Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen: Eine triangulative Analyse der Bedeutung des sozialen Netzwerks am Arbeitsplatz [1. Aufl.] 978-3-658-27207-4;978-3-658-27208-1

Barbara Szabo untersucht das gesundheitliche Befinden von Volksschulleitungen in Österreich. Mittels einer triangulative

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Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen: Eine triangulative Analyse der Bedeutung des sozialen Netzwerks am Arbeitsplatz [1. Aufl.]
 978-3-658-27207-4;978-3-658-27208-1

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XVIII
Einführung (Barbara Szabo)....Pages 1-16
Rahmenbedingungen (Barbara Szabo)....Pages 17-70
Theoretische Bezugsfelder (Barbara Szabo)....Pages 71-174
Schulleitergesundheit (Barbara Szabo)....Pages 175-236
Empirische Erhebung (Barbara Szabo)....Pages 237-493
Schlussfolgerungen (Barbara Szabo)....Pages 495-527
Back Matter ....Pages 529-563

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Barbara Szabo

Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen Eine triangulative Analyse der Bedeutung des sozialen Netzwerks am Arbeitsplatz

Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen

Barbara Szabo

Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen Eine triangulative Analyse der Bedeutung des sozialen Netzwerks am Arbeitsplatz

Barbara Szabo Fachhochschule Burgenland Pinkafeld, Österreich

ISBN 978-3-658-27207-4 ISBN 978-3-658-27208-1  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-27208-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Inhalt



Einführung ................................................................................................... 1         Problemstellung und aktueller Forschungsstand ..................................... 3  1.1.1         Belastungs-, Ressourcen- und Beanspruchungserleben .......................... im Lehrerberuf ..................................................................................... 5  1.1.2         Die besondere Situation von Schulleiter/innen .................................... 6  1.2         Zielsetzung und Forschungsfragen .......................................................... 8  1.3         Methodik und Grundstruktur ................................................................. 11  1.3.1         Methodisches Vorgehen .................................................................... 12  1.3.2         Aufbau der Arbeit .............................................................................. 13  1.4         Wissenschaftliche und praktische Relevanz .......................................... 14 1.1 



Rahmenbedingungen ................................................................................. 17         Das österreichische Schulsystem ........................................................... 18  2.1.1         Aufbau und Organisation des österreichischen Schulsystems ........... 19  2.1.2         Die österreichische Volksschule ........................................................ 21  2.1.3         Ausgewählte Kennzahlen des österreichischen Schulwesens ............ 23  2.2         Themenrelevante, aktuelle Reformbewegungen .................................... 30  2.2.1         Dezentralisierung und schulische (Teil-)Autonomie ......................... 33  2.2.2         Die gute, gesunde Schule ................................................................... 38  2.3         Die soziale Organisation Schule ............................................................ 47  2.3.1         Die Schule als soziotechnisches bzw. sozial komplexes, ........................ adaptives System ............................................................................... 49  2.3.2         Gesellschaftliche Funktionen und Charakteristika der ............................ Organisation Schule ........................................................................... 53 2.4     Die Schulleitung ................................................................................... 57  2.4.1         Fakten zur Schulleitung in Österreich ................................................ 57  2.4.2         Tätigkeitsspektrum von Schulleitungen ............................................. 59  2.4.3         Rollen von Schulleitungen ................................................................. 62  2.5         Fazit zu Kapitel 2 .................................................................................. 69 2.1 

3  3.1 

Theoretische Bezugsfelder ........................................................................ 71         Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz ........................ 71  3.1.1         Das soziale Netzwerk ........................................................................ 76  3.1.2         Soziales Netzwerk und soziale Unterstützung ................................... 90  3.1.3         Soziales Netzwerk und Sozialkapital ............................................... 101  3.1.4         Gesundheitsrelevanz sozialer Netzwerke ......................................... 110 

VI



3.2 

       Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit ............................. 3.2.1           Entstehung von Gesundheit und Krankheit am Arbeitsplatz ............ 3.2.2           Stresstheorien und -modelle mit soziologischem Fokus .................. 3.3         Fazit zu Kapitel 3 ................................................................................

137  139  162  173

Schulleitergesundheit ..............................................................................        Lehrergesundheit ................................................................................. 4.1.1           Überblick über die Lehrergesundheitsforschung ............................. 4.1.2           Nationale Untersuchungen zur Lehrergesundheit ............................ 4.1.3           Modelle zur Erklärung der Entstehung von Belastung und Beanspruchung bei Lehrkräften ........................................................ 4.2         Schulleitergesundheit .......................................................................... 4.2.1           Belastungen von Schulleiter/innen ................................................... 4.2.2           Ressourcen von Schulleiter/innen .................................................... 4.2.3           Beanspruchungen von Schulleiter/innen .......................................... 4.2.4           Resümee: Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleiter/innen .............................................................................. 4.3         Fazit zu Kapitel 4 ................................................................................

175  182  184  193 

4.1 



Inhalt

196  200  211  219  224  230 235

Empirische Erhebung .............................................................................. 237         Methodologische und methodische Grundlagen .................................. 238  5.1.1           Gütekriterien der qualitativen Sozialforschung ................................ 240  5.1.2           Triangulation ................................................................................... 244  5.1.3           Soziale Netzwerkanalyse ................................................................. 249  5.2         Forschungsdesign und Datenerhebung ................................................ 260  5.2.1           Entwicklung eines theoretischen Rasters ......................................... 262  5.2.2           Inhaltliche Vorbereitung der Datenerhebung ................................... 267  5.2.3           Auswahl der Befragten .................................................................... 279  5.2.4           Ablauf der Erhebungssituationen ..................................................... 287  5.3         Datenmanagement ............................................................................... 294  5.3.1           Transkription mit f4transkript .......................................................... 295  5.3.2           Digitalisierung der Netzwerkkarten ................................................. 296  5.3.3           Zusammenführung der Daten in MaxQDA ...................................... 298  5.4         Datenauswertung und Ergebnisdarstellung ......................................... 299  5.4.1 Auswertungsverfahren der empirisch begründeten .................................. Typenbildung .................................................................................... 300  5.4.2           Erarbeitung relevanter Vergleichsdimensionen ............................... 305  5.4.3           Gruppierung der Fälle und Analyse empirischer Regelmäßigkeiten 400  5.4.4           Analyse inhaltlicher Sinnzusammenhänge und Typenbildung ........ 406  5.4.5           Charakterisierung der Typen ............................................................ 411  5.5         Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung ....................... 459  5.5.1           Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von ............................ Schulleitungen .................................................................................. 459  5.1 

Inhalt

VII

5.5.2           Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule ............................................................................................... 475  5.5.3 Diskussion und Interpretation der gebildeten Typen ........................ 487 6 Schlussfolgerungen .................................................................................................. 6.1         Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfragen ................... 6.2         Kritische Reflexion .............................................................................. 6.3         Schlussfolgerungen und Ausblick für die Forschung .......................... 6.4         Schlussfolgerungen und Ausblick für die Praxis .................................

495 495  509  516  522

Literaturverzeichnis ................................................................................................... 529

Abkürzungsverzeichnis

Abs. ADHS Art. ASchG B-BSG BDG berufl BGBl BIP BLVG BMBWF BMUK BPNS B-VG BZG DGMS DSG DV El EU EVGFP FM G GehG Geschl Gr HPS HVB INSNA ISCED KDL Ki Ko

Absatz Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung Artikel ArbeitnehmerInnenschutzgesetz Bundesbedienstetenschutzgesetz Beamten-Dienstrechtsgesetz beruflich Bundesgesetzblatt Bruttoinlandsprodukt Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Basic Psychological Needs Scale Bundesverfassungsgesetz Bilanz-, Ziel- und Vereinbarungsgespräch Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie Datenschutzgesetz Direkte/r Vorgesetzte/r Erziehungsberechtigte Europäische Union excellent, very good, good, fair, poor Familienmitglied allgemeinbildend (general) Gehaltsgesetz Geschlecht Gruppe health-promoting schools Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger International Network for Social Network Analysis International Standard Classification of Education kommentierte, direkte Leistungsvorlage Schüler/innen Lehrerkolleg/innen

X KPaS KPiS LDG LSR m MBI MR mw NUTS OECD ÖNACE Org.form PensionsG PH PIRLS PISA PrivSchG QDA RelUG SchOG SchPflG SchUG SK SL-ZV TIMSS UW V VBG w WHO WIFO

Abkürzungsverzeichnis Kooperationspartner/innen außerhalb der Schule Kooperationspartner/innen innerhalb der Schule Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz Landesschulrat männlich Maslach Burnout Inventory Magnetresonanz(therapie) männlich und weiblich Nomenclature des unités territoriales statistiques Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Klassifikation der Wirtschaftstätigkeiten Organisationsform Pensionsgesetz Pädagogische Hochschule Progress in International Reading Literacy Study Programme for International Student Assessment Privatschulgesetz Qualitative Data Analysis Religionsunterrichtsgesetz Schulorganisationsgesetz Schulpflichtgesetz Schulunterrichtsgesetz Sozialkapital Schulleiter-Zulagenverordnung Trends in International Mathematics and Science Study Umwelt berufsbildend (vocational) Vertragsbedienstetengesetz weiblich Weltgesundheitsorganisation/World Health Organization Institut für Wirtschaftsforschung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:

Zusammenschau von Schulzahlen in Österreich, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Statistik Austria (2018a) ...... 24 Tabelle 2: Zusammenschau von Schülerzahlen in Österreich, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Statistik Austria (2018a) ...... 25 Tabelle 3: Zusammenschau von Lehrerzahlen in Österreich, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Statistik Austria (2018a) ...... 27 Tabelle 4: Belastende Interaktionen in sozialen Beziehungen und belastende, längerfristig bestehende Interaktions- und Strukturmerkmale sozialer Beziehungen, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Laireiter & Lettner (1993, S. 106-107) ...................................................................... 126 Tabelle 5: Konzeptionelles Modell zum Zusammenhang zwischen sozialen Netzwerken und Gesundheit, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Berkman & Glass (2000, S. 143) ... 134 Tabelle 6: Dimensionen und Kategorien arbeitsbedingter psychischer Belastungen, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Huber et al. (2013) ................................................................. 153 Tabelle 7: Formen von Beanspruchung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Bamberg, Busch & Ducki (2003); Huber et al. (2013); Kaufmann, Pornschlegel & Udris 1982); Udris & Frese (1999); Ulich (2005); Zapf & Semmer (2004) .... 157 Tabelle 8: Weitere relevante Stressmodelle und -theorien sowie deren für die Arbeit relevanten Kernaussagen im Überblick, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 171 Tabelle 9: Raster zur Einordnung empirischer Untersuchungen der Lehrergesundheitsforschung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Krause & Dorsemagen (2007) ............................. 187 Tabelle 10: Belastungskategorien und -faktoren in der Lehrerarbeit, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Rudow (2000, S. 50) .......... 188

XII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 11: Studien zur Schulleitergesundheit innerhalb und außerhalb des deutschsprachigen Raums, Quelle: Eigene Erstellung ................ 203 Tabelle 12: Zusammenfassung Kapitel 4.2 Schulleitergesundheit – Erweiterte Befunde von Baeriswyl et al. (2013) zu Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen, Quelle: Eigene Erstellung... 231 Tabelle 13: Gütekriterien qualitativer Sozialforschung und Berücksichtigung im Rahmen der Erhebung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Baur & Blasius (2014), Kuckartz (2007b), Lamnek & Krell (2010) .................... 242 Tabelle 14: Einordnung des problemzentrierten Interviews im Gesamtkomplex qualitativer Interviews, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Helfferich (2009, S. 43) ................. 274 Tabelle 15: Qualitativer Stichprobenplan, Quelle: Eigene Erstellung ........... 285 Tabelle 16: Rollen- bzw. Funktionsträger/innen – Abkürzungen, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................................ 297 Tabelle 17: Zentrale Begriffe der empirisch begründeten Typenbildung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Kelle & Kluge (2010, S. 85-91), Kluge (1999, S. 26, 42) ................................... 302 Tabelle 18: Subkategorien der Kategorie I – Mikroebene Individuum, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 311 Tabelle 19: Subkategorien der Kategorie II – Mesoebene Schule, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 324 Tabelle 20: Subkategorien der Kategorie III – Makroebene Gesellschaft und Schulsystem, Quelle: Eigene Erstellung .............................. 333 Tabelle 21: Subkategorien der Kategorie IV – Beanspruchungen, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 338 Tabelle 22: Subkategorien der Kategorie V – Wahrnehmung des sozialen Netzwerkes und Bewertung der Gesundheitsrelevanz, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 347 Tabelle 23: Wirkrichtung und Stärke der Wirkung einzelner Akteursgruppen innerhalb der Schule auf das Wohlbefinden der Schulleitung, Hinweis: Die Interviewpartner/innen hatten die Möglichkeit, einzelne Personen(gruppen) einer Akteursgruppe (z.B. Lehrerkolleg/innen: Lehrerkollegin 1, Lehrerkollegin 2) auf der Netzwerkkarte separat einzuzeichnen. Damit lässt sich erklären, warum in der Tabelle bei einzelnen Interviewpartner/innen (z.B. I01) pro

Tabellenverzeichnis

Tabelle 24:

Tabelle 25: Tabelle 26: Tabelle 27: Tabelle 28: Tabelle 29: Tabelle 30: Tabelle 31: Tabelle 32: Tabelle 33:

XIII

Akteursgruppe mehrere Wirkweisen angeführt sind. Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 363 Wirkrichtung und Stärke der Wirkung einzelner Akteursgruppen außerhalb der Schule auf das Wohlbefinden der Schulleitung, Hinweis: Die Interviewpartner/innen hatten die Möglichkeit, einzelne Personen(gruppen) einer Akteursgruppe (z.B. Schulaufsicht: Landesschulrat als gesamte Organisation, Pflichtschulinspektor/in) auf der Netzwerkkarte separat einzuzeichnen. Damit lässt sich erklären, warum in der Tabelle bei einzelnen Interviewpartner/innen (z.B. I05) pro Akteursgruppe mehrere Wirkweisen angeführt sind. Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 381 Erste Bildung von Kernkategorien und deren Subkategorien, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 402 Überblick – Typ „Der/die gut Vernetzte“, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 412 Überblick – Typ „Der/die Beschützer/in“, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 423 Überblick – Typ „Der/die Überforderte“, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 436 Überblick – Typ „Der/die Einzelkämpfer/in“, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 448 Überblick über die gebildeten Typen, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 506 Handlungsempfehlungen auf Makroebene, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 523 Anforderungen an das System „Volksschule“, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 524 Handlungsempfehlungen auf Mikroebene, Quelle: Eigene Erstellung ........................................................... 526

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Abbildung 2:

Aufbau der Arbeit, Quelle: Eigene Erstellung ........................... 13 Zusammenfassung Kapitel 2.1 Das österreichische Schulsystem, Quelle: Eigene Erstellung .................................... 30 Abbildung 3: Inhalte und Felder der Schulautonomie, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Altrichter et al. (2016, S. 265) ...... 35 Abbildung 4: Zusammenfassung Kapitel 2.2 Themenrelevante aktuelle Reformbewegungen, Quelle: Eigene Erstellung........................ 47 Abbildung 5: Akteur/innen im System Schule, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Zumstein (2008, S. 199) ............... 50 Abbildung 6: Lockere und feste Koppelungen im System Schule, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Dubs (1994, S. 57) ............ 53 Abbildung 7: Zusammenfassung Kapitel 2.3 Die soziale Organisation Schule, Quelle: Eigene Erstellung ............................................. 56 Abbildung 8: Zusammenfassung Kapitel 2.4 Die Schulleitung, Quelle: Eigene Erstellung ...................................................................... 69 Abbildung 9: Taxonomie alltagsbezogener sozialer Unterstützung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Laireiter (1993, S. 27)....... 94 Abbildung 10: Wirkmechanismen des sozialen Netzwerkes auf die Gesundheit, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Smith & Christakis (2008, S. 417-418) ................................... 115 Abbildung 11: Wirkweisen sozialer Unterstützung auf das Wohlbefinden, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Diewald & Sattler (2010, S. 695) ............................................ 120 Abbildung 12: Eigenschaften und Relationen der Konstrukte des soziales Netzwerkes, der sozialen Beziehung, der sozialen Unterstützung und der sozialen Belastung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Borgetto & Kälble (2007, S. 62) . 131

Abbildungsverzeichnis

XV

Abbildung 13: Modell zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen sozialen Netzwerken, sozialen Beziehungen und sozialer Unterstützung und deren Einfluss auf Stress und Gesundheit, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an House (1987, S. 138) ............................................................ 132 Abbildung 14: Zusammenfassung Kapitel 3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz, Quelle: Eigene Erstellung .... 136 Abbildung 15: Modell der Salutogenese nach Antonovsky – Vereinfachte Darstellung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Bengel et al. (2001, S. 36)......................................................... 148 Abbildung 16: Belastungs-Ressourcen-Gesundheits-Modell, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Udris (2006, S. 10) .......... 161 Abbildung 17: Gratifikationsmodell nach Siegrist (2004), Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Siegrist (2004), Biffl et al. (2011) 166 Abbildung 18: Zusammenfassung Kapitel 3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit, Quelle: Eigene Erstellung ................... 172 Abbildung 19: Lehrerstress-Modell von Rudow (1994), Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Rudow (1994)............................... 197 Abbildung 20: Zusammenfassung Kapitel 4.1 Lehrergesundheit, Quelle: Eigene Erstellung ...................................................................... 199 Abbildung 21: Theoretischer Raster, Quelle: Eigene Erstellung ...................... 266 Abbildung 22: Vorlage zur Erstellung der ego-zentrierten Netzwerkkarte, Quelle: Eigene Erstellung ......................................................... 271 Abbildung 23: Paper-pencil/toolkit-Netzwerkkarte und digitale Netzwerkkarte im Vergleich am Beispiel des Interviews mit der Nummer 6 (I06), Quelle: Eigene Erstellung ...................... 298 Abbildung 24: Stufenmodell empirisch begründeter Typenbildung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Kelle & Kluge (2010, S. 92) ..................................................... 305 Abbildung 25: Belastungen und Ressourcen der befragten Volksschulleiter/innen – Zusammenfassung, Quelle: Eigene Erstellung .................................................................................. 396 Abbildung 26: Ergebnis des ersten Gruppierungsprozesses, Quelle: Eigene Erstellung ...................................................................... 399 Abbildung 27: Ursprünglicher Merkmalsraum, Quelle: Eigene Erstellung ...... 404 Abbildung 28: Finaler Merkmalsraum, Quelle: Eigene Erstellung................... 409 Abbildung 29: MaxMap „Der/die gut Vernetzte“, Quelle: Eigene Erstellung.. 416

XVI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 30: Netzwerkkarte Prototyp I13 „Der/die gut Vernetzte“, DV = Pflichtschulinspektor/in, El1 = Erziehungsberechtigte, El2 = Elternvertreterin, FM = eigene Familie, Ki = Schüler/innen, Ko = Lehrerkollegium, KPaS1 und KPaS2 = zwei Volksschulleiterkolleg/innen, KPaS3 = IT-Betreuer/innen, KPiS1 = Nachmittagsbetreuerinnen, KPiS2 = Schulwart, Quelle: Eigene Erstellung ......................................................... 420 Abbildung 31: MaxMap „Der/die Beschützer/in“, Quelle: Eigene Erstellung ......................................................... 428 Abbildung 32: Netzwerkkarte Prototyp I06 „Der/die Beschützer/in“, DV = Pflichtschulinspektor/in, El1 = Elternvertreter/innen, El2 = Elterngruppe 1, El3= Elterngruppe 2, Ki = Schüler/innen, Ko1 = Lehrerkolleg/innen, mit denen häufig Kontakt besteht, Ko2 = Lehrerkolleg/innen, mit denen seltener Kontakt besteht, KPaS1 = Schulerhalter (Bürgermeister), KPaS2 = Vereine, KPaS3 = Kindergartenleiterin, KPaS4 = Schulaufsicht als Organisation, Quelle: Eigene Erstellung ................................... 431 Abbildung 33: MaxMap „Der/die Überforderte“, Quelle: Eigene Erstellung ......................................................... 440 Abbildung 34: Netzwerkkarte Prototyp I02 „Der/die Überforderte“, DV = Pflichtschulinspektor/in, El = Elterngruppe, Ki = Schüler/innen, Ko1 = eine Kollegin, Ko2 = ein Kollege, Ko3 = eine Kollegin, Ko4 = Großteil des Lehrerkollegiums, KPaS1 = Leiterin an einer anderen Bildungseinrichtung, KPaS2 = Schulerhalter, KPiS = Schulwart, Quelle: Eigene Erstellung ....................................... 443 Abbildung 35: MaxMap „Der/die Einzelkämpfer/in“, Quelle: Eigene Erstellung ......................................................... 452 Abbildung 36: Netzwerkkarte Prototyp I01 „Der/die Einzelkämpfer/in“, DV = Pflichtschulinspektor/in, El = Mutter eines Schülers, FM1, 2 und 3 = Familienmitglieder, Ko1, 2, 3 und 4 = Lehrerkolleg/innen an der Schule, KPaS1 = Schulerhalter in Form des Bürgermeisters, KPaS2 = Kindergartenleiterin, KPaS3 = Kindergärtnerin, KPaS4 = Arbeiter des Schulerhalters, KPaS5 = Schulerhalter in Form des Vizebürgermeisters, Quelle: Eigene Erstellung ........................ 456

Abstract

Problem: While there are a lot of studies concerning teachers´ health there is only little scientific knowledge about principals´ health. Due to current developments in the Austrian school system as well as the influence school principals have on teachers´ and pupils´ achievements and health there is a need for research in this field. Those few studies which address school principals´ health have explored that social interactions at work are an important health determinant. Objectives and Methods: The purpose of this study was to research the health relevance of social network at workplaces for school principals. Another objective was to identify patterns in experiencing psychosocial strains, resources and stress. For that triangulative social network analyses with 20 primary school principals were conducted. These included problem-centered interviews, short questionnaires and social network cards. Concerning data analysis, the researcher constructed an empirically-based typology. Results: Most of the study participants said that social network at workplace has a high health impact. Four types of school principals were identified. They differ in strains and resources, which are experienced concerning social relationships with people in and out of school, as well as their stress level. Discussion: This study is the first one, which explored primary school principals’ health in Austria by using a qualitative research design. The results make it possible to explain the very different findings concerning school principals´ health in previous studies. One of the scientific benefits lies in exploring beneficial and harmful aspects of social networks at workplace influencing health. A practical value of the study is that it offers recommendations for school principals as well as school politics. Keywords: principal health; health at school; social network analysis; psychosocial strains; psychosocial resources; stress

Kurzfassung

Ausgangslage: Im Gegensatz zur umfassenden Lehrergesundheitsforschung liegen nur wenige Studien zur Gesundheit von Schulleitungen vor. Dieser Forschungsmangel kann angesichts aktueller Entwicklungen im österreichischen Schulsystem sowie der Schlüsselrolle, die Schulleiter/innen bei der Verwirklichung einer „guten, gesunden Schule“ haben, als dramatisch bezeichnet werden. Die „dünne“ Studienlage zeigt, dass soziale Interaktionen im Arbeitsalltag einen großen Einfluss auf die Schulleitergesundheit haben. Ziel und Methode: Daher war es Ziel der Arbeit, die Bedeutung des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz für das Beanspruchungserleben von Schulleitungen zu untersuchen und Muster im psychosozialen Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben zu identifizieren. Hierfür wurden mit 20 Volksschuldirektor/innen triangulative soziale Netzwerkanalysen durchgeführt, die sich durch den kombinierten Einsatz von problemzentrierten Interviews, Kurzfragebögen und Netzwerkkarten auszeichneten. Die Daten wurden mit dem Verfahren empirisch begründeter Typenbildung nach Kluge (1999) ausgewertet. Ergebnisse: Die meisten Befragten schreiben dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz eine hohe gesundheitliche Bedeutung zu. Es konnten in Abhängigkeit der individuell wahrgenommenen Belastungs-Ressourcen-Balance im Kontext sozialer Beziehungen zu Personen innerhalb und außerhalb der Schule vier Muster psychosozialen Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserlebens identifiziert werden. Diskussion: Die Arbeit liefert erstmals umfassende qualitative Erkenntnisse zur Volksschulleitergesundheit in Österreich, die die hohe Bandbreite an Ergebnissen in den bisherigen quantitativen Studien erklären können. Neben dem wissenschaftlichen Nutzen, der unter anderem in der Ermittlung gesundheitsförderlicher und -schädlicher Aspekte sozialer Netzwerke am Arbeitsplatz liegt, liefert die Arbeit ein Repertoire an Handlungsempfehlungen für Schuldirektor/innen selbst sowie Akteur/innen in der Schulpolitik. Schlüsselwörter: Schulleitergesundheit; schulische Gesundheit; soziale Netzwerkanalyse; psychosoziale Belastung; psychosoziale Ressource; Beanspruchung

1

Einführung

„Österreichs Schüler/innen schneiden bei PISA schlecht ab.“ „Immer mehr Mobbing an Österreichs Schulen.“ „Lehrer/innen weisen eine hohe Burnoutrate auf.“ „Zahl der Frühpensionierungen bei Landeslehrer/innen in Österreich ist steigend.“ – Derartige „negative“ Schlagzeilen aus dem Bildungsbereich tauchen seit einigen Jahren immer wieder in Österreichs Medienlandschaft auf. Die Schule als Lernort und der/die Lehrer/in als Beruf sind in der Gesellschaft besser bekannt als jede andere Organisation bzw. Profession und erfahren daher eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit. Manche Autor/innen bezeichnen den/die Lehrer/in sogar als wichtigsten Beruf unserer heutigen Gesellschaft (vgl. Krause, Schüpbach, Ulich & Wülser, 2008, S. 7). Jedermann/frau hat in der Regel einmal eine Schule besucht und aus eigener Perspektive das Verhalten von Lehrer/innen beobachtet. Auf Basis dieser individuellen Wahrnehmungen und der damit verbundenen Vorurteile gegenüber Lehrenden entwickelte sich in den vergangenen Jahren nahezu eine kleine „Hetzjagd“ auf diese Berufsgruppe. Dies manifestiert sich in Negativberichterstattungen, welche unter anderem die „allzu langen Ferien“, die Bezeichnung des Lehrerberufs als „Halbtagsjob“, die Streikbereitschaft sowie die Frühpensionierungswelle der Lehrerschaft kritisieren. In den letzten Jahren rückte besonders der letztgenannte Aspekt in Kombination mit dem Begriff „Burnout“ in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Dies ist unter anderem auf Ergebnisse internationaler Schulleistungsvergleichsstudien zurückführbar, wonach die Gesundheit von Lehrkräften eng mit der Qualität der Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsauftrages verbunden ist (DAK Gesundheit & Unfallkasse NRW, 2013). Rolff (2005) bringt diesen Zusammenhang folgendermaßen auf den Punkt: „Wer Qualität will, muss Gesundheit fördern und umgekehrt.“ (S. 2) Demnach stellen die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Personen in der Schule wichtige Voraussetzungen für die Leistungsfähigkeit und somit die Qualität der Bildungsleistung dar. Das Bildungswesen generell hat in der österreichischen Staatspolitik eine zentrale Bedeutung – was einen weiteren Grund für die hohe gesellschaftliche Aufmerksamkeit und kritische Betrachtung dieses Sektors darstellen dürfte. So machte die staatliche Finanzierung des Bildungswesens beispielsweise im Jahr 2011 5,6% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus. Der BIP-Anteil in Österreich

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Szabo, Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27208-1_1

2

1 Einführung

liegt dabei deutlich über dem EU-27 Durchschnitt (vgl. Bruneforth, HerzogPunzenberger & Lassnigg, 2012; Statistik Austria, 2017). In den vergangenen Jahren konnte zudem ein Anstieg der Zahl der Lehrer/innen in Österreich verzeichnet werden. Waren es im Schuljahr 1990/91 noch rund 113.000, so erhöhte sich die Zahl der Lehrpersonen bis zum Schuljahr 2016/17 auf exakt 127.896 (vgl. Statistik Austria, 2018b). Lehrer/innen zählen damit zu den größten Berufsgruppen in Österreich. Verschiedene internationale Bildungsstudien wie die bereits erwähnte „Programme for International Student Assessment“ (PISA-)Studie oder die Volksschulstudie „Progress in International Reading Literacy Study“ (PIRLS), welche für Österreich, aber auch andere deutschsprachige Länder mangelhafte Werte in Hinblick auf einzelne Kompetenzen von Schüler/innen liefern, führten in den vergangenen Jahren immer wieder zu Bildungsreformen, in deren Zentrum das Ziel der Entwicklung „guter“ Schulen steht (vgl. Bruneforth et al., 2012, S. 12; Hoffmann-Ocon, Koch & Ricker, 2005, S. 2). Aktuelle Reformbemühungen sind mit Autonomisierungsprozessen von Schulen bzw. der Erhöhung der Selbstständigkeit dieser verbunden (Hebenstreit, Hinzdorf & Schmid, 2006, S. 39). – Ein Weg, der in anderen Nationen wie beispielsweise den Vereinigten Staaten von Amerika oder Großbritannien bereits seit längerem eingeschlagen wird und mit einem Bedeutungszuwachs der Schulführung einhergeht (vgl. Bell & Rhodes, 2002; Burke, 2012; Chambers, 2011; Hallinger & Murphy, 1987; Le Fevre & Robinson, 2014; McDermott, 2012; Moolenaar, Daly & Sleegers, 2010; Somech, 2010). Die steigende Selbstständigkeit der Schulen erfordert von der Leitung dieser ein umfassendes Agieren im sozialen System „Schule“. Stegmann (2008) zufolge ist die Schule ein Zusammenschluss mehrerer Personengruppen, die über eine komplexe Aufgabenteilung mit- und nebeneinander tätig sind. Soziale Lebensund Arbeitsbedingungen, welche sich aus sozialen Interaktionen im System Schule heraus entwickeln, haben einen entscheidenden Einfluss einerseits auf die Leistung, andererseits auf die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Personen in der Schule (S. 367). Schuldirektor/innen nehmen in der komplexen sozialen Organisation „Schule“ eine Schlüsselposition ein. Sie tragen als „pädagogische Unternehmer/innen“ eine Gesamtverantwortung für die Schule und die Gesundheit aller darin befindlichen Personen (Dadaczynski & Paulus, 2009, S. 172). Zahlreiche Studienergebnisse belegen den Einfluss des Schulleitungsverhaltens auf die Lehrergesundheit, den Schulerfolg sowie das Gelingen der Initiierung von Schulverbesserungsprozessen (vgl. Cemaloğlu, 2011; Harazd, Gieske, Gerick & Rolff, 2009; Hofmann et al., 2012; Huber, Lussi, Lehmann, Schneider & Heeb, 2010; Hundeloh, 2013a; Laux, 2011).

1.1 Problemstellung und aktueller Forschungsstand

3

Trotz der naheliegenden Vermutung, dass nur gesunde Schulleiter/innen eine Schule „gesund“ und gleichzeitig effektiv sowie effizient auf hohem Qualitätsniveau führen können (vgl. Heißenberger & Dreher, 2014; Kelehear, 2004), wird in der Forschung – vor allem im deutschsprachigen Raum – sowie in der öffentlichen Diskussion nur selten die Frage gestellt, wie es Schulleiter/innen eigentlich selbst geht. Auch in der Praxis werden vorwiegend Gesundheitsförderungsaktivitäten für Schüler/innen und Lehrer/innen gesetzt, während Schulleiter/innen weniger als Zielgruppe, sondern vielmehr als Umsetzer/innen agieren (Dadaczynski & Paulus, 2016, S. 1). Baeriswyl, Dorsemagen & Krause (2013) zufolge wird häufig die Tatsache vernachlässigt, dass Schulleitungen als Führungskräfte mit dem Thema Gesundheit in zweifacher Weise verbunden sind. Einerseits gehört Gesundheitsmanagement zum Aufgabenrepertoire eines Schulleiters bzw. einer Schulleiterin, wobei die Förderung der Gesundheit von Schüler/innen und Lehrer/innen im Mittelpunkt steht. Andererseits kann eine Schulleitung dieser Aufgabe aber nur dann nachkommen, wenn ihre eigene Gesundheit gepflegt und gefördert wird (S. 2). Im Vergleich zur umfassenden Forschung zur Gesundheit von Lehrer/innen ohne Führungsfunktion gibt es bislang nur wenige Untersuchungen zur Gesundheit von Schulleiter/innen. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Füllung dieser Forschungslücke leisten, wobei der Fokus auf der psychischen Gesundheit bzw. dem psychischen Wohlbefinden von Volksschulleiter/innen liegt. 1.1 Problemstellung und aktueller Forschungsstand „Bis zu 25 Prozent der Erwerbstätigen leiden an psychischen Störungen.“ „AK warnt: Psychisch bedingte Krankenstände nehmen stark zu.“ „Berufsunfähigkeitsversicherung: Psychische Krankheiten bleiben eine Hauptursache.“ – Derartige Schlagzeilen, die von der Autorin der vorliegenden Arbeit in Österreichs Medien recherchiert wurden, weisen auf eine steigende öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz hin. Parallel dazu gewann das Forschungsfeld „Arbeit und psychische Gesundheit“ innerhalb der Sozialwissenschaften in den letzten Jahren stark an Bedeutung. Auch auf politischer Ebene erhält das Thema in Österreich seit 2013 vermehrt Aufmerksamkeit: Mit der Novelle zum ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Beginn des Jahres 2013 sind Arbeitgeber/innen dazu verpflichtet, im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Ermittlung von gesundheitsgefährdenden Belastungen auch psychische Belastungen einzuschließen. Konkret sind nach §7 ASchG geeignete Maßnahmen zu setzen, um psychische Belastungen zu reduzieren und die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten. Im Jahr 2014 fand eine entsprechende Novellierung des Bundesbedienstetenschutzgesetzes (B-BSG) statt.

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1 Einführung

Grund für die steigende öffentliche, wissenschaftliche und politische Brisanz dieses Themas ist vor allem die aktuelle Datenlage zu den Krankenstandszahlen in Österreich. So zeigt diese, dass der Anteil der Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen an den gesamten Krankenstandstagen in Österreich zwischen 1994 und 2016 in allen Branchen stetig zunahm. Dabei ist zu erwähnen, dass psychische Probleme vorrangig Langzeit- und Spätfolgen nach sich ziehen. Somit sind psychische Erkrankungen die häufigste Ursache für den Eintritt in die Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension (vgl. Leoni & Schwinger, 2017; Leoni & Uhl, 2016). Neben steigenden Anforderungen in der Arbeitswelt wird auch die höhere Sensibilität der Gesellschaft für psychische Probleme als Ursache für diese Entwicklung des Krankheitsgeschehens gesehen. Die Stigmatisierung ging zurück, das Patientenverhalten veränderte sich, das Diagnosewissen der Ärzt/innen stieg an. Bei der Entwicklung dürfte es sich demnach um ein Aufholen bzw. eine Annäherung an die „wahre Prävalenz“ psychischer Störungen handeln (Conrad, 2015, S. 11). Ein Grund für die explizite Betrachtung der Arbeitswelt als Einflussfaktor auf die psychische Gesundheit ist die Tatsache, dass berufstätige Erwachsene etwa zwei Drittel ihrer Tageszeit an ihrem Arbeitsplatz verbringen (Neuner, 2016, S. 3). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Arbeit neben negativen Einflüssen auf die Gesundheit – z.B. in Form von steigender Komplexität, stetigen Veränderungen sowie Zeit- und Leistungsdruck – auch positive gesundheitliche Auswirkungen – z.B. in Form der Stärkung der persönlichen Identität, der sozialen Anerkennung sowie der Entwicklung von Kompetenzen und Fähigkeiten – haben kann (Igic et al., 2014, S. 11; Neuner, 2016, S. 1). Ein wesentliches Erkenntnisinteresse der Arbeitswissenschaften, die ein interdisziplinäres Forschungsfeld darstellen, liegt in den komplexen Zusammenhängen zwischen Arbeitsbedingungen und dem Gesundheitszustand von Beschäftigten und Führungskräften (Roschker, 2014, S. V). Eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Studien belegt den Einfluss unterschiedlicher Aspekte der Arbeitswelt auf die Gesundheit. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl an Modellen zur Erklärung der komplexen Wirkungsbeziehungen zwischen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz. Hierzu existieren vor allem Modelle, die sich dadurch auszeichnen, dass sie Bezug zur Bedeutung sozialer Interaktionen für das Wohlbefinden nehmen (vgl. Dragano, 2016, S. 173). Dabei können soziale Beziehungen sowohl als Ressource (z.B. in Form von sozialer Unterstützung) wirken und bei der Belastungsbewältigung helfen, als auch selbst eine Belastung (z.B. in Form von Mobbing) darstellen (Renneberg & Hammelstein, 2006, S. 122).

1.1 Problemstellung und aktueller Forschungsstand

5

1.1.1 Belastungs-, Ressourcen- und Beanspruchungserleben im Lehrerberuf Anknüpfend an diese Tatsache ist darauf hinzuweisen, dass gerade Berufsgruppen, deren tägliche Arbeit sich durch vielfältige soziale Interaktionen auszeichnet, häufig von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz betroffen sind (vgl. Biffl et al., 2011). Ursächlich hierfür ist, dass Gedanken und Gefühle, die sich aus zwischenmenschlichen Beziehungen ergeben, die Distanzierung vom Berufsalltag erschweren (Schaarschmidt, 2011, S. 151). Zu diesen Berufsgruppen zählt neben Gesundheits- und Pflegeberufen auch die Profession des/der Lehrers/in. Damit lassen sich die intensiven Forschungsbemühungen rund um das Thema der Lehrergesundheit seit den 1990er Jahren innerhalb und außerhalb des deutschsprachigen Raums begründen (vgl. Friedman, 2006; Gieske & Harazd, 2009a; Guglielmi & Tatrow, 1998; Hillert, 2004; Kyriacou, 2001; Lambert & McCarthy, 2006; Rudow, 1994). Trotz der teilweisen Unübersichtlichkeit der Forschungslandschaft kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die Ergebnisse auf das Bestehen zahlreicher psychischer Belastungen von Lehrkräften hinweisen. Schaarschmidt (2004) zufolge weist der Lehrerberuf im Vergleich mit anderen Professionen sogar die kritischsten Werte in Bezug auf psychische Belastungen auf. Diese Belastungen resultieren in einer erhöhten Beschwerderate, Burnout, einem eingeschränkten Gesundheitszustand, höheren Krankenstandstagen sowie einer frühzeitigen Pensionierung bzw. dem Wunsch danach (Hofmann et al., 2012, S. 11). Ein Bericht des Rechnungshofes (2015) ergab, dass zwischen 2008 und 2013 nur knapp 5% der österreichischen Landeslehrer/innen mit tatsächlichem Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters in den Ruhestand traten. Das Pensionierungsalter österreichischer Landeslehrer/innen liegt mit Werten zwischen 54 und 58 Jahren deutlich unter dem Durchschnittswert der österreichischen Gesamtbevölkerung (knapp mehr als 58 Jahre) (Hofmann et al., 2012, S. 11). Die Gründe hierfür sind häufig psychischer Natur: Hillert (2004) zufolge sind bei der Hälfte der Lehrkräfte, die vorzeitig aus dem Beruf ausscheiden, psychosomatische bzw. psychiatrische Erkrankungen die Ursache (S. 10). Die Gründe für den hohen Grad an psychischer Belastung und in weiterer Folge psychischer Beanspruchung im Lehrerberuf dürften laut aktueller Studienlage vielfältig sein. Rudow (2000) definiert insgesamt vier Belastungskategorien in der Lehrerarbeit, nämlich Arbeitsaufgaben bzw. schulorganisatorische Bedingungen, Arbeitsumweltbedingungen, soziale Bedingungen und kulturelle Bedingungen. Diese können – je nach Ausprägung – auch als „Ressourcenkategorien“ betrachtet werden. Einigen Untersuchungen und Literaturhinweisen zufolge spielen besonders soziale Faktoren – belastende und entlastende – in Hinblick auf das psychische Wohlbefinden von Lehrkräften eine zentrale Rolle (vgl. Bamberg & Ostendorf,

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1 Einführung

2008; Harazd, Gieske & Rolff, 2009; Hofmann et al., 2012; Kyriacou, 2001; Paulus & Schumacher, 2008). Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass von Lehrer/innen ein ständiger Umgang mit unterschiedlichen Personengruppen (Schüler/innen, Kolleg/innen, Eltern, Schulleitung usw.) sowie die Wahrnehmung von Verantwortung für andere Menschen gefordert wird (vgl. Schaarschmidt, 2011). Bamberg & Ostendorf (2008) zufolge rangieren bei den Ursachen für Frühpensionierungen von Lehrkräften soziale Interaktionen an erster Stelle (S. 347). Auf Basis der umfassenden Forschungserkenntnisse zur Gesundheit von Lehrkräften wurden in den vergangenen Jahren Modelle und Konzepte zur Erklärung des Zusammenspiels von Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen speziell im Lehrerberuf entwickelt. 1.1.2 Die besondere Situation von Schulleiter/innen Einer Studie von Weber, Weltle & Lederer (2005) zufolge sind heutzutage insbesondere Lehrer/innen mit Leitungsfunktion, also Schuldirektor/innen, von hohen psychischen Belastungen am Arbeitsplatz und damit verbundenen negativen psychischen (z.B. Burnout) sowie physischen (z.B. Herz-Kreislauferkrankungen) Beanspruchungen betroffen. Mit ein Grund hierfür dürfte die Tatsache sein, dass die Aufgaben von Schulleiter/innen in den vergangenen Jahren stark anstiegen. Es kamen Tätigkeiten hinzu, die im Schulbereich bislang völlig unbekannt waren (z.B. Personal- und Qualitätsentwicklung) (Rolff, 2009, S. 1; vgl. auch §56 Schulunterrichtsgesetz sowie §32 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz). Betrachtet man exemplarisch für Anforderungen an die Schulleiterrolle die zwölf Thesen zur guten Schulleitung von Huber (2012), so müsste ein/e Schulleiter/in ein wahrer „Wunderwuzzi“ sein. Huber (2007) bezeichnet Schuldirektor/innen als „multifunktionale Wunderwesen“. Die Beanspruchung von Schulleiter/innen, die eng mit Anforderungen an die Schulleiterrolle verbunden ist, wird international sehr unterschiedlich bewertet und es liegen teilweise divergierende Ergebnisse diesbezüglich vor (Hohberg, 2015, S. 435). Mit Ausnahme der Arbeitszufriedenheit werden, ähnlich wie in der Lehrergesundheitsforschung generell (s. Kapitel 1.1.1), zumeist negative Beanspruchungsfolgen wie das Stresserleben, Burnout sowie eine frühzeitige Pensionierung untersucht. Während die Arbeitszufriedenheit von Schuldirektor/innen in einigen Studien als eher hoch bewertet wird (vgl. Behr, Valentin & Ramos-Weisser, 2003; Chaplain, 2001; Languth, 2006; Phillips, Sen & McNamee, 2007; Warwas, 2009), weisen andere Forschungsergebnisse gleichzeitig auf eine gefährdete psychische und physische Gesundheit von Schulleiter/innen hin (vgl. Carr, 1994; Combs, Edmonson & Jackson, 2009; Dadaczynski & Paulus, 2016; Hohberg,

1.1 Problemstellung und aktueller Forschungsstand

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2015; Languth, 2006; Nido, Ackermann, Ulich, Trachsler & Brüggen, 2008; Phillips, Sen & McNamee, 2008; Rosenbusch et al., 2006; Weber, Weltle & Lederer, 2004, 2005; Whitaker, 1996). Angesichts der inkongruenten Ergebnisse stellt sich die Frage nach den Ursachen für diese Unterschiede. Es ist anzunehmen, dass Schuldirektor/innen unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt sind und sich auch hinsichtlich ihres Ressourcenrepertoires voneinander unterscheiden. Zusammenfassend zeigt eine Analyse der aktuellen Studienlage, dass die Forschung zur Schulleitergesundheit trotz einiger Studien in den vergangenen Jahren der umfassenden Lehrergesundheitsforschung nachhinkt. Abgesehen von einzelnen Untersuchungen zur Arbeitszufriedenheit bzw. zum Wohlbefinden von Schulleiter/innen liegen diesbezüglich nur wenig verwertbare Informationen – vor allem im deutschsprachigen Raum – vor. In anderen Nationen wie etwa den Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien existieren zwar mehr Studien zur Schulleitergesundheit, allerdings sind deren Ergebnisse aufgrund zum Teil anderer Strukturen des Schulsystems nur eingeschränkt auf Österreich übertragbar. Rolff (2009) kritisiert den Forschungsmangel in den deutschsprachigen Ländern folgendermaßen: „Über Schulleitung ist in Deutschland bisher wenig geforscht worden […] dabei ereignet sich gerade im deutschsprachigen Raum ein Wandel der Schulleiterrolle bisher unbekannten Ausmaßes“ (S. 1). Laux (2011) spricht von „sporadisch durchgeführten Untersuchungen“ sowie einem „blinden Fleck“ in der Forschung (S. 10). In Österreich konnte keine Untersuchung zu den Belastungen, Ressourcen und/oder Beanspruchungen speziell von Schuldirektor/innen aufgefunden werden. Lediglich die Bundesländer Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg nahmen einst an einer Studie der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz Zug zum Belastungs- und Beanspruchungserleben von Schulleitungen in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz teil (vgl. Huber, Wolfgramm & Kilic, 2013). Das Defizit im Bereich der Schulleitungsgesundheitsforschung ist aufgrund der zahlreichen Belege zum Einfluss des Führungsverhaltens auf die Gesundheit von Mitarbeiter/innen im Allgemeinen sowie im Speziellen auch im Schulbereich erstaunlich. Gerade in Zeiten zunehmender Anforderungen an die Schulleiterrolle im deutschsprachigen Raum sind jedoch intensive Forschungsbemühungen zum Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben von Schulleiter/innen dringend notwendig (Hohberg, 2015, S. 4). Die Ergebnisse umfassender Forschungsaktivitäten zur Gesundheit von Lehrkräften sind nur eingeschränkt auf Schuldirektor/innen übertragbar (Laux, 2011, S. 60). So vernachlässigen diese die Eigen-ständigkeit des Schulleiterberufs sowie die „Schlüsselposition“ der Schulleitung im sozialen System Schule.

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1 Einführung

Vom Methodendesign her ist bei den bisherigen Studien eine starke Dominanz quantitativer Übersichtsmessungen erkennbar. Qualitative Studien sind rar, wobei ein tiefgehender explorativer Einblick in das Erleben von Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleiter/innen am Arbeitsplatz Schule, insbesondere vor dem Hintergrund einer breiten Streuung der Ergebnisse bisheriger quantitativer Studien, essenziell ist (Stegmann, 2008, S. 381-382). 1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen Ausgehend von der Problemstellung, den bisherigen Studienergebnissen sowie den aufgezeigten Forschungslücken (s. Kapitel 1.1) zielt die Forschungsarbeit darauf ab, psychosoziale Belastungen und Ressourcen, die Volksschulleiter/innen in Österreich am Arbeitsplatz erleben, zu identifizieren und deren Auswirkungen auf das individuelle Beanspruchungserleben systematisch zu analysieren. Dabei fokussiert die vorliegende Arbeit auf das psychosoziale BelastungsRessourcen-Beanspruchungserleben von Volksschuldirektor/innen – also Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen, die im Kontext des sozialen Netzwerkes bzw. sozialer Beziehungen entstehen. Die Schwerpunktsetzung auf „psychosoziale“ Belastungen und Ressourcen erfolgte aufgrund der Tatsache, dass Schuldirektor/innen vielfältigen sozialen Interaktionen ausgesetzt sind und aus gesundheitssoziologischer sowie arbeitswissenschaftlicher Sicht anzunehmen ist, dass die Qualität dieser einen wesentlichen Einfluss auf deren Gesundheit hat. Arbeitswissenschaftlich ist mehrfach belegt, dass zahlreiche Belastungen, aber auch Ressourcen am Arbeitsplatz einen sozialen Ursprung haben. Konkret werden im Zuge der Arbeit psychosoziale Arbeitsbelastungen – also Belastungen sozialen Ursprungs, die aus der Arbeitsumwelt und organisation resultieren – betrachtet. Während Belastungen grundsätzlich neutral sind, bezieht sich der Begriff der (psychischen) Beanspruchung auf die individuelle, zeitlich unmittelbare Auswirkung der psychischen Belastung im Menschen in Abhängigkeit von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand, sprich seinen Ressourcen (Meyer, 2001, S. 15-18). Ressourcen dienen dazu, das Auftreten von Stressoren zu verhindern sowie deren negative Wirkung zu minimieren (Igic et al., 2014, S. 13). Im Zentrum des Interesses der vorliegenden Arbeit stehen externe Ressourcen von Schuldirektor/innen, speziell jene sozialer Art wie z.B. unterschiedliche Formen sozialer Unterstützung. Als psychische Beanspruchung kann schließlich das Ergebnis des Zusammenspiels von Belastungen und Ressourcen betrachtet werden (Igic et al., 2014, S. 12). Psychische Beanspruchungen können vielfältige Formen annehmen und

1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen

9

sowohl negativer als auch positiver Natur sein. Sie können kurz-, mittel- oder langfristig auf physiologischer, affektiver (emotionaler) und kognitiver Ebene auftreten (Igic et al., 2014, S. 13). Grund für die Wahl des Schultyps „Volksschule“ sind Indizien bisheriger Untersuchungen dafür, dass Volksschul- bzw. Grundschuldirektor/innen besonders stark von psychischen Belastungen und negativen Beanspruchungen am Arbeitsplatz betroffen sind (vgl. Laux, 2011; Rosenbusch et al., 2006; Warwas, 2009). Die Einschränkung auf ein Bundesland erfolgte deswegen, da das Volksschulwesen in Österreich grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Bundesländer fällt und Volksschuldirektor/innen innerhalb desselben Bundeslandes besser miteinander verglichen werden können. Im Zentrum der Untersuchung steht folgende Hauptforschungsfrage, die aus den bisherigen Ausführungen sowie den theoretischen Bezugsfeldern der Arbeit abgeleitet und auf Basis der genannten Einschränkung der Zielgruppe formuliert wurde: In welcher Weise beeinflusst das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz Schule das individuelle Beanspruchungserleben von Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs? Im Detail sollen dabei folgende Unterfragen beantwortet werden: 1. 2.

3. 4.

Wie erleben Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs ihr eigenes soziales Netzwerk am Arbeitsplatz Schule? (Frage 1) Welche strukturellen und funktionalen Aspekte des eigenen sozialen Netzwerkes nehmen Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs als belastend, welche als ressourcenstärkend wahr? (Frage 2) Wie lassen sich die konkreten Wirkweisen des sozialen Netzwerkes von Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs auf deren Beanspruchungserleben beschreiben? (Frage 3) Welche Muster in Hinblick auf das Zusammenspiel von psychosozialen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen lassen sich bei Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs identifizieren? (Frage 4)

Die Fragestellungen bedürfen einer näheren Erläuterung. Dies erfolgt in den nachfolgenden Absätzen.

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1 Einführung

Ziel der Forschungsarbeit ist es, einen Zugang zu den subjektiven Wahrnehmungen der Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs zu erhalten. So werden soziale Netzwerke sowie damit verbundene Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen unterschiedlich von Personen wahrgenommen und erlebt (Frage 1). Dabei sollen in Anlehnung an die Empfehlungen von Holz (2005, S. 99) je nach Relevanzsetzungen der Volksschuldirektor/innen verschiedene soziale Belastungen und Ressourcen, welche sich aus den vielfältigen sozialen Beziehungen zu unterschiedlichen Interaktionspartner/innen am Arbeitsplatz Schule ergeben, betrachtet werden. Unter strukturellen Aspekten (Frage 2) werden Parameter wie die Anzahl, Dauer und Häufigkeit der Kontakte oder aber die Größe des sozialen Netzwerkes verstanden, während sich funktionale Aspekte auf den Inhalt der sozialen Beziehungen (z.B. soziale Unterstützung, Konflikte) beziehen. In Hinblick auf das soziale Netzwerk wird bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass bislang lediglich eine programmatisch formulierte und keine eigenständige Netzwerktheorie existiert. Einen Grund hierfür dürfte unter anderem die ubiquitäre Verwendung des sozialen Netzwerkbegriffes darstellen (Bommes & Tacke, 2006, S. 37). In Hinblick auf die theoretische Fundierung des sozialen Netzwerkes herrschen unterschiedliche Betrachtungsweisen vor (Rürup, Röbken, Emmerich & Dunkake, 2015, S. 83). Im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen insbesondere sozialkonstruktivistische Ansätze. Sie verbinden die Strukturen eines Netzwerkes mit dem Interesse an der Phänomenologie von Sinnformen aus der Verstehenden Soziologie (vgl. Fuhse, 2008a; Hennig, 2006; Mützel, 2010). Im Zuge der Beantwortung der Frage 3 sollen konkrete Wirkweisen des sozialen Netzwerkes auf das individuelle Beanspruchungserleben ermittelt werden. Dabei sollen durch die Netzwerkperspektive die „kreuzenden“ Verbindungen zwischen Schuldirektor/innen und anderen Akteur/innen sowie der Charakter der Beziehungsformen in Hinblick auf deren Gesundheitsrelevanz untersucht werden (vgl. Hennig, 2006). Im Zuge der Beantwortung der letztangeführten Frage (Frage 4) soll ermittelt werden, welche Wahrnehmungs- und Deutungsmuster einzelne Schulleiter/innen gemeinsam haben und ob sich von daher Schulleitergruppen mit gleichen oder zumindest ähnlichen individuell wahrgenommenen Beziehungsmustern und damit verbundenen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen identifizieren lassen. Damit stellt die Entwicklung einer Schulleitertypologie in Hinblick auf das psychosoziale Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben eine weitere zentrale Zielsetzung der vorliegenden Arbeit dar. Konkret liegt der Forschungsarbeit im Kontext dieser Forschungsfrage das Gesundheitsverständnis des Soziologen Aaron Antonovsky (vgl. Antonovsky &

1.3 Methodik und Grundstruktur

11

Franke, 1997) zugrunde, wonach Gesundheit eine dynamische Interaktion zwischen belastenden und entlastenden Faktoren darstellt. Dabei bewegt sich eine Person stets auf einem Kontinuum zwischen den Polen Gesundheit und Krankheit. Ein ungünstiges Verhältnis zwischen diesen beiden Faktoren geht negativ mit dem gesundheitlichen Befinden bzw. dem Beanspruchungserleben einher. Im Zuge der vorliegenden Arbeit erfolgt keine spezielle Eingrenzung des Beanspruchungserlebens. Damit ist gemeint, dass die untersuchten Schuldirektor/innen auf Basis individueller Relevanzsetzungen von jeglichen Beanspruchungen – psychischer oder physischer, kurz- oder langfristiger Art – berichten sollten, die sie in Zusammenhang mit ihren sozialen Beziehungen bzw. ihrem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz bringen. Ein Schwerpunkt wurde allerdings auf die psychische Gesundheit bzw. das psychische Wohlbefinden als langfristige positive Beanspruchungsform gelegt. 1.3 Methodik und Grundstruktur Wie bereits erwähnt, hatten bislang überwiegend quantitative Studien die Gesundheit von Schuldirektor/innen zum Untersuchungsgegenstand. Nur vereinzelt liegen qualitative Untersuchungen zu diesem Thema vor. Über das „Geben isolierter Antworten auf isolierte Fragen“ (vgl. Witzel, 2000, S. 3) hinaus, ist jedoch ein vertiefter Einblick in die Gefühls- und Erlebenswelt von Schuldirektor/innen notwendig, um komplexe Zusammenhänge zwischen psychosozialen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen, die sich aus der individuellen Situation des/der jeweiligen Schuldirektors/in ergeben, rekonstruieren zu können. Dies kann mittels qualitativer Forschungsmethoden gelingen (vgl. Lamnek & Krell, 2010, S. 67ff). Die formulierten Ziele und Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit (s. Kapitel 1.2) sprachen für die Wahl eines eher qualitativ ausgerichteten Forschungsdesigns. Konkret wurden vor dem Hintergrund theoretischer Bezugsfelder bzw. unter Berücksichtigung der bisherigen Studienlage (s. Kapitel 1.1) problemzentrierte Interviews mit Volksschuldirektor/innen durchgeführt, die neben einem Kurzfragebogen durch den Einsatz von Netzwerkkarten um ein weiteres quantitatives Element ergänzt wurden. Ziel dieser Triangulation war vor allem die Erfassung sowohl qualitativer als auch quantitativer gesundheitsrelevanter Aspekte sozialer Netzwerke von Volksschuldirektor/innen im ausgewählten Bundesland Österreichs.

12

1 Einführung

1.3.1 Methodisches Vorgehen Zunächst erfolgte im Rahmen der Forschungsarbeit eine umfassende Literaturrecherche in österreichischen Bibliotheken sowie nationalen und internationalen Datenbanken, wobei in Anlehnung an die Ausführungen von Bortz & Döring (2006) zunächst aktuelle Übersichtsartikel und Sammelbände bearbeitet wurden, mithilfe derer wesentliche Theorien, Methoden und Befunde in Bezug auf das vorliegende Forschungsthema identifiziert werden konnten (S. 87-88). Erst anschließend erfolgte eine vertiefte Analyse von Einzelstudien sowie Monografien. Die Rechercheergebnisse wurden im Literaturverwaltungsprogramm Citavi 5.0 gesammelt, sortiert und exzerpiert. Die schließlich für das Verfassen der Arbeit verwendete Literatur erstreckt sich von Studien zur Schulleitergesundheit über einschlägige Quellen zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen sozialen Netzwerken und Gesundheit, Untersuchungen und Theorien aus dem Bereich der Arbeitswissenschaften bis hin zu methodischen Lehrbüchern. Die auf Basis der Literaturrecherche identifizierten theoretischen Bezugsfelder werden in Kapitel 3, Erkenntnisse zum Thema der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz Schule in Kapitel 4 dargestellt. Das methodische Konzept wird überblicksmäßig im Folgenden, ausführlich in Kapitel 5 beschrieben. Auf Basis des aktuellen Forschungsstandes sowie der relevanten Theorien, Modelle und Konzepte wurde im Zuge der Arbeit eine eigene empirische Erhebung durchgeführt. Im Zentrum stand die Analyse sogenannter ego-zentrierter Netzwerke, bei der Strukturen und Funktionen des eigenen Netzwerkes sowie Beziehungsmuster am Arbeitsplatz Schule aus Sicht des/der einzelnen Schulleiters/in in Hinblick auf deren Gesundheitsrelevanz bewertet wurden. Ego-zentrierte Netzwerkanalysen stellen den/die Einzelne/n als sogenannte fokale Person sowie das um sie verankerte soziale Netzwerk in den Mittelpunkt der Betrachtung. Eine Netzwerkanalyse erfolgt in der Soziologie traditionell mithilfe quantitativer Methoden. Der Ansatz, soziale Netzwerke mittels kombinierten Einsatzes von problemzentrierten Interviews und Netzwerkkarten zu analysieren, gilt hingegen als eher neu (vgl. Hollstein & Straus, 2006). Straus (2010) zufolge liegen dennoch bereits positive Erfahrungswerte für den gemeinsamen Einsatz von qualitativen Befragungen und Netzwerkkarten vor (S. 533). Während mithilfe qualitativer Verfahren Deutungen und Wahrnehmungen von Akteur/innen erfasst werden, ermöglicht die zusätzliche standardisierte Erfassung von Netzwerkstrukturen mittels Netzwerkkarten als „Kontrastfolie“ eine bessere Vergleichbarkeit von Fällen und das gezielte Erkennen von Unterschieden (Hollstein, 2006, S. 11-19). Häufig wird in der Literatur in diesem Kontext von qualitativer sozialer Netzwerkanalyse gesprochen (vgl. Hollstein & Straus, 2006). Diese Bezeichnung ist aus Sicht der Autorin der vorliegenden Arbeit jedoch aufgrund der Tatsache, dass

1.3 Methodik und Grundstruktur

13

damit lediglich offener gestaltete Varianten quantitativer Netzwerkanalysen bzw. ein Methoden-Mix und weniger vollständige qualitative Netzwerkanalysen gemeint sind (vgl. Diaz-Bone, 2008; Herz, Peters & Truschkat, 2015), nicht angemessen. Aus diesem Grund ist in der vorliegenden Forschungsarbeit von „triangulativer sozialer Netzwerkanalyse“ die Rede, auch wenn dieser Begriff in den Sozialwissenschaften bislang kaum etabliert ist. Der Innovationsgrad des methodischen Designs der vorliegenden Arbeit wird in Kapitel 5 vor dem Hintergrund bisheriger Studien im Bereich der Netzwerkforschung diskutiert, das konkrete Vorgehen in Kapitel 6 kritisch reflektiert. 1.3.2 Aufbau der Arbeit Abbildung 1 gibt einen Überblick über den inhaltlichen Aufbau der vorliegenden Arbeit sowie die Intention der einzelnen Kapitel.

Abbildung 1:

Aufbau der Arbeit, Quelle: Eigene Erstellung

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1 Einführung

Der Hauptteil der Arbeit gliedert sich in zwei Teile, die theoretische Grundlegung (Theorie-Teil) und den empirischen Part (Empirie-Teil). Der Theorie-Teil umfasst dabei drei zentrale Kapitel: Zunächst werden die für das Verständnis der Arbeit notwendigen Entwicklungen im österreichischen Schulbereich und ihre Auswirkungen auf die Schulleiterrolle aus soziologischer Sicht sowie wesentliche Charakteristika der Schule als soziales System erläutert (s. Kapitel 2). Kapitel 3 hat die Funktion, die für die Forschungsarbeit relevanten theoretischen Bezugsfelder, nämlich das Konzept des sozialen Netzwerkes und dessen Gesundheitsrelevanz auf der einen Seite, arbeitswissenschaftliche Konzepte und Modelle zum Zusammenhang zwischen Arbeit und Gesundheit auf der anderen Seite, darzustellen und sie auf das Forschungsthema der Schulleitergesundheit zu übertragen. Kapitel 4 widmet sich dem Stand der Forschung zur Gesundheit von Lehrkräften und Schuldirektor/innen. Im Empirie-Teil der Arbeit (s. Kapitel 5) wird die eigene empirische Erhebung vorgestellt. Dabei erfolgen zunächst Ausführungen zu methodologischen und methodischen Grundlagen. An die ausführliche Darstellung des methodischen Vorgehens inklusive des Auswertungsverfahrens schließen sich die Präsentation und Interpretation der Ergebnisse an. In Kapitel 6 erfolgen schließlich ein zusammenfassendes Resümee, eine kritische Bewertung der methodischen Herangehensweise an das Forschungsthema, Schlussfolgerungen für die Forschung und Praxis sowie ein Ausblick. 1.4 Wissenschaftliche und praktische Relevanz Die vorliegende Forschungsarbeit leistet einen Beitrag dazu, die in Kapitel 1.1 aufgezeigten Forschungslücken zu füllen. Ziel ist eine umfassende qualitative Erfassung des Erlebens belastender und ressourcenstärkender Faktoren des sozialen Netzwerkes österreichischer Volksschuldirektor/innen am Arbeitsplatz. Dabei baut das geplante Vorhaben auf der Erkenntnis auf, dass soziale Beziehungen als Elemente eines sozialen Netzwerkes sowohl als Belastung als auch als Ressource wirken können (vgl. Borgetto & Kälble, 2007). Bruns (2013) zufolge sind aufgrund der steigenden Anzahl psychischer Erkrankungen in der Gesellschaft umfassende Forschungsaktivitäten zur Gesundheitsrelevanz sozialer Beziehungen und Netzwerke dringend erforderlich (S. 89). Dies betrifft insbesondere Untersuchungen am Arbeitsplatz (Abbott, 2009, S. 301). Pionierarbeiten zum Einfluss sozialer Beziehungen auf Gesundheit, Krankheit und Wohlbefinden liefern etwa Leonard Syme und Lisa Berkman, James House sowie Ichiro Kawachi. Die Ergebnisse einer Studie von Holt-Lunstad, Smith & Layton (2010) treiben die wissenschaftliche und praktische Relevanz der Untersuchung des Zusammenhangs

1.4 Wissenschaftliche und praktische Relevanz

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zwischen sozialen Beziehungen und Gesundheit auf die Spitze: Den Autor/innen zufolge beeinflussen soziale Beziehungen die Mortalität in gleichem Maße wie Rauchen und Alkoholkonsum. Bestehende Forschungsbemühungen zum Einfluss sozialer Beziehungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden zeichnen sich dadurch aus, dass zumeist entweder belastende oder ressourcenstärkende Faktoren im Zentrum der Betrachtung stehen. So wurden und werden psychosoziale Belastungen – zumeist in Form von Mobbing – sowie psychosoziale Ressourcen – zumeist in Form von sozialer Unterstützung – bislang als Konstrukte meistens isoliert voneinander untersucht (Grande, 2010, S. 129). Im Sinne des Gesundheitsverständnisses von Aaron Antonovsky, welches der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt (s. Kapitel 3.2.1.1), sowie zahlreicher Modelle zur Erklärung des Beanspruchungserlebens am Arbeitsplatz (s. Kapitel 3.2.2) erscheint jedoch gerade die Erforschung des Wechselspiels „beider Seiten der Medaille“ notwendig zu sein. Zwar existieren in der Medizinund Gesundheitssoziologie bereits modellhafte Darstellungen und Erklärungsversuche zu den Relationen von sozialen Netzwerken, sozialen Beziehungen, sozialer Unterstützung, Sozialkapital, sozialen Belastungen und diversen Beanspruchungsfolgen (vgl. Borgetto & Kälble, 2007; House, 1987; House, Umberson & Landis, 1988), allerdings mangelt es an Erkenntnissen zu den konkreten Wirkmechanismen. Abbott (2009) drückt diesen Forschungsbedarf – der bis heute besteht – folgendermaßen aus: „Social capital, social networks, social support and health have all been linked, both theoretically and empirically. However, the relationships between them are far from clear […] measures used inadequately reflect the complexity and ambivalence of social relationships, often assuming that all social ties and contacts are of similarly value, are mutually reinforcing, and, in some studies, are based on neighbourhoods.” (S. 298)

Borgetto & Kälble (2007) betonen, dass die Medizinsoziologie explizit danach fragen sollte, welche Arten sozialer Strukturen und Prozesse als belastend und welche als unterstützend wahrgenommen werden (S. 52). Hierüber herrscht derzeit noch Unklarheit (vgl. Bauch, 2000, S. 152; Hurrelmann, 2003, S. 142; Pfaff et al., 2011, S. 39ff). Rothland (2007b) fordert zudem speziell in der Lehrer- und Schulleitergesundheitsforschung eine umfassende Bestimmung der Wirkungszusammenhänge psychosozialer Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen. Die wissenschaftliche Untersuchung sozialer Arbeitsbedingungen an Schulen und deren Dynamik erweist sich insbesondere aufgrund der Vielfalt potenzieller gesundheitsrelevanter Effekte als besonders erstrebenswert (vgl. Stegmann, 2008, S. 371).

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1 Einführung

Wie erläutert wurde, dominieren in der traditionellen Netzwerkforschung quantitative Ansätze, während qualitative Erhebungen nur vereinzelt durchgeführt werden. Abbott (2009) fordert in Bezug auf die Forschung zum Einfluss sozialer Netzwerke und Beziehungen auf die Gesundheit: „More qualitative research is needed, building on what already exists to explore those relationships“ (S. 303). Den genannten Forderungen versucht die vorliegende Arbeit nachzukommen. Da soziale Netzwerke gemäß Bruns (2013) innerhalb eines bestimmten sozialräumlich begrenzten Settings analysiert werden sollten (S. 231), erfolgt dies am Beispiel von Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs, die ihren beruflichen Aufgaben in einer sozial besonders komplexen Organisation nachkommen (s. Kapitel 2.3). Dabei nimmt die Forschungsarbeit einen gesundheitssoziologischen Blickwinkel ein. Neben der wissenschaftlichen Relevanz des Themas ist auch der potenzielle praktische Nutzen der Arbeit nicht zu vernachlässigen. So soll die Arbeit einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, ein höheres Bewusstsein für die Bedeutung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens von Schulleiter/innen in der Wissenschaft, Politik und Praxis zu schaffen. Die Bewusstseinsbildung scheint dringend notwendig zu sein, prägen Schuldirektor/innen als Führungskräfte im „Unternehmen Schule“ doch wesentlich die Leistungsfähigkeit, Zufriedenheit und Gesundheit von Lehrkräften, aber auch von Schüler/innen (vgl. Weber et al., 2004). Dabei ist es naheliegend, dass die Gesundheit und das Wohlbefinden von Schuldirektor/innen wesentliche Voraussetzungen hierfür sind. Nur wenn diese auf wissenschaftlicher Ebene adäquat untersucht und daraus ableitend auf politischer und praktischer Ebene gefördert werden, können Schuldirektor/innen ihren zunehmenden Aufgaben und Anforderungen nachkommen und das Konzept der „guten gesunden Schule“ Realität werden lassen.

2

Rahmenbedingungen

In unserer Gesellschaft fanden in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche kulturelle, ökonomische und ökologische Veränderungen statt. Diese machten auch vor dem Bildungssystem nicht Halt und stellen es vor neue Herausforderungen. Dazu zählen Huber (2009) zufolge insbesondere die wachsende Multikulturalität und Vielseitigkeit einer pluralistischen, postmodernen und globalisierten Gesellschaft; der globalisierte Informationsmarkt; veränderte Familienstrukturen; Themen der Umweltverschmutzung sowie Forderungen nach einem effizienten Mitteleinsatz (S. 13). Im US-amerikanischen Raum sowie in vielen europäischen Ländern – auch in Österreich – wuchsen damit verbunden in den vergangenen Jahren die Anforderungen an Schulen und deren pädagogische Steuerung. Trotz der teilweise gravierenden Unterschiede im Aufbau und in den Strukturen nationaler Bildungssysteme zeigen sich in den Entwicklungen durchaus Parallelen (Huber, 2009, S. 1213). Neben einer steigenden Kompetenzorientierung und dem Ruf nach „guten, gesunden Schulen“ zeichnen sich nahezu alle Länder durch eine zunehmende Ausweitung der Gestaltungsspielräume einzelner Schulen aus. Mit dieser wachsenden Selbstständigkeit von Schulen ist die Hoffnung auf Qualitäts-, Schulerfolgs- und Effizienzgewinn verbunden (vgl. Baeriswyl et al., 2013). Reformen und Entwicklungen auf bildungspolitischer Ebene, wie die Bemühungen um eine zunehmende Autonomisierung einzelner Schulen, haben auch Auswirkungen auf Erwartungen, Tätigkeiten und Rollen der Schulleitung und resultieren vor allem in einem immer breiteren Anforderungs- und Kompetenzprofil dieser Berufsgruppe. In der vorliegenden Arbeit sind die vielfältigen Strukturen der Schulpolitik bzw. Interaktionen im Schulsystem und weniger die eingangs erwähnten gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, die lediglich die Rahmenbedingungen hierfür bilden, von Interesse. In diesem Kapitel werden daher zunächst wesentliche Rahmenbedingungen des österreichischen Schulsystems, insbesondere dessen Aufbau, Organisation und Aufgaben sowie aktuelle, für das vorliegende Forschungsthema relevante bildungspolitische Entwicklungen dargestellt. Diese Themen beziehen sich auf die Makroebene des Sozialen. Ergänzend dazu erfolgt auf der Mesoebene die Betrachtung der Schule als einzelne Organisation. Eine Analyse der Charakteristika auf © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Szabo, Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27208-1_2

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2 Rahmenbedingungen

der Makro- und Mesoebene in Hinblick auf deren Relevanz für die Rolle der Schulleitung (= Mikroebene) bilden den Abschluss dieses Kapitels. Ziel ist es, ein gemeinsames Verständnis für die Arbeitssituation sowie die Verortung der Schulleitung im österreichischen Schulsystem, insbesondere in der Organisation Schule, zu erhalten. Die Relevanz dieses Kapitels für die vorliegende Arbeit wird vor dem Hintergrund der Tatsache deutlich, dass gemäß einigen Studienerkenntnissen Reform- und Veränderungsdruck, vor allem Autonomisierungsbestrebungen, für Schulleitungen häufig belastend wirken (vgl. Baeriswyl et al., 2013; Bilz & Melzer, 2011; Nido et al., 2008; Phillips et al., 2007; Weber et al., 2004). Gleichzeitig sind auch die vielfältigen Rollenanforderungen an die Schulleitung, die sich durch Reformen und Entwicklungen verändern, mit potenziellen Belastungen verbunden. Volksschulen und deren Leitungen erhalten aufgrund des Schwerpunktes der Untersuchung in den folgenden Ausführungen eine besondere Aufmerksamkeit. 2.1 Das österreichische Schulsystem „Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.“

– So heißt es in §2 Absatz (Abs.) 1 des Bundesgesetzes über die Schulorganisation (Schulorganisationsgesetz, SchOG). Über diese gesetzlich definierte Aufgabe von Schulen in Österreich hinaus, wird in bildungswissenschaftlicher Literatur gefordert, dass Bildungseinrichtungen „auf das Leben vorbereiten“ und Schüler/innen mit wichtigen Inhalten „vertraut machen“ sollen (Friehs, 2008, S. 56). Bildung stellt somit die Kernaufgabe einer Schule dar. Der Begriff der Bildung wird im deutschsprachigen Raum sehr vielfältig verwendet. Damit verbunden ist ein unbestimmter und vager Bedeutungsgehalt. Das Wort wird daher auch als „Problembegriff“ oder „semantisches Gefängnis“ bezeichnet. An dieser Stelle soll die bereits seit Jahrzehnten laufende Diskussion rund um eine einheitliche Definition von Bildung nicht geführt werden. Stattdessen wird nur darauf hingewiesen, dass der Terminus in der vorliegenden Arbeit vor allem als Zielausrichtung schulischen Lehrens und Lernens betrachtet wird. Schulen sind Einrichtungen, die Kinder und Jugendliche systematischen und organisierten Lernprozessen unterwerfen und sie zu „gebildeten“ Menschen heranziehen (Friehs, 2004, S. 40, 49).

2.1 Das österreichische Schulsystem

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Die Begriffe Schulsystem und Bildungssystem werden in der vorliegenden Arbeit synonym verwendet. Nachfolgend wird zunächst ein kurzer Überblick über den Aufbau und die Organisation des österreichischen Schulsystems gegeben. 2.1.1 Aufbau und Organisation des österreichischen Schulsystems Das österreichische Schulsystem ist traditionell zentral organisiert und zeichnet sich durch eine stark reglementierte Struktur aus. Gesetzgebung und Verwaltung im Schulwesen erfolgen durch den Bund. Die Ausführungsverantwortung liegt jedoch bei pädagogischen Instituten (Landesschulräte) der neun Bundesländer (vgl. Rosenbusch et al., 2006). Jedes Bundesland ist somit für die Erlassung von Ausführungsgesetzen und deren Vollziehung selbst zuständig. Die Schule wird im österreichischen Rechtsstaat als eine Einrichtung der Gesetzesvollziehung (Verwaltung) betrachtet. Schulleiter/innen und Lehrer/innen sind somit in ihrer Tätigkeit an Gesetze, Verordnungen und Erlässe gebunden und werden von der sogenannten Schulinspektion sowie den Landesschulräten beaufsichtigt (Friehs, 2004, S. 88). Aufgaben, die in diesen rechtlichen Grundlagen definiert sind, sollen der Einhaltung von Mindeststandards im österreichischen Schulsystem dienen. Grundlage für die Gesetzgebung und Verwaltung des Schulwesens in Österreich bildet die Bundesverfassung des Staates (B-VG), in welcher die Schule als eine öffentliche, also vom Staat zu erfüllende Aufgabe geregelt ist (Friehs, 2004, S. 89). Ohne näher auf das österreichische Schulrecht einzugehen, soll an dieser Stelle auf einschlägige Gesetze und Verordnungen hingewiesen werden. Wichtige Gesetze und Verordnungen stellen das Schulorganisationsgesetz (SchOG), das Schulunterrichtsgesetz (SchUG), das Bundes-Schulaufsichtsgesetz, das Schulpflichtgesetz (SchPflG), das Privatschulgesetz (PrivSchG), das Religionsunterrichtsgesetz (RelUG), das Schulzeitgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz (BLVG), die Schulleiter-Zulagenverordnung (SL-ZV), das Gehaltsgesetz (GehG), das Beamten-Dienstrechtsgesetz (BDG), das Pensionsgesetz (PensionsG), das Vertragsbedienstetengesetz (VBG) sowie das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG) dar. In den folgenden Ausführungen wird auf einzelne Passagen dieser genannten Gesetzestexte bzw. Verordnungen Bezug genommen. Die Aufgaben und Funktionen von österreichischen Schulen sind – wie bereits aus dem in Kapitel 2.1 einführenden Zitat hervorgeht – im SchOG geregelt. Darin wird auch der Aufbau des österreichischen Schulsystems definiert. Allgemein wird festgehalten, dass „das österreichische Schulwesen in seinem Aufbau eine Einheit darstellt [und seine] Gliederung durch die Alters- und Reifestufen, die

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2 Rahmenbedingungen

verschiedenen Begabungen und durch die Lebensaufgaben und Berufsziele bestimmt wird.“ (§3 Abs. 1 SchOG) Schulen lassen sich demnach auf zwei mögliche Arten unterteilen und zwar 1. 2.

nach ihrem Bildungsinhalt in a. allgemeinbildende Schulen und b. berufsbildende Schulen sowie nach ihrer Bildungshöhe in c. Primarschulen und d. Sekundarschulen (§3 Abs. 2 SchOG).

Zu den Primarschulen zählen Volksschulen bis einschließlich der 4. Schulstufe sowie entsprechende Stufen der Sonderschule. Sekundarschulen sind die Oberstufe der Volksschulen (entspricht den vier Schulstufen von Hauptschulen), Hauptschulen, polytechnische Schulen, Akademien, entsprechende Stufen der Sonderschulen, Berufsschulen, Mittlere Schulen, allgemeinbildende höhere Schulen und berufsbildende höhere Schulen (Friehs, 2004, S. 56). Seit Herbst 2012 gehören dazu auch Neue Mittelschulen. Die von Friehs (2004) angeführten Hauptschulen wurden im Schuljahr 2015/16 gänzlich von den Neuen Mittelschulen „abgelöst“. Bildung beginnt in Österreich bereits vor Einsetzen der Schulpflicht in Kinderbetreuungseinrichtungen wie Kinderkrippen und Kindergärten. Diese Stufe wird nach der „International Standard Classification of Education“ (ISCED) als ISCED 0 Stufe bezeichnet. Die allgemeine Schulpflicht setzt schließlich mit dem 6. Lebensjahr ein. Die meisten Kinder besuchen eine Volksschule, ein geringer Teil die Sonderschule (ISCED 1), welche auch die Sekundarstufe I (ISCED 2) abdeckt. Schulpflichtige, aber noch nicht schulreife Kinder werden zunächst in der Vorschulstufe einer Volksschule unterrichtet. Im Anschluss an die vierjährige Primarstufe besteht die Möglichkeit, eine Hauptschule bzw. Neue Mittelschule oder eine allgemeinbildende höhere Schule (ISCED 2) zu besuchen. Eine Schulpflicht besteht in Österreich bis zur 9. Schulstufe (vgl. Statistik Austria, 2018b). Kritisch lässt sich resümieren, dass Österreichs Kinder und Eltern vor allem in den ersten Jahren aufgrund des streng gegliederten Bildungssystems häufig verschiedene Institutionen mit unterschiedlichen Strukturen, Zuständigkeiten und zugrundeliegenden pädagogischen Konzepten durchlaufen. Herausforderungen in Hinblick auf einen bruchlosen Übergang liegen unter anderem auch in mangelnden Zeit- und Personalressourcen für eine wirksame Nahtstellenbegleitung (Beutel, 2013, S. 105). Auf nähere Ausführungen zu einzelnen Schulformen und Zugangsberechtigungen wird in der vorliegenden Arbeit verzichtet, da im Zentrum

2.1 Das österreichische Schulsystem

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des Forschungsinteresses ausschließlich die Schulform der Volksschule steht. Auf deren Spezifika wird nachfolgend eingegangen. 2.1.2 Die österreichische Volksschule Mit dem Eintritt in die Volksschule beginnt die österreichische Schulpflicht. Die Volksschule umfasst in der Regel vier Schulstufen (ISCED 1). Auf der ISCED 1Stufe erhalten Schüler/innen eine Elementarbildung. In einzelnen Gemeinden Österreichs, meistens in jenen, in deren Nähe keine Neue Mittelschule verfügbar ist, existieren Volksschulen, die acht Schulstufen umfassen und somit auch die Stufe ISCED 2 abdecken (vgl. Statistik Austria, 2018b). Die Volksschule selbst gliedert sich weiter in die Grundstufe I (Vorschulstufe, 1. und 2. Schulstufe), die Grundstufe II (3. und 4. Schulstufe) sowie in Ausnahmefällen eben die Volksschuloberstufe. Für die 1. bis 4. Schulstufe wird der Überbegriff der Grundschule verwendet (Wohlhart et al., 2016, S. 17). In der vorliegenden Forschungsarbeit finden ausschließlich vierstufige Volksschulen (inkl. Vorschule) Berücksichtigung. Aus diesem Grund werden die beiden Begriffe „Volksschule“ und „Grundschule“ in dieser Arbeit synonym verwendet. Volksschulen sind in Österreich in der Regel Halbtagsschulen. Sie können jedoch auch – abhängig vom Wunsch der Eltern – als Ganztagsschule in getrennter oder verschränkter Form von Unterricht und Betreuung geführt werden (Wohlhart et al., 2016, S. 18). Gemäß dem internationalen Schulstufensystem sollen Schüler/innen in Volksschulen solide Grundkenntnisse in Lesen, Schreiben und Mathematik sowie ein Grundverständnis für andere Fächer wie Geschichte, Geografie, Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Kunst und Musik erhalten (vgl. Statistik Austria, 2018b). Pflichtgegenstände und verbindliche Übungen sind in der österreichischen Volksschule somit Deutsch, Lesen, Schreiben, Mathematik, Sachunterricht, Musikerziehung, Bildnerische Erziehung, Technisches und Textiles Werken, Bewegung und Sport, Religion, Lebende Fremdsprache und Verkehrserziehung. Die Gewichtung dieser Fächer im Lehrplan erfolgt durch die Zuordnung von Wochenstunden, wobei die einzelne Schule die Möglichkeit hat, diese Gewichtung eigenständig geringfügig abzuändern. Die Entscheidung über die Abhaltung von Förderunterricht, unverbindlichen Übungen sowie Freigegenständen liegt im Kompetenzbereich der Einzelschule (Wohlhart et al., 2016, S. 20). Newsom & Mickelson (1949) schreiben den „elementary schools“ (Elementarschulen) in den Vereinigten Staaten – in Österreich sind diese mit den Schulstufen 1 bis 4 der Volksschulen zu vergleichen, wobei die elementary schools im Allgemeinen auch die Schulstufen 5 und 6 umfassen – die wichtigste Rolle im

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2 Rahmenbedingungen

gesamten Schulsystem zu. Dies begründen sie mit drei Tatsachen, die auch für Österreich in ähnlicher Weise gelten: 1. 2. 3.

Elementarschulen stellen allen Kindern Bildung zur Verfügung. Es werden im Vergleich zu anderen Schulen zweimal so viele Kinder eingeschrieben. Elementarschulen kommt die Hauptverantwortung für die Entwicklung von Idealen und Einstellungen bei Kindern, welche für eine effektive Teilhabe an der demokratischen Gesellschaft notwendig sind, zu. Elementarschulen bilden die Basis für das Lernen in späteren Jahren (S. 20).

Auch in Österreich hat die Volksschule eine Schlüsselfunktion. Sie prägt einen Lebensabschnitt, der die Richtung der Entwicklung von Kindern wesentlich mitbestimmt und ist als grundlegende Schule für den Erwerb von Kulturtechniken sowie Denk- und Handlungsweisen zuständig (vgl. Einsiedler, 2014; Schorch, 2007; Wolf, 2012). Volksschulen lassen sich gemäß den Ausführungen im SchOG den allgemeinbildenden Schulen bzw. den Primarschulen zuordnen und sind zugleich Pflichtschulen. Sie können in Österreich öffentlich oder aber privat geführt werden. In §8 des SchOG werden öffentliche Schulen als Schulen definiert, „die von gesetzlichen Schulerhaltern errichtet und erhalten werden.“ Zu den gesetzlichen Schulerhaltern zählen im Allgemeinen Gemeinden, Bundesländer sowie der Bund, wobei dies vom Schultyp abhängt (vgl. Statistik Austria, 2018b). Im Fall der Volksschulen gelten gemäß Artikel (Art.) 14 Abs. 3 B-VG die jeweiligen Bundesländer als gesetzliche Schulerhalter. Schulen, die vom gesetzlichen Schulerhalter errichtet und erhalten werden, sind als öffentliche Schulen gemäß Art. 14 Abs. 6 B-VG für jede/n unter den gesetzlichen Voraussetzungen zugänglich. In Österreich gelten häufig Gemeinden als Schulerhalter der Volksschulen. Personell gesehen unterliegen die Volksschulen jedoch der jeweiligen Verwaltung auf Bundeslandebene (Wohlhart et al., 2016, S. 18). Privatschulen sind im Vergleich dazu jene Schulen, „die von anderen als den gesetzlichen Schulerhaltern errichtet und erhalten werden und gemäß den Bestimmungen des Privatschulgesetzes, BGBl. [Bundesgesetzblatt] Nr. 244/1962, zur Führung einer gesetzlich geregelten Schulartbezeichnung berechtigt sind.“ Privatschulen können somit von jemand anderem als dem gesetzlichen Schulerhalter errichtet werden (vgl. Art. 14 Abs. 6 B-VG). In Kapitel 2.1.3 wird gezeigt, dass in Österreich die meisten Volksschulen öffentliche Schulen sind. Im SchUG finden sich weitere Bestimmungen für öffentliche und mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen. Das Gesetz regelt die innere Ordnung des Schulwesens als Grundlage des Zusammenwirkens von Lehrer/innen,

2.1 Das österreichische Schulsystem

23

Schüler/innen und Erziehungsberechtigten als Schulgemeinschaft. Einzelne Ausführungen dazu erfolgen in Kapitel 2.3. §9 des SchOG widmet sich explizit den Aufgaben der österreichischen Volksschule. Die Ausführungen sind jedoch weder besonders inhaltsreich noch konkret. Dies meinen auch Wohlhart et al. (2016). Ihnen zufolge ist der Bildungsauftrag von Volksschulen in Österreich sehr weit gefasst und gleichzeitig wenig fokussiert. Im Sinne einer allgemeinbildenden Schule soll diese Schulform eine ausgewogene Bildung im sozialen, emotionalen, intellektuellen und körperlichen Persönlichkeitsbereich sicherstellen. Je nach individuellen Voraussetzungen von Schüler/innen soll die Volksschule Lernfreude vermitteln; das Vertrauen der Schüler/innen in die eigenen Leistungen stärken; soziale Handlungsfähigkeit entwickeln; kommunikative Fähigkeiten ausbauen; zu bewusstem, selbstständigem, zielerreichendem Lernen hinführen und eine angemessene Lern- und Arbeitshaltung schaffen. „Daneben“ sollen – wie es im internationalen Schulstufensystem gefordert wird – grundlegende Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Einsichten und Einstellungen vermittelt werden, die dem Erlernen elementarer Kulturtechniken, einer sachgerechten Begegnung und Auseinandersetzung mit der Umwelt sowie einer Entfaltung im musisch-technischen und körperlich-sportlichen Bereich dienen (S. 19-20). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Volksschule als erste verpflichtende Bildungseinrichtung für Schüler/innen eine hohe Bedeutung für die Bildung innerhalb unserer Gesellschaft zukommt. In der Führung von Volksschulen nimmt die Landesverwaltung, insbesondere der Landesschulrat, eine zentrale Rolle ein. Die Volksschule bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen gesetzlichen Vorgaben und individuellen Gestaltungsspielräumen. So sind Aufgaben und Funktionen von Volksschulen in Österreich zwar gesetzlich definiert, allerdings sind diese häufig recht breit formuliert. Diese Tatsache wird von Bildungswissenschaftler/innen und Fachdidaktiker/innen immer wieder kritisch diskutiert und in Kapitel 2.2 der vorliegenden Arbeit thematisiert. 2.1.3 Ausgewählte Kennzahlen des österreichischen Schulwesens In diesem Kapitel werden Zahlen, Daten und Fakten zum österreichischen Schulsystem dargestellt. Konkret wird auf die Anzahl der Schulen, Schülerzahlen, Informationen zum Lehrpersonal, Budgetausgaben sowie Schulleistungen von Schüler/innen eingegangen. Dies soll ein Verständnis für die Größe und die Leistungen des österreichischen Schulwesens schaffen. Dabei werden die Zahlen aus

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2 Rahmenbedingungen

jenem Schuljahr dargestellt, in dem die empirische Untersuchung (s. Kapitel 5) durchgeführt wurde (Schuljahr 2016/17). Die Zahlen sind von Relevanz für die vorliegende Forschungsarbeit, da Schulleitungen für die Führung dieser Schulen zuständig sind und eine gewisse Verantwortung für das Lehrpersonal sowie die Schüler/innen übernehmen (s. Kapitel 2.4). 2.1.3.1 Anzahl der Schulen Im Schuljahr 2016/17 gab es in Österreich insgesamt 6.030 Schulen, von denen 87% öffentlich waren (5.275). 4.509 aller Schulen Österreichs waren allgemeinbildende Pflichtschulen, also Volksschulen, Hauptschulen, Neue Mittelschulen, Sonderschulen und polytechnische Schulen. Konkret die Zahl der Volksschulen belief sich in Österreich im Schuljahr 2016/17 auf 3.040. Volksschulen machten somit 67% aller allgemeinbildenden Pflichtschulen 50% aller Schulen Österreichs aus. Nahezu alle Volksschulen (96%) wurden öffentlich geführt. In Hinblick auf den Schulerhalter ist zu erwähnen, dass der Großteil aller Schulen Österreichs (4.352; 72%) von Gemeinden geführt wurde, im Volksschulbereich lag der Anteil sogar bei 96% (vgl. Statistik Austria, 2018a). Tabelle 1 fasst die wesentlichen, für die Arbeit relevanten Schulzahlen zusammen. Tabelle 1:

Zusammenschau von Schulzahlen in Österreich, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Statistik Austria (2018a)

Schulen insgesamt davon allgemeinbildende Pflichtschulen davon Volksschulen

gesamt 6.030 4.509

davon öffentlich 5.275 4.317

3.040

2.923

In den 6.030 Schulen Österreichs wurden im Schuljahr 2016/17 insgesamt 55.295 Klassen geführt. Speziell an Volksschulen waren es 18.042 (vgl. Statistik Austria, 2018a).

2.1 Das österreichische Schulsystem

25

2.1.3.2 Anzahl der Schüler/innen Die Zahl der Schüler/innen in schulpflichtigem Alter wird in Österreich fast ausschließlich durch die Bevölkerungsentwicklung bestimmt. Demnach ist, insbesondere was Volksschulen betrifft, ein Rückgang der Schülerzahlen seit der Jahrtausendwende feststellbar, wobei sich laut Prognosen in den nächsten Jahren die Volksschülerzahlen nur kaum verändern werden (vgl. Statistik Austria, 2018b; Vogtenhuber, Lassnigg, Bruneforth, Edelhofer-Lielacher & Siegle, 2016). An Österreichs Schulen lernten im Schuljahr 2016/17 1.130.523 Kinder und Jugendliche, rund 90% davon (1.013.473) in öffentlichen Schulen. 574.486 Schüler/innen besuchten allgemeinbildende Pflichtschulen, explizit in Volksschulen waren in diesem Schuljahr 335.854 Kinder eingeschrieben. Prozentuell betrachtet lag der Anteil der Volksschüler/innen an allen Schüler/innen allgemeinbildender Pflichtschulen in Österreich bei 58%, der Anteil an der Gesamtschülerzahl bei 30%. Der Großteil österreichischer Volksschüler/innen (95%) lernte an öffentlichen Volksschulen (vgl. Statistik Austria, 2018a). Tabelle 2 fasst die wesentlichen für die Arbeit relevanten Schülerzahlen in Österreich zusammen. Tabelle 2:

Zusammenschau von Schülerzahlen in Österreich, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Statistik Austria (2018a)

gesamt Schüler/innen insgesamt davon Schüler/innen in allgemeinbildenden Pflichtschulen davon Volksschüler/innen

1.130.523 574.486

davon in öffentlichen Schulen 1.013.473 545.189

335.854

318.721

In Hinblick auf die zu Beginn des Kapitels 2 hingewiesene Herausforderung einer multikulturellen Gesellschaft ist darauf hinzuweisen, dass etwa 30% aller Volksschüler/innen (Schulstufen 1 bis 4 inkl. Vorschule) in Österreich im Schuljahr 2016/17 eine andere Alltagssprache als Deutsch aufwiesen. Aufgrund der regionalen Ungleichverteilung punkto Zuwanderung lag der Anteil in Großstädten und Ballungsräumen deutlich höher als in ländlichen Regionen (vgl. Statistik Austria, 2018a). Im Durchschnitt setzte sich eine Klasse in Österreichs Schulen im Schuljahr 2016/17 aus 20 Schüler/innen zusammen. Speziell in Volksschulen ohne Vorschulstufe und Sonderschulen lag die durchschnittliche Schülerzahl pro Klasse bei 18,8 (vgl. Statistik Austria, 2018a).

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2 Rahmenbedingungen

Im Längsschnitt betrachtet ist seit dem Schuljahr 2000/01 aufgrund der sinkenden Schülerzahlen im Allgemeinen ein Rückgang der Zahl an Kindern pro Klasse im Pflichtschulbereich feststellbar (vgl. Statistik Austria, 2018b; Vogtenhuber, Lassnigg et al., 2016). Mit ein Grund hierfür ist die Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen an Volksschulen, Hauptschulen, Neuen Mittelschulen, der Unterstufe allgemeinbildender höherer Schulen sowie an polytechnischen Schulen im Schuljahr 2007/08 auf 25 (vgl. Statistik Austria, 2018b). 2.1.3.3 Anzahl der Lehrer/innen In §13 des SchOG werden die Rollen und Aufgaben von Volksschullehrer/innen definiert. Konkret heißt es in §13 Abs. 1 SchOG, dass „der Unterricht in jeder Volksschulklasse – abgesehen von einzelnen Unterrichtsgegenständen und einzelnen Unterrichtsstunden – durch einen Klassenlehrer zu erteilen ist.“ Ein/e zusätzliche/r Lehrer/in kann für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, bei gemeinsamer Führung von Schulstufen der Grundstufe oder aber für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache, welche die Unterrichtssprache nicht ausreichend beherrschen, eingesetzt werden. Neben den Klassenlehrer/innen sind für Volksschulen weitere erforderliche Lehrer/innen für einzelne Gegenstände zu bestellen (vgl. §3 Abs. 2 SchOG). Neben dem SchOG stellt – insbesondere was Volksschullehrer/innen betrifft – das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG) eine zentrale gesetzliche Grundlage für den personellen Einsatz von Lehrkräften dar. Es wurde für im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehende Landeslehrer/innen erlassen. Für Landesvertragslehrer/innen gilt das Landesvertragslehrergesetz in Zusammenhang mit dem Vertragsbedienstetengesetz (VBG). Während sich die Klassenzahlen in Österreich trotz rückläufiger Schülerzahlen seit 1980 kaum verändert haben, kann bis zum letzten Jahrzehnt ein starker Anstieg der Lehrerzahlen beobachtet werden. Dementsprechend liegt die Schülerzahl pro Lehrkraft heute deutlich niedriger als noch vor einigen Jahren (1980/81: 14, 2000/01: 10, 2013/14: 9) (Vogtenhuber, Lassnigg et al., 2016, S. 38). An Österreichs Schulen lehrten im Schuljahr 2016/17 insgesamt 127.896 Lehrer/innen. 73.837 dieser Lehrer/innen unterrichteten an allgemeinbildenden Pflichtschulen. Speziell in österreichischen Volksschulen waren im Schuljahr 2016/17 35.120 Lehrer/innen tätig. Damit machten Volksschullehrer/innen in Österreich rund 48% der Lehrerschaft an allen allgemeinbildenden Pflichtschulen und 27% der gesamten Lehrerschaft in Österreich aus (vgl. Statistik Austria, 2018a).

2.1 Das österreichische Schulsystem

27

Geschlechtsspezifisch betrachtet sind die meisten aktiven Lehrer/innen an Schulen weiblich (73%). Besonders die Volksschullehrerschaft wird von Frauen dominiert (92%). Die folgende Tabelle fasst die wesentlichsten für die vorliegende Arbeit relevanten Kennzahlen zu Lehrkräften in Österreich zusammen. Tabelle 3:

Zusammenschau von Lehrerzahlen in Österreich, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Statistik Austria (2018a)

Lehrer/innen insgesamt davon Lehrer/innen in allgemeinbildenden Pflichtschulen davon Volksschullehrer/innen

gesamt 127.896 73.837

davon weiblich 92.881 61.492

35.120

32.478

Betrachtet man die Altersverteilung der Lehrkräfte (ohne Karenzierte), so zeigt sich, dass der Großteil aller Lehrer/innen an Österreichs Schulen (46%) 50 Jahre oder älter ist. Die Lehrerschaft in Volksschulen ist etwas jünger (vgl. Statistik Austria, 2018a). Andere Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeichnen sich durch eine ältere Lehrerbelegschaft aus. Eine derartige Überalterung könnte bei Pensionierung einer hohen Zahl von Lehrkräften eine Herausforderung für das Schulsystem punkto Deckung des Bedarfs an Lehrpersonal darstellen (vgl. Statistik Austria, 2018b). Zahlen zu Lehrkräften mit Leitungsfunktion, also Schuldirektor/innen, in Österreich, insbesondere jene zu Volksschuldirektor/innen, finden sich in Kapitel 2.4 der vorliegenden Arbeit. 2.1.3.4 Budgetausgaben In Bildung als Investition in die Fähigkeiten und Kenntnisse der Bevölkerung wurden im Jahr 2016 in Österreich auf staatlicher Ebene insgesamt (Bund inkl. Universitäten, Bundesländer, Gemeinden und Schulgemeindeverbände) rund 19,7 Milliarden Euro investiert, 5,8 Milliarden Euro davon – also knapp 30% – in allgemeinbildende Pflichtschulen (vgl. Statistik Austria, 2018a, 2018b). Entsprechend der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung (vgl. Art. 14 BVG) tätigte der Bund als Erhalter von weiterführenden Schulen, höheren Schulen und Hochschulen die meisten Ausgaben für diese Schultypen, während Bundesländer, Gemeinden und Gemeindeverbände für den Großteil der Kosten in Kinderbetreuungseinrichtungen und Pflichtschulen aufkamen (vgl. Statistik Austria, 2018b).

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2 Rahmenbedingungen

Im Vergleich zu anderen Nationen der Europäischen Union (EU) liegt der Anteil der Bildungsausgaben am gesamten BIP in Österreich leicht über dem EUDurchschnitt. Seit einigen Jahren findet jedoch eine Annäherung an internationale Werte statt (Vogtenhuber, Siegle & Lassnigg, 2016, S. 34). 2.1.3.5 Schulleistungen von Schüler/innen Die im vorhergehenden Unterkapitel beschriebenen steigenden Ausgaben für Bildung in Österreich erhöhen zwar die Möglichkeiten von Akteur/innen im Bildungswesen, sie garantieren jedoch keine Steigerung der Bildungsqualität (Vogtenhuber, Siegle et al., 2016, S. 32). International existieren Vergleichsstudien wie etwa PISA, PIRLS oder die „Trends in International Mathematics and Science Study“ (TIMSS), die Auskunft über die Lernleistungen von Schüler/innen und somit die Lehrleistungen von Schulen geben sollen. Ohne an dieser Stelle auf Detailergebnisse dieser Untersuchungen eingehen zu wollen, werden exemplarisch Erkenntnisse des zum Zeitpunkt der Durchführung der empirischen Studie (s. Kapitel 5) jüngsten nationalen Monitorings zur Überprüfung der Bildungsstandards dargestellt. Dabei wird auf den nationalen Bildungsbericht Österreichs aus dem Jahr 2015 zurückgegriffen (vgl. Bruneforth, Lassnigg, Vogtenhuber, Schreiner & Breit, 2016). Die Relevanz dieser Thematik für die vorliegende Arbeit liegt darin, dass die Umsetzung eines regelmäßigen Bildungsmonitorings zum Aufgabenbereich einer Schulleitung zählt (s. Kapitel 2.4) und ihnen häufig die Verantwortung für deren Ergebnisse zugeschrieben wird. Kritisch an diesen Schulleistungstests soll bereits an dieser Stelle angemerkt werden, dass sie keine Auskunft darüber geben, inwieweit die Schule ein Kind persönlich stärkt und das allgemeine Selbstkonzept fördert; wie ein Kind in die Gemeinschaft integriert ist; wie fit es für den Wechsel in eine neue Umgebung ist und wie sich die Lernfähigkeit und -bereitschaft, Kreativität, Orientierung im Alltag sowie die Denkstrukturen entwickelten (vgl. Wohlhart et al., 2016). All das sind wesentliche Ziele von Schulen. Sie haben eine gesellschaftlich höhere Relevanz als beispielsweise spezielle Mathematikkenntnisse. Vor einigen Jahren wurden in Österreich mit dem Ziel der Schaffung von Verbindlichkeit und der Sicherstellung grundlegender Kompetenzen von Schüler/innen Bildungsstandards eingeführt. Im Volksschulbereich liegen Bildungs-standards für Deutsch/Lesen/Schreiben und Mathematik vor (vgl. Oberwimmer et al., 2016).

2.1 Das österreichische Schulsystem

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Die österreichischen Bildungsstandards definieren konkrete nachhaltige Lernergebnisse am Ende der 4. und 8. Schulstufe. Zur Überprüfung der Bildungsstandards wird in regelmäßigen Abständen erhoben, inwieweit die durch den Unterricht angestrebten Ziele erreicht wurden. Dabei wird die Testleistung jedes/jeder Schülers/in vordefinierten Kompetenzstufen zugeordnet (vgl. Oberwimmer et al., 2016). Es wird ausschließlich auf Ergebnisse für die 4. Schulstufe eingegangen, da sich die vorliegende Arbeit mit Direktor/innen von Volksschulen, welche über die vier Standard-Schulstufen verfügen, beschäftigt (s. Kapitel 2.1.2). Insgesamt gibt es vier Kompetenzstufen, die erreicht werden können: 1. 2. 3. 4.

unter Stufe 1  Bildungsstandards nicht erreicht Stufe 1  Bildungsstandards teilweise erreicht Stufe 2  Bildungsstandards erreicht Stufe 3  Bildungsstandards übertroffen (vgl. Oberwimmer et al., 2016)

Bei der Überprüfung im Jahr 2015 erreichten etwa drei Viertel aller getesteten Schüler/innen in Österreich die gesetzten Ziele in Mathematik (Stufe 2 oder 3). In diesen 75% sind 12% der Schüler/innen inkludiert, welche das Kompetenzniveau deutlich übertrafen (Stufe 3). Weitere 12% der Schüler/innen erreichten die Bildungsstandards nur teilweise (Stufe 1), 11% gar nicht (unter Stufe 1). Regional betrachtet zeigt sich, dass Schulstandorte in dicht besiedelten Gebieten im Vergleich zu dünn und mittel besiedelten Gegenden schlechter abschnitten (vgl. Oberwimmer et al., 2016). Dies ist unter anderem auf einen höheren Anteil an Schüler/innen mit anderer Umgangssprache als Deutsch bzw. Schüler/innen mit Migrationshintergrund zurückzuführen. In Lesen erreichten im Jahr 2015 62% der Schüler/innen die gesetzten Ziele (Stufe 2 oder 3), 6% davon überschritten sogar das geforderte Kompetenzniveau (Stufe 3). Ein Viertel der getesteten Schüler/innen erreichte die Bildungsstandards für Lesen nur teilweise (Stufe 1), 13% gar nicht (unter Stufe 1). Im Längsschnitt gesehen zeigt sich für die Fächer Mathematik und Lesen grundsätzlich eine Leistungsverbesserung der österreichischen Schüler/innen (vgl. Oberwimmer et al., 2016). Abbildung 2 fasst die wesentlichsten, für die vorliegende Arbeit relevanten Kernergebnisse des Kapitels 2.1 Das österreichische Schulsystem zusammen.

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Abbildung 2:

2 Rahmenbedingungen

Zusammenfassung Kapitel 2.1 Das österreichische Schulsystem, Quelle: Eigene Erstellung

2.2 Themenrelevante, aktuelle Reformbewegungen Die Entwicklung des heutigen österreichischen Schulwesens begann zur Zeit Maria Theresias. Damals wurde der Grundstein des Schulsystems in Österreich mit dem ersten umfassenden Schulgesetz, nämlich der „Allgemeinen Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Privatschulen in sämtlichen k.u.k. Erbländern“, gelegt. Die Schulreform Maria Theresias zielte darauf ab, allen Menschen ein ausreichendes Maß an Bildung zur Verfügung zu stellen. So wurde im Jahr 1774 die allgemeine Schulpflicht vom 6. bis zum 12. Lebensjahr eingeführt.

2.2 Themenrelevante, aktuelle Reformbewegungen

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Bildung wurde damit zu einer „öffentlichen Sache“ bzw. zu einer Angelegenheit des Staates. Die kommenden Jahrzehnte waren von einem ständigen Machtwechsel über das Schulwesen zwischen Kirche und Staat gekennzeichnet. Durch das sogenannte Oktoberdiplom sowie das Februarpatent 1861 kam es schließlich zu einer Kompetenzverteilung zwischen dem Reich und den Ländern. Mit der Dezemberverfassung 1867 wurden zentrale Staatsgrundgesetze festgelegt. Einige Jahre später erfolgten durch den sogenannten Glöckel-Erlass eine Abwertung der katholischen Kirche, die Schaffung gleicher Bildungschancen für alle Bevölkerungsschichten und die Einführung einer achtjährigen Pflichtschule. Die Wiener Schulreform führte zu einer Ausbildung des Volksbildungswesens sowie zur Gründung von Kindergärten und Erziehungsberatungsstellen. Darüber hinaus wurde ein Volksschullehrplan erarbeitet. Die Reform hatte eine Modernisierung des Lehrbetriebes und der Lehrerausbildung sowie die Entwicklung der heute üblichen Form des Klassenunterrichts zur Folge. Ein wichtiger Meilenstein für Regelungen im Bereich des Schul-, Erziehungs- und Volksbildungswesens wurde mit dem Bundesverfassungsgesetz 1920 erreicht. Nach Änderungen der Rechtslage vor, während und nach dem Nationalsozialismus kam es im Jahr 1962 zum Abschluss des sogenannten „Schulvertrages“ sowie zur Schulverfassungsnovelle 1962. Dies war die Geburtsstunde der heutigen Kompetenzverteilung im österreichischen Schulsystem gemäß Artikel 14 des B-VG. An dieser Stelle soll es bei einem kurzen Streifzug durch die Entstehungsgeschichte des österreichischen Schulsystems bleiben. Nähere Ausführungen zur historischen Entwicklung liefern beispielsweise Boyer (2012), Brehmer & Simon (1997), das Parlament der Republik Österreich (2007) sowie Scheipl & Seel (1985). Die Entwicklung der Lehrerausbildung beschreiben Scheipl & Seel (2004). Ein Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft zeigt, dass die Organisation von Schulen einem ständigen Wandel und einer kontinuierlichen Weiterentwicklung unterworfen ist. Im Zentrum der folgenden Ausführungen stehen vorwiegend aktuelle, für das Forschungsthema relevante Entwicklungen und Reformbestrebungen im Schulsystem. Dabei soll die Fragestellung beantwortet werden, in welche Richtung sich das österreichische Schulwesen, im Speziellen die österreichische Volksschule und damit auch der Beruf der Volksschulleitung, hin entwickeln. So weit wie die historische Entwicklung des österreichischen Schulwesens zurückreicht, so lange bestehen auch Diskussionen um deren Reformbedürftigkeit. Begründet wird dies damit, dass sich das System Schule stets an den gesellschaftlichen Wandel anzupassen hat. Neben gesellschaftlich-wirtschaftlichen Entwicklungen hat sich das Bildungssystem Seitz & Capaul (2007) zufolge auch stets an

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2 Rahmenbedingungen

neue Erkenntnisse aus den Fachwissenschaften (z.B. Didaktik, Erziehungswissenschaften, Methodik, Pädagogik) anzupassen (S. 54). Für das Schulwesen relevante aktuelle gesellschaftliche Veränderungen sind vor allem die Multikulturalität, Vielseitigkeit und Globalisierung der Gesellschaft sowie die sich auflösenden Familienstrukturen. Damit verbundene Aufgaben für die Schule sind    

der Umgang mit Konkurrenzangeboten am globalisierten und digitalisierten Informationsmarkt, die Entwicklung zeitgemäßer Normen und Werte, die Schaffung einer größeren methodischen und interkulturellen Sensibilität und die Überwindung von Sprachbarrieren sowie die Schaffung einer Balance zwischen der Übernahme der Erziehungsfunktion und der Integration von Eltern in das Schulgeschehen (vgl. Huber, 2008; Pont, Nusche & Morrman, 2008; Rolff, 2009).

Neben dem generellen gesellschaftlichen Wandel haben auch speziell Veränderungen im Bildungssystem einen Einfluss auf Entwicklungen der Organisation Schule. Huber (2008) spricht in diesem Zusammenhang von einem „internationalen Paradigmenwechsel“, da in zahlreichen Ländern aktuell ähnliche Reformbestrebungen im Bildungssystem bestehen. Dazu zählt insbesondere die Tendenz zu mehr Dezentralisierung und Schulautonomie (S. 32). Auf diese Entwicklung wird aufgrund der besonderen Relevanz für das vorliegende Forschungsthema in Kapitel 2.2.1 im Detail eingegangen. Aufgrund der Ergebnisse internationaler Schulleistungsvergleichsstudien, wonach die Qualität und Effektivität einer Schule eng mit der Gesundheit von in der Schule agierenden Personen wie z.B. Lehrer/innen und Schüler/innen zusammenhängt (vgl. DAK Gesundheit & Unfallkasse NRW, 2013; Rolff, 2009; Schumacher, 2013), liegt ein weiterer Fokus aktueller Bemühungen auf der Förderung sogenannter „guter, gesunder Schulen“. Auch dieser Trend im Schulsystem wird in der vorliegenden Arbeit kurz beleuchtet (s. Kapitel 2.2.2). Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich Entwicklungen in der Gesellschaft, im Schulsystem und in einzelnen Schulen gegenseitig bedingen. So sollte das Schulsystem einige Entwicklungen auf gesellschaftlicher Ebene fördern (z.B. Umgang mit neuen Technologien, Lebensvorbereitung auf eine multikulturelle Gesellschaft), andere vermeiden oder abbremsen (z.B. Tendenz zur IchGesellschaft, Gewalt). Die Organisation Schule selbst steht damit stets in einem Spannungsverhältnis zwischen Beharren bzw. der Beibehaltung von tradierten Werten und Erneuern bzw. Verändern (vgl. Seitz & Capaul, 2007).

2.2 Themenrelevante, aktuelle Reformbewegungen

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2.2.1 Dezentralisierung und schulische (Teil-)Autonomie Im Rahmen einer bildungspolitischen Modernisierungsstrategie werden seit ca. 25 Jahren als Reaktion auf den gesellschaftlichen Wandel sowie mit dem Ziel einer Steigerung der Effektivität neue Ansätze der Steuerung des Schulsystems verfolgt. Dazu zählen vor allem    

die Stärkung von Markt- und Wettbewerbsmechanismen bzw. alternativer Finanzierungsformen, die (externe) Evaluation bzw. Rechenschaftslegung, ein Bildungsmonitoring (s. Kapitel 2.1.3.5) sowie eine Dezentralisierung bzw. institutionelle Autonomie (vgl. Altrichter, Brauckmann, Lassnigg, Moosbrugger & Gartmann, 2016).

Bildungsdebatten und -reformen zu diesen Themen finden auch speziell in Österreich seit den 1990er Jahren statt und stellen die Neuausrichtung der Schulgovernance in den Mittelpunkt der Diskussion (vgl. Altrichter et al., 2016). Speziell auf die Etablierung von Bildungsstandards in Österreich wurde kurz in Kapitel 2.1.3.5 eingegangen. Die Dezentralisierung und Schulautonomie, die im Zentrum des vorliegenden Unterkapitels stehen, bilden ein zentrales Element einer aktuellen Bildungssystemmodernisierungsstrategie und stehen gleichzeitig in einem Spannungsfeld zu anderen Ansätzen: So soll die Stärkung der Schule als Handlungseinheit bei gleichzeitigen Zentralisierungsmaßnahmen wie der Einführung von Standards sowie dem Ausbau zentraler Steuerungsinstrumente vonstattengehen (vgl. Huber, 2009). Huber (2008) zufolge lässt sich die seit einigen Jahren beobachtbare Tendenz zu mehr Dezentralisierung und damit einer steigenden Eigenverantwortung und Selbstständigkeit von Schulen sowie einem Wettbewerb zwischen Schulen in vielen westlichen Industrienationen, auch im deutschsprachigen Raum, beobachten (S. 30). Konkret wird angestrebt, Kompetenzen einzelner Schulen in Hinblick auf inhaltliche, personelle und finanzielle Bereiche zu erweitern und entscheidende Prozesse zur Förderung der Schulqualität in die einzelne Schule selbst zu verlagern (vgl. Bonsen, von der Gathen, Iglhaut & Pfeiffer, 2002; Pfeiffer, 2002). Autonomisierungsbemühungen zielen somit auf eine neue Kanalisierung und Veränderung der Einflussmöglichkeiten unterschiedlicher Akteur/innen im Schulsystem und damit die Ausweitung der Möglichkeiten zum „besseren Eingehen“ auf lokale Belange ab (vgl. Altrichter et al., 2016). Ein weiterer Grund für die Forcierung von Schulautonomie liegt in der Tatsache, dass Schulen zu Selbstständigkeit und Mündigkeit erziehen möchten bzw. sollen. Somit wird von der Schule

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2 Rahmenbedingungen

selbst auch gefordert, über ein gewisses Maß an Entscheidungskompetenz und Freiheit zu verfügen (vgl. Rosenbusch, 2005). Der Begriff der Schulautonomie wird in der öffentlichen Diskussion sehr konträr verwendet und gesehen. Einerseits ist er positiv besetzt und wird mit Freiheit in Verbindung gebracht. Eine Analyse österreichischer Tageszeitungen im Zeitraum von Januar 2013 bis Juli 2015 ergab, dass der Begriff der Schulautonomie in der bildungspolitischen Diskussion vorwiegend positiv besetzt ist und in den Medien häufig als Lösungsansatz für vorherrschende Probleme im Schulsystem betrachtet wird. Andererseits gilt der Terminus als konfliktbeladen und wird als „reformpolitisches Unwort“ bezeichnet. Ursache hierfür ist, dass aufgrund der verfassungsrechtlichen Verantwortung des Staates für das Schulwesen eine absolute Autonomie der einzelnen Schule nicht möglich ist. Negativ mit dem Begriff in Verbindung gebracht wird zudem, dass Schulautonomie nur eine Abwälzung zentraler Entscheidungen von einer übergeordneten auf eine hierarchisch niedrigere Ebene bedeutet (vgl. Altrichter et al., 2016; Gartmann, 2015). Neben dieser Zweiseitigkeit wird dem Begriff der Schulautonomie auch eine hohe Polyvalenz vorgeworfen. Kimmig & Brauckmann (2009) beispielsweise unterscheiden zwischen sechs Interessenssträngen der Schulautonomie. Diese sind zwar alle mit einer zunehmenden schulischen Eigenverantwortung verbunden, weisen jedoch unterschiedliche steuerungstheoretische, pädagogische und politische Bezüge auf und ergeben somit kein einheitliches Gesamtkonzept einer (neuen) schulischen Steuerung (S. 262). Neben den Schlagworten der Schulautonomie und der Dezentralisierung taucht aufgrund der bereits angesprochenen kritisierten Unmöglichkeit einer umfassenden Schulautonomie in der aktuellen Diskussion um dieses Thema immer wieder der Begriff der Teilautonomie auf. So gehen Dezentralisierungsbestrebungen in einzelnen Ländern zumeist nicht in Richtung vollständiges Herauslösen der Schule aus der staatlichen Aufsicht. Stattdessen steht im Zentrum der Bemühungen das Gewähren und Nutzen von Gestaltungsfreiräumen innerhalb eines schulrechtlichen und schulaufsichtlichen Rahmens (vgl. Dubs, 1997; Languth, 2006). Dubs (1997) unterscheidet dabei zwischen Lehrplan-, Budget- und Organisationsautonomie (S. 107). Auch Altrichter et al. (2016) sprechen von diesen drei Formen der Verteilung von Entscheidungsmöglichkeiten, erweitern diese aber um den Aspekt des Personals (s. Abbildung 3).

2.2 Themenrelevante, aktuelle Reformbewegungen

Abbildung 3:

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Inhalte und Felder der Schulautonomie, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Altrichter et al. (2016, S. 265)

Betrachtet man die Relevanz des Themas der Schulautonomie in Österreich, so ist zu berücksichtigen, dass sich das österreichische Schulsystem – wie in Kapitel 2.1.1 beschrieben – grundsätzlich durch eine zentralistisch-bürokratische Verwaltungsstruktur mit Elementen des Föderalismus auszeichnet. Entscheidungsrechte und Kompetenzen zwischen Bund und Ländern sind gesetzlich klar geregelt. Schulen gelten als nachgeordnete Dienststellen auf unterster Ebene und sind in eine bürokratische Struktur eingegliedert (Altrichter et al., 2016, S. 269-270). Trotz dieser Strukturen gibt es bereits seit 1988 auch in Österreich immer wieder Schulautonomisierungsbestrebungen. Motive sind gemäß Friehs (2004)      

die Förderung des Wettbewerbes zwischen Schulen; Bemühungen um einen Fortschritt in der Demokratisierung (z.B. Schulleiterwahl); Versuche, den Parteieneinfluss bei schulrelevanten Entscheidungen einzudämmen; die Kritik an der bürokratischen Struktur der Schule; die steigende Bedeutung pädagogischer Initiativen an der einzelnen Schule sowie die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten bei der Schulorganisation (S. 75).

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2 Rahmenbedingungen

Auf legislativer Ebene wurde im Jahr 1993 der Grundstein für eine verstärkte Autonomisierung der Einzelschule mit der 14. Novelle zum SchOG in Österreich gelegt (Friehs, 2004, S. 76). Diese Novelle brachte jedoch nur eine stark eingeschränkte Autonomie in Hinblick auf die Verwendung von Budgetmitteln; die Berechtigung, den offiziellen Rahmenlehrplan durch schulautonome Lehrpläne zu erweitern; die Definition von Klassen- und Gruppengrößen; die Festlegung der Schulzeit; alternative Leistungsbeurteilungen; Reihungskriterien für die Aufnahme sowie die Festlegung schulautonomer Eröffungs- und Teilungszahlen (vgl. §6 SchOG; Friehs, 2004; Schratz & Hartmann, 2009). Friehs (2004) zufolge hängt das Ausmaß an Autonomie in Österreich stark vom Schultyp ab. In Volksschulen zeigt sich eine besonders eingeschränkte Schulautonomie (S. 7677). Zehn Jahre nach dieser Novelle zum SchOG wurde von der Zukunftskommission im Auftrag des Bildungsministeriums ein Reformkonzept entwickelt. Dieses beinhaltet Vorschläge zur personellen, finanziellen und pädagogischen Autonomie sowie für Leistungsvereinbarungen und Planungssicherheit (vgl. Haider, Eder, Specht, Spiel & BMBWK, 2003). Im Jahr 2015 nahm der Österreichische Rechnungshof schließlich folgende Reformempfehlungen in Hinblick auf das Thema der Schulautonomie vor:    

Forcierung der Schulautonomie punkto Unterrichtsgestaltung und Personalauswahl Definition einheitlicher Vorgaben, eingebettet in ein System einheitlicher Steuerung auf der Grundlage von Bildungszielen und einem kontinuierlichen, übergeordneten Monitoring der Zielerreichung Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung sowie interne Kontrolle der Schulgebarung in einer Hand praktische Durchführung und Organisation des Unterrichts auf Schulebene, Kontrolle auf einer übergeordneten (regionalen) einheitlichen Stelle, Ausgestaltung der Rahmenbedingungen auf einer letztverantwortlichen Ebene (Altrichter et al., 2016, S. 272)

Ähnliche Ziele wurden von einer Expertengruppe für Schulverwaltung in Österreich entwickelt, welche auf Basis einer Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium und den Bildungslandesreferent/innen eingerichtet wurde. Unter dem Titel „Freiraum für Österreichs Schulen“ werden autonomere Schulen mit mehr Gestaltungsspielräumen und Verantwortung in Hinblick auf Pädagogik, Organisation, Personal und Finanzen gefordert. Nichtsdestotrotz sollen jedoch auch bundesweit einheitliche Rahmenvorgaben (z.B. Lehrpläne mit 25% autonomem Spielraum, klare Ziele und Konsequenzen, Normkostenmodell) definiert und mit

2.2 Themenrelevante, aktuelle Reformbewegungen

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einer externen Kontrolle der Bildungsstandards kombiniert werden. Ausführungen dazu, welche konkreten Agenden der Bund einerseits, die Bundesländer andererseits gemäß diesen Empfehlungen übernehmen sollten, finden sich bei Expert/innengruppe Schulverwaltung [Freiraum] (2015). Auch im zum Zeitpunkt der Durchführung der Untersuchung aktuellem Arbeitsprogramm der Bundesregierung (2013-2018) spielt das Thema Schulautonomie eine zentrale Rolle. Darin wird als Aufgabe eine „umfassende Durchforstung der Schulgesetze zur Optimierung autonomer Gestaltungsmöglichkeiten“ definiert (Republik Österreich, 2013, S. 42). Das daraus resultierende „Autonomiepaket“ beinhaltet folgende Aspekte der Schulautonomie: 



 



Schulcluster und Bildungscampus/-region Zwei bis acht Schulstandorte sollen im Sinne einer gemeinsamen Nutzung von Ressourcen zu Schulclustern bzw. Bildungsregionen zusammengeführt werden. Neue Unterrichtsorganisation Schulautonom kann beschlossen werden, welche Unterrichtsfächer mit welcher Gruppenbildung (z.B. jahrgangsübergreifend) abgehalten werden. Die Dauer der einzelnen Unterrichtseinheiten und die Öffnungszeiten werden flexibilisiert. Auswahl von Pädagog/innen Schuldirektor/innen können darüber entscheiden, welche Lehrkräfte aufgenommen werden. Bedarfsorientierte Lehrerfortbildung Die Schul- bzw. Clusterleiter/innen definieren den Fortbildungsbedarf an den Schulen und fordern von den Pädagogischen Hochschulen bzw. Universitäten maßgeschneiderte Angebote für die einzelnen Schulen. Einheitliches Bestellungsverfahren von Leiter/innen Die Stellenausschreibung erfolgt durch die Schulbehörden auf Landesebene mit einem standardisierten Anforderungsprofil. Ob der/die Kandidat/in für die Schulleiterposition geeignet ist, entscheidet eine Beurteilungskommission. Die Bestellung einer Schulleitung ist vorerst auf fünf Jahre befristet.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Thema der Schulautonomie in der österreichischen bildungspolitischen Diskussion sowie in zahlreichen Reform-konzepten bereits seit den 1990er Jahren immer wieder auftaucht. Autonomisierungsbestrebungen einzelner Schulen erfordern eine Neuordnung der gesamten Struktur der Schulverwaltung. Auf Ebene der Einzelschule ist zu berücksichtigen, dass Dezentralisierungsbemühungen im österreichischen Schulsystem mit einer Auf-wertung der Schulleiterrolle bzw. steigenden Anforderungen und einem breiter

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2 Rahmenbedingungen

werdenden Aufgabenspektrum von Schulleitungen verbunden sind. Da im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit die Gruppe der Volksschulleitungen steht, wird in Kapitel 2.4 näher auf die Konsequenzen von Dezentralisierungsmaßnahmen für die tägliche Arbeit von Schuldirektor/innen eingegangen. 2.2.2 Die gute, gesunde Schule Dezentralisierungsmaßnahmen und eine damit verbundene höhere Selbstständigkeit von Schulen gehen nicht automatisch mit einer Verbesserung der Schul- und Unterrichtsqualität einher. Stattdessen hängt der Erfolg derartiger Schulreformen und damit der Gesamterfolg einer Schule von verschiedenen Faktoren ab (Hartmann & Schratz, 2009, S. 111). An dieser Stelle taucht die Frage auf, wann eine Schule überhaupt als effektiv und erfolgreich bezeichnet werden kann bzw. welche Charakteristika eine gute Schule aufweist. Diese Fragestellung ist eng mit der zunehmenden Forderung nach einer höheren Selbstständigkeit der einzelnen Schule verbunden, betrachtet sie diese doch als Gestaltungseinheit im Bildungssystem (Gieske & Harazd, 2009b, S. 104). Grundsätzlich könnte man meinen, dass eine Schule dann „gut“ ist, wenn sie ihre gesetzlich definierten Aufgaben (s. Kapitel 2.1.2 bzw. §2 SchOG) bestmöglich erfüllt. In den vergangenen Jahren haben sich jedoch die Anforderungen an eine gute Schule – und somit auch eine gute Schulleitung – deutlich erhöht. Darüber hinaus wurde die Bezeichnung der „guten Schule“ aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Themas der Gesundheitsförderung in Schulen sowie zahlreicher wissenschaftlicher Belege dafür, dass der Erfolg einer Schule in einer engen Wechselbeziehung zur Gesundheit darin befindlicher Personen (z.B. Lehrer/innen, Schüler/innen) steht, um den Gesundheitsaspekt erweitert. Im Zentrum aktueller Bestrebungen steht die Entwicklung einer „guten, gesunden Schule“. Das Thema Gesundheit findet auch Platz im SchOG. So wird dort festgehalten, dass eine zentrale Aufgabe österreichischer Schulen darin liegt, „die jungen Menschen […] zu gesunden und gesundheitsbewussten, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich […] heranzubilden. Sie sollen zu selbständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt […] werden […]“ (vgl. §2 Abs. 1 SchOG).

Im SchUG wird dem Thema der Schulgesundheitspflege – welche jedoch vorwiegend die schulärztliche Betreuung meint – ein eigener Abschnitt gewidmet (vgl. §66 SchUG).

2.2 Themenrelevante, aktuelle Reformbewegungen

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Nachfolgend wird zunächst auf den Aspekt der „guten Schule“ eingegangen, indem zentrale Ergebnisse der Schulwirksamkeits-, Schuleffektivitäts- und Schulentwicklungsforschung zusammenfassend dargestellt werden. Im Anschluss daran erfolgt eine kritische Betrachtung des Gesamtkonzepts der guten, gesunden Schule. Die Relevanz dieser Themen für das vorliegende Forschungsthema liegt darin, dass Anforderungen an eine gute, gesunde Schule insbesondere Anforderungen an Schulleitungen sind. Zudem nimmt die Schulleitung eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung guter, gesunder Schulen ein. 2.2.2.1 Schulwirksamkeits-, Schuleffektivitäts- und Schulentwicklungsforschung Im Rahmen der Schulwirksamkeitsforschung werden jene Faktoren einer einzelnen Schule untersucht, die unmittelbar mit dem Erfolg dieser in Verbindung stehen. Zahlreiche Untersuchungen innerhalb und außerhalb Europas (z.B. aus dem deutschsprachigen Raum, Großbritannien, den Niederlanden, Skandinavien, Australien, Neuseeland sowie Nordamerika) belegen, dass die Schulleitung, aber auch die Steuerung der Schule im Gesamten zu den wichtigsten Einflussfaktoren auf die Qualität von Schulen zählen. Gerade diese Aspekte werden jedoch Huber et al. (2010) zufolge im Rahmen der Schulwirksamkeitsforschung nur selten ermittelt. Stattdessen stehen in internationalen Vergleichstests zumeist Schülerleistungen (s. Kapitel 2.1.3.5) im Mittelpunkt (S. 2). Auch Dubs (1994) sowie Mohajeran & Ghaleei (2008) kritisieren die Vernachlässigung weiterer schulqualitätsrelevanter Aspekte im Zuge solcher Tests. Zumeist synonym mit dem Begriff der Schulwirksamkeit wird jener der Schuleffektivität, zu Englisch „school effectiveness“, verwendet. Mohajeran & Ghaleei (2008) betonen, dass es weder eine einheitliche Definition des Begriffes der „school effectiveness“ gibt noch in der Wissenschaft und Praxis Einigkeit darüber herrscht, welche Faktoren effektive Schulen auszeichnen. Häufig wird Schuleffektivität mit einer Kongruenz von Zielen und Erreichtem in Verbindung gebracht (S. 358). Seitz & Capaul (2007) beschreiben die Wirksamkeit bzw. Effektivität einer Schule als gesamte Güte und Qualität dieser (S. 21). International existieren verschiedene Modelle und Definitionen einer effektiven Schule. Dabei wird das Begriffspaar in der Literatur häufig sowohl mit jenem der wirksamen Schule als auch der guten Schule gleichgesetzt (Dubs, 1994, S. 13). Fasst man bisherige Ergebnisse zusammen (vgl. Balci, 2007; Brighouse & Tomlinson, 1991; Cohen, Manion & Morrison, 2004; Dös & Savas, 2015; Edmonds, 1979; Friehs, 2004; Gieske & Harazd, 2009b; Klopf, Schelden & Brennan, 1982; Mortimore, 1993; Potter, Reynolds & Chapman, 2002; Reynolds, 1995; Reynolds et al., 1996;

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2 Rahmenbedingungen

Sammons, Hillman & Mortimore, 1995; Sergiovanni, 1996), so zeichnet sich eine effektive Schule, die maßgeblich von der Schulleitung mitgestaltet wird, vor allem durch folgende Faktoren aus:               

sichere Lernumgebung für Schüler/innen, die ihnen eine kognitive, affektive, psychomotorische, soziale und ästhetische Entwicklung ermöglicht Leistungsorientierung hohe Qualität des Lehrens und Lernens sowie Berücksichtigung neuer Erkenntnisse der Unterrichts- und Lernforschung regelmäßiges Monitoring der Entwicklung von Schüler/innen angemessene Personalpolitik und -entwicklung Vorhandensein von und Orientierung an gemeinsamen Vision(en) und (Bildungs-)Zielen klar erkennbare Regeln und Prinzipien Innovationsbereitschaft und -fähigkeit soziale Unterstützung, professionelle Kooperation, angemessene Feedbackkultur starke, professionelle, partizipative, situative und zielorientierte Führung Unterstützungsangebote für das Lehrpersonal hohe Zufriedenheit des Lehrpersonals Einbeziehung von Eltern und der Gesellschaft durchdachter, gut organisierter Lehrplan effektiver Gebrauch von Ressourcen

Die meisten dieser angeführten Charakteristika guter Schulen wurden in der amerikanischen Forschung ermittelt. Zum Großteil sind sie jedoch auch auf österreichische Bedingungen anwendbar und eng an die Leitungsfunktion von Schuldirektor/innen gekoppelt. Eine Frage, die offenbleibt, ist jene, wie all diese Faktoren zusammenhängen und zusammenwirken. Eng mit den Begriffen der Schulwirksamkeits- und Schuleffektivitätsforschung verknüpft ist jener der Schulentwicklungs- bzw. Schulqualitätsentwicklungsforschung. Dabei bezeichnet die Schulentwicklung den Prozess hin zu einer guten Schule (Friehs, 2004, S. 183). Konkret stellt die Schulentwicklung gemäß Dubs (2000) „ein planmäßiges, zielorientiertes und langfristiges Vorgehen der Schulleitung und der Lehrerschaft einer einzelnen Schule zur Steigerung der Wirksamkeit der Schule in konzeptioneller, pädagogischer und administrativ-organisatorisch-wirtschaftlicher Hinsicht innerhalb eines gesetzlich definierten Autonomieraumes“ dar (S. 61).

2.2 Themenrelevante, aktuelle Reformbewegungen

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Damit beschreibt Schulentwicklung die Fähigkeit einer Schule, kontinuierlich Reformen durchzuführen (Friehs, 2004, S. 197). Ziel der Schulentwicklungsforschung ist die Identifikation wirksamer Maßnahmen zur Entwicklung der einzelnen Schule hin zu einer problemlösenden, kreativen und sich selbst erneuernden Schule im Sinne einer mündigen und lernenden Organisation (Huber et al., 2010, S. 2). Schulentwicklung passiert sowohl auf der Ebene der Einzelschule als auch auf der Ebene des gesamten Schulsystems. Auf Gesamtsystem-Ebene betreffen Aktivitäten der letzten Jahre z.B. die Einführung von Bildungsstandards und zentraler Tests sowie Lernstandserhebungen. Auf Ebene der Einzelschule wurden und werden im Rahmen der Schulentwicklung Schulprogramme entwickelt, Steuergruppen eingerichtet und Evaluationen durchgeführt (vgl. Holtappels & Rolff, 2010; Rolff, 2010). Rolff (2010) zufolge zählen zu den zentralen Aufgaben einer Schulentwicklung auf der Ebene der einzelnen Schule Maßnahmen der Organisationsentwicklung bzw. des Change Managements, der Personalentwicklung sowie der Unterrichtsentwicklung. Die drei Bereiche stehen dabei in einer engen Wechselbeziehung zueinander, wobei alle Maßnahmen in das schulische Umfeld eingebettet sind (S. 29-36) und im Aufgabenbereich der Schulleitung liegen. Die Schulentwicklung stellt somit ein Instrument zur wirksamen Umsetzung von Schulreformen auf Ebene der Einzelschule dar. Hohberg (2015) bezeichnet Schulentwicklung als „das Herzstück schulischer Gestaltungsarbeit“ (S. 18). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Frage „Was zeichnet eine gute Schule aus?“ je nachdem, welches Modell bzw. welche Definition herangezogen wird, welche pädagogische Sichtweise eingenommen wird und welche bildungspolitischen Zielperspektiven und Erwartungen bestehen, unterschiedlich beantwortet werden kann. Entscheidend ist, dass Schulerfolg, Schulwirksamkeit und Schuleffektivität nicht ausschließlich an den erreichten Punkten von Schüler/innen in Schulvergleichsstudien festgemacht werden können. Stattdessen spielen insbesondere soziale und organisatorische Lehr- und Lernbedingungen sowie die pädagogische Ausrichtung einer Schule eine wichtige Rolle. Die meisten der qualitätsbezogenen Faktoren sind weder direkt messbar und beobachtbar noch bewertbar. Im Zuge der Schulentwicklung, die von der einzelnen Schulleitung forciert werden sollte, gilt es, schulspezifische Maßnahmen zu definieren, um das Ziel der guten und wirksamen Schule zu erreichen.

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2 Rahmenbedingungen

2.2.2.2 Implementierung des Themas Gesundheit in der Schule Sowohl in der Forschung rund um das Thema der Schuleffektivität, -wirksamkeit und -qualität als auch in der Diskussion um die Schulentwicklung erfährt das Thema der Gesundheit seit Ende der 1990er Jahre verstärkte Aufmerksamkeit (Gieske & Harazd, 2009b, S. 113). So definierte etwa die WHO im Jahr 1997 das Ziel, dass jedes Kind in Europa das Recht und die Möglichkeit haben sollte, in einer gesundheitsfördernden Schule zu lernen. Dabei soll Gesundheitsförderung darauf abzielen, „allen Menschen [so auch Schüler/innen, Lehrkräften, der Schulleitung und sonstigen in der Schule agierenden Personen] ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. […] In diesem Sinne ist die Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel“ (WHO, 1986b, S. 1).

Ein zentrales Handlungsfeld der Gesundheitsförderung stellt die Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten, wozu auch die Schule zählt, dar. In Österreich wurde ein zentraler Meilenstein für das Thema Gesundheit in Schulen mit dem Grundsatzerlass zur Gesundheitserziehung im Jahr 1997 gelegt (vgl. Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, 1997). Ein Hauptgrund für die zunehmende Bedeutung des Themas Gesundheit im Kontext von Schuleffektivität sind wissenschaftliche Belege dafür, dass Gesundheit und Bildung in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen: Auf der einen Seite beeinflusst die Gesundheit von Schüler/innen, Lehrkräften und Schuldirektor/innen die Qualität der Lehr- und Lernprozesse und somit den schulischen Erfolg. Auf der anderen Seite tragen ungünstige schulische Rahmenbedingungen negativ zum Wohlbefinden von in der Schule agierenden Personengruppen bei (vgl. Dadaczynski & Paulus, 2011; Nieskens et al., 2013). Weitere Gründe für die steigende Bedeutung des Themas Gesundheit in Schulen sind Studienergebnisse zum Gesundheitszustand von Schüler/innen und Lehrer/innen, die durchaus Handlungsbedarf aufzeigen (vgl. für Österreich v.a. Hofmann et al., 2012; Ramelow, Teutsch, Hofmann, Felder-Puig & Ludwig Boltzmann Institut Health Promotion Research, 2015). Traditionell ist das Thema der „Schulischen Gesundheitsförderung“ in Österreich regional organisiert, wobei vor allem die Landesschulräte eine zentrale Rolle spielen. Des Weiteren bieten die meisten Bundesländer in Form von sogenannten „Service Stellen Gesunde Schule“ Beratungs- und Prozessbegleitungsleistungen für Schulen an. Diese Service Stellen sind in das nationale Netzwerk der Service Stelle Schule des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger integriert, welches die Etablierung von Gesundheitsförderung in Österreichs

2.2 Themenrelevante, aktuelle Reformbewegungen

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Schulen zum Ziel hat. Auf europäischer Ebene fungiert das Europäische Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen als Plattform für die Entwicklung eines europäischen Konsenses zur gesundheitsfördernden Schule. Derzeit gibt es zwei Konzepte zur Integration des Themas Gesundheit in die Schule, nämlich jenes der gesundheitsfördernden Schule und jenes der guten, gesunden Schule. Die beiden Konzepte sind deswegen relevant für die vorliegende Arbeit, da sie erneut mit bestimmten Anforderungen an die Schulleitung einhergehen. Zudem ist zu vermuten, dass der Grad des Interesses der Schule bzw. der Schulleitung, sich dem Thema Gesundheit zu widmen, sowie das Ausmaß an Gesundheitsförderungsarbeit an der Schule einen Einfluss auf den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden der darin befindlichen Personengruppen haben. Der Ansatz der gesundheitsfördernden Schule – zu Englisch „health-promoting schools“ (HPS) – wurde bereits vor einigen Jahrzehnten von der WHO auf Basis der globalen Schulgesundheitsinitiative (Global School Health Initiative) entwickelt (vgl. WHO, 1986a) und gilt demnach auch als das von der WHO favorisierte Konzept schulischer Gesundheitsförderung. Dabei steht nicht ausschließlich die Implementierung von Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitsverhaltens von Personen in der Schule im Mittelpunkt. Stattdessen zielt das Konzept auch auf die gesundheitsförderliche Gestaltung der gesamten Organisation Schule ab (Dadaczynski & Paulus, 2011, S. 158-159). Die WHO definierte 12 Kriterien für eine gesundheitsfördernde Schule. Diese beruhen auf einem ganzheitlichen Gesundheitsverständnis (s. Kapitel 3.2.1.1). So werden physische, emotionale, kognitive und soziale Komponenten von Gesundheit angesprochen. Paulus (2003) bzw. Dadaczynski & Paulus (2011) definierten in weiterer Folge auf Basis internationaler Erfahrungen vier zentrale Handlungsfelder sowie fünf Prinzipien gesundheitsfördernder Schulen. Als Handlungsfelder nennen die beiden Autor/innen folgende: 1.

2. 3.

Lehren, Lernen & Curriculum Gesundheit als Thema von Lehren und Lernen (z.B. Ernährung im Biologieunterricht) und als Gegenstand von Methodik und Didaktik (z.B. bewegungsgestaltetes Lernen) Schulkultur & schulische Umwelt Gesundheit als Prinzip der Schulkultur und baulicher Maßnahmen der Schulgestaltung (z.B. psychosoziales Klima, Schulhof als Lebensraum) Dienste & Kooperationspartner/innen Integration außerschulischer Partner/innen in die schulische Gesundheitsförderung (z.B. psychosoziale Dienste, Vereine, Jugendhilfe)

44

2 Rahmenbedingungen

4.

Schulisches Gesundheitsmanagement Entwicklung und Anwendung von Prinzipien und Strategien schulbetrieblichen Gesundheitsmanagements

Betrachtet man diese Handlungsfelder im Gesamten, so wird deutlich, dass insbesondere die Schulleitung eine wesentliche Verantwortung für diese hat. Eines der Prinzipien gesundheitsfördernder Schulen liegt in nachhaltigen Entwicklungsinitiativen für Schulentwicklung (1). Damit ist gemeint, dass schulische Gesundheitsförderung als Impuls für und Element von schulischer Entwicklung verstanden werden soll. Mit dem Prinzip 2 (ganzheitliches Konzept von Gesundheit und ihrer beeinflussenden Faktoren) wird die Forderung gestellt, dass Gesundheit als umfassendes physisches, psychisches, soziales, ökologisches und spirituelles Wohlbefinden zu sehen ist, welche durch vielfältige Determinanten auf Verhaltens- und Verhältnisebene beeinflusst wird. Dabei spielt insbesondere die subjektive Gesundheit eine wichtige Rolle. Das Prinzip 3 (innere und äußere Vernetzung) spricht die Bedeutung und Abstimmung der Kooperation(en) mit unterschiedlichen Personengruppen innerhalb und außerhalb der Schule für eine nachhaltige Förderung von Gesundheit an. Im Sinne des Prinzips 4 (Partizipation, Empowerment und advokatorisches Eintreten) soll die einzelne Schule selbst auf Basis ihrer Bedürfnisse und Wünsche entscheiden, welche gesundheitlichen Themen relevant sind und somit aufgegriffen werden. Das Prinzip 5 (Salutogenese) bezieht sich auf das generelle Anliegen von Gesundheitsförderung, nämlich die Förderung des Gefühls der Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit (s. Kapitel 3.2.1.1). Im Zentrum der Implementierung gesundheitsfördernder Schulen soll die Stärkung von Ressourcen, nicht die Reduktion von Belastungen stehen (Dadaczynski & Paulus, 2011, S. 159-160). Im deutschsprachigen Raum wurden bereits in den 1990er Jahren Modellprojekte zur Entwicklung gesundheitsfördernder Schulen umgesetzt (Gieske & Harazd, 2009b, S. 114). Richtig „Fuß fassen“ konnte das Konzept jedoch bislang nicht. Diese fehlende nachhaltige Breitenwirkung liegt vermutlich an der Tatsache, dass die gesundheitsfördernde Schule originär kein Ansatz ist, der aus der Schule selbst entwickelt wurde, sondern stattdessen von außerschulischen bzw. -pädagogischen Interessen herangetragen wurde. Darüber hinaus kann das Konzept nur schwer mit den laufenden Entwicklungen des Schulsystems Schritt halten (Paulus & Schumacher, 2008, S. 138). Bürgisser (2008a) zufolge gilt es aufgrund des mangelnden Erfolges der gesundheitsfördernden Schule, Gesundheitsförderung mit den Kernaufgaben und Entwicklungszielen der Schule, sprich der Schulentwicklung (s. Kapitel 2.2.2.1), zu verbinden (S. 75). Genau an dieser Überlegung setzt das Konzept der guten, gesunden Schule an. Dieses stellt eine Weiterentwicklung des Ansatzes der

2.2 Themenrelevante, aktuelle Reformbewegungen

45

gesundheitsfördernden Schule dar. Daneben kann das Konzept auch als Erweiterung des Ansatzes der guten Schule (s. Kapitel 2.2.2.1) gesehen werden, indem der Gesundheitsaspekt integriert wird. Das Konzept betrachtet Gesundheit als wesentliche Voraussetzung für Schulqualität (Gieske & Harazd, 2009b, S. 114). Der Grundgedanke der guten, gesunden Schule liegt darin, dass einerseits Gesundheitsförderung ohne eine Integration in die Schulentwicklung nicht gelingen kann, andererseits eine von Gesundheit losgelöste Schulentwicklung nicht zum Ziel führt (vgl. Seegers & Freihold, 2009). Rolff (2005) fordert: „Wer Qualität will, muss also die Gesundheit fördern – und umgekehrt.“ (S. 42) Somit setzt das Konzept der guten, gesunden Schule an den Qualitätsdimensionen schulischer Bildungs- und Erziehungsarbeit an. Im Zentrum steht die Frage, welchen Beitrag schulische Gesundheitsförderung zur Schulqualität leisten kann (Paulus & Schumacher, 2008, S. 139-140). Paulus (2003) definiert die gute, gesunde Schule als „eine Schule, die sich in ihrer Entwicklung klar den Qualitätsdimensionen der guten Schule verpflichtet hat und die bei der Verwirklichung ihres sich daraus ergebenden Erziehungs- und Bildungsauftrages gezielt Gesundheitsinterventionen einsetzt.“ (S. 108) Gesundheitsförderung wird nach diesem Konzept nicht als zusätzliche Aufgabe einer Schule, sondern als Weg zur Erfüllung der Kernaufgabe gesehen (Dadaczynski & Paulus, 2011, S. 160-161). Dabei sollten gesundheitsbezogene Interventionsprozesse gleichsam Schulentwicklungsprozesse und somit langfristig angelegte und zielorientierte Prozesse mit systematisch aufeinander abgestimmten Maßnahmen sein (vgl. Hundeloh, 2013b). Aufgrund der Anknüpfung des Themas Gesundheit an den zentralen Qualitätsdimensionen guter Schulen sind die Handlungsfelder der guten, gesunden Schule mit diesen gleichzusetzen. Sie orientieren sich an den in Kapitel 2.2.2.1 angeführten Charakteristika guter Schulen sowie den Zielen von Schulentwicklung, wobei verschiedene Konzepte vorliegen (vgl. Brägger & Posse, 2007; Dadaczynski & Paulus, 2011; Gieske & Harazd, 2009b). Abschließend ist festzuhalten, dass das Konzept der guten, gesunden Schule einen Paradigmenwechsel in der schulischen Gesundheitsförderung in Gang setzte. Anstatt Gesundheitsförderung als Endziel zu betrachten, wird sie als „Motor“ für die Steigerung der Schulqualität gesehen (vgl. Paulus & Schumacher, 2008, S. 154). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieser Perspektivenwechsel nicht automatisch zu einer verstärkten Implementierung von Gesundheitsförderung in Schulen führt (vgl. Bürgisser, 2008a). So spielt das Thema Gesundheit in der täglichen Schulpraxis sowie in Debatten rund um Schul- und Qualitätsentwicklung weiterhin eine untergeordnete Rolle. Gesundheit wird im Schulalltag nicht als schulische und pädagogische, sondern als gesundheitspolitische und gesundheitswissenschaftliche Aufgabe gesehen. Deren Bedeutung für die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages bleibt vernachlässigt. Eine gute, gesunde

46

2 Rahmenbedingungen

Schule nach dem hier dargestellten Verständnis stellt demnach im deutschsprachigen Raum eher die Ausnahme dar (vgl. Hundeloh, 2013b). Nichtsdestotrotz gibt es laut Bürgisser (2008a) Indizien dafür, dass das Konzept verstärkt Eingang in die Köpfe von Entscheidungsträger/innen im Schulwesen findet. Gerade an dieser Stelle ist jedoch die zentrale Frage aufzuwerfen, wer diese „Entscheidungsträger/innen“ eigentlich sind: Sind es tatsächlich die einzelnen Schulleitungen selbst oder liegt die Forcierung guter, gesunder Schulen im Aufgabenbereich der Länder, der Landesschulräte, vielleicht sogar des Bundes? Welcher Zugang erscheint sinnvoller? Die Antworten auf diese Fragen hängen vermutlich vom Ausgang der Debatten rund um die Themen Schulautonomie und Dezentralisierung (s. Kapitel 2.2.1) ab. Abbildung 4 fasst die wesentlichsten, für die vorliegende Arbeit relevanten Kernergebnisse des Kapitels 2.2 Themenrelevante, aktuelle Reformbewegungen zusammen.

2.3 Die soziale Organisation Schule

Abbildung 4:

47

Zusammenfassung Kapitel 2.2 Themenrelevante aktuelle Reformbewegungen, Quelle: Eigene Erstellung

2.3 Die soziale Organisation Schule Die im vorangegangenen Kapitel erläuterten Reformen auf Makroebene erfordern einen organisationalen Wandel auf Ebene der Einzelschule (Mesoebene). Auf diesen Aspekt wurde bereits zum Teil im Zuge der Beschreibung der zwei Dimensionen von Schulentwicklung – nämlich jener auf Ebene des Gesamtsystems und jener auf Ebene der einzelnen Schule – Bezug genommen. Aber wie lässt sich die

48

2 Rahmenbedingungen

soziale Organisation Schule eigentlich beschreiben? Und was sind Charakteristika bzw. Besonderheiten im Vergleich zu anderen Organisationen? Antworten darauf werden im Rahmen dieses Unterkapitels versucht zu finden. Sie sind relevant für die vorliegende Arbeit, da sie Informationen zur Ausgestaltung des Arbeitsortes von Schuldirektor/innen liefern. Nicht (2013) zufolge wurde die Schule aus organisationstheoretischer Sicht lange Zeit kaum betrachtet. Dies lag ihm zufolge vermutlich an den bürokratischen Strukturen und der Skepsis gegenüber denselben. Neuere organisationstheoretische Analysen ergaben jedoch, dass die ausschließliche Betrachtung der Schule als Bürokratie unzureichend ist (S. 103). Schumacher (2013) bezeichnet Schulen als „Zwitter“, da sie einerseits Merkmale bürokratischer Organisationen im Sinne Max Webers aufweisen, andererseits selbst über relativ autonom handelnde Subsysteme verfügen. So sind Prozesse auf Einzelschulebene stark durch bürokratische und rechtliche Vorgaben des Schulsystems reguliert (s. Kapitel 2.1). Der Unterricht z.B. kann jedoch relativ frei von der einzelnen Lehrkraft gestaltet werden (S. 106). Im Fokus der folgenden Ausführungen steht somit weniger das Verständnis von Schule als eine ausschließlich rationale und abstrakte, in sich abgegrenzte Institution, die nach allgemeingültigen, vorgegebenen Standards und Lehrplänen strukturiert und geleitet werden muss (vgl. Schüpbach, 2008, S. 23-24). Dies ist eine eher „veraltete“, traditionelle Betrachtungsweise, die Parallelen zum bereits erwähnten Idealtyp einer bürokratischen Organisation von Weber aufweist (Tyler, 1985, S. 49). Stattdessen steht ein in Forschung und Praxis bislang noch eher weniger verbreiteter organisationstheoretischer Ansatz im Zentrum, demnach eine Schule ein offenes und komplexes System ist, das sich an zahlreichen, oft widersprüchlichen Rahmenbedingungen (s. Kapitel 2.2) und begrenzten Ressourcen orientieren muss (Schüpbach, 2008, S. 24). Dieses Verständnis von Schule berücksichtigt den Aspekt der Dynamik und wird den kontinuierlichen Reformbewegungen im österreichischen Schulsystem, insbesondere dem Konzept der guten, gesunden Schule (vgl. Kapitel 2.2.2), gerecht. Im Gegensatz zur erstgenannten Betrachtungsweise fokussiert diese Perspektive gemäß Schüpbach (2008) auf ein Ressourcenmodell des Menschen und traut ihm Flexibilität und Kreativität zu. Nach diesem sogenannten soziotechnischen Systemansatz erfolgt eine ständige Abstimmung zwischen den Fähigkeiten und Bedürfnissen von Individuen in der Schule und formalen Vorgaben der Bildungsplanung bzw. Erwartungen von Personen außerhalb des Systems (z.B. Schulbehörden, Eltern) (S. 25). Er ist vereinbar mit dem in der österreichischen Schulpolitik angestrebten Konzept der Teilautonomie (s. Kapitel 2.2.1).

2.3 Die soziale Organisation Schule

49

Auf eine Gegenüberstellung der Vorzüge und Schwächen unterschiedlicher soziologischer Theorien zur Organisation Schule wird in der vorliegenden Arbeit verzichtet. Nähere Ausführungen zu soziologischen Betrachtungsweisen der Schulorganisation finden sich bei Friehs (2004) und Tyler (1985). Im Folgenden werden der soziotechnische Systemansatz bzw. der sozial komplexe, adaptive Systemansatz als zeitgemäße Betrachtungsweisen der Schule beschrieben. Sie geben Auskunft über die wesentlichen Kennzeichen der Organisation Schule als Arbeitsort von Schulleiter/innen, den diese gleichsam mitgestalten. 2.3.1 Die Schule als soziotechnisches bzw. sozial komplexes, adaptives System Trist & Bamforth gelten als die Begründer des soziotechnischen Systemansatzes (vgl. Trist & Bamforth, 1951). Dieser lässt sich den Kontingenz- und Konsistenzansätzen zuordnen, deren Grundgedanke darin liegt, dass es die zentrale Gestaltungs- und Managementaufgabe eines Arbeitssystems ist, dieses nach innen konsistent und nach außen hin kontingent zu gestalten (vgl. Mintzberg, 1979). Folgende Grundannahmen liegen dem soziotechnischen Systemansatz zugrunde (Schüpbach, 2008, S. 26-27): 1.

2. 3.

4.

Soziotechnische Systeme sind komplexe, offene Arbeitssysteme, in denen technisch-technologische und soziale Teilsysteme im Zuge der Erfüllung einer Aufgabe zusammenwirken. Sie müssen empfindlich auf „Turbulenzen“ im Umfeld reagieren. Diese Turbulenzen können zu Schwankungen und Störungen in Arbeitsabläufen führen, welche sich wiederum über das gesamte Arbeitssystem erstrecken können. Das technisch-technologische Umfeld bzw. Teilsystem steckt für das soziale Teilsystem unumgängliche Rahmenbedingungen ab, welche die sozialen Strukturen und Abläufe bestimmen. Allerdings liegen Gestaltungs- und Handlungsspielräume vor, die von den sozialen Einheiten im System erkannt und genutzt werden müssen. Die Selbstregulation in teilautonomen Arbeitsgruppen gewährt ein flexibles „Abpuffern“ der Schwankungen und Störungen im System. Zudem bietet es den im System Agierenden die Möglichkeit, mit damit verbundenen psychischen Belastungen und Beanspruchungen (s. Kapitel 3.2.1.2) besser umzugehen.

50

2 Rahmenbedingungen

Übertragen auf die Schule ist anzumerken, dass Technik in Form von Maschinen und technische Anlagen als Elemente des technischen Teilsystems in Schulen im Vergleich zu Betrieben der Industrie, aus der sich der soziotechnische Ansatz heraus entwickelt hat, nur in eingeschränktem Maß vorliegt; technologische Gegebenheiten in Form von Normen und Vorgaben (z.B. Lehrpläne) sowie strukturelle Rahmenbedingungen (z.B. Klassenräume) jedoch in sehr umfassendem Ausmaß. Das soziale Teilsystem bilden alle in der Schule Agierenden (Grundannahme 1). Abbildung 5 zeigt die wesentlichen Akteur/innen im System Schule.

Abbildung 5:

Akteur/innen im System Schule, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Zumstein (2008, S. 199)

Das soziotechnische System Schule ist von zahlreichen Schwankungen und Störungen betroffen, die Turbulenzen erzeugen und vor allem auf politische Reformbewegungen sowie vielfältige, teilweise widersprüchliche Erwartungen von außen zurückführbar sind (s. Kapitel 2.2). Diese Turbulenzen sind unumgänglich (Grundannahme 2). Die Vielfalt der technologischen Bedingungen in der Schule, aber auch die erzeugten Turbulenzen, wirken auf das soziale Teilsystem ein, können Belastungen erzeugen und in weiterer Folge zu Beanspruchungen führen (s. Kapitel 3.2.1.2). Da Technik jedoch nicht eine bestimmte Arbeitsorganisation

2.3 Die soziale Organisation Schule

51

erzwingt, lässt sie Gestaltungsspielräume offen (Grundannahme 3) (Schüpbach, 2008, S. 31-34). Betrachtet man gesetzliche Bestimmungen (s. Kapitel 2.1) und aktuelle Autonomisierungsbestrebungen im Schulsystem (s. Kapitel 2.2.1), so weisen auch in der Schule agierende Personen einen gewissen Handlungsspielraum bei der Umsetzung dieser auf. In Hinblick auf die Selbstregulation in teilautonomen Arbeitsgruppen (Grundannahme 4) merkt Schüpbach (2008) an, dass Lehrkräfte als wesentliche Personengruppen im sozialen Teilsystem im Allgemeinen eher „Einzelkämpfer“ und weniger „Teamworker“ sind. Ihm zufolge ist eine Weiterentwicklung der Organisation Schule im Sinne der Schulentwicklung (s. Kapitel 2.2.2.1) unter Berücksichtigung des soziotechnischen Systemansatzes nur dann möglich, wenn es gelingt, die systemische Dynamik der Kooperation und Kommunikation in einer Schule aufzudecken (S. 31-34). Die Schulleitung spielt hierbei freilich wieder eine zentrale Rolle. Eine weitere Betrachtungsweise der Organisation Schule, die jener des soziotechnischen Systemansatzes sehr ähnlich ist, sieht Schulen als „sozial komplexe, adaptive Systeme“. Keshavarz, Nutbeam, Rowling & Khavarpour (2010) schreiben über ein sozial komplexes, adaptives System: „[it] comprises a population of diverse rule-based agents, located in multi-level and interconnected systems in a network shape. […] Agents in complex adaptive systems are often numerous, dynamic, autonomous, highly interactive, learning and adaptive. Agents of complex adaptive systems act in ways that are based on a combination of their knowledge, experience, feedback from the environment, local values and formal system rules. […] Agents in complex adaptive systems interact with and adapt to each other and the system within the network. […] Complex adaptive systems also have distributed control. Consequently, complexity that is not necessarily a characteristic of individual agents, emerges at system level. “ (S. 1468).

Wie die Ausführungen dieser Autor/innen zeigen, schreibt der sozial komplexe, adaptive Systemansatz ebenso wie der soziotechnische Ansatz den Menschen einer Organisation, insbesondere deren Fähigkeiten und Erfahrungen, eine hohe Bedeutung zu. Diese werden bei ihrer Arbeit von sich ständig verändernden Rahmenbedingungen beeinflusst, die – damit das System überleben kann – eine ständige Anpassung erfordern. Die Organisation ist dabei Teil von etwas „Größerem“. Auch die Themen Selbstorganisation und Dezentralisierung spielen bei diesem Ansatz eine wesentliche Rolle. Nähere Ausführungen zu den Charakteristika sozial komplexer, adaptiver Systeme finden sich bei Keshavarz et al. (2010). Das System Schule beinhaltet nach diesem Ansatz verschiedene Subsysteme und Gruppen, bestehend aus unterschiedlichen Akteur/innen wie z.B. dem/der

52

2 Rahmenbedingungen

Direktor/in, dem Lehrpersonal, dem administrativen Personal, den Schüler/innen und den Eltern, welche nach externen formalen Regeln, vorgegeben durch die Schulpolitik, und internen informellen Regeln an der jeweiligen Schule, wie der sozialen Umwelt, der Schulkultur, organisationalen Werten und Zielen, handeln. Sowohl geplante als auch ungeplante Veränderungen von innen und außen sind konstanter Bestandteil der täglichen Arbeit. Die Schule selbst ist wiederum Teil eines größeren Gesamten, nämlich Teil des Schulsystems und Teil einer Gemeinschaft (z.B. Gemeinde). Dabei interagiert die Schule mit anderen Organisationen. Aber auch innerhalb des Systems selbst bestehen vielfältige formelle und informelle Interaktionsmuster, in welchen wiederum Informationen fließen. Dazu zählt auch formelles und informelles Feedback, vor allem zwischen Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern, welches wiederum für Adaptierungen der Schulorganisation und -praktik herangezogen werden kann (Keshavarz et al., 2010, S. 1469-1471). Dubs (1994) unterscheidet in Hinblick auf das Zusammenwirken einzelner Subsysteme der Schule sowie Systemen außerhalb dieser zwischen lockeren und festen Verbindungen. Demnach können bestimmte Situationen und Elemente in Schulen häufig nur als locker gekoppelt betrachtet werden. Dies bedeutet, dass zwar gewisse Rückkoppelungen zwischen diesen ablaufen, im Wesentlichen aber Eigenarten, Individualitäten und Unabhängigkeit erhalten bleiben (S. 56-57). Abbildung 6 zeigt diese lockeren (strichlierter Pfeil) und festen (durchgezogener Pfeil) Koppelungen innerhalb und außerhalb des Systems Schule. Die Subsysteme „Lehrerschaft I“ und „Lehrerschaft II“ stehen dabei für Lehrergruppen aus unterschiedlichen Fachbereichen (z.B. Sprachlehrer/innen, Religionslehrer/innen). Seit einigen Jahren zeichnet sich eine Tendenz in Richtung festere Koppelungen zwischen den einzelnen Subsystemen der Schule ab. Im Gegensatz dazu könnte die Koppelung zum System Staat aufgrund der Schulautonomisierungsbestrebungen lockerer werden (Dubs, 1994, S. 57-58). Vorhandene lose Verbindungen sind Grund dafür, dass Schulen häufig auch als lose gekoppelte Systeme, zu Englisch „loosely coupled systems“, bezeichnet werden (Wülser, 2008, S. 104-108). Das Konzept der losen Koppelung geht davon aus, dass sich Schulen stets in einem Zustand zwischen geschlossenen Systemen, die Sicherheit erwarten lassen, und offenen Systemen, die mit Unsicherheit verbunden sind, befinden. Die Schulleitung nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein, hat sie doch als konsolidierende und vereinigende Stelle mit jedem Teilsystem in Kontakt zu treten (Huber et al., 2010, S. 3).

2.3 Die soziale Organisation Schule

Abbildung 6:

53

Lockere und feste Koppelungen im System Schule, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Dubs (1994, S. 57)

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass trotz der bürokratischen Strukturen ein ausschließliches Bürokratieverständnis von Schulen den aktuellen Entwicklungen nicht gerecht wird. Rolff (1992) merkt in diesem Zusammenhang an, dass die Schule zwar eine „[…] Unterrichtsanstalt mit hierarchischem Stellenkegel, Arbeitsteilung, Leistungsorientierung und zweckrationaler Ausrichtung des Verwaltungshandelns“ ist, sie jedoch als Bildungs- und Erziehungseinrichtung mehr und anderes sein muss als eine reine Bürokratie (S. 308). Als Bildungs- und Erziehungseinrichtung hat sie nämlich zahlreiche zentrale gesellschaftliche Aufgaben zu erfüllen. Auf diese wird im folgenden Unterkapitel Bezug genommen. 2.3.2 Gesellschaftliche Funktionen und Charakteristika der Organisation Schule Schulen sind pädagogische (Pflicht-)Einrichtungen, die eine organisierte, staatlich kontrollierte, übersichtliche, formale Struktur aufweisen. Sie sind global präsent, sollen gesellschaftliche Ziele wie Bildung möglichst personenunabhängig erreichen und unterstehen einer ständigen Kritik (Friehs, 2004, S. 36-37; Languth, 2006, S. 52-53; Rolff, 1992, S. 306). In Hinblick auf gesellschaftliche Ziele können folgende Funktionen von Schulen genannt werden (Bilz & Melzer, 2011, S. 122; Friehs, 2004, S. 50-55; Nicht, 2013, S. 101-102):

54

2 Rahmenbedingungen

1.

Qualifikations-, Bildungs- bzw. Reproduktionsfunktion (Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten) Entkulturationsfunktion (Vermittlung von Werten) Selektions- bzw. Allokationsfunktion (Klassifizierung von Schüler/innen nach ihren schulischen Leistungen, Verteilung von Positionen in der Gesellschaft) Integrations- bzw. Legitimationsfunktion (Beitrag der Schule zur Sozialintegration von Heranwachsenden, Legitimation gesellschaftlicher Herrschaftsformen) Sozialisationsfunktion (Eingliederung von Schüler/innen, Sekundärsozialisation) Humanfunktion (Schule als Lebensort der heranwachsenden Generation, Schaffung eines Platzes des Wohlfühlens)

2. 3. 4. 5. 6.

Diese Funktionen existieren nicht isoliert voneinander, sondern sind miteinander verknüpft und widersprechen sich zum Teil (z.B. Selektions- und Integrationsfunktion) (Nicht, 2013, S. 102). Darüber hinaus werden sie inhaltlich unterschiedlich ausgelegt (Bilz & Melzer, 2011, S. 122). Vergleicht man verschiedene Schulen miteinander, so weisen diese folgende Ähnlichkeiten auf, die als Charakteristika von Schulen als soziale Organisationen bezeichnet werden können (vgl. Einsiedler, 1978; Friehs, 2004; Meyer, 1997a, 1997b; Nieskens et al., 2013; Rolff, 1992; Schulze, 1993):   

  

Die Schule hat sowohl relativ langfristige (z.B. Lehrerschaft, Schulleitung, Verwaltung) als auch „fließende“ bzw. „temporäre“ Mitglieder (z.B. Schüler/innen, Eltern). Kinder und Jugendliche stehen im Mittelpunkt. Sie werden als Schüler/innen in Klassen geordnet und von zugelassenen Lehrkräften unterrichtet. Lehrer/innen sind „unvollendete Professionelle“. „Unvollendet“ deshalb, weil sich professionelle Tätigkeit durch eine uneingeschränkte Autonomie auszeichnet. Diese ist aufgrund der Existenz von Kontrollinstanzen im Schulsystem nur eingeschränkt gegeben. Lehrer/innen sind Einzelarbeiter/innen, da sie zumeist allein im Klassenzimmer stehen. Ein gemeinsames Organisationsverständnis ist schwer zu erreichen. Die Schule hat einen Bildungsauftrag zu erfüllen und Lehrinhalte zu vermitteln. Im Zentrum stehen die Erreichung vorgegebener, gesellschaftlich legitimierter Lehrziele und die Verwirklichung eines Lehrplanes. Das Kernprodukt der Schule, nämlich die Bildung, entsteht in einem direkten Kontakt zwischen Lehrkräften und Schüler/innen als Ergebnis von

2.3 Die soziale Organisation Schule



55

Lernprozessen. Schüler/innen sind somit nicht Konsument/innen, sondern Koproduzent/innen. Schulen sind Bestandteil eines fest etablierten, bürokratisch aufgebauten (Aus-)Bildungs- und Erziehungssystems.

In Österreich sind die Pflichten und Rechte der wesentlichen Akteur/innen in Schulen – Schüler/innen, Lehrer/innen, Schulleitung, Erziehungsberechtigte, Nichtlehrer/innen – und Bestimmungen zu Funktionen (z.B. Klassenvorstand) sowie sozialen Gruppierungen und Sitzungen (z.B. Klassen- und Gruppenbildung bei Schüler/innen, Versammlung der Schülervertreter/innen, Lehrerkonferenzen, Elternvereine, Klassen- und Schulforum, Schulgemeinschaftsausschuß) im SchUG definiert (vgl. §§9, 19, 43, 44a, 51-57a, 59-59b, 60-64 SchUG). Die konkreten Rollen von Akteur/innen in der Schule sind jedoch einem kontinuierlichen Wandel unterworfen (s. Kapitel 2.2). Aktuell geht die Tendenz in vielen Ländern beispielsweise dahin, dass Erziehungsberechtigte vermehrt die Rolle von „Kund/innen“ und „Partner/innen“ einnehmen. Lehrkräfte werden verstärkt in die Gestaltung der Schule integriert. Schulforen nehmen eine immer wichtigere Rolle bei schulspezifischen Entscheidungen ein (Huber, 2009, S. 13). Trotz einiger Charakteristika der sozialen Organisation Schule ist darauf hinzuweisen, dass jede einzelne Schule ein eigenes spezifisches Profil und Selbstverständnis aufweist, welche sich in Abläufen, Routinen, informellen Regeln bzw. im täglichen Handeln widerspiegeln. Insbesondere soziale Lern- und Arbeitsbedingungen können sich von Standort zu Standort unterscheiden. In diesem Zusammenhang tauchen häufig die Begriffe Schulkultur und Schulklima auf, die in der Literatur sehr vielfältig und mehrdeutig, teilweise synonym verwendet werden. Zumeist wird die Schulkultur jedoch mit Normen und Werten in Verbindung gebracht, während das Schulklima das soziale Wohlbefinden sowie die Qualität sozialer Beziehungen beschreibt (vgl. Bürgisser, 2008b; Janke, 2006; Owens, 2015; Seitz & Capaul, 2007; Wicki, 2008). Die Schule stellt ein soziales Gebilde dar, in dem mehrere Personengruppen – Schüler/innen, Lehrkräfte, Schulleitung und andere – nebeneinander agieren. In welcher Form sie miteinander arbeiten, also ob sich z.B. Lehrkräfte mit ihren Kolleg/innen über die didaktische Gestaltung des Unterrichts austauschen oder bei Not um Unterstützung der Schulleitung bitten und diese auch erhalten, bleibt zu einem großen Teil den Akteur/innen selbst überlassen. Lediglich für den Umgang von Lehrer/innen mit Schüler/innen im Rahmen des Unterrichts, die Benachrichtigung von Eltern bei bestimmten Anliegen durch die Schulleitung sowie die Veranstaltung von Sprechstunden der Lehrkräfte liegt mit dem Schulunterrichtsgesetz zumindest ein rechtlicher Rahmen vor.

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2 Rahmenbedingungen

Soziale Lern- und Arbeitsbedingungen spielen vor dem Hintergrund des vorliegenden Forschungsthemas dahingehend eine wichtige Rolle, dass sie die Gesundheit von Personen in der Schule sowie die Effektivität und Effizienz der täglichen Arbeit wesentlich beeinflussen (vgl. Stegmann, 2008; Tsang, 2009). Ausführungen zur Forschung rund um die Themen soziale Netzwerke und deren Gesundheitsrelevanz finden sich in Kapitel 3.1. Abbildung 7 fasst die wesentlichsten, für die vorliegende Arbeit relevanten Kernergebnisse des Kapitels 2.3 Die soziale Organisation Schule zusammen. Sie ermöglichen einen Einblick in das soziale System, in welchem Schulleiter/innen arbeiten bzw. welches sie führen.

Abbildung 7:

Zusammenfassung Kapitel 2.3 Die soziale Organisation Schule , Quelle: Eigene Erstellung

2.4 Die Schulleitung

57

2.4 Die Schulleitung Der Aufbau des österreichischen Schulsystems (s. Kapitel 2.1), aktuelle Reformbewegungen wie die Forcierung der Schulautonomie (s. Kapitel 2.2) sowie die generellen Charakteristika der sozialen Organisation Schule (s. Kapitel 2.3) beeinflussen die Arbeit der Schulleitung. Diese steht inmitten des Geschehens und spielt eine Schlüsselrolle bei der Erfüllung der Aufgaben einer Schule sowie der Umsetzung von Reformen. In diesem Kapitel soll der Beruf der Schulleitung, vor allem vor dem Hintergrund zunehmender Anforderungen aufgrund aktueller Reformbestrebungen, näher beleuchtet werden, steht dieser doch im Mittelpunkt des Interesses der vorliegenden Arbeit. Der Fokus liegt dabei speziell auf Volksschulleitungen. Bereits an dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass in der vorliegenden Arbeit die Begriffe Schuldirektor/in, Schulleiter/in und Schulleitung synonym verwendet werden. Beziehen sich Aussagen explizit auf die Leitung einer Volksschule, so ist von Volksschuldirektor/in, Volksschulleiter/in und Volksschulleitung die Rede. 2.4.1 Fakten zur Schulleitung in Österreich In Hinblick auf die Anzahl von Schulleiter/innen in Österreich liegt keine öffentlich zugängliche Statistik vor. Zieht man jedoch Informationen zur Anzahl der Schulen heran (s. Kapitel 2.1.3.1), so kann davon ausgegangen werden, dass es in Österreich etwas weniger als 6.030 Schuldirektor/innen insgesamt, etwas weniger als 4.509 Schuldirektor/innen allgemeinbildender Pflichtschulen und etwas weniger als 3.040 Volksschuldirektor/innen gibt. Von „etwas weniger“ ist deshalb die Rede, weil mehrere kleine Schulen in Österreich häufig von ein- und derselben Schulleitung geführt werden. Dies betrifft besonders häufig kleine Volksschulen in ländlichen Gegenden. Betrachtet man die Geschlechterzusammensetzung des Schulleitungspersonals in Österreich, so zeigt sich, dass während der Großteil der Lehrpersonen weiblich ist (s. Kapitel 2.1.3.3), nur etwa jeder zweite Schulleiterposten von einer Frau besetzt wird. In Volksschulen liegt der Anteil weiblicher Schuldirektor/innen an allen Schuldirektor/innen zwar deutlich höher (ca. 83%), berücksichtigt man jedoch die starke weibliche Dominanz des Lehrpersonals an Volksschulen, so lässt sich resümieren, dass jeder vierte Lehrer, aber nur jede vierzehnte Lehrerin als Volksschuldirektor/in tätig ist. Im Längsschnitt gesehen zeigt sich zwar eine Tendenz in Richtung mehr weibliche Schulleitungen, allerdings ist dies wiederum auf eine steigende Anzahl an Lehrerinnen zurückzuführen. Im internationalen Ver-

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2 Rahmenbedingungen

gleich liegt Österreich in Hinblick auf den Anteil weiblicher Schulleiterinnen unter dem Durchschnitt (Schratz et al., 2016, S. 234). Um die Tätigkeiten dieser Schulleitungen in Österreich zu beschreiben, erscheint es sinnvoll, zunächst einen Blick auf gesetzlich festgeschriebene Aufgaben zu werfen, geben diese doch Auskunft über generelle Anforderungen an den Beruf des/der Schulleiters/in. Die Aufgaben einer Schulleitung sind in Österreich im §56 SchUG definiert. Demnach ist der/die Schulleiter/in unmittelbare/r Vorgesetzte/r aller an der Schule tätigen Lehrer/innen und sonstigen Bediensteten. Er/sie ist für die Leitung der Schule sowie die Pflege der Verbindung zwischen Schule, Schüler/innen und Erziehungsberechtigten zuständig. Wesentliche Aufgaben liegen in der Schulleitung und im Schulmanagement, im Qualitätsmanagement, in der Schul- und Unterrichtsentwicklung, in der Führung und Personalentwicklung sowie in der Pflege von Außenbeziehungen und der Öffnung der Schule. Darüber hinaus soll die Schulleitung den Lehrkräften in ihrer Unterrichts- und Erziehungsarbeit beratend zur Seite stehen, die Unterrichtsqualität und Leistung der Schüler/innen regelmäßig überprüfen, die Einhaltung der Rechtsvorschriften und schulbehördlichen Weisungen sicherstellen und Diensteinteilungen vornehmen (vgl. §56 Abs. 2-4 SchUG). Für Schuldirektor/innen an Landesschulen – wozu Volksschulen zumeist zählen (s. Kapitel 2.1) – sind ergänzend dazu spezifische Dienstpflichten im §32 LDG festgeschrieben. Diese beziehen sich vorwiegend auf Personalagenden (Weisungsbefugnis, Anleitung, Kontrolle, Personalbedarfs- und -entwicklungsplanung) und eigene Anwesenheitspflichten (vgl. §56 Abs. 6-8 SchUG). Leitet der/die Schuldirektor/in eine Schule mit sieben oder mehr Klassen, so hat er/sie keine Unterrichtsverpflichtung mehr. In Hinblick auf die Rekrutierung und Qualifizierung von Schulleitungen in Österreich ist darauf hinzuweisen, dass die Grundlage hierfür seit 1993 vom Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (BMUK) bzw. vom mit Stand März 2019 benannten Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) herausgegebene Richtlinien bilden. In den einzelnen Bundesländern werden in diesem Zusammenhang berufsvorbereitende und -begleitende modularisierte Schulmanagementlehrgänge für neu ernannte Schulleitungen angeboten. Zentrale Inhalte dieser sind die Themen „pädagogische Führung“, „Schulentwicklung“, „Gesprächs- und Gruppenführung in Beratungs- und Konfliktsituationen“, „Zeitmanagement“ sowie „schulgesetzliche und dienstrechtliche Grundlagen“. Darüber hinaus wurde vor einigen Jahren die sogenannte Leadership-Academy implementiert, welche darauf abzielt, Führungspersonen im österreichischen Schulwesen zu professionalisieren (vgl. Kahlhammer, 2010; Rosenbusch et al., 2006). Schratz et al. (2016) bieten einen Überblick über Schulleiterqualifizierungsprogramme in Österreich, wozu neben dem

2.4 Die Schulleitung

59

Schulmanagementlehrgang und der Leadership-Academy auch Masterprogramme zählen (S. 237). Wie die Besetzung von Schulleiterposten an Landesschulen, insbesondere an Volksschulen, konkret zu erfolgen hat, und welche finanzielle Entschädigung mit der Schulleitungstätigkeit verbunden ist, wird in den §§26 und 26a LDG bzw. den §§55 und 57 des GehG sowie der SL-ZV definiert. 2.4.2 Tätigkeitsspektrum von Schulleitungen Wie aus Kapitel 2.4.1 hervorgeht, sind sämtliche Angelegenheiten der Schulleitung – Pflichten, Aufgaben, Ausbildung, Ernennung, Entlohnung – gesetzlich geregelt. Teilweise liegen sogar spezielle rechtliche Vorgaben für Leiter/innen einzelner Schultypen vor. Nichtsdestotrotz wird die Funktion der Schulleitung in Forschung und Praxis keineswegs einheitlich beschrieben. Kahlhammer (2010) meint in diesem Zusammenhang, dass in Österreich (aber auch in zahlreichen anderen Ländern) „[…] keine eindeutig definierte Arbeitsplatzbeschreibung für Schulleitungen [besteht], daher sind sie für praktisch alles, was in und um eine Schule anfällt, der Kristallisationspunkt.“ (S. 738-739) Dabei beeinflussen Vorgaben des jeweiligen Landesschulrates, das Umfeld einer Schule (z.B. die Gemeinde), die Spezifika einer Schule (z.B. Größe, Zusammensetzung) sowie der Charakter des/der Schuldirektors/in die konkrete Ausgestaltung der Schulleitungstätigkeit. Nachfolgend wird zunächst ein Überblick über die vielfältigen Aufgaben von Schulleiter/innen – unabhängig davon, in welcher Weise diese von einzelnen Personen wahrgenommen werden – beschrieben. Im Anschluss wird auf die facettenreichen Rollen von Schulleitungen und damit verbundenen Verantwortungszuschreibungen eingegangen. Dem Thema der Beanspruchung von Schuldirektor/innen widmet sich aufgrund der besonders hohen Relevanz für das vorliegende Forschungsthema Kapitel 4.2. Auf nähere Ausführungen zu Führungstheorien und -konzepten in Schulen wird in der vorliegenden Arbeit verzichtet. Stattdessen wird auf einschlägige Literatur hierzu verwiesen (vgl. Bonsen et al., 2002; Buchen & Rolff, 2006; Dadaczynski, 2013; Dubs, 1994; Marzano, Waters & McNulty, 2005; Rosemann, 2010; Wagner, 2009). Grundsätzlich können aus den gesetzlichen Ausführungen zunächst folgende zentrale Aufgabengebiete der Schulleitung in Österreich abgeleitet werden: Schulmanagement und Schulführung, Sicherstellung der Unterrichts- und Erziehung-sarbeit, Qualitätsmanagement, Schul- und Unterrichtsentwicklung, Personalführung

60

2 Rahmenbedingungen

und -entwicklung, Verwaltung sowie interne und externe Öffentlichkeitsarbeit. Diese recht breiten gesetzlich definierten Aufgabenbereiche zeigen bereits die Vielschichtigkeit der Schulleitungsagenden auf. Rosenbusch et al. (2006) bezeichnen den Beruf des/der Schulleiters/in als „einen der vielseitigsten, kompliziertesten und interessantesten Berufe“ (S. 1). Die Autor/innen listen exemplarisch folgende konkrete Tätigkeiten von Schulleitungen auf (vgl. Rosenbusch et al., 2006), die den oben genannten Aufgabengebieten zugeordnet werden können:        

Erstellung von Statistiken für schulinterne Zwecke und vorgesetzte Behörden, Planung von Anschaffungen, Sicherstellung einer angemessenen Schulausstattung, eigene Fortbildung, Werben um Mittel für den Schulbetrieb, Überprüfung und Abzeichnen von Zeugnissen, Erarbeitung eines Schulprogrammes und vieles mehr.

