to-na-o

-μενάων

ke-ke-me-na-o

κτοινάων, e t w a « P a c h t l a n d » o d e r « U n t e r l e h e n » a u s s o l c h e n G ü t e r n besitzen. W i e

einer

(eigentl.

«Nutzen»)

man a b e r d i e «Grenze»

zweier

L a n d s t ü c k e b e s i t z e n k a n n , ist n i c h t o h n e W e i t e r e s e i n z u s e h e n , u n d die A n n a h m e , e s sei d a s « G r e n z g e b i e t » o d e r « Z w i s c h e n s t ü c k » s c h e n zwei L a n d g ü t e r n g e m e i n t , ist n i c h t s e h r w a h r s c h e i n l i c h 2 . halte

ich d i e

D e u t u n g v o n wo:wo

ko-to-no

(und ko-to-no

zwiSo

wo:wo)

als FÓpFOV κτοίνοιν mit E . L. B e n n e t t 3 aus f o r m e l l e n G r ü n d e n für bed e n k l i c h u n d aus inhaltlichen Ü b e r l e g u n g e n für w e n i g e i n l e u c h t e n d . N u n sind uns zum G l ü c k s o w o h l für d i e E o - S e r i e , als a u c h für d i e E b - S e r i e in d e n S e r i e n E n und E p P a r a l l e l t e x t e ( w a h r s c h e i n l i c h K o pien) e r h a l t e n 4 . Zu E 0 2 7 8 lautet die Parallelstelle: E n 4 Ó 7 - l ti-pa^-jo-jo

ko-to-na

ki-ti-me-na

FRUMENTUM

8 J 3,

u n d .zu E b 3 3 8 : Ερ704·7

ka-pa-ti-ja

ka-ra-wi-po-ro

du-wo-u-pi

wo-ze-e

8 to\so pe-mo

e-ke

ke-ke-me-no

o-pe-ro-sa

o-u-wo-ze

FRUMENTUM]

4.

W i r s e h e n also, d a s s wo:wo in b e i d e n P a r a l l e l s t e l l e n fehlt: es ist also für d e n S i n n n i c h t w e s e n t l i c h . N e b e n wo'.wo b e z w . ke-ke-me-no ke-ke-me-no.

ko-to-\no\

steht a b e r

ko-to-no,

und auch der Paralleltext Ep704.7 bietet

E i n e E n d u n g -0 k ö n n e n w i r a b e r bei « - S t ä m m e n , w i e

d a s κτοίνα u n d n a t u r g e m ä s s d a n n a u c h d a s F e m i n i n u m

ke-ke-^Àva

s i n d , nur b e i m N o m . A k k . D u a l e r w a r t e n 5 . D i e F o r m e n ko-to-no

und

1 Ark. μεσακοθ-εν τοις xpavaiuv Schwyzer, Dial. no. 664.8), ίμεσουν τοις Διδονοιυν (ebd. Zeile 25), ίερος Τυνδαριδαιυς (G. Μ. Α. Richter, Amer. Journal of Archaeol. 1939, S. 194 ff.), el. ύπαδοκιοιο[ις] ( = όποζυγίοιν) δοοιοις (Schwyzer, Dial, no 417.3), καότοιοιρ ( = καί αότοΐν ebd. Zeile 13). 2 *FOXFOÇ «Hürde» (s. oben S. 30) geht hier erst recht nicht. 3 a. a. O., S. 128. * Vgl. E. L. Bennett, a. a. O., besonders S. 112/113 und 128. s Über diese Duale der ¿-Stämme, die in myken. to-pe-zo (PY Ta7i5.3, zu to-pe-za τράπεζα) und i-qi-jo (KN Sdo4i7, zu i-qi-ja «Pferdewagen»), aber auch bei Hesiod (καλοψαμένω Ö/.198) und in Elis (καταστατω, Schwyzer, Dial. no.

