Bemerkungen zur griechischen Ikonographie [Reprint 2018 ed.] 9783110832655, 9783110032482

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Bemerkungen zur griechischen Ikonographie [Reprint 2018 ed.]
 9783110832655, 9783110032482

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BEMERKUNGEN ZUR GRIECHISCHEN IKONOGRAPHIE

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JOH. FR. C R O M E

BEMERKUNGEN ZUR GRIECHISCHEN IKONOGRAPHIE

WALTER DE G R U Y T E R & CO. / B E R L I N W 35 195 4

Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten Archiv-Nr. 35 05 54 Satz: Walter de Gruyter & Co., Trebbin Druck: Buchdruckerei Oswald Schmidt GmbH, Leipzig III/18/65 5000/34/53

BEMERKUNGEN ZUR GRIECHISCHEN IKONOGRAPHIE i. A p o l l o n i o s R h o d i o s Aus den uns in großer Anzahl erhaltenen griechischen Porträts wenigstens die »imagines illustrium« herauszufinden, wird immer eine archäologische Aufgabe bleiben. Dazu ist die menschliche Neugier zu groß, und die Frage: »Wer ist's?« zwingt sich jedem Betrachter eines Bildnisses auf. Alle kunsthistorischen Betrachtungen, welche die griechischen und römischen Bildnisse immer wieder veranlassen, können die ikonographischen Forschungen nicht ersetzen. »Das Was des Kunstwerkes interessiert die Menschen mehr als das Wie« (Goethe). Sichere Ergebnisse, die alle überzeugen, werden allerdings nur selten hier vorgetragen werden können. Das darf uns aber nicht hindern, die Benennung eines Porträts auszusprechen, wenn diese Benennung nach all unseren Überlegungen als sehr wahrscheinlich, vielleicht sogar als die einzig mögliche erscheint. Wenn ein Porträt durch Fundumstände und gleiche Büstenform sich als Gegenstück eines Homerporträts aus der Menge antiker Bildnisse heraushebt, wie der Kopf, der uns in fünf Repliken vorerst bekannt ist, ist es nur zu verlockend, dieses Bildnis zu benennen. So hat denn auch Lippold in dem Kopf ein Porträt des Kallimachos, Amelung eines des Apollonios Rhodios erkennen wollen. i . F L O R E N Z , Museo Archeologico. Bronzebüste, Abb. i. 2 (nach Photographien der Bibliothek Arndt, Erlangen). Fundort: Aus dem Meer bei Livorno. Amelung, F'ührer 276 Nr. 271. Lippold, Griechische Porträtstatuen 66: »Auch über diesen darf man eine Vermutung wagen. Nach der Zusammenstellung mit Homer und Sophokles wird es ebenfalls ein berühmter Dichter sein. Aber im Gegensatz zu jenen Idealporträts sehen wir hier ein realistisch aufgefaßtes Bildnis eines sogar äußerlich recht wenig einnehmenden Mannes. Die Zeit ergibt sich aus der Ähnlichkeit mit dem Porträt des Hermarch. Danach hätten wir einen Dichter des dritten Jahrhunderts. Nun befindet sich eine Wiederholung im Museum von Alexandria, wonach wir an einen Alexandriner denken werden. Von diesen hatte aber keiner ein so bedeutendes, an die klassischen Größen heranreichendes Ansehen wie Kallimachos. Diesen glaube ich daher in unserem Typus dargestellt. Die Qualität der Kopien erlaubt keine eingehendere Würdigung: wirkliche dichterische Größe und Begeisterung dürfen wir ja in dem Porträt des gelehrten Hofpoeten nicht suchen.« Amelung, MemAccPont. 1, 2, 1924, 123: »L'ho messo nella nostra riproduzione in riscontro all'Omero perche questi due soli portano il mantello intorno al busto ignudo. Da cio si puö desumere che erano apaiati e che quello corrispondente all Omero rappresenti anch'esso un poeta epico na dei tempi ellenistici« (Apollonios Rhodios?). Zu dem mitgefundenen Gegenstück, dem Homer vgl. R. u. E. Boehringer, Homer, Bildnisse und Nachweise, 111. Was Boehringer über Ausführung und Weit der Homerbüste feststellt, gilt gleichermaßen für diesen Kopf: »Er ist so gut erhalten, so vollständig, auch die Nase, daß er besonders geeignet

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IKONOGRAPHIE

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scheint, eine Vorstellung des hellenistischen Urbildes zu vermitteln. Ohne Übertreibung gibt er das Wesentliche wieder. Die R e p l i k ist neronisch oder frühflavisch.« 2. V E R S C H O L L E N .