An dieser Stelle stellt sich die Frage nach der Unterstützung von Schuldirektor/innen bei der Bewältigung einzelner, fachspezifischer Aufgaben. In Hinblick auf Verwaltungstätigkeiten ist zu erwähnen, dass zur Erledigung dieser Schulsekretariate nur in größeren Schulen vorhanden sind. Punkto Infrastruktur- und Ausstattungsmanagement stehen Schulwarte/-wärtinnen, ebenfalls vorwiegend in größeren Schulen, zur Verfügung. Die Vielfalt des Schulleiterberufes entwickelte sich erst im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte. Sie ist auf allgemeine Veränderungen im Schulsystem, speziell Schulautonomisierungsentwicklungen (s. Kapitel 2.2.1), zurückzuführen. Während die Schulleitung früher „lediglich“ ergänzend zum Unterricht Verwaltungsagenden übernahm, lässt sich das geforderte Aufgabenspektrum heute kaum mehr vollständig beschreiben (Hohberg, 2015, S. 1-2). Huber (2008) spricht in diesem Zusammenhang von zahlreichen „unvertrauten Tätigkeitsdimensionen“ (S. 35). Scherm, Posner & Prinz (2009) unternahmen für Deutschland einen Versuch, die geforderten Kompetenzen von heutigen Schulleiter/innen und damit auch die Aufgaben dieser zu systematisieren. Die Autor/innen unterscheiden grundsätzlich zwischen aufgaben- und beziehungsorientierten Kompetenzen bzw. Agenden von Schulleitungen. Die Summe der Tätigkeiten, die im Zuge des sozialen Geschehens an Schulen zu erledigen sind (Beziehungsorientierung: z.B. Personalmanagement, Kooperations- und Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit,

2.4 Die Schulleitung

61

Empathie), sind unmittelbar an die adäquate Erfüllung aller aufgabenorientierter Agenden (z.B. Fachexpertise, Steuerung von Prozessen, Entscheidungsfähigkeit, Selbstmanagement) gekoppelt. Dubs (1994) unternahm einen etwas anderen Versuch der Systematisierung der Aufgabenfelder von Schulleitungen. Er ordnet die Tätigkeiten einzelnen Führungsebenen zu und unterscheidet dabei zunächst zwischen zwei zentralen Strängen, nämlich der Schulentwicklung (= normatives und strategisches Management) und dem Schulmanagement (= operatives Management). Dem Bereich der Schulentwicklung schreibt er längerfristige organisatorische, pädagogische und führungsbezogene Entwicklungsaufgaben zu. Das Schulmanagement bezieht sich auf die Erledigung des täglichen Kerngeschäftes und beinhaltet vor allem eher kurzfristige administrative und organisatorische, aber auch pädagogische Aufgaben. Begleitet werden sollen die Schulentwicklung und das Schulmanagement von einem ständigen Controlling und Qualitätsmanagement (S. 19). An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie es mit der tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung von Volksschulleiter/innen in Österreich aussieht. Zur Beantwortung dieser wird exemplarisch auf die Ergebnisse von TIMSS 2007 Bezug genommen. Im Rahmen dieser Studie wurden Volksschulleiter/innen in 14 EU-Ländern – auch in Österreich – sowie in vier führenden asiatischen Ländern (Hongkong, Japan, Singapur, Taiwan) darum gebeten anzugeben, wieviel Zeit sie mit verschiedenen Leitungstätigkeiten verbringen. Konkret wurde nach den Aufgabenfeldern „Verwaltungstätigkeiten“, „Leitung von unterrichtsbezogenen Tätigkeiten“, „Hospitationen und Dienstbeurteilungen“, „Unterrichten“, „Öffentlichkeitsarbeit“, „Beschaffung von Geldmitteln“ und „Anderes“ gefragt. Die Ergebnisse zeigen, dass in nahezu allen Nationen der Großteil der Arbeitszeit für Verwaltungstätigkeiten aufgewandt wird (26 bis 45%). Speziell in Österreich zeigt sich ein etwas anderes Bild, nämlich folgende verhältnismäßige Aufteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Aufgabenfelder:      

43% Unterrichten 30% Verwaltungstätigkeiten 11% Leitung von unterrichtsbezogenen Tätigkeiten 7% Öffentlichkeitsarbeit und Beschaffung von Geldmitteln 6% Hospitationen und Dienstbeurteilungen 3% Anderes

Im Unterschied zu den meisten anderen Ländern verbringen Volksschuldirektor/innen in Österreich (aber auch in Deutschland) mehr Zeit mit Unterrichten als mit verwaltungsbezogenen Agenden. Dies ist auf das Vorhandensein vieler kleiner

62

2 Rahmenbedingungen

Volksschulen in Österreich und das damit verbundene (höhere) Unterrichtsdeputat von Volksschuldirektor/innen zurückzuführen. Die Ergebnisse von TIMSS 2007 zeigen dabei, dass der Zusammenhang zwischen der Schülerzahl und der Zeit, die für Unterricht aufgewandt wird, in Österreich im Vergleich zu den anderen Nationen am höchsten ist (r= -.79). Eine steigende Anzahl an Schüler/innen geht mit einem höheren Anteil administrativer Tätigkeiten an der Gesamtarbeitszeit einher. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Faktoren ist in Österreich im Vergleich zu den anderen an TIMSS 2007 teilnehmenden Nationen wiederum am höchsten (r= .69) (vgl. Schmich & Toferer, 2016). Diese Erkenntnisse aus TIMSS 2007 zeigen für Österreich, dass angesichts der teilweise hoch ausgeprägten Unterrichtstätigkeit von Volksschulleitungen Zeit für die Erfüllung von tatsächlichen Führungsaufgaben zu diesem Zeitpunkt nur in geringem Maß vorhanden war bzw. aufgewendet wurde. Ob sich dies in den vergangenen zehn Jahren geändert hat, bleibt aufgrund eines Mangels an weiteren Untersuchungen zu dieser Thematik offen. 2.4.3 Rollen von Schulleitungen So vielfältig das Aufgabenspektrum von Schulleitungen ist (s. Kapitel 2.4.2), so facettenreich sind auch die Rollen, die dieser Berufsgruppe zugeschrieben werden. Bevor diese näher betrachtet werden, gilt es, den Rollenbegriff zu definieren, um ein gemeinsames Verständnis dafür zu schaffen. 2.4.3.1 Anforderungen an die soziale Rolle der Schulleitung Georg Simmel, Ralph Linton und George Herbert Mead gelten als Begründer des soziologischen Rollenbegriffes. Neben verschiedenen Rollendefinitionen liegen unterschiedliche Rollenkonzepte vor. Wiswede (1977) unternahm den Versuch einer Ordnung dieser und unterscheidet zwei zentrale Kategorien: 1.

Normatives Konzept Dabei wird die soziale Rolle (einer Person) mit bestimmten Sollvorstellungen wie Verhaltensnormen in Verbindung gebracht und ist daher mit Erwartungen anderer an den/die jeweilige/n Rolleninhaber/in verknüpft.

2.4 Die Schulleitung 2.

63

Behaviorales Konzept Hierbei wird die soziale Rolle mit tatsächlichem Verhalten, welches anderen Positionsinhaber/innen gegenüber innerhalb einer sozialen Struktur geäußert wird, in Verbindung gebracht.

Der Begriff „Rolle“ wird in der vorliegenden Arbeit vorwiegend im normativen Sinn verstanden. Dies ist auch in den Sozialwissenschaften heutzutage die gebräuchlichere Begriffsverwendungsform. Eine immer wiederkehrende Frage rund um den Rollenbegriff ist jene, ob es sich dabei um festgelegte, vordefinierte und formalisierte Verhaltensweisen handelt oder aber um solche, die erst im Zuge von Interaktionssequenzen entwickelt werden müssen. Im Sinne einer Vereinigung dieser Ansichten formulierte Wiswede (1977) folgende Definition von sozialer Rolle: „Rollen sind relativ konsistente, mitunter interpretationsbedürftige Bündel von Erwartungen, die an eine soziale Position gerichtet sind und als zusammengehörig perzipiert werden.“ (S. 17) Eine neuere Definition des Rollenbegriffs, die ähnliche Aspekte wie jene von Wiswede inkludiert, liefern Kauffeld & Hoppe (2014). Sie fassen unter dem Begriff der Rolle die Summe der Verhaltensmuster zusammen, die von einer Person erwartet werden. Dabei helfen diese Rollen dem/der Einzelnen dabei einzuschätzen, ob er/sie das leistet, was von ihm/ihr erwartet wird (S. 250). In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff der Rolle vor allem in Anlehnung an die Begriffsdefinition von Kauffeld & Hoppe (2014) verwendet. Dabei wird eine soziale Rolle unabhängig davon, ob eine Erfüllung derselben erfolgt, als Summe an Verhaltenserwartungen anderer aufgefasst. Mit diesem Verständnis werden nachfolgend die sozialen Rollen einer Schulleitung beschrieben. In den vergangenen Jahren fand aufgrund der Schulautonomisierungsbestrebungen ein Wandel der Anforderungen an den/die Schulleiter/in und somit dessen/deren Rolle statt, weg von der Lehrkraft mit Verwaltungsaufgaben bzw. vom/von der pädagogischen Buchhalter/in hin zu einer Führungskraft bzw. zu einem/r pädagogischen Unternehmer/in (vgl. Hohberg, 2015; Rosenbusch et al., 2006). Diese Entwicklung geht mit dem Wandel von der „verwalteten“ Organisation Schule hin zur lernenden Organisation Schule konform (s. Kapitel 2.3.1). Ursprünglich lag die Aufgabe der Schulleitung im Sinne eines bürokratischen Verständnisses der Organisation Schule lediglich im Erhalten eines ordnungsgemäßen Schulbetriebes. Dabei wurde die Schulleitung als „Primus/Prima inter Pares“, also als „Erste/r unter Gleichen“ gesehen. So galt es, lediglich nach den Vorgaben übergeordneter Kenn- und Grenzwerte zu arbeiten und weniger selbst aktiv zu handeln bzw. zu gestalten (Hohberg, 2015, S. 5-8).

64

2 Rahmenbedingungen

Die Ausweitung dieses ursprünglichen gesellschaftlichen Rollenverständnisses vom Beruf der Schulleitung in den vergangenen Jahren ist auf Aktivitäten zur Forcierung der Schulautonomie zurückzuführen. Da in Österreich bislang ein eher geringer Grad an Schulautonomie möglich ist (s. Kapitel 2.2.1), befindet sich dieser Wandel der Schulleiterrolle(n), ähnlich wie in Deutschland, hierzulande erst in den Anfängen. Nichtsdestotrotz definieren Schratz et al. (2016) für Österreich vier Leitkonzepte bzw. Paradigmen, welche seit den 1980er Jahren in bildungspolitischen Diskussionen immer wieder auftauchen und für die zunehmenden Anforderungen an die Schulleitung verantwortlich sind. Dazu zählen die Themenkomplexe „Qualitätsmanagement“, „Steuerung“, „Entwicklung“ und „Transformation“ (S. 222). Die vier Leitkonzepte stellen den Autor/innen zufolge aktuell bestehende Handlungsfelder und Rollenanforderungen an die österreichische Schulleitung dar. Im Folgenden wird ein Überblick über vielschichtige Rollen, die der Schulleitung heute aufgrund dieser Entwicklungstendenzen zugeschrieben werden, gegeben. Daneben werden auch tradierte, also bereits länger bestehende, soziale Rollen der Schulleitung dargestellt. Huber (2007) bezeichnet Schuldirektor/innen zunächst pauschal als „multifunktionale Wunderwesen“. Languth (2006) spricht von „Allround-Manager/innen“. Rollenzuschreibungen reichen von Schulleiter/innen als Führer/innen, Visionär/innen, Change Agents, „People Persons“, Vermittler/innen, Mediator/innen, Mentor/innen, Personalmanager/innen, Organisationsentwickler/innen über Lehrer/innen und Administrator/innen sowie Öffentlichkeitsarbeiter/innen und Gebäudeverwalter/innen bis hin zu Rollenvorbildern, Politiker/innen, Repräsentant/innen, Freund/innen und Psychotherapeut/innen. Darüber hinaus sollen sie Expert/innen in den Bereichen Schulrecht, Pädagogik, Supervision sowie Facility Management sein (vgl. Beisser, Peters & Thacker, 2014; Hebenstreit et al., 2006; Huber, 2007; Laux, 2011; Rosenbusch et al., 2006). Huber (2009) unternahm eine Systematisierung dieser Rollen:   

Arbeit mit Menschen innerhalb der Schule (Organisations- und Personalentwickler/in, Ansprechpartner/in, Lehrperson, Vorbild) Arbeit mit Menschen außerhalb der Schule (politische/r Vertreter/in, Repräsentant/in der Schule, Vermittler/in zwischen internen und externen Interessen) Verwaltung von Ressourcen (Verwalter/in und Organisator/in, Gebäudemanager/in und Architekt/in, Finanzmensch und Unternehmer/in)

2.4 Die Schulleitung

65

Burke (2012) resümiert aus den umfassenden Rollen- und Verantwortungszuschreibungen: „It is widely understood that leading in today´s school environment is not for the weak in heart or mind.“ Dem Forscher zufolge erfordert die Erfüllung der Schulleiterrolle(n) eine der jeweiligen Situation angepasste Kombination aus Fähigkeiten und Wissen (S. 113). Eine zentrale Herausforderung liegt somit darin, die verschiedenen Rollen, die Verhaltenserwartungen unterschiedlicher Personengruppen sind, in Einklang miteinander zu bringen. Neben den Erwartungen anderer an das Verhalten der Schulleitung stellt sich auch die Frage nach dem eigenen Rollenverständnis von Schuldirektor/innen. Eine aus den 1990er Jahren stammende Studie aus der Schweiz ergab, dass sich zu diesem Zeitpunkt der überwiegende Teil der befragten Schulleiter/innen als „Teammitglied“ oder als „Mädchen für alles“ sah. Lediglich 12% gaben an, sich als „Chef/in der Schule“ zu fühlen (vgl. Wiederkehr, 1998). Eine organisations- und sozialisationstheoretisch angelegte Untersuchung von Wissinger (1996) aus Deutschland lieferte ähnliche Ergebnisse. Neuere Befunde aus der Schweiz deuten darauf hin, dass sich neben den gesellschaftlichen Anforderungen an die Schulleiterrolle auch das eigene Selbstverständnis von Schuldirektor/innen nach den 1990er Jahren wandelte: So kam eine Studie um die Jahrtausendwende zum Ergebnis, dass sich 71% der befragten Schulleitungen mit der Rolle des/der Chefs/in in der Schule identifizieren können. Nur ein geringer Teil bezeichnete sich lediglich als „Lehrperson mit besonderen Aufgaben“ (17%) (vgl. Holtappels & Simon, 2002). Untersuchungen aus Deutschland, deren Erkenntnisse aufgrund ähnlicher Rahmenbedingungen des Schulsystems gut auf die Situation in Österreich übertragbar sind, bestätigen das sich wandelnde Selbstverständnis von Schulleiter/innen nur eingeschränkt bis gar nicht (vgl. Kranz, 2007; Languth, 2006; Warwas, 2009; Werle, 2001). Diesen Studien zufolge orientieren sich Schulleiter/innen in ihrem Führungshandeln zumeist auch heute noch eher an einem erziehungs- und unterrichtsbezogenen Rollenverständnis und halten an ihrer Lehreridentität fest. Exemplarisch wird auf die aktuellste dieser Untersuchungen eingegangen. Eine Studie in Bayern (vgl. Warwas, 2009) führte zum Ergebnis, dass grundsätzlich verschiedene Leitungstypen – abhängig von der subjektiven Gewichtung der drei Rollensegmente Leadership, Kollegialität und Administration – existieren: 

Lehrperson mit Verwaltungsaufgaben (Distanz von der Steuerungs- und Expertenfunktion, hohe Gewichtung administrativer Elemente, hohe Bedeutung der harmonischen Integration in das Kollegium)

66  

 

2 Rahmenbedingungen Generalist (Selbstverständnis nicht als Vorgesetzte/r, sondern als Kolleg/in, aber höhere Gewichtung der Führungsfunktion als die Lehrperson mit Verwaltungsaufgaben) pädagogische Führungskraft (hohe Identifikation mit den Themen Ziel- bildung, Steuerung, Motivation und Beratung; geringer Stellenwert kollegialer Handlungsorientierung; geringe Bedeutung reaktiv-vollziehender Verwaltungstätigkeiten) Vorgesetze/r mit pädagogischer Verantwortung (geringste Bedeutung der Kollegialität, Entfernung von der Rolle als Lehrkraft; gleich hohe Bedeutung aktiv-gestaltender Rolleninhalte und vollziehend-administrativer Elemente) Teamleiter/in (hohe Gewichtung der strategischen Führungsverantwortung, hoher Stellenwert der Handlungsprinzipien Konsens, Gleichberechtigung und Eigenverantwortung der Kollegiumsmitglieder)

Trotz der zunehmenden gesellschaftlichen Anforderungen an die Schulleitung sieht sich der Studie zufolge ein großer Teil der befragten Schulleitungen lediglich als Lehrperson mit Verwaltungsaufgaben. Dies ist vermutlich auf die zum Zeitpunkt der Befragung (noch) eingeschränkte Schulautonomie in Deutschland sowie die hohe Lehrverpflichtung von Schuldirektor/innen zurückzuführen. Betrachtet man insbesondere das berufliche Selbstverständnis von Volksschulleitungen, so stellt Hohberg (2015) die Vermutung auf, dass es diesen im Vergleich zu Leitungen von mittleren oder höher bildenden Schulen noch schwieriger fällt, sich als Führungspersonen zu sehen. Dies liegt der Autorin zufolge an der vor allem in kleinen Volksschulen noch vorhandenen, teilweise hohen Lehrverpflichtung von Schulleitungen, die dazu führt, dass der/die Volksschuldirektor/in einen großen Teil der Zeit in der Lehrerrolle verbringt und somit Kolleg/in für die anderen Lehrkräfte ist (S. 26). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Schulleiterrolle keinesfalls klar umrissen, sondern vielmehr mannigfaltig und komplex ist (vgl. Huber, 2009). Aufgrund unterschiedlicher Bestimmungsgrößen der Schulleitertätigkeit ist es schwierig, einen konsistenten Überblick über tatsächlich anfallende Aufgaben und Funktionen von Schulleitungen zu geben. Huber (2009) spricht in diesem Zusammenhang von „einem bunten Patchwork vieler, sehr verschiedener, teils tradierter, teils veränderter und teils neuer Aspekte. Diese Facetten der Schulleitungsrolle sind teilweise stark miteinander verwoben.“ (S. 15)

2.4 Die Schulleitung

67

2.4.3.2 Rollenkonflikte Rollenkonflikte ergeben sich unter anderem aus inkonsistenten Informationen und unvereinbaren Rollenanforderungen. Wiswede (1977) definiert einen Rollenkonflikt als „generellen Tatbestand, bei dem widersprüchliche (inkompatible) Rollenerwartungen bestehen.“ (S. 115) Dabei geht der Autor davon aus, dass der/die Rolleninhaber/in diese Inkompatibilität auch bemerkt. Generell gibt es laut Kauffeld & Hoppe (2014) vier verschiedene Formen von Rollenkonflikten (S. 251): 1. 2. 3. 4.

Inter-Sender-Konflikt An eine/n Rolleninhaber/in werden von zwei verschiedenen Rollensender/innen unvereinbare Forderungen gestellt. Intra-Sender-Konflikt Ein- und derselbe/dieselbe Rollensender/in stellt widersprüchliche Forderungen an den/die Rolleninhaber/in. Inter-Rollen-Konflikt Ein/e Rollenträger/in hat verschiedene, miteinander unvereinbare Rollen zu erfüllen. Person-Rollen-Konflikt Die Anforderungen an seine/ihre Rollen stehen in Konflikt mit den Werten des/der Rolleninhabers/in.

In der vorliegenden Arbeit sind vor allem Inter-Sender-Konflikte und Intra-Sender-Konflikte von Relevanz. Damit ist das Auftreten widersprüchlicher Erwartungen von anderen an eine Rolle– in diesem Fall an die Schulleitung – in Form eines inkonsistenten Rollensets gemeint (Wiswede, 1977, S. 115-117). Inter-Sender-Konflikte könnten z.B. durch unterschiedliche Erwartungen des Landesschulrates und des Kollegiums an eine Schulleitung auftreten. IntraSender-Konflikte ergeben sich aus unterschiedlichen Erwartungen, die einzelne Personengruppen an den Schulleiterberuf stellen und zum Teil unvereinbar miteinander sind (z.B. Umsetzung von Schulreformen und Wahrung der Schulidentität). Kritisiert in der Diskussion rund um den Wandel der Schulleiterrolle wird im deutschsprachigen Raum immer wieder, dass Schulleitungen im Zuge ihrer Weiterbildungen nicht adäquat auf ihre Aufgaben vorbereitet werden bzw. die Qualität von Weiterbildungslehrgängen unbekannt ist. In der Bildungsdiskussion werden ein umfassendes, praktisch wirkendes und in sich stimmiges Gesamtqualifizierungskonzept sowie praktisch anwendbare Weiterbildungsmöglichkeiten für einen Kompetenzaufbau gefordert

68

2 Rahmenbedingungen

(vgl. Heißenberger & Dreher, 2014; Huber & Hiltmann, 2009; Huber & Schneider, 2011; Kahlhammer, 2010; Laux, 2011; Rosenbusch et al., 2006; Schratz et al., 2016). Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der, vor allem in Österreich und Deutschland, nicht ausreichend vorhandenen Autonomie von Schulen, die zur Erfüllung der umfassenden Rollenanforderungen an Schulleitungen notwendig wäre (vgl. Dubs, 1994; Laux, 2011). Languth (2006) spricht in diesem Zusammenhang von einem Spannungsverhältnis zwischen dem vielfältigen Aufgabenspektrum sowie den hohen Erwartungen an die Schulleitungstätigkeit auf der einen Seite und den vorhandenen Rahmenbedingungen, unter denen Schulleitungstätigkeiten geleistet werden können, auf der anderen Seite (S. 8). Abbildung 8 fasst die wesentlichsten, für die vorliegende Arbeit relevanten Kernergebnisse des Kapitels 2.4 Die Schulleitung zusammen. Sie ermöglicht einen Einblick in den Beruf der Schulleitung in Österreich.

2.5 Fazit zu Kapitel 2

Abbildung 8:

Zusammenfassung Kapitel Die Quelle: Eigene Erstellung

69

Schulleitung Die Schulleitung,

2.5 Fazit zu Kapitel 2 Die Schulleitung stellt einen der komplexesten, vielseitigsten und bedeutsamsten Berufe unserer Gesellschaft dar und zeichnet sich durch eine umfassende Aufgabenvielfalt – die zum Großteil zwar gesetzlich definiert ist, jedoch einen weiten Interpretationsspielraum offenlässt – aus. Dieses breite Aufgabenspektrum ist wiederum mit vielfältigen Erwartungen an die soziale Rolle der Schulleitung verbunden. All diesen gerecht zu werden, stellt nahezu eine Unmöglichkeit dar. Es ist

70

2 Rahmenbedingungen

anzunehmen, dass gerade der Beruf der Volksschulleitung, der sich in Österreich häufig durch ein (hohes) Lehrdeputat auszeichnet, vielfältige Rollenkonflikte erzeugt. Vorhandene Weiterbildungsprogramme für (angehende) Schuldirektor/innen bieten nur ansatzweise eine Unterstützung bei der Bewältigung der täglichen Aufgaben und der Erfüllung unterschiedlicher Rollenerwartungen. Geprägt wird das Leitungshandeln von Schulleitungen neben individuellen Merkmalen von Bedingungen der Organisation Schule auf der Mesoebene und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf der Makroebene. Neben Spezifika der Einzelschule wie z.B. dem Sozial- und Organisationsklima, das unter anderem durch Kommunikationsprozesse und Interaktionsmuster zur Geltung kommt, bestimmen generelle Merkmale der Organisation Schule das Handeln von Schuldirektor/innen. Auf Makroebene sind Schulleitungen in ein umfassendes, klar geregeltes Bildungssystem eingebettet, welches sich durch Rechtsvorschriften sowie kontinuierliche Reformen auszeichnet. Insgesamt leiteten österreichische Volksschulleitungen im Schuljahr 2016/17 3.040 Schulen mit 335.854Schüler/innen und 35.120 vorwiegend weiblichen Lehrer/innen. Aktuell geht die Tendenz der Veränderungen auf Ebene des Schulsystems in Richtung mehr Autonomie der Einzelschule, was wiederum mit einer Aufwertung des Berufs der Schulleitung, einer steigenden Verantwortung dieser für die Themen Effektivität und Gesundheit („gute, gesunde Schule“) und gleichzeitig einer noch höheren Komplexität und Vielfalt der Schulleiterrolle verbunden ist. Die Bestimmungsgrößen des Schulleitungshandelns auf Individual-, Mesound Makroebene bedingen sich zum Teil, zum Teil stehen sie jedoch auch in Widerspruch zueinander, was eine adäquate Erfüllung der Schulleiterrollen weiter erschwert. Schulleitung ist nicht gleich Schulleitung. Dies sollte aus den Ausführungen in diesem Kapitel deutlich geworden sein. Aufgrund der vielfältigen Faktoren, die auf unterschiedlichen Ebenen auf den Beruf der Schulleitung einwirken, ist anzunehmen, dass es unterschiedliche Typen von Schulleiter/innen mit unterschiedlichem Selbstverständnis gibt, die wiederum durch eine unterschiedliche Wahrnehmung des eigenen sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule sowie ein unterschiedliches individuelles Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben gekennzeichnet sind. Diesen Themen widmet sich aus theoretischer Perspektive das folgende Kapitel.

3

Theoretische Bezugsfelder

Merriam (2009) beschreibt den theoretischen Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit als „the structure, the scaffolding, or frame of [a] study [that is derived from the] concepts, terms, definitions, models, and theories of a particular literature base and disciplinary orientation“(S. 66-67). Miles & Huberman (1994) haben ein ähnliches Verständnis vom theoretischen Rahmen und schreiben diesem eine zentrale Funktion in Hinblick auf die Identifikation von Schlüsselfaktoren, Konstrukten, Variablen und Zusammenhängen dieser im Zuge einer eigenen empirischen Erhebung zu (S. 18). Wie bereits in Kapitel 1.3.2 angeführt, hat die vorliegende Arbeit zwei zentrale theoretische Bezugsfelder. Zum einen handelt es sich dabei um Theorie(n) des sozialen Netzwerkes, zum anderen um soziologische Theorien und Konzepte zu den Zusammenhängen zwischen Arbeit und Gesundheit. Die beiden Theoriestränge leiteten den gesamten Forschungsprozess an und begleiteten die eigene empirische Erhebung von der Entwicklung des Befragungsinstrumentes bis hin zur Interpretation des Datenmaterials (s. Kapitel 5). Im Folgenden werden die beiden Theoriebereiche, insbesondere deren für die vorliegende Arbeit konkret relevanten Aspekte, beschrieben. An Stellen, an denen es möglich ist und sinnvoll erscheint, werden Ausführungen exemplarisch auf das Forschungsthema übertragen. 3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz Da im Zentrum der vorliegenden Arbeit die Analyse des sozialen Netzwerkes von Volksschuldirektor/innen am Arbeitsplatz Schule und dessen Gesundheitsrelevanz stehen, stellt das Konzept des sozialen Netzwerkes einen zentralen theoretischen Bezugspunkt der Arbeit dar. Zunächst wird ein Überblick über die Netzwerkforschung und deren Stellenwert im Schulbereich gegeben. Der Begriff des sozialen Netzwerkes, der an späterer Stelle näher definiert wird (s. Kapitel 3.1.1), ist in nahezu allen Gesellschaftsbereichen allgegenwärtig. Einige Autor/innen sprechen von einer „Konjunktur“ der sozialen Netzwerk-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Szabo, Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27208-1_3

72

3 Theoretische Bezugsfelder

forschung, andere schreiben dem sozialen Netzwerk eine der größten „Begriffskarrieren“ zu. Sowohl in den Medien und der Politik als auch in wissenschaftlichen Journals unterschiedlicher Fachbereiche – von der Sozial- und Gesundheitspsychologie über die Anthropologie und die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften bis hin zu den Rechts- und Politikwissenschaften – taucht die Wortkombination „soziales Netzwerk“ vor allem seit den 1970er Jahren immer wieder mit teilweise unterschiedlichem Bedeutungsgehalt auf. Daneben wurden zentrale Meilensteine der Netzwerkforschung auch in den Naturwissenschaften wie etwa der Mathematik oder Physik gelegt. Es ist von Nachbarschaftsnetzwerken, Wirtschaftsförderungsnetzwerken, Wissenschafts- oder Gesundheitsnetzwerken, Frauennetzwerken, dem World Wide Web, aber auch von „problematischen“ Netzwerkformen wie kriminellen Beschaffungsnetzwerken die Rede. Das Gebiet der sozialen Netzwerkforschung zeichnet sich somit durch eine hohe Interdisziplinarität und Dynamik aus. In sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen werden mittels sogenannter sozialer Netzwerkanalysen (s. Kapitel 5.1.3) verschiedene Formen von Netzwerken untersucht. Die Akteur/innen, für deren Beziehungen zueinander man sich interessiert, können dabei Individuen, Familien, Haushalte, Gemeinden, politische Akteur/innen, aber auch ganze Organisationen sein. Die wissenschaftliche Literatur zu sozialen Netzwerken ist in den unterschiedlichen Forschungsbereichen kaum mehr zu überblicken (vgl. Bommes & Tacke, 2006; Erikson, 2013; Haas & Mützel, 2008; Hollstein, 2006; Holzer & Schmidt, 2009; Laireiter, 2008; Rehrl & Gruber, 2007; Stegbauer & Häußling, 2010; Stegbauer & Hennig, 2012). In Hinblick auf die Verwendung der Begriffe Netzwerkforschung und Netzwerkanalyse wird an dieser Stelle festgehalten, dass sich die Bezeichnung „Netzwerkforschung“ in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an einschlägige Netzwerkliteratur auf das gesamte Forschungsfeld bezieht, während jene der „Netzwerkanalyse“ insbesondere das methodische Vorgehen bei der Untersuchung sozialer Netzwerke meint (s. Kapitel 5.1.3). Besonders die Soziologie hat ein großes Interesse an sozialen Netzwerken. Dies gilt sowohl für den internationalen Raum, wobei die Ursprünge der soziologischen Netzwerkforschung vor allem in den USA liegen, als auch für den deutschsprachigen Raum. Nennenswerte Netzwerkforscher in den USA und Kanada sind etwa Stephen Berkowitz, Ronald Breiger, Ronald Burt, Joseph Galaskiewicz, Mark Granovetter, David Knocke, Edward Laumann, Samuel Leinhardt, Peter Marsden, Barry Wellman und Harrison White. Deutsche Soziologen, die einen wesentlichen Beitrag zur Netzwerkforschung leisteten, sind Georg Simmel und Leopold von Wiese als Begründer der formalen Soziologie sowie Kurt Lewin. Das Netzwerkkonzept fand in den vergangenen Jahren Eingang in unterschiedliche Teildisziplinen der Soziologie wie z.B. die Stadt- und Gemeinde-

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

73

soziologie, die Migrations- und Familienforschung, die Organisationssoziologie, die Politische Soziologie, die Freizeit-, Milieu- und Lebensstilsoziologie (vgl. Hollstein, 2006; Stegbauer & Häußling, 2010) sowie die Medizin- und Gesundheitssoziologie. Letztgenanntem Bereich lässt sich die vorliegende Arbeit zuordnen. In den genannten Teildisziplinen werden vor allem Kommunikationsnetzwerke, die Formierung subkultureller Szenen, soziale Bewegungen, lokale Machteliten, Netzwerke zwischen Organisationen, persönliche Netzwerke und virtuelle Netzwerke untersucht, wobei insbesondere die Strukturen, die Dynamik sowie die Funktionen von sozialen Netzwerken erforscht werden. In den vergangenen Jahren fand in der deutschsprachigen Soziologie ein starker Anstieg an Publikationen zum sozialen Netzwerkkonzept statt (vgl. Diaz-Bone, 2008; Fuhse, 2008a; Fuhse, 2009a; Hollstein & Straus, 2006; Holzer, 2009; Holzer & Schmidt, 2009). Daneben liegen zahlreiche Methodenlehrbücher vor (vgl. Jansen, 2006; Stegbauer, 2008a; Stegbauer & Häußling, 2010). Attraktiv am Netzwerkkonzept dürfte aus Sicht der Soziologie dessen Ansiedelung zwischen Mikro- und Makroebene sowie die Tatsache sein, dass der relationale Ansatz von genuin soziologischem Interesse ist (Hollstein, 2006, S. 11), steht doch dabei die Kontextgebundenheit bzw. gemäß Granovetter (1985) die „embeddedness“ sozialen Handelns im Mittelpunkt. Neben der Verknüpfung von Mikro- und Makroebene liegen weitere Potenziale der sozialen Netzwerkforschung gemäß Stegbauer & Häußling (2010) in der Schließung weiterer Gräben, nämlich jenem zwischen qualitativen und quantitativen Methoden und jenem zwischen Theorie und Praxis (S. 14). Ein Grund für die Allgegenwärtigkeit des sozialen Netzwerkbegriffes in der Soziologie dürfte zudem in der generellen Entwicklung unserer Gesellschaft in Richtung einer vernetzten und sich kontinuierlich vernetzenden Gesellschaft liegen (vgl. Boltanski & Chiapello, 2003; Diaz-Bone, 2008). Einigen Autor/innen zufolge (vgl. Wald & Jansen, 2007; Willke, 2001) stellen Netzwerke neben Markt und Hierarchie den dritten Koordinationsmechanismus moderner Gesellschaften dar. Bei der Suche nach einem gemeinsamen Kern der zahlreichen unterschiedlichen Netzwerkformen fällt auf, dass es zum einen Netzwerke gibt, die nicht explizit als solche bezeichnet werden, zum anderen aber auch Phänomene mit dem Begriff „soziales Netzwerk“ tituliert werden, die aus soziologischer Sicht keine sind. Beim Versuch, den Netzwerkbegriff genauer zu fassen, unterscheidet die Soziologie zwischen dem Netzwerk als soziale Struktur in einer Gesellschaft und dem Netzwerk als eine Semantik, mit der Ausschnitte einer Gesellschaft beschrieben werden können (Bommes & Tacke, 2006, S. 39). Generell weist die Netzwerkperspektive nach Wald (2008) drei zentrale Dimensionen auf, nämlich

74   

3 Theoretische Bezugsfelder die Theorie, das Phänomen und die Methode (S. 494).

Während in den 1970er und 1980er Jahren vor allem die Ausarbeitung von Methoden der Netzwerkforschung im Zentrum stand, ist seit den 1990er Jahren ein zunehmendes Interesse an der theoretischen Fundierung des Netzwerkkonzeptes zu beobachten. Gefordert wird eine stärkere Verzahnung der drei Dimensionen, insbesondere der Theorie mit jener der Methode. Auf die Theorie wird in Kapitel 3.1.1.2, auf die Methodenkomponente in Kapitel 5.1.3 der vorliegenden Arbeit näher eingegangen. Die vielfältige Verwendung des Terminus „soziales Netzwerk“ wird in den Sozialwissenschaften ambivalent betrachtet: Einerseits wird die Offenheit für vielfältige Methoden und theoretische Strömungen als positiv bewertet, andererseits wird die Beliebigkeit und das Fehlen eines Konsenses kritisiert. Neben der Multidimensionalität des Konzeptes werden als weitere Herausforderungen der Netzwerkforschung seit etwa Mitte der 1990er Jahre darüber hinaus Fragen der Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit von Akteur/innen sowie der Verknüpfung von (Netzwerk-)Struktur- und Akteursebene genannt (Hollstein, 2008, S. 91). Ausführungen hierzu finden sich in Kapitel 3.1.1.2. Im Schulsetting wurden Netzwerkanalysen bislang nur in geringem Ausmaß durchgeführt. Berkemeyer & Bos (2010) betonen in diesem Zusammenhang, dass der Begriff des sozialen Netzwerkes keineswegs zu den Grundbegriffen der Erziehungswissenschaften zählt (S. 755). Dies erscheint zunächst erstaunlich, ist doch die Vernetzung, vor allem in Hinblick auf Wissensaustausch, im Bildungswesen unumgänglich (Rehrl & Gruber, 2007, S. 243). Ein Grund für die lange Vernachlässigung des sozialen Netzwerkkonzeptes in der Pädagogik dürfte darin liegen, dass historisch betrachtet vielmehr dyadische Beziehungen zwischen Erzieher/in und Zögling und weniger gesamte Netzwerke im Zentrum des Interesses standen (Berkemeyer & Bos, 2010, S. 756). Seit einigen Jahren erfährt das soziale Netzwerkkonzept jedoch auch im Schulbereich verstärkt Aufmerksamkeit, wobei die Wurzeln erneut im angloamerikanischen Raum liegen. Von Interesse sind vor allem soziale Prozesse des Lernens, der Veränderung und der Sozialisation (Herz, 2014, S. 242). Grundsätzlich können im Bildungsbereich zwei Forschungsstränge zu sozialen Netzwerken unterschieden werden, die sich überwiegend aus US-amerikanischen Studien zusammensetzen:

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz 1. 2.

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Analyse von (formellen) sozialen Gesamtnetzwerken, bestehend aus mehreren Schulen bzw. Schulen und anderen Organisationen Analyse von (informellen) sozialen Gesamtnetzwerken und ego-zentrierten Netzwerken innerhalb einer einzelnen Schule

Die vorliegende Arbeit lässt sich dem zweitangeführten Forschungsfeld zuordnen. Im Interesse dieses Forschungsbereiches lag bislang vor allem die soziale Netzwerkstruktur von Schulen, insbesondere Beziehungsmuster zwischen Lehrkräften einer Schule (vgl. Anderson, 2010; Bakkenes et al., 1999; Bidwell & Yasumoto, 1999; Borgatti & Foster, 2003; Coburn & Russell, 2008; Daly, 2010; Daly, Moolenaar, Bolivar & Burke, 2010; Hawe & Ghali, 2008; Moolenaar et al., 2010; Moolenaar, 2010; Penuel et al., 2010; Penuel, Riel, Krause & Frank, 2009; Russell & Weiss, 2009; Spillane & Healey, 2010). Dabei zeigen die Ergebnisse, dass sich die soziale Netzwerkstruktur von Schule zu Schule deutlich voneinander unterscheiden kann, wobei zum einen Charakteristika der Schule, zum anderen jene der Individuen innerhalb einer Schule zentrale Bestimmungsfaktoren sind. Die Untersuchungen zeigen, dass sich das soziale Netzwerk einer Schule, insbesondere jenes zwischen Lehrkräften, häufig aus mehreren Subgruppen zusammensetzt. Funktionen sozialer Netzwerke liegen unter anderem im Austausch von Material sowie fachlichem Austausch. Darüber hinaus zeigt sich, dass die soziale Netzwerkstruktur häufig von der formalen hierarchischen Struktur einer Schule abweicht. Einige Studien untersuchten darüber hinaus die Rolle von Schulleitungen innerhalb des sozialen Netzwerkes einer Schule (vgl. Drago-Severson, 2007; Moolenaar et al., 2010; Moolenaar & Sleegers, 2015). Neben Lehrernetzwerken interessiert sich die soziale Netzwerkforschung im Schulwesen auch für Netzwerke in Schulklassen. Dabei werden vor allem Zusammenhänge zwischen Netzwerkpositionen und -verbindungen sowie Kompetenzen von Schüler/innen untersucht (vgl. Dunkake, 2012; Merkens, Alizadeh, Hupka, Karatas, Reinders & Schneewind, 2001; Stubbe, Pietsch & Wendt, 2007). Herz (2014) bezeichnet in diesem Zusammenhang eine Studie von Delitsch (1900) mit dem Titel „Über Schülerfreundschaften in einer Volksschule“ als eines der ersten Beispiele für die Verknüpfung von Erziehungswissenschaften und sozialer Netzwerkforschung, in welcher der Zusammenhang zwischen Kinderfreundschaften und Schulleistung ermittelt wurde (S. 242). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Schulbereich zahlreiche Ansatzpunkte für soziale Netzwerkforschung bietet. Dennoch liegen bislang, vor allem was den deutschsprachigen Raum betrifft, nur vereinzelt Studien vor (Berkemeyer & Bos, 2010, S. 763). Wenn geforscht wird, dann werden zumeist organisationale bzw. Gesamtnetzwerke mit Fokus auf die Themen Wissens-

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3 Theoretische Bezugsfelder

austausch, Innovation und Lernen oder Sozialkapital von Schüler/innen bzw. ganzen Schulklassen untersucht (vgl. Berkemeyer & Bos, 2010; Dunkake, 2012). 3.1.1 Das soziale Netzwerk Im Folgenden wird das Konzept des sozialen Netzwerkes näher beschrieben und definiert. Darüber hinaus wird ein kurzer Überblick über bestehende Theorien zum sozialen Netzwerk gegeben. Zuvor wird jedoch überblicksmäßig auf den Themenkomplex der sozialen Beziehungen eingegangen, da diese den wesentlichen Bestandteil sozialer Netzwerke bilden. 3.1.1.1 Soziale Beziehungen Unsere heutige Gesellschaft befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Individualismus bzw. dem Streben nach Eigenständigkeit und Vergesellschaftung bzw. dem Wunsch nach emotionaler Nähe. Soziale Beziehungen können für beide Tendenzen dienlich sein: So schaffen starke und enge Beziehungen – „strong ties“ – solidarische Oasen in der individualisierten Gesellschaft, während „schwache Beziehungen“ – „weak ties“ – beim Zugang zu neuen Arbeitsstellen, bei wichtigen beruflichen Entscheidungen bzw. bei der Verfolgung individueller Ziele hilfreich sind (vgl. Hennig, 2006). In der Soziologie und Sozialpsychologie liegen zahlreiche Forschungsarbeiten zur Natur und den Prozessen sozialer Beziehungen vor (vgl. Fuhse, 2009b). An dieser Stelle soll lediglich ein Auszug daraus gegeben werden. Einer der ersten Soziologen, der sich mit der Frage nach der Bedeutung sozialer Beziehungen beschäftigte, war Georg Simmel (1908). Er lässt sich der formalen Soziologie zuordnen. Dieser betrachtete sogenannte „dyadische Beziehungen“, also Beziehungen zwischen genau zwei Personen, als die grundlegende Form der Gesellschaft. Sie können unterschiedliche Bedeutungen, abhängig von den Gedanken und Gefühlen der involvierten Individuen, haben. Die wesentlichen Bestimmungsgrößen einer Beziehung zweier Individuen sind die Interaktionen zwischen ihnen (S. 17ff). Max Weber (1964) zufolge, der eine handlungstheoretische Position einnimmt, bedeutet eine soziale Beziehung „ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer“ (S. 19). Gemäß Weber entstehen soziale Strukturen in den Köpfen von Menschen und sind daher subjektiv. Abhängig davon, welche Bedeutung Individuen

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

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bestimmten sozialen Beziehungen zuschreiben, sind einige Handlungen wahrscheinlicher als andere (vgl. Fuhse, 2009b; Hennig, 2006). Weitere Definitionen von sozialen Beziehungen aus verschiedenen Blickwinkeln bzw. wissenschaftlichen Positionen heraus liefern Leopold von Wiese (1924), Niklas Luhmann (1984), Talcott Parsons (1968), Harrison White, Margaret Somers oder Charles Tilly (Fuhse, 2009b, S. 61-62). In der vorliegenden Arbeit werden soziale Beziehungen als zentrale Elemente sozialer Netzwerke betrachtet, die von Personen subjektiv erlebt werden und mit bestimmten Erwartungen, Gedanken und Gefühlen der beteiligten Individuen einhergehen. Wie bereits erwähnt, können Beziehungen dabei unterschiedliche Bedeutungen haben. Häufig weisen sie vielfältige Funktionen auf und sind multiplex. Damit ist gemeint, dass sie auf mehreren Dimensionen zu finden sind und unterschiedliche Hilfeleistungen bieten (Diaz-Bone, 1997, S. 46). Das Konzept der multiplexen Beziehung geht auf Gluckman (1955) und dessen Schüler Kapferer (1969) zurück, die in ihren Studien zeigten, dass Beziehungen, die sich durch mehrere Inhalte und Kontexte auszeichnen, stärker sind als sogenannte uniplexe Beziehungen, die nur durch den Kontakt auf einer Ebene bestehen. In der vorliegenden Arbeit sind sowohl uniplexe als auch multiplexe soziale Beziehungen von Interesse, können Personen im schulischen Umfeld von Volksschuldirektor/innen doch z.B. als Arbeitskolleg/innen und Freund/innen zugleich fungieren. Granovetter (1973) unternahm eine der bekanntesten Unterscheidungen sozialer Beziehungen, wobei er als zentrales Differenzierungsmerkmal die Beziehungsstärke wählte. Er differenziert zwischen den zu Beginn des Kapitels bereits erwähnten „strong ties“ und „weak ties“. Während die „weak ties“, also die schwachen Beziehungen, vor allem Informationsflüsse – z.B. bei der Jobsuche – zu entlegenen Akteur/innen ermöglichen und eher zwischen Bekannten bestehen, bieten die „strong ties“, also die starken Beziehungen, Unterstützung, Verlässlichkeit sowie emotionale Nähe bzw. Sicherheit. Enge Beziehungen werden vor allem zu Familienangehörigen und guten Freund/innen gepflegt. Die Stärke der Beziehungen lässt sich gemäß Granovetter anhand der Zeit, die zwei Akteur/innen miteinander verbringen; der emotionalen Intensität; der Intimität und der reziproken Dienste in Hinblick auf den Austausch von Hilfeleistungen messen (S. 1361). Auf den potenziellen Nutzen starker und schwacher sozialer Beziehungen im Sinne von Sozialkapital wird in Kapitel 3.1.3 eingegangen. Die Gesundheitsrelevanz von „strong ties“ und „weak ties“ wird in Kapitel 3.1.4 diskutiert. Eng mit dem Begriff der sozialen Beziehung verwandt ist jener der sozialen Interaktion. Diese wurde zuvor bereits als wesentliche Bestimmungsgröße einer

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3 Theoretische Bezugsfelder

sozialen Beziehung definiert. Unter einer sozialen Interaktion wird die Wechselbeziehung zwischen Handlungen verstanden, wenn eine Person unter den Bedingungen der Anwesenheit einer anderen Person ihre Interaktionsbeiträge an den Erwartungen dieser anderen Person und an der Bewertung der gemeinsamen Situation orientiert (Häußling, 2006, S. 126). Somit handelt es sich bei der sozialen Interaktion um ein relationen- und prozesssoziologisches Konzept, welches die konkrete Ausgestaltung sozialer Beziehungen abbildet. Soziale Beziehungen und damit verbundene Interaktionen bilden einen wesentlichen Bestandteil sozialer Netzwerke. Nachfolgend wird der Begriff des sozialen Netzwerkes näher erläutert. 3.1.1.2 Definition und Theorie(n) des sozialen Netzwerkes Zu Beginn dieses Unterkapitels wird darauf hingewiesen, dass der Beginn der Netzwerkforschung durch eine relativ undifferenzierte Verwendung von Begriffen gekennzeichnet war. Dies wurde bereits einführend in Kapitel 3.1 erwähnt. Gemäß Laireiter (1993a) lässt sich das Forschungsfeld heute in drei zentrale Ebenen unterteilen, nämlich die soziale Integration, die soziale Unterstützung und das soziale Netzwerk (S. 15). Im Folgenden wird verstärkt auf das Begriffspaar des sozialen Netzwerkes eingegangen. Verknüpfungen und Abgrenzungen zu den beiden anderen Ebenen werden in Kapitel 3.1.2 und 3.1.3 vorgenommen. Begriffshistorie Der Begriff des sozialen Netzwerkes geht ursprünglich auf Barnes (1954) zurück. Dieser nutzte Muster und Knoten ausgebreiteter Fischernetze als Symbole bei der Beschreibung der sozialen Struktur eines norwegischen Fischerdorfes. In weiterer Folge wurde der Begriff des sozialen Netzwerkes von unterschiedlichen Zugängen in der Soziologie und Sozialanthropologie bzw. Ethnographie weiterentwickelt. Eine der ersten konkreten Definitionen des sozialen Netzwerkes stammt vom Ethnologen J. Clyde Mitchell (1969). Ihm zufolge ist ein soziales Netzwerk „ […] a specific set of linkages among a defined set of persons, with the additional property that the characteristics of these linkages as a whole may be used to interpret the social behaviour of the persons involved.” (S. 2) Somit setzt sich ein soziales Netzwerk aus einer gewissen Anzahl an Personen und deren Beziehungen zueinander zusammen (vgl. Bruns, 2013; Wasserman & Faust, 1994). Das soziale

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

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Handeln einer Person kann demnach nur dann verstanden werden, wenn das soziale Netzwerk, in welches ein Individuum eingebettet ist, Berücksichtigung findet (Jansen, 2006, S. 13). Ähnlich der Definition von Mitchell (1969) betrachtet Scott (2000) das soziale Netzwerk zunächst neutral als ein abgegrenztes Set von Knoten und deren Verbindungen. Die konkrete Ausgestaltung einzelner sozialer Netzwerke in Hinblick auf strukturelle (z.B. Größe und Dichte des Netzwerkes), relationale (z.B. Stärke, Symmetrie, Multiplexität sozialer Beziehungen) und funktionale (z.B. Informationsaustausch, soziale Unterstützung) Eigenschaften gilt es in konkreten Forschungsarbeiten zu identifizieren. Auf unterschiedliche strukturelle, relationale und funktionale Merkmale, welche im Rahmen der Netzwerkforschung von Interesse sind, wird bei der Darstellung der Methodik der sozialen Netzwerkanalyse näher eingegangen (s. Kapitel 5.1.3). Eine weitere Definition des sozialen Netzwerkbegriffes, welche an die bereits erläuterten anknüpft, stammt von Biegel, McCardle & Mendelson (1985), einer Forschergruppe, die sich unter anderem mit der Gesundheitsrelevanz sozialer Netzwerke beschäftigte und deren Vorstellung vom sozialen Netzwerkbegriff daher auch für die vorliegende Arbeit von großem Interesse ist. Den Autor/innen zufolge ist ein soziales Netzwerk die Menge von „Bindungen eines Individuums zu signifikanten Anderen (Familie, Freunde, Nachbarn und anderen informellen Helfern)“ (S. 11). Offen lässt diese Definition die Interpretation von „Bindung“ und der „signifikanten Anderen“ (vgl. Hennig, 2006). Seit dem „Meilenstein“ des Begriffes „soziales Netzwerk“, den Mitchell legte, wird kontinuierlich an der Definition dessen gefeilt, wobei diese wiederum von der Forschungsrichtung bzw. der wissenschaftlichen Position, aus der dieses betrachtet wird, abhängt. Nachfolgend wird auf jene Definitionen und Aspekte sozialer Netzwerke eingegangen, die für die vorliegende Arbeit von besonderer Relevanz sind. Soziale Beziehungen als Elemente sozialer Netzwerke Die in Kapitel 3.1.1.1 erläuterten sozialen Beziehungen bilden die Grundlage für das soziale Netzwerk. Dabei besteht ein soziales Netzwerk in der Regel aus mehr als nur einer Beziehung zwischen zwei Akteur/innen. Soziale Beziehungen innerhalb eines Netzwerkes zeichnen sich zumeist durch unterschiedliche Beziehungsformen und -inhalte aus. Ein soziales Netzwerk stellt damit ein Geflecht mehrerer Beziehungen, die sporadisch, aber auch institutionalisiert sein können, dar (vgl. Hennig, 2006). Genau hier liegt der gemeinsame Bedeutungskern vielfältiger

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Netzwerkkonzepte. So bezieht sich ein soziales Netzwerk immer auf die Relationen bzw. Verbindungen, also die sozialen Beziehungen, zwischen prinzipiell fassbaren und voneinander unterschiedlichen Entitäten (Rürup et al., 2015, S. 11). Die meisten sozialnetzwerktheoretischen Ansätze betonen jedoch, dass ein soziales Netzwerk nicht bloß die Summe einzelner sozialer Beziehungen, sondern vielmehr die Struktur von miteinander verknüpften Beziehungen ist (Fuhse, 2009b, S. 62). Eine konkrete Fassung des sozialen Netzwerkbegriffes – vor allem im Rahmen spezifischer wissenschaftlicher Untersuchungen – erfordert Laireiter (1993a) bzw. Laireiter (2008) zufolge begriffliche Präzisierungen auf vier verschiedenen Ebenen: 1.

2.

3. 4.

Ebene Die Bedeutung des Terminus „soziales Netzwerk“ ist festzulegen. Übereinstimmung herrscht darüber, dass darunter „Systeme interpersonaler Beziehungen“ gemeint sind. Ebene Es ist zu definieren, ob es sich beim Referenzobjekt um ein Individuum oder eine soziale Gruppe handelt. Netzwerke von Individuen werden als egozentrierte oder personale Netzwerke bezeichnet. Ebene Es sind Präzisierungen bzgl. der Art und des Umfanges der Beziehungen vorzunehmen, die in einem sozialen Netzwerk Berücksichtigung finden sollen. Ebene Hierbei gilt es zu klären, welche strukturellen (z.B. Größe, Dichte, Cluster), relationalen (z.B. Kontaktfrequenz, Rolle, Beziehungsdauer), funktionalen (z.B. Unterstützung, Kontrolle, Feedback) und evaluativen (z.B. Zufriedenheit, Wichtigkeit, Erwartungen) Parameter zur Beschreibung der Netzwerke herangezogen werden.

Betrachtet man die vier Ebenen von Laireiter aus dem Blickwinkel der vorliegenden Forschungsarbeit, so ist zu erwähnen, dass in dieser soziale Netzwerke als Systeme interpersonaler Beziehungen verstanden und betrachtet werden (1. Ebene). Auf der 2. Ebene stehen im Zentrum des Interesses ego-zentrierte Netzwerke. Eine Differenzierung zwischen Gesamtnetzwerken und ego-zentrierten Netzwerken erfolgt in Kapitel 5.1.3.1, da die Unterscheidung vor allem auf methodischer Ebene von entscheidender Bedeutung ist. An dieser Stelle wird im Sinne eines einheitlichen Verständnisses lediglich erwähnt, dass sich Gesamt- oder totale Netzwerke bzw. Partialnetzwerke auf jegliche Beziehungen einer bestimmten Art in einem untersuchten Set von Akteur/innen bzw. jenem einzelner Teilgruppen in

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Gesamtnetzwerken beziehen (z.B. Familiennetzwerke, Nachbarschaftsnetzwerke). Ego-zentrierte Netzwerke, welche auch als personale oder persönliche Netzwerke bezeichnet werden, zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass im Mittelpunkt ein/e einzelne/r Akteur/in steht, für deren soziale bzw. interpersonale Umwelt man sich interessiert, wobei die Perspektive des jeweiligen Individuums eingenommen wird. Jansen (2006) versteht unter einem ego-zentrierten Netzwerk „das um eine fokale Person, das Ego, herum verankerte soziale Netzwerk“ (S. 80). Was die Art der sozialen Beziehungen (3. Ebene) betrifft, so werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit solche betrachtet, die sich im beruflichen sozialen Netzwerk von Volksschuldirektor/innen befinden und einen Einfluss auf deren Wohlbefinden haben. In Hinblick auf die von Laireiter definierte 4. Ebene wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen der eigenen Forschungsarbeit aus Sicht der Betroffenen (Volksschuldirektor/innen) gesundheitsrelevante Parameter von Interesse sind. Individuen, die als Akteur/innen in sozialen Netzwerken im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen, können unterschiedlichen Typen sozialer Netzwerke angehören. Kahn & Antonucci (1980) gehen in ihrem „Convoy Model“ davon aus, dass Individuen von einem Netzwerk an Personen(gruppen) umgeben sind. Die Zusammensetzung und Qualität eines Netzwerkes formt sich über eine bestimmte Zeit, wobei personale (Alter, Geschlecht, Persönlichkeit) und situative (Rollenerwartungen, Ressourcen, Bedürfnisse) Faktoren wesentliche Bestimmungsgrößen sind. Wann ein soziales Netzwerk als „optimal“ bezeichnet werden kann, hängt insbesondere vom Charakter, vor allem der Extro- bzw. Introvertiertheit, des jeweiligen Individuums ab. Theorie(n) des sozialen Netzwerkes Wie in der Einleitung (s. Kapitel 1) angemerkt, hat die Netzwerkforschung bzw. das Konzept des sozialen Netzwerkes häufig mit der Kritik zu kämpfen, „theorielos“ und eher eine Sammlung analytischer Forschungsinstrumente zu sein (vgl. Fuhse, 2008a; Häußling & Stegbauer, 2010b; Röhrle, 1994; Weyer, 2000a). Häußling & Stegbauer (2010b) weisen diesen Vorwurf dahingehend zurück, dass das Entwickeln einer allgemeinen Theorie des sozialen Netzwerkes aufgrund der Vielgestaltigkeit und Heterogenität der Forschungskontexte, in denen diese untersucht werden, nahezu unmöglich und gleichzeitig sinnlos erscheint. Den deutschen Netzwerkforschern zufolge ist es erstrebenswerter, je nach Forschungsthema und -frage(n) jeweils unterschiedliche theoretische Konzepte zu verwenden bzw. zu entwickeln (S. 237). Auch Holzer (2009) zufolge hat es wenig Sinn, von „der“ Netzwerktheorie zu sprechen. Das genaue Verständnis des sozialen Netz-

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3 Theoretische Bezugsfelder

werkes sowie der darin befindlichen Akteur/innen und Beziehungen hängt nämlich vom Forschungsgegenstand ab (vgl. auch Holzer & Schmidt, 2009, S. 228). Die Netzwerkforschung selbst bezieht sich somit auf nur wenige, explizit für sie entwickelte Theorien. Stattdessen liegen Forschungsbemühungen seit einigen Jahren darin, das Konzept des sozialen Netzwerkes in bestehende soziologische Theoriestränge zu integrieren. Zu nennen sind hierbei vor allem die formale Soziologie, der Strukturalismus, dessen Weiterentwicklung in Richtung Konstruktivismus („neuer amerikanischer Strukturalismus“), die Systemtheorie, die Figurationssoziologie, die klassische Wissenssoziologie, die Rational-Choice-Theorie und die Actor-Network Theorie (Häußling & Stegbauer, 2010b, S. 237-238). Berührungspunkte zeigen sich für das soziale Netzwerk vor allem in der soziologisch weithin geteilten Annahme, dass Akteur/innen in einen sozialen Kontext eingebettet sind. Diese soziale Einbettung lässt sich mit dem Konzept des sozialen Netzwerkes aufgrund der empirisch gut umsetzbaren Konzepte und Erklärungsmuster konkretisieren (vgl. Holzer, 2009). Das Besondere und gleichzeitig Verbindende der sozialen Netzwerkforschung liegt darin, dass der Beziehungskontext und die Beziehungsstruktur im Rahmen von Analysen Berücksichtigung finden (vgl. Stegbauer, 2008a). Des Weiteren besteht überwiegend Einigkeit über die „strukturelle Intuition“, die sich durch folgende Punkte auszeichnet (vgl. Holzer, 2009; Nicht, 2013): 1.

2. 3.

Akteur/innen und Handlungen sind interdependent. Netzwerkforscher/innen schreiben den Strukturen von Netzwerken, die dynamisch und fluide sind, zur Erklärung sozialer Phänomene für gewöhnlich eine höhere Bedeutung zu als Motiven und Handlungen einzelner Individuen sowie der Gesamtgesellschaft. Soziale Beziehungen sind Teil von Netzwerken und in diese eingebettet. Im Zentrum des Interesses stehen nicht einzelne Dyaden, sondern das Gesamtnetzwerk. Ein soziales Netzwerk ist selektiv, besteht es doch aus selektiven Verbindungen, über welche Ressourcen, Informationen usw. transferiert werden. Dabei spielt die strukturelle Position eines/einer Akteurs/in eine Rolle, die wiederum Wahrnehmungen, Einstellungen und Handlungen des/der Einzelnen beeinflusst.

Generell ist eine theoriefreie Analyse sozialer Netzwerke Häußling (2009) zufolge unmöglich, da stets bestimmte Hintergrundannahmen über den Zusammenhang zwischen Elementen und deren Beziehungen bestehen (S. 54-56). Entscheidend für die theoretische Fundierung ist unter anderem die Frage, ob ein Gesamt- oder aber ein ego-zentriertes soziales Netzwerk im Zentrum der

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Betrachtung steht. Die vorliegende Arbeit legt ihren Fokus, wie bereits erwähnt, auf ego-zentrierte Netzwerke. Diesbezüglich listet Laireiter (2008) konzeptuelle und theoretische Aspekte im Sinne von Basisansätzen einer Theorie ego-zentrierter Netzwerke auf, die im Folgenden sinngemäß wiedergegeben werden: 1.

Ego-zentrierte Netzwerke bilden das Beziehungssystem einer Einzelperson ab. Sie sind Bestandteil von Ego. Ihre Charakteristika werden unter anderem durch das Verhalten von Ego und (Persönlichkeits-)Eigenschaften bestimmt. 2. Ego-zentrierte Netzwerke sind soziale Gebilde und somit soziale Realität. 3. Das ego-zentrierte soziale Netzwerk ist ein Strukturbegriff, welcher verschiedene Arten sozialer Beziehungen (Dyaden, Gruppen, Systeme) beinhaltet. 4. Soziale Beziehungen zwischen Personen ergeben sich aufgrund verschiedener Verbindungsformen (z.B. bloße Bekanntschaft, Kontakt, strukturelle Rollenverbindung, subjektive Wichtigkeit/Bedeutung, emotionale Verbindung, sozialer Austausch, Hilfe). 5. Die verschiedenen Verbindungsformen werden bei der Definition und Analyse ego-zentrierter Netzwerke mithilfe von Namensgeneratoren berücksichtigt und konstituieren damit verschiedene Ausschnitte des ego-zentrierten Netzwerkes (= Partialnetzwerk). 6. Die Verbindungsformen existieren nicht unabhängig voneinander. So gehen z.B. bestimmte Rollenbereiche mit einer höheren Kontaktfrequenz (z.B. Arbeitskolleg/innen) einher. 7. Enge persönliche Beziehungen basieren zumeist nicht ausschließlich auf einer Verbindungsform, sondern sind mehrdimensional (= multiplex). So kann z.B. ein/e Akteur/in Freund/in und Arbeitskollege/in zugleich sein. 8. In ego-zentrierten Netzwerken passieren nicht nur emotional positive, sondern auch belastende und verletzende Interaktionen. 9. Ego-zentrierte Netzwerke haben vielfältige Funktionen für die adäquate Lebensführung und -bewältigung, indem Bedürfnisse wie Kontakt und Geselligkeit befriedigt werden. 10. Ego-zentrierte Netzwerke sind nicht nur Bestandteil eines Individuums, sondern bilden über die Verbindungen einzelner Netzwerkmitglieder untereinander und zu anderen einen Aspekt der sozialen Integration und Verankerung einer Einzelperson in dessen soziale Umgebung ab. Nachfolgend erfolgt ein Überblick über verschiedene theoretische Positionen zum sozialen Netzwerkbegriff, die im Sinne einer theoretischen Sensibilität für das Forschungsthema von zentraler Bedeutung sind. Dabei wird der Fokus auf die für das vorliegende Forschungsthema besonders fruchtbaren Ansätze gelegt.

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3 Theoretische Bezugsfelder

Theoretische Positionen zum sozialen Netzwerk Häußling & Stegbauer (2010a) definieren die vielfältigen Theoriebestrebungen als „Theorien mittlerer Reichweite“ nach Merton, die eng verknüpft mit empirisch-methodischen Fragestellungen entwickelt werden. Das damit verbundene heterogene Selbstverständnis wird darüber hinaus durch divergierende Forschungsstrategien und den Einfluss verschiedener wissenschaftlicher Strömungen (vgl. hierzu auch Hennig, 2006), in deren Zentrum entweder die Relationen (z.B. strong and weak ties), die Positionen und Knoten (z.B. „structural hole“) oder das Gesamtnetzwerk (z.B. small world) stehen, verstärkt. Trotz der Schwerpunktlegung auf einen der drei Aspekte ist eine Berücksichtigung der jeweils anderen unumgänglich (S. 57). Theoretische Ansätze zum sozialen Netzwerk zeichnen sich durch ein unterschiedliches Verständnis von „sozialem Handeln“, „sozialer Interaktion“ und „sozialer Beziehung“ (s. Kapitel 3.1.1.1) aus und versuchen damit zwischenmenschliche Wechselwirkung und Gegenseitigkeit zu beschreiben bzw. zu erklären. Dass die Diskussion über den Zusammenhang von Handeln und Struktur in der Soziologie eine ständig andauernde ist, erschwert das Entwickeln einer eigenständigen sozialen Netzwerktheorie (Nicht, 2013, S. 80). In Hinblick auf die Diskussion, ob den Netzwerk-Beziehungen oder Netzwerk-Elementen höhere Bedeutung zukommt, unterscheiden Emirbayer & Goodwin (1994) zwischen drei idealtypischen Positionen: 1. 2. 3.

Der strukturalistische Determinismus schreibt Beziehungen und Beziehungsmustern (= Netzwerk-Beziehungen) einen höheren Stellenwert zu als individuellen Motiven und Handlungen (= Netzwerk-Elemente). Der strukturalistische Instrumentalismus legt den Fokus auf die Elemente in einem sozialen Netzwerk, deren Motive und Merkmale. Der strukturalistische Konstruktionismus interessiert sich vor allem für die wechselseitige Konstituierung von Beziehungen und Elementen. Dabei erhält die Sinnstrukturiertheit eines sozialen Netzwerkes – nicht nur jene, die Individuen ihren eigenen Handlungen zuschreiben, sondern auch die kulturell tradierte und fortlaufend rekonstruierte – besondere Aufmerksamkeit.

Dem strukturalistischen Determinismus lassen sich zunächst Ansätze der formalen Soziologie zuordnen. Vertreter/innen dieser sind die bereits erwähnten deutschen Soziologen Georg Simmel und Leopold von Wiese (s. Kapitel 3.1.1.1). Die formale Soziologie möchte Soziales mithilfe beobachtbarer zwischenmenschlicher Beziehungen erklären. Sie geht davon aus, dass es bestimmte Arten zwischenmenschlichen Zusammenlebens gibt, die sich unabhängig von Zeit und Kultur

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überall finden lassen. Leopold von Wiese zufolge entstehen Beziehungen und Gebilde aus sozialen Prozessen heraus. Sie können graphisch dargestellt und quantifiziert werden. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend entwickelte sich eine sozialpsychologische Linie, die das „Ganze“ in Form der Gestalt einzelner Elemente in den Mittelpunkt des Interesses stellt. Wesentliche Vertreter dieser Entwicklungsrichtung, welche die Gestalt-, Feld- und Balancetheorie umfasst, sind Wolfgang Koehler, Kurt Lewin und Jacob Moreno. Zentral waren im historischen Kontext die Entwicklung der Soziometrie, welche die Darstellung sozialer Beziehungen beschreibt und die mathematische Graphentheorie, die beide einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des sozialen Netzwerkkonzeptes, insbesondere der methodischen Vorgehensweise bei der Netzwerkanalyse, leisteten (vgl. Häußling, 2010a; Hennig, 2006; Jansen, 2006). Da die Wurzeln der Netzwerkforschung jedoch zu einem großen Teil in den USA und Kanada liegen, etablierten sich darüber hinaus der Begriffskomplex des „klassischen, amerikanischen Strukturalismus“ sowie die Bezeichnung „HarvardStrukturalismus“. Ein wichtiger Vertreter ist Harrison White, der sich später allerdings, wie nachfolgende Ausführungen zeigen, von der Ansicht des reinen klassischen soziologischen Strukturalismus zum sogenannten neuen amerikanischen Strukturalismus hinwandte (Mützel, 2010, S. 303-304). Die strukturalistischen bzw. formalsoziologischen Ansätze stehen schon seit langem im Streit mit dem Rational Choice Paradigma. Beide legen ihren Überlegungen ein unterschiedliches Menschenbild zugrunde. Während ein Mensch im Strukturalismus bzw. in der Formalen Soziologie als Akteur betrachtet wird, der sich in seinem Handeln vor allem an „gegebenen“, überpersönlichen bzw. gesellschaftlichen Erwartungsstrukturen orientiert, geht der Rational Choice Ansatz von einem „homo oeconomicus“ aus, der eigennützig, rational, nutzenmaximierend und informiert agiert. Allerdings findet seit einigen Jahren eine Annäherung der beiden Stränge statt, was auch Auswirkungen auf die soziale Netzwerkforschung hat (Stegbauer, 2008b, S. 13-15). Theoretische Ansätze zum sozialen Netzwerk aus Rational-Choice-Perspektive, die sich dem erwähnten strukturalistischen Instrumentalismus zuordnen lassen, werden häufig mit dem Schlagwort „strukturelle Handlungstheorie“ benannt. Im Detail zählen dazu vor allem das bereits kurz erwähnte Konzept starker und schwacher Beziehungen („strong and weak ties“) von Granovetter (1973) sowie das Konzept der strukturellen Löcher („structural holes“) von Burt (1995). Die beiden Ansätze werden einander in Kapitel 3.1.3 gegenübergestellt. Sie weisen eine enge Verknüpfung zum Sozialkapitalkonzept auf. Darüber hinaus liefern sie der Netzwerkforschung unterschiedliche Erklärungsprinzipien zur Wirkung sozialer Netzwerke und damit unterschiedliche Netzwerkmethoden.

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Die jüngste theoretische und in der zeitgenössischen Netzwerkforschung prominent gewordene Herangehensweise an das Konzept des sozialen Netzwerkes bilden sozialkonstruktivistische Sozialtheorien. Diesen zufolge handelt ein Individuum nicht nach einem vorgängig festgelegten Eigenvorteilsmuster, wie dies die Rational-Choice-Theorien postulieren. Stattdessen entstehen Handlungsmuster, Präferenzen sowie die gesamte soziale Identität erst in einem Beziehungszusammenhang (Stegbauer, 2008b, S. 13-15). Im amerikanischen Raum spricht man in diesem Kontext vom neuen, amerikanischen Strukturalismus. Einer der Begründer dieser Entwicklungsschiene war Harrison White, der im Jahr 1992 in seinem Werk „Identity and Control“ einen Ansatz formulierte, Struktur und Kultur gemeinsam neu strukturalistisch zu analysieren. Dieser Ansatz wird als „Phänomenologische Netzwerktheorie“ bezeichnet (vgl. White, 2010). Aufgrund der Prominenz und Bedeutung dieses Ansatzes für die vorliegende Arbeit wird nun auf jene Aspekte dessen näher eingegangen, die für das Verständnis des sozialen Netzwerkes im Rahmen der Arbeit von Relevanz sind. Phänomenologische Perspektive auf das soziale Netzwerk Harrison White zählte lange Zeit zu den formalistisch und rein strukturalistisch denkenden Netzwerkanalytiker/innen in Harvard. Erst in späteren Jahren entwickelte er, aufbauend auf der Annahme, dass eine rein formale Netzwerkanalyse „sinnlos“ ist, solange die Sinnhaftigkeit sozialer Interaktionen zwischen einzelnen Akteur/innen unberücksichtigt bleibt, die sogenannte „Phänomenologische Netzwerktheorie“. Ziel dieser kulturtheoretischen Wende in der Netzwerkanalyse stellte ein Anschluss des Netzwerkkonzeptes an soziologische Theorie- und Forschungstraditionen dar. Zentral ist die Betonung des hohen Stellenwerts von Sinn, wobei davon ausgegangen wird, dass sozial Handelnde die Welt, in der sie und in Bezug auf die sie handeln, interpretieren müssen. Im Zentrum des Interesses steht dabei das Zusammenspiel zwischen symbolischen Formen und der Struktur sozialer Netzwerke. Anknüpfungspunkte ergeben sich demnach zu verschiedenen soziologischen Traditionen wie z.B. Max Webers Handlungstheorie, dem symbolischen Interaktionismus, der Phänomenologie von Alfred Schütz und Luhmanns Theorie sozialer Systeme (Rürup et al., 2015, S. 83-84; Schmitt & Fuhse, 2015, S. 165). Insbesondere mit der Verstehenden Soziologie wie der Ethnomethodologie, dem Symbolischen Interaktionismus und Konstruktivismus sowie der Kultursoziologie, welche den Blick auf Sinnstrukturen lenken, gingen Harrison White und seine Kolleg/innen in den 1980er und 1990er Jahren im Sinne der Verknüpfung

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der Netzwerkanalyse sozialer Strukturen und der Phänomenologie von Sinnformen eine zunächst ungewöhnlich erscheinende Verbindung ein und wehrten sich damit gegen die reine Rational-Choice-Theorie (Fuhse, 2008a, S. 31, 38). Die Grundidee von Whites Theorie liegt darin, soziale Netzwerke nicht rein strukturalistisch als Muster von Sozialbeziehungen, sondern als sinnverbunden zu betrachten. In der soziologischen Literatur liegen neben dem eigenen Werk von Harrison White (vgl. White, 2010), welches unter anderem ein eigenes Vokabular liefert und von zahlreichen Sozialforscher/innen als „unverständlich“ bezeichnet wird, zahlreiche Ausführungen zu und Interpretationen von dessen Gedanken und Ideen zum sozialen Netzwerk vor (vgl. Emirbayer & Goodwin, 1994; Fuhse, 2008a, 2008b; Schmitt & Fuhse, 2015). Auf eine konkrete Darstellung der einzelnen Elemente der Phänomenologischen Netzwerktheorie von Harrison White wird an dieser Stelle verzichtet. Stattdessen sollen lediglich einige Grundgedanken bzw. Interpretationen dieser, die für die vorliegende Forschungsarbeit von Relevanz sind, angeführt werden. White (2010) geht davon aus, dass in einem sozialen Kontext Identitäten miteinander um Halt und Positionierung (Kontrolle) ringen. Diese Versuche der Kontrolle – ein Ergebnis von Unsicherheit – finden in sogenannten Netzwerkdomänen (= „Verbandelung“ und Verdichtung von Themenfeldern und Beziehungen) statt und zeigen sich in Erzählungen („stories“). Individuen sind also in unterschiedliche soziale Kontexte eingebunden, die nicht immer vollständig aufeinander abgestimmt sind und somit zu Spannungen und Widersprüchen führen können. Ziel von Individuen ist es, diese verschiedenen Netzwerkkontexte miteinander zu koordinieren. Die Erzählungen wiederum, welche die Biografie eines Individuums rekonstruieren, definieren sinnhaft Identitäten, setzen diese zueinander in Beziehung und ergeben damit die soziale Realität. Die Identität kann demnach als „symbolische Konstruktion in Netzwerkbeziehungen“ bezeichnet werden und besteht vor allem aus Erwartungen, die sich im Zuge von Transaktionsprozessen entwickeln. Damit leisten die sozialen Beziehungen in einem Netzwerk einen wesentlichen Beitrag zur Identitätskonstruktion, wobei insbesondere Erwartungen in unterschiedlichen Beziehungskontexten eine Rolle spielen. Das soziale Netzwerk wiederum besteht laut White als „Sinnstruktur“ von Erzählungen und Identitäten und stellt somit eine „phänomenologische Wirklichkeit“ dar (vgl. auch Fuhse, 2008a; Mützel, 2010; Schmitt & Fuhse, 2015). White (2010) beschreibt das Konzept der Identität in Verbindung mit anderen Elementen seiner Phänomenologischen Netzwerktheorie am Beispiel eines Spielplatzes, auf dem Kinder freudig verschiedene Spiele spielen. Sie sind in ihre Aufgaben vertieft, ihr ganzes Sein ist Teil der jeweiligen Spielaufgabe. Wenn sie zu einer anderen Spielaufgabe übergehen, verändern sie sich selbst. Identität entwickelt sich dann, wenn ein Missverhältnis zwischen den verschiedenen Spiel-

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aufgaben auftritt. White beschreibt dies am Beispiel, wenn Schulkolleg/innen darauf bestehen, dass ein Kind eine bestimmte Kleidung als Zeichen der Zugehörigkeit tragen soll, Eltern zuhause diese aber verachten. Das Kind muss nun den verschiedenen Erwartungen in unterschiedlichen sozialen Kontexten einen bestimmten Sinn zuschreiben, indem es eine Geschichte erschafft und selbst bestimmt, wie es von Sphäre zu Sphäre wechselt. Diese Geschichte, die sich durch das Aufeinanderprallen von Interaktionen ergibt, stellt die Basis für die Identität dar (S. 4-6). Ausgangspunkt der Identität bilden demnach Chaos und Missgeschicke, die durch Zufälle ausgelöst werden. Die Identität soll dazu beitragen, in Form von sinnhaften Handlungen eine Ordnung zu schaffen (vgl. Hennig, 2006). Generell unterscheidet White vier Stufen der Identitätsbildung: 

  

Stufe 1: Ein/e Akteur/in muss in sozialen Situationen stets einen konkreten physischen und sozialen Platz haben. Diese spezifische Einbettung in ein soziales Netzwerk bestimmt die verfügbaren Handlungs-, Kommunikationsund Deutungsmuster. Stufe 2: Andere Akteur/innen haben konkrete Erwartungen an den/die Einzelne/n und dessen/deren Position. Der/die Einzelne hat die Aufgabe, sein/ihr „Gesicht zu wahren“ (= face). Stufe 3: Akteur/innen agieren in mehr als nur einem sozialen Netzwerk und haben dort jeweils eine spezifische Position. Identitätsbildung auf dieser Stufe entsteht durch Spannungen zwischen den unterschiedlichen Positionen. Stufe 4: Auf dieser Stufe kommt der Lebensgeschichte eines/einer Akteurs/in eine zentrale Bedeutung zu, die Auskunft über die Prägungen des/der Akteurs/in durch wechselnde Netzwerke und damit verbundene Möglichkeiten der Positionierung geben (vgl. auch Häußling, 2010b, S. 70-83).

Im Gegensatz zum rein strukturalistischen Verständnis betrachtet White soziale Beziehungen in einem Netzwerk nicht als gegeben. Stattdessen werden diese von sozial produzierten bzw. konstruierten Bedeutungszuschreibungen der Akteur/innen geprägt. Beziehungen entwickeln sich damit als Ergebnis von Aushandlungsprozessen in einem sozialen Netzwerk. Dabei erfolgt die Spezifikation auf Basis des subjektiv gemeinten Sinns, den die Beteiligten dieser Beziehung zuschreiben (vgl. Fuhse, 2008a). Diese Sinnstrukturen beinhalten Einstellungen gegenüber und Rollenerwartungen an andere Akteur/innen und leiten zukünftige Transaktionen. Im Zentrum steht das Menschenbild, dass Individuen nicht isoliert über ihr individuelles Handeln entscheiden, sondern deren Handeln eine Funktion des sozialen Umfeldes darstellt. Dies betrifft nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Identitäten und allgemeine kulturelle Orientierungen wie Einstellungen und Werte (Fuhse, 2008b, S. 2934-2935). So bilden sich aus Handlungen von Individuen im

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

89

Sinne der Erzeugung und Bewahrung der eigenen Identität soziale Organisationen heraus. Diese wiederum sind einerseits Rahmen, andererseits Ergebnis sozialer Handlungen (vgl. Hennig, 2006). Die Knotenpunkte von sozialen Netzwerken sind gemäß Whites Überlegungen nicht einzelne Personen, sondern eben konstruierte personale Identitäten, welche sich durch ihnen zugeschriebene Eigenschaften und daran angeknüpfte Erwartungen auszeichnen. Die Konstruktion dieser Identitäten stellt dabei einen wesentlichen Prozess im Netzwerk dar. Das soziale Netzwerk selbst weist eine fluide Strukturform auf. Dies bedeutet, dass die Zugehörigkeit und Position von Akteur/innen in einem Netzwerk nicht eindeutig und dauerhaft definiert sind (vgl. Fuhse, 2008b; Hennig, 2006). White betrachtet die sozialen Strukturen und die kulturellen Bedeutungen als gleichwertig. Hennig (2006) bezeichnet dessen Überlegungen als einen „groß angelegten Entwurf einer Netzwerktheorie, der sehr abstrakt ist und oft eine eigene Sprache enthält“ und führt weiter aus, dass seine Theorie „eher einen theoretischen Orientierungsrahmen für untersuchungswerte Aspekte der Netzwerkperspektive“ darstellt (S. 84). Auch Holzer (2009) schreibt Whites Netzwerktheorie eine gewisse Unvollständigkeit zu, welche einige Fragen offenlässt. Fuhse (2008b) fasst die zentralen Elemente der Phänomenologischen Netzwerktheorie folgendermaßen zusammen, wobei die Punkte auch für die vorliegende Arbeit insbesondere in Hinblick auf die Interpretation der empirischen Ergebnisse von Relevanz sind: 1. 2. 3. 4.

Das soziale Umfeld – sprich das soziale Netzwerk – prägt – vor allem in Form kultureller Orientierungen und Praktiken – Menschen in ihrem Denken und Handeln. Menschen vernetzen sich eher selektiv und kleinteilig. Einzelne Akteur/innen stehen an Schnittstellen zwischen verschiedenen Sozialbeziehungen und Netzwerkkontexten und werden demnach unterschiedlich kulturell geprägt. Transaktionen führen zumeist zu Ranghierarchien und Rollenerwartungen, an denen sich Akteur/innen orientieren. In einem sozialen Netzwerk werden Individuen als Personen bzw. Identitäten abgebildet, die mit gewissen Erwartungen verbunden sind. Dabei gilt es, Prozesse in verschiedenen Netzwerkkontexten aufeinander abzustimmen (S. 2940-2941).

Schmitt & Fuhse (2015) verknüpfen Whites Ausführungen mit jenen von Autor/innen wie Andrew Abbott, Peter Bearman, Ronald Breiger, Mustafa Emirbayer, David Gibson, Ann Mische, John Mohr, John Padgett und Charles Tilly, die zum Teil Studierende von White waren (S. 168). Mützel (2010) bezeich-

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3 Theoretische Bezugsfelder

net die Grundideen des neuen amerikanischen Strukturalismus rund um Harrison White als relationale Soziologie und durchaus „beflügelnd“ für theoretische Diskussionen punkto soziale Akteur/innen, Identitätskonstruktion und die empirische Untersuchung sozialer Strukturen (S. 307-308). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Konzept des sozialen Netzwerkes nicht vollständig theorielos ist. Häußling (2010b) beschreibt die Relationale Soziologie im Gesamten als Mittelposition zwischen Mikro und Makro, zwischen Strukturalismus und Kulturalismus, zwischen Konstruktivismus und Realismus, zwischen Theorie und Empirie sowie zwischen quantitativen und qualitativen Methoden und schreibt: „Oftmals ist der Netzwerkforschung vorgeworfen worden, keine großformatige Theorie zu besitzen. Vielleicht handelt es sich aber auch nur um einen neuen Typ von Theorie, die gleichsam ihren Gegenstand in die Theoriekonzeption konstitutiv einbaut: Kerntheoreme werden durch Brückentheoreme miteinander verknüpft und damit füreinander fungibel gehalten.“ (S. 81)

Aus den Ausführungen zu theoretischen Ansätzen zum sozialen Netzwerk ist zu resümieren, dass diese vor allem das Wechselspiel von Handlungen und Strukturen erklären möchten. Dieses Ziel steht nicht unbedingt im Zentrum der vorliegenden Arbeit, sondern schafft nur ein gewisses Hintergrundwissen für die Betrachtungsweise sozialer Netzwerke. Aus diesem Grund wird auf weitere theoretische Fundierungen zum konkreten Forschungsthema zurückgegriffen. Dies betrifft unter anderem Theorien zur sozialen Unterstützung, zum Sozialkapital, zur Gesundheitsrelevanz sozialer Beziehungen und Netzwerke sowie zu Modellen der Entstehung von Gesundheit und Krankheit am Arbeitsplatz, welche alle im Folgenden näher erläutert werden. 3.1.2 Soziales Netzwerk und soziale Unterstützung Ein Begriff, der häufig in Kombination, teilweise sogar synonym für das Konzept des sozialen Netzwerkes verwendet wird, ist jener der sozialen Unterstützung. Die soziale Unterstützung stellt gemäß Laireiter (1993a) eine Ebene der Netzwerkund Unterstützungsforschung dar (S. 15). Dies sowie die Tatsache, dass Studien zur Gesundheitsrelevanz sozialer Netzwerke großteils die soziale Unterstützung, die daraus generiert werden kann, in den Blickpunkt nehmen, sind die wesentlichen Gründe für die Diskussion des Konzeptes der sozialen Unterstützung in der vorliegenden Arbeit. Dabei bezieht sich die Autorin vor allem auf die Ausführungen von Laireiter (1993a).

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

91

Der Ursprung der sozialen Unterstützungsforschung geht auf eine Studie von Emile Durkheim zurück, in welcher der Einfluss sozialer Einbindung auf die Prävention von Selbstmord empirisch untersucht wurde. Einen weitreichenden Einfluss auf diesen Forschungsbereich – vor allem was die Gesundheitsrelevanz sozialer Unterstützung betrifft – hatten neben Durkheims Analysen zum Selbstmord (1897) Erkenntnisse von John Cassel (1976) zur Rolle sozialer Unterstützung beim Umgang mit Stress sowie Arbeiten von James House (1981/1987). Ähnlich wie das Konzept des sozialen Netzwerkes weist auch jenes der sozialen Unterstützung keinen einheitlichen Bedeutungskern auf. Stattdessen liegen unterschiedliche Definitionen in der Soziologie, der Sozialpsychologie und der Klinischen Psychologie vor (Reicherts, 1993, S. 141). Laireiter (1993a) schreibt dem Begriff der sozialen Unterstützung jedoch im Vergleich zu jenem des sozialen Netzwerkes einen höheren Präzisierungsgrad zu. Er listet vier Analyseebenen sozialer Unterstützung auf (S. 25):    

Unterstützungsmodalitäten (intensionale Taxonomien) Bezugsbereiche (Alltag vs. Krisen) Quelle der Unterstützung Unterstützungskonstrukte (extensionale Taxonomien)

Bevor nun näher auf diese einzelnen Aspekte des sozialen Unterstützungskonstruktes eingegangen wird, soll zunächst – trotz der bereits erwähnten Divergenz verschiedener Definitionen – eine konkrete Fassung des Begriffes für die vorliegende Arbeit erfolgen. Eine der ersten Definitionen des Begriffes der sozialen Unterstützung stammt von Cobb (1976): „Social support is conceived to be information belonging to one or more of the following three classes: 1. Information leading the subject to believe that he is cared for and loved. 2. Information leading the subject to believe that he is esteemed and valued. 3. Information leading the subject to believe that he belongs to a network of communication and mutual obligation. “ (S. 300)

Dem Autor zufolge stellt soziale Unterstützung somit einen subjektiv wahrgenommenen, individuell erfahrenen psychischen Rückhalt dar. Wie an späterer Stelle weiter erläutert wird, bildet diese emotionale, subjektive Ebene jedoch den Gesamtkomplex sozialer Unterstützung nicht gänzlich ab. Aus diesem Grund gilt die Definition von Cobb (1976) heute als zu eindimensional und überholt. Bachmann (2014) zufolge stellt soziale Unterstützung grob gefasst eine wesentliche Funktion des sozialen Netzwerkes dar, die die Vermittlung hilfreicher Transaktionen zwischen dessen Mitgliedern enthält (S. 25). Bereits an dieser Stelle wird die

92

3 Theoretische Bezugsfelder

enge Verknüpfung des Konzeptes der sozialen Unterstützung mit jenem des sozialen Netzwerkes deutlich. Aufgrund unterschiedlicher Konkretisierungen der Begriffsfassung schlägt Vaux (1990) ein Metakonstrukt sozialer Unterstützung vor: „Many conceptual difficulties can be diminished, if not resolved, by viewing social support as a metaconstruct with three distinct conceptual components: support network resources, supportive behavior and subjective appraisals of support. “ (S. 508) In der vorliegenden Arbeit wird in Anlehnung an die angeführten Definitionen soziale Unterstützung im Allgemeinen als potenzielle Funktion bzw. Ressource des sozialen Netzwerkes einer Person betrachtet. Obwohl in der Forschung heute Einigkeit über die Multidimensionalität des Konzeptes der sozialen Unterstützung besteht, herrscht kein einheitlicher Konsens darüber vor, welche Elemente dieses tatsächlich konstituieren. Betrachtet man zunächst die bereits erläuterte Definition von Cobb (1976) im Detail, so lassen sich daraus drei Formen sozialer Unterstützung, nämlich emotionale Unterstützung, Selbstwertunterstützung und ein Zugehörigkeitsgefühl, identifizieren. Diese lassen sich nicht eindeutig voneinander abgrenzen. Sie betreffen alle lediglich die emotionale Komponente sozialer Unterstützung. Instrumentelle und informative Unterstützungsformen werden ausgeblendet. Einer der ersten Forscher/innen, der den Begriff weiter fasste, war House (1987). Er definierte vier Klassen sozialer Unterstützung, nämlich emotionale, instrumentelle, informative und bewertende Unterstützung (z.B. Bestätigung). Auch Fydrich & Sommer (2003) nahmen einige Jahre später eine ähnliche Klassifizierung vor, fassten die sozialen Unterstützungsformen jedoch nur in drei Kategorien zusammen – emotionale Unterstützung, praktische Unterstützung und soziale Integration (S. 84). Laireiter (1993a) versuchte, bestehende Taxonomien sozialer Unterstützung zu systematisieren und definiert insgesamt fünf Formen sozialer Unterstützungsleistungen, nämlich 1. 2. 3. 4. 5.

emotionale Unterstützung, würdigende/schätzende Unterstützung, instrumentelle Unterstützung, informative Unterstützung und beratende Unterstützung (vgl. Almeida, Subramanian, Kawachi & Molnar, 2010; Berkman, Glass, Brissette & Seeman, 2000; Bruns, 2013; Cohen & Syme, 1985; House, 1981; House & Kahn, 1985).

Die bereits erwähnte, in der Forschung dominierende Form, nämlich die emotionale Unterstützung, zeichnet sich vor allem durch Zuwendung, Verständnis, Trost,

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

93

Aussprache, soziales Beisammensein und Interaktion, Zugehörigkeit sowie Bindung aus (vgl. Franzkowiak, 2015). Die würdigende/schätzende Unterstützung liefert – wie der Name bereits verrät – insbesondere soziale Wertschätzung (Bruns, 2013, S. 104). Instrumentelle Unterstützung wird in Form von Anleitung, Hilfe bei der Erledigung von Aufgaben, finanziellen Hilfen sowie Sachleistungen zur Verfügung gestellt und wird einer Person somit praktisch zuteil (vgl. Franzkowiak, 2015; Israel, Farquhar, Schulz, James & Parker, 2002). Informative Unterstützung (vgl. Franzkowiak, 2015)wird in Form von Informationen, Ratschlägen und Tipps zur Problemlösung sowie praktischer alltäglicher Hilfe gewährt. Zur beratenden Unterstützung zählen sowohl allgemeine Beratungsleistungen im intimen, persönlichen Bereich als auch solche bei sachlichen Entscheidungen (vgl. Bruns, 2013; House, 1981). Eine weitere Form sozialer Unterstützung, die sich teilweise in den bereits erläuterten Formen wiederfindet, häufig jedoch als eigene Dimension betrachtet wird, ist jene der bewertenden sozialen Unterstützung („appraisal support“), welche sich insbesondere auf die Rückmeldung bzw. das Feedback anderer Personen zur Bewertung bzw. Einschätzung der eigenen Situation bezieht (vgl. House, 1981). Generell sind die verschiedenen Formen sozialer Unterstützung nicht eindeutig voneinander abgrenzbar und überschneiden sich zum Teil. Diewald & Sattler (2010) meinen in diesem Kontext, dass eine zuverlässige Unterscheidung zwischen den einzelnen Formen sozialer Unterstützung gerade aus empirischer Sicht kaum möglich ist (S. 692). Laireiter (1993a) entwickelte auf Basis der in der Literatur identifizierten Unterstützungsformen eine eigene Taxonomie mit hohem Detaillierungsgrad (s. Abbildung 9). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich diese lediglich auf die Alltagsunterstützung, nicht aber soziale Unterstützung in Belastungssituationen bezieht.

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Abbildung 9:

3 Theoretische Bezugsfelder

Taxonomie alltagsbezogener sozialer Unterstützung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Laireiter (1993, S. 27)

Aus Abbildung 9 ist ersichtlich, dass Laireiter soziale Unterstützung sehr umfassend definiert und vielfältige soziale Ressourcen darunter subsumiert.

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

95

Widmet sich die Taxonomie von Laireiter ausschließlich dem Bereich der alltagsbezogenen Unterstützung, so ist zu beachten, dass daneben auch das Konzept belastungs- oder krisenbezogener Unterstützung existiert. Bisherige Erkenntnisse zeigen, dass insbesondere emotionale Unterstützung (v.a. empathisches Verstehen), Selbstwertstützung (v.a. Validierung von Gefühlen, Polsterung des Selbstwertes), kognitive und evaluative Unterstützung (v.a. Informationen zum Umgang mit der Belastung) sowie problemlösungs-bezogene Unterstützung (v.a. Ermunterung zu und Verstärkung von Selbsthilfe) wesentliche Formen belastungsbezogener sozialer Unterstützung sind (vgl. Laireiter, 1993a). Franzkowiak (2015) schreibt ähnlichen Aspekten sozialer Unterstützung – sozialem Rückhalt, loyaler Anteilnahme, Selbstwertstützung, emotionaler und kognitiver Unterstützung, sozial vermittelter Ablenkung – aber auch Ratschlägen, Informationen und konkreten alltagspraktischen Hilfen einen hohen Stellenwert bei der Verarbeitung schwerer Lebenssituationen bzw. der Bewältigung kritischer Lebensereignisse zu. In der vorliegenden Arbeit finden abhängig von den Relevanzsetzungen der untersuchten Volksschuldirektor/innen sowohl Formen alltagsbezogener als auch belastungs- bzw. krisenbezogener Unterstützung Berücksichtigung. Eine weitere Frage, die rund um das Thema der sozialen Unterstützung auftaucht, ist jene nach der Quelle der Unterstützung. Laut Laireiter (1993a) ist damit die Rolle oder Person des/der Unterstützungsgebers/in gemeint. Dies kann z.B. der/die Partner/in, ein/e Freund/in oder ein/e Arbeitskollege/in sein. Wissenschaftliche Erkenntnisse über die wesentlichen Unterstützungs-Rollen sind rar (S. 28). Extensionale Taxonomien (Unterstützungskonstrukte) unterscheiden zwischen 1. 2. 3. 4. 5.

der Verfügbarkeit von Unterstützer/innen (= Unterstützungsressourcen, Unterstützungsnetzwerk), der unterstützenden Qualität sozialer Beziehungen/sozialer Aggregate (= unterstützendes Klima), in sozialen Interaktionen vermittelter Unterstützung (= erhaltene Unterstützung, Unterstützungsverhalten), Wissen darüber, unterstützt zu sein (= wahrgenommene Unterstützung) und der Befriedigung sozialer Unterstützungsbedürfnisse (= Befriedigung von Unterstützungsbedürfnissen) (vgl. Laireiter, 1993a).

Die Punkte 3 und 4 werden – da sie in der Forschung immer wieder diskutiert werden und von hoher Gesundheitsrelevanz sind – näher erläutert. Das Konzept des Unterstützungsnetzwerkes (Punkt 1) wird am Ende dieses Kapitels kurz

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3 Theoretische Bezugsfelder

betrachtet, wobei eine Verknüpfung der Begriffe „soziales Netzwerk“ und „soziale Unterstützung“ erfolgt. Ausführungen zu den anderen beiden Unterstützungskonstrukten finden sich bei Laireiter (1993a). Die Frage, ob die tatsächlich erhaltene oder aber die wahrgenommene soziale Unterstützung im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen ermittelt werden soll, stellt einen fortwährenden Diskussionspunkt in der sozialen Unterstützungsforschung dar. Dies ist freilich mit einem Methodenstreit rund um objektive versus subjektive Messungen verbunden. Dass eine Unterscheidung zwischen erhaltener und wahrgenommener sozialer Unterstützung jedoch notwendig ist, zeigen bisherige Forschungserkenntnisse, wonach die beiden Dimensionen nicht unbedingt miteinander korrelieren und unterschiedliche Wirkweisen auf die Gesundheit haben (Norris, 2009, S. 16). Grundsätzlich wird unter der erhaltenen Unterstützung („actually received social support“) jene verstanden, die in interpersonalen Interaktionen real – und somit auch beobachtbar – ausgetauscht bzw. zur Verfügung gestellt wird. Im Gegensatz zur „gegebenen Unterstützung“ betont der Begriff der erhaltenen Unterstützung nicht die Geber-, sondern vielmehr die Empfänger-Perspektive (vgl. Laireiter, 1993a). Im Gegensatz zum Konstrukt der erhaltenen Unterstützung gilt die wahrgenommene Unterstützung („perceived available social support“) in der Forschung sowohl konzeptuell als auch methodisch als gut elaboriert. Gemeint ist damit die subjektive Überzeugung einer Person davon, unterstützt zu sein. Diese entwickelt sich aus spezifischen Erfahrungen im Zuge konkreter Interaktionen in verschiedenen Lebensbereichen (z.B. Familie, Partnerschaft, Freundeskreis) (vgl. Laireiter, 1993a). Im Zentrum des Interesses der vorliegenden Arbeit steht die von Volksschuldirektor/innen wahrgenommene soziale Unterstützung. Diese hat Forschungserkenntnissen zufolge generell eine höhere Gesundheitsrelevanz als die tatsächlich erhaltene (vgl. Franzkowiak, 2015). In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass beide Aspekte einander durchaus bedingen können, aber nicht müssen. So fördert beispielsweise eine erhaltene Unterstützung in einer vergangenen Situation die Wahrnehmung sozialer Unterstützung in der Gegenwart. Fydrich & Sommer (2003) drücken diesen Zusammenhang dahingehend aus, dass sie soziale Unterstützung als „Ergebnis kognitiv-emotionaler Verarbeitung und Bewertung gegenwärtiger und vergangener sozialer Interaktionen [definieren], durch die Personen Hilfestellungen erleben und erwarten, um Aufgaben und Belastungen zu bewältigen und persönliche Ziele zu erreichen.“ (S. 83) Im Rahmen der Arbeit findet diese Verbindung dahingehend Berücksichtigung, dass Volksschuldirektor/innen dazu angehalten werden, konkrete Beispielsituationen zu nennen, die sie zur Bewertung der wahrgenommenen sozialen Unterstützung veranlassen.

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

97

Diewald & Sattler (2010) listen ergänzend zur tatsächlich erhaltenen/geleisteten und wahrgenommenen Unterstützung den Bedarf an spezieller sozialer Unterstützung sowie die wahrgenommene Angemessenheit sozialer Unterstützung als zwei weitere Perspektiven, aus denen die Bedeutung sozialer Unterstützungsleistungen betrachtet werden kann, auf. Der Bedarf an spezieller sozialer Unterstützung gibt Auskunft darüber, welche Notwendigkeit an Unterstützung bei einem/einer bestimmten Empfänger/in in bestimmten Situationen (z.B. bei Krankheit) tatsächlich gegeben ist. Die wahrgenommene Angemessenheit sozialer Unterstützungsleistungen bezieht sich auf das Verhältnis zwischen geleisteter sozialer Unterstützung und der Bedarfslage eines/einer Empfängers/in (S. 693-694). Zusammenfassend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die verschiedenen Dimensionen und inhaltlichen Aspekte sozialer Unterstützung eine differenzierte Betrachtung konkreter Wirkweisen auf die Gesundheit bzw. das Wohlbefinden eines Menschen ermöglichen. Auf diese Thematik wird in Kapitel 3.1.4 näher eingegangen. Eine Spezifizierung der Perspektive auf das Konstrukt sozialer Unterstützung verlangt Cohen & Syme (1985) zufolge die Beantwortung folgender sieben Fragen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Wer stellt soziale Unterstützung zur Verfügung? Welche Art von sozialer Unterstützung wird zur Verfügung gestellt? Wem wird die soziale Unterstützung zur Verfügung gestellt? Für welches Problem wird soziale Unterstützung zur Verfügung gestellt? Wie lange wird soziale Unterstützung zur Verfügung gestellt? Welche Kosten fallen mit dem Geben und Erhalten sozialer Unterstützung an? Inwiefern spielen diese verschiedenen Aspekte bei der Bestimmung des Unterstützungsgrades zusammen? (S. 10)

In Hinblick auf das vorliegende Forschungsthema können die Fragen zunächst wie folgt beantwortet werden: Das Forschungsinteresse liegt auf allen Personen(gruppen) und Organisationen im Arbeitsumfeld von Volksschuldirektor/innen, die – aus Sicht dieser – soziale Unterstützung leisten (1). Dabei werden jene sozialen Unterstützungsformen betrachtet, die aus Sicht der Befragten für das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule von Relevanz sind (2). Als Empfänger/in sozialer Unterstützung werden insbesondere die Volksschuldirektor/innen betrachtet, jedoch finden auch reziproke Unterstützungsleistungen, bei denen die Schulleitungen selbst als Geber/innen sozialer Unterstützung fungieren, Berücksichtigung (3). Welche Situationen, in denen soziale Unterstützung erlebt wird, betrachtet werden, hängt einerseits von den Relevanzsetzungen der befragten

98

3 Theoretische Bezugsfelder

Volksschulleitungen ab, andererseits steht die Bewältigung von Arbeitsaufgaben im Mittelpunkt (4). Der konkrete Zeithorizont der Unterstützungsleistung wird im Kontext der Dauer einzelner gesundheitsrelevanter sozialer Beziehungen sowie der Kontaktfrequenz erfasst. Die Fragen 6 und 7 finden lediglich sekundär, sofern von den Befragten erwähnt, Berücksichtigung. Da für das vorliegende Forschungsthema relevant, soll an dieser Stelle kurz auf soziale Unterstützungsformen am Arbeitsplatz eingegangen werden. Die Bedeutung sozialer Unterstützung für die Gesundheit von Lehrkräften, insbesondere Schulleiter/innen, wird in Kapitel 4 thematisiert. McGuire (2007) entwickelte auf Basis von Interviews mit 40 Mitarbeiter/innen unterschiedlicher Branchen eine Typologie nicht-arbeitsbezogener sozialer Unterstützung, welche Mitarbeiter/innen anderen Netzwerkmitgliedern am Arbeitsplatz gewähren. Somit wurde vorwiegend die bereits erwähnte Geber-Perspektive eingenommen. Konkret identifizierte die Soziologin sechs Typen (im Folgenden gereiht nach der Häufigkeit des Vorkommens in der Studie), die sich in Hinblick auf die Aspekte „Grad der Intimität“, „aufgewandte emotionale Energie durch den/die Geber/in“, „erforderliche nicht-emotionale Ressourcen des/der Gebers/in“ (z.B. Zeit, Geld), „Häufigkeit sozialer Unterstützung“ und „Funktion“ voneinander unterscheiden: 1.

2.

3.

„Sharing“ (Teilen) Diese Form der sozialen Unterstützung beinhaltet Diskussionen über eher oberflächliche alltägliche private Themen (z.B. Kinder, Wochenendaktivitäten) mit Netzwerkmitgliedern, die eine eher geringe Intimität aufweisen, wenig emotionale Energie und lediglich Zeit als nicht-emotionale Ressource vonseiten des/der Gebers/in erfordern. Diese Form nicht-arbeitsbezogener sozialer Unterstützung wird relativ häufig gewährt und gilt als eine der am weitesten verbreiteten Arten am Arbeitsplatz. „Listening“ (Zuhören) Diese Unterstützungsform stellt die in der Untersuchung zweithäufigste dar. Im Vergleich zum „Sharing“ zeichnet sie sich durch eine höhere Intimität aus, da persönlichere und vertraulichere Themen (z.B. Scheidung, Tod) besprochen werden, wobei der/die Geber/in vor allem als Zuhörer/in und weniger als Berater/in fungiert. „Listening“ erfordert vonseiten des/der Gebers/in mehr emotionale Energie als „Sharing“. „Counseling“ (Beratung) Diese intime Unterstützungsform beinhaltet das Gewähren von Rat und Anleitung von Netzwerkmitgliedern bei privaten Angelegenheiten (z.B. Eheprobleme, finanzielle Angelegenheiten) und erfordert – da Lösungen für

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

4.

5.

6.

99

persönliche Probleme anderer gesucht werden – viel emotionale Energie. „Counseling“ wird vor allem Netzwerkmitgliedern am Arbeitsplatz gewährt, die dem/der Geber/in sehr nahestehen. „Nonwork Services“ (nicht-arbeitsbezogene Leistungen) Im Gegensatz zu allen anderen Unterstützungsformen zählen „Nonwork Services“ zur instrumentellen sozialen Unterstützung. Diese beinhalten die Zurverfügungstellung von Informationen (z.B. Umgang mit Finanzen, Gewichtsabnahme, Schwangerschaft), das Erledigen von Aufgaben (z.B. Umzug, Babysitting, Transportleistungen) sowie das Gewähren von Materialien (z.B. Möbel, Geld). „Nonwork Services“ zeichnen sich durch einen geringen Intimitätsgrad aus. Sie erfordern zwar wenig emotionale Energie, dafür jedoch teilweise hohe nicht-emotionale Ressourcen (z.B. Zeit, Arbeit, Geld). „Encouragement“ (Zuspruch) Diese Form sozialer nicht-arbeitsbezogener Unterstützung zeichnet sich durch Versuche aus, andere zu trösten. Sie ist ziemlich intim, da es sich bei den Themen, für welche Trost gewährt wird, um recht persönliche Angelegenheiten handelt (z.B. Tod, finanzielle Probleme, Eheprobleme) und erfordert einen hohen Grad an emotionaler Energie sowie nicht-emotionale Ressourcen in Form von Zeit vonseiten des/der Gebers/in. „Caretaking“ (Aufpassen) Geber/innen dieser sozialen Unterstützungsform sorgen sich um die Gesundheit ihrer Netzwerkmitglieder. Sie geben anderen z.B. Ratschläge punkto Gesundheit (z.B. Arztbesuch, Ernährung, Entspannung), was grundsätzlich wenig emotionale Energie und wenig nicht-emotionale Ressourcen erfordert. „Caretaking“ ist durch einen geringen Intimitätsgrad gekennzeichnet, wird aber häufig zum Knüpfen informeller Kontakte geleistet.

Diese Typen nicht-arbeitsbezogener sozialer Unterstützung überlappen sich und lassen sich dadurch nicht gänzlich voneinander abgrenzen. Insgesamt weist die Typologie allerdings darauf hin, dass Mitarbeiter/innen ihre formellen Beziehungen häufig in informelle verwandeln, indem sie nicht-arbeitsbezogene soziale Unterstützung gewähren bzw. in Anspruch nehmen (McGuire, 2007, S. 137). In der vorliegenden Arbeit spielen diese nicht-arbeitsbezogenen Formen sozialer Unterstützung neben unmittelbarer Unterstützung bei der Erledigung von Arbeitsaufgaben eine zentrale Rolle. So wird unter anderem ermittelt, inwiefern in den von den befragten Volksschuldirektor/innen genannten sozialen Beziehungen auch private Themen besprochen werden. Eine Detailbetrachtung nichtarbeitsbezogener Unterstützungsformen erfolgt im empirischen Teil der Arbeit in

100

3 Theoretische Bezugsfelder

jenen Fällen, in denen diese aus Sicht der Befragten relevant für das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz sind. Nachdem nun das Konstrukt der sozialen Unterstützung näher erläutert wurde, stellt sich die Frage nach der konkreten Verbindung dessen mit dem Konzept des sozialen Netzwerkes. Deutlich sollte bereits geworden sein, dass soziale Unterstützung eine potenzielle Funktion sozialer Netzwerke ist. Während sich der Begriff des sozialen Netzwerkes auf ein Geflecht sozialer Beziehungen bezieht (s. Kapitel 3.1.1.1) und sich insbesondere für strukturelle und quantitative Aspekte wie die Größe und Dichte des Netzwerkes, die Frequenz sozialer Kontakte sowie die Intensität, Dauer und Wechselseitigkeit (Reziprozität) von Beziehungen interessiert (vgl. Röhrle, 1994), bezieht sich die soziale Unterstützung im Speziellen auf hilfreiche oder unterstützende Handlungen in interpersonalen Beziehungen. Im Gegensatz zum sozialen Netzwerkkonstrukt betrachtet das Konzept der sozialen Unterstützung nicht strukturelle, sondern vielmehr inhaltlich-funktionale Aspekte sozialer Netzwerke (vgl. Bruns, 2013; Diewald & Sattler, 2010; Laireiter, 1993a; Schwarzer & Leppin, 1989). Da soziale Unterstützung nur eine von vielen Funktionen sozialer Netzwerke darstellt, wird sie häufig als Teilbereich der sozialen Netzwerkforschung betrachtet (Wimmer, 2011, S. 102). Caetano, Silva & Vettore (2013) beschreiben den Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung und sozialem Netzwerk folgendermaßen: „Social support and social networks are interconnected terms; the former is broadly defined as the availability of interpersonal relationships and supportive persons while the latter involves the web of social relationships including friends, family, neighbours and other connections in the social environment. Social networks are the structure through which social support is provided.“ (S. 2)

Soziale Netzwerke bilden den Autor/innen zufolge somit eine Infrastruktur für die Bildung und Verteilung von sozialer Unterstützung. Die Struktur des sozialen Netzwerkes einer Person entscheidet gemäß Deindl, Brandt & Hank (2016) darüber, ob ausreichend soziale Unterstützung vorhanden ist (S. 1177). Zudem wird die Zurverfügungstellung von sozialer Unterstützung von Austauschregeln in einem sozialen Netzwerk reguliert (Rydstedt, Head, Stansfeld & WoodleyJones, 2012, S. 783). In Hinblick auf die Verknüpfung der beiden Konzepte wurde in den bisherigen Ausführungen der Arbeit auch das Unterstützungsnetzwerk als Aspekt extensionaler Taxonomien sozialer Unterstützung kurz erwähnt. Damit ist die Menge an Personen gemeint, die einem Individuum bei Alltagsproblemen oder Belastungen als Unterstützungsgeber/innen zur Verfügung stehen (vgl. Laireiter, 1993a).

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

101

In der vorliegenden Arbeit wird die soziale Unterstützung als eine wesentliche, potenziell gesundheitsrelevante Funktion bzw. als Inhalt sozialer Netzwerke betrachtet. Sie bildet somit einen zentralen Teilaspekt des Forschungsthemas ab. Neben der sozialen Unterstützung und dem sozialen Netzwerk taucht in der Forschung ein weiterer Begriff auf, der ebenfalls teilweise synonym, häufig in Kombination mit diesen beiden Wörtern verwendet wird, nämlich jener des Sozialkapitals. Dieses Konzept ist Inhalt des folgenden Kapitels, wobei lediglich die für das Forschungsthema relevanten Aspekte thematisiert werden. Dabei werden vor allem Differenzierungsmerkmale, aber auch Parallelen zu den bereits erläuterten Konstrukten des sozialen Netzwerkes und der sozialen Unterstützung erörtert. Das Wissen darüber stellt eine wesentliche Verständnisgrundlage für die Gesundheitsrelevanz sozialer Netzwerke (s. Kapitel 3.1.4) dar. 3.1.3 Soziales Netzwerk und Sozialkapital Der Begriff des Sozialkapitals oder auch sozialen Kapitals gilt als recht jung und wurde in der Soziologie speziell zur Beschreibung positiver Effekte der Netzwerkeinbettung entwickelt. Es bestehen zahlreiche verschiedene Konzepte von Sozialkapital. Zu den klassischen Sozialkapitaltheoretikern zählen Mark Granovetter (1973), Pierre Bourdieu (1983), James Coleman (1988), Ronald Burt (1998), Alejandro Portes (1998) und Robert Putnam (2000). Der Grundgedanke des Sozialkapitalansatzes liegt darin, dass Investitionen in soziale Beziehungen bzw. das eigene soziale Netzwerk mit einem bestimmten Nutzen verbunden sind. Demnach können soziale Beziehungen bzw. das soziale Netzwerk zu Sozialkapital in Form von materiellen und immateriellen Ressourcen sowie Unterstützungsleistungen werden (vgl. Hennig, 2010, S. 177). Lin (2002) fasst die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Sozialkapital zusammen, indem er dieses definiert als „resources embedded in social relations and social structure which can be mobilized when an actor wishes to increase the likelihood of success in purposive action“(S. 24). Bei dieser Definition ist der grundsätzliche Rational-Choice-Ansatz dieses Konzeptes deutlich erkennbar (s. Kapitel 3.1.1.2). Im Folgenden werden für die vorliegende Arbeit relevante Sozialkapitalkonzepte kurz beschrieben, da sich diese unter anderem mit der Frage beschäftigt, welche Ressourcen Volksschulleiter/innen aus ihrem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz generieren können, die sich positiv auf das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz auswirken. Dabei kann lediglich ein grober Überblick über die Sozialkapitalforschung gegeben werden, da das Sozialkapital nur einen Aspekt der Gesundheits-relevanz sozialer Netzwerke (s. Kapitel 3.1.4) abbildet. Bereits an

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3 Theoretische Bezugsfelder

dieser Stelle wird auf kontinuierliche Bemühungen der Zusammenführung unterschiedlicher Sozialkapitalansätze im Sinne der Entwicklung einer integrierten Theorie (vgl. Wald, 2011) hingewiesen. Auf eine umfassende Erläuterung der historischen Begriffsentwicklung wird dabei verzichtet. Wesentliche Meilensteine wurden – nachfolgend historisch gereiht – von Hanifan (1916), Bourdieu (1983), Coleman (1988) und Putnam (2000) gelegt, wobei Ausarbeitungen des Konzeptes zum Teil unabhängig voneinander stattfanden. Eine Übersicht zur Historie des Sozialkapitalkonzeptes liefern beispielsweise Euler (2006), Jansen (2006) und Lin (2002). Ähnlich wie das Konzept des sozialen Netzwerkes zeichnet sich auch jenes des Sozialkapitals durch eine breite Anwendbarkeit und eine mangelnde Spezifizierung aus. Diese wird von einigen Forscher/innen kritisiert, von anderen als durchaus fruchtbar gesehen (vgl. Itzenplitz & Seifferth-Schmidt, 2011). So wird Sozialkapital beispielsweise von einigen Autor/innen als individuelles Kapital, von anderen als kollektives Phänomen betrachtet (vgl. Knesebeck, 2015). Macinko & Starfield (2001) bringen die Vielfalt des Konzeptes folgendermaßen auf den Punkt: „[…] the concept has been stretched, modified, and extrapolated to cover so many types of relationships at so many levels of individual, group, institutional, and state analyses that the term has lost all heuristic value […] there does not appear to be consensus on the nature of social capital, its appropriate level of analysis, or the appropriate means of measuring it.“ (S. 394)

Gehmacher (2009) zufolge findet jedoch seit einigen Jahren eine gegenseitige Annäherung verschiedener Betrachtungsweisen statt. Zudem herrscht Einigkeit über das Bestehen unterschiedlicher Aspekte des Konzeptes wie etwa „bonding“ und „bridging“ oder aber die Differenzierung von Sozialkapital auf Mikro-, Meso- und Makroebene (S. 103). Betrachtet man die unterschiedlichen Definitionen des Sozialkapitalbegriffes im Detail, so sind für die vorliegende Arbeit insbesondere die netzwerkbasierten Sichtweisen von Burt (1995) und Coleman (1988) relevant, da diese unter anderem individuelle Aspekte des Sozialkapitals ansprechen und insbesondere bei der Erforschung der gesundheitlichen Wirkungen von Sozialkapital dominieren. Nachfolgend wird lediglich der Kern der zwei Sozialkapitaltheorien dargestellt. Der amerikanische Soziologe James Coleman (1988) liefert eine funktionale Definition des Sozialkapitals, indem er dieses als sozialstrukturelle Ressource betrachtet, die bestimmte Handlungen von Individuen oder Gruppen von Akteur/innen begünstigt (S. 98). Konkret meint er

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

103

„Social capital is defined by its function. It is not a single entity but a variety of different entities, with two elements in common: they all consist of some aspect of social structures and they facilitate certain actions of actors – whether persons or corporate actors – within the structure.“ (S. 98)

Soziale Strukturen auf der Makroebene beeinflussen also Handlungen einzelner Mitglieder der Gesellschaft auf Mikroebene. Colemans Sichtweise auf das Sozialkapital weist eine individuelle und eine Gruppenkomponente auf (vgl. auch Roßteutscher, Westle & Kunz, 2008, S. 28). Der Hauptnutzen sozialen Kapitals entsteht laut Coleman (1988) allerdings für das Individuum selbst, indem dieses zum Zweck der Nutzenmaximierung getauscht wird. Damit Sozialkapital entstehen kann, müssen ihm zufolge bestimmte Anforderungen an das soziale Netzwerk erfüllt sein, nämlich   

eine gewisse Quantität an sozialen Beziehungen, eine Geschlossenheit des sozialen Netzwerkes und eine gewisse Stabilität der sozialen Beziehungen,

die den Aufbau von Vertrauen, regelmäßiger Kommunikation und damit verbundenen Normen ermöglichen (vgl. Coleman, 1990). Übertragen auf die Situation des/der Schulleiters/in könnte dies bedeuten, dass insbesondere ein enges, dichtes und stabiles soziales Netzwerk, welches sich durch gemeinsame Normen und Werte, Vertrauen sowie eine transparente Kommunikation auszeichnet und aus verschiedenen Akteur/innen innerhalb und außerhalb der Schule besteht, die Generierung von Sozialkapital durch den/die Schulleiter/in begünstigt. Coleman erklärt das Konzept des Sozialkapitals zum einen mithilfe der Rational-Choice-Theorie, zum anderen integriert er jedoch auch strukturalistische Elemente der Netzwerkforschung. Er geht also von rationalen Akteur/innen aus, die über Handlungsrechte verfügen, diese aber wiederum in einem System des gegenseitigen Austausches auf andere Akteur/innen übertragen (Bicer, 2014, S. 54-55). So meint er: „This is part of a theoretical strategy that involves use of the paradigm of rational action but without the assumption of atomistic elements stripped of social relationships.“ (Coleman, 1988, S. 118) Damit schließt er die Lücke zwischen soziologischen und ökonomischen Erklärungen sozialer Handlungen, indem er zeigt, dass soziales Handeln zumeist zwar auf rationalen Entscheidungen beruht, diese jedoch in einem bestimmten sozialen Kontext getroffen und somit davon beeinflusst werden (Glanville & Bienenstock, 2009, S. 1511). Diese Sichtweise geht mit den Annahmen sozialer Netzwerktheorien, die dem strukturalistischen Konstruktionismus zugeordnet werden können, konform (s. Kapitel 3.1.1.2).

104

3 Theoretische Bezugsfelder

Bei der Betrachtung sozialer Beziehungen unterscheidet Coleman zwischen einfachen und komplexen sozialen Beziehungen. Während einfache Beziehungen durch gegenseitige Anreize erhalten werden (z.B. Freundschaften), bedarf es bei komplexen Beziehungen einer dritten Partei wie z.B. einer Organisation, die zwei Personen und deren Bedürfnisse miteinander verbindet (vgl. Coleman, 1990). Vor allem komplexe Beziehungen spielen für die vorliegende Arbeit eine zentrale Rolle, da die Beziehungen von Schuldirektor/innen zu anderen Akteur/innen im Arbeitsbereich durch die Organisation Schule aufrechterhalten werden. Coleman wandte seine Vorstellung von Sozialkapital im Speziellen auf das Bildungs- bzw. Erziehungswesen an. Er zeigte in seinen Studien auf, dass sich Schüler/innen an katholischen Schulen, die sich in gut funktionierenden Gemeinden befanden, durch soziale Unterstützung und eine enge Verbindung zwischen allen Mitgliedern auszeichnen und somit die Nutzung von Sozialkapital ermöglichen, besonders gute Lernergebnisse und geringe Durchfallquoten aufwiesen. Darüber hinaus stellte er fest, dass Sozialkapital in Familien und anderen Gemeinschaften die kognitive und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen – also das Humankapital – fördert (vgl. Coleman, 1988, 1990). Burts (1995) Sozialkapitaltheorie wiederum zeichnet sich durch eine besonders starke Individuumsorientierung und enge Verknüpfung mit der Netzwerkforschung aus. Er baut auf dem Konzept der schwachen Beziehungen von Granovetter auf (s. Kapitel 3.1.1.1). Gemäß seiner viel zitierten „structural hole“-Theorie, die er auf eine Analyse unternehmensinterner Karrieremuster von Manager/innen eines amerikanischen Technologiekonzerns anwandte, steht ein/e einzelne/r Akteur/in im Zentrum eines Netzwerkes und hat somit Zugang zu verschiedenen Gruppierungen. Das soziale Netzwerk bildet somit die eigentliche Ressource im Sinne des Sozialkapitals. Stellt der/die Akteur/in das einzige Bindeglied zwischen diesen Gruppierungen dar, so profitiert er/sie von der Kombination wichtiger Informationen aus diesen vielfältigen Gruppierungen. Burt ist der Ansicht, dass Sozialkapital ausschließlich eine individuelle Ressource ist, in die bewusst und strategisch investiert werden muss. In einer seiner Studien zeigte er auf, dass Manager/innen eine höhere Chance auf eine Beförderung und einen Karriereaufstieg haben, wenn sie in einer bestimmten Weise in soziale Netzwerke eingebettet sind. Dabei müssen sie ihm zufolge eine bestimmte Position in einem dünnen, durch schwache Beziehungen gekennzeichneten Netzwerk einnehmen, die sicherstellt, dass das Sozialkapital nur ihnen zur Verfügung steht. Diese Position zeichnet sich dadurch aus, dass der/die Akteur/in in diesem Netzwerk Löcher („structural holes“) überbrücken und somit als Vermittler/in (Broker) für nicht miteinander verbundene Akteur/innen agieren kann. Burt

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

105

zufolge können Personen in diesen Netzwerkpositionen unternehmerische Gelegenheiten erkennen und in Unternehmenserfolg umwandeln. Akteur/innen sollten darüber hinaus strukturell autonom, also unabhängig von der Kontrolle anderer sein, indem sie selbst zwar viele Kontakte in strukturellen Löchern haben, selbst aber in ein „Cluster ohne strukturelle Löcher“ eingebettet sind. Das Ausmaß an Ressourcen in Form des sozialen Netzwerkes hängt Burt zufolge somit von direkten (primären) und indirekten (sekundären) Beziehungen, aber auch von der strukturellen Autonomie des/der Akteurs/in ab. Sozialkapital kann sich z.B. in Form eines Zuganges zu neuen Informationen zeigen (vgl. Hennig, 2006; Jansen, 2006; Wald, 2011). Übertragen auf das Forschungsthema könnte dies etwa bedeuten, dass der/die Schuldirektor/in eine gewisse Mittlerrolle zwischen dem Lehrpersonal und der Schulaufsicht einnimmt und von bestimmten neuen Informationen, die er an die jeweils andere Stelle weitergibt, profitieren könnte. Setzt man Burts Sozialkapitalkonzept mit jenem von Coleman in Beziehung, so können laut Jans (2007, S. 13) folgende Gemeinsamkeiten festgestellt werden, die für die vorliegende Arbeit relevant sind:   

Beide Autoren betonen die Bedeutung von sozialen Strukturen in Form von sozialen Netzwerken bzw. Beziehungskontakten für das Sozialkapital einzelner Akteur/innen. Sozialkapital wird als (notwendige) Ressource zur Setzung bestimmter Handlungen und zur Erreichung individueller Ziele betrachtet. In Hinblick auf Kausalzusammenhänge sind sich Burt und Coleman einig, dass das Sozialkapital eines/einer einzelnen Akteurs/in aus dem sozialen Netzwerk resultiert (Sozialkapital als Folge von Sozialstrukturen).

In Hinblick auf die Entstehung von Sozialkapital verfolgen Burt und Coleman allerdings unterschiedliche theoretische Grundideen. Coleman geht mit seinem „closure“-Argument davon aus, dass Sozialkapital aus dicht geknüpften und nach außen klar abgegrenzten Netzwerken hervorgeht. Dabei spielen gruppenspezifische Normen eine zentrale Rolle (= Sozialkapital als Ergebnis hoher struktureller und relationaler Dichte eines Netzwerkes innerhalb einer abgrenzbaren Akteursgruppe). Coleman baut dabei auf dem Konzept der „strong ties“ von Granovetter (s. Kapitel 3.1.1.1) auf. Burt hingegen spricht mit seinem „structural hole“-Argument jenes Sozialkapital an, das sich aus strukturell bedingten „Makler“-Positionen ergibt. Ein/e Akteur/in, der/die diese strukturellen Löcher überbrückt, hat Zugang zu vielfältigen Ressourcen (= Sozialkapital als Ergebnis strukturell günstiger Positionen zwischen verschiedenen Gruppen). Er setzt dabei zwar am „weak ties“-Ansatz von

106

3 Theoretische Bezugsfelder

Granovetter an (s. Kapitel 3.1.1.1), meint jedoch ergänzend dazu, dass auch „strong ties“ dazu beitragen können, strukturelle Löcher oder Brücken zu realisieren (Jans, 2007, S. 21-23). In der vorliegenden Arbeit tragen beide Sichtweisen zur theoretischen Sensibilität (vgl. Kelle & Kluge, 2010) der Forscherin bei. Für die vorliegende Arbeit ist, wie aus der Zielsetzung und den Forschungsfragen (s. Kapitel 1.2) hervorgeht, das bereits erwähnte individuelle Sozialkapital von Relevanz, welches häufig mit dem Konzept der sozialen Unterstützung in Verbindung gebracht wird. Das individuelle Sozialkapital wird auch als Beziehungskapital bezeichnet. Darunter werden soziale Ressourcen – insbesondere soziale Unterstützung in unterschiedlichen Formen – verstanden, auf welche ein/e Akteur/in in seinem/ihrem eigenen Netzwerk Zugriff hat. Sofern diese dazu beitragen, bestimmte Handlungsziele zu erreichen, gelten sie als wertvoll und erstrebenswert (Petermann, 2012, S. 95). Flap (1999) kombiniert in diesem Zusammenhang das Sozialkapitalkonzept mit dem ego-zentrierten sozialen Netzwerk. Ihm zufolge sind die Anzahl der Personen im Netzwerk eines Egos (= Alteri), deren Ressourcen und das Ausmaß, in dem diese Alteri dazu bereit bzw. verpflichtet sind, Ego zu unterstützen, wenn dieses Unterstützung erwartet, notwendige Rahmenbedingungen für die Generierung von Sozialkapital. Dieser Ansatz verdeutlicht den Bezug des Sozialkapitals zur Akteursebene und dessen Potenzial, mikrosoziale Phänomene zu erklären (vgl. auch Petermann, 2012, S. 97-98). Minckler (2014) überträgt die Vorstellung von individuellem Sozialkapital auf den Lehrerberuf. Die Forscherin definiert das Sozialkapital eines/einer Lehrers/in als verfügbare Ressourcen, die von diesem/dieser genutzt werden und sich aus der Mitgliedschaft in einem sozialen Netzwerk ergeben. Die Erziehungswissenschaftlerin unterscheidet dabei zwischen dem „teacher bonding social capital“, welches sich aus dem Primärnetzwerk an Lehrer/innen und sonstigen Personen innerhalb der Schule ergibt und insbesondere durch ein Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht, und dem „teacher bridging social capital“, welches sich auf Ressourcen, die sich durch soziale Netzwerke außerhalb der Schule ergeben, bezieht. Soziale Beziehungen haben gemäß der Autorin dann einen Wert in Form von Sozialkapital für Lehrer/innen, wenn damit zwei Ziele erreicht werden: 1.

Zufriedenstellen der Bedürfnisse des Individuums in Hinblick auf Zugehörigkeit („expressive outcomes“)

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz 2.

107

Hilfe beim Erledigen von Dingen, die das Individuum allein nicht bewältigen kann, z.B. in Form der Zurverfügungstellung von Lehrmaterial oder der Weitergabe von Informationen („task or instrumental outcomes“) (S. 658-659)

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es keine einheitliche Theorie des Sozialkapitals gibt, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass die theoretischen Ansätze – insbesondere das „closure“-Argument und das „structural hole“-Argument – zunächst unabhängig voneinander entwickelt wurden. Speziell für die Verknüpfung beider Konzepte auf Ebene des/der einzelnen Akteurs/in liegen gemäß Wald (2011) keine ausgearbeiteten Konzepte vor. So kann keine Aussage darüber getätigt werden, unter welchen Bedingungen sich welche Netzwerkstrukturen in welcher Weise auswirken (S. 119). Lücken in der bisherigen Sozialkapitalforschung liegen gemäß Jans (2003) in der mangelnden Präzision, tautologischen Aussagen, der ungenauen und mehrdeutigen Verwendung von Begriffen wie Netzwerk, Ressource oder Normen sowie der Unklarheit von Ursachen und Folgen des Sozialkapitals. Glanville & Bienenstock (2009) sind der Ansicht, dass in der Sozialkapitalforschung verstärkte Aufmerksamkeit auf die Verknüpfung unterschiedlicher Formen von Sozialkapital gelegt werden sollte. Sie sind der Ansicht, dass die Netzwerkstruktur, das Vertrauen und die Reziprozität sowie die Ressourcen den umfassenden Begriff des Sozialkapitals charakterisieren. Diese stehen miteinander in Beziehung (S. 1518-1527). Resümierend aus den bisherigen Ausführungen stellt sich nun die Frage nach dem konkreten Zusammenhang zwischen dem Sozialkapital und dem sozialen Netzwerk. Hierzu gibt es in der Forschung mehrere Überlegungen, die zwar zum Teil bereits erwähnt, im Folgenden jedoch aufgrund der besonderen Relevanz für das Forschungsthema noch detaillierter erläutert werden sollen. Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass der Begriff des sozialen Netzwerkes aus der Sozialkapitalforschung kaum wegzudenken ist. So wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass das soziale Netzwerk – dem Verständnis in der vorliegenden Arbeit nach – den strukturellen Rahmen von Sozialkapital bildet. In Hinblick auf die Frage, welche Aspekte sozialer Netzwerke für das Vorhandensein von Sozialkapital relevant sind, liegen unterschiedliche Meinungen vor. Aspekte, auf die Bezug genommen wird, sind etwa die Dichte des Netz-werkes, die Anzahl an „Brücken“, strukturelle Löcher, Homogenität, Heterogenität usw. Lin (2002) ist der Ansicht, dass die Dichte und Geschlossenheit eines sozialen Netzwerkes vor allem dazu dient, Ressourcen zu erhalten, während ein loses, zerstreutes Netzwerk dazu beiträgt, Ressourcen, die ein/e Akteur/in noch nicht hat, zu suchen und zu gewinnen (S. 27). An dieser Stelle kommt das Konzept von

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3 Theoretische Bezugsfelder

Granovetter (1973) ins Spiel, welches aufzeigt, dass nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des sozialen Netzwerkes sowie die Intensität und Stärke sozialer Beziehungen einen Einfluss auf das verfügbare Sozialkapital eines Individuums haben. Dem Netzwerktheoretiker zufolge ist es vorteilhaft, sowohl über starke („strong ties“) als auch schwache bzw. überbrückende Beziehungen („weak ties“) zu verfügen, um Zugang zu unterschiedlichen Formen von Sozialkapital zu haben. Schwache Beziehungen ermöglichen durch eine Verbindung mit anderen „Netzwerk-Cliquen“ einen nicht-redundanten Informationsfluss und bieten somit die Möglichkeit, an neue Informationen zu kommen. Starke Beziehungen hingegen sind durch Nähe und Gleichartigkeit der Akteur/innen gekennzeichnet und beinhalten somit vorwiegend redundante Informationen. Er schreibt insbesondere den schwachen Beziehungen eine hohe Bedeutung in Hinblick auf den Aufbau von Sozialkapital zu und spricht von der Stärke schwacher Beziehungen („strength of weak ties“), da sie Brücken zu anderen Subgruppen eines sozialen Netzwerkes schaffen. Über je mehr starke Beziehungen ein/e Akteur/in verfügt, desto schwächer ist er/sie in ein Gesamtnetz eingebunden, da die engen Beziehungen viel Zeit und Energie benötigen (vgl. Avenarius, 2010; Hennig, 2006; Herz, 2014). Überträgt man dieses Konzept von Granovetter auf die Arbeitssituation von Schulleitungen, so bedeutet dies beispielsweise, dass Schuldirektor/innen starke Beziehungen, welche sich durch Nähe und Gleichartigkeit auszeichnen, zumeist zu innerhalb der Schule befindlichen Personen pflegen, während Kontakte zu schulexternen Personen (z.B. Direktor/innen anderer Schulen oder Kooperationspartner/innen) neue Informationen in die Schule fließen lassen. Sowohl schwache als auch starke Beziehungen können Ressourcen sein, allerdings unterschiedlicher Art. Dies zeigt sich auch in Hinblick auf die Gesundheitsrelevanz beider Beziehungsformen (s. Kapitel 3.1.4). Lin (2002) zufolge beeinflussen die Position im sozialen Netzwerk, die Art der sozialen Beziehungen zu anderen Akteur/innen und die Lage dieser Beziehungen im sozialen Netzwerk das für ein Individuum verfügbare Sozialkapital. Eine Analyse von Studien im Bereich der sozialen Netzwerk- und der Sozialkapitalforschung von Moody & Paxton (2009) ergab, dass die Zahl der Forschungsarbeiten zu beiden Themen in den letzten Jahren enorm gestiegen ist und sich sowohl das soziale Netzwerk- als auch das Sozialkapitalkonzept in verschiedensten Forschungsfeldern etablierte. Auf der einen Seite sind Forschungsarbeiten zum Sozialkapital, die nicht explizit auf soziale Netzwerkbeziehungen eingehen, rar. Sie nehmen zumeist Bezug auf sozial bedeutsame Gefühle, Werte oder Verbindungen als Ergebnis genereller sozialer Einbettung z.B. in Form von Patriotismus oder sozialer Identität, die nicht von bestimmten Netzwerkstrukturen auf Mikroebene abhängen („soziale Inhalte ohne soziale Struktur“). Auf der anderen Seite beschäftigen sich die wenigen

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

109

Studien in der sozialen Netzwerkforschung, die keinen Bezug zum Sozialkapital haben, mit der reinen Netzwerkstruktur und vernachlässigen dabei den Inhalt einzelner sozialer Beziehungen in diesem Netzwerk (z.B. soziale Unterstützung, Freundschaft) („soziale Struktur ohne sozialen Inhalt“). Moody & Paxton (2009) sind der Ansicht, dass eine Verknüpfung beider Konzepte vor allem in Form einer Kombination der Strukturen von sozialen Netzwerken mit den Inhalten von Sozialkapital sinnvoll erscheint, um die Wirkungen beider Konstrukte gezielter zu erforschen (S. 1493-1500). So meinen die beiden Autor/innen: „[…] when predicting social outcomes, we are better served by integrating the insights of the social capital and social networks literatures. Our general point with this introduction has been that it is difficult to divorce form from content – indeed, we argue that the most promising bridge is to combine the structure of networks with the content of social capital to better understand social reality. Similar network structures based on different contents will produce different social effects. At the same time, shared values or norms based in different network structures will produce different social effects.“ (S. 1500)

In Anlehnung an Moody & Paxton (2009) werden in der vorliegenden Arbeit unterschiedliche theoretische Ansätze einzelner Sozialkapitaltheorien mit jenen sozialer Netzwerktheorien im Sinne vielfältiger „sensitizing concepts“ (vgl. Kelle & Kluge, 2010) herangezogen, um das Erleben des eigenen sozialen Netzwerkes, insbesondere der daraus resultierenden psychosozialen Belastungen und Ressourcen von Volksschuldirektor/innen, umfassend erklären zu können. Resümierend aus der Verknüpfung von Sozialkapital, sozialer Unterstützung und dem sozialen Netzwerk ist festzuhalten, dass die beiden erstgenannten Konzepte sich insbesondere auf inhaltliche, vor allem positive Aspekte sozialer Netzwerke beziehen. Als negative Begleiterscheinungen von sozialer Unterstützung werden lediglich psychische, zeitliche oder materielle Belastungen für den/die Hilfegeber/in selbst, psychische Belastungen des/der Hilfenehmers/in in Zusammenhang mit der Annahme von Unterstützung z.B. in Form von Scham oder Unterlegenheitsgefühlen sowie enttäuschte Erwartungen betrachtet. Als Überbegriff für diese Negativ-Aspekte sozialer Unterstützung wird jener der „negativen sozialen Unterstützung“ verwendet (Diewald & Sattler, 2010, S. 689-691). Von Interesse sind im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch auch andere negative bzw. als belastend erlebte Inhalte und Strukturen des sozialen Netzwerkes von Volksschuldirektor/innen. Auf diesen Aspekt nimmt insbesondere das nachfolgende sowie das Kapitel 4.2 Bezug.

110

3 Theoretische Bezugsfelder

3.1.4 Gesundheitsrelevanz sozialer Netzwerke Die Frage nach der Entstehung von Gesundheit und Krankheit wurde lange Zeit ausschließlich im Bereich der Medizin gestellt. Die steigende gesellschaftliche Bedeutung chronischer, psychischer und psychosomatischer Krankheiten führte jedoch dazu, dass neben der medizinischen Versorgung seit einigen Jahren ein zunehmendes Interesse an anderen Gesundheitsdeterminanten wie Umweltbelastungen, dem Gesundheitsverhalten von Personen sowie sozialen Faktoren besteht (Bruns, 2013, S. 15). Forscher/innen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen fanden heraus, dass die Entstehung zahlreicher, vor allem chronischer und psychischer bzw. psychosomatischer Krankheiten nicht von einem einzelnen Faktor wie einem Mikroorganismus abhängt, sondern verschiedene verhaltensbezogene, biologische, genetische und umweltspezifische Faktoren bei der Entstehung von Gesundheit und Krankheit zusammenwirken (vgl. House, Landis & Umberson, 1988). Der hohe Stellenwert des sozialen Netzwerkes als Gesundheitsdeterminante zeigt sich unter anderem in einer zunehmenden Anzahl an Artikeln mit dem Keyword „Soziales Netzwerk“ in epidemiologischen, Public Health und medizinischen Journals zwischen 1950 und 2010, wobei dieses häufig kombiniert mit den Konzepten der sozialen Unterstützung und der sozialen Integration in Erscheinung tritt (Tsai & Papachristos, 2015, S. 1). Das soziale Netzwerk etablierte sich somit im Bereich der Gesundheitsforschung. Ein Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass die Eingebundenheit eines Individuums in eine soziale Gruppe eine zentrale Bedeutung für die Gesundheit hat. Ein anderer Grund besteht darin, dass auf Ebene des sozialen Netzwerkes individuelle Faktoren und Verhaltensweisen im Kontext sozialstruktureller Gegebenheiten untersucht werden können (Bruns, 2013, S. 15-16, 89). Betrachtet man Gesundheit also als das Ergebnis komplexer Lebensumstände, so spielen die Beziehungen zu anderen eine zentrale Rolle für den/die Einzelne/n (Ramelow et al., 2015, S. 57). Ahmadi (2015) bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: „Human beings do not exist in a social vacuum. Our interactions with relatives, friends, and surround community expose us to the situations which could improve our health and wellbeing through social ties and relationships.“ Smith & Christakis (2008) schreiben: „People are interconnected and so their health is interconnected.“ (S. 405) Mit dem Zusammenhang zwischen sozialen Faktoren wie der Sozialstruktur sowie sozialen Beziehungen und der Gesundheit bzw. Krankheit beschäftigt sich insbesondere die Medizinsoziologie. Dabei stellt sie sich unter anderem die für die vorliegende Arbeit relevante Frage:

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

111

„Welcher Art [sind] die sozialen Situationen, Prozesse und Strukturen […], die als belastend oder unterstützend wahrgenommen und erlebt werden, und in der Folge sozio-psycho-somatische Vorgänge auslösen […]?“ (Borgetto & Kälble, 2007, S. 5253).

Aus dieser Fragestellung geht bereits hervor, dass soziale Faktoren unter anderem in Form von sozialen Beziehungen und Netzwerken sowohl einen positiven als auch einen negativen Einfluss auf das Gesundheits- und Krankheitserleben haben können. Dabei können neben inhaltlichen Aspekten wie Mobbing als Beispiel für eine negative und adäquate soziale Unterstützung als Beispiel für eine positive Auswirkung auch strukturelle Aspekte sozialer Beziehungen (z.B. Häufigkeit des Kontakts) und Netzwerke (z.B. Dichte) eine Rolle spielen. Das Hauptinteresse bisheriger medizinsoziologischer, aber auch sozialpsychologischer Forschungsarbeiten lag bislang vor allem in der Gesundheitsrelevanz inhaltlicher, hier vor allem positiver Aspekte sozialer Beziehungen wie z.B. sozialer Unterstützung, emotionaler Nähe, Intimität und Zusammenhalt (Grande, 2010, S. 129-130). Unbestritten ist jedoch, dass soziale Beziehungen die Lebensqualität, die Gesundheit und weitere damit verbundene Faktoren wie das Selbstwertgefühl sowohl verbessern als auch beeinträchtigen können (Hawe & Ghali, 2008, S. 62). Franzkowiak (2015) bezeichnet etwa Hilfen und Unterstützung, die einem sozialen Netzwerk eines Menschen entspringen können, als soziale Ressourcen, während er eingeschränkte oder fehlende soziale Integration und soziale Belastungssituationen (z.B. Konflikte) als krankheitsförderliche Faktoren betrachtet. Nachfolgend werden wesentliche Erkenntnisse zur Gesundheitsrelevanz sozialer Beziehungen und Netzwerke dargestellt. Im Zentrum steht dabei die psychische Komponente des Gesundheitsbegriffes, insbesondere die subjektive psychische Gesundheit (s. Kapitel 3.2.1.1). Bereits an dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass die Ermittlung der Wirkmechanismen sozialer Beziehungen und Netzwerke auf die psychische Gesundheit mit zahlreichen Herausforderungen verbunden ist. So wirken die beiden Faktoren wiederum mit anderen, wie z.B. der Persönlichkeit einer Person, zusammen. So kann etwa die Introvertiertheit eines Individuums die Wahrscheinlichkeit eines kleinen Netzwerkes und das Auftreten depressiver Symptome begünstigen. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass in Studien unterschiedliche Messgrößen für Konstrukte wie das soziale Netzwerk, die soziale Beziehung, die soziale Unterstützung, die soziale Integration und das Sozialkapital verwendet werden und deren Auswirkungen auf verschiedene Gesundheitsparameter (z.B. Mortalität, Depressionsmorbidität) ermitteln (vgl. Holt-Lunstad et al., 2010). Die Untersuchung der Gesundheitsrelevanz sozialer Netzwerke und Beziehungen reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück. In der Literatur (vgl. Hurrelmann, 2003,

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3 Theoretische Bezugsfelder

S. 140-141; Kawachi, 2001, S. 458) wird häufig der französische Soziologe Emile Durkheim als einer der Begründer dieses Forschungsfeldes genannt. In seiner Untersuchung zum Thema Selbstmord stellte der Forscher Zusammenhänge zwischen mangelnder sozialer Integration und psychischer Gesundheit her. Dabei bezeichnet er die soziale Integration als Merkmal des eigenen sozialen Netzwerkes einer Person. Er entwickelte eine Typologie des Selbstmordes und unterscheidet zwischen egoistischem, altruistischem, anomischem und fatalistischem Selbstmord. Alle vier Formen sind ihm zufolge in einem unterschiedlichen Ausmaß an Diskrepanz zwischen sozialer Integration und sozialer Regulation begründet (vgl. Durkheim, 1897). Spätere Studien (vgl. Berkman & Breslow, 1983; Thoits, 1986) bestätigen diese Annahmen von Durkheim und zeigen zusammengefasst, dass je stärker ein Individuum in ein soziales Beziehungsgefüge mit zentralen Bezugspersonen integriert ist, desto besser kann es mit ungünstigen sozialen Bedingungen, kritischen Lebensereignissen und sonstigen andauernden Belastungen umgehen und desto seltener treten Überforderungsgefühle auf (Hurrelmann, 2003, S. 141-142). Durkheims Erkenntnisse inspirierten Forscher/innen der Sozialpsychologie, der Sozialepidemiologie sowie der Medizinsoziologie und regten in den folgenden Jahrzehnten dazu an, den Einfluss der sozialen Integration und anderer damit verbundener Faktoren auf die psychische Gesundheit im Detail weiter zu untersuchen (Norris, 2009, S. 14). In den 1970er Jahren erreichte die Forschung über Schutz-, Bewältigungs-, Entlastungs- und Unterstützungsfunktionen sozialer Netzwerke ihren Höhepunkt. Dabei wurden in der Sozialpsychiatrie und der Gemeindepsychologie vor allem persönliche Netzwerke untersucht (vgl. Süß & Trojan, 2015). Zu den klassischen und bekanntesten Studien dieser Zeit zählen die Untersuchungen von Roseto (vgl. Bruhn & Wolf, 1979) sowie die Alameda County Study (vgl. Syme & Berkman, 1979). In der erstgenannten Studie kamen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die Anzahl tödlicher Herzinfarkte in der Kleinstadt Roseto, welche vor allem von italienisch-amerikanischen Einwanderer/innen besiedelt wurde und die sich durch besonders starke Familienbindungen und damit einen hohen sozialen Rückhalt auszeichnen, um mehr als die Hälfte geringer war als in vier Kontrollgemeinden, in denen der traditionelle amerikanische Lebensstil gelebt wurde. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass auch die Herzinfarktinzidenz als wesentlicher Gesundheitsparameter zumindest zum Teil psychosozial bedingt ist. In der Alameda County Study wurde in einer Zufallsstichprobe von rund 7.000 Personen festgestellt, dass Individuen mit wenig sozialen Bindungen („social and community ties“) in einem Zeitraum von neun Jahren nach der Untersuchung ein zwei- bis dreimal so großes (generelles) Sterberisiko (= Gesamtmortalität) aufwiesen als Individuen, die über intensive soziale Kontakte verfügten. Konkret wurden vier Typen sozialer Beziehungen – Ehe, Kontakte mit

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

113

Familienmitgliedern und Freund/innen, Kirchengemeinschaft und andere formelle und informelle Gruppenzugehörigkeiten – betrachtet, wobei festgestellt wurde, dass die An- oder Abwesenheit aller vier Formen einen Beitrag zur Erklärung der Mortalität leistete, enge Formen sozialer Beziehungen (Ehe, Familie und Freund/innen) jedoch eine höhere Erklärungskraft aufwiesen (vgl. auch House et al., 1988). House, Robbins & Metzner (1982) erweiterten die Erkenntnisse von Syme & Berkman in der Tecumseh (Michigan) Community Health Study. Studien in Schweden (vgl. Orth-Gomer, Johnson, Unden & Edwards, 1986; Ruberman, Weinblatt, Goldberg & Chaudhary, 1984; Welin et al., 1985) belegten den Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein bestimmter sozialer Beziehungen und dem Mortalitätsrisiko auch (vgl. auch House et al., 1988, S. 297-299). Ebenfalls in den 1970er Jahren sowie den darauffolgenden Jahrzehnten wurden ergänzend zu den bereits erläuterten Untersuchungen auch Studien durchgeführt, die sich explizit mit dem Einfluss sozialer Unterstützung als zentralen potenziellen Inhalt sozialer Beziehungen und Netzwerke (s. Kapitel 3.1.2) auf die (psychische) Gesundheit beschäftigten. Nennenswert sind in diesem Zusammenhang vor allem Autoren wie Cassel (1976), Cobb (1976), House & Kahn (1985) sowie Kaplan (1974). Reviews von Cassel (1976) & Cobb (1976), welche Untersuchungen mit unterschiedlichen Studiendesigns (retrospektiv bis experimentell), Untersuchungsteilnehmer/innen in unterschiedlichen Lebensabschnitten (Geburt bis Tod) und unterschiedlichen Gesundheitsparametern (Geburtsgewicht, Schwangerschaftskomplikationen, Blutdruck, Arthritis, Depression, Gesamtmortalität usw.) inkludierten, bestätigen die hohe gesundheitliche Bedeutung sozialer Unterstützung. Sie warfen jedoch die Frage nach dem konkreten Wirkungszusammenhang auf (vgl. House et al., 1988, S. 542). Ausführungen zu unterschiedlichen Erklärungsansätzen hierfür folgen in einem späteren Abschnitt dieses Kapitels. Erst einige Zeit nach den 1970er Jahren wurden auch gesundheitsschädliche Effekte sozialer Beziehungen untersucht, wobei diese jedoch vor allem Aspekte des Gesundheitsverhaltens thematisierten ´ (vgl. Christakis & Fowler, 2008; Hunter, Vizelberg & Berenson, 1991). Die explizite Untersuchung der gesundheitlichen Bedeutung von Sozialkapital etablierte sich erst in den 1990er Jahren. Forschungen in dieser Zeit konzentrierten sich jedoch vor allem auf die Wirkung von kollektivem Sozialkapital (s. Kapitel 3.1.3) auf die Mortalität innerhalb bestimmter Gemeinschaften. Erst zu einem späteren Zeitpunkt wurden auch Studien durchgeführt, die sich mit der Wirkung von individuellem Sozialkapital auf die Gesundheit des/der Einzelnen beschäftigten. Zusammengefasst zeigen diese, dass Personen, die über ein hohes Maß an Sozialkapital verfügen, einen besseren Gesundheitszustand haben als jene,

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3 Theoretische Bezugsfelder

die auf wenig Sozialkapital zurückgreifen können. Dabei wirkt Sozialkapital auf der individuellen Ebene insbesondere über gesundheitsrelevante Verhaltensweisen und psychosoziale Faktoren wie Selbstwirksamkeit oder Anerkennung (vgl. Knesebeck, 2015). Aus den Ausführungen zur bisherigen Forschungsgeschichte in Hinblick auf die gesundheitliche Bedeutung sozialer Netzwerke geht hervor, dass Aspekte sozialer Netzwerke positiv, aber auch negativ auf die Gesundheit von Personen wirken können, wobei Untersuchungen zum positiven Einfluss dominieren (vgl. Bruns, 2013, S. 95). Die Vermischung von Begriffen und Begriffspaaren wie „soziales Netzwerk“, „soziale Integration“, „soziale Unterstützung“, „soziale Beziehung“ und „Sozialkapital“, auf welche bereits in den vorangegangenen Kapiteln hingewiesen wurde, findet sich auch bei der Ermittlung von deren Gesundheitsrelevanz wieder. Die mangelnde Trennschärfe erschwert die Bestimmung konkreter Mechanismen und Prozesse, die soziale Netzwerke und Gesundheit miteinander verbinden (vgl. Borgetto & Kälble, 2007, S. 340). 3.1.4.1 Erklärungsansätze zur Wirkung sozialer Netzwerke auf die Gesundheit Generell gibt es verschiedene Erklärungsversuche für die Wirkweisen sozialer Netzwerke auf die (psychische) Gesundheit. Smith & Christakis (2008) identifizierten fünf Wirkmechanismen (s. Abbildung 10), die in bisherigen soziologischen Studien untersucht wurden. Dazu zählen der Effekt sozialer Unterstützung, der Effekt des sozialen Einflusses, der Effekt des Zuganges zu Ressourcen (unter anderem in Form von Sozialkapital), der Effekt sozialer Einbeziehung bzw. Integration sowie der Ansteckungseffekt. Unberücksichtigt blieb in den meisten Fällen die Frage, inwieweit die Struktur sozialer Netzwerke (= quantitative Merkmale) bestimmt, wie und wann soziale Ressourcen zur Verfügung stehen und ihre gesundheitlichen Wirkungen entfalten können (Smith & Christakis, 2008, S. 417-418). Gemäß Bruns (2013) ist jedoch in Hinblick auf die Feststellung der konkreten Wirkweisen sozialer Netzwerke auf die Gesundheit sowohl die Analyse der sozialen Netzwerkstrukturen als auch deren Funktionalität von Bedeutung. So hat die Struktur des Netzwerkes, wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln zum Zusammenhang zwischen sozialem Netzwerk, sozialer Unterstützung und Sozialkapital aufgezeigt, einen Einfluss auf das (Nicht-)Vorhandensein von gesundheitsförderlichen Unterstützungsleistungen (S. 123-124).

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

Abbildung 10:

115

Wirkmechanismen des sozialen Netzwerkes auf die Gesundheit, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Smith & Christakis (2008, S. 417418)

Smith & Christakis (2008) sind der Ansicht, dass je nachdem, welcher funktionale Wirkmechanismus (s. Abbildung 10) im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht, unterschiedliche Charakteristika sozialer Netzwerke Berücksichtigung finden sollten. Berkman et al. (2000) unterscheiden zwischen drei Wirkweisen sozialer Netzwerke auf die Gesundheit, wobei sie verschiedene Parameter von Gesundheit und Krankheit betrachten:   

physiologische Stressreaktionen psychologische Zustände in Form von Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit und positives bzw. negatives Gesundheitsverhalten

Tsai & Papachristos (2015) bieten vor dem Hintergrund dieser drei von Berkman et al. (2000) identifizierten Wirkmechanismen eine Zusammenschau von

116

3 Theoretische Bezugsfelder

Studienergebnissen zu konkreten Wirkweisen qualitativer und quantitativer Aspekte sozialer Beziehungen und Netzwerke auf verschiedene Gesundheitsparameter in unterschiedlichen Forschungskontexten. Sie weisen jedoch auf methodische Schwächen dieser Untersuchungen z.B. in Hinblick auf die Feststellung von Kausalität sowie die Tatsache, dass vielfältige Faktoren bei der Entstehung von Gesundheit und Krankheit beteiligt sind und deren allumfassende Erfassung nicht möglich ist, hin. Lin, Ye & Ensel (1999) wählten bereits in den 1990er Jahren einen etwas anderen Ansatz zur Differenzierung der Wirkweisen sozialer Netzwerke auf die Gesundheit. Sie gehen davon aus, dass ein Individuum auf drei verschiedenen Ebenen soziale Beziehungen erlebt. Die erste Ebene bezieht sich auf die intimsten Beziehungen (z.B. zum/zur Ehepartner/in), die zweite auf starke soziale Beziehungen (z.B. Verbindungen mit engen Verwandten und Freund/innen), die dritte auf schwache Beziehungen (z.B. Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder einer religiösen Organisation). Die Autoren sind der Ansicht, dass soziale Beziehungen auf allen drei Ebenen eigene unabhängige Wirkungen auf die Gesundheit von Personen entfalten. Ergänzend dazu vermuten sie jedoch auch, dass die einzelnen Ebenen voneinander abhängen. So können Verbindungen wie z.B. die Zugehörigkeit zu einer Gruppe dazu beitragen, Beziehungen auf einer intimeren Ebene aufzubauen. Bruns (2013) setzt an diesen Ebenen an und spricht im Sinne einer Detailanalyse der gesundheitlichen Wirkung sozialer Netzwerke von primären, sekundären und tertiären sozialen Netzwerken. Da diese drei Ebenen jeweils bestimmte Charakteristika aufweisen, ist es notwendig, die Gesundheitsrelevanz von Beziehungsstrukturen und -stärken und in weiterer Folge inhaltliche Wirkweisen wie jene der sozialen Unterstützung kontext- bzw. netzwerkspezifisch zu analysieren (S. 123-124). Die Ebenen von Lin, Ye & Ensel (1999) bzw. Bruns (2013) implizieren also, dass sowohl starke als auch schwache Beziehungen im Sinne Granovetters von Gesundheitsrelevanz sind, wobei beide Formen wieder in unterschiedliche Richtungen (gesundheitsförderlich vs. gesundheitsschädlich) wirken können. Starke soziale Beziehungen können etwa zum einen in Form von Wertschätzung sowie sozialer Unterstützung gesundheitsfördernd sein (Bruns, 2013, S. 122). Eine Metaanalyse von Holt-Lunstad et al. (2010) ergab beispielsweise, dass Personen, die über starke soziale Beziehungen verfügen, eine um 50% höhere Überlebensrate haben als solche mit weniger starken sozialen Beziehungen. Die Autor/innen schreiben den „strong ties“ damit einen gleich hohen Effekt auf die Morbidität zu wie Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegungsarmut und Übergewicht. Zum anderen können sich in starken Beziehungen jedoch auch gesundheitsschädliche Verhaltensmuster wie z.B. ein kontraproduktiver Umgang mit Konflikten

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

117

ausbreiten und manifestieren. Diese zweite Wirkweise kann durch eine Geschlossenheit des sozialen Netzwerkes und eine Abschottung nach außen verstärkt werden. Auch die soziale Kontrolle, die mit dem in Abbildung 10 angeführten Effekt des sozialen Einflusses gleichgesetzt werden kann, kann in Form eines Konformitätsdruckes und der Einschränkung der Autonomie eines Individuums negativ auf die psychische Gesundheit wirken (Bruns, 2013, S. 122). Schwache Beziehungen können in der Weise positiven Einfluss auf die Gesundheit nehmen, dass eine Person Zugang zu zusätzlichem (gesundheitsrelevantem) Wissen anderer Netzwerkmitglieder hat. Die gesundheitsförderliche Wirkung liegt dabei also in einem gesundheitsrelevanten Informationsgewinn (Bruns, 2013, S. 123). Aber auch die Vermittlung von Gefühlen der Integration und Zugehörigkeit in größere Gemeinschaften kann positiv auf die Gesundheit des/der Einzelnen wirken (Bachmann, 2014, S. 23-25). Gesundheitsschädliche Effekte schwacher Beziehungen liegen vor allem in der Verbreitung von Viren, Keimen und Infektionskrankheiten (Bruns, 2013, S. 123). Hiermit ist der in Abbildung 10 angeführte Ansteckungseffekt gemeint. Smith & Christakis (2008) sind der Ansicht, dass die Überbetonung der Gesundheitsrelevanz starker Beziehungen in der Literatur nicht davon abhalten soll, die gesundheitlichen Effekte schwacher Beziehungen zu untersuchen (S. 407). Gerade hier setzt die vorliegende Arbeit an, indem im empirischen Teil positive und negative gesundheitliche Wirkungen sowohl starker als auch schwacher sozialer Beziehungen, die Volksschulleitungen im Zuge ihrer täglichen Arbeit pflegen, analysiert werden. Im Folgenden werden einige der soeben erläuterten Wirkweisen sozialer Netzwerke auf die Gesundheit im Detail betrachtet. 3.1.4.2 Soziale Unterstützung und Gesundheit Wie bereits erwähnt, stellt einer der häufigsten Ansätze zur Erklärung der Gesundheitsrelevanz sozialer Netzwerke bzw. Beziehungen die Wirkung sozialer Unterstützung als wesentlicher (potenzieller) Inhalt sozialer Beziehungen (s. Kapitel 3.1.2) dar (vgl. Berkman et al., 2000). Es liegt eine umfassende Evidenz zum Einfluss sozialer Unterstützung auf Kennzahlen zum Gesundheitszustand wie Morbidität, Mortalität und psychosozialem Stress vor, wobei Zusammenhänge in unterschiedlichen Forschungsarbeiten, von experimentellen über Querschnitts- und retrospektive bis hin zu prospektiven Studien festgestellt wurden (House et al., 1988, S. 297). Dabei betonen zahlreiche Autor/innen, dass soziale Unterstützung keine statische Größe ist und deren

118

3 Theoretische Bezugsfelder

Wirkweise auf die Gesundheit vom Alter, Geschlecht, dem sozioökonomischen Status, dem Familienstand, der ethnischen Zugehörigkeit sowie bestimmten Lebenssituationen und -phasen abhängt (vgl. Almeida et al., 2010; Cohen & Syme, 1985; Diewald, 1991; Kawachi & Berkman, 2000). Grundsätzlich wird zwischen drei Wirkweisen sozialer Unterstützung auf die psychische Gesundheit unterschieden, dem Puffermodell, dem Modell der direkten Effekte und dem Präventionsmodell. Die beiden erstgenannten Formen gehen auf Cohen & Wills (1985) zurück und werden, gemeinsam mit dem neueren Ansatz des Präventionsmodells, kurz erläutert. Puffermodell Das Puffermodell geht von der These aus, dass Menschen, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits in einer belastenden Situation bzw. Stresssituation befinden, mit dieser besser umgehen können, sobald soziale Unterstützung vorhanden ist. Demnach wirkt soziale Unterstützung ausschließlich in Zeiten von beruflichen Belastungen, Krankheit oder persönlichen Problemen auf die Gesundheit ein (Kawachi, 2001, S. 459). Das Puffermodell liegt vor allem verschiedenen Stresstheorien zugrunde (s. Kapitel 3.2.2). Dabei steht die tatsächlich erhaltene soziale Unterstützung (s. Kapitel 3.1.2) im Mittelpunkt des Interesses. Diese erlaubt es, negative Folgen von Stressoren zu schwächen oder sogar gänzlich zu beseitigen (vgl. Bruns, 2013; Diewald, 1991; House, 1981). Soziale Unterstützung wirkt also protektiv bzw. moderierend auf die Beziehung zwischen Stresssituationen und tatsächlicher Stressreaktion ein (Ahmadi, 2015, S. 12). House et al. (1988) beschreiben, dass die Puffer-Wirkung sozialer Unterstützung vor allem dann hoch ist, wenn starke Stressoren auftreten. Die soziale Unterstützung trägt demnach zu einem besseren Stress-Coping bei und puffert negative Effekte von Belastungen ab (vgl. auch Franzkowiak, 2015). Cassel (1976), Cobb (1976) und Kaplan (1974) messen dem Puffereffekt in Stresssituationen die größte Bedeutung sozialer Unterstützung bei. Modell der direkten Effekte Dieses Modell geht im Gegensatz zum Puffermodell davon aus, dass soziale Unterstützung unabhängig vom Ausmaß des Stresserlebens positiv auf die psychische Gesundheit wirkt (Kawachi, 2001, S. 459), indem sie beispielsweise das Selbstwertgefühl und das Kontrollempfinden erhöht und gesundheitsrelevante

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

119

Verhaltensweisen fördert. Im Gegensatz zum Puffermodell wird mit diesem Modell also postuliert, dass soziale Unterstützung auch dann positiv auf die Gesundheit wirkt, wenn keine Stress- oder Belastungssituation vorliegt (vgl. Franzkowiak, 2015). Diewald & Sattler (2010) zufolge wirkt soziale Unterstützung nach dem Modell der direkten Effekte zum Teil unterhalb der Bewusstseinsschwelle und wird in Form von Wertschätzung oder Zugehörigkeit vermittelt (S. 694). Auch die bereits erwähnte Untersuchung von Durkheim (1897) (s. Kapitel 3.1.4) zum Zusammenhang zwischen sozialer Integration und Selbstmord geht von einer schützenden, direkten Funktion sozialer Unterstützung aus. Nach dem Modell der direkten Effekte wirkt nicht die tatsächliche, sondern die individuell wahrgenommene soziale Unterstützung (s. Kapitel 3.1.2), also der Glaube daran, dass im Bedarfsfall Unterstützung zur Verfügung steht, gesundheitsförderlich (vgl. Berkman et al., 2000; Berkman & Breslow, 1983; Syme & Berkman, 1979). Es liegen zahlreiche Studien zum Einfluss wahrgenommener sozialer Unterstützung auf die Gesundheit und Lebensdauer vor. Dabei ist die Evidenz zur Wirkung wahrgenommener im Vergleich zu jener tatsächlich erhaltener Unterstützung auf die psychische und körperliche Gesundheit sogar höher (Ahmadi, 2015, S. 12). Gemäß diesen Studienerkenntnissen kann allein das individuelle Empfinden der Verfügbarkeit sozialer Unterstützung einen positiven gesundheitlichen Effekt erzeugen (vgl. Bruns, 2013; Diewald & Sattler, 2010). Präventionsmodell Dem Präventionsmodell zufolge, welches im Vergleich zum Puffermodell und dem Modell der direkten Effekte deutlich jünger ist, trägt soziale Unterstützung dazu bei, potenzielle und reale Belastungen von einem Individuum fernzuhalten. Dabei wirken eng mit der sozialen Unterstützung verknüpfte Konzepte wie die soziale Integration und Einbindung in ein soziales Netzwerk als eine Art „Schutzschild“ gegenüber dem Auftreten von Belastungssituationen (vgl. Franzkowiak, 2015). Die präventive Wirkung sozialer Unterstützung kann unter anderem auch in Form von informativer Unterstützung positiv auf die Gesundheit bzw. das Wohlbefinden einwirken (Bruns, 2013, S. 112). Bislang gibt es allerdings nur wenig Belege für die Gültigkeit des Präventionsmodells. Diewald & Sattler (2010) halten fest, dass die drei Modelle zur Erklärung der Wirkung sozialer Unterstützung auf die Gesundheit lediglich eine Annäherung an die komplexen Zusammenhänge darstellen. Die Mobilisierung und Wirkung sozialer

120

3 Theoretische Bezugsfelder

Unterstützung hängt den Autoren zufolge von den jeweiligen Anforderungen in bestimmten Lebensphasen, -situationen und -bereichen ab (S. 695). House et al. (1988) zufolge sollte die Frage nicht darin liegen, ob die unterschiedlichen Modelle in der Realität Gültigkeit haben, sondern wann, wie und warum bestimmte Wirkungen sozialer Unterstützung auftreten (S. 295). Cohen & Wills stellten in diesem Kontext z.B. bereits im Jahr 1985 fest, dass die Art der sozialen Unterstützung und die Passform dieser zur jeweiligen Problem- bzw. Stresssituation darüber bestimmt, in welcher Weise ein Puffereffekt auftritt. Perkonigg (1993) weist ebenfalls darauf hin, dass die Wirkweisen komplex sind und Modelle mehrdimensionale Unterstützungskomponenten sowie andere für die Belastungsverarbeitung relevante Faktoren wie Persönlichkeitsmerkmale, subjektive Belastungseinschätzungen sowie das eigene Bewältigungsverhalten beinhalten müssen (S. 115). Auf derartige komplexe Stressmodelle wird in Kapitel 3.2 mit Fokus auf die Belastungsverarbeitung am Arbeitsplatz eingegangen. Abbildung 11 stellt zusammenfassend die Wirkmechanismen der drei erläuterten Modelle am Beispiel des Wohlbefindens als gesundheitlichen Parameter dar.

Abbildung 11:

Wirkweisen sozialer Unterstützung auf das Wohlbefinden, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Diewald & Sattler (2010, S. 695)

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

121

Neben den postulierten positiven Wirkweisen sozialer Unterstützung auf Wohlbefinden und Gesundheit ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass das Ausbleiben sozialer Unterstützung negativ, z.B. in Form von Enttäuschung, wirken kann. Aber auch ein Überengagement sowie Emotionalisierungen können negativ auf die Gesundheit einwirken, indem sie Stressreaktionen hervorrufen. Darüber hinaus kann ein nicht reziprokes Unterstützungsverhalten auf die unterstützungsleistende Person negativ in Form von physischer und psychischer Überforderung wirken (vgl. Diewald & Sattler, 2010; Röhrle, 1994; Schwarzer & Leppin, 1989). Franzkowiak (2015) definiert ergänzend zu den bereits erläuterten negativen Aspekten sozialer Unterstützung unerwünschte und inadäquate Unterstützung, exzessive Hilfe und einmischend-aufdrängendes Verhalten als belastende Formen sozialer Unterstützung. Belastungen ergeben sich dabei durch gegenseitige Verpflichtungen, Machtungleichgewichte, hohen Aufwand und Konflikte. In Hinblick auf die gesundheitliche Wirkung sozialer Unterstützung am Arbeitsplatz beschreibt Pfaff (1989), dass bei der Bewältigung von Problemen bei der Arbeit sowohl Kolleg/innen als auch Vorgesetzte als Quellen sozialer Unterstützung dienen können. Es existieren Belege für die direkte Wirkung sozialer Unterstützung im Sinne des Modells direkter Effekte. Darüber hinaus konnten auch spezifische Puffereffekte sozialer Unterstützung festgestellt werden (S. 56). 9+-Weitere Untersuchungen (vgl. de Lange, Taris, Kompier, Houtman & Bongers, 2003; Johnson & Hall, 1988; Michie & Williams, 2003; Rydstedt et al., 2012; van der Doef & Maes, 1999; Welin et al., 1985) bestätigen den Zusammenhang zwischen arbeitsbezogener sozialer Unterstützung und dem selbstempfundenen psychischen Wohlbefinden, psychischen Gesundheitsproblemen und Fehlzeiten bei der Arbeit. BrukLee & Spector (2006) kamen darüber hinaus zum Ergebnis, dass umgekehrt interpersonelle Konflikte in vielen Berufen die häufigste Quelle von Problemen am Arbeitsplatz darstellen. Henderson & Argyle (1985) betrachteten die Wirkung sozialer Unterstützung am Arbeitsplatz auf diverse gesundheitliche Parameter. Sie resümieren, dass die soziale Unterstützung durch Arbeitskolleg/innen auf die Beziehung zwischen berufsbezogenen Stressoren und diversen Beanspruchungen im Sinne des Puffermodells moderierend einwirkt. Die beiden Autor/innen definieren vier Formen von Arbeitsbeziehungen, die ihrer Ansicht nach unterschiedliche Quellen sozialer Unterstützung bieten und somit unterschiedliche gesundheitliche Bedeutung haben: 1.

„Social friends“ Darunter verstehen sie Freund/innen, die man bei der Arbeit kennenlernt und mit denen auch Unternehmungen außerhalb der Arbeit stattfinden. Diese Art

122

2.

3.

4.

3 Theoretische Bezugsfelder von Beziehung kann zu einem besseren Umgang mit hohen Stresssituationen beitragen. „Friends at work“ Damit sind Arbeitskolleg/innen gemeint, mit denen man bei der Arbeit interagiert und sich zu privaten Themen austauscht, mit denen allerdings grundsätzlich keine Aktivitäten außerhalb des Arbeitsortes unternommen werden. Hier sind vor allem instrumentelle Unterstützungsformen wie fachlicher Rat und gemeinsame Gespräche gesundheitsrelevant. „Workmates“ Mit dieser Art von Arbeitskolleg/innen wird vorwiegend über oberflächliche und aufgabenbezogene Themen gesprochen. Diese Beziehungen zeichnen sich durch formelle Arbeitskontakte aus. Freundliche, aber nicht intime Interaktionen tragen zur Stressreduktion bei. „Conflict relations“ Damit sind Arbeitskolleg/innen gemeint, die man nicht leiden kann. Diese können in Stresssituationen ungünstig auf das Bewältigungsverhalten wirken oder gar selbst Belastungsquellen darstellen.

Die aufgelisteten Beziehungstypen spielen insbesondere bei der Analyse der Gesundheitsrelevanz sozialer Beziehungen von Volksschulleiter/innen zum Kollegium, zum/zur direkten Vorgesetzten sowie zu den Volksschulleiterkolleg/innen eine Rolle. 3.1.4.3 Sozialkapital und Gesundheit Der Erklärungsansatz „Effekt des Zuganges zu Ressourcen“ (s. Abbildung 10) führt zur Beziehung zwischen dem Sozialkapital (s. Kapitel 3.1.3) und der Gesundheit. Gemäß Abbott (2009) stellt das Sozialkapital eine wesentliche soziale Gesundheitsdeterminante dar (S. 297). Die konkreten Wirkweisen von Sozialkapital auf die Gesundheit und das Wohlbefinden eines Individuums sind bislang unklar, was wiederum an unterschiedlichen Operationalisierungen und Outcomeparametern in verschiedenen Untersuchungen liegen dürfte (vgl. Gilbert, Quinn, Goodman, Butler & Wallace, 2013). So definieren etwa Borgetto & Kälble (2007) bzw. Chen & Meng (2015) unter anderem folgende – für die vorliegende Arbeit relevante – Wirkweisen von Sozialkapital auf die Gesundheit des/der Einzelnen:

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz 1. 2.

3.

123

Perspektive der sozialen Unterstützung Soziale Unterstützung stellt den Mechanismus der Verbindung von Sozialkapital und Gesundheit dar. Gesundheitsverhalten Sozialkapital bietet die Möglichkeit, gesundheitsförderliche Verhaltensweisen rascher zu internalisieren und gesundheitsschädliches Verhalten stärker sozial zu kontrollieren. psychische Dispositionen Psychische Dispositionen wie z.B. das Selbstwertgefühl werden durch Sozialkapital positiv beeinflusst.