402

Minos 5,1 (1957)

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ke-ke-me-no sind also höchstwahrscheinlich Duale (und zwar Akkusative), und das Gleiche gilt vermutlich auch für wo:wo, das fakultativ dazu gesetzt ist. Nur in der Parallelstelle Εη407·ΐ ist keine Spur von Dualformen zu erkennen: ko-to-na ki-ti-me-na ist Singular, allenfalls denkbar ist auch der Plural. Aber man darf nicht ausser Acht lassen, dass dieses Landgut des Ti-pa^-jo mehr als doppelt so gross ist als die grössten andern, nämlich frumentum 8 J 3 gegenüber frumenti"'! 3 J 2 von E0269 = ΕΠ659.Γ81. So steht von dieser Seite nichts entgegen, wenn man dieses Gut als eine Art «Doppelgut» betrachtet. Bevor wir aber darauf näher eingehen, empfiehlt es sich, auch die beiden andern Zeugnisse für eine Schreibung wo:wo näher anzusehen. Von diesen ist KN X360 ma-si-wo:wo offenbar Ortsname, mit dem ich nichts weiter anfangen kann, während P Y Ep539.I2 wi-wo:wo-i-jo der Name eines Sklaven des Άμ.φιμ.ήδης (a-pi-me-de-o do-e-ro) ist. Daneben gibt es in Pylos auch die Personennamen widu-wo-i-jo (Schmied in ^ 4 1 5 . 3 ) und wi-do-wo-i-jo (τέκτων in An5-2, ohne Berufsbezeichnung, vielleicht Vatersname oder verkürzter Genetiv statt -i-jo-jo in Ae344). Diese Formen bezeichnen also anscheinend nicht immer die gleiche Person, als Namen sind sie aber wohl identisch und fiôfô'c'oç zu lesen, was eine Ableitung von *n$Foa«Wissender, ev. Zeuge» (είδώς) wäre2. Schon mehrfach ist aber auf die grosse Ähnlichkeit dieses Namens mit wi-wo:wo-i-jo hingewiesen worden3, wo die drei auf einander folgenden mit w- beginnenden Silben ohnehin auffällig sind. Nimmt man nun rein hypothetisch an, dass auch hier der gleiche Name wie bei wi-du-wo-i-jo und wi-dowo-i-jo gemeint ist, dann werden wir wo:wo als dwo oder duwo deuten müssen. Setzen wir aber diesen Lautwert in E0278 und Eb338.2 ein, so erhalten wir duwo ko-to-no und ke-ke-me-no ko-to-\rio\ duwo, d. h. δύω (oder δύο) κτοίνω mit oder ohne ke-ke-y&>ts>, also gerade das, was sich den oben gemachten Feststellungen gut einfügt4. 418.13) tatsächlich bezeugt und durch die als Femini num gebrauchten τώ und δύω (später δύο) indirekt auch fürs Allgemeingriechische nachgewiesen sind, vgl. zuletzt M. Ventris, Eranos 53, 1956, S. 112. 1 Vgl. E. L. Bennet, a ^ . O., S. 112-114. 2 Über είδώς, ίδοϊα usw. vgl. zuletzt M. Leumann, Celtica 3,1955, S. 241 ι. 3 P. Meriggi, Glossario, s. v., H. Mühlestein, Die myk. Personennamen, s. v' V. Georgiev, Supplément au Lexique, s. ν. 4 Das vierte Beispiel, KN X360 ma-si-wo:wo, ist eventuell mit KN Xiooo \-si-du-wo\ zu vergleichen.

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Mykenisch wo-wo ko-to-no

Bekanntlich werden nach mykenischer Schreibregel die Zahlen ausserhalb des eigentlichen Textes, also dort wo es sich um die Feststellung eines einzelnen Postens oder der ganzen Summe handelt, stets mit Ziffern geschrieben. Im Satzzusammenhang werden a b e r — im Gegensatz zu dem in der Keilschrift Ü b l i c h e n — weder Ideogramme noch Ziffern gebraucht. Sichere Beispiele für ausgeschriebene Zahlen kennen wir freilich bisher nur wenige, nämlich P Y

Ta64l.l

e-me po-de έμεί. (d. h. ένί) χοδεί, wohl auch P Y Eb495.l e-me-de έμεί δέ (s. unten), und dann die Zusammensetzungen τρι-ώρες, qe-to-ro-po-pi Gerade