E h e m a l s im Besitz des Kardinals Carpi. A b b . 3.

Statius, Achilles: Illustrium virorum ut e x t a n t in urbe expressi vultus.

Romae, formis A n t o n i j

Laireij. 1569. T a f . 31. Lippold, Griechische Porträtstatuen 66. Über den ebenfalls verschollenen Homer des Kardinals Carpi (Statius, T a f . 28) vgl. R . u. E . Boehringer, Homer, Bildnisse und Nachweise, T a f . 51. O b beide K ö p f e aus einem F u n d stammen, wie Lippold annimmt, d a f ü r gibt es keinen Beweis. 3. A L E X A N D R I A , Museum Nr. 3356. Fundort: Unbekannt. Höhe : 28 cm, Ohren, Nase, B a r t s t a r k bestoßen.

Hals v o m B a r t a n s a t z a b ergänzt. Grobe Arbeit.

Lippold, Griechische Porträtstatuen 67 A b b . 12. Graindor, B u s t e s et Statues Portraits 80 Nr. 30 T a f . 2 7 a . Graindor fordert f ü r Kallimachos richtig die Bartlosigkeit : »On peut d'ailleurs se demander si Callimaque, poète de cour, ne se conformait pas à la mode du temps et n ' a v a i t pas, tel Ménandre, le visage complétment imberbe.« Lippold, G G A . 1938, 156 hält die D e u t u n g für so gut begründet, als es in einem derartigen Fall m ö g l i c h ist. 4. L O N D O N , Brit. Museum Nr. 1835, Cat. T a f . 11. Fundort : U n b e k a n n t . Linke Seite, Büste ergänzt. Bernoulli, Griech. Ikonographie 2, 184. Lippold, Griech. P o r t r ä t s t a t u e n 66 A n m . 3. Graindor, B u s t e s et Statues Portraits 80 A n m . 330. 5. L O N D O N , Brit. Museum Nr. 1854, Cat. T a f . 19. Fundort: Via

Appia.

Lippold, Griech. P o r t r ä t s t a t u e n 66 A n m . 3. Graindor, Bustes et Statues P o i t i a i t s 80 A n m . 330.

Die fünf Repliken sind sehr verschieden. Aber eine Uberprüfung von Einzelheiten wie der Anordnung der Stirn- und Schläfenlocken bestätigt Lippolds Zusammenstellung. Der Bronzekopf in Florenz allerdings ist im Gegensatz zu Lippolds Ansicht die alle überragende Kopie, die uns das Porträt, nicht nur in den Einzelheiten genau, sondern auch im ganzen, in der Wiedergabe des Ausdruckes gut überliefert. Lippolds Begründung seiner Namensgebung ist zu willkürlich. Obwohl es nicht einmal feststeht, daß die Replik im Museum von Alexandria auch in Alexandria gefunden ist, soll dieser Fundumstand dazu zwingen, unbedingt einen Alexandriner in dem Kopf zu erkennen. Diese Einengung der Möglichkeiten für eine Benennung des Kopfes ist methodisch anfechtbar. Wenn von fünf Repliken eine in Alexandria gefunden wird, so ist daraus ebensowenig der Schluß zu ziehen, daß der Dargestellte ein Alexandriner ist, wie z. B. aus dem Umstand, daß in Alexandria eine Vergilreplik gefunden ist, niemand bisher gefolgert hat, daß der Kopf einen Alexandriner darstelle. Dazu ist der Einwand von Graindor beachtlich, daß der alexandrinische Hofpoet, der ein moderner Mensch war, sicher der Zeitmode gehorchend bartlos gewesen sei. Vor allem spricht aber die Zusammenstellung des Bronzekopfes mit dem Homerporträt gegen Lippolds Benennung. Denn die vier Bronzeköpfe aus dem Meer bei

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JOH. FR.