Die meisten Sozialkapitalstudien wurden in Gemeinden bzw. Nachbarschaften durchgeführt. Seit einigen Jahren besteht jedoch auch Interesse an gesundheitlichen Wirkweisen des Sozialkapitals am Arbeitsplatz, wobei Oksanen, Suzuki, Takao, Vahtera & Kivimäki (2013) darauf hinweisen, dass es sich dabei um Studien in nur wenigen Nationen und beruflichen Settings handelt (S. 58). Murayama, Fujiwara & Kawachi (2012) stellten beispielsweise mittels eines systematischen Reviews fest, dass sowohl individuelles als auch kollektives Sozialkapital am Arbeitsplatz positive Effekte auf die Gesundheit hat. Auch Gao et al. (2014) schreiben beiden Sozialkapitalarten eine gesundheitliche Bedeutung zu, zeigen jedoch in ihrer Studie, dass individuelles Sozialkapital eine höhere Wichtigkeit für die Gesundheit des/der Einzelnen hat als kollektives. Dabei wirkt diese Sozialkapitalart den Forscher/innen zufolge, ähnlich wie die soziale Unterstützung, in Form eines Puffereffektes auf das Stresserleben von Personen und in weiterer Folge das psychische Wohlbefinden ein. Trotz dieser Studienerkenntnisse ist das Treffen einer definitiven Schlussfolgerung in Hinblick auf die Beziehung zwischen dem sozialen Kapital am Arbeitsplatz und der Gesundheit angesichts der marginalen Studienlage nur schwer möglich (vgl. Deindl et al., 2016; Oksanen et al., 2013). In den vorhergehenden Abschnitten wurden zwei grundsätzlich positive Wirkweisen sozialer Netzwerke auf die Gesundheit betrachtet, zu welchen die meisten Forschungsergebnisse vorliegen. Im Nachfolgenden soll ein kurzer Einblick in Evidenz zu negativen Wirkungen sozialer Netzwerke gegeben werden. 3.1.4.4 Negative Wirkungen sozialer Netzwerke auf die Gesundheit Wie aus den bisherigen Ausführungen hervorgeht, liegen vorwiegend Forschungsergebnisse zur gesundheitsförderlichen Wirkung sozialer Netzwerke und Beziehungen bzw. im Speziellen von sozialer Unterstützung und Sozialkapital vor. Wie

124

3 Theoretische Bezugsfelder

sieht es aber mit gesundheitsschädlichen Effekten sozialer Netzwerke und Beziehungen aus? Dieser Frage soll in den folgenden Abschnitten nachgegangen werden. Das Ignorieren der „Kehrseite der Medaille“ stellt ein Defizit in der Forschungslandschaft zur Gesundheitsrelevanz sozialer Netzwerke dar. Die wenigen Studien, die sich mit gesundheitsschädlichen Wirkweisen sozialer Beziehungen und Netzwerke beschäftigen, lassen vermuten, dass belastende Aspekte stärker wahrgenommen werden als ressourcenstärkende (Laireiter & Lettner, 1993, S. 101). Laireiter & Lettner identifizierten bereits im Jahr 1993 im Zuge einer Bestandsaufnahme von Forschungsergebnissen belastende Aspekte sozialer Beziehungen und Netzwerke, wobei sie als belastende Aspekte „jene Merkmale sozialer Beziehungen und sozialer Unterstützung [bezeichnen], die befindenstrübende oder gar gesundheitsgefährdende Effekte nach sich ziehen.“ (S. 101) In Hinblick auf soziale Netzwerkstrukturen und Inhalte sozialer Netzwerke liegen Laireiter & Lettner zufolge folgende Befunde zu potenziell belastenden Aspekten vor, die jedoch großteils nicht systematisch aufgearbeitet sind: 1.

2.

3.

Die Größe des sozialen Netzwerkes (= struktureller Aspekt) kann, sowohl wenn es zu groß als auch wenn es zu klein ist, belastend wirken. Ein großes Netzwerk bedarf einer intensiveren Pflege und ist somit mit mehr Aufwand für den/die Einzelne/n verbunden. Gleichzeitig birgt ein zu kleines Netzwerk die Gefahr, dass nur wenig soziale Ressourcen verfügbar sind. Dabei ist aber darauf hinzuweisen, dass Moderatoren wie etwa Persönlichkeitsmerkmale auf die Beziehung zwischen der Größe eines Netzwerkes und dem gesundheitlichen Befinden einwirken. Auch bzgl. der Dichte des sozialen Netzwerkes (= struktureller Aspekt) liegen ambivalente Befunde vor. Einerseits kann es in sehr dichten Netzwerken an Clustern fehlen, was zu einer starken Abgrenzung des Netzwerkes nach außen hin (zu anderen Netzwerken) führt. Wenig dichte, vereinzelte Netzwerke können hingegen ebenfalls negativ wirken und aufgrund geringer sozialer Kontakte eine Quelle für Frustration und Enttäuschung sein. Konflikte innerhalb eines Netzwerkes (= inhaltlicher Aspekt) können sowohl auf der interpersonalen als auch der Ebene von Netzwerkclustern auftreten. Konflikte auf interpersonaler Ebene betreffen direkte Auseinandersetzungen mit anderen Personen, aber auch indirekt das „Hineingeraten“ in einen Konflikt zwischen zwei anderen Personen. Auf Netzwerkclusterebene ergeben sich potenzielle Konflikte aufgrund einer stark erlebten emotionalen, kognitiven oder ideologischen Inkongruenz zwischen verschiedenen, für eine Person wichtigen Clustern.

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

125

Im Folgenden wird nun näher auf negative Aspekte einzelner sozialer Beziehungen eingegangen. Generell ist festzuhalten, dass belastende Beziehungen zumeist eng an bestimmte Rollen gekoppelt sind bzw. „unfreiwillig“ eingegangen werden (z.B. familiäre, Arbeits- und Nachbarschaftsbeziehungen). Laireiter & Lettner (1993) zufolge erscheint es sinnvoll, belastende Merkmale einzelner sozialer Beziehungen zunächst auf einer niedrigen, verhaltensnahen Ebene – nämlich jener der sozialen Interaktion – zu definieren. Auf Basis einer Literaturanalyse kamen die Autor/innen zu einer Auflistung belastender Formen sozialer Interaktionen (s. Tabelle 4). Neben belastenden Interaktionen stellen Laireiter & Lettner (1993) auch eine Sammlung belastender längerfristig bestehender Interaktions- und Strukturmerkmale sozialer Beziehungen auf, die ebenfalls in Tabelle 4 integriert ist. Auch diese Aufstellung zeichnet sich jedoch durch eine geringe Systematik und Überlappungen einzelner Merkmale aus. Darüber hinaus werden recht unterschiedliche Konstrukte, von beobachtbaren Interaktionsfolgen oder dauerhaft belastenden sozialen Interaktionen über soziale Ereignisse und strukturelle Beziehungsmerkmale bis hin zu ablehnenden Haltungen und Einstellungen gegenüber einer Person sowie feindselige bzw. aggressive Emotionen, verwendet (S. 105-107). Wirft man einen Blick auf Tabelle 4, so ist zu beachten, dass sich die darin angeführten Belastungsformen in ihrer Intensität und Dauer, die für eine tatsächliche Belastung notwendig sind, sowie der Direktheit der Wirkung (direkt oder indirekt) voneinander unterscheiden. Darüber hinaus überlappen und bedingen sie sich zum Teil. Lincoln (2000) listet auf Basis von Forschungsarbeiten ähnliche negative Interaktionsformen auf (S. 232-233). Weitere negative Wirkweisen sozialer Beziehungen und Netzwerke sind gesundheitsschädliche Aspekte sozialer Unterstützung, welche bereits in Kapitel 3.1.4.2 beschrieben wurden.

126 Tabelle 4:

3 Theoretische Bezugsfelder Belastende Interaktionen in sozialen Beziehungen und belastende, längerfristig bestehende Interaktions- und Strukturmerkmale sozialer Beziehungen, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Laireiter & Lettner (1993, S. 106-107)

Belastende Interaktionen in sozialen Beziehungen Austragen interpersoneller Konflikte, sich streiten, sich emotional auseinandersetzen Äußern von Abwertung, Zurückweisung und destruktiver Kritik jemanden in seinem Selbstwert verletzen und geringschätzig behandeln jemandem Misstrauen entgegenbringen Ignorieren einer Person jemanden ausgrenzen, vermeiden oder ablehnen jemandem die Anerkennung und/oder Zuwendung entziehen jemandem emotionale Distanzierung oder einen Beziehungsabbruch androhen jemanden nicht respektieren, nicht ernst nehmen, respektlos behandeln jemanden bedrohen, ängstigen und einschüchtern auf eine andere Person physische Gewalt ausüben, sie attackieren jemanden unterdrücken, einschränken, überkontrollieren Brechen eines Versprechens, Enttäuschen von Erwartungen und Vertrauen jemanden blamieren, bloßstellen, in Verlegenheit bringen ungerechtfertigte Beschuldigung äußern jemandem Vorwürfe machen, anklagen, beschimpfen hohe Anforderungen stellen, überfordern jemanden aggressiv oder feindselig behandeln, einschüchtern Belastende längerfristig bestehende Interaktions- und Strukturmerkmale sozialer Beziehungen interpersonelle Abhängigkeit und Probleme in der Nähe-Distanzregulation Unsicherheit über den Bestand der Beziehung, ständig drohender Beziehungsabbruch ausbeuterische und ausnutzende Beziehungsmuster Einseitigkeit in der Beziehung, Mangel an Reziprozität Konkurrenz und Rivalität chronische Belastungen durch exzessiv notwendige Hilfe und Unterstützung Unterdrückung, Einengung, Überkontrolle, Überprotektion und Überbehütung Einmischung in die Privatsphäre, Nichtbeachtung, Ignorieren und Überschreiten von Grenzen Diskriminierung und Stigmatisierung Vertrauensbruch und Enttäuschen chronisches Misstrauen in der Beziehung chronische Konflikte, Spannungen, Vorwürfe und Nörgeleien chronische Vernachlässigungen, Ignorieren und Frustrieren vitaler interpersoneller Bedürfnisse destruktive Interaktionen und Interaktionsstile, Eskalationen bei Auseinandersetzungen Gewalttätigkeiten und Gewalt in der Beziehung negativer Effekt zwischen Bezugspersonen (Feindseligkeit, Ablehnung, Eifersucht, Neid usw.) Inkonsistenz im Verhalten und in der Zuwendung, Ambivalenz geringe Wertschätzung, Abwertung Fehlen positiver Emotionen wie Zuneigung, Liebe, sich mögen usw. Zwang, mit ungeliebten oder unsympathischen Personen intensiven Kontakt haben zu müssen Belastungen anderer, vor allem enger Bezugspersonen

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

127

Lincoln (2000) stellte sich die Frage, inwieweit positive und negative Interaktionen zusammenspielen und gemeinsam auf das psychische Wohlbefinden einwirken. Im Zuge eines systematischen Reviews stellte die Autorin Widersprüchlichkeiten zwischen verschiedenen Studienergebnissen fest. Dies dürfte ihr zufolge an der unterschiedlichen Konzeptualisierung dieser Konstrukte liegen. Ihre Studienanalyse ergab zusammenfassend, dass Untersuchungen, die die Beziehung zu einem bestimmten Individuum (z.B. Ehepartner/in, Freund/in) analysierten, zu gänzlich anderen Erkenntnissen führten als solche, die die generelle Beziehung zu anderen bzw. globale Netzwerke erfassten. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit der Berücksichtigung unterschiedlicher Beziehungsformen und Aspekte positiver bzw. negativer sozialer Beziehungen. Konzeptionelle Grundlagen für dieses unterschiedliche, in Studien festgestellte Zusammenwirken positiver und negativer Aspekte sozialer Beziehungen sieht Lincoln im bereits erwähnten Puffermodell und im Modell der direkten Effekte, wobei sie diese etwas anders als in Kapitel 3.1.4.2 dargestellt auslegt. Das Modell der direkten Effekte besagt der Autorin zufolge in Hinblick auf den Wirkungszusammenhang positiver und negativer sozialer Interaktionen, dass beide unabhängig voneinander auf die Gesundheit wirken, indem positive Interaktionen einen günstigen und negative davon unabhängig einen ungünstigen Einfluss auf die Gesundheit haben. Das Puffermodell geht im Gegensatz dazu davon aus, dass positive soziale Interaktionen den Einfluss negativer sozialer Interaktionen auf das psychische Wohlbefinden „abfedern“ und somit moderierend auf die Beziehung zwischen negativen sozialen Interaktionen und dem psychischen Wohlbefinden einwirken. Dabei verstärkt auch eine fehlende soziale Unterstützung die Wirkung negativer Interaktionen auf psychische Gesundheitsparameter wie z.B. Depression. Darüber hinaus können sehr stark konfliktbehaftete Interaktionen positive soziale Interaktionen mit derselben Person neutralisieren. Studien deuten darauf hin, dass es eine Rolle spielen dürfte, ob die Quelle positiver sozialer Interaktionen dieselbe oder eine andere ist wie jene, mit der die negativen sozialen Interaktionen (z.B. Partner/in, Freund/in) stattfinden. Die Nützlichkeit der Modelle bei der Erklärung des Zusammenwirkens positiver und negativer Aspekte sozialer Beziehungen wurde bislang nur in wenigen Untersuchungen ermittelt. In der vorliegenden Arbeit soll ein Versuch der Anwendung dieser bei der Ermittlung des Zusammenspiels positiver und negativer Aspekte sozialer Beziehungen zwischen Volksschuldirektor/innen und anderen Akteur/innen unternommen werden. Die vorherrschende Forschungsmeinung ist, dass negative soziale Interaktionen zwar seltener auftreten, sie jedoch einen stärkeren Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit haben als positive. Lincoln (2000) zufolge bedarf es

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3 Theoretische Bezugsfelder

einer umfassend ausgearbeiteten Theorie zum Zusammenwirken positiver und negativer sozialer Interaktionen in Hinblick auf deren Wirkweisen auf die Gesundheit. Die aktuelle Evidenzlage ist diffus, was auf unterschiedliche zugrundeliegende theoretische Konzepte, Fachperspektiven, eingesetzte Methoden und herangezogene Populationen zurückzuführen ist. 3.1.4.5 Zusammenspiel qualitativer und quantitativer Aspekte sozialer Netzwerke Im Gegensatz zu funktionalen Aspekten sozialer Beziehungen und Netzwerke wie z.B. der sozialen Unterstützung lässt sich die Studienlage zum Einfluss struktureller Aspekte sozialer Netzwerke auf die Gesundheit und das Wohlbefinden als eher marginal beschreiben. Aus den bisherigen Ausführungen kann geschlussfolgert werden, dass bei der Untersuchung negativer Auswirkungen sozialer Netzwerke auf die Gesundheit quantitative Aspekte (z.B. Größe, Dichte des Netzwerkes) eher noch Berücksichtigung finden als bei Studien zur gesundheitsförderlichen Wirkung sozialer Netzwerke und Beziehungen. Die wenigen Forschungsergebnisse, die sich rein mit der Wirkung struktureller Charakteristika sozialer Netzwerke auf die Gesundheit beschäftigen, sind zum Teil widersprüchlich. Eine der wenigen aktuellen Übersichtsarbeiten zur Gesundheitsrelevanz quantitativer Aspekte sozialer Netzwerke stammt von Perkins, Subramanian & Christakis (2015). Die Forscher/innen stellten im Zuge der Erstellung eines systematischen Reviews fest, dass die Zusammensetzung des sozialen Netzwerkes, die Position einer Person in einem sozialen Netzwerk und die generelle Netzwerkstruktur einen Einfluss auf die Gesundheit von Individuen (aber auch Gemeinschaften im Kollektiv) haben. An dieser Stelle muss jedoch als Einschränkung für die Aussagekraft dieser Ergebnisse in Hinblick auf das vorliegende Forschungsthema erwähnt werden, dass sich die inkludierten Studien vor allem auf die Verbreitung von gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen sowie die Übertragung von Krankheiten bezogen. Gerich (2014) unternahm im Rahmen einer österreichischen Studie (n= 246 Studierende) den Versuch, die Gesundheitsrelevanz quantitativer und qualitativer Aspekte sozialer Netzwerke gemeinsam zu untersuchen, indem er eine stresstheoretische Perspektive (s. Kapitel 3.2) einnahm und diese mit Theorien zur sozialen Unterstützung und dem Sozialkapital verknüpfte. Gerichs Ziel war es, die Mechanismen, die hinter der Verbindung der Größe eines sozialen Netzwerkes und der selbstberichteten Gesundheit stehen, zu untersuchen.

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

129

Er kam zu dem Ergebnis, dass Personen, die ein höheres Vertrauen und ein größeres Unterstützungsnetzwerk haben, potenzielle Stressoren als weniger bedrohlich empfinden, weniger Stresssymptome erleben und somit einen besseren subjektiven Gesundheitszustand aufweisen. Dabei wirkt Gerich zufolge die erlebte soziale Integration als Mediatorvariable auf die Beziehung zwischen der Netzwerkgröße und dem Stresserleben ein, wobei die Größe des Netzwerkes und der Grad der sozialen Integration negativ mit berichteten Stresssymptomen und positiv mit dem subjektiven Gesundheitszustand einer Person einhergehen. Gerichs Ansicht nach stellt die Studie damit einen Beleg für die gesundheitliche Bedeutung qualitativer und quantitativer Aspekte sozialer Netzwerke dar. Konkret kann die Gesundheitsrelevanz der Netzwerkgröße zum Großteil durch die Anzahl starker Beziehungen, die sich durch Vertrauen und soziale Unterstützung auszeichnen, und weniger durch die Anzahl schwacher „Freizeitbeziehungen“ erklärt werden. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist jedoch auf einige Grenzen der Untersuchung hinzuweisen, die unter anderem in der unklaren Kausalstruktur einiger Variablen, im Studiendesign (kein experimentelles oder Längsschnittdesign) sowie der Stichprobe (kleine Studierendengruppe) liegen. In einer Studie von Huxhold, Fiori & Windsor (2013) wurde der Zusammenhang zwischen verschiedenen quantitativen (z.B. Größe, Häufigkeit von Kontakten) und qualitativen Aspekten sozialer Netzwerke (z.B. emotionale soziale Unterstützung) sowie verschiedenen Gesundheitsparametern wie dem subjektiven Wohlbefinden in einer repräsentativen Stichprobe von 2.034 älteren Erwachsenen über sechs Jahre hinweg untersucht. Hierbei wurde die Netzwerkgröße als Mediatorvariable identifiziert, die auf die Beziehung zwischen emotionaler sozialer Unterstützung und dem individuellen Wohlbefinden einwirkt. In Hinblick auf die Ermittlung positiver und negativer gesundheitlicher Effekte sozialer Netzwerke unter Berücksichtigung quantitativer und qualitativer Aspekte ist es Diewald (1991) zufolge empfehlenswert, soziale Netzwerke typologisch zu ordnen (S. 78). Hierzu wurden in den letzten Jahren einige Forschungsarbeiten erstellt, über die nachfolgend ein kurzer Überblick gegeben werden soll. Bereits an dieser Stelle wird jedoch darauf hingewiesen, dass derartige Untersuchungen rar sind und sich zumeist auf die ältere Bevölkerung beziehen, da diese am stärksten von sozialer Isolation betroffen ist. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ergänzend zu diesen bereits bestehenden Typologien (gesundheitsrelevante) soziale Netzwerktypen von Volksschulleiter/innen zu entwickeln (s. Kapitel 1.2), die im Gegensatz zu den bisherigen Untersuchungen den Arbeits- und weniger den Privatbereich in den Blickpunkt nehmen. Eine Gegenüberstellung der eigenen Typen mit jenen, die nun beschrieben werden, erfolgt in Kapitel 5.5.3.

130

3 Theoretische Bezugsfelder

Wenger (1991) entwickelte auf Basis einer qualitativen Längsschnittanalyse bei älteren Erwachsenen fünf soziale Netzwerktypen, die in zahlreichen europäischen Ländern überprüft wurden. Die Forscherin stellte fest, dass Individuen, die über ein lokal integriertes Unterstützungsnetzwerk („locally integrated support network“) verfügen, das sich durch informelle Hilfe von Familienmitgliedern, Freund/innen und Nachbar/innen in der Gegend sowie die Beteiligung in Gemeinschaften auszeichnet, das geringste Risiko für psychische Gesundheitsprobleme wie Einsamkeit oder Depression aufweisen. Das höchste Risiko hierfür haben gemäß ihren Studienergebnissen Personen, die sich in einem privat eingeschränkten Unterstützungsnetzwerk („private restricted support network“) befinden, dessen Charakteristika im Nichtvorhandensein von Angehörigen in der Gegend und Quellen informeller sozialer Unterstützung liegen. Litwin (1998) definierte auf Basis einer Untersuchung bei im eigenen Haushalt in Israel lebenden jüdischen Personen über 60 Jahren den aktuellen Familienstand, die Anzahl der Kinder, die Häufigkeit des Kontakts mit den eigenen Kindern, Kontakte mit Freund/innen, Kontakte mit Nachbar/innen, den Besuch einer Synagoge und den Besuch eines Vereins als zentrale Dimensionen zur Bestimmung von (gesundheitsrelevanten) Netzwerktypen. Insgesamt entwickelte der Sozialforscher vier Typen von Netzwerken, nämlich „sippenorientiert“ („kin“), „familienintensiv“ („family intensive“), „freundschaftszentriert“ („friend focused“) und „diffuse Beziehungen“ („diffuse ties“). Er kam zum Ergebnis, dass insbesondere ein vielfältiges soziales Netzwerk („diffuse ties“), bestehend aus verschiedensten Mitgliedern, einen positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit hat. Zusammenfassend soll in Hinblick auf den Zusammenhang zwischen dem sozialen Netzwerk und der Gesundheit von Individuen kritisch auf die bislang ungeklärte „Henne-Ei-Problematik“ hingewiesen werden. Demnach ist bislang unklar, ob tatsächlich das soziale Netzwerk – wie in den bisherigen Ausführungen angenommen – als Prädiktorvariable die Gesundheit (= Zielvariable) beeinflusst oder aber umgekehrt ein schlechter Gesundheitszustand (Gesundheit = Prädiktorvariable) soziale Isolation begünstigt und damit die Qualität und Quantität des sozialen Netzwerkes (soziales Netzwerk = Zielvariable) reduziert. 3.1.4.6 Zusammenhänge zwischen einzelnen Konstrukten Am Ende des Kapitel 3.1 stellt sich die Frage nach den konkreten Zusammenhängen zwischen den erläuterten Konstrukten.

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

131

Wie bereits in Kapitel 3.1.2 erörtert, werden soziale Netzwerke bzw. Beziehungen zumeist als Quelle sozialer Unterstützung betrachtet. Soziale Unterstützung selbst stellt wiederum einen Mechanismus zur Erklärung der Beziehung zwischen Sozialkapital und Gesundheit dar. Soziale Netzwerke zeichnen sich durch eine bestimmte Größe, Stabilität, Dauerhaftigkeit und Dichte, die darin befindlichen sozialen Beziehungen durch deren Funktionalität, Beziehungsstärke und Wechselseitigkeit aus. Ausgehend von diesem Verständnis stellen Borgetto & Kälble (2007) die Zusammenhänge zwischen den Konstrukten des sozialen Netzwerkes, der sozialen Beziehungen, der sozialen Unterstützung und der sozialen Belastungen dar (s. Abbildung 12).

Abbildung 12:

Eigenschaften und Relationen der Konstrukte des soziales Netzwerkes, der sozialen Beziehung, der sozialen Unterstützung und der sozialen Belastung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Borgetto & Kälble (2007, S. 62)

House entwickelte in ähnlicher Weise bereits im Jahr 1987 ein Modell, welches die Konzepte „soziales Netzwerk“, „soziale Beziehung“, „soziale Unterstützung“ und “Stress” bzw. “Gesundheit” miteinander verbindet und als Grundlage für Detailanalysen dieser Zusammenhänge dienen soll (s. Abbildung 13). Aus der Abbildung geht hervor, dass der Fokus bei diesem Erklärungsmodell auf dem Wirkmechanismus der sozialen Unterstützung liegt. Dem Modell zufolge ist das Bestehen sozialer Beziehungen eine Voraussetzung für die Existenz einer sozialen Netzwerkstruktur. Sowohl einzelne soziale Beziehungen als auch das soziale Netzwerk im Gesamten beeinflussen in weiterer Folge das Vorhandensein sozialer Unterstützung. Die einzelnen Beziehungen, das soziale Netzwerk sowie die soziale Unterstützung können wiederum unabhängig voneinander das Stressund Gesundheitserleben beeinflussen.

132

3 Theoretische Bezugsfelder

Das Modell lässt dem Autor zufolge zahlreiche Fragen zu den konkreten Wirkmechanismen offen (House, 1987, S. 138-139), die zu einem großen Teil noch bis heute bestehen.

Abbildung 13:

Modell zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen sozialen Netzwerken, sozialen Beziehungen und sozialer Unterstützung und deren Einfluss auf Stress und Gesundheit, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an House (1987, S. 138)

Berkman & Glass (2000) entwickelten zu einem späteren Zeitpunkt ein konzeptionelles Modell zur Verknüpfung sozialer Netzwerke und Gesundheit. Dieses zeigt Tabelle 5. Es bildet ein wesentliches Rahmenmodell der vorliegenden Arbeit. Von besonderem Interesse sind dabei vor allem die Ebenen „Soziale Netzwerke (Meso)“, „Psychosoziale Mechanismen (Mikro)“ und „Psychologische Pfade“. Das Modell zeigt einen kaskadenähnlichen Wirkprozess, beginnend auf der makrosozialen Ebene bis hin zu psychobiologischen Prozessen. Die Ebenen sind dynamisch miteinander verbunden.

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

133

Dem Modell zufolge sind soziale Netzwerke in einen bestimmten übergeordneten sozialen und kulturellen Kontext (= Makroebene) eingebunden. Die sozialen Netzwerke selbst zeichnen sich durch ihre Struktur, die darin befindlichen Beziehungen und deren Inhalte aus. Diese wiederum wirken über soziale Unterstützung, sozialen Einfluss, soziales Engagement, persönlichen Kontakt und den Zugang zu Ressourcen und Materialien auf Gesundheitsparameter wie das Gesundheitsverhalten, die psychische sowie die körperliche Gesundheit ein. Eine Detailbeschreibung des Modells findet sich bei Berkman & Glass (2000, S. 142-155).

134

Konzeptionelles Modell zum Zusammenhang zwischen sozialen Netzwerken und Gesundheit, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Berkman & Glass (2000, S. 143)

sozioökonomische Faktoren  Produktionsbeziehungen  Ungleichheit  Diskriminierung  Konflikt  Arbeitsmarktstruktur  Armut Politik  Gesetze  öffentliche Ordnung  unterschiedliche Stimmrechte  politische Kultur Sozialer Wandel  Urbanisierung  Krieg/Unruhe  ökonomische „Depression“

bedingen das Ausmaß und die Form der…

Kultur  Normen und Werte  soziale Kohäsion  Rassismus  Sexismus  Wettbewerb/ Kooperation

Sozialen Netzwerke (Meso) Soziale Netzwerkstruktur  Größe  Breite  Dichte  Beschränkung  Nähe  Homogenität  Erreichbarkeit Charakteristika sozialer Netzwerkbeziehungen  Häufigkeit persönlichen Kontakts  Häufigkeit nicht-persönlichen Kontakts  Häufigkeit organisationaler Partizipation  Reziprozität der Beziehungen  Multiplexität  Dauer  Intimität

Psychosoziale Mechanismen (Mikro)

Pfade

Soziale Unterstützung  instrumentell, finanziell, informationell  bewertend  emotional Sozialer Einfluss  Einfluss auf das Gesundheitsverhalten  Normen bzgl. Hilfesuche/Anhänglichkeit  Gruppendruck  sozial vergl. Prozesse Soziales Engagement  körperl./kogn. Übung  Bestärkung bedeutsamer sozialer Rollen  bonding  „handling“ Effekte (Kinder)  „grooming“ Effekte (Erwachsene) Persönlicher Kontakt  enger persönlicher Kontakt  intimer Kontakt Zugang zu Ressourcen  Jobs/ökonomische Gelegenheiten  Zugang zum Gesundheitssystem  Wohnung  Humankapital  institutionelle Kontakte

beeinflussen Gesundheit durch…

Soziostrukturelle Bedingungen (Makro)

bieten Gelegenheiten für…

Tabelle 5:

3 Theoretische Bezugsfelder

Gesundheitsverhalten  Rauchen  Alkoholkonsum  Ernährung  Bewegung  Nutzung med. Behandlungen  hilfesuchendes Verhalten Psychol. Pfade  Selbstwirksamkeit  Selbstwertgefühl  Bewältigungsressourcen  Depression/Stress  Wohlbefinden Physiol. Pfade  allostatischer Druck  Immunsystem  Herz-Kreislaufsystem  Herz-Lungen-Fitness  Übertragung von Infektionskrankheiten

3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz

135

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bereits eine starke Evidenz sowie theoretische Konzepte zum Zusammenhang zwischen sozialen Netzwerken bzw. darin befindlichen Beziehungen und der Gesundheit bzw. dem Wohlbefinden vorliegen, wobei die Ergebnisse einzelner Untersuchungen jedoch zum Teil widersprüchlich sind. In der Forschungslandschaft herrscht etwa Uneinigkeit über konkrete Wirkmechanismen, wobei einige Aspekte sozialer Netzwerke, insbesondere negative und strukturelle, genauer unter die „Gesundheitslupe“ genommen werden sollten. House, Landis et al. (1988) bzw. House, Umberson et al. (1988) forderten bereits in den 1980er Jahren einen theoretischen Kern zur Erklärung bio-psychosozialer Mechanismen und Prozesse bei der Verbindung sozialer Netzwerke und Gesundheit. An diesen stellen sie den Anspruch, klar zwischen quantitativ vorhandenen sozialen Beziehungen, der formalen Netzwerkstruktur und den tatsächlichen Inhalten sozialer Beziehungen zu unterscheiden und auch negative Aspekte sozialer Netzwerke und Beziehungen sowie deren Wirkung auf die Gesundheit zu berücksichtigen. An diese Forderung lehnt sich die vorliegende Arbeit an, indem bei der Analyse der sozialen Netzwerkkarten und der problemzentrierten Interviews im Rahmen der eigenen empirischen Erhebung (s. Kapitel 5) unterschiedliche (gesundheitsrelevante) Strukturen von und Prozesse in sozialen Netzwerken im Detail sowie deren Zusammenspiel im Sinne der Entwicklung sozialer Netzwerktypen analysiert werden sollen. Dabei werden diese in Anlehnung an das konzeptionelle Modell von Berkman & Glass (2000) unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes, z.B. vor dem Hintergrund schulsystemischer Rahmenbedingungen und aktueller Reformentwicklungen im Bildungswesen auf Makroebene (s. Kapitel 2.1 und 2.2), sowie spezieller sozialer Bedingungen in der jeweiligen Schule auf Mesoebene (s. Kapitel 2.3) unter Berücksichtigung persönlicher Faktoren auf der Individualebene (= Mikroebene) der Schulleitung (s. Kapitel 2.4) betrachtet. Abbildung 14 fasst die wesentlichsten, für die vorliegende Arbeit relevanten Kernergebnisse des Kapitels 3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz zusammen. Sie bietet einen Überblick über dieses theoretische Bezugsfeld.

136

Abbildung 14:

3 Theoretische Bezugsfelder

Zusammenfassung Kapitel 3.1 Das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz, Quelle: Eigene Erstellung

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

137

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit Seit geraumer Zeit beschäftigen sich verschiedene Disziplinen, so auch die Soziologie, verstärkt mit dem Themenkomplex „Arbeit und Gesundheit“. Dieses vielfältige und multidisziplinäre Forschungsfeld stellt neben dem sozialen Netzwerkkonzept und dessen Gesundheitsrelevanz den zweiten wesentlichen theoretischen Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit dar, steht doch die Frage im Mittelpunkt, inwiefern psychosoziale Belastungen und Ressourcen am Arbeitsplatz von Volksschulleiter/innen vorherrschen und welchen Einfluss diese auf das individuelle Beanspruchungserleben haben. Generell meint die Begriffskombination „Arbeit und Gesundheit“ gemäß Krause (2008) „die wechselseitige Beeinflussung von Aspekten der Arbeitssituation (z.B. Handlungsspielraum oder Zeitdruck) und gesundheitsrelevanten Merkmalen der arbeitenden Person (z.B. chronische Erkrankungen oder Wohlbefinden).“ (S. 41) Alle Forschungsbemühungen diesbezüglich werden mit dem Überbegriff der Arbeitswissenschaften zusammengefasst. Die Arbeitswissenschaften setzen sich aus vielfältigen Teildisziplinen von der Arbeitsmedizin über die Industriesoziologie bis hin zur Arbeits- und Organisationspsychologie zusammen, die wiederum dementsprechend verschiedene Schwerpunkte aufweisen (Krause, 2008, S. 42). Die vorliegende Arbeit nimmt eine soziologische Perspektive auf dieses Forschungsthema ein. Die interdisziplinäre wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Gesundheitsrelevanz von Arbeit lässt sich grundsätzlich in folgenden Punkten begründen: 1.

2.

Erwachsene Menschen verbringen im Schnitt 2/3 ihrer Tageszeit am Arbeitsplatz (Neuner, 2016, S. 3-4). Die dort vorherrschenden Arbeitsbedingungen physischer, psychischer und sozialer Natur stellen gemäß zahlreichen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Modelle, so etwa dem Gesundheitsdeterminantenmodell von Dahlgren & Whitehead (1991) oder aber den von Hurrelmann (2003) identifizierten Bedingungsfaktoren des Gesundheits- und Krankheitszustandes der Bevölkerung, eine zentrale Gesundheitsdeterminante dar. Auch die WHO (1986b) schreibt im Grundlagenpapier der Gesundheitsförderung, nämlich der Ottawa Charta: „Die sich verändernden Lebens-, Arbeits- und Freizeitbedingungen haben entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein.“ (S. 3)

138 3.

4.

5.

6.

3 Theoretische Bezugsfelder Seit den 1970er Jahren finden zahlreiche gesellschaftliche und technologische Entwicklungen statt, welche die Arbeitsbedingungen deutlich veränderten und zu Belastungen wie einem höheren Druck, der auf Arbeitnehmer/innen lastet; einer steigenden Arbeitsgeschwindigkeit, einer zunehmenden Arbeitsmenge und einer steigenden Arbeitszeit führten. Darüber hinaus kam es zu einem steigenden Wettbewerb verbunden mit einer notwendigen Flexibilität in Form flexibler Arbeitsarrangements wie Teilzeit, Gelegenheitsarbeit, befristeten Arbeitsverhältnissen, Telearbeit oder Arbeit auf Abruf. Diese „prekären Arbeitsverhältnisse“ sind mit einer steigenden Arbeits- bzw. Einkommensunsicherheit verbunden, die wiederum psychische Belastungen begünstigt (Biffl et al., 2011, S. VIII, 4). Auch die Funktionen von Arbeit für den/die Einzelne/n wurden in den letzten Jahren vielfältiger, weg von der reinen Bestreitung des Lebensunterhaltes hin zur Verfolgung eigener Lebensziele, Persönlichkeitsentwicklung und Selbstverwirklichung sowie Erlangung von Wertschätzung durch andere (Kauffeld & Hoppe, 2014, S. 2-3). Insbesondere die Aufmerksamkeit für das Thema der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz stieg in den vergangenen Jahren an. Dies liegt an den erwähnten Entwicklungen, aber auch der Zunahme an Beschäftigten im Dienstleistungssektor sowie dem Wertewandel der Arbeit. Die gesellschaftliche Relevanz des Themas zeigt sich in lang andauernden Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen sowie damit verbundenen steigenden betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Kosten, aber auch einer eingeschränkten Lebensqualität des/der Einzelnen. Nicht zu vernachlässigen sind auch Leistungseinbußen aufgrund der Arbeitsplatzanwesenheit trotz Krankheit (= Präsentismus). Eine Zunahme psychischer Belastungen zeigt sich dabei auf allen Hierarchieebenen und über alle Branchen hinweg (Biffl et al., 2011, S. 1-3; Neuner, 2016, S. 3-4; Roschker, 2014, S. 1-2).

Die Soziologie widmete sich gemäß Dragano (2016) schon immer dem Themenkomplex „Arbeit und Gesundheit“. Eine soziologische Expertise rund um das interdisziplinäre Forschungsfeld „Arbeit und Gesundheit“ kann als unverzichtbar bei der Analyse von Zusammenhängen verschiedener Faktoren auf individueller, Meso- und Makroebene bezeichnet werden. So ist jede Form von Arbeit in einen bestimmten sozialen Kontext eingebettet (S. 167-168, 177). Seit einigen Jahren interessiert man sich vor allem für die Erforschung der Gesundheitsrelevanz von sozialen Beziehungen bzw. des sozialen Miteinanders am Arbeitsplatz. Dies liegt vor allem an der Zunahme Beschäftigter im Dienstleistungssektor. Damit verbunden ist eine steigende Forderung nach Teamarbeit, welche mit vielfältigen sozialen Interaktionen verbunden ist. Diese wiederum können

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

139

sowohl soziale Ressourcen (z.B. soziale Unterstützung) als auch soziale Stressoren (z.B. Konflikte) mit sich bringen (Biffl et al., 2011, S. 4; Holz, 2005, S. 9495). Insbesondere der Lehrer- und Schulleiterberuf gelten neben Pflege- und Sozialberufen als besonders „soziale“ Berufe. Eine weitere soziologisch relevante Veränderung der Arbeitsbedingungen in den vergangenen Jahren stellt die Zunahme an flexiblen Arbeitsmodellen wie befristeten Dienstverhältnissen, Leiharbeit oder aber Telearbeit dar, die mit der Gefahr sozialer Isolation verbunden sind (Riedel-Heller, Luppa, Seidler, Becker & Stengler, 2013, S. 832). Gemein ist allen arbeitswissenschaftlichen Ansätzen, dass sie zwischen Belastungen, Beanspruchungen und – zumindest zum Großteil – Ressourcen unterscheiden. Belastungen gelten als von außen einwirkende Faktoren auf den Menschen, die in Abhängigkeit vorhandener Ressourcen zu negativen oder aber positiven physischen und psychischen Beanspruchungsfolgen wie z.B. Stress oder Wohl-befinden führen können. Detaillierte Erläuterungen dieser Begriffe finden sich in Kapitel 3.2.1.2. Arbeitswissenschaftliche Theorien zum Themenkomplex „Arbeit und Gesundheit“ fokussieren auf die Entstehung von Stress als eine mögliche Beanspruchungsform bzw. als Moderatorvariable zwischen Arbeitsbedingungen und anderen Beanspruchungsarten. Dementsprechend bilden im Speziellen Stresstheorien und -modelle mit soziologischem Fokus (s. Kapitel 3.2.2) wichtige theoretische Ansatzpunkte der vorliegenden Arbeit. Im Sinne eines einheitlichen Verständnisses für das Thema „Arbeit und Gesundheit“ aus gesundheitssoziologischer Perspektive bedarf es zunächst einer „Zerlegung“ des Begriffspaares und einer konkreten Definition von Gesundheit auf der einen, von Arbeit auf der anderen Seite. Aus diesem Grund widmet sich Kapitel 3.2.1.1 zunächst dem der vorliegenden Arbeit zugrundeliegenden multidimensionalen Gesundheitsverständnis. Kapitel 3.2.1.2 und 3.2.2 bringen schließlich die Arbeitskomponente des Begriffspaares mit dem Thema Gesundheit in Verbindung. 3.2.1 Entstehung von Gesundheit und Krankheit am Arbeitsplatz Gesundheit gilt in unserer heutigen Gesellschaft als Grundwert und Bedingung für ein erfülltes Leben. Der Gesundheitsbegriff wird dabei mit Wohlbefinden und Freisein, der Krankheitsbegriff häufig als Gegenteil davon mit Beschwerden, Einschränkungen und Schmerzen assoziiert (vgl. Faltermaier, 2005). Wissen-schaftliches Interesse an der Entstehung von Gesundheit und Krankheit besteht seit

140

3 Theoretische Bezugsfelder

Jahrtausenden. Das Verständnis dieser Begriffe erlebte in den vergangenen Jahrzehnten und auch heute noch aufgrund unterschiedlicher sozialer, kultureller und historischer Bedingungen einen starken Wandel. Galt Gesundheit lange Zeit lediglich als Abwesenheit von Krankheit, so wurde vor allem in den 1980er Jahren bei der 1. internationalen Gesundheitsförderungskonferenz der WHO in Ottawa der Grundstein für ein positives – sogenanntes „salutogenes“ (s. Kapitel 3.2.1.1) – und mehrdimensionales Gesundheitsverständnis gelegt (vgl. WHO, 1986b). Mit einem „positiven“ Gesundheitsverständnis ist gemeint, dass Gesundheit nicht bloß als Abwesenheit von Krankheit, sondern als wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens betrachtet wird. Faltermaier (2005) spricht in diesem Zusammenhang von Gesundheit und Krankheit als „soziale Konstruktionen der Wirklichkeit“, die im Alltag, aber auch in den Wissenschaften unterschiedlich verstanden werden können (S. 32). Die ständigen Entwicklungen des Gesundheits- und Krankheitsbegriffes führ(t)en dazu, dass neben unterschiedlichen Laiendefinitionen – also dem individuellen Verständnis und den persönlichen Sichtweisen auf Gesundheit und Krankheit (z.B. Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit, Gesundheit als körperliche Energie und Stärke, Gesundheit als funktionale Leistungsfähigkeit, Gesundheit als psychisches und körperliches Wohlbefinden) – verschiedene wissenschaftliche Definitionen vorliegen. Damit ist es schwierig, alle Facetten von Gesundheit und Krankheit zu erfassen (Neuner, 2016, S. 2-3; Ulich & Wülser, 2012, S. 28-29). Im folgenden Unterkapitel werden jene Definitionen dargestellt und diskutiert, die für die vorliegende Forschungsarbeit von besonderer Relevanz sind. 3.2.1.1 Ganzheitliches und positives Gesundheitsverständnis Jahrzehntelang dominierten ätiologisch-naturwissenschaftliche Modelle wie das sogenannte biomedizinische Modell, welches auch als pathogenetisches Modell bezeichnet wird, die Diskussionen rund um die Begriffe Gesundheit und Krankheit. Im biomedizinischen Modell wird Gesundheit lediglich als Abwesenheit von Krankheit verstanden. Für die Entstehung von Krankheiten sind diesem Modell zufolge überwiegend biologische Faktoren (z.B. Genetik, Viren) verantwortlich. Soziale und psychologische Prozesse finden hingegen kaum Beachtung (Lippke & Renneberg, 2006, S. 9). Diese Reduktion von Gesundheit und Krankheit ausschließlich auf die physische Komponente gilt als größter Kritikpunkt am biomedizinischen Modell (Faltermaier, 2005, S. 30). Ein diesem Modell ähnliches ist das sogenannte Risikofaktorenmodell. Dieses stellt die Ätiologie von Krankheiten in den Mittelpunkt der Betrachtung. Im Unterschied zum biomedizinischen Modell werden hier

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

141

jedoch auch epidemiologische Aspekte berücksichtigt (Schäfer & Blohmke, 1978, S. 176). Das bio-psycho-soziale Gesundheitsmodell Der Anstieg an chronischen, psychischen und psychosomatischen Erkrankungen in der Gesellschaft und die mangelnde Erklärbarkeit dieser mittels ätiologisch-naturwissenschaftlich orientierter Modelle führte zur Notwendigkeit eines biopsycho-sozialen Gesundheitsmodells in den 1970er Jahren. Zu diesem Zeitpunkt interessierte die Wissenschaft weniger der Krankheits-, sondern vielmehr der Gesundheitsbegriff und dessen Entstehungsfaktoren (vgl. Antonovsky & Franke, 1997; Dahlgren & Whitehead, 1991). Das bio-psycho-soziale Modell berücksichtigt, wie bereits aus der Betitelung hervorgeht, neben biologischen auch psychische (z.B. Verhalten, Kognitionen, Emotionen, Bewältigung) und soziale (z.B. sozioökonomischer Status, ethnische Zugehörigkeit, soziale Netzwerke) Dimensionen von Gesundheit und Krankheit. Im Zentrum des Interesses stehen Schutzfaktoren bzw. generelle Widerstandsressourcen (Lippke & Renneberg, 2006, S. 9), was in der Bezeichnung des Modells als „salutogenetisch“, also „gesundheitsentstehend“, resultiert. Die vorliegende Arbeit legt den Fokus auf soziale, aber auch psychische Aspekte von Gesundheit, die allerdings auch vor dem Hintergrund körperlichen Befindens betrachtet werden. Auf das Konzept der Salutogenese wird aufgrund der Relevanz für die vorliegende Forschungsarbeit in einem späteren Abschnitt dieses Kapitels näher eingegangen. Bahnbrechend für das bio-psycho-soziale Modell war die Gesundheitsdefinition der WHO aus dem Jahr 1948, die in der Präambel der Verfassung der WHO festgehalten ist (vgl. WHO, 1948): „Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.“ (S. 1) Ins Deutsche wird diese Definition folgendermaßen übersetzt „Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen.“ Als positiv an dieser Definition bewerten Forscher/innen vor allem die Betonung subjektiver Aspekte von Gesundheit (Wohlbefinden), die Ganzheitlichkeit (körperlich, psychisch, sozial) sowie das positive Verständnis. Kritisch wird angemerkt, dass die Vorstellung eines „vollkommenen Wohlbefindens“ utopisch ist, Wohlbefinden mit Gesundheit gleichgesetzt wird, ausschließlich das subjektive Empfinden von Gesundheit betrachtet wird und die Entstehung von Gesundheit und Krankheit als statisch gesehen wird (vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 1999; Hurrelmann, 2003; Hurrelmann & Franzkowiak, 2015).

142

3 Theoretische Bezugsfelder

Eine Erweiterung dieser Gesundheitsdefinition durch die WHO selbst fand im Rahmen der bereits erwähnten Ottawa Charta statt, in der Gesundheit als „ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens“ und nicht als „vorrangiges Lebensziel“ bezeichnet wird. Gesundheit wird als positives Konzept gesehen, das soziale, individuelle und körperliche Ressourcen erfordert (vgl. WHO, 1986b). Egger (2005) bezeichnet das bio-psycho-soziale Modell als das „gegenwärtig kohärenteste, kompakteste und auch bedeutendste Theoriekonzept, mit dem der Mensch in Gesundheit und Krankheit erklärbar und verstehbar wird.“ (S. 4) Der Gesundheitsbegriff aus soziologischer Sicht Innerhalb der Soziologie ist vor allem die Gesundheitssoziologie um einen mehrdimensionalen Gesundheitsbegriff bemüht. Der Schwerpunkt dieser Teildisziplin liegt auf der Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Individuum. Im Gegensatz zur Medizinsoziologie ist sie damit nicht eng an das medizinische System gekoppelt. Stattdessen interessiert sie sich vielmehr für gesellschaftliche Bedingungen von Gesundheit und Krankheit (= Gesundheitsverhältnisse), welche Einfluss auf das individuelle Gesundheitsverhalten nehmen (vgl. Hurrelmann, 2003; Kawachi & Berkman, 2000). Aus dieser soziologischen Sicht heraus entwickelte Hurrelmann (2003) auf Basis verschiedener Konzepte und Theorien vier Leitvorstellungen von Gesundheit und Krankheit: 1.

2. 3. 4.

Gesundheit ist die gelungene, Krankheit die nicht gelungene Bewältigung von inneren (z.B. körperliche Konstitution, Persönlichkeitsstruktur, Belastbarkeit) und äußeren (z.B. Arbeitsbedingungen, soziale Einbindung, sozioökonomische Lage) Anforderungen. Gesundheit ist das Stadium des Gleichgewichts, Krankheit jenes des Ungleichgewichts von Risiko- und Schutzfaktoren auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene. Es existieren Stadien von relativer Gesundheit und relativer Krankheit, wobei objektive (z.B. Diagnosestellung durch den/die Arzt/Ärztin) und subjektive (z.B. subjektives Wohlbefinden) Kriterien berücksichtigt werden sollten. Gesundheit und Krankheit sind Reaktionen auf gesellschaftliche Gegebenheiten, insbesondere im wirtschaftlichen, ökologischen und bildungsbezogenen Bereich (S. 87-94).

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

143

Basierend auf diesen Leitvorstellungen liefert Hurrelmann die folgende gesundheitssoziologische Definition von Gesundheit, die auch der vorliegenden Forschungsarbeit zugrunde liegt: „Gesundheit bezeichnet den Zustand des objektiven und subjektiven Befindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich in den physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer Entwicklung in Einklang mit den Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet. Gesundheit ist beeinträchtigt, wenn sich in einem oder mehreren dieser Bereiche Anforderungen ergeben, die von der Person in der jeweiligen Phase im Lebenslauf nicht erfüllt und bewältigt werden können. Die Beeinträchtigung kann sich, muss sich aber nicht, in Symptomen der sozialen, psychischen und physisch-physiologischen Auffälligkeit manifestieren.“ (S. 8)

In einer späteren Auflage seines Werkes „Gesundheitssoziologie“ erweiterte Hurrelmann im Jahr 2006 diese Definition und ergänzt: „Gesundheit ist nach diesem Verständnis ein angenehmes und durchaus nicht selbstverständliches Gleichgewichtsstadium von Risiko- und Schutzfaktoren, das zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt immer erneut hergestellt werden muss. Gelingt das Gleichgewicht, dann kann dem Leben Freude und Sinn abgewonnen werden, ist eine produktive Entfaltung der eigenen Kompetenzen und Leistungspotentiale möglich und steigt die Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu integrieren und zu engagieren.“

Damit wird Gesundheit als ein dynamisches Gleichgewicht von Risiko- und Schutzfaktoren betrachtet, welches situationsbedingt im Laufe des Lebens immer wieder neu hergestellt werden muss. Von einem ähnlichen Gesundheitsverständnis wie Klaus Hurrelmann geht der israelische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky aus, der das Zusammenspiel von Risikofaktoren und sogenannten „Widerstandsressourcen“ mit dem Konzept der Salutogenese beschreibt. Das Konzept der Salutogenese Das Salutogenesekonzept hat seine Wurzeln in der Stress- und Bewältigungsforschung, wurde von Antonovsky in den 1970er Jahren entwickelt und bildet einen Ansatz zur Erklärung der Entstehung von Gesundheit und Krankheit. Im Gegensatz zum biomedizinischen und zum Risikofaktorenmodell steht nicht die Frage nach den krankmachenden – pathogenen – Faktoren, sondern jene nach den gesunderhaltenden – salutogenen – im Mittelpunkt des Interesses. Aus dieser Tatsache leitet sich auch der Begriff Salutogenese (lateinisch „salus“: Wohlbefinden, Zufriedenheit; griechisch „genesis“: Entstehung, Herkunft) ab und wird mit

144

3 Theoretische Bezugsfelder

„Gesundheitsentstehung“ oder aber „Gesundheitsdynamik“ übersetzt (vgl. Antonovsky, 1979; Antonovsky & Franke, 1997; Reimann, 2006). Ausgangspunkt des Salutogenesekonzeptes waren Antonovskys Untersuchungen an den Holocaust überlebenden Personen. Konkret verglich er den körperlichen und psychischen Gesundheitszustand von Frauen der Geburtsjahrgänge 1914 bis 1932, die während des Nationalsozialismus in Konzentrationslagern waren mit jenem von Frauen der gleichen Geburtsjahrgänge, denen dieses Schicksal nicht auferlegt wurde. Dabei kam er zum Ergebnis, dass 51% der Frauen, die nicht in einem Konzentrationslager waren, hingegen nur 29% der Frauen, die einen Aufenthalt in einem Lager hatten, eine gute physische und psychische Gesundheit aufwiesen. Antonovsky resümierte daraus, dass der Aufenthalt in einem Konzentrationslager auch noch viele Jahre später in Form einer Extrembelastung Einfluss auf die Gesundheit hat. Besonders interessant fand Antonovsky jedoch die Tatsache, dass es dennoch Frauen gab, die trotz dieses Schicksals einen guten subjektiven psychischen und physischen Gesundheitszustand aufwiesen. Diese Beobachtung führte ihn zu seinen Leitfragen, die seine Ausarbeitungen des Salutogenesekonzeptes prägten, nämlich „Was erhält Menschen trotz vieler Widrigkeiten, negativer Umstände und ungünstiger Bedingungen gesund?“ bzw. „Warum bleiben Menschen trotz der Konfrontation mit einer Vielzahl von Gesundheitsrisiken gesund?“ (vgl. Antonovsky, 1979; Reimann, 2006; Ulich & Wülser, 2012). Antonovsky betrachtet Gesundheit und Krankheit nicht als zwei Gegensätze und somit auch Salutogenese nicht als das Gegenteil von Pathogenese, also der Krankheitsentstehung. Stattdessen bewegt sich ein Individuum laut Antonovsky stets auf einem multidimensionalen Kontinuum zwischen den Polen „Maximale Gesundheit“ und „Maximale Krankheit (= Tod)“. Er bezeichnet dieses Kontinuum als Gesundheits-Krankheits-Kontinuum, Health-ease-dis-ease-Kontinuum bzw. HEDE-Kontinuum. Krankheit wird dabei nicht als Abweichung, sondern als „normaler“ Gesundheitszustand betrachtet. Ein Mensch kann, solange er lebt, die Endpunkte Gesundheit und Krankheit nie vollständig erreichen. Ob er sich aber eher in Richtung Gesundheit oder aber in Richtung Krankheit bewegt, hängt vom Zusammenspiel zwischen Risikofaktoren (Stressoren) und Widerstandsressourcen ab (vgl. Antonovsky & Franke, 1997; Bengel, Strittmatter & Willmann, 2001; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 1999; Reimann, 2006; Steinbach, 2007; Ulich & Wülser, 2012). Stressoren stellen interne oder externe Anforderungen an eine Person dar, die deren Gleichgewicht stören. Für die Wiederherstellung des Gleichgewichts ist eine nicht-automatische und nicht unmittelbar verfügbare, energieverbrauchende Handlung notwendig. Personen reagieren auf Stressoren psychosozialer (z.B. Zeitdruck), physischer (z.B. Einwirken von Waffengewalt) und/oder biochemischer (z.B. Viren) Art mit einem Spannungszustand, der abhängig von der

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

145

Ressourcenlage gesundheitsschädlich, neutral oder aber gesundheitsförderlich sein kann. Die Feststellung der Position einer Person auf dem Kontinuum sollte Antonovsky zufolge – ähnlich wie auch Hurrelmann (2006) ausführt – sowohl auf Basis subjektiver (z.B. individuell wahrgenommene Funktionsfähigkeit, Schmerzempfinden) als auch objektiver Gesundheitsindikatoren (z.B. medizinische Befunde) erfolgen. Dabei stellt sich nicht die Frage, ob ein Mensch gesund oder krank ist, sondern wie weit er vom Gesundheits- bzw. Krankheitspol entfernt ist. Somit hat jedes „gesunde“ Individuum auch „kranke“ Anteile und umgekehrt weist jede/r „Kranke“ auch noch „gesunde“ Anteile auf (vgl. Antonovsky, 1979; Antonovsky & Franke, 1997; Bengel et al., 2001; Borgetto & Kälble, 2007; Fonds Gesundes Österreich, 2007, 2013; Reimann, 2006; Steinbach, 2007; Ulich & Wülser, 2012). Allgemeine Widerstandsressourcen („generalized resistance resources“) als Elemente des Salutogenesekonzeptes von Antonovsky sind Kräfte, die Menschen in die Lage versetzen, potenziell krankmachenden Einflüssen zu begegnen und sie zu bewältigen, ohne krank zu werden. Sie unterstützen eine erfolgreiche Spannungsbewältigung und beeinflussen den Erhalt bzw. die Verbesserung der Gesundheit. Zu den Widerstandsressourcen zählen auf Individualebene physikalische, biochemische, künstlich-materielle, kognitive, emotionale und einstellungsbezogene Eigenschaften. Diese Widerstandsressourcen werden auch in interne (z.B. körperliche Konstitution, Ich-Stärke) und externe (z.B. soziale Unterstützung, materielle Ressourcen, beruflicher Status, soziale Integration) Ressourcen unterteilt (vgl. Antonovsky & Franke, 1997; Bengel et al., 2001; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 1999; Reimann, 2006; Steinbach, 2007; Ulich & Wülser, 2012). Die generalisierten Widerstandsressourcen beeinflussen bzw. formen den sogenannten Kohärenzsinn (Kohärenzgefühl, Kohärenzempfinden, Sense of Coherence – SOC), ein weiteres zentrales Schlüsselelement des Salutogenesekonzeptes. Der Kohärenzsinn lässt sich als eine sich über den gesamten Lebenslauf entwickelnde, dennoch relativ stabile Persönlichkeitseigenschaft beschreiben. Er ist eine dynamische innere Grundeinstellung, auf die zwar äußere Lebenserfahrungen Einfluss haben, die jedoch bereits in der Kindheit und Jugend entwickelt wird und über das gesamte Leben hinweg relativ stabil bleibt. Mit diesem Kohärenzsinn erklärt Antonovsky den unterschiedlichen Gesundheitszustand von Frauen im Holocaust. Der Kohärenzsinn zeichnet sich durch drei Elemente aus: 

Verstehbarkeit (sense of comprehensibility) Ein Individuum kann seine Umwelt, die eigenen Lebensereignisse und auch an es gestellte Anforderungen kognitiv verstehen und betrachtet sie als

146





3 Theoretische Bezugsfelder geordnet, strukturiert, konsistent und erklärbar (= kognitive Verarbeitungsmuster). Machbarkeit (sense of manageability) Ein Individuum geht davon aus, dass es Anforderungen, die die Umwelt an es stellt, mithilfe der ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen bewältigen kann (= kognitiv-emotionales Verarbeitungsmuster). Bedeutsamkeit (sense of meaningfulness) Ein Individuum erlebt die Welt als bedeutsam und sinnvoll. Es betrachtet im Leben auftretende Anforderungen an es als positive Herausforderungen, die es wert sind, sich dafür zu engagieren und Energie zu investieren. Diese Komponente des Kohärenzgefühls wird von Antonovsky als die bedeutendste bezeichnet (vgl. Antonovsky & Franke, 1997; Bengel et al., 2001; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 1999; Reimann, 2006; Steinbach, 2007; Ulich & Wülser, 2012).

Antonovsky beschreibt das Kohärenzgefühl als „eine globale Orientierung […], die das Maß ausdrückt, in dem man ein durchdringendes, andauerndes, aber dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, daß [sic] die eigene interne und externe Umwelt vorhersagbar ist und daß [sic] es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, daß [sic] sich die Dinge so entwickeln werden, wie vernünftigerweise erwartet werden kann.“ (Antonovsky & Franke, 1997, S. 16)

Faltermaier (2005) fasst den Kohärenzsinn unter Berücksichtigung der drei Dimensionen folgendermaßen zusammen: „Mit dem Kohärenzgefühl ist die tiefe Überzeugung eines Menschen gemeint, dass das Leben trotz vieler Belastungen, Risiken und Unwägbarkeiten doch im Prinzip zu verstehen ist, überwiegend Sinn macht und die auf ihn zukommenden Probleme zu bewältigen sind.“ (S. 164) Umgelegt auf den Schulleiterberuf könnte dies etwa bedeuten, dass ein/e Schulleiter/in über ein starkes Kohärenzgefühl verfügt, wenn er/sie die an ihn/sie gestellten vielfältigen Aufgaben wie z.B. die Lösung von Konflikten oder aber die Umsetzung von Bildungsreformen nachvollziehen kann (= Verstehbarkeit), sich für die Bewältigung dieser Aufgaben gerüstet fühlt (= Handhabbarkeit) und ihnen eine gewisse Bedeutung bzw. einen Sinn zuschreibt (= Bedeutsamkeit). Von einem voll entwickelten Kohärenzsinn spricht Antonovsky erst dann, wenn alle drei Faktoren stark ausgeprägt sind. Der Kohärenzsinn gilt gemäß Antonovsky als zentrale Gesundheitsdeterminante und beeinflusst Gesundheit auf drei Arten: 1.

direkter (positiver) Einfluss auf den Organismus (z.B. zentrales Nervensystem, Hormonsystem, Immunsystem)

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit 2. 3.

147

(positiver) Einfluss auf Stressreaktionen (positiver) Einfluss auf das Gesundheitsverhalten (vgl. Antonovsky & Franke, 1997; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 1999; Reimann, 2006; Ulich & Wülser, 2012)

Dabei geht Antonovsky von der Annahme aus, dass je ausgeprägter das Kohärenzgefühl ist, desto besser ist der Gesundheitszustand. Bisherige Untersuchungen belegen einen Zusammenhang zwischen dem Kohärenzsinn und   

selbstberichteten Gesundheitsindikatoren, psychosozialen Störungen wie Ängstlichkeit oder Depression sowie der Bewältigung von Krankheitsereignissen (vgl. Bengel et al., 2001; Borgetto & Kälble, 2007; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 1999; Steinbach, 2007).

Bengel et al. (2001) unternahmen den Versuch, das Modell der Salutogenese von Antonovsky in vereinfachter Form graphisch darzustellen (s. Abbildung 15). In der nachfolgenden Abbildung sind die einzelnen unterschiedlichen Einflüsse der Komponenten des Salutogenesekonzeptes auf jeweils andere Elemente mit Buchstaben dargestellt. Eine ausführliche Modelldarstellung bieten Antonovsky & Franke (1997) im Anhang des Grundlagenwerkes zur Salutogenese „Salutogenese: Zur Entmystifizierung der Gesundheit“. In verschiedenen Studien konnte ermittelt werden, dass Männer und ältere Personen ein stärker ausgeprägtes Kohärenzgefühl besitzen als Frauen und jüngere Personen. Teilweise sind Untersuchungsergebnisse zur Gesundheitsrelevanz des Kohärenzsinns jedoch inkonsistent. Dies betrifft insbesondere Studien zu den Wirkungen des Kohärenzgefühls auf die körperliche Gesundheit. Als Grund für diese Inkonsistenz wird die schwierige Operationalisierbarkeit des Konstruktes „Kohärenzsinn“ gesehen. Kritisiert am Salutogenesekonzept wird damit vor allem die nur schwer mögliche empirische Überprüfung der zugrundeliegenden Annahmen (vgl. Bengel et al., 2001; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 1999; Reimann, 2006). Trotz dieser Kritikpunkte stellt das Konzept der Salutogenese einen wichtigen theoretischen Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit dar. So wird versucht, das Gesundheits- und Krankheitserleben von Volksschuldirektor/innen am Arbeitsplatz Schule dynamisch zu betrachten, einen besonderen Fokus auf vielfältige Widerstandsressourcen sowie deren Zusammenspiel mit Stressoren zu legen und die Stärke des Kohärenzgefühls zumindest teilweise zu ermitteln.

148

Abbildung 15:

3 Theoretische Bezugsfelder

Modell der Salutogenese nach Antonovsky – Vereinfachte Darstellung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Bengel et al. (2001, S. 36)

Bestimmung von Gesundheit und Krankheit in der vorliegenden Arbeit Mit der mangelnden einheitlichen Definition von Gesundheit und Krankheit ist auch eine entsprechende Schwierigkeit der Messung beider Konzepte verbunden. Insbesondere das heutzutage dominierende komplexe, bio-psycho-soziale, positive, mehrdimensionale und dynamische Gesundheitsverständnis erschwert eine Operationalisierung des Begriffes. Ulich & Wülser (2012) zeigen die Vielfalt an Gesundheits- und Krankheitsindikatoren auf. Dazu zählen diverse Haltungs- und Einstellungsänderungen, das Erscheinungsbild und physische Indikatoren (inkl. Aktivierungsniveau), psychische Indikatoren (emotionale Reaktionen, motivationale Tendenzen), soziale und verhaltensbezogene Indikatoren, aber auch leistungsbezogene Indikatoren (Effektivität, Effizienz) (S. 26). Wie bereits in Kapitel 3.1.4 kurz erwähnt, steht im Zentrum des Interesses der vorliegenden Arbeit das subjektive psychische Wohlbefinden bzw. gemäß der Definition von Hurrelmann (2003) das subjektive Befinden einer Person. Die WHO (2001) bringt den Begriff des psychischen Wohlbefindens mit jenem der psychischen Gesundheit in Verbindung. Auch Noack (1993) betont die enge Verknüpfung von Wohlbefinden und Gesundheit, indem er psychisches und körperliches Befinden als inhaltlichen und konzeptionellen Kern subjektiver

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

149

Gesundheit betrachtet (S. 19). Wie für die Gesundheit liegt auch für das Konzept des Wohlbefindens keine einheitlich gültige Definition vor. Einig sind sich Forscher/innen jedoch, dass es sich dabei um ein subjektives Konstrukt handelt (Ulich & Wülser, 2012, S. 31). Auch der Fonds Gesundes Österreich (2005) schreibt dem Wohlbefinden als einem zentralen Bestandteil von Gesundheit im Sinne des subjektiven Erlebens und Empfindens von Gesundheit eine hohe Bedeutung zu. In der vorliegenden Arbeit hat diese subjektive Komponente von (psychischer) Gesundheit hohe Relevanz. So steht das individuelle, subjektive Gesundheits- und Krankheitserleben am Arbeitsplatz im Zentrum des Interesses, wobei im Rahmen der empirischen Erhebung an manchen Stellen (z.B. bei der Erstellung der Netzwerkkarte) explizit der Begriff des Wohlbefindens herangezogen wird. Dabei ist der Autorin bewusst, dass dieses individuelle Wohlbefinden lediglich einen Aspekt von (psychischer) Gesundheit abbildet. Sofern andere Gesundheitsindikatoren (z.B. ärztlich diagnostizierte Erkrankungen) aus Sicht der Befragten in Hinblick auf die gesundheitliche Wirkweise des sozialen Netzwerkes von Relevanz sind, werden jedoch selbstverständlich auch diese bei der Analyse berücksichtigt. Welche konkreten positiven und negativen, kurz-, mittel- und langfristigen Beanspruchungsfolgen am Arbeitsplatz im Sinne von Parametern zur Bestimmung der psychischen Gesundheit auftreten können, wird im folgenden Unterkapitel erörtert. Beanspruchungen von Schulleiter/innen werden in Kapitel 4 thematisiert. 3.2.1.2 Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen Redewendungen wie „Ich bin im Stress.“, „Ich bin belastet.“ oder „Ich bin stark beansprucht.“ werden im Alltag häufig synonym, großteils undifferenziert verwendet. Insbesondere der Begriff Stress wird umgangssprachlich oft inflationär für viele verschiedene Situationen (z.B. Arbeitsstress, Freizeitstress, Terminstress) benutzt. Was allen drei Aussagen gemein ist, ist, dass sie negativ besetzt sind. Ansonsten lassen sich die Begriffe Stress, Belastung und Beanspruchung allerdings in den Arbeitswissenschaften klar voneinander trennen. Eine einfache Gleichsetzung der Begrifflichkeiten wird den komplexen und vielschichtigen Wirkungszusammenhängen zwischen Belastungen, Ressourcen und diversen Beanspruchungen nicht gerecht. Eine Definition und Erörterung der Begriffe Belastung, Ressource, Beanspruchung und damit verbundener Konzepte sowie eine Darstellung des Zusammenspiels dieser sind Ziel dieses Unterkapitels.

150

3 Theoretische Bezugsfelder

Dabei wird der Fokus entsprechend dem Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit auf psychosoziale Belastungen und Ressourcen sowie psychische Beanspruchungsformen gelegt. Hemingway & Marmot (1999) definieren einen psychosozialen Faktor als „a measurement that potentially relates psychological phenomena to the social environment and to pathophysiological changes. “ (S. 1460) Genau diesen Themenschwerpunkten widmet sich die arbeitswissenschaftliche Forschung seit einigen Jahren besonders stark (vgl. Eisermann & de Costanzo, 2011). Nachfolgend werden zunächst die Begriffe Belastung, Ressource und Beanspruchung näher definiert, bevor in einem nächsten Schritt Ansätze zur Erklärung des Zusammenspiels dieser Faktoren betrachtet werden. Psychische und psychosoziale Belastungen Dem Thema der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz wird seit einigen Jahren in der Gesellschaft zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass das Begriffspaar in Regelwerken wie EU-Richtlinien, Arbeitsschutzgesetzen – so auch im Österreichischen ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – sowie in internationalen ISO-Normen einen Platz findet (Meyer, 2001, S. 15). In der ÖNORM EN ISO 10075-1 „Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung“ definiert das europäische Komitee für Normierung den Begriff der psychischen Belastung als „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“ (S. 4) Damit wird eine Belastung als neutrale Größe betrachtet (Meyer, 2001, S. 15). Trotz der starken wissenschaftlichen Verbreitung dieser Definition von Belastung wird sie von einigen Forscher/innen, insbesondere auch jenen im Bereich der Lehrerbelastungsforschung (s. Kapitel 4.1.3), kritisiert. So meint etwa Wendt (2001), dass eine Belastung keine objektive Größe ist, da objektive Faktoren erst dann eine Belastung sind, wenn sie subjektiv als solche wahrgenommen werden (S. 8). Auch Schönwälder (1997), ein Forscher im Bereich der Lehrerbelastungsforschung, ist der Ansicht: „Belastung ist das, was Lehrer als Belastung empfinden oder erleben.“ (S. 187) Zudem gilt es zu erwähnen, dass der Begriff der Belastung auch im Alltagsverständnis von Vornherein negativ besetzt ist (Meyer, 2001, S. 15). Auch in der vorliegenden Arbeit bezieht sich der Belastungsbegriff auf das subjektiv wahrgenommene Belastungserleben. Dementsprechend stehen subjektiv

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

151

von Schuldirektor/innen erlebte Belastungen am Arbeitsplatz Schule im Mittelpunkt des Interesses. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine Belastung nicht immer negativ auf die Gesundheit wirken muss, sondern auch als Chance bzw. Herausforderung gesehen werden kann. In diesem Kontext ist zu erwähnen, dass die Ermittlung psychischer Belastungen im Vergleich zu jener physischer Belastungen eine große Herausforderung ist, da diese eben von subjektiven Wahrnehmungs- und Bewertungsprozessen bestimmt werden (vgl. Meyer, 2001, S. 16). Belastungen im Allgemeinen werden häufig als Stressoren bezeichnet, vor allem dann, wenn als Reaktion darauf die Beanspruchungsform des Stresses betrachtet werden soll. So lösen Stressoren als externe oder interne Stimuli mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Stressreaktion aus und stellen damit besondere Formen von Belastungen dar (Kauffeld & Hoppe, 2014, S. 243). Neuner (2016) betont, dass sich ein Stressor durch die Merkmale Neuheit, mangelnde Vorhersehbarkeit und Unkontrollierbarkeit von Ereignissen auszeichnet und vielfältige körperliche (z.B. hoher Blutdruck), aber auch psychische Reaktionen (z.B. Angstgefühl) hervorrufen kann (S. 7). Auch Aaron Antonovsky spricht in seinem Salutogenesekonzept (s. Kapitel 3.2.1.1) von Stressoren. Er weist darauf hin, dass ein Individuum stets mit inneren und äußeren, akuten und chronischen, aufgezwungenen und frei gewählten Stressoren in Form von Reizen konfrontiert ist, auf die es keine automatische, angemessen adaptive Antwort hat. Stattdessen ist es dazu angehalten, eine angemessene Reaktion zu finden, indem Ressourcen, so auch der eigene Kohärenzsinn, genutzt werden. Stressoren bzw. subjektiv wahrgenommene Belastungen sind vor allem dann bedrohlich bzw. gefährlich für die Gesundheit, wenn sie häufig bzw. dauerhaft oder aber in extremer Form auftreten (Igic et al., 2014, S. 12-13). Generell können Belastungen, die aufgrund von Arbeitsbedingungen entstehen, auf unterschiedliche Weise voneinander unterschieden werden. So ist etwa eine Differenzierung nach      

der Herkunft (personen- vs. umgebungsbedingt); der Qualität (leicht vs. stark); den Möglichkeiten, darauf Einfluss zu nehmen (nicht beeinflussbar vs. selbst verursacht); den Möglichkeiten, deren Auftreten vorherzusehen (unvorhersehbar vs. vorhersehbar); der Häufigkeit ihres Auftretens (selten vs. ständig) sowie der Art ihrer Auswirkungen (physisch vs. psychisch) möglich (Kauffeld & Hoppe, 2014, S. 244).

152

3 Theoretische Bezugsfelder

Gemäß dem „Leitfaden für die Arbeitsinspektion zur Bewertung der Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen im Rahmen der Kontroll- und Beratungstätigkeit“ (vgl. Huber, Molnar & Steurer, 2013), welcher im Zuge der Novellierung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes im Jahr 2013 entwickelt wurde, lassen sich darüber hinaus verschiedene inhaltliche Dimensionen und Kategorien arbeitsbedingter psychischer Belastungen definieren (s. Tabelle 6). Betrachtet man die angeführten Formen psychischer Belastungen in der Tabelle, so ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Arbeit den Fokus auf Belastungen, die aus dem Sozial- und Organisationsklima heraus entstehen, legt. Je nach Relevanzsetzungen von Schulleiter/innen finden jedoch auch andere Belastungsformen Berücksichtigung. Belastungen, die sich aus dem Sozialklima ergeben, werden auch als psychosoziale Belastungen bezeichnet. Aufgrund der Relevanz für das vorliegende Forschungsthema wird nun näher auf diese Form von Belastung eingegangen. Die Begriffsbezeichnung „psychosoziale Belastung“ entspricht dem Sprachgebrauch der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS). Eine spezielle Art von psychosozialer Belastung ist die psychosoziale Arbeitsbelastung, die sich ausschließlich auf psychische Belastungen bezieht, die aufgrund sozialer Charakteristika der Arbeitsumwelt und -organisation entstehen und eine psychophysiologische Beanspruchung hervorrufen können (Neuner, 2016, S. 9). Zu psychosozialen Belastungen am Arbeitsplatz zählen vor allem Konflikte mit Kolleg/innen, Vorgesetzten, Kund/innen bzw. sonstigen Interaktionspartner/innen am Arbeitsplatz; Mobbing; Diskriminierung und eine mangelnde organisationale Gerechtigkeit (Dragano, 2016, S. 173). Holz (2005) weist auf die hohe Bedeutung einer inhaltlichen Differenzierung sowie der Unterscheidung verschiedener Interaktionspartner/innen bei der konkreten Ermittlung arbeitsbezogener psychosozialer Belastungen hin. Darüber hinaus führt er aus, dass es einen Brancheneffekt punkto sozialer Stressoren gibt. So sind davon insbesondere Berufsgruppen wie Lehrer/innen, die sich durch eine starke Emotionsarbeit und vielfältige Interaktionen zu unterschiedlichen Personen(gruppen) auszeichnen, in hohem Maße betroffen (S. 99). Synonym für den Begriff der psychosozialen Belastung wird häufig jener des sozialen Stressors verwendet (vgl. Dunckel & Zapf, 1986).

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit Tabelle 6:

153

Dimensionen und Kategorien arbeitsbedingter psychischer Belastungen, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Huber et al. (2013)

Dimension Aufgabenanforderungen und Tätigkeiten

Sozial- und Organisationsklima

Arbeitsumgebung

Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation

Kategorien körperliche Belastungen (z.B. Fehlhaltung) geistige Belastungen (z.B. zu hohe Informationsdichte) emotionale Belastungen (z.B. zu hohe Verantwortung für Personen) Qualifikationsprobleme (z.B. Aufgabenüber- oder -unterforderung) mangelnde Zusammenarbeit quantitativ (z.B. zu viele Schnittstellen, Alleinarbeit) mangelnde Zusammenarbeit qualitativ (z.B. mangelhafte Kommunikation, fehlende Unterstützung und Rückmeldung) Informationsmängel (z.B. unklare oder fehlende Information) fehlender Handlungsspielraum (z.B. fehlende Gestaltungsmöglichkeit bei der Organisation der Arbeit) klimatische Belastungen (z.B. zu hohe/niedrige Temperaturen) akustische Belastungen (z.B. Lärm) visuelle Belastungen (z.B. zu wenig/zu viel Licht) Platz und Flächen unzureichend Ausstattung und Arbeitsmittel unzureichend Belastende Gefahren (z.B. Belastung durch Unfallrisiken) ungenügend gestaltete Arbeitsprozesse (z.B. Doppelgleisigkeiten) Orientierungsmängel (z.B. unklare Zuständigkeiten) Störungen und Unterbrechungen (z.B. häufig wechselnde Prioritäten) belastende Arbeitszeitgestaltung (z.B. mangelhafte Pausengestaltung) belastende Arbeitsmenge (z.B. unregelmäßige, nicht planbare Menge)

154

3 Theoretische Bezugsfelder

Die vorliegende Arbeit betrachtet in Anlehnung an die Empfehlungen von Holz verschiedene psychosoziale Belastungen, die aus unterschiedlichen Beziehungen zu verschiedenen Interaktionspartner/innen von Schulleitungen am Arbeitsplatz entstehen können. Soziale Konflikte als eine der häufigsten psychosozialen Belastungen werden in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an die Definition von Rüttinger & Sauer (2000) als „Spannungssituationen in […], denen zwei oder mehrere Parteien, die voneinander abhängig sind, mit Nachdruck versuchen, scheinbare oder tatsächlich unvereinbare Handlungspläne zu verwirklichen und sich daher ihrer Gegnerschaft bewusst sind“ verstanden (S. 7). Groß (2004) beschreibt folgende sechs Aspekte, durch die sich ein sozialer Konflikt auszeichnet: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Form der Interaktion Beteiligung von zumindest zwei verschiedenen sozialen Einheiten (z.B. Individuen) miteinander unvereinbare Handlungen bzw. Intentionen Wahrnehmung dieser Unvereinbarkeit durch zumindest eine Person Abhängigkeit mindestens zweier sozialer Einheiten voneinander bzw. Möglichkeit wechselseitiger Beeinflussung Erleben bzw. Antizipieren einer Beeinträchtigung (S. 2)

Diese Dimensionen des Konfliktbegriffes sollen der Verständlichkeit halber am Beispiel des Schulleiterberufs erläutert werden: Eine Schuldirektorin hat zu einer ihrer Lehrkräfte täglich im Zuge persönlicher Gespräche in der Schule Kontakt. Die beiden sprechen unter anderem über das Thema Schulentwicklung (Form der Interaktion). An diesen Interaktionen sind die Schuldirektorin und die Lehrkraft beteiligt (Beteiligung von zumindest zwei verschiedenen sozialen Einheiten). Die Schuldirektorin ist von der Schulaufsicht dazu angehalten, Schulentwicklung zu betreiben und innovative Unterrichtsformen einzusetzen. Die Lehrkraft möchte an ihren bisherigen didaktischen Methoden festhalten (miteinander unvereinbare Handlungen bzw. Intentionen). Beide Personen sind sich der Unvereinbarkeit dieser Anliegen, nämlich „Verändern vs. Beharren“ bewusst (Wahrnehmung dieser Unvereinbarkeit durch zumindest eine Person). Die Schuldirektorin ist bei der Umsetzung ihres Schulentwicklungskonzepts auf die Mitarbeit der Lehrkraft angewiesen. Gleichzeitig hofft die Lehrkraft, dass die Schuldirektorin ihre bisherige Unterrichtsform weiter duldet und keine Beschwerde bei der Schulaufsicht einbringt (Abhängigkeit mindestens zweier sozialer Einheiten voneinander bzw. Möglichkeit wechselseitiger Beeinflussung). Die Schuldirektorin erlebt ein Gefühl des Ausgelaugtseins aufgrund ständiger Diskussionen und Zeitdruck, da sie bei der Schulentwicklung vorankommen möchte und sollte. Die Lehrkraft

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

155

wiederum hat Angst, sich und ihre Unterrichtsweise verändern zu müssen (Erleben bzw. Antizipieren einer Beeinträchtigung). Nicht richtig gelöste oder ungelöste soziale Konflikte bilden häufig den Ausgangspunkt für Mobbing (vgl. Leymann, 1993, 1996). Damit wird Mobbing als eine Extremform sozialer Konflikte betrachtet (Groß, 2004, S. 24). Der Begriff Mobbing stammt aus dem Englischen („to mob“) und bedeutet wortwörtlich übersetzt „über jemanden herfallen“, „jemanden angreifen“ bzw. „jemanden attackieren“. Mobbing wird zumeist mit unkollegialem, schikanierendem, benachteiligendem oder ausgrenzendem Verhalten, welches grundsätzlich an allen sozialen Orten – Schulen, Arbeitsplätzen, Nachbarschaften – auftreten kann, in Verbindung gebracht (vgl. Kauffeld & Hoppe, 2014; Zepf, 2014). Die vorliegende Arbeit betrachtet Mobbing als eskalierte soziale Konfliktart. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass arbeitsbedingte Belastungen – ob physischer oder psychischer Natur – zumeist nicht isoliert, sondern in Kombination miteinander auftreten und damit zu Beanspruchungen führen (Huber et al., 2013, S. 14). Dieser Aspekt wird insbesondere im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit betrachtet. Die vielfältigen berufsgruppenspezifischen Belastungen, die Schuldirektor/innen am Arbeitsplatz erleben, sind Gegenstand des Kapitels 4. Psychosoziale Ressourcen Im Umgang mit Belastungen stehen dem Menschen Ressourcen zur Verfügung. Damit sind im Kontext von Gesundheit gesundheitsschützende bzw. wiederherstellende Faktoren in der Person selbst, aber auch in der Umwelt gemeint. Zapf & Semmer (2004) verstehen unter Ressourcen Mittel, die eingesetzt werden können, um Stressoren zu vermeiden, ihr Ausmaß zu mildern oder ihre Wirkung zu minimieren. Udris (2006) beschreibt als Ressourcen zum Schutz der Gesundheit alle einer Person zur Verfügung stehenden, von ihr genutzten oder beeinflussenden gesundheitsschützenden und gesundheitsfördernden Kompetenzen (innere, personale Ressourcen) und Handlungsmöglichkeiten (äußere, situative Ressourcen) (S. 6-7). Dementsprechend wird zwischen  

inneren, personalen Ressourcen (z.B. berufliche und soziale Qualifikationen, Gesundheitszustand, Optimismus, Selbstwirksamkeit) und äußeren Ressourcen (z.B. organisationale Ressourcen in Form von Situationskontrolle, soziale Ressourcen in Form von sozialer Unterstützung) unterschieden (Ulich & Wülser, 2012, S. 38).

156

3 Theoretische Bezugsfelder

Personale Ressourcen liegen in der Person selbst, während sich äußere Ressourcen aus der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsorganisation bzw. sozialen und organisatorischen Bedingungen ergeben (vgl. Zapf & Semmer, 2004). In der vorliegenden Arbeit stehen, wie der Titel dieser bereits verrät, insbesondere soziale Ressourcen im Zentrum des Interesses. Diese können sowohl aus dem Arbeits- als auch aus dem Privatbereich im Umgang mit Belastungen herangezogen werden (vgl. Udris, 2006, S. 7). Soziale Ressourcen benötigt ein Mensch, um sozial bedingte Überlastung zu vermindern, Situationen emotional und problembezogen zu bewältigen und sein Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit und Bindung zu befriedigen (Pfaff et al., 2011, S. 41). Zu sozialen Ressourcen am Arbeitsplatz zählen vor allem soziale Unterstützung und Wertschätzung durch Kolleg/innen und den/die Vorgesetzte/n. In diesem Kontext zeigt sich eine starke Verbindung zum zweiten theoretischen Bezugsfeld der vorliegenden Arbeit (s. Kapitel 3.1). Von psychosozialen Ressourcen ist dann die Rede, wenn der Einfluss sozialer Ressourcen auf das psychische Gesundheits- und Krankheitserleben betrachtet wird. Psychische Beanspruchungen Häufig werden die Begriffe der Belastung und der Beanspruchung gleichgesetzt, allerdings handelt es sich bei diesen aus arbeitswissenschaftlicher Sicht trotz deren Zusammenhang um zwei völlig unterschiedliche Konzepte. Ebenso wie für den Begriff der psychischen Belastung wird in der ÖNORM EN ISO-10075-1 eine Definition des Begriffs der psychischen Beanspruchung angeführt, welcher in den Arbeitswissenschaften allgemeingültig ist. Demnach ist eine psychische Beanspruchung „die unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien.“ (S. 4) Somit beschreibt die Beanspruchung die Reaktion eines Menschen auf eine Belastung. Generell wird zwischen kurz-, mittel- und langfristigen, negativen und positiven Beanspruchungen sowie solchen auf physiologischer, psychischer und verhaltensbezogener Ebene, unterschieden. Tabelle 7 gibt einen Überblick über diese verschiedenen Formen von Beanspruchung.

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit Tabelle 7:

157

Formen von Beanspruchung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Bamberg, Busch & Ducki (2003); Huber et al. (2013); Kaufmann, Pornschlegel & Udris (1982); Udris & Frese (1999); Ulich (2005); Zapf & Semmer (2004)

Kurzfristige Beanspruchungsformen physiologisch, somatisch

psychisch (Erleben von Gedanken und Gefühlen)

erhöhte Herzfrequenz erhöhter Blutdruck Adrenalin- oder CortisolAusschüttung („Stresshormone“) Anspannung Nervosität und innere Unruhe Frustration Ärger Ermüdungs-, Monotonieund Sättigungsgefühle negative Gedanken Enttäuschung Arbeits(un)freude

Mittel- bis langfristige chronische Beanspruchungsformen

psychosomatische Beschwerden und Erkrankungen wie z.B. Herz-Kreislauferkrankungen Arbeits(un)zufriedenheit Wohlbefinden Resignation und Depression Burnout chronische Erschöpfung Angsterkrankungen, Panikattacken

verhaltensmäßig (individuell)

Leistungsschwankungen Nachlassen der Konzentration und des Engagements Fehler schlechte sensomotorische Koordination Hastigkeit und Ungeduld

Reduzierte oder erhöhte Leistungs-fähigkeit Fehlzeiten (Krankheitstage) innere Kündigung vermehrter Nikotin-, Alkoholund Tablettenkonsum

verhaltensmäßig (sozial)

Konflikte und Mobbing Streit Aggression gegen andere Rückzug (Isolierung) innerhalb und außerhalb der Arbeit

Zumeist werden, wie aus Tabelle 7 hervorgeht, weniger positive, sondern vielmehr negative Beanspruchungsformen und hierbei häufig langfristige, auf psychischer Ebene untersucht. Dazu zählen vor allem psychische Erkrankungen.

158

3 Theoretische Bezugsfelder

Die wahrscheinlich am häufigsten in der Praxis und Forschung betrachteten Beanspruchungsformen auf psychischer Ebene stellen Stress und Burnout dar. Die beiden Begriffe werden in verschiedenen Gesellschaftsbereichen inflationär verwendet und sind allgegenwärtig. Aufgrund dieser Tatsachen soll etwas näher auf diese beiden Beanspruchungsformen eingegangen werden. Der Begriff „Stress“ wird im Alltag sehr unterschiedlich verwendet. Stress stellt gemäß Zapf & Semmer (2004) in der Wissenschaft eine spezielle Beanspruchungsform in Form eines subjektiv unangenehmen Spannungszustandes dar. Stress tritt nur dann in negativer Form auf („distress“), wenn ein Ungleichgewicht zwischen Belastungen und Ressourcen von einem Individuum als unangenehm erlebt wird. Mit sogenannten Stressbewältigungsstrategien, die problem- oder emotionsbezogener Natur sein können, wird versucht, Stresssituationen zu mildern oder zu beenden (Igic et al., 2014, S. 12). Neben dem „negativen“ Stress gibt es auch eine positive Form („eustress“), die anregend und motivierend wirkt. In diesem Fall werden Belastungen nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung wahrgenommen und führen zu höheren Leistungen (Kauffeld & Hoppe, 2014, S. 244). Speziell den arbeitsbezogenen „negativen” Stress definiert die Europäische Kommission (2000) als „the emotional, cognitive, behavioural and physiological reactions to adverse and noxious aspects of work, work environments and work organisations. It is a state characterized by high levels of arousal and distress and often by feelings of not coping.” (S. 3) Stress stellt vor allem dann ein langandauerndes Gesundheitsrisiko dar, wenn 1. 2. 3. 4.

Stresssituationen chronisch sind, eine Anpassung aufgrund ständig erforderlicher Konzentration schwierig ist, ernsthafte Konsequenzen mit der Nichterfüllung von Anforderungen verbunden sind und die Probleme andere Lebensbereiche einer Person beeinflussen (Fahlén, 2008, S. 5).

Auch der Begriff Burnout wird in der Gesellschaft sehr vielfältig benutzt, an einer einheitlichen Definition fehlt es. Burnout (engl.: to burn out = ausbrennen) wird zumeist im Kontext der Arbeitswelt thematisiert (Roschker, 2014, S. 5-6) und häufig mit Erschöpfung, Ausbrennen oder Lustlosigkeit in Verbindung gebracht. Die aktuelle Burnout-Diskussion weist gemäß Ulich & Wülser (2012) einige Probleme auf, die etwa in der Trivialisierung des Themas, der Vielfalt an Symptomen sowie der Schwierigkeit der Abgrenzung zu anderen psychischen Beanspruchungen liegen (S. 74). Aufgrund der uneinheitlichen Verwendung des Begriffes „Burnout“ und der damit verbundenen schwierigen Diagnostizierbarkeit stellt es keine Diagnose bzw. Krankheitsgruppe im Rahmen der ICD dar. Zwar wurde der

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

159

Begriff in dieses Handbuch aufgenommen, allerdings nicht als Krankheit, sondern als „Problem mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ (Kunz Heim, 2011, S. 139). Hillert (2008) betrachtet die aktuelle Verwendung des Burnout-Begriffes kritisch, indem er von einer „Projektionsfläche ganz unterschiedlicher individueller Überlastungs-Konstellationen“, die „weitgehend frei von der Stigmatisierungs-Gefahr einer psychischen Erkrankung sind“ spricht (S. 163). Zu den bekanntesten Burnout-Konzepten zählt jenes von Maslach & Jackson (1981) bzw. Maslach (1982). Nach diesem Konzept wird unter Burnout ein Syndrom der emotionalen Erschöpfung, der Depersonalisation sowie der reduzierten persönlichen Leistung verstanden, das bei Individuen, die in Kontakt mit anderen Menschen stehen, auftreten kann. Burnout weist damit drei Schlüsselkomponenten auf (vgl. auch Ulich & Wülser, 2012, S. 74-76):   

emotionale Erschöpfung in Form eines Gefühls der Überbeanspruchung, des Energieverlustes und des Ausgelaugtseins Depersonalisierung in Form eines Gefühls der Distanzierung, der Gefühllosigkeit sowie einer zynischen Haltung Gefühl reduzierter persönlicher Erfüllung und Leistungsfähigkeit in Form einer Unzufriedenheit mit der eigenen Person und einem steigenden Gefühl von Inkompetenz

Dieses dreidimensionale Burnout-Modell wurde bereits mehrfach validiert (vgl. Schaufeli, Bakker, Hoogduin, Schaap & Kladler, 2001; Schaufeli & van Dierendonck, 1993; Schutte, Toppinen, Kalimo & Schaufeli, 2000), wobei gezeigt werden konnte, dass die emotionale Erschöpfung die zentralste Komponente ist. Burnout entwickelt sich für gewöhnlich langsam und kann zu verschiedenen körperlichen (z.B. Herz-Kreislauferkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen, Erkrankungen des Skelettsystems), psychischen (z.B. Affektstörungen wie Depression, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen) sowie sozialen (z.B. sozialer Rückzug und Isolation) Problemen führen (Zepf & Lahmann, 2014, S. 439). Zusammenspiel von Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen Im Zuge der Definition der Begriffe „Belastung“, „Ressource“ und „Beanspruchung“ in den vorhergehenden Abschnitten wurden bereits einige Aspekte des Zusammenwirkens dieser Faktoren erwähnt. Im Folgenden soll nun explizit auf das Zusammenspiel dieser eingegangen werden. Historisch betrachtet war zu Beginn der Forschung rund um das Zusammenwirken von Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen zunächst ausschließ-

160

3 Theoretische Bezugsfelder

lich vom Belastungs-Beanspruchungskonzept die Rede. Dieses etablierte sich in verschiedenen arbeitswissenschaftlichen Disziplinen wie der Arbeitsmedizin und der Arbeitspsychologie, aber auch in der praktischen Arbeitsschutzarbeit (Dragano, 2016, S. 169; Ulich, 2005; Ulich & Wülser, 2012, S. 53). Die Grundidee dieses Modells liegt darin, dass Individuen Belastungen individuell aktiv oder passiv verarbeiten. Dementsprechend sind unterschiedliche Formen von Beanspruchungen möglich (Oesterreich, 2015, S. 167). Das Modell geht damit von den eingangs erwähnten Definitionen der Begriffe „Belastung“ als ein objektiv, von außen auf eine Person einwirkender Faktor, der subjektiv interpretiert wird, und „Beanspruchung“ als individuelle Folge bzw. Auswirkung der Belastung aus. Auch wenn der Begriff der Ressource in der ursprünglichen Modellbezeichnung nicht vorkommt, wurde deren Bedeutung als modifizierender Faktor von Beginn an anerkannt. Verschiedene Arten von Ressourcen können vor den Folgen einer Belastung schützen (Dragano, 2016, S. 169-170), sofern sie beim Umgang mit derselben hilfreich sind. Liegen nicht ausreichend Ressourcen zur Bewältigung von Belastungen vor, so ist von Fehlbeanspruchung die Rede (Neuner, 2016, S. 9-19). Cohen & Wills (1985) sind der Ansicht, dass in der Praxis Ressourcen im Vergleich zu Belastungen eine höhere Bedeutung zukommt. Während es nämlich in Arbeitssituationen häufig schwierig ist, Belastungen zu reduzieren, bestehen zahlreiche Möglichkeiten, Ressourcen aufzubauen. Neben Ressourcen gibt es jedoch auch solche Modifikatoren, die die Wirkung einer Belastung verstärken. In diesem Zusammenhang ist von Vulnerabilität (Anfälligkeit für eine Krankheit) die Rede, die durch interne Merkmale (z.B. Vorerkrankung) oder externe Faktoren (z.B. Mangel an sozialer Unterstützung) entstehen kann (Dragano, 2016, S. 170). Aufgrund der hohen Relevanz von Ressourcen wurde das Belastungs-Beanspruchungs-Modell in weiterer Folge von einigen Autor/innen umbenannt bzw. inhaltlich erweitert. Dabei ist etwa vom Belastungs-Ressourcen-(Gesundheits)Modell die Rede (vgl. Udris, 2006). Abbildung 16 bietet eine Darstellung dieses Modells in Anlehnung an Udris (2006).

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

Abbildung 16:

161

Belastungs-Ressourcen-Gesundheits-Modell, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Udris (2006, S. 10)

In der Abbildung ist ersichtlich, dass soziale und organisationale Ressourcen personale Ressourcen verstärken. Der Begriff der Gesundheit steht im Modell für positive und negative Folgen des Zusammenspiels von Belastungen und Ressourcen für die Gesundheit und können mit positiven bzw. negativen Beanspruchungsfolgen gleichgesetzt werden. Generell ist festzuhalten, dass bei Überwiegen der Belastungen gegenüber den Ressourcen negative Beanspruchungen entstehen, während das Überwiegen von Ressourcen gegenüber den Belastungen mit positiven Beanspruchungsformen einhergeht (vgl. Bamberg et al., 2003). Folgende Beispielsituation aus dem Schulleiteralltag soll dieses Modell näher spezifizieren und damit gleichzeitig das Themenfeld der Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen zusammenfassen: Der/die Schuldirektor/in erlebt im Zuge der eigenen Arbeit vielfältige Belastungen. Dazu zählen unter anderem aufgabenbezogene Belastungen, wie z.B. eine Aufgabenüberforderung, soziale Belastungen, wie z.B. Konflikte, Belastungen der Arbeitsumgebung, wie z.B. ein brüchiges Schulgebäude mit mangelnder Ausstattung sowie Belastungen der Arbeitsorganisation (z.B. immer wiederkehrende Unterbrechungen, mangelnde Regelung der Pausengestaltung). Mit diesen Belastungen können verschiedene Ressourcen

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3 Theoretische Bezugsfelder

zusammenwirken. So kann z.B. die soziale Unterstützung des Kollegiums beim Umgang mit der Aufgabenüberforderung helfen. Gleichzeitig können organisationale Ressourcen wie der eigene Handlungsspielraum einer Aufgabenüberforderung entgegenwirken. Diese sozialen und organisationalen Ressourcen wiederum können personale Ressourcen wie das eigene Kohärenzgefühl im Sinne des Glaubens daran, dass die Aufgaben zu bewältigen sind, verstärken. Gleichzeitig können Belastungen jedoch diesen Glauben wiederum einschränken. Abhängig von der Balance zwischen Belastungen und Ressourcen erlebt der/die Schuldirektor/in positive Beanspruchungsformen wie Stolz, Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden und hohe Leistungsfähigkeit oder aber negative Beanspruchungen wie Stress oder Erschöpfung. Bei einem chronischen Überwiegen von Belastungen gegenüber den Ressourcen sind auch langfristige psychische Beeinträchtigungen wie Burnout möglich. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der vorliegenden Arbeit ein ganzheitliches Gesundheitsverständnis zugrunde liegt, wobei insbesondere das psychische und psychosoziale Wohlbefinden im Mittelpunkt des Interesses stehen. Dabei wird in Anlehnung an Aaron Antonovsky sowie weitere Gesundheitssoziolog/innen wie z.B. Klaus Hurrelmann davon ausgegangen, dass Gesundheit und Krankheit aus einem Wechselspiel von Risiko- und Schutzfaktoren entstehen. Dieses Verständnis geht konform mit dem Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungskonzept bzw. dem Belastungs-Ressourcen-Gesundheits-Modell, das in den Arbeitswissenschaften von hoher Relevanz ist. 3.2.2 Stresstheorien und -modelle mit soziologischem Fokus Die meisten Theorien und Modelle in den Arbeitswissenschaften, die sich mit dem Einfluss von Arbeit auf die Gesundheit und das Wohlbefinden beschäftigen, stellen den Stress als kurzfristige Beanspruchungsform in den Mittelpunkt der Betrachtung. Diese zumeist unter dem Titel „Stresstheorien und -modelle“ geführten Theorien und Modelle postulieren einen Ursache-Wirkungszusammenhang zwischen bestimmten Arbeitsbedingungen und bestimmten Gesundheitsparametern von Beschäftigten, der über Stressmechanismen vermittelt wird. In Anlehnung an die Ausführungen von Siegrist & Siegrist (2014) ist jedoch darauf hinzuweisen, dass für eine Kausalbeziehung in diesem Kontext im Gegensatz zur experimentellen Prüfung von Kausalhypothesen im physikalisch-chemischen Bezugssystem lediglich Wahrscheinlichkeitsaussagen getätigt werden können. Darüber hinaus schwächen nicht kontrollierbare Prozesse, die in diese Beziehung einwirken, die Evidenzkraft solcher Modelle (S. 66).

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

163

Ergänzend dazu ist zu beachten, dass psychische und physische Beanspruchungsfolgen am Arbeitsplatz aus dem Zusammenwirken vielfältiger genetischer, frühkindlicher, verhaltens- und umweltbezogener Faktoren entstehen (Siegrist & Siegrist, 2014, S. 84). Demnach stellt das Herausfiltern zentraler Bestimmungsgrößen des Stresserlebens eine zentrale Herausforderung bei der Entwicklung arbeitswissenschaftlicher Stressmodelle dar. Entsprechend den Anforderungen an ein Modell gilt es, auf einer abstrakten Ebene zentrale belastende Arbeitsbedingungen zu identifizieren, die auf zahlreiche verschiedene Arbeitsplätze und Beschäftigungsverhältnisse angewendet werden können (vgl. Siegrist & Dragano, 2008, S. 306). Ziel von Stressmodellen ist es, Antworten auf die Fragen „Wie und warum entsteht Stress?“, „Unter welchen Umständen wirken Umweltfaktoren belastend?“ und „Warum führen Stressoren bei manchen Individuen zu Stress, bei anderen nicht?“ zu finden (Kauffeld & Hoppe, 2014, S. 242). Mittlerweile existiert eine Vielzahl an speziellen Arbeitsstressmodellen, die in unterschiedlichen Disziplinen wie der Psychologie, der Soziologie, der Ökonomie und der Arbeitsmedizin entwickelt wurden (Siegrist & Siegrist, 2014, S. 64). Einen Überblick über diese geben beispielsweise Antoniou & Cooper (2005), Cartwright & Cooper (2009) sowie Schnall, Dobson & Rosskam (2009). Relevant für das vorliegende Forschungsthema sind dabei Modelle, die soziale Komponenten beinhalten und damit einen soziologischen Blick auf die Entstehung von arbeitsbedingtem Stress werfen. Das Gratifikationsmodell nach Siegrist (2004) zählt neben dem Anforderungs-Kontroll-Modell nach Karasek & Theorell (1990) zu den international bekanntesten arbeitswissenschaftlichen Modellen zur Erklärung der Zusammenhänge zwischen bestimmten Merkmalen der Arbeit und der Gesundheit von Beschäftigten (Siegrist & Dragano, 2008, S. 306). Dieses Modell wurde in der Forschung bereits vereinzelt auf den Beruf des/der Lehrers/in und des/der Schulleiters/in übertragen (vgl. Baeriswyl et al., 2013; Bödeker & Dragano, 2005; Gerich & Sebinger, 2006; Guglielmi, Simbula, Schaufeli & Depolo, 2012; Hohberg, 2015; Tang, Leka & MacLennan, 2013; Verhoeven, Maes, Kraaij & Joekes, 2003; Zurlo, Pes & Siegrist, 2010). Aufgrund der guten Anwendbarkeit des Modells beruflicher Gratifikationskrisen nach Siegrist auf den Schulleiterberuf wird dieses näher beleuchtet. Über andere Stressmodelle wird im Anschluss lediglich ein Überblick gegeben, wobei der Fokus auf für die vorliegende Arbeit relevanten Aspekten liegt.

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3 Theoretische Bezugsfelder

3.2.2.1 Modell beruflicher Gratifikationskrisen nach Siegrist Das Modell beruflicher Gratifikationskrisen von Johannes Siegrist (2004), kurz „Gratifikationsmodell“ genannt, zu Englisch „effort-reward-imbalance model“, bildet eine international anerkannte theoretische Grundlage zur Erklärung der Entstehung von Beanspruchungen am Arbeitsplatz. Ursprünglich wurde das Modell von Siegrist im Jahr 1996 zur Erklärung arbeitsbedingter Herz-Kreislaufmortalität (vgl. Siegrist, 1996) entwickelt, später jedoch auch auf andere Beanspruchungsformen übertragen. Siegrist geht von der im Arbeitsvertrag definierten sozialen Gegenseitigkeit (Reziprozität) der Tauschbeziehung zwischen Leistung und Belohnung aus, wonach für erbrachte Arbeitsleistungen angemessene Gratifikationen in Form von sozial vermittelten Belohnungen erfolgen. Ein zentraler Begriff des Modells ist jener der „Gratifikationskrise“, die dann entsteht, wenn der/die Beschäftigte sich in seiner/ihrer Eigenwahrnehmung stark verausgabt, sein/ihr Einsatz jedoch nicht angemessen belohnt wird und somit eine Verletzung sozialer Reziprozität erlebt wird. Der Begriff der Belohnung bezieht sich dabei sowohl auf immaterielle (z.B. Karrierechancen, Arbeitsplatzsicherheit, Anerkennung, Respekt), aber auch materielle (z.B. Einkommen) Belohnungsformen (vgl. Borgetto, 2007; Siegrist, 2004). Generell können Belohnungsformen auf drei verschiedenen Ebenen erlebt werden: 1.

2.

3.

ökonomische Ebene Lohn- und Gehaltszahlungen bzw. sonstige materielle Vergütungsformen werden im Verhältnis zur eigenen erbrachten Leistung oder in sozialen Vergleichsprozessen als angemessen oder diskrepant erlebt. Bei geringer Verhandlungsmacht über diese Entlohnungsform und wenig Beschäftigungsalternativen steigt die Wahrnehmung einer Diskrepanz zwischen Belohnung und Leistung. Ebene der Statuskontrolle Auf dieser Ebene verausgabt sich ein Individuum zumeist, um dessen Position und beruflichen Aufstieg zu sichern. Belohnt wird dies aber häufig erst Jahre später. Auslöser für Gratifikationskrisen auf dieser Ebene sind Blockaden des beruflichen Aufstiegs, unfreiwilliger Arbeitsplatzwechsel, Bedrohung der Arbeitsplatzsicherheit, qualifikationsfremder beruflicher Einsatz sowie soziale Abwärtsmobilität bis hin zu temporärer und andauernder Arbeitslosigkeit. sozioemotionale Ebene Belohnungsformen auf dieser Ebene sind positive Rückmeldungen, Anerkennung, Respekt und soziale Unterstützung innerhalb der Arbeitsgruppe, aber

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

165

auch aus dem beruflichen Umfeld. Sind diese nur gering ausgeprägt, so erhöht dies das Risiko für Gratifikationskrisen (vgl. Borgetto & Kälble, 2007; Siegrist, 2004). Gratifikationskrisen lösen Stressreaktionen aus, die durch die Kumulation gratifikationskritischer Ereignisse intensiviert werden. Darüber hinaus gilt, dass je stärker die erlebte Disbalance ist, desto intensiver und länger andauernder sind die Stressreaktionen. Gratifikationskrisen treten vor allem bei Beschäftigten mit mangelnder Arbeitsplatzalternative, aber auch bei Berufen in wettbewerbsintensiven Branchen auf. Darüber hinaus haben, wie noch näher erläutert wird, intrinsische Merkmale Einfluss auf die Entstehung von Gratifikationskrisen (Siegrist & Siegrist, 2014, S. 67-68; Neuner, 2016, S. 14-15). Abbildung 17 stellt das Gratifikationsmodell von Siegrist (2004) graphisch in Form einer Waage dar. Im Modell wird zwischen extrinsischen (situativen) und intrinsischen (personalen) Verausgabungsquellen unterschieden. Die intrinsische Komponente in Form der persönlichen Bewältigungskompetenz hat einerseits, ebenso wie die extrinsische Komponente, einen direkten Einfluss auf die Gesundheit, andererseits nimmt sie jedoch auch eine moderierende Funktion in Hinblick auf die Wirkweise situativer Komponenten auf die Gesundheit ein. Verausgabungen werden dann in Kauf genommen, wenn eine angemessene materielle und/oder immaterielle Belohnung zu erwarten ist. Im Sinne der Berücksichtigung einer intrinsischen Komponente spezifiziert das Modell auch ein Bewältigungsmuster, welches sich negativ auf die Gesundheit auswirkt, nämlich die sogenannte Verausgabungsneigung. Diese bezeichnet ein Muster von Einstellungen, Verhalten und Emotionen, die durch starke Verausgabung in Kombination mit einem großen Wunsch nach Anerkennung gekennzeichnet ist. Somit beeinflusst nicht nur das Ungleichgewicht von Verausgabung und Belohnung, sondern im Speziellen auch das Bewältigungsmuster „Verausgabungsneigung“ die Gesundheit negativ (vgl. Biffl et al., 2011, S. 70-71; Siegrist, 2004).

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3 Theoretische Bezugsfelder

Abbildung 17:

Gratifikationsmodell nach Siegrist (2004), Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Siegrist (2004), Biffl et al. (2011)

Siegrist (2004) definiert folgende Bedingungen, deren gemeinsames Auftreten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Chronifizierung beruflicher Gratifikationskrisen führen: 1. 2.

3.

Abhängigkeit aufgrund fehlender Arbeitsplatzalternativen (z.B. wegen geringer Qualifikation oder eingeschränkter Mobilität) strategische Entscheidung für ungünstige Arbeitsverträge, die mit beruflichen Gratifikationskrisen verbunden sind, zum Zweck der Erzielung prospektiver Wettbewerbsvorteile (z.B. längerfristige Verbesserung von Aufstiegschancen und höherer Entlohnung) psychisches Bewältigungsmuster, das durch übersteigende berufliche Verausgabungsneigung gekennzeichnet ist

Im Sinne einer Übertragung des Modells auf den Schulleiterberuf sei ein kurzes Beispielszenario angeführt: An eine junge Schulleiterin Mitte 30, deren bisherige Amtszeit bei zwei Jahren liegt, werden hohe Erwartungen und Anforderungen vonseiten der Erziehungsberechtigten der Schüler/innen, aber auch des Schulerhalters und der Schulaufsicht gestellt. Diese Personengruppen erhoffen sich von der Neubesetzung des Schulleiterpostens endlich eine Veränderung und Weiterentwicklung der Schule. Damit sind neben der Erledigung von Routinearbeiten umfassende Schulentwicklungsprozesse, die durch die Schulleiterin eingeleitet werden müssen, verbunden (extrinsische [situative] Komponenten).

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

167

Die Schulleiterin selbst möchte diesen Anforderungen entsprechen, „sich selbst beweisen“ und voller Elan „etwas bewegen“ (intrinsische Komponente, Verausgabungsneigung). Sowohl die extrinsischen als auch die intrinsischen Faktoren führen zu einer hohen Verausgabung der Schulleiterin. Wenn die Befragte gleichzeitig wenig Belohnung auf ökonomischer Ebene (z.B. durch den Vergleich ihres Gehalts mit jenem einer dienstälteren, weniger engagierten Schulleiterin einer anderen Schule) erlebt und vorerst wenig Anerkennung und Rückmeldung vonseiten der schulischen Interaktionspartner/innen erfährt (sozioemotionale Ebene), erhöht dies die Wahrscheinlichkeit einer Gratifikationskrise. Gleichzeitig ist es wahrscheinlich, dass sich die Schulleiterin auf der Ebene der Statuskontrolle darum bemüht, ihre Schulleiterposition zu erhalten, was eine Gratifikationskrise weiter begünstigt. Dauert diese Gratifikationskrise langfristig an und wiederholt sich vielleicht immer wieder, so sind gesundheitliche Beeinträchtigungen bei der Schulleiterin laut dem Modell beruflicher Gratifikationskrisen vorprogrammiert. Van Vegchel (2005) sowie van Vegchel, de Jonge, Bosma & Schaufeli (2005) fassen die Annahmen des Gratifikationsmodells in drei Hypothesen zusammen:   

„extrinsic ERI“-Hypothese Eine hohe Verausgabung bei gleichzeitig geringer Belohnung erhöht das Risiko für einen schlechten Gesundheitszustand. „intrinsic overcommitment“-Hypothese Eine hohe intrinsische Verausgabungsbereitschaft erhöht das Risiko für einen schlechten Gesundheitszustand. „interaction“-Hypothese Beschäftigte mit hoher Verausgabung aufgrund extrinsischer Faktoren bei gleichzeitiger intrinsischer Verausgabungsbereitschaft haben ein besonders hohes Risiko für einen schlechten Gesundheitszustand.

Das Modell beruflicher Gratifikationskrisen ist national und international empirisch gut belegt. Neben der Bedeutung des Modells für die Herz-Kreislaufgesundheit wurde es in den vergangenen Jahren auch in Hinblick auf die Entstehung von Erkrankungen wie Diabetes, psychiatrischen Störungen, Depression und Alkoholabhängigkeit, aber auch des subjektiven Gesundheitszustandes überprüft. Einige Modellannahmen konnten in den meisten Studien bestätigt, andere mussten widerlegt werden (vgl. Borgetto, 2007; Borgetto & Kälble, 2007; Siegrist & Dragano, 2008; Tsutsumi & Kawakami, 2004; Ulich & Wülser, 2012). Van Vegchel et al. (2005) konnten z.B. im Speziellen die „extrinsic“-Hypothese gänzlich, die „intrinsic overcommitment“-Hypothese zum Teil, die „interaction“-

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3 Theoretische Bezugsfelder

Hypothese nicht bestätigen. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Metaanalyse von Siegrist selbst und seinem Kollegen Li (2016), wobei diese jedoch auch die „intrinsic over-commitment“-Hypothese gänzlich bestätigten. Nichtsdestotrotz ist zu beachten, dass Validierungspublikationen zum Gratifikationsmodell dahingehend kritisiert werden, dass die Studienpopulationen häufig männlich dominiert sind (vgl. Siegrist & Dragano, 2008, S. 309) und sie unterschiedliche methodische Einschränkungen aufweisen. Auch auf den Lehrerberuf wurde das Gratifikationsmodell bereits angewandt und die Gültigkeit der Annahmen für diesen zum Teil getestet. So kamen etwa Bödeker & Dragano (2005) zum Ergebnis, dass Lehrkräfte häufig eine Disbalance zwischen der eigenen Verausgabung bzw. dem Einsatz im Beruf und der Belohnung erleben. Weitere Modellüberprüfungen und zum Großteil auch -bestätigungen im Lehrerberuf nahmen Tang et al. (2013) sowie Zurlo et al. (2010) vor. Die zuletzt angeführte Autorengruppe bestätigte neben der „extrinsic“-Hypothese und der „intrinsic over-commitment“-Hypothese auch die „interaction“-Hypothese im Lehrerberuf. Baeriswyl et al. (2013) unternahmen den Versuch, das Gratifikationsmodell auch im Speziellen auf den Schulleiterberuf anzuwenden. Den Autor/innen zufolge erleben Schulleiter/innen mangelnde Belohnung in Form von Anerkennung und Wertschätzung vor allem vonseiten lokaler Behörden und der Erziehungsberechtigten. Auch materielle Belohnungsformen werden laut Baeriswyl et al. (2013) von Schulleitungen im Zuge von sozialen Vergleichsprozessen mit anderen Führungspersonen häufig vor dem Hintergrund hoher Leistungserbringung als unzureichend bewertet. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Siegrists Gratifikationsmodell durch die Interaktion zwischen Merkmalen der Arbeitssituation und Komponenten des Bewältigungshandelns von Beschäftigten besticht. Aus soziologischer bzw. sozialpsychologischer Sicht wird insbesondere das psychische Bedürfnis nach sozialer Anerkennung thematisiert (vgl. Siegrist & Siegrist, 2014, S. 68). Gerade diesem Aspekt kommt im Zuge der vorliegenden Arbeit eine hohe Relevanz zu. Ulich & Wülser (2012) bringen das Modell mit sozialen Austauschtheorien, aber auch dem Konzept des Psychologischen Vertrages gemäß Rousseau (1995) in Verbindung (S. 90-92). 3.2.2.2 Weitere relevante Stressmodelle und -theorien im Überblick Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über zwei weitere, empirisch gut belegte Stressmodelle bzw. -theorien in den Arbeitswissenschaften, die für die

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit

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vorliegende Arbeit neben dem Modell beruflicher Gratifikationskrisen nach Siegrist ebenfalls relevant sind. Da nur einzelne Aspekte bzw. Annahmen der Modelle, die in der Tabelle mit „Kernaussagen“ betitelt sind, für das Forschungsthema bedeutsam sind, erfolgt keine Beschreibung dieser Modelle im Detail. In Hinblick auf das in der Tabelle angeführte „Anforderungs-Kontroll-Modell“ ist darauf hinzuweisen, dass dieses in der arbeitswissenschaftlichen Literatur mit dem Modell beruflicher Gratifikationskrisen immer wieder verglichen und in Beziehung dazu gesetzt wird (vgl. Bakker & Demerouti, 2007; Kawachi & Berkman, 2000; Ostry, Kelly, Demers, Mustard & Hertzman, 2003; Siegrist, 2011; Siegrist & Dragano, 2008; Siegrist & Siegrist, 2014; Shyman, 2011). Der Hauptgrund hierfür dürfte sein, dass die beiden die am verbreitetsten und am häufigsten empirisch überprüften Modelle zum Zusammenhang zwischen Arbeit und Gesundheit sind. Einige Autor/innen empfehlen die Kombination beider Modelle bzw. die Aufnahme weiterer Modellkomponenten in ein kombiniertes Modell. Aufgrund zum Teil inkonsistenter Befunde zur Vorhersagekraft verschiedener Beanspruchungsformen durch verschiedene Variationen kombinierter Modelle besteht jedoch bezüglich der Erklärungskraft weiterhin großer Forschungsbedarf (vgl. Calnan, Wadsworth, May, Smith & Wainwright, 2004; Ostry, Kelly, Demers, Mustard & Hertzman, 2003; Shyman, 2011). In Bezug auf die in der Tabelle aufgelistete „Soziologische Stresstheorie nach Pearlin“ ist zu erwähnen, dass diese im Gegensatz zum Anforderungs-KontrollModell und zum Modell beruflicher Gratifikationskrisen nicht auf die Arbeitswelt limitiert ist, sondern darauf abzielt, jeglichen Stressprozess zu erklären. Pearlins Konzept des sozialen Stresses wird als die einflussreichste Theorie in der soziologischen Stressforschung und Forschung zur psychischen Gesundheit gesehen (Aneshensel & Avison, 2015, S. 68-69). Eine empirische Überprüfung des Modells stellt allerdings aufgrund deren Komplexität eine große Herausforderung dar. Dies liegt vor allem an der Tatsache, dass nicht alle stressauslösenden Faktoren bekannt sind und somit Operationalisierungs- bzw. Dateninterpretationsprobleme entstehen (Faltermaier, 2005, S. 82; Pearlin, 1989, S. 246, 254). Die in diesem Abschnitt dargestellten Stressmodelle bilden eine wichtige Basis zur Analyse des Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserlebens von Volksschuldirektor/innen. Im Sinne einer umfassenden theoretischen Sensibilität sollen die verschiedenen Ansätze zur Erklärung des Einflusses von Arbeit auf die Gesundheit herangezogen werden, um das Erleben von Volksschuldirektor/innen nachvollziehen und verstehen zu können. Die drei Modelle bestechen durch die Integration diverser sozialer Komponenten, die Einfluss auf das Zusammenwirken von Arbeit und Gesundheit haben. Insbesondere die soziale Unterstützung als wichtige Ressource

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3 Theoretische Bezugsfelder

(s. Kapitel 3.1.4.2), aber auch ein Mangel an sozialer Anerkennung (Modell beruflicher Gratifikationskrisen) und Rollenkonflikte (Modell des Belastungs-Überforderungs-Prozesses) als Belastungen stellen wichtige Einflussgrößen auf das Stresserleben und in weiterer Folge (langfristige) gesundheitliche Beeinträchtigungen dar.

3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit Tabelle 8:

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Weitere relevante Stressmodelle und -theorien sowie deren für die Arbeit relevanten Kernaussagen im Überblick, Quelle: Eigene Erstellung

Modell AnforderungsKontrollModell (demandcontrolmodel, job strain model) bzw. dessen Erweiterung um den Aspekt der sozialen Unterstützung durch Johnson & Hall (1988)

Soziologische Stresstheorie nach Pearlin

Quellen Biffl et al. (2011); Borgetto (2007); Johnson & Hall (1988); Karasek & Theorell (1990); Kauffeld & Hoppe (2014); Neuner (2016); Siegrist (2011); Siegrist & Dragano (2008); Siegrist & Theorell (2008); Ulich & Wülser (2012) Aneshensel & Avison (2015); Faltermaier (2005); Hurrelmann (2003); Jacobson (1989); Pearlin (1989); Pearlin, Menaghan, Lieberman & Mullan (1981); Pearlin & Schooler (1978)

für die Arbeit relevante Kernaussagen Gesundheitliche Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz (Fehlbeanspruchungen, „job strain“) sind besonders dann zu erwarten, wenn eine ungünstige Kombination aus Anforderungen und Kontrolle besteht. Ist eine Arbeitssituation durch hohe psychosoziale Anforderungen gekennzeichnet (z.B. hoher Zeitdruck) und zeichnet sich gleichzeitig durch einen geringen Kontroll- und Entscheidungsspielraum aus, so entsteht Stress am Arbeitsplatz, welcher in weiterer Folge Gesundheitsbeeinträchtigungen wie Ermüdung, Angstzustände, Depressionen und körperliche Erkrankungen fördert (= „strain“-Hypothese). Ein hoher Handlungsspielraum und zunehmende Anforderungen sind leistungsfördernd („learn“-Hypothese). Gemäß Johnson & Hall (1988) begünstigt mangelnder sozialer Rückhalt durch Kolleg/innen/Vorgesetzte das Stresserleben, während dessen Vorhandensein dieses mildern kann. „Isostrain jobs“ zeichnen sich durch hohe Arbeitsanforderungen, niedrige Kontrolle und fehlenden Rückhalt bzw. soziale Isolation aus. Eine Kombination dieser Faktoren stellt ein hohes Gesundheitsrisiko dar. Viele Stressoren haben einen sozialen Ursprung. Soziale und ökonomische Rahmenbedingungen (z.B. Alter, berufliche Position, Rollenkontexte) beeinflussen das Auftreten von Stressoren, die zu Überforderung („strain“) und in weiterer Folge zu Stresssymptomen führen können. Einfluss auf die Beziehung zwischen sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen, Überforderung und Stresssymptomen haben soziale Mediatoren (z.B. soziale Unterstützung), personale Mediatoren (z.B. Bewältigungskompetenz) und das Selbstbild (z.B. Selbstwirksamkeit). Chronische Spannungen als Form von Stressoren (z.B. Rollenkonflikte, langandauernde Arbeitsüberlastung) beeinflussen den Gesundheitszustand längerfristig negativ.

Abbildung 18 bietet eine Zusammenfassung des Kapitels 3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit.

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Abbildung 18:

3 Theoretische Bezugsfelder

Zusammenfassung Kapitel 3.2 Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit, Quelle: Eigene Erstellung

3.3 Fazit zu Kapitel 3

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3.3 Fazit zu Kapitel 3 In diesem Kapitel wurden die zwei zentralen theoretischen Bezugsfelder der Arbeit, nämlich das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz auf der einen Seite, soziologisch ausgerichtete Konzepte zu den Zusammenhängen zwischen Arbeit und Gesundheit auf der anderen Seite beschrieben. Die beiden theoretischen Bezugsfelder legen den Fokus auf unterschiedliche Aspekte des Forschungsthemas der vorliegenden Arbeit, weisen jedoch zahlreiche Verbindungen zueinander auf. Diese werden im Sinne einer Zusammenfassung des Kapitels „Bezugsfelder“ erläutert. Das soziale Netzwerk als Gesamtgeflecht sozialer Beziehungen, im Speziellen das ego-zentrierte soziale Netzwerk von Volksschuldirektor/innen, steht zunächst im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei sind Aspekte auf Netzwerkebene (z.B. Größe und Dichte) genauso von Interesse wie die Art und der Inhalt der einzelnen sozialen Beziehungen in diesem Netzwerk. So können etwa „strong ties“, aber auch „weak ties“ zu diversen Interaktionspartner/innen im Netzwerk von Schuldirektor/innen vorhanden sein. Diese können mit unterschiedlichen Belastungen, aber auch Ressourcen für den/die Volksschuldirektor/in einhergehen. Konkret wird in der vorliegenden Arbeit das Wechselspiel zwischen Strukturen des Netzwerkes und Relevanzsetzungen bzw. Handlungen des/der einzelnen Schuldirektors/in betrachtet, wobei das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz im Fokus steht. Hiermit wird die erste Brücke zum theoretischen Bezugsfeld der soziologisch orientierten Konzepte zum Zusammenhang zwischen Arbeit und Gesundheit geschlagen. Am Arbeitsplatz erlebt der/die Volksschuldirektor/in vielfältige Belastungen und Ressourcen, die je nach Zusammenspiel zu unterschiedlichen Beanspruchungen führen können. Belastungen und Ressourcen sind somit gesundheitsrelevant, wobei sie einen sozialen Ursprung haben können. Damit wird wieder die Brücke zurück zum Konzept des sozialen Netzwerkes und dessen Gesundheitsrelevanz geschlagen. Die Quantität und Qualität sozialer Netzwerke und der darin befindlichen Beziehungen können positiv (z.B. in Form von sozialer Unterstützung und Sozialkapital), aber auch negativ (z.B. in Form von Konflikten und Mobbing) auf die Gesundheit wirken. Es existieren Belege für verschiedene Wirkweisen sozialer Netzwerke und Beziehungen auf die Gesundheit, wobei die Evidenz zu den positiven Wirkungen von sozialer Unterstützung und Sozialkapital, welche potenzielle Funktionen sozialer Netzwerke sind, dominieren. Schlägt man wieder die Brücke zum zweiten theoretischen Bezugsfeld, so bestehen dort Stresstheorien und -modelle, die sich insbesondere mit der Wirkweise derartiger sozialer Faktoren, vor allem der Belohnung/Wertschätzung, der

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3 Theoretische Bezugsfelder

sozialen Unterstützung und der Rollenkonflikte am Arbeitsplatz, auf das Stresserleben und weitere Beanspruchungen beschäftigen, wobei diese in einem Gesamtkontext psychosozialer Arbeitsbedingungen betrachtet werden. Diese können im Zusammenspiel bei einzelnen Volksschuldirektor/innen unterschiedliche positive oder negative; kurz-, mittel- oder langfristige sowie physiologische, psychische und verhaltensbezogene Beanspruchungen zur Folge haben. Aufgrund des Ziels der Arbeit, das individuelle Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben von Volksschuldirektor/innen zu untersuchen, welches in Verbindung mit ihrem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz steht, werden auf Basis eines bio-psycho-sozialen Gesundheitsverständnisses neben dem Fokus auf das individuelle psychische Wohlbefinden auch andere für Volksschuldirektor/innen relevante Beanspruchungen berücksichtigt. In diesem Kapitel erfolgte bereits teilweise eine Übertragung relevanter Theorien und Modelle auf den Schulleiterberuf. Im folgenden Kapitel wird in Form einer Analyse der bisherigen Forschungslage vor allem dargestellt, welche Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen Lehrer/innen und Schulleiter/innen am Arbeitsplatz erleben.

4

Schulleitergesundheit

Nachdem im vorangegangenen Kapitel der Themenkomplex „Arbeit und Gesundheit“ theoretisch aufgearbeitet wurde, stellt sich an dieser Stelle die Frage nach Zahlen, Daten und Fakten zur Gesundheit von Beschäftigten am Arbeitsplatz. Generell ist festzuhalten, dass bestimmte Berufe aufgrund ihrer beruflichen Position und Qualifikation sowie damit verbundener unterschiedlicher gesellschaftlicher Erwartungen an diese mit bestimmten Arbeitssituationen und demnach unterschiedlichen Belastungen konfrontiert sind (Biffl et al., 2011, S. 64). Der Lehrerberuf wird oft als einer der belastendsten Berufe, als „Hochstressberuf“ bzw. generell als Risikofaktor bezeichnet (vgl. Nieskens et al., 2013). Nachfolgend soll unter Heranziehen wissenschaftlicher Erkenntnisse ermittelt werden, ob diese Zuschreibung legitim ist. Dabei wird zunächst ein Überblick über das Gesundheits- und Krankheitsgeschehen am Arbeitsplatz gegeben, wobei ein Vergleich des Unterrichts- und Erziehungswesens bzw. des Berufs der akademischen Lehrkraft mit anderen Branchen bzw. Berufsgruppen erfolgt. Die am häufigsten verwendete Kennzahl zur Beschreibung des Gesundheitszustandes von Beschäftigten stellen Fehlzeiten, im Speziellen Krankenstände, dar. Dabei mangelt es in der Literatur jedoch an einer einheitlichen Verwendung dieser beiden Begriffe. In Österreich veröffentlicht das Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) jährlich einen sogenannten Fehlzeitenreport. In diesem werden Fehlzeiten als „jene Tage, an denen die ArbeitnehmerInnen aus persönlichen Gründen ihren Arbeitsverpflichtungen nicht nachkommen können“ definiert (Leoni & Uhl, 2016, S. 3). Der größte Anteil der Fehlzeiten entsteht aufgrund von Krankheiten, Unfällen und Kuraufenthalten. Diese krankheitsbedingten Fehlzeiten (= Krankenstandstage) stehen im Zentrum der Fehlzeitenreporte, die wiederum auf Daten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger (HVB) beruhen und nahezu alle aktiv unselbstständig Beschäftigten in Österreich (ca. 92%) berücksichtigen. Die Krankenstandstage werden dabei als Kalendertage dargestellt, wobei keine Unterscheidung zwischen Arbeits-, Werk-, Sonn- und Feiertagen erfolgt. Dies wiederum bedeutet, dass die Summe der in den Fehlzeitenreporten dargestellten Krankenstandstage größer ist als jene der tatsächlich verloren gegangenen Arbeitstage. Eine eng mit den Krankenstandstagen verbundene Kennzahl ist die sogenannte Krankenstandsquote. Diese stellt ein Maß © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Szabo, Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27208-1_4

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4 Schulleitergesundheit

für den Verlust an Arbeitstagen dar. Sie ergibt sich aus der Summe der Krankenstandstage im Jahr dividiert durch das Arbeitsvolumen eines/einer Beschäftigten. Nähere Ausführungen zur Berechnung der genannten Kennzahlen sowie damit verbundener methodischer Einschränkungen in Hinblick auf die Aussagekraft finden sich bei Leoni & Uhl (2016, S. 3-4). Generell unterliegt die Entwicklung der Krankenstandstage in Österreich seit den 1970er Jahren jährlichen Schwankungen. Dies ist vor allem auf verschiedene gesellschaftliche und gesetzliche Entwicklungen zurückzuführen. Der zum Zeitpunkt der Durchführung der Erhebung (s. Kapitel 5) aktuellste österreichische Fehlzeitenreport zeigt, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten im Jahr 2016 im Vergleich zum Jahr 2015 einen Anstieg erlebten. Im Jahresverlauf 2016 waren Österreichs unselbstständig Beschäftigte durchschnittlich 12,7 Tage im Krankenstand. Die Krankenstandsquote, also der Verlust an Jahresarbeitstagen, lag bei 3,5%. Geschlechtsspezifisch betrachtet wiesen Männer in Österreich lange Zeit eine höhere Krankenstandsquote auf als Frauen, allerdings findet seit einigen Jahren eine Angleichung der Fehlzeiten beider Geschlechter statt, was vor allem auf die steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen zurückzuführen ist. Im Jahr 2015 wiesen Frauen sogar eine höhere Krankenstandsquote auf als Männer. Geschlechtsspezifische Unterschiede in den Fehlzeiten sind zu einem großen Teil auf die unterschiedliche Verteilung von Männern und Frauen auf einzelne Branchen und Berufe zurückzuführen. Altersspezifisch betrachtet ergibt sich ein leichtes U-Muster der Krankenstandsquotenentwicklung im Lebenszyklus, wobei die höchsten Krankenstandsquoten im frühen (unter 20 Jahren) und späten (60 bis 64 Jahren) Lebensalter erreicht werden und ein kontinuierlicher Anstieg ab dem 35. Lebensjahr erfolgt (Leoni & Uhl, 2016, S. 6-7, 19-22, 42). Der Fehlzeitenreport bietet zwar nicht die Möglichkeit, Krankenstandszahlen nach beruflicher Tätigkeit von Beschäftigten darzustellen, allerdings erfolgt ein Vergleich zwischen Arbeiter/innen und Angestellten sowie den Branchen. Generell sind krankheitsbedingte Fehlzeiten bei Arbeiter/innen (15,5 Tage) höher als bei Angestellten (10,5 Tage), wobei seit einigen Jahren eine Annäherung der Werte stattfindet. Die höheren Fehlzeiten von Arbeiter/innen sind neben sozialen Benachteiligungen in Hinblick auf Einkommen und Bildung auf die vermehrten körperlichen Tätigkeiten dieser zurückzuführen, die eher zu physischen Erkrankungen und Unfällen führen können als z.B. Bürotätigkeiten (Leoni & Uhl, 2016, S. 29). Die Einteilung der Branchen basiert in den Fehlzeitenreporten auf der Klassifikation der Wirtschaftstätigkeiten (ÖNACE), wobei bei der Interpretation der branchenspezifischen Zahlen die unterschiedliche Größe dieser sowie die unterschiedliche Altersstruktur der Beschäftigten zu berücksichtigen sind. Eine Branche stellt „Erziehung und Unterricht“ dar, in welcher das Unterrichten in

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verschiedenen Lehranstalten des regulären Schulsystems auf verschiedenen Stufen, die Erwachsenenbildung, verschiedene Stufen von Militärschulen und -akademien, Gefängnisschulen sowie Alphabetisierungsprogramme im öffentlichen und privaten Bildungswesen zusammengefasst werden. Die Ergebnisse des Fehlzeitenreports 2016 zeigen, dass diese Branche mit 2,6% eine im Vergleich zu den anderen Branchen niedrige Krankenstandsquote aufweist. Dies führen die Autor/innen allerdings auf eine Untererfassung des Krankheitsgeschehens bei Lehrkräften aufgrund der Ferien zurück. Innerhalb der Branche „Erziehung und Unterricht“ weisen Männer (2,3%) eine niedrigere Krankenstandsquote auf als Frauen (2,9%) (Leoni & Uhl, 2016, S. 33-34). Betrachtet man die Ursachen für Krankenstände in Österreich für das Jahr 2016, so zeigt sich, dass der größte Anteil der Krankenstandsfälle (37,0%) auf Krankheiten des Atmungssystems, der größte Anteil der Krankenstandstage (21,4%) auf Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes zurückzuführen ist. Psychische und Verhaltensstörungen – Krankheiten, die in der vorliegenden Arbeit von besonderem Interesse sind – verursachen 2,4% aller Krankenstandsfälle und 9,2% aller Krankenstandstage. Insgesamt nahm der Anteil der Krankenstandstage aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen in den vergangenen Jahren stetig zu, wobei sich seit Mitte der 1990er Jahre bis heute die Zahl der Krankenstandstage verdreifachte. In anderen Ländern wie etwa Deutschland sind ähnliche Entwicklungen zu beobachten (Leoni & Schwinger, 2017, S. 46-47, 50-52). Vermutete Gründe hierfür wurden bereits in Kapitel 1.1 bzw. 3.2 genannt. Auf hohe gesundheitliche Beeinträchtigungen von Lehrkräften deutet das frühe Pensionsantrittsalter von Lehrer/innen im Vergleich zur gesamten Erwerbsbevölkerung hin (Hofmann et al., 2012, S. 11). Die Frühpensionierung als Indikator für Gesundheit am Arbeitsplatz wird allerdings häufig kritisiert. So weisen etwa Nieskens et al. (2013) darauf hin, dass Frühpensionierungswellen eher ein Ergebnis politischer Entscheidungen, amtsärztlicher Praxis sowie mangelnder alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten von „demotivierten“ Lehrkräften sind als ein Ergebnis gesundheitlicher Beeinträchtigungen (S. 59-60). Schröder (2007) betont, dass das Dienstunfähigkeitsgeschehen ein multifaktorieller Prozess ist, der von gesellschaftlichen, medizinischen, normativ-rechtlichen und individuellen Faktoren beeinflusst wird (S. 148). Gieske & Harazd (2009a) stellen ergänzend dazu fest, dass die Zahl frühpensionierter Lehrkräfte in Deutschland seit 2001 „ohnehin“ wieder rückläufig ist, was unter anderem auf Maßnahmen zur Altersteilzeit zurückzuführen ist (S. 18-20). Trotz der Objektivität der Kennzahlen „Krankenstandstage“, „Krankenstandsquote“ und „Frühpensionierungsrate“ ist darauf hinzuweisen, dass diese das gesundheitliche Befinden der erwerbstätigen Bevölkerung nicht gänzlich abbilden

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können. Gründe liegen etwa in Verzerrungen der Krankenstandszahlen aufgrund von Präsentismus sowie der Vielfalt an Einflussfaktoren auf die Entstehung von Krankenständen (Leoni & Uhl, 2016, S. 1-2). Demnach werden in unterschiedlichen Studien auch andere Indikatoren zur Beschreibung der Gesundheit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz erfasst, auf die exemplarisch näher eingegangen wird. Das ad-hoc-Modul der österreichischen Arbeitskräfteerhebung 2013 zum Thema „Arbeitsunfälle und arbeitsbezogene Gesundheitsprobleme“ liefert unter anderem Daten zum subjektiven Erleben von gesundheitlichen Belastungen und Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz (n= 18.714 derzeit oder einst erwerbstätige Personen in Österreich ab 15 Jahren) (Statistik Austria, 2014, S. 66-67). Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass 15,6% der befragten Erwerbstätigen an einem oder mehreren arbeitsbedingten Gesundheitsproblemen leiden. Wie anzunehmen ist, steigt mit zunehmendem Alter die Häufigkeit arbeitsbedingter Gesundheitsprobleme. Männer gaben etwas häufiger an, Gesundheitsprobleme am Arbeitsplatz zu haben als Frauen. Die häufigsten Gesundheitsprobleme sind Rückenprobleme, Probleme mit dem Nacken, den Schultern, den Armen oder Händen und Probleme mit den Hüften, Beinen oder Füßen. Neben diesen Muskelund Skelettproblemen stellen Stress und Depressionen die schwerwiegendsten, arbeitsbedingten Gesundheitsprobleme dar. In Hinblick auf psychische und psychosomatische Erkrankungen ist darüber hinaus zu erwähnen, dass Stress, Depressionen und Angstzustände sowie Kopfschmerzen zwischen 2007 und 2013 bei beiden Geschlechtern einen Anstieg erlebten (Statistik Austria, 2014, S. 13-15). Dies geht mit der Entwicklung der Krankenstandszahlen konform. 80% der Befragten gaben im Rahmen der Arbeitskräfteerhebung 2013 an, am Arbeitsplatz zumindest einem körperlichen oder psychischen Risikofaktor ausgesetzt zu sein. Betrachtet man im Speziellen psychische Risikofaktoren, so ist zu erwähnen, dass 40% Zeitdruck erleben. Weitere psychische Belastungen sind Gewalt am Arbeitsplatz (4%) sowie Belästigung oder Mobbing (3%). Das Risiko psychischer Belastungen steigt mit zunehmender Beschäftigungsdauer (Statistik Austria, 2014, S. 13-15, 37). Insgesamt liegt der Anteil der Befragten mit arbeitsbedingten Gesundheitsproblemen in der Branche „Erziehung und Unterricht“ mit 14,6% etwas unter dem Durchschnittswert aller Branchen (15,6%). Betrachtet man im Speziellen körperliche Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz, so geben 70,2% der Beschäftigten in der Branche Erziehung und Unterricht an, dass diese vorhanden sind (Gesamtwert über alle Branchen: 73,3%). Bei psychischen Belastungsfaktoren liegt der Anteil im Erziehungs- und Unterrichtsbereich mit 37,1% ebenfalls unter dem branchenübergreifenden Gesamtwert (40,3%). Berufsgruppenspezifische Auswertungen

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einzelner psychischer Belastungen zeigen, dass sich Lehrkräfte weder in der Liste der zehn am häufigsten von psychischen Risikofaktoren betroffenen Berufe noch in der Liste der zehn am häufigsten von Zeitdruck und Arbeitsüberlastung betroffenen Berufe wiederfinden. Die Erhebung kam jedoch zu dem Ergebnis, dass Lehrkräfte mit 5,8% nach akademischen und verwandten Gesundheitsberufen (7,9%), Assistenzberufen im Gesundheitswesen (6,4%) und Betreuungsberufen (5,9%) die am vierthäufigsten von Belästigung oder Mobbing betroffene Berufsgruppe sind. Bei der Belastung „Gewalt oder Androhung von Gewalt“ liegen sie mit 6,9% auf dem siebenten Platz (Statistik Austria, 2014, S. 39, 56, 59, 64, 150, 171). Im Jahr 2007 sah die gesundheitliche Lage im Unterrichtswesen noch deutlich schlechter aus. Die Ergebnisse des Sondermoduls 2007 der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung zeigen unter anderem, dass der Anteil jener Beschäftigten, die arbeitsbedingte gesundheitliche Beschwerden erleben, im Unterrichtswesen damals bei Männern gemeinsam mit dem Bauwesen am höchsten (19%), bei Frauen nach dem Verkehr und der Nachrichtenübermittlung (18%) am zweithöchsten (16%) war. Darüber hinaus ergab die Befragung, dass Frauen in der Branche Unterricht (34,3%) überdurchschnittlich oft (gesamt: 30,6%) Zeitdruck und Überbeanspruchung erlebten. Männer dieser Branche (32,8%) empfanden dies seltener als in anderen Branchen beschäftigte Männer (gesamt: 34,5%). In Hinblick auf Zeitdruck und Überbeanspruchung ist zu erwähnen, dass nur Personen mit 36 oder mehr Wochenstunden Berücksichtigung fanden (Biffl et al., 2011, S. 48, 61), was allerdings auf einen Großteil der Schulleiter/innen in Österreich zutrifft. Ein anderes ad-hoc-Modul der Arbeitskräfteerhebung aus dem Jahr 2015 zum Thema „Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung“ ergab, dass 63,6% der Beschäftigten in der Branche „Erziehung und Unterricht“ meinen, dass die Arbeitszeitgestaltung sehr gut, 32,3%, dass sie ziemlich gut zu persönlichen Lebensumständen passt. Diese Werte liegen über dem Durchschnitt aller Branchen (56,4% sehr zufrieden, 35,9% ziemlich zufrieden). Eine Untersuchung von Nübling et al. im Zeitraum 2008 bis 2010, die sich durch eine besonders hohe Stichprobengröße (n=54.066 Lehrkräfte aller Schultypen) auszeichnet, stellte für Deutschland einen Vergleich verschiedener Zufriedenheitswerte zwischen Lehrkräften und anderen Berufsgruppen an. Diese Ergebnisse zeigen auch für Deutschland, dass Lehrpersonen im Vergleich zu anderen Berufen eine überdurchschnittlich hohe berufsbezogene Zufriedenheit in Form von Arbeitszufriedenheit sowie einer höheren Lebenszufriedenheit erleben. Zudem denken sie in der Freizeit seltener an Berufliches als andere Berufsgruppen. Gleichzeitig zeigte sich in dieser Untersuchung jedoch eine ungünstigere Situation in Hinblick auf gesundheitsbezogene Aspekte wie Burnout, den subjektiven Gesundheitszustand sowie kognitive Stresssymptome (S. 42).

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Einige Indikatoren einer Untersuchung der Donau-Universität Krems und des WIFO deuten auf eine eher günstige, andere auf eine eher ungünstige Gesundheitssituation von Lehrkräften hin (vgl. Biffl et al., 2011). Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese neben Branchen- auch Berufsgruppenvergleiche vornehmen und auf deutlich ältere Daten – nämlich jene der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2006/07 – zurückgreifen. Damit sind sie allerdings teilweise wiederum mit den Ergebnissen des Sondermoduls 2007 der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung, in dem sich eine eher prekäre Gesundheitssituation von Lehrkräften zeigte, vergleichbar. Bei den Berufsgruppen wird zwischen akademischen und nichtakademischen Lehrkräften unterschieden, wobei nachfolgend speziell auf die Situation der akademischen Lehrkräfte, zu denen auch die Zielgruppe der vorliegenden Arbeit, nämlich Schulleiter/innen, zählen, eingegangen wird. Die Autor/innen stellten in einem Berufsgruppenvergleich bei Erwerbstätigen zwischen 15 und 64 Jahren in Österreich fest, dass 37,4% aller akademischen weiblichen Lehrkräfte und 21,4% aller akademischen männlichen Lehrkräfte mindestens eine chronische Krankheit bzw. ein Gesundheitsproblem aufweisen. Damit liegen weibliche Lehrkräfte über, männliche unter dem Durchschnittswert aller betrachteten Berufsgruppen (branchenübergreifender Wert: 30,2% aller Frauen, 26,1% aller Männer) (Biffl et al., 2011, S. 66). Ob diese Gesundheitsprobleme arbeitsbedingt sind, wurde nicht erfragt. Schlafstörungen als spezielle Beanspruchungsform treten bei männlichen Lehrkräften (18,2%) gemäß den Befragungsergebnissen häufiger, bei weiblichen Lehrkräften (17,2%) seltener auf als in allen anderen Branchen (Männer: 16,8%, Frauen: 22,2%). Der Anteil jener, die in den vergangenen zwölf Monaten chronische Angstzustände oder Depressionen hatten, liegt bei akademischen Lehrkräften sowohl bei Frauen (3,3%) als auch bei Männern (1,7%) unter den Durchschnittswerten (Frauen: 5,5%, Männer: 2,4%). Dasselbe gilt für den Anteil jener, die während der vergangenen vier Wochen zumindest ziemlich oft erschöpft waren (akademische Lehrkräfte Frauen: 13,8%, Männer: 4,8%; alle beschäftigten Frauen: 15,1%, Männer: 12,8%). Beim Anteil jener, die „während der vergangenen zwei Wochen zumindest zeitweilig negative Gefühle wie Traurigkeit, Verzweiflung, Angst oder Depression hatten“, liegen akademische Lehrkräfte (Frauen: 23,2%, Männer: 12,6%) im Durchschnitt (Frauen: 24,0%, Männer: 13%) (Biffl et al., 2011, S. 71-72, 75). Zusammenfassend weist also auch diese Erhebung mit Ausnahme des Vorhandenseins chronischer Gesundheitsprobleme bei Lehrerinnen auf eine eher günstige Gesundheitssituation von akademischen Lehrkräften hin. Eine eigene Auswertung des Datensatzes der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2014, die im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit durchgeführt

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wurde, weist erneut auf eine im Vergleich zu anderen Berufsgruppen sehr günstige Gesundheitssituation von Lehrkräften und Schulleiter/innen hin. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Zahlen mit einem Gewichtungsfaktor hochgerechnet wurden. 51,7% der Berufsgruppe „Lehrkräfte“ (Gesamtbevölkerung Österreich: 35,7%) bewerten den eigenen Gesundheitszustand als sehr gut, 40,0% als gut (Gesamtbevölkerung Österreich: 42,9%). Nicht einmal jede dritte Lehrkraft (29,4%) gibt an, eine dauerhafte Krankheit oder ein chronisches Gesundheitsproblem zu haben (Gesamtbevölkerung Österreich: 36,0%). Etwa 90% der befragten Lehrkräfte beschreiben die eigene Lebensqualität als gut oder sogar sehr gut (Gesamtbevölkerung Österreich: 80,3%). Führt man die Auswertungen separat für die einzelnen Branchen durch und vergleicht im Speziellen die Zahlen der Branche „Erziehung und Unterricht“ mit den Werten der österreichischen Gesamtbevölkerung, so zeigen sich ähnliche Ergebnisse. Bei der Interpretation dieser Zahlen ist zu berücksichtigen, dass die Vergleichswerte der österreichischen Gesamtbevölkerung auch jene von z.B. älteren (pensionierten) und arbeitslosen Personen inkludieren. Blickt man über die Österreich-Grenzen hinaus, so lässt der sechste European Working Conditions Survey aus dem Jahr 2016 (vgl. European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions, 2016), im Rahmen dessen 44.000 unselbstständig und selbstständig erwerbstätige Personen in 35 europäischen Ländern, auch in Österreich, zu ihren Arbeitsbedingungen befragt wurden, folgende Aussagen für Beschäftigte im Erziehungs- und Unterrichtswesen zu: 



Die Arbeitsintensität wird mit Ausnahme sozialer Faktoren im Vergleich zu anderen Branchen als eher gering bewertet. So geben 19% der Beschäftigten im Unterrichtswesen, hingegen 34% der Beschäftigten über alle Branchen hinweg an, mit hoher Geschwindigkeit zu arbeiten. In Hinblick auf die verfügbare Zeit zur Erledigung der Aufgaben liegt das Unterrichtswesen genau im Durchschnitt. So sind nur 10% der Ansicht, nie bzw. selten genug Zeit zu haben. Im Gegensatz dazu werden soziale Belastungen im Unterrichtswesen etwas stärker erlebt. So sind 35% der Beschäftigten im Unterrichtsbereich (31% Durchschnittswert über alle Branchen hinweg) der Ansicht, häufig oder immer Gefühle verstecken zu müssen. 23% müssen ¾ oder mehr ihrer Zeit mit „schwierigen Personen(gruppen)“ (17% Durchschnittswert über alle Branchen hinweg) umgehen. 13% der Beschäftigten im Unterrichtswesen geben an, dass sie ¾ oder mehr ihrer Arbeitszeit mit „Situationen, die emotional

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4 Schulleitergesundheit aufwühlend sind“ verbringen. Bei Beschäftigen über alle Branchen hinweg liegt dieser Anteil bei 11%. Generell erleben, wie auch die Ergebnisse des ad-hoc-Moduls der österreichischen Arbeitskräfteerhebung 2013 zum Thema „Arbeitsunfälle und arbeitsbezogene Gesundheitsprobleme“ zeigen, Personen im Unterrichtswesen häufiger verbalen Missbrauch. In Hinblick auf andere „negative“ soziale Verhaltensweisen (z.B. sexuelle Belästigung, Drohungen, demütigendes Verhalten, körperliche Gewalt, Bullying) zeigen sich hingegen keine überdurchschnittlichen Werte in dieser Branche. Auch das Erleben der Sinnhaftigkeit der Arbeit ist ein Indiz für Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Diesbezüglich liegt das Unterrichtswesen nach dem Gesundheitssektor auf Platz 2. So geben mehr als 80% an, die eigene Arbeit als sinnvoll zu empfinden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zu Belastungen, Beanspruchungen und dem Krankheitsgeschehen von Lehrkräften bzw. Beschäftigten im Unterrichtswesen im Branchenvergleich ein etwas uneinheitliches Bild zeigen. Dies ist unter anderem auf unterschiedliche Erhebungsmethoden und untersuchte Stichproben zurückzuführen. Generell zeichnet sich jedoch eine Tendenz dahingehend ab, dass Lehrer/innen im Vergleich zu anderen Berufen keineswegs eine besonders prekäre Arbeitssituation bzw. einen schlechten Gesundheitszustand aufweisen. Im Folgenden wird ergänzend zu diesen Branchenvergleichen ein Blick auf spezifische Untersuchungen zur Lehrer- und Schulleitergesundheit geworfen. Dabei wird der Forschungsstand zur Lehrergesundheit lediglich überblicksmäßig, jener zur Schulleitergesundheit sehr ausführlich dargestellt. 4.1 Lehrergesundheit Zwar steht im Mittelpunkt des Interesses der vorliegenden Arbeit das BelastungsRessourcen-Beanspruchungserleben von Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs, allerdings wird aus zwei Gründen zunächst generell ein Überblick über die Forschungslage zur Gesundheit von Lehrkräften gegeben. Zunächst sind Schulleiter/innen von ihrer Ausbildung her Lehrkräfte, einige haben auch als Schulleitung weiterhin Unterrichtsverpflichtungen und nehmen damit die Rolle der Lehrkraft ein. Nieskens et al. (2013) weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Ergebnisse von Untersuchungen zur Lehrergesundheit in vielen Punkten auf die Schulleitergesundheit übertragen werden können

4.1 Lehrergesundheit

183

(S. 94). Ein anderer Grund für die Darstellung des aktuellen Forschungsstandes zur Lehrergesundheit liegt in der Tatsache, dass die Schulleitergesundheitsforschung der umfassenden Lehrergesundheitsforschung nachhinkt und sich wiederum aus dieser heraus entwickelte. Sucht man im Internet nach Begriffen wie „Lehrergesundheit“ oder Begriffskombinationen wie „Belastungen von Lehrern“, so erhält man zahlreiche Treffer für Publikationen, aber auch Trainingsangebote und Projekte. Dies deutet bereits auf eine hohe wissenschaftliche und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema hin, die unter anderem auf die Größe der Berufsgruppe sowie den Einfluss von Lehrkräften auf den Lernerfolg von Schüler/innen und in weiterer Folge das Leben der Heranwachsenden zurückzuführen ist. In der Wissenschaft selbst bestehen im angloamerikanischen Raum vor allem seit den 1970er und 1980er, im deutschsprachigen Raum seit den 1990er Jahren verstärkte Bemühungen zur Erforschung der Gesundheit, insbesondere vielfältiger Belastungen und Beanspruchungen, von Lehrkräften (vgl. Nieskens et al., 2013). Auslöser für die zunehmende Forschung in den deutschsprachigen Ländern dürften die steigenden krankheitsbedingten Frühpensionierungen in den 1990er Jahren gewesen sein (Gieske & Harazd, 2009a, S. 15). Das Thema wird aus unterschiedlichen Fachdisziplinen heraus untersucht (Hillert, 2004, S. 11-20). „Bahnbrechende“ Arbeiten, auf die in der Literatur stets Bezug genommen wird, stammen von Friedman (2006), Guglielmi & Tatrow (1998), Kyriacou (2001) und Lambert & McCarthy (2006) im angloamerikanischen Raum sowie Rudow (2000) und Schaarschmidt (2004) im deutschsprachigen Raum. Aufgrund der Fülle an Studien zur Gesundheit, dem Wohlbefinden, der Arbeitszufriedenheit, den Belastungen, Beanspruchungen und zum Teil auch Ressourcen von Lehrkräften erfolgt im Folgenden lediglich ein Überblick über dieses Forschungsfeld. Aufgrund der höheren Vergleichbarkeit mit der Situation von Lehrkräften in Österreich werden vorwiegend deutschsprachige Untersuchungen herangezogen. Österreichische Studienergebnisse werden in einem separaten Unterkapitel dargestellt. Internationale Befunde zur Lehrergesundheit außerhalb des deutschsprachigen Raums werden großteils nicht angeführt, da sie aufgrund von Länderspezifika in Hinblick auf Schularten, Beamtenstatus und Ausbildung (Dudenhofer, 2014, S. 169) nur schwer auf den Lehrerberuf in Österreich übertragbar sind. Lediglich zur Darstellung der Schulleitergesundheit im Speziellen (s. Kapitel 4.2) werden aufgrund der marginalen Forschungslage auch Untersuchungsergebnisse aus anderen Ländern angeführt.

184

4 Schulleitergesundheit

4.1.1 Überblick über die Lehrergesundheitsforschung Zunächst wird festgehalten, dass die Lehrergesundheit bislang vor allem aus einer defizitorientierten Perspektive heraus erforscht wurde. Demnach dominieren Belastungen sowie negative Beanspruchungsformen wie „Stress“, „Burnout“ und „Krankenstand“ die Forschung, während das positive Erleben von Gesundheit (vgl. Kapitel 3.2.1.1) in Form von Ressourcen und positiven Beanspruchungsformen wie Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden zumeist eher ausgeklammert wird (vgl. Nieskens et al., 2013). Guglielmi & Tatrow (1998) beschreiben eine typische Studie zum Thema Lehrerstress bzw. Lehrerburnout in den 1990er Jahren folgendermaßen: „The typical teacher stress/burnout and health study can best be characterized as a fishing expedition; a large number of measures is used to assess predictor and criterion variables, at times some individual difference measures are added to the stew, specific predictions are not articulated, the dates are analyzed by a multitude (sometimes hundreds) of bivariate correlations or t tests, and statistically significant findings are reported. Post hoc explanations of the results are offered without attempting to integrate those findings into a theoretically meaningful framework.” (S. 82)

Die beiden Autor/innen üben damit Kritik an der weitgehend theorielosen, pathogenetischen Forschung, die mittels „diffuser“ Korrelationsanalysen versucht, statistisch signifikante Zusammenhänge verschiedenster Variablen zu entdecken. Rothland (2007a) unternahm etwa zehn Jahre danach den Versuch der Zusammenfassung wesentlicher Forschungserkenntnisse im Sinne von Modellen, Konzepten und empirischen Befunden zur Lehrergesundheit. Der Autor hebt dabei die Heterogenität des Forschungsfeldes in Hinblick auf Fachdisziplin, Studiendesign, untersuchte Lehrergruppe und letztendlich Ergebnisse hervor, die ein einheitliches Bild erschwert. Zwei bekannte deutsche Forscher/innen zum Thema der Lehrergesundheit, nämlich Andreas Krause und Cosima Dorsemagen (vgl. Krause & Dorsemagen, 2007) fassen bisherige Forschungen zur Lehrergesundheit in dieser Übersichtsarbeit von Rothland (2007b) in Form von fünf Paradigmen zusammen:

4.1 Lehrergesundheit 1. 2. 3. 4. 5.

185

Gesellschaftliche Veränderungen (Autoritätsverlust, fehlende Wertschätzung, Medienkonsum von Jugendlichen) Generelle Merkmale des Lehrerberufs („nach oben offener“ Arbeitsauftrag, unklare Ziele, geringe Belohnung, hohes Engagement) Arbeitssituation an einem Schultyp (Belastungen an bestimmten Schultypen, Bedeutung bundeslandspezifischer Regelungen und rechtlicher Bedingungen) Arbeitssituation an der einzelnen Schule (soziales Miteinander) Bedeutung der Persönlichkeit (Persönlichkeitsmerkmale, Bewältigungsstrategien)

Empirische Studien bestehen zu allen fünf Paradigmen. Welche Faktoren die höchste Relevanz für die Entstehung von Beanspruchungen bei Lehrkräften haben, ist allerdings unklar. Die meisten Forschungsbemühungen widmen sich dem letztangeführten Themenkomplex. Gesucht werden die Ursachen für Beanspruchungen dabei in den Lehrkräften selbst. Untersuchungen zum Einfluss struktureller, verhältnisbezogener sowie berufsspezifischer Faktoren liegen in deutlich geringerem Ausmaß vor, was wiederum, vor allem vonseiten der Arbeits- und Organisationspsychologie, häufig kritisiert wird. Es ist von „blinden Flecken“ der Forschung und einer „systematischen Unterbelichtung relevanter Einflussfaktoren“ die Rede (Kyriacou, 2001, S. 28-20; Rothland, 2009, S. 111-113). Bis heute konnte eine Ausweitung an Forschung zu diesen Aspekten festgestellt werden, was aus späteren Ausführungen ersichtlich wird. Ein prominentes Beispiel für die Bedeutung persönlichkeitsbezogener Aspekte in Hinblick auf das Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben von Lehrkräften stellt die Potsdamer Lehrerstudie von Uwe Schaarschmidt und seinen Kolleg/innen, die an nahezu 20.000 Personen durchgeführt wurde, dar (vgl. Schaarschmidt, 2004; Schaarschmidt & Kieschke, 2007). Kernergebnis dieser Untersuchung bilden die in der Lehrergesundheits- und -belastungsforschung allseits bekannten und viel zitierten „Arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster“ (AVEM), die sowohl ein persönlichkeitsdiagnostisches Fragebogenverfahren als auch eine Typologie von Lehrkräften bezeichnen. Mittels Fragebogen werden gesundheitsgefährdende und -fördernde Faktoren des Berufslebens ermittelt, wobei Skalen zu den Bereichen „berufliches Engagement“, „Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen“ und „berufsbegleitende Emotionen“ gebildet wurden. Je nach Zusammenspiel der drei Faktoren unterscheiden die Autor/innen vier Muster arbeitsbezogenen Verhaltens und Erlebens:

186 1.

2.

3.

4.

4 Schulleitergesundheit Muster G Das „G“ in dieser Typbezeichnung steht für Gesundheit und ein gesundheitsförderliches Verhältnis zur Arbeit. Lehrkräfte, die diesem Typ zuzuordnen sind, zeichnen sich durch ein stärkeres, allerdings nicht exzessives berufliches Engagement, eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und positive Emotionen aus. Muster S Das „S“ in dieser Typbezeichnung steht für Schonung. Lehrkräfte dieses Typs weisen ein geringes Engagement und mittlere Werte bei den beiden anderen Dimensionen auf. Dieser Typ hat in der Regel kein besonderes Gesundheitsrisiko, allerdings dürfte das mangelnde Engagement eine Barriere für erfolgreiche Arbeit sein. Risikomuster A Das „A“ steht bei diesem Typ für Anstrengung. Lehrkräfte, die diesem Typ zugeordnet werden können, haben ein erhöhtes Engagement und gleichzeitig eine verminderte Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen sowie negativen Emotionen. Ein Gesundheitsrisiko ergibt sich hier vor allem aufgrund der Selbstüberforderung. Auf Dauer reicht bei diesem Typ die Kraft nicht aus, um Belastungen des Berufs zu bewältigen. Risikomuster B Häufig entwickeln sich Lehrkräfte mit dem Risikomuster A zum Risikomuster B („Burnoutentwicklung“) hin, welches durch permanentes Überforderungserleben, Erschöpfung und Resignation gekennzeichnet ist. Gleichzeitig bestehen ein geringes Arbeitsengagement, größere Einschränkungen in der Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen sowie zum Teil starke negative Emotionen (Schaarschmidt, 2011, S. 152-154).

Die Muster wurden in Hinblick auf ihre Gesundheitsrelevanz vielfach validiert. Dabei wurde festgestellt, dass das Muster G die günstigsten Werte in Bezug auf psychisches und körperliches Befinden, Erholungsfähigkeit, die Absicht vorzeitiger Pensionierung und andere Gesundheitsindikatoren aufweist, die Muster A und B die ungünstigsten. Psychische Beschwerden treten bei Lehrkräften des Musters B deutlich häufiger auf als bei jenen des Musters A. Im Zuge der Potsdamer Lehrerstudie wurde im Vergleich mit anderen Berufsgruppen darüber hinaus festgestellt, dass ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz der Lehrkräfte (29%) dem Risikomuster B zuzuordnen ist (Schaarschmidt, 2011, S. 154-155). Viele weitere Untersuchungen schreiben Persönlichkeitseigenschaften und dem individuellen Bewältigungsverhalten ebenfalls eine hohe Bedeutung für das Erleben von Belastungen und Beanspruchungen zu (vgl. Döring- Seipel & Dauber, 2010, S. 3-4; Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, 2014, S. 91-98).

4.1 Lehrergesundheit

187

Auf Basis der fünf Paradigmen innerhalb der Lehrergesundheits- und -belastungsforschung entwickelten Krause & Dorsemagen (2007) einen Raster zur Einordnung empirischer Untersuchungen, welcher aus neun Rubriken besteht (s. Tabelle 9). Die Autor/innen listen zur Beschreibung der Rubriken Fragestellungen und Ergebnisse bisheriger Untersuchungen auf vgl. Krause & Dorsemagen, 2007). Der Raster erinnert an die Einteilung von Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen in den Arbeitswissenschaften (s. Kapitel 3.2.1.2). In der vorliegenden Arbeit kommt vor allem den Kategorien 2, 5 und 6 hohe Relevanz zu, wobei diese Faktoren im Kontext der anderen Kategorien betrachtet werden. Neben personenbezogenen Einflussfaktoren dominieren in der bisherigen Forschung Studien zu langfristigen affektiven Beanspruchungsfolgen. Seit einigen Jahren zeigen sich jedoch auch vermehrt Studien zu kurz- und langfristigen physiologischen Beanspruchungsreaktionen und -folgen sowie zu lehrer- und schulspezifischen Interventionsstrategien. In Hinblick auf arbeitsbezogene Einflussfaktoren überwiegen Untersuchungen zur subjektiven Wahrnehmung der Arbeitssituation durch Lehrkräfte selbst. Darüber hinaus gibt es erste Ansätze zur objektiven Erfassung arbeitsbezogener Einflussgrößen (vgl. Krause & Dorsemagen, 2007). Tabelle 9:

Raster zur Einordnung empirischer Untersuchungen der Lehrergesundheitsforschung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Krause & Dorsemagen (2007)

(1) Gesellschaftliche Rahmenbedingungen Einflussfaktoren (2) arbeitsbezogene Ein(3) personenbezogene Einflussfak(4) außerbeflussfaktoren: objektoren: Demographisches, Persönrufliche Eintiv/objektivierbar, sublichkeit/Motive/Eigenschaften, Bioflüsse jektive Wahrnehmung grafie, Coping/Bewältigung Folgen (5) kurzfristige, aktuelle (6) mittel- bis langfristige, chroniBeanspruchungsreaktio(7) nicht-lehsche Beanspruchungsfolgen: physinen: physiologisch-körrerbezogene ologisch-körperlich, affektiv, kogperlich, affektiv, kogniFolgen nitiv, verhaltensmäßig tiv, verhaltensmäßig Intervention (8) Verhältnisprävention (9) Verhaltensprävention

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4 Schulleitergesundheit

Da die Lehrergesundheitsforschung, wie bereits eingangs erwähnt, vorwiegend belastungsorientiert ist, unternahm Rudow (2000) den Versuch einer Übersicht über arbeitsbezogene Belastungskategorien und -faktoren im Lehrerberuf (s. Tabelle 10). Diese gehen mit den von Kyriacou (2001) seit den 1970er Jahren erforschten Hauptgründen für Stress von Lehrkräften konform, wobei zu berücksichtigen ist, dass Persönlichkeitsmerkmale, soziodemographische Faktoren, die Struktur der jeweiligen Schule sowie die Organisation des Schulsystems in einem Land einen Einfluss auf das (tatsächliche) Erleben von Belastungen haben (S. 29-30). Tabelle 10: Belastungskategorien und -faktoren in der Lehrerarbeit, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Rudow (2000, S. 50)

Belastungskategorie Arbeitsaufgaben/ schulorganisatorische Bedingungen

Soziale Bedingungen

Arbeitsumweltbedingungen

Kulturelle Bedingungen

Belastungsfaktoren Arbeitsaufgaben, Arbeitszeit/Pausenzeit, Unterrichtsfach, Lehrplan, Klassenfrequenz, Klassenrekrutierung, Stundenplan, Raumplan/-wechsel, Schultyp/-größe, Lehrerfunktionen, Unterrichtsmethode, Lehr-/Lernmittel, Prüfungen, Weiterbildung, physische Belastung, Sprechbelastung Schüler/innen, Kolleg/innen/Personalrat, Schulleitung, Eltern/-beirat, Schulbehörden, Betriebe, Sozialarbeiter/innen bzw. -pädagog/innen, externe Fachkräfte, Schulsekretär/in, Hausmeister/in Lärm, Mikroklima, Luftbeschaffenheit, Beleuchtung, Klassenraum, Bildschirmarbeit, unterrichtsfachspezifische Faktoren, Pausen-/ Entspannungsraum, Schulgebäude, Schulausstattung, Sanitärräume, Schulstandorte, Infektionsgefahr Schulkultur/-klima, gesellschaftliche Erwartungen, Medien, Berufsstatus/-image/-anerkennung, Gehalt, Schulreformen/-innovationen, Schulimage

Die von Rudow (2000) identifizierten Belastungskategorien und -faktoren weisen auf die vielfältigen Facetten der Lehrerbelastungsforschung hin. Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht dabei die Kategorie der sozialen Bedingungen. Diese wird im Folgenden in Anlehnung an die Ausführungen von Rudow (2000) sowie

4.1 Lehrergesundheit

189

anderer Autor/innen näher beschrieben und exemplarisch mit Studienergebnissen aus dem deutschsprachigen Raum untermauert. Soziale Beziehungen zu anderen Lehrkräften, Schüler/innen, Eltern, der Schulleitung und sonstigen am Schulleben beteiligten Personen haben Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Lehrer/innen. Der aktuelle Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen sozialen Beziehungen und Netzwerken auf der einen Seite und bestimmten Gesundheitsindikatoren auf der anderen Seite wurde bereits in Kapitel 3.1.4 umfassend dargestellt. In den nachfolgenden Ausführungen wird nun der Fokus auf die Bedeutung sozialer Faktoren für das individuelle Beanspruchungserleben von Lehrkräften gelegt. Schaarschmidt (2011) sieht in den sozialen Beziehungen die Hauptquelle für Belastungen von Lehrkräften. So schreibt er: „Zunächst ist grundsätzlich festzuhalten, dass Berufe mit erhöhter psychosozialer Beanspruchung, in denen also ständiger Umgang mit Menschen und die Wahrnehmung von Verantwortung für andere Menschen gefordert ist, im Allgemeinen zu den anstrengendsten Berufen gehören – allein schon deshalb, weil Gedanken und Gefühle, die aus zwischenmenschlichen Beziehungen resultieren, meist nachhaltiger und intensiver sind als solche, die aus sachbezogenen Auseinandersetzungen herrühren.“ (S. 151)

Bamberg & Ostendorf (2008) weisen auf die hohe Relevanz sozialer Interaktionen als Ursachen für Frühpensionierung bei Lehrkräften hin und nennen dabei Faktoren wie die Beziehungen zu Schüler/innen, störendes Schülerverhalten, schülerbezogene Stressoren, Konflikte mit Schulleiter/innen und Eltern, ein schlechtes Arbeitsklima, fehlende soziale Unterstützung sowie eine geringe Wertschätzung als potenzielle Belastungen. Im Zuge einer inhaltsanalytischen Auswertung von 60 Gutachten des personalärztlichen Dienstes in Hamburg stellten die Autorinnen fest, dass in 23 davon Aussagen zu sozialen Stressoren (47 Kodierungen) enthalten sind. Am häufigsten werden dabei Belastungen durch Kolleg/innen (19 Angaben) und soziale Konflikte mit Schüler/innen (acht Angaben) sowie der Schulleitung (sieben Angaben) genannt (S. 347-348, 350-355). Döring-Seipel & Dauber (2010) stellten in einem Vergleich von eher kranken mit eher gesunden Lehrkräften fest, dass erstere signifikant weniger soziale Unterstützung, signifikant mehr (negative) soziale Kontrolle durch Kolleg/innen sowie mehr Belastungen aufgrund der Interaktion mit Eltern, der Schulleitung, Kolleg/innen und Schüler/innen erleben (S. 6). In der bereits erwähnten Aargauer Lehrerstudie (vgl. Nido et al., 2008), in der die häufigsten allgemeinen Belastungen von Lehrer/innen erhoben wurden, konnte ebenfalls die hohe Bedeutung sozialer Belastungsfaktoren festgestellt werden. So liegen Belastungen neben Neuerungen, Veränderungen im Schulsystem und

190

4 Schulleitergesundheit

Reformen (50% eher starke bis starke Belastung) vor allem im Verhalten „schwieriger“ Schüler/innen (48%), Erwartungen unterschiedlicher Personen (Schüler/innen, Eltern) (36%), der Beurteilung von Schüler/innen (34%), der Koordinierung von beruflichen und außerberuflichen Verpflichtungen (33%), der Heterogenität der Klasse (32%), außerunterrichtlichen kollegiumsbezogenen Pflichten (z.B. Konferenzen) (30%), erzieherischen Aufgaben gegenüber Schüler/innen (30%), außerunterrichtlichen schulbezogenen Pflichten (26%) sowie im Organisieren und Durchführen spezieller Schul- bzw. Klassenaktivitäten (25%). Auch in der „Thurgauer Lehrerstudie“ bei Volksschullehrkräften (n= 1.449) wurden das Verhalten schwieriger Schüler/innen, Neuerungen und Reformen sowie unterschiedliche Erwartungen verschiedener Personengruppen an die Lehrkraft als größte Belastungsfaktoren identifiziert. Dem Einfluss sozialer Bedingungen auf die Lehrergesundheit widmete sich Ulich (1996) umfassend in seiner Monografie, in der er die Ergebnisse einer qualitativen Studie mit offenen, problemzentrierten Interviews mit 20 Lehrkräften unterschiedlicher Schultypen in Deutschland darstellt. Der Autor schreibt von „Lehrer/innen im Spannungsfeld sozialer Beziehungen“ (S. 109). In der zum Teil „erzwungenen“ Zusammenarbeit mit Schüler/innen liegt Ulich (1996) zufolge Belastungspotenzial in Form von problematischen Verhaltensweisen dieser, mangelnder Motivation und Desinteresse, nicht erfüllten gegenseitigen Erwartungen, mangelnder Distanzierungsfähigkeit sowie dem Gefühl der Ablehnung durch die Schülerschaft (S. 85). Generell unterscheidet Ulich bei schülerbedingten Belastungen zwischen solchen leistungs- und verhaltensbezogener Art. Die qualitative Inhaltsanalyse von Ulich ergab, dass Schwierigkeiten mit Schüler/innen die größten Belastungen im Kontext sozialer Beziehungen mit dieser Personengruppe sind (S. 56-57). Auch die Hilflosigkeit von Lehrkräften beim Versuch, Schüler/innen bei Problemen zu helfen, stellt eine potenzielle Belastung dar. Dies ist unter anderem mit einer Nähe-Distanz-Problematik in der Beziehung zu Schüler/innen verbunden (S. 115, 117). Daneben ist die Integration bzw. Inklusion von Kindern mit besonderen Bedürfnissen bzw. anderer Kulturen oft eine Herausforderung (vgl. Nieskens et al., 2013). Lehr (2004) zeigt auf, dass die Kerntätigkeit von Lehrkräften, nämlich das Unterrichten von Schüler/innen, deutlich mehr Belastungspotenzial in sich birgt als Rahmenfaktoren wie etwa das Image von Lehrkräften oder zusätzliche Verwaltungsaufgaben (S. 124). Interviews im Rahmen der Aargauer Lehrerstudie mit Lehrkräften zeigen, dass der Umgang mit Kindern in den vergangenen Jahren immer schwieriger wurde, was die Befragten vor allem auf zunehmende problematische familiäre Strukturen sowie den Medienkonsum zurückführen (vgl. Nido et al., 2008). Hillert, Koch & Lehr (2013) diskutieren die „störanfällige, extrem hohe

4.1 Lehrergesundheit

191

Interaktionsdichte in der Unterrichtssituation“ als wesentliche lehrerspezifische Belastung. Belastungen, die durch die Beziehung von Lehrkräften zu Eltern der Schüler/innen entstehen können, liegen vor allem in fehlender Anerkennung der Unterrichts- und Erziehungsarbeit, steigenden Erwartungen von Eltern an den/die Lehrer/in sowie mangelnder Einsicht der Eltern bei ungenügenden Schülerleistungen. Im Vergleich mit anderen Belastungsfaktoren identifizierte Ulich Probleme mit Eltern bzw. Erwartungen und Ansprüche dieser als drittgrößte Belastungsquelle im Lehrerberuf. Einerseits wird die Interesselosigkeit, andererseits ein Überengagement und „Einmischen“ als belastend erlebt (Ulich, 1996, S. 131-133). Die Zusammenarbeit der einzelnen Lehrkraft mit Kolleg/innen wird häufig als unzureichend bewertet. So werden Lehrer/innen oft als Einzelkämpfer/innen bezeichnet. Klassen gelten als abgeschlossene Systeme, die professionelles Feedback durch andere erschweren. Kollegialer Austausch findet außerhalb von Konferenzen nur selten statt (vgl. Nieskens et al., 2013). Auch Rothland (2007b) weist auf die speziellen Rahmenbedingungen der Organisation Schule hin, die ein reges sozial-interaktives Geschehen und ein von Offenheit geprägtes Klima innerhalb der Lehrerschaft erschweren (S. 261). Konkret zeigen Erkenntnisse, dass eine mangelnde Unterstützung durch Kolleg/innen den Glauben an die eigene soziale Kompetenz und die individuelle Bedeutung für das Lehrerkollegium einschränken und in weiterer Folge die Zufriedenheit mit und Qualität der Arbeit beeinträchtigen (Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, 2014, S. 98). Auch Konkurrenzdenken birgt ein Belastungspotenzial in sich (Ulich, 1996, S. 156). Neben beruflichen können auch soziale Bindungen im Privatbereich belastend, z.B. in Form von kritischen Lebensereignissen oder Spillover-Konflikten an der Schnittstelle Beruf-Familie, wirken. Schröder (2007) kam zum Ergebnis, dass diese Faktoren die Dienstunfähigkeit von Lehrkräften begünstigen (S. 149). Nach Betrachtung der einzelnen Belastungskategorien und -faktoren von Rudow sowie der sozialen Bedingungen im Speziellen ist ergänzend festzuhalten, dass diese je nach Ausprägung auch Ressourcenkategorien und -faktoren sein können. Döring-Seipel & Dauber (2010) schreiben neben der Forschungsperspektive „Risikofaktorenmodell – Analyse von krankmachenden Arbeitsbedingungen“ auch der „salutogenetischen Perspektive – gesunderhaltende statt krankmachende Faktoren“ hohe Relevanz zu (S. 1-3). So können beispielsweise soziale Interaktionen, wenn sie gelingen, soziale Ressourcen sein. Ulich (1996) meint in diesem Zusammenhang etwa: „Der Umgang mit den Schülerinnen und Schülern ist für Lehrer/innen die Hauptquelle von beruflicher Belastung und Leiden, aber auch von Zufriedenheit und Selbstbestätigung.“ (S. 118-119)

192

4 Schulleitergesundheit

Heitzmann, Kieschke & Schaarschmidt (2007) bzw. Schaarschmidt (2004) identifizierten im Rahmen ihrer Untersuchungen als die drei zentralsten Entlastungsfaktoren von Lehrkräften   

nahestehende Personen im privaten Umfeld oder im Arbeitsbereich, eine entspannende Freizeitgestaltung und privater Ausgleich sowie ein positiv wahrgenommenes soziales Klima sowohl innerhalb der Kollegenschaft als auch in der Beziehung zur Schulleitung.

In Hinblick auf die letztangeführte Ressource ist zu erwähnen, dass Nido et al. (2008) die soziale Unterstützung durch Kolleg/innen sowie Unterstützungslehrpersonen ebenfalls als wichtigste Kraftquelle von Lehrkräften ermittelten. Generell können die Unterstützung und das Verständnis der Kollegenschaft bzw. der Schulleitung, Wertschätzung und konkrete Hilfe entlastend bzw. als Puffer beim Umgang mit Belastungen wie schwierigen Schüler/innen, großen Schulklassen oder einer hohen Unterrichtsstundenanzahl wirken (Wimmer, 2011, S. 44). Van Dick et al. (1999) belegten ebenfalls eine Pufferwirkung sozialer Unterstützung bei Lehrkräften (n= 424) verschiedener Schultypen in Deutschland. Ist soziale Unterstützung durch Kolleg/innen, die Schulleitung sowie den Privatbereich nicht vorhanden und treten gleichzeitig hohe Belastungen auf, so zeigen sich die stärksten Beschwerden. Darüber hinaus weisen die Autor/innen darauf hin, dass mangelnde soziale Unterstützung von einer Seite (z.B. vonseiten der Kolleg/innen) durch soziale Unterstützung von einer anderen Seite (z.B. vonseiten der Schulleitung) ausgeglichen werden kann. Schröder (2007) weist neben der beruflichen Unterstützung auf die Bedeutung familiärer sozialer Ressourcen als Protektivfaktor in Hinblick auf das Auftreten von Dienstunfähigkeit hin (S. 149-150). Betrachtet man als Ergebnis des Zusammenspiels von Belastungen und Ressourcen im Speziellen verschiedene Beanspruchungsformen von Lehrer/innen, so berichtet Lehr (2004), dass für Dienstunfähigkeit der häufigste Grund psychische Störungen sind. Jehle & Schmitz (2007) sowie Weber (2004) bestätigen das Überwiegen psychosomatischer Diagnosen wie Depressionen oder Erschöpfungszustände (vgl. auch Bamberg & Ostendorf, 2008, S. 347). Schönwälder, Berndt, Ströver & Tiesler (2003) identifizierten mittels Einsatz eines Fragebogens, medizinischer Untersuchungen, arbeitsbegleitender Beobachtungen sowie Schallpegelaufzeichnungen körperliche Beschwerden aufgrund des Stütz- und Bewegungsapparates, des Hals-Nasen-Ohren-Bereiches und der Atmungsorgane, Allergien, Herz-Kreislauferkrankungen, Kopfschmerzen, Migräne sowie Magen-Darm-Erkrankungen als die häufigsten negativen körperlichen Beanspruchungsformen von Lehrkräften. Bei psychosomatischen Beschwerden

4.1 Lehrergesundheit

193

dominieren der Autorengruppe zufolge Erschöpfung bzw. Müdigkeit, innere Unruhe, erhöhte Reizbarkeit, ein Gefühl, die eigene Leistung nicht zeigen zu können, sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen (S. 92ff). Dudenhofer (2014) resümiert aus seiner Übersichtsarbeit zur Lehrergesundheit in Deutschland, dass vor allem in Hinblick auf die psychische Beanspruchung stark divergierende Angaben einzelner Studien ein abschließendes Urteil erschweren (S. 180). Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (2014) kritisiert vor allem den Mangel an repräsentativen Erhebungen, die „verallgemeinerungsfähige Aussagen erlauben würden“, sowie den „Flickenteppich“ der Studienergebnisse (S. 77). Gieske & Harazd (2009a) üben ebenfalls am Fehlen repräsentativer Stichproben Kritik. In Hinblick auf Burnout halten die Autor/innen fest, dass es davon zahlreiche Konzepte, verschiedene Ursachen und Bedingungsfaktoren gibt, die ebenfalls eine mangelnde Vergleichbarkeit von Studienergebnissen hervorrufen. Im nachfolgenden Unterkapitel werden konkrete Zahlen zu Beanspruchungsfolgen, aber auch Belastungen und Ressourcen von österreichischen Lehrkräften dargestellt. 4.1.2 Nationale Untersuchungen zur Lehrergesundheit Einführend in das Kapitel 4 wurden bereits Daten zur Lehrergesundheit im Branchenvergleich dargestellt. Diese beziehen sich sowohl auf objektive, „harte“ (z.B. Krankenstandstage, Frühpensionierungsrate) als auch auf subjektive, „weiche“ (z.B. Arbeitszufriedenheit, subjektiv wahrgenommene Gesundheitsprobleme) Gesundheitsindikatoren. In diesem Kapitel soll ein tieferer Einblick in das Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben österreichischer Lehrkräfte gegeben werden. Eine objektive Kennzahl, die einen eher schlechten Gesundheitszustand von Lehrer/innen vermuten lässt, ist die Frühpensionierungsrate. Zwischen 2008 und 2013 gingen in Österreich nur knapp 5% der Landeslehrer/innen mit tatsächlichem Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters in den Ruhestand. Da diese Kennzahl von zahlreichen Autor/innen jedoch als wenig aussagekräftig betrachtet wird, soll an dieser Stelle lediglich auf einen Bericht des Rechnungshofes zu Pensionierungen bei Landeslehrer/innen in Österreich (vgl. Rechnungshof, 2015) hingewiesen werden. Diese Zahlen zeigen, dass Landeslehrer/innen, zu denen grundsätzlich Volksschullehrer/innen zählen, ein niedrigeres Pensionsantrittsalter haben als Bundes-

194

4 Schulleitergesundheit

lehrbeamte, was vermutlich auch auf unterschiedliche gesetzliche Regelungen zurückzuführen ist. Ergänzend zeigt der Bericht des Rechnungshofes die zeitliche Entwicklung der Krankenstandstage von Landeslehrerbeamten. Mit Ausnahme des Bundeslandes Burgenland konnte in allen Bundesländern ein Anstieg verzeichnet werden. Nachfolgend steht die Ergebnisdarstellung einer Untersuchung mit dem Titel „LehrerIn 2000“ im Mittelpunkt. Diese gibt Auskunft über das subjektive Erleben von Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen, aber auch über die Berufszufriedenheit von Lehrkräften in Österreich. Grund für die Beschreibung der Berufszufriedenheit ist, dass verschiedene Untersuchungen eine hochsignifikante Korrelation zwischen dem subjektiven Gesundheitszustand, dem Wohlbefinden bzw. diversen Beanspruchungsformen und der Arbeitszufriedenheit von Lehrkräften nachweisen konnten (vgl. Schröder, 2007, S. 18; van Dick, 1999 sowie die Ausführungen der folgenden Studien). Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass es ergänzend zur Studie „LehrerIn 2000“ einige weitere, vor allem auch aktuellere Erhebungen zur Lehrergesundheit in Österreich gibt. Da deren Untersuchungsgruppen jedoch keine Volksschullehrkräfte inkludierten, wird auf diese lediglich verwiesen (vgl. Gerich & Sebinger, 2006; Griebler, 2011; Hofmann et al., 2012; Schmich & Schreiner, 2009). LehrerIn 2000 Die Untersuchung „LehrerIn 2000“, welche mit fast 7.000 Lehrkräften aller Schultypen, so auch Volksschulen, in Österreich durchgeführt wurde, ergab, dass 82% der Befragten sehr zufrieden oder zumindest zufrieden mit ihrer Tätigkeit als Lehrkraft sind. Dabei ist diese allgemeine Berufszufriedenheit bei Lehrkräften in Berufsschulen, Volksschulen und Sonderschulen am höchsten. Jüngere Lehrkräfte sind mit ihrem Beruf zufriedener als ältere (vgl. Hofinger et al., 2000). Betrachtet man spezifische Zufriedenheitswerte (Skala: sehr zufrieden, eher zufrieden, mittelmäßig zufrieden, eher nicht zufrieden, gar nicht zufrieden), so zeigt sich, dass Lehrkräfte mit dem Image des Lehrerberufes (67% eher oder gar nicht zufrieden), ihrem Einkommen (42% mittelmäßig zufrieden, 27% eher oder gar nicht zufrieden) und Karrieremöglichkeiten (35% mittelmäßig zufrieden, 37% eher oder gar nicht zufrieden) am wenigsten zufrieden sind. Die höchsten Zufriedenheitswerte zeigen sich in Hinblick auf die pädagogischen Aufgaben wie etwa den täglichen Kontakt mit Kindern bzw. Jugendlichen. So gaben etwa 90% an, mit dem Faktor „Umgang mit Kindern und Jugendlichen“ sehr zufrieden oder eher zufrieden zu sein. An zweiter Stelle der Zufriedenheitsskala liegen die Beziehungen zu Kolleg/innen (80% sehr oder eher zufrieden). Ebenfalls 80% sind mit der

4.1 Lehrergesundheit

195

Möglichkeit, Arbeitsabläufe selbstständig gestalten zu können, sehr oder eher zufrieden. Lehrkräfte an Volksschulen zeichnen sich im Vergleich zu jenen anderer Schultypen laut den Studienergebnissen durch eine überdurchschnittlich hohe Zufriedenheit mit den Möglichkeiten, über Arbeitsabläufe selbst zu entscheiden (87%), der Diensteinteilung (87%), dem Ansehen der Schule (70%), dem Führungsstil des/der Vorgesetzten (70%), der persönlichen Weiterentwicklung durch die berufliche Tätigkeit als Lehrer/in (67%), den Mitbestimmungsmöglichkeiten der Lehrkräfte in der Schule (69%), der Unterstützung durch Vorgesetzte (61%), den von Schule und Behörden angebotenen Weiterbildungsmöglichkeiten (57%), den Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten (36%) sowie der Unterstützung durch Behörden (30%) aus. Die häufigsten Beschwerden von Lehrkräften stellen gemäß dieser Untersuchung Probleme des Stütz- und Bewegungsapparates, Stimmprobleme, Kopfschmerzen und psychische Beeinträchtigungen dar. Vor allem Hals- und Stimmprobleme führen die Befragten dabei überwiegend auf ihre Tätigkeit als Lehrer/in zurück (45%). 22% sind der Ansicht, dass psychische Probleme bzw. Nervosität arbeitsbedingt sind. Volksschullehrkräfte erleben überdurchschnittlich häufig körperliche Beschwerden wie Infektanfälligkeit (63%) sowie Herz-Kreislaufprobleme (46%). In Hinblick auf das Thema der Burnout-Gefährdung ist anzumerken, dass sich am Ende eines Arbeitstages mehr als zwei Drittel (68%) völlig oder überwiegend erledigt fühlen. Ebenso viele sind der Ansicht, sich bei der Arbeit zu sehr anzustrengen. Etwa ein Viertel (24%) fühlt sich bereits beim Aufstehen in der Früh müde, etwa ein Fünftel (21%) gibt an, dass es die meiste Zeit an Tatkraft fehlt. Jede zweite Lehrkraft erlebt Belastungen aufgrund des notwendigen Kompensierens gesellschaftlicher Missstände. Ebenfalls jede/r zweite/r Lehrer/in fühlt sich vom Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern bzw. Jugendlichen, unterschiedlichen Leistungsniveaus und dem Stören des Unterrichts durch Schüler/innen belastet. Auch das mangelnde Ansehen in der Gesellschaft stellt einen Belastungsfaktor dar. Volksschullehrer/innen zeichnen sich in Hinblick auf das Erleben von Belastungen im Vergleich zu Lehrer/innen an anderen Schulen dadurch aus, dass sie sich besonders stark von der Raumsituation an der Schule belastet fühlen. Am meisten fühlen sich österreichische Lehrkräfte durch ihre pädagogische Verantwortung (89%); die Aufgabe, die Erziehungsarbeit von Eltern zu ergänzen (80%) sowie das Unterrichten verhaltensauffälliger Schüler/innen (75%) gefordert. Dies gilt vor allem für Volksschullehrkräfte. An diesem Schultyp wird darüber hinaus der Umgang mit sozialen und persönlichen Problemen von Schüler/innen als sehr fordernd erlebt (78%).

196

4 Schulleitergesundheit

Den größten Entlastungsfaktor stellen für Lehrkräfte die Ferien (94%), die flexible Zeiteinteilung außerhalb des Unterrichts (86%), das selbstständige Arbeiten (84%) sowie die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie (72%) dar. Zu den am befriedigendsten Tätigkeiten von Lehrkräften zählen die Aufgabe, das eigene Fachwissen auf den neuesten Stand zu bringen (79%) sowie das Arbeiten für die Schule von zu Hause aus (66%). Speziell in Volksschulen gilt darüber hinaus die Diskussion mit Kolleg/innen über Schüler/innen als durchaus befriedigend (71%). Neben der Befragung wurden im Rahmen von „LehrerIn 2000“ auch arbeitsmedizinische Untersuchungen durchgeführt. Diese geben allerdings nur wenige Hinweise auf berufsspezifische Krankheiten von Lehrkräften. 4.1.3 Modelle zur Erklärung der Entstehung von Belastung und Beanspruchung bei Lehrkräften In Kapitel 3.2 wurden allgemeine, berufsunspezifische Theorien und Modelle zur Entstehung bestimmter Beanspruchungsfolgen erläutert. Das Belastungs(Ressourcen-)Beanspruchungskonzept bzw. Belastungs-Ressourcen-Gesundheits-Modell sowie das Stressmodell von Lazarus, welches Stress als Ergebnis kognitiver Prozesse einer Person betrachtet, boten die meisten Anstöße für verschiedene spezifische Modelle zur Erklärung der Entstehung von Belastungen und Beanspruchungen bei Lehrkräften. Diese Modelle vereinen die Annahmen allgemeiner Theorien und Modelle zu Arbeit und Gesundheit mit spezifischen Erkenntnissen der Lehrergesundheits- und -belastungsforschung. Eines der bekanntesten, jedoch gleichzeitig jüngsten Modelle im deutschsprachigen Raum ist das Lehrerstress-Modell von Rudow (1994), welches eine psychologische Perspektive einnimmt, Ansätze des Stressmodells von Lazarus aufgreift und eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Lehrerstress-Modells von Kyriacou & Sutcliffe (1978) darstellt (s. Abbildung 19).

4.1 Lehrergesundheit

Abbildung 19:

197

Lehrerstress-Modell von Rudow (1994), Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Rudow (1994)

Im Modell von Rudow (1994) wird „Stress“ als Prozess betrachtet, der von der Bewertung und Bewältigung beeinflusst wird. Arbeitsbelastungen; Arbeitsaufträge und -bedingungen; arbeitsorganisatorische, arbeitshygienische und soziale Aspekte wie das Verhalten von Schüler/innen oder die Administration werden als objektive Merkmale der Lehrertätigkeit betrachtet. Diese objektiven potenziellen Belastungen bestehen unabhängig von der Lehrkraft. Sie können diese beanspruchen, müssen aber nicht. Im Zuge der primären Bewertung kann die betroffene Lehrkraft diese Faktoren als irrelevant, angenehm oder stressrelevant einstufen. Bei der sekundären Bewertung eruiert der/die Lehrer/in, welche internen und Umwelt-Ressourcen zur Bewältigung der Arbeitsbelastungen zur Verfügung stehen. Danach beginnt der Bewältigungsversuch. Gelingt dieser, tritt keine Stressreaktion auf, gelingt er nicht, entsteht Stress. Je nachdem, ob die Bewältigung gelungen ist, erfolgt eine Neubewertung der jeweiligen Arbeitsbelastung(en). Erfolgte keine adäquate Bewältigung der Arbeitsbelastung, so beginnt der Prozess von vorne. Wird der Prozess immer wieder durchlaufen und scheitern Bewältigungsversuche, so entsteht negativer chronischer Stress, der wiederum funktionelle Störungen im Herz-Kreislauf- sowie Magen-Darm-System, neurotische Störungen wie Depressionen oder Angst sowie psychosomatische Störungen begünstigt. Belastungen außerhalb des Berufs (z.B. Familienkonflikte) können den primären Bewertungsprozess beeinflussen (vgl. Gieske & Harazd, 2009a; Rudow, 1994). Validierungsversuche des Modells kamen zum Ergebnis, dass psychische Gesundheitsparameter, nicht aber körperliche, durch das Bewältigungsverhalten erklärt werden können (van Dick & Stegmann, 2007, S. 39-40).

198

4 Schulleitergesundheit

Rudow (1990) übertrug darüber hinaus auch das arbeitswissenschaftliche Belastungs-Beanspruchungs-Konzept, welches für die vorliegende Arbeit von besonderer Relevanz ist, auf den Lehrerberuf und integrierte darin Ansätze weiterer Theorien der Handlungspsychologie, der Organisationspsychologie sowie der Tätigkeitstheorie. Das Modell wird auch als Rahmenmodell schulischer Belastung bezeichnet und betrachtet im Gegensatz zum Lehrerstress-Modell nicht ausschließlich Stress, sondern auch andere negative und positive Beanspruchungsformen. Positive Beanspruchungsfolgen, die sich aus Belastungen ergeben können, liegen in geistiger Aktivität und Wohlbefinden. Im Modell wird von den der vorliegenden Arbeit zugrundeliegenden Definitionen von Belastung und Beanspruchung (s. Kapitel 3.2.1.2) ausgegangen. Dabei beinhaltet das Modell neben der objektiven auch eine subjektive Belastungskomponente. Die individuelle „Widerspiegelung“ einer objektiven Belastung, die in Arbeitsaufgaben und -bedingungen einer Lehrkraft liegen kann, führt gemäß dem Modell zur subjektiven Belastung. Zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. Rudow, 1994) wurde das Modell weiterentwickelt, wobei Handlungsvoraussetzungen in Form von Ressourcen (Motive, Einstellungen, soziale Kompetenz, pädagogische Qualifikation, Berufserfahrungen, emotionales Befinden, körperliches Befinden) in das Modell integriert wurden, die den Prozess der Widerspiegelung beeinflussen (vgl. auch van Dick & Stegmann, 2007, S. 36). Die subjektive Belastung wird also als das Ergebnis des Zusammenspiels von Belastungen der Arbeit und Ressourcen betrachtet. Die Integration der Ressourcenkomponente entspricht der der vorliegenden Arbeit zugrundeliegenden Annahme des Zusammenspiels von Belastungen, Beanspruchungen und Ressourcen, denen im Modell subjektive Bewertungsprozesse („subjektive Belastung“) „dazwischengeschoben“ werden. Böhm-Kasper (2004) entwickelte das Modell einige Jahre später noch einmal weiter. Dessen Modell ist auch auf die Zielgruppe der Schüler/innen übertragbar. Rollenanforderungen als spezielle Form objektiver Belastung kommt neben anderen Belastungsfaktoren in diesem Modell eine hohe Bedeutung zu. Ein weiteres prominentes Modell zur Entstehung von Belastung und Beanspruchung speziell bei Lehrkräften, auf das an dieser Stelle lediglich verwiesen werden soll, stellt das Belastungsmodell nach Schönwälder (1988) dar. Es ist dem Belastungs-Beanspruchungs-Modell von Rudow (1990) sehr ähnlich, allerdings kommt neben den Arbeitsbedingungen dem Arbeitsauftrag der Lehrkraft als zentralen Einflussfaktor auf die objektive Belastung hohe Relevanz zu. Darüber hinaus wird lediglich die Entstehung subjektiver Belastungen, und nicht in weiterer Folge die Entstehung von Beanspruchung betrachtet.

4.1 Lehrergesundheit

199

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich Modelle, die die Lehrergesundheit in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen, zum einen dadurch auszeichnen, dass sie auf allgemeinen Stressmodellen bzw. Konzepten zur Entstehung von Beanspruchungen am Arbeitsplatz aufbauen. Zum anderen sind sie dadurch charakterisiert, dass sie vor allem das Entstehen und Erleben von Belastungen und Beanspruchungen betrachten, während die Ressourcenkomponente lediglich „am Rande“ berücksichtigt wird. Abbildung 20 bietet eine Zusammenfassung des Kapitels 4.1 Lehrergesundheit. Ein abschließendes Fazit zur Gesundheit von Lehrer/innen und Schulleiter/innen erfolgt am Ende des Kapitels 4.2.

Abbildung 20:

Zusammenfassung Kapitel 4.1 Lehrergesundheit, Quelle: Eigene Erstellung

200

4 Schulleitergesundheit

4.2 Schulleitergesundheit Während im vergangenen Abschnitt (s. Kapitel 4.1) ein Überblick über die Lehrergesundheit gegeben wurde, steht in diesem Kapitel die Frage im Mittelpunkt, wie es um die Gesundheit von Schulleiter/innen im Speziellen bestellt ist. Die im vorangegangenen Kapitel dargestellten Erkenntnisse der Lehrergesundheitsforschung können nur zum Teil auf die Situation von Schulleiter/innen übertragen werden, da die Schulleitung als Führungskraft eine besondere Rolle in der Schule einnimmt (s. Kapitel 2.4). Ulich (1996) verortet deren Position vor allem in Hinblick auf die Beziehung zum Kollegium zwischen Autorität und Kollegialität (S. 178) und schreibt: „Von daher stellt sich der Rollenkonflikt vielleicht so dar: nicht mehr nur Lehrer/in sein können, Kollege/Kollegin bleiben wollen, Leitungsfunktionen wahrnehmen und Autorität ausüben müssen; ein Widerspruch, den vor allem Anfänger/innen in der Schulleitung erfahren, der aber auch noch altgedienten (Di-)Rektor/inn/en zu schaffen machen kann.“ (S. 180)

Dadaczynski (2013) weist in Hinblick auf Unterschiede im Erleben von Belastungen zwischen Lehrkräften und Schulleiter/innen darauf hin, dass die zweitgenannte Gruppe im Vergleich zur ersten mit längeren Arbeitszeiten, höheren Arbeitsanforderungen und einem höheren Erfolgsdruck konfrontiert ist. Als besondere Herausforderungen der Schulleitung nennt der Autor einerseits die Tatsache, dass Schulleiter/innen lange Zeit in ihre Führungsaufgaben nur unzureichend eingeschult wurden und andererseits das Führen einer akademisch qualifizierten, anspruchsvollen Berufsgruppe (S. 198, 203-204). Gray (2014) sieht in Hinblick auf das Erleben von Belastungen bei Schulleiter/innen im Vergleich zu Lehrer/innen auch eine höhere Gefahr sozialer Isolation (S. 49-50). Ulich (1996) meint in diesem Zusammenhang: „Als Rektorin bist du unheimlich einsam.“ (S. 186) Auch die in Kapitel 2.4.3 beschriebenen steigenden Anforderungen an den Schulleiterberuf, die mit Entwicklungen im Schulsystem (s. Kapitel 2.2) verbunden sind, können in diesem Kontext als potenzielle Belastungen betrachtet werden. Diese speziellen Belastungen von Schulleiter/innen gelten branchenübergreifend als besondere Belastungen von mittleren Führungskräften. Alpers (2009) listet ergänzend dazu Termindruck, häufige Unterbrechungen, Informationsflut, Verantwortung und Kontrollaufgaben, ad-hoc-Entscheidungen, Überforderung durch Komplexität sowie den Zuständigkeitsdschungel als besondere Belastungen von Personen in mittleren Führungspositionen auf (S. 36, 39, 198-199; vgl. auch Lundqvist, 2013, S. 16-19). Neben Belastungen weisen Schulleiter/innen im Vergleich zu Lehrkräften ohne Führungsfunktion aber auch besondere Ressourcen auf, die in der öffent-

4.2 Schulleitergesundheit

201

lichen Diskussion und Forschung kaum Beachtung finden (Schmitz & Voreck, 2011, S. 302-303). So weist z.B. Dadaczynski (2013) auf ein im Vergleich zu Lehrer/innen höheres Ausmaß an Handlungsspielraum und -kontrolle von Schulleiter/innen hin. Generell gelten die größere Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Gestaltung von Arbeitsorganisation und -zeit als besondere Ressourcen von mittleren Führungskräften. Auch abwechslungsreiche Aufgaben können spezielle Ressourcen von Führungspersonen sein (Alpers, 2009, S. 38, 198-199). In Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Belastungen und Ressourcen weist eine aktuelle Studie mit 5.510 Führungskräften und Mitarbeiter/innen ohne Führungsfunktion in Schweden darauf hin, dass die erstgenannte Gruppe im Sinne des Anforderungs-Kontroll-Modells von Karasek & Theorell (s. Kapitel 3.2.2.2) zwar höhere Anforderungen, gleichzeitig aber höhere Kontrollmöglichkeiten aufweist. Punkto Beanspruchungserleben zeigte sich bei Männern kein Unterschied im Burnoutrisiko von Führungskräften und Mitarbeiter/innen. Bei weiblichen Führungskräften konnten im Vergleich zu beschäftigten Frauen ohne Führungsfunktion ebenfalls höhere Anforderungen und ein höheres Kontrollausmaß festgestellt werden, allerdings war auch das Burnoutrisiko der weiblichen Führungskräfte erhöht, was die Autor/innen auf die Doppelbelastung von Frauen in Hinblick auf die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sowie die mögliche negative gesundheitliche Wirkung von Kontrolle und Macht bei Frauen zurückführen (vgl. Blom, Bodin, Bergström & Svedberg, 2016). Im Folgenden werden aufgrund der unterschiedlichen Arbeitssituation von Lehrkräften und Schulleiter/innen Forschungsergebnisse der vergangenen 15 Jahre (Stand: 2017) speziell zur Schulleitergesundheit dargestellt. In der Einleitung der vorliegenden Arbeit (s. Kapitel 1.1.1) wurde bereits auf die marginale Forschungslage diesbezüglich hingewiesen. Auch in der öffentlichen Diskussion spielt das Thema der Schulleitergesundheit im Vergleich zu jenem der Lehrergesundheit eine untergeordnete Rolle. Dies wird zum Teil auf das mangelnde Bewusstsein für die Eigenständigkeit des Schulleiterberufs, zum Teil auf die geringere Anzahl an Personen in dieser Berufsposition zurückgeführt (vgl. Dadaczynski, 2013; Dadaczynski & Paulus, 2011; Gray, 2014; Laux, 2011; Phillips et al., 2008; Warwas, 2009). Die deutsche Forscherin Laux (2011) meint: „Zwar lassen sich einige hilfreiche empirische Untersuchungen zu Schulleitungsgesundheit bzw. -belastung finden […], generell aber muss zusammenfassend festgestellt werden, dass diese national wie international rar sind.“ (S. 59) Bis heute hat sich an dieser Situation, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, nicht viel geändert. Tabelle 11 gibt zunächst einen Überblick über Studien zu Belastungen, Ressourcen und/oder Beanspruchungen von Schulleitungen, die in den vergangenen 15 Jahren (Stand: 2017) publiziert wurden. Aufgrund der marginalen Forschungs-

202

4 Schulleitergesundheit

lage werden sowohl Untersuchungen aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) als auch solche aus anderen Nationen betrachtet. Vielzitierte internationale Studien zur Schulleitergesundheit, deren Ergebnisse aufgrund mangelnder Aktualität nicht dargestellt werden, stammen von Brimm (1983), Carr (1994), Chaplain (2001), Eisenhauer, Willower & Licata (1985), Gable, Dedrick & Hawkes (1984), Gmelch et al. (1994), Vetter (1976) und Whitaker (1996). Diese Autor/innen identifizierten Belastungen von Schulleitungen und lieferten erste Zahlen zum Beanspruchungs-, speziell zum Stress- und Burnouterleben dieser. In der Studienübersicht (s. Tabelle 11) finden sich Untersuchungen mit Schulleiter/innen jeglichen Schultyps, da der Einfluss des Schultyps auf das Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben von Schulleiter/innen bislang unklar ist. Sofern Detailergebnisse für den Volks-, Grund-, Elementar- bzw. Primarschulbereich vorliegen, werden diese separat dargestellt. Die Auswahl der insgesamt 29 Studien, wenngleich darauf hinzuweisen ist, dass diese nicht groß war und nahezu alle in den vergangenen 15 Jahren (Stand: 2017) veröffentlichten Untersuchungen berücksichtigt wurden, erfolgte nach folgenden Prämissen: 1. 2. 3. 4.

5. 6.

Es werden nur Studien zur Arbeitssituation von Schulleitungen ausgewählt, die einen eindeutigen Gesundheitsbezug aufweisen. Studien mit großen Stichproben haben gegenüber solchen mit kleinen Vorrang. Im Sinne einer Methodenoffenheit sollen jedoch auch qualitative Studien bzw. Studien mit Mixed-Method-Designs Berücksichtigung finden. Studien aus dem deutschsprachigen Raum haben aufgrund ähnlicher Rahmenbedingungen und der besseren Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Situation von Schulleitungen in Österreich gegenüber solchen aus anderen Ländern Vorrang. Nichtsdestotrotz sollen jedoch auch qualitativ hochwertige Studien aus anderen Nationen Berücksichtigung finden. Studien, in denen insbesondere Volks-, Grund-, Elementar- bzw. Primarschulleiter/innen untersucht werden, werden bevorzugt in die Analyse aufgenommen.

In Hinblick auf den Punkt 2 ist darauf hinzuweisen, dass sich der Großteil der Studien durch relativ kleine Stichproben auszeichnet. Zudem wird festgehalten, dass nur eine der aufgefundenen Untersuchungen (Nr. 14) auch Schulleiter/innen in Österreich inkludiert.

Behr, Valentin & Ramos-Weisser (2003)

Schaarschmidt (2004)

Weber, Weltle & Lederer (2004) bzw. Weber, Weltle & Lederer (2005)

1

2

3

Autor/innen, Jahr

Art des Morbiditätsspektrums, Gründe für krankheitsbedingten Berufsausstieg von Führungskräften im Schuldienst

arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster von Lehrer/innen und Schulleiter/innen

arbeitsbezogene Belastungen und Beanspruchungen

Untersuchte Themen

72 Leitungsmitglieder an Grundund Hauptschulen in Baden-Württemberg

Stichprobe (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

prospektive Teilerhebung: systematische Erfassung amtsärztlicher Begutachtungen zur vorzeitigen Dienstunfähigkeit, standardisierter Erhebungsbogen

408 Schulleiter/innen und Schulleiterstellvertreter/innen aller Schultypen (38% Grundschulen) in Bayern, deren Dienstunfähigkeit festgestellt wurde; Vergleichsgruppen: 335 nichtschulische Führungskräfte, 2.565 Lehrkräfte ohne Führungsfunktion

geschlossene 7.693 Lehrkräfte und 411 SchulBefragung (AVEM-Frage- leiter/innen an allen Schultypen in bogen) Deutschland

geschlossene Befragung

Methodik (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

Studien zur Schulleitergesundheit im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz)

4.2 Schulleitergesundheit 203

Tabelle 11: Studien zur Schulleitergesundheit innerhalb und außerhalb des deutschsprachigen Raums, Quelle: Eigene Erstellung

Rosenbusch, Braun-Bau & Warwas (2006)

Nido, Ackermann, Ulich, Trachsler & Brüggen (2008)

6

Languth (2006)

5

4

Autor/innen, Jahr

standardisierter Fragebogen, leitfadengestützte qualitative Interviews

Methodik (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

Arbeitsbedingungen, Belastungen, Ressourcen, Zufriedenheit und Beanspruchungen von Schulleiter/innen und Lehrkräften

quantitative Online-Befragung, Tabelle zur Erfassung der Arbeitszeit, Gruppeninterviews mit Lehrkräften und Schulleiter/innen, Tätigkeitsbeobachtungen

Arbeitssituation, Belas- geschlossene Fragebogentungen und Beanspruerhebung („Schulleiterbechungen fragung“)

Berufsauffassungen, Arbeitszufriedenheit und Belastungen

Untersuchte Themen

quantitative Online-Befragung: 918 Lehrpersonen und 57 Schulleiter/innen im Kanton Aargau; Tabelle: 903 Lehrpersonen, 57 Schulleitungen; 40 Gruppeninterviews mit Lehrkräften, drei Gruppeninterviews mit Schulleitungen; Beobachtungen von acht Lehrenden & sechs Schulleiter/innen

131 Schulleiter/innen an Grund-, Haupt-, Teilhaupt- und Realschulen sowie Förderzentren in Bayern

quant. Befragung: 145 Schulleiter/innen an Gesamtschulen & Gymnasien in Niedersachsen, qual. Befragung: 20 Schulleiter/innen

Stichprobe (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

Studien zur Schulleitergesundheit im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz)

204 4 Schulleitergesundheit

Harazd, Gieske, Gerick & Rolff (2009)

Landert, Riedo & Brägger (2009)

Seibt, Spitzer & Scheuch (2009)

7

8

9

Autor/innen, Jahr

Leitfadeninterviews im Vorfeld, quantitativer Online-Fragebogen

Methodik (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

Arbeitsfähigkeit, Belastungen und Gesundheitszustand

Fragebogenerhebung

Arbeitssituation, Belas- Dokumentenanalyse, Pritungen und subjektive märdatenerhebungen Befindlichkeit (Feldexploration, OnlineBefragung, qualitative Telefoninterviews, Fokusgruppen)

Schulqualität und Gesundheit von Schulleiter/innen und Lehrkräften

Untersuchte Themen

28 Grundschulleiter/innen, 111 Lehrkräfte in Sachsen

Feldexploration: sieben Personen (Schulleitungen, Schulpräsident/innen, Lehrpersonen im Kanton Thurgau), quant. Online-Befragung: 85 Schulleiter/innen und 15 ehemalige Schulleiter/innen im Kanton Thurgau, qual. Telefoninterviews: 20 Schulpräsident/innen

qualitativ 32 Schulleiter/innen; quantitativ: 3.359 Lehrer/innen & 118 Schulleiter/innen an Grund-/Gesamtschulen, Gymnasien & Berufskollegs in Nordrhein-Westfalen

Stichprobe (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

Studien zur Schulleitergesundheit im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz)

4.2 Schulleitergesundheit 205

Fachhochschule Nordwestschweiz (2011)

Laux (2011)

12

Warwas (2009)

11

10

Autor/innen, Jahr

standardisierte schriftliche Befragung (postalisch)

Methodik (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster von Schulleiter/innen und Lehrkräften

schriftliche Befragung mit einem Schulleiter- und Lehrerfragebogen (u.a. AVEM), Führungsfeedbacks mit Schulleitungen und Lehrerkollegien

Arbeitszeit, Arbeitsor- Interviews mit Funktionsträger/innen ganisation, Belastungen aus der kantonalen Verwaltung, zuund Beanspruchungen ständigen politischen Gremien und Verbänden im Kanton Basel-Landschaft; Validierungsworkshops; schriftliche Online-Befragung

berufliches Selbstverständnis und Beanspruchungen von Lehrer/innen und Schulleiter/innen

Untersuchte Themen

484 Schulleiter/innen und 332 Lehrkräfte aller Schultypen in Deutschland; Führungsfeedbacks: 12 Schulleitungen mit deren Kollegien

18 Interviews; schriftliche Online-Befragung: 117 Schulleiter/innen an Primarschulen, Kindergärten und Sekundarschulen im Kanton Basel-Landschaft (Schweiz)

861 Schulleiter/innen und stellvertretende Schulleiter/innen an Grund-, Haupt- und Realschulen, Gymnasien sowie berufsbildenden Schulen in Bayern

Stichprobe (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

Studien zur Schulleitergesundheit im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz)

206 4 Schulleitergesundheit

Huber, Wolfgramm & Kilic (2013) bzw. Huber & Wolfgramm (2013) Hohberg (2015)

Daaczynski & Paulus (2016)

16

15

Untersuchte Themen

Belastung, Arbeitsfähigkeit, Burnout, Wohlbefinden

Zufriedenheit/Beanspruchung

Arbeitssituation, Belastungen und Persönlichkeitseigenschaften

Brauckmann & Belastungen Herrmann (2013)

14

13

Autor/innen, Jahr

Querschnittsstudie in Form einer Onlinebefragung

qualitative Erhebung (problemzentrierte Interviews)

quantitative Befragung, Tagebuchaufzeichnungen der täglichen beruflichen Aktivitäten, Interviews mit Schulleiter/innen

Onlinebefragung, Interviews und Dokumentenanalyse

Methodik (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

4.326 Schulleitungen und erweiterte Schulleitungsmitglieder an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein

15 Grundschulleiter/innen in Nordrhein-Westfalen

quant. Befragung: 5.394 Schulleiter/innen in Deutschland, Österreich (Niederösterreich, Vorarlberg, Tirol, n= 741) und der Schweiz; 1.932 Tagebuchaufzeichnungen von 337 Personen; 20 Interviews

216 Schulleiter/innen an Grundschulen und Gymnasien in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen

Stichprobe (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

Studien zur Schulleitergesundheit im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz)

4.2 Schulleitergesundheit 207

Gursel, Sunbul & Sari (2002)

DiPaola & Tschannen-Moran (2003)

Buckingham (2004)

19

20

Friedman 2002)

18

17

Autor/innen, Jahr

Stress, Arbeitsmenge, Rollenkonflikt und Selbstwirksamkeit

Ressourcen zur Bewältigung von Anforderungen

1.543 Schulleiter/innen in Virginia (USA) 496 Schulleiter/innen in Maine (USA)

Fragebogen-erhebung („Maine Principal Study“)

80 Schulleiter/innen und 290 Lehrer/innen an Hochschulen in Konya (Türkei)

Burnout und Arbeitszu- quantitative Erhefriedenheit von Schul- bung (u.a. Maslach Burnout Inventory) leiter/innen und Lehrkräften quantitative Befragung

16 Interviews, Fragebogenerhebung mit 821 Schulleiter/innen an Elementar- und Sekundarschulen in Israel

Interviews, Fragebogenerhebung

Arbeitsbezogene Stressoren und Burnout

Stichprobe (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

Methodik (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

Untersuchte Themen

Ausgewählte Studien zur Schulleitergesundheit im nicht-deutschsprachigen Raum

208 4 Schulleitergesundheit

Phillips, Sen & McNamee (2007) bzw. Phillips, Sen & McNamee (2008)

Combs, Edmonson & Jackson (2009)

Dewa, Dermer, Chau, Lowrey, Mawson & Bell (2009)

Federici & Skaalvik (2012)

Basol (2013)

21

22

23

24

25

Autor/innen, Jahr

Burnout

Selbstwirksamkeit, Burnout, Arbeitszufriedenheit, Kündigungsabsicht

subjektive Gesundheit und Zufriedenheit

Burnout

Arbeitszufriedenheit, arbeits-bez. Stress, Belastungen

Untersuchte Themen

Fragebogenerhebung

Onlineerhebung (u.a. „Norwegian Principal Self-Efficacy Scale “, Maslach Burnout Inventory)

Sekundärdatenanalyse einer Fragebogenerhebung zur Verbesserung der Qualität an Schulen

306 Schulleiter/innen in sieben Bezirken Ankaras (Türkei)

1.818 Leiter/innen an öffentlichen und privaten Elementar- und Mittelschulen sowie kombinierten Formen von Elementar- und Mittelschulen in Norwegen

108 Schulleiter/innen und stellvertretende Schulleiter/ innen in Ontario (Kanada)

228 Elementarschulleiter/ innen in Texas (USA)

290 Schulleiter/innen aller Schultypen (außer Sonderschulen) in West Sussex (Großbritannien)

postalische Fragebogenerhebung (u.a. „Short Stress Evaluation Tool“) postalische Erhebung (u.a. Maslach Burnout Inventory)

Stichprobe (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

Methodik (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

Ausgewählte Studien zur Schulleitergesundheit im nicht-deutschsprachigen Raum

4.2 Schulleitergesundheit 209

Darmody & Smyth (2016)

Klocko & Wells (2016)

Lovell (2016)

28

29

Drummond & Halsey (2013)

27

26

Autor/innen, Jahr

Stichprobe (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

683 Schulleiter/innen in ländlichen, lokalen und abgelegenen Gegenden Australiens

Methodik (Wording entsprechend der Beschreibung in der Studie)

quantitative Fragebogenerhebung

erlebter Stress und Burnout von Schulleiter/innen

Stresserleben, Arbeitsvolumen und Stressoren von Schulleiter/innen

qualitative Interviews

Längsschnittstudie (Messzeitpunkte: 2009, 2012) in Form einer Onlinebefragung

acht Grundschulleiter/innen in großen vorstädtischen Schulbezirken in Nordtexas (USA)

2009: 907, 2012: 708 Schulleiter/innen an Elementar-, Mittelund Hochschulen in einem mittelwestlichen Bundesstaat der USA

Stresserleben, Ar- Analyse von Daten der Stu- Schulleiter/innen in 898 Primarbeitszufriedenheit die „Growing Up in Ireland“ schulen in Irland und Belastungen (Fragebogen für Schulleiter/innen)

Belastungen im Kontext der Führung

Untersuchte Themen

Ausgewählte Studien zur Schulleitergesundheit im nicht-deutschsprachigen Raum

210 4 Schulleitergesundheit

4.2 Schulleitergesundheit

211

Eine wesentliche Grundlage für das Auffinden von Studien bzw. die folgenden Ausführungen stellte eine Übersichtsarbeit von Baeriswyl et al. (2013) aus der Schweiz dar, die eine Zusammenschau von Studienergebnissen zu potenziellen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleiter/innen innerhalb und außerhalb der Schweiz bietet. Auch die Zusammenstellungen von Laux (2011) und Hohberg (2015) bildeten einen Ausgangspunkt für die folgenden Darstellungen. In der Tabelle sind die Studien chronologisch nach deren Publikationsjahr angeführt, wobei jene aus dem deutschsprachigen und jene aus anderen Ländern separat aufgelistet sind. Darüber hinaus gibt die Tabelle Auskunft über die untersuchten Themenaspekte zur Schulleitergesundheit, die Methodik sowie die Stichprobe der einzelnen Studien. In der vorliegenden Arbeit werden die Kernergebnisse der in der Tabelle aufgelisteten Studien dargestellt, wobei in Anlehnung an das Belastungs-RessourcenBeanspruchungskonzept (s. Kapitel 3.2.1.2) im Speziellen identifizierte Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleiter/innen dargestellt werden. Dabei erfolgt keine chronologische, voneinander unabhängige Beschreibung der zentralen Erkenntnisse einzelner Studien. Stattdessen wird ein Versuch unternommen, diese thematisch miteinander in Beziehung zu setzen. Diesbezüglich ist allerdings darauf hinzuweisen, dass ein Vergleich der Studienerkenntnisse dadurch erschwert wird, dass unterschiedliche Begrifflichkeiten (z.B. Anforderungen, Belastungen, belastungsinduzierende Faktoren, entlastende Faktoren, Ressourcen, stressinduzierende Faktoren) verwendet und in den Forschungsarbeiten zumeist nicht definiert werden. Aus diesem Grund ähneln die folgenden Ausführungen eher einer punktuellen Aufzählung von Studienergebnissen. Generell sind bei der Interpretation der Ergebnisse darüber hinaus Differenzen zwischen den einzelnen nationalen Schulsystemen zu berücksichtigen. Auch die Schultypen unterscheiden sich in den einzelnen Ländern voneinander. Grund-, Elementar- und Primarschulen sind dabei dem in Österreich vorhandenen Schultyp der Volksschule am ähnlichsten. 4.2.1 Belastungen von Schulleiter/innen Zunächst weisen einige Studien auf ein eher geringes Belastungserleben von Schulleitungen hin: So ergab etwa eine standardisierte Befragung von Behr et al. (2003) im deutschen Baden-Württemberg, dass sich die befragten Grund- und Hauptschulleiter/innen im Mittel „kaum belastet“ fühlen. Detailauswertungen zeigen, dass Schulleiterinnen weniger Belastungen erleben als Schulleiter. Die Schulgröße und der Anteil ausländischer Schüler/innen

212

4 Schulleitergesundheit

korrelierten in der Studie signifikant positiv, das Zeitbudget für den eigenen Unterricht korrelierte signifikant negativ mit dem Belastungserleben. Persönlichkeitsmerkmale wie „Erregbarkeit“ und „labile Emotionalität“ wurden in der Untersuchung ebenso als Belastungen von Grund- und Hauptschulleiter/innen identifiziert. Auch die befragte Schulleiterkohorte von Laux (2011) in Deutschland bewertete die Arbeitsbedingungen überwiegend als eher wenig bis mittel belastend. Als größte Belastungen erwiesen sich in dieser Studie – zum Teil entgegen den Erkenntnissen von Behr et al. (2003) – die Unterrichtsverpflichtung, Neuerungen und Veränderungen im Schulsystem sowie aktuelle bildungspolitische und gesellschaftliche Ansprüche an die Schule (jeweils 50% eher oder stark belastend). Auch eine mangelnde Wertschätzung und Anerkennung der eigenen Arbeit sind gemäß den Untersuchungsergebnissen belastend. Die einzige aufgefundene Untersuchung zur Schulleitergesundheit, die auch Schulleiter/innen aus Österreich inkludierte, stammt von Huber, Wolfgramm & Kilic (2013). Diese Studie weist ebenfalls auf ein eher geringes Belastungserleben von Schulleitungen hin. Bei der Untersuchung handelt es sich um eine länderübergreifende Studie (Deutschland, Liechtenstein, Österreich, Schweiz). Neben einer quantitativen Befragung von rund 5.400 Schulleiter/innen wurden Metastudien ausgewertet, Interviews durchgeführt und 5.000 Arbeitstagebücher analysiert. Nachfolgend werden vor allem die Ergebnisse der quantitativen Studie, die zwischen 2010 und 2012 durchgeführt wurde, dargestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese in der Form in Liechtenstein nicht stattfand. Für Österreich wurden für den Ländervergleich die Bundesländer Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg ausgewählt. Die deutschen Vergleichsländer bildeten Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und SachsenAnhalt. In der Schweiz wurde die Befragung in allen deutschsprachigen Kantonen mit Ausnahme von Appenzell Innerrhoden durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass beinahe die Hälfte aller Befragten (42%) wenig, ebenso viele mittel belastet sind. Nicht einmal jede/r Fünfte (16%) fühlt sich sehr belastet. Die größten Belastungen erleben die befragten Schulleitungen in allen Ländern aufgrund jener Tätigkeiten, für die sie die meiste Zeit aufwenden müssen. Dazu zählen eigenen Angaben zufolge vor allem Organisations- und Verwaltungsaufgaben, insbesondere das Umsetzen von Reformen des Schulministeriums, die Durchführung von Evaluationen und das Ablegen von Rechenschaft gegenüber der Schulaufsicht. Als eher wenig belastend werden „typische“ Lehrertätigkeiten wie das Unterrichten, der kollegiale Austausch sowie Fort- und Weiterbildung erlebt. Languth (2006) stellte im Gegensatz zu den bisherigen Ausführungen sehr wohl ein hohes Belastungserleben von Schulleiter/innen fest. Sie kam zum Ergebnis, dass sich 88,8% der befragten Leiter/innen an unterschiedlichen Schultypen

4.2 Schulleitergesundheit

213

zwar nicht überfordert fühlen, allerdings dennoch ein relativ hoher Anteil Belastungen erlebt: So stimmte etwa die Hälfte (51,1% trifft voll oder eher zu) der Befragten der Aussage zu, dass das Leiten der Schule mit einem hohen Belastungsdruck verbunden ist. 86,4% stört die unverbindliche Umsetzung von Beschlüssen. Mehr als die Hälfte (52,7%) empfindet „Problemkolleg/innen“ als sehr oder eher belastend. Etwa jede/r Fünfte (22,5%) gab an, dass die vielen Gespräche anstrengen. Beinahe jede/r Vierte (23,8%) fühlt sich allein gelassen. Die Autorin der Untersuchung betont, dass ein hohes Belastungsempfinden und eine hohe Arbeitszufriedenheit von Schulleitungen einander nicht unbedingt ausschließen. Stattdessen kann eine hohe Arbeitszufriedenheit negative Wirkweisen von Belastungen abfangen. Darüber hinaus müssen Belastungen nicht unbedingt zu Überforderung führen, vor allem dann nicht, wenn Belastungsfaktoren außerhalb des eigenen Kompetenzbereiches erlebt werden. Rosenbusch et al. (2006) identifizierten als größte „stressinduzierende Faktoren“ bei Schulleitungen den Zeitmangel (95% an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen trifft eher zu oder trifft voll zu, 74% an Realschulen); die Umsetzung nicht ausgereifter, behördlicher Neuerungen und Erlasse (94% an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen, 71% an Realschulen); Lehrermangel (46% an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen, 52% an Realschulen); Probleme mit Eltern (jeweils 48% an beiden Schultypen) und Probleme mit dem Kollegium (37% an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen, 30% an Realschulen). Etwa ein Drittel der Schulleiter/innen empfindet bauliche Mängel sowie eine unzureichende materielle und technische Ausstattung an der Schule als belastend. In Zusammenhang mit Zeitmangel ist ergänzend zu erwähnen, dass der Großteil der Befragten der Ansicht ist, die Aufgaben in der wöchentlichen Arbeitszeit nie oder nur selten bewältigen zu können, wobei dieses Problem bei Grund-/Haupt- und Teilhauptschulleiter/innen im Vergleich zu Realschulleiter/innen verstärkt auftritt (Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen: 52,3% nie, 40,1% selten; Realschulen: 21,9% nie, 62,5% selten). Die zeitliche Belastung von Schulleitungen thematisierten auch Landert, Riedo & Brägger (2009). In ihrer Untersuchung in der Schweiz gab etwa ein Drittel der befragten Schulleiter/innen an, dass für Kernaufgaben wie Personalführung, Qualitäts- und Schulentwicklung zu wenig Zeit bleibt. Weitere Belastungen stellen Konflikte mit Lehrpersonen sowie eine schlechte Stimmung im Team dar. Darüber hinaus stellten die Studienautor/innen fest, dass jene Schulleitungen, die im Sinne des Gratifikationsmodells von Siegrist (s. Kapitel 3.2.2) eine hohe Verausgabung erleben, die Belohnung in Form von finanzieller Vergütung als unzureichend empfinden. Auch die Fachhochschule Nordwestschweiz, die Hochschule für Wirtschaft & die Hochschule für Angewandte Psychologie (2011) identifizierten

214

4 Schulleitergesundheit

Zeitdruck und eine hohe Arbeitsmenge als zentrale Belastungen von Schulleitungen. Zwar standen im Kern der Untersuchung Tätigkeiten sowie die Arbeitssituation von Schulleiter/innen an Primar- und Sekundarschulen sowie Kindergärten im Kanton Basel-Landschaft, allerdings wurden auch Belastungen thematisiert. Stark erlebt werden Belastungen wie Zeitdruck, zunehmende Arbeitsmenge und Arbeitsunterbrechungen. In Hinblick auf „besondere“ Ereignisse gaben 87% der Befragten an, dass diese in den letzten drei Jahren auftraten und in besonderem Maß belastend, vor allem aufgrund eines damit verbundenen zeitlichen Aufwandes, wirkten. Zu diesen „besonderen“ Ereignissen zählen Konfliktfälle mit Schüler/innen und Eltern, Gefährdungsmeldungen, Konflikte mit Lehrkräften, längerfristige Erkrankungen und unfallbedingte Ausfälle von Lehrkräften, Fälle von Burnout oder Mobbing, Bauvorhaben an der Schule, die Zusammenführung von Schulen und/oder Kindergärten sowie außergewöhnliche Einzelereignisse (z.B. Todesfälle, Gewalt an der Schule, Amokdrohungen). Zwar treten solche Ereignisse selten auf, allerdings werden diese von der Schulleitung eine lange Zeit als sehr intensiv erlebt. Auch die Studie von Nido et al. (2008) im Kanton Aargau kam zum Ergebnis, dass ein hohes Arbeitsausmaß von den untersuchten Schulleitungen als belastend erlebt wird. Die meisten Befragten gaben an, dass die zeitliche Belastung des Tagesgeschäftes für gewöhnlich so hoch ist, dass nur wenig Zeit für langfristige Planungen bleibt. Darüber hinaus kommt es immer wieder zu Unterbrechungen (19% sehr häufig, 54% eher häufig, 26% gelegentlich). Arbeitszeitaufzeichnungen der Schulleiter/innen ergaben, dass die Jahresarbeitszeiten über den Vorgaben des kantonalen Arbeitszeitmodells in Aargau liegen (128% der Soll-Arbeitszeit). Neben zeitlichen Faktoren ermittelten Nido et al. (2008) auch zahlreiche soziale Faktoren als belastungsinduzierend. So identifizierte die Studiengruppe im Rahmen ihrer Untersuchung das „Moderieren von Konflikten“ (46% eher starke bis starke Belastung); die sogenannten „Pensenzuteilungen“ (44%); Schul- und Unterrichtsentwicklung (44%); den Aufbau und die Umsetzung von Qualitätsmanagement (42%); das Organisieren von Therapien, Stütz- und Fördermaßnahmen (39%); das Moderieren von Entscheidungsprozessen (37%); die Zusammenarbeit mit Eltern (32%); die Zusammenarbeit mit dem schulischen Umfeld (31%); das Planen und Durchführen schulinterner Weiterbildungen (24%) sowie das Leiten und Koordinieren von Zuweisungen (21%) als die zehn größten von insgesamt 24 abgefragten Belastungen von Schulleitungen. In den Gruppeninterviews wurde ergänzend dazu immer wieder erwähnt, dass nicht einzelne Tätigkeiten, sondern vielmehr die Summe dieser sowie ständig neu hinzukommende Aufgaben belasten. So fühlen sich 25% der Schulleiter/innen oft, 49% manchmal inhaltlich überfordert. Darüber hinaus werden Spannungen

4.2 Schulleitergesundheit

215

zwischen der routinemäßigen Erledigung des Tagesgeschäftes und der Innovation sowie Flexibilität in Schulentwicklungsprojekten (86% oft bis sehr oft), zwischen der Gewährleistung von Stabilität und der Veränderung von Bestehendem (47% oft bis sehr oft) und zwischen unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen einzelner Lehrkräfte und den Ansprüchen der Schule als Ganzes (44% oft bis sehr oft) erlebt. Daraus schlussfolgern die Autor/innen, dass das Umsetzen von Reformen viel Vermittlungsarbeit zwischen Lehrpersonen und der Schulbehörde vonseiten der Schulleiter/innen erfordert. Die Gruppeninterviews ergaben zudem, dass auch der Druck von allen Seiten (Eltern, Lehrpersonen, Gemeinde) eine Belastungsquelle darstellt. Daneben funktioniert laut Angaben der Befragten auch die Zusammenarbeit mit der Schulbehörde nicht reibungslos. Nido et al. (2008) sehen den Grund hierfür in einem Kompetenzgefälle zwischen der lokalen Behörde als Laienbehörde und dem/der Schulleiter/in als professionelle Fachkraft. Ähnlich wie bei Nido et al. (2008) finden sich auch bei Dadaczynski & Paulus (2016) Hinweise dafür, dass es vor allem die Summe der Arbeitsanforderungen und Tätigkeiten ist, die belastend wirkt. Die Autoren stellten nämlich nur geringe Korrelationen zwischen einzelnen Belastungen und dem Wohlbefinden von Schulleiter/innen fest, wohingegen der Gesamtwert der Arbeitsbelastung einen mittelstarken Zusammenhang mit dem Wohlbefinden aufwies. Die Untersuchung von Brauckmann & Herrmann (2013) zeigt ebenso wie jene von Nido et al. (2008) die hohe Bedeutung sozialer Belastungsfaktoren auf. Die Autor/innen ermittelten folgende Hauptbelastungen von Grundschulleitungen: allgemeine Arbeitsbelastung von Lehrkräften, zunehmende Einflussnahme von Eltern, erzieherische Problemlagen sowie hoher Anforderungsdruck von außen. Harazd, Gieske, Gerick et al. (2009) ermittelten im Rahmen ihrer Studie, die unter anderem auch an Grundschulen durchgeführt wurde, die belastendsten Aufgabenbereiche von Schulleiter/innen in Nordrhein-Westfalen. Auf einer Skala von 1 (= nicht belastend) bis 4 (= sehr belastend) bewerteten die Befragten Anordnungen des Schulministeriums (3,02), administrative Tätigkeiten (2,47), die räumliche und materielle Ausstattung der Schule (2,16) und Personalführung und -entwicklung (1,79) als die am belastendsten Aufgaben. Erst danach rangieren die eigene Unterrichtstätigkeit (1,63), die Zusammenarbeit mit Eltern bzw. Öffentlichkeitsarbeit (1,57) und die Zusammenarbeit mit dem Kollegium (1,43). Eine Auswertung separat für einzelne Schultypen ergab, dass die Zusammenarbeit mit Eltern bzw. die Öffentlichkeitsarbeit vermehrt Belastungen für Grundschulleiter/innen darstellen. Die Autor/innen vermuten die Ursache hierfür in der stärkeren schulischen Einbindung von Eltern an diesem Schultyp. Auch den eigenen

216

4 Schulleitergesundheit

Unterricht erleben Grundschulleiter/innen – vermutlich aufgrund höherer Lehrverpflichtungen – belastender als Schulleiter/innen an anderen Schultypen. Die Forscherin Hohberg (2015) konnte bei der Auswertung ihrer problemzentrierten Interviews mit Grundschulleiter/innen in Nordrhein-Westfalen folgende Faktoren, die überwiegend auch in den bereits dargestellten Studien auftauchten, als arbeitszufriedenheitsreduzierend identifizieren: hohe Arbeitsmenge, Diversität von Aufgaben, Neuerungen, fremdbestimmte Aufgaben, hoher Organisations- und Verwaltungsaufwand, geringe Schulgröße und damit verbundene geringe materielle und personelle Ressourcen, mangelnde Mitarbeit des Kollegiums, unangenehmes Klima, Konflikte mit Eltern, Widerstände, Misserfolge, fehlende Anerkennung sowie begleitende Arbeiten und Umstände, die aus der Lehrerrolle resultieren. Darüber hinaus begünstigen unzureichende Kenntnisse sowie die Übertragung von neuen Aufgaben ohne Vorbereitung darauf negative Beanspruchungsformen. Eine häufig zitierte Untersuchung zum Belastungs-Beanspruchungserleben von Schulleitungen außerhalb des deutschsprachigen Raums stellt jene von Phillips et al. (2007) bzw. Phillips et al. (2008) aus Großbritannien dar. Die Forschergruppe identifizierte, ähnlich wie zahlreiche Studienautor/innen aus dem deutschsprachigen Raum, Arbeitsüberlastung als größten Belastungsfaktor, gefolgt von Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben sowie Reformund Veränderungsdruck. Die befragten Schulleiter/innen gaben im Durchschnitt an, 54 (Elementarschulen) bzw. 57,3 (Hochschulen) Stunden pro Woche zu arbeiten. Gleichzeitig sind sie der Ansicht, wenig Gehalt für ihre Arbeit zu erhalten. Leiter/innen von Elementarschulen im Speziellen weisen im Vergleich zu jenen an anderen Schultypen ein höheres Belastungserleben aufgrund curricularer Veränderungen auf. Als weitere Risikofaktoren für das Erleben von arbeitsbezogenem Stress kristallisierte sich eine geringe Unterrichtsverpflichtung (< 5 Stunden) heraus. Friedman (2002) identifizierte, ähnlich wie Phillips et al. (2007) bzw. Phillips et al. (2008), Überlastung als größten Stressor, gefolgt von administrativen und technischen Agenden, Lehrkräften und Eltern. Im Kontext des Burnouterlebens ergaben Auswertungen, dass sich die Stressoren „Lehrkräfte“, „Eltern“ und „Überlastung“ als gute Prädiktoren für das Burnout-Syndrom eignen, während das nichtunterrichtende Personal nicht als Einflussfaktor auf das Burnouterleben identifiziert werden konnte. Combs et al. (2009) weisen ähnlich wie Friedman (2002) auf eine hohe Bedeutung sozialer Belastungsquellen hin. Sie ermittelten die Verantwortung für die Leistungen der Schüler/innen und die Beziehungen zu Eltern als größte Herausforderungen aller Schulleitungen, unabhängig von deren Burnouterleben.

4.2 Schulleitergesundheit

217

Herausforderungen, die vor allem von burnoutgefährdeten Schulleiter/innen genannt wurden, sind das Motivieren von Lehrkräften und die Balance verschiedener Zuständigkeiten. Buckingham (2004) stellte in seiner Studie bei Schulleiter/innen in Maine (USA), ähnlich wie einige der bisher erläuterten Untersuchungen, fest, dass mengen- und zeitbezogene sowie soziale Faktoren Hauptbelastungsquellen für Schulleitungen sind. Sie zeigten darüber hinaus, dass Stressoren wie eine hohe Arbeitsmenge, viele Arbeitsstunden und Rollenkonflikte (z.B. aufgrund wechselnder Vorgaben und widersprüchlicher Erwartungen) das Stresserleben von Schulleitungen begünstigen. Weitere stressbegünstigende Faktoren sind laut den Studienergebnissen von Buckingham (2004) viele Konflikte mit und Widerstände von diversen Personengruppen sowie eine hohe Unzufriedenheit der Schulleitung mit Belohnungsformen, Arbeitsbedingungen und der Bezahlung. Die Forscherin Lovell (2016) kam im Zuge der Analyse ihrer Interviewdaten von acht Elementarschulleiter/innen in den USA, ebenso wie bisherige Untersuchungen, zur Erkenntnis, dass zahlreiche Belastungen sozialen Ursprungs sind. Die Forscherin identifizierte folgende stressassoziierte Belastungsfaktoren, die mit der sozialen Beziehung zu verschiedenen Personengruppen einhergehen:        

Schüler/innen Probleme zuhause, besondere emotionale Bedürfnisse, Armut, Lernschwächen Eltern strittige Angelegenheiten zwischen Eltern und Schule Personal Leistung, Moral Personal der Schulaufsicht Druck, mangelnde Unterstützung, mangelnde Entscheidungskompetenz der Schulleitung

DiPaola & Tschannen-Moran (2003) definierten Anforderungskategorien und -faktoren von Schulleiter/innen auf der Grundlage einer Befragung von Schulleitungen in Virginia: 

Anforderungen auf Leitungsebene (Verbesserung der Schülerleistungen bei standardisierten Testverfahren, Verbesserung des Unterrichts, Bewertung der Unterrichtspraxis, professionelle Entwicklung der Schule, Ausrichtung des Curriculums, Verbesserung der Moral des Personals)

218   

4 Schulleitergesundheit Anforderungen auf Ebene der Organisation (Sonderpädagogik, gesetzliche Angelegenheiten, Disziplin der Schüler/innen) Anforderungen auf Kommunikationsebene (Arbeit mit Familien; unzureichende Zeit, um mit „Peers“ zusammenzuarbeiten) Anforderungen auf Ebene der Professionalisierung (Verbesserung der Führungsqualitäten und der Stressbewältigungsfähigkeiten)

In Hinblick auf Anforderungen an den Schulleiterberuf stellten Klocko & Wells (2016) in Schulleiterbefragungen zu zwei Messzeitpunkten (2009, 2012) in einem Bundesstaat in den USA einen von Schulleitungen subjektiv wahrgenommenen Anstieg dieser fest. Auch die Art der Anforderungen veränderte sich in diesem Zeitraum. Während 2009 finanzielle Sorgen und Personalagenden als größte arbeitsbezogene Stressoren galten, waren es im Jahr 2012 Zeitmangel, ständige Unterbrechungen und das Ausmaß an Papierarbeit. Signifikant stärker wurden bei der Befragung 2012 Stressoren in Hinblick auf die Work-life-balance, den Verlust an persönlicher Zeit, die Erwartungen an die Schulleitung vonseiten übergeordneter Ebene, Überforderungsgefühle und die Evaluierung der Lehrerarbeit bewertet. Der Stressor „geringeres Budget“ stellt den einzigen dar, der im Jahr 2009 noch signifikant häufiger wahrgenommen wurde als im Jahr 2012. Drummond & Halsey (2013) kamen im Zuge einer Schulleiterbefragung in Australien zum Ergebnis, dass die Größe und Lage einer Schule einen Einfluss auf das Belastungserleben von Schulleiter/innen haben. Befragte, deren Schule in abgelegenen Gegenden lag und von geringer Größe war, wiesen höhere subjektiv empfundene Belastungen auf als jene in ländlichen und regionalen Gegenden. In örtlich abgelegenen Schulen ist vor allem das Behalten von Lehrkräften und Unterstützungspersonal eine erhebliche Belastung. Darmody & Smyth (2016) zeigen in ihrer Studie die Vielfalt und Komplexität der Belastungsfaktoren von irischen Primarschulleiter/innen auf. Eine Regressionsanalyse ergab, dass die Arbeitszufriedenheit und Stress am Arbeitsplatz aus einem komplexen Zusammenspiel von Persönlichkeitseigenschaften, Arbeitsbedingungen, Merkmalen der Schule und dem Klima im Kollegium entstehen. Eine Zusammenfassung und kritische Betrachtung der bisherigen Studienerkenntnisse zu Belastungen und Anforderungen von Schulleiter/innen erfolgt in Kapitel 4.2.4.

4.2 Schulleitergesundheit

219

4.2.2 Ressourcen von Schulleiter/innen Wesentliche potenzielle Ressourcen von Schulleiter/innen liegen zunächst auf personaler Ebene vor. Schaarschmidt (vgl. Schaarschmidt, 2004) stellte im Rahmen der bereits in Kapitel 4.1.1 erwähnten Potsdamer Lehrerstudie einen Vergleich von Lehrkräften und Schulleiter/innen in Hinblick auf deren arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster an. Die Ergebnisse zeigen, dass Schulleiter/innen höhere Werte bei den AVEMDimensionen „subjektive Bedeutsamkeit der Arbeit“, „beruflicher Ehrgeiz“, „Distanzierungsfähigkeit“, „offensive Problembewältigung“ sowie „Erfolgserleben im Beruf“ aufweisen. Darüber hinaus konnten nur 17% der untersuchten Lehrer/innen, hingegen 40% der Schulleiter/innen dem AVEM-Typ „G-Muster“, also dem gesundheitsförderlichsten Typ, zugeordnet werden. Laux (2011) führte einige Jahre später eine ähnliche Untersuchung durch und kam auch zu ähnlichen Ergebnissen wie Schaarschmidt. Innerhalb der von Laux befragten Schulleiterkohorte konnten sich im Vergleich zu Lehrkräften deutlich weniger Personen des Musters B, deutlich mehr des Musters G und ungefähr gleich viele des Musters A und des Musters S finden (s. Kapitel 4.1.1). In Hinblick auf geschlechtsspezifische Unterschiede ergab die Studie, dass der Anteil jener Personen mit einem Risikomuster bei Frauen im Vergleich zu Männern in der untersuchten Schulleiterkohorte signifikant höher war. Darüber hinaus konnten auch schultypspezifische Unterschiede gefunden werden: Befragte Leiter/innen von Realschulen und Gymnasien wiesen günstigere Musterverteilungen auf als jene an reinen Grund-, Gesamt- und Förderschulen. Leiter/innen von Berufsschulen lagen im Mittelfeld. Auch das Ausmaß der Unterrichtsstunden von Schulleiter/innen korrelierte signifikant positiv mit ungünstigen Musterkonstellationen. Laux (2011) konnte in ihrer Untersuchung darüber hinaus weitere Ressourcen identifizieren. Neben personalen Ressourcen erleben Schulleiter/innen Ressourcen im Sinne von Autonomie, vor allem in Hinblick auf die methodische Gestaltung des Unterrichts, die Durchführung von Projekten, Klassenfahrten und außerschulische Aktivitäten, die innerschulische Arbeitsorganisation, den kollegialen Zusammenhalt sowie die Entwicklung von Kooperationen mit externen Partner/innen. In Hinblick auf die Erwerbung und Verwendung von Finanz- und Personalmitteln sowie die Auswahl, Einstellung und Beurteilung von Lehrpersonal erleben die befragten Schulleiter/innen nur wenig Einflussmöglichkeiten. Je höher die erlebte Autonomie von Schulleiter/innen ist, umso günstigere Musterkonstellationen weisen sie auf.

220

4 Schulleitergesundheit

In Hinblick auf Pausen als Ressource zeigte sich, dass zwar etwa zwei Drittel der befragten Schulleitungen pro Tag ein bis zwei Pausen von mindestens 10 Minuten einlegen, deren Erholungswert wird allerdings von den Schulleitungen selbst als niedrig bewertet. Warwas (2009) fokussierte sich ebenso wie Schaarschmidt (2004) und Laux (2011) auf personale Ressourcen von Schulleitungen. Die Autorin entwickelte eine Typologie zum beruflichen Selbstverständnis von Schulleiter/innen, die bereits in Kapitel 2.4.3 der vorliegenden Arbeit überblicksmäßig beschrieben wurde. Die untersuchten Grund- und Hauptschulleiter/innen sowie Leiter/innen mittelgroßer Schulen gehörten überdurchschnittlich oft den Typen „Lehrkraft mit Verwaltungsaufgaben“ und „Generalist“ an. „Teamleiter“ hatten zum Großteil kleine Schulen zu führen. In Hinblick auf das Belastungs- und Zufriedenheitserleben dieser Typen zeigen die Ergebnisse, dass „Teamleiter/innen“, aber auch „pädagogische Führungskräfte“ höhere Zufriedenheitswerte aufweisen als „Lehrkräfte mit Verwaltungsaufgaben“ und „Generalist/innen“. Die beiden letztgenannten Typen zeichnen sich durch mangelnde Rollendistanz und ungelöste Rollenkonflikte sowie unerfüllte Rollenerwartungen aus und erleben überdurchschnittlich oft Zeitdruck sowie auf Beanspruchungsebene Beeinträchtigungen der eigenen Gesundheit. Erfolgsrückmeldungen als potenzielle Ressource werden in der täglichen Arbeit von Lehrkräften mit Verwaltungsaufgaben und Generalist/innen nur selten wahrgenommen. Die länderübergreifende Untersuchung von Huber et al. (2013) bzw. Huber & Wolfgramm (2013) zeigt, dass die persönliche Einsatzbereitschaft als Ressource auf personaler Ebene ein positives Belastungserleben sowie die Arbeitszufriedenheit begünstigt. Eine hohe Stressresistenz schützt gemäß den Auswertungsergebnissen vor dem negativen Erleben von Belastungen, erhöht allerdings nicht die Arbeitszufriedenheit. Auf organisationaler Seite konnten soziale Unterstützung und ein gutes Arbeitsklima als zentrale Ressourcen von Schulleiter/innen, die das Zufriedenheits- und Belastungserleben positiv beeinflussen, identifiziert werden. Beliebte berufliche Aktivitäten von Schulleiter/innen stellen gemäß den Befragungsergebnissen das Unterrichten, der kollegiale Austausch sowie die eigene Fort- und Weiterbildung dar, also Tätigkeiten, die auch eine Lehrkraft zu erledigen hat. Nido et al. (2008) untersuchten unter anderem die personale Ressource der individuellen und kollektiven Selbstwirksamkeit von Schulleitungen im Kanton Aargau. Dabei verstehen die Autor/innen unter individueller Selbstwirksamkeit das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, mit Aufgaben und Problemen selbst fertig zu

4.2 Schulleitergesundheit

221

werden. Im Unterschied dazu bezieht sich die kollektive Selbstwirksamkeit auf die Handlungsfähigkeit einer Gruppe, also z.B. des Kollegiums oder der Schulgemeinschaft. Die Autor/innen kamen zum Ergebnis, dass die befragten Schulleitungen eine ziemlich hohe Selbstwirksamkeit erleben. 90% der untersuchten Schulleiter/innen nehmen eine ziemlich oder sehr hohe individuelle, 95% eine ziemlich oder sehr hohe kollektive Selbstwirksamkeit wahr. Neben personalen Ressourcen betrachtete die Forschergruppe auch soziale Entlastungsfaktoren. Dabei zeigte sich, dass der Großteil der Befragten das soziale Klima als positiv bis sehr positiv erlebt. 95% der Befragten gaben an, dass die Aussage „Zwischen den Lehrpersonen und den Schulleitungen besteht ein freundlicher und vertrauensvoller Umgang.“ ziemlich oder sehr zutrifft. 91% meinten, dass es unter den Lehrpersonen nur selten zu Spannungen kommt. Die größte Entlastung vonseiten anderer Organisationen bzw. Personen erleben die Befragten durch das Schulsekretariat, sofern dieses vorhanden ist. Mit der Unterstützung vonseiten der lokalen Schulbehörde sind hingegen 20% weitgehend bis eher unzufrieden. Belohnung erleben 9% der Schulleitungen in starkem Ausmaß, 47% fühlen sich ziemlich gut, 39% mittelmäßig, 5% wenig belohnt. Die größte Anerkennung erfolgt vonseiten der Lehrpersonen, die geringste vonseiten der Eltern. Punkto Anerkennung und Belohnung zeigen Seibt, Spitzer & Scheuch (2009), dass Schulleiter/innen sich zwar mehr verausgaben als Lehrer/innen ohne Führungsfunktion, jedoch eine höhere berufliche Belohnung in Form von Anerkennung erfahren. Dies wiederum dürfte Grund für die höhere Arbeitsfähigkeit von Schulleiter/innen im Vergleich zu Lehrkräften (s. Kapitel 4.2.3) sein. Die Fachhochschule Nordwestschweiz et al. (2011) relativieren die Erkenntnisse von Seibt, Spitzer & Scheuch (2009). Sie kamen im Zuge der Befragung von Primar- und Sekundarschulleiter/innen sowie Kindergartenleiter/innen in BaselLandschaft zum Ergebnis, dass erhaltene Leistungen und Belohnungen nur teilweise als hoch erlebt werden. Zwar gaben etwa drei Viertel (73%) der Schulleiter/innen an, von Vorgesetzten oder einer entsprechenden Person die Anerkennung zu erhalten, die sie verdienen, allerdings werden Belohnungen in Form von Aufstiegschancen und Gehalt nur selten als ausreichend erlebt. Nur etwa die Hälfte (51%) ist zudem der Ansicht, dass die Anerkennung für die eigenen erbrachten Leistungen und Anstrengungen angemessen ist. In Hinblick auf das Erleben von Gratifikationskrisen identifizierten die Studienautor/innen gemeinsame pädagogische Vorstellungen an der Schule als wesentlichen Schutzfaktor. Rosenbusch et al. (2006) stellten mittels standardisierter Befragung fest, dass die größten Ressourcen für Schulleiter/innen weniger im personalen, sondern vielmehr im sozialen Bereich liegen. Zentrale Ressourcen sind ein kooperatives

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4 Schulleitergesundheit

Lehrerkollegium (86,1% an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen trifft eher oder trifft voll zu, 96,8% an Realschulen), ehrenamtlich tätige Eltern (65,8% an Grund, Haupt- und Teilhauptschulen, 58,1% an Realschulen) und Hilfestellungen des Schulamtes (59,1% an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen, 61,6% an Realschulen). Weitere Entlastung bietet der schulpsychologische Dienst (34,2% an Grund, Haupt- und Teilhauptschulen, 28,6% an Realschulen). Bei der Ressource „Schulsekretariat“ zeigt sich eine hohe Diskrepanz zwischen Grund-, Haupt- sowie Teilhauptschulleiter/innen und Realschulleiter/innen. So gaben nur 33,2% der Schulleitungen an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen, hingegen 58,1% an Realschulen an, dass Aufgabendelegation an das Schulsekretariat eine Quelle von Entlastung ist. Dies dürfte aus Sicht der Autorin der vorliegenden Arbeit am häufigeren Vorhandensein eines Schulsekretariats an höheren Schulen liegen. In Hinblick auf Kolleg/innen als soziale Ressource identifizierten Landert et al. (2009) ein gutes Klima im Kollegium als wichtige Ressource von Schulleitungen. So gaben 94% der befragten Schulleiter/innen an, dass das Klima im Kollegium gut oder sogar sehr gut ist. Punkto Unterstützung durch das Schulamt bzw. die Schulbehörde kam Languth (2006) zu weniger zufriedenstellenden Ergebnissen. In ihrer Studie in Niedersachsen stellte die Forscherin fest, dass es mehr als einem Drittel der befragten Schulleiter/innen (35%) an der Unterstützung vonseiten übergeordneter Behörden fehlt. Mehr als die Hälfte (59,3%) wünscht sich zudem mehr persönliche Unterstützung, z.B. in Form von Coaching. Hohberg (2015) fasst die Vielfalt potenzieller Ressourcen auf personaler, sozialer und organisationaler Ebene von Schulleitungen zusammen. Die Forscherin konnte in ihrer qualitativen Befragung von Grundschulleiter/innen in Nordrhein-Westfalen folgende Faktoren als „zufriedenheitssteigernd“ identifizieren:         

Gestaltungsmöglichkeiten aus der Arbeitsaufgabe heraus abwechslungsreiche Tätigkeiten konstruktive Mitarbeit des Kollegiums und angenehmes kollegiales Klima Erfolgserlebnisse Arbeit mit Kindern individuelle Bewältigungsstrategien Unterstützung durch die Stellvertretung Unterstützung im Privatbereich Anerkennung

Die Autorin führt jedoch aus, dass Anerkennung zumeist aufgrund von Unterrichtstätigkeiten und weniger aufgrund von Leitungstätigkeiten erfolgt. In Hin-

4.2 Schulleitergesundheit

223

blick auf das abwechslungsreiche Tätigkeitsspektrum von Schulleitungen merkt die Autorin an, dass dieses von Schulleiter/innen einerseits als Ressource, andererseits aber auch als Belastung wahrgenommen werden kann. Was die zeitliche Gestaltung von Aufgaben betrifft, resümiert die Forscherin, dass eine Erhöhung der Leitungszeit als wesentliche Ressource negatives Beanspruchungserleben eindämmen könnte. Im selben Absatz erwähnt sie jedoch, dass eine gleichzeitige Reduktion bzw. Streichung der Unterrichtszeit, die für viele Schulleiter/innen mit Zufriedenheit verbunden ist, kritisch zu hinterfragen ist. Stattdessen sollte Schulleitungen ein Recht auf individuelle Unterrichtseinteilung eingeräumt werden, welches sie in Abhängigkeit eigener Schwerpunkte in der schulischen Arbeit in Anspruch nehmen können. Im nicht-deutschsprachigen Raum testeten Federici & Skaalvik (2012) auf personaler Ebene im Rahmen ihrer Untersuchung bei norwegischen Schulleiter/innen Strukturgleichungsmodelle zum Zusammenhang zwischen der Selbstwirksamkeit dieser (= exogene Variable) und Burnout, Arbeitszufriedenheit sowie der Motivation, den Job zu beenden (= endogene Variablen). Die Studiengruppe kam zum Ergebnis, dass Selbstwirksamkeit positiv mit der Arbeitszufriedenheit, hingegen negativ mit Burnout und dem Wunsch, den Job zu verlassen, korreliert. Selbstwirksamkeit hat darüber hinaus einen präventiven Effekt auf die Kündigungsabsicht. Buckingham (2004) rückte ebenfalls die Selbstwirksamkeit als potenzielle Ressource von Schulleiter/innen in das Zentrum seiner US-amerikanischen Untersuchung. Er stellte jedoch fest, dass Schulleiter/innen zwar eine hohe Selbstwirksamkeit erleben, das Stresserleben davon allerdings statistisch unabhängig ist. So ist die Selbstwirksamkeit von Schulleiter/innen auch dann hoch, wenn verstärkt Stress erlebt wird. Auf individueller Ebene spielen gemäß Drummond & Halsey (2013) neben der Selbstwirksamkeit auch die formale Qualifikation und Erfahrung des/der Schulleiters/in eine Rolle in Hinblick auf das Belastungserleben. Je stärker diese Ressourcen ausgeprägt sind, umso geringer wird das Belastungsausmaß erlebt, wobei die Korrelation zwar signifikant, allerdings nicht besonders stark ist. Auch den Interviews von Lovell (2016) zufolge ist die Erfahrung von Schulleiter/innen eine wichtige Ressource beim Umgang mit Stress. So sind junge Schulleiter/innen der Ansicht, dass diese ihnen in den nächsten Jahren helfen wird, mit Stresssituationen besser umzugehen. Zum Teil überraschend ergab die Untersuchung von Phillips et al. (2007) bzw. Phillips et al. (2008), dass die Arbeit an großen Schulen (500 Schüler/innen und mehr) die psychische und körperliche Gesundheit begünstigt. Diese Erkenntnis

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4 Schulleitergesundheit

geht mit den Untersuchungsergebnissen von Drummond & Halsey (2013) in Hinblick auf das Belastungserleben von Schulleiter/innen in Australien konform. Darüber hinaus wurden in beiden Studien soziale Rahmenbedingungen als entlastende Faktoren identifiziert. Basol (2013) untersuchte den Einfluss sozialer Unterstützung auf das Burnouterleben bei Schulleitungen. Die Autorin kam in ihrer türkischen Studie zum Ergebnis, dass soziale Unterstützung einen signifikanten Einfluss auf die Entstehung von Burnout hat, wobei gilt, dass je höher die wahrgenommene soziale Unterstützung ist, desto seltener treten Burnoutanzeichen auf. DiPaolas & Tschannen-Morans (2003) US-amerikanische Studie weist generell auf eine Ressourcenknappheit bei Schulleitungen hin. 90% der befragten Schulleiter/innen gaben in dieser Untersuchung an, dass sie mehr professionelle Entwicklung benötigen, um die Rollenerwartungen erfüllen zu können. Eine Zusammenfassung und kritische Betrachtung der bisherigen Studienerkenntnisse zu Ressourcen und entlastenden Faktoren von Schulleiter/innen erfolgt in Kapitel 4.2.4. 4.2.3 Beanspruchungen von Schulleiter/innen Behr et al. (2003) untersuchten neben der arbeitsbezogenen Belastung von Schulleiter/innen auch deren Beanspruchung, insbesondere die positive Beanspruchungsform der Arbeitszufriedenheit. Die Autorengruppe kam zu dem Ergebnis, dass 87% der befragten Schulleitungen mit ihrer Berufsrealität zufrieden sind und beinahe ebenso viele (90%) erneut den Schulleiterberuf wählen würden. Die Studie von Languth (2006) weist in ähnlicher Weise auf eine hohe Arbeitszufriedenheit von Schulleiter/innen hin. So gab der Großteil der befragten deutschen Schulleiter/innen an, mit dem Beruf uneingeschränkt (78,5%) oder zumindest überwiegend (20,8%) zufrieden zu sein. Die Forscherin Warwas (2009) stellte in ihrer Studie bei 861 Schulleiter/innen in Bayern ebenfalls eine hohe Zufriedenheit dieser fest (Werte zwischen 4,43 und 5,09 auf einer sechsstufigen Skala). Die geringste Zufriedenheit bestand noch an kleinen Schulen sowie Volksschulen. Auch die Ergebnisse von Rosenbusch et al. (2006) weisen in diesem Kontext auf eine ungünstigere Gesundheitssituation von Volksschul- bzw. Grundschulleiter/innen im Vergleich zu Leiter/innen an anderen Schultypen hin. Dennoch deuten auch diese Ergebnisse im Gesamtkollektiv betrachtet auf ein hohes Ausmaß positiver Beanspruchung von Schulleiter/innen hin.

4.2 Schulleitergesundheit

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Die Autor/innen kamen in Bayern zum Ergebnis, dass der Großteil der befragten Schulleitungen die berufliche Leistungsfähigkeit als gut (55,6%) oder sehr gut (25,4%) einstuft. Der eigene Gesundheitszustand wurde von etwas mehr als der Hälfte (60,1%) als gut oder sehr gut, von etwa einem Drittel (33,6%) als zufriedenstellend und nur von 6,3% als bedenklich bewertet. Ein Viertel der Realschulleiter/innen (23,3%), hingegen die Hälfte der Grund-, Haupt- und Teilhauptschulleiter/innen (53,3% bzw. 45,5%) gab im Kontext negativer Beanspruchungsformen an, gesundheitliche Probleme zu haben, die sie auf die Arbeit zurückführen. In Hinblick auf die Berufszufriedenheit konnte eine noch größere Diskrepanz zwischen Real- und Grund- sowie Haupt- und Teilhauptschulleiter/innen festgestellt werden. So gaben 97% der Realschulleitungen, hingegen nur 55% der Volksschulleitungen an, mit ihrer generellen beruflichen Situation zufrieden zu sein. Die Autor/innen führen diese Diskrepanz auf einen schwierigeren Rollenvollzug von der Lehrkraft zur Leitung an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen zurück. Zum Thema Arbeitszufriedenheit wurden darüber hinaus spezifische Zufriedenheitsaspekte ermittelt. Die höchste Zufriedenheit herrscht in Hinblick auf die Faktoren „abwechslungsreiche, interessante Arbeit“ (99,3% an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen trifft eher zu oder trifft voll zu, 100% an Realschulen) und „Selbstbestätigung im Beruf“ (88,5% an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen, 100% an Realschulen) vor, die geringste in Hinblick auf das „Ansehen in der Öffentlichkeit“ (30,4% an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen, 29,1% an Realschulen) und „Bezahlung“ (42,1% an Grund-, Haupt- und Teilhauptschulen, 63,4% an Realschulen). Etwa ein Drittel der Befragten gab an, hin und wieder den Wunsch zu haben, frühzeitig in den Ruhestand zu treten. Laux (2011) stellte in ihrer Untersuchung, ähnlich wie bereits erläuterte Studien, ein im Allgemeinen eher günstiges Beanspruchungserleben im Sinne der Wiederwahl des Berufes von Schulleitungen fest. In ihrer Untersuchung gaben 80% der befragten Schulleitungen an, dass sie ihren Beruf erneut wählen würden. Hauptgründe hierfür sind die großen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten sowie die abwechselnden Tätigkeiten. Im Mittel schätzten die Befragten darüber hinaus ihre körperliche und psychische Verfassung als recht gut ein und hatten in den vergangenen zwei bis drei Jahren vor der Befragung nur selten bis gelegentlich Beschwerden. Am häufigsten traten in diesem Zeitraum laut Auskunft der untersuchten Schulleiter/innen noch Abgespanntheit, Übermüdung und Spannungsschmerzen in Nacken, Schultern und Rücken auf. Schulleiterinnen gaben häufiger Beschwerden an als Schulleiter. Weitere Erkenntnisse zu positiven und negativen Beanspruchungen sind folgende: Etwa die Hälfte der Befragten meinte, im Schuljahr vor der Befragung keinen Tag krank gewesen zu sein. Mehr als zwei Drittel der Befragten waren der

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4 Schulleitergesundheit

Ansicht, dass ihre Kraft und Gesundheit ausreichen, um bis zur Pension im Schulleiterberuf zu arbeiten. Grundschulleiter/innen weisen in Hinblick auf das eigene Befinden jedoch ungünstigere Werte auf als ihre Kolleg/innen an anderen Schultypen. Im Gegensatz zu positiven Beanspruchungsfolgen weisen die Ergebnisse von Brauckmann & Herrmann (2013) in Hinblick auf negative Beanspruchungsfolgen auf ein „eher moderates“ negatives Beanspruchungserleben von Schulleiter/innen hin, wobei sich auch bei dieser Studie zeigte, dass Grundschulleiter/innen kritischere Werte aufweisen als Leiter/innen anderer Schulen. In dieser Untersuchung bildeten die Vergleichsgruppe dabei Gymnasialleiter/innen. Landert et al. (2009) kamen in Hinblick auf den Anteil an Schulleitungen, der sich körperlich schlecht bis sehr schlecht fühlt, zu einem Prozentsatz von 13. Dass ein hohes Ausmaß an positiver Beanspruchung nicht unbedingt ein geringes Ausmaß negativer Beanspruchung bedeutet, zeigen die Ergebnisse von Nido et al. (2008). Diese deuten, ähnlich wie die Ergebnisse von Rosenbusch et al. (2006), auf eine Diskrepanz zwischen Arbeitszufriedenheit und negativen psychischen Beanspruchungen hin. So gaben in deren Untersuchung im Kanton Aargau (Schweiz) 90% an, sehr große oder zumindest überwiegend Arbeitsfreude zu erleben. Gleichzeitig meinte ein Drittel, sich nur teilweise erholen zu können, 4% überwiegend gar nicht. 23% weisen darüber hinaus kritische Werte in Hinblick auf emotionale Erschöpfung auf. Seibt et al. (2009) stellten passend dazu in ihrer multimethodischen Studie fest, dass Schulleiter/innen in Sachsen eine hohe Arbeitsfähigkeit aufweisen, obwohl sie sich höher verausgaben als Lehrkräfte ohne Führungsfunktion, die ebenfalls in die Studie inkludiert wurden. Gleichzeitig konnten die Studienautor/innen allerdings bei 44% der untersuchten Schulleitungen zumindest einige BurnoutSymptome, bei 28% eine reduzierte Erholungsfähigkeit feststellen. Zum Teil entgegen den Erkenntnissen von Nido et al. (2008), Rosenbusch et al. (2006) sowie Seibt et al. (2009) vermutet Hohberg (2015) auf Basis ihrer qualitativen Interviewdaten von Schulleitungen in Nordrhein-Westfalen sehr wohl einen Zusammenhang zwischen der Arbeitszufriedenheit als positive Beanspruchungsform und negativen Beanspruchungen von Grundschulleiter/innen, wobei die Autorin zunächst den Grad der negativen Beanspruchung als Prädiktor-, das Ausmaß an Arbeitszufriedenheit als Outcomevariable betrachtet. Ergänzend weist die Forscherin darauf hin, dass Arbeitszufriedenheit gleichzeitig als Ressource beim Überwinden von negativen Beanspruchungen dienen kann. Sie hält fest, dass kein einfacher kausaler Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Beanspruchung vorliegt. Stattdessen gilt es, den Einzelfall mit allen möglichen Wirkfaktoren zu betrachten.

4.2 Schulleitergesundheit

227

Ihre erlangten Ergebnisse zu negativen Beanspruchungen von Schulleitungen fasst die Autorin folgendermaßen zusammen: „Kritische Beanspruchung wurde aber bei allen deutlich. Dies belegen auch die individuellen Schilderungen der erlebten und teilweise überaus gravierenden Beanspruchungsfolgen.“ (S. 347) Dabei werden von den befragten Schulleitungen verschiedene negative Beanspruchungsformen wie emotionale Reaktionen (z.B. Frustration), Verhaltensanpassungen (z.B. Abstriche bei der Lehrerrolle), Stresssymptome, Einschränkungen im Privatleben, Zukunftsängste, Burnout sowie andere gesundheitliche Probleme genannt. Beanspruchungen treten während des Schuljahres in unterschiedlichem Ausmaß auf. Vor allem das Hinzukommen neuer Aufgaben, der Schuljahreswechsel sowie die Anmeldephase und die Zeit der Vergabe von Halbjahreszeugnissen sind mit einem höheren Erleben negativer Beanspruchungen verbunden. Mit dem Thema Burnout als spezielle negative Beanspruchungsform bei Schulleiter/innen beschäftigten sich Harazd, Gieske, Gerick et al. (2009). Zwar stand das Leitungshandeln von Schulleitungen und dessen Auswirkungen auf die Lehrergesundheit im Zentrum des Interesses dieser Studie, allerdings wurde auch der psychische Gesundheitszustand von Schulleiter/innen, insbesondere das Auftreten von Burnout, selbst erfasst. In Hinblick auf die emotionale Erschöpfung als Dimension des „Maslach Burnout Inventory“ zeigte sich, dass die befragten Schulleiter/innen auf einer Skala von 1 (= sehr niedrig) bis 4 (sehr hoch) mit einem Mittelwert von 2,01 signifikant weniger emotional erschöpft sind als die befragten Lehrer/innen (Mittelwert: 2,48). Ebenso weisen Schulleiter/innen ein signifikant höheres Wohlbefinden (Mittelwert: 3,56) auf als Lehrkräfte (Mittelwert: 3,09). Als potenzielle Gründe für diese Ergebnisse nennen die Forscher/innen eine offensivere Problembewältigung, eine niedrigere Resignationstendenz, eine höher ausgeprägte Abgrenzungsfähigkeit gegenüber Arbeitsbelastungen, den größeren Handlungsspielraum sowie die Vielfalt der Aufgaben von Schulleitungen im Vergleich zu Lehrer/innen ohne Führungsfunktion. Eine aktuelle Untersuchung von Dadaczynski & Paulus (2016), bei der auch Vergleiche mit der soeben erläuterten Studie von Harazd et al. (2009) angestellt wurden, ergab, dass der Mittelwert des Wohlbefindens von Schulleiter/innen auf einer Skala von 1 (= gering) bis 5 (= hoch) bei 3,21 liegt. Dabei konnte eine signifikant negative Korrelation zwischen erlebten Arbeitsbelastungen und dem Wohlbefinden festgestellt werden. Im Vergleich zum Mittelwert des Wohlbefindens bei Harazd, Gieske & Rolff (2009) weisen Dadaczynski & Paulus damit auf eine Verschlechterung des Wohlbefindens in den vergangenen Jahren hin. Dennoch

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4 Schulleitergesundheit

stellten die Forscher erneut fest, dass das Wohlbefinden von Schulleiter/innen deutlich besser ist als jenes von Lehrkräften (Mittelwert: 3,09). Auf Schultypebene weisen Grundschulleiter/innen das geringste, Berufsschulleiter/innen das höchste Wohlbefinden auf. Zudem konnte ein starker negativer Zusammenhang (Korrelationskoeffizient= 0,713) zwischen dem Wohlbefinden und emotionaler Erschöpfung als Indiz für Burnout ermittelt werden. Mit der subjektiven Arbeitsfähigkeit korrelierte das Wohlbefinden erwartungsgemäß positiv. Auch Weber et al. (2004) bzw. Weber et al. (2005) verglichen das Beanspruchungserleben von Schulleiter/innen bzw. Schulleiterstellvertreter/innen mit jenem von Lehrkräften in Bayern, kamen jedoch entgegen der bisher erläuterten Studienerkenntnisse zu dem Ergebnis, dass Schulleitungen stärker negativ beansprucht sind als Lehrkräfte. Die Forschergruppe analysierte dokumentierte amtsärztliche Untersuchungen im Zeitraum von 1997 bis 1999 und führte parallel dazu eine standardisierte Befragung der betroffenen Personen durch. 408 Schulleiter/innen ließen ihre Dienstunfähigkeit feststellen, 84% davon wurden tatsächlich als dienstunfähig eingestuft. Dieser Anteil lag höher als jener bei parallel untersuchten Lehrkräften (74%), wobei die Autor/innen darauf hinweisen, dass die Lehrerkohorte im Durchschnitt jünger war als die Schulleiterkohorte. 21% der untersuchten Schulleiter/innen gaben an, dass ihrer Erkrankung Konflikte am Arbeitsplatz vorangingen. Die häufigsten Gründe für die Dienstunfähigkeit waren psychische und psychosomatische Erkrankungen (45%), HerzKreislauf-Erkrankungen (20%) und Muskel- und Skeletterkrankungen (10%). Beinahe jede zweite Person wies zusätzlich zur festgestellten Hauptdiagnose andere Leiden auf und galt daher als multimorbid. Bei den psychischen und psychosomatischen Erkrankungen dominierten mit einem Anteil von 57% depressive Störungen und Erschöpfungssyndrome im Sinne von Burnout. Die Autor/innen schlussfolgern daraus, dass das Morbiditätsspektrum von vorzeitig dienstunfähigen Leitungspersonen im Schulbereich von stressassoziierten Erkrankungen dominiert wird. Im Vergleich zu Lehrkräften ohne Führungsfunktion treten HerzKreislauf-Erkrankungen als Hauptdiagnose bei Schulleiter/innen signifikant häufiger auf als bei Lehrkräften ohne Führungsfunktion. Geschlechtsspezifisch betrachtet weisen dienstunfähige weibliche Führungskräfte im Schulwesen eine höhere Quote psychischer und psychosomatischer Erkrankungen (40%, Männer: 43%) sowie Muskel- und Skeletterkrankungen (15%, Männer: 8%), aber eine geringere Quote an Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Frauen: 3%, Männer: 26%) auf. Auch außerhalb des deutschsprachigen Raums weisen Studien überwiegend auf eine hohe Arbeitszufriedenheit von Schulleitungen bei gleichzeitig hohem Stresslevel hin. So ergab etwa die Untersuchung von Phillips et al. (2007) bzw. Phillips et al. (2008), dass 73% der befragten Schulleitungen mit ihrem Beruf sehr

4.2 Schulleitergesundheit

229

zufrieden oder zumindest zufrieden sind. Gleichzeitig gaben 43% an, ein sehr hohes bis extremes Maß an Stress zu empfinden. Ein Vergleich mit Werten der Gesamtbevölkerung in der Region ergab, dass Schulleitungen damit eine schlechtere Gesundheit haben. Insbesondere weibliche Schulleitungen weisen einen hohen Stresslevel auf. Die Autor/innen sind der Ansicht, dass die hohe Arbeitszufriedenheit bei gleichzeitig hohem Stresserleben aus der Einsicht von Schulleitungen resultiert, dass bestimmte Belastungsfaktoren mit der Schulleitungsposition nun einmal einhergehen. Buckingham (2004) stellte in einer US-amerikanischen Studie im Bundesstaat Maine ebenfalls einen hohen individuell erlebten Stresslevel von Schulleiter/innen bei gleichzeitig hoher Arbeitszufriedenheit fest. 82% der befragten Schulleiterkohorte gaben an, mittelmäßig (52%) oder sehr (30%) gestresst zu sein. Der Autor stellte zwar einen Zusammenhang zwischen dem Stresserleben und der Arbeitszufriedenheit sowie dem Willen, den Beruf weiterhin auszuüben fest, allerdings weisen die Ergebnisse trotz des hohen Prozentsatzes an „gestressten“ Schulleiter/innen auf eine recht hohe Arbeitszufriedenheit, ein positives Arbeitserleben sowie Enthusiasmus hin. Buckingham (2004) schreibt in diesem Kontext: „Even high stress principals enjoy being principals. “ (S. 86) Gleichzeitig weist der Forscher allerdings kritisch auf eine geringe Reliabilität der Variable „Stress” und der unterschiedlichen Bedeutung dieses Konstrukts für einzelne Individuen hin. Klocko & Wells (2016) zeigen auf, dass sich das Stresserleben von Schulleitungen im Längsschnitt betrachtet eher erhöht. Die Autorengruppe verglich Befragungsergebnisse zum Stresserleben von Schulleiter/innen aus dem Jahr 2009 mit jenen aus dem Jahr 2012. Sie kamen zum Ergebnis, dass das individuelle Stresserleben in diesem Zeitraum anstieg. Eine aktuelle Studie von Darmody & Smyth (2016), die mit Primarschulleiter/innen in Irland durchgeführt wurde, kam entgegen den meisten bisherigen Studienerkenntnissen zum Beanspruchungserleben von Schulleitungen zum Ergebnis, dass ein großer Teil der Befragten sich nicht nur gestresst fühlt, sondern mit dem eigenen Beruf auch nicht zufrieden ist. Combs et al. (2009) untersuchten im Speziellen die negative Beanspruchungsform des Burnouts bei Schulleiter/innen. Deren Erkenntnisse weisen auf eine hohe Burnoutgefährdung von Schulleitungen hin. Etwa 1/3 der untersuchten Elementarschulleiter/innen weist ein moderates bis hohes Burnout-Level auf. Dabei konnten keine Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern, einzelnen Altersgruppen und Schulleiter/innen mit unterschiedlich langer Berufserfahrung im Schulwesen festgestellt werden.

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4 Schulleitergesundheit

Auch Dewa et al. (2009) sprechen von einer eher ungünstigen Gesundheitssituation von Schulleiter/innen. Im Vergleich mit Werten der Gesamtbevölkerung kamen sie zum Ergebnis, dass etwa die Hälfte ihrer befragten Schulleitungen bei der psychischen Gesundheit, etwa ein Viertel bei der körperlichen Gesundheit unter der bevölkerungsbezogenen Norm liegt. Gursel, Sunbul & Sari (2002) stellten im Vergleich von Schulleitungen mit Lehrkräften fest, dass erstgenannte Gruppe bei Einsatz des „Maslach Burnout Inventory“ zwar eine höhere persönliche Bewältigungsfähigkeit hat, jedoch höhere Werte bei der Burnoutdimension „Depersonalisierung“ (s. Kapitel 3.2.1.2) aufweisen. Gleichzeitig sind sie mit ihrer Arbeit unzufriedener als Lehrer/innen. Den höheren Grad an Depersonalisierung bei Schulleitungen führen die Autor/innen auf die typische Arbeitssituation dieser Berufsgruppe zurück. Kein signifikanter Unterschied zwischen Lehrkräften und Schulleiter/innen konnte punkto emotionaler Erschöpfung als weitere Dimension von Burnout festgestellt werden. 4.2.4 Resümee: Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleiter/innen Die Ausführungen in den vorangegangenen Abschnitten zeigen, dass ein Vergleich von Studienergebnissen zu Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleiter/innen aufgrund des Einsatzes unterschiedlicher Befragungsinstrumente, der Verwendung verschiedener Begrifflichkeiten sowie der Untersuchung unterschiedlicher Gruppen von Schulleiter/innen nur schwer möglich ist. Diese Differenzen dürften der Hauptgrund für die teilweise sehr unterschiedlichen Studienergebnisse sein. Nichtsdestotrotz unternahmen Baeriswyl et al. (2013) – eine Studiengruppe aus der Schweiz – den Versuch, auf Basis einer Studienanalyse allgemeine Befunde zu Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleiter/innen abzuleiten. Die inkludierten Studien beinhalteten zum Teil auch solche, die in der vorliegenden Arbeit betrachtet wurden. Insgesamt stellten die Studienautor/innen 19 Aussagen zu Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleiter/innen auf. In der vorliegenden Forschungsarbeit wurden die Befunde von Baeriswyl et al. (2013) unter Berücksichtigung der in den vorangegangenen Abschnitten dargestellten Forschungsergebnisse zur Schulleitergesundheit zum Teil modifiziert bzw. erweitert, zum Teil wurden neue Befunde ermittelt. Diese sind in Tabelle 12 aufgelistet und bieten eine Zusammenfassung des Kapitels 4.2 Schulleitergesundheit. Neben den einzelnen Befunden findet sich jeweils die Nummer der Studien aus Tabelle 11, die diesen Befund entweder gänzlich (+), zum Teil (~) oder nicht

4.2 Schulleitergesundheit

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bestätigen bzw. sogar das Gegenteil belegen (-). Generell ist darauf hinzuweisen, dass neben aktuelleren Untersuchungen im Vergleich zu Baeriswyl et al. (2013) in der vorliegenden Arbeit verstärkt Studien aus verschiedenen Ländern, wenngleich jene aus dem deutschsprachigen Raum dominieren, zur Analyse herangezogen wurden. Baeriswyl et al. (2013) legten den Fokus auf Studien in der Schweiz. Tabelle 12: Zusammenfassung Kapitel 4.2 Schulleitergesundheit – Erweiterte Befunde von Baeriswyl et al. (2013) zu Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen, Quelle: Eigene Erstellung Belastungen Befund 1: Ein hoher Anteil der Schulleiter/innen fühlt sich nur wenig bis mittel stark belastet. (neuer Befund) + 1, 12, 14; - 17 Befund 2: Die zeitliche Belastung und Arbeitsmenge von Schulleitungen sind in der Regel hoch und übersteigen das für die Leitung vorgesehene Pensum. Auch Unterbrechungen treten immer wieder auf und wirken belastend. Oft ist es vor allem die Summe der Aufgaben, die belastend wirkt. (erweiterter Befund) + 5, 6, 8, 11, 15, 16, 17, 20, 21, 28; ~ 10 Befund 3: Ein hoher Anteil der Arbeitszeit wird von administrativen Tätigkeiten eingenommen, was die Spielräume der Schulleitungen bei der Wahrnehmung ihrer Führungsaufgaben (z.B. Schulentwicklung, Qualitätsmanagement) einschränkt. (erweiterter Befund) + 6, 7, 14, 15, 17, 28; ~ 8 Befund 4: Schulleitungen sind durch unklare Verantwortlichkeiten (Rollenambiguität) belastet. Insbesondere die Arbeitsteilung mit lokalen Schulbehörden bedarf vielerorts einer Klärung bzw. wird eine höhere Unterstützung dieser erwünscht. (Befund Baeriswyl et al., 2013) + 6, 14, 28, 29; ~ 7, 10, 20 Befund 5: Schulleitungen sind durch zunehmende, zum Teil widersprüchliche Anforderungen und Erwartungen (Rollenkonflikte) belastet. Sie fungieren oft als Vermittler/innen (z.B. Moderieren von Konflikten) zwischen verschiedenen Akteur/innen. (erweiterter Befund) + 6, 10, 12, 13, 20, 22, 29

Ressourcen Befund 15: Wichtige personale Ressourcen von Schulleiter/innen stellen die Selbstwirksamkeit, Erfahrung, eine positive Einstellung zur Arbeit, Einsatzbereitschaft, persönliche Erfolge und Distanzierungsfähigkeit dar. (erweiterter Befund) + 2, 6, 12, 14, 15, 20, 24, 26, 29

Befund 16: Eine hohe Stressresistenz und offensive Problemlösungsstrategien von Schulleiter/innen stellen wichtige Ressourcen dar. (neuer Befund) + 2, 14, 15

Befund 17: Viele Schulleitungen sehen ihre Handlungs- und Entscheidungsspielräume als potenzielle Ressource als unzureichend an. (Befund Baeriswyl et al., 2013) + 15, ~ 12 Befund 18: Das soziale Miteinander im Kollegium wird von vielen Schulleitungen als positiv und entlastend wahrgenommen. (Befund Baeriswyl et al., 2013) + 5, 6, 8, 14, 15; ~ 25

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4 Schulleitergesundheit

Belastungen Befund 6: Konflikte mit bzw. Beeinträchtigungen der Beziehungsqualität zu Lehrpersonen werden großteils zwar eher selten erlebt, wenn, dann wirken sie allerdings stark belastend. Oftmals ist auch das Motivieren von Lehrkräften anstrengend. (modifizierter Befund) + 4, 8, 11, 15, 17, 22, 29; ~ 5, 7, 13, 20 Befund 7: Die Zusammenarbeit und Kommunikation mit Erziehungsberechtigten werden häufig belastend erlebt. (neuer Befund) + 5, 6, 7, 11, 13, 15, 17, 19, 22, 29; ~ 20, 23

Befund 20: Schulbehörden und andere schulische Dienste (z.B. schulpsychologischer Dienst) bieten Unterstützung und Entlastung. (modifizierter Befund) + 5, 11; ~ 4, 6

Befund 8: Konflikte mit Schüler/innen bzw. das Abgrenzen von Schülerproblemen werden als belastend erlebt. (neuer Befund) + 11, 22, 29; ~ 7, 13, 20

Befund 21: Schulleitungssekretariate entlasten Schulleitungen, sind zum Teil jedoch in zu geringem Ausmaß vorhanden. (erweiterter Befund) + 6, ~ 5

Befund 9: Die Zusammenarbeit mit dem schulischen Umfeld wird als belastend erlebt. (neuer Befund) + 6, 29

Befund 22: Das Unterrichten sowie der Umgang mit Schüler/innen stellen wichtige Ressourcen von Schulleiter/innen dar. (neuer Befund) + 14, 15

Befund 10: Schulleitungen sind durch schnell aufeinanderfolgende Reformen, die zum Teil als nicht ausgereift erlebt werden, und einen ausgeprägten Veränderungsdruck belastet. (erweiterter Befund) + 4, 5, 6, 7, 12, 14, 15, 21 Befund 11: Bei Schulleitungen mit hoher Lehrverpflichtung sind die Belastungen besonders stark ausgeprägt. (Befund Baeriswyl et al., 2013) + 12, 15; ~ 7; - 1, 14, 21 Befund 12: Die räumliche, materielle, finanzielle und personelle Ausstattung der Schule wird häufig als unzureichend und belastend erlebt. (neuer Befund) + 5, 7, 15; ~ 11, 26, 28 Befund 13: Je geringer die Schulgröße ist, umso stärker werden Belastungen erlebt. (neuer Befund) + 15, 21, 26; - 1 Befund 14: Schulleiter/innen erleben häufig ein Ungleichgewicht zwischen Arbeits- und Privatleben als belastend. (neuer Befund) + 21, 28

Ressourcen Befund 19: Ehrenamtlich tätige Erziehungsberechtigte, das Engagement dieser sowie Anerkennung stellen eine wesentliche Ressource von Schulleiter/innen dar. (neuer Befund) + 5, 6

4.2 Schulleitergesundheit

233

Beanspruchungen Befund 23: Viele Schulleitungen erleben ein Ungleichgewicht zwischen Verausgabung und Belohnung (Gehalt, Aufstiegschancen, Anerkennung), d.h. es treten Gratifikationskrisen auf. (Befund Baeriswyl et al., 2013) + 5, 15, 20, 21; ~ 6, 8, 9, 11 Befund 24: Die Mehrheit der Schulleitungen ist trotz hoher Arbeitsbelastung, hohem Stresserleben und erster Burnoutsymptome zufrieden und motiviert. Schulleiter/innen sind im Durchschnitt zufriedener als Lehrkräfte ohne Führungsfunktion. (erweiterter Befund) + 1, 4, 6, 10, 12, 20, 21; 18, 27 Befund 25: Der Anteil der Schulleitungen mit hohen bzw. kritischen Werten in Befragungen zur Burnoutgefährdung liegt zwischen 12 und 44%. Im Vergleich zu Lehrkräften ohne Führungsfunktion weisen Schulleiter/innen niedrigere Burnoutraten, hingegen ein höheres Wohlbefinden auf. (modifizierter Befund) + 9, 22; ~ 18; - 3 Befund 26: Der Großteil der Schulleiter/innen fühlt sich arbeitsfähig und glaubt, den Beruf bis zum Erreichen des Pensionsantrittsalters gut meistern zu können. (neuer Befund) + 5, 9, 12; ~ 1

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass vom Methodendesign her quantitative Befragungen von Schulleiter/innen zur Selbsteinschätzung ihrer Gesundheitssituation dominieren. In Hinblick auf die Ermittlung von Belastungen zeigt sich dabei, dass zumeist bestimmte Faktoren abgefragt werden, die vom/von der Forscher/in bereits im Vorhinein als potenziell belastend vermutet werden. Carr (1994) kritisierte dieses methodische Vorgehen bereits im Jahr 1994: „The typical job stress study can be characterized as follows: questionnaire respondents are asked to report their perceptions of job conditions which the researcher has a priori labelled as stressful (e.g. role conflict). Next, in the same questionnaire, respondents are asked to report their job-related affected states. Then, the relationship between “stressful” job condition perceptions and job-related effective states is statistically ascertained; and, so long as the detected relationship is statistically significant, the researcher concludes that a source of job stress (or a job stressor) has been identified.” (S. 18)

Die Studienanalyse der Autorin der vorliegenden Arbeit zeigt, dass sich bis heute nicht viel an dieser Forschungssituation geändert hat. So werden kaum innovative, triangulative Methodendesigns angewendet. Generell zeigt sich, dass deutlich mehr Befunde zu Belastungen als zu Ressourcen vorliegen. Die meisten Erkenntnisse zu Belastungen liegen in Hinblick auf die zeitliche Belastung und die Menge der Arbeitsaufgaben, administrative Tätigkeiten, widersprüchliche Anforderungen und Erwartungen, die Zusammenarbeit mit Eltern sowie Reformen und Veränderungsdruck vor. Dem definierten

234

4 Schulleitergesundheit

Befund von Baeriswyl et al. (2013), demnach eine hohe Lehrverpflichtung von Schulleiter/innen belastend wirkt, widersprechen einige Studienergebnisse. Weitere Belastungen, die in mehr als einer Studie identifiziert wurden und in der Tabelle als „neue“ Befunde aufgelistet sind, stellen mangelnde finanzielle, personelle, materielle und/oder räumliche Ressourcen, Probleme mit Schüler/innen sowie eine fehlende Balance zwischen Privat- und Berufsleben dar. In Hinblick auf den Einfluss der Schulgröße sprechen die meisten Studien dafür, dass die Belastung an kleinen Schulen größer ist als jene an großen. Betrachtet man Befunde zu Ressourcen, so liegen die meisten Forschungserkenntnisse zur Selbstwirksamkeit, positiven Charaktereigenschaften und einer positiven Einstellung zum Beruf sowie zu den sozialen Bedingungen im Kollegium vor. Darüber hinaus wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine hohe Stressresistenz und offensive Problembewältigungsstrategien, das Unterrichten und der Umgang mit Schüler/innen sowie ehrenamtlich tätige und wertschätzende Eltern bzw. Erziehungsberechtigte der Schüler/innen als zusätzliche Ressourcen identifiziert. Widersprüchliche Ergebnisse liegen zum Vorhandensein der Ressourcen „Handlungs- und Entscheidungsspielraum“, „Schulsekretariat“ sowie „Unterstützung durch die Schulbehörde und andere schulische Dienste“ vor. Eindeutige Befunde zu Beanspruchungen von Schulleitungen sind schwer zu erbringen, da eine große Bandbreite an Werten zu einzelnen Beanspruchungsfolgen vorliegt. Gründe hierfür wurden bereits eingangs erwähnt. Carr (1994) bringt die Vielfalt an Forschungserkenntnissen zum Stresserleben von Schulleitungen exemplarisch folgendermaßen auf den Punkt: „The relative stressfulness of the job of principal appears unclear. Different samples with different job environments (education systems and social cultures), different methodologies, or different definitions of stress may explain the variations, but until comparative studies are undertaken the reasons remain speculative.” (S. 21)

Generell wird in den meisten Studien, vor allem jenen im deutschsprachigen Raum, allerdings eine höhere Arbeitszufriedenheit und ein höheres Wohlbefinden von Schulleiter/innen im Vergleich zu Lehrkräften ohne Führungsfunktion ermittelt, auch wenn einige Untersuchungsergebnisse dem widersprechen. Nur vereinzelt finden sich Hinweise zum Zusammenspiel einzelner Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen. So wird etwa in einigen Untersuchungen die Imbalance von Verausgabung einerseits und Belohnung andererseits gemäß dem Gratifikationsmodell von Siegrist thematisiert. Ansonsten wird im Zuge von Erhebungen zumeist lediglich abgefragt, in welcher Form bestimmte Faktoren als belastend oder ressourcenstärkend erlebt werden. Wie häufig Schulleiter/innen jedoch tatsächlich von bestimmten Belastungen betroffen sind bzw. Ressourcen in

4.3 Fazit zu Kapitel 4

235

Anspruch nehmen und wie hoch damit das tatsächliche Belastungs- und Ressourcenausmaß ist, bleibt zumeist unklar (vgl. auch Carr, 1994). Darüber hinaus zeigt ein Blick auf Tabelle 12, dass einige Faktoren – insbesondere solche sozialer Art wie z.B. der Umgang mit Eltern, Schüler/innen und Kolleg/innen, aber auch der Schulbehörde – sowohl belastend als auch ressourcenstärkend wirken können. Die bisherigen Forschungserkenntnisse zur Schulleitergesundheit bieten zwar einen ersten Orientierungsrahmen für potenzielle Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen der Kernzielgruppe der vorliegenden Arbeit, nämlich Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs, ob die in Tabelle 12 angeführten Befunde jedoch für diese spezielle Gruppe Gültigkeit haben, bleibt unklar. Aus diesem Grund bedarf es eines tieferen Einblicks in das individuelle Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben einzelner Volksschuldirektor/innen, was im empirischen Teil der Arbeit (s. Kapitel 5) erfolgt. 4.3 Fazit zu Kapitel 4 In diesem Kapitel wurde ein vertiefter Einblick in die bisherige Forschung zur Lehrergesundheit, insbesondere zu Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen der „Macher/innen von Gesundheit“ in der Schule, nämlich Schulleiter/innen, gegeben. Zum Teil wurde damit wieder eine Brücke zurück zu Kapitel 2 geschlagen, indem hier aufgezeigt wurde, inwieweit einzelne Tätigkeiten und Rollenanforderungen an den Schulleiterberuf auf die Gesundheit wirken. Betrachtet man die Erkenntnisse aus der „Linse“ der theoretischen Bezugsfelder der Arbeit (s. Kapitel 3) heraus, so können folgende Schlussfolgerungen abgeleitet werden: Entsprechend dem arbeitswissenschaftlichen Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungskonzept liegen Erkenntnisse zu den drei zentralen Modellkomponenten vor. Die größten Belastungen von Schulleitungen im Gesamtkollektiv dürften in der zeitlichen Belastung bzw. der Arbeitsmenge, Reform- und Veränderungsdruck sowie „negativen“ sozialen Beziehungen liegen. Im Umgang mit diesen Belastungen steht Schulleiter/innen je nach individueller Situation ein Repertoire an günstigen Charaktereigenschaften und Selbstwirksamkeit sowie sozialer Unterstützung zur Verfügung. Konkrete Zahlen zum Ausmaß dieser Belastungen und Ressourcen fehlen jedoch. Die Bandbreite an Ergebnissen zur Beanspruchung von Schulleiter/innen ist groß. Dies lässt die Vermutung zu, dass das Ausmaß und Zusammenspiel von Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen stark von Faktoren der individuellen Arbeitssituation (Standort, Schultyp, Größe der Schule, soziales Umfeld), der Einzelperson des/der Schulleiters/in (Charakter,

236

4 Schulleitergesundheit

Stressresistenz, Berufserfahrung, Alter, Geschlecht) sowie dem Auftreten besonderer Ereignisse (z.B. Krankenstandswelle, Konflikt) abhängt. In Hinblick auf das zweite theoretische Bezugsfeld der Arbeit, nämlich das soziale Netzwerk und dessen Gesundheitsrelevanz, ist festzuhalten, dass in Studien zur Lehrer- und Schulleitergesundheit zwar die hohe Bedeutung psychosozialer Belastungen (z.B. Konflikte mit Kolleg/innen) und Ressourcen (z.B. Anerkennung durch Eltern) betont wird – so steht nahezu jede Belastung und Ressource aufgrund der Tätigkeit von Schulleiter/innen in irgendeiner Weise mit sozialen Beziehungen in Verbindung – allerdings werden zumeist lediglich vorausgewählte inhaltliche bzw. funktionale Aspekte einzelner sozialer Beziehungen untersucht. Keine Erkenntnisse liegen zum Zusammenspiel einzelner Belastungen und Ressourcen im Kontext des sozialen Netzwerkes vor. Studien zur Bedeutung quantitativer Aspekte sozialer Netzwerke für die Lehrer- bzw. Schulleitergesundheit fehlen gänzlich. Lediglich die Relevanz der Größe der Schule für das individuelle Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben wurde in einigen Untersuchungen ermittelt. Die Ergebnisse diesbezüglich divergieren zum Teil, deuten aber darauf hin, dass Schulleiter/innen an kleinen Schulen verstärkt Belastungen und Beanspruchungen, vermutlich aufgrund geringerer Ressourcen, erleben. Ob dies allerdings auf die Größe des sozialen Netzwerkes zurückzuführen ist oder aber an unterschiedlichen Arbeitssituationen und Haupttätigkeiten dieser Schulleitungen liegt, bleibt unklar. Blickt man über die Schulgrenzen hinaus, so zeigen aktuelle Zahlen, dass es um die Gesundheit des Lehrpersonals recht gut bestellt sein dürfte. Dies widerspricht dem in der Öffentlichkeit vorherrschenden Bild vom „Hochstressberuf Lehrer/in“. Ein Vergleich von Lehrkräften ohne Führungsfunktion mit Schulleiter/innen lässt vermuten, dass die zweitgenannte Gruppe sogar noch „gesünder“ ist. Die aktuelle Forschung zeichnet aufgrund diverser methodischer Einschränkungen allerdings kein einheitliches Bild von der Schulleitergesundheit. Darüber hinaus bleibt unklar, inwiefern die dargelegten Studienergebnisse auf Volksschulleiter/innen in Österreich übertragen werden können. So konnten mit einer Ausnahme nur Erkenntnisse aus nicht-österreichischen Bundesländern und Regionen dargestellt werden. Auf Schultypebene deuten viele Studien, allerdings nicht alle, auf eine eher prekäre Gesundheitssituation von Volksschulleiter/innen im Vergleich zu Leiter/innen anderer Schultypen hin. Der gesundheitlichen Situation von Volksschulleiter/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs, insbesondere dem Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben dieser, wird im nachfolgenden Kapitel näher auf den Grund gegangen.

5

Empirische Erhebung

Die im vorangegangenen Kapitel dargestellte Forschungslage zur Schulleitergesundheit unterliegt sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in anderen Ländern starker Kritik. Krause & Dorsemagen (2007) forderten bereits im Jahr 2007 folgende weitere Forschungsaktivitäten zum Thema „Lehrergesundheit“, die auch für die Forschung rund um den Schulleiterberuf von Relevanz sind:    

Herausarbeitung der Besonderheiten des Lehrerberufs sowie sozialer und struktureller Merkmale, insbesondere von Lehrer-Schüler-Interaktionen Heranziehen anspruchsvollerer Studiendesigns zur Ermittlung gesundheitsschädlicher und gesundheitsfördernder Faktoren der täglichen Arbeit Kombination vielfältiger Informationsquellen und Erhebungsmethoden Festlegung auf ein theoretisches Rahmengerüst im Sinne adäquater Operationalisierung

Den Autor/innen zufolge besteht eine hohe Diskrepanz zwischen dem Umfang an Studien zur Lehrergesundheit und dem tatsächlichen Erkenntnisgewinn (S. 76). Andere Forscher (vgl. Kyriacou, 2001; Rothland, 2009) kritisieren den inhaltlichen Fokus auf Persönlichkeitsmerkmale als Einflussfaktoren auf die Gesundheit von Lehrpersonen sowie in Hinblick auf das methodische Vorgehen die nahezu ausschließliche Durchführung quantitativer Befragungen. An den angeführten Kritikpunkten bzw. dem identifizierten Forschungsbedarf, der – wie Kapitel 4 zeigt – auch heute noch besteht, setzt das methodische Vorgehen der vorliegenden Forschungsarbeit an. So werden Spezifika des Schulleiterberufs herausgearbeitet, wobei der Fokus auf die gesundheitliche Bedeutung sozialer Beziehungen bzw. des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz von Volksschuldirektor/innen gelegt wird. Dabei wird die Relevanz dieser mithilfe eines komplexen triangulativen Methodendesigns, nämlich einer triangulativen sozialen Netzwerkanalyse, auf Basis dessen verschiedene Datenquellen genutzt und zueinander in Beziehung gesetzt werden können, ermittelt. Im Sinne einer Verknüpfung des empirischen und theoretischen Teils der Arbeit wurde ein theoretischer Raster entwickelt, welcher die eigene empirische © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Szabo, Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27208-1_5

238

5 Empirische Erhebung

Erhebung kontinuierlich begleitete (s. Kapitel 5.2.1). Zudem wurde zum einen ermittelt, inwieweit sich die theoretischen Konzepte und Modelle in den Ergebnissen wiederfinden, zum anderen welche Erkenntnisse aus der bisherigen Schulleitergesundheitsforschung bestätigt und welche nicht bestätigt werden können. In Kapitel 0 wurde das methodische Vorgehen im Rahmen der Forschungsarbeit bereits begründet und dessen Innovationsgrad kurz angerissen. Ohne diese Punkte zu wiederholen, werden zunächst methodologische und methodische Grundlagen der eigenen Erhebung überblicksartig dargestellt. Erst anschließend wird das konkrete Forschungsdesign von der Erhebung über die Stichprobenziehung bis hin zur Auswertung beschrieben. Schließlich erfolgen die Präsentation und Diskussion der zentralen Ergebnisse. 5.1 Methodologische und methodische Grundlagen Mit den Forschungsfragen (s. Kapitel 1.2) eng verbunden ist die methodologische Positionierung der vorliegenden Arbeit. Obwohl – wie noch näher beschrieben wird – das Forschungsdesign sowohl qualitative als auch quantitative Elemente beinhaltet, ist der methodologische Zugang zum Forschungsthema eher qualitativ ausgerichtet. Aus Sicht der Autorin bedarf es zur Beantwortung der formulierten Forschungsfragen offener Erhebungsmethoden, um die tatsächlichen Orientierungen und Relevanzsetzungen der Forschungsobjekte, die gleichzeitig Forschungssubjekte sind, in Hinblick auf die gesundheitliche Bedeutung ihres sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule zu ermitteln. Mit der eher qualitativen Ausrichtung grenzt sich die Erhebung von den meisten bisherigen Studien zur Schulleitergesundheit ab und ermöglicht einen explorativen Zugang zu diesem bislang eher wenig erforschten bzw. nur geringfügig wissenschaftlich durchdrungenen Themengebiet (s. Kapitel 4.2). Im Speziellen schließt die eigene Studie die Forschungslücke im qualitativen Bereich. Vorrangiges Ziel ist das Verstehen der beforschten Subjekte, wobei auf Basis eines tiefen Einblicks in die Gefühls- und Erlebniswelt von Volksschuldirektor/innen neue Hypothesen generiert und komplexe Zusammenhänge in Hinblick auf das Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben rekonstruiert werden. Insofern ist der Einsatz der genannten Erhebungsmethoden als eher explorativ zu verstehen. Dabei wird unter dem Begriff der Exploration in Anlehnung an die Ausführungen von Lamnek & Krell (2010) die Untersuchung eines fremden Lebensbereiches verstanden – in diesem Fall des psychosozialen Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserlebens von Volksschuldirektor/innen. Die erlangten Erkenntnisse, deren Zusammenhänge sowie die methodische Vorgehensweise gilt es bei explorativen Untersuchungen kontinuierlich zu reflektieren. Dabei muss

5.1 Methodologische und methodische Grundlagen

239

der/die Forscher/in dazu fähig sein, das eigene Vorwissen stets zu hinterfragen bzw. dem empirischen Feld anzupassen (S. 36). Konkret handelt es sich bei der vorliegenden Studie bezogen auf den Forschungsgegenstand, also das psychosoziale Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben von Volksschuldirektor/innen am Arbeitsplatz, um eine theoriebasierte Exploration (vgl. Bortz & Döring, 2006). Damit ist das Anknüpfen an bestehende Theorien und Ideen – in diesem Fall die in Kapitel 3 diskutierten Konzepte – gemeint, die neugefasst, umformuliert bzw. vor dem Hintergrund des konkreten Forschungsgegenstandes betrachtet werden. Bereits in den 1970er Jahren schrieb Anderson (1987) „ […] that is to say, we put old ideas together in a new way and this reorganization itself constitutes a new idea” (S. 47) und begründet damit ein derartiges empirisches Vorgehen. Eine Synopse der bisherigen Theoriearbeit wird in Form des heuristischen Rasters (s. Kapitel 5.2.1) abgebildet. Im Sinne eines deduktiv-induktiven Wechselspiels finden auch Ansätze der empirisch-qualitativ-basierten Exploration Berücksichtigung, die auf qualitativ erhobenen Daten aufbaut und bislang vernachlässigte Phänomene, Wirkungszusammenhänge und Verläufe sichtbar macht (vgl. Bortz & Döring, 2006, S. 357-365). Damit ist die vorliegende Studie als ein Hybrid aus theorie- und empirisch-qualitativ-basierter Exploration zu verstehen. Trotz der generellen Bekenntnis zur qualitativen Sozialforschung begnügt sich die vorliegende Arbeit damit nicht und bedient sich im Sinne einer Triangulation auch Methoden der quantitativen Sozialforschung. Auf detaillierte Ausführungen zu generellen methodologischen und methodischen Ansichten der beiden Forschungsstränge – qualitativ und quantitativ – wird an dieser Stelle verzichtet. Umfassende, zeitgemäße Ausführungen rund um die qualitative Sozialforschung finden sich in den Methodenlehrbüchern von Flick (2012), Lamnek & Krell (2010) sowie Mey & Mruck (2014). Die Charakteristika und das Methodenspektrum der quantitativen Sozialforschung behandeln Bortz & Döring (2006) sowie Schnell, Hill & Esser (2008) ausführlich. Eine der wenigen Arbeiten, bei der beide Methodenspektren mit nahezu gleicher Wertigkeit behandelt werden, stammt von Baur & Blasius (2014). An dieser Stelle soll im Sinne einer methodologischen Einordnung des Vorgehens zusammenfassend festgehalten werden, dass das methodische Design im Licht der Schulleitergesundheitsforschung als eher explorativ bezeichnet werden kann. Was die bisherige theoretische Grundlegung zu den Themenkomplexen „Soziales Netzwerk und Gesundheit“ sowie „Arbeit und Gesundheit“ generell betrifft, weist die Forschungsarbeit zusätzlich zu einem theoriegenerierenden auch einen leicht theorieprüfenden Charakter auf. So wird ermittelt, inwieweit sich einzelne Theorien auch im Kontext der Schulleitergesundheit wiederfinden.

240

5 Empirische Erhebung

5.1.1 Gütekriterien der qualitativen Sozialforschung Der Autorin war es ein besonderes Anliegen, die Qualität des vorwiegend qualitativ ausgerichteten empirischen Vorgehens zu sichern. Aus diesem Grund erfolgt an dieser Stelle ein kurzer Exkurs in die Gütekriterien qualitativer Sozialforschung, wobei aufgezeigt wird, in welcher Form versucht wurde, diese im Rahmen der eigenen empirischen Erhebung zu erfüllen. Dabei stellte sich die Forscherin in Anlehnung an die Ausführungen von Baur & Blasius (2014, S. 412) sowohl bei der Konzeption des Forschungsdesigns als auch kontinuierlich im Zuge der Erhebung und Auswertung folgende Fragen:   

Wie lassen sich die subjektiven Sichtweisen von Volksschuldirektor/innen im ausgewählten Bundesland Österreichs verlässlich ermitteln? Wie lassen sich Aussagen zur Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes von Volksschuldirektor/innen im ausgewählten Bundesland Österreichs mit einer ausreichenden Gültigkeit treffen? Wie kann eine ausreichende Unabhängigkeit der erhobenen Daten und gezogenen Schlussfolgerungen von der konkreten Einzelperson gewährleistet werden?

Ein kritischer Blick auf eigene Forschungsarbeiten unter Heranziehen von Gütekriterien erfolgt in der qualitativen Forschungspraxis leider kaum, obwohl dies die vonseiten quantitativer Forscher/innen noch immer häufig geübte Kritik an der „Willkür“ qualitativen Vorgehens vermutlich etwas eindämmen könnte. Im Gegensatz zur quantitativen Sozialforschung existiert im qualitativen Bereich kein allgemein akzeptierter Kriteriensatz (Baur & Blasius, 2014, S. 410). Die Gütekriterien der Objektivität, der Reliabilität und der Validität können in der Form, wie sie in der quantitativen Sozialforschung bestehen, nicht auf qualitative Forschungsarbeiten angewandt werden. Kelle (2008) begründet dies wie folgt: „So definiert die quantitative Tradition die Beobachterunabhängigkeit bzw. Objektivität der Datenerhebung und -auswertung, die Theoriegeleitetheit des Vorgehens und die statistische Verallgemeinerbarkeit der Befunde als zentrale Ziele des Forschungsprozesses; Vertreter der qualitativen Tradition stellen dahingegen die Erkundung der Sinnsetzungs- und Sinndeutungsvorgänge der Akteure im Untersuchungsfeld, die Exploration kultureller Praktiken und Regeln und die genaue und tiefgehende Analyse und Beschreibung von Einzelfällen in den Mittelpunkt ihrer Forschungsbemühungen.“ (S. 13)

5.1 Methodologische und methodische Grundlagen

241

Trotz zahlreicher Schwierigkeiten, Gütekriterien für die qualitative Sozialforschung zu definieren, wurde die Forderung nach allgemeinen methodologischen Regeln in den vergangenen Jahren immer stärker (Lamnek & Krell, 2010, S. 130). Im Folgenden wird rund um die Diskussion von Gütekriterien in der qualitativen Sozialforschung auf die Zusammenschau von Lamnek & Krell (2010) Bezug genommen, die vor allem auf den Arbeiten von Flick (2007), Kelle (1997), Mayring (2002), Seale (1999) und Steinke (1999) beruhen. Diese werden um Ausführungen von Baur & Blasius (2014) sowie jene von Kuckartz (2007b) ergänzt. Tabelle 13 gibt einen Überblick über wesentliche Gütekriterien der qualitativen Sozialforschung, wobei verschiedene Bezeichnungen, die ähnliche Qualitätsaspekte betreffen, zusammengefasst wurden. Ergänzend gibt die Tabelle Auskunft darüber, inwieweit diese Kriterien aus Sicht der Autorin der vorliegenden Arbeit bei der eigenen empirischen Erhebung Berücksichtigung fanden.

242

5 Empirische Erhebung

Tabelle 13: Gütekriterien qualitativer Sozialforschung und Berücksichtigung im Rahmen der Erhebung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Baur & Blasius (2014), Kuckartz (2007b), Lamnek & Krell (2010)

Nähe zum Gegenstand, ökologische Validität, Offenheit

Regelgeleitetheit

Verfahrensdokumentation, argumentative Validierung

Kriterium

Gütekriterien qualitativer Sozialforschung Beschreibung Berücksichtigung im Rahmen der Erhebung detaillierte Offenlegung des empirischen Vorgehens, um dieses intersubjektiv nachprüfen zu können

Systematisierung des Vorgehens

Fokus auf die natürliche Lebenswelt der Betroffenen, Einbezug von Interessen und Relevanzsystemen

Einzelne operative Schritte des empirischen Vorgehens (Erhebung, Datenaufbereitung, -analyse und -interpretation) werden sehr umfassend beschrieben und begründet. Insbesondere der Prozess der empirisch begründeten Typenbildung wird im Gegensatz zu vielen anderen Forschungsarbeiten, die sich dieser Auswertungsmethode bedienten, detailliert dargestellt. Die Verwendung der Auswertungssoftware MaxQDA 12 erleichterte im Speziellen die Dokumentation der Datenanalyse. Eine argumentative Validierung erfolgt vor allem durch die Darstellung von Zwischenergebnissen und die Bezugnahme auf bisheriges Forschungswissen. Im Zuge der empirischen Erhebung wurde durchgehend sehr systematisch vorgegangen. Dies ist in der Verfahrensdokumentation ersichtlich. Darüber hinaus orientierte sich das Vorgehen an in den Sozialwissenschaften einschlägigen Erhebungs- und Auswertungsverfahren (problemzentriertes Interview nach Witzel, empirisch begründete Typenbildung nach Kluge usw.). Interviews wurden direkt mit den Betroffenen, nämlich den Volksschuldirektor/innen, zumeist in deren Lebensräumen, die im Zentrum des Forschungsinteresses standen, nämlich ihren Schulen, geführt. Sie gaben selbst an, in welcher Weise das soziale Netzwerk und einzelne Personen darin von Relevanz für das eigene Wohlbefinden sind und über wen sie demnach sprechen wollten. Trotz eines vorhandenen Interviewleitfadens wurde stets Raum für weitere, aus Sicht der Befragten relevante Aspekte des Themas, gegeben. Individuelle Umwelt- und Situationsbedingungen im Rahmen der Erhebung wurden in Postskripten festgehalten.

5.1 Methodologische und methodische Grundlagen

Repräsentativität & Generalisierbarkeit

Validierung durch analytische Induktion

Triangulation

Kommunikative Validierung, Diskurs, Expertenvalidierung

Kriterium

243

Beschreibung

Berücksichtigung im Rahmen der Erhebung

Rückkoppelung der Interpretationen an die Befragten durch erneutes Befragen

Eine „Konfrontation der Befragten“ mit den Deutungen der Forscherin passierte in der Interviewsituation. Vorläufige Interpretationen der Forscherin wurden den Befragten mitgeteilt und damit auf deren „Richtigkeit“ hin überprüft.

Diskussion der Ergebnisse mit anderen Expert/innen

Ein Austausch mit der „Scientific Community“ im Sinne des „Peer Briefings“ und des Aufdeckens eigener „blinder Flecken“ passierte kontinuierlich durch die Präsentation von Zwischenergebnissen. Darüber hinaus wurden die Typen, aber auch andere Ergebnisse der Erhebung, mit Personen im schulischen Umfeld diskutiert.

Nutzen verschiedener Methoden zur umfassenden Erfassung von Phänomenen

Diesem Gütekriterium kommt im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine besondere Bedeutung zu. Konkrete Ausführungen dazu finden sich in Kapitel Triangulation.

Entwicklung einer vorläufigen Theorie und anschließende Suche nach abweichenden Fällen

Vor allem im Zuge der empirisch begründeten Typenbildung wurde stets nach „abweichenden Fällen“, die (zunächst) keinem der gebildeten Typen zugeordnet werden konnten, gesucht. Es erfolgte eine kontinuierliche „Umdefinition“ und Umformulierung von Hypothesen, Dimensionen und Dimensionsausprägungen sowie Typenbeschreibungen. Der Umgang mit abweichenden Fällen wird im Zuge der Ergebnisdarstellung beschrieben.

Sicherung der Allgemeinheit durch rekonstruktive Verfahren (Typenbildung, theoretisch-systematische Fallauswahl)

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde im Sinne einer Generalisierung eine Typologie empirisch begründet entwickelt. Die Untersuchungsteilnehmer/innen wurden systematisch ausgewählt.

Bei der Betrachtung der in Tabelle 13 aufgelisteten Kriterien und deren Beschreibung ist zu berücksichtigen, dass es im Gegensatz zur quantitativen Forschung an einer konkreten Definition von Grenzwerten bzw. Punkten, die Aussagen darüber möglich machen, ob ein bestimmtes Gütekriterium im Rahmen einer qualitativen Studie in ausreichendem Maße eingehalten wurde, mangelt. Somit stellt die Idee der Gütekriterien in der qualitativen Forschung aus Sicht von Kuckartz lediglich eine „Absichtserklärung“ dar (vgl. Kuckartz, 2007b), eine Absichtserklärung, der sich auch die Autorin der vorliegenden Forschungsarbeit verschreibt. Generell ist festzuhalten, dass trotz der Definition einzelner Gütekriterien die Angemessenheit des Vorgehens bzw. die Stimmigkeit das allgemeinste und übergeordnetste Gütekriterium qualitativer Sozialforschung darstellt. Wissenschaftliche Begriffe, Theorien und Methoden sind dann angemessen, wenn sie dem

244

5 Empirische Erhebung

Erkenntnisziel des/der Forschers/in und den empirischen Gegebenheiten gerecht werden (Lamnek & Krell, 2010, S. 129-130). 5.1.2 Triangulation Eine wissenschaftliche Herangehensweise an ein Thema sollte sich stets durch einen systematisch begründeten Einsatz von Forschungsmethoden auszeichnen (Baur & Blasius, 2014, S. 72). Es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der Methodeneinsatz im Zuge der eigenen Untersuchung durch eine spezielle Methodenkombination gekennzeichnet ist. Diese soll in den nachfolgenden Abschnitten näher spezifiziert und vor allem begründet werden. In den Sozialwissenschaften herrschte in der Vergangenheit eine andauernde Kontroverse zwischen quantitativer, erklärender, hypothesentestender und qualitativer, verstehender, hypothesengenerierender Forschung vor, was zunächst auf eine stark voneinander unabhängige Entwicklung der beiden Forschungsparadigmen zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhang ist von „Paradigmenkriegen“, „zwei Kulturen“, einem „Schulenstreit“ sowie „zwei voneinander abgeschotteten Lagern“ die Rede (vgl. Baur & Blasius, 2014; Kelle, 2007; Lamnek & Krell, 2010). Dies spiegelt sich in den meisten Methodenlehrbüchern der Sozialwissenschaften wider. So widmen sich diese entweder vorwiegend der quantitativen Sozialforschung (vgl. Bortz & Döring, 2006; Schnell et al., 2008) oder aber der qualitativen (vgl. Flick, 2012; Lamnek & Krell, 2010). Diese Trennung der beiden Ansätze wurde durch eigene Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, eine für qualitative, die andere für quantitative Methoden verschärft. Trotz noch immer vorhandener gegenseitiger Vorwürfe fand in den vergangenen Jahren eine Annäherung der beiden Forschungsstränge statt. Esser (2007) meint in diesem Zusammenhang etwa aus Sicht der qualitativen Sozialforschung: „Es ist friedlich geworden im Feld der Sozialforschung. Fast niemand zieht heute noch aus, um die Quantitativen aus dem Felde zu schlagen. Vor allem in der Soziologie und Pädagogik sind die Zeiten vorbei und fast schon vergessen. Die Zeit der metatheoretischen und paradigmatischen Abgrenzungsbemühungen gegenüber quantifizierenden, nomologisch-deduktiv verfahrenden Ansätzen scheint vorerst vorüber.“ (S. 351)

Lamnek & Krell (2010) meinen, dass für zahlreiche sozialwissenschaftliche Fragestellungen sowohl qualitative als auch quantitative Methoden vonnöten sind (S. 245). Auch Vertreter/innen der quantitativen Forschung scheinen einen Konsens mit der qualitativen zu finden. So wird von zwei Forschungsstrategien gesprochen, die beide eine Berechtigung haben. Die Frage und das Ziel des

5.1 Methodologische und methodische Grundlagen

245

Forschungsvorhabens bestimmen die Wahl der entsprechenden Strategie (vgl. Reichertz, 2014, S. 95). Neben einer gegenseitigen Anerkennung der Existenz der jeweiligen anderen Schule geht die Entwicklung seit einigen Jahren noch viel weiter: Es finden sich immer mehr Ansätze zur Kombination qualitativer und quantitativer Forschungsmethoden im Rahmen von Studien, die unter den Bezeichnungen „Mixed methods“, „integrative Forschung“ und „Triangulation“ geführt werden. Dabei werden qualitative und quantitative Forschungsmethoden als komplementär und weniger als konkurrierend betrachtet (Flick, 2008, S. 73). Gemäß Flick (2012) wird die Frage nach der Verbindung qualitativer und quantitativer Forschung auf drei Ebenen diskutiert, nämlich jener   

der Theorie (Fragen der Erkenntnistheorie, der Methodenentwicklung und der Behandlung der Methodenkombination in der Methodenliteratur), der Forschungspraxis (Fragen der Ausgestaltung von Designs, Umsetzbarkeit, Beitrag von Methodenkombinationen zur Beantwortung konkreter Forschungsfragen) sowie der Methodenausbildung (vgl. auch Diaz-Bone, Kelle & Reichertz, 2014, S. 185).

In den folgenden Absätzen wird vor dem Hintergrund der eigenen empirischen Erhebung vor allem auf die zweite Ebene eingegangen, wobei der Begriff der Triangulation verwendet wird, da dieser als umfassender und gleichzeitig differenzierter gilt als andere Bezeichnungen (vgl. Lamnek & Krell, 2010, S. 248). Norman Denzin (1978) gilt als der Begründer der Triangulation. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Trigonometrie bzw. der Navigation und Landvermessung. Das Wort meint dort die Messung einer unbekannten Größe von unterschiedlichen Messpunkten aus, um eine präzisere Bestimmung dieser zu gewährleisten und Messfehler zu reduzieren (Lamnek & Krell, 2010, S. 141). Übertragen auf die Sozialforschung ist damit gemeint, dass ein Forschungsgegenstand von mindestens zwei Punkten aus betrachtet bzw. konstituiert wird, was zumeist durch die Kombination verschiedener methodischer Zugänge erfolgt (Flick, 2008, S. 11). Denzin (1978) sah in der Triangulation ursprünglich die Möglichkeit der Validierung empirischer Ergebnisse. Er unterscheidet folgende Formen der Triangulation:  

Datentriangulation (Triangulation verschiedener Datensorten) Forscher- bzw. Beobachtertriangulation (Triangulation verschiedener Forschender unterschiedlichen Backgrounds)

246  

5 Empirische Erhebung Theorientriangulation (Triangulation verschiedener Theorien) methodologische Triangulation (methodeninterne Triangulation und Triangulation verschiedener Methoden)

Nachfolgend wird vor allem auf die methodologische Triangulation im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit eingegangen. Nichtsdestotrotz ist zu berücksichtigen, dass auch die anderen drei Formen der Triangulation angewandt wurden. So wurden im Sinne einer Datentriangulation Daten aus Transkriptionen, erstellten Netzwerkkarten und ausgefüllten Kurzfragebögen unterschiedlicher Volksschuldirektor/innen miteinander in Beziehung gesetzt (s. Kapitel 5.3.3 und 5.4.2.3). Eine Forschertriangulation fand zumindest ansatzweise in Form der Diskussion des Forschungsdesigns sowie der Ergebnisse mit Vertreter/innen unterschiedlicher Disziplinen, insbesondere der Soziologie sowie der Gesundheits- und der Erziehungswissenschaften statt. Die Theorientriangulation zeigt sich in den zwei theoretischen Bezugsfeldern der Arbeit (s. Kapitel 3.1 und 3.2), welche in einen heuristischen Raster (s. Kapitel 5.2.1) mündeten. Die methodologische Triangulation fand in der sozialwissenschaftlichen Diskussion die größte Aufmerksamkeit. Denzin unterscheidet zwischen der methodeninternen Triangulation („within-method“) und der Triangulation verschiedener Methoden („between-method“) (Flick, 2008, S. 15-16). Beim empirischen Vorgehen im Rahmen der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine „between-method“Triangulation. Häufig wird Kritik an der ursprünglichen Überlegung von Denzin, wonach Triangulation eine Möglichkeit der Validitätssteigerung ist, geübt. Kritiker/innen zufolge ermöglicht Triangulation zwar eine breitere und tiefere Analyse eines Forschungsbereiches, allerdings bleibt unklar, ob sich dadurch die Validität von Forschungsergebnissen erhöhen lässt. So konstituieren die einzelnen Methoden aus deren Sicht jeweils eigene Gegenstände und bilden unterschiedliche Facetten eines Forschungsthemas ab (vgl. Fielding & Fielding, 1986; Lamnek & Krell, 2010). Einige dieser Kritikpunkte griff Denzin in seinen späteren Konzeptionen der Triangulation auf und betrachtet diese schließlich als Strategie zur Erlangung eines tieferen Verständnisses über einen untersuchten Gegenstand (Flick, 2008, S. 1920). Flick et al. (2014) halten fest, dass Triangulation nicht als Selbstzweck betrachtet werden sollte. Stattdessen ist diese nur dann sinnvoll, wenn es die Forschungsfrage(n) erfordert/erfordern bzw. ein Zugang zu verschiedenen Dimensionen eines Forschungsphänomens gewünscht ist (S. 189). Gerade dies ist beim vorliegenden Forschungsvorhaben der Fall. So sollte im Sinne der Beantwortung der Forschungsfragen (s. Kapitel 1.2)

5.1 Methodologische und methodische Grundlagen  

247

einerseits die subjektive Bedeutung des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Volksschuldirektor/innen, andererseits die soziale Struktur im Sinne des Zusammenhangs zwischen dem psychischen Gesundheitszustand, soziodemographischen Merkmalen der Person sowie der „objektiven“ Struktur des Netzwerkes

erforscht werden. Damit werden mithilfe der einzelnen Methoden weder „dasselbe Phänomen“, noch „unterschiedliche Phänomene“, sondern „unterschiedliche Aspekte desselben Phänomens“ erfasst (vgl. Kelle & Erzberger, 1999). Kelle (2008) definiert die „Erklärung überraschender statistischer Befunde“, die „Identifikation von Variablen, die bislang unerklärte statistische Varianz aufklären“, die „Untersuchung der Geltungsreichweite von qualitativen Forschungsergebnissen“, die „Steuerung der Fallauswahl in qualitativen Studien“ und die „Aufdeckung und Beschreibung von Methodenartefakten“ als Potenziale der Methodenkombination (S. 233-260). Lamnek & Krell (2010) sehen in der Triangulation die Chance, „nicht nur ein und dasselbe Phänomen von unterschiedlichen Perspektiven aus zu betrachten, sondern zugleich besseres Verstehen und Erklären [zu ermöglichen,] indem man tiefer in die Materie eindringt und neue Dimensionen entdeckt.“ (S. 251) In welcher Weise diese Potenziale im Rahmen der vorliegenden Arbeit tatsächlich genutzt werden konnten, zeigt sich in Kapitel 5.4. Kelle (2008) unterscheidet zwischen folgenden Designs im Rahmen der Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden:    

sequenzielles qualitativ-quantitatives Design sequenzielles quantitativ-qualitatives Design paralleles qualitativ-quantitatives Design integriertes qualitativ-quantitatives Paneldesign (S. 285-290)

Bei den sequenziellen Designs werden – wie aus der Bezeichnung bereits hervorgeht – qualitative und quantitative Methoden nacheinander eingesetzt, wobei die später eingesetzte Methode auf den Ergebnissen der ersten aufbaut (Baur & Blasius, 2014, S. 161). Vor allem die Durchführung qualitativer Forschung vor dem Einsatz quantitativer Methoden im Sinne der Exploration gilt als „veraltete“ Form der Methodentriangulation und bringt Autor/innen zufolge das „alte“ Dominanzverhältnis der quantitativen gegenüber der qualitativen Sozialforschung zum Ausdruck. Aber auch die Durchführung qualitativer Interviews im Anschluss an eine quantitative Erhebung, um herauszufinden, ob das eingesetzte standardisierte Instrument „valide“ ist, impliziert eine höhere Rangordnung der quantitativen gegenüber der qualitativen Forschung (Flick, 2008, S. 87).

248

5 Empirische Erhebung

Flick (2008) meint sogar, dass die Durchführung einer explorativen Vorstudie mit qualitativen Methoden vor der „eigentlichen“ Untersuchung mittels Einsatzes einer standardisierten Methode nicht einer Triangulation entspricht (S. 12). Das empirische Vorgehen im Rahmen der vorliegenden Arbeit lässt sich den parallel qualitativ-quantitativen Designs zuordnen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass dieselben Personen zum gleichen Zeitpunkt mit verschiedenen Verfahren untersucht werden, um Methodenartefakte und Messprobleme der jeweiligen einzelnen Vorgehensweisen zu identifizieren und darzustellen (vgl. Lamnek & Krell, 2010, S. 253). Dies passierte im Rahmen der vorliegenden Erhebung, indem qualitative und quantitative Methoden – in diesem Fall die Netzwerkkarte und der Kurzfragebogen als quantitative Methoden und das problemzentrierte Interview als qualitatives Erhebungsinstrument – gemeinsam eingesetzt wurden. Von der Auswertung her ist Triangulation auf zweierlei Ebenen möglich, nämlich  

auf Ebene des Einzelfalls und auf Ebene des Datensatzes (vgl. Kuckartz, 2007b).

Bei der vorliegenden Erhebung wurde im Zuge von Einzelfallanalysen zunächst eine Triangulation am Einzelfall, also an ein- und derselben Beobachtungseinheit – in diesem Fall dem/der einzelnen Volksschuldirektor/in – vorgenommen. Die Triangulation am Einzelfall gilt als die konsequenteste Form und ermöglichte im Rahmen der Untersuchung die fallbezogene Auswertung beider Datensorten (vgl. Kuckartz, 2007b). Zu einem späteren Zeitpunkt wurden auch Vergleiche auf einer höheren Ebene, nämlich der Ebene von Typen, durchgeführt. Generell können sich – unabhängig davon, welche Form der Methodentriangulation man wählt – die Ergebnisse, die mit der qualitativen Methode erzielt wurden und jene, die mit der quantitativen Methode gewonnen wurden, zueinander   

konvergent, komplementär oder divergent

verhalten. Divergente Ergebnisse sollen dabei nicht per se als problematisch, sondern als Chance, eventuelle methodische oder theoretische Mängel aufzudecken, und damit als Möglichkeit zur Erzielung eines Erkenntnisfortschrittes betrachtet werden (vgl. Kelle & Erzberger, 1999; Lamnek & Krell, 2010). Generell meinte bereits Denzin (1978), dass eine komplette Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen zweier Methoden nie zu erzielen ist und stets ein „lack of consensus“ bestehen bleibt (S. 235).

5.1 Methodologische und methodische Grundlagen

249

Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung konnten keine konvergenten Ergebnisse erzielt werden, da keine Aspekte sowohl mittels Netzwerkkarte als auch mittels qualitativen Interviews erhoben wurden. Die meisten Erkenntnisse waren komplementärer Art. Erkenntnisse fügten sich also ineinander. Zum Teil wurden jedoch auch divergente Ergebnisse erzielt. Versuche zur Erklärung dieser Divergenzen finden bei der Präsentation der erzielten Ergebnisse in Kapitel 5.4.2.4 statt. Bei der Planung der Triangulationsstudie wurde eine konsequente Anwendung der Kombination unterschiedlicher methodischer Zugänge angestrebt. Bereits im Zuge der Erhebungsphase (s. Kapitel 5.2) wurde im Rahmen des problemzentrierten Interviews Bezug auf die Netzwerkkarte und teilweise den Kurzfragebogen genommen. Im Rahmen des Datenmanagements wurden die aus dem Fragebogen und der Netzwerkkarte gewonnenen quantitativen Ergebnisse in die qualitative Auswertungssoftware MaxQDA 12 integriert. Im Zuge der empirisch begründeten Typenbildung wurde zunächst auf Fallebene das gemeinsame Auftreten bestimmter quantitativer und qualitativer Aspekte des Erlebens sozialer Netzwerke und der Gesundheit von Volksschuldirektor/innen analysiert. Schließlich wurden auf Ebene der einzelnen Typen Sinnzusammenhänge zwischen den mit den Netzwerkkarten, den Kurzfragebögen und den problemzentrierten Interviews erzielten Ergebnissen gesucht. In diesem Kapitel wurden jene Aspekte der Triangulation erörtert, die für das empirische Vorgehen im Rahmen der vorliegenden Studie von besonderer Relevanz sind. Detaillierte Ausführungen finden sich bei Denzin (1978), Flick (2008, 2012), Kelle & Erzberger (1999) sowie Lamnek & Krell (2010). Abschließend sei an dieser Stelle zusammenfassend festgehalten, dass die Wahl eines triangulativen Forschungsdesigns im Rahmen der vorliegenden Arbeit vor allem in den Forschungsfragen und den Forschungszielen (s. Kapitel 1.2) begründet ist. 5.1.3 Soziale Netzwerkanalyse Eine Klärung des für die vorliegende Arbeit gültigen sozialen Netzwerkbegriffs fand bereits in Kapitel 3.1 statt. So wird darunter das Gesamtgeflecht sozialer Beziehungen in einem bestimmten abgrenzbaren Bereich verstanden. Mit dem Begriff der Netzwerkanalyse sind verschiedene Formen von Forschungsdesigns gemeint, mithilfe derer die soziale Einbettung von Personen oder Organisationen untersucht werden kann (Gerich & Lehner, 2003, S. 46). Im Gegensatz zur herkömmlichen Umfrageforschung, die vor allem im deutschsprachigen Raum innerhalb der Sozialwissenschaften stark dominiert, berücksichtigt die Netzwerkanalyse den sozialen Kontext eines Forschungsgegenstandes (Stegbauer,

250

5 Empirische Erhebung

2008b, S. 11). Die Wurzeln der sozialen Netzwerkanalyse rund um Jacob Moreno und die Soziometrie, die Graphentheorie sowie die Blockmodellanalyse wurden bereits kurz erläutert (s. Kapitel 3.1.1). Darüber hinaus fand ein Streifzug durch die historische Entwicklung, insbesondere die parallele Entstehung und Weiterentwicklung der Netzwerkanalyse in unterschiedlichen Disziplinen statt. Im Folgenden erfolgen lediglich Ausführungen zur sozialen Netzwerkanalyse, die für die vorliegende Arbeit von besonderer Relevanz sind. Dazu zählen insbesondere die ego-zentrierte Netzwerkanalyse sowie Ansätze qualitativer bzw. triangulativer sozialer Netzwerkforschung. Auf einschlägige Methodenliteratur und Überblicksartikel zur „traditionellen“ quantitativen und mathematischen sozialen Netzwerkanalyse wird an dieser Stelle lediglich hingewiesen (vgl. Borgatti, Mehra, Brass & Labianca, 2009; DiazBone, 2006; Jansen, 2006; Laireiter, 1993b; Stegbauer, 2008a; Stegbauer & Häußling, 2010; Wasserman & Faust, 1994; Weyer, 2000b). Aktuelle netzwerkanalytische Studien werden in Zeitschriften wie dem „American Journal of Networks and Communications“, „Social Networks“, „Connections“, „Journal of Social Structure“ sowie „American Sociological Review“ publiziert. Eine institutionelle Verankerung der sozialen Netzwerkanalyse zeigt sich im Bestehen des „International Network for Social Network Analysis“ (INSNA). 5.1.3.1 Ego-zentrierte soziale Netzwerkanalyse Zunächst gilt es bei der Erhebung von Netzwerken zu klären, ob ein ego-zentriertes oder aber ein Gesamtnetzwerk betrachtet werden soll. Während das Ziel von Gesamtnetzwerkanalysen in der vollständigen Erschließung eines Netzwerkes zwischen sämtlichen Akteur/innen eines bestimmten abgrenzbaren Bereiches ist, werden Relationen im Rahmen einer ego-zentrierten Netzwerkanalyse lediglich aus Sicht eines/einer Akteurs/in erhoben. Damit bildet ein ego-zentriertes Netzwerk die interpersonale Umgebung („interpersonal environment“)(vgl. Boissevain, 1974) eines/einer Akteurs/in ab, wobei diese/r Akteur/in als Ego, die für ihn relevanten Personen als Alteri bezeichnet werden (vgl. Franke & Wald, 2006b; Jansen, 2006). Jansen (2006) versteht unter einem Ego-Netzwerk „das um eine fokale Person, das Ego, herum verankerte soziale Netzwerk“ (S. 80). Neben der Bezeichnung „ego-zentriertes Netzwerk“ ist auch von personalen bzw. persönlichen Netzwerken die Rede (Wolf, 2010, S. 471). Zudem wird auch eine andere Schreibweise des Begriffes „ego-zentriert“, nämlich ohne Bindestrich („egozentriert“), verwendet.

5.1 Methodologische und methodische Grundlagen

251

Bei der vorliegenden Erhebung handelt es sich um eine ego-zentrierte Netzwerkanalyse, wobei diese sowohl unter Heranziehung quantitativer als auch qualitativer Methoden durchgeführt wurde. Die eigene Untersuchung orientierte sich zunächst an der traditionellen Analyse ego-zentrierter sozialer Netzwerke, die sich durch einen relationalen Zugang auszeichnet. Damit ist gemeint, dass soziale Beziehungen, Strukturen und Aggregate von Interesse sind. Relationale Netzwerke zeigen die direkte Verbindung zwischen verschiedenen Akteur/innen auf und werden mithilfe verschiedener Maßzahlen analysiert (vgl. Jansen, 2006; Laireiter, 2008; Wasserman & Faust, 1994). Soziale Netzwerke weisen drei Formen von Eigenschaften auf, die betrachtet werden:   

Eigenschaften der Knoten, also der Akteur/innen (attributionale Eigenschaften) Eigenschaften der Beziehungen (z.B. Stärke, Symmetrie, Multiplexität, Reziprozität) Eigenschaften der Netzwerkstruktur (z.B. Dichte) (Diaz-Bone, 2006, S. 5).

Soziale Einheiten, also das Ego und die Alteri, für deren Verbundenheit mit anderen man sich interessiert, können Individuen oder aber Organisationen sein. Die Beziehungen zwischen diesen können unterschiedlicher inhaltlicher Art sein (Rürup et al., 2015, S. 19-20). Aufgrund der Bestimmung der Alteri durch das Ego selbst, führt dieses in der Regel mit allen genannten Akteur/innen eine direkte Beziehung (Gerich & Lehner, 2003, S. 50). Im Rahmen der eigenen empirischen Erhebung bildete das Ego des sozialen Netzwerkes stets ein Individuum, nämlich der/die Volksschuldirektor/in. Die aus dessen/deren Sicht gesundheitsrelevanten Akteur/innen konnten jedoch sowohl Individuen (z.B. ein/e bestimmte/r Lehrer/in) als auch Personengruppen (z.B. die Schüler/innen) oder aber ganze Organisationen (z.B. Schulaufsicht) sein. Neben der Frage, ob ego-zentrierte oder Gesamtnetzwerke im Mittelpunkt des Interesses stehen, liegt eine weiter zu klärende Frage im Rahmen von Netzwerkanalysen in der Eingrenzung des „Sets von Knoten“, also der Abgrenzung des sozialen Netzwerkes (vgl. Diaz-Bone, 2006; Jansen, 2006). Dies passiert im Rahmen egozentrierter sozialer Netzwerkanalysen für gewöhnlich mithilfe sogenannter Namensgeneratoren („name generator items“), mit denen zunächst Akteur/innen, also die Alteri, die im Rahmen der Untersuchung von Interesse sind, identifiziert werden. Von „Generator“ ist deshalb die Rede, da dieser bestimmt, welche Netzwerkmitglieder Ego nennt (vgl. Diaz-Bone, 2008; Franke & Wald, 2006a).

252

5 Empirische Erhebung

Wimmer (2011) fasst bisherige Erkenntnisse zusammen und unterscheidet zwischen folgenden Formen von Namensgeneratoren: 

  

gruppenbezogener Globalgenerator Innerhalb eines bestimmten sozialen Kontextes wird global bzw. generalisiert nach der Struktur der Gesamtheit betreffender sozialer Situationen gefragt. Einzelne soziale Beziehungen zwischen zwei Akteur/innen werden nicht erhoben. kontext- bzw. rollenbezogener Namensgenerator (Rollenansatz) Netzwerkpersonen werden anhand von Rollen, die sie innehaben, definiert (z.B. Familie, enger/weiter Freundeskreis, Bekannte, Vorgesetzte). nähebezogener Namensgenerator Es werden die für Ego wichtigen und bedeutsamen Personen erfasst. funktionsbezogener bzw. stimulusbezogener Namensgenerator Im Zentrum stehen Inhalte bzw. Funktionen von Netzwerkbeziehungen. Ego gibt z.B. an, an wen es sich bei Problemen oder in gewissen Situationen wendet (S. 113-116).

Die Autorin empfiehlt eine Integration dieser Namensgeneratoren im Rahmen von Forschungsarbeiten. Dies passierte auch im Rahmen der eigenen empirischen Erhebung, wobei vor allem Aspekte des kontext-, nähe- und funktionsbezogenen Namensgenerators von Relevanz waren. In der vorliegenden Studie lautete der Namensgenerator zur Bestimmung der Alteri im Rahmen der ego-zentrierten Netzwerkanalyse folgendermaßen: Welche Personen(gruppen) innerhalb Ihrer Schule bzw. Personen(gruppen) oder Organisationen, mit denen Sie im Zuge Ihrer Arbeit Kontakt haben, beeinflussen Ihr individuelles Wohlbefinden am Arbeitsplatz? Mittels Einsatzes eines Namensgenerators erfolgt somit eine operationale Definition des sozialen Netzwerkes (vgl. Diaz-Bone, 2006, S. 6). Wolf (2010) schreibt, dass „der genaue Inhalt des Namensgenerators […] in Abhängigkeit von der Forschungsfrage gewählt werden [sollte], um so den jeweils relevanten Ausschnitt der Netzwerke zu erfassen.“ (S. 474) Trotz inhaltlicher Fokussierung bietet der im Rahmen der eigenen Erhebung entwickelte Namensgenerator Raum für verschiedene Beziehungsformen, was innerhalb der Netzwerkforschung durchaus gewünscht wird (vgl. Gerich & Lehner, 2003, S. 50). Häufig wird die Zahl der nennbaren Personen limitiert, damit das soziale Netzwerk überschaubar bleibt. Dies ist aus Sicht der Autorin der vorliegenden Arbeit allerdings nur dann notwendig, wenn der Namensgenerator sehr breit

5.1 Methodologische und methodische Grundlagen

253

formuliert ist. Eine Begrenzung der Anzahl von Personen, die genannt werden dürfen, war im Rahmen der eigenen Erhebung aufgrund der präzisen Formulierung des Namensgenerators nicht notwendig. Neben den Namensgeneratoren existieren Namensinterpretatoren („name interpreter items“), mithilfe derer in einem nächsten Schritt Merkmale der Alteri erfasst werden. Dabei unterscheidet man zwischen den bereits eingangs angeführten Eigenschaften der „Knoten“, also der Alteri selbst (attributionale Eigenschaften) und Eigenschaften der Beziehungen Egos zu diesen Alteri (relationale Eigenschaften) (Diaz-Bone, 2008, S. 318-319). Nachfolgend wird ein Überblick über attributionale, relationale und strukturbezogene Merkmale, die im Rahmen von ego-zentrierten Netzwerkanalysen erhoben werden, gegeben. Dabei wird beschrieben, welche konkreten Eigenschaften auch bei der eigenen Erhebung von Interesse waren. Attributionale Merkmale der Alteri Attributionale Merkmale beziehen sich auf Eigenschaften der Akteur/innen wie demographische Faktoren, Einstellungen, Wissen sowie Persönlichkeitsmerkmale (vgl. Diaz-Bone, 2006; Rehrl & Gruber, 2007). Im Rahmen der eigenen Erhebung interessierten vor allem die Rolle (im Schul-setting), das Geschlecht sowie das ungefähre Alter der Alteri. Konkrete Namen der Alteri, die nur von einigen Volksschuldirektor/innen im Rahmen der Erhebung genannt wurden, wurden im Zuge des Datenmanagements im Sinne einer Anonymisierung durch Kürzel ersetzt, die Auskunft über Rolle bzw. Position, Geschlecht und Alter dieser geben. Generell war im Rahmen der Auswertung auch die Heterogenität der genannten Alteri und damit in Summe die Heterogenität des gesamten ego-zentrierten Netzwerkes von Interesse, also ob der/die Volksschuldirektor/in beispielsweise vorwiegend ausschließlich Lehrkräfte, Schüler/innen und Erziehungsberechtigte als Alteri anführte oder aber auch Personen(gruppen) bzw. Organisationen, die außerhalb der Schule agieren und eine andere Funktion bzw. Rolle innehaben (z.B. Volksschulleiterkolleg/innen, Kooperationspartner/innen). Relationale Merkmale der sozialen Beziehungen Relationale Eigenschaften geben Auskunft über die Ausgestaltung der Beziehung zwischen Ego und einem Alter in Hinblick auf Intimität, Intensität, Reziprozität, Multiplexität und Homogenität (vgl. Diaz-Bone, 2006; Jansen, 2006;

254

5 Empirische Erhebung

Rehrl & Gruber, 2007; Röhrle, 1994). Eine einzelne Beziehung zwischen zwei Akteur/innen – in diesem Fall zwischen Ego und Alter – wird in der Netzwerkforschung auch als Dyade bezeichnet (Wolf, 2010, S. 479). Im Folgenden werden die für die vorliegende Arbeit relevanten relationalen Merkmale sozialer Beziehungen im Detail betrachtet. Die Intensität einzelner sozialer Beziehungen kann mithilfe unterschiedlicher Indikatoren ermittelt werden. So spiegelt etwa die Häufigkeit des Kontakts, die geographische Entfernung, aber auch die Wichtigkeit der Beziehung für Ego die Intensität dieser wider (vgl. Jansen, 2006, S. 79; Laireiter, 2008). Im Rahmen der eigenen Erhebung war in Hinblick auf die Intensität zunächst vor allem die Stärke des Einflusses der Alteri auf das Wohlbefinden des/der Volksschuldirektors/in von Interesse, wobei ein graduelles Abstufungssystem (vgl. Gerich & Lehner, 2003, S. 54) – stark, mittelmäßig, schwach – aufgestellt wurde (s. Kapitel 5.2.2.1). Darüber hinaus wurden die bisherige Dauer der sozialen Beziehung sowie die Kontakthäufigkeit abgefragt. Röhrle (1994) betrachtet die Dauer einer sozialen Beziehung ebenfalls als Indikator für deren Stabilität (S. 17). Multiplexe soziale Beziehungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie inhaltlich betrachtet mehrdimensional sind, also mehrere Funktionen haben und verschiedene Interessen erfüllen (vgl. Barnes, 1954). Hennig (2006) beschreibt Multiplexität als „das gleichzeitige Vorkommen mehrerer, inhaltlich verschiedener Beziehungen“ (S. 74). So kann z.B. ein/e andere/r Volksschuldirektor/in sowohl als Arbeitskollege/in von Ego als auch als Freund/in bezeichnet werden. In Hinblick auf die Gesundheitsrelevanz multiplexer Beziehungen ist einerseits davon auszugehen, dass durch sie die soziale Integration gesteigert wird. Andererseits können multiplexe Beziehungen allerdings auch eine gewisse Abhängigkeit erzeugen und somit negativ auf die Gesundheit wirken (Bruns, 2013, S. 171). Auch die Multiplexität wurde als relationales Merkmal der einzelnen sozialen Beziehungen im Rahmen der eigenen Erhebung thematisiert. Reziproke Beziehungen sind im Gegensatz zu einseitig gerichteten durch ein gegenseitiges „Geben und Nehmen“ gekennzeichnet. Die Reziprozität gibt Auskunft über die Qualität sozialer Beziehungen, da sich reziproke Beziehungen durch eine Einhaltung von Tauschregeln, die im Alltag von hoher Bedeutung sind, auszeichnen (Stegbauer, 2010, S. 120). Da lediglich Ego Auskunft über die sozialen Beziehungen im Netzwerk gibt, kann nur die subjektiv eingeschätzte Reziprozität Egos ermittelt werden. Im Zuge der qualitativen Vertiefung der erstellten Netzwerkkarte mit den befragten Volksschuldirektor/innen wurde nach der individuell wahrgenommenen Reziprozität der jeweiligen Beziehungen gefragt.

5.1 Methodologische und methodische Grundlagen

255

Strukturelle Merkmale der Netzwerkstruktur Neben attributionalen und relationalen Eigenschaften einzelner Akteur/innen bzw. Beziehungen interessieren im Rahmen ego-zentrierter Netzwerkanalysen auch Charakteristika des sozialen Netzwerkes als Gesamtes, die sich zumeist aus der Gesamtbetrachtung der einzelnen Netzwerkbeziehungen ermitteln lassen. Dazu zählen z.B. die Netzwerkgröße oder die Dichte des Netzwerkes, aber auch das Bestehen von Clustern (vgl. Laireiter, 2008). Die Netzwerkgröße wird im Rahmen ego-zentrierter Netzwerkanalysen vor allem bei besonders offen formulierten Namensgeneratoren häufig begrenzt, sodass ein Ego beispielsweise nur maximal neun Alteri nennen darf. Aus Sicht von Bruns (2013) spielt die Netzwerkgröße im Rahmen der soziologisch orientierten Gesundheitsforschung vor allem deswegen eine Rolle, da sie die Anzahl der potenziellen Unterstützungsleister/innen determiniert (S. 169), auch wenn die Größe als Indikator für die tatsächlich erhaltene soziale Unterstützung unzureichend ist. Auch im Rahmen der eigenen Erhebung wurde die Zahl der genannten Alteri bestimmt, wobei eine Differenzierung zwischen jenen mit positivem, jenen mit negativem und jenen mit ambivalentem gesundheitlichen Einfluss sowie zwischen Akteur/innen innerhalb und außerhalb der Schule erfolgte. Die Dichte eines Netzwerkes wird grundsätzlich dahingehend ermittelt, dass Ego gefragt wird, in welcher Weise die Alteri selbst miteinander verbunden sind. Gemäß Jansen (2006) kann bei der Analyse eines ego-zentrierten Netzwerkes nämlich nur dann von einer Netzwerkanalyse gesprochen werden, wenn auch die Beziehungen zwischen den Alteri („alter-alter-Beziehungen“) erfragt werden (S. 65). Auch Laireiter (2008) schreibt, dass nur dann Aussagen zur Struktur eines personalen Netzwerkes möglich sind, wenn auch die Verbindungen zwischen den Alteri erhoben werden. In Hinblick auf die Gesundheitsrelevanz der Dichte des sozialen Netzwerkes ist darauf hinzuweisen, dass ein dichtes Netzwerk einerseits eine schnellere Mobilisierung und Realisierung sozialer Hilfeleistungen ermöglicht, andererseits allerdings auch soziale Kontrolle innerhalb des Netzwerkes erhöht und die Generierung zusätzlicher Ressourcen und Informationen von außen erschweren kann (Bruns, 2013, S. 170). Da eine bestehende Verbindung zwischen einzelnen Akteur/innen im schulischen Setting naturgemäß vom System her vorgegeben ist, spielt die Analyse der Dichte des sozialen Netzwerkes im Rahmen der eigenen Erhebung lediglich eine untergeordnete Rolle. Zwar wurden die befragten Volksschuldirektor/innen darum gebeten anzugeben, welche Alteri auch miteinander in Beziehung stehen, indem gefragt wurde, ob die Netzwerkpersonen auch untereinander Kontakt haben

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5 Empirische Erhebung

(Wolf, 2010, S. 475), allerdings hatten die Antworten darauf lediglich bei spezifischen Akteursgruppen, insbesondere jenen außerhalb des Schulsystems, Aussagekraft. Neben der generellen Dichte des sozialen Netzwerkes wurde auch die Art der Beziehungen einzelner Alteri untereinander analysiert, indem das Sozialklima innerhalb der Schulgemeinschaft, aber auch des Kollegiums im Speziellen thematisiert wurde. Neben den genannten attributionalen Merkmalen der Alteri, den relationalen Merkmalen der einzelnen sozialen Beziehungen und den strukturellen Merkmalen des gesamten Netzwerkes schreibt Laireiter (2008) auch funktionalen Merkmalen wie Unterstützung, Kontrolle, Feedback und Geselligkeit sowie der Bewertung einzelner Beziehungen und des sozialen Netzwerkes (Zufriedenheit, Wichtigkeit, Frustration, Erwartungen) eine hohe Bedeutung zu. Gerich & Lehner (2003) nennen ergänzend dazu als weitere Namensinterpretatoren spezielle Fragen, die sich aus dem Untersuchungsgegenstand ergeben (S. 54). Im Zuge der eigenen Erhebung wurden funktionale Merkmale vor allem in der Form erhoben, dass nach der konkreten Wirkweise einzelner Akteur/innen auf das eigene Wohlbefinden gefragt wurde. Zudem wurden weitere Fragen im Kontext des Forschungsthemas gestellt. Eine konkrete Darstellung dieser findet sich in Kapitel 5.2.2. Auch die Zufriedenheit mit dem eigenen sozialen Netzwerk sowie die Wichtigkeit dessen in Hinblick auf das eigene Wohlbefinden wurden erhoben. 5.1.3.2 Qualitative bzw. triangulative soziale Netzwerkanalyse Einer Triangulation qualitativer und quantitativer Methoden, die in Kapitel 5.1.2 erläutert wurde, kommt auch im Rahmen der sozialen Netzwerkanalyse eine zentrale Bedeutung zu. Stegbauer & Häußling (2010) meinen, dass die Netzwerkforschung „prädestiniert“ für eine Methodentriangulation ist, wobei qualitative und quantitative Methoden Hand in Hand gehen sollten (S. 342). Dies lässt sich an folgender zentraler Grundannahme der Phänomenologischen Netzwerktheorie, deren Perspektive die vorliegende Arbeit einnimmt (vgl. White, 2010), festmachen (s. Kapitel 3.1.1.2): Einerseits hat das soziale Netzwerk einen Einfluss auf das Denken und Handeln einzelner Akteur/innen (= Strukturebene), andererseits nimmt ein/e einzelne/r Akteur/in selbst auch durch sein/ihr Handeln Einfluss auf andere Akteur/innen und damit die Struktur des gesamten Netzwerkes (= Akteursebene).