CROME

Abb. 3. Apollonios Rhodios. Verschollene Replik

Livorno, die nach Größe und Ausführung zusammengehören, bilden zwei Paare, die durch zwei verschiedene Büstenformen kenntlich gemacht sind. Die Büsten des Homer und des sogenannten Kallimachos sind mit dem gleichen Chiton und dem gleichen über der linken Schulter herabfallenden Mantelstück bekleidet, während die Büstenform des Sophokles (Abb. 4) und Aischylos (Abb. 5) nur einen kleinen, runden, von Gewand unbedeckten Brustausschnitt darstellt 1 . Diese beiden Paare haben für die ikonographische Forschung den Wert von Doppelhermen, wie es wenigstens für Aischylos und Sophokles die Doppelherme aus pentelischem Marmor im Garten des Palazzo Colonna beweist2. Catharina Mc. Dowall hat das als erste für die vier Bronzebüsten erkannt und uns damit das Aischylos-Porträt richtig nachgewiesen 3. Lippold konnte durch die Doppelherme im Giardino Colonna die Deutung des Kopfes bestätigen4. Die Bedenken hiergegen von Hekler 5 oder Amelung 6 sind nicht berechtigt. Denn schon Aristophanes gab an mehreren Stellen 1

MemAccPont. i , 2, 1924, Taf. 33, 34. 2 MD. 1574, 1765. Amelung, Vatican 2, 1 7 7 Anm. 1 . MemAccPont. 1, 2, 1924, 123 Abb. 5, 6. Lippold, Griech. Porträtstatuen 65. Poulsen, Icon. Stud. 66. 3 J H S . 24, 1904, 81 ff. Vgl. die Repliken: ArndtBr. 4 0 1 ! , 407/8. Keine Replik! Bernoulli, Griechlkon. 144 f. Hekler, Bildniskunst 43b. Ny Carlsberg Nr. 42.1. 4 Griech. Porträt6 statuen 63 f. 5 Bildniskunst 43. MemAccPont. 1924, 123.

BEMERKUNGEN ZUR GRIECHISCHEN IKONOGRAPHIE

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Abb. 4. Sophokles, Bronzebüste. Florenz, Museo Archeologico

eine Synkrisis der drei Tragiker, des Aischylos und Sophokles und vor allem des Aischylos und Euripides 1 . Schon seit dem vierten Jahrhundert bilden die drei Tragiker eine feste Gruppe. Sie waren die drei Klassiker der Tragödie. Der Piatonschüler Herakleides Pontikos verfaßte seine Schrift: »TTepi TCOV Tpicov TpaycoSioiroicov«, und Lykurg veranlaßte die Sammlung ihrer Dramen und die Aufstellung ihrer Standbilder im Dionysos-Theater 2 . Diese Anschauung von der Zusammengehörigkeit der drei Tragiker hält sich bis in die römische Kaiserzeit. Nur ein Beispiel für viele: DioChrys. or. 52,3. Da die literarische Anschauung der Kaiserzeit für 1 Pohlenz, NGG. 1920, 142!.

2

Lippold, Griech. Porträtstatuen 62.

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JOH. FR.

A b b . 5.

Aischylos, Bronzebüste.

C R O M E

Florenz, Museo Archeologico

die Verbindung der Bildnisse in Doppelhermen die Voraussetzung bildet, kann Sophokles sowohl mit Euripides wie in den Doppelhermen in Bonn, Rom und Dresden 1 , als auch mit Aischylos wie in der Doppelherme im Giardino Colonna, verbunden werden. 1

Doppelhermenbüste.

Bonn,

H. 25 cm.

Griech. Marmor.

Akademisches Kunstmuseum.

Fundort: Rom.

B e i P o r t a S. Lorenzo (1845).

Erhaltungszustand: E r g ä n z t : beide Nasen, die A u g e n des Euripides. B e s t o ß e n : das Stirnhaar und der B a r t des Sophokles; das Schläfenhaar des Euripides, die E c k e n der Hermenbüste. Literatur: Welcker, A d i . 18, 1846, 131 Taf. E, 1.

Welcker, A l t e Denkmäler 1, 457.

Kékule, D a s

A k a d . K u n s t m u s e u m zu Bonn, 144 Nr. 687. F W . 1310. Bernoulli, Griechlkon. 1, i 2 6 f . 106, 130, 13;

BEMERKUNGEN

ZUR

GRIECHISCHEN

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IKONOGRAPHIE

Nachdem für das eine Paar des Fundes aus dem Meer bei Livorno durch die einwandfreie Deutung auf Aischylos-Sophokles die literarische enge Verbundenheit feststeht, hat methodisch dasselbe auch für die andere Gruppe zu gelten. Dann kann aber der vierte Kopf als Gegenstück zum Homer niemals Kallimachos sein. Er war nicht nur kein Epiker, sondern der schärfste Gegner jeder Nachahmung des homerischen Epos überhaupt, wie es sein Streit mit Apollonios zeigt. Dem Homer kann — analog zu dem Paar Aischylos-Sophokles — nur ein Epiker gegenübergestellt werden, der nach dem Stil des Bildnisses, das kein Idealporträt ist, kurz vor der Mitte des dritten Jahrhunderts gelebt hat und im Kanon der Epiker schon seinen Platz haben muß. Denn die bekannten fünf Repliken des Kopfes weisen auf einen bekannten Epiker hin: » y E y ö v a c n 8 e t o ö e t t o u s iroif|Toa KpcariCTTOi pev "Opripos, 'HaioSos, TTeiaavSpos, FTavuaai;, A v r i i i a x o s « D i e Literaturgeschichte der frühen römischen Kaiserzeit hat Peisandros aus dem Kanon ausgeschieden und Antimachos nach Hesiod und vor Panyasis eingeordnet 2 . Für Peisandros wird dann seit Quintilian Apollonios Rhodios unter die fünf großen Epiker der Griechen gezählt (Quintil. inst. or. 10, i , 54). Daß die Römer dann noch ihren Vergil in die Nähe Homers rückten, ist schon ausführlich gezeigt worden (Crome, Das Bildnis Vergils). Es hat neben der immer stärker werdenden Zustimmung auch Widerspruch gegen diese These gegeben. Mit ihm kann ich mich an dieser Stelle nicht auseinandersetzen 3. Nur wenn Alfred Körte4 1 5 3 , 23. Christ, 18.

F u r t w ä n g l e r , M W . 532. A n m . 2. Griechische Literaturgeschichte

ArndtBr.

123.

Fundort:

1309,

Studniczka,

H . 15,5 cm.

Weißer Italischer

Sieveking, Anh.

D a s Bildnis des

zu

Aristoteles

Marmor.

Staatliche Skulpturensammlung im Albertinum.

F r ü h e r V i c o l o del d i v i n o a m o r e zu R o m .

Unbekannt.

Erhaltungszustand. L i t e r a t u r : M D . 1750.

Ergänzt:

die g a n z e H e r m e n b ü s t e .

Nasenspitze

bestoßen.

H e r m a n n , A A . 1894, 27 N r . 8. B e r n o u l l i , G r i e c h l k o n . 1, 1 2 7 d. 130, 1 5 ; 1 5 3 , 22.

H e r m a n n , V e r z e i c h n i s d e r a n t i k e n B i l d w e r k e N r . 203. T a f . 1 , 5.

10.

V g l . Z i e t z s c h m a n n , R E . s. v . S o p h o k l e s I I . R e i h e 3 S p . 1 0 4 7 .

Doppelhermenkopf. Dresden,

M c . D o w a l l , J H S . 24, 1904, 89 T a f . 3.

(5. A u f l . )

S t u d n i c z k a , D a s B i l d n i s d e s A r i s t o t e l e s 18, 30, 32

A m e l u n g , M e m A c c P o n t . 1 (2. A u f l . ) , 1 9 2 4 , 1 2 6 A b b . 10.