5.1 Methodologische und methodische Grundlagen

257

Eine Verschränkung qualitativer und quantitativer Methoden im Rahmen der Netzwerkforschung in Form einer Triangulation kann sowohl der Struktur- als auch der Akteursebene im Sinne der Betrachtung mehrerer Facetten des sozialen Netzwerkes – formale Struktur einerseits, Relevanzsetzungen und Handlungsabsichten andererseits – gerecht werden (Nicht, 2013, S. 130-131, 141). Hollstein (2010) schreibt in diesem Zusammenhang: „Da qualitative Daten verglichen mit relationalen Daten zu Beziehungs- und Netzwerkstruktur näher an einzelnen Akteuren, ihren Relevanzsetzungen im Kontext ihrer Lebenswelt sind, bietet die Integration von qualitativen und von Strukturdaten auch einen Weg, um struktur- und akteurstheoretische Perspektiven verbinden zu können.“ (S. 467)

Auch Franke & Wald (2006b) sehen den wesentlichen Vorteil einer Triangulation im Rahmen der Netzwerkanalyse im Gegensatz zu einer rein formalen Analyse in der Möglichkeit, sowohl Strukturen und deren Effekte als auch zugrundeliegende Akteursstrategien, mithilfe derer Netzwerkstrukturen, -effekte und -dynamiken erklärbarer und verstehbarer werden, zu untersuchen (S. 4402-4403). Damit werden quantitative Netzwerkdaten mithilfe „dichter“, qualitativ gewonnener Informationen, die einen Rückschluss auf Relevanzstrukturen von Akteur/innen ermöglichen, gezielt kontextualisiert (Bernhard, 2012, S. 122). Dies wiederum gewährleistet eine mehrperspektivische Sicht auf soziale Beziehungen, Beziehungsgeflechte sowie das soziale Netzwerk im Gesamten (Nicht, 2013, S. 137). Diese Mehrperspektivität ist angesichts der Forschungsfragen (s. Kapitel 1.2) der vorliegenden Arbeit unbedingt vonnöten. Da die soziale Netzwerkanalyse lange Zeit ein rein quantitatives Forschungsinstrumentarium („statistisches Instrumentarium“ vgl. Jansen, 2006) bot, das insbesondere seit den 1960er Jahren eine kontinuierliche Erweiterung und Verfeinerung erfährt (vgl. Stegbauer & Häußling, 2010, S. 339), gibt es bislang nur wenige Studien, im Rahmen derer eine Triangulation qualitativer und quantitativer Methoden im Rahmen der Netzwerkforschung durchgeführt wird. Mit der Netzwerkanalyse werden stattdessen bis heute vorwiegend quantitative Verfahren in Verbindung gebracht (vgl. Jansen, 2006; Stegbauer, 2008a; Stegbauer & Häußling, 2010; Wasserman & Faust, 1994). Besonders seit den 1990er Jahren wird verstärkt Kritik an der rein formalen, quantitativen Analyse sozialer Netzwerke im Sinne eines strukturalistischen Determinismus (s. Kapitel 3.1.1.2) geübt, die mit einer gleichzeitigen Forderung nach kognitiven und interpretativen Erklärungsansätzen („Öffnung der strukturalen Analyse“) und damit einem Einsatz qualitativer Methoden einhergeht (vgl. Emirbayer & Goodwin, 1994; Herz, 2014; White, 2010). Die Autorin Jansen (2006) selbst, die in ihrem Werk eine Einführung in die „traditionelle“

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5 Empirische Erhebung

quantitative Netzwerkanalyse bietet, bemängelt das „interpretative Defizit “. Sie schreibt: „Das größte theoretische Problem liegt meines Erachtens im noch immer zu wenig reflektierten Verhältnis zwischen konkreten Netzwerken und Interaktionen und subjektiven Bedeutungszuschreibungen, Normen und Institutionen, Kulturen und Symbolwelten.“ (S. 278) Franke & Wald (2006a) schreiben, dass die ausschließliche quantitative Analyse sozialer Netzwerke vor allem dann an ihre Grenzen stößt, wenn Forschungsfragen wenig pointiert sind bzw. aufgrund eines geringen Forschungsstandes zum Themengebiet noch viel Exploration vonnöten ist (S. 159). Edwards (2010) betont, dass mit quantitativen Methoden erhobene Netzwerkparameter ohne den Einsatz von Verfahren der qualitativen Sozialforschung nicht interpretiert werden können (S. 20). Straus (2014) spricht angesichts dieser Kritikpunkte von einem Aufschwung qualitativer Netzwerkforschung in den letzten 30 Jahren und schreibt: „Aus einem versprengten Häuflein von WissenschaftlerInnen, die abseits des sozialwissenschaftlichen Mainstreams Netzwerkanalysen durchgeführt haben, ist eine eigene Szene geworden. Typische Merkmale sind hierfür eine Zahl steigender Publikationen und Treffen, eine neue Sektion „Soziologische Netzwerkforschung“ in der DGS sowie aktuell auch eine geplante, neue deutschsprachige Zeitschrift (Journal für Netzwerkforschung).“ (S. 33)

Die Entwicklungsgeschichte qualitativer Sozialforschung von den 1980er Jahren und den vielen kleinen Schritten bis zum ersten „Boom“ über die 1990er Jahre, in denen qualitative Netzwerkanalysen noch eher ein „Hobby“ als anerkannte Methoden waren und viel experimentiert wurde, bis hin zur Zeit nach 2000, in der qualitative Netzwerkanalysen an Normalität gewannen, kann bei Straus (2014) nachgelesen werden. Eine der wenigen Sammlungen von Untersuchungen, in denen qualitative (und quantitative) Methoden sozialer Netzwerkanalysen angewandt wurden, bieten Hollstein & Straus (2006). Hollstein (2010) listet folgende potenzielle Erträge qualitativer Verfahren im Rahmen einer sozialen Netzwerkanalyse auf:   

Exploration von Netzwerken Untersuchung von Netzwerkpraktiken (konkrete Praxis, Interaktionen, Handlungsvollzüge der Subjekte) Untersuchung von Netzwerkinterpretationen (Deutungen von Akteur/innen, subjektive Wahrnehmungen, Relevanzsetzungen, handlungsleitende Orientierungen)

5.1 Methodologische und methodische Grundlagen   

259

Untersuchung von Netzwerkwirkungen (Verstehen der Wirkung von Netzwerken) Untersuchung von Netzwerkdynamiken (dynamische Prozesse und zeitliche Veränderungen von Netzwerken) Zugang zu bestimmten Akteur/innen und Netzwerken („weicherer“ und „natürlicherer“ Zugang durch Interviews) (S. 460-464) (vgl. auch Hollstein, 2006, S. 20-23).

Hollstein (2010) ist trotz dieser Erträge, die der Einsatz qualitativer Methoden im Rahmen der Netzwerkanalyse erbringen kann, der Ansicht, dass „die ertragreichsten Ergebnisse“ die Verbindung qualitativer und quantitativer Daten und Analysestrategien liefert (S. 467). Neben theoretischen Implikationen wie der Verknüpfung von Struktur- und Akteursebene, verbindet Hollstein (2010, S. 464) mit dem gemeinsamen Einsatz qualitativer und quantitativer Methoden vor allem die generellen Vorteile der Triangulation (s. Kapitel 5.1.2). Die wenigen Netzwerkstudien, die qualitative und quantitative Komponenten beinhalten (vgl. z.B. Crossley, 2010; Gamper, Fenecia & Schönhuth, 2013; Glückler & Hammer, 2011; Herz et al., 2015; Hollstein, 2010; Nicht, 2013; Straus & Höfer, 2008; von der Lippe & Rösler, 2011) behandeln sehr unterschiedliche Forschungsfelder und zeichnen sich – vor allem im deutschsprachigen Raum – zumeist dadurch aus, dass qualitative Interviews geführt und deren Erkenntnisse mit quantitativen Daten zur Beschreibung der formalen Netzwerkstruktur, gewonnen mithilfe von Visualisierungstechniken wie etwa Netzwerkkarten oder aber Fragebögen, in Beziehung gesetzt werden. Dabei sind zumeist ego-zentrierte und weniger Gesamtnetzwerke Gegenstand der Untersuchung (vgl. Edwards, 2010; Herz, 2014; Herz et al., 2015; Hollstein, 2006, 2010). Nicht (2013) betrachtet diese Forschungsarbeiten als „methodische Suchbewegungen“ innerhalb der triangulativen sozialen Netzwerkanalyse (S. 137). Franke & Wald (2006a) betrachten Ansätze qualitativer sozialer Netzwerkanalysen als „offener gestaltete Varianten von quantitativen“ und weniger als „eigenständige qualitative Netzwerkanalyseverfahren“ (S. 4397). Auch Diaz-Bone (2008) spricht weniger von einer eigenen qualitativen Netzwerkanalyse und meint, dass die eigentliche Struktur eines sozialen Netzwerkes, die im Zentrum sozialer Netzwerkanalysen steht, auch bei Studien, die unter dem Dach „qualitative soziale Netzwerkanalyse“ geführt werden, traditionell mit standardisierten Methoden erhoben wird. Dementsprechend ist die Bezeichnung „qualitativ“ an dieser Stelle fehlplatziert (S. 338-340). In der vorliegenden Arbeit ist angesichts der erläuterten Kritikpunkte von „triangulativer sozialer Netzwerkanalyse“ die Rede. Dieser Begriff wird in der bisherigen Sozialforschung bislang kaum bis gar nicht verwendet. Die konkrete

260

5 Empirische Erhebung

Ausgestaltung der im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführten triangulativen sozialen Netzwerkanalyse wird im folgenden Kapitel beschrieben. 5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung In der eigens durchgeführten Studie berichteten Volksschuldirektor/innen über ihr eigenes soziales Netzwerk im beruflichen Umfeld. Sie gaben Auskünfte über Strukturen und Funktionen des Netzwerkes sowie Beziehungsmuster am Arbeitsplatz Schule und bewerteten deren Gesundheitsrelevanz. Konkret stand das Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben im Kontext des sozialen Netzwerkes im Zentrum des Interesses. Für die Erhebung wurde aufbauend auf den methodologischen und methodischen Vorüberlegungen (s. Kapitel 5.1) ein Forschungsdesign gewählt, das sich durch einen relationalen Ansatz auszeichnet und sich dem Konzept der triangulativen sozialen Netzwerkanalyse (s. Kapitel 5.1.3.2) verschreibt. Gleichzeitig wurde bei jedem Schritt der Erhebung versucht, die Grundprinzipien qualitativer Sozialforschung (vgl. Lamnek & Krell, 2010, S. 19-25) einzuhalten. Methodisch kamen problemzentrierte Interviews und Netzwerkkarten zum Einsatz. Diese triangulative soziale Netzwerkanalyse sollte dazu beitragen, die subjektiven Bedeutungsinhalte der sozialen Beziehungen sowie des gesamten sozialen Netzwerkes möglichst detailliert zu rekonstruieren und Netzwerktypen qualitativ zu explorieren. Mithilfe des qualitativen Interviews, das im Sinne einer Vergleichbarkeit der einzelnen Fälle von einem Leitfaden begleitet wurde, wurden Deutungen und Wahrnehmungen der befragten Volksschuldirektor/innen erfasst. Die Wahl auf ein problemzentriertes Interview fiel deswegen, da dieses sowohl die Integration theoretischen Vorwissens als auch eine gewisse Offenheit im Zuge der Erhebung zulässt. Die Netzwerkkarte, mit der zusätzlich Netzwerkstrukturen erfasst wurden, erfüllte neben dem Interviewleitfaden eine weitere Leitfunktion und ermöglichte als „Kontrastfolie“ eine noch bessere Vergleichbarkeit der Fälle sowie das gezielte Erkennen von Unterschieden (vgl. Franke & Wald, 2006a; Hollstein, 2006). Noack & Schmidt (2014) befürworten eine derartige Kombination qualitativer leitfadengestützter Interviews mit Netzwerkkarten (S. 83). Um nämlich das Erleben und Handeln von Volksschuldirektor/innen in ihrem schulischen Arbeitsumfeld, insbesondere die Beziehungsausgestaltung zu diversen Akteur/innen, verstehen zu können, müssen neben Handlungsmotiven, Relevanzsetzungen und Erwartungen auch die Kontexte des Handelns rekonstruiert werden. Zusatzinformationen zu den befragten Personen, welche neben der Erfassung soziodemographischer und schulspezifischer Merkmale unter anderem auch die standardisierte Ermittlung des Sozialklimas sowie des subjektiven Gesundheits-

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

261

zustandes, des Stresserlebens und der Burnoutgefährdung der Volksschuldirektor/innen inkludierte, lieferte ein Kurzfragebogen. Die Anzahl an Studien mit ähnlichen Forschungsdesigns innerhalb der qualitativen bzw. triangulativen sozialen Netzwerkforschung ist überschaubar. Vergleichbare Ansätze zu unterschiedlichen Forschungsthemen finden sich etwa bei Bernardi, Keim & von der Lippe (2006), Borucki (2014), Gamper et al. (2013), Noack & Schmidt (2014) sowie Olivier (2014). Innerhalb der Forschung rund um soziale Netzwerke mangelt es zwar nicht an methodischen Beiträgen, allerdings wird das Forschungsdesign von der Vorbereitung der Datenerhebung bis hin zur Analyse der Ergebnisse selten ausführlich beschrieben (Noack & Schmidt, 2014, S. 81). Bortz & Döring (2006) kritisieren auch an den meisten qualitativen, explorativen Studien, dass die einzelnen Schritte, die zu einer Theorie bzw. zu Hypothesen führten, nicht ausführlich genug dokumentiert sind (S. 357). Diesem „üblichen“ Weg möchte die vorliegende Forschungsarbeit nicht folgen. Stattdessen wird das empirische Vorgehen von der Vorbereitung der Datenerhebung (s. Kapitel 5.2.2 und 5.2.4.1) über die konkrete Durchführung (s. Kapitel 5.2.4.2) dieser bis hin zum Datenmanagement (s. Kapitel 5.3), zur Auswertung und Ergebnisdarstellung (s. Kapitel 5.4) sowie zur -interpretation (s. Kapitel 1.1) detailliert beschrieben. Dies soll in Anlehnung an die Ausführungen von Noack & Schmidt (2014) ein besseres Einschätzen der Verlässlichkeit und Plausibilität der empirischen Befunde ermöglichen (S. 81). Bortz & Döring (2006) fassen die Arbeitsschritte in der Erhebungsphase qualitativer Interviews zusammen, die auch im Zuge der eigenen empirischen Erhebung gesetzt wurden und in den folgenden Abschnitten näher beschrieben werden. Dazu zählen     

die inhaltliche Vorbereitung (Festlegung des Befragungsthemas, theoretische Überlegungen zur Auswahl der Befragungspersonen, Wahl der Befragungstechnik, Erstellung des Interviewleitfadens), die Pilotphase (Durchführung eines Pre-Tests und Adaptierung der Fragen), die organisatorische Vorbereitung (Kontaktaufnahme mit den Interviewpartner/innen und Terminabsprache, Zusammenstellen des Interviewmaterials), der Gesprächsbeginn (Schaffung einer entspannten Atmosphäre, Hinweise auf Anonymität und Datenschutz, Abklärung der Tonbandaufzeichnung), die Durchführung und Aufzeichnung des Interviews (Balance zwischen „Eingreifen“ und „Laufenlassen“),

262  

5 Empirische Erhebung das Gesprächsende und die Verabschiedung (Überlassen von Kontakt- daten und Hinweis auf Ergebnismitteilung) sowie das Führen von Gesprächsnotizen (Festhalten der Gesprächssituation) (S. 310-311).

Den Beschreibungen der gesetzten Schritte in den folgenden Abschnitten geht jeweils eine kurze Erörterung und Diskussion dieser in der einschlägigen Methodenliteratur voran. 5.2.1 Entwicklung eines theoretischen Rasters In einem ersten Schritt der inhaltlichen Erhebungsvorbereitung wurde in Anlehnung an die Empfehlungen von Kelle & Kluge (2010) für die Vorgehensweise im Rahmen einer empirisch begründeten Typenbildung ein sogenanntes „sensitizing concept“, auch theoretischer Raster genannt, entwickelt (S. 37). Lamnek & Krell (2010) verstehen unter „sensitizing concepts“ bereits bestehende vorläufige Konzepte, die ein/e Forscher/in hat und die bestimmen, worauf konkret er/sie seine/ihre Aufmerksamkeit richtet. Witzel (2000) verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff des heuristisch-analytischen Rahmens und meint damit das „unvermeidbare, und damit offenzulegende Vorwissen“ (S. 2). Die Entwicklung eines „sensitizing concepts“ im Zuge der eigenen empirischen Erhebung baut auf den Annahmen von Kelle & Kluge (2010) auf, denen zufolge häufig noch ein „induktivistisches Selbstmissverständnis“ einer vollständigen Unvoreingenommenheit des/der Forschers/in als „tabula rasa“ besteht. Eine gewisse „theoretische Sensibilität“ für ein Forschungsthema ist gemäß den Autor/innen stets vorhanden. Damit ist die Fähigkeit des/der Forschers/in gemeint, über empirisch vorhandenes Material in theoretischen Begriffen zu denken (S. 1820). Kelle & Kluge (2010) schreiben in diesem Zusammenhang „[…], dass qualitativ entwickelte Konzepte und Typologien gleichermaßen empirisch begründet und theoretisch informiert sein müssen. Die Entwicklung neuer Konzepte anhand empirischen Datenmaterials ist also eine Art „Zangengriff“, bei dem der Forscher oder die Forscherin sowohl von dem vorhandenen theoretischen Vorwissen als auch von empirischem Datenmaterial ausgeht.“ (S. 23)

Auch Bailey (1994) meint, dass es im Sinne des Findens fundamentaler Charakteristika zur Entwicklung von Typen – was ein Ziel der vorliegenden Arbeit war – unerlässlich ist, sich Vorwissen anzueignen und theoretische Vorüberlegungen anzustellen.

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

263

Das „sensitizing concept“ bzw. der theoretische Raster wurde im Zuge der eigenen Studie auf Basis eines breiten Theoriefundus (s. Kapitel 3) entwickelt, wobei stets die Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit (s. Kapitel 1.2) im Mittelpunkt standen. Der Raster zeichnet sich in Anlehnung an die Empfehlungen von Kelle & Kluge (2010) durch vage, teilweise vieldeutige, „empirisch gehaltlose theoretische Konzepte“ aus. Ein zu großer empirischer Gehalt eines „sensitizing concepts“ – wie dies bei hypothetiko-deduktiven Konzepten der Fall ist – würde nämlich den Autor/innen zufolge dem/der Forscher/in die Möglichkeit rauben, neue, bislang unbekannte Sachverhalte im qualitativen Datenmaterial zu entdecken (S. 28, 37, 109). Ein derartiges Vorgehen propagierte bereits Blumer (1940, 1954), ein Theoretiker des symbolischen Interaktionismus. Dieser schreibt, dass ein/e qualitative/r Feldforscher/in theoretische Begriffe aus soziologischen Theorien als sensibilisierende Konzepte verwenden sollte, die in Auseinandersetzung mit der empirischen Realität spezifiziert und schließlich in eindeutige Konzepte umgeformt werden sollen. Kelle & Kluge (2010) ergänzten diese Sichtweise von Blumer und meinen, dass daneben auch andere Wissensformen relevant sind. Sie schreiben von Akteurs- und Forscherwissen und weisen darauf hin, dass unterschiedliche Arten von Wissen einen unterschiedlichen Abstraktionsgrad und unterschiedliche Verallgemeinerungsansprüche haben. Für explorative, hypothesengenerierende Forschungsstrategien sind allgemeine, abstrakte und empirisch gehaltlose theoretische Konzepte hilfreich, da sie „offen“ genug sind, um individuelle Relevanzsetzungen der Befragten nicht zu vernachlässigen. Dabei empfehlen die beiden Autor/innen im Speziellen die Kombination mehrerer soziologischer Großtheorien mit empirisch gehaltvollem Alltagswissen von Forscher/innen (S. 3139) (vgl. auch Kuckartz, 2007b). Abbildung 21 zeigt den im Rahmen der eigenen Erhebung entwickelten theoretischen Raster. Dieser bedarf einer Erklärung und einer Verbindung mit den theoretischen Bezugsfeldern bzw. den bisherigen Ausführungen im Rahmen der Arbeit. Dies passiert in den folgenden Absätzen. Bei der Beschreibung werden zudem Verweise auf jene Kapitel hergestellt, in denen sich Ausführungen hierzu finden. Der/die einzelne Volksschuldirektor/in als „Ego“ im Sinne der ego-zentrierten Netzwerkanalyse (s. Kapitel 5.1.3.1) steht im Mittelpunkt des Interesses. Dessen/deren Identität wird durch 

Faktoren auf der Mikroebene (Alter, Geschlecht, Beschäftigungsdauer, Persönlichkeit und Rollenwahrnehmung);

264 



5 Empirische Erhebung Faktoren auf der Mesoebene, in diesem Fall der Schulebene (Lehrdeputat, Lehrer- und Schülerzahl, Rollenerwartungen an den/die Volksschuldirektor/in vonseiten der Akteur/innen innerhalb der Schule, Organisationsform (z.B. Ganztagsschule), Ort und soziale Situation der Schule) sowie durch Faktoren auf der Makroebene, in diesem Fall der Schulsystem- bzw. Gesellschaftsebene (Rechtsvorschriften, Reformen, Rollenerwartungen vonseiten der Akteur/innen außerhalb der Schule, berufliches Ansehen sowie Organisation des Schulsystems)

bestimmt (s. Kapitel 2.4). Auf der Meso-, aber auch der Makroebene agieren verschiedene Akteur/innen, mit denen der/die Volksschuldirektor/in aufgrund seiner/ihrer beruflichen Tätigkeit eine soziale Beziehung pflegt (s. Kapitel 3.1.1.1). Diese Akteur/innen, die Alteri, weisen attributionale Merkmale wie Geschlecht, Alter, Rolle und Position auf. Die einzelnen sozialen Beziehungen zeichnen sich durch relationale Merkmale wie die Frequenz und Dauer, aber auch die Reziprozität und Multiplexität aus (s. Kapitel 5.1.3.1). Im Sinne der Phänomenologischen Netzwerktheorie interessieren auf Beziehungsebene vor allem die Kontakte, Interaktionen, Transaktionen sowie die Kommunikation des/der Volksschuldirektors/in mit den jeweiligen Akteur/innen (s. Kapitel 3.1.1.2). Betrachtet man das gesamte soziale Netzwerk, so hat dieses eine bestimmte Dichte, Größe und Stabilität (s. Kapitel 5.1.3.1). Das soziale Netzwerk des/der einzelnen Volksschuldirektors/in, welches aufgrund der Verwendung eines Namensgenerators (s. Kapitel 5.1.3.1) lediglich einen Teil des gesamten sozialen Netzwerkes abbildet (= Partialnetzwerk), kann sowohl negativ, also pathogen, als auch positiv, also salutogen, auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des/der Volksschuldirektors/in einwirken. Dabei können sowohl einzelne qualitative als auch einzelne quantitative Merkmale des sozialen Netzwerkes bzw. einzelner sozialer Beziehungen die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinflussen (s. Kapitel 3.1.4 und 3.2.1.1). Pathogene Faktoren können im Sinne des Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungskonzeptes als Belastungen, salutogene Faktoren als Ressourcen bezeichnet werden. Sowohl psychosoziale Belastungen als auch psychosoziale Ressourcen, die aus dem sozialen Netzwerk resultieren können (z.B. soziale Konflikte, soziale Unterstützung), sind in einen Gesamtkontext kurz- und langfristiger bzw. situativer und dauerhafter Belastungen und Ressourcen eingebettet. Je nach Zusammenspiel von Belastungen und Ressourcen, das von der Bewertung des/der einzelnen Volksschuldirektors/in abhängt, sind unterschiedliche Beanspruchungsformen positiver und negativer Natur auf physischer, psychischer und sozialer Ebene sowie kurz-, mittel- und langfristiger Art die Folge (s. Kapitel 3.2.1.2 und 3.1.4).

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

265

Im Zentrum der Betrachtungsweise stehen dabei im Sinne einer vorwiegend qualitativen Herangehensweise an das Forschungsthema Deutungsmuster, Symbole, Relevanzsetzungen, Wahrnehmungen und Sinnzuschreibungen des/der Volksschuldirektors/in (s. Kapitel 5.1). Das implizite Theoriewissen, das im theoretischen Raster abgebildet ist, diente sowohl in der Erhebungs- als auch später in der Auswertungsphase (s. Kapitel 5.4) als eine Art „Linse“, durch die die empirische Realität wahrgenommen wurde. Konkret regte der Raster in der Erhebungsphase die Erstellung der Erhebungsinstrumente aber auch die Auswahl der Stichprobe an. In der Auswertungsphase bot er Orientierung bei der Durchführung der Einzelfallanalysen und des Fallvergleichs, konkret bei der Kodierung, der Konstruktion von Kategorien, Subkategorien und Dimensionen sowie der Bildung der Typen. Letztendliches Ziel war es, im Zuge einer beständigen Integration von empirischen und theoretischen Arbeitsschritten im Laufe der Untersuchung die Situationen der befragten Volksschuldirektor/innen theoretisch zu verstehen, einzuordnen und zu erklären.

266

Abbildung 21:

5 Empirische Erhebung

Theoretischer Raster, Quelle: Eigene Erstellung

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

267

5.2.2 Inhaltliche Vorbereitung der Datenerhebung In den folgenden Absätzen wird die Erstellung der im Rahmen der Erhebung angewandten Instrumente beschrieben und begründet. Der kombinierte Einsatz dieser wird in Kapitel 5.2.4 dargestellt. 5.2.2.1 Erstellung einer Netzwerkkarte Neben dem Kurzfragebogen (s. Kapitel 5.2.2.2) bildete eine Netzwerkkarte einen Stimulus für das problemzentrierte Interview. Bevor nun näher auf die Erstellung der Netzwerkkarte für die empirische Erhebung eingegangen werden kann, ist zunächst eine Klärung des Begriffes „Netzwerkkarte“ bzw. eine Beschreibung dieses Instrumentes notwendig. Netzwerkkarten sind Visualisierungsmethoden von sozialen Netzwerken. Sie können dazu beitragen, komplexe Netzwerkstrukturen besser zu verstehen und soziale Beziehungen sichtbar zu machen (Schönhuth & Gamper, 2014, S. 9-32). Straus (2010) schreibt in Hinblick auf den heutigen Einsatz von Netzwerkkarten in der Netzwerkforschung: „Wer heute Netzwerkkarten einsetzt, greift auf eine Methode mit Tradition zurück, ohne dass diese jedoch eine bereits ausreichend lang und intensiv diskutierte Forschungslandschaft markiert.“ (S. 535) Bereits Jacob Moreno, einer der Begründer des sozialen Netzwerkkonzeptes (s. Kapitel 3.1.1) nutzte in den 1930er Jahren bildliche Darstellungen im Rahmen sozialer Netzwerkanalysen. Während seinerzeit farbige Soziogramme zur Darstellung von Gruppenstrukturen entwickelt wurden, erlangten zu einem späteren Zeitpunkt „konzentrische Kreise“ hohe Popularität. Vorreiter/innen dieser Kreisdarstellungen waren in den 1970er und 1980er Jahren Elisabeth Bott (1971), Robert Kahn & Toni Antonucci (1980) sowie Barry Wellman & Stephen Berkowitz (1988). Schönhuth (2014) bietet einen Überblick über zentrale historische Meilensteine bei der Visualisierung von Netzwerkkarten (S. 60-61). Visualisierungsformen wie Netzwerkkarten sind weniger aufwendig und mathematisch ausgerichtet als die traditionelle formale Netzwerkanalyse. Besonders im Rahmen qualitativer bzw. triangulativer sozialer Netzwerkanalysen erfreuen sich Netzwerkkarten und andere Visualisierungstechniken großer Beliebtheit (Straus, 2014, S. 52). Sie bieten einen Anknüpfungspunkt triangulativer Studiendesigns an die soziale Netzwerkforschung. Straus (2010) fasst positive Erfahrungen mit dem bisherigen Einsatz von Netzwerkkarten in der sozialen Netzwerkforschung, insbesondere der qualitativen bzw. triangulativen Netzwerkanalyse, zusammen. Dem Autor zufolge gelingt vor

268

5 Empirische Erhebung

allem die Verbindung von strukturierten und narrativen, themenoffenen Erzählanstößen gut, die zu einem systematischeren und vollständigeren Bild der für ein Forschungsthema relevanten Netzwerkpersonen beitragen (S. 533). Dabei werden nach Straus (2010) vier Arten von Netzwerkkarten unterschieden: 







ego-zentrierte Netzwerkkarten In diesen sind rund um das Ich, also das Ego, konzentrische Kreise angeordnet, mit denen die Nähe und Distanz einzelner Alteri zu Ego ausgedrückt werden sollen. nicht-ego-zentrierte Netzwerkkarten Damit kann eine Person sich und das weitere Netzwerk – allerdings ohne Zentrierung des Ichs – zeichnen, wobei verschiedene Symbole verwendet werden. Legevarianten Diese stellen eine spezielle Form nicht-ego-zentrierter Netzwerkkarten dar. Mit Gegenständen wird auf einer offenen Fläche das soziale Netzwerk visualisiert. Freie Zeichnungen Hierbei sind der netzwerkzeichenden Person keine Grenzen gesetzt. Es bleibt ihr überlassen, wie sie das soziale Gefüge und die Verortungen abbildet (S. 528-529).

Im Gegensatz zu freien Netzwerkzeichnungen weisen „tatsächliche“ Netzwerkkarten mehr oder weniger starke Vorgaben auf und sind dementsprechend mehr oder weniger stark strukturiert und standardisiert (S. 18). Die Forschungsfrage(n) und das Erkenntnisinteresse bestimmen den Grad der Strukturierung und Standardisierung einer sozialen Netzwerkvisualisierung. Vor allem wenn eine Vergleichbarkeit einzelner Fälle angestrebt wird – was im Rahmen der vorliegenden Erhebung der Fall ist – werden vorstrukturierte Netzwerkkarten empfohlen. Vorteile einer gewissen Strukturierung liegen in der möglichen Quantifizierung und einer bestimmten Lenkbarkeit des Interviews. Als Nachteil ist vor allem die geringere Wahlfreiheit durch Standardisierung zu erwähnen (vgl. Schönhuth, 2014, S. 60-61). Straus (2010) weist darauf hin, dass „Netzwerkkarten kein Eigenleben führen, sondern stets im Dialog mit den Interviewaussagen gelesen werden sollten.“ (S. 536) Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden angesichts einer ego-zentrierten Netzwerkanalyse ego-zentrierte Netzwerkkarten verwendet. Eine der bekanntesten ego-zentrierten Netzwerkkarten mit konzentrischen Kreisen stammt von Kahn & Antonucci (1980). Dabei werden die Netzwerkpartner/innen von Ego je nach emotionaler Wichtigkeit innerhalb konzentrischer Kreise um Ego gesetzt.

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

269

Bei anderen Netzwerkkartenmodellen werden darüber hinaus die konzentrischen Kreise noch in einzelne lebensweltlich relevante Sektoren (z.B. Arbeit, Familie) gegliedert oder es werden mittels mehrerer Netzwerkkarten unterschiedliche qualitative Dimensionen einzelner Beziehungen (z.B. Wichtigkeit, Nähe) erfasst (Schönhuth, 2014, S. 62). Neben der Wahl der Netzwerkkartenform gilt es auch zu bestimmen, ob lediglich andere Menschen oder auch Nonhumans (wie Tiere), Gegenstände, Räume oder sonstige Bezüge und Verortungen (z.B. Musik) eingezeichnet werden können (Straus, 2010, S. 529). Bei der eigenen Erhebung wurde im Sinne sozialer Netzwerkkarten der Fokus auf andere Akteur/innen (Menschen oder Organisationen, in denen Menschen agieren) gelegt. Allerdings fanden je nach Relevanzsetzungen der Befragten im Sinne einer ausreichenden Offenheit des Vorgehens auch teilweise andere Bezüge (z.B. „die Gesellschaft“, „die eigene Gesundheit“) Berücksichtigung. Während bei klassischen Netzwerkanalysen soziale Netzwerkkarten zumeist das Ergebnis einer Datenerhebung sind, werden sie im Rahmen qualitativer bzw. triangulativer sozialer Netzwerkanalysen in den Erhebungsprozess integriert. Erstellte Netzwerkkarten nehmen darin die Rolle von „Narrationsgeneratoren“ ein und „navigieren“ den/die Forscher/in sowie den/die Erforschte/n durch den Forschungsprozess (Schönhuth & Gamper, 2014, S. 11). Dabei liegt das Hauptinteresse in den subjektiven Bedeutungen, die einzelnen „eingezeichneten“ Netzwerkakteur/innen zugeschrieben werden (vgl. Emirbayer & Goodwin, 1994; White, 2010). Die Vorzüge der Visualisierung sozialer Netzwerke in Form von Netzwerkkarten im Rahmen der qualitativen bzw. triangulativen sozialen Netzwerkanalyse sieht Straus (2014) vor allem darin, dass sich der/die Befragte sein/ihr Netzwerk damit besser vorstellen kann. Das qualitative Netzwerkinterview zeichnet sich durch einen hohen Partizipationsgrad des/der Interviewten aus. Dabei nimmt der/die Interviewer/in eher die Rolle eines/einer Unterstützers/in bei der Erstellung der Netzwerkkarte durch den/die Interviewte/n ein (S. 53). Schönhuth & Gamper (2014) sprechen in diesem Zusammenhang von partizipatorischer Netzwerkforschung (S. 14). Die beiden Autoren nennen darüber hinaus als weiteren Vorteil des Einsatzes sozialer Netzwerkkarten in der qualitativen Sozialforschung deren Funktion als „kognitive Stütze“. So kann jederzeit Bezug auf die einzelnen Akteur/innen, die in der Karte eingezeichnet sind, genommen werden. Als „objektivierte“ Kommunikationsfolie können Netzwerkkarten darüber hinaus einen Beitrag zur kommunikativen Validierung leisten (s. Kapitel 5.1.1). Bernardi et al. (2006) listen ähnliche Vorteile des Einsatzes sozialer Netzwerkkarten im Rahmen qualitativer sozialer Netzwerkanalysen auf.

270

5 Empirische Erhebung

Angesichts technologischer Entwicklungen zeigt sich seit einigen Jahren ein zunehmender Einsatz computerbasierter Varianten von Netzwerkkarten („elektronische Netzwerkkarten“). So wurden in den vergangenen Jahren eigene Computerprogramme wie z.B. VennMaker, EgoNet.QF oder UCINET zur Erstellung und Auswertung sozialer Netzwerkkarten entwickelt. Dennoch dominieren heute gemäß Schönhuth (2014) papierbasierte Netzwerkkarten (S. 62). Ein Kritikpunkt an der elektronischen Netzwerkkarte ist nämlich die höhere Missbrauchsanfälligkeit der digital erhobenen netzwerkorientierten Daten. Straus (2014) zufolge gilt es in Abhängigkeit des Forschungsthemas und -ziels sowie der Zielgruppe zu entscheiden, ob sich eher die Erstellung einer papierbasierten oder einer elektronischen Netzwerkkarte eignet (S. 54). Bei der eigenen Erhebung wurde die soziale Netzwerkkarte direkt in der Interviewsituation von den Interviewten auf Papier entwickelt. Dies sollte etwaige „technische“ Hemmungen vonseiten der Volksschuldirektor/innen verhindern. Darüber hinaus sollten die Vorteile von „Paper-pencil/toolkit-Varianten“ – nämlich die einfache und intuitive Anwendbarkeit, die haptische Komponente sowie die persönliche Handschrift – genutzt werden. Für diese Vorteile wurden Nachteile (vgl. Schönhuth, 2014, S. 66) wie eine zeitaufwändigere Auswertung in Kauf genommen. Vor und nach den Interviews wurde im Zuge der eigenen Studie allerdings die Software VennMaker (s. Kapitel 5.3.2) eingesetzt, um auch Vorteile elektronischer Netzwerkkarten in Hinblick auf das Datenmanagement – wie die Verarbeitbarkeit, Zusammenführung mit anderen digitalen Informationen wie z.B. den Transkriptionen und Audiodateien, die einfachere Auswertung sowie die übersichtlichere Darstellungsmöglichkeit (vgl. Schönhuth, 2014, S. 71) – nutzen zu können. Im Folgenden wird aufbauend auf den bisherigen theoretischen Ausführungen die konkrete Entwicklung der ego-zentrierten Netzwerkkarte im Rahmen der eigenen Erhebung erläutert. Für die Entwicklung einer Netzwerkkarte ist – wie in Kapitel 5.1.3.1 ausgeführt wurde – zunächst ein entsprechender Namensgenerator in Form einer Auswahlfrage notwendig. Dieser wurde bereits in Kapitel 5.1.3.1 genannt („Welche Personen[gruppen] innerhalb Ihrer Schule bzw. Personen[gruppen] oder Organisationen, mit denen Sie im Zuge Ihrer Arbeit Kontakt haben, beeinflussen Ihr individuelles Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule?“). Mit diesem Namensgenerator wurde ein spezifischer Kontext fokussiert, nämlich die Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz aus der Perspektive Egos, also des/der Volksschuldirektors/in.

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

271

Abbildung 22 zeigt die Vorlage zur Entwicklung der ego-zentrierten Netzwerkkarte, die von der Forscherin vor den Interviews der einfacheren Handhabung wegen so schlicht wie möglich gestaltet wurde. Diese Netzwerkkartenvorlage wurde mithilfe der Software VennMaker erstellt. Somit fand diese Applikation im Zuge der Erhebungsvorbereitung als eine Art Zeichentool Anwendung.

Abbildung 22:

Vorlage zur Erstellung der ego-zentrierten Netzwerkkarte, Quelle: Eigene Erstellung

Zusätzlich zur Fragestellung erhielten die befragten Volksschuldirektor/innen einen kurzen Anleitungstext zur Entwicklung bzw. „Befüllung“ der sozialen Netzwerkkarte, der im Zuge des Interviews auch mündlich von der Interviewerin vorgebracht wurde (s. Kapitel 5.2.4). Die Netzwerkkarten-Vorlage ist folgendermaßen strukturiert: In der Mitte steht im Sinne einer ego-zentrierten Netzwerkanalyse das Ich, das Ego, also

272

5 Empirische Erhebung

der/die Volksschuldirektor/in. Die Befragten sollten mittels Post-Its – also selbstklebenden Notizzetteln – jene Akteur/innen – Personen, Personengruppen oder Organisationen – nennen, die ihnen zur namensgenerierenden Frage einfielen. Da auf eine Einteilung nach Rollenträger/innen verzichtet wurde, sollten auf diesen Post-Its einzelne attributionale Merkmale, so auch die Rolle des Alters angegeben werden. Je stärker die Akteur/innen aus Sicht der Befragten einen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben, desto näher zum Ich sollten sie positioniert werden. Im innersten Kreis sollten Akteur/innen Platz finden, die einen starken, im mittleren Kreis jene, die einen mittelmäßigen und im äußersten Kreis jene, die einen schwachen Einfluss auf das Wohlbefinden des/der Volksschuldirektors/in haben. Im oberen Halbkreis (grün) sollten jene Akteur/innen positioniert werden, die einen eher positiven, im unteren (rot) jene, die einen eher negativen gesundheitlichen Einfluss haben. „Ambivalent“ auf die Gesundheit wirkende Akteur/innen konnten mittig auf der horizontalen Linie platziert werden. Die Position jedes/jeder einzelnen Akteurs/in konnte durch die Verwendung des variablen Post-It-Systems im Laufe des gesamten Interviews jederzeit verändert werden. Ausführungen zu den eingesetzten Namensinterpretatoren im Sinne von „follow-up“-Fragen (vgl. Tracy & Abell, 1994) finden sich in Kapitel 5.2.4.2. 5.2.2.2 Entwicklung der Erhebungsinstrumente für das problemzentrierte Interview Die entwickelten Netzwerkkarten wurden schließlich in einem problemzentrierten Interview gemeinsam mit den befragten Volksschuldirektor/innen besprochen und reflektiert. Baur & Blasius (2014) begrüßen einen derartigen Stimulus für die Einleitung eines leitfadengestützten Interviews (S. 565). In den folgenden Abschnitten erfolgt zunächst eine kurze Charakterisierung des problemzentrierten Interviews, bevor auf die konkrete inhaltliche Vorbereitung dessen im Rahmen der eigenen Studie eingegangen wird. Problemzentriertes Interview nach Andreas Witzel Das problemzentrierte Interview wurde von Andreas Witzel im Jahr 1982 entwickelt. Es zeichnet sich durch ein Verlassen der streng induktiven Vorgehensweise (vgl. Lamnek & Krell, 2010, S. 333) im Rahmen qualitativer Sozialforschung, eine Verbindung von deduktiven und induktiven Elementen und damit eine Verbindung des Vorwissens eines/einer Forschers/in mit dem empirischen Material

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

273

aus (vgl. Witzel, 1982). Witzel (2000) selbst bezeichnet das problemzentrierte Interview als „ein theoriegenerierendes Verfahren, das den vermeintlichen Gegensatz zwischen Theoriegeleitetheit und Offenheit dadurch aufzuheben versucht, dass der Anwender seinen Erkenntnisgewinn als induktiv-deduktives Wechselspiel organisiert.“ (S. 1) Die Möglichkeit der Verbindung deduktiver und induktiver Elemente war ein Hauptkriterium für die Wahl eines problemzentrierten Interviews im Rahmen der eigenen Erhebung. So wurde bereits in Kapitel 5.2.1 die Bedeutung des Vorwissens im Rahmen der Studie dargelegt. Weitere Charakteristika des problemzentrierten Interviews liegen – wie der Name verrät – in der Problemzentrierung sowie der Gegenstands- und Prozessorientierung (vgl. Witzel, 2000). Das gesellschaftlich relevante „Problem“, das im Rahmen der vorliegenden Arbeit im Zentrum der Interviews stand, war das psychosoziale BelastungsRessourcen-Beanspruchungserleben von Volksschuldirektor/innen. Die Gegenstandsorientierung – also die Passung der gewählten Methode zum Problem – zeigt sich vor allem in der Anwendung einer triangulativen sozialen Netzwerkanalyse, entspringen psychosoziale Belastungen und Ressourcen gemäß der Definition dieser Begriffe im Rahmen der Arbeit (s. Kapitel 3.2.1.2) doch dem sozialen Umfeld, also dem sozialen Netzwerk. Im Sinne einer Gegenstandsorientierung sollte der Interviewleitfaden darüber hinaus flexibel verwendet und an die jeweilige Gesprächssituation angepasst werden. Die Prozessorientierung sollte durch einen sensiblen und akzeptierenden Kommunikationsprozess in Richtung Rekonstruktion von Orientierungen und Handlungen gewährleistet werden. Dieses Charakteristikum problemzentrierter Interviews wurde im Rahmen der eigenen Erhebung vor allem durch eine immer wiederkehrende Reflexion eigener Aussagen der Volksschuldirektor/innen, durch die Schaffung einer angenehmen Gesprächsatmosphäre sowie durch die Vermittlung der Wahrung der Anonymität gewährleistet. Helfferich (2009) grenzt das problemzentrierte Interview von anderen Interviewformen ab. Tabelle 14 gibt einen Überblick über die Einordnung im Gesamtkomplex qualitativer Interviews.

274

5 Empirische Erhebung

Tabelle 14: Einordnung des problemzentrierten Interviews im Gesamtkomplex qualitativer Interviews, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Helfferich (2009, S. 43) Interviewform

Forschungsgegenstand

Beurteilung der Äußerungen als „ausreichend“

Setting, Situationsdefinition

Rederecht, Dialog

Engagement Interviewende/r

Strukturiertheit, Flexibilität

Narratives Interview

textorientiertes Sinnverstehen

Erzählperson

wissenschaftlich

monologisch

wenig

flexibel, keine Vorgaben

Kombination

Erzählperson

wissenschaftlich

Kombination

mittel

Leitfaden, flexibel

Kombination

Erzählperson, Interviewende/r

wissenschaftlich

Kombination

mittel

flexibel

Problemzentriertes Interview

problemorientiertes Sinnverstehen

Interviewende/r

wissenschaftlich

dialogisch, gemeinsame „Arbeit“

stark

flexibel, eventuell Leitfaden

Eroepisches oder ethnografisches Interview

Rekonstruktion und Deskription von Kultur(en)

eher „natürlich“

dialogisch, alltagskommunikativ

Interviewer/in aktiv, aber nicht steuernd

flexibel, keine Vorgaben

Episodisches Interview Fokussiertes oder semistrukturiertes Interview

Interviewende/r

Das problemzentrierte Interview nach Witzel beinhaltet vier Instrumente (vgl. Witzel, 2000):

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung 







275

Kurzfragebogen Damit werden Sozialdaten des/der Befragten und wesentliche Rahmenbedingungen erfragt. Ein Kurzfragebogen wird zu Beginn als Einstieg oder am Ende des Interviews eingesetzt. Interviewleitfaden Dieser dient als Gedächtnisstütze und Orientierungsrahmen. Er deckt die wesentlichen Aspekte des Forschungsthemas in Form von Frageideen ab. Ein Interviewleitfaden ermöglicht bei der späteren Auswertung eine bessere Vergleichbarkeit der einzelnen Interviewaussagen. Tonträgeraufzeichnung Die Aufzeichnung des Interviews ermöglicht eine anschließende vollständige Transkription dessen. Damit kann sich der/die Interviewer/in während des Interviews vollkommen auf den Kommunikationsprozess und die Beobachtung situativer Bedingungen bzw. nonverbaler Äußerungen des/der Befragten konzentrieren. Postskriptum Dieses wird am Ende des Interviews erstellt. Es beinhaltet vor allem Notizen zur Gesprächssituation, aber auch erste Interpretationen des/der Forschers/in.

Der Kurzfragebogen und der Interviewleitfaden wurden im Rahmen der eigenen Untersuchung inhaltlich auf Basis des Vorwissens zu den Rahmenbedingungen des Schulleiterberufs (s. Kapitel 2) sowie der eigenen Kenntnis des Feldes, bestehenden Theorien zum Forschungsgegenstand (s. Kapitel 3) und den bisherigen Studienerkenntnissen zur Lehrer- und Schulleitergesundheit (s. Kapitel 4), die im theoretischen Raster abgebildet sind (s. Kapitel 5.2.1), entwickelt. In den folgenden Absätzen werden die beiden Erhebungsinstrumente näher beschrieben. Entwicklung des Kurzfragebogens Der Kurzfragebogen wurde im Rahmen der eigenen Erhebung zu Beginn des Interviews eingesetzt. Die Entscheidung hierzu fiel auf Basis eines Pre-Tests (s. Kapitel 5.2.4). Vorwiegend sollten mit dem Kurzfragebogen wesentliche Rahmenbedingungen der Arbeitssituation des/der befragten Volksschuldirektors/in ermittelt werden. Konkret wurden Informationen  

zur Person des/der Volksschuldirektors/in (Alter, Geschlecht), zum Beruf (Dauer der aktuellen Leitungsfunktion, vergangene Leitungsfunktionen, Dauer der Tätigkeit als Lehrkraft ohne Führungsfunktion, Unterrichtstätigkeit und -ausmaß),

276   

5 Empirische Erhebung zur Schule (Schülerzahl, Klassenzahl, Lehrerzahl, Organisationsform: Ganztagsschule vs. Nicht-Ganztagsschule), zu ausgewählten Aspekten der eigenen Gesundheit und des psychischen Beanspruchungserlebens (subjektiver Gesundheitszustand, Burnout-Index) sowie zum Erleben der Arbeit (Stresslevel, Selbstwirksamkeit, Sozialklima im Lehrer-kollegium)

erfasst. In Hinblick auf Fragen zur eigenen Gesundheit sowie zum Erleben der Arbeit wurde mit Ausnahme der Ermittlung des Stresslevels auf Items, die auch im Rahmen der österreichischen Lehrergesundheitsbefragung (vgl. Hofmann et al., 2012) verwendet wurden, zurückgegriffen. Dies hatte zweierlei Gründe: Zum einen verwendeten die Autor/innen dieser Studie gebräuchliche, großteils valide Instrumente zur Bestimmung dieser Indikatoren. Zum anderen konnte dadurch ein Vergleichsrahmen für die Interpretation der eigens erhobenen Daten geschaffen werden. Entwicklung des Interviewleitfadens Während der Kurzfragebogen lediglich zu Beginn des Interviews eingesetzt wurde, begleitete der Interviewleitfaden die gesamte Gesprächssituation. Ein Interviewleitfaden ist gemäß Baur & Blasius (2014) „eine vorab vereinbarte und systematisch angewandte Vorgabe zur Gestaltung des Interviewablaufs.“ (S. 561) Ein Interviewleitfaden sollte „so offen wie möglich“ und „so strukturierend wie nötig“ sein. Die im Interviewleitfaden festgehaltenen Gesprächsthemen orientierten sich am vorrangigen Erkenntnisinteresse der Forscherin (s. Kapitel 1.2), das durch den theoretischen Raster (s. Kapitel 5.2.1) abgebildet ist. Bei der Erstellung des Interviewleitfadens wurde versucht, den definierten Anforderungen an einen Leitfaden gemäß Helfferich (2009) gerecht zu werden:    

Den Grundprinzipien der qualitativen Forschung muss in allen Teilen und als Ganzes entsprochen und Offenheit ermöglicht werden. Es soll ein realistisches Pensum an Fragen gewählt werden. Der Leitfaden soll übersichtlich und leicht handzuhaben sein. Die Reihenfolge der Gesprächsthemen sollte einem „natürlichen“ Erinnerungs- und Argumentationsfluss folgen. Sehr offene, breite Fragestellungen

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

277

zu einem Themenaspekt sollten vor jenen, die keine längere Aussage stimulieren, angeführt sein (S. 180). Bei der konkreten Entwicklung des Leitfadens kam dabei das SPSS-Prinzip der Leitfadenerstellung von Helfferich (2009) zur Anwendung, demzufolge es    

zunächst gilt, alle Fragen zu sammeln (S), die im Kontext des Forschungsthemas von Interesse sind; diese Fragen in einem zweiten Schritt, vor dem Hintergrund des Vorwissens, der Forschungsfrage(n) und des Prinzips der Offenheit zu prüfen (P); anschließend die verbleibenden Fragen zeitlich oder nach inhaltlichen Aspekten zu sortieren (S) und zu bündeln und schließlich zu subsumieren (S), indem für jedes Bündel eine übergeordnete Erzählaufforderung formuliert wird (S. 182-185).

Auch die Ausformulierung der Fragen orientierte sich an den Empfehlungen von Helfferich (2009, S. 99-105). Der Interviewleitfaden wird an dieser Stelle überblicksartig beschrieben bzw. dessen Struktur und Inhalt begründet. Der erste Themenbereich des Interviewleitfadens (Kategorie 1) beinhaltet Fragen zum Einstieg in den Schulleiterberuf und das generelle Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule. Mit diesen Fragen können Eindrücke über die Rollenwahrnehmung des/der Volksschulleiters/in gewonnen werden. Die Einstiegsfragen erlaubten es dem/der Befragten, selbst zu entscheiden, über welche Aspekte der Berufseinstiegsphase und des eigenen Wohlbefindens am Arbeitsplatz er/sie berichten möchte. Der zweite Fragenblock beinhaltet Fragen zur Vertiefung der ego-zentrierten Netzwerkkarte (s. Kapitel 5.2.2.1). Im ersten Teil (Kategorie 2) dieses Fragenblocks sind allgemeine Fragen zu den eingezeichneten Netzwerkpersonen aufgelistet („Erzählen Sie doch einmal über die Beziehung zu dieser Person[engruppe]!“). Erst nachdem individuelle Relevanzsetzungen zu Wort kommen können, werden bestimmte relationale Beziehungsmerkmale thematisiert (Frequenz, Dauer, Reziprozität, Multiplexität). Im nachfolgenden Leitfadenabschnitt (Kategorie 3) wird die soziale Netzwerkkarte auf einer höheren Ebene reflektiert, indem nach der Dauerhaftigkeit und Stabilität sowie den generellen Lehr- und Lernbedingungen an der Schule gefragt wird. Der nächste Fragenblock bezieht sich auf die Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes, mit dem sozialen Netzwerk verbundene Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen sowie die konkrete Wirkweise einzelner sozialer Beziehungen (Kategorie 4). Hierin lag ein besonderes Erkenntnisinteresse der Forscherin. In diesem Hauptteil des Interviewleitfadens stehen die Erfahrungen,

278

5 Empirische Erhebung

Einschätzungen und Bewertungen der befragten Volksschuldirektor/innen im Vordergrund. Mit diesen Fragen konnten die Wurzeln der eventuell zu Beginn angesprochenen Beanspruchungen gefunden werden. Im letzten Leitfadenabschnitt (Kategorie 5) sind Einschätzungsfragen   

zum Stellenwert psychosozialer Belastungen und Ressourcen im Gesamtkontext beruflicher Belastungen und Ressourcen, zum Zusammenwirken von Belastungen und Ressourcen sowie zur individuell wahrgenommenen Balance von Belastungen und Ressourcen

enthalten. Zudem beinhaltet dieser Abschnitt eine Frage zu Wünschen für eine „gesunde“ Berufszukunft und einen Erzählanreiz für ein abschließendes Statement. Auf diese Weise erhalten die Interviewpartner/innen noch einmal die Chance, ihre Einschätzungen zu bündeln und zu pointieren. Derartige Fragestellungen am Ende eines leitfadengestützten Interviews empfiehlt auch Helfferich (2009), da sie dem/der Interviewten die Möglichkeit geben, noch einmal eigene Relevanzen zu setzen und sie das Ende des Interviews sanft einleiten (S. 181). Während die vorangegangenen Ausführungen lediglich einen Einblick in den Aufbau des Interviewleitfadens boten, gibt Kapitel 5.2.4 Auskunft über den konkreten Ablauf der Interviews. Entwicklung einer Postskriptum-Vorlage Die Postskriptum-Vorlage wurde in Anlehnung an Beispiele von Postskripten bzw. Interviewprotokollbögen in Methodenlehrbüchern sowie die Ausführungen von Witzel (2000) erstellt und gliedert sich in Notizfelder      

zu allgemeinen Informationen zum Interview (Interviewnummer, Ort, Datum, Beginn und Ende des Interviews), zur Interviewsituation (Atmosphäre, Duzen vs. Siezen, Stimmung), zu Vorkommnissen während des Interviews (z.B. Anruf, Störung) und von der Interviewerin wahrgenommenen Auswirkungen dieser, zum Verhalten des/der Interviewpartners/in und nonverbalen Aspekten, zu Gesprächen nach dem Abschalten des Aufnahmegeräts sowie zu sonstigen Auffälligkeiten und ersten Interpretationen.

Synonym für den Begriff „Postskriptum“ werden in der qualitativen Sozialforschung auch die Wörter „Interviewprotokoll“, „Protokollbogen“, „Interview-

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

279

notizen“ bzw. „Laufzettel“ verwendet (vgl. Helfferich, 2009, S. 190). In welcher Weise die Postskriptum-Vorlage am Ende eines Interviews ausgefüllt wurde, wird in Kapitel 5.2.4 erläutert. 5.2.3 Auswahl der Befragten In den folgenden Abschnitten wird die Zielpopulation der vorliegenden Erhebung näher beschrieben und begründet. Darüber hinaus wird Auskunft über die Auswahl der befragten Personen und den Zugang zu diesen gegeben. In der quantitativen empirischen Sozialforschung ist – wenn es um die Zielgruppe und Auswahl von Befragten geht – für gewöhnlich von „Grundgesamtheit“, also der Menge an Objekten, für welche die Aussagen einer Untersuchung gelten sollen und von „Stichprobe“, also der Zahl der Objekte, die tatsächlich in eine Studie inkludiert wurde, die Rede (vgl. Schnell et al., 2008, S. 265-267). Diese beiden Begriffe werden auch in der qualitativen Sozialforschung zum Teil verwendet. In der vorliegenden Arbeit wird darauf allerdings im Sinne einer Vermeidung von Unklarheiten und Fehlinterpretationen – mit Ausnahme der Wortkombination „qualitative Stichprobe“ – verzichtet. Stattdessen werden die Begriffe „Zielpopulation“ und „Befragtengruppe“ verwendet. 5.2.3.1 Beschreibung der Zielpopulation Die Zielpopulation der eigenen Erhebung bildeten Direktor/innen von Volksschulen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs. Der kleinste gemeinsame Nenner der Befragtengruppe war also das Innehaben einer Volksschulleitung in diesem österreichischen Bundesland. Zweierlei Faktoren waren ausschlaggebend für die Wahl des Schultyps „Volksschule“. Einerseits werden Volksschuldirektor/innen in bisherigen Untersuchungen zur Schulleitergesundheit häufig vernachlässigt bzw. ausgeschlossen. Andererseits deuten die wenigen Studien, die auch Volksschul-, Grundschul- bzw. Elementarschulleitungen in den Blickpunkt nehmen, darauf hin, dass diese besonders stark von Belastungen und negativen Beanspruchungen am Arbeitsplatz betroffen sind (s. Kapitel 4.2). Die Beschränkung auf ein Bundesland erfolgte, da das Bildungswesen, vor allem was die Elementarbildung betrifft, in Österreich föderalistisch organisiert ist und in die Kompetenz der Länder fällt (s. Kapitel 2.1.1). So herrschen in einzelnen Bundesländern zum Teil unterschiedliche gesetzliche Regelungen vor.

280

5 Empirische Erhebung

Auf die Angabe von Zahlen zur Grundgesamtheit muss aus Anonymitätsgründen in Hinblick auf das Bundesland an dieser Stelle verzichtet werden. 5.2.3.2 Zugang zur Zielpopulation Nach der Definition der Zielgruppe stellte sich im Rahmen der Studie neben der Festlegung der Samplingstrategie (s. Kapitel 5.2.3.3) die Frage nach dem Weg der Rekrutierung von Interviewpartner/innen. Schnell et al. (2008) schreiben, dass im Zuge der Auswahl von Befragten häufig mit Behörden oder Organisationen zusammengearbeitet werden muss (S. 12-13). Dies war auch im Rahmen der vorliegenden Erhebung der Fall. So erfordert in Österreich die Durchführung von Studien an Schulen für gewöhnlich die Genehmigung des jeweiligen Landesschulrates. Gemäß den Vorgaben des Landesschulrates mussten bereits vor der Genehmigung die konkreten Schulen, an denen die Befragung durchgeführt werden sollte, genannt werden. Erst nach dem Vorliegen der Genehmigung durch den Landesschulrat, welche am 14. November 2016 erteilt wurde, durfte mit der empirischen Erhebung begonnen werden. Der Zugang zur Zielgruppe erfolgte somit in gewisser Weise über sogenannte „Gatekeeper“, also „Türwächter“, in diesem Fall den Landesschulrat. „Gatekeeper“ werden in der empirischen Sozialforschung als Schlüsselpersonen definiert, die den Zugang zu potenziell Befragten eröffnen. Vorteile dieses Zugangsweges liegen in der Erleichterung des Kontaktes zu Interviewpartner/innen, da eine Vertrauensperson bzw. -organisation zur Teilnahme anregt. Als nachteilig werden mögliche Verzerrungen durch eine Selektion der Befragten vonseiten des Gatekeepers sowie der möglichen Angst potenzieller Interviewteilnehmer/innen um ihren Datenschutz gesehen (Helfferich, 2009, S. 175). In der vorliegenden Erhebung kamen die üblichen Vor- und Nachteile des Gatekeeper-Zuganges nicht gänzlich zum Tragen, da der Landesschulrat eine spezielle Rolle im Rahmen der Untersuchung einnahm. Zwar erteilte er die Genehmigung für die Studie und die potenziell Befragten wurden darüber informiert, allerdings erfolgte die Akquise der Interviewteilnehmer/innen für die Befragung gänzlich durch die Forscherin selbst. Dies ist mit dem Vorteil verbunden, dass durch den nicht direkten Zugang über den Landesschulrat als übergeordnete Instanz Hemmungen, sich frei und ehrlich zum Forschungsthema zu äußern, eher aus dem Weg geräumt werden konnten. Alle Volksschuldirektor/innen im ausgewählten Bundesland wurden zunächst per E-Mail über die Untersuchung informiert und nach deren Bereitschaft

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

281

zur Teilnahme an der Erhebung gefragt. Die Kontaktdaten der einzelnen Schulen bzw. Schulleiter/innen waren über einen Online-Schulführer öffentlich zugänglich. Intensivere Akquirierungen fanden zusätzlich im Bekanntenkreis der Forscherin statt. Zur tatsächlichen Auswahl der Interviewteilnehmer/innen wurde ein qualitativer Stichprobenplan herangezogen, der im nachfolgenden Unterkapitel näher beschrieben wird. Dieses Vorgehen entspricht den Empfehlungen von Wimmer (2011), wonach „die Gefahr zu homogener und enger Rekrutierungskreise […] durch festgelegte Kriterien entschärft werden“ kann (S. 144). 5.2.3.3 Selektives Sampling Fragen der konkreten Auswahl von Befragten hängen mit Überlegungen zur Verallgemeinerbarkeit der erzielten Ergebnisse zusammen. Während in der quantitativen Sozialforschung eine statistische Repräsentativität der erzielten Ergebnisse für die Grundgesamtheit angestrebt wird, ist diese im Rahmen qualitativer Studien kein sinnvolles Kriterium für die Auswahl der Befragten. Die qualitative Sozialforschung legt den Fokus auf Einzelfallanalysen und sucht das Allgemeine im Besonderen (Helfferich, 2009, S. 173-174). Sie ist daher vielmehr an einer inhaltlichen Repräsentation interessiert. Merkens (2003) ist der Ansicht, dass inhaltliche Repräsentation dann erreicht ist „,wenn einerseits der Kern des Feldes in der Stichprobe gut vertreten ist und andererseits auch die abweichenden Vertreter hinreichend in die Stichprobe aufgenommen worden sind.“ (S. 100) Im Mittelpunkt qualitativer Forschung steht die Rekonstruktion typischer Muster und weniger das Treffen von Verteilungsaussagen (Helfferich, 2009, S. 173-174). Um Muster rekonstruieren zu können, gilt es allerdings, auch in qualitativen Studien Kriterien für die Auswahl der Befragten im Sinne einer bewussten, kriteriengesteuerten Fallauswahl und Fallkontrastierung (Kelle & Kluge, 2010, S. 43) zu definieren. Kelle & Kluge (2010) zufolge ist bei der Fallauswahl die Frage zu klären: „Wie kann sichergestellt werden, dass für die Untersuchungsfragestellung und das Untersuchungsfeld relevante Fälle in die Studie einbezogen werden?“ (S. 42) Baur & Blasius (2014) definierten folgende Grundprinzipien zum qualitativen Sampling: 1.

Das Sampling orientiert sich an Kontrasten, um verschiedene Bedingungen bzw. Konstellationen untersuchen zu können.

282 2. 3. 4.

5 Empirische Erhebung Im Zentrum des Samplings stehen nicht Fälle, sondern zu generierende Konzepte, insbesondere die Mechanismen, die in den Fällen zur Geltung kommen. Für gewöhnlich wird das Sampling nicht bereits zu Beginn der Untersuchung abgeschlossen. Stattdessen wird auch häufig zu späteren Zeitpunkten sukzessive Datenmaterial gesammelt, um das Sample zu vervollständigen. Nicht ein verkleinertes Abbild der Verteilung in einer Grundgesamtheit soll erreicht, sondern die Vielfalt im Untersuchungsfeld berücksichtigt werden (S. 126-127).

Die im Rahmen der eigenen Erhebung definierte Samplingstrategie, die im Folgenden beschrieben wird, sollte diesen Prinzipien gerecht werden. Für die Auswahl der Befragten wurde ein qualitativer Stichprobenplan im Sinne eines selektiven Samplings erstellt. Flick (2012) spricht in diesem Zusammenhang von einem „Sampling maximaler Variation“ (S. 109). Dabei wurden zunächst die für das Forschungsthema relevanten Merkmale definiert. Dies sollte sicherstellen, dass die Variationsbreite, die im Feld enthalten ist, erschlossen wird. Es wurde darauf geachtet, dass bestimmte Merkmalsausprägungen und vor allem -kombinationen in einem ausreichenden Umfang durch Einzelfälle in der Stichprobe vertreten sind (vgl. Lamnek & Krell, 2010, S. 172). Ein derartiges Sampling wird neben zwei anderen Auswahlstrategien, nämlich der Suche nach Gegenbeispielen und dem Theoretical Sampling, von Kelle & Kluge (2010) im Sinne der Entwicklung einer empirisch begründeten Typologie empfohlen (S. 41, 54). Qualitative Stichprobenpläne zielen darauf ab, eine gewisse Bandbreite von Einflüssen zu erfassen, indem Merkmale, die theoretisch relevant sind, in einem ausreichenden Umfang durch Einzelfälle repräsentiert werden. Kelle & Kluge (2010) schreiben, dass man sich insbesondere bei der Definition relevanter Merkmale, die häufig klassische soziodemographische Faktoren wie Geschlecht und Alter sind, an quantitativen Forschungsergebnissen orientieren kann (S. 51-52). Kelle & Kluge (2010) sehen das Ziel einer theoriegeleiteten Fallauswahl darin, „theoretisch bedeutsame Merkmalskombinationen bei der Auswahl der Fälle möglichst umfassend zu berücksichtigen, um bislang unbekannte Phänomene zu identifizieren und um neue Kategorien zu entwickeln und Typologien zu konstruieren.“ (S. 55) Im Folgenden werden die Entwicklung und Anwendung des qualitativen Stichprobenplans im Rahmen der eigenen Studie beschrieben. Berücksichtigte, identifizierbare Merkmale stellten das Geschlecht, das Alter, die Amtsdauer und das Ausmaß der Lehrtätigkeit des/der Volksschuldirektors/in

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

283

sowie der Standort und die Größe der Schule dar. Dies schienen – unter Heranziehen bisheriger quantitativer Untersuchungsergebnisse – potenziell bedeutsame Einflussgrößen auf das Belastungs-, Ressourcen- und Beanspruchungserleben von Schuldirektor/innen zu sein (s. Kapitel 4.2). Tabelle 15 zeigt den qualitativen Stichprobenplan, der vor der Erhebung erstellt wurde. Lediglich das Merkmal „Region“ und dessen Merkmalsausprägungen sind aus Anonymitätsgründen nicht angeführt. Aus dem Stichprobenplan geht hervor, dass das Geschlecht der Befragten, das Vorhandensein einer Lehrtätigkeit und die Größe der Schule in Hinblick auf die Schülerzahl als Kernmerkmale für die Auswahl der Befragten definiert wurden. Innerhalb der weiblichen Zielgruppe wurde angestrebt, pro Merkmalskombination (Lehrtätigkeit: ja oder nein und Größe der Schule ≤ 50 Schüler/innen, 51-100 Schüler/innen oder >100 Schüler/innen) mindestens zwei Personen zu befragen. Lediglich die Kombinationen „keine Unterrichtstätigkeit und ≤ 50 Schüler/innen“ sowie „Unterrichtstätigkeit und >100 Schüler/innen“ konnten in der Befragtengruppe nicht abgedeckt werden, da diese aufgrund gesetzlicher Regelungen zum Lehrdeputat von Schulleitungen in Abhängigkeit der Schülerzahlen in der Realität nicht existieren. Für die Auswahl männlicher Volksschulleiter wurden grundsätzlich dieselben Vorgaben wie für jene weiblicher Volksschulleiterinnen getroffen, allerdings wurde als Mindestzahl pro Merkmalskombination „1“ gewählt, da Männer innerhalb der Zielgruppe unterrepräsentiert sind. Zudem ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass vor allem die Merkmalskombinationen „männlich, Lehrtätigkeit und 51 bis 100 Schüler/innen“, „männlich, keine Lehrtätigkeit und 51 bis 100 Schüler/innen“ sowie „männlich, keine Lehrtätigkeit und >100 Schüler/innen“ in der Realität nur in sehr geringem Ausmaß existieren und daher als Extremfälle bezeichnet werden können. Neben den Kernmerkmalen wurden das Alter und die Amtsdauer des/der Schuldirektors/in sowie die Region, in der sich die Schule befindet, als weitere berücksichtigungswürdige Merkmale identifiziert. In Hinblick auf diese Eigenschaften wurden keine Mindestzahlen pro Merkmalskombination, sondern lediglich pro Merkmalsausprägung definiert (2). Die genaue Anzahl der Interviews wurde, wie aus der Tabelle hervorgeht, im Gegensatz zu vielen anderen Studien, die mit qualitativen Stichprobenplänen arbeiten, nicht zu Beginn der Untersuchung definiert. Stattdessen wurde pro Feld lediglich eine Mindestzahl an durchzuführenden Interviews als Orientierungsrahmen festgelegt. Die konkrete Interviewzahl hing in Anlehnung an das Theoretical Sampling, das aus der Grounded Theory hervorgeht, von der durch die Interviewerin wahrgenommenen theoretischen Sättigung ab. Diese wird auch als Saturierungsprinzip bezeichnet und von Helfferich (2009) als Prüfstein für die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse betrachtet. Von einer Sättigung der Stichprobe wird

284

5 Empirische Erhebung

dann gesprochen, wenn das Durchführen weiterer Interviews keine neuen Informationen mehr liefert (S. 174-175). Flick (2010) zufolge ist in qualitativen Studien die inhaltliche Bandbreite der befragten Personen viel wichtiger als die Zahl dieser (S. 260). Auch Baur & Blasius (2014) sind der Ansicht, dass es in qualitativen Studien zumeist nicht notwendig ist, eine große Anzahl an Befragten zu haben, da ab einer bestimmten Zahl die Informationen nur mehr redundant sind. Vielmehr ist ein breites und tiefgehendes Spektrum an Vertreter/innen wünschenswert (S. 277). Die Kombination der Erstellung eines qualitativen Stichprobenplans zu Beginn einer Untersuchung für die Auswahl der Befragten mit dem Prinzip der theoretischen Sättigung für die Bestimmung der Anzahl der Interviews empfehlen auch Kelle & Kluge (2010, S. 53).

Stichprobenplan Größe der Schule (Schülerzahl)* ≤ 50 51-100 >100 Lehrtätigkeit* Schüler/innen Schüler/innen Schüler/innen ja mind. 1 mind. 1 EX. NICHT männlich (GG: 32/166, 19,3%) nein EX. NICHT mind. 1 mind. 1 ja mind. 2 mind. 2 EX. NICHT weiblich (GG: 134/166, 80,7%) nein EX. NICHT mind. 2 mind. 2 weitere berücksichtigungswürdige Einzelmerkmale Alter** ≤ 50 Jahre mind. 2 > 50 Jahre mind. 2

= Minimum/ Merkmalskombination

Minimum/ EinzelAmtsdauer** ≤ 5 Jahre mind. 2 > 5 Jahre mind. 2 merkmal * Geschlecht, Lehrtätigkeit und Größe der Schule (Schülerzahl) konnten auf Basis der Literatur als bedeutsamste soziodemographische bzw. organisationale Einflussfaktoren auf das Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben von Schulleiter/innen identifiziert werden. ** Diese Merkmale könnten darüber hinaus auch einen Einfluss auf das Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben von Schulleiter/innen haben (einzelne Literaturbefunde) und werden daher über die oben definierten Merkmalskombinationen hinaus als Einzelmerkmale berücksichtigt.

Geschlecht*

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

Tabelle 15: Qualitativer Stichprobenplan, Quelle: Eigene Erstellung

285

286

5 Empirische Erhebung

Zunächst wurde im Rahmen der eigenen Erhebung versucht, die einzelnen Felder im qualitativen Stichprobenplan mit jenen Volksschuldirektor/innen zu besetzen, die ihren Wunsch äußerten, an der Studie teilzunehmen (s. Kapitel 5.2.3.2). Danach wurden, um noch verbliebene leere Felder zu füllen und gleichzeitig auch andere Personen als die „motivierte“ Schulleitergruppe in die Befragung zu inkludieren, in Abhängigkeit der nicht besetzten Felder Schuldirektor/innen telefonisch kontaktiert und um eine Teilnahme an der Befragung gebeten. Daneben wurden im Sinne der Nutzung von „weak ties“ Volksschuldirektor/innen aus dem Bekanntenkreis der Forscherin akquiriert, wobei jedoch darauf geachtet wurde, dass sich Volksschuldirektor/in und Forscherin nicht persönlich kennen. Die tatsächliche qualitative Stichprobe besteht aus 20 Personen. Die Einordnung der einzelnen Befragten in die jeweiligen Felder erfolgte zunächst auf Basis der eigenen Feldkenntnis sowie der Internetauftritte der Schulen. Nach den Interviews wurde die Zuteilung noch einmal auf Basis der Ergebnisse des Kurzfragebogens überprüft und gegebenenfalls adaptiert. Ein Vergleich der durchgeführten Interviews mit dem vor der Erhebung entwickelten, zunächst „leeren“ qualitativen Stichprobenplan (s. Tabelle 15) zeigt, dass die gewünschten Mindestzahlen pro Merkmalskombination bzw. Einzelmerkmal großteils erreicht, in einigen Fällen sogar deutlich überschritten wurden. Zudem konnte auch ein/e Volksschuldirektor/in befragt werden, der/die zwei Schulen leitet und sich damit durch eine sehr spezielle Arbeitssituation auszeichnet. Für die bereits zuvor identifizierten Extremfälle „männlich, keine Unterrichtstätigkeit und 51 bis 100 Schüler/innen“ sowie „männlich, keine Unterrichtstätigkeit und >100 Schüler/innen“ konnten keine Vertreter/innen akquiriert werden. Der Grund hierfür lag darin, dass diese beiden Gruppen selbst in der Zielgruppe mit einer sehr geringen Zahl vertreten waren und es sich beim Forschungsthema doch um ein sehr persönliches Thema handelte, über das nicht alle Volksschuldirektor/innen bereit waren, offen zu sprechen. Zwei weitere Felder, für die eine zunächst definierte Mindestanzahl von „2“ vorgesehen war, konnten lediglich mit jeweils einer Person besetzt werden („weiblich, Lehrtätigkeit, 51 bis 100 Schüler/innen“; „weiblich, keine Lehrtätigkeit, 51 bis 100 Schüler/innen“). An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass aus Anonymitätsgründen bei der Ergebnisdarstellung (s. Kapitel 5.4) keine Differenzierung zwischen Männern und Frauen vorgenommen wird. Methodische Schwächen der im Rahmen der eigenen Erhebung gewählten Fallauswahlstrategie, die bei jeder Art von qualitativem Sampling auftreten, werden in Kapitel 6.2 kritisch diskutiert.

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

287

5.2.4 Ablauf der Erhebungssituationen In der Erhebungsphase eines qualitativen Interviews gilt es, vor allem folgende Prinzipien einzuhalten:        

Reflexivität von Gegenstand und Analyse Gestaltung im Sinne eines Alltagsgesprächs Zurückhaltung durch den/die Forscher/in Beachtung der Relevanzsysteme des/der Betroffenen Anpassen an die Kommunikation des/der Befragten Offenheit Flexibilität Prozesshaftigkeit – laufende Entwicklung der Deutungs- und Handlungsmuster des/der Befragten (Lamnek & Krell, 2010, S. 320)

Für die methodisch-technische Umsetzung dieser Prinzipien im Rahmen der eigenen Erhebung bedeutete dies vor allem das Schaffen einer vertrauten „natürlichen“ Gesprächsatmosphäre, bei der sich die Forscherin und der/die Beforschte als gleichberechtigte Partner/innen gegenüberstehen. Auf eine Verwendung von gesundheitswissenschaftlichen Fachbegriffen wurde großteils verzichtet. Stattdessen orientierte sich die Forscherin an dem Sprachstil der Befragten und ließ die Interviewten durch eine offene Gesprächstechnik stets zu Wort kommen. Die befragten Volksschuldirektor/innen sollten auf Basis ihrer eigenen Relevanzsetzungen über ihr psychosoziales Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben am Arbeitsplatz Schule berichten. Dadurch sollten sukzessive individuelle Deutungs- und Handlungsmuster sichtbar werden. Der Interviewleitfaden wurde flexibel während des Gesprächs eingesetzt. 5.2.4.1 Organisatorische Vorbereitung der Interviews und Pre-Test Die Interviews wurden im Zeitraum Dezember 2016 bis März 2017 persönlich von der Autorin durchgeführt. Dieser Zeitraum wurde bewusst gewählt, da gerade bei Befragungen an Schulen aufgrund von Ferial-, Schuljahrbeginn- und Schuljahrendzeiten viele Monate einerseits aus Zeitgründen, andererseits aus Gründen besonderer „Stress- und Erholungssituationen“, die die Ergebnisse verzerren können, ungünstig sind. Vor der Haupterhebung fanden in Form eines Pre-Tests drei komplette Probeinterviews mit Vertreter/innen der Zielgruppe statt. In diesen sollten die Zweckmäßigkeit und Handhabbarkeit der Erhebungsinstrumente getestet und mögliche

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5 Empirische Erhebung

Verständnisprobleme identifiziert werden. Im Detail wurden in Anlehnung an einschlägige Methodenliteratur (vgl. Schnell et al., 2008) die Eindeutigkeit und sprachliche Verständlichkeit der Fragen, die Logik und Konsistenz der Themen, die Gestaltung der Erhebungsinstrumente – insbesondere der sozialen Netzwerkkarte – sowie die Dauer der Befragung getestet. So wurde die geplante Erhebungssituation zunächst gänzlich durchlaufen und im Anschluss gemeinsam mit den „getesteten“ Personen reflektiert. Diese Reflexionen mündeten in leichten Adaptierungen des Interviewleitfadens, insbesondere der reduzierten Verwendung bestimmter Fachbegriffe. Zudem wurde auf Basis der Aussagen der Testpersonen die Entscheidung getroffen, den Kurzfragebogen zu Beginn der Erhebung einzusetzen, da hier noch die höchste Aufmerksamkeit bestand und das möglichst realitätsgetreue Ausfüllen des Fragebogens viel Aufmerksamkeit erforderte. Den Ort des Interviews durften die befragten Volksschuldirektor/innen selbst bestimmen. 12 Interviews in der Haupterhebungsphase wurden im Büro des/der jeweiligen Volksschuldirektors/in, zwei Interviews bei der befragten Person zuhause, zwei weitere am Arbeitsplatz der Forscherin, ebenfalls zwei in einem leeren Klassenzimmer der jeweiligen Schule, ein Interview in der (leeren) Aula der Schule und ein weiteres in einem Kaffeehaus durchgeführt. Terminvorschläge wurden von der Interviewerin eingebracht. Die meisten Interviews fanden unter der Woche (zwischen Montag und Freitag), abhängig von dem Lehrdeputat der befragten Personen großteils vormittags oder am frühen Nachmittag, vereinzelt spätnachmittags oder abends statt. 5.2.4.2 Ablauf der Interviews Beim Interviewtermin selbst wurde vonseiten der Forscherin zunächst versucht, ein lockeres informelles Gespräch mit dem/der Befragten zu beginnen, um eine gewisse Vertrautheit zu schaffen. Die Interviewteilnehmer/innen waren großteils sehr aufgeschlossen. Im Sinne der Schaffung einer natürlichen Interviewsituation wurden – je nach Sprachstil des/der Befragten – regionale Dialektfärbungen anstatt Hochdeutsch verwendet. Mit Ausnahme eines Interviews erfolgte ein Siezen der beiden Interviewpartner/innen. Die einzelnen Erhebungssituationen waren folgendermaßen aufgebaut:  

Einführung (Vorstellung, Ablauf der Befragung, Anonymität, Tonbandaufzeichnung) – Einleitung im Sinne Witzels Einsatz des Kurzfragebogens (quantitative Erhebung zu soziodemographischen Daten, Informationen zur Schule, dem subjektiven Gesundheits-

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

  



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zustand, dem Stresslevel des Schulleiterberufs, der Selbstwirksamkeit, dem Sozialklima und Burnout) – Kurzfragebogen im Sinne Witzels Einstiegsphase (beruflicher Werdegang, Anfangsphase als Schulleitung, Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule) – Allgemeine Sondierung im Sinne Witzels Entwicklung der ego-zentrierten Netzwerkkarte qualitative Vertiefung der Netzwerkkarte (Kategorien: Relation – Interaktion, Netzwerkstruktur, Inhalt – Funktion – Gesundheitsrelevanz – Evaluation, Zusammenspiel von Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen) – Allgemeine und spezifische Sondierungen sowie direkte Fragen im Sinne Witzels Abschluss (Betrachten der Netzwerkkarte und Adaptionsmöglichkeit, Zukunftswünsche, Offenes) – Direkte Fragen im Sinne Witzels

Im Folgenden werden diese einzelnen Schritte, die im Rahmen der Erhebung gesetzt wurden, spezifiziert und von der Autorin reflektiert. Das offizielle Interview leitete die Forscherin mit einem Bedanken für die Teilnahmebereitschaft, einer Vorstellung der Interviewerin und des Forschungsthemas sowie einer Erläuterung des Aufbaus der Befragung ein. Anschließend wurde die Wahrung der Anonymität versichert. Zudem wurde eine Einwilligungserklärung – die die Themen „Tonbandaufzeichnung“, „Transkription“ und „anonymisierte Verwendung der Daten“ beinhaltete – dem/der Interviewpartner/in mit der Bitte um Unterzeichnung vorgelegt. Dieser Schritt ist unumgänglich, so schreibt etwa Helfferich (2009): „Ohne eine Einwilligungserklärung der Erzählperson kann ein qualitatives Interview nicht verwendet werden.“ (S. 190) Die Einverständniserklärung sollte das Vertrauen zwischen dem/der Interviewten und der Interviewerin weiter stärken. Ergänzend wurde entsprechend den zum Zeitpunkt der empirischen Erhebung geltenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Schutz personenbezogener Daten, BGBl. 165/99 (Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000) sowie den Vorgaben des Landesschulrates als Gatekeeper vonseiten der Forscherin noch vor Durchführung des ersten Interviews eine Verpflichtungserklärung zur Wahrung des Datenschutzes unterzeichnet. Vor dem Start der eigentlichen Erhebung erhielt der/die Befragte noch die Möglichkeit, offene Fragen zu stellen. Zu Beginn der eigentlichen Erhebungssituation überreichte die Interviewerin dem/der Interviewten den ausgedruckten Kurzfragebogen. Dieser wurde vom/von der Befragten grundsätzlich allein ausgefüllt. Die Interviewerin stand allerdings für Verständnisfragen zur Verfügung. Das Ausfüllen des Kurzfragebogens dauerte im Durchschnitt einige wenige Minuten.

290

5 Empirische Erhebung

Nach Rückgabe des ausgefüllten Kurzfragebogens durch den/die Interviewte/n und Check durch die Interviewerin, ob auch tatsächlich alle Fragen beantwortet wurden, startete die Forscherin, unter Hinweis darauf, die Tonbandaufzeichnung. Dabei wurden zur Sicherheit zwei Aufzeichnungsgeräte verwendet. Der entwickelte Interviewleitfaden diente als grobe Leitlinie für das eigentliche Interview. Dabei hing es von der jeweiligen Interviewsituation bzw. dem Gesprächsverlauf ab, in welcher Reihenfolge die einzelnen Themen behandelt wurden. Zudem war auch im Sinne sogenannter „spezifischer Sondierungen“ (vgl. Witzel, 2000) Platz für neue Aspekte des Forschungsthemas, die sich kurzfristig aus dem Gespräch heraus ergaben. Mit dem Kurzfragebogen wurden die Befragten bereits in das eigentliche Befragungsthema eingeführt. Eine qualitative Einstiegsphase sollte das problemzentrierte Interview weiter eröffnen. So wurde dieses entsprechend den Ausführungen von Witzel (2000) mit einer erzählungsgenerierenden Frage begonnen, die zum Forschungsthema hinführen sollte. Dies gewährleistete eine offene Haltung des/der Forschers/in und bot die Möglichkeit, zunächst individuelle Relevanzsetzungen des/der Befragten zu Wort kommen zu lassen. Zunächst wurde daher allgemein nach dem eigenen Werdegang („Erzählen Sie doch einmal, wie Sie zum/zur Leiter/in Ihrer Schule geworden sind! Wie war das damals?“) und dem Erleben der eigenen Arbeitssituation („Wie geht es Ihnen im Allgemeinen mit Ihrer Arbeit als Volksschuldirektor/in Ihrer Schule?“) gefragt. Diese wurden um Nachhakfragen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen ergänzt. Um das Gespräch auch in Richtung Belastungen und Ressourcen zu lenken, sollten die Befragten zudem über generelle Belastungen und Ressourcen am Arbeitsplatz berichten. Die Interviewpartner/innen erzählten mehrheitlich recht offen über ihren Beruf. Angeführte Stichworte im Leitfaden dienten der Interviewerin vor allem bei eher schweigsamen Interviewpersonen zur weiteren Ausführung bestimmter Themenaspekte. Nach dieser Einführungsphase wurde den Befragten die Vorlage zur egozentrierten Netzwerkkarte auf einem A3-Zettel inklusive kurzer Erklärung und ausformuliertem Namensgenerator auf einem A4-Zettel sowie Post-Its ausgehändigt. Die Interviewerin führte die Erläuterung zum Bearbeiten der Netzwerkkarte auch mündlich aus. Nach den Ausführungen der Interviewerin zur Netzwerkkarte waren die Befragten großteils zunächst einmal schweigsam und nachdenklich. In einigen Fällen wurden noch offene Verständnisfragen geklärt. Ansonsten hielt sich die Forscherin eher im Hintergrund und ließ die Befragten selbst ihre Post-Its beschriften und auf der Netzwerkkarte platzieren. Die Post-Its sollten das jederzeitige Verschieben bestimmter Netzwerkakteur/innen auf der Karte ermöglichen. In Hinblick auf die Beschriftung unterschieden sich die einzelnen Interviewpartner/innen – trotz

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

291

einführender Erläuterung durch die Interviewerin – zum Teil stark voneinander. Während einige befragte Volksschuldirektor/innen alle erwünschten Informationen zum/zur jeweiligen Netzwerkakteur/in preisgaben (Initialen bzw. Kürzel, Geschlecht, ungefähres Alter, Position/Rolle), schrieben andere nur einen Teil dieser Angaben, manche nur die Position/Rolle auf das Post-It. Häufig war das Alter der Netzwerkakteur/innen dem/der befragten Volksschuldirektor/in nicht bekannt und es konnten lediglich Schätzungen abgegeben werden. Vor allem in Hinblick auf die Initialen wies die Interviewerin darauf hin, dass diese nicht den realen Initialen entsprechen müssen, sondern dass zwei frei gewählte Buchstaben ausreichen, die lediglich zur Verständigung im Rahmen der Interviewsituation dienen sollten. Beim anschließenden Datenmanagement wurden die unterschiedlichen Bezeichnungen der Akteur/innen ohnehin in ein einheitliches Schema gebracht (s. Kapitel 5.3). Darauf sowie auf die spätere Anonymisierung wurden die Interviewpartner/innen selbstverständlich aufmerksam gemacht. Der Großteil der Befragten konnte die Netzwerkkarte mit keinen bis wenigen Rückfragen entwickeln. Einige Interviewpersonen benötigten jedoch etwas mehr Unterstützung vonseiten der Interviewerin. Ein immer wiederkehrendes Thema war die Frage danach, ob auch Personen im privaten Umfeld eingezeichnet werden können. Die Interviewerin gab hierzu stets die Auskunft, dass zwar im Zentrum des Interesses Personen(gruppen) und Organisationen im Arbeitsumfeld stehen, allerdings auch Platz für Personen im Privatbereich ist, sofern diese Einfluss auf das Wohlbefinden am Arbeitsplatz haben. Eine Zwischenfrage, sowohl beim Ausfüllen des Kurzfragebogens als auch der Erstellung der ego-zentrierten Netzwerkkarte, die bei einigen Interviewpartner/innen auftauchte, war jene nach dem zeitlichen Bezug der Angaben, da das Erleben von Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen der täglichen Arbeit rückblickend zu einzelnen Zeitpunkten sehr unterschiedlich ausfallen kann. Die Interviewerin wies in diesem Fall darauf hin, dass im Zentrum des Interesses der Erhebung die aktuelle Arbeitssituation steht. In der späteren qualitativen Vertiefung wurde jedoch nach diesen „ganz anderen Arbeitssituationen“ in vergangenen Jahren gefragt. Nachdem der/die Interviewte der Interviewerin ein Zeichen gab, mit der Netzwerkkarte vorerst „zufrieden“ zu sein, begann die qualitative Vertiefung dieser, wobei die Forscherin darauf hinwies, dass eine jederzeitige Erweiterung oder Veränderung der Netzwerkkarte während des Interviews möglich ist. In einem ersten Schritt der qualitativen Vertiefung wurde über jede/n Netzwerkakteur/in gesprochen. Der/die Befragte konnte bestimmen, mit welcher Person, Personengruppe bzw. Organisation er/sie beginnen möchte. Zunächst erfolgte die offene Erzählaufforderung: „Erzählen Sie doch einmal über die Beziehung zu

292

5 Empirische Erhebung

dieser Person(engruppe)!“. Nach einer offenen Erzählphase des/der Interviewten im Sinne individueller Relevanzsetzungen hakte die Interviewerin hinsichtlich einiger spezieller Aspekte, vor allem der Häufigkeit des Kontakts, der Dauer der sozialen Beziehung, der Reziprozität sowie den Funktionen (Uni- vs. Multiplexität) der sozialen Beziehung, nach. Im Sinne subjektiver Bedeutungen verharrten die Interviewpartner/innen bei einigen Netzwerkpersonen länger als bei anderen. Zumeist – abhängig von der Interviewsituation – wurde an dieser Stelle eine Frage aus einem im Interviewleitfaden weiter hinten angeordneten Fragenblock vorgezogen. Dabei handelte es sich um die Frage „Warum wirkt gerade diese Person(engruppe) positiv bzw. negativ auf Ihr individuelles Wohlbefinden am Arbeitsplatz?“. Während der qualitativen Besprechung einzelner Netzwerkakteur/innen kam es immer wieder zu „Aha“-Erlebnissen bei den Interviewten und weitere „gesundheitsrelevante“ Personen, Personengruppen bzw. Organisationen fielen den Interviewten ein, die nachträglich in die Netzwerkkarte integriert und qualitativ vertieft wurden. Nachdem alle Netzwerkakteur/innen in dieser Form „durchbesprochen“ wurden, wurde der/die Interviewte gebeten, die ego-zentrierte Netzwerkkarte auf einer übergeordneten Ebene als Gesamtes zu betrachten und Auskunft über die Netzwerkstruktur – insbesondere die Stabilität und Dauerhaftigkeit – sowie die sozialen Lehr- und Lernbedingungen innerhalb dieses Netzwerkes zu geben. Auch die Zufriedenheit mit dem eigenen sozialen Netzwerk wurde thematisiert. Darüber hinaus wurde der/die Befragte im Sinne der Ermittlung der Dichte des Netzwerkes gebeten, Akteur/innen, die wiederum selbst mit anderen Akteur/innen eine soziale Beziehung haben, graphisch in Form einer Linie miteinander zu verbinden. Dies war für die Erhebungssituation hilfreich, so erhielt der/die Interviewte selbst einen guten Überblick über die Dichte des Netzwerkes und konnte diese reflektieren. Für die spätere Auswertung (s. Kapitel 5.4) hatten diese Verbindungslinien allerdings wenig Aussagekraft, da die meisten Alter-Alter-Beziehungen aufgrund der schulischen Rahmenbedingungen in jedem schulischen Netzwerk in gleicher Weise bestanden. Schließlich wurde die Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes – welche das eigentliche Kernthema der Erhebung war – erörtert. Gefragt wurde vor allem nach der Bedeutung des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz für das eigene Wohlbefinden; Belastungen und Ressourcen, die mit dem sozialen Netzwerk in Verbindung gebracht werden; das Bestehen gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die auf das soziale Netzwerk zurückgeführt werden und konkrete Zusammenhänge zwischen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen. Mit der Frage nach der Einordnung von Belastungen und Ressourcen aufgrund des sozialen Netzwerkes in den Gesamtkomplex aller Belastungen und Ressourcen wurde der „inhaltliche Kreis“ des Gespräches wieder geschlossen und

5.2 Forschungsdesign und Datenerhebung

293

ein Bezug zur Einstiegsphase in das Interview hergestellt. An dieser Stelle wurde noch einmal nach „sonstigen“ Belastungen und Ressourcen gefragt. Zudem wurde auch gefragt, inwieweit vorhandene Ressourcen ausreichen, um mit Belastungen der täglichen Arbeit umzugehen. Immer wieder fanden während des Interviews spezifische Sondierungen in Form von Zurückspiegelungen, Verständnisfragen und Konfrontationen in Anlehnung an die Ausführungen von Witzel (2000) statt. Bei jeglichem Auftauchen einer Unklarheit fragte die Interviewerin nach. Jeder Themenaspekt wurde mit einer kleinen mündlichen Zusammenfassung vonseiten der Interviewerin reflektiert und die Bewertung dieser durch den/die Interviewte/n erbeten. Zum Abschluss wurde der/die Befragte darum gebeten, das selbst entwickelte persönliche Netzwerk erneut zu betrachten und anzugeben, ob dieses seiner/ihrer Einschätzung nach die für das eigene Wohlbefinden bedeutsamen Personen(gruppen) am Arbeitsplatz abdeckt. Eine Frage nach dem Fehlen von Netzwerkakteur/innen wird auch innerhalb der sozialen Netzwerkforschung empfohlen. Nur in seltenen Fällen wurde an dieser Stelle noch ein/e weitere/r Netzwerkakteur/in genannt. Zudem bot sich dem/der Befragten gegen Ende des Interviews noch die Möglichkeit, individuelle Relevanzsetzungen zum Thema zu Wort kommen zu lassen („Möchten Sie an dieser Stelle noch etwas Wesentliches hinzufügen, das wir noch nicht aufgegriffen haben?“). Abschließend wurde der/die Interviewte nach Wünschen für die Zukunft, um bei der Arbeit als Schulleiter/in gesund zu bleiben, gefragt. Nach Bearbeitung dieser letzten Frage bedankte sich die Interviewerin für das Gespräch und beendete die Tonbandaufnahme. Im Anschluss berichtete die Forscherin über das weitere Vorgehen im Rahmen der Forschungsarbeit und ermittelte das Interesse an den Forschungsergebnissen. Häufig folgte dem eigentlichen Interview, das innerhalb der Stichprobe (ohne Kurzfragebogenerhebung) zwischen 38 Minuten und 1 Stunde 20 Minuten dauerte, noch ein informelles Gespräch. Eine Reflexion der einzelnen Gespräche durch die Interviewerin passierte im Rahmen des Schreibens eines Postskriptums unmittelbar nach dem Interview. Diese Notizen flossen in die anschließende Analyse und Interpretation der Interviewdaten ein. Unterbrechungen – die im Postskriptum ebenfalls festgehalten wurden – passierten in den einzelnen Interviews immer wieder, vor allem bei jenen, die direkt an der Schule, die der/die befragte Volksschuldirektor/in leitete, geführt wurden. Die Unterbrechungen betrafen zumeist das Anklopfen und Eintreten anderer Personen.

294

5 Empirische Erhebung

5.3 Datenmanagement Bevor das erhobene Datenmaterial ausgewertet werden konnte, galt es, dieses angemessen aufzubereiten und zu dokumentieren. Das im vorangegangenen Absatz beschriebene Postskriptum bildete bereits einen ersten Schritt der Dokumentation. Zusätzlich zählten zum Datenmanagement insbesondere die Verschriftlichung der Audioaufzeichnungen in Form von Transkriptionen (s. Kapitel 5.3.1) sowie eine Archivierung des gesamten Datenmaterials (s. Kapitel 5.3.3) (vgl. Bortz & Döring, 2006, S. 310). Daneben galt es, die Netzwerkkarten zu digitalisieren (s. Kapitel 5.3.2) und mit dem qualitativen Interviewmaterial zusammenzuführen (s. Kapitel 5.3.3). Nach dem Verfassen der Postskripten wurde das in den einzelnen Interviews erlangte Datenmaterial personenweise durchnummeriert (I01 bis I20) und digital sowie in Papierform sorgfältig archiviert. Mit der Durchnummerierung erfolgte eine Anonymisierung, also ein „Ersetzen des Namen durch ein Kennzeichen“ (vgl. Helfferich, 2009, S. 190). Pro Interviewperson wurde sowohl digital als auch in Papierform ein Ordner mit      

den Audiodateien; dem ausgefüllten Kurzfragebogen; der zunächst handschriftlich entwickelten, später digitalisierten Netzwerkkarte; der von dem/der Befragten unterzeichneten Einverständniserklärung zur weiteren Verwendung der Daten; dem von der Interviewerin verfassten Postskriptum und einer von der Interviewerin erstellten Tabelle mit einem Überblick über die Netzwerkakteur/innen inklusive Kürzel

angelegt. Im Sinne eines ausreichenden Datenschutzes wird das Interviewmaterial für Unbefugte verschlossen bzw. verschlüsselt von der Interviewerin aufbewahrt. Bestimmte Merkmale bzw. Merkmalskombinationen, die eine Rückführung auf die interviewte Person möglich machen würden, wurden in sämtlichen Berichterstattungen (z.B. Zwischenpräsentationen, Abfassen der Forschungsarbeit) außen vorgelassen bzw. modifiziert (vgl. Bortz & Döring, 2006, S. 311-313).

5.3 Datenmanagement

295

5.3.1 Transkription mit f4transkript Vor der Transkription des ersten Interviews wurden folgende Transkriptionsregeln definiert, die genau festlegten, wie die gesprochene Sprache in eine einheitliche Form übertragen werden sollte: 1.

Bei jedem Wechsel der sprechenden Interviewperson (Interviewerin oder Interviewte/r) wird ein Zeilenumbruch vorgenommen. Aussagen der Interviewerin sind mit einem „I“ zu Beginn gekennzeichnet, Aussagen der befragten Person mit einem „B“. 2. Zeitangaben zur Orientierung werden mittels Transkriptionssoftware f4 automatisch erstellt. Sie beginnen und enden mit einem Rautezeichen (#Stunde:Minute:Sekunde-Zehntelsekunde#). 3. Dialektgefärbte Formulierungen und Vereinfachungen (z.B. „I glaub“) werden im Sinne einer besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit in Hochdeutsch umgewandelt (z.B. „Ich glaube“). 4. Sprache und Interpunktion werden leicht geglättet, also an das Schriftdeutsch angenähert (z.B. „Was meinen´s denn?“  „Was meinen Sie denn?“). 5. Bekundungen des Verstehens (z.B. „Mhm“) im Rahmen des Interviews werden großteils vernachlässigt und nicht transkribiert. 6. Alle Eigennamen (z.B. Wohnort, Name der Schule) werden im Sinne der Wahrung der Anonymität durch ein „X“ ersetzt. 7. Im Interview genannte Netzwerkpartner/innen erhalten spezielle Namenscodes (z.B. AB_w_55_Ko  Anja Bayer, weiblich, ca. 55 Jahre alt, Lehrerkollegin). 8. Werden im Interview Personen genannt, die nicht in der Netzwerkkarte eingezeichnet sind, so bekommen diese das Namenskürzel „SOP“ (sonstige Person) und eine fortlaufende Nummer. Die Durchnummerierung beginnt bei jedem Interview von Neuem. 9. Gedankenstriche und Beistriche werden entsprechend dem Sprachrhythmus zum Zweck einer einfacheren Lesbarkeit und Durchgliederung gesetzt. 10. Längere Pausen (mehr als drei Sekunden) werden durch Auslassungspunkte in Klammern „(…)“ eingefügt. 11. Einwürfe der anderen Interviewperson werden in Klammern gesetzt (z.B. „(I: Okay.)“). 12. Transkriptionsanmerkungen der Forscherin werden in Klammern gesetzt (z.B. „(lacht)“). Auf der Grundlage dieser definierten Transkriptionsregeln transkribierte die Forscherin alle Interviews wörtlich und vollständig mithilfe der Transkriptions-

296

5 Empirische Erhebung

software f4transkript. Wesentliche Vorteile der Anwendung dieses Programmes gegenüber dem Abspielen der Audiodatei mittels eines herkömmlichen Players und dem parallelen Abtippen in einem Textverarbeitungsprogramm liegen in folgenden Funktionen: automatische Kennzeichnung bei Sprecherwechsel, individuelle Definition der Geschwindigkeit ohne Veränderung der Tonhöhe, Anzeigen der Lautstärke und Zeitdauer durch Wellenform und Zeitmessung, automatisches Setzen von Zeitmarken, Erstellen von Memos zur Transkription, Schnittstelle zu MaxQDA (vgl. audiotranskription.de, 2018). Unmittelbar nach der Transkription eines jeden Interviews wurde diese in Anlehnung an die Ausführungen von Lamnek & Krell (2010, S. 368) in gewisser Weise validiert, indem die Tonbandaufnahme erneut abgespielt und parallel dazu der transkribierte Text gelesen wurde. Damit konnten Tipp- und Hörfehler ausfindig gemacht und korrigiert werden. Des Weiteren wurden die ersten Auswertungsideen, die bereits unmittelbar nach den Erhebungssituationen im Zuge der Erstellung des Postskriptums entwickelt und schriftlich festgehalten wurden, durch weitere, die bei der Transkription entstanden, ergänzt. Hierfür kam die „Memofunktion“ von f4transkript zur Anwendung. 5.3.2 Digitalisierung der Netzwerkkarten Die zunächst von den Interviewpartner/innen auf Papier entwickelten Netzwerkkarten wurden in einem Dokumentationsschritt von der Forscherin mithilfe der Software VennMaker, die bereits zur Erstellung der Netzwerkkartenvorlage genutzt wurde, digitalisiert. Im Zuge der Digitalisierung wurden die Netzwerkakteur/innen analog zur Papierversion auf der Netzwerkkarte platziert. Die in den Interviews verwendeten Kürzel für die Netzwerkpersonen wurden bei der Digitalisierung der Netzwerkdaten anonymisiert und in eine einheitliche Form gebracht. Die Namenscodes setzten sich aus folgenden Elementen zusammen: Gewählte Initialen der Netzwerkperson oder XX-Geschlecht-ungefähres Alter in Jahren-Position, Beispiel: XX-m-55-DV Entsprach ein Netzwerkmitglied einer Gruppe von Personen, so wurden in Hinblick auf das Geschlecht je nach Zusammensetzung beide Geschlechter angeführt („mw“). Anstatt des Alters wurde bei Gruppen der Vermerk „Gr“ (für Gruppe) gemacht. Blieb das ungefähre Alter der Netzwerkpersonen unbekannt, so erfolgte auch hier ein Setzen von zwei X. Tabelle 16 gibt einen Überblick über die von den Interviewpartner/innen genannten Rollen- bzw. Funktionsträger/innen

5.3 Datenmanagement

297

(alphabetisch gereiht) und die von der Forscherin definierten Bezeichnungen und Kürzel. Tabelle 16: Rollen- bzw. Funktionsträger/innen – Abkürzungen, Quelle: Eigene Erstellung Rolle bzw. Funktion Direkte/r Vorgesetzte/r Erziehungsberechtigte/r

Kürzel DV

Familienmitglied

FM

Kinder Lehrerkolleg/in

Ki Ko

Kooperationspartner/in außerhalb der Schule

KPaS

Kooperationspartner/in innerhalb der Schule

KPiS

Umwelt

UW

El

Beschreibung Landesschulinspektor/in, Landesschulrat als Organisation, Pflichtschulinspektor/in einzelne Eltern und Großeltern, Eltern und Großeltern als Gesamtes, Vertreter/innen des Elternvereins, sonstige Erziehungsberechtigte eigene Eltern, Geschwister und Partner/in des/der Befragten Schüler/innen an der eigenen Schule Lehrkräfte an der eigenen Schule sowie Eingliederungshilfen andere Schulen bzw. Kindergärten und deren Mitglieder (Direktor/innen, Leiter/innen), Schulverbünde, Pädagogische Hochschule (inkl. Studierende und Praxislehrer/innen), IT-Betreuer/innen, Schulerhalter (v.a. Gemeinde mit Bürgermeister/in und Vizebürgermeister/in, Oberamtsrät/innen, Finanzabteilung), sonstige Kooperationspartner/innen (z.B. Vereine) Bewegungscoaches, Personal der Kindertagesbetreuung im Haus, Reinigungspersonal, Schulpsychologie, Schulwart, Sekretariat Bundesministerium für Bildung, Bevölkerung, Medien, Wirtschaft

Neben diesem Bezeichnungsschema wurden für die einzelnen Rollenträger/innen passende Symbole ausgewählt. Abbildung 23 zeigt exemplarisch eine Paperpencil/toolkit-Netzwerkkarte und eine digitale Netzwerkkarte im Vergleich. Neben den bereits erläuterten Formatierungen wurde darüber hinaus definiert, dass jene Alteri, die aus Sicht des/der Befragten eine starke Wirkung auf das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz haben (innerster Kreis), symbolisch am größten; jene, die eine mittelmäßige Wirkung haben, mittelgroß; und jene, die eine schwache Wirkung haben, eher klein dargestellt werden. Ein Vergleich der beiden Darstellungsformen zeigt, dass die digitale Version zusätzliche Informationen visueller Art in Form von Symbolen bietet. Damit ist insbesondere die Rollenzugehörigkeit einzelner Akteur/innen rascher erfassbar. Trotz der Tatsache, dass die digitale Netzwerkkarte visuell ansprechender ist als die von Hand erhobene Netzwerkkarte, wurde im Zuge der Analyse immer wieder die Originalversion betrachtet.

298

Abbildung 23:

5 Empirische Erhebung

Paper-pencil/toolkit-Netzwerkkarte und digitale Netzwerkkarte im Vergleich am Beispiel des Interviews mit der Nummer 6 (I06), Quelle: Eigene Erstellung

5.3.3 Zusammenführung der Daten in MaxQDA Die 20 erstellten, überprüften und anonymisierten Transkripte (s. Kapitel 5.3.1) wurden als „Dokumente“ in rtf-Format in das qualitative Datenanalyseprogramm MaxQDA 12 eingespeist, wo die weitere Verwaltung und Arbeit mit den Daten erfolgen konnte. MaxQDA unterstützt als eine sogenannte „Qualitative Data Analysis“ (QDA)-Software die Verwaltung von Texten, das Suchen nach Textstellen sowie das Kodieren von qualitativem Datenmaterial (Flick, 2008, S. 101). MaxQDA 12 als eine Software zur qualitativen Datenanalyse ermöglicht durch die Zurverfügungstellung digitaler Werkzeuge einen einfachen Vergleich der einzelnen Transkriptionstexte, eine Kontrastierung und das Herausarbeiten von Regelmäßigkeiten und Gemeinsamkeiten (Kuckartz, 2007a, S. 20-22). Ein Vorteil der meisten qualitativen Datenanalyseprogramme, so auch jener von MaxQDA 12, ist, dass verschiedene Datenformate und Informationen implementiert werden können (Baur & Blasius, 2014, S. 392-393). So wurden im Zuge der eigenen Erhebung etwa die Antworten auf die Fragen im Kurzfragebogen sowie wesentliche Kennzahlen der Netzwerkkarte (z.B. Anzahl der Netzwerkakteur/innen, Stärke des Einflusses auf das individuelle Wohl-

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

299

befinden) als sogenannte Dokumentenvariablen den einzelnen Transkripten digital beigefügt. Dies entspricht den Forderungen von Franke & Wald (2006b), wonach qualitative und quantitative Daten im Rahmen einer triangulativen Netzwerkanalyse so aufzubereiten sind, dass der angestrebte Effekt einer umfassenderen Erkenntnisgrundlage nicht dadurch verschwindet, dass zwei unterschiedliche Datensätze voneinander unabhängig analysiert werden (S. 4400). Wie konkret die Auswertung der Daten und die Verknüpfung der unterschiedlichen Datenquellen mithilfe der Software MaxQDA 12 erfolgte, wird im nachfolgenden Kapitel beschrieben. 5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung Anders als in den meisten sozialwissenschaftlichen Forschungsberichten und Publikationen werden in der vorliegenden Arbeit der Auswertungsprozess und die Ergebnisse nicht in zwei getrennten, sondern in einem Kapitel beschrieben. Dadurch soll eine bessere intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Erkenntniserlangung im Sinne qualitativer Gütekriterien erreicht werden (s. Kapitel 5.1.1). Bei der Auswertung orientierte sich die Forscherin im Sinne des qualitativen Gütekriteriums der Regelgeleitetheit und prozeduralen Validierung (s. Kapitel 5.1.1) an dem von Kelle & Kluge (2010) bzw. Kluge (1999) vorgeschlagenen Verfahren der empirisch begründeten Typenbildung. Dieses bietet, abhängig von der Forschungsfrage und dem Datenmaterial, einen Spielraum bei der konkreten Ausgestaltung einzelner Auswertungsschritte (Kluge, 1999, S. 21). Die Wahl dieses Auswertungsverfahrens ist zum Teil in dieser Offenheit und Flexibilität begründet, die es ermöglichte, zusätzlich spezifische Auswertungstechniken wie die Auswertung problemzentrierter Interviews nach Witzel (2000) und die Triangulation quantitativer und qualitativer Netzwerkdaten nach Straus (2010) zu integrieren. Ein weiterer Grund für die Wahl des Verfahrens der empirisch begründeten Typenbildung lag im Ziel dieser, nämlich dem Erkennen von Mustern bzw. der Identifikation von Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Dies war ein zentrales Anliegen der vorliegenden Forschungsarbeit (s. Kapitel 1.2). Im folgenden Abschnitt erfolgt zunächst eine kurze Beschreibung des Verfahrens der empirisch begründeten Typenbildung inklusive wesentlicher Definitionen. Im Anschluss werden die einzelnen Schritte, die im Rahmen der Auswertung gesetzt wurden, dargelegt und die zentralen Ergebnisse pro Auswertungsphase beschrieben.

300

5 Empirische Erhebung

5.4.1 Auswertungsverfahren der empirisch begründeten Typenbildung Generell ist die Bildung von Typen gemäß Lamnek & Krell (2010) „die gängigste Auswertungsmethode innerhalb der qualitativen Forschungspraxis [, die in] deskriptiver und in theoretischer Absicht“ geschieht. (S. 215) Was konkret mit der deskriptiven und theoretischen Komponente gemeint ist, soll in den folgenden Absätzen deutlich werden. Kelle & Kluge (2010) meinen, dass Techniken des Fallvergleichs und der Fallkontrastierung, die häufig in einer Typenbildung münden, bei jeglicher Form qualitativer Forschung eine wichtige Rolle spielen. Die Autor/innen sind der Ansicht, dass „typenbildende Verfahren […] in allen Natur- und Geisteswissenschaften unverzichtbar [sind,] wenn das Ziel empirischer Forschung nicht in einer Testung von vorab formulierten Aussagen besteht, sondern in der Entdeckung, Beschreibung und Systematisierung von Beobachtungen im Feld.“ (S. 10) Ein wesentliches Ziel empirisch begründeter Typenbildung liegt zunächst darin, einen Forschungsgegenstand zu strukturieren und komplexe Zusammenhänge anschaulich und verständlich zu machen (Kelle & Kluge, 2010, S. 10-11). Dies passiert, indem Untersuchungselemente, in diesem Fall Volksschuldirektor/innen, in Hinblick auf einzelne Merkmale, also z.B. deren psychosoziale Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen, miteinander verglichen und gruppiert werden. Im Zuge einer empirisch begründeten Typenbildung soll es allerdings nicht ausschließlich bei dieser Beschreibung und Ordnung sozialer Realitäten bleiben. Stattdessen gilt es zusätzlich, bestimmte Sinnzusammenhänge zu analysieren, zu verstehen (Sinnadäquanz) und zu erklären (Kausaladäquanz). Somit hat eine Typologie zwei zentrale Funktionen, nämlich 1. 2.

die Strukturierung eines Untersuchungsbereiches (Ordnungsfunktion, deskriptive Absicht) und die Anregung zur Theoriebildung (heuristische Funktion, theoretische Absicht).

Aufgrund des zweitangeführten Ziels von Typologien werden diese als Bindeglied zwischen Theorie und Empirie betrachtet (Kluge, 1999, S. 14, 23, 43). Sie vereinen die unterschiedlichen Erkenntnisinteressen des Erklärens und Verstehens. So regt im Rahmen von Typenkonstruktionen rekonstruktives Beschreiben und Verstehen das Aufdecken von Sinn- und Kausalzusammenhängen und damit die Erklärung an (vgl. Promberger, 2011). So kann die Typenbildung auch als Brücke zwischen qualitativer und quantitativer Sozialforschung gesehen werden. Innerhalb der Sozialwissenschaften gibt es verschiedene Ansätze und Formen von Typen sowie Vorschläge zum systematischen Vorgehen bei der Typenbildung

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

301

(vgl. z.B. Bailey, 1994; Barton, 1955; Becker, 1968; Bohnsack, 2007; Gerhardt, 1995; Hempel & Oppenheim, 1936; Kuckartz, 2007b; Ludwig, 1996; McKinney, 1966; Schütz, 1974; Weber, 1988), wobei sich einzelne Autor/innen zum Teil aufeinander beziehen. Es ist von Ideal-, Real-, Proto-, Durchschnitts- und Extremtypen, klassifikatorischen und reinen Typen, „constructed types“ sowie empirischen und heuristischen Typen die Rede. Gemein ist verschiedenen Definitionen und Akzentuierungen von Typen, dass sie gedankliche Konstruktionen von sozialen Phänomenen sind, die auf bestimmten Merkmalskombinationen beruhen (vgl. Kluge, 1999, S. 51; Promberger, 2011, S. 6). Carl Menger (1883) wird als jener Sozialwissenschaftler betrachtet, der den Typusbegriff prägte, indem er Typen als „wiederkehrende Erscheinungsformen“ bezeichnete. Max Weber hatte mit seinem Konzept des „Idealtypus“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen weiteren wesentlichen Einfluss auf die Debatte rund um Typen (vgl. Weber, 1988). Auch Hempel & Oppenheim (1936) beschäftigten sich intensiv mit Typen und Typologien (vgl. auch Hempel, 1980). Wissenssoziologische Überlegungen von Alfred Schütz, die eine Analyse von Alltagswissen und Alltagsbewusstsein beinhalteten, bereicherten ebenfalls die Typenbildung in den Sozialwissenschaften (vgl. Kuckartz, 2007a; Promberger, 2011). In den folgenden Ausführungen werden ausschließlich jene Aspekte und Überlegungen zu Typen und Typenbildung erläutert, die für die eigens entwickelte Typologie einen zentralen Ausgangspunkt bildeten. Dabei orientieren sich die folgenden Abschnitte vor allem an den Ausarbeitungen von Kelle & Kluge (2010) bzw. Kluge (1999). Kluge (1999) kritisierte in den späten 1990er Jahren, dass trotz der umfassenden Diskussion der Begriffe „Typus“ und „Typologie“ seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine einheitlichen Definitionen für diese vorliegen (S. 18-19). Im Sinne eines gemeinsamen Verständnisses der nachfolgend beschriebenen Auswertungsschritte und -ergebnisse gilt es zunächst, bestimmte Begrifflichkeiten im Kontext der empirisch begründeten Typenbildung zu definieren. Tabelle 17 gibt Auskunft über die Bedeutung einzelner Begriffe in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an die Ausführungen von Kelle & Kluge (2010) bzw. Kluge (1999).

302

5 Empirische Erhebung

Tabelle 17: Zentrale Begriffe der empirisch begründeten Typenbildung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Kelle & Kluge (2010, S. 85-91), Kluge (1999, S. 26, 42)

Begriff Dimension Kategorie, Merkmal, Variable Subkategorie, Merkmalsausprägung Typologie Typus

Bedeutung Summe aller Merkmalsausprägungen bzw. Subkategorien allgemeiner Begriff oder Begriffskombination, dem bzw. der bestimmte Phänomene im Datenmaterial zugeteilt werden Ausprägungsform einer Kategorie, eines Merkmals bzw. einer Variable Ergebnis des Gruppierungsprozesses unter Berücksichtigung von interner Homogenität und externer Heterogenität Kombination von Merkmalen; gebildete Teilgruppe, die gemeinsame Eigenschaften aufweist und deren Kombination diese Teilgruppe charakterisiert; mehrere Typen bilden gemeinsam nur dann eine Typologie, wenn sie demselben Merkmalsraum entspringen

Konkret zielte die im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit entwickelte Typologie darauf ab, Muster im Erleben psychosozialer Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Volksschulleiter/innen zu entdecken. Demnach wurde die gebildete Typologie in Anlehnung an die Ausführungen von Promberger (2011) als vorläufiger „Abschlusspunkt rekonstruktiven Verstehens“ betrachtet. Die gebildeten Typen sollten sowohl einen „selbsterklärenden Charakter“ als auch einen „Theoriestatus“ haben (S. 6-8). Die konzeptionelle Grundlage für die Typologie bildete im Sinne der von Kelle & Kluge (2010) geforderten theoretischen Sensibilität (S. 28-40) der zuvor entwickelte theoretische Raster (s. Kapitel 5.2.1). Neben dieser Theoriegeleitetheit bereits zu Beginn der Typenbildung sollte auch am Ende eine Einordnung der entwickelten Typen in  

bisherige Studienergebnisse zu Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleiter/innen (s. Kapitel 4.2) sowie Studienergebnisse, in denen generell soziale Netzwerktypen entwickelt wurden (vgl. Li & Zhang, 2015; Litwin, 1998; Litwin & Landau, 2000; Santini et al., 2015; Shiovitz-Ezra & Litwin, 2012; Wenger, 1991), erfolgen.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

303

Im Zuge der eigenen Untersuchung galt es zunächst zu klären, was eigentlich gebildet werden soll, also welche Form von Typen. Die folgenden Absätze geben einen Einblick in die Einordnung der entwickelten Typen in den Komplex vorhandener Typenkonzepte in den Sozialwissenschaften. Betrachtet man Konzepte von Typen, so unterscheiden sich diese in ihrer Raum- und Zeitgebundenheit, ihrem Abstraktionsgrad, ihrer Normativität, ihrem Realitätsbezug und ihrer Komplexität. Häufig wird zwischen empirischen (Realtypen) und heuristischen Typen (Idealtypen) differenziert (vgl. Kluge, 1999, S. 23, 52-58). So schreibt etwa Bailey (1994) im Zuge eines geschichtlichen Streifzugs durch die Entwicklung des Typenkonzeptes: „While numerous classification schemes have been widely developed throughout the history of social science by many authors, and applied in a wide variety of areas, the best known and most rigorously elaborated conceptual or qualitative typological schemes were derived by the German sociologists Max Weber (1947, 1949) and later Howard Becker (1940, 1950, 1951). Weber is well known for his analysis of the ideal type, while Becker and his student JohnMcKinney (see McKinney, 1966) later popularized the related notion of the constructed type.” (S. 10)

Sowohl für den Idealtypus (heuristischer Typus) als auch für den Realtypus (empirischer Typus) gibt es in den Sozialwissenschaften Befürworter/innen und Widersacher/innen (vgl. z.B. Jaspers, 1948; Kretschmer, 1977; Winch, 1947; Ziegler, 1973). Während Idealtypen das Ergebnis von Isolierung und Überspitzung empirischer Ergebnisse sind und in der empirischen Realität in reiner Form nicht existieren, sind Realtypen für gewöhnlich stark zeit- und raumgebunden, nicht abstrakt und sehr spezifisch (Kluge, 1999, S. 60-62). Die Autorin der vorliegenden Arbeit stützte sich im Komplex der Diskussionen rund um Ideal- und Realtypen an Ausführungen von Kluge (1999), wonach es nicht darum gehen sollte, eine Entweder-oder-Entscheidung zu fällen. Stattdessen sollten Typen sowohl empirische als auch heuristische Anteile haben, um die empirische Realität so gut wie möglich abzubilden und gleichzeitig ermittelte Zusammenhänge durch eine gewisse Abstraktion verständlich zu machen (S. 52). Bailey (1973) ist ebenfalls der Ansicht, dass die Bildung einer Typologie sowohl empirische Daten als auch theoretische Grundlagen erfordert (S. 26, vgl. auch Bailey, 1994, S. 30-32). „Constructed types“ ergeben sich dem Autor zufolge aus einem Wechselspiel von Induktion und Deduktion bzw. Empirie und Theorie. Demnach sind die Konzepte der Real- und Idealtypen nicht unbedingt als einander-ausschließend, sondern vielmehr als einander-ergänzend zu betrachten (Kluge, 1999, S. 70, 77). Aufgrund der Intention der Forscherin, die soziale Wirklichkeit – also das psychosoziale Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben von Volksschul-

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5 Empirische Erhebung

direktor/innen – möglichst real abzubilden, lassen sich die entwickelten Typen (s. Kapitel 5.4.5) – trotz der mittigen Positionierung zwischen den beiden Extrempolen des Real- und Idealtypus – etwas stärker den Real- als den Idealtypen zuordnen, auch wenn die Auswertung durch ein ständiges Wechselspiel von Empirie und Theorie geprägt war. Allerdings ist festzuhalten, dass auch Typen im Sinne von Realtypen die empirische Realität nie vollständig abbilden können, da einzelne Untersuchungselemente einander lediglich ähneln und nicht vollkommen gleich sind. Gleichzeitig beeinflusst das theoretische Vorwissen den/die Forscher/in bei der Typenbildung (vgl. Kluge, 1999, S. 24). Das auf Basis dieser Überlegungen entwickelte Verfahren der empirisch begründeten Typenbildung von Kelle & Kluge (2010) bzw. Kluge (1999) setzt sich aus den in Abbildung 24 ersichtlichen Phasen zusammen. Diese Phasen finden sich laut Kluge (1999) in diversen Auswertungsverfahren im Kontext der Typenbildung wieder (z.B. Barton, 1955; Gerhardt, 1995; Kuckartz, 2007b). Auf den einzelnen „Stufen“ empirisch begründeter Typenbildung, die gleichzeitig Zwischenziele darstellen, kann mit unterschiedlichen Auswertungsmethoden und -techniken gearbeitet werden. Aus der Abbildung geht hervor, dass es sich dabei nicht um ein starres und lineares Auswertungsschema handelt. Zwar bauen die vier Phasen logisch aufeinander auf, allerdings können einzelne Schritte mehrmals durchlaufen werden (vgl. Kelle & Kluge, 2010, S. 92; Kluge, 1999, S. 21). In den folgenden Kapiteln werden die vier Stufen – die auch im Zuge der eigenen Erhebung zum Teil mehrmals bearbeitet wurden – näher beschrieben und die Zwischenergebnisse, die der Beantwortung der Forschungsfragen dienten (s. Kapitel 1.2), dargestellt. Die einzelnen Phasen waren durch stets wiederkehrende Materialdurchläufe gekennzeichnet, die eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Kategorien und Subkategorien sowie ab Stufe 2 eine ständige Adaptierung des sogenannten Merkmalsraums zur Folge hatten.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

Abbildung 24:

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Stufenmodell empirisch begründeter Typenbildung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Kelle & Kluge (2010, S. 92)

Das „offene“ Auswertungsverfahren empirisch begründeter Typenbildung nach Kelle & Kluge (2010) bzw. Kluge (1999) ermöglichte die konzeptionelle bzw. inhaltliche, die Software MaxQDA 12 die operative bzw. technische Integration des quantitativen Datenmaterials. 5.4.2 Erarbeitung relevanter Vergleichsdimensionen Auf dieser ersten Stufe empirisch begründeter Typenbildung galt es zunächst, Kategorien bzw. Merkmale zu definieren, die für einen Vergleich der einzelnen Fälle, also der befragten Volksschuldirektor/innen, herangezogen werden können. Daneben war es notwendig, Subkategorien bzw. Merkmalsausprägungen zu bestimmen (vgl. Kelle & Kluge, 2010, S. 91). In einem ersten Schritt wurden in Anlehnung an die Ausführungen von Kelle & Kluge (2010, S. 56) das erhobene qualitative Datenmaterial kodiert und einzelne Textstellen miteinander verglichen. Daraus entstand in weiterer Folge ein Kategorienschema, das die Grundlage für die empirisch begründete Typologie

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5 Empirische Erhebung

bildete. Einen wesentlichen Einfluss auf die Erarbeitung der Vergleichsdimensionen hatten die Forschungsfragen sowie der theoretische Raster der Arbeit, die beide wiederum eng mit den Themenblöcken des Interviewleitfadens verknüpft waren. In den folgenden Abschnitten werden die gesetzten Schritte auf dieser ersten Stufe empirisch begründeter Typenbildung kurz erläutert und die erzielten Zwischenergebnisse dargestellt. 5.4.2.1 Einzelfallanalysen Witzel (2000) schreibt, dass die Analyse des Einzelfalles die Basis der Auswertung problemzentrierter Interviews ist. Mithilfe der Kodierung aller Transkriptionstexte sollen dabei relevante Fundstellen zu verschiedenen Aspekten des Forschungsthemas in Form von Kategorien zusammengetragen werden. Im Zuge der Einzelfallanalysen im Rahmen der eigenen Studie erfolgte zunächst eine ad-hoc-Kodierung bzw. ein offenes Kodieren, wobei zeilenweise vorgegangen wurde. Auf ein vorformuliertes Kategorienschema wurde erstmal verzichtet, um die Relevanzsetzungen der Befragten in den Mittelpunkt der Kategorienbildung zu stellen. Ein Code stellte zu Beginn in Anlehnung an die Ausführungen von Kelle & Kluge (2010, S. 60) ein einfaches Codewort oder eine Wortkombination z.B. in Form eines „in-vivo“-Codes dar. Kodiert wurden Satzteile, ganze Sätze sowie vollständige Absätze. Erst nachdem ein gesamter Transkriptionstext ad-hoc-kodiert wurde, erfolgte ein Abgleich der Codes mit dem theoretischen Raster bzw. dem Interviewleitfaden. Der Raster und Leitfaden unterstützten vor allem bei der axialen und theoretischen Kodierung (vgl. Kelle & Kluge, 2010, S. 63-64; Witzel, 2000), bei der Sortierung bzw. Definition der Codes, aber auch beim Modifizieren der Codebezeichnungen. Im Sinne einer theoriegenerierenden Typenbildung wurden die im Raster befindlichen „empirisch gehaltlosen theoretische Konzepte“ (vgl. Kelle & Kluge, 2010, S. 37) mit den erhobenen Daten „aufgefüllt“. Auch Witzel (2000) schreibt der Berücksichtigung des Leitfadens im Sinne „theoretischer Kodierung“ bei der Vergabe von Codenamen am Ende der Einzelfallanalyse hohe Bedeutung zu, wobei er die Kombination von in-vivo-Codes und theoretischen Begriffen (induktiv-deduktives Wechselspiel) empfiehlt. Die im Zuge der Auswertung eingesetzte Software MaxQDA 12 ermöglichte das Kodieren von Textstellen, ohne sie aus ihrem Kontext zu reißen. Jeder Code erhielt eine Beschreibung, um bei weiteren Materialdurchläufen und dem späteren Fallvergleich eine Vorstellung von den ihm zugeordneten Textelementen zu haben. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Textabschnitte der Transkriptio-

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

307

nen oftmals mit mehreren Codes versehen wurden. Parallel dazu wurden erste Interpretationen in Memos festgehalten, die zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam mit den Postskripten als weiteres Hilfsmittel im Zuge der Typenbildung fungierten (vgl. Kuckartz, 2007a, S. 26). 5.4.2.2 Integration der quantitativen Daten in die Einzelfallanalysen Ergänzend zur Kodierung des qualitativen Datenmaterials und der Erstellung der Memos wurden jene quantitativen Variablen, die mithilfe der Netzwerkkarte und des Kurzfragebogens erhoben wurden, in die Einzelfallanalysen integriert. Damit wurde der Prozess der Triangulation, der in der Datenerhebungsphase begann, auf der Ebene der Datenanalyse fortgesetzt. Um die mit den verschiedenen Datenquellen gewonnenen Informationen auf Einzelfallebene „zusammenzuhalten“ (Triangulation auf Ebene des Einzelfalls), wurden zu jedem einzelfallbezogenen Kodierschema sogenannte Dokumentenvariablen in MaxQDA 12 hinzugefügt. Kuckartz (2007a) schreibt in diesem Kontext, dass sich eine fortgeschrittene computergestützte Textanalyse gerade durch diese gemeinsame Verwaltung von Text und Fallvariablen auszeichnet. Dabei haben die Variablen als „Rahmendaten“ den Charakter „globaler“ Merkmale. Sie werden dem gesamten Einzelfall und nicht einzelnen Textstellen zugeordnet (S. 144). Als zentrale (quantitative) Maßzahlen zur Charakterisierung des Ego-Netzwerkes auf Netzwerkebene wurden in Anlehnung an die Ausführungen von Jansen (2006) sowie Rehrl & Gruber (2007) folgende erhoben, die bereits in Kapitel 5.1.3.1 definiert wurden:   

Zahl der Alteri (= Netzwerkgröße) Verhältnis vorhandener Beziehungen im Netzwerk zu möglichen Beziehungen (Dichte) Verschiedenartigkeit der Alteri (Diversitätsmaße in Hinblick auf unterschiedliche Merkmale)

Aufgrund der geringen Aussagekraft des Netzwerkinterpretators der Dichte für die vorliegende Erhebung – sind die Beziehungen zwischen einzelnen Akteur/innen im schulischen Umfeld doch großteils strukturbedingt vorgegeben – wurde auf die weitere Verwendung dieser Kennzahl im Zuge der Datenanalyse großteils verzichtet. Im Sinne der Ermittlung der Verschiedenartigkeit der Alteri erschien es für die vorliegende Erhebung von besonderem Interesse zu sein, wie viele Akteur/innen welche Form des Einflusses auf das Wohlbefinden von Ego haben (stark

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5 Empirische Erhebung

positiv, mittelstark positiv, schwach positiv, stark negativ, mittelstark negativ, schwach negativ, ambivalent). Die Triangulation der qualitativen Interviewdaten und der quantitativen Netzwerkdaten im Speziellen erfolgte in Anlehnung an die Empfehlungen von Straus (2010, S. 533-534). Der Netzwerkforscher definiert vier Ebenen der Auswertung, die auch im Rahmen der eigenen Studie Berücksichtigung fanden: 1. 2. 3. 4.

Die erste Ebene betrifft die Interviewsituation. Die Netzwerkkarte, die eine für die Interviewten eher ungewöhnliche Sicht auf das eigene soziale Umfeld eröffnet, sensibilisiert den/die Interviewte/n und den/die Interviewer/in. Auf der zweiten Ebene werden, angeregt durch die soziale Netzwerkkarte, im Zuge des Interviews weitere Fragen zur Beziehungsausgestaltung und zum Netzwerk gestellt, was zu einer weiteren Analyse der Netzwerkkarte führt. Auf der dritten Ebene wird die Netzwerkkarte nach dem Interview vom/von der Interviewer/in parallel zum transkribierten Interview gelesen. Dabei hilft die Netzwerkkarte beim Verstehen von Aussagen im Interview. Auf der vierten Ebene können unterschiedliche Strategien eingesetzt werden. Eine davon, die auch im Rahmen der eigenen Erhebung genutzt wurde, ist jene, Kennzahlen, die aus der Netzwerkkarte hervorgehen, mit Interviewdaten technisch zu koppeln. Dies passierte im Rahmen der Erhebung durch den Einsatz von Dokumentenvariablen.

Die Analyse der Netzwerkkarten regte somit die Analyse der Interviewdaten an und umgekehrt. Damit wurden die quantitativen Charakteristika des Netzwerkes, die mithilfe der Netzwerkkarten erhoben wurden, mit qualitativen, die im Zuge der Interviews generiert wurden, gekoppelt (vgl. Straus, 2010, S. 534). Die Fallrekonstruktionen mittels Einzelfallanalysen wurden zusammenfassend in Fallporträts festgehalten. Derartige Falldarstellungen bzw. Kurzbeschreibungen, die die zentralen Charakteristika eines Einzelfalls abbilden, empfehlen auch Kluge (1999, S. 267) und Witzel (2000). Die Fallporträts, auf die im Zuge einzelner Auswertungsschritte immer wieder zurückgegriffen wurde, sollten unter Heranziehen der qualitativen und quantitativen Daten das Ergebnis einer ersten Fallbewertung sein und den Sinnzusammenhang eines jeden Einzelfalles wahren. Die rekonstruierten Einzelfälle dienten schließlich als Basis für die im folgenden Unterkapitel beschriebene Fallkontrastierung bzw. den Fallvergleich. Auch wenn zunächst jeder Einzelfall für sich analysiert wurde, soll an dieser Stelle nicht verleugnet werden, dass ein themenbezogener Fallvergleich zum Teil bereits parallel zu den Einzelfallanalysen stattfand. Dieses Vorgehen ist durchaus legitim.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

309

So stellten Kelle & Kluge (2010) im Rahmen ihres Konzeptes empirisch begründeter Typenbildung sogar die methodologische Regel auf, dass bei der Einzelfallanalyse das übrige Datenmaterial nicht aus dem Blick geraten darf (S. 110). 5.4.2.3 Fallvergleich Das qualitative Sampling (s. Kapitel 5.2.3.3) stellte bereits einen ersten Schritt der Fallkontrastierung des Untersuchungsmaterials dar. So wurden dabei auf Basis theoretischen Vorwissens bestimmte Merkmale definiert (Geschlecht, Schulgröße, Lehrverpflichtung, Region), anhand derer sich die Befragten unterscheiden sollten. Diese Fallkontrastierung setzte sich im Zuge der Auswertung des erhobenen qualitativen und quantitativen Datenmaterials fort. Gemäß den Ausführungen von Witzel (2000) zielt ein systematisch kontrastierender Fallvergleich auf die Entdeckung fallübergreifender zentraler Themen ab, wobei es gilt, Vergleiche nach dem Prinzip „minimaler und maximaler Kontrastierung“ anzustellen. Damit sollen in weiterer Folge „kollektive Handlungsmuster“ identifiziert werden (vgl. Lamnek & Krell, 2010, S. 336). Durch einen umfassenden thematischen Fallvergleich wurden die zuvor im Rahmen der Einzelfallanalysen gebildeten Codes zu Kategorien weiterentwickelt, ergänzt, zusammengefasst, überarbeitet, ausdifferenziert und in Subkategorien unterteilt, um letztendlich ein übergreifendes Kategoriensystem zu kreieren. Die Kernaufgabe des Fallvergleichs lag in der sogenannten „Dimensionalisierung“, bei der die einzelnen Kategorien in theoretisch relevante Merkmale umgelegt und deren Dimensionen im Sinne von Merkmalsausprägungen identifiziert wurden. Gemäß den Ausführungen von Kelle & Kluge (2010) war es dabei notwendig, die Kategorien und Subkategorien so zu bestimmen, dass Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Datenmaterial aufgedeckt werden können. Dies gelang im Rahmen der eigenen Erhebung durch eine synoptische Analyse der Daten, bei der pro Kategorie das gesamte Datenmaterial über alle Fälle hinweg betrachtet und Textsegmente fallübergreifend in einer Synopse zusammengetragen wurden. Die kontinuierliche Modifizierung der Kategorien und Subkategorien war geprägt durch eine abwechselnde Ausweitung und Reduktion dieser, wobei vor allem am Ende im Sinne der Auffindung von Kernkategorien (vgl. Witzel, 2000) eine abschließende Reduktion auf für die Forschungsfragen besonders relevante Themen erfolgen musste (vgl. Kelle & Kluge, 2010, S. 61, 73, 76, 80-81). Die Bestimmung der Kernkategorien (Merkmale) und deren Subkategorien (Merkmalsausprägungen) stellte die Grundlage für die Konstruktion der Typologie dar und bildete den vielschichtigsten Auswertungsteil. Gemäß

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5 Empirische Erhebung

Bailey (1994) und Becker (2014) ist dieser Schritt einer der bedeutendsten im Rahmen einer Typenkonstruktion, da eine Typologie nur so gut ist, wie gut ihre Dimensionen und Variablen sind, die ihr zugrunde liegen (S. 2). Bei den definierten Kern- und Subkategorien handelte es sich schließlich um „komplexe“ Vergleichsdimensionen, die mehrere Merkmale zusammenfassten (vgl. Kluge, 1999, S. 265). Dabei galt es im Sinne „selektiven Kodierens“ erneut einen Materialdurchlauf zu starten, um die Kern- und Subkategorien mit den erhobenen qualitativen und auch quantitativen Daten empirisch weiter „aufzufüllen“. Im Zuge des Fallvergleichs wurden unter Heranziehen der Fallporträts bereits intuitiv Gruppierungen gebildet. Hierzu wurde das Visualierungstool „Code-Matrix Browser“ von MaxQDA 12 genutzt. Dabei wurden die Fallporträts parallel zueinander gelesen und „ähnliche“ Fallporträts zusammengetragen. Das vorzeitige intuitive Bilden von Gruppen wird auch von Lazarsfeld & Barton empfohlen (vgl. Kluge, 1999, S. 105). 5.4.2.4 Zentrale Ergebnisse In diesem Kapitel werden das auf Basis des Fallvergleichs entwickelte Kategoriensystem und die Kernaussagen der Interviewpartner/innen pro Kategorie beschrieben. Die Ergebnisse des Kurzfragebogens und der Netzwerkkarte wurden in diese kategoriale Auswertung inkludiert und werden in diesem Kapitel ebenfalls dargestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beschriebenen Kategorien und Subkategorien nicht den Kernkategorien für die spätere Typenbildung entsprechen, allerdings bereits im Sinne eines induktiv-deduktiven Wechselspiels mit dem theoretischen Raster und den Forschungsfragen in Beziehung gesetzt wurden. Auf die Kernkategorien wird in Kapitel 5.4.4.3 Bezug genommen, da sie die Basis für die Erstellung des der Typologie zugrundeliegenden Merkmalsraums bildeten. Nach der Beschreibung der kategorialen Auswertungsergebnisse soll ein Einblick in das Ergebnis der ersten intuitiven Gruppenbildung gegeben werden. Eine zentrale Basis für diesen Auswertungsschritt bildete die Konfrontation der Fallporträts mit dem fallübergreifenden Kategoriensystem. In den folgenden Ausführungen ist immer wieder von „kleinen“, „kleineren“, „großen“ und „eher großen“ Schulen die Rede. An dieser Stelle wird festgehalten, dass nachfolgend mit „kleinen“ bzw. „kleineren“ Schulen solche gemeint sind, an denen die Schülerzahl so gering ist, dass die Befragten selbst noch eine Unterrichtsfunktion einnehmen, während an „großen“ bzw. „größeren“ Schulen die Leitungen nicht mehr selbst lehrend tätig sind.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

311

Am Ende einer fallübergreifenden Aussage wird in Klammern angeführt, in welchen Interviews Angaben hierzu gemacht wurden. Dies soll die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der im Anschluss an den Fallvergleich gebildeten Typologie erhöhen. Lediglich bei den soziodemographischen und berufsbezogenen Merkmalen sowie Aussagen, die den Datenschutz gefährden könnten, erfolgt im Sinne der Wahrung ausreichender Anonymität keine Angabe diesbezüglich. Zudem geht aus den beschriebenen Ergebnissen ebenfalls aus Anonymitätsgründen nicht hervor, ob einzelne Aussagen von männlichen und/oder weiblichen Schulleitungen getätigt wurden. So wird bei der Darstellung der Ergebnisse im Folgenden stets gegendert. Kategorie I – Mikroebene Individuum Diese Kategorie fasst alle Aussagen der Interviewpartner/innen und Angaben im Kurzfragebogen zusammen, die sich unter Rückgriff auf den theoretischen Raster (s. Kapitel 5.2.1) der Mikroebene (Ebene des Individuums) zuordnen lassen. Die folgende Tabelle gibt einen Einblick in die von den interviewten Volksschuldirektor/innen angesprochenen bzw. die im Kurzfragebogen abgefragten Aspekte auf der Mikroebene, die als Subkategorien definiert wurden. Tabelle 18: Subkategorien der Kategorie I – Mikroebene Individuum, Quelle: Eigene Erstellung

Subkategorie Facts (Soziodemographie, Informationen zum Beruf) Einstieg in den Schulleiterberuf Rollenwahrnehmung und Erleben der Arbeit Arbeitsbewältigungsverhalten

Beschreibung Diese Subkategorie beinhaltet standardisierte Angaben zu eigenen soziodemographischen Merkmalen sowie zum Schulleiterberuf und zur Berufserfahrung. Diese Subkategorie bezieht sich auf Aussagen der Befragten zum Erleben der Bewerbungs- und Einstiegsphase in den Schulleiterberuf. In dieser Subkategorie werden Aussagen der Befragten zum Erleben des Schulleiterberufs in Hinblick auf Rollen, Funktionen, Aufgaben und die Arbeitsmenge zusammengefasst. Diese Subkategorie beinhaltet Aussagen der Befragten zu individuell wahrgenommenen eigenen Stärken und Schwächen bei der Erledigung der Arbeit sowie Bewältigungsstrategien im Umgang mit beruflichen Herausforderungen.

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5 Empirische Erhebung

Facts (Soziodemographie, Informationen zum Beruf) Betrachtet man zunächst die Geschlechterzusammensetzung der Befragtengruppe, so zeigt sich, dass vier untersuchte Volksschuldirektor/innen männlich, 16 weiblich sind. 12 Personen geben an, zusätzlich zur Leitungsfunktion eine Unterrichtsverpflichtung zu haben. Bei den befragten unterrichtenden Volksschuldirektor/innen schwanken die wöchentlichen Unterrichtsstunden zwischen neun und 20. Acht Volksschuldirektor/innen berichten darüber, aufgrund der Größe der Schule selbst keine Lehrtätigkeit mehr zu haben. Zehn Volksschuldirektor/innen geben an, zwischen 40 und 50, neun älter als 50 Jahre alt zu sein. Nur ein/e Schuldirektor/in war zum Zeitpunkt der Befragung jünger als 40 Jahre. Während fünf Interviewpersonen zum Interviewzeitpunkt erst seit weniger als fünf Jahren als Schulleiter/innen an der derzeitigen Schule tätig waren, konnten 15 bereits auf eine längere Amtszeit (fünf bis 32 Jahre) an der Schule zurückblicken. Ein/e befragte/r Schulleiter/in übernimmt zudem die Leitung zweier Schulen, wobei die zweite Schule erst zu einem späteren Zeitpunkt der Amtszeit „dazukam“. Innerhalb der Gruppe der „langjährigen Volksschuldirektor/innen“ zeigen sich Unterschiede dahingehend, dass sechs davon zuvor bereits eine andere Volksschule leiteten und somit Leitungserfahrung sammeln konnten, während neun an der aktuellen Schule erstmalig als Schuldirektor/innen tätig sind. Mit Ausnahme von drei Personen waren die befragten Volksschulleiter/innen zum Interviewzeitpunkt zuvor mindestens acht Jahre als Lehrkraft tätig. Jene befragten Personen, die wenig Lehrerfahrung ohne Führungsfunktion aufweisen, sind solche, die relativ frühzeitig im Lehrerberuf, zumeist in sehr jungem Alter, mit der Leitung einer kleinen Schule betraut wurden. Einstieg in den Schulleiterberuf Der Großteil der befragten Volksschuldirektor/innen gelangte über die klassische Laufbahn – von der internen Lehrkraft zum/zur Schulleiter/in – in die Schulleitungsposition (I01, I03, I04, I07, I10, I11, I12, I15, I16, I17, I18, I20). Die Einstiegsphase wurde von diesen jedoch recht unterschiedlich erlebt. Während sich einige zu Beginn etwas überfordert fühlten und erst langsam von der Lehrer- in die Schulleiterrolle wachsen konnten, sprachen andere von einem harmonischen Übergang und fühlten sich recht gut vorbereitet, da sie entweder in den letzten Jahren vor Übernahme der Schulleiterfunktion sowieso bereits die stellvertretende

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

313

Leitung der Schule übernahmen oder zumindest vom/von der Vorgänger/in in die Arbeitsfelder eingeschult wurden. Ein/e Vertreter/in der erstgenannten Kohorte meint: „Ich glaube, man muss da reinwachsen, es ist nicht von einem Tag auf den anderen, ist man nicht auf einmal jetzt die Direktorin oder Leiterin, das ist so fließend eigentlich.“ (I20)

Vertreter/innen der zweitgenannten Gruppe von Schuldirektor/innen erhielten zu Beginn ihrer Schulleitertätigkeit umfassende Unterstützung vom/von der Vorgänger/in, Schulleiterkolleg/innen, dem Kollegium an der Schule, dem privaten Umfeld oder sonstiger (professioneller) Art. So meint etwa ein/e Schulleiter/in: „Mein Vorgänger hat mich auch die Jahre vorher schon sehr in diese Leitungsgeschäfte eingeführt und hat mir sehr viel gezeigt und hat, ja, hat mir schon den Umgang und die Aufgaben eines Leiters oder eines Direktors aufgezeigt und hat mich auch mitarbeiten lassen. Jetzt war es für mich natürlich einfacher dann, das Ganze zu übernehmen […] ein Verbündnis auch von anderen Schulleitern und Direktoren, von anderen Standorten, und wenn irgendwelche Dinge zu erledigen waren, dann ha-

ben wir uns zusammengesetzt und haben das gemeinsam gemacht.“ (I12) Von „extern“ an die derzeitige Schule kamen acht Schuldirektor/innen (I02, I05, I06, I08, I09, I13, I14, I19). Auch einige dieser Volksschulleiter/innen erlebten den Berufseinstieg etwas stressig, vor allem, da die definitive Zusage für die Übernahme der Schulleitung in manchen Fällen plötzlich, erst kurz vor Beginn des Schuljahres, erfolgte (I02, I08, I14). Einige Schuldirektor/innen berichten von langen Arbeitszeiten zu Beginn ihrer Amtszeit, die jedoch mit den weiteren Schuljahren wieder zurückgingen. Begründet werden die einst vielen Arbeitsstunden mit der Notwendigkeit, sich in neue Tätigkeitsfelder erst einarbeiten zu müssen oder aber mit Umstrukturierungen der Schule (I04, I09). Andere geben an, zu Beginn der Amtszeit sehr hohe Ansprüche an sich selbst gestellt zu haben, um dem, was der/die Vorgänger/in an Arbeitsleistung und Engagement „vorgelegt hatte“, gerecht zu werden (I07, I19). Die meisten Schulleiter/innen, die zuvor bereits an einer anderen Schule leitend tätig waren, konnten von ihren Erfahrungen profitieren und diese in die neue Schulleiterfunktion einbringen (I05, I07, I08, I09, I13). So meint etwa ein/e Schulleiter/in, der/die zunächst eine eher kleine, zum Zeitpunkt des Interviews eine größere Schule leitete:

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5 Empirische Erhebung „Und da habe ich aber wirklich schon lange Erfahrung sammeln können für die größere Schule und somit war der Umstieg dort nicht so aufregend.“ (I13)

Vor allem solche Schulleiter/innen, die bereits auf eine mehrjährige Lehrtätigkeit an derselben Schule zurückblicken konnten, geben an, sich von Beginn an von der Schulgemeinschaft, insbesondere dem Kollegium, anerkannt gefühlt zu haben (I03, I04, I12, I15, I17, I18). „Von außen kommende“ Schulleitungen erlebten die Anerkennung vonseiten der Schulgemeinschaft, insbesondere des Kollegiums, unterschiedlich. Während sich einige von Beginn an sehr wertgeschätzt fühlten (I05, I13, I19), mussten sich andere – häufig aufgrund von Konkurrenzdenken im Kollegium – die Anerkennung einiger Personen erst erarbeiten. Ein/e Vertreter/in der erstgenannten Gruppe meint: „Ich habe nie um einen Status kämpfen müssen oder um ein Akzeptiertsein oder werden, das ist natürlich schon sehr positiv für mich in meiner Rolle, diese Energie.“ (I19)

Häufig befanden sich in der Einstiegsphase im Kollegium Lehrkräfte, die sich entweder um denselben Schulleiterposten beworben hatten, selbst einst Schulleiter/in waren oder aber ein deutlich höheres Alter als der/die Befragte aufwiesen (I02, I06, I08, I09, I10, I14, I19). Zwei Schulleiter/innen berichten in diesem Zusammenhang über zu Beginn des Einstiegs schwierige soziale Beziehungen zu Kolleg/innen folgendermaßen: „[…] die war selber, weiß ich nicht, 20 oder 30 Jahre Schulleiterin, hat ihre Schule dann verloren, weil es zu wenig Kinder gab, was ja hier in der Gegend auch ein bekanntes Phänomen ist und kam dann zu mir als Lehrerin, die hat sich natürlich nicht, ja, nicht so wohl gefühlt oder wir haben uns gegenseitig, ja. Das, die musste dann an mehrere Schulen fahren und das war für sie natürlich dann nicht so eine positive, sehr positives Erlebnis bzw. ein Abstieg mehr oder weniger in der Hierarchie, nicht?“ (I09) „[…] wo natürlich für diese Position mehrere Bewerber waren und wo auch jemand aus dem Kollegium sich beworben hat und der dann auch hier verblieben ist, das hat anfänglich natürlich Schwierigkeiten bereitet und hat eine gewisse Zeitspanne gebraucht, um Teambuilding zu ermöglichen.“ (I14)

Diese zunächst „schwierigen“ sozialen Situationen, mit denen sich einige Schuldirektor/innen zu Beginn ihrer Amtszeit konfrontiert sahen, lösten sich jedoch bei allen innerhalb von wenigen Jahren entweder gänzlich auf, indem diese Personen die Schule verließen, oder aber die Beziehung zwischen der jeweiligen Lehrkraft und der Schulleitung wandelte sich stark ins Positive.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

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In Hinblick auf die zu Beginn der Amtszeit wahrgenommene Anerkennung vonseiten der Erziehungsberechtigten der Schüler/innen unterscheiden sich die Befragten ebenso. Während Direktor/innen, die zunächst als Lehrkräfte an der Schule tätig waren, angeben, zu Beginn der Amtszeit von dieser Personengruppe gut in der neuen Rolle willkommen geheißen worden zu sein (I07, I11, I12), berichten insbesondere einige „von extern kommende“ Schulleitungen über Schwierigkeiten mit Erziehungsberechtigten aufgrund mangelnder Veränderungsbereitschaft bzw. einer zunächst „abwartenden Haltung“ (I05, I14). Wieder andere geben an, dass durch den Schulleiterwechsel vonseiten der Erziehungsberechtigten der Schüler/innen gerade eine Veränderung der Schule in Richtung Modernisierung und Schulentwicklung gewünscht war (I10, I19). Einige Schulleiter/innen berichten zusätzlich, zum Teil ausführlich, über die Phase der Bewerbung um den Schulleiterposten. Auslöser für die Neubesetzung war zumeist die Pensionierung des/der vorherigen Direktors/in. Die Motivation für die Bewerbung war bei manchen Volksschuldirektor/innen intrinsischer, bei anderen eher extrinsischer Natur. So meinen einige, sich unter anderem deswegen beworben zu haben, um etwas „Eigenes“ schaffen bzw. „Dinge“ selbst gestalten zu können (I05, I12, I13, I17). Exemplarisch sollen hier die von zwei Befragten geschilderten Beweggründe zitiert werden: „Und dann wollte ich einfach einmal etwas machen, das auf meinen Mist gewachsen ist unter meiner Leitung so irgendwie.“ (I05) „[…], weil als Lehrerin muss man immer die Dinge tun, die einem doch vom Chef angeschafft werden. Und so, wenn man selbst in dieser Funktion ist, kann man die Dinge selber gestalten und hat mehr Möglichkeiten.“ (I12)

Andere, sowohl „von extern kommende“ Direktor/innen als auch jene, die den „klassischen“ Karriereweg gingen, erzählen, entweder von Kolleg/innen, dem/der Pflichtschulinspektor/in oder dem/der Vorgänger/in zur Bewerbung bewegt worden zu sein (I01, I02, I04, I08, I18). Ein/e Schuldirektor/in z.B. wurde von einer Lehrerkollegin dazu motiviert, sich für die Leitung an einer Schule, an der zuvor Probleme herrschten, zu bewerben: „Es hat eben mit den Kollegen sehr viele Probleme, also die Schulleitung mit dem Rest des Kollegiums hat es immer wieder Probleme gegeben und das Kollegium hat sich schon komplett aufgebäumt und war halt sehr unzufrieden und sie [eine Lehrerkollegin] hat gemeint, jetzt wörtlich hat sie zu mir gesagt: Wenn das jemand zusammenbringt, dort Frieden hinein zu bringen, bist du das.“ (I02)

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5 Empirische Erhebung

Ein/e Direktor/in einer eher kleinen Volksschule meint, dass er/sie gar keine Wahl hatte. Er/sie musste die Leitung übernehmen, ansonsten hätte er/sie die Schule verlassen müssen (I03). Einige Volksschuldirektor/innen berichten über eine relativ lange Bewerbungsphase. Es dauerte, bis das tatsächliche Hearing stattfand. Zusammenfassend ist in Hinblick auf die Einstiegsphase in den Schulleiterberuf festzuhalten, dass die Befragten diese sehr unterschiedlich erlebten und zu Beginn über verschiedenste Erfahrungshintergründe verfügten. Bei einigen lag die Bewerbungsphase zum Zeitpunkt des Interviews bereits etliche Jahre zurück, während diese bei anderen erst kürzlich erfolgte. Rollenwahrnehmung und Erleben der Arbeit In Hinblick auf die eigene Rollenwahrnehmung als Volksschuldirektor/in zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Befragten. Diese stehen in starkem Zusammenhang mit der Größe der zu leitenden Schule bzw. dem (Nicht-)Bestehen einer Lehrtätigkeit. Leiter/innen von kleinen Schulen fühlen sich häufig als Multifunktionswesen, das für alles verantwortlich ist. Sie sind Lehrer/in, Schulleiter/in, Hausmeister/in, Installateur/in, Elektriker/in und nehmen situationsbedingt zusätzliche Funktionen (z.B. „Bauaufseher/in“ bei Renovierungen) ein (I01, I03, I05, I06, I10, I12). Es ist für die meisten dieser Direktor/innen schwierig, diesen unterschiedlichen Rollenanforderungen gleichzeitig gerecht zu werden. Ein/e Schuldirektor/in schildert diesbezüglich eine Beispielsituation: „Man hat keinen Schulwart. Man muss alle Agenden […] erledigen. Und es beginnt in der Früh, wenn man reinkommt. Man sperrt auf, man lüftet, man kümmert sich um die Heizung im Winter und, ja. Das ist halt schon sehr umfangreich, das ganze Aufgabengebiet.“ (I12)

Insbesondere die Doppelrolle als Lehrkraft und Schulleitung wird als herausfordernd bzw. als „spezielle Situation“ (I01, I03, I05, I06, I08, I09, I12), von einigen sogar als belastend und überfordernd erlebt. So sagt etwa ein/e Volksschulleiter/in: „Natürlich die Doppelbelastung mit der Lehrertätigkeit und die Verwaltungstätigkeit, die ist dann schon oft enorm.“ (I12)

Ein/e Schuldirektor/in (I06) berichtet, dass er/sie vormittags Lehrer/in ist und erst nachmittags Schulleitungsagenden übernehmen kann. Sowohl ein/e unter-

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

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richtende/r als auch ein/e nichtunterrichtende/r Schuldirektor/in sieht in der Freistellung von der Unterrichtstätigkeit eine wesentliche Entlastung (I09, I13). Dennoch möchte der überwiegende Teil der unterrichtenden Schulleiter/innen die Lehrtätigkeit nicht missen. So berichten zwei Schulleiter/innen diesbezüglich Folgendes: „Das möchte ich auch nicht missen. Also es ist zwar oft so ein, man muss von einer Rolle in die andere wechseln, aber das macht mir große Freude.“ (I04) „Also ich genieße das nach wie vor, dass ich Leiterin bin und trotzdem in der Klasse stehe und in der Klasse stehe und trotzdem Leiterin bin.“ (I08)

Dieses Empfinden dürfte vor allem an der Tatsache liegen, dass bei nahezu allen befragten Volksschulleitungen die Schüler/innen der größte Motivator für das eigene Arbeiten sind, wobei durch die Zusammenarbeit mit diesen die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns spürbar wird. Mittlerrollen bzw. Sandwichpositionen werden sowohl von Direktor/innen an kleinen als auch von jenen an großen Schulen als herausfordernd betrachtet. Die befragten Schulleiter/innen stehen in unterschiedlichen Situationen zwischen Akteur/innen innerhalb der Schule – insbesondere dem Kollegium, Erziehungsberechtigten und dem nichtunterrichtenden Personal – und jenen außerhalb der Schule – insbesondere der Schulaufsicht und dem Schulerhalter. Ein/e Schulleiter/in einer größeren Schule berichtet über eine Mittlerfunktion folgendermaßen: „Wir als Schuldirektoren sind ja oft so in einer Sandwichstellung. Ja als, als mittelschienige Manager so quasi, von unten der Druck der Eltern, die immer mehr so das individuelle Bedürfnis des Kindes im Auge haben, ohne dass berücksichtigt wird, dass in der Schule immer in einer Gemeinschaft gelernt wird und den Vorgaben vom Landesschulrat, wo es z.B. in unserem Fall der Volksschulen einen großen Mangel an Ressourcen gibt.“ (I18)

Die eigene Rolle innerhalb des Kollegiums wird von einzelnen Direktor/innen recht unterschiedlich wahrgenommen. Im Gegensatz zu Schulleiter/innen an kleineren Schulen sehen sich jene an größeren häufiger in einer übergeordneten, „abgehobeneren“ Position (I02, I14, I17, I18). Schuldirektor/innen sehr kleiner Schulen, die ein- bis zweiklassig geführt werden, geben zwar an, sich weniger als Leiter/in der Schule, sondern vielmehr als Lehrkraft mit Zusatzaufgaben zu fühlen, allerdings ist ihnen dennoch die besondere Stellung innerhalb des Kollegiums sehr wichtig (I03, I05, I10, I11). Diese Personen finden sich aufgrund weniger anderer Lehrkräfte an der Schule zusätzlich häufig in einer Einzelkämpfersituation. Es fehlt an Personen, mit denen man sich adäquat austauschen kann.

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5 Empirische Erhebung

Während einige Schuldirektor/innen den Schulleiterjob als sehr stressig erleben bzw. die Arbeitsmenge mit „zu viel“ oder aber „kritisch“ beschreiben (I02, I06, I08, I10, I18), meinen andere, dass der Schulleiterberuf durchaus bewältigbar ist (I04, I13, I16, I17, I20). Die zweite Gruppe ist der Ansicht, dass für eine adäquate Erledigung der Aufgaben lediglich ein gutes Zeitmanagement notwendig ist. Einige sind vom ständigen Jammern ihrer Kolleg/innen genervt (I03, I09, I16). So ist z.B. ein/e unterrichtende/r Schuldirektor/in folgender Ansicht: „[…] also die Jammerei meiner Kolleginnen geht mir eher am Nerv, wieviel ein Schulleiter zu tun hat und so weiter. Das kann ich alles nicht unterstreichen, also wenn ich nur Schulleiterin wäre, wäre es, ja, ganz leicht machbar.“ (I09)

Interessanterweise sprechen häufig jene Schuldirektor/innen von einer zu bewältigenden Arbeitsmenge, die innerhalb einer Region zusätzlich noch Sonder- bzw. Koordinationsfunktionen für Lehrkräfte und Schulleitungen einnehmen. Viele Volksschuldirektor/innen erwähnen im Kontext der Arbeitsmenge, dass diese sehr stark variiert, wobei vor allem der Anfang und das Ende eines Schuljahres Stoßzeiten sind, in denen viel Schulleiterarbeit zu erledigen ist (I05, I07, I08, I14, I15, I16, I17, I18, I20). In Zusammenhang mit konkreten Arbeitstätigkeiten geben einige Schuldirektor/innen an, dass subjektiv „unwichtig“ wahrgenommene Aufgaben (z.B. Durchführungen von Testungen), deren Sinnhaftigkeit zum Teil hinterfragt wird, viel Zeit in Anspruch nehmen, die besser für eigentliche Kernaufgaben (z.B. Förderung von Schüler/innen) genutzt werden könnte. Häufig sind von Schulleiter/innen zudem Tätigkeiten durchzuführen, die nirgends festgeschrieben sind (I06, I09, I14, I17). Einigen Schuldirektor/innen ist die Schulentwicklung als zentraler Aufgabenbereich ein großes Anliegen. Sie setzen sich mit viel Herzblut dafür ein und müssen besonders innerhalb der Schule bei Lehrkräften und Erziehungsberechtigten große Überzeugungsarbeit leisten und Widerständen entgegenwirken. Sie begeistern sich für neue Ideen und möchten diese, sofern sie den eigenen Werten entsprechen, an der Schule umsetzen (I01, I04, I05, I13, I19). Während dienstältere Schuldirektor/innen großteils zwar angeben, dass mit der Erfahrung das Erledigen der Arbeit leichter fällt und sich eine gewisse Gelassenheit bzw. „Robustheit“ einstellt (I03, I06, I08, I14, I18), meinen zwei davon im selben Atemzug, dass mit zunehmendem Alter die eigene Energie nachlässt und Aufgaben nicht mehr so rasch erledigt werden können. Andere erwähnen zudem, dass die Toleranz- und Geduldsgrenze seit Beginn der Schulleitertätigkeit abnahm (I11, I15). So erzählt z.B. ein/e Schuldirektor/in:

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

319

„Ich merke schon, dass meine Energie weniger geworden ist und auch meine Geduld, das ist für mich ein Gradmesser.“ (I15)

Manche berichten, sich besonders am Anfang der Schulleiterlaufbahn sehr engagiert und viele Projekte initiiert und umgesetzt zu haben. Diese anfängliche Euphorie legte sich jedoch mit der Zeit aus Gründen, die entweder im zunehmenden Aufgabenspektrum von Schulleitungen oder aber in einer mangelnden Anerkennung für diese bereits getätigten Leistungen liegen (I05, I07, I08, I11). Zusammenfassend zeigt sich in Hinblick auf die Rollenwahrnehmung der befragten Volksschulleiter/innen, dass diese ihre Position und Funktionen zum Teil aufgrund der unterschiedlichen Schulgrößen verschieden wahrnehmen. Die Arbeitsmenge wird von den meisten Befragten zwar als hoch erlebt, allerdings zeigen sich Unterschiede in Hinblick auf die Bewältigung dieser. Auf diesen Aspekt wird in den folgenden Ausführungen näher eingegangen. Arbeitsbewältigungsverhalten In Zusammenhang mit der individuellen Wahrnehmung der Arbeitsmenge steht auch die Selbstwirksamkeit(serwartung) der Schuldirektor/innen. Unter dem Begriff der Selbstwirksamkeit bzw. Selbstwirksamkeitserwartung (englisch: „self-efficacy“ oder „efficacy expectation“) wird die innere Überzeugung eines Individuums verstanden, Aufgaben zu bewältigen bzw. eigene Lösungen für die Erreichung von Zielen zu finden und entsprechende Handlungen zu setzen. Die Selbstwirksamkeit gilt als wichtiger Indikator für die Arbeitszufriedenheit. Gleichzeitig ist eine niedrige Selbstwirksamkeit mit einer höheren Arbeitsbeanspruchung und Burnoutgefahr verbunden (Hofmann et al., 2012, S. 31). Mithilfe des Kurzfragebogens wurde unter Einsatz einer von der Freien Universität Berlin entwickelten Fragebatterie, die auch in der Österreichischen Lehrergesundheitsbefragung 2010 verwendet wurde (vgl. Hofmann et al., 2012), die Selbstwirksamkeit der interviewten Volksschuldirektor/innen erhoben. Im Durchschnitt ist die Selbstwirksamkeitserwartung bei den Befragten mit einem Wert von 3,2 auf einer Skala von 1 (= sehr niedrig) bis 4 (= sehr hoch) relativ hoch, wobei die Zahlen zwischen 2,8 und 3,9 schwanken. Vergleichsweise erreichten die im Rahmen der Österreichischen Lehrergesundheitsbefragung untersuchten Lehrkräfte ebenfalls einen Durchschnittswert von knapp über 3. Eng in Verbindung mit der Selbstwirksamkeit stehen individuelle Problembewältigungs- und -lösungstechniken. Treten bzw. traten schwierige soziale Situationen

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5 Empirische Erhebung

wie z.B. Konflikte auf, so können bzw. konnten einige der befragten Schuldirektor/innen auf individuell angeeignete, reflektierende Bewältigungsstrategien zurückgreifen. Diese Schulleitungen arbeiten ständig an ihren „Schwächen“, versuchen an ein Problem in Ruhe heranzugehen, erkennen eigene Grenzen und können sich rechtzeitig Hilfe und Unterstützung z.B. in Form von Supervision oder der Aneignung von Zusatzqualifikationen holen. Daneben werden auch Regenerationsformen und Entspannungsverfahren (z.B. Qi Gong), Bewegung, Musik, Lesen, in der Natur sein und Essen als „indirekte“ Stressbewältigungsstrategien eingesetzt. Derartige Techniken bzw. das Wissen um Unterstützungsmöglichkeiten schütz(t)en in der Vergangenheit, aber auch in der Gegenwart vor langfristigen negativen Beanspruchungen (I01, I04, I07, I08, I09, I10, I12, I18, I19). So berichtet z.B. ein/e Schuldirektor/in über eine schwierige Zeit in seiner/ihrer Schulleiterkarriere folgendermaßen: „Und dann war es so, dass ich, ja, relativ frustriert, deprimiert war und mir gedacht habe, ich habe so viel investiert und du hast das Gefühl, es ist alles umsonst. Und, ja. Da habe ich mir dann auch Hilfe geholt, weil ich das Gefühl gehabt habe, ich schaffe es alleine nicht mehr, aus diesem Negativsog herauszukommen.“ (I07)

Einige Schuldirektor/innen sind in Hinblick auf den Umgang mit schwierigen sozialen Situationen der Ansicht, dass man bestimmte Konflikte nicht zu sehr an sich heranlassen darf, gelassener und nicht sofort auf alles reagieren sollte (I08, I10, I16, I17, I18, I19). Ein/e Schuldirektor/in drückt dies folgendermaßen aus: „[…] meistens nicht sofort handeln, wenn etwas ist, einmal drüber schlafen, die Eltern nicht sofort informieren, natürlich, wenn es etwas Gröberes ist, dann natürlich schon, aber so Kleinigkeiten […] nicht gleich aus einer Maus einen Elefanten machen, Ruhe bewahren, okay, ganz ruhig sprechen.“ (I10)

Probleme, die von der Schulleitung selbst nicht gelöst werden können, sind aus Sicht dieser Schuldirektor/innen zu akzeptieren. Selbstwirksamkeit bedeutet allerdings nicht, alle Aufgaben allein erledigen zu müssen. In Hinblick auf die Delegationsfähigkeiten unterscheiden sich die befragten Schuldirektor/innen zum Teil stark voneinander. Während einige recht gut delegieren können und der Ansicht sind, dass die Arbeit ohne das (Ver-)Teilen von Aufgaben im Kollegium – v.a. was Schulentwicklungs- und Organisationstätigkeiten betrifft – nicht möglich wäre (I09, I12, I13, I17, I20), geben andere zu, sehr schlechte „Delegierer/innen“ zu sein (I02, I03, I05, I06, I18, I19). Ein/e Schuldirektor/in, der/die darüber berichtet, angemessen delegieren zu können, meint:

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

321

„Und man muss auch dementsprechend delegieren können, also das ist auch sehr wichtig. Man muss sich nicht selbst als Schulleiter sehr wichtig nehmen und sagen, das sind nur meine Aufgaben. Nein, im Gegenteil, also man kann das sehr gut verteilen. Jedes Mitglied des Kollegiums, die sollen so nach ihren Begabungen auch dementsprechend eingesetzt werden.“ (I13)

Innerhalb der nicht- bzw. nur selten delegierenden Schulleiterkohorte ist man sich der Notwendigkeit des Abgebens von Aufgaben bewusst, allerdings erfolgt dieses aus zweierlei Gründen nur kaum. Einerseits möchte man die Lehrkräfte nicht noch mit zusätzlicher Arbeit und „unnötigen“ Informationen von übergeordneter Stelle belasten, andererseits ist man der Ansicht, dass es oft schneller geht, bestimmte Aufgaben selbst zu erledigen, anstatt sie abzugeben und noch einmal kontrollieren zu müssen. Zudem ist das Selbsterledigen von Tätigkeiten mit einem größeren Sicherheitsgefühl verbunden. Ein/e Schuldirektor/in begründet dies folgendermaßen: „Das ist für mich auch eine große Belastung, das ist halt einfach mein Typ. […] die haben eh alle zu tun, ja. Das ist. Ich sage, aber das ist einfach meine persönliche Geschichte, das ist jetzt nicht irgendetwas, was gefordert wird, aber da tue ich mir halt sehr schwer dabei.“ (I02)

Mangelndes Abtreten von Aufgaben führt bei einigen Schuldirektor/innen zu Stress, da der Druck von übergeordneter Stelle, insbesondere Bundesbehörden und der Schulaufsicht, bei ihnen „hängen“ bleibt und nicht mit dem Kollegium geteilt wird. Dies zeigt sich beispielhaft an folgender Aussage eines/einer Schuldirektors/in: „Ich fange das dann ab da und wie jetzt diesen Stress, ich gebe nur das Notwendigste weiter und das ist das, was mir eigentlich zu schaffen macht.“ (I05)

Neben den Delegationsfähigkeiten unterscheiden sich die befragten Schuldirektor/innen auch im Umgang mit den vielfältigen Rollenanforderungen. Einige sind sich zwar bewusst, dass es unmöglich ist, diesen gleichsam gerecht zu werden (I01, I02, I05). Dennoch wird zugegeben, sehr aufopfernd und harmoniebedürftig zu sein, sich alles zu Herzen zu nehmen, Probleme von anderen – insbesondere Lehrkräften und Schüler/innen – als eigene zu sehen, es jedem recht machen zu wollen und nicht „Nein“ sagen zu können (I02, I05, I08, I09, I15, I18). So berichtet etwa ein/e Schulleiter/in: „Und ich bin halt auch so der Typ, der sich alles so zu Herzen nimmt und alles gut machen will und für alle das Beste, nur es gelingt einem nicht immer.“ (I02)

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5 Empirische Erhebung

Rückblickend erwähnen einige Schuldirektor/innen, sehr stolz auf bisher erbrachte Leistungen zu sein. Sie sind der Ansicht, dass sie an der Schule bereits viel bewegen und weiterentwickeln konnten (I01, I04, I05, I07, I12, I15). Genau dieses selbstständige Erreichen von Zielen und spürbare Erfolge bestärken einige Volksschulleiter/innen in ihrer Arbeit und stellen einen wichtigen Antriebsfaktor für weitere Tätigkeiten dar. So erzählt z.B. ein/e Schulleiter/in: „[…], wenn man Erfolge sieht in seiner Arbeit. Das ist der beste Motivator dann auch oft. Also das wirkt dann schon sehr positiv, wenn man weiß, jetzt hat man das Ziel erreicht und kriegt eine Wertschätzung und eine Anerkennung. Also das ist schon guter Balsam dann. Bestärkend auch, ja, das stärkt dann für die kommenden Herausforderungen.“ (I12)

Ein weiterer zentraler Themenaspekt, der von den Befragten im Kontext des individuellen Arbeitsbewältigungsverhaltens angesprochen wird, ist die Trennbarkeit von Arbeits- und Privatleben. Der Großteil der Schuldirektor/innen, der darüber spricht, gibt an, zuhause häufig nur schwer von der Arbeit „abschalten“ zu können. Diese Schulleiter/innen verharren gedanklich immer wieder an bestimmten Situationen, die sich zuvor an der Schule ereigneten. Vor allem Konflikte, aber auch Sorgen um einzelne Schüler/innen beschäftigen über die Arbeitszeit hinaus (I02, I03, I05, I07, I09, I10, I15, I18). Ein/e Volksschuldirektor/in antwortet auf die Frage hin, ob er/sie zuhause von der Arbeit gut Abstand nehmen kann: „Nein, kann ich überhaupt nicht. Ich bin nicht der Typ dafür. Also ich nehme das immer mit nachhause und überlege und bekomme Magenschmerzen auch manchmal von solchen Dingen, ja. Ja, also das Abschalten kann ich nicht.“ (I10)

Besonders zu den Hochzeiten im Schuljahr, also zu Schulbeginn und Schulende, wird darüber hinaus Arbeit mit nach Hause genommen und dort erledigt. Einige Schulleiter/innen geben an, dass es erst nach längerem Fernbleiben von der Arbeit – z.B. im Zuge von Ferialzeiten – gelingt, keine belastenden Gedanken an die Schule zu verschwenden. Andere Schuldirektor/innen sind sehr wohl dazu in der Lage, Berufs- und Privatleben weitestgehend zu trennen und in der Freizeit gut „abschalten“ zu können (I04, I08, I11, I12, I14, I16). Hilfreich dabei sind aus Sicht dieser Direktor/innen etwa das Wohnen in einer anderen Gemeinde als in jener, in der die Schule steht, sowie das ausschließliche Erledigen von Aufgaben in der Schule. So erzählt etwa ein/e Schuldirektor/in:

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

323

„Also mir ist ganz wichtig die Trennung zwischen meinem Privatleben und meiner Tätigkeit, und meinem Beruf. Es ist auch von Vorteil, dass ich nicht in diesem Ort wohne. […] Deswegen ist es mir wichtig, dass ich die Wochenenden frei habe, also wenn es natürlich eine Schulveranstaltung ist, dann nicht. Aber ich glaube, es gelingt mir recht gut, ab einer bestimmten Tageszeit abzuschalten, wo man sagt: Na, jetzt arbeite ich nicht mehr.“ (I04)

Relativierend ist anzumerken, dass besonders schwierige soziale Situationen, die hin und wieder auftreten, jedoch auch diese Schulleitungen in der Privatzeit zumeist nicht ganz loslassen. Drei Volksschuldirektor/innen (I13, I17, I18) geben an, auch in der Freizeit immer wieder mit Aspekten der Arbeit konfrontiert zu sein, allerdings erleben sie dies nicht als belastend. Ein/e Schuldirektor/in meint in diesem Kontext: „Ich fühle mich schon sehr gefordert in all dem, das heißt jetzt Schule verwalten ist ein großer Teil. Und wenn man auch Schule entwickeln möchte und Schule leiten möchte, dann ist es natürlich eine Menge Arbeit und dann sollte es auch ein bisschen zum Hobby gehören.“ (I18)

Zwei Volksschuldirektor/innen (I10, I20) erwähnen, dass das „Abschalten“ von der Arbeit abhängig von der jeweiligen Situation einmal leichter, ein andermal schwerer fällt. Zusammenfassend ist in Hinblick auf das Arbeitsbewältigungsverhalten festzuhalten, dass die befragten Volksschulleiter/innen überwiegend eine hohe Selbstwirksamkeit haben. Diesbezüglich zeigen sich beim Vergleich der Angaben im Kurzfragebogen und den Aussagen im Rahmen der Interviews komplementäre Ergebnisse. Die meisten eigneten sich im Laufe der Jahre bereits bestimmte Problembewältigungs- und -lösungsstrategien an. Einige berichten stolz über bisher erzielte Erfolge an der Schule. Unterschiede zwischen den Befragten zeigen sich allerdings im Delegieren von Aufgaben und der Fähigkeit, Privat- und Berufsleben angemessen voneinander zu trennen. Kategorie II – Mesoebene Schule Diese Kategorie beinhaltet alle Aussagen der Interviewpartner/innen und Angaben im Kurzfragebogen, die sich unter Heranziehen des theoretischen Rasters (s. Kapitel 5.2.1) der Mesoebene (Ebene der Schule) zuordnen lassen. Die folgende Tabelle gibt einen Einblick in die verschiedenen, von den Interviewteilnehmer/innen

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5 Empirische Erhebung

thematisierten bzw. der Interviewerin angesprochenen Aspekte auf der Mesoebene, die als Subkategorien zu verstehen sind. Tabelle 19: Subkategorien der Kategorie II – Mesoebene Schule, Quelle: Eigene Erstellung

Subkategorie Facts (Schule) Organisatorische und infrastrukturelle Gegebenheiten Sozialklima

Beschreibung Diese Subkategorie beinhaltet standardisierte Angaben zu Größenparametern und der Organisationsform der Schule, an der die Befragten unterrichten. Diese Subkategorie inkludiert Aussagen der Befragten zu als positiv und negativ empfundenen organisatorischen und infrastrukturellen Gegebenheiten der Schule. Diese Subkategorie bezieht sich auf quantitative Angaben (im Kurzfragebogen) und qualitative Aussagen (im Interview) zur sozialen Situation an der Schule, insbesondere zum wahrgenommenen Sozialklima an der Schule auf unterschiedlichen Ebenen (Kollegium, Schulgemeinschaft, Schülerschaft).

Facts (Schule) Zusammenfassend können folgende Aussagen zur Größe der Schule, an der die Direktor/innen arbeiten, getätigt werden:   

Elf Schuldirektor/innen leiten kleine Schulen mit weniger als 50 Schüler/innen, wobei die Werte von sieben bis 44 reichen. Drei Schuldirektor/innen sind Leiter/innen mittelgroßer Schulen zwischen 51 und 100 Schüler/innen. Die Spanne reicht in dieser Gruppe von 57 bis 100. Sieben Schuldirektor/innen führen große Schulen mit mehr als 100 Schüler/innen. Während die kleinste Schule in dieser Gruppe ca. 120 Schüler/innen aufweist, hat die größte knapp 350 Schüler/innen.