L ö w y , B e l v e d e r e 1 9 2 5 , 8 H e f t 7, 4, 5

A n m . 2. Doppelhermenbüstchen. Verschollen.

Marmor.

Früher im P a l a z z o Torlonia, hier nicht mehr vorhanden.

n a c h ist sie i d e n t i s c h m i t der D o p p e l h e r m e i n F u n d o r t : In der N ä h e v o n Castell Gandolfo. Literatur: Welcker, A d l . m ä l e r 1, 4 5 7 .

Bernoulli,

18, 1846, 1 3 1

Griechlkon.

Aller

Wahrscheinlichkeit

Dresden. 1846.

A n m . 4.

Braun,

e b d . 3 5 4 T a f . E , 2.

Denk-

Welcker, Alte

1, 1 3 8 , 1 0 ; 1 5 3 , 24.

Doppelherme. V e r s c h o l l e n : A b g e b i l d e t i n : T h e A g a m e m n o n of A e s c h y l u s . S. H a r f o r d , L o n d o n 1 8 3 1 . 153.

Vgl. hierzu Braun, B d l .

Translated from the Greek b y

1 8 4 7 , 1 9 , 26.

Bernoulli, Griechlkon.

John

1, 1 3 8 ,

xi;

B d . 1, 230, 20,

25.

25.

Doppelherme. Rom, 1

Thermenmuseum.

P r o c l u s , )(pTiaTO|jä9Eioc ypaUHocTiKT|.

S c r i p t or.

Vgl. hierzu Kroehnert, Canonesne fuerunt ig. i n s t . or.

10. 1, 52 f. —

metrici Graeci ed. W e s t p h a l ,

2 D i o n . H a i : Tcov a p x c n c o v Kpicns 2, 3 —

S u i d a s s. v . I T a v O a a i s .

( A t t i e M e m o r i e , V o l . 28).

4 Hermes 71,

Quintil.

3 V g l . C r o m e , II v o l t o d i V i r g i l i o . M a n t u a 1936,

221.

1952

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J O H. F R .

CROME

eine Doppelherme Menander-Homer für möglich hält, muß ich ihm in diesem Zusammenhang widersprechen. A. Körte gibt zwar zu, daß das Gesetz der Doppelherme »etwas Selbstverständliches sei«, nämlich, daß in der Regel nur die zwei Dichter oder Philosophen in einer Doppelherme miteinander verbunden werden, die nach der römischen Anschauung auf das allerengste zusammengehören. Nur für die Doppelherme im Thermenmuseum und ihre geringen Wiederholungen in Bonn und in Wilton House soll dieses Gesetz nicht gelten. Alfred Körte glaubt, daß uns das dritte Epigramm auf dem bekannten Menander-Hermenschaft in Turin 1 das Recht gibt, in den Doppelhermen die Verbindung des Epikers Homer und des Komödiendichters Menander zu sehen. Wenn es hier aber einer so ausführlichen Begründung dafür bedarf, um das Bildnis Menanders neben dem Homers aufzustellen, und wenn der Epigrammdichter sich hierfür auf ein Urteil des Grammatikers Aristophanes von Byzanz berufen muß, so beweist das nur deutlich, wie ungewöhnlich schon dieses Nebeneinanderstellen der beiden Bildnisse war. Wäre sie üblich gewesen, würde sich eine Begründung erübrigt haben, wie z. B. bei den Doppelhermen Sophokles-Euripides, Sokrates-Platon, Epikur-Metrodor, HerodotThukydides, während auf der anderen Seite die Doppelherme des Solon und Euripides durch ausführliche Inschriften gekennzeichnet ist 2 . Es geht nicht an, hiernach nun die Ausnahme zur Regel zu erklären, wie das Alfred Körte tut. Wir kennen außerdem bis heute nicht eine, sondern drei Doppelhermen dieser Verbindung. Danach haben wir nicht das Recht, hier eine einmalige, aus subjektiven Gründen vielleicht einmal mögliche Verbindung zu suchen, sondern wir haben zuerst in diesen Doppelhermen eine allgemein anerkannte und verbreitete Anschauung der römischen Kaiserzeit zu erkennen. Über diese römische Anschauung kann es keine Zweifel geben. Für sie war allein Vergil, der große Römer, dem größten Griechen Homer als Dichter und an ewigem Ruhm ebenbürtig. Er war der römische Homer. Ehe wir jetzt die fünf Möglichkeiten prüfen, die für eine Benennung des Florentiner Bronzekopfes in Frage kommen können, ist noch auf die Doppelherme hinzuweisen, in der ein bärtiger Kopf mit einem Homer verbunden ist. Doppelherme. Rom, Vatikan, Gaileria geografica. Fundort: Villa Fonseca auf dem Monto Celio. Höhe: 50 cm. Pentelischer Marmor. Ergänzt: Die Hermenbüste bis zum Halsansatz, die Nasen beider Köpfe, die Augenbrauen und ein Stück des Scheitels des »Archilochos«. Die gesamte Oberfläche ist stark verwaschen. Visconti, MusPioClem. 6, 120, Nr. 20. Visconti Ikon. gr. I Taf. 2, 5, 6; Die Beschreibung der Stadt Rom 2, 280, Nr. 19. Baumeister, Denkm. d. klass. Altert. 1, 116. 1 Vgl. Studniczka, Das Bildnis Menanders 5, Abb. 3, IG. 14, 1183; der Homer-Hermenschaft befindet sich nicht, wie A. Körte angibt, in Turin. Er ist verschollen. Boehringer, Das Bildnis Homers. 2 Vgl. Crome, Das Bildnis Vergils 13, Anm. 13. Visconti, MusPioClem. 6, 146. Michaelis, Die Bildnisse des Thukydides 17, Anm. 26. IG. 14, 1207. Bernoulli, Griechlkon. 1, 38. Bieber, RM. 32, 1917, 125 Anm. 4.