Hinweis: In Summe ergibt die Anzahl der Schuldirektor/innen 21, da ein/e Volksschuldirektor/in zum Zeitpunkt der Befragung zwei Schulen leitete. Eng verbunden mit den Schülerzahlen ist natürlich auch die Anzahl der Klassen und die Zahl der an der Schule unterrichtenden Personen. Während an den kleinen

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

325

Schulen im Durchschnitt zwei Klassen (Spanne: eins bis drei) bestehen und sechs Lehrkräfte (Spanne: drei bis neun) unterrichten, sind es an mittelgroßen Schulen bereits durchschnittlich fünf Klassen (Spanne: drei bis sieben) und zwölf Lehrkräfte (Spanne: neun bis 17), an großen Schulen schließlich zehn Klassen (Spanne: acht bis 16) und 24 Lehrkräfte (Spanne: 13 bis 35). In diesem Kontext wird erwähnt, dass die Befragten gebeten wurden, im Kurzfragebogen nicht nur Klassenlehrer/innen, sondern alle Lehrkräfte, die an der Schule unterrichtend tätig sind, anzuführen. Etwa die Hälfte der Schulen, die von den befragten Personen geleitet werden, sind Nicht-Ganztagsschulen, was zunächst auf die geringe Größe der meisten Schulen zurückgeführt werden kann. An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass mit Ganztagsschulen generell sowohl jene mit verschränkter als auch jene mit getrennter Abfolge gemeint sind. Im Kontext der eigenen Erhebung ist zu erwähnen, dass die inkludierten Ganztagsschulen zum Zeitpunkt der Befragung alle solche getrennter Form waren. In Hinblick auf die Beantwortung der Frage zur Organisationsform der Schule im Kurzfragebogen ist auf eine Komplementarität dieser mit Aussagen im Interview hinzuweisen. So leiten vor allem jene Befragten, die darüber berichten, dass ihnen das Thema Schul- und Qualitätsentwicklung besonders am Herzen liegt, häufig Ganztagsschulen. Die Komplementarität lässt sich darin begründen, dass die Implementierung der Organisationsform „Ganztagsschule“ ein zentraler Eckpfeiler aktueller Schulentwicklungsbemühungen ist. Organisatorische und infrastrukturelle Gegebenheiten Dieser Themenaspekt wird vom Großteil der befragten Schuldirektor/innen in irgendeiner Weise angesprochen (I03, I04, I05, I06, I07, I08, I09, I10, I12, I14, I15, I16, I17, I19, I20). Zwar fragte die Interviewerin nicht explizit nach organisatorischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen an der Schule, allerdings dürften diese im Kontext des Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserlebens am Arbeitsplatz eine gewisse Relevanz für die meisten Interviewpartner/innen haben. Auf organisatorischer Seite wird von einigen Schuldirektor/innen über den individuell wahrgenommenen Einfluss der Schulgröße auf das Belastungs-RessourcenBeanspruchungserleben von Schulleitungen berichtet (I03, I05, I06, I09, I12). Ein/e Schuldirektor/in (I03) meint, dass die Schüler- und Klassenzahl wesentliche Bestimmungsfaktoren für das Erleben von Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen sind. Generell ist er/sie der Ansicht, dass Leiter/innen großer Schulen belasteter sind als jene kleiner Schulen. Innerhalb der Gruppe von Schulleitungen an kleinen Schulen dürften jedoch jene mit nur einer Klasse aufgrund des

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5 Empirische Erhebung

Personalmangels belasteter sein. Diese/r Schuldirektor/in und ein/e weitere/r (I03, I10) weisen in diesem Zusammenhang auf die besondere Situation von einklassigen Schulen hin. Die beiden sind der Ansicht, dass einklassige Schulen schwierig zu führen sind, da es hier besonders schwerfällt, den beiden Rollenanforderungen – (einzige/r) Klassenlehrer/in und Schulleiter/in – gerecht zu werden. Folgende Aussage einer Schulleitung verdeutlicht diese Lage: „Wenn ich einklassig bin […] und ich kurz aus der Klasse muss oder musste und ich weiß, die Kinder sind alleine, wer schaut auf die Kinder, nicht? Wer hat die Verantwortung, wer hat die Aufsicht über die Kinder? Das hat mich voriges Jahr sehr belastet auch, ja. Dass ich nicht immer, dass ich nicht allen Kindern gerecht werden kann in einer einklassigen Schule.“ (I03)

Die beiden Direktor/innen hoffen jedes Schuljahr auf eine ausreichende Anzahl an Schulanfänger/innen, um zweiklassig bleiben zu dürfen bzw. zu werden. Vier Schuldirektor/innen (I05, I06, I09, I19) sehen auch mit der Leitung kleiner, aber dennoch mehrklassiger Schulen, bestimmte besondere Belastungen verbunden. So ist z.B. eine/r dieser Vertreter/innen (I06) der Ansicht, dass Schulleitung an kleinen Schulen mehr Arbeit bedeutet als Schulleitung an großen Schulen. Es fällt etwa aufgrund des geringeren Lehrpersonals schwieriger, Aufgaben zu delegieren. Dennoch betrachten Schulleiter/innen kleiner, aber mehrklassiger Schulen, diese Schulgröße zum Teil als ideal, da man einerseits zwar noch alle Schüler/innen und deren Erziehungsberechtigte kennt, andererseits aber auch ausreichend Schulgestaltung und -entwicklung möglich ist. Generell werden von Direktor/innen kleiner Schulen darüber hinaus der Wohlfühlcharakter, die Familiarität und der Schulstandort im Dorf geschätzt (I01, I05, I06, I07, I08). Die zwei folgenden Aussagen verdeutlichen dieses Empfinden: „[…], dass wir, können wir sagen, liebe Kinder haben, also im Dorf eigentlich. Und es im Gegensatz zur Stadt vielleicht sicher noch leichter, weil einfach das Klientel ganz anders ist. Sie sind einfach natürlicher.“ (I06) „[…] die Struktur des Dorfes, also die das noch so, wie früher kannst du sagen, die Erziehung noch ganz anders ist, ich meine, das unterstützt schon gewaltig, nicht? […], Dass die wirklich noch daheim, also die meisten daheim sind und nicht im Hort, dass sich da die Großfamilien noch um die Kinder kümmern, aber auch noch erzieht, ich meine, es klingt jetzt blöd, ich will nicht sagen Autorität, aber doch irgendwo, sie haben Grenzen, sie haben Werte. Und wenn du mit solchen Kindern zu arbeiten hast, ist das natürlich schon anders.“ (I08)

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

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Infrastrukturell kommt auf der Mesoebene dem Schulgebäude an sich Bedeutung für die eigene Zufriedenheit und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu. So geben einige Schuldirektor/innen an, mit dem Schulgebäude und der materiellen Ausstattung sehr zufrieden zu sein (I04, I06, I09, I10, I14, I16, I18) und sehen diese Faktoren als wesentliche Ressourcen. Ein/e Schulleiter/in drückt seine/ihre Zufriedenheit folgendermaßen aus: „Also ich muss sagen, es ist eine freundliche Umgebung sozusagen. Jetzt da in meiner Direktion, sie ist zwar klein, aber fein. Die Schule ist an und für sich top ausgestattet mit sehr guten Bedingungen, Gerätschaften, Voraussetzungen, um modernen Unterricht zu gestalten. Ja. An und für sich würde ich mir nicht noch mehr wünschen, weil dann könnte man schon ein bisschen übermütig werden.“ (I16)

Bei drei Schuldirektor/innen waren Renovierungen in der Vergangenheit mit viel Arbeit verbunden und stell(t)en situative Belastungsfaktoren dar (I09, I12, I20). Andere Schulleiter/innen erleben zu wenige, zum Teil zu enge Räumlichkeiten, die mit organisatorischen Herausforderungen verbunden sind, als belastend (I14, I15, I19). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass organisatorische und infrastrukturelle Bedingungen der Schule einen wesentlichen Einfluss auf die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Schulleitungen am Arbeitsplatz Schule darstellen. Dabei können einzelne Faktoren für die befragten Schuldirektor/innen sowohl eine Belastung (z.B. Einklassigkeit, mangelnde Räumlichkeiten) als auch eine Ressource (z.B. Schule im Dorf, Ausstattung des Schulgebäudes) sein. Sozialklima Neben organisatorischen und infrastrukturellen Gegebenheiten spielt auch das Sozialklima eine zentrale Rolle im Kontext des Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserlebens der befragten Direktor/innen. Das Sozialklima an der Schule wurde mit den befragten Volksschuldirektor/innen aufgrund der Forschungsfragen der Arbeit (s. Kapitel 1.2) umfassend thematisiert. Nachfolgend werden Aussagen der Befragten zum generellen Sozialklima innerhalb des Kollegiums und der Schulgemeinschaft zueinander in Beziehung gesetzt. Konkrete Wirkweisen des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule und einzelner Beziehungen zu unterschiedlichen Personen(gruppen) auf das Wohlbefinden und das Beanspruchungserleben der Schuldirektor/innen selbst werden bei der Darstellung der Ergebnisse zur Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes in späteren Abschnitten gesondert betrachtet.

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5 Empirische Erhebung

Zunächst wurde mithilfe des Kurzfragebogens die soziale Unterstützung bzw. Verbundenheit zwischen den einzelnen Lehrkräften und der Schulleitung durch Einsatz der „Basic Psychological Needs Scale“ (BPNS) ermittelt. Diese Skala wurde auch im Rahmen der Österreichischen Lehrergesundheitsbefragung 2010 (vgl. Hofmann et al., 2012) verwendet. Im Durchschnitt bewerten die befragten Schuldirektor/innen auf einer Skala von 1 (= sehr schlecht) bis 4 (= sehr gut) die soziale Unterstützung bzw. Verbundenheit im Kollegium mit 3,7. Konkret nehmen die soziale Unterstützung und Verbundenheit im Kollegium 80,0% überwiegend (4); 15,0% teilweise (3) und 5,0% eher nicht positiv (2) wahr. Im Vergleich dazu gaben 52,3% der befragten Lehrkräfte im Rahmen der Österreichischen Lehrergesundheitsbefragung 2010 an, die soziale Unterstützung und Verbundenheit unter den Lehrkräften überwiegend (4); 29,7% teilweise (3) und 18,0% eher oder überhaupt nicht positiv (1 und 2) zu erleben. Qualitative Aussagen lieferten zusätzlich Erkenntnisse zum Empfinden des Sozialklimas innerhalb des Kollegiums, aber auch der gesamten Schulgemeinschaft. Vier Schuldirektor/innen (I04, I05, I07, I15) betonen zunächst generell, dass Sozial- und Konfliktklima, Gerechtigkeit und Fairness sehr wichtige Themenschwerpunkte der Schule sind. Sozialklima im Kollegium Mit Ausnahme eines/einer Befragten geben alle an, dass innerhalb der Kollegenschaft generell ein sehr gutes Klima vorherrscht. Es ist von einem offenen und sehr vertrauensvollen Klima die Rede, das sich durch gegenseitige Unterstützung und Verständnis auszeichnet. Lediglich ein/e Schuldirektor/in an einer einklassigen Schule (I11) kann das Sozialklima innerhalb des Kollegiums nicht wirklich bewerten, da nur wenig Kontakt zwischen den einzelnen Lehrkräften besteht und sich einige innerhalb einer Schulwoche gar nicht über den Weg laufen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der/die Leiter/in einer einklassigen Schule für gewöhnlich der/die einzige Klassenlehrer/in ist und zusätzlich nur Lehrkräfte aus den Fachbereichen Werken und Religion ein- bis zweimal pro Woche an der Schule unterrichten. Drei Schuldirektor/innen berichten, dass das Sozialklima innerhalb des Kollegiums an der Schule vor der eigenen Amtszeit nicht unbedingt gut zu werten war (I02, I05, I18). Besonders Schulleiter/innen kleinerer Schulen sprechen von einem „eingeschworenen Team“, in dem jede/r über sein/ihr Soll hinaus arbeitet, in dem alle an

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

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einem Strang ziehen und man sich jederzeit gegenseitig unterstützt (I03, I05, I06, I07, I10, I12). Eine Schulleitung beschreibt diesen starken Zusammenhalt an einem Beispiel: „Oder auch, wenn irgendwelche speziellen Situationen sind, von einer Kollegin ist jetzt ganz plötzlich die Mutter gestorben, da greifen die anderen auch wirklich ein, wir vertreten und wir schauen, dass sie, wir tragen sie jetzt durch diese schwierige Zeit und da braucht man gar nicht viel sagen, das sind oft Blicke und man versteht sich, gel?“ (I12)

Zwei Schuldirektor/innen (I04, I07) bezeichnen Gespräche über problematische Situationen mit Schüler/innen und Erziehungsberechtigten im Kollegenteam als „Psychohygiene“. So meint etwa eine/r der beiden in Hinblick auf den Umgang mit Schüler/innen: „[…], weil wir mittags sitzen und wirklich den Vormittag reflektieren und darüber sprechen, was hat der eine beobachtet, der andere nicht. Also insofern haben wir unsere Psychohygiene gleich im Anschluss und, und das ist halt optimal und so wünschenswert.“ (I07)

Ein/e Schulleiter/in (I04) betont in diesem Zusammenhang auch die besonders positive Wirkung des gemeinsamen Lachens im Team. Gerade in diesen kleinen Schulen wird das „Auskommen im Lehrerteam“ als Notwendigkeit für das Erbringen einer adäquaten Arbeitsleistung gesehen. So ist es in einem kleineren Team aus Sicht einiger Befragten schwieriger, bestimmten Konflikten aus dem Weg zu gehen (I03, I04, I06, I08, I09). Allerdings wird auch an größeren Schulen das Sozialklima innerhalb der Lehrerschaft als harmonisch, lustig und offen bezeichnet. Es ist von einem „großen Team“, das gut zusammenhält und in dem sich jede/r gegenseitig unterstützt, die Rede (I13, I15, I17, I19, I20). Einige Schuldirektor/innen (I01, I02, I03, I04, I08, I18, I19, I20) ergänzen trotz genereller positiver Bewertung des Sozialklimas im Kollegium, dass es einzelne Lehrkräfte gibt, mit denen die Zusammenarbeit etwas schwieriger ist. So werden etwa häufig einzelne Personen als „Querleger“ gegen den Rest des Kollegiums gesehen. Eine Schulleitung erzählt über eine Lehrerin an der Schule: „[…] also sie ist z.B. die Einzige, wenn wir Stunden tauschen müssen oder stundenplanmäßig, wo jeder schon sagt, sie frage ich nicht, weil sie tauscht nicht. Also sie ist sehr unflexibel, aber manches Mal macht sie es eh, aber es ist selten. Schwierig, ja. Eher Einzelkämpfer und nicht, kein, nicht teamfähig. Manche Leute sind eben schwer teamfähig dann.“ (I20)

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5 Empirische Erhebung

Als Ursache für einzelne „Unruhestifter/innen“ werden die Persönlichkeit dieser Personen und deren mangelnde Sozialkompetenzen gesehen. Vor allem in größeren Schulen kommt es innerhalb der Lehrerschaft immer wieder zu Grüppchenbildungen. Während zwei Schuldirektor/innen keine negativen Auswirkungen derartiger Gruppierungen sehen (I13, I18), werden sie von drei anderen (I02, I04, I19) als herausfordernd im Sinne der Entstehung von zum Teil unterschwelligen Konflikten erlebt. Derartige Konflikte belasten laut Angaben der Befragten selbst nicht, allerdings regen sie zum Nachdenken an und erfordern eine Aktion des/der Schulleiters/in. Die folgende Aussage eines/einer Volksschuldirektors/in soll diesen Themenaspekt verdeutlichen: „Und da gibt es also schon so eine Kleingruppe von zwei Personen, die manches Mal so generell gegen das gesamte Kollegium sich stellen. Aber jetzt nicht mir persönlich, also ich hätte nicht so, aber man hat halt so das Gefühl, wenn Dinge ausgemacht werden, wo jetzt 90% dafür sind, dann die zwei halt nicht. Dann hat man schon, das merkt man schon, naja, da würden sie jetzt gerne dagegen sein […] das belastet mich nicht. Das sage ich ihnen dann beim nächsten Teamgespräch. Wenn ich merke, dass es wieder intensiver ist, dann gebe ich ihnen schon zu bedenken, dass wir gemeinsam die Schule vertreten und nicht irgendwelche privaten Geschichten da eine Rolle spielen und dann geht es eh wieder. Dann ist es wieder ein bisschen besser.“ (I02)

Viele Volksschuldirektor/innen, die über hin und wieder auftretende Konflikte im Kollegium berichten, ergänzen allerdings, dass diese stets offen und konstruktiv in Form von Teamgesprächen gelöst werden (I02, I04, I13, I20). So berichtet z.B. eine Schulleitung über den Umgang mit einer aktuell schwierigeren sozialen Situation im Kollegium: „Auch wenn ich da jetzt vorher besprochen habe, dass es da momentan einen Konflikt gibt, man kann jeden Konflikt ansprechen, ohne dass man befürchten muss, dass das längere negative Konsequenzen hätte. Es herrscht ein sehr offenes Klima und ein sehr vertrauensvolles.“ (I04)

In allen Schulen finden zur Stärkung des Sozialklimas gemeinsame soziale Aktivitäten der Schulleitung mit den übrigen Lehrkräften statt. Dazu zählen zumeist gemeinsame Feiern und das gemeinsame Essengehen. Zwei Schuldirektor/innen berichten, dass sie sich innerhalb des Kollegiums gegenseitig zu privaten Feierlichkeiten einladen (I06, I14), eine andere unternimmt mit ihren Kolleg/innen gemeinsam Ausflüge (I19), wieder eine andere fährt mit diesen sogar in den Urlaub (I15).

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

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Vergleicht man die Aussagen der befragten Volksschulleiter/innen zum Sozialklima innerhalb des Kollegiums mit der Bewertung der sozialen Unterstützung und Verbundenheit zwischen Lehrkräften und Schulleitung im Kurzfragebogen, so fügen sich diese grundsätzlich ineinander. Verschiedene Aspekte des Sozialklimas im Kollegium werden dabei von nahezu allen Befragten generell als sehr positiv bewertet. Sozialklima in der Schulgemeinschaft Betrachtet man das Sozialklima auf einer übergeordneteren Ebene, nämlich jener der gesamten Schulgemeinschaft, die zusätzlich zur Schulleitung und den Lehrkräften vor allem aus Schüler/innen und den Erziehungsberechtigten dieser besteht, so zeigt sich auch hier durchwegs eine positive Bewertung. Konflikte treten laut Angaben der meisten Befragten innerhalb der Schulgemeinschaft allerdings immer wieder auf. So gibt z.B. ein/e Schulleiter/in (I17), der/die eine große Schule führt, an, dass (kleine) Konflikte ständig bestehen und immer etwas „auszubügeln“ ist. Konflikte innerhalb der Schulgemeinschaft spielen sich aus Sicht der Befragten besonders häufig auf der Ebene einzelner Schüler/innen und deren Erziehungsberechtigten, aber auch auf der Ebene Lehrkraft-Erziehungsberechtigte ab. Sechs Schulleiter/innen (I04, I08, I13, I14, I15, I18) betonen, dass Mobbingfälle als besonders intensive Form sozialer Konflikte (s. Kapitel 3.2.1.2) innerhalb der Schülerschaft zwar nur selten auftreten, Mobbing allerdings bereits auch an Volksschulen Thema ist. Gründe werden vor allem im Konsum von Medien sowie bei kleinen Schulen auch in der schwierigen Lage von in den Ort neu zugezogenen Familien gesehen, die einerseits andere Ansprüche an die Schule haben, andererseits von „heimischen“ Familien ausgegrenzt werden. Eine Schulleitung einer großen Schule weist auf die besondere Rolle von Erziehungsberechtigten in Mobbingsituationen hin: „Wir sind eine sehr große Schulgemeinschaft und natürlich kommt es immer vor, wie ich schon angesprochen habe, speziell auf dem Gebiet schwieriger Kinder, die jetzt gar nicht so vom Lernen Schwierigkeiten haben, sondern vom Verhalten her Schwierigkeiten haben und wo die Eltern anderer Kinder, die halt, […] diese Glassturzeltern, die am liebsten ihre eigenen Kinder in Watte packen oder einen Glassturz über das Kind geben, es dann auch zu Mobbingsituationen schon gekommen ist gegenüber anderen Kindern, ja?“ (I14)

Konflikte und Mobbingsituationen, die laut Auskunft dreier Schulleiter/innen unter anderem auf einzelne Persönlichkeiten und deren mangelnde Sozial-

332

5 Empirische Erhebung

kompetenzen zurückzuführen sind (I18, I19, I20), werden aus Sicht der meisten Befragten aber ähnlich wie jene auf Ebene der Lehrkräfte offen angesprochen und gemeinsam gelöst (I03, I04, I05, I07, I10, I13, I16, I20). So berichtet z.B. ein/e Schuldirektor/in über den Umgang mit Konflikten innerhalb der Schülerschaft: „Aber so jetzt von der Grundstimmung in der Schule schauen wir halt schon, dass wirklich, wenn irgendetwas vorgefallen ist, dass wir da drüber reden oder eben schauen, nicht, also wir haben auch sehr lange schon als unverbindliche Übung Soziales Lernen jetzt gehabt, dass wir nicht nur den Bereich vom Lehrplan abdecken, sondern eben auch mit, mit dem Prinzip des eigenständig Lernens, was es da gibt. In die Richtung, also wirklich auch in die Tiefe, jetzt nicht nur, wir vertragen uns, weil wir uns alle vertragen müssen, sondern wir haben da auch wirklich versucht auch da mit den Kindern dieses Ich stärken, dann, wer ist in meinem Umfeld in der Klasse. […] Haben wir uns auch selber, ja, nicht nur jetzt selbst geschult, sondern auch Kurse besucht.“ (I07)

In allen Schulen finden auch gemeinsam mit den Schulkindern und deren Erziehungsberechtigten soziale Aktivitäten statt. Dazu zählen neben formalen Treffen bei Elternsprechtagen oder Schulforen vor allem diverse Veranstaltungen und Feste. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die befragten Schulleiter/innen das Sozialklima an der Schule überwiegend sehr gut bewerten. Dies betrifft insbesondere das Sozialklima im Kollegium. Zwar berichten einige über einzelne Lehrkräfte, mit denen die Zusammenarbeit im Team nicht sehr einfach ist, allerdings überwiegt die positive Grundstimmung im Team, wobei diese durch gemeinsame soziale Aktivitäten gefördert wird. Auf Ebene der Schulgemeinschaft zeigt sich, dass die meisten Schuldirektor/innen immer wieder Konflikte erleben, deren Ausmaß vom Schuljahr und den Eltern- bzw. Schülerjahrgängen, aber auch der jeweiligen Klasse abhängt. Kategorie III – Makroebene Gesellschaft und Schulsystem Diese Kategorie bezieht sich auf Aussagen der Interviewpartner/innen, die sich unter Heranziehen des theoretischen Rasters (s. Kapitel 5.2.1) der Makroebene (Ebene der Gesellschaft und des Schulsystems) zuordnen lassen. Die folgende Tabelle gibt zunächst einen Einblick in die von den Befragten thematisierten Aspekte auf der Makroebene, die gleichsam die Subkategorien dieser abbilden. Im folgenden Abschnitt werden Aussagen der Befragten zu Rahmenbedingungen, Strukturen und Entwicklungen auf gesellschaftlicher und Schulsystemebene

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

333

zusammengefasst, die als belastend oder aber ressourcenstärkend im täglichen Arbeitsalltag erlebt werden. Dieses Thema wurde von der Interviewerin zwar nicht direkt angesprochen, allerdings von einigen Schulleiter/innen aufgegriffen, was auf die Relevanz dessen in Hinblick auf das Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben schließen lässt. Konkrete Angaben zu den sozialen Beziehungen der Schulleitungen zu diversen Akteur/innen auf dieser Ebene – z.B. der Schulaufsicht – finden sich bei der Beschreibung der Ergebnisse zur Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes in späteren Abschnitten. Tabelle 20: Subkategorien der Kategorie III – Makroebene Gesellschaft und Schulsystem, Quelle: Eigene Erstellung

Subkategorie Ebene der Gesellschaft

Ebene des Schulsystems

Beschreibung Diese Subkategorie fasst Aussagen zusammen, die sich auf das individuell wahrgenommene berufliche Ansehen des Schulleiter- und Lehrerberufs in der Gesellschaft, allgemeine für die Schule gesellschaftlich relevante Entwicklungen, v.a. in Hinblick auf Erziehung und kindliche Entwicklung, sowie die Integration der Schule in das Gemeindeleben beziehen. Diese Subkategorie beinhaltet Aussagen der interviewten Volksschuldirektor/innen zu wahrgenommenen Rollenerwartungen an die Schulleitung auf Schulsystemebene, zur Bewertung von Vorgaben und Entwicklungen sowie zur Einschätzung des von außen vorgegebenen Arbeitspensums.

Ebene der Gesellschaft Zunächst spielt auf gesellschaftlicher Ebene das Ansehen des Schulleiter- und Lehrerberufs eine Rolle für das eigene Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben. Zwei Schuldirektor/innen (I02, I05) berichten explizit darüber, dass das Image des Schulleiter- und Lehrerberufs in der Gesellschaft – den Medien, der Bevölkerung und im Bekanntenkreis der Schulleitungen – als negativ erlebt wird und dieses auf sie selbst belastend einwirkt. Sie drücken ihren Unmut diesbezüglich folgendermaßen aus:

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5 Empirische Erhebung „Generell würde ich mir einfach wünschen, dass der Stellenwert des Lehrers ein anderer wird in der Öffentlichkeit, in der Gesellschaft. Dass wir als Lehrer nicht immer die Buh-Männer, Buh-Frauen sind, wie auch immer, sondern dass unsere Arbeit auch einmal geschätzt wird. […] und nicht so viel kritisiert wird, und sicher, manches auch zurecht. Aber generell glaube ich, ist es schon, dass, der negative Stand der Lehrer ist nicht gerechtfertigt.“ (I02) „[…] es trifft mich irgendwie immer noch, das muss ich jetzt sagen. […] und wenn es dann so einen blöden Lehrer gibt, das muss ich auch sagen, das macht mich wahnsinnig. Weil in jeder Berufsgruppe gibt es, wie soll ich sagen, Positive und Negative oder Gute und Schlechte, aber bei uns wird das viel mehr dann und das tut mir weh. Das wird dann so angeprangert.“ (I05)

Ein weiterer Aspekt auf gesellschaftlicher Ebene betrifft die kindliche Entwicklung und Erziehung. Diese wird von zwei Schuldirektor/innen (I11, I14) als besorgniserregend bezeichnet. So meint z.B. ein/e Leiter/in einer kleinen Schule: „[…] nicht nur Schulschrift. Die ganze Motorik. Das Schneiden. Das Kleben, das Ausmalen. Es ist vielleicht stupid, aber zuhause machen das die Eltern nicht mehr mit ihren Kindern.“ (I11)

Drei Schuldirektor/innen (I02, I06, I07) berichten im Kontext von Rahmenbedingungen auf gesellschaftlicher Ebene auch über die Integration der Schule in die Gemeinde, in der diese steht. Ebene des Schulsystems Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Entwicklungen, die nur von einigen befragten Schulleiter/innen thematisiert werden, sind nicht losgelöst von jenen auf Schulsystemebene zu sehen und stehen mit diesen in Beziehung (s. Kapitel 2). Acht Schulleiter/innen (I02, I04, I05, I08, I09, I14, I15, I18) bemängeln unabhängig von aktuellen Reformen zunächst allgemeine Strukturen auf Ebene des Schulsystems bzw. Rahmenbedingungen des Schulleiterberufs. Dazu zählen etwa mangelnde Arbeitszeit- und Vertretungsregelungen für Schulleitungen. Darüber hinaus fehlt es an bestimmten Ressourcen, vor allem zur Begegnung der im vorangegangenen Abschnitt geschilderten gesellschaftlichen Trends im Bereich der kindlichen Entwicklung und Erziehung. Dies betrifft insbesondere einen Mangel an Personalressourcen in den Bereichen Eingliederungshilfe, Psychologie und Sozialarbeit. So berichten z.B. drei Schulleiter/innen an größeren Schulen:

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

335

„Zum Beispiel habe ich jetzt, Ihnen wird das was sagen, Kinder mit ADHS [Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung], das ist so eine Gruppe, die immer mehr wird und wo sich das erste Schwierigkeitsbild am meisten dann in der Schule zeigt, wir aber überhaupt keine Möglichkeiten an Ressource oder an spezieller Förderung dieser haben.“ (I14) „Es fehlt z.B. an Sozialarbeitern an der Schule oder auch an psychologischen Fachkräften. […] Und es fehlt auch an psychischer Betreuung von Kolleginnen, also Supervision, wie es in Sozialberufen üblich sein sollte.“ (I15) „Herausfordernd sind natürlich auch Situationen, wo Kinder besondere Bedürfnisse haben, die ich jetzt aufgrund der Ressourcen, die mir zur Verfügung stehen, nicht decken kann und das ist halt schmerzhaft.“ (I18)

Neben den notwendigen Personalressourcen zur Lösung von Problemen auf der Ebene einzelner Schüler/innen, wird von einigen Schulleitungen – wie die zweite Aussage zeigt – auch ein kostenloses Supervisionsangebot für Lehrkräfte und Schulleitungen zum Umgang mit diesen Anforderungen gefordert. In Hinblick auf jüngste Entwicklungen führt etwa die Hälfte der Schuldirektor/innen (I02, I05, I06, I09, I10, I11, I14, I15, I18) zunächst an, dass die zunehmende Vielfalt an Aufgaben, Projekten und Vorgaben belastend wirkt. Die folgenden Aussagen dreier Interviewpartner/innen sollen dieses Empfinden zum Ausdruck bringen: „Also was sicher eine große Belastung für uns alle ist, ist diese Flut von Projekten, die wir vor Ort, nicht, teilweise bekommen oder zumindest die uns, ja, die wir machen sollten. Wo die Kollegen sagen, und auch zurecht: Bitte lasst uns unterrichten. Lasst uns unterrichten und nicht schon wieder dort mitmachen und da mitmachen und der Wettbewerb und das und das. Also diese Flut von Verordnungen unter Anführungszeichen, die ist, die ist belastend.“ (I02) „[…], weil das einfach so gehäuft ist, wenn ich vergleiche vor 15 Jahren war das bei weitem nicht so. Da hat es schon Neuerungen gegeben, nur gab es ein, zwei Dinge, und die haben wir dann einfach langsam eingeführt. Das war alles überschaubar. Und jetzt ist es oft so, dass jedes Jahr etwas Neues kommt oder mehrere Dinge im Laufe des Jahres, die aber sehr arbeitsintensiv sind, wo man sehr viel Zeit investieren muss.“ (I06) „Also das ist fast ein Wahnsinn, was da jetzt alles an uns herangekommen ist. Gestern erst, Pensenbuch und das KDL [kommentierte, direkte Leistungsvorlage] und das Ganze vorbereitet, also, das ist schon ganz, ganz viel Neues. […] Dann haben wir Computereinsatz soll da sein, es sollen Projekte durchgeführt werden und das alles

336

5 Empirische Erhebung integrativ, ja? […] Und wir müssen Sexualerziehung machen, Verkehrserziehung machen, wir müssen ja, eigentlich alles, ja. Es soll religiöse Erziehung dabei sein und dergleichen und das ist einfach viel zu viel. […] Also so ein Multi sind wir nicht, so ein Tausendsassa.“ (I10)

Von diesem Teil der Schuldirektor/innen wird ein ständig wachsender Erwartungsdruck „von oben“ erlebt. Häufig werden die Sinnhaftigkeit und Praxistauglichkeit bestimmter Neuregelungen hinterfragt. Zur Bewältigung neuer Aufgaben steht den Angaben zahlreicher Schulleiter/innen zufolge (I06, I09, I10, I12, I14, I15, I18, I19, I20) zu wenig Personal zur Verfügung. Zum Teil kommt bzw. kam es in den vergangenen Jahren sogar zu radikalen Kürzungen von Personalressourcen, die gerade vor diesem Hintergrund zunehmender Anforderungen und Aufgaben für einzelne Schulleitungen nicht nachvollziehbar sind. Die Diskrepanz zwischen der Erwartungshaltung „von oben“ und den eigenen Umsetzungsmöglichkeiten drücken zwei Schulleiter/innen folgendermaßen aus: „Für das, was zurzeit von uns verlangt wird, sind die Ressourcen überhaupt nicht da.“ (I10) „Da ist manchmal eine Diskrepanz so zwischen den Möglichkeiten, die wir haben, und den Erwartungen, die da sind. […] Naja, es bedeutet, dass die Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit noch mehr verstärkt wird, aber die Substanz dahinter nicht in dem Maß verstärkt wird bzw. oft sogar noch reduziert wird.“ (I15)

Vier Schuldirektor/innen (I06, I07, I10, I11) berichten darüber, dass es besonders in kleinen Schulen schwierig ist, bestimmte Vorgaben und Neuerungen umzusetzen. So besteht wenig Zeit für Schul- und Qualitätsentwicklung. Leiter/innen von einklassigen Schulen, die von Schuljahr zu Schuljahr auf eine Mehrklassigkeit hoffen, wünschen sich, dass auf Landes- und Bundesebene stärkere Unterstützung für einklassige Schulen geleistet wird. So meinen z.B. zwei Schuldirektor/innen: „Alle Gesetze werden für riesige Schulen […] erstellt, erlassen und dort gibt es natürlich, die haben andere Ressourcen als wir. Ja. Und das einfach ein bisschen berücksichtigen.“ (I10) „Und woher kommen die Ressourcen? Na ich in einer Kleinschule. Ich kann ja nicht jeden auf einen Computer setzen.“ (I11)

Während der Großteil der Schuldirektor/innen also mit bestimmten Neuerungen zu kämpfen hat und Unmut diesbezüglich zeigt, sind vier Schulleiter/innen (I08, I12, I17, I20) der Ansicht, dass Vorgaben, die von übergeordneter Ebene kommen,

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

337

schlichtweg angenommen werden müssen, da man sich in einem hierarchischen System befindet. So meint z.B. die Leitung einer großen Schule: „Ja, die haben ja, da hat sich wer etwas überlegt, nicht? Hoffe ich. Muss ich dann manches Mal auch nachlesen, damit ich es auch verstehe, was damit gemeint ist. Und das muss man halt dann auch an die Kollegen bringen, nicht?“ (I17)

Einige Schuldirektor/innen geben sogar an, dass ihnen aktuelle Entwicklungen auf Schulsystemebene, vor allem was das Thema der Schulentwicklung betrifft, in der täglichen Arbeit sehr entgegen kommen. Dabei handelt es sich vor allem um solche Schuldirektor/innen, denen dieses Thema sehr am Herzen liegt (I01, I04, I19). Dies verdeutlicht folgende Aussage eines/einer Interviewpartners/in: „Also diese ganze vorgeschriebene Schiene in Richtung Schulentwicklung finde ich gut. Ich finde, dass dieses Instrumentarium oder diese, das ist mir total zugutegekommen durch meine Übernahme in der Schulleitung. Ich habe dadurch eigentlich immer sagen können, schaut, das kommt alles von dort, ja? Also dahingehend war das schon eine Unterstützung.“ (I19)

(Bildungs-)netzwerke, Weiterbildungen und Einschulungen in bestimmte schulrelevante Systeme, die auf Schulsystemebene angeboten werden, werden darüber hinaus von einigen Schuldirektor/innen (I04, I10, I11, I12, I13, I18, I19) als wichtige Ressource bei der Bewältigung täglicher Aufgaben gesehen. So meint z.B. ein/e Volksschuldirektor/in Folgendes: „Wir haben aber ganz tolle Workshops, […] wo es darum geht, Schulanfangsarbeiten, Planungstool auslösen, im Oktober diese Arbeiten und entweder kann ich es eh und habe es erledigt und ich gehe dort hin, weil das fängt dann um halb drei und open end, wer fertig ist, kann gehen. […] Also keine verpflichtende Veranstaltung, aber ich weiß, ich muss diese administrativen Tätigkeiten machen und dann ist es gut, wenn ich hingehe und im Kollegium ist es natürlich dann leichter, hörst du, ich habe das so gemacht oder so gemacht, nicht?“ (I11)

Drei Schuldirektor/innen (I05, I11, I18) blicken ängstlich in die Zukunft und sprechen vor allem über die geplante Entwicklung von Clusterschulen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Großteil der befragten Schuldirektor/innen der Ansicht ist, dass mit ständigen Entwicklungen auf gesellschaftlicher und Schulsystemebene ein höheres Arbeitspensum für sie selbst einhergeht. Diese steigende Arbeitsmenge wird von einigen aufgrund mangelnder Personal- und Zeitressourcen als unbewältigbar empfunden. Ressourcen, die von manchen Schulleiter/innen auf dieser Ebene allerdings erlebt werden, sind Fortbildungs-

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5 Empirische Erhebung

und Schulungsangebote auf Schulsystemebene. Einige Schuldirektor/innen kritisieren ständig neue Aufgaben nicht, sondern versuchen, diese zu akzeptieren. Jenen Schuldirektor/innen, für die Schul- und Qualitätsentwicklung sehr wichtig ist, kommen diesbezügliche Entwicklungen auf Schulsystemebene entgegen. Kategorie IV – Beanspruchungen In den bisher dargestellten Kategorien, vor allem in den Kategorien I und III, konnten bereits einige Aspekte des Beanspruchungserlebens von Schulleitungen, v.a. im Kontext der Überforderung, aber auch der Arbeitszufriedenheit, identifiziert werden. Die verschiedenen Facetten der Beanspruchung sollen nun deutlicher herausgearbeitet werden. Diese Kategorie beinhaltet Aussagen der Interviewpartner/innen und Angaben im Kurzfragebogen, die sich auf das individuelle Beanspruchungserleben der Schuldirektor/innen beziehen. Die folgende Tabelle gibt einen Einblick in die im Interview thematisierten Beanspruchungsfolgen, die gleichsam die Subkategorien der Kategorie „Beanspruchungen“ abbilden. Tabelle 21: Subkategorien der Kategorie IV – Beanspruchungen, Quelle: Eigene Erstellung

Subkategorie Lang- und mittelfristige positive Beanspruchungsfolgen Kurzfristige negative Beanspruchungsfolgen Langfristige negative Beanspruchungsfolgen

Beschreibung Diese Subkategorie fasst Aussagen zu lang- bzw. mittelfristigen positiven Beanspruchungen der Volksschuldirektor/innen zusammen. Dazu zählen v.a. Aussagen zur Arbeitszufriedenheit und zum Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule. Diese Subkategorie beinhaltet Aussagen der interviewten Volksschuldirektor/innen zu wahrgenommenen kurzfristigen negativen Beanspruchungen auf physischer und psychischer Ebene. Diese Subkategorie bezieht sich auf Aussagen der Befragten zum Erleben langfristiger negativer Beanspruchungen wie Burnout.

Kurzfristige positive Beanspruchungsfolgen wurden von Schuldirektor/innen nur vereinzelt angesprochen, wobei zumeist von bestimmten Glücksgefühlen in einzelnen Situationen und Erfahrungen (v.a. mit Schüler/innen) die Rede war. Diese vereinzelten Aussagen reichten für das Bilden einer eigenen Subkategorie jedoch nicht aus.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

339

Generell ist bei den dargestellten Beanspruchungsformen zu berücksichtigen, dass viele davon zum Teil miteinander in Zusammenhang stehen. Lang- und mittelfristige positive Beanspruchungsfolgen Mithilfe des Kurzfragebogens wurde zunächst der zum Zeitpunkt des Interviews subjektive Gesundheitszustand der Volksschuldirektor/innen ermittelt. Die subjektive Gesundheit stellt Studien zufolge einen guten Indikator für medizinisch bzw. psychiatrisch diagnostizierte Morbidität und das Auftreten von Mortalitäten dar. Konkret wurde bei der Erfassung, ebenso wie bei der Österreichischen Lehrergesundheitsbefragung 2010 (vgl. Hofmann et al., 2012), auf das „excellent, very good, good, fair, poor“-Item (EVGFP) zurückgegriffen. Mithilfe einer Variable wurde dabei ermittelt, ob die Befragten ihren derzeitigen allgemeinen Gesundheitszustand als ausgezeichnet („excellent“), sehr gut („very good“), gut („good“), weniger gut („fair“) oder schlecht („poor“) beschreiben würden. Generell ist bei der Ermittlung des subjektiven Gesundheitszustandes zu berücksichtigen, dass dieser eine Momentaufnahme abbildet und auf die Bewertung dessen viele, zum Teil stark situationsbedingte Einflussfaktoren wirken. Daneben ist zu beachten, dass mit diesem Item verschiedene Facetten individuell wahrgenommener Gesundheit (körperlich, psychisch, sozial) gleichzeitig erfasst werden. Von den 20 befragten Schulleiter/innen bewerten    

zwei ihren Gesundheitszustand als ausgezeichnet (10%), acht als sehr gut (40%), neun als gut (45%) und eine/r als weniger gut (5%).

Obwohl es im Zuge der Erhebung um keine quantitative Auswertung der Ergebnisse geht, wurden zwecks Vergleichbarkeit mit den Daten der Österreichischen Lehrergesundheitsbefragung 2010 Prozentwerte errechnet. In der Vergleichsstudie gaben 11,2% der befragten Lehrkräfte an, einen ausgezeichneten; 40,2% einen sehr guten; 39,4% einen guten; 8,6% einen weniger guten und 0,6% einen schlechten subjektiven Gesundheitszustand zu haben. In den Interviews werden von einigen Schuldirektor/innen bestimmte Aspekte der subjektiven Gesundheit, des Wohlbefindens und der Arbeitszufriedenheit als langfristige positive Beanspruchungsformen weiter thematisiert. So gibt die Hälfte der Schulleiter/innen (I04, I08, I09, I12, I13, I14, I16, I18, I19, I20) von sich aus an, dass es ihnen aktuell sehr gut am Arbeitsplatz geht und dass sie sich an der Schule

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5 Empirische Erhebung

sehr wohl fühlen. Vor allem das eigene psychische bzw. soziale Wohlbefinden bewerten diese Schulleitungen als hoch. So meinen z.B. zwei Schulleiter/innen: „Ich mache meine Arbeit gerne. […] Im Großen und Ganzen fühle ich mich gut. Also ich kann jetzt nicht sagen, dass das jetzt ein belastender Job für mich ist.“ (I13) „Ich muss sagen, ich fühle mich sehr wohl hier in der Volksschule. Vor allem auch deshalb, weil ich Unterstützung von allen Seiten bekomme.“ (I16)

Drei Schuldirektor/innen (I04, I08, I14) bringen ihre Freude an der Arbeit besonders stark zum Ausdruck. So berichten sie darüber, absolut den richtigen Job gewählt zu haben und sich für sich selbst keinen passenderen Beruf vorstellen zu können. Kurzfristige negative Beanspruchungsfolgen Im Gegensatz zu positiven Beanspruchungsformen werden negative viel häufiger von den Interviewpartner/innen thematisiert und ausgeführt. Diese Tatsache könnte mit der negativen Assoziation des Begriffs „Beanspruchung“ zusammenhängen. Zwar werden vorwiegend langfristige Beanspruchungen angesprochen, allerdings berichten einige Schulleiter/innen auch über kurzfristige negative Beanspruchungsfolgen. Sieben Schulleiter/innen (I05, I10, I12, I14, I15, I18, I19) geben an, manchmal kurzfristige psychische bzw. physische Beanspruchungen zu erleben. Drei davon (I14, I18, I19) berichten etwa, dass sie hin und wieder Gefühle der Überforderung erleben und punktuell an ihre Grenzen stoßen. Zwei weitere (I05, I12) erzählen über situationsbedingt auftretenden hohen Blutdruck bzw. Puls nach „aufregenden“ Schultagen. Ebenfalls zwei Schulleiter/innen (I12, I20) sprechen darüber hinaus über kleine „Wehwechen“, die sie auf hin und wieder auftretende Stresssituationen und Probleme mit Schüler/innen und Erziehungsberechtigten zurückführen. Die beiden folgenden Aussagen sollen das Empfinden kurzfristiger negativer Beanspruchungen zum Ausdruck bringen: „Naja, wenn es stressige Situationen sind, kann ich mich, habe ich weniger Zeit, meinem Bewegungsdrang nachzukommen, habe halt weniger Zeit, in die Natur zu gehen oder Spazieren, Walken zu gehen, Laufen zu gehen, Radfahren zu gehen. Und das merkt man dann schon, also wenn das immer weniger ist, dann reduziert es sich, man merkt dann schon, man hat ein bisschen einen erhöhten Puls oder man kriegt ein bisschen einen Tinnitus und so. Also so kleine Wehwechen kommen schon, also das will ich absolut nicht leugnen, dass sich das nicht bemerkbar macht.“ (I12)

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

341

„Ja, da habe ich schon so ein bisschen so einen Stein im Magen, also ich habe, wenn ich irgendein Problem habe, meistens einen Stein im Magen.“ (I20)

Langfristige negative Beanspruchungsfolgen Mithilfe des Kurzfragebogens wurden zunächst zwei Facetten des langfristigen negativen Beanspruchungserlebens der befragten Schuldirektor/innen erfasst, nämlich  

die Burnout-Gefährdung und das generelle Erleben des Stresslevels eines/einer Schulleiters/in.

Erstgenannter Aspekt wurde in Anlehnung an das Vorgehen der Österreichischen Lehrergesundheitsbefragung 2010 (vgl. Hofmann et al., 2012, S. 34) lediglich mithilfe der Kerndimension „Emotionale Erschöpfung“ des „Maslach Burnout Inventory“ (MBI) erhoben, die aus neun Items besteht. Dabei wurde auf Basis der Bewertung dieser Items durch die Schulleitungen ein Index ermittelt. Dieser kann Werte zwischen 0,00 und 6,00 einnehmen, wobei gilt, dass   

Werte zwischen 0,00 und 1,80 für ein niedriges, Werte zwischen 1,81 und 2,80 für ein mittleres und Werte zwischen 2,81 und 6,00 für ein hohes Burnout-Niveau

stehen. Limitierend für die Aussagekraft ist an dieser Stelle festzuhalten, dass auch bei diesen Items einzelne Schuldirektor/innen im Zuge des Ausfüllens des Kurzfragebogens darauf hinweisen, aktuell entweder eine besonders gute oder schlechte Verfassung zu haben und das Empfinden von Faktoren, die abgefragt werden, situationsbedingt ist bzw. von Schuljahr zu Schuljahr variieren kann. Zwölf der befragten Schuldirektor/innen (60%) können unter Heranziehen der oben angeführten Skala als nicht burnoutgefährdet bezeichnet werden. Dabei schwanken die Werte dieser Schulleitergruppe zwischen 0,10 und 1,60. Fünf Schuldirektor/innen (25%) weisen ein mittleres Burnout-Niveau (Werte zwischen 1,90 und 2,40) auf, drei (15%) können als hoch burnoutgefährdet bezeichnet werden (Werte zwischen 2,90 und 3,80). Vergleichsweise liegt die Burnout-Gefährdung bei den befragten Lehrkräften im Rahmen der Österreichischen Lehrergesundheitsbefragung 2010 etwas höher (51,1% niedrig; 24,3% mittel; 24,6% hoch).

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5 Empirische Erhebung

Das generelle Erleben des Stresslevels eines/einer Schulleiters/in wurde mithilfe einer selbstformulierten Frage erhoben: Wie gestaltet sich Ihrer Ansicht nach der Beruf des/der Schulleiters/in? Dabei handelt es sich um eine Single-Choice-Frage, die der/die Befragte mit „extrem stressig“, „sehr stressig“, „mittelmäßig stressig“, „weniger stressig“ und „gar nicht stressig“ beantworten konnte. Während zwölf Schulleiter/innen von einem mittelmäßig stressigen Beruf berichten, empfinden acht den Schulleiterjob als sehr stressig. In den Interviews wurde vertiefter über langfristige negative Beanspruchungsfolgen gesprochen. Vier Schuldirektor/innen (I02, I05, I06, I10) geben dabei an, schon seit längerer Zeit bzw. immer wieder völlig ausgelaugt zu sein, eine „schlechte Verfassung“ zu haben und immer wieder an die eigenen Grenzen zu stoßen. So meint z.B. ein/e Schulleiter/in: „Aber es ist einfach, die letzten Wochen, ich bin, erstens einmal wirklich ausgelaugt, wenn ich nachhause komme, denke: Nein ich schaffe es nicht! […] ich bin so in einer Hülle und das, das Innere wird immer weniger und ich, ich kann nirgends Kraft holen, keine Energie holen. Ich, wenn ich mich auch entspanne am Wochenende, aber ich tanke nicht auf.“ (I02)

Vier Schuldirektor/innen (I02, I05, I10, I15) berichten neben psychischen auch über psychosomatische bzw. physische langfristige negative Beanspruchungsformen, die zumindest zum Teil auf den Beruf zurückgeführt werden. Dazu zählen etwa gesundheitliche Probleme im Magen-Darm-Bereich, Kopfschmerzen sowie Schlafstörungen. Die folgende Aussage eines/einer Schuldirektors/in soll dieses Empfinden exemplarisch skizzieren: „[…] ein paar Wochen vor den Ferien, vor Schulanfang kann ich nicht durchschlafen oder nicht einschlafen, weil einfach dann schon so viel im Kopf ist wieder. Oder wenn irgendetwas Besonderes ist, eben Einschlafstörungen so irgendwo oder ja, mit dem Magen, solche Dinge halt, ja. Kopfweh auch. […] Ich will das alles machen, ich mache es auch, aber es brennt mich aus, es ist zu viel.“ (I05)

Zwei Schuldirektor/innen (I08, I15) berichten über Gewichtsprobleme, die sie als Reaktion auf Stresssituationen an der Schule sehen. Drei Schulleiter/innen (I08, I09, I15), die auch unterrichtend tätig sind, erzählen über „rein“ körperliche negative Beanspruchungen, die sie vor allem auf die kombinierte Arbeit als Lehrer/in in der Klasse und die lang andauernde

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

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sitzende Tätigkeit als Schulleiter/in zurückführen. Dazu zählen vor allem körperliche Beeinträchtigungen des Hals-Nacken-Wirbelsäulenbereiches. So meint z.B. eine Schulleitung: „[…] was ich natürlich merke, aber auch durch das Alter, ich habe momentan wilde Probleme mit der Halswirbelsäule, einen Bandscheibenvorfall und ich muss nächste Woche MR [Magnetresonanz(therapie)] machen, weil ich solche Schmerzen habe, dass das manchmal kaum zum Aushalten ist. […] also das, was da von der Halswirbelsäule kommt, das hat sicher in erster Linie mit dem Beruf zu tun.“ (I08)

Etwa die Hälfte der Schulleiter/innen (I03, I07, I11, I12, I13, I14, I16, I17, I18, I19, I20) gibt an, aktuell keine langfristigen negativen psychischen, psychosomatischen oder physischen Beeinträchtigungen zu haben, die auf den eigenen Job zurückzuführen sind. Einige, auch aktuell nicht oder nur gering beanspruchte Schuldirektor/innen berichten darüber, dass es in der Vergangenheit Phasen gab, in denen bestimmte Beanspruchungen in besonderem Ausmaß auftraten (I03, I07, I09, I10, I12, I15). Vier dieser Schuldirektor/innen sprechen dabei von einer einstigen, subjektiv wahrgenommenen Burnoutgefährdung, die mit Gefühlen wie Frustration und Deprimiertheit verbunden war (I07, I09, I10, I15). Als Gründe hierfür werden unterschiedliche genannt. Dies sollen die folgenden Erzählungen dreier Interviewpartner/innen verdeutlichen: „Es hat eine Zeit gegeben, das habe ich dann auch am Fragebogen ein bisschen gewellt, mit ‚ausgebrannt‘, es hat eine Phase gegeben, wo ich jetzt im Nachhinein, also nachdem ich aufgrund von Ausbildungen und auch mit Selbstreflexionen dann eben auch schon sehr an der Grenze war. Das war, wie ich keinen Zusatzlehrer, keinen Kollegen an der Schule hatte, am Ende. […] also das war dann, wo ich dann gemerkt habe, wenn ich jetzt nicht aufpasse, das war so ein Alarmzeichen.“ (I07) „Vor fünf, sechs Jahren war es so, dass ich fast in ein Burnout geschlittert bin. Da, ja, war es, war das Gefühl vom Gefühl her irgendwie so, dass ich sehr viel investiert habe […] in die sozialen Beziehungen zu Eltern, Kolleginnen und dann die Eltern hier vor Ort die Kinder abgemeldet haben von dieser Schule und wo anders angemeldet. […] Und dann war es so, dass ich, ja, relativ frustriert, deprimiert war und mir gedacht habe, ich habe so viel investiert und du hast das Gefühl, es ist alles umsonst. Und ja. Da habe ich mir dann auch Hilfe geholt, weil ich das Gefühl gehabt habe, ich schaffe es allein nicht mehr, aus diesem Negativsog herauszukommen.“ (I09) „Aber es gab Zeiten, ein Schuljahr, wo wir wirklich ganz schwierige Eltern und Schüler gehabt haben und da war ich schon kurz vorm Burnout, das muss ich schon sagen, ja.“ (I10)

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5 Empirische Erhebung

Generell ist im Kontext des Erlebens langfristiger negativer Beanspruchungsfolgen zu erwähnen, dass Schuldirektor/innen im Schulleiterberuf an sich nicht den einzigen Grund dafür sehen. Auf diesen Aspekt wird am Ende der Beschreibung der Ergebnisse des Fallvergleichs noch näher Bezug genommen. Ein/e Schuldirektor/in (I03) berichtet über eine Resignationsphase in der Vergangenheit. Damals wollte er/sie aus dem Schulleiterberuf aussteigen. Veränderungen, v.a. der Wechsel bestimmter Personen (Erziehungsberechtigte, Schüler/innen), der mit mehr Anerkennung vonseiten dieser Personengruppen für die Schulleitertätigkeit verbunden war, veranlassten schließlich dazu, doch zu bleiben. Eine weitere Schulleitung (I11) denkt aktuell immer wieder über das „Aussteigen“ aus dem derzeitigen Beruf nach, kommt dann allerdings zu dem Schluss, dass nicht ausreichend Rückhalt hierfür besteht (z.B. soziales Netzwerk im Privatbereich) und der Job „noch erträglich ist“. Setzt man Äußerungen zu positiven und negativen Beanspruchungsformen zueinander in Beziehung, so ist auffallend, dass viele Schuldirektor/innen zwar von einer „auslaugenden“, „stressigen“ Arbeit berichten, allerdings meinen, dennoch die Arbeit gerne zu machen (I02, I06, I08, I10, I14, I15). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die befragten Schuldirektor/innen in Hinblick auf das eigene Beanspruchungserleben stark voneinander unterscheiden. Einige berichten über keinerlei negative Beanspruchungen, die sie auf die Arbeit als Schuldirektor/in zurückführen. Stattdessen erleben sie ein umfassendes Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule. Manche verspüren lediglich kurzfristige Beanspruchungen (z.B. Überforderung, hoher Puls), die hin und wieder aufgrund einzelner beruflicher Situationen auftreten. Innerhalb der Befragtengruppe existieren allerdings auch Schulleitungen, die von aktuell oder in der Vergangenheit als hoch wahrgenommenen langfristigen negativen Beanspruchungsformen (z.B. dauerhafte Erschöpfung, psychosomatische Beschwerden wie Schlafstörungen, körperliche Beeinträchtigungen) erzählen, die zumindest zum Teil als arbeitsbedingt empfunden werden. Stellt man einen Vergleich der Aussagen im Interview mit abgefragten Beanspruchungen im Kurzfragebogen (subjektiver Gesundheitszustand, BurnoutIndex) an, so zeigt sich folgendes Bild: Jene Schuldirektor/innen, die ihren subjektiven Gesundheitszustand innerhalb der Kohorte am niedrigsten bewerten (weniger gut oder gut) und gleichzeitig einen relativ hohen Burnout-Index aufweisen, sind tendenziell die, die auch im Interview von langfristigen, von der Arbeit mitverursachten negativen Beanspruchungsfolgen berichten (I02, I05, I06, I10, I15). Gleichzeitig erzählen Schuldirektor/innen, die die eigene Gesundheit als sehr gut bis ausgezeichnet bewerten und gleichzeitig ein niedriges Burnout-Niveau

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

345

haben, über keine oder wenn, dann lediglich kurzfristige arbeitsbedingte negative Beanspruchungsformen im Interview. Ausnahmen bilden vier Interviewpartner/innen (I03, I11, I18, I19). Drei dieser berichten zwar über einen aktuell nur „guten“ Gesundheitszustand, weisen allerdings einen niedrigen Burnout-Index auf und erzählen über keine arbeitsbedingten negativen Beanspruchungen. Diese Divergenz in den Ergebnissen lässt sich mit zwei Punkten erklären: Zum einen war ein Teil dieser Schuldirektor/innen zum Zeitpunkt des Interviews körperlich gesundheitlich leicht angeschlagen, was die eher weniger gute Bewertung der eigenen Gesundheit im Kurzfragebogen erklärt. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der subjektive Gesundheitszustand mehrere Dimensionen (körperlich, psychisch, sozial) der Gesundheit inkludiert, während der Burnout-Index nur die psychische Komponente widerspiegelt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nicht jede Einschränkung der eigenen Gesundheit auf die Arbeit zurückgeführt wird. Bei einer Schulleitung zeigt sich eine andere Diskrepanz in den Ergebnissen: Sie weist gemäß Kurzfragebogen einen sehr guten Gesundheitszustand auf und berichtet über keine bis wenige arbeitsbedingte negative Beanspruchungen, kann allerdings auf Basis der Fragebogenergebnisse als „mittelmäßig burnoutgefährdet“ bezeichnet werden. Ein Grund hierfür könnte jener sein, dass diese Person bewusst versucht, Arbeits- und Privatleben voneinander abzugrenzen und schulische Probleme – auch wenn diese existieren und von der Schulleitung auch wahrgenommen werden – nicht zu sehr an sich „heranzulassen“. Darüber hinaus berichtet diese/r Befragte über ein aktuell recht „schwieriges“ Schuljahr, dessen Auswirkungen sich scheinbar im Burnout-Index, nicht jedoch im subjektiven Gesundheitszustand niederschlagen. Komplementär zu diesem Ergebnis ist die von dem/der Interviewten thematisierte Resignationsphase, in der sich diese/r derzeit befindet. Kategorie V – Wahrnehmung des sozialen Netzwerkes und Bewertung der Gesundheitsrelevanz Diese Kategorie stellt jene dar, die die meisten Kodierungen aufweist. Daneben inkludiert sie quantitative Kennzahlen, die auf Basis des Einsatzes der egozentrierten sozialen Netzwerkkarte ermittelt wurden. Die Fülle an relevanten Angaben der Interviewpartner/innen zu dieser Kategorie lässt sich selbstverständlich mit den Forschungsfragen und damit verbunden den Themen des Interviewleitfadens begründen. Die folgende Tabelle gibt einen Einblick in die verschiedenen, von den befragten Volksschuldirektor/innen angesprochenen Aspekte des eigenen

346

5 Empirische Erhebung

sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz und dessen Gesundheitsrelevanz. Sie bilden die Subkategorien der Kategorie V. An dieser Stelle wird festgehalten, dass immer wieder von „gesundheitlicher Bedeutung“, „Gesundheitsrelevanz“, „gesundheitlicher Wirkung“ bzw. „gesundheitlichem Einfluss“ des sozialen Netzwerkes die Rede ist. Damit ist stets der aus Sicht der Befragten wahrgenommene Einfluss des sozialen Netzwerkes auf das individuelle Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule gemeint.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

347

Tabelle 22: Subkategorien der Kategorie V – Wahrnehmung des sozialen Netzwerkes und Bewertung der Gesundheitsrelevanz, Quelle: Eigene Erstellung

Subkategorie Quantitative und qualitative Merkmale des (gesundheitsrelevanten) sozialen Netzwerkes Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes und Zusammenspiel von psychosozialen Belastungen und Ressourcen

Beziehung zu Personen innerhalb der Schule

Beziehung zu Personen außerhalb der Schule

Beschreibung Diese Subkategorie subsumiert Angaben im Kurzfragebogen und Aussagen der Interviewpartner/innen zur wahrgenommenen Größe und Stabilität des (gesundheitsrelevanten) sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz (= quantitative Aspekte). Diese Subkategorie bezieht sich zudem auf Aussagen der befragten Volksschuldirektor/innen zu (Un-)Zufriedenheitsaspekten mit dem eigenen (gesundheitsrelevanten) sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz (= qualitative Aspekte). Diese Subkategorie beinhaltet aus den Netzwerkkarten generierte Kennzahlen zur Stärke des Einflusses des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz auf das individuelle Wohlbefinden und dessen Wirkrichtung. Diese Subkategorie beinhaltet darüber hinaus weitere qualitative Aussagen der Befragten zur gesundheitlichen Bedeutung des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule. Daneben inkludiert sie Angaben der Befragten zur Nutzung von psychosozialen Ressourcen beim Umgang mit psychosozialen Belastungen. Diese Subkategorie bezieht sich auf alle Angaben, die zu einzelnen Beziehungen zu Personen(gruppen) innerhalb der Schule getätigt wurden. Dazu zählen vor allem die Stärke der Beziehung sowie die konkrete Wirkweise dieser Akteur/innen auf das eigene Wohlbefinden, insbesondere mit den Beziehungen verbundene Belastungen und Ressourcen. Diese Subkategorie bezieht sich auf alle Angaben, die zu einzelnen Beziehungen zu Personen(gruppen) und Organisationen außerhalb der Schule getätigt wurden. Dazu zählen vor allem die Stärke der Beziehung sowie die konkrete Wirkweise dieser Akteur/innen auf das eigene Wohlbefinden, insbesondere mit den Beziehungen verbundene Belastungen und Ressourcen.

348

5 Empirische Erhebung

Quantitative und qualitative Merkmale des (gesundheitsrelevanten) sozialen Netzwerkes Im Folgenden werden Angaben im Kurzfragebogen und Aussagen der Interviewpartner/innen zu generellen Merkmalen des ego-zentrierten sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule dargestellt. Die an dieser Stelle beschriebenen sozialen Netzwerkparameter beziehen sich vor allem auf die Größe, die Stabilität und die Dichte des Netzwerkes sowie die Zufriedenheit mit dem eigenen sozialen Netzwerk. Die Netzwerkgröße wurde über die Anzahl der in der Netzwerkkarte angeführten Akteur/innen bestimmt. Dabei wird darauf hingewiesen, dass einige der Befragten neben Einzelpersonen auch Gruppen und ganze Organisationen in der Netzwerkkarte einzeichneten. Im Durchschnitt führen die Befragten elf Akteur/innen im Arbeitsumfeld an, die einen Einfluss auf das individuelle Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule haben. Die konkrete Zahl der gesundheitsrelevanten Beziehungen reicht dabei von sieben bis 21 Akteur/innen, was auf eine relativ breite Streuung hindeutet. Zum Teil starke quantitative Differenzen können zum einen mit der Größe der Schule, zum anderen mit der subjektiv wahrgenommenen Bedeutsamkeit der sozialen Beziehungen zu einzelnen Akteur/innen bzw. Akteursgruppen für das individuelle Wohlbefinden am Arbeitsplatz begründet werden. Generell ist anzumerken, dass vereinzelt auch Personen aus dem privaten Umfeld in den Netzwerkkarten angeführt wurden, die in den bisher und in den nachfolgend genannten Zahlen nicht inkludiert sind. Um aber die Relevanzsysteme der Betroffenen ausreichend zu Wort kommen zu lassen, wurde das Einzeichnen dieser im Zuge der Interviewsituation zugelassen. Während drei Interviewteilnehmer/innen vorwiegend einzelne Personen auf der Netzwerkkarte platzierten (I01, I04, I07), definierte ein großer Teil vielmehr Gruppen von Akteur/innen (I06, I09, I10, I12, I14, I15, I16, I18, I19, I20), die im Kollektiv betrachtet einen bestimmten Einfluss auf das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz haben. Wieder andere führten etwa zur Hälfte Einzelpersonen, zur Hälfte Gruppen an (I02, I03, I05, I08, I11, I13, I17). Tendenziell definierten erwartungsgemäß Schulleiter/innen an größeren Schulen – vermutlich aufgrund der größeren Vielzahl an Personen – eher Gruppen, jene an kleineren Schulen verstärkt auch einzelne Personen als gesundheitsrelevante Netzwerkakteur/innen. Neben der Größe des Netzwerkes wurde auch die Stabilität desselben thematisiert, indem qualitativ nach der individuell wahrgenommenen Dauerhaftigkeit des (gesundheitsrelevanten) sozialen Netzwerkes gefragt wurde.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

349

Der überwiegende Teil der Befragten (I01, I02, I03, I04, I05, I06, I08, I09, I12, I13, I15, I16, I17, I18, I19, I20) spricht generell von einem recht stabilen sozialen Netzwerk, auch wenn Schüler/innen und Erziehungsberechtigte der Schüler/innen – wesentliche aus Sicht der Befragten gesundheitsrelevante Netzwerkakteur/innen am Arbeitsplatz – für gewöhnlich alle vier Jahre wechseln. Diese Zeitspanne wird nämlich von den meisten Direktor/innen als relativ langer Zeitraum empfunden. Nur drei Volksschuldirektor/innen (I10, I14, I17) meinen in Hinblick auf die Stabilität, dass das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz nicht wirklich konstant ist, da einzelne Mitglieder immer wieder wechseln und man sich von daher stets auf neue Akteur/innen im Netzwerk einstellen muss. So meint etwa eine Schulleitung: „Naja, natürlich kommt immer ein bisschen was ins Wanken, es ist nie etwas Konstantes. Wenn der Schulinspektor ausgewechselt wird, bedeutet das für mich als Direktorin, wer kommt jetzt neues, was hat der für Vorgaben. Wenn jetzt der Schulwart ausgewechselt wird, muss ich mich wieder mit ihm einstellen, was will ich, was kann er leisten. Genauso ist es mit den Kolleginnen, also es ist immer eine Schwankung da, mit der wir arbeiten müssen, das ist nie konstant.“ (I14)

Vor allem an kleineren Schulen geben Direktor/innen (I01, I04, I05, I07, I10, I12) zusätzlich an, dass neben dem kontinuierlichen Schüler- und Elternwechsel auch ein Austausch von Lehrerkolleg/innen an der Schule immer wieder erfolgt. Drei dieser Schulleiter/innen (I04, I05, I10) betonen in diesem Zusammenhang, dass sie diesbezüglich an einer höheren Stabilität arbeiten bzw. immer wieder um den Beibehalt einzelner Lehrkräfte an der Schule kämpfen. Ein/e Schuldirektor/in bringt die Schwierigkeit des kontinuierlichen Wechsels von Lehrer/innen an der Schule folgendermaßen auf den Punkt: „Also bei den Kolleginnen haben wir fast jedes Jahr einen Wechsel, ständig ein Wechsel, es ist kaum möglich, über Jahre hindurch zu planen […]. Ja, also das ist sehr wackelig.“ (I10)

Eine andere Schulleitung schätzt sich hingegen glücklich, dass das Kollegium bereits jahrelang aus denselben Personen besteht und bringt dies folgendermaßen zum Ausdruck: „Natürlich ist der Vorteil, dass es wenig Wechsel gibt. Es gibt Schulen, wo jedes Jahr eine andere Lehrerin kommt und das ist natürlich schwierig, weil die Einarbeitungsphase dauert eine gewisse Zeit und bis man sich kennenlernt. Das ist sicher störend. Das ist bei uns der Vorteil, wo das Team fast fix immer gleichbleibt, da kann man wirklich kontinuierlich dann arbeiten, dass es für uns gut läuft, dass Neuerungen

langsam, behutsam umgesetzt werden, weil alle wissen, okay, das kann ich

350

5 Empirische Erhebung dem zumuten, der kann das, der kann das. Wenn viel Wechsel ist, ist es schwieriger, nicht?“ (I06)

In Hinblick auf die Stabilität weisen sechs Schuldirektor/innen (I02, I11, I17, I18, I19, I20) zudem darauf hin, dass einzelne soziale Beziehungen am Arbeitsplatz demnächst, vor allem aufgrund von Pensionierungen oder personellen Neubesetzungen bestimmter Funktionen (z.B. Bürgermeister/in als Schulerhalter), enden (könnten bzw. werden). Im Sinne einer qualitativen Bewertung des (gesundheitsrelevanten) sozialen Netzwerkes wurde unter anderem die Zufriedenheit der Befragten mit demselben thematisiert. Nahezu alle interviewten Volksschuldirektor/innen (I01, I03, I04, I06, I08, I09, I10, I12, I13, I14, I15, I16, I17, I18, I19, I20) geben an, mit dem eigenen sozialen Netzwerk im Großen und Ganzen zufrieden zu sein. Drei dieser Schulleiter/innen (I01, I06, I17) sprechen in diesem Kontext jedoch an, dass es notwendig ist, das eigene soziale Netzwerk am Arbeitsplatz kontinuierlich zu pflegen, um es in dieser Weise beibehalten zu können. Bei der Frage nach der allgemeinen Zufriedenheit mit dem sozialen Netzwerk stellen einige der Befragten (I02, I07, I13, I15, I18) einen Vergleich zu sozialen Netzwerken an anderen Schulen an. Dabei wird insbesondere die Bedeutung der Netzwerkgröße für die Zufriedenheit thematisiert. Ein/e Leiter/in einer größeren Schule (I13) ist der Ansicht, dass ein größeres soziales Netzwerk mit mehreren Akteur/innen nicht schwieriger zu handhaben ist als eines mit weniger Akteur/innen. So hat man es dieser Schulleitung zufolge in kleineren Schulen zwar mit weniger Individuen zu tun, allerdings erfordern diese aufgrund anderer Rahmenbedingungen häufigere und intensivere Gespräche. Zwei Schulleiter/innen (I07, I20) betonen das höhere Konfliktpotenzial kleinerer schulischer Netzwerke. So meint etwa eine/r der beiden: „Ich denke mir ein Konflikt auch, ich denke mir, dass ein Konflikt in einer kleinen Gruppe manches Mal massiver sein kann wie in einer großen. Weil da gibt es ja einige, die das gar nicht tangiert oder nicht betrifft. Aber je kleiner die Gruppe ist, desto mehr Personen in dieser Gruppe betrifft das dann und sind involviert.“ (I20)

Während also diese Schulleiter/innen die Handhabbarkeit eines kleineren sozialen Netzwerkes als schwieriger empfinden, denkt ein/e andere/r Leiter/in einer größeren Schule (I15) sehr wohl, dass es eine Schulleitung mit einem kleineren sozialen Netzwerk leichter hat. Ein weiterer Vergleich bei der Bewertung der Zufriedenheit mit dem eigenen sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz Schule wird mit vergangenen bzw. zukünftigen Situationen und Schuljahren vorgenommen. So spricht etwa ein/e Schuldirek-

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

351

tor/in (I03) von einer aktuell hohen Zufriedenheit mit dem sozialen Netzwerk, die aufgrund der personellen Besetzung einiger Akteursgruppen (Schüler/innen, Erziehungsberechtigte der Schüler/innen) nicht immer gegeben war. Ein/e andere/r (I07) ist momentan ebenfalls zufrieden, während er/sie vor einigen Jahren mit einem ständigen Kollegenwechsel zu kämpfen hatte, was damals zu Unzufriedenheit führte. Im Gegensatz dazu erlebte eine Schulleitung (I11) den umgekehrten Fall. Sie war einst zufrieden mit dem sozialen Netzwerk, da die Zusammenarbeit mit diversen Akteur/innen besonders gut klappte, während derzeit immer wieder unterschwellige Konflikte bestehen. Drei Schuldirektor/innen sprechen das Thema der Pensionierungen an (I08, I15, I17), die entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu einem Wandel des sozialen Netzwerkes beitrugen bzw. beitragen werden, was wiederum die Zufriedenheit mit demselben veränderte bzw. verändern kann. Während einige der Befragten angeben, sich das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz in den vergangenen Jahren selbst aufgebaut zu haben (I04, I06, I13), fühlen sich andere ihrem sozialen Netzwerk eher ausgeliefert (I02, I11). Die folgenden zwei Antworten zweier Schulleiter/innen auf die Frage hin, ob sie denn mit dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz aktuell zufrieden sind, sollen dieses gegensätzliche Empfinden verdeutlichen: „Ich bin so zufrieden, weil das natürlich auch hart erarbeitet ist, keine Frage. Ich habe alles von Anfang an komplett neu umstrukturieren müssen. Ich habe genau gewusst, das möchte ich haben, die nächsten 15, 20 Jahre usw. Hat gut funktioniert.“ (I06) „Eigentlich schon. Weil ich kann es ja nicht ändern.“ (I11)

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das (gesundheitsrelevante) soziale Netzwerk am Arbeitsplatz Schule von den meisten Schuldirektor/innen als relativ stabil bezeichnet wird. Veränderungen, die in unterschiedlichem Ausmaß in den einzelnen Schulen auftreten, passieren aufgrund von systembedingten personellen Neubesetzungen einzelner Akteursgruppen (v.a. Schüler/innen, Erziehungsberechtigte der Schüler/innen) bzw. Pensionierungen (v.a. Lehrerkolleg/innen, Schulerhalter). Innerhalb des ebenfalls systembedingt recht dichten sozialen Netzwerkes an der Schule nehmen Schulleiter/innen häufig eine Mittlerfunktion zwischen verschiedenen Akteursgruppen ein. Die Zufriedenheit der befragten Schulleiter/innen mit dem eigenen sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz kann generell als hoch bezeichnet werden, wobei jedoch anzumerken ist, dass diese aus Sicht einiger Schuldirektor/innen situationsbedingt variieren kann. Unterschiede bei den Befragten zeigen sich vor allem im wahrgenommenen Ausmaß an Gestaltungsmöglichkeiten des sozialen Netzwerkes.

352

5 Empirische Erhebung

Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes und Zusammenspiel von psychosozialen Belastungen und Ressourcen Mithilfe des Einsatzes der ego-zentrierten Netzwerkkarte wurden jene sozialen Beziehungen zu Akteur/innen von den Interviewpartner/innen definiert, die ihnen zufolge einen Einfluss auf deren Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule haben. In der zuvor beschriebenen Subkategorie wurde bereits auf die Anzahl der genannten Alteri im Sinne der Darstellung der Größe des (gesundheitsrelevanten) Netzwerkes eingegangen. Der Fallvergleich ergab ergänzend zu Differenzen im Kontext der Netzwerkgröße, dass sich die befragten Volksschuldirektor/innen auch in Hinblick auf folgende Parameter voneinander unterscheiden: 1. 2.

Richtung des Einflusses der Alteri auf das Wohlbefinden Stärke des Einflusses der Alteri auf das Wohlbefinden

Die Anzahl der Personen(gruppen) bzw. Organisationen, die aus Sicht der Volksschuldirektor/innen einen positiven Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben, reicht von vier bis 15 Akteur/innen, wobei der Mittelwert bei acht liegt. Akteur/innen bzw. Akteursgruppen oder Organisationen mit negativem Einfluss auf das Wohlbefinden werden deutlich seltener angegeben (Spanne: 0 bis 6, Mittelwert: 3). Die befragten Volksschuldirektor/innen nennen zudem 0 bis drei Akteur/innen, die einen ambivalenten Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben. Zur Bewertung der Stärke des Einflusses von Akteur/innen, Akteursgruppen und Organisationen auf das individuelle Wohlbefinden der Volksschuldirektor/innen wurde pro Wirkrichtung (positiv, negativ) ein Gesamtwert ermittelt, der sich aus der Wertigkeit des jeweiligen Ringes in der Netzwerkkarte, auf der die Alteri eingetragen wurden, ergibt. Die beiden Werte wurden jeweils folgendermaßen berechnet:   

+ 3 Punkte für jede/n definierte/n Akteur/in bzw. jede definierte Akteursgruppe oder Organisation mit starkem Einfluss auf das eigene Wohlbefinden + 2 Punkte für jede/n definierte/n Akteur/in bzw. jede definierte Akteursgruppe oder Organisation mit mittelstarkem Einfluss auf das eigene Wohlbefinden + 1 Punkt für jede/n definierte/n Akteur/in bzw. jede definierte Akteursgruppe oder Organisation mit schwachem Einfluss auf das eigene Wohlbefinden

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung 

353

0 Punkte für jede/n definierte/n Akteur/in bzw. jede definierte Akteursgruppe mit ambivalentem Einfluss auf das eigene Wohlbefinden

Der Gesamtwert reicht bei den positiven Einflüssen von sechs bis 38 Punkte (Mittelwert: 20), bei den negativen von 0 bis 15 Punkte (Mittelwert: 6), was auf eine relativ große Streuung innerhalb der untersuchten Schulleiterkohorte hindeutet. Die Differenz zwischen positiven und negativen Beziehungen zugunsten der positiven liegt bei durchschnittlich 14 Punkten (Spanne: -2 bis 32). Mit Ausnahme einer Interviewperson überwiegt die Stärke des gesundheitlichen Einflusses positiver Beziehungen jene des gesundheitlichen Einflusses negativer Beziehungen. In den qualitativen Interviews wurde vertieft über einzelne Alteri gesprochen. Die Ergebnisse diesbezüglich wurden den Subkategorien „Beziehung zu Personen innerhalb der Schule“ und „Beziehung zu Personen außerhalb der Schule“ zugeordnet. Im Folgenden werden lediglich Aussagen der Interviewpartner/innen zur generellen Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes und zum Zusammenspiel psychosozialer Belastungen und Ressourcen dargestellt. Im Allgemeinen ist der Großteil der Befragten der Ansicht, dass das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz Schule einen sehr großen Einfluss auf das individuelle Wohlbefinden hat (I02, I04, I05, I06, I08, I09, I10, I12, I13, I14, I15, I18, I19, I20). Vier davon (I04, I09, I12, I18) schreiben dem sozialen Netzwerk im Vergleich zu anderen Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden sogar die höchste Bedeutung zu. Manche (I09, I10, I13, I18) betonen zudem, dass das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz auch in den Privatbereich hineinwirkt und somit das ganze Leben beeinflusst. Die Hälfte der befragten Schuldirektor/innen (I04, I06, I07, I08, I09, I10, I12, I13, I14, I20) bezeichnet das soziale Netzwerk als „das tägliche Geschäft“. Wenn dieses nicht „passen“ würde und es etwa laufend Konflikte gäbe, dann wäre die eigene Gesundheit den Aussagen dieser Interviewpartner/innen zufolge langfristig beeinträchtigt. Ein gutes soziales Netzwerk entfaltet gemäß diesen Befragten gesundheitsförderliche Wirkung und sorgt für ein Wohlgefühl am Arbeitsplatz, das die Basis für ein umfassendes Wohlbefinden ist. Drei Schulleiter/innen beschreiben dieses Empfinden folgendermaßen: „[…] das ist das tägliche Geschäft. Wenn es mit den Lehrerkolleg/innen Probleme gibt, das geht natürlich auf meine Kosten, wenn es so wäre, auf meine Gesundheit langfristig. Wenn es mit den Eltern irgendwo Probleme gibt, Streitereien, das geht natürlich auch auf die Psyche, ist belastend von daher. Ich denke mir, das ist […] in allen Bereichen gibt.“ (I06)

354

5 Empirische Erhebung „[…] ich glaube auch, dass das wichtig ist. Ich habe wahrscheinlich, weiß ich nicht wie viele Frauen oder nur Lehrerinnen, ein sehr hohes Harmoniebedürfnis. Ich mag eigentlich nicht gerne mit irgendwem auf der Welt zerstritten sein oder nicht gut auskommen. Es gibt natürlich Menschen, mit denen du dich lieber umgibst und welche, mit denen du dich weniger gern umgibst. […] auch wenn nur unter Anführungszeichen das mit dem Schulwart oder mit den Putzfrauen nicht klappen würde, würde ich mich sehr unwohl fühlen.“ (I09) „Naja, das steht schon an erster Stelle, weil wenn das Wohlbefinden nicht passt, dann kann ich natürlich auch nicht meine Arbeit so entsprechend leisten. […] Also ich denke, das ist eine Grundvoraussetzung, um wertvolle Arbeit zu leisten.“ (I12)

Einige Schuldirektor/innen (I07, I09, I10, I12) berichten in diesem Zusammenhang über vergangene Zeiten, in denen die Beziehungen zu Schüler/innen, Erziehungsberechtigten der Schüler/innen und Lehrerkolleg/innen oder dem Schulerhalter nicht so positiv erlebt wurden. Diese Tatsache erschwerte das Erledigen der Arbeit und war mit negativen psychischen Beanspruchungen verbunden. Nur vier Schulleiter/innen (I01, I03, I11, I17) sprechen von einem lediglich „mittelmäßigen“ Einfluss des sozialen Netzwerkes auf das eigene Wohlbefinden. Ein/e Schuldirektor/in antwortet z.B. auf die Frage hin, wie wichtig das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz für das eigene Wohlbefinden ist, Folgendes: „Es ist, ich würde schon sagen, es ist im oberen Drittel. Klar, wenn du jetzt von Kollegen her oder generell auch mit Eltern, ich nehme es vom Job her, Eltern oder Kollegen hast, wo du nicht wirklich kannst, das hat sicher einen negativen Einfluss auf dich. Wenn du aber schaust, recht machen kannst du es niemandem oder nicht allen, du hast immer wieder gewisse Querleger und Bremser dabei, aber wenn du solche Dinge schon im Vorfeld mit einkalkulierst, ist es eine Weile einfacher, als wenn du jetzt hergehst und so dich überraschen lässt. Deswegen ja, nicht an oberster Stelle, ich würde sagen an zweiter oder dritter Stelle ist es sicher.“ (I01)

Was die Konstanz des gesundheitlichen Einflusses des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule betrifft, sind zwei Aspekte relevant, die einige Schuldirektor/innen thematisieren. Vier Schulleiter/innen (I04, I06, I13, I14) berichten darüber, dass man vor allem was den Aufbau und die Pflege unterstützender sozialer Beziehungen betrifft, „seines eigenen Glückes Schmied“ ist. Sie erzählen darüber, dass sie erst im Laufe ihrer Amtszeit soziale Ressourcen aufbauen konnten, die vor allem in sozialer Unterstützung und sozialem Rückhalt von Personen(gruppen) außerhalb der Schule liegen. Die folgende beispielhafte Interviewaussage soll diesen Aspekt verdeutlichen:

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

355

„Also ich denke, jeder Mensch kann nur seine Arbeit leisten, wenn er in einem gut sozialen eingebetteten Umfeld arbeiten darf. Und das passiert nicht von selber, das muss wachsen, das muss gepflegt, gehegt werden. Wie ein Gärtner eben seine Blumen hegt und pflegt.“ (I14)

Sechs Schuldirektor/innen (I03, I06, I07, I09, I10, I12) geben an, dass die Richtung der Wirkung des sozialen Netzwerkes auf das individuelle Wohlbefinden von Schuljahr zu Schuljahr stark variieren kann und – ebenso wie die Zufriedenheit mit dem sozialen Netzwerk – vor allem von der personellen Besetzung einzelner Akteursgruppen (z.B. Erziehungsberechtigte der Schüler/innen, Schüler/innen, Schulerhalter) im Netzwerk abhängt. Diese Schulleiter/innen geben an, dass einzelne Personen und Situationen sehr stark auf das eigene Wohlbefinden wirken können. Eine Schulleitung erzählt in diesem Zusammenhang folgende Geschichte: „Es ist eigenartig. Es ist mir selber, weil schon viele gesagt haben: Es ist so schön. Und es klappt alles bei euch so. Dann hätte ich gesagt: Na wärst du voriges Jahr. Da wurde ich torpediert, auch da in der Schule, nicht? Das Kind war kaum zuhause, hat das Telefon schon geläutet: Was war heute los? Warum schon wieder mein Sohn? Warum er? Was haben Sie schon wieder nicht gemacht? Es war ein Hass da, da hätte ich mehr erzählen können. Ja, das, je nach Zusammensetzung der Kinder, der Schüler, der Eltern, also verschieden.“ (I03)

Wesentliche Ressourcen des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz auf Netzwerkebene sehen einige Schulleiter/innen im sozialen Rückhalt und in der stabilen sozialen Unterstützung. Eine weitere wesentliche Ressource, die einige der Befragten (I03, I06, I08, I12, I16) als sehr wichtig empfinden und auch immer wieder wahrnehmen, ist die Anerkennung der eigenen Arbeit als Volksschulleitung durch verschiedenste Alteri. Diese stärkt und rüstet für berufliche Herausforderungen. So berichtet ein/e unterrichtende/r Schulleiter/in an einer mittelgroßen Schule: „Ja also ich würde sagen, dass, so wie am Beginn schon, dass ich mich als Schulleiter sehr wohl fühle in meiner Rolle, in meiner Funktion und dass ich mit den, die ebenso involviert sind, Personen, Organisationen ein recht positives Verhältnis habe. Das also, die, also die Organisationen, die meine Arbeit wertschätzen und daher mich auch so positiv beeinflussen bzw. ich beeinflusst werde, ja.“ (I16)

In Hinblick auf die Rolle von psychosozialen Ressourcen im Kontext anderer Ressourcen erwähnen zwei Schulleiter/innen (I01, I06), dass psychosoziale Ressourcen dazu beitragen, andere Formen von Ressourcen zu generieren. So gibt z.B. eine/r der beiden an, dass durch „gute soziale Beziehungen“ der Zugang zu materiellen Ressourcen erleichtert wird. Ein/e andere/r Schulleiter/in (I06) berichtet darüber, dass der Rückhalt durch Lehrerkolleg/innen und Erziehungs-

356

5 Empirische Erhebung

berechtigte der Schüler/innen das eigene Gefühl bestärkt, dass alle zu erledigenden Aufgaben handhabbar sind (= personale Ressource im Sinne der Selbstwirksamkeit bzw. des Kohärenzgefühls). Während Ressourcen, die aus dem sozialen Netzwerk im Gesamten generiert werden, von den meisten Schuldirektor/innen als relativ stabil empfunden werden, treten psychosoziale Belastungen eher situationsbedingt und kurzfristig auf (I01, I02, I06, I09, I10, I17, I18, I20). Nur zwei Schuldirektor/innen (I07, I12) berichten über aktuelle oder einst bestehende soziale Beziehungen zu einzelnen Akteur/innen, die in Richtung „chronischer Stressor“ gehen bzw. gingen. So erzählt eine/r der beiden über einen vergangenen dauerhaften Konflikt mit dem Schulerhalter und dessen Auswirkungen auf die eigene Gesundheit Folgendes: „Und da in dieser Situation bin ich auch körperlich an meine Grenzen gekommen. Also ich war dann in den Ferien sehr, habe eine schwere Nierenbeckenentzündung gehabt, also. So rezidivierende Harnwegsinfekte und das war natürlich irgendwo der Körper hat dann Zeit gehabt zum, zum Energie schöpfen und zum Krankwerden, ja, und das hat sich dann schon bemerkbar gemacht und das war natürlich, bestimmt war das diese psychische Belastung. Das Aufgestaute und dann irgendwo kommt es dann doch zum Vorschein.“ (I12)

Die Wirkung psychosozialer Belastungen auf das eigene Wohlbefinden wird, auch wenn diese zumeist „nur“ situationsbedingt auftreten, von den meisten als stark empfunden. Zu den Belastungen, die aus dem sozialen Netzwerk heraus entstehen, zählen vor allem hin und wieder auftretende Konflikte mit Akteursgruppen wie Erziehungsberechtigten der Schüler/innen, Schüler/innen oder Lehrerkolleg/innen. Von einigen Schuldirektor/innen (I01, I02, I03, I05, I07, I17, I19) wird generell das „Zuviel“ an sozialen Kontakten als belastend erlebt. Dazu zählen   

häufiges Kommunizieren bei Meinungsverschiedenheiten, das zu keiner Lösung führt; ständig notwendige Überzeugungsarbeit vonseiten der Schulleitung und soziale Veranstaltungen, die im schulischen Alltag stattfinden.

Erstgenannter Aspekt resultiert laut Angaben der Befragten vor allem in ständig (negativen) Gedanken, die um die Schulleitung kreisen. Darüber hinaus sprechen einige der Befragten davon, dass das kontinuierlich notwendige, häufig erfolglose Kommunizieren, aber auch das Leisten von Überzeugungsarbeit sowie soziale Veranstaltungen „zeitraubend“ sind und zu Stress führen. Folgende

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

357

Interviewaussagen sollen das Erleben von „Zuviel“ an sozialen Kontakten und Aktivitäten verdeutlichen: „Nur hin und wieder, du drehst einfach durch, wenn du dich jeden Tag siehst unter der Woche und jeden Tag redest und redest und redest und irgendwann brauchst einmal einen Abstand.“ (I01) „Ja, manches Mal hin und hergerissen natürlich, weil es immer etwas anderes, man weiß nicht, wer vor der Tür steht, man weiß nicht, wer anruft. Kolleginnen kommen unaufgefordert und wollen irgendetwas, also richtig den Tag zu planen, ist schon schwierig.“ (I17) „Ich versuche dann wirklich mir Gedanken zu machen darüber, über dieses Negative. Zum Beispiel rede mit dem einen Kind und das ist halt auch sehr, sehr zermürbend. Man redet und redet und versucht das gut zu machen, man versucht manche Konflikte wieder zu bereinigen, aus der Welt zu schaffen. Und es kommen dann immer wieder die neuen. Dieses Reden, das viele Kommunizieren und viele Zusammensitzen, das hat dann letzten Endes überhaupt keinen Sinn mehr. […] und ein paar Wochen drauf wieder das Gleiche. Das hat vielleicht auch, das ist auch eher schlecht dann für die psychosoziale Gesundheit eines Lehrers, weil es manchmal keine Besserungen gibt, obwohl man sich doch bemüht.“ (I03) „[…] wir haben so viel Veranstaltungen, so viel Abendveranstaltungen mit diesen ganzen Adventgeschichten, ja. Das was mir halt sehr viel Zeit nimmt.“ (I02)

Drei Schulleiter/innen (I07, I10, I14) erleb(t)en zum Teil allerdings auch das Fehlen von sozialen Ressourcen, z.B. in Form von emotionaler sozialer Unterstützung und fachlichem Austausch mit Lehrerkolleg/innen, als belastend. Dieser Mangel tritt vor allem an einklassig geführten Schulen auf und erhöht aus Sicht dieser Direktor/innen die Burnoutgefahr. So meint z.B. eine Schulleitung einer sehr kleinen Schule: „Einklassigkeit ist eine Katastrophe, weil man immer alleine ist, man hat niemanden, mit dem man sich austauschen kann außer der, da kommt ganz kurz eine Lehrerin, Religion, Werken, aber die sind auch immer unter Stress, weil sie […] 20 Schulen und dann entsteht halt keine Kommunikation, man ist halt immer nur mit den Kindern, das ist dann schwer. Es fehlt dann irgendwie ein Ansprechpartner, mit dem man

sich auch ein bisschen austauschen kann.“ (I10) Einige Personen(gruppen), die von den Schuldirektor/innen als (zwei) separate Akteur/innen bzw. Akteursgruppen auf der Netzwerkkarte positioniert werden, wirken insbesondere im Kollektiv bzw. aufgrund der Beziehung dieser zueinander negativ auf das Wohlbefinden der Schulleitung ein (I08, I10, I11, I14). Konkret

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5 Empirische Erhebung

zeigen sich in diesem Zusammenhang drei Konstellationen, die einen negativen Einfluss auf das Wohlbefinden der Schulleitung haben: 1. 2. 3.

Die Schulleitung fühlt sich von den Akteur/innen ausgegrenzt. Sie ist der Ansicht, dass diese gemeinsam gegen die eigene Position rebellieren bzw. intrigieren. Die Schulleitung wird in Konflikte zwischen diesen Akteur/innen „mithineingezogen“. Soziale Beziehungen zu Erziehungsberechtigten der Schüler/innen, die einen negativen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben, können die negative Wirkweise sozialer Beziehungen zu den Kindern dieser Erziehungsberechtigten fördern.

In Hinblick auf das Zusammenspiel von psychosozialen Belastungen mit anderen Belastungen meinen einige Schulleiter/innen, dass erstgenannte nur bei gemeinsamem Auftreten mit zweitgenannten zu negativen Beanspruchungen wie z.B. Schlafstörungen führen. So glaubt der Großteil der Volksschuldirektor/innen zwar, dass bestimmte Beanspruchungen wie Magen-Darm-Probleme oder Schlafstörungen zum Teil auf psychosoziale Belastungen wie Konflikte zurückzuführen sind, diese allerdings nicht gänzlich dafür verantwortlich sind. Stattdessen führt aus Sicht der Befragten erst eine größere Menge an verschiedenen Belastungen zu negativen Beanspruchungen. Sechs Schuldirektor/innen (I09, I10, I12, I15, I18, I20) bringen psychosoziale Belastungen, insbesondere Konflikte mit Erziehungsberechtigten der Schüler/innen oder dem Schulerhalter, jedoch auch unabhängig von anderen Belastungsquellen, direkt mit psychosomatischen Beanspruchungen wie Magen-DarmProblemen oder rezidivierenden Infekten sowie psychischen Beeinträchtigungen wie Erschöpfung in Verbindung. Eine Schulleiterin an einer großen Schule berichtet über die Wirkweise von Konfliktsituationen auf ihr eigenes Wohlbefinden folgendermaßen: „Naja, die Stimmungslage ist einmal getrübt. Unter Umständen, wenn es ganz schlimm wird, gibt es Schlafstörungen, ja. Genau. Dass ich das nicht loskriege, also nicht abgrenzen kann.“ (I15)

Im Vergleich von psychosozialen Belastungen und Ressourcen ist etwa die Hälfte der Befragten (I02, I04, I03, I09, I10, I12, I14, I15, I18) der Ansicht, dass belastende Aspekte sozialer Beziehungen stärker wahrgenommen werden als ressourcenstärkende, obwohl jede/r quantitativ betrachtet mehr soziale Beziehungen mit positivem Einfluss auf das Wohlbefinden als solche mit negativem Einfluss in der

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

359

Netzwerkkarte anführten. Während z.B. einige angeben, dass der Großteil der Schüler/innen auf das eigene Wohlbefinden positiv einwirkt, kosten wenige verhaltensauffällige bzw. aggressive Schüler/innen sehr viel Kraft und Energie und wirken daher stark negativ auf das Wohlbefinden ein. Ähnliches wird im Elternkreis der Schüler/innen erlebt. Diese starke Wirkung negativ besetzter sozialer Beziehungen zeigen folgende Aussagen dreier Direktor/innen: „[…] die Eltern, die schon vermehrt negativen Einfluss auf mich haben. Vor allem die, die halt, es treten eh immer nur die auf, die Probleme machen. Das ist, im Vergleich jetzt bei 127 Kindern ist das eine kleine Gruppe. Aber die, die zufrieden sind oder die es gut finden, die melden sich einfach eher nicht. Das ist ja jetzt nicht das Problem. Aber die, die wirklich jetzt Probleme machen, die wirken sich ganz stark aus.“ (I02) „Was mich beunruhigt ist, dass es eben einzelne Situationen und einzelne Eltern vor allem gibt, die mich dann doch kurzzeitig aus der Bahn werfen können, das irritiert mich. Daran würde ich auch gerne arbeiten, ich weiß aber noch nicht so richtig, wie. Ja. Ich glaube, dass es, ja, Menschen gibt, die das leichter an sich abprallen lassen als ich.“ (I09) „[…], dass man halt sehr viel Kraft und Energie braucht und Auseinandersetzung. Und ich denke mir oft, wenn wir, es sind von den 40 Schülern insgesamt hier sind vielleicht zwei. Und die brauchen, verbrauchen halt so viel Energie und Kraft meinerseits oder auch von den Kollegen. […] Und dann sind halt zwei, drei Kinder, die halt dann sehr viel kaputt machen können. Leider. Aber das ist halt überall so im Leben.“ (I12)

Vier Schuldirektor/innen (I05, I06, I08, I16) erleben keine stärkere Wirkweise negativ besetzter sozialer Beziehungen im Vergleich zu positiv besetzten. Sie geben an, dass – vor allem was einzelne Personen von Gruppen (z.B. Erziehungsberechtigte der Schüler/innen) betrifft – die vielen positiven Beziehungen vom Gefühl her die wenigen negativen überwiegen. Dies verdeutlicht folgende Aussage eines/einer Leiter/in einer kleinen Schule: „Ich merke, einige sagen mir das auch oder schreiben, oder jetzt, weil Weihnachten war, wenn man dann einen netten Brief kriegt oder eine nette Karte, dann weiß man auch, dass es passt. Und das, oder bei Feiern so, da kommt dann schon einiges. Es

gibt sicher negative auch, aber die höre ich nicht.“ (I05) Drei Volksschuldirektor/innen (I02, I03, I18) geben zu, sich oft der psychosozialen Ressourcen, denen sie sich beim Umgang mit Belastungen bedienen könnten, im Arbeitsalltag nicht bewusst zu sein. Es liegt einigen Schulleiter/innen

360

5 Empirische Erhebung

zufolge (I03, I13, I16, I17, I19) an einem selbst, sich Kraft aus positiv wirkenden sozialen Beziehungen zu holen, um mit negativen Einflüssen umgehen zu können. Betrachtet man das Zusammenspiel psychosozialer Belastungen und Ressourcen im Detail, so lassen sich aus den Aussagen der Interviewpartner/innen verschiedene Wirkungszusammenhänge ableiten. Tendenziell äußern die Befragten immer wieder, dass negativ auf das Wohlbefinden einwirkende soziale Beziehungen von „positiven“ ausgeglichen werden. Einige Schuldirektor/innen (I01, I02, I03, I11, I12, I20) berichten darüber, durch den dauerhaften sozialen Rückhalt und die Bestätigung des Tuns der Schulleitung vonseiten bestimmter Personen(gruppen) innerhalb oder außerhalb der Schule besser mit psychosozialen Belastungen, wie Konflikten mit anderen Akteur/innen bzw. Akteursgruppen, umgehen zu können. Des Weiteren geben einige Volksschuldirektor/innen (I01, I02, I04, I07, I08, I11, I14, I19) an, dass fachlicher Rat vonseiten des/der direkten Vorgesetzten, Lehrerkolleg/innen und Schulleiterkolleg/innen dabei hilft, schwierige soziale Situationen mit anderen Akteur/innen (z.B. Beschwerden von Erziehungsberechtigten der Schüler/innen, Konflikte mit bzw. zwischen Schüler/innen) handzuhaben. Emotionaler Austausch und das Reden über schwierige Situationen mit Lehrerkolleg/innen oder Schulleiterkolleg/innen werden ebenfalls als hilfreich beim Umgang mit psychosozialen Belastungen, insbesondere Konflikten, und beim Abbau von Stress erlebt (I04, I09, I11, I12, I13, I15, I19). Fünf Schulleiter/innen sprechen als weiteren Wirkungszusammenhang die Kompensation eines Informationsmangels als psychosoziale Belastung durch bestimmte Akteur/innen an. Zwei (I02, I03) geben an, dass das Zurückhalten von für die Leitung wichtigen Informationen durch bestimmte Personen(gruppen) (z.B. Lehrerkolleg/innen, Erziehungsberechtigte der Schüler/innen, Schüler/innen, Schulerhalter), von anderen Personen(gruppen) (z.B. Lehrerkolleg/innen, nichtunterrichtendes Personal, Elternvertreter/in), die diese Informationen sehr wohl mit der Volksschulleitung teilen (= Ressource), ausgeglichen wird. Drei andere (I14, I16, I17) betonen die Bedeutung von Elternvertreter/innen, die über anbahnende Konflikte innerhalb der Elternschaft rechtzeitig informieren bzw. eine Schutzfunktion vor „Querleger/innen“ einnehmen. Einen weiteren Zusammenhang zwischen psychosozialen Belastungen und Ressourcen sehen befragte Volksschuldirektor/innen (I05, I06, I07, I15) dahingehend, dass der soziale Rückhalt und die Unterstützung von in der einzelnen Schule agierenden Personen(gruppen) (z.B. Lehrerkolleg/innen, Erziehungsberechtigte der Schüler/innen, Schüler/innen) den Druck von Akteur/innen außerhalb der Schule (z.B. Schulaufsicht, Schulerhalter) „abfedern“ kann. Generell merken drei Direktor/innen (I07, I12, I18) auch an, dass nicht nur das soziale Netzwerk einen Einfluss auf das individuelle Wohlbefinden hat,

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

361

sondern auch umgekehrt eine eingeschränkte Gesundheit negativ auf das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz wirken kann. Drei Schuldirektor/innen sind zudem der Ansicht, dass das Wohlbefinden verschiedener Akteur/innen im Netzwerk Schule sich gegenseitig bedingt (I13, I14, I15). So beeinflusst beispielsweise das Wohlbefinden der Nachmittagsbetreuung jenes der Schüler/innen, dieses wieder jenes der Lehrerkolleg/innen und dieses schließlich das Wohlbefinden der Schulleitung selbst. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Großteil der befragten Schuldirektor/innen dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz eine hohe Gesundheitsrelevanz zuschreibt, wobei ein Funktionieren desselben als Basis für das eigene Wohlbefinden betrachtet wird. Ein Vergleich der Netzwerkkarten mit den Interviewaussagen zeigt, dass jene Schulleiter/innen, die im Zuge des Interviews lediglich über eine mittelmäßige gesundheitliche Relevanz des sozialen Netzwerkes berichten, jene sind, die auch auf der Netzwerkkarte verglichen mit den anderen Befragten relativ wenige Akteur/innen mit starker Wirkung auf das eigene Wohlbefinden einzeichneten. In den qualitativen Interviews wurde die Aussagekraft der ego-zentrierten sozialen Netzwerkkarte für das allgemeine Wohlbefinden der Schulleitung relativiert. Dies geschah durch Aussagen einiger Volksschuldirektor/innen, denen zufolge die Wirkweise und Wirkstärke einzelner Akteur/innen, Akteursgruppen oder Organisationen auf das eigene Wohlbefinden von Schuljahr zu Schuljahr aufgrund des Wechsels einzelner Personen stark variieren kann. Die unterschiedliche Wirkung von Akteur/innen bzw. Akteursgruppen wird in der Netzwerkkarte allerdings ansatzweise mit dem Einzeichnen „ambivalent wirkender Alteri“ abgebildet. Was das Bestehen psychosozialer Ressourcen auf Netzwerkebene betrifft, ist resümierend zu sagen, dass diese von den befragten Schulleitungen zumeist als stabil und langfristig empfunden werden, während psychosoziale Belastungen eher situativ auftreten. Zum Teil kann beim Umgang mit zweitgenannten auf den langfristigen (psychosozialen) Ressourcenpool zurückgegriffen werden, wobei sich unterschiedliche Arten des Zusammenspiels zeigen. Die in den Interviews von einem Großteil der Befragten thematisierte stärkere Wirkung psychosozialer Belastungen im Vergleich zu psychosozialen Ressourcen auf das eigene Wohlbefinden spiegelt sich in der sozialen Netzwerkkarte nur eingeschränkt wider. So überwiegt der Gesamtwert der Stärke der positiv wirkenden sozialen Beziehungen jenen der Stärke der negativ wirkenden sozialen Beziehungen. Dies lässt sich mit zwei Ansätzen begründen: Zum einen führen alle Volksschuldirektor/innen quantitativ mehr Akteur/innen in der sozialen Netzwerkkarte an, die einen positiven gesundheitlichen Einfluss haben als solche, die gesundheitlich negativ wirken. Dadurch, dass jeder positiv oder negativ wirkenden sozialen

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5 Empirische Erhebung

Beziehung zumindest ein Punkt (bei schwachem Einfluss) zugeschrieben wird, überwiegt der Gesamtwert der positiv wirkenden sozialen Beziehungen zumeist jenen der zwar stark wirkenden, allerdings quantitativ betrachtet wenigen negativen sozialen Beziehungen. Der zweite Erklärungsansatz für die Divergenz dieser Ergebnisse liegt darin, dass durch das situationsbedingte Auftreten psychosozialer Belastungen einige Alteri von den Befragten als ambivalent wirkende Akteur/innen, Akteursgruppen oder Organisationen in der Netzwerkkarte platziert wurden. Für diese Wirkweise wurde bei der Berechnung der Gesamtwerte des positiven und negativen gesundheitlichen Einflusses kein Punkt vergeben. Im Folgenden wird nun näher auf die Ausgestaltung und gesundheitliche Wirkweise sozialer Beziehungen zu bestimmten im sozialen Netzwerk befindlichen Personen(gruppen) und Organisationen im Detail eingegangen. Dabei wird darauf hingewiesen, dass im Sinne der Wahrung eines Überblicks bei der Beschreibung der gesundheitlichen Wirkweise einzelner Akteur/innen nur solche Belastungen und Ressourcen, die sich aus der Beziehung zu diesen für die Schulleitung ergeben, angeführt werden, die von zumindest zwei befragten Schuldirektor/innen genannt werden. Beziehung zu Personen innerhalb der Schule Die folgende Tabelle gibt zunächst einen Überblick über jene Gruppen von Akteur/innen, die innerhalb der einzelnen Schule agieren, von den befragten Interviewpartner/innen in der sozialen Netzwerkkarte eingezeichnet werden und damit angesichts des Namensgenerators Einfluss auf das individuelle Wohlbefinden der Schulleitungen haben. Ergänzend gibt die Tabelle Auskunft über die Stärke und Richtung der gesundheitlichen Wirkung der sozialen Beziehungen. Dabei ist festzuhalten, dass manche Schuldirektor/innen der Beziehung zu einzelnen Personen einer Gruppe (z.B. Lehrerkolleg/innen) eine unterschiedliche Wirkweise zuschreiben.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

363

Tabelle 23: Wirkrichtung und Stärke der Wirkung einzelner Akteursgruppen innerhalb der Schule auf das Wohlbefinden der Schulleitung, Hinweis: Die Interviewpartner/innen hatten die Möglichkeit, einzelne Personen(gruppen) einer Akteursgruppe (z.B. Lehrerkolleg/innen: Lehrerkollegin 1, Lehrerkollegin 2) auf der Netzwerkkarte separat einzuzeichnen. Damit lässt sich erklären, warum in der Tabelle bei einzelnen Interviewpartner/innen (z.B. I01) pro Akteursgruppe mehrere Wirkweisen angeführt sind. Quelle: Eigene Erstellung

Akteursgruppe

Stärke und Wirkrichtung

Lehrerkolleg/innen

stark positiv (I02, I03, I04, I05, I06, I07, I08, I09, I10, I11, I12, I13, I14, I15, I17, I18, I19, I20), mittelstark positiv (I06, I08, I16), schwach positiv (I01) stark ambivalent (I05)

Schüler/innen

Erziehungsberechtigte der Schüler/innen

nichtunterrichtendes Personal in der Schule

schwach negativ (I15), mittelstark negativ (I01, I04, I20), stark negativ (I02, I05, I08, I09) stark positiv (I02, I03, I04, I05, I06, I07, I08, I09, I10, I11, I12, I13, I14, I15, I17, I18), mittelstark positiv (I16) mittelstark negativ (I11), stark negativ (I12, I14, I20) stark positiv (I05, I06, I07, I08, I09, I13, I14, I16, I19), mittelstark positiv (I06, I11, I12, I13, I17, I18, I20) schwach ambivalent (I04), mittelstark ambivalent (I03, I20), stark ambivalent (I10, I14, I15) schwach negativ (I16), mittelstark negativ (I06, I09, I11), stark negativ (I01, I02, I05, I09, I12, I14) stark positiv (I02, I03, I05, I07, I08, I13, I14, I17, I18), mittelstark positiv (I09, I13, I17, I18, I19) mittelmäßig negativ (I10), stark negativ (I19)

Drei Schuldirektor/innen (I05, I15, I18) geben an, dass sie einen starken Einfluss auf das eigene Wohlbefinden eigentlich nur von diesen Personen innerhalb der Schule, nämlich Lehrerkolleg/innen, Schüler/innen und Erziehungsberechtigten der Schüler/innen zulassen, da diese täglich präsent sind. Nachfolgend wird näher auf die Art und Intensität der Beziehungen zu den einzelnen Akteursgruppen, die konkrete Wirkweise dieser auf das eigene Wohlbefinden und die mit den Beziehungen in Verbindung gebrachten Belastungen und Ressourcen eingegangen. Lehrerkolleg/innen Alle befragten Volksschuldirektor/innen führen das gesamte Lehrerkollegium oder zumindest einzelne Lehrkräfte an der Schule als Akteur/innen, die einen

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5 Empirische Erhebung

Einfluss auf das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz haben, an. Der Großteil der Befragten (I02, I03, I04, I05, I06, I07, I08, I09, I10, I11, I12, I13, I14, I15, I17, I18, I19, I20) schreibt zumindest einem Teil des Kollegiums oder einzelnen Lehrerkolleg/innen einen starken positiven gesundheitlichen Einfluss zu. Acht Schuldirektor/innen (I01, I02, I04, I05, I08, I09, I15, I20) berichten auch über negative gesundheitliche Wirkweisen einzelner Lehrkräfte an der Schule. Im Allgemeinen merken die meisten an, dass sich einzelne Beziehungen zu Lehrerkolleg/innen sehr unterschiedlich gestalten können und dementsprechend auch unterschiedliche Wirkweisen auf das eigene Wohlbefinden möglich sind bzw. verschiedene psychosoziale Belastungen und Ressourcen aus den Beziehungen heraus entstehen. Dies spiegelt sich auch in einigen Netzwerkkarten wider, in denen einige Lehrerkolleg/innen an durchaus unterschiedlichen Stellen platziert sind. Zwei Schuldirektor/innen (I14, I19) betonen in diesem Zusammenhang die Besonderheit der Beziehung zum/zur eigenen Stellvertreter/in. Zu diesem/dieser besteht zumeist eine intensivere soziale Beziehung. Die Beziehung zum/zur Schulleiterstellvertreter/in beschreiben diese zwei Schulleitungen folgendermaßen: „Die ist, würde ich sagen, intensiver als zu den anderen Lehrerkolleg/innen, weil ich auch oft Dinge bespreche mit ihr, die jetzt, die ich nicht mit jeder Kollegin besprechen würde, die dann schon die Leitung schon betreffen oder eine Beziehung zum Landesschulrat, wie wir als Schule da agieren oder diese Dinge. Und auch vielleicht etwas freundschaftlicher hat sich dadurch dann entwickelt. Ja.“ (I14) „Und dann sage ich ja, es geht mittlerweile mehr in Richtung Freundschaft auch, wo einfach schon eine gewisse Vertrauensbasis jetzt da ist, dass man sich auch Privates dann anvertraut. […] Ja, allerdings ist das halt, müssen wir halt aufpassen, dass das nicht vielleicht in eine Richtung läuft, die dann nicht sehr förderlich ist.“ (I19)

Generell besteht mit einzelnen Lehrkräften unterschiedlich häufig (persönlicher) Kontakt. Während mit Klassenlehrer/innen zumeist täglich interagiert wird, sehen die befragten Schuldirektor/innen jene Lehrer/innen, die Nebenfächer wie Religion unterrichten, nur ein bis ein paar Mal wöchentlich. Unterschiede zeigen sich dabei dahingehend, dass Beziehungen zu Lehrkräften, zu denen nur hin und wieder Kontakt besteht, von den meisten Schuldirektor/innen lediglich ein schwacher bis mittelmäßiger Einfluss auf das eigene Wohlbefinden zugeschrieben wird. Manche sind sogar der Ansicht, dass diese Lehrerkolleg/innen keinen „wirklichen“ Einfluss auf das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz haben. Die von den Schulleitungen wahrgenommene Intensität der Gespräche variiert ebenso. Als fix implementierte, formelle Kommunikationsformen werden nur

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

365

von zwei Schuldirektor/innen (I02, I12) regelmäßig stattfindende Teamgespräche bzw. Mitarbeitergespräche genannt. Erwartungsgemäß variiert auch die Dauer der Beziehung zu einzelnen Lehrkräften. Generell zeigen die Interviewaussagen allerdings, dass sowohl länger als auch kürzer bestehende Beziehungen einen positiven, aber auch negativen, starken, aber auch schwachen Einfluss auf das Wohlbefinden der Schulleitungen haben können. Was alle befragten Schulleitungen gemein haben ist, dass sie die Beziehung zu Lehrerkolleg/innen großteils als reziprok bezeichnen. So unterstützt man sich gegenseitig in verschiedenen Situationen, gibt einander Ratschläge, bietet sich gegenseitig Rückhalt, schätzt einander und gibt einander regelmäßig Feedback. Daneben besteht auch sozialer Rückhalt, wenn ein Mitglied des Kollegiums etwa im Privatbereich mit gewissen Herausforderungen zu kämpfen hat. Diese Reziprozität drücken zwei Schulleiter/innen folgendermaßen aus: „Da ist mehr Kontakt auch da in der Schule, eben weil sie [eine Lehrerkollegin] für vier oder nein, fünf Stunden in der Woche da ist, wo ich dann geschaut habe, dass sie eh täglich da ist und auch abseits, eben weil sie momentan zuhause im Privaten sehr mit sich und Krankheiten zu kämpfen hat, wo du dann auch immer wieder anrufst und fragst, eh alles in Ordnung, passt alles. Und genau das gleiche macht sie mit mir auch. Also von dem her das passt. […] Es ist eine wechselseitige Beziehung. Ich bin halt technisch sehr versiert, was sie halt nicht ist.“ (I01) „[…] und wir verstehen uns eigentlich sehr gut und wir denken alle ziemlich gleich. Und Unterstützung in beide Richtungen, und die ist ja optimal. Ich unterstütze sie [die Lehrerkolleg/innen] auch und mache viele Arbeiten für sie eigentlich im Vorfeld, sie brauchen nur dann den Rest machen. Und umgekehrt, wenn irgendetwas ansteht, sie greifen sofort zu und machen mit ohne zu fragen.“ (I06)

Einige Schuldirektor/innen betonen, die Reziprozität nur aus deren Sicht bewerten zu können. Sie geben an, dass eine Reziprozität zumindest angestrebt wird. Dieses Empfinden soll folgende Antwort einer Interviewperson auf die Frage hin, ob sich die Beziehung durch ein gegenseitiges Geben und Nehmen auszeichnet, verdeutlichen: „Ich versuche es halt. Das müssen Sie die Lehrerkolleginnen fragen, wie sie das sehen, Aber ich versuche es halt, soweit es geht.“ (I03)

Ob es bei einer rein beruflichen Beziehung zu Lehrkräften bleibt oder diese auch in den Privatbereich hineinreicht, ist von Volksschuldirektor/in zu Volksschuldirektor/in unterschiedlich. Einem Teil der Befragten ist es wichtig, Arbeits- und

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5 Empirische Erhebung

Privatleben stark zu trennen und dementsprechend auch mit Lehrkräften vorwiegend eine berufliche Beziehung zu pflegen. Eine absolute Trennung gelingt allerdings keinem bzw. keiner. So gibt der Großteil an, hin und wieder auch am Arbeitsplatz über private Themen mit den Lehrerkolleg/innen zu sprechen (I01, I02, I04, I05, I07, I08, I09, I10, I13, I14). Diese Schulleitungen beschreiben die Beziehungen zu den Lehrkräften an der Schule als eher kollegial, zum Teil als freundschaftlich, würden diese allerdings nie als „Freund/innen“, sondern eher als „gute Bekannte“ beschreiben. Dies bringt folgende exemplarische Beschreibung der Beziehung zu Lehrerkolleg/innen zum Ausdruck: „Also vielleicht schon, dass man sagt: Boah, jetzt habe ich irgendwie ein Problem daheim. Es ist eben ein freundschaftliches Verhältnis, aber wir sind keine Freundinnen.“ (I04)

Wieder andere gehen einen Schritt weiter und treffen sich mit einzelnen Lehrkräften auch außerhalb der Arbeitszeit (I03, I06, I12, I17, I18, I20). Auch diese Schulleiter/innen betrachten ihre Lehrerkolleg/innen allerdings vorwiegend als gute Arbeitspartner/innen oder gute Bekannte und weniger als Freund/innen. Sie betonen die Notwendigkeit der Wahrung einer ausreichenden Distanz. Eine Schulleitung schildert diesbezüglich etwa folgende Situation: „Beispiel: Ich wollte sie unbedingt […] das war für mich kein Thema, dass die [Lehrerkolleg/innen] zu meinem Geburtstag zur Familienfeier dazukommen und das war halt mit Anhang, also mit Männern oder Frauen und das war halt einfach so und das ist. Natürlich muss man dann aufpassen, also es gibt schon so, das ist eine Gratwanderung, weil man dann so in das Erzählen kommt und da muss man sagen: upps. Das gehört da jetzt nicht mehr dazu, nicht?“ (I18)

Ein kleiner Teil der Befragten spricht von richtigen Freundschaften zwischen ihnen und den Lehrerkolleg/innen. Dies verdeutlicht folgende Interviewaussage: „Wir sind also nicht nur Kolleginnen, wir sind auch Freundinnen, wir unternehmen auch gemeinsame Dinge. […] Also wir machen Urlaub gemeinsam. Ausflüge, abendliche Treffen zum Essen.“ (I15)

Folgende psychosoziale Ressourcen, deren Erleben mit einzelnen Interviewzitaten untermauert wird, werden von den befragten Schulleiter/innen genannt, die aus der Beziehung zu Lehrkräften im Gesamtkollektiv oder aber einzelnen Lehrer/innen an der eigenen Schule generiert werden (können) und sich positiv auf das eigene Wohlbefinden auswirken:

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

367

eher dauerhafte Ressourcen 

Anerkennung bzw. Wertschätzung (I02, I03, I05, I06, I07, I13, I14, I15, I16, I17, I18, I19, I20) „Ja, weil ich doch Unterstützung finde oder, also die Akzeptanz auf jeden Fall. Unterstützung und auch, ja, Bestätigung dann.“ (I20)



Geselligkeit und gemeinsames Lachen (I04, I07, I08, I09, I16, I19) „Also das Lachen ist bei uns sehr wichtig an der Schule. Wir lachen auch jeden Tag und das ist uns auch bewusst, wie befreiend das ist, wenn man sich richtig abgehaut hat über etwas.“ (I04)



sozialer Rückhalt, Loyalität, Offenheit und Engagement, Vertrauen und Verlass (I02, I03, I04, I05, I06, I07, I08, I09, I10, I11, I12, I13, I15, I18, I19, I20) „Naja, wenn man sich so ganz als Mensch öffnet, zeigt man dem anderen, man hat Vertrauen, und dem fällt es dann auch leichter, sich zu öffnen und auch ehrlich zu sein und das erleichtert vieles.“ (I15)

eher situative Ressourcen 

ehrliches und konstruktives Feedback (I02, I07, I13, I19, I20) „Also sehr, sehr stark positive oder ja, positive, im Sinne meiner Entwicklung, der Schulentwicklung, des konstruktiven Feedbackgebens, weil wir einfach, glaube ich, diese Person [die Schulleiterstellvertreterin] und ich in einem sehr ähnlichen Entwicklungsstand sind und dann läuft es halt einfach anders.“ (I19)



emotionale soziale Unterstützung in schwierigen Arbeits- und Lebenssituationen (I01, I02, I03, I05, I06, I07, I08, I09, I10, I11, I12, I13, I14, I15, I16, I17, I18, I19, I20) „Also die sind alle eigentlich sehr empathisch und merken auch, wenn es, egal mir oder bei den anderen halt dann, wenn es jemandem schlecht geht oder wenn jemand Hilfe braucht oder Unterstützung braucht, ja.“ (I09)



instrumentelle (fachliche oder arbeitsbezogene) soziale Unterstützung (I01, I02, I03, I04, I05, I06, I07, I08, I09, I10, I11, I12, I13, I14, I15, I16, I17, I18, I19, I20)

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5 Empirische Erhebung „Ich habe jetzt, z.B. spontan fällt mir eine Kollegin ein, die gerade im digitalen Bereich sehr gut ist. Und die mir dann auch sehr viel Arbeit abnimmt, indem sie die anderen Kolleginnen unterstützt. […] Natürlich sind verschiedenste Charaktere dabei, aber jeder bringt auf seine Art und Weise seine Expertisen ein und ja.“ (I13)



materielle soziale Unterstützung in Form von Lernmaterialien und Literatur (I07, I08, I10) „[…] und eben auch wirklich da aus ihrer Sicht [einer Lehrerkollegin] versucht, und das ist sehr sehr produktiv, weil sie dann auch mit Literatur kommt und ihre Erfahrung und sie ist sehr engagiert und das ist für uns auch wieder positiv.“ (I07)

Jene Schuldirektor/innen, die auch über negative Einflüsse einzelner Lehrerkolleg/innen auf das eigene Wohlbefinden sprechen (I01, I02, I04, I05, I08, I09, I15, I20), berichten über folgende damit verbundene Belastungen, wobei einige Interviewaussagen über vergangene oder aktuelle Situationen diese wiederum greifbarer machen sollen: eher dauerhafte Belastungen 

mangelnde Anerkennung bzw. Wertschätzung (I02, I08, I09, I20) „Also zum Schluss habe ich dann das Gefühl gehabt, war überhaupt, also Anerkennung in dem Sinne keine mehr da. […] und ich habe dann irgendwann das Gefühl gehabt, sie [eine Lehrerkollegin] führt da unten ihre eigene Schule.“ (I09)



mangelnder sozialer Rückhalt, fehlende Identifikation mit der Schule und ständige Kritik (I02, I04, I09, I15, I19, I20) „Naja bei ihr [eine Lehrerkollegin] habe ich das Gefühl und auch oft Wahrnehmungen, dass sie diese Schulentwicklung, so wie wir sie betreiben, die halt sehr innovativ ist, nicht ganz mittragen kann. Also ich will es jetzt nicht unterstellen, dass sie es nicht will, aber oft kann sie es nicht mittragen. […] Sie ist immer der kritische Geist, wenn wir so Besprechungen haben. Was ja an sich gut ist, dass nicht immer alle alles abnicken, aber manchmal kommt es mir auch vor, naja.“ (I04)



Nichterfüllung der Aufgaben eines/einer Lehrers/in und damit verbundene zusätzliche Arbeit für die Schulleitung (I02, I04, I05) „Und bei ihr [einer Lehrerkollegin] ist eben auch ihr Privatleben oder, wie soll ich, also sie ist total loyal und macht alles, was man möchte, aber ich müsste alles kontrollieren und sie kommt auch mit den Kindern nicht mehr so wirklich zurecht. […]

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

369

Deswegen, das Klima ist gut, sie ist loyal, aber für mich bringt es jetzt Sorge unter Anführungszeichen.“ (I05)

eher situative Belastungen 

Intrigen gegenüber der Schulleitung (I02, I08, I09) „Das ist die erste in meinem Leben, mit der ich jemals zu tun gehabt habe, die ständig versucht, obwohl sie nur ein paar Stunden da ist, mir in die Leitung zu pfuschen. Und da gibt es ein Problem.“ (I08)



Konflikte mit anderen Akteur/innen aufgrund der nicht angemessenen Erledigung von Aufgaben oder sonstiger Streitthemen (I02, I03, I04, I07) „Ja, z.B. hatten wir einen Vorfall, wo [ein Vorwurf über eine Lehrerin gekommen ist] sie hat einen Schüler gerüttelt und geschüttelt und hat sozusagen Gewalt angewendet und natürlich ist dieser Vorwurf dann auch auf mich gekommen.“ (I03)



Zurückhalten von für die Schulleitung wichtigen Informationen (I02, I09) „Er [ein Lehrerkollege] begegnet mir auch freundlich und macht es aber dann so auf die, über die Hintertür, diese Geschichten, sich Dinge vereinbaren mit Eltern, ohne mir Bescheid zu geben und dann immer so, naja: Aja genau. Das habe ich gar nicht gedacht. Und so auf die fiese Art irgendwie. Und das ist, permanent so bin ich auf der Hut, um Dinge einfach auch zu verhindern, die ich als Schulleiter zu verantworten habe und wo er sich dann halt als sehr unwissend und: Nein, das wollte ich ja gar nicht. Und ja, macht Dinge aus […] wo man dann, da irgendwie nebenbei in Kenntnis setzt, dass er das macht.“ (I02)

Im Sinne eines Vergleichs der Ergebnisse, die aus den Netzwerkkarten generiert wurden mit jenen, die auf Basis der qualitativen Interviews entstanden, ist zur gesundheitlichen Wirkrichtung und -stärke auf eine grundsätzliche Komplementarität dieser hinzuweisen. So zeigt sich in Hinblick auf die Stärke der Wirkung etwa, dass gerade jene Schulleiter/innen, die mit Lehrerkolleg/innen auch private Unternehmungen vornehmen, diese in der Netzwerkkarte im stark positiv wirkenden Kreis positionieren. In Hinblick auf die Wirkrichtung (positiv oder negativ) ist anzumerken, dass Schulleitungen, die Lehrerkolleg/innen auf der Netzwerkkarte im oberen Halbkreis (positive Wirkung) positionieren, im Interview mit der Beziehung in Verbindung stehende Ressourcen thematisieren. Solche, die (auch) Lehrkräfte im unteren Halbkreis (negative Wirkung) platzieren, sprechen von Belastungen, die sich aus diesen Beziehungen ergeben.

370

5 Empirische Erhebung

Eine leichte Divergenz zeigt sich bei einer Interviewperson (I03), die auf der Netzwerkkarte Lehrerkolleg/innen lediglich im oberen Halbkreis (positive Wirkung) platziert, allerdings dennoch von mit diesen in Verbindung stehenden Belastungen berichtet. Dies lässt sich mit der mangelnden Stabilität des sozialen Netzwerkes dieser Schulleitung begründen. So erzählt sie von einer belastenden Situation in der Vergangenheit, die sich aufgrund der Momentaufnahme des Netzwerkes nicht in der Netzwerkkarte widerspiegelt. Schüler/innen Mit Ausnahme von zwei Schuldirektor/innen führen alle Schulleiter/innen die Schüler/innen an der eigenen Schule als Akteursgruppe an, die einen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule hat. Überwiegend (I02, I03, I04, I05, I06, I07, I08, I09, I10, I11, I12, I13, I14, I15, I17, I18) wird ihnen dabei eine stark positive Wirkung zugeschrieben. Schüler/innen stellen jene Akteursgruppe dar, die für die Befragten der größte Motivator im beruflichen Alltag ist. Ein/e Schuldirektor/in (I01) weist zwar im Gespräch darauf hin, dass die Reaktion der Schüler/innen auf bestimmte von ihm/ihr gesetzte Aktivitäten das Wohlbefinden beeinflusst, führt die Schüler/innen allerdings nicht als gesundheitsrelevante Akteursgruppe in der Netzwerkkarte an. Diese leichte Divergenz zwischen Netzwerkkartendaten und Ergebnissen des qualitativen Interviews dürfte daran liegen, dass diese/r Schulleiter/in diesen Einflussfaktor auf das Wohlbefinden eher als berufliche Situation und weniger als Personengruppe empfindet. Zwei Schulleiter/innen bringen die Bedeutung der Schüler/innen für das eigene Wohlbefinden folgendermaßen zum Ausdruck: „Ja, also meine Lieblingsbeschreibung ist, dass ich glaube, dass es selten einen Arbeitsplatz gibt, wenn man in der Früh wo reinkommt, dass man umarmt wird und gesagt wird, hallo Frau Lehrer, schön, dass du da bist. Ja, also. […] Nein, ich werde einfach, ja, herzlich begrüßt und und ja. Weil wenn Kolleginnen, ich rede nicht nur von denen hier an der Schule, zu jammern anfangen, führe ich ihnen das immer wieder vor Augen und sage ihnen, bitte, wo gibt es einen anderen Beruf oder einen anderen Arbeitsplatz, wo du so begrüßt wirst und so herzig, so lieb und so ehrlich. Ja.“ (I09) „Ja, die Kinder haben natürlich einen ganz positiven Einfluss. Immer schon in der Früh: Guten Morgen. Ich freue mich immer schon in der Früh, wenn wir uns treffen […] also ich liebe es, wenn ich in der Früh in die Garderobe komme und aus jeder Ecke kommt ein: Guten Morgen! Guten Morgen, Frau Direktor! […] und das ist einfach schön und ich denke mir, wenn es den Kindern gut geht in unserer Schule, dann dürfte es uns auch gut gehen.“ (I17)

Drei Schuldirektor/innen (I11, I12, I14) unterscheiden zwischen zwei Gruppen von Schüler/innen, wobei die eine einen positiven, die andere einen eher negativen

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

371

Einfluss auf das eigene Wohlbefinden hat. Dies begründet ein/e Leiter/in folgendermaßen: „Natürlich muss ich bei denen differenzieren, es gibt solche, die sind mittelmäßig und dann gibt es die, die ich wirklich gern habe, weil sie problemlos sind.“ (I11)

Kontakt zu Schüler/innen besteht sowohl bei Schulleiter/innen mit Lehrverpflichtung als auch bei nichtunterrichtenden Schuldirektor/innen täglich. Jene Schulleitungen, die selbst nicht unterrichtend tätig sind, pflegen Kontakt mit Schüler/innen, indem sie immer wieder in die Klassen gehen, Supplierungen übernehmen und in Pausen, in der Früh vor dem Unterricht oder zu Mittag nach dem Unterricht mit Schüler/innen sprechen. Grundsätzlich wird die Beziehung zu den Schüler/innen von vielen Direktor/innen (I04, I05, I06, I07, I08, I10, I15), vor allem jenen, die auch unterrichtend tätig sind, als sehr eng bezeichnet. Auch die Beziehung zu den Schüler/innen wird ähnlich wie jene zu Lehrerkolleg/innen von nahezu allen Schulleiter/innen, die diese als gesundheitsrelevante Akteur/innen definieren, als reziprok erlebt. Man mag sich gegenseitig. So berichtet etwa eine Schulleitung einer größeren Schule: „Komischerweise lieben mich die Kinder, auch wenn ich dann die so die Überinstanz bin, die manchmal schimpft oder mehr schimpft als die anderen. Aber sie wissen auch, dass sie jederzeit kommen können. Sie kommen. […] Sie kommen, ihre Probleme abladen und ich sehe das als Teil von meinem Job und ich glaube, sie spüren, dass ich sie mag.“ (I15)

Lediglich ein/e Schuldirektor/in (I11) fühlt sich nicht von allen Schüler/innen gemocht und nimmt bei diesen eine eher abwehrende Haltung gegenüber der Schule wahr: „[…] die Kinder mich mögen? Eigentlich schon. Ja. Mögen schon. Eine schöne Zeit war, wie ich nicht da war, natürlich. Weil dann gibt es keine Hausübung. Also die Kinder gehen alle überhaupt nicht gerne in die Schule […]. Aber das hängt nicht

mit mir zusammen. Grundsätzlich. Sie mögen nicht Schule.“ (I11) Folgende psychosoziale Ressourcen werden von den befragten Schulleiter/innen genannt, die aus der Beziehung zu Schüler/innen heraus generiert werden (können) und sich positiv auf das eigene Wohlbefinden auswirken. Das Erleben der einzelnen Ressourcen wird wiederum mit Beispielzitaten aus den Interviews untermauert:

372

5 Empirische Erhebung

eher dauerhafte Ressourcen 

Anerkennung, Dankbarkeit und Wertschätzung (I02, I03, I04, I05, I06, I07, I09, I10, I11, I12, I14, I15, I16) „[…] die meiste Dankbarkeit und Anerkennung kriegt man in unserem Beruf über die Kinder.“ (I04)



Bestätigung der eigenen Arbeit durch glückliche bzw. brave und höfliche Kinder und Beobachten von positiven Entwicklungen (I02, I03, I04, I05, I06, I07, I08, I09, I11, I12, I13, I14, I15, I16, I17, I18) „Also das ist so, ja, sogar mein Schwierigster hat einen positiven Einfluss, weil da freust du dich, der macht auch seine Fortschritte, zwar anders wie die anderen und sie machen alle Fortschritte und sie sind auch alle lieb.“ (I08)



Freude an der Arbeit mit Kindern (I02, I05, I10) „[…] es macht eigentlich Spaß. Dass man ein bisschen gescheiter ist als die Kinder, aber das ihnen zu zeigen und ihnen etwas zu lernen und sie auf das Leben vorzubereiten, das macht Spaß jetzt.“ (I05)

eher situative Ressourcen 

Ehrlichkeit und ehrliches Feedback (I04, I05, I09, I14, I16, I17, I18) „[…] also wenn man irgendetwas macht, was in ihren Augen nicht passt, dann sagen sie das gleich. Und je unmittelbarer diese Rückmeldung ist, umso besser kann man darauf eingehen und das tut auch gut, wenn man da auch reflektiert, was kann man besser machen, dass das wieder hinhaut.“ (I04)

Die Schüler/innen werden von einigen Schulleitungen (I02, I04, I05, I12) auch als Kraftquellen bezeichnet. So meint etwa eine Schuldirektorin: „[…] das gibt uns schon sehr viel Kraft, wenn die Kinder gute Ideen haben, sich wertschätzend benehmen und irgendwo so, ja, einem wieder die Kraft für die neuen Dinge geben.“ (I12)

In Hinblick auf das Erleben von psychosozialen Belastungen, die aus der Beziehung zu Schüler/innen heraus resultieren, ist darauf hinzuweisen, dass von jenen Schuldirektor/innen, die die Schüler/innen auf der Netzwerkkarte im Kreis „stark positiver Einfluss auf das Wohlbefinden“ platzieren, einige dennoch über

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

373

Belastungen berichten (I03, I05, I07, I08, I09, I10, I12, I15, I18). Diese leichte Divergenz zwischen Interviewdaten und Netzwerkkartendaten liegt vermutlich daran, dass mit Schüler/innen gemäß den Aussagen der Interviewpartner/innen lediglich situative Belastungen verbunden sind, die so selten auftreten, dass Schüler/innen dennoch als Akteursgruppe mit positivem Einfluss auf das Wohlbefinden betrachtet werden. Konkret werden folgende Belastungen aufgrund sozialer Beziehungen zu Schüler/innen genannt: eher situative Belastungen  

besonders häufig notwendige Auseinandersetzung mit „schwierigen“ Schüler/innen (Verhaltensauffälligkeit wie Aggression oder Eigensinnigkeit) (I09, I10, I11, I12, I14, I20) Sorgen um und Gedanken über einzelne Schüler/innen (I07, I08, I10, I12, I14, I15, I18, I20) „Die stärkste Belastung eigentlich, die jetzt da gar nicht aufscheint, wenn man sieht, wie Eltern den Lebensweg von Kindern, hoffe ich, meist unbewusst, manchmal vielleicht auch bewusst, von Vornherein negativ beeinflussen. Sprich, die eine Scheidung haben, die ihren Streit am Rücken von Kindern austragen.“ (I15)



zusätzlicher Arbeitsaufwand aufgrund notwendiger Auseinandersetzung mit Konflikten zwischen Schüler/innen (I05, I09, I10, I12, I14, I20)

Neben sozialen Beziehungen zu Schüler/innen selbst stellen jene zu den Erziehungsberechtigten dieser ebenfalls eine potenzielle Belastung aber auch Ressource für die befragten Schulleitungen dar. Erziehungsberechtigte der Schüler/innen Alle befragten Schulleitungen geben an, dass die Erziehungsberechtigten der Schüler/innen einen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben. In Hinblick auf die wahrgenommene Wirkrichtung (positiv, negativ, ambivalent) und Wirkstärke (schwach, mittelstark, stark) unterscheiden sie sich jedoch zum Teil stark voneinander. Ähnlich wie die Schüler/innen stellen aus Sicht der Befragten auch die Erziehungsberechtigten dieser eine sehr heterogene Gruppe dar und können dementsprechend zweischneidig auf das eigene Wohlbefinden einwirken. Einige Schulleiter/innen nehmen im Zuge der Erstellung der Netzwerkkarte daher eine Unterscheidung von Erziehungsberechtigten mit positivem und Erziehungsberechtigten mit negativem gesundheitlichen Einfluss vor (I04, I05, I06, I09, I11, I12, I14, I16). Andere positionieren diese Akteursgruppe auf der ambivalenten Linie der

374

5 Empirische Erhebung

Netzwerkkarte (I03, I10, I15, I20). Eine Schulleitung, die den Einfluss der Erziehungsberechtigten mittels Netzwerkkarte als ambivalent definiert, berichtet im Zuge des Interviews kongruent dazu folgendermaßen über das Verhältnis zu dieser Personengruppe: „Also es gibt Eltern, die mich sehr unterstützen, die mit allem einverstanden sind. Und es gibt halt immer die Nörgler, die es an jeder Schule gibt, nicht? Und ja, und die haben wir auch.“ (I10)

Zwei Schulleiter/innen (I01, I02) führen in der Netzwerkkarte zudem nur jene Erziehungsberechtigten an, die negativ auf das eigene Wohlbefinden wirken, da – so erklären sie – die anderen aus deren Sicht selten in Erscheinung treten bzw. keine Rolle in Hinblick auf das eigene Wohlbefinden spielen. Wieder andere (I07, I17, I18) führen Erziehungsberechtigte in der Netzwerkkarte zwar als Akteur/innen mit positivem Einfluss an, berichten allerdings dennoch über hin und wieder auftretende Belastungen aufgrund der Beziehung zu diesen. Diese zunächst wiederum leicht divergenten Ergebnisse aus Netzwerkkarte und Interview lassen sich mit dem Empfinden vorwiegend lediglich situativer Belastungen aus der Beziehung zu Erziehungsberechtigten vonseiten dieser Volksschuldirektor/innen erklären. Häufig führen Schulleiter/innen (I03, I06, I08, I12, I13, I14, I16, I17, I20) darüber hinaus an, dass Elternvertreter/innen – vor allem aufgrund des häufigeren Kontakts zu diesen – einen stärkeren Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben als der Rest der Elterngemeinschaft. Die Beziehung zu diesen wird von allen Befragten, die diese Akteursgruppe auf der sozialen Netzwerkkarte platzieren und gleichzeitig im Interview ansprechen, als sehr positiv und unterstützend beschrieben. So berichtet eine Schulleitung über eine Elternvertreterin auf Gesamtschulebene: „[…] mit der ich sehr gut zusammenarbeite, die die Schule irrsinnig unterstützt und uns eigentlich alle Wünsche von den Augen abliest, also oft schon so viel, dass es mir schon unheimlich wird.“ (I13)

Kontakt mit Erziehungsberechtigten besteht unterschiedlich häufig. Die meisten Befragten geben jedoch an, zumindest in irgendeiner Weise täglich Gespräche (persönlich, telefonisch) mit diesen zu führen. Die Intensität der Beziehungen schwankt ebenfalls. Formelle Treffen finden im Zuge von Elternabenden, Elternsprechtagen, Elternvereinssitzungen und Schulforen statt.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

375

Folgende Ressourcen – nachstehend wieder mit direkten Zitaten aus den Interviews untermauert – können von einzelnen befragten Schulleiter/innen aus der Beziehung zu Erziehungsberechtigten heraus generiert werden: eher dauerhafte Ressourcen 

Anerkennung und Wertschätzung (I06, I07, I08, I09, I10, I13, I14, I15, I16, I17, I19, I20) „Ja, dass Eltern dann doch in Gesprächen dann sagen, also sie finden das toll, was wir machen in der Schule.“ (I20)



sozialer Rückhalt, Zusammengehörigkeitsgefühl und gemeinsames Miteinander (I03, I06, I07, I09, I10, I13, I14, I15, I17, I18, I19, I20) „Ich kann mich auf Eltern 100%ig verlassen.“ (I09)

eher situative Ressourcen 

informative soziale Unterstützung (I14, I17) „Die Elternvertreterin informiert mich auch oft, wenn sie selber so das Gefühl hat, da ist irgendetwas in, im Elternforum, was ein Anliegen von Eltern und es traut sich keiner oder will das keiner mit mir ansprechen, dann spricht sie das mit mir an.“ (I14)



instrumentelle soziale Unterstützung (arbeitsbezogen, z.B. bei Veranstaltungen) (I03, I06, I08, I09, I10, I12, I13, I16, I17) „Eltern helfen natürlich auch sehr, sehr viel mit, also da, wenn wir Eislaufen gehen, dass die mitfahren, dass sie die Kosten für den Bus ersparen und dergleichen, ja? Und übernehmen manchmal auch Aufsichtspflichten, natürlich nur kurzzeitig, also bei solchen Fahrten, also das. Organisation von Schulfesten, das machen alles die Eltern, also da, wir machen nur das Programm, alles rundherum machen die Eltern.“ (I10)



materielle soziale Unterstützung in Form von finanziellen Mitteln und Sachmitteln (I03, I10, I13, I14, I16) „Da habe ich ein gutes Auskommen, die Elternvertreterin unterstützt uns soweit, wenn wir Dinge anschaffen wollen, wo […] dann nicht mehr die finanziellen Mittel hat, da können wir auf den Elternverein immer wieder zurückgreifen.“ (I14)

376 

5 Empirische Erhebung hin und wieder auftretendes positives Feedback (I04, I05, I08, I11, I13, I15, I17, I19, I20)

 „Natürlich nicht so viel, aber ich merke, einige sagen mir das auch oder schreiben, oder jetzt, weil Weihnachten war, wenn man dann einen netten Brief kriegt oder eine nette Karte, dann weiß man auch, dass es passt.“ (I05)

Einige Volksschuldirektor/innen berichten über die Häufigkeit des Auftretens von Konflikten bzw. sonstigen „negativ besetzten“ Kontakten mit Erziehungsberechtigten der Schüler/innen. Dabei reicht die Spanne des Auftretens von etwa einmal pro Woche (I02, I11) über zweimal im Monat (I06, I14) bis zu zwei- bis dreimal im Schuljahr (I10, I13, I15). Ein/e Schuldirektor/in berichtet über das Vorkommen derartiger Situationen folgendermaßen: „Natürlich ist es in allen Gemeinden so, dass es Eltern gibt, die man sich nicht aussuchen kann. Die halt sehr kritisch sind. Die vielleicht auch selbst mit sich nicht zusammenkommen und Probleme haben und alles auf die Schule abwälzen. Es ist nicht so gehäuft, muss man sagen, es ist halt hier vielleicht zweimal im Monat, dass sich wer aufregt.“ (I06)

Folgende psychosoziale Belastungen werden mit der Beziehung zu Erziehungsberechtigten in Verbindung gebracht. Sie werden nachstehend mit Zitaten aus den Interviews spezifiziert: eher dauerhafte Belastungen  

fehlender sozialer Rückhalt bzw. mangelnde Offenheit für Veränderungen (I05, I06, I11, I18) mangelnde Anerkennung bzw. fehlendes Vertrauen in die Kompetenz des/der Schulleiters/in und der Lehrkräfte, ständige Forderung nach Mitentscheidung (I02, I06, I07, I09, I11, I12, I14, I15) „Und einfach den Eltern nicht diesen Raum zu bieten, der ihnen einfach auch nicht zusteht. Weil ich denke mir, die Pädagogen sind wir und ich traue uns schon, mir zu sagen, dass wir nach bestem Gewissen das auch machen und dass halt gewisse

Dinge ihre Prinzen und Prinzessinnen [die Schüler/innen] auch aushalten müssen.“ (I02) eher situative Belastungen 

Beschwerden und Kritik (I02, I03, I05, I07, I10, I12, I14, I15, I20)

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

377

„Und das sind so Dinge, also verschiedenste Kleinigkeiten, Anrufe und sich beschweren: Was ist da los? Was ist, ist was passiert? Ja, der hat den Schuh von meiner Tochter heruntergeschmissen vom Stock. Na Entschuldigung, ja. Also das sind wirklich so banale Dinge, aber die einem, also mich persönlich dann schon belasten, wo ich mir denke: Was ist los? Wieso muss man wegen so etwas überhaupt zum Telefonhörer greifen und anrufen oder gleich vor der Tür stehen?“ (I02)



Beschwerden bei anderen Stellen (z.B. Schulaufsicht, Schulerhalter) (I04, I07, I09) „Das hat mich, ja irgendwie schwer getroffen, dass sie [Erziehungsberechtigte] nicht zu mir gekommen sind und mit mir geredet haben. Zuerst einmal unter vier Augen, weil das erwarte ich, oder im Kollegium von mir aus, aber nicht vor, ja, vor versammelten Eltern […] und das, ja, hat mich irgendwo schon gekränkt.“ (I09)



Konflikte und ständig Gespräche, die zu keinem gemeinsamen Konsens führen bzw. Uneinsicht (I01, I02, I05, I06, I07, I10, I12, I15, I20) „Natürlich ein anderer Aspekt ist mit Kindern, die sehr schwach sind, wo man wirklich Eltern die Wahrheit sagen muss, hör zu, ich habe, ich befürchte, er wird es, es wird nicht mehr weitergehen, ich würde vorschlagen zum Beispiel das Jahr zu wiederholen oder die Grundstufe 1 in Dreierschuljahren zu machen. Das ist wahnsinnig schwer in einer kleinen, ist halt eine kleine Ortschaft, weil Eltern das halt einfach, für sie ist das Repetieren, obwohl es das eigentlich nicht ist. Also das ist sehr, sehr schwer.“ (I10)



Überfürsorge um eigene Kinder (I02, I11, I14, I15) „[…] Und nur den Fokus auf das eigene Kind und nur den Fokus auf die Bedürfnisse des einzelnen Kindes.“ (I14)



Verbreitung schlechter Stimmung innerhalb der gesamten Elterngemeinschaft bzw. Aufhetzen anderer Erziehungsberechtigter gegen die Schulleitung (I06, I09, I10, I12) „Oder ein bisschen versuchen, naja, dass sie eine schlechte Stimmung reinbringen wollen, dass sie andere ein bisschen aufhussen wollen, was eh nicht gelingt. Gott sei Dank. Aber sie versuchen es halt, nicht? Das sind so die Querschießer natürlich, die es immer wieder gibt.“ (I06)

Eine weitere Akteursgruppe, mit denen viele der befragten Schulleiter/innen ergänzend zu Lehrerkolleg/innen, Schüler/innen und Erziehungsberechtigten täglich

378

5 Empirische Erhebung

Kontakt pflegen, sind Personen, die in der Schule nicht unterrichtend tätig sind. Auch diese können einen Einfluss auf das Wohlbefinden der Schulleitung haben. Nichtunterrichtendes Personal 13 Schuldirektor/innen (I02, I03, I05, I07, I08, I09, I10, I13, I14, I15, I17, I18, I19) geben mittels Netzwerkkarte an, dass einzelne Akteur/innen des nichtunterrichtenden Personals an der Schule einen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben. Dabei wird neben der Positionierung auf der Netzwerkkarte auch im Zuge des qualitativen Interviews mit drei Ausnahmen (I10, I14, I19) ausschließlich von positiven Wirkungen berichtet. Eine Schulleitung bringt die hohe Bedeutung der sozialen Beziehung zum nichtunterrichtenden Personal für das eigene Wohlbefinden, insbesondere jener zum Schulwart und zum Reinigungspersonal, folgendermaßen auf den Punkt: „Das hat für mich schon einen sehr hohen Einfluss. Weil ich sehe die [Schulwart und Reinigungspersonal] mehrmals am Tag, einmal am Tag und wenn ich da ein ungutes Gefühl hätte oder irgendwie, ja, gerade, dass man sich grüßt und sich dann schnell wegdreht, das würde ich nicht aushalten. Das geht gar nicht bei mir.“ (I09)

Eine Schulleitung (I11) positioniert zwar kein Mitglied des nichtunterrichtenden Personals auf der Netzwerkkarte, berichtet allerdings dennoch über kleine Belastungen, die im Kontext dieser Beziehung auftreten. Generell weist diese Interviewperson allerdings darauf hin, dass diese Belastungen nicht in solchem Ausmaß auftreten, dass sie eine Beeinträchtigung des eigenen Wohlbefindens zur Folge hätten, was das Nichtanführen dieser Person auf der Netzwerkkarte erklärt. Vertreter/innen des nichtunterrichtenden Personals, die als gesundheitsrelevant bezeichnet werden, sind dabei im Speziellen der Schulwart, das Reinigungspersonal, Tagesbetreuer/innen, Freizeitpädagog/innen und/oder in einem Fall (I17) die Schulsekretärin. Das Empfinden der sozialen Beziehungen zu nichtunterrichtendem Personal, insbesondere dem Schulwart und dem Reinigungspersonal, sollen folgende Interviewaussagen zum Ausdruck bringen: „Ja, es ist positiv. Wir plaudern sehr viel. Es ist mehr so ein lockerer Umgang miteinander.“ (I03) „[…] ja, mit der [Reinigungskraft] habe ich viel zu tun, weil sie ist sehr kommunikativ. Nicht ganz einfach. Also sehr einfach strukturiert, und manchmal ja, sie erzählt mir ihre ganze Lebensgeschichte […] also manchmal wo du dir denkst, eigentlich ich möchte es gar nicht wissen, aber ich meine, sie ist lieb, sie ist immer ab Mittag da, wenn ich Hefte verbessere. Das gefällt ihr halt so, wenn ich Hefte verbessere, dass sie

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

379

nebenbei meine Klasse putzt. […] da kocht sie uns immer schon einen Kaffee oder ob ich will oder nicht.“ (I08)

Mit der sozialen Beziehung zum Schulwart, der nicht an allen Schulen vorhanden ist, verbinden befragte Volksschulleiter/innen als Ressourcen die Arbeitsentlastung (I02, I09, I13, I14, I17, I18), die Geselligkeit bzw. die Ablenkung von der Arbeit und die Aufheiterung (I02, I09, I13), emotionale soziale Unterstützung (I02) sowie Verlass auf diesen (I02, I09, I18). Eine Schulleitung beschreibt den positiven Einfluss des Schulwarts auf das eigene Wohlbefinden beispielsweise folgendermaßen: „Also er, er nimmt mir das gerne ab und ich darf mich auch wirklich nicht beklagen. Egal jetzt die Adventfeier wo ich sage: Du weißt eh, die Tische stellen und das. Er: Na mache ich schon. Mache ich schon. Das ist, das tut schon gut, ja. […] Und wenn er merkt, es ist ein bisschen die Stimmung auch etwas, dass es mir nicht so gut geht, der baut mich immer wieder auf und sagt: Da, trinke einen Kaffee. Du wirst sehen, wird schon wieder alles besser werden. Also der ist, da muss ich sagen auch so eine, eine Perle.“ (I02)

Mit dem Reinigungspersonal tauschen sich zwei Schuldirektor/innen (I03, I08) ebenfalls immer wieder – häufig sogar täglich – aus, wobei die Gesprächsthemen zumeist außerschulisch sind. Als wesentliche Ressourcen, die aus dieser Beziehung heraus generiert werden können, werden – ähnlich wie bei der Beziehung zum Schulwart – die Geselligkeit und Ablenkung von der Arbeit durch „Tratschen“ (I03, I07, I08, I09) sowie die Erledigung von Arbeit (auch privater Aufgaben der Schulleitung) (I07, I08) genannt. Ein/e Schuldirektor/in erzählt in diesem Zusammenhang etwa folgende Beispielsituationen: „Von der menschlichen Seite hilft man dann eher so in Problemfällen wie, wie soll ich sagen, also wenn das Auto, die Werkstatt sagt, ja, nicht mehr in die Werkstatt bringen, zahlt sich nicht aus. Sie [Reinigungskraft] findet mir dann irgendwen, der mir es dann so irgendwie auch noch richtet oder an Weihnachten. Ich habe keine Zeit zum Kekse backen […]. Und ich schaffe es nicht, greift sie zum Telefon ruft irgendeine an, die […] Kekse backt.“ (I08)

Häufig nehmen der Schulwart und das Reinigungspersonal zudem eine Mittlerfunktion zwischen der Schule bzw. der Schulleitung und dem Schulerhalter sowie Erziehungsberechtigten und Schüler/innen ein, wobei die informative soziale Unterstützung als Ressource geschätzt wird (I03, I07, I08): „Sie [Reinigungskraft] ist auch so die Informantin so. Die ich auch brauche, ja? Also was ich von den Kindern so nicht erfahre, von den Eltern auch nicht, aber so etwas,

380

5 Empirische Erhebung was auch für mich wichtig ist, die Kinder besser zu verstehen, sowas erfahre ich dann auch von ihr.” (I03)

Ressourcen, insbesondere instrumentelle soziale Unterstützung und Mitarbeit, zum Teil auch emotionale soziale Unterstützung erleben einige Volksschuldirektor/innen, vor allem jene, die eine Ganztagsschule führen, auch vonseiten einzelner Erziehungspersonen, die nicht als Lehrkräfte tätig sind (z.B. Nachmittagsbetreuung, Freizeitpädagogik). Darüber hinaus bringen diese Akteur/innen häufig „neuen Schwung“ in die Schule und bereichern diese aus Sicht der Volksschulleitungen dadurch (I05, I07, I13, I14, I17, I18, I19). Eine Schulleitung beschreibt die Beziehung, insbesondere den Kontakt zur Leiterin der Tagesbetreuung, beispielsweise folgendermaßen: „Wir haben jeden Tag eigentlich, jeden Schultag Kontakt, wenn sie [Leiterin der Tagesbetreuung] in die Schule kommt, gibt es irgendetwas, dann tauschen wir uns aus. Das hat es gestern gegeben mit einem Kind, und das und ich habe gesagt, du schaue dir den heute noch an, weil die Eltern haben gesagt, es ist oft gestoßen worden. Das funktioniert auch gut.“ (I18)

Jene Direktor/innen, die von einem negativen Einfluss einzelner Personen des nichtunterrichtenden Personals sprechen, berichten zumeist von einer nicht adäquaten Erledigung der Arbeit des Reinigungspersonals oder des Schulwarts bzw. ständig notwendiger Aufforderungen vonseiten der Schulleitung (I10, I11, I14, I17), welche mit Konflikten bzw. Beschwerden vonseiten der Erziehungsberechtigten verbunden sind. Beziehung zu Personen außerhalb der Schule Die folgende Tabelle gibt zunächst einen Überblick über jene Akteur/innen, die außerhalb der Schule, welche die befragten Direktor/innen leiten, agieren und die aus deren Sicht relevant für das eigene Wohlbefinden sind. Ergänzend gibt die Tabelle Auskunft über die Stärke und Wirkrichtung der sozialen Beziehung zu diesen einzelnen Personen(gruppen) gemäß deren Positionierung auf der Netzwerkkarte. Vor allem in Hinblick auf die Schulaufsicht, den Schulerhalter und andere Bildungseinrichtungen zeigt sich, dass die soziale Beziehung zu einzelnen Mitgliedern der jeweiligen Gruppe positiv, jene zu anderen derselben Gruppe gleichzeitig negativ auf das Wohlbefinden der Schulleitungen wirken kann. Im Folgenden wird näher auf die Art und Intensität der sozialen Beziehungen zu den einzelnen Akteursgruppen, die konkrete Wirkweise auf das eigene

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

381

Wohlbefinden und auf die mit den sozialen Beziehungen in Verbindung gebrachten Belastungen und Ressourcen eingegangen. Tabelle 24: Wirkrichtung und Stärke der Wirkung einzelner Akteursgruppen außerhalb der Schule auf das Wohlbefinden der Schulleitung, Hinweis: Die Interviewpartner/innen hatten die Möglichkeit, einzelne Personen(gruppen) einer Akteursgruppe (z.B. Schulaufsicht: Landesschulrat als gesamte Organisation, Pflichtschulinspektor/in) auf der Netzwerkkarte separat einzuzeichnen. Damit lässt sich erklären, warum in der Tabelle bei einzelnen Interviewpartner/innen (z.B. I05) pro Akteursgruppe mehrere Wirkweisen angeführt sind. Quelle: Eigene Erstellung

Akteur/in bzw. Akteursgruppe

Stärke und Wirkrichtung

Schulaufsicht (direkte/r Vorgesetzte/r in Form des/der Pflichtschulsinspektors/in, Landesschulrat, Bundesministerium für Bildung)

stark positiv (I07, I11, I12, I16, I17, I18, I19), mittelstark positiv (I01, I04, I05, I08, I13, I14), schwach positiv (I10)

Schulerhalter (Bürgermeister/in, Vizebürgermeister/in, direkte Ansprechpartner/innen für Schulagenden)

schwach ambivalent (I03, I09), mittelstark ambivalent (I20), stark ambivalent (I02, I15) mittelstark negativ (I05, I14), stark negativ (I05, I06) stark positiv (I11, I16, I17, I19), mittelstark positiv (I05, I06, I08, I14, I15, I18, I20), schwach positiv (I01, I10) schwach ambivalent (I01, I09), mittelstark ambivalent (I04), stark ambivalent (I12)

Volksschulleiterkolleg/innen

andere Bildungseinrichtungen außerhalb des Volksschulbereiches (v.a. Kindergarten)

außerschulische Kooperationspartner/innen (z.B. Vereine, Pädagogische Hochschule)

schwach negativ (I01, I03), mittelstark negativ (I02), stark negativ (I07, I12, I18) stark positiv (I04, I08, I12, I13, I17, I19), mittelstark positiv (I12, I14, I16, I20), schwach positiv (I18) schwach negativ (I07), mittelstark negativ (I11), stark negativ (I19) stark positiv (I02, I04, I06, I17), mittelstark positiv (I14, I18) stark ambivalent (I01, I04) schwach negativ (I01), mittelstark negativ (I08, I11), stark negativ (I08) stark positiv (I10), mittelstark positiv (I06, I10, I12, I14, I15, I19, I20), schwach positiv (I16, I18) mittelstark ambivalent (I14)

382

5 Empirische Erhebung

Schulaufsicht Aussagen im Kontext der Schulaufsicht wurden bereits ansatzweise thematisiert, da schulrelevante Entwicklungen auf Makroebene, die die Kategorie III des eigenen Kategoriensystems abbilden, großteils von Organisationen der Schulaufsicht ausgehen. Pflichtschulinspektor/innen werden als direkte Vorgesetzte bezeichnet, wobei erneut aus Anonymitätsgründen gegendert wird, um keine Rückschlüsse auf das Geschlecht des/der Pflichtschulinspektors/in zu ermöglichen. Alle befragten Schulleitungen sind der Ansicht, dass die Schulaufsicht einen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz hat. Großteils ergibt sich dieser Umstand aus der sozialen Beziehung zum/zur direkten Vorgesetzten. Einige Schuldirektor/innen sprechen jedoch auch die Beziehung zu bzw. eigene Einstellung gegenüber Organisationen des Landesschulrates sowie des Bundesministeriums für Bildung an. Der Großteil der Volksschuldirektor/innen (I01, I04, I05, I07, I08, I10, I11, I12, I13, I14, I16, I17, I18, I19) spricht von einem positiven Einfluss von Mitgliedern der Schulaufsicht auf das eigene Wohlbefinden. Fünf (I02, I03, I09, I15, I20) schreiben diesen eine ambivalente Wirkung zu. Dabei wirkt die Schulaufsicht für diese Schulleiter/innen sehr stark situationsbedingt positiv oder negativ auf das eigene Wohlbefinden ein. Dies verdeutlichen folgende Interviewaussagen: „Das ist wirklich ambivalent. Das ist einerseits, wenn man etwas braucht, so wie das Problem mit der zweiten Klasse, wo es dann um Klassenwechsel gegangen ist. Wenn ich [den/die Pflichtschulinspektor/in] anrufe und [er/sie] ist wirklich dann sehr bemüht und gibt mir Tipps und wenn du jetzt etwas brauchst, und ich stütze dich und so weiter […]. Und dann wieder, oh, kann [er/sie] so kränkend auch sein. Wenn ich denke, bei Dingen, wo ich sage: Ja, ist passiert. Ist nicht in Ordnung. Aber das, da fehlt es halt manches Mal nach meinem Gefühl an der Wertschätzung.“ (I02) „Wenn es Probleme gibt, dann hilft er [Landesschulrat], ja? Also das möchte ich nicht sagen, sie stehen schon hinter einem. Ich habe das wirklich erfahren, dass sie wirklich unterstützend und wirklich hinter einem stehen. Natürlich gibt es halt auch Tage, wo sie halt etwas fordern, was man halt nicht so gerne macht.“ (I10)

Nur drei Schulleitungen (I05, I06, I14) sind der Ansicht, dass die Schulaufsicht (ausschließlich) einen negativen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden hat, wobei diese negative Wirkweise zumeist eher von organisationaler Ebene (Landesschulrat) als von individueller Ebene (Pflichtschulinspektor/in) ausgeht. Sechs Schulleitungen (I05, I06, I11, I15, I18, I19) geben an, sich der schwierigen Mittlerposition des/der Pflichtschulinspektors/in zwischen Schulaufsichtsbehörde und den einzelnen Schulleiter/innen bewusst zu sein. Dies zeigen folgende Interviewaussagen:

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

383

„[…] und vor allem, ich sehe [den/die Pflichtschulinspektor/in] auch so, dass [er/sie] auch nur das weitergeben kann, was von oben kommt. [Er/sie] hat es auch nicht leicht. Da kann ich auch nicht sagen, [er/sie] ist [der/die] Böse, [er/sie] muss das weitergeben […] muss genauso viel abladen…“ (I05) „Ist halt schwierig, weil natürlich [der/die Pflichtschulinspektor/in] hat für uns natürlich jetzt eine wichtige Aufgabe, weil [er/sie] das Bindeglied ist zwischen dem Landesschulrat und uns mehr oder weniger. [Der/die Pflichtschulinspektor/in] ist auch in diesem Dilemma, weil [er/sie] muss natürlich das umsetzen, wie von oben angeschafft wird.“ (I06)

Auch in Hinblick auf Mitglieder der Schulaufsicht zeigt sich – ähnlich wie bei den Schüler/innen und Erziehungsberechtigten der Schüler/innen – dass einige (I08, I10, I16, I18) diese zwar im positiven Halbkreis der Netzwerkkarte positionieren, allerdings dennoch von mit der Beziehung verbundenen Belastungen sprechen. Diese leichte Divergenz zwischen Netzwerkkartendaten und Ergebnissen der qualitativen Interviews sind vermutlich auf zwei Ursachen zurückzuführen. Einerseits besteht nicht täglich Kontakt mit der Schulaufsicht, was dazu führt, dass diese nur in seltenen Situationen belastend wirken kann, während dauerhafte Ressourcen – wie etwa Wertschätzung und subjektiv wahrgenommene soziale Unterstützung – als stabil empfunden werden. Der zweite Grund könnte – trotz des Hinweises auf die Wahrung der Anonymität im Zuge der Befragung – daran liegen, dass einzelne Befragte es nicht „wagten“, Mitglieder der Schulaufsicht in den negativen Halbkreis der Netzwerkkarte zu geben. Mit der Schulaufsicht stehen die Befragten unterschiedlich häufig in direktem Kontakt. Die einen sprechen von wöchentlichen, zumeist telefonischen Kontakten (I01, I05, I12, I13, I16, I18, I19, I20), die anderen von „nur sporadischen“ bzw. punktuellen Kontakten etwa zwei- bis viermal im Jahr, die telefonisch oder aber bei Schulleitertagungen erfolgen (I03, I04, I06, I07, I08, I09, I10, I14). Überwiegend wird die soziale Beziehung zu Mitgliedern der Schulaufsicht als rein bis großteils beruflich beschrieben: „Die Inhalte sind rein beruflich. Also nicht rein, 90% beruflich, 10% privat.“ (I01)

Ressourcen, die die befragten Volksschulleiter/innen aus der sozialen Beziehung zur Schulaufsicht heraus generieren, werden nachfolgend, untermauert mit einzelnen Interviewaussagen, dargestellt:

384

5 Empirische Erhebung

eher dauerhafte Ressourcen 

Anerkennung und Wertschätzung (I01, I03, I04, I05, I09, I11, I13, I14, I15, I16, I18, I19) „Naja, ich sage einmal ich habe das Glück, dass wir [eine/n sehr wertschätzende/n Pflichtschulinspektor/in] haben. Ich empfinde das so. Und das hat aber jetzt, ja, okay, weil wir haben erst das BZG gehabt, dieses Bilanz-, Ziel- und Vereinbarungsgespräch nach, vom Schulentwicklungsplan. Und ja, es passt alles, es ist alles, ja. Deswegen, also die Wertschätzung ist da für mich.“ (I05)



sozialer Rückhalt und Verständnis (I01, I02, I03, I04, I08, I10, I11, I13, I18, I19, I20) „Also da ist, [der/die Pflichtschulinspektor/in] ist sehr korrekt, also. Versteht. Ich fühle mich auch sehr, sehr verstanden. Weil [er/sie] natürlich auch eine Schulleitung hatte und an einer großen Schule versteht [er/sie] viele Dinge. Wenn [er/sie] gewisse Dinge nicht erfüllen kann, weil [er/sie] einfach selbst keine Ressourcen hat, aber man fühlt sich wenigstens verstanden.“ (I18)



ständige Erreichbarkeit (I11, I12, I14, I18, I19) „[Der/die Pflichtschulinspektor/in] ist total menschlich. Jederzeit erreichbar, ich meine, ich rufe […] nicht an, aber trotzdem, was ich weiß, jederzeit erreichbar und genauso eigentlich das Büro. Zwar nicht immer telefonisch, ich meine, es ist ein großes Gebiet für das sie eigentlich verantwortlich sind. Aber grundsätzlich habe ich nicht das Gefühl, ich bin alleine.“ (I11)

eher situative Ressourcen 

emotionale soziale Unterstützung (I10, I16, I18, I19) „Ja, [der/die Pflichtschulinspektor/in] natürlich, [der/die] mich sehr wohl, sowohl in der schulischen, also rein administrativen Arbeit unterstützt, als auch im, also in der Administration brauche ich [ihn/sie] eigentlich nicht so wirklich, aber so in diesen, wenn schwierige Eltern sind oder so in diesen Fragen, also [er/sie] ist dann immer erreichbar und hört zu oder gibt Tipps und unterstützt da.“ (I19)



fachliche soziale Unterstützung (I01, I02, I03, I04, I05, I06, I08, I11, I12, I13, I14, I15, I16, I17, I18, I19, I20)

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

385

„[Der/die Pflichtschulinspektor/in] oder generell auch der Landesschulrat und die Außenstelle, die unterstützen mich auch sehr positiv eigentlich in meinen Vorhaben und in meinen Arbeiten.“ (I12)



Lob und positives Feedback (I01, I03, I13, I19) „[Der/die Pflichtschulinspektor/in] ist deswegen ein positiver Einfluss, weil [seine/ihre] Art und Weise, wie [er/sie] mit mir spricht, [er/sie] weiß, ich bin noch nicht so lange Direktor […]. [Er/sie] bestärkt einen immer wieder in der Art und Weise, wie [er/sie] mit einem spricht, wie [er/sie] dich lobt, wie [er/sie] dich nach außen hin präsentiert und das Ganze hat schon selbstvertrauenssteigernden Einfluss.“ (I01)

Belastend an der sozialen Beziehung zur Schulaufsicht erleben befragte Schulleiter/innen vor allem folgende Faktoren: eher dauerhafte Belastungen 

kontinuierlicher Leistungsdruck und Aufgabenvielfalt (I05, I06, I10, I15, I18, I20) „Ja, weil wir also ich empfinde das so, dass da sehr viel Druck von oben ist.“ (I05)



mangelnde Anerkennung und Wertschätzung (I02, I05, I15) „[…] und [der/die Pflichtschulinspektor/in] hat so [seine/ihre] Lieblingsschulen, zu denen ich halt nicht so zähle.“ (I02)



mangelnder Handlungsspielraum und fehlendes Mitspracherecht (I02, I06, I20) „Und da ist kein Austausch. Das geht mir ab. Dass man sagen kann: Okay, wieder vom Schulinspektor zum Landesschulrat rauf. Das ist eigentlich nicht das Wahre, überlegt es euch noch einmal, das ist so nicht umsetzbar.“ (I06)

eher situative Belastungen  

Kritik bei „kleinen Vergehen“ der Schulleitung (I02, I03) mangelnde Ineffizienz in der Kommunikation (I05, I06, I09, I16) „Und ja, negativ unter Anführungszeichen sind diese plötzlichen Schulleitertagungen, die innerhalb von drei Tagen, drei bis fünf Tagen anberaumt werden. Wo man dann

386

5 Empirische Erhebung seine Zeit absitzen muss, sage ich jetzt ganz frech. Und wo teilweise Informationen kommen, die in einem E-Mail kurz und prägnant in ein paar Schlagwörtern gegeben werden könnten.“ (I09)

Neben der sozialen Beziehung zu Mitgliedern der Schulaufsicht, die sowohl Belastungen als auch Ressourcen mit sich bringen kann, stellt der Schulerhalter einen weiteren zentralen Akteur außerhalb der Schule dar, mit dem Schulleitungen regelmäßig Kontakt pflegen. Auf dessen gesundheitliche Wirkweise wird nun eingegangen. Schulerhalter Mit Ausnahme einer Person (I13) führen alle befragten Volksschuldirektor/innen den Schulerhalter – in allen Fällen ist das die Gemeinde, in der die Schule steht – als einen Akteur im eigenen sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz Schule an, der einen Einfluss auf das individuelle Wohlbefinden hat. Dabei unterscheiden sich die Schulleiter/innen dahingehend, dass sie entweder den Schulerhalter als Gesamtes oder aber einzelne Personen, insbesondere den/die Bürgermeister/in und/ oder Vizebürgermeister/in, anführen. Während der Großteil entweder den/die Bürgermeister/in oder die Gemeinde als Gesamtes als einzige/n gesundheitsrelevante/n Akteur/in definiert und ihm/ihr eine bestimmte Wirkung zuschreibt, nehmen drei (I01, I12, I18) eine Splittung der Akteursgruppe „Schulerhalter“ in mehrere Einzelpersonen vor, die einen unterschiedlichen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben. Zwar ist das nichtunterrichtende Personal an Schulen für gewöhnlich über den Schulerhalter angestellt, allerdings wurde deren Wirkweise auf das Wohlbefinden der befragten Schulleiter/innen separat betrachtet und bereits an früherer Stelle beschrieben. Die folgenden Ausführungen beziehen sich also nicht auf an der Schule tätiges nichtunterrichtendes Personal, das beim Schulerhalter beschäftigt ist. Großteils erleben die befragten Schulleitungen einen positiven Einfluss des Schulerhalters auf das eigene Wohlbefinden (I01, I05, I06, I08, I10, I11, I14, I15, I16, I17, I18, I19, I20). Vier (I01, I04, I09, I12) sprechen von einer ambivalenten, sechs (I01, I02, I03, I07, I12, I18) von einer negativen gesundheitlichen Wirkung. Die ambivalente Wirkweise drückt eine Schulleitung folgendermaßen aus: „Natürlich das ist oft schwierig. Nicht alle Vorhaben oder Dinge, die man für die Schule möchte, werden dann auch finanziell auch unterstützt. Es ist oft schwierig oder wenn es Ungereimtheiten gibt. Ja. Das ist oft, manchmal mehr da oben [auf der Netzwerkkarte] und manches Mal vielleicht auch ein bisschen hier unten.“ (I12)

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

387

Zwei Schulleiter/innen (I02, I07) positionieren den Schulerhalter bzw. einzelne Mitglieder ausschließlich im „negativen” Halbkreis der sozialen Netzwerkkarte, sprechen im Interview allerdings dennoch von Ressourcen, die sie vonseiten des Schulerhalters bekommen. Dies könnte zum einen daran liegen, dass die Ressourcen aus der sozialen Beziehung zu anderen oder aber früheren Mitgliedern des Schulerhalters generiert werden können bzw. konnten. Zum anderen könnte dieser Umstand an der stärkeren Wahrnehmung von Belastungen im Vergleich zu Ressourcen liegen. Umgekehrt bringt ein/e Schuldirektor/in (I18), der/die den Schulerhalter in der Netzwerkkarte als „positiv wirkend“ einzeichnet, mit diesem auch Belastungen in Verbindung. Dies dürfte wieder am sehr stark situativen Auftreten von Belastungen vonseiten des Schulerhalters liegen. Die Häufigkeit des Kontaktes der befragten Schulleitungen mit dem Schulerhalter schwankt bei jenen Bezugspersonen, mit denen der meiste soziale Austausch stattfindet zwischen einmal bis dreimal pro Woche (I01, I03, I08, I09, I12, I18) über ein paar Mal im Monat (I05) bis hin zu wenigen Malen im Jahr (I07, I10, I14). Einige sprechen von einem sehr unregelmäßigen, situationsbedingten Kontakt (I04, I11, I17). Manche Schulleiter/innen betonen, dass in bestimmten Situationen, vor allem, wenn ein Um- oder Neubau der Schule bevorsteht, verstärkt Kontakt mit dem Schulerhalter besteht (I06, I10, I20). Generell findet am häufigsten telefonischer, gefolgt von persönlichem Kontakt mit dem Schulerhalter statt. Inhaltlich geht es bei einzelnen Gesprächen mit Ausnahme weniger (I05, I06, I08, I15, I16) ausschließlich um Schulerhalterbelange. Während vor allem in kleinen Gemeinden zumeist der/die Bürgermeister/in selbst direkte Ansprechperson für die Befragten ist, ist es in größeren Gemeinden häufig eine andere, bei der Gemeinde beschäftigte bzw. in der Kommunalpolitik tätige Person. An erster Stelle der mit dem Schulerhalter in Verbindung gebrachten Ressourcen steht die materielle soziale Unterstützung. Aber auch weitere Ressourcenarten können aus der sozialen Beziehung heraus generiert werden, was die folgende Auflistung – ergänzt um direkte Interviewzitate – zeigt: eher dauerhafte Ressourcen 

Anerkennung und Wertschätzung (I06, I07, I12, I15, I16) „[…] materielle Ressourcen, aber auch die immateriellen, indem sie [Mitglieder des Schulerhalters] Wertschätzung zeigen, auf Veranstaltungen kommen.“ (I15)

388 

5 Empirische Erhebung sozialer Rückhalt, Zusammenarbeit und Verlass (I01, I02, I05, I06, I07, I08, I11, I15, I16, I17, I20) „So wie er [der Bürgermeister] kann sich auf mich verlassen, auch wenn es knapp ist und umgekehrt genauso. Und das ist halt wichtig. Dass da nicht einseitig immer etwas ist, sondern das wirklich auf beiden Seiten das Positive überwiegt.“ (I06)



Verständnis für und Interesse an einzelne(n) Schulbelange(n) (I05, I15) „Ja, indem sie [die Gemeinde] Verständnis hat für pädagogische Anliegen, auch wenn es manchmal zu ihren Kosten geht.“ (I15)

eher situative Ressourcen  

instrumentelle soziale Unterstützung bei der Umsetzung von Projektvorhaben und Veranstaltungen (I04, I08, I11, I12, I15) materielle soziale Unterstützung (I01, I02, I04, I05, I06, I07, I08, I10, I11, I14, I15, I16, I17, I18, I19, I20) „Beispiel: Wenn ich jetzt zum Beispiel sage, ich brauche eine Langbank und die müsstet ihr mir zahlen, dann heißt es: Natürlich, schauen wir rein, ja, haben wir. Gut, kauf und bestelle.“ (I18)

Einige Schulleitungen betonen im Kontext der materiellen sozialen Unterstützung, dass sie Verständnis für begrenzte finanzielle Ressourcen haben und dementsprechend nicht übermäßig viel fordern (I05, I11, I12, I17). Diesen Aspekt sollen die folgenden Interviewaussagen zum Ausdruck bringen: „Wobei ich auch sagen muss, man muss sich auch als Schulleiter immer an der Nase nehmen und sagen: Ich muss mit Maß und Ziel arbeiten. Weil ich weiß jetzt selber […], dass man einfach die Gemeinden sehr viele Auflagen und sehr viel auch auf den Gemeinden lastet jetzt, dass man da einfach auch nicht über das Ziel schießen darf.“ (I05) „Ich meine, ich kann nicht hingehen, das sagt mir der logische Hausverstand, ich will eine Whiteboard um 6.000 Euro oder 5.000 Euro für meine […] Kinder. Das ist eigentlich eine Frechheit so etwas zu verlangen, nicht?“ (I11)

Durch die Schulleitungen wahrgenommene Belastungen im Kontext der sozialen Beziehung zum Schulerhalter als gesamte Organisation oder aber zu einzelnen Mitgliedern sind folgende:

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

389

eher dauerhafte Belastungen 

fehlender Verlass und ständig notwendiges Bitten um Erledigung von Schulerhalteraufgaben (I02, I09, I19) „Da hat man manchmal das Gefühl, man muss bitten und betteln, dass man drei neue Computer kriegt und ja, das ist es natürlich genauso, dass man sich da auch, wenn man sich manchmal ärgert, zurücknehmen muss.“ (I09)



hohe Erwartungshaltung und fehlendes Verständnis für Schulbelange (I04, I18) „Vor zwei Jahren war der Faschingdienstag unmittelbar nach den Semesterferien, da sind beim Faschingsumzug nur drei Klassen mitgegangen oder vier. Und dann haben die gesagt, na, warum haben nicht mehr Klassen mitgemacht? Und hin und her. Dann denke ich mir, puh, sollen sich einmal herstellen, sollen einmal wissen, wie viele Dinge wir da zu erledigen und zu stemmen haben.“ (I18)



mangelnder Kontakt, mangelndes Interesse an der Schule und mangelnde Anerkennung bzw. Wertschätzung (I03, I07, I12) „Das ist immer […] da hätte ich gerne, wenn [der/die Bürgermeister/in] sich mehr um die Schule kümmert und auch sich mehr sehen lässt bei uns. Das ist so ein Wunschdenken von mir. […] Wobei mein Wunsch eben wäre, dass [er/sie] mehr zusammenarbeiten würde mit mir oder mehr kooperieren würde oder mehr schauen würde: Wie geht es euch? Was braucht ihr? “ (I03)

eher situative Belastungen 

mangelnde informative soziale Unterstützung (I03, I07) „Oder zum Beispiel jetzt wieder, ein praktisches Beispiel gleich, ich bin doch die Schulleiterin und ich möchte gerne, ich wüsste gerne wer in meiner, der Schule tätig ist und sich aufhält. Wir haben einen Turnsaal, einen schönen großen und ich habe das einmal schon gemeint, er [der Bürgermeister] möge mir doch mitteilen, wer den Turnsaal benützt. Tut er aber nicht. Er lässt das immer so über ein paar Ecken hören. Ich fühle mich daher ein bisschen, ja, übergangen. “ (I03)



unzureichende materielle soziale Unterstützung in einzelnen Situationen (I02, I03, I09, I12)

390

5 Empirische Erhebung

Drei Schulleitungen (I07, I12, I19) berichten über vergangene, sehr schwierige Zeiten, in denen einzelne Personen des Schulerhalters einen stark negativen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden hatten. Deren Verhaltensweisen, insbesondere Benachteiligungen gegenüber anderen Bildungseinrichtungen, die als fehlende Anerkennung von den Schulleitungen wahrgenommen wurden, bewirkten bei diesen ein Gefühl der Kränkung. Volksschulleiterkolleg/innen Während viele der Befragten Leiter/innen von anderen Volksschulen überhaupt nicht als gesundheitsrelevante Akteur/innen auf der Netzwerkkarte positionieren (I02, I03, I05, I06, I09, I10, I15), schreiben sechs Schulleiter/innen (I04, I08, I12, I13, I17, I19) der sozialen Beziehung zu diesen einen stark positiven, vier (I12, I14, I16, I20) einen mittelstark positiven und eine (I18) zumindest einen schwach positiven Einfluss auf das eigene Wohlbefinden zu. Nur drei Schulleiter/innen (I07, I11, I19) sprechen von einer negativen Wirkung einzelner Schulleiterkolleg/innen auf das eigene Wohlbefinden. Eine/r davon (I11) berichtet allerdings auch über Ressourcen in Verbindung mit der sozialen Beziehung zu einer anderen Schulleitung in früheren Jahren. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der sozialen Netzwerkkarte um eine Momentaufnahme handelt, findet sich dieser positive Aspekt in der Netzwerkkarte dieser Person nicht wieder. Vier der befragten Schuldirektor/innen (I04, I08, I13, I16) betonen, dass der Austausch mit anderen Volksschulleiter/innen zu ihren wichtigsten Ressourcen zählt. Persönliche Treffen oder zumindest Telefonate finden zumeist einmal pro Woche bis ein paar Mal pro Monat statt. Dabei trifft man sich sowohl beruflich in Form von regelmäßigen Meetings zum Thema Schulentwicklung als auch privat. Die soziale Beziehung zu Schulleiterkolleg/innen wird von diesen Befragten als sehr freundschaftlich und reziprok bewertet. Häufig werden Mitglieder dieser Gruppe, in Summe zumeist zwei bis drei Personen, von den Befragten sogar als Freund/innen betrachtet. Dies verdeutlicht folgende exemplarische Interviewaussage: „Das sind eigentlich zwei Kolleginnen, die beide Schulleiterinnen sind. Und aber auch sehr gute private Freundinnen. Und das ist eben auch das Wichtige, gerade bei Neuerungen im Schulsystem, im Bildungssystem […]. Da setzen wir uns gemütlich zusammen und ja.” (I13)

Andere der befragten Volksschulleiter/innen (I12, I14, I17, I18, I19, I20) sprechen von einer vorwiegend beruflichen sozialen Beziehung zu Volksschulleiterkolleg/innen, wobei man sich immer wieder in unregelmäßigen Abständen – zumeist, wenn Neuerungen im Schulsystem passieren oder wenn Fragen bezüglich Schulentwicklungsagenden auftauchen – persönlich trifft oder telefonisch interagiert.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

391

Die wesentlichen Ressourcen, die mit der sozialen Beziehung zu Volksschulleiterkolleg/innen in Verbindung gebracht werden, sind im Folgenden aufgelistet und werden mit direkten Zitaten aus den Interviews untermauert: eher dauerhafte Ressourcen  

Anerkennung und Wertschätzung (I04, I16) Vertrauen ineinander, soziale Integration und „Wir-Gefühl“ (I04, I13, I16) „Also jede bringt sich in dem Maß ein, wie sie es möchte und kriegt aber dann von den anderen zwei genauso viel Vertrauen geschenkt, weil jedes Mal, wenn man etwas hergibt ist das natürlich, macht man sich sehr verwundbar. Und es ist ein sehr vertrauensvolles Verhältnis.“ (I04)

eher situative Ressourcen 

Arbeitsentlastung durch Austausch und Aufgabenteilung (I12, I13, I14, I16, I17) „Heute war eine Situation, ein Infoschreiben an Eltern. Wenn es alle betrifft, eine schnelle Meldung, hat es schon eine geschrieben, okay, wird geteilt. Und das ist natürlich ein Hit, also da gibt es nicht, dass eine sagen würde, das gebe ich dir nicht oder so. Ich bin drüber geflogen, ein bisschen adaptiert und neue Unterschrift und geht schon. Und das ist viel wert. Das darf man nicht unterschätzen.“ (I13)



emotionale soziale Unterstützung (I04, I08, I13, I16, I18, I19) „Und das tut dann so gut, wenn man jetzt selber wie so ein bisschen in einem Tief drinnen ist […] und dann telefoniert man wieder und der [Volksschulleiterkollege] sagt, nein, nein, passt schon und schaue, habe ich auch gehabt. Also das ist mehr wie so eine Mediatorengeschichte bald. “ (I19)



fachliche soziale Unterstützung (I04, I08, I10, I11, I12, I13, I14, I16, I18, I19, I20) „[…] wir holen uns Tipps gegenseitig, also. Das ist eigentlich, funktioniert wunderbar.“ (I10)



Geselligkeit (I04, I13)

Zwei der befragten Schulleitungen, die den Einfluss anderer Volksschulleiter/innen auf das eigene Wohlbefinden als negativ bezeichnen (I07, I19), betonen, dass

392

5 Empirische Erhebung

die negative Wirkung nicht von der Person der Schulleitung ausgeht, sondern am Bestehen der anderen Schule in unmittelbarer geographischer Nähe liegt. Aus diesem Grund wird mit der sozialen Beziehung zu Volksschulleiterkolleg/innen vorwiegend ein gewisses „Konkurrenzgefühl“ als (potenzielle) Belastung in Verbindung gebracht: „[…], weil es uns insofern schon ein bisschen einen Druck auch macht, dass wir die Schülerzahlen halten können […] wo halt doch manches Mal dann immer diese Meldung, Kollegen ärgern sich da noch mehr, kommen, wie: Naja, die Schule X tut jetzt schon so und so. […] Das ist dann doch auch immer, wo ich sage, ich muss mich doch nicht immer rechtfertigen.“ (I19)

Andere Bildungseinrichtungen außerhalb des Volksschulbereiches Etwa die Hälfte der befragten Schulleitungen (I01, I02, I04, I06, I08, I11, I14, I17, I18) führt auch andere Bildungseinrichtungen in Form von Organisationen bzw. deren Mitglieder in Form von einzelnen Personen als für das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz relevante Akteur/innen auf der Netzwerkkarte an. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um kooperierende Kindergärten und deren Personal. Generell berichtet die Mehrheit der Befragten, die einen gesundheitlichen Einfluss anderer Bildungseinrichtungen außerhalb des Volksschulbereiches wahrnehmen, von positiven Wirkweisen (I01, I02, I04, I06, I14, I17, I18). Nur drei (I01, I08, I11) sprechen (auch) von ambivalenten bzw. negativen Einflüssen. Ein/e Schuldirektor/in beschreibt die ambivalente Wirkweise einer Kindergartenleitung auf das eigene Wohlbefinden folgendermaßen: „Das ist einmal positiv, einmal negativ, je nach Gefühlslage von ihr sage ich mal. Weil sie einmal, wenn man so Feste organisiert, wie wir es letztes Schuljahr gehabt haben […] und da merkst du einfach, je nachdem, wie ihre Verfassung drauf ist, bin ich jetzt selber auch mehr positiv oder bin ich mehr negativ und das ist sowohl privat als auch beruflich.“ (I01)

Vor allem Leitungen von kleinen Volksschulen (I01, I04, I06, I08) berichten von einem häufigen Kontakt, einmal oder mehrmals pro Woche, mit dem Kindergartenpersonal. Zwei Schulleiter/innen (I02, I04) berichten über den Einfluss anderer Schulen außerhalb des Volksschulbereiches auf das eigene Wohlbefinden und bewerten diesen als stark positiv. Auch diese Beziehung zeichnet sich gemäß den Aussagen der beiden durch täglichen bis zumindest wöchentlichen Kontakt aus.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

393

Mit der sozialen Beziehung zu einzelnen Mitgliedern anderer Bildungseinrichtungen außerhalb des Volksschulbereiches werden folgende Ressourcen in Verbindung gebracht: eher dauerhafte Ressourcen 

Arbeitsentlastung durch die Leistung wichtiger Vorarbeiten im Kindergarten (I06, I18) „[…], weil die [das Kindergartenpersonal] machen den ersten Teil und bei uns geht es so Hand in Hand und wir machen einfach weiter, wo die Kinder stehen geblieben sind, übernehmen wir sie und machen weiter.“ (I06)

eher situative Ressourcen  

emotionale soziale Unterstützung (I01, I02) fachliche soziale Unterstützung (I02, I08) „Und vor allem bei Kindern, bei schwierigen Kindern […] wie man mit diesen Kindern umgehen kann und wo wir uns auch austauschen, das sind Kinder, die wirklich ein Problem haben […] oder einfach Tipps holen, wo du sagst, du, wie soll ich da jetzt reagieren?“ (I02)



gegenseitige Abstimmung und Zusammenarbeit (I06, I14, I17, I18) „Also wir haben unten die Schule X, dann die Schule X und die Schule X. Ja, also es ist kooperativ, also wir müssen zum Beispiel, wir haben zwei Turnsäle, die wir zusammen nützen, da müssen wir uns wirklich dann jeden Schulanfang zusammensetzen, dass wir da wirklich einen Plan zurechtbasteln, der sehr kompliziert ist und da muss halt jeder Kompromisse eingehen und das funktioniert wirklich auch gut.“ (I14)

Belastungen, die von Volksschulleitungen im Kontext der sozialen Beziehung zu im Kindergarten arbeitenden Personen erlebt werden, liegen vor allem im erhöhten Arbeitsaufwand aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft (I01, I11) sowie mangelnder informativer sozialer Unterstützung (I08, I11). Außerschulische Kooperationspartner/innen Etwa die Hälfte der befragten Schulleiter/innen (I06, I10, I12, I14, I15, I16, I18, I19, I20) führt auf der Netzwerkkarte als gesundheitsrelevante Akteur/innen im Arbeitsumfeld auch Kooperationspartner/innen wie Hilfsorganisationen, die Pädagogische Hochschule bzw. mit diesen in Verbindung stehende Perso-

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5 Empirische Erhebung

nen (z.B. Praxisanleiter/innen, Studierende) sowie Vereine an. Die Bedeutung derartiger Organisationen für die Schule, vor allem in kleinen Gemeinden, beschreibt ein/e Schuldirektor/in folgendermaßen: „[…] das war mir von Anfang an ein Anliegen. Eine kleine Gemeinde ist wie eine große Familie, wo eigentlich jeder jeden kennt und wo man doch eigentlich zusammenlebt und im Dorf, die gehören einfach dazu. Das fängt an mit der Feuerwehr […] also wir haben schon fix auf das Jahr verteilt oder Muttertagsfeier unsere Aktivitäten und wissen, das steht an und dann tun wir schon im Vorfeld die Eltern anreden und fragen, dürfen die Kinder Gedichte aussuchen und und und.“ (I06)

Mit Ausnahme einer Person (I14), die den Einfluss einer kooperierenden Institution als stark ambivalent bezeichnet, berichten alle über eine durchwegs positive Wirkung dieser auf das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Die Interviewperson nennt in diesem Kontext das Jugendamt als kooperierende Organisation. Obwohl die Zusammenarbeit ihrer Ansicht nach im Großen und Ganzen gut funktioniert, wünscht sie sich oft eine bessere Unterstützung bzw. das Finden besserer Lösungen für einzelne Kinder. Mit Kooperationspartner/innen haben Volksschulleiter/innen erwartungsgemäß nur sehr sporadisch – einmal bis ein paar Mal im Jahr – Kontakt. Lediglich zu Studierenden der Pädagogischen Hochschule, die von zwei Schulleiter/innen (I10, I20) als gesundheitsrelevante Akteur/innen definiert werden, findet häufiger – bis zu einmal pro Woche – Austausch statt. Ressourcen, die in Verbindung mit der sozialen Beziehung zu Kooperationspartner/innen gebracht werden, sind ausschließlich situativer Natur:      

Arbeitsentlastung (I10, I19) Bereicherung der Schule (I10, I15, I18, I19) fachliche soziale Unterstützung (I10, I12, I14, I16, I19, I20) Freude an der gemeinsamen Arbeit und am gegenseitigen Austausch (I10, I12, I15, I16, I18) Geselligkeit (I06, I16) positives Feedback (I10, I20)

Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass einzelne Akteur/innen innerhalb und außerhalb der Schule auf das Wohlbefinden von Schulleitungen in sehr unterschiedlichem Ausmaß und auf sehr unterschiedliche Art einwirken können. Dennoch konnten Parallelen zwischen einzelnen Schulleiter/innen festgestellt werden. Diese ersten identifizierten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

395

den Befragten werden in Abbildung 26 festgehalten. Im Folgenden soll zuvor allerdings noch ein Überblick über weitere Belastungen und Ressourcen, die von den befragten Volksschulleiter/innen genannt werden, gegeben werden. Kategorie VI – Weitere Belastungen und Ressourcen Diese Kategorie beinhaltet Interviewaussagen zu von den befragten Volksschuldirektor/innen wahrgenommenen Belastungen und Ressourcen, die nicht unmittelbar aus dem sozialen Netzwerk bzw. einzelnen sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz Schule resultieren. Aufgrund der Vielfalt genannter Belastungen und Ressourcen erfolgte keine Bildung von Subkategorien im Rahmen der Auswertung. Da die Dauerhaftigkeit der Belastungen und Ressourcen (kurzfristig und situativ vs. langfristig und dauerhaft) nicht immer explizit thematisiert wurde, war auch eine derartige Unterscheidung nicht möglich. Abbildung 25 stellt einen (adaptierten) Ausschnitt des theoretischen Rasters (s. Kapitel 5.2.1) dar. Sie fasst die von den befragten Schulleiter/innen genannten Belastungen und Ressourcen, die eher außerhalb des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule liegen, zusammen. Dabei werden nur solche angeführt, die von zumindest zwei Befragten genannt wurden. Im Sinne einer Zusammenfassung der in den vorangegangenen Abschnitten erläuterten psychosozialen Belastungen und Ressourcen, die aus dem sozialen Netzwerk sowie einzelnen sozialen Beziehungen entstehen und der thematisierten Beanspruchungen, werden auch diese in der Grafik abgebildet. Auf drei der vier Formen von Belastungen und Ressourcen am Arbeitsplatz (arbeitsplatzbezogen, persönlich, materiell) wurde in den vorhergehenden Abschnitten eingegangen.

396

Abbildung 25:

5 Empirische Erhebung

Belastungen und Ressourcen der befragten Volksschulleiter/innen – Zusammenfassung, Quelle: Eigene Erstellung

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

397

Was private Belastungen und Ressourcen betrifft, so ist anzumerken, dass sehr viele Schuldirektor/innen im Zuge der Interviews erwähnen, dass das soziale Netzwerk im Privatbereich (v.a. Familie, Freund/innen) Auswirkungen auf jenes am Arbeitsplatz und umgekehrt hat und beide gemeinsam ihr individuelles Wohlbefinden beeinflussen (I01, I02, I05, I09, I12, I13, I14, I15, I16, I18, I19, I20). Eine Schulleitung beschreibt dieses Empfinden folgendermaßen: „Ja, es muss eine gute Balance sein, dass man im privaten Bereich gut regenerieren kann, dass man dort fest in seinem Leben steht. Und dann kommt, das wirkt sich natürlich dann sehr positiv auch auf die Arbeit hier als Schulleiterin oder als Lehrerin aus und im Umgang mit Kindern, Eltern und [dem/der Pflichtschulinspektor/in]. Mit der Gemeinde.“ (I12)

Einige Schuldirektor/innen führen sogar Akteur/innen aus dem Privatbereich auf der sozialen Netzwerkkarte an (I01, I13, I18, I19, I20). Den positiven Einfluss des privaten Umfeldes auf das Wohlbefinden am Arbeitsplatz beschreiben zwei Volksschulleiter/innen beispielsweise folgendermaßen: „Ob das jetzt beruflich ist, ob das privat ist oder was weiß ich, das ist einfach gut zu wissen, du hast jemanden, der da ist, wenn es andere nicht gerade sind. Und da ist es auch vom Wohlbefinden her, deswegen auch starker Einfluss, positiv, einfach so eine, ich sage es mal unter Anführungszeichen, eine Wohlfühloase.“ (I01) „Wenn es der Familie gut geht, geht es mir auch gut. Bzw. unterstützt die mich […] in der Versorgung, Beaufsichtigung von meinen Kindern, wenn die krank sind, brauche ich mich nicht kümmern und sorgen. Also das hat schon einen sehr positiven Einfluss auf mich als Schulleiterin, ich muss nicht auf die Uhr schauen, oh Gott, wenn ich nicht um Punkt daheim bin, steht das Kind vor der Tür.“ (I19)

Neben Ressourcen, die aus dem privaten sozialen Netzwerk geschöpft werden können, existieren für einige Schulleiter/innen in diesem Kontext jedoch auch Belastungen. So drücken zwei Volksschulleiter/innen den Mangel an sozialem Rückhalt und sozialer Unterstützung in diesem Lebensbereich folgendermaßen aus: „Und irgendwie ist das halt schwieriger, wenn ich niemanden dann am Abend habe, mit dem ich mich austauschen kann und wo ich einfach einmal loslassen kann, das merke ich halt auch.“ (I02) „Und er [der Ehemann] sieht oft nicht ein, dass man als Schulleiter, ich meine, er weiß es jetzt eh, aber dass ich das alles machen muss und um was ich mich alles kümmern muss, nicht? Aber es geht nicht anders und dann mittlerweile ist es so, dass er halt dann manchmal aufgibt, aber mir dann schon öfter eben ein bisschen Druck macht. Ja, weil ich oft daheim auch sitze, nicht?“ (I05)

398

5 Empirische Erhebung

Über belastende Ereignisse im Privatbereich und deren Einfluss auf die eigene Gesundheit berichten vier Schuldirektor/innen. Eine/r davon erzählt Folgendes: „Naja, ich hatte vor sieben Jahren wirklich ein Burnout, aber ich muss dazu sagen, das kann ich jetzt nicht meinem Beruf alleine zuschreiben. Weil da waren private Faktoren mit Pflege- und Sterbefällen gehäuft. Und ich denke, das war einfach in Summe dann.“ (I15)

Summa summarum wurden die Befragten am Ende des Interviews gefragt, ob alle zur Verfügung stehenden Ressourcen – sowohl jene, die aus dem sozialen Netzwerk generiert werden können, als auch solche anderer Art – im Allgemeinen ausreichen, um mit psychosozialen und sonstigen Belastungen umzugehen. Der Großteil der Befragten berichtet, dass ein Gleichgewicht von Belastungen und Ressourcen die meiste Zeit gegeben ist. Einige Schuldirektor/innen (I03, I05, I09, I10, I11, I12, I20) betonen in diesem Zusammenhang, dass das Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben am Arbeitsplatz Schule sehr situationsabhängig ist. Eine Volksschulleitung (I09) meint, dass die Ressourcen im Allgemeinen ausreichen und nur in „Notsituationen“ (z.B. „Krankenstandswelle“) Belastungen überwiegen. Ein/e Schuldirektor/in (I14) erzählt, dass die Ressourcen gerade noch ausreichen, aber dass in Zukunft von außen mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssen, um Belastungen bewältigen zu können. Fünf Schulleiter/innen (I02, I05, I10, I15, I20) sind der Ansicht, dass die Ressourcen aktuell oder zumindest nicht immer ausreichen und es an genügend Energiequellen zum Umgang mit Belastungen fehlt. Eine Schulleitung antwortet beispielsweise auf die Frage hin, ob Ressourcen genügen, um mit Belastungen am Arbeitsplatz umzugehen, Folgendes: „Meine Ressourcen? Manchmal nicht. Manchmal nicht. Manchmal bin ich wirklich an den Grenzen, an einer Grenze und ich merke das auch. Dass ich einfach dann ja. Eben schlecht schlafe. Mich irgendwo ausreden müsste, so psychotherapeutische Hilfe irgendwo so, das merkt man schon.“ (I05) Nach dem umfassenden Fallvergleich, der in den vorangegangenen Abschnitten vorgenommen wurde, wird im Nachfolgenden ein kurzer Einblick in die ersten Gruppierungen, die basierend darauf gebildet wurden, gegeben.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

399

Erste Gruppierungen auf Basis des Fallvergleichs Neben einem Vergleich der einzelnen Fallporträts diente eine quantitative Betrachtung der Textsegmente, die den in den vorangegangenen Abschnitten angeführten Kern- und Subkategorien zugeordnet wurden, einer ersten Gruppierung der befragten Schuldirektor/innen. Hierfür wurde auf das Tool „Code-Matrix Browser“ in MaxQDA 12 zurückgegriffen. Die folgende Abbildung stellt das Ergebnis einer ersten intuitiven Gruppierung der Einzelfälle dar, wobei die Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit und der theoretische Raster die „Hintergrundfolie“ des Gruppierungsprozesses bildeten.

Abbildung 26:

Ergebnis des ersten Gruppierungsprozesses, Quelle: Eigene Erstellung

Aus der Abbildung geht hervor, dass auf Basis des Fallvergleichs intuitiv zunächst vier erste Gruppen von Volksschuldirektor/innen identifiziert werden konnten.

400

5 Empirische Erhebung

Innerhalb einer Gruppe weisen die ihr zugeordneten Einzelfälle für die Forschungsfragen relevante gemeinsame Merkmale auf. In Hinblick auf die Kombination, nicht jedoch stets in Hinblick auf einzelne Merkmalsausprägungen, unterscheiden sich die vier Gruppen klar voneinander. 5.4.3 Gruppierung der Fälle und Analyse empirischer Regelmäßigkeiten Ergänzend zur im vorangegangenen Abschnitt erläuterten intuitiven Gruppierung wurde im Rahmen der Forschungsarbeit ein systematischer Gruppierungsprozess durchgeführt. Die systematische Gruppierung der einzelnen Fälle passierte auf Basis der auf Stufe 1 entwickelten Kategorien und Subkategorien (Vergleichsdimensionen). Auf dieser Stufe kam Fallkontrastierungen erneut eine hohe Bedeutung zu, da  

sowohl einzelne Fälle, die (zunächst) derselben Gruppe zugeordnet wurden, im Sinne einer internen Homogenität (Ebene des Typus) als auch Fälle (zunächst) unterschiedlicher Gruppen im Sinne einer externen Heterogenität (Ebene der Typologie)

wieder umfassend miteinander verglichen und weitere gemeinsame bzw. trennende Merkmale identifiziert werden mussten (vgl. Kelle & Kluge, 2010, S. 91, 275). 5.4.3.1 Entwicklung eines Merkmalsraums Für die systematische Gruppierung der Fälle wurde als divisives Gruppierungsverfahren ein sogenannter Merkmalsraum, der von Hempel & Oppenheim geprägt und später von Barton und Lazarsfeld weiterentwickelt wurde, erstellt. Ein Merkmalsraum gewährleistet gemäß Kluge (1999) eine systematische und nachvollziehbare Gruppierung von Untersuchungselementen (S. 260). Hempel & Oppenheim (1936) meinen, dass sich in der Soziologie ähnlich wie ein Massepunkt in der Physik ein Individuum an einem bestimmten Ort in einem typologischen Merkmalsraum einordnen lässt (S. 67). Barton und Lazarsfeld ergänzen, dass sich jeder Typ aus einer Kombination von Merkmalen zusammensetzt, die einen Merkmalsraum bilden, der wiederum einer Typologie zugrunde liegt (vgl. Kluge, 1999, S. 18, 34-43; Lazarsfeld & Barton, 1951).

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

401

Der im Rahmen der eigenen Studie erstellte Merkmalsraum erlaubte das Identifizieren aller möglichen Merkmalskombinationen und die konkrete empirische Verteilung der Fälle auf diese (vgl. Kelle & Kluge, 2010, S. 91). Konkret wurde zunächst eine Mehrfeldertafel erstellt, die im Laufe weiterer Analysen und Fallvergleiche schließlich zu einer Vierfeldertafel „reduziert“ wurde. Dieser zweite Schritt ist bereits Teil der Stufe 3 „Analyse inhaltlicher Sinnzusammenhänge“. Vor der Beschreibung dieses Analyseteils sollen allerdings zentrale Ergebnisse der 2. Stufe „Gruppierung der Fälle und Analyse empirischer Regelmäßigkeiten“ beschrieben werden. 5.4.3.2 Zentrale Ergebnisse Auf der Stufe 2 der empirisch begründeten Typenbildung galt es, basierend auf dem Datenmaterial den Merkmalsraum für die bereits intuitiv gebildete Gruppierung zu rekonstruieren. Hierfür wurden die fallübergreifenden Haupt- und Subkategorie (s. Kapitel 5.4.2.3) auf sogenannte Kernkategorien reduziert bzw. zusammengefasst, die als Merkmale bezeichnet werden können. Die Subkategorien dieser stellen wiederum Merkmalsausprägungen dar. Die Definition der Kernkategorien und Subkategorien wurde gleichsam von den Forschungsfragen und den Relevanzsetzungen der Befragten beeinflusst. Letztere spiegelten sich vor allem in der Anzahl an Kodierungen pro Code (Kategorie bzw. Subkategorie) und den auf der Netzwerkkarte eingezeichneten Akteur/innen wider. Tabelle 25 gibt einen Überblick über die ursprünglichen Kernkategorien im Sinne von Merkmalen und deren Subkategorien im Sinne von Merkmalsausprägungen. Von „ursprünglichen“ Kategorien ist deshalb die Rede, da diese im Zuge der Reduktion des Merkmalsraums (s. Kapitel 5.4.4.1) weiter komprimiert wurden.

402

5 Empirische Erhebung

Tabelle 25: Erste Bildung von Kernkategorien und deren Subkategorien, Quelle: Eigene Erstellung

ursprüngliche Kernkategorie I: Beanspruchungserleben vorwiegend positive situatives Erleben Erleben langfristiger negaBeanspruchungskurzfristiger negativer tiver Beanspruchungsfolgen folgen Beanspruchungsfolgen ursprüngliche Kernkategorie II: Sozialklima und soziale Beziehungen innerhalb der Schule kaum bis keine (< 2) sozialen Bezieeinige (mindestens 2) soziale Beziehungen innerhalb der Schule mit nehungen innerhalb der Schule mit gativem Einfluss auf das Wohlnegativem Einfluss auf das Wohlbefinden befinden ursprüngliche Kernkategorie III: Makroebene und soziale Beziehungen außerhalb der Schule gesamtes nur einige Akteur/innen kaum bis keine Schulsystem = außerhalb der Schule Akteur/innen außerhalb belastend haben einen negativen der Schule mit negativem Einfluss auf das WohlEinfluss auf das Wohlbefinden befinden (mindestens 2) (< 2) ursprüngliche Kernkategorie IV: Stärke der gesundheitlichen Wirkung sozialer Beziehungen viele soziale Beziehungen mit starkem wenige soziale Beziehungen mit Einfluss auf das eigene Wohlbefinden starkem Einfluss auf das eigene (mindestens 3) Wohlbefinden (< 3) Die Kernkategorie I bildet vor allem die Kategorie IV des fallübergreifend entwickelten Kategoriensystems ab (s. Kapitel 5.4.2.4). Der Fallvergleich zeigt, dass einige Schuldirektor/innen vorwiegend positive Beanspruchungsfolgen (Wohlbefinden, Arbeitszufriedenheit) am Arbeitsplatz wahrnehmen. Auch der Kurzfragebogen weist bei diesen Schulleitungen auf eine gute Gesundheit hin (subjektiver Gesundheitszustand, Burnout-Index, Stresslevel). Andere erzählen von immer wieder situativ auftretenden negativen Beanspruchungsformen (z.B. Schlafstörungen, Gefühl des „Ausgelaugtseins“). Manche – so zeigen die Ergebnisse der Interviews und der Kurzfragebögen – erleb(t)en sogar längere Phasen negativer Beanspruchungen, vor allem in Form von Burnout. In der Kernkategorie II wurden die ursprüngliche Kategorie II und Facetten der Kategorie V (s. Kapitel 5.4.2.4) zusammengefasst. Diese Kernkategorie bezieht sich auf das Sozialklima innerhalb der Schule einerseits und die Wirkweise

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

403

der sozialen Beziehungen in der Schule auf das Wohlbefinden der Schulleitung im Kollektiv andererseits. Die beiden Aspekte bedingen einander. So ist ein gutes bis optimales Sozialklima für die Schulleitung mit kaum bis keinen sozialen Beziehungen innerhalb der Schule mit negativem Einfluss auf das eigene Wohlbefinden verbunden. Im Gegensatz dazu gehen soziale Beziehungen innerhalb der Schule mit negativem Einfluss auf das Wohlbefinden der Schulleitung mit einem von dieser subjektiv wahrgenommenem mittelmäßigen bis eher schlechten Sozialklima einher. Die Kernkategorie III stellt ergänzend zur Kernkategorie II das Empfinden sozialer Beziehungen zu Personen, Personengruppen und/oder Organisationen außerhalb der Schule in den Mittelpunkt. Dieses ist mit dem Erleben von Belastungen und Ressourcen auf Makroebene (s. Kapitel 5.4.2.4) verbunden. Der Fallvergleich zeigte, dass einige Schulleiter/innen das gesamte Schulsystem – insbesondere Vorgaben vonseiten der Schulaufsicht – als belastend erleben. Andere wiederum sprechen lediglich von einigen Akteur/innen, z.B. Vertreter/innen des Schulerhalters oder aber einzelnen Personen der Schulaufsicht, die einen negativen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben. Wieder andere verspüren keine bis wenig Belastungen, die sich aus den sozialen Beziehungen zu Akteur/innen außerhalb der Schule ergeben, sondern erleben vielmehr mit diesen sozialen Beziehungen verbundene Ressourcen. Die Kernkategorie IV bezieht sich auf einen Teilaspekt der ursprünglichen Kategorie V (s. Kapitel 5.4.2.4) und gibt Auskunft darüber, wie stark soziale Beziehungen am Arbeitsplatz im Kollektiv betrachtet aus Sicht der befragten Schulleiter/innen das eigene Wohlbefinden beeinflussen. Diese vier Kernkategorien bzw. Merkmale mit ihren Subkategorien bzw. Merkmalsausprägungen wurden einander im Sinne einer Mehrfeldertafel gegenübergestellt. Diese Mehrfeldertafel bildet die ursprüngliche Form des Merkmalsraums ab (Abbildung 27).

Abbildung 27: I12

I07

I15

I11

I08

I19 I03

viele soziale wenige soziale wenige soziale Beziehungen mit Beziehungen mit Beziehungen mit starkem Einfluss auf starkem Einfluss auf starkem Einfluss auf das eigene das eigene das eigene Wohlbefinden Wohlbefinden (< 3) Wohlbefinden (< 3) (mindestens 3)

I06, I18

viele soziale Beziehungen mit starkem Einfluss auf das eigene Wohlbefinden (mindestens 3)

nur einige Akteur/innen außerhalb der Schule haben einen negativen Einfluss auf das Wohlbefinden (mindestens 2)

I20

I04, I13, I16, I17

viele soziale Beziehungen mit starkem Einfluss auf das eigene Wohlbefinden (mindestens 3)

I01

wenige soziale Beziehungen mit starkem Einfluss auf das eigene Wohlbefinden (< 3)

kaum bis keine Akteur/innen außerhalb der Schule mit negativem Einfluss auf das Wohlbefinden (< 2)

Makroebene und soziale Beziehungen außerhalb der Schule gesamtes Schulsystem = belastend

vorwiegend positive Beanspruchungsfolgen einige (mindestens 2) soziale Beziehungen situatives Erleben innerhalb der Schule kurzfristiger negativer mit negativem Beanspruchungsfolgen Einfluss auf das Erleben langfristiger Wohlbefinden I02, I05, I09, I10, negativer I14 Beanspruchungsfolgen

vorwiegend positive kaum bis keine (< 2) Beanspruchungsfolgen sozialen Beziehungen situatives Erleben innerhalb der Schule kurzfristiger negativer mit negativem Beanspruchungsfolgen Einfluss auf das Erleben langfristiger Wohlbefinden negativer Beanspruchungsfolgen

Stärke der gesundheitlichen Wirkung sozialer Beziehungen

Sozialklima und soziale Beziehungen innerhalb der Schule

Beanspruchungserleben

404 5 Empirische Erhebung

Ursprünglicher Merkmalsraum, Quelle: Eigene Erstellung

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

405

In einem nächsten Schritt galt es, die einzelnen befragten Schulleiter/innen in die jeweiligen Felder im vorläufigen Merkmalsraum einzuordnen. Dieser Schritt gestaltete sich aufgrund der zunächst sehr klaren Definition der dem Merkmalsraum zugrundeliegenden Kategorien und Subkategorien als recht einfach. Diesbezüglich ist zu erwähnen, dass die „Grenzwerte“ bei den Merkmalsausprägungen (z.B. „mindestens 2“) auf Basis von Mittelwertsberechnungen der Anzahl an Personen, die auf der Netzwerkkarte in den entsprechenden Halbkreisen positioniert waren, definiert wurden, wobei qualitative Aussagen diesbezüglich ebenfalls Berücksichtigung fanden. Die Einordnung der 20 interviewten Schuldirektor/innen in den Merkmalsraum ist aus Abbildung 27 ersichtlich. Diese zeigt bereits, dass sich an einzelnen Stellen der Mehrfeldertafel Fälle „häuften“, während andere Stellen völlig unbesetzt blieben. Aus diesem Grund wurde der Merkmalsraum zu einem späteren Zeitpunkt der Auswertung reduziert (s. Kapitel 5.4.4.1). Im Sinne einer Analyse empirischer Regelmäßigkeiten wurden weitere Merkmale identifiziert, die Fälle innerhalb einer Gruppe gemeinsam aufweisen, allerdings nicht im Merkmalsraum ersichtlich sind. Dies sind vor allem folgende Merkmale:    



Einstiegsphase in die Schulleitung (intern vs. extern) (vgl. Kategorie I, Subkategorie „Einstieg in den Schulleiterberuf“) Größe der Schule und Lehrverpflichtung (vgl. Kategorie I, Subkategorie „Facts (Soziodemographie, Informationen zum Beruf)“) Delegationsfähigkeiten (vgl. Kategorie I, Subkategorie „Arbeitsbewältigungsverhalten“) Stärke der Wahrnehmung psychosozialer Belastungen im Vergleich zu psychosozialen Ressourcen (vgl. Kategorie V, Subkategorie „Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes und Zusammenspiel von psychosozialen Ressourcen und Belastungen“) sonstige Belastungen und Ressourcen (vgl. Kategorie VI „Weitere Belastungen und Ressourcen“)

Wie genau einzelne Ausprägungen in Beziehung zueinanderstehen, wird bei der Darstellung der zentralen Ergebnisse auf den Stufen 3 und 4 der empirisch begründeten Typenbildung beschrieben.

406

5 Empirische Erhebung

5.4.4 Analyse inhaltlicher Sinnzusammenhänge und Typenbildung Damit eine empirisch begründete Typologie soziale Phänomene nicht nur beschreibt, sondern auch verständlich macht und erklärt, gilt es auf der Stufe 3 empirisch begründeter Typenbildung inhaltliche Sinnzusammenhänge zu analysieren. Dies erfordert für gewöhnlich die Reduktion des auf der Stufe 2 entwickelten Merkmalsraums auf wenige Typen, wobei es erneut notwendig ist, einzelne Fälle innerhalb einer Gruppe, aber auch gruppenübergreifend, miteinander zu vergleichen. Es ist bei diesem Schritt notwendig, „zu den Fällen zurückzukehren“. Dabei kann es bei einer Konfrontation der Einzelfälle mit dem zunächst gebildeten Typus als Merkmalskombination im Speziellen vorkommen, dass    

einzelne Fälle, die zunächst einer Gruppe zugeordnet wurden, einer anderen zugeteilt werden; stark abweichende Fälle aus einer Gruppe entfernt und noch einmal separat analysiert werden; einzelne Gruppen zusammengefasst werden, da sie einander sehr ähnlich sind oder einzelne Gruppen noch einmal geteilt werden, wenn innerhalb dieser starke Unterschiede auftreten (vgl. Kelle & Kluge, 2010, S. 91-92, 102).

In Hinblick auf die beiden erstangeführten Punkte ist festzuhalten, dass nach Reduktion des Merkmalsraums einzelne Fälle – also befragte Volksschuldirektor/innen – zunächst nicht immer eindeutig einem einzigen Typus, sondern zum Teil mehreren zugeordnet werden konnten. Dies liegt am Konzept eines Typus, das in Abgrenzung zu einer Klasse grundsätzlich nicht vollkommen idente, sondern vielmehr sich einander mehr oder weniger ähnelnde Untersuchungselemente beinhaltet. 5.4.4.1 Reduktion und Substruktion des Merkmalsraums Eine Reduktion des Merkmalsraums fand statt, indem die gebildeten Vergleichsdimensionen durch eine Dichotomisierung der Merkmalsausprägungen deutlich vereinfacht wurden. Eine Zusammenfassung bestimmter Felder wurde zudem aus forschungspragmatischen Gründen vorgenommen. Bereits an dieser Stelle erfolgte eine Benennung der Felder, die eine erste Interpretation dieser bietet. Eine Reduktion des Merkmalsraums war deswegen notwendig, da nicht alle Kombinationen zu überblicken waren und einige, wie aus Abbildung 27 hervorgeht, nur schwach besetzt waren.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

407

Zu einem späteren Zeitpunkt fand schließlich die von Lazarsfeld & Barton (1951) empfohlene Substruktion als Umkehrung der Reduktion statt. Dabei wurde der entwickelte Merkmalsraum mit der Ausgangstypologie, die bereits beim Vergleich der Fallporträts intuitiv von der Forscherin entwickelt wurde (s. Abbildung 26), verglichen. Lazarsfeld (2007) ist der Ansicht, dass durch eine Substruktion das entwickelte System – also der Merkmalsraum – auf Auslassungen bzw. Überschneidungen hin überprüft und der Weg zur praktischen Anwendbarkeit beschritten werden kann (S. 368). Diese Kombination aus Intuition und Systematik sollte in Anlehnung an die Ausführungen von Kluge (1999) zu einer besonders fundierten Typologie führen. 5.4.4.2 Analyse inhaltlicher Sinnzusammenhänge Kelle & Kluge (2010) schreiben, dass der Übergang von einer beschreibenden hin zu einer verstehenden und erklärenden soziologischen Analyse im Zuge der Typenbildung erst dann vollzogen ist, wenn die definierten Merkmale und Merkmalsausprägungen auf ein theoretisches Grundgerüst bezogen werden können (S. 112). Im Sinne der Analyse inhaltlicher Sinnzusammenhänge war es notwendig, Faktoren, Bedingungen und Ursachen zu ermitteln, die für das Zusammentreffen bestimmter Merkmalsausprägungen verantwortlich sind. Um den Schritt der Entdeckung inhaltlicher Sinnzusammenhänge zu beschreiten, ging die Forscherin in Anlehnung an die Empfehlungen von Kuckartz (2007a) erneut zu „den Texten zurück“, wobei die einzelnen Transkriptionen und verschriftlichten Fallporträts vor dem Hintergrund des entwickelten Merkmalsraums erneut interpretiert wurden (S. 105). Technisch wurde zur Ermittlung von Sinnzusammenhängen der von MaxQDA 12 zur Verfügung gestellte Code-Relations Browser genutzt. Dieser gab Auskunft über die Nähe einzelner Codes, also darüber, welche Textstellen zu unterschiedlichen Codes nahe zueinanderstehen. 5.4.4.3 Zentrale Ergebnisse Ausgehend vom in Abbildung 27 dargestellten ursprünglichen Merkmalsraum wurde im Sinne einer Reduktion dessen zunächst die Kategorie „Stärke der gesundheitlichen Wirkung sozialer Beziehungen“ eliminiert, da mit Ausnahme von ursprünglich drei Fällen (I01, I03, I11) alle Einzelfälle der Subkategorie „viele

408

5 Empirische Erhebung

soziale Beziehungen mit starkem Einfluss auf das eigene Wohlbefinden (mindestens 3)“ zugeordnet wurden. Da sich bei der Einordnung der Einzelfälle zeigte, dass eine klare Trennung der Subkategorien „gesamtes Schulsystem = belastend“ und „nur einige Akteur/innen außerhalb der Schule haben einen negativen Einfluss auf das Wohlbefinden (mindestens 2)“ nur schwer möglich war, wurden diese beiden Subkategorien zusammengefasst, was einer Dichotomisierung der Merkmalsausprägungen entspricht. Die übriggebliebenen Felder zeigten, dass das Zusammentreffen bestimmter Subkategorien der Kernkategorie „Makroebene und soziale Beziehungen außerhalb der Schule“ und jener der Kernkategorie „Sozialklima und soziale Beziehungen innerhalb der Schule“ tendenziell mit einer bestimmten Subkategorie der Kernkategorie „Beanspruchungserleben“ verbunden war. Aus diesem Grund wurde die Kernkategorie „Beanspruchungserleben“ als potenzielle Folge des Erlebens von psychosozialen Belastungen innerhalb und außerhalb der Schule aus dem Merkmalsraum eliminiert. Nach diesen Reduktionsschritten lag eine Vierfeldertafel vor. Ein erneuter Vergleich der in den übriggebliebenen Feldern verbliebenen Fälle unter Heranziehen der Fallporträts zeigte, dass diese jeweils analog zum Erleben von Belastungen, die aus den sozialen Beziehungen zu Personen(gruppen) innerhalb und außerhalb der Schule resultieren, auch Gemeinsamkeiten in Hinblick auf wahrgenommene Ressourcen, die sich ebenfalls aus diesen generieren lassen, aufweisen und sich damit wiederum von Fällen in den anderen Feldern unterscheiden. Dementsprechend wurden die zwei übriggebliebenen Kernkategorien und Subkategorien etwas breiter gefasst und umbenannt. Abbildung 28 stellt den finalen Merkmalsraum, der der gebildeten Typologie zugrunde liegt, dar. Die Kategorie „Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen innerhalb der einzelnen Schule“ beschreibt das Ausmaß des Erlebens von Belastungen und Ressourcen, die aus sozialen Beziehungen zu Personen(gruppen) innerhalb der Schule (Lehrerkolleg/innen, Schüler/innen, Erziehungsberechtigte der Schüler/innen, nichtunterrichtendes Personal) heraus entstehen. Überwiegen die Belastungen vom Empfinden her, so ist von „Disbalance“ die Rede. Überwiegen hingegen die Ressourcen bzw. treten diese zumindest in gleichem Ausmaß wie Belastungen auf, so ist eine „Balance“ gegeben. Die Kategorie „Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen außerhalb der einzelnen Schule“ gibt Auskunft über das Ausmaß des Empfindens von Belastungen und Ressourcen, die auf Ebene des Schulsystems bzw. sozialer Beziehungen zu Personen(gruppen) außerhalb der Schule (v.a. Vertreter/innen der Schulaufsicht, Schulerhalter, Volksschulleiter-

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

409

kolleg/innen, andere Bildungseinrichtungen außerhalb des Volksschulbereichs, Kooperationspartner/innen) bestehen. Werden vermehrt bzw. verstärkt Belastungen wahrgenommen, so ist eine Disbalance (zugunsten der Belastungen) gegeben. Werden überwiegend Ressourcen auf dieser Beziehungsebene erlebt bzw. liegen diese in etwa gleichem Ausmaß wie Belastungen auf dieser Ebene vor, so besteht eine Balance von Belastungen und Ressourcen.

Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen innerhalb der einzelnen Schule

Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen außerhalb der einzelnen Schule Disbalance

Balance

Disbalance

DIE ÜBERFORDERTEN I02, I05, I09, I14

?

Balance

DIE BESCHÜTZER/INNEN I06, I07, I12, I15, I18

DIE GUT VERNETZTEN I04, I08, I13, I16, I17, I19, I20

DIE EINZELKÄMPFER/INNEN I01, I03, I10, I11

Abbildung 28:

Finaler Merkmalsraum, Quelle: Eigene Erstellung

Auf eine konkrete Definition von Grenzwerten für die Einordnung der Einzelfälle wurde verzichtet, da sich die Positionierung jedes Einzelfalls innerhalb der Vierfeldertafel aus einer Triangulation der Ergebnisse der Netzwerkkarten, der qualitativen Interviews und der Kurzfragebögen ergab. Die im Merkmalsraum (s. Abbildung 28) mit der Schriftfarbe „grau“ angeführten Fälle sind jene, die zwar nicht eindeutig einem bestimmten Feld zugeordnet werden konnten, allerdings am ehesten noch den Fällen in jenem Feld, in dem sie schließlich positioniert wurden, ähneln. Einfluss auf die Einordnung der Fälle in den Merkmalsraum hatten zudem die Erkenntnisse, die sich aus dem Vergleich der Ausgangstypologie, welche bereits am Ende des Fallvergleichs (s. Kapitel 5.4.2.4) entstand, mit dem entwickelten Merkmalsraum ergaben. Dabei zeigte sich, dass vier Fälle (I01, I03, I10, I11) nicht in den Merkmalsraum eingeordnet werden können, obwohl sie bestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen. Sie entsprechen der Gruppe 3, die sich aus

410

5 Empirische Erhebung

der ersten intuitiven Gruppierung herauskristallisierte (s. Abbildung 26). Der Grund für die fehlende Einordenbarkeit dieser Fälle in den Merkmalsraum liegt darin, dass diese Schulleiter/innen im Gegensatz zu allen anderen von einem lediglich schwachen bis mittelmäßigen Einfluss des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz auf das individuelle Wohlbefinden sprechen. Dementsprechend erleben sie auch Belastungen und Ressourcen, die sich aus einzelnen sozialen Beziehungen heraus ergeben, einerseits lediglich in schwachem Ausmaß, andererseits treten diese situationsbedingt in sehr unterschiedlicher Weise auf. Bei der Einordnung der Fälle in den Merkmalsraum zeigte sich zudem, dass innerhalb der Stichprobe kein Fall existierte, der zwar eine Balance von Belastungen und Ressourcen, die aus den sozialen Beziehungen zu Personen(gruppen) außerhalb der Schule entstehen, erlebt, bei dem gleichzeitig allerdings eine subjektiv wahrgenommene Disbalance von Belastungen und Ressourcen im Kontext sozialer Beziehungen zu Personen(gruppen) innerhalb der Schule besteht. Mögliche Gründe für die mangelnde Besetzung dieses Feldes werden in Kapitel 5.5.3 diskutiert. Im Rahmen eines umfassenden (erneuten) Vergleichs der Fälle innerhalb einer Gruppe sowie mit jenen, die einem anderen Typ zugeordnet wurden, konnten weitere relevante Merkmale identifiziert werden, die für die Unterscheidung der Typen von Relevanz sind. Einige davon wurden bereits am Ende der Stufe 2 (s. Kapitel 5.4.3.2) ermittelt. An dieser Stelle wurden diese erweitert, schriftlich festgehalten und deren Sinnzusammenhänge bestimmt. Hierfür erwies sich zunächst der Einsatz des „Code-Relations Browsers“ in MaxQDA 12 als hilfreich. Um den Sinn des „Aufeinandertreffens“ von Kodierungen zu unterschiedlichen Codes besser erfassen zu können, wurde im Sinne eines „Zurückkehrens zu den Texten“ ergänzend eine Segment-Matrix pro Typ erstellt, die zeigt, welche konkreten Aussagen in Beziehung zueinander stehen. Darüber hinaus wurden die einzelnen verschriftlichten Fallporträts beim Aufsuchen von Sinnzusammenhängen erneut herangezogen. Die Sinnzusammenhänge des Aufeinandertreffens bestimmter Subkategorien bzw. Merkmalsausprägungen werden bei der Beschreibung der Typen umfassend dargestellt (s. Kapitel 5.4.5) und in Kapitel 5.5 in Beziehung zu den theoretischen Bezugsfeldern der Arbeit sowie zum bisherigen Forschungsstand zur Schulleitergesundheit gesetzt.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

411

5.4.5 Charakterisierung der Typen Auf der letzten Stufe empirisch begründeter Typenbildung galt es schließlich, die entwickelten Typen umfassend anhand ihrer Merkmalskombinationen zu beschreiben, weitere Gemeinsamkeiten zu identifizieren und deren inhaltliche Sinnzusammenhänge zu erklären. Daneben war es Ziel, adäquate Kurzbezeichnungen zu finden, die der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes gerecht werden. Generell ist zu berücksichtigen, dass die einzelnen, zu einem Typ dazugehörenden Fälle nicht ident sind, sondern einander nur ähneln (vgl. Kelle & Kluge, 2010, S. 92, 105). Daneben ist zu beachten, dass sich die einzelnen Typen etwas überlappen. Gerade diese Überschneidung charakterisiert den Typusbegriff in Abgrenzung zum Begriff der Klasse (vgl. Kluge, 1999, S. 27, 31). Bei zunächst nicht eindeutiger Zuordenbarkeit einzelner Fälle zu den Typen wurde in Anlehnung an die Ausführungen von Kluge eine Mindestzahl an Merkmalsausprägungen des Typs, die ein Fall aufweisen musste, um einem Typus zugeordnet zu werden, definiert. Daneben wurde auf Ebene des Typus festgelegt, dass jede Merkmalsausprägung mehr als die Hälfte der ihm zugeordneten Fälle aufweisen muss, damit sie als Charakteristikum dieses Typs gilt (vgl. Kluge, 1999, S. 33-34; Kuckartz, 2007a, S. 103). Im Sinne einer plakativen Beschreibung des „Gemeinsamen“ wurde für jeden Typ ein Prototyp bzw. ein „Musterstück“ definiert, der diesen als realen Fall am besten repräsentiert. Eine andere mögliche Darstellungsform ist gemäß den Ausführungen von Kelle & Kluge (2010) bzw. Kuckartz (2007a) die Konstruktion eines Modellfalls, der sich aus der Zusammenschau der am besten geeigneten Textsegmente ergibt. Da die im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit entwickelten Typen jedoch möglichst nahe an der Realität bleiben sollten, wurde die Beschreibung eines/einer realen Repräsentanten/in dem „künstlich kreierten“ Modellfall vorgezogen. Im Sinne einer Visualisierung der entwickelten Typen wurden mithilfe von MaxQDA 12 MaxMaps erstellt. Diese geben Auskunft über die codierten Subkategorien eines Typs. Daneben wurden im Sinne einer raschen Erfassung des Wesentlichen eines Typs passende Grafiken angefertigt. In den nachfolgenden Unterkapiteln werden die Typen im Detail beschrieben.

412

5 Empirische Erhebung

5.4.5.1 Typ 1: Der/die gut Vernetzte Tabelle 26 gibt zunächst einen Überblick über den Typ „Der/die gut Vernetzte“, insbesondere die Einordnung dessen im Merkmalsraum und seine empirischen Vertreter/innen. Im Anschluss an diese werden die zentralen Merkmalsausprägungen, die Schulleiter/innen dieses Typs gemeinsam haben, erläutert. Schließlich wird eine Vertreterin des Typs im Detail beschrieben. Tabelle 26: Überblick – Typ „Der/die gut Vernetzte“, Quelle: Eigene Erstellung

Merkmal Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammen-arbeit mit Personen innerhalb der einzelnen Schule Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammen-arbeit mit Personen außerhalb der einzelnen Schule empirische Vertreter/innen Prototyp

Beschreibung Balance

Balance

I04, I08, I13, I16, I17, I19, I20 I13

Allgemeine Beschreibung des Typs „Der/die gut Vernetzte“ Schulleiter/innen, die dem Typ „Der/die gut Vernetzte“ angehören, zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der einzelnen Schule, die sie leiten, regelmäßig mit sehr vielen verschiedenen Personen(gruppen) austauschen. Diese Tatsache ist mit der Namensgebung dieser Schulleitergruppe verbunden. Den zahlreichen Akteur/innen im schulischen Umfeld schreiben die gut Vernetzten großteils einen mittelstark bis stark positiven Einfluss auf das eigene Wohlbefinden zu. Eine detaillierte Betrachtung der Netzwerkkarten zeigt, dass

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

413

diese Schulleiter/innen drei Viertel oder mehr aller gesundheitsrelevanten Akteur/innen in den beiden entsprechenden Halbkreisen auf der Netzwerkkarte platzieren. Betrachtet man zunächst die sozialen Beziehungen zu Personen(gruppen) innerhalb der Schule, so zeigen die Interviewaussagen sowie die Angaben im Kurzfragebogen, dass diese Schulleitergruppe aus eigener Sicht sehr gute soziale Beziehungen vor allem zu Lehrerkolleg/innen, Schüler/innen und Erziehungsberechtigten der Schüler/innen pflegt. Dementsprechend wird auch das Sozialklima innerhalb der gesamten Schulgemeinschaft als allgemein recht gut erlebt. Meinungsverschiedenheiten, Konflikte und hin und wieder auftretende Mobbingsituationen werden in Schulen, die von gut Vernetzten geleitet werden, offen angesprochen und es wird stets nach konstruktiven Lösungen gesucht. Was die Bedeutung der Akteur/innen im inneren Schulgefüge für das eigene Wohlbefinden betrifft, so erleben diese Schulleiter/innen zunächst im Kontext sozialer Beziehungen zu Lehrerkolleg/innen sowohl langfristige (v.a. sozialer Rückhalt) als auch situative (v.a. Geselligkeit, soziale Unterstützung jeglicher Art) psychosoziale Ressourcen. Psychosoziale Belastungen werden in Zusammenhang mit sozialen Beziehungen zu Lehrkräften an der Schule nur selten wahrgenommen. Dieses Empfinden geht mit der positiven Bewertung der sozialen Verbundenheit innerhalb des Lehrerkollegiums konform. Die Schüler/innen an der Schule, die ein/e gut vernetzte/r Volksschuldirektor/in leitet, wirken auf das eigene Wohlbefinden vor allem in Form der Anerkennung, Dankbarkeit und Wertschätzung positiv ein. Erziehungsberechtigte dieser haben im Kollektiv betrachtet einen mittelstark bis stark positiven Einfluss auf das Wohlbefinden, wobei wenige negative Interaktionen durch viele positive ausgeglichen werden. Trotz dem überwiegend positiven Erleben sozialer Beziehungen zu Personen(gruppen) innerhalb der Schule bewerten die gut Vernetzten die soziale Verbundenheit an der Schule nicht ganz so gut wie etwa die Beschützer/innen (s. Kapitel 5.4.5.2). Dies liegt an der Tatsache, dass Schulleiter/innen dieses Typs versuchen, eine ausreichende Distanz zu Personen innerhalb des Schulgefüges zu wahren. So beschreiben sie beispielsweise ihre sozialen Beziehungen zu Lehrerkolleg/innen zwar als sehr kollegial, bezeichnen diese allerdings nicht als Freund/innen. Gut Vernetzte nehmen innerhalb des Kollegiums aktiv eine Führungsrolle ein. Gerade dieser ausreichende Abstand zu Lehrerkolleg/innen, aber auch zu anderen in der Schule agierenden Personen(gruppen) wie Schüler/innen oder Erziehungsberechtigten, in Kombination mit dem Einsatz konstruktiver Konfliktlösungsstrategien dürfte dafür verantwortlich sein, dass situationsbedingt auftretende psychosoziale Belastungen nicht unmittelbar (stark) auf das Wohlbefinden der gut Vernetzten einwirken. Eine Betrachtung der Netzwerkkennzahlen zeigt

414

5 Empirische Erhebung

analog dazu, dass diese Schulleitergruppe die Stärke des Einflusses jener Alteri mit negativer Wirkung auf das eigene Wohlbefinden im Vergleich zu Volksschulleiter/innen eines anderen Typs am niedrigsten bewertet. Neben vorwiegend positiv besetzten sozialen Beziehungen zu Lehrerkolleg/innen, Schüler/innen sowie Erziehungsberechtigten der Schüler/innen pflegen die gut Vernetzten vor allem enge, freundschaftliche soziale Beziehungen zu anderen Volksschuldirektor/innen. Diese haben einen stark positiven Einfluss auf das eigene Wohlbefinden, der sich vor allem aus der situativen emotionalen und fachlichen sozialen Unterstützung sowie dem dauerhaften sozialen Rückhalt dieser Akteursgruppe ergibt. Neben anderen Volksschulleiter/innen wirkt vor allem der/die direkte Vorgesetzte in Form des/der Pflichtschulinspektors/in als Person außerhalb der Einzelschule mittelstark bis stark positiv auf das Wohlbefinden der gut Vernetzten ein. Mit der sozialen Beziehung zu dieser Akteursgruppe werden vor allem Anerkennung und Wertschätzung sowie sozialer Rückhalt als eher dauerhafte soziale Ressourcen in Verbindung gebracht. Die gute Vernetzung mit Akteur/innen innerhalb und außerhalb der Schule schreiben Volksschulleiter/innen dieses Typs sich selbst zu. Sie sind der Ansicht, dass man „seines eigenen Glückes Schmied“ ist, was den Aufbau und die Ausgestaltung des sozialen Netzwerkes im schulischen Umfeld betrifft. Dieses „hart erarbeitete“ soziale Netzwerk muss aus Sicht der gut Vernetzten stets gepflegt werden, da es eine Basis für das eigene Wohlgefühl am Arbeitsplatz Schule bildet. Gut vernetzte Schulleitungen führen vorwiegend mittelgroße bis große Volksschulen und haben dementsprechend wenig bis keine Lehrverpflichtung. Aufgrund der Befreiung von Unterrichtstätigkeiten bleibt dieser Schulleitergruppe mehr Zeit für administrative und organisatorische Schulleiteragenden. Ein/e gut vernetzte/r Volksschulleiter/in kann und möchte sich verstärkt den Themen Schul- und Qualitätsentwicklung widmen. Dabei ist er/sie dazu in der Lage, bestimmte Aufgaben an Lehrkräfte zu delegieren, wobei versucht wird, individuelle Kompetenzen einzelner Lehrkräfte zu nutzen und zu fördern. Gut Vernetzte betreten mit ihrem Enthusiasmus für Schulentwicklung immer wieder neues Terrain und gehen mit der Schule innovative Wege, was wiederum einerseits die gute Vernetzung nach außen hin ermöglicht, sie andererseits gleichzeitig erfordert. Gerade dieser Sinn für kontinuierliche Schul- und Qualitätsentwicklung ist allerdings mit einer der wenigen Belastungen, die diese Volksschulleitungen im Kontext ihres sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz erleben, verbunden, nämlich

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

415

der ständig notwendigen Motivation anderer, vor allem von Lehrerkolleg/innen und Erziehungsberechtigten, für diverse Veränderungsprozesse. Dementsprechend kommen einer gut vernetzten Volksschulleitung aktuelle Entwicklungen auf Ebene des Schulsystems, die die Themen Schul- und Qualitätsentwicklung betreffen, entgegen. Diese Schulleiter/innen passen sich stets an sich verändernde äußere Rahmenbedingungen und Entwicklungen im Schulsystem an. Deswegen sowie aufgrund der hohen Schülerzahl verwundert es nicht, dass Schulen, die von gut Vernetzten geführt werden, häufig Ganztagsschulen sind. Was das Beanspruchungserleben der gut Vernetzten anbelangt, so weisen sowohl die Interviewaussagen als auch die Angaben im Kurzfragebogen darauf hin, dass diese einen sehr guten subjektiven Gesundheitszustand aufweisen. Es wird vorwiegend über positive Beanspruchungsformen wie das umfassende Wohlbefinden am Arbeitsplatz und eine hohe Arbeitszufriedenheit berichtet. Nur selten treten situationsbedingt körperliche oder psychische Gesundheitsprobleme auf, die allerdings nicht primär auf das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz zurückgeführt werden. Stattdessen verspüren die gut Vernetzten Anspannung und Gefühle der Müdigkeit als kurzfristige Beanspruchungen eher aus eigenem Antrieb heraus. Gut vernetzte Volksschuldirektor/innen zeichnen sich durch ein hohes Selbstbewusstsein aus. Häufig nehmen sie innerhalb der Volksschulleiterkollegenschaft in der Region eine Sonderfunktion ein. Individuelle Fort- und Weiterbildung ist dieser Schulleitergruppe ein wichtiges Anliegen. Gut Vernetzte können, sofern sie es selbst wollen, im Privatbereich von der Arbeit recht gut „abschalten“. Dass Kommunikation ein wichtiger Grundsatz des täglichen Berufshandelns ist, geht mit dem eigenen Streben nach umfassender Vernetzung d´accord. Die folgende Abbildung stellt die zum Typ „Der/die gut Vernetzte“ entwickelte MaxMap dar. Sie gibt einen Überblick über die wesentlichen Charakteristika dieses Typs. Nicht berücksichtigt darin sind Angaben im Kurzfragebogen und Kennzahlen der Netzwerkkarten. Je dicker der Strich zum jeweiligen Code ist, desto mehr Textstellen wurden mit diesem kodiert.

416

Abbildung 29:

5 Empirische Erhebung

MaxMap „Der/die gut Vernetzte“, Quelle: Eigene Erstellung

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

417

Fallporträt I13 Eine Vertreterin der gut Vernetzten ist Frau Bauer1. Sie wurde deswegen als Prototyp ausgewählt, da sie die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Charakteristika dieser Schulleitergruppe in stärkster Ausprägung aufweist. Frau Bauer ist knapp 50 Jahre alt und leitet seit circa fünf Jahren eine Ganztagsschule mit etwa 100 Schüler/innen und rund 20 Lehrkräften. Während sie davor über zehn Jahre lang Leiterin einer eher kleinen Volksschule war und dort auch unterrichtete, ist sie an der aktuellen Schule aufgrund der höheren Schüler- und damit verbundenen Klassenzahl von Unterrichtstätigkeiten befreit. Die Einstiegsphase in den Schulleiterberuf an der ehemaligen Schule gestaltete sich für Frau Bauer recht einfach, da der ehemalige Schuldirektor sie noch in ihrer Rolle als ausschließliche Lehrkraft in Schulleitungsagenden einführte. Die Erfahrungen, die sie schließlich an dieser Schule als Direktorin sammelte, konnte sie später in die Arbeit an der aktuellen Schule einbringen. Daneben fühlte sie sich trotz der Tatsache, dass sie von extern als Direktorin an die jetzige Schule kam, von Beginn an von allen relevanten Akteur/innen innerhalb des Schulgefüges – insbesondere dem Lehrerkollegium und den Erziehungsberechtigten der Schüler/innen – anerkannt. Frau Bauer ist mit ihrer Arbeit als Volksschuldirektorin sehr zufrieden. Obwohl sie eine Zusatzfunktion innerhalb der Volksschulleiterschaft in ihrer Region übernimmt und sich nebenbei stets weiterbildet, ist sie der Ansicht, dass die Arbeitsmenge absolut bewältigbar ist. Den Stresslevel einer Schulleitung bewertet sie mit „mittelmäßig“. Sie erwähnt in diesem Kontext, dass vor allem die Befreiung von Lehrtätigkeiten sehr entlastend ist. Frau Bauer weist eine hohe Selbstwirksamkeit (3,9) auf. Sie wirkt auf die Interviewerin sehr optimistisch und willensstark. Schul- und Qualitätsentwicklung ist Frau Bauer ein großes Anliegen. Hierfür engagiert sie sich in besonderem Maße, wobei kontinuierlich neue Themen in Angriff genommen werden. Um Schulentwicklung angemessen betreiben zu können, ist es ihrer Ansicht nach notwendig, einzelne Aufgaben an Lehrerkolleg/innen zu delegieren, die sie ebenfalls stets versucht, für Veränderungen zu begeistern. Auch die Organisation von Veranstaltungen übernehmen vorwiegend Lehrkräfte an der Schule. Frau Bauer beschreibt diese Aufgabenverteilung folgendermaßen:

1

Dieser Name wurde frei gewählt und entspricht nicht dem tatsächlichen Namen der Interviewperson. Auch das hier angegebene Geschlecht entspricht nicht zwingend dem Geschlecht der ausgewählten Interviewperson.

418

5 Empirische Erhebung „Nur wenn es mir gut geht, kann es allen anderen gut gehen. Man muss halt ein bisschen egoistisch auch sein. […] Na alleine geht es nicht. […] Oder bei Organisationen von Festen, dass jeder weiß, das ist dein Revier, jeder kümmert sich darum, es ist für jeden dann überschaubar, ein Häppchen, das er machen kann. Und es hängt nicht alles an einem oder zwei.“ (I13)

Mit Personen innerhalb und außerhalb der Schule kommuniziert Frau Bauer sehr gerne. Besonders an ihrer Arbeit mag sie den Kontakt mit Lehrerkolleg/innen und Erziehungsberechtigten von Schüler/innen. Sie beschreibt das Sozialklima innerhalb der Schulgemeinschaft als relativ offen, locker und lustig. Auch speziell innerhalb der Kollegenschaft herrscht ein harmonisches Klima vor. Grüppchenbildungen innerhalb des Kollegiums, die negativ auf das Sozialklima oder das Wohlbefinden der Schulleitung einwirken, nimmt Frau Bauer nicht wahr. Darüber hinaus treten nur selten einzelne konfliktbehaftete Situationen auf. Diese werden jedoch stets ausdiskutiert und somit aus ihrer Sicht gelöst. Auch innerhalb der Schülerschaft treten nur ab und zu Konflikte oder Mobbingfälle auf. Auf diese wird allerdings vonseiten der Schulleitung ebenfalls sofort reagiert. Neben der Arbeitszufriedenheit als positive Beanspruchungsform weist Frau Bauer auch eine sehr gute subjektive Gesundheit auf. Sie erlebt keine negativen Beanspruchungen, die sie auf ihre Arbeit als Schulleiterin zurückführt. Auch der mittels Kurzfragebogen erhobene Burnout-Index liegt sehr niedrig (0,2). Abbildung 30 zeigt die von Frau Bauer erstellte ego-zentrierte Netzwerkkarte, die Auskunft über den Einfluss bestimmter Personen(gruppen) und Organisationen innerhalb des schulischen Umfeldes auf das eigene Wohlbefinden gibt. In der Abbildungsbeschriftung wird erläutert, für welche Akteur/innen die Kürzel in der Netzwerkkarte stehen. Wie aus der Netzwerkkarte hervorgeht, definiert Frau Bauer zehn Personen im Arbeitsumfeld (ohne eigene Familie), davon fünf Gruppen, die einen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden am Arbeitsplatz haben. Allen Akteur/innen schreibt sie dabei eine positive gesundheitliche Wirkweise zu. In diesem Kontext meint sie, dass es wichtig ist, positiv besetzte Beziehungen bewusst wahrzunehmen und negative Aspekte nicht zu dramatisieren bzw. nicht zu nahe an sich heranzulassen. Dementsprechend ist Frau Bauer sehr zufrieden mit ihrem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz. Diesbezüglich sagt sie: „[…], weil ich meine, ich habe es mir ja selbst gerichtet. Muss jeder selbst machen. Ich kann nicht als Schulleiter stehen und warten, bis mich alle beglücken, dass ich fröhlich bin. Also das wird nicht funktionieren.“ (I13)

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

419

Frau Bauer ergänzt, dass das soziale Netzwerk im schulischen Umfeld bereits seit Jahren ziemlich stabil ist. Darüber hinaus nimmt sie es als sehr dicht – auch was soziale Beziehungen zwischen Akteur/innen außerhalb der Schule betrifft – wahr. Wie auch in der Netzwerkkarte ersichtlich ist, hat das soziale Netzwerk im Arbeitsumfeld einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden von Frau Bauer. Es wirkt ihrer Ansicht nach auch in den privaten Lebensbereich hinein. Darüber hinaus führt Frau Bauer an, dass das Wohlbefinden verschiedener Personen(gruppen) einander wechselseitig bedingt. So wirken etwa sich wohlfühlende Nachmittagsbetreuer/innen positiv auf das Wohlbefinden der Schüler/innen ein. Schüler/innen, die sich wohl fühlen, begünstigen wiederum das Wohlbefinden der Lehrkräfte und dieses jenes der Schulleitung.

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Abbildung 30:

5 Empirische Erhebung

Netzwerkkarte Prototyp I13 „Der/die gut Vernetzte“, DV = Pflichtschulinspektor/in, El1 = Erziehungsberechtigte, El2 = Elternvertreterin, FM = eigene Familie, Ki = Schüler/innen, Ko = Lehrerkollegium, KPaS1 und KPaS2 = zwei Volksschulleiterkolleg/innen, KPaS3 = IT-Betreuer/innen, KPiS1 = Nachmittagsbetreuerinnen, KPiS2 = Schulwart, Quelle: Eigene Erstellung

Was die Beziehung zu den Lehrkräften an der Schule betrifft, so berichtet Frau Bauer darüber, dass zwar hin und wieder auch über private Themen gesprochen

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

421

wird, sie allerdings darauf achtet, zu allen eine möglichst gleich große Distanz zu wahren. Würde sie dies nicht tun, könnte ihrer Ansicht nach das Klima im Kollegium darunter leiden. Ressourcen, die Frau Bauer aus der sozialen Beziehung zu Lehrkräften an der Schule generiert, sind sowohl solche langfristiger Art (v.a. Anerkennung und Wertschätzung, sozialer Rückhalt) als auch solche situativer Form (v.a. positives Feedback; emotionale, fachliche und instrumentelle soziale Unterstützung). Was die soziale Beziehung zu Schüler/innen betrifft, so denkt Frau Bauer, dass sie innerhalb dieser Personengruppe sehr beliebt ist. Sie pflegt eine „lockere“ Beziehung zu den Kindern und hat mit diesen täglich Kontakt. So berichtet sie Folgendes: „Naja dadurch, dass ich ja nicht die böse Lehrerin bin, die in der Klasse steht, sondern die Kinder eigentlich recht locker vorbeikommen in der Früh und hineinwinken oder ganz unbefangen vorbeischauen, oder wenn es Probleme gibt, kommen sie auch eher zu mir.“ (I13)

Frau Bauer fühlt sich durch die Offenheit und Freude der Schüler/innen in ihrer Arbeit als Schulleiterin bestätigt. Soziale Beziehungen zu Erziehungsberechtigten der Schüler/innen pflegt Frau Bauer in unterschiedlich starkem Ausmaß. Zur Elternvertreterin der Schule besteht am häufigsten Kontakt. Mit dieser arbeitet sie sehr gerne zusammen und erlebt stets sozialen Rückhalt und soziale Unterstützung. Die gute Zusammenarbeit mit dem Elternverein drückt sie folgendermaßen aus: „Da haben wir eigentlich immer Wunschprogramm, es gibt nichts, was sie mir bisher irgendwie verweigert hätten oder es keine Unterstützung gibt, egal bei Festen, ob es materielle Dinge sind, persönliche Ressourcen, wenn wir etwas brauchen. Also Anruf genügt und es wird immer sofort erledigt und es ist natürlich ein tolles Gefühl, wenn man so unterstützt wird aus diesen Reihen heraus.“ (I13)

Auch zu anderen Erziehungsberechtigten besteht immer wieder Kontakt, allerdings handelt es sich dabei zumeist um recht kurze Gespräche. Problematische, länger andauernde Interaktionen gibt es nur etwa zweimal im Schuljahr. Neben dem sozialen Rückhalt und sozialer Unterstützung – insbesondere instrumenteller und materieller Art – erlebt Frau Bauer auch immer wiederkehrendes positives Feedback sowie Anerkennung und Wertschätzung vonseiten dieser Personengruppe. Neben Lehrerkolleg/innen, Schüler/innen und Erziehungsberechtigten der Schüler/innen haben auch die Nachmittagsbetreuerinnen und der Schulwart an der Schule einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden von Frau Bauer. Zu allen

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5 Empirische Erhebung

fünf Personen besteht täglich Kontakt. Die Beziehung beschreibt sie ebenfalls als „locker“. Es wird immer wieder getratscht und gescherzt. Die Kommunikation funktioniert gut. Gründe für den positiven Einfluss des nichtunterrichtenden Personals auf Frau Bauers Wohlbefinden liegen gerade in dieser Geselligkeit und positiven Stimmung, aber auch in der instrumentellen sozialen Unterstützung dieser Personen. Betrachtet man die sozialen Beziehungen zu Personen(gruppen) außerhalb der Schule, so haben insbesondere zwei Schulleiterkolleginnen einen stark positiven Einfluss auf Frau Bauers Wohlbefinden. Diese trifft sie mindestens einmal in der Woche persönlich. Telefonischer und schriftlicher Kontakt besteht täglich. Dabei tauscht man sich sowohl über berufliche Agenden – insbesondere Neuerungen und Entwicklungen im Schulsystem – als auch private Themen aus. Frau Bauer weist in diesem Kontext darauf hin, dass die beiden Schulleiterkolleginnen auch private Freundinnen sind. Die beiden kennt Frau Bauer schon seit circa 20 Jahren. Die sozialen Beziehungen zu diesen zeichnen sich durch ein gegenseitiges Geben und Nehmen aus. Gerade hierin liegt die besonders positive Wirkweise dieser Personengruppe auf Frau Bauers Wohlbefinden begründet. So werden etwa Aufgaben, die von übergeordneter Ebene an die einzelnen Schulen herangetragen werden, innerhalb dieses „Teams“ aufgeteilt. Dies beschreibt Frau Bauer folgendermaßen: „[…] gerade bei Neuerungen im Schulsystem, im Bildungssystem, durch das, dass wir zu dritt sind, ist das natürlich eine Connection, die schon sehr hilfreich ist, weil wir die Unsicherheiten, Belastungen usw. eigentlich zu dritt aufteilen. Da setzen wir uns gemütlich zusammen und ja.“ (I13)

Neben dieser instrumentellen sozialen Unterstützung wirken die beiden Volksschulleiterkolleginnen auch in Form von emotionaler und fachlicher sozialer Unterstützung, ehrlichem und konstruktivem Feedback sowie durch die Geselligkeit positiv auf Frau Bauers Wohlbefinden. Auch mit dem/der direkten Vorgesetzten besteht immer wieder – etwa einmal in der Woche – persönlich oder telefonisch Kontakt. Den im Vergleich zu anderen Volksschuldirektor/innen recht häufigen Kontakt mit diesem/dieser führt sie auf ihre Sonderfunktionen, die sie als Schulleiterin in der Region einnimmt, zurück. Frau Bauer fühlt sich von ihrem/ihrer direkten Vorgesetzten sehr wertgeschätzt. Neben dieser Tatsache wirken auch der soziale Rückhalt, positives Feedback und fachliche soziale Unterstützung vonseiten dieses/dieser Akteurs/in positiv auf ihr Wohlbefinden.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

423

Zusätzlich zu den bereits genannten Personen(gruppen) stellen Computerfachkräfte für Frau Bauer eine weitere wertvolle Ressource im Arbeitsalltag dar. Sie helfen stets bei computertechnischen Problemen. Ihre Ressourcen reichen aus Sicht von Frau Bauer absolut aus, um mit Belastungen, die hin und wieder im Arbeitsalltag auftreten, umzugehen. Vor allem aus der sozialen Beziehung zu den beiden Volksschulleiterkolleginnen kann Frau Bauer in intensiven Arbeitszeiten „auf Abruf“ Ressourcen schöpfen. Neben psychosozialen Ressourcen, die sich aus dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz heraus ergeben, stehen Frau Bauer auch persönliche Ressourcen in Form von Stressbewältigungsstrategien (Ruheaktivitäten wie Lesen) und solche privater Art (soziale Unterstützung der Familie, gemeinsame Unternehmungen mit der Familie) zur Verfügung. 5.4.5.2 Typ 2: Der/die Beschützer/in Tabelle 27 fasst zunächst überblicksmäßig die wesentlichen Merkmalsausprägungen des Typs „Der/die Beschützer/in“ zusammen. Im Anschluss werden die zentralen Charakteristika dieser Schulleitergruppe näher erläutert. Daneben wird exemplarisch ein Vertreter dieses Typs dargestellt. Tabelle 27: Überblick – Typ „Der/die Beschützer/in“, Quelle: Eigene Erstellung

Merkmal Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen innerhalb der einzelnen Schule Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen außerhalb der einzelnen Schule empirische Vertreter/innen Prototyp

Beschreibung Balance

Disbalance

I06, I07, I12, I15, I18 I06

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5 Empirische Erhebung

Allgemeine Beschreibung des Typs „Der/die Beschützer/in“ Die Beschützer/innen sind dadurch charakterisiert, dass sie innerhalb der einzelnen Schule zu Lehrerkolleg/innen, Schüler/innen, Erziehungsberechtigten der Schüler/innen sowie zum Teil Vertreter/innen des nichtunterrichtenden Personals sehr enge soziale Beziehungen pflegen. Dementsprechend wird das Sozialklima innerhalb der Schule von diesen Volksschuldirektor/innen als sehr gut bezeichnet. Speziell die Zusammenarbeit im Kollegium wird als optimal bewertet. Eine Betrachtung der Ergebnisse des Kurzfragebogens zeigt, dass diese Schulleitergruppe im Vergleich zu allen anderen die soziale Unterstützung und Verbundenheit der Lehrkräfte und der Schulleitung am besten bewertet. Lehrer/innen an der Schule werden zum Teil als Freund/innen bezeichnet, mit denen immer wieder auch private Unternehmungen stattfinden. Volksschuldirektor/innen dieses Typs sind vorwiegend unterrichtend tätig. Dementsprechend verwundert es nicht, dass sie vor allem auch zu Schüler/innen sehr enge soziale Beziehungen pflegen. Diese engen sozialen Beziehungen zu Personen(gruppen) innerhalb der Schule haben überwiegend einen mittelstark bis stark positiven Einfluss auf das Wohlbefinden der Beschützer/innen. Dabei wirken die Lehrerkolleg/innen vor allem in Form von Anerkennung bzw. Wertschätzung, sozialem Rückhalt, Vertrauen und Verlass (= langfristige psychosoziale Ressourcen) sowie sozialer Unterstützung jeglicher Art (= situative psychosoziale Ressourcen) positiv auf das eigene Wohlbefinden ein. Ressourcen, die die Beschützer/innen aus den sozialen Beziehungen zu Schüler/innen generieren, liegen ähnlich wie bei den gut Vernetzten in der Anerkennung, Dankbarkeit und Bestätigung der eigenen Arbeit. Wenn Belastungen im Kontext von Interaktionen mit Schüler/innen erlebt werden, dann liegen diese zumeist in Sorgen um und Gedanken an diese. Diese Sorgen und Gedanken bestehen vorwiegend aufgrund der familiären Situation dieser Kinder. Dies führt dazu, dass innerhalb der Schule die Gruppe der Eltern und Großeltern der Schüler/innen noch am ehesten ein Konfliktpotenzial in sich birgt. Um die guten und engen sozialen Beziehungen zu Personen(gruppen) innerhalb der Schule zu wahren, schirmen die Beschützer/innen diese von jeglichen Aufgaben und Anforderungen, die von Akteur/innen außerhalb der Schule kommen, ab. Dementsprechend sind die Beschützer/innen äußerst schlechte Delegierer/innen. Gerade die sozialen Beziehungen zu Akteur/innen außerhalb der Schule sind für Volksschulleiter/innen dieses Typs jedoch mit zahlreichen Belastungen ver-

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

425

bunden, was zu einem negativen Einfluss dieser auf das eigene Wohlbefinden führt. Während nämlich das soziale Gefüge innerhalb der Schule als sehr positiv bewertet wird, wird starke Kritik an der Makroebene (Schulsystem, Gesellschaft) und damit verbundenen Handlungen von Akteur/innen außerhalb der Schule geübt. Vor allem die mangelnde Umsetzbarkeit bestimmter Vorgaben sowie die generelle Erwartungshaltung vonseiten des Umfeldes und/oder einzelner Kooperationspartner/innen außerhalb der Schule (z.B. Schulerhalter) werden kritisiert. Es fehlt an Ressourcen, insbesondere Human- bzw. Personalressourcen, um geforderte Aufgaben zu erledigen. Die schwierige Mittlerposition des/der direkten Vorgesetzten zwischen Schulaufsicht und den einzelnen Schulen bzw. deren Leitungen wird zwar von den Beschützer/innen wahrgenommen, allerdings wird diese/r dennoch zumeist als „Überbringer/in von schlechten Nachrichten“ betrachtet und dessen/deren Einfluss auf das eigene Wohlbefinden zumindest situationsbedingt als negativ bewertet. Den genannten psychosozialen Belastungen, die aus sozialen Beziehungen zu Akteur/innen außerhalb der Schule resultieren, stehen nur kaum Ressourcen auf derselben Ebene gegenüber. So bestehen etwa im Gegensatz zu den gut Vernetzten keine bis wenig soziale Beziehungen zu anderen Volksschulleiter/innen, die einen (positiven) Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben. Am ehesten pflegen die Beschützer/innen außerhalb der Schule noch gesundheitsrelevante positive soziale Beziehungen zu Vertreter/innen anderer Bildungseinrichtungen (z.B. Kindergarten) in unmittelbarer Nähe zur eigenen Schule. Trotz der auf das Wohlbefinden positiv wirkenden sozialen Beziehungen zu Personen innerhalb der Schule gelingt es diesen Schulleiter/innen jedoch auch in diesem Bereich kaum, situative, passende psychosoziale Ressourcen zur problembezogenen Bewältigung von Belastungen, die von außen auf die Schulleitung einwirken, zu lukrieren. Ähnlich wie die gut Vernetzten schreiben auch die Beschützer/innen ihrem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz eine hohe Bedeutung für das eigene Wohlbefinden zu. Im Gegensatz zu den Erstgenannten weisen sie allerdings darauf hin, dass sie einen starken gesundheitlichen Einfluss nur vonseiten der Lehrerkolleg/innen, Schüler/innen sowie der Erziehungsberechtigten der Schüler/innen zulassen. Nur wenn die sozialen Beziehungen zu diesen Personen(gruppen) als positiv erlebt werden, kann aus Sicht der Beschützer/innen die eigene Arbeit angemessen erbracht werden. Die höhere Bedeutung sozialer Beziehungen zu Akteur/innen innerhalb der Schule für das eigene Wohlbefinden im Vergleich zu jenen zu Akteur/innen außerhalb der Schule zeigt sich neben den Relevanzsetzungen, die in den Interviews

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5 Empirische Erhebung

zum Ausdruck kommen, auch in den ego-zentrierten Netzwerkkarten. So ist der Anteil gesundheitsrelevanter Netzwerkpersonen innerhalb der Schule an allen gesundheitsrelevanten Alteri deutlich höher als jener der Akteur/innen außerhalb der Schule. Die bereits erwähnte häufige Unterrichtsverpflichtung der Schuldirektor/innen, die dem Typ „Der/die Beschützer/in“ zugeordnet werden, ist mit einem belastenden Erleben der Doppelrolle „Lehrkraft und Schulleitung“ verbunden. Daneben fühlen sich diese Schulleitungen in verschiedenen Arbeitssituationen in schwierigen Sandwichpositionen, etwa zwischen Vorgaben der Schulaufsicht und Bedürfnissen der Schulgemeinschaft. Beschützer/innen leiten für gewöhnlich zwar keine Volksschulen mit hohen Schülerzahlen, allerdings auch keine Kleinstschulen. Stattdessen führen sie zumeist mittelgroße Schulen. Diese Schulgröße dürfte der Grund für die erlebte „Zwickmühle“ zwischen Schulaufsicht und Schulgemeinschaft sein. So werden Leiter/innen dieses Schultyps anders als Kleinstschulen, die vor allem von Einzelkämpfer/innen (s. Kapitel 5.4.5.4) geleitet werden, aus deren subjektiver Sicht von zahlreichen Vorgaben auf Schulsystemebene nicht „verschont“. Gleichzeitig besteht zudem im Gegensatz zu den gut Vernetzten zusätzlich eine Lehrverpflichtung. Beschützer/innen zeichnen sich dadurch aus, dass sie zumeist den traditionellen Karriereweg von der internen Lehrkraft zur Schulleitung bestritten haben. Dementsprechend blicken sie als Schulleitung bereits auf mehrere Jahre zurück, die sie in dem sozialen Gefüge der Einzelschule verbracht haben. Dies dürfte mit ein Grund für den besonderen „Beschützerinstinkt“ dieser Schulleitergruppe sein. Da der „Druck“ von übergeordneter Ebene auf dieser Schulleitergruppe lastet und nicht mit der Schulgemeinschaft, insbesondere dem Lehrerkollegium geteilt wird, gelingt es den Beschützer/innen oft nicht, im Privatbereich von der Arbeit abzuschalten. So holen sich Vertreter/innen dieser Schulleitergruppe bei schwierigen Arbeitssituationen häufig Rat und soziale Unterstützung aus dem privaten Umfeld. Was das Beanspruchungserleben der Beschützer/innen betrifft, so zeigen die Angaben im Kurzfragebogen sowie die Erzählsequenzen im Rahmen der problemzentrierten Interviews, dass diese immer wieder kurzfristige negative Beanspruchungen erleben. Diese sind vor allem psychischer bzw. psychosomatischer Natur und liegen etwa in einem hohen Erleben von Stress am Arbeitsplatz, einer getrübten Stimmungslage, Schlafstörungen sowie Gefühlen wie „Ausgelaugtsein“ und „Sich-am-Limit-fühlen“. Dieses Empfinden geht mit dem individuellen Gefühl konform, dass Ressourcen nicht immer ausreichen, um mit Belastungen der täglichen Arbeit umzugehen. Die stabilen psychosozialen Ressourcen, welche die

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

427

Beschützer/innen durch die sozialen Beziehungen zu Akteur/innen innerhalb der Schule erleben, dürften allerdings (noch) vor weiteren langfristigen negativen Beanspruchungen schützen. So berichten Volksschuldirektor/innen dieses Typs, dass die Schulgemeinschaft sie „auffängt“. Die folgende Abbildung stellt die zum Typ „Der/die Beschützer/in“ entwickelte MaxMap dar. Sie gibt einen Überblick über dessen zentrale Merkmalsausprägungen. Nicht berücksichtigt darin sind Angaben im Kurzfragebogen und Kennzahlen der Netzwerkkarten. Je dicker der Strich zum jeweiligen Code ist, desto mehr Textstellen wurden mit diesem kodiert.

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Abbildung 31:

5 Empirische Erhebung

MaxMap „Der/die Beschützer/in“, Quelle: Eigene Erstellung

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

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Fallporträt I06 Herr Huber2 konnte als ein Vertreter des Typs „Der/die Beschützer/in“ identifiziert werden. Er weist die wesentlichsten, im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Merkmalsausprägungen auf. Einzige Ausnahme bildet die Tatsache, dass Herr Huber nicht den traditionellen Weg von der internen Lehrkraft zur Schulleitung ging. Herr Huber ist circa 50 Jahre alt. Zum Zeitpunkt des Interviews blickte er bereits auf rund 15 Jahre als Schulleitung an einer mittelgroßen Schule mit rund 50 Schüler/innen und knapp zehn Lehrkräften zurück. Zuvor arbeitete er als Lehrkraft an einer größeren Schule, nahm allerdings dort keine Leitungsposition ein. Er bewarb sich somit als „externe Person“ für den Schulleiterposten an der derzeitigen Schule. Herr Huber ist generell zufrieden mit seiner Arbeit und macht seinen Job sehr gerne. Dennoch bezeichnet er die Arbeit als „auslaugend“. Dies führt er einerseits auf fehlende Pausen, die zwischen Unterrichts- und Schulleitertätigkeiten kaum möglich sind, zurück, andererseits gibt er an, dass mit zunehmendem Alter die Energie nachlässt und bestimmte Aufgaben nicht mehr so schnell erledigt werden können. Dementsprechend weist Herr Huber eine im Vergleich zu den anderen befragten Volksschuldirektor/innen eher mittelmäßige Selbstwirksamkeit (3,2) auf. Die Arbeitsmenge beschreibt Herr Huber als kritisch. Ihm zufolge wurde diese in den letzten Jahren immer mehr. Hinzukommende Aufgaben sind vor allem jene solcher Art, für deren Erledigung eine vertiefte Auseinandersetzung und hohe Konzentration notwendig sind. Gerade dies ist allerdings aus Sicht von Herrn Huber im Arbeitsalltag nur schwer möglich, da es – vor allem aufgrund seiner wöchentlichen Unterrichtstätigkeit von knapp 20 Stunden – an Zeitressourcen hierfür mangelt. Demnach ist die Doppelrolle „Lehrkraft-Leitung“ mit viel Arbeit verbunden. Vormittags steht Herr Huber in den Klassen, nachmittags werden Schulleitertätigkeiten erledigt. Herr Huber versucht stets, beiden Rollenanforderungen gerecht zu werden. Dementsprechend sind lange Arbeitszeiten bis spät abends keine Seltenheit. Dies begründet Herr Huber aber damit, dass er zwischen der Unterrichtstätigkeit am Vormittag und den Schulleiteragenden am Nachmittag eine längere Mittagspause einlegt und sich vor allem für die Schulleiteraufgaben ausreichend Zeit nehmen will. 2

Dieser Name wurde frei gewählt und entspricht nicht dem tatsächlichen Namen der Interviewperson. Auch das hier angegebene Geschlecht entspricht nicht zwingend dem Geschlecht der ausgewählten Interviewperson.

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5 Empirische Erhebung

Eine Möglichkeit, bestimmte Aufgaben an Lehrkräfte zu delegieren, sieht Herr Huber – vor allem aufgrund der geringen Schülerzahlen und der Mehrstufigkeit der Klassen – nicht. So spricht er darüber, dass er Lehrer/innen mit von außen an die Schule gestellten Anforderungen, insbesondere vonseiten der Schulaufsicht, nicht belasten möchte. Er gibt nur die notwendigsten Informationen innerhalb des Kollegiums weiter und möchte damit vermeiden, dass Lehrerkolleg/innen überfordert sind und den Druck an Schüler/innen und deren Erziehungsberechtigten weitergeben. Stattdessen liegt die Aufgabe zur Erledigung all dieser Agenden aus Sicht von Herrn Huber allein bei ihm selbst. Dies begründet er folgendermaßen: „[…], weil wenn sie [Lehrkräfte an der Schule] das Gleiche machen müssten, dann sind sie ausgepowert. Das geht nicht. Ich sage, das ist mein Job. Für das bin ich da. Ich filtere. Ich verwende viel Zeit, das Ganze halt zu analysieren, wo ich sage: Okay, das ist für euch interessant, machen wir eine Konferenz. Und ich mache eine Kurzzusammenfassung. Sie bekommen es mehr oder weniger serviert, dass sie sich auskennen. Den Rest mache eigentlich alles ich, weil ich sage, das ist viel zu überfordernd. [Die Schulaufsicht] erwartet das zum Teil natürlich auch, dann gebt es auch weiter, aber ich sage, das ist nicht Sinn der Sache. Manche Direktoren machen es leider auch und geben den Druck weiter: Du machst das. Du machst das. Du machst das. Und die Lehrer werden immer kleiner und stöhnen: Ich kann nicht mehr.“ (I06)

Dieses Fernhalten der Personen innerhalb der Schule von Aufgaben, die von außen an die Schule herangetragen werden, dürfte mit dem besonders guten Sozialklima innerhalb der Schule verbunden sein. Vor allem die soziale Verbundenheit im Kollegium bewertet Herr Huber sehr hoch (4). Seiner Ansicht nach fühlen sich alle Lehrer/innen an der Schule wohl, ziehen an einem Strang und sind motiviert. Darin sieht Herr Huber eine wesentliche Ressource der Schule. So schreibt er dem Lehrerklima eine hohe Bedeutung für das Wohlbefinden aller in der Schule agierenden Personen zu. Abbildung 32 zeigt die von Herrn Huber entwickelte Netzwerkkarte. In der Abbildungsbeschriftung ist die Bedeutung der darin befindlichen Kürzel beschrieben. Aus der Netzwerkkarte geht hervor, dass für Herrn Huber elf Akteur/innen bzw. Akteursgruppen im Arbeitsumfeld für dessen Wohlbefinden relevant sind. Dabei definiert er vorwiegend (neun) Personengruppen im Kollektiv, die einen bestimmten gesundheitlichen Einfluss auf ihn haben. Zwar wirkt der Großteil dieser positiv auf sein Wohlbefinden, allerdings existieren auch drei Akteursgruppen mit einem stark bzw. mittelmäßig negativen Einfluss.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

Abbildung 32:

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Netzwerkkarte Prototyp I06 „Der/die Beschützer/in“, DV = Pflichtschulinspektor/in, El1 = Elternvertreter/innen, El2 = Elterngruppe 1, El3= Elterngruppe 2, Ki = Schüler/innen, Ko1 = Lehrerkolleg/innen, mit denen häufig Kontakt besteht, Ko2 = Lehrerkolleg/innen, mit denen seltener Kontakt besteht, KPaS1 = Schulerhalter (Bürgermeister), KPaS2 = Vereine, KPaS3 = Kindergartenleiterin, KPaS4 = Schulaufsicht als Organisation, Quelle: Eigene Erstellung

Herr Huber berichtet darüber, dass dieses soziale Netzwerk – vor allem was die Kollegenschaft innerhalb der Schule betrifft – sehr stabil ist. Diese Stabilität

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5 Empirische Erhebung

schätzt er, da Einarbeitungs- und Kennenlernphasen entfallen und Aufgaben aufgrund der Routine leichter erledigt werden können. Im Allgemeinen ist Herr Huber mit seinem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz zufrieden, wobei er seine Aussagen vorwiegend auf jene Akteur/innen bezieht, die innerhalb der Schule agieren, also Lehrerkolleg/innen, Schüler/innen und Erziehungsberechtigte der Schüler/innen. Dieser Teil des Netzwerkes, der sich durch besonders enge soziale Beziehungen auszeichnet, hat eine hohe Bedeutung für Herrn Hubers Wohlbefinden. Dies drückt er folgendermaßen aus: „[…] das ist das tägliche Geschäft. Wenn es mit den Kolleginnen Probleme gibt, das geht natürlich auf meine Kosten, wenn es so wäre, auf meine Gesundheit langfristig. Wenn es mit den Eltern irgendwo Probleme gibt, Streitereien, das geht natürlich auch auf die Psyche, ist belastend von daher. Ich denke mir, das ist in allen Bereichen [so].“ (I06)

Herr Huber bezeichnet sich als Glückspilz, was die positiv besetzten sozialen Beziehungen zu Lehrerkolleg/innen betrifft. Dementsprechend bewertet er den gesundheitlichen Einfluss der Lehrkräfte an der Schule – abhängig von der Häufigkeit des Kontakts zu diesen – als mittelstark bis stark positiv. Die Beziehung zu den Lehrer/innen an der Schule – vor allem zu jenen, mit denen täglich Kontakt besteht – beschreibt Herr Huber als sehr freundschaftlich. Neben dem gegenseitigen Austausch über private Themen finden auch immer wieder private Treffen statt. Man geht gemeinsam einen Kaffee trinken, gemeinsam Essen oder besucht einander zuhause. Herr Huber generiert aus den sozialen Beziehungen zu Lehrkräften an der Schule vor allem psychosoziale Ressourcen langfristiger Art, nämlich Anerkennung und Wertschätzung, sozialen Rückhalt und Verlass. In einzelnen Situationen erlebt er auch immer wieder soziale Unterstützung emotionaler, fachlicher und instrumenteller Form. Auch zu Schüler/innen und deren Erziehungsberechtigten werden vorwiegend „gute“ soziale Beziehungen gepflegt. Die positiven Interaktionen mit diesen überwiegen vom Empfinden her die nur hin und wieder auftretenden, negativen Interaktionen. Schüler/innen, zu denen Herr Huber täglich Kontakt hat, wirken im Kollektiv betrachtet stark positiv auf sein Wohlbefinden ein. Auch zu diesen pflegt er eine sehr enge Beziehung. Er kennt jedes Kind persönlich. Besonders schätzt er an ihnen deren „Natürlichkeit“. Diesbezüglich meint er: „Da ist an und für sich auch so, dass wir, können wir sagen, liebe Kinder haben, also im Dorf eigentlich. Und es im Gegensatz zur Stadt vielleicht sicher noch leichter [ist,] weil einfach das Klientel ganz anders ist. Sie sind einfach viel natürlicher. Sicher sind manchmal vielleicht nicht immer ganz perfekt erzogen, muss man auch sagen,

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

433

die müssen wir ein bisschen nachschleifen. Aber von Grund auf sind sie einfach lieb, man kann mit ihnen sehr viel machen.“ (I06)

Herr Huber fühlt sich von den Schüler/innen anerkannt und wertgeschätzt. Neben dieser langfristigen Ressource schöpft Herr Huber auch aus der Begeisterung, die die Kinder seiner Ansicht nach für einzelne Unterrichts- und Projektthemen aufbringen, Kraft. Diese bestätigt ihn in seiner Arbeit. Betrachtet man die Akteursgruppe der Erziehungsberechtigten der Schüler/innen, so hat Herr Huber besonders häufig mit Elternvertreter/innen Kontakt. Diese unterstützen ihn in besonderem Maße bei der Organisation von Veranstaltungen. Zudem werden schulische Entscheidungen stets gemeinsam getragen. Er fühlt sich von diesen, ebenso wie vom Großteil der restlichen Elternschaft, wertgeschätzt und erlebt einen sozialen Rückhalt dieser Personengruppe. Nur ein geringer Teil der Erziehungsberechtigten wirkt situationsbedingt negativ auf Herrn Hubers Wohlbefinden ein. Diese spezielle Elterngruppe beschreibt er folgendermaßen: „Natürlich ist es in allen Gemeinden so, dass es Eltern gibt, die man sich nicht aussuchen kann. Die halt sehr kritisch sind. Die vielleicht auch selbst mit sich nicht zusammenkommen und Probleme haben und alles auf die Schule abwälzen. Es ist nicht so gehäuft, muss man sagen, es ist halt hier vielleicht zweimal im Monat, dass sich wer aufregt.“ (I06)

Obwohl sich diese „kleinen Auseinandersetzungen“ stets in Form von persönlichen Gesprächen lösen lassen, wirkt die zusätzliche Arbeit, die mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung dieser Gespräche verbunden ist, belastend. Weitere psychosoziale Belastungen, die situationsbedingt aus den sozialen Beziehungen zu dieser Personengruppe entstehen, liegen in der „Verbreitung schlechter Stimmung“ sowie im „Aufhetzen“ anderer gegen die Schulleitung. Im Allgemeinen betrachtet zeigt sich allerdings, dass soziale Beziehungen zu innerhalb der Schule agierenden Personen(gruppen) sehr positiv auf Herrn Hubers Wohlbefinden einwirken. Er betont, dass glückliche und motivierte Lehrkräfte, Schüler/innen und Erziehungsberechtigte dieser ihn in dem Gefühl bestärken, dass alle Aufgaben bewältigbar sind. Im Gegensatz zur generell positiven gesundheitlichen Wirkung des sozialen Gefüges innerhalb der Schule beeinflusst ein Teil des erweiterten schulischen Umfeldes – insbesondere Vertreter/innen der Schulaufsicht – das Wohlbefinden von Herrn Huber zumindest situativ negativ. Dies bringt er folgendermaßen auf den Punkt:

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5 Empirische Erhebung „Viele Dinge sind nicht immer ganz nachvollziehbar, warum man es machen soll. […] Das kommt alles von oben her. Also an der Schule, am Standort ist es kein Problem. Das ist alles leicht zu managen. Aber alles, was von oben kommt, wird dann immer mehr.“ (I06)

Konkret wirken der kontinuierliche Erwartungs- und Veränderungsdruck sowie ständig neue Aufgaben und Vorgaben belastend und erzeugen bei Herrn Huber Stress. Dementsprechend bewertet er den gesundheitlichen Einfluss sowohl des/der Pflichtschulinspektors/in als auch der Schulaufsicht im Gesamten als stark negativ. Auch wenn selbst zum/zur direkten Vorgesetzten nur sehr selten (etwa alle zwei Monate) persönlicher Kontakt besteht, wirken immer wieder an die Schule herangetragene Aufgaben – die zumeist schriftlich übermittelt werden – belastend. Herr Huber betont in diesem Zusammenhang, dass er sich der schwierigen Mittlerposition seines/seiner Pflichtschulinspektors/in und der umfassenden Arbeitsmenge bewusst ist. Aufgrund der Weitergabe von zum Teil nicht nachvollziehbaren Vorgaben vonseiten der Schulaufsicht durch diese/n, wirkt er/sie allerdings dennoch negativ auf sein Wohlbefinden am Arbeitsplatz ein. Herr Huber bringt die negative Wirkweise von Vertreter/innen der Schulaufsicht folgenderweise zum Ausdruck: „[…], dass jedes Jahr etwas Neues kommt oder mehr Dinge im Laufe des Jahres, die aber sehr arbeitsintensiv sind, wo man sehr viel Zeit investieren muss, sich damit auseinander zu setzen, sei es Computer einmal alles durchzulesen, die Gesetze durchzulesen und und und. Dann Berichte schreiben, überlegen, wie kann man es umsetzen. Das ist alles Zeit.“ (I06)

Relativierend für die negative Wirkweise sozialer Beziehungen zu Personen(gruppen) und Organisationen außerhalb der Schule muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass Herr Huber auch über Akteur/innen in diesem Feld berichtet, die sein Wohlbefinden positiv beeinflussen. Dazu zählen der Schulerhalter in Form des Bürgermeisters; die Kindergartenleiterin im Ort, in dem auch die Volksschule steht; sowie diverse Vereine in der Gemeinde. Diese positive Wirkung auf das eigene Wohlbefinden besteht aus Sicht von Herrn Huber allerdings nur deswegen, weil er selbst von Beginn seiner Amtszeit an als Volksschuldirektor daran gearbeitet hat, gute soziale Beziehungen zu diesen Personen aufzubauen. Positiv erlebt Herr Huber vor allem die gute Zusammenarbeit. Der Schulerhalter stellt der Schule darüber hinaus ausreichend materielle Ressourcen in Form von Schulausstattung zur Verfügung. Da die psychosozialen Belastungen, die aufgrund von sozialen Beziehungen zu Vertreter/innen der Schulaufsicht auftreten, von Herrn Huber allerdings in viel

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

435

stärkerem Ausmaß wahrgenommen werden und häufiger auftreten als Ressourcen, die vonseiten der Kindergartenleitung, des Schulerhalters und der Vereine entgegengebracht werden, ist von einer Disbalance dieser beiden Faktoren zugunsten der Belastungen auszugehen. Erholung unter der Woche ist für Herrn Huber aufgrund der langen Arbeitszeiten kaum möglich. Lediglich an Wochenenden versucht er, sich zu regenerieren und von der Arbeit abzuschalten. Seine Familie bietet ihm darüber hinaus emotionale soziale Unterstützung und hat Verständnis für seine Schulleiteraufgaben. Betrachtet man das Beanspruchungserleben von Herrn Huber, so zeigt sich Folgendes: Entsprechend der individuell wahrgenommenen hohen Aufgabenvielfalt und Arbeitsmenge bezeichnet er den Job als Schulleiter als sehr stressig. Den eigenen Gesundheitszustand bewertet er auf einer Skala von 1 (= ausgezeichnet) bis 5 (= schlecht) mit 3 (= gut). Dies begründet er im Interview damit, dass es ihm zwar im Allgemeinen recht gut geht, er sich aber oft „ausgelaugt“ und „am Limit“ fühlt, weil es – vor allem unter der Woche – an Regenerationsmöglichkeiten mangelt. Dementsprechend verwundert es nicht, dass Herr Huber bereits einen mittelhohen Burnout-Index (2,4) aufweist. Eine wesentliche Ursache für das Erleben vereinzelter negativer Beanspruchungsformen dürfte darin liegen, dass der Befragte Belastungen „von oben“ auffängt und diese bei ihm „hängen“ bleiben, da er sie nicht mit der Schulgemeinschaft teilt. Bislang dürften jedoch der individuell wahrgenommene soziale Rückhalt sowie die Wertschätzung innerhalb der Schule und im Privatbereich im Sinne dauerhafter psychosozialer Ressourcen (noch) vor langfristigen negativen Beeinträchtigungen schützen. 5.4.5.3 Typ 3: Der/die Überforderte Tabelle 28 zeigt neben einer graphischen Darstellung des Typs „Der/die Überforderte“ dessen wesentlichen Charakteristika.

436

5 Empirische Erhebung

Tabelle 28: Überblick – Typ „Der/die Überforderte“, Quelle: Eigene Erstellung

Merkmal Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen innerhalb der einzelnen Schule Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen außerhalb der einzelnen Schule empirische Vertreter/innen Prototyp

Beschreibung Disbalance

Disbalance

I02, I05, I09, I14 I02

Allgemeine Beschreibung des Typs „Der/die Überforderte“ Schuldirektor/innen des Typs „Der/die Überforderte“ zeichnen sich sowohl durch ein hohes Ausmaß an Belastungen, die sich aus der Zusammenarbeit mit Personen innerhalb der Schule ergeben, als auch zahlreiche Belastungen, die im Kontext sozialer Beziehungen zu Personen(gruppen) außerhalb der Schule entstehen, aus. Was das soziale Gefüge innerhalb der Schule betrifft, so berichten die Überforderten zunächst über ein generell recht gutes, allerdings stark schwankendes Sozialklima innerhalb der Schule. Mit ein Grund hierfür dürfte die Tatsache sein, dass Schulleiter/innen dieses Typs ein hohes Harmoniebedürfnis haben und in verschiedenen Situationen nicht „Nein“ sagen wollen. So gibt diese Schulleitergruppe an, stets zu versuchen, zu allen Personen(gruppen) in der Schule – auch zu Vertreter/innen des nichtunterrichtenden Personals – eine sehr gute soziale Beziehung zu pflegen und negativ besetzte soziale Interaktionen zu vermeiden. Dennoch treten innerhalb der Schulgemeinschaft immer wieder (kleine) Konflikte zwischen und innerhalb unterschiedlicher Akteursgruppen (Lehrerkolleg/innen, Schüler/innen, Erziehungsberechtigte der Schüler/innen) auf. Auch die Schulleitung selbst bringt mit sozialen Beziehungen zu einzelnen Akteur/innen psychosoziale Belastungen in Verbindung.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

437

So berichten die Überforderten über einstige oder noch immer andauernde soziale Beziehungen zu einzelnen Lehrerkolleg/innen, die einen stark negativen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben. Konkret werden die mangelnde Anerkennung und Wertschätzung der Schulleitung vonseiten einzelner Lehrkräfte und die Nicht-Erfüllung von Aufgaben dauerhaft sowie immer wiederkehrende Intrigen gegenüber der Schulleitung situationsbedingt als belastend erlebt. Den Grund für das Bestehen dieser Belastungen sehen die Überforderten vor allem im Konkurrenzdenken dieser Lehrer/innen, die gerne selbst die Schulleiterrolle innehätten. Eine andere Form der Belastung, die aus sozialen Beziehungen zu Lehrkräften entstehen kann, ist die Notwendigkeit der Schulleitung, diese bei der Erledigung der Aufgaben in sehr hohem Ausmaß unterstützen zu müssen. Schüler/innen wirken zwar vorwiegend stark positiv auf das Wohlbefinden der Überforderten ein, allerdings belastet eine recht enge Beziehung zu diesen die Schulleitung – ähnlich wie bei den Beschützer/innen – hin und wieder in der Form, dass sie sich Sorgen um diese macht. Auch Konflikte zwischen den Schüler/innen werden als situative psychosoziale Belastungen im Kontext der sozialen Beziehungen zu Schüler/innen genannt. Die Erziehungsberechtigten der Schüler/innen haben einen ambivalenten Einfluss auf das Wohlbefinden von Schulleiter/innen, die dem Typ „der/die Überforderte“ angehören. Soziale Beziehungen zu einzelnen Eltern(teilen) wirken aus Sicht dieser Volksschuldirektor/innen stark negativ auf das Wohlbefinden in Form von mangelnder Anerkennung und fehlendem Vertrauen in die Schule und die Schulleitung (= dauerhafte Belastung) sowie Beschwerden, Kritik, Äußerung von Unzufriedenheit, Überfürsorge und Uneinsicht (= situative Belastungen) ein. Neben psychosozialen Belastungen, die durch soziale Beziehungen zu Personen(gruppen) innerhalb der Schule entstehen, erleben die Überforderten auch solche zu einzelnen Akteur/innen außerhalb der Schule bzw. das gesamte Schulsystem als belastend. Negativ auf das eigene Wohlbefinden wirken – ähnlich wie bei den Beschützer/innen – kaum umsetzbare Vorgaben von übergeordneter Ebene, die mit einer Flut an Projekten verbunden sind. Auch das negative Image des Lehrerberufs bzw. der Schule in der Gesellschaft wird als belastend erlebt. Gleichzeitig mangelt es großteils an sozialen Beziehungen zu Personen(gruppen) außerhalb der Schule, mit denen die Überforderten Ressourcen in Verbindung bringen und die damit positiv auf das eigene Wohlbefinden einwirken würden. Genauso wie die gut Vernetzten und die Beschützer/innen sind auch die Überforderten der Ansicht, dass ein funktionierendes soziales Netzwerk am Arbeitsplatz Schule die Basis für ein umfassendes Wohlbefinden der Schulleitung ist. Das bereits erwähnte hohe Harmoniebedürfnis dieser Schulleitergruppe dürfte mitverant-

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5 Empirische Erhebung

wortlich dafür sein, dass die erwähnten psychosozialen Belastungen innerhalb und außerhalb der Schule in starkem Ausmaß auf diese einwirken. Dabei sind die Überforderten – unter anderem aufgrund mangelnder Delegationsfähigkeiten – nicht dazu in der Lage, die mit sozialen Beziehungen zu einzelnen Lehrkräften verbundenen Ressourcen oder Ressourcen anderer Art zum Umgang mit diversen Belastungen einzusetzen. Darüber hinaus geben die Überforderten zu, dass negative Aspekte sozialer Beziehungen generell stärker wahrgenommen werden als solche positiver Art. So werden zwar zumindest gleich viele Netzwerkakteur/innen mit positivem wie negativem Einfluss auf das eigene Wohlbefinden genannt, allerdings wirken negativ besetzte soziale Beziehungen aus subjektiver Sicht gesundheitlich stärker als positive. Mit einer mangelnden Balance von Belastungen und Ressourcen geht ein eher schlechter Gesundheitszustand der Überforderten einher. Dies zeigen sowohl die Angaben im Kurzfragebogen als auch die Aussagen in den Interviews. Diese Volksschuldirektor/innen berichten häufig von langfristigen negativen Beanspruchungsformen. So ist oder war etwa Burnout bereits ein Thema. Weitere negative Beanspruchungen, die von Überforderten immer wieder erlebt werden, gestalten sich ähnlich wie bei den Beschützer/innen. Der Unterschied zu diesen liegt allerdings darin, dass die Überforderten auch Beanspruchungsformen erwähnen, die chronischer Art sind. Dazu zählen etwa andauernde Gefühle wie Frustration, Deprimiertheit und Kraftlosigkeit sowie psychosomatische Beschwerden wie chronische Kopfschmerzen, Bluthochdruck und Magen-Darm-Probleme. Diese Beanspruchungen führen die Überforderten zumindest zum Teil auf die Arbeit, insbesondere auf Konflikte und andere belastende soziale Interaktionen am Arbeitsplatz, zurück. Neben beruflichen Belastungen nennen die Überforderten häufig aber auch Faktoren im Privatbereich, die für den eingeschränkten Gesundheitszustand mitverantwortlich sein dürften. Dazu zählen etwa Konflikte im privaten Umfeld, zu pflegende Angehörige, ein Mangel an sozialem Rückhalt, fehlendes Verständnis für Schulleiteragenden, Einsamkeit und Zusatzverpflichtungen in der Freizeit. Diesbezüglich kann von einer Wechselwirkung von Belastungen am Arbeitsplatz und im Privatleben ausgegangen werden. Überforderte Volksschuldirektor/innen treten an Schulen jeglicher Größe auf. Häufig sind sie allerdings dadurch charakterisiert, dass sie zu Beginn ihrer Amtszeit von extern als Schulleitung an die Schule kamen. Dies dürfte (mit) ein Grund für den ständigen Kampf um Anerkennung und Wertschätzung – vor allem innerhalb des Lehrerkollegiums – sein. Gerade Wertschätzung durch andere ist den

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

439

Überforderten allerdings sehr wichtig. Ist diese eingeschränkt, so wirkt dies stark belastend. Retrospektiv betrachtet sind die Überforderten der Ansicht, dass arbeitsbezogene Belastungen in den vergangenen Jahren immer mehr wurden. Prospektiv betrachtet haben sie sowohl Angst vor weiteren psychosozialen Belastungen, die durch soziale Beziehungen zu Personen(gruppen) außerhalb der Schule entstehen (z.B. Entwicklungen auf Schulsystemebene), als auch vor jenen, die im Kontext sozialer Beziehungen zu Personen(gruppen) innerhalb der Schule (z.B. Verschiedenartigkeit von Schüler/innen und steigende Anforderungen vonseiten der Erziehungsberechtigten) auftreten. Für deren Bewältigung stehen aus Sicht dieser Schulleiter/innen nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung. Die folgende Abbildung fasst die wesentlichen Merkmalsausprägungen des Typs „Der/die Überforderte“ in Form einer MaxMap zusammen. Nicht berücksichtigt sind Angaben im Kurzfragebogen und Netzwerkkennzahlen. Je dicker der Strich zum jeweiligen Code in der Abbildung ist, desto mehr Textstellen wurden mit diesem kodiert.

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Abbildung 33:

5 Empirische Erhebung

MaxMap „Der/die Überforderte“, Quelle: Eigene Erstellung

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

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Fallporträt I02 Frau Maier3 konnte als eine Vertreterin des Typs „Der/die Überforderte“ identifiziert werden. Sie wurde als Repräsentantin für diese Schulleitergruppe ausgewählt, da sie deren zentrale Charakteristika am besten abbildet. Frau Maier ist circa 50 Jahre alt. Seit knapp fünf Jahren ist sie Leiterin einer Volksschule mit mehr als 100 Schüler/innen und knapp mehr als zehn Lehrkräften. Frau Maier kam von extern an die Schule und wies aufgrund der relativ hohen Schülerzahl von Beginn an keine Lehrverpflichtung auf. Motiviert zur Bewerbung für den Schulleiterposten wurde sie von einer Freundin, die ebenfalls Lehrerin ist. Zu Beginn ihrer Amtszeit konnte sie zwar bereits auf eine 25-jährige Arbeit als Lehrkraft zurückblicken, allerdings hatte sie bis dorthin keinerlei Schulleitererfahrung. Die umfassenden Schulleiteraufgaben, auf die sie sich nicht adäquat vorbereiten konnte, führten zu Beginn der Amtszeit zu Überforderung. Frau Maier empfindet den Job als Schulleitung als sehr stressig. Sie ist der Ansicht, dass der Schulleiterberuf aufgrund des hohen Aufgabenspektrums für viele Lehrkräfte nicht mehr sehr attraktiv ist. Ihr subjektives Selbstwirksamkeitsempfinden liegt im Vergleich zu anderen Volksschuldirektor/innen mit 3,3 zwar im Mittelfeld, im Zuge des Interviews führt sie allerdings aus, dass sie an ihrer persönlichen Selbstwirksamkeit immer wieder zweifelt. Bei der Erledigung all ihrer Aufgaben möchte es Frau Maier jedem und jeder stets Recht machen. Sie ist sehr aufopfernd und erzählt über sich selbst: „Und ich bin halt auch so der Typ, der sich alles so zu Herzen nimmt und alles gut machen will und für alle das Beste, nur es gelingt einem nicht immer.“ (I02)

Dementsprechend verwundert es nicht, dass sie ähnlich wie Herr Huber (s. Kapitel 5.4.5.2) eine äußerst schlechte Delegiererin ist. Als Gründe hierfür nennt Frau Maier allerdings – anders als Herr Huber – neben dem „Nicht- belasten-wollen“ der Lehrkräfte auch das „Vermeiden-wollen“ jeglicher Konfrontationen und Widerstände. Anders als Herr Huber sieht Frau Maier zudem Delegieren als ihre Schwäche an und ist sich der Notwendigkeit dessen in Zukunft bewusst: „Ich muss einfach delegieren. Das ist auch lächerlich. Das ist, aber ja. Das fängt, genau diese Geschichte, das hat mir [der Schulwart] heute schon wieder gesagt. […]

Aber. Ja, das ist genau, das ist wirklich ein großes Handicap von mir.“ (I02) 3

Dieser Name wurde frei gewählt und entspricht nicht dem tatsächlichen Namen der Interviewperson. Auch das hier angegebene Geschlecht entspricht nicht zwingend dem Geschlecht der ausgewählten Interviewperson.

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5 Empirische Erhebung

Betrachtet man das Sozialklima innerhalb der Kollegenschaft, so wird dieses mittels Kurzfragebogen von Frau Maier mit einem Wert von 3,7 generell als recht gut beurteilt. Sie betont allerdings, dass dieses aufgrund eines immer wieder auftretenden Lehrerwechsels nicht jedes Jahr gleich zu werten ist. Aufgrund der relativ hohen Lehrerzahl gibt es innerhalb der Lehrerschaft zudem immer wieder Grüppchenbildungen. Diese sind situativ mit Konflikten verbunden. Derzeit empfindet Frau Maier insbesondere zwei Lehrkräfte als „Querleger“ gegen den Rest des Kollegiums. Was das Schulklima im Gesamten betrifft, so empfindet Frau Maier auch dieses derzeit als relativ gut. Sie betont jedoch, dass Konflikte stets auf der Tagesordnung stehen. Dies betrifft sowohl Streitereien zwischen Schüler/innen als auch Beschwerden von Erziehungsberechtigten über einzelne Lehrkräfte und andere Schüler/innen. In derartige Konfliktsituationen gerät Frau Maier als Schulleitung immer wieder hinein und ist dazu angehalten, Lösungen zu finden. Innerhalb der Schulgemeinschaft finden zudem immer wieder Veranstaltungen wie Schulforen und Elternsprechtage statt. Diese nehmen viel Zeit in Anspruch, was Frau Maier ebenfalls als belastend erlebt. Wie die gut Vernetzten und die Beschützer/innen schreibt auch Frau Maier als Vertreterin der Überforderten dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz einen großen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden zu. Die Netzwerkkarte (s. Abbildung 34) bringt dieses Empfinden zum Ausdruck. So finden sich darin vorwiegend Akteur/innen im innersten Kreis, die damit aus Sicht von Frau Maier einen starken gesundheitlichen Einfluss haben.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

Abbildung 34:

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Netzwerkkarte Prototyp I02 „Der/die Überforderte“, DV = Pflichtschulinspektor/in, El = Elterngruppe, Ki = Schüler/innen, Ko1 = eine Kollegin, Ko2 = ein Kollege, Ko3 = eine Kollegin, Ko4 = Großteil des Lehrerkollegiums, KPaS1 = Leiterin an einer anderen Bildungseinrichtung, KPaS2 = Schulerhalter, KPiS = Schulwart, Quelle: Eigene Erstellung

Insgesamt nennt Frau Maier sechs einzelne Personen und vier Personengruppen als für sie selbst gesundheitsrelevante Akteur/innen. Genau die Hälfte davon hat eine negative oder zumindest ambivalente Wirkung auf Frau Maiers Wohlbefinden. In diesem Zusammenhang betont Frau Maier, dass negative Aspekte sozialer

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5 Empirische Erhebung

Beziehungen, die sich in psychosozialen Belastungen äußern, stärker wahrgenommen werden als solche positiver Art. Dies beschreibt sie folgendermaßen: „Also vor allem, das wird mir auch jetzt wieder bewusst, die negativen Dinge, an die ich halt permanent denke, die mir immer wieder bewusst werden, wobei ich diese positiven im täglichen Leben gar nicht so beachte, das sehe ich erst jetzt wieder durch die Grafik wieder. […] Es ist wirklich interessant, wie man sich auf dieses Negative so fokussiert und diese positiven viel stärker dann gar nicht mehr wahrnimmt oder zu wenig wahrnimmt, sagen wir es so. Ja. Aber es würde sich ja gut mischen. Also es müsste ja eigentlich oder sollte dieser Bereich [der positive] sogar überwiegen.“ (I02)

Dementsprechend hat Frau Maier im Arbeitsalltag stets das Gefühl, dass Belastungen, die aus dem sozialen Netzwerk heraus entstehen, die Ressourcen überwiegen. Aus der Netzwerkkarte ist des Weiteren ersichtlich, dass sowohl einzelne Akteur/innen, die innerhalb der Schule agieren, als auch einzelne außerhalb der Schule einen negativen Einfluss auf das Wohlbefinden von Frau Maier haben. Betrachtet man zunächst die sozialen Beziehungen zu Lehrerkolleg/innen, so sind diese aus Sicht von Frau Maier vorwiegend beruflicher Art. Mit zwei Lehrkräften bringt Frau Maier psychosoziale Belastungen in Verbindung, die allerdings recht unterschiedlicher Art sind. Vonseiten eines Kollegen (AK-m-50-Ko2), zu dem etwa ein- bis dreimal pro Woche Kontakt besteht, erlebt Frau Maier die mangelnde Anerkennung und Wertschätzung ihrer Person als belastend. Sie vermutet, dass dieser gerne selbst die Schulleiterrolle innehätte. Die mangelnde Anerkennung und Wertschätzung sind mit immer wiederkehrenden Aktivitäten dieses Lehrers verbunden, die Frau Maier als belastend erlebt. Dazu zählen Intrigen gegenüber der Schulleitung und die Suche nach „Verbündeten“, das Vorenthalten wichtiger schulischer Informationen sowie die mangelnde Veränderungsbereitschaft. Eine Lehrkraft (PH-w-61-Ko3) hat auf eine andere Art und Weise einen negativen Einfluss auf Frau Maiers Wohlbefinden. Diese erledigt gemäß Frau Maier ihre Arbeit nicht angemessen. Dies erfordert viel Zeit und Kraft vonseiten der Schulleitung. So ist es aufgrund von Arbeitsverweigerung und der Verletzung der Aufsichtspflicht durch diese Lehrerin notwendig, ständig zu kontrollieren und immer wieder Gespräche mit dieser zu führen. Frau Maier hat auch das Gefühl, von dieser Lehrerin als Schulleitung nicht wirklich anerkannt zu werden. Daneben hat sie mit Beschwerden von Erziehungsberechtigten der Schüler/innen aufgrund des (Nicht-)Handelns dieser Lehrkraft zu kämpfen. Obwohl lediglich zu zwei Lehrkräften soziale Beziehungen gepflegt werden, mit denen Belastungen in Verbindung gebracht werden, wirken diese in hohem Ausmaß negativ auf Frau Maiers Wohlbefinden. Langfristige und situative

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

445

Ressourcen, die im Kontext sozialer Beziehungen zum Großteil der Lehrerkolleg/innen erlebt werden, wie etwa Anerkennung und Wertschätzung, sozialer Rückhalt, (positives) Feedback, Dankbarkeit, Offenheit für schulische Veränderungen und soziale Unterstützung jeglicher Art, werden im Berufsalltag oft nicht bewusst wahrgenommen. Vor allem aber greift Frau Maier auf diese beim Umgang mit den zuvor erwähnten Belastungen nicht zurück. Lediglich die negative Wirkweise einzelner psychosozialer Belastungen, wie etwa des zuvor beschriebenen Vorenthaltens wichtiger Informationen, kann durch Ressourcen, wie die informative soziale Unterstützung, die sich aus der Zusammenarbeit mit einer anderen Kollegin (AG-w-49-Ko1) ergibt, abgefedert werden. Neben einzelnen Lehrkräften wirkt auch ein Teil der Erziehungsberechtigten der Schüler/innen stark negativ auf das Wohlbefinden von Frau Maier ein. Psychosoziale Belastungen, die mit den sozialen Beziehungen zu diesen in Verbindung gebracht werden, treten vor allem situativ auf. Dazu zählen immer wiederkehrende Beschwerden bzw. die Äußerung von Unzufriedenheit mit schulischen Handlungen, ständige Forderungen nach mehr Mitentscheidung, was die Gestaltung des Schulsystems betrifft, sowie Überfürsorge für die eigenen Kinder. Als besonders belastend erlebt Frau Maier es, wenn Erziehungsberechtigte ihr gegenüber bevormundend auftreten: „Und wenn eine, wenn man eine beruhigt hat, dann kommt die nächste oder dann treten sie im Kombipack auf und so richtig: Wir und du hast das jetzt gefälligst zu tun.“ (I02)

Belastende soziale Kontakte mit dieser Personengruppe treten wöchentlich auf und werden aus Sicht von Frau Maier immer häufiger. Obwohl die „belastende“ Elterngruppe lediglich ca. 10% der gesamten Elternschaft ausmacht, wirkt sie auf Frau Maiers Wohlbefinden in hohem Ausmaß negativ ein. Soziale Beziehungen zu jenen Erziehungsberechtigten, mit denen sie keine Belastungen in Verbindung bringt, nimmt Frau Maier nicht als gesundheitsrelevant wahr: „Es treten eh immer nur die auf, die Probleme machen. Das ist, im Vergleich jetzt bei [Zahl der Schüler/innen] Kindern ist das eine kleine Gruppe. Aber die, die zufrieden sind oder die es gut finden, die melden sich einfach eher nicht. Das ist ja jetzt nicht das Problem. Aber die, die wirklich jetzt Probleme machen, die wirken sich ganz stark aus.“ (I02)

Innerhalb des internen Schulgefüges bringt Frau Maier lediglich mit den sozialen Beziehungen zu Schüler/innen und dem Schulwart als Vertreter des nichtunterrichtenden Personals keinerlei Belastungen in Verbindung.

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5 Empirische Erhebung

Zu den Schüler/innen besteht – trotz der fehlenden Unterrichtstätigkeit von Frau Maier – täglich Kontakt. Die Schüler/innen erlebt sie als Kraftquellen. Diese bestätigen sie in ihrer täglichen Arbeit und spiegeln die Sinnhaftigkeit ihres Tuns wider. Der Schulwart, zu dem ebenfalls täglicher Kontakt besteht, gibt Frau Maier in ähnlicher Weise immer wieder Kraft. Er entlastet sie bei verschiedensten Arbeiten, indem er von sich aus soziale Unterstützung anbietet. Neben instrumenteller sozialer Unterstützung gewährt er Frau Maier allerdings auch emotionale soziale Unterstützung und heitert sie in schwierigen Arbeitssituationen auf. Zusätzlich zu psychosozialen Belastungen, die aus dem sozialen Netzwerk innerhalb der Schule entstehen, erlebt Frau Maier auch soziale Beziehungen zu Akteur/innen außerhalb der Schule als belastend. Der/die Pflichtschulinspektor/in als Vertreter/in der Schulaufsicht, den/die Frau Maier bereits seit vielen Jahren kennt und zu dem/der sie lediglich eine berufliche Beziehung pflegt, hat einen ambivalenten Einfluss auf ihr Wohlbefinden. Einerseits erlebt Frau Maier zwar situationsbedingt fachliche soziale Unterstützung, andererseits wirken immer wiederkehrende Kritik am Agieren der Schulleitung sowie mangelnder Handlungsspielraum belastend. Erstgenannten Faktor empfindet Frau Maier als kränkend: „Und dann wieder, oh, kann [er/sie] so kränkend auch sein. Wenn ich denke, bei Dingen, wo ich sage: Ja, ist passiert. Ist nicht in Ordnung. Aber das, da fehlt es halt manches Mal nach meinem Gefühl an der Wertschätzung.“ (I02)

Neben diesen Belastungen, die eher in Verbindung mit der Einzelperson des/der direkten Vorgesetzten stehen, erlebt Frau Maier auch die Vielfalt an Projekten und zunehmende Vorgaben vonseiten der gesamten Schulaufsicht auf Landesebene sowie politischen Institutionen auf Bundesebene als belastend. Zudem kritisiert sie mangelnde Regelungen der Arbeitszeit von Schulleitungen. Während laut Frau Maier vonseiten dieser Akteursgruppen ständige Kritik geäußert wird, mangelt es an wertschätzenden Aktivitäten z.B. in Form von positivem Feedback. Neben der Schulaufsicht wirkt auch der Schulerhalter negativ auf Frau Maiers Wohlbefinden ein. So fühlt sie sich von diesem nicht ausreichend unterstützt. Es mangelt vor allem an adäquater materieller sozialer Unterstützung. Versprechungen punkto Verbesserung der Schulausstattung werden nicht eingehalten. Neben Personen(gruppen) und Organisationen, die in unmittelbarem Kontakt mit der Schule stehen, erlebt Frau Maier auf Bevölkerungs- bzw. gesellschaftlicher Ebene auch das geringe Ansehen des Lehrer- und Schulleiterberufs als belastend.

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

447

Als einzige Person außerhalb der Schule, die positiv auf das eigene Wohlbefinden einwirkt, nennt Frau Maier die Leiterin einer unmittelbar neben der Volksschule befindlichen Bildungseinrichtung. Diese sieht sie als sehr gute Freundin, mit der sie sich sowohl über berufliche als auch private Themen nahezu täglich austauscht. Ressourcen, die aus der sozialen Beziehung zu dieser generiert werden, liegen in sozialer Unterstützung emotionaler, fachlicher und informativer Art. Von den Belastungen, die Frau Maier am Arbeitsplatz Schule erlebt, kann sie im Privatbereich nur kaum „abschalten“. Sie fühlt sich, wenn sie nach einem Arbeitstag zuhause ankommt, matt. Ihre Gedanken verharren stets an einzelnen „zermürbenden“ Situationen, die sie zuvor an der Schule erlebte. Zuhause fehlt es ihr an einem/einer Gesprächspartner/in, mit dem/der sie sich darüber austauschen könnte. Stattdessen sieht sie sich im Privatbereich mit einer weiteren Belastung – nämlich der Pflege eines/einer Angehörigen – konfrontiert. Lediglich am Wochenende kann Frau Maier auf psychosoziale Ressourcen aus dem privaten sozialen Netzwerk zurückgreifen. Eigene Regeneration ist allerdings erst nach längeren Ruhephasen wie den Schulferien möglich. Die Summe aus verschiedensten psychosozialen Belastungen am Arbeitsplatz und im Privatbereich, denen nicht ausreichend Ressourcen gegenüberstehen, sieht Frau Maier als Ursache für ihren derzeit eher schlechten Gesundheitszustand. So bewertet sie diesen im Kurzfragebogen auf einer Skala von 1 (= ausgezeichnet) bis 5 (= schlecht) mit 4 (= weniger gut). Darüber hinaus ist ihre Burnoutgefährdung mit einem Wert von 2,9 auf einer Skala von 0,0 bis 6,0 als hoch zu klassifizieren. Dies geht mit den Erzählungen von Frau Maier im Zuge des Interviews konform. So betont sie, dass sie völlig erschöpft und derzeit in besonders schlechter gesundheitlicher Verfassung ist. Die Disbalance von Belastungen und Ressourcen drückt sie folgendermaßen aus: „Ich bin so wie in einer Hülle und das, das Innere wird immer weniger und ich, ich kann nirgends Kraft holen, keine Energie holen. Ich, wenn ich mich auch entspanne am Wochenende, aber ich tanke nicht auf.“ (I02)

Neben diesen psychischen Beanspruchungsformen erlebt Frau Maier auch Beanspruchungen psychosomatischer Art. Dazu zählen vor allem Schlafstörungen und Magen-Darm-Probleme. Diese, zum Teil auch ärztlich diagnostizierten Gesundheitsprobleme führt Frau Maier großteils auf ihre Arbeit als Schulleiterin zurück: „Ja, die Schlafstörungen sind sicher die Gedanken, die mich nicht loslassen, was ist da wieder oder es ist ja nicht nur der negative Einfluss, der mir Sorgen macht, sondern die, die generell die Arbeiten, die zu bewältigen sind. Was noch alles zu tun ist. Wann werde ich das alles unterbringen? Also das ist. Ja, wie gesagt, mein Darm-

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5 Empirische Erhebung Leiden und Magen-Leiden, das ist jetzt sicher wieder verstärkt durch, durch die Sorgen. Das ist heuer ganz sicher, das ist schon immer meine Schwachstelle gewesen, aber es ist eben, jetzt artet es aus.“ (I02)

5.4.5.4 Typ 4: Der/die Einzelkämpfer/in Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über den Typ „Der/die Einzelkämpfer/in“. Wie bereits in Kapitel 5.4.4.3 erörtert, lässt sich dieser nicht in den der Typologie zugrundeliegenden Merkmalsraum einordnen. Tabelle 29: Überblick – Typ „Der/die Einzelkämpfer/in“, Quelle: Eigene Erstellung

Merkmal Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen innerhalb der einzelnen Schule Belastungs-Ressourcen-Balance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen außerhalb der einzelnen Schule empirische Vertreter/innen Prototyp

Beschreibung keine Einordenbarkeit in den Merkmalsraum

keine Einordenbarkeit in den Merkmalsraum

I01, I03, I10, I11 I01

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

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Allgemeine Beschreibung des Typs „Der/die Einzelkämpfer/in“ Einzelkämpfer/innen weisen nur wenige starke soziale Beziehungen zu Personen(gruppen) im Arbeitsumfeld auf und empfinden im Vergleich zu den anderen Schulleitergruppen den Einfluss des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz auf das eigene Wohlbefinden nur als mittelstark bis schwach. Diese Tatsache spiegelt sich sowohl in den Interviewaussagen als auch in den Netzwerkkarten wider. Neben der, verglichen mit den anderen Typen, eher geringen Wirkung einzelner Akteur/innen im schulischen Umfeld auf das eigene Wohlbefinden zeigt sich – was die Wirkrichtung betrifft – häufig ein ambivalenter Einfluss dieser. So führen die Einzelkämpfer/innen in der Netzwerkkarte im Vergleich zu anderen Volksschulleiter/innen viele Akteur/innen auf der ambivalenten Linie an. Dies betrifft besonders häufig die Gruppe der Erziehungsberechtigten der Schüler/innen. Diese wirkt sehr stark situationsbedingt auf das eigene Wohlbefinden ein, wobei die Wirkrichtung von einzelnen Personen, die diese Gruppe ausmachen, abhängt. Einzelne Schüler- und Elternjahrgänge können aus Sicht der Einzelkämpfer/innen recht unterschiedlich auf das Wohlbefinden der Schulleitung einwirken. Zwar wird das Sozialklima an der Schule von den Einzelkämpfer/innen im Allgemeinen als gut bezeichnet, allerdings hängt dieses ebenfalls sehr stark von einzelnen Personen innerhalb der Schule ab. Diese wechseln immer wieder, was gewisse Schwankungen im Sozialklima herbeiführt. Betrachtet man im Speziellen die Angaben im Kurzfragebogen zur sozialen Verbundenheit bzw. Unterstützung innerhalb des Kollegiums, so zeigt sich, dass Schulleiter/innen, die dem Typ „Der/die Einzelkämpfer/in“ zugeordnet werden, im Vergleich zu den anderen Typen die niedrigsten Werte aufweisen. Einen starken Einfluss auf das Wohlbefinden der Einzelkämpfer/innen haben am ehesten noch Schüler/innen und deren Erziehungsberechtigte. Grund hierfür dürfte sein, dass diese Schulleitergruppe eine hohe Lehrverpflichtung aufweist und damit häufig Kontakt mit diesen Personengruppen hat. Was konkrete psychosoziale Belastungen, die aus dem sozialen Netzwerk innerhalb der Schule resultieren, betrifft, so geben Einzelkämpfer/innen einerseits an, dass es an Bezugspersonen auf einzelnen Ebenen mangelt (z.B. Austausch mit Lehrerkolleg/innen), andererseits empfinden sie gleichzeitig aber auch zu viel sozialen Kontakt mit einzelnen Personen als belastend. Ein Grund für den individuell wahrgenommenen lediglich mittelmäßigen bis schwachen Einfluss des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz auf das eigene Wohlbefinden dürfte darin liegen, dass dieses an Schulen, die von Einzelkämpfer/innen geführt werden, eher instabil ist. Ursache hierfür dürfte wiederum jene sein, dass Vertreter/innen des Typs „Der/die Einzelkämpfer/in“ Kleinstschulen,

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5 Empirische Erhebung

also ein- bis zweiklassige Volksschulen, leiten. Diese wiederum zeichnen sich dadurch aus, dass der/die Schulleiter/in häufig der/die einzige Klassenlehrer/in ist. Nur eine Zweiklassigkeit, auf die man jedes Schuljahr hofft, ermöglicht zumindest den täglichen Austausch mit einer zweiten Lehrkraft. Andere Lehrer/innen, die Unterrichtsfächer wie Religion oder Werken lehren, kommen einerseits innerhalb einer Schulwoche nur für einige Unterrichtsstunden an die Schule, andererseits wechseln die einzelnen Personen von Schuljahr zu Schuljahr. Auch die hohe Lehrverpflichtung von Volksschulleiter/innen an Kleinstschulen erschwert einen umfassenden Austausch mit anderen Lehrkräften. Aufgrund des naturgemäßen Wechsels von Schüler/innen und Erziehungsberechtigten der Schüler/innen alle vier Jahre und des Nichtvorhandenseins von nichtunterrichtendem Personal an der Schule stellen die Schulleitungen damit über einen längeren Zeitraum hinweg die einzige Konstante im sozialen Netzwerk innerhalb der Schule dar. Was den Aufbau sozialer Beziehungen zu Akteur/innen außerhalb der Schule betrifft, so dürften auch hierfür die hohe Unterrichtsverpflichtung der Einzelkämpfer/innen sowie die Tatsache, dass sich diese aus diesem Grund den größten Anteil ihrer Zeit dem inneren Schulgefüge widmen (müssen), hinderlich sein. So werden vorwiegend nur „notwendige“ soziale Beziehungen (v.a. zum Schulerhalter und zur Schulaufsicht) gepflegt, die aus Sicht der Einzelkämpfer/innen zumeist nur leicht auf das eigene Wohlbefinden einwirken. Die Möglichkeit, soziale Beziehungen z.B. zu anderen Volksschuldirektor/innen aufzubauen und daraus Ressourcen für die Erledigung der eigenen Arbeit zu schöpfen, wird von den Einzelkämpfer/innen nicht wahrgenommen. Stattdessen fühlen sie sich ihrem Netzwerk im schulischen Umfeld eher ausgeliefert. Während eigene Gestaltungsmöglichkeiten des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule somit nicht erkannt werden, sehen die Einzelkämpfer/innen jedoch durchaus eine individuelle Steuerbarkeit der Wirkung psychosozialer Belastungen auf das eigene Wohlbefinden bzw. generelle Beanspruchungserleben. So ist diese Schulleitergruppe der Ansicht, dass es einem selbst überlassen bleibt, zu entscheiden, ob sich psychosoziale Belastungen wie Konflikte auf die eigene Gesundheit niederschlagen. Einzelkämpfer/innen akzeptieren etwa die Tatsache, dass es unmöglich ist, den Anforderungen aller Akteur/innen im Netzwerk gerecht zu werden. Wenn Probleme oder Konflikte mit anderen Personen(gruppen) auftreten, dann wird diesen ab dem Zeitpunkt, zu dem festgestellt wird, dass diese unlösbar sind, eher aus dem Weg gegangen. Entwicklungen auf Schulsystemebene – auch wenn deren Sinnhaftigkeit nicht immer erkannt wird – werden von den Einzelkämpfer/innen großteils akzeptiert. Dies

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

451

dürfte unter anderem daran liegen, dass diese Schulleitergruppe mit Schulleiteragenden vorwiegend administrative Angelegenheiten in Verbindung bringt. Umfassende Schulentwicklung wird – vielleicht auch aufgrund einer gewissen „Verschonung“ besonders kleiner Schulen vonseiten der Schulaufsicht sowie der besonders geringen Ressourcenlage dieser – kaum bzw. nur in geringem Ausmaß betrieben. Diese Akzeptanz bestimmter Gegebenheiten am Arbeitsplatz Schule dürfte auch mit ein Grund dafür sein, dass Einzelkämpfer/innen im Privatbereich recht gut von der Arbeit abschalten können und ihnen ausreichend Freizeit generell sehr wichtig ist. Die bereits erwähnten Charakteristika dieser Schulleitergruppe wie das instabile soziale Netzwerk an der Schule, die im Vergleich zu den anderen Typen niedrige Anzahl an darin befindlichen Akteur/innen, die geringe Schulgröße sowie die damit verbundene hohe Lehrverpflichtung dürften Gründe für das Einzelkämpfertum dieser Volksschuldirektor/innen sein. So kämpfen sich diese als Multifunktionswesen im wahrsten Sinne des Wortes täglich durch den Arbeitsalltag. Besonders aufgrund der fehlenden Besetzung einzelner Positionen (z.B. Schulwart, Sekretariat) nehmen die Einzelkämpfer/innen sehr vielfältige Rollen an der Schule ein. Was die Doppelrolle „Lehrkraft-Schulleitung“ betrifft, so zeigt sich, dass sich Volksschuldirektor/innen dieses Typs weniger als Schulleiter/innen, die umfassende Schulentwicklung betreiben, sondern vielmehr als Lehrer/innen mit (administrativen) Zusatzaufgaben verstehen. Einzelkämpfer/innen weisen einen im Allgemeinen mittelmäßigen bis recht guten Gesundheitszustand auf. Es werden weder besonders positive noch besonders negative Beanspruchungen, die auf die eigene Arbeit zurückgeführt werden, erlebt. Einen Einfluss darauf dürfte die Tatsache haben, dass zwar selten – situationsbedingt – starke psychosoziale Belastungen auftreten, die zu negativen Beanspruchungen führen, es aber gleichzeitig an wertvollen langfristigen psychosozialen Ressourcen im schulischen Umfeld mangelt, die mit einem besonderen Wohlgefühl am Arbeitsplatz verbunden wären. Die folgende Abbildung fasst die wesentlichen Merkmale des Typs „Der/die Einzelkämpfer/in“ als MaxMap zusammen. Nicht berücksichtigt sind Angaben im Kurzfragebogen und Netzwerkkennzahlen. Je dicker der Strich zum jeweiligen Code in der Abbildung ist, desto mehr Textstellen wurden mit diesem kodiert.

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Abbildung 35:

5 Empirische Erhebung

MaxMap „Der/die Einzelkämpfer/in“, Quelle: Eigene Erstellung

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

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Fallporträt I01 Herr Schneider4 ist ein Vertreter der Einzelkämpfer/innen. Er wurde als Prototyp ausgewählt, da er die in den vorhergehenden Abschnitten beschriebenen Charakteristika in hohem Ausmaß aufweist. Herr Schneider ist ein relativ junger Schuldirektor und übernahm erst kürzlich den Schulleiterposten an einer sehr kleinen Volksschule. Zu Beginn seiner Amtszeit konnte er auf relativ wenig Dienstjahre als Lehrer zurückblicken und brachte noch keine Schulleitungserfahrung mit. Aufgrund der geringen Schülerzahl weist Herr Schneider mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 20 eine hohe Lehrverpflichtung auf. Herr Schneider ist stolz auf seine bisherigen Tätigkeiten als Schulleiter. Er sieht sich als Multifunktionswesen, das für alles, was in der Schule passiert, allein verantwortlich ist. Dies beschreibt er folgendermaßen: „Ich meine, an einer Großschule ist es sicherlich so, dass du untereinander in Kleinteams arbeitest, jetzt z.B., um vom Schulerhalter etwas zu bekommen. Da in einer Kleinschule ist es für mich relativ unwichtig. Ob es jetzt ist mit dem Schulerhalter, irgendeine Besorgung zu bekommen, ob es jetzt ist, mit Eltern etwas zu besprechen. Es kann sein, dass ich Ressourcen benötige von Kolleginnen oder teilweise von Eltern, aber in der letzten Instanz unter Anführungszeichen bleibt es an mir hängen.“ (I01)

Herr Schneider berichtet darüber, dass er über ein umfassendes Repertoire an Konflikt- und Stressbewältigungsstrategien verfügt. Dementsprechend verwundert es nicht, dass er mit einem Wert von 3,3 eine relativ hohe Selbstwirksamkeit aufweist. Die soziale Verbundenheit bzw. Unterstützung im Lehrerkollegium bewertet Herr Schneider mit 2,3 im Vergleich zu allen anderen Volksschuldirektor/innen am niedrigsten. Dies dürfte einerseits an der Tatsache liegen, dass er derzeit der einzige Klassenlehrer an der Schule ist und andere Lehrkräfte nur stundenweise an die Schule kommen, andererseits daran, dass er sich für alles, was an der Schule passiert, allein verantwortlich fühlt. Was das Sozialklima innerhalb der gesamten Schulgemeinschaft betrifft, so bezeichnet Herr Schneider dieses im Allgemeinen als sehr gut. Allerdings haben 4

Dieser Name wurde frei gewählt und entspricht nicht dem tatsächlichen Namen der Interviewperson. Auch das hier angegebene Geschlecht entspricht nicht zwingend dem Geschlecht der ausgewählten Interviewperson.

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5 Empirische Erhebung

einzelne Personen auf unterschiedlichen Ebenen einen negativen Einfluss auf das Schulklima. Herr Schneider schätzt die geringe Größe der Schule und die damit verbundene Familiarität. Trotz der durchaus positiven Wahrnehmung des Sozialklimas an der Schule ist Herr Schneider der Ansicht, dass das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz nur einen mittelmäßigen Einfluss auf sein Wohlbefinden hat. Dies spiegelt sich auch in der von ihm entwickelten Netzwerkkarte wider (s. Abbildung 36). So führt er – unter Ausklammerung von Personen im privaten Umfeld – zwar elf gesundheitsrelevante Personen(gruppen) an, allerdings hat der Großteil davon nur einen schwachen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden. Soziale Beziehungen zu Personen(gruppen) mit negativer und solche zu jenen mit positiver Wirkung halten sich dabei die Waage. In Hinblick auf die Stabilität des sozialen Netzwerkes berichtet Herr Schneider darüber, dass es häufig zu einem Wechsel einzelner Personen kommt. Dies betrifft neben Schüler/innen und deren Erziehungsberechtigten auch die Lehrerkolleg/innen. Im Allgemeinen ist Herr Schneider allerdings recht zufrieden mit dem sozialen Netzwerk im schulischen Arbeitsumfeld. Trotz der im Vergleich zu anderen Volksschuldirektor/innen eher geringen Anzahl an Einzelpersonen im schulischen Arbeitsumfeld empfindet Herr Schneider ein „Zuviel“ an sozialen Kontakten zu einzelnen Personen. Diesbezüglich meint er: „Nur hin und wieder, du drehst einfach durch, wenn du dich jeden Tag siehst unter der Woche und jeden Tag redest und redest und redest und irgendwann brauchst einmal einen Abstand.“ (I01)

Aus sozialen Kontakten entstehende Konflikte treten allerdings zumeist recht kurzfristig und situativ auf und wirken aus Sicht von Herrn Schneider nur dann negativ auf die eigene Gesundheit ein, wenn sie in Kombination mit anderen Belastungen am Arbeitsplatz oder im privaten Umfeld auftreten. Neben vereinzelten Belastungen, die aus dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz heraus hin und wieder entstehen, bringt Herr Schneider jedoch auch Ressourcen mit diesem in Verbindung. Dabei betrachtet er „gute“ soziale Beziehungen im Sinne von Sozialkapital als Ausgangspunkt für andere Ressourcen, z.B. materieller Art: „Ich denke mir einfach, eben aufgrund von der Tatsache, dass ich solche Bewältigungsstrategien für mich entwickelt habe oder an mich angepasst habe, weiß ich relativ schnell, inwieweit ich eine Person einschätzen kann, ob sie für mich hilfreich

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

455

sein kann, ob ich für ihn hilfreich sein kann. Wenn es nicht der Fall ist, ja, ist halt eine flüchtige Bekanntschaft und das war es.“ (I01)

Betrachtet man zunächst die Lehrerkolleg/innen als eine zentrale Personengruppe im sozialen Netzwerk Schule, so wirken diese auf Herrn Schneiders Wohlbefinden großteils schwach positiv ein. Lediglich eine Lehrerin hat einen mittelstark negativen Einfluss darauf. Mit Ausnahme dieser Person pflegt Herr Schneider durchaus freundschaftliche soziale Beziehungen zu Lehrerkolleg/innen an der Schule. Aus diesen generiert er kurzfristige psychosoziale Ressourcen vor allem in Form von fachlicher sozialer Unterstützung. Die Schaffung einer ausreichenden Distanz zu Lehrerkolleg/innen ist Herrn Schneider allerdings wichtig. So wirkt die eine Kollegin, die er im unteren Halbkreis der Netzwerkkarte platziert, gerade deswegen negativ auf sein Wohlbefinden ein, da diese in der Vergangenheit seiner Ansicht nach stets ein „Zuviel“ an privatem sozialen Kontakt zu ihm anstrebte. Diesen wollte und will Herr Schneider nicht: „Was angefangen hat als beruflich und dann war es nur mehr privat, egal was ich gemacht habe, sie war auf einmal in den Geschäften, wo ich einkaufen war, sie hat mich dort abgefangen […]. Und da habe ich dann, ich sage, wie es ist, teilweise Angst auch gehabt.“ (I01)

Aus diesem Grund vermeidet er seit geraumer Zeit jeglichen Kontakt zu dieser Lehrkraft.

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Abbildung 36:

5 Empirische Erhebung

Netzwerkkarte Prototyp I01 „Der/die Einzelkämpfer/in“, DV = Pflichtschulinspektor/in, El = Mutter eines Schülers, FM1, 2 und 3 = Familienmitglieder, Ko1, 2, 3 und 4 = Lehrerkolleg/innen an der Schule, KPaS1 = Schulerhalter in Form des Bürgermeisters, KPaS2 = Kindergartenleiterin, KPaS3 = Kindergärtnerin, KPaS4 = Arbeiter des Schulerhalters, KPaS5 = Schulerhalter in Form des Vizebürgermeisters, Quelle: Eigene Erstellung

Die Erziehungsberechtigten der Schüler/innen im Kollektiv betrachtet definiert Herr Schneider nicht als gesundheitsrelevante Akteursgruppe. Lediglich eine Mutter eines Schülers hatte zum Zeitpunkt des Interviews einen stark negativen Einfluss auf sein Wohlbefinden. Diese Person beschreibt Herr Schneider als uneinsichtig, was die eher schwachen Schulleistungen ihres Kindes betrifft. Auch hier

5.4 Datenauswertung und Ergebnisdarstellung

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wird das „Zuviel“ an sozialem Kontakt als belastend erlebt. Es sind ständige Gespräche notwendig, die mit zusätzlicher Arbeit für Herrn Schneider verbunden sind, gleichzeitig aber zu keiner Lösung führen: „Und jetzt mittlerweile nach wie vor ein starker negativer Einfluss, weil du oder weil ich mittlerweile, wieviel, 15 Gespräche mit der Mutter geführt habe. Einen Akt, einen Ordner habe ich, glaube zwei solche dicken Ordner habe ich mittlerweile schon befüllt mit Gesprächsprotokollen, Gedächtnisuntersuchungen, Diagnosen und und und, um ihr klar zu machen, die Art und Weise, wie sie ihren Bub zuhause behandelt, bei Hausübungen machen, dass das eigentlich der falsche Weg ist.“ (I01)

Herr Schneider hat darüber hinaus Mitgefühl für das Kind dieser Mutter. Schüler/innen als zentrale Akteursgruppe innerhalb der Schule führt Herr Schneider zwar nicht auf der Netzwerkkarte an, allerdings erzählt er im Zuge des Interviews, dass die Reaktion dieser auf bestimmte Aktivitäten, die er setzt, seinem beruflichen Tun Sinn verleiht und sein Wohlbefinden positiv beeinflusst. Personen, mit denen Herr Schneider täglich Kontakt hat, die allerdings nicht zum internen Schulgefüge zählen, sind die Leiterin des benachbarten Kindergartens und eine darin arbeitende Kindergärtnerin. Diese beiden Akteur/innen haben einen ambivalenten bis negativen Einfluss auf Herrn Schneiders Wohlbefinden. Einerseits besteht besonders vonseiten der Kindergartenleiterin in einzelnen Situationen immer wieder soziale Unterstützung, vor allem emotionaler Art. Andererseits empfindet Herr Schneider einen mangelnden sozialen Rückhalt dieser beiden Personen in einzelnen Situationen und eine hin und wieder fehlende Motivation für gemeinsame Aktivitäten als etwas belastend. Außerhalb der Volksschule wirkt darüber hinaus der/die direkte Vorgesetzte in Form des/der Pflichtschulinspektors/in mittelstark positiv auf Herrn Schneiders Wohlbefinden ein. Die soziale Beziehung zu diesem/dieser ist rein beruflicher Natur. Psychosoziale Ressourcen, die Herr Schneider daraus schöpft, liegen in sozialem Rückhalt, Anerkennung und Wertschätzung (= eher dauerhaft) sowie Lob, fachlicher sozialer Unterstützung und gewährtem Handlungsspielraum bei der Erledigung bestimmter Schulleiteraufgaben (= eher situationsbedingt). Vorgaben auf Ebene des Schulsystems als Ganzes akzeptiert Herr Schneider stets. Einzelne Personen des Schulerhalters haben eine unterschiedliche Wirkung auf Herrn Schneiders Wohlbefinden. Gemein ist ihnen allerdings der schwache gesundheitliche Einfluss. Vonseiten des Bürgermeisters erlebt Herr Schneider vor allem soziale Unterstützung materieller Art sowie sozialen Rückhalt. Belastungen, die er mit sozialen Beziehungen zu einzelnen Mitgliedern des Schulerhalters in

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5 Empirische Erhebung

Verbindung bringt, liegen vor allem in Konflikten zwischen diesen, in die Herr Schneider selbst hineingerät. Während Herr Schneider aus seinem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz nur hin und wieder situationsbedingt einzelne psychosoziale Ressourcen generiert, bezeichnet er sein privates soziales Netzwerk als wichtige Energiequelle, aus der er viel Kraft, auch für den Arbeitsalltag, schöpfen kann: „Ob das jetzt beruflich ist, ob das privat ist oder was weiß ich, das ist einfach gut zu wissen, du hast jemanden, der da ist, wenn es andere nicht gerade sind. Und da ist es auch vom Wohlbefinden her deswegen auch starker Einfluss, positiv, einfach so eine, ich sage es mal unter Anführungszeichen, eine Wohlfühloase.“ (I01)

Personen in seinem privaten Umfeld gewähren ihm stets emotionale soziale Unterstützung. Daneben helfen ihm persönliche Bewältigungsstrategien beim Umgang mit Belastungen, die hin und wieder im Arbeitsalltag auftreten. Generell reichten all seine Ressourcen bislang stets aus, um mit Belastungen der täglichen Arbeit umzugehen. Herrn Schneider zufolge liegt es an einem selbst, zu vermeiden, dass Belastungen zu negativen Beanspruchungen führen: „Klar du hast mit gewissen Situationen zu kämpfen, was jetzt von Schülern ist oder ob es mit Eltern ist, gerade da würde ich sagen die Eltern, oder ob es mit den Kollegen und Kolleginnen ist […]. Ob sich das dann auf die Gesundheit niederschlägt oder nicht, das bleibt dann einem selbst überlassen. Mir selber macht es mittlerweile keine Rolle mehr. Also ich fühle mich pudelwohl in der Rolle.“ (I01)

Dementsprechend verwundert es nicht, dass Herr Schneider einen sehr guten subjektiven Gesundheitszustand und gleichzeitig einen geringen Burnout-Index (0,8) aufweist. Die Arbeit als Schulleiter bezeichnet er als mittelmäßig stressig.

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

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5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung Im vorangegangenen Abschnitt wurden die Ergebnisse der empirischen Erhebung im Sinne einer Strukturierung des Untersuchungsbereiches deskriptiv dargestellt. Das Datenmaterial füllte dabei den theoretischen Raster (s. Kapitel 5.2.1) empirisch auf. Zudem wurden im Zuge der empirisch begründeten Typenbildung Sinnzusammenhänge in Hinblick auf das gemeinsame Auftreten bestimmter Merkmale identifiziert und analysiert. Im Folgenden soll dieses zweite zentrale Ziel einer Typologie – nämlich die Anregung zur Theoriebildung – weiterverfolgt werden. Hierzu erfolgt eine detaillierte Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte bisheriger Forschungserkenntnisse, um erstere besser verstehen und erklären zu können. Dabei werden in den nachfolgenden Abschnitten sowohl Konvergenzen als auch Divergenzen zwischen dem eigenen Datenmaterial und dem bisherigen Forschungsstand aufgezeigt und Erklärungen für eventuelle Unterschiede im Sinne von Anreizen zur Theoriebildung diskutiert. 5.5.1 Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleitungen Zunächst erfolgt ein Abgleich der erzielten Forschungsergebnisse mit den auf Basis der bisherigen Studienlage aufgestellten Befunden zur Schulleitergesundheit (s. Kapitel 4.2 bzw. Tabelle 12). Konkret handelt es sich dabei um Aussagen zu Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleitungen. An passenden Stellen wird zudem auf Theorien zu den Zusammenhängen zwischen Arbeit und Gesundheit aus soziologischer Sicht (s. Kapitel 3.2) sowie Rahmenbedingungen und Entwicklungen rund um den Beruf der Schulleitung (s. Kapitel 2) Bezug genommen. 5.5.1.1 Belastungen In Kapitel 3.2.1.2 wurden verschiedene, in der arbeitswissenschaftlichen Literatur identifizierte Formen von Belastungen genannt. Die Auflistung zeigt, dass Belastungen auf Ebene der Aufgabenanforderungen und Tätigkeiten, der Arbeitsumgebung, der Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation sowie des Sozial- und Organisationsklimas auftreten können. Innerhalb der untersuchten Schulleitergruppe konnten vielfältige Belastungen auf diesen vier Ebenen identifiziert werden, die in unterschiedlichem Ausmaß von einzelnen Volksschuldirektor/innen erlebt werden. Nachfolgend wird Bezug auf diese einzelnen Belastungsarten genommen.

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5 Empirische Erhebung

In drei der analysierten Studien, die sich explizit mit Belastungen von Schulleitungen beschäftigten (1, 12, 14) wurde zunächst festgestellt, dass sich ein hoher Anteil der Schulleiter/innen nur wenig bis mittel stark belastet fühlt (Befund 1). Die im Zuge der eigenen Erhebung erzielten Ergebnisse deuten darauf hin, dass Volksschuldirektor/innen vielfältige Belastungen am Arbeitsplatz erleben. Dazu zählen neben psychosozialen Belastungen     

arbeitsplatzbezogene Belastungen in Form von Aufgabenvielfalt und Rollenkonflikten, organisationale Belastungen wie z.B. ein Mangel an Personalressourcen, Belastungen materieller Art z.B. in Form von Mängeln am Schulgebäude, persönliche Belastungen wie fehlende Selbst- und Sozialkompetenzen sowie mangelnde Delegationsfähigkeiten und Belastungen, die aus dem Privatbereich resultieren wie z.B. familiäre Probleme.

Betrachtet man im Speziellen die Antworten der Befragten auf die Frage nach dem Stresslevel einer Schulleitung, der einen guten Indikator für das individuell wahrgenommene Belastungsausmaß darstellt, so ist etwas mehr als die Hälfte der Ansicht, dass es sich beim Schulleiterjob um einen mittelmäßig stressigen Beruf handelt. Knapp die Hälfte spricht von einem sehr stressigen Job. Ein Vergleich des aufgestellten Befundes mit dem eigenen Datenmaterial zeigt, dass innerhalb der Befragtengruppe vielmehr die Tatsache zu beobachten ist, dass sich die meisten Volksschuldirektor/innen mittel stark bis stark und nicht wenig bis mittel stark belastet fühlen. Eng mit dem Erleben des Ausmaßes an Belastung und dem Stresslevel verbunden sind die individuell wahrgenommene Arbeitsmenge und die zeitlichen Ressourcen, diese adäquat zu bewältigen. Diese Belastungen treten auf der Ebene der Arbeitsabläufe und der Arbeitsorganisation (s. Tabelle 6) auf. Bisherige Untersuchungen zur Schulleitergesundheit (5, 6, 8, 11, 15, 16, 17, 20, 21, 28) kamen zum Ergebnis, dass die zeitliche Belastung und Arbeitsmenge von Schulleitungen in der Regel hoch sind und das für die Leitung vorgesehene Pensum übersteigen. Oft wirkt gemäß den Studienergebnissen gerade die Summe an Aufgaben belastend. Auch Unterbrechungen treten laut diesen Studien als eine weitere potenzielle zeitliche Belastung immer wieder auf (Befund 2). Ähnlich wie eine der analysierten Studien (10) liefert die eigene Erhebung kontroverse Ergebnisse in Hinblick auf das zeitliche und mengenmäßige Belastungsausmaß von Schuldirektor/innen. So sprechen einige der befragten Volksschulleitungen von einer hohen und „kritischen“ Arbeitsmenge, während andere

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

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der Ansicht sind, dass der Schulleiterberuf durchaus bewältigbar ist, wenn man über ein gutes Zeitmanagement verfügt. Wenig Zeit für vielfältige Schulleiteraufgaben haben eigenen Angaben zufolge vor allem jene Schuldirektor/innen, die auch unterrichtend tätig sind. Ein weiterer Aspekt, der in Hinblick auf die Arbeitsmenge relevant ist, ist jener, dass diese innerhalb eines Schuljahres laut Auskunft der befragten Direktor/innen starken Schwankungen unterliegt. Vor allem am Anfang und am Ende eines Schuljahres fällt viel Leitungsarbeit an. Unterbrechungen, die die befragten Volksschuldirektor/innen bei der Erledigung ihrer Arbeit erleben, treten besonders in Form von Telefonanrufen oder persönlichen, ungeplanten Besuchen von Erziehungsberechtigten der Schüler/innen sowie Lehrerkolleg/innen auf. Viele Schuldirektor/innen erwähnen im Kontext der Arbeitsmenge zudem, dass sie ihre Schulleiteraufgaben zwar gerne erledigen, aber die Vielfalt – vor allem ständig neu hinzukommende Anforderungen vonseiten der Schulaufsicht – enorm ist und in Summe belastend wirkt. Die empirischen Ergebnisse liefern somit Hinweise auf die Gültigkeit dieses zweiten Befundes auch innerhalb der untersuchten Schulleiterkohorte, wobei darauf hinzuweisen ist, dass nicht alle befragten Volksschuldirektor/innen die Arbeitsmenge, Unterbrechungen und die Aufgabenvielfalt als belastend wahrnehmen. Als weiterer Belastungsfaktor konnte innerhalb der Befragtengruppe in diesem Zusammenhang die Arbeitszeitgestaltung identifiziert werden. Konkret kritisieren vor allem unterrichtende Schulleiter/innen z.B. aufgrund von Pausenaufsichten die fehlende Möglichkeit, ausreichend Erholungspausen einzulegen. Ein weiterer Befund (Befund 3), der im Zuge der Studienanalyse im Kontext der Arbeitsmenge ermittelt wurde, ist jener, dass ein hoher Anteil der Arbeitszeit von administrativen Tätigkeiten beansprucht wird, was die Spielräume der Schulleitungen bei der Wahrnehmung ihrer Führungsaufgaben (z.B. Schulentwicklung, Qualitätsmanagement) einschränkt (6, 7, 14, 15, 17, 28). Von den befragten Volksschuldirektor/innen sprechen diesen Aspekt insbesondere jene an, die unterrichtend tätig sind. So bleibt für diese neben dem Lehren und der Erledigung administrativer Agenden nur wenig Zeit für Schul- und Qualitätsentwicklungsarbeit. Im Gegensatz dazu finden andere Schulleitungen – vor allem jene an größeren Schulen, die von einer Lehrverpflichtung befreit sind – sehr wohl Zeit für schul- und qualitätsentwicklungsbezogene Führungsaufgaben. Dementsprechend gilt dieser Befund innerhalb der befragten Schulleiterkohorte verstärkt für lehrende Volksschuldirektor/innen, nicht aber unbedingt für jene, die vom Unterrichten befreit sind. Eng verbunden mit dem Befund 3 ist jener, dass bei Schulleitungen mit hoher Lehrverpflichtung Belastungen besonders stark ausgeprägt sind (Befund 11).

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5 Empirische Erhebung

Belege hierfür lieferten zwei der analysierten Studien (12, 15). Eine Untersuchung deutet zumindest ansatzweise auf das Bestehen des Belastungsfaktors „Lehrverpflichtung“ hin (7), drei (1, 14, 21) widerlegen diesen Befund. Die eigene empirische Erhebung zeigt eine „Zweischneidigkeit“ der Unterrichtsverpflichtung. So wird die Doppelrolle „Lehrkraft-Schulleitung“ von den meisten unterrichtenden Schuldirektor/innen zwar immer wieder als belastend erlebt, allerdings möchte man das Unterrichten nicht missen, da der enge Kontakt mit Schüler/innen eine zentrale Kraftquelle im Alltag ist. Bei der Erledigung ihrer Aufgaben stoßen Schulleiter/innen laut den bisherigen Studienergebnissen häufig auf Rollenkonflikte und Rollenambiguität. Diese können laut dem Soziologischen Stressmodell von Pearlin (s. Kapitel 3.2.2.2) chronische Stressoren sein. In vier (6, 14, 28, 29) der analysierten Untersuchungen wurde festgestellt, dass Schulleitungen durch unklare Verantwortlichkeiten belastet sind und insbesondere die Arbeitsteilung mit lokalen Schulbehörden vielerorts einer Klärung bedarf bzw. eine höhere Unterstützung erwünscht ist (Befund 4). Daneben wurde in sieben Studien (6, 10, 12, 13, 20, 22, 29) ermittelt, dass Schulleiter/innen durch zunehmende, zum Teil widersprüchliche Anforderungen und Erwartungen in Form von Rollenkonflikten belastet sind und als Vermittler/innen zwischen verschiedenen Akteur/innen fungieren (Befund 5). Diese potenziellen Belastungsfaktoren sind aus arbeitswissenschaftlicher Sicht auf der Ebene der Arbeitsabläufe und der Arbeitsorganisation anzusiedeln. Probleme in Hinblick auf Zuständigkeiten in Abstimmung mit der Schulaufsicht werden von den befragten Volksschuldirektor/innen nicht thematisiert. Einige weisen lediglich darauf hin, dass es häufig notwendig ist, Anforderungen, die von übergeordneter Ebene an die Schule gestellt werden, genauer zu studieren, um sie zu verstehen. Vonseiten des/der direkten Vorgesetzten in Form des/der Pflichtschulinspektors/in erlebt der Großteil der Direktor/innen ausreichend soziale Unterstützung. Nur wenige der Befragten wünschen sich mehr soziale Unterstützung – insbesondere vonseiten der Schulaufsicht als gesamte Organisation. Im Gegensatz dazu wird über widersprüchliche Anforderungen und Erwartungen unterschiedlicher Akteursgruppen an die Schulleitung von einigen recht umfassend erzählt. Die Befragten finden sich immer wieder in schwierigen Sandwichpositionen, etwa zwischen Schulaufsicht und Lehrerkollegium. So erwartet der/die Pflichtschulinspektor/in z.B. die Umsetzung bestimmter Reformen an der Schule, während zumindest ein Teil des Lehrerkollegiums eine Wahrung des Bestehenden fordert und für Schulentwicklungsprozesse nur wenig zu begeistern ist. Daneben nehmen Volksschuldirektor/innen bei Konflikten, z.B. zwischen einer Lehrkraft und Erziehungsberechtigten der Schüler/innen, häufig eine Mittlerrolle

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

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ein. Unterrichtende Schulleitungen kämpfen des Weiteren damit, den beiden Rollen Lehrkraft und Schulleitung gleichsam gerecht zu werden. Eine Gegenüberstellung der empirischen Ergebnisse mit den beiden Befunden zur Schulleitergesundheit, die sich auf Belastungen im Kontext von Rollenambiguität und -konflikten beziehen, zeigt also, dass die eigene Erhebung eher wenig Belege für den ersten, viele jedoch für den zweiten Befund liefert. Ein weiterer Befund, der auf Basis der Ergebnisse bisheriger Untersuchungen (4, 8, 11, 15, 17, 22, 29) im Bereich der Schulleitergesundheit aufgestellt wurde und auf Ebene des Sozial- und Organisationsklimas anzusiedeln ist, ist jener, dass Konflikte mit bzw. Beeinträchtigungen der Beziehungsqualität zu Lehrpersonen großteils zwar selten erlebt werden, wenn diese allerdings auftreten, dann wirken sie stark belastend. Oftmals ist auch das Motivieren von Lehrkräften anstrengend (Befund 6). Hierfür finden sich im eigenen Datenmaterial aufgrund der besonderen Betrachtung der Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes und einzelner sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz Schule zahlreiche Belege. Generell sind alle Befragten der Ansicht, dass das Lehrerkollegium an der Schule oder zumindest einzelne Lehrkräfte einen Einfluss auf ihr Wohlbefinden hat bzw. haben. Die Tatsache, dass der Großteil über eine positive Wirkung dieser Akteursgruppe berichtet, zeigt bereits, dass Konflikte nur selten bzw. lediglich in Zusammenarbeit mit einzelnen Lehrer/innen auftreten. Ergänzend dazu weisen die Erzählungen der Schuldirektor/innen darauf hin, dass Konflikte großteils nur hin und wieder situationsbedingt auftreten, wenn, dann wirken sie allerdings in hohem Ausmaß belastend. Nur wenige der befragten Schulleiter/innen berichten über Konflikte, die sehr häufig mit Lehrenden an der Schule vorkommen. Zudem zeigt sich, dass vor allem solche Volksschuldirektor/innen, die sich umfassend dem Thema der Schulentwicklung widmen (möchten), darüber berichten, dass es häufig viel Kraft kostet, einzelne Lehrkräfte an der Schule hierfür zu motivieren. Auch in Zusammenarbeit mit Erziehungsberechtigten der Schüler/innen können Konflikte auftreten und als Belastungen auf Ebene des Sozial- und Organisationsklimas wirken. Zehn der analysierten Studien zur Schulleitergesundheit (5, 6, 7, 11, 13, 15, 17, 19, 22, 29) kamen zum Ergebnis, dass die Zusammenarbeit und Kommunikation mit Eltern häufig belastend erlebt werden (Befund 7). Die empirischen Ergebnisse zeigen zunächst, dass alle befragten Volksschuldirektor/innen Erziehungsberechtigte als gesundheitsrelevante Akteursgruppe definieren. Viele berichten über eine ambivalente Wirkweise dieser und darüber, dass diese das größte Konfliktpotenzial in sich birgt. Dabei stellen Erziehungsberechtigte allerdings eine sehr heterogene Gruppe dar. Die meisten Befragten

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5 Empirische Erhebung

verbinden zumindest mit einigen Elternteilen Belastungen. Vor allem Konflikte, Beschwerden, ständige Kritik und Uneinsicht dieser wirken situationsbedingt belastend. Dauerhafte Belastungen, die einige Schulleiter/innen in Verbindung mit sozialen Beziehungen zu Vertreter/innen dieser Personengruppe bringen, sind vor allem mangelnde Anerkennung der Schulleitung und fehlendes Vertrauen in die Schule. Die Häufigkeit der wahrgenommenen belastenden Interaktionen mit diesen variiert von Schulleitung zu Schulleitung eigenen Angaben zufolge stark. Zusammenfassend finden sich im eigenen Datenmaterial somit vielfältige Hinweise darauf, dass auch innerhalb der untersuchten Schulleitergruppe die Zusammenarbeit und Kommunikation mit Erziehungsberechtigten häufig belastend sind. Drei Untersuchungen (11, 22, 29) lieferten einen Beleg dafür, dass Konflikte mit Schüler/innen bzw. das Abgrenzen von Schülerproblemen von Schulleitungen als belastend erlebt werden (Befund 8). Generell führen mit Ausnahme von zwei Volksschuldirektor/innen alle der Befragten die Gruppe der Schüler/innen als gesundheitsrelevante Akteursgruppe auf der Netzwerkkarte an. Allerdings nehmen nur vier davon eine negative Wirkung einzelner Schüler/innen auf das eigene Wohlbefinden wahr. Während das Ausmaß an Konflikten zwischen Schüler/innen selbst von den meisten Befragten als „normal“ bezeichnet wird und nur teilweise belastend ist, berichten viele der untersuchten Volksschuldirektor/innen über Schwierigkeiten beim Abgrenzen von Schülerproblemen. Dabei macht man sich auch außerhalb der Arbeitszeit Gedanken wegen ebendiesen, was großteils als belastend erlebt wird. Das eigene Datenmaterial liefert also innerhalb der untersuchten Schulleiterkohorte zwar nur vereinzelt Belege für Belastungen aufgrund von Konflikten mit Schüler/innen, allerdings zahlreiche zur belastenden Wahrnehmung der mangelnden Abgrenzbarkeit von Schülerproblemen. Dieser Umstand ist womöglich auf das geringe Alter der Kinder in Volksschulen zurückzuführen. Besonders Schulleiter/innen der Typen „Der/die Beschützer/in“ und „Der/die Überforderte“ gelingt es häufig nicht, sich von (familiären) Problemen einzelner Schüler/innen abzugrenzen. Auf Ebene des Sozial- und Organisationsklimas können neben Personen, die innerhalb der Schule agieren, auch solche im erweiterten Arbeitsumfeld belastend auf die Schulleitung einwirken. So wurde in zwei Studien (6, 29) festgestellt, dass die Zusammenarbeit mit dem schulischen Umfeld von Schulleitungen belastend erlebt wird (Befund 9). Das eigene Datenmaterial liefert hierzu kontroverse Ergebnisse. So können einzelne Akteur/innen im schulischen Arbeitsumfeld das eigene Wohlbefinden

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

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sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. Soziale Beziehungen zu Vertreter/innen der Schulaufsicht und des Schulerhalters bergen dabei noch das größte Belastungspotenzial in sich. So geben acht der befragten Volksschuldirektor/innen an, dass die Schulaufsicht einen negativen oder zumindest ambivalenten Einfluss auf das eigene Wohlbefinden hat und damit belastend wirkt. Ebenfalls acht berichten über negative oder ambivalente Wirkweisen der Beziehung zum Schulerhalter. Konkret werden mit beiden Akteursgruppen zumeist nur situationsbedingte Belastungen wie zunehmende Forderungen und hoher Erwartungsdruck in Verbindung gebracht. Kontakt zur Schulaufsicht und zum Schulerhalter besteht zumeist sehr unregelmäßig bzw. nur sporadisch, wobei darauf hinzuweisen ist, dass sich die einzelnen Schulleitungen diesbezüglich zum Teil stark voneinander unterscheiden. Weitere Akteur/innen außerhalb der Schule, die nur sehr vereinzelt negativ auf das Wohlbefinden der befragten Volksschulleitungen einwirken, sind Volksschulleiterkolleg/innen, pädagogisches Personal an anderen Bildungseinrichtungen und außerschulische Kooperationspartner/innen. Betrachtet man die gebildeten Typen im Rahmen der eigenen empirischen Erhebung, so zeigt sich, dass besonders Beschützer/innen und Überforderte häufig Belastungen im Kontext der sozialen Beziehungen zu Personen im erweiterten schulischen Umfeld erleben. Aus der Zusammenarbeit mit der Schulaufsicht ergeben sich häufig Belastungen aufgrund von Reformen und Entwicklungen. In acht Untersuchungen zur Schulleitergesundheit (4, 5, 6, 7, 12, 14, 15, 21) wurde ermittelt, dass Schuldirektor/innen immer wieder aufeinanderfolgende Reformen, die zum Teil nicht ausgereift sind, wahrnehmen und einen hohen Veränderungsdruck verspüren (Befund 10). Diese beiden Faktoren können auf der Ebene der Aufgabenanforderungen und Tätigkeiten in geistigen und emotionalen Belastungen sowie Qualifikationsproblemen von Schulleiter/innen resultieren. Auch hierfür finden sich zahlreiche Belege im eigenen Datenmaterial. So gibt die Hälfte der befragten Volksschuldirektor/innen an, dass die zunehmende Vielfalt an Projekten und Vorgaben sowie der damit verbundene Erwartungsdruck vonseiten der Schulaufsicht in Form eines Anstiegs an Arbeitsaufgaben belastend wirken. Darüber hinaus verfügen Schuldirektor/innen eigenen Angaben zufolge häufig nicht über ausreichend Ressourcen. Dieser Ressourcenmangel wird besonders oft von Direktor/innen an kleinen bis mittelgroßen Volksschulen wahrgenommen. Ein Teil der Befragten („Der/die gut Vernetzte“, „Der/die Einzelkämpfer/in“) erlebt Reformen und Veränderungsdruck nur wenig bis gar nicht belastend.