BEMERKUNGEN ZUR GRIECHISCHEN IKONOGRAPHIE

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Bernoulli, Griechlkon. i, 2 9 I , Abb. 3. Boehringer, Das Bildnis Homers, 108, Taf. 64, 65.

Der hellenistische Homer ist hier mit einem Kopf verbunden, von dem vorläufig keine Repliken bekannt sind. Nach seiner einfachen schlichten Formgebung ist er in die Nähe des »Apollonios« in das dritte Viertel des vierten Jahrhunderts zu datieren. Visconti wollte in diesem Kopf ein Porträt des Jambendichters Archilochos erkennen. Diese Deutung ist nach dem Gesetz der Doppelherme von vornherein hinfällig. Sehr viel für sich hat die Ansicht Bernoullis 1 , daß der Kopf ein Idealporträt des Hesiod sei, der von alters her mit Homer zusammengestellt und verglichen wurde. E s ist aber kaum wahrscheinlich, daß neben dem weitverbreiteten Idealporträt des Hesiod, das im Pseudo-Seneca nachgewiesen worden ist 2 , noch ein zweiter Porträt-Typus, der mit dem Pseudo-Seneca in keinem Zusammenhang steht und bei weitem nicht so charakteristisch ist, eine Rolle gespielt hat. Man darf die Deutung auf Hesiod als Möglichkeit ausscheiden. Panyasis hat zwar im Gegensatz zu Peisandros seinen Platz im Kanon behauptet, ohne jemals die Bedeutung eines Hesiod, Antimachos oder Apollonios gehabt zu haben. Da Apollonios Rhodios nach der vorgeschlagenen Datierung des Kopfes aber für dieses Porträt der Doppelherme nicht in Frage kommt, bleibt die Deutung auf Antimachos die einzig mögliche. Antimachos aus Kolophon, der Verfasser der 0T]ßcds und der AúSrj hat immer große Anerkennung gefunden. Selbst in dem Streit der verschiedenen Geschmacks- und Stilrichtungen des Hellenismus konnte er seine Stellung behaupten In der frühaugusteischen Zeit stellte ihn Antipater von Thessalonike bewundernd in einem Epigramm mit Homer zusammen: eí 8' Ouvcov uKoorrpov "Opiripos ?x ei Kai Zeús toi KpÉCTcrcúv Evocrixöovos áKK' Evoaixöcov, t o ü |iév e