466

5 Empirische Erhebung

Die Schulaufsicht ist vor allem für die personelle, der Schulerhalter als weiterer Akteur im schulischen Arbeitsumfeld für die materielle, räumliche und finanzielle Ausstattung der Schule zuständig. Diesbezüglich weisen drei Studien (5, 7, 15) darauf hin, dass die räumliche, materielle, finanzielle und personelle Ausstattung der Schule häufig als unzureichend und belastend erlebt wird (Befund 12). Derartige Belastungsformen sind aus arbeitswissenschaftlicher Sicht auf der Ebene der Arbeitsumgebung anzusiedeln. Die eigenen empirischen Ergebnisse zeigen, dass die Mehrheit der Befragten mit dem Schulgebäude und der materiellen Ausstattung im Allgemeinen zufrieden ist und diese Faktoren eher als Ressourcen denn als Belastungen erlebt. Die wenigen Volksschuldirektor/innen, die damit unzufrieden sind, empfinden diese Tatsache allerdings als belastend, da eine mangelhafte Ausstattung die Erledigung bestimmter Aufgaben – z.B. die Veranstaltung von Schulfesten oder die Forcierung von innovativem Unterricht – erschwert. In weit höherem Ausmaß wird – wie die bisherigen Ausführungen bereits zeigten – ein personeller Mangel an der Schule erlebt, wobei Personalressourcen aus Sicht der Befragten häufig nicht ausreichen, um aktuellen Anforderungen, die von außen an die Schule herangetragen werden, zu bewältigen. Ein weiterer organisationaler Aspekt der Schule ist die Schulgröße, abgebildet durch die Schüler- und Lehrerzahlen. Diesbezüglich weisen drei Studien (15, 21, 26) darauf hin, dass die Größe der Schule negativ mit dem Belastungsausmaß von Schulleitungen korreliert (Befund 13). Die eigens erhobenen empirischen Daten weisen darauf hin, dass die Schulgröße tatsächlich einen Einfluss auf das Erleben von Belastungen hat. Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine bestimmte Schulgröße mit mehr oder weniger Belastungen verbunden ist als eine andere. So konnte im Zuge der eigenen Erhebung eine geringe Schulgröße nicht als generelle Belastungsquelle identifiziert werden. Stattdessen werden an Schulen verschiedener Größe zum Teil unterschiedliche Arten von Belastungen wahrgenommen. So stellt etwa an besonders kleinen Schulen die Doppelrolle „Lehrkraft-Schulleitung“ eine Belastung dar, während an größeren Schulen die höhere Diversität innerhalb der Schülerschaft belastend wirken kann. Gleichzeitig kann es an kleinen Schulen an ausreichend Personalressourcen mangeln, um bestimmte Aufgaben an Lehrkräfte zu delegieren, während Leiter/innen an größeren Schulen mit einer höheren Anzahl an Veranstaltungen, die an der Schule stattfinden und von der Schulleitung zum Teil organisiert und außerhalb der üblichen Arbeitszeiten besucht werden müssen, konfrontiert sind. Ein weiterer Befund, der sich auf das Erleben von Belastungen durch Schulleitungen bezieht, ist jener, dass diese häufig ein Ungleichgewicht zwischen Arbeits-

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

467

und Privatleben als belastend empfinden (Befund 14). Belege hierfür lieferten zwei der analysierten Studien (21, 28). Auch ein großer Anteil der im Rahmen der eigenen Erhebung befragten Volksschuldirektor/innen gibt zu, wochentags nur wenig Zeit für Privates zu haben und im Privatbereich oft nur schwer von der Arbeit abschalten zu können. Sie verharren gedanklich immer wieder an bestimmten Situationen, die sich in der Schule ereigneten. Die Abgrenzbarkeit von der Arbeit wird auch dadurch erschwert, dass bestimmte Aufgaben – vor allem zu Hochzeiten innerhalb eines Schuljahres – zuhause erledigt werden. Mit Ausnahme einiger weniger Volksschuldirektor/innen, die großteils den gut Vernetzten zugeordnet werden können, empfindet die Mehrheit der befragten Schulleiter/innen, die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Arbeits- und Privatleben aufweisen, diese Tatsache als belastend, womit der Befund 14 bestätigt werden kann. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich in der untersuchten Schulleitergruppe einige, allerdings nicht alle der am Ende des Kapitels 4.2 aufgestellten Befunde zu Belastungen von Schulleiter/innen wiederfinden. Ergänzend konnten weitere Belastungen identifiziert werden, die auch in einzelnen Studien (s. Kapitel 4.2.1) thematisiert wurden. Dazu zählen etwa ein mangelndes gesellschaftliches Ansehen des Schulleiter- und Lehrerberufs sowie außergewöhnliche Ereignisse wie „Krankenstandswellen“ oder Bauvorhaben. Auch über die Auswirkungen der in Kapitel 2.2 erläuterten kulturellen, ökonomischen und ökologischen gesellschaftlichen Entwicklungen auf die Schule berichten einige der befragten Volksschuldirektor/innen. Insbesondere Leiter/innen größerer Schulen erzählen von der Herausforderung einer großen Vielfalt an Persönlichkeiten innerhalb der Schülerschaft, die vor allem aus einer steigenden Multikulturalität heraus erwächst. Den damit verbundenen unterschiedlichen Anforderungen wird man aufgrund eines Mangels an Zeit- und Personalressourcen nicht immer gerecht. Technologische Entwicklungen werden für die Befragten dahingehend spürbar, dass vonseiten übergeordneter Ebenen vermehrt computergestützter Unterricht gefordert wird. Ein derartiger Unterricht ist vor allem an kleinen Schulen – aufgrund mangelnder Infrastruktur – in der geforderten Form nicht immer umsetzbar. Von Relevanz für das individuelle Belastungserleben am Arbeitsplatz Schule sind auch Entwicklungen im Setting Familie. Diesbezüglich wird einerseits darauf hingewiesen, dass der Schule aufgrund veränderter Familienstrukturen eine steigende Erziehungsfunktion zukommt. Andererseits berichten einige Schuldirektor/innen aber gleichzeitig über einzelne Elternteile der Schüler/innen, die ein hohes Mitspracherecht an schulischen Aktivitäten einfordern.

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5 Empirische Erhebung

Im Folgenden werden die auf Basis bisheriger Studien aufgestellten Befunde zu Ressourcen von Schulleitungen mit den eigenen empirischen Ergebnissen in Beziehung gesetzt. 5.5.1.2 Ressourcen In Kapitel 3.2.1.2 wurde darauf hingewiesen, dass in der arbeitswissenschaftlichen Forschungsliteratur im Allgemeinen zwischen inneren, personalen Ressourcen wie der Selbstwirksamkeit und individuellen Qualifikationen sowie äußeren Ressourcen, z.B. soziale oder organisationale Ressourcen, unterschieden wird. Innerhalb der Schulleitergesundheitsforschung im Speziellen liegen im Vergleich zu Belastungen deutlich weniger wissenschaftliche Erkenntnisse zu Ressourcen von Schulleiter/innen vor. Einige davon beziehen sich auf Ressourcen auf der persönlichen Ebene des/der Schuldirektors/in (= innere, personale Ressourcen). So kamen neun Studien (2, 6, 12, 14, 15, 20, 24, 26, 29) zum Ergebnis, dass wichtige personale Ressourcen von Schulleiter/innen die Selbstwirksamkeit, Erfahrung, eine positive Einstellung zur Arbeit, Einsatzbereitschaft, persönliche Erfolge sowie Distanzierungsfähigkeit sind (Befund 15). Drei davon (2, 14, 15) belegen zudem, dass eine hohe Stressresistenz und offensive Problemlösungsstrategien von Schulleiter/innen weitere zentrale Ressourcen auf persönlicher Ebene darstellen (Befund 16). Nachstehend erfolgen Ausführungen zu individuellen Relevanzsetzungen der befragten Volksschuldirektor/innen und deren Angaben im Kurzfragebogen in Hinblick auf die genannten Arten personaler Ressourcen. Die individuelle Selbstwirksamkeit wird von der Mehrheit der befragten Volksschuldirektor/innen zunächst als hoch bis sehr hoch bewertet und stellt, folgt man ihren Erzählungen, eine zentrale Ressource dar. Was die berufliche Vorerfahrung der Volksschulleitung betrifft, so konnte diese als Einflussfaktor auf das Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben identifiziert werden. Dabei zeigen sich verschiedene Wirkweisen. Einerseits geben einige an, mit zunehmendem Dienstalter bestimmte Aufgaben gelassener zu sehen und in den vergangenen Jahren eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber bestimmten Belastungsquellen entwickelt zu haben. Andererseits kann mit zunehmendem Dienstalter allerdings auch die Toleranzgrenze, insbesondere für schwierige soziale Situationen, sinken. Bei einigen zeigt sich zudem eine Tendenz dahingehend, dass mit der Zeit das berufliche Engagement abnimmt. Dementsprechend wirkt die Vorerfahrung des/der Volksschuldirektors/in nicht immer als Ressource.

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

469

Eine positive Grundeinstellung gegenüber der Arbeit als Schulleitung sowie ein hohes Engagement bzw. eine hohe Einsatzbereitschaft sind Ressourcen, die von einigen der befragten Schuldirektor/innen in hohem, von anderen lediglich in geringem Ausmaß besessen werden. Erstgenannte schöpfen besonders viel Kraft aus eigens erzielten beruflichen Erfolgen an der Schule. Bei der Beschreibung der Belastungen (s. Kapitel 5.5.1.1) wurde bereits auf die belastende Wirkung einer mangelnden Distanzierungsfähigkeit vom Beruf im Privatleben hingewiesen. Jene Schuldirektor/innen, denen das Abschalten von der Arbeit außerhalb der Arbeitszeiten allerdings gelingt, betrachten dies durchaus als Ressource, da dadurch Regeneration möglich ist. Die meisten der befragten Volksschuldirektor/innen weisen ein relativ großes Repertoire an Problembewältigungs- und -lösungsstrategien auf. Dieses dient als Ressource beim aktiven Umgang mit verschiedenen Belastungen. In der konkreten Ausgestaltung der Problembewältigungs- und -lösungsstrategien unterscheiden sich die befragten Volksschuldirektor/innen allerdings zum Teil stark voneinander. Dies betrifft etwa das (Nicht-)Delegieren bestimmter Aufgaben an einzelne Lehrkräfte, aber auch die Herangehensweise an schwierige Situationen, insbesondere Konflikte in der Schule. Die empirischen Ergebnisse deuten also zusammenfassend auf eine hohe Bedeutung personaler Ressourcen von Volksschulleitungen beim Umgang mit diversen Belastungen hin, wobei diese den einzelnen Volksschuldirektor/innen in unterschiedlichem Ausmaß zur Verfügung stehen. Eine weitere Ressource bei der Bewältigung von Arbeitsaufgaben und Belastungen kann der individuelle Handlungs- und Entscheidungsspielraum sein. Auf diese Ressourcenart nimmt vor allem das in Kapitel 3.2.2.2 erwähnte AnforderungsKontroll-Modell von Karasek & Theorell Bezug. Diesbezüglich gibt es in der bisherigen Schulleitergesundheitsforschung nur wenige Erkenntnisse. Eine Studie (15) deutet eher darauf hin, dass Spielräume in Hinblick auf die Erledigung von Aufgaben als potenzielle Ressourcen von vielen Schulleitungen als unzureichend empfunden werden (Befund 17). Betrachtet man die individuellen Relevanzsetzungen der befragten Volksschuldirektor/innen, so ist festzuhalten, dass das Thema „Handlungs- und Entscheidungsspielraum“ nur vereinzelt angesprochen wird. Einige der wenigen Aussagen deuten auf ein tatsächlich gering wahrgenommenes Ausmaß an eigenen Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten hin. Dies betrifft etwa das mangelnde Mitspracherecht bei der personellen Besetzung von Lehrerposten an der Schule sowie die Umsetzung bzw. Umsetzbarkeit von Reformen. Einige wenige Volksschuldirektor/innen betonen im Gegenzug dazu, dass sie vonseiten der Schulaufsicht – insbesondere dem/der direkten Vorgesetzten – ein

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5 Empirische Erhebung

hohes Maß an Vertrauen erleben und ihre Arbeit deshalb innerhalb eines bestimmten Rahmens frei erledigen dürfen, was im Sinne der „learn“-Hypothese des Anforderungs-Kontroll-Modells leistungsfördernd wirkt. Dies betrifft vor allem individuelle Gestaltungsmöglichkeiten bei der konkreten Ausführung einzelner Aktivitäten sowie Möglichkeiten der freien Zeiteinteilung. Die empirischen Ergebnisse zeigen also, dass die Ressource „Handlungs- und Entscheidungsspielraum“ von den befragten Schulleitungen in unterschiedlich hohem Ausmaß und in unterschiedlicher Form wahrgenommen wird. Im Kontext der Gestaltung von Arbeitsaufgaben kommt auch jenem Befund eine Bedeutung zu, dem zufolge das Unterrichten sowie der Umgang mit Schüler/innen wichtige Ressourcen von Schulleiter/innen sind (Befund 22). Zwei der Studien (14, 15) bestätigen diese Tatsache. Im vorangegangenen Abschnitt (s. Kapitel 5.5.1.1) wurde erörtert, dass die Unterrichtsverpflichtung von Schulleitungen sowohl als Belastung als auch als Ressource wirken kann. Im eigenen Datenmaterial finden sich zahlreiche Hinweise auf eine ressourcenstärkende Wirkung des Lehrens und des engen Kontaktes mit Schüler/innen. So ist der überwiegende Anteil der befragten Volksschulleitungen der Ansicht, dass Schüler/innen stark positiv auf das eigene Wohlbefinden wirken. Diese stellen den größten Motivator im beruflichen Alltag dar und machen die Sinnhaftigkeit des eigenen Schulleiterhandelns besonders stark spürbar. Sowohl unterrichtende als auch nichtunterrichtende Volksschuldirektor/innen berichten über einen täglichen Kontakt mit Schüler/innen. Die soziale Beziehung zu dieser Personengruppe wird – vor allem von Schulleitungen mit Lehrverpflichtung – als sehr eng beschrieben. Eine weitere äußere Ressource von Schulleitungen ist gemäß den Erkenntnissen einiger Studien zur Schulleitergesundheit (5, 6, 8, 14, 15) das soziale Miteinander im Kollegium (Befund 18). Diesbezüglich zeigen die eigenen empirischen Ergebnisse, dass das Sozialklima und die soziale Verbundenheit innerhalb des Kollegiums vom Großteil der befragten Schuldirektor/innen als sehr gut bis gut erlebt werden. Darin sehen diese eine wichtige Ressource im täglichen Arbeitsleben. Dementsprechend gibt die Mehrheit der Befragten an, dass zumindest ein Teil der Lehrkräfte an der Schule einen stark positiven gesundheitlichen Einfluss auf sie hat. Dabei werden die sozialen Beziehungen zu Lehrerkolleg/innen großteils als reziprok erlebt, wobei man sich gegenseitig in verschiedenen Situationen unterstützt, einander Ratschläge und Feedback gibt und sich gegenseitig wertschätzt. In Hinblick auf die Intensität der sozialen Beziehungen zu Lehrkräften an der Schule unterscheiden sich die befragten Direktor/innen zum Teil stark voneinander. Ebenfalls zeigen sich Differenzen

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

471

darin, inwieweit sie bestimmte Aufgaben, die von übergeordneter Ebene an die Schule herangetragen werden, an diese delegieren. Neben Schüler/innen und Lehrer/innen können auch Erziehungsberechtigte der erstgenannten Gruppe für Schuldirektor/innen ressourcenstärkend sein. So weisen zwei Studien (5, 6) darauf hin, dass ehrenamtlich tätige Erziehungsberechtigte, das Engagement und die Anerkennung dieser wesentliche Ressourcen von Schulleiter/innen sind (Befund 19). Die soziale Beziehung zu Erziehungsberechtigten kann sowohl belastende als auch ressourcenstärkende Wirkung entfalten. Besonders Elternvertreter/innen unterstützen die Schule und damit auch die Schulleitung materiell sowie instrumentell in Form der Übernahme bestimmter schulischer Agenden wie der Organisation von Veranstaltungen. Der Großteil der befragten Schuldirektor/innen erlebt darüber hinaus zumindest vonseiten eines Teils der Elternschaft Anerkennung und Wertschätzung gegenüber der Schulleitung sowie sozialen Rückhalt. Eine weitere externe Ressource, auf die Ergebnisse einer Studie (6) hindeuten, sind Schulleitungssekretariate, die zum Teil jedoch in zu geringem Ausmaß vorhanden sind (Befund 21). Diesbezüglich zeigt eine Betrachtung des eigenen Datenmaterials, dass lediglich eine der befragten Volksschuldirektor/innen die Schulsekretärin als gesundheitsrelevante Akteurin im schulischen Umfeld definiert. Dies dürfte an der Tatsache liegen, dass im ausgewählten Bundesland, in dem die Untersuchung durchgeführt wurde, nur an den wenigsten Volksschulen ein Schulleitungssekretariat vorhanden ist, was auf die geringen Schülerzahlen dieser rückführbar ist. Einige der Befragten berichten allerdings darüber, dass sie sich Entlastung punkto Schulverwaltungstätigkeiten in Form von Schulsekretariaten wünschen würden. Neben Personen(gruppen) innerhalb der Schule können auch solche außerhalb dieser eine wichtige externe Ressource bei der Erledigung von Schulleiteragenden sein. Zwei der analysierten Studien (5, 11) deuten darauf hin, dass Schulbehörden und andere schulische Dienste (z.B. schulpsychologischer Dienst) Unterstützung und Entlastung bieten (Befund 20). Ressourcen dieser Art werden von den befragten Volksschuldirektor/innen in unterschiedlich hohem Ausmaß wahrgenommen. Während einige, insbesondere Vertreter/innen der gut Vernetzten, über eine umfassende soziale Unterstützung vonseiten des/der Pflichtschulinspektors/in bzw. der gesamten Schulaufsicht – vor allem bei schwierigen beruflichen Angelegenheiten – hinweisen, empfinden andere das Unterstützungsangebot vonseiten dieser Stellen als unzureichend. Sowohl vonseiten der Schulbehörden als auch sonstiger schulischer Dienste wie der

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5 Empirische Erhebung

Schulpsychologie oder kooperierenden Organisationen wie dem Jugendamt wünscht sich die zweitgenannte Gruppe mehr Einsatz und ein höheres Ausmaß an zur Verfügung gestellten Ressourcen. Zusammenfassend lässt sich aus den Ausführungen zu Ressourcen von Schulleitungen schlussfolgern, dass die in den bisherigen Studien identifizierten Schutzfaktoren auch innerhalb der untersuchten Schulleitergruppe – wenn auch von Schulleitung zu Schulleitung in unterschiedlich hohem Ausmaß – existieren. Daneben konnten weitere Ressourcen privater (z.B. soziale Unterstützung aus dem und Austausch sowie Verständnis im Privatbereich) sowie materieller Art (schulische Ausstattung und Schulbudget) ermittelt werden. Neben sozialen Beziehungen zu den thematisierten Akteursgruppen in der Schule sowie im erweiterten Arbeitsumfeld schöpfen die befragten Volksschuldirektor/innen Ressourcen unterschiedlicher Art auch aus der Zusammenarbeit mit dem nichtunterrichtenden Personal an der Schule, Volksschulleiterkolleg/innen, in kooperierenden Bildungseinrichtungen außerhalb des Volksschulbereiches agierenden Personen sowie diversen außerschulischen Kooperationspartner/innen. 5.5.1.3 Beanspruchungen In Kapitel 3.2.1.2 wurden verschiedene Beanspruchungsformen, die am Arbeitsplatz erlebt werden, dargestellt (s. Tabelle 7). Demnach existieren Beanspruchungen auf physiologischer, psychischer und verhaltensmäßiger Ebene und können kurz-, mittel- oder langfristig auftreten. Die bisherigen Studien zur Schulleitergesundheit weisen auf eine große Bandbreite an Beanspruchungen von Schulleiter/innen hin. Diese zeigt sich auch in der eigenen empirischen Erhebung. Unter Bezugnahme auf das BelastungsRessourcen-Beanspruchungskonzept, spezielle Modelle zur Entstehung von Stress bei Lehrkräften sowie die Gesundheitsdefinitionen von Aaron Antonovsky und Klaus Hurrelmann lässt sie sich damit erklären, dass sich die befragten Volksschuldirektor/innen je nach Ressourcenausstattung und in Abhängigkeit des Auftretens von Belastungen stets auf einem Kontinuum zwischen positiven und negativen Beanspruchungsfolgen bzw. zwischen Gesundheit und Krankheit hin und her bewegen. Während der Großteil der Befragten darüber berichtet, dass die Ressourcen zumeist ausreichen, um mit Belastungen, die bei der täglichen Arbeit auftreten, umzugehen, erzählen andere, dass es immer wieder vorkommt, dass Belastungen überhandnehmen, was zu einem negativen Beanspruchungserleben führt.

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

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Jene Schuldirektor/innen, die über einen besonders langfristigen, stabilen Ressourcenpool verfügen, sind häufig in der Gruppe der gut Vernetzten zu finden. Vermutlich aufgrund dieses relativ standhaften Ressourcenrepertoires bewegen sie sich nur selten in Richtung des Pols „Krankheit“ bzw. „negative Beanspruchungen“. Stattdessen verspüren sie ein umfassendes Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule. Konkret wurde in vier Studien (5, 15, 20, 21) zum Beanspruchungserleben von Schulleitungen ermittelt, dass viele ein Ungleichgewicht zwischen Verausgabung und Belohnung (Gehalt, Aufstiegschancen, Anerkennung) und damit Gratifikationskrisen erleben (Befund 23). Vier weitere Untersuchungen bestätigten diese Tatsache zumindest teilweise (6, 8, 9, 11). Dieser Befund nimmt Bezug auf das Gratifikationsmodell von Johannes Siegrist (s. Kapitel 3.2.2.1). Die Themen Gehalt und Aufstiegschancen als potenzielle Belohnungsformen werden von den befragten Volksschuldirektor/innen zwar nicht thematisiert, allerdings kommt der Anerkennung als Belohnungsart auf sozioemotionaler Ebene hohe Bedeutung zu. Betrachtet man die vier Typen von Schuldirektor/innen, die im Rahmen der Erhebung identifiziert werden konnten, so zeigt sich tendenziell, dass die gut Vernetzten sowohl die eigene Verausgabung als auch die Belohnung als relativ hoch wahrnehmen, während die Einzelkämpfer/innen die beiden Faktoren eher in geringerem Ausmaß erleben. Ein Ungleichgewicht stellt sich bei den Beschützer/innen und in besonders hohem Ausmaß bei den Überforderten ein. Diese berichten über eine eher hohe Verausgabung, während ausreichend Belohnung – vor allem in Form von Anerkennung vonseiten einzelner Akteursgruppen – ausbleibt. Besonders Vertreter/innen der Überforderten berichten über Situationen in der Vergangenheit, in denen viel Zeit und Energie in bestimmte schulische Aktivitäten investiert wurde, dies aber keine Belohnung zur Folge hat. Sieben der analysierten Studien im Bereich der Schulleitergesundheitsforschung (1, 4, 6, 10, 12, 20, 21) kamen in Hinblick auf das Beanspruchungserleben zudem zum Ergebnis, dass die Mehrheit der Schulleitungen trotz hoher Arbeitsbelastung, hohem Stresserleben und ersten Burnoutsymptomen zufrieden und motiviert ist, wobei die Zufriedenheit höher ist als bei Lehrkräften ohne Führungsfunktion (Befund 24). Eng in Zusammenhang damit steht jener Befund, dem zufolge der Anteil der Schulleitungen mit hohen bzw. kritischen Werten in Befragungen zur Burnoutgefährdung zwischen 12% und 44% liegt und Schulleitungen im Vergleich zu Lehrkräften ohne Führungsfunktion niedrigere Burnoutraten, hingegen ein höheres Wohlbefinden aufweisen (Befund 25). Dieser Befund wurde von zwei der analysierten Studien (9, 22) bestätigt.

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5 Empirische Erhebung

Die eigenen erhobenen Daten deuten zunächst in ähnlicher Weise darauf hin, dass Schulleiter/innen zum Teil negative Beanspruchungen am Arbeitsplatz Schule erleben, gleichzeitig jedoch mit dem Beruf des/der Schulleiters/in zufrieden sind. Etwa die Hälfte der befragten Schulleiter/innen berichtet darüber, dass es ihnen aktuell am Arbeitsplatz sehr gut geht und sie sich an der Schule wohlfühlen. Diese Schulleitergruppe bewertet den eigenen subjektiven Gesundheitszustand als ausgezeichnet oder sehr gut. Der Rest spricht mit Ausnahme einer Person von einer zumindest guten Gesundheit. Im Vergleich zu den Ergebnissen der Österreichischen Lehrergesundheitsbefragung 2010, die den subjektiven Gesundheitszustand von Lehrkräften ohne Führungsfunktion – allerdings nicht im Volksschulbereich – erhob, weisen die befragten Volksschuldirektor/innen überdurchschnittlich gute Werte auf. Dennoch werden von mehr als der Hälfte der befragten Volksschuldirektor/innen negative Beanspruchungen kurz- und/oder mittel- sowie langfristiger Art thematisiert. So berichtet etwa die Hälfte über hin und wieder auftretende kurzfristige psychische bzw. psychosomatische arbeitsbedingte Beanspruchungen. Fünf weitere Schuldirektor/innen erzählen sogar von langfristigen negativen Beanspruchungen. Betrachtet man im Detail die quantitativen Ergebnisse zur emotionalen Erschöpfung der befragten Volksschuldirektor/innen als einen Aspekt der Burnoutgefährdung, so zeigen diese, dass der Anteil jener mit hohen Werten bei 15% und damit im unteren Bereich der Bandbreite, die im Befund 25 angegeben wird (12% bis 44%), liegt. Die Vergleichsdaten der Österreichischen Lehrergesundheitsbefragung 2010 zeigen, dass Lehrkräfte ein etwas höheres Burnoutniveau (24,6% hoch) aufweisen, wobei erneut darauf hinzuweisen ist, dass sich innerhalb dieser Vergleichskohorte keine Lehrkräfte an Volksschulen befinden. Betrachtet man neben den quantitativ erhobenen Daten auch jene qualitativer Art, so zeigt sich ergänzend dazu, dass für nahezu die Hälfte der befragten Volksschuldirektor/innen Burnout bzw. damit verbundene Symptome bereits einst Thema waren oder derzeit sind. Ein weiterer Befund, den drei Studien innerhalb der Schulleitergesundheitsforschung (5, 9, 12) bestätigen, ist jener, dass sich der Großteil der Schulleiter/innen arbeitsfähig fühlt und glaubt, den Beruf bis zum Erreichen des Pensionsantrittsalters gut meistern zu können (Befund 26). Diesbezüglich ist festzuhalten, dass dieser Aspekt im Rahmen der eigenen Erhebung nur eingeschränkt thematisiert wurde. Lediglich drei Schuldirektor/innen berichten in diesem Kontext von sich aus darüber, Freude an der Arbeit zu haben sowie der Ansicht zu sein, absolut den richtigen Job gewählt zu haben und sich für sich selbst keinen passenderen Beruf vorstellen zu können.

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

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Ein Vergleich der am Ende des Kapitels 4.2 aufgestellten Befunde mit den empirischen Ergebnissen zeigt zusammenfassend, dass die darin thematisierten Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen auch innerhalb der befragten Schulleiterkohorte auftreten. Zentral dabei ist allerdings die Tatsache, dass diese von einzelnen Volksschuldirektor/innen in unterschiedlich hohem Ausmaß erlebt werden. Bestimmte Aspekte der Arbeit können bei den einen als Belastung, bei den anderen als neutraler Faktor, wieder bei anderen als Ressource wirken. Entscheidend ist stets die individuelle Wahrnehmung von Belastungen und Ressourcen, die üblicherweise nicht über die gesamte Schulleiterlaufbahn hinweg konstant bleibt. Damit erklärt einerseits die Individualität jedes/jeder einzelnen Schuldirektors/in, andererseits das situative Auftreten und Erleben bestimmter Belastungen und Ressourcen die hohe Bandbreite an Beanspruchungen von Schulleitungen als Ergebnis des Zusammenspiels von Belastungen und Ressourcen. Zudem beeinflussen entsprechend der in Kapitel 3.2.2.2 thematisierten Soziologischen Stresstheorie nach Pearlin soziale und ökonomische Rahmenbedingungen wie Alter, Geschlecht, Berufserfahrung und Rollenkontexte das Entstehen von Stressoren, Überforderung und in weiterer Folge Stresssymptomen. 5.5.2 Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule Wurden im vorangegangenen Kapitel die erzielten empirischen Ergebnisse mit dem theoretischen Bezugsfeld „Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit aus soziologischer Sicht“ sowie im Speziellen mit bisherigen Studienerkenntnissen innerhalb der Schulleitergesundheitsforschung in Beziehung gesetzt, so steht in diesem Kapitel die Einordnung des erhobenen Datenmaterials in Theorien des sozialen Netzwerkes, konkret Theorien zur Wirkweise dessen auf die Gesundheit, im Zentrum (s. Kapitel 3.2). Daneben wird auf Ausführungen zur Schule als soziales System Bezug genommen (s. Kapitel 2.3). In Kapitel 2.3 wurde die Organisation Schule als soziotechnisches bzw. sozial komplexes, adaptives System bezeichnet und beschrieben. Im Zentrum des soziotechnischen Ansatzes stehen – was das soziale Teilsystem betrifft – die Aufgaben der Wahrung einer internen Konsistenz und der Gestaltung einer Kontingenz nach außen hin sowie der Umgang mit Turbulenzen. Der sozial komplexe adaptive Systemansatz betont in ähnlicher Weise wie der soziotechnische die Bedeutung der Anpassung der Organisation Schule an sich verändernde Rahmenbedingungen für deren Erfolg. Darüber hinaus weist er auf das Bestehen von Subsystemen innerhalb und außerhalb der Schule hin, in denen Interaktionen stattfinden.

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5 Empirische Erhebung

Betrachtet man die Erzählungen der befragten Schuldirektor/innen, so zeigen diese, dass sich die Schulen, an denen sie tätig sind, in einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen Beharren und Verändern befinden, wobei die Schulleitung in hohem Ausmaß mitbestimmt, in welche Richtung es verstärkt geht. Auch die Offenheit der sozialen Organisation Schule nach außen hin wird stark von der Einstellung und den Aktivitäten des/der einzelnen Schuldirektors/in geprägt. Die entwickelte Typologie zeigt, dass einige Schulleiter/innen – vor allem die Beschützer/innen, aber auch zum Teil die Einzelkämpfer/innen – die Schule eher geschlossen halten wollen, während andere – vor allem die gut Vernetzten – eine umfassende Vernetzung nach außen hin anstreben. Damit verbunden ist die Fähigkeit der Schulleitung, sich an Veränderungen auf der Makroebene anzupassen. Während nämlich die Beschützer/innen und Einzelkämpfer/innen Turbulenzen eher abpuffern möchten, um Störungen im System Schule zu vermeiden, versuchen die gut Vernetzten stets, sich an diese anzupassen und befinden sich damit ständig in diversen Schulentwicklungsprozessen. Die zweitgenannte Gruppe nimmt zugunsten der Adaption Störungen im System wie z.B. einen Widerstand vonseiten einiger Lehrkräfte in Kauf. Diese Ausführungen zeigen, dass sich soziale Beziehungen bzw. das soziale Netzwerk und die einzelnen darin befindlichen Elemente – so wie im strukturalistischen Konstruktionismus und auch speziell in der Phänomenologischen Netzwerktheorie von Harrison White angenommen wird – wechselseitig konstituieren. Einerseits beeinflusst das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz Schule die Handlungsmuster, Präferenzen sowie die soziale Identität des/der Volksschuldirektors/in, andererseits gestaltet die Volksschulleitung in Abhängigkeit von deren Werten, Einstellungen und individuellen Sinnzuschreibungen das soziale Netzwerk mit. 5.5.2.1 Quantitative gesundheitsrelevante Merkmale des sozialen Netzwerkes Der soziotechnische und der sozial komplexe adaptive Systemansatz sowie die Phänomenologische Netzwerktheorie stellen in den Mittelpunkt der Betrachtung die sozialen Interaktionen, die innerhalb der Schule bzw. im erweiterten schulischen Umfeld bestehen. Da die Schulleitung im Zentrum dieser vielfältigen sozialen Austauschprozesse steht, verwundert es nicht, dass das daraus entstehende soziale Netzwerk am Arbeitsplatz Schule für die meisten Direktor/innen eine sehr hohe Bedeutung für das individuelle Wohlbefinden hat. Treten Störungen, z.B. in Form von Konflikten zwischen den im Netzwerk befindlichen sozialen Akteur/innen auf, so ist die Schulleitung gefordert, eine Lösung zu finden. Störungen im

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

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System erschweren die Erledigung von Aufgaben und sind häufig mit negativen Beanspruchungen verbunden. Lediglich an Kleinstschulen – die zumeist von Einzelkämpfer/innen geleitet werden – wird dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz für das individuelle Beanspruchungserleben nur eine mittelmäßige Bedeutung beigemessen. Dies liegt vermutlich an der eher geringen Stabilität des sozialen Netzwerkes an diesen Schulen. Die Stabilität kann als ein strukturelles Merkmal der Netzwerkstruktur (s. Kapitel 5.1.3.1) betrachtet werden. Bereits Coleman wies im Jahr 1988 darauf hin, dass Sozialkapital als sozialstrukturelle Ressource – welches einen Erklärungsansatz für die positive Wirkung eines sozialen Netzwerkes auf die Gesundheit darstellt – erst dann als Ressource aus einem sozialen Netzwerk geschöpft werden kann, wenn eine bestimmte Anzahl an sozialen Beziehungen im Netzwerk gegeben ist und diese eine gewisse Stabilität aufweisen (s. Kapitel 3.1.3). Dies dürfte ein Grund für die lediglich mittelmäßige Bedeutung sein, die diese Schuldirektor/innen ihrem sozialen Netzwerk im Kontext des individuellen Wohlbefindens zuschreiben. Während der überwiegende Teil der befragten Volksschuldirektor/innen von einer hohen Stabilität des eigenen gesundheitsrelevanten Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule spricht, in das bzw. aus dem nur vereinzelt Akteur/innen wie Schüler/innen sowie Erziehungsberechtigte dieser immer wieder ein- und austreten, berichten Leiter/innen von Kleinstschulen von ständigen akteursbezogenen Schwankungen im sozialen Netzwerk. So erfolgt neben dem kontinuierlichen Schüler- und Elternwechsel nahezu jährlich auch ein Austausch von Lehrkräften an der Schule. Neben der Stabilität stellt die Größe eines sozialen Netzwerkes ein weiteres Merkmal der Netzwerkstruktur dar. In der Literatur liegen Befunde dafür vor, dass sowohl ein zu großes als auch ein zu kleines soziales Netzwerk belastend auf die darin befindlichen Individuen wirken kann. Eine der jüngsten Studien in diesem Zusammenhang stammt von Gerich (2014). Der Autor stellte fest, dass die Größe des sozialen Netzwerkes negativ mit dem Empfinden von Stresssymptomen und positiv mit dem subjektiven Gesundheitszustand korreliert. Als Grund hierfür nennt er das mit der Netzwerkgröße verbundene Ausmaß an starken sozialen Beziehungen, aus denen verschiedene Ressourcen generiert werden können (s. Kapitel 3.1.4.5). Nicht berücksichtigt in diesem Erklärungsansatz von Gerich wird, dass mit einer größeren Anzahl an Akteur/innen innerhalb eines sozialen Netzwerkes auch eine höhere Zahl an potenziellen Belastungen einhergeht. Dementsprechend verwundert es nicht, dass die Ergebnisse der eigenen empirischen Erhebung auf keine eindeutige Wirkrichtung der Netzwerkgröße auf die Gesundheit bzw. das Beanspruchungserleben von darin befindlichen Schulleitungen hindeuten. Zwar bietet ein größeres soziales Netzwerk die Chance, quantitativ betrachtet mehr soziale

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5 Empirische Erhebung

Ressourcen, z.B. in Form von Sozialkapital, aufzubauen, allerdings erhöht sich mit steigender Anzahl der Akteur/innen auch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens belastender Interaktionen. Die Ergebnisse weisen vielmehr darauf hin, dass die Art und Qualität der im Netzwerk befindlichen sozialen Beziehungen die gesundheitliche Wirkung des sozialen Netzwerkes erklären. 5.5.2.2 Qualitative gesundheitsrelevante Merkmale des sozialen Netzwerkes Das erhobene Datenmaterial zeigt, dass die gesundheitliche Wirkung des sozialen Netzwerkes besonders von der Zusammensetzung der sozialen Beziehungen innerhalb des Netzwerkes abhängt. Dies entspricht der Grundannahme des sozialen Netzwerkkonzeptes, wonach ein soziales Netzwerk nicht bloß die Summe einzelner sozialer Beziehungen ist, sondern vielmehr die Struktur von miteinander verknüpften Beziehungen darstellt (s. Kapitel 3.1.1). Dabei scheint eine Kombination aus starken und schwachen sozialen Beziehungen für die individuelle Gesundheit besonders förderlich zu sein. In Kapitel 3.1.1.1 wurde auf die Unterscheidung sozialer Beziehungen von Granovetter (1973) in „strong ties“ und „weak ties“ hingewiesen. Dabei wurde festgehalten, dass sich „strong ties“, also starke soziale Beziehungen, durch häufigen Kontakt und Unterstützung, Verlässlichkeit sowie emotionale Nähe und Sicherheit auszeichnen. „Weak ties“, also schwache soziale Beziehungen, sind durch eine geringere Kontaktfrequenz geprägt und ermöglichen vor allem Informationsflüsse zu entlegenen Akteur/innen. Die beiden Beziehungsformen können damit unterschiedliche Arten von Ressourcen gewähren. Granovetter selbst schreibt allerdings zur Erreichung individueller Ziele besonders schwachen sozialen Beziehungen („strength of weak ties“) eine hohe Bedeutung zu. Diese Stärke schwacher sozialer Beziehungen kommt insbesondere im „structural hole“-Argument von Burt zur Geltung. Über je mehr starke soziale Beziehungen ein/e Akteur/in verfügt, desto schwächer ist er/sie in ein Gesamtnetz eingebunden, da die engen sozialen Beziehungen viel Zeit und Energie benötigen (vgl. Avenarius, 2010; Hennig, 2006; Herz, 2014). In Hinblick auf die gesundheitliche Wirkung starker und schwacher sozialer Beziehungen hält Bruns (2013) fest, dass erstgenannte vor allem in Form von Wertschätzung und emotionaler sozialer Unterstützung gesundheitsfördernd wirken. Gleichzeitig sind mit starken sozialen Beziehungen allerdings auch verstärkte soziale Kontrolle, Konformitätsdruck und eine Einschränkung der Autonomie verbunden, die eine negative Wirkung auf die Gesundheit entfalten können. Die „weak ties“ können im Gegensatz dazu in Form von zusätzlichem Informations-

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

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gewinn sowie dem Gefühl einer Einbettung in größere Gemeinschaften gesundheitsförderlich wirken (S. 122-123). Die starken und schwachen Beziehungen von Granovetter finden sich auch im eigenen Datenmaterial wieder, sofern man diese auf den Arbeitskontext, im Speziellen den Arbeitsort Schule, überträgt. Dabei können als „strong ties“ vor allem soziale Beziehungen zu Personen innerhalb der Schule wie Lehrkräften, Schüler/innen und zum Teil Eltern sowie Großeltern dieser bezeichnet werden, die sich durch einen zumeist täglichen Kontakt auszeichnen. Gleichzeitig sind soziale Beziehungen zu entlegenen Akteur/innen außerhalb der Schule wie der Schulaufsicht, dem Schulerhalter, anderen Volksschulleiter/innen sowie sonstigen Kooperationspartner/innen vorwiegend als „weak ties“ zu werten. Diese beiden Beziehungsformen finden sich in dem der Typologie zugrundeliegenden Merkmalsraum wieder (s. Kapitel 5.4.4.1). Die Charakterisierung der daraus entstehenden Typen (s. Kapitel 5.4.5) zeigt, dass sich insbesondere eine Konstellation aus positiven sozialen Beziehungen zu Personen innerhalb der Schule in Form von „strong ties“ und umfassenden positiven sozialen Beziehungen zu Personen außerhalb der Schule in Form von „weak ties“, die vor allem bei den gut Vernetzten auftritt, als günstig für das eigene Schulleitungshandeln und in weiterer Folge das individuelle Beanspruchungserleben des/der Schuldirektors/in erweist. Die Stärke der schwachen sozialen Beziehungen („strength of weak ties“) zeigt sich vor allem darin, dass die gut Vernetzten z.B. durch den Austausch mit anderen Volksschulleiter/innen neue Informationen erhalten und diese als Ressourcen in die Schule einbringen. Gleichzeitig wirkt die individuell wahrgenommene Zugehörigkeit zu einer größeren Gemeinschaft, vor allem auch in Form des Austausches mit „Gleichgesinnten“ sowie Vertreter/innen der Schulaufsicht positiv auf das eigene Wohlbefinden. Gerade aus freiwillig eingegangenen sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz wie jenen zu Volksschulleiterkolleg/innen und Kooperationspartner/innen können vielfältige Ressourcen generiert werden, die der Schlüssel zu einem umfassenden Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule sein dürften. Gleichzeitig sind die gut Vernetzten allerdings auch in ein Netz an starken sozialen Beziehungen eingebettet, das Schutz und Wertschätzung sowie soziale Unterstützung jeglicher Art bietet. Überforderte weisen zwar auch zahlreiche starke und teilweise schwache soziale Beziehungen auf, allerdings sind mit diesen verstärkt nicht nur Ressourcen, sondern auch Belastungen verbunden. Bei den Beschützer/innen zeigt sich, dass deren besonders enges soziales Netzwerk innerhalb der Schule und somit die vielen „strong ties“ den Aufbau von „weak ties“ im erweiterten schulischen Umfeld behindern. Die starken sozialen Beziehungen führen bei diesen Schuldirektor/innen zudem zu einem hohen Konformitätsdruck, indem diese etwa den Lehrerkolleg/innen gegenüber gerecht werden und Stabilität innerhalb des Systems Schule

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5 Empirische Erhebung

wahren möchten. Die Einzelkämpfer/innen pflegen sehr viele „weak ties“, aufgrund der geringen Kontakthäufigkeit auch zu Personen innerhalb der Schule. „Strong ties“ haben Einzelkämpfer/innen vorwiegend nur im privaten Umfeld. Henderson & Argyle (1985) bildeten die Vielfalt sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz ebenfalls in Form einer Typologie ab (s. Kapitel 3.1.1.1). Die daraus hervorgehenden Typen gesundheitsrelevanter Beziehungen finden sich im schulischen Arbeitsumfeld der befragten Volksschuldirektor/innen in unterschiedlichem Ausmaß wieder. „Social friends“ im Sinne von Freund/innen, mit denen auch außerhalb der Arbeit Unternehmungen stattfinden und die beim Umgang mit Stresssituationen helfen können, finden sich bei den gut Vernetzten vor allem innerhalb der Volksschulleiterkollegenschaft. Beschützer/innen pflegen zum Teil derartige soziale Beziehungen zu Lehrerkolleg/innen an der eigenen Schule. Überforderte und Einzelkämpfer/innen weisen wenig bis keine „social friends“ am Arbeitsplatz auf. Über „friends at work“, also Arbeitskolleg/innen, mit denen nur bei der Arbeit interagiert, allerdings auch über private Themen gesprochen wird, finden sich bei allen befragten Volksschuldirektor/innen zumeist im Lehrerkollegium, aber auch auf anderen Ebenen. Henderson & Argyle (1985) verbinden mit diesem Beziehungstyp vor allem instrumentelle soziale Unterstützungsformen wie fachlichen Rat. Diese Ressourcenarten generieren zum Teil auch die befragten Volksschuldirektor/innen aus derartigen sozialen Beziehungen. Als „workmates“ bezeichnen Henderson & Argyle (1985) jene sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz, die sich vor allem durch Gespräche über oberflächliche und aufgabenbezogene Themen auszeichnen. Solche sozialen Beziehungen pflegen die befragten Volksschuldirektor/innen vor allem zu Vertreter/innen des Schulerhalters, der Schulaufsicht, diversen Kooperationspartner/innen, aber auch Schüler/innen und ihren Erziehungsberechtigten. Derartige hin und wieder auftretende positive Kontakte können laut Henderson & Argyle (1985) zu einer Stressreduktion beitragen. Dieses Erleben zeigt sich bei den befragten Schuldirektor/innen dahingehend, dass über positives Feedback von Erziehungsberechtigten bei spontanen Treffen und durch Freundlichkeit geprägte Interaktionen mit Schüler/innen berichtet wird, die positive Gefühle erzeugen. In unterschiedlich hohem Ausmaß treten bei den befragten Volksschuldirektor/innen „conflict relations“ in Form von sozialen Beziehungen zu Arbeitskolleg/innen bzw. -partner/innen auf, die man nicht leiden kann. Das Ausmaß solcher sozialen Beziehungen spiegelt sich erneut in den gebildeten Typen wider, wobei die Überforderten am meisten „conflict relations“ wahrnehmen. In Kapitel 3.1.4 wurde ausgeführt, dass es im Gegensatz zu Ressourcen, die aus dem sozialen Netzwerk bzw. einzelnen sozialen Beziehungen erwachsen können,

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

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vergleichsweise wenig Kenntnisse zu damit verbundenen potenziellen Belastungen gibt. Generell ist auf die besonders hohe Relevanz belastender Aspekte des sozialen Netzwerkes bzw. sozialer Beziehungen im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit hinzuweisen. Dies liegt daran, dass – wie bereits in Kapitel 3.1.4.4 erörtert wurde – belastende soziale Beziehungen häufig solche sind, die unfreiwillig eingegangen werden. Dies ist bei sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz – für die sich die Autorin der vorliegenden Forschungsarbeit interessiert – häufig der Fall. Über die von Laireiter & Lettner (1993) aufgelisteten belastenden Interaktionen (s. Tabelle 4), die für gewöhnlich situationsbedingt auftreten, berichten auch die befragten Volksschuldirektor/innen. Besonders häufig werden das Ausüben von Kritik, Konflikte, Misstrauen, Ignoranz und eine eingeschränkte Anerkennung vonseiten bestimmter Personengruppen wahrgenommen. Das Erleben belastender längerfristig bestehender Interaktions- und Strukturmerkmale sozialer Beziehungen ist eng an den Typ, dem der/die Volksschuldirektor/in zugeordnet werden kann, gekoppelt. So haben etwa die Beschützer/innen, aber auch die Überforderten besonders häufig Probleme in der Nähe-Distanzregulation. Zweitgenannte Gruppe verbindet mit einigen sozialen Beziehungen – vor allem zu einzelnen Lehrerkolleg/innen an der Schule – Konkurrenz und Rivalität als weitere längerfristig belastende Beziehungselemente. Einzelkämpfer/innen sind – aufgrund des kontinuierlichen Lehrerwechsels an der Schule – mit ständig drohendem Beziehungsabbruch konfrontiert. Ergänzend zu belastenden Interaktionen und längerfristig bestehenden Interaktions- und Strukturmerkmalen unter anderem in Form von Konflikten erleben einige Volksschuldirektor/innen auch das von Laireiter thematisierte „Hineingeraten in Konflikte anderer“ im Sinne indirekter Konflikte als belastend. 5.5.2.3 Wirkweisen des sozialen Netzwerkes auf die Schulleitergesundheit Ausgangsbasis für die Erklärung der Wirkweisen des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz auf die Schulleitergesundheit ist das aus den vorangegangenen Absätzen abgeleitete Verständnis, dass darin befindliche soziale Beziehungen sowohl belastend als auch ressourcenstärkend wirken können. Betrachtet man zunächst Ressourcen im Kontext einzelner sozialer Beziehungen, so zeigt sich, dass die befragten Schuldirektor/innen gleichsam solche langfristiger dauerhafter wie situativer Art aufweisen. Generell bestärkt die meisten jedoch vor allem das subjektive Gefühl, über einen stabilen sozialen Ressourcenpool zu verfügen. Dieser besteht auf Ebene des Gesamtnetzwerkes vor allem aus Schutzfaktoren wie sozialer Anerkennung bzw. Wertschätzung, sozialem Rückhalt und

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5 Empirische Erhebung

stabiler sozialer Unterstützung. Tatsächlich erhaltene soziale Unterstützung und tatsächlich erhaltener sozialer Rückhalt werden allerdings erst in einzelnen Situationen sichtbar. Deren Vorhandensein hängt – so zeigen die Ergebnisse der eigenen Erhebung – von der Kompetenz der Volksschulleitungen ab, diese zum richtigen Zeitpunkt „abzurufen“. Soziale Unterstützung stellt generell jene Ressourcenart dar, von der die befragten Volksschuldirektor/innen am häufigsten berichten. Neben der subjektiv wahrgenommenen sozialen Unterstützung erzählen sie dabei auch von der tatsächlich erhaltenen. So schildern sie Beispielsituationen, in denen einzelne Akteur/innen im sozialen Netzwerk soziale Unterstützung gewähr(t)en. Konkret berichten sie über verschiedene Formen, die auch in der sozialen Unterstützungsforschung (s. Kapitel 3.1.2) unterschieden werden. Betrachtet man etwa die von House (1987) entwickelte Einteilung sozialer Unterstützung in jene emotionaler, instrumenteller, informativer und bewertender Art, so sind alle vier Formen für die befragten Volksschuldirektor/innen von Relevanz. Instrumentelle soziale Unterstützung tritt dabei vor dem Hintergrund der Klassifikation von Laireiter (1993) in unterschiedlicher Form auf. Im eigenen Datenmaterial zeigt sich dies dahingehend, dass z.B. Lehrkräfte an der Schule sowie Volksschulleiterkolleg/innen fachliche Ratschläge, zum Teil auch praktische Hilfe in Form der Erledigung bestimmter Aufgaben anbieten. Diese zweite Form instrumenteller sozialer Unterstützung wird häufig auch vonseiten des nichtunterrichtenden Personals und der Erziehungsberechtigten der Schüler/innen wahrgenommen. Die zweitgenannte Gruppe liefert in Form des Elternvereins zudem finanzielle Hilfen, die auch vom Schulerhalter ergänzend zu Sachleistungen gewährt werden. Bewertende soziale Unterstützung ist mit positivem Feedback und Bestätigung der eigenen Arbeit gleichzusetzen. Würdigende bzw. schätzende soziale Unterstützung, die Laireiter (1993) als eine weitere Form sozialer Unterstützung definiert, kommt der Anerkennung und Wertschätzung nahe, die ebenfalls zentrale Ressourcen der befragten Volksschuldirektor/innen sind. Generell finden sich in der Klassifikation der Alltagsunterstützung von Laireiter (1993) nahezu alle sozialen Ressourcen wieder, die von den untersuchten Volksschuldirektor/innen am Arbeitsplatz Schule erlebt werden (s. Abbildung 25). So zählt dazu etwa auch die Geselligkeit, eine weitere Ressource, die einzelne Schulleiter/innen aus dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz generieren. Betrachtet man die Unterscheidung von alltags- und belastungs- oder krisenbezogener sozialer Unterstützung, so ist darauf hinzuweisen, dass die befragten Volksschuldirektor/innen vorwiegend erstgenannte Form thematisieren. Allerdings werden immer wieder auch besonders schwierige berufliche Situationen geschildert, in denen auf soziale Ressourcen innerhalb und außerhalb der Schule

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

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zurückgegriffen werden konnte. Diese reichen von einer besonders stark ausgeprägten emotionalen und instrumentellen sozialen Unterstützung innerhalb des Lehrerkollegiums bei schwierigen Schicksalsschlägen über sozialen Rückhalt des/der direkten Vorgesetzten bei Konfliktsituationen mit einzelnen Lehrkräften bis hin zur Gewährung von Unterstützungsangeboten vonseiten der Schulaufsicht bei drohendem Burnout. Betrachtet man die drei in der bisherigen Forschung identifizierten Wirkweisen sozialer Unterstützung auf die psychische Gesundheit – nämlich den Puffereffekt, den direkten Effekt und den Präventionseffekt – so treten alle drei Formen innerhalb der untersuchten Schulleiterkohorte auf. Diesbezüglich zeigen sich allerdings Unterschiede zwischen den gebildeten Typen. Zwar wirkt soziale Unterstützung bei allen vier Schulleitergruppen – wenn auch bei den Einzelkämpfer/innen in etwas geringerem Ausmaß – direkt positiv auf die psychische Gesundheit der Schulleitung ein, allerdings tritt die Pufferwirkung vorwiegend bei den gut Vernetzten auf. So sind Schuldirektor/innen dieses Typs – im Gegensatz zu den Beschützer/innen, Überforderten und Einzelkämpfer/innen – dazu in der Lage, auch beim Auftreten starker Stressoren passende soziale Ressourcen in Form von sozialer Unterstützung zum Umgang mit diesen zu lukrieren. Eine präventive Wirkung sozialer Unterstützung im Sinne eines „Schutzschildes“ vor Belastungen entfaltet sich in einzelnen Situationen ebenfalls innerhalb der gut vernetzten Schulleiterkohorte. Dies gelingt etwa durch einen rechtzeitigen Informationsaustausch mit Personen außerhalb der Schule wie Volksschulleiterkolleg/innen, der ein Auftreten von Belastungen, wie z.B. unklaren Forderungen vonseiten der Schulaufsicht, verhindert. Neben dem Effekt sozialer Unterstützung (s. Kapitel 3.1.4.2) als ein Erklärungsansatz zur (positiven) Wirkung des sozialen Netzwerkes auf die Gesundheit finden sich auch der Effekt des Zuganges zu Ressourcen in Form von Sozialkapital sowie der sozialen Einbeziehung im eigenen Datenmaterial vereinzelt wieder. Lediglich der Ansteckungseffekt wird – vermutlich aufgrund der Tatsache, dass im Zentrum des Interesses der Erhebung das psychische Wohlbefinden und Beanspruchungserleben der befragten Direktor/innen stand – nur von einem/einer Interviewpartner/in thematisiert. Ein Ausbleiben sozialer Ressourcen, z.B. in Form fehlender sozialer Unterstützung, kann auch belastend wirken. Dies zeigen insbesondere Aussagen von Leiter/innen an Kleinstschulen, die in bestimmten Situationen nicht auf ausreichend soziale Ressourcen – z.B. in Form von instrumenteller oder emotionaler sozialer Unterstützung durch Lehrkräfte – zurückgreifen können. Im Gegensatz zu Ressourcen, die sowohl stabiler als auch situativer Art sein können, bestehen Belastungen, die aus dem sozialen Netzwerk heraus entstehen,

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5 Empirische Erhebung

innerhalb der untersuchten Schulleiterkohorte nur selten über einen längeren Zeitraum hinweg. Lediglich zwei Volksschuldirektor/innen berichten von sozialen Beziehungen zu einzelnen Akteur/innen im schulischen Umfeld, die in Richtung „chronischer Stressor“ gehen. Die Mehrheit erlebt psychosoziale Belastungen zwar nur situationsbedingt und kurzfristig, allerdings wirken diese stark negativ auf die Gesundheit und das Wohlbefinden ein. Am häufigsten werden dabei auf Ebene des gesamten sozialen Netzwerkes Konflikte sowie das „Zuviel“ an sozialen Kontakten in Form von   

häufigem Kommunizieren bei Meinungsverschiedenheiten, das zu keiner Lösung führt; ständig notwendiger Überzeugungsarbeit sowie sozialen Veranstaltungen, die im schulischen Alltag stattfinden

als Belastungen erlebt. Diese begünstigen laut den Aussagen der Befragten vor allem negative psychische Beanspruchungen in Form von Stress sowie negativ besetzten Gedanken, die auch außerhalb der Arbeitszeit um die Schulleitung kreisen. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass ein Ressourcenaufbau leichter vonstattengeht als ein Belastungsabbau. Dieser Tatsache dürften sich vor allem gut vernetzte Volksschuldirektor/innen bewusst sein, bauen sie doch aktiv soziale Beziehungen im schulischen Umfeld auf, aus denen sie Ressourcen schöpfen können. In Kapitel 5.4.2.4 wurde dargestellt, in welcher Weise psychosoziale Belastungen und Ressourcen laut den befragten Volksschuldirektor/innen zusammenspielen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden nun unter Bezugnahme auf bestehende Theorien zu den Wirkweisen des sozialen Netzwerkes interpretiert. Betrachtet man zunächst das in Kapitel 3.1.4.5 beschriebene „Modell direkter Effekte“ von Lincoln (2000), das davon ausgeht, dass positive und negative soziale Interaktionen unabhängig voneinander auf das psychische Wohlbefinden wirken, so zeigt sich, dass Schuldirektor/innen durchaus psychosoziale Belastungen und Ressourcen wahrnehmen, die sich nicht gegenseitig bedingen. So wirkt etwa die materielle soziale Unterstützung des Schulerhalters positiv auf das Wohlbefinden des/der Schuldirektors/in ein, während unabhängig davon Konflikte mit Erziehungsberechtigten belastend wirken können. Im Zuge der Erhebung konnten jedoch sehr wohl auch Formen von psychosozialen Belastungen und Ressourcen von Volksschuldirektor/innen identifiziert werden, die zueinander in Beziehung stehen. In diesem Zusammenhang kommt dem von Lincoln (2000) beschriebenen Puffermodell eine Bedeutung zu, das

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

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besagt, dass positive soziale Interaktionen den Einfluss negativer sozialer Interaktionen auf das psychische Wohlbefinden „abfedern“. Diesbezüglich berichten einige Volksschuldirektor/innen darüber, dass negativ auf das Wohlbefinden einwirkende soziale Beziehungen von positiven ausgeglichen werden. Vor allem dauerhafter sozialer Rückhalt, die Bestätigung des eigenen Tuns der Schulleitung, emotionale soziale Unterstützung sowie fachlicher Rat durch bestimmte Akteur/innen ermöglichen einen besseren Umgang mit psychosozialen Belastungen wie Konflikten mit anderen sowie dem Erwartungsdruck vonseiten anderer Akteur/innen. Einige Schuldirektor/innen sprechen zudem darüber, dass zurückgehaltene Informationen durch eine/n Akteur/in als psychosoziale Belastung von Informationen, die im Sinne von Ressourcen durch eine/n andere/n Akteur/in zur Verfügung gestellt werden, kompensiert werden können. Neben der Tatsache, dass passende psychosoziale Ressourcen die negative Wirkung psychosozialer Belastungen abfedern bzw. zumindest mildern können, ist es laut Lincoln allerdings auch möglich, dass stark konfliktbehaftete Interaktionen positive mit derselben Person neutralisieren. Diesbezüglich zeigen die Ergebnisse der eigenen Erhebung, dass diese Wirkweise nicht nur im Kontext der sozialen Beziehung zu ein und derselben Person auftritt, sondern sich auch auf Ebene einer bestimmten Personengruppe abspielen kann. So berichten z.B. einige Volksschuldirektor/innen darüber, dass wenige negative soziale Interaktionen mit Erziehungsberechtigten der Schüler/innen viele positive mit anderen Vertreter/innen dieser Akteursgruppe in der individuellen Wahrnehmung überwiegen. Belege für das „domain-specific-model“, wonach positive soziale Interaktionen und negative eine gleich starke Wirkung auf das psychische Wohlbefinden von Personen haben, sofern sie denselben Bereich betreffen, konnten im Datenmaterial nicht gefunden werden. So ist vielmehr davon die Rede, dass Belastungen stärker als Ressourcen wahrgenommen werden und damit das Beanspruchungserleben stärker beeinflussen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass psychosoziale Belastungen und Ressourcen nur dann zusammenwirken – wie auch im Puffermodell postuliert wird – wenn diese zueinander „passen“. Ergänzend zum Zusammenspiel psychosozialer Belastungen und Ressourcen ist eine Einordnung der empirisch gewonnenen Erkenntnisse in das „Modell zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen sozialen Beziehungen, sozialen Netzwerken und sozialer Unterstützung und deren Einfluss auf Stress und Gesundheit“ von Berkman & Glass (2000) möglich (s. Tabelle 5). Diesbezüglich zeigt sich, dass der Rahmen für das ego-zentrierte soziale Netzwerk einer Volksschulleitung am Arbeitsplatz Schule auf der Makroebene geschaffen wird. Dabei sind gewisse soziale Beziehungen zu und soziale Interaktionen mit bestimmten Personengruppen systembedingt notwendig. Des Weiteren

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5 Empirische Erhebung

beeinflussen gesellschaftliche Entwicklungen sowie Reformen auf Schulsystemebene die Ausgestaltung der Zusammenarbeit bestimmter Personen in diesem Netzwerk. So führt etwa die verstärkte Forderung nach einem umfassenderen Nahtstellenmanagement beim Übergang vom Kindergarten in die Volksschule dazu, dass die Schulleitung im Zuge ihrer Arbeit (verstärkt) mit der Leitung von benachbarten Kindergärten interagiert. Diese sozio-strukturellen Bedingungen auf der Makroebene geben der Schulleitung also bereits einen gewissen Rahmen für die Ausgestaltung des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule vor. Innerhalb dessen können sich die einzelnen Schuldirektor/innen allerdings frei bewegen, was beispielsweise dazu führt, dass die Intensität der sozialen Beziehungen zu einzelnen darin befindlichen Personen – z.B. der Intimitätsgrad der sozialen Beziehung zu Lehrerkolleg/innen – frei gestaltet werden kann. Darüber hinaus hat der/die einzelne Volksschuldirektor/in Einfluss auf die Größe des (gesundheitsrelevanten) sozialen Netzwerkes im schulischen Arbeitsumfeld, indem er/sie z.B. freiwillig intensive soziale Beziehungen zu Volksschulleiterkolleg/innen oder Kooperationspartner/innen aufbauen kann. Das soziale Netzwerk, das innerhalb eines gewissen Rahmens also von den Schuldirektor/innen selbst gestaltet werden kann, bietet die Möglichkeit, daraus verschiedenste soziale Ressourcen zu schöpfen, ist aber gleichzeitig – und dies wird im Modell von Berkman & Glass (2000) nicht thematisiert – mit gewissen potenziellen Belastungsquellen verbunden. Was die Wirkung dieser Ressourcen- und Belastungsarten auf die Gesundheit der Volksschuldirektor/innen betrifft, so wurden unter Bezugnahme auf das Modell von Berkman & Glass (2000) vor allem psychologische Pfade betrachtet. Zusammenfassend lässt sich aus den Ausführungen schlussfolgern, dass – so wie im theoretischen Raster (s. Abbildung 21) abgebildet – verschiedene Faktoren auf Individual-, Meso- und Makroebene die Wirkweisen des sozialen Netzwerkes auf die Gesundheit und auch das Zusammenspiel psychosozialer Belastungen und Ressourcen beeinflussen. Die Stärke der Wirkung einzelner positiver und negativer sozialer Interaktionen auf das Wohlbefinden der Schulleitung hängt vor allem von der individuellen Wahrnehmung und Relevanzsetzung dieser ab. Daneben hat das Ausmaß anderer, nicht direkt mit dem sozialen Netzwerk in Zusammenhang stehender Belastungen, einen Einfluss auf die Wirkstärke. So ist etwa zu beobachten, dass eine hohe Vulnerabilität der Schulleitung, die z.B. durch Probleme im Privatbereich, eine eingeschränkte Gesundheit oder eine hohe Arbeitsmenge entsteht, das Ausmaß der negativen Wirkweise psychosozialer Belastungen auf ihr Wohlbefinden erhöht.

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

487

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich die konkrete Wirkung des sozialen Netzwerkes auf die Gesundheit von Volksschuldirektor/innen in Abhängigkeit des Auftretens von psychosozialen Belastungen und Ressourcen stets verändern kann. Die in Kapitel 3.1.4 beschriebene „Henne-Ei-Problematik“, was den Zusammenhang von sozialen Netzwerken und der Gesundheit von darin befindlichen Personen betrifft, wird im Zuge der Erhebung von drei Schuldirektor/innen thematisiert. So geben diese an, dass nicht nur das soziale Netzwerk einen Einfluss auf das individuelle Wohlbefinden hat, sondern auch umgekehrt der individuelle Gesundheitszustand auf das Funktionieren des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz einwirkt. 5.5.3 Diskussion und Interpretation der gebildeten Typen Im folgenden Abschnitt werden die entwickelten Typen zum psychosozialen Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserleben von Volksschuldirektor/innen vor dem Hintergrund methodologischer Ausführungen zur Typenbildung diskutiert und interpretiert. Darüber hinaus erfolgt ein Vergleich dieser mit themenverwandten Typen. Zunächst ist es notwendig, den Rahmen der konstruierten Typen abzustecken und damit deren Geltungsbereich zu definieren. Diesbezüglich ist zu betonen, dass die Typen auf Basis des Datenmaterials entwickelt wurden, das aus einer triangulativen sozialen Netzwerkanalyse bei insgesamt 20 Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs gewonnen werden konnte. Strenggenommen hat die Typologie somit lediglich für diese 20 befragten Personen Gültigkeit. Da jedoch für die Auswahl der Untersuchungsteilnehmer/innen ein qualitativer Stichprobenplan herangezogen wurde, der dazu beitragen sollte, die Zielgruppe der Arbeit bestmöglich zu repräsentieren, kann der Geltungsbereich mit Vorsicht auf diese „Grundgesamtheit“ ausgedehnt werden. Diesbezüglich erscheint es jedoch in Zukunft notwendig zu sein, die Verbreitung der entwickelten Typen innerhalb einer größeren Zahl an Volksschuldirektor/innen im ausgewählten Bundesland zu ermitteln. Die kontinuierliche Integration bestehender Theorien in den Prozess der empirisch begründeten Typenbildung trägt zudem dazu bei, dass die entwickelte Typologie womöglich auch auf Volksschuldirektor/innen in anderen Regionen, Leitungen eines anderen Schultyps, vielleicht sogar andere Berufsgruppen bzw. Führungskräfte in anderen Branchen übertragbar ist. Generell ist dabei zu berücksichtigen, dass die Typen selbstverständlich auf ein höheres Abstraktionsniveau

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5 Empirische Erhebung

gehoben werden müssen, damit sie auch in anderen Arbeits- und Lebensbereichen Gültigkeit haben können. Das Ziel der Typologie – nämlich die möglichst detaillierte Rekonstruktion des Erlebens psychosozialer Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Volksschuldirektor/innen – widersprach einem hohen Abstraktionsgrad dieser. Die gebildeten Typen lassen sich aber, wie bereits in Kapitel 5.4.1 erörtert wurde, weder als reine Ideal- noch als reine Realtypen beschreiben. Stattdessen befinden sie sich zwischen den Polen „absoluter Realtyp“ und „absoluter Idealtyp“, sind jedoch näher beim erstgenannten anzusiedeln. Darüber hinaus kann es sein, dass zwei der befragten Volksschuldirektor/innen, die zwei unterschiedlichen Typen zugeordnet wurden, durchaus Gemeinsamkeiten in Hinblick auf das Auftreten einzelner Merkmale haben können. Zentral für das Verständnis der speziellen Situation von Volksschuldirektor/innen eines Typs ist die Kombination bestimmter Merkmalsausprägungen, die diese gemeinsam haben. Den Ausgangspunkt der charakterisierten Typen bildeten die zwei im Merkmalsraum definierten Kategorien mit jeweils zwei Subkategorien. Diese wiederum leiteten sich großteils aus dem primären Forschungsinteresse der Arbeit – nämlich dem Auffinden von mit dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz verbundenen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen – ab. Darüber, ob das Bestehen psychosozialer Belastungen und Ressourcen innerhalb und außerhalb der Schule tatsächlich der ursprüngliche Grund für bestimmte weitere Gemeinsamkeiten der gebildeten Typen wie etwa das individuelle Beanspruchungserleben ist, kann auf Basis der Erzählungen der befragten Volksschuldirektor/innen lediglich gemutmaßt werden. So könnte es etwa auch sein, dass bestimmte Merkmale auf Mikroebene wie z.B. die Delegationsfähigkeiten und Einstellungen des/der befragten Volksschuldirektors/in oder aber das soziale Netzwerk im Privatbereich die Beziehung zwischen psychosozialen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen moderieren. Darüber hinaus ist es – wie bereits an anderen Stellen erwähnt (s. Kapitel 3.1.4 und 5.5.2) – auch möglich, dass das Beanspruchungserleben die Ausgestaltung sozialer Beziehungen im schulischen Arbeitsumfeld und damit das Auftreten damit verbundener Belastungen und Ressourcen bedingt. Zwar ist anzunehmen, dass die gebildeten Kernkategorien in Hinblick auf die Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit die entscheidenden sind, jedoch kann nicht mit absoluter Sicherheit geschlussfolgert werden, dass diese die (alleinigen) Hauptgrößen sind, die das Beanspruchungserleben von Volksschuldirektor/innen bestimmen. Besondere Beachtung bei der Interpretation der gebildeten Typologie gilt es einerseits jenem Typ zu schenken, der sich nicht in den Merkmalsraum einordnen lässt (= Einzelkämpfer/innen), andererseits auch jenem Feld im Merkmalsraum,

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

489

das von keinen empirischen Fällen besetzt wird. Gründe für das Existieren der ersten Gruppe wurden bereits diskutiert (s. Kapitel 5.4.5.4). An dieser Stelle ist festzuhalten, dass das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz nicht für alle befragten Volksschuldirektor/innen der wichtigste Einflussfaktor auf das individuelle Beanspruchungserleben am Arbeitsplatz ist. Dies lässt sich damit erklären, dass sich das soziale Netzwerk nicht bei allen als stabil genug erweist, um eine starke gesundheitliche Wirkung zu entfalten. Dementsprechend dürfte das Vorhandensein starker sozialer Beziehungen im Sinne von (positiv besetzten) „strong ties“ eine Grundvoraussetzung dafür sein, dass Volksschuldirektor/innen dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz eine hohe Bedeutung für das eigene Wohlbefinden zuschreiben. Diese Schlussfolgerung liefert gleichzeitig einen Erklärungsansatz dafür, warum das Feld, das sich aus den Schnittpunkten „Balance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Organisationen außerhalb der einzelnen Schule“ und „Disbalance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen innerhalb der einzelnen Schule“ ergibt, nicht besetzt ist. So lässt sich vermuten, dass Volksschulleiter/innen ihrem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz nur dann eine hohe Bedeutung für das eigene Wohlbefinden beimessen, wenn dieses starke soziale Beziehungen, aus denen Ressourcen geschöpft werden können, beinhaltet. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Disbalance von Belastungen und Ressourcen im Kontext sozialer Beziehungen in der Schule vonseiten des/der Schuldirektors/in intensive Aufmerksamkeit z.B. in Form der Lösung von Konflikten erfordert. Aufgrund des hohen Zeitpensums und der Kraft, den diese/r dafür aufwendet, bleibt vermutlich nur wenig Zeit für den Aufbau positiver sozialer Beziehungen außerhalb der Schule. Da die soeben erläuterten Erklärungsansätze jedoch lediglich Mutmaßungen sind, gilt es im Zuge einer Überprüfung der Typologie innerhalb einer größeren Population zu ermitteln, ob in der empirischen Realität womöglich doch Vertreter/innen dieser Gruppe existieren. Ein weiterer Aspekt der Typologie, der diskussionswürdig und interpretationsbedürftig ist, ist jener, dass anders als die vier exemplarisch beschriebenen Volksschuldirektor/innen (s. Kapitel 5.4.5) nicht alle Fälle eindeutig einem Typ zugeordnet werden konnten. Dementsprechend kann von sogenannten Mischtypen gesprochen werden. Innerhalb der methodologischen und methodischen Literatur zur empirisch begründeten Typenbildung wird allerdings festgehalten, dass eine Überlappung einzelner Typen sowie eine nicht immer eindeutige Zuordenbarkeit von Fällen zu diesen eine „typische“ Begleiterscheinung von Typologien ist. In diesem Kontext ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Zuordnung einzelner Fälle zu einem Typ nicht unbedingt über die gesamte Schulleiterzeit hinweg konstant sein muss. Das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz Schule wirkt nämlich – so zeigen die Erzählungen der Befragten – nicht ständig in gleicher Weise auf

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das eigene Wohlbefinden ein. Sowohl negative als auch positive Einflüsse können von Schuljahr zu Schuljahr in Abhängigkeit jener Akteur/innen, die nur befristet Teil dieses sozialen Netzwerkes sind, in unterschiedlich starkem Ausmaß auftreten. Zwar weisen bestimmte Handlungsmuster – z.B. in Hinblick auf Vernetzungsaktivitäten von Volksschuldirektor/innen nach außen hin – eine gewisse Kontinuität auf, prinzipiell ist jedoch eine zeitliche Konstanz des psychosozialen Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserlebens dieser nicht zu erwarten. Dies geht mit dem Verständnis eines sozialen Netzwerkes innerhalb konstruktivistischer Sozialtheorien (s. Kapitel 3.1.1.2), die eine wesentliche theoretische Grundlage der vorliegenden Arbeit bilden, konform. Die Zuordnung der einzelnen Fälle zu den Typen erfolgte auf Basis der zum Zeitpunkt des Interviews vonseiten der Befragten wahrgenommenen psychosozialen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen. Neben der Gegenüberstellung der erzielten empirischen Ergebnisse, insbesondere der konstruierten Typologie, mit den theoretischen Bezugsfeldern der Arbeit (s Kapitel 5.5.1 und 5.5.2) ist es im Sinne einer Einordenbarkeit dieser in die bisherige Forschung sinnvoll, diese mit bereits bestehenden Typologien zu vergleichen. Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass bislang keine Typologie existierte, die sich auf das Zusammenspiel von psychosozialen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen bezieht. Dennoch erfolgt nun ein Vergleich der entwickelten Typen mit themenrelevanten Typen in der bisherigen Forschung. Dazu zählen einerseits soziale Netzwerktypen, andererseits Typen von Lehrkräften und Schulleitungen, die sich in Hinblick auf das Erleben der Arbeit voneinander unterscheiden. Betrachtet man zunächst in der Forschung existierende Typologien von (gesundheitsrelevanten) ego-zentrierten sozialen Netzwerken, so zeichnen sich diese im Gegensatz zur im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelten Typologie dadurch aus, dass sie vorwiegend auf Basis einer quantitativen Auswertung, zumeist in Form von Clusteranalysen, gebildet wurden. Neben diesem Unterschied in der methodischen Herangehensweise, fokussieren bereits bestehende Typologien, anders als die eigene, inhaltlich auf soziale Netzwerke im Privatbereich älterer Personengruppen. So identifizierte Wenger (1991) etwa fünf soziale Netzwerktypen im Kontext informeller sozialer Unterstützung innerhalb der älteren erwachsenen Bevölkerung in Europa und brachte diese in Verbindung mit bestimmten Gesundheitsparametern. Die Forscherin unterscheidet dabei zwischen folgenden Netzwerktypen:

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung  







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„family dependent support network“ Dieses zeichnet sich vorwiegend durch enge soziale Beziehungen zu Familienmitgliedern und teilweise zu Freund/innen und Nachbar/innen aus. „locally integrated support network“ Dieses ist charakterisiert durch informelle Hilfe von Familienmitgliedern, Freund/innen und Nachbar/innen sowie die Beteiligung an Aktivitäten in größeren Gemeinschaften. „local self-contained support network“ Personen, die ein solches Netzwerk aufweisen, pflegen unregelmäßige Kontakte mit zumindest einem Familienmitglied. Die Integration in übergeordnete Gemeinschaften ist gering. „wider community-focused support network“ Hierbei bestehen aktive soziale Beziehungen zu entfernten Verwandten. Häufig mangelt es jedoch an Familienmitgliedern in der Gegend. Personen dieses Typs sind häufig in freiwillige Organisationen auf Gemeinschaftsebene involviert. „private restricted support network“ In diesem sozialen Netzwerk sind Angehörige in der Gegend nicht vorhanden. Darüber hinaus besteht nur minimaler Kontakt zu Nachbar/innen. Soziale Beziehungen zu anderen Bezugsgruppen werden ebenfalls kaum gepflegt.

Datenanalysen zufolge weist die zweitgenannte Gruppe das geringste, die letztgenannte das höchste Risiko für psychische Gesundheitsprobleme wie Einsamkeit oder Depression auf. Litwin (1998) bzw. Litwin & Landau (2000) definierten ähnliche gesundheitsrelevante soziale Netzwerktypen von älteren Personen in Israel. Sie unterscheiden zwischen    

dem „kin network“, in dem vorwiegend intensive Beziehungen zu Verwandten bestehen; dem „family intensive network“, das ebenfalls vorwiegend Verwandtschaftsbeziehungen beinhaltet, allerdings weniger viele und intime; dem „friend-focused network“, das vorwiegend aus Freundschaftsbeziehungen, nicht jedoch besonders intimen sozialen Beziehungen besteht sowie dem „diffuse-ties network“, das relativ groß ist und sich aus vielfältigen Arten sozialer Beziehungen mit unterschiedlichem Intimitätsgrad zusammensetzt.

Auch bei dieser Typologie zeigte sich, dass sich ein vielfältiges soziales Netzwerk („diffuse-ties network“) besonders günstig auf die psychische Gesundheit

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5 Empirische Erhebung

auswirkt. Fiori, Antonucci & Cortina (2006), Li & Zhang (2015) sowie Santini et al. (2015) identifizierten ähnliche Typen wie Wenger (1991) sowie Litwin (1998) bzw. Litwin & Landau (2000) in den USA, China, Indien und Ländern Mittel- und Südamerikas. Sie stellten ebenso fest, dass ein soziales Netzwerk, das sich durch vielfältige darin befindliche soziale Beziehungen auszeichnet, einen besonders positiven Einfluss auf einzelne Gesundheitsparameter hat. Obwohl sich diese Typologien auf eine gänzlich andere Zielgruppe und einen anderen Lebensbereich beziehen und vorwiegend die Perspektive des sozialen Netzwerkes als Ressource in Form von sozialer Unterstützung einnehmen, zeigen sich einige Parallelen zur eigenen Typologie. Zunächst kommt auch hier die gesundheitliche Bedeutung starker und schwacher sozialer Beziehungen zum Ausdruck. Dabei weisen – übertragen auf den Arbeitskontext im Setting Schule – soziale Netzwerke der gut vernetzten Schuldirektor/innen ähnliche Charakteristika wie der Typ „locally integrated support network“ von Wenger bzw. der Typ „diffuse-ties network“ von Litwin & Landau auf. Alle drei Typen dieser verschiedenen Typologien zeigen in Hinblick auf das Beanspruchungserleben die günstigsten Werte. Interessanterweise konnten sowohl im Rahmen der eigenen Erhebung als auch bei der Entwicklung der Vergleichstypologien stets die meisten Fälle diesem gesundheitsförderlichen Netzwerktyp zugeordnet werden. Fiori et al. (2006) begründen die besonders gesundheitsförderliche Wirkung eines vielfältigen sozialen Netzwerkes damit, dass ein Individuum darin mit Personen, die unterschiedliche Rollen in diesem sozialen Netzwerk einnehmen, interagiert, was die soziale Integration fördert und damit sowohl direkt – in Form der Reduktion sozialer Isolation – als auch indirekt – in Form sozialer Unterstützung – das psychische Wohlbefinden steigert. Eine Divergenz zwischen der entwickelten Schulleitertypologie und bestehenden sozialen Netzwerktypen innerhalb der älteren Bevölkerung in verschiedenen Regionen ergibt sich allerdings darin, dass gemäß ersterer nicht unbedingt das kleinste soziale Netzwerk den stärksten negativen Einfluss auf das Wohlbefinden hat. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass sich das soziale Netzwerk von Volksschuldirektor/innen am Arbeitsplatz Schule im Gegensatz zu jenem von älteren Personen im privaten Umfeld durch viele unfreiwillig eingegangene soziale Beziehungen auszeichnet, die ein größeres Belastungspotenzial aufweisen. Generell zeigt ein Vergleich der in der Forschung existierenden Typen von sozialen Netzwerken mit den eigenen Typen jedoch, dass sich Muster in Hinblick auf soziale Netzwerke und die gesundheitliche Wirkung dieser in verschiedenen Kontexten und bei verschiedenen Personengruppen ähnlich gestalten. Neben dem Vergleich der im Rahmen der vorliegenden Arbeit gebildeten Typen mit anderen sozialen Netzwerktypen erweist sich auch eine Gegenüberstellung

5.5 Einordnung der Ergebnisse in die bisherige Forschung

493

dieser mit entdeckten Mustern von Lehrkräften in Hinblick auf das Erleben von Belastungen als sinnvoll. Eine Typologie zum Belastungs-Beanspruchungserleben von Lehrkräften entwickelte Schaarschmidt (2004). Er identifizierte vier Muster arbeitsbezogenen Verhaltens und Erlebens von Lehrer/innen in Deutschland, die überblicksmäßig bereits in Kapitel 4.1.1 beschrieben wurden. Diese stellen persönliche Merkmale und Handlungsmuster von Lehrer/innen als bestimmende Faktoren für das individuelle Beanspruchungserleben in den Mittelpunkt der Betrachtung. Merkmale des Musters G wie ein starkes, allerdings nicht exzessives berufliches Engagement, eine gesunde Abgrenzungsfähigkeit, eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen sowie positive Emotionen weisen vor allem die gut vernetzten Schuldirektor/innen auf. Einzelkämpfer/innen zeichnen sich verstärkt durch Charakteristika des Musters S aus. Sie haben zwar eine hohe Lebenszufriedenheit, allerdings lässt sich diese verstärkt im privaten und weniger im beruflichen Bereich begründen. Die Beschützer/innen und die Überforderten zeichnen sich zum Teil durch Eigenschaften der Risikomuster A und B aus. Jene des Musters A zeigen noch ein überhöhtes Arbeitsengagement bei gleichzeitig niedriger Distanzierungsfähigkeit. Muster B zeichnet sich durch ähnliche Charakteristika wie Muster A aus, allerdings erleben Lehrkräfte dieses Typs bereits Gefühle von Resignation. Aufgrund mangelnder Regenerationsmöglichkeiten verfügen zweitgenannte über eine lediglich geringe Widerstandsfähigkeit. Generell ist aufgrund der recht guten Zuordenbarkeit der eigens entwickelten Typen zu den AVEM-Mustern davon auszugehen, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale mit dem Erleben von mit dem sozialen Netzwerk verbundenen Belastungen und Ressourcen in Beziehung stehen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Auseinandersetzung der gebildeten Schulleitertypen – auch wenn eine Typologie zum psychosozialen BelastungsRessourcen-Beanspruchungserleben von Schuldirektor/innen in dieser Form bislang nicht existierte – sinnvoll ist, um bestimmte Merkmale einzelner Typen verstehen und in einem breiteren Kontext interpretieren zu können. In Kapitel 6.3 wird basierend auf den in diesem Abschnitt vorgenommenen Interpretationen der empirischen Ergebnisse vor dem Hintergrund bisheriger Forschungsaktivitäten, ein Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf in Form von daraus abgeleiteten Forschungsfragen und Hypothesen gegeben.

6

Schlussfolgerungen

In diesem abschließenden Kapitel der Arbeit sollen die zentralen Ergebnisse der Forschungsarbeit zusammenfassend dargestellt werden. Da jedes der vorangegangenen Hauptkapitel stets mit einer Zusammenfassung abschließt, in der Arbeit zwischendurch immer wieder Resümees enthalten sind und auch die empirisch gewonnenen Erkenntnisse bereits in die bisherige Forschung eingeordnet wurden (s. Kapitel 5.5), liegt der Fokus auf einer zusammenfassenden Beantwortung der in Kapitel 1.2 definierten Forschungsfragen. Neben einer Gegenüberstellung der Forschungsfragen mit den erlangten Erkenntnissen (s. Kapitel 6.1) erfolgt in diesem Kapitel auch eine kritische Reflexion der Ergebnisse, in der unter anderem Bezug auf methodische Einschränkungen der Arbeit genommen wird (s. Kapitel 6.2). Des Weiteren wird in diesem Kapitel aufgezeigt, welche Bedeutung die Ergebnisse der Arbeit für die weitere Forschung (s. Kapitel 6.3) und die Praxis der Schulleiterarbeit bzw. die Schulpolitik (s. Kapitel 6.4) haben. 6.1 Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfragen Die vorliegende Forschungsarbeit verfolgte sowohl feldspezifische als auch theoretische und methodologische bzw. methodische Ziele. Aus feldspezifischer Sicht stand – anders als in der „traditionellen“ Lehrergesundheitsforschung – die bislang in Studien häufig vernachlässigte Gruppe der Schulleiter/innen als „Gestalter“ wesentlicher schulspezifischer Rahmenbedingungen im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei interessierte vor dem Hintergrund des derzeitigen Wandels der Schulleiterrolle sowie aktueller Entwicklungen im Schulsystem das Belastungs-RessourcenBeanspruchungserleben dieser Berufsgruppe. Das Zusammenspiel der drei Komponenten war deswegen von Interesse, da die bisherige Forschungslage zur Schulleitergesundheit (s. Kapitel 4.2) eine große Bandbreite an Zahlen – insbesondere was das Ausmaß des Erlebens von Belastungen und Beanspruchungen betrifft – liefert. Da laut bisheriger Studienerkenntnisse Schulleitungen sehr viele Belastungen und Ressourcen erleben, die aus sozialen Beziehungen zu einzelnen Akteur/innen im schulischen Umfeld heraus entstehen, fand auf theoretischer Seite eine © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 B. Szabo, Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27208-1_6

496

6 Schlussfolgerungen

Verknüpfung des Bezugsfeldes „Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit aus soziologischer Sicht“ mit jenem des „Konzeptes des sozialen Netzwerkes und dessen Gesundheitsrelevanz“ (s. Kapitel 3) statt. Die vorliegende Arbeit sollte am Beispiel von Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs die beiden Theoriefelder um Erkenntnisse zum Zusammenspiel von Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen einerseits und um solche zur Wirkweise des sozialen Netzwerkes auf die Gesundheit andererseits bereichern. Methodisch ging die Autorin der vorliegenden Arbeit aus dem Blickwinkel der traditionellen sozialen Netzwerkforschung und -analyse einen nicht herkömmlichen Weg. So wurden mit 20 Volksschuldirektor/innen triangulative soziale Netzwerkanalysen durchgeführt, die sich durch den kombinierten Einsatz von problemzentrierten Interviews, Kurzfragebögen und Netzwerkkarten auszeichneten. Dies sollte dem in der sozialen Netzwerkforschung immer bedeutsamer werdenden Ansatz, wonach sich soziale Strukturen und Individuen wechselseitig beeinflussen, gerecht werden. Damit sollte es gelingen, sowohl die sozialen Kontexte des täglichen Handelns der Volksschulleiter/innen als auch deren Handlungsmotive, Relevanzsetzungen und Erwartungen im Kontext ihres sozialen Netzwerkes sowie einzelner sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz zu rekonstruieren. Bevor der Versuch unternommen wird, die übergeordnete Hauptforschungsfrage der vorliegenden Forschungsarbeit zu beantworten, werden zunächst die dazu spezifischer formulierten Unterfragen näher betrachtet. Die erste Unterfrage der vorliegenden Arbeit lautete: Wie erleben Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs ihr eigenes soziales Netzwerk am Arbeitsplatz Schule? Zunächst galt es im Sinne der Beantwortung dieser Frage, den Begriff des sozialen Netzwerkes näher zu bestimmen. Der Kern verschiedenster Definitionen des sozialen Netzwerkes liegt darin, dass es sich dabei um ein Gesamtgeflecht sozialer Beziehungen handelt (s. Kapitel 3.1.1). Betrachtet man das soziale Netzwerk aus der Perspektive einer bestimmten Person, in diesem Fall der Perspektive des/der einzelnen Volksschuldirektors/in, so spricht man in der Netzwerkforschung bzw. Netzwerkanalyse von ego-zentrierten sozialen Netzwerken (s. Kapitel 5.1.3.1). Konkret standen in der Arbeit ego-zentrierte soziale Netzwerke von Volksschuldirektor/innen im zum Teil abgegrenzten Setting „schulisches Umfeld“ im Mittelpunkt der Betrachtung. Das soziale Netzwerk von Volksschuldirektor/innen im schulischen Arbeitsumfeld erstreckt sich unter Betrachtung des theoretischen Rasters der Arbeit

6.1 Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfragen

497

(s. Kapitel 5.2.1) sowie der Ausführungen in Kapitel 2 über eine Meso- und Makroebene, wobei die Mesoebene das unmittelbare schulische Setting, in dem Schüler/innen, Lehrkräfte, Erziehungsberechtigte und nichtunterrichtendes Personal agieren, betrifft. Auf der Makroebene – außerhalb der einzelnen Schule – befinden sich Akteur/innen wie die Schulaufsicht, der Schulerhalter, Volksschulleiterkolleg/innen sowie Kooperationspartner/innen, mit denen Volksschulleitungen ebenfalls – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – Kontakt haben. Bei der Auswertung zeigte sich, dass eine differenzierte Betrachtung dieser beiden Ebenen bei der Ermittlung der gesundheitlichen Relevanz des sozialen Netzwerkes von Volksschuldirektor/innen von Bedeutung ist. Entscheidungen und Handlungen auf Makro- (z.B. gesetzliche Vorgaben) und Mesoebene (z.B. Schulgröße, Sozialklima, Handeln einzelner Personengruppen) sowie Erwartungen einzelner Personen auf diesen beiden Ebenen an die Schulleitung beeinflussen auf der Mikroebene das Arbeitserleben des/der einzelnen Volksschuldirektors/in. Umgekehrt gestaltet aber auch die individuelle Volksschulleitung abhängig von deren Wahrnehmung der Schulleiterrolle soziale Strukturen mit. Zudem hat sie – in Abhängigkeit der Ausgestaltung der sozialen Beziehungen – Einfluss auf das Agieren von Akteur/innen innerhalb und außerhalb der Schule. Die Ergebnisse der 20 durchgeführten triangulativen sozialen Netzwerkanalysen zeigen, dass einzelne Volksschuldirektor/innen das Handeln verschiedener Akteur/innen auf Meso- und Makroebene und deren Auswirkungen auf die eigene Schulleitertätigkeit sowie in weiterer Folge das individuelle Beanspruchungserleben sehr unterschiedlich bewerten. So empfinden etwa einige die umfassenden Reformbemühungen in Richtung Schulautonomie auf Makroebene als belastend, da diese mit einem individuell wahrgenommenen höheren Arbeitspensum einhergehen, während andere diese als Ressource im Arbeitsalltag, z.B. im Sinne der Legitimation des eigenen Schulleitungshandelns, wahrnehmen. In Hinblick auf die Mesoebene sprachen in den Interviews einige von einem optimalen Sozialklima innerhalb der Schule, während andere von einem „schwankenden Sozialklima mit einzelnen Unruhestiftern“ berichteten. Auch die eigene Rolle als Schulleitung innerhalb des sozialen Netzwerkes wird – häufig, aber nicht nur in Abhängigkeit der Schulgröße – sehr unterschiedlich wahrgenommen. So sehen sich einige als „Lehrkraft mit Zusatzaufgaben“ oder „Multifunktionswesen“, während sich andere als „pädagogische Unternehmer/innen“ oder „Initiator/innen von Schulentwicklungsprozessen“ verstehen. Zur Beschreibung eines ego-zentrierten sozialen Netzwerkes bietet die Netzwerkanalyse eine Sammlung an verschiedenen Kennzahlen. Einerseits handelt es sich dabei um eher strukturelle Parameter (z.B. Größe, Stabilität, eigene Position), andererseits um funktionale Aspekte (z.B. Zufriedenheit).

498

6 Schlussfolgerungen

Volksschulleiter/innen nehmen im schulischen Arbeitsumfeld generell eine zentrale Position ein. Sie fungieren aus der Perspektive der „structural hole“-Theorie von Burt (s. Kapitel 3.1.3) häufig als „broker“ bzw. Vermittler/innen, einerseits zwischen verschiedenen Personen innerhalb der Schule (z.B. Lehrkräfte und Erziehungsberechtigte), andererseits aber auch zwischen Personen innerhalb (z.B. Lehrkräfte) und außerhalb (z.B. Schulaufsicht) des Schulsettings. Die Größe des (gesundheitsrelevanten) sozialen Netzwerkes von Volksschuldirektor/innen im Arbeitsumfeld hängt zum einen von der Größe der Schule, abgebildet durch die Schülerzahl, zum anderen von der individuell wahrgenommenen gesundheitlichen Bedeutung des sozialen Netzwerkes ab. So reichte die Zahl der genannten gesundheitsrelevanten Netzwerkakteur/innen bzw. Akteursgruppen bei den befragten Volksschulleitungen von sieben bis 21. Auch in Hinblick auf die Stabilität des sozialen Netzwerkes an der Schule zeigten sich Differenzen zwischen den Aussagen der befragten Schulleitungen. Während der überwiegende Teil von einem recht stabilen sozialen Netzwerk – unter Ausklammerung des systembedingten Ein- und Austretens von Schüler/innen und Erziehungsberechtigten alle vier Jahre – sprach, meinten einzelne, vor allem Direktor/innen an sehr kleinen Schulen, dass Mitglieder – auch Lehrerkolleg/innen – immer wieder wechseln und man sich im Arbeitsumfeld stets auf neue Individuen einstellen muss. Im Zuge einer qualitativen Bewertung des eigenen sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule gab die Mehrheit der Befragten an, damit im Großen und Ganzen zufrieden zu sein. Nicht zu vernachlässigen ist dabei jedoch die Tatsache, dass die eigene Zufriedenheit mit dem sozialen Netzwerk in Abhängigkeit des Handelns einzelner Akteur/innen auf Meso- und Makroebene stets variieren kann. Als ein besonders interessanter und für das individuelle Beanspruchungserleben relevanter Aspekt in Hinblick auf das Erleben des sozialen Netzwerkes erwies sich die Wahrnehmung individueller Gestaltungsspielräume. So fühlen sich einige Volksschulleiter/innen ihrem sozialen Netzwerk im Arbeitsumfeld ausgeliefert, während andere eigene Handlungsmöglichkeiten – vor allem was den Ausbau von Beziehungen außerhalb der einzelnen Schule betrifft – erkennen und nutzen. Es erscheint naheliegend, dass sowohl strukturelle als auch funktionale Merkmale sozialer Netzwerke von Volksschulleiter/innen sowohl belastend als auch ressourcenstärkend wahrgenommen werden können. Dementsprechend lautete die zweite Unterfrage der Forschungsarbeit:

6.1 Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfragen

499

Welche strukturellen und funktionalen Aspekte des eigenen sozialen Netzwerkes nehmen Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs als belastend, welche als ressourcenstärkend wahr? Für die Beantwortung dieser Forschungsfrage waren nicht nur die bereits angeführten strukturellen und funktionalen Merkmale der gesamten sozialen Netzwerkstruktur relevant, sondern auch die Eigenschaften der einzelnen sozialen Beziehungen zu Akteur/innen (z.B. Stärke, Symmetrie, Multiplexität, Reziprozität als qualitative und Häufigkeit sowie Dauer als quantitative Merkmale) (s. Kapitel 5.1.3.1). In den Arbeitswissenschaften werden unter Belastungen alle von außen auf den Menschen einwirkenden Faktoren bezeichnet, die potenziell zu (negativen) Beanspruchungen führen können. Belastungen, die einen sozialen Ursprung haben und psychisch auf den Menschen einwirken, standen im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Sie werden als psychosoziale Belastungen bezeichnet. Ressourcen sind im Gegensatz dazu Schutzfaktoren, die beim Umgang mit Belastungen helfen können und potenziell gesundheitsfördernd sind. Jene Ressourcen, die aus dem sozialen Netzwerk heraus generiert werden können, werden als (psycho)soziale Ressourcen bezeichnet (s. Kapitel 3.2.1.2). Psychosoziale Belastungen und Ressourcen als spezielle Arten von Belastungen und Ressourcen am Arbeitsplatz haben besonders in Berufen, die sich durch vielfältige soziale Interaktionen im Arbeitsalltag auszeichnen und wozu auch Schulleitungen zählen, hohe Bedeutung. Während die bisherige Forschung umfassende Evidenz zur positiven gesundheitlichen Wirkung qualitativer Aspekte sozialer Netzwerke bzw. sozialer Beziehungen (z.B. in Form von sozialer Unterstützung oder Sozialkapital) liefert, gibt es deutlich weniger Untersuchungen zum gesundheitsschädlichen Einfluss einzelner Inhalte, die mit diesen in Verbindung gebracht werden (z.B. Konflikte, Mobbing). Das Ignorieren der „Kehrseite der Medaille“ kann vor allem deswegen als dramatisch bezeichnet werden, da die wenigen Studien, in denen auch Belastungen im Kontext sozialer Netzwerke und sozialer Beziehungen untersucht werden, darauf hindeuten, dass sich Belastungen stärker auf die Gesundheit auswirken als Ressourcen. Was die Bedeutung struktureller Merkmale sozialer Netzwerke für die Gesundheit von Individuen betrifft, so zeichnete sich bislang eine große Forschungslücke ab. Dieser Forschungsmangel kann vor allem deswegen als kritisch betrachtet werden, da die Struktur des sozialen Netzwerkes – auch wenn sie zu einem gewissen Teil von Individuen mitgestaltet werden kann – den Rahmen für das (Nicht-)Vorhandensein einzelner Funktionen desselben bildet. In Hinblick auf strukturelle Merkmale des sozialen Netzwerkes ergab die eigene empirische Erhebung, dass für einige der befragten Volksschulleiter/innen

500

6 Schlussfolgerungen

vor allem die Netzwerkgröße von Gesundheitsrelevanz ist. Diesbezüglich zeigten sich allerdings sehr unterschiedliche Ausführungen der Interviewpartner/innen. Geschlussfolgert werden kann, dass – wie Laireiter & Lettner bereits 1993 postulierten – sowohl ein zu großes als auch ein zu kleines soziales Netzwerk belastend, aber auch ressourcenstärkend wirken kann. So ist etwa ein eher kleines soziales Netzwerk an Kleinstschulen mit einem Mangel an speziellen Ressourcen (z.B. sozialer Unterstützung durch Lehrerkolleg/innen) verbunden und kann damit belastend wirken. Gleichzeitig kann das aufgrund der geringen Größe besonders familiäre Klima innerhalb der Schulgemeinschaft soziale Integration und das Zugehörigkeitsgefühl der Schulleitung begünstigen und damit eine Ressource sein. Ein größeres soziales Netzwerk im schulischen Umfeld hingegen, in dem sich vor allem Direktor/innen an Schulen mit einer höheren Schülerzahl wiederfinden, kann aufgrund der größeren Akteurszahl einerseits das Auftreten belastender Situationen wie jenes von Konflikten begünstigen, andererseits birgt es quantitativ betrachtet aber auch ein größeres Potenzial an Ressourcen wie sozialen Unterstützungsleistungen. Die Dauer der einzelnen sozialen Beziehungen als quantitatives Merkmal auf Beziehungsebene scheint nur vereinzelt bedeutsam für deren gesundheitliche Wirkstärke zu sein. In Hinblick auf die Häufigkeit sozialer Interaktionen zeigten die Aussagen der Befragten, dass oft das „Zuviel“ an sozialem Kontakt in Form von sozialen Veranstaltungen; immer wiederkehrenden Gesprächen mit verschiedenen Personen, die zu keiner gemeinsamen Lösung führen und ständig notwendige Überzeugungsarbeit belastend wirkt. Einige bemängeln allerdings auch das „Zuwenig“ an sozialem Kontakt, vor allem in Form eines geringen Interesses des Schulerhalters an der Schule. Generell ist in Hinblick auf (weitere) quantitative Aspekte des sozialen Netzwerkes und einzelner sozialer Beziehungen darauf hinzuweisen, dass die befragten Volksschuldirektor/innen selbst oft nicht beurteilen konnten, inwieweit diese belastend oder aber ressourcenstärkend sind. Die Interviewaussagen deuten darauf hin, dass eine „zweischneidige“ Wirkung jeglicher Merkmalsausprägung möglich ist. Im Gegensatz zu quantitativen Merkmalen des sozialen Netzwerkes sowie einzelner sozialer Beziehungen thematisierten die befragten Volksschuldirektor/innen qualitative Merkmale, die als belastend oder aber ressourcenstärkend erlebt werden, sehr umfassend. Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass die meisten im sozialen Netzwerk befindlichen sozialen Beziehungen aus Sicht der Volksschulleitungen reziprok sind, was sich grundsätzlich positiv auf das eigene Wohlbefinden auswirkt. Daneben zeichnen sich insbesondere soziale Beziehungen zu jenen Akteur/innen, mit denen besonders häufig interagiert wird (z.B. Lehrerkolleg/innen), durch

6.1 Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfragen

501

deren Multiplexität aus. Sie erfüllen verschiedene Funktionen, die großteils ebenfalls als gesundheitsfördernd erlebt werden. Was die Intensität einzelner sozialer Beziehungen betrifft, so dürfte – insbesondere wie die gebildete Typologie zeigt (s. Kapitel 5.4.5) – im Allgemeinen vor allem eine freundschaftliche soziale Beziehung zu Personen innerhalb der Schule, die gleichzeitig eine ausreichende Distanz aufweisen, gesundheitsförderlich sein. Soziale Beziehungen zu Personen außerhalb der Schule, die sich durch kein Abhängigkeitsverhältnis auszeichnen, dürften auch dann, wenn sie besonders intensiv sind („Freundschaften“), positiv auf das Wohlbefinden der Schulleitung wirken. Am häufigsten wurden sozialer Rückhalt, soziale Unterstützung jeglicher Art und soziale Anerkennung und Wertschätzung durch verschiedenste Personen als Ressourcen, die aus dem sozialen Netzwerk heraus entstehen, genannt. Darüber hinaus gewähren aus Sicht der Befragten „gute“ soziale Beziehungen im eigenen sozialen Netzwerk Zugang zu weiteren Ressourcen z.B. materieller Art. Ebenfalls als psychosoziale Ressourcen empfinden Volksschuldirektor/innen folgende Aspekte des sozialen Netzwerkes bzw. einzelner sozialer Beziehungen: Bestätigung des eigenen Tuns, Geselligkeit, konstruktives Feedback, Lob, Loyalität, ständige Erreichbarkeit anderer, Verständnis, Vertrauen, Zusammenarbeit, Zusammengehörigkeitsgefühl. Im Gegensatz zu psychosozialen Ressourcen sind Konflikte mit verschiedenen Personengruppen, Gedanken wegen einzelnen und Sorgen um einzelne Individuen im sozialen Netzwerk, mangelnde soziale Anerkennung und Wertschätzung sowie fehlende soziale Unterstützung die am häufigsten erlebten psychosozialen Belastungen von Volksschulleitungen. Darüber hinaus wird auch vereinzelt die Ausgestaltung der sozialen Beziehungen zwischen einzelnen Alteri untereinander als belastend wahrgenommen. Dies betrifft etwa Konflikte zwischen diesen, in welche die Schulleitung hineingerät; aber auch ein individuell empfundenes Ausgrenzen der Schulleitung vonseiten dieser Akteur/innen. Weitere Aspekte des sozialen Netzwerkes, die von den befragten Volksschuldirektor/innen in unterschiedlichem Ausmaß als belastend erlebt werden, sind Beschwerden und Kritik, fehlendes Vertrauen, Forderungen, „Geärgert werden“, ineffiziente Kommunikation, Intrigen, Konkurrenzdenken, Leistungsdruck und hohe Erwartungshaltung, mangelnde Kooperationsbereitschaft, mangelnder sozialer Rückhalt, Uneinsicht anderer sowie die Verbreitung schlechter Stimmung. Was die Häufigkeit des Auftretens von Belastungen und Ressourcen im Kontext des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule betrifft, so zeigten die Ergebnisse der triangulativen sozialen Netzwerkanalysen, dass erstere zwar seltener und eher kurzfristig auftreten, allerdings oft eine stärkere (negative) gesundheitliche Wirkung entfalten. Die meisten psychosozialen Ressourcen werden von den befragten Volksschuldirektor/innen eher langfristig erlebt, wobei sich viele der

502

6 Schlussfolgerungen

positiven Wirkung dieser auf die eigene Gesundheit im täglichen Alltag allerdings nicht bewusst sind. Zahlreiche Theorien und Modelle in den Arbeitswissenschaften (s. Kapitel 3.2.1.2 und 3.2.2) sowie soziologische Gesundheitsmodelle wie jene von Aaron Antonovsky und Klaus Hurrelmann (s. Kapitel 3.2.1.1) gehen davon aus, dass Belastungen und Ressourcen bzw. Risiko- und Schutzfaktoren zusammenwirken und deren Zusammenspiel zu einem bestimmten Beanspruchungs- bzw. Gesundheitserleben führt. Überwiegen Belastungen, so begünstigt dies negative Beanspruchungen und einen schlechten Gesundheitszustand. Liegen hingegen ausreichend Ressourcen zur Bewältigung der Belastungen vor, so geht dies für gewöhnlich mit positiven Beanspruchungsformen und einem guten Gesundheitszustand einher. Dieses Grundverständnis spielte in Hinblick auf die Beantwortung der dritten Unterfrage der Forschungsarbeit eine wichtige Rolle, welche wie folgt lautete: Wie lassen sich die konkreten Wirkweisen des sozialen Netzwerkes von Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs auf deren Beanspruchungserleben beschreiben? Für die Beantwortung dieser Forschungsfrage war es zunächst entscheidend zu analysieren, inwiefern die bereits erläuterten Belastungen und Ressourcen, die Volksschuldirektor/innen im Kontext ihres sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz erleben, zusammenspielen. Im Sinne individueller Relevanzsetzungen der Befragten wurde im Zuge der eigenen Erhebung keine Eingrenzung des Spektrums an Beanspruchungen vorgenommen. Der Fokus, der sich im Zuge der Gespräche abzeichnete, lag allerdings auf dem subjektiv wahrgenommenen Gesundheitszustand bzw. dem subjektiven (psychischen) Wohlbefinden (s. Kapitel 3.2.1.1) sowie kurz- und langfristigen negativen psychischen Beanspruchungsformen (s. Kapitel 3.2.1.2). Die befragten Volksschuldirektor/innen brachten mit ihrem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz vor allem Wohlbefinden und Arbeitszufriedenheit als positive; Stresserleben, kurzfristige Gefühle der Erschöpfung und kurzfristige psychosomatische Beschwerden wie erhöhten Puls als kurzfristige negative sowie Burnout, dauerhafte Erschöpfungszustände und psychosomatische Erscheinungen wie MagenDarm-Probleme als langfristige negative Beanspruchungsfolgen in Verbindung. Generell zeigte sich allerdings – wie auch die Analyse bisheriger Studien zur Schulleitergesundheit (s. Kapitel 4.2) ergab – eine große Bandbreite an Beanspruchungen, die sich mit dem unterschiedlichen Auftreten und Wahrnehmen verschiedener Belastungen und Ressourcen durch die einzelne Volksschulleitung erklären lässt.

6.1 Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfragen

503

Obwohl die befragten Volksschuldirektor/innen angaben, dass bestimmte Aspekte des sozialen Netzwerkes bzw. einzelne soziale Situationen belastend wirken können, ist der Großteil der Ansicht, dass ein längerfristiges negatives Beanspruchungserleben nur dann eintritt, wenn gleichzeitig weitere Belastungsarten (z.B. private Probleme) wahrgenommen werden. Psychosoziale Belastungen können damit als „Mitverursacher“ gesundheitlicher Beeinträchtigungen bezeichnet werden. Betrachtet man im Speziellen die (gemeinsame) Wirkung psychosozialer Belastungen und Ressourcen auf die Gesundheit und das Beanspruchungserleben von Individuen, so lagen in der bisherigen Forschung vorwiegend Übersichtsmodelle vor (s. Kapitel 3.1.4.6), die im Sinne eines Rasters zwar die Einordnung von Forschungserkenntnissen ermöglichen, jedoch keinerlei Auskunft über die tatsächlichen Wirkweisen und Wirkungszusammenhänge geben. Konkrete Wirkweisen sozialer Netzwerke auf die Gesundheit werden zumeist mithilfe des „Modells direkter Effekte“, des „Puffermodells“ sowie des „Präventionsmodells“ versucht zu erklären. Zwar legen die drei Modelle den Fokus auf die gesundheitliche Wirkung sozialer Unterstützung im Speziellen, allerdings sind sie auch auf jegliches Zusammenwirken psychosozialer Belastungen und Ressourcen übertragbar (vgl. Lincoln, 2000). Die Ergebnisse der triangulativen sozialen Netzwerkanalysen zeigten, dass das „Modell direkter Effekte“ bei allen befragten Volksschuldirektor/innen – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – zur Geltung kommt. So berichteten diese über positive Wirkungen psychosozialer Ressourcen und davon unabhängigen gleichzeitigen negativen Wirkungen psychosozialer Belastungen. Was die psychosozialen Ressourcen betrifft, so ist festzuhalten, dass es beim „Modell direkter Effekte“ um das subjektive Gefühl der Volksschulleitung geht, bestimmte Ressourcen zur Verfügung zu haben, sobald Belastungen auftreten (z.B. individuell wahrgenommene soziale Unterstützung, sozialer Rückhalt). Betrachtet man das „Puffermodell“, so deuteten die eigenen empirischen Ergebnisse darauf hin, dass der Puffereffekt – wonach positive soziale Interaktionen im Sinne von Ressourcen den Einfluss negativer sozialer Interaktionen in Form von Belastungen auf die Gesundheit „abfedern“ können – nur dann zur Geltung kommt, wenn der/die Volksschuldirektor/in persönliche Kompetenzen aufweist, um psychosoziale Ressourcen adäquat im Umgang mit psychosozialen Belastungen einzusetzen. Beim „Puffermodell“ steht – im Gegensatz zum „Modell direkter Effekte“ – das tatsächliche Vorhandensein und Nutzen sozialer Ressourcen, z.B. in Form von erhaltener sozialer Unterstützung, im Mittelpunkt. Auch das „Präventionsmodell“, das besagt, dass ein umfassender sozialer Ressourcenpool vor dem Auftreten von Belastungen schützt, tritt nur bei jenen Schulleitungen in Kraft, die aktiv Ressourcenaufbau in Form des Ausbaus und der

504

6 Schlussfolgerungen

Pflege sozialer Beziehungen im schulischen Umfeld betreiben. Bei diesen Schuldirektor/innen wirkt die Einbindung in ein soziales Netzwerk – z.B. in eine Gemeinschaft bestehend aus mehreren Volksschuldirektor/innen – als eine Art „Schutzschild“ – z.B. in Form von rechtzeitigem Informationsaustausch – vor dem Auftreten von Belastungssituationen. Folgende konkrete Wirkungszusammenhänge zwischen psychosozialen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen konnten im Sinne des „Puffermodells“ und des „Präventionsmodells“ im Zuge der eigenen empirischen Erhebung identifiziert werden: 1.

2.

3.

4.

Fachlicher Rat vonseiten des/der direkten Vorgesetzten, der Lehrerkolleg/innen und der Schulleiterkolleg/innen hilft beim Umgang mit schwierigen sozialen Situationen mit anderen Akteur/innen (z.B. Beschwerden von Erziehungsberechtigten der Schüler/innen, Konflikte mit bzw. zwischen Schüler/innen) und kann negative Beanspruchungen „abpuffern“. Emotionale soziale Unterstützung von Lehrerkolleg/innen oder Schulleiterkolleg/innen und das Reden über schwierige berufliche Situationen sind hilfreich beim Umgang mit psychosozialen Belastungen, insbesondere Konflikten, und können das Stresserleben reduzieren. Sozialer Rückhalt und soziale Unterstützung einzelner in der Schule agierender Personen(gruppen) können in Form von stabilen sozialen Ressourcen kurzfristige psychosoziale Belastungen wie den Druck von Akteur/innen außerhalb der Schule „abfedern“. Informative soziale Unterstützung einzelner Akteur/innen kann negativen Beanspruchungen aufgrund eines Vorenthaltens von für die Schulleitung wichtigen Informationen vonseiten anderer Akteur/innen vorbeugen.

Psychosoziale Ressourcen können – wie die Aufzählungen zeigen – nur dann psychosoziale Belastungen „abpuffern“ oder präventiv auf diese einwirken, wenn erstgenannte sich als „passend“ für den Umgang mit den zweitgenannten erweisen. Häufig wird die Wirkung der sozialen Beziehung zu einzelnen Akteur/innen von den befragten Volksschuldirektor/innen als ambivalent erlebt. So kann eine soziale Beziehung situationsbedingt einmal einen positiven, ein andermal einen negativen Einfluss auf das eigene Wohlbefinden haben. Je nachdem, in welchem Ausmaß einzelne Akteur/innen situativ eine positive bzw. negative Wirkung auf die Schulleitung entfalten, wirkt auch das soziale Netzwerk im Gesamten dementsprechend situativ eher positiv oder negativ auf das Wohlbefinden der Schulleitung ein. Daher ist zu schlussfolgern, dass das psychosoziale Belastungs-

6.1 Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfragen

505

Ressourcen-Beanspruchungserleben und damit auch die Wirkung des sozialen Netzwerkes auf die Gesundheit von Volksschuldirektor/innen sehr situationsabhängig ist. Der Großteil der befragten Volksschuldirektor/innen nimmt eine Balance von Belastungen und Ressourcen im Allgemeinen wahr. Einige erleben hin und wieder „Notsituationen“ (z.B. „Krankenstandswelle“), in denen die Ressourcen nicht ausreichen, um mit Belastungen der täglichen Arbeit umzugehen. Einige waren zum Zeitpunkt des Interviews der Meinung, dass die Ressourcen derzeit oder zumindest nicht immer ausreichen, um mit Belastungen umzugehen. Die Interviewaussagen zeigen, dass – vor allem was das Zusammenspiel von Belastungen und Ressourcen, die dem sozialen Netzwerk entspringen, betrifft – sowohl die eigene Persönlichkeit als auch die jeweilige Arbeitssituation – die von der Makro- und Mesoebene (s. Kapitel 5.2.1) geprägt wird – Einfluss darauf haben. Die Stärke der Wirkung einzelner positiver und negativer sozialer Interaktionen auf das eigene Wohlbefinden hängt wiederum von der individuellen Wahrnehmung und den Relevanzsetzungen der Betroffenen ab. Daneben hat das Ausmaß anderer, nicht direkt mit dem sozialen Netzwerk in Zusammenhang stehender Belastungen einen Einfluss auf die Wirkstärke. So ließ sich z.B. beobachten, dass eine hohe Vulnerabilität der Schulleitung, die sich z.B. durch Probleme im Privatbereich ergibt, die negative Wirkung psychosozialer Belastungen am Arbeitsplatz auf das individuelle Beanspruchungserleben verstärkt. Aus der Beantwortung der drei bisherigen Forschungsfragen sollte bereits deutlich geworden sein, dass einzelne Volksschuldirektor/innen psychosoziale Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz unterschiedlich erleben. Dementsprechend lautete die vierte Unterfrage der vorliegenden Arbeit: Welche Muster in Hinblick auf das Zusammenspiel von psychosozialen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen lassen sich bei Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs identifizieren? Die Antwort auf diese Frage lieferte die im Rahmen der Auswertung entwickelte Typologie (s. Kapitel 5.4.5). Dieser zufolge unterscheiden sich Volksschulleiter/innen in Hinblick auf das Erleben psychosozialer Belastungen und Ressourcen zunächst dahingehend, 

ob sie eine Balance oder Disbalance von psychosozialen Belastungen und Ressourcen im Kontext der Zusammenarbeit mit Personen innerhalb der Schule (= Merkmal 1) und

506 

6 Schlussfolgerungen ob sie eine Balance oder Disbalance von psychosozialen Belastungen und Ressourcen im Kontext der Zusammenarbeit mit Personen außerhalb der Schule (= Merkmal 2)

wahrnehmen. Eng mit der Ausprägungsform dieser beiden Merkmale verbunden sind weitere Aspekte des Arbeitserlebens auf Mikro- bzw. bestimmter Rahmenbedingungen auf Meso- und Makroebene. Zudem bestimmt die individuelle Bedeutung des sozialen Netzwerkes für das eigene Wohlbefinden die Wahrnehmung psychosozialer Belastungen und Ressourcen. Die Konstellation des Auftretens verschiedener Faktoren geht mit einem bestimmten Beanspruchungserleben einher. Die folgende Tabelle fasst die wesentlichen Charakteristika der gebildeten Typen zusammen. Tabelle 30: Überblick über die gebildeten Typen, Quelle: Eigene Erstellung

Merkmal BelastungsRessourcenBalance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen innerhalb der einzelnen Schule BelastungsRessourcenBalance in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Personen außerhalb der einzelnen Schule

Der/die gut Vernetzte Balance

Balance

Balance

Der/die Überforderte Disbalance

Der/die Einzelkämpfer/in keine Einordenbarkeit in den Merkmalsraum

Disbalance

Disbalance

keine Einordenbarkeit in den Merkmalsraum

Der/die Beschützer/in

6.1 Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfragen

507

Die konstruierte Typologie weist Parallelen zum Konzept der „strong and weak ties“ von Granovetter (s. Kapitel 3.1.1.1) auf. Den empirischen Ergebnissen zufolge gehen vor allem 



günstige „strong ties“, im Sinne von sozialen Beziehungen zu Personen innerhalb der Schule, die sich trotz der „Stärke“ durch eine gewisse Distanz auszeichnen und aus denen psychosoziale Ressourcen geschöpft werden können, in Kombination mit ausreichend „weak ties“, im Sinne von sozialen Beziehungen zu Personen außerhalb der Schule, aus denen ebenso psychosoziale Ressourcen generiert werden können,

mit einem umfassenden Wohlbefinden von Volksschulleitungen am Arbeitsplatz Schule einher. Generell ist dabei darauf hinzuweisen, dass die sozialen Beziehungen innerhalb und außerhalb der Schule von der Volksschulleitung selbst mitgestaltet werden und damit die Persönlichkeit, aber auch die Sozialkompetenz des/der einzelnen Volksschuldirektors/in einen großen Einfluss auf das Erleben psychosozialer Belastungen und Ressourcen sowie in weiterer Folge Beanspruchungen hat. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Erleben von psychosozialen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen einer Volksschulleitung stark von   

der individuellen Arbeitssituation (u.a. Größe der Schule, Schultyp, soziales Umfeld, Standort) und den arbeitsspezifischen Rahmenbedingungen (u.a. Vorgaben auf Schulsystemebene), der Person des/der Schulleiters/in (u.a. Alter, Charakter, Berufserfahrung, Stressresistenz) und dem Auftreten besonderer Ereignisse (u.a. Konflikte, „Krankenstandswelle“)

abhängt, wobei die einzelnen Ebenen einander zum Teil gegenseitig beeinflussen. Die bisherigen Ausführungen in diesem Kapitel lieferten bereits Antworten auf die übergeordnete Hauptforschungsfrage der Forschungsarbeit, die folgendermaßen lautete: In welcher Weise beeinflusst das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz Schule das individuelle Beanspruchungserleben von Volksschuldirektor/innen in einem ausgewählten Bundesland Österreichs? Im Folgenden wird der Versuch einer zusammenfassenden Beantwortung dieser Fragestellung unternommen, da mit den erläuterten Antworten auf die Unterfragen bereits spezifische Aspekte der Hauptforschungsfrage betrachtet wurden.

508

6 Schlussfolgerungen

Sowohl Analysen des bisherigen Forschungsstandes zur Lehrer- und Schulleitergesundheit (s. Kapitel 4) als auch die eigenen empirischen Ergebnisse (s. Kapitel 5) zeigen, dass nahezu alle (potenziellen) Belastungen und Ressourcen von Volksschulleitungen, deren Zusammenspiel den Ausgangspunkt von Beanspruchungen bildet (s. Kapitel 3.2), direkt oder zumindest indirekt mit sozialen Beziehungen bzw. Kontakten zu verschiedenen Akteur/innen im schulischen Umfeld verbunden sind. Dies ist auf den Arbeitsalltag von Volksschuldirektor/innen zurückzuführen, der sich durch einen ständigen Umgang mit Menschen und die Wahrnehmung von Verantwortung für andere auszeichnet. So sind soziale Interaktionen – so auch gemäß den Aussagen der befragten Volksschuldirektor/innen – das „tägliche Geschäft“. Zwar können kurzfristig einzelne soziale Situationen oder Kontakte mit Lehrerkolleg/innen, Schüler/innen, Erziehungsberechtigten der Schüler/innen, Vertreter/innen der Schulaufsicht, Vertreter/innen des Schulerhalters, Volksschulleiterkolleg/innen oder sonstigen Kooperationspartner/innen belastend oder ressourcenstärkend sein, allerdings zeigen die empirischen Ergebnisse, insbesondere die entwickelten Typen, dass das Gesamtgeflecht sozialer Beziehungen, also das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz Schule im Gesamten das Beanspruchungserleben von Volksschuldirektor/innen bestimmt. So schreibt der Großteil der Befragten dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz einen sehr großen Einfluss auf das individuelle Beanspruchungserleben, insbesondere das individuelle Wohlbefinden, zu. Dabei stellt für die befragten Volksschulleitungen ein „funktionierendes“ soziales Netzwerk die Grundvoraussetzung für dieses Wohlbefinden dar. Die hohe Bedeutung des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule für das individuelle Beanspruchungserleben von Volksschuldirektor/innen wird jedoch durch zwei Erkenntnisse relativiert: 1.

2.

Nicht alle Volksschulleitungen, vor allem solche an ein- bis zweiklassigen Schulen, schreiben ihrem sozialen Netzwerk eine besonders hohe Gesundheitsrelevanz zu. Das soziale Netzwerk im schulischen Arbeitsumfeld dürfte nur dann eine hohe gesundheitliche Priorität haben, wenn ein bestimmtes Set an relativ „engen“, regelmäßigen sozialen Kontakten vorhanden ist. Viele Volksschuldirektor/innen betonten, dass das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz Schule nicht der alleinige Einflussfaktor auf die individuelle Beanspruchung ist. Stattdessen führt die Kombination aus Belastungen und Ressourcen, die dem sozialen Netzwerk im schulischen Umfeld entspringen, mit jenen, die nicht direkt aus diesem hervorgehen (s. Kapitel 3.2.1.2), zu bestimmten positiven oder negativen Beanspruchungsfolgen.

6.2 Kritische Reflexion

509

Ergänzend zum ersten Punkt ist auf die hohe Bandbreite des von der Volksschulleitung individuell wahrgenommenen gesundheitlichen Einflusses des sozialen Netzwerkes hinzuweisen. So schwankten die Werte der ermittelten Netzwerkkennzahl zur Bestimmung der Stärke der Gesundheitsrelevanz des sozialen Netzwerkes im schulischen Arbeitsumfeld zwischen -2 und +32, wobei das Minuszeichen für eine negative, das Pluszeichen für eine positive gesundheitliche Wirkung des sozialen Netzwerkes im Gesamten steht. Einen weiteren Aspekt, den es bei der Beantwortung der Frage nach der Bedeutung des Gesamtgeflechts sozialer Beziehungen für das individuelle Beanspruchungserleben von Volksschulleiter/innen zu beachten gilt, ist jener der Variabilität der konkreten Wirkweise. Diese ist zum einen auf das Ein- und Austreten bestimmter Individuen in das soziale Netzwerk bzw. aus dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz Schule, das die gesamte Netzwerkkonstellation verändern kann, zum anderen auf das gleichzeitige (Nicht-)Bestehen von Belastungen und Ressourcen, die nicht direkt mit dem sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz in Verbindung stehen, zurückzuführen. 6.2 Kritische Reflexion In diesem Kapitel wird die Forschungsarbeit, insbesondere das Vorgehen im Rahmen der eigenen empirischen Erhebung, kritisch beleuchtet. Dabei werden alle Schritte, von der Vorbereitung der Erhebung über die Stichprobenziehung und Durchführung der triangulativen sozialen Netzwerkanalysen bis hin zur Auswertung der Daten betrachtet, wobei sowohl Stärken als auch Schwächen herausgearbeitet werden. Zudem wird auf die Gütekriterien qualitativer Sozialforschung (s. Kapitel 5.1.1) Bezug genommen. Als wesentliche Stärke der eigenen Untersuchung betrachtet die Autorin zunächst die konsequente Berücksichtigung qualitativer Gütekriterien. Damit grenzt sich die Studie von den meisten anderen Forschungsarbeiten in der qualitativen Sozialforschung ab (vgl. Bortz & Döring, 2006, S. 357). Im Sinne der Verfahrensdokumentation wurde jeder Schritt der Erhebungsvorbereitung sowie der Datenerhebung, -aufbereitung, -analyse und -interpretation in der Arbeit genau beschrieben. Aus der Verfahrensdokumentation geht zudem hervor, dass die Autorin in jeder Phase sehr systematisch vorging und in den Sozialwissenschaften bewährte Erhebungs- und Auswertungsverfahren einsetzte. Auch der Prozess der Entwicklung der Erhebungsinstrumente erfolgte sehr strukturiert (s. Kapitel 5.2.2). Ebenfalls transparent dargestellt wurden in der vorliegenden Arbeit aus Sicht der Autorin komplementäre und divergente Ergebnisse, die durch das triangu-

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6 Schlussfolgerungen

lative Vorgehen entstanden. Auf jegliche Divergenzen zwischen den Aussagen im Zuge der problemzentrierten Interviews, den Angaben im Kurzfragebogen und den entwickelten Netzwerkkarten wurde hingewiesen, wobei stets versucht wurde, Erklärungen zu finden. Sowohl bei der Erhebung als auch später bei der Auswertung und Interpretation fand eine konsequente Triangulation der Daten am Einzelfall, also am/an der einzelnen Volksschuldirektor/in, statt. „Trianguliert“ wurde über die Einzelfallanalysen hinaus auch auf einer abstrakteren Ebene, nämlich jener der gebildeten Typen. Von bisherigen Studien im Bereich der Schulleitergesundheitsforschung grenzt sich die eigene Untersuchung eben durch dieses triangulative Forschungsdesign ab. Im Speziellen der netzwerkanalytische Ansatz wurde in diesem Forschungsfeld bislang kaum verfolgt, obwohl – wie bereits mehrmals erörtert – soziale Interaktionen im schulischen Umfeld den Arbeitsalltag von Schulleitungen prägen. Inhaltlich wurde im Zuge der eigenen Studie auf die „typische“ Ermittlung von Häufigkeiten in Hinblick auf das Ausmaß verschiedener Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Volksschuldirektor/innen verzichtet. Stattdessen standen individuelle Relevanzsetzungen der Befragten sowie Sinnzusammenhänge zwischen verschiedenen Aspekten des Arbeitserlebens im Zentrum der Betrachtung. Durch einen detaillierten Blick auf den Einzelfall konnten erste Erklärungen für die in der bisherigen Schulleitergesundheitsforschung existierende hohe Bandbreite an Forschungserkenntnissen zu Belastungen, Ressourcen und vor allem Beanspruchungen von Schulleitungen gefunden werden. Betrachtet man zunächst den Schritt der inhaltlichen Vorbereitung der Erhebung (s. Kapitel 5.2.1 und 5.2.2) näher, so ist auf die besondere Kombination der beiden theoretischen Bezugsfelder der Arbeit (s. Kapitel 3) hinzuweisen. Erkenntnisse in diesen beiden Forschungsbereichen bildeten die Basis für die eigene Studie und ermöglichten einen breiten Blick auf das Forschungsthema. Für die notwendige Offenheit bei gleichzeitiger Theoriegeleitetheit sorgte der theoretische Raster, der sich durch „empirisch gehaltlose theoretische Konzepte“ (vgl. Kelle & Kluge, 2010, S. 37) auszeichnet. Kritisch zu werten ist die Qualität der analysierten Studien zur Schulleitergesundheit (s. Kapitel 4.2), die ebenfalls eine wesentliche Grundlage bei der inhaltlichen Vorbereitung auf die eigene Erhebung bildeten. Aufgrund der geringen Zahl an bisherigen Untersuchungen zu Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleitungen wurde auf die Definition strenger Ein- und Ausschlusskriterien sowie die detaillierte Betrachtung der Güte einzelner Studien verzichtet. Relativieren lässt sich dieser Kritikpunkt dahingehend, dass

6.2 Kritische Reflexion  

511

zum einen die im Zuge von Befunden zu Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleiter/innen gesammelten Forschungserkenntnisse lediglich einen Orientierungsrahmen für die eigene Erhebung bildeten; zum anderen nur dann ein Befund als solcher formuliert wurde, wenn zumindest zwei Studien auf dessen Gültigkeit hinwiesen.

Erneute Kritik kann an dieser Stelle an dem zweitangeführten Punkt geäußert werden. So war eine Vergleichbarkeit der Studienerkenntnisse aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Begrifflichkeiten, verschieden definierter Grundgesamtheiten und gezogener Stichproben, unterschiedlicher beruflicher Rahmenbedingungen von Schulleitungen in Abhängigkeit des Schultyps und des nationalen Schulsystems sowie verschiedener methodischer Zugänge nur eingeschränkt möglich. Neben der Aufbereitung des bisherigen Forschungsstandes stellte die Erstellung der Erhebungsinstrumente eine weitere zentrale Aufgabe im Zuge der inhaltlichen Vorbereitung der Erhebung dar. Mit dem Interviewleitfaden wurde das Ziel verfolgt, einerseits eine spätere Vergleichbarkeit der einzelnen Fälle zu ermöglichen, andererseits gleichzeitig eine Offenheit für individuelle Relevanzsetzungen der Befragten sicherzustellen. Dies gelang aus Sicht der Autorin recht gut, da einerseits einzelne Fragen bei allen Interviews gestellt, andererseits der Leitfaden flexibel angewandt wurde(n) und stets Platz für themenrelevante Aspekte, die nicht Inhalt des Interviewleitfadens waren, vorhanden war. Damit konnte ein tiefer Informationsgehalt der Ergebnisse erzielt werden. Als herausfordernd bei der Formulierung der Fragen erwies sich der Übergang von wissenschaftlichen hin zu alltagssprachlichen Begriffen. Vor allem verschiedene Wörter, die im Kontext des Beanspruchungserlebens stehen, wie z.B. „Beeinträchtigung“, „Beschwerde“, „Wohlbefinden“ und „Gesundheit“, wurden in den Interviews zum Teil vermischt, um für die Interviewpartner/innen verständliche bzw. möglichst viele Erzählanreize zu schaffen. Daneben wurden mittels Kurzfragebogen – in dem nahezu ausschließlich in der Lehrergesundheitsforschung bewährte Items beinhaltet sind – weitere Beanspruchungen (emotionale Erschöpfung, Stresserleben, subjektiver Gesundheitszustand) erhoben. Durch die konsequente Triangulation sollte ein breiter Blick auf das Beanspruchungserleben jedes/jeder einzelnen Volksschulleiters/in ermöglicht werden, wobei darauf hinzuweisen ist, dass aufgrund des methodischen Zugangs stets das subjektive Empfinden der Befragten im Mittelpunkt stand. Zum Teil wurde vonseiten der Untersuchungsteilnehmer/innen jedoch auch über ärztlich diagnostizierte Krankheitsbilder berichtet. Aufgrund der spezifischen Forschungsfragen konnte bei der Entwicklung der Netzwerkkarten-Vorlage als weiteres Erhebungsinstrument auf keinen validen Namensgenerator zur Generierung von Netzwerkpersonen zurückgegriffen wer-

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6 Schlussfolgerungen

den. Stattdessen wurde ein eigener Namensgenerator formuliert. Dieses Vorgehen kann aufgrund der mangelnden Überprüfung der Güte desselben ebenfalls kritisch gesehen werden. Für die Interpretation der Ergebnisse, vor allem der Netzwerkkarten, ist es entscheidend, stets diesen Namensgenerator „im Hinterkopf“ zu haben, der darauf abzielte, Alteri im schulischen Arbeitsumfeld zu definieren, die einen Einfluss auf das individuelle Wohlbefinden der befragten Volksschulleitungen haben. Gerade die beiden unterstrichenen Wortkombinationen sind mit einigen methodischen Einschränkungen verbunden: Einerseits spielen das soziale Netzwerk am Arbeitsplatz und jenes im privaten Umfeld häufig zusammen und entfalten gemeinsam eine gewisse gesundheitliche Wirkung. Die mangelnde Abgrenzbarkeit von Akteur/innen im schulischen und privaten Umfeld findet sich in einigen Netzwerkkarten wieder, in denen auch Personen aus dem Privatbereich der Befragten positioniert wurden. Betrachtet man die zweite Wortkombination, die aus alltagssprachlichen Gründen verwendet wurde, nämlich das „individuelle Wohlbefinden“, so ist zu beachten, dass dieses lediglich eine von vielen Beanspruchungsformen bzw. einen Aspekt von Gesundheit abbildet und von Individuen unterschiedlich verstanden werden kann. Um dieser methodischen „Schwäche“ zumindest ansatzweise entgegenzuwirken, wurde in den problemzentrierten Interviews Raum für Erzählungen über weitere positive und negative Beanspruchungen geschaffen. Bei der Interpretation der Netzwerkkarten gilt es, auch den Zeithorizont, auf den sich diese beziehen, zu beachten. Die Netzwerkkarten sind – ebenso wie die Daten im Kurzfragebogen – eine Momentaufnahme, die das Empfinden der Interviewpartner/innen zum Zeitpunkt der Befragung abbilden. Bei der Auswahl der Befragten (s. Kapitel 5.2.3) wurde das Ziel verfolgt, dem qualitativen Gütekriterium der Repräsentativität & Generalisierbarkeit zumindest ansatzweise gerecht zu werden. Dies sollte zunächst durch die systematische Fallauswahl in Form eines qualitativen Stichprobenplans gelingen. Trotz der Verwendung eines solchen Stichprobenplans sind folgende methodische Einschränkungen im Kontext der Fallauswahl und des Zuganges zu den Befragten zu nennen: 



Im qualitativen Stichprobenplan konnten lediglich identifizierbare Merkmale bzw. Merkmalsausprägungen Berücksichtigung finden. Andere Aspekte wie z.B. die soziale Situation an der Schule, zu denen es keine öffentlich zugänglichen Informationen gibt, konnten bei der Fallauswahl nicht berücksichtigt werden, sondern wurden erst im Zuge der Interviews erfasst. Die Einladung zur Teilnahme an der Befragung erhielten alle Volksschuldirektor/innen im ausgewählten Bundesland Österreichs. Jene, die sich freiwillig dazu bereit erklärten, an der Studie mitzuwirken, wurden in die Stichprobe

6.2 Kritische Reflexion

513

aufgenommen. Diese können als „motivierte“ Volksschulleitungen bezeichnet werden. Dieser methodischen „Schwäche“ wurde ansatzweise durch weitere Zugangsstrategien entgegengewirkt. So kam etwa das Schneeballsystem zum Einsatz, Teilnehmer/innen aus dem Bekanntenkreis der Autorin wurden rekrutiert und gegen Ende der Fallauswahl wurden auch bewusst einzelne Personen, die sich zunächst nicht „freiwillig“ meldeten und bestimmte im Stichprobenplan definierte Merkmalsausprägungen aufwiesen, erneut kontaktiert. Neben der systematischen Fallauswahl sollte die Verallgemeinerbarkeit der späteren Ergebnisse für die Zielpopulation auch dadurch erhöht werden, dass die Erhebung erst dann beendet wurde, als die Forscherin eine Sättigung der Ergebnisse wahrnahm. Im Rahmen der tatsächlichen Erhebungsphase schließlich, die zum Teil bereits in Kapitel 5.2.4 reflektiert wurde, kam den qualitativen Gütekriterien der Nähe zum Gegenstand, der ökologischen Validität bzw. der Offenheit hohe Bedeutung zu. Es wurde auf die Schaffung einer möglichst natürlichen Gesprächsatmosphäre geachtet. Dies sollte unter anderem dadurch gewährleistet werden, dass die Interviewpartner/innen selbst den Interviewort bestimmen durften. Individuelle Relevanzsetzungen konnten trotz des Einsatzes eines Interviewleitfadens zu Wort kommen. Dabei war es von zentraler Bedeutung, die Aussagen der Befragten vonseiten der Interviewerin kontinuierlich „zurückzuspiegeln“, um ein gemeinsames Verständnis sicherzustellen. Dadurch, dass alle Interviews von der Autorin selbst durchgeführt wurden, konnten Interviewereffekte über alle Befragten hinweg zumindest weitgehend konstant gehalten werden. Nichtsdestotrotz ist – wie bei allen qualitativen Interviews – zu berücksichtigen, dass es sich bei jedem Interview um eine einzigartige Gesprächssituation handelte, die wesentlich von der Persönlichkeit und Stimmung der Interviewpersonen, der Offenheit des/der Befragten und der gegenseitigen Sympathie der beiden Gesprächspartner/innen geprägt wurde. Dementsprechend gelang es etwa den einen Interviewten, offener und ausführlicher über bestimmte Aspekte der Arbeitssituation zu sprechen als anderen. Erfreulicherweise berichteten allerdings alle Befragten – so das individuelle Empfinden der Interviewerin – sehr ehrlich über ihr Arbeitserleben und die Zusammenarbeit mit einzelnen Personengruppen bzw. Organisationen. Eine Stärke des Vorgehens liegt sicherlich in den Postskripten, in denen die Spezifika jeder Interviewsituation festgehalten wurden und die bei der späteren Auswertung Berücksichtigung fanden. Auch die Erstellung der Netzwerkkarte fiel einigen Interviewpartner/innen leichter als anderen. Eine Vergleichbarkeit der Netzwerkkarten, vor allem einzel-

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6 Schlussfolgerungen

ner ermittelter Netzwerkkennzahlen, wird dadurch eingeschränkt, dass einige Akteur/innen eher Einzelpersonen, andere hingegen Personengruppen oder aber ganze Organisationen auf der Netzwerkkarte anführten. Bei einigen wenigen musste die Interviewerin viel Erklärungsarbeit leisten und auch Beispiele von potenziellen Alteri nennen. Daneben ist in Hinblick auf die Netzwerkkarten zu erwähnen, dass die Interviewerin – anders als im Zuge der späteren problemzentrierten Interviews – gewisse Hemmungen beim Platzieren bestimmter Netzwerkpersonen im „negativen“ Halbkreis der Netzwerkkarte wahrnahm. So wurden einige Personen auf der Netzwerkkarte auf der ambivalenten Linie oder sogar im „positiven“ Halbkreis positioniert, obwohl im späteren Interview vorwiegend über negative gesundheitliche Wirkweisen der sozialen Beziehung zu diesen gesprochen wurde. Aufgrund der geringen Vergleichbarkeit und Aussagekraft der Netzwerkkarten und Netzwerkkennzahlen alleine, kam dem triangulativen Zugang zum Forschungsthema, insbesondere der detaillierten Reflexion der konstruierten Netzwerkkarten im Zuge der problemzentrierten Interviews, eine hohe Relevanz zu. Der Einsatz des Kurzfragebogens zu Beginn eines jeden Interviews war sowohl mit Vor- als auch mit Nachteilen verbunden. Einerseits sensibilisierte dieser die Interviewperson für das Forschungsthema und es konnte die (noch) hohe Konzentration des/der Befragten zu Beginn des Interviews genutzt werden. Andererseits kann kritisch angemerkt werden, dass die darin enthaltenen Fragen die Gefahr in sich bargen, den/die Interviewte/n bereits in eine bestimmte Richtung zu „lenken“. Eine Stärke des Datenmanagements (s. Kapitel 5.3) liegt aus Sicht der Autorin in der Zusammenführung der Daten bzw. Informationen aus den Kurzfragebögen, den Netzwerkkarten, den Transkriptionen und den Postskripten in einer Software, nämlich MaxQDA 12. Etwas kritisch ist vielleicht die von der Interviewerin vorgenommene Digitalisierung der Netzwerkkarten – die in Kapitel 5.3.2 begründet wurde – zu werten, da die digitale Netzwerkkarte nicht mehr (ausschließlich) das Werk des/der Interviewten darstellte. So fand die Digitalisierung durch die Interviewerin mithilfe der Software VennMaker unter Abwesenheit des/der Befragten statt. Diesem Kritikpunkt kann damit entgegengehalten werden, dass im Zuge der Auswertung immer wieder auch auf die „ursprüngliche“ haptische Netzwerkkarte zurückgegriffen wurde. Eine kritische Reflexion der Datenauswertung inklusive der Ergebnisse und eine Interpretation dieser vor dem Hintergrund bisheriger Forschungserkenntnisse fand bereits umfassend in Kapitel 5.5 statt. An dieser Stelle soll vor allem Bezug auf die qualitativen Gütekriterien der kommunikativen Validierung, der Expertenvalidierung sowie der Validierung durch analytische Induktion genommen werden.

6.2 Kritische Reflexion

515

Eine Rückkoppelung erster Interpretationen der Forscherin an die Untersuchten erfolgte – wie eingangs beschrieben – bereits im Rahmen der einzelnen Interviewsituationen. Eine Konfrontation dieser mit der gebildeten Typologie ist geplant. Im Sinne der Expertenvalidierung wurden die Ergebnisse und deren Interpretationen innerhalb der „Fachcommunity“ mit verschiedenen Personen aus der Soziologie diskutiert. Eine Validierung durch analytische Induktion fand durch eine besonders detaillierte Analyse jener Fälle statt, die sich im Zuge der empirisch begründeten Typenbildung nicht oder nur schwer einem der Felder im Merkmalsraum zuordnen ließen. Als eine wesentliche Stärke der Datenauswertung, insbesondere der empirisch begründeten Typenbildung, betrachtet die Forscherin die Annäherung der auf Stufe 1 entwickelten Ausgangstypologie (s. Kapitel 5.4.2.4) an die systematisch entwickelte Typologie auf Basis eines Merkmalsraums (s. Kapitel 5.4.5). Dies führte aus Sicht der Autorin zu einer besonders fundierten Typologie. In ähnlicher Weise erfolgte bei der Auswertung eine kontinuierliche Konfrontation der empirisch gewonnenen Erkenntnisse mit dem bereits bestehenden theoretischen Wissen, das im theoretischen Raster abgebildet wurde. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das methodische Design der vorliegenden Forschungsarbeit im definierten Forschungsfeld durchaus als innovativ bezeichnet werden kann. In den Gesundheitswissenschaften wurden gemäß Hawe & Ghali (2008) bislang kaum soziale Netzwerkanalysen, geschweige denn solche, die qualitative und quantitative Elemente kombinieren, eingesetzt (S. 62). Diesbezüglich besteht vor dem Hintergrund der hohen gesundheitlichen Bedeutung sozialer Beziehungen bzw. Netzwerke Nachholbedarf. Auch im Schulbereich wurden bislang nur vereinzelt soziale Netzwerke – wenn, dann zumeist organisationale und Gesamtnetzwerke – häufig mit Schwerpunkt auf die Themenstränge Wissensaustausch, Innovation und Lernen, oft mit Fokus auf das soziale Netzwerk und Sozialkapital von Schüler/innen bzw. ganzen Schulklassen, analysiert (vgl. Berkemeyer & Bos, 2010; Dunkake, 2012; Hawe & Ghali, 2008; Moolenaar, 2012; Moolenaar & Sleegers, 2015; Rehrl & Gruber, 2007; Rürup et al., 2015; Windzio, 2012). Speziell die Analyse ego-zentrierter Netzwerke ist im Schulbereich bislang kaum etabliert (Rehrl & Gruber, 2007, S. 255). Es konnte im Zuge der Recherchephase keine Untersuchung gefunden werden, die sich mit der Bedeutung des sozialen Netzwerkes von Schulleitungen für deren Gesundheit beschäftigt.

516

6 Schlussfolgerungen

6.3 Schlussfolgerungen und Ausblick für die Forschung Aus der Arbeit ergeben sich Ansatzpunkte für weitere Forschungsaktivitäten, die folgende Bereiche betreffen und nachstehend überblicksmäßig erläutert werden:    

Soziale Netzwerkforschung und -analyse Empirisch begründete Typenbildung Gesundheitliche Wirkweise sozialer Netzwerke und Zusammenspiel von psychosozialen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen Schulleitergesundheit

Die beiden erstangeführten Punkte betreffen methodologische bzw. methodische Aspekte. Generell kann der wissenschaftliche Mehrwert der Forschungsarbeit neben dem Forschungsthema und -ziel auch aufgrund des Forschungsdesigns als hoch bezeichnet werden. Wie erläutert wurde, dominieren in der traditionellen Netzwerkforschung quantitative Ansätze, während qualitative Erhebungen nur vereinzelt durchgeführt werden. Abbott forderte bereits im Jahr 2009 in Bezug auf die Forschung zum Einfluss sozialer Netzwerke und Beziehungen auf die Gesundheit: „More qualitative research is needed, building on what already exists to explore those relationships.“ (S. 303). Betrachtet man zunächst den Bereich der sozialen Netzwerkforschung und analyse im Detail, so liefert die Arbeit einen Erkenntnisgewinn dahingehend, dass sich der Ansatz der triangulativen bzw. qualitativen sozialen Netzwerkforschung bewährt, wenn das Ziel von Forschungsaktivitäten darin liegt,    

sowohl die Struktur des sozialen Netzwerkes als auch Relevanzsetzungen und Handlungsabsichten zu erforschen und/oder bestimmte Effekte und Wirkweisen des sozialen Netzwerkes zu untersuchen und/oder soziale Interaktionen innerhalb eines sozialen Netzwerkes zu verstehen und/oder soziale Netzwerktypen zu explorieren.

Dem erstangeführten Punkt liegt jenes Verständnis des sozialen Netzwerkes zugrunde, das im strukturalistischen Konstruktionismus (vgl. Emirbayer & Goodwin, 1994) bzw. in sozialkonstruktivistischen Sozialtheorien vorherrscht. Diesen Ansätzen zufolge erfolgt eine wechselseitige Konstituierung von sozialen Beziehungen und Elementen. Die Aussagen der befragten Volksschuldirektor/innen, die triangulative Analyse der verschiedenen Datenquellen und die

6.3 Schlussfolgerungen und Ausblick für die Forschung

517

Interpretationen dieser durch die Forscherin zeigen, dass sich dieses „moderne“ Verständnis des sozialen Netzwerkkonzeptes auch in der Realität wiederfindet. So herrschen zwar in jeder Volksschule bestimmte soziale Strukturen vor, die vonseiten der einzelnen Volksschulleitung nicht veränderbar sind, jedoch hat diese auch einen bestimmten Handlungsspielraum was die konkrete Ausgestaltung des sozialen Netzwerkes im schulischen Arbeitsumfeld betrifft. Das soziale Netzwerk prägt – wie die Ausführungen im Ergebnisteil zeigen – somit einerseits das Arbeitserleben und die Identität des/der einzelnen Volksschuldirektors/in mit, andererseits wirkt diese/r selbst – abhängig davon, welchen Sinn und welche Bedeutung er/sie einzelnen Aspekten des sozialen Netzwerkes zuschreibt – auf die konkrete Struktur des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule ein. Dabei gestalten auch andere Akteur/innen und deren Identitäten, die sich in diesem sozialen Netzwerk befinden, abhängig von ihren Erwartungen – unter anderem an die Schulleitung – und Bedürfnissen durch ihr Handeln, insbesondere ihr soziales Agieren, die sozialen Strukturen mit (vgl. White, 2010). Die Wahl der Erhebungsinstrumente sollte im Rahmen triangulativer sozialer Netzwerkanalysen stets an die Zielgruppe sowie das Forschungsthema der Untersuchung angepasst werden. Dabei gilt es, das methodische Vorgehen kontinuierlich zu reflektieren. In Hinblick auf die eigene Forschungsarbeit erwies sich der Einsatz des strukturierenden Elements der Netzwerkkarte, der ein recht offener Namensgenerator zugrunde lag, in Kombination mit einem problemzentrierten Interview als besonders geeignet. So bildete die entwickelte Netzwerkkarte eine Grundlage für Narrationen der Befragten. Der Einsatz einer Netzwerkkarte ohne gemeinsame qualitative Interpretation dieser durch die Forscherin und den/die Interviewte/n hätte einerseits deutlich weniger Erkenntnisgewinn erbracht, andererseits wäre die Gefahr einer Fehldeutung – wie die Analyse von Divergenzen im Ergebnisteil der vorliegenden Arbeit zeigt – sehr groß gewesen. Eine Annäherung qualitativer und quantitativer Ansätze der Sozialforschung wird damit auch innerhalb der sozialen Netzwerkanalyse von der Autorin der vorliegenden Arbeit begrüßt und scheint gleichzeitig notwendig zu sein, wenn es Ziel ist, einerseits Wechselwirkungen zwischen sozialen Netzwerken und Akteur/innen zu erklären, andererseits diese auch zu verstehen. Der Einsatz des Auswertungsverfahrens der empirisch begründeten Typenbildung sollte angesichts der diffusen Studienlage zur Schulleitergesundheit Klarheit darüber schaffen, welche Merkmale des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz Schule das psychosoziale Belastungs-, Ressourcen- und Beanspruchungserleben dieser prägen. Was die Praxistauglichkeit dieser Auswertungstechnik betrifft, so war die Durchführung des von Kelle & Kluge (2010) bzw. Kluge (1999) entwickelten Verfahrens als eine Art Richtschnur sehr hilfreich. Die Flexibilität bei der

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6 Schlussfolgerungen

Ausgestaltung einzelner Schritte ermöglicht aus Sicht der Autorin eine vielschichtige Anwendbarkeit dieses Auswertungsverfahrens auf unterschiedliche Forschungsfragen in verschiedenen Forschungsfeldern. In der vorliegenden Arbeit bewährte sich in einem ersten Schritt die Konstruktion eines theoretischen Rasters. Dieser ermöglichte es der Forscherin, bereits bestehende wissenschaftliche Erkenntnisse stets „im Hinterkopf“ zu haben. Aufgrund der Offenheit dessen konnte gleichzeitig ein „Tunnelblick“ auf die empirische Realität verhindert werden. Aus Sicht der Forscherin kann ein derartiges zugrundeliegendes Konzept der Schlüssel zur konsequenten Umsetzung eines „induktiv-deduktiven Wechselspiels“, wie Andreas Witzel (2000) es beispielsweise fordert, sein. Generell erscheint aufgrund der Komplexität und Vielfalt der Wechselwirkungen von sozialen Strukturen und einzelnen Identitäten die Identifizierung sozialer Netzwerktypen in Form von Mustern geeignet zu sein. Ergänzend zu bisher konstruierten sozialen Netzwerktypen, die die gesundheitlichen Effekte sozialer Netzwerke beschreiben, liegen mit der vorliegenden Arbeit auch solche vor, die die gesundheitlichen Wirkweisen des sozialen Netzwerkes am Arbeitsplatz fokussieren. Hebt man die gebildeten Typen auf einen bestimmten Abstraktionsgrad, so sind sie vermutlich auch auf andere Branchen und Berufsgruppen übertragbar. Wenn es Ziel von Forschungsarbeiten mit typenbildenden Verfahren ist, sowohl die empirische Realität in gewisser Weise gut abzubilden als auch einen zu hohen Detaillierungsgrad im Sinne der Übertragbarkeit auf andere Bereiche zu vermeiden, dann erscheint die Bildung von „constructed types“, die sich zwischen den Extrempolen „reiner Idealtyp“ und „reiner Realtyp“ befinden, geeignet zu sein. Aufgrund der Komplexität unserer sozialen Welt muss Forscher/innen, die empirisch begründete Typen entwickeln möchten, stets bewusst sein, dass eine eindeutige Zuordenbarkeit aller Fälle, die sich in der empirischen Realität befinden, zu den kreierten Typen nie vollständig gelingen kann. So weist ein Fall – sei es ein Individuum, eine Gruppe, eine Organisation oder etwas anderes – üblicherweise nur mehr oder weniger Ähnlichkeiten mit einem bestimmten Typus auf. Neben dem Bestehen von Mischtypen sollte auch stets mitbedacht werden, dass sich einzelne Fälle in einer dynamischen Welt befinden und situationsbedingt womöglich einmal dem einen, ein andermal dem anderen Typus am ähnlichsten sind. Auch in der vorliegenden Arbeit wurden diese „Phänomene“ beobachtet. Neben einem methodischen und methodologischen Erkenntnisgewinn bereicherte die Forschungsarbeit auch das Wissen in den beiden theoretischen Bezugsfeldern der Arbeit (s. Kapitel 3).

6.3 Schlussfolgerungen und Ausblick für die Forschung

519

Zunächst lieferten die Forschungserkenntnisse entscheidende Hinweise auf die Existenz der in der gesundheits- bzw. medizinsoziologischen Netzwerkforschung vorherrschenden Erklärungsansätze der Wirkweisen des sozialen Netz-werkes auf die Gesundheit. Damit sind vor allem das „Modell der direkten Effekte“, das „Modell des Puffereffekts“ sowie das „Modell des Präventionseffekts“ gemeint. Die Ausführungen in der Arbeit weisen – zumindest was die Gruppe der Volksschuldirektor/innen betrifft – darauf hin, dass erstgenannter Effekt bei nahezu allen auftritt, während der Puffer- und Präventionseffekt sich nur dann entfalten kann, wenn ein Individuum über bestimmte individuelle Kompetenzen verfügt. Damit ist vor allem die Fähigkeit gemeint, selbst soziale Ressourcen aufzubauen und die „passenden“ Ressourcen zum richtigen Zeitpunkt „abzurufen“. Dementsprechend konnte zumindest für das eigene Forschungsthema der Forderung von House et al. (1988) nachgekommen werden, die darin liegt, sich nicht die Frage zu stellen, ob die unterschiedlichen Modelle in der Realität Gültigkeit haben (das tun sie), sondern zu ermitteln wann, wie und warum bestimmte gesundheitliche Wirkungen des sozialen Netzwerkes, insbesondere der sozialen Unterstützung, auftreten. Daneben weisen die Studienerkenntnisse auf die hohe gesundheitliche Bedeutung des gleichzeitigen Bestehens guter „weak ties“ und „strong ties“ im Arbeitsumfeld von Schulleitungen hin. So scheint sich insbesondere eine Kombination dieser als günstig für das eigene Schulleitungshandeln und in weiterer Folge das individuelle Beanspruchungserleben zu erweisen. Den Ergebnissen zufolge reichen „strong ties“ innerhalb der Schule nicht aus, um den Arbeitsalltag gesund und zufrieden bestreiten zu können. Zu enge soziale Beziehungen am Arbeitsplatz können sich – wie auch in der bisherigen Forschungsliteratur bereits vermutet wurde – sogar ungünstig auf das Wohlbefinden der Schulleitung auswirken, indem sie eine „Abschottung“ nach außen hin begünstigen. Ein ausschließliches Existieren von „weak ties“ dürfte hingegen dazu führen, dass ein „umfassendes Wohlbefinden am Arbeitsplatz Schule“ ausbleibt. Die sogenannte „Henne-Ei-Problematik“ konnte auch die vorliegende Forschungsarbeit nicht lösen. Damit ist die Fragestellung gemeint, ob das soziale Netzwerk die Gesundheit beeinflusst oder umgekehrt. Das Interesse der vorliegenden Arbeit lag in der Wirkweise des sozialen Netzwerkes auf die Gesundheit bzw. das Beanspruchungserleben. In diesem Kontext ist jedoch anzumerken, dass sowohl bisherige Forschungserkenntnisse als auch die eigenen empirischen Ergebnisse auf eine wechselseitige Beziehung zwischen dem sozialen Netzwerk einerseits und der Gesundheit andererseits hindeuten. Generell ist auf das sehr komplexe Zusammenspiel zwischen dem sozialen Netzwerk und gesundheitlichen Parametern hinzuweisen. Vor allem zur Bestimmung von Prädiktor- und Kriteriumsvariablen werden in Zukunft Studien mit Längsschnittdesigns notwendig sein.

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6 Schlussfolgerungen

Speziell für die Schulleitergesundheitsforschung liefert die vorliegende Forschungsarbeit erstmalig umfassende Erkenntnisse darüber, wie Volksschuldirektor/innen ihr soziales Netzwerk am Arbeitsplatz Schule erleben und welche gesundheitliche Bedeutung sie diesem zuschreiben. Innerhalb Österreichs stellt die Untersuchung die erste dar, in der das Thema der Schulleitergesundheit qualitativ erforscht wurde. Die ausführlichen Einzelfallanalysen geben Aufschluss über die in der bisherigen, vorwiegend quantitativen Forschungslandschaft (s. Kapitel 4.2) bestehende hohe Bandbreite des Ausmaßes an Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen, die von Schulleitungen erlebt werden. Interessante Aufschlüsse über die Gesundheit von Beschäftigten im Bildungs- bzw. Erziehungsbereich lieferte bereits der Vergleich der Ergebnisse verschiedener Studien, in denen das Gesundheitserleben am Arbeitsplatz im Branchenvergleich untersucht wurde. So deuten aktuelle Zahlen keineswegs auf eine – wie in den Medien und auch in der spezifischen Lehrer- bzw. Schulleitergesundheitsforschung oft propagierte – besonders prekäre Arbeitssituation von Lehrenden bzw. Erzieher/innen hin. Die Ergebnisse der eigenen empirischen Erhebung zeigen vielmehr, dass das Erleben von psychosozialen Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Volksschulleitungen am Arbeitsplatz Schule sehr individuell ist. Dementsprechend verstehen sich die im Rahmen der Forschungsarbeit auf Basis der bisherigen Forschungsliteratur sowie der eigenen empirischen Ergebnisse aufgestellten Befunde zu Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen von Schulleitungen lediglich als potenzielle Belastungen, Ressourcen und Beanspruchungen, deren Auftreten von zahlreichen Faktoren auf der Mikro-, Meso- und Makroebene abhängt. Zudem existieren einige Merkmale der Arbeit, die von den einen belastend, von anderen als neutral, wieder von anderen sogar als ressourcenstärkend wahrgenommen werden. Trotz der Individualität des psychosozialen Belastungs-Ressourcen-Beanspruchungserlebens konnten zumindest übergeordnete Muster identifiziert werden, die durch die konstruierten Typen (s. Kapitel 5.4.5) abgebildet werden. Diese sollten im Rahmen weiterer Studien umfassender erforscht werden. Zum Beispiel erscheint es sinnvoll, die Häufigkeit des Auftretens der einzelnen Typen in der empirischen Realität zu ermitteln und damit die konstruierte Typologie in gewisser Weise zu testen. Dabei kann sich die zu betrachtende „empirische Realität“ auf Volksschuldirektor/innen im ausgewählten Bundesland Österreichs, Volksschuldirektor/innen in anderen Bundesländern und Nationen, Schuldirektor/innen an anderen Schultypen oder aber – wenn die Typen auf ein höheres Abstraktionsniveau gehoben werden – auch Führungskräfte in anderen Branchen beziehen (s. Kapitel 5.5.3). Eine Anregung für die Übertragbarkeit der konstruierten Typen auf andere Zielgruppen liefern die Überlegungen von Becker (2014):

6.3 Schlussfolgerungen und Ausblick für die Forschung

521

„If you find such a series in your case that looks more or less like others that exist elsewhere – more or less, not identical – then you can begin to look for the black box and its insides that produce the more-or-less-same results. […] When you compare two things, don´t be disappointed that they aren´t alike. The differences give you a toehold from which to start the comparative examination.“ (S. 85)

Darüber hinaus wäre es interessant, herauszufinden, ob sich in der Wirklichkeit doch Volksschuldirektor/innen finden, die sich dem im Rahmen der Forschungsarbeit unbesetzt gebliebenen Feld im Merkmalsraum (s. Kapitel 5.4.4.1) zuordnen lassen. Was die Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf den Volksschulbereich in Gesamtösterreich betrifft, so ist an dieser Stelle auf die hohe Zahl an sehr kleinen Volksschulen speziell im untersuchten Bundesland hinzuweisen, die dazu führt, dass sehr viele Direktor/innen unterrichtend tätig sind. Dementsprechend finden sich in anderen österreichischen Regionen vielleicht weniger „Einzelkämpfer/innen“ als im ausgewählten Bundesland. Den Aspekt der Unterrichtstätigkeit gilt es auch bei der Übertragung der Ergebnisse auf andere Schultypen zu berücksichtigen. So zeichnet sich der Volksschulbereich durch besonders viele Leitungen mit zum Teil hoher Lehrverpflichtung aus. Daneben interagieren Direktor/innen an anderen Schultypen zum Teil mit ähnlichen, zum Teil aber auch mit gänzlich anderen Personengruppen bzw. Organisationen im schulischen Umfeld. Die folgenden Aufzählungen stellen anregende Beispiele für „neue“ Forschungshypothesen dar, die auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse aufgestellt wurden und im Zuge quantitativer Forschungsarbeiten überprüft werden könnten: 1. 2. 3. 4. 5.

Je stärker eine Volksschulleitung außerhalb der Schule vernetzt ist („weak ties“), umso besser ist ihr subjektiver Gesundheitszustand. Je besser sich eine Volksschulleitung an sich verändernde äußere Rahmenbedingungen anpasst, umso besser ist ihr subjektiver Gesundheitszustand. Das Erkennen eigener Gestaltungsmöglichkeiten des sozialen Netzwerkes beeinflusst den subjektiven Gesundheitszustand einer Volksschulleitung positiv. Je instabiler das soziale Netzwerk im schulischen Arbeitsumfeld ist, umso schwächer ist dessen Einfluss auf den subjektiven Gesundheitszustand der Volksschulleitung. Je stärker soziale Beziehungen zu Akteur/innen innerhalb der Schule sind („strong ties“), umso stärker wirken situativ auftretende Konflikte mit ebendiesen negativ auf den subjektiven Gesundheitszustand der Volksschulleitung ein.

522 6.

6 Schlussfolgerungen Je enger die sozialen Beziehungen zu Lehrerkolleg/innen an der Schule sind, umso schlechter sind die Delegationsfähigkeiten der Schulleitung.

Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen bietet die vorliegende Arbeit auch Implikationen für die Schulleiterpraxis und Schulpolitik, die im folgenden Kapitel zusammengefasst werden. 6.4 Schlussfolgerungen und Ausblick für die Praxis Bereits in der Einleitung der vorliegenden Arbeit (s. Kapitel 1.4) wurde das Ziel der Arbeit erläutert, dass die Forschungsergebnisse neben einem wissenschaftlichen Mehrwert auch einen praktischen Nutzen haben sollen. Konkret liefern die gewonnenen Erkenntnisse Ansatzpunkte für Entwicklungen auf der Schulsystemebene (Makroebene), der Schulebene (Mesoebene) und der Ebene der einzelnen Volksschulleitung. Diese betreffen zum Teil ähnliche Themenbereiche und werden nachfolgend überblicksmäßig beschrieben. Auf Makroebene ergeben sich aus den gewonnenen Forschungserkenntnissen zum Teil ähnliche Handlungsempfehlungen, die auch Laux (2011) auf Basis ihrer Untersuchung zum Thema Lehrer- und Schulleitergesundheit in Deutschland ableitete. Die folgende Tabelle fasst die eigenen praktischen Ableitungen, die sich zum Teil an jene von Laux anlehnen, zusammen. Diese richten sich vor allem an die Schulpolitik auf Bundes- und Landesebene.

6.4 Schlussfolgerungen und Ausblick für die Praxis

523

Tabelle 31: Handlungsempfehlungen auf Makroebene, Quelle: Eigene Erstellung

Gesundheitsförderung

Vernetzungsaktivitäten

Optimierung der Arbeitsbedingungen von Volksschulleiter/innen

Qualifizierungsmaßnahmen

Reformen und Entwicklungen

Thema

Handlungsempfehlung Entwicklungen im Schulsystem sollten nur dann angestrebt werden, wenn diese notwendig bzw. sinnvoll erscheinen. Bei der Entwicklung von Reformplänen sollten jegliche Schulgrößen (v.a. kleine Schulen) mitbedacht werden. Womöglich bedarf es zum Teil der Ausformulierung von Detailregelungen für einzelne Schulgrößen. Im Zuge der Autonomisierungsbestrebungen bedarf es Detailregelungen sowie der Kommunikation dieser dahingehend, welche Agenden in der Autonomie der Einzelschule liegen und welche auf übergeordneter Ebene festgelegt werden. Volksschulleiter/innen sollten in die Entwicklung von Reformplänen integriert werden. Qualifizierungsmaßnahmen für Volksschulleiter/innen (z.B. „Leadership Academy“) sollten kontinuierlich evaluiert und optimiert werden. Es bedarf (verpflichtender) Fort- bzw. Weiterbildungsprogramme zur Persönlichkeitsbildung und zur Förderung sozialer Kompetenzen von Volksschulleiter/innen. Bei Neuerungen sollten Qualifizierungsmaßnahmen für Volksschulleiter/innen zur Vorbereitung auf damit verbundene „neue“ Aufgaben angeboten werden. Volksschulleiter/innen sollten auch Qualifizierungsmaßnahmen zum Umgang mit gesellschaftlichen Entwicklungen (z.B. Multikulturalität) angeboten werden. Gerade zu Beginn der Schulleiteramtszeit sollte die Unterrichtsverpflichtung reduziert werden, damit sich Volksschulleiter/innen umfassend in die Schulleiterrolle und -aufgaben einarbeiten können. Der Einschulungsphase eines/einer Volksschulleiters/in durch dessen/deren Vorgänger/in sollte genügend Zeit eingeräumt werden. Volksschulleiter/innen sollten von „typischen“ Verwaltungsaufgaben entlastet werden. Im Sinne eines optimierten Ressourceneinsatzes könnten diese von „schulübergreifenden Sekretariaten“ erledigt werden. Die „Clusterschulen“ gehen in diese Richtung. Eine ähnliche Entlastung sollte auch im infrastrukturellen Bereich angedacht werden. Volksschulleiter/innen sollten, wie im Zuge der Autonomiebemühungen bereits geplant ist, ein größeres Mitspracherecht bei der Lehrerauswahl haben. Bemühungen sollten dahin gehen, einzelne Lehrkräfte möglichst über mehrere Schuljahre hinweg an derselben Schule zu beschäftigen. Schulübergreifende Projekte, die bereits seit Jahren im Rahmen von Schulverbünden vonseiten der Schulaufsicht erwünscht sind, sollten weiter forciert werden. Schulleiterkonferenzen sollten einen verstärkten Austausch von Volksschulleiter/innen untereinander forcieren. Auch die Zusammenarbeit der einzelnen Schulen mit anderen Organisationen (z.B. Kindergärten, Vereinen) sollte weiter angeregt werden. Für Schulen sollten Gesundheitsförderungsangebote zur Stärkung des schulischen Sozialklimas geschaffen bzw. ausgebaut werden. Es sollten regelmäßig Workshops bzw. Trainingseinheiten für Volksschulleiter/innen zum Umgang mit Belastungen bzw. „schwierigen“ beruflichen (sozialen) Situationen stattfinden. Kostenlose oder zumindest kostengünstige Supervisionen für Volksschulleiter/innen und Lehrerkolleg/innen sollten im Bedarfsfall angeboten werden.

524

6 Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass aktuelle Entwicklungen auf Schulsystemebene zum Teil bereits in die „richtige“ Richtung gehen, „richtig“ dahingehend, dass sie auch für Volksschulleitungen gewinnbringend sind. Diese Reformen gilt es jedoch kontinuierlich zu evaluieren, zu spezifizieren und gegebenenfalls zu adaptieren. Da in Österreich in Bildung viel Geld investiert wird, erscheint ein optimierter Ressourceneinsatz unabdingbar zu sein. Auch auf Ebene der einzelnen Volksschule (Mesoebene) bedarf es bestimmter Aktivitäten, um die Gesundheit aller darin agierenden Personen(gruppen) – so auch des/der Direktors/in – zu erhalten bzw. zu fördern. So muss das System Schule dazu in der Lage sein, sich an gesellschaftliche und schulpolitische Rahmenbedingungen, insbesondere Veränderungen, anzupassen. Tabelle 32 stellt die wesentlichsten Anforderungen an das System „Volksschule“ dar. Tabelle 32: Anforderungen an das System „Volksschule“, Quelle: Eigene Erstellung

Stärkung des Sozialklimas und der Zusammenarbeit

Öffnung der Einzelschule nach außen hin

Thema

Handlungsempfehlung Das System „Volksschule“ hat sich an Reformen und Entwicklungen im schulischen Umfeld, insbesondere auch in der Region, in der sich diese befindet, anzupassen. Hierfür bedarf es der Zusammenarbeit der gesamten Schulgemeinschaft. Qualifizierungsmaßnahmen, die im schulischen Umfeld angeboten werden, sollten innerhalb des Lehrerkollegiums in Anspruch genommen werden. Die Schule sollte ihren Autonomiebereich wahrnehmen und Entscheidungen innerhalb der Schulgemeinschaft gemeinsam treffen. Für die Schule gewinnbringende Kooperationen mit außerschulischen Partner/innen sollten aufgebaut bzw. forciert werden. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Schule ist unabdingbar. Alle Personen innerhalb der Schule sollten eine gemeinsame Vision verfolgen. Diese gilt es gemeinsam zu erarbeiten und stets in Erinnerung zu rufen. Herausfordernde Aufgaben – insbesondere solche, die das Thema der Schulentwicklung, aber auch generell Neuerungen im Schulsystem betreffen – sollten in einem Team, das aus der Schulleitung sowie (zumindest) Vertreter/innen der Lehrkräfte und Erziehungsberechtigten besteht, gemeinsam gelöst werden. Bestimmte schulische Aufgaben sollten in Abhängigkeit individueller Kompetenzen und Zeitressourcen auf einzelne Personen aufgeteilt werden. Sowohl formeller als auch informeller sozialer Austausch über berufliche und „nicht berufliche“ Themen zwischen den und innerhalb der einzelnen Personengruppen der Schulgemeinschaft sollte regelmäßig stattfinden. Es sollte ein Klima der gegenseitigen Wertschätzung, sozialen Unterstützung sowie des konstruktiven Feedbackgebens geschaffen werden.

Im Zuge des täglichen Handelns aller an der Schule beteiligten Personengruppen sollte stets das Ziel einer Schule „im Hinterkopf“ behalten werden:

6.4 Schlussfolgerungen und Ausblick für die Praxis

525

„Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.“ (§2 Abs. 1 SchOG) Was bedeuten die im Zuge der vorliegenden Forschungsarbeit gewonnenen Ergebnisse schließlich für die einzelne Volksschulleitung? Die folgende Tabelle stellt eine Sammlung an Handlungsempfehlungen, die sich direkt an einzelne Volksschuldirektor/innen (Mikroebene) richten, dar und deren Umsetzung – natürlich abhängig von der individuellen Situation des/der Einzelnen – das eigene Wohlbefinden, die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsfähigkeit erhöhen kann.

526

6 Schlussfolgerungen

Tabelle 33: Handlungsempfehlungen auf Mikroebene, Quelle: Eigene Erstellung

Gesundheitsbewusstsein

Kompetenzen und Persönlichkeit

Umgang mit Personen innerhalb der Schule

Vernetzung nach außen

Umgang mit Reformen

Thema

Handlungsempfehlung Der/die Volksschulleiter/in sollte Antreiber/in von Schulentwicklungsprozessen sein und die Schule als „lernende Organisation“ betrachten. Der/die Volksschulleiter/in sollte Entwicklungen auf Schulsystemebene gegenüber positiv aufgeschlossen sein. Aufgrund der Unveränderbarkeit dieser sollte die eigene Kraft nicht für Kritik daran, sondern das Identifizieren von Vorteilen für die eigene Schulleiterarbeit genutzt werden. Volksschulleiter/innen sollten eigene Handlungsspielräume zugunsten der eigenen Person und der Schule als Gesamtes nutzen. Der/die Volksschulleiter/in sollte versuchen, die gesamte Arbeitszeit nicht ausschließlich dem internen Schulgefüge zu widmen. Stattdessen gilt es, sich außerhalb der Schule z.B. mit anderen Volksschulleiter/innen zu vernetzen und Synergien bei der Erledigung von Aufgaben zu schaffen. Von der Schulaufsicht forcierte schulübergreifende Aktivitäten bzw. gewünschte Kooperationen mit anderen Organisationen (z.B. Kindergarten) sollten weniger als Zusatzbelastung, sondern vielmehr als Chance zur individuellen Weiterentwicklung und zum Ressourcenaufbau gesehen werden. Der/die Volksschulleiter/in sollte für sich selbst genau definieren, wie „eng“ er/sie soziale Beziehungen zu Personen in der Schule gestalten möchte. Der/die Volksschulleiter/in sollte diverse Aufgaben, vor allem solche, die das Thema der Schulentwicklung betreffen, in Abhängigkeit von Kompetenzen und Zeitressourcen auch an andere Personen delegieren. Der/die Volksschulleiter/in sollte sich bewusst mit seiner/ihrer Rolle als Schulleitung auseinandersetzen und, nachdem er/sie sich bewusst für diese entschieden hat, sich von der Rolle als (reine) Lehrkraft lösen. Das eigene Verhalten in (sozial) schwierigen Situationen sollte stets im Nachhinein reflektiert und bewertet werden. Der/die Volksschulleiter/in sollte Antreiber/in einer wertschätzenden, sozial unterstützenden Schulkultur sein, die sich durch konstruktives Feedbackgeben auszeichnet. Eigene fachliche Kompetenzen sollten stets ausgebaut werden, indem Qualifizierungsangebote in Anspruch genommen werden. Es sollte stets an eigenen Selbst- und Sozialkompetenzen gearbeitet werden. Möglichkeiten des Persönlichkeitstrainings in Richtung „Ausbau und Nutzung von sozialen Netzwerken am Arbeitsplatz“ sollten genutzt werden. Der/die Volksschulleiter/in sollte für die eigene Gesundheit Sorge tragen. Der/die Volksschulleiter/in trägt zudem zumindest eine Teilverantwortung für die Gesundheit der in der Schule befindlichen Personen und sollte von ihm beeinflussbare Arbeits- bzw. Lernbedingungen gesundheitsförderlich gestalten. Der/die Volksschulleiter/in sollte sich in „belastenden“ Situationen bewusst (soziale) Ressourcen in Erinnerung rufen und versuchen, diese einzusetzen Der/die Volksschulleiter/in sollte seine/ihre eigenen Grenzen kennen und sich bei Bedarf (professionelle) Hilfe holen.

Die angeführten Handlungsempfehlungen auf Mikro-, Meso- und Makroebene verstehen sich nicht als Forderungskatalog. So ist der Autorin bewusst, dass nicht

6.4 Schlussfolgerungen und Ausblick für die Praxis

527

alle Handlungen umsetzbar, vielleicht in einzelnen Situationen sogar nicht sinnvoll sind. Stattdessen sollen die praktischen Schlussfolgerungen auf den unterschiedlichen Ebenen mögliche Ansatzpunkte für unterschiedliche Akteur/innen liefern, um Aktivitäten innerhalb von Volksschulen nicht nur an Leistung und Effizienz auszurichten, sondern auch die Gesundheit der darin befindlichen Personen – die eine Grundvoraussetzung für Leistung und Effizienz ist – zu fördern. Volksschuldirektor/innen stehen dabei als pädagogische Unternehmer/innen im Zentrum des Geschehens und nehmen wesentlich auf die Leistungsfähigkeit, Zufriedenheit und Gesundheit von Lehrkräften, Schüler/innen sowie anderen in der Schule agierenden Personen Einfluss. Der Grundsatz, den die Autorin der vorliegenden Arbeit in den Mittelpunkt ihrer Forschungsbemühungen stellte, sollte sowohl innerhalb der schulpädagogischen Forschung als auch der praktischen Schulleiterarbeit sowie im schulpolitischen Bereich weiterverfolgt werden und ständiger Begleiter aller Entscheidungen, Entwicklungen und Bemühungen sein: Nur wenn die Gesundheit von Schulleiter/innen auf wissenschaftlicher Ebene adäquat untersucht und daraus ableitend auf politischer und praktischer Ebene gefördert wird, können Schuldirektor/innen ihren zunehmenden Aufgaben und Anforderungen nachkommen und das Konzept der guten gesunden Schule Realität werden lassen.